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Hiſtoriſche Entwickelung
der heutigen
Staatsverfaſſung
des
Teutſchen Reichs


[figure]
Dritter und letzter Theil
von 1740. bis 1786.

Goͤttingen,:
im Verlage der Wittwe Vandenhoeck,
1787.

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An der
Koͤniginn
Sophie Charlotte
von
Großbritannien
gebohrner
Herzoginn zu Mecklenburg

Koͤnigliche Majeſtaͤt.


[][]

Allerdurchlauchtigſte,
Großmaͤchtigſte Koͤniginn,
Allergnaͤdigſte Koͤniginn und Frau.

Der huldreiche Beyfall, den Eure koͤnigliche
Majeſtaͤt
uͤber die beiden erſten Theile meiner hi-
ſtoriſchen Entwickelung der heutigen Teutſchen
Reichsverfaſſung, ſelbſt mit einer Aufforderung
zur baldigen Fortſetzung derſelben, in einem hoͤchſt-
eigenhaͤndigen Schreiben mir zu erklaͤren allergnaͤ-
digſt geruhet haben, hat es mir zur angenehmſten
Pflicht gemacht, dieſen dritten und letzten Theil,
[] ſo bald es mir nur moͤglich geweſen, zu Stande
zu bringen. Bey deſſen Ueberlieferung bleibt mir
nichts uͤbrig, als zur fernern koͤniglichen Huld in
derjenigen tiefſten Ehrfurcht mich zu empfehlen, in
welcher ich erſterbe
Eurer koͤniglichen Majeſtaͤt
Goͤttingen
den 16. Dec. 1786.
allerunterthaͤnigſter Diener
Johann Stephan Puͤtter.


[]

Inhalt.


  • Eilftes Buch der neueren Zeiten achtet
    Abſchnitt von Carls des VI. Tode bis zum Aach-
    ner Frieden 1740 bis 1748. S. 1 bis 66.
  • I. Reichsvicariat nach Carls des VI. Tode
    1740-1742. S. 1-6.
  • I. Mißliche Ausſichten fuͤr dieſe Zwiſchenzeit, S. 1. —
    II. inſonderheit unter andern wegen des Reichsvicariats.
    S. 2. — III. IV. Die Haͤuſer Baiern und Pfalz hatten
    zwar inzwiſchen 1724. einen Hausunionsvertrag geſchloſſen,
    S. 3. — V. und darin auch des Vicariates halber ſich
    auf eine gemeinſchaftliche Verwaltung deſſelben verglichen.
    S. 4. — VI. Allein es fehlte dazu die Genehmigung des
    Reichs. S. 5. — VII. Am Cammergerichte fand deswe-
    gen die Verfertigung eines gemeinſchaftlichen Vicariatsſie-
    gels Anſtand. S. 5. — VIII. Und ein Rheiniſches gemein-
    ſchaftliches Vicariatshofgericht zu Augsburg fand auch kei-
    nen Beyfall. — Alſo war auſſer dem Churſaͤchſiſchen Vi-
    cariatshofgerichte beynahe ein Stillſtand im Reichsjuſtitz-
    weſen. S. 6.
  • II. Schickſale der pragmatiſchen Sanction bis
    zur Kaiſerwahl Carls des VII. 1740-1742. S. 7-16.
  • I. Anſpruͤche des Hauſes Baiern auf die Oeſterreichi-
    ſche Erbfolge zur Entkraͤftung der pragmatiſchen Sanction.
    S. 7. — II. Deren Begruͤndung von wegen der ſo ge-
    nannten Regredienterbſchaft; S. 8. — III. die jedoch zum
    Nachtheile derer, die zum Letzten vom Mannsſtamm in naͤ-
    herem Verhaͤltniſſe ſtehen, nicht ſtatt findet. S. 9. — IV.
    V.
    Denn Recht und Ordnung der Erbfolge ſind zweyerley;
    a 4S.
    []Inhalt.
    S. 9. — VI. und eine Erbfolge, die einmal in eine Li-
    nie gekommen, bleibt in derſelben, ſo lange ſie waͤhret.
    S. 11. — VII. Darum hatte Carls des VI. Tochter Ma-
    ria Thereſia vor allen entfernteren weiblichen Nachkommen
    der vorigen Herren des Hauſes den Vorzug. S. 11. —
    VIII. Der bey den Verzichten der Toͤchter gewoͤhnliche Vor-
    behalt wirkt fuͤr ihre Nachkommen nur in ſo fern, als ſie
    die Reihe trifft. S. 12. — IX. Die ins Hans Baiern ver-
    maͤhlte Erzherzoginn Anna konnte ſich alſo fuͤr ihre Nach-
    kommen nur ſo viel vorbehalten, daß ihnen nach Abgang
    des Oeſterreichiſchen Mannsſtamms ihr Verzicht nicht mehr
    im Wege ſtehen ſollte; nicht aber daß ſie vor allen anderen
    weiblichen Nachkommen und ſelbſt vor der Tochter des Letz-
    ten vom Mannsſtamme den Vorzug haben ſollten; S. 13. —
    X. obgleich verſchiedene Rechtsgelehrte, aus uͤbel angewand-
    ten Roͤmiſchen Rechtsgrundſaͤtzen von bedingten Verzicht-
    leiſtungen, anderer Meynung waren. S. 13. — XI. Ma-
    ria Thereſia kam auch der pragmatiſchen Sanction gemaͤß
    zum Beſitz, S. 14. — XII. und uͤbertrug ihrem Gemah-
    le, um ihn zur Kaiſerwuͤrde zu verhelfen, die Ausuͤbung der
    Boͤhmiſchen Churſtimme. S. 14. — XIII. Allein durch
    einen Einbruch, den der Koͤnig von Preuſſen in Schleſien
    vornahm, um die Anſpruͤche ſeines Hauſes auf Jaͤgerndorf,
    Liegnitz, Brieg und Wohlan geltend zu machen, gaben der
    ganzen Sache eine andere Wendung. S. 14. — XIV. XV.
    Denn die Krone Frankreich bewirkte jetzt einen Bund zu
    Nymphenburg um ſowohl die Oeſterreichiſche Erbfolge als
    die Kaiſerwuͤrde dem Hauſe Baiern zuzuwenden. S. 15.
  • III. Wahlcapitulation Carls des VII. Neue
    Verordnungen derſelben, inſonderheit von Mißhei-
    rathen. Fuͤrſtentag zu Offenbach. Churfuͤrſtliche
    Collegialſchreiben. 1742. S. 17-31.
  • I. Vermuthete Veraͤnderungen in der Wahlcapitulation.
    S. 17. — II. Deswegen angeſtellter Fuͤrſtentag zu Offen-
    bach. S. 18. — III. Churfuͤrſtliche Collegialſchreihen. S.
    19. — IV. Widerſpruch der Fuͤrſten gegen verſchiedene
    neue Stellen in der Wahlcapitulation, S. 20. — V. in-
    ſonderheit einige den Reichsvicarien zugeſtandene Vortheile
    betreffend. S. 21. — VI. Mit anderen Stellen waren je-
    doch
    []Inhalt.
    doch die Fuͤrſten einverſtanden; — als namentlich mit ei-
    ner neu eingeruͤckten Stelle gegen Mißheirathen, S. 22. —
    VII. VIII. die zwar ſchon in aͤlterem Herkommen gegruͤn-
    det war, — nicht nur in Anſehung morganatiſcher Ehen,
    da abſichtlich die Unſtandesmaͤßigkeit der Gemahlinn und
    Kinder bedungen wird, S. 22. — IX. ſondern auch ohne
    ſolche Verabredung; — X. ohne daß auch Standeserhoͤ-
    hungen wider Willen der Stammsvettern dagegen etwas
    wirken koͤnnen. S. 25. — XI. Nur die gemeinen Roͤmi-
    ſchen und paͤbſtlichen Rechte ſchienen hier andere Grund-
    ſaͤtze aufzubringen. S. 26. — XII. Daruͤber gab eine Miß-
    heirath des Herzog Anton Ulrichs von Sachſen-Meinungen
    Anlaß zu dieſer neuen Stelle in der Wahlcapitulation, S.
    27. — XIII. welche hernach ſelbſt durch einen Reichsſchluß
    beſtaͤtiget wurde. S. 27. — XIV. Nur eine naͤhere Be-
    ſtimmung, was eigentlich Mißheirathen ſeyen? ward noch
    auf einen kuͤnftigen Reichsſchluß ausgeſtellt; — inſonder-
    heit ob die Ehe eines Fuͤrſten mit einer Adelichen eine Miß-
    heirath ſey; S. 28. — XV. wie allerdings der Teutſchen
    Verfaſſung gemaͤß zu ſeyn ſcheint; S. 29. — XVI. da
    auch widrigenfalls bedenkliche Folgen zu erwarten ſeyn moͤch-
    ten; S. 29. — XVII. Auf dieſes und mehr andere Colle-
    gialſchreiben iſt inzwiſchen noch keine Reichsberathſchlagung
    erfolget. S. 30.
  • IV. Merkwaͤrdigkeiten der Regierung Kaiſer
    Carls des VII. 1742. Jan. 24. — 1745. Jan. 20.
    S. 31-37.
  • I. So kurz dieſe Regierung war, ſo fruchtbar war ſie
    doch an wichtigen Begebenheiten. S. 31. — II. III. In-
    ſonderheit bekam die Preuſſiſche Macht einen betraͤchtlichen
    Zuwachs an Schleſien — und Oſtfriesland; S. 31. — IV.
    Dem Hauſe Sachſen-Weimar fiel Eiſenach zu, S. 32. —
    V. und dem Hauſe Naſſau-Oranien Siegen, — wiewohl
    auf letzteres noch ein Praͤtendent Anſpruch machte. S. 33. —
    VI. Das Haus Holſtein-Gottorp bekam nahe Ausſichten
    zur Throufolge in Schweden und Rußland. S. 34. —
    VII. Das Haus Heſſencaſſel erhielt einen guͤnſtigen Reichs-
    ſchluß zu Befeſtigung ſeines Beſitzes in der Grafſchaft Ha-
    nau, — wie auch ein unbeſchraͤnktes Appellationsprivile-
    gium. S. 35. — VIII. Durch kaiſerliche Standeserhoͤhun-
    a 5gen
    []Inhalt.
    gen wurden verſchiedene neue Fuͤrſten gemacht. S. 36. —
    IX. Manche Veraͤnderungen, die ſonſt noch in der Reichs-
    verfaſſung zu erwarten geweſen ſeyn moͤchten, unterbrach
    noch der Tod des Kaiſers. S. 36.
  • V. Merkwuͤrdigkeiten beym Antritt der Regie-
    rung Kaiſers Franz des I. 1745. S. 37-46.
  • I. Fuͤßner Friede zwiſchen Oeſterreich und Baiern. S.
    37. — II. Kaiſerwahl und Kroͤnung Franz des I. S. 38. —
    III. Nunmehrige Zulaßung des Boͤhmiſchen Wahlbotſchaf-
    ters, ohne weitern Anſtand, daß eine Dame die Churſtim-
    me fuͤhren koͤnne. S. 38. — IV. Dresdner und Aachner
    Friedensſchluͤſſe. S. 38. — V. Beide ohne Theilnehmung
    des Reichs, S. 39. — VI. außer daß der Dresdner Frie-
    de vom Reiche garantirt wurde, — nur mit Vorbehalte
    der Rechte des Reichs in Anſehung Schleſiens. S. 40. —
    VII. Das Reich hatte dem Kaiſer nur eine Geldhuͤlfe be-
    williget, und ſich zur Vermittelung des Friedens erboten.
    S. 40. — VIII. Neue Frage und Verordnung uͤber die
    Fortdauer der Aſſociation der vorliegenden Kreiſe. S. 41. —
    IX. Neue Einrichtung wegen Abwechſelung des Rheiniſchen
    Reichsvicariates. S. 41. — X. Ruͤckkehr des ehemaligen
    Verhaͤltniſſes zwiſchen der Kaiſerwuͤrde und dem Hauſe Oe-
    ſterreich. S. 42. — XI. Damit gehobene Schwierigkeit
    wegen des kaiſerlichen Reichshofarchives, S. 43. — XII.
    wie auch wegen Veraͤnderung des Reichshofraths von einer
    kaiſerlichen Regierung zur andern, S. 44. — XIII. in-
    gleichen mit den Stellen des Reichsvicecanzlers und Reichs-
    referendarien. S. 44.
  • VI. Reichstagsverhandlungen uͤber Recurſe und
    Ceremonielſtreitigkeiten 1745-1748. S. 47-66.
  • I. II. Von Reichsgerichts-Erkenntniſſen wurden jetzt
    immer haͤufiger Recurſe an den Reichstag genommen. S.
    47. — III. Doch war ſchwer zu beſtimmen, in welchen
    Faͤllen es mit Recht geſchehe? S. 49. — IV. V. Vier
    jetzt gegen das Cammergericht betriebene Recurſe veran-
    laßten die Frage: ob nicht wenigſtens erſt Bericht vom Cam-
    mergerichte zu fordern ſey? S. 50. — VI. Eine ſcheinbare
    Ausfuͤhrung erſchien dawider; S. 52. — VII. doch im
    Grun-
    []Inhalt.
    Grunde war mehr fuͤr die Berichtsforderung. S. 54. —
    VIII. IX. Inſonderheit diente ein Sachſen-Meinungiſcher
    Recurs in der Gleichiſchen Sache bald zum Beweiſe, daß
    ſelbſt Thatſachen, wie ſie in fuͤrſtlichen Schriften erzehlt
    werden, nicht immer ganz zuverlaͤßig ſeyen. S. 55. — X.
    Ein Churpfaͤlziſcher Recurs erhielt zwar ein guͤnſtiges chur-
    fuͤrſtliches Concluſum; aber die Hoffnung zu einem gleich-
    maͤßigen fuͤrſtlichen Schluſſe ward noch vereitelt. S. 57. —
    XI. Ueber einen andern Recurs des Herzog Anton Ulrichs
    von Sachſen-Meinungen wegen der Succeſſionsfaͤhigkeit
    ſeiner in einer Mißheirath erzeugten Soͤhne erfolgte ein wi-
    driger Reichsſchluß. S. 58. — XII. XIII. Als der neue
    Principalcommiſſarius, Fuͤrſt von Taxis, das erſtemal zur
    Tafel bitten ließ, erwachte der alte Rangſtreit zwiſchen geiſt-
    lichen und weltlichen Fuͤrſten; S. 59. — XIV-XVIII.
    Woruͤber zehn Schriften vom Heſſencaſſeliſchen, Heſſendarm-
    ſtaͤdtiſchen, Bambergiſchen, Graͤflichen, Hollaͤndiſchen und
    Bairiſchen Geſandten nach einander zum Vorſcheine kamen; —
    deren Hauptinhalt hier bemerklich gemacht wird. S. 61.
  • Zwoͤlftes Buch der neueren Zeiten
    neunter Abſchnitt vom Aachner Frieden bis zur Roͤ-
    miſchen Koͤnigswahl Joſephs des II. 1748-1764.
    S. 67-113.
  • I. Der Friedenszeit bis zum ſiebenjaͤhrigen
    Kriege erſte Abtheilung 1748-1753. Inſonderheit
    die in dieſer Zeit vorgegangene Muͤnzveraͤnderung;
    Hohenlohiſche Religionsbeſchwerden; und Recurs
    gegen die Reichsritterſchaft. S. 67-78.
  • I. Veraͤnderungen, ſo im bisherigen Syſteme von Eu-
    ropa ſeit dem Aachner Frieden merklich geworden, — in-
    ſonderheit das Vernehmen zwiſchen Oeſterreich und Frank-
    reich betreffend; S. 68. — II. Benutzung dieſer Friedens-
    zeit, beſonders in den Preuſſiſchen Staaten. S. 69. — III.
    Muͤnzveraͤnderung, wegen unrichtigen Verhaͤltniſſes zwi-
    ſchen Gold und Silber, S. 69. — IV. ſo Graumann im
    Leip-
    []Inhalt.
    Leipziger Fuße entdeckt. S. 70. — V. Dadurch veranlaßter
    Schriftwechſel, S. 71. — VI. und ſo genannter Conven-
    tionsfuß. S. 71. — VII. Hohenlohiſche Religionsbeſchwer-
    den, S. 72. — VIII. woruͤber das evangeliſche Corpus
    die im Weſtphaͤliſchen Frieden nachgelaßene Selbſthuͤlfe ver-
    fuͤget, S. 73. — IX. am kaiſerlichen Hofe aber und beym
    catholiſchen Religionstheile großes Aufſehen erwaͤchſt. S.
    73. — X. XI. Wider die Reichsritterſchaft wird von Wuͤr-
    tenberg ein wichtiger Recurs betrieben; S. 74. — XII. in-
    ſonderheit wegen fortgehender Beſteurung ritterſchaftlicher
    Guͤter, die in reichsſtaͤndiſche Haͤnde kommen; S. 75. —
    XIII. wie auch wegen des von der Reichsritterſchaft be-
    haupteten Naͤherrechts im Verkaufen ritterſchaftlicher Guͤter;
    wegen gemeinſamer Vertretung ihrer einzelnen Glieder; we-
    gen haͤufiger Aufnahme ſo genannter Perſonaliſten ꝛc.; S.
    76. — XIV. jedoch ohne daß der bewirkte Reichsſchluß dem
    gewuͤnſchten Zwecke gemaͤß ausfaͤllt. S. 77.
  • II. Der Friedenszeit bis zum ſiebenjaͤhrigen
    Kriege zweyte Abtheilung 1753-1756. Neuer
    Stoff zu Irrungen zwiſchen den Hoͤfen zu Wien
    und Berlin, und zwiſchen beiden Religionstheilen.
    S. 78-86.
    I. Neue Vorfaͤlle, wo die Hoͤfe zu Wien und Berlin,
    oder auch beide Religionstheile verſchieden dachten. S. 78. —
    II. III. Einfuͤhrung der Taxiſchen Stimme im Reichsfuͤr-
    ſtenrathe gegen die Mehrheit der Stimmen auf der weltli-
    chen Fuͤrſtenbank. S. 79. — IV. V. Religionsaͤnderung
    des damaligen Erbprinzen von Heſſencaſſel, und deshalb
    getroffene Verſicherungsanſtalten. S. 80. — VI. Trans-
    plantation der evangeliſchen Unterthanen in Kaͤrnthen,
    Steiermark und Oberoeſterreich nach Ungarn und Sieben-
    buͤrgen. S. 83. — VII. Neuer Bau eines Capucinerklo-
    ſters in der graͤflich Wiedrunkeliſchen Reſidenz zu Dierdorf.
    S. 84. — VIII. Geheime Nachricht, daß man zu Wien
    damit umgehe, den Religionsſachen im Reiche ein anderes
    Anſehen zu geben, und Schleſien wieder zu erobern. S. 86.
  • III. Urſachen des ſiebenjaͤhrigen Krieges, und
    was Kaiſer und Reich dabey fuͤr eine Parthey er-
    griffen. 1756. 1757. S. 87-97.
  • I. Geheimer Vertrag, den die Hoͤfe von Wien und
    Dresden am 18. May 1745. zu Leipzig geſchloſſen, um dem
    Koͤnige in Preuſſen nicht nur Schleſien, ſondern noch mehr
    Laͤnder abzunoͤthigen. S. 87. — II. Geheimer Artikel ei-
    nes vom Wiener Hofe mit dem zu Petersburg am 22. May
    1746. geſchloſſenen Buͤndniſſes. S. 88. — III. Noch hin-
    zugekommene geheime Nachrichten, wegen deren der Koͤnig
    in Preuſſen glaubte, ſich im Fall einer Nothwehr und ge-
    rechten Praͤvention zu finden. S. 89. — IV. Der Reichs-
    hofrath nahm es hingegen auf den Fuß eines Landfriedens-
    bruchs. S. 90. — V. Und am Reichstage ward ein Reichs-
    executionskrieg gegen Churbrandenburg beſchloſſen. S. 91. —
    VI. Wegen Verſagung der Dictatur, die einem dawider ge-
    richteten Aufſatze des Berliner Hofes widerfuhr, ward bey
    dieſer Gelegenheit eine bisher beſtrittene Stelle der Wahlca-
    pitulation in Gang gebracht. S. 94. — VII. VIII. Auch
    entſtand ein Streit uͤber die Art die Stimmen auf dem
    Reichstage abzulegen. S. 93. — IX. Inzwiſchen erfolgte
    eine Erklaͤrung der Kronen Frankreich und Schweden wegen
    ihrer uͤbernommenen Garantie des Weſtphaͤliſchen Friedens.
    S. 95. — X. Hingegen der Berliner Hof berief ſich auf
    eine Stelle der Wahlcapitulation, vermoͤge deren keine frem-
    de Kriegsvoͤlker auf Teutſchen Boden gefuͤhret werden ſoll-
    ten. S. 96. — XI. Nach einer vom Koͤnige verlohrnen
    Schlacht und nach dem Vorgange Franzoͤſiſcher, Ruſſiſcher
    und Schwediſcher Kriegsheere kam auch ein Reichsexecu-
    tionsheer ins Feld, ward aber bey Roßbach geſchlagen. S. 96.
  • IV. Reichsexecutionskrieg 1757., und was da-
    bey in Anſehung der Reichskriegsverfaſſung vorge-
    kommen. S. 98-108.
  • I. Maͤngel der Reichskriegsverfaſſung, wie ſie inſon-
    derheit bey der Schlacht bey Roßbach entdeckt worden; —
    beſonders wegen der jedem Reichsſtande uͤberlaßenen Unter-
    haltung ſeines Contingents; S. 98. — II. wegen der des-
    wegen erforderlichen vielen Beckereyen, S. 99. — III. we-
    gen
    []Inhalt.
    gen Verſchiedenheit der Loͤhnung; S. 101. — IV. wegen
    Mangels vieler Kriegsbeduͤrfniſſe und ungleicher Calibre ꝛc.
    S. 101. — V. Reichsoperationscaſſe von bewilligten Roͤmer-
    monathen, — VI. und deren Berechnung. S. 102. —
    VII. VIII. Aſſignationen und Compenſationen, ſo dabey
    vorzukommen pflegen. S. 103. — IX. Beſteurung der Un-
    terthanen zu den Roͤmermonathen; — deren Vervielfaͤlti-
    gung fuͤr nicht bewaffnete Staͤnde. S. 105. — X. Reichs-
    generalitaͤt, S. 105. — XI. die jetzt auch in Friedenszeit
    unterhalten wird, S. 106. — XII. aber nur bey wuͤrkli-
    chen Feldzuͤgen Vortheile zu genießen hat. S. 107. — XIII.
    Ueber die Befehlshabung des Reichskriegsheeres wird jedes-
    mal beſondere Verfuͤgung getroffen. S. 107. — XIV. Ein
    Reichskriegsrath, der vermoͤge der Wahlcapitulation von
    beiden Religionstheilen beſtellt werden ſollte, iſt wuͤrklich
    nicht in Uebung. S. 108.
  • V. Verhandlungen uͤber das Vorhaben den
    Koͤnig in Preuſſen in die Acht zu erklaͤren, und uͤber
    einen Friedenscongreß zu Augsburg. Endlich ge-
    ſchloſſener Friede zu Hubertsburg. 1758-1763. S.
    109-113.
  • I. Als es im Werk war unmittelbar in den drey Reichs-
    collegien auf die Achtserklaͤrung des Koͤnigs in Preuſſen an-
    zutragen; beſchloß das evangeliſche Corpus zur Aufrechthal-
    tung der Wahlcapitulation in partes zu gehen. S. 109. —
    II. Dieſen Schluß unternahm der Kaiſer vergeblich fuͤr nich-
    tig zu erklaͤren. S. 110. — III. Zum Friedenscongreſſe,
    der zu Augsburg gehalten werden ſollte, wollte das Reich
    ſich aufdringen, S. 111. — IV. und auf Beſtaͤtigung der
    vorigen Friedensſchluͤſſe, ohne den Ryßwickiſchen davon aus-
    zunehmen, dringen. — Daruͤber kam es wieder zur Tren-
    nung beider Religionstheile; — und aus dem Congreſſe
    wurde nichts. S. 111. — V. Dem Kriege wurde inzwi-
    ſchen durch anderweitige Friedensſchluͤſſe, inſonderheit zu
    Paris und zu Hubertsburg, ein Ende gemacht. S. 112.
  • Dreyzehntes Buch der neueren Zei-
    ten zehnter Abſchnitt von Joſeph dem II. 1764-1786.
    S. 114-214.
  • I. Roͤmiſche Koͤnigswahl Joſephs des II. 1764.
    S. 114-120.
  • I. Churfuͤrſtlicher Collegialtag und Wahlconvent zu
    Frankfurt. S. 114. — II. Wahlcapitulation und churfuͤrſt-
    liche Collegialſchreiben an den Kaiſer. S. 115. — III.
    Zwey kaiſerliche Commiſſarien bey dieſer churfuͤrſtlichen Ver-
    ſammlung. S. 116. — IV. Irrung uͤber die Zahl der Ca-
    nonenſchuͤſſe bey der Ankunft der kaiſerlichen Commiſſarien
    und der Churfuͤrſten. S. 116. — V. Abaͤnderung in Anſe-
    hung der ehemaligen perſoͤnlichen Anweſenheit des neu ge-
    wehlten Roͤmiſchen Koͤnigs im Conclave, S. 117. — VI.
    und in Anſehung der ſonſt demſelben perſoͤnlich ertheilten
    vaͤterlichen Einwilligung. S. 117. — VII. Vollziehung
    dieſer Roͤmiſchen Koͤnigswahl ohne vorgaͤngige Einwilligung
    des Reichstages. S. 118. — VIII. Diesmal waren das
    erſtemal alle neun churfuͤrſtliche Stimmen bey der Wahl im
    Gange. S. 119. — IX. Neue Beſchwoͤrung der Churver-
    ein. — Beſondere Bemerkung uͤber die Abwechſelung im
    Range zwiſchen Churtrier und Churcoͤlln. S. 119. — X.
    Genehmigter Vergleich der Hoͤfe zu Muͤnchen und Manheim
    uͤber die Abwechſelung des Rheiniſchen Reichsvicariates. —
    Noch ein Vergleich der Vicariatshoͤfe uͤber die Graͤnzen des
    Rheiniſchen und Saͤchſiſchen Vicariates ward zur reichstaͤ-
    gigen Berathſchlagung und Genehmigung empfohlen. S. 120.
  • II. Cammergerichts-Viſitation 1767-1776.
    S. 121-151.
  • I. Preiswuͤrdiger Juſtitzeifer Joſephs des II., S.
    122. — II. wie er ſich durch eine eigne Verordnung an den
    Reichshofrath an den Tag legte, S. 122. — III. und von
    einer vorzunehmenden Viſitation des Cammergerichts das
    beſte hoffen ließ. S. 123. — IV. Daruͤber ward ſchon
    eine wichtige Reichstagsberathſchlagung in Gang gebracht.
    S. 124. — V. Aber aus einer Schrift unter dem Titel:
    Betrachtungen uͤber das Viſitationsweſen, ergaben ſich ganz
    neue
    []Inhalt.
    neue Grundſaͤtze, — als ob die Viſitation nur ein Gericht
    ſey; S. 124. — VI. und nicht vom Reichstage abhange,
    S. 125. — VII. ſondern vermoͤge eines R. A. vom Jahre
    1543. nur vom kaiſerlichen Hofe; S. 126. — VIII. der al-
    ſo in Gefolg der ſchon vorhandenen Reichsgeſetze alles uͤbri-
    ge fuͤr ſich beſtimmen koͤnne. S. 127. — IX. Dieſe Grund-
    ſaͤtze fieng man zu Wien an zu befolgen. S. 128. — X.
    Die Viſitation ward im May 1767. eroͤffnet. S. 129. —
    XI. Nun ereignete ſich gleich anfangs eine Schwierigkeit
    wegen Abtheilung der eigentlichen Viſitation und der Revi-
    ſionen; S. 130. — XII. und wegen einer Churmainziſchen
    Behauptung in jedem Reviſionsſenate einen Subdelegirten
    zu haben; S. 131. — XIII. welches eine von den Veran-
    laßungen war, woruͤber die Viſitation zuletzt ſcheiterte. S.
    132. — XIV. Dazu kam eine ſehr weitlaͤuftige Behand-
    lung des Geſchaͤffts mit jedesmaligen 24. grundausfuͤhrli-
    chen gelehrten Abſtimmungen; S. 133. — XV. ohne daß
    der Vorſchlag Subdeputationen zu veranſtalten ins Werk
    gerichtet werden konnte. S. 134. — XVI. Eine unerwar-
    tete Entdeckung, daß ein Jude mit Sollicitaturen ein Ge-
    werbe getrieben, und drey Aſſeſſoren ſich beſtechen laßen,
    gab Stoff zu einer weitlaͤuftigen Unterſuchung. S. 134. —
    XVII. Nach Verlauf eines Jahres entſtand Streit uͤber die
    Abloͤſung der erſten Claſſe, wozu es doch erſt im Nov. 1774.
    kam. S. 135. — XVIII. Noch entſtand ein Streit, ob die
    kaiſerliche Commiſſion einen durch Mehrheit der Stimmen
    gefaßten Schluß durch Verſagung ihrer Genehmigung ent-
    kraͤften koͤnne? S. 137. — XIX. Ein Bericht an Kaiſer
    und Reich veranlaßte endlich einen Reichsſchluß uͤber ver-
    ſchiedene bey der Viſitation vorgekommene Gegenſtaͤnde. S.
    137. — XX. Zur Berichtigung des Concepts der C. G.
    O. hatte die Viſitation vorlaͤufig einiger Aſſeſſoren Gutach-
    ten bewirket, aber ſelbſt noch nicht Hand angelegt. S.
    138. — XXI. Hingegen viele Beſchwerden einzelner Reichs-
    ſtaͤnde in ihren Rechtsſachen hatten die Viſitation uͤber die
    Gebuͤhr beſchaͤfftiget. S. 139. — XXII. Endlich kam noch
    ein Streit uͤber die Art der graͤflichen Theilnehmung an der
    Viſitation hinzu, — die nicht einzelnen Grafen ſondern nur
    den vier Grafencollegien zugeſtanden werden konnte, S.
    140. — XXIII-XXV. wovon das Fraͤnkiſche und Weſtphaͤ-
    liſche ſowohl als das Wetterauiſche bisher fuͤr pur evange-
    liſch gerechnet waren. S. 141. — XXVI. So hatte auch
    noch
    []Inhalt.
    noch 1766. der ganze Reichstag die Sache genommen.
    S. 143. — XXVII. XXVIII. Jetzt ſollten aber auf ein-
    mal die Weſtphaͤliſchen und Fraͤnkiſchen Grafen nach ein-
    ander auf der catholiſchen Seite berufen werden, — wie
    bey der zweyten Claſſe ein catholiſcher Bevollmaͤchtigter des
    Grafen von Metternich von wegen der Weſtphaͤliſchen Gra-
    fen erſchien. S. 144. — XXIX. XXX. Daruͤber erfolgten
    zu Regensburg von beiden Religionstheilen einander entge-
    gengeſetzte Schluͤſſe, — und zu Wetzlar eine ungluͤckliche
    Trennung der ganzen Viſitation. S. 146. — XXXI.
    XXXII.
    Auch erſchienen von beiden Seiten Schriften, —
    deren Werth erſt die Nachwelt unpartheyiſch zu beurtheilen
    vermoͤgend ſeyn wird. S. 147. — XXXIII. Der Vorwurf,
    daß ein von Carlsruh erlaßenes Schreiben auf das ganze
    Geſchaͤfft widrigen Einfluß gehabt haben ſollte, war zuver-
    laͤßig ungegruͤndet. S. 149.
  • III. Ueberbleibſel der Cammergerichtsviſitation.
    Streit uͤber die Religionseigenſchaft der Fraͤnkiſch
    und Weſtphaͤliſch graͤflichen Stimmen. Befolgung
    des Reichsſchluſſes 1775. S. 152-169.
  • I. Erfolg des Streits uͤber die Religionseigenſchaft
    der Fraͤnkiſch und Weſtphaͤliſch graͤflichen Stimmen. —
    Fuͤnfjaͤhrige voͤllige Unthaͤtigkeit des Reichstages. S. 152. —
    II. Vermehrung der Anzahl der Cammergerichtsbeyſitzer bis
    auf 25. — erſt ſeit dem 1. Jun. 1782. S. 155. — III-
    VII.
    Befolgung des Reichsſchluſſes 1775. in Anſehung der
    Senate am C. G. — mit merklichen Mißdeutungen und
    noch immer uͤbrig gelaßenen Anſtaͤnden. S. 156. — VIII.
    Andere Verfuͤgungen des Reichsſchluſſes, um allerley nach-
    theilige Directorialwillkuͤhren einzuſchraͤnken. S. 161. —
    IX. Verſchiedene Gegenſtaͤnde, woruͤber erſt die Viſitation
    berichten ſollte, — die aber inzwiſchen abgebrochen iſt, und
    alſo erſt wieder hergeſtellt werden muͤßte. S. 162. — X.
    XI.
    Vorzuͤglich wuͤnſchenswerth waͤre eine naͤhere geſetzliche
    Beſtimmung der Faͤlle, wann Mandate ohne Clauſel von
    Reichsgerichten ſollen erkannt werden koͤnnen; S. 162. —
    XII. ingleichen der ſo genannten Ordinationen, die erſt in
    neueren Zeiten am Cammergerichte haͤufig in Gang gekom-
    men ſind; S. 164. — XIII. und wie den Colliſionen, die
    bſich
    []Inhalt.
    ſich oft zwiſchen beiden Reichsgerichten ereignen, abzuhel-
    fen ſey; S. 166. — XIV. da unter andern der Reichs-
    hofrath in Sachen, welche kaiſerliche Reſervatrechte und
    die Aufrechthaltung der paͤbſtlichen Concordate betreffen,
    dem Cammergerichte keine concurrirende Gerichtbarkeit zu-
    geſtehen will. S. 167. — XV. Woruͤber wegen einer von
    Seiten des kaiſerlichen Hofes einſeitig geſchehenen Abforde-
    rung der Cammergerichts-Acten und Berathſchlagungs Pro-
    tocolle noch erſt 1786. neue Irrungen entſtanden ſind. S.
    168. — XVI. Biedermaͤnniſcher Wunſch, daß allen ſol-
    chen Irrungen durch Befolgung gleichfoͤrmig richtiger Grund-
    ſaͤtze abgeholfen werden moͤchte. S. 169.
  • IV. Neue Ausſichten fuͤr die Religionsbe-
    ſchwerden. S. 170-174.
  • I. II. Zu Abhelfung der Religionsbeſchwerden war ſeit
    1742. eine neue Stelle in die Wahlcapitulation eingeruͤckt,
    S. 170. — III. und auf Veranlaßung eines churfuͤrſtli-
    chen Collegialſchreibens 1764. von Joſeph dem II. eine preis-
    wuͤrdige Erklaͤrung ertheilet. S. 171. — IV. Zu deren Be-
    folgung und Benutzung ward 1770. eine beſondere Depu-
    tation ſechs evangeliſcher Reichsſtaͤnde beſchloſſen und ins
    Werk gerichtet; wozu jedoch die zur Beſtreitung der Unko-
    ſten noͤthigen Geldbeytraͤge mit Ausgang des Jahres 1784.
    meiſt erſchoͤpft ſind. S. 173.
  • V. Veraͤnderungen in der catholiſchen Kirchen-
    verfaſſung; beſonders mit Aufhebung der Jeſuiten.
    S. 174-184.
  • I. Erneuerte Beſchwerden der Teutſchen catholiſchen
    Kirche uͤber den Roͤmiſchen Hof, S. 174. — II. inſon-
    derheit auf Veranlaßung eines Streits zwiſchen dem Bi-
    ſchofe und Domcapitel, und dem Domdechanten zu Speier, —
    den die paͤbſtliche Rota zum Nachtheile der erzbiſchoͤflichen
    Inſtanz zu Mainz nach Rom ziehen wollte; S. 175. —
    III. da jedoch, auf ein churfuͤrſtliches Collegialſchreiben an
    den Kaiſer, der Pabſt nachgab; — wiewohl der Inhalt die-
    ſes Collegialſchreibens noch nicht ganz erſchoͤpft iſt. S. 175. —
    IV. Inzwiſchen erſchien daruͤber in Druck eine vollſtaͤndi-
    gere
    []Inhalt.
    gere Ausgabe der Concordate, mit eingeruͤckter Acceptation
    der Baſeliſchen Concilienſchluͤſſe, — und ein der paͤbſtlichen
    Gewalt ſehr nachtheiliges Buch unter dem Namen Juſtinus
    Febronius. S. 178. — V. Auch entwarfen die drey geiſt-
    lichen Churfuͤrſten von neuem ihre Beſchwerden uͤber den
    Roͤmiſchen Hof; — wiewohl ohne noch die gehoffte Unter-
    ſtuͤtzung vom Kaiſer zu erlangen. S. 180. — VI. Die
    wichtigſte Veraͤnderung ereignete ſich endlich mit Aufhebung
    der Jeſuiten; S. 180. — VII. wovon ſich ſchon mit mehr
    Aufklaͤrung und toleranteren Geſinnungen betraͤchtliche Fol-
    gen zu zeigen anfiengen; S. 181. — VIII. zum Theil ſchon
    unter Maria Thereſia, aber noch ungleich mehr unter Jo-
    ſeph dem II., in den Oeſterreichiſchen Erbſtaaten. S. 182. —
    IX. Doch blieben noch immer Exjeſuiten in Teutſchland
    wirkſam gnug. S. 182. — X. Und unter Ruſſiſchem Schutze
    fand der Orden noch Mittel von neuem ſich fortzupflanzen.
    S. 183.
  • VI. Abgang des Hauſes Baiern und daruͤber
    entſtandener Krieg bis zum Teſchner Frieden 1777-
    1779. S. 185-202.
  • I. Nach Abgang des Hauſes Baiern behauptete Chur-
    pfalz die Erbfolge in deſſen Staaten. S. 186. — II. III.
    Allein Oeſterreich machte jetzt Anſpruch auf Niederbaiern,
    S. 186. — IV. und auf Lehnſtuͤcke, die dem Reiche und
    der Krone Boͤhmen eroͤffnet ſeyen. S. 188. — V. Der
    Churfuͤrſt von der Pfalz bequemte ſich dieſe Anſpruͤche anzu-
    erkennen. S. 188. — VI. Aber der Herzog von Zwey-
    bruͤcken widerſprach, und wurde, nebſt anderen Anſpruͤchen
    des Churhauſes Sachſen und des Herzogs von Mecklenburg,
    vom Koͤnige in Preuſſen unterſtuͤtzt. S. 188. — VII-IX.
    Als es daruͤber zum Kriege kam, gab eine Erklaͤrung des
    Ruſſiſchen Hofes den groͤßten Nachdruck; S. 189. — X.
    ſo daß es unter Ruſſiſcher und Franzoͤſiſcher Vermittelung
    zu Teſchen bald zum Frieden kam; — vermoͤge deſſen be-
    kam Oeſterreich nur den Strich Landes zwiſchen der Do-
    nau, dem Inn und der Salze. S. 192. — XI. Churſach-
    ſen bekam fuͤr die Mobiliarverlaßenſchaft ſechs Millionen
    Gulden. S. 193. — XII. Dem Hauſe Mecklenburg wur-
    de zu einer unbeſchraͤnkten Befreyung von allen Appellatio-
    b 2nen
    []Inhalt.
    nen Hoffnung gemacht. S. 194. — XIII. Ein gelegent-
    lich erhobener Anſtand wegen kuͤnftiger Wiedervereinigung
    der Brandenburgiſchen Fuͤrſtenthuͤmer in Franken mit der
    Chur Brandenburg wurde gaͤnzlich gehoben. S. 196. —
    XIV. Ueber alles das enthielt der Teſchner Friede nicht nur
    die Garantie von Frankreich und Rußland; — ſondern es
    erfolgte auch die ausbedungene Einwilligung des Teutſchen
    Reichs; — nur mit Vorbehalt eines jeden Dritten erweis-
    licher Rechte, S. 196. — XV. wie namentlich theils ſchon
    zu Teſchen, theils zu Regensburg verſchiedene Reichsſtaͤnde
    ſich mit ihren Anſpruͤchen gemeldet hatten, — wovon z.
    B. die von Salzburg und wegen Donawerth noch durch be-
    ſondere Vergleiche gehoben ſind. S. 197. — XVI. We-
    gen der erledigten Reichslehne erfolgte auch die erforderliche
    Einwilligung der beiden hoͤheren Reichscollegien; — und
    uͤber alles das die kaiſerliche Genehmigung. S. 198. —
    XVII. Der ganze Friede war nicht nur Franzoͤſiſch abge-
    faſſet, ſondern auch in dieſer Sprache ohne beygefuͤgte Ueber-
    ſetzung dem Reichstage vorgelegt worden. S. 199.
  • VII. Neueſte Vorfaͤlle ſeit dem Teſchner Frie-
    den. Tod der Kaiſerinn Maria Thereſia. Fuͤrſten-
    bund 1785. Schluß des Zeitalters Friedrichs des II.
    S. 203-213.
  • I. Joſephs des II. Regierungsantritt und große neue
    Veranſtaltungen in ſeinen Erblanden. — Irrungen mit
    den vereinigten Niederlanden wegen Eroͤffnung der Schel-
    de ꝛc. S. 203. — II. Beſorgniſſe wegen einiger bey der
    Gelegenheit geaͤußerten Grundſaͤtze; S. 204. III. IV. wie
    auch wegen verſchiedener Unternehmungen gegen das Hoch-
    ſtift Paſſau und das Erzſtift Salzburg; S. 204. — V.
    ingleichen wegen verſchiedener in Reichsſachen von aͤlteren
    Zeiten her von neuem hervorgeſuchter kaiſerlichen Vorrech-
    te, S. 206. — VI. z. B. der ſo genannten Panisbriefe;
    S. 207. — VII. ferner wegen ein und andern Betragens
    der Oeſterreichiſchen Directorialgeſandtſchaft zu Regensburg;
    S. 208. — VIII. und wegen einiger Unternehmungen ge-
    gen mindermaͤchtige Nachbaren. S. 210. — IX. Endlich
    dem Herzoge von Zweybruͤcken zugemuthete Einwilligung,
    Baiern gegen die Oeſterreichiſchen Niederlande unter dem
    Titel
    []Inhalt.
    Titel eines Koͤnigreichs Burgund vertauſchen zu laßen; S.
    210. — X. ſo zu Berlin dem Teſchner Frieden zuwider
    gehalten wurde. S. 211. — XI. Daruͤber geſchloſſener
    Fuͤrſtenbund; — eine der letzten Thaten Friedrichs des II.,
    deſſen Zeitalter hiermit einen merkwuͤrdigen Abſchnitt in der
    Geſchichte macht. — Hoffnung und Wunſch die bisher
    entwickelte Reichsverfaſſung bis auf die ſpaͤteſten Zeiten da-
    durch befeſtiget zu ſehen! S. 212.
  • Vierzehntes Buch. Einige allgemeine
    Bemerkungen uͤber die Verfaſſung des Teutſchen
    Reichs, wie ſie jetzt wuͤrklich iſt. S. 214.
  • I. Einige Bemerkungen uͤber die drey Orte
    Wien, Regensburg und Wetzlar, wo die Reichs-
    verfaſſung noch am meiſten ſichtbar iſt. S. 214-233.
  • I. Noch immer fortwaͤhrende Einheit des Teutſchen
    Reichs, wie ſie beſonders vorzuͤglich noch zu Wien, Re-
    gensburg und Wetzlar ſichtbar iſt. S. 214. — II. Zu
    Wien werden die Reichsſachen nur ſehr durch das groͤßere
    Gewicht der kaiſerlichen Erblande verdunkelt. S. 215. —
    III. Zur Geſchaͤfftsbehandlung zwiſchen dem kaiſerlichen Ho-
    fe und den Reichsſtaͤnden dienen uͤbrigens theils Reichshof-
    rathsagenten oder reichsſtaͤndiſche Geſandten zu Wien, theils
    kaiſerliche Geſandten im Reiche. S. 218. — IV. Am feier-
    lichſten zeigt ſich zu Wien das Band zwiſchen Haupt und
    Gliedern in den Reichsbelehnungen; S. 219. — V. VI.
    inſonderheit uͤber Thronlehne. S. 220. — VII. Anſtaͤnde
    die ſich dabey wegen der Entſchuldigung, nicht in Perſon
    zu erſcheinen, ereignet; S. 222. — VIII. wie auch
    wegen Anfallsgelder und Laudemien. S. 223. — IX. Zu
    Regensburg faͤllt der Reichstag mehr in die Augen, hat
    aber doch an der Zahl der reichsſtaͤndiſchen Geſandten merk-
    lich abgenommen. S. 229. — X. Auch in den Berath-
    ſchlagungen iſt nicht mehr ſo viele Thaͤtigkeit, als ehedem.
    S. 230. — XI. Zu Wetzlar iſt das Cammergericht in be-
    ſtaͤndiger Thaͤtigkeit, — doch eigentlich nur in Rechts-
    ſachen; S. 232. — XII. auſſer wenn Fragen uͤber die Ver-
    b 3faſ-
    []Inhalt.
    faſſung des Cammergerichts ſelbſt zur Sprache kommen.
    S. 232.
  • II. Ein Hauptzweck, der in der bisherigen
    Reichsverfaſſung zur allgemeinen Sicherheit und
    Wohlfahrt noch immer durch reichsgerichtliche Er-
    kenntniſſe erreicht wird. S. 234-244.
  • I. Ein wichtiger Vortheil der Reichsverfaſſung iſt
    noch, daß gegen alle Mitglieder des Reichs richterliche Huͤl-
    fe ſtatt findet; S. 234. — II. III. ſelbſt zum Vortheile
    der Unterthanen gegen ihre Landesherrſchaften; S. 235. —
    IV. wie auch zum Vortheile der Glaͤubiger gegen verſchul-
    dete Reichsſtaͤnde; — beſonders in ſo genannten Debitcom-
    miſſionen. S. 239. — V. Nur wegen der Recnrſe, die
    von Reichsſtaͤnden gegen widrige reichsgerichtliche Erkennt-
    niſſe haͤufig an den Reichstag genommen werden, waͤre eine
    genauere geſetzliche Beſtimmung zu wuͤnſchen; S. 241. —
    VI. VII. die aber auch ihre Schwierigkeiten hat. S. 241. —
    VIII. Bis dahin beruhet der Ausgang eines jeden Recur-
    ſes auf der Mehrheit der Stimmen in den drey Reichscolle-
    gien. S. 243.
  • III. Noch einige Bemerkungen von Wahlcon-
    venten, Kreisverſammlungen und Trennung der
    beiden Religionstheile. S. 245-257.
  • I. II. Auſſer den drey Orten Wien, Regensburg und
    Wetzlar, wo die Reichsverfaſſung noch immer fortwaͤhrend
    ſichtbar iſt, zeigt ſich dieſelbe von Zeit zu Zeit auch bey
    Kaiſerwahlen oder Roͤmiſchen Koͤnigswahlen; S. 245. —
    III. und bey Reichsdeputationen, inſonderheit zur Viſita-
    tion des Cammergerichts. S. 247. — IV. Auch koͤnnen
    beſondere collegialiſche Verſammlungen angeſtellt werden,
    wie ſonſt haͤufiger von Churfuͤrſten und Reichsſtaͤdten geſche-
    hen iſt, S. 247. — V. beſonders von altweltlichen Fuͤr-
    ſten, Reichspraͤlaten und Reichsgrafen. S. 248. — VI.
    So ſtehen mit der Reichsverfaſſung auch noch die beſonde-
    ren Kreisverſammlungen in Verbindung, inſonderheit in
    Schwaben, Franken, Baiern und den Rheiniſchen Kreiſen;
    S.
    []Inhalt.
    S. 249. — VII. wie auch die abgeſonderten Berathſchla-
    gungen eines jeden Religionstheils; S. 249. — VIII.
    IX.
    wozu inſonderheit das evangeliſche Corpus wegen der
    gegenſeitigen Mehrheit der Stimmen und intoleranten Ge-
    ſinnungen bisher die groͤßte Urſache gehabt hat. S. 250. —
    X. XI. Wenn gleich aufgeklaͤrte Catholiken anders den-
    ken, ſo ſind doch die Quellen der Intoleranz noch nicht ver-
    ſtopft; S. 253. — XII. XIII. wovon die bisherigen Fol-
    gen und deren weitere Beſorgniſſe unvermeidlich ſind. S.
    254. — XIV. Doch muß man wuͤnſchen und hoffen, daß
    das Teutſche Reich noch zum Beyſpiele dienen moͤge, wie
    verſchiedene Religionsverwandten auch in einem Reiche
    friedlich und gluͤcklich bey einander wohnen koͤnnen. S. 256.
  • IV. Einige Bemerkungen, wie weit noch jetzt
    in Regierung der beſonderen Teutſchen Staaten
    Verfuͤgungen des Reichstages oder des kaiſerlichen
    Hofes erforderlich ſind, und was davon abhaͤngt.
    S. 258.
  • I. Jedes einzelne Teutſche Gebiet wird jetzt meiſt nur
    nach ſeiner eignen Convenienz, nicht etwa in Gleichfoͤrmig-
    keit des ganzen Reichs, regiert. — Hoͤchſtens zeigt ſich
    noch etwa einige Ruͤckſicht auf Nachbarſchaft oder Kreis-
    verfaſſung. S. 259. — II. Allgemeine Reichsſchluͤſſe uͤber
    Dinge, die in die innere Verfaſſung der beſonderen Staa-
    ten einſchlagen, werden immer ſeltener und ſchwieriger. S.
    260. — III. Daraus erwaͤchſt nun eine immer groͤßere
    Verſchiedenheit in ſothaner Verfaſſung jeder einzelnen Ge-
    biete; S. 261. — IV. wovon zu ihrem Gluͤcke ein vor-
    theilhafter Gebrauch gemacht werden kann. — Doch gibt
    es noch einige kaiſerliche Reſervatrechte, die hier in Be-
    trachtung kommen. S. 262. — V. So hat der Kaiſer
    noch jetzt in ganz Teutſchland das Recht Standeserhoͤhun-
    gen zu ertheilen, — ingleichen kaiſerliche Hofpfalzgrafen
    und Notarien zu ernennen; S. 263. — VI. Zoͤlle hat
    zwar der Kaiſer ſelbſt nicht mehr; es kann ſie aber auch kein
    Reichsſtand ohne kaiſerliche Conceſſion haben; — ſo auch
    das Recht der Muͤnze; S. 264. — VII. und Univerſitaͤ-
    ten. S. 265. — VIII. Einige Gegenſtaͤnde ſind ſtreitig,
    b 4oder
    []Inhalt.
    oder doch einer genauern Beſtimmung unterworfen, — als
    Jahrmaͤrkte und Meſſen, S. 266. — IX. X. Stadtrecht
    und Zuͤnfte; S. 268. — XI. XII. Moratorien. S. 269. —
    XIII. Bisweilen gilt noch eine Concurrenz gewiſſer kaiſer-
    licher und landesherrlicher Hoheitsrechte, — als in Ergaͤn-
    zung der Volljaͤhrigkeit und Legitimation unehelicher Kin-
    der. S. 271. — XIV. Kaiſerliche Conceſſionen fuͤr ganz
    Teutſchland koͤnnen den Reichsſtaͤnden in ihren Laͤndern
    nicht vorgreifen. S. 272. — XV. Auch mit Buͤcherprivi-
    legien hat es eine ganz eigne Bewandtniß. S. 272. —
    XVI. So laͤßt ſich ungefaͤhr zwiſchen kaiſerlichen Reſervat-
    rechten und landesherrlichen Rechten eine richtige Graͤnzli-
    nie ziehen. S. 273. — XVII. Auſſerdem werden unſere
    Reichsſtaͤnde in ihren Regierungsrechten anderen Europaͤi-
    ſchen Maͤchten meiſt gleich gehalten; S. 274. — XVIII.
    ſelbſt in Kriegen, Buͤndniſſen, Repreſſalien, und allen Gat-
    tungen gegenſeitiger Vertraͤge. S. 275. — XIX. Ein Ver-
    zeichniß aller Europaͤiſchen Maͤchte darf deswegen die Teut-
    ſchen beſonderen Staaten nicht auslaßen. S. 276. — XX.
    XXI.
    Nur gibt es unter ihnen auch noch Staatsdienſtbar-
    keiten haͤufiger und aus anderen Quellen, als unter Euro-
    paͤiſchen Maͤchten. S. 277. — XXII. Selbſt Reichsgeſetze
    koͤnnen gewiſſe Einſchraͤnkungen der Landeshoheit begruͤn-
    den. S. 279. — XXIII. Einige geiſtliche Laͤnder haben
    noch beſondere Ueberbleibſel von ehemaligen Vogteyen; S.
    279. — XXIV. wie auch einige Reichsſtaͤdte. S. 280.
  • V. Einige beſondere Quellen der großen Man-
    nigfaltigkeit der beſonderen Teutſchen Staaten.
    S. 281-299.
  • I. Ungemein haͤufig ſind mehrere Laͤnder auf gar vie-
    lerley Art unter einen Herrn gekommen; S. 281. — II.
    welches ſowohl auf die groͤßere Macht einiger Haͤuſer als
    auf die Verfaſſung der Laͤnder Einfluß gehabt hat; S. 282. —
    III. beſonders in Laͤndern, die ihre Landesherren nicht mehr
    bey ſich haben. S. 284. — IV. Mehrere geiſtliche Laͤnder
    ſind oft bloß zufaͤlliger Weiſe und nur auf Lebenszeit unter
    einem Herrn vereiniget. S. 284. — V. In weltlichen Laͤn-
    dern kann ſich zu Zeiten etwas aͤhnliches mit Vormund-
    ſchaften und Debitcommiſſionen zutragen; — So koͤnnen
    auch apanagirte Herren und Wittwen oder Erbtoͤchter dazu
    kom-
    []Inhalt.
    kommen, Regierungen zu fuͤhren. S. 286. — VI. Hin-
    wiederum hat oft ein Land mehrere Herren, von denen es
    gemeinſchaftlich regiert wird; S. 288. — VII. oder mit
    abwechſelnden Regierungen. S. 289. — VIII. Noch gibt
    es beſondere Verfaſſungen in Laͤndern, welche in einigen
    Haͤuſern juͤngere Linien in gewiſſer Abhaͤngigkeit von der
    aͤltern regierenden Linie beſitzen. S. 290. — IX. X. Eine
    andere Art von Abhaͤngigkeit kann ſich in einzelnen reichs-
    ritterſchaftlichen Gebieten von den Cantons oder Kreiſen
    der Reichsritterſchaft aͤußern; — wie auch in reichsſtaͤndi-
    ſchen Laͤndern von Collegialverfuͤgungen oder Kreisſchluͤſ-
    ſen. S. 291. — XI. XII. Hin und wieder gibt es Strei-
    tigkeiten uͤber den Zuſtand der Unmittelbarkeit und Reichs-
    freyheit einzelner Glieder des Reichs, — oder ſo genannte
    Exemtionsſtreirigkeiten; — wodurch manche, die ſich fuͤr
    unmittelbar gehalten, in mittelbare Reichsmitglieder ver-
    wandelt worden. S. 292. — XIII. Bey einigen ſind durch
    Vergleiche noch beſondere Verhaͤltniſſe eingeſchraͤnkter Frey-
    heiten oder Unterwuͤrfigkeiten entſtanden. S. 293. — XIV.
    XV.
    Ineiner ſo großen Verſchiedenheit der vielerley beſon-
    deren Teutſchen Staaten gibt es auch natuͤrlich eine große
    Mannigfaltigkeit mehr oder minder gluͤcklicher Laͤnder. S.
    295. — XVI. Eben das gilt auch von reichsritterſchaftli-
    chen Gebieten, S. 298. — XVII. und von Reichsſtaͤdten-
    S. 298. — XVIII. Im Ganzen behaͤlt die Staatsverfaſ-
    ſung des Teutſchen Reichs noch immer unverkennbare Vor-
    zuͤge, — die jeden Teutſchen zu frohen Ausſichten in die
    fernere Zukunft beleben koͤnnen. S. 299.

Eilftes[]
[figure]

Eilftes Buch.
Der neueren Zeiten achter Abſchnitt
von
Carls des VI. Tode
bis
zum Aachner Frieden

1740 — 1748.


I.
Reichsvicariat nach Carls des VI. Tode
1740-1742.


I. Mißliche Ausſichten fuͤr dieſe Zwiſchenzeit, — II.
inſonderheit unter andern wegen des Reichsvicariats. —
III. IV. Die Haͤuſer Baiern und Pfalz hatten zwar inzwi-
ſchen 1724. einen Hausunionsvertrag geſchloſſen, — V.
und darin auch des Vicariates halber ſich auf eine gemein-
ſchaftliche Verwaltung deſſelben verglichen. — VI. Allein
es fehlte dazu die Genehmigung des Reichs. — VII. Am
Cammergerichte fand deswegen die Verfertigung eines ge-
meinſchaftlichen Vicariatsſiegels Anſtand. — VIII. Und ein
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. ARhei-
[2]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
Rheiniſches gemeinſchaftliches Vicariatshofgericht zu Augs-
burg fand auch keinen Beyfall. — Alſo war auſſer dem
Churſaͤchſiſchen Vicariatshofgerichte beynahe ein Stillſtand
im Reichsjuſtitzweſen.


I.

Der Tod Carls desVI. machte ſchon des-
wegen einen Hauptabſchnitt in der Teut-
ſchen Reichsgeſchichte, weil damit die Reihe der
Kaiſer aus dem Hauſe Oeſterreich, die jetzt volle
drey Jahrhunderte hindurch ununterbrochen geblie-
ben war, nunmehr auf einmal ein Ende nahm.
Man hoffte zwar anfangs zu Wien, daß Carls
Tochtermann, Franz von Lothringen, nunmehri-
ger Großherzog von Toſcana, Kaiſer werden, und
alſo Wien doch nach wie vor der Sitz des kaiſerli-
chen Hofes bleiben wuͤrde. Allein dieſe Hoffnung
ſchlug bald fehl, und deſto mehrere Umſtaͤnde
ſchienen ſich von allen Seiten her zu vereinigen,
um fuͤr die Verfaſſung des Teutſchen Reichs, wo
nicht einen voͤlligen Umſturz, doch viele wichtige
Hauptveraͤnderungen erwarten zu koͤnnen. Gleich
das Zwiſchenreich, ehe eine neue Kaiſerwahl zu
Stande kam, war voller Merkwuͤrdigkeiten.


II.

Schon wegen des Reichsvicariates hatte man
Urſache beſorgt zu ſeyn, wenn man ſich erinnerte,
was nach Ferdinands des III. Tode zwiſchen den
beiden Haͤuſern Baiern und Pfalz fuͤr ein Streit
daruͤber geweſen war (a). Bey dem letzten Zwi-
ſchenreiche nach Joſephs des I. Tode hatte dieſer
Streit nur darum geruhet, weil der Churfuͤrſt von
Baiern damals in der Acht war, alſo Churpfalz
das Vicariat damals ohne Widerſpruch fuͤhren
konn-
[3]1) Reichsvicariat 1740-1742.
konnte. Als das Publicum jetzt voller Erwartung
war, wie diesmal die Sache ablaufen wuͤrde; er-
fuhr man auf einmal, daß ſchon zum voraus im
Jahre 1724. nicht nur dieſer Streit zwiſchen bei-
den Haͤuſern verglichen, ſondern noch uͤber meh-
rere wichtige Puncte ein allgemeiner Hausunions-
tractat
von denſelben geſchloſſen ſey.


Unſtreitig hatte in das bisherige VerhaͤltnißIII.
dieſer beiden Haͤuſer ihre ehemalige Religionsver-
ſchiedenheit, ſo lange die reformirte Pfalzſimmeri-
ſche Churlinie bluͤhete, nicht geringen Einfluß ge-
habt. Da nunmehr das catholiſche Haus Pfalz-
neuburg in Beſitz der Chur Pfalz war, hatte es
weit weniger Schwierigkeit, daß nach der im Ba-
diſchen Frieden erfolgten Herſtellung des Hauſes
Baiern von der damaligen Acht ſich beide Haͤuſer
naͤher zuſammenſetzen konnten. Das geſchah nun
endlich in vorgedachtem Unionstractate, den beide
Churhaͤuſer am 15. May 1724. ganz in der Stil-
le mit einander ſchloſſen. Weil der damalige Chur-
fuͤrſt Franz Ludewig von Trier ein Bruder des
Churfuͤrſten von der Pfalz, und der Churfuͤrſt Cle-
mens Auguſt von Coͤlln ein Sohn des Churfuͤr-
ſten von Baiern war; ſo wurden auch dieſe zwey
geiſtliche Churfuͤrſten in die Hausunion mit ein-
geſchloſſen.


Dieſer in vielem Betrachte fuͤr die Reichsver-IV.
faſſung wichtige Hausvertrag erneuerte erſtlich ei-
nige aͤltere Vertraͤge von den Jahren 1490. 1529.
und 1674., ſofern ſie dem Weſtphaͤliſchen Frie-
den nicht zuwider waͤren. Hernach verbanden ſich
beide Haͤuſer, einander ihre Laͤnder und Gerecht-
A 2ſame
[4]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
ſame zu ſchuͤtzen, und zu dem Ende bey allen reichs-
ſtaͤndiſchen Verſammlungen einerley Maßregeln
zu befolgen, auch in Unterhandlungen am kaiſer-
lichen oder an anderen Hoͤfen ſich fuͤr einander
zu verwenden, oder, wo etwa beſondere Abſichten
oder Vertraͤge das verhinderten, wenigſtens mit
Vermeidung aller Widerſtrebung ſich aus der Sa-
che zu halten. Im Fall eines Angriffs verſpra-
chen ſie einander nach allen Kraͤften beyzuſtehen,
zu welchem Ende ein jedes Churhaus in einer be-
ſtaͤndigen Verfaſſung von 8000. Mann, 2000.
zu Pferde, 6000. zu Fuß, ſeyn ſollte. Auch ſoll-
ten alle von dem geſammten Hauſe Baiern und
Pfalz abſtammende Herren, die zu geiſtlichen Chur-
fuͤrſtenthuͤmern oder Fuͤrſtenthuͤmern gelangten, die-
ſem Tractate von ſelbſten mit einverleibet ſeyn.
Vermoͤge einiger abgeſonderten Artikel ſollte die
gemeinſchaftliche Huͤlfe vornehmlich auch darauf
gehen, wenn einer der catholiſchen Religion hal-
ber bedraͤngt wuͤrde. Desgleichen ſollte zu Ver-
maͤhlungen und biſchoͤflichen Wahlen oder Coad-
jutorien ein Haus des andern Vortheil befoͤrdern
helfen. Hingegen ſollte man von Seiten beider
Haͤuſer in das Begehren der Fuͤrſten in Anſehung
der beſtaͤndigen Wahlcapitulation und der Gleich-
ſtellung mit den Churfuͤrſten niemals eingehen,
auch jeder Einfuͤhrung neuer Fuͤrſten ſich aufs
kraͤftigſte widerſetzen (b).


V.

Wegen des Rheiniſchen Reichsvicariates
war der Vergleich ſo gefaſſet, daß beide Haͤuſer
Bai-
[5]1) Reichsvicariat 1740-1742.
Baiern und Pfalz daſſelbe kuͤnftig gemeinſchaftlich
fuͤhren, und in ſolcher Abſicht bey jeder Erledi-
gung des kaiſerlichen Thrones ein gemeinſchaftli-
ches Reichsvicariatshofgericht zu Augsburg errich-
ten ſollten.


Das alles ward nun auch gleich nach CarlsVI.
des VI. Tode ſo ins Werk gerichtet. Aber jetzt
entſtand die Frage: ob die beiden Hoͤfe zu Muͤn-
chen und Manheim bloß fuͤr ſich eine ſolche Ver-
aͤnderung mit dem Rheiniſchen Vicariate haͤtten
vornehmen koͤnnen, ohne von Kaiſer und Reich
erſt die Einwilligung dazu zu erwarten. Viele
hielten es fuͤr eine Abweichung von der goldenen
Bulle, daß an ſtatt der darin verordneten zwey
Reichsverweſer, Pfalz und Sachſen, deren kuͤnf-
tig drey ſeyn ſollten; auch fuͤr Abweichung vom
bisherigen Herkommen, daß ein Vicariatshofge-
richt, das in die Stelle des Reichshofraths trete,
nicht an dem Vicariatshofe ſelbſt, ſondern in ei-
ner dritten Reichsſtadt gehalten werden ſollte.


Der Churſaͤchſiſche Hof nahm ſeines Orts anVII.
dieſer Veraͤnderung keinen Antheil. Man konnte
ſich deswegen auch nicht uͤber ein gemeinſchaftli-
ches Siegel vereinigen, wie ſonſt gewoͤhnlich war
fuͤr jedes Interregnum dem Cammergerichte zuzu-
fertigen. Zu Wetzlar konnte daher, ſo lange die-
ſes Interregnum waͤhrte, nichts zur foͤrmlichen
Ausfertigung gelangen; (woruͤber unter andern
die dortigen Canzleyperſonen in große Verlegen-
heit kamen, weil deren Beſoldungen auf die Taxen
angewieſen ſind, die nur bey foͤrmlichen Ausfer-
tigungen bezahlet werden.)


A 3Je-
[6]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
VIII.

Jenes Vicariatshofgericht zu Augsburg wur-
de nun auch von den meiſten Reichsſtaͤnden nicht
anerkannt. Alſo entſtand außer dem Gebiete des
Saͤchſiſchen Vicariates beynahe ein Stillſtand im
Reichsjuſtitzweſen. Und das alles ließ ſich ſo we-
nig heben, daß vielmehr die Vicariatshoͤfe ſelbſt
darauf Bedacht nehmen mußten, uͤber eine andere
Einrichtung ſich zu vereinbaren. In der Wahl-
capitulation 1742. hieß es nur: Weil wegen der
verglichenen Gemeinſchaft des Rheiniſchen Reichs-
vicariates die bekannten Umſtaͤnde ſich ereignet haͤt-
ten; ſollte die Sache bey der Reichsverſammlung
vorgenommen werden. Bis dahin mußte ſelbſt
die ſonſt gewoͤhnliche kaiſerliche Genehmigung der
Rheiniſchen Vicariatshandlungen auf ſich beruhend
gelaßen, und diesmal nur auf die Saͤchſiſchen Vi-
cariatsſachen eingeſchraͤnket werden (c).


II.
[7]2) Erfolg d. pragm. Sanct. 1740-1742.

II.
Schickſale der pragmatiſchen Sanction bis zur
Kaiſerwahl Carls des VII. 1740-1742.


I. Anſpruͤche des Hauſes Baiern auf die Oeſterreichi-
ſche Erbfolge zur Entkraͤftung der pragmatiſchen Sanction. —
II. Deren Begruͤndung von wegen der ſo genannten Regre-
dienterbſchaft; — III. die jedoch zum Nachtheile derer, die
zum Letzten vom Mannsſtamm in naͤherem Verhaͤltniſſe
ſtehen, nicht ſtatt findet. — IV. V. Denn Recht und Ord-
nung der Erbfolge ſind zweyerley; — VI. und eine Erb-
folge, die einmal in eine Linie gekommen, bleibt in der-
ſelben, ſo lange ſie waͤhret. — VII. Darum hatte Carls
des VI. Tochter Maria Thereſia vor allen entfernteren
weiblichen Nachkommen der vorigen Herren des Hauſes den
Vorzug. — VIII. Der bey den Verzichten der Toͤchter ge-
woͤhnliche Vorbehalt wirkt fuͤr ihre Nachkommen nur in ſo
fern, als ſie die Reihe trifft. — IX. Die ins Haus Bai-
ern vermaͤhlte Erzherzoginn Anna konnte ſich alſo fuͤr ihre
Nachkommen nur ſo viel vorbehalten, daß ihnen nach Ab-
gang des Oeſterreichiſchen Mannsſtamms ihr Verzicht nicht
mehr im Wege ſtehen ſollte; nicht aber daß ſie vor allen
anderen weiblichen Nachkommen und ſelbſt vor der Tochter
des Letzten vom Mannsſtamme den Vorzug haben ſollten; —
X. obgleich verſchiedene Rechtsgelehrte, aus uͤbel angewand-
ten Roͤmiſchen Rechtsgrundſaͤtzen von bedingten Verzichtlei-
ſtungen, anderer Meynung waren. — XI. Maria There-
ſia kam auch der pragmatiſchen Sanction gemaͤß zum Be-
ſitz, — XII. und uͤbertrug ihrem Gemahle, um ihn zur
Kaiſerwuͤrde zu verhelfen, die Ausuͤbung der Boͤhmiſchen
Churſtimme. — XIII. Allein durch einen Einbruch, den
der Koͤnig von Preuſſen in Schleſien vornahm, um die An-
ſpruͤche ſeines Hauſes auf Jaͤgerndorf, Liegnitz, Brieg und
Wohlau geltend zu machen, gaben der ganzen Sache eine
andere Wendung. — XIV. XV. Denn die Krone Frank-
reich bewirkte jetzt einen Bund zu Nymphenburg um ſo-
wohl die Oeſterreichiſche Erbfolge als die Kaiſerwuͤrde dem
Hauſe Baiern zuzuwenden.


Die Hauptſache, worauf gleich nach Carls desI.
VI. Tode aller Augen gerichtet waren, und
wovon faſt alle uͤbrige Staatsangelegenheiten ab-
A 4hien-
[8]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
hiengen, kam jetzt darauf an: ob es bey der prag-
matiſchen Sanction
, deren Befeſtigung der ver-
ſtorbene Kaiſer ſich ſo ſehr hatte angelegen ſeyn
laßen, nunmehr bleiben wuͤrde, oder nicht? So-
viel man wußte, war nur noch der einzige Hof zu
Muͤnchen, deſſen Widerſpruch gegen die pragma-
tiſche Sanction noch nicht gehoben war. Dieſen
Widerſpruch gruͤndete aber der Churfuͤrſt von Bai-
ern jetzt nicht ſowohl auf die Gerechtſame ſeiner
Gemahlinn, als einer Tochter des Kaiſer Joſephs,
als vielmehr von wegen ſeiner eignen Perſon, weil
ſeine vaͤterliche Urururgroßmutter, weiland Her-
zogs Albrechts des V. von Baiern Gemahlinn An-
na, eine Tochter Kaiſer Ferdinands des I. gewe-
ſen war, die zwar bey ihrer Vermaͤhlung zum Be-
ſten ihrer Bruͤder und deren maͤnnlichen Nachkom-
men den gewoͤhnlichen Verzicht geleiſtet, jedoch
auf den Fall des Abganges des Oeſterreichiſchen
Mannsſtamms ſich und ihren Nachkommen ihre
Rechte vorbehalten hatte.


II.

Dieſe Art Anſpruͤche, die man mit dem Na-
men einer Regredienterbſchaft zu belegen pfle-
get, hat in ſo weit ihren guten Grund, daß einer
fuͤrſtlichen Tochter und ihren Nachkommen, wenn
ſie den Abgang des Mannsſtamms erleben, ge-
gen den ſie in der Erbfolge ihres Hauſes zuruͤck-
ſtehen muͤßen, ihre bisherige Ausſchließung und
Verzichtleiſtung nicht mehr zum Nachtheile gerei-
chen kann. Denn ſofern nicht etwa von ſolchen
Lehnguͤtern die Rede iſt, worin gar keine weibliche
Erbfolge ſtatt findet, ſo koͤnnen nach den in Teutſch-
land hergebrachten Succeſſionsrechten fuͤrſtlicher
Haͤuſer nach gaͤnzlich erloſchenem Mannsſtamme
auch
[9]2) Erfolg d. pragm. Sanct. 1740-1742.
auch Toͤchter und weibliche Nachkommen des Hau-
fes zur Succeſſion gelangen, weil nun der Vor-
zug des bisherigen Mannsſtamms ihnen nicht mehr
im Wege ſtehet. In ſo weit konnte der Chur-
fuͤrſt von Baiern mit Recht ſagen, daß ihm als
einem weiblichen Abkoͤmmlinge von Ferdinand
dem I. der ausſchließliche Vorzug, den deſſen
maͤnnliche Nachkommen bisher in der Erbfolge des
Hauſes Oeſterreich genoſſen hatten, und die dar-
auf ſich beziehende Verzichtleiſtung der Ferdinan-
diſchen Tochter, von welcher der Churfuͤrſt ab-
ſtammte, nunmehr nach erloſchenem Oeſterreichi-
ſchen Mannsſtamme nicht weiter im Wege ſtand.
Vielmehr war jetzt auf einmal unſtreitig das Recht
der Erbfolge allen weiblichen Nachkommen des
Hauſes Oeſterreich in ſo weit eroͤffnet, daß jetzt
keinem derſelben das bisherige Vorrecht des Manns-
ſtamms mehr entgegengeſetzt werden konnte.


Aber nun iſt noch eine andere Frage, woraufIII.
hier alles ankoͤmmt: Soll dann jetzt auch die Rei-
he der Erbfolge auf einmal an alle weibliche Nach-
kommen zugleich kommen? oder ſoll eine gewiſſe
Ordnung der Erbfolge auch hier die Wirkung ha-
ben, daß nur eine Linie nach der andern zum wuͤrk-
lichen Genuſſe ihres Erbfolgrechts gelangen kann?
Soll alſo nicht auch hier der entferntere gegen den
naͤheren zuruͤckſtehen muͤßen? und nach welchem
Verhaͤltniſſe ſoll allenfalls dieſe Naͤhe oder Ent-
fernung beſtimmt werden?


Hier bringt ſowohl die Natur der Sache alsIV.
die in Teutſchland hergebrachte Succeſſionsart un-
ſerer reichsſtaͤndiſchen Haͤuſer mit ſich, daß unter
A 5dem
[10]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
dem Rechte der Erbfolge und der Ordnung derſel-
ben noch ein großer Unterſchied obwaltet. Auch
im Mannsſtamme eines fuͤrſtlichen Hauſes geht
das Recht der Erbfolge unmittelbar vom erſten
Erwerber auf alle ſeine Nachkommen, deren kei-
nem es benommen oder an Fremde zu ſeinem Nach-
theile es uͤbertragen werden kann. Aber deswe-
gen muͤßen doch nachgebohrne Herren in Haͤuſern,
wo die Erſtgebuhrt gilt, oder entferntere Linien,
ſo lange noch naͤhere da ſind, in der Ordnung zu-
ruͤckſtehen, bis auch darin die Reihe an ſie koͤmmt;
oder, wenn ſie das nicht erleben, iſt das eine Sa-
che des Schickſals, wenn ſie die Reihe nicht trifft.
Eben ſo kann es gar wohl mit einander beſtehen,
daß mit Erloͤſchung eines Mannsſtamms das
Recht der Erbfolge allen weiblichen Nachkommen
eroͤffnet wird, d. i. daß keinem derſelben mehr ih-
re bisherige Unfaͤhigkeit der Erbfolge, die nur auf
dem Vorzuge des Mannsſtamms beruhete, ent-
gegengeſetzt werden kann. Aber ſollen ſie deswe-
gen nun alle auf einmal auch in der Ordnung der
Erbfolge einander gleich ſeyn? Das iſt keine Fol-
ge. Sollten nach Carls des VI. Tode alle Nach-
kommen ehemaliger Oeſterreichiſcher Prinzeſſinnen
ohne Unterſchied auf einmal zur Succeſſion gelan-
gen koͤnnen? Das wird wohl niemand behaupten.


V.

Allein nach welchem Verhaͤltniſſe ſollte nun die
Ordnung der Erbfolge ihre richtige Beſtimmung
erhalten? — Da iſt wieder eine ausgemachte
Sache, daß zwar das Recht der Erbfolge jedes-
mal ohne Unterſchied immer vom erſten Erwerber
herzuleiten iſt, weil keiner der nachherigen Beſitzer
eben dieſes Recht den uͤbrigen Nachkommen des
erſten
[11]2) Erfolg d. pragm. Sanct. 1740-1742.
erſten Erwerbers nehmen kann. In ſo weit iſt
allerdings dieſes Teutſche Succeſſionsrecht nicht
ſo, wie das Roͤmiſche, dem jedesmaligen Letztver-
ſtorbenen zu verdanken. Aber was die Ordnung
der Erbfolge betrifft, da bleibt nach allen Suc-
ceſſionsrechten, ſie moͤgen Namen haben, wie ſie
wollen, nichts uͤbrig, als daß ein jeder erſt auf
des andern Tod wartet, und alſo nach dem Ver-
haͤltniſſe in die Reihe koͤmmt, wie er dem Letztver-
ſtorbenen naͤher iſt, als andere.


Ob dieſe Naͤhe bloß nach der im RoͤmiſchenVI.
Rechte angenommenen Berechnung der Grade zu
beſtimmen ſey, oder nach dem Vorzuge der Erſt-
gebuhrt und anderen Grundſaͤtzen, braucht hier
nicht eroͤrtert zu werden. Gnug, wo nicht bloß
vom Succeſſionsrechte, ſondern von der Succeſ-
ſionsordnung die Frage iſt, da koͤmmt alles auf
das naͤhere Verhaͤltniß zum Letztverſtorbenen an.
Und da tritt noch ein anderer wichtiger Grundſatz
des Teutſchen Succeſſionsrechts hinzu, daß eine
Erbfolge, die einmal in eine Linie gekommen iſt,
ſo lange dieſelbe waͤhret, ihren Fortgang darin
behaͤlt.


Das alles auf die Oeſterreichiſche pragmatiſcheVII.
Sanction angewandt, war es dem unter unſern
fuͤrſtlichen Haͤuſern von uralten Zeiten hergebrach-
ten Succeſſionsſyſteme voͤllig gemaͤß, daß mit
Carls des VI. Tode zwar allen weiblichen Nach-
kommen des Hauſes Oeſterreich das Recht der
Erbfolge offen ſtand, ohne daß irgend ein ehemals
geleiſteter Verzicht dagegen mehr angefuͤhrt wer-
den konnte. Aber in der Ordnung der Erbfolge
gien-
[12]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
giengen jetzt des Letztverſtorbenen Toͤchter des vor-
her verſtorbenen Bruders Toͤchtern, und ſo allen
entfernteren weiblichen Nachkommen ehemaliger
Herren des Hauſes vor.


VIII.

Vergeblich beriefen ſich jetzt die Bairiſchen
Schriftſteller, wie uͤberhaupt alle Vertheidiger
der Regredienterbſchaft, darauf, daß die verzicht-
leiſtende Tochter bey dem Verzichte ſich zugleich
ausdruͤcklich den Vorbehalt der kuͤnftigen Erbfolge
im Fall des erloſchenen Mannsſtamms ausbedun-
gen habe; daß alſo der Verzicht nur unter einer
Reſolutivbedingung geſchehen ſey, mit deren Ein-
tretung der Verzicht von ſelbſten aufhoͤren, und
das bis dahin vergebene Recht ſogleich wieder auf-
leben muͤße. — Dieſe Folgerungen wuͤrden ganz
richtig ſeyn, wenn die Verzichtleiſtungen fuͤrſtli-
cher Toͤchter von der Art waͤren, wie man ſich ei-
nes Rechts, deſſen Genuß man ſonſt gleich gehabt
haͤtte, bis auf einen gewiſſen Fall begibt. So
verhaͤlt ſich aber hier die Sache nicht. Von aͤlte-
ſten Zeiten her hat ohnedem eine Prinzeſſinn, die
Bruͤder hatte, kein Erbfolgsrecht gehabt, ſo lange
die Bruͤder oder maͤnnliche Nachkommen derſelben
vorhanden waren (d). Nur Beſorgniſſe, die
man ſich wegen uͤbel angebrachter Anwendung Roͤ-
miſcher Rechtsgrundſaͤtze machte, gaben Anlaß,
daß erſt ſeit dem XIII. Jahrhunderte Verzichte der
Toͤchter eingefuͤhret wurden; nicht als ob man ge-
glaubt haͤtte, daß eine Tochter, wenn ſie nicht
Verzicht gethan haͤtte, zu ſuccediren berechtiget waͤ-
re; ſondern nur zur Vorſorge, damit eine ſolche
Dame oder ihre Nachkommenſchaft deſto weniger
gereizt
[13]2) Erfolg d. pragm. Sanct. 1740-1742.
gereizt werden moͤchte, Anſpruͤche zu machen, die
ihr nicht gebuͤhrten. In den meiſten Haͤuſern
wurde durch ausdruͤckliche Hausvertraͤge ausge-
macht, daß auch ohne Verzichtleiſtung Toͤchter
und weibliche Nachkommen gegen den Manns-
ſtamm zuruͤckſtehen muͤßten.


Wenn alſo die Erzherzoginn Anna, wie ſie anIX.
den Herzog Albrecht den V. von Baiern vermaͤhlt
ward, keinen Verzicht geleiſtet haͤtte, wuͤrde ihr
doch kein Recht zur Erbfolge zugeſtanden haben,
ſolange von einem ihrer Bruͤder noch Mannsſtamm
uͤbrig war. Sie mochte immer nur bis auf Ab-
gang des Mannsſtamms Verzicht thun; darum
ließ ſich doch nicht behaupten, daß mit dem Ein-
tritt dieſes Falls ein Recht, das ſchon zur Zeit
der Verzichtleiſtung haͤtte ausgeuͤbt werden koͤn-
nen, wieder aufleben muͤßte; oder daß nunmehr
die Nachkommen dieſer Erzherzoginn Anna vor
allen uͤbrigen weiblichen Nachkommen, ſelbſt vor
den Toͤchtern des Letzten vom Mannsſtamme, den
Vorzug haben muͤßten.


Kurz, nach aͤchten Grundſaͤtzen des TeutſchenX.
Fuͤrſtenrechts waren die Anſpruͤche des Hauſes
Baiern nicht ſo beſchaffen, daß ſie den Rechtsbe-
ſtand der pragmatiſchen Sanction zu entkraͤften
vermocht haͤtten; wiewohl damals noch viele
Rechtsgelehrte, von uͤbel angewandten Roͤmiſchen
Rechtsſaͤtzen eingenommen, uͤberhaupt die Lehre
von der Regredienterbſchaft fuͤr gegruͤndet hielten.
Inzwiſchen kam es jetzt auf ganz andere Entſchei-
dungsgruͤnde an, als die bloß aus Geſetzen oder
Rechtsbuͤchern herzunehmen waͤren.


Ein-
[14]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
XI.

Einmal, geſtuͤtzt auf die von ſo vielen Maͤch-
ten garantirte pragmatiſche Sanction, nahm Ma-
ria Thereſia
unmittelbar nach ihres Vaters Tode
von allen deſſen hinterlaßenen Staaten und Laͤn-
dern Beſitz. Sie ſchmeichelte ſich auch, daß ihr
Gemahl, der Großherzog von Toſcana, die Mehr-
heit der Stimmen bey der Kaiſerwahl davon tra-
gen wuͤrde. Auf die Stimmen von Mainz, Trier,
Sachſen, Hannover ſchien man zu Wien nicht oh-
ne Wahrſcheinlichkeit rechnen zu koͤnnen. Die
eigene Stimme von Boͤhmen dazu gerechnet, war
die Mehrheit der Stimmen da.


XII.

Nur wegen Boͤhmen ſchien ſich eine Schwie-
rigkeit in den Weg zu legen: ob auch eine Dame
eine Churſtimme bey der Kaiſerwahl fuͤhren koͤnne?
Es war wenigſtens der erſte Fall in ſeiner Art. daß
Maria Thereſia jetzt als Koͤniginn von Boͤhmen
einer Kaiſerwahl beywohnen ſollte. Um allen
Zweifeln hieruͤber zuvorzukommen, erklaͤrte ſie ſich
(1740. Nov. 21.) ihren Gemahl zum Mitregen-
ten anzunehmen, und demſelben die Fuͤhrung der
Boͤhmiſchen Stimme zu uͤbertragen. Doch eben
damit wurde die Schwierigkeit hernach noch mehr
vergroͤßert, da inzwiſchen ein unerwarteter Auf-
tritt der ganzen Sache eine andere Wendung gab.


XIII.

Den Vertrag, wodurch der Churfuͤrſt Frie-
drich Wilhelm von Brandenburg der Anſpruͤche
ſeines Hauſes auf die vier Schleſiſchen Fuͤrſten-
thuͤmer Jaͤgerndorf, und Liegnitz, Brieg und
Wohlau ſich begeben hatte (e), wiederrief der in
eben dieſem Jahre (1740. May 31.) zur Regie-
rung
[15]2) Erfolg d. pragm. Sanct. 1740-1742.
rung gekommene Koͤnig Friedrich der II., weil er
ihn an ſich fuͤr widerrechtlich geſchloſſen, und fuͤr
die kuͤnftigen Nachfolger des Hauſes nicht fuͤr ver-
bindlich hielt. Sein Recht auf dieſe Fuͤrſtenthuͤ-
mer geltend zu machen, ruͤckte er ſchon im Dec.
1740. mit einem Kriegsheere in Schleſien ein;
bot zwar noch, wenn man ihm ein Stuͤck von
Schleſien abtreten wollte, ſeine Churſtimme zur
Kaiſerwahl und ſeinen Beyſtand zur Unterſtuͤtzung
der pragmatiſchen Sanction an; fuhr aber, als
man zu Wien dieſe durch den Grafen von Gotter
daſelbſt vorgebrachten Antraͤge verwarf, auf dem
angefangenen Wege fort; und erfocht ſchon am
10. Apr. 1741. einen ziemlich entſcheidenden Sieg
bey Molwitz.


Nun gelang es dem von der Krone FrankreichXIV.
an die Teutſchen Churhoͤfe und zum Wahlconvente
abgeſandten Marſchall von Bellisle, daß der Chur-
fuͤrſt von Baiern ſich bewegen ließ, als Compe-
tent zur Kaiſerwuͤrde aufzutreten, und daß, ſo-
wohl darin als in ſeinen Anſpruͤchen gegen die prag-
matiſche Sanction ihn zu unterſtuͤtzen, zu Nym-
phenburg
im May 1741. erſt zwiſchen Frank-
reich, Spanien und Baiern, hernach mit Chur-
coͤlln, Churpfalz, Neapel, und Preuſſen noch
mehrere Buͤndniſſe geſchloſſen wurden. Hinge-
gen von allen Maͤchten, deren Gewehrleiſtung der
pragmatiſchen Sanction jetzt Maria Thereſia auf-
forderte, war der Koͤnig Georg der II. von Groß-
britannien der einzige, der durch einen neuen Tra-
ctat zu Hannover ſich nun noch zur wuͤrklichen Huͤl-
fe bereit finden ließ.


In
[16]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
XV.

