[]
GERMANIÆ PERTVRBATÆ
ET RESTAVRATÆ,
SIVE

Vnpartheyiſcherwolmey-
nender
Theologo-Politicorum
DISCVRSVVM,

Ander vnd dritter Theil.

Vom Zuſtand deß Roͤmiſchen Reichs;
deſſen Auff- vnd Abnehmung;
Glori,
Vndergang vndPertur-
bation:

VonConſtantino Magno,biß auff dieſe Zeit/ vnd
Endung deß Teutſchen Kriegs

continuiert.
Darinnen alles/ was gutes vnd boͤſes/ gleich
nach dem auffgerichtenReligions-Frieden/ jeder Zeit in
Religion vnd Staats-Sachen erfolget: Jn Conſideration
vnd Bedencken gebracht vnd vor Augen
geſtellt wird



Franckfurt: /
Bey Johann-Godtfried Schoͤnwettern/

M. DC. LII.
[][]

Ander Theil.
Summariſcher Jnhalt dieſer Diſcurſen.


I.WJe die weltliche Staͤnde deß Roͤmiſchen Reichs
vnder einer geſuchten Reformation der Kirchen/ die
geiſtliche Guͤter angeangelt: Welches der Pabſt
gemerckt/ vnd deßwegen dem Krieg vorzukommen/ die
erwaͤhnte Reformation durch neun Prælaten laſſen zu
Papier bringen: das Concilium aber ein ander
Abſehen gehabt/ vnd alles im alten Stand gelaſſen.
pag. 1.


II. Wie das Concilium vortheilhafftiger Weiſe vom Kaͤyſer zuruͤck gehalten:
Jn deß der Pabſt ſeinen Sohn mit Parma vnd Florentz belehnet. Das
Concilium gehet an: daruͤber vnderſchiedliche Vrtheil fallen. Von Ord-
nung deß Concilij, vnd vielen Vorworten. Wie Luther geſtorben/ der
Pfaltzgraff bey Rhein vom Roͤm. Stuhl abgefallen/ vnd Vergerius, gewe-
ſener Paͤbſtiſcher Abgeſandter/ ſich zu den Proteſtierenden offentlich be-
kennet. Wie der Bann wider den Ertz-Biſchoff zu Coͤlln auffgenom-
men worden. p. 15.


III. Wie der Krieg wider die Proteſtierenden angangen/ vnd der Kaͤyſer we-
gen der Religion, durch die Finger geſehen: gantz Ober-Teutſchland in
ſeinen Gewalt gebracht. Wie der Pabſt vnd Kaͤyſer in Vnwillen zerfal-
len. Wie das Concilium von der Rechtfertigung/ vnd von den Reſiden-
tzen
geſchloſſen/ vnd Vrtheil daruͤber. Wie der Kaͤyſer den Teutſchen
Krieg vollendet. p. 27.

IV. Wie der Kaͤyſer zu Bononien/ vnd zu Rom wider die Vaͤtter zu Bono-
nien proteſtiert: darumb der Pabſt ſich zum Richter zwiſchen denen zu
Trient vnd Bononien gemacht/ auch Florentz vergeblich wieder begehrt.
Wie der Kaͤyſer das Interim verfertigt/ welches zu Rom/ vnd allenthalben
Vbel auffgenommen worden: darauß dann ein newer Krieg entſtanden.
Wie der Pabſt wegen Parma/ ſich zu Tod bekuͤmmert/ deme der Cardinal
de Monte ſuccediert,
der das Concilium wieder nach Trient verlegt. p. 37.


)( ijV. Wie
[]

V. Wie Magdeburg belaͤgert/ vnd vertragen worden. Wie es zu Trient/
zwiſchen Franckreich/ den Teutſchen/ vnd dem Pabſt ergangen/ ſonderlich
wegen deß Gelayts Von Ferdinandi Bann: Ciconiæ predigt: Chur-
fuͤrſt Moritzen Verſchlagenheit: der Proteſtierenden Anhalten. Chur-
fuͤrſt Moritz nimbt Augſpurg ein: das Cocilium wird eingeſtellt/ der Kaͤy-
ſer flieht/ macht Fried zu Paſſaw: hatte in vielen Stücken gefehlt. p. 48.


VI. Wie Marggraff Albert den getroffenen Frieden nicht angenommen: ge-
ſchlagen/ vnd Landfluͤchtig worden/ auch nach Hertzog Moritzen geſtorben.
Wie deß Pabſts Hoheit ſich wieder erhoben. Zween Paͤpſte ſterben. Auff
dem Reichs-Tag zu Augſpurg wird der Teutſche Fried geſchloſſen: der
aber dem Pabſt gar nicht wollen gefallen. p. 56.


VII. Von deß Pabſts Humor vnd Vorhaben/ wegen deß Teutſchen Friedens/
vnd Hindertreibung der Lutheriſchen Religion. Wie der Pabſt mit den
Spaniern in offentlichen Krieg gerathen. Wie Carolus V. ſeine Hoheit
uͤbergibt/ vnd ins Cloſter gehet. Wie uͤbel es dem Pabſt mit den Spa-
niern ergangen: vnd der Vberwundene triumphieret. Was er an dem
Frantzoſen/ vnd dem newen Kaͤyſer getadelt. Wie er auch/ ſampt etlichen
hohen Haͤuptern geſtorben. p. 64.


VIII. Was nach getroffenem Fried noch dahinden geblieben. Der Paſſawiſche
Vertrag/ auß H. Chriſtophori Lehenmanns außgangenem Actis publi-
cis de pace Religionis. p.
73.


IX. Wie die Proteſtierende die Freyſtellung der Religion beharꝛlich geſuchet/
vnd auß was Gruͤnden/ wie Koͤnig Ferdinand daruͤber geſprochen. Vr-
theil von jhm vnd dem Kaͤyſer p. 87.


X. Conſtitution deß Religion-Friedens/ Gravamina wegen deß Reichs-
Hoff-Raths. Von deſſen Vrſprung vnd Stifftung: Auch von dem
Fuͤrſten-Recht. p. 99.


XI. Wie das Cammer-Gericht anfangs angeordnet worden: Wie die Fuͤrſten
von jhrem Recht etwz fallen laſſen: vnd dennoch ſich dem Cam̃er-Gericht
nicht vnderwuͤrffig gemacht. Wz der Religions-Fried dẽ Proteſtieren-
den
gegeben. Vom Geiſtl. Vorbehalt; von den Paniers Briefen. p. 109.


XII. Ob der Paſſawiſche Vertrag vnd Fried erzwungen/ vnd zu halten ſey? Ob
der Eyd/ ſo der Kirchen geſchicht/ dieſem Reichs-Abſchied zu wider ſey?
Ob eines vorigen Kaͤyſers Vertrag auch die Nachfahrẽ am Reich binde?
Ob der Religions-Fried durch das Concilium zu Trient ſey auffgehoben.
p. 122.


XIII. Kaͤyſer Ferdinand verordnet den Hoff-Rath. Die Proteſtierenden
uͤberꝛeichen jhre Gravamina in Religions-Sachen. p. 130.
XIV. Der Catholiſchen Churfuͤrſten vnd Staͤnd Gravamina wider die Con-
feſſioniſten
uͤbergeben. p. 145.


VX. Reſolution der Kaͤyſerl. Mayt. uͤber beyder Theil Gravamina, den 13. May
1559. vr-
[] 1559. ertheilet. Was davon zu halten: Was beyde Partheyen vom
Cammer-Gericht gemeynt. Der Pabſt erfordert die Proteſtierenden
auffdas zn Endlauffende Concilium. Ferdinand ſtirbt: Maximilian
wird Kaͤyſer. Von ſeinem erſten Reichs-Tag; vnd wie die Acht an
Hertzog Johann Friederichen von Sachſen vollzogen worden. Von
Anfang/ Mittel vnd End der Niederlaͤndiſchen Kriegen. p. 159.


XVI. Von den Regenten in den Niederlandẽ/ als dem Hertzog von Alba/ Com-
mendeur Requeſentz; Don Ioan de Auſtria;
Hertzog von Parma; Ertz-
Hertzog Ernſt: Graff von Fuentes; Ertz-Hertzog Albrecht: Jhren Tu-
genden vnd Maͤngeln; vnd wie endlich Fried zwiſchen Spanien vnd den
Hollaͤndern worden. p. 169.


XVII. Von Beſchaffenheiten der Niederlanden: Wie viel Millionen ſie Jaͤhr-
lich geben koͤndten: Von deren Fruchbarkeit vnd uͤbrigem Vermoͤgen.
Wie viel an den Niederlanden gelegen: Ob ſie noch moͤchten vnder Spa-
niſchen Dominat kommen. Geld-Mangel erweckt Meuterey vnd Abfall.
Von der Tuͤrcken guter Kriegs-Zucht. Endlich von den Waſſer-Graͤ-
ben/ ſo in dieſen Landen gezogen worden. Von dem Staadiſchen Re-
giement/ vnd von dem Printzen von Vranien. p. 177.


XVIII. Von Zwieſpalt der Proteſtierenden, die ſich in Lutheraner vnd Calvini-
ſten zerfallen. Von Strittigkeiten/ ſo vnter den Lutheranern entſtanden/
biß in zwantzigerley: auch etlichen Ketzereyen. Von der Calviniſten Strit-
tigkeiten vnd Ketzereyen. Wie auch von der Cathol. Mißhelligkeit in etli-
chen Stuͤcken. Vnd Bedencken uͤber ſolche Haͤndel. Von drey oder fuͤnff
Haupt-Secten in der Occidentaliſchen Kirchen/ vñ jeder Abſehen. p. 188.


XIX. Von dem Coͤllniſchen Krieg/ da der Ertz-Biſchoff die Proteſtierende
Religion
angenommen/ ſich verehligt vnd vertrieben worden. Wie Hen-
rich Julius/ Biſchoff zu Halberſtatt ſich verheyrathet/ vnd das Stifft in
Poſſeß behalten. Wie das Biſchthumb Straßburg ſich getrennet/ vnd
in Krieg gerathen/ auch wieder zu Ruhe kommen. Wie die Guͤlchiſche
Laͤnder ledig/ vnd durch vielerley Anſpruch endlich in zwey Theil proviſio-
naliter
vertheilt worden. Was den Religions-Krieg damahlen zuruͤck
gehalten. p. 200.


XX. Wie die Statt Donawerth wegen deß Abts in die Kaͤyſ. Acht/ vnd endlich
in deß Hertzogen in Baͤyern Gewaltgerathen. Wie die Statt Aach in
die Acht gefallen/ vnd von den Proteſtierenden entlediget worden. Wie
die Newe Statt Muͤlheimb nicht koͤnnen zu jhrer Vollkommenheit ge-
langen. p. 212.


XXI. Was an dem Bohemiſchen Weſen ſey verſaͤumbt worden/ ſo wohl an deß
Pabſts vnd deß Concilij zu Baſel/ als auff deß Kaͤyſers Sigiſmundi Sey-
ten. Wie Kaͤyſer Sigiſmund genoͤthiget worden/ den Bohemen/ ſon-
derlich der Statt Prag/ den Majeſtaͤt-Brieff zu ertheilen. Der Majeſtaͤt-
)( iijBrieff
[] Brieff ſelbſt: vnd wie derſelb bey ſtaͤter Vnruh vnderhalten worden/
biß auff Koͤnig Ferdinanden. p. 223.


XX. Von Caroli Quinti Einkommen/ deſſen erſter Faͤhler/ daß er Martin
Luthern frey gelaſſen. Der ander/ daß er den Koͤnig in Franckreich
ledig gezehlt. Der dritte/ daß er den Barbaroſſa nicht gefangen/ den Mule-
aſſa
wieder eingeſetzt/ vnd der Veſten Goletta nicht viel geachtet. Der
vierdte/ daß er Hertzog Mauritzen das Churfuͤrſtenthumb Sachſen einge-
raͤumbt. Der fuͤnffte/ daß er das Hauß Medices zu groß gemacht hat.
Andere ſeine neben-Faͤhler. Darinnen auch Ferdinandus I. vnd Maxi-
milianus II.
ebenmaͤſſig gefaͤhlet. p. 234.



Dritter Theil.
Summariſcher Jnhalt dieſer Diſcurſen.


I.KEyſer Rudolphi II. Faͤhler. Der Bohemen Majeſtaͤt-
Brieff/ wegen Freyheit der Proteſtierenden Religion, vnd
wie derſelbe auffgenommen/ auch wiederſinniſch außgedeu-
tet worden. p. 1.


II. Wie Ertz-Hertzog Matthias nach dẽ Oeſterꝛeichiſchen Landen vnd Koͤnig-
reichen/ auch nach dem Kaͤyſerthumb getrachtet/ vnd die Proteſtierenden
nicht dempffen koͤnnen. Wie er Kaͤyſer worden/ vnd Ertz-Hertzog Fer-
dinanden an Sohns ſtatt angenommen/ vnd zum Succeſſor verordnet:
den die Bohemen doch hernach verworffen. p. 10.


III. Von der Union: was vor Gravamina vnd Nachdencken dieſelbe verur-
ſachet: Wer in derſelben begriffen/ vnd wozu ſie angeſehen. Warumb
die Liga gemacht worden/ vnd auff was Bedingungen. Wie Rudolphus
II.
geſtorben/ vnd Matthias jhme ſuccediert, auch was er bey ſeiner Regie-
rung verꝛichtet. p. 13.


IV. Wie ſorglich es vmb die Catholiſche Religion geſtanden: Wie die Car-
dinaͤl auff Ertz Hertzog Carlen geſchloſſen/ jhn vnd ſeinen Stamm her-
fuͤr zu ziehen. Wie Ertz-Hertzog Carlen mit der Reformation in ſeinen
Erb-Landen angefangen/ vnd ſein Sohn/ Ertz-Hertzog Ferdinand/ mit
allem Ernſt fortgefahren. p. 22.


V. War-
[]

V. Warumb Matthias vnd Rudolphus den Lutheranern das Exercitium, aber
Ertz-Hertzog Ferdinand nicht gegoͤnnet. Wie viel an der Aufferziehung
der jungen Fuͤrſten gelegen: Was ein Printz lernen ſolle: Was das
Frawenzimmer hie thue: Von dem Gewiſſen/ oder von der Religion:
Welches die drey Haupt-Partheyen vorwenden. p. 36.


VI. Wie Kaͤyſer Matthias den Ertz-Hertzog Ferdinanden zum Sohn ange-
nommen: Der Koͤnig in Spanien auff Bohem vnd Hungarn verziehẽ/
gegen einer Gegen-Obligation. Wie Ferdinand zum Koͤnig in Bohem
vorgeſchlagen/ vnd auff Bedingung angenommen worden. Wie der Kaͤy-
ſer vnd der Koͤnig nach Dreßden reiſen. Wie die Staͤnde in Bohem ein
Landtag angeſtellet/ ſich vom Kaͤyſer nicht abmahnen laſſen/ vnd drey Kaͤyſ.
Diener zum Fenſter hinauß geſtuͤrtzt. Von den dreyen Haupt-Vrſachen
dieſes Kriegs. p. 48.


VII. Wie ein Erbfall in Heſſen/ den Zwietracht vnder den Proteſtierenden
vermehret. Von etlichen Streit-Schrifften. Wie Kaͤyſer Matthias
weder die Bohemen/ noch die Vnierten zum Frieden koͤnnen bringen/ eine
Kriegsmacht außgebracht/ vnd geſtorben. Vom Cometen/ vnd deſſen
Bedeutungen: nach Art deß Peloponneſiſchen Kriegs. p. 59.


VIII. Wie das Vnweſen in Bohem fortgangen/ Koͤnig Ferdinand Roͤmiſcher
Kaͤyſer/ vnd Pfaltzgraff Friederich Bohemiſcher Koͤnig worden; aber nie
lang geblieben. Wie der Kaͤyſer ſein Koͤnigreich Bohem wieder in ſeinen
Gewalt vnd Gehorſamb gebracht: Auch ein Reichs-Tag nach Regen-
ſpurg außgeſchrieben. p. 71.


IX. Wie es noch nicht allerdings ſtill worden/ der Kaͤyſer den Pfaltzgraffen/
ſampt deſſen Anhang in die Acht gethan: Vrtheil hievon. Wie Land-
graff Moritz zu Caſſel/ wegen der Graffſchafft Waldeck in ſtrittigkeit
gerathen. Wie die Reformation in Bohem auffgenommen worden.
Von mancherley Translationen der Herꝛſchafften: vnnd ſonderlich der
Chur-Pfaltz. p. 81.


X. Ein newe Liga wider den Kaͤyſer/ deren Haupt der Koͤnig in Dennemarck/
wird geſchloſſen; Vnd vom Friedlaͤnder vnnd Tilly getrennet. War-
umb der Fried hierauff nicht erfolgt ſey. Das Kaͤyſerlich Edict vnd De-
ciſum,
wegen deß Geiſtlichen Vorbehalts. Den Zuſtand deß Roͤmiſch.
Reichs/ vnd die Vrſach eines newen Kriegs inhaltend. p. 98.


XI. Wie die weltliche Herꝛſchafften dem Roͤmiſchen Stuhl/ vnd andern Præ-
laten
ſeyen zugefallen/ ſo wohl in Jtalien/ als in Teutſchland: Vnd wie
ſolche etwann zu Geiſtl. Lehen worden. Was die Geiſtliche in Teutſch-
lang vor Reichs-Huͤlffe leyſten. p. 117.


XII. Der Catholiſchen Begehren an Jhre Kaͤyſerliche Majeſtaͤt/ das Geiſt-
liche reſervat zu decidieren: Chur-Baͤyern Gutachten hieruͤber-
Klage uͤber die Calviniſten. Wie Chur-Sachſen ſich uͤber das Edict
beſchwert
[] beſchwert. Wie die Reformation fortgangen/ Arnheimb in Polen/ Alt-
ringer in Jtalien gezogen/ vnnd wie es beyderſeits zum Fried ſelbiger
Enden abgeloffen. Wie der Friedlaͤnder Stralſund belaͤgert. p. 130.


XIII. Deß Churfuͤrſten in Sachſen Vnwill haͤlt jhn vom Reichs Tag zu Re-
genſpurg: Deß Kaͤyſers Vortrag wegen deß Pfaltzgraffen/ der Hollaͤn-
der/ vnd anderer Feinden Vrtheil hievon. Was die Staͤnde vom Kaͤyſer
begehrt vnd erlangt. Vom Koͤnig in Schweden/ wie er in Pommern kom-
men/ Franckreich an ſich gezogen/ vnd mit Feld Oberſten gefaßt geweſen.
Von den Zeichen dieſes Schwediſchen Kriegs. Wie der Churfuͤrſt zu
Sachſen/ die Evangeliſche Staͤnde nach Leipzig beſchrieben: Vnd die
Statt Magdeburg eingeaͤſchert worden. p. 141.


XIV. Was Spanien vor Schaden erlitten. Wie der Frantzoß ein Buͤndnuß
mit den Schweden gemacht/ vnd Vrtheil hievon. Vom Convent vnd
Schluß zu Leipzig; daher die Conjunction vnder Sachſen vnd Schwe-
den/ auch das Haupttreffen bey Leipzig geſchehen. Wunderzeichen hie-
von. Wie der Koͤnig auß Schweden/ durch Thuͤringen vnd Francken/
biß uͤber den Rhein/ ſeine Victori perſequiert, vnd der Churfuͤrſt zu Sach-
ſen in Bohem gangen/ vnnd die Haupt-Statt Prag eingenommen. p.
165.


XV. Wie es bey Hoff/ vnd den uͤbrigen Kaͤyſerl. Voͤlckern geſtanden/ vnd Tilly
wieder ein ſtarcke Armee zuſamm gebracht. Mit was Muͤhe der Hertzog
von Friedland wieder zum Generalat moͤgen gebracht werden. Deß
Schweden Verꝛichtung am Rheinſtrom: an der Weeſer. Von beyder
Churfuͤrſten/ S. vnd B. Berathſchlagung/ deß Friedlaͤnders Einfall in
Sachſen/ (auch anderer Orth Kriegs-Vbungen) vnd deß Haupt-Tref-
fens bey Breitenfeld Außgang; auch deß Koͤnigs in Schweden Tod. p.
177.


XVI. Von deß Koͤnigs in Schweden Thun/ Laſſen/ Vorhaben vnd Ende. Von
deß Pfaltzgraffen Vngluͤck/ auch nach ſeinem Tode. Von deß Fried-
laͤnders Actionen vnd Tod. p. 189.


XVII. Wie es mit dem Kriegsweſen bewand: Das Haupttreffen bey Noͤrd-
lingen vorgangen. Der Frantzoß den Krieg mit allem Ernſt fuͤhrt/ vnd
der Kaͤyſer mit dem Sachſen den Prager Frieden geſchloſſen. Der
Prager Frieden ſelbſt. p. 197.


XVIII. Vrtheil von dem Prager Frieden. Vnd wie Chur-Sachſen deß wegen
beſchuldiget; aber auch verthaͤdiget wird: Schweden aber/ vnd Heſſen-
Caſſel denſelben nicht angenommen. p. 224.


GERMA-
[1]

GERMANIÆ PERTUR-
BATÆ ET RESTAURATÆ.

Ander Theil.


Der Erſte Diſcurß.


Wie die Weltliche Staͤnde deß Roͤm. Reichs vnter einer geſuchten Reformation der
Kirchen die Geiſtliche Guͤter angeangelt: welches der Bapſt gemerckt/ vnd deß-
wegen dem Krieg vorzukommen/ die erwehnte Reformation durch Neun Praͤla-
ten laſſen zu Papier bringen: das Concilium aber ein ander Abſehen gehabt/ vnd
alles im alten Stand gelaſſen.


NAch deme wir bißher vernommen/ wie das Heyden-
thumb der Chriſtlichen Lehr/ als die finſtere Nacht der auffge-
henden Soñe muͤſſen weichẽ: wie die liebe Kirche durch die Ke-
tzer in innerliche Zerruͤttung gefallen/ vff die Prob geſetzt wor-
den/ vnd am Kaͤyſerlichen Hooff viel Wiederwertigkeit vber-
ſtanden/ wann der Weltliche [A]rm einige wiederige Lehr/ (der-
gleichen auch wol par Raiſon d’ Eſtar vber dem Heydenthumb
geſchehen) etwan beſchuͤtzet/ vnd die Rechtglaubige gedrucket hat: wie erwehnte
Kirch mit der Zeit auß der Roͤm. Kaͤyſer Vormundſchafft getretten/ vnd ſich
ſelbſt regieret; auch in Weltlicher Regierung Maß vnd Ziel vorgeſchrieben/ mit
zu Rath geſeſſen/ vnd theil an der Verwaltung bekommen; die Kayſer vnd Koͤni-
ge/ Fuͤrſten vnd Herrn/ neben den regierenden Biſchoffen vnd Abten/ zu jhren
trewgehorſamen Soͤhnen geſalbet vnd angenommen: wie Perſien ſich von An-
fang abgeſondert/ vnd die vbrige Morgenlaͤnder/ ſampt einem guten Theil in Eu-
ropa
vnd africa vom Tuͤrcken/ dem Ertzfeind/ verſchlingen laſſen; alſo daß die
Abendlaͤnder allein bey dem Roͤm. Stuel geblieben/ ob ſchon jederweilen der ein-
faͤltige Poͤbel in dem Gebierg zwiſchen Jtalien/ Teutſchland vnd Franckreich/
auch in den Graͤntzen deß Koͤnigreichs Navarren/ zwiſchen Franckreich vnd
Spanien/ ſich wieder die Kirch vffgelehnt/ vnd den Gehorſam verſchworen/ etliche
Graven vnd Edele deßwegen in Harniſch gebracht/ vnd groſſe Verbitterung ja
Blutvergieſſen verurſachet; Sintemal ſolches Beginnen geſchwind/ wie ein
Ander Theil. AFewr
[2]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Fewr im Stroh verloſchen. Wir auch vor das allerletzte geſehen/ was vor
Abendtheur Engelland/ Franckreich vnd Boͤhmen im Kirchenweſen abgeben/
vnd wie ſich alles zu dem erſten Teutſchen Religions Krieg vnd Frieden angeſpon-
nen/ muͤſſen wir auch wiſſen/ wie es ſich außgewircket/ vber lange Zeit wider außge-
brochen/ vnd nachmalen geſtillet habe.


Wann wir nun zu ruck gedencken/ was groſſer Mühe es gekoſtet/ biß die
Roͤm. Kaͤyſer vnd Staͤnde deß Reichs die Cleriſey wegen jhrer Perſonen vnd
Guͤtern ledig vnd frey gezehlet/ auch off die Inveſtituren vnd Belehnungen mit
dem krummen Stab verziehen; kan man leicht erachten/ daß obere/ mitlere vnd
vntere vnter den Weltlichen ſolches vor ein Verluſt gehalten/ vnd auß Mißgunſt
oder Regierſucht nicht wenig gedacht/ der Cleriſey die Fluͤgel zu beſchneiden/ vnd
die Schwingfedern außzuropffen. Darumb durch hechelten die Poeten erſtlich
die Weltliche (oder Heydniſche) Wiſſenſchafft/ nach den dreyen Hauptſprachen/
vnd erwieſen/ daß die Cleriſey nicht viel weiter ſtudierte/ als nur die Roͤmiſche
Sprach/ in welcher der Gottesdienſt allein ſich verrichtete/ erforderte zwar nicht
gruͤndlich/ vnd nach der Zierlichkeit/ ſondern oben hin/ eine Bull vnd Inveſtitur
zuverſtehen; kamen darnach vff das Leben/ vnd mutzten jeden Fehltritt hoch auff;
vnd bald vff die Lehr der Gottſeligkeit. Dieweil aber die gantze Cleriſey in guter
Ordnung vnd Verfaſſung ſtunde/ gleich wie ein Kriegsheer im Felde/ vnd vner-
ſchoͤpffliche Mittel in Handen hielte/ crſpintiſirte die Weltweißheit dieſen Kriegs-
Liſt/ den Krieg vff deß Feindsboden/ mit deß Feinds eygenen Geldern zu fuͤhren.
Dann wann die Cleriſey jhre Clauſen vnd Cloͤſter/ ſampt allen Jntraden/ ſo zu
nothwendiger Vnterhaltung deß Lebens/ vnd zu vnvmbgaͤnglicher Gegenverfaſ-
ſung erfordert werden/ muͤſte im Stich laſſen/ wuͤrde die eine Schaal an der Wa-
ge nur deſto leichter/ vnd die andere nur deſto ſchwerer. Eben als etwan die Hol-
laͤnder eine Spaniſche Silberfloth erobert/ jhre Soldateſca darmit beſoldet/ vnd
den Spaniſchen das Nachſehen gelaſſen.


Noch eraͤugnen ſich andere Kriegsliſte vnd Rencke/ daß ein jeder ſein Wie-
derparth ſucht zu ſchwaͤchen/ vnter anderm auch vff Antonii Triumviti Manier/
der deß Lepidi gantzes Heer/ ſo wieder jhn zu Feld lage/ an ſich gezogen. Dann
alſo gab es ſehr viel Vberlauffer/ zumal wann Renten vnd Prebenden folgeten/
vnd mitgiengen. Darzu dann waidlich geholffen/ daß man die Cleriſey in Ver-
dacht-Veracht- vnd Verſchmaͤhung gebracht. Jener Edelmann hatte ſein
Windſpiel/ welches aber in deß Meyers Hauß/ vnd bey andern Nachbarn pflegte
Vnfug anzuſtellen/ in den Kuͤchen vffzuraumen/ was vnter den Fuͤſſen ſtehen blie-
ben/ die Toͤpffe bey dem Fewer kuͤnſtlich vmbzuziehen/ die heiſſe Bruͤhe außzugieſ-
ſen/ vnd mit dem halbgeſottenen Fleiſch an ſtatt deß Wildpraͤths darvon zuſtrei-
chen; ja wol den kalten Braten in dem Schanck zu ſpuͤhren/ vnd nach Beſchaffen-
heit auß dem Lager zu treiben. Vnd dieſen Verdruß dorffte kein Menſch/ wegen
deß Edelmanns vnd ſeiner Diener rechen. Dochbeſprache ſich der Meyer mit
ſeinem
[3]Ander Theil.
ſeinem Schwager Hanſen/ es ſolte niemand von den jhrigen einigen Streich vff
das Windſpiel thun/ ſondern vnter der Hand die Nachbarn berichten/ das Wind-
ſpiel waͤr raſend. Wie bedacht/ ſo geſchehen; das Windſpiel wurd in ein ander
Termeney gejagt/ vnd vff ſolchen Ruff von den Nachbarn im andern Dorff er-
ſchlagen. Das heiſt/ ich wil dir kein Leyds thun; nur ein boͤſen Namen machen.


Alſo war ſchier nichts zu ſagen/ als von der Pfaffen Geitz/ Hochmuth/ vnd
vppigem Leben; vnd daß ſie mehr nach der Schaͤfflein Wolle/ als nach derſelben
ewiger Wolfarth trachteten.


Wie nun jedes vernuͤnfftiges Vorhaben einen Schein muß tragen/ ohne
welchen auch die beſte Müntz verwürfflich/ vnd hingegen die falſche vermittels deſ-
ſelben gangbar wird; alſo war es vmb eine Reformation der Kirchen zu thun/ alſo
ſuchte man herfuͤr/ was ber Zeiten der wiederſpaͤnſtigen Keyſere vnd Baͤpſten
Schrifft- vnd muͤndlich/ vff Reichstaͤgen vnd ſonſten etwan vff die Bahn kom-
men/ vnd laͤngſt abgehandelt geweſen; alſo wuſte ein jeder zu tadeln/ was erver-
ſtund/ vnd was er nicht verſtund/ wie Apellis deß Mahlers Schuſter/ der nicht nur
vber die Pantufflen/ ſondern auch vber die Kleydung/ welches dem Schneider al-
lein zukompt/ vrtheilen wollen. Die Weltliche/ von der Roͤm. Kirchen abtruͤn-
nige Fuͤrſten geſtatteten den abtruͤnnigen Prieſtern vnd auß geloffenen Moͤnchen/
wie ſie vnterrichtet waren/ die Ehe: vnd weil ſie ſich beſorgten/ die ordentliche Pre-
benden würden endlich gar zergehen/ wann jeder Prieſter ſeines Orths Jntraden
nach Belieben verwalten/ alieniren/ oder vff ſeine Kinder bringen ſolte: Darumb
lieſſen ſie den Obern/ als Abten vnd Biſchoffen/ nichts mehr folgen/ vnd nenneten
ſich Erbkaſtenvoͤgte/ vnterfiengen das jus patronatus, vnd gaben den Prieſtern/
was ſie wolten/ nahmen zu ſich was ſie konten. Sie entſchuldigten ſich zwar im-
merzu gegen dem Keyſer/ Es wuͤrden die Stifftungs Guͤter zu keinem andern
Ende angegriffen oder verwendet/ als zur Vnterhaltung der Armen/ vnd der je-
nigen Perſonen/ ſo die Gottſeligkeit vbeten/ vnd in den Poͤbel pflantzeten. Vnd
mag wol ſeyn/ daß es Anfangs deß Abfalls nicht anderſt hergegangen/ dieweil ſol-
che Fuͤrſten jhren Stand gefuͤhret/ eh ſie das geringſte von den Kirchengütern an
ſich gezogen/ ja in deme ſie noch taͤglich Stifftungen gethan/ vnd von den Kam-
merguͤtern der Cleriſey immerdar zugelegt.


Das Haupt der Cleriſey der Bapſt zu Rom/ verſtunde ſehr wol/ was die
abtruͤnnige im Schild fuͤhrten/ auch wozu die annoch gehorſame ſich leichtlich koͤn-
ten verlocken laſſen; vnterfieng derowegen eine Reformation/ allen Klagen ein
End zu machen/ vnd den Scheinmantel abzunehmen/ welches Werck/ wie die Kir-
chen Hiſtorien bezeugen/ biß dahin vnmuͤglich/ nicht an- vnd vor ſich ſelbſt/ ſondern
zuerlangen/ vnd in den Gang zubringen/ geweſen. Dannoch wolte der Bapſt ſei-
nem Verſprechen/ ſo er durch Vergerium gegen den abſonderlichen Staͤnden
in Teutſchland/ vnd Schrifftlich/ auch muͤndlich/ nach dem Exempel ſeiner Vor-
fahren vorgelegt/ vnd bethewret/ ein Genuͤgen thun; vnd verordnet zu dieſem Re-
A ijfor-
[4]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
formationswerck Neun Perſonen/ als ein Herꝛn der Gottſeligkeit/ auß allen Praͤ-
laten/ mit ſondericher Beaidigung/ vnd Eyffer/ daß ſich jedermaͤnniglich daruͤber
verwunderte/ aber auch vngleich vrtheilte/ ſintemal kein Menſch ſein eygen Ange-
ſicht/ als nur im Spiegel beſchawen kan; eines andern Angeſicht aber frey ſihet
vnd betrachtet. Die Namen der neun Praͤlaten ſind/ Gaſpar Cardinalis Contare-
nus, Iohannes Petrus Cardinalis Theatinus, Jacobus Cardinalis S[o]doletus, Regi-
naldus Anglicꝰ, Federicus Archiepiſcopus Salernitanus, Hieronymus Archiepi-
ſcopus Brunduſinus. Johannes Matthæus Epiſcopus Veronenſis, Gregorius ab-
bas S. Gregorii Venetiis, \& Frater Thomas, Magiſter Sacri Palatii.
Was nun die-
ſe Neun vor tieffſinnige Gedancken bekommen/ was ſie vor Mühe vnd Arbeit an-
gewandt/ muß man an der Schrifft/ ſo ſie jhrem vffgetragenen Ampt ein Genuͤ-
gen zu thun/ dem Bapſt vberreicht/ erkennen vnd ermeſſen.


Allerheiligſter Vatter/ ſprechen ſie/ Es fehlet weit/ daß wir mit Worten ſol-
ten außſprechen koͤnnen/ was groſſer Danck die gantze Chriſtenheit Gott dem Al-
lerguͤtigſten vnd groͤſſeſten ſagen ſoll/ weil er E. H. zu dieſer Zeit zum Bapſt/ vnd
zum Hirten ſeiner Herde geſetzt/ vnd dieſen/ ſo E. H. haben/ guten Sinn gegeben;
alſo daß wir auch die Hoffnung/ ſolchen Danck nur mit vnſerm Nachſinnen zuer-
reichen/ verlichren. Dann derſelbe Geiſt Gottes/ durch welchen die Veſte der
Himmeln beſtehet (wie der Prophet ſagt) hat beſchloſſen/ die wanckende/ ja gantz
zerfallene Kirch Chriſti/ mit Vnterlegung E. H. Hand/ vor endlichem Vnter-
gang/ wie wir ſehen/ zuverwahren/ vnd dieſelbe zur vhralten Hoheit zuerheben/
auch in vorigen Glantz wider zuſetzen: Deſſen ein zumal gewiſſes Abſehen neh-
men koͤnnen wir/ denen E. H. ordentlich anbefohlen/ daß wir weder E. H. eygenen/
noch eines andern Nutzen beachtende/ die jenige Mißbraͤuche/ nemblich die ſehr
ſchwehre Kranckheiten/ an welchen die Kirch Gottes von langer Zeit hero/ vnd
fuͤrnemblich dieſer Roͤmiſche Hooff/ liegt/ E. H. anzeigen wolten/ weil durch ſelbe
Mißbraͤuche ſchier nahe geſchehen/ daß bey denen/ mit der Zeit vnd allgemach
vberhand nehmenden toͤdlichen Gifftkranckheiten/ dieſer grundverderbliche
Schad/ den wir vor Augen ſehen/ herein gebrochen. Vnd weil E. H. vom Geiſt
Gottes vnterricht/ welcher (wie auguſtinus ſagt) in den Hertzen/ ohne das rau-
ſchende Wort redet/ den Anfang alles dieſes Vnheils ſehr wol verſtunde/ daß etli-
chen Baͤpſten/ E. H. Vorfahren/ die Ohren gejuckt (wie der Apoſtel Paulus
ſpricht) die jhnen Lehrer nach jhrem eygenen Luſt zuſammen gebracht/ nicht von
jhnen zu lernen/ was zu thun waͤr/ ſondern durch derſelben Fleiß vnd Verſchla-
genheit einigen Weg zu finden/ dadurch erlaubt waͤr/ was jhnen in Sinn kaͤme.
Daher iſt es ſo weit/ weil ohne das die Schmeicheley an alle Hoheit/ wie der
Schatte an den Leib ſich haͤngt/ vnd die Warheit allzeit ein ſehr ſchwehren Zutritt
zu hoher Potentaten Ohren gehabt/ daß alſo bald Doctores herfuͤr getretten/ die
den Baͤpſten die Herꝛſchafft aller Præbenden zugeſchrieben: vnd wann ein Herꝛ
mit Recht verkauffe was ſein iſt/ erfolge nothwendig daß der Bapft keine Simo-
ney/
[5]Ander Theil.
ney/ oder verbottene Kraͤmerey der Geiſtlichen Sachen begehen koͤnne: alſo
daß deß Bapſts Will/ wie er auch nur beſchaffen/ ein Richtſchnur ſeines Thuns
vnd laſſens ſey. Dannenhero auſſer allem Zweiffel ſich ſchlieſſe/ daß was jhm be-
liebig auch erlaubt waͤr.


Auß dieſem Brunnen/ heiliger Vatter/ ſind/ wie die Kriegsknechte vor Zei-
ten auß dem hoͤltzern Pferdt zu Troja, ſo viel Mißbraͤuche in die Kirch Gottes mit
hauffen/ neben ſo gar ſchwehren Kranckheiten eingeriſſen/ durch welche wir ſie je-
tzund ſchier biß an Verzagung alles Heyls/ kranck ſehen liegen/ daß auch der Ruff
von ſolchen Sachen ſich biß zu den Vnglaubigen auß gebreitet hat. E. H. wolle
denen/ ſo es wiſſen/ Glauben zuſtellen/ daß gedachte Vnglaubige fuͤr [...]emblich
vmb dieſer Vrſachen Willen die Chriſtliche Religion verlachen: Sintemal
durch Vns/ durch vns ſprechen wir/ der Nam Chriſti vnter den Voͤlckern verlaͤ-
ſtert wird. Es haben aber E. H. Allerheiligſter/ vnd zwar mit recht Allerheiligſter
Vatter/ die vom Geiſt Gottes vnterwieſen/ neben derſelben alten Klugheit geſehẽ/
als E. H. dieſes jhr ließ zum allerhoͤchſten angelegen ſeyn/ damit die Kirch Chriſti/
ſo E. H. zu verſorgen/ nach geheylter Schwachheit zu guter Geſundheit wider ge-
langen moͤcht/ vnd zwar recht vnd wol geſehen/ daß man mit der Artzney an dem je-
nigen Orth muͤſſe anfahen/ da die Kranckheit erſtlich her entſtanden/ vnd wil/ zu
folge deß Apoſtels Pauli Lehr/ ein Verwalter vnd nicht ein Herꝛ/ ja ein getrewer
von dem Herꝛn erfunden werden; auch jenem Knecht folgen/ den der Herꝛ im
Evangelio vber ſein Hauß geſetzt/ daß er dem Geſinde jhre Nahrung zu rechter
Zeit gebe/ hat auch deß wegen beſchloſſen/ daß ſie nicht wil/ was nicht geziembt/ auch
nicht koͤnnen mag/ was ſie nicht ſoll koͤnnen. Zu dem End haben E. H. vns zu
ſich beruffen/ die wir zwar vnerfahren/ vnd einem ſo groſſen Werck nicht gewach-
ſen/ doch nicht wenig/ ſo wol zu E. H. Ehr vnd Herꝛlichkeit/ als fuͤrnemblich zu
Verbeſſerung der Kirchen Chriſti/ geneigt ſind. Vnd vns mit ſehr beweglichen
Worten anbefohlen/ alle dieſe Mißbraͤuche zu verzeichnen/ vnd E. H. vorzutra-
gen: auch vns hoͤchlich erinnert/ wie wir wegen dieſes vns auff getragenen Ampts
dem Allerhoͤchſten GOtt Rechenſchafft thun wuͤrden/ da wir es fahrlaͤſſig vnd
vntrewlich verrichteten. Vber diß/ damit alles deſto frey muthiger vnter vns
ablauffen kan/ vnd E. H. außfuͤhrlicher Bericht von vns haͤtten/ mit einem thew-
ren Eyd verbunden/ neben angehaͤngter Straff deß Kirchenbanns/ keinem Men-
ſchen von dieſem vnſerem Ampt/ nichts zuentdecken. Haben derowegen E. H.
Befehl zu Gehorſam angenommen/ vnd dieſe Kranckheiten in muͤglichſter
Kuͤrtz/ ſampt derſelben Artzneyen/ ſo viel vnſer Verſtand immer erreichen moͤgen/
zuſammen getragen. Es werden aber E. H. nach dero beywohnender Guͤte vnd
Weißheit alles verbeſſern vnd vollziehen/ wo wir nach vnſere Wenigkeit verſtoſ-
ſen haͤtten.


Auff daß wir nun alles in gewiſſe Schrancken ſpannen/ haben wir/ weil
E. H. beydes ein Fuͤrſt dieſer Landſchafften/ die der Kirchengebieth vnterworffen;
A iijvnd
[6]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd der allgemeinen Kirchen Bapſt/ auch Roͤm. Biſchoff iſt/ vns vorgenommen/
von deme/ was dieſes Fuͤrſtenthumb der Kirchen angeht/ (das wir von E. H. Pru-
dentz ſehr wol regiert ſehen) nichts zu ſagen: wollen nur das jenige/ was das Ampt
deß allgemeinen Bapſts anlangt/ neben etlichen Stuͤcken/ von deß Roͤm. Bi-
ſchoffs Verwaltung beruͤhren. Halten aber darfuͤr/ Allerſeligſter Vatter/ die-
ſes muͤſſe vor allem andern Platz finden/ als Ariſtoteles in ſeinen Staadsregeln
ſagt/ daß/ wie bey einer jeden Republick/ alſo auch in dieſer Geiſtlichen Verwal-
tung der Kirchen Chriſti/ man dieſes Geſatz vor allen Dingen beobachte/ nemblich
daß die Geſaͤtz/ ſo viel immer muͤglich gehalten werden. Daß wir auch nicht
meynen/ wir moͤgen in den Geſaͤtzen/ als nur auß tringenden vnd noͤthigen Vrſa-
chen nachgeben. Dann es kan kein verderblicher Gewonheit bey einer Republick
einſchleichen/ als dieſe Vnachtſamkeit der Geſaͤtz/ welche Geſatz vnſere Voreltern
wollen heilig gehalten ſeyn/ deren Macht ſie auch aller Ehren werth/ vnd Goͤttlich
genennet. Dieſes alles wiſſen E. H. Allerguͤtigſter Bapſt; ſie haben es vor-
laͤngſt/ bey den Weltweiſen vnd Schrifftgelehrten geleſen. Wir achten aber ein
ander Stuͤck dieſem obigen nicht nur ſehr nahe/ ſondern auch weit vorzuziehen/
vnd noͤthiger/ Es ſey dem Bapſt vnd Chriſti Statthalter bey dem Gebrauch deß
Ampts der Schluͤſſeln/ deß Ampts ſagen wir/ das jhm von Chriſto aufferlegt iſt/
nicht erlaubt/ einigen Nutzen zu ſuchen. Dann alſo laut Chriſti Befehl/ vmb-
ſonſt habt jhrs empfangen/ vmbſonſt ſolt jhrs geben. Wann nun dieſes zu vor-
derſt geſetzt iſt/ vnd E. H. vor die Kirch Chriſti ſolche Sorg traͤgt/ daß ſie ſehr viel
Diener gebraucht/ durch welche dieſelbe jhre Sorg getrieben wird. Solche aber
alle zu der Cleriſey/ oder zu dem Geiſtlichen Stand gehoͤren/ denen der Gottes-
dienſt iſt anbefohlen/ fuͤrnemblich die Prieſter/ vnd zum allervorderſten die Pfar-
rer/ vnd vor ſolchen allen die Biſchoffe: Wann derowegen ein ſolch Regiment
recht fortgehen ſoll/ muſte man ſich zum erſten bemuͤhen/ daß dieſe Diener zu jh-
rem Ampt/ ſo ſie verwalten ſollen/ tauglich ſeyen.