In dieſer Lage gewann es ſowohl mit der Auf-
rechthaltung der pragmatiſchen Sanction, als mit
der Kaiſerwahl ein ganz anderes Anſehen. Die
Bairiſchen Anſpruͤche wurden jetzt mit maͤchtigen
Franzoͤſiſchen Huͤlfsheeren unterſtuͤtzt. Im October
1741. nahm der Churfuͤrſt von Baiern ſchon von
Oberoeſterreich Beſitz; Am 19. Dec. wurde ihm
ſchon als Koͤnige in Boͤhmen gehuldiget. Selbſt
Churſachſen trat am 19. Sept. 1741. dem Fran-
zoͤſiſch-Bairiſchen Bunde bey. Auf dem Wahl-
convente zu Frankfurt wurde nunmehr die Boͤhmi-
ſche Wahlſtimme fuͤr dieſesmal ſuspendiret. Die
uͤbrigen Stimmen fielen jetzt ſaͤmmtlich auf Carl
den
VII., bisherigen Churfuͤrſten von Baiern.
Seine Wahl erfolgte am 24. Jan. 1742., die
Kroͤnung am 12. Febr. Fuͤr die Reichsverfaſ-
ſung war inzwiſchen das wichtigſte, was in die
kaiſerliche Wahlcapitulation diesmal fuͤr erhebliche
neue Zuſaͤtze kamen.


III.
[17]3) Wahlcap. Carls VII. 1742.

III.
Wahlcapitulation Carls des VII. Neue Ver-
ordnungen derſelben, inſonderheit von Mißhei-
rathen. Fuͤrſtentag zu Offenbach. Chur-
fuͤrſtliche Collegialſchreiben. 1742.


I. Vermuthete Veraͤnderungen in der Wahlcapitula-
tion. — II. Deswegen angeſtellter Fuͤrſtentag zu Offen-
bach. — III. Churfuͤrſtliche Collegialſchreiben. — IV. Wi-
derſpruch der Fuͤrſten gegen verſchiedene neue Stellen in der
Wahlcapitulation, — V. inſonderheit einige den Reichs-
vicarien zugeſtandene Vortheile betreffend. — VI. Mit
anderen Stellen waren jedoch die Fuͤrſten einverſtanden; —
als namentlich mit einer neu eingeruͤckten Stelle gegen Miß-
heirathen, — VII. VIII. die zwar ſchon in aͤlterem Her-
kommen gegruͤndet war, — nicht nur in Anſehung mor-
ganatiſcher Ehen, da abſichtlich die Unſtandesmaͤßigkeit der
Gemahlinn und Kinder bedungen wird, — IX. ſondern
auch ohne ſolche Verabredung; — X. ohne daß auch Stan-
deserhoͤhungen wider Willen der Stammsvettern dagegen
etwas wirken koͤnnen. — XI. Nur die gemeinen Roͤmiſchen
und paͤbſtlichen Rechte ſchienen hier andere Grundſaͤtze auf-
zubringen. — XII. Daruͤber gab eine Mißheirath des Her-
zog Anton Ulrichs von Sachſen-Meinungen Anlaß zu die-
ſer neuen Stelle in der Wahlcapitulation, — XIII. wel-
che hernach ſelbſt durch einen Reichsſchluß beſtaͤtiget wurde —
XIV. Nur eine naͤhere Beſtimmung, was eigentlich Miß-
heirathen ſeyen? ward noch auf einen kuͤnftigen Reichsſchluß
ausgeſtellt; — inſonderheit ob die Ehe eines Fuͤrſten mit
einer Adelichen eine Mißheirath ſey? — XV. wie aller-
dings der Teutſchen Verfaſſung gemaͤß zu ſeyn ſcheint; —
XVI. da auch widrigenfalls bedenkliche Folgen zu erwarten
ſeyn moͤchten. — XVII. Auf dieſes und mehr andere Col-
legialſchreiben iſt inzwiſchen noch keine Reichsberathſchlagung
erfolget.


Bey einer ſo wichtigen Veraͤnderung, da nachI.
einem ſo langen Zeitraume die Kaiſerwuͤrde
einmal an ein anderes Haus kam, und bey vieler-
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. Bley
[18]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
ley Beobachtungen, die man unter der letzten bey-
nahe dreyßigjaͤhrigen Regierung hatte machen koͤn-
nen, konnte es an Stoff zu neuen Zuſaͤtzen und
anderen Veraͤnderungen in der Wahlcapitula-
tion
nicht fehlen. Der Entwurf einer beſtaͤndi-
gen Wahlcapitulation, woruͤber man ſich im Jah-
re 1711. vereinbaret hatte, konnte auch nicht hin-
dern, daß nicht von Zeit zu Zeit noͤthig gefunden
werden ſollte, nach Veranlaßung der Zeitlaͤufte
manche neue Stellen einzuruͤcken. Sofern dar-
uͤber die Churfuͤrſten nicht nur mit dem neu zu er-
wehlenden Kaiſer ſich vereinigen konnten, ſondern
auch mit Beyfall der uͤbrigen Reichsſtaͤnde zu Wer-
ke giengen; war uͤberall dabey nichts zu erinnern.
Aber einige neue Zuſaͤtze in der Wahlcapitulation
Carls des VI. hatten ſchon Widerſpruͤche von Sei-
ten der Fuͤrſten und anderer Staͤnde erfahren.


II.

Diesmal ſchien der Fuͤrſtenſtand noch auf-
merkſamer zu ſeyn, da, noch ehe die Wahlcapitu-
lation ſelbſt in die Arbeit kam, ein eigner Fuͤr-
ſtentag,
in der Naͤhe bey Frankfurt, zu Offen-
bach gehalten wurde. (Die meiſten churfuͤrſtli-
chen Comitialgeſandten waren damals als zweyte
oder dritte Wahlbotſchafter von Regensburg nach
Frankfurt abgegangen. Ob und wie der Reichs-
tag im Zwiſchenreiche fortgeſetzt werden koͤnne, war
ohnedem noch nicht ausgemacht. Alſo geriethen
die noch uͤbrigen Geſandten zu Regensburg in
ziemliche Unthaͤtigkeit. Um aus ſolcher ſich her-
auszureiſſen mochten wohl einige der fuͤrſtlichen
Herren Geſandten ihren Hoͤfen den Vorſchlag ge-
than haben, einen Fuͤrſtentag anzuſtellen, um naͤ-
her beym Wahlconvente ein wachſames Auge dar-
auf
[19]3) Wahlcap. Carls VII. 1742.
auf haben zu koͤnnen, damit zum Nachtheile der
Fuͤrſten nichts vorgehen moͤge. Es waren alſo
meiſt lauter Comitialgeſandten folgender altfuͤrſtli-
chen Haͤuſer, Sachſen-Gotha, Sachſen Mei-
nungen, Brandenburg-Anſpach und Bayreuth,
Braunſchweig-Wolfenbuͤttel, Heſſen-Caſſel, Heſ-
ſen-Darmſtadt, Schwediſch-Vorpommern, Wuͤr-
tenberg, Baden-Durlach, Holſtein-Gluͤckſtadt
und Anhalt. Der Heſſencaſſeliſche Geſandte, Ru-
dolf Anton von Heringen, hatte perſoͤnlich viel-
leicht den groͤßten Antheil an der Sache.) Weil
es nicht ſowohl eine collegialiſche Verſammlung
als eine Conferenz von wegen mehrerer einzelnen
Hoͤfe war, ſo wurden die Verſammlungen wech-
ſelsweiſe in den verſchiedenen Wohnungen eines
jeden Geſandten gehalten. Der Anfang der Con-
ferenzen war zu Offenbach den 25. Apr. 1741.
In einem Schreiben vom 16. Oct. 1741. wurden
die Erinnerungen der altfuͤrſtlichen Haͤuſer uͤber die
Wahlcapitulation Carls des VI. an Churmainz
geſchickt. Im November 1741. wurde der Fuͤr-
ſtentag ſelbſt nach Frankfurt verlegt.


Dieſe Umſtaͤnde hatten vielleicht einigen Ein-III.
fluß darauf, daß die Churfuͤrſten bey Abfaſſung
der Wahlcapitulation in Anſehung mancher Ge-
genſtaͤnde diesmal einen anderen Weg einſchlugen,
den ſie ſchon mehr mit Nutzen gebraucht hatten,
aber diesmal noch haͤufiger benutzten. Nehmlich,
an ſtatt gewiſſe Dinge in der Wahlcapitulation
ſelbſt zu beſtimmen, faßten ſie in ihrem geſamm-
ten Namen eigne Collegialſchreiben an den neu
erwehlten Kaiſer ab, worin ſie ihn erſuchten, die
darin enthaltenen Gegenſtaͤnde an das ganze Reich
B 2zu
[20]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
zu Abfaſſung eines allgemeinen Reichsſchluſſes ge-
langen zu laßen. Hiermit hatte das geſammte
Reich Urſache ſehr zufrieden zu ſeyn. Nur das
gefiel den Fuͤrſten doch nicht, daß in der Wahlca-
pitulation ſelbſt jetzt zugleich eine Stelle eingeruͤckt
wurde, die den Kaiſer verbindlich machte, die in
dieſen Collegialſchreiben enthaltenen churfuͤrſtlichen
Gutachten zur wuͤrklichen Vollziehung zu brin-
gen (f). Die wahre Meynung gieng nur dahin,
damit die dem Kaiſer empfohlnen Sachen nicht
uneroͤrtert liegen bleiben moͤchten. Die Fuͤrſten
beſorgten aber, durch dieſe Stelle koͤnnte, wenn
ſie ferner in jeder Capitulation bliebe, ein Kaiſer
kuͤnftig einmal ſchon zum voraus zu Dingen, die
anderen unbekannt waͤren, verbindlich gemacht
werden. Sie legten deswegen auch hiergegen ih-
ren Widerſpruch ein, um ſich deshalb wenigſtens
fuͤr die Zukunft zu verwahren.


IV.

Das war aber nicht der einzige Widerſpruch,
den die Fuͤrſten gegen dieſe Wahlcapitulation ein-
legten. Denn die Churfuͤrſten hatten nicht nur
die vorhin ſchon von den Fuͤrſten widerſprochenen
Stellen aus der Wahlcapitulation Carls des VI.
beybehalten, ſondern auch verſchiedentlich noch neue
Stellen hinzugefuͤgt, die den Fuͤrſten eben ſo we-
nig gefielen. Dahin gehoͤrten inſonderheit dieje-
nigen Stellen, vermoͤge deren in gewiſſen Faͤllen
allenfalls wenigſtens nur der Churfuͤrſten Ein-
willigung
erforderlich ſeyn ſollte, wenn auch nicht
eine vollſtaͤndige Reichstagsberathſchlagung abge-
wartet werden koͤnnte. (Sofern das ſolche Faͤlle
betraf, wo ſonſt der Kaiſer ſchuldig war, die Ein-
willi-
[21]3) Wahlcap. Carls VII. 1742.
willigung des geſammten Reichs erſt zu begehren,
wie z. B. in Beſchließung eines Reichskrieges oder
Reichsfriedensſchluſſes; ſo ſchien dieſer Wider-
ſpruch nicht ganz ohne Grund zu ſeyn. Betraf
es aber ſolche Gegenſtaͤnde, wo der Kaiſer ſonſt
niemands Einwilligung noͤthig gehabt hatte; ſo
war es doch beſſer, daß wenigſtens die Churfuͤr-
ſten ihre Einwilligung geben ſollten, als daß bloß
der kaiſerlichen Willkuͤhr ſolche Gegenſtaͤnde uͤber-
laßen wurden. Oder wenn es auch nur um eine
Art der Vorberathſchlagung galt, ſo ließ ſich ſol-
che doch fuͤglicher nur mit den Churfuͤrſten, als
auf einmal ſchon mit der geſammten Reichsver-
ſammlung anſtellen, z. B. wenn die Frage: ob
ein Reichstag zu halten ſey? einmal von neuem
zur Sprache kaͤme, oder wenn geſtritten wuͤrde,
ob eine Schrift zur Dictatur kommen ſollte, oder
nicht? u. ſ. w.)


Auch gefiel den Fuͤrſten nicht, was zum Vor-V.
theile der Reichsvicarien neu geordnet ward, als
z. B. daß ſie berechtiget ſeyn ſollten, Reichstag zu
halten, es moͤchte nun von deſſen Fortſetzung oder
neuer Ausſchreibung die Rede ſeyn. (Ueberhaupt
waren diesmal fuͤr die Reichsvicarien ungemein
guͤnſtige Umſtaͤnde, da außer den drey Vicariats-
hoͤfen, Churbaiern, Churſachſen und Churpfalz,
auch der Churfuͤrſt von Coͤlln ein Bairiſcher Prinz,
und Churbrandenburg ein Bairiſcher Bundesge-
noſſe war. Doch hat auch in der Folge noch nicht
alles zur wuͤrklichen Vollziehung gebracht werden
koͤnnen, was damals zum Vortheile der Reichsvi-
carien neu verordnet wurde.)


B 3Man-
[22]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
VI.

Manche neue Stellen dieſer Wahlcapitulation
hatten aber auch den voͤlligen Beyfall der Fuͤr-
ſten, und waren zum Theil ſelbſt mit auf ihre
Veranlaßung darein gekommen. Von dieſer Art
war inſonderheit eine Stelle von Mißheirathen,
die noch vorzuͤglich verdient hier etwas naͤher ins
Licht geſetzt zu werden.


VII.

Es war nehmlich ſchon vom mittlern Zeitalter
her ein unwiderſprechliches Herkommen, daß, wenn
ein Fuͤrſt eine Perſon von geringerem Stande, d. i.
die nicht vom Herrenſtande war, zur Ehe nahm,
weder dieſe Perſon fuͤr eine Fuͤrſtinn geachtet, noch
den in einer ſolchen Ehe erzeugten Kindern die
fuͤrſtliche Wuͤrde und Succeſſionsfaͤhigkeit in den
vaͤterlichen Landen zugeſtanden wurde. Wenn ein
Fuͤrſt aus einer ſtandesmaͤßigen Ehe bereits Soͤh-
ne hatte, und dann Wittwer wurde, oder auch
aus anderen Gruͤnden ſich bewogen fand, ſich
nicht ſtandesmaͤßig zu vermaͤhlen; ſo geſchah es
oft abſichtlich, daß unter ſolchen Umſtaͤnden ein
Fuͤrſt ſich eine Perſon geringern Standes zur lin-
ken Hand antrauen ließ, um der Familie mit
Witthum und Verſorgung mehrerer nachgebohr-
nen Kinder nicht uͤbermaͤßige Laſt zuzuziehen.
Dann wurde gemeiniglich gleich beym Anfange der
Ehe vertragsmaͤßig feſtgeſetzt, wie eine ſolche
Ehegattinn (etwa nach dem Vornamen des Fuͤr-
ſten z. B. Madame Rudolphine, Madame Erne-
ſtine, oder auch nach einem fuͤr ſie gekauften Gute
Frau von N. N. ꝛc.) genannt, und was ſowohl
ihr, als ihren Kindern zur Verſorgung angewie-
ſen, wie auch was den Kindern fuͤr ein Name
beygelegt werden ſollte.


So
[23]3) Wahlcap. Carls VII. 1742.

So erzehlt eine alte Heſſiſche Chronik von ei-VIII.
nem Landgrafen Otto (aus dem XIV. Jahrhun-
derte): ”Dieſer Landgraf Otto regierte wohl, bat
ſeine Soͤhne, ſie wollten die Unterthanen gnaͤdig
hoͤren, und das Land nicht theilen. Und wenn
ihm ſeine Gemahlinn (gebohrne Graͤfinn von Ra-
vensberg) ſtuͤrbe, wenn er dann ſeinen Wittwer-
ſtand nicht keuſch halten koͤnnte; wollte er doch in
keinem ſuͤndigen Leben gefunden werden vor Gott,
aber auch keines Fuͤrſten, Herrn noch Grafen Toch-
ter nehmen, damit durch zweyerley Kinder das
Land nicht zertheilt wuͤrde; ſondern wollte eine
fromme Jungfrau von Adel zur Ehe nehmen, und
die Kinder mit Geld und Lehnſchaft und anderen
Guͤtern wohl verſorgen, daß das Fuͤrſtenthum bey
einander bleiben ſollte” (g). So hatte der Chur-
fuͤrſt Friedrich der Siegreiche von der Pfalz zum
Vortheile ſeines aͤltern Bruders Sohnes ſich an-
heiſchig gemacht, keine ſtandesmaͤßige Gemahlinn
zu nehmen, und deswegen nur eine gewiße Clara
Dettinn ſich antrauen laßen, deren Nachkommen
aber mit der Grafſchaft Loͤwenſtein verſorgt und
als Grafen von Loͤwenſtein erzogen wurden. Ein
Herzog von Zweybruͤcken, Friedrich Ludewig, ließ
ſich auf ſolche Art mit einer gewiſſen Heppinn
trauen, und deren Soͤhne als Herren von Fuͤr-
ſtenwaͤrter erziehen; Herzog Rudolf Auguſt von
Braunſchweig-Wolfenbuͤttel nahm in zweyter Ehe
eine gewiſſe Menthinn unter dem Namen Mada-
me Rudolphine; Landgraf Ernſt von Heſſen-Rhein-
fels eine Duͤrniczel unter dem Namen Madame
Erne-
B 4
[24]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
Erneſtine u. ſ. w. Solcher vertragsmaͤßig unglei-
cher Ehen thut auch das Longobardiſche Lehnrecht
Meldung, unter dem Namen morganatiſcher
Ehen, welcher Name ſelbſt unſtreitig Teutſchen
Urſprungs iſt (h).


IX.

Wenn aber auch kein Vertrag zum voraus
daruͤber gemacht war, ſo verſtand ſichs doch von
ſelbſten, daß eine Perſon, die nicht ſelbſt vom
Herrenſtande war, wenn ſie gleich ein Fuͤrſt zur
Gemahlinn nahm, weder Fuͤrſtinn wurde, noch
fuͤrſtliche und ſucceſſionsfaͤhige Kinder erzielen
konnte. Das war der Fall des Marggrafen Hen-
richs des Erlauchten von Meiſſen mit Eliſabeth
von Maltitz, des Erzherzogs Ferdinands von Oe-
ſterreich-Tyrol mit Philippine Welſerinn, des
Prinzen Ferdinands von Baiern mit Marie Pet-
tenbeck, des Fuͤrſten Georg Ariberts von Anhalt-
Deſſau mit einer von Kroſigk u. ſ. w. Nur als-
dann konnte davon eine Ausnahme ſtatt finden,
wenn mit Bewilligung der Stammsvettern Soͤh-
nen, die aus ſolchen Mißheirathen erzeuget wa-
ren, ein Succeſſionsrecht zugeſtanden wurde; wie
z. B. im Hauſe Braunſchweig 1546. Otto dem
juͤngern von Haarburg geſchah, den ſein Vater
gleiches Namens mit Metta von Campen erzeugt
hatte;
[25]3) Wahlcap. Carls VII. 1742.
hatte; desgleichen im Hauſe Badendurlach dem
Marggrafen Carl, deſſen Mutter Urſula von Ro-
ſenfeld war; und im Hauſe Anhaltdeſſau der Nach-
kommenſchaft aus der Ehe des Fuͤrſten Leopolds
mit Anne Louiſe Foͤſen, u. ſ. w.


In dieſem letztern Falle ward auch eine kaiſer-X.
liche Standeserhoͤhung zu Huͤlfe genommen,
welche die Gemahlinn des Fuͤrſten aus dem buͤr-
gerlichen Stande in den Fuͤrſtenſtand erhoͤhte, und
auch ihre Kinder fuͤr fuͤrſtlich erklaͤrte. Sofern
die Stammsvettern des Hauſes, die allenfalls
alleine ein Recht zu widerſprechen gehabt haͤtten,
damit zufrieden waren; ließ ſich freylich nichts da-
wider einwenden. Sonſt aber, wenn die Stamms-
vettern widerſprachen, ſo konnten dieſelben ihr
Succeſſionsrecht auf den Fall, ſobald keine naͤhe-
re ſtandesmaͤßige und ſucceſſionsfaͤhige Nachkom-
menſchaft mehr im Wege ſtand, als ein ſo gegruͤn-
detes Recht (ius quaeſitum) behaupten, das ihnen
unter keinerley Vorwand, auch nicht durch eine
kaiſerliche Standeserhoͤhung wider ihren Willen
benommen werden konnte. Das waren ungefaͤhr
die Grundſaͤtze, wie ſie bisher in Anſehung der
Mißheirathen nach einem uͤbereinſtimmenden Ge-
brauche unſerer reichsſtaͤndiſchen fuͤrſtlichen Haͤuſer
obgewaltet hatten, ohne daß uͤbrigens noch zur
Zeit ein allgemeines Reichsgeſetz daruͤber vorhan-
den war. Eben deswegen haͤtte aber auch bald
dieſes althergebrachte fuͤrſtliche Gewohnheitsrecht
Noth gelitten, da es theils mit Roͤmiſchen und
paͤbſtlichen Rechtsgrundſaͤtzen in Widerſpruch ſtand,
theils das Intereſſe des kaiſerlichen Hofes zu er-
fordern ſchien, auch dieſe Gelegenheit nicht außer
B 5Acht
[26]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
Acht zu laßen, um dem kaiſerlichen Reſervatrechte
der Standeserhoͤhungen eben dadurch noch einen
groͤßeren Werth beyzulegen.


XI.

Dem Syſteme der beiden Geſetzbuͤcher des
Roͤmiſchen und paͤbſtlichen Rechts ſchien es frey-
lich gemaͤßer zu ſeyn, daß eine richtig vollzogene
Ehe ſowohl der Ehegenoſſinn die Theilnehmung
der Wuͤrde des Mannes, als den Kindern nicht
nur den vaͤterlichen Stand ſondern auch die Erb-
faͤhigkeit in den vaͤterlichen Guͤtern zuwege braͤchte.
In der letztern Abſicht bezog man ſich ſogar auf
den Ausſpruch der Bibel: Sind wir dann Kin-
der, ſo ſind wir auch Erben. Man bedachte aber
nicht, daß, ohne der Religion Abbruch zu thun,
jede Nation und jeder Stand noch eigene Beſtim-
mungen haben koͤnne, um erſt alle rechtliche Ei-
genſchaften einer Ehe angedeihen zu laßen; und
daß jene beide Geſetzbuͤcher nur gemeines Recht
enthielten, das zuruͤckſtehen muͤße, ſobald ein be-
ſonderes Land, eine Stadt, eine Familie, oder
auch ein beſonderer Stand, wie hier der Fuͤrſten-
ſtand, ſein eignes Recht hat. War aber ein-
mal auf ſolche Art den Stammsvettern eines Hau-
ſes in Anſehung einer vorgegangenen Mißheirath
ein gewiſſes gegruͤndetes Recht erwachſen; ſo konn-
te ihnen wider ihren Willen das durch keine kai-
ſerliche Standeserhoͤhung benommen werden, ſo
wenig auch ſonſt dagegen zu ſagen war, wenn der
kaiſerliche Hof das Recht der Standeserhoͤhungen
als ein Reſervatrecht behauptete, ſofern nur von
Titel und Wuͤrden, aber nicht von eignen Fami-
nengerechtſamen die Rede war.


Nun
[27]3) Wahlcap. Carls VII. 1742.

Nun fuͤgte ſich der beſondere Fall, daß derXII.
Herzog Anton Ulrich von Sachſen-Meinun-
gen
mit eines Heſſiſchen Hauptmanns Tochter
zwey Soͤhne erzeuget hatte, und vom Kaiſer Carl
dem VI. eine Standeserhoͤhung bewirkte, vermoͤge
deren nicht nur jene als ſeine Gemahlinn in den
Fuͤrſtenſtand erhoben, ſondern auch die mit derſel-
ben erzeugten Soͤhne zu gebohrnen Herzogen von
Sachſen, und zugleich voͤllig ſucceſſionsfaͤhig er-
klaͤret wurden. Hierwider erhoben gleich damals
alle Stammsvettern des Hauſes Sachſen lauten
Widerſpruch; und, ehe noch dieſer einzelne Rechts-
fall durch Urtheil und Recht entſchieden ward, nah-
men die Churfuͤrſten davon Anlaß, in die Wahlca-
pitulation folgende Stelle einzuruͤcken: daß der Kai-
ſer ”den aus unſtreitig notoriſcher Mißheirath er-
zeugten Kindern eines Standes des Reichs oder
aus ſolchem Hauſe entſproſſenen Herrn, zu Verklei-
nerung des Hauſes die vaͤterlichen Titel, Ehre und
Wuͤrde nicht beylegen, vielweniger dieſelben zum
Nachtheile der wahren Erbfolger und ohne deren
beſondere Einwilligung fuͤr ebenbuͤrtig und ſucceſ-
ſionsfaͤhig erklaͤren, auch, wo dergleichen vorhin
bereits geſchehen, ſolches fuͤr null und nichtig an-
ſehen und achten ſolle.”


Waͤre dieſes eine ganz neue Verfuͤgung einesXIII.
erſt jetzt einzufuͤhrenden neuen Rechts geweſen; ſo
haͤtte es ohne Unbilligkeit auf den vorher bereits
im Gange geweſenen Sachſenmeinungiſchen Rechts-
fall nicht zuruͤckgezogen werden koͤnnen. Allein es
war hier ſchon ein laͤngſt gegruͤndetes Recht, das
nur bisher auf bloßem Herkommen beruhet hatte,
und jetzt erſt zu mehrerer Sicherheit in ein aus-
druͤck-
[28]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
druͤckliches Geſetz verwandelt wurde. Alſo konnte
ohne alles Bedenken auch in der Meinungiſchen
Sache ſchon nach eben den Grundſaͤtzen geſprochen
werden, wie im Jahre 1744. das Endurtheil des
Reichshofraths auch dahin ausfiel. Dagegen
nahm zwar der Herzog Anton Ulrich noch ſeine
Zuflucht zur allgemeinen Reichsverſammlung. Aber
auch da erfolgte ein Reichsſchluß, der es nicht nur
bey dem Urtheile des Reichshofraths ließ, und
dem Herzoge ein ewiges Stillſchweigen auflegte,
ſondern auch eben damit jener Stelle der Wahlca-
pitulation zur neuen reichsgrundgeſetzlichen Befe-
ſtigung diente.


XIV.

Nur einen Umſtand hatten die Churfuͤrſten bey
Abfaſſung dieſer Stelle der Wahlcapitulation noch
einer naͤheren Beſtimmung uͤbrig gelaßen, die ſie
lieber durch ein Collegialſchreiben dem Kaiſer zur
reichstaͤglichen Eroͤrterung empfehlen, als ſelbſt
entſcheiden wollten; — nehmlich welche Ehen
eigentlich fuͤr Mißheirathen zu halten ſeyen, da
eine oder andere Gattung derſelben etwa noch zwei-
felhaft ſcheinen moͤchte? In der Wahlcapitulation
ſelbſt hatte man ſich wohlbedaͤchtlich des Aus-
drucks: unſtreitig notoriſcher Mißheirathen,
bedienet; womit man ohne Zweifel ſo viel zu er-
kennen gab, daß man die Ehe eines Fuͤrſten mit
einer Perſon von buͤrgerlichem Stande, wie die
des Herzog Anton Ulrichs war, welche zu dieſer
Stelle den naͤchſten Anlaß gegeben hatte, fuͤr eine
unſtreitig notoriſche Mißheirath hielt. Als zwei-
felhaft ſah man vielleicht noch an, ob die Ehe ei-
nes Fuͤrſten mit einer Perſon von altem Adel, oder
auch mit einer neugraͤflichen, ingleichen mit einer
land-
[29]3) Wahlcap. Carls VII. 1742.
landſaͤſſig oder auslaͤndiſch neufuͤrſtlichen, und ob
auch die Ehe eines Reichsgrafen mit einer adeli-
chen Perſon fuͤr eine Mißheirath zu halten ſey?
Ueber das alles waͤre nun ein Regulativ zu erwar-
ten, indem das churfuͤrſtliche Collegialſchreiben den
Kaiſer erſuchte, daruͤber ein forderſamſtes Reichs-
gutachten zu erfordern, und dieſe Sache, die als
eine Nothwendigkeit angeſehen ward, zu einem
allgemeinen Reichsſchluſſe zu befoͤrdern. Bis jetzt
iſt inzwiſchen bey der Reichsverſammlung noch
nichts weiter davon vorgekommen.


Von der wahren Beſchaffenheit der SacheXV.
laͤßt ſich aus obigen Beyſpielen ſchon von ſelbſten
manches abnehmen. Inſonderheit laßen ſich, was
den in Teutſchland bis auf den heutigen Tag ur-
althergebrachten Unterſchied zwiſchen dem hohen
und niedern Adel anbetrifft, ziemlich ſichere Graͤnz-
linien in Anſehung der Vermaͤhlungen ziehen,
wenn man nur auf die zwey Umſtaͤnde Ruͤckſicht
nimmt, daß eine Prinzeſſinn, wenn ſie an einen
Reichsgrafen vermaͤhlt wird, ihren Fuͤrſtenſtand
nicht verliehrt, wohl aber, wenn ſie nur mit einem
von Adel ſich in die Ehe begibt, und daß morga-
natiſche Ehen Teutſcher Reichsfuͤrſten wohl mit
adelichen Perſonen eben ſo gut, wie mit buͤrgerli-
chen, ſtatt finden, nicht aber mit Prinzeſſinnen
und Graͤfinnen von gleichem Herrenſtande. Alle-
mal wuͤrden wenigſtens fuͤr den Teutſchen Fuͤrſten-
ſtand aͤußerſt bedenkliche Folgen zu erwarten ſeyn,
wenn das bisherige Herkommen eine Aenderung
leiden ſollte.


Wenn das erſt ausgemacht waͤre, daß dieXVI.
Ehe eines Fuͤrſten mit einer Perſon von altem Adel
keine
[30]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
keine Mißheirath ſey; ſo moͤchte es wohl nicht lan-
ge waͤhren, daß Fuͤrſten haͤufiger adeliche Perſo-
nen, als gebohrne Prinzeſſinnen, zu Gemahlin-
nen nehmen wuͤrden. Unter jenen wuͤrde wenig-
ſtens die Wahl ungleich groͤßer ſeyn. Und wie
manche Prinzeſſinn wuͤrde dann nicht unvermaͤhlt
bleiben? Ob aber dann auch der bisherige Vor-
zug des Teutſchen Fuͤrſtenſtandes, daß Monarchen
Teutſche Prinzeſſinnen zu Gemahlinnen wehlen,
noch lange waͤhren wuͤrde, wenn ſie dadurch Ge-
fahr liefen mit adelichen Geſchlechtern in Ver-
wandtſchaft zu kommen, das moͤchte wohl eine an-
dere Frage ſeyn. Hingegen nachgebohrne Herren
fuͤrſtlicher Haͤuſer, die jetzt ſelten ebenbuͤrtige Ge-
mahlinnen nehmen koͤnnen, wuͤrden freylich un-
gleich haͤufiger mit adelichen Damen ſich vermaͤh-
len. Und wenn deren Toͤchter dann wieder der
Fraͤuleinſteuer, wie ſolche in den meiſten Laͤndern,
doch bisher durchgaͤngig nur fuͤr Toͤchter aus eben-
buͤrtigen Ehen, hergebracht iſt, ſich zu erfreuen
haͤtten, ſo moͤchten ſich die Teutſchen Landſchaften
nur auf oͤftere Fraͤuleinſteuern gefaßt halten; —
vieler anderen Folgen von Nepotismus u. d. gl.,
die einem jeden bey einigem Nachdenken leicht von
ſelbſten einleuchten werden, nicht zu gedenken.


XVII.

Die Materie von Mißheirathen iſt inzwiſchen
nicht die einzige, die von den damals an Carl den
VII. erlaßenen churfuͤrſtlichen Collegialſchreiben
noch nicht erlediget worden. Auch mit mehreren
Stellen der Wahlcapitulation hat es noch jetzt
eben die Bewandtniß, wie zu der Zeit, da ſie
zuerſt eingeruͤckt wurden. Diejenigen, die ſeit-
dem zur Sprache gekommen ſind, werden ſich fuͤg-
lich
[31]4) Carls d. VII. Regierung 1742-1745.
lich bey einer jeden Gelegenheit, da das geſchehen
iſt, nachholen laßen.


IV.
Merkwuͤrdigkeiten der Regierung Kaiſer Carls
des VII. 1742. Jan. 24. — 1745. Jan. 20.


I. So kurz dieſe Regierung war, ſo fruchtbar war ſie
doch an wichtigen Begebenheiten. — II. III. Inſonderheit
bekam die Preuſſiſche Macht einen betraͤchtlichen Zuwachs
an Schleſien — und Oſtfriesland; — IV. Dem Hauſe
Sachſen-Weimar fiel Eiſenach zu, — V. und dem Hauſe
Naſſau-Oranien Siegen, — wiewohl auf letzteres noch
ein Praͤtendent Anſpruch machte. — VI. Das Haus Hol-
ſtein-Gottorp bekam nahe Ausſichten zur Thronfolge in
Schweden und Rußland. — VII. Das Haus Heſſencaſſel
erhielt einen guͤnſtigen Reichsſchluß zu Befeſtigung ſeines
Beſitzes in der Grafſchaft Hanau, — wie auch ein unbe-
ſchraͤnktes Appellations-Privilegium. — VIII. Durch kai-
ſerliche Standeserhoͤhungen wurden verſchiedene neue Fuͤr-
ſten gemacht. — IX. Manche Veraͤnderungen, die ſonſt
noch in der Reichsverfaſſung zu erwarten geweſen ſeyn moͤch-
ten, unterbrach noch der Tod des Kaiſers.


Die kaiſerliche Regierung Carls desVII. waͤhr-I.
te kaum drey Jahre; war aber doch voll
merkwuͤrdiger Begebenheiten, die ſelbſt auf die
Verfaſſung des Teutſchen Reichs im Ganzen nicht
geringen Einfluß hatten.


Das Schickſal der pragmatiſchen SanctionII.
ward zwar noch nicht ganz entſchieden. Doch
ſchien das Gluͤck der Waffen der Hoffnung, die
ſich das Haus Baiern von der Unterſtuͤtzung ſo
zahl-
[32]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
zahlreicher und maͤchtiger Bundesgenoſſen hatte
machen koͤnnen, dieſe ganze Zeit uͤber gar nicht zu
entſprechen. Der Koͤnig in Preuſſen war bisher
der einzige, dem Maria Thereſia ſich bequemen
mußte, im Breslauer Frieden von ganz Nie-
derſchleſien und einem betraͤchtlichen Theile von
Oberſchleſien nebſt der Grafſchaft Glatz ein Opfer
zu machen. Darauf konnte ſie aber auch ihre
ganze Macht gegen ihre uͤbrigen Widerſacher ver-
einigen. Und als auch darin der neue Preuſ-
ſiſche Einbruch in Boͤhmen einen Querſtrich mach-
te, ſo ſtand es noch dahin, ob es auch von dieſer
Seite noch beym Breslauer Frieden bleiben wuͤr-
de, der uͤbrigens das Haus Brandenburg beyna-
he um die Haͤlfte ſeiner Macht verſtaͤrkte, und es
alſo einem in Teutſchland ſelbſt gegen das Haus
Oeſterreich zu haltenden Gleichgewichte um ſo viel
naͤher brachte.


III.

Noch bekam die Macht des Hauſes Branden-
burg unter dieſer Regierung einen neuen Zuwachs
mit dem Fuͤrſtenthume Oſtfriesland, das der
Koͤnig nach Abgang des letzten Fuͤrſten († 1744.
May 25.) vermoͤge einer kaiſerlichen Anwartſchaft
vom 10. Dec. 1694. in Beſitz nehmen ließ; wie-
wohl Churbraunſchweig vermoͤge einer aͤltern Erb-
verbruͤderung vom 20. Maͤrz 1691. ebenfalls An-
ſpruch darauf machte.


IV.

Zwey andere fuͤrſtliche Haͤuſer, oder doch zwey
regierende Staͤmme anderer Haͤuſer waren ſchon
vorher ausgeſtorben, und halfen alſo ebenfalls die
Zahl der bisherigen regierenden Reichsfuͤrſten ver-
mindern. Einer derſelben war der Herzog Wil-
helm
[33]4) Carls des VII. Regier. 1742-1745.
helm Henrich von Sachſen-Eiſenach, der am
29. Jul. 1741. als der letzte ſeines Stammes ge-
ſtorben war; worauf dieſer Eiſenachiſche Landes-
antheil nebſt der darauf haftenden Stimme im
Reichsfuͤrſtenrathe mit dem Hauſe Sachſen-Wei-
mar vereiniget wurde. Nur die Grafſchaft Al-
tenkirchen, welche des letzten Herzogs Großvater
Johann Georg durch ſeine Vermaͤhlung mit einer
Graͤfinn von Sain an ſein Haus gebracht hatte,
fiel dem Marggrafen von Anſprach zu, weil deſſen
Großvater, der Marggraf Johann Friedrich, eine
Tochter des Herzogs Johann Georgs von Eiſe-
nach zur Gemahlinn gehabt hatte. (Eine Toch-
ter des Marggrafen Johann Friedrichs von An-
ſpach war die Gemahlinn Koͤnigs Georgs des II.
Darum wird nach Abgang des Hauſes Anſpach
dereinſt Altenkirchen an das Haus Hannover fallen.)


Der andere Fuͤrſt, der ſeinen Stamm beſchloß,V.
war Wilhelm Hyacinth von Naſſau-Siegen
(† 1743. Febr. 18.), deſſen Landesantheil nebſt
der fuͤrſtlichen Stimme von Naſſau-Hadamar
darauf dem Hauſe Naſſau-Oranien zufiel. (Wil-
helm Hyacinths Vater Johann Franz hatte zwar
noch einen Sohn, Immanuel Ignatz, gehabt;
aber aus einer ungleichen Ehe mit Iſabelle Clare
Eugenie de la Serre, in deren Eheberedung vom
9. Febr. 1669. es ausbedungen war, daß ihre
Kinder nur den Adelſtand fuͤhren ſollten. Nichts
deſto weniger nahm dieſer Immanuel Ignatz, je-
doch mit Widerſpruche der Naſſauiſchen Stamms-
vettern, den Titel: Prinz von Naſſau-Siegen,
an; vermaͤhlte ſich auch im May 1711. mit Ca-
tharine Charlotte, einer Tochter Ludewigs von
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. CMail-
[34]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
Mailly, Marquis von Nesle. Dieſe verließ aber
ihren Gemahl 1715., gebahr jedoch am 23. Nov.
1722. noch einen Sohn Maximilian Wilhelm
Adolf, und behauptete, ihr Gemahl habe ſich im
Jahre 1722. noch mit ihr ausgeſoͤhnt und ſie auf
kurze Zeit zu Paris beſucht gehabt. Eben der
Maximilian Wilhelm Adolf erſchien hernach als
Praͤtendent von Naſſau-Siegen mit einer Klage
gegen Naſſau-Oranien am Reichshofrathe; wo
jedoch am 5. Aug. 1746. ein entſcheidendes End-
urtheil wider ihn erfolgte. Ein Ausſpruch des
Parlaments zu Paris ergieng hingegen im Jahre
1756. zu ſeinem Vortheile. Vermoͤge deſſen
wird auch ein noch lebender Sohn, Carl Hen-
rich Nicolaus Otto, den Max Wilhelm Adolf am
9. Jan. 1745. mit Maria Magdalena Amalia,
einer Tochter Nicolas von Monchy, Marquis
von Senarpont, erzeuget hat, in Frankreich als
ein gebohrner Prinz von Naſſau-Siegen aner-
kannt. Derſelbe hat ſich theils durch ſeine Be-
gleitung des Herrn von Bougainville auf der See-
reiſe um die Welt in den Jahren 1766. bis 1769.,
theils durch einen mißlungenen Angriff auf Jer-
ſey 1779. bekannt gemacht, und endlich am 22.
Sept. 1780. mit einer Tochter Bernhards von
Godzky, des Fuͤrſten Janus von Sanguſzko ge-
ſchiedener Gemahlinn, in Polen ſich vermaͤhlet.)


VI.

Ein anderer doppelter maͤchtiger Zuwachs
ward um dieſe Zeit dem Hauſe Holſtein-Got-
torp
fuͤr die Zukunft ausgemacht, da zwey Prin-
zen dieſes Hauſes zu Thronfolgern in zwey nordi-
ſchen Reichen beſtimmt wurden; Carl Peter Ul-
rich, oder nach angenommener Griechiſchen Reli-
gion
[35]4) Carls des VII. Regier. 1742-1745.
gion Peter Feodorowitz (1742. Nov. 18.), als
Großfuͤrſt und Thronfolger von Rußland; und
Adolf Friedrich (1743. Jul. 4.) als Thronfolger
in Schweden.


Noch gehoͤrte endlich zu den Haͤuſern, welcheVII.
die Zeit her einen betraͤchtlichen Zuwachs erhal-
ten hatten, das Haus Heſſen-Caſſel. Schon
in den letzteren Jahren der vorigen kaiſerlichen
Regierung hatte nach dem Tode des letzten Gra-
fen von Hanau († 1736. Maͤrz 28.) der Prinz
Wilhelm von Heſſen-Caſſel, dem ſein aͤlterer Bru-
der, damaliger Koͤnig in Schweden, ſein Recht
uͤberlaßen hatte, Hanau in Beſitz genommen,
weil ſein Haus von der Graͤfinn Amalia Eliſabeth
von Hanau-Muͤnzenberg abſtammte, und uͤber-
das nicht nur eine im Jahre 1643. zwiſchen Heſ-
ſen-Caſſel und Hanau errichtete Erbvereinigung
fuͤr ſich hatte, ſondern auch durch einen im Jah-
re 1728. mit Churſachſen errichteten und vom
Kaiſer beſtaͤtigten Vertrag die Churſaͤchſiſchen
Rechte auf die Hanau-Muͤnzenbergiſchen Reichs-
lehne, als Churſaͤchſiſche Afterlehne, an ſich ge-
bracht hatte. Hiergegen machte der damalige Erb-
prinz von Heſſen-Darmſtadt, der eine Tochter
des letzten Grafen zur Gemahlinn hatte, Anſpruch
auf die graͤfliche Mobiliarverlaßenſchaft und auf
das Amt Babenhauſen. Desgleichen behauptete
Churmainz das bisher mit Hanau gemeinſchaftlich
beſeſſene Freygericht bey Alzenau vor dem Berge
Welmitzheim nunmehr ſich alleine zueignen zu koͤn-
nen. Beide Sachen waren am Cammergerichte
anhaͤngig gemacht, wo jedoch Heſſen-Caſſel ſich
auf das Recht der Auſtraͤgalinſtanz bereif. Als
C 2hier-
[36]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
hierauf das Cammergericht keine Ruͤckſicht neh-
men wollte; wandte Heſſen-Caſſel ſich an den
Reichstag, und bewirkte im Jun. und Jul. 1743.
einen Reichsſchluß: daß dieſe ſtreitige Hanaui-
ſche Succeſſionsſache an die fuͤrſtlich Heſſiſchen
Stammsaustraͤge zu verweiſen ſey. — Noch
erhielt das Haus Heſſen-Caſſel von Carl dem VII.
am 7. Dec. 1742. ein unbeſchraͤnktes kaiſerliches
Privilegium gegen alle Appellationen an die Reichs-
gerichte, in Gefolg deſſen am 26. Nov. 1743.
ein neues Oberappellationsgericht zu Caſſel errich-
tet wurde.


VIII.

Endlich entſtanden durch kaiſerliche Standes-
erhoͤhungen unter dieſer kurzen Regierung verſchie-
dene neue Fuͤrſten von Stolberg-Gedern, Solms-
Braunfels, Hohenlohe-Schillingsfuͤrſt, Hohen-
lohe-Bartenſtein, Hohenlohe-Pfaͤdelbach, und
Iſenburg-Birſtein; doch ohne daß weder auf dem
Reichstage, noch in den Kreiſen und graͤflichen
Collegien damit eine Aenderung vorgieng.


IX.

Wenn dieſe Regierung noch laͤnger gewaͤhret
haͤtte, moͤchten wohl noch mehrere Veraͤnderun-
gen in manchen Faͤchern zu erwarten geweſen ſeyn.
Schwerlich wuͤrden auch ſelbſt Wiener Schrift-
ſteller alsdann der kaiſerlichen Gewalt ſo viel ein-
geraͤumt haben, als wohl vor- und nachher ge-
ſchehen iſt. Inſonderheit duͤrfte die Verbindung
zwiſchen Teutſchland und Italien ſchwerlich lange
auf den bisherigen Fuß geblieben ſeyn, da das
Haus Baiern ſelbſt keinen feſten Fuß in Italien
hatte, und alſo den kaiſerlichen Verfuͤgungen in
ſelbigen Gegenden keinen Nachdruck geben konnte.
Je-
[37]5) Regierungsantritt Franz d. I. 1745.
Jedoch mit dem fruͤhzeitigen Tode des Kaiſers be-
kam alles wieder eine ganz veraͤnderte Geſtalt.


V.
Merkwuͤrdigkeiten beym Antritt der Regierung
Kaiſers Franz des I. 1745.


I. Fuͤßner Friede zwiſchen Oeſterreich und Baiern. —
II. Kaiſerwahl und Kroͤnung Franz des I.III. Nun-
mehrige Zulaßung des Boͤhmiſchen Wahlbotſchafters, ohne
weitern Anſtand, daß eine Dame die Churſtimme fuͤhren
koͤnne. — IV. Dresdner und Aachner Friedensſchluͤſſe. —
V. Beide ohne Theilnehmung des Reichs, — VI. außer
daß der Dresdner Friede vom Reiche garantirt wurde, —
nur mit Vorbehalte der Rechte des Reichs in Anſehung
Schleſiens. — VII. Das Reich hatte dem Kaiſer nur eine
Geldhuͤlfe bewilliget, und ſich zur Vermittelung des Frie-
deus erboten. — VIII. Neue Frage und Verordnung uͤber
die Fortdauer der Aſſociation der vorliegenden Kreiſe. —
IX. Neue Einrichtung wegen Abwechſelung des Rheiniſchen
Reichsvicariates. — X. Ruͤckkehr des ehemaligen Verhaͤlt-
niſſes zwiſchen der Kaiſerwuͤrde und dem Hauſe Oeſter-
reich. — XI. Damit gehobene Schwierigkeit wegen des
kaiſerlichen Reichshofarchives, — XII. wie auch wegen
Veraͤnderung des Reichshofraths von einer kaiſerlichen Re-
gierung zur andern, — XIII. ingleichen mit den Stellen
des Reichsvicecanzlers und Reichsreferendarien.


Carl der VII. hatte ſeinen Sohn, Max Joſeph,I.
dem nur noch wenige Monathe an der bey
den Churfuͤrſten mit dem achtzehnten Jahre ein-
tretenden Volljaͤhrigkeit abgiengen, noch kurz vor
ſeinem Tode fuͤr volljaͤhrig erklaͤret. Derſelbe fand
ſich aber bald bewogen, dem bisherigen Kriege
ſeines Orts ein Ende zu machen. In einem Frie-
den
, den er am 22. Apr. 1745. zu Fueßen zeich-
C 3nen
[38]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
nen ließ, begnuͤgte er ſich, ſein vaͤterliches Land
zuruͤckzubekommen, und begab ſich hingegen aller
der pragmatiſchen Sanction zuwiderlaufenden An-
ſpruͤche; verſprach auch nicht nur die Boͤhmiſche
Wahlftimme anzuerkennen, ſondern auch mit ſei-
ner Stimme den Großherzog von Toſcana zur
Kaiſerwuͤrde befoͤrdern zu helfen.


II.

Auf ſolche Art blieb zwar Maria Thereſia
noch mit Preuſſen in Boͤhmen und Schleſien, mit
Frankreich in den Niederlanden, und mit Frank-
reich, Spanien und Neapel in Italien, in Krieg
verwickelt. Aber in Anſehung der Kaiſerwahl
lenkten ſich jetzt bald alle Umſtaͤnde zum Vortheile
ihres Gemahls. Ohne diesmal große Aenderun-
gen in der Wahlcapitulation zu machen, wurde
die Wahl ſchon den 13. Sept. 1745. vollzogen,
und am 4. Oct. wurde Kaiſer Franz gekroͤnet.
(Seine Gemahlinn fand ſich zwar ebenfalls zu
Frankfurt ein, ward aber nicht ſelbſt gekroͤnet,
weil ſie eben guter Hoffnung war. Des vorigen
Kaiſers Carls des VII. Gemahlinn war noch am
8. Maͤrz 1742. gekroͤnet worden.)


III.

Einer der merkwuͤrdigſten Umſtaͤnde bey die-
ſer Kaiſerwahl war dieſer, daß nunmehr ohne An-
ſtand die Boͤhmiſchen Wahlbotſchafter mit
Vollmachten von Maria Thereſia als Koͤniginn in
Boͤhmen zugelaßen wurden. Eben damit hat al-
ſo nunmehr der Satz: daß auch eine Dame der
Churſtimme nicht unfaͤhig ſey, ſeine voͤllige Erle-
digung erhalten.


IV.

Die beiden Geſandten von Churbrandenburg
und Churpfalz giengen zwar vor Vollziehung der
Wahl
[39]5) Regierungsantritt Franz d. I. 1745.
Wahl mit Widerſpruch von Frankfurt weg. Sie
konnten aber der goldenen Bulle zufolge die uͤbri-
gen an Vollziehung der Wahl nicht hindern. Da
es auch bald hernach mit dem Koͤnige in Preuſſen
zum Frieden kam, der am 25. Dec. 1745. zu
Dresden
meiſt voͤllig auf den Fuß des Breslauer
Friedens geſchloſſen ward; ſo ließen beide Hoͤfe,
vermoͤge eines beſondern Artikels dieſes Friedens,
von ihrem Widerſpruche nach. Allen uͤbrigen
Kriegslaͤuften machte hernach im Jahre 1748.
der Friede zu Aachen ein Ende, wo die Praͤli-
minarien von den Geſandten von Großbritannien,
Frankreich und den vereinigten Niederlanden ſchon
am 30. Apr. gezeichnet wurden. Der voͤllige Frie-
densſchluß mit Beytritt des Wiener Hofes kam
erſt in den letzten Tagen des Octobers zu Stande.
Vermoͤge deſſen blieb es nun am Ende doch voͤllig
bey der pragmatiſchen Sanction, bis auf den ein-
zigen Punct, daß Don Philipp, ein juͤngerer Sohn
des inzwiſchen verſtorbenen Koͤnigs Philipps des
V. von Spanien, die Herzogthuͤmer Parma, Pia-
cenza und Guaſtalla bekam.


Das Teutſche Reich hatte an allen den Krie-V.
gen keinen Theil genommen, konnte alſo auch
bey den Friedensſchluͤſſen nicht als mitſchließender
Theil in Betrachtung kommen. Doch ſchien dar-
in einiger Widerſpruch zu liegen, daß man im
Jahre 1720. noͤthig gefunden hatte, die in der
damaligen Quadrupelallianz beliebte Verfuͤgung
uͤber Toſcana, Parma und Piacenza dem Reichs-
tage zur Genehmigung vorzulegen; jetzt aber an
eine reichstaͤgliche Genehmigung der im Aachner
Frieden enthaltenen neuen Verfuͤgung uͤber Par-
C 4ma,
[40]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
ma, Piacenza und Guaſtalla nicht gedacht wurde.
(Meines Wiſſens iſt auch ſeitdem keine kaiſerliche
Belehnung uͤber dieſe Laͤnder geſchehen.)


VI.

Beym Dresdner Frieden bedang ſich der Koͤ-
nig in Preuſſen, daß man von Seiten des Teut-
ſchen Reichs eine Garantie deſſelben zuwege zu
bringen ſuchen ſollte. Dieſe iſt hernach in einem
Reichsgutachten vom 14. May 1751. geſchehen,
jedoch mit Einruͤckung der Clauſel: ”mit Vor-
und Beybehaltung der iurium imperii.” (Weil
ehedem Schleſien der Krone Boͤhmen einverleibt
geweſen war, dieſe aber zum Teutſchen Reiche
gehoͤrte; ſo hat vielleicht der Anſtand erwachſen
koͤnnen, ob dieſe ehemalige Einverleibung ohne
Beytritt des Reichs habe aufgehoben werden koͤn-
nen, wie ſolches ſchon vom Kaiſer Carl dem VII.
als Koͤnige in Boͤhmen, und hernach im Bres-
lauer Frieden geſchehen war. Damit deshalb dem
Reiche an ſeinem Rechte nichts vergeben wuͤrde,
war wohl die Abſicht jener Clauſel. Der Koͤnig
in Preuſſen nahm inzwiſchen gleich nach dem Bres-
lauer Frieden den Titel: Souverainer Herzog von
Schleſien, und ſouverainer Graf von Glatz, an;
der ihm auch aus der Reichshofcanzley nicht ver-
ſagt worden iſt.)


VII.

Das einzige war von Reichs wegen geſchehen,
daß auf ein Commiſſionsdecret vom 28. May
1742., worin Carl der VII. wegen des damali-
gen Zuſtandes ſeiner Erblande auf eine Geld-
huͤlfe
antrug, im Oct. 1742. ihm 50. Roͤmermo-
nathe bewilliget wurden. Uebrigens erklaͤrte ſich
das Reich in einem Reichsgutachten vom 10. May
1743.
[41]5) Regierungsantritt Franz d. I. 1745.
1743. geneigt, mit Zutritt der Seemaͤchte eine
Vermittelung zwiſchen den damals im Kriege
begriffenen Theilen zu uͤbernehmen; wiewohl es
auch dazu hernach nicht gekommen iſt.


Am eifrigſten bemuͤhten ſich beide Theile eineVIII.
Aſſociation der Kreiſe zu Stande zu bringen;
der Wiener Hof, weil bisher die vorderen Kreiſe
ſich immer zum Vortheile des Wiener Hofes ge-
gen den Franzoͤſiſchen aſſociirt hatten; der Muͤnch-
ner Hof, weil gewoͤhnlich bisher nur der Kaiſer
die Aſſociation auf ſeiner Seite gehabt habe. Wie
dieſer letzte Grund unter dem Kaiſer Franz wieder-
um dem Wiener Hofe zu ſtatten kam, ward die
Sache von neuem in Bewegung gebracht, und
zuletzt uͤber die Frage: ob die Aſſociation der Krei-
ſe auch in Friedenszeit allenfalls ihren Fortgang
behalte? zwar ein bejahender Schluß gefaſſet; je-
doch auf weitere Berathſchlagung ausgeſetzt, was
das nun fuͤr Wirkung haben ſolle, und wie ſolche
zu bewerkſtelligen ſey? (Wobey es ſeitdem bisher
geblieben iſt; zumal da ſeit dem Aachner Frieden
das Verhaͤltniß zwiſchen Oeſterreich und Frank-
reich ſich merklich geaͤndert hat; ſo daß, ſo lange
es dabey bleibet, kein Krieg zwiſchen dieſen beiden
Maͤchten zu beſorgen iſt, und alſo die ehemalige
Haupturſache dieſer Aſſociation damit aufgehoͤret
hat. Sollte ſich aber hierin uͤber kurz oder lang
wieder eine Aenderung ereignen; ſo wird wahr-
ſcheinlich auch dieſe Aſſociation der Kreiſe von
neuem in Bewegung kommen.)


Mit dem Rheiniſchen Reichsvicariate wur-IX.
de bald nach Carls des VII. Tode eine andere Ein-
C 5rich-
[42]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
richtung getroffen. An ſtatt der im Jahre 1724.
beliebten Gemeinſchaft verglichen ſich die beiden
Hoͤfe zu Muͤnchen und Manheim auf eine kuͤnf-
tige Abwechſelung deſſelben, womit diesmal zu
Muͤnchen der Anfang gemacht wurde. Das chur-
fuͤrſtliche Collegium bezeigte ſchon in der Wahlca-
pitulation Franz des I. ſeine Zufriedenheit dar-
uͤber, und empfahl den Vergleich zur Genehmi-
gung des geſammten Reichs, die hernach durch
ein Reichsgutachten vom 7. Aug. 1752., und deſ-
ſen kaiſerliche Genehmigung vom 21. Aug. 1752.
erfolget iſt. (Doch haben ſich die Umſtaͤnde ſeit-
dem wieder geaͤndert, da nach dem Abgange des
Hauſes Baiern jetzt ohnedem wieder nur ein
Rheiniſcher Vicariatshof ſeyn kann.)


X.

Uebrigens kam mit dem Regierungsantritt
Kaiſer Franz des I. nunmehr in Anſehung des kai-
ſerlichen Hofes meiſt alles wieder auf den Fuß, wie
es unter Carl dem VI. geweſen war. Ein we-
ſentlicher Unterſchied zeigte ſich zwar darin, daß
die Regierung der Erbſtaaten des Hauſes Oeſter-
reich mit der kaiſerlichen Regierung diesmal nicht,
wie ehedem, in einer Perſon verbunden war.
Jedoch das genaue Verhaͤltniß, worin Franz und
Maria Thereſia als Gemahl und Gemahlinn ge-
gen einander ſtanden, ließ jenen Unterſchied kaum
merklich werden. Wenigſtens war nun doch fuͤr
die Zukunft der Weg von neuem gebahnt, der-
einſt in der Nachkommenſchaft dieſes erhabenen
Paares beide Regierungen wieder in einer Perſon
vereiniget zu ſehen. Von nun an ſchien alſo kai-
ſerlich und Oeſterreichiſches Staatsintereſſe wieder
ziemlich in einander zu fließen. (Von dieſer Zeit
an
[43]5) Regierungsantritt Franz d. I. 1745.
an konnten alſo auch Oeſterreichiſche Schriftſteller
wieder ſolche Grundſaͤtze annehmen, die ſie ſchwer-
lich mit eben dem Eifer aufgeſtellt und vertheidi-
get haben moͤchten, wenn die Kaiſerwuͤrde laͤnger
zu Muͤnchen ihren Sitz behalten haͤtte.)


Eine Schwierigkeit, die unter Carl dem VII.XI.
nicht ganz hatte gehoben werden koͤnnen, (und
die in aͤhnlichen Umſtaͤnden wahrſcheinlich noch
immer wieder eintreten wuͤrde,) verlohr ſich jetzt
von ſelbſten, ſobald das kaiſerliche Hoflager wie-
der zu Wien ſeinen Sitz hatte. Man war in
den Regiſtraturen und Archiven in vorigen Zei-
ten nicht immer ſo ſorgſam geweſen, die Ge-
ſchaͤffte der kaiſerlichen und Oeſterreichiſchen Re-
gierung ſo genau von einander abzuſondern, wie
man es jetzt gewohnt iſt. Als daher mit Verle-
gung des kaiſerlichen Hoflagers von Wien nach
Muͤnchen auch natuͤrlich in Frage kam, das kai-
ſerliche Reichshofarchiv
nunmehr von Wien
nach Muͤnchen heruͤberzubringen; ſo machte der
Wiener Hof nicht nur darum Schwierigkeit, weil
derſelbe Carl den VII. nicht als Kaiſer erkennen
wollte, ſondern auch vorzuͤglich deswegen, weil
erſt eine Abſonderung der Oeſterreichiſchen Brief-
ſchaften von den Reichsſachen geſchehen muͤßte.
Inzwiſchen ward auf ein am 13. May 1742. an
das Reich erlaßenes Commiſſionsdecret im Oct.
1742. zu Wien zwar ein Anfang gemacht, jene
Abſonderung zu bewerkſtelligen. Allein nun ka-
men noch andere Schwierigkeiten hinzu, unter
andern ſelbſt wegen der Koſten des Transports
einer ſo ungeheuren Actenmaſſe nur einen Fond zu
verſchaffen, u. ſ. w. Das alles erledigte ſich
aber
[44]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
aber von ſelbſten, da nunmehr die Sachen zu Wien
bleiben konnten, wie ſie waren.


XII.

Eine andere bisher ungewoͤhnliche Veraͤnde-
rung ereignete ſich bey den diesmaligen abwechſeln-
den Regierungen in Anſehung des Reichshof-
raths
. Derſelbe nimmt zwar mit jedem Todes-
falle eines Kaiſers ein Ende. So lange aber die
Kaiſerwuͤrde unverruͤckt beym Hauſe Oeſterreich
geblieben war, wurde auch der Reichshofrath bey
jeder neuen Regierung wieder mit den vorigen
Mitgliedern beſetzt. Carl der VII. ſah ſich hin-
gegen genoͤthiget, den ganzen Reichshofrath mit
neuen Perſonen zu beſetzen, weil diejenigen, die
vorher zu Wien im Reichshofrathe geſeſſen hatten,
theils vom Bairiſchen Hofe nicht begehret, theils
vom Oeſterreichiſchen nicht entlaßen wurden. So
gieng es hernach auch unter dem Kaiſer Franz,
da diejenigen, die unter Carl dem VII. gedient
hatten, nicht wieder ankamen, wohl aber einige,
die noch von Carl dem VI. her lebten, in ihre vo-
rige Stellen zuruͤckkehrten. Dieſes letztere traf
unter andern ſelbſt den Reichshofrathspraͤſidenten
Grafen von Wurmbrand, der uͤber ein halbes
Jahrhundert im Reichshofrathe geſeſſen hat.


XIII.

Eben ſo gieng es mit der ſehr eintraͤglichen
Reichsvicecanzlers-Stelle, die zwar vom
Churfuͤrſten von Mainz vergeben wird, aber doch
mit jedem Kaiſer aufhoͤret. Dieſe Stelle hatte
ſchon in den letzten Jahren Carls des VI. der Graf
Rudolf von Colloredo bekleidet; unter Carl dem
VII. bekam ſie ein Graf von Koͤnigsfeld, unter
Fran-
[45]5) Regierungsantritt Franz d. I. 1745.
Franzen wieder Colloredo, der 1764. in Fuͤrſten-
ſtand erhoben wurde, und noch immer in dieſem
Poſten ſtehet. (Eigentlich iſt der Reichsvicecanz-
ler der einzige wahre Staatsminiſter, den der
Kaiſer als Kaiſer hat. Er allein hat nach Vor-
ſchrift der Wahlcapitulation in Reichsſachen dem
Kaiſer alle Vortraͤge zu thun. Und was der Kai-
ſer als Kaiſer zu unterſchreiben hat, muß immer
erſt vom Reichsvicecanzler contraſignirt ſeyn. De-
ſto ſonderbarer iſt es, daß hierin der Kaiſer nicht
einmal freye Haͤnde hat, ſeinen eignen Miniſter zu
ernennen. Der Churfuͤrſt von Mainz wird zwar
nicht leicht dem Kaiſer wider ſeinen Willen einen
Mann in dieſem Poſten aufdringen. Doch ſoll
nach ausdruͤcklicher Vorſchrift der Wahlcapitula-
tion der Kaiſer dem Churfuͤrſten von Mainz in der
ihm alleine diesfalls zuſtehenden Dispoſition kei-
nen Eingriff thun, noch ſonſt darin Ziel und
Maaß ſetzen (i). Unter Leopolden geſchah es
doch, daß im Jahre 1705. der damalige Churfuͤrſt
von Mainz ſeines Bruders Sohn, Friedrich Carl
Grafen von Schoͤnborn, der kaum 20. Jahre alt
war, gegen die [Neigung] des kaiſerlichen Hofes
zu dieſer Stelle befoͤrderte. Die Stelle iſt ſehr
eintraͤglich, weil von allen Taxen und Sporteln
der betraͤchtlichſte Theil immer dem Reichsvice-
canzler zufaͤllt. Bey den letzteren Veraͤnderungen
ſoll einer dem andern eine betraͤchtliche Summe
Geldes, die beym Antritte der Stelle bezahlt wer-
den muͤßen, wieder verguͤtet haben. — Naͤchſt
dem Reichsvicecanzler iſt die Stelle des Reichs-
referendarien
, der ihm von Mainz aus noch an
die
[46]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
die Seite geſetzt wird, eine der erheblichſten. Der-
ſelbe hat eigentlich die Ausfertigungen, die außer
dem Reichshofrathe am kaiſerlichen Hofe zu machen
ſind, zu concipiren, und noch vor dem Reichsvice-
canzler zu contraſigniren, auch in Conferenzen in
Reichsſachen muͤndliche Vortraͤge zu thun. Seit
1765. bekleidet dieſe Stelle Herr Franz Georg von
Leikam, der vorher Cammergerichtsaſſeſſor zu Wetz-
lar war.)


VI.
[47]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.

VI.
Reichstagsverhandlungen uͤber Recurſe und
Ceremonielſtreitigkeiten 1745-1748.


I. II. Von Reichsgerichts-Erkenntniſſen wurden jetzt
immer haͤufiger Recurſe an den Reichstag genommen. —
III. Doch war ſchwer zu beſtimmen, in welchen Faͤllen es
mit Recht geſchehe? — IV. V. Vier jetzt gegen das Cammer-
gericht betriebene Recurſe veranlaßten die Frage: ob nicht
wenigſtens erſt Bericht vom Cammergerichte zu fordern
ſey? — VI. Eine ſcheinbare Ausfuͤhrung erſchien dawi-
der; — VII. doch im Grunde war mehr fuͤr die Berichts-
forderung. — VIII. IX. Inſonderheit diente ein Sachſen-
Meinungiſcher Recurs in der Gleichiſchen Sache bald zum
Beweiſe, daß ſelbſt Thatſachen, wie ſie in fuͤrſtlichen Schrif-
ten erzehlt werden, nicht immer ganz zuverlaͤßig ſeyen. —
X. Ein Churpfaͤlziſcher Recurs erhielt zwar ein guͤnſtiges
churfuͤrſtliches Concluſum; aber die Hoffnung zu einem
gleichmaͤßigen fuͤrſtlichen Schluſſe ward noch vereitelt. —
XI. Ueber einen andern Recurs des Herzog Anton Ulrichs
von Sachſen-Meinungen wegen der Succeſſionsfaͤhigkeit
ſeiner in einer Mißheirath erzeugten Soͤhne erfolgte ein
widriger Reichsſchluß. — XII. XIII. Als der neue Princi-
palcommiſſarius, Fuͤrſt von Taxis, das erſtemal zur Tafel
bitten ließ, erwachte der alte Rangſtreit zwiſchen geiſtlichen
und weltlichen Fuͤrſten; — XIV-XVIII. Woruͤber zehn
Schriften vom Heſſencaſſeliſchen, Heſſendarmſtaͤdtiſchen, Bam-
bergiſchen, Graͤflichen, Hollaͤndiſchen und Bairiſchen Geſand-
ten nach einander zum Vorſcheine kamen; — deren Haupt-
inhalt hier bemerklich gemacht wird.


Von dem, was in Reichsſachen in den erſtenI.
Jahren der Regierung Kaiſers Franz des I.
vorgieng, war das wichtigſte, was wegen der
Recurſe an den Reichstag ſowohl bey der
Reichsverſammlung als bey den Hoͤfen in dieſer
Zeit verhandelt wurde. Es ſchien unvermerkt zu
ei-
[48]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
einem allgemeinen Herkommen zu werden, daß
ein Reichsſtand, wider den am Reichshofrathe
oder Cammergerichte ein unangenehmes Erkennt-
niß ergieng, dawider ſeine Zuflucht an den Reichs-
tag nahm, um wo moͤglich ein Reichsgutachten zu
bewirken, vermoͤge deſſen der Kaiſer erſucht wer-
den moͤchte, das reichsgerichtliche Erkenntniß auf-
zuheben oder abzuaͤndern.


II.

Wenn Kaiſer und Reich eine Sache ſo be-
ſchaffen finden, daß ein Reichsgericht die Graͤn-
zen ſeiner Gewalt offenbar uͤberſchritten hat; ſo
iſt freylich nichts dabey zu erinnern, wenn von we-
gen der hoͤchſten Gewalt ein ſolcher Schritt ge-
ſchieht, der auch einem Gerichte, das ſonſt in der
hoͤchſten und letzten Inſtanz zu ſprechen hat, zur
Belehrung dienen kann, daß es von der geſetzge-
benden Gewalt und hoͤchſten Oberaufſicht nicht
ganz unabhaͤngig ſey. Nach der beſonderen Ver-
faſſung unſers Reichsjuſtitzweſens ſcheint das dop-
pelt erheblich zu ſeyn, da dasjenige Rechtsmittel,
das ſonſt die Erkenntniſſe des Cammergerichts noch
einer Reviſion ganz anderer Richter unterwirft,
jetzt ſeit 200. Jahren nicht zum Ausgange ge-
bracht werden koͤnnen, und da am Reichshofrathe
gar kein Mittel iſt, eine Sache zu Eroͤrterung ei-
ner Beſchwerde in andere Haͤnde zu bringen. In
ſolchen Ruͤckſichten konnte es alſo wohl geſchehen,
daß zu Zeiten fuͤr Partheyen, die gegen das eine
oder das andere Reichsgericht ihre Beſchwerden
beym Reichstage angebracht hatten, ein guͤnſti-
ges Reichsgutachten ergieng. Dergleichen waren
inſonderheit in den erſten Jahren des jetzigen Jahr-
hun-
[49]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.
hunderts verſchiedene ergangen (k), wiewohl ohne
daß ſie ſich einer kaiſerlichen Genehmigung zu er-
freuen hatten. Hauptſaͤchlich aber war das ein
wichtiges Beyſpiel, als das Haus Heſſencaſſel
unter der vorigen Regierung ſelbſt ein vom Kaiſer
genehmigtes Reichsgutachten und alſo einen foͤrm-
lichen Reichsſchluß in ſeiner Recursſache erhalten
hatte (l).


Inzwiſchen ließ ſich aus allen dieſen Beyſpie-III.
len doch nicht folgern, daß ein jeder, der ſich von
einem Reichsgerichte beſchwert hielte, ohne Un-
terſchied noch ein Recht behaupten koͤnne, die Er-
oͤrterung ſeiner Beſchwerde von der allgemeinen
Reichsverſammlung zu begehren; wenn man an-
ders den Reichstag nicht in einen foͤrmlichen Ge-
richtshof verwandeln, und den hoͤchſten Reichsge-
richten ihr bisheriges Recht der hoͤchſten und letz-
ten Inſtanz benehmen, oder, welches einerley iſt,
die
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. D
[50]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
die Graͤnzen der hoͤchſten Gewalt und der hoͤchſten
Gerichtsſtelle mit einander vermengen wollte. In-
ſonderheit mußte es einem jeden, wer daruͤber nach-
dachte, mißlich vorkommen, was aus der Reichs-
juſtitzpflege herauskommen wuͤrde, wenn nun meh-
rere Reichsſtaͤnde zu gleicher Zeit Recurſe in ihren
Angelegenheiten zu betreiben haͤtten, und einan-
der gegenſeitig mit ihren Stimmen zu ſtatten kaͤ-
men, um dadurch die Mehrheit der Stimmen in
den hoͤheren Reichscollegien zu bewirken (m). Ue-
berhaupt iſt wenigſtens der Reichstag an ſich ei-
gentlich nicht dazu beſtimmt, um Rechtsſachen zu
eroͤrtern, da die Comitialgeſandten nicht, wie es
Gerichtsperſonen gebuͤhret, nach eigner gepruͤfter
Einſicht, ſondern nach Vorſchrift ihrer Hoͤfe ihre
Stimmen ablegen, jeder Hof aber die Anweiſun-
gen ſeiner Comitialgeſandtſchaft nach ſeiner Con-
venienz zu ertheilen pfleget.


IV.

Man hatte deswegen wohlbedaͤchtlich ſchon in
der Wahlcapitulation Carls des VII. einfließen
laßen,
[51]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.
laßen, daß ”den in letzteren Zeiten bey Ermange-
lung der Reviſion an den Reichstag genommenen
Recurſen Ziel und Maaß zu ſetzen” ſey (n). Da
aber ſtatt deſſen ſelbſt unter Carl dem VII. das neue
Beyſpiel des Heſſencaſſeliſchen Recurſes vielmehr
neuen Muth machte; ſo nahm ſeitdem die Zahl
der Recurſe noch immer zuſehends zu. Gleich in
dem erſten Regierungsjahre Franz des I. wurden
inſonderheit vier Recurſe, welche von Churpfalz,
Sachſenweimar, Anhaltcoͤthen und Salm ſchon
unter der vorigen Regierung wider das Cammer-
gericht am Reichstage angebracht waren, ſehr leb-
haft betrieben.


Bey dieſer Gelegenheit entſtand eine neue Fra-V.
ge; ob nicht wenigſtens vom Cammergerichte erſt
Bericht zu fordern ſey, ehe man am Reichstage
in dieſen Sachen ſelbſt etwas entſcheiden koͤnne?
Nun war wohl nichts billiger, als daß der ganz
allgemeine Grundſatz, niemanden ungehoͤrt zu ver-
urtheilen, auch einem ſo hohen Gerichte zu gute
kommen muͤße, damit daſſelbe nicht, ohne erſt
mit ſeinen Gruͤnden gehoͤret zu ſeyn, unrecht er-
kannt zu haben verurtheilt werden moͤchte. Das
war auch der Analogie gemaͤß, da kein Appella-
tionsrichter leicht eines Unterrichters Erkenntniß
abaͤndern wird, ohne erſt ſeine Entſcheidungsgruͤn-
de und ſeinen Bericht uͤber die wider ihn ange-
brachten Beſchwerden vernommen zu haben.
Selbſt die naͤchſte Analogie von der Reviſion am
Cammergerichte ſtimmt damit uͤberein, da ſelbſt
der Beyſitzer, der am Cammergerichte Referent
gewe-
D 2
[52]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
geweſen, beym Reviſionsſenate zu Vertheidigung
ſeines Urtheils zugelaßen, oder doch die am Cam-
mergerichte abgelegte Relation nebſt den darauf
im Senate erfolgten Stimmen von den Reviſoren
eingeſehen werden ſoll. Auch war ſchon in meh-
reren Recurſen erſt Bericht von den Reichsgerich-
ten gefordert worden; oder, wo es nicht geſchehen
war, hatte man den Recurs gleich als unſtatthaft
verworfen, oder doch uneroͤrtert liegen laßen. Nur
in dem letztern Heſſencaſſeliſchen Recurſe, da zwar
das reichsſtaͤdtiſche Collegium auch darauf ange-
tragen hatte, war die Berichtsforderung nach den
beſonderen Umſtaͤnden dieſes Falles, und mit der
ausdruͤcklichen Erklaͤrung, daß das in anderen
Faͤllen nicht zur Conſequenz gezogen werden ſollte,
unterlaßen worden.


VI.

Nun mochten diejenigen, die in obigen vier
Recurſen die Feder gefuͤhrt hatten, wohl nicht ger-
ne ſehen, wenn erſt das Cammergericht mit ſeinen
Berichten gehoͤrt werden ſollte, die vielleicht man-
ches in ein ander Licht geſtellt haben moͤchten, als
worin bisher dieſe Angelegenheiten in den einſeiti-
gen Recursſchriften vorgeſtellt worden waren. Al-
ſo ergriff einer der damaligen Comitialgeſandten,
der ſich vorzuͤglich als ein eifriger und gelehrter
Vertheidiger der Recurſe hervorthat (o), die Fe-
der,
[53]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.
der, um zu beweiſen, daß keine Berichtsforde-
rung in Recursſachen noͤthig ſey (p). Seinen
Haupt-
(o)
D 3
[54]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
Hauptgrund ſetzte er im Herkommen, zu deſſen
Begruͤndung er ſich auf den Heſſencaſſeliſchen Re-
curs und auf diejenigen, die ohne Bericht zu for-
dern verworfen waren, berief. Dem zufolge-
vermeynte er demjenigen Trotz bieten zu koͤnnen,
der in den vier Recurſen von dieſen vier Hoͤfen
jetzt erſt den Anfang machen wollte, eine Berichts-
forderung fuͤr noͤthig zu halten; zumal da doch
ein Fuͤrſtenwort mehr gelten muͤßte, als die Glaub-
wuͤrdigkeit eines Cammergerichtsbeyſitzers, aus
deſſen Feder man einen Bericht zu erwarten haͤtte.


VII.

Doch dem angeblichen Herkommen wurden
bald obige Faͤlle, die vielmehr ein gegentheiliges
Herkommen begruͤndeten, und durch einen einzi-
gen Fall, der nicht zur Conſequenz gereichen ſollte,
nicht entkraͤftet ward, mit gutem Grunde entge-
gengeſetzt. Und, was den anderen Grund be-
traf, ergab ſich von ſelbſten, daß zwiſchen einem
recurrirenden Reichsſtande und dem Cammerge-
richte immer das Verhaͤltniß blieb, wie zwiſchen
Parthey und Richter, wo doch der letztere jedes-
mal mehr Vermuthung fuͤr ſich hat, als erſtere.
Die Achtung aber, die ein jeder Fuͤrſt perſoͤnlich
fuͤr ſein Ehrenwort erwarten kann, durfte hier
wohl
(p)
[55]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.
wohl nicht in Anſchlag kommen, da Recursſchrif-
ten nicht von Fuͤrſten ſelbſt, ſondern von ihren
Raͤthen gemacht zu werden pflegen. Es waͤhrte
nicht lange, ſo ereignete ſich ein ganz beſonderer
Fall, der dieſes alles noch in ein helleres Licht ſetzte.


Der Herzog Anton Ulrich von Sachſen-Mei-VIII.
nungen hatte eine Graͤfinn von Hohenſolms, die
einen Secretaͤr geheirathet hatte, in ſeinen Schutz
genommen, ihren Mann zum Regierungsrath er-
nannt, und ihr als einer gebohrnen Reichsgraͤfinn
den Rang vor anderen Damen an ſeinem Hofe bey-
gelegt. Eine Frau von Gleichen, welche ſich
dieſer Rangordnung nicht fuͤgen wollte, und eini-
ge Briefe ohne Unterſchrift, die jene Dame be-
trafen, ihren Freunden mitgetheilt hatte, war
deswegen zu Meinungen gefaͤnglich eingezogen
worden, da der Herzog peinlich wider ſie verfah-
ren ließ, weil ſie ſich des Verbrechens eines Pas-
quills und eines Vergehens gegen das Saͤchſiſche
Duellmandat ſchuldig gemacht habe. Auf eine
darauf im Namen der Frau von Gleichen erhobe-
ne Klage hatte das Cammergericht dem Herzoge
von Gotha aufgetragen, die Frau von Gleichen
zu ſequeſtriren, um einsweilen ihre Perſon in Si-
cherheit zu ſetzen. Ein Herr von Diemar, der
dieſe Sache am Cammergerichte betrieben hatte,
und daruͤber vom Herzoge geſchimpft worden war,
hatte nun auch fuͤr ſich eine Injurienklage gegen
den Herzog angeſtellt, worauf das Cammergericht
nach dem gewoͤhnlichen Formulare eine Ladung an
den Herzog erkannt hatte.


In dieſer Sache ließ der Herzog eine kurze Re-IX.
cursſchrift drucken, worin er dem Reichstage vor-
D 4trug:
[56]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
trug: Das Cammergericht habe ihm, ohne daß
er daruͤber gehoͤret ſey, eine Sentenz zugeſchickt,
wodurch er verurtheilt werde, dem von Diemar
Abbitte zu thun, und noch eine Strafe von zehn-
tauſend Rthlr. zu erlegen. Es ergab ſich aber
bald, daß der Herzog eine bloße Ladung fuͤr eine
Sentenz angeſehen habe. Alſo hielt wenigſtens
diesmal die Vermuthung, die ſonſt fuͤr Fuͤrſten-
worte ſtreitet, in dieſer Recursſache nicht die Pro-
be. Eine reellere Widerlegung haͤtte gegen obige
Behauptung der Unnoͤthigkeit einer Berichtsforde-
rung nicht eintreten koͤnnen! Ein Umſtand, der
uͤberhaupt fuͤr das Syſtem von Recurſen, das
viele Teutſche Hoͤfe um dieſe Zeit zu beguͤnſtigen
ſchienen, nicht ſehr vortheilhaft war (q).


In
[57]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.

In einem Recurſe, den Churpfalz wegen ei-X.
ner Commiſſion zur Guͤte, die vom Reichshofrath
auf eine Klage der Reichsritterſchaft wegen der
Herrſchaft Zwingenberg erkannt war, ergriffen
hatte, faßte zwar das churfuͤrſtliche Collegium am
5. Jun.
(q)
D 5
[58]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
5. Jun. 1747. mit Mehrheit der Stimmen einen
Schluß zum Vortheile dieſes Churpfaͤlziſchen Re-
curſes. Als aber die churfuͤrſtlichen Geſandten
in der Erwartung waren, daß ſie nach geendigter
churfuͤrſtlichen Berathſchlagung an eben dem Tage
auch noch die fuͤrſtlichen Stimmen ihrer Hoͤfe wuͤr-
den ablegen koͤnnen; hatte der Oeſterreichiſche Di-
rectorialgeſandte indeſſen eine Verabredung fruͤ-
her anzufangender Ferien veranlaßet. Daruͤber
gab es zwar nachher einige Conteſtation, ob das
mit Recht geſchehen ſey, oder ob die fuͤrſtlichen
Geſandten erſt die Ruͤckkunft der churfuͤrſtlichen
haͤtten erwarten ſollen? Allein das fuͤrſtliche Di-
rectorium erwiederte, daß den fuͤrſtlichen Geſand-
ten nicht zuzumuthen ſey, ihre Berathſchlagungen
deswegen aufzuſchieben, weil einige fuͤrſtliche
Stimmen zugleich churfuͤrſtlichen Geſandten auf-
getragen ſeyen, da ein jeder Hof fuͤr jedes Colle-
gium billig einen eignen Geſandten halten ſollte,
wie das von den Hoͤfen zu Wien und Muͤnchen
zu geſchehen pflegt. Die Sache ſelbſt kam her-
nach im Reichsfuͤrſtenrathe nicht zur Sprache.
Der Recurs gelangte alſo nicht zu ſeinem Ziele.


XI.

Ein anderer Recurs, den der Herzog Anton
Ulrich von Meinungen um dieſe Zeit gegen das
Reichshofrathsurtheil betrieb, das am 25. Sept.
1744. gegen die Succeſſionsfaͤhigkeit ſeiner Soͤh-
ne ergangen war, kam zwar zur Sprache. Allein
es erfolgte am 24. Jul. 1747. gegen ihn ein wi-
driges Reichsgutachten, dem der Kaiſer am 4.
Sept. 1747. durch ſeine Genehmigung die voͤllige
Kraft eines Reichsſchluſſes gab. Dadurch bekam
vollends obige Stelle der Wahlcapitulation gegen
noto-
[59]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.
notoriſche Mißheirathen ihre vollkommene Befe-
ſtigung (r). Um jedoch ſeinen Stammsvettern
den davon gehofften Vortheil zu benehmen, ver-
maͤhlte ſich der Herzog hernach (1750.) noch mit
einer ſtandesmaͤßigen Gemahlinn, die ihm noch
Soͤhne und Toͤchter gebahr.


Auſſer den Recursſachen gab ein beſondererXII.
Vorfall Anlaß, daß auf einmal viele Kangſtrei-
tigkeiten und Ceremoniel-Irrungen
zu Re-
gensburg wach wurden, und ſelbſt in eine ſonder-
bare Art von Schriftwechſel ausbrachen. Nach-
dem der bisherige Principalcommiſſarius, ein Fuͤrſt
von Fuͤrſtenberg, ſeine Stelle niedergelegt hatte,
und der Fuͤrſt von Taxis an deſſen Stelle gekom-
men war; gedachte dieſer den ſonſt gewoͤhnlichen
Ceremonielſtreitigkeiten dadurch auszuweichen, daß
er ſich eine Zeitlang auf dem Lande nicht weit von
der Stadt aufhielt, und da die Herren Geſand-
ten, ohne ſich ſo genau an den Rang zu binden,
nach und nach zur Tafel einladen ließ. Dieſes
geſchah den 4. Jun. 1748. das erſtemal ſo, daß
der damalige Concommiſſarius, und die Geſand-
ten von Churmainz, Churcoͤlln, Churboͤhmen,
Oeſterreich und Wuͤrtenberg, alle mit ihren Ge-
mahlinnen, nebſt einem geiſtlichen Herrn, von
Stingelheim, der die Stimmen der Biſchoͤfe von
Regensburg, Freiſingen und Luͤttich fuͤhrte, ein-
geladen waren. Da die Reihe den Boͤhmiſchen
Geſandten, Grafen von Sternberg, getroffen
haͤtte, die Frau von Buchenberg (des Oeſterreichi-
ſchen Geſandten) zur Tafel zu fuͤhren, derſelbe
aber
[60]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
aber nicht gleich bey der Hand war; kam der Wuͤr-
tenbergiſche Geſandte, Herr von Wallbrunn, dem
Herrn von Stingelheim zuvor, dieſe Dame zu fuͤh-
ren, und an der Tafel den Platz uͤber ihn zu neh-
men. Hieruͤber wachte der ganze Rangſtreit zwi-
ſchen dem geiſtlichen und weltlichen Fuͤrſtenſtande
auf. Eine foͤrmliche Proteſtation, die der Herr
von Stingelheim gleich den folgenden Tag dem
Herrn von Wallbrunn zufertigen ließ, mußte vor-
erſt dazu dienen, die Gerechtſame der geiſtlichen
Fuͤrſten wider dieſen Vorgang aufrecht zu erhalten.
Eine Art von Gnugthuung ſchien es vollends zu
ſeyn, die der Fuͤrſt von Taxis den geiſtlichen Fuͤr-
ſten widerfahren ließ, als er hernach am 16. Jun.
alle Geſandten der geiſtlichen Fuͤrſten, und dar-
auf erſt auf den 20. Jun. ſieben weltlich fuͤrſtliche
Geſandten einladen ließ.


XIII.

Hier aͤußerte ſich vorerſt ein neuer Anſtoß, da
der Bambergiſche Geſandte von Bibra, als der
erſte von den geiſtlich fuͤrſtlichen, bey der Tafel am
16. Jun. nicht erſchien, weil der Herr von Stin-
gelheim, der erſt nach ihm im Range folgte, ſchon
vor ihm zur Tafel gezogen war. Hauptſaͤchlich
aber verbaten jetzt die weltlichfuͤrſtlichen die Einla-
dung, damit jener Vorzug der geiſtlich fuͤrſtlichen
Geſandten nicht als ein von ihnen anerkannter Be-
ſitz zum Nachtheile des von den weltlichen Fuͤrſten
behaupteten Ranges angeſehen werden moͤchte.
Nur einer von den gebetenen weltlich fuͤrſtlichen
Geſandten (Herr von Schwarzenau von Heſſen-
darmſtadt) erſchien doch. An der uͤbrigen Stelle
wurden der Hollaͤndiſche und die graͤflichen Ge-
ſandten gebeten.


Ueber
[61]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.

Ueber dieſe Geſchichte kamen nach einanderXIV.
zehn Staatsſchriften ins Publicum (s). Die
erſte aus der Feder des Herrn von Heringen, als
eines der weltlichfuͤrſtlichen Geſandten, endigte
ſich mit den Worten: “So leicht es iſt, auf dem
Reichstage etwas ins Truͤbe zu bringen, ſo ſchwer
iſt es, ſolches wieder ins Helle zu ſetzen. Und
wird alſo zweifelsohne auch dieſe Sache ohne fer-
nere beſchwerliche Weiterung nicht abgehen; noch
deren Ende ſo leicht ſeyn, als der Anfang gewe-
ſen.” — In der zweyten Schrift, worin der
Herr von Schwarzenau Anmerkungen uͤber die er-
ſte machte, wurde gleich anfangs geaͤußert: “Es
habe am Reichstage ſchon ſeit geraumer Zeit her
nie an Maͤnnern gefehlt, welche unter dem Deck-
mantel der verhaßten und bey den Hoͤfen ſowohl
als auswaͤrts laͤcherlich gewordenen Recurſe und
Ceremonielhaͤndel weitſchichtige und auf Unordnung
und Mißverſtaͤndniß gerichtete Abſichten zu ver-
bergen, im Truͤben zu fiſchen, oft aus einer Muͤcke
Elephanten zu machen, unter dem Scheine einer,
wiewohl ſchwachen Seulen ſchwerlich anzuvertrau-
enden, Unterſtuͤtzung und Aufrechthaltung der alt-
fuͤrſtlichen Vorzuͤge ſolche in chimaͤriſche Rangſtrei-
tigkeiten zu verwickeln, und dann den Kopf aus
der Schlinge zu ziehen, andern aber das Odium
zuzuweiſen, und ſich nur gewiſſer Orten neceſſaͤr
zu machen ſuchten. ꝛc.” — “Es ſey ohnſchwer zu
ermeſ-
[62]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
ermeſſen, daß Churfuͤrſten, Fuͤrſten und Staͤnde
in Dingen, welche die Leibesnahrung und Noth-
durft betreffen, ſchwerlich eine Wuͤrde und ein
Vorrecht ſuchen, wohl aber auf das Solide ſehen,
und am rechten Orte in den Seſſionen ihren Rang
zu behaupten wiſſen wuͤrden.” ꝛc. — Gelegent-
lich wurde uͤbrigens auch noch der Einladung des
Hollaͤndiſchen Geſandten und der graͤflichen Ab-
geordneten
gedacht.


XV.

In einer hierdurch veranlaßten dritten Schrift
aͤußerte der Bambergiſche Geſandte, Herr von
Bibra: Er habe darum Bedenken getragen, die
zweyte Einladung zur Tafel anzunehmen, “weil
einem Geſandten die Aufrechthaltung ſeiner Prin-
cipalen Zuſtaͤndigkeit nicht gleichguͤltig ſeyn, noch
der wohlluͤſtigen Leibesnahrung oder einer Leiden-
ſchaft zum Spiele nachſtehen duͤrfe.” — Eine
vierte Schrift vom graͤflichen Comitialgeſandten
von Piſtorius unter der Aufſchrift: Incidentan-
merkungen, enthielt folgendes: “Die hoͤhniſche
Art, womit der Verfaſſer der zweyten Schrift der
graͤflichen Comitialgeſandtſchaft, die er gar wohl
haͤtte vorbeyſegeln koͤnnen, Erwehnung gethan ha-
be, zeige deutlich, daß er ſelbſt unter die Liebha-
ber der von ihm verhaßt und laͤcherlich beſchriebe-
nen Ceremonielhaͤndel gehoͤre, daß er ſelbſt im Truͤ-
ben zu fiſchen, aus Muͤcken Elephanten zu ma-
chen, und ſich zum Rangdirector auf dem Reichs-
tage aufzuwerfen ſuche. So ſorgfaͤltig er ſich be-
fleiſſige die reichsgraͤflichen Comitialminiſter unter
dem Worte Abgeordneten von anderen zu unter-
ſcheiden; ſo wolle man zwar den eigentlichen Cha-
racter eines Abgeordneten nicht unterſuchen, noch
in
[63]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.
in die Zeiten zuruͤckgehen, da ſelbſt churfuͤrſtliche
und fuͤrſtliche noch im vorigen Jahrhunderte ſo ge-
nannt worden. Zu ſeiner Belehrung diene aber
nur zur Nachricht, daß Kaiſer Carl der VII. den
Reichsgrafen die geſandtſchaftlichen Rechte und
den graͤflichen Miniſtern den Titel: Geſandre,
zulegen laßen, welche kaiſerliche Verfuͤgung hier
gnug Ziel und Maß gebe. Es ſtehe auch dahin,
ob nicht ſelbſt den altfuͤrſtlichen Geſandten nach
den bekannten Widerſpruͤchen, welche ihnen von
auswaͤrtigen Republiken gemacht wuͤrden, es zum
Nachtheile gereichen muͤßte, wenn die Reichsgra-
fen, die mit den Fuͤrſten ein Collegium ausmach-
ten, und gleicher Gebuhrt ſeyen, Auswaͤrtigen ſo
zu reden Preis gegeben wuͤrden (t).”


Der Herr von Schwarzenau erwiederte in ei-XVI.
ner fuͤnften Schrift: “Des weltlichen Fuͤrſten-
ſtandes Geſandtſchaften wuͤrden, weil ſie doch die
ſo genannte Leibesnahrung oder Leidenſchaft zum
Spiele nach dem jetzigen Weltlaufe und civiliſir-
ter Lebensart zu accommodiren wuͤßten, den ande-
ren ſtatt deſſen das Breviarium zu ihrer Gemuͤths-
beruhigung nach Belieben gerne uͤberlaßen. In
Anſehung der graͤflichen Bevollmaͤchtigten koͤnne
eine von dem vorigen kaiſerlichen Hofe vielleicht
durch Geld erkaufte, von der jetzigen Churbairi-
ſchen Geſandtſchaft bey Notification ihrer Legiti-
mation aber nicht beobachtete papierne Erhebung
oder angebliche Parification der graͤflichen Depu-
tir-
[64]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748.
tirten eben ſo wenig zu Verkleinerung großer Chur-
fuͤrſten und Fuͤrſten oder deren Miniſter gereichen,
als die von den Thorſchreibern und Zeitungsſchrei-
bern bisweilen ausgetraͤumte hochgraͤfliche Ge-
ſandtſchafts-Excellenz, mit welchem Praͤdicate ih-
re hohe Herren Committenten ſelbſt vor lieb naͤh-
men, eine Wuͤrklichkeit geben moͤge.”


XVII.

Eine ſechſte Schrift erſchien vom Herrn von
Piſtorius mit dem Motto aus dem Juvenal: Prae-
lia quanta illo dispenſatore videbis armigero!

und zum Schluſſe aus dem Phaͤdrus: Hoc ſcri-
ptum eſt tibi, qui, magna quum minaris, ex-
tricas nihil.
Der Inhalt gieng aber dahin: “Es
ſcheine, der Herr von Schwarzenau habe Luſt ei-
nen ganzen Federkrieg anzuheben. Wenigſtens
werde er gute Gelegenheit haben, die bevorſtehen-
den Comitialferien in muͤhſamer, aber unnoͤthiger
Arbeit zuzubringen. Die Stelle von Gelderkau-
fungen, die ganz namentlich auf Kaiſer Carl den
VII. gehe, bleibe billig hoͤchſter Orten zu weiterer
Ahndung heimgeſtellt. Die Beziehung auf die
Churbairiſche Geſandtſchaft wuͤrde wenigſtens uͤbel
ausfallen.” — Herr von Schwarzenau antwor-
tete in einer ſiebenten Schrift: “Der abgehetzte
Incidentanmerker habe die Schwaͤche rangſuͤchti-
ger Erhebungsgrillen unter dem Schulſtaube zu
verbergen geſucht. Er ſey aber nicht gemeynt, mit
den Diis minorum gentium in einen ſo ſchmutzi-
gen Schriftwechſel ſich einzulaßen.” ꝛc.


XVIII

Noch erſchien eine achte Schrift vom Herrn
von Bibra: “Unter den geiſtlich fuͤrſtlichen Ge-
ſand-
[65]6) Recurſe u. Cerem. 1745-1748.
ſandten ließen ſich ſonder Zweifel auch ſolche an-
treffen, welche die civiliſirte Lebensart nicht erſt zu
Regensburg lernen duͤrften. Das mit den Haa-
ren herbeygezogene Breviarium haͤtte aber wohl
verſchont bleiben koͤnnen, um nicht mit der Lei-
besnahrung und Neigung zum Spiele vergeſell-
ſchaftet zu werden.” ꝛc. — Auch erklaͤrte ſich der
Hollaͤndiſche Geſandte in einer neunten Schrift:
“Er ſey zwar bey den Comitialrangſtreitigkeiten
gleichguͤltig, und gedenke weder mit dieſer oder je-
ner Diſtinction oder Federſchmeicheley Beute zu
machen, noch ſonſt mit laͤcherlichen Rangdispuͤ-
ten ſich abzugeben. Weil er aber in obigen Schrif-
ten namentlich genannt ſey, ſo ſtelle er dahin, ob
der Verfaſſer der Incidentanmerkungen Urſache
gehabt habe eines Theils ſo ſonderbar zu doliren,
daß die graͤflichen Comitialgeſandtſchaften Aus-
waͤrtigen gleichſam Preis gegeben wuͤrden, und
andern Theils mit dem, was bey der Tafel ſelbſt
unverfaͤnglich vorgegangen ſey, ſich ſelbſt groß zu
machen.” ꝛc. — Endlich erſchien noch die zehnte
Schrift (des Bairiſchen Geſandten von Schneid):
“Es ſey poͤbelhaft, in Dingen, womit nur Leute
von der geringſten Sorte ihr albernes Religions-
geſpoͤtte zu treiben pflegten, einem niedertraͤchtigen
ſcoptiſchen Witze die Zuͤgel ſchießen zu laßen. Der
verſtellte Verfaſſer ſcheine zwar nicht im Brevia-
rium, wohl aber in abgeſchmackten Romanen ſei-
ne Gemuͤthsberuhigung zu finden. Am allermei-
ſten ſey es eine unuͤberlegte Vermeſſenheit von ver-
kauften allerhoͤchſten kaiſerlichen Decreten etwas
zu erwehnen.” ꝛc. — Doch gnug mit die-
ſer Probe eines Comitialſchriftwechſels von der
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. EMit-
[66]XI. Carl VII. u. Franz 1740-1748. ꝛc.
Mitte des XVIII. Jahrhunderts! — Die Sa-
che ſelbſt blieb inzwiſchen, wie ſie war; konnte
alſo, inſonderheit was den Rangſtreit zwiſchen
geiſtlichen und weltlichen Fuͤrſten betrifft, bey je-
der Gelegenheit von neuem zur Sprache kom-
men. Doch damals gab es bald ernſtlichere Ge-
genſtaͤnde zur Beſchaͤfftigung der Herren Comitial-
geſandten.


Zwoͤlf-
[67]

Zwoͤlftes Buch.
Der neueren Zeiten neunter Abſchnitt
vom Aachner Frieden
bis zur
Roͤmiſch. Koͤnigswahl Joſephs d. II.
1748 — 1764.


I.
Der Friedenszeit bis zum ſiebenjaͤhrigen Kriege
erſte Abtheilung 1748-1753. Inſonderheit die
in dieſer Zeit vorgegangene Muͤnzveraͤnderung;
Hohenlohiſche Religionsbeſchwerden; und
Recurs gegen die Reichsritterſchaft.


I. Veraͤnderungen, ſo im bisherigen Syſteme von Eu-
topa ſeit dem Aachner Frieden merklich geworden, — in-
ſonderheit das Vernehmen zwiſchen Oeſterreich und Frank-
reich betreffend; — II. Benutzung dieſer Friedenszeit, be-
ſonders in den Preuſſiſchen Staaten — III. Muͤnzveraͤn-
derung, wegen unrichtigen Verhaͤltniſſes zwiſchen Gold und
Silber, — IV. ſo Graumann im Leipziger Fuße ent-
deckt. — V. Dadurch veranlaßter Schriftwechſel, — VI.
und ſo genannter Conventionsfuß. — VII. Hohenlohiſche
Religionsbeſchwerden, — VIII. woruͤber das evangeliſche
Corpus die im Weſtphaͤliſchen Frieden nachgelaßene Selbſt-
huͤlfe verfuͤget, — IX. am kaiſerlichen Hofe aber und
beym catholiſchen Religionstheile großes Aufſehen erwaͤchſt. —
X. XI. Wider die Reichsritterſchaft wird von Wuͤrtenberg
ein wichtiger Recurs betrieben; — XII. inſonderheit we-
gen fortgehender Beſteurung ritterſchaftlicher Guͤter, die in
reichsſtaͤndiſche Haͤnde kommen; — XIII. wie auch wegen
E 2des
[68]XII. Franz der I. 1748-1764.
des von der Reichsritterſchaft behaupteten Naͤherrechts im
Verkaufen ritterſchaftlicher Guͤter; wegen gemeinſamer Ver-
tretung ihrer einzelnen Glieder; wegen haͤufiger Aufnahme
ſo genannter Perſonaliſten ꝛc.; — XIV. jedoch ohne daß
der bewirkte Reichsſchluß dem gewuͤnſchten Zwecke gemaͤß
ausfaͤllt.


I.

Nach dem Aachner Frieden vergiengen wenige
Jahre, als es ſich auf der einen Seite ſchon
zu neuen weitausſehenden Irrungen zwiſchen den
Kronen Großbritannien und Frankreich uͤber die
Graͤnzen von Canada anließ, und auf der andern
Seite der Koͤnig in Preuſſen aus gewiſſen gehei-
men Nachrichten wahrzunehmen glaubte, daß ein
Angriff mehrerer verbundenen Maͤchte gegen ihn
im Werke ſey. Soviel hat allemal der Erfolg be-
wieſen, daß nach dem Aachner Frieden das bis-
herige Syſtem von Europa eine andere Wendung
genommen hat, da die Mißhelligkeit, welche bey-
nahe drey Jahrhunderte hindurch zwiſchen dem
Hauſe Oeſterreich und der Krone Frankreich obge-
waltet hatte, ſich auf einmal in eine gewiſſe Har-
monie zu verwandeln ſchien; inſonderheit ſeitdem
der Graf Wenzel Anton von Kaunitz-Rittberg,
der als Oeſterreichiſcher Geſandter den Aachner
Frieden gezeichnet hatte, unmittelbar darauf als
Geſandter des Wiener Hofes am Franzoͤſiſchen
Hofe, und im May 1753. ſelbſt als Hof- und
Staatscanzler zu Wien angeſetzt wurde; (welche
Stelle er, nachdem er 1764. in Fuͤrſtenſtand er-
hoben worden, ſeitdem in unverruͤckter Thaͤtig-
keit — gewiß ein ſeltenes Beyſpiel, in manchem
Betrachte vielleicht einzig in ſeiner Art, — noch
1786. bekleidet.)


Kaum
[69]1) Friedenszeit 1748-1753.

Kaum hatte Teutſchland nach dem AachnerII.
Frieden acht Jahre, (oder vom Dresdner Frieden
anzurechnen elf Jahre) Friedenszeit zu genießen.
Aber eben dieſer Zeitraum war in mehreren Ruͤck-
ſichten fuͤr die Teutſche Verfaſſung von großer
Wichtigkeit. — Gleich thaͤtig, im Frieden ſeine
Staaten in mehrere Aufnahme zu bringen, als im
Kriege ſeine Heere ſelbſt anzufuͤhren, erſchien Frie-
drich in dieſer Zeit als ein weiſer Geſetzgeber, als
Verbeſſerer des Juſtitzweſens, als Befoͤrderer der
Schifffahrt und Handlung; und ſein Beyſpiel er-
munterte mehr andere große Hoͤfe zur Nachah-
mung gleicher landesvaͤterlicher Thaͤtigkeit. Doch
die Fruͤchte, die davon einzuerndten oder doch zu
hoffen waren, betrafen mehr die Verfaſſung ein-
zelner beſonderer Teutſchen Staaten als des Teut-
ſchen Reichs im Ganzen. Nur eine Veraͤnde-
rung von dieſer Art breitete bald ihre Folgen auf
ganz Teutſchland aus.


Im Leipziger Muͤnzfuße, der ſeit 1738.III.
nun auch der Reichmuͤnzfuß ſeyn ſollte, hatte man
das Verhaͤltniß zwiſchen Gold und Silber,
wie es ſcheint, ohne große Kenntniß oder Ueber-
legung, wie 1. zu 15. angenommen. Das heißt,
fuͤr 1. Pfund Gold ſollten 15. Pfund Silber zu
haben ſeyn. In Holland, Frankreich, Spanien
war hingegen das Verhaͤltniß, wie 1. zu 14. Wer
alſo Silber brauchte, fand es nirgend wohlfeiler,
als in Teutſchland. Dennoch waren hier die er-
giebigſten Silberbergwerke, deren Beſitzer alle
Urſache gehabt haͤtten, dieſe edle Naturgabe deſto
hoͤher im Preiſe zu halten, je gewiſſer ſie ſeyn konn-
ten, daß es fuͤr andere doch ein nothwendiges
E 3Be-
[70]XII. Franz der I. 1748-1764.
Beduͤrfniß ſeyn wuͤrde. Nun mochten die Hoͤfe,
welche dem Leipziger Fuße getreu waren, ſoviel
Silber muͤnzen, als ſie wollten; ſo wurde es doch
in kurzem unſichtbar und gegen Hollaͤndiſche Du-
caten und Franzoͤſiſche alte Louisdor ausgewech-
ſelt. So zogen auswaͤrtige Handlungsgeſellſchaf-
ten, die Silber mit Vortheil nach anderen Welt-
theilen zu ſchicken hatten, daſſelbe großentheils aus
Teutſchland. Daraus erwuchs fuͤr den Teutſchen
Handel ein ſo großer Verluſt, als hingegen die
Hollaͤnder und Franzoſen deſto groͤßeren Vortheil
davon zu ziehen wußten.


IV.

Endlich fand ein dieſer Sachen kundiger Mann
(Johann Philipp Graumann,) der in Hollaͤn-
diſchen großen Handlungshaͤuſern gedient hatte,
Gelegenheit, zu Braunſchweig von dieſen Grund-
ſaͤtzen etwas zu aͤußern. Auf deſſen Vorſchlag
fieng man zu Braunſchweig an, die Mark Sil-
ber nicht mehr nach Vorſchrift des Leipziger Fußes
zu 18., ſondern zu 20. Gulden auszumuͤnzen,
auch einheimiſche Goldſtuͤcke zu 5 Rthlr. zu praͤ-
gen. Im Anfange machte das bey den uͤbrigen
Mitgenoſſen des Leipziger Fußes großes Aufſehen.
Aber auf eine in Druck gegebene Rechtfertigung
dieſer neuen Grundſaͤtze ward Graumann ſelbſt
nach Berlin verſchrieben, wo er endlich die Ober-
aufſicht uͤber alle koͤnigliche Muͤnzen erhielt. Nun
befolgte man zu Berlin in ungleich groͤßerer Men-
ge neugepraͤgter Gold- und Silbermuͤnzen eben
dieſe Grundſaͤtze. Und durchgehends fand man
es unwiderleglich richtig, daß das beym Leipziger
Fuße angenommene Verhaͤltniß zwiſchen Gold und
Silber fehlerhaft ſey.


Nur
[71]1) Friedenszeit 1748-1753.

Nur zu Hannover trug man Bedenken, dasV.
Silbergeld deswegen ſchlechter zu muͤnzen, da in
der That einem jeden, der ein Quantum von 20.
in Silbermuͤnze zu heben hatte, damit 2/20 entzo-
gen wurden, weil er nun in einer Maſſe, die 20.
Loth am Gewicht hatte, nur 18. von der bisheri-
gen Guͤte beſaß. Statt deſſen glaubte man der
Unrichtigkeit des bisherigen Verhaͤltniſſes damit
abzuhelfen, wenn man fortfuͤhre das Silbergeld
in ſeiner bisherigen Guͤte zu laßen, aber die Gold-
muͤnzen dagegen auf einen geringern Werth, alſo
Fuͤnfthalerſtuͤcke auf ſieben Gulden oder 4⅔ Rthlr.
herunterſetzte. Allein faſt alle andere Hoͤfe gaben
vielmehr den Graumaͤnniſchen Vorſchlaͤgen den
Vorzug.


Selbſt der Wiener Hof fand ſich hierdurch be-VI.
wogen, eine Veraͤnderung in ſeinem Muͤnzweſen
nach dem neuen Verhaͤltniſſe zwiſchen Gold und
Silber vorzunehmen. Um aber nicht von ande-
ren benachbarten Laͤndern dadurch in Nachtheil ge-
ſetzt zu werden, ſchloß der Wiener Hof am 21.
Sept. 1753. mit dem Hofe zu Muͤnchen eine ei-
gene Convention, (wovon dieſer neue Muͤnzfuß
nachher beynahe in ganz Teutſchland den Namen
des Conventionsfußes und der Conventions-
muͤnze
bekommen hat.) Vermoͤge dieſer Con-
vention ſollte auch in Baiern die Mark Silber zu
20. Gulden ausgemuͤnzet werden, und zu einem
gleichen Muͤnzfuße ſuchte man von Wien aus die
Kreiſe Schwaben, Franken, und Oberrhein zu
bewegen. In allen dieſen Kreiſen zeigte ſich aber
eine ganz andere Schwierigkeit, da hier Silber-
geld im Gange war, wovon ſogar 24. Fl. auf
E 4die
[72]XII. Franz der I. 1748-1764.
die Mark giengen, und wogegen Ducaten 5. Fl.,
Piſtolen 9. Fl., Carolinen und neue Louisd or 11.
Fl. galten. Alle Bemuͤhungen das zu aͤndern
waren da am Ende fruchtlos. Der Bairiſche
Hof ſah ſich endlich genoͤthiget, ſeine Convention
aufzurufen. Alſo war im Ganzen nichts weni-
ger als Gleichfoͤrmigkeit. Doch noch zur Zeit war
das nur ein kleines Vorſpiel von weit groͤßeren
Muͤnzverwirrungen, die wenige Jahre hernach der
leidige Krieg in Gang brachte.


VII.

Von anderen in die Reichsverfaſſung einſchla-
genden Angelegenheiten dieſer Zeit war keine wich-
tiger, als die, welche wegen einiger Hohenlohi-
ſchen Keligionsbeſchwerden
die Frage von der
Selbſthuͤlfe in ſolchen Faͤllen zwiſchen beiden Re-
ligionstheilen aufs neue zur Sprache brachte. Die
erſt nach dem Weſtphaͤliſchen Frieden catholiſch ge-
wordenen Fuͤrſten von Hohenlohe (u) hatten in ih-
rem Lande gegen den Zuſtand des Entſcheidungs-
jahrs ſolche Veraͤnderungen vorgenommen, daß
auf die Klage ihrer evangeliſchen Unterthanen und
Stammsvettern ſchon am 30. Sept. 1744. ein
rechtskraͤftiges Reichshofrathserkenntniß gegen ſie
ergangen war. Sie waren aber nicht dahin zu
bringen, demſelben Folge zu leiſten, und es fehlte
an der wuͤrklichen Huͤlfsvollſtreckung, ungeachtet
auch darauf ſchon am 13. Sept. 1748. vom Reichs-
hofrathe erkannt worden war. Weil das in mehr
aͤhnlichen Sachen bisher der Fall geweſen war,
ſo fand ſich das Corpus der evangeliſchen Staͤnde
auf Anſuchen des beſchwerten Theils endlich be-
wogen,
[73]1) Friedenszeit 1748-1753.
wogen, von derjenigen Stelle des Weſtphaͤliſchen
Friedens Gebrauch zu machen, welche daſſelbe in
ſolchen Faͤllen zur Selbſthuͤlfe berechtiget (v).


Es beſchloß alſo am 29. Apr. 1750., demVIII.
Fraͤnkiſchen Kreisausſchreibamte evangeliſchen
Theils den Auftrag zu thun, den beſchwerten
evangeliſchen Unterthanen zu ihrem Rechte zu ver-
helfen; zu welchem Ende auch noch am 8. Jun.
1750. Churbrandenburg, Churbraunſchweig, Sach-
ſengotha und Heſſencaſſel erſucht wurden, benoͤ-
thigten Falls die Ausfuͤhrung dieſes Auftrages un-
terſtuͤtzen zu helfen. Als darauf am 15. Oct.
1750. ein Anſpachiſcher Hauptmann mit 104. Gre-
nadieren ins Hohenlohiſche einruͤckte; ſo hatte das
endlich die Wirkung, daß die Fuͤrſten von Hohen-
lohe ſich bequemten, die ihnen vorgelegten Puncte
einzugehen.


Nur von Seiten des kaiſerlichen Hofes undIX.
des catholiſchen Religionstheiles wollte man die-
ſes als einen geſetzwidrigen Eingriff in das dem
Kaiſer alleine zuſtehende Recht Huͤlfsvollſtreckun-
gen zu verfuͤgen anſehen. Jedoch die hier ein-
ſchlagende Stelle des Weſtphaͤliſchen Friedens iſt
zu klar, als daß ſie nicht zur Rechtfertigung dieſes
Schrittes haͤtte dienen ſollen. Auf den Fall,
wenn einer wider den Frieden zugefuͤgten Beſchwer-
de weder in Guͤte noch im Wege Rechtens in drey
Jahren abgeholfen wird, ſollen alle und jede Frie-
densconſorten, (mithin auch ſaͤmmtliche evangeli-
ſche Reichsſtaͤnde, die einen der Friedenſchließen-
den
E 5
[74]XII. Franz der I. 1748-1764.
den Theile ausmachten,) gehalten und alſo auch
berechtiget ſeyn, mit dem beſchwerten Theile ihre
Rathſchlaͤge und Kraͤfte zu vereinigen um dem
Unrechte abzuhelfen; und zwar nicht in der Vor-
ausſetzung, daß der Kaiſer den Befehl dazu gebe,
ſondern daß der leidende Theil nur darum nachge-
ſucht habe. Nach dieſer Vorſchrift war der Schluß,
den das evangeliſche Corpus hier gefaßt hatte,
voͤllig abgemeſſen. Freylich war es das erſtemal
in ſeiner Art, daß es mit dieſem Nachdruck zu
Werke gieng, da bisher nur hoͤchſtens zu Repreſ-
ſalien geſchritten war. Allein eben das bewies die
Maͤßigung, die man bisher gebraucht hatte. Nur
die Nothwendigkeit erforderte es, diesmal einen
Schritt weiter zu gehen, wenn anders ein ſo evi-
dent beſchwerter Theil nicht huͤlflos gelaßen werden
ſollte, und wenn nicht vielleicht eine Art von Si-
cherheit, daß man nie zu dieſer Extremitaͤt ſchrei-
ten wuͤrde, daraus entſtehen ſollte. So bedenkli-
che Folgen es allerdings haben koͤnnte, wenn dem
Gebrauche einer ſolchen Selbſthuͤlfe eine gleich
maͤchtige Gegenwehr entgegen geſetzt werden ſoll-
te; ſo ſehr iſt eben deswegen fuͤr die Ruhe von
Teutſchland und fuͤr die wahre Wohlfahrt beider
Religionstheile zu wuͤnſchen, daß kein Theil dem
andern Gelegenheit geben moͤge, zu dieſer Extre-
mitaͤt ſchreiten zu muͤßen.


X.

Eine andere Reichsangelegenheit dieſer Zeit be-
traf endlich die Keichsritterſchaft, wobey es auf
nichts geringeres ankam, als entweder zu ihrer
voͤlligen Zernichtung den Weg zu bahnen, oder
ihre bisherige Verfaſſung, wie ſie durch Reichs-
grund-
[75]1) Friedenszeit 1748-1753.
grundgeſetze und Herkommen unterſtuͤtzt war, an-
noch ferner aufrecht zu erhalten.


Manchen Reichsſtaͤnden mochte es freylichXI.
empfindlich fallen, in Vergleichung mit anderen
Laͤndern, wo man von keinem andern als landſaͤſ-
ſigen Adel weiß, den Zuſammenhang ihrer Laͤn-
der durch ſo viele unmittelbare Ritterguͤter unter-
brochen zu ſehen. Nicht ſelten mochte ſichs auch
von der andern Seite zutragen, daß die Reichs-
ritterſchaft von ihren Privilegien und angenomme-
nen Grundſaͤtzen uͤbertriebenen Gebrauch zu ma-
chen ſuchte. Allein jenes hatte einmal im Weſt-
phaͤliſchen Frieden ſeine Beſtaͤtigung erhalten, war
alſo nunmehr in unſere Reichsverfaſſung mit ver-
webt, und ließ ſich als ein Beſtandtheil des Gan-
zen ohne dieſem zu nahe zu treten, nicht mehr he-
ben. Letzteres mußte allenfalls in jedem einzelnen
Falle nach deſſen beſonderen Umſtaͤnden im Wege
Rechtes eroͤrtert werden. Nur hier waren ſchon
mehrmalen Beſchwerden der Reichsſtaͤnde vorge-
kommen, daß die Reichsritterſchaft in einzelnen
Rechtsſtreitigkeiten mit Reichsſtaͤnden bey den hoͤch-
ſten Reichsgerichten zu ſehr beguͤnſtiget wuͤrde.


Inſonderheit behauptet die Reichsritterſchaft,XII.
daß, wenn auch eines von ihren Guͤtern durch
Kauf oder andere Mittel und Wege in eines Reichs-
ſtandes Haͤnde kaͤme, dennoch die darauf haften-
den Ritterſteuern in ihrem Gange bleiben muͤßten,
und daß ihr deswegen nichts in Weg gelegt wer-
den duͤrfte, wenn Steuern auf ihren Rittercon-
venten (wozu niemand als unmittelbare Adeliche
zugelaßen werden,) bewilliget worden, und ſolche
als-
[76]XII. Franz der I. 1748-1764.
alsdann auch von jenen Guͤtern nach wie vor un-
mittelbar durch ritterſchaftliche Befehle und Ver-
fuͤgungen executiviſch beygetrieben wuͤrden. Von
Seiten der Reichsſtaͤnde wird hingegen behauptet,
daß einem Reichsſtande unverwehrt ſeyn muͤße,
neu erworbene Guͤter ſeinem Lande einzuverleiben
und mit den darin hergebrachten Landſteuern zu
belegen, ohne ſie dann noch ferner der Laſt der
Beytraͤge zu Ritterſteuern zu unterwerfen.


XIII.

Um zu verhuͤten, daß nicht ſo viele ritterſchaft-
liche Guͤter in reichsſtaͤndiſche Haͤnde kommen moͤch-
ten, hat die Reichsritterſchaft durch kaiſerliche
Privilegien von den Jahren 1624. 1652. und
1688. ſich ein ſehr ausgedehntes Retractsrecht zu
eigen zu machen geſucht, vermoͤge deſſen ſie behaup-
tet binnen drey Jahren in jeden Kauf eines reichs-
ritterſchaftlichen Gutes eintreten zu koͤnnen, ohne
auch wegen angeblicher Meliorationen ein Reten-
tionsrecht dagegen geſtatten zu duͤrfen. Auch die-
ſem Rechte widerſprechen die Reichsſtaͤnde, die
uͤberdies eine Beſchwerde daraus machen, daß,
wenn ſie nur mit einem Mitgliede der Reichsrit-
terſchaft zu thun zu haben glauben, gleich ein gan-
zer Canton, oder ein ganzer Kreis, oder gar die
geſammte Reichsritterſchaft in allen drey Kreiſen,
Schwaben, Franken und am Rhein gemeine Sa-
che dagegen mache; daß aber die Ritterſchaft auch
nicht an ſolchen Mitgliedern, die wuͤrklich in der-
ſelben beguͤtert ſeyen, ſich begnuͤge, ſondern auch
Staatsminiſter und Geſandten an Hoͤfen und Mit-
glieder der beiden hoͤchſten Reichsgerichte, als blo-
ße Perſonaliſten, in ihre Matrikel aufnehme; oh-
ne zu gedenken, was fuͤr Colliſionen zu entſtehen
pfle-
[77]1) Friedenszeit 1748-1753.
pflegen, wenn ein Mitglied der Reichsritterſchaft
in einem reichsſtaͤndiſchen Lande dient oder ſonſt
wohnhaft iſt, und vor reichsſtaͤndiſchen Gerichten
belangt, oder in Todesfaͤllen die Verlaßenſchaft
verſiegelt und inventirt werden ſoll u. ſ. w.


Jetzt ſchlug der Wuͤrtenbergiſche Hof uͤber alleXIV.
dieſe Irrungen einen ganz andern Weg ein. Er
behauptete, daß aus Mangel einer allgemeinen
Richtſchnur in den verſchiedenen Streitigkeiten
zwiſchen Reichsſtaͤnden und der Reichsritterſchaft
nicht nach gleichfoͤrmigen Grundſaͤtzen, ſondern
bald ſo, bald anders geſprochen wuͤrde. Er wand-
te ſich alſo an die geſetzgebende Gewalt, um ein
noch ermangelndes allgemeines beſtimmtes Regu-
lativ uͤber alle hieher gehoͤrige Streitfragen zu er-
langen. Eine mit einem ganzen Folianten Archi-
valurkunden begleitete Deduction wurde in ſolcher
Abſicht (1749.) dem Reichstage vorgelegt, und
die Sache mittelſt eigner Geſandtſchaften an die
wichtigſten Hoͤfe mit auſſerordentlichem Eifer be-
trieben. Von Seiten der Ritterſchaft erſchienen
hingegen nach und nach ganze Folianten Gegen-
deductionen. Die Reichstagsſtimmen ſchienen ziem-
lich getheilt zu ſeyn. Endlich kam es (1752.
Jul. 23.) zu einem Reichsgutachten, das in der
Hauptſache alles ließ, wie es war, indem es zu
erkennen gab, daß die Errichtung eines allgemei-
nen Normatives wegen des verſchiedenen Herkom-
mens in den verſchiedenen Gegenden von Teutſch-
land mit zu vielen Anſtaͤnden umwunden ſey, und
alſo nichts uͤbrig bleibe, als der kaiſerlichen Ma-
jeſtaͤt ſolche Irrungen nach den beſonderen Um-
ſtaͤnden jeden Falles zu Befoͤrderung guͤtlicher Aus-
wege
[78]XII. Franz der I. 1748-1764.
wege oder in deren Entſtehung zu oberſtrichterli-
chen Verfuͤgungen und Erkenntniſſen zu empfeh-
len. Die darauf erfolgte kaiſerliche Genehmigung
war der Reichsritterſchaft noch guͤnſtiger, als das
Reichsgutachten ſelbſt.


II.
Der Friedenszeit bis zum ſiebenjaͤhrigen Kriege
zweyte Abtheilung 1753-1756. Neuer Stoff
zu Irrungen zwiſchen den Hoͤfen zu Wien und
Berlin, und zwiſchen beiden Religions-
theilen.


I. Neue Vorfaͤlle, wo die Hoͤfe zu Wien und Berlïn,
oder auch beide Religionstheile verſchieden dachten. — II.
III.
Einfuͤhrung der Taxiſchen Stimme im Reichsfuͤrſtenra-
the gegen die Mehrheit der Stimmen auf der weltlichen
Fuͤrſtenbank. — IV. V. Religionsaͤnderung des damaligen
Erbprinzen von Heſſencaſſel, und deshalb getroffene Verſi-
cherungsanſtalten. — VI. Transplantation der evangeli-
ſchen Unterthanen in Kaͤrnthen, Steiermark und Oberoe-
ſterreich nach Ungarn und Siebenbuͤrgen. — VII. Neuer
Bau eines Capucinerkloſters in der graͤflich Wiedrunkeliſchen
Reſidenz zu Dierdorf. — VIII. Geheime Nachricht, daß
man zu Wien damit umgehe, den Religionsſachen im Rei-
che ein anderes Anſehen zu geben, und Schleſien wieder zu
erobern.


I.

Der Eindruck, den die Hohenlohiſche Sache
inſonderheit am kaiſerlichen Hofe zu machen
ſchien, ward noch merklich verſtaͤrkt, als noch ei-
nige Vorfaͤlle hinzukamen, worin die Hoͤfe zu
Wien und Berlin einander entgegengeſetzte Grund-
ſaͤtze aͤußerten.


Ein
[79]2) Friedenszeit 1753-1756.

Ein ſolcher Vorfall ereignete ſich zuerſt beyII.
Gelegenheit der Einfuͤhrung mit Sitz und Stim-
me im Reichsfuͤrſtenrath, die zum Vortheile des
Fuͤrſten von Thurn und Taxis bewerkſtelliget
werden ſollte. Hierzu hatte zwar das churfuͤrſtli-
che Collegium, und darunter auch Churbranden-
burg, ſeine Einwilligung gegeben; und im Reichs-
fuͤrſtenrathe war ebenfalls die Mehrheit der Stim-
men dafuͤr. Allein auf der weltlichen Fuͤrſtenbank,
auf welcher dieſe neue Stimme ihren Sitz nehmen
ſollte, waren die meiſten Stimmen dagegen. Nun
enthaͤlt die kaiſerliche Wahlcapitulation (Art. 1.
§. 5.) buchſtaͤblich dieſe Vorſchrift: daß, wenn
von Aufnahme neuer reichsſtaͤndiſchen Stimmen
die Frage iſt, ”neben dem churfuͤrſtlichen auch das-
„jenige Collegium und (die) Bank, darin ſie
„aufgenommen werden ſollen, in die Admiſſion or-
„dentlich gewilliget” haben muͤße. Die altfuͤrſt-
lichen Haͤuſer behaupteten alſo: es ſey nicht gnug,
daß das ganze fuͤrſtliche Collegium durch Mehr-
heit der Stimmen ſeine Einwilligung gebe; ſon-
dern es muͤße auch noch uͤberdas die beſondere Ein-
willigung der weltlichen Fuͤrſtenbank hinzukom-
men; da ſeyen aber die mehreren Stimmen dem
Fuͤrſten von Taxis nicht guͤnſtig.


Dieſes Umſtandes ungeachtet wollte ſich derIII.
Oeſterreichiſche Directorialgeſandte nicht abhalten
laßen, die Taxiſche Stimme, zu deren Fuͤhrung
er ſelbſt bevollmaͤchtiget war, im Fuͤrſtenrathe ein-
zufuͤhren. Dagegen widerſetzten ſich nun die alt-
fuͤrſtlichen Haͤuſer, welchen nunmehr auch der
Preuſſiſche Geſandte von wegen Magdeburg und
der uͤbrigen fuͤrſtlichen Stimmen des Hauſes Bran-
den-
[80]XII. Franz der I. 1748-1764.
denburg beytrat, ſofern jetzt die Sache aus dem
Geſichtspuncte in Betrachtung kam, da das Di-
rectorium eines ſo erheblichen Widerſpruchs unge-
achtet eigenmaͤchtig in der Sache fortfahren wollte.
In der That kam es daruͤber ſo weit, daß, ſo
oft hernach die Stimme Thurn und Taxis im Fuͤr-
ſtenrathe aufgerufen wurde, die widerſprechenden
Geſandten weggiengen, und in ihren Protocollen
dieſe Stimme nie mitſchreiben ließen. (Soviel
aus oͤffentlichen Nachrichten abzunehmen geweſen,
iſt dieſe Sache bis auf den heutigen Tag nicht aus
dem Grunde gehoben worden, noch eine authenti-
ſche Erklaͤrung obiger Stelle der Wahlcapitulation
erfolget. Inzwiſchen gehet die Taxiſche Stimme
immer ihren Gang fort. Mit derſelben wurde zu-
gleich die Stimme des fuͤrſtlichen Hauſes Schwarz-
burg eingefuͤhret; auf dieſe hat ſich jener Wider-
ſpruch nicht erſtreckt. Seit dieſer Zeit hat aber
auch keine Einfuͤhrung neuer fuͤrſtlicher Stimmen
mehr zu Stande gebracht werden koͤnnen; ſo wie
in der ganzen vorigen Zeit ſeit der Regierung Leo-
polds keine neue Stimme mehr zur Einfuͤhrung
gelangt iſt, als unter Carl dem VI. das einzige
Haus Lichtenſtein.)


IV.

Ein anderer Vorfall, den man zu Wien an-
ders anſah, als zu Berlin, und woruͤber beide
Religionstheile ſehr ungleich dachten, beſtand in
der Religionsveraͤnderung des damaligen Erb-
prinzen von Heſſencaſſel
. Von demſelben wur-
de erſt im Herbſte 1754. bekannt, daß er ſchon im
Jahre 1749. zu Paderborn, wo er damals beym
Churfuͤrſten Clemens Auguſt von Coͤlln zum Be-
ſuche geweſen, catholiſch geworden ſey. Weil
ſein
[81]2) Friedenszeit 1753-1756.
ſein Herr Vater, der Landgraf Wilhelm der VIII.,
noch lebte; ſo ſorgte der dafuͤr, daß die Heſſiſche
Landſchaft, die deswegen auf einen Landtag zu-
ſammenberufen ward, eine ausfuͤhrliche Verſiche-
rung bekam, daß der bisherige Religionszuſtand
im Lande voͤllig ungeaͤndert bleiben, und inſonder-
heit unter andern kein Simultaneum und keine An-
ſetzung catholiſcher Bedienten ſtatt finden ſollte.
Daneben verordnete der Landgraf, daß nach ſei-
nem Tode von ſeinen drey Enkeln, die der Erb-
prinz mit der Engliſchen Prinzeſſinn Maria erzeugt
hatte, der aͤlteſte als kuͤnftiger Erbprinz gleich die
Grafſchaft Hanau in Beſitz und Genuß bekommen
ſollte, und zwar, ſo lange er minderjaͤhrig ſeyn
wuͤrde, unter Vormundſchaft ſeiner Frau Mut-
ter. Zu dieſer Verordnung hielt er ſich um ſo
mehr berechtiget, da er ſich als erſten Erwerber
der Grafſchaft Hanau anſah, und uͤber die Ord-
nung der Erbfolge unter ſeiner eignen Nachkom-
menſchaft nach den Grundſaͤtzen des Teutſchen Fuͤr-
ſtenrechts wohl disponiren konnte. Aus großvaͤ-
terlicher Gewalt traf er zugleich ſolche Verfuͤgun-
gen uͤber die Erziehung ſeiner Enkel, daß auch
nach ſeinem Tode ſo leicht nicht zu beſorgen war,
daß ſie zur catholiſchen Religion erzogen werden
moͤchten. (Sie wurden gleich damals nach Goͤt-
tingen, und, als die hieſigen Gegenden von Kriegs-
unruhen bedrohet wurden, nach Coppenhagen ge-
ſchickt; wo die beiden aͤlteſten Prinzen auch nach-
her mit koͤniglich Daͤniſchen Prinzeſſinnen ver-
maͤhlt worden ſind.) Alle dieſe Verfuͤgungen ließ
ſich der Erbprinz gefallen, und vollzog ſie mit ſei-
ner Unterſchrift. Sie erhielten auch die Garantie
der Koͤnige von Großbritannien, Daͤnemark und
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. FPreuſ-
[82]XII. Franz der I. 1748-1764.
Preuſſen, und des geſammten evangeliſchen Re-
ligionstheils.


V.

In der That geſchah damit nichts, was nicht
ſchon in mehr aͤhnlichen Faͤllen bey den vorgegan-
genen Religionsveraͤnderungen in den Haͤuſern
Sachſen, Wuͤrtenberg und anderen geſchehen war.
Die Hauptabſicht gieng dabey offenbar nur auf
Erhaltung des Religionszuſtandes, wie er dem
Entſcheidungsjahre und alſo dem Weſtphaͤliſchen
Frieden gemaͤß war. Nur einigen Anſtaͤnden, die
man wegen einiger gegentheiligen Auslegungen et-
licher Stellen des Weſtphaͤliſchen Friedens aus
bisherigen Vorgaͤngen in anderen Haͤuſern und
Laͤndern beſorgen konnte, ſuchte man durch ver-
tragsmaͤßige Beſtimmungen vorzubeugen. Das
war ſo wenig gegen den Weſtphaͤliſchen Frieden
als gegen irgend ein anderes Reichsgrundgeſetz
oder anderes Stuͤck unſerer Teutſchen Reichsver-
faſſung. Es galt auch nicht darum etwas neues
einzufuͤhren, ſondern nur alles im bisherigen Zu-
ſtande zu laßen, und nur kuͤnftigen Beſchwerden
und Irrungen vorzubeugen. — Lauter Dinge,
denen jeder Teutſcher Biedermann, dem Billig-
keit und Erhaltung der Ruhe nicht gleichguͤltig iſt,
ſeinen Beyfall nicht verſagen ſollte. Inzwiſchen
ſchienen verſchiedene Schriftſteller ſich ein Geſchaͤfft
daraus zu machen, dieſe Heſſiſche Religionsverſi-
cherung als eine dem Weſtphaͤliſchen Frieden zu-
widerlaufende Sache vorzuſtellen, und wohl gar
aus dem Tone zu ſprechen, als ob das alles fuͤr
null und nichtig erklaͤret werden koͤnnte. Das
gab natuͤrlicher Weiſe zu Widerlegung ſolcher
Schriften und zur ſtandhaften Behauptung gegen-
thei-
[83]2) Friedenszeit 1753-1756.
theiliger Saͤtze Anlaß; — alles zwar ohne daß
ein Hof ſelber gerade zu Parthey nahm, aber doch
ſo, daß die Verſchiedenheit der Geſinnungen un-
ſerer großen Hoͤfe nicht unverkannt bleiben konnte.


Noch deutlicher veroffenbarte ſich dieſer Unter-VI.
ſchied in Geſinnungen und Grundſaͤtzen bey Gele-
genheit einer Fuͤrſprache, die das Corpus der evan-
geliſchen Staͤnde in einem Schreiben an die Kai-
ſerinn Maria Thereſia (1754. Nov. 6.) fuͤr die
evangeliſchen Unterthanen in Kaͤrnthen, Steier-
mark und Oberoeſterreich einlegte, da eine Verfuͤ-
gung ergangen war, dieſelben, wenn ſie ſich nicht
zur catholiſchen Religion bekennen wuͤrden, nach
Ungarn und Siebenbuͤrgen transplantiren zu
laßen. — Dem Weſtphaͤliſchen Frieden iſt es
zwar nicht zuwider, daß ein catholiſcher Landes-
herr evangeliſche Unterthanen, denen das Entſchei-
dungsjahr 1624. nicht zu ſtatten koͤmmt, zur Aus-
wanderung aus dem Lande zwingen kann. Allein
dann bleibt doch den vertriebenen Unterthanen frey,
nach ihrer eigenen Wahl ſich zu wenden, wohin ſie
wollen; wie auf ſolche Art in den Jahren 1732.
u. f. viele tauſend evangeliſche Emigranten aus
dem Salzburgiſchen in anderen evangeliſchen Laͤn-
dern ihre Aufnahme gefunden hatten. Und eine
ſolche gewaltſame Vertreibung — an ſich ſchon
hart genug, — iſt dann doch auch das aͤußerſte,
was der Weſtphaͤliſche Friede irgend einem catho-
liſchen Landesherrn uͤber evangeliſche Unterthanen
geſtattet. Alles, was uͤber dieſe Graͤnzen hinaus
noch weiter gehet, laͤßt ſich offenbar mit den
Grundſaͤtzen des Weſtphaͤliſchen Friedens nicht
F 2ver-
[84]XII. Franz der I. 1748-1764.
vereinbaren. Nun iſt klar, daß eine gewaltſame
Verpflanzung, wodurch Unterthanen nicht nur ihr
angebohrnes Vaterland zu verlaßen, ſondern auch
an einen beſtimmten Ort wider ihren Willen ſich
zu begeben gezwungen werden, noch ungleich mehr
iſt, als eine bloß erzwungene Auswanderung, die
noch den Vertriebenen die Wahl laͤßt, wohin ſie
ſich wenden wollen. Alſo kann jene Verpflan-
zung mit dem Weſtphaͤliſchen Frieden nicht beſte-
hen. Der Militaͤrſtand bringt es zwar mit ſich,
daß eine Verſetzung aus einem Regimente ins an-
dere, und aus einer Beſatzung in die andere ſtatt
finden kann. Sonſt aber kann ſelbſt ohne Ruͤck-
ſicht auf die Religion wohl keiner hoͤchſten Gewalt
ein ſolches Recht zugeſtanden werden, anders als
wegen ſtrafbarer Verbrechen einen Unterthanen
von einem Orte zum andern zu verſetzen. Viel-
weniger kann es der Religion halber geſchehen;
und vollends nicht ohne ungerechten Gewiſſens-
zwang, wenn nur zwiſchen Verlaßung einer bis-
her gehabten Religion oder einer gewaltſamen Ver-
pflanzung in ein ander Land und Clima die Wahl
gelaßen wird. — Dieſe und andere Vorſtellun-
gen fanden aber damals zu Wien ſo wenig Ein-
gang, daß vielmehr an den Oeſterreichiſchen Di-
rectorialgeſandten ein heftiges Reſcript von ſeinem
Hofe erfolgte (1755. Apr. 23.), worin derſelbe
uͤber jene Fuͤrſprache ſich ſehr empfindlich bezeigte.
Die einmal beſchloſſene Transplantation behielt
auch ihren Fortgang.


VII.

Endlich ereignete ſich noch ein Gegenſtand ſtrei-
tiger Grundſaͤtze uͤber einen Kloſterbau, den der
regie-
[85]2) Friedenszeit 1753-1756.
regierende Graf von Wied-Runkel (1755. Febr.
1.) den Capucinern in ſeiner Reſidenz zu Dier-
dorf
geſtattet hatte. Wo Herr und Unterthanen
einerley Religion zugethan ſind, iſt zwar jenem
der Regel nach unbenommen, anderen Glaubens-
genoſſen in ſeinem Lande ihre Religionsuͤbung zu
geſtatten, wie auf ſolche Art ſelbſt zu Berlin erſt
unter Friedrich dem II. eine catholiſche Kirche von
neuem gebauet war. Allein hier hatte der Graf,
der uͤbrigens, wie ſeine Unterthanen, reformirter
Religion war, ſchon bey einer andern Gelegenheit
den Unterthanen gegen ein dafuͤr erhaltenes Ge-
ſchenk einer namhaften Geldſumme die Verſiche-
rung ertheilt, daß kein catholiſches Kloſter in ſei-
nem Lande erbauet werden ſollte. Wie jetzt deſſen
ungeachtet jene Conceſſion erfolgte, und der Graf
mit catholiſchen Geiſtlichen aus den benachbarten
Churtrieriſchen Landen vielen Umgang hatte; ge-
riethen die Unterthanen auf die Beſorgniß, daß
ihr Landesherr wohl gar vielleicht heimlich catho-
liſch geworden ſeyn moͤchte. Auf ihr Anſuchen
erließ deswegen das evangeliſche Corpus (1755.
Jun. 3.) nicht nur ein Abmahnungsſchreiben an
den Grafen, ſondern auch noch beſondere Schrei-
ben an Brandenburg-Anſpach (als Beſitzer von
Sain-Altenkirchen) und Naſſau-Oranien, mit
dem Erſuchen, als Nachbaren zu verhuͤten, daß
nichts gegen den Weſtphaͤliſchen Frieden hierun-
ter vorgehen moͤchte. Zu Wien ſah man dieſes
als eine widerrechtliche Vorbeygehung der reichs-
gerichtlichen Inſtanz an. Der Herr Graf ließ
ſich auch nicht abhalten, den Fortgang des Klo-
ſterbaues zu geſtatten.


F 3Alle
[86]XII. Franz der I. 1748-1764.
VIII.

Alle dieſe Dinge moͤgen wohl ihren Einfluß
darauf gehabt haben, wenn es an dem iſt, wie
gewiſſe geheime Nachrichten ſelbiger Zeit verſi-
chern wollten, daß man damals zu Wien auf
nichts mehr bedacht geweſen, als theils den Reli-
gionsſachen im Reiche ein anderes Anſehen zu ge-
ben, theils Schleſien wieder zu erobern (w).


III.
[87]3) Urſach. d. ſiebenjaͤhr. Kr. 1756. 1757.

III.
Urſachen des ſiebenjaͤhrigen Krieges, und was
Kaiſer und Reich dabey fuͤr eine Parthey er-
griffen. 1756. 1757.


I. Geheimer Vertrag, den die Hoͤfe von Wien und
Dresden am 18. May 1745. zu Leipzig geſchloſſen, um dem
Koͤnige in Preuſſen nicht nur Schleſien, ſondern noch mehr
Laͤnder abzunoͤthigen. — II. Geheimer Artikel eines vom
Wiener Hofe mit dem zu Petersburg am 22. May 1746.
geſchloſſenen Buͤndniſſes. — III. Noch hinzugekommene ge-
heime Nachrichten, wegen deren der Koͤnig in Preuſſen
glaubte, ſich im Fall einer Nothwehr und gerechten Praͤ-
vention zu finden — IV. Der Reichshofrath nahm es hin-
gegen auf den Fuß eines Landfriedenshruchs. — V. Und
am Reichstage ward ein Reichsexecutionskrieg gegen Chur-
brandenburg beſchloſſen. — VI. Wegen Verſagung der Di-
ctatur, die einem dawider gerichteten Aufſatze des Berliner
Hofes widerfuhr, ward bey dieſer Gelegenheit eine bisher
beſtrittene Stelle der Wahlcapitulation in Gang gebracht. —
VII. VIII. Auch entſtand ein Streit uͤber die Art die Stim-
men auf dem Reichstage abzulegen. — IX. Inzwiſchen er-
folgte eine Erklaͤrung der Kronen Frankreich und Schweden
wegen ihrer uͤbernommenen Garantie des Weſtphaͤliſchen Frie-
dens. — X. Hingegen der Berliner Hof berief ſich auf ei-
ne Stelle der Wahlcapitulation, vermoͤge deren keine frem-
de Kriegsvoͤlker auf Teutſchen Boden gefuͤhret werden ſoll-
ten. — XI. Nach einer vom Koͤnige verlohrnen Schlacht
und nach dem Vorgange Franzoͤſiſcher, Ruſſiſcher und Schwe-
diſcher Kriegsheere kam auch ein Reichsexecutionsheer ins
Feld, ward aber bey Roßbach geſchlagen.


Waͤhrend der Zeit, als der Koͤnig in PreuſſenI.
in Gefolg der Frankfurter Union im Jahre
1744. von neuem in Boͤhmen eingebrochen war,
und ehe noch der Dresdner Friede dieſem neuen
Kriege ein Ende gemacht hatte, war am 18. May
F 41745.
[88]XII. Franz der I. 1748-1764.
1745. zwiſchen den Hoͤfen zu Wien und Dresden
ein geheimer Vertrag zu Leipzig geſchloſſen
worden, worin die Abrede genommen ward, bei-
derſeits nicht eher die Waffen niederzulegen, als
bis man nicht allein ganz Schleſien und die Graf-
ſchaft Glatz wieder erobert, ſondern auch den Koͤ-
nig in Preuſſen noch weiter heruntergebracht haben
wuͤrde. Inſonderheit wuͤnſchte man auſſer der
Wiedererlangung von Schleſien und Glatz noch
das Herzogthum Magdeburg, den dazu gehoͤrigen
Saalkreis, das Fuͤrſtenthum Croſſen, nebſt dem
darunter begriffenen Zuͤllichauer Kreiſe, und des
Hauſes Brandenburg in der Lauſitz gelegene Boͤh-
miſche Lehne, nehmlich Cotbus, Priz, Storkau,
Breskau, Sommerfeld und andere dazu gehoͤrige
Orte und Laͤnder zu erobern. Woruͤber dann zum
voraus ſchon verabredet ward, was dem Hauſe
Sachſen davon zu Theile werden ſollte, nachdem
das Gluͤck der Waffen zu mehr oder weniger hier
beſchriebenen Eroberungen befoͤrderlich ſeyn wuͤr-
de. Bey dieſem Vertrage war in ſo weit nichts
zu erinnern, als derſelbe waͤhrenden Krieges ge-
ſchloſſen war, da nur das Gluͤck der Waffen das
Urtheil daruͤber ſprechen mußte.


II.

Nachdem aber am 25. Dec. 1745. ſowohl das
Haus Oeſterreich als Churſachſen den Dresdner
Frieden dahin geſchloſſen hatte, daß der Koͤnig ſo-
wohl Schleſien und Glatz als alle ſeine uͤbrige Laͤn-
der und Staaten behielt; ſo ward am 22. May
1746. zwiſchen den Hoͤfen zu Wien und Peters-
burg ein neues Buͤndniß geſchloſſen, und in ei-
nem demſelben beygefuͤgten geheimen Separat-
artikel
von Seiten des Wiener Hofes zwar erklaͤ-
ret,
[89]3) Urſach. d. ſiebenjaͤhr. Kr. 1756. 1757.
ret, den Dresdner Frieden heilig halten zu wollen,
und von dem auf Schleſien und Glatz gethanen
Verzichte nicht abzugehen. Allein nun ward auch
der Fall erwehnet, wenn der Koͤnig in Preuſſen
ſich zuerſt vom Dresdner Frieden entfernen, und
das Haus Oeſterreich von neuem angreifen ſollte.
Auf ſolchen Fall, glaubte man, wuͤrden die Rech-
te des Hauſes Oeſterreich auf den abgetretenen
Theil von Schleſien und die Grafſchaft Glatz von
neuem wieder ſtatt haben. — Auch dabey war
nichts zu erinnern. Aber eben das wurde nun
auch auf die Vorausſetzung ausgedehnt, wenn
der Koͤnig in Preuſſen Rußland oder die Repu-
blik Polen feindlich angreifen wuͤrde. — Ob in
dieſem Falle ſo, wie in dem erſten, der Wiener
Hof von der Verbindlichkeit des Dresdner Frie-
dens ſich wuͤrde haben losſagen koͤnnen, weil der
Koͤnig eine dritte Macht angegriffen haͤtte, das
war freylich eine andere Frage, die in Berliner
Staatsſchriften nachher auf alle Weiſe beſtritten
wurde.


Nun fuͤgte ſichs, daß der Koͤnig in PreuſſenIII.
durch einen beſonderen Canal nicht nur von dieſen
beiden geheimen Vertraͤgen beglaubte Abſchriften
bekam, ſondern auch ſonſt noch ſoviele weitere
Nachrichten erhielt, daß es im Werke zu ſeyn
ſchien, den Koͤnig zu einem Bruche mit Polen
oder Rußland zu veranlaßen, um jenen Fall ein-
treten zu machen; ja daß ſchon nahe Zuruͤſtungen
im Werke waͤren, den Koͤnig an mehreren Orten
zugleich in ſeinen eignen Laͤndern mit Krieg zu uͤber-
ziehen. Als er hieruͤber vom Wiener Hofe ver-
geblich eine beſtimmte beruhigende Erklaͤrung be-
F 5geh-
[90]XII. Franz der I. 1748-1764.
gehret hatte, und deswegen erſt wegen Sachſen
ſich in Sicherheit ſetzte, hernach in Boͤhmen ein-
brach; geſtand der Koͤnig zwar der zuerſt losſchla-
gende Theil (Aggreſſor) zu ſeyn, behauptete aber
ſich in dem Falle einer Nothwehr zu finden, und
nach den Grundſaͤtzen des Praͤventionsrechts zu
handeln. — In ſofern war hier viel aͤhnliches
mit den Vorfaͤllen zur Zeit Carls des V., da der
Landgraf Philipp von Heſſen 1529. wegen der
Packiſchen Geſchichte ins Feld ruͤckte, und 1542.
wider den Herzog Henrich den juͤngern von Braun-
ſchweig-Wolfenbuͤttel losſchlug. Mit dem letz-
tern Falle war noch die beſondere Aehnlichkeit, daß
auf gleiche Art, wie damals der Landgraf Wol-
fenbuͤttel eroberte, und daſelbſt Urkunden, die zu
ſeiner Rechtfertigung dienten, wovon er zum Theil
ſchon Abſchriften hatte, vorfand, ſo auch diesmal
der Koͤnig in Preuſſen ſich des geheimen Archives
zu Dresden bemaͤchtigte, und daſelbſt die Origi-
nalurkunden, die er in Abſchriften ſchon gehabt
hatte, in ſeine Haͤnde bekam, um damit die That-
ſachen, worauf er ſich berief, beweiſen zu koͤnnen.


IV.

Von groͤßerer Wichtigkeit iſt wohl nie die Fra-
ge von Anwendung des Landfriedens geweſen,
als in dieſem Falle. Beides ſowohl den Einfall
in Sachſen als in Boͤhmen ſuchte man zu Wien
als einen offenbaren Landfriedensbruch darzuſtellen.
Zu Berlin ſetzte man hinwiederum dem Wiener
Hofe entgegen, daß dem Landfrieden nicht nur zu-
wider ſey, wenn ein Reichsſtand den andern mit
Krieg uͤberzoͤge, ſondern auch wenn einer verbote-
ne Conſpiration oder Buͤndniſſe wider den andern
machte. Der Reichshofrath machte inzwiſchen
alle
[91]3) Urſach. d. ſiebenjaͤhr. Kr. 1756. 1757.
alle Anſtalten, ein foͤrmliches rechtliches Verfah-
ren zu eroͤffnen, um dem Koͤnige als Churfuͤrſten
von Brandenburg die auf den Landfriedensbruch
geſetzten Strafen zuzuziehen. Die in ſolcher Ab-
ſicht erkannte Ladung ſollte ein Notarius dem Chur-
brandenburgiſchen Comitialgeſandten zu Regens-
burg inſinuiren; Damit gelang es aber nicht, und
dieſe Art und Weiſe der Inſinuation wurde auch
nicht als rechtmaͤßig anerkannt. Bey Avocato-
rien,
die der Reichshofrath erkannte, war in der
vom Reichshofrathe angenommenen Vorausſetzung
nach Vorſchrift der Geſetze vielleicht weniger zu er-
innern. Sie waren auch in Anſehung einiger
Herren von reichsſtaͤndiſchen Haͤuſern und von der
Reichsritterſchaft, die deswegen den Preuſſiſchen
Dienſt verließen, nicht ganz ohne Wirkung. Die
Hauptſache aber kam darauf an, ob auch der
Reichstag die Anwendung der Reichsgeſetze vom
Landfrieden, wie ſie der Reichshofrath auf den
gegenwaͤrtigen Fall gemacht hatte, genehmigen,
und zu deren Unterſtuͤtzung die erforderlichen Schluͤſ-
ſe faſſen wuͤrde.


Durch ein kaiſerliches Hofdecret ward baldV.
nach dem Einbruche in Sachſen das Reich auf-
gefordert, dem uͤberfallenen Theile mit einem
Reichsexecutionsheere beyzuſtehen. Verſchie-
dene Reichsſtaͤnde hielten fuͤr zutraͤglicher, lieber
darauf anzutragen, daß das Reich die Vermitte-
lung zwiſchen den im Kriege begriffenen Maͤchten
uͤbernehmen moͤchte. Dieſer Meynung war vor-
zuͤglich Churbraunſchweig. Manche andere moͤ-
gen hernach wohl Urſache gehabt haben zu be-
dauern, daß ſie dieſem wohlgemeynten Rathe mit
ihren
[92]XII. Franz der I. 1748-1764.
ihren Stimmen nicht beygetreten waren. Durch
Mehrheit der Stimmen kam endlich ein Reichs-
gutachten fuͤr den Executionskrieg zu Stande. Zu
Berlin ſuchte man hernach den Rechtsbeſtand des
Reichsgutachtens anzufechten, weil es mit den da-
zu gerechneten Stimmen nicht richtig zugegangen
ſey. Das veranlaßte noch einen beſonderen Vor-
fall, wodurch ein gewiſſer Umſtand unſerer Reichs-
tagsverfaſſung erſt in mehrere Richtigkeit kam.


VI.

Um das Churmainziſche Reichsdirectorium
nicht alleine daruͤber gewaͤhren zu laßen, ob eine
reichsſtaͤndiſche Schrift der Reichsverſammlung
durch die gewoͤhnliche Dictatur mitzutheilen ſey,
oder nicht; hatte man zuerſt in die Wahlcapitulation
Carls des VII. eingeruͤckt, daß, wenn ſich des-
halb wegen unziemlicher harter Ausdruͤcke oder
ſonſt einiger Anſtand faͤnde, das Reichsdirecto-
rium mit dem churfuͤrſtlichen Collegio vorgaͤngige
Communication und Beredung pflegen, und dar-
nach verfahren ſolle (x). Gegen dieſe Stelle hat-
ten die Fuͤrſten einen Widerſpruch eingelegt, weil
nur die Churfuͤrſten, nicht auch ſie, hieruͤber zu
Rathe gezogen werden ſollten. Jetzt ereignete ſich
ein ſolcher Fall, da der Preuſſiſche Geſandte von
Plotho die Dictatur einer Schrift verlangte, die
uͤber viele reichsſtaͤndiſche Stimmen zu obigem
Reichsgutachten allerley Critiken enthielt. Als
Churmainz mit den uͤbrigen Churfuͤrſten daruͤber
Ruͤckſprache hielt, erfolgte ein churfuͤrſtliches Con-
cluſum gegen dieſe Dictatur. Der Reichsfuͤrſten-
rath ließ das geſchehen. Alſo hob ſich in der That
damit jener Widerſpruch, und dieſe Stelle der
Wahl-
[93]3) Urſach. d. ſiebenjaͤhr. Kr. 1756. 1757.
Wahlcapitulation bekam nunmehr ihre voͤllige
Richtigkeit; — in der That auch um ſo billiger,
weil es hier nur um eine Art von Vorberathſchla-
gung galt, da es ſonderbar geweſen ſeyn wuͤrde,
wenn bloß daruͤber, ob etwas zur legalen Notitz
des Reichs zu bringen ſey? erſt das ganze Reich
in Berathſchlagung geſetzt werden ſollte. Das
churfuͤrſtliche Collegium daruͤber urtheilen zu laßen,
hatte weniger Schwierigkeit, und war doch im-
mer zutraͤglicher, als die ganze Sache bloß dem
Gutfinden des Mainzer Hofes oder Geſandten
heimzuſtellen.


Der Herr von Plotho ſuchte ſich hernach aufVII.
andere Art zu helfen, wobey wieder allerley An-
ſtaͤnde in Anſehung der Reichstagsverfaſſung vor-
kamen. Nach derſelben hat ein jeder Geſandter,
wenn die Reihe an ihn koͤmmt, ſeine Stimme ab-
zulegen, die Wahl, ob er ſie den anweſenden Le-
gationsſecretarien in die Feder dictiren, oder aus
einem geſchriebenen Aufſatze herleſen und hernach
den Aufſatz dem Directorialſecretaͤr hingeben will,
damit er ins Protocoll eingetragen werden koͤnne.
Als am 11. Febr. 1757. das churfuͤrſtliche Colle-
gium beyſammen war, und die Reihe an Chur-
brandenburg kam, fieng der Herr von Plotho an
zu dictiren, ward aber, weil es zu lange zu waͤh-
ren ſchien, vom Churmainziſchen Geſandten un-
terbrochen, und erſucht, den Aufſatz vielmehr nur
abzuleſen und hinzugeben. Herr von Plotho er-
klaͤrte ſich dazu bereit, wenn man ihm die Verſi-
cherung geben wollte, den Aufſatz ungeaͤndert ins
Protocoll zu bringen. Dieſe Verſicherung wurde
ihm verſagt. Alſo fuhr er fort zu dictiren. Die
uͤbri-
[94]XII. Franz der I. 1748-1764.
uͤbrigen Geſandten und Legationsſecretarien gien-
gen daruͤber weg, und ließen das Protocoll un-
vollendet. Die Geſandten und Secretarien von
Churbrandenburg und Churbraunſchweig fuhren
aber fort. So gab es eine Discrepanz im Pro-
tocolle. Dennoch konnte dem vollſtaͤndigen Pro-
tocolle der beiden letzteren Geſandtſchaften der Glau-
be nicht verſagt werden, weil ein jeder reichsſtaͤn-
diſcher Legationsſecretaͤr nicht mindere Glaubwuͤr-
digkeit hat, wie der Directorialſecretaͤr. Selbſt
waͤhrend des fortgeſetzten Schreibens mußten die
abgegangenen Geſandten noch einmal in das chur-
fuͤrſtliche Verſammlungszimmer kommen, weil ſie
bey ihrem Abtritt ins Nebenzimmer vergeſſen hat-
ten, ihre Huͤte mitzunehmen, die gewoͤhnlich auf
dem Confecttiſche hingelegt zu werden pflegen (y).


VIII.

In der Sache ſelbſt berief ſich das Churmain-
ziſche Directorium darauf, daß kein Canzliſt ſchul-
dig ſey mehr als drey Bogen zu ſchreiben. Wenn
eine Schrift mehr betraͤgt, wird ſie gedruckt aus-
getheilt. Vielweniger ſchien man den Secreta-
rien
[95]3) Urſach. d. ſiebenjaͤhr. Kr. 1756. 1757.
rien zumuthen zu koͤnnen, mehr als drey Bogen
von einem Geſandten ſich dictiren zu laßen. Auf
der andern Seite konnte es aber mit der Freyheit
der reichsſtaͤndiſchen Stimmfuͤhrung auch nicht
wohl beſtehen, wenn man einem Geſandten zu-
muthen wollte, ſeine abzuleſende Stimme erſt ei-
ner Critik der uͤbrigen Geſandten zu unterwerfen.
Ein Geſandter, der fuͤr ſeine Perſon etwas unge-
buͤhrliches zum Protocolle gibt, kann daruͤber bey
ſeinem Hofe verklagt und zur Verantwortung gezo-
gen werden. Ruͤhrt es vom Hofe ſelbſt her, oder
hat ſich deſſen Genehmigung zu erfreuen, ſo kann
freylich das ganze Collegium nach Befinden ver-
fuͤgen, daß etwas wieder ausgeſtrichen oder auf
andere Art aus dem Protocolle wieder zuruͤckge-
nommen wird. Aber eine vorgaͤngige Beurthei-
lung ſchien allemal der Verfaſſung nicht gemaͤß zu
ſeyn.


Noch ehe das zu Regensburg beſchloſſeneIX.
Reichskriegsheer in Bewegung kam, geſchah am
14. Maͤrz 1757. vom Franzoͤſiſchen Miniſter zu
Regensburg die Erklaͤrung, daß die Krone Frank-
reich nebſt der Krone Schweden von verſchiedenen
der anſehnlichſten Staͤnde des Reichs erſucht ſey,
ihre uͤbernommene Garantie des Weſtphaͤliſchen
Friedens zur Ausuͤbung zu bringen, und daß bei-
de Kronen den gemeinſchaftlichen Entſchluß gefaſ-
ſet haͤtten, dieſen Verbindungen durch die geſchwin-
deſten und werkthaͤtigſten Mittel ein Gnuͤge zu
thun. Eine gleichmaͤßige Erklaͤrung geſchah zu
gleicher Zeit von dem Schwediſchen Geſandten.
Und den 20. Maͤrz 1757. erfolgte noch eine naͤ-
here Erklaͤrung des Franzoͤſiſchen Miniſters we-
gen
[96]XII. Franz der I. 1748-1764.
gen des wuͤrklichen Einmarſches der Franzoͤſiſchen
Kriegsvoͤlker.


X.

Bey dieſer Erklaͤrung wurde von Seiten des
Berliner Hofes erinnert, daß nicht darin ge-
meldet ſey, wer eigentlich um die Garantie des
Weſtphaͤliſchen Friedens nachgeſucht habe, und
was fuͤr eine Stelle des Friedens hiebey zur Ga-
rantie gezogen werden ſolle. Dann wurde da-
gegen eine Stelle der kaiſerlichen Wahlcapitula-
tion (z) angefuͤhrt, worin verordnet war: ”der
Kaiſer ſollte ohne Conſens der Staͤnde kein frem-
des Kriegsvolk ins Reich fuͤhren oder fuͤhren laßen;
ſondern, da von einem oder mehr Staͤnden des
Reichs ein fremdes Kriegsvolk in oder durch das
Reich, wem ſie auch gehoͤren, unter was Schein
und Vorwand immer es ſeyn moͤchte, gegen den
Muͤnſter- und Osnabruͤckiſchen Friedensſchluß, ge-
fuͤhret wuͤrde, daſſelbe mit Ernſt abſchaffen, Ge-
walt mit Gewalt hintertreiben, und dem Belei-
digten ſeine Huͤlf- Handbieth- und Rettungsmit-
tel kraͤftiglich wiederfahren laßen.” Hiergegen wur-
de von der andern Seite erwiedert, dieſe Stelle
verbiete nur, kein fremdes Kriegsvolk gegen den
Weſtphaͤliſchen Frieden auf Teutſchen Boden zu
fuͤhren, nicht aber, wenn es um Garantie des
Friedens zu thun ſey. Andere glaubten, der wah-
re Sinn dieſer Stelle ſey, daß es uͤberall gegen
den Weſtphaͤliſchen Frieden ſtreite, wenn fremdes
Kriegsvolk ohne vorgaͤngige Einwilligung der
Staͤnde auf Teutſchen Boden gefuͤhret wuͤrde.


XI.

Nachdem endlich der Koͤnig in Preuſſen bey
Collin am 18. Jun. 1757. das erſtemal eine
Schlacht
[97]3) Urſach. d. ſiebenjaͤhr. Kr. 1756. 1757.
Schlacht verlohren hatte, und inzwiſchen nicht nur
Franzoͤſiſche, ſondern auch Ruſſiſche und Schwe-
diſche Kriegsheere vorgeruͤckt waren; trat zuletzt
im Aug. 1757. auch das bey Nuͤrnberg zuſam-
mengezogene Reichsexecutionsheer unter Anfuͤhrung
des Prinzen Joſephs von Sachſen-Hildburghau-
ſen den Marſch an, um Sachſen von den Preuſ-
ſiſchen Kriegsvoͤlkern zu befreyen. Das Schick-
ſal des Feldzuges von dieſer Seite entſchied ſich
durch einen der vollkommenſten Siege, den Frie-
drich am 5. Nov. 1757. bey Roßbach in Thuͤrin-
gen erfocht.


P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. GIV.
[98]XII. Franz der I. 1748-1764.

IV.
Reichsexecutionskrieg 1757., und was dabey
in Anſehung der Reichskriegsverfaſſung vor-
gekommen.


I. Maͤngel der Reichskriegsverfaſſung, wie ſie inſon-
derheit bey der Schlacht bey Roßbach entdeckt worden; —
beſonders wegen der jedem Reichsſtande uͤberlaßenen Unter-
haltung ſeines Contingents; — II. wegen der deswegen
erforderlichen vielen Beckereyen, — III. wegen Verſchie-
denheit der Loͤhnung; — IV. wegen Mangels vieler Kriegs-
beduͤrfniſſe und ungleicher Caliber ꝛc. — V. Reichsopera-
tionscaſſe von bewilligten Roͤmermonathen, — VI. und
deren Berechnung. — VII. VIII. Aſſignationen und Com-
penſationen, ſo dabey vorzukommen pflegen. — IX. Be-
ſteurung der Unterthanen zu den Roͤmermonathen; — de-
ren Vervielfaͤltigung fuͤr nicht bewaffnete Staͤnde. — X.
Reichsgeneralitaͤt, — XI. die jetzt auch in Friedenszeit
unterhalten wird, — XII. aber nur bey wuͤrklichen Feld-
zuͤgen Vortheile zu genießen hat. — XIII. Ueber die Be-
fehlshabung des Reichskriegsheeres wird jedesmal beſondere
Verfuͤgung getroffen. — XIV. Ein Reichskriegsrath, der
vermoͤge der Wahlcapitulation von beiden Religionstheilen
beſtellt werden ſollte, iſt wuͤrklich nicht in Uebung.


I.

Unſere ganze bisherige Reichskriegsverfaſſung
kann durch nichts in ſo helles Licht geſetzt
werden, als durch die Beobachtungen, wozu die
Niederlage der Reichsarmee bey Roßbach Anlaß
gab (a). Der Hauptumſtand iſt, daß ein jeder
Reichs-
[99]4) Reichsexecutionskrieg 1757.
Reichsſtand ſein Contingent auch im Felde mit
allen Beduͤrfniſſen verſehen muß. Manches Re-
giment beſteht aus vielerley Contingenten mehrerer
Staͤnde; deren jeder hat alſo bey der Armee ſei-
nen eignen Verſorger (Entrepreneur oder Impreſ-
ſarien), ſein eignes Fuhrwerk, ſeine eigne Becke-
rey, ſein eignes Hoſpital u. ſ. w. ”Es kann alſo
bey der Armee niemals ein rechtes Magazin formi-
ret werden, weil die unterſchiedenen Impreſſarien
ihr Gut nicht zuſammenlegen koͤnnen, und daher
ein jeder ein anderes Haus vonnoͤthen hat. Auch
ereignet es ſich, daß ſie weder mit Beckern verſe-
hen ſind, noch Backoͤfen erbauen, mithin auf allen
Doͤrfern herumkriechen, um von den Bauern in
ihren Oefen backen zu laßen. Folglich bekoͤmmt
der Soldat ein ſchlechtes unausgebackenes unge-
ſundes Brod.”


”Ein einziges Regiment, das aus den Con-II.
tingenten von 10. 12. und mehr Staͤnden formirt
iſt, muß immerzu auf 10. 12. Orte ſchicken, um
ſein Brod fuͤr jedes Contingent herbeyzuſchleppen.
Hierzu kann das Fuhrwerk bey der Armee nicht
erklecken; mithin muß Landvorſpann genommen
werden. Daraus entſtehen dann nicht allein Ex-
ceſſe, ſondern auch die unausbleiblichen Folgen,
daß immerfort der eine Soldat unter der nehmli-
chen Compagnie gutes, der andere ſchlechtes Brod
hat,
(a)
G 2
[100]XII. Franz der I. 1748-1764.
hat, ja der eine gar Hunger leiden, und zu glei-
cher Zeit, da ſein Camerad ſich ſatt eſſen kann,
zuſehen muß, welches eine unglaubliche Jalouſie
unter den Gemeinen verurſachet. Die Armee iſt
deswegen auch niemals auf eine gleiche Zeit mit
Brod verſehen, weil ein Contingent heute, das
andere morgen, das dritte uͤbermorgen das ſeinige
empfaͤngt. Der commandirende General kann al-
ſo niemals darauf rechnen, daß ſeine Armee auf
ſo und ſo viel Tage Brod habe. Er kann aber
auch nie eine Bewegung, die er vor hat, geheim
halten, ſondern muß ſie immer einer Menge Leute
anvertrauen, weil einer, der vielleicht nur 10.
oder 12. Mann von einem Stande zu verſorgen
hat, eben ſo gut, als ein anderer, der 1000. zu
verpflegen hat, wiſſen muß, wo er ſeine Veran-
ſtaltung zu machen hat. Und doch geſchieht es
nicht ſelten, daß der Mannſchaft alle Augenblicke
das Brod mangelt, indem die Impreſſarien da-
von laufen, ſich verkriechen, und das zehntemal
nicht zu finden ſind, da dann, wenn nicht das
Hauptproviantdirectorium den Contingenten allen-
falls aushaͤlfe, die meiſten ſelbſt wegen Mangel
des Brods zu Grunde gehen muͤßten. Wenn vol-
lends einzelne Commando’s oder Detachements ab-
zuſchicken ſind, da ſichs oft fuͤgen kann, daß von
einem Reichsſtande nur ein Mann dazu koͤmmt;
da waͤre oft noͤthig, daß mit 50. Mann auch 50.
Impreſſarien mitgiengen, um nur jeden Mann
mit Brod zu verſorgen. Gemeiniglich fehlt es
auch an Brodtorniſtern, worin die Mannſchaft
bey eiligen Maͤrſchen das Brod auf einige Tage
mit ſich nehmen koͤnnte.”


Fer-
[101]4) Reichsexecutionskrieg 1757.

Ferner wird dem gemeinen Mann ſeine Loͤh-III.
nung weder zu einerley Zeit noch auf gleichen Fuß
gereicht; woraus die unvermeidliche Unordnung
erwaͤchſt, daß derjenige, welcher weniger, als ſein
Camerad bekoͤmmt, uͤbel zufrieden iſt, und an-
dere, welche gar das Geld auf ganze Wochen oder
Monathe auf einmal empfangen, ſolches in wenig
Tagen verſaufen, und ſich hernach auf Stehlen
und Marodiren legen. Auch hat meiſt ein jeder
Kreis, wo nicht gar ein jeder Reichsſtand ſein
eignes Hoſpital, ſo daß die Kranken und Verwun-
deten meiſt in ganz entlegenen Doͤrfern zerſtreuet
ſind, und daruͤber oft ganz verlohren gehen, oder
auch zu Ausſchweifungen und Erpreſſungen ver-
anlaßt werden.”


Noch hat man bemerkt, daß es zu beſſererIV.
Einrichtung der Reichsarmee nothwendig ſey, ”den
Regiments-Commandanten die noͤthige Auctoritaͤt
beyzulegen, damit ſie untuͤchtige oder ſonſt im
Dienſte nachlaͤßige Adjudanten, Fouriers und
Officiers abſchaffen, auch inſonderheit die Oberof-
ficiers ohne weitere Ruͤckfrage mit aller Strenge
zu ihrer Kriegsſchuldigkeit anhalten koͤnnten;” —
ingleichen, daß es die Nothdurft erfordere, fuͤr
jedes Regiment eine Anzahl kleiner Mondirung,
als Schuhe, Sohlen, Struͤmpfe ꝛc. allemal in der
Naͤhe bey der Armee zur Hand zu haben; — daß
bey jedem Bataillon das faſt taͤglich noͤthige
Schanzzeug angeſchafft werden muͤßte, damit nicht
noͤthig ſey, es mit Gewalt und Exceſſen aus den
Doͤrfern zu nehmen, und die Truppen im Mar-
ſche aufzuhalten, oder wegen Abganges der noͤthi-
gen Verſchanzung der groͤßten Gefahr auszuſez-
G 3zen;
[102]XII. Franz der I. 1748-1764.
zen; — daß bey jedem Bataillon zu Fortfuͤhrung
deſſen eigner Kriegsbeduͤrfniſſe ein wohlbeſpannter
Wagen noͤthig ſey; — daß zu Nachfuͤhrung der
Zelte noch beſondere Wagen oder Tragpferde ge-
halten werden muͤßten, damit in Ermangelung
der Zelte der Soldat nicht unter freyem Himmel
zu liegen genoͤthiget, und ſo zu Grunde gerichtet
werde; — daß bey jedem Bataillon zwey Feld-
ſtuͤcke von durchgaͤngig gleichem Calibre mit dazu
gehoͤrigen Leuten und Artilleriepferden angeſtellt
werden muͤßten; — hauptſaͤchlich aber endlich,
daß auf die Conformitaͤt der Flinten und deren
Calibre zu ſehen ſey, ”maßen darin (bey Roß-
„bach) ſolche Nachlaͤßigkeit verſpuͤhret worden,
„daß von 100. Flinten kaum 20. Feuer gegeben
„haben.” (So lange dieſen und wer weiß wie
viel anderen hier nicht bemerkten Maͤngeln und
Gebrechen nicht abgeholfen iſt, wird jeder Teut-
ſcher Biedermann ſchon aus dieſen Umſtaͤnden die
Wichtigkeit des Wunſches erkennen, daß das
heilige Roͤmiſche Reich fuͤr Krieg in Gnaden be-
wahrt bleiben moͤge!)


V.

Zur Fuͤhrung eines Reichskrieges gehoͤret aber
auch noch eine Reichsoperationscaſſe. Denn
wenn gleich ein jeder Reichsſtand ſein Contingent
unterhalten, und ein jeder Kreis fuͤr die Koſten
ſorgen muß, welche die Generalitaͤt eines jeden
Kreiſes erfordert; ſo bleiben doch noch Ausgaben
fuͤr die Armee im Ganzen uͤbrig, die von wegen
des geſammten Reichs beſtritten werden muͤßen,
als fuͤr die Reichsgeneralitaͤt, den Generalſtab,
Couriers, Eſtaffetten, Spionen u. ſ. w. Hierzu
wird nun jedesmal eine gewiſſe Anzahl Roͤmer-
mona-
[103]4) Reichsexecutionskrieg 1757.
monathe bewilliget. In vorigen Zeiten trug es
oft zu einem Feldzuge 90. Roͤmermonathe; mehr
betrug es in dieſem letzten ganzen Kriege nicht fuͤr
alle ſechs bis ſieben Feldzuͤge.


Zu Erhebung dieſer Gelder pflegte man ſonſtVI.
in den verſchiedenen Kreiſen mehrere Legſtaͤdte
zu ernennen, und gewiſſe Reichspfennigmeiſter an-
zuſtellen. Das letztemal hat man auf eine ganz
einfache Art der Stadtkaͤmmerey zu Regensburg
uͤberlaßen, das Geld von jedem Reichsſtande in
Empfang zu nehmen, und auf gehoͤrige Anwei-
ſung wieder auszuzahlen. Die Berechnung ge-
ſchah hernach durch einen von Zeit zu Zeit bekannt
gemachten Extract Stadt Regensburgiſchen Caſ-
ſebuches, worin ſich jede Einnahme nach Ordnung
der Zeit genau verzeichnet fand (b). Die Ausga-
be ward nur in ganzen Summen angefuͤhrt, wie
ſie meiſt unmittelbar an die Reichsgeneralitaͤt oder
auf deren Anweiſung geſchehen war. Eine wei-
tere Berechnung einzelner Poſten, wozu das Geld
verwandt worden, welche nach der Wahlcapitula-
tion (Art. 5. §. 4.) erforderlich ſcheinen koͤnnte, iſt
nicht erfolget. Einmal ereignete ſich doch ein Un-
fall, daß die Reichsoperationscaſſe durch einen
Einbruch ins Rathhaus zu Regensburg beſtohlen
wurde.


In vorigen Zeiten moͤgen wohl von Befehls-VII.
habern oder Kriegscommiſſariaten der Reichsar-
mee auf ganze Kreiſe oder einzelne Reichsſtaͤnde
wider ihren Willen Aſſignationen ausgeſtellt wor-
den
G 4
[104]XII. Franz der I. 1748-1764.
den ſeyn. Das iſt aber durch eine beſondere Ver-
fuͤgung der kaiſerlichen Wahlcapitulation abgeſtellt
worden (c). Vermoͤge eben der Stelle ſollen
auch ohne Bewilligung des Reichs keine Com-
penſationen
geſtattet werden; inſonderheit nicht
mit kaiſerlichen Privatgeldern und Schulden, wie
ſonſt manchmal Ruͤckſtaͤnde ehemals verſprochener
Oeſterreichiſchen Subſidiengelder in Gegenrech-
nung gebracht wurden. Zu Zeiten gibt es Ge-
genforderungen an das Reich ſelber, die aber auch
ohne des Reichs Bewilligung keine Compenſation
begruͤnden ſollen.


VIII.

(Eines der neueſten Beyſpiele dieſer Art hat
noch im Jahre 1783. ein koͤniglich Daͤniſches Me-
morial an den Reichstag gebracht. Zur Zeit des
Spaniſchen Succeſſionskrieges hatte der Reichs-
tag, weil die Gelder zur Reichsoperationscaſſe
ſaͤumig eingiengen, am 21. Jun. 1713. die Er-
klaͤrung von ſich gegeben: Der Prinz Eugen von
Savoyen (damaliger Befehlshaber der Armee)
koͤnne mit dem Frankfurter Wechſler Roſt, als
Caſſirer, unter Garantie des Reichs auf Vorſchuß
ſchließen, der aus den einkommenden Geldern wie-
der bezahlt werden ſollte. Beſage einer Berech-
nung der kaiſerlichen Hofkriegsbuchhalterey zu
Wien vom 24. Maͤrz 1733. hatte der Wechsler
Roſt damals noch 80361. Gulden 9. Kreuzer zu
fordern. Dieſe Forderung iſt an drey Erben ge-
kommen, wovon Ein Drittheil dem Koͤnige in
Daͤnemark cedirt worden iſt. Der Daͤniſche Hof
dringt alſo jetzt auf Zahlung, oder will ſich kuͤnf-
tige Compenſation von wegen Holſtein vorbehalten.)