  • 1. Der erſte Mißbrauch bey dieſem Stuͤck befind ſich in Verordnung der
    Cleriſey/ vnd fuͤrnemblich der Prieſter/ da man keine Sorg gebraucht/ kein Fleiß
    anwendet/ alſo daß allenthalben die aller vnerfahrnſte GEſelln/ von verachteſtem
    Stamm vnd Herkommen/ von boͤſen Sitten verruchte/ allzu Junge/ zu der H.
    Orden/ vnd fuͤrnemblich zu dem Prieſterthumb/ zu dem Zeichen/ ſprech ich/ durch
    welches Chriſtus zum hoͤchſten wird vorgeſtelt/ zugelaſſen werden. Hierauß er-
    wachſen vnzehlige Aergernuß/ Verachtung deß Geiſtlichen Stands/ vnd nicht
    nur geringer Andacht bey dem Gottesdienſt/ ſondern ſchier gaͤntzlicher Abgang
    deſſelben. Darumb halten wir vor das allerbeſte/ wann E. H. anfaͤnglich in die-
    ſer Statt zu dieſem Werck zween oder drey Prelaten/ ſo gelaͤhrte vnd fromme
    Maͤñer waͤren/ verordnete/ vff die Vnordnung der Geiſtlichen acht zu geben: auch
    allen Biſchoffen/ neben angehaͤngter Straff der Cenſur dergleichen in jhren Kirch-
    ſpielen zuthun anbefehle. Daß auch E. H. nicht geſtatte/ daß einiger anderſt/ als
    von
    [7]Ander Theil.
    von ſeinem Biſchoff/ oder mit Verguͤnſtigung der Deputirten in der Statt/ oder
    ſeines Biſchoffs/ beruffen werde; daß auch vber diß ein jeder Biſchoff in ſeinen
    Kirchen ein Magiſter oder Hochgelaͤhrten halte/ von welchem die junge Cleriſey
    in der Schrifft/ vnd in guten Sitten/ wie ſolches die Rechten verordnen/ vnter-
    wieſen werde.
  • 2. Ein ander ſeht ſchwehrer/ nachdencklicher Mißbrauch befind ſich bey
    Verleyhung der Geiſtlichen Prebenden/ fuͤrnemblich der Pfarꝛen/ vnd am aller-
    mehrſten der Biſthumber/ da der Gebrauch vberhand genommen/ daß man die
    Perſonen/ ſo die Prebenden erlangen/ nicht aber die Herde Chriſti/ vnd die Kirch
    verſorgt. Darumb ſoll man bey Verleyhung ſolcher Prebenden/ der Pfarꝛen
    ſprech ich/ aber zuvorderſt der Biſthumber ſorgen/ daß ſie frommen vnd gelaͤhr-
    ten Maͤnnern verliehen werden; vnd ſolches darumb/ damit ſie ſelbſt/ ohne eines
    andern Zuthun/ ſolche Aempter/ darzu ſie verbunden/ verwalten moͤgen. Vber
    diß/ auch ſolchen/ die vermuthlich ſich an den Orth ſetzen werden/ dannenhero ſoll
    man keinem Jtalianer eine Prebend in Spanien/ oder in Groß Britannien/ noch
    hingegen/ geben. Welches man/ ſo wol bey den Collaturen oder Verſehungen/
    wann ſie durch Sterbfall ledig werden/ als bey dem Vberlaſſen/ da man jetziger
    Zeit nur allein vff den Willen deß Abgetrettenen/ vnd darneben vff nichts an-
    ders ſihet/ beobachten ſoll: vnd hielten dafuͤr/ wann einer oder mehr vffrichtige
    Mann vber ſolche Vberlaſſungen geſetzt waͤr/ es ſolte wol gerathen.
  • 3. Ein ander Mißbrauch/ wann Prebenden verliehen/ oder andern
    vberlaſſen werden/ iſt eingeſchlichen/ daß man Penſionen oder Einkommen vff
    derſelben Fruͤchten vnd Nutzen ſetzt/ Ja daß der Abgetrettene jederweilen die gan-
    tze Nutzbarkeit jhm vorbehaͤlt. Jn welchem Stuͤck dieſes in acht zu nehmen/
    daß man auß keiner ander Vrſach/ vnd nach keinem andern Recht die Penſionen
    nicht mag ſetzen/ als zu etlichen Allmoſen/ die man zu milten Sachen/ vnd den
    Duͤrfftigen beſcheiden ſoll. Dann die Einkommen ſind mit der Prebend ver-
    bunden/ wie der Leib mit der Seel. Darumb gehoͤren ſie auß jhrer Natur vnd
    Eygenſchafft deme/ ſo die Prebend hat/ auff daß er von denſelben koͤnne ehrlich/
    vnd nach ſeinem Stand leben/ vnd zugleich die Außlagen zu dem Gottesdienſt
    ertragen/ Kirchen vnd Geiſtliche Gebaͤw handhaben/ was aber vbrig iſt/ zu milten
    Sachen anwende. Dann dieſes erfordert ſolcher Gefaͤll Natur vnd Eygen-
    ſchafft. Wie aber in dem Lauff der gantzen Welt die allgemeine Natur jederwei-
    len etwas der Zuneygung derſelben allgemeinen Natur zu wieder thut/ alſo ge-
    ſchichts bey dem Bapſt/ daß er/ der ein allgemeiner Vatter der Kirchenguͤter iſt/
    wann er ſihet/ daß einiges Theil/ der Gefaͤll/ ſo zu milten Sachen ſolten gebraucht
    werden/ oder daß ein Theil zu einigen andern milten Sachen beſſer zu gebrauchen
    waͤre/ kan er auſſer allem Zweiffel ſolches thun. Darumb kan er mit gutem
    Recht ein Gefaͤll ſetzen/ einem Duͤrfftigen/ ſonderlich einem Geiſtlichen zuhelffen/
    damit derſelb ein ehrlich Außkommen/ nach ſeinem Stand habenmoͤge. Jſt dero-
    wegen
    [8]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
    wegen ein groſſer Mißbrauch/ daß man alle Gefaͤll hinterhaͤlt/ vnd daß man alles
    wegnimbt/ was zu dem Gottesdienſt/ vnd Vnterhalt deſſen/ ſo die Prebend hat/
    gegeben ſolt werden: Vnd deßgleichen/ daß man den reichen Geiſtlichen/ die von
    jhren Gefaͤllen/ ſo ſie haben/ wol vnd ehrlich leben koͤnnen/ nichts nimbt/ iſt gewiß-
    lich auch ein groſſer Mißbrauch/ der mit dem vorigen wider abgehen ſoll.
  • 4. Auch lauffen viel ander Mißbraͤuch bey Vmbwechſelung der Pre-
    benden mit vnter/ wann man Vertraͤge auffricht/ welche alle vnter die Geiſtliche
    Kraͤmerey gehoͤren/ vnd kein ander Abſehen als den Gewinn haben.
  • 5. Noch ein andern Mißbrauch iſt gaͤntzlich abzuſchaffen/ welcher bey dieſem
    Hooff/ durch etlicher Spitzkoͤpffe Verſchlagenheit allbereit in Schwang kom-
    men. Dann da in einem gewiſſen Geſatz verſehen/ daß die Prebenden durch
    Teſtament oder letzten Willen nicht moͤgen verſchafft werden/ weil ſie nicht deß
    Abſterbenden/ ſondern der Kirchen ſind/ vnd zwar auß dieſer Vrſach/ damit das
    Geiſtliche Gut vor alle Frommen gemein erhalten/ nicht aber eines oder deß an-
    dern Eygenthumb wurde; hat Menſchliche/ nicht aber Chriſtliche Witz ſehr viel
    Wege/ dieſem Geſatz zu Nachtheil erfunden. Dann es werden Biſthumb vnd
    andere Prebenden abgetretten/ vnd erſtlich der Zutritt vorbehalten/ da man noch
    hinzuſetzt/ auch den Vorbehalt der Gefaͤll/ vnd noch die Collatur der Prebenden.
    Vber diß beſchwehret man den Vorbehalt der Verwaltung/ vnd wird vff ſolche
    Weiſe ein Biſchoff/ der kein Biſchofflich Recht hat; vnd ein ander/ dem alle Bi-
    ſchoffliche Rechten geziemen/ doch nicht zu einem Biſchoff gemacht. Hie moͤgen
    E. H. ſehen/ wie weit dieſe Schmeichelhafft Lehr gegangen; dadurch es dahin kom-
    men/ daß einer/ was jhm nur beliebt/ thun mag. Vnd lieber/ was iſt es anders/
    als einen Erben in die Prebend ſetzen. Noch hat man neben dieſem ein andern
    Betrug erfunden/ wann man nemblich den Biſchoffen vff jhr Begehren Coad-
    jutorn
    oder Mithelffer gibt/ die weniger als ſie ſelbſt taugen; alſo daß einer/ er wol-
    te jhm dann ſelber die Augen außſtechen/ klaͤrlich ſihet wie vff ſolche Weiſe der Erb
    eingeſetzt wird.
  • 6. Deßgleichen iſt ein vhralt Geſatz/ ſo Bapſt Clemens ernewert/ daß
    der Prieſter Soͤhne jhrer Vaͤtter Prebenden nicht haben moͤgen/ auff daß nemb-
    lich ſolcher Geſtalt/ was gemein iſt/ nicht Eygenthumb werde. Doch geſchicht/ wie
    wir vernehmen/ bey dieſem hochheiligen Geſatz/ Nachlaß. Wir wollen nicht ver-
    ſchweigen/ was ein jeder verſtaͤndiger Mann bey ſich ſelbſt wird vor mehr dann
    wahr befinden/ nemblich daß kein ander Ding die Cleriſey ſo verhaſſt gemacht; da-
    her ſo viel Vffruhren entſtanden/ vnd noch zugewarten/ als eben dieſe Enteuſſe-
    rung der Geiſtlichen Gefaͤll/ ſo nicht mehr gemein/ ſondern Eygenthumb werden.
    Hiebevor ſtund jederman in guter Hoffnung/ jetzt hat mans dahin gebracht/ daß
    man daran verzweiffelt/ vnd die Zungen wider dieſen Stuel ſchaͤrpffet.
  • 7. Ein ander Mißbrauch iſt bey den Expectativen, oder Wart- vnd Vor-
    behaltsbriefen der Prebenden/ dadurch beydes Anlaß geben wird/ eines andern
    Todt
    [9]Ander Theil.
    Tod zubegehren/ vnd denſelben gern zuvernehmen. Auch wird der euſſerſte Zu-
    tritt den Wuͤrdigſten verſchlagen/ wann eine Stell ledig kompt/ vnd Vrſach zu
    zancken gibt/ wir meynen/ man ſol ſolches alles abſchaffen.
  • 8. Ein ander Mißbrauch hat ſich durch gleiche Verſchlagenheit funden.
    Dann es ſind etliche Prebenden nach dem Recht/ werden auch genannt Incom-
    patibel,
    oder gantz abſonderlich/ durch deren Namen vnſere Voraͤltern ſelbſt vns
    wollen andeuten/ daß ſie einer Perſon nicht ſollen zugleich verliehen werden:
    Heut zu Tag wird nicht nur in zweyen/ ſondern in mehren/ fuͤrnemlich in Biſch-
    thummern Nachlaß geben. Dieſe Gewonheit/ die nur auß Geitz vberhand ge-
    nommen/ ſoll man auch vnſers Erachtens/ fuͤrnemlich in den Biſchthummern
    abſchaffen. Vnd was ſoll die Verein der Prebenden auff eines einigen Men-
    ſchen Leben? Auff daß/ nemlich dieſelbe Menge der Prebenden nicht hindere/ an
    Erlangung der abſonderlichen Prebenden: iſt dann dieſes nicht dem Geſetz recht-
    ſchaffen die Naaſe gedrehet?
  • 9. Auch hat ein ander Mißbrauch den Schwang genommen/ daß den
    hochwuͤrdigſten Cardinaͤlen Biſchthummer/ vnd zwar nicht eines allein/ ſon-
    dern mehr/ verlichen oder anbefohlen werden/ welches/ allerſeligſter Vatter/ wir
    hochwichtig in der Kirchen Gottes achten. Erſtlich zwar/ weil das Cardinal-
    Ampt vnd das Biſchoffliche Ampt nicht beyeinander ſtehen. Dann deß Car-
    dinals Ampt iſt/ daß er E. H. zur Hand ſtehe/ die allgemeine Kirch zu regieren:
    Aber deß Biſchoffs Ampt erfordert/ daß er ſeine Herde/ welches er nicht wol/
    noch wie er thun ſoll/ leyſten kan/ wann er nicht bey ſeinen Schaaffen/ wie ein Hirt
    bey der Herde/ wohnet.
  • 10. Vber dieſes/ heiliger Vatter/ hindert dieſer Gebrauch mit dem Ex-
    empel ſchaͤdlicher Weiß. Dann/ wie wird dieſer heilige Stul an andern Perſo-
    nen den Mißbrauch koͤnnen richten vnd verbeſſern/ wann derſelbe an ſeinen fuͤr-
    nehmſten Gliedern geduldet wird? Wir meynen auch/ nicht daß jhnen/ weil ſie
    Cardinaͤl ſind/ deſto mehr/ ſondern eben darumb weit weniger erlaubt ſey/ das
    Geſetz zuvberſchreiten. Dann jhr Leben ſoll andern ein Geſetz geben. Auch iſt es
    nicht rahtſam/ daß man es nicht macht/ wie die Phariſeer/ die reden vnd thun
    nicht: Dahingegen Chriſtus mit dem Thun angeſangen/ vnd hernach gelehret
    hat. Auch ſchadet ſolcher Gebrauch mehr dann ſonſten/ wann man in Kirchen-
    ſachen zu Raht ſitzet. Dann dieſe Verguͤnſtigung vnterhelt den Geitz zu dem/
    ſo bewerben ſich die Cardinaͤl bey Koͤnigen vnnd Fuͤrſten vmb die Biſchthum-
    mer/ vnd hangen hernach eben deßwegen denſelben an: Koͤnnen auch jhre Mey-
    nung nicht frey außſagen/ ja/ wann ſies koͤnten vnd wolten/ würden doch jhre/
    durch Zuneygung verwuͤrrete Gemuͤhter ein Vrtheil ſchoͤpffen vnnd betriegen.
    Vnd wolte GOtt/ daß dieſe Gewonheit deßwegen fiele/ vnd den Cardinaͤlen al-
    len gleiche Verſehrung geſchehe/ nach jhrer Wuͤrde ehrlich zuleben/ welches wir
    leicht thunlich erachten/ wann wir den Mammonsdienſt nur ablegen/ vnd Chri-
    ſto allein dienen wolten.

B11. Wann
[10]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
  • 11. Wann nun dieſe Stuͤcke/ welche die Beſtellung Ew. Heil. Diener
    betreffen/ durch welche/ als Werckzeuge/ der Gottesdienſt beydes wol verſchen/
    vnd das Chriſtenvolck in Chriſtlichem Leben wol vnterwieſen vnd regiert kan wer-
    den/ verbeſſert ſind/ muͤſſen wir ferners zu deme ſchreiten/ was die Regierung deß
    Chriſtenvolcks angehet. Jn welchem Handel/ allerſeligſter Vatter/ jener
    Mißbrauch zuforderſt vnd vor allem andern zuverbeſſern/ daß nemlich die für-
    nehmſte Biſchoffe/ vnd auff der Reyhe die Erſten/ darnach die Pfarꝛer von jhren
    Kirchſpielen/ es geſchehe dann auß jrꝛgend einer wichtigen Vrſach/ nicht abwe-
    ſend ſeyen/ ſondern/ daß ſie ſich ſetzen/ fuͤrnemlich die Biſchoffe/ wie geſagt: Die-
    weil ſie der jhnen anbefohlen Kirchen-Braͤutigam ſind. Dann/ was kan/ bey
    dem vnſterblichen GOtt/ ein Chriſten Menſch mehr elendlichers ſehen/ wann er
    die Chriſtenheit durchwandert/ als ſolche einſame Kirchen. Es ſind ſchier alle
    Hirten von jhren Herden gewichen/ man hat ſchier alles den Miedlingen ver-
    trawet. Derhalben muͤſte man den Biſchoffen für andern/ darnach den Pfar-
    rern/ ſo bey ihrer Herden nicht ſind/ nicht nur ein groſſe Straaff deß Verweiß
    aufflegen/ ſondern/ daß auch die Abweſende keine Gefaͤll ſolten ziehen/ es haͤtten
    dann die Biſchoffe von Ew. Heiligkeit/ vnnd die Pfarꝛer von jhren Biſchoffen/
    deſſen Verguͤnſtigung auff ein kurtze Zeit erlangt. Hieruͤber mag man etliche
    Geſetz/ vnd etlicher Concilien Schluß leſen/ darinn verſehen/ daß keinem Bi-
    ſchoff erlaubt ſey/ von ſeiner Kirchen vber drey Sontage außzubleiben.
  • 12. Auch iſt diß ein Mißbrauch/ daß ſo viel hochwuͤrdigſte Cardinaͤl von die-
    ſem Hof abweſend/ im geringſten nichts thun/ was der Cardinaͤl Ampt erfordert/
    darumb/ ob ſchon vielleicht nicht alle/ weil wir vor rahtſam erachten/ daß jhrer et-
    liche in jhren Landſchafften ſich auffhalten; ſintemal durch ſie/ als durch Wur-
    tzeln/ ſo ſich durch die gantze Welt hin vnd her außſtrecken/ die Voͤlcker an dieſem
    Roͤmiſchen Stul erhalten weꝛden/ doch den mehrerntheil Ew. Heil. gen Hoff/
    daſelbſt zu reſidieren/ beruffen ſolte. Dann auff dieſe Weiß wuͤrde neben dem
    ſie jhr Cardinalsampt verſehen/ auch das Anſehen deß Hoffs vermehret; auch
    erſtattet/ wann dem ſelben etwas durch Abzug vieler Biſchoffen/ die ſich zu jhren
    eygenen Kirchen begeben haͤtten/ ſolte abgangen ſeyn.
  • 13. Ein ander groſſer Mißbrauch/ der auch gar nicht zudulden/ vnd dar-
    durch ſich die gantze Chriſtenheit aͤrgert/ entſtehet auß den Hindernuͤſſen/ die den
    Biſchoffen bey Regierung jhrer Schaaffe/ fürnemlich aber bey Abſtraff- vnd
    Verbeſſerung der Laſterhafften vorgelegt werden. Dann erſtlich machen ſich
    die boͤſe Leute/ fuͤrnemlich die Cleriſey/ von der Bottmaͤſſigkeit jhres ordentlichen
    Vorgeſetzten/ auff viel Wege frey. Darnach/ wann ſie nicht befreyet/ nehmen
    ſie alſo bald jhre Zuflucht zu der Taxkammer/ oder auch zu der Freykammer/ Da-
    taria
    genannt/ da ſie ohnverzuͤglich den Pfad zu der Vnſtraͤfflichkeit/ vnd zwar/
    welches noch aͤrger iſt/ vmb baar Gelt finden. Dieſes Ergernuͤß/ allerſeligſter
    Vatter/ betruͤbt die gantze Chriſtenheit ſo ſehr/ daß es mit Worten nicht genug-
    ſam
    [11]Ander Theil.
    ſam außzulegen. Daß man dann abſchaffe/ das beſchweren wir Ew. Heilig-
    keit bey dem Blut Chriſti/ mit welchem Er jhm ſeine Kirch erworben/ vnd ſie mit
    demſelben Blut gewaſchen: Ja/ daß man dann ſolche Schandflecken abſchaffe/
    durch welche/ wann jhnen einiger Zutritt bey menſchlichen Republicken/ oder Koͤ-
    nigreichen geſtattet wuͤrde/ alſo bald/ oder gleich vber kurtz alles zu Hauffen fallen
    ſolte/ vnd keines wegs laͤnger beſtehen koͤnte: Gleichwol meynen wir/ es ſey er-
    laubt/ daß ſolche Grewel durch vns in die Chriſten Republick/ das iſt/ in die Kirch
    eingefuͤhret werden.
  • 14. Einen andern Mißbrauch ſoll man an den Ordensbruͤdern verbeſ-
    ſern/ weil deren viel ſo gar verſtelt ſind/ daß ſie die Welt ſehr aͤrgern/ vnd mit jhrem
    Exempel ſehr viel ſchaden. Wir halten/ man ſoll alle Conventsorden abſchaf-
    fen/ doch nicht einigem vnter jhnen zu Schmach vnd Nachtheil/ ſondern durch
    Verbott kein newe anzunehmen. Dann auff ſolche Weiß ſolten ſie ohne jemands
    Nachtheil all vergehen/ an deren Stell man gute Ordensbruͤder verordnen koͤn-
    te. Vor dißmal erachten wir das beſte zuſeyn/ wann alle Knaben/ die das Ge-
    lübd nicht geleyſtet/ von jhren Kloͤſtern abgewieſen wuͤrden.
  • 15. Auch ſetzen wir dieſes zumercken vnd zuverbeſſern/ bey Beſtellung der
    Prediger vnd der Beichtvaͤtter/ von den Bruͤdern/ daß jhre Proͤbſte erſtlich groſ-
    ſen Fleiß anwenden/ damit jene tauglich weren/ darnach/ daß man ſie den Bi-
    ſchoffen vorſtelle/ als denen vor allen andern/ die Kirch zuverſorgen ſtehet/ von
    denen ſie ſelbſt/ oder durch taugliche Maͤnner gepruͤfft/ vnd nicht anderſt/ als auff
    derſelben Gutachten das Ampt zuverrichten zugelaſſen wuͤrden.
  • 16. Wir haben droben erwehnt/ allerſeligſter Vatter/ daß keines wegs er-
    laubt ſey/ einigen Gewinn bey Gebrauch der Schluͤſſeln vor ſich zuſuchen; dann
    Chriſti Wort iſt hierinn veſt: Vmbſonſt habt jhrs empfangen/ vmbſonſt ſolt jhrs
    hingeben/ welches nicht nur Ew. Heiligkeit/ ſondern alle die jenige angehet/ die
    dieſes Gewalts theilhafftig ſind. Darumb wolten wir/ daß deß Stuls Geſan-
    de/ vnd Bottſchafften/ eben dieſes auch hielten. Dann gleich wie der Gebrauch/
    der nunmehr im Schwang gehet/ dieſen Stul vervnehret/ vnd das Volck betrü-
    bet; alſo ſolte/ wann das Widrige geſchehe/ dieſem Stul die groſſe Zierde heym-
    wachſen/ vnd das Volck wunderwol erbawet werden.
  • 17. Ein ander Mißbrauch betruͤbet die Chriſtenheit an denen Nonnen
    vnd Kloſterfrawen/ die der Conventsbruͤder Obacht vnterworffen ſind/ da in den
    mehrern Kloͤſtern offentlicher Kirchenraub/ mit jedermans groͤſtem Ergernuͤß
    fuͤrgehet. Darumb wolle Ew. Heiligkeit all ſolche Obacht den Conventsbruͤ-
    dern abnehmen/ vnd befehle ſie entweder dem ordentlichen Vorgeſetzten/ oder je-
    mands anders/ wie ſie es am beſten wird befinden.
  • 18. Ein groſſer vnd verderblicher Mißbrauch gehet vor auff den offentli-
    chen Schulen/ fuͤrnemlich in Jtalien/ auff welchen viel Lehrer auß der Philoſo-
    phey gottloſe Sachen vorleſen/ ja in den Kirchen ſehr gottloß zancken vnd diſpu-
    B ijtieren:
    [12]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
    tieren: Vnd da ſchon etwas Gottſeliges vnter der Hand/ werden Goͤttliche Sa-
    chen vor dem Volck/ ohne Ehrerbietung/ verhandelt. Darumb meynen wir/
    man ſolte den Biſchoffen befehlen/ daß da offentliche Schulen ſind/ die Lehrer/ ſo
    leſen/ erinnert wuͤrden/ keine Gottloſigkeit in die Jugend zupflantzen/ ſondern
    die Bloͤdigkeit deß natürlichen Liechts in denen Fragen zu zeigen/ ſo GOtt/ die
    Ernewerung der Welt/ die Ewigkeit/ vnd dergleichen beruͤhren; vnd ſie vielmehr
    zur Gottſeligkeit anweiſen. Deßgleichen/ daß ſie auch kein offentliche Diſpu-
    tatz von dergleichen Fragen/ noch auch von ſchrifftlichen geiſtlichen Sachen/ wel-
    che gewißlich bey dem gemeinen Poͤbel viel von jhrem Anſehen verlieren/ geſtat-
    ten/ ſondern/ daß man daheym von dieſen Sachen/ vnd offentlich von andern na-
    tuͤrlichen Fragen diſputiere. Vnd eben dieſes ſolte man allen andern Biſchof-
    fen einbilden/ ſonderlich denen in den groſſen Staͤtten/ in welchen dergleichen
    Diſputatzen pflegen vorzugehen. Bey den Druckereyen ſolte man gleichen
    Fleiß ſpuͤren laſſen/ vnd an alle Fuͤrſten ſchreiben/ daß ſie die Vorſehung thaͤten/
    damit nicht alle vnd jede Buͤcher in jhrem Land auffgelegt wuͤrden: Welche Ob-
    acht man den ordentlichen Vorgeſetzten geben koͤnte. Vnd weil man jetziger
    Zeit den Knaben in den Schulen Eraſmi Geſpraͤch pflegt zuerklaͤren/ darinn viel
    Ding befindlich/ ſo die zarten Gemühter zur Gottſeligkeit abfuͤhren/ ſolte man
    deßwegen ſolche/ vnd alle andere dergleichen in den vnterſten Schulen zuleſen ver-
    bieten. Dieſem nach/ was zu Vnterweiſung Ew. Heiligkeit Diener bey die-
    ſer der allgemeinen Kirchen Vorſorg/ vnd darnach bey derſelben Verwaltung
    gereychen moͤgen/ ſoll noch wegen der geiſtlichen Gnaden/ welche von ewrer Se-
    ligkeit geſchehen/ gemerckt werden/ daß vber vorige Mißbraͤuch auch noch andere
    ſind eingefuͤhret worden.
  • 19. Der erſte iſt an den Ordensbruͤdern/ ſo abgefallen/ vnd nach dem of-
    fentlichen Geluͤbd von jhrer Religion abtretten/ vnd erlangen/ daß ſie nicht ge-
    halten ſind/ jhres Ordens Kleyd/ ja/ kein Wahrzeichen deſſelben/ ſondern nur ein
    ehrlich geiſtlich Kleyd zutragen; daß wir jetzt vom Gewinn ſtillſchweigen. Dann
    wir haben ſchon von Anfang geſagt/ es ſey nicht erlaubt/ daß man auß dem Ge-
    brauch der Schlüſſel/ vnd der von Chriſto ertheilten Gewalt/ jhm einigen Ge-
    winn verſchaffe/ ſondern/ daß man ſich auch dieſer Gnad ſoll enthalten/ dann das
    Kleyd iſt ein Zeichen deß Wandels/ dannenhero es auch von Biſchoffen/ dem die-
    ſe Abgefallene verhafft ſind/ nicht kan erlaſſen werden; ſo fern ſolte jhnen dann
    dieſe Gnad nicht geſtattet ſeyn/ auch nicht/ wann ſie vom Geluͤbd abgetretten/
    das ſie GOtt gethan/ jhnen erlaubt ſeyn/ Prebenden/ oder Verwaltungen zu-
    haben.
  • 20. Ein ander Mißbrauch iſt bey den Rentmeiſtern deß heiligen Geiſtes/
    deß H. Ampts/ vnd andern dieſer Gattung/ welche die Bawren vnd einfaͤltige
    Leut betriegen/ vnd mit vnzehlichem Aberglauben verwickeln: Wir halten/ man
    ſolte ſolche Rentmeiſter abſchaffen.

21. Ein
[13]Ander Theil.
  • 21. Ein ander Mißbrauch iſt bey dem Nachlaß/ gegen einem ſo in heili-
    gem Orden ſtehet/ daß er moͤge ein Weib nehmen. Dieſer Nachlaß ſolte keinem
    nicht widerfahren/ als nur Zuerhaltung einiges Volcks/ oder Geſchlechts; da
    das gemeine Weſen am hoͤchſten zubetrachten were/ ſonderlich bey dieſen Zeiten/
    da die Lutheraner dieſe Sach am hoͤchſten treiben.
  • 22. Ein Mißbrauch iſt auch im Nachlaß bey Eheſtifftungen/ zwiſchen
    Blutsfreunden oder Schwaͤgern/ der gewißlich im andern Grad; der/ wie wir
    meynen/ nicht ſeyn ſolte/ es were dann auß einer wichtigen gemeinen Vrſach: A-
    ber in den andern Graden nicht anderſt/ als auß ehrlicher Vrſach/ vnd ohne Gelt/
    wie wir geſagt haben/ ſie weren dann ſchon zuvor beyſammen: Jn welchem Fall
    es erlaubt were/ eine Geltſtraff vor die Loßzehlung der ſchon begangenen Suͤnde/
    nach der Loßzehlung auffzuſetzen/ vnd zu milden Sachen/ in welchen Ew. Hei-
    ligkeit Außgaben hat/ zuverordnen. Dann gleich/ wie/ wo keine Suͤnde iſt/ bey
    dem Gebrauch der Schluͤſſel/ kein Gelt kan gefordert werden; alſo kan/ wo die
    Loßzehlung von der Suͤnde begehrt wird/ eine Geltſtraff aufferlegt/ vnd zu mil-
    den Sachen verordnet werden.
  • 23. Ein ander Mißbrauch iſt bey Loß zehlung der geiſtlichen Kraͤmerey/
    ach Elend vnd Jammer! wie maͤchtig herꝛſchet dieſes gifftige Laſter in der Kir-
    chen Gottes/ alſo/ daß etliche ſich nicht ſchewen/ ſolche Kraͤmerey zutreiben; dar-
    nach alſobald die Loßzehlung von der Straaff begehren/ ja auch kauffen/ vnd alſo
    die Prebenden/ ſo ſie erkaufft/ behalten. Wir ſagen nicht/ daß Ew. Heiligkeit
    nicht Macht habe/ dieſelbe Straaff/ welche nach gemachtem Recht iſt/ jhnen nach-
    zulaſſen; ſondern/ daß ſie es auff keinerley Weiſe nicht thun ſollen/ damit einem
    ſo groſſen Laſter/ ſintemal nichts ſchaͤdlichers/ noch aͤrgerlichers iſt/ Widerſtand
    geſchehe.
  • 24. Auch ſolte die Verguͤnſtigung/ daß die Geiſtlichen von Kirchenguͤ-
    tern jhren letzten Willen verfaſſen/ nicht vorgehen/ als nur vmb dringender Vr-
    ſachen willen; auff daß die Güter der Armen nicht zu eygenen Wolluͤſten vnd
    Fortpflantzung der Haͤuſer verwendet werden.
  • 25. Aber das Beichtrecht/ mit dem Gebrauch eines Wandelaltars/ ſolte
    man nicht leichtlich erlauben/ dann auff ſolche Weiſe kommen die Kirchen.
    Sachen- vnd diß allerfuͤrnehmſt Sacrament allgemach in Verachtung. Deß-
    gleichen ſolte man auch keinen Ablaß außtheilen/ als nur einmal deß Jahrs in
    einer jeden Kirch der groſſen Staͤtten: Auch die Geluͤbd nicht ſo leichtlich/ dann
    nur in ein gleichguͤltiges gute Werck vmbwechſeln.
  • 26. Auch pflegt der letzte Will deren/ ſo jhr Teſtament machen/ ſich zu-
    veraͤndern/ wann ſie zu milden Sachen ein gewiſſe Summa Gelts verſchaffen/
    die ſie auß Vollmacht Ew. Heiligkeit/ auff den Erben/ oder Erbnamen/ wegen
    vorgewandter Armuht/ ꝛc. vbermachen/ vnd ſolches gewißlich wegen deß Ge-
    winns/ es were dann in deß Erben Haußweſen ein groſſe Veraͤnderung/ nach deß
    B iijTeſtie-
    [14]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
    Teſtierers Tod vorgangen/ alſo daß zuvermuhten/ daß er wegen ſolcher Veraͤnde-
    rung ſeinen Willen gewißlich haͤtte aͤndern wollen: Daß man nun deß Teſtie-
    rers Willen veraͤndere/ iſt gottloß/ vom Gewinn haben wir ſchon offt geſagt/ dar-
    umb meynen wir/ man ſolte gar kein Hand anlegen.
  • 27. Nachdem wir nun alles vberhaupt erklaͤret/ was der allgemeinen Kir-
    chen Bapſt betrifft/ ſo iſt noch vbrig/ als viel wir nachſinnen koͤnnen/ daß wir auch
    von dem etwas ſagen/ was den Roͤmiſchen Biſchoff angehet. Die Roͤmiſche
    Buͤrgerſchafft vnd Kirch iſt eine Mutter vnd Lehrerin anderer Kirchen: Dar-
    umb ſoll Gottesdienſt vnnd Ehrbarkeit in Sitten bey jhr fuͤrnemlich im
    Schwang gehen/ deßwegen aͤrgern ſich/ allerſeligſter Vatter/ alle Frembde/ die
    i[n] deß allerſeligſtẽ Petri Tempel gehen/ wann etliche vnſaubere/ vngelehrte Prie-
    ſter mit ſolchen Kleydern/ deren ſie ſich auch in vnſaubern Haͤuſern mit Ehren
    nicht koͤnten bedienen/ Meßleſen/ welches dann jedermaͤnniglich ein groſſes Er-
    gernuͤß iſt; darumb ſoll man dem hochwuͤrdigen Ertzprieſter/ oder dem hochwuͤr-
    digen Bußmeiſter befehlen/ ſolches zubeſtellen/ vnd diß Ergernuͤß abzuthun. Vnd
    nicht nur an dieſem Ort/ ſondern in allen andern Kirchen.
  • 28. Es geben auch in dieſer Statt die Huren/ wie ehrliche Weiber/ durch
    die Statt/ oder reiten auff Mauleſeln; denen bey hellem Tag die edle Freunde der
    Cardinaͤl/ vnd die Geiſtliche nachpoſtieren. Solche verderbliche Art haben wir
    in keiner Statt/ als in dieſer/ ſo allen andern ſolte Muſter geben/ geſehen/ auch
    wohnen ſie in herꝛlichen Haͤuſern. Welcher ſchaͤndliche Mißbrauch ebenmaͤſſig
    zuverbeſſern iſt.
  • 29. Auch regiert in dieſer Statt/ Haß vnd Feindſchafft zwiſchen gemei-
    nen Buͤrgern/ daran dem Bapſt fürnemlich gelegen/ daß ſie beygelegt/ vnd die
    Bürger vereiniget werden: Darumb ſolte man ſolche Feindſchafft durch etli-
    che Cardinaͤl/ die fuͤrnemlich geborne Roͤmer/ vnd deßwegen deſto fuͤglicher dar-
    zu weren/ vnterbrechen/ vnd der Buͤrger Gemuͤhter wider vergleichen.
  • 30. Jn dieſer Statt finden ſich Spitaͤl/ Waiſen/ Wittwen/ deren Be-
    obachtung fuͤrnemlich dem Biſchoff vnd dem Fuͤrſten zukompt. Darumb koͤnte
    Ew. Heiligkeit durch die Cardinaͤl/ als fromme Maͤnner/ auch dieſes alles fuͤglich
    verſorgen.

Dieſes haben/ allerſeligſter Vatter/ wir vor dißmal nach vnſerm geringen
Verſtand zuſammen tragen wollen das wir auch noͤhtig zubeſſern erachten. Vnd
haben gewißlich/ wo nicht dem wichtigen Werck/ welches weit vber vnſere Kraͤff-
ten gehet/ doch vnſerm Gewiſſen ein Gnuͤgen gethan/ nicht ohn groſſe Hoffnung/
wir werden vnter Ew. Heiligkeit Fuͤrſtenthumb die Kirche Gottes gereiniget/
ſchoͤn/ wie eine Taube/ jn jhr ſelbſt einig/ auff einem Leib einhellig/ neben einem
ewigen Gedaͤchtnuͤß Ew. Heiligkeit Namens ſehen. Ew. Heiligkeit haben jhr
den Namen Pauli erwehlet vnd genommen/ vnd wird/ wie wir hoffen/ Pauli Leib
an ſich nehmen: Derſelb war erwehlet/ wie ein Gefaͤß/ welches den Namen
Chriſti
[15]Ander Theil.
Chriſti vnter die Voͤlcker truge. Wir aber hoffen/ Ew. Heiligkeit ſey erwehlet/
den Namen Chriſti/ ſo nunmehr vnter den Voͤlckern/ vnd bey vns Geiſtlichen in
Vergeß kommen/ wider auffzurichten/ die Schwachheit an vnſern Hertzen vnd
Wercken zuheylen/ die Schaaff Chriſti in einen einigen Schaaffſtall zufuͤhren/
den Zorn Gottes/ vnd die jenige Rach/ ſo wir verdienen/ vnd ſchon bereit iſt/ auch
vber vnſerm Haupt ſchwebet/ von vns abzuwenden.


Vnd diß iſt der Roͤm. Deputierten Praͤlaten Cenſur vber das gantze Kir-
chenweſen/ welches ſie dem Bapſt zwar vberreycht/ aber ohne Nachdruck geſehen:
Daruͤber Spenſæus, ein ſehr gelehrter Sorboniſt vnd Biſchoff hoͤchlich klaget/
auch den angebottenen Cardinal-Hut von Paulo IV. nicht wollen annehmen/ ſich
vor frembder Suͤndenſchuld zubewahren. Gleichwol ließ Paulus III. die Sach
anſtehen/ biß ſich das Concilium zu Trient nach langer Verwechſelung vnd
Verweilung geſetzt; da er diß Bedencken den Herꝛn Praͤlaten laſſen vortragen.
Vnd ob ſchon dieſelben zu vnderſchiedlichen mahlen Stuͤckweiß darvon gehan-
delt/ iſt doch nichts wuͤrckliches darauff erfolget.



Der ander Diſcurß.


Wie das Concilium vortheilhafftiger Weiſe vom Keyſer zuruͤck ge-
halten: Jn deß der Papſt ſeinen Sohn mit Parma vnd Placentz belehnet. Das
Concili[u]m gehet an: Daruͤber vnderſchiedliche Vrtheil fallen. Von Ordnung deß
Concilii, vnd vielen Vorworten. Wie Luther geſtorben/ der Pfaltzgraff bey
Rhein vom Roͤmiſchen Stul abgefallen/ vnd Vergerius, geweſener Baͤpſtiſcher
Abgeſander/ ſich zu den Proteſtierenden offentlich bekennet. Wie der Bann wi-
der den Ertzbiſchoff zu Coͤllen auffgenommen worden.


WAs aber das Concilium belanget/ war daſſelbe gen Trient zwar gelegt/
gieng aber ſehr langſam fort/ zumal der Keyſer auff dem letzten Reichs-
tag den Frieden noch weiter fortgeſtelt/ vnd ein andern Reichstag auff
das folgende Jahr benahmet/ auch ein Geſpraͤch wegen der Religion
verordnet hatte. Auch lieſſen die Proteſtierende ein Buch außgehen/ daß ſie
ſich zu Trient nicht koͤnten einſtellen/ weil der Papſt daſelbſt nicht als Parthey/
ſondern als Richter ſeyn wolte/ auch der Ort nicht in Teutſchland lege. Doch
war man beydes zu Rom vnd zu Trient mit deß Keyſers Schluß/ ſo auff gehalte-
nem Reichstag ergangen/ vbel zufrieden/ daß er/ der ein weltlicher Herꝛ war/ ſich
in Religionsſachen einmiſchete: Vnd hatte es daſelbſt bey Maͤnniglichen das
Anſehen/ als wann er das Concilium auffheben/ vnd vernichten wollen/ demnach
daſſelbe vor der Thuͤr/ vnd er gleichwol anderſtwo eine Handlung von der Reli-
gion angeſtelt haͤtte. Die Praͤlaten/ ſo dazumal zu Trient waren/ redeten alle
gantz
[16]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
gantz ſchmaͤhlich von gedachtem Schluß/ vnd ſagten: Er wer aͤrger/ dann der zu
Speyer: Vnd verwunderten ſich/ daß der Papſt/ welcher wider denſelbigen ein ſo
groſſen Ernſt erwieſen haͤtte/ zu dieſem ſolte ſtillſchweigen/ vnd ſich auch noch
nichts darwider vernehmen ließ/ nachdem das Concilium außgeſchrieben/ vnd
verſamlet worden. Sie nahmen da zu einem offentlichen Merckzeichen/ daß ſie
ſich vergeblich zu Trient auffhielten/ vnd daß es jhnen eine Schand were/ laͤnger
da zubleiben. Ob ſchon die Abgeſanden das beſte thaͤten/ ſie beyeinander zuhal-
ten/ auch keinem kein Erlaubnuß gaben/ machten ſie ſich doch von Tag zu Tag
wider nach Hauß/ biß auff wenige.


Aber zu Rom/ wiewol man auff der Handlung/ die der Cardinal Farneſius
gepflogen/ wol zuvor geſehen/ daß es alſo ergehen wuͤrde/ die weil es aber geſche-
hen/ fienge man an/ der Sachen etwas fleiſſiger nachzudencken. Man erwoge/
daß der Keyſer viel ein andern Zweck hatte/ als der Papſt. Dann der Keyſer/
in dem er die Sach alſo hangen ließ/ brachte in Teutſchland zuwegen/ was er nur
wolte. Den Proteſtierenden macht er Hoffnung/ wann ſie jhm willfahr [...]n/
das Concilium zuhindern; wo aber nicht/ muſten ſie ſich foͤrchten/ er wuͤrde daſſel-
be fortgehen/ vnd wider ſie procedieren laſſen. Darumb verſchaffet er/ daß jm-
mer etwas newes vorfiel/ dadurch die Sachen hangen blieben; vnd ſchlug jeder-
weilen fuͤr/ daß man das Concilium anderſtwohin verlegen ſolte: Ließ ſich auch
vernehmen/ er moͤchte wol leyden/ daß das Concilium in Jtalien/ vnd zwar zu
Rom gehalten wuͤrde/ damit der Papſt vnd die Jtalianiſche Praͤlaten/ ſolchem
Fuͤrſchlag deſto lieber Gehoͤr geben/ vnd das Concilium verziehen ſolten. Der
Papſt ſtund in groſſen Aengſten: Bißweilen kam jhn der Luſt an/ den ſeine Vor-
fahren gehabt/ das Concilium gar vnterwegen zulaſſen/ vnd rewete jhn/ daß er ſo
weit fortgeſchritten: Gleichwol ſahe er/ daß er ohn groß Ergernuͤß vnd Gefahr
ſolches nicht koͤnte an Tag geben/ vnd denen wenigen/ die ſich noch zu Trient hiel-
ten/ abdancken. Hinwiderumb ſohe er auch/ daß das Concilium das rechte Mit-
tel/ die Ketzerey zudaͤmpffen/ nicht waͤre. Dann Jtalien betreffend/ were es viel
beſſer/ ja der einige Weg/ daß man mit Gewalt/ vnd durch das Ampt der Jnquiſi-
tion verfuͤhre/ deren man durch das Concilium, auff wel des man warten thaͤte/
verhindert wuͤrde. Was aber Teutſchland anlangete/ waͤre es offenbar/ daß
das Concilium der Sachen mehr hinderlich/ dann befoͤrderlich ſeye: Vnd da es
je ſolte gehalten werden/ zweiffelte er ſehr/ ob er dem Keyſer den halben Theil deß
Einkommens/ vnd die Lehengefaͤll der Kloͤſter in Spanien/ die er ihm verheiſſen
hatte/ ſolte folgen laſſen: Thaͤte er nicht/ ſo wuͤrde er ſeine Majeſtaͤt hefftig erzuͤr-
nen; thaͤte ers/ ſo beſorgte er ſich/ die Spaniſche Praͤlaten wuͤrden jhren Wider-
willen gegen jhm im Concilio ſpuͤren laſſen/ daß er einem andern gebe/ was jh-
nen zuſtuͤnde. Vnd kam dieſes noch darzu/ daß er gedachte/ ſie wuͤrden zuge-
ben/ vnd zugleich den Koſten/ der auff das Concilium gieng/ zufuͤhren. Es fiel jhm
auch ein/ daß die auß Franckreich ſich zu jhnen thun/ vnd es mit jhnen halten
moͤch-
[17]Ander Theil.
moͤchten/ nicht zwar auß Liebe/ die ſie zu jhnen trügen/ ſondern damit ſie den Key-
ſer an ſeinem Nutzen vnd Vortheil hindern koͤnten.


Der Papſt ließ jhm dieſe Sach nicht ſo hart angelegen ſeyn/ daß er Parma
vnd Placentz ſolte vergeſſen haben/ wie er ſchon zuvor dem Keyſer zuverſtehen ge-
ben/ ſeinen Sohn damit zubelehnen/ welches er auch vollnbracht/ ohngeacht/ jeder-
man daruͤber murꝛete/ daß nemlich/ eben zu der Zeit/ da man von Reformation
der Geiſtlichen redete/ das Haupt derſelben ſeinem Sohn/ ſo auß vnehelicher
Vermiſchung gezeuget/ ein Hertzogthumb gebe. Vnd wiewol das gantze Con-
cilium
vbel damit zufrieden/ hat ſich doch allein Johannes Dominicus de Cupis,
Cardinal zu Trani, mit etlich wenigen darwider geſetzt. Wie dann auch Johan-
nes Vega,
Keyſerlicher Geſander/ der Belehnung nicht wollen beywohnen. So
war auch Margreth von Oeſterreich vbel darmit zufrieden/ weil ſie den Titul von
Camerinen verlohr/ vnd dieſen/ wie ſie hoffete/ nicht vberkommen. Jn deſſen
blieb das Concilium gleichſam auff Anckern/ ruhend: Doch beſchloß der Key-
ſer/ es ſolte zwar ſeinen Anfang erlangen/ aber nicht von der Lehr vnd Ketzerey/
damit die Proteſtierenden nicht erzuͤrnet würden/ ſondern nur von der Reforma-
tion handeln. Diß thaͤt dem Papſt in ſeinem Hertzen wehe/ weil er klaͤrlich ſahe/
daß dadurch der Sieg den Lutheranern in die Haͤnde gegeben/ vnd jhm aller Ge-
walt entzogen wuͤrde: Alſo/ daß er ſich nach den Geſpraͤchen vnd Reichstaͤgen/
auff welchen wegen der Religion/ Maß vnd Ordnung gegeben wuͤrde/ richten
muſte: Mitlerweil ſolte auff dem Concilio nichts davon gehandelt/ ſeine Leut-
haber wegen fuͤrgenommener Reformation/ von jhm abwendig gemacht/ er ge-
ſchwaͤcht/ die Lutheraner/ deren Ketzerey man entweder dulden/ oder doch nicht ver-
dammen ſolte/ geſtaͤrckt werden.


Demnach er nun Augenſcheinlich merckte/ daß ſein vnd deß Keyſers Fuͤr-
haben widerwertig/ vnd ſich nicht zuſammen reimen wolte/ beſchloß er bey ſich
ſelbſt/ ſeine Anſchlaͤg im Verborgen zuhalten/ vnd ſonſten zu ſeinen Sachen al-
len Fleiß anzuwenden. Derhalben nam er ſich nichts an/ als wann jhm deß
Keyſers Antwort mißfallen/ ſondern ſchrieb ſeinem Nuntio, dem Biſchoff von
Caſerta, dem Keyſer anzudeuten/ daß er jhm zu Gefallen dem Concilio ohn fer-
nern Verzug einen Anfang wolte machen laſſen: Darumb er befohlen/ die Acta
der Concilien fuͤr die Hand zunehmen/ vnd zur Sachen frey vnd vnverhindert/
auff gebuͤhrende Weiß vnd Ordnung zuſchreiten. Alſo antwortet der Papſt
nur in gemein/ vnd meldet nicht/ was fuͤr Sachen am erſten/ oder gar nicht fuͤr-
zunehmen weren/ doch bedacht/ ſich deſſen alſo zuentſchuldigen/ daß es niemals
gebraͤuchlich geweſen/ vnd ſeiner vnd deß Concilii Reputation vngemaͤß/ von der
Reformation allein zuhandeln. Als er nun alles den Cardinaͤlen zuerkennen
gegeben/ beſchloß er den letzten Tag deß Weinmonats/ auff jhren Raht vnd
Gutachten/ ſchrieb auch zugleich nach Trient/ daß auff kuͤnfftigen Sontag deß
Advents/ welcher ſeyn wuͤrde der dreyzehende December/ das Concilium eroͤffnet/
Ander Theil. Cvnd
[18]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd deſſen ein Anfang gemacht werden ſolte. Aber der Koͤnig in Franckreich be-
fahl ſeinen dreyen Praͤlaten/ ſich wider nach Hauß zubegeben/ welches ein Au-
zeig/ daß jhm das Concilium nicht gefiel; doch lieſſen ſich ſeine Praͤlaten mit
Muͤhe dahin bereden/ daß jhrer einer zum Koͤnig poſtierte/ die Beſchaffenheit deß
Concilii zuvermelden.


Endlich erſchien der dreyzehende December/ auff welchen der Papſt eine
Bull zu Rom publicierte vom Jubilco, vnd vermeldet/ wie er ein Concilium
außgeſchrieben/ die Wunden der Kirchen/ welche ſie von den Gottloſen Ketzern
empfangen/ zuheylen. Darumb vermahnet er einen jeden/ vnter den Vaͤttern/
ſo in demſelbigen verſamlet/ mit jhrem Gebet zu GOtt/ behuͤlfflich zuerſcheinen:
Vnd damit ſolches mit mehrerm Nachdruck vnnd groͤſſerem Nutzen geſchehen
koͤnte/ ſolte ein jeder beichten/ drey Tag faſten/ vnd in denſelben ſich bey den Creutz-
gaͤngen finden laſſen/ darnach das hochwuͤrdige Sacrament empfangen: Wel-
cher das thun wuͤrde/ der ſolte Vergebung aller ſeiner Suͤnden haben. Denſel-
ben Tag hielten die Praͤlaten/ deren fuͤnff vnd zwantzig waren/ wie auch Geſan-
den/ eine Proceſſion in jhrer Prieſterlichen Kleydung/ von der Kirchen zur Drey-
Einigkeit/ biß zu der Thumbkirchen: Vnd folgten jhnen nach/ die Theologi, die
Cleriſey/ das frembde Volck/ vnd die Jnnwohner der Statt. Als ſie dahin ka-
men/ ſang der Cardinal de Monte, der Erſte vnter den Legaten/ die Meß vom hei-
ligen Geiſt, vnd thaͤt der Biſchoff zu Bitunt eine weitlaͤufftige vnnd zierliche
Predigt; nach welcher die Legaten eine lange Vermahnung lieſſen verleſen/ de-
ren Jnnhalt dieſer: Demnach jhr Ampt were/ bey wehrendem Concilio die
Praͤlaten zuvermahnen/ ſo offt es die Noht erforderte/ were es billich daß ſie ſol-
ches zu Anfang bey dieſer erſten Seſſion thaͤten: Vnd dieweil es mit jhnen den
Legaten/ vnd den Praͤlaten ein gleiche Gelegenheit haͤtte/ ſolten ſolche Vermah-
nungen/ die ſie jetzt/ vnd ins kuͤnfftig thun wuͤrden/ ſie ſelbſten eben ſo wol/ als ande-
re betreffen vnd angehen. Das Concilium were dreyer Vrſachen halben verſam-
let/ nemlich/ die Ketzerey außzurotten/ die Kirchen-Diſciplin wider anzurichten/
vnd den Frieden wider zubringen.


Dahin zugelangen were vor allen Dingen vonnoͤhten/ daß ſie ſich von Her-
tzen in allen dreyen Puncten ſchuldig erkenneten: Der Ketzerey halben/ nicht daß
ſie dieſelbige erwecket/ vnd auff die Bahn gebracht/ ſondern/ daß ſie nicht embſig
genug geweſen/ die gute Lehr zuſaͤen/ vnd das Vnkraut außzureuten. Was den
boͤſen Wandel anlangete/ darvon were nicht noͤhtig viel zuſagen/ ſintemal am
Tag/ daß die Cleriſey vnd die Hirten eben die jenige weren/ die nicht allein mit vie-
len Laſtern behafft ſeyen/ ſondern auch andere verkehrt vnd verfuͤhret haͤtten:
Darumb haͤtte GOtt auch die dritte Plag/ nemlich/ den Krieg geſand/ nicht al-
lein den euſſerlichen wider den Tuͤrcken/ ſondern auch den jnnerlichen/ vnter die
Chriſten ſelbſt. Ohne ſolche jnnerliche vnnd wahrhaffte Erkanntnuß were es
vergeblich/ daß ſie jetzt im Concilio zuſammen kaͤmen/ vnd den heiligen Geiſt
ange-
[19]Ander Theil.
angeruffen haͤtten. Es were Gottes gerechtes Gericht/ der ſie alſo ſtraffete/ wie-
wol ſie noch ein groͤſſere Straaff verdienet haͤtten. So ermahneten ſie nun ei-
nen jeden/ ſeine Suͤnde zubekennen/ vnd den Zorn Gottes zuſtillen. Der heili-
ge Geiſt/ den ſie angeruffen/ wuͤrde nicht auff ſie kommen/ wo ſie jhre Miſſethaten
nicht anhoͤren/ vnd nach dem Exempel Eſdræ, Nehemiæ, vnd Danielis beken-
nen wolten. Daß ſie aber jetzund die Gelegenheit haͤtten/ den Anfang deß Con-
cilii
zumachen/ damit alles wider auff gerichtet/ vnd in guten Stand gebracht
wuͤrde/ das were ein ſonderliche Wolthat Gottes. Es wuͤrde zwar an Wider-
ſachern nicht mangeln/ jedoch were jhres Ampts/ in der Warheit ſtandhafftig
zuſeyn/ ſich vor allen Affecten/ wie Richtern gebuͤhret/ zuhuͤten/ vnd die Ehre Got-
tes allein zuſuchen; in Erwegung/ daß ſie da ſaͤſſen vor dem Angeſicht Gottes/ ſei-
ner Engeln/ vnd der gantzen Kirchen. Zuletzt ermahneten ſie die Biſchoffe/ wel-
che von den Fuͤrſten geſand waren/ daß ſie jhren Herꝛn trewlich vnd fleiſſig dienen/
gleichwol die Forcht Gottes allen andern Dingen vorziehen ſolten.


Nach dieſem wurde die Bull verleſen/ durch welche das Concilium im Jahr
1542. außgeſchrieben worden/ vnd ein Schreiben deß Papſts/ von der Abord-
nung der Legaten/ wie auch die Bull wegen deß Anfangs deß Concilii, welche
zuvor in der Verſamlung war verleſen worden. Bald darauff tratt herfuͤr Al-
fonſus Zorilla,
deß Don Diego Secretarius, vnd vbergab deß Keyſers Befehl/ ob
er ſchon zuvor den Legaten denſelben vberreicht gehabt/ neben einem Brieff deß
Don Diego, in welchem er ſich Kranckheit halben entſchuldigte. Die Legaten ant-
worteten/ daß ſeine Entſchuldigung betreffend/ dieſelbe billig angenommen wuͤr-
de. Was aber den Befehl anlangete/ ob ſie wol es bey der Antwort/ die ſie vor die-
ſem gegeben/ bewenden laſſen koͤnten/ jedoch wolten ſie denſelbigen vmb mehrer
Ehre willen/ noch einmal empfangen/ erwegen/ vnd darnach darauff antworten.
Als dieſes nach der Weiſe der Roͤmiſchen Ceremonien verrichtet/ knieten ſie alle
nider/ vnd thaͤten jhr heimlich Gebet/ das ſie in allen Seſſionen zuthun pflegten:
Darnach das offentliche Adſumus Domine. Sancti Spiritus. Welches der Praͤ-
ſident in aller Namen mit lauter Stimm ſprach. Vnd als die Litaney geſun-
gen/ laſe der Diaconus das Evangelion/ Si peccaverit in te frater tuus. Endlich
wurd der Hymnus geſungen/ Veni Creator Spiritus. Vnd als ſie ſich alle an jh-
ren Ort geſetzt/ brachte der Cardinal de Monte das Decret Fragsweiſe fuͤr/ wel-
ches er auff dieſe Meynung geleſen: Ob es den Vaͤttern gefaͤllig/ zu der Ehre
GOttes/ Außrottung der Ketzerey/ Reformation der Geiſtlichen/ vnd deß gemei-
nen Volcks/ Vertilgung der Feinde deß Chriſtlichen Namens/ zuſchlieſſen vnd
zuerklaͤren/ daß das heilige allgemeine Concilium zu Trient/ ſolte angefangen
werden/ vnd hiemit angefangen wuͤrde? Darauff alle antworteten: Erſtlich die
Legaten/ darnach die Biſchoffe/ vnd die andern Vaͤtter/ durch das Woͤrtlein Pla-
cet.
Weiter ſagte er: Ob jhnen gefaͤllig/ daß die folgende Seſſion wegen der
Feyertaͤgen/ die im alten vnd newen Jahr einfallen wuͤrden/ auff den ſiebenden
C ijJenner
[20]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Jenner deß naͤchſten 1546. Jahrs geſetzt wuͤrde? Darauff ſie gleichergeſtalt ge-
antwortet: Es beliebe jhnen. Als dieſes geſchehen/ erſuchte Hercules Several-
lus,
deß Concilii Promotor, die Notarien/ daß ſie von allem ſchrifftliche Jnſtru-
menten verfertigen wolten. Darnach wurde der Hymnus Te Deum Laudamus
geſungen. Vnd als die Vaͤtter jhre Prieſterliche Kleyder abgelegt/ vnd die ge-
meine wider angezogen/ gaben ſie den Legaten das Gelait/ vnd wurd ein Creutz
vor jhnen getragen. Welche Ceremonien ſind in allen andern Seſſionen vor-
gangen.


Der Anfang von berührter Predigt/ war von Nohtwendigkeit deß Conci-
lii,
dieweil ſchon hundert Jahr verfloſſen/ nach deme das zu Florentz gehalten wor-
den: Vnd dieweil hohe vnd wichtige Sachen/ welche die Kirch angiengen/
nicht wol anderſtwo/ dann in einem Concilio koͤnten verhandelt werden. Jn den
Concilien weren die Glaubensbekanntnuſſen gemacht/ die Ketzereyen verdampt/
die Sitten verbeſſert/ die Nationen in der Chriſtenheit vereinet/ Volck außge-
ſchickt das heilige Land einzunehmen/ Koͤnige vnd Keyſer abgeſetzt/ vnd die Spal-
tungen in der Kirchen auffgehoben worden. Darumb thaͤten die Poeten Mel-
dung von der Goͤtter Concilien: Vnd Moyſes ſchriebe/ wie das Decret von Er-
ſchaffung deß Menſchen/ vnd Verwirꝛung der Spraach der Rieſen gleichſam in
einem Concilio gemacht worden. Die Religion begreiffe drey Stück: Die Lehr/
die Sacrament/ vnd die Liebe: Alle drey bedoͤrfften eines Concilii. Er zeigte
an/ was fuͤr Maͤgel eingeriſſen. Denſelben zubegegnen/ haͤtte der Papſt durch
Gunſt vnd Bewilligung deß Keyſers/ deß Koͤnigs von Franckreich/ deß Roͤmi-
ſchen Koͤnigs/ deß Koͤnigs auß Portugal/ vnd aller Chriſtlichen Fuͤrſten/ das
Concilium verſamlet/ vnd ſeine Legaten/ abgeordnet. Darnach thaͤt er einen
weitlaͤufftigen Außſchweiff zu Lob deß Papſts. Vnd einen andern/ der kuͤrtzer
war/ dem Keyſer zu Ehren. Er lobte auch die drey Legaten/ vnd nahm Gelegen-
heit dazu von eines jeden Zu- vnd Tauffnamen. Ferner ſagte er: Daß/ dieweil
das Concilium verſamlet worden/ alle in demſelben ſich zuſammen fuͤgen ſolten/
gleich wie in dem hoͤltzern Pferd von Troja. Er ermahnete die Waͤlde vmb
Trient herumb/ dieſen Schall durch die gantze Welt außzubreiten/ daß ein jeder
dem Concilio ſich vnterwerffen ſolte: Wo ſolches nicht geſchehe/ wuͤrde man
billig ſagen koͤnnen/ daß das Liecht deß Papſts in die Welt kommen/ die Men-
ſchen aber haben die Finſternuͤß mehr geliebt/ als das Liecht. Er beklagte/ daß
der Keyſer nicht zugegen/ oder zum wenigſten Don Diego, der ſeine Perſon ver-
trette. Dem Cardinal Madruccio wünſchte er Gluͤck/ daß der Papſt die Vaͤt-
ter/ ſo zerſtrewet waren/ vnd in der Jrꝛe giengen/ in ſeiner Statt verſamlet haͤtte.
Von jhm wendet er ſich zu den Praͤlaten/ vnd ſagte: Die Thor deß Concilii auff-
machen/ waͤre eben ſo viel/ als die Thor deß Paradeiß oͤffnen/ von dannen das le-
bendige Waſſer herab fallen ſolte/ die Erde mit der Erkantnuͤß deß Herren zu-
erfuͤllen. Er vermahnte die Vaͤtter/ ſich zubeſſern/ vnd jhr Hertz auffzuthun/ damit
daſſel-
[21]Ander Theil.
daſſelbige Waſſer hinein flieſſe/ wie in ein trocken Land. Wo ſie es nicht thun ſol-
ten/ wuͤrde der heilige Geiſt jhnen den Mund oͤffnen/ wie dem Caiphæ vnd Bi-
leam/ ob ſchon jhr Hertz voll boͤſes Geiſtes ſeyn ſolte; damit/ ſo das Concilium jr-
rete/ die heilige Kirch nicht auch mit jhnen jrꝛe. Er vermahnte ſie auch alle Pri-
vataffecten abzulegen/ damit ſie mit Fug ſagen moͤchten: Es gefelt dem heiligen
Geiſt vnd vns. Er ruffte Griechenland/ Franckreich/ Spanien/ Jtalien/ vnd
alle Nationen in der Chriſtenheit zur Hochzeit. Endlich kehrete er ſich zu Chri-
ſto/ vnd bate Jhn/ wegen der Fuͤrbitt S. Vigilii, Schutzherꝛn deß Thals zu Trient/
daß Er dem Concilio mit ſeiner Huͤlff vnd Gnade beywohnen wolte.


Die Vermahnung der Legaten wurd fuͤr Gottſelig/ Chriſtlich/ beſcheyden/
vnd den Cardinaln wolanſtehend/ gehalten. Aber von der Predigt deß Biſchoffs
wurd gar ein ander Vrtheil gefaͤllet. Ein jeder tadelt/ daß er ein groß Wortge-
praͤng gemacht/ vnd ſeine Wolredenheit ſehen laſſen. Was verſtaͤndige Leut
waren/ hielten dieſen heiligen vnd wahrhafftigen Spruch der Legaten/ daß ohne
jnnerliche Erkantnuß ſeiner Suͤnden/ vnd rechtſchaffene Buß/ der heilige Geiſt
vergeblich angeruffen wuͤrde/ dieſer vngoͤttlichen vnd widerwertigen Rede deß
Biſchoffs entgegen/ daß auch ohne dieſelbige/ vnd wann ſchon jhr Hertz voll boͤſes
Geiſtes ſeyn ſolte/ der heilige Geiſt jhren Mund eroͤffnen wuͤrde. Es wurde für
eine Vermeſſenheit gehalten/ daß/ wann die wenige Praͤlaten/ die daſelbſt wa-
ren/ jrꝛen ſolten/ die gantze Kirch mit jhnen jrꝛen wuͤrde/ gleich ob andere Conci-
lien/ in welchen wol ſiebenhundert Biſchoffe ſich befunden/ nicht gejrꝛet haͤtten/
welcher Lehre von der Kirchen waͤre verworffen worden. Andere fuͤgten dieſes
hinzu/ daß ſolches der Lehr der Paͤpſtler nicht gemaͤß waͤre/ welche dem Papſt al-
lein zuſchreiben/ daß er nicht jrꝛen koͤnte; dem Concilio aber/ ſo fern es vom
Papſt beſtaͤttiget wuͤrde.


Die Vergleichung deß Concilii mit dem Pferd von Troja, welches auff
Betrug vnd Hinderliſt gemacht worden/ ward vor eine Vnvorſichtigkeit geach-
tet/ vnd als eine heylloſe Rede geſtrafft. Daß er aber die Wort der H. Schrifft/
da geſagt wird: Daß Chriſtus/ welcher ſampt ſeiner Lehr/ das Liecht deß Vat-
ters iſt/ in die Welt kommen/ vnd daß die Menſchen die Finſternuͤß mehr gelie-
bet/ dann das Liecht/ alſo verdrehet/ als wann das Concilium, oder ſeine Lehr/
deß Papſts Liecht ſey/ welches in der Welt geſchienen/ vnd wann man dieſelbe nit
annehme/ billig geſagt werden koͤnne: Daß die Menſchen die Finſternüß mehr
geliebet/ dann das Liecht: Solches ward vor eine Gottslaͤſterung gehalten/ vnd
haͤtte man gewolt/ daß er die Wort Goͤttlicher Schrifft vnverkehrt gelaſſen/ vnd
nicht ſo klaͤrlich an Tag gegeben haͤtte/ wie wenig er dieſelbe achte. Man hatte
allenthalben groß Verlangen zuvernehmen/ welche die erſte Handlung auff dem
Concilio ſeyn wuͤrde/ nachdem dieſer Eingang in alle Lande verſchickt worden.
Es wuſte aber niemand noch nichts/ von welchem Stuͤck man zuvorderſt ſolte
handeln.


C iijAls
[22]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Als nun der Papſt den Bericht von dem Anfang deß Concilii vernommen/
hielt er eine Verſamlung der Cardinaͤl vnd Hoffdiener/ von den Trientiſchen
Sachen ſich zuberahten/ vnd war der Beſchluß/ die Sachen waͤren noch nicht ſo
weit kommen/ daß man recht vrtheilen moͤchte/ was man fuͤrnehmen/ vnd was
fuͤr Ordnung gehalten werden ſolte. Den Legaten ließ er antworten: Es ge-
buͤhre dem Synodo nicht/ die Fürſten vnd Praͤlaten zuerſuchen/ noch jemand zu-
ermahnen/ jhnen mit dem Gebet behuͤlfflich zuerſcheinen: Dann ſolches haͤtte er
nach Notturfft in der Bull vom Jubileo, vnd in ſeinem Außſchreiben verrichtet.
So wer auch nicht darauff zudencken/ wie das Concilium an jemand ſchreiben
ſolte: Das koͤnten die Legaten durch jhre eygene/ vnd in aller Namen geſchriebe-
ne Brieff thun.


Belangend die Frag/ wie weit die Decreten zuerſtrecken/ ſo ſolten ſie vber
dieſelbige einen ſolchen Titul machen: Der H. allgemeine Synodus zu Trient/
in welchem die Apoſtoliſche Legaten praͤſidiert haben: Die Form antreffend/ wie
die Stimmen ſolten gegeben vnd gezehlet werden/ ſo haͤtten ſie einen guten Fuͤr-
ſchlag gethan/ daß es nach den Haͤuptern/ nicht aber nach den Nationen geſchehen
ſolte. Vnd ſolches vmb ſo viel deſto mehr/ dieweil die Weiſe/ nach den Natio-
nen zuſtimmen/ niemals bey den Alten gebraͤuchlich geweſen/ ſondern erſtlich
im Conſtantziſchen Concilio eingefuͤhrt/ darnach von dem zu Baſel gefolgt wor-
den/ nach welchem man nicht zugehen. Die Weiſe/ die im letzten Concilio zu
Lateran gehalten/ waͤre die beſte vnd bequemeſte; an deren ſolten ſie ſich halten/
vnd koͤnten ſie durch dieſes Exempel; welches noch new/ denen/ die ein andere fuͤr-
bringen wolten/ den Mund ſtopffen. Ob/ vnd wie die Ketzereyen zuverdam-
men/ vnd was fuͤr Sachen fuͤrzunehmen/ davon/ wie auch von den andern Pun-
cten/ ſolte jhnen zu rechter Zeit Beſcheyd zukommen. Vnter deſſen ſolten ſie
ſich mit denen Handlungen/ welche in den Conciliis pflegten vorzugehen/ auff-
halten. Bey dem Ampt zu praͤſidieren/ ſolten ſie nach der Gebuͤhr/ vnd wie es
den Legaten deß Apoſtoliſchen Stuls zuſtuͤnde/ gehandhabt werden: So ſolten
ſie auch daran ſeyn/ daß ſie einen jeden/ wie ſichs geziemet/ befriedigten/ vor allen
Dingen aber Fleiß ankehren/ daß die Praͤlaten auß den Schrancken einer ziem-
lichen Freyheit/ vnd der Ehrerbietung gegen dem Apoſtoliſchen Stul nicht ſchrei-
ten. Dieweil es aber damit eine groͤſſere Eyl hatte/ daß den Praͤlaten geholffen
wuͤrde/ auff daß ſie den Koſten moͤchten fuͤhren/ ſo ſande der Papſt ein Schreiben/
in welchem er alle Praͤlaten/ die im Concilio waren/ von den Zehenden frey
ſprach/ vnd jhnen in jhrem Abweſen den Genieß alles Einkommens zueygnete/
nicht anderſt/ als ob ſie bey jhren Kirchen waͤren. Er ſchickte auch zwey tauſend
Cronen/ den doͤrfftigen Biſchoffen damit zuſtewren/ vnd befahl/ daß ſolch Gelt/
ohn Anſehen der Perſonen/ außgetheilet wuͤrde/ vnd daß man es offentlich ver-
kuͤndigen ſolte: Dann/ ob es ſchon kundbar/ wuͤrde es niemand anderſt koͤnnen
deuten/ dann daß es ein Werck der Liebe ſey/ welches vom Haupt deß Concilii her-
ruͤhrete.


Nach
[23]Ander Theil.

Nach dieſem ſchritte man zu den Handlungen/ die auff dem Concilio ſolten
fuͤrgenommen werden/ da erzehlet der Cardinal de Monte, was im letzten Conci-
lii
zu Lateran/ welchem er/ als der damals ein Ertzbiſchoff zu Sipont geweſen/ bey-
gewohnet/ fuͤr Ordnung gehalten worden. Dazumal/ ſagte er/ wurd von den
Pragmatiſchen Satzungen in Franckreich/ von dem Schiſmate, welches wider
Papſt Julium II. angefangen/ vnd von dem Krieg zwiſchen den Chriſtlichen Po-
tentaten gehandelt: Darzu dann drey vnderſchiedliche Verſamlungen verord-
net/ damit ein jede eine Sach allein fuͤrnehme/ vnd dieſelb deſto beſſer in Ordnung
bringen moͤchte/ ehe es vor die allgemeine Verſamlung kommen/ oder verbeſſert
worden. Man diſputierete vber dem Titul/ ob es ſolt heiſſen/ der Synodus, ſo
die allgemeine Kirch fuͤrbildet: Jtem/ der ſeinen Gewalt ohne Mittel von Gott
hat: Jtem/ war Præſes, vnd ob deſſen Namen zuſetzen: Jtem/ ob man deß Key-
ſers/ vnd einer/ oder aller Koͤnigen darinn gedencken ſolte. Jtem/ was vor ein
Siegel zugebrauchen: Da etliche meyneten/ man ſolte mit Bley ſiegeln/ vnd
eine ſonderbare Bull/ im Namen deß Synodi, machen/ dann auff der einen Sei-
ten der heilige Geiſt/ in Geſtalt einer Tauben/ auff der andern/ der Name deß
Synodi, gedruckt waͤre: Andere ſchlugen ein anders/ vnd jeder mit einem Schein
fuͤr. Aber die Legaten wendeten alles ab/ ſolches waͤre zu praͤchtig/ auch wuͤrde
Zeit erfordert/ deßwegen nach einem Künſtler nach Venedig zuſchicken/ weil zu
Trient niemand darzu fuͤrtrefflich; man koͤnte weit er nachdencken/ jetzt muͤſten
die Brieff fort gehen/ vnd zwar nicht fuͤglicher/ als vnter dem Namen vnd Siegel
deß erſten Legaten.


Die Seſſion beſtund auff den 7. Januarij 1546. ohn den Legaten/ vnd
Cardinal zu Trient/ invier Ertzbiſchoffen (deren zween nur Ehrentitul trugen/
als Olaus Magnus von Vpſalen vber die Gothen/ vnd Robertus Venantius zu
Armacano in Jrꝛland) acht vnd zwantzig Biſchoffen/ drey Aepte/ von der Coſſi-
nenſiſchen Congregation, vnd vier Generalen/ ſo ſich zu dem End allda niderge-
ſetzt. Auch waren da etliche zwantzig Theologi, ſo ſtunden; vnd dann der Geſand
deß Roͤm. Koͤnigs/ vnd deß Cardinals von Augſpurg Anwald/ welche ſaſſen auff
der Geſanden Banck. Wie dann auch zehen Edelleuthaͤuſer der Benachbar-
ſchafft.


Nun ſolte man dem Kind einen Namen geben/ vnd wiſſen/ wovon zuhan-
deln: Etliche meyneten/ die Reformation muͤſte zuforderſt angehen; andere leg-
ten die Lehr/ oder den Glauben zu einem Grund/ darauff man bawen koͤnte; andere
faſſeten beyde Stuͤck zuſammen/ vnd hatte ein jeder ſeine wichtige vnd erhebliche
Vrſachen: Die vierdte Meynung war ſo gar vneben nicht/ man ſolte zuvor
Fried vnter den Potentaten ſtifften/ ſonſt wuͤrden ſie den vorgenommenen Baw
nicht vollfuͤhren/ weniger aber beveſtigen vnd zieren koͤnnen. Der Papſt thut
ſeinen Legaten keine Antwort/ deſſen haͤtte ſich moͤgen verwundern/ wer Farneſii
Verrichtung bey dem Keyſer/ die Abtruͤnnige mit Gewalt zum Gehorſam zu-
bringen/
[24]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
bringen vñwiſſend/ oder vergeſſen waͤre: Auch ſahe der Keyſer den Auffſchub
gern/ wie erwehnt/ weil er jhm wol dienete. Doch wolte die Reformation vor-
dringen/ zumal auch der Keyſer im Mayen/ zu Wormbs geſagt hatte: Er wolte
ſehen/ was das Concilium in Sachen die Lehr vnd die Reformation betreffend/
für einen Fortgang haben wuͤrde: Wo aber daſſelbe ſich vergeblich ſolte auffhal-
ten/ vnd nichts außrichten/ ſo gedaͤchte er ein andern Reichstag außzuſchreiben/
auff demſelbigen ein Vertrag der Religion halben zumachen/ vnd Laſter vnd
Maͤngel zuverbeſſern. Darumb hatte es das Anſehen/ das Concilium wuͤrde
mit Fug nicht hindern koͤnnen/ daß in Teutſchland nicht ſolte von der Reforma-
tion gehandelt werden/ vnd vmb ſo viel mehr/ wann man im Concilio davon
nicht handeln wolte. Endlich wurde dieſes Decret abgeleſen/ nachdem der Syn-
odus
die Wichtigkeit der zweyen Puncten/ welche ſolten gehandelt werden/ naͤm-
lich von Außreutung der Ketzereyen/ vnd Beſſerung deß Lebens erwogen/ waͤren
alle vnd jede ermahnet/ auff GOtt zutrawen/ vnd die geiſtliche Waffen anzuzie-
hen. Vnd damit jhr Fleiß vnd Arbeit ſeinen Anfang vnd Fortgang nehme von
der Goͤttlichen Gnade/ ſo ſey hiemit geordnet/ den Anfang von deß Glaubensbe-
kantnuß zumachen/ nach dem Exempel der alten Vaͤtter/ welche in den fuͤrnem-
ſten Concilien zu Anfang jhrer Handlungen/ dieſen Schild den Ketzereyen ent-
gegen geſetzt/ vnd durch denſelbigen allein etliche mal die Vnglaubigen bekehrt/
vnd die Ketzer vberwunden: Vnd hierinn waͤren alle/ die ſich Chriſten nenne-
ten/ einig.


Der Hoff zu Rom/ welcher vber dem Namen der Reformation/ erbleychte/
hoͤrete gern/ daß das Concilium ſich mit vmbſchweyffenden Vorworten auff-
hielte/ vnd hoffte/ die Zeit wuͤrde Rahtſchaffen/ die Hoͤfflinge/ welche frey im Re-
den/ ſpareten jhre Zungen nicht/ vnd ſtreweten manche Paßquillen/ zumal ſtache-
licht auß/ wie dann allezeit/ vnd ſonderlich damals in allen Zufaͤllen zugeſchehen
pflag. Etliche lobeten die Praͤlaten auff der Verſamlung zu Trient/ wegen deß
fuͤrtrefflichen/ vnd einem allgemeinen Concilio ſonderlich geziemenden De-
crets: Andere vermahneten ſie/ in ſich ſelbſten zugehen/ vnd das jnnerſte zupruͤf-
fen/ wie fromm ſie in vorigen Jahren jhrer Krafft geweſen/ vnd annoch waͤren/ ja/
was ſie von den Glaubensartickeln verſtuͤnden.


Aber zu der Zeit/ ob ſchon das Concilium angefangen war/ vnd ſeinen Fort-
gang hatte/ halff doch ſolches wenig in Teutſchland/ da man ſich einbildete/ der
Papſt lieſſe die mehrer Stimme gelten/ vnd koͤnte die Cardinaͤl mit Dutzeten/ die
Ertzbiſchoͤffe nach dem Schock/ die Biſchoffe ohne Zahl machen/ vnd zu dem
Concilio ſenden/ die von jhm vnterhalten/ vnd wegen beſſerer Befoͤrderung jhren
Schoͤpffer/ der ſie auß Nichts/ zu etwas groſſes gemacht/ ehren/ verthaidigen vnd
erheben. Dann es führete der Pfaltzgraff Churfuͤrſt/ zu Anfang deß Jahrs/ die
Communion deß Kelchs ein/ wie auch die Landſprach in den gemeinen Gebeten/
die Prieſterehe/ vnd andere Sachen/ in welchen ſchon an andern Orten eine
Refor-
[25]Ander Theil.
Reformation war fuͤrgenommen worden. Die aber/ ſo der Keyſer verordnet ge-
habt/ daß ſie ſolten zuſammen kommen/ vnd ein Weg zur Vergleichung der
ſtrittigen Religionsſachen finden/ hielten ein Geſpraͤch zu Regenſpurg/ in wel-
chem der Biſchoff von Eychſtatt/ vnnd der Graff von Fuͤrſtenberg auff Befehl
deß Keyſers praͤſidierten. Daſſelbe gieng auß vielem geſchoͤpfften Argwohn/ oh-
ne Frucht ab/ welchen die Romaniſten mit Fleiß vermehreten. Es wolte zwar
der Keyſer darfuͤr angeſehen ſeyn/ als zoͤrnete er deßwegen; gedachte dannoch hier-
mit auff den Achſeln zutragen/ den Teutſchen ſeine Willfaͤhrigkeit/ vnd den Ro-
maniſten ſeine Klugheit zubezeugen; ſonderlich aber Vrſach an die Abtruͤnnige
zufinden/ wie der Außgang erwieſe.


Da ſtarb auch Martin Luther/ im Februario/ vnd als hievon die Zeitung gen
Trient vnd Rom kommen/ war die Trawrigkeit/ wegen veraͤnderter Religion in
der Pfaltz/ nicht ſo groß/ als die Freude/ wegen deß zerruͤtteten Geſpraͤchs/ vnd
deß verſtorbenen Luthers: Sintemal das Geſpraͤch/ gleichſam wie ein ander
Concilium, welches man vber die maſſen vngern ſahe. Dann/ ſo etwas da-
ſelbſt waͤre verglichen worden/ haͤtte man es im Concilio mit Fug nicht koͤnnen
verwerffen: Vnd aber ſolches anzunehmen hochdeucklich/ als wann das Conci-
lium
Maß vnd Ordnung anderſtwoher empfienge: Jn allen Wege aber thaͤte
ſolches Geſpraͤch/ welchem deß Keyſers Diener beywohneten/ der Reputation
deß Concilii vnd deß Papſts ſehr groſſen Abbruch. Die Vaͤtter zu Trient/ vnd
der Hoff zu Rom ſchoͤpfften gute Hoffnung/ als ſie deſſen Tod verſtanden/ der
ein kraͤfftiges Werckzeug/ die Lehr vnd Ceremonien der Roͤmiſchen Kirchen zu-
widerfechten/ vnd die fuͤrnemſte Vrſach der Trennung/ vnd eingefuͤhrten Newe-
rung geweſen. Sie hielten ſolches fuͤr ein gut Vorheiſchen/ daß das Concilium
einen gluͤcklichen Fortgang haben wuͤrde/ ſonderlich/ weil in Jtalien allerhand vu-
gehewere Vmbſtaͤnd von Luthers Tod außgeſprenget worden. Die Ketzereyen/
ſo auß ſeinen Buͤchern gezogen/ vnd gediſputiert worden/ ſind dieſe: Daß das
geſchriebene Wort alle Auffſaͤtz außgeſchloſſen/ gelten: Daß nicht alle Buͤcher
der Bibel gültig: Daß der Verſtand auß dem Text/ vnd gar nicht auß der ge-
meinen Dolmetſchung zunehmen. Daß die Schrifft zur Seltgkeit hell vnd
klar: Vnd daß gewiſſe Canones hieruͤber zumachen.


Vnd eben damaln kam Vergerius, geweſener Paͤpſtiſcher Legat in Teutſch-
land/ gen Trient/ weil ſeine Zuhoͤrer wider jhn verbittert waren/ vnd F. Hannibal
Griſon Inquiſitor fidei
jhn verfolgte/ vnd in Jſtria/ auch bey der Venediſchen
Bottſchafft/ als ein Lutheraner/ angabe. Die Legaten/ als ſie jnnen worden/
daß er nur Schutz vnd Freyheit ſuchte/ wolten jhn zu den offentlichen Verhand-
lungen nicht zulaſſen/ er haͤtte dann zuvor ſeine Sach bey dem Papſt auß gefuͤh-
ret/ vnd ſeine Vnſchuld dargethan/ deßwegen ſie jhn ernſtlich vermahneten/ ſich
in Perſon nach Rom zuverfuͤgen. Vnd wo ſie nicht beſorgt haͤtten/ man moͤch-
te das Concilium beſchuldigen/ daß niemand in demſelbigen nicht frey waͤre/ haͤt-
Ander Theil. Dten
[26]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ten ſie es bey den Vermahnungen nicht bleiben laſſen. Dieweil er nun ſahe/ daß
jhm zu Trient noch groͤſſer Schimpff widerfahren/ zog er etliche wenige Tag her-
nach von dannen/ in Willens/ ſein Biſchthumb wider zuverwalten/ in Hoff-
nung/ die Auffruhr deß Volcks ſolte ſich nun gelegt haben. Als er nun zu Ve-
nedig ankommen/ verbott jhm der Paͤpſtliche Nuncius ins Biſchthumb zuzie-
he n/ hatt noch Befehl von Rom/ einen Proceß wider jhn anzuſtellen. Darumb
er etliche wenige Monat hernach/ entweder auß Vnwillen/ oder Forcht/ oder an-
derer Vrſachen halben auß Jtalien gar entwichen/ vnd ſich offentlich zu den Lu-
theranern gethan.


Vnd hie befahl der Papſt/ nach Gutachten/ ſeiner geheimen hinzu verord-
neten Raͤhte/ ſeinen Legaten zu Trient dieſe drey Stuͤck: Erſtlich/ daß ſie ins
kuͤnfftig kein Decret in einer Seſſion offentlich verleſen ſolten/ ehe ſie ſich deßwe-
gen zu Rom Beſcheyds erholet/ vnd ſich nicht vbereylen/ ſondern der Zeit erwar-
ten/ biß ſie Beſcheyd empfangen/ was fürzutragen/ zuberahtſchlagen vnd zube-
ſchlieſſen ſey.


Zum andern/ daß ſie die Zeit nicht ſolten mit denen Sachen zubringen/
vber welchen kein Streit waͤre.


Zum dritten/ daß ſie acht haͤtten/ damit die Authoritaͤt deß Papſts vmb kei-
ner Vrſachen willen/ in ein Diſputat gezogen wuͤrde. Als auch der Ertzbiſchoff
zu Coͤllen ſehr hart verklagt/ in deß Papſts Bann gefallen/ vnd die Vollziehung
deſſelben an den Keyſer inſtaͤndig begehrt ward/ hielt der Keyſer nicht rahtſam/
zurſelbigen Zeit eine newe Vnruh zuerwecken/ vnd erkante erwehnten Biſchoff/
nach wie vor/ vnter den Reichsſtaͤnden; welches dem Papſt nicht wenig Ver-
druß brachte: Vnd in Teutſchland dem Papſt zu vnzeitigem Eyffer/ dem Key-
ſer aber zu groſſer Beſcheydenheit außgelegt worden. Dann die Proteſtieren-
den wurden dardurch in jhrer Meynung geſtaͤrcket/ daß das Concilium nur an-
geſtelt waͤre/ ſie in die Fall zubringen: Sintemal/ ſo die ſtrittige Lehr vom Glau-
ben ſolte im Concilio examiniert werden/ wie der Papſt koͤnte/ ehe das Concilium
noch etwas davon geſchloſſen/ das Vrtheil faͤllen/ vnd durch daſſelbige den Ertz-
biſchoff/ als einen Ketzer verdammen. Darauß ſey offenbar/ daß es eytel vnd
vmbſonſt waͤre/ wann ſie ſich zum Concilio verfuͤgen ſolten/ da der Papſt herꝛ-
ſchete/ welcher/ ob er ſchon wolte/ nit koͤnte verbergen/ daß er ſie ſchon vor verdampt
hielte. Darzu/ ſo ſehe man wol/ daß der Papſt das Concilium fuͤr nichts ach-
tete; dann ohnangeſehen daſſelbige ſchon angefangen/ ſo vnterfange ſich doch der
Papſt deſſen allein/ vnd erkenne darinn/ was dem Concliio eygentlich zuſtehe zu-
erkennen. Solches thaͤt der Churfuͤrſt zu Sachſen dem Keyſer durch ſeine Ge-
ſanden zuwiſſen/ vnd zeiget jhm außdruͤcklich an/ daß/ dieweil man ſo hell vnd klar
vermercke/ wie der Papſt geſinnet ſey; es einmal Zeit/ dem Teutſchland durch ein
National Concilium Raht zuſchaffen/ oder auff einem Reichstag mit allem
Ernſt von den Religionsſachen zuhandeln.


Der
[27]Ander Theil.

Der Dritte Diſcurß.


Wie der Krieg wider die Proteſtierenden angangen/ vnd der Keyſer
wegen der Religion/ durch die Finger geſehen: Gantz Ober-Teutſchland in ſeine
Gewalt gebracht. Wie der Papſt vnd Keyſer in Vnwillen zerfallen. Wie das
Concilium von der Rechtfertigung/ vnd von den Reſidentzen geſchloſſen/ vnd
Vrtheil daruͤber. Wie der Keyſer den Teutſchen Krieg vollendet.


ES war zwar der Keyſer vorlaͤngſt zu dem Teutſchen Krieg geneigt/ vnd
jederzeit durch andere Haͤndel/ ſonderlich aber wegen Hoffnung/ durch
Geſpraͤch vnnd guͤtliche Vnterhandlung etwas zuerlangen/ davon ab-
gehalten worden. Vnd was jhn eben zu dieſer Zeit am hefftigſten darzu
getrieben/ war/ daß auff den letzten Reichstag zu Regenſpurg ſchier gar kein Fuͤrſt
in Perſon erſchienen; da er ſich doch fuͤrgenommen/ von ſtrittiger Religion/ von
der Juſtitien/ vnd von dem Tuͤrckenkrieg zuhandeln. Ließ derowegen alle an-
dere Sachen liegen/ vnd wendet ſeyn gantzen Fleiß zu dieſem Krieg/ darzu jhm
der Papſt zehen tauſend zu Fuß/ vnd fuͤnffhundert verſprochen vnnd zugeſand:
Mit denen kamen ſechs tauſend Spanier/ auß dem Koͤnigreich Neapels/ vnd
auß Niderland vnter Graff Maximilian von Buͤren vier tauſend Pferd/ vnd ze-
hen tauſend Fußgaͤnger. Als nun deß Papſts Voͤlcker in dem Laͤger bey Lands-
hut den 15. Tag Auguſti ankommen/ wolte der Cardinal Farneſius, deß Papſts Le-
gat/ das Creutz voran laſſen tragen/ wie es der Papſt befohlen hatte/ vnd wie vor-
Zeiten/ Ablaß außtheilen/ mit außdruͤcklichem Verm. lden: Dieſer Keieg gien-
ge eygentlich die Roͤmiſche Kirch an. Der Keyſer aber wolte ſolches keines
wegs zulaſſen/ ſintemal er gantz das Widerſpiel vorgeben/ damit er die Lutheriſche
Fuͤrſten/ die jhme dieneten/ bey ſich behielte/ vnd die Staͤtte vmb dieſer Vrſachen
willen ſich nicht hartnaͤckigt wider jhn erzeigten. Der Cardinal/ weil er ſahe/ daß
er ohne Schmaͤhung der Baͤpſtiſchen Reputation im Laͤger nicht bleiben konte/
enthielt ſich zu Regenſpurg/ wegen einer angenommenen Kranckheit/ vnd erwar-
tete newe Jnſtruction von Rom.


Deß Keyſers Helffer waren/ Maximilian Ertzhertzog in Oeſterreich; Ma-
nuel Philibert/ der junge Hertzog in Saphoyen; Erich vnd Philips Gebruͤder/
junge Hertzogen von Braunſchweig/ ein Praͤlat; Johann Albrecht Hertzog zu
Meckelnburg; die beyde Marggraffen/ Albrecht vnd Johannes/ ob ſie gleich der
Augſpurgiſchen Confeſſion zugethan; beyde Marggraffen zu Brandenburg/
Albrecht vnd Hans; ein Hertzog von Muͤnchen; Johann von Naſſaw; Jacob
von Medices; Niclaß von Madrutz; Bernhard von Schawenburg; Walter von
Hirnheym; der von Buͤren; Friderich von Fuͤrſtenberg/ Reinhard von Solms/
D ijvnd
[28]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd andere mehr. Ferdinand von Toledo, genant der Hertzog von Alba/ war
Feldobriſter; Johann Baptiſta/ ſein Leutenampt/ vnd der Cardinal von Aug-
ſpurg/ Proviandmeiſter. Jn dem Schmalkaldiſchen Bund waren/ Johann-
Friederich/ Churfuͤrſt in Sachſen; ſein Sohn gleiches Namens; Philips/ Land-
graff in Heſſen; Ernſt/ vnd Johann Friderich Hertzogen in Sachſen; Hertzog
Philips von Braunſchweig/ mit vier Soͤhnen/ Ernſt/ Albrecht/ Johanns vnd
Wolffgangen; Hertzog Frantz von Luͤnenburg/ der von Wirtenberg/ Graff Al-
brecht von Manßfeld/ vnd Soͤhne; Graff Chriſtoff von Altenburg; der Rhein-
graff/ Fuͤrſt Wolffgang von Anhalt; die beyde Obriſten/ Hertzog von Recke-
rod/ vnd Friderich von Reiffenberg; Hans von Heydeck; Sebaſtian Schertle.
Der Proteſtierenden Macht beſtund auff achtzig tauſend Mann zu Fuß/ neben
vier Faͤhnlein Schweitzern/ vnd fuͤnffzehen tauſend Reyſigen. Deß Keyſers
voͤllige Macht aber/ wie ſie endlich zuſammen geſchmoltzen/ beſtund in vierzehen
tauſend/ neun hundert Mann Keyſeriſchen Zeugs; vnd in ſieben vnd viertzig tau-
ſend/ ſieben hundert vnd neun vnd ſechtzig Fußgaͤngern/ ſampt dritthalb tauſend
Schantzengraͤbern. Noch geſchah dem Keyſer diß Jahr/ den ſiebenden Auguſt-
monat ein groſſer Schad/ als drey Wetter zwiſchen zehen vnd eylff Vhren deß
Nachts vber Mecheln zuſammen ſtieſſen/ vnd vber zwey tauſend Centner Pul-
vers/ daran er drey gantzer Jahr geſamlet/ mit vnaußſprechlichem Schaden der
Statt/ durch einen Donnerſchlag angezuͤndet vnd verderbet.


Wie nun alles auff dieſe Weiſe zum Krieg bereytet/ thaͤt der Keyſer den
Sachſen vnd den Landgraffen/ auff den 20. Julij in die Acht (darauff ſie den 11.
Auguſti jhm auch abgeſagt) vnd ſchickte deſſen eine Copey an Hertzog Moritzen
in Sachſen/ mit dem Anhang: Es haͤtte der Churfuͤrſt dem Keyſer den Schutz
vnd die Lehen auffgeſagt: Darumb ſolte Hertzog Moritz/ als naͤchſter Stamm/
Degen vnd Wapen Anverwandter/ dieſelbe Lande einnehmen: Jn deſſen Ver-
ſaumnuß er ſie einem andern vbergeben wolte. Vnd dieſes thaͤt der Keyſer/ damit
er das Hauß Sachſen in Vneinigkeit braͤchte/ Hertzog Moritzen von der Pro-
teſtierenden Parthey abhielte/ ja gar an ſich zoͤge/ wolwiſſend/ daß Hertzog Georg
von Sachſen gegen dem Churfuͤrſten in Anno 1542. zu Feld gelegen/ wegen der
Statt Wurtzen/ vnd daß man ſie zwar in der Oſterwoch vertragen; dannenher
der Feldzug der Fladenkrieg genant worden) aber die Gemuͤhter nicht koͤnnen
auß dem Grund verſoͤhnen. Aber Hertzog Moritz eylete darumb nicht ſonderlich/
biß daß Koͤnig Ferdinand mit ſeinen Hungarn vnd Boͤhmen herfuͤr brach/ vnd
deß Churfuͤrſten Voͤlcker bey Adorff geſchlagen/ auch das Land mit Sengen
vnd Brennen verwuͤſtet. Deßwegen ſchickten etliche Staͤnde an Hertzog Mo-
ritzen/ gaben ſich vnter ſeinen Schutz/ vnd baten demuͤhtiglich vmb Rettung.
Darauff ließ er die Staͤnd zuſammen kommen/ willfahrt jhnen/ vnd ſchrieb alles
an den Churfuͤrſten/ mit dem Vermelden: Alles was er thaͤt/ geſchehe im Na-
men vnd auff Befehl deß Keyſers/ damit die Lande nicht in frembde Haͤnd fielen/
die
[29]Ander Theil.
die er auch nach getroffenem Fried mit der Zeit/ gegen Erlegung der Vnkoſten/
[...] auff dieſe Rettung gangen/ koͤnte wider an ſich bringen. Erobert hernach in
[M]eixen die Zwickaw/ den Schneeberg/ vnd die Altenburg.


Weil nun eben Farneſius, deß Keyſers Tochtermann/ Thonawerth mit Ge-
walt eingenommen/ vnd die Proteſtierenden biß daher nichts weiters gethan/ als
dem Keyſer in Schwaben im Weg gelegen/ vnd jhn auffgehalten/ gieng der Zug
in Sachſen/ der Boͤhmen Einfall/ vnd Hertzog Moritzen Vorhaben zuhindern:
Wie dann im folgenden Jenner die Statt Leipzig vom Churfürſten ſehr hart
belaͤgert vnd beſchoſſen/ Marggraff Albrecht zu Rochlitz vnd Meixen in Huldi-
gung genommen worden. Als aber der Keyſer ſich bey Jngolſtatt geſetzt/ biß mehr
Huͤlff heran kaͤme/ vnd der Proteſtierenden weitlaͤufftiges Laͤger gegen jhm vber
geſehen/ ſagte er: Sind diß lauter Teutſchen? Gut/ gut; es wird jhnen bald an
Raht vnd Gelt gebrechen. Ließ auch damals Apianum den Sternguͤcker auß
der Statt kommen/ deß Himmels Geſtalt auff einem ſehr hohen Geruͤſt Raht zu-
faſſen. Derſelb buckte ſich jedesmal/ wann die Kugeln mit Menge daher geflo-
gen kamen; da doch der Keyſer auch nicht das geringſte Zeichen einiger Forcht ge-
geben/ ob ſchon ſein gantzes Laͤger in nicht geringer Gefahr ſtunde/ auch Hertzog
Johann von Meckelnburg jhn erſuchte/ der Reuterey/ die vom Schieſſen/ ſonder-
lich groſſen Schaden empfieng/ zuverſchonen/ vnd ſeine gantze Hoheit nicht auff
einen Tag allein auff die Spitze zuſetzen. Vnd haͤtten die Proteſtierenden dem
Landgraffen gefolget/ ehe das Laͤger in folgender Nacht zu Genuͤgen verſchantzt
worden/ es ſolte vmb die Keyſerliche Voͤlcker/ ſo noch nicht alle zuhand waren/ ja
vmb ſeine Perſon ſehr vbel geſtanden ſeyn.


Bey heran nahendem Winter handelte man zwar vom Frieden/ wurd a-
ber/ weil der Keyſer ſehr ſchwere Puncten fürſchluge/ nichts darauß/ biß der
Sachs vnd der Heß im November das Oberland verlieſſen/ vnd jhre eygene Vn-
terthanen zubeſchuͤtzen abgezogen: Auch wolte der Heß wider ſeinen Tochter-
mann/ Hertzog Moritzen/ nicht kriegen/ welches ein Anfang der Trennung ge-
macht; darauff etliche Fuͤrſten/ vnd viel Staͤtte/ die mit den Proteſtierenden im
Bund waren/ Vrſach genommen/ ſich mit dem Keyſer zuvertragen/ nachdem er
ſie der Religion halben genugſam verſichert: Wolte aber nicht/ daß derſelben in
Schrifften gedacht wuͤrde/ damit es nicht das Anſehen haͤtte/ als führete er den
Krieg der Religion halben/ dardurch er die Proteſtierende/ ſo jhm anhiengen/ ſolt
fuͤr den Kopff geſtoſſen/ vervrſachthaben/ daß ſich andere nicht ſo leichtlich erge-
ben; vnd die Geiſtliche in Teutſchland/ welche hoffeten/ die Roͤmiſche Religion
wider eingefuͤhrt zuſehen/ ſehr waͤren verdaͤchtig worden.


Der Pfaltzgraff war erſt in den Bund getretten/ vnd mit etlichen wenigen
Voͤlckern zu den Fürſten geſtoſſen: Aber der Erſte/ der ſich demuͤhtigte. Jhm ver-
wieß der Keyſer: Ein grawes Haar finde keine Entſchuldigung/ vnd zumal auch
nicht/ als ſein ſo naher Vetter/ auß Dennemarck/ naͤmlich/ der Hertzog von
D iijWir-
[30]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Wirtemberg muſte in einen ſauren Apffel beiſſen/ vnd deß vorigen/ ſonderlich deß
Frantzoſen entgelten. Gleichwol verhieſſen ſeine Diener allen vnd jeden/ we-
gen der Religion vnangefochten zuſeyn/ vnnd entſchuldigten jhren Herꝛn/ da er
in der Capitulation/ wegen allerley Vrſachen/ jhnen nicht koͤnte einen voll-
kommenen Genuͤgen leyſten. Er ſelbſt ließ ſich alſo an/ daß man wol merckte/
wie er entſchloſſen/ der Religion durch die Finger zuſehen/ vnd ſie alſo zufrieden
zuſtellen. Da ſich nun die Staͤtte/ vnd andere Staͤnde dem Keyſer ergaben/
bekam er viel grobes Geſchuͤtz/ vnd noch von den Staͤtten groſſe Geltbuſſen/ auff
etliche hundert tauſend Guͤlden: Hatte auch alſo gantz Ober-Teutſchland in
ſeinem Gewalt.