Das
[105]4) Reichsexecutionskrieg 1757.

Das Geld, ſo uͤbrigens nach einer gewiſſenIX.
Anzahl Roͤmermonathe ſowohl vom Reiche als von
einem jeden Kreiſe zur Zeit eines Reichskrieges be-
williget wird, bezahlt ein Reichsſtand nicht aus
ſeinen Cammereinkuͤnften, ſondern erhebt es durch
Steuern von ſeinen Unterthanen, von denen auch
die Koſten zu Unterhaltung des Contingents bey-
getrieben werden. Fuͤr ſolche Reichsſtaͤnde, die
nicht ſelbſt Soldaten haben, pflegt auch wohl der
Kreis die Stellung und Unterhaltung ihres Con-
tingents zu uͤbernehmen, und dagegen denſelben
ſoviel Roͤmermonathe mehr anzurechnen. — So
betrug es z. B. dem Biſthume Baſel im Jahre
1758. von Reichs wegen vermoͤge Reichsgutach-
tens vom 28. Aug. 20. Roͤmermonathe, ſodann
zum Oberrheiniſchen Kreiſe fuͤr die Kreiskriegscaſſe
34., und fuͤr das Contingent, ſo es haͤtte ſtellen
muͤßen, noch 77., zuſammen 131. Roͤmermona-
the. — Fuͤr die Verpflegung des Paderborni-
ſchen Contingents, welche der Churfuͤrſt Clemens
Auguſt von Coͤlln als Biſchof von Paderborn ei-
nem Juden Simon Baruch uͤberlaßen hatte, hat
dieſer noch erſt vor kurzem eine große Summe von
der Paderborniſchen Landſchaft beym Reichshof-
rathe eingeklagt. — Verſchiedenen Staͤnden, die
im ſiebenjaͤhrigen Kriege ihr Contingent bey der
Reichsarmee nicht ſtellen koͤnnen, ſind noch nach
geendigtem Kriege von Wien aus betraͤchtliche
Rechnungen gemacht worden. (Soviel Gruͤnde
mehr, obigen biedermaͤnniſchen Wunſch zu wieder-
holen!)


Was endlich die zur Anfuͤhrung eines Reichs-X.
kriegsheeres erforderliche Generalitaͤt anbetrifft, ſo
G 5hat
[106]XII. Franz der I. 1748-1764.
hat zwar ein jeder Kreis die Generale zu ernen-
nen, welchen die Befehlshabung uͤber die vom
ganzen Kreiſe zuſammengeſtoßenen Kriegsvoͤlker
anvertrauet wird. Da aber keiner derſelben die
Befehlshabung uͤber das Kriegsvolk eines an-
dern Kreiſes begehren kann, ſo bleibt noch fuͤr
das geſammte Reich uͤbrig, eine eigne Reichsge-
neralitaͤt
anzuordnen, welcher uͤber das ganze
Reichskriegsheer die Oberbefehlshabung anver-
trauet werden kann. Dieſe beſteht eigentlich aus
vier Stellen, die in folgender Ordnung auf einan-
der folgen: Generalfeldmarſchall, Generalfeld-
zeugmeiſter, General der Cavallerie, Generalfeld-
marſchall-Lieutenant. Eine jede dieſer Stellen
wird nach der Religionsgleichheit, alſo immer in
gerader Zahl, gemeiniglich zweyfach, zu Zeiten
auch wohl ein oder andere Stelle vierfach beſetzt.


XI.

Ehedem geſchah die Beſetzung dieſer Stellen
nicht anders, als zur Zeit eines Reichskrieges.
Als aber im Jahre 1727. eine Stelle erlediget
wurde, die der damalige Fuͤrſt von Oettingen auf
ſein Anſuchen erhielt, welches das erſte Beyſpiel
in Friedenszeiten war; ſo iſt es ſeitdem zum neue-
ren Herkommen geworden, daß auch waͤhrenden
Friedens ſaͤmmtliche Stellen der Reichsgeneralitaͤt
beſetzt zu werden pflegen. So oft jetzt eine der-
ſelben erlediget wird, fehlt es gemeiniglich nicht
an mehreren Standesperſonen, die ſich darum be-
werben. Das foͤrmliche Geſuch wird jedesmal
am Reichstage angebracht, wo ein Reichsgutach-
ten und deſſen kaiſerliche Genehmigung die Sache
entſcheidet.


Wer
[107]4) Reichsexecutionskrieg 1757.

Wer von der Reichsgeneralitaͤt in KriegszeitenXII.
dem Feldzuge beywohnt, hat aus der Reichsope-
rationscaſſe den jedem Range zukommenden Sold,
nebſt den gewoͤhnlichen Rationen und Portionen
fuͤr Pferde und Mannſchaft zu erwarten. Außer-
dem aber ſind keine Vortheile damit verbunden.
Nur im Range hat der Reichsgeneralfeldmarſchall
vor allen anderen, die eben den Character von an-
deren Maͤchten fuͤhren, den Vorzug. (In vori-
gen Zeiten wurde deswegen gemeiniglich dafuͤr ge-
ſorgt, daß derjenige, dem das Haus Oeſterreich
ſeine Armeen anvertraute, auch die Stelle eines
Reichsgeneralfeldmarſchalls zu bekleiden bekam,
z. B. Prinz Eugen von Savoyen, Prinz Carl von
Lothringen ꝛc.) Die uͤbrigen gehen im Range
nach dem Dienſtalter mit denen von anderen Maͤch-
ten gleich. Im Jahre 1758. war es ſtark im
Werke, daß der Reichsgeneralitaͤt ihre Winter-
quartiere in Reichsſtaͤdten angewieſen werden ſoll-
ten. Das geſammte reichsſtaͤdtiſche Collegium hat
aber noch Mittel und Wege gefunden, das nicht
zum Herkommen werden zu laßen (d).


Fuͤr jeden Reichskrieg kann doch noch imXIII.
Reichsgutachten beſtimmt werden, wer das Com-
mando fuͤhren ſolle; wenn es nicht etwa der Vor-
ſorge des Kaiſers uͤberlaßen wird, wie es diesmal
1757. geſchah. Hieruͤber entſtand jedoch eine neue
Frage, als der Kaiſer fuͤr den Feldzug 1758. das
Commando dem Prinzen Friedrich von Zweybruͤk-
ken auftrug, ob einem Prinzen, der noch nicht zur
Reichsgeneralitaͤt gehoͤrte, ein ſolcher Auftrag ge-
ſche-
[108]XII. Franz der I. 1748-1764.
ſchehen koͤnne. Erſt nachher wurde gedachter Prinz
unter die Reichsgeneralitaͤt aufgenommen.


XIV.

Eigentlich ſoll zur Zeit eines Reichskrieges auch
noch ein beſonderer Reichskriegsrath von beider-
ley Religionsverwandten angeordnet werden (e),
ſo jedoch nicht in Uebung iſt. Die Angelegenhei-
ten des Krieges werden alſo gemeiniglich von eben
den Stellen dirigirt, welche von wegen der kaiſer-
lichen Erblande dazu beſtimmt ſind. Sobald ſich
das Reichskriegsheer verſammlet hat, wird es fuͤr
Kaiſer und Reich noch eigends in Pflicht genom-
men, auch mit beſonderen Kriegsartikeln verſehen.
Bey irgend außerordentlichen Vorfaͤllen pflegt es
nicht an allerley Streitigkeiten zu fehlen.


V.
[109]5) Reichsverhandlungen 1758-1763.

V.
Verhandlungen uͤber das Vorhaben den Koͤnig
in Preuſſen in die Acht zu erklaͤren, und uͤber
einen Friedenscongreß zu Augsburg. Endlich
geſchloſſener Friede zu Hubertsburg. 1758-
1763.


I. Als es im Werk war unmittelbar in den drey Reichs-
collegien auf die Achtserklaͤrung des Koͤnigs in Preuſſen an-
zutragen; beſchloß das evangeliſche Corpus zur Aufrechthal-
tung der Wahlcapitulation in partes zu gehen. — II. Die-
ſen Schluß unternahm der Kaiſer vergeblich fuͤr nichtig zu
erklaͤren. — III. Zum Friedenscongreſſe, der zu Augsburg
gehalten werden ſollte, wollte das Reich ſich aufdringen, —
IV. und auf Beſtaͤtigung der vorigen Friedensſchluͤſſe, ohne
den Ryßwickiſchen davon auszunehmen, dringen. — Dar-
uͤber kam es wieder zur Trennung beider Religionstheile; —
und aus dem Congreſſe wurde nichts. — V. Dem Kriege
wurde inzwiſchen durch anderweitige Friedensſchluͤſſe, inſon-
derheit zu Paris und zu Hubertsburg, ein Ende gemacht.


Gegen das Ende des Jahres 1758. war es imI.
Werke, daß die Frage: ob der Koͤnig in
Preuſſen als Churfuͤrſt von Brandenburg we-
gen Landfriedensbruchs nicht in die Acht zu erklaͤ-
ren ſey? unmittelbar bey der geſammten Reichs-
verſammlung in den drey Reichscollegien zur Be-
rathſchlagung geſtellt werden ſollte; an ſtatt, daß
nach der im Jahre 1711. vergleichenen Stelle der
Wahlcapitulation erforderlich geweſen waͤre, daruͤ-
ber erſt eine aus den drey Reichscollegien nieder-
zuſetzende Reichsdeputation von gleichem Reli-
gionsverhaͤltniſſe urtheilen zu laßen. Um dieſe
Verordnung aufrecht zu erhalten faßte das evange-
liſche
[110]XII. Franz der I. 1748-1764.
liſche Corpus am 29. Nov. 1758. den Schluß,
daß es auf den Fall, wenn jener Vortrag geſche-
hen, und etwa die Mehrheit der Stimmen nach
der dabey vor Augen habenden Abſicht fuͤr ſich ha-
ben ſollte, in partes gehen wuͤrde.


II.

Hieruͤber kam es von neuem zur Sprache, ob
man auch außer eigentlichen Religionsſachen in
partes
gehen koͤnne? und ob hierzu nothwendig
eine voͤllige Einmuͤthigkeit aller evangeliſchen Staͤn-
de erforderlich ſey? oder ob nicht auch dazu viel-
mehr ein Geſammtſchluß, den das Corpus ſeiner
Verfaſſung gemaͤß durch die Mehrheit der Stim-
men gefaſſet habe, hinreiche? (f) Der Kaiſer
Franz unternahm ſogar den Schluß des evangeli-
ſchen Religionstheils fuͤr null und nichtig zu erklaͤ-
ren. Das ließ ſich aber mit der Vorſchrift des
Weſtphaͤliſchen Friedens, daß in Faͤllen der Tren-
nung beider Religionstheile nur allein guͤtliche
Vergleichung ſtatt finden ſollte (ſola amicabilis
compoſitio litem dirimat,
) nicht vereinigen.
Dem evangeliſchen Religionstheile konnte es alſo
nicht an Gruͤnden fehlen, ſeine Gerechtſame ſtand-
haft zu behaupten. Es behielt auch dabey ſein
Bewenden. Die Achtserklaͤrung erfolgte nicht.
Sie ward nicht einmal zum Vortrage gebracht,
wie ſonſt unfehlbar geſchehen ſeyn wuͤrde. — Das
war uͤbrigens ſeit der Zwingenbergiſchen Sache,
alſo ſeit 31. Jahren, der erſte namhafte Fall, da
das evangeliſche Corpus ſich genoͤthiget ſah, zu
dieſem Rettungsmittel ſeine Zuflucht zu nehmen.
Jetzt ereignete ſich aber bald darauf noch ein Fall,
der eben dieſe Nothwendigkeit veranlaßte.


Als
[111]5) Reichsverhandlungen 1758-1763.

Als ganz Teutſchland ſchon lange gnug unterIII
dem verderblichen Kriege geſeufzet hatte, und ſelbſt
die uͤbrigen im Kriege begriffenen Maͤchte die
Hand zum Frieden zu bieten ſchienen; ward zur
allgemeinen Freude ſo vieler Voͤlker im Jahre
1761. zwiſchen den Kriegfuͤhrenden Maͤchten Oe-
ſterreich, Rußland, Frankreich, Schweden auf
einer, und Großbritannien, Preuſſen [und] deren
Bundesgenoſſen auf der andern Seite ein Con-
greß
verabredet, der zu Augsburg gehalten
werden ſollte. Man war aber uͤbereingekommen,
das Teutſche Reich an dieſem Congreſſe keinen An-
theil nehmen zu laßen, weil man zu Berlin der Le-
galitaͤt des Reichsſchluſſes 1757. noch immer wi-
derſprach, und weil unzehlige Schwierigkeiten ſo-
wohl in Anſehung der Art und Weiſe, wie das
Reich zum Frieden mitwirken ſollte, als in Anſe-
hung der Puncte, die von Reichsſachen hiebey
zur Sprache kommen koͤnnten, ſich vorausſehen
ließen.


Nichts deſto weniger erließ der Kaiſer FranzIV.
den Antrag an das Reich, ob man nicht dienlich
faͤnde, auch von Reichs wegen den bevorſtehenden
Congreß zu beſchicken, oder dem Kaiſer in ſolcher
Abſicht die erforderliche Vollmacht zu geben. Alle
Vorſtellungen vorberuͤhrter wichtigen Anſtaͤnde
und der voͤllig ermangelnden Einladung des Reichs
von wegen der uͤbrigen Maͤchte waren nicht vermoͤ-
gend, den wuͤrklichen Vortrag dieſes kaiſerlichen
Antrages zuruͤckzuhalten. Die vorſitzenden catho-
liſchen Staͤnde in beiden hoͤheren Collegien legten
vielmehr ihre Stimmen nicht nur beyfaͤllig ab, ſon-
dern erklaͤrten ſich auch ſchon uͤber die Puncte, auf
deren
[112]XII. Franz der I. 1748-1764.
deren Betreibung beym Friedensſchluſſe man dem
Kaiſer Vollmacht geben moͤchte. Darunter war
gleich anfangs dieſer, daß die vorigen Friedens-
ſchluͤſſe zum Grunde gelegt werden moͤchten; ohne
daß man auf Erinnerung der evangeliſchen Stim-
men die Ausnahme des Ryßwickiſchen Friedens
dabey ſtatt finden laßen wollte (g). Das gab von
neuem zu einer Trennung beider Religionsthei-
le
Anlaß. Von catholiſcher Seite wurde zwar
die Sache dennoch bis zum Reichsgutachten getrie-
ben. Allein evangeliſcher Seits nahm man keinen
Antheil daran. Und der Erfolg war, daß — aus
dem ganzen Congreſſe zu Augsburg, ungeachtet
ſchon mehrere Geſandten Haͤuſer da gemiethet hat-
ten, nichts wurde, und — der leidige Krieg noch
bis ins Jahr 1763. mit haͤufigem Blutvergießen
und argen Laͤnderverwuͤſtungen ſeinen Fortgang
behielt, ohne einen Schritt weiter vorwaͤrts zu
kommen, als man die ganze Zeit uͤber geweſen war.


V.

Mit dem Frieden ſelbſten nahm es hernach
eine ganz andere Wendung. Nach dem Tode der
Kaiſerinn Eliſabeth von Rußland († 1762. Jan.
5.) bekam der Koͤnig in Preuſſen erſt mit Rußland
und Schweden Frieden (1762. May 5. und 22.).
Zwiſchen den uͤbrigen kriegfuͤhrenden Maͤchten, die
inzwiſchen noch mit Spanien und Portugall ver-
mehrt waren, wurden zu Paris und London Frie-
denshandlungen gepflogen, worauf es zwiſchen
Frankreich und Spanien an einem, und Großbri-
tannien und Portugall am andern Theile am 2.
und 3. Nov. 1762. ſchon zu Friedenspraͤliminarien
kam, die zu Fontainebleau gezeichnet wurden, und
am
[113]5) Reichsverhandlungen 1758-1763.
am 10. Febr. 1763. zum Definitiv-Friedenstra-
ctate zu Paris. Waͤhrend dieſer Zeit ward auch
zwiſchen Preuſſen und Oeſterreich am 24. Nov.
1762. ein Waffenſtillſtand bis auf den kuͤnftigen
Maͤrz geſchloſſen. Vor deſſen Ablauf kam es ſo-
wohl zwiſchen Preuſſen und Oeſterreich als zwiſchen
Preuſſen und Sachſen zum Frieden zu Huberts-
burg
(1763. Febr. 15.), vermoͤge deſſen in der
Hauptſache wieder alles beym Dresdner Frieden
blieb. Wegen der Reichsarmee hatte der Koͤnig
in Preuſſen ſich erklaͤret, daß er einem jeden Reichs-
ſtande, der ſein Contingent von derſelben zuruͤck-
rufen wuͤrde, die Neutralitaͤt zugeſtehen wollte.
Dieſes Erbieten wurde von einem Reichsſtande
nach dem andern angenommen und befolget, wor-
uͤber endlich am 11. Febr. 1763. ſelbſt ein Reichs-
gutachten erfolgte. So gieng diesmal das Reichs-
kriegsheer ohne einen foͤrmlichen Reichsfriedens-
ſchluß aus einander. Nur im Hubertsburger Frie-
den wurden alle und jede Reichsſtaͤnde, die auf
der einen oder andern Seite als Bundesgenoſſen
geſtanden hatten, mit eingeſchloſſen.


P. Entw. d. Staatsverf. Th.III.Drey-
[114]XIII.II.

Dreyzehntes Buch.
Der neueren Zeiten zehnter Abſchnitt
von
Joſeph demII.
1764 — 1786.


I.
Roͤmiſche Koͤnigswahl Joſephs des II. 1764.


I. Churfuͤrſtlicher Collegialtag und Wahlconvent zu
Frankfurt. — II. Wahlcapitulation und churfuͤrſtliche Col-
legialſchreiben an den Kaiſer. — III. Zwey kaiſerliche Com-
miſſarien bey dieſer churfuͤrſtlichen Verſammlung. — IV.
Irrung uͤber die Zahl der Canonenſchuͤſſe bey der Ankunft
der kaiſerlichen Commiſſarien und der Churfuͤrſten. — V.
Abaͤnderung in Anſehung der ehemaligen perſoͤnlichen Anwe-
ſenheit des neu gewehlten Roͤmiſchen Koͤnigs im Concla-
ve, — VI. und in Anſehung der ſonſt demſelben perſoͤn-
lich ertheilten vaͤterlichen Einwilligung. — VII. Vollzie-
hung dieſer Roͤmiſchen Koͤnigswahl ohne vorgaͤngige Einwil-
ligung des Reichstages. — VIII. Diesmal waren das er-
ſtemal alle neun churfuͤrſtliche Stimmen bey der Wahl im
Gange. — IX. Neue Beſchwoͤrung der Churverein. —
Beſondere Bemerkung uͤber die Abwechſelung im Range
zwiſchen Churtrier und Churcoͤlln. — X. Genehmigter Ver-
gleich der Hoͤfe zu Muͤnchen und Manheim uͤber die Ab-
wechſelung des Rheiniſchen Reichsvicariates. — Noch ein
Vergleich der Vicariatshoͤfe uͤber die Graͤnzen des Rheini-
ſchen und Saͤchſiſchen Vicariates ward zur reichstaͤgigen Be-
rathſchlagung und Genehmigung empfohlen.


I.

Eine der erſten Folgen des Hubertsburger Frie-
dens, die auf die Teutſche Reichsverfaſſung
den
[115]1) Roͤmiſche Koͤnigswahl 1764.
den groͤßten Einfluß hatte, war die Roͤmiſche
Koͤnigswahl Joſephs des
II. Im Jahre 1750.
war ſie vergeblich betrieben worden. Jetzt war
die Churbrandenburgiſche Stimme dazu in einem
beſonderen Nebenartikel des Friedens bedungen.
Im Jenner 1764. verſammlete ſich zu Frankfurt
erſt ein churfuͤrſtlicher Collegialtag, um uͤber die
Frage: ob eine Roͤmiſche Koͤnigswahl vorzuneh-
men ſey? den erſt vorlaͤufig erforderlichen Schluß
zu faſſen. Als dieſer gefaſſet war, wurde die Ein-
ladung zum Wahlconvente, die ſonſt noch durch
beſondere Beſchickung von Churmainz an alle chur-
fuͤrſtliche Hoͤfe haͤtte geſchehen muͤßen, diesmal
ſo eingerichtet, daß ein von neuem dazu abgeord-
neter Churmainziſcher Geſandter die an einen je-
den Churfuͤrſten gerichteten Einladungsſchreiben je-
der ſchon zu Frankfurt anweſenden churfuͤrſtlichen
Geſandtſchaft mit eben der Feierlichkeit, wie es
ſonſt bey den Hoͤfen ſelbſt zu geſchehen pflegt,
uͤberreichte.


Die Berathſchlagungen uͤber die Wahlcapi-II.
tulation wurden diesmal ſehr in die Kuͤrze gezo-
gen. Es gab wenige neue Zuſaͤtze. Verſchiede-
ne Dinge wurden wieder in churfuͤrſtliche Colle-
gialſchreiben
eingekleidet, die aber diesmal noch
an den regierenden Kaiſer zu richten waren. In
deſſen Wahlcapitulation war auch ſchon das Ver-
ſprechen, auf ſolche Collegialſchreiben Ruͤckſicht
nehmen zu wollen, enthalten geweſen (h). Die-
ſe Stelle konnte alſo fuͤglich in der diesmaligen
Roͤmiſchkoͤniglichen Wahlcapitulation wegbleiben;
ſtatt
H 2
[116]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
ſtatt deren die bey Roͤmiſchen Koͤnigen gewoͤhnliche
Erinnerung, bey Lebzeiten des Kaiſers ohne deſſen
ausdruͤcklichen Auftrag und Einwilligung der Re-
gierung ſich nicht zu unterziehen, eingeruͤckt wur-
de (i). (Sollte einmal wieder ein Interregnum
entſtehen, wuͤrde alsdann in der kaiſerlichen Wahl-
capitulation ohne Zweifel jene Stelle von den Col-
legialſchreiben wieder Platz finden.)


III.

Der Kaiſer hatte diesmal an das churfuͤrſtli-
che Collegium zwey Commiſſarien geſchickt, den
Fuͤrſten Wenzel von Lichtenſtein, und den Reichs-
hofrath Freyherrn von Bartenſtein; nicht, wie es
am Reichstage gewoͤhnlich iſt, den einen als Prin-
cipalcommiſſarien, den andern als Concommiſſa-
rien; ſondern beide in gleicher Eigenſchaft. Da-
durch ward gewiſſer maßen das zum Herkommen
gemacht, daß jene Einſchraͤnkung nur dem Reichs-
tage eigen blieb, außer demſelben hingegen meh-
rere kaiſerliche Commiſſarien an einem Orte zu-
gleich ſeyn konnten.


IV.

Bey der Ankunft des Fuͤrſten von Lichtenſtein
hatte ihn die Stadt Frankfurt mit hundert Cano-
nenſchuͤſſen
begruͤßen laßen. Als hernach die
geiſtlichen Churfuͤrſten, wie auch der Churfuͤrſt von
der Pfalz, ſich perſoͤnlich zu Frankfurt einfanden,
mußten denſelben zu Ehren, anſtatt daß ſonſt ein
jeder Churfuͤrſt nur mit 24. Schuͤſſen beehret wor-
den war, nunmehr 125. Schuͤſſe geſchehen; wie-
wohl gegen eine Verſicherung, daß es nur fuͤr die-
ſesmal ohne Folge fuͤr die Zukunft ſo gehalten wer-
den ſollte.


Ehe-
[117]1) Roͤmiſche Koͤnigswahl 1764.

Ehedem pflegten ſowohl bey Roͤmiſchen Roͤ-V.
nigswahlen als bey Kaiſerwahlen die erwehlten
Herren meiſt perſoͤnlich im Conclave anweſend
zu ſeyn, und nicht nur die auf ſie gefallene Wahl
gleich anzunehmen, ſondern auch die ihnen vorge-
legte Wahlcapitulation zu beſchwoͤren. Bey den
drey letzteren Kaiſerwahlen war es aber ſchon ſo
gehalten worden, daß ein im Conclave anweſen-
der Botſchafter von dem neu erwehlten Kaiſer auf
den Fall, wenn die Wahl auf ihn fallen wuͤrde,
mit einer Vollmacht verſehen war, den gewoͤhn-
lichen Eid auf die Wahlcapitulation in des Erwehl-
ten Seele abzulegen. Doch mußte der Kaiſer,
ſobald er ſeinen Einzug hielt, hernach dieſe Eides-
leiſtung noch einmal perſoͤnlich wiederholen; und
von dieſem Tage an nahm erſt die Reichsverwe-
ſung der Vicarien ihr Ende (k).


Nach dieſen Vorgaͤngen hatte es auch bey derVI.
Roͤmiſchen Koͤnigswahl diesmal keinen Anſtand,
daß es mit deren Annehmung und Beſchwoͤrung
der Capitulation auf gleiche Art gehalten werden
konnte. Allein bey den bisherigen Roͤmiſchen Koͤ-
nigswahlen hatte der gewehlte Prinz den zugleich
anweſenden regierenden Kaiſer, der gemeiniglich
des Roͤmiſchen Koͤnigs Vater war, ehe er die
Wahl anzunehmen ſich erklaͤrte, um die vaͤterliche
Einwilligung
dazu gebeten. Um auch dieſerwe-
gen nicht beide Herren mit der perſoͤnlichen Er-
ſcheinung zu beſchweren, ward jetzt das erſtemal
die Einrichtung ſo getroffen, daß der Fuͤrſt Lich-
tenſtein, der dem Churfuͤrſten von Mainz ſeine
des-
H 3
[118]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
deshalb habende Vollmacht ſchon bekannt gemacht
hatte, unmittelbar nach vollbrachter Wahl durch
einen der Mainziſchen Geſandten eingeladen wur-
de, ſich ins Conclave zu verfuͤgen, und dann im
Namen des Kaiſers ſeine vaͤterliche Einwilligung
ertheilte. (Hoͤchſtwahrſcheinlich wird es kuͤnftig
in aͤhnlichen Faͤllen immer auf eben die Art gehal-
ten werden.) Dieſe vaͤterliche Einwilligung iſt
uͤbrigens mit derjenigen nicht zu verwechſeln, um
welche das churfuͤrſtliche Collegium, ehe es zur
Roͤmiſchen Koͤnigswahl ſchreitet, den Kaiſer zu
bitten hat. Jene vaͤterliche Einwilligung hat ei-
gentlich nicht das churfuͤrſtliche Collegium, ſon-
dern der gewehlte Prinz zu ſuchen. Um den kai-
ſerlichen Conſens bitten die Churfuͤrſten, wiewohl
ſie berechtiget ſind, auch ohne dieſen Conſens zur
Roͤmiſchen Koͤnigswahl zu ſchreiten, ”wenn der-
ſelbe auf angelegte Bitte ohne erhebliche Urſache
verweigert werden ſollte’ (l).


VII.

Noch im Jahre 1750. war viel daruͤber ge-
ſtritten worden, ob vermoͤge des im Jahre 1711.
uͤber die Roͤmiſche Koͤnigswahl geſchloſſenen Ver-
gleichs auf den Fall, wenn es dazu kommen ſollte,
ohne daß der Kaiſer abweſend, oder alt, oder
unpaͤßlich waͤre, die Frage: ob ſonſt eine ander-
weitige hohe Nothdurft dazu vorhanden ſey? von
den Churfuͤrſten alleine, oder nicht anders als mit
Beyſtimmung des geſammten Reichs eroͤrtert wer-
den koͤnnte. Diesmal geſchah aber von der Wahl
beym Reichstage nur eine kaiſerliche Anzeige, ohne
daß eine Berathſchlagung daruͤber veranlaßt wur-
de;
[119]1) Roͤmiſche Koͤnigswahl 1764.
de; wobey es auch wohl fuͤr die Zukunft bleiben
wird.


Die diesmalige Verſammlung der Churfuͤr-VIII.
ſten hatte noch das beſondere, daß ſie die erſte in
ihrer Art war, da das ganze churfuͤrſtliche Colle-
gium in ſeiner Vollſtaͤndigkeit von neun Mitglie-
dern die Wahl vollzog. (Bey der Wahl Carls
des VI., welche die erſte ſeit Errichtung der neun-
ten Chur war, fehlte die Bairiſche Stimme, weil
der Churfuͤrſt von Baiern damals in der Acht
war. Als Carl der VII. gewehlt wurde, war
die Boͤhmiſche Stimme ſuspendirt. An der Wahl
Franz des I. nahmen Churbrandenburg und Chur-
pfalz keinen Antheil. Jetzt halfen das erſtemal
alle neun Stimmen den Roͤmiſchen Koͤnig wehlen.
Zugleich war es das letztemal, weil hernach 1777.
mit dem Abgange des Hauſes Baiern uͤberall nur
acht Churfuͤrſten uͤbrig blieben.)


Zufaͤlliger Weiſe war von allen churfuͤrſtlichenIX.
Hoͤfen, welche bey der letzten Kaiſerwahl die Chur-
verein
mittelſt deren eidlicher Beſtaͤrkung in Per-
ſon oder durch ihre Geſandtſchaften erneuert hat-
ten, jetzt nur noch die Kaiſerinn Maria Thereſia
uͤbrig, deren Boͤhmiſche Wahlbotſchaft damals
die Verein beſchworen hatte. Alle uͤbrige Chur-
fuͤrſten thaten jetzt eben das, die Churfuͤrſten von
Mainz, Trier, Coͤlln, Pfalz perſoͤnlich, die an-
deren durch ihre Wahlbotſchafter. (An dem Ta-
ge, da dieſe Feierlichkeit vor ſich gieng, war nach
der Abwechſelung, welche die Churfuͤrſten von
Trier und Coͤlln im Sitzen unter einander beobach-
ten, die Reihe an Churcoͤlln oben zu ſitzen. Chur-
H 4trier
[120]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
trier verlangte aber doch den Eid auf die Verein
eher, als Churcoͤlln, abzulegen, weil jene Ab-
wechſelung nur in ſo weit ſtatt finde, als eine Fol-
ge von mehreren Handlungen eintrete, da das er-
ſtemal Churt[r]ier, das anderemal Churcoͤlln den
Vorſitz habe; nicht aber, wo nur eine Handlung
vorgehe, die keine zweyte zur Folge habe, da eine
ſolche einzige Handlung immer zuerſt von Chur-
trier vorgenommen werden muͤße. Diesmal fuͤgte
ſichs, daß der Churfuͤrſt von Coͤlln an dem Tage,
da die Churverein beſchworen wurde, nicht per-
ſoͤnlich erſchien.)


X.

Unter den wenigen neuen Artikeln, welche
diesmal in die Wahlcapitulation kamen, betraf ei-
ne das Rheiniſche Reichsvicariat, deſſen Ab-
wechſelung zwiſchen den Hoͤfen zu Muͤnchen und
Manheim, mit Beziehung auf den daruͤber ge-
ſchloſſenen Vergleich und zu deſſen Beſtaͤtigung
erfolgten Reichsſchluß (m), nunmehr fuͤr bekannt
angenommen wurde. Ueberdas hatten aber auch
ſaͤmmtliche Vicariatshoͤfe wegen der bisher zum
Theil ſtreitig geweſenen Graͤnzen zwiſchen dem
Rheiniſchen und Saͤchſiſchen Vicariate am 9. Jun.
1750. ſich unter einander verglichen. Dieſer Ver-
gleich wurde zwar von Seiten des Wahlconventes
auch fuͤr zutraͤglich angeſehen; deſſen Genehmigung
jedoch einem foͤrmlichen Reichsſchluſſe vorbehal-
ten (n), (der ſeitdem noch nicht erfolget iſt.)


II.
[121]2) C. G. Viſitation 1767-1776.

II.
Cammergerichts-Viſitation 1767-1776.


I. Preiswuͤrdiger Juſtitzeifer Joſephs des II., — II.
wie er ſich durch eine eigne Verordnung an den Reichshof-
rath an Tag legte, — III. und von einer vorzunehmen-
den Viſitation des Cammergerichts das beſte hoffen ließ. —
IV. Daruͤber ward ſchon eine wichtige Reichstagsberathſchla-
gung in Gang gebracht. — V. Aber aus einer Schrift
unter dem Titel: Betrachtungen uͤber das Viſitationswe-
ſen, ergaben ſich ganz neue Grundſaͤtze, — als ob die
Viſitation nur ein Gericht ſey, — VI. und nicht vom
Reichstage abhange, — VII. ſondern vermoͤge eines R.
A. vom Jahre 1543. nur vom kaiſerlichen Hofe; — VIII.
der alſo in Gefolg der ſchon vorhandenen Reichsgeſetze alles
uͤbrige fuͤr ſich beſtimmen koͤnne. — IX. Dieſe Grundſaͤtze
fieng man zu Wien an zu befolgen. — X. Die Viſitation
ward im May 1767. eroͤffnet. — XI. Nun ereignete ſich
gleich anfangs eine Schwierigkeit wegen Abtheilung der ei-
gentlichen Viſitation und der Reviſionen; — XII. und
wegen einer Churmainziſchen Behauptung in jedem Revi-
ſionsſenate einen Subdelegirten zu haben; — XIII. wel-
ches eine von den Veranlaßungen war, woruͤber die Viſita-
tion zuletzt ſcheiterte. — XIV. Dazu kam eine ſehr weit-
laͤuftige Behandlung des Geſchaͤffts mit jedesmaligen 24.
grundausfuͤhrlichen gelehrten Abſtimmungen; — XV. oh-
ne daß der Vorſchlag Subdeputationen zu veranſtalten ins
Werk gerichtet werden konnte. — XVI. Eine unerwartete
Entdeckung, daß ein Jude mit Sollicitaturen ein Gewerbe
getrieben, und drey Aſſeſſoren ſich beſtechen laßen, gab
Stoff zu einer weitlaͤuftigen Unterſuchung. — XVII. Nach
Verlauf eines Jahres entſtand Streit uͤber die Abloͤſung
der erſten Claſſe, wozu es doch erſt im Nov. 1774. kam. —
XVIII. Noch entſtand ein Streit, ob die kaiſerliche Commiſ-
ſion einen durch Mehrheit der Stimmen gefaßten Schluß
durch Verſagung ihrer Genehmigung entkraͤften koͤnne? —
XIX. Ein Bericht an Kaiſer und Reich veranlaßte endlich
einen Reichsſchluß uͤber verſchiedene bey der Viſitation vor-
gekommene Gegenſtaͤnde. — XX. Zur Berichtigung des
Concepts der C. G. O. hatte die Viſitation vorlaͤufig eini-
ger Aſſeſſoren Gutachten bewirket, aber ſelbſt noch nicht
Hand angelegt. — XXI. Hingegen viele Beſchwerden ein-
zelner Reichsſtaͤnde in ihren Rechtsſachen hatten die Viſita-
tion uͤber die Gebuͤhr beſchaͤfftiget. — XXII. Endlich kam
H 5noch
[122]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
noch ein Streit uͤber die Art der graͤflichen Theilnehmung
an der Viſitation hinzu, — die nicht einzelnen Grafen
ſondern nur den vier Grafencollegien zugeſtanden werden
konnte, — XXIII-XXV. wovon das Fraͤnkiſche und Weſt-
phaͤliſche ſowohl als das Wetteraniſche bisher fuͤr pur evan-
geliſch gerechnet waren. — XXVI. So hatte auch noch
1766. der ganze Reichstag die Sache genommen. — XXVII.
XXVIII.
Jetzt ſollten aber auf einmal die Weſtphaͤliſchen und
Fraͤnkiſchen Grafen nach einander auf der catholiſchen Seite
berufen werden, — wie bey der zweyten Claſſe ein catho-
liſcher Bevollmaͤchtigter des Grafen von Metternich von we-
gen der Weſtphaͤliſchen Grafen erſchien. — XXIX. XXX.
Daruͤber erfolgten zu Regensburg von beiden Religionsthei-
len einander entgegengeſetzte Schluͤſſe, — und zu Wetzlar
eine ungluͤckliche Trennung der ganzen Viſitation. — XXXI.
XXXII.
Auch erſchienen von beiden Seiten Schriften, —
deren Werth erſt die Nachwelt unpartheyiſch zu beurtheilen
vermoͤgend ſeyn wird. — XXXIII. Der Vorwurf, daß ein
von Carlsruh erlaßenes Schreiben auf das ganze Geſchaͤfft
widrigen Einfluß gehabt haben ſollte, war zuverlaͤßig un-
gegruͤndet.


I

Schon beym Wahlconvente ſchienen die groͤße-
ren Teutſchen Hoͤfe uͤber keine Angelegen-
heit ſo vielen Eifer und Einmuͤthigkeit zu bezeu-
gen, als daß in der nunmehr hergeſtellten Frie-
denszeit endlich einmal die laͤngſt gewuͤnſchte Vi-
ſitarion des Cammergerichts
zu Wetzlar vor
ſich gehen moͤchte. Dieſer Eifer wurde vollends
von neuem belebt, als Joſeph der II. gleich nach
dem Antritt ſeiner kaiſerlichen Regierung ſolche
preiswuͤrdige Geſinnungen fuͤr eine gerade durch-
gehende Handhabung der Gerechtigkeit blicken ließ,
daß jedermann nicht anders als das unbeſchraͤnk-
teſte Vertrauen in die Gerechtigkeitsliebe dieſes
Monarchen ſetzen konnte.


II.

Weil in den Oeſterreichiſchen Erblanden die
Regierung noch in den Haͤnden der nunmehr ver-
wittweten Kaiſerinn Maria Thereſia blieb; ſo
konn-
[123]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
konnte Joſeph ſeine ganze Thaͤtigkeit noch der kai-
ſerlichen Regierung widmen. Davon hatte ſelbſt
der Reichshofrath die erſten Fruͤchte zu genießen,
da eine am 5. Apr. 1766. an denſelben erlaßene Ver-
ordnung manche fuͤr die Rechtspflege dieſes hoͤch-
ſten Reichsgerichts uͤberaus heilſame Verfuͤgung
enthielt, die zum Theil noch bis auf den heutigen
Tag ihre volle Wirkſamkeit erhalten hat.


Wegen der Cammergerichtsviſitation hatteIII.
das churfuͤrſtliche Collegium ſchon in der Wahlcapi-
tulation Carls des VII. darauf angetragen, daß die-
ſelbe, wie ſie vermoͤge des juͤngſten Reichsabſchie-
des ſchon im Jahre 1654. haͤtte geſchehen ſollen,
nunmehr in Gang gebracht werden moͤchte. Weil
ſich aber ſowohl in Anſehung der dazu ernannten
Staͤnde als ſonſt inzwiſchen vieles geaͤndert hatte;
ſo war deshalb in der Wahlcapitulation vorerſt nur
vorlaͤufig ein und anderes proviſoriſch beſtimmt,
zugleich aber vorbehalten worden, daß davon durch
ein kaiſerliches Commiſſionsdecret dem Reiche Nach-
richt gegeben, und deſſen weiteres Gutachten ein-
gezogen werden ſollte (o). Wenn alſo gleich das-
jenige, was ſowohl in dem juͤngſten Reichsabſchie-
de als anderen Reichsgeſetzen ſchon geordnet war,
und was uͤberdies die inzwiſchen in den Jahren
1707-1713. im Werke geweſene ganz außeror-
dentliche Viſitation zur Inſtruction vom Reiche
erhalten hatte, zu einer guten Grundlage dienen
konnte; ſo blieb doch noch immer die Frage, was
von allem dem auf die jetzigen Umſtaͤnde ſchicklich
ſeyn wuͤrde (p). Auch gab es noch eine Menge
Pun-
[124]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
Puncte, die wohl der Muͤhe werth waren, ſie erſt
mittelſt reichstaͤglicher Berathſchlagung mit moͤg-
lichſter Vorſicht und Genauigkeit zu beſtimmen,
ehe man zur Sache ſelber ſchritte, und es darauf
ankommen ließe, was alsdann auch fuͤr Mißhel-
ligkeit und Aufenthalt daraus entſtehen moͤchte.


IV.

In ſolcher Abſicht waren nun ſchon im Jahre
1747., ich weiß nicht von wem, aber gewiß von
einer der Sache voͤllig gewachſenen Feder, 26.
Puncte zur reichstaͤglichen Berathſchlagung ent-
worfen. Kaum wird auch je ein Beyſpiel aufzu-
weiſen ſeyn, daß man am Reichstage mit groͤße-
rem Eifer und mehrerer Einmuͤthigkeit zu Werke
gegangen waͤre, als in der Berathſchlagung, die
im Jul. und Auguſt 1766. hieruͤber angeſtellt wur-
de. Ueber einige der wichtigſten Puncte vereinig-
te man ſich bald eines Reichsgutachtens, das eins-
weilen mit Vorbehalt einer auch uͤber die uͤbrigen
Puncte anzuſtellenden Berathſchlagung zur kaiſer-
lichen Genehmigung geſtellt wurde. Dieſe erfolg-
te jedoch nicht ſo zeitig, als man ſie erwartet hat-
te (q). Es zeigte ſich aber bald, daß in dieſer
Zwiſchenzeit in Anſehung der Grundſaͤtze, die man
bisher von der Cammergerichtsviſitation angenom-
men hatte, wahrſcheinlich eine Veraͤnderung vor-
gegangen ſeyn muͤße.


V.

Aus einer Schrift, die erſt geſchrieben hin
und wieder mitgetheilt ward, hernach unter dem
Titel: ”Betrachtungen uͤber das reichscam-
mer-
[125]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
mergerichtliche Viſitationsweſen ꝛc.”, Mainz
1767. 4. (4½ Bogen) gedruckt erſchien (r), ließ
ſich deutlich abnehmen, was jetzt fuͤr ein Syſtem
bey der ganzen Sache zum Grunde gelegt werden
ſollte. Man glaubte, durch das bisherige Her-
kommen und die ſchon vorhandenen Geſetze ſowohl
von aͤlteren als neueren Zeiten ſey alles, was zur
Ausfuͤhrung der jetzt vorhabenden Viſitation er-
forderlich ſey, bereits hinlaͤnglich beſtimmt. Es
beduͤrfe alſo keiner weiteren reichstaͤglichen Be-
rathſchlagung. Man konnte zwar nicht verken-
nen, daß es dreyerley ſehr verſchiedene Gegenſtaͤn-
de waͤren, die theils in Eroͤrterung der Reviſions-
ſachen nach Art einer foͤrmlichen Gerichtsſtelle,
theils in der eigentlichen Viſitation, um die Real-
und Perſonal-Maͤngel des Gerichts zu unterſu-
chen und nach den ſchon vorhandenen Geſetzen her-
zuſtellen, theils in neuen geſetzlichen Vorſchriften
und Verbeſſerungen, die in der Eigenſchaft einer
auſſerordentlichen Reichsdeputation geſchehen koͤnn-
ten, beſtehen wuͤrden. Man beſchrieb aber doch
die ganze Viſitation als ein durch die Reichsgeſetze
angeordnetes Gericht, und es zeigte ſich bald bey
mehreren Gelegenheiten, daß man damit die Grund-
ſaͤtze zu verbinden ſuchte, daß hier alles auf der
kaiſerlichen oberſtrichterlichen Gewalt beruhe, die
uͤberall nach Befinden den Ausſchlag geben koͤnne.


Die Viſitation, hieß es, ſey nicht vom Reichs-VI.
tage abhaͤngig, ſondern die dazu beſtimmte Reichs-
deputation ſtelle Kaiſer und Reich eben ſo gut vor,
wie
[126]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
wie der Reichstag ſelbſt; eine Viſitation koͤnne
auch ſtatt finden, wenn kein Reichstag waͤre, wie
es in vorigen Zeiten oft geſchehen ſey; jeder Sub-
delegirter ſey nicht von der Reichsverſammlung,
ſondern ſo wie ein jeder Comitialgeſandter unmit-
telbar von ſeinem Hofe abhaͤngig (s). (Das
alles hatte ſeine gute Richtigkeit, wenn eine von
Kaiſer und Reich angeordnete Viſitation einmal
wuͤrklich im Gange war. Aber ſofern erſt die
Frage in Betrachtung kam: ob und wie eine Viſi-
tation erſt in Gang gebracht werden ſollte? und
wie weit man es deshalb bey den ſchon vor hun-
dert und mehr Jahren getroffenen Verfuͤgungen
laßen, oder ob und was man nach den ſeitdem
vielfaͤltig veraͤnderten Umſtaͤnden dabey ab oder
zuthun wollte? ſo waren das allerdings Gegen-
ſtaͤnde, die nicht anders als am Reichstage be-
ſtimmt werden konnten.)


VII.

Um dem Kaiſer ein ausſchließliches Recht bey-
zulegen, daß er ohne Zuthun der Staͤnde Fragen,
die bey der Viſitation vorkommen koͤnnten, fuͤr ſich
allein entſcheiden duͤrfte, wurde eine Stelle aus
einem Reichsabſchiede vom Jahre 1543. ange-
fuͤhrt, wo in Ruͤckſicht auf das damalige Reli-
gionsverhaͤltniß der Staͤnde fuͤr die Viſitation,
die in ſelbigem Jahre gehalten werden ſollte, eine
Verfuͤgung getroffen ward, wie in Faͤllen, da die
Viſitatoren unter ſich in Mißverſtand gerathen
wuͤrden, die kaiſerlichen Commiſſarien ſie zu ver-
gleichen ſuchen ſollten. Dabey war damals die
Clauſel hinzugeſetzt worden: daß, wenn es mit
ſol-
[127]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
ſolcher Vergleichung nicht gelingen ſollte, ”alsdann
„zu Ihrer kaiſerlichen Majeſtaͤt geſtellt werde, dar-
„uͤber endlich Erkenntniß und Entſcheid zu thun,
„dem auch folgends alle Staͤnde geleben und nach-
„kommen ſollten.” Wider dieſe Clauſel hatten
aber gleich damals die evangeliſchen Staͤnde pro-
teſtirt. Die Viſitation des Jahres 1543. hatte
ſich auch daruͤber fruchtlos zerſchlagen. Und in
der folgenden Cammergerichtsordnung, die alle
aͤltere darin nicht wiederholte und mit derſelben
nicht uͤbereinſtimmende Verordnungen fuͤr aufge-
hoben erklaͤrte, war dieſe Stelle des Reichsabſchie-
des 1543. auch nicht wiederholet worden. Nichts
deſto weniger berief man ſich jetzt auf eben dieſe
Stelle, als auf ein Geſetz, das nicht nur fuͤr die
damalige, ſondern fuͤr alle kuͤnftige Viſitationen
gemacht ſey, und alſo noch immer zur Vorſchrift
dienen muͤße. Namentlich wollte man daraus
den Satz behaupten: ”Wenn die Viſitatoren nach
mehrmaligem Votiren ſich nicht vereinigen koͤnn-
ten, ſondern in eine Gleichheit der Stimmen ver-
fielen, muͤßten ſelbige an kaiſerliche Majeſtaͤt, als
den alleinigen oberſten Richter im Reiche und die
Quelle aller Gerichtbarkeit, ſich wenden, und die
allerhoͤchſte Entſchließung daher erwarten.” (t)


Uebrigens hieß es nun, die jetzige ViſitationVIII.
ſey keine ſolche außerordentliche wie die von 1707-
1713., ſondern eine ordentliche, wie die, ſo ehe-
dem (1556-1587.) alle Jahre im Gange gewe-
ſen. Die dazu deputirten Staͤnde ſeyen nach ei-
ner Abtheilung in fuͤnf Claſſen ſchon im Reichsab-
ſchie-
[128]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
ſchiede 1654. ernannt. Die erſte Claſſe koͤnne
alſo gleich in Gang gebracht werden, ohne daß es
weder einer Vollmacht, noch Inſtruction vom
Reiche dazu beduͤrfe. Wegen deſſen, was etwa
bey den folgenden Claſſen noch zu berichtigen ſeyn
moͤchte, koͤnnte der Kaiſer demnaͤchſt noch immer
ein Reichsgutachten fordern. Alles uͤbrige koͤnne
der Kaiſer fuͤr ſich beſtimmen. Er koͤnne die Zeit
zur Eroͤffnung der Viſitation anſetzen; ein Edict
erlaßen, vermoͤge deſſen alle Staͤnde und Par-
theyen, welche ihre Reviſionen fortzuſetzen gedaͤch-
ten, bey Strafe der Deſertion, d. i. bey Verluſt
der Sache, ſich in vier Monathen von neuem mel-
den ſollten, u. ſ. w. Hierdurch fielen alſo die
aufgeſtellten 26. Deliberationspuncte, weil der
Kaiſer zur Bewirkung der Viſitation keines wei-
tern Reichsgutachtens mehr beduͤrfe (u). Was
etwa in Geſetzen und Herkommen noch unbeſtimmt
ſey, werde ſich erſt waͤhrender Viſitation aͤußern
und aufklaͤren. Alsdann wuͤrde dieſelbe ſchon
nach Befinden in Gemaͤßheit der Geſetze ſich dar-
uͤber benehmen, oder auch noͤthigen Falls an kai-
ſerliche Majeſtaͤt gutaͤchtlich daruͤber berichten.
Voraus ließe ſich dergleichen nicht abſehen, noch
alſo Inſtruction daruͤber ertheilen.” (v)


IX.

Wenn gleich dieſe Betrachtungen nur in Ge-
ſtalt einer anonymiſchen Privatſchrift abgefaſſet
waren, (deren wahrer Verfaſſer mir bis jetzt noch
gaͤnzlich unbekannt iſt); ſo zeigte doch der Erfolg,
daß der kaiſerliche Hof voͤllig nach dieſen Grund-
ſaͤtzen zu Werke gieng. In dem Commiſſionsde-
crete
[129]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
crete, das auf das Reichsgutachten vom 8. Aug.
zu deſſen Genehmigung unterm 17. Nov. 1766.
erfolgte, ward gleich der zweyte May 1767. ſchon
zur Eroͤffnung der Viſitation angeſetzt, auch alles
dazu erforderliche in bereits vollzogenen kaiſerli-
chen Ausfertigungen beygelegt, und die ganze Sa-
che ſo genommen, als ob fuͤr die Reichsverſamm-
lung weiter nichts zu berathſchlagen uͤbrig waͤre.
Einige hin und wieder daruͤber geaͤußerte Zweifel
mochten wohl die Veranlaßung ſeyn, daß am 26.
Jan. 1767. noch ein Commiſſionsdecret ergieng,
das einige naͤhere Aeuſſerungen, warum man we-
der Vollmacht noch Inſtruction des Reichs fuͤr
noͤthig achtete, enthielt, und dann wegen Fort-
ſetzung der Viſitation in den folgenden Claſſen noch
ein weiteres Reichsgutachten begehrte. Und um
eben dieſe Zeit wurden nunmehr obige Betrach-
tungen im Druck bekannt gemacht.


Sowohl die Subdelegirten der zur erſten ClaſſeX.
deputirten 24. Staͤnde, als zwey dazu ebenfalls
beſtimmte kaiſerliche Commiſſarien, der Fuͤrſt Carl
Egon von Fuͤrſtenberg, und der Freyherr Georg
von Spangenberg, fanden ſich wuͤrklich ſo zeitig
zu Wetzlar ein, daß im May 1767. die Viſita-
tion gluͤcklich eroͤffnet werden konnte. Es ereigne-
ten ſich aber bald ſolche Anſtaͤnde, daß es fuͤr ei-
nen gluͤcklichern Fortgang dieſes wichtigen Geſchaͤff-
tes ſehr erwuͤnſcht geweſen waͤre, wenn man ſich
zum voraus erſt naͤher daruͤber vereiniget haͤtte;
wie ohne Zweifel geſchehen ſeyn wuͤrde, wenn die
Reichstagsberathſchlagung uͤber obgedachte 26.
Puncte erſt ihren Fortgang behalten haͤtte. Frey-
lich wuͤrde alsdann die Viſitation vielleicht ein
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. Joder
[130]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
oder zwey Jahre ſpaͤter zu Stande gekommen ſeyn.
Vielleicht waͤre dann aber auch in einem oder et-
lichen Jahren mehr, als hernach in neun Jahren,
geſchehen; und die ganze Sache wuͤrde dann wahr-
ſcheinlich auch nicht ein ſolch ungluͤckliches Ende
genommen haben, als hernach leider der Erfolg
zeigte.


XI.

Gleich anfangs entſtand ein Zweifel, wie es
mit Abtheilung des eigentlichen Viſitationsge-
ſchaͤffts und der Reviſionsſachen gehalten werden
ſollte. Der juͤngſte Reichsabſchied hatte ſich ſo
erklaͤret, daß die 24. deputirten Staͤnde ”naͤchſt
Verrichtung der Viſitation” die Reviſionsſachen
unter die Hand nehmen ſollten (w). Eben darum,
weil der alten uͤberhaͤuften Reviſionen eine große
Menge zu erwarten war, hatte der Reichsabſchied
die deputirten Staͤnde in ſo ſtarker Anzahl ernannt,
daß ſie in vier abgeſonderte Raͤthe vertheilt wer-
den koͤnnten. In der Wahlcapitulation Carls des
VII. hatte das churfuͤrſtliche Collegium ſich daruͤ-
ber ſo gefaſſet, daß auch das eigentliche Viſita-
tionsgeſchaͤfft nur in einem Senate vorgenommen
werden ſollte; von den drey uͤbrigen Senaten ſoll-
ten zwey die alten Reviſionsſachen, der vierte die
neueren unter die Hand nehmen (x). Dem Sin-
ne des Reichsabſchiedes ſchien es aber gemaͤßer zu
ſeyn, daß die geſammte Reichsdeputation erſt die
Viſitation verrichten, und alsdann erſt in abge-
theilten vier Senaten die Reviſionsſachen vorneh-
men ſollte. Dem Gewichte nach war unſtreitig
das
[131]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
das eigentliche Viſitationsgeſchaͤfft von groͤßerem
Belange, als die Eroͤrterung dieſer oder jener ein-
zelnen Reviſionsſache. Man merkte alſo bald
eine neue Schwierigkeit, welche ſechs Staͤnde den
großen Vorzug haben ſollten, den Viſitationsſenat
alleine auszumachen, und welche achtzehn Staͤnde
ſich in die Reviſionsſenate verweiſen laßen ſollten.
Kurz die Viſitation wurde jetzt in vollem Rathe
der beiden kaiſerlichen Commiſſarien und aller
Subdelegirten der 24. deputirten Staͤnde vorge-
nommen.


Doch bey der Abtheilung der Senate, wennXII.
ſie auch nur zu den Reviſionsſachen geſchehen ſoll-
te, zeigte ſich noch eine unvorgeſehene Schwierig-
keit. Im Reichsgutachten vom 8. Aug. 1766.
hatten die Reichsſtaͤnde darauf angetragen, daß
ein jeder deputirter Reichsſtand zwey Subdelegir-
te zur Viſitation ernennen moͤchte. Das kaiſer-
liche Ratificationsdecret vom 17. Nov. 1766. er-
klaͤrte ſich aber nur fuͤr einen Subdelegirten von
jedem Reichsſtande, wobey man ſich auch beru-
higte. Alſo erſchien bey Eroͤffnung der Viſitation
im May 1767. von einem jeden der 24. deputir-
ten Reichsſtaͤnde auch nur ein Subdelegirter.
Nur von Churmainz fanden ſich ihrer vier ein,
und zwar, wie ſichs bald veroffenbarte, in der
Meynung, daß in einem jeden der vier Senate
auch ein Churmainziſcher Subdelegirter ſeyn muͤße.
Waren nun ſolchergeſtalt 27. Subdelegirte in vier
Senate zu vertheilen; ſo haͤtten entweder drey
Senate aus ſieben Mitgliedern beſtehen muͤßen; —
das konnte aber wegen der erforderlichen Reli-
gionsgleichheit nicht ſeyn; — oder es haͤtten in
J 2drey
[132]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
drey Senaten den Churmainziſchen drey andere
catholiſche Subdelegirte Platz machen und dage-
gen zuruͤckſtehen muͤßen.


XIII.

Um dieſen Anſtand zu vermitteln, that die
kaiſerliche Commiſſion (1768. Jun. 25.) den Vor-
ſchlag, daß in jedem Senate ein Churmainziſches
Directorium, aber nur in einem das Churmainzi-
ſche Stimmrecht anerkannt werden moͤchte. Hier-
uͤber erwartete man nun erſt von Churmainz ſelbſt
die Erklaͤrung, wie nicht nur von Churſachſen und
den meiſten evangeliſchen Stimmen, ſondern auch
von Churbaiern, Bamberg und Muͤnſter ganz
natuͤrlich erinnert wurde. Bis dahin konnte alſo
auch mit Abtheilung der Senate und anderen Vor-
bereitungen zur Eroͤrterung der Reviſionsſachen
kein Schritt weiter vorwaͤrts geſchehen. Die
Churmainziſche Erklaͤrung erfolgte aber erſt den
10. Januar 1776., und zwar dahin, daß jener
Vorſchlag fuͤr dieſesmal, jedoch ohne kuͤnftige Fol-
ge, und mit dem Vorbehalte, ſich kuͤnftig weder
poſſeſſoriſch noch petitoriſch darauf berufen zu duͤr-
fen, ſtatt finden ſollte. Die kaiſerliche Commiſ-
ſion hielt das zwar fuͤr eine großmuͤthige Erklaͤ-
rung, die man auf den Fuß zu nehmen habe, wie
es in eines jeden Reichsſtandes Belieben ſtehe,
in einem oder andern beſonderen Falle unbeſcha-
det ſeines Stimmrechts ſich deſſelben zu bedie-
nen oder nicht. Andere fanden aber bedenklich
auf ſolche Art ein wuͤrkliches Recht zu Sitz und
Stimme in jedem Senate fuͤr Churmainz auf kuͤnf-
tige Zeiten einzuraͤumen, und fuͤr dieſesmal un-
ter ſolchen Verwahrungen einen Directorialſitz in
jedem Senate zuzugeſtehen. Alſo blieb nichts
uͤbrig,
[133]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
uͤbrig, als daruͤber an Kaiſer und Reich zu be-
richten. Wie aber darauf vergeblich angetragen
wurde, mußten die evangeliſchen Subdelegirten
ſich begnuͤgen, an das evangeliſche Corpus (1776.
Febr. 23.) einsweilen ihren Bericht daruͤber zu
erſtatten. In dieſer Lage, und da weder zu Re-
gensburg noch ſonſt dieſer Stein des Anſtoßes
gehoben wurde, war es doppelt bedenklich, als
am 8. May 1776. die kaiſerliche Commiſſion zu
Wetzlar darauf antrug, daß gleichbalden, und
ehe etwas anders vorgenommen werde, zur Ab-
theilung der vier Senate geſchritten werden moͤchte.


Bis zum 8. May 1776. war alſo vom 2. MayXIV.
1767. an in neun vollen Jahren noch nichts wei-
ter als das eigentliche Viſitationsgeſchaͤfft vorge-
nommen worden! — Das war freylich auffal-
lend. Aber aus mehreren mitwirkenden Urſachen
laͤßt es ſich doch ziemlich begreiflich machen. Vors
erſte fehlte es nicht an Stoff zur Arbeit, da in ſo
langer Zeit keine Viſitation geweſen war, und die
jetzige gleich bey ihrem Eintritt einen unbegraͤnz-
ten Eifer zeigte, nichts, was zur Herſtellung einer
geſetzmaͤßigen Gerichtsverfaſſung dienen koͤnnte,
ungeruͤhrt zu laßen. Die vielerley Gegenſtaͤnde,
ſo hier vorkamen, bey jeder Berathſchlagung mit
24. Stimmen zu eroͤrtern, war an ſich ſchon ein
weitlaͤuftiges Werk. Man denke ſich aber vollends
24. lauter gelehrte von wahrem Juſtitzeifer belebte
Maͤnner, die hier Gelegenheit fanden, ihre Ge-
lehrſamkeit und Rechtſchaffenheit an Tag zu legen,
und da keiner dem andern nachgeben wollte, mit
gleicher Gruͤndlichkeit und Ausfuͤhrlichkeit ſein
Herz recht auszuſchuͤtten. So entſtanden frey-
J 3lich
[134]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
lich aus ſo vielen grundausfuͤhrlich abgelegten
Stimmen ungeheure Protocolle; ſelten moͤgen ein-
zelne Gegenſtaͤnde in Geſchaͤfften noch ſo erſchoͤpft-
ausfuͤhrlich behandelt worden ſeyn, wie es hier
geſchah.


XV.

Gewiß nicht unzweckmaͤßig war der Vorſchlag,
der einmal in Bewegung kam, ob man nicht ei-
nige Gegenſtaͤnde der Viſitation unter mehrere
Subdeputationen vertheilen wollte? Aber auch
dieſer Vorſchlag ſcheiterte gleich an dem Anſtande,
der in Anſehung der Art und Weiſe, wie die Per-
ſonen zu ſolchen Subdeputationen ernannt werden
ſollten, ſich hervorthat. Wo dergleichen Anord-
nungen nach der Religionsgleichheit zu machen
ſind, iſt es ſowohl der Analogie als dem Herkom-
men gemaͤß, daß man jedem Religionstheile die
Auswahl der von ſeiner Seite zu ernennenden Per-
ſonen uͤberlaͤßt. Diesmal ſollte aber durch alle
24. Stimmen oder deren Mehrheit ausgemacht
werden, was fuͤr Perſonen von beiden Religionen
zu jeder Subdeputation kommen ſollten. Daruͤber
unterblieb der ganze Vorſchlag. Alle und jede
Gegenſtaͤnde beſchaͤfftigten alſo ohne Unterſchied
ſaͤmmtliche 24. Stimmen. Das einzige geſchah
doch, daß in jeder Sache ein eigner Referent und
Correferent beſtellt wurde. Beide bekamen die zu
jeder Sache gehoͤrigen Acten in die Haͤnde, und
entwarfen daraus zu Hauſe ihre Vortraͤge, die
ſie hernach in voller Verſammlung in einer oder
meiſt mehreren Seſſionen nach einander ablegten.


XVI.

Zum eigentlichen Viſitationsgeſchaͤffte gehoͤrt
gleich anfangs die Vernehmung aller und jeder
Mit-
[135]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
Mitglieder des Cammergerichts uͤber eine Menge
Fragen, aus deren Beantwortung der Stoff zur
Unterſuchung der Maͤngel und Gebrechen des Ge-
richts hauptſaͤchlich genommen wird. Diesmal
kam man bald auf Spuhren, daß drey Aſſeſſoren
ſich ein pflichtwidriges Betragen hatten zu Schul-
den kommen laßen; in der Folge zeigte ſichs, daß
ein Jude zu Frankfurt darauf gefallen war, durch
dieſen Canal eine beſondere Art von Speculations-
handlung mit der Sollicitatur in Cammergerichts-
proceſſen zu treiben. Man glaubte auch bald als
einen Realdefect in der Gerichtsverfaſſung zu be-
merken, daß bey der Art, wie es nach und nach
zur Gewohnheit geworden war, zu jeder einzelnen
Sache die Perſonen, die den Senat ausmachen
ſollten, willkuͤhrlich zu beſtimmen, das Directo-
rium einen mehr als geſetzmaͤßigen Einfluß in Ent-
ſcheidung einzelner Rechtsſachen bekommen habe.
Doch ehe das alles, und was ſonſt noch in Eroͤr-
terung gekommen war, zur voͤlligen Entſcheidung
gebracht werden konnte, entſtanden noch verſchie-
dene andere Fragen, welche ſelbſt die Fortſetzung
der Viſitation und die Art und Weiſe, wie von
derſelben verbindliche Schluͤſſe gemacht werden
koͤnnten, betrafen; wobey ſich erſt recht zeigte, wie
erwuͤnſcht es geweſen waͤre, wenn daruͤber zum
voraus bey der Reichsverſammlung gewiſſe Be-
ſtimmungen haͤtten verabredet werden koͤnnen.


Was den Fortgang der Viſitation anbetrifft,XVII.
ſo hatte der juͤngſte Reichsabſchied verordnet, daß
fuͤnf Claſſen von jedesmal 24. deputirten Staͤnden
nach und nach einander abloͤſen ſollten, damit
naͤchſt der Viſitation auf ſolche Art auch alle Re-
J 4viſions-
[136]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
viſionsſachen abgethan werden koͤnnten. Nach der
damaligen Art der Geſchaͤfftsbehandlung hatte
man dafuͤr gehalten, daß in einem halben Jahre
jedesmal ſchon eine betraͤchtliche Anzahl Reviſions-
ſachen ſich eroͤrtern laßen wuͤrde. Auch zum Vi-
ſitationsgeſchaͤffte mochte man damals eine ſolche
Zeitfriſt fuͤr hinlaͤnglich halten. Man beſtimmte
alſo fuͤr die erſte Claſſe ein Jahr, fuͤr jede folgende
ein halbes Jahr zu ihrer Fortdauer und zum Ziel
der Abloͤſung von der naͤchſtfolgenden Claſſe.
Doch ſchien man dabey fuͤr bekannt anzunehmen,
daß die erſte Claſſe mit der eigentlichen Viſitation
kein volles Jahr zu thun haben wuͤrde, und alſo
naͤchſt Verrichtung der Viſitation auch noch zu Re-
viſionsſachen Zeit uͤbrig behalten wuͤrde. Der
Erfolg zeigte aber jetzt, daß die erſte Claſſe mit
Ablauf eines Jahres bey weitem ſich noch nicht
ſchmeichlen durfte, das eigentliche Viſitationsge-
ſchaͤfft vollbracht zu haben, oder auch nur bis auf
einen ſolchen Abſchnitt damit gekommen zu ſeyn,
daß es ohne Nachtheil des Geſchaͤffts abgebrochen,
und der nachfolgenden Claſſe zum Theil ganz an-
derer Staͤnde zur Fortſetzung uͤberlaßen werden
koͤnnte. Gleichwohl wurde im December 1767.
ſchon darauf angetragen, daß die erſte Claſſe im
May 1768. von der zweyten abgeloͤſet werden
moͤchte. Doch das fand am Reichstage ſelbſt kei-
nen Beyfall. Erſt im Nov. 1774. kam die zwey-
te, im Oct. 1775. die dritte, im May 1776. die
vierte Claſſe zur Abloͤſung. Aber gleich beym
Eintritt dieſer letztern gerieth das ganze Werk ins
Stecken.


Ueber
[137]2) C. G. Viſitation 1767-1776.

Ueber die Art der Geſchaͤfftsbehandlung ereig-XVIII.
nete ſich ſchon im April und Junius 1768. ein
Anſtand, als nach einander zwey Viſitations-
ſchluͤſſe durch Mehrheit der Stimmen der reichs-
ſtaͤndiſchen Subdelegirten gefaſſet waren, welche
die kaiſerliche Commiſſion dadurch zu entkraͤften
ſuchte, daß ſie denſelben ihre Genehmigung ver-
ſagte. Freylich wenn es um Abfaſſung eines neuen
Reichsgeſetzes zu thun geweſen waͤre, wuͤrde ſo-
wohl bey einer außerordentlichen als bey einer or-
dentlichen Reichsdeputation ſo, wie bey der allge-
meinen Reichsverſammlung, nicht bezweiflet wer-
den koͤnnen, daß ein nur von Seiten der Reichs-
ſtaͤnde gefaßter Schluß nicht eher als mit hinzu-
kommender kaiſerlicher Genehmigung zur reichs-
geſetzlichen Kraft gelange. Allein hier galt es nur
um Abſtellung bemerkter Mißbraͤuche, die ſchon
Reichsgeſetze wider ſich hatten. Wenn dazu von
neuem die kaiſerliche Genehmigung erforderlich
waͤre, ſo wuͤrde durch deren Verſagung Reichsge-
ſetzen, die ſchon vorhanden ſind, einſeitig ihre
Kraft benommen werden koͤnnen; welches hinwie-
derum fuͤr die Reichsſtaͤnde bedenklich ſeyn wuͤrde.
Bey dieſer Gelegenheit bezog ſich die kaiſerliche
Commiſſion hauptſaͤchlich auf den Reichsabſchied
1543. Ich habe aber oben (S. 126.) ſchon be-
merklich gemacht, was dabey zu erinnern iſt.


Zu Wetzlar konnte hieruͤber weiter nichts ge-XIX.
ſchehen, als nun die Sache ſelbſt an Kaiſer und
Reich gelangen zu laßen. Das geſchah diesmal
durch ſehr ausfuͤhrliche Berichte ſowohl von Sei-
ten der Viſitation als des Cammergerichts, worin
ſogar alle und jede Stimmen aller Mitglieder bei-
J 5der
[138]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
der Stellen mit vorgelegt wurden (y). So kam
die Sache endlich zur Berathſchlagung am Reichs-
tage, wo am 23. Oct. 1775. ein Reichsgutach-
ten abgefaſſet wurde, das mittelſt der kaiſerlichen
Genehmigung am 15. Dec. 1775. die Kraft eines
verbindlichen Reichsſchluſſes erlangte. Vermoͤge
deſſen ſollte nunmehr die Zahl der Beyſitzer bis
auf 25. wuͤrklich ergaͤnzt werden. Und in der in-
neren Einrichtung des Cammergerichts, inſonder-
heit was die Eintheilung der Senate und das
Directorium betrifft, wurden verſchiedene erhebli-
che neue Beſtimmungen gemacht; deren Vollzie-
hung jedoch bis auf den heutigen Tag noch nicht
voͤllig erlediget iſt.


XX.

Ein Hauptgeſchaͤfft, das man noch von der
Viſitation erwartete, ſollte in Berichtigung des
ſchon im Jahre 1613. gedruckten Concepts der
Cammergerichtsordnung
beſtehen. Um ſich hier-
zu deſto beſſer in Stand zu ſetzen hatte die Viſita-
tion bald anfangs ſechs Beyſitzern des Cammer-
gerichts von beiden Religionen aufgetragen, vor-
laͤufig ihre Bemerkungen und Vorſchlaͤge daruͤber
zuſammen zu tragen. Einen derſelben ausgenom-
men, der inzwiſchen mit Tode abgieng, haben
dieſe Beyſitzer des Cammergerichts ihre Arbeit ſo
weit vollbracht, daß nun nur die Viſitation noch
die letzte Hand anzulegen gehabt haͤtte, um das
Werk an Kaiſer und Reich zur voͤlligen Berichti-
gung gelangen zu laßen. Allein viele andere Ar-
beiten ließen die Viſitation zu dieſem Geſchaͤffte
nicht kommen, und endlich erfolgte eine ploͤtzliche
Tren-
[139]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
Trennung der ganzen Viſitation, ohne daß weder
das Concept von derſelben berichtiget, noch ein
ſonſt gewoͤhnlicher Viſitationsabſchied zu Stande
gebracht war.


Die Arbeiten der Viſitatoren vermehrte inſon-XXI.
derheit eine Art von Geſchaͤfften, woruͤber wieder
zu wuͤnſchen geweſen waͤre, daß man erſt von
wegen der geſetzgebenden Gewalt nach vorgaͤngi-
ger reichstaͤglicher Berathſchlagung eine naͤhere
Beſtimmung zum voraus gemacht haͤtte. Zu ei-
ner Zeit, da die am Cammergerichte (1532.) ein-
gefuͤhrte Reviſion noch nicht im Gange war, hat-
te der Reichsabſchied 1530. die Verfuͤgung ge-
troffen: ”Wo ein Reichsſtand einigen Mangel
oder Beſchwerde haͤtte, daß ihm vom Cammerge-
richte ungebuͤhrlich begegnet waͤre, ſollte ein jeg-
licher ſolche Beſchwerde bey der Viſitation anbrin-
gen koͤnnen, um daruͤber gebuͤhrliches Einſehen
und Reformation zu thun” (z). Damit mochte
es damals wohl die Meynung haben, daß ſolche
Beſchwerden, dergleichen damals ſchon einige
Reichsſtaͤnde an den Reichstag gebracht hatten,
doch ſchicklicher bey der Viſitation, als am Reichs-
tage, eroͤrtert werden koͤnnten. Als aber bald
hernach (1532.) die ordentliche Reviſion eingefuͤh-
ret wurde, verſtand ſich wenigſtens, daß alle Be-
ſchwerden in einzelnen Rechtsſachen, welche im
Reviſionsgerichte ihre juſtitzmaͤßige Eroͤrterung fin-
den koͤnnten, nicht fuͤr die Viſitation gehoͤrten,
ſondern hier nur andere Beſchwerden uͤber uͤble
Begeg-
[140]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
Begegnung, z. B. in unbilliger Verwerfung einer
geſchehenen Praͤſentation u. d. gl., oder hoͤchſtens
nur ſolche Rechtsſachen, die allenfalls ſelbſt dem
Reichstage haͤtten vorgelegt werden koͤnnen, ange-
bracht werden duͤrften. Allein nach den allgemei-
nen Ausdruͤcken, womit jener Reichsabſchied alle
Beſchwerden hier zuzulaßen ſchien, fehlte es nicht
an Reichsſtaͤnden, die Gebrauch davon machten,
ihre einzelne Rechtsſachen der Viſitation vorzule-
gen. Nun pflegte zwar die Viſitation in jedem
Falle erſt Bericht vom Cammergerichte zu fordern;
und in den meiſten Faͤllen fanden ſich die ange-
brachten Beſchwerden am Ende nicht ſehr gegruͤn-
det. Aber damit hatte dann doch immer ein in
jeder Sache beſtellter Referent und ein Correferent
vorerſt viele Arbeit, und mit den 24. Stimmen
im Conſeſſe mußte manche Stunde ſolchen einzel-
nen Sachen gewidmet werden, ohne daß man im
Ganzen einen Schritt weiter kam.


XXII.

Was aber fuͤr die ganze Sache am meiſten zu
bedauern war, und noch immer nicht gehoben iſt,
war ein ungluͤcklicher Streit, der ſich uͤber die
Art der graͤflichen Theilnehmung an den ver-
ſchiedenen Claſſen der Viſitation auf der catholi-
ſchen Seite hervorthat. Seitdem im Reichsfuͤr-
ſtenrathe zwey praͤlatiſche und vier graͤfliche Cu-
riatſtimmen eingefuͤhret waren, hatte man auch
bey Reichsdeputationen nie einzelne Praͤlaten oder
Grafen zugelaßen, ſondern immer nur Bevoll-
maͤchtigte ganzer Praͤlatenbaͤnke oder graͤflicher Col-
legien, in eben dem Verhaͤltniſſe, wie ſolche auf
dem Reichstage ihr Sitz- und Stimmrecht aus-
uͤben. Wenn man alſo gleich in dem Verzeich-
niſſe
[141]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
niſſe der zu den fuͤnf Claſſen der Viſitation depu-
tirten Staͤnde in jeder Claſſe nur den Ausdruck:
Ein Praͤlat, Ein Graf, gebraucht hatte; ſo war
doch das nicht anders zu verſtehen, als auf eben
die Art, wie Praͤlaten und Grafen im Reichs-
fuͤrſtenrathe zugelaßen werden. Vermuthlich hat-
te man nur darum ſo allgemeine Ausdruͤcke ge-
braucht, weil man den Praͤlaten und Grafen nicht
vorgreifen wollte, wie ſie unter ſich uͤbereinkom-
men moͤchten, wer von ihrentwegen an jeder Claſ-
ſe Antheil nehmen ſollte. Einem einzelnen Gra-
fen konnte ſo wenig zugeſtanden werden, einen
Subdelegirten zur Cammergerichtsviſitation, als
einen Geſandten im Reichsfuͤrſtenrathe zu bevoll-
maͤchtigen.


Kam es ferner darauf an, das VerhaͤltnißXXIII.
dieſer Curiatſtimmen zu dieſem oder jenem Reli-
gionstheile zu beſtimmen; ſo ließ ſich zwar nach
der Analogie, wie Kreiſe und Reichsſtaͤdte in pur
catholiſche oder evangeliſche und vermiſchte einge-
theilet werden, eine gleiche Moͤglichkeit gedenken,
daß auch praͤlatiſche und graͤfliche Collegien nur
von einerley oder von vermiſchter Religion ſeyn
koͤnnten. Allein nach eben dieſer Analogie konnte
ein Corpus oder Collegium nur alsdann fuͤr ver-
miſcht gelten, wenn deſſen Mitglieder ungefaͤhr
in gleicher Anzahl von beiderley Religionen wa-
ren. Sind gleich in Coͤlln und Aachen einige evan-
geliſche Buͤrger, und im Bairiſchen Kreiſe etliche
evangeliſche Kreisſtaͤnde; ſo werden jene doch den
pur catholiſchen Reichsſtaͤdten, letztere den pur ca-
tholiſchen Kreiſen zugezehlt; ſo wie hinwiederum
der Niederſaͤchſiſche Kreis pur evangeliſch iſt, wenn
gleich
[142]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
gleich der Biſchof von Hildesheim dazu gehoͤret,
auch Reichsſtaͤdte nach ausdruͤcklicher Vorſchrift
des Weſtphaͤliſchen Friedens deswegen nicht auf-
hoͤren, fuͤr pur evangeliſch zu gelten, wenn es
gleich catholiſche Buͤrger darin gibt. Nach eben
dieſer Analogie rechnete man bisher ſowohl die
Rheiniſchen Praͤlaten als die Schwaͤbiſchen Gra-
fen fuͤr pur catholiſch, ungeachtet unter beiden et-
liche Augsburgiſche Confeſſionsverwandten ſind.
Hingegen die Fraͤnkiſchen und Weſtphaͤliſchen Gra-
fen wurden als pur evangeliſch angeſehen, ob-
gleich einige catholiſche Mitglieder darunter waren.


XXIV.

Das Fraͤnkiſche Grafencollegium hatte von
ſeiner erſten Entſtehung an ſich nie anders, als
zum evangeliſchen Religionstheile gehalten, nie
anders als ein evangeliſches Directorium gehabt;
nie andere Collegialbedienten, andere Comitialge-
ſandten, als von eben der Religion; nie an ande-
ren als evangeliſchen Praͤſentationen zum Cam-
mergerichte Antheil genommen u. ſ. w. Hatten
nun gleich in der Folge einige Fraͤnkiſche Grafen
ihre Religion veraͤndert, oder eine und andere
Grafſchaft oder Herrſchaft einen catholiſchen Lan-
desherrn bekommen; ſo blieben doch die Graf-
ſchaften ſelbſt evangeliſch, und in dieſem Betrachte
war doch billig nicht bloß auf die Perſon des Lan-
desherrn, ſondern auf das Land ſelbſt zu ſehen.
Oder ſollten vollends die in neueren Zeiten aufge-
nommenen Perſonaliſten, denen es gaͤnzlich an Be-
ſitz von Land und Leuten fehlt, mit in Anſchlag
gebracht werden, um das ganze Collegium darum
nun fuͤr vermiſchter Religion gelten zu laßen?


Mit
[143]2) C. G. Viſitation 1767-1776.

Mit den Weſtphaͤliſchen Grafen hat esXXV.
zwar in ſo weit eine etwas andere Bewandtniß,
weil ſchon von Anfang etliche catholiſche unter ih-
nen geweſen, auch wohl einmal in Vorſchlag ge-
kommen war, ihre Reichstagsſtimme abwechſelnd
von evangeliſchen und catholiſchen Bevollmaͤchtig-
ten verſehen zu laßen. Aber in vielen anderen
Ruͤckſichten, da auch hier vielfaͤltig nur die Per-
ſon des Landesherrn catholiſch war, und die catho-
liſchen Grafen ſelbſt den Beytraͤgen zur collegia-
liſchen Verfaſſung ſich entzogen hatten, galt auch
dieſes Collegium fuͤr pur evangeliſch. Am wenig-
ſten konnte es jemanden einfallen, es fuͤr catho-
liſch oder vermiſcht zu halten, ſo lange die Weſt-
phaͤliſchgraͤfliche Stimme mit einem evangeliſchen
Comitialgeſandten beſetzt war; Denn wo auch ei-
ne Abwechſelung im Religionsverhaͤltniſſe ſtatt fin-
det, wie z. B. auch mit dem Biſthum Osnabruͤck
der Fall iſt, da kann doch die Stimme ſo wenig
bey Reichsdeputationen als bey der allgemeinen
Reichsverſammlung auf catholiſcher Seite mitge-
rechnet werden, ſo lange ſie mit einem evangeli-
ſchen Comitialgeſandten beſetzt iſt, und umgekehrt.


Seit vielen Jahren hatte ein Herr von Piſto-XXVI.
rius, der evangeliſcher Religion war, auch noch
die Viſitation uͤberlebt hat († 1778. Dec. 24.),
die Stimmen der Wetterauiſchen, Fraͤnkiſchen und
Weſtphaͤliſchen Grafen zu fuͤhren gehabt; da hin-
gegen die Schwaͤbiſchen und Rheiniſchen Praͤla-
ten und die Schwaͤbiſchen Grafen ihre Stimmen
durch catholiſche Geſandten fuͤhren ließen; ſo daß
die ſaͤmmtlichen ſechs Curiatſtimmen in einer der
Reichsverfaſſung ſehr gemaͤßen Religionsgleichheit
ſtan-
[144]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
ſtanden, ohne ſich durch die Abweichung ein oder
anderer Mitglieder dieſer Collegien darin irre ma-
chen zu laßen. So war inſonderheit bey der
Reichstagsberathſchlagung, die im Jahre 1766.
vor der Viſitation vorhergieng, ganz fuͤr bekannt
angenommen, daß in den verſchiedenen Claſſen
der dazu beſtimmten Reichsdeputation auf der
evangeliſchen Seite die Wetterauiſchen, Fraͤnki-
ſchen und Weſtphaͤliſchen Grafen einander abloͤſen
wuͤrden; auf der catholiſchen Seite hingegen nur
das Schwaͤbiſche Grafencollegium ſeinen Platz ha-
ben koͤnnte. Bey demſelben fand es deswegen
keine große Schwierigkeit dem Churpfaͤlziſchen Ho-
fe, als derſelbe ſich darum bewarb, ſeine Stim-
me in der erſten Claſſe abzutreten; welches auf
gleiche Art (1768.) zur zweyten Claſſe auch ſchon
fuͤr den Churbairiſchen Hof im Werke war.


XXVII.

Wie ſichs inzwiſchen mit Einruͤckung der zwey-
ten Claſſe noch verzog, bis erſt im May und Ju-
nius 1774. eine anderweite Reichstagsberathſchla-
gung den Weg dazu bahnte, wo jedoch nicht die
geringſte Abaͤnderung obiger Vertheilung der graͤf-
lichen Collegien auf beiden Religionsſeiten in den
verſchiedenen Claſſen vorkam; ſo haͤtte wohl nichts
unerwarteter ſeyn koͤnnen, als wie nun auf ein-
mal bekannt wurde, daß unterm 4. Jun. 1774.
an das Weſtphaͤliſche Grafencollegium ein Chur-
mainziſches Ausſchreiben ergangen ſey, um in der
zweyten Claſſe die graͤfliche Stimme auf der ca-
tholiſchen Seite zu fuͤhren. Noch unerwarteter
war es vollends, als bey Eroͤffnung der zweyten
Claſſe am 23. Nov. 1774. an der Stelle, wo das
Schwaͤbiſche als das einzige catholiſche Grafen-
colle-
[145]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
collegium zu erwarten geweſen waͤre, ein catholi-
ſcher Subdelegirter von wegen der Weſtphaͤliſchen
Grafen erſchien, und nicht, wie es bey den graͤf-
lichen Collegien gewoͤhnlich iſt, eine graͤfliche Di-
rectorialvollmacht fuͤr das geſammte Collegium, ſon-
dern nur eine von Herrn Franz Georg Carl Gra-
fen von Metternich
unterſchriebene Vollmacht
aufzuweiſen hatte.


Dieſe Vollmacht konnte ſchon deswegen, weilXXVIII
mittelſt derſelben ein einzelner Graf eine nur fuͤr
ein geſammtes graͤfliches Collegium gewidmete Cu-
riatſtimme beſetzen ſollte, mit der bisherigen Reichs-
verfaſſung und dem darin gegruͤndeten Beſitzſtan-
de der allein zu Virilſtimmen berechtigten Reichs-
fuͤrſten nicht beſtehen. Eine ſolche einſeitige Neue-
rung konnte auch mit der Clauſel, einem jeden ſein
Recht vorzubehalten, nicht gedeckt werden; wenn
anders einer ſolchen Clauſel nicht die Kraft beyge-
legt werden ſollte, jeden Beſitzſtand dadurch eins-
weilen unterbrechen zu koͤnnen. Saͤmmtliche evan-
geliſche Subdelegirten hielten daher dieſe Voll-
macht nicht fuͤr zulaͤßig. Nur Herr Lazarus Ca-
ſpar von Woͤlkern, damaliger Subdelegirter der
Stadt Ulm (ſeit 1779. Reichshofrath) gab durch
ſeinen Beytritt zu den Stimmen der catholiſchen
Subdelegirten den Ausſchlag zur Mehrheit der
Stimmen fuͤr die Zulaͤßigkeit der Vollmacht; wo-
gegen jedoch jene Subdelegirten dieſe ganze Claſſe
hindurch ihren Widerſpruch mit Berufung auf
Kaiſer und Reich fortſetzten, um zwar den Fort-
gang der Viſitation nicht zu unterbrechen, aber
doch auch wider den bisherigen Beſitzſtand keiner
einſeitigen Neuerung nachzugeben.


P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. KZur
[146]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
XXIX.

Zur dritten Claſſe wurde unterm 15. May
1775. ſo gar fuͤr das Fraͤnkiſche Grafencollegium
auf der catholiſchen Seite ein Ausſchreiben er-
laßen. Damit kam die Sache offenbar in ſolche
Umſtaͤnde, daß fuͤr das geſammte Corpus der
evangeliſchen Staͤnde, wenn es ſich nicht ein Mit-
glied nach dem andern einſeitig entziehen laßen
wollte, nichts uͤbrig blieb, als einen ſolchen Schluß
zu faſſen, wie es am 26. Jul. 1775. zu Regens-
burg geſchah. Man beſchloß nehmlich, nach dem
bisherigen Beſitzſtande die Weſtphaͤliſchen und
Fraͤnkiſchen Grafencollegien auf der evangeliſchen
Seite ſorgſamſt zu erhalten, und deswegen feſt-
zuſetzen: ”daß die evangeliſchen Subdelegirten bey
dem Viſitationsconvente ſowohl in der bevorſtehen-
den dritten, als in den weiter folgenden Claſſen
mit einzelnen catholiſchen Grafen, ſo ſich nicht im
Namen des ganzen Collegii oder ſaͤmmtlicher Mit-
glieder curiatim gehoͤrig zu legitimiren vermoͤch-
ten, in einige Berathſchlagung ſich nicht einlaßen,
ſondern bey deren Erſcheinung jedesmal mit Pro-
teſtation abtreten ſollten.”