Dieſes Gluͤck erweckte bey dem Papſt einen heimlichen Neid wider den
Keyſer/ vnd machte/ daß er anfieng an ſeine eygene Sachen zugedencken/ ehe gantz
Teutſchland vnter dz Joch kaͤme/ ließ den Keyſer in einen Seſſel ſchlaffend mah-
len/ vñ das Gluͤck neben jhm/ ſo jhm Schatten machte gegen der Sonnenhitz/ als
waͤre der Sieg mehr durch der Teutſchen Mißhelligkeit/ dann deß Keyſers Mañ-
heit gediehen. Das Volck/ vber welches ſein Enckel Octavius Farneſins Ober-
ſter war/ hatte ſehr abgenommen/ weil viel mit dem Cardinal Farneſio zuruͤck ge-
zogen/ vnd hatten ſich viel/ wegen groſſer Muͤhe vnd Vngelegenheit heimlich dar-
von gemacht. Mitten im December/ als deß Keyſers Heer nahe bey Sothen
lag/ zog der vbrige Hauff/ auff Befehl deß Papſts/ gar hinweg/ mit dem Vermel-
den: Es waͤren die ſechs Monat verfloſſen/ ſo koͤnte der Papſt ſolchen Koſten
nicht laͤnger ertragen/ zumahl die Zeit der Verbuͤndnuͤß auß waͤre/ auch das je-
nige verrichtet/ vmb welches willen ſolche auffgerichtet worden/ ſintemal nun-
mehr Teutſchland zum Gehorſam gebracht worden. Der Keyſer beklagte ſich
zum hoͤchſten/ daß man jhn verlieſſe/ eben bey bevorſtehender Gelegenheit/ etwas
namhafftes außzurichten/ vnd da er der Hülff am hoͤchſten bedoͤrffte. Dann/ ſo
lang die Haͤupter nicht gedaͤmpfft/ waͤre noch nichts auffgericht: Die waͤren
nicht vberwunden/ weil ſie nur jhr eygen Land zubeſchützen gewichen. Vnd da
ſie daſſelbige wider frey ſolten machen/ waͤre zubeſorgen/ daß ſie mit groͤſſerem Ge-
walt/ vnd beſſer Ordnung/ dann zuvorn/ wider kommen ſolten. Hingegen ent-
ſchuldigt ſich der Papſt/ daß er nicht laͤnger in der Buͤndnuͤß blieb/ vnd ſein Volck
abgefordert haͤtte/ dieweil der Keyſer ohn ſein Vorwiſſen/ mit den Staͤtten vnd
Fuͤrſten einen Vertrag gemacht/ welches er zuthun nicht Macht gehabt. Vnd
waͤre darzu ſolcher Vetrag dem Catholiſchen Glauben ſehr nachtheilig/ durch
welchen die Ketzerey/ ſo da haͤtte koͤnnen außgerottet werden/ geduldet: Er/ der
Bapſt habe deß Nutzes von dem Krieg/ wider geſchehene Abrede/ nicht genoſſen/
noch etwas von dem Gelt empfangen/ ſo die vertragene Landſchafften geſchoſſen.
Der Kaͤyſer klage vber jhn/ da doch jhm dem Bapſt vnrecht geſchehen/ vnd der nicht
ohne Nachtheil der Glaubigen veracht worden. Vnd ließ es dabey nicht bewen-
den/ ſondern ſchlug dem Keyſer ab/ daß er vber die ſechs Monat/ Gelt von den Kir-
chen
[31]Ander Theil.
chen in Spanien nehmen moͤcht. Vnd obwol deß Keyſers Diener ſtarck dar-
gegen anhielten vnd zu erkennen gaben/ daß/ dieweil die Vrſach/ warumb ſolch
Gelt verwilligt worden/ noch nicht auffgehoben/ die Verwilligung auch laͤnger
ſolte continuirt werden: Daß ſolcher Geſtalt alle Mühe vnd Arbeit vmbſonſt ſeyn
wuͤrde/ wann der Krieg nicht zu End kaͤm: ſo konten ſie doch den Bapſt von ſeiner
gefaßten Reſolution nicht abwendig machen.


Dazu kam/ daß zu Genua das Geſchlecht deren von Fieſca wider die von
Doria, ſo dem Kaͤyſer anhaͤngig/ zuſammen geſchwohren/ vnd einen gefaͤhrlichen
Anſchlag/ welcher ſchier gerathen war/ fuͤrgenommen. Der Kaͤyſer hielt fuͤr
gewiß/ der Hertzog von Placentz vnd Parma/ deß Bapſts Sohn/ hette ſolches an-
geſtifft/ vnd glaubte beſtaͤndig/ die Anordnung ruͤhrte vom Bapſt ſelbſt her: Dar-
umb er neben andern Vnbillichkeiten auch hierüber klagte. Nun meynte der
Bapſt/ der Kaͤyſer wuͤrde ein lange Zeit in Teutſchland zuſchaffen haben/ vnd alſo
jhm mit euſſerſter Macht kein Schaden zufuͤgen koͤnnen: allein foͤrchte er/ er moͤch-
te die Proteſtirenden vom Concilio bringen/ vñ durch ſie jhm Arbeit vñ Verdruß
anrichten. Daß er dem Concilio ſolte abdancken/ hielt er vor vnbequaͤm vnd
aͤrgerlich/ ſonderlich dieweil man ſchon ſieben Monat lang gehandelt hatte/ vnd
doch noch nichts davon publicirt. Deßwegen nahm er jhm fuͤr/ das jenige/ was
ſchon fertig war/ publiciren zulaſſen/ damit die Proteſtirenden ſich entweder wey-
gern ſolten/ wegen ſolcher Erklaͤrung/ im Concilio zu erſcheinen; oder/ ſo ſie dahin
kaͤmen/ dieſelbe annehmen muͤſten: Vnd dieweil der Haupt ſtreit in ſolcher Erklaͤ-
rung begriffen/ wuͤrde er alsdann gewonnen Spiel haben. Wann auch ſchon
nichts anders jhm dazu rathen ſolte/ ſo waͤre dieſe Vrſach ſtarck genug/ jhn dazu zu
bewegen/ daß der Kaͤyſer begehrte/ man ſolte von den ſtrittigen Religionspuncten
noch zur Zeit nichts ſchlieſſen/ darum̃ er leichtlich vrtheiln koͤnte/ dz jhm dẽ Bapſt
nutzlich waͤre: Dann dieweil er vñ der Keyſer einen widerwertigen Zweck haͤtten/
muͤſten auch jhre Anſchlaͤg einander zu wider ſeyn. Er ſahe wol/ daß es den Key-
ſer ſehr wuͤrde verdrieſſen: dieweil er aber ſchon zuvor erzoͤrnet war/ achtet er es
nicht. Es pflegte der Bapſt/ wann jhm beyderſeits bedenckliche Vrſachen für-
kamen/ warumb er ein Ding thun oder laſſen ſolte/ daß Florentiniſche Sprich-
wort zu gebrauchen: wann ein Ding gethan iſt/ darff man es nicht erſt anfangen;
vnd darauff richtete er ins Werck/ was jhn am noͤthigſten dauchte. Darumb
befahl er den Legaten auff Weyhnachten/ die bereit gemachte Decreten zu publici-
ren: Welches dann geſchah/ ſo wol wegen der Rechtfertigung/ als wegen Beſſe-
rung deß Wandels/ namentlich von perſoͤnlicher Reſidentz der Biſchoffe. Das
Decret von Glaubensſachen gab zu Rom keine Vrſach zu vielem Geſpraͤch:
Dann es war nichts newes darinn/ das nicht ſchon zuvor wer offentlich angehoͤrt/
vnd examinirt worden. Vnd dieweil ein jederwol wuſte/ daß alle Meynungen
der Teutſchen ſolten verdammet werden/ hatte niemand nichts darwider zu ſa-
gen. Aber die Biſchoffe ſo ſich zu Hoff auffhielten/ welche lange Zeit/ wegen
deß
[32]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
deß Punctens von der Reſidentz/ in Sorgen geſtanden/ gaben ſich zu Rnhe/ die-
weil ſie jhnen dieſe gewiſſe Hoffnung machten/ daß das Decret deß Concilii nicht
mehr/ dann erſtlich die Decretaln der Paͤpſte außruͤſten wuͤrde. Aber die geriu-
ge vnd ſchlechte Geſellen vnter den Hoffleuten/ waren vbel zufrieden/ daß ein Bi-
ſchoff ſolte Macht ſie zubezwingen vberkommen. Sie beklagten jhr Elend/ daß
ſie der Nahrung halben jhr Lebenlang dienen/ vnd nach außgeſtandener ſchwerer
Muͤhe vnd Arbeit/ dieſes zu jhrem Lohn gewaͤrtig ſeyn muͤſten/ in einem Dorff
oder Flecken eingeſchloſſen/ oder durch einen ſchlechten Canonicat einer andern
groͤſſern vnd veraͤchtlichern Dienſtbarkeit vnter ſeinem Biſchoff zuſitzen/ vnd
vnterworffen wuͤrden. Der ſie nicht allein gleichſam an einen Pfal gebun-
den halten/ ſondern auch durch ſeine Beſuchungen/ vnd vnter dem Schein der
Straaffe/ ſie zu armen Schlaven machen; oder ſie jmmer plagen/ vnd außſaugen
wuͤrde.


Aber anderſtwo/ vnd ſonderlich in Teutſchland hatt man/ ſo bald die De-
creten daſelbſt außkommen/ von dem erſten der Glaubens ſachen betreffend/ viel
vnd mancherley geredt. Daß man das Decret viel vnd fleiſſig leſen/ vnd wider
leſen muͤſte/ dieweil man es/ ohne eine vollkommene Erkanntnuß vnd Wiſſen-
ſchafft der jnnerlichen Bewegungen der Seelen/ vnd in welchen ſie wuͤrcke oder
leyde/ nicht verſtehen koͤnte: Welches dann ſubtile Sachen waͤren/ davon man/
nachdem ſie ſich bald alſo/ bald anderſt anſehen laſſen/ beyderſeits diſputieren koͤn-
te: Vnd beruhete die gantze Lehr deß Concilii auff dieſer Frag. Ob das/ ſo dem
Willen am erſten fuͤrkaͤme/ in jhm wuͤrckete/ oder/ ob der Will darinn wuͤrckete/
oder/ ob ſie beyde/ als Wuͤrckende/ Leydende ſich befinden. Es ſagten etliche/ die
kurtzweilig waren/ daß/ wie die Sternguͤcker/ welche die wahre Vrſach deß Lauffs
deß Him̃els nicht wuͤſten/ alſo bald/ damit ſie deſſen/ ſo man mit Augen ſiehet/ Red
vnd Antwort geben moͤgen/ in die Eccentricos vnd Epicyclos fielen: Alſo waͤre
es nicht Wunder/ wann man von dem Lauff/ der vber dem Himmel iſt/ wolle Be-
ſcheyd geben/ daß man in eine Eccentricitaͤt der Nieſſungen geriehte. Die Gram-
matici
konten ſich nicht gnugſam verwundern/ vnd ſatt lachen/ vber dieſe Propo-
ſition/ die in einem Canone geſetzt worden. Neque homo ipſe nihil omninò
agat,
daß auch nicht der Menſch ſelbſt gar nichts thue/ welches ſie vor vnver-
ſtaͤndlich/ vnd ohne Exempel hielten: Vnd da der Synodus dieſes meynete:
Etiam homo ipſe aliquid agat, daß auch der Menſch etwas thue. Haͤtte er es
deutlich/ wie es ſich gebuͤhret in Glaubensſachen/ da die einfaͤltigſte Meynung
die beſte iſt/ ſagen koͤnnen/ vnnd ſo ſie ſich einer Zierlichkeit wollen gebrauchen/
ſagen koͤnnen. Neque etiam homo ipſe nihil agat: Wann man aber das
Wort/ Omninò, vnnd darunter flickte/ gibt es ein vngereimbte vnd vnver-
ſtaͤndliche Rede/ wie alle die Reden waͤren/ ſo zwo Negativas particulas haͤtten/
auß denen keine Affirmativam man bringen koͤnte. Darumb muſte man/ ſo je-
ne zuverwandeln waͤre/ ſagen: Etiam homo ipſe aliquid omninò agat, welches
vngereimt/ weil man an dieſem Ort nicht verſtehen koͤnne/ was aliquid omninò
mit
[33]Ander Theil.
mit ſich fuͤhre. Dann es wuͤrde darauff ſolgen/ daß der Menſch auff eine gewiſſe
Weiſe etwas thue/ vnd wann ers auff eine andere Weiſe thue/ er alsdann gar
nichts thut. Zur Verantwortung der Vaͤtter wurde geſagt: Man muͤſte die
Form vnd Weiſe nicht ſo genaw erſuchen: Dann das waͤre nichts anders/ als
Schimpffen/ vnd Boſſenreiſſen. Dargegen ward repliciert/ daß man ſchuldig
waͤre/ eine Rede/ die gewoͤhnlich ſey/ zum beſten außzulegen: Wann man aber
die klare vnd gewoͤhnliche Reden vnterwegen laͤßt/ vnnd newe/ vngereimbte vnd
ſchluͤpfferigte erdenckt/ darinn ein widerwertiger Sinn verborgen laͤge/ welchen
beyde Partheyen zu jhrem Vortheil ziehen koͤnnen/ ſey es nuͤtzlich vnd der Kirchen
daran gelegen/ daß ſolche Renck vnd Betrug entdeckt werden.


Die Theologi ſagten/ dieſe Lehr: Der Menſch koͤnne den jnnerlichen Trieb
deß heiligen Geiſtes allezeit verwerffen/ vnd zu nicht machen/ ſey dem alten vnd
offentlichen Gebet/ der Kirchen ſehr zuwider/ da ſie pflegte zuſagen: Et ad te no-
ſtras etiam rebelles compelle propitius voluntates.
Wolleſt/ O Herr/ vnſern
widerſpenſtigen Willen gnaͤdiglich zu dir treiben vnd noͤhtigen. Diß Gebet
ſey vor Zeiten nicht ein eyteler vnd vergeblicher Wundſch geweſen/ ſondern/ wie
es auß Glauben geſprochen worden/ nach der Lehre S. Jacobs/ alſo von Gott er-
hoͤret worden. Vnd wann dem alſo waͤre/ wie gemelter Canon lautet/ koͤnte man
nicht mehr mit S. Paulo ſagen: Daß der Vnderſcheyd/ durch welchen die Ge-
faͤſſe deß Zorns Gottes von den Gefaͤſſen ſeiner Barmhertzigkeit vnderſcheyden
werden/ nicht von den Menſchen herruͤhret: Sintemal dieſe Wort/ non nihil o-
mninò,
ſolchen Vnderſcheyd dem Menſchen zuſchreiben. Dieſer Spruch wurd
auch von vielen bewogen/ da geſagt wird im ſiebenden Canon: Daß die Gerech-
tigkeit mit gewiſſer Maß gegeben werde/ nachdem Wolgefallen Gottes/ vnd die
Diſpoſition deſſen/ der ſie empfaͤngt: Dann beydes nicht wol zugleich ſtehen koͤn-
te. So es Gott alſo wol gefiel/ deme mehr zugeben/ welcher am wenigſten ge-
ſchickt vnd darzu diſponiert waͤre; So wurde die Gnad nicht gegeben/ nach der
Diſpoſition deß Menſchen/ ſolte ſie aber nach gemelter Diſpoſition/ gegeben wer-
den/ ſo wird ſie allzeit das jenige ſeyn/ dardurch GOtt bewegt wird/ die Gnade zu-
geben/ vnd ſolches nicht thun nach ſeinem Wolgefallen. Es verwunderte ſich
auch mancher/ wie ſie den haͤtten doͤrffen verdammen/ welcher da ſagte: Daß man
die Gebott Gottes nicht halten koͤnne. Dieweil eben daſſelbe Concilium im De-
cret der andern Seſſion/ die Glaͤubigen/ ſo zu Trient verſamlet geweſen/ vermah-
net Buß zuthun/ zu beichten/ zur Communion zugehen/ vnd die Gebott GOttes
zuhalten/ quantum quisq; poterit, nach eines jeden Vermoͤgen: Welche Maͤſſi-
gung jrrig vnd gottloß ſeyn wuͤrde/ wann der Gerechtfertigte ſie allerdings halten
koͤnte: Vnd ward darauff gemerckt/ daß an beyden Orten das Wort Præcepta,
ſtuͤnde/ damit nicht jemand eine Außflucht ſuchen moͤchte.


Welche in den Kirchenhiſtorien beleſen/ ſagten: Daß in allen Concilien/
welche in der Kirchen/ von der Apoſtel Zeit/ biß jetzund gehalten worden/ niemals
Ander Theil. Eſo viel
[34]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſo viel Lehrpuncten ſich eroͤrtert finden/ wie in dieſer Seſſion allein/ in welcher
Ariſtoteles mit oben dran geweſen/ da alle genera cauſarum ſo fleiſſig vnterſchrie-
ben worden/ daß/ wo er das beſte darbey nicht gethan haͤtte/ man vieler Artickel deß
Glaubens in Mangel ſtehen würde.


Die Politici, wiewol jhnen nicht gebuͤhrt/ die Religionsſachen zu examini-
ren/ ſondern ſchlechts zu glauben/ was man jhnen fuͤrſchreibet/ hatten an dem
Decret auch etwas Mangels. Dann dieweil ſie ſahen/ daß Canon. 10. geſetzt
war: Man waͤre verbunden den Gebotten Gottes vnd der Kirchen zu gehorchen/
welches hernach Canon. 20. widerholet wurde/ aͤrgerten ſie ſich/ daß nicht auch ge-
meldet worden/ daß man verbunden waͤre/ den Gebottender Fuͤrſten vnd der O-
brigkeit zugehorchen/ ſintemal der Gehorſam/ den man dieſen ſchuldig ſey/ viel
heller vnd klaͤrer in der heiligen Schrifft außgedruckt ſtuͤnde/ dann der/ ſo man
der Kirchen leyſten ſolte: Das alte Teſtament waͤre voll vom Gehorſam gegen
der Obrigkeit: Jm Newen haͤtte Chriſtus; S. Peter/ S. Paulus weitlaͤuff-
tig/ vnd mit deutlichen Worten davon gelehrt. Die Kirch betreffend/ finde man
einen außfuͤhrlichen Paß/ daß man ſie hoͤren ſoll/ daß man jhr aber gehorchen ſol-
le/ finde ſich nicht alſo klar vnd deutlich. Dann man gehorche dem/ der von ſich
ſelber etwas gebeut; man hoͤre den/ der eines andern Gebott verkuͤndige. Vnd
wolten ſich dieſe Leut mit der Entſchuldigung nicht abweiſen laſſen/ da geſagt
wird: Die Gebott der Fuͤrſten waͤren in den Gebotten Gottes eingeſchloſſen:
Dann darumb ſey man ſchuldig jhnen zugehorchen/ dieweil GOtt ſolches gebot-
ten. Dargegen antworteten ſie/ daß man vmb ſolcher Vrſachen willen der
Kirchen ſolte viel weniger Meldung gethan haben. Gleichwol ſey deroſelben
mit Namen gedacht/ vnd der Oberkeit vergeſſen worden/ dieweil die Geiſtlichen
jhnen von alters her fürgeſetzt/ dieſe ſchaͤdliche Meynung dem Volck einzubil-
den/ daß man jhnen ſchuldig waͤre vmb deß Gewiſſens willen zugehorchen; aber
den Fürſten vnd der Obrigkeit/ vmb allein die zeitliche Straffen zuvermeiden:
Auſſerhalb deſſen koͤnne man jhr Gebott wol vbertretten; dardurch ſie alle Regi-
ment verhaßt gemacht/ als wann ſie tyranniſch waͤren/ vnd man ſie allein der
Straaff halben foͤrchten muͤſte/ ja ſie richteten dieſelbe zu Grund/ in dem ſie die
Vnterthaͤnigkeit gegen den Pfaffen dem Volck/ als den einigen vnd rechten
Weg/ das Himmelreich zuerlangen/ fuͤrmahleten. Dardurch ſie allen Gewalt/
Herꝛſchafft vnd Gebieth/ endlich auch das Reich an ſich ziehen wuͤrden.


Vom Decret/ die Verbeſſerung der Maͤngel betreffend/ ward geſagt/ daß
es ein lauter Geſpoͤtt were: Dann ſich auf Gott vñ den Papſt verlaſſen/ daß tuͤch-
tige Perſonen der Kirchen ſolten fuͤrgeſetzt werdẽ/ das ſtehe vielmehr einem an/ der
ein Gebet thut/ als dem/ der eine Reformation anſtellẽ wil. Daß man die alte Ca-
nones
nur obenhin/ vñ mit einem Wort ernewert habe/ dadurch werde nichts auß-
gerichtet/ daß die Mißbraͤuch/ durch welche ſie in Abgang kom̃en/ beſtaͤttigt. Wolle
man ſie der Gebuͤhr wider auffrichten/ vñ in Gang bringẽ/ ſo muͤſſe man die Ding
abſchaf-
[35]Ander Theil.
abſchaffen/ dardurch ſie zerloͤchert/ vnd in Vergeß geſtelt worden: Man muͤſſe
Straffen darauff ſetzen/ Executorn verordnen/ vnd anders dergleichen fuͤrneh-
men/ dardurch die Geſetz eingefuͤhret/ vnd erhalten werden Endlich/ ſo habe man
nichts anders außgerichtet/ dann daß einer moͤge ein gantzes Jahr von ſeiner
Kirchen bleiben/ wann er das halbe Theil ſeines Einkommens wolle fahren laſ-
ſen; So er aber eylff Monat außbleibe/ vnd ſich dreyſſig oder weniger Tage zu-
vor einſtelle/ ehe das erſte halbe Jahr verfloſſen/ ſo koͤnte er ohne Straaff darvon
kommen: Ja es werde das Decret allerdings vmbgeſtoſſen/ durch die Vorbe-
haltung billiger vnd rechtmaͤſſiger Vrſachen deß Außbleibens/ dann es werde kei-
ner ſo einfaͤltig ſeyn/ der nicht etwas wiſſe auff die Bahn zubringen/ damit er ſich
entſchuldige/ ſonderlich/ dieweil er ſolche Perſonen zu Richtern haben wird/ mit
denen es dran iſt/ daß die Reſidentz nicht widerumb auffgebracht vnd eingefuͤhret
werde.


Der Keyſer erhub ſich mittlerweil von Noͤrdlingen nach Nuͤrnberg/ hielt
Oſtern zu Eger/ vnd empfieng beyde Hertzogen/ Moritz vnd Auguſt auß Sach-
ſen; Hernach kam jhm entgegen Marggraff Joachim/ Churfuͤrſt zu Branden-
burg/ deſſen Sohn/ Johann Georg mit vierhundert Pferden dem Keyſer zu-
zog. So bald der Keyſer an die Saͤchſiſche Graͤntzen kam/ begab ſich der Chur-
fuͤrſt vber die Elb/ vnd verbrand die Bruͤck zu Meiſſen/ richtet ſich nach Witten-
berg/ vnd als er bey dem Muͤhlberg gelegen/ vnd die Schiffbruͤck im Fewer ge-
ſteckt/ begaben ſich etliche wenig Spanier mit Schwimmen zu den Schiffen/ die-
ſelbe zuretten vnd zugebrauchen; funden aber gleich darauff ein Fahrt/ dardurch
ſich ein Bawer mit ſeinen Pferden gemacht hatte/ vnd ſetzten vber. Der Sachs
war ſchon auff drey Meilen geflohen/ an den Lochaner Wald/ da jhn die Spanier
vbereylet/ vnd ſein Volck/ das nicht beyſammen hielt geſchlagen vnd gefangen.
Der Churfürſt wurd im Fechten an dem lincken Backen verwundet/ vnd gantz
vbermannet; wolte ſich doch keinem Spanier/ noch Huſſarn/ ſondern einem
Teutſchen vbergeben. Wie jhn dann Tilon von Trottaw/ ein Edelmann/ an-
genommen: Der fuͤhret jhn erſt zu dem Feldobriſten/ da er mit klaͤglicher Stim-
me/ die Augen gen Himmel richtend/ alſo geſeufftzet: Ach GOtt erbarm dich
mein/ wir ſind jetzt hie: Vor dem Keyſer ſprach er: Allergnaͤdigſter Keyſer/
ich ſtelle mich hie ewern Gefangenen/ vnd bitte vnterthaͤnig/ Ewre Majeſtaͤt vmb
eine Fuͤrſtliche Verwahrung. Der Keyſer antwortet: Bin ich nun dein? Man
wird dich halten/ wie du es verdienet haſt. Jch weiß/ was meines Ampts iſt;
vnd vbergab jhn dem Hertzogen von Alba. Geſchehen auff Sontag Miſericor-
dias Domini,
Anno 1547. Der Keyſer ruͤckt fort/ vnd belaͤgert Wittenberg den
5. May; vnd ließ indem naͤchſten Dorff darbey/ das Vrtheil vber den Churfuͤr-
ſten/ vom Leben zum Tod/ ergehen. Als er ſolches vernahm/ ſagte er: Er wolte
nicht meynen/ daß der Keyſer ſo hart mit jhm wuͤrde verfahren: Da es aber
nicht and erſt ſeyn koͤnte/ bitte er/ daß man jhm ſein End etliche Tag zuvor an-
E ijdeute/
[36]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
deute/ damit er die Notturfft mit ſeinem Weib vnd Kinder verrichten koͤnte.
Vnd hie legte ſich der Churfuͤrſt zu Brandenburg darein/ vermahnet den Keyſer
zur Gelindigkeit/ vnd weil der Sachs durch nichts von der gefaſten Religion/
abzubringen waͤre/ daß er/ ſampt ſeine Soͤhne/ von der Chur abſtuͤnden. Hertzog
Heinrichen von Braunſchweig/ vnd Marggraff Alberten von Brandenburg
loß lieſſe. Wittenberg ergab ſich/ auff deß gefangenen Churfuͤrſten Befehl/ wie
auch Gotha: Der Keyſer legte drey Compagnien hinein/ beſahe den Ort/ vnd
zohe nach Hall: Allda der Landgraff in Heſſen/ auff Vorbitt vnd Vnterhand-
lung Hertzog Moritzen/ vnd deß Churfuͤrſten zu Brandenburg/ dem Keyſer einen
Fuß fall gethan; aber wider Vermuhten vnd Abred gefaͤnglich angehalten ward/
da er ſich doch bedingt gehabt/ daß jhm am Leben nichts geſchehe/ vnd daß er in kei-
ne Gefaͤngnuͤß kaͤme: Vnd entſtund ein arges Weſen vber dem Woͤrtlein/ Ei-
nig/ oder Ewig/ deren eines vor das ander war eingeſchloſſen/ an ſtatt/ ohn einige/
nemlich/ ohn ewige Gefaͤngnuͤß. Hertzog Moritz erhielt die Chur/ vnd was deren
anhaͤngig/ die jhm dann im folgenden Jahr zu Augſpurg beſtaͤttiget worden: Al-
ſo ließ er ſich huldigen/ auch zu Wittenberg/ durch einen trawrigen Einritt. Es
hatte aber dieſer Hertzog Moritz laͤngſt einen Groll wider den Churfuͤrſten/ ſon-
derlich/ wegen der Legſtaͤtte vor dem Ablaß/ vnd das Creutz/ auff welchem Ge-
bieth ſolches geſchehen ſolte: Vnd were ſchon damals zu offentlichem Krieg auß-
gebrochen/ wann ſich nicht die naͤchſte Freunde haͤtten darinn gelegt. Darumb
die Rechnung leicht zumachen/ was vor Bedingungen vorher gegangen. Noch
war vnvergeſſen/ daß der Churfuͤrſt Julium Pflugium, ſo etliche fuͤr deß Keyſers
vnehelichen Sohn hielten/ auff groſſe Vorbitt nicht wollen das Biſchthumb
Naumburg verleyhen. Der Keyſer nahm ſeinen Weg auff Augſpurg/ Brand-
ſchaͤtzt die Staͤtte vmb groß Gelt/ vnd grob Geſchuͤtz/ wie er dann ſoll auff ſieben
vnd zwantzig Tonnen Golds/ vnd fuͤnffthalbhundert Stuͤck groben Geſchuͤtzes
auß Teutſchland erpreßt/ vnd abgefuͤhrt haben.


Joſt von Gruͤningen/ deß Keyſers Oberſt/ vberzog in Nider-Sachſen die
Graff ſchafft Tecklenburg vnd von der Lipp/ die Staͤtte Oßnabruͤck/ Minden/
Rittberg/ vnd belaͤgerte Bremen. Da wurd er mit Huͤlff deß Churfuͤrſten
vnd der Hamburger abgetrieben vnd erſchlagen. Auch zogen die Keyſeriſche
bey Drachenburg den Kuͤrtzern/ doch alles/ ehe der Churfuͤrſt gefangen worden.
Noch hatte der Keyſer ein ſonder Gluͤck/ daß eben zu dieſer Zeit der Engellaͤnder/
vnd auch der Frantzoß geſtorben/ vnd daß der Koͤnig in Dennemarck/ Chriſtiern
der Dritte deß Namens/ damit er das Hauß Brandenburg nicht erzoͤrnete/ ſich
in diß Weſen nicht mengete/ vnd der Keyſer ſeiner Schweſter Kinder/ ſampt
Schweſter vnd Schwager Hülffloß gelaſſen/ damit Chriſtiern in Denne-
marck/ vnd erin Teutſchland/ ein jeder ſein Vorhaben/ ohnge-
hindert koͤnte fortſetzen.


Der
[37]Ander Theil.

Der vierdte Diſcurß.


Wie der Keyſer zu Bononien/ vnd zu Rom wider die Vaͤtter zu Bo-
nonien proteſtiert: Darumb der Papſt ſich zum Richter zwiſchen dem zu Trient
vnd Bononien gemacht/ auch Placentz vergeblich wider begehrt. Wie der Key-
ſer das Interim verfertigt/ welches zu Rom/ vnd allenthalben vbel auffgenom-
wen worden: Darauß dann ein newer Krieg entſtanden. Wie der Papſt wegen
Parma/ ſich zu tod bekuͤmmert/ deme der Cardinal de Monte ſuccediert/ der das
Concilium wider nach Trient verlegt.


NAchdem nun der Keyſer von dero Geſanden/ wegen der jenigen Con-
ditionen/ ſo die zu Bononien fuͤrgeſchlagen/ wie auch weſſen ſich der
Papſt darauff erklaͤrt/ berichtet worden: Ob er wol klaͤrlich verſpuͤret/
daß der Papſt ſich nur deß Namens der Bononiſchen Vaͤtter/ vnd Cou-
cilii
zum Schein gebraucht/ ſintemal Maͤnniglich bekant geweſen/ daß ſie aller-
dings/ durch vnd durch an jhme hiengen: Jedoch/ vnd damit ein jeder ſpuͤren
moͤchte/ daß er nichts vnterlaſſen/ was jmmer moͤglich/ zu Erhaltung deß Con-
cilii,
an Hand zunehmen geweſen/ hat er Franciſcum Vargam, vnd Martinum
Velaſcum,
naher Bononien abgefertiget/ welche dann den 16. Tag Januarij/ An.
1548. in gehabter Audientz/ in beyſeyn deß Cardinals de Monte vnd Sanctæ Cru-
cis,
wie auch anderer Vaͤtter/ ein Schreiben vom Keyſer vberreicht/ mit dieſer
Vberſchrifft: Conventui Patrum Bononiæ. Als nun Vargas angefangen zu-
reden/ hat der Cardinal de Monte alſo bald darzwiſchen geredt/ vnd geſagt: Ob-
wol der H. Synodus nicht ſchuldig waͤre/ jhn anzuhoͤren/ dieweil das Schreiben
nicht an denſelben gerichtet/ als welcher kein Convent/ ſondern ein Concilum we-
re; wolten ſie jhm doch Audientz vergoͤnnen/ aber darbey proteſtiert/ vnd ſich ver-
wahrt haben/ daß es jhnen ohne Praͤjuditz ſeyn/ auch andern zu keinem Vortheil
gereychen/ vnd den Patribus frey vnd bevor ſtehen ſolte/ in dem Concilio fortzu-
fahren/ vnd wider die vngehorſame/ vnd nicht erſcheinende Rebelliſche/ nach Jn-
halt der Rechten/ vnd mit den Straffen derſelben zuverfahren. Hierauff be-
gehrt Vargas, daß zuvorderſt vber dieſe eingewande Proteſtation/ ein Jnſtrument
auffgerichtet werden moͤchte: Bate darauff die Patres, im Namen der gantzen
Chriſtenheit/ daß ſie der Billigkeit gemaͤß verfahren/ vnd nicht alſo auff jhrem
eygenſinnigen Wahn/ vnd ohne genugſame vnd reiffe Berahtſchlagung der Sa-
chen/ gefaſtem Vorhaben beharꝛen wolten/ dann es ſonſten nicht wol doͤrffte auß-
lauffen: Dahingegen/ vnd wo ſie ſich dem Keyſer bequemen wuͤrden/ alles gluͤck-
lich vnd wol koͤnte hinauß gefuͤhret werden.


Jn dem er nun alſo erwieſen/ wie ſchaͤdlich es were/ wann ſie jhre Meynung
E iijnicht
[38]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
nicht aͤndern ſolten/ vnd welcher Geſtalt hingegen deß Keyſers Jntention zu
Gottes Ehre/ vnd der Kirchen Wolfahrt gerichtet: Jſt der Cardinal de Monte
jhm abermals in die Rede gefallen/ vnd geſagt: Jch bin allhie Praͤſident in die-
ſem H. Concilio, vnd Pauli III. der Petri Nachfolger/ vnd Statthalter Chriſti
auff Erden iſt/ Legatus, neben dieſen heiligſten Vaͤttern/ damit wir die Ehre Got-
tes in dieſem recht maͤſſig von Trient hiehergelegten Concilio befoͤrdern. Bit-
ten derowegen den Keyſer/ daß er ſeine Meynung aͤndern/ vnd vns dißfals be-
huͤlfflich ſeyn wolle/ vnd alle/ die diß H. Concilium jrꝛ zumachen ſich vnterſtehen/
mit gebührenden Straffen anſehen: Sintemal ſeiner Majeſtaͤt nicht vnbe-
kant/ daß/ wer ſolche H. Concilia verhindert/ was Würden vnd Stands er ſey/
hoͤher Straffen ſich theilhafftig macht. Vnſers Theils ſind wir dergeſtalt re-
ſolviert/ wie es auch ergehen mag/ daß wir vns keine Draͤwungen werden laſſen
hindern/ ſondern werden vns der H. Kirchen Ehr vnd Freyheit/ vnd deß Concilii,
auch vnſere eygene Reputation vnd Authoritaͤt laſſen angelegen ſeyn.


Hierauff verlaſe Velaſco die in Handen haltende Proteſtation/ deren Jn-
halt dieſer: Nachdem groſſe Strittigkeiten in der Religion entſtanden/ vnd viel
Vnordnungen vnd boͤſe Gebraͤuch eingeriſſen/ auch Teutſchland von der heili-
gen Kirchen getrennt worden/ haͤtte der Keyſer vom Papſt Leone, Adriano, Cle-
mente,
vnd endlich Paulo III. ein Concilium zuſamlen vnd anzuſtellen/ inſtaͤndig
begehrt/ darbey jederzeit vielfaltige Verhinderungen eingefallen. Was er zu
Trient verrichtet/ das were am Tag. Jnmittels haͤtten Jhre Keyſerliche Ma-
jeſtaͤt fuͤrnemlich der Religion halben in Teutſchland gekrieget/ vnd durch ſeine
Tugend dieſelbe Landen in Fried vnd Ruhe gebracht/ der gaͤntzlichen Hoffnung
vnd Zuverſicht/ es wuͤrden die jenige/ ſo ſich jetzunder ſeinem wolgemeynten
Jntent in Weg legen/ ſich jhme bequemen. Allen deme zuentgegen/ haͤtten die
hochwuͤrdige Vaͤtter eine Vrſach vom Zaun geſucht/ vnwiſſend jhrer Heilig-
keit/ den andern die Verruͤckung deß Concilii proponiert/ auch keine Zeit gelaſ-
ſen/ den Sachen reifflich nachzudencken; alſo/ daß obwol etliche heilige Biſchoffe
ſich darwider gelegt/ vnd zu Trient verbleiben wollen/ dannoch mit Zuthun etlich
weniger Jtalianer/ die Translation geſchloſſen/ auch gleich folgenden Tag der
Auffbruch naher Bononien angeſtelt. Der Keyſer haͤtte nach erlangter Victori,
inſtaͤndig bey dem Papſt vmb die Widerkehr naher Trient angehalten/ auch die
Ergernuͤß vnd Gefahr/ ſo in widrigem Fall erfolgen moͤchte/ genugſam vor Au-
gen ſtellen laſſen/ vnd die Sach auff dem Reichstag zu Augſpurg ſo weit gebracht/
daß die Teutſche ſaͤmptlich ſich dem Concilio vnterworffen. Endlich haber den
Cardinal von Trient zu Jhrer Heilig. deßwegen abgefertiget/ auch den Mendoz-
za
mit dergleichen Werbung nach Rom geſchickt. Es haͤtte aber der Papſt mit
jhnen zu Bononien verſamleten Patribus zuvorderſt davon handeln wollen; wel-
che ein nichtige/ betruͤgliche vnd ſchluͤpfferige Antwort ertheilt/ die der Papſt haͤtte
billich ſollen verwerffen: Der haͤtte ſie aber gut geheiſſen/ vnd Zufolg deroſelben
dieſe
[39]Ander Theil.
dieſe Verſamlung zu Bononien/ die doch gantz vnrechtmaͤſſig ein General Con-
cilium
genant/ vnd deroſelben ſolche Authoritaͤt zugeeygnet/ die ſie jhr ſelbſt nicht
haͤtte doͤrffen einbilden. Es ſey nichtig/ daß das Concilium, wie es zu Trient
verſamlet geweſen/ ohne beſondere Notturfft/ fleiſſige Erwegung der Sachen
Vmbſtaͤnde/ vnd allgemeine Bewilligung nicht habe koͤnnen anderſt wohin ver-
legt werden.


Deſſen alles aber vngeachtet/ weren ſie die vermeynte Legaten vnd andere/
geſchwind vnd hurtig von Trient entwichen/ mit falſchem Fuͤrgeben/ als ob es der
Ends boͤſe Kranckheiten vnd boͤſer Lufft regierte: Daruͤber dann auch etlicher
Medicorum vnrichtige Schein vnd Atteſtationes außgebracht/ deren Nichtig-
keit die Zeit bald hernach eroͤffnet: Geſetzt aber/ daß ſo groſſe Noht vorhanden
were geweſen/ ſo haͤtte ſich doch in alle Wege gebuͤhren wollẽ/ es zuvorderſt an den
Papſt vnd Keyſer/ als Schutzherꝛn deß Concilii gelangen zulaſſen: Es ſey aber
alles ſo geſchwind zugangen/ daß ſie mit ſich ſelbſt nicht recht zu Raht gehen koͤn-
nen. Vnd haͤtten billich der jenigen Patrum Vrſachen vnd Motiven verneh-
men/ vnd in obacht ziehen ſollen/ die auß jhrem Gewiſſen geredt; deren Meynung/
ob jhrer ſchon weniger geweſen/ als der andern/ billig fuͤrgehen ſollen. Da man
auch ſchon nohtwendiglich von dannen verruͤcken muͤſſen/ were doch billich gewe-
ſen/ daß nach Jnnhalt deß heiligen Concilii Decreten/ ein ander Ort in Teutſch-
land zuerkieſen geweſen. Daß aber Bononien/ als der Roͤmiſchen Kirchen an-
gehoͤrig/ vnd da Maͤnniglich wol bewuſt/ daß die Teutſchen nicht wuͤrden hinkom-
men/ ſondern genugſame Vrſachen zu der Verweigerung haben/ erwehlt vnd be-
nant worden/ das laſſe ſich in keine wege verantworten/ ſondern ſey ſo viel geſagt/
als ob man deß Concilii vnverſehens vnd mit Fleiß wollen ein End machen. De-
rowegen dann Keyſerl. Majeſt. als Oberſter Beſchuͤtzer der heiligen Kirchen/ vnd
Schirmherꝛ deß General Concilii, damit die Strittigkeit in Teutſchland eroͤr-
tert/ auch das Koͤnigreich Spanien/ vnd andere dero Land/ zu einem Chriſtlichen
Leben vnd Wandel gebracht werden moͤgen/ ſie vermeynte Legaten/ vnd andere
Biſchoffe/ ſo von Trient abgezogen/ hiemit erſuchen thue/ daß ſie ſich widerumb
dahin begeben wollen; deſſen ſie vmb ſo viel weniger Bedenckens zutragen/
dieweil ſie ſich ſelbſten darzu erbotten/ ſo bald die/ wegen der Jnfection geſchoͤpffte
Forcht auffhoͤren wuͤrde. Daran wuͤrden ſie der gantzen Chriſtenheit ein be-
ſonders Gefallen erweiſen: Jm vbrigen Fall/ thaͤten ſie Gewalthabere/ krafft
ſpecial von Jhrer Majeſtaͤt empfangenen Befehls/ hiemit proteſtieren/ daß die
Verruͤckung von Trient nicht rechtmaͤſſig geſchehen/ vnd ſampt allem/ was dar-
auff erfolget/ oder folgen moͤchte/ nichtig ſey: Vnd daß der anweſenden ver-
meynten Legaten vnd Biſchoffen Authoritaͤt/ als die allein an dem Papſt hiel-
ten/ keines wegs alſo beſchaffen/ daß ſie der gantzen Chriſtenheit in Religionsſa-
chen/ wie auch die Reformation betreffend/ Maaß vnd Ordnung geben koͤnten/
ſonderlich den jenigen Landen/ deren Gebrauch vnnd Sitten jhnen vnbekannt
weren.
[40]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
weren. Deßgleichen proteſtierten ſie/ daß jhre Heiligkeit/ wie auch jhre eygene
gegebene Reſolution nicht rechtmaͤſſig ertheilt worden/ ſondern vnbillig/ voller
Falſch vnd Betrug ſey; vnd derowegen aller Schaden vnd Nachtheil/ Tumult/
Landsverderben vnd Auffſtand/ ſo darauß entſtanden/ oder noch entſtehen moͤch-
ten vnd koͤnten/ nicht Keyſerl. Majeſt. ſondern dieſer Verſamlung/ die man ein
Concilium nennen wolle/ beyzumeſſen ſey; deme allem doch leichtlich vnd ordent-
lich koͤnte abgeholffen werden. Daß auch ingleichem der Keyſer nicht füruͤber
werde koͤnnen/ nach beſtem Vermoͤgen dieſe Sachen in acht zunehmen/ vnd ſich
die Beſchirmung vnnd Wolfahrt der heiligen Kirchen angelegen ſeyn laſſen.
Welches dann ſeiner Majeſtaͤt/ als einem Keyſer vnd Koͤnig zuſtehe/ wie ſolches
die alte Rechten vnd der allgemeine Conſens der Vaͤtter/ vnd der gantzen Welt
genugſam mit ſich bringen. Endlich/ begehret er/ daß ein offen Jnſtrument dar-
uͤber auffgerichtet/ vnd der Keyſerliche Befehl/ wie auch jhre gethane Proteſta-
tion/ demſelben einverleibt/ vnd den Actis beygelegt werden moͤchte.


Nach gethaner Proteſtation vbergab Velaſco dieſelbe ſchrifftlich/ wie er ſie
in Handen hatte/ mit angehengtem Begehren/ daß ſie ad acta regiſtriert wuͤrde.
Hierauff proteſtierte der Cardinal de Monte mit ſcharpffen Worten/ vnd mit
Conſens deß gantzen Synodi hingegen/ daß ſie viel ehe den Tod begierig leyden/
als ſolche Exempel in die heilige Kirchen einfuͤhren wolten laſſen/ daß die welt-
liche Obrigkeit ein Concilium verſamlen ſolte. Der Keyſer ſey ein Sohn/ vnd
kein Herꝛ/ oder Meiſter der Kirchen; Er/ der Cardinal vnd ſein Collega, weren
deß heiligen Apoſtoliſchen Stuls verordnete Legaten/ die auch keine Schew truͤ-
gen/ für GOtt/ vnd fuͤr dem Papſt jhr Verrichtung/ Red vnd Antwort zugeben;
in gewiſſer Hoffnung/ jnnerhalb wenig Tagen/ auff die beſchehene Proteſtation/
eine Reſolution zuerhalten.


Zu Rom hatte Mendozza Antwort vnd Befehl vom Keyſer empfangen/
nur fortzufahren/ vnd fuͤr dem Papſt/ in beyſeyn der Cardinaͤl/ vnd aller der
Ends anweſende Geſanden zu proteſtieren. Nachdem er nun berichtet wor-
den/ wie die Sachen mit Velaſco vnd Varga zu Bononien abgelauffen/ hatt er
im Conſiſtorio ſich gefunden/ vnd kniend für dem Papſt die Proteſtation/ ſo er
geſchrieben in Haͤnden hielte/ abgeleſen. Der Anfang war von deß Keyſers
groſſem Fleiß vnnd vieler Sorg/ wegen der Vergleichung der zwyſpaltigen Re-
ligion in Teutſchland/ vnd was er deßwegen mit Leone, Adriano, Clemente,
vnnd mit jhme Paulo ſelbſten tractieret/ wegen Verſamlung eines Concilii,
welchem ein Theil der Teutſchen ſich nicht haͤtten vnterwerffen wollen: Alſo daß
er der Keyſer auß Chriſtlichem Eyffer ſie durch Kriegsmacht zum Gehorſam ge-
bracht/ bey welcher Execution der Papſt zwar etwas geringes an Volck zuhuͤlff
geſchickt/ damit er nicht gar darfür angeſehen wuͤrde/ als wolte er das gemeine
Weſen verlaſſen: Es were aber gewiß/ vnd auſſer Zweiffel/ daß ſolcher ſchwere
Krieg allein durch Keyſerliche Macht vnd Gewalt zu Ende erzwungen. Jumit-
tels
[41]Ander Theil.
tels/ als ſeine Majeſtaͤt in ſolchem ſchwehren Obligen begriffen/ were das gute zu
Trient angefangene Werck durch die ſchaͤdliche Verruͤckung deß Concilii, mit
Vorwendung ſolcher Vrſachen/ die nicht wahr weren/ vnd keinen rechten
Schein haͤtten/ vnterbrochen worden; eintzig vnd allein zu dem End/ damit es
den gewuͤndſchten Zweck deß gemeinen Friedens vnd Ruh nicht erlangen moͤch-
te/ vngeacht/ daß der verſtaͤndigſte vnd Gottſeligſte Theil der Patrum ſich darwi-
der gelegt/ vnd zu Trient wuͤrcklich verblieben/ denen dann das Praͤdicat deß
Concilii, vnd nicht den jenigen/ ſo nach Bononiengezogen/ gebuͤhre/ wiewol ſeine
Heiligkeit ſolchen Titul den andern geben/ weil ſie dero anhangen/ vnd deroſel-
ben eygen Willen mehr/ als deß Keyſers/ Ferdinandi, vnd aller Fuͤrſten deß
Reichs Bitten vnd Anhalten in acht nehmen/ es gehe dem zerruͤtteten Teutſch-
land daruͤber/ wie es wolle/ die Verfuͤhrten werden bekehrt/ oder nicht; da doch
die hoͤchſte Notturfft erfordert/ nachdem ſich dieſelbe dem Concilio vnterworffen/
daß man ſich widerumb naher Trient begeben thaͤte.


Als nun er/ der Papſt/ durch jhn den Geſanden/ inſtaͤndig deßwegen erſucht
worden/ haͤtte er eine geſchraubte vnd vnerhebliche Antwort darvon getragen/
darauß abzunehmen/ daß die Chriſtliche Bitt/ ſo Jhre Heiligkeit von jhme/ als
einem Keyſerlichen Geſanden/ den 14. vnd 27. December/ wie auch den 16. Ja-
nuarij von andern Keyſerlichen Gewalthabern geſchehen/ allerdings auſſer acht
gelaſſen worden. Derowegen er dann hiemit proteſtiert haben wolte/ daß die
Verruͤckung deß Concilii, vnd Verlegung naher Bononien/ nichtig vnnd vn-
rechtmaͤſſig ſey: Vnd daß ſie Strittigkeiten in der Kirchen erwecken/ auch die
Catholiſche Religion in Gefahr ſetzen werden. Zugeſchweigen/ daß die Kirch zu
gegenwaͤrtiger Zeit/ dardurch ſehr geaͤrgert/ vnd verwuͤſtet worden. Dannen-
hero auch alle Zerruͤttung/ Ergernuͤſſen/ vnd Vnheil/ ſo darauß jetzt vnd ins
kuͤnfftig entſtehen moͤchten/ Jhrer Heiligkeit zuzumeſſen ſey/ als welche/ vngeach-
tet/ ſie biß auff das Blut darwider ſeyn ſolte/ dieſelbe befoͤrdere/ vnd denen/ ſo ſol-
ches Vbel anſtiffteten/ Vorſchub thaͤte: Alſo/ daß Jhre Majeſtaͤt/ auß Seiner
Heiligkeit Veranlaſſung vervrſacht werde/ als ein Keyſer vnd Koͤnig/ nach Jn-
halt der alten Vaͤtter Schrifften/ vnd allgemeinen einhelligen Conſens aller
Verſtaͤndigen/ ſelbſten zu den Sachen/ nach beſtem Vermoͤgen [...]thun. Wan-
de ſich darauff zu den Cardinaͤlen/ vnd ſprach: Nachdem der Papſt nicht zu dem
Frieden in der Religion/ vnd zu der Wolfahrt der Teutſchen Landen/ wie auch
zu der Verbeſſerung der boͤſen eingeriſſenen Gewohnheiten geneigt/ ſo thaͤte er die
deßwegen gethane Proteſtation auch gegen ſie erholen/ auff den Fall/ ſie in gleich-
maͤſſiger Fahrlaͤſſigkeit verharꝛen wuͤrden. Lieſſe demnach die in Handen ge-
habte Schrifften hinderſich; vnd weil jhm kein Antwort darauff worden/ zohe er
alſo ab.


Der Papſt/ als er die von Mendozza geſchehene Proteſtation erwogen/ vnd
mit den Cardinaͤlen berahtſchlaget/ merckte/ daß er ziemlich eng eingethan/ vnd
Ander Theil. Fdaß
[42]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
daß viel Ding/ ſo ſeiner Reputation entgegen/ darinnen begriffen: Daß auch
das Spiel vnter jhnen geſpielt/ vnd ein ander Mittel vorhanden were/ als auff
ſolche Wege zugedencken/ wie er ſich Neutral vnd zum Richter zwiſchen denen/
ſo die Translation jhnen belieben/ vnd den andern/ die jhnen ſolche mißfallen lieſ-
ſen/ machen koͤnte.


Dahin nun zugelangen/ war nohtwendig/ daß er die Proteſtation von ſich
abwendete/ als ob ſie nicht wider jhn/ ſondern wider die zu Bononien were geſche-
hen. Darumb nahm er ſich an/ der Geſand haͤtte der Sachen hierinn zuviel ge-
than; ließ den Mendozza zur Audientz fordern/ zeiget jhm an/ die Sach were von
boͤſer Conſequentz/ vnd pflegte einen Vngehorſam nach ſich zuziehen; er liebte
den Keyſer/ wie ein Vatter ſeinen Sohn/ vnd were jhm nicht lieb/ daß dieſes nach
erhaltenem Sieg/ darbey er ſein beſtes gethan/ vorgienge: Schoͤpffte doch Troſt/ dz
deß Keyſers Meynung nit wider den Papſt/ ſondern die zu Bononien in der Pro-
teſtation gerichtet; vnd Hochfürſtlich erwogen/ daß der Papſt hierinnen Richter
were/ vnd alſo die Proteſtation nach dem Außſchlag dienen ſolte. Darumb
ſolten die Vaͤtter zu Trient geklagt/ vnd der Geſand ſein Begehren nicht verkehrt
haben; wie dann deßwegen alles gefallen. Wolte doch ohne Schew antworten:
Man koͤnte jhn keiner Fahrlaͤſſigkeit beſchuldigen/ weil deß Keyſers Kriege jhn
an Verſamlung deß Concilii verhindert: Deſſelben beſchehene Translation
wolte er vorbehaͤltlich entſcheyden vnd vrtheilen. Wer die zu Trient lobe/ der
lobe die/ ſo ſich von dem Leib der heiligen Kirchen abgeſondert. Er ſey nicht wi-
der die Widerkehr/ wann ſie ohne Nachtheil der andern Nationen geſchehe. Der
heilige Geiſt ſey an Trient nicht gebunden/ noch Teutſchland alleinig zu beobach-
ten/ oder alſo auch Engelland: Er mercke/ daß der Verdruß/ wegen ergangener
vnd künfftiger Decreten herruͤhre: Waͤre nicht fahrlaͤſſig/ vnd trüg ein ander
Ampt/ als der Keyſer. Verordne demnach zu dieſer vor jhn zuruͤck gezogenen
Sach/ die vier Cardinaͤl Panſium, Burgeſium, Polum vnd Creſcentium, mit Ver-
bott einiger Newerung/ vnd beſetze in Monatsfriſt alle Fundamenta der Tren-
nung beyzubringen.


Aber Mendozza proteſtiert von newem/ er haͤtte deſſen vom Keyſer ſonder-
baren Befehl gehabt. Die Keyſeriſchen kitzelten ſich mit dieſem Schlupffwin-
ckel der abgelehnten Proteſtation/ vnd wurden eitiert/ mit angehaͤngtem Ver-
weiß daß er vom Keyſermuͤſſen vernehmen/ was ſie ſelbſt jhme dem Papſt/ haͤt-
ten ſollen vortragen. Die Antwort war von Trient/ daß ſie gnugſame Vrſach
angezeigt/ vnd der Keyſer/ als einen Schutz- vnd Schirmherꝛn der Kirchen an-
gelangt/ baten in keinen Proceß gezogen zuwerden/ mit Bezeugung jhres wol-
meynenden Gemuͤths. Vnd alſo gab es etliche Wortvnd Antwort. Die vier
deputierte Cardinaͤl wuſten nicht auß der Sach zukommen: Solten ſie die Ver-
ruͤckung gebilliget/ vnd in Abweſen der widrigen vor rechtmaͤſſig erkant haben/
aber hernach nicht Mittel gehabt/ ſolchen Außſpruch in das Werck zuſetzen/ wer
eine
[43]Ander Theil.
eine Trennung entſtanden. Vnd war auch kein einiger Weg vorhanden/ den
Gegentheil dahin zubringen/ daß er ſich in das Recht einlieſſe. Derowegen dann
der Papſt ſehr ſorgfaͤltig vnd beaͤngſtiget geweſen/ weil er noch viel weniger ei-
nig Mittel zuerdencken wuſte/ dieſem Streit ohne Gerichtlichen Proceß abzu-
helffen.


Vnd hie wolt es Nagelnewe Haͤndel geben/ weil der Keyſer/ nach Ableben
deß Hertzogen von Placentz/ die eingenommene Orth vnd andere im Hertzog-
thumb Parma (ſo an Meyland zuhefften waren) verzog abzutretten: Dar-
umb der Papſt/ wolwiſſend/ daß auff ſein achtzigjaͤhriges Alter geſehen wurde/
dem Keyſer zuerkennen geben/ die jenige/ ſo Placentz/ als ein Kirchengut/ einge-
nommen/ weren in ſeine Cenſur vnd Paͤpſtlichen Bann gerahten/ zu deſſen De-
claration er auch ſchreiten wolte/ wo die Reſtitution nicht jnnerhalb eines ge-
wiſſen Termins erfolgte. Der Keyſer antwortet: Der Papſt ſolte die Bandi-
ten auß dem Koͤnigreich Neapels nicht vnterhalten/ vnd keine Practicken ſchmi-
den. Placentz haͤtte der Roͤmiſche Stul von Meyland abgezwackt/ vnd da er
einige Anforderung darzu wuͤſte vorzuweiſen/ ſolte jhm Recht widerfahren. Al-
ſo wolten die geiſtliche Waffen/ ohne euſſerliche Macht/ nichts verfangen/ ſo war
der Papſt alt/ wolte auch den Kirchenſchatz nicht angreiffen/ vnd konte die Vene-
tianer nicht in Harniſch bringen/ wie dann auch in Franckreich wenig zuerlan-
gen. Dannoch entſchloſſen/ das Concilium auß ſeiner Bottmaͤſſigkeit nicht zu-
laſſen/ vnd weil kein Raht zufinden/ den Außgang dem Gluͤckzubefehlen. Jn deß
hielte der Keyſer ſeine Voͤlcker auff den Beinen/ vnd haͤtte dem Teutſchen Relt-
gionsweſen gern abgeholffen/ ſahe abermal/ daß es vnmoͤglich zuerzwingen/ weil
auch der gefangene Churfuͤrſt lieber den Tod leyden wollen/ als ſich verpflichten/
dem Concilio zuvnterſchreiben. Vnd ob ſchon der Keyſer auff dem Reichstag
zu Augſpurg/ da alles mit ſeinen Kriegsknechten auff dem Land vberſchwemmet/
vor allen Dingen an die Staͤnde begehrt/ ſie ſolten ſich dem Concilio vnterwerf-
fen/ auch der Proteſtanten Religion in der Statt abgethan/ vnd die Paͤpſtiſche
wider eingefuͤhret/ alſo daß es ſchiene/ mit den Proteſtierenden auß ſeyn/ blieben
doch ſie auff jhren erſten Bedingungen/ wegen deß Concilii. Es gab aber groſſen
Vnwillen wider den Keyſer/ daß er die zween gefangene Fuͤrſten/ ſonderlich den
Landgraffen in ewigem Gefaͤngnuͤß zuhalten ſich entſchloſſen/ ob ſchon deß Land-
graffen Gemahlin durch deß Keyſers Schweſter Maria/ vnnd beyde Chur-
fuͤrſten/ Sachſen vnd Brandenburg/ bey dem Keyſer ſelbſt/ wie auch durch
deß Keyſers vnd Ferdinandi Soͤhne/ Philippum vnd Maximilianum ſteiff an-
hielten.


Sonſten gedachte der Keyſer zwiſchen zweyen Waſſern zuſchwimmen/
(gleich wie der Papſt) vnd ließ ein Formular durch Julium Pflugium, Michaë-
lem Sydonium,
vnd Johannem Jslebeium abfaſſen/ welches beyden Theilen ſo
fern genehm ſeyn koͤnte/ biß das Concilium zu End gelangen moͤchte/ deßwegen
F ijauch
[44]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
auch genannt Interim. Als aber ſolch Buch nach Rom kommen/ war Jeder-
maͤnniglich ſehr daruͤber beſtuͤrtzt/ daß ein weltlicher Herꝛ/ in einer weltlichen
Verſamlung von Religionsſachen tractiert/ vnd einen Schluß gemacht; vnd
zwar nicht in einem allein/ ſondern in allen Artickeln/ ſo ſtrittig worden. Die Ge-
lehrten erholten auß den vhralten Geſchichten/ daß Zenon ein Enoticum, Hera-
clius,
ein Ectheſin, vnd Conſtans die Typos auffgeſetzt/ vnd wie zu mehr-
malen ſo groſſe Tyranney in der heiligen Kirchen durch die Conſtitutiones Im-
peratorum
waͤren vervrſacht worden: Sonſten/ oberzehlte drey Stuͤck/ haͤtten
vor dieſen Zeiten nichts guts/ ſondern nur groſſe Spaltung in der Kirchen an-
gerichtet: Darzu koͤnte man wol das Interim Caroli V. vor das vierdte hinzu-
ſetzen; vnd waren faſt in den Gedancken/ als ob es der Keyſer Henrico VIII. in
Engelland nach thun/ vnnd ſich zu einem Haupt der Kirchen machen wolte.
Dahero dann deſto groͤſſer Gefahr zubeſorgen/ weil ſolche Oberherꝛſchafft in Re-
ligionsſachen nicht nur eine eintzige Jnſul/ ſondern Spanien/ Jtalien/ Teutſch-
vnd andere vmbligende Laͤnder begreiffen thaͤte: Vnd zwar euſſerlichem Anſe-
hen nach/ ſolch Interim Catholiſch/ aber an ſich ſelbſten vnd in der Wahrheit der
Catholiſchen Lehr gantz zuwider waͤre; wie dann ſolches von Puncten zu Pun-
cten ſich erwieſe/ ſonderlich in dem Capitel von der heiligen Kirchen/ da die Ei-
nigkeit derſelben nicht auff ein ſichtbarliches Haupt/ ſo doch das fuͤrnembſte/ ge-
richtet ſey: Vnd das noch das aͤrgſte/ ſo wuͤrde darinnen von einer vnſichtba-
ren/ in Einigkeit der Chriſtlichen Lieb verſamleten Kirch geredet/ welche doch
auch hernacher vor vnſichtbar gehalten werde; dardurch ſein artig/ jedoch ſchein-
licher Weiß/ die Hierarchia vernichtet/ falle/ vnd Lutheri Meynung geſtaͤrcket/
wachſe. Vnd ſonderlich werde darinnen vor das rechte Kennzeichen der wah-
ren Kirchen/ die Lauterkeit vnd Wahrhafftigkeit der Lehre/ vnd der rechte Ge-
brauch der heiligen Sacramenten vorgeſtelt: Das erſte Gemerck aber/ ſo da iſt
der Gehorſam gegen Paͤpſtlicher Heiligkeit zu Rom/ außgelaſſen; welches in
keinem Weg zugeſta [...]en: Wie auch dieſes nicht/ daß der Papſt in remedium
ſchiſmatis,
vnd die Biſchoffe de jure divino geſetzt werden: Neben Geſtattung
der Prieſter-Ehe.


An dem gantzen Paͤpſtiſchen Hoff hoͤrete man nichts anders/ als daß es
de ſumma rerum geſpielt/ daß die Fundament der Kirchen erſchoͤllert/ vnd alſo
hochnoͤhtig waͤre/ ſich mit aller Macht in Weg zulegen. Der Papſt aber ſahe
biß auff den Grund/ vnd merckte/ daß der Keyſer eygennuͤtzig/ vnd hochmuͤhtig
waͤre/ als wuͤrde kein Widerſtand mehr zu finden ſeyn/ welcher ſich doch bald auff
beyden Seiten nach der Publication eraͤugen ſolte/ wie auch geſchahe. Dann der
Bapſt/ damit man ſeinen Widerwillen nicht merckete/ ließ dem Keyſer auff dem
Reichstag durch Sfondrat nur etliche Puncten fürhalten: Der Gebrauch deß
Kelchs im Abendmahl waͤre allbereit durch alte Gewohnheit der Kirchen abge-
than; ſtuͤnde derowegen bey dem Bapſt/ denſelben wider zuerſtatten. Jnglei-
chem
[45]Ander Theil.
chem es auch mit der Prieſter Ehe beſchaffen. Jtem/ deß Keyſers Vorhaben
waͤre gut/ die Lutheraner im Zanm zuhalten/ doch muͤſte man jhnen nicht allzu-
viel in den Ceremonien verſtatten. Vnd damit die Cleriſey in Teutſchland auff
gutem Wege blieb/ ließ er begehren/ daß die eingezogene geiſtliche Guͤter wider ab-
getretten würdẽ/ moͤchtẽ ſonſt als rechtmaͤſſig verwendet/ geachtt werden. Dabey
man dann keines Concilii eben erwarten muͤſte/ ſondern koͤnte vnverzuͤglich zur
Execution greiffen/ vnd weil das Spolium offentlich bekannt/ de ſimplici \& plano
ſchleunig vnd auß Keyſerlicher Macht verfahren; welches den Teutſchen Praͤ-
laten mißfallen koͤnnen. Darumb ſetzt der Keyſer eine Vorrede vor das Buch/
vnd ließ es den fuͤnffzehenden Maij in Lateiniſcher/ Frantzoͤſiſcher vnd Jtaliani-
ſcher Spraach drucken. Der Churfuͤrſt ſtund auff/ vnd danckte deßwegen in al-
ler Namen; vnd weil auß Forcht ſich niemand offentlich widerſetzen doͤrffen/ ge-
ſchahe es doch abſonderlich. Neben dieſem ließ der Keyſer den 14. Junij eine
Reformation deß geiſtlichen Stands in 22. Artickeln/ vnd vielen Reguln publi-
cieren/ welche aber weniger/ als das Interim, geachtet worden. Dann ein Ge-
neral- vnd Fundamental-Regul an dem Roͤmiſchen Hoff iſt/ daß kein Weltli-
cher/ weß Stands vnd Weſens der auch ſey/ der Cleriſey Maß vnd Ordnung ge-
ben koͤnne/ es ſey auch ſo wol gemeynt/ als es jmmer wolle. Wenig Tag her-
nach verordnet der Keyſer/ gegen S. Martinstag die Synodos Diæceſanas, vnd
vmb Faſten die Provinciales zuhalten.


Den letzten Junij hatte der Reichstag zu Augſpurg ein End/ vnd wurd
der Abſcheid publiciert/ in welchem dem Keyſer verſprochen/ daß das Concilium
zu Trient continuirt/ vnd foͤrderlich wider an Hand genommen werden ſolte; mit
angehengtem Befehl/ daß alsdann alle Geiſtliche/ wie auch der Augſpurgiſchen
Confeſſionsverwande/ vnter ſicherem Gelait ſich dabey befinden vnd einſtellen
ſolten: Da dann alles nach dem Wort GOttes/ vnd der alten Kirchenlehrer
Buͤchern verhandelt/ vnd Maͤnniglich zu Genuͤgen gehoͤret werden ſolte. Der
Cardinal zu Augſpurg gab dem Keyſer den Raht/ Er ſolte dieſe Mandaten durch
den Bapſt laſſen vollnziehen; der dann zween Nuncios geſand/ die nur Ablaß
vnd Abſolution verkuͤndigten/ auch in Feyertaͤgen/ Ordenskleidungen/ Faſten-
ſpeiſen/ vnd dem Kelch ſelbſten zu diſpenſieren. Als nun der Keyſer von Aug-
ſpurg verreyßt/ fand er allenthalben wegen deß Interims Widerſpenſtigkeit; dann
die es nicht annahmen/ beſchoͤneten ſich mit dem Keyſer ſelbſt/ der es nicht ange-
nommen/ bey denen/ ſo es angenommen/ gab es groſſe Verwirrung/ welche zu
einem Streit von den Mitteldingen/ ſo man thun oder laſſen koͤnne/ Vrſach ge-
geben. Jn Niderſachſen entſchuldigten ſich die Staͤtte beweglich/ vnd Magde-
burg verachtets/ darumb ſie auch in die Acht gefallen/ vñ einen langwirigen Krieg
außgeſtanden/ welcher auch drey Jahrlang dergeſtalt glimmete/ daß er hernach
dem Keyſer alle ſeine Siegmahl verbrennt/ vnd zunichten gemacht hat. Doch
F iijgien-
[46]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
giengen die Reformationen fort/ wie ſie konten/ mehr zum Schein vnd Gehor-
ſam/ als auß Eyffer.


Als nun das Concilium zwey Jahr lang zu Bononien gleichſam geſchlaf-
fen/ ſchrieb den ſiebenden November dem Bapſt/ Hertzog Octavius ſein En-
ckel/ er wolte ſich mit Ferdinand Gonzaga/ wegen der Statt Parma/ ſo Baͤpſtliche
Heiligkeit/ als ein Pertinentzdeß Apoſtoliſchen Stuelsjnnen haͤtte/ vergleichen:
Dahero den Bapſt ein ſolch Wehmuht vnd Zorn angeſtoſſen/ daß er/ wie tod da-
hin gefallen; vnd ob er gleich etliche Stund hernach wider zu ſich kommen/ in ein
Fieber gefallen/ das jhm vber drey Tag nicht diß Leben goͤnnen wollen. Cardi-
nal de Monte verfuͤgt ſich nach Rom/ der newen Wahlbeyzuwohnen. Die Car-
dinaͤl waren Keyſeriſch/ Frantzoͤſiſch/ vnd Farneſiſch/ welche letzte durch Beyfall
der Frantzoſen/ erhielten/ daß Johannes Maria de Monte zu einem Bapſt den 8
Februarij erwehlet/ die Capitulation von Fortſetzung deß Concilii geſchworen/
den drey vnd zwantzigſten gecroͤnet/ vnd den fuͤnff vnd zwantzigſten die Porta
Sancta
zum Jubel-Jahr durch jhn eroͤffnet worden. Er gab ſeinen Cardinals-
Hut ſeinem geweſenen Diener/ der von Florentz buͤrtig/ von vnbekanten El-
tern/ ließ jhn von ſeinem Bruder Baldwein adoptiern/ vnd Innocentium de
Monte
nennen: Welches alles viel Paßquillen vervrſachte. Er wolte Ju-
lius III.
genant ſeyn: Sein Vatter war Vincentius Fabiani filius, zu S. Sabi-
nenberg/ ein fuͤrtrefflicher Gelehrter in Baͤpſtiſchen Rechten/ ſonſten genant Cioc-
chi;
ſeine Mutter ein Edele von Senen. Er vberlegt den Handel tieffſinnig/
wegen deß Concilii, vnd befand der Keyſer nicht mehr ſo gar gefaͤhrlich/ als zu-
vor: Dann die zween Fuͤrſten/ ſo er gefangen hielte/ waͤren zween Woͤlff/ die er
bey den Ohren gefaſt. Die Reichsſtaͤtte giengen mit einer offenbaren Rebel-
lion ſchwanger; die Geiſtlichen ſeyen der gewaltſamen Herꝛſchung vberdruͤſſig:
So trachten der Sohn vnd der Bruder/ ja Enckel/ nach dem Kerſerthumb/ wel-
ches Vngelegenheit genug zuziehen wuͤrde: Hielte doch ſein Vorhaben in ge-
heim/ vnd befahl etlichen Cardinaͤlen/ deren die mehrere gut Keyſeriſch/ den
Handel zuberahtſchlagen: Da ſich dann/ wegen deß Frantzoſen die groͤſte Be-
ſchwerd befand/ weil derſelbe bißher ſo hart vor den Bapſt wider den Keyſer ge-
weſen: Vnd dann wegen der Proteſtierenden/ weil der Bapſt in ſeiner Bull/
ſo er auff den andern Reichstag nach Augſpurg geſand/ außdruͤcklich geſchrieben/
daß er nicht allein in dem Concilio praͤſidieren vnd vorſtehen/ ſonder auch das Di-
rectorium
fuͤhren wolte: Jtem/ daß es nur ſolte in vorigem Stand/ wie es ver-
laſſen/ reaſſumiert vnd fortgeſtelt werden/ als wann alle verhandelte Sachen
auch die Proteſtierende/ deren ſie doch/ als abweſend/ nicht kündig waren/ binden
muͤſten.


Solches nun vmb etwas zulindern/ ließ der Keyſer den Bapſt angelan-
gen/ durch ſein Geſanden/ der die Sach alſo vortruge: Gleich wie ein Waidmann/
dann er das Thier fangen wil/ den Strick allgemach zuzeucht/ vnd ſich wol vor-
ſiehet/
[47]Ander Theil.
ſiehet/ dz es weder Fewer ſehe/ noch Lonten rieche/ oder dergleichen etwas empfinde/
welches es gantz toll vnd deſperat machen doͤrffte/ daher jhme hernach die Staͤrcke
vermehrt wird: Alſo müſte man es mit den Proteſtierenden halten/ vnd ſie mit
guten glatten Worten zum Concilio bringen/ ſie fein anhoͤren/ vnterrichten vnd
bereden/ vnd wann ſie nun darinnen ſeyen’/ zu rechter Zeit den Handel andeu-
ten/ daß man aber jetzt ein Vrtheil vber ſie faͤlle/ ehe ſie gehoͤrt/ werde ſie nur deſto
vnſinniger vnd widerſpenſtiger machen. Der Bapſt antwortet gar frey:
Es ſoll jhn keiner lehren/ wie es thue/ mit einer eingeſperreten Katzen. Der
Geſand ſagte: Die Wahrheit wolle nicht allemal geſagt ſeyn; Leonis vnd Ca-
jetani
harte Wort haͤtten dieſe tieffe Wunden geſchlagen/ welches Clemens vnd
Paulus offt beklagt: Jetzt koͤnte man Teutſchland mit Manier vnd glatten
Worten wider herbey bringen. Daruͤber der Bapſt ſchier in Zorn kommen:
Man muͤſte Chriſti Lehr/ vnter andern auch dieſe/ daß die Goͤttliche Majeſtaͤt
jhn zu jhrem Statthalter/ zum Haupt der Fuͤrſten/ vnd fuͤrnembſten Liecht der
Welt verordnet/ ohne Schew/ zur Zeit vnd zur Vnzeit predigen/ vnd das Liecht
nicht vnter einen Schoͤffel ſetzen/ ſondern auff den Leuchter. Vnd als der Ge-
ſande von der Güte/ daß auch Paulus jederman alles/ den Juͤden vnd Heyden
worden/ vorgeſchuͤtzt/ ließ es der Bapſt bey dem Cantzley-Stylo bleiben/ vnd
beſtund auff ſeiner Vorfahren Manier/ wolte auch deßwegen ein andere Bull
außfertigen.


Der Bapſt ließ Octavio Farneſio Parma wider einraͤumen/ vnd er-
laubte jhm/ mit vnbeſonnenen Worten/ da er vmb continuirliche Gelthuͤlff vnd
Voͤlcker/ auß Beyſorg deß Meylaͤndiſchen Statthalters/ anſuchte: Er moͤch-
te es machen/ wie er wolte; ſich durch ſeinen Bruder Horatium, ſo deß Koͤnigs
in Franckreich Schweſter geheuratet/ an Franckreich zuhangen/ vnd Frantzoͤſi-
ſche Beſatzung einzunehmen; welches dem Keyſer mißfiel/ daß er den
Bapſt zu einem ſcharpffen Edict vnd Citation wider jhn
verreitzt/ dardurch groſſe Vngelegenheit
entſtanden.



Der
[48]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der fuͤnffte Diſcurß.


Wie Magdeburg belaͤgert/ vnd vertragen worden. Wie es zu Tri-
ent zwiſchen Franckreich/ den Teutſchen/ vnd dem Papſt ergangen/ ſonderlich/
wegen deß Gelaits. Von Ferdinandt Bann: Ciconiæ Predigt i Churfuͤrſt
Moritzens Verſchlagenheit: Der Proteſtierenden Anhalten. Churfuͤrſt Moritz
nimpt Augſpurg ein: Das Concilium wird eingeſtelt/ Der Keyſer flieht/ macht
Fried zu Paſſaw: Hatte in vielen Stuͤcken gefehlet.


VNd weil der Keyſer vor ſeiner Abreyß auß Niderland/ die Jnquiſition
deren Orten laſſen publicieren/ daß die Teutſche vnd Engellaͤndiſche
Kauffleut/ deßwegen fortzugehen gedachten/ vnd eine Auffruhr in dem
Land bevor ſtunde: Die Koͤnigin Maria aber/ Regentin/ vom Keyſer
zu Augſpurg in Perſon nichts ferners erhalten/ daß das Edict nur auff die Ein-
heimiſche gelte: Vber diß auch die gefangene Fuͤrſten/ ſonderlich/ den Landgraffen
wider gegebenes Wort nicht loß lieſſe/ macht ſich in Sachſen an der Elb ein An-
fang zu einiger Buͤndnuͤß/ zwiſchen Sachſen vnd Brandenburg wider den Key-
ſer/ damit er nicht Teutſchland gantz vnter ſich braͤchte.


Kurtz zuvor zohe Hertzog Georg von Meckelnburg/ wider die Statt
Magdenburg/ wie auch Hertzog Moritz/ vnnd Marggraff Joachim/ beyde
Churfuͤrſten/ Hertzog Henrich von Braunſchweig vnd Marggraff Albert von
Brandenburg/ vnd werden dieſe zwo Vrſachen der Belaͤgerung/ ſo den 4. O-
ctober 1550. angefangen/ im Außſchreiben gemeldet: Erſtlich/ weil ſie den
Thumbherꝛn Raub/ Leyd vnd Schmach angelegt/ welches ſie dannoch ſo fern ge-
ſtanden/ daß es zu Erhaltung jhrer/ vom groſſen Ottone erlangten Freyheiten:
Darnach/ daß ſie deß Keyſers Interim nicht wollen annehmen Vnd deßwegen
thaͤt ſie der Keyſer Anno viertzig ſieben/ vnd viertzig neun/ in die Acht erklaͤren/ vnd
hat ſie jederman preiß gemacht/ auch die benachbarte Fuͤrſten vnd Staͤnde zur
Execution auff alle Manieren angetrieben. Die Magdeburger fielen auß/ wur-
den vom Meckelnburger geputzt/ lieſſen eine Schrifft ergehẽ erboten ſich alles zu-
thun/ wann ſie nur ruͤhig/ vnd bey gutem Gewiſſen bleiben koͤnten/ wolte es dan-
noch außſtehen vnd gewertig ſeyn/ was GOtt vber ſie verhaͤngen wuͤrde: Ent-
ſchuldigten ſich auch der außgeſtrewten Aufflagen/ ſo gut ſie konten. Aber die
Thumbherꝛn hielten an/ vmb zwey tauſend zu Pferd/ vnd acht tauſend zu Fuß/
auff deß Reichs Vnkoſten zuerhalten. Der Keyſer verwilliget jhnen auß dem
Reichskaſten alle Monat ſechtzehen tauſend Guͤlden/ neben Abſtattung der hun-
dert tauſend Guͤlden/ ſo bereyt darauff gangen waͤren; benahmbt Churfuͤrſt Mo-
ritzen
[49]Ander Theil.
ritzen auß Sachſen zu einem Feldherꝛn/ vnd Caſpar Schwenden zu deß Reichs
Leutenanten. Jn der Statt war Graff Albert von Manßfeld/ Johann von
Coͤlln ſein Leutenant/ vnd andere wolverſuchte Kriegsleute: Doctor Levinus
Erodius
Stattraht. Sie fielen auß den neundten December/ thaͤten groſſen
Schaden/ vnd brachten Hertzog Georgen von Meckelnburg gefangen in die
Statt: Vnterlieſſen nicht/ auff der Elb alle Notturfft hinein zurafflen/ auch
jhr Viehe vnter dem Geſchütz außzutreiben. Jn wehrender Belaͤgerung war
kein Mangel/ als an Beſemen: Sintemal ein Pfund Fleiſch einen Groſchen/
vnd ein Kandel Bier noch vmb vier Groſchen zubekommen geweſen. Es gab
viel leichte Treffen/ vnd wurden auff einen Tag vierhundert vnd ſechszehen/ auff
einen andern dreyhundert vnd zwantzig/ vnd aber auff einen andern dreyhundert
ſechs vnd fuͤnfftzig Geſchoß auß groben Stuͤcken auff S. Jacobs Thurn gezehlt/
ehe er fallen wollen. Man handelt offt/ doch vergeblich/ von dem Frieden: Die
Kriegsknecht rumorten in der Statt/ forderten jhren Sold mit Vngeſtuͤm/ die
Lebens mittel zergiengen/ daß man das wehrloſe Geſindlein muſte auß der Statt
ſchaffen/ das Gelt gebrache/ vnd da die Buͤrger kein Silbergeſchirꝛ mehr hatten/
welches ſie vnderſchiedlichen malen/ auff eins vom hundert/ in jedem Monat dar-
geliehen/ ſtempelt man Kuͤpffern Muͤntz. Auch mangelt es anheimlichen Raht-
ſchlaͤgen vnd Verraͤhtereyen nicht: Doch vberſtunden ſie alles/ biß in den O-
ctober deß 1551. Jahrs/ da zu Wittenberg der Fried mit dieſem Beding geſchloſ-
ſen worden: Die Magdenburger ſolten dem Keyſer zu Fuß fallen/ nichts wi-
der Burgund vnd Oeſterreich fuͤrnehmen/ dem Reichsvrtheil ſich vnterwerffen/
den Augſpurgiſchen Reichs-Abſchied annehmen/ einem jeden zu Recht erſchei-
nen/ die Veſtungen nach deß Keyſers Erkantnuß ſchleyffen/ dem Keyſer die
Statt jederzeit offen halten/ Keyſerliche Beſatzung einnehmen/ fuͤnfftzig tau-
ſend Guͤlden dem Reichskaſten erlegen/ zwoͤlff der groſſen Stuͤck dem Keyſer
lieffern/ den Hertzogen von Meckelnburg auff freyen Fuß ſtellen. Churfuͤrſt
Moritz legt zwoͤlff Faͤhnlein Knecht vnd zwey Cornet Reuter hinein/ nachſeinem
Einritt. Vnd hie wurd ein Buͤndnuͤß mit dem Koͤnig in Franckreich/ vnd dem
Churfuͤrſten/ Marggraff Alberten von Brandenburg/ vnd den Hertzogen von
Mecklenburg wider den Kayſer/ theils wegen deß gefangenen Landgraffen in
Heſſen/ vnd deß Interims, theils wegen der Statt Parma/ getroffen: Darumb
auch der Magdeburgiſche Krieg nur deſtolaͤnger auffgezogen worden/ biß Chur-
fuͤrſt Moritz ſeine rechte Zeit erſehen/ dem Kayſer abzuſagen.


Jn deß gab es viel Vnterhandlens [...] d [...] der Frantzoß/ vnd der Papſt von Parma
wolten abſtehen/ aber alles vergebens. Darumb ſchrieb der Frantzoß ein Natio-
nal Concilium auß/ fordert ein jeden Praͤlaten zu ſeiner Stell/ welches der
Papſt auff alle wege ſuchte zu verhindern. Doch hielten etliche darfuͤr/ der Papſt
haͤtte diß Fewer auffgeblaſen/ damit man nicht jhme/ ſondern dem Frantzoſen
müſte die Schuld deß zerſtobenen Concilii beylegen. Der Kayſer trieb in deſſen/
Ander Theil. Gman
[50]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
man ſolte bey dem Concilio erſcheinen/ drumb ließ der Churfürſt Moritz durch
Philippum die Saͤchſiſche Bekamnuß vnd Hertzog Chriſtoff von Wuͤrtemberg
ein gleiche/ doch abſonderliche/ allen Verdacht zu meiden/ auffſetzen/ auff daß man
ſolches zu Trient koͤnt vortragen. Allein fordert Churfuͤrſt Moritz/ wegen deß
bekanten Exempels zu Coſtnitz/ vber deß Kaͤyſers Geleyth/ auch ein anders vom
Concilio, wie den Bohemen zu Baſel mehr willfahrt worden: welches der
Kaͤyſer jhm verſprach zu erlangen. Schickte auch drey Geſandten nach Trient;
da es groſſen Tumult auff Spaniſcher Seythen geben/ weil der Frantzoß an
Conventum ſanctiſſimum geſchrieben/ vnd nicht an das Concilium: auch ein
vnderſcheid machte/ zwiſchen dem Bapſt vnd dem Roͤm. Stuhl/ in dem er wegen
Parma kriegte/ vnd nicht wollen zugeben/ daß die mehrere Stimmen ſolten gel-
ten. Als nun der Articul vom H. Abendmal vorgenommen worden/ erjnnerten
die Kaͤyſeriſchen man ſolte wegen der Proteſtirenden damit einhalten; doch fuhr
man fort/ vnd ertheilt jhnen ein ſolch Geleyth/ vnter der Verſamblung Nahmen/
daß der Bapſt vnd ſein Anſehen außgeſchloſſen blieben. Doch erſchienen die
Wuͤrtembergiſche/ vnd hernach die Straßburgiſche ſampt andern Staͤtten/
die aber der Legat nicht hoͤren/ weniger jhre Bekantnuſſen/ auff daß es keine
Weitlaͤufftigkeit gebe/ wann ſie ſich nicht/ lieſſen demuͤtig vnderweiſen/ wollen
verleſen laſſen; welches dem Kaͤyſer nicht wenig mißfallen/ der doch alles gern
zum beſtengewendet haͤtte; vnd begehrten vor jhre Theologos das Geleyth.
Auch hielt der Kaͤyſer ſein Hofflager zu Jnßbruck/ drey Tagreiſen von Trient/
damit er dem Concilio, vnd den Haͤndeln wegen Parma deſto naͤher ſeyn koͤnte:
welches aber dem Bapſt was Argwohn erweckte. Vnd dieweil ein Geſchrey von
Churfuͤrſt Moritzen Kriegsverfaſſung außkam/ begehrten die drey Geiſtl. Chur-
ſuͤrſten vom Kaͤyſer Erlaubnuß nach Hauß zu ziehen/ vnd Trient zu verlaſſen:
Welches der Kaͤyſer abgelehnt/ weil etliche Kriegsknecht in Thuͤringen auß Noth
geſtreyfft/ vnd auff jhre Geldervnd Abdanckung/ die erſt erfolgen ſolten/ nur war-
teten. Zu deme auch Churfuͤrſt Moritz ehiſt ſich bey jhm ſelbſt wuͤrde ein ſtellen.
Derſelb verſand Wolff Koͤbern vnd Leonhard Badenhorn nach Trient/ begehrt
ein formliches Geleyth/ daß der Bapſt die Biſchoffe jhres Eyds entließ/ vnd nicht
Richter wer/ welches die Baͤpſtiſche Legaten gar nicht wolten zugeben/ was auch
die Kaͤyſeriſchen einwenden moͤgen/ auch mit Vermeldung anderer Mittel/ ſo die
Noth wuͤrde an die Hand legen. Das Geleyth wurd endlich abgefaßt/ darinn
funden die Saͤchſiſchen vier Maͤngel/ ſo den Bohemen auff dem Baſeleriſchen
Concilio verſtattet worden: Votum deciſivum: Die Heil. Schrifft/ den Ge-
brauch der alten Kirchen/ die Concilien, vnd deren ſchrifftmaͤſſige Außlaͤger zu
Richtern: die Vbung jhrer Religion in jhren Haͤuſern: keine Schmach jhrer
Lehr anzuthun. Zu deme auch in gemeldter Freyheit der Bapſt vnd das Colle-
gium
der Cardinaͤl außgelaſſen. Wurd aber beſchloſſen/ nichts zu aͤndern.


Vmb dieſe Zeit kam Koͤnig Ferdinand in den Bann/ weil ſeine Leuth/
Geor-
[51]Ander Theil.
Georgium Martinuccium, Biſchoff zu Waradin/ vnd Cardinal/ ein Moͤnch St.
Baſilij
Ordens/ in Siebenbuͤrgen/ der nicht Farb gehalten/ ſondern zu den Tuͤrcken
Zuflucht genommen/ vmbgebracht; es wurd aber der Bann/ bald auffgeloͤſet/
vnd blieb uͤber den Thaͤtern allein: Von deß Muͤnchs Schatz wolte niemand
wiſſen/ der ſonſten in Verbleibung eines Teſtaments der Baͤpſtiſchen Cammer
verfallen ſeyn ſolte. Vnd weil Ambroſius Ciconia auß dem Ertzſtifft Trier den
7. Februarij zu Trient gepredigt, die Ketzer weren das Vnkrant/ gab es ſchier
Auffruhr/ als ſolte ſeine Meynung dahin gangen ſeyn/ man muͤſte den Ketzern
kein Glauben halten: Doch zog der Ertz-Biſchoff von Trier nach Hauß/ dieſes
vnnd ſeiner Geſundheit wegen/ aber fuͤrnemblich weil er ein Verſtand mit den
Frantzoſen hatte; gab vor/ es geſchehe mit deß Kaͤyſers Willen/ den er doch zu
Ynßbruck nicht angeſprochen/ vnd ein andern weggenommen.


Churfürſt Moritz ſchrieb an ſeine Geſandten/ er ruͤſtete ſich/ zum Kaͤyſer in
Perſon zu reiſen; ſie aber machten ſich heimblich von Trient nach Hauß/ in
deme die Wirtembergiſche vnd Straßburgiſche Theologi ankommen/ jhre Be-
kantnuß uͤber geben/ vnd weil ſolche nicht vorkam/ auff begehren die Copeyen ge-
druckt außgeben/ welches jhnen vor ein ſtraffwuͤrdigen Freffel außgelegt worden.
Alſo nam Maͤyntz vnd Coͤllen auch Abſcheid; vnnd legt ſich Churfuͤrſt Moritz
mit dem jungen Landgraffen den 1. Aprill vor Augſpurg/ die ſich nach dreyen
Tagen an jhn ergeben/ welches man den 6. dieſes zu Trient in kundſchafft bracht/
darumb das Vffbott in gantz Tyroll ergangen/ den Paß zu Ynßbruck zu verwah-
ren: Deßwegen dann der Bapſt erlaubt well die Vaͤtter nach vnd nach ſich auß
dem Staub vnd auß der Gefahr machten/ daß man das Concilium einſtelle/ biß
auff ein andere Zeit. Aber der Bapſt thaͤt den Legaten ein ernſtlichen Verweiß/
daß ſie die geſchloſſene Decreten zur execution befohlen/ vnd jhme vorgegriffen/
eh er ſie beſtaͤttiget: daruͤber die Proteſtirenden ſich verwunderten warumb der
Bapſt ſie ohn Erkantnuß verdamme/ oder nichts laſſe zur Erkantnuß kommen:
was man jhrer oder auch deß Concilij beduͤrffe/ wann von jhm alles komme.


Der Koͤnig in Franckreich kam mit einer groſſen Macht an die Maaſe/
nennete ſich ein Beſchirmer der Teutſchen Freyheit/ klagt ſehr uͤber den Kaͤyſer/
vnd erobert Thul/ Verdun/ vnd Metz/ nicht eben mit ſonderlichem Gewalt: ruckt
vor Straßburg/ die jhn abwieſen/ vnd herunter nach Hagenaw/ zog uͤber Zwey-
bruͤcken wieder zuruͤck/ weil die Fuͤrſten/ auch Hertzog Moritz ſelbſt jhn darumb
erſuchten; vnd dann/ weil der von Raſſem auß den Niederlanden jhm war einge-
fallen; neben Erbietung aller Freund- vnd Nachbarſchafft. Es fuͤhrte aber
Hertzog Johann Albert von Mecklenburg auch ſeinen Hauffen: vnd ſonderlich
Marggraff Albert von Brandenburg ein voͤlliges Heer wieder die Staͤtte/ Vlm
vnd Nuͤrnberg/ wie auch wieder die Biſchoffe von Bamberg/ Wuͤrtzburg vnd
Maͤyntz: vnd ob ſchon der Fried geſchloſſen/ achtet er es nicht/ nam Wormbß
vnd Speyer/ auch Trier ein/ erpreßt viel Geld/ vnd muſt vnverꝛichter Sach von
G ijFranck-
[52]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Franckfurt abziehen. Wiewohl nun die Proteſtirenden mit den Waffen die
Oberhand hatten/ vnderließ gleichwol Churfuͤrſt Moritz nicht/ mit Koͤnig
Ferdinand freundlich zu handeln/ vnd jhn in ſeinem Land zu beſuchen: auch
begehrte er anders nicht/ dann daß ſein Schweher der Landgraff loß gelaſſen/ den
Teutſchen jhre Freyheit geſtattet/ vnd der Religion-Friede bewilligt würde. Ohn-
angeſehen aber die Proteſtirende mit jhrem Kriegsvolck fortruckten/ vnd der Kaͤy-
ſer zu keinem Wiederſtand geruͤſt war/ jedoch ließ er ſich beduͤncken/ er haͤtte
Teutſchland noch vnder ſeinem Joch/ vnd wolte ſich der Herꝛſchung/ deren er ſich
angemaßt/ nicht begeben/ wie wol Koͤnig Ferdinand/ mit welchem Churfuͤrſt
Moritz lang vnd viel gehandelt hatte/ ſich gen Ynßbruck verfuͤgt/ ſeinen Bruder
den Kaͤyſer zu einem Vertrag zu bewegen. Dieweil aber die Proteſtirenden die
jenige Voͤlcker/ ſo der Kaͤyſer vnter wehrenden Tractaten vnd Stillſtand zwiſchen
Koͤnig Ferdinand vnd den Fuͤrſten geſchlagen/ vnd deren biß in drey tauſend ge-
fangen bekommen/ wieder an ſich gezogen/ auch die Ehrenberger Clauß/ den
Schluͤſſel der Laͤnder auff beyden Seythen erobert/ vnd nun gegen dem Gebuͤrg
giengen/ vnd der Stat: Ynßbruck naheten/ wurd der Kaͤyſer mit ſeinem Hoffgeſind
gezwungen/ bey eyteler Nacht davon zu fliehen/ da die gantze Gegend von Wind-
liechtern geſchienen/ vnd die zarte weiſſe Stieffel bey vielen Hoͤfflingen in den
engen vnd tieffen Wegen ein andere Form vnd Farb angenommen.


Als nun der Kaͤyſer ein ſtuͤck Wegs durch das Trientiſche Gebuͤrg gereißt/
hat er ſich naher Villach gewendet/ welche Statt in Kaͤrnden/ an der Venediger
Graͤntzen liegt/ mit ſolchem ſchrecken/ daß er auch daſelbſt nicht vermeint ſicher zu
ſeyn/ weil die Venetianer etliche Voͤlcker daherumb auff die Graͤntzen gelegt/ ohn-
angeſehen jhr Geſandter jhn verſichert/ ſolch Volck ſolte auff allen Nothfall zu
ſeinen Dienſten ſeyn. Eh er von Ynßbruck gar uͤberkam/ erließ er Hertzog Jo-
hann Friederichen auß Sachſen/ geweſenen Churfuͤrſten/ auff freyem Feld/ damit
Churfuͤrſt Moritz nicht das Lob haͤtte ſeiner Entledigung/ welches dann auch dem
Gefangenen lieber geweſen/ auff daß er nicht ſeines gleichen/ oder ſeinem heimtuͤ-
ckiſchen Mißgoͤnner/ ſondern einem ſehr groſſen Herꝛn zu dancken haͤtte. Wenig
Stund/ nach dem der Kaͤyſer auß Ynßbruck gewichen/ kam Churfuͤrſt Morltz
dahin in der Nacht/ pluͤnderte alles was deß Kaͤyſers/ vnd ſeines Hoffgeſindes
war/ ſchont Koͤnig Ferdinands vnd der Burger. Als nun die Proteſtirenden
ſahen/ daß dieſe Flucht jhnen zum Vortheil dienete/ lieſſen ſie noch ein ander
Schreibenaußgehen/ in welchem ſie zu erkennen gaben/ daß ſie die Waffen der
Religion halben/ vnd zur Rettung der teutſchen Freyheit an die Hand genommen
haͤtten: wie hingegen die Feinde der Warheit kein andern Zweck genommen/ dann
wie ſie Gottſelige Lehrer vnterdrucken/ die Baͤpſtiſche Jrꝛthumb wiederumb ein-
fuͤhren/ vnd die Jugend in denſelben heran wachſen lieſſen. Sie hatten einen
Theil gemeldter Lehrer ins Gefaͤngnuß geworffen/ die andere gezwungen zu
ſchweren/ auß dem Land zu ziehen/ vnd nicht wieder zu kommen. Ob nun wol
ſolcher
[53]Ander Theil.
ſolcher Eyd/ als Vngoͤttlich/ ſie nicht verbinde/ ſo wolten ſie doch dieſelbe alle hie-
mit zu jhrer vorigen Stelle wieder beruffen haben/ vnd befehlen jhnen wiederumb
zu lehren nach der Augſpurgiſchen Confeſſion: damit auch niemand ſie ver-
laͤſtern moͤge/ ſolten ſie hiemit jhres geleyſten Eydes frey vnd ledig geſprochen
ſeyn.


Als man nun jmmer vom Frieden handelte/ iſt derſelbe endlich geſchloſſen/
vnd im anfang deß Monats Auguſti zu Paſſaw ein Vertrag uͤber alle ſtrittige
Sachen gemacht worden. Was die Religion belangt/ iſt abgeredt/ daß jnner-
halb ſechs Monaten ein Reichstag ſich hielte/ darauff zu berathſchlagen/ auff was
weiſe der Zwieſpalt in der Religion am fuͤglichſtẽ beyzulegen vñ zu vergleichen/ es
were durch ein allgemein vnd National Concilium, oder durch ein Geſpraͤch/ oder
durch eine allgemeine Reichsverſamblung: daß auff gemeldtem Reichstag ein
gleiche Anzahl Gottſeliger friedliebender vnnd fuͤrſichtiger Maͤnner von beyden
Partheyen erwehlet wuͤrden/ der Sachen nach zudencken/ vnd fuͤgliche Vorſchlaͤ-
ge zu thun. Mitlerweil ſolle weder der Kaͤyſer/ noch ſonſt jemand/ keinen der
Religion halben wider ſein Gewiſſen oder Willen zwingen/ es ſey mit Gewalt/
oder Schein deß Rechtens/ denſelben verunehren oder beſchweren/ ſondern einen
jeden in Ruhe vnd Frieden laſſen. Deßgleichen ſollen die Fuͤrſten/ ſo der Aug-
ſpurgiſchen Religion zugethan ſind/ den Geiſtlichen oder Weltlichen/ ſo ſich zu der
alten Religion bekennen/ keine Beſchwerung anthun/ ſondern ſie jhre Guͤter/
Herꝛſchafften/ Gerechtigkeiten/ Privilegien vnd Ceremonien ruhiglich genieſſen
laſſen. Das Cammergericht ſolle einem jeden ohn Anſehung der Religion Recht
ſprechen/ vnd ſollen die von der Augſpurgiſchen Confeſſion jhre Anzahl Aſſeſſo-
rum,
ſo viel jhnen gebuͤhrt/ dabey haben moͤgen: Den Aſſeſſoren vnd Partheyen
ſolle frey ſtehen/ zu ſchweren/ entweder bey GOTT vnd allen Heyligen/ oder bey
GOTT vnd ſeinem Evangelio. Wann auch ſchon kein Mittel ſolte gefunden
werden/ eine Vergleichung in der Religion zu machen/ ſolle doch dieſer Fried vnd
Einigkeit jmmer kraͤfftig bleiben/ vnd feſtiglich gehalten werden. Alſo wurde das
Interim, ſo gleichwol in wenig Orthen eingefuͤhrt geweſen/ zu nicht.