XXX.

Als hierwider das Corpus der catholiſchen
Reichsſtaͤnde am 5. Aug. 1775. einen ganz entge-
gengeſetzten Schluß faßte, und alſo bey dieſer Tren-
nung der beiden Religionstheile nach Vorſchrift
des Weſtphaͤliſchen Friedens nichts, als alleinige
guͤtliche Vergleichung, uͤbrig blieb; gab das evan-
geliſche Corpus in ſo weit nach, daß in Gefolg
einer zwiſchen den Hoͤfen zu Wien und Berlin ge-
pflogenen Unterhandlung einsweilen zur dritten
Claſſe die Schwaͤbiſchen und Wetterauiſchen Gra-
fen berufen werden ſollten; da dann mittlerweile
wegen
[147]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
wegen der vierten und folgenden Claſſen eine wei-
tere Ausgleichung vorgenommen werden ſollte.
Allein zu dieſer weiteren Ausgleichung geſchah kein
Schritt weiter; ſondern nur vermoͤge einer kaiſer-
lichen Erklaͤrung ſollte jene bloß fuͤr die dritte Claſ-
ſe geſchehene proviſoriſche Vergleichung auch auf
die folgende Claſſe ausgedehnt, und alſo ſowohl
das Fraͤnkiſche als Weſtphaͤliſche Grafencollegium
von der Theilnehmung an dieſer Reichsdeputation
auf der evangeliſchen Seite gaͤnzlich verdraͤnget
werden. Eine Vorſtellung, die im Namen der
evangeliſchen Staͤnde der kaiſerlichen Principal-
commiſſion zu Regensburg uͤbergeben werden ſoll-
te, wollte dieſelbe nicht einmal annehmen, noch
Gebrauch davon machen. Alſo blieb fuͤr das
evangeliſche Corpus nichts uͤbrig, als einen auf
das vorige Concluſum ſich beziehenden Inhaͤſiv-
ſchluß zu faſſen (1776. Maͤrz 12.) Und da
gleichwohl die vierte Claſſe am 8. May 1776. er-
oͤffnet werden wollte, ohne auf alle dieſe nur auf
Erhaltung des Beſitzſtandes abzweckende Erklaͤ-
rungen Ruͤckſicht zu nehmen; ſo konnten die evan-
geliſchen Subdelegirten nicht anders als den Con-
ſeß verlaßen. Sie bewirkten aber auch dadurch
ſo wenig einige Nachgiebigkeit von der anderen
Seite, daß vielmehr gleich darauf die kaiſerliche
Commiſſion ſelbſt ſich von Wetzlar entfernte und
damit die ganze Viſitation unvollendet abbrach.


Ich habe mich bemuͤhet, die Hauptzuͤge vonXXXI.
der auf ſolche Art verungluͤckten Cammergerichts-
viſitation hier ſo in der Kuͤrze vorzulegen, wie ſie
zur Entwickelung der heutigen Verfaſſung des
Teutſchen Reichs zu wiſſen nothwendig ſind.
K 2Gleich
[148]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
Gleich damals iſt die ganze Sache in einer eignen
Schrift ausfuͤhrlicher beſchrieben worden (a).
Daß uͤber die dabey einſchlagenden Grundſaͤtze
beide Religionstheile oder auch auf einer Seite
diejenigen, welche den kaiſerlichen Rechten, und
auf der andern Seite ſolche, welche den Rechten
der Reichsſtaͤnde das Wort zu reden ſich verpflich-
tet halten, gleiche Geſinnung haben ſollten, war
wohl kaum zu erwarten. Es ſind alſo gegen obi-
ge Schrift nicht nur widerlegende Anmerkun-
gen (b), ſondern in gleicher Abſicht noch dem An-
geben nach geſammelte Originalbriefe zum Vor-
ſchein gekommen (c).


XXXII.

Eine ganz unpartheyiſche Beurtheilung hier-
uͤber wird vielleicht erſt von der Nachwelt zu er-
warten ſeyn. Nur zwey Dinge verdienen hier
noch mit wenigem bemerket zu werden. Einmal
ſchien man bey der Widerlegung obiger Schrift
die Sache auf den Fuß zu nehmen, als ob die-
ſelbe oͤffentlich verbrannt, und der Verfaſſer einer
[f]iſcaliſchen Ahndung unterworfen zu werden ver-
diente. Wenn Schriften, die auf hoͤhere Veran-
laßung und mit Genehmigung mehrerer Hoͤfe ge-
druckt
[149]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
druckt ſind, und worin weder Sachen noch Aus-
druͤcke anſtoͤßiger als in dieſer ſind, durch ſolche
Aeuſſerungen zuruͤckgeſchreckt werden ſollten, ſo
wuͤrde es nicht nur mit der Teutſchen Preßfrey-
heit ſondern ſelbſt mit der Freyheit Teutſcher Reichs-
ſtaͤnde uͤbel ausſehen. Doch auch darin ſcheint
man im Jahre 1786. an vielen Orten ſchon ziem-
lich anders zu denken, als man vielleicht noch vor
zehn Jahren dachte. Damals fand es doch das
geſammte evangeliſche Corpus nicht uͤberfluͤſſig in
einem am 4. Dec. 1776. verfaßten Schluſſe ſich
zu erklaͤren, daß es geſonnen ſey, ”dererjenigen,
ſo nach aͤchten evangeliſchen Grundſaͤtzen gehan-
delt, oder ſelbige vertheidiget, ſofern es noͤthig,
durch geſetzmaͤßige Wege ſich jederzeit ſtandhaft
und behauptend anzunehmen.”


Hernach hat man in beiden Schriften, dieXXXIII.
zur Widerlegung obiger Schrift dienen ſollten,
gleich anfangs das groͤßte Gewicht darin zu ſetzen
geſucht, daß vor dem Anfange der Viſitation
(1766. Oct. 9.) ein Schreiben vom Herrn Marg-
grafen von Baden an andere evangeliſche Reichs-
ſtaͤnde ergangen ſey: ”Es waͤre ſich mit vereinig-
ten Kraͤften dahin zu bearbeiten, damit die gegen
die immer weiter zu extendiren ſuchende Jurisdi-
ction der hoͤchſten Reichsgerichte habenden Be-
ſchwerden abgethan werden moͤchten; Ins beſon-
dere wuͤrden die evangeliſchen Staͤnde hohe Urſa-
che haben zuſammenzuſehen; — daher anheim-
zuſtellen ſey, ob nicht durch die zu Regensburg
anweſenden Geſandten der zu dieſem Geſchaͤffte
deputirten evangeliſchen Fuͤrſten im engeſten Ver-
K 3trau-
[150]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
trauen ein gemeinſames Concert zu verabreden ſey,
wie die nach Wetzlar abzuordnenden Raͤthe zu in-
ſtruiren waͤren ꝛc.” — Daraus wollte man die
Folgerung ziehen, den evangeliſchen Reichsſtaͤn-
den ſey es nicht um die Aufnahme des Reichsju-
ſtitzweſens zu thun geweſen, ſondern vielmehr um
noch groͤßere Einſchraͤnkung der kaiſerlichen Ge-
richtbarkeit, und um Erhaltung ſolcher Vortheile,
um welche man ſich ſelbſt bey dem Weſtphaͤliſchen
Frieden und ſeither vergeblich bemuͤhet habe. Das
alles ſollte dann ohne Zweifel dazu dienen, um
den Leſer zum voraus zum Nachtheil der evangeli-
ſchen Staͤnde einzunehmen, und vielleicht den Ge-
ſichtspunct von anderen Gegenſtaͤnden zu verruͤcken.
Da ich aber ſelbſt die vollſtaͤndigen Acten eines be-
traͤchtlichen Hofes von der ganzen Viſitationsge-
ſchichte geleſen habe, und verſichert bin, daß mir
nichts davon zuruͤckgehalten worden; ſo muß ich
zwar aufrichtig geſtehen, daß ich mich nicht ein-
mal erinnern kann, ob ein ſolches Schreiben von
Carlsruh an den Hof, der doch ſchwerlich uͤber-
gangen ſeyn wuͤrde, damals wuͤrklich ergangen
ſey; — ſo gering iſt wenigſtens, wenn es ge-
ſchehen, deſſen Eindruck geweſen. — Aber das
kann ich auf das zuverlaͤßigſte bezeugen, daß je-
ne Geſinnungen und Abſichten, von welchen man
jetzt behauptet, daß ſie durch ſothanes Schreiben
haͤtten eingefloͤßet werden ſollen, gewiß nicht die
Hoͤfe beſeelet haben, denen das jetzt zur Laſt ge-
legt werden will. Gewiß war nichts als wahrer
Wunſch das Reichsjuſtitzweſen auf einen ſo voll-
kommenen Fuß als moͤglich zu ſetzen, der diejeni-
gen Reichsſtaͤnde beſeelte, denen die Erhaltung
des
[151]2) C. G. Viſitation 1767-1776.
des bisherigen Reichsſyſtems am Herzen lag.
Eben das kann nicht anders, als der Wunſch
des kaiſerlichen Hofes und aller Reichsſtaͤnde bei-
der Religionen ſeyn. Daher es nur deſto mehr
zu bedauern iſt, wenn durch andere dazwiſchen
gekommene Umſtaͤnde, vielleicht durch unzeitigen
Eifer dieſes oder jenen nur von unrichtigen Grund-
ſaͤtzen eingenommenen Miniſters, ein Theil den
andern verkannt hat, und dadurch dieſe ſo preis-
wuͤrdige Anſtalt in eine ſo uͤble Lage gerathen iſt.


K 4III.
[152]XIII. Joſeph II. 1764-1786.

III.
Ueberbleibſel der Cammergerichts-Viſitation.
Streit uͤber die Religionseigenſchaft der Fraͤn-
kiſch und Weſtphaͤliſch graͤflichen Stimmen.
Befolgung des Reichsſchluſſes 1775.


I. Erfolg des Streits uͤber die Religionseigenſchaft der
Fraͤnkiſch und Weſtphaͤliſch graͤflichen Stimmen. — Fuͤnf-
jaͤhrige voͤllige Unthaͤtigkeit des Reichstages. — II. Ver-
mehrung der Anzahi der Cammergerichtsbeyſitzer bis auf
25. — erſt ſeit dem 1. Jun. 1782. — III-VII. Befol-
gung des Reichsſchluſſes 1775. in Anſehung der Senate am
C. G. — mit merklichen Mißdeutungen und noch immer
uͤbrig gelaßenen Anſtaͤnden. — VIII. Andere Verfuͤgungen
des Reichsſchluſſes, um allerley nachtheilige Directorialwill-
kuͤhren einzuſchraͤnken. — IX. Verſchiedene Gegenſtaͤnde,
woruͤber erſt die Viſitation berichten ſollte, — die aber
inzwiſchen abgebrochen iſt, und alſo erſt wieder hergeſtellt
werden muͤßte. — X. XI. Vorzuͤglich wuͤnſchenswerth waͤ-
re eine naͤhere geſetzliche Beſtimmung der Faͤlle, wann Man-
date ohne Clauſel von Reichsgerichten ſollen erkannt werden
koͤnnen; — XII. ingleichen der ſo genannten Ordinationen,
die erſt in neueren Zeiten am Cammergerichte haͤufig in
Gang gekommen ſind; — XIII. und wie den Colliſionen,
die ſich oft zwiſchen beiden Reichsgerichten ereignen, abzu-
helfen ſey; — XIV. da unter andern der Reichshofrath
in Sachen, welche kaiſerliche Reſervatrechte und die Auf-
rechthaltung der paͤbſtlichen Concordate betreffen, dem Cam-
mergerichte keine concurrirende Gerichtbarkeit zugeſtehen
will. — XV. Woruͤber wegen einer von Seiten des kai-
ſerlichen Hofes einſeitig geſchehenen Abforderung der Cam-
mergerichts-Acten und Berathſchlagungs-Protocolle noch
erſt 1786. neue Irrungen entſtanden ſind. — XVI. Bie-
dermaͤnniſcher Wunſch, daß allen ſolchen Irrungen durch
Befolgung gleichfoͤrmig richtiger Grundſaͤtze abgeholfen wer-
den moͤchte.


I.

Bis auf den heutigen Tag iſt die Grafenſache
nicht nur nicht berichtiget; ſondern ſelbſt der
ganze Reichstag iſt daruͤber mehrere Jahre hin-
durch
[153]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
durch (vom Febr. 1780. bis in den Januar 1785.)
in eine voͤllige Unthaͤtigkeit gerathen. Nachdem
der bisherige evangeliſch graͤfliche Comitialgeſandte
von Piſtorius am 24. Dec. 1778. geſtorben war,
meldete ſich gleich zur Weſtphaͤliſch graͤflichen Stim-
me ein catholiſcher Geſandter, deſſen nur vom Gra-
fen von Metternich unterſchriebene Vollmacht an-
genommen wurde. Eine andere Vollmacht, die
das Weſtphaͤliſch graͤfliche Directorium auf einen
evangeliſchen Geſandten ausgeſtellt hatte, wurde
nicht angenommen. Man machte ſo gar Schwie-
rigkeit, die auf den bisherigen Fuß im Namen
der Fraͤnkiſchen Grafen ausgeſtellte Vollmacht oh-
ne Vorbehalt anzunehmen. Unter ſolchen Um-
ſtaͤnden geriethen beide Religionstheile in ſolchen
Widerſpruch, daß nichts als eine guͤtliche Ueber-
einkunft dieſen Stein des Anſtoßes heben konnte.
Wegen der Fraͤnkiſchen Grafen iſt Beſitz und Recht
auf der evangeliſchen Seite ſo klar, daß das evan-
geliſche Corpus ſchon verliehren wuͤrde, wenn das
nur als ein Gegenſtand einer Vergleichshandlung
angeſehen werden ſollte. In Anſehung der Weſt-
phaͤliſchen Grafen haben die Evangeliſchen auf ei-
nen Vorſchlag, den das catholiſche Corpus durch
Mehrheit der Stimmen gefaſſet hat, ſich willfaͤh-
rig erklaͤret, daß kuͤnftig abwechſelnd von catho-
liſchen und evangeliſchen Geſandten dieſe Stimme
gefuͤhret werden ſollte (d). Noch immer iſt es
K 5gleich-
[154]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
gleichwohl zu keiner voͤlligen Vereinigung beider
Religionstheile hieruͤber gekommen (e). Inzwi-
ſchen iſt im Januar 1785. die Thaͤtigkeit des
Reichstages doch in ſo weit wieder hergeſtellt wor-
den, daß unter eingelegten wechſelſeitigen Reſer-
vationen ein evangeliſcher Stimmfuͤhrer der Fraͤn-
kiſchen Grafen zugelaßen, und mit der evangeli-
ſchen Alternation in Anſehung der Weſtphaͤliſchen
Grafen der Anfang gemacht iſt (f); worauf ſeit-
dem mehrere Reichstagsberathſchlagungen, ohne
dieſe Streitigkeit weiter zu beruͤhren, zu Stande
gekommen ſind (g).


Was
[155]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.

Was außerdem als eine Folge der letztern Vi-III.
ſitation noch immer eine Eroͤrterung zu erwarten
hat, betrifft theils einige Schwierigkeiten, die ſich
in Befolgung des neueſten Reichsſchluſſes vom
Jahre 1775. hervorgethan haben, theils einige
erhebliche Gegenſtaͤnde, die damals ſelbſt bey der
Reichsverſammlung noch auf weitere Berathſchla-
gung ausgeſetzt blieben. Eine der wichtigſten
Verfuͤgungen jenes Reichsſchluſſes gieng dahin,
daß die Zahl der bisherigen 17. Beyſitzer bis auf
25. vermehret werden ſollte. Zu dem Ende wur-
den die Cammerzieler jaͤhrlich um ¼ erhoͤhet, mit
deren Zahlung gleich damals der Anfang gemacht
werden ſollte, damit gleich um Oſtern 1776. noch
acht neue Beyſitzer einruͤcken koͤnnten. Das
Geld lief großentheils ein. Es fehlte auch nicht
an Praͤſentirten, die gleich einzuruͤcken wuͤnſchten.
Nur uͤber einige Praͤſentationen waren ſelbſt noch
ein und andere Anſtaͤnde erſt zu heben. Am Cam-
mergerichte glaubte man aber abwarten zu muͤßen,
bis erſt alle acht neue Aſſeſſoren auf einmal ein-
ruͤcken koͤnnten. Daruͤber verzog ſich dieſe Ein-
ruͤckung bis zum 1. Jun. 1782., da dann end-
lich acht neue Beyſitzer auf einmal aufgenommen
wurden, nachdem inzwiſchen alle Anſtaͤnde, die
bisher noch wegen einiger Praͤſentationen im
Wege
(g)
[156]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
Wege geweſen waren, durch verſchiedene Ver-
gleiche ihre Endſchaft erlanget hatten (h).


III.

Nun war aber noch ein Hauptanſtand uͤbrig,
der die Einrichtung der Senate nach Vorſchrift
des neueſten Reichsſchluſſes betraf. Um mich
hieruͤber verſtaͤndlich zu machen, muß ich erſt eini-
ge dahin einſchlagende Erlaͤuterungen vorausſet-
zen (i). Bald nach Errichtung des Cammerge-
richts kam man (ſchon 1500.) auf die Gedanken,
daß
[157]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
daß zu Abfaſſung eines Urtheils doch nicht noͤthig
ſeyn moͤchte, immer alle 16. Maͤnner, aus wel-
chen damals das Cammergericht beſtehen ſollte,
beyſammen zu haben. Man hielt, wie ich glau-
be, nicht ohne Grund dafuͤr, daß, wenn acht
gleich geſchickte und rechtſchaffene Maͤnner zur Be-
urtheilung einer Rechtsſache gebraucht wuͤrden,
der Zweck eben ſo gut, wo nicht beſſer, als von
ſechzehn oder einer noch groͤßern Anzahl Maͤnner
zu erreichen ſeyn muͤßte. Acht Perſonen koͤnnen
eher nach der Abſicht einer collegialiſchen Berath-
ſchlagung einander ihre Gedanken ausfuͤhrlich und
verſtaͤndlich mittheilen, als es in einer zahlreiche-
ren Verſammlung geſchehen kann. Und wenn
acht gleich geſchickte und redliche Maͤnner eine
Sache durch ihre abgelegte Stimmen eroͤrtert ha-
ben, wird fuͤr die uͤbrige Anzahl mehrerer Colle-
gen nicht leicht noch viel neues hinzuzufuͤgen uͤbrig
bleiben. Hingegen wenn man auf ſolche Art ei-
ne groͤßere Anzahl Raͤthe oder Beyſitzer in mehre-
re Senate, jede in beſonderen Zimmern, verthei-
len kann, iſt der Vortheil augenſcheinlich, deſto
mehrere Sachen zu gleicher Zeit vornehmen und
abthun zu koͤnnen.


Das alles hat nun die Erfahrung am Cam-IV.
mergerichte vollkommen bewaͤhret, ſo wie hinge-
gen die Reichshofrathsordnung ſelbſt das Geſtaͤnd-
niß enthaͤlt, daß die allzugroße Menge der Raͤthe
(wie ſie im Reichshofrathe alle an einer Tafel ſit-
zen,) nur zur Verlaͤngerung der Geſchaͤffte ge-
rei-
(i)
[158]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
reiche (k). Aber wie bey den beſten Anſtalten
nicht gnug dafuͤr gewacht werden kann, daß man
nicht durch zu vieles Kuͤnſteln andere nachtheilige
Abweichungen veranlaße, ſo ſchien das hier der
Fall zu ſeyn. Hatte man angenommen, daß acht
Maͤnner hinlaͤnglich waͤren, um ſich uͤber ein End-
urtheil zu vereinigen, ſo dachte man, zu Abfaſ-
ſung eines bloßen Beyurtheiles, das nur zum
Laufe des Proceſſes gehoͤrte, oder gar nur zu Er-
kennung einer Ladung als der erſten Einleitung
des Proceſſes, koͤnnten allenfalls auch nur drey
oder vier Maͤnner hinreichen. So vertheilte man
alſo das Cammergericht in zweyerley Senate,
gerichtliche, wie man ſie nannte, von acht, oder
in der Folge auch nur von ſechs Beyſitzern, auſ-
ſergerichtliche Senate von drey oder vieren.


V.

Zu der Zeit, als das Cammergericht uͤberhaupt
nur ſiebenzehn Beyſitzer hatte, ernannte der Cam-
merrichter vier auſſergerichtliche Senate jeden von
vier, einen von fuͤnf Beyſitzern. Zu Endurthei-
len wurden alsdann zwey auſſergerichtliche Senate
combinirt, um einen gerichtlichen Senat von ſechs
Beyſitzern daraus zuſammenzuſetzen. Dieſe Zu-
ſammenſetzung geſchah zuletzt vom Cammerrichter
in einer jeden einzelnen Rechtsſache nach ſeinem
Gutfinden; womit derſelbe eine Gewalt bekam,
die kaum noch ein aͤhnliches Beyſpiel gehabt ha-
ben mochte. Denn an ſtatt daß ſonſt ein jeder,
der ein Collegium zu dirigiren hat, deſſen Mit-
glieder doch nehmen muß, wie ſie ſind; ſo konnte
hier ein Cammerrichter, ſo oft eine Rechtsſache
ent-
[159]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
entſchieden werden ſollte, erſt die Maͤnner ausſuchen,
von deren Stimmen die Entſcheidung abhangen
ſollte. Gelang es ihm nun ſoviel Maͤnner zu-
ſammenzubringen, als zur Mehrheit der Stim-
men noͤthig war, wie er ſie nach ſeiner Abſicht
wuͤnſchte; ſo hatte er es in ſeiner Gewalt, den
Ausgang einer Sache nach ſeinem Sinne zu len-
ken, ohne daß ihm ſelbſt die Geſetze einmal das
Recht eine Stimme mit zu geben beygelegt hatten.


Solchen Abwegen abzuhelfen vereinigte manVI.
ſich im Reichsgutachten (1775. Oct. 23.), daß
kuͤnftig nicht mehr zu jeder einzelnen Sache ein
eigner Senat von neuem ernannt, ſondern das
Cammergericht, wenn es mit 25. Beyſitzern be-
ſetzt waͤre, ein vor allemal in drey unveraͤnder-
liche Senate jeden von acht, einen von neun Bey-
ſitzern vertheilt werden ſollte. Doch war man
der Meynung, daß, wenn in einem Senate auch ein
oder zwey Beyſitzer wegen Krankheit oder ſonſt ab-
weſend ſeyn ſollten, dennoch die ſechs uͤbrigen, je-
doch nicht weniger an der Zahl, fortfahren koͤnn-
ten. Im Reichsgutachten ward das nur ſo aus-
gedruͤckt: daß Definitivſachen nicht anders als
in Beyſeyn ſechs Beyſitzer abgeurtheilt werden
ſollten. Aus dem Zuſammenhange und den vor-
her abgelegten Stimmen der Reichsſtaͤnde ließ ſich
deutlich gnug abnehmen, daß die wahre Meynung
war: Definitivſachen ſollten ordentlicher Weiſe
von acht, oder doch nicht weniger als von ſechs
Beyſitzern abgeurtheilet werden. In Vollziehung
des Reichsſchluſſes nahm gleichwohl das Cammer-
gericht eine ſo buchſtaͤbliche Erklaͤrung an, daß
zwar drey Senate jeder von 8. Beyſitzern ernannt,
nie-
[160]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
niemals aber mehr als 6. Beyſitzer zu Beurthei-
lung einer Sache gelaßen wurden.


VII.

Verſchiedene Reichsſtaͤnde waren bey Abfaſ-
ſung des Reichsgutachtens der Meynung geweſen,
daß man zu Vermeidung aller Kuͤnſteleyen den bis-
herigen Unterſchied zwiſchen gerichtlichen und
auſſergerichtlichen Senaten
ganz aufheben,
und alle Sachen ohne Unterſchied in einerley Se-
naten vornehmen laßen ſollte; nur mit der einzi-
gen Einſchraͤnkung, daß, wenn wegen Krankheit
oder anderer Abhaltung in einem Senate weniger
als ſechs Beyſitzer gegenwaͤrtig waͤren, alsdann
keine Endurtheile ſondern nur Beſcheide oder La-
dungen u. d. gl. erkannt werden ſollten. Allein
einige Stimmen hatten darauf angetragen, daß
Beſcheide und auſſergerichtliche Erkenntniſſe, wenn
ſie Reichsſtaͤnde betraͤfen, niemals von wenigern,
aber auch nicht von mehreren als ſechs Beyſitzern,
Privatſachen aber nur von vier Beyſitzern eroͤrtert
werden ſollten. In ſolchen Faͤllen ſollten alſo uͤber-
ſchießende Beyſitzer eines Senates aus demſelben
abtreten, und an einem beſonderen ſogenannten
Beſcheidtiſche ſolche Beſcheide abfaſſen, die nur
die aͤußerliche Form des Proceſſes betreffen, als
wo z. B. von Friſtſuchungen, Ungehorſamsbe-
ſchuldigungen u. d. gl. die Rede iſt. Hieruͤber
haben ſich ganz natuͤrlich neue Schwierigkeiten und
Anſtoͤße hervorgethan, die nun von neuem einer
Erledigung von Seiten der geſetzgebenden Gewalt
beduͤrfen. (Man will bemerkt haben, daß dieſer
Anſtaͤnde wegen ſeit dem Jahre 1782. von den
nunmehrigen 25. Beyſitzern noch weniger Rechts-
ſachen, oder doch nicht mehrere, als vorher von
17.
[161]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
17. ihre endliche Entſcheidung erlangt haͤtten.
Proviſoriſch hat endlich das Cammergericht ſelbſt
die Einrichtung getroffen, daß Montags und Dien-
ſtags nur ſo genannte auſſergerichtliche Sachen,
worunter die erſte Einleitung eines jeden Proceſſes
verſtanden wird, in ſechs Senaten von vier, oder
drey Senaten von ſechs Beyſitzern vorgenommen,
an den uͤbrigen vier Tagen aber Endurtheile abge-
faſſet werden ſollen. Die Abtretung zu Be-
ſcheidtiſchſachen
iſt dadurch etwas vermindert,
jedoch nicht ganz gehoben. Sie bleibt aber immer
Urſache, daß haͤufig Beyſitzer in den Senatsſtun-
den unbeſchaͤfftiget bleiben, und die Senate doch
nie, wie es die Abſicht des Reichsſchluſſes war,
aus einerley Perſonen beſtehen, weil es einem je-
den, der ſeine Relation geendiget hat, zur Pflicht
gemacht iſt, an den Beſcheidtiſch abzutreten.)


Uebrigens hatte der Reichsſchluß offenbar zurVIII.
Hauptabſicht genommen, fuͤrs kuͤnftige zu verhuͤ-
ten, daß das Directorium weder durch Erkuͤn-
ſtelung der Senate zu einzelnen Sachen noch ſonſt
mehr ungeſetzmaͤßigen Einfluß auf die Entſcheidung
einzelner Rechtsſachen haben koͤnnte. Zu dem
Ende ſollte die Vertheilung der Acten unter den
drey Senaten durch das Loos, in jedem Senate
aber die Perſon des Referenten vom Cammerrich-
ter beſtimmt werden. Sodann ſollte nicht wie
bisher von der Vorſchrift des Cammerrichters ab-
hangen, welcher Beyſitzer, und welche Sache er
jedesmal vortragen ſollte; ſondern in der perſoͤn-
lichen Ordnung der Referenten ſollte die Reihe nach
ihrem Range gehalten, oder ein ſo genannter Tur-
nus beobachtet werden; fuͤr die vorzutragenden
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. LSa-
[162]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
Sachen ſollte aber eine gewiſſe geſetzmaͤßige Ord-
nung den Vorzug einer Sache vor der andern
beſtimmen. Auch ward der Vorſitz in den drey
Senaten ſo vorgeſchrieben, daß der Cammerrich-
ter und beide Praͤſidenten von einem Jahre zum
andern darin abwechſeln ſollten.


Ueber diejenigen Gegenſtaͤnde, die ſich der
Reichstag noch zur weitern Berathſchlagung vor-
behielt, ſollte nach Vorſchrift des Reichsſchluſſes
eigentlich noch erſt von der Viſitation Bericht er-
fordert werden. Da aber dieſe inzwiſchen abge-
brochen worden, ſo eroͤffnet ſich hier eine neue
Frage: ob der Reichstag nun ohne einen ſolchen
Bericht abzuwarten dieſe Sachen vornehmen ſoll;
oder ob man erſt wieder darauf bedacht ſeyn will,
die abgebrochene Viſitation von neuem in Gang
zu bringen? Das letztere wuͤrde unſtreitig in vie-
lem Betrachte zu wuͤnſchen ſeyn. Gar viele Din-
ge, die hiebey zu eroͤrtern vorkommen, laßen ſich
unſtreitig beſſer an Ort und Stelle beurtheilen,
als in einer ſolchen Entfernung, worin der Reichs-
tag vom Cammergerichte ſteht. Soll aber die
Viſitation hergeſtellt werden, ſo wird wohl kein
Teutſcher Biedermann den Wunſch verleugnen koͤn-
nen, daß erſt alle bisherige Anſtaͤnde, die ſich bey
der Viſitation ſelbſt geaͤußert haben, und großen-
theils von der 1766. unvollendet gelaßenen vor-
gaͤngigen Reichstagsberathſchlagung abgehangen,
zuvor gaͤnzlich berichtiget ſeyn moͤgen.


X.

Um von der Erheblichkeit der hier in Betrach-
tung kommenden Gegenſtaͤnde nur einigen Begriff
zu machen, ohne doch zu tief in das unuͤberſeh-
bare
[163]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
bare proceſſualiſche Feld hineinzugehen, will ich nur
ein und andere Puncte hier bemerklich machen.
Eine der allgemeinſten Regeln der Rechtspflege
muß billig dieſe ſeyn, daß keinem Beklagten, ohne
erſt uͤber die Klage gehoͤret zu ſeyn, auf einſeiti-
gen Vortrag des Klaͤgers anbefohlen werden darf
denſelben klaglos zu ſtellen, weil ein Richter nie
zum voraus wiſſen kann, ob des Klaͤgers Erzeh-
lungen ihre voͤllige Richtigkeit haben, und ob der
Beklagte nicht vielleicht gegruͤndete Einreden da-
wider vorbringen koͤnne. Dieſe Regel kann nur
wenige Ausnahmen leiden, als inſonderheit nur
alsdann, wenn Thaͤtlichkeiten, wodurch ſich je-
mand ſelber helfen und einen andern aus ſeinem
Beſitze verdraͤngen wollen, hinlaͤnglich beſcheini-
get ſind, oder wenn auf klare Brief und Siegel
geklagt wird, wider welche keine unlautere Ein-
wendungen anders als nach geſchehener Bezah-
lung in einem beſonderen Proceſſe ſtatt finden koͤn-
nen. Fuͤr dieſe beide Faͤlle hat man ſchon in meh-
reren Geſetzgebungen gut gefunden, zwey beſonde-
re Gattungen eines poſſeſſoriſchen und executiven
Proceſſes einzufuͤhren, worin ſummariſcher als in
dem ſonſt gewoͤhnlichen ordentlichen Proceſſe ver-
fahren, und dem Beklagten nur nachgelaßen wird,
ſeine nicht den Beſitz ſondern das Recht betreffen-
de, oder ſonſt unlautere und noch weit ausſehende
Einreden in einem beſonderen Proceſſe auszufuͤh-
ren. Nach dem Reichsproceſſe, wie er in der
Cammergerichtsordnung und anderen Reichsge-
ſetzen vorgeſchrieben iſt, koͤnnen in ſolchen Faͤllen
von den Reichsgerichten Strafbefehle (Mandate)
erkannt werden, bey denen weniger zu erinnern
iſt, wenn ſie die Clauſel enthalten, daß, im Fall
L 2der
[164]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
der Beklagte ſich dadurch beſchwert hielte, derſel-
be nur ſeine Ei [...]reden dagegen vorbringen ſollte
(Mandate mit der Juſtificatoriclauſel); denn in
ſolchem Falle verwandelt ſich der Befehl von ſelb-
ſten in die Kraft einer bloßen Ladung. Allein
wenn Mandate ohne ſolche Clauſel erkannt wer-
den, und darauf gleich die Execution erfolgen ſoll,
ſo iſt dabey deſto mehr zu erinnern, zumal wenn
jemand dadurch die Vortheile des Beſitzes ver-
liehren, und dann erſt ſein Recht ausfuͤhren ſoll.


XI.

Dabey tritt in Anſehung der beiden hoͤchſten
Reichsgerichte noch der beſondere Umſtand ein,
daß vermoͤge der Cammergerichtsordnung in Sa-
chen, worin Mandate ohne Clauſel erkannt wer-
den, die Auſtraͤgalinſtanz(l) wegfaͤllt. In
dieſer Ruͤckſicht werden haͤufig von klagenden Par-
theyen Mandate ohne Clauſel geſucht, um nur
die Auſtraͤgalinſtanz vorbeygehen zu koͤnnen; und
eine gewiſſe Abneigung gegen dieſe Inſtanz mag
auch nicht ſelten Antheil daran haben, daß der-
gleichen Mandatsgeſuche Gehoͤr finden, wo es von
Rechts wegen nicht ſeyn ſollte. Daruͤber ſind
deswegen ſchon viele Recurſe an den Reichstag
ergriffen worden; daher es wohl der Muͤhe werth
waͤre, auf eine genauere Beſtimmung der Faͤlle,
worin Mandate ohne Clauſel zu erkennen ſeyen,
von Seiten der geſetzgebenden Gewalt Bedacht zu
nehmen, wie das einer der Puncte iſt, die der
neueſte Reichsſchluß dazu empfiehlt.


XII.

Den Beſchwerden wegen der Mandatserkennt-
niſſe auszuweichen bedient ſich der Reichshofrath
zu
[165]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
zu Zeiten eines gewiſſen Ausweges, indem er im
Namen des Kaiſers und mit deſſen eigner Unter-
ſchrift Reſcripte erlaßen kann, worin oft mit fei-
neren Wendungen und in hoͤflicheren Ausdruͤcken,
als in den gewoͤhnlichen Mandatsformularen, ei-
nem belangten Reichsſtande zu erkennen gegeben
wird, wie der Kaiſer z. B. zu des Beklagten eig-
ner Gerechtigkeitsliebe und Gemuͤthsbilligkeit das
Vertrauen habe, daß er von ſelbſten geneigt ſeyn
werde, die eingeklagte Beſchwerde auf dieſe oder
jene Art abzuthun. Dergleichen Reſcripte, wie
ſie vielmehr bey Hoͤfen und Staatsminiſterien, als
bey eigentlichen Gerichten in Uebung ſind, hat
das Cammergericht unter ſeinen Ausfertigungen,
die alle nur nach proceſſualiſchen Formularen vor-
geſchrieben ſind, nicht. Es hat aber in neueren
Zeiten angefangen in ſeinen ſo genannten Extraju-
dicialdecreten, worin der klagenden Partheyen Ge-
ſuch erkannt oder abgeſchlagen oder auch noch auf
gewiſſe Bedingungen ausgeſetzt wird, jene Schreib-
art der kaiſerlichen Reſcripte nachzuahmen. So
war es z. B. geſchehen, daß der Churpfaͤlziſche
Hof, als das Cammergericht eine Nichtigkeitskla-
ge von einem gewiſſen Landſchreiber Heiler gegen
den Churfuͤrſten angenommen und die gewoͤhnli-
che Ladung darauf erkannt hatte, gleich davon den
Recurs an den Reichstag genommen hatte, ohne
daß der Klaͤger zu ſeinem Zwecke gelangen konnte.
Als hernach bald darauf von einem gewiſſen Ulſa-
ner eine aͤhnliche Nichtigkeitsklage gegen den Chur-
fuͤrſten Clemens Auguſt von Coͤlln einkam; ertheil-
te das Cammergericht darauf ein Decret ungefaͤhr
des Inhalts: Noch zur Zeit abgeſchlagen, ſon-
dern verſiehet man ſich zu des Herrn Churfuͤrſten
L 3Ge-
[166]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
Gemuͤthsbilligkeit und Gerechtigkeitsliebe, daß er
von ſelbſten geneigt ſeyn werde, dem Klaͤger uͤber
ſeine Beſchwerden rechtliches Gehoͤr zu geſtatten,
und ſein Recht widerfahren zu laßen ꝛc. Der
Mann erreichte damit ſeinen Zweck. Man nann-
te das eine Ordination. Seitdem wurde in kur-
zem nichts allgemeiner als dergleichen Ordinatio-
nen zu ſuchen und zu erkennen. Das alles ge-
ſchah inzwiſchen ohne Vorſchrift und Beſtimmung
der Geſetze. Und im Grunde waren es doch im-
mer Erkenntniſſe auf einſeitige Vortraͤge, wodurch
leicht etwas erſchlichen werden konnte. Daher
ward auch dieſes zur naͤheren Beſtimmung der ge-
ſetzgebenden Gewalt empfohlen.


XIII.

Endlich gibt es zwiſchen den beiden hoͤch-
ſten Reichsgerichten
wegen der Concurrenz ihrer
Gerichtbarkeit oft beſchwerliche Colliſionen; wie
uͤberhaupt eine ſolche Einrichtung, daß mehrere
Gerichte eine concurrirende Gerichtbarkeit auszu-
uͤben haben, nach allgemeinen Grundſaͤtzen der
Staatsklugheit wohl keinen Beyfall verdienet.
Es iſt zwar, ſofern eine Parthey die Wahl hat,
ob ſie ihre Sache am Cammergerichte oder Reichs-
hofrathe anbringen wolle, eine ganz ausgemachte
Sache, daß dasjenige Reichsgericht, deſſen er-
kannte Proceſſe zuerſt inſinuirt werden, vor dem
andern das Recht der Praͤvention gewinnt. Je-
doch nicht nur daruͤber ereignen ſich zu Zeiten zwei-
felhafte Irrungen, ſondern in vielen Faͤllen wird
ſelbſt vom Reichshofrathe dem Cammergerichte
die Concurrenz ſtreitig gemacht, wo jener gemei-
niglich vom kaiſerlichen Hofe, letzteres von Sei-
ten der Reichsſtaͤnde unterſtuͤtzt wird. Eine ſchon
oben
[167]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
oben (Th. 2. S. 111.) beruͤhrte Streitigkeit von
der Art beruhet auf der authentiſchen Erklaͤrung
einer Stelle der Cammergerichtsordnung von
Rechtsſachen, die ganze Fuͤrſtenthuͤmer betreffen,
die das churfuͤrſtliche Collegium ſchon 1742. zur
reichstaͤglichen Eroͤrterung empfohlen hat. Jetzt
hat der Reichsſchluß 1775. von neuem den Juris-
dictionsconflict der beiden hoͤchſten Reichsgerichte
uͤberhaupt zur naͤhern Beſtimmung der geſetzge-
benden Gewalt heimgeſtellt.


Unter andern ſcheint man zu Wien alle ſolcheXIV.
Faͤlle, wo von kaiſerlichen Reſervatrechten die Re-
de iſt, oder wo Reichsgeſetze der kaiſerlichen Fuͤr-
ſorge gewiſſe Angelegenheiten empfehlen, einer
privativen Gerichtbarkeit des Reichshofraths
mit Ausſchließung des Cammergerichts zueignen
zu wollen; ungeachtet nichts gewiſſer iſt, als daß
in allen zur kaiſerlichen Gerichtbarkeit geeigneten
Sachen, ſofern nicht ausdruͤckliche Reichsgeſetze
das Cammergericht davon ausſchließen, dieſes eben
ſowohl als der Reichshofrath im Namen des Kai-
ſers Recht zu ſprechen befugt iſt. So war noch
im Jahre 1777. uͤber eine vom Biſchofe zu Luͤt-
tich an einen Herrn von Weichs vergebene Prob-
ſtey zu Hanſinne ein Streit mit einem Herrn von
Collenbach entſtanden, der ſich dieſe Pfruͤnde durch
eine paͤbſtliche Proviſion zu verſchaffen geſucht hat-
te. Als hieruͤber vom Cammergerichte auf Anſu-
chen des Herrn von Weichs und ſelbſt auf Ver-
langen des Biſchofs von Luͤttich ein Mandat er-
kannt und inſinuirt war; bewirkte der Herr von
Collenbach vom Reichshofrathe ein anderweites
Erkenntniß, worin ausdruͤcklich behauptet wurde,
L 4daß
[168]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
daß dieſe Rechtsſache weder an das Cammergericht,
noch an den Official zu Luͤttich, ſondern nur an
den Reichshofrath gehoͤrte; vermuthlich weil es
hier auf eine Entſcheidung aus den Concordaten
mit dem paͤbſtlichen Stuhle ankomme, deren Hand-
habung in der Wahlcapitulation der kaiſerlichen
Majeſtaͤt empfohlen ſey (m).


XV.

Dieſer Vorfall hat nicht nur einen vom Bi-
ſchofe von Luͤttich im Jahre 1780. ergriffenen Re-
curs an den Reichstag veranlaßt (n), ſondern
ſeitdem auch noch eine andere Folge gehabt, wor-
uͤber noch mehr Aufſehen entſtanden iſt. Es ſind
nehmlich einige Jahre nachher (1785.) im Na-
men Seiner Majeſtaͤt des Kaiſers dem Cammer-
gerichte die Acten und Berathſchlagungs-Pro-
tocolle
uͤber dieſe Sache abgefordert worden.
Hierwider hat man ſich auf mehrere Stellen der
Reichsgeſetze bezogen, vermoͤge deren dem Cam-
mergerichte durch keine abſonderliche kaiſerliche Re-
ſcripte die Haͤnde gebunden, auch keine daſelbſt
anhaͤngig gemachte Sache von da abgefordert,
noch aufgehoben und dagegen inhibirt, oder ſonſt
in andere Weiſe reſcribirt werden ſolle ꝛc. (o).
Inſonderheit hat man es wegen der Stimmfrey-
heit der Cammergerichtsbeyſitzer, deren Vota nur
ein dem Gerichte anvertrautes Geheimniß bleiben
ſollen, fuͤr bedenklich gehalten, und noch bedenk-
licher, da der Gegenſtand eine Colliſion der Ge-
richt-
[169]3) Grafenſache u. Reichsſchluß 1775.
richtbarkeit der beiden hoͤchſten Reichsgerichte be-
troffen, woruͤber keine einſeitige Verfuͤgung ſtatt
finden koͤnnen. Verſchiedene der angeſehenſten
Teutſchen Hoͤfe haben deswegen noͤthig gefunden,
dem Cammergerichte ſelbſt deswegen eine nach-
druͤckliche Aeuſſerung mit Verwahrung der reichs-
ſtaͤndiſchen Rechte zukommen zu laßen.


Ueber alle dieſe Dinge waͤre die BefolgungXVI.
einerley richtiger Grundſaͤtze von Seiten Kaiſers
und Reichs um ſo mehr zu wuͤnſchen, je weniger
einem Monarchen, den das Teutſche Reich als
ſein hoͤchſtes Oberhaupt verehret, damit gedient
ſeyn kann, in Entſcheidung einzelner Rechtsſachen
irgend einen Miniſterialeinfluß zu geſtatten, und
je mehr beiden Theilen daran gelegen ſeyn muß,
daß an beiden hoͤchſten Reichsgerichten eine ohne
alle Ruͤckſichten oder Nebeneinfluͤſſe gerade durch-
gehende Gerechtigkeit gehandhabet werde.


L 5IV.
[170]XIII. Joſeph II. 1764-1786.

IV.
Neue Ausſichten fuͤr die Religionsbeſchwerden.


I. II. Zu Abhelfung der Religionsbeſchwerden war ſeit
1742. eine neue Stelle in die Wahlcapitulation eingeruͤckt, —
III. und auf Veranlaßung eines churfuͤrſtlichen Collegial-
ſchreibens 1764. von Joſeph dem II. eine preiswuͤrdige Er-
klaͤrung ertheilet. — IV. Zu deren Befolgung und Benut-
zung ward 1770. eine beſondere Deputation ſechs evangeli-
ſcher Reichsſtaͤnde beſ[chlo]ſſen und ins Werk gerichtet; wozu
jedoch die zur Beſtre [...]ung der Unkoſten noͤthigen Geldbey-
traͤge mit Ausgang des Jahres 1784. meiſt erſchoͤpft ſind.


I.

Noch waren zwey wichtige Gegenſtaͤnde, die
unter Joſeph dem II. gleich von ſeinem Wahl-
convente her in neue Bewegung geſetzt waren; ei-
ner, der die Beſchwerden der verſchiedenen Reli-
gionsverwandten gegen einander; ein anderer, der
verſchiedene Beſchwerden catholiſcher Reichsſtaͤnde
in ihrer eignen hierarchiſchen Verfaſſung betraf.


II.

Ungeachtet das gute Vernehmen, worin das
Haus Oeſterreich bis auf den ſiebenjaͤhrigen Krieg
mit Großbritannien und dem Hauſe Hannover
ſtand, vielleicht oft dazu befoͤrderlich geweſen war,
daß manche Beſchwerden evangeliſcher Reichs-
ſtaͤnde oder Unterthanen
noch ihre Erledigung
oder Vermittelung gefunden hatten; ſo nahm doch
die Anzahl der Religionsbeſchwerden ſeit dem Ba-
diſchen Frieden ſelbſt unter der Regierung Carls
des VI. ſowohl in der Pfalz als in vielen anderen
Laͤndern dergeſtalt zu, daß ſchon bey der Wahl
Carls
[171]4) Religionsbeſchwerden 1764. u. f.
Carls des VII. das churfuͤrſtliche Collegium ſich
bewogen fand, eine eigne Stelle in die Wahlca-
pitulation einzuruͤcken, wie den vielen Beſchwer-
den abzuhelfen ſeyn moͤchte. Dieſe ſeitdem in den
folgenden Wahlcapitulationen beybehaltene Stelle
war, hauptſaͤchlich durch die Bemuͤhungen der da-
maligen Churtrieriſchen und Churbraunſchweigi-
ſchen Wahlbotſchafter (von Spangenberg und von
Muͤnchhauſen), ſo gefaßt: ”Wo die Augsburgi-
ſchen Confeſſionsverwandten gegen den Weſtphaͤ-
liſchen Frieden oder andere Reichsgeſetze ſich be-
ſchwert zu ſeyn erachteten, und daruͤber von den
evangeliſchen Staͤnden mit Inbegriff der Reichs-
ritterſchaft, ſammt oder ſonders Vorſtellungen an
den Kaiſer erlaßen wuͤrden, ſollte derſelbe ſich dar-
auf ohne allen Anſtand obgedachten Reichsgrund-
geſetzen gemaͤß entſchließen, ſofort ſothane Ent-
ſchließung den evangeliſchen Staͤnden zu wiſſen
thun, ſolche auch ungeſaͤumt zum Vollzuge brin-
gen, keinesweges aber in Religionsſachen Proceſſe
verſtatten, ſondern darunter lediglich den Reichs-
grundgeſetzen nachgehen, und daran ſeyn, daß die
bisher angebrachten noch unerledigten Religions-
beſchwerden des forderſamſten reichsgeſetzmaͤßig ab-
gethan wuͤrden (p).”


So buͤndig dieſe Stelle gefaßt zu ſeyn ſchien,III.
ſo war doch unter beiden folgenden Regierungen
wenig oder gar keine Wirkung davon zu ſpuͤhren.
Bey der Wahl Joſephs des II. ward deswegen der
Kaiſer Franz in einem churfuͤrſtlichen Collegial-
ſchreiben von neuem erſucht, ”die Verfuͤgung zu
treffen, daß nicht nur alle Religionsbeſchwerden
nach
[172]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
nach dem Inhalte der Wahlcapitulation forder-
ſamſt erlediget werden moͤchten, ſondern auch zu
Befoͤrderung der Wohlfahrt und des innern Ru-
heſtandes des Reichs fuͤrs kuͤnftige hierin aufs
kraͤftigſte vorgebeuget werde.” Es ergiengen auch
gleich damals kaiſerliche Befehle an die Reichsge-
richte, die rechtshaͤngigen Religionsſachen zur recht-
lichen Entſcheidung zu befoͤrdern. Hauptſaͤchlich
aber erklaͤrte ſich hernach Joſeph derII. auf ein
Vorſtellungsſchreiben, ſo das evangeliſche Corpus
von neuem erlaßen hatte, in einem an die Princi-
palcommiſſion erlaßenen Reſcripte (1769. Jan 8.)
auf eine hoͤchſtpreiswuͤrdige Art, wie Seiner Ma-
jeſtaͤt Abſicht ſey, ”den ſich in Religionsſachen be-
ſchwerenden Partheyen, ſobald ſolche die Sachen
gehoͤrig anbringen und fortſetzen wuͤrden, mit Be-
ſeitigung aller weitlaͤuftigen Proceſſe, vorzuͤglich
vor allen anderen mit executiviſchem Verfahren
Rechtshuͤlfe angedeihen zu laßen.”


IV.

Durch dieſe Erklaͤrung aufgemuntert, faßte
das evangeliſche Corpus neuen Muth, um auch
ſeines Orts dazu befoͤrderlich zu ſeyn, den hoͤchſten
Reichsgerichten die Eroͤrterung der Religionsbe-
ſchwerden ſoviel moͤglich zu erleichtern, und ſelbſt
dafuͤr zu ſorgen, daß ſie auch nicht mit ungegruͤn-
deten Beſchwerden behelliget werden moͤchten. Es
beſchloß daher (1770. Apr. 11.) eine eigne De-
putation ſechs evangeliſcher Staͤnde
zu ernen-
nen (q) und denſelben einen Rechtsgelehrten als
Con-
[173]4) Religionsbeſchwerden 1764. u. f.
Conſulenten zuzuordnen, damit alle Religionsbe-
ſchwerden, worin eine Unterſtuͤtzung oder Fuͤrſpra-
che der evangeliſchen Reichsſtaͤnde geſucht wuͤrde,
erſt gepruͤfet werden koͤnnten. Hernach wollte man
ſuchen, die noͤthige Bevollmaͤchtigung von Seiten
der beſchwerten Partheyen, wie auch die erforder-
lichen Beweismittel, woran es ſonſt bey Reichs-
gerichten oft fehlte, in die gehoͤrige Ordnung brin-
gen zu helfen. Und dann ſollte eine jede Parthey
zu Anbringung oder Fortſetzung ihrer Beſchwer-
den bey einem der beiden hoͤchſten Reichsgerichte
angewieſen werden. Die zu dieſer Anſtalt erfor-
derlichen Koſten ließ man einsweilen auf den frey-
willigen Beytrag eines jeden Reichsſtandes an-
kommen (r). Bis im November 1784. ſind nun
bey dieſer Deputation zwanzig Sachen vorgekom-
men; davon haben aber nur ſechs bey Reichsge-
richten in Gang gebracht werden koͤnnen. (Man
muß
(q)
[174]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
muß wuͤnſchen und hoffen, daß mit toleranteren
Geſinnungen des aufgeklaͤrteren Theils der Catho-
liſchen nach dem erhabenen Beyſpiele Joſephs des
II. die Quellen der Religionsbeſchwerden ſelbſt ſich
nach und nach vermindern werden.)


V.
Veraͤnderungen in der catholiſchen Kirchenver-
faſſung; beſonders mit Aufhebung der
Jeſuiten.


I. Erneuerte Beſchwerden der Teutſchen catholiſchen
Kirche uͤber den Roͤmiſchen Hof, — II. inſonderheit auf
Veranlaßung eines Streits zwiſchen dem Biſchofe und Dom-
capitel, und dem Domdechanten zu Speier, — den die
paͤbſtliche Rota zum Nachtheile der erzbiſchoͤflichen Inſtanz
zu Mainz nach Rom ziehen wollte; — III. da jedoch, auf
ein churfuͤrſtliches Collegialſchreiben an den Kaiſer, der Pabſt
nachgab; — wiewohl der Inhalt dieſes Collegialſchreibens
noch nicht ganz erſchoͤpft iſt. — IV. Inzwiſchen erſchienen
daruͤber in Druck eine vollſtaͤndigere Ausgabe der Concor-
date, mit eingeruͤckter Acceptation der Baſeliſchen Conci-
lienſchluͤſſe, — und ein der paͤbſtlichen Gewalt ſehr nach-
theiliges Buch unter dem Namen Juſtinus Febronius. —
V. Auch entwarfen die drey geiſtlichen Churfuͤrſten von
neuem ihre Beſchwerden uͤber den Roͤmiſchen Hof; — wie-
wohl ohne noch die gehoffte Unterſtuͤtzung vom Kaiſer zu
erlangen. — VI. Die wichtigſte Veraͤnderung ereignete ſich
endlich mit Aufhebung der Jeſuiten; — VII. wovon ſich
ſchon mit mehr Aufklaͤrung und tolerauteren Geſinnungen
betraͤchtliche Folgen zu zeigen anfiengen; — VIII. zum
Theil ſchon unter Maria Thereſia, aber noch ungleich mehr
unter Joſeph dem II., in den Oeſterreichiſchen Erbſtaaten. —
IX. Doch blieben noch immer Exjeſuiten in Teutſchland wirk-
ſam gnug. — X. Und unter Ruſſiſchem Schutze fand der
Orden noch Mittel von neuem ſich fortzupflanzen.


I.

Fuͤr das catholiſche Teutſchland waren noch
von alten Zeiten her viele Beſchwerden inſon-
der-
[175]5) Cathol. Kirchenverfaſſung.
derheit gegen die Roͤmiſchen Curialiſten uͤbrig.
Ein beſonderer Vorfall gab Gelegenheit, daß ei-
nige derſelben aufs neue rege gemacht wurden.


Zwiſchen dem Biſchofe und dem DomcapitelII.
zu Speier waren vielerley Streitigkeiten, woruͤ-
ber im Jahre 1760. ein Vergleich im Werke war,
dem ſich aber der damalige Domdechant, Graf
von Limburg-Styrum (ſeit 1770. ſelbſt Biſchof
zu Speier) widerſetzte. Seitdem kam es ſelbſt
zwiſchen dem Domcapitel und dem Domdechanten
zu ſolchen Mißhelligkeiten, daß jenes den letztern
von ſeiner Stelle ſuspendirte. Als dagegen der
Domdechant vom erzbiſchoͤflichen Metropolitange-
richte zu Mainz einen Herſtellungsbefehl bewirkte,
brachte das Domcapitel durch eine Appellation an
die paͤbſtliche Rota zu Rom es dahin, daß nicht
nur eine paͤbſtliche Inhibition nach Mainz ergieng,
um jenen Herſtellungsbefehl nicht zu vollziehen,
ſondern daß auch die Hauptſache ſelbſt mit Vor-
beygehung der Mainzer Inſtanz gaͤnzlich nach Rom
gezogen, und daſelbſt in der ſo genannten ſigna-
tura iuſtitiae loco gratiae
eroͤrtert werden ſollte.


Hierdurch hielt ſich ſelbſt der Mainzer HofIII.
beſchweret, daß gegen die von der Teutſchen Na-
tion acceptirten Schluͤſſe der Baſeler Kirchenver-
ſammlung und die ſich darauf beziehenden Concor-
date zu Rom verfahren wuͤrde. Bey der Wahl
Joſephs des II. wurde daruͤber ein churfuͤrſtli-
ches Collegialſchreiben
an den Kaiſer erlaßen,
worin die Churfuͤrſten aͤußerten: ”wie hohe Noth
es ſey, die noch immer mehr ſich ausbreitenden
Eingriffe gegen die Freyheit der Teutſchen Kirche
abzu-
[176]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
abzuſchaffen, und fernerhin nicht mehr zu dulden;
wie man zwar in die perſoͤnliche paͤbſtliche Geſin-
nung keinen Zweifel ſetze, aber deſto mehr uͤber
den Roͤmiſchen Hof und die dortigen Tribunalien
zu klagen habe; wie es inſonderheit darauf an-
komme die ungebuͤhrlich nach Rom gezogenen Ap-
pellationen und Evocationen, und die daſelbſt ein-
gefuͤhrten ungewoͤhnlichen Gerichtsſtellen nicht zu
geſtatten, ſondern in ſolcher Abſicht die ſchon auf
dem Reichstage zu Augsburg 1530. verſprochene
Unterhandlung mit dem paͤbſtlichen Stuhle zu be-
werkſtelligen, und das noch vom Jahre 1719.
her ruͤckſtaͤndige Reichsgutachten zu erwirken ꝛc.” (s).
Dieſes Collegialſchreiben war von der Wirkung,
daß
[177]5) Cathol. Kirchenverfaſſung.
daß ſelbſt in der Speiriſchen Sache der paͤbſtliche
Hof gleich nachgab, indem er die voͤllige Herſtel-
lung
(s)
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. MAb-
[178]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
lung des Domdechanten verfuͤgte, und die Eroͤr-
terung der Sache ſelbſt nach Mainz zuruͤckver-
wies (t). Das alles zeigte ſich aber bald nur als
ein Vorſpiel weit groͤßerer Dinge, die dem Roͤ-
miſchen Hofe von Teutſchland aus bevorzuſtehen
ſchienen.


IV.

Schon ſeit einiger Zeit konnte man es in der
Litteratur des catholiſchen Teutſchlandes wahr-
nehmen, daß man uͤber den Werth der Iſidori-
ſchen Decretalen (u), und eben deswegen auch
uͤber das Verhaͤltniß der Teutſchen Biſchoͤfe und
Erzbiſchoͤfe zum Roͤmiſchen Stuhle, uͤber die Im-
munitaͤt der Geiſtlichen, und uͤber das Moͤnchs-
weſen nicht mehr ſo dachte, oder doch nicht mehr
ſo zuruͤckhaltend war, wie in vorigen Zeiten.
Selbſt die Rechtsſache des Speiriſchen Domde-
chanten mochte wohl einigen Antheil daran haben,
daß im Jahre 1763. ein neuer Abdruck von den
Concordaten zwiſchen dem paͤbſtlichen Stuhle und
der Teutſchen Nation in ihrer Vollſtaͤndigkeit er-
ſchien, wo zum erſtenmal die wichtige Urkunde
von der von Albrecht dem II. im Jahre 1439. ge-
ſchehenen Acceptation der Baſeliſchen Concilien-
ſchluͤſſe
(s)
[179]5) Cathol. Kirchenverfaſſung.
ſchluͤſſe zum Vorſchein kam, und zugleich ins Licht
geſetzt wurde, daß nicht bloß dasjenige, was im
Jahre 1448. zu Aſchaffenburg vorgegangen, ſon-
dern ſchon verſchiedene paͤbſtliche Bullen vom Jah-
re 1447. die vollſtaͤndigen Concordate ausmach-
ten; woraus ſich weit ein mehreres, als bloß aus
den Aſchaffenburger Concordaten, zum Vortheile
des catholiſchen Teutſchlandes gegen den Roͤmi-
ſchen Hof behaupten ließ (v). In eben dem Jah-
re 1763. erſchien aber noch uͤberdies uͤber den ei-
gentlichen Zuſtand der Kirche und uͤber die recht-
maͤßige Gewalt des Roͤmiſchen Pabſtes unter dem
angenommenen Namen Juſtinus Febronius, vom
Weihbiſchof Johann Nicolaus von Hontheim zu
Trier, ein Buch (w), das in ganz Europa Auf-
ſehen machte, und dem paͤbſtlichen Stuhle aͤußerſt
unangenehm ſeyn mußte, weil es den Primat des
Roͤmiſchen Biſchofs mit vieler gruͤndlichen Gelehr-
ſamkeit in ſehr enge Graͤnzen zuruͤckſetze (x).


Das
M 2run-
[180]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
V.

Das alles ſchien endlich noch weit wirkſamer
zu werden, da im Jahre 1769, von den drey
geiſtlichen Churfuͤrſten
drey Bevollmaͤchtigte,
worunter ſelbſt der Herr von Hontheim war, zu
Coblenz
zuſammenkamen, und 31. Artikel ent-
warfen (y), die dem kaiſerlichen Hofe uͤbergeben
wurden, um darnach die Herſtellung der Freyheit
der Teutſchen catholiſchen Kirche und die Abſtel-
lung der bisherigen Anmaßungen des Roͤmiſchen
Hofes nach aͤchten Grundſaͤtzen zu bewirken. Dies-
mal wurde aber das Ungewitter, das hiermit
uͤber dem Roͤmiſchen Stuhl zu ſchweben ſchien, noch
dadurch abgewandt, daß zu Wien die Erklaͤrung
erfolgte: ”Kaiſerliche Majeſtaͤt koͤnnten ſich zur
Zeit in dieſe Beſchwerden nicht mengen; Sie er-
theilten den Herren Erzbiſchoͤfen demnach den Rath,
daß ſich ein jeder mit den ihn betreffenden Be-
ſchwerden fuͤr ſich unmittelbar an den Pabſt wen-
den moͤchte” (z). Doch wenige Jahre nachher
ereignete ſich noch eine Begebenheit, welche von
neuem den Weg zu großen Veraͤnderungen in der
catholiſchen Kirche bahnte.


VI.

Schon ſeit mehreren Jahren hatten ſich in ver-
ſchiedenen catholiſchen Reichen uͤber die Jeſuiten
einige truͤbe Wolken zuſammengezogen. Aber daß
der ganze Orden ſeinem Ende ſo nahe ſeyn ſollte,
als
(x)
[181]5) Cathol. Kirchenverfaſſung.
als auf einmal (1773. Jul. 21.) deſſen Aufhe-
bungsbulle
von Clemens dem XIV. erſchien, das
hatte nach mehrmaligen Beyſpielen aͤhnlicher Un-
faͤlle, die den Orden in einzelnen Reichen betrof-
fen hatten, und nach der Art, wie er ſich ſelbſt
dem paͤbſtlichen Stuhle und der ganzen Roͤmiſchen
Hierarchie als deren groͤßte Stuͤtze unentbehrlich
gemacht hatte, kaum jemand erwarten koͤnnen.
Doch der Fall geſchah. Die Bulle erſchien nicht
nur. Sie wurde faſt in allen catholiſchen Staa-
ten puͤnctlich vollzogen. Ihre Guͤter nahm an
den meiſten Orten der landesherrliche Fiſcus zu
ſich, oder man widmete ihre Einkuͤnfte wieder zu
anderen milden Stiftungen oder Kirchen- und
Schuldienſten.


Im Schulweſen ihre Stellen zu erſetzen fandVII.
zwar nicht geringe Schwierigkeit. Inzwiſchen
fanden ſich doch hin und wieder theils andere Or-
densgeiſtliche, theils Weltgeiſtliche, die den Ab-
gang zu erſetzen ſuchten. Man errichtete ſelbſt
Schulſeminarien, um fuͤr die Zukunft wenigſtens
weniger Mangel an tuͤchtigen Schulmaͤnnern zu
haben. Schon erſchienen hier und da merklich
verbeſſerte Schulordnungen. Mit Freuden ſah
man die Hoffnung in kurzem mehr Aufklaͤrung
allgemeiner ausgebreitet zu ſehen. Uebertriebene
Begriffe von der paͤbſtlichen Gewalt, aberglaͤubi-
ſche Achtung des Moͤnchsweſens, viele Gattun-
gen von Andaͤchteleyen, Vorurtheile wider an-
dere Glaubensgenoſſen, Unduldſamkeit und Ver-
folgungsgeiſt fiengen ſchon merklich an zu ſinken (a).


Selbſt
M 3fuͤnf
[182]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
VIII.

Selbſt Maria Thereſia genehmigte ſchon man-
che Schritte, an die nur wenige Jahre fruͤher
kaum zu denken geweſen waͤre. Und doch waren
das nur ſchwache Vorboten von dem, was her-
nach ihr großer Thronerbe mit Rieſenſchritten un-
ternahm, ohne ſelbſt durch einen perſoͤnlichen Be-
ſuch von Pius dem VI. (im Apr. 1782.) ſich irre
machen zu laßen.


IX.

Inzwiſchen blieben an manchen Orten die nun-
mehrigen Erjeſuiten nur in veraͤnderter Kleidung
und unter anderen Namen als Weltgeiſtliche voͤl-
lig in ihrer bisherigen Einrichtung. Andere blie-
ben doch wenigſtens einzeln im Beſitz der Beicht-
ſtuͤhle vieler großen Herren, und der Canzeln in
den beſuchteſten Kirchen. Andere wurden Pro-
feſſoren, Schullehrer, Hofmeiſter, Reiſegeſell-
ſchafter, Schriftſteller, Journaliſten, oder was
ſie auch ſonſt fuͤr Mittel und Wege fanden, nach
wie vor in einer gewiſſen Thaͤtigkeit und nicht oh-
ne Einfluß in Geſchaͤffte großer Hoͤfe zu blei-
ben (b).


Bey

(a)


[183]5) Cathol. Kirchenverfaſſung.

Bey allem dem verminderte zwar die Sterb-X.
lichkeit alle Jahre die Zahl der Exjeſuiten, deren
voͤlliges Ende dann doch endlich abzuſehen ſeyn
wuͤrde. Allein — ſeit 1779. zeigt ſich doch noch
eine Art von Unſterblichkeit der Geſellſchaft, da
Catharina in dem ihr zugefallenen Theile von Po-
len nicht nur ihrer Trennung ſich widerſetzt, ſon-
dern endlich ſelbſt veranſtaltet hat, daß hier auch
mit Novizen, und unter der Befehlshabung eines
mit der vollkommenen Macht eines Generals von
neuem erwehlten Generalvicarien, der Orden fuͤr
die Zukunft fortgefuͤhrt werden kann (c).


(b)


M 4theilt,
[184]XIII. Joſeph II. 1764-1786.

(c)


VI.
[185]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.

VI.
Abgang des Hauſes Baiern und daruͤber ent-
ſtandener Krieg bis zum Teſchner Frieden
1777-1779.


I. Nach Abgang des Hauſes Baiern behauptete Chur-
pfalz die Erbfolge in deſſen Staaten. — II. III. Allein
Oeſterreich machte jetzt Anſpruch auf Niederbaiern, — IV.
und auf Lehnſtuͤcke, die dem Reiche und der Krone Boͤh-
men eroͤffnet ſeyen. — V. Der Churfuͤrſt von der Pfalz
bequemte ſich dieſe Anſpruͤche anzuerkennen. — VI. Aber
der Herzog von Zweybruͤcken widerſprach, und wurde, nebſt
anderen Anſpruͤchen des Cyurhauſes Sachſen und des Her-
zogs von Mecklenburg, vom Koͤnige in Preuſſen unter-
ſtuͤtzt. — VII-IX. Als es daruͤber zum Kriege kam, gab
eine Erklaͤrung des Ruſſiſchen Hofes den groͤßten Nach-
druck; — X. ſo daß es unter Ruſſiſcher und Franzoͤſiſcher
Vermittelung zu Teſchen bald zum Frieden kam; — ver-
moͤge deſſen bekam Oeſterreich nur den Strich Landes zwi-
ſchen der Donau, dem Inn und der Salze. — XI. Chur-
ſachſen bekam fuͤr die Mobiliarverlaßenſchaft ſechs Millio-
nen Gulden. — XII. Dem Hauſe Mecklenburg wurde zu
einer unbeſchraͤnkten Befreyung von allen Appellationen Hoff-
nung gemacht. — XIII. Ein gelegentlich erhobener Auſtand
wegen kuͤnftiger Wiedervereinigung der Brandenburgiſchen
Fuͤrſtenthuͤmer in Franken mit der Chur Brandenburg wur-
de gaͤnzlich gehoben. — XIV. Ueber alles das enthielt der
Teſchner Friede nicht nur die Garantie von Frankreich und
Rußland; — ſondern es erfolgte auch die ausbedungene
Einwilligung des Teutſchen Reichs; — nur mit Vorbe-
halt eines jeden Dritten erweislicher Rechte — XV. wie
namentlich theils ſchon zu Teſchen, theils zu Regensburg
verſchiedene Reichsſtaͤnde ſich mit ihren Anſpruͤchen gemel-
det hatten, — wovon z. B. die von Salzburg und we-
gen Donawerth noch durch beſondere Vergleiche gehoben
ſind. — XVI. Wegen der erledigten Reichslehne erfolgte
auch die erforderliche Einwilligung der beiden hoͤheren Reichs-
collegien; — und uͤber alles das die kaiſerliche Genehmi-
gung. — XVII. Der ganze Friede war nicht nur Franzoͤ-
ſiſch abgefaſſet, ſondern auch in dieſer Sprache ohne beyge-
fuͤgte Ueberſetzung dem Reichstage vorgelegt worden.


M 5Von
[186]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
I.

Von politiſchen Begebenheiten, die unter Jo-
ſeph dem II. vorfielen, war fuͤr das Teut-
ſche Reich bisher keine wichtiger, als der Todes-
fall des Churfuͤrſten Max Joſephs von Baiern
(† 1777. Dec. 30.), mit dem der Mannsſtamm
ſeines Hauſes voͤllig ausgieng. Auf dieſen Fall
hatte von jeher das Haus Pfalz ein ſtammsvetter-
liches Erbfolgsrecht behauptet, weil es an Herzog
Ludewig dem Strengen († 1294.) mit dem Hauſe
Baiern einen gemeinſamen Stammvater hatte.
Das war auch nicht nur in dem Hausvertrage von
Pavia vom Jahre 1329. gegruͤndet, ſondern noch
durch ganz neue gegenſeitige Vertraͤge in den Jah-
ren 1766. 1771. 1774. von neuem bekraͤftiget
worden. Selbſt dazu, daß unmittelbar nach dem
Tode des Churfuͤrſten von Baiern im Namen des
Churfuͤrſten von der Pfalz Beſitz ergriffen werden
koͤnnte, war ſchon die noͤthige Ausfertigung zum
voraus beſorgt, die auch gleich nach dem Todes-
fall am 30. December 1777. zu Muͤnchen voll-
zogen wurde.


II.

Jedoch zu der Zeit, als Ludewig von Baiern
im Jahre 1329. mit ſeines Bruders Soͤhnen,
den Pfalzgrafen am Rheine, den Vertrag zu Pa-
via geſchloſſen hatte, war Ludewig nur noch im
Beſitz von Oberbaiern geweſen. Eine Seitenli-
nie, die von ſeines Vaters, Ludewigs des Stren-
gen, Bruder abſtammte, beſaß damals noch Nie-
derbaiern
, das erſt 1340. nach Abgang dieſer
Linie mit Oberbaiern vereiniget wurde, und alſo
freylich unter jenem Vertrage von Pavia nicht mit
begriffen war. Seitdem war nun unter Ludewigs
von Baiern Soͤhnen im Jahre 1353. eine neue
Thei-
[187]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.
Theilung vorgegangen, vermoͤge deren Nieder-
baiern wieder von Oberbaiern getrennt ward, und
von Ludewigs Soͤhnen Albrecht der IV. abermals
eine neue Niederbairiſche Linie zu Straubingen
ſtiftete. Von dieſer Theilung behauptete man
jetzt (1778.) zu Wien, es ſey eine Todtheilung
geweſen. Als daher dieſer Straubingiſche Manns-
ſtamm ſchon im Jahre 1425. mit Albrechts Soh-
ne Johannes ein Ende genommen habe; haͤtten
die Bairiſchen Stammsvettern zu dieſer Erbfolge
eigentlich kein Recht gehabt; ſondern eines Theils
habe des letzten Herzogs Johannes Schweſter
Sohn, Albrecht von Oeſterreich, gegruͤndeten An-
ſpruch auf Niederbaiern machen koͤnnen; anderen
Theils habe der Kaiſer Sigismund vermoͤge des
kaiſerlichen Oberlehneigenthums dieſes abgetheilte
Stuͤck von Baiern nunmehr als heimgefallen an-
ſehen koͤnnen. Und in dieſer Eigenſchaft habe er
in der Perſon ſeines Tochtermanns, welches eben
vorgedachter Albrecht von Oeſterreich war, das
Haus Oeſterreich damit belehnt. Deſſen ungeach-
tet ſey nun zwar die Oberbairiſche Linie damals
zum Beſitz von Niederbaiern gelanget. Allein
nach nunmehriger Erloͤſchung dieſer Linie trete jetzt
das Recht des Hauſes Oeſterreich auf Niederbaiern
wieder ein; ohne daß das Haus Pfalz ein Recht
darauf behaupten koͤnne.


Daß aber jene Theilung (1353.) eine Todthei-III.
lung geweſen ſey, wurde von der andern Seite
widerſprochen, ließ ſich auch mit Grunde wohl
nicht behaupten. Ein kaiſerliches Urtheil vom
Jahre 1429. hatte ſelbſt zum Vortheile der Bai-
riſchen Stammsvettern den Ausſpruch gethan.
Al-
[188]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
Albrecht von Oeſterreich hatte hingegen ſeinen An-
ſpruͤchen feierlich entſaget, und von demſelben
ſtammte ohnedem das jetzige Haus Oeſterreich
nicht ab.


IV.

Inzwiſchen kam noch hinzu, daß man zu Wien
diejenigen Stuͤcke Landes in Baiern und in der
Oberpfalz, welche das Haus Baiern theils vom
Reiche, theils von der Krone Boͤhmen zu Lehn
empfangen hatte, jetzt als eroͤffnete Lehne anſah,
zu deren Beſitznehmung alſo theils Joſeph als Kai-
ſer, theils Maria Thereſia als Koͤniginn in Boͤh-
men ſich berechtiget hielt.


V.

Alle dieſe Anſpruͤche wurden in einer Conven-
tion
, die der Churpfaͤlziſche Geſandte von Ritter
zu Wien am 3. Jan. 1778. zeichnete, fuͤr richtig
angenommen. Wie jedoch anfangs damit in Wi-
derſpruch zu ſtehen ſchien, daß dennoch zu Muͤn-
chen im Namen des Churfuͤrſten von der Pfalz
ſchon Beſitz von ganz Baiern ergriffen war; ſo
wurden ſchon Oeſterreichiſche Kriegsvoͤlker bereit
gehalten, in Baiern einzuruͤcken. Der Churfuͤrſt
trug aber kein Bedenken, jene Convention zu ge-
nehmigen, und ließ alſo jene Beſitznehmung theils
im Namen des Kaiſers, theils im Namen der
Krone Boͤhmen und des Hauſes Oeſterreich ruhig
geſchehen.


VI.

Dahingegen widerſprach der Herzog von Zwey-
bruͤcken
als naͤchſter Pfaͤlziſcher Stammsvetter,
ohne deſſen Einwilligung kein rechtsbeſtaͤndiger
Vertrag in dieſer Angelegenheit ſtatt finden konn-
te. Dann meldete ſich das Churhaus Sachſen
mit
[189]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.
mit großen Forderungen von wegen der Mobiliar-
und Allodialverlaßenſchaft, welche des letzten Chur-
fuͤrſten Schweſter, die damals verwittwete Chur-
fuͤrſtinn von Sachſen, fuͤr ſich behauptete, aber
ihrem Sohne, dem Churfuͤrſten von Sachſen,
uͤbertragen hatte; die man zu Dresden auf 47.
Millionen Gulden rechnete. Auch hoffte jetzt der
Herzog von Mecklenburg eine ſeinem Hauſe be-
reits 1502. ertheilte, und 1647. unerfuͤllt geblie-
bene Anwartſchaft auf die Landgrafſchaft Leuchten-
berg geltend zu machen. Dieſe drey Hoͤfe er-
ſuchten den Koͤnig in Preuſſen, ſich zu ihrem
Vortheile zu verwenden; wozu ſich derſelbe um
ſo mehr bereit finden ließ, je weniger er das Be-
tragen des kaiſerlichen Hofes in dieſer Sache der
Reichsverfaſſung gemaͤß hielt. Er glaubte nicht,
daß ſolche Schritte, wie ſchon geſchehen waren,
ohne vorgaͤngig erſt mit der Reichsverſammlung
oder doch wenigſtens mit den Churfuͤrſten daruͤber
Rath zu pflegen, reichsgeſetzmaͤßig haͤtten geſche-
hen koͤnnen. Er hielt ſich alſo ſelbſt als Churfuͤrſt
und als mitſchließender Theil des Weſtphaͤliſchen
Friedens berechtiget, die bisherige Reichsverfaſ-
ſung bey dieſer Gelegenheit aufrecht zu erhalten.


Nach einer lebhaften, aber am Ende frucht-VII.
loſen Negotiation zwiſchen den Hoͤfen zu Wien und
Berlin kam es im Jul. 1778. wuͤrklich zum Krie-
ge
, der zum Gluͤck fuͤr Teutſchland doch nur bey
dieſem Feldzuge beſtehen blieb, ohne daß es auch
nur zu einem entſcheidenden Gefechte kam. Den
groͤßten Nachdruck gab diesmal der Kuſſiſche Hof
im Dec. 1778. mit der merkwuͤrdigen Erklaͤrung:
”Da es auf den Ausſchlag der Waffen geſetzt wer-
de,
[190]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
de, koͤnne die Kaiſerinn von Rußland die Sache
nicht mehr als eine bloße Mißhelligkeit betrachten,
von welcher ſie Hoffnung gehabt habe, ſelbige
auf eine freundſchaftliche Art geendiget zu ſehen.
Teutſchland ſey ſowohl wegen ſeiner Lage, als auch
wegen ſeiner Macht, der Mittelpunct aller Staats-
geſchaͤffte und aller Angelegenheiten von Europa.
Es muͤße alſo alle uͤbrige Staaten im hoͤchſten
Grade intereſſiren, ob ſeine Regierungsform un-
verletzt erhalten werde, oder Veraͤnderungen lei-
de, ob es den Frieden genieße, oder durch Kriege
zerriſſen werde. Beſonders muͤße hieran denen
Staaten gelegen ſeyn, die, wie das Ruſſiſche
Reich, auſſer dem Intereſſe und den Verbindun-
gen, die ein Staat natuͤrlicher Weiſe mit dem an-
dern habe, und auſſer den Freundſchaftsverbindun-
gen mit dem groͤßten Theile der Reichsfuͤrſten,
auch noch die genaue Allianz mit derjenigen Macht
in Betrachtung ziehen muͤßen, welche nm dem
thaͤtlichen Verfahren des kaiſerlich koͤniglichen Ho-
fes Widerſtand zu thun, zu den Waffen gegriffen
habe. Es ſtehe alſo nicht bey der Kaiſerinn, in
den anfaͤnglichen und bisherigen Schranken der
aͤuſſerſten Schonung und Gleichguͤltigkeit in An-
ſehung der Unterſuchung der Anſpruͤche auf die
Bairiſche Erbfolge zu verbleiben; ſondern ſie ſehe
ſich nun zum Gegentheile verpflichtet.”


VIII.

”Ohne ſich auf das Teutſche Staatsrecht ein-
zulaßen, nehme die Kaiſerinn bloß die natuͤrliche
Billigkeit, und diejenigen Grundſaͤtze, auf wel-
chen jede Geſellſchaft beruhe, zur Regel; und ſel-
biger zufolge finde ſie, daß alles bey der wichtigen
Frage, die das ganze Reich in Bewegung ſetze,
dar-
[191]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.
darauf hinaus laufe, daß man von Seiten des
Wiener Hofes alte Anſpruͤche, die mehrere Jahr-
hunderte aus der Acht gelaßen, und in dem Weſt-
phaͤliſchen Frieden vergeſſen worden, gegenwaͤr-
tig, eben dieſem Frieden, der den Grund und
die Schutzwehr der Teutſchen Reichsverfaſſung
ausmache, zuwider, geltend machen wolle; fer-
ner, daß die Art, wie man dieſe Anſpruͤche aus-
gefuͤhret, dieſem feierlichen und heiligen Frieden
noch mehr entgegen ſey; endlich, daß durch den
Krieg, der jene erſte Schritte des Wiener Hofes
unterſtuͤtzen ſolle, die ganze Reichsverfaſſung in
augenſcheinliche Gefahr geſetzet werde, und daß
aus deſſen Umſturz eine gewaltſame Erſchuͤtterung
fuͤr alle an Teutſchland graͤnzende Staaten, eine
Verruͤckung der Ordnung und des Gleichgewichts
fuͤr ganz Europa, und daher eine moͤgliche Ge-
fahr fuͤr das Ruſſiſche Reich, waͤre ſolches auch
erſt in den entfernteſten Zeiten, entſtehen wuͤrde;
welche ein weiſer und guter Regent vorausſehen
muͤßte, und in welchem Stuͤcke der Ruſſiſche Hof
keine andere Grundſaͤtze und Maximen annehmen
koͤnne, als die der kaiſerlich koͤnigliche Hof in glei-
chen Faͤllen ſelbſt befolgen wuͤrde.”


”Die Ruſſiſche Kaiſerinn erſuche alſo die Kai-IX.
ſerinn Koͤniginn und den Kaiſer, allen Grund-
ſaͤtzen von Billigkeit und Geſinnungen von Menſch-
lichkeit, die ihnen ſo natuͤrlich ſeyen, gemaͤß, den
gegenwaͤrtigen Unruhen des Teutſchen Reichs ein
Ende zu machen, und ſich mit dem Koͤnige in
Preuſſen, und den uͤbrigen intereſſirten Theilen,
wegen der Bairiſchen Erbfolge, den Geſetzen des
Reichs und deſſen Verfaſſung gemaͤß, auf eine
geſetz-
[192]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
geſetzmaͤßige und freundſchaftliche Art zu verglei-
chen. Widrigenfalls aber koſte es ſie, die Kaiſe-
rinn in Rußland, unendlich viel zu erklaͤren, daß
ſie den in Teutſchland ausgebrochenen Krieg ſo-
wohl wegen ſeines Gegenſtandes, als wegen der
damit verknuͤpften Umſtaͤnde, und wegen ſeiner
Folgen, nicht mit Gleichguͤltigkeit wuͤrde anſehen
koͤnnen, ſondern daß ſie in gehoͤrige und ernſthaf-
te Betrachtung wuͤrde ziehen muͤßen, was ſie dem
Intereſſe ihres Reichs, dem Intereſſe der Prin-
zen, die ihre Freunde ſeyen, und ihre Unterſtuͤt-
zung nachgeſuchet haben, vor allem aber ihren
Verpflichtungen gegen ihre Alliirte, ſchuldig ſey.”


X.

Dieſe Ruſſiſche Erklaͤrung war inzwiſchen
noch nicht zu Wien angebracht, als der Wiener
Hof durch ſeinen Geſandten zu Petersburg dar-
auf antragen ließ, daß der Ruſſiſche Hof nebſt
dem Franzoͤſiſchen die Vermittelung uͤbernehmen
moͤchte. Beide Hoͤfe ließen ſich ſowohl als der
Berliner Hof darin willfaͤhrig finden. So kam
es alſo nach einem kurzen Congreſſe zu Teſchen
erſt zum Waffenſtillſtande, und am 13. May
1779. zum voͤlligen Frieden. Deſſen Hauptbe-
dingung war, daß Oeſterreich doch ein Stuͤck von
Baiern davon trug, nehmlich den Strich Landes,
der zwiſchen der Donau, dem Inn und der Salza
liegt. Alles uͤbrige ſollte kuͤnftig, wie bisher, bey
Baiern bleiben. Zu dem Ende machte ſich die
Kaiſerinn anheiſchig, nicht nur von wegen der
Krone Boͤhmen dem Pfaͤlziſchen Hauſe die Boͤh-
miſchen Lehne von neuem zu verleihen, ſondern
auch in gleicher Abſicht der Reichslehne halber ſich
beym Kaiſer zu verwenden. In ſo weit ward
alſo
[193]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.
alſo die Convention vom 3. Jan. 1778. aufgeho-
ben. Hingegen wurden zwiſchen Churpfalz und
Pfalzzweybruͤcken die Familienvertraͤge von 1766.
1771. 1774. von neuem bekraͤftiget, und dem
ganzen Hauſe Pfalz, namentlich auch mit Inbe-
griff der Birkenfeldiſchen Linie (d), von den Frie-
den ſchließenden und vermittelnden Maͤchten ga-
rantirt, in ſo weit ſelbige dem Weſtphaͤliſchen
Frieden nicht zuwider ſeyen, und durch gegenwaͤr-
tigen Frieden nicht abgeaͤndert worden.


Zur Befriedigung der Churſaͤchſiſchen Allo-XI.
dialanſpruͤche
verſprach Churpfalz dem Dresdner
Hofe in 24. halbjaͤhrigen Friſten ſechs Millionen
Gulden im 24. Guldenfuße zu bezahlen. Auch
wurden die Rechte, welche die Krone Boͤhmen
bisher an den graͤflich Schoͤnburgiſchen im Chur-
ſaͤchſiſchen Gebiete gelegenen Herrſchaften Glau-
cha, Waldenburg und Lichtenſtein ausgeuͤbt, von
der
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. N
[194]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
der Krone Boͤhmen an Churpfalz und von dieſem
an Churſachſen abgetreten.


XII.

Fuͤr das herzogliche Haus Mecklenburg ver-
ſprach die Kaiſerinn gemeinſchaftlich mit dem Koͤ-
nige in Preuſſen ihre gute Dienſte anzuwenden,
damit der Kaiſer demſelben eine unbeſchraͤnkte Be-
freyung von Appellationen
ertheilen moͤchte.
(Dagegen ward zwar hernach am Reichshofrathe
ſowohl im Namen der geſammten Mecklenburgi-
ſchen Landſchaft als inſonderheit von Seiten der
Stadt Roſtock ein weit getriebener Widerſpruch
eingelegt, weil ſie behaupten wollten, daß es mit
ihren vertragsmaͤßig erworbenen Rechten nicht be-
ſtehen koͤnnte, wenn kuͤnftig von Mecklenburgi-
ſchen Gerichten in der hoͤchſten Inſtanz nicht wei-
ter an die hoͤchſten Reichsgerichte ſollte appellirt
werden koͤnnen. Der Reichshofrath hat aber mit
Genehmigung des Kaiſers durch ein Concluſum
vom 11. Apr. 1781. dieſe Einwendungen verwor-
fen. Kaiſerliche Majeſtaͤt haben alſo das von den
Herzogen von Mecklenburg nachgeſuchte Privile-
gium de non appellando demſelben zu verleihen
beſchloſſen. Doch iſt vor deſſen Ausfertigung
noch erſt eine vorgaͤngige Vereinbarung mit der
Landſchaft wegen Beſetzung des zu errichtenden
Oberappellationsgerichts und wegen landesgrund-
geſetzmaͤßiger Abfaſſung einer Oberappellationsge-
richtsordnung vorbehalten worden. Und dann
ſoll in Zukunft doch noch in folgenden Faͤllen der
Weg an die Reichsgerichte offen bleiben, als
1) in fiſcaliſchen und ſolchen Sachen, wo ein be-
ſonderes Intereſſe der Herzoge mit eintritt, wie
auch inſonderheit wenn die Herzoge einen oder
meh-
[195]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.
mehrere von den Buͤrgern und Einwohnern zu
Roſtock vor dem daſigen Rathe belangen, und
von deſſen Urtheilen zu appelliren iſt; ſodann
2) in Nullitaͤtsklagen oder Faͤllen, da das zu er-
richtende Oberappellationsgericht jemanden das
Recht verſagen oder mit Gefaͤhrde verzoͤgern wuͤr-
de; und endlich 3) wenn die Herzoge entweder
ſelbſt oder durch die Ihrigen dem Erbvergleiche
vom Jahre 1755. oder anderen Erbvertraͤgen zu-
wider handeln, oder die auf Landtagen vorkom-
menden Beſchwerden und aus gedachtem Erbver-
gleiche entſtehenden Zweifel und Mißverſtaͤnde
nicht nach deſſen Vorſchrift erledigen und abthun,
oder auf andere Weiſe jemand auſſergerichtlich be-
ſchweren oder zu klagen Anlaß geben wuͤrden.
Auch mit dieſem Erkenntniſſe noch unzufrieden,
hat ſowohl die Landſchaft als die Stadt Roſtock
noch zu weiteren Rechtsmitteln ihre Zuflucht ge-
nommen. Es iſt aber am Ende mit deren Ver-
werfung doch dabey geblieben (e). Nur die Aus-
fertigung iſt noch nicht erfolget, weil obgedachte
Vereinbarung wegen Beſtellung des Gerichts und
Abfaſſung der Oberappellationsgerichtsordnung
noch nicht zu Stande gekommen iſt.)