Nach beſchehenem Vertrag iſt Landgraff Philips/ (der vor zweyen Jahren
durch feine Diener ſich vnterſtanden/ auß der Verhafftung zu Mechlen in Nie-
derland zu entgehen/ aber ſeine Diener dadurch in Straff/ vnd ſich ſelbſt in engeren
Bezirck gebracht) krafft deſſelbigen/ loß gelaſſen/ vnd alle Beſchwerung wieder
den Kaͤyſer auffgehoben. Alſo berufften die Staͤtte jhre Prediger vnd Lehrer
der Augſpurgiſchen Confeſſion wie der/ vnd beſtelleten jhre Kirchen vnd Schulen/
ſampt der Vbung jhrer Religion wie zuvor. Vnd wiewol man gemeynt/ daß
wegen der Verbann- vnd Verfolgung/ ſo vor dieſem wieder ermeldte Prediger
vnd Lehrer ergangen/ ſie vertilget/ vnd jhrer wenig übrig weren/ die ſich vnter
dem Schutz der Fuͤrſten verborgen haͤtten/ ſind ſie doch bald gleichſamb wieder
lebendig worden/ vnd haben ſich jhrer ſo viel finden laſſen/ daß man alle Oerther
damit verſehen koͤnnen.


G iijVnd
[54]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Vnd hie hatte ſich der Kaͤyſer uͤber die gantze Welt zu beklagẽ: Vber den Pabſt/
daß er ſo vngern zu Fortſetzung deß Concilij zu bringen geweſen/ vnd die Jtaliaͤ-
niſche Huͤlff zur Vnzeit zuruͤck gezogen/ auch den Frantzoſen wieder jhn auffge-
reitzt/ nur damit im Concilio nichts wiedriges vorgienge. Vber den Frantzoſen/
der jhm im Weg ſtuͤnde/ die Ketzer zu dempffen/ ja mit denſelben Bündnuß
machte/ ſie in ſeinen Schutz zu nehmen. Vber den Roͤm. Koͤnig/ ſeinen leiblichen
Bruder/ der mit den Proteſtirenden leichte/ vnd durch die Finger ſahe/ damit die
Kaͤyſerliche Cron an dem Hauß Oeſterꝛeich hafften bliebe. Vber das Conci-
lium,
welches den Proteſtirenden kein Gehoͤr wollen geben/ ſondern wieder ſie
Donner/ Blitz vnd Hagel außgeſchlagen/ vnd ſolche Extremiteten dardurch ver-
urſacht haͤtte. Vber Churfuͤrſt Moritzen/ deme er das Churfuͤrſtenthumb ver-
liehen/ vnd die Belaͤgerung Magdeburg anvertrawt/ vnd demnach jetzunder nach
Scepter vnd Cron griffe. Vber alle Proteſtirenden/ daß er jhrentwegen ſo groſſe
Muͤhe gethan/ jhnen ſo viel nachgeben/ vnd vmb jhrentwillen den Bapſt jhm ab-
guͤnſtig gemacht. Vber die Cleriſey in Teutſchland/ daß das Spiel durch ſie
angegangen/ vnd ſie entwededer gar ſtill ſeſſen/ oder doch wol mit ſeinen Feinden
vnter dem Huͤtlein ſpielten. Vber den von Alba/ der jhm allzeit zu hitzigen Haͤn-
deln gerathen/ vnd dadurch gantz Teutſchland abwendig gemacht. Vber ſich
ſelbſt/ daß er dem Roͤm. Stuhl zuvor ſich vnterworffen/ vnd die Execution uͤber-
nommen/ durch ſein eygene Gefahr vor einen andern gewonnen/ vnd nicht nur
keinen Danck davon getragen/ ſondern nie kein groͤſſern Feind gehabt/ als den
Pabſt: Ja daß er viel beſſer ſolte gethan haben/ wann er die Teutſchen an jhrer
Freyheit/ vnd den Frantzoſen in ſeinem Land vnbekuͤmmert gelaſſen/ vnd ſein
gantze Macht in die Barbarey geſetzt/ oder von ſeinem Bruder das Koͤnigreich
Hungarn erhandelt haͤtte/ auß welchem er gegen dem Tuͤrcken Thaten zu thun/
Fug vnd Anlaß haben koͤnnen. Hingegen klagte auch Jedermann uͤber den
Kaͤyſer/ daß er ſelbſt zu ſeinem Oberſten Lazar Schwenden einsmahls geſprochen/
ich hab an keinem Orth danck verdient; ich will ſie Gott befehlen.


Nun hatte der Kaͤyſer das erſte mahl das Concilium, den Religionsſtreit
in Teutſchland abzuhelffen/ erlangt vnd zuſammen gebracht: vnd als daſſelbe
getrennet geweſen/ das andere mahl auß einer andern Vrſach wiederzuſammen
gebracht/ daß er vermeynte durch das Mittel der Religion gantz Teutſchland
vnter ſein Joch zu bringen/ das Kaͤyſerthumb erblich zu machen/ ſeinen Sohn
zum Erben einzuſetzen/ ſeine Macht weit uͤber die Chriſtenheit auß zubreiten/ vnd
eine Monarchy anzurichten/ die alle andere/ ſo nach der Roͤmiſchen geweſen/ auch
Caroli Magni Reich uͤbertreffen ſolte: Zu welchem allein der Sieg/ den er erhal-
ten/ nicht gnugſamb war/ auch koͤnten es die newe Kriegswerbungen nicht zu
wegen bringen: Derentwegen er die Teutſchen mit der Religion/ die Fuͤrſten
aber mit allerley Practicken zu zaͤumen/ vnd alſo jhm ein ewigen Namen zu ma-
chen gaͤntzlich entſchloſſen war. Vnd diß war die erſte Vrſach/ vmb welcher
willen
[55]Ander Theil.
willen er bey Pabſt Iulio, vmb die zweyte Verſamblung deß Concilij ſo inſtaͤndig
angehalten/ vnd die drey Geiſtliche Churfuͤrſten/ in der Perſon nach Trient zu
ziehen/ vnd die Proteſtirendẽ/ bey welchen er am meiſtẽ vermoͤchte/ jhre Theologos
dahin abzuordnen/ bey nahe gezwungen. Jn dem nun das Concilium angeſtellt/
vnd gehalten wurd/ vnd durch ſolchen Anſchlag alle Fuͤrſten der Chriſtenheit in
ein Mißverſtand wieder den Kaͤyſer geriethen/ fand ſich in ſeinem eygenen Hauß
ein Wiederſacher. Dann ob man wohl dafuͤr hielte/ Koͤnig Ferdinand haͤtte ſo
viel eingewilligt/ daß er zugleich mit dem Kaͤyſer das Reich verwalten/ vnd ſie
beyde/ wie vor zeiten Marcus vnd Lucius/ deren Exempel Diocletianus vnd an-
dere mehr nachgefolgt/ mit gleicher Macht vnd authoritet demſelben vorſtehen/
vnd alles dahin richten ſolten/ damit Philippus, Caroli Sohn/ zum Roͤm. Koͤnig
erwehlt würde/ vnd jhnen beyden ſuccediren moͤchte: wie dann ſolches zu erhalten
die Koͤnigin in Hungarn/ beyder Schweſter/ ſich zum hoͤchſten bemuͤhet/ vnd allen
Fleiß angewandt hat/ Koͤnig Ferdinand darzu zu bewegẽ/ die weil es zu Erhoͤhung
jhres Hauſes trefflich dienete: Jedoch gab Maximilianus ſeinem Herꝛn Vatter/
Ferdinando, viel einen beſſern Rath/ daß er anfieng die Augen auffzuthun. Als
nun der Kaͤyſer dieſem Werck ein Anfang zu machen gedachte/ vnd zu dem End
ſeinen Sohn im Jahr 1551. auff den Reichstag gen Augſpurg erfordern laſſen/
damit er den Churfuͤrſtẽ bekand würde/ vñ Koͤnig Ferdinand ſich abſentirt hatte;
kam hochgedachte Koͤnigin auff denſelben Reichstag/ die Bruͤder wieder mitein-
ander zu vereinigen. Maximilianus beſorgte ſich ſein Vatter als ein ſanfftguͤ-
tiger Herꝛ/ moͤchte ſich bereden laſſen/ darumb verließ er das Koͤnigreich Hiſpant-
en/ welches er in deß Kaͤyſers Nahmen als ein Statthalter regiert/ vbergab ſeinen
Gewalt ſeiner Gemahlin deß Kaͤyſers Tochter/ vnd kam in aller Eyl in Teutſch-
land: durch deſſen Anreitzung blieb Koͤnig Ferdinand in ſeinem Vorhaben be-
ſtaͤndig/ wolte in deß Kaͤyſers Fuͤrſchlaͤge nicht einwilligen/ vnd wurd der Kaͤyſer
mit leeren Worten abgeſpeiſet. Dannenhero der Kaͤyſer den Muth fallen ließ/
vnd ſchickt ſeinen Sohn wieder in Spanien/ ſintemahlen er kein Hoffnung hatte/
daß Maximilianus ſeinen Willen darein geben wuͤrde. Darauff folgete dieſer
oberzehlteletzte Krieg/ da der Kaͤyſer zu einem Vertrag gezwungen worden. Weil
er dann alle Hoffnung der ſucceſſion ſeines Sohns verlohren/ ließ er auch ſein
Intent, die alte Religion in Teutſchland wieder auff zurichten/ ſincken: Vnd
ob er wol noch viel Jahrlang geregieret/ auff kein Concilium
mehr gedacht.



Der
[56]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der ſechſte Diſcurß.


Wie Marggraff Albert den getroffenen Frieden nicht angenommen:
geſchlagen vnd Landfluͤchtig worden/ auch nach Hertztzog Moritzen ge-
ſtorben. Wie deß Pabſts Hoheit ſich wieder erhoben. Zween Paͤbſte ſterben.
Auff dem Reichstag zu Augſpurg/ wird der teutſche Fried geſchloſſen. Der aber
dem Pabſt gar nicht wollen gefallen.


NVn ſchien es ja/ Teutſchland ſolte Fried haben/ nach dem die
Fürſten mit dem Kaͤyſer vertragen/ vnd die Gefangene auff freyen Fuß
geſtellt worden. Churfuͤrſt Moritz thaͤt wohl/ ließ ſeine Voͤlcker ein Zug
in Hungarn wieder den Tuͤrcken thun/ welche den Stillſtand deßwegen deren
Enden gebrochen/ weil der Kaͤyſer der Afrer Statt/ vor Zeiten Leptis genant/ in
Barbarey eingenommen: darumb vberwaͤltigten ſie in Hungarn die Staͤtte
Temißwar/ Luppen vnd Zolnock: die Chriſten hielten ſich wie Helden in Erlaw;
vnd weil Koͤnig Ferdinand auch nicht allerdings getrawte/ jmmer Schaden ein-
nahm/ oder doch mit Verluſt ſiegete/ macht er Fried mit Soliman/ vnd verſprach
jhm Jaͤhrlich dreiſſig tauſend Ducaten an Tribut zu lieffern. Viel anderſt macht
es Marggraff Albert; der ließ ſich an keinen Vertrag binden/ den die Fuͤrſten
mit den Staͤtten machten/ plagt Francken-Necker-Maͤyn-Rhein-Saar- vnd
Moſelſtrom. Hingegen brachte der Kaͤyſer eine Macht zuſamm/ verfolgte den
Marggraffen/ vernichtet den Vertrag/ den er den Biſchoffen ſeine Schulden zu
bezahlen/ vnd jhm baar Gelt zu geben/ mit Gewalt hatte abgetrungen: zog
von Straßburg durch das Elſaß herunter/ vnd belagert Metz: Vnd weil er den
Marggraffen/ ſo im Luͤtzelburgerland ſchwebete/ nicht anderſt kunte auff ſeine
Seite bringen/ beſtaͤttigt er den Vergleich den er eben juͤngſt verworffen hatte;
erlegt jhm Sold/ vnd ſahe durch die Finger/ wie er hernach mit den Biſchoffen
vmbgegangen/ als er Schweinfort vnd Bamberg überwaͤltigte. Jedermann
hatte uͤber den Marggraffen zu klagen/ ſo erklaͤrte ſich der Kaͤyſer/ wegen der ein-
mahl auffgehobenen/ vnd dann wieder beſtaͤttigten Vertraͤgen/ vnd weil er vnver-
richter Sachen vor Metz/ nach dem jhm Peſt vnd Froſt den dritten Theil ſeine
Voͤlcker auffgerieben/ weichen muͤſſen; vnd doch dem Marggraffen nicht gern
zu viel thun wollen/ gab er ſeinen Kriegsvoͤlckern an den Frantzoͤſiſchen Graͤntzen
Arbeit/ vnnd lieſſe ſich die Teutſchen ein ander die Haar außrauffen. Dann die
Biſchoffe rufften vmb Huͤlff an/ die Cammer zu Speyer/ die beyden Hertzogen in
Sachſen vnd Braunſchweig/ die Nuͤrnberger vnd Koͤnig Ferdinanden. Vnd
weil eben Hertzog Ernſt/ von Philippo/ Hertzog Henrichen Sohn uͤberzogen wor-
den/ ließ er Marggraff Alberten vmb Huͤlff erſuchen. Vnd hie geſchah ein groſſe
vnd
[57]Ander Theil.
vnd grimmige Schlacht bey Siverßhuſen/ da Churfuͤrſt Moritz zwar obgeſieget/
vier tauſend Reuter auff der Mahlſtatt erlegt/ vnnd ſechtzig vier Fahnen davon
getragen/ aber ein toͤdliche Wund empfangen/ die jhn nach dreyen Tagen/ im zwey
vnd dreiſſigſten Jahr ſeines Alters auffgeopffert. Auch fielen damahſen Philips
vnd Carlen von Braunſchweig/ Friederich von Lünenburg/ vnnd vierzehen
Graffen/ Marggraff Albert war ſchachmatt/ entwiche nach Hannover/ gedachte
ſich wieder zu raͤchen/ konte aber kein voͤlligen Zug mehr anſtellen/ hatte auch in den
kleinen Scharmuͤtzlen wenig Glück/ muſte leiden/ daß Henrich von Braun-
ſchweig/ vnd Koͤnig Ferdinand jhm all ſein Land entwendet/ der Kaͤyſer jhn in die
Acht gethan; vnd doch endlich ſo viel verguͤnſtigt/ daß er auff teutſchen Boden/ zu
ſeinen Freunden reiſen/ vnd ſich in der Stille halten moͤgen/ wie er dann eben zu
der Zeit/ als man jhn mit allen ſeinen Wiederſachern vertragen wollen/ den achten
Jenner/ Anno 1557. zu Pfortzheim/ bey ſeinem Schwager/ Marggraff Carlen von
Baden im fuͤnff vnnd dreiſſigſten Jahr ſeines Alters geſtorben/ in gegenwart
Doctor Jacob Heerbrands/ der jhm auch ein gutes Zeugnuß nachgeſagt.


Wegen deß verſchobenen Concilii wurd nichts mehr gehandelt/ als daß
der Pabſt ein gute Anzahl Cardinaͤl verordnet/ die einige Reformations-Artickel
ſolten auffſetzen; welche aber wegen groſſer Anzahl nur deſto mehr zanckten/ vnd
einander auffhielten biß endlich gar nichts darauß worden. Als aber der Pabſt
ſahe/ dz die Hoheit vnd reputation deß Roͤm. Stuhls bey den ſeinigen abnam/ weil
Teutſchland ſich alſo abgeſondert hatte; tratt er in die Fußſtapffen deß Pabſts
Eugenij, deß Vierdten deß Nahmeus/ der ſeine reputation, ſo jhm das Concilium
zu Baſel ſehr geſchmaͤhlert/ durch den Schein etlicher ankommenden Griechen
vnd Armenier erhielte: Wie auch Papſts Pauli II. welcher als er ſahe/ daß die
Strittigkeiten vnd Jrꝛungen/ ſo zwiſchen dem Kaͤyſer vnd Jhm/ wegen Verſe-
tzung deß Concilij gen Bononien erwachſen/ jhn bey allen Voͤlckern gravirten/
einen genant Stephanum, als Patriarchen deß groſſen Armenten/ ſampt einem
Ertzbiſchoffe/ vnd zween Biſchoffen/ mit vielen Ceremonien empfinge; weilſie
gen Rom kommen waren/ daß ſie jhn/ als einen Statthalter Chriſti/ vnd allge-
meinen Lehrmeiſter der Kirchen erkennen/ vnd jhm ſchuldige Pflicht leyſten ſol-
ten. Dieſer beyden Exempel nun folgte Pabſt Julius nach/ vnnd empfing
offentlich mit groſſem Pracht/ einen mit Nahmen Simon Sultakam, welcher ſich
vor einen Patriarchen aller Voͤlcker außgab/ die zwiſchen dem Fluß Euphrat vnd
Jndien wohnen/ von denen er nacher Rom geſand worden/ die Confirmation
von dem Pabſt/ als Nachfolgern Petri/ vnd Chriſti Statthaltern zu erlangen.
Der Pabſt machte jhn zum Biſchoff/ gab jhm das Pallium Patriarchale mit eyge-
nen Haͤnden im Conſiſtorio, vnd ſchickt jhn alſo wieder nach Hauß/ damit die
Kirchen in ſeinem Abweſen kein Schaden erlitten/ vnd ordnet jhm etliche Geiſt-
liche zu/ die der Syriſchen Spraach kuͤndig waren. Daher entſtund/ daß man
nicht allein zu Rom/ ſondern auch durch gantz Jtalien von nichts anderſt/ als von
Ander Theil. Hder
[58]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
der vnaußſprechlichen Zahl der Chriſten/ ſo in jenen Laͤndern wohnen/ vnd wie die
Apoſtoliſche Kirch ſich ſo weit vnd breit außſtreckte/ diſcurriren thaͤte. Jnſon-
derheit redete man viel von einer groſſen anzahl Kirchen in der Statt Mazal/ ſo
die alte Statt Aſſur am Fluß Tiger ſeyn ſoll; vnd lege gegen uͤber/ nicht weit da-
vom die Statt Ninive/ ſo wegen deß Propheten Jona/ vnd feinen Bußpredigten
bekundt iſt. Seine Iuriſdiction erſtreckt ſich uͤber Babylonien/ Tauris vnd
Arbela/ welcher Orth wegen der Schlacht zwiſchen Dario vnd Alexandro auß
Macedonien beruͤhmbt iſt ſampt vielen andern Landſchafften in Aſſyrien vñ Per-
ſien. Auß der H. Schrifft befunden ſich die alte Nahmen der Staͤtte/ als. Ecba-
tana;
vnd auß andern Authorn, Seleucia vnd Niſibis. Man erzehlte/ wie dieſer
von allen Biſchoffen erwehlt/ vnd vmb Confirmation zum Bapſt geſchickt/ auch
mit ſiebentzig Perſonen biß naher Jeruſalem; von dannen mit dreyen/ deren
einer geſtorben/ der ander auff dem Wege kranck worden/ der dritte mit
namen Calefi zu Rom ankommen/ begleytetwer. Dieſes alles wurd gedruckt/
vnd mit groſſer Begierd geleſen. Der Pabſtempfieng noch einen andern/ mit
nahmen Murderius Aſsyrius Iacobita; ſo von dem Patriarchen zu Antiochien
geſchickt worden/ dem Apoſtoliſchen Stuhl die gebuͤhrliche Ehr vnd Gehorſam zu
erzeigen/ vnd ſich zu der Roͤm. Kirchen offentlich zu bekennen: aber der gemeine
Mann/ ſo ſchon durch den vorigen gnugſam erſaͤttigt war/ bekuͤmmert ſich wenig
vber dieſen zweyten.


Dieſer Ehrerbietung vnd Gehorſamb/ ſo allein zum Schein geſchahe/
folgte eine andere/ die thaͤtlich vnd ſehr hoch war/ vnd das verlohrne in Teutſchland
vberfluͤſſig wiederumb einbrachte. Dann Koͤnig Eduard/ ſtarb ſeines Alters im
ſechzehenden Jahr/ Anno 1553. den 6. Junij: vnd hatte auff zehen Tag vor ſei-
nem Ableiben mit Bewilligung ſeiner Raͤthe/ ein Teſtament gemacht/ in welchem-
er zu erkennen gab/ daß/ vermoͤg der Reichs-Conſtitutionen/ bey jhm ſtuͤnde/ ein
Succeſsorem im Koͤnigreich zu nennen: Schloß demnach ſeine beyde Schwe-
ſtern/ Marien vnd. Eliſabethen auß/ wegen zweiffelhaffter Geburth; wie auch
alle ſeines Vattern aͤlteren Schweſter/ Koͤnigin Margrethen Anverwandten/
als frembde/ vnd im Koͤnigreich nicht gebohren. Setzte demnach zur Koͤnigin
ein/ die nechſtfolgende Johanna von Suffolck/ Fraw Marien/ weiland Koͤnigin
in Franckreich Encklein/ vnd ſeines Vatters Henrici VIII. juͤngſter Schweſter
Tochter/ ohngeacht Koͤnig Henrich in ſeinem Teſtament Marien vnd Eliſabethen
jhm Eduardo nachgeſetzt hatte/ weil ſolches nur ſein vnvogtbare Jahr koͤnte bin-
den Ob nun wol Johanna zu Londen fuͤr eine Koͤnigin außgeruffen worden/ hat
jedoch Maria/ nach dem ſie ſich im Nortfolck/ weil es ein Paß nach Franckreich/
ſich auff allen Nothfall zu ſalviren/ begeben/ den Koͤniglichen Tittel gefuͤhrt/ vnd
Krafft deß Teſtaments in die Regierung getretten/ die Johanna ſampt allem
Anhang gefaͤnglich angenommen/ vnd in offentlichem angeſchlagenem Edict,
ſich zu jhrer Voraͤltern Religion bekent. Darumb der Pabſt den Cardinaͤl Polum,
ſo
[59]Ander Theil.
ſo Koͤniglichen Gebluͤts/ in das Koͤnigreich geſond/ ob er ſchon/ durch trieb der Ab-
truͤnnigen auß dem Land verbannt war. Dieſer ließ durch ſeinen ſubſtitut Co-
mendon
alles erforſchen/ vnd im Parlament die Eheſcheydung Hcnrici VIII. als
vnguͤltig caſſiren. Die Koͤnigin war viertzig Jahr alt/ vnd ſolte heyrathen/
Polum oder Coroneum, von der weiſſen vnd rothen Roſen/ in gleichem Grad
verwand/ oder Philippum, Kaͤyſer Caroli Sohn: welchen ſie den beyden Vettern
vorgezogen/ ſonderlich als der Kaͤyſer den Polum bald mit Gewalt/ bald vnderdem
Schein/ ein Frieden zwiſchen jhm vnd dem Frantzoſen zu treffen/ auffhielt/ daß er
nicht eh von Bruͤſſel verꝛeiſen koͤnnen/ biß alles beſchloſſen geweſen. Die Roͤm.
Religion/ Spraach vnd Prieſter wurden den vierdten Mertz 1554. wieder einge-
fuͤhret durch ein Edict. Doch wolte die Ritterſchafft den Primat der Kirchen
dem Pabſt nicht geſtatten/ aber vergeblich. Der Heyrath ward vollnzogen auff
S. Jacobs Tag/ vnd Printz Philips genant Koͤnig von Naples. Gewiß iſt/
daß in demſelbigen Jahr hundert vnd ſechs vnd ſiebentzig vornehme Perſohnen/
eine groſſe Anzahl deß gemeinen Volcks zu geſchweigen/ wegen der Religion ver-
brand worden; darumb vnter andern Iohannes à Laſko ein edler Pollack/ weil
er in Dennemarck kein Platz funden/ ein Theil ſeiner Leut in Oſtfrießland geſetzt/
mit den übrigen zu Franckfurt am Maͤyn (dahin auch die Flaͤmiſchen vnd Wah-
len wegen obiger Vrſach/ auß den Niederlanden haͤußlich gezogen) Freyheit
erlangt. Das brennen/ wie auch das Vrtheil vber die außgegrabene Toden/ miß-
fiel vielen in- vnd auſſerhalb Engelland/ in dem es andere lobten/ als ein Raach
vber den H. Thomas/ den Henricus VIII. hinrichten laſſen. Andere aber ver-
glichen das Weſen mit dem/ was Stephanus VI. vnd Sergius III. gegen dem Leich-
namb Formoſi vorgenommen vnnd vollnzogen. Jtem alſo gieng es auch in
Franckreich/ doch mit einem Flecken/ daß der Koͤnigin Dianæ Valentinæ aller Ke-
tzer Guͤter verfallen waren.


Mit groſſem Verwundern vernahm man auch/ daß die new Reformirten
wegen der Religion Blut vergoſſen. Dann Michael Servetus von Arꝛago-
nien/ auß einem Artzt/ ein Theologus, wurd/ weil er Pauli Samoſateni, vnd Mar-
celli Ancyrani
alte Jrꝛthumb wieder auff die Bahn gebracht/ daß nemblich das
Wort Gottes nicht ſelbſtaͤndig/ vnd derowegen Chriſtus nur ein bloſſer Menſch
ſey/ mit Rath der Kirchendiener zu Zuͤrich/ Bern vnd Schaffhauſen/ zu Genff
zum Tod verdambt/ vnd exequirt: Daruͤber Iohannes Calvinus, die Beſchuͤldi-
gung abzulehnen/ ein Apologi laſſen außgehen; in welcher er behauptet/ daß
einer Obrigkeit wohl erlaubt ſey/ die Ketzer am Leben zu ſtraffen. Welche Lehr/
nach dem ſie in vngleichen Verſtand gezogen/ vñ entweder eng oder weit geſpañet/
auch der Nam eines Ketzers verſtanden vnd außgelegt wird/ denen/ ſo ſie zuvor
nuͤtzlich geweſen/ wohl kan bißweilen ſchaͤdlich werden.


Koͤnig Ferdinand wolte ſeinen Vnderthanen den Kelch nicht erlauben;
vnd weil er ein Catechiſmum oder kurtze Vnderweiſung durch fromme Theo-
H ijlogos
[60]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
logos zwar abfaſſen/ vnd ſeinen Vnderthanen anbefehlen/ aber zuvorderſt zu Rom
nicht hatte cenſuriren laſſen/ erweckt er Vnwillen: Vnd weil kein Menſch von
dem Concilio Anregung thaͤt/ ließ es auch der Roͤm. Hoff ſeyn.


Das Jahr hatte der Kaͤyſer ein groſſen Reichs-Tag nach Augſpurg auß-
geſchrieben/ vnd alle Fuͤrſten ermahnt/ in Perſon zu erſcheinen; darwieder ſich
Hertzog Auguſtus/ ſo ſeinem Bruder/ Churfuͤrſt Moritzen auß Sachſen in der
Regierung gefolgt/ entſchuldigte/ der Vortrag war/ von dem Religionsweſen/
vom Land-Frieden vnd vom Tuͤrcken: welches die Proteſtirenden vbel auff nah-
men/ dieweil Koͤnig Ferdinand vber zwey hundert Prediger/ als vom Pabſt nicht
geweyhet/ vnnd ſonſten verehlicht/ auß Boͤhmen vertrieben hatte. Auch miß-
fiel es dem Pabſt/ weil das Concilium ſich alſo wieder regen wolte. Doch ſtarb
der Pabſt/ vnd kam Marcellus Ceruinus, Cardinal vom Heil. Creutz den neundten
Aprill zum Pabſthumb/ behielt ſein Nahm/ als der wegen ſo hoher Wuͤrden ſich
doch nicht verkehren wolte. Dann ſonſten pflegten die rauhe Namen der Teut-
ſchen ſich in Romaniſche zu aͤndern/ gantz von Pabſt Hildebrands Zeit her;
darbey anzudeuten/ daß der vorige Menſch auff ſein eygen Nutzen/ der veraͤnderte
aber allein auff der Kirchen Nutzen dencken wuͤrde/ dieſer Pabſt war gantz einer
andern Meynung/ als ſeine fuͤnff Vorfahren/ die ſich bereden laſſen/ die Reforma-
tion wer jhrer Paͤbſtlichen Hoheit verkleinerlich/ vnd eben deßwegen ein abſche-
wen daran gehabt: er aber glaubte/ wann die Reformation vorgienge/ ſoll das
Wortgezaͤnck von ſich ſelbſt fallen/ vnd dem vbrigen durch das Concilium leicht
abzuhelffen ſeyn. War auch geſinnt/ eine Bruͤderſchafft von hundert Perſonen
zu ſtifften/ deren Haupt er ſelbſt/ ſie als Raͤhte vnd Geſandten gebrauchen koͤnte:
ſtarb aber/ als er durch groſſe Muͤhe vnd Arbeit in Verꝛichtung der langen vnd
ſchweren Ceremonien [ſ]ehr matt vnd ſchwach/ auch von dem Schlag uͤberfallen
worden/ noch den letzten Tag deſſelben Monats/ im Jahr 1555. Jhm ſuccedirt
Johann Peter Caraffa, ſo ſich Paulum IV. nennen lieſſe; wieder der Spanier
Danck/ weil jhm etwann am Spaniſchen Hoff ein Schimpff/ vnd dann wegen
deß Ertz-Biſthumbs Naples ein abſchlaͤgige Antwort wiederfahren war. Er
befahl ſeinem Hoffmeiſter/ man ſolt jhn tractiren/ wie einem groſſen Fürſten
gebuͤhre: ließ ſich mehr koͤſtlicher Croͤnen/ als je zuvor geſchehen: gab dem
Koͤnigreich Engelland auff der drey Abgeſandten kntendes Begehren/ die abſo-
lution,
vnd macht Jrꝛland zu einem Koͤnigreich/ ob ſchon Henricus VIII. jhme
hierinn vorkommen: Doch ſolte Koͤnigin Maria den Tittel von jhm/ der Macht
haͤtte/ Koͤnige ein vnd abzuſetzen/ empfahen vnd tragen/ wegen Wiedereinraͤn-
mung der Geiſtlichen Güter hielt er/ ſonderlich an Engelland/ ſehr ſteiff an; vnd
lencket ſich/ durch deß Cardinals in Lothringen Vnterꝛedung/ auff die Frantzoͤ-
ſiſche Parthey: War auch der Hoffnung/ weil Engelland ſich wieder vnder
ſeinen Gehorſam begeben haͤtte/ es würde Teutſchland ſolchem Exempel auch
ſolgen.


Zu
[61]Ander Theil.

Zu Augſpurg gab es weitlaͤufftige Haͤndel: dann es haͤtten die Geiſtli-
chen lieber geſehen/ daß man daſelbſt gar nichts von der Religion gered haͤtte:
Gleichwohl kamen dieſe zween Fuͤrſchlaͤge zu beratſchlagen: durch was Mittel
die Religion zu reformieren wer: vnd dann/ daß man einem jeden die Religion
frey lieſſe.


Vnd lieſſen endlich nach vielem Gezanck ſich alle dieſes letzte gefallen/ die-
weil ſie keine Artzney erdencken koͤnnen/ daß Vbel welches ſich noch regte vnnd
wuͤtete/ außzurotten: Hoffeten aber/ daß wann ſich die humores gelegt/ vnd die
Strittigkeitẽ ſampt dem mißtrawen auffgehaben/ viel leichte vnd bequeme Wege
ſich an die Hand geben wuͤrden: dazu dann ein guter Fried vonnoͤthen were: vnd
daß man niemand wegen der Religion vberziehen ſolte/ ſondern einem jeden Fuͤr-
ſten vnd Stand frey laſſen/ die Religion in ſeinem Gebieth/ nach ſeinem Wolge-
fallen anzuſtellen. Als es nun an deme war/ daß der Schluß hievon ſolte ge-
macht werden/ iſt noch ein groͤſſer Streit entſtanden/ dieweil die von der Augſpur-
giſchen Confeſſion wolten/ daß ein jeder jhre Religion/ ohne Abbruch ſeiner
Ehren/ Stands vnd Herꝛligkeit ſolte moͤgen annehmen: hingegen die Catho-
liſche nicht zugeben wolten/ daß den Geiſtlichen ſolte erlaubt ſeyn/ jhre Religion
zu aͤndern/ vnnd gleichwol in jhrem Stand zu bleiben; ſo aber ein Biſchoff/
oder Apt eine andere Religion annehme/ ſolte er ſich deſſelbigen Stands be-
geben.


Gleichfalls begehrten die Proteſtirende/ daß denen Staͤtten/ ſo vor ſieben
Jahren das Interim angenommen haͤttẽ/ ſolte zugelaſſen werden/ ſich wiederumb
zu der Augſpurgiſchen Confeſſion zu wenden. Hieruͤber wurden beyderſeits
Schrifften gewechſelt; jedoch gaben ſie endlich zu beyden Theilen etwas nach.
Die Geiſtliche giengen ein/ daß die Staͤtte die Religiõ jhres Gefallens anrichten
moͤchten: Hingegen lieſſen die Proteſtirende jhre Forderung/ was die Geiſtliche
anlangt/ fallen/ vnd wurd der Abſcheid den 25. Septembr. alſo gemacht: Daß
demnach zu hinlegung deren in der Religion entſtandenen Strittigkeiten vonnoͤ-
then wer/ ein allgemein/ oder National-Concilium, ſolches aber wegen vieler
Hindernuͤſſen nicht koͤnte verſamblet werden/ mitlerweil biß eine freundliche
Einigkeit in der Religion moͤchte getroffen werdẽ/ der Kaͤyſer/ Koͤnig Ferdinand/
die Catholiſche Fuͤrſten vnd Staͤnd nicht ſolten der Augſpurgiſchen Confeſſion
zugethane Fuͤrſten vnd Staͤnde zwingẽ/ jhre Religion zu verlaſſen/ oder die Ord-
nungen vnnd Ceremonien, die ſie in jhren Landſchafften vnd Gebieth eingefuͤhrt/
oder noch einfuͤhren moͤchten/ zu aͤndern: noch etwas jhnen zu Schmaach- vnd
Vnehr fuͤrnehmen/ oder ſie an der freyen Vbung jhrer Religion hindern.
Deßgleichen ſolten fich die von der Augſpurgiſchen Confeſſion, gegen dem Kaͤy-
ſer/ Koͤnig Ferdinand/ vnd andern Fuͤrſten vnd Staͤnden der alten Religion/
ſo wohl Geiſt als Weltlichen verhalten: vnnd ſolten auch dieſelbige in jhrem
Gebieth ſolche Religion/ die jhnen gefaͤllig/ anrichten/ vnd eine andere verbiethen
H iijmoͤgen.
[62]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
moͤgen. Vnd ſo ein Geiſtlicher von der alten Religion abtretten würde/ ſoll
daſſelbe jhm an ſeinen Ehren vnnachtheilig ſeyn; jedoch ſoll er alßbald ſeine
Beneficien verlaſſen/ vnd ein anderer von denen/ welchen es von Rechtswegen
gebuͤhret/ an ſeine Statt erwehlet werden. Was aber die jenige Beneficien be-
langt/ ſo allbereit von den Proteſtirenden zu Kirchen vnd Schulen angewendet
worden/ ſoll es mit denſelben ſein Verbleibens haben. Es ſoll auch kein Geiſt-
licher Gewalt oder Iuriſdiction wieder die/ ſo der Augſpurgiſchen Confeſſion
zugethan/ geuͤbet/ ſonſten aber in ſeinem Gang/ wie vor altersher/ gelaſſen
werden. Als nun der Abſchied gemacht geweſen/ iſt noch ein newe difficultet vorge-
fallen/ welche auffzuheben Koͤnig Ferdinand/ krafft dero jhm von Kaͤyſ. Mayſt.
gegebenen Vollmacht/ mit Bewilligung deß Geiſtlichen Stands erklaͤrt vnnd
geordnet hat/ daß die Stifft/ Staͤtte vnd Gemeinden/ ſo einem Geiſtlichen Fuͤrſten
vnterworffen/ vnd von vielen Jahren her der Augſpurgiſchen Confeſſion zuge-
than geweſen/ auch dero Ordnungen vnd Ceremonien angenommen/ vnd biß
noch zu behalten haͤtten/ von jhren Geiſtlichen Oberherꝛn vnd Prælaten zu einiger
Veraͤnderung nicht gedrungen/ ſondern biß zu kuͤnfftiger allgemeiner Chriſtli-
cher Vergleichung bey dem Exercitio jhrer Religion gelaſſen werden ſolten.


Als der Bapſt deß zu Augſpurg gemachten Abſchieds jnnen worden/ ward
er ſehr erzoͤrnet/ vnd beſchwerte ſich deßwegen zum allerhoͤchſten gegen dem Kaͤy-
ſerlichen Geſandten/ vnd dem Cardinal von Augſpurg/ daß ohn Vorwiſſen vnd
Conſens deß Apoſtoliſchen Stuhls Koͤnig Ferdinand ſich in Religions. Sachen
ſo weit eingelaſſen: Draͤwete zugleich/ daß er zu ſeiner Zeit den Kaͤyſer/ vnd
gemeldten Koͤnig den Schimpff/ den ſie dem Apoſtoliſchen Stuhl bewieſen/ vnd
deſſen es ſie gerewen wuͤrde/ wieder eindrencken wolte: vnnd vermahnte ſie/ ſol-
chem durch einen Wiederꝛuff vnd Caſſation deß jenigen/ ſo da waͤr bewilliget
worden/ vorzukommen/ damit er nicht verurſacht wuͤrde/ beydes wieder die Luthe-
rauer vnd jhre Goͤnner/ wie er jhm fuͤrgenommen haͤtte/ ernſtlich zu verfahren.
Wofern ſie ſolches wuͤrden thun wollen/ erboth er ſich zu aller Huͤlff mit Rath vnd
That/ vnnd daß er allen Fuͤrſten in der Chriſtenheit bey Straff befehlen wolte/
jhnen mit aller jhrer Macht bey zuſpringen.


Er war mit der Antwort deß Geſandten nicht zu frieden/ da er jhm die
Macht der Proteſtirenden/ den Krieg wieder den Kaͤyſer/ den ſie zu Ynßbruck bey
nahe gefangen haͤtten/ vnd den Eyd/ den man jhnen geſchworen/ fuͤrhielte. Dann
was den Eyd anlangte/ ſagte der Bapſt/ erlieſſe er ſie deſſelben ja er beſehle jhnen/
daß ſie jhn nicht halten ſolten: im vbrigen muͤſte man nicht auff Menſchliche
Mittel ſehen; vnd eben darumb wer der Kaͤyſer in ſolche Gefahr gerathen durch
ſonderbare Schickung GOTTES/ dieweil er nicht alles/ was er zu thun ſchuldig/
vnd jhm muͤglich geweſen/ gethan/ damit er Teutſchland wieder zum Gehorſamb
deß Apoſtoliſchen Stuhls braͤchte. Derentwegen haͤtte jhn GOTT ein Zeichen
ſeines Zorns ſehen laſſen/ vnd wuͤrde ins kuͤnfftig nach harter ſtraffen/ wann er
jhm
[63]Ander Theil.
jhm ſolches nicht eine Warnung ſeyn lieſſe: Hingegen wann er vnverzagt/
vnd ohn allen weltlichen Reſpect, als ein rechtſchaffener Kriegsmann Chriſti
ſtreiten würde/ koͤnte er allzeit obſiegen/ wie die Exempel der vorigen Zeit bezeu-
geten. Es erinnerte ſich aber allhie der Kaͤyſerliche Geſandt bey ſich ſelbſt/ daß
Savoranola Carolo VIII. dem Koͤnig in Franckreich Gottes Zorn/ vnd Verluſt
aller eroberten Laͤnder in Jtalien eben deßwegen angekuͤndet/ wann er kein rechten
Ernſt/ die gantze Kirch zu reformieren wuͤrde ſehen laͤſſen; ja ſolte mit groſſer
Muͤhe ſeine Perſon koͤnnen durchſchlagen/ vnnd wieder uͤber das Gebuͤrg in
Franckreich bringen koͤnnen: welches alles zwar alſo ergangen/ daß nemblich
der Koͤnig im Kirchenweſen nichts angefangen/ weniger geaͤndert/ ſondern nur
auff ſein politiſches Vorhaben/ das vorder vnd hinder Jtalien zufeſſeln/ vnd die
Venetianer ſampt den Pabſt zu ſeinem Willen zu zwingen/ ein Abſehen gehabt:
daß er auch einen vnverſehenen Bund der Jtaliaͤniſchen Staͤnde wieder ſich geſe-
hen/ die jhm den Paß zu- vnd vber das Gebuͤrg verlegt/ da er ſich zwar durchge-
ſchlagen/ aber mit groſſem Schaden/ vnd Verluſt aller Ammunition/ ohne was
die Schweitzer/ die deß Koͤnigs Zorn vnd Vngnad/ neben harter Abſtraffung/
durch Meuterey vnd Pluͤnderung eines nahmhafften Orths auff ſich gezogen/ an
Geſchütz mit euſſerſter Arbeit/ nur jhren Ablaß vnd Gnad wieder zu erlangen/
durch faſt vnmuͤgliche Paͤß vnd Klippen/ weit beſſer/ als Pferd vnd Maul-Eſel
oder Ochſen/ hingeſchleppt vnd darvon bracht haben. So leicht laͤſt ſich ein
Zufall auff die rechte vnd lincke Seit legen. Ja es ſagten die Proteſtirenden
gar/ dem Kaͤyſer wer ſolches wiederfahren/ wegen der gefaͤngenen Fuͤrſten/ dieweil
das Woͤrtlein einige in das ander evvige werverkehrt/ vnd alſo wieder Abred ge-
handelt worden. Einjeder ſtellt die Pfeiff nach ſeinem Sinn.


Das gemeine Geſchrey gieng/ der Pabſt wer zu dieſer ſcharffen Wiederꝛede:
durch den Cardinal von Augſpurg/ dem dieſer Friede nicht gefiel/ der
auch deßwegen proteſtirte, verꝛeytzt
worden.



Der
[64]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der ſiebende Diſcurß.


Von deß Pabſts Humor vnd Vorhaben/ wegen deß teutſchen Frie-
dens/ vnd Hindertreibung der Lutheriſchen Religion. Wie der Pabſt
mit den Spaniern in offentlichen Krieg gerahten. Wie Carolus V. ſeine Hoheit
uͤbergibt/ vnd ins Kloſter gehet. Wie vbel es dem Pabſt mit den Spaniern er-
gangen. Vnd der Vberwundene triumphieret. Was er an dem Frantzoſen/ vnd
dem newen Kaͤyſer getadelt: Wie er auch ſampt etlichen hohen Haͤuptern ge-
ſtorben.


NAn kan auß deß Pabſts gantzem Thun vnd Laſſen/ fuͤrnehmlich
aber auß ſeinen Reden abnehmen/ daß er hochmuͤtig/ vnd von groſſen
Anſchlaͤgen geweſen/ jhm gaͤntzlich eingebildet/ er koͤnte durch ſein Auto-
ritet
allen Vnordnungen/ vnnd zwar ohne einiges Fuͤrſten Huͤlff
abhelffen: Wie dann er niemahls mit den Geſandten redete/ daß er vnterlaſſen
haͤtte jhnen einzuplewen/ er wer uͤber alle Fuͤrſten/ vnd wolte nicht/ daß ſich jemand
mit jhm gemein machte: er koͤnte die Koͤnigreich veraͤndern: er wer deſſen Nach-
folger/ der Koͤnige vnd Kaͤyſer abgeſetzt: erzehlte zum offtern/ daß er bey anfang
ſeines Pontificats, ſeine Macht zu beweiſen/ Jrꝛland zum Koͤnigreich erhaben:
gerieth auch ſo weit/ daß er im Conſiſtorio, vnd an der Taffel; in etlichen hitzigen
Außfaͤllen offentlich in beyſeyn vieler Leuthe ſagen doͤrffen/ er wolte keinen Fuͤrſten
zum Geſellen haben/ ſondern ſie muͤſten alle dieſem ſeinem Fuß/ mit welchem er
zugleich auff den Boden tratt/ vnterworffen ſeyn: wie dann ſolches billich wer/
vnd der/ ſo dieſe Kirch gebawet/ vnd jhn zu ſolcher Wuͤrdigkeit erhoben befohlen
haͤtte. Er pflegte auch zu ſagen/ eh ich mich weich finden laſſe/ wolte ich lieber
ſterben/ alles laſſen zu Grund gehen/ vnd das Fewr an vier Enden der Welt an-
zuͤnden. Vnd weil er von Natur keck/ verließ er ſich noch darneben auff ſeine
Weißheit/ vnd das gute Gluͤck/ ſo er bißher in allen ſeinen Anſchlaͤgen gehabt
hatte: darumb achtet er bey ſo hohem Gewalt alles leicht vnd gering. Vnd
hiebey herꝛſcheten in jhm vmd wechſelsweiſe/ zweyerley Humorn: eins theils
war er gewohnt in allen ſeinen Handlungen die Religion fuͤrzuwendẽ/ vnd ſich der
Geiſtlichen authoritet zu gebrauchen: anders theils ließ er ſich regieren/ durch
Carolum Caraffam, ſein Enckel/ welcher auß einem dapffern vnd geuͤbten Kriegs-
maun ein Cardinal worden/ vnd denſelben Martialiſchen Geiſt nicht abgelegt
hatte; Der hielt ſtets bey jhm an/ dz er jhm die weltliche Macht zu nutz gebrauchte/
weil ohne dieſe die Geiſtliche veracht vnd krafftloß ſtuͤnde/ wañ ſie aber beyſammen
weren/ koͤnte man groſſe Ding außrichten: doch nam er jhm endlich fuͤr/ das
Weltliche heimblich/ vnd das Geiſtliche offentlich zu treiben/ ſeine Anſchlaͤge nach
bege-
[65]Ander Theil.
Begebenheit einzuziehen/ oder fortzuſetzen. Vnd zu dieſem Ende handelt er durch
dieſen ſeinen Enckel mit dem Cardinal von Lothringen gantz heimblich von einer
Buͤ[ny]dnuß mit dem Koͤnig in Franckreich/ vnd als dieſelbe bey nahe geſchloſſen/
zog der von Lothringen/ allen Verdacht zu meyden/ von Rom/ vnd erſetzt der von
Tournon ſeine Stell/ der fuͤrnehmbſt Artickel ſelbiger Buͤndnuß war/ die Erobe-
rung deß Koͤnigreichs Naples fuͤr den juͤngern Sohn deß Koͤnigs/ doch alſo daß
dem Bapſt ein merckliches davon zu Theil wuͤrde: dieweil er vorgab/ ſeine Graͤn-
tzen erſtreckten ſich biß an die Statt St. German, vnd den Fluß Gariglian, jenſeit
aber deß Apenniniſchen Gebuͤrgs weit vber Benevento, biß an den Fluß Peſcara:
ohn was ſonſten fuͤr deß Bapſts Vortheil/ wieder die Ketzer war abgeredt
worden.


Daneben hielte der Bapſt fuͤr noͤthig/ etliche Cardinaͤl die vnverzagte
Gemuͤth haben/ jhm Fuß hielten/ vnd ſich in ſchweren Sachen gebrauchen lieſſen/
zu machen: Vnd hievon giengen ſchon allerley Rede/ ehe etwas zu Werck kom-
men. Deßwegen die Cardinaͤl ſich beſchwerten/ daß er den geſchwornen Arti-
culu zuwieder handelen ſolte: ſonderlich aber hatten die Kaͤyſeriſche/ in Be-
trachtung der Perſonen/ die fuͤrgeſchlagen wurden jhnen fuͤrgenommen/ ſich dar-
wieder zu ſetzen. Als nun der Bapſt den 20. Decembr. in das Conſiſtorium
kommen/ vnd ſich niedergeſetzt/ zeigt er alßbald an/ daß er niemand Au lientz ge-
ben wolte/ weil er mehr wichtigere Sachen vor zutragen haͤtte. Demnach nun
Jedermann merckte/ daß er newe Cardinaͤl wehlen wolte/ trate der Cardinal von
St. Jacob vor den Stuhl/ vnd wolte reden. Der Bapſt wieſe ihn ab/ vnd weil
er nicht ablaſſen wolte/ gab er jhm ein Stoß auff die Bruſt/ vnd jagt jhn von ſich.
Da nun Jedermann niedergeſeſſen/ hub der Bapſt an/ vnd beklagte ſich hefftig
vber die/ ſo da außgeben/ daß jhm wegen deß im Conclavi geleyſteten Eyds nicht
erlaubt wer/ mehr dann vier Cardinaͤl zu machen: ſolches ſey nichts anders/ als
daß man die Baͤpſtiſche authoritet, welche doch gantz frey vnd vngemeſſen/ bind[en]
wolte. Diß ſey ein Glaubens Artickel/ daß der Bapſt nicht koͤnne verbunden
werden/ viel weniger ſich ſelbſt verbinden: wer anders ſagte/ der wer ein Schwetzer:
vnd wolte er die jenige/ ſo in ſolchem Wahn bißhero geſtorben/ abſolvieren, dieweil
er dafuͤr hielte/ daß derſelbige nicht auß Halßſtarꝛigkeit geſchloſſen: Wo aber
ins kuͤnfftigejemand wieder ſeine Macht/ die jhm von GOTT gegeben were/
reden wuͤrde/ wolte er jhn der Inquiſition vberantwortẽ. Weiter ſo ſagte er/ er wolte
Cardinaͤl machen/ ohn einige Wiederꝛede: dann er bedoͤrffte Leuth zu ſeinem
Dienſt. Sie aber koͤnte er nicht gebrauchen/ dieweil ſie ſelbſt factiones vnter ſich
haͤtten. Vnd wer billich das verſtaͤndige/ Gotttsfoͤrchtige vnnd gelehrte Leut
befuͤrdert/ vnd zur Reformation der Kirchen/ ſonderlich aber zum Concilio ge-
zwungen wuͤrden: es ſey nunmehr Zeit/ daß man mit Ernſt daran gedencken
ſolte; wie er daſſelbe mit erſter Gelegenheit proponieren wolte. Jetzund
aber ſey er geſinnet/ jhnen etliche/ ſo zu Cardinaͤlen zu machen/ vorzuſchlagen/
Ander Theil. Jdieweil
[66]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
dieweil ſolches nicht laͤnger koͤnte verſchoben werden: Sie ſolten allein berath-
ſchlagen/ was der Kirchen nutz- vnd dienlich ſey: dann der Schluß ſtuͤnde eben
bey jhm allein. Er nente ſieben Perſohnen/ vnter welchen nur einer jhm
verwanth/ vnd einer auß ſeinem Orden/ nemblich der Theatiner; die uͤbrige
waren ſehr beruͤhmbte Maͤnner/ theils wegen jhrer Kunſt vnd Geſchickligkeit/
theils wegen Erfahrung der politiſchen Hooffhaͤndel. Vnter welchen war
Iohannes Groperus von Coͤlln/ derwegen hohen Alters/ vnd befoͤrchteten Neydes/
ſo hohe Ehr/ nach welcher viel Fuͤrſtliche Perſohnen ſtrebten/ mit danck abgeſchla-
gen. Vber diß/ verordnet der Bapſt 24. Cardinaͤl/ 45. Prælaten/ vnd andere
fuͤrnehme Maͤnner/ biß auff 150. die Kirchen Sachen wegen der Reformation zu
berathſchlagen/ nicht daß er eines andern Vnderꝛicht beduͤrfftig/ ſondern jhr Gut-
achten auch einzuholen: er wolte ſeinen Hoff purgieren/ vnd dann den Fuͤrſten
auch anzeigen/ wobey es jhnen fehle. Dieſe Verſamblung zerfiel in dreyerley
Meynungen: Man koͤnte vnd ſolte in Verleyhung der Pfruͤnden/ vnd bey diſpen-
ſation
en Geld nehmen: man ſolte vnd koͤnte es gar nicht thun: man koͤnte vnd
ſolte es mit Maaß thun.


Vnd hie wurd der Bapſt gar auß der Wiege geworffen. Dann die Oeſter-
ꝛeichiſche Landſchafften/ nachdem ſie den zu Augſpurg gemachten Abſcheyd/ vnd
ſonderlich die beygefügte Erklaͤrung Koͤnigs Ferdinand/ den Staͤtten vnnd
Edelen/ ſo Geiſtlichen Fuͤrſten vnterworffen/ zum beſten geſchehen/ hatten ſich
Hoffnung gemacht/ ſie koͤnten die Freyheit der Religion auch erhalten. Nahmen
derowegen jhrer Schantz in acht/ als Koͤnig Ferdinand ein Landtag zu Wien
hielt/ damit er eine Stewr wieder den Tuͤrcken/ ſo jhn bekriegte/ von ſeinen Vn-
derthanen erheben moͤchte/ vnd hielten bey jhm an/ daß er jhnen gleich den andern
der Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandtẽ Staͤnden/ die Vbung der Religion
vergoͤnnen vnd zulaſſen wolte: mit Erjnnerung/ daß der Tuͤrck ein Geiſſel Gottes
uͤber die/ ſo das Wort hinderten. Erbothen ſich im uͤbrigen/ Leib/ Gut vnd Blut
bey dem Koͤnig auff zuſetzen. Die Antwort war/ daß er wegen der Kirchen ſolches
nicht geſtatten koͤnte: daß die Weltliche Fuͤrſten eine oder die andere Religion
annehmen/ vnd einführen koͤnten: darumb moͤchten ſie mit jhm bey der alten
Religion bleiben/ oder jhre Guͤter verkauffen/ vnd auß dem Lande ziehen. Doch
wolt er jhnen den Kelch/ biß auff nechſten Reichstag/ vnd nichts weiters erlauben.
Jngleichem begehrten die Baͤyrn/ die Predigt/ der Prieſter Ehr/ die beyderley
Geſtalten im Abendmahl/ vnd das Fleiſch eſſen/ oder wolten keine Tuͤrckenſtewer
erlegen. Der Hertzog erlaubt/ nach ſeines Schwehers deß Koͤnigs Exempel/
den Kelch/ vnd das Fleiſch eſſen nur auff den Nothfall. Aber nach dem Friederich
Churfuͤrſt zu Heydelberg geſtorben vnd ſeines Bruders Sohn Otto Henrich die
Regierung angetretten/ der ſich laͤngſt zu der Augſpurgiſchen Confeſſion bekant
hatte/ vnd etwan deßwegen leyden muͤſſen/ wurd die Meß/ ſampt allen Roͤmiſchen
Ceremonien in der Pfaltz abgeſchafft. Ein Polniſcher Geſandter begehrte dieſe
fuͤnff
[67]Ander Theil.
fuͤnff Stuͤck/ die Meß in der Mutter Spraach/ die beyderley Geſtalten im Abend-
mahl/ der Prieſter Ehe/ Abſchaffung der Annaten/ vnd ein National-Concilium.
Welches der Bapſt mit groſſer Vngedult angehoͤrt/ auch beantwort/ vnd ein Ge-
neral-Concilium
zu Rom im Lateran angedeutet/ welches dann keinen Verzug
leyden kuͤnte/ weil Bohem/ Preuſſen/ Teutſchland/ vnd jetzt Pohlen in Gefahr
ſtuͤnden/ der Koͤnig in Franckreich den Zehenden von den Geiſtlichen einforderte/
vnnd Spanien wieder ſein Verbott den halben vnd vierdten Theil der zuvor ver-
guͤnſtigten Guͤter mit Gewalt zu erpreſſen jmmer fortführe. Er hieſſe den
Kaͤyſer ein Ketzer/ der gleich anfangs der Newerung in Teutſchland favoriſierer
haͤtte/ den Heil. Stuhl zu vnterdrucken/ vnd ſich zu einem Herꝛn der Statt Rom/
vnd vber gaͤntz Jtalien zu machen/ vnd Paulum III. in Forcht gehalten; gegen
jhm aber wuͤrde es nicht alſo gelingen. Auß Hoͤffligkeit wolte er wegen deß Con-
cilij Latcranenſis
die Potentaten erſuchen/ doch muͤſten ſie ſich vnderwerffen/ vnd
ſolte er nur mit ſeinen Leuthen allein daſſelbe halten.


Jn deme kam die Zeitung voni Cardinal Polo, es wer den 5. Febr. Anno
1556. zwiſchen Spanien vnd Franckreich ein Anſtand auff fuͤnff Jahr geſchloſſen:
daruͤber der Pabſt ſehr erſchrocken/ wie auch der Cardinal Caraff [...] Jener/ weil
dieſe Vereynigung jhn moͤchte in die Schrancken bringen; dieſer/ weiln er ſeinen
Haß gegen den Spaniern in Vereuſſerung deß Koͤnigreichs Napels bey ſo ho-
hem Alter deß Pabſts nicht wuͤrde koͤnnen außlaſſen. Doch nam ſich der Pabſt
alles guts vnnd beliebens an/ wann ſie nur ein ewigen Frieden machten/ damit er
mit dem Reformations-Weſen vngehindert fortfahren/ vnd zuvorderſt an ſeinem
eygenen Hoff anfangen koͤnte. Er beſchwert ſich bey Franckreich/ daß durch die-
ſen Anſtand jhr Buͤndnuß nicht auffgehoben/ doch durchloͤchert wer: der Koͤnig
ſolte nicht auff deß Pabſts hohes Alter ſehen/ weil er ſo viel Cardinaͤl gedaͤchte zu
machen/ daß die Frantzoͤſiſche faction im Conclavi allzeit prædominieren koͤnte;
ließ jhm auch die Abſolution ertheilen/ von dem Eyd/ durch welchen der Koͤnig
den Anſtand geſchworen hatte: vnd als der Cardinal von Lothringen/ ſampt
ſeinem Bruder/ an dieſem Karn ſchoben/ wuͤrd der Koͤnig bewegt/ den Krieg/ auch
wieder der Fuͤrſten deß Gebluͤts/ vnnd aller anderer anſehnlichen Raͤthe Gut-
achten/ wieder anzufangen. Darauff ließ der Pabſt den Geſandten/ ſo befehlcht
war langſamb zu eylen/ vnd nur bey zwo Tagreiſen vom Kaͤyſer angelangt/ von
Maſtricht wieder zuruͤck/ vnd zwar nach Franckreich ziehen; zur gewiſſen Anzeig
ſeines Vnwillens/ vnd noch mehr/ als er der Colomneſer altes vñ newes Verbre-
chen wieder den Heil. Stuhl vnd jhn ſelbſt im Conſiſtorio der laͤnge nach erzehlt/
vnd Aſcanium excommuniciert, Marcum Antonium aber aller Wuͤrden vnnd
Ehren entſetzt/ mit angehengten Cenſuren gegen die jenige/ ſo jhnen Beyſtand/
oder einige Huͤlff thuͤn wuͤrden. Dieſer letzte begab ſich nach Naples/ vnd ſtreyffte
auff ſeine vorige Guͤter. Darumb der Pabſt dem Fiſcal befohlen/ die Sach vor-
zutragen/ welches auch ſolcher Geſtalt geſchehen/ demnach J. H. Marcum
J ijAnto-
[68]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Antonium Columnam, wegen allerhand Miſſethaten excommuniciert, vnd ſeine
Guͤter eingezogen/ ja auch bey ebenmaͤſſiger Straff einem jeden/ welches Stands
der ſeyn moͤchte/ verbotten haͤtte/ jhme Huͤlff vnd Beyſtand zu leyſten: vnd aber
Weltkuͤndig daß der Kaͤyſer/ vnd ſein Sohn der Koͤnig/ jhm mit Reuterey/ Fuß-
volck vnd Gelt bey geſprungen/ als weren dieſelbe in ſolche Pœn gefallen/ vnd jhre
Lehen apert worden. Derentwegen bittend/ daß J. H. die Erklaͤrung daruͤber
ergehen/ vnd zur Execution Anordnung machen lieſſe.


Der Bapſt uͤbergab es den Cardinaͤln zu berathſchlagen. Vnd da wurd
die Reformation, ſampt dem Concilio hingelegt/ aber Spieß vnnd Stangen an
die Hand genommen. Vnd weil er auß Verdacht viel fuͤrnehme Maͤnner im
Caſtell verſchloſſen hielte/ beſchwert ſich der von Alba/ daß in der Statt Rom/ die
auß dem Koͤnigreich Naples Verbante auff gehalten/ daß ſo vornehme Leute vnd
Geſandten angegriffen/ vnd ins Gefaͤngnuß geworffen/ daß ſeines Koͤnigs
Brieff geoͤffnet/ vnnd ſonſten allerley Schmaach vnd Schaden jhm zugefuͤgt
worden: Vnd wo jhre H. in ſolchem allem beharꝛen/ vnd ſolche Injurien conti-
nuiren
ſolte/ wuͤrde der Koͤnig zu Erhaltung ſeiner Reputation, vnd vermoͤg aller
Voͤlcker Rechten/ weniger nicht thun koͤnnen/ als daß er ſolche Vnbilligkeit ab-
wenden muͤſte. Der Bapſt antwortete/ er wer ein freyer Fürſt/ vnd vber alle an-
dere geſetzt/ der nicht verbunden ſey/ jemands ſeines thuns vnd laſſens Rechen-
ſchafft zu geben/ ob er wol ſolche von allen andern Fuͤrſten fordern koͤnte. Vnd
weil der Bapſt mit ſeinen Kriegsverfaſſungen fortfuhr/ proteſtirt der von
Alba nochmahlen/ wann J. H. den Krieg begehrt/ thaͤte er denſelben hiermit
ankuͤnden/ vnd wolte alſobald anfangen/ wie er dann den 4. September gantz
Campanien vberzogen: vnd als er ſich der Statt Rom naͤherte/ verurſacht er
groſſen Schrecken. Doch ruͤſtet ſich der Bapſt/ thaͤt alle gute Ordnung/ zwang
die Geiſtliche von allerley Stand vnd qualiteten, Erd in Butten auff der Achſel
zu tragen/ vnd Bollwercke zu machen. Vnter andern Orthen bedurffte deß
befeſtigens die Pforte del popolo, da ſich die Via Flaminia endete/ vnd eine Kirch
vnſer lieben Frawen ſtehet/ ſo mit groſſer Andacht beſucht wird: die wolte der
Bapſt zu ſolchem Zweck eingeriſſen haben/ wann nicht der von Alba verheiſſen
vnd geſchworen/ vmb keiner Vrſachen willen ſich deren zu bedienen.


Jn dieſem Jahr zog Kaͤyſer Carl auß Flandern/ nach dem er vorlaͤngſt ſei-
nem Sohn Philippo die Koͤnigreiche vnd Landen/ ſeinem Bruder Ferdinand
aber das Kaͤyſerthumb juͤngſt uͤbergeben hatte/ vnd fuhr vber in Spanien/ da er
als ein Privat-Perſon in einer Einſame zu leben willens. Welches dann aller-
hand Reden verurſachte; vnd dannenher eine Vergleichung machte zwiſchen
einem Fuͤrſten/ der von Kind auff in den groſſen Geſchaͤfften vnd Anſchlaͤgen der
Welt geübet worden/ vnd im fuͤnfftzigſten Jahr ſeines Alters entſchloſſen war/
die Welt zu verlaſſen/ GOTT dem HEEREN allein zu dienen/ auß einem
Großmaͤchtigſten Fuͤrſten/ zu einem ſchlechten vnd armen Moͤnch worden: vnd
dann
[69]Ander Theil.
dann zwiſchen einem andern/ der vor Zeiten das Biſchoffliche Ampt verlaſſen/
damit er im Kloſter ſich verſtecken moͤchte; Nunmehr aber in ſeinem achtzigſten
Jahr Bapſt worden/ vnd allem Stoltz/ Hochmuth vnd Gepraͤng ergeben/ auch
jhme vorgenommen/ durch gantz Europam Krieg anzuzuͤnden. Es hat Kaͤyſer
Carl viel vnd ſchwere Krieg gefuͤhrt/ mehr jhm ſelbſten/ vnd den ſeinigen/ als dem
Reich zum beſten. Jn dem erſten Zug in Barbarey erwarb er groß Gut vnnd
Ehr; in dem andern erlitte er groſſen Schaden. Er hatt den Frantzoſen vnd den
Bapſt gefangen bekommen/ vnnd beyden mit Nutzen verſchonet: Die zween
teutſche Fuͤrſten deßgleichen/ vnd viel Geſchuͤtz vnd Baarſchafft davon getragen.
Vielleicht dem Tuͤrcken auch koͤnnen ein Kropffſtoß bey Wien vnnd in Hungarn
verſetzen: Meyland vnd Flandern an ſich gezogen/ vnd ſeinem Bruder die Bo-
hemen zu rechten Vnderthanen gemacht. Was aber die Chriſtenheit/ vnd ſon-
derlich Teutſchland betrifft/ iſt groſſer Schad vnder ſeiner Regierung empfangen
worden. Dann Rhodiß/ vnd ein guten theils Hungarn nam der Tuͤrck hin;
Preuſſen vnd Lieffland riffen ſich vom Reich/ vnd haͤngten ſich an Polen: So
zwackt der Frantzoß Thul/ Verdun vnd Metz vom Reich ab/ vnd blieb Maͤyland
vnter dem Nahmen eines Reich-Lehens an Spanien hafften. Vnd ob er ſchon
ſein beſtes wieder die Lutheraner gethan/ wurd jhm doch vom Roͤmiſchen Stuhl
beygemeſſen/ er haͤtte da[s] Vbel in der Blut ſollen vnd koͤnnen verderben vnd zu-
rück treiben. Er ſtarb in S. Juſten Clauſe/ vnter S. Hieronymi Orden/ Anno
1558. den 21. Sept. im neun vnd fuͤnfftzigſten Jahr ſeines Alters.


An ſeinem ordentlichen Kaͤyſerlichen Hoff befanden ſich gemeiniglich biß
in ſiebentzig Prieſter/ ſechtzehen Raͤthe/ neun Secretarien/ acht Helffer/ fuͤnff-
tzehen Kleyderwarter/ fuͤnff innere Thorhuͤter/ ſie benzehen Cammerdiener/ zween
Fackeltraͤger/ dreytzehen Doctorn vnd Apothecker/ ſieben Hoffmeiſter/ ſieben euſ-
ſere Thorhuͤter/ ſiebentzehen Quartiermeiſter/ dreytzehen Koͤche/ acht Brodwarter/
vier Weinſchencken/ drey Beſchlieſſer/ zween Kuͤchenmeiſter/ drey Silberknecht/
ſieben vnd dreiſſig Laſttraͤger/ ſechs vnd dreiſſig Jaͤger/ vier Herolden/ zwoͤlff
Trompetter/ ein H[e]erpancker/ vier Lauteniſten/ achtzehen Kuͤnſtler vnnd
Waffenſchmied/ neun vnd dreiſſig Edelknaben/ zwey vnd zwantzig Spaniſche/
achtzehen Jtaliaͤniſche/ fünff vnnd zwantzig Teutſche der fuͤrnehmbſten Edel-
leuth/ hundert re [...]ſige Knecht/ vier vnd zwantzig Reſidenten/ vier vnd dreiſſig
Verwalter frembder Haͤndel. Drey Wochen vor ſeinem Tod/ als er ſeiner
Mutter Sel. Jahrs Begaͤngnuß thaͤt/ kam jhm ein newer Eyffer in Sinn/ ſein
eygen Leichbegaͤngnuß noch im Leben zu verꝛichten: welches Iohannes Regula,
ſein Beichtvatter vor vnerhoͤrt/ doch loͤblich gehalten.


Alſo wurd in der Kirchen ein Grab auffgerichtet/ die Kertzen angeſteckt/ die
Diener in der Traur vmb das Grab geſtellt/ vnd das Todenlied von den Moͤnchen
geſungen. Endlich kam Carolus vnter dem weinenden Hauffen auch heran zu
dem Meßprieſter/ reicht jhm die brennende Kertz/ hub ſeine Augen gen Himmel/
J 3vnd
[70]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd ſprach: GOTT/ der du Leben vnd Tod in deiner Hand haſt/ ich bitte dich/ daß/
wie der Prieſter diß Opffer-Kertz von mir nimpt/ du dir auch alſo meine Seel zu
trewen Haͤnden/ wann es nach deinem Willen ſeyn mag/ in deinen Schoß vnd
Arm gnaͤdiglich auff- vnd annehmeſt. Hierauff kniet er nieder/ vnd ward gleich-
ſamb begraben oder beygeſetzt/ vom gantzen Vmbſtand klaͤglich beweinet: Geſche-
hen den 30. Tag Auguſti.


Jn deſſen gieng es ſehr vbel in Jtalien/ da der von Alba jmmer fortruckte;
vnd ob ſchon der Hertzog von Guyſe mit einem ſchoͤnen Volck dem Bapſt zum
beſten/ vnd den Krieg in Bemont zu ziehen/ war uͤber das Gebuͤrg gangen/ richtet
er doch nichts auß/ ſondern klagte/ er finde weder Proviſion, noch andere Notturfft/
wie man ſeinem Koͤnig verſprochen haͤtte: Vnd da der Frantzoß in einem Haupt-
treffen bey St. Quintin vnten gelegen/ dz der beſte Adel erſchlagen oder gefangen
wurd/ muſte der von Guyſe eylends zuruͤck/ ob jhm ſchon der Bapſt kein Abſcheid
geben wollen/ vnd dem Vatterland zu Hülff vnd Rettung kommen. Derowegen
legt ſich der von Alba zu end deß Auguſt. vor Rom/ vnd haͤtte die Statt wohl ein-
nehmen koͤnnen/ wie jhm dann der Abzug zur Verkleinerung gereichte; doch gab
er offentlich vor/ er haͤtte beſorgt/ wann er Rom pluͤndern laſſen/ ſein Volck
wuͤrde ſich trennen vnd verlauffen/ zu Entbloͤſſung deß Koͤnigreichs; in ge-
heimb aber/ / daß er nicht wiſſen koͤnnen/ wie ſein Koͤnig ſolches auffgenom-
men haͤtte. Nach deme nun dieſer Krieg ein Jahr gewaͤret/ folgte endlich den 14.
Septembr. ein Vertrag zwiſchen dem Hertzogen von Alba/ vnd dem Caraffa,
der Bapſt wolte im geringſten nicht/ daß weder der Columna, noch jemand von
ſeinen Vnderthanen darin begriffen/ viel weniger daß einiges Orts der Kaͤyſe-
riſchen/ ſo er ins Gefaͤngnuß gelegt/ als wann er daran zu viel gethan/ gedacht
wuͤrde: ſondern blieb beſtaͤndig dabey/ daß der Hertzog von Alba perſoͤnlich zu
Rom erſcheinen/ jhme eine Abbitt thun/ vnd die Abſolution empfangen ſolte;
vnd ſagt außdruͤcklichẽ/ eh er von dieſer Schuldigkeit ein Fadẽ breit weichen/ er viel
eher die gantze Welt zu truͤmmern gehen wolte laſſen: es gienge ja nicht ſeine/
ſondern Chriſti Ehr an/ deme er nichts begeben/ noch einig Nachtheil zuziehen
koͤnte. Auff dieſe Weiſe beneben Reſtitution der eingenommenen Oerther/ ward
aller Streit auffgehaben.


Dieſer Krieg war kaum geendet/ da kamen dem Bapſt newe Beſchwernüſ-
ſen vor. Dann auß Franckreich vernam er Zeitung/ daß den 5. September bey
Nacht in Pariß zwey hundert Perſonen/ ſich in einem Hauß/ das Abendmal zu
halten/ verſamblet: ſolches von dem gemeinen Poͤbel verkundſchafft/ das Hauß
eroͤffnet/ ein Theil entflohen/ die Weiber aber vnd ſchwaͤchſten ergriffen/ derſelben
ſieben verbrent/ vnd der uͤbrige Theil zu gleichmaͤſſiger Execution, biß man jhre
Mitthaͤter erfahren/ auffenthalten worden. Vnnd daß der Koͤnig auff der
Schweitzer Vorbitt/ deren Huͤlff er ſonderlich damahlen/ wieder den
Koͤnig in Spanien vonnoͤthen/ befohlen/ mit der Milte gegen jhnen zu
verfah-
[71]Ander Theil.
verfahren. Hieruͤber erzuͤrnt ſich der Bapſt befftig/ klagt es dem Conſiſtorio,
es wer kein wunder/ daß dieſem Koͤnig alles Vornehmen ſo gar übel außſchluͤge/
weil er mehr auff der Ketzer Huͤlff/ als auff Gottes Beyſtand ſehe. Vnd hatte
in Vergeß geſtellt/ welcher geſtalt in ſeinen Kriegen/ als die Cardinaͤl bey der
Inquiſition ſich beſchwerten/ daß die Proteſtirende Grawbuͤndner/ ſo auff ſeinen
Sold zu Beſchuͤtzung der Statt Rom geworben/ Kirchen vnd Bilder hoͤchlichen
verachteten/ vnd jhnen groß Schmaach anthaͤten/ er ſie die Cardinaͤl geſtrafft/
vnd geſprochen: die Grawbuͤndner weren Engel/ von GOTT zu Schutz vnd
Schirm ſeiner vnnd der Kirchen geſand: Er lebte der gewiſſen Hoffnung/ ſie
wuͤrden ſich bekehren. Dahero man ſiehet/ wie vngleich man von ſeinen eygenen/
vnd frembden Handlungen zu vertheilen pflege. Er tadelt auch am Koͤnig in
Franckreich/ daß er alle Biſchoffe vnd Pfarꝛer bey Verliehrung aller jhrer Ein-
kommen/ in jhren Kirchen zu reſidieren; vnd dann zu Erhaltung fuͤnff tauſend
Mann/ eine extraordinari Geldſtewr/ beneben den ordentlichen Zehenden zu
geben vnd zu contribuirn angehalten. Vnd war abermal vergeſſen/ daß eben
dieſe Klag jhm fuͤrkommen/ als er ſich der Frantzoͤſiſchen Voͤlcker bediente/ vnd
eben deßwegen keine Red darvon wolte haben: Vnd hieauff wolt er ſein Anſehen
groß machen/ in dem er ſeine Blutsverwandten abſetzte/ vnd jhre Guͤter einzog/
als haͤtten ſie an allem Vnheyl ſchuld. Macht auch eine ſehr ſcharpffe Conſti-
tution,
die er den Mawrbrecher wieder alle Ketzereyen nennete/ vnd wolte die
Inquiſition mit Macht durchfuͤhren.


Daß nun Carolus V. das Kaͤyſerthumb ſeinem Bruder/ Koͤnig Ferdinand
abgetretten/ vnd Ferdinand die Cron gewoͤhnlicher Weiß empfangen/ macht den
Bapſt gantz grimmig/ weil er vorgab/ daß gleich wie die Beſtaͤttigung/ die durch
den Bapſt geſchicht/ einen zum Kaͤyſer mache/ alſo wann einer das Kaͤyſer-
thumb auffkuͤndigte/ muͤſte ſolches fuͤr jhm geſchehen/ vnd auff ſolchen Fall ſtehe
es bey jhm/ einen Kaͤyſer nach ſeinem Gefallen zu wehlen: zohe an/ daß die Chur-
fuͤrſten durch die Gnad/ die jhnen von den Baͤpſten verliehen worden/ Macht
haͤtten einen Kaͤyſer zu erwehlen/ wann der vorige geſtorben were/ nicht aber wann
einer das Kaͤyſerthumb auffkuͤndigte vnd ablegte. Dann alßdann gebuͤhrte die
Wahl dem Roͤm. Stuhl/ in maſſen alle andere digniteten, welche reſignirt wuͤr-
den/ vnd von demſelbigen herꝛuͤhrten/ jhm wieder zufielen. Derentwegen dann
die Reſignation Kaͤyſern Carlen nichtig/ vnd die Macht einen newen Kaͤyſer zu
erwehlen jhm heimbgefallen: auch wer er entſchloſſen/ Koͤnig Ferdinand vor
keinen Kaͤyſer zu erkennen. Ferdinand nam ſich deſſen nicht an/ ſondern befahl
ſeinem Geſandten/ Martino Guſmanno, die Auffkuͤndigung vnd Annehmung deß
Kaͤyſerthumbs dem Bapſt neben aller Ehrerbietung vnnd Gehorſamb anzuzei-
gen/ der wurd vor die Cardinaͤl gewieſen/ die jhm andeuteten; was vorgangen/
were vnkraͤfftig/ der Keyſer lebte noch/ zumahl zu Franckfort dem Actui die Ketzer
beygewohnt/ darauff muͤſte Ferdinand verzeyhen/ ſo ſolte uͤber drey Monaten auff
vollkom-
[72]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vollkommener Macht jhn der Bapſt zu einem Roͤm. Kayſer annehmen/ vnd die
Auffkuͤndigung auß Gnaden bekraͤfftigen. Vnd in Verbleibung deſſen/ wolte
er nichts mehr davon hoͤren/ vnd alßdann ſelbſt ein Kaͤyſer erwehlen: von welcher
Meynung jhn auch Philippi Geſandten nicht bringen koͤnnen. Guſman wurd
befehlt zu proteſtiren, wie er auch thaͤte/ vnd zog davon. Vnd hie war der Plack
neben das Loch geſetzt: Jn Teutſchland ward die Freyhett der Religion durch
einen Reichs-Abſcheid zu gelaſſen: man trieb an einem Concilio; Spanien vnd
Franckreich vereynigten ſich zu Camerich/ einmütiglich nach einem Concilio zu
trachten. Doch war es den Koͤnigen nicht vmb den Bapſt zu thun/ ſondern
vmb jhre Landſchafften/ da ſich die newe Religion vermehrte/ vnnd weder mit
Schwert noch Fewer dempffen lieſſe.


Vmb dieſe Zeit/ im acht vnd neun vnd fuͤnfftzigſten Jahr hat es ſonderliche
Todsfaͤlle gegeben. Chriſtianus III. Koͤnig in Dennemarck geſeegnet dieſe
Welt. Vor jhm war Maria/ Koͤnigin in Engelland/ wie auch Polus der Car-
dinal/ vnd Johann Gropper/ zum groͤſſern Hauffen gangen: vnd hernach
Chriſtianus II. in ſeiner Verhafftung/ darin er ſieben vnd zwantzig Jahr zuge-
bracht. Auch ſtarb Henricus II. Koͤnig in Franckreich/ auff ſeinen Hochzeit-
Tag/ als der Graff Mongommeri ein Speer gegen jhm muͤſſen brechen/ vnd ein
Splitter in das Aug/ durch das Hirn dem Koͤnig in das Haupt gegangen/ deß-
gleichen auch der Venetianer Hertzog Priulius, der Kaͤyſer Carolus V. vnd der
Bapſt Paulus IV. vber deſſen Tod der Poͤbel die Inquiſitions-Gefaͤngnuß auff-
gebrochen/ deß Bapſts Marmelſteinen Bild drey Tag lang verhoͤhnt/ vnd der
Caraffen Wapen auß der Statt geſchafft. Auch ſtarb Otto Henrich/ Chur-
fuͤrſt vnd Pfaltzgraff am Rhein. Eleonora, Koͤnigs Franciſci in Franckreich
nachgelaſſene Wittib in Spanien/ Maria/ Caroli V. Schweſter/ Fuͤrſt Georg/
Graff zu Wuͤrtenberg/ Fuͤrſt Wilhelm/ Graff zu Henneberg/ muſten auch an
den Reyhen/ vnd andern Platz machen. Vnd hie wartete Jedermann auff ſon-
derliche groſſe Veraͤnderungen/ welche aber auſſerhalb deß
Kriegsweſen an den Graͤntzen ver-
blieben.



Der
[73]Ander Theil.

Der achte Diſcurß.


Was nach getroffenem Fried noch dahinden geblieben. Der Paſſa-
wiſche Vertrag/ auß H. Chriſtophori Lehenmans außgangenen actis
publicis de pace Religionis.


SO haben wir dann bißher vernommen/ wie das Fewer in Teutſch-
land auffgangen; vnd wie die Blaßbaͤlge der zaͤnckiſchen Gelaͤhrten es
auffgetrieben zu hoher Lohe/ daß ein/ ja zween vnd drey Kriege darauß
entſtanden: biß alles durch ein Reichs-Abſcheid vergliechen/ der Fried
wiederbracht/ vnd das Fewr gedempffet worden. Es iſt aber nicht gantz außge-
loͤſcht vergangen/ ſondern vnter der Aſchen verdeckt gelegen. Darumb iſt noch
uͤbrig/ daß wir auch erlernen/ auff welchem Fundament der Fried beſtehe/ wer
Mangel an demſelben gefunden/ vnnd das Fewr wieder vnter der Aſche herfür
gezogen/ vnd dieſen letzten Brand verurſacht habe; vnd dann fuͤrnemblich wer
dem Religions-Frieden den rechten Verſtand geben/ vnnd da die Partheyen
daruͤber ſtreiten/ Richter ſeyn ſolle. Es laut aber der Paſſawiſche Vertrag
alſo:


Wir Ferdinand bekennen/ als vns hievor zeitlich vnd in mehr Wege ange-
langt/ welcher maſſen ſich im H. Reich Teutſcher Nation, hin- vnd wieder aller-
hand Kriegsgewerb/ Ruͤſtung vnd Empoͤhrung erzeigen/ vnnd an deß Hochge-
bohrnen Philipſen/ Landgraffen zu Heſſen/ ꝛc. Cuſtodien vnd Verhafftung/
jhr fuͤrnehmbſte Vrſach ſchoͤpffen vnd nehmen ſollen/ haben wir auß angebohrner
Begierd/ Trew/ Lieb vnd Neygung/ ſo wir zum H. Reich/ auch allen vnd jeden deſ-
ſelben Staͤnden vnd Gliedern/ vnd ſonderlich zu Erhaltung vñ Befoͤrderung ge-
meiner Wolfahrt/ Ruhe/ Friedens vnd Eynigkeit/ auch zu Abſtattung vnd Ver-
huͤtung Chriſtliches Blutvergieſſens/ verderbung der vnſchuldigen/ vnd Verhee-
rung deß Vatterlands billig vnd willig tragen/ die Roͤm. Kaͤyſerl. Mayt. Vnſern
lieben Brudern vnd Herꝛn/ Bruͤderlich/ freundlich vnnd bittlich erſucht/ vns
bemelts Landgraffen Erledigung/ vnd anderer anhaͤngigen Sachen halben/ ſo zu
Krieg vnd Empoͤhrung Vrſach geben moͤchten/ guͤtlicher Handlung zu goͤnnen/
vnd zu geſtatten; ſolches auch von Jhrer L. vnd Kaͤyſerl. Mayſt. Bruͤderlich er-
langt. Darauff dann wir/ ſampt dem Durchleucht. Fuͤrſten/ Herꝛn Maximi-
lian,
Koͤnig in Boͤhmen/ etc. Vnſerm freundlichen lieben Sohne; vnd die
Hochgebohrnen/ Moritz Hertzog zu Sachſen/ etc. vnnd Albrecht Hertzog zu
Baͤyern/ etc. Vnſere liebe Oheim/ Chuͤrfuͤrſt vnd Soͤhne/ zu nechſt verſchienen
Oſter Feſt/ in vnſer Statt Lintz zuſammen kommen/ vns hieruͤber freundlich vnd
Ander Theil. Kvertrew-
[74]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vertraͤwlich vnterꝛedet/ vnd nach allerhand verloffener Rathſchlagung/ Vn der-
handlung/ auch fleiſſiger Bewegung dieſer hochwichtigen Sachen/ bey Vns vnd
Jhrer Liebden fuͤr nutz vnd nothwendig angeſehen vnd bedacht/ ein andere fuͤr-
derſame Zuſammenkunfft benantlich auff den 26. May nechſthin/ hieher gegen
Paſſaw fuͤrzunehmen/ vnd zu ſtellen/ deß gleichen hie nach beſtimpte Churfuͤrſten
vnd Fuͤrſten/ als Mit Vnderhaͤndler/ auch hiezu zu beſchreiben/ ſo mit vnd neben
vns/ ſich ferner guͤtlicher Handlung vnderfahen/ vnd vermittelſt Goͤttlicher Gna-
den/ den fuͤrgefallenen Beſchwerungen/ Jrꝛungen vnd Gebrechen/ gaͤntzlich vnnd
endlich abhelffen moͤchten.


Demnach haben Wir/ vnd gemeldter Churfuͤrſt zu Sachſen/ etc. Vns
auff obbeſtimpte Zeit allhero verfuͤgt/ vnd ſind der anderẽ 5. Churfuͤrſten/ hienach
bemelte Geſandten/ nemblich von deß Ertz-Biſchoffs zu Maͤyntz/ Daniel
Brendl von Homburg/ Thumbherꝛ daſelbſt/ Chriſtoff Matthias/ der Rechten
Licentiat, Cantzlar/ vnd Peter Echter. Vnd deß Ertz-Biſchoffs zu Coͤlln/
Henrich Saltzburtz/ vnd Frantz Burckhard/ beyde Doctoren. Von deß Ertz-
biſchoffs zu Trier/ Johann von der Leyen/ Oberſter Archidiacon daſelbſt/ Philips
Freyherꝛ zu Weinnenberg vnd Beyelſtein/ Landhoffmeiſter/ vnd Felix Hornung/
Doctor, Cantzlar. Von Pfaltzgraff Friederichs/ Ludwig Graff zu Stollberg/
Koͤnigſtein vnd Rutſchefort/ Johann von Dienheim Amptmann zu Creutze-
nach/ Melchior Drechſel Doctor, vnd Johann Koͤmit. Von Marggraff Jo-
achims wegen/ Adam Trotte/ Marſchalck/ Chriſtoff von der Straſſe/ Timotheus
Jung/ vnd Lambert Diſtelmeyer/ alle drey Doctorn. Auch die Ehrwuͤrdigen/
Hochgebohrnen/ Ernſt/ Ertzbiſchoff zu Saltzburg/ ꝛc. Moritz zu Eychſtatt/ vnd
Wolffgang zu Paſſaw Biſchoffen/ vnd Albert Pfaltzgraff bey Rhein/ Hertzog in
ober vnd nieder Baͤyern/ perſoͤnlich. Vnd dann von deß Biſchoffs zu Wuͤrtz-
burg/ Henrich Graff zu Caſtel/ Thumbherꝛ daſelbſt/ vnd Hanß Zobel. Von Jo-
hanſen/ Marggraffen zu Brandenburg/ ꝛc. Adrian Albin Doctor, Cantzlar/
Andreas Zech Doctor, vnd Barthel von Mandelßloe. Von Henrichs deß
Juͤngern/ Hertzogs zu Braunſchweig/ Veit Grunner. Von Wilhelmen
Hertzogs zu Guͤlich/ Willhelm Kettler/ Willhelm von Newenhoff/ genant
Ley/ Hoffmeiſter/ Dieterich von Scheppſtatt/ vnd Carle Horß/ Doctor. Von
Philipſen zu Pommern/ Jacob Zitzewitz/ Doctor vnd Cantzlar. Vnd von Chri-
ſtophen/ Hertzogen zu Wittenberg wegen/ Hanß Dieterich von Pleinningen/
Ober Vogt zu Stuttgarten/ Ludwig von Frawenburg/ Ober Vogt zu Lauffen/
Hanß Henrich Heklin/ vnd Caſpar Beer/ beyde Doctorn, auch bey Vns allhie
erſchienen/ mit welchen/ als neben Vns fuͤrgenommen vnd beſchriebenen Vn-
terhaͤndlern/ Wir die Sachen fuͤr die Hand genommen/ auch anfangs von be-
meldtem Churfuͤrſten zu Sachſen/ ſeiner Liebden vnd derſelben Miteinigungs-
Verwandten/ Begehren vnd Beſchwerungen/ in zweyen vnderſchiedlichen
Schrifften empfangen/ vnd folgends mit hohem Fleiß erwogen/ vnd den Sachen
zum getrewlichſten nachgedacht/ wie die zu guͤtlicher Vergleichung gebracht/ vnd
die
[75]Ander Theil.
die vorſtehend hochſchaͤdlich Kriegsempoͤhrung abgeſtellt/ ſondern beſtaͤndiger
Fried/ Ruhe vnd Einigkeit/ im Heil. Reich Teutſcher Nation, wieder auffgericht/
vnd erhalten werden moͤchte; Vnd alſo letztlich/ nach viel vnd lang gepfl[o]gener
ſchrifftlichen vnd muͤndlichen Vnterhandlung/ hiernach folgende Mittel/ Pun-
cten vnd Artickel/ auff der Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. Wohlgefallen/ auch deß Chur-
fuͤrſten zu Sachſen halben/ auff ſeiner Liebden/ Miteynigungs Verwandten Be-
willigung vnd Ratification endlich abgeredt/ bethaydigt vnd vergleicht.


Erſtlich ſoll der Churfuͤrſt zu Sachſen/ vnd S. L. Mit-Verwandte/ Kriegs-
Fuͤrſten vnd Staͤnde/ ſo dieſen Vertrag annehmen/ von allem jhrem thaͤtlichen
Fuͤrnehmen/ vnd gegenwaͤrtiger Kriegs Vbung gaͤntzlich abſtehen/ vnd jhr ge-
ſamblet Kriegsvolck auff den 11. oder 12. Auguſt. ſchierſt allenthalben vrlauben/ zer-
trennen vnd verlauffen/ oder Vns Koͤnig Ferdinanden/ auff vnſer Begehren
vnd Beſoldung/ erfolgen laſſen/ auch nach aller Mügligkeit/ vnd daß darin kein
Gefaͤhrligkeit geſpuͤhrt werde/ darob ſeyn/ vnd verfuͤgen/ daß Jhr Kriegsvolck ohne
ferner Beſchaͤdigung der Kaͤyſerl. Mayſt. vnd Vnſerer/ auch Churfürſten/ Fuͤr-
ſten/ Staͤnde vnd Staͤtte deß Heil. Reichs/ jhren Abzug nehmen/ vnd getrennt
werden/ vnd alſo ſich der Roͤm. Kaͤyſ. Mayſt. vnd deß H. Reichs Gehorſame ver-
halten/ vnd darin bleiben; auch die Staͤnde/ Staͤtte vnd andere/ die ſie biß
anhero uͤberzogen vnd belaͤgert/ oder ſonſt jhnen beypflichtig gemacht/ derſelben
jhrer Pflicht/ Anhang vnd Buͤndnuß durch ein offen Patent/ allhie begriffener
Copey gleichlautend/ ledig zehlen/ wie ſie dann auch auff ſolche Patent/ vnd in
krafft diß Vertrags derſelben ledig ſeyn ſollen. Es ſoll auch Landgraff Philips zu
Heſſen/ mitlerweile die zu Hall in Sachſen auffgerichte Capitulation, auſſerhalb
der jenigen Artickel/ ſo hievor ſchon verꝛicht vnd vollzogen/ auch auſſerhalb deß
Puncten/ Caſſel belangende/ von newem ratificieren vnd vnverbruͤchlich halten/
auch ſein erfolgte Verhafftung vnd Auffhaltung nicht anden/ aͤffern oder rechen/
ſondern gegen der Kaͤyſ. M. Vns/ vnd dem H. Reich/ als ein gehorſamer Fuͤrſt/
ſich die Tag ſeines Lebens erzeigen/ vnd ſich deß alles gegen der K. M. in gebuͤhren-
der/ vnd allhie begriffener Form/ genugſamb obligieren vnd verſchreiben; ſolches
auch bey ſeinen Soͤhnen vnd Landſchafft gleichfalls zu halten/ vnd ſich von newem
zu verſchreiben/ endlich verfuͤgen vnd verſchaffen. Deßgleichen beyde Churfuͤrſtẽ/
Sachſen vnd Brandenburg/ auch Hertzog Wolffgang Pfaltzgraff/ etc. Jhr vor-
gegebene obligationes gleicher Weiß auch wieder ernewern/ vnnd obbeſtimbte
Verſchreibungen auff den 6. Auguſt. ſchierſt/ der Durchleuchtigen Fuͤrſtin/ Fraw
Maria zu Hungarn vnd Bohem/ Koͤnigin Wittib/ Vnſerer freundlichen lieben
Schweſter/ oder derſelben Præſidenten zu Mecheln uͤberantworten.


Dargegen ſoll gedachter Landgraff ſeiner Cuſtodien gaͤntzlich entledigt/ vnd
auff obangeſetzten 11. oder 12. Auguſti gegen Rheinfelß/ ohne Entgelt/ auff freyen
Fuß/ in ſein ſichere Gewarſam geſtellt werdẽ. Darnebẽ ſoll auch K. M. jhr Kriegs-
volck/ was deſſen wieder dieſe Staͤnde an mancherley Ortẽ verſamblet/ wieder jetzt-
ermelte Staͤnde/ ſo dieſen Vertrag annehmẽ/ in keinen Weg gebrauchẽ/ noch auff
K ijdenſel-
[76]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
denſelbigen liegen laſſen. Es ſoll auch die Kaͤyſerl. Mayſt. den Landgraffen bey
fuͤrgenommener Befeſtigung zu Caſſel gnaͤdiglichen bleiben laſſen/ deß gleichen
mit der Execution, der in wehrender Cuſtodien geſprochenen Naſſawiſchen Vr-
theilen/ allenthalben ſtill geſtanden werden/ biß nach Erledigung deß Landgraffen
guͤtliche Handlung zwiſchen den Partheyen fuͤrgenommen vnnd gepflogen wer-
den moͤge; Vnd im Fall da die Guͤtligkeit entſtünde/ daß dem Landgraffen ſo
viel ſichs gebührt/ zugelaſſen werde/ was von Zeugen/ briefflichen Vrkunden/ vnd
anderer Notturfft/ bißhero auß Mangel der Advocaten oder in waͤrender Cuſto-
dien nicht eingebracht/ nachmahls einzubringen/ vnd alßdann durch die Churfuͤr-
ſten/ ſo viel dieſen Sachen anverwanth/ ſelbſt oder jhre Raͤthe/ vnd dann durch
noch ſechs vnpartheyiſche Fuͤrſten deß Reichs/ (deren jede Parthey fuͤnffe der
Kaͤyſerlichen Mayſt. jnnerhalb eines Monats/ nach deß Landgraffen Erledigung)
benennen vnd fuͤrſchlagen/ vnd Jhre Kaͤyſerl. Mayſt. auß jedes theils benandten/
drey Fuͤrſten erwehlen/ vnd vnder den ſechſen/ zum wenigſten drey Weltliche
ſeyn/ die in eygenen Perſonen/ oder auch Jhre darzu verordnete Raͤthe/ als Kaͤy-
ſerliche Commiſſarien, die wiederobberuͤhrte geſprochene Vrtheil vnd Execution,
angezogene gravamina vnd exceptionen, gebuͤhrlich erſehen. Vnd ob die Hand-
lungen/ welche die Zeit der Land graff in der Cuſtodia geweſen/ fuͤr vnd einge-
bracht/ reaſſumiert, die ergangene Vrtheil vnd Proceſß, auch dieſelben einge-
brachte gravamina vnd exceptionen, vnd die noch fuͤrzuwenden/ ſuſpendirt wer-
den ſolten/ erkennen werde/ was recht ſey/ daß auch ſolche guͤtliche Handlung vnd
Erkaͤntnuß/ jnnerhalb zweyen Jahren/ auffs laͤngſt nach Beſchluß vnd dato die-
ſes Vertrags/ gewißlich verꝛicht vnd vollzogen. Aber alle andere Puncten vnd
Artickeln von gemeldtem Churfuͤrſten zu Sachſen/ vnd Wilhellnen Landgraffen
zu Heſſen wegenangezogen vnd fuͤrkommen/ biß zu Erledigung der andern uͤber-
gebenen gemeinen Beſchwerungen eingeſtellt vnd verſchoben werden. Deß-
gleichen der Adminiſtrator teutſches Ordens/ auch Hertzog Henrich zu Braun-
ſchweig vnd andere/ ſo den Landgraffen deß vergaͤngenen Schmalkaldiſchen
Kriegs halben in Anſpruch genommen/ oder noch zu haben vermeynen/ darmit
auch biß zur Erledigung der obvermeldten Beſchwerungen ſtill ſtehen. Auch
die angezogene newe gravamina, ſo in deß Landgraffen waͤrender Cuſtodia, am
Kaͤyſerl. Cammergerichte/ oder ſonſt wieder jhn fuͤrgenommen ſeyn moͤchten/
ſampt derſelben exceptionen, durch die Chur- vnd Fuͤrſten/ ſo dieſer Sachen Vn-
derhaͤndler geweſen/ auff nechſten Reichs Tag gebuͤhrlich erſehen/ vnd gedachter
Landgraff darin nothurfftiglich gehoͤrt/ auch daruͤber was billich vnd recht erkent/
vnd mitlerzeit am Kaͤyſ. Cammergericht ſtill geſtanden werden ſolte.