Die
N 2
[196]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
XIII.

Die ganze Friedenshandlung zu Teſchen hatte
dadurch eine große Erleichterung gewonnen, daß
der Koͤnig in Preuſſen weder zu Verguͤtung ſeiner
Kriegskoſten noch ſonſt einige Vortheile fuͤr ſich
begehrte. Bey den Unterhandlungen war es aber
einmal vorgekommen, daß der Wiener Hof alles,
was er in Baiern in Beſitz genommen hatte, zu-
ruͤckgeben wollte, wenn der Koͤnig in Preuſſen
ſich anheiſchig machen wuͤrde, daß kuͤnftig auch
Anſpach und Baireuth nicht wieder mit dem
regierenden Churhauſe vereiniget, ſondern, wie
bisher, immer wieder einem oder zwey juͤngeren
Prinzen vom Hauſe uͤberlaßen werden ſollte. Zu
Wien ſchien man das ſelbſt fuͤr eine in den Bran-
denburgiſchen Hausvertraͤgen gegruͤndete Noth-
wendigkeit zu halten. Der Koͤnig hielt es hinge-
gen fuͤr eine widerrechtliche Zumuthung, weil auch
aͤltere Hausvertraͤge unter ſolchen Umſtaͤnden, wie
ſie hier eintraͤten, wieder abgeaͤndert werden koͤnn-
ten. Er beſtand deswegen darauf, daß die Kai-
ſerinn Koͤniginn fuͤr ſich und ihre Nachkommen
ſich verbindlich machen mußte, ſich nicht dagegen
widerſetzen zu wollen, wenn der Berliner Hof es
gut faͤnde, die beiden Fraͤnkiſchen Fuͤrſtenthuͤmer
nach Abgang des bisherigen marggraͤflichen Hau-
ſes wieder mit der churfuͤrſtlichen Primogenitur zu
vereinigen.


XIV.

Uebrigens ward der Friede nebſt allen dazu
gehoͤrigen Conventionen nicht nur durch Ruſſiſche
und Franzoͤſiſche Garantie befeſtiget, ſondern auch
Kaiſer und Keich erſucht ihre Einwilligung dazu
zu geben. Hiebey zeigte ſich nur deswegen eini-
ge Schwierigkeit, weil verſchiedene Reichsſtaͤnde
theils
[197]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.
theils ſchon zu Teſchen, theils ſeitdem noch zu Re-
gensburg mit Anſpruͤchen, die ſich auf den Ab-
gang des Hauſes Baiern bezogen, ſich gemeldet
hatten, ohne daß derſelben im Frieden Erweh-
nung geſchehen war. In einem Reichsgutachten
vom 28. Febr. 1780. ward endlich des Reichs
Beytritt und Einwilligung zum Frieden und zu
den dazu gehoͤrigen dem Reiche mit vorgelegten
Acten und Conventionen erklaͤret; jedoch unter der
bedinglichen Vorausſetzung, daß dieſer Teſchner
Friedensſchluß, wie es ſich von ſelbſten verſtehe,
den Rechten des Reichs, dem Weſtphaͤliſchen Frie-
den und uͤbrigen Reichsgrundgeſetzen, oder je-
mand andern an ſeinem erweislichen und gehoͤri-
ger Orten gebuͤhrend auszutragenden Rechte fuͤr
jetzt und kuͤnftig in keinem Falle zum Nachtheile
gereichen ſolle.


Unter andern hatte ſich das Erzſtift Salz-XV.
burg mit verſchiedenen Forderungen gemeldet,
die es auf elf Millionen anſchlug; die jedoch noch
im Jahre 1780. auf 430. tauſend Reichsthaler
verglichen ſind. Wegen der Stadt Donawerth
meldete ſich der Schwaͤbiſche Kreis, der aber eben-
falls in einem nachherigen Vergleiche (1782. Jun.
18.) ſeinen Anſpruͤchen entſaget hat (f). Ande-
re Anſpruͤche von der Art, die meines Wiſſens
nicht verglichen ſind, waren vom Hauſe Wuͤrten-
berg
N 3
[198]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
berg wegen eines Antheils, den es nach Grund-
ſaͤtzen des Regredienterbſchaftsrechts an der Mo-
biliarverlaßenſchaft des erloſchenen Hauſes Baiern
zu haben begehrte; hernach vom Hochſtifte Augs-
burg
auf die Herrſchaften Mindelheim, Schwa-
bel, Hohenſchwangau, den Lechrein, und die
Stadt Schongau; von der Abtey Kempten we-
gen einer Entſchaͤdigung von 690727. Gulden
vom Jahre 1709. her; von einem Grafen von
Rechtern wegen einer Anwartſchaft auf die graͤf-
lich Wolfſteiniſchen Reichslehne; und von den
Grafen von Schoͤnburg wegen ihrer Reichsafter-
lehnbarkeit (g).


XVI.

Noch war zur voͤlligen Berichtigung des Teſch-
ner Friedens erforderlich, daß die beiden hoͤheren
Reichscollegien ſo, wie es die Wahlcapitulation
zur Nothwendigkeit macht, ihre Einwilligung ga-
ben, daß die mit dem Tode des letzten Churfuͤr-
ſten von Baiern erledigten Reichslehne, wie
ſie derſelbe beſeſſen, dem Churfuͤrſten von der
Pfalz und dem ganzen Pfaͤlziſchen Hauſe neuer-
lich verliehen werden moͤchten. Auch dieſe Ein-
willigung erfolgte in einem beſonderen Gutachten
der beiden hoͤheren Collegien unterm 29. Febr.
1780.
[199]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.
1780. (Das reichsſtaͤdtiſche Collegium war
zwar der Meynung geweſen, daß auch dieſe Ein-
willigung, da von einer im Frieden ſelbſt enthal-
tenen Verfuͤgung die Rede ſey, von geſammten
Reichs wegen haͤtte ertheilt werden koͤnnen. Al-
lein die Wahlcapitulation erfordert bey Dispoſi-
tionen uͤber churfuͤrſtliche und fuͤrſtliche Lehne nur
der beiden hoͤheren Collegien Einwilligung. Da-
bey blieb es alſo.) Unterm 8. Maͤrz 1780. er-
folgte hernach die kaiſerliche Genehmigung ſowohl
dieſes letztern Gutachtens, als jenes Reichsgutach-
tens uͤber den ganzen Teſchner Frieden.


Wegen der Sprache, worin der Teſchner Frie-XVII.
de abgefaſſet worden, iſt endlich zu bemerken, daß
man ſo, wie es ſchon in den 1742. zu Breslau,
1745. zu Dresden und 1763. zu Hubertsburg er-
richteten Friedensſchluͤſſen geſchehen war, ſich der
Franzoͤſiſchen Sprache darin bedienet hat (h).
In ſolchen Faͤllen pflegte aber ſonſt zugleich eine
Teutſche Ueberſetzung beygefuͤget zu werden, die man
fuͤr gleich authentiſch halten konnte, ſofern ſie von
den dabey intereſſirten Theilen gemeinſchaftlich be-
kannt
N 4
[200]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
kannt gemacht und gebilliget wurde. Letzteres ge-
ſchah diesmal nicht. Es erſchienen vielmehr zwey-
erley Ueberſetzungen, eine zu Wien, die andere
zu Berlin, die nichts weniger als aus einerley Fe-
der gefloſſen waren, ſondern merklich von einan-
der abwichen (i). Wahrſcheinlich mochte das
auch
[201]6) Bairiſcher Krieg ꝛc. 1778. 1779.
auch die Urſache ſeyn, daß diesmal dem Reichsta-
ge der Friede nur in Franzoͤſiſcher Sprache mit-
getheilt wurde, ungeachtet es ſonſt ſowohl den
Geſetzen als dem Herkommen gemaͤß iſt, daß in
Reichstagshandlungen keine andere als Teutſche
oder Lateiniſche Sprache gebraucht, oder doch
ſonſt eine Ueberſetzung in einer von dieſen beiden
Sprachen beygefuͤgt werden ſoll (k).


(i)


N 5(k)
[202]XIII. Joſeph II. 1764-1786.

(k)


VII.
[203]7) Neueſte Begeb. Fuͤrſtenbund 1785.

VII.
Neueſte Vorfaͤlle ſeit dem Teſchner Frieden.
Tod der Kaiſerinn Maria Thereſia. Fuͤrſten-
bund 1785. Schluß des Zeitalters Frie-
drichs des II.


I. Joſephs des II. Regierungsantritt und große neue
Veranſtaltungen in ſeinen Erblanden. — Irrungen mit
den vereinigten Niederlanden wegen Eroͤffnung der Schel-
de ꝛc. — II. Beſorgniſſe wegen einiger bey der Gelegen-
heit geaͤußerten Grundſaͤtze; — III. IV. wie auch wegen
verſchiedener Unternehmungen gegen das Hochſtift Paſſau
und das Erzſtift Salzburg; — V. ingleichen wegen ver-
ſchiedener in Reichsſachen von aͤlteren Zeiten her von neuem
hervorgeſuchter kaiſerlichen Vorrechte, — VI. z. B. der
ſo genannten Panisbriefe; — VII. ferner wegen ein und
andern Betragens der Oeſterreichiſchen Directorialgeſandt-
ſchaft zu Regensburg; — VIII. und wegen einiger Unter-
nehmungen gegen mindermaͤchtige Nachbaren. — IX. End-
lich dem Herzoge von Zweybruͤcken zugemuthete Einwilli-
gung, Baiern gegen die Oeſterreichiſchen Niederlande unter
dem Titel eines Koͤnigreichs Burgund vertauſchen zu laſ-
ſen; — X. ſo zu Berlin dem Teſchner Frieden zuwider
gehalten wurde. — XI. Daruͤber geſchloſſener Fuͤrſten-
bund; — eine der letzten Thaten Friedrichs des II., deſ-
ſen Zeitalter hiermit einen merkwuͤrdigen Abſchnitt in der
Geſchichte macht. — Hoffnung und Wunſch die bisher ent-
wickelte Reichsverfaſſung bis auf die ſpaͤteſten Zeiten da-
durch befeſtiget zu ſehen!


Die voͤllige Berichtigung des Teſchner Frie-I.
dens uͤberlebte Maria Thereſia nicht lange
mehr († 1780. Nov. 29.). Nun zeigte ſichs bald,
daß Joſeph nicht nur regierender Kaiſer, ſon-
dern auch regierender Monarch aller Erbſtaaten
ſeines Hauſes war. Was in der letztern Eigen-
ſchaft ſeitdem in Religionsſachen und in Anſehung
der
[204]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
der Kirchenverfaſſung geſchehen iſt, habe ich zum
Theil ſchon oben erwehnt. Andere neue Einrich-
tungen in der innerlichen Verfaſſung des Koͤnig-
reichs Ungarn und der uͤbrigen Oeſterreichiſchen
Erblaͤnder, und dann, was auf der einen Seite
zur Unterſtuͤtzung Ruſſiſcher Anſpruͤche an der Pfor-
te geſchehen, und was auf der andern Seite we-
gen Aufrufung des Barrieretractats, wegen Er-
oͤffnung der Schelde, wegen erneuerter Anſpruͤche
auf Maſtricht und ſonſt mit den vereinigten Nie-
derlanden vorgegangen, und durch einen mit den-
ſelben geſchloſſenen Frieden mit einer Summe von
10. Millionen Gulden erlediget iſt, — das al-
les gehoͤret in andere Theile der Geſchichte.


II.

Nur das fieng auch in Teutſchland an einiges
Aufſehen zu machen, daß man zu Wien ſolche
Grundſaͤtze aufzuſtellen ſchien, als ob ein ſo klarer
Friedensartikel, wie derjenige, der in dem zu Muͤn-
ſter im Jan. 1648. mit den Hollaͤndern geſchloſ-
ſenen Frieden die Schelde fuͤr die Oeſterreichiſchen
Niederlande fuͤr geſchloſſen erklaͤrte (l), einſeitig
als unverbindlich angeſehen werden koͤnnte. Eine
Beſorgniß, daß aͤhnliche Grundſaͤtze uͤber kurz
oder lang auch in Angelegenheiten Teutſcher Reichs-
ſtaͤnde zum Nachtheile der bisherigen Reichsver-
faſſung aufgeſtellt werden moͤchten, ſchien durch
einige neuere Vorfaͤlle nicht ganz ohne Grund ver-
anlaßt zu werden.


III.

Unſtreitig war es ein ſchon von langer Hand
her gemachter Entwurf, den Oeſterreichiſchen
Kirchenſtaat,
nur mit Ausnahme der von der
catho-
[205]7) Neueſte Begeb. Fuͤrſtenbund 1785.
catholiſchen Kirchenverfaſſung weſentlich unzer-
trennlichen Roͤmiſchen Primatrechte, von aller an-
dern geiſtlichen Gewalt, die nicht ſelbſt unter Oe-
ſterreichiſcher Hoheit ſtaͤnde, unabhaͤngig zu ma-
chen; — Ein Entwurf, der, nach allgemeinen
Grundſaͤtzen der Staatsklugheit betrachtet, gewiß
den hoͤchſten Veyfall verdiente. Keinem im Staa-
te befindlichen Orden eine Abhaͤngigkeit von einem
auswaͤrtigen der hoͤchſten Gewalt des Staates
nicht unterworfenen Ordensgenerale zu geſtatten, —
keinem Praͤlaten nachzuſehen, daß er ſich einer
auswaͤrtigen hoͤhern Gewalt zum Nachtheile der
Unterthanenpflicht eidlich verbindlich mache, —
keine geiſtliche Geſetzgebung oder andere geiſtliche
Hoheitsrechte ohne Vorwiſſen und Genehmigung
der hoͤchſten Gewalt des Staats ausuͤben zu laſ-
ſen, — das alles ſind dem allgemeinen Staats-
und Kirchenrechte und einer geſunden Staatsklug-
heit ſehr angemeſſene Grundſaͤtze. Aber wenn in
Anwendung ſolcher Grundſaͤtze ein catholiſcher
weltlicher Reichsſtand mit den bisherigen Gerecht-
ſamen eines catholiſchen geiſtlichen Reichsſtandes
in Colliſion koͤmmt; ob alsdann der Reichsver-
faſſung unbeſchadet jener eigenmaͤchtig Aenderun-
gen zu des letztern Nachtheil vornehmen koͤnne,
das iſt freylich eine andere Frage.


So war ungefaͤhr der Fall, als im JahreIV.
1783. nach Abſterben des damaligen Biſchofs zu
Paſſau dieſem Hochſtifte nicht nur deſſen bishe-
rige biſchoͤfliche Dioeceſanrechte im Oeſterreichi-
ſchen aufgekuͤndiget, ſondern auch die im Oeſter-
reichiſchen gelegenen Guͤter des Biſchofs und Dom-
capitels eigenmaͤchtig eingezogen wurden, bis ſich
das
[206]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
das Hochſtift bequemte eine Summe Geldes von
400. tauſend Gulden zu bezahlen, und jenen
Dioeceſanrechten gaͤnzlich zu entſagen (m). Der-
gleichen Colliſionen kamen auch mit dem Erzſtifte
Salzburg zur Sprache, das ſich jedoch bey einer
Erklaͤrung, die im Jahre 1767. zu Wien auf 29.
Beſchwerden des Erzſtifts erfolgt iſt, bisher moͤg-
lichſt beruhiget (n), und noch 1775. einige Di-
ſtricte in Steiermark und Kaͤrnthen an die Bi-
ſchoͤfe von Gurk und Seckau (o), wie auch 1782.
an den Biſchof von Wieneriſch Neuſtadt den bis-
her zur Salzburgiſchen Dioeces gehoͤrig geweſenen
Neuſtaͤdter Diſtrict mit paͤbſtlicher Genehmigung
abgetreten hat (p).


v.

Schon bey mehreren Gelegenheiten war es
deutlich wahrzunehmen geweſen, daß ſolche, die
in Reichsſachen zu rathen oder zu arbeiten gehabt,
zum Grundſatze angenommen hatten, alles, wo-
von ſich nur in Geſetzen oder Gebraͤuchen aͤl-
terer Zeiten
eine Spuhr gewiſſer kaiſerlicher Vor-
rechte finde, ohne weitere Umſtaͤnde gleich in der
That geltend zu machen (q). Ein Grundſatz,
der bey einem Reiche, das eine ſo verwickelte und
mit jedem Jahrhunderte ſo vielen Veraͤnderungen
unter-
[207]7) Neueſte Begeb. Fuͤrſtenbund 1785.
unterworfen geweſene Verfaſſung hat, wie das
Teutſche, nicht bedenklicher gedacht werden kann.
Wenn es angienge, ein Reichsgeſetz oder Her-
kommen des XVI. Jahrhunderts ohne Ruͤckſicht
auf die nachher durch neuere Reichsgrundgeſetze
oder ein neueres Herkommen anders beſtimmte
Teutſche Reichsverfaſſung gleich mit der That von
neuem geltend zu machen; ſo waͤre nicht abzuſe-
hen, wie man weniger beſorgt ſeyn duͤrfte, daß
nicht auch aus den Capitularien Carls des Gro-
ßen oder aus einem ehemaligen Herkommen von
den Zeiten der Ottonen her einmal ploͤtzlich ein
laͤngſt vergeſſenes, vielleicht auch nie einmal recht
im Gange geweſenes Recht, von neuem geltend
gemacht werden koͤnnte.


So mochten vor mehreren JahrhundertenVI.
wohl Faͤlle vorgekommen ſeyn, da ein Kaiſer je-
manden, der etwa als Trabant oder ſonſt in ſei-
nem Dienſte alt und abgaͤngig geworden war, ei-
nem der Teutſchen Stifter oder Kloͤſter zur Ver-
ſorgung empfohlen hatte, dergleichen Empfehlun-
gen Panisbriefe genannt zu werden pflegten.
Manche Stifter und Kloͤſter moͤgen ſich auch dar-
in willfaͤhrig erzeigt haben. Aber daß es fuͤr alle
Stifter und Kloͤſter in ganz Teutſchland jemals
ein allgemeines Recht geweſen ſey, laͤßt ſich des-
wegen nicht behaupten, weil weder ein Reichsge-
ſetz daruͤber vorhanden, noch ein allgemeines Her-
kommen erweislich iſt, da von vielen Orten im
Gegentheile ſich beym Nachſuchen hervorgethan
hat, daß daſelbſt nie dergleichen in Uebung gewe-
ſen. Ueberall aber war wenigſtens ſeit Jahrhun-
derten kein Beyſpiel ſolcher kaiſorlicher Panisbriefe
mehr
[208]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
mehr erinnerlich. Alſo konnte es freylich nicht
anders als Aufſehen machen, da auf einmal eine
ganze Menge ſolcher Panisbriefe in allen Gegen-
den von Teutſchland zum Vorſchein kamen, wo-
durch Perſonen beiderley Geſchlechts zu beſtimm-
ten Penſionen oder anderen Verſorgungen in Kloͤ-
ſtern und Stiftern angewieſen wurden. Die
Sache ſchien manchen deſto bedenklicher zu ſeyn,
da zu Ausuͤbung dieſes Rechts kein Grund von
der allgemeinen Wohlfahrt des Reichs hergenom-
men werden konnte, die doch eigentlich den Haupt-
gegenſtand aller kaiſerlichen Regierungsrechte aus-
machen ſollte. Hier ſchien es nur darauf abge-
ſehen zu ſeyn, Perſonen aus den kaiſerlichen Erb-
landen mit Penſionen zu begnadigen, die ſie in
anderer Reichsſtaͤnde Laͤndern zu genießen haben
wuͤrden. Natuͤrlich konnte ein jeder Reichsſtand
auf die Gedanken kommen, daß es in ſeinem eig-
nen Lande Perſonen gnug geben werde, denen er
den Genuß ſolcher Penſionen vorzuͤglich vor frem-
den angedeihen zu laßen ſich ſelbſt zur Pflicht rech-
nen muͤßte.


VII.

Auch in den neueren Reichstagshandlungen kam
es manchen auffallend vor, daß bey verſchiedenen
Gelegenheiten anders zu Werke gegangen wurde,
als man es nach der bisherigen Reichstagsverfaſ-
ſung gewohnt war. Es ſollte z. B. eine ſo genannte
Oeſterreichiſche Parification mit den Churfuͤr-
ſten, vermoͤge deren alle churfuͤrſtliche Vorrechte
auch dem Hauſe Oeſterreich und deſſen Miniſtern
zum Vorzuge vor allen anderen fuͤrſtlichen Haͤu-
ſern und Miniſtern zu gute kommen ſollte, wie
aus gewiſſen Aeuſſerungen abzunehmen war, gel-
tend
[209]7) Neueſte Begeb. Fuͤrſtenbund 1785.
tend gamacht werden. Bey einigen Vorfaͤllen
ſchien man einen Verſuch machen zu wollen, Reichs-
tagsſchluͤſſe ohne foͤrmliche Ablegung der reichs-
ſtaͤndiſchen Stimmen zu bewirken. Als einmal
das Churmainziſche Reichsdirectorium durch den
Tod des Churmainziſchen Geſandten erlediget war,
wurde daſſelbe dem Churboͤhmiſchen Geſandten
geraume Zeit hindurch anvertrauet. Ein ander-
mal ſchien der Oeſterreichiſche Directorialgeſandte
waͤhrender Krankheit des Churmainziſchen Ge-
ſandten an deſſen Stelle Reichsdirectorialverrich-
tungen ſich zu eigen machen zu wollen. Selbſt in
Schluͤſſen, die das Corpus der catholiſchen Reichs-
ſtaͤnde bey Gelegenheit der Grafenſache nach der
Mehrheit der Stimmen faßte, wollte derſelbe
Schwierigkeiten machen, die manchen deſto be-
denklicher ſchienen, da die Unthaͤtigkeit des Reichs-
tages dadurch neue Nahrung bekam. Kurz das
Betragen der Oeſterreichiſchen Directorialgeſandt-
ſchaft fieng an bey mehreren Gelegenheiten Aufſe-
hen zu erregen; wiewohl eine ausdruͤckliche Aeuſ-
ſerung aus der Staatscanzley zu Wien dieſen Mi-
niſter, der ſich uͤbrigens ſchon ſeit mehreren Jah-
ren, beſonders auch bey Gelegenheit der Cam-
mergerichtsviſitation, durch betraͤchtliche gelehrte
Staatsſchriften ausgezeichnet hatte (r), von allen
Vorwuͤrfen frey ſprach (s).


Hier-
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. O
[210]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
VIII.

Hierzu kam nun uͤbrigens noch, daß die Art,
wie man bey verſchiedenen Gelegenheiten zum Theil
ſchon unter der vorigen Regierung mit ſchwaͤche-
ren Nachbaren
zu Werke gegangen war, hin
und wieder großen Eindruck machte. Eine Fa-
milie von Zedtwitz z. B., welche die Herrſchaft
Aſch zwar von der Krone Boͤhmen zu Lehn trug,
und einige beſtimmte Rechte derſelben anerkannte,
uͤbrigens aber offenbar im Beſitz der Reichsunmit-
telbarkeit geweſen war, wurde nach einer uͤber 8.
Jahre ausgehaltenen militariſchen Execution von
30. Mann endlich genoͤthiget, ſich der voͤlligen
Boͤhmiſchen Landeshoheit zu unterwerfen. Viele
Reichsſtaͤnde und unmittelbare Mitglieder des
Reichs wurden in dem Umfange der Vorderoeſterrei-
chiſchen Laͤnder gleich Oeſterreichiſchen Landſaſſen ge-
noͤthiget, eine ſo genannte Dominicalſteuer zu ent-
richten. Inſonderheit haben verſchiedene Mit-
glieder des Schwaͤbiſchen Kreiſes und der Reichs-
ritterſchaft wegen ihrer in der Gegend der Marg-
grafſchaft Burgau gelegenen Guͤter ſich der von
den Burgauiſchen Beamten und der Oeſterreichi-
ſchen Regierung zu Innſpruck uͤber ſie behaupte-
ten Hoheitsrechte nicht erwehren koͤnnen, obgleich
der Reichshofrath ſchon im Jahre 1740. ſich ihrer
angenommen hatte. Ueber alle dieſe Vorfaͤlle ſind
zwar ſowohl von Seiten des Wiener Hofes als
von deſſen Gegenpartheyen ausfuͤhrliche Schriften
bekannt gemacht worden. Es hat aber doch kein
dritter unpartheyiſcher Richter daruͤber zu urthei-
len gehabt.


IX.

Hauptſaͤchlich aber erregte uͤber alles das eine
beynahe allgemeine Aufmerkſamkeit, als es be-
kannt
[211]7) Neueſte Begeb. Fuͤrſtenbund 1785.
kannt wurde, daß es im Werk ſey, ganz Baiern
gegen die Oeſterreichiſchen Niederlande, nur mit
Ausnahme von Namuͤr und Luͤxenburg, unter
dem Titel eines Koͤnigs von Burgund umzutau-
ſchen,
und daß im Jan. 1785. der Ruſſiſchkai-
ſerliche Geſandte dem Herzoge von Zweybruͤcken
den Antrag gethan habe, ſeine Einwilligung dazu
zu geben, und ſich in einer Zeit von 8. Tagen
daruͤber zu erklaͤren, mit der muͤndlich hinzugefuͤg-
ten Aeuſſerung, daß allenfalls auch ohne ſothane
Einwilligung die Sache doch vor ſich gehen wuͤrde.


Der Berliner Hof war der Meynung, daßX.
vermoͤge des Teſchner Friedens in keinem Falle
mehr die Frage davon ſeyn koͤnne, die Bairiſchen
Lande mit den Oeſterreichiſchen zu vereinigen, weil
bey den vorhergegangenen Unterhandlungen auch
die Frage von ſolcher Umtauſchung gaͤnzlich von
der Hand gewieſen ſey, und der uͤber die Bairi-
ſche Erbfolge entſtandene Krieg zur Hauptabſicht
mit gehabt habe, daß durch eine ſo außerordent-
liche Ruͤndung und eben damit zu bewirkende Ver-
groͤßerung der Oeſterreichiſchen Erbſtaaten das bis-
herige Gleichgewicht unter den Teutſchen Reichs-
ſtaͤnden nicht gaͤnzlich zernichtet werden moͤchte.
Da nun der Teſchner Friede das alles dahin, daß
Oeſterreich mit dem Innviertel ſich begnuͤgen ſolle,
entſchieden habe, und hieruͤber die Garantie ſo-
wohl des geſammten Teutſchen Reichs als der bei-
den vermittelnden Maͤchte Rußlands und Frank-
reichs hinzugekommen ſey; ſo glaubte der Preuſ-
ſiſche Hof es als eine Contravention gegen den
Teſchner Frieden anſehen zu muͤßen, wenn auf ir-
gend eine Art dennoch Baiern mit Oeſterreich ver-
O 2eini-
[212]XIII. Joſeph II. 1764-1786.
einiget werden ſollte. Am wenigſten koͤnnte der-
gleichen Vertauſchung ohne Einwilligung der zur
kuͤnftigen Succeſſion berechtigten Stammsvettern
ſtatt finden, oder auch einem Teutſchen Reichs-
fuͤrſten eine ſolche Einwilligung auf eine ſolche
Art, wie es dem Herzoge von Zweybruͤcken geſche-
hen ſey, zugemuthet werden.


XI.

In dieſer Lage der Sachen haben die drey
churfuͤrſtlichen Hoͤfe Sachſen, Brandenburg und
Hannover bloß zu Erhaltung der bisherigen
Reichsverfaſſung ein Schutzbuͤndniß geſchloſſen (t),
welchem ſeitdem auch Churmainz und mehrere be-
traͤchtliche fuͤrſtliche Hoͤfe beygetreten ſind. Da
die Abſicht dieſes Fuͤrſtenbundes nur auf die Er-
haltung der bisherigen Reichsverfaſſung geht, wel-
che ſowohl dem allerhoͤchſten Oberhaupte als je-
dem Mitgliede des Teutſchen Reichs heilig ſeyn
muß, und ſelbſt an zwey auswaͤrtigen garantiren-
den Maͤchten des Weſtphaͤliſchen Friedens und
allen uͤbrigen Theilnehmern dieſes Friedens eine
maͤchtige Stuͤtze hat; ſo iſt zu hoffen und zu wuͤn-
ſchen, daß das Band zwiſchen Haupt und Glie-
dern, das die goͤttliche Vorſehung ſoviele Revo-
lutionen hindurch bisher ſo gluͤcklich erhalten hat,
noch ferner bis auf die ſpaͤteſten Zeiten von neuem
dadurch befeſtiget ſeyn moͤge. — Und womit
koͤnnte ich dieſe meine hiſtoriſche Entwickelung der
heuti-
[213]7) Neueſte Begeb. Fuͤrſtenbund 1785.
heutigen Staatsverfaſſung des Teutſchen Reichs
wuͤrdiger beſchließen, als mit dieſem auf deren
fernere Erhaltung abzielenden Bunde, ſo zugleich
eine der letzten glaͤnzenden Unternehmungen war,
womit Friedrich der II. († 1786. Aug. 17.), deſ-
ſen Geiſtes- und Thaten-Groͤße die ſpaͤte Nach-
welt zu bewundern nie aufhoͤren wird, die 46.
jaͤhrige Laufbahn beſchloſſen hat, die mit eben
dem Rechte das Zeitalter Friedrichs, wie ehedem
ein Zeitalter Ludewigs des XIV. genannt worden,
von ihm benannt zu werden verdienen wird! —
Nur noch einige Zugaben, die dazu dienen koͤn-
nen den Zuſtand des Teutſchen Reichs, wie es
jetzt wuͤrklich iſt, noch genauer kennen zu lernen,
werden hoffentlich nicht ganz uͤberfluͤſſig ſeyn.
Manches, das ſich nicht fuͤglich nach der Zeitord-
nung anbringen ließ, wird dadurch noch ergaͤnzt
werden koͤnnen.


Vier-
[214]XIV.

Vierzehntes Buch.
Einige allgemeine Bemerkungen
uͤber die
Verfaſſung des Teutſchen Reichs,
wie ſie jetzt wuͤrklich iſt.


I.
Einige Bemerkungen uͤber die drey Orte Wien,
Regensburg und Wetzlar, wo die Reichsver-
faſſung noch am meiſten ſichtbar iſt.


I. Noch immer fortwaͤhrende Einheit des Teutſchen
Reichs, wie ſie beſonders vorzuͤglich noch zu Wien, Regens-
burg und Wetzlar ſichtbar iſt. — II. Zu Wien werden die
Reichsſachen nur ſehr durch das groͤßere Gewicht der kaiſer-
lichen Erblande verdunkelt. — III. Zur Geſchaͤfftsbehand-
lung zwiſchen dem kaiſerlichen Hofe und den Reichsſtaͤnden
dienen uͤbrigens theils Reichshofrathsagenten oder reichs-
ſtaͤndiſche Geſandten zu Wien, theils kaiſerliche Geſandten
im Reiche. — IV. Am feierlichſten zeigt ſich zu Wien das
Band zwiſchen Haupt und Gliedern in den Reichsbelehnun-
gen; — V. VI. inſonderheit uͤber Thronlehne. — VII.
Anſtaͤnde, die ſich dabey wegen der Entſchuldigung, nicht
in Perſon zu erſcheinen, ereignet; — VIII. wie auch we-
gen Anfallsgelder und Landemien. — IX. Zu Regensburg
faͤllt der Reichstag mehr in die Augen, hat aber doch an
der Zahl der reichsſtaͤndiſchen Geſandten merklich abgenom-
men. — X. Auch in den Berathſchlagungen iſt nicht mehr
ſo viele Thaͤtigkeit, als ehedem. — XI. Zu Wetzlar iſt
das Cammergericht in beſtaͤndiger Thaͤtigkeit, — doch ei-
gentlich nur in Rechtsſachen; — XII. auſſer wenn Fragen
uͤber die Verfaſſung des Cammergerichts ſelbſt zur Sprache
kommen.


I.

Alles zuſammengenommen, was ich von der
Verfaſſung des Teutſchen Reichs bisher hi-
ſtoriſch
[215]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
ſtoriſch zu entwickeln geſucht habe, iſt dieſelbe in
der Hauptſache noch jetzt eben ſo, wie ich ſie von
den Zeiten des Weſtphaͤliſchen Friedens her geſchil-
dert habe. Sie hat ſich ſeitdem in manchen Stuͤk-
ken nur noch feſter geſetzt, aber auch dann und
wann ſchon ſolche Erſchuͤtterungen erlitten, daß
man mehrmalen Urſache gehabt hat, wegen Er-
haltung des Reichsſyſtems beſorgt zu ſeyn; — Ei-
ne Beſorgniß, die noch immer jedem Teutſchen
Biedermanne nicht gleichguͤltig ſeyn darf. Noch
immer haͤngt ganz Teutſchland als ein unter einem
gemeinſamen hoͤchſten Oberhaupte vereinigtes Reich
zuſammen; aber die andere Betrachtung, wie
ganz Teutſchland aus lauter beſonderen Staaten
beſteht, die meiſt eben ſo, wie die verſchiedenen
Staaten von Europa ſich gegen einander verhal-
ten, iſt ſeit dem Weſtphaͤliſchen Frieden je laͤnger
je uͤberwiegender geworden. Daher es oft ſchwer
faͤllt noch jetzt die fortwaͤhrende Einheit des Teut-
ſchen Reichs
uͤberall wahrzunehmen. Unmittel-
bar iſt ſie eigentlich nur noch am kaiſerlichen Hofe,
am Reichstage, und am Cammergerichte, alſo
an den drey Orten zu Wien, Regensburg und
Wetzlar ſichtbar. Einige Bemerkungen zur naͤ-
hern Kenntniß dieſer drey Orte werden deswegen
auf die heutige Reichsverfaſſung vielleicht noch hin
und wieder einiges Licht zuruͤckwerfen.


Am kaiſerlichen Hofe iſt der ReichshofrathII.
das einzige Collegium, das mit Reichsſachen be-
ſchaͤfftiget iſt (u), und der Reichsvicecanzler der
ein-
O 4hen,
[216]XIV. Heutige Verfaſſung
einzige, der die Stelle eines eigentlichen Staats-
miniſters in Reichsſachen beym Kaiſer bekleidet
(oben
(u)
[217]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
(oben S. 45.), und unter deſſen Direction ein
Reichsreferendarius die Geſchaͤffte zu bearbeiten
hat; ohne was die Canzleyausfertigungen und Ar-
chivgeſchaͤffte anbetrifft, die von einer betraͤchtli-
chen Anzahl Perſonen beſorgt werden, welche zur
Reichshofcanzley und Regiſtratur von Mainz aus
beſtellt werden. Allein wenn auch alle dieſe Stel-
len noch ſo zahlreich beſetzt ſind, was iſt das doch
gegen die große Menge Oeſterreichiſcher erblaͤndi-
ſcher Collegien, und Staats- oder Hof- und Lan-
desbedienten, die ſich zu Wien finden! Da ver-
liehrt ſich das eigentlich von der Kaiſerwuͤrde ab-
hangende Perſonale ſelbſt am kaiſerlichen Hofe un-
ter der Menge, welche zum erblaͤndiſchen Perſo-
nale gehoͤren, dergeſtalt, daß ein Fremder, der
ſich nicht beſonders darum bewirbt, ganz geraume
Zeit zu Wien ſeyn kann, ohne beynahe wahrzu-
nehmen, daß ein Reichshofrathscollegium und ei-
ne Reichshofcanzley daſelbſt im Gange ſind. Eben
ſo natuͤrlich iſt es, daß ſelbſt einem regierenden
Kaiſer nach der großen Verſchiedenheit des Ver-
haͤltniſſes, worin er gegen das Teutſche Reich und
gegen ſeine eigne Erblande ſtehet, die Reichsſa-
chen ungleich weniger, als die Angelegenheiten
ſeines Hauſes und ſeiner Erblande zu Herzen ge-
hen muͤßen. Daher es nicht zu bewundern iſt,
wenn in Reichsſachen, die am kaiſerlichen Hofe
vorkommen, bisweilen eine Ruͤckſicht auf das In-
tereſſe
(u)
O 5
[218]XIV. Heutige Verfaſſung.
tereſſe des Hauſes und der Erblande, oder auch
eine Convenienz der Perſonen, die am kaiſerlichen
Hofe in Reichsſachen gebraucht werden, einigen
Einfluß haben mag.


III.

Unter dem Reichshofrathe ſtehet eine Anzahl
von ungefaͤhr dreyßig Reichshofrathsagenten,
die vom Reichshofrathspraͤſidenten ernannt wer-
den, und eigentlich dazu beſtimmt ſind, die Ge-
ſchaͤffte der Partheyen als deren Anwaͤlde am
Reichshofrathe oder auch uͤberhaupt am kaiſerlichen
Hofe zu beſorgen. Auch von Reichsſtaͤnden wer-
den wenige ſeyn, die nicht einen von dieſen Agen-
ten angenommen haͤtten. Doch kann auch ein je-
der Reichsſtand, wie bisweilen geſchieht, ſeinen
eignen Agenten am kaiſerlichen Hofe beſtellen. Ei-
nige groͤßere Hoͤfe pflegen ſelbſt foͤrmliche Geſand-
ten an den Kaiſer zu accreditiren. Oder wer von
Reichsſtaͤnden oder auch nur von Mitgliedern der
Reichsritterſchaft ſich perſoͤnlich an den kaiſerlichen
Hof begibt, kann ſelbſt vom Kaiſer Audienz begeh-
ren, die ihm vermoͤge der Wahlcapitulation nicht
verſagt werden darf (v). Ein jeder Reichsſtand
hat es uͤberdies in ſeiner Gewalt in verſchloſſenen
Schreiben etwas an den Kaiſer gelangen zu laßen;
es ſey nun, daß ſolche Schreiben unmittelbar mit
der Poſt nach Wien abgeſandt, oder auch durch
den Agenten oder Geſandten, den der ſchreibende
Reichsſtand etwa zu Wien hat, im Reichshofra-
the oder in der geheimen Reichshofcanzley uͤberge-
ben werden. Hinwiederum hat der kaiſerliche Hof
in den meiſten Kreiſen eigne kaiſerliche Geſand-
ten,
dergleichen auch wohl an ein und anderem
groͤ-
[219]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
groͤßeren Hofe noch beſonders unterhalten zu wer-
den pflegen. Das ſind die Mittel der gegenſeiti-
gen Communication zwiſchen dem kaiſerlichen Hofe
und einzelnen Mitgliedern des Reichs, wodurch
von dieſer Seite noch die Reichsverfaſſung in merk-
licher Thaͤtigkeit erhalten wird.


Eine der feierlichſten Gelegenheiten, wo zuIV.
Wien die Vereinigung der vielerley Mitglieder
des Reichs unter einem allerhoͤchſten Oberhaupte
noch am ſichtbarſten in die Augen fallen kann,
aͤuſſert ſich in der Belehnung, welche ein jeder
Beſitzer eines Reichslehns ſowohl bey jeder veraͤn-
derter kaiſerlichen Regierung als ſo oft das Lehn
aus einer Hand in die andere uͤbergehet, mittelſt
Leiſtung des Lehnseides zu empfangen ſchuldig
iſt (w). Doch wird in der Art der Belehnung
zwi-
[220]XIV. Heutige Verfaſſung.
zwiſchen Thronlehnen und anderen ein großer Un-
terſchied gehalten. Jene ſind ſolche, bey deren
Belehnung der Kaiſer perſoͤnlich anweſend ſich den
Lehnseid ſchwoͤren laͤßt. Von anderen wird die-
ſer Eid nur im Reichshofrathe abgelegt. Nach
der urſpruͤnglichen Lehnsverfaſſung ſollte auch der
Vaſall jedesmal perſoͤnlich den Lehnseid ſchwoͤren.
Nach einem neuern Herkommen pflegen aber ſo-
wohl vor dem kaiſerlichen Throne als im Reichs-
hofrathe die Lehnseide nur durch Bevollmaͤchtigte
abgelegt zu werden. Nur alsdann, wenn etwa
derjenige, der die Belehnung zu empfangen hat,
ohnedem ſelbſt zu Wien anweſend iſt, wird wohl
noch darauf beſtanden, daß er perſoͤnlich erſchei-
nen ſolle (x).


V.

Nur Fuͤrſtenthuͤmer und Churfuͤrſtenthuͤmer
ſind Thronlehne. Um daruͤber die Beleh-
nung zu empfangen melden ſich gewoͤhnlich zwey
Bevollmaͤchtigte, gemeiniglich ein beſonders dazu
beſtimmter Geſandter und ein Reichshofrathsagent,
oder auch nach Gutfinden eines jeden Hofes, der
die Belehnung zu ſuchen hat, zwey beſonders ab-
geſchick-
(w)
[221]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
geſchickte Geſandten. Wenn alles, was wegen
der Vollmacht und ſonſt zu beſorgen iſt, nach des
Reichshofraths Gutachten berichtiget iſt, und der
Kaiſer Zeit und Stunde zur Belehnung angeſetzt
hat; ſo erſcheinen beide Bevollmaͤchtigte an der
dazu beſtimmten Zeit im feierlichen Aufzuge in der
kaiſerlichen Burg in einem dazu gewidmeten Saa-
le, wo der Kaiſer auf einem Throne ſitzt, und
auf einer Seite den Reichsvicecanzler, auf der
andern die Oberſthofaͤmter neben ſich ſtehen hat.
Vor ihm ſchließt ſich ein halber Kreis von Cam-
merherren und einer dieſelben umgebenden Leib-
wache; uͤbrigens kann jedermann zuſehen.


Sobald die zur Lehnsempfaͤngniß beſtimmtenVI.
Geſandten bey dem Eintritt in den Saal den Kai-
ſer erblicken, fallen ſie auf die Kniee, und mit
noch zweymal wiederholter Kniebeugung naͤhern
ſie ſich durch den ſich oͤffnenden Kreis bis unmit-
telbar vor dem kaiſerlichen Throne. Hier haͤlt der
erſte Geſandte knieend eine Rede mit foͤrmlicher
Anrede an den Kaiſer, und bittet zur Ablegung
des Lehnseides zugelaßen zu werden. Der Reichs-
vicecanzler tritt zum Kaiſer hinauf, um deſſen Er-
klaͤrung zu vernehmen, die er in einer kurzen Be-
antwortungsrede den Geſandten zu erkennen gibt.
Der Kaiſer nimmt alsdann den Hut ab, und gibt
ihn einsweilen dem Oberſthofkaͤmmerer. Er be-
koͤmmt dagegen ein Evangelienbuch auf ſeinen
Schoß zu legen. Um darauf ihre Finger legen
zu koͤnnen, ruͤcken die Geſandten etliche Stuffen
des Thrones hinauf, und ſo ſchwoͤren ſie knieend
die Worte des Eides nach, die ihnen der Reichs-
vicecanzler vorſagt. Hernach ſetzt der Kaiſer ſei-
nen
[222]XIV. Heutige Verfaſſung.
nen Hut wieder auf; an ſtatt des Evangelienbuchs
nimmt er nun ein bloßes Schwerdt in die Hand,
deſſen Degenknopf beide Geſandten kuͤſſen, und
ſo wieder auf ihren vorigen Platz herunter ruͤcken.
Jetzt haͤlt der zweyte Geſandte eine Dankſagungs-
rede, nach deren Endigung beide bisher immer
knieend gebliebene Geſandten ruͤckwaͤrts wieder mit
dreymaliger Kniebeugung ſich aus dem Angeſichts
des Kaiſers entfernen, der darauf ebenfalls den
Thron verlaͤßt und damit dieſer Feierlichkeit ein
Ende macht.


VII.

Sowohl in der Rede des erſten Geſandten als
in der vorher ſchon uͤbergebenen Bittſchrift um die
Belehnung iſt bisher uͤblich geweſen, eine Ent-
ſchuldigung
einfließen zu laßen, daß der Fuͤrſt,
der die Belehnung zu empfangen hat, nicht in
Perſon erſcheine; da dann auch der Reichsvice-
canzler immer ſeine Antwort mit darauf zu richten
pfleget, daß kaiſerliche Majeſtaͤt fuͤr diesmal darin
nachſehen wollten. Nur Reichsſtaͤnde, die zu-
gleich Kronen tragen, haben dieſe Entſchuldigung
weggelaßen (y). Auch moͤgen unter Carl dem VII.
mit
[223]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
mit einigen groͤßeren Hoͤfen wegen verſchiedener
Abaͤnderungen im Ceremoniel Abreden getroffen
ſeyn (z). Daruͤber ſcheint einige Aufmerkſamkeit
der altfuͤrſtlichen Haͤuſer entſtanden zu ſeyn, um
erſt den Vorgang mehrerer koͤniglichen und chur-
fuͤrſtlichen Hoͤfe abzuwarten, ehe ſie ihre Beleh-
nung nehmen wollen. So ſind viele Thronbe-
lehnungen vom Kaiſer Carl dem VII. her bis auf
den heutigen Tag in Ruͤckſtand geblieben.


Es hat ſich aber auch noch ein Umſtand dazuVIII.
geſellt, der in der Sache Schwierigkeit macht.
Wenn
(y)
[224]XIV. Heutige Verfaſſung.
Wenn ein Lehn nicht von Vater auf Sohn geht,
ſondern Seitenverwandten, oder etwa durch An-
wartſchaften oder andere Wege fremden Beſitzern,
die nicht vom erſten Erwerber abſtammen, zu
Theil wird; ſo iſt bey Lehnhoͤfen nicht ungewoͤhn-
lich, daß denen, die Bemuͤhung damit gehabt
haben, eine gewiſſe Erkenntlichkeit an Gelde da-
fuͤr gereicht wird, ſo man Laudemien zu nennen
pflegt. Hier ereignet ſich aber am kaiſerlichen
Hofe eine Colliſion zwiſchen der Reichshofcanzley
und dem Reichshofrathe, da jene in ſolchen Faͤl-
len ſo genannte Anfallsgelder, letzterer Laudemien
fordert (a), beide Forderungen gleichwohl nur
einer-
[225]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
einerley Gegenſtand haben, und alſo beyſammen
nicht wohl beſtehen koͤnnen. Dazu koͤmmt, daß
Reichsſtaͤnde von wegen ſolcher Lehne, in Anſe-
hung deren ſie ſchon in der Mitbelehnung begrif-
fen geweſen, ſich uͤberall zu keinen ſolchen Abga-
ben verbunden halten. Viel weniger wollen ſie
ſonſt ungewoͤhnlichen oder illiquiden Forderungen
ſich unterwerfen, noch geſchehen laßen, daß von
einer Belehnung, wenn gleich verſchiedene Lehne
empfangen werden, mehr als eine einfache Zah-
lung ihnen zugemuthet werde. Deren Verviel-
faͤltigung macht ſonſt ſelbſt fuͤr die Hofaͤmter und
geringeren Hofbedienten ſchon betraͤchtliche Sum-
men aus (b). Wider alles das ſind nun ſchon in
der
(a)
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. PFl.,
[226]XIV. Heutige Verfaſſung.
der beſtaͤndigen Wahlcapitulation und in der von
den beiden Kaiſern Carl dem VI. und dem VII.
beſondere Verfuͤgungen getroffen (c). Die Sache
ſelbſt hat aber noch nicht gehoben werden koͤn-
nen (d), zumal da die Laudemialgelder unter den
Mit-
(b)
[227]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
Mitgliedern des Reichshofraths in 19. Theilen
vertheilt, und von denſelben als ein Theil ihres
Gehaltes angeſehen werden (e). Die Thronbe-
leh-
(d)
P 2
[228]XIV. Heutige Verfaſſung.
lehnungen uͤber Brandenburg-Culmbach (f) und
uͤber das Herzogthum Holſtein von Seiten des
Koͤnigs
(e)
[229]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
Koͤnigs in Daͤnemark (g) ſind noch im Jahre
1786. von neuem in Bewegung gekommen, je-
doch noch nicht vor ſich gegangen.


Bey der allgemeinen ReichsverſammlungIX.
zu Regensburg iſt das noch fortwaͤhrende gemein-
ſame Band der Reichsverfaſſung in ſo weit noch
am meiſten ſichtbar, als hier das dazu gehoͤrige
Perſonale noch vor allen andern hervorſticht, und
nicht ſo, wie zu Wien, unter einer andern Men-
ge ſich verliehrt. Gegen aͤltere Zeiten ſcheint die
heutige Reichsverfaſſung hier ſelbſt noch einen Vor-
zug zu haben, da ehedem nur von Zeit zu Zeit ein
nur kurz waͤhrender Reichstag gehalten wurde, an
ſtatt daß jetzt derſelbe immerwaͤhrend fortgefuͤhret
wird. Jedoch auf der andern Seite hat der Reichs-
tag ſelbſt dadurch ſowohl an ſeinem Glanze als an
ſeiner wirkſamen Thaͤtigkeit merklich verlohren, da
ehe-
P 3
[230]XIV. Heutige Verfaſſung.
ehedem noch Churfuͤrſten, Fuͤrſten und Grafen
ſowohl als der Kaiſer ſelbſt ſich perſoͤnlich dabey
einzufinden pflegten und dann gleich auf der Stelle
ihre Meynung erklaͤren konnten, jetzt aber lauter
Bevollmaͤchtigte da ſind, die fuͤr ſich nichts thun
koͤnnen, ſondern alles auf die jedesmal einzuholen-
de oder doch erſt nachzuſehende und genau zu be-
folgende Inſtruction muͤßen ankommen laßen. Da
nun uͤberdies nicht nur ſolche Staͤnde, die jetzt
mehrere Stimmen haben, ſolche gemeiniglich nur
durch einen Geſandten fuͤhren laßen, ſondern viel-
faͤltig auch ein Geſandter mehrere Hoͤfe zu bedie-
nen hat; ſo iſt der ganze Reichstag nach und nach
ſo zuſammen geſchmolzen, daß zu den hundert
Stimmen im Reichsfuͤrſtenrathe kaum noch 20.
Geſandten vorhanden ſind. Das ganze reichsſtaͤd-
tiſche Collegium beſteht gar nur groͤßtentheils aus
einigen Regensburgiſchen Rathsherren, die zugleich
als Stimmfuͤhrer mehrerer Reichsſtaͤdte angeſtellt
ſind. Wenn alſo auch gleich noch ein jeder Chur-
fuͤrſt ſeinen eignen Geſandten hat; ſo pflegt doch
der ganze Reichstag jetzt kaum aus mehr als 30.
Comitialgeſandten zu beſtehen.


X.

Nun ſind es zwar noch immer fuͤr ganz Teutſch-
land wichtige Gegenſtaͤnde, die hier zur Berath-
ſchlagung kommen koͤnnen, da hier eigentlich der
Ort iſt, wo noch alle Hoheitsrechte, wenn ſie auch
nicht mehr der kaiſerlichen Majeſtaͤt alleine uͤber-
laßen ſind, von Kaiſer und Reichs wegen ausge-
uͤbt werden koͤnnen; wie ſich das inſonderheit zeigt,
wenn neue Geſetzgebungen fuͤr die geſammte Reichs-
verfaſſung in Frage kommen, oder wenn Fragen
von Krieg oder Frieden entſchieden, wenn Steuern
bewil-
[231]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
bewilliget, oder wenn auch nur wichtige Angele-
genheiten einzelner Reichsſtaͤnde hier entſchieden
werden ſollen. Allein ſelbſt ſolche Gegenſtaͤnde
werden jetzt immer ſeltener zur wuͤrklichen Reichs-
tagsberathſchlagung
gebracht. Und dann iſt
Regensburg zwar der Ort, wo die Abſtimmung
zum Behuf abzufaſſender Reichsſchluͤſſe geſchieht,
auch hoͤchſtens wohl durch vorlaͤufige Beſprechung
einiger Comitialgeſandten und durch ihre Berichte
bisweilen reichsſtaͤndiſche Stimmen vorbereitet und
einigermaßen gelenket werden koͤnnen. Aber die
wahre Beſtimmung eines jeden Geſchaͤffts, wie
ſie ein jeder Reichsſtand durch ſein Votum gefaſ-
ſet zu haben wuͤnſcht, haͤngt doch eigentlich von
der Vorſchrift eines jeden Hofes ab, wie er ſei-
nem Geſandten zu votiren befiehlt. Daher gemei-
niglich jetzt die Seele ſolcher Unterhandlungen
mehr auf unmittelbarer Communication ſolcher Hoͤ-
fe, die das Zutrauen zu einander haben, als auf
den Perſonen der Comitialgeſandten beruhet. Da-
hingegen mag zu Regensburg ſelbſt ſich leicht ein
Umſtand ereignen, der oft auf geraume Zeit die
Thaͤtigkeit des ganzen Reichstags unterbricht.
Oder wenn das auch nicht iſt, fehlt es doch oft
dergeſtalt an Gegenſtaͤnden, die zur Comitialbe-
rathſchlagung reif ſind, daß nicht ſelten Jahre
hingehen, ohne daß nur Sitzungen und Proto-
colle am Reichstage oder in einem der drey Reichs-
collegien gehalten werden. Man darf ſichs alſo
nicht befremden laßen, wenn man zu Regens-
burg haͤufiger und laͤngere Ferien als ſonſt vielleicht
irgendwo wahrnimmt.


P 4Un-
[232]XIV. Heutige Verfaſſung.
XI.

Ungleich lebhafter laͤßt ſich deswegen die
Reichsverfaſſung noch endlich zu Wetzlar in der
beſtaͤndig fortgehenden Thaͤtigkeit des Cammer-
gerichts
erkennen. Hier leuchtet nicht nur das
ganze Perſonale, ſo dazu gehoͤrt, vor allen uͤbri-
gen Einwohnern dieſer ſonſt ſehr mittelmaͤßigen
Reichsſtadt ungleich mehr hervor; ſondern die
ganze Machine iſt, nur gewiſſe beſtimmte Ferien
abgerechnet, Jahraus Jahrein in beſtaͤndig glei-
cher Thaͤtigkeit. Aber die Gegenſtaͤnde dieſer
Thaͤtigkeit ſind eigentlich nur einzelne Rechtsſa-
chen, und zwar verhaͤltnißmaͤßig ungleich mehr
Rechtsſachen bloßer Privatpartheyen, als ſolche,
die Reichsſtaͤnde betreffen, und in ihrer Art zu-
gleich als Staatsſachen angeſehen werden koͤn-
nen. Denn ſeitdem mit dem Weſtphaͤliſchen Frie-
den dem Reichshofrathe die Eigenſchaft einer Ge-
richtsſtelle geſichert, und zugleich dem Fuͤrſten-
rechte ein Ende gemacht iſt, hat der Reichshof-
rath theils privative Gerichtbarkeit in Sachen,
die ganze Laͤnder betreffen; theils geſchieht es auch
da, wo der klagende Theil die Wahl haͤtte, doch
haͤufiger, daß wichtige Sachen zu Wien als zu
Wetzlar anhaͤngig gemacht werden.


XII.

Nur in ſo weit hat das Cammergericht auſ-
ſer der Eroͤrterung der daſelbſt angebrachten Rechts-
haͤndel auch noch andere die Reichsverfaſſung naͤ-
her betreffende Beſchaͤfftigungen, als haͤufig Din-
ge vorkommen, welche die Verfaſſung des Cam-
mergerichts
ſelbſt betreffen, die theils ſeinem
eignen Ermeſſen uͤberlaßen, theils wenigſtens zu
einer proviſoriſch geſetzgeberiſchen Beſtimmung
dem-
[233]1) Wien, Regensburg, Wetzlar.
demſelben heimgeſtellt ſind. Da gibt es oft haͤke-
liche Fragen, wo bald Kaiſer und Reich, bald
Fuͤrſten und Churfuͤrſten, bald beide Religions-
theile, bald ſelbſt die Mitglieder des Cammerge-
richts unter ſich nicht gleiche Grundſaͤtze hegen;
und woruͤber dann am Ende ſelbſt dem Reichs-
tage der Ausſchlag der Sachen uͤberlaßen werden
muß, der aber auch da nicht immer erfolget.


P 5II.
[234]XIV. Heutige Verfaſſung.

II.
Ein Hauptzweck, der in der bisherigen Reichs-
verfaſſung zur allgemeinen Sicherheit und Wohl-
fahrt noch immer durch reichsgerichtliche Er-
kenntniſſe erreicht wird.


I. Ein wichtiger Vortheil der Reichsverfaſſung iſt noch,
daß gegen alle Mitglieder des Reichs richterliche Huͤlfe ſtatt
findet; — II. III. ſelbſt zum Vortheile der Unterthanen
gegen ihre Landesherrſchaften; — IV. wie auch zum Vor-
theile der Glaͤubiger gegen verſchuldete Reichsſtaͤnde; —
beſonders in ſo genannten Debitcommiſſionen. — V. Nur
wegen der Recurſe, die von Reichsſtaͤnden gegen widrige
reichsgerichtliche Erkenntniſſe haͤufig an den Reichstag ge-
nommen werden, waͤre eine genauere geſetzliche Beſtimmung
zu wuͤnſchen; — VI. VII. die aber auch ihre Schwierig-
keiten hat. — VIII. Bis dahin beruhet der Ausgang ei-
nes jeden Recurſes auf der Mehrheit der Stimmen in den
drey Reichscollegien.


I.

In dem allgemeinen Bande, das ganz Teutſch-
land, ungeachtet ſeiner Abtheilung in ſo vie-
le beſondere Staaten, unter Kaiſer und Reich
und den beiden hoͤchſten Reichsgerichten doch noch
immer auf die bisher beſchriebene Art zuſammen
erhaͤlt, wird allemal ein Hauptzweck der ganzen
Reichsverfaſſung noch dadurch erreicht, daß unter
ſo vielerley Staaten und Mitgliedern des Teut-
ſchen Reichs, unter denen ſonſt das Recht der
Selbſthuͤlfe bald den Mindermaͤchtigen dem Staͤr-
kern Preis geben wuͤrde, dennoch keine Selbſt-
huͤlfe ſtatt findet, ſondern einem jeden ohne Un-
terſchied hier noch Mittel und Wege angewieſen
ſind, durch richterliche Huͤlfe im Seinigen ge-
ſichert
[235]2) Vortheil reichsger. Erkenntniſſe.
ſichert zu ſeyn, oder, wo es ihm vorenthalten
wird, zu ſeinem Rechte zu gelangen.


So werden noch immer Streitigkeiten, die einII.
Reichsſtand mit dem andern hat, durch Rechts-
ſpruͤche entſchieden, wo uͤber aͤhnliche Streitigkei-
ten unabhaͤngiger Maͤchte, nichts als die Macht
der Waffen entſcheiden kann. Und wo in unab-
haͤngigen Staaten auch eines jeden Unterthanen
Sicherheit doch nur von der Gerechtigkeit abhaͤngt,
die man ihm im Lande ſelber widerfahren laͤßt, da
enthaͤlt unſere Reichsverfaſſung noch Mittel und
Wege, wie ſelbſt Unterthanen gegen ihre Landes-
herrſchaft bey einem hoͤhern Richter Schutz finden
koͤnnen; es ſey nun, daß ſie in einzelnen Rechts-
ſachen noch zu Appellationen (ſo fern ſolche nicht
etwa durch kaiſerliche Privilegien eingeſchraͤnkt
ſind,) oder doch zu Klagen uͤber Nichtigkeit oder
verſagtes Recht ihre Zuflucht nehmen, oder daß
ſie gerade zu ſelbſt wider ihre Landesherrſchaft als
den beklagten Theil Beſchwerde fuͤhren, wie ſo
gar uͤber Mißbrauch der Landeshoheit uͤberhaupt
geſchehen kann, wo in unabhaͤngigen Staaten
nichts als Gedult und Gehorſam uͤbrig bleibt,
wenn anders nicht ein noch groͤßeres Uebel von
Aufſtand und buͤrgerlichem Kriege daraus erwach-
ſen ſoll.


Aus dieſem Geſichtspuncte kann man es nochIII.
immer als ein eigenthuͤmliches Stuͤck der Teut-
ſchen Reichsverfaſſung anſehen, wenn man ſolche
Faͤlle erlebt, daß es ſelbſt Teutſchen Reichsſtaͤn-
den, die ihre landesherrliche Gewalt mißbrauchen,
von einer hoͤhern Macht fuͤhlbar gemacht wird,
daß
[236]XIV. Heutige Verfaſſung.
daß ſie nicht unabhaͤngig ſind. So haben mehr-
malen beide hoͤchſte Reichsgerichte auf angebrachte
Klagen ganzer Landſchaften z. B. der Reichshof-
rath gegen Mecklenburg und Wuͤrtenberg, das
Cammergericht gegen Naſſau-Weilburg und Lippe-
Detmold ſolche Erkenntniſſe erlaßen, welche die
Ausuͤbung der landesherrlichen Gewalt in gewiſſe
Graͤnzen zuruͤckzuhalten zur Abſicht hatten. So
ſind aber vollends erſt in den Jahren 1770. (h)
1775.
[237]2) Vortheil reichsger. Erkenntniſſe.
1775. (i) 1778. (k) gegen drey regierende Reichs-
grafen nach einander nach vorgaͤngigen Reichshof-
raths-
(h)
[238]XIV. Heutige Verfaſſung.
rathsgutachten kaiſerliche Erkenntniſſe ergangen,
vermoͤge deren dieſelben wegen Mißbrauchs ihrer
landes-
(h)
(i),(k)
[239]2) Vortheil reichsger. Erkenntniſſe.
landesherrlichen Gewalt und anderer Vergehun-
gen ſelbſt in perſoͤnliche Haft genommen worden;
wiewohl ſonſt in der kaiſerlichen Wahlcapitulation
noch die beſondere Verfuͤgung enthalten iſt, daß
ohne der Churfuͤrſten, Fuͤrſten und Staͤnde vor-
hergehende Bewilligung Reichsſtaͤnde, die Sitz
und Stimme in Reichscollegien hergebracht, da-
von weder proviſoriſch noch in ſonſtige Weiſe ſus-
pendirt und ausgeſchloſſen, noch ihrer Landesre-
gierung, es geſchehe gleich proviſoriſch oder auf
irgend eine andere Weiſe, entſetzt werden ſollen (l).


Es gibt aber auch noch eine Art kaiſerlicherIV.
Erkenntniſſe, vermoͤge deren uͤber verſchuldete
Reichsſtaͤnde ſo genannte Debitcommiſſionen
verordnet werden, die den Auftrag bekommen,
ſowohl den Zuſtand der Schulden als der Zah-
lungsmittel zu unterſuchen, und ſolche Anſtalten
zu treffen, daß dem verſchuldeten Reichsſtande
nur eine gewiſſe Competenz gelaßen werde, aus
den uͤbrigen Landeseinkuͤnften aber die Glaͤubiger
in der Ordnung, wie ſie concursmaͤßig nach ein-
ander
(k)
[240]XIV. Heutige Verfaſſung.
ander angeſetzt ſind, nach und nach ihre Befriedi-
gung erhalten (m). Solche Debitcommiſſionen
werden gemeiniglich einem dritten Reichsſtande
oder auch einem Stammsvetter des Hauſes auf-
getragen, der dann zwar die eigentliche Regie-
rung dem verſchuldeten Reichsſtande uͤberlaͤßt, je-
doch alles, was zur Einnahme und Ausgabe ge-
hoͤret, unter ſeine Aufſicht, und die dazu gehoͤri-
gen Cammerraͤthe und Rechnungsbedienten in kai-
ſerliche Pflichten nimmt. Auf ſolche Art koͤnnen
Glaͤubiger, die Teutſchen Fuͤrſten geborgt haben,
auch bey der uͤbermaͤßigſten Schuldenlaſt zu ihrer
Befriedigung gelangen; nur mit dem großen Un-
terſchiede von anderen Concurſen, daß in dieſen
die Guͤter des Schuldners ſelbſt angegriffen, und,
ſoweit dieſelben reichen, alle Schulden auf ein-
mal bezahlt werden; bey fuͤrſtlichen Debitcommiſ-
ſionen hingegen die Bezahlung der Schulden nur
aus den Einkuͤnften geſchieht. Daruͤber koͤnnen
dann hundert und mehr Jahre hingehen, ehe die
Glaͤubiger oder vielmehr ihre Erben zum Ihrigen
gelangen, aber auch auf der andern Seite, ehe
der Landesfolger zum Genuſſe des Landes koͤmmt,
das doch vom erſten Erwerber her ſo gut fuͤr ihn
als fuͤr ſeine Vorgaͤnger in der Regierung be-
ſtimmt ſeyn ſollte. Waͤre es nicht fuͤr beide Thei-
le beſſer, wenn unſere regierende Herren (nur
Nothfaͤlle, wo Stammsvettern und Landſchaften
einwilligten, ausgenommen) lieber ganz Creditlos
waͤren?
[241]2) Vortheile reichsger. Erkenntniſſe.
waͤren? Immer bleibt es ein Gluͤck, daß ſie doch
noch einen Richter uͤber ſich haben.


Das einzige, ſo bey reichsgerichtlichen Er-V.
kenntniſſen, wodurch Reichsſtaͤnde verurtheilet
werden, noch zu Zeiten einigen Anſtand machen
kann, beſteht nur darin, daß es oft ſchwer haͤlt,
dergleichen Urtheile zur wuͤrklichen Vollziehung zu
bringen; und zwar nicht bloß deswegen, weil es
einigen Reichsſtaͤnden nicht an einer ſolchen Macht
gebricht, daß ſie allenfalls denken koͤnnen, es dar-
auf ankommen zu laßen, ob man ſie zu zwingen
im Stande ſeyn werde, — ſondern auch noch aus
einem ganz beſonderen Grunde, weil es unver-
merkt beynahe zu einer Art von Herkommen ge-
worden iſt, daß ein Reichsſtand, gegen den ein
widriges Erkenntniß zu Wien oder Wetzlar ergan-
gen iſt, noch einen Recurs an den Reichstag
nimmt, um noch auf eine oder andere Art Huͤlfe
und Rettung gegen ein ſolches Erkenntniß zu er-
langen (n). In dieſer Ruͤckſicht waͤre allerdings
zu wuͤnſchen, daß nach der ſchon in der Wahlca-
pitulation erkannten Nothwendigkeit von Kaiſer
und Reichs wegen durch eine neue Geſetzgebung
die Faͤlle genau beſtimmt werden moͤchten, in wel-
chen noch ein Recurs an den Reichstag ſtatt fin-
den ſolle (o).


Allein auch hier zeigen ſich neue Schwierig-VI.
keiten, die zum Theil ſelbſt in der Beſchaffenheit
unſerer Reichsgerichte, wie ſie wuͤrklich ſind, zum
Theil
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. Q
[242]XIV. Heutige Verfaſſung.
Theil auch uͤberhaupt in unſerer beſonderen Teut-
ſchen Verfaſſung ihren Grund haben. Wenn
das, was die Reichsgeſetze vom Cammergerichte
enthalten, alles in wuͤrklicher Uebung waͤre, in-
ſonderheit was die jaͤhrliche Viſitation deſſelben
und das damit verbundene Rechtsmittel der Re-
viſion betrifft; ſo wuͤrde kaum an Recurſe von
Cammergerichtsurtheilen zu denken ſeyn; wenig-
ſtens das Ziel derſelben ſehr enge geſteckt werden
koͤnnen. So aber muß der Umſtand, daß ſchon
ſeit zwey Jahrhunderten die Viſitationen und damit
verbundenen Reviſionseroͤrterungen ins Stecken
gerathen ſind, wenigſtens haͤufig zum Vorwande
dienen, daß es Reichsſtaͤnden nicht zu verdenken
ſey, wenn ſie in Ermangelung jenes Mittels an
die Quelle der geſetzgebenden Gewalt und hoͤch-
ſten Aufſicht ſelbſt ihre Zuflucht naͤhmen. Beym
Reichshofrathe ſind die Bedenklichkeiten noch groͤ-
ßer, da derſelbe in ſeinen eignen Reviſionsſachen
ſelbſt Richter iſt (p). Alſo wird der kaiſerliche
Hof zwar immer ſuchen, den Recurſen ein moͤg-
lichſt eingeſchraͤnktes Ziel zu ſetzen; aber von Sei-
ten der Reichsſtaͤnde wird man nicht gern die
Hand zu ſolchen Einſchraͤnkungen bieten, die man-
chen in Verlegenheit ſetzen koͤnnten, wenn er ein-
mal wuͤrklich in den Fall kommen ſollte, daß er
gegruͤndete Beſchwerden uͤber eines der beiden
Reichsgerichte zu fuͤhren haͤtte.


VII.

Inſonderheit verdient hiebey in Betrachtung
gezogen zu werden, daß bey unſeren hoͤchſten Ge-
richtsſtellen ganz andere Gattungen von Rechts-
ſachen, als in anderen Reichen, vorkommen koͤn-
nen.
[243]2) Vortheile reichsger. Erkenntniſſe.
nen. Wenn anderswo nur Privatperſonen um
Geld und Gut oder Privatgerechtigkeiten vor Ge-
richten ſtreiten, ſo kommen hier Sachen vor, die
Land und Leute betreffen und in die Verfaſſung
ganzer Laͤnder und Staaten einſchlagen. Da ſind
Reichsſtaͤnde freylich ebenfalls wie andere Par-
theyen in dem Falle noch einen hoͤhern Richter
uͤber ſich zu haben. Aber wenn andere Partheyen
bloße Privatperſonen ſind, ſo gibt es hier Par-
theyen, die zugleich ganze Staaten zu regieren
haben, und in eben der Eigenſchaft ſelbſt an der
Regierung des geſammten Reichs Theil zu neh-
men berechtiget ſind. Daß da Beſchwerden, die
einem Reichsſtande von einem der hoͤchſten Reichs-
gerichte zugefuͤgt werden, noch in einem andern
Verhaͤltniſſe gegen die hoͤchſte Gewalt der Geſetz-
gebung und obern Aufſicht ſtehen, als in anderen
Reichen, kann allerdings nicht widerſprochen
werden.


So ſehr es alſo zu wuͤnſchen waͤre, daß ein ge-VIII.
wiſſes Normativ, wornach man ſich in Anſehung
der Recurſe zu richten haͤtte, zu Stande kommen
moͤchte; ſo wenig ſcheint ſich noch jetzt eine nahe
Hoffnung dazu zu zeigen. Vielleicht duͤrfte ſie we-
niger entfernt ſeyn, wenn es moͤglich waͤre, bey
den Reichsgerichten ſelbſt einige von den Quellen
zu verſtopfen, aus welchen bisher die meiſten
Gruͤnde zu Rechtfertigung der Recurſe gefloſſen
ſind. Nach der wuͤrklichen Praxi koͤmmt es in-
zwiſchen in jedem Falle nur darauf an: ob die
Mehrheit der Stimmen am Reichstage, inſon-
derheit in den beiden hoͤheren Collegien, fuͤr einen
Recurs ſich bewirken laͤßt? Bisher iſt das noch
Q 2we-
[244]XIV. Heutige Verfaſſung.
wenigen gelungen, und wenn man hoffen darf,
daß ein jeder Reichsſtand ſeine Stimme in Re-
cursſachen ohne alle andere Ruͤckſichten bloß nach
unpartheyiſch gepruͤfter Gerechtigkeit der Sache
ablegen laͤßt, ſo wird zum Nachtheil der Gerech-
tigkeit im Ganzen von Recurſen ſo viel Unheil
nicht zu beſorgen ſeyn. Es mag aber wohl nicht
an Beyſpielen fehlen, da mehr politiſche als recht-
liche Gruͤnde ein oder andere Stimmen gelenkt
haben, und da inſonderheit mancher Reichsſtand,
indem er ſich um des andern Stimme beworben,
demſelben hinwiederum die ſeinige zu Unterſtuͤtzung
ſeiner Recurſe verſprochen hat (q). In ſolcher
Ruͤckſicht wuͤrde ſich fuͤr die Handhabung der Ge-
rechtigkeit in unſerer Reichsverfaſſung nicht die
beſte Ausſicht eroͤffnen, wenn dergleichen gegen-
ſeitige Recursunterſtuͤtzungen allgemeiner werden
ſollten.


III.
[245]3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.

III.
Noch einige Bemerkungen von Wahlconven-
ten, Kreisverſammlungen und Trennung der
beiden Religionstheile.


I. II. Auſſer den drey Orten Wien, Regensburg und
Wetzlar, wo die Reichsverfaſſung noch immer fortwaͤhrend
ſichtbar iſt, zeigt ſich dieſelbe von Zeit zu Zeit auch bey
Kaiſerwahlen oder Roͤmiſchen Koͤnigswahlen; — III. und
bey Reichsdeputationen, inſonderheit zur Viſitation des
Cammergerichts. — IV. Auch koͤnnen beſondere collegiali-
ſche Verſammlungen angeſtellt werden, wie ſonſt haͤufiger
von Churfuͤrſten und Reichsſtaͤdten geſchehen iſt, — V. be-
ſonders von altweltlichen Fuͤrſten, Reichspraͤlaten und Reichs-
grafen. — VI. So ſtehen mit der Reichsverfaſſung auch
noch die beſonderen Kreisverſammlungen in Verbindung,
inſonderheit in Schwaben, Franken, Baiern und den Rhei-
niſchen Kreiſen; — VII. wie auch die abgeſonderten Be-
rathſchlagungen eines jeden Religionstheils; — VIII. IX.
wozu inſonderheit das evangeliſche Corpus wegen der ge-
genſeitigen Mehrheit der Stimmen und intoleranten Ge-
ſinnungen bisher die groͤßte Urſache gehabt hat. — X. XI.
Wenn gleich aufgeklaͤrte Catholiken anders denken, ſo ſind
doch die Quellen der Intoleranz noch nicht verſtopft; —
XII. XIII. wovon die bisherigen Folgen und deren weitere
Beſorgniſſe unvermeidlich ſind. — XIV. Doch muß man
wuͤnſchen und hoffen, daß das Teutſche Reich noch zum
Beyſpiele dienen moͤge, wie verſchiedene Religionsverwand-
ten auch in einem Reiche friedlich und gluͤcklich bey einan-
der wohnen koͤnnen.


Wie die Reichsverfaſſung an den drey OrtenI.
zu Wien, Regensburg und Wetzlar auf
die bisher beſchriebene Art ſich noch vorzuͤglich in
ihrer fortwaͤhrenden Thaͤtigkeit zeiget, ſo gibt es
doch außerdem von Zeit zu Zeit auch noch beſon-
dere Vorfaͤlle, wo ſie ebenfalls noch ſichtbar er-
ſcheinet.


Q 3Von
[246]XIV. Heutige Verfaſſung.
II.

Von der Art iſt vorzuͤglich die Beſtimmung
des Thronfolgers, welche die Eigenſchaft des
Wahlreichs bey jeder Erledigung des Thrones
nothwendig macht, es ſey nun, daß erſt alsdann,
wenn der Thron ſchon wuͤrklich erlediget iſt, eine
Kaiſerwahl, oder zu einer Zeit, da die kaiſer-
liche Regierung noch im Gange iſt, ſchon zum
voraus eine Roͤmiſche Koͤnigswahl angeſtellt wer-
de. In beiden Faͤllen hat zwar nur das chur-
fuͤrſtliche Collegium das ganze Geſchaͤfft zu beſor-
gen. Es verfaͤhrt aber doch in der That im Na-
men des ganzen Reichs. Und ſowohl das Wahl-
geſchaͤfft an ſich, als die bey der Gelegenheit von
neuem zu berichtigende Wahlcapitulation ſtehet
offenbar in ſolcher Beziehung auf das ganze Reich,
daß hier faſt immer die wichtigſten Auftritte zu
erwarten ſind, die bey unſerer Reichsverfaſſung
noch vorkommen koͤnnen. Selbſt der Einfluß, den
vorzuͤglich das churfuͤrſtliche Collegium in Len-
kung der Geſchaͤffte ſowohl am kaiſerlichen Hofe
als am Reichstage und bey anderen Hoͤfen, zu ha-
ben pfleget, und den es zum Theil ſchon zum vor-
aus durch Collegialſchreiben bey der Wahl eines
Kaiſers oder Roͤmiſchen Koͤniges geltend machen
kann (r), gibt oft Anlaß, daß hier noch manche
Angelegenheiten vorkommen, die ſonſt unmittelbar
und gerade zu mit dem Wahlgeſchaͤffte in keiner
Gemeinſchaft ſtehen wuͤrden. Der Glanz dieſer
churfuͤrſtlichen Wahlverſammlungen wird auch da-
durch nicht wenig erhoͤhet, daß von einem jeden
churfuͤrſtlichen Hofe hier mehrere Botſchafter zu
erſcheinen pflegen, die ſammt und ſonders als Ge-
ſandten vom erſten Range qualificirt werden, und
wor-
[247]3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
worunter gemeiniglich wuͤrkliche Staatsminiſter
von ein oder anderem churfuͤrſtlichen Hofe zu ſeyn
pflegen. Auch iſt bisher noch immer gewoͤhnlich
geweſen, daß hier einige Churfuͤrſten in Per-
ſon ſich einfinden, wie noch bey der Wahl Jo-
ſephs des II. alle drey geiſtliche Churfuͤrſten an-
weſend waren, und nach vollzogener Wahl auch
der Churfuͤrſt von der Pfalz ſich noch perſoͤnlich
einſtellte.


Eine andere Art Verſammlungen, wo ſich dieIII.
Reichsverfaſſung noch in ihrer Thaͤtigkeit zeigen
kann, beſteht in Reichsdeputationen, wie ſol-
che hauptſaͤchlich zur Viſitation des Cammerge-
richts und zu Reichsfriedensſchluͤſſen nach Vor-
ſchrift der Reichsgeſetze beſtimmt ſeyn ſollen, auch
auſſerdem bey anderen auſſerordentlichen Veran-
laßungen ſtatt finden koͤnnen. Selbige haben aber
verſchiedentlich ſchon ſolche Schwierigkeiten gefun-
den, daß erſt manche Steine des Anſtoßes geho-
ben werden muͤßen, wenn dieſe an ſich preiswuͤr-
digen Anſtalten ihrer Beſtimmung entſprechen ſol-
len (s); wie man davon nur die Geſchichte der
letztern Cammergerichtsviſitation zum Beyſpiele
anfuͤhren darf (t).


Endlich gibt es auch beſondere Verſammlun-IV.
gen, die nur von gewiſſen Gattungen mit einan-
der verbundener Reichsſtaͤnde gehalten werden;
die alſo nicht das geſammte Reich vorſtellen, noch
auch fuͤr daſſelbe verbindliche Schluͤſſe faſſen koͤn-
nen;
Q 4
[248]XIV. Heutige Verfaſſung.
nen; die aber doch ſo ins Ganze verwebt ſind, daß
ihre Thaͤtigkeit in das Leben der ganzen Reichs-
verfaſſung einen merklichen Einfluß hat. Dahin
gehoͤren erſtlich die beſonderen collegialiſchen Be-
rathſchlagungen
der Churfuͤrſten, Fuͤrſten, Praͤ-
laten, Grafen und Reichsſtaͤdte. Hierzu gibt
die Beſtaͤndigkeit unſerer jetzt immer fortwaͤhren-
den Reichsverſammlung die Bequemlichkeit, daß
Churfuͤrſten, Fuͤrſten und Staͤdte, wie ſie am
Reichstage ohnedem nach dieſen drey Reichscolle-
gien abgetheilt ſind, ohne beſondere Zuſammen-
kuͤnfte anzuſtellen, ſolche collegialiſche Berathſchla-
gungen jede unter ſich halten koͤnnen. Doch iſt
ihnen auch nicht verwehrt, auſſer dem Reichsta-
ge, wann und wo ſie es gut finden, zuſammen zu
kommen, wie ehedem, da noch kein beſtaͤndiger
Reichstag war, von Seiten der Churfuͤrſten und
Reichsſtaͤdte ſehr haͤufig geſchehen iſt, und von
den Churfuͤrſten bey Kaiſerwahlen oder Roͤmiſchen
Koͤnigswahlen noch immer geſchieht.


V.

Das fuͤrſtliche Collegium, wie es im Reichs-
fuͤrſtenrathe mit Inbegriff der Praͤlaten und Gra-
fen zuſammenſitzt, iſt auſſer dem Reichstage noch
nie beſonders verſammlet geweſen; wohl aber ſind
von wegen der altfuͤrſtlichen Haͤuſer, auch wohl
mit Zuziehung ein oder anderer geiſtlichen Fuͤrſten,
zu Zeiten eigne Fuͤrſtentage gehalten worden, wie
noch 1741. zu Offenbach geſchehen iſt (u). Sie
haben es aber auch uͤberdies in ihrer Gewalt durch
ihre Comitialgeſandten zu Regensburg Conferen-
zen halten zu laßen, wie und wann ſie wollen.
Mit den Reichspraͤlaten und Grafen hat es in
Anſe-
[249]3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
Anſehung ihrer collegialiſchen Berathſchlagungen
nur darum eine andere Bewandtniß, weil eine je-
de der beiden Praͤlatenbaͤnke und ein jedes der vier
reichsgraͤflichen Collegien zu Regensburg nur einen
Stimmfuͤhrer hat; daher hier ſolche Berathſchla-
gungen, wozu ein jeder Praͤlat oder Graf ſeine
eigne Stimme geben ſoll, nicht ſtatt findet. Da
bleibt alſo nichts uͤbrig, als entweder beſondere
collegialiſche Zuſammenkuͤnfte anzuſtellen, oder
durch ſchriftliche Mittheilung collegialiſche Schluͤſſe
zu faſſen.


Nebſt ſolchen Berathſchlagungen der Reichs-VI.
ſtaͤnde nach ihren collegialiſchen Verbindungen koͤn-
nen ſie auch nach ihrer Eintheilung in Kreiſe Zu-
ſammenkuͤnfte und Berathſchlagungen anſtellen;
wie ſolche inſonderheit in den Kreiſen Schwaben,
Franken, Oberrhein, Churrhein und Baiern noch
gewoͤhnlich ſind. Da werden dann hauptſaͤchlich
ſolche Dinge berichtiget, welche in die innere Ver-
faſſung eines jeden Kreiſes einſchlagen, oder ge-
meinſchaftlich von jedem Kreiſe behandelt werden.
Es kann aber auch uͤber Dinge, deren voͤllige Be-
richtigung erſt von Kaiſer und Reich zu erwarten
iſt, hier eine Art von Vorberathſchlagung geſche-
hen, oder umgekehrt die Art, wie Reichsſchluͤſſe-
vollzogen werden ſollen, in Frage kommen.


Noch eine der wichtigſten Abtheilungen inVII.
reichsſtaͤndiſchen Berathſchlagungen wird endlich
durch die Trennung der beiden Religionstheile
veranlaßt. Einem jeden derſelben iſt unſtreitig
unbenommen, wo und wann ſie wollen, beſonde-
re Zuſammenkuͤnfte anzuſtellen, wie in vorigen
Q 5Zei-
[250]XIV. Heutige Verfaſſung.
Zeiten mehrmalen die catholiſchen Staͤnde zu Deſ-
ſau, Wuͤrzburg, die evangeliſchen zu Schmalkal-
den und anderswo dergleichen Verſammlungen
gehalten haben. Jetzt, da ohnedem bey dem nun-
mehr beſtaͤndigen Reichstage auch beide Religions-
theile immer von ſelbſten beyſammen ſind, haben
ſie die Bequemlichkeit, daß ſie durch ihre Comi-
tialgeſandten nach Belieben Conferenzen halten
laßen koͤnnen; ohne daß weder beſondere Legiti-
mation, noch Ceremoniel dabey erfordert wird.


VIII.

Das evangeliſche Corpus hat inſonderheit
Urſache auf ſeiner Hut zu ſeyn, theils damit durch
die Mehrheit der Stimmen, welche die catholi-
ſchen Staͤnde in den beiden hoͤheren Reichscolle-
gien auf ihrer Seite haben, nicht Dinge zu ih-
rem Nachtheile durchgeſetzt werden, theils damit
ſie durch gemeinſchaftlichen Beyſtand ſolche Be-
ſchwerden, welchen ihre Glaubensgenoſſen ſonſt
einzeln unterliegen muͤßten, zu verhuͤten oder ab-
zuhelfen ſuchen koͤnnen. Leider hat es die bishe-
rige Geſchichte nur zu ſehr an den Tag gebracht,
was die Grundſaͤtze fuͤr Folgen gehabt haben, wel-
che der paͤbſtliche Stuhl in beſonders kraͤftiger
Mitwirkung aller Moͤnchsorden, inſonderheit der
Jeſuiten, der catholiſchen Kirche zu eigen zu ma-
chen gewußt hat, als ob auſſer der Roͤmiſchen
Kirche keine Seligkeit zu hoffen ſey, und daß es
daher die Pflicht eines jeden Chriſten ſey, das
zu glauben, was die Kirche glaube, d. i. was vom
Roͤmiſchen Biſchofe, und denen, die von ſeiner
Geſinnung beſeelt ſind, zu glauben befohlen wird;
daß eine jede Abweichung davon ein Verbrechen
ſey, das unter dem verhaßten Namen der Ketze-
rey
[251]3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
rey nicht gnug verfolgt und geahndet werden koͤn-
ne; daß es unrecht ſey, denen, die nicht mit der Roͤ-
miſchen Kirche gleichfoͤrmig denken wollen, nur
irgend einige Duldung oder irgend einen Genuß
buͤrgerlicher Rechte und Freyheiten angedeihen zu
laßen; daß es vielmehr Pflicht ſey, einen jeden
anders denkenden, allenfalls auch mit Gewalt und
allen moͤglichen Zwangsmitteln wieder in den
Schoß der Roͤmiſchen Kirche zuruͤckzubringen (v);
daß das ſelbſt Wohlthat fuͤr ihn ſey, weil er ſonſt
ewig verdammt ſeyn wuͤrde; daß aber, wenn es
ſich nicht thun laße, ſolche anders denkende in den
Schoß der Roͤmiſchen Kirche zuruͤckzubringen,
nichts uͤbrig bleibe, als ſie, wo nicht zu haſſen,
doch zu bedauern, und wenigſtens bey vorkom-
men-
[252]XIV. Heutige Verfaſſung.
menden Gelegenheiten in Schulen, Kirchen und
dazu gehoͤrigen Guͤtern und Einkuͤnften ihnen allen
moͤglichen Abbruch zu thun; das alles dann ſelbſt
als ein Gottgefaͤlliges und zur ewigen Seligkeit
verdienſtliches Werk angeſehen und geprieſen wer-
den muͤße.


IX.

Dieſen Grundſaͤtzen ſollte nun freylich in
Teutſchland in der Anwendung alle Kraft benom-
men ſeyn, da im Weſtphaͤliſchen Frieden und allen
unſern heiligſten Reichsgrundgeſetzen auf alle moͤg-
liche Art vorgebauet iſt, daß die evangeliſche Re-
ligion nicht als ketzeriſch behandelt werden ſolle.
Allein nach dem wahren Syſteme der Roͤmiſchen
Kirche, wie es inſonderheit die Jeſuiten durchaus
behauptet und ihren Zoͤglingen unabfaͤllig beyzu-
bringen geſucht haben, hat das alles zum Nach-
theile der Kirche von keiner Kraft ſeyn koͤnnen (w).
Geſetzt auch, daß Vorſtellungen von der Verbind-
lichkeit feierlicher Grundgeſetze oder gar eidlicher
Verſicherungen jemanden im Gewiſſen einen Scru-
pel dagegen erregen ſollten, ſo bliebe der paͤbſtlichen
Gewalt nach jenem Syſteme doch unbenommen,
auch von den theuerſten Eidesleiſtungen aus goͤtt-
lich ſtatthalteriſcher Machtvollkommenheit voͤllige
Ent-
[253]3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
Entbindung zu ertheilen, wie auf ſolche Art Pabſt
Paul der IV. den Koͤnig Philipp den II. von Spa-
nien von aller Verbindlichkeit des Eides, den er
den Niederlaͤndiſchen Provinzen zu Erhaltung ih-
rer Freyheit und Religion geleiſtet hatte, losſprach,
um nun ungehindert alle Proteſtanten in den Nie-
derlanden verfolgen zu koͤnnen.


Zur Ehre der Menſchheit muß man zwar be-X.
merklich machen, daß es von je her auch unter
den Catholiſchen nicht an ſolchen gefehlet hat, die
aufgeklaͤrt gnug waren, um den Ungrund ſolcher
intoleranten Grundſaͤtze einzuſehen, und redlich
geſinnt gnug, um die daraus hergeleiteten Geſin-
nungen zu verabſcheuen. Aber in welchem Ver-
haͤltniſſe ſtand die Zahl dieſer Aufgeklaͤrten gegen
den unuͤberſehlich großen Haufen derer, die nicht
vermoͤgend waren, daruͤber nachzudenken, und
uͤber die von Jugend auf eingeſogenen Vorurtheile,
wodurch jene Grundſaͤtze einmal tiefe Wurzeln bey
ihnen geſchlagen hatten, ſich hinauszuſetzen? Wie
große Hinderniſſe wurden deswegen uͤberall jedem
Mittel, das nur zu einiger Aufklaͤrung uͤber dieſe
Dinge fuͤhren koͤnnte, in Weg gelegt? Wie ſorg-
faͤltig ſuchte man Leſung ſolcher Schriften, die hier-
uͤber einiges Licht verbreiten moͤchten, Beſuchung
proteſtantiſcher hoher und niederer Schulen, oder
auch nur jeden vertrauten Umgang mit Proteſtan-
ten verdaͤchtig zu machen, und als aͤußerſt gefaͤhr-
lich zuruͤck zu halten? Und wenn dann auch hier
und da ein aufgeklaͤrter Catholik anders dachte, ſo
durfte er es doch nicht wagen, ſolche Geſinnungen
nur blicken zu laßen, ohne ſich ſelbſt den groͤßten
Verfolgungen auszuſetzen, ſo weit nur Jeſuiten
oder
[254]XIV. Heutige Verfaſſung.
oder aͤhnlich Geſinnte reichen konnten, um anders
denkende Eltern, Ehegatten, Verwandte, Freun-
de, Goͤnner, Oberen, kurz alles gegen einen ſol-
chen aufzubringen.


XI.

Dieſe Umſtaͤnde waren, wie durch unſere Ge-
ſchichte mit tauſend Thatſachen beleget werden
kann, bisher in Teutſchland unverkennbar; inſon-
derheit ſo lange der Jeſuiterorden noch in ſeinem
voͤlligen Gange war. Seit deſſen Aufhebung ha-
ben ſich allerdings im catholiſchen Teutſchlande
weit mehr tolerantere Geſinnungen verbreitet.
Doch ſtehet dahin, ob die Quelle ſchon ganz fuͤr
verſieget zu halten ſey, ſo lange es noch ehemali-
gen Zoͤglingen der Jeſuiten ſchwer faͤllt, die ihnen
beygebrachten Vorurtheile zu uͤberwinden, — ſo
lange noch Exjeſuiten nicht alle Thaͤtigkeit verloh-
ren haben, ſolche Grundſaͤtze ferner zu unterhalten
und auszubreiten, — ſo lange noch andere Moͤnchs-
orden Mittel und Wege finden werden, eben das
zu thun, — ja ſo lange uͤberhaupt noch weltliche
Maͤchte in geiſtlichen Sachen einer auswaͤrtigen
hoͤhern Gewalt unterworfen ſind, — und ſo lange
von Rom aus noch der wirkſame Einfluß bleibt,
zu verhuͤten, daß nicht der Unterſchied zwiſchen
chriſtlich catholiſcher Religion und Roͤmiſch paͤbſtli-
cher Abhaͤngigkeit allgemeiner erkannt werde.


XII.

Unter ſolchen Umſtaͤnden und bey den ſo ſehr
verwickelten Verhaͤltniſſen, worin die verſchiedenen
Religionsverwandten in Teutſchland gegen einan-
der ſtehen, darf man ſichs wohl nicht befremden
laßen, wenn es ſo haͤufige Vorfaͤlle gegeben hat
und zum Theil noch gibt, wo unter einem catholi-
ſchen
[255]3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
ſchen Landesherrn evangeliſchen Unterthanen, bey
catholiſchen Gerichten evangeliſchen Partheyen,
unter Mitgliedern einer Familie, einer Stadt,
einer Gemeinde, einer Landſchaft, einer reichs-
ſtaͤndiſchen Verſammlung, wo die Mehrheit der
Stimmen auf catholiſcher Seite iſt, den minder
zahlreichen Evangeliſchen Stoff zu Beſchwerden ge-
geben wird. In welchem Lichte muß da nicht erſt
jedem Unpartheyiſchen die Wichtigkeit der Verord-
nungen erſcheinen, welche der Weſtphaͤliſche Frie-
de von der Gleichheit der Stimmen bey Reichs-
gerichten, Deputationen und Commiſſionen, und
von Hemmung der Mehrheit der Stimmen in Faͤl-
len, wo in reichsſtaͤndiſchen Verſammlungen ein
Religionstheil von des andern Meynung abgeht,
ſo weislich feſt geſetzt hat? Wie wenig kann es al-
ſo Beyfall verdienen, wenn man ſelbſt dieſen Ver-
ordnungen nicht ihre volle Wirkſamkeit angedeihen
laßen wollen?


Was alles das in unſere allgemeine Reichsver-XIII.
faſſung fuͤr einen Einfluß hat, wie ſchwer es in-
ſonderheit haͤlt, ein den gemeinnuͤtzigſten Geſchaͤff-
ten und Abſichten oft hinderliches gegenſeitiges
Mißtrauen zu verhuͤten, das bedarf wohl keiner
weitern Ausfuͤhrung, wenn man nur das Innere
der Geſchichte des Teutſchen Reichs mit offenen Au-
gen anſieht. Unter andern wird keinem leicht die
Bemerkung entgehen, wie man bey mehreren Ge-
legenheiten ſolche Geſinnungen auszubreiten ge-
wußt hat, als ob catholiſch und kaiſerlich geſinnt
ſeyn eben ſo unzertrennlich ſey, als man jeden Pro-
teſtanten gegen die kaiſerliche Hoheit fuͤr widrig-
ge-
[256]XIV. Heutige Verfaſſung.
geſinnt halten muͤße; ſo daß das Intereſſe des ge-
ſammten catholiſchen Religionstheils erfordere, in
allen Faͤllen, wo von Erweiterung der kaiſerlichen
Vorrechte die Frage ſey, dieſelbe mit allen Kraͤf-
ten zu befoͤrdern, und daß hinwiederum der kaiſer-
liche Hof Urſache habe, allem dem, was das evan-
geliſche Religionsweſen aufrecht erhalten koͤnnte,
entgegen zu arbeiten.


XIV.

Moͤchten doch endlich nur alle ſolche Vorur-
theile verſchwinden, und allgemein erkannt werden,
daß die Rechtſchaffenheit, ohne welche keine aͤchte
Religion beſtehen kann, erfordere, einem jeden
ohne Ruͤckſicht auf die Religion das ſeinige zu la-
ßen, und daß Mitglieder eines Staats, wenn
auch in Religionsſachen ihr Glaube nicht uͤberein-
ſtimmt, dennoch als Bruͤder bey einander leben
koͤnnen! Freylich moͤgen einem Staate, deſſen
Haupt und Glieder einerley Religion zugethan ſind,
vor andern, wo verſchiedene Religionen neben ein-
ander ſtehen, in Anſehung deſſen, was daraus fuͤr
Eiferſucht und andere Folgen entſtehen koͤnnen,
gewiſſe Vorzuͤge nicht abgeſprochen werden. Da-
her allerdings die Frage entſtehen kann, ob es rath-
ſam ſey, fremde Religionsverwandten, die noch
nicht in einem Lande ſind, darin aufzunehmen.
Aber wo ein Religionsunterſchied nur daraus er-
waͤchſt, daß im Lande ſelbſt eine Veraͤnderung vor-
geht, und wo nun einmal verſchiedene Religions-
verwandten neben einander im Staate ſind, da
bleibt nichts uͤbrig, als einen jeden ſeiner Ueber-
zeugung nachgehen zu laßen. Waͤre dieſe Geſin-
nung allgemeiner, wie man hoffen muß, daß ſie
von
[257]3) Kaiſerw., Kreist., Religionstheile.
von dem erhabenen Beyſpiele des Monarchen, den
jetzt das Teutſche Reich als ſein Oberhaupt vereh-
ret, ſich auf alle Glieder des Reichs immer weiter
verbreiten werde; ſo wuͤrde Teutſchland vielleicht
ſelbſt noch zum Beyſpiele dienen koͤnnen wie ein
ſo zuſammengeſetzter Staatskoͤrper des Unterſchie-
des der Religionen ungeachtet dennoch den Haupt-
zweck ſeiner gemeinſamen Sicherheit und Wohl-
fahrt immer vollkommener zu erreichen ganz wohl
vermoͤgend ſey.


P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. RIV.
[258]XIV. Heutige Verfaſſung.

IV.
Einige Bemerkungen, wie weit noch jetzt in Re-
gierung der beſonderen Teutſchen Staaten Ver-
fuͤgungen des Reichstages oder des kaiſerlichen
Hofes erforderlich ſind, und was davon
abhaͤngt.


I. Jedes einzelne Teutſche Gebiet wird jetzt meiſt nur
nach ſeiner eignen Convenienz, nicht etwa in Gleichfoͤrmig-
keit des ganzen Reichs, regiert. — Hoͤchſtens zeigt ſich noch
etwa einige Ruͤckſicht auf Nachbarſchaft oder Kreisverfaſ-
ſung. — II. Allgemeine Reichsſchluͤſſe uͤber Dinge, die in die
innere Verfaſſung der beſonderen Staaten einſchlagen, wer-
den immer ſeltener und ſchwieriger. — III. Daraus er-
waͤchſt nun eine immer groͤßere Verſchiedenheit in ſothaner
Verfaſſung jeder einzelnen Gebiete; — IV. wovon zu ih-
rem Gluͤcke ein vortheilhafter Gebrauch gemacht werden
kann. — Doch gibt es noch einige kaiſerliche Reſervatrech-
te, die hier in Betrachtung kommen. — V. So hat der
Kaiſer noch jetzt in ganz Teutſchland das Recht Standeser-
hoͤhungen zu ertheilen, — ingleichen kaiſerliche Hofpfalzgra-
fen und Notarien zu ernennen; — VI. Zoͤlle hat zwar der
Kaiſer ſelbſt nicht mehr; es kann ſie aber auch kein Reichs-
ſtand ohne kaiſerliche Conceſſion haben; — ſo auch das
Recht der Muͤnze; — VII. und Univerſitaͤten. — VIII.
Einige Gegenſtaͤnde ſind ſtreitig, oder doch einer genauern
Beſtimmung unterworfen, — als Jahrmaͤrkte und Meſ-
ſen; — IX. X. Stadtrecht und Zuͤnfte; — XI. XII. Mo-
ratorien. — XIII. Bisweilen gilt noch eine Concurrenz
gewiſſer kaiſerlicher und landesherrlicher Hoheitsrechte, —
als in Ergaͤnzung der Volljaͤhrigkeit und Legitimation un-
ehelicher Kinder. — XIV. Kaiſerliche Conceſſionen fuͤr ganz
Teutſchland koͤnnen den Reichsſtaͤnden in ihren Laͤndern nicht
vorgreifen. — XV. Auch mit Buͤcherprivilegien hat es eine
ganz eigne Bewandtniß. — XVI. So laͤßt ſich ungefaͤhr
zwiſchen kaiſerlichen Reſervatrechten und landesherrlichen
Rechten eine richtige Graͤnzlinie ziehen. — XVII. Außer-
dem werden unſere Reichsſtaͤnde in ihren Regierungsrechten
anderen Europaͤiſchen Maͤchten meiſt gleich gehalten; —
XVIII. ſelbſt in Kriegen, Buͤndniſſen, Repreſſalien, und
allen Gattungen gegenſeitiger Vertraͤge. — XIX. Ein Ver-
zeichniß aller Europaͤiſchen Maͤchte darf deswegen die Teut-
ſchen beſonderen Staaten nicht auslaſſen. — XX. XXI.
Nur
[259]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.
Nur gibt es unter ihnen auch noch Staatsdienſtbarkeiten
haͤufiger und aus anderen Quellen, als unter Europaͤiſchen
Maͤchten. — XXII. Selbſt Reichsgeſetze koͤnnen gewiſſe Ein-
ſchraͤnkungen der Landeshoheit begruͤnden. — XXIII. Eini-
ge geiſtliche Laͤnder haben noch beſondere Ueberbleibſel von
ehemaligen Vogteyen; — XXIV. wie auch einige Reichs-
ſtaͤdte.


Von der Art, wie unſere beſondere TeutſcheI.
Staaten jetzt regiert werden, kann man
als eine Regel annehmen, daß jedes einzelne Land,
jede Reichsſtadt, jedes noch ſo kleine Gebiet, das
einen eignen beſonderen Staat ausmacht, ſeine
Convenienz ſo gut zu befoͤrdern ſucht, als es ſich
thun laͤßt, ohne auf die Verbindung, worin alle
Teutſche Staͤnde als Mitglieder eines Reichs ſte-
hen, weiter, als es die hoͤchſte Noth und ihr eige-
nes Intereſſe erfordert, große Ruͤckſicht zu nehmen.
Wann ſonſt noch manche Angelegenheiten, als
Juſtitz, Polizey, Muͤnze, ꝛc. wie ſie auch in je-
dem Lande am beſten einzurichten ſeyn moͤchten, als
Gegenſtaͤnde angeſehen wurden, die am fuͤglichſten
mittelſt einer gemeinſamen Reichsberathſchlagung
behandelt werden koͤnnten; ſo gehet jetzt in allem
dem ein jeder mehrentheils ſeinen eignen Weg.
Nur was etwa Beyſpiele guter Geſetzgebungen oder
anderer neuen Einrichtungen, die ſich im Erfolge
bewaͤhrt finden, von einem auf den andern wirken
koͤnnen, oder was Nachbarſchaft, Verwandtſchaft,
Gleichheit des Standes und der Religion oder an-
dere Umſtaͤnde etwa fuͤr Bewegungsgruͤnde an die
Hand geben, um gewiſſe Geſchaͤffte nach einerley
Grundſaͤtzen zu behandeln, das kann noch allen-
falls Anlaß geben, daß mehrere Reichsſtaͤnde auch
in ihren Landeseinrichtungen auf einander Ruͤckſicht
nehmen. Oder ſo kann auch endlich die Kreisver-
R 2faſ-
[260]XIV. Heutige Verfaſſung.
faſſung da, wo ſie noch in ihrer Thaͤtigkeit iſt,
zwiſchen Mitgliedern eines Kreiſes oder auch zwi-
ſchen mehreren benachbarten Kreiſen zu gegenſeiti-
gen Mittheilungen und nach Befinden zu faſſenden
Schluͤſſen Anlaß geben.


II.

Daß von geſammten Reichs wegen uͤber
ſolche Dinge, die in das Innere der Verfaſſung
einzelner Laͤnder oder Staͤdte einſchlagen, gemein-
ſame Schluͤſſe gefaſſet wuͤrden, geſchieht immer
ſeltener; gewiß nicht leicht anders, als wenn ein-
zelne Reichsſtaͤnde darunter leiden wuͤrden, wenn
ſie durch beſondere Verordnungen nur in ihren Laͤn-
dern etwas durchſetzen wollten. So war z. B. der
Fall von Handwerksmißbraͤuchen, woruͤber ein je-
der Reichsſtand zwar Verfuͤgungen in ſeinem Lan-
de machen kann, aber doch beſorgen muß, daß ſein
Land von wandernden Geſellen gemieden wird,
wenn ſie darin mehr als in andern Laͤndern einge-
ſchraͤnkt ſeytz ſollen. So ließ ſich freylich begrei-
fen, wie noch 1771. ſelbſt der Berliner Hof dar-
auf antrug, daß ein Reichsſchluß daruͤber abge-
faßt werden moͤchte, den blauen Montag fuͤr die
Handwerksleute abzuſtellen (x). Und doch laͤßt
ſich auch aus dieſen Beyſpielen abnehmen, wie
ſchwer es haͤlt, ſelbſt allgemeine Reichsſchluͤſſe von
der Art fuͤr ganz Teutſchland wuͤrklich in Gang zu
brin-
[261]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.
bringen. Nicht ſelten gibt es an manchen Orten
beſondere Hinderniſſe in der Vollziehung ſolcher
Reichsſchluͤſſe; oder wenn auch ohne beſondere
Gruͤnde dazu zu haben, ein Reichsſtand ſich dabey
unthaͤtig betraͤgt; was fuͤr Mittel ſollten da wirk-
ſam ſeyn, um die Vollziehung allgemeiner zu ma-
chen? Von Amts wegen wird von Kaiſer und
Reich in ſolchen Faͤllen nicht leicht ein Schritt ge-
ſchehen. Es muͤßten ſchon ganz beſondere Umſtaͤn-
de eintreten, wenn ein Reichsſtand nur zu beſor-
gen haben ſollte, daß etwa der Reichsfiſcal deshalb
wider ihn zu klagen bewogen werden moͤchte. Und
wenn das auch waͤre, was wuͤrde allenfalls fuͤr ein
Ausgang davon zu erwarten ſeyn? (y)


Hieraus entſpringt nun ganz natuͤrlich die Fol-III.
ge, daß ſich die Verſchiedenheit in der innern
Verfaſſung der Laͤnder
kaum ſo groß denken
laͤßt, wie ſie in Teutſchland wuͤrklich iſt. Eine
allgemeine Gleichfoͤrmigkeit iſt jetzt ſo wenig zu er-
war-
R 3
[262]XIV. Heutige Verfaſſung.
warten, daß faſt keiner unſerer beſonderer Staa-
ten dem andern mehr aͤhnlich ſieht. Nicht nur in
der Regierungsform, da Reichsſtaͤdte von Terri-
torien, wie Republiken von Monarchien unter-
ſchieden ſind, und jede Reichsſtadt wieder in ihrer
mehr oder minder eingeſchraͤnkten oder unbeſchraͤnk-
ten ariſtocratiſchen oder democratiſchen Verfaſſung,
ingleichen jedes Land, nachdem es gewehlte geiſt-
liche, oder erbliche weltliche, Landesherren mit
oder ohne Landſtaͤnde hat u. ſ. w., von allen an-
deren ſich unterſcheidet, ſondern auch faſt in allen
und jeden Gegenſtaͤnden der Regierung, als im
Gerichtsweſen, in Beſtrafung der Verbrechen, in
Polizeyanſtalten, in der Steuer, im Kriegsweſen,
in der Muͤnze u. ſ. w. hat jedes Land, jede Reichs-
ſtadt, faſt jedes reichsritterſchaftliche Gebiet, ſeine
ganz beſondere Eigenheiten.


IV.

Im Grunde iſt das gewiß kein Ungluͤck, wenn
auf ſolche Art ein jeder Staat ſeine eigne Wohl-
fahrt nach ſeinen beſonderen Umſtaͤnden zu befoͤr-
dern ſuchen kann, ohne von auſſen irgend einiges
Hinderniß beſorgen zu duͤrfen; ſo wie eben darin
die Unabhaͤngigkeit der Europaͤiſchen Maͤchte ſich
zu ihrem Vortheile zeiget, daß eine jede ihre inne-
re Einrichtungen nach ihrer Convenienz machen
kann, ohne daß irgend eine andere Macht darin
Ziel und Maß ſetzen darf. — Nur wenige Faͤlle
ſind es, wo noch jetzt ſo genannte kaiſerliche
Reſervatrechte
eintreten, da entweder noch jetzt
der Kaiſer allein in ganz Teutſchland gewiſſe Ho-
heitsrechte auszuuͤben hat, oder doch ein Reichs-
ſtand ſolche nicht anders als vermoͤge einer kaiſer-
lichen Conceſſion auszuuͤben berechtiget iſt.


So
[263]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.

So iſt von jener Art kaiſerlicher Reſervatrech-V.
te eigentlich nur noch das Recht der Standeser-
hoͤhungen
uͤbrig. Sowohl Adelsbriefe als frey-
herrliche, graͤfliche und fuͤrſtliche Standeserhoͤhun-
gen werden noch jetzt vom Kaiſer ausgefertiget,
nicht von Reichsſtaͤnden aus landesherrlicher Ge-
walt. Und doch gibt es auch Reichsſtaͤnde und
andere, die zu kaiſerlichen Hofpfalzgrafen mit der
groͤßern Comitiv beſtellt ſind; die ebenfalls derglei-
chen Begnadigungen ertheilen koͤnnen. Einige an-
dere Wuͤrden, die auch bis jetzt nicht anders als
aus kaiſerlicher Macht verliehen werden koͤnnen,
werden nicht einmal vom Kaiſer ſelbſt mehr ge-
ſucht, ſondern nur von Hofpfalzgrafen, denen
durch kaiſerliche Auftraͤge oder ſo genannte Comi-
tive ſolche Rechte verliehen ſind, als kaiſerliche
Notarien zu ernennen u. d. g. Mehrmalige Miß-
braͤuche ſolcher Comitive (z) haben ſo gar Anlaß
gegeben, daß doch der Wirkſamkeit ſolcher Be-
gnadigungen in einzelnen Laͤndern nicht einmal
Platz gegeben wird, wenn nicht erſt eine beſondere
landesherrliche Genehmigung, nach Befinden nach
vorgaͤngiger Pruͤfung, hinzukoͤmmt (a).


Meh-
R 4in
[264]XIV. Heutige Verfaſſung.
VI.

Mehrere Hoheitsrechte, die ehedem dem Kai-
ſer in ganz Teutſchland allein zuſtanden, ſind der
kaiſerlichen Gewalt nur noch in ſo weit vorbehal-
ten geblieben, daß ſie der Kaiſer ſelbſt zwar nicht
mehr ausuͤbt, ſondern daß ſie jetzt ebenfalls nur
von Reichsſtaͤnden ausgeuͤbt werden, doch nicht
aus allgemeiner eigner landesherrlichen Gewalt,
ſondern nur vermoͤge beſonderer kaiſerlicher Begna-
digung. So hat z. B. der Kaiſer ſelbſt, in der
Eigenſchaft als Kaiſer keinen einzigen Zoll weder
zu Waſſer noch zu Lande in ganz Teutſchland;
hingegen ſind wenige Reichsſtaͤnde, die nicht einen
oder mehrere Zoͤlle beſaͤßen. Nichts deſto weniger
iſt das Recht der Zoͤlle noch jetzt kein Theil der
Landeshoheit, daß ein jeder Reichsſtand aus lan-
desherrlicher Gewalt dergleichen anlegen koͤnnte;
ſondern zu einem jeden Zolle wird eine kaiſerliche
Begnadigung erfordert; auch keine Erhoͤhung oder
Veraͤnderung darf mit einem Zolle ohne kaiſerliche
Einwilligung vorgenommen werden; ſelbſt dieſe iſt
nicht einmal hinlaͤnglich, wenn ſie nicht zugleich
mit der Einwilligung ſaͤmmtlicher Churfuͤrſten be-
gleitet iſt (b). (Nur das Haus Brandenburg
behauptet aus einer beſonderen Begnadigung vom
Kaiſer Friedrich dem III. das Recht, nach Gut-
fin-
(a)
[265]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.
finden in ſeinen Landen Zoͤlle anlegen zu duͤrfen.)
Eine aͤhnliche Bewandtniß hat es mit dem Rechte
der Muͤnze, das faſt jeder Reichsſtand ausuͤbt, und
der Kaiſer fuͤr ſich nicht mehr in Uebung hat; den-
noch gebuͤhrt es von Rechts wegen keinem Reichs-
ſtande, wenn er nicht eine beſondere kaiſerliche
Conceſſion daruͤber erhalten hat, die ebenfalls ohne
Einwilligung der Churfuͤrſten nicht einmal zu
Recht beſtaͤndig ſeyn ſoll (c).


Hoͤhere und niedere Schulen oder gelehrte Ge-VII.
ſellſchaften von allen Gattungen in ſeinem Lande
anzulegen, hat zwar ein jeder Reichsſtand in ſei-
ner Gewalt, ſofern es auf Ernennung, Beſoldung
und Befreyung der dazu gehoͤrigen Perſonen an-
koͤmmt. Sobald aber eine hohe Schule mit dem
Rechte academiſche Wuͤrden, nach Abtheilung der
ſo genannten Facultaͤten der Gottesgelehrtheit, der
Rechtsgelehrſamkeit, der Arzneywiſſenſchaft, und
der Weltweisheit, zu ertheilen begabt ſeyn ſoll,
wie das eigentlich den unterſcheidenden Begriff un-
ſerer Univerſitaͤten ausmacht; ſo wird hierzu ein
kaiſerliches Privilegium erfordert; wie auf ſolche
Art noch die neueſten Univerſitaͤten 1733. zu Goͤt-
tingen, 1742. zu Erlangen, 1781. zu Stuttgard
mit kaiſerlichen Privilegien verſehen ſind; (wie-
wohl letztere ohne eine theologiſche Facultaͤt mit
darunter zu begreifen, und mit der Einſchraͤnkung,
daß die academiſchen Wuͤrden nur an diejenigen,
die auf eben der Univerſitaͤt ſtudiret haben, ertheilet
werden ſollen.)


Bey
R 5
[266]XIV. Heutige Verfaſſung.
VIII.

Bey einigen Rechten gibt es noch Zweifel, ob
und wie weit ſie aus landesherrlicher Macht, oder
erſt vermoͤge einer kaiſerlichen Conceſſion ausge-
uͤbt werden koͤnnen. In aͤlteren Zeiten ſind nicht
ſelten Zunftrechte, Jahrmaͤrkte und Wochen-
maͤrkte
durch kaiſerliche Privilegien erhalten wor-
den. Da aber hiermit keine Rechte und Verbind-
lichkeiten verknuͤpft ſind, woruͤber nicht ein jeder
Reichsſtand in ſeinem Lande hinlaͤngliche Verfuͤ-
gungen treffen koͤnnte; ſo hat ein neueres Herkom-
men hierin einem jeden Reichsſtande voͤllig freye
Haͤnde gelaßen. Was aber ſo genannte Meſſen
ſind, wie die zu Frankfurt am Main und an der
Oder, zu Leipzig, Naumburg und Braunſchweig,
da iſt noch zur Zeit eine jede erſt durch ein kaiſer-
liches Privilegium zu ihrer voͤlligen Conſiſtenz ge-
kommen, wozu auch noch immer erhebliche Gruͤn-
de vorhanden ſind, die ſich aus dem Unterſchiede
zwiſchen Meſſen und Jahrmaͤrkten leicht abneh-
men laßen (d).


In
[267]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.

In mittleren Zeiten iſt es wohl geſchehen, daßIX.
Landſtaͤdte ihr Stadtrecht von Kaiſern erhalten
haben;
(d)
[268]XIV. Heutige Verfaſſung.
haben; wie z. B. die Stadt Schweinsberg in Heſſen
vom Kaiſer Ludewig von Baiern. Allein alle die
Rechte, welche Staͤdte von Flecken und Doͤrfern
unterſcheiden, kann unſtreitig ein jeder Reichs-
ſtand heutiges Tages vermoͤge der Landeshoheit
ertheilen; es ſey, daß eine ganz neue Stadt er-
bauet, oder auch ein bereits vorhandenes Dorf
oder ein ſo genannter Flecken mittelſt Anlegung
gepflaſterter Straßen und Umgebung deſſelben
mit Mauern und Thoren, wie auch mit Geſtat-
tung eines eignen Stadtraths und des Rechts der
Zuͤnfte, Jahrmaͤrkte, Bierbrauereyen und an-
derer buͤrgerlicher Nahrungszweige, in eine Stadt
verwandelt werde. Alles das kann jetzt, ohne
der Landeshoheit vorzugreifen, vermoͤge der kaiſer-
lichen Gewalt nicht geſchehen.


X.

Ein anderes iſt es, wenn vielleicht von aͤlte-
ren Zeiten her ein kaiſerliches Privilegium, oder
ein Vertrag, oder irgend ein anderer Rechtsgrund
einem Reichsſtande ein Recht zu widerſprechen ver-
ſchafft hat, im Fall in einem gewiſſen Bezirke in
ſeiner Naͤhe eine neue Stadt angelegt werden ſoll-
te, wie z. B. die Stadt Frankfurt am Main auf
ſolche Art nicht zugeben will, daß ein benach-
barter Ort Offenbach im Iſenburgiſchen zur
Stadt
(d)
[269]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder
Stadt gemacht werde. So widerſprach auch die
Stadt Hamburg, als zunaͤchſt bey derſelben auf
Holſteiniſchem Grund und Boden Altona zur Stadt
gemacht wurde. Bey ſolchen Gelegenheiten ſind
wohl noch in neueren kaiſerlichen Ausfertigungen
ſolche Ausdruͤcke eingefloſſen, als ob ohne kaiſerli-
che Begnadigung keine Stadt neu errichtet wer-
den koͤnnte (e). Allein das ſind mehr Canzley-
formulare, als daß ſie gegen eine ſo klare Analo-
gie der heutigen Verfaſſung und des neueren Her-
kommens zum Beweiſe dienen koͤnnten.


Noch eine Art Begnadigungen, die ehedemXI.
auch mittelbare Mitglieder des Reichs haͤufig von
Kaiſern ſuchten und erhielten, waren die ſo ge-
nannten Moratorien, wodurch Schuldner ge-
gen gerichtliche Huͤlfe, die ihre Glaͤubiger wider
ſie bewirken moͤchten, auf eine gewiſſe Anzahl
Jahre geſichert werden. Inſonderheit ſcheint das
noch jetzt den Umſtaͤnden ſehr gemaͤß zu ſeyn, wenn
jemand
[270]XIV. Heutige Verfaſſung.
jemand nicht nur den einheimiſchen Mitbuͤrgern
eben des Ortes oder Landes, ſondern auch fremden
Unterthanen aus anderen Laͤndern ſchuldig iſt, zu
deren Nachtheil ein dritter Reichsſtand es nicht in
ſeiner Gewalt zu haben ſcheint, ſeinen eignen Un-
terthanen Gnadenbriefe zu ertheilen. Allein der
wahre Grund der Moratorien beruhet darauf,
daß einem jeden, von dem ein anderer eine Ver-
bindlichkeit behauptet, in ſeinem eignen Gerichts-
ſtande nach den Geſetzen ſeines Landes belanget
und beurtheilet werden muß. Daher ein klagen-
der Glaͤubiger nicht nur die Geſetze des Landes,
wo er klagt, ſondern alle Vorſchriften der hoͤchſten
Gewalt, welchen der beklagte Schuldner unter-
worfen iſt, ſich gefallen laßen muß. Wenn alſo
dieſe hoͤchſte Gewalt in der Wohlfahrt ihres Staats
hinlaͤngliche Gruͤnde zu finden glaubt, den Ge-
richten die Weiſung zu geben, daß ſie wider einen
Schuldner, der vielleicht durch unveranlaßte Un-
gluͤcksfaͤlle zuruͤckgekommen, und mit einiger Fri-
ſtung noch gerettet werden kann, binnen gewiſſer
Zeit keine Huͤlfsvollſtreckung erkennen ſollen; ſo
muͤßen ſich das auch auslaͤndiſche Glaͤubiger eines
ſolchen Schuldners gefallen laßen. Freylich kann
ein anderer Staat, wenn er darunter Unrecht zu
leiden glaubt, in aͤhnlichen Faͤllen Retorſionsweiſe
es auch ſo machen; oder, was eine noch natuͤrli-
chere Folge iſt, wenn etwa mit Moratorien in ei-
nem Lande Mißbrauch getrieben wird, werden
uͤberhaupt Fremde ſich wohl vorſehen deſſen Unter-
thanen ferner Eredit zu geben. Inzwiſchen ſo-
fern nur vom Rechte der hoͤchſten Gewalt die Fra-
ge iſt, koͤnnen jene Grundſaͤtze nicht bezweifelt
werden, nach welchen Moratorien, die ein Reichs-
ſtand
[271]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.
ſtand ſeinen Unterthanen gibt, eben ſowohl, als
die, welche eine unabhaͤngige Macht ertheilt, auch
von Auslaͤndern reſpectirt werden muͤßen.


Nach ſolchen Grundſaͤtzen iſt es wenigſtens ei-XII.
ne uͤberfluͤßige Cautel, wenn mittelbare Mitglie-
der des Reichs ſich nicht mit Moratorien von ih-
rer Landesherrſchaft begnuͤgen, ſondern noch an
den Kaiſer ſolche Geſuche gelangen laßen. Woll-
te aber jemand uͤberhaupt mit Vorbeygehung ſei-
ner Landesobrigkeit mit einem ſolchen Geſuche ſich
nur an den Kaiſer wenden, ſo iſt in neueren Reichs-
geſetzen wenigſtens dafuͤr geſorget, daß mittelba-
ren Unterthanen aus kaiſerlicher Macht keine Mo-
ratorien ertheilt werden ſollen, es ſey dann erſt
von deren ordentlicher Obrigkeit Bericht daruͤber
gefordert worden (f). Was ſollte nun noch je-
manden bewegen koͤnnen, nicht lieber gleich ſelbſt
bey ſeiner Landesobrigkeit ſein Geſuch anzubrin-
gen, da ohne deren beyfaͤlligen Bericht der Kaiſer
ſelbſt doch eben dem Geſuche nicht willfahren wird?


Einige wenige Faͤlle gibt es noch, wo ſich vonXIII.
der ehemaligen allgemeinern Concurrenz kaiſerli-
cher und landesherrlicher Hoheitsrechte noch Ueber-
bleibſel erhalten haben, als in Ergaͤnzung der Voll-
jaͤhrigkeit und Legitimation unehelicher Kinder.
Beide kann ein jeder Reichsſtand in ſeinem Lande
ertheilen; beide werden aber auch noch haͤufig von
kaiſerlichen Hofpfalzgrafen erbeten und erhalten;
doch ſo, daß auch in dieſen Faͤllen von der Obrig-
keit des Landes, wo Gebrauch davon gemacht wer-
den ſoll, eine Anzeige davon begehret werden kann,
um
[272]XIV. Heutige Verfaſſung.
um nach Befinden die landesherrliche Genehmi-
gung daruͤber zu ertheilen oder ſonſt das noͤthige zu
verfuͤgen.


XIV.

Alle andere Gnadenverleihungen, die demje-
nigen, der ſie bekoͤmmt, ein Recht geben, und
anderen eine ſich darauf beziehende Verbindlichkeit
auflegen, kann nur ein jeder Reichsſtand in ſei-
nem Lande ertheilen Bisweilen werden wohl
noch kaiſerliche Conceſſionen, z. B. um gewiſſe
Arzneyen, gebrannte Waſſer u. d. g. unter kai-
ſerlicher Protection verkaufen zu duͤrfen, fuͤr ganz
Teutſchland geſucht. Das kann aber doch keinem
Reichsſtande Ziel und Maß ſetzen, daß er des-
wegen wider ſeinen Willen dergleichen Verkauf in
ſeinem Lande geſtatten muͤßte. Es verſteht ſich
immer eine ſolche kaiſerliche Conceſſion, wenn ſie
in ganz Teutſchland in Anwendung gebracht wer-
den ſoll, erſt unter der Vorausſetzung, ſofern ein
jeder Reichsſtand bey deren Zulaßung in ſeinem
Lande nichts zu erinnern findet. Am wenigſten
kann irgend eine Gattung von Alleinhandel oder
Monopol fuͤr ganz Teutſchland aus kaiſerlicher
Macht verliehen werden (g). Sonſt koͤnnte frey-
lich mancher einzelner Artikel alleine ſchon von un-
endlichem Werthe ſeyn, wenn ein kaiſerlich Pri-
vilegium einem alleine fuͤr ganz Teutſchland den
Handel z. B. mit Salz, Taback, Spielcharten u.
d. gl. zuzuwenden vermoͤgend waͤre.


XV.

Ein beſonderer Umſtand ſcheint hier nur noch
bey Buͤcherprivilegien einzutreten, die noch im-
mer aus kaiſerlicher Gewalt fuͤr ganz Teutſchland
erthei-
[273]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.
ertheilet werden. Doch in der That geſchieht das
eigentlich [nur] in der Abſicht, dadurch eine Aus-
nahme von der Meßfreyheit der Stadt Frankfurt
am Main zu machen, damit ſelbige keinem Nach-
drucke ſolcher privilegirten Buͤcher zu ſtatten kom-
men ſolle. Was den jetzt weit ſtaͤrkeren Buch-
handel auf der Leipziger Meſſe betrifft, da wird
nur Churſaͤchſiſchen Buͤcherprivilegien eben die
Kraft zugeſtanden, die deswegen heutiges Tages
auch noch haͤufiger als kaiſerliche in Uebung ſind.
Ueberall aber werden eigentlich nur ſolche Buͤcher,
deren Nachdruck zum Nachtheile des darin ſtecken-
den gelehrten Eigenthums und rechtmaͤßigen Ver-
lagsrechtes ohnedem unrecht ſeyn wuͤrde, mit kai-
ſerlichen Privilegien gegen den Nachdruck verſe-
hen, um nicht nur deſſen Einfuͤhrung auf die
Frankfurter Meſſe verwehren zu koͤnnen, ſondern
auch den Nachdrucker ſelbſt ſtraffaͤllig zu machen.
Wenn ein Buͤcherprivilegium die Wirkung haben
ſoll, zum Druck und Verlage eines Buches, das
ſonſt ein jeder zu drucken gleich berechtiget ſeyn
wuͤrde, jemanden ein ausſchließliches Recht zu ge-
ben; ſo kann das nicht anders als aus landesherr-
licher Macht von jedem Reichsſtande in ſeinem
Lande geſchehen, wie bey Calendern, Bibelab-
druͤcken, Geſangbuͤchern, Roͤmiſchen und ande-
ren alten Schriftſtellern, Schulbuͤchern u. ſ. w.
oft der Fall iſt. Ein kaiſerliches Privilegium
wuͤrde nie uͤber ein ſolches Buch ein ausſchließli-
ches Recht fuͤr ganz Teutſchland begruͤnden koͤnnen.


Alles das kann ſchon hinlaͤnglichen Stoff dazuXVI.
hergeben, um zwiſchen den kaiſerlichen und lan-
desherrlichen Rechten eine der Teutſchen Verfaſ-
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. Sſung
[274]XIV. Heutige Verfaſſung.
ſung gemaͤße Graͤnzlinie zu ziehen. Man ſieht
nehmlich, daß allerdings noch immer gewiſſe fuͤr
ganz Teutſchland dem Kaiſer vorbehaltene oder ſo
genannte Reſervatrechte ſtatt finden. Aber ſie
beruhen allemal auf beſonderen Gruͤnden, die ge-
meiniglich darin beſtehen, daß es Gegenſtaͤnde be-
trifft, die ſich nicht auf eines Reichsſtandes Land
oder Gebiet einſchraͤnken, und doch ſchon von aͤl-
teren Zeiten her, ehe noch die Landeshoheit ihre
Vollkommenheit erreicht hatte, im Gange gewe-
ſen waren. Alles dasjenige, deſſen rechtliche
Wirkung ſich nur innerhalb der Graͤnzen eines
Landes aͤußert, iſt in eines jeden Reichsſtandes
Landeshoheit begriffen. Alles, was ſeit der Zeit,
als die Landeshoheit zu ihrer Vollkommenheit ge-
diehen iſt, erſt neu in Gang gekommen iſt, oder
kuͤnftig noch erdacht werden mag, gehoͤrt ohnedem
fuͤr die Landeshoheit. Und alle Rechte der Lan-
deshoheit ſind ausſchließlich zu verſtehen, daß ſie
nur ein jeder Reichsſtand in ſeinem Lande auszu-
uͤben hat, ohne daß der Kaiſer darin vorgreifen
darf (h).


XVII.

Ein jeder Teutſcher Reichsſtand hat demnach
eben ſo, wie eine jede unabhaͤngige Macht, zu
beſorgen, zu beſtimmen, und zu verfuͤgen, was
die Wohlfahrt eines jeden gemeinen Weſens er-
fordert. Ja in eben dem Verhaͤltniſſe, wie die
ver-
[275]2) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.
verſchiedenen Europaͤiſchen Maͤchte in vielen
Dingen eine gewiſſe gegenſeitige Gleichheit be-
obachten, wird der Regel nach von denſelben auch
Teutſchen Reichsſtaͤnden ein Gleiches geſtattet;
z. B. ein gleiches Recht der Geſandtſchaften, nur
die vom erſten Range ausgenommen, auſſer was
ich auch dieſerhalben oben von Churfuͤrſten bemerk-
lich gemacht habe (i); und ſelbſt eine gegenſeitige
Anerkennung des Ranges, wie er inſonderheit
nach den verſchiedenen Stuffen des Kriegsdienſtes
in ganz Europa uͤblich iſt. In dieſem letztern
Betrachte wird z. B. einem Saͤchſiſchen, Braun-
ſchweigiſchen, Heſſiſchen General-Lieutenant in
Concurrenz mit anderen, die in koͤniglichen Dien-
ſten ſind, der Rang nach dem Dienſtalter nicht
beſtritten; daher es freylich auffallend ſcheint, daß
nicht auf aͤhnliche Art auch ein Teutſcher Fuͤrſt
Adelsbriefe ertheilen oder einen Doctor oder Ma-
giſter aus landesherrlicher Macht ernennen koͤnne.
Es loͤſet ſich aber dadurch auf, daß unſere heutige
Einrichtung der Kriegsdienſte erſt in Gang ge-
kommen iſt, da die Landeshoheit ſchon im Gange
war, und alle erſt neu entſtandene Rechte mit in
ſich faßte; an ſtatt daß aͤltere Rechte, von denen
man ſchon gewohnt war, daß ſie der Kaiſer in
ganz Teutſchland ausuͤbte, demſelben als Reſer-
vatrechte eigen blieben.


Auch das hat keinen Zweifel, daß ein einzel-XVIII.
ner Teutſcher Reichsſtand mit einer auswaͤrtigen
Macht in Krieg verfallen, und ſeine Macht als-
dann durch Buͤndniſſe mit anderen auswaͤrtigen
Maͤch-
S 2
[276]XIV. Heutige Verfaſſung.
Maͤchten verſtaͤrken kann; wie z. B. der Biſchof
Bernhard von Muͤnſter die Hollaͤnder angriff,
und die Krone England zu Bundesgenoſſen hatte.
Oder ſo, wie unabhaͤngige Maͤchte nach Befin-
den nur durch Repreſſalien ſich zu helfen ſuchen,
ſo hatte es z. B. keinen Anſtand, daß im Jahre
1772., als zu Straßburg ein nach Kehl gehoͤri-
ges Schiff angehalten war, der Marggraf von
Baden hinwiederum Straßburger Schiffe zu
Schreck anhalten laßen konnte, bis jenes losgege-
ben wurde. Oder was auch fuͤr Gattungen ge-
genſeitiger Vertraͤge
unter unabhaͤngigen Maͤch-
ten vorkommen koͤnnen, die ſind eben ſo wohl
nicht nur unter Teutſchen Reichsſtaͤnden unter
ſich, ſondern auch mit Europaͤiſchen Maͤchten ge-
woͤhnlich. Zur Berichtigung der Graͤnze zwiſchen
Frankreich und Teutſchland hat die Krone Frank-
reich ſeit 1766. mit den Biſchoͤfen von Luͤttich und
Baſel, mit dem Fuͤrſten von Naſſau-Saarbruͤk-
ken, und mit den Grafen von der Leyen in eben
der Form, wie mit dem Hauſe Oeſterreich, foͤrm-
liche Tractate geſchloſſen; dergleichen auch uͤber
Aufhebung des Droit d’Aubaine mit mehreren
Staͤnden geſchehen iſt.


XIX.

Alle dieſe Betrachtungen machen, daß ſelbſt
ein Verzeichniß der Europaͤiſchen Maͤchte,
wie ſie jetzt ſind, unvollſtaͤndig ſeyn wuͤrde, wenn
man unſere Teutſche Reichsſtaͤnde davon aus-
ſchließen wollte. Fehlt gleich Teutſchen Fuͤrſten
und Churfuͤrſten die voͤllige Unabhaͤngigkeit; ſo
berechtiget ſie doch ihre Kriegsmacht und der Ge-
brauch, den ſie davon in ihrer Gewalt haben,
ſich anderen Europaͤiſchen Maͤchten mit eben dem,
wo
[277]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.
wo nicht mit groͤßerem Rechte, anzuſchließen, wie
man die ebenfalls nicht unabhaͤngigen Fuͤrſten-
thuͤmer in der Lombardey oder das Herzogthum
Curland in Hererzehlung der Europaͤiſchen Staa-
ten nicht auszulaßen pflegt. Sind auch gleich
nicht alle Teutſche Reichsſtaͤnde von einerley
Macht und Gewicht; ſo veraͤndert das an ſich in
der Eigenſchaft des Rechts, worauf es hier an-
koͤmmt, eben ſo wenig, als man Raguſa, San-
marino und Gerſau aus der Zahl der Freyſtaaten
nur darum, weil ſie minder maͤchtig ſind, aus-
laßen darf.


Nur noch eine Einſchraͤnkung der landesherr-XX.
lichen Gewalt unſerer Reichsſtaͤnde kann durch ſo
genannte Staatsdienſtbarkeiten (ſeruitutes
iuris publici
) begruͤndet werden, vermoͤge deren
die natuͤrliche Freyheit eines Staates zum Vor-
theile eines andern eingeſchraͤnkt wird, um etwas
nicht thun zu duͤrfen, was er ſonſt thun koͤnnte,
oder etwas leiden zu muͤßen, was er ſonſt zu lei-
den nicht ſchuldig waͤre. Dergleichen Dienſtbar-
keiten koͤnnen zwar auch unabhaͤngige Europaͤiſche
Maͤchte unter einander haben; aber doch nicht
leicht anders, als aus eignen Friedensſchluͤſſen
oder anderen Tractaten, wodurch doch all mal
ungern eine Macht der andern dergleichen zuge-
ſteht; daher ſie auch da nur ſelten vorkommen.
In Teutſchland macht aber theils das ſo vielfache
nahe Verhaͤltniß unſerer verſchiedenen beſonderen
Staaten dergleichen Beyſpiele haͤufiger. Theils
haben ſie auch auſſer Tractaten in aͤlteren Zeiten
durch kaiſerliche Verleihungen, oder vermoͤge der
gemeinen Rechte, die allen Mitgliedern des Teut-
S 3ſchen
[278]XIV. Heutige Verfaſſung.
ſchen Reichs zur Richtſchnur dienen, auch durch
Verjaͤhrung entſtehen koͤnnen.


XXI.

So iſt es in Teutſchland gar nichts ungewoͤhn-
liches, daß ein Reichsſtand in eines andern Reichs-
ſtandes Lande oder Gebiete eine oder mehrere Poſt-
ſtationen, einen Zoll, Geleitsrecht, peinliche Ge-
richtbarkeit, Beſatzungsrecht, Patronatrecht u. d.
g. hat; oder daß ein Reichsſtand ſich gefallen
laßen muß, daß von ſeinen Rechtsſpruͤchen an ei-
nen andern (z. B. von der Reichsſtadt Worms
an den Biſchof zu Worms) appellirt wird. So
darf auch mancher in ſeinem eignen Lande zum
Vortheile eines andern Reichsſtandes gewiſſe Din-
ge nicht vornehmen, z. B. keine Feſtung bauen,
keine Stadt, keine Meſſe anlegen u. d. g. Oder
ein ſo genanntes Stapelrecht gibt einem Reichs-
ſtande oder einer Stadt das Recht, daß keine
Kaufmannswaaren in einem gewiſſen Bezirke vor-
beygefahren werden duͤrfen, wie inſonderheit die
Stadt Leipzig hauptſaͤchlich dadurch in Aufnahme
gekommen iſt, daß in 15. Meilen umher allen
Kaufmannsfuhren die Verbindlichkeit aufgelegt
worden, ihren Weg uͤber Leipzig zu nehmen, und
ihre Waaren erſt den dortigen Kaufleuten feil zu
bieten; Oder an Stroͤhmen haben einige Staͤdte
das Recht, daß keine fremde Schiffer vorbeyfah-
ren duͤrfen, ſondern ihre Ladungen auf dortige
Schiffe umladen muͤßen; Dergleichen Rechte ha-
ben am Rheine die Staͤdte Speier, Mainz, Coͤlln;
an der Donau Regensburg, Ingolſtadt, Paſſau;
an der Elbe Magdeburg und Hamburg; an der
Weſer Muͤnden und Bremen; an der Oder Bres-
lau und Frankfurt.


Eini-
[279]4) Kaiſ. u. Reichsverfuͤg. fuͤr Laͤnder.

Einige Beſchraͤnkungen koͤnnen ſo gar inXXII.
Reichsgeſetzen oder in der allgemeinen Verbin-
dung, worin alle Reichsſtaͤnde als Mitglieder ei-
nes Reichs unter einander ſtehen, gegruͤndet ſeyn,
die unter unabhaͤngigen Maͤchten nicht ſtatt finden;
als z. B. daß kein Reichsſtand an einem Strohme,
der noch ſchiffbar gemacht werden koͤnnte, Hinder-
niſſe dawider in Weg legen darf (k); daß Buͤnd-
niſſe nicht zum Nachtheile des Landfriedens oder
der Verbindung gegen Kaiſer und Reich gemacht
werden duͤrfen (l); daß gewiſſe Hoheitsrechte, die
ſonſt eine unabhaͤngige Macht in Anſehung des Re-
ligionszuſtandes ihrer Unterthanen und uͤber Kloͤ-
ſter oder andere geiſtliche Stiftungen vielleicht un-
beſchraͤnkt ausuͤben koͤnnte, fuͤr Teutſche Reichs-
ſtaͤnde durch das im Weſtphaͤliſchen Frieden feſtge-
ſetzte Entſcheidungsziel beſchraͤnkt ſind (m), u. ſ. w.


Ehedem hatten alle geiſtliche Stifter ein jeXXIII.
des ſeinen Vogt oder Schutzherrn, der die
weltlichen Angelegenheiten des Stifts zu beſorgen
hatte. Aus dieſer Vogteygerechtigkeit mag hin
und wieder wohl eine landesherrliche Gewalt uͤber
jetzige mittelbare Stifter erwachſen ſeyn. Biſthuͤ-
mer und Erzbiſthuͤmer oder Abteyen, die jetzt un-
mittelbar ſind, haben faſt alle Mittel gefunden,
ſolcher Voͤgte und Schutzherren ſich zu entledigen.
Doch gibt es noch Ueberbleibſel davon, wie z. B.
des Haus Brandenburg noch jetzt in den fuͤrſtli-
chen
S 4
[280]XIV. Heutige Verfaſſung.
chen Abteyen Quedlinburg und Eſſen die Erb-
vogtey ausuͤbt.


XXIV.

Auch Reichsſtaͤdte hatten ehedem ihre Voͤgte,
die ihnen der Kaiſer gab, um in ſeinem Namen
gewiſſe Hoheitsrechte in der Stadt auszuuͤben. Die
meiſten haben dieſe Vogteyrechte durch kaiſerliche
Begnadigungen oder Verpfaͤndungen an ſich ge-
bracht, und mit der eignen Stadtobrigkeit vereini-
get. Einige Reichsſtaͤdte gibt es jedoch noch jetzt,
in welchen benachbarte Reichsſtaͤnde dergleichen
Vogteyrechte haben, als zu Aachen das Haus Pfalz
von wegen des Herzogthums Juͤlich, zu Wetzlar
das Haus Heſſendarmſtadt, zu Goslar das Haus
Braunſchweig u. ſ. w. Den Umfang oder die
Beſchraͤnkung dieſer Rechte muß man gemeiniglich
nach eines jeden Orts Vertraͤgen und Herkommen
beurtheilen. Gemeiniglich iſt das Recht einen eig-
nen Beamten in der Stadt zu halten, auch Be-
ſatzung hineinzulegen, gewiſſe Abgaben zu erheben,
u. ſ. w. damit verbunden.


V.
[281]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.

V.
Einige beſondere Quellen der großen Mannig-
faltigkeit der beſonderen Teutſchen Staaten.


I. Ungemein haͤufig ſind mehrere Laͤnder auf gar vie-
lerley Art unter einen Herrn gekommen; — II. welches ſo-
wohl auf die groͤßere Macht einiger Haͤuſer als auf die Ver-
faſſung der Laͤnder Einfluß gehabt hat; — III. beſonders in
Laͤndern, die ihre Landesherren nicht mehr bey ſich haben. —
IV. Mehrere geiſtliche Laͤnder ſind oft bloß zufaͤlliger Weiſe
und nur auf Lebenszeit unter einem Herrn vereiniget. —
V. In weltlichen Laͤndern kann ſich zu Zeiten etwas aͤhnli-
ches mit Vormundſchaften und Debitcommiſſionen zutra-
gen; — So koͤnnen auch apanagirte Herren und Wittwen
oder Erbtoͤchter dazu kommen, Regierungen zu fuͤhren. —
VI. Hinwiederum hat oft ein Land mehrere Herren, von denen
es gemeinſchaftlich regiert wird; — VII. oder mit abwech-
ſelnden Regierungen. — VIII. Noch gibt es beſondere Ver-
faſſungen in Laͤndern, welche in einigen Haͤuſern juͤngere
Linien in gewiſſer Abhaͤngigkeit von der aͤltern regierenden
Linie beſitzen. — IX. X. Eine andere Art von Abhaͤngigkeit
kann ſich in einzelnen reichsritterſchaftlichen Gebieten von den
Cantons oder Kreiſen der Reichsritterſchaft aͤußern; — wie
auch in reichsſtaͤndiſchen Laͤndern von Collegialverfuͤgungen
oder Kreisſchluͤſſen. — XI. XII. Hin und wieder gibt es
Streitigkeiten uͤber den Zuſtand der Unmittelbarkeit und
Reichsfreyheit einzelner Glieder des Reichs, — oder ſo ge-
nannte Exemtionsſtreitigkeiten; — wodurch manche, die ſich
fuͤr unmittelbar gehalten, in mittelbare Reichsmitglieder ver-
wandelt worden. — XIII. Bey einigen ſind durch Verglei-
che noch beſondere Verhaͤltniſſe eingeſchraͤnkter Freyheiten oder
Unterwuͤrfigkeiten entſtanden. — XIV. XV. In einer ſo
großen Verſchiedenheit der vielerlev beſonderen Teutſchen
Staaten gibt es auch natuͤrlich eine große Mannigfaltigkeit
mehr oder minder gluͤcklicher Laͤnder. — XVI. Eben das
gilt auch von reichsritterſchaftlichen Gebieten, — XVII. und
von Reichsſtaͤdten. — XVIII. Im Ganzen behaͤlt die
Staatsverfaſſung des Teutſchen Reichs noch immer unver-
kennbare Vorzuͤge, — die jeden Teutſchen zu frohen Aus-
ſichten in die fernere Zukunft beleben koͤnnen.


Ein Hauptumſtand, ohne welchen man ſich vomI.
heutigen Zuſtande des Teutſchen Reichs und
S 5deſ-
[282]XIV. Heutige Verfaſſung.
deſſen beſonderer Staaten keinen richtigen Begriff
machen kann, beruhet darin, daß ſo viele Laͤnder,
deren jedes ſonſt ſeinen eignen Landesherrn gehabt
hat, in neueren Zeiten mit anderen Laͤndern unter
einen Herrn
gekommen ſind. Davon enthaͤlt
ſchon der Weſtphaͤliſche Friede eine betraͤchtliche
Anzahl in den ſeculariſirten Laͤndern, die damals
der Krone Schweden, und den Haͤuſern Branden-
burg, Mecklenburg und Heſſen zu Theil wur-
den (n); wozu hernach noch die den Haͤuſern Sach-
ſen und Brandenburg eigen gebliebenen Biſthuͤ-
mer des Oberſaͤchſiſchen Kreiſes kamen (o). Haupt-
ſachlich war es aber dem erſt in neueren Zeiten ſo
allgemein gewordenen Rechte der Erſtgebuhrt zuzu-
ſchreiben, daß ſeitdem weit oͤfter als zuvor regie-
rende Haͤuſer erloſchen ſind, weil gemeiniglich nur
der Erſtgebohrne in jedem Hauſe ſich ſtandesmaͤßig
vermaͤhlen und den Stamm fortſetzen kann; den
meiſten nachgebohrnen Herren hingegen nur uͤbrig
bleibt, in Kriegsdienſten oder Stiftern ihr Leben
unvermaͤhlt hinzubringen. Daruͤber ſind nun haͤu-
fig mehrere Linien, in welche ſonſt reichsſtaͤndiſche
Haͤuſer vertheilt geweſen, nach und nach zuſam-
mengeſtorben. Oder es ſind auch ganze Haͤuſer
erloſchen, deren Laͤnder durch Erbverbruͤderungen,
Anwartſchaften, Lehnsconſolidationen oder andere
Rechtsbegruͤndungen wieder anderen Reichsſtaͤn-
den zu Theil geworden ſind.


II.

Auf ſolche Art haben nun vors erſte viele
reichsſtaͤndiſche Haͤuſer nach und nach einen ſolchen
Zuwachs bekommen, daß zwiſchen der Macht, de-
ren
[283]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.
ren ſich mehrere derſelben jetzt zu erfreuen haben,
und derjenigen, deren ſich ehedem einzelne Reichs-
ſtaͤnde ruͤhmen konnten, wenigſtens ſeit Henrichs
des Loͤwen Zeiten (p), kein Vergleich mehr iſt.
Es hat aber auch auf die Verfaſſung der Laͤnder
ſelbſt meiſt nicht geringen Einfluß gehabt. Man-
che Grafſchaften oder ehemalige unmittelbare
Reichsherrſchaften ſind jetzt groͤßeren Laͤndern als
Aemter einverleibt, von welchen oft kaum noch
das Andenken uͤbrig iſt, daß ſie ehedem beſondere
Staaten unter eignen Landesherren geweſen ſind.
Hin und wieder ſind auch wohl zwey oder mehrere
urſpruͤnglich verſchieden geweſene Laͤnder nach Art
einer gleichen Realunion (wie England und
Schottland im nunmehrigen Großbritannien,) in
Eines gezogen worden, wie z. B. mit Juͤlich und
Berg, mit den verſchiedenen Laͤndern des Chur-
hauſes Sachſen und mehr anderen der Fall gewe-
ſen. Einige Laͤnder haben endlich, wenn ſie gleich
anderen Reichsſtaͤnden zu Theil geworden ſind,
doch ihre eigne Regierungs- und Juſtitz-Collegien,
eigne Landſchafts- und Steuerverfaſſung, eigne
Geſetze u. ſ. w. behalten; nur daß ſie dann doch
ihre eigne Landesherrſchaft nicht mehr bey ſich ha-
ben, ſondern einem Landesherrn, der ſich ander-
waͤrts aufhaͤlt, unterworfen ſind, wie davon die
vielen erſt in neueſten Zeiten ausgeſtorbenen Haͤu-
ſer, als Sachſen-Eiſenach, Oſtfriesland, Bran-
denburg-Baireuth, Baden-Baden und andere zu
Beyſpielen dienen koͤnnen. Oder es hat ſich auch
nicht ſelten ſo gefuͤgt, daß ein Reichsſtand, dem
ein groͤßeres Land zugefallen, ſeine bisherige Reſi-
denz verlaßen und mit der im groͤßern Lande ver-
wech-
[284]XIV. Heutige Verfaſſung.
wechſelt hat, wie z. B. mit Verlegung der Reſi-
denz von Manheim nach Muͤnchen, und von Ha-
nau nach Caſſel, noch erſt kuͤrzlich der Fall ge-
weſen iſt.


III.

Daraus erwaͤchſt nun ſchon eine merkliche Ver-
ſchiedenheit ſolcher Laͤnder, die ihre Landesherr-
ſchaft bey ſich
haben, und anderer, von denen
dieſelbe entfernt lebt. Letztere entbehren dadurch
nicht nur die Vortheile, die in Anſehung des Nah-
rungsſtandes mit der Naͤhe einer Hofhaltung ver-
bunden zu ſeyn pflegen; ſondern ſie kommen ge-
meiniglich in den Fall, durch ein eignes Regie-
rungscollegium, oder durch einen Statthalter, aber
allemal in Abhaͤngigkeit von einem auswaͤrtigen
Herrn und denen, die demſelben in der Naͤhe ſind,
regieret zu werden. Manche Laͤnder haben ihren
Landesherrn ſelbſt außer den Graͤnzen des Teut-
ſchen Reichs, wie mit Schwediſch-Pommern,
und den Churbraunſchweigiſchen und Naſſauora-
niſchen Laͤndern der Fall iſt. Doch noch weit zahl-
reicher ſind jetzt die Faͤlle, da faſt alle unſere
große Haͤuſer, wenn ſie gleich in Teutſchland ihren
Sitz behalten, dennoch Laͤnder zu regieren haben,
von denen ſie entfernt leben, und die ehedem ihren
eignen Herrn bey ſich hatten. Auch von geiſtlichen
Laͤndern fehlt es nicht an ſolchen Beyſpielen, wie
z. B. Churmainz das Eichsfeld und die Stadt Er-
furt, und Churcoͤlln das Herzogthum Weſtphalen
auf ſolche Art zu regieren hat.


IV.

Bey den geiſtlichen Laͤndern gibt es noch
eine beſondere Art von Vereinigungen, die bloß
zufaͤllig,
und oft nur fuͤr die Lebenszeit eines Herrn
be-
[285]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.
beſtimmt ſind. Das iſt nehmlich der Fall, ſo oft
mehr als eine unmittelbare geiſtliche Stiftung in
einerley Haͤnde koͤmmt. Der urſpruͤnglichen Ver-
faſſung der Kirche iſt es zwar nicht gemaͤß, daß
eine Perſon mehr als ein Biſthum oder Erzbiſthum
haben ſoll, wie es auch in anderen catholiſchen
Reichen unerhoͤrt ſeyn wuͤrde, einem Manne mehr
als ein Biſthum oder Erzbiſthum anzuvertrauen.
Wie aber keine Ausnahme von der Regel des Kir-
chenrechts ſo groß iſt, die nicht von Rom aus,
wenn es das Intereſſe des paͤbſtlichen Hofes zu er-
fordern ſcheint, gut geheiſſen werden koͤnnte; ſo
iſt es in Teutſchland ſchon laͤngſt hergebracht, daß
ein Teutſcher Biſchof oder Erzbiſchof noch zu meh-
reren biſchoͤflichen Stellen poſtulirt, und durch
paͤbſtliche Genehmigung dazu auctoriſirt werden
kann (q). Ein Prinz von Brandenburg hatte im
An-
[286]XIV. Heutige Verfaſſung.
Anfange des XVI. Jahrhunderts ſo gar die zwey
Erzbiſthuͤmer Mainz und Magdeburg in ſeiner
Perſon vereiniget (r). Doch zwey geiſtliche Chur-
fuͤrſtenthuͤmer hat man noch nie in einer Perſon
vereinigen laßen (s); da vielmehr uͤberhaupt der
Teutſchen Verfaſſung es nicht gemaͤß gehalten wird,
daß ein Herr zwey Churfuͤrſtenthuͤmer zuſammen
beſitzen koͤnne, (wiewohl kein Geſetz daruͤber vor-
handen iſt.) Deſto haͤufiger ſind aber andere
Beyſpiele, da es bey einigen beynahe zum Her-
kommen geworden iſt, daß z. B. Bamberg und
Wuͤrzburg, Coͤlln und Muͤnſter, nun ſchon ſo oft
nach einander einerley Herrn gehabt haben, ob-
gleich freylich ein jedes von dieſen Domcapiteln
noch immer das Recht behaupten wird, unabhaͤn-
gig vom andern ſein eignes Oberhaupt wehlen zu
koͤnnen; ſo wie es bloß zufaͤllig und weit veraͤn-
derlicher iſt, wenn dermalen Mainz und Worms,
Trier und Augsburg, Hildesheim und Paderborn
einerley Herrn haben.


V.

Dergleichen bloß auf eine Zeitlang ſtatt finden-
de Vereinigungen mehrerer Laͤnder koͤnnen ſich in
weltlichen Haͤuſern nicht ſo leicht zutragen. Doch
auch da iſt der Fall nicht ganz unmoͤglich, wenn
z. B. ein regierender Fuͤrſt als Vormund eines
an-
[287]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.
andern die Landesadminiſtration zu fuͤhren hat, wie
auf ſolche Art (1749. u. f.) der Herzog von Go-
tha eine Zeitlang das Herzogthum Eiſenach und
der Herzog von Coburg das Herzogthum Weimar
zu regieren gehabt hat (t), auch dermalen wieder
der Biſchof von Luͤbeck zugleich Adminiſtrator des
Herzogthums Oldenburg iſt. Gewiſſer maßen
kann man auch noch die Faͤlle dahin rechnen, wenn
einem Reichsſtande eine kaiſerliche Debitcommiſ-
ſion
uͤber einen andern verſchuldeten Reichsſtand
aufgetragen wird, da wenigſtens derjenige Theil
der Landesregierung, der die Einnahme und Aus-
gabe betrifft, alsdann von wegen der Debitcom-
miſſion beſorget wird. Doch koͤnnen auch ſowohl
Debitcommiſſionen als Vormundſchaften anderen,
die ſonſt nicht regierende Herren ſind, aufgetragen
werden. So hat z. B. der Prinz Joſeph von
Sachſen-Hildburghauſen die Debitcommiſſion zu
Hildburghauſen bekommen; ſo iſt der Prinz Xaver
von Sachſen als Vormund des jetzigen Churfuͤr-
ſten in ſeiner Minderjaͤhrigkeit Adminiſtrator des
Churfuͤrſtenthums geweſen; und ſo bekommen oft
fuͤrſtliche Wittwen als Vormuͤnderinnen ihrer Soͤh-
ne deren Laͤnder zu regieren, wie erſt kuͤrzlich noch
die verwittweten Herzoginnen zu Weimar und
Meinungen in dem Falle geweſen ſind. So koͤn-
nen alſo auch bald apanagirte Herren, bald Da-
mes Laͤnder zu regieren haben; wozu, was letztere
betrifft, auch noch die Faͤlle gehoͤren, wenn nach
Abgang des Mannsſtamms von einem ganzen Hau-
ſe Erbtoͤchter zur Erbfolge gelangen, wie das erha-
bene Beyſpiel der vierzigjaͤhrigen Regierung der Oe-
ſterreichiſchen Erbſtaaten von Maria Thereſia war.


Er-
[288]XIV. Heutige Verfaſſung.
VI.

Ergibt ſich nun aus den bisher erklaͤrten Faͤl-
len, wie haͤufig und auf wie vielerley Art in
Teutſchland ein Herr mehr als ein Land beſitzen
koͤnne; ſo gibt es umgekehrt auch nicht weniger
haͤufige Faͤlle, da ein Land mehrere Herren
hat. Dieſes kann auf die Art geſchehen, daß ein
ganzes Land von mehreren Herrſchaften in unge-
theilter Gemeinſchaft regiert wird, wie noch vor
kurzem zwey Bruͤder zu Sachſen-Meinungen, fuͤnf
Bruͤder zu Solms-Braunfels und eine ganze
Anzahl graͤflich Limburgiſcher Allodialerben ver-
ſchiedener fuͤrſtlicher und graͤflicher Haͤuſer beider-
ley Geſchlechts gemeinſchaftlich die Regierung fuͤhr-
ten. Oder es kann ſich auch fuͤgen, daß zwey
oder mehrere Linien eines Hauſes, die ſonſt ihr
Land unter ſich vertheilet haben, noch in Gemein-
ſchaft gewiſſer Stuͤcke geblieben ſind, wie z. B.
die herzoglich Saͤchſiſchen Haͤuſer die Univerſitaͤt
und das Hofgericht zu Jena, ingleichen Hanno-
ver und Wolfenbuͤttel einen Theil des Harzes noch
jetzt in Gemeinſchaft haben. Oder es koͤnnen auch
endlich unter Reichsſtaͤnden, die ſonſt einander
nichts angehen, gewiſſe Orte oder Diſtricte ge-
meinſchaftlich ſeyn, wie z. B. Churmainz, Chur-
ſachſen und Heſſen das Amt Trefurt, Churbran-
denburg und Lippedetmold die Stadt Lippſtadt,
Churtrier und Naſſauoranien die Stadt Camberg
gemeinſchaftlich beſitzen; ohne noch ſolcher ſo ge-
nannter Ganerbſchaften zu gedenken, die etwa
von einer ehemaligen gemeinſchaftlichen Eroberung
her oder nach Art einer Stiftung fuͤr adeliche Fa-
milien mehreren Geſchlechtern zu gute kommen
koͤnnen, wie von ſolcher Art die Ganerbſchaft
Gelnhauſen, Staden und andere waren, und
die
[289]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.
die Burg Friedberg in der Wetterau noch jetzt zum
Beyſpiele einer ſolchen Stiftung dienen kann (u).


In anderen Faͤllen haben ſich mehrere LinienVII.
eines reichsſtaͤndiſchen Hauſes bisweilen auf ge-
wiſſe Abwechſelungen oder ſo genannte Mutſchie-
rungen verglichen, vermoͤge deren mehrere Herren
von einem Jahre zum andern, oder auch von ſechs
zu ſechs oder einer andern beſtimmten Anzahl Jahre
in der Regierung abzuwechſeln haben. So gibt
es
P. Entw. d. Staatsverf. Th.III. T
[290]XIV. Heutige Berfaſſung.
es eine jaͤhrlich abwechſelnde Regierung zweyer
graͤflich Leiningiſchen Linien zu Gruͤnſtadt. Eine
andere Art von Abwechſelung iſt in der Regierung
zu Osnabruͤck, wie ſie vermoͤge des Weſtphaͤliſchen
Friedens daſelbſt in Uebung iſt (v).


VIII.

Noch eine ganz eigne Art von Landesverfaſſung
entſteht aus dem beſondern Verhaͤltniſſe, worin
einige nachgebohrne Herren von fuͤrſtlichen oder
graͤflichen Haͤuſern mit dem zu ihrem Sitz und Un-
terhalte ihnen angewieſenen Gebiete zum erſtgebohr-
nen regierenden Herrn ſtehen; wie z. B. Heſſen-
Rothenburg zu Heſſencaſſel, Homburg an der Hoͤ-
he zu Heſſendarmſtadt, Anhalthoym zu Anhalt-
bernburg, Iſenburg-Philippseich zu Iſenburg-
Birſtein, der Graf von Waldeck zum Fuͤrſten von
Waldeck u. ſ. w. In allen dieſen Faͤllen iſt ver-
moͤge des Rechts der Erſtgebuhrt in jedem Hauſe
nur ein regierender Herr, deſſen Landeshoheit auch
uͤber das Gebiet, ſo eine juͤngere Linie des Hauſes
in Beſitz hat, ſich erſtrecket. Nichts deſto weni-
ger hat ein ſolches Gebiet an dem Herrn von der
juͤngern Linie ſeinen eignen Herrn, der, nur die
dem erſtgebohrnen regierenden Herrn vorbehaltenen
Hoheitsrechte ausgenommen, uͤbrigens die voͤllige
Botmaͤßigkeit auszuuͤben hat, und fuͤr ſeine Per-
ſon und Familie ein unmittelbares Mitglied des
Teutſchen Reichs bleibt, ob er gleich an Sitz und
Stimme auf dem Reichstage und im Kreiſe keinen
Antheil hat. Das iſt alſo eine beſondere Gattung
einer abhaͤngigen Landesverfaſſung, deren genaue-
re Beſtimmung auf den beſonderen Vertraͤgen je-
des
[291]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.
des Hauſes beruhet, aber gemeiniglich Stoff zu
haͤufigen Mißhelligkeiten gibt (w).


Wenn ſich uͤberdies noch gedenken laͤßt, daßIX.
mehrere Staaten in eine beſtaͤndige Verbindung
treten koͤnnen, und gewiſſen Repraͤſentanten auftra-
gen, ihre gemeinſchaftliche Angelegenheiten zu be-
ſorgen; ſo kann auch davon die Reichsritterſchaft
ein Beyſpiel abgeben, deren einzelne Mitglieder
jede fuͤr ſich als Regenten ihrer kleinen Gebiete an-
geſehen werden koͤnnen, deren Geſammtangelegen-
heiten von Ritterhauptmann und Raͤthen eines je-
den Cantons, und mehrerer Cantons wieder von
einem der drey Ritterkreiſe, worin die ganze Rit-
terſchaft vertheilt iſt, beſorget werden. — Ge-
wiſſer maßen kann auch die Verfaſſung der vier
reichsgraͤflichen Collegien, wie auch der beiden
Reichspraͤlatenbaͤnke damit verglichen werden. —
Und noch eine beſondere Gattung von der Art
macht in den Kreiſen, welche von Zeit zu Zeit
Kreisverſammlungen zu halten pflegen, als vor-
zuͤglich in Schwaben, Franken und Oberrhein, die
geſetzmaͤßige Kreisverfaſſung aus.


In dieſen letzteren Verhaͤltniſſen gibt es nichtX.
ſelten ſtreitige Fragen, wie weit z. B. ein Kreis-
ſchluß einzelnen Staͤnden des Kreiſes, oder ein
graͤflicher oder praͤlatiſcher Collegialſchluß einzelnen
Reichsgrafen oder Reichspraͤlaten, oder endlich ein
Rittercanton oder Ritterkreis einzelnen Mitgliedern
der
T 2
[292]XIV. Heutige Verfaſſung.
der Reichsritterſchaft in ihren beſonderen Gebieten
Ziel und Maß ſetzen koͤnne; — beynahe auf aͤhn-
liche Art, wie es zwiſchen den Generalſtaaten der
vereinigten Niederlande und einzelnen Provinzen
Colliſionen geben kann. — Namentlich hat z. B.
der Chauſſeebau zu ſolchen Fragen Anlaß gegeben,
ob derſelbe jedem Beſitzer in ſeinem Gebiete zu
uͤberlaßen, oder durch allgemeine Collegialſchluͤſſe
zu beſtimmen ſey? Desgleichen iſt die Frage ent-
ſtanden, ob das Recht des Fiſcus und der Con-
fiſcationen auch einem geſammten Rittercanton oder
Ritterkreiſe zuzugeſtehen ſey? u. ſ. w.


XI.

Aber auch ſelbſt uͤber den ganzen Zuſtand der
Unmittelbarkeit und Reichsfreyheit hat es haͤufi-
ge Streitigkeiten gegeben, die zum Theil noch
fortwaͤhren; da oft der Beſitzer eines Rittergutes
reichsunmittelbar zu ſeyn behauptet, den ein Reichs-
ſtand als ſeinen Unterthanen in Anſpruch nimmt,
oder auch eine Stadt, eine Grafſchaft, ein Fuͤr-
ſtenthum, eine Praͤlatur, eine Commende, zu Zei-
ten ſelbſt ein Dorf in dem Fall iſt, ſich fuͤr ein un-
mittelbares Mitglied des Reichs zu halten, da
ein benachbarter Reichsſtand behauptet, daß es
einen Theil ſeines Landes ausmache. Nicht we-
nige Staͤdte und Gebiete haben ſich ehedem wuͤrk-
lich im Beſitze der Reichsunmittelbarkeit oder doch
einer beynahe aͤhnlichen Freyheit und Unabhaͤngig-
keit befunden, aber das Schickſal gehabt, ſich un-
ter eines dritten Reichsſtandes Landeshoheit be-
quemen zu muͤßen. So iſt es z. B. den Staͤdten
Mainz, Trier, Muͤnſter, Paderborn, Dona-
werth, Erfurt, gegangen; oder auch ganzen Ge-
bieten, als der Herrſchaft Aſch, deren Beſitzer,
die
[293]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.
die Herren von Zedtwitz, ſie ehedem mit der Reichs-
freyheit beſeſſen, aber ſeit einigen Jahren die Ho-
heit der Krone Boͤhmen daruͤber anerkennen muͤ-
ßen (x).


Solche Verwandelungen eines unmittelbarenXII.
Reichsmitgliedes in ein mittelbares werden in der
Sprache unſerer Reichsgeſetze Exemtionen ge-
nannt. Man ſagt z. B. das Haus Baiern habe
die Stadt Donawerth eximirt, oder aus ihrem un-
mittelbaren Verhaͤltniſſe zum Teutſchen Reiche aus-
gezogen; und zwar mit oder ohne Uebernehmung
ihrer Beſchwerden (cum vel ſine onere). nach-
dem der eximirende Stand die Beytraͤge, die ſonſt
der eximirte zum Reiche gegeben, an deſſen Stelle
zu entrichten fortgefahren oder nicht. Eigenmaͤch-
tig koͤnnen natuͤrlicher Weiſe ſolche Exemtionen mit
Recht nicht geſchehen. Nicht ſelten wird aber von
beiden Seiten, oder auch mit dem Reichsfiſcale,
oder mit einem Reichskreiſe daruͤber geſtritten, ob
eine Exemtion gegruͤndet ſey, oder nicht; oder,
welches einerley iſt, ob der eximirte Theil mit
Recht auf die Reichsunmittelbarkeit Anſpruch ma-
chen koͤnne, oder nicht. So iſt z. B. erſt im Jah-
re 1580. der Stadt Trier die Reichsunmittelbar-
keit durch ein kaiſerliches Urtheil mit Zuziehung der
Churfuͤrſten aberkannt worden (y).


Einigen ſolchen Exemtionsirrungen hat manXIII.
durch Vergleiche ein Ende gemacht; bisweilen
mit
T 3
[294]XIV. Heutige Verfaſſung.
mit voͤlliger Zugeſtehung der Reichsunmittelbar-
keit, wie z. B. Hamburg im Jahre 1768. von der
Krone Daͤnemark von wegen des Herzogthums
Holſtein als eine voͤllig freye Reichsſtadt (z), und
der Abt zu Neresheim 1763. vom Hauſe Oettin-
gen-Wallerſtein als ein unmittelbarer Reichspraͤ-
lat anerkannt worden. Hin und wieder ſind aber
auch durch ſolche Vergleiche ganz beſondere Ver-
haͤltniſſe eingeſchraͤnkter Freyheiten oder Unter-
wuͤrfigkeiten
entſtanden. So ſind z. B. die Fuͤr-
ſten von Schwarzburg und die Grafen von Stol-
berg zwar Reichsfuͤrſten und Reichsgrafen; aber
jene doch den Saͤchſiſchen Haͤuſern, letztere den
Haͤuſern Sachſen, Brandenburg, Braunſchweig
in verſchiedenen Dingen, unter andern in Anſe-
hung der Appellationen und der hoͤhern geſetzgeben-
den Gewalt, unterworfen. Auf der andern Seite
hat z. B. die Praͤlatur Ebrach in Franken die
Landeshoheit des Hochſtifts Wuͤrzburg zwar uͤber
ſich anerkannt; jedoch nur in ausdruͤcklich beſtimm-
ten Faͤllen, außer welchen die Ausuͤbung jener be-
dungenen Landeshoheit nicht ſtatt findet (a). Die
Fuͤrſten von Hohenlohe als Beſitzer der Herrſchaft
Gleichen ſind der Landeshoheit des Herzogs von
Gotha unterworfen; doch genießen ſie viele Vor-
zuͤge, z. B. eine eigne Canzley, ein eignes Con-
ſiſtorium zu haben u. ſ. w., die anderen Gothai-
ſchen Vaſallen und Landſtaͤnden nicht zugeſtanden
werden. Die Stadt Hildesheim ſteht unter der
Landeshoheit ihres Biſchofs; iſt aber faſt von al-
len landesherrlichen Hoheitsrechten befreyet. Die
Stadt
[295]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.
Stadt Eſſen iſt vermoͤge eines Cammergerichtsur-
theils vom Jahre 1670. der Hoheit der dortigen
Abtiſſinn unterworfen, jedoch von Huldigung und
Steuern frey, und mit ihrer eignen Oberbotmaͤßig-
keit begabt; Kraft dieſer uͤbt ſie ſelbſt die peinliche
Gerichtbarkeit aus, doch muß ſie die Vollziehung
der Todesſtrafen dem fuͤrſtlichen Scharfrichter mit
einem auf dem Rathhauſe entbloͤßt hangenden
Schwerdte uͤberlaßen; Auch wird von der Stadt
noch jetzt an die Reichsgerichte appellirt. In geiſt-
lichen Laͤndern ſind die Domcapitel, wenn keine
Sedisvacanz iſt, an ſich mittelbar; ſie beſitzen aber
oft ganze Gebiete mit ſolcher Befreyung, daß
kaum die Ausuͤbung landesherrlicher Rechte von
Seiten der Landesregierung darin zu merken iſt (b).


So groß nun die aus allem dem entſpringendeXIV.
Mannigfaltigkeit der vielerley beſonderen Teut-
ſchen Staaten und Gebiete iſt, ſo natuͤrlich laͤßt
ſich bey der großen Freyheit, die ſie genießen, auch
von ſelbſten ermeſſen, daß ſie nicht alle einer glei-
chen Stuffe der Vollkommenheit ſich zu erfreuen
haben. Auch hierin zeigt ſich vielmehr ein ſolcher
Unterſchied, daß kaum eine groͤßere Mannigfaltig-
keit von gluͤcklichen und minder gluͤcklichen

Staa-
T 4
[296]XIV. Heutige Verfaſſung.
Staaten erdacht werden kann, wie man die Bey-
ſpiele davon in Teutſchland beyſammen findet.
Noch immer gibt es Beyſpiele, daß Herren, die
Land und Leute zu regieren haben, ihrer wahren
Beſtimmung gemaͤß das Wohl ihrer Unterthanen
und des ganzen Landes zum Hauptziele ihrer Wuͤn-
ſche und Bemuͤhungen machen. Und wie gluͤcklich
ſind dann die Laͤnder, wenn ſolche Herren nur auch
in der Wahl ihrer Raͤthe und Diener gluͤcklich
ſind; und wenn dann Herr und Diener ſich mit
gleichem Eifer angelegen ſeyn laßen, einem jeden
Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, Kirchen
und Schulen mit tuͤchtigen Maͤnnern zu beſetzen,
Wege zu beſſern und in gutem Stande zu erhalten,
auf gute Muͤnze und Polizey ein wachſames Au-
ge zu haben, den Nahrungsſtand der Unterthanen
befoͤrdern zu helfen, Verdienſte zu belohnen und
aufzumuntern, und was ſonſt noch fuͤr Gegenſtaͤn-
de einer preiswuͤrdigen Regierung ſeyn moͤgen!
Freylich koͤnnen wegen nicht uͤberall gleicher Frucht-
barkeit des Bodens, oder in Ruͤckſicht auf andere
Vortheile der Natur und der Lage eines Landes,
oder auch wegen einmal tief gewurzelter Fehler in
der Landesverfaſſung, beſonders in unverhaͤltniß-
maͤßiger Vertheilung der Abgaben, oder endlich
wegen geerbter oder von Kriegszeiten uͤbrig geblie-
bener Schuldenlaſt u. ſ. w. auch unter dem beſten
Herrn Hinderniſſe eintreten, die auf die groͤßere
oder mindere Wohlfahrt ganzer Laͤnder unleugba-
ren und ſchwer zu hebenden Einfluß haben. Doch
dann mag allenfalls der Troſt eintreten, daß in
dieſer Welt eben nichts ganz ohne alle Ausnahme
vollkommenes zu erwarten iſt.


Deſto
[297]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.

Deſto trauriger iſt es aber, wenn es nur anXV.
der Geſinnung der Regenten liegt, wenn ſie glau-
ben, daß das Land nur ihrentwegen da ſey, daß
ſie als Landesherren mit ihren Laͤndern und Un-
terthanen eben ſo, wie ein Gutsherr mit ſeinem
Gute und dazu gehoͤrigen Leibeignen ſchalten und
walten koͤnnten; — wenn ſie nur ihre perſoͤnliche
Neigungen und Leidenſchaften zu befriedigen ſuchen,
ohne darnach zu fragen, ob Land und Unterthanen
darunter leiden oder nicht; — wenn ſie gerne
Leute um ſich haben, die ihnen darin behuͤlflich ſind,
und alſo nur darnach die Wahl ihrer Raͤthe und
Lieblinge einrichten; — wenn ſie von Pflichten,
die Regierung zur Landeswohlfahrt zu fuͤhren,
nichts wiſſen wollen, oder hoͤchſtens nur den Schein
davon annehmen; — wenn ſie ſtatt deſſen viel-
mehr Jagd, Soldaten, oder irgend eine andere
Lieblingsneigung zu ihrem Hauptgeſchaͤffte ma-
chen; — wenn ſie dann in ihren Ausgaben ſich
nie nach ihren Einnahmen zu richten wiſſen, und
in dem Verhaͤltniſſe, worin ſie gegen ihre Laͤnder
und Unterthanen ſtehen, nur darauf ihr ganzes
Augenmerk richten, wie ſie nur mehr Geld vom
Lande bekommen moͤchten. Dann iſt es freylich
nicht zu bewundern, wenn es Laͤnder gibt, wo der
Unterthan mit Abgaben und Dienſten bis zum Un-
ertraͤglichen beſchwert iſt; — wo von Herrn und
Dienern faſt alles fuͤr Geld, ohne Geld nichts zu
haben iſt; — wo ſelbſt Dienſte und Gnadenbrie-
fe verkauft werden, und jene deswegen ſelten gut
beſetzt ſind; — wo an Kirchen- und Schulweſen,
an Anlegung und Erhaltung guter Wege, an Be-
foͤrderung des Nahrungsſtandes der Unterthanen
T 5kaum
[298]XIV. Heutige Verfaſſung.
kaum gedacht wird; — wo Gerichtsweſen, Muͤn-
ze, Polizey in der groͤßten Unordnung ſind u. ſ. w.


XVI.

Bis auf jedes einzelne Mitglied der Reichs-
ritterſchaft
findet dieſe Bemerkung ſtatt, wie ein
jeder Reichsritter ſein kleines Gebiet gluͤcklich oder
ungluͤcklich machen kann. Die Herren von der
Reichsritterſchaft ſelbſt haben in ſo weit große Vor-
zuͤge vor anderen landſaͤſſigen Adelichen, da ſie
wegen keines Mißbrauches einer hoͤhern landes-
herrlichen Gewalt uͤber ſich beſorgt ſeyn duͤrfen;
aber ob ihre eigne Unterthanen mehr oder weniger
gluͤcklich ſind, haͤngt meiſt von ihrer perſoͤnlichen
Geſinnung und zum Theil auch von ihren Beam-
ten ab. Die Geſammtverfaſſung der Reichsrit-
terſchaft, wie ſie in Cantons und Kreiſe vertheilt
iſt, kann allenfalls auch noch ihre beſondere Ein-
fluͤſſe haben.


XVII.

So zeigt ſich endlich auch unter unſeren
Reichsſtaͤdten eine ſolche Mannigfaltigkeit von
Beyſpielen gluͤcklicher oder ungluͤcklicher Verfaſſun-
gen, daß, wenn man hier einen bluͤhenden Staat
findet, wo Obrigkeit und Buͤrgerſchaft in gluͤckli-
cher Harmonie leben, dort nichts als Armuth und
Verfall, Mißhelligkeiten und Beſchwerden wahr-
zunehmen ſind; — hier zunehmende Bevoͤlkerung,
dort in Menge leer ſtehende Haͤuſer oder wuͤſte
Plaͤtze; — hier Handlung und Gewerbe; dort
Unthaͤtigkeit, und nur dorfmaͤßiger Unterhalt von
Ackerbau und Viehzucht u. ſ. w. — Alſo kein
Wunder, wenn auch hier oft allerley Gattungen
von Irrungen und Klagen zum Ausbruche kom-
men, die am Ende nicht ſelten Uebel noch aͤrger
machen.


Im
[299]5) Manchfaltigk. d. beſ. T. Staaten.

Im Ganzen muß man doch immer der Ver-XVIII.
faſſung des Teutſchen Reichs die Gerechtigkeit
widerfahren laßen, daß ſie in Vergleichung mit
anderen Maͤchten doch nicht die unvollkommenſte
iſt, ſondern noch allezeit gewiſſe Vorzuͤge hat. We-
nigſtens liegt es nicht an der Staatsverfaſſung im
Ganzen, wenn Teutſchland nicht in allen Theilen
ſich einer gleichen Wohlfahrt zu erfreuen hat. Wo
auch noch kleine Flecken und Anſtaͤnde uͤbrig ſind,
muß man hoffen, daß die Vorſehung Rath ſchaf-
fen koͤnne, wie ſie bisher doch ſichtbar uͤber unſere
Nation gewachet hat. Warum ſollte man nicht
fuͤr die Zukunft frohe Ausſichten haben, da dem be-
vorſtehenden Zeitalter ſo erhabene Muſter von Thaͤ-
tigkeit, Gerechtigkeit und Menſchenliebe vorleuch-
ten, wie Joſeph, Georg und Friedrich
Wilhelm!


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Notes
(a)
Oben Th. 2. S. 256.
(b)
Fabers Staatscanzley Th. 80. S. 690.,
Geſchichte des interregni nach Carls des VI. To-
de Th. 1. S. 322.
(c)
Wahlcap. Carls des VII. Art. 3. §. 18. 19.
(d)
Oben Th. 1. S. 14.
(e)
Oben Th. 2. S. 322.
(f)
Wahlcap. (1742.) Art. 30. §. 3.
(g)
Hertde ſpecial. rebusp. ſect. 2. §. 6. not.
II. opusc. vol. I. tom. 2. p.
75.
(h)
Die Benennung morganatiſcher Ehen hat
man bisher gemeiniglich davon hergeleitet, weil
ſolche Frauen ſich mit der Morgengabe begnuͤgen
mußten. Treffender ſcheint die Ableitung zu ſeyn,
die Moͤſer (in der Berliniſchen Monathsſchrift
vom May 1784.) angegeben hat, weil die Kinder
aus ſolchen Ehen nur der Mutter folgen; das heißt
nach der Niederteutſchen Mundart na der Moder
gan,
oder zuſammengezogen na der Mor gan.
(i)
Wahlcap. Art. 25. §. 1.
(k)
Nehmlich folgende Reichsgutachten: 1704.
Apr. 18. fuͤr Wuͤrzburg gegen den Cammergerichts-
aſſeſſor Wigand; 1704. Jun. 4. fuͤr den Herzog
von Wuͤrtenberg und die Grafen von Caſtell ge-
gen die Reichsritterſchaft; 1705. Apr. 7. fuͤr Heſ-
ſencaſſel wegen der Grafſchaft Rittberg; 1706.
Jul. 14. fuͤr die marggraͤflich Brandenburgiſchen
Haͤuſer wegen der vom Reichshofrathe angenom-
menen Rechtsſachen waͤhrenden Stillſtandes des
Cammergerichts; 1709. Jun. 14. fuͤr Naſſau-Ott-
weiler gegen Naſſau-Idſtein; 1709. Oct. 7. fuͤr
die Graͤfinnen von Poͤttingen und Kirchberg; 1714.
May 8. fuͤr den Biſchof von Augsburg wegen ei-
nes vom Reichshofrathe gegen gewiſſe Gebruͤder
Lottich angeſtellten Criminalproceſſes.
(l)
Oben S. 35. 36.
(m)
So erſchien z. B. im Jahre 1750. folgen-
der Auszug eines fuͤrſtlichen Reſcriptes: ”Anſon-
ſten haben Wir fuͤr gut befunden, unſern gehei-
men Rath — an des Herrn Churfuͤrſten zu Coͤlln
Liebden nach Mergentheim abzuſchicken, und un-
ſere — Angelegenheiten beſtens recommendiren zu
laßen; Welche ſich dann — ganz favorabel gegen
Uns erklaͤret, dagegen aberviciſſimdie Unter-
ſtuͤtzung in Dero Recursſachen ausgebeten

haben; Weswegen Wir unterm heutigen Dato un-
ſerem geheimen Rathe und Comitialgeſandten ge-
meſſen aufgegeben haben, daß er alle Churcoͤll-
niſche Recursſachen ohne Ausnahme nach-
druͤcklich zu ſecundiren
ſich angelegen ſeyn laßen
ſolle” ꝛc. Moſers Staatsarchiv 1751. Th. 1.
S. 157.
(n)
Wahlcap. (1742.) Art. 17. §. 3.
(o)
Rudolf Anton von Heringen, Geſandter
von Sachſen-Weimar und Eiſenach, wie auch
von Brandenburg-Culmbach und Onolzbach; ver-
trat zugleich die Stimmen von Holſtein-Gottorp,
Luͤbeck, Baden-Durlach und Hochberg, Henne-
berg und Oſtfriesland. Ueberdies war er Heſſen-
caſſeliſcher geheimer Rath, und hatte dieſes Ho-
fes
(p)
Die Schrift erſchien unter dem Titel: Er-
oͤrterung der Frage, ob in den Recurſen vom
Cammergerichte Bericht zu fordern ſey
?
(1746. Fol.). Sie zeichnete ſich zugleich durch
eine ſehr allgemeine Begruͤndung aller Recurſe
aus, womit ſie in folgendem Tone anfieng:
”Wer ſich in den Teutſchen Geſchichten umgeſe-
hen, der wird wiſſen, daß in aͤlteren Zeiten und
vor Errichtung des Cammergerichts, obſchon die
jedesmaligen Kaiſer eine Art von einem Hofge-
richte, an deſſen Platz der jetzige Reichshofrath
getreten, an ihrem Hoflager gehabt, dennoch von
der Jurisdiction dieſes Gerichts, ſo allein auf
Perſonen niedern Standes gegangen, Fuͤrſten und
Staͤnde mit ihren Rechtshaͤndeln ganz und gar
ausgenommen geweſen, und davon nirgend an-
ders, als auf oͤffentlichen Reichstagen vor Fuͤr-
ſten und Staͤnden gehandelt werden koͤnnen.” —
Zum Beweiſe beruͤft ſich der Herr Verfaſſer auf
Verordnungen der Kaiſer, Friedrichs d. II. von 1236.,
Rudolfs des I. von 1291., Albrechts des I. von
1438., und Sigismunds von 1446., dann auf
eine beſtaͤndige Praxin, die darauf erfolgt ſey.
Und vom Cammergerichte behauptet er, es ſey
nur auf den Fall, wenn kein Reichstag vorhan-
den ſey, errichtet worden; die Staͤnde haͤtten
ſich aber vorbehalten, die Aſſeſſoren als ihre Re-
praͤſentanten zu ernennen. — Hernach faͤhrt er
fort: ”Aus dieſer kurzen in notorietate facti be-
ruhenden Erzehlung ergibt ſich von ſelbſten, daß
die Gewalt und Gerichtbarkeit des Cammergerichts
eine delegirte Gewalt und Gerichtbarkeit ſey, die
der Direction und Oberaufſicht des in ſeinem Ober-
haupte und geſammten Staͤnden verſammelten
Reichs
(o)
fes Stimme beym Fuͤrſtentage zu Offenbach ge-
fuͤhrt. Oben S. 19. Meine Litteratur des Staats-
rechts Th. 2. S. 145.
(p)
Reichs dergeſtalt unterworfen iſt, daß ſie nach
deſſen Gutfinden gemehret oder gemindert, vor
allen Dingen aber ſich bey ſelbigem als conſti-
tuente et delegante ordinisque praeſcripti cuſto-
de
von einem conconſtituente und condelegante
beſchwert, und gegen das aus ſeinen Graͤnzen
ſchreitende Gericht die ordnungsmaͤßige Remedur
geſucht werden koͤnne.” ꝛc. Die ganze Schrift
iſt in Koͤnigsſelectis iuris publ. nouiſſ. Th. 15.
S. 4-28. eingedruckt.
(q)
Aus der Feder des Herrn von Heringen
erſchienen deswegen gleich damals eigne ”Conſi-
„derationen
uͤber den Sachſen-Meinungiſchen
„Recurs in der Gleichiſchen Sache” (1748. Fol.),
die gleich ſo anfiengen: ”Wenn man dieſe Sache
in ihrer wahren Geſtalt betrachtet, ſo haben alle,
die damit melirt ſind, gefehlt. Der Frau von
Gleichen Conduite uͤber einen Damenrang — zu-
erſt in ſolche vernunftsloſe Heftigkeit auszubre-
chen, und hernach — beym Cammergerichte paſ-
ſus
einzuleiten, die gerade gegen die Saͤchſiſche
uralte Haus- und Landesverfaſſungen ſtreiten, —
wird niemand loben koͤnnen. Sereniſſimi Meinun-
genſis
Verfahren, dieſen Fall, der nimmermehr
unter das Duellmandat gezogen werden kann, —
ſo hart zu ahnden, wird ebenfalls niemand gut
heiſſen, noch vielweniger aber die Art und Weiſe
approbiren, wie der eingeleitete Recurs gefuͤhret
wird, daß nehmlich die angebrachten grauamina
mit nichts beſcheiniget, noch ein begreiflicher ſta-
tus cauſae
dargelegt wird, daß Facta avancirt
wer-
(q)
werden, die aperte falſch ſind, und zuruͤckgenom-
men werden muͤßen, damit auch ſelbſt die Reichs-
verſammlung nicht verſchonet wird, und ihr prae-
matura concluſa
beygelegt werden, die nicht exi-
ſtiren, — und daß endlich in der Schreibart gar
keine Maße gehalten, ſondern zu ſolchen Unziem-
lichkeiten geſchritten wird, die kein Exempel vor
ſich haben, und denen keine Nachfolge zu geſtat-
ten iſt. Wendet man ſich von Sr. Durchlaucht
zu Sachſen-Meinungen zum Cammergerichte; ſo
iſt daſelbſt procedirt, als ob keine Ordnung und
Recht im Reiche waͤre. Der Reichsabſchied von
1600. verbietet ausdruͤcklich, gegen der Staͤnde
Diener und Raͤthe keine Klagen in Sachen anzu-
nehmen, die ſie vi o[ff]icii auf Befehl des Herrn
thun muͤßen, woruͤber dieſer ſie zu vertreten hat.
Dem ungeachtet aber wird die Regierung zu Mei-
nungen uͤber Befolgung der Befehle ihres Herrn
verklaget und citirt. Der Reichsabſchied 1570.
und der von 1600. verbieten ausdruͤcklich Nulli-
taͤtsklagen in denjenigen Faͤllen anzunehmen, wo
nicht erlaubt iſt zu appelliren. — Dem ungeach-
tet nimmt die Cammer — eine Nullitaͤtsklage
an. — Man wird lachen, wenn man ſiehet, daß
in einer Sache, die am Reichstage fuͤr einen oder
den anderen Theil entſchieden werden ſoll, alle
Intereſſenten Unrecht haben ſollen, — auch folg-
lich fragen, was dann zu thun ſey? Es iſt aber
leicht darauf zu antworten. — Das cammerge-
richtliche Verfahren ſollte man ſimpliciter caſſiren,
und zwar unter dem Vorbehalte, daß, wenn der-
gleichen wieder vorkomme, es gebuͤhrend geahn-
det, und dem Cammergerichte die Koſten ex pro-
priis
zu erſetzen auferleget werden ſollte.” ꝛc.
(r)
Oben S. 27.
(s)
Sie finden ſich in Fabers Staatscanzley
Th. 97. S. 94-133., Th. 98. S. 187-211.,
Th. 99. S. 107-124. Einige Hauptſtellen, wor-
aus ſich ungefaͤhr der Geiſt dieſer Schriften ab-
nehmen laͤßt, finde ich doch der Muͤhe werth hier
bemerklich zu machen.
(t)
Das bezog ſich darauf, weil der Herr von
Schwarzenau den Hollaͤndiſchen Geſandten vor
den graͤflichen genannt hatte.
(u)
Oben Th. 2. S. 338. XVIII. XIX.
(v)
Oben Th. 2. S. 145-147.
(w)
Teutſche Kriegscanzley 1757. B. 2. S. 168.
(x)
Wahlcap. Art. 13. §. 7.
(y)
Ehedem wurden die Comitialgeſandten von
der Stadt Regensburg mit Coufect und ſuͤßem Wei-
ne bedient. Auch den Canzliſten wurde bey der
Dictatur Wein und weiß Brod vorgeſetzt. Da
ſich aber der Reichstag in die Laͤnge zog, beſchwer-
te ſich die Stadt Regensburg ſchon im vorigen
Jahrhundert, daß ihr dieſe Ausgabe bereits etliche
tauſend Rthlr. gekoſtet habe, zumal da nicht leicht
etwas uͤbrig gelaßen, ſondern allenfalls eingeſteckt
wuͤrde. Die Stadt ward darauf von allen drey
Reichscollegien dieſer Ausgabe uͤberhoben. Seit-
dem wird der Confecttiſch, der noch in den Raths-
ſtuben vorhanden iſt, nur noch dazu gebraucht,
Huͤte und Stoͤcke darauf zu legen.
(z)
Wahlcap. Art. 4. §. 7.
(a)
Bald nach der Schlacht bey Roßbach wur-
den zwey Aufſaͤtze bekannt, unter der Aufſchrift:
”Verbeſſerung der bey der Reichsarmee wahrge-
nommenen Gebrechen und Maͤngel,” und: ”Nota
ein und anderer Gebrechen, ſo ſich bey der Reichs-
armee
(a)
armee finden, und die mit dem Dienſte incompa-
tible ſind.” Beide ſind gedruckt in der Teutſchen
Kriegscanzley auf das Jahr 1758. B. I. S. 121-
125. Was ich hier von der heutigen Reichskriegs-
verfaſſung melde, iſt meiſt woͤrtlich aus dieſen
Aufſaͤtzen genommen.
(b)
Teutſche Kriegscanzley 1757. Th. 3. S. 15.
(c)
Wahlcap. (1742.) Art. 5. §. 8.
(d)
Teutſche Kriegscanzley 1758. Th. 3. S.
565. u. f.
(e)
Wahlcap. (1742.) Art. 4. §. 3.
(f)
Oben Th. 2. S. 394. 398.
(g)
Oben Th. 2. S. 380.
(h)
Oben S. 19. 20.
(i)
Wahlcap. (1764.) Art. 30. §. 3.
(k)
Wahlcap. (1711. 1742. 1745.) Art. 30. §. 5. 6.
(l)
Wahlcap. (1612.) Art. 3. §. 11.
(m)
Oben S. 41. 42.
(n)
Wahlcap. (1764.) Art. 3. §. 19.
(o)
Wahlcap. (1742.) Art. 17. §. 3-12.
(p)
Wahlcap. (1742.) Art. 17. §. 6.
(q)
Das Reichsgutachten war vom 8. Aug., das
kaiſerliche Ratifications-Commiſſionsdecret vom
17. Nov. 1766.
(r)
Sie findet ſich in der Sammlung der Acten-
ſtuͤcke die Viſitation des C. G. betreffend, Fort-
ſetz. 3. (1767.) S. 63-86.
(s)
Betrachtungen uͤber das Viſitationsweſen
§. 7-10. S. 8-10.
(t)
Betrachtungen uͤber das Viſitationsweſen
§. 14. S. 13.
(u)
Betrachtungen ꝛc. §. 29. S. 22.
(v)
Ebendaſ. §. 47. S. 32.
(w)
R. A. 1654. §. 130.
(x)
Wahlcap. (1742.) Art. 17. §. 8.
(y)
Meine Litteratur des Staatsrechts Th. 2.
S. 183-185.
(z)
R. A. 1532. §. 94., C. G. O. 1555. Th. 1.
Tit. 50. §. 5., Concept Th. 1. Tit. 64. §. 20.
(a)
Wahre Bewandtniß der am 8. May 1776.
erfolgten Trennung der bisherigen Viſitation des
kaiſerl. und Reichscammergerichts, Goͤttingen
1776. 4.
(b)
Wahre Bewandtniß ꝛc. mit Anmerkungen
von §. zu §. widerleget (Wien 1777. 4.)
(c)
Geſammelte Originalbriefe, in welchen die
Handlungen der am 2. May 1767. ausgeruͤckten
C. G. Viſitations-Deputation beleuchtet werden.
Th. I-III. 1777-1779. 8. Meine Litteratur des
Staatsrechts Th. 2. S. 190.
(d)
Die Erklaͤrung des evangeliſchen Religions-
theils vom 8. May 1784. findet ſich in Reuß Teut-
ſcher Staatscanzley Th. 6. S. 350. Eben daſelbſt
finden ſich die Conferenzprotocolle des catholiſchen
Religionstheils vom 13. May 1784. Th. 7. S.
363., vom 31. Jul. 1784. Th. 8. 249., vom 14.
und 26. Aug. 1784. Th. 8. S. 308. 315.
(e)
Von wegen der Fraͤnkiſchen catholiſchen
Grafen hat der Fuͤrſt Carl Albrecht von Hohen-
lohe-Schillingsfuͤrſt (der, von einem Jeſuiten er-
zogen, als die erſte Quelle dieſes ganzen Streites
angegeben wird, Reuß Staatsc. Th. 12. S. 389.)
theils in beſonderen Schreiben, die er am 18.
May 1784. an den Oeſterreichiſchen Directorial-
geſandten Freyherrn von Borié und den 2. Jun.
1784. an die catholiſchen Reichsſtaͤdte erlaßen hat,
theils noch in einer eignen Erklaͤrung unterm 6.
Dec. 1784. die heftigſten Widerſpruͤche geaͤußert.
Reuß Staatsc. Th. 7. S. 379. 393., Th. 9. S.
426-435. Einem Geruͤchte, ”ſo ſich in Teutſch-
„land verbreitet haben ſolle, daß der Herr Baron
„von Borié allein die Berichtigung dieſes durch
„ſeine Folgen ſo aͤuſſerſt wichtig gewordenen Ge-
„ſchaͤffts (der beruͤchtigten Grafenſache) auf halte,”
iſt ſchon unterm 17. Oct. 1783. durch ein fuͤrſtlich
Kaunitziſches Circularſchreiben an die kaiſerlichen
Miniſter im Reiche widerſprochen worden. Reuß
Staatsc. Th. 4. S. 331.
(f)
Die beſonderen Umſtaͤnde, wie es mit der
auf ſolche Art endlich hergeſtellten Thaͤtigkeit des
Reichstags zugegangen, ſind in Reuß Staats-
canzley Th. 9. S. 387-426. nachzuſehen.
(g)
Beynahe haͤtte noch im Auguſt 1785. auch
die Thaͤtigkeit des Fraͤnkiſchen Kreiſes uͤber dieſe
Gra-
(g)
Grafenſache Noth gelitten, da ein gewiſſer Hof-
rath Knoͤrzer als catholiſcher Geſandter von Ho-
henlohe-Waldenburg eigenmaͤchtig in die Kreis-
verſammlung ſich eindringen wollte, aber durch
einen auf Requiſition des Kreiſes von der Stadt
Nuͤrnberg befehligten Officier mit Wache das Seſ-
ſionszimmer zu verlaßen genoͤthiget wurde. Reuß
Staatscanzley Th. 12. S. 354-382.
(h)
So ward I) am 23. Jul. 1777. von Seiten
der beiden Saͤchſiſchen Kreiſe, und des evangeli-
ſchen Theils der vier vermiſchten Kreiſe ein Ver-
gleich errichtet, wie es kuͤnftig mit der unter ihnen
abwechſelnden Praͤſentation gehalten werden ſoll-
te. (Oben Th. 2. S. 418.) Sodann wurden II)
im [Schwaͤbiſchen] Kreiſe am 25. Jun. 1779., und
III) im Weſtphaͤliſchen Kreiſe am 26. Oct. 1779.
die Anſtaͤnde, die noch bey den evangeliſchen Praͤ-
ſentationen dieſer Kreiſe obgewaltet hatten, durch
Uebereinkunft der evangeliſchen Mitglieder eines
jeden dieſer beiden Kreiſe gehoben. Endlich IV)
ſchien es nach den Veraͤnderungen, die ſich mit
Abgange des Hauſes Baiern ereignet hatten, noch
eine Berichtigung zu erfordern, ob Churpfalz fer-
ner einen evangeliſchen oder catholiſchen Beyſitzer
praͤſentiren ſollte? Dieſer Umſtand wurde durch
foͤrmliche Schluͤſſe beider Religionstheile, die das
catholiſche Corpus den 30. Jun. 1781., das evan-
geliſche den 28. Nov. 1781. faßten, dergeſtalt be-
ſtimmt, daß von Churpfalz kuͤnftig ein catholiſcher
Beyſitzer, dagegen aber zu Erſetzung des dadurch
entſtehenden Abganges einer evangeliſchen Stelle
von den drey evangeliſchen Churhoͤfen abwechſelnd
ein evangeliſcher Beyſitzer praͤſentirt werden ſollte.
(i)
Eine eigne ausfuͤhrliche Schrift hieruͤber iſt
”Joh. Fried. Brandis Geſchichte der innern Ver-
faſſung des k. R. Cammergerichts, hauptſaͤchlich
in
(i)
in Hinſicht der Senate als ein hiſtoriſcher Com-
mentar uͤber Art. 20. 21. des Reichsſchluſſes von
1775.”, Wetzlar 1785. 8.
(k)
Reichshofrathsordnung Ferdinands des III.
Tit. 1. §. 2.
(l)
Oben Th. 1. S. 212. und 320. u. f.
(m)
Reuß Teutſche Staatscanzley Th. 1. S.
103-119.
(n)
Reuß Deductionsſammlung S. 1-158.
(o)
C. G. O. 1555. Th. 2. Tit. 35., R. A.
1654. §. 166., Wahlcap. Art. 16. §. 7.
(p)
Wahlcap. (1742.) Art. 1. §. 11.
(q)
Dieſe Staͤnde waren Churſachſen, Chur-
braunſchweig, Heſſencaſſel, Wetterauiſche Gra-
fen, Stadt Regensburg und Heilbronn. Eine
aus-
(r)
Dieſe Beytraͤge, wie ſie vom 27. Sept.
1770. bis zum 13. Febr. 1771. eingegangen wa-
ren, betrugen beſage einer Berechnung vom 31.
Dec. 1784. zuſammen 7474. Fl. 12. Kreuzer, wo-
von zu Ende des Jahrs 1784. noch 854. Fl. 16.
Kr. uͤbrig waren. Zu jener Summe hatten bey-
getragen Churbraunſchweig 900. Fl., Holſtein-
gluͤckſtadt 404. Fl. 24. Kr., Holſteingottorp 400.
Fl., Stadt Hamburg 400. Fl., Braunſchweig-
Wolfenbuͤttel 360. Fl., Naſſauoranien 300. Fl.,
Churſachſen, Mecklenburg-Schwerin, Heſſencaſ-
ſel, Mecklenburg-Strelitz, Heſſenhanau, jedes
180. Fl. u. ſ. w. Von Berlin aus war kein Bey-
trag geſchehen. Reuß Staatscanzley Th. 10.
S. 151-180.
(q)
ausfuͤhrliche Nachricht von der ganzen Sache fin-
det ſich in Walchs neueſter Religionsgeſchichte
Th. 1. S. 251-292.
(s)
Schon im R. A. 1530. §. 132. hatte der
Kaiſer Carl der V. verſprochen, ”wegen der bis
dahin ſchon auf mehreren Reichstagen vorgekom-
menen Beſchwerden der Teutſchen Nation gegen
den Stuhl zu Rom bey demſelben mit allem hoͤch-
ſten Fleiſſe zu handeln, und die Sache dahin zu
foͤrdern, damit ſolche Beſchwerden abgeſtellt, und
der Teutſchen Nation in dieſem ihrem billigen Be-
gehren ſtatt gegeben werde.” (Samml. der R. A.
Th. 2. S. 326.) Dieſe ſeitdem noch nicht zum
Zweck gediehene Handlung mit dem paͤbſtlichen
Stuhle ward alſo I) in obigem Collegialſchreiben
von neuem empfohlen. Hernach hatte II) Kaiſer
Joſeph der I. unterm 5. Sept. 1707. verſchiedene
Verordnungen an die Officialatgerichte zu Luͤttich,
wie auch zu Coͤlln, Paderborn und Muͤnſter er-
laßen, um die Appellationen und Evocationen in
weltlichen Sachen nach Rom und an die Nuncia-
turen nicht zu geſtatten. (Sie finden ſich als Bey-
lagen des kaiſerlichen Commiſſionsdecretes vom 24.
May 1719. Num. 5-13. in Pachners von Eg-
genſtorf Sammlung der Reichsſchluͤſſe Th. 4. S.
84-91.) Dieſe Verfuͤgungen ließ Carl der VI.,
in
(s)
in Beziehung auf das, was die Viſitation des
Cammergerichts 1713. wegen Abſtellung der un-
gebuͤhrlichen Appellationen und Evocationen an
hoͤhere geiſtliche Gerichte in ihrem Berichte hat-
ten einfließen laßen, in dem Commiſſionsdecrete
vom 24. May 1719. den Reichsſtaͤnden mitthei-
len, mit der Aeuſſerung, wie Jahre kaiſerliche Ma-
jeſtaͤt nicht undienlich zu ſeyn vermeynten, wenn
auch das Cammergericht zu Beobachtung jener
Verfuͤgungen angewieſen wuͤrde. (Samml. der
R. A. Th. 4. S. 342. Schmaußcorp. iur. publ.
S. 1285.) Es ward aber in dem darauf erfolg-
ten Reichsgutachten vom 15. Dec. 1719. uͤber
dieſen Punct keine Erklaͤrung ertheilt, ſondern
nur ſoviel geaͤußert: ”Auf die uͤbrigen in obauge-
„fuͤhrtem kaiſerlichen Commiſſionsdecrete enthal-
„tenen Puncte wuͤrde man nach vollbrachter Deli-
„beration den fernern Schluß demnaͤchſt auch er-
„oͤffnen, und daruͤber kaiſerlicher Majeſtaͤt das
„weitere Reichsgutachten erſtatten.” (Samml.
der R. A. Th. 4. S. 347. Schmauß am a. O.
S. 1293.) Das iſt alſo das Reichsgutachten,
deſſen Erwirkung in obigem Collegialſchreiben emp-
fohlen wird, und noch immer erwartet werden
kann. Die Zeit ſcheint doppelt gelegen dazu zu
ſeyn, da eben jetzt (1786.) die Errichtung einer
neuen Nunciatur in Baiern im Werke iſt, und
Joſeph der II. zur Beruhigung des catholiſchen
Teutſchlandes ſich ſchon erklaͤret hat, daß den
paͤbſtlichen Botſchaftern keine Gerichtbarkeit noch
andere Eingriffe in die Rechte der Biſchoͤfe und
Erzbiſchoͤfe zu geſtatten ſeyen. Es waͤre wohl der
Muͤhe werth, daß ein foͤrmlicher Reichsſchluß
darauf das Siegel druͤckte. (Obiges Collegial-
ſchreiben vom 19. Maͤrz 1764. findet ſich uͤbrigens
im Wahldiario Joſephs des II. S. 68. und 87.
und nebſt den vorhergegangenen churfuͤrſtlichen
(t)
Das paͤbſtliche Erkenntniß vom 4. Sept.
1764. habe ich in meinen Rechtsfaͤllen B. 1. Th.
2. S. 316. abdrucken laßen. Ein Vergleich, der
hernach am 18. Jan. 1767. uͤber die Sache ſelbſt
geſchloſſen worden, findet ſich in Cramers Wetz-
lariſchen Nebenſtunden Th. 68. S. 100.
(u)
Oben Th. 1. S. 88-93.
(s)
Abſtimmungen in Moſers Religionsverfaſſung
S. 742-749. wie auch in Henr. Ferd. Chriſt von
Lynker Wahlcap. Joſephs des II. mit beygefuͤg-
tem Protocolle ꝛc. Arnſt. 1783. 4. S. 184. u. 305.)
(v)
Oben Th. 1. S. 296-299. und meine Lit-
teratur des Teutſchen Staatsrechts Th. 2. S. 486.
(w)
Iuſtini Febroniide ſtatu eccleſiae et le-
gitima poteſtate Romani pontificis
liber ſingularis
ad reuniendos diſſidentes in religione Chriſtianos
compoſitus, Bullion.
1763. 4.
(x)
Der Herr von Hontheim iſt zwar hernach
genoͤthiget worden, unterm 1. Nov. 1778. eine
Retractation der in ſeinem Buche dem paͤbſtlichen
Hofe mißfaͤllig geweſenen Saͤtze auszuſtellen, die
Pius der VI. am erſten Weinachtstage 1778. dem
Cardinalscollegio feierlich bekannt gemacht hat.
Ob aber damit der Eindruck, den die im Febroni-
ſchen Buche enthaltenen Gruͤnde, inſonderheit die
dadurch unter den Catholiſchen vom Ungrunde der
Iſidoriſchen Decretalen mehr verbreitete Aufklaͤ-
(y)
Joh. Fried. Le Bret Magazin zum Ge-
brauch der Staaten- und Kirchengeſchichte Th. 8.
(Ulm 1783. 8.) S. 1-21.
(z)
Le Bret am a. O. S. 21.
(x)
rungen einmal gemacht haben, gehoben ſey? iſt
eine andere Frage. Walchs neueſte Religionsge-
ſchichte Th. 7. S. 195. und 455. Hontheim
commentarius in ſuam retractationem, Frf.
1781. 4.
(a)
Manche Ueberbleibſel finden ſich in den
ſchon mehr von mir angefuͤhrten leſenswuͤrdigen
(b)
Was inſonderheit von Verſuchen, durch ge-
heime Geſellſchaften unter Leitung unbekannter
Oberen ꝛc. den Geiſt der jeſuitiſchen Verbindung
zu erhalten und ſelbſt wo moͤglich unter Proteſtan-
ten auszubreiten, ſeit einiger Zeit in der Berliner
Monathsſchrift, in einem Buche unter dem Titel:
Antinicaiſe, und in mehr anderen Schriften vor-
gekom-
(a)
fuͤnf ”Sendſchreiben eines Laien uͤber das waͤhrend
der Jeſuiterepoche ausgeſtreuete Unkraut, Frf. u.
Lpz. 1785. 1786. 4.” von einer catholiſchen Feder
mit vieler Geſchicklichkeit und Freymuͤthigkeit be-
ſchrieben.
(c)
Als bey der Polniſchen Theilung 1773.
ſechs Jeſuiter-Collegien und Miſſionshaͤuſer, die
zur Provinz Maſuren gehoͤrt hatten, unter Ruſ-
ſiſche Herrſchaft kamen, und hernach die Auf he-
bung der Jeſuiten erfolgte; ernannte der bisheri-
ge Provincial von Maſuren fuͤr das nunmehr an
Rußland gekommene Weißreuſſen den bisherigen
Rector Stanislav Czerniewicz zu Polozk zum Vi-
ceprovincial an ſeiner Stelle. Derſelbe war 1728.
Aug. 15. aus einem angeſehenen Geſchlechte im
Großherzogthume Litthauen gebohren, zu Wilna
in ſeinem 15. Jahre in den Orden getreten, zu
Rom viele Jahre bey dem letzten Generale Lorenz
Ricci theils Subſtitut, theils Generalprocurator
der ganzen Polniſchen Aſſiſtenz, und ſeit 1770.
Rector des Collegii zu Polozk geweſen. Hier wur-
de nun unter kaiſerlich Ruſſiſchem Schutze und
vermoͤge einer von Pius dem VI. am 15. Aug.
1778. ertheilten Vollmacht, am 28. Jun. 1779.
vom Erzbiſchofe zu Mohilow die Erlaubniß er-
(b)
gekommen iſt, hat kuͤrzlich ein ungenannter Ver-
faſſer ziemlich vollſtaͤndig beſchrieben und geſamm-
let, unter dem Titel: ”Vorlaͤufige Darſtellung
des heutigen Jeſuitismus, der Roſenkreuzerey,
Proſelytenmacherey und Religionsvereinigung,
Teutſchland 1786. 8.”
(c)
theilt, ein Novitiat zu eroͤffnen. Hernach hiel-
ten in Gefolg einer Ukaſe vom 4. Jul. 1782. die
Jeſuiten aus Weißreuſſen eine Generalverſamm-
lung zu Polozk, und erwehlten daſelbſt am 17.
Oct. 1782. den bisherigen Viceprovincial zum Ge-
neralvicarius mit der vollkommenen Macht eines
Generals der Jeſuiten. Nach ſeinem Tode († 1785.
Jul. 18.) iſt Gabriel Lemkiewicz, bisheriger Re-
ctor und erſter Aſſiſtent, an ſeine Stelle gekommen.
Dieſe Nachrichten hat die Berliner Monathsſchrift
im Nov. 1785. S. 418. u. f. aus der Warſchauer
Zeitung geliefert. Auch finden ſie ſich in der vor-
laͤufigen Darſtellung des heutigen Jeſuitismus ꝛc.
S. 183-196.
(d)
Wegen der Birkenfeldiſchen Linie haͤtte
ein Anſtand ſeyn koͤnnen, weil ſie aus einer un-
gleichen Ehe des Pfalzgrafen Johann Carls zu
Gelnhauſen (geb. 1637. † 1704.) mit Maria Eſther
von Witzleben (verm. 1696. † 1725.) abſtammte.
Der Anſtand ließ ſich aber jetzt deſto eher uͤberſe-
hen, weil dieſe Linie doch nicht eher zur Succeſ-
ſion ſich Hoffnung machen durfte, als wenn alle
andere Linien des Hauſes erloſchen ſeyn wuͤrden,
von denen alſo keine alsdann mehr behaupten koͤnn-
te, daß ihr ein Nachtheil dadurch zuwuͤchſe. Waͤ-
re auſſer der Birkenfeldiſchen Linie noch eine juͤn-
gere aus einer ſtandesmaͤßigen Ehe entſproſſene
vorhanden geweſen, wuͤrde die Sache vielleicht
eine andere Geſtalt bekommen haben.
(e)
Am 12. Febr. 1785. erfolgte ein Reichshof-
rathsconcluſum des Inhalts: ”Fiat in Anſehung
der von der Mecklenburgiſchen Ritterſchaft ſowohl
als von der Stadt Roſtock eingewandten Reviſion
ſententia concluſi de 11. Apr. 1781. confirmatoria
cum condemnatione in expenſas;”
und: ”Diſtri-
buantur ſportulae.
” Dieſe Sporteln oder Suc-
cumbenzgelder hatten fuͤr die Ritterſchaft 6000. Fl.,
fuͤr die Stadt Roſtock 2000. Fl. betragen.
(f)
Dieſer Vergleich iſt hernach durch ein Reichs-
gutachten vom 17. Jan. 1785. und deſſen kaiſer-
liche Genehmigung vom 12. Febr. 1785. beſtaͤti-
get worden. Reuß Staatscanzley Th. 10. S.
1-83.
(g)
Daß die Reichsafterlehnseigenſchaft der
graͤflich Schoͤnburgiſchen Herrſchaften Glaucha,
Waldenburg und Lichtenſtein von Churſachſen nicht
verkannt werden ſolle, wie es auch in vorigen Zei-
ten von der Krone Boͤhmen nicht geſchehen ſey,
daruͤber iſt auf ein von kaiſerlicher Majeſtaͤt geneh-
migtes Reichshofrathsgutachten am 24. Maͤrz
1783. ein kaiſerliches Reſcript an Churſachſen er-
laßen worden. Reuß Teutſche Staatscanzley
Th. 2. S. 136.
(h)
In vorigen Zeiten wurden ſonſt unter Maͤch-
ten, die nicht einerley Sprache hatten, die Frie-
densſchluͤſſe Lateiniſch abgefaſſet, wie noch in die-
ſem Jahrhundert die Friedensſchluͤſſe zu Baden
1714., und zu Wien 1725. und 1738. in dieſer
Sprache errichtet ſind. Doch bediente man ſich
auch ſchon zu Raſtadt 1714., zu Wien 1735. und
zu Belgrad 1739. in den damaligen Friedens-
handlungen der Franzoͤſiſchen Sprache, die nun-
mehr in der Eigenſchaft einer gemeinſchaftlichen
Staatsſprache die Lateiniſche einmal verdraͤngt zu
haben ſcheint.
(i)
Ein Beyſpiel, wie ſich die Ueberſetzungen
zum Originale und unter einander verhalten, kann
der achte Artikel des Friedens abgeben. Derſelbe
heißt in der Urkunde: ”Les hautes puiſſances con-
tractantes et médiatrices du préſent Traité ſont
convenues de garantir, et garantiſſent formelle-
ment à toute la Maiſon Palatine, et nommément
à la ligne de Birkenfeld les Traités et pactes de
famille de 1766. 1771. et 1774., en tant qu’ ils
ſont conformes au Traité de paix de Weſtphalie,
et qu’il n’y eſt pas dérogé par les ceſſions faites
par le préſent Traité et Conventions, ainſi que
l’ acte ſigné aujourdhui entre le Séréniſſime Ele-
cteur Palatin et Mr. le Duc des Deux-Ponts, ſur
l’obſervation et l’exécution de leurs ſusdits pactes
de famille, lequel eſt annexé au préſent Traité
et cenſé en faire partie, comme ſ’il y étoit inſé-
ré mot à mot.
” In der Wiener Ueberſetzung iſt
dieſer Artikel ſo gefaſſet: ”Die hohen contrahi-
„renden und vermittelnden Maͤchte des gegenwaͤr-
„tigen Tractats ſind uͤbereingekommen, dem gan-
„zen Pfaͤlziſchen Hauſe, und namentlich der Bir-
„kenfeldiſchen Linie die Hausvertraͤge von 1766.
„1771. und 1774. zu garantiren, und garantiren
„dieſelben hiemit auch feierlich in ſo weit, als ſol-
„che dem Weſtphaͤliſchen Frieden gemaͤß, und als
„ſie nicht durch die in dem gegenwaͤrtigen Frie-
„densſchluß und Conventionen geſchehenen Abtre-
„tungen, dann durch jene heute unterzeichnete
„Acte abgeaͤndert worden, welche der durchlauch-
„tigſte Herr Churfuͤrſt von der Pfalz und des Herrn
„Her-
(k)
(i)
„Herzogs von Zweybruͤcken Durchlaucht, uͤber die
„Beobachtung und Vollſtreckung der oberwehnten
„Hausvertraͤge unter ſich ausgeſtellet haben, und
„welche dem gegenwaͤrtigen Tractate beygefuͤget
„worden, und fuͤr einen Theil deſſelben alſo zu
„betrachten iſt, als ob ſie in ſolchen von Wort zu
„Wort eingeruͤcket waͤre.” In der Berliner Ue-
berſetzung heißt es: ”Sowohl die ſchließenden als
„auch die vermittelnden hohen Maͤchte ſind uͤber-
„eingekommen, daß ſie dem ganzen Pfaͤlziſchen
„Hauſe und namentlich der Birkenfeldiſchen Linie,
„die Tractaten und Familienvertraͤge von den Jah-
„ren 1766. 1771. und 1774., in ſo weit ſelbige
„dem Weſtphaͤliſchen Friedensſchluß nicht zuwider
„ſind, und ſolche nicht durch die, durch den ge-
„genwaͤrtigen Tractat und obige Convention ge-
„ſchehene Abtretungen geaͤndert worden, foͤrmlich
„und in Kraft dieſes Artikels garantiren wollen.
„Eben dieſes ſoll auch in Anſehung desjenigen
„Tractats gelten, welcher am heutigen Tage zwi-
„ſchen dem durchlauchtigſten Herrn Churfuͤrſten
„von der Pfalz und dem Herrn Herzog zu Zwey-
„bruͤcken, uͤber die Beobachtung und Vollziehung
„ihrer vorerwehnten Familienvertraͤge geſchloſſen
„worden, welcher dieſem Haupttractate mit ange-
„haͤngt iſt, und eben dieſelbe Kraft haben ſoll,
„als wenn er demſelben von Wort zu Wort waͤre
„einverleibet worden.”
(k)
Vermoͤge der Wahlcap. (1519.) Art. 23.
§. 3. ſoll der Kaiſer in Schriften und Handlungen
des Reichs keine andere Zunge noch Sprache ge-
brauchen laßen, dann die Teutſche und Lateiniſche.
An den Reichstag ſchreiben auswaͤrtige Maͤchte
zum Theil ſelbſt in Lateiniſcher Sprache, wie Groß-
britannien und Rußland, oder man erwartet, daß
zugleich Teutſche oder Lateiniſche Ueberſetzungen
beygefuͤgt werden.
(l)
Oben Th. 2. S. 50. I.
(m)
Dohm uͤber den Teutſchen Fuͤrſtenbund
S. 21. u. f. Einige Actenſtuͤcke finden ſich in
Reuß Staatscanzley Th. 2. S. 250., Th. 3. S.
415., Th. 4. S. 253.
(n)
Nachrichten von Juvavia und dem heuti-
gen Salzburg (Salzb. 1784. Fol.) S. 178.
(o)
Nachrichten von Juvavia S. 179.
(p)
Nachr. v. Juvavia S. 186.
(q)
z. B. oben S. 126.
(r)
Meine Litteratur des Teutſch. Staatsrechts
Th. 2. S. 163.
(s)
Reuß Staatscanzley Th. 4. S. 331. Oben
S. 154. Not. c.
(t)
Die Unterzeichnung des Bundes iſt am 23.
Jul. 1785. zu Berlin geſchehen. Die Genehmi-
gungsurkunden der Hoͤfe ſind den 21. Aug. 1785.
ausgewechſelt worden. Reuß Staatscanzley Th.
11. S. 383. Der Bund ſelbſt iſt meines Wiſſens
noch nicht gedruckt.
(u)
Der Reichshofrath ſoll eigentlich mit In-
begriff des Praͤſidenten aus 18. Perſonen beſte-
(u)
hen, alſo auſſer dem Praͤſidenten und Vicepraͤſi-
denten aus 16. Reichshofraͤthen. Wenn der letz-
teren auch mehrere ſind, ſo haben doch die uͤber-
zehligen keinen Antheil an Sporteln, die immer
nur in 19. Theile vertheilet werden, wovon der
Praͤſident 2. Theile bekoͤmmt. Die Reichshofraͤ-
the werden nach zwey Baͤnken vertheilt; Die von
altem Adel oder graͤflicher Herkunft ſitzen auf der
Herren- und Ritterbank dem Praͤſidenten zur Rech-
ten; die uͤbrigen machen die Gelehrtenbank aus, und
ſitzen zur linken Seite. Das Collegium verſammlet
ſich vier Tage in der Woche, und ſitzt immer unge-
theilt beyſammen. Von Seiten der Partheyen
muß alles ſchriftlich vorgetragen werden. Die
Referenten thun ihre Vortraͤge muͤndlich; nur als-
dann wenn ein Entachten an den Kaiſer ergeht,
kann dieſes die Stelle einer ſchriftlichen Relation
vertreten. In jeder Seſſion referirt einer von der
Herrenbank, und einer von der Gelehrtenbank,
worin auf jeder Bank die Reihe gehalten wird,
oder der ſo genannte Turnus, worin ein jeder eine
Woche hindurch zu referiren fortfaͤhrt. In den
meiſten Sachen wird ein Correferent beſtellt, der
auch die Acten zu leſen bekoͤmmt. Die uͤbrigen
Stimmen werden erſt auf der Gelehrtenbank, her-
nach auf der Herrenbank abgelegt. Der Praͤſi-
dent hat das Recht in Gleichheit der Stimmen
durch die ſeinige den Ausſchlag zu geben. Alle
Mitglieder des Reichshofraths werden nur vom
Kaiſer ernannt, auch von ihm alleine beſoldet.
Sie ſollen aber nicht bloß aus den kaiſerlichen Erb-
landen, ſondern mehrerentheils aus dem Reiche
genommen werden. Der evangeliſchen Reichshof-
raͤthe ſind nie mehr als ſechs. Gegen deren ver-
einigte Meynung gilt die Mehrheit der Stimmen
nicht; aber wenn nur ein evangeliſcher Reichshof-
rath anderer Meynung iſt, gilt die Mehrheit der
Stimmen. Daß Sachen vom Reichshofrathe an
den
(u)
den Reichstag verwieſen waͤren, wie im Fall der
Trennung beider Religionstheile, oder auch zu
authentiſcher Erklaͤrung zweifelhafter Stellen in
Reichsgeſetzen geſchehen ſollte, davon iſt noch kein
Beyſpiel bekannt geworden.
(v)
Wahlcap. (1612.) Art. 23. §. 2.
(w)
Im Lehnseide verpflichtet ſich der Fuͤrſt:
”daß er dem Kaiſer und dem heiligen Reiche ge-
treu, hold, gehorſam und gewaͤrtig, auch nim-
mermehr wiſſentlich in dem Rathe ſeyn ſolle noch
wolle, da ichten etwas wider kaiſerlicher Majeſtaͤt
Perſon, Ehre, Wuͤrde und Stand gehandelt oder
vorgenommen wuͤrde, noch darein willigen oder
gehelen in einige Wege; ſondern der kaiſerlichen
Majeſtaͤt und des heiligen Reichs Ehre, Nutzen
und Aufnehmen betrachten und befoͤrdern, nach
allem ſeinem Vermoͤgen; und ob er indeß verſtuͤn-
de, daß etwas vorgenommen oder gehandelt wuͤr-
de, wider kaiſerlicher Majeſtaͤt Perſon oder das
heilige Reich, demſelben wolle er getreulich vor
ſeyn, und kaiſerliche Majeſtaͤt deſſen ohne Verzug
warnen, und ſonſt alles thun, das einem gehor-
ſamen Fuͤrſten und getreuen Lehnmann gegen kai-
ſerliche Majeſtaͤt und dem heiligen Reich zu thun
gebuͤhre von Rechts oder Gewohnheits wegen, ge-
treu-
(x)
So hat z. B. noch am 20. Nov. 1766. ein
Graf von Weiſſenwolf den Lehnseid uͤber den Blut-
bann bey der Herrſchaft Erlach perſoͤnlich im
Reichshofrathe geſchworen. Moſer von der Lehns-
verfaſſung S. 252. Auch dem Fuͤrſten von Lob-
[k]owitz wurde (1766. Aug. 18.) auferlegt: daß er
”als in curia hic pracſens” die Paulsdorfiſchen
Reichslehne im Reichshofrathe in Perſon empfan-
gen ſollte. Moſer am a. O. S. 251.
(w)
treulich, ohne Argeliſt und Gefaͤhrde.” Luͤnigs
corp. iur. feud. Th. 1. S. 95. Neumanns For-
mularbuch des Reichsproceſſes S. 401.
(y)
Als im Jahre 1754. die Belehnung des Koͤ-
nigs in Schweden wegen ſeiner Teutſchen Lande
im Werke war, erinnerte der Reichshofrath in
ſeinem Gutachten an den Kaiſer den Abgang ſo-
wohl der Entſchuldigung wegen unterlaßener per-
ſoͤnlicher Erſcheinung, als der ſonſt erforderlichen
Beſcheinigung des zur Belehnung Anlaß geben-
den Todesfalls. Er trug deswegen darauf an,
daß der Belehnung noch Anſtand gegeben, und
der Geſandte wegen Beybringung der noch abge-
henden Erforderniſſe belehret werden moͤchte. Der
Kai-
(z)
Ein zu R. den 23. Maͤrz 1750. datirter
Aufſatz enthaͤlt folgendes: ”Churſaͤchſiſcher Seits
habe man dem Wiener Hofe zu erkennen gegeben,
was bey der Lehnsverbindung das weſentliche und
zufaͤllige ſey; zu welchem letztern man die Cere-
monien rechne. In den Jahren 1741. und 1745.
habe man die Maͤßigung des Ceremoniels nicht
allein zugeſagt, ſondern auch ganz eine andere
Sprache daruͤber gefuͤhret. Da nun Carls des
VII. Majeſtaͤt, wie an Großbritannien und Preuſ-
ſen, ſo auch Ihro Polniſchen Majeſtaͤt eine Mo-
deration des Ceremoniels zugeſtanden haͤtten; al-
ſo beſtaͤnden Sie darauf, daß jetzt regierende kai-
ſerliche Majeſtaͤt die Zuſage Ihres Vorfahren con-
firmiren moͤchten.” Moſer am a. O. S. 310.
(y)
Kaiſer gab aber zur Reſolution: Ich werde den
Tag beſtimmen; gieng alſo uͤber jenen Anſtand
hinaus. Eben darauf bezog ſich hernach ein Reichs-
hofrathsgutachten vom 18. Nov. 1773., da un-
ter aͤhnlichen Umſtaͤnden von Belehnung des jetzi-
gen Koͤnigs Guſtavs die Frage war. Moſer von
der Lehnsverfaſſung S. 893. u. f. Dieſe letztere
Belehnung ward hernach am 24. Nov. 1773. von
zwey Schwediſchen Geſandten, einem Grafen von
Bork und einem Grafen von Oxenſtierna, emp-
fangen. Moſer am a. O. ſ. 894. u. f.
(a)
Als im Jahre 1664. die Krone Schweden
mit ihren Teutſchen Laͤndern belehnt wurde, forder-
te (beſage gewiſſer geſchriebenen Nachrichten) die
Reichshofcanzley 149. tauſend Gulden, der Reichs-
hofrath 24. tauſend Rthlr. Letzterem wurde dar-
auf 10. tauſend, jener 20. tauſend Rthlr. gebo-
ten. — Bey Gelegenheit des berichtigten Tauſch-
geſchaͤffts uͤber Oldenburg und Delmenhorſt (1773.)
erhielt die Reichshofcanzley zu Wien von wegen
der Hoͤfe zu Petersburg und Coppenhagen ein Ge-
ſchenk von 100. tauſend Gulden. Darauf forder-
te der Reichshofrath ein Laudemium von 150. tan-
ſend Gulden. Es fand ſich aber, daß in vorigen
Zeiten von wegen Oldenburg und Delmenhorſt nur
18. tauſend Gulden Laudemium gezahlt worden
war. Mit genauer Noth wurde jene Forderung
diesmal noch auf die Haͤlfte, alſo auf 75. tauſend
Fl. herunter gebracht. Das Reichshofrathscon-
cluſum ergieng daruͤber (1776. May 13.) in fol-
genden Ausdruͤcken: ”Mit Verwerfung der aus
vermeyntlichen Rechtsgruͤnden gegen das quantum
laudemiale
gemachten Einwendungen fiat de reli-
quo
bewandten Umſtaͤnden nach moderatio auf
die Halbſcheid des Anſatzes, jedoch irremiſſibili-
ter
(b)
Bey jeder Thronbelehnung werden unter
den Schweizern, die unter dem Thore die Wacht
haben, 2. Rthlr., den Thuͤrhuͤtern in der Ritter-
ſtube 4., den Hatſchieren 6., den Trabanten 6.,
den Cammerfourieren 6., den Tapezierern 6., dem
Cammerheizer 2., den Cammertrabanten 4., dem
Vorzimmersthuͤrhuͤter 8., dem aͤlteſten Cammer-
diener, der das Evangelienbuch haͤlt, 6., den La-
keien 4., den Trompetern und Paukern 10., den
Hoffourieren 6., den Herolden 6., dem Reichs-
hofrathsthuͤrhuͤter 6., dem geheimen Raths Thuͤr-
huͤter 4., zuſammen 86. Rthlr., oder 129. Gul-
den ausgetheilt. Daneben bekommen von jeden
fuͤrſtlichen Belehnungen der Oberſthofmeiſter, der
Oberſtkaͤmmerer, der Reichsvicecanzler, der Hof-
marſchall, der Erbſchatzmeiſter, der Erbmund-
ſchenk, der Erbtruchſeß, und noch der Hofmar-
ſchall fuͤr ſein Pferd, jeder 80. Rthlr. oder 120.
(a)
ter, und dergeſtalt, daß die baare Zahlung des
moderirten quanti ſofort und laͤngſtens binnen 2.
Monathen erfolge.” Moſers Zuſaͤtze zu ſeinem
neuen Teutſchen Staatsrechte Th. 2. S. 181.
(c)
Wahlcap. (1711.) Art. 11. §. 2.: ”Vielwe-
niger die Reichsbelehnung — wegen der illiqui-
den und ſtreitigen Lehnstaxen (add. 1742.: oder
Laudemiengelder und dergleichen) aufhalten.” —
Art. 17. §. 18. (1711.): ”In der Lehnstaxe wol-
len wir bey der Verordnung der goldenen Bulle,
vermoͤge deren von einer Belehnung, wenn gleich
verſchiedene Lehne empfangen werden, mehr nicht,
als eine einfache Taxe zu entrichten, verbleiben,
und dawider kein Herkommen einwenden, noch
einige Erhoͤhung ohne der Staͤnde Willen aufkom-
men laßen.” — Art. 17. §. 19. (1711.): ”viel-
weniger die Churfuͤrſten, Fuͤrſten und Staͤnde
mit den (1742.: Laudemien und) Anfallsgeldern
von denen Lehnen, damit ſie allbereits coinveſtirt
geweſen, oder ſonſt mit ungewoͤhnlichen und neuer-
lichen Anforderungen nicht beſchweren, noch be-
ſchweren laßen.”
(d)
Schon am 13. Aug. 1749. ergieng ein
Reichshofrathsconcluſum die Thronlehne uͤberhaupt
betreffend, worin noch eine allgemeine Friſt von
3. Monathen angeſetzt wurde. Zugleich circulir-
ten ſo genannte ”Generalgruͤnde, ſo ſaͤmmtliche
hohe
(b)
Fl., ingleichen die Secretarien noch 48. Fl., die
Taxatoren 23., die Regiſtratoren 20., die Canz-
ley 30. Fl., zuſammen 1081. Gulden. Von die-
ſer Zahlung an die Erb- und Hofaͤmter ſind die
Churfuͤrſten frey. Von der Krone Schweden for-
derten die Hofaͤmter 1664. auf die vier Fuͤrſten-
thuͤmer Bremen, Verden, Pommern, Ruͤgen fuͤnf
Faͤlle gerechnet 14. tauſend Rthlr. Man gab ih-
nen 6000. Rthlr.
(e)
In Moſers Zuſaͤtzen zu ſeinem neuen Staats-
rechte S. 166-173. finden ſich Verzeichniſſe der
Laudemialgelder, die unter Joſeph dem I., Franz
dem I. und in den erſten 2¼ Regierungsjahren
Joſephs des II. eingegangen ſind. Nach ſelbigen
betrug das, was ein jeder Reichshofrath zu ſei-
nem Antheile davon bekam, ein Jahr ins andere
gerechnet, unter Joſeph dem I. jaͤhrlich 1342. Fl.
18. Kreuzer, unter Franz 1068. Fl. 53. Kr., un-
ter Joſeph dem II. 1140. Fl. 34. Kr. Die ſtaͤrk-
ſten
(d)
hohe Fuͤrſten und Staͤnde, ſo noch bisher die Thron-
belehnung nicht genommen, allerdings vermoͤgen
ſollten ſich hierzu zu bequemen.” Allein dieſe
Gruͤnde fanden wenig Eingang. Moſer von der
Lehnsverfaſſung S. 305-311. Noch im Jahre
1767. ließen die altfuͤrſtlich weltlichen Haͤuſer, je-
des ins beſondere, ein P. M. zu Wien uͤbergeben,
wo ſie ſich bereit erklaͤrten die Belehnung zu emp-
fangen, wenn ſie eines Theils die gewoͤhnlichen
Taxen und Remunerationsgelder nur einfach be-
zahlen duͤrften, ohne mit mehreren Anforderun-
gen gegen die Wahlcapitulation beſchweret zu wer-
den; und wenn ſie andern Theils in Anſehung des
Ceremoniels erſt den Vorgang einiger geiſtlichen
und weltlichen Churfuͤrſten vor ſich ſaͤhen. Moſer
am a. O. S. 296. In einer vom Reichsvicecanz-
ler [darauf] ertheilten vorlaͤufigen Antwort ließ der-
ſelbe einfließen: ”daß die Laudemien und Anfalls-
gelder zur Recognition entrichtet wuͤrden, und
eigentlich kaiſerlicher Majeſtaͤt gehoͤrten, von De-
ro Vorfahren aber erſtere dem Reichshofrathe, und
letztere der Canzley uͤberlaßen worden, mithin
fuͤr Gerechtſame des Kaiſers zu achten waͤren, und
in kaiſerlicher Majeſtaͤt Maͤchten ſtehe, ſolche ſich
wieder zuzueignen.” Moſer am a. O. S. 297. u. f.
(f)
Auf ein den 18. Jan. 1770. vom Marggra-
fen von Anſpach wegen der ihm zugefallenen Marg-
grafſchaft Brandenburg-Culmbach (oder Bai-
reuth) zu Wien eingekommenes Lehnsanſuchungs-
ſchreiben iſt erſt am 25. Apr. 1786. ein Reichs-
hofrathsconcluſum erfolgt, worin zu Beybringung
ſaͤmmtlicher Lehnserforderniſſe und ad praeſtan-
dum praeſtanda
ein Termin von 2. Monathen an-
geſetzt worden. Reuß Staatscanzley Th. 13.
S. 411.
(e)
ſten Poſten waren von Savoyen unter Franz 85.
tauſend, unter Joſeph dem I. 36. tauſend, von
Mirandola unter Joſeph dem I. 32. tauſend, von
Holſtein-Ploͤn unter Franz 27. tauſend, von Sach-
ſenweimar unter Franz 20. tauſend, von Fuͤrſten-
berg 14. tauſend, von Badenbaden 12375., von
Daͤnemark wegen des Weſerzolls 12. tauſend, von
Moͤrs 12. tauſend, von Wuͤrtenberg 10. tauſend
Gulden u. ſ. w. Ein leſenswuͤrdiges Gutachten
einer fuͤrſtlichen Regierung uͤber dieſe Materie fin-
det ſich in Moſers Lehnsverfaſſung S. 288-295.
Am Ende deſſelben wird gezweiflet, ob etwas frucht-
barliches wegen der Laudemien auszurichten, und
der Reichshofrath von dieſer ſchon ſo feſt einge-
wurzelten Gewohnheit abzubringen ſeyn duͤrfte.
”Ja, wenn man auch (faͤhrt das Gutachten fort)
nicht nur in puncto iuris Recht, ſondern auch ei-
nige Hoffnung haͤtte es durchtreiben zu koͤnnen;
ſo waͤre doch die Frage, ob es rathſam waͤre; in-
dem ſehr zu beſorgen iſt, es wuͤrden die Mitglie-
der des Reichshofraths, denen dieſe Summe aus
ihrem Beutel entgienge, dadurch dergeſtalt dis-
guſtirt werden, daß dieſelben Ew. hochfuͤrſtlichen
Durchlaucht in Dero vielen wichtigen an dem kai-
ſerlichen Reichshofrathe bereits anhaͤngigen und
vielleicht noch weiter bekommenden Angelegenhei-
ten einen weit groͤßern und irreparablen Scha-
den thun wuͤrden.”
(g)
Vom Koͤnige in Daͤnemark als Herzoge von
Holſtein wurde mittelſt Schreibens an den Kai-
ſer vom 3. Febr. (praͤſentirt den 1. May) 1786.
eine fernere Lehnsmuthung uͤber die ſaͤmmtliche
Landesantheile des Herzogthums Holſtein uͤber-
reicht, und zugleich um Beſtimmung der Zeit zu
Empfangung der Belehnung gebeten. Nach vor-
gaͤngigem Reichshofrathsgutachten ergieng die kai-
ſerliche Reſolution am 26. May 1786. dahin:
”Wuͤrde der Koͤnig von Daͤnemark wegen Gluͤck-
ſtadt, Gottorp, und Ploͤn die requiſita inueſtitu-
rae in termino duorum menſium
beybringen, und
wegen Gottorp binnen beſagtem Termine prae-
ſtanda
praͤſtiren, ergehet ſowohl uͤberhaupt, als
wegen der gebetenen einfachen Belehnung uͤber
das geſammte Herzogthum Holſtein weitere kaiſer-
liche Verordnung.” Reuß Staatscanzley Th. 13.
S. 410.
(h)
Am 22. Aug. 1770. ergieng wider den re-
gierenden Grafen Friedrich von Leiningen-Guͤn-
tersblum
(geb. 1715.) wegen ſeines aͤrgerlichen
Betragens, auf einen von den Churfuͤrſten zu
Mainz und Pfalz als ausſchreibenden Fuͤrſten des
Oberrheiniſchen Kreiſes an den Kaiſer abgeſtatte-
ten Bericht, in Gemaͤßheit eines Reichshofraths-
gutachtens an gedachte Churfuͤrſten ein kaiſerli-
ches Reſcript des Inhalts: ”Kaiſerliche Majeſtaͤt
haͤtten aus der von ihnen allergehorſamſt geſche-
henen Anzeige mißfaͤllig erſehen muͤßen, was fuͤr
Abſcheuungswuͤrdigſte Laſter und Schandthaten
der Graf Friedrich zu Leiningen-Guͤntersblum ſich
zu Schulden gebracht habe. Kaiſerliche Majeſtaͤt
koͤnnten dergleichen gemein aͤrgerliches und die
Wuͤrde eines Reichsſtandes hoͤchſt verunehrendes
Betragen von reichsoberrichterlichen Amts wegen
keinesweges ungeſtraft laßen, faͤnden ſich viel-
mehr die deshalbige genaue Unterſuchung mit dem
ſchaͤrfſten Einſehen allergerechteſt vorzukehren ver-
bunden, und befaͤhlen ihnen, kreisausſchreiben-
den Herren Fuͤrſten, aus beſonderem in ſie ſetzen-
den allerhoͤchſten Zutrauen hiermit allergnaͤdigſt
und ernſtlich, daß ſie vor allen Dingen den Gra-
fen zur Captur, jedoch in Ruͤckſicht ſeiner reichs-
ſtaͤndiſchen Wuͤrde, einsweilen in Civilverwah-
rung in ſeinem eigenen Hauſe zu Guͤntersblum
ſelbſten, mit militaͤriſcher Kreismannſchaft be-
wachen laßen, und fuͤr ſeine nothduͤrftige Ver-
pfle-
(i)
(k)
(h)
pflegung Sorge zu tragen, alsdann ohne weite-
res wider denſelben mit einer General-Criminal-
inquiſition uͤber die hier angefuͤhrte geſchuldigte
ſchreckbare Gotteslaͤſterung, attentirte homicidia,
veneficium,
Bigamie, crimen laeſae maieſtatis,
concuſſionis
ſeiner Unterthanen, und unerlaubter
Mißhandlungen fremder auch geiſtlicher Perſonen,
rechtlicher Ordnung nach von nun an fuͤrſchreiten,
die in den eingeſchickten Acteuſtuͤcken benaunten,
auch andere etwa noch weiter vorfindlichen Zeu-
gen eidlich vernehmen, den Inculpaten uͤber Ein-
gangs erwehnte Verbrechen zum Protocolle or-
deutlich conſtituiren, und ſaͤmmtliche deshalb ver-
handelte Acten an kaiſerliche Majeſtaͤt zu ſeiner
Zeit und mit Gutachten einſenden ſollen, um als-
dann in puncto inquiſitionis befindenden Dingen
nach, die ferner noͤthige Verfuͤgung treffen zu
koͤnnen. Uebrigens haͤtten die kreisausſchreiben-
den Herren Fuͤrſten in Anſehung der einsweiligen
geſammten Landesadminiſtration den zu dieſem
Geſchaͤffte tauglichen naͤchſten Stammsverwandten
des inhaftirten Grafen mit pflichtmaͤßiger Beob-
achtung aller hierbey eintretender Abſichten und
Bedenklichkeiten ſelbſt auszuwehlen und dieſem ſo-
thane Landesadminiſtration tam quoad camerale
quam quoad iurisdictionalia auctoritate commiſ-
ſionis caeſareae
proviſoriſch, jedoch dergeſtalt zu
uͤbertragen, daß alles, was hierunter vorzuneh-
men und zu verordnen noͤthig ſeyn wird, nicht in
des anzuſtellenden Adminiſtrators, ſondern in
ſeinem des inhaftirten Grafen eigenem Namen
vorgenommen und gefertiget werde, auch letztlich
gedachter Adminiſtrator uͤber die ihm anvertraute
Landesverwaltung von Zeit zu Zeit die gehoͤrige
genaue Rechenſchaft Sr. kaiſerlichen Majeſtaͤt ge-
ben ſolle. Wie nun ſie Herren Churfuͤrſten die-
ſem allerhoͤchſten Auftrage die gebuͤhrende Folge
geleiſtet, hieruͤber erwarten kaiſerliche Majeſtaͤt
Dero
(h)
Deroſelben ebenmaͤſſigen gehorſamſten Bericht.”
Der Graf iſt hernach am 22. Sept. 1774. als der
letzte ſeines Stammes mit Tode abgegangen.
(i)
(i) Wider den Wild- und Rheingrafen Carl
Magnus zu Rheingrafenſtein (geb. 1718.) ergieng
am 21. Jul. 1775. in Gefolg eines Reichshof-
rathsgutachtens der kaiſerliche Ausſpruch dahin:
”daß derſelbe der von ihm ſelbſt eingeſtandenen
ſchaͤndlichen Betriegereyen, unverantwortlichen
Mißbrauchs der landesherrlichen Gewalt, und
vielfaͤltig begangener, befohlner und zugelaßener
Faͤlſchungen halber zehn Jahre lang auf einer im
Roͤmiſchen Reiche gelegenen Feſtung in peinlichen
Haften zu halten, der bisher genoſſenen Compe-
tenz gaͤnzlich zu priviren, und ſtatt derſelben ihm
nichts als der hoͤchſt nothwendige Unterhalt aus
ſeiner Concursmaſſe abzureichen ſey.” Regens-
burgiſche Merkwuͤrdigkeiten 1775. B. 2. S. 243.
Moſers Zuſaͤtze zu ſeinem neuen Staatsr. Th. 2.
S. 455. Zur Gefangenſchaft wurde ihm hernach
die Feſtung Koͤnigſtein angewieſen. Auf verſchie-
dene Fuͤrbitten ſind ihm jedoch durch ein Reichs-
hofrathsconcluſum vom 18. Nov. 1782. die noch
ruͤckſtaͤndigen 3¾ Jahre von der zehnjaͤhrigen Ge-
faͤngnißſtrafe erlaßen worden. Reuß Staatscanz-
ley Th. 3. S. 431. Mit ſeiner am 13. Maͤrz
1780. verſtorbenen Gemahlinn hat er nur Toͤchter
erzeuget.
(k)
(i) Wider den Reichserbtruchſeßen, Grafen
Gebhard Xaver zu Wolfegg-Waldſee (geb. 1727.)
ergieng am 13. Febr. 1778. wegen der ihm zur
Laſt gelegten Vergehungen auf ein Reichshofraths-
gutachten die kaiſerliche Entſchließung dahin:
daß der Fuͤrſt von Fuͤrſtenberg den Auftrag be-
kam, von kaiſerlichen Commiſſionswegen ”ſein
ihm zur Laſt fallendes allerdings ahndungswuͤr-
diges
(l)
Wahlcap. Art. 1. §. 3. 4.
(k)
diges Betragen ernſtgemeſſenſt zu verweiſen, die-
ſemnaͤchſt aber denſelben zur wohlverdienten Stra-
fe unaufhaltlich auf zwey Jahre nach Waldburg
in Verwahrung zu bringen, und wegen deſſen
ſicherer Detention daſelbſt die erforderlichen er-
giebigen Anſtalten zu treffen, ſich aber, bevor er
dieſen ſeiner Eigenſchaft nach in moͤglichſter Ge-
heim zu haltenden kaiſerlichen Befehl in Vollzie-
hung ſetze, mit dem kaiſerlichen Adminiſtrator und
Curator, Grafen von Wolfegg-Wolfegg, in allem
vertraulich zu beſprechen.” Moſers Zuſaͤtze zu
ſeinem neuen Staatsr. Th. 2. S. 460.
(m)
Von dieſer Materie haben wir ein an er-
lauchten Beyſpielen ſehr reichhaltiges Werk: Mo-
ſer
vom reichsſtaͤndiſchen Schuldenweſen, in zwey
Quartbaͤnden, Frf. u. Lpz. 1774. 1775.
(n)
Oben S. 47. u. f.
(o)
Oben S. 51.
(p)
Oben Th. 2. S. 102.
(q)
Oben Th. 2. S. 50.
(r)
Oben S. 19. u. f.
(s)
Oben Th. 2. S. 124-129.
(t)
Oben S. 140. u. f.
(u)
Oben S. 18.
(v)
Zu einem auffallenden Beyſpiele, wie zum
Theil ſelbſt nach dem Weſtphaͤliſchen Frieden die
Grundſaͤtze vom Rechte catholiſcher Landesherren
ihre evangeliſche Unterthanen zur catholiſchen Re-
ligion zu zwingen noch weiter als vorher getrie-
ben worden, kann folgendes dienen. In einer
Verbindung, die der Biſchof von Baſel im Jahre
1579. mit den ſieben catholiſchen Cantons der
Schweiz errichtet hatte, war nur davon die Fra-
ge geweſen: ”die noch nicht von der catholiſchen
Kirche abgefallenen Unterthanen dahin zu halten,
daß ſie bey der catholiſchen Religion bleiben moͤch-
ten, auch durch fuͤgliche Mittel daran zu ſeyn,
damit die abgeſtandenen mit der Zeit ſoviel moͤg-
lich zum alten chriſtlichen Gehorſame zuruͤckgefuͤhrt
werden moͤchten.” Aber vermoͤge eines neuen
Buͤndniſſes, das nun am 16. Sept. 1655. der
Biſchof Johann Franz mit den catholiſchen Can-
tons ſchloß, ſollten dieſe gerade zu ”dem Biſcho-
„fe helfen, ſeine abgefallene Unterthanen wieder
„zum catholiſchen Glauben und Gehorſame zu
zwingen.” Luͤnigs Reichsarchiv B. 21. S.
974. 979.
(w)
So ward zu Rom noch im Jahre 1782.,
da man ſich wegen Aufhebung der Coͤllniſchen
Dioeceſanrechte im Herzogthum Cleve auf den
Weſtphaͤliſchen Frieden Art. 5. §. 48. berief, von
Seiten des paͤbſtlichen Hofes geantwortet: “Non
puó valutarſi — l’Art. V. della pace Weſtfalica,
giacche é noto che la ſanta ſede non ha mai ri-
conofciuta queſta pace, contro di cui Innocenzo
X. ſi proteſto.”
Berliner Monathſchrift 1786.
Aug. S. 119.
(x)
So erfolgten als Ergaͤnzungen des Reichs-
ſchluſſes von Handwerksmißbraͤnchen (1731. oben
Th. 2. S. 449.) noch zwey Reichsgutachten: 1771.
Jul. 15. wegen Abſtellung des blauen Montaas,
und 1772. Febr. 3. wegen Ehrlichmachung der Ab-
deckerskinder und genanerer Beobachtung des
Reichsſchluſſes von Handwerksmißdraͤuchen. Bei-
de hat der Kaiſer am 30. Apr. 1772. genehmiget.
(y)
Iſt doch die den richtigſten Grundſaͤtzen
der Theorie des Proceſſes ſo ſehr gemaͤße Vor-
ſchrift des juͤngſten Reichsabſchiedes, daß der be-
klagte Theil mit ſeinen verzoͤgerlichen Einreden
gleich die hauptſaͤchliche Handlung auf die Klage
verbinden ſolle, noch an vielen Orten (ſelbſt zu
Hamburg) ſo wenig im Gange, daß noch jetzt da
ſelten ein Beklagter in der Hauptſache ſich einlaͤßt,
wenn nicht erſt bloß uͤber ſeine dilatoriſche Einre-
den ein beſonderer Schriftwechſel gefuͤhret, und
wohl gar in mehr als einer Inſtanz daruͤber ge-
ſprochen iſt! Ohne zu gedenken, wie wenig von
Reichs- und Kreisſchluͤſſen, die ſchon uͤber das
Muͤnzweſen gefaſſet ſind, zur Erfuͤllung gebracht
werden koͤnnen!
(z)
Von einem Baron Voͤhlin, der vermoͤge
einer großen Comitiv, die ſeine Vorfahren 1417.
vom Kaiſer Sigismund erhalten hatten, war z.
B. ein Chirurgus zu Augsburg zum kaiſerlichen
Hofpfalzgrafen ernannt worden, mit der Gewalt,
ſo gar die Doctorwuͤrde zu vergeben. Schloͤzevs
Briefwechſel Th. 10. S. 258., Staatsanzeigen
B. 2. Heft 6. S. 151.
(a)
Zu Dresden war ein Fleiſcher Notarius wor-
den. Daher ergieng am 19. Febr. 1721. eine
Churſaͤchſiſche Generalverordnung keine Notarien
(b)
Wahlcap. Art. 8.
(a)
in Gerichten zuzulaßen, die nicht von ihrer Ge-
ſchicklichkeit von einer Churſaͤchſichen Juriſtenfa-
cultaͤt ein Atteſtat aufzuweiſen haͤtten, und ſodann
bey der Landesregierung immatriculiret ſeyen.
Churſaͤchſ. neuverbeſſerte Proceßordn. in den Bey-
lagen S. 69. Fuͤr die Churbraunſchweigiſchen Laͤn-
der war eben das ſchon in der Oberappellations-
gerichtsordnung 1713. vorgeſchrieben. Willichs
Churbraunſchweigiſche Landesgeſetze Th. 2. S. 833.
(c)
R. A. 1570. §. 132., Wahlcap. Art. 9.
§. 6. 7.
(d)
Mit Jahrmaͤrkten hat es eigentlich nur
die Abſicht, daß die Einwohner eines Orts nicht
ſchlechterdings bloß an den dortigen Kramergil-
den und Handwerkszuͤnften gebunden ſeyn ſollen,
die ſonſt vermoͤge ihres Gilden- und Zunftrechts
nicht zuzugeben brauchen, daß Waaren, die ſie
fuͤhren oder verfertigen, von Fremden genommen
werden. Wenn dieſes ausſchließliche Recht keine
Ausnahme litte, ſo wuͤrden die Einwohner theils
manche Beduͤrfniſſe entbehren muͤßen, welche
bey einheimiſchen Kaufleuten oder Handwerkern
entweder gar nicht, oder doch nicht in eben der
Guͤte zu haben ſind; theils wuͤrden letztere ihre
Preiſe auch fuͤr ſchlechtere Waare nach eignem
Gutduͤnken erhoͤhen koͤnnen. Solchem Uebel ab-
zuhelfen wird an den zum Jahrmarkt beſtimmten
Ta-
(d)
Tagen jedem fremden Verkaͤufer geſtattet, ſeine
Waaren zu Markte zu bringen, damit ſowohl die
Einwohner des Orts, als diejenigen, die etwa
von benachbarten Orten hinzukommen, alsdann
die Wahl haben ihre Beduͤrfniſſe bey fremden oder
einheimiſchen ſich anzuſchaffen. Zu dem Ende be-
gnuͤgt man ſich, wenn nur ſolche Verkaͤufer von
anderen Orten ſich einfinden, welche dergleichen
Waaren, wie ſie jeder Kaͤufer fuͤr ſein eignes Be-
duͤrfniß braucht, nach Ellen, Maaß oder Gewicht
in einzelnen Stuͤcken verkaufen. Was dazu noͤ-
thig iſt, durch obrigkeitlichen Schutz zu bewirken,
hat unſtreitig ein jeder Reichsſtand vermoͤge ſeiner
Landeshoheit in ſeiner Gewalt. Er kann es den
Gilden und Zuͤnften zur Pflicht machen, daß ſie
von ihrem ſonſt ausſchließlichen Rechte dieſe Aus-
nahmen ſich muͤßen gefallen laßen. Er kann auch
am beſten ermeſſen, ob und wie weit und zu wel-
cher Zeit es am zutraͤglichſten ſey, ſolche Jahr-
marktsfreyheiten zu geſtatten. Und es wird ihm
nicht an Mitteln fehlen, fuͤr die noͤthige Ruhe
und Ordnung zu ſorgen. Was wir Meſſen nen-
nen, da gilt es nicht bloß darum, den Einwoh-
nern der Stadt und benachbarter Orte die Bequem-
lichkeit zum Ankaufe ihrer Beduͤrfniſſe zu verſchaf-
fen, ſondern vielmehr einen Handel ins Große in
Gang zu bringen, wozu nicht nur fremde Ver-
kaͤufer ſondern auch fremde Kaͤufer, die anders-
wo wieder zu verkaufen gedenken, eingeladen wer-
den. Da erwartet man nicht bloß ſolche Verkaͤufer,
die nach Ellen, Maaß und Gewicht verkaufen,
ſondern vielmehr ſolche, die ihre Waaren nur in
groͤßeren Stuͤcken, als Dutzend- oder Großweiſe,
oder in ganzen Faͤſſern, Ballen, Centnern u. ſ.
w. weggeben; Kaͤufer hingegen, die nicht nur fuͤr
ihre eigne Beduͤrfniſſe, ſondern um anderswo
wieder damit zu handeln, ſich Waaren anſchaf-
fen. Beide wuͤnſcht man in ſo großer Anzahl,
und
(d)
und mit ſo vielerley Waaren, aus ſo vielerley na-
hen und entfernten Gegenden, als es ſeyn kann,
herbeyzuziehen. Da laͤßt ſich begreifen, daß Be-
gnadigungen und Befreyungen, denen ein Reichs-
ſtand nur, ſo weit die Graͤnzen ſeines eignen Lan-
des gehen, Nachdruck geben kann, bey weitem
nicht ſo zweckmaͤßig ſind, als wenn das kaiſerli-
che Anſehen fuͤr ganz Teutſchland die Gewaͤhr lei-
ſten kann.
(e)
So ſchrieb z. B. Max der I. am 6. Febr.
1514 an den Grafen Albrecht von Mansfeld, als
derſelbe einem Dorfe bey Eisleben Stadtrecht ge-
ben wollte: ”Wann nun Dir noch jemand anders
nicht geziemet, Stadtrecht oder anderes, ſo der
hohen Obrigkeit anhaͤngt, ohne ſondere Erlaub-
niß aufzurichten ꝛc.” Stephanide iurisd. part.
2. p. 54. n.
115. Und ſo ſchrieb noch Leopold
am 14. Nov. 1664. an den Koͤnig Friedrich den III.
von Daͤnemark auf Klage der Stadt Hamburg
wegen Altona: ”Wann nun unſere kaiſerliche Ho-
heit und Reſervat auch in dem beſtehet, daß ohne
unſere Verwilligung kein Stand einen Ort zur
Stadt machen, und derſelben das Stadtrecht ge-
ben kann ꝛc.” Pfeffingerad Vitriar. tom.
3. p.
144. 164.
(f)
R. A. 1654. §. 175.
(g)
Wahlcap. Art. 7. §. 3. 4.
(h)
In der Wahlcap. Art. 1. §. 8. verſpricht
der Kaiſer ”nicht zu geſtatten, daß den Staͤnden
in ihren Territorien in Religions-, politiſchen,
Juſtitz- Cameral- und Criminal-Sachen unter
irgend einem Praͤtexte — vor- oder eingegriffen
werde.”
(i)
Oben Th. 2. S. 188.
(k)
Wahlcap. Art. 8. §. 7.
(l)
Osnabr. Friede Art. 8. §. 2. Wahlcap. Art.
6. §. 4.
(m)
Oben Th. 2. S. 68. u. f.
(n)
Oben Th. 2. S. 55. 57. 59.
(o)
Oben Th. 2. S. 69.
(p)
Oben Th. 1. S. 185. u. f.
(q)
Bey den Weſtphaͤliſchen Friedenshandlun-
gen aͤuſſerten die evangeliſchen Staͤnde (im Febr.
1646.): “Die Erzbiſthuͤmer, Biſthuͤmer, und an-
dere Praͤlaturen und Pfruͤnden im Reiche ſeyen
von einheimiſchen Fuͤrſten, Grafen, Adelichen
und anderen unter andern auch darum geſtifret,
daß ihre Nachkommen in und von denſelben ihren
Ehrenſtand und Unterhaltung haben moͤchten. Es
ſey alſo der Abſicht der Stifter ganz zuwider, daß
Eine Perſon oft zwey, drey, vier, fuͤnf und mehr
ſolche Stiftungen beſitze; als wodurch die Nach-
kommen der Fundatoren faſt von den vornehmſten
Stiftern ausgeſchloſſen, und andere dazu erhoben
wuͤrden, deren Voreltern nichts dazu beygetragen
haͤtten. Man moͤchte alſo verordnen, daß ein je-
der Erzbiſchof, Biſchof, Praͤlat oder Canonicus
ſich mit einer Pfruͤnde begnuͤgen laßen ſolle.” Die
Catholiſchen wollten ſich aber darauf nicht ein-
laßen. Moſers Teutſches Staatsrecht Th. 11.
S. 350-358.
(r)
Oben Th. 2. S. 346.
(s)
Als Lotharius Franz von Schoͤnborn Chur-
fuͤrſt zu Mainz war, bekam er 1710. den Pfalz-
grafen Franz Ludewig von Neuburg zum Coadju-
tor, der inzwiſchen 1716. Churfuͤrſt von Trier
wurde. Nach des erſtern Tode ward er nun zwar
1729. Churfuͤrſt zu Mainz, reſignirte aber das
Erzſtift Trier, wo jetzt Franz Georg von Schoͤn-
born erwehlet wurde.
(t)
Mein Handbuch der Reichshiſtorie S. 1219.
(u)
Die Burg Friedberg, die von einer bey
der Reichsſtadt Friedberg in der Wetterau gelege-
nen Burg ihren Namen hat, beſteht aus einer
unbeſtimmten Anzahl adelicher Burgmaͤnner von
beiden Religionen, von welchen der Landcomman-
deur des Teutſchen Ordens zu Marburg immer der
erſte, der Commandeur zu Frankfurt am Main
der zweyte iſt. Außerdem kann ein jeder, der auch
nur muͤtterlicher Seite von einem Burgmanne ab-
ſtammt, und die Ahnenprobe berichtiget, begeh-
ren als Burgmann aufgenommen zu werden.
Dann ſind aber zwoͤlf ſo genannte Regimentsburg-
maͤnner in gleicher Anzahl beider Religionen, aus
welchen immer auf drey Jahre zwey Baumeiſter
erwehlet werden. Und endlich wird der Burggraf
als das Haupt der ganzen Burg jedesmal [auf]
Zeitlebens erwehlt und vom Kaiſer beſtaͤtiget. Die
Einkuͤnfte der Burg werden auf 20. tauſend Gul-
den geſchaͤtzt, wovon der Burggraf 6000. Fl. nebſt
der Jagd und anderen Vortheilen zu genießen hat.
Seit 1769. iſt die Burg mit einem eignen kaiſerli-
chen Joſephsorden begnadiget, wovon das Or-
denszeichen an einem blauen ſchwarz geraͤnderten
Bande getragen wird, mit der Umſchrift virtutis
auitae aemuli,
und imperatoris auſpiciis lege im-
perii conſeruamur.
Die Burg an ſich gehoͤrt zu
den unmittelbaren Gliedern des Reichs.
(v)
Oben Th. 2. S. 57.
(w)
Ein Beyſpiel ſolcher Irrungen zwiſchen
Iſenburg-Birſtein und Philippseich findet ſich in
meinen Rechtsfaͤllen B. 2. Th. 2. S. 488-509.
(x)
Oben S. 210. Meine Rechtsfaͤlle B. 2.
Th. 4. S. 829-964.
(y)
Oben Th. 2. S. 110.
(z)
Buͤſch Welthaͤndel neuerer Zeit (II. Aufl.
1783.) S. 371.
(a)
Meine Rechtsfaͤlle B. 1. Th. 2. S. 317-347.
(b)
So beſitzt z. B. das Domcapitel zu Mainz
die Stadt Bingen nebſt einigen Doͤrfern, inglei-
chen die Marktflecken Hochheim und Floͤrsheim,
und die Doͤrfer Mombach und Aſtheim, ohne ver-
ſchiedene noch der Domprobſtey gehoͤrige Doͤrfer.
Das Domcapitel zu Hildesheim beſitzt die Aemter
Steinbruͤck und Wiedeloh; und die Neuſtadt Hil-
desheim huldiget dem Domprobſte als ihrem Ober-
herrn.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bpnc.0