Was denn folgends die andere Artickel/ ſo bey dieſer Friedenshandlung
vom Churfuͤrſten zu Sachſen vnd ſeinen Mitverwandten angeregt/ als erſtlich
Religion, Fried vnd Recht betrifft/ ſoll die Kaͤyſerl. Mayſt. dem gnaͤdigen Erbie-
chen/ ſo juͤngſt zu Lintz von Jhr: Mayſt. wegen/ nach Jnhalt der dazumahl gege-
benen
[77]Ander Theil.
benen Antwort geſchehen/ getrewlich nachſetzen/ auch jnnerhalb eines halben
Jahrs einen gemeinen Reichs Tag halten/ darauff nochmahls auff was Wege/
als nemblich eines General oder National Concilij, oder Colloquij, oder gemeiner
Reichs Verſamblung/ dem Zwieſpalt der Religion abzuhelffen/ vnd dieſelb zu
Chriſtlicher Vergleichung zu bringen/ gehandelt/ vnnd alſo ſolche Einigkeit der
Religion/ durch alle Staͤnde deß Heil. Roͤm. Reichs ſampt Jhr. Maͤyſt. ordent-
lichem Zuthun/ ſoll befoͤrdert werden.


Es ſoll auch Zuvorbereitung ſolcher Vergleichung bald anfangs ſolches
Reichs Tags ein Außſchuß/ von etlichen ſchiedlichen verſtaͤndigen Leuthen/ bey-
derſeits vnd Religionen, in gleicher Anzahl geordnet werden/ mit befehl zu berath-
ſchlagen/ welcher maſſen ſolche Vergleichung am fuͤglichſten moͤchte fuͤrgenom-
men werden; doch den Churfuͤrſten ſonſt deß Außſchuß halben/ an Jhrer
Hoheit vn vorgreifflich. Vnd mitlerzeit weder die Kaͤyſerl. Mayſt. Wir/ noch
Churfürſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnde deß Heil. Reichs/ keinen Stand der Augſpur-
giſchen Confeſſion verwand/ der Religion halben mit der That/ gewaltiger
Weiß/ oder in andere Wege/ wieder ſein Conſcientz vnd Willendringen/ oder
derhalben uͤberziehen/ beſchaͤdigen/ durch Mandar oder einiger anderer geſtalt be-
ſchweren oder verachten/ ſondern bey ſolcher ſeiner Religion vnd Glauben/ ruhig-
lich vnd friedlich bleiben laſſen. Es ſollen auch die jetzigen Kriegsuͤbung/ auch
alle andere Staͤnde der Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandten/ die andern deß
Heil. Reichs Staͤnde/ ſo deralten Religion anhaͤngig/ Geiſtlich oder Weltlich/
gleicher geſtalt jhrer Religion, Kirchen Gebraͤuche Ordnung vnd Ceremonien,
auch jhrer Haab/ Güter/ liegend vnd fahrend/ Landen/ Leuten/ Renthen/ Zinſen/
ober vnnd meder Gerechtigkeiten halben/ vnbeſchwert/ vnd ſie derſelben friedlich
vnd ruhiglich genieſſen laſſen; auch mit der That oder ſonſt/ in vngutem/ gegen
denſelbigen nichts fuͤrnehmen/ ſondern in alle Weg/ nach laut vnd Außweiſung
vnſerer vnd deß Reichs Rechten/ Ordnungen/ Abſchied/ vnd auffgerichten Land-
Frieden/ jeder ſich gegen dem andern an gebuͤhrenden ordentlichen Rechten; alles
bey Vermeydung der Pœn/ in juͤngſt ernewertem Landfriedẽ begriffen/ begnuͤgen
laſſen.


Was dann auff ſolchem Reichs Tag durch gemeine Staͤnde/ ſampt Jhr.
Mayſt. ordentlichem Zuthun/ beſchloſſen vnd verabſchiedet/ das ſoll hernach alſo
ſtracks vnd feſtiglich gehalten/ auch darwieder mit nichte gehandelt werden. Vnd
ſoll auch alles das/ ſo mehrgemeldtem Friedenſtand zu wieder ſeyn/ oder verſtan-
den werden moͤchte/ demſelbigen nicht benehmen/ derogiren noch abbrechen/ vnd
ſolches alſo von der Kaͤyſ. Mayt. Vns/ auch Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnden
reſpectivè, genugſamb vnnd nothuͤrfftiglich/ in krafft dieſes Vertrags verſichere
ſeyn/ auch dem Kaͤyſerl. Cammergericht vnd Beyſitzern/ obgemeldter Frieden-
ſtand zu erkennen gegeben/ vnd bey jhren Pflichten befohlen werden/ ſich demſel-
bigen Friedenſtand gemaͤß zu halten vnd zu erzeigen/ auch den anruffenden Par-
K iijtheyen/
[78]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
theyen/ darauff/ vngeachtet welcher Religion die ſeyn/ gebuͤhrliche notthurfftige
Huͤlffe deß Rechten mit zutheilen; auch ſonderlich die Form der Beyſitzer/ vnd
anderer Perſonen vnd Partheyen Eyds/ zu GOTT vnd den Heyligen/ oder zu
GOTT vnd auff das H. Evangelion zu ſchweren/ denen ſo ſchweren ſollen/ hin-
fortan frey gelaſſen werde.


So viel aber die Vergleichung der Stimmen/ auch Reichs-vnpartheyiſch
Recht zu erhalten/ deß gleichen præſentation der Beyſitzer/ vnd andere Artickel/
Friedens vnd Rechtens betrifft/ iſt in dieſer Handlung bedacht worden/ da etwas
beſchwerlichs oder bedencklichs ſich in der Cammergerichts-Ordnung wolte erꝛe-
gen/ die weil ſolche Ordnung mit gemeiner Staͤnde Bewilligung/ in gemeiner
Reichs Verſamblung auffgericht vnd beſchloſſen/ daß/ die beſtaͤndiglich nicht/
dann wiederumb durch die Kaͤyſ. Mayſt. vnd gemeine Staͤnde/ in gemein/ oder
aber ſo viel es die Gelegenheit erleyden mag/ den ordentlichen Weg der Viſitation
gemeldtes Cammergerichts/ oder ſonſt moͤge geaͤndert vnd erledigt werden. Da
dann Wir/ ſampt der Churfuͤrſten Geſandten/ erſcheinenden Fuͤrſten/ vnd der
Aabweſendẽ Bottſchafften/ vrbietig vnd willig ſeynd/ alle vermuͤgliche Foͤrderung
zu erzeigen/ damit in Religions-Sachen kein Theil ſich deß Vberſtimmens für
dem andern zu befahren/ auch Partheyligkeit verhuͤtet/ vnd die Verwandten der
Augſpurgiſchen Confeſſion am Kaͤyſerlichen Cammergericht nicht außgeſchloſ-
ſen/ deßgleichen auch andere Beſchwerungen/ wo einige befundenwuͤrden/ der
Billigkeit nach abgewendet/ vnd diß alles auff nechſtem Reichs Tag abgehandelt
werde. Haben auch Wir/ ſampt den Churfuͤrſtlichen Geſandten/ erſcheinenden
Fuͤrſten/ vnd der Abweſenden Bottſchafften/ bey der Kaͤyſerl. Mayſt. freundlich
vnd vnderthaͤniglich angeſucht vnd geberen/ daß Jhr. Kaͤyſ. Mayſt. die nothwen-
digſte Puncten/ vnd darunter den Artickel die præſentation belangend/ vnd daß
die Verwandten der Augſpurgiſchen Confeſſion, am Kaͤyſerlichen Cammer-
gericht/ wie oblaut/ nicht außgeſchloſſen werden/ auß Vollkommenheit Jh. K. M.
Gewalts/ zu Befoͤrderung vnd Erhaltung Friedens vnd Eynigkeit im Reich/ alß-
bald jmmer muͤglich/ erledigen wolten.


Die angezogene Beſchwerden/ ſo der Teutſchen Nation Freyheiten zu
wieder/ eingeriſſen ſeyn ſollẽ/ in deß Churfuͤrſten zu Sachſen uͤbergebenẽ Artickeln
vnd neben Schrifft begriffen/ betreffend/ weren Wir/ ſampt der Churfuͤrſten/ Ge-
ſandten/ vnd der Abweſende Bottſchafften/ gantz wohl geneigt vnd vnbeſchwere
geweſen/ darinnen/ vnd was ferner denſelben anhaͤngig ſeyn moͤchte/ alßbald
durch vnderſchiedlich/ guͤtliche Handlung fuͤrzunehmen. Nachdem Wir aber
auff der Kaͤyſ. Mayt. zu dieſer Handlung abgefertigte Raͤthen Bericht ſo viel ver-
mercket/ daß Jhr. Kaͤyſerl. Mayſt. ſolcher Beſchwerden bıß anher zu gutem Theil
gar kein wiſſen empfangen/ vnd alſo ſie die Raͤthe darauff nicht abfertigen moͤgen;
zu deme/ daß auch dieſe Beſchwerden/ ſo weitlaͤufftig/ groß vnd hochwichtig/ aber
die Zeit zu gegenwertigem Tage angeſetzet/ gantz kurtz; vnnd dann auch dem
Chur-
[79]Ander Theil.
Churfuͤrſten zu Sachſen vnd ſeinen Mit Verwandten/ darzwiſchen vnd biß den
Sachen nach Notthurfft abgeholffen/ jhr Kriegsvolck zu erhalten/ nicht allein
uͤbermaͤſſigen Koſten gebehren/ ſondern den Oberkeiten hin vnd wieder/ auch den
armen Vnderthanen zu mercklichem Nachtheil vnd Schaden gelangen wuͤrde.
Demnach ſoll die Erledigung angeregter Beſchwerungen auff den Reichs Tag
ſchierſt zu halten/ oder auff ein andere Verſamblung deß Reichs dißmal verlegt/
vnd eingeſtellt/ vnd die Lintziſche Bewilligung/ auch der Kaͤyſ. Mayſt. Raͤthe allhie
vertroͤſten/ nemblich daß der Kaͤyſ. Mayſt. Hoff Rath/ ſo deß Heil. Reichs vnd der
Staͤnde gemeine oder ſonderbahre Sachen berathſchlagen vnnd erledigen/ alſo
ſtattlich mit Teutſchen Raͤthen beſetzet/ auch die teutſche Sachen durch Teutſche
gehandelt werden/ daß darob maͤnniglichen ein billiges Genuͤgen tragen vnd
haben/ daß auch Kaͤyſ. Mayſt. der Teutſchen Nation, vnd jhres geliebten Vatter-
landes/ wohlhergebrachte Libertet vnnd Freyheit/ nicht allein nicht zu ſchmaͤh-
lern oder zu ſchwaͤchen/ ſondern auch nach Jhrem Vermoͤgen zu erhal-
ten/ zum hoͤchſten geneigt ſeyn/ dieſer Zeit allenthalben zu danck ange-
nommen worden. Vnd damit der Churfuͤrſt zu Sachſen vnnd ſeine Mit-
verwandten ſich nicht zu beſorgen/ daß dieſe Handlung erſitzen/ vnd nicht zu ge-
buͤhrlichem fuͤrderlichen Ende gelangen moͤchte/ ſo ſollen Wir/ auch obgedachter
Vnſer geliebter Sohn/ Koͤnig Maximilian, Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnde
deß H. Reichs die angebrachte Beſchwerungen für handen nehmen/ Jhrer Kaͤyſ-
Mayſt. fuͤr tragen/ vnd darauff befoͤrdern/ dieſelbigen/ ſo viel der Billigkeit nach-
gegruͤndet gefunden/ auch angeſehen/ wie ſich gebuͤhret/ die Guͤlden Bulla/ vnd
andere deß Reichs-Ordnungen/ vnd alle loͤbliche Herkommen/ der Teutſchen
Nation, zu guter Erledigung zu bringen/ vnd dann auch die übrige Beſchwerun-
gen/ ſo die Kaͤyſerl Mayſt. nicht betreffen/ ſondern durch ſonderbare Staͤnde vnd
Glieder deß Heil. Reichs/ andern zugefuͤgt werden/ oder was auch die Staͤnde
ſelbſt vntereinander/ es belange denn die Form vnnd Maaß gemeiner Berath-
ſchlagungen vnd Handlungen oder anders/ halten moͤchten/ gleicher Geſtalt/ doch
mit Jhr. Kayſerl Mayſt. als deß Oberhaupts/ Rath vnd Zuthun/ auch alſo wie
oblaut/ zu anfang deß nechſtkuͤnfftigen Reichs-Tags fuͤrnehmen vnd erledigen.
Vnd iſt die Kaͤyſ. Mayſt. deß gnaͤdigen vnd mildten erbietens/ was Jhr. Mayſt.
ſelbſt inſonderheit betreffen mag/ ſich in demſelben/ auß gnaͤdigem guten
Willen/ dermaſſen zu erzeigen vnnd zu halten/ daß gemeine Staͤnde augen-
ſcheinlich ſpuͤhren ſollen/ daß Jhr. Majeſt. zum hoͤchſten begehrt/ alle Sachen
nach der Gebuͤhr zu richten/ auch den gemeinen Nutz jhrem eygenen bey wei-
tem vorzuſetzen/ vnd alle Sachen dergeſtalt fuͤrzunehmen/ daß alle Staͤnde ſich
deſſelben/ der Billigkeit nach/ gantz wohl ſollen haben zu erſaͤttigen.


Ferner als auff den Artickel/ den Koͤnig von Franckreich beruͤhrend/ auß
ſeiner Oratorn gethanen Werbung vermerckt/ daß darin etliche Mittel vnd Pun-
cten deß gemeinen Friedens/ vnd dann andere ſeine Privat-Sachen angezogen
werden;
[80]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
werden; vnd aber die Puncten vnd Sachen deß gemeinen Friedens Teutſcher
Nation, allein die Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. Vns/ auch Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd
Staͤnde deß Reichs/ vnd ſonſt niemands belangende/ auch dieſe gegenwaͤrtige
Verſamblung/ gleich eben von wegen befoͤrderung vnd erhaltung gemeines Frie-
dens/ auch Erledigung der fuͤrſtehendẽ angezogenen Beſchwerdẽ/ fuͤrgenommen;
ſo wird derhalben einiger andern Handlung von vnnoͤthen ſeyn. Was aber deß
Koͤnigs in Franckreich Privat-Sachen betrifft/ mag der Churfuͤrſt zu Sachſen/
vermoͤg deß Lintziſchen Abſchieds/ von gedachtem Koͤnig/ oder ſeinem Oratore,
wo das hievor nicht geſchehen/ noch mahlen vernehmen/ was beruͤhrter Koͤnig von
wegen ſeiner Privat-Sachen an die Kaͤyſerl. Mayſt. zuſprechen/ zu begehren/ oder
zu fordern/ vnd dieſelbige Begehr vnd Forderungen alßdann vns zuſtellen/ damit
die fuͤrter durch Vns/ an die Kaͤyſ. Mayſt. gelangen/ vnd Sie ſich ferner darauff
jhres Gemuͤths vnd Willens erklaͤren moͤchte.


Belangend die jenige/ ſo verſchienenes Kriegs halben in der Kaͤyſerl. Mayt.
Acht vnd Vngnad kommen/ vnnd dieſer jetzige Kriegsruͤſtung verwandt vnd
zugethan ſeyn/ haben Wir/ ſampt der Churfuͤrſten Geſandten/ erſcheinenden
Fuͤrſten/ vnd der abweſenden Bottſchafften/ bey der Roͤm. Kaͤyſ. Mayſt. an aller
getrewen/ freundlichen vnd vnderthaͤnigen Befoͤrderung nichts abgehen laſſen/
auch letztlich erhalten/ daß Graff Albrecht von Manßfeld ſampt ſeinen Soͤhnen/
der Rheingraff/ Graff Chriſtoff von Altenburg/ Hanß Henrich von Heydeck/
Friederich von Reiffenberg/ Georg von Reckenroth/ Sebaſtian Schertle/ deßglei-
chen andere/ ſo deſſelben Kriegshalben in Vngnade/ vnnd von jhren Landen/
Leuten vnd Guͤtern kommen/ als Hertzog Ott Henrich Pfaltz graff/ Fuͤrſt Wolff
von Anhalt/ deß gleichen die Braunſchweigiſche Herꝛn vnd Junckern/ vnd ge-
meiniglich alle vnd jede andere/ hohes vnd niedrigen Standes/ bekant vnd vnbe-
kant/ ſo deß vergangenen Kriegs in Vngnad kommen/ vnd noch ſeyn/ vnd jetzigem
Krieg ſich anhaͤngig gemacht/ von der Kaͤyſerl. Mayſt. außgeſoͤhnt/ auß Sorgen
gelaſſen/ auch wieder zu Gnaden vnd Hulden auffgenommen werden/ auch in
krafft dieſes Vertrags außgeſoͤhnet ſeyn ſollen; doch daß ſie ſich hinfuͤran gegen
der Kaͤyſ. Mayſt. vnd dem Heil. Reich gebuͤhrliches ſchuldigen. Gehorſambs er-
zeigen vnd halten/ auch wieder Jhr. Kaͤyſerl Mayſt. Vns/ vnd das Reich nicht
dienen ſollen/ biß zu Erledigũg deß Artickels/ ſo derhalben den gemeinẽ Beſchwe-
rungen eingeleibt/ bey welcher Erledigung es auch folgends bleiben/ vnd darnach
gehalten werden ſoll. Daß auch die jenige/ ſo/ wie oblaut/ außgeſoͤhnt/ vnd be-
gnadet worden/ vnd dieſer Zeit auſſerhalb deß Reichs Teutſcher Nation, in
Franckreich/ oder andern Orthen ſeyn/ vnd wieder Kaͤyſerl. Mayſt. dienen/ ſich
jnnerhalb ſechs Wochen/ den nechſten noch dato deß Vertrags zu erklaͤren/ vnd
gleich von derſelben Zeit an wieder die Kaͤyſerl. Mayſt. vnnd die Staͤnde deß
Reichs ferner nicht zu dienen/ nach ſich gebrauchen zu laſſen/ auch folgends auffs
laͤngſte in zweyen Monaten/ den nechſten darnach/ ſich wieder herauß in
Teutſch-
[81]Ander Theil.
Teutſchland zu verfügen/ ſchuldig; oder dieſer Außſoͤhnung vnd Begnadigung/
nicht faͤhig ſeyn ſollen.


Vnd nachdem in ſchwebender Kriegs Vbung allerley thaͤtliche Newerun-
gen vnd Sachenfuͤrgangen/ auch etliche Churfuͤrſten/ Fuͤrſten/ Staͤnde vnd
Staͤtte/ jhrer Guͤter entwerdet vnd beſchaͤdigt worden; ſo ſollen dieſe Kriegs-
verwandte Fuͤrſten/ alle in dieſem Krieg eingezogene vnd eroberte Herꝛſchafften/
Staͤtte/ Flecken/ Land/ Leut vnd Guͤter/ denen Staͤnden/ ſo ſie zuvor zugeſtanden/
wiederumb folgen laſſen/ vnd/ wie obgemeldt/ jhrer Pflicht vnd Anhangs/ damit
ſie dieſelben jhnen beypflichtig gemacht/ ledig zehlen. Doch daß die Reichs-
Staͤtte bey jhren alten Privilegien vnd Freyheiten gelaſſen werden. Dargegen
haben die Kaͤyſerl. Mayſt. vmb gemeines Friedens/ vnd Verhuͤtung weiteres
Schadens willen/ alle vnd jede Zuſpruͤch vnd Forderungen/ ſo die beſchaͤdigte
Staͤnd vnd Staͤtte/ oder auch ſonderbare Perſonẽ/ wieder die Kriegsverwandten
Fuͤrſten/ vnd die jhren; vnd hinwieder derſelben Verwandten/ gegen andern
Staͤnden der erlittenen vnd zugefuͤgten Schaden halben/ zu haben vermeynen/
auß Jhr. Kaͤyſerl. Mayſt. Macht Vollkommenheit/ gaͤntzlich auffgehebt: vnd
woͤllen aber Jhr. Kaͤyſerl. Mayſt. neben Vns vnnd andern Staͤnden deß Reichs/
auff ſolche billige Mittel vnd Wege bedacht ſeyn/ damit die beſchaͤdigten Staͤnde
vnd Staͤtte der beſchwerlichen Schaͤden vnd Verheerung/ ſo ſie vnd jhre Vu-
derthanen erlitten/ ohn dieſer Kriegsverwandten Staͤnde Zuthun/ Beſchwerung
vnnd Schaden ergetzt/ vnnd mit allen Gnaden bedacht; auch alſo alle Vr-
ſachen zu kuͤnfftiger Weiterung abgeſchnitten/ vnd beſtaͤndiger Fried erhalten
werde.


Als auch Hertzog Ott Henrichen/ Pfaltzgraffen/ ꝛc. halben fuͤrkommen/
vnd durch ſeinen Geſandten ſuppliciert vnd gebetten worden/ Jhne bey der Roͤ-
miſchen Kaͤyſerl. Mayſt. zu befoͤrdern/ haben Wir/ ſampt der Churfuͤrſten Ge-
ſandten/ erſcheinenden Fuͤrſten/ vnd der Abweſenden Bottſchafften/ bey hochge-
dachter Kaͤyſerl. Mayſt. alle getrewe Fuͤrwendung gethan/ vnd erhalten/ daß Er/
vnd ſeine Landſchafft/ bey dem Fuͤrſtenthumb Newburg/ vnd ſeiner Zugehoͤrung
gelaſſen werde/ vnd bleiben moͤge. Daß auch die Churfuͤrſten/ Fuͤrſten/
Staͤnde vnd Staͤtte/ ſo dieſer jetzigen Kriegs Vbung verwandt/ die ſeyen Feld-
marſchalck/ Rittmeiſter/ Oberſte/ Befehlchsleut/ oder ſonſt in gemein alle
Kriegsleut/ wie die Nahmen haben moͤchten/ ſampt allen denen/ ſo jhnen darin
oder darunder anhaͤngig/ oder beypflichtig worden/ hohes vnd niedern Stands/
benant vnd vnbenaͤnt/ auß Sorgen gelaſſen/ vnd wieder zu Gnaden an- vnd
auffgenommen/ vnd dieſe vorgenommene Kriegs Vbung/ vnd alles was ſich
darin einiger Geſtalt verlauffen/ gegen jhnen; deßgleichen auch ſie gegen andern/
weder ſaͤmptlich noch ſonderlich/ in- oder auſſerhalb Rechtens/ heimblich oder
offenbar/ in Vngnaden oder Argen gedacht/ geandet/ oder geaͤffert werden ſol-
len; doch daß ſie ſich hinwieder gegen der Kaͤyſerl. Mayſt. vnd das Heil. Reich
Ander Theil. Lgebuͤhr-
[82]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
gebührlichen ſchuldigen Gehorſambs erzeigen vnd halten. Es ſoll auch Graff
Rheinhard von Solms auff gebuͤhrliche Verſicherung; deßgleichen auch alle
andere/ ſo von allen Theilen gefangen/ oder verſtrickt/ jhrer Gefaͤngnuß/ Verſtri-
ckung oder Verhafftung/ auff obbeſtimbten 11. oder 12. Auguſt. ohne Entgeltnuß/
auch erledigt vnd bemüſſigt worden.


Da auch Marggraff Albrecht zu Brandenburg/ gleicher geſtalt/ von ſeiner
Kriegs Vbung abzuſtehen/ vnd in der obbenanten Zeit ſein Kriegsvolck vrlau-
ben vnd dieſen Vertrag ſeines theils annehmen vnd bewilligen/ auch mitlerweil
den friedlichen Anſtandt halten/ vnd durch ſich vnd ſein Kriegsvolck niemand wei-
ter beſchaͤdigen vnd beſchweren wuͤrde/ ſo ſoll er darin auch begriffen ſeyn. So
viel dann obbemeldter Braunſchweigiſcher Junckern begehrte Reſtitution jhrer
Haͤuſer vnd Güter/ deren ſie durch Henrichen den Juͤngern Hertzogen zu Braun-
ſchweig/ ꝛc. entſetzt; auch Schuldforderungen belangend/ ſoll die Kaͤyſ. Mayſt.
gedachten Hertzogen/ zu Verhuͤtung allerhand mehrer Weiterung vñ Beſchwe-
rung/ ſo hierauß folgen moͤchte; auch ſonderlich zu Befoͤrderung/ Ruhe vnd
Eynigkeit im H. Reiche/ vnd vmb gemeines Friedens vnd Nutzens willen/ bey-
de Chuͤrfuͤrſten zu Sachſen vnnd zu Brandenburg/ auch Marggraff Hanß zu
Brandenburg/ vnd Hertzog Philipſen zu Pommern/ zu Jhr. Kaͤyſerl. Mayſt.
Commiſſarien verordnen/ vnd jhnen auß Jhr. Kaͤyſerl. Mayſt. Macht/ Vollkom-
menheit/ alle Vollmacht/ Befehl vnd Gewalt geben vnd aufflegen/ die Partheyen
auffs allerfoͤrderlichſt/ ſo es geſeyn mag/ an gelegene Mahlſtatt zu erfordern/ ſie in
allen jhren Gebrechen/ obbeſtimpte Reſtitution, auch Schuldſachen vnd Forde-
rungen betreffende/ nachmahls ſummarien, notthuͤrfftiglich zu verhoͤren/ vnd fol-
gends allen muͤglichen vnd euſſerſten Fleiß fuͤrwenden/ ſie in der Guͤte zu vertra-
gen; wo ſie auch befinden/ daß Hertzog Henrich den Junckern/ Vermoͤg ſeiner
vnwiederleglichen Brieff vnd Siegel/ etwas zu thun ſchuldig/ alßdann Jhn
hierin zur Billigkeit zu verweiſen. Jm Fall aber/ da je die guͤtliche Verglei-
chung/ bey einem oder beyden Theilen entſtuͤnde/ alßdann im Nahmen Jhr.
Kaͤyſerl. Mayſt die Braunſchweigiſche Junckern/ jhrer entwehnten Haͤuſer vnd
Guͤter alßbald wuͤrcklich zu reſtituiren, einſetzen/ vnd darin zu ſchuͤtzen vnd zu
ſchirmen/ auch ſolche guͤtliche Vereinigung oder wuͤrckliche Reſtitution, auffs
laͤngſt jnnerhalb dreyen Monaten/ den nechſten nach Beſchluß vnd dato deß
Vertrags/ gewißlich zu verꝛichten vnd zu vollziehen; doch mit Vorbehaltung
jedem Theil ſeiner Sprüch vnd Forderungen/ ſo ſie zu vnd gegen einander haben
moͤchten/ dieſelben alßdann nach erfolgter Reſtitution, an Orthen vnd Enden zu
ſuchen/ vnd außzufuͤhren/ wie ſichs gebuͤhrt vnd recht iſt.


Es ſollen auch die Kaͤyſerl. Mayſt. Wir/ vnd die erforderten Churfuͤrſten/
Fuͤrſten/ obbemeldte Commiſſarien, bey dem/ ſo ſie zu Folge ſolcher Commiſſion
handeln werden/ ſo viel ſich gemeinem Landfrieden vnd Reichs Ordnung nach/ zu
thun gebuͤhret/ gnaͤdiglich vnd freundlich ſchützen/ ſchirmen vnd handhaben
helffen.
[83]Ander Theil.
helffen. Darneben ſoll die Kaͤyſerl. Mayſt. zum fuͤrderlichſten/ ein ernſtlich
Mandat/ bey Pœn der Acht/ an Hertzog Henrichen außgehen laſſen/ die Braun-
ſchweigiſche Herꝛn vnd Junckern/ an jhrem Leib/ Haab vnd Guͤtern/ auch inſon-
derheit ihrem Gehoͤltze/ biß zu ſolcher der Kaͤyſerlichen Commiſſarien endlichen
Verhoͤr/-Vergleichung oder Reſtitution, nicht zu beſchweren/ noch jhre Hoͤltz[e]r
zu verwuͤſten. Gleicher geſtalt ſollen die Kaͤyſerl. Majeſtaͤt obbemeldten vier
Chur- vnd Fuͤrſten/ als Jhr. Mayſt. Commiſſarien, aufflegen vnd befehlen/
Hertzog Henrichen/ vnd beyde Staͤtte/ Braunſchweig vnd Goßlar/ in jhren
Spruͤchen vnd Forderungen/ gegen einander/ auch zu der Guͤte notthuͤrfftiglich
zu verhoͤren/ vnd der Billigkeit nach zu vergleichen/ auch Jhrer Kaͤyſerl. Mayſt.
ernſtlich Mandat vnd Inhibitum, bey Pœn der Acht/ an Hertzog Henrichen vnnd
beyde Staͤtte alßbald außgehen laſſen/ Jhr fuͤrgenommen oder fuͤrhabend Krie-
gesruͤſtung abzuſchaffen/ vnd ſich aller thaͤtlichen Handlung gaͤntzlich zu enthal-
ren/ ſondern ſich gemeldter/ Kaͤyſerl. Commiſſarien billiger Handlung vnd Wei-
ſung begnuͤgen zu laſſen/ oder ſonſt Jhre Spruͤche vnd Forderung anders nicht/
als mit ordentlichen vnd Rechten/ vermoͤge deß Reichs Ordnung/ gegen einan er
zu ſuchen/ außzufuͤhren.


Solches alles vnd jedes/ ſo obbeſchrieben/ vnd in einem jeden Artickel
nahmhafftig gemacht/ vnd die Kaͤyſerl. Mayſt. anruͤhret/ ſollen ſie in Krafft
Jhrer Ratification daruͤber verfertigt/ bey Jhrer Kaͤyſerlichen Wuͤrden vnnd
Worten/ fuͤr ſich vnd Jhre Nachkommen/ ſtaͤt vnd vnverbruͤchlich vnd auffrich-
tig halten vnd vollziehen/ dem ſtracks vnd vnverweigerlich nachkommen vnd
geleben/ vnd daruͤber jetzt vnd kuͤnfftiglich/ weder auß Vollkommenheit/ oder vn-
ter einigem andern Schein/ wie der Nahmen haben moͤchte/ nichts fuͤrnehmen/
handeln oder außgehen laſſen/ noch jemand andern von jhrentwegen zu thun
geſtatten/ vnangeſehen aller anderer auffgerichten Abſcheid/ ſo viel die dieſer
Vergleichung in etwas zu wieder/ oder abbruͤchig ſeyn moͤchten/ auch alle Staͤnd
deß Heiligen Reichs/ ſampt vnd inſonderheit bey dieſem Vertrag/ Friede-
Stand/ vnd andern Artickeln obbegriffen/ handhaben/ ſchuͤtzen vnd ſchir-
men. Vnd ob einer oder mehr Staͤnde/ einen oder mehr anderer einiger
geſtalt/ vnter was geſuchtem oder fuͤrgewandtem Schein das geſchehe/ darwieder
bedrangen/ uͤberziehen/ beleydigen oder beſchweren wuͤrde (welches ſich doch
keines Weges zu verſehen) den oder denſebigen ſollen die Kaͤyſerl. Mayſt.
mit vnd neben dem andern Theil/ dem ſo ſolche Gedraͤngnuß zugefuͤgt oder bedro-
het wuͤrden/ mit Jhrer Kaͤyſerlichen Huͤlff/ Rath/ Fuͤrſchub/ Fuͤrderung vnd
wuͤrcklichem Beyſtand/ wie Jhr Kaͤyſerl. Mayſt. Ampt nach/ gebuͤhret/ huͤlfflich
erſcheinen/ vnd ſolche Beſchwerung abwenden.


Vnd Wir/ der Churfuͤrſt zu Sachſen/ Hertzog Ott Henrich Pfaltzgraff/
Hertzog Hanß Albrecht zu Meckelnburg/ vnd Landgraff Wilhelm zu Heſſen/ etc.
L ijbeken-
[84]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
bekennen auch offentlich/ daß alle vnd jede obgeſchriebene Puncten vnd Artickeln/
ſo mit Vnſerem guten Wiſſen vnd Willen ſind fuͤrgenommen/ abgehandelt vnd
beſchloſſen/ willigen vnvd verſprechen auch fuͤr Vns ſaͤmptlich vnd ſonderlich/
Vnſere Erben vnd Nachkommen/ auch alle die jenigen/ ſo Vns in dieſer Kriegs-
Vbung zugethan vnd verwand geweſen/ oder noch ſeyn moͤchten/ vnd dieſen
Vertrag annehmen/ dieſelbigen Artickel ſampt vnd ſonderlich/ in Krafft dieſes
Brieffs/ bey Vnſern Fuͤrſtlichen Ehren vnd Wuͤrden/ in rechten guten Trewen/
vñ im Wort der Wahrheit/ ſo viel einen jeden betrifft oder treffen mag/ wahr/ ſtaͤt/
veſt/ auffrichtig vnd vnverbruͤchlich zu halten vnd zu vollziehen/ vnd dem getreulich
vnd vnverweigerlich nachzukommen vñ zu geleben/ vnd darwieder keinen Stand
in dieſem Vertrag begriffen/ oder der denſelbigen hernachmals annehmen/ be-
willigen vnd eingehen wuͤrde/ vnter was geſuchtem Schein das geſchehen moͤchte/
mit der That/ oder ſonſt einiger Geſtalt/ heimblich oder offentlich/ durch Vns
ſelbſt/ oder andere von vnſertwegen beſchweren/ vberziehen/ dringen/ belay-
digen/ oder betruͤben/ ſondern denen/ oder die dieſen Vertrag halten/ vnd demſel-
bigen nach kommen vnd geleben werden/ wieder die/ ſo beruͤhrten Vertrag nicht
halten/ oder demſelben zugegen etwas handeln/ fuͤrnehmen oder vnderſtehen/ oder
einigen Stand/ ſo in dieſem Vertrag begriffen/ oder denſelben hernachmals auch
bewilligen/ vnd ſich mit gleicher Verpflichtung darin begeben/ mit thaͤtlicher
Handlung/ oder ſonſt vergewaltigen/ vberziehen/ bedrangen/ belaͤſtigen/
beſchaͤdigen/ oder einige Beſchwerung zufuͤgen wuͤrde/ Vnſere getrewe Huͤlff/
Rath vnd Beyſtand/ in Krafft deß zuvor auffgerichten gemeinen Landfriedens
Reichs Ordnungen/ vnd dieſes Vertrags vnd Frieden Stands/ ſaͤmptlich vnd
ſonderlich thun vnd leyſten/ auch Vns daran nichts/ was dargegen erdacht oder
auffgerichtet were/ oder kuͤnfftiglich werden/ vnd Vns hierin entheben oder zu
ſtatten kommen moͤchte/ jrꝛen oder hindern laſſen. Dann Wir alleſaͤmptlich/
vnd ein jeder inſonderheit/ vnd alles das jenig/ ſo dieſem Vertrag zu wieder iſt/
oder verſtanden/ wie das Nahmenhaben/ vnd inſonderheit außgedeutet werden
moͤchte/ welches Wir auch vor außdruͤcklich ſpecificiert, geacht haben wollen/ kei-
nes Wegs gebrauchen/ ſondern daſſelbig alles zu dem Effect, vernichtiget vnd
auffgehaben ſeyn ſollen/ wie wir auch daſſelbe hiemit alſo auffheben vnd vernich-
tigen/ auch was deſſelbigen hiemit in Krafft dieſer Schrifft/ ſo fern vnd weit es
dieſem Vertrag vnd gegenwaͤrtiger Verpflichtung zu wider ſeyn/ oder einiger
Weiſe verſtanden werden moͤchten/ in beſter beſtaͤndigſter Form/ gaͤntzlich verge-
ben vnd verziehen haben wollen.


Darmit auch hierin ſo viel deſto weniger auff einigem Theil zu zweifflen/
oder einiger Mißverſtand einreiſſen moͤchte/ ſo wollen Wir Koͤnig Ferdinand/ ꝛc.
vnd Koͤnig Maximilian, \&c. vnd dann die hochgedachte Geiſtliche vnd Weltliche
Chur- vnd Fuͤrſten/ als durch die allerſeits dieſe Sach/ obberuͤhrter geſtalt ab-
gehan-
[85]Ander Theil.
gehandelt/ vnd dermaſſen erklaͤrt vnd bewilligt haben/ nemblich beyde Koͤnige fuͤr
Vns/ Vnſere Erben vnd Nachkommen/ Sie aber die Geiſtliche Chur- vnd
Fuͤrſten/ mit Rath vnd Bewilligung jhrer Thumb Capitel/ vnd die Weltliche
Chur- vnd Fuͤrſten/ allbereit vor ſich/ Jhre Erben vnd Nachkommen/ Vn-
wiederꝛufflich/ daß Wir vnd Sie/ ſolche Handlung nicht allein fuͤr Vns ſelbſt/
Vnſere vnd Jhre Erben vnd Nachkommen/ auch Vnſer Koͤnigreich/ Ertz- vnd
Stiffte/ auch Land/ Leut/ Vnderthanen/ Diener vnd Verwandten/ ſo viel Vns
vnd dieſelben allerſeiths betrifft/ alſo halten/ vnd darwieder in keinerley Wege
handlen wollen/ ſondern auch/ wo einiger Theil wieder dieſe endliche Verglei-
chung (als doch nicht zu verhoffen) jetzt oder kuͤnfftiglich handlen/ vnd den
andern Theil/ mit thaͤtlicher oder beſchwerlicher Handlung/ die geſchehe offentlich
oder heimblich/ beſchweren/ vergewaltigen oder bedrangen wuͤrde/ vnd auff
Erinnerung/ davon nicht abſtehen wolte/ daß Wir vnd Sie/ auch Vnſere vnd
Jhre Nachkommen/ alßdann dem andern Theil/ ſo wider dieſe Vergleichung vnd
Vertrag beſchwert/ bevortheilt/ vberzogen/ oder ſonſt belaydigt wuͤrde/ vnd
fuͤr Vns vnd Sie/ oder Vnſerer oder Jhrer Nachkommen/ Einſag vnd billige
Weiſung leiden koͤnte/ gegen dem andern Theil/ ſo das/ wie obgemeldt/ nicht dul-
den/ ſondern mit thaͤtlicher Handlung fortfahren wolte/ nicht allein keinen Rath/
Huͤlff oder Beyſtand leyſten/ ſondern auch den andern Theil/ ſo/ wie gemeldt/
Einſag vnd Weiſunge leiden vnd annehmen wolte/ wieder den andern/ in Krafft
deß hievor auffgerichten gemeinen Land Friedens/ Reichs Ordnungen/ vnd dieſes
Vertrags vnd Frieden Stands/ Huͤlff vnd Beyſtand leyſten wollen. Doch
ſoll in alle obgemeldte Wege der Theil/ ſo vermeynen wolte/ daß dieſer Frieden-
Stand durch jemands anders verbrochen/ oder dem zu wieder gehandelt/ mit
thaͤtlicher Handlung gegen denſelben nichts fuͤrnehmen/ ſondern zuvor die Sach
an Vns/ auch die Churfuͤrſten/ vnd Fuͤrſten/ als Vnderhaͤndler/ gelangen laſſen/
welche alßbald darauff guͤtliche Handlung fuͤrnehmen/ vnd daruͤber Erkantnuß
thun/ vnd was durch Vns/ vnd dieſelbigen alſo verglichen oder erkand/ den ſollen
beyde Theil/ ohne alle Weigerung geleben vnd nachkommen; Vnd im Fall da es
nicht geſchehe/ alßdann die Huͤlff vnd Beyſtand/ wie hieroben allenthalben ge-
meldt/ geleyſtet werden.


Vnd damit der Verwandnuß vnd Pflicht halben/ damit die obbemeldte
Vnderhaͤndler der Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt zugethan/ ſolches ſo viel deſto vnge-
ſcheuhter geſchehen moͤchte/ ſo ſollen ſie beruͤhrts Falls ſolcher Pflicht vnd Ver-
wandnuß von der Kaͤyſerl. Mayſt. erlaſſen ſeyn/ alſo/ daß ſie vngeſcheuht
derſelben ob dieſer Vergleichung halten/ vnd gegen dem Theil/ ſo demſelben zu
wieder/ wie obgemeldt/ handelte/ dem andern Theil vnverhindert Beyſtand leyſten
moͤgen vnnd ſollen; darumb die Kaͤyſerliche Majeſtat Sie auch in keinen Vn-
gnaden verdencken noch ſolches zu Miß fallen von Jhnen vermercken ſollen.


L iijWann
[86]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Wann nun der Churfuͤrſt zu Sachſen fuͤr ſich ſelbſt/ vnd ſeine Miteini-
gungs-Verwandten/ ſolche beſtimbte Capitulation in allen vnd jeden Jhren
Puncten vnd Artickeln gutwillig angenommen/ auch zu halten vnd zu vollziehen
zugeſagt/ vnd dann die Roͤmiſche Kaͤyſerliche Majeſtaͤt/ dem Heiligen Reich
Teutſcher Nation, jhrem geliebten Vatterland/ zu Gut/ Nutz vnd Wohl-
farth/ die auch gnaͤdiglich bewilligt vnd ratificiert, Jnhalt vnd Vermoͤg Jhrer
Kaͤyſerlichen Mayſt. daruͤber verfertigter Ratification, So ſeynd demnach
deß alles/ zu wahrem vnd feſtem Vrkund/ hieruͤber drey Vertrags-Brieff/
gleichlauts/ auffgericht vnd verfertigt/ vnd mit Vnſer/ Koͤnig Ferdinanden/
vnd beyder Churfuͤrſten zu Maͤyntz/ vnd Pfaltzgraffen Friederichs/ deßgleichen
deß Ertz Biſchoffs zu Saltzburg/ vnd Hertzog Albrechts in Baͤyern/ vnd Jhrer
Liebden/ vnd der andern Chur- vnd Fuͤrſten/ als Vnderhaͤndler wegen; vnd
dann deß Churfuͤrſten zu Sachſen/ vnd Landgraff Wilhelms in Heſſen/ fuͤr ſich
vnd alle Jhre Einigungs-Verwandten eygenen Haͤnden vnderſchrieben/ vnd
anhangenden Jnſiegeln beſieglet/ vnd der eine Vertrags-Brieff der Roͤmiſchen
Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt/ der ander gemeinen Staͤnden/ vnnd der dritte be-
meldten Churfuͤrſten zu Sachſen vnnd ſeinen Mit Verwandten zugeſtellet wor-
den. Geſchehen zu Paſſaw den ſechszehenden Tag deß Monats Julij nach
CHRJSTJ Vnſers lieben HERREN Geburth/ im
fuͤnfftzehenhundert vnd zwey vnnd fuͤnfftzigſten/ Vnſerer Reiche/ deß Roͤ-
miſchen im zwey vnd zwantzigſten/ vnnd der andern
im ſechs vnnd zwantzigſten Jah-
ren.



Der
[87]Ander Theil.

Der neundte Diſcurß.


Wie dieProteſtirende die Freyſtellung derReligionbeharꝛlich geſu-
chet; vnd auß was Gruͤnden. Wie Koͤnig Ferdinand druͤber geſprochen.
Vrtheil von Jhm vnd dem Kaͤyſer.


DJeſeDeclarationhaͤtte vermeyntlich alle Mißhelligkeiten ſol-
len auffheben/ vnd eine beſtaͤndige Außlegung deß Paſſawiſchen Ver-
trags ſeyn vnnd bleiben. Es haben aber die Proteſtirenden wegen
Freylaſſung der Religion dieſen Poſten verharꝛlich begehrt/ an ſeinem
bequemen Orth dem Religion-Frieden einzuleiben: Da aber einiger oder mehr
Chur-Fuͤrſten oder Staͤnde/ zwiſchen hie vñ endlicher Vergleichung der altẽ Reli-
gion
vnd Augſpurg. Confeſſion/ wie man ſie beyderſeits neñet/ anhaͤngig wuͤrde/
ſo ſollen die jenige/ ſo zu der alten Religion tretten/ deß genieſſen vnd faͤhig ſeyn/
was von denen Staͤnden der alten Religion in dieſer Conſtitution geſetzt; vnd
die jenige/ ſo zu der Augſpurgiſchen Confeſſion tretten/ hinwieder alles vnd jedes
deſſen faͤhig ſeyn vnd genieſſen/ was von denen/ ſo zuvor die Augſpurgiſche Con-
feſſion
gehabt/ vnd Veraͤnderung in der Religion fuͤrgenommen haben/ in dieſer
Conſtitution geſetzt vnd gemeldt iſt. Nachdem aber die Geiſtliche Fuͤrſten vnd
Staͤnde ſich obgeſetzten Artickels ſo hoch beſchweren/ wolten nun Kaͤyſerl. vnd
Koͤnigl. Mayſt. Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnde deß Heil. Reichs nachgemeldten
Artickel/ in das ander Theil der Cammergerichts-Ordnung ſetzen vnd inſinuiren
laſſen/ ſo weren die Augſpurgiſche Confeſſions-Verwandten/ vmb Erlangung
willen Eynigkeit/ Frieden vnd Ruhe/ nicht vngeneigt/ obgemeldten Artickel der
Freyſtellung fallen zu laſſen; im Fall aber daß folgender Artickel in der Cam-
mergerichts Ordnung nicht ſolte geſetzt werden/ ſo wiſſen der Augſpurgiſchen
Confeſſion-Verwandten in das jenig/ ſo dem Artickel der Freyſtellung zu wieder/
nicht zu willigen/ noch denſelben fallen zu laſſen. Der Artickel aber/ den ſie
begehrten loco conveniente dem Cammergericht inſerirt zu werden iſt dieſer:
Nachdem auch aber von wegen der Geiſtlichen Iuriſdiction, in frembden/ vnd der
Weltlichen Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnde/ Fuͤrſtenthuͤmben vnd Oberkeiten/ ſich
bißher allerhand Rechtfertigung/ Streit/ Turbation vnd Jrꝛung erhalten/ auch
kuͤnfftiglich begeben vnd zutragen moͤchten/ darauß dann allerhand Weiterung
zu befahren; ſo haben die Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. auch Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnde
deß H. Reichs/ Geiſtlich vnd Weltlich ſich vergliechen/ daß ſolche hievor fuͤrge-
fallene/ vnd kuͤnfftige Streit vnd Jrꝛungen/ die Geiſtliche Iuriſdiction in frem-
bden/ vnd der Weltlichen Staͤnden Fuͤrſtenthuͤmben vnd Oberkeiten/ vnd was
deren
[88]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
deren von Rechtswegen anhangt/ kein Stand dem andern/ in- oder auſſerhalb
Rechtens/ biß zu endlicher friedlicher Vergleichung der Religion, zu Erhaltnuß
eines beſtaͤndigen Friedens/ nicht beſprechen noch anfechten/ auch dem Cammer-
gericht angekuͤndigt vnd auff erlegt werden/ dieſer Iuriſdiction halben/ in verſchie-
nen vnd zukuͤnfftigen Faͤllen/ keine Proceß, Citationes, Mandata oder Execu-
tiones,
im Reich zu erkennen/ decernieren/ noch den Staͤnden aufferlegen/ ſon-
dern dieſem Fall deß Cammergerichts Iuriſdiction, biß zu mehr gemeldter
endlicher Vergleichung der Religion, eingeſtellt vnnd ſuſpendirt ſeyn vnnd
bleiben.


Es fuͤhrten aber die Augſpurgiſche Confeſſion Verwandten wegen Frey-
ſtellung der Religion dieſe Gruͤnde: Erſtlich/ ſetzen ſie/ ſeynd omnes Promiſ-
ſiones Dei, tam Veteris, quàm novi Teſtamenti,
dadurch alle Menſchen das ewige
Leben vnd die Seligkeit bekommen/ univerſales: Derhalben ſo ſollen vnd wollen
Wir dieſelbigen nicht particulares machen/ vnd keinem Menſchen den Himmel
zuſchlieſſen oder ſperꝛen/ damit Wir nicht am Juͤngſten Tag in das erſchreckliche
Vrtheil Chriſti fallen/ vnd hoͤren muͤſſen/ Væ vobis, qui clauditis januas regni
cœlorum ante homines: vos non introibitis, \& alios non intrare ſinitis.
Zum
andern/ ſo iſt kein Vnglaͤubiger/ Jud/ Tuͤrck oder Heyd/ welcher anderſt Vernũfft/
vnd einen geringen Eyffer hat ſeiner Religion/ nicht wolte/ daß er alle Menſchen
moͤcht zu ſich ziehen/ vnd ſeiner Religion anhaͤngig machen/ ꝛc. Wie viel mehr
ſollen Wir/ ſo rechte Chriſten ſeyn wollen/ (denen GOTT der Allmaͤchtig/ bey
Verliehrung jhrer Seelen Seligkeit ſolches befohlẽ/) auß Chriſtlicher Liebe darzu
geneigt ſeyn/ vnd dieſe Freyſtellung/ ſo reciprocè auff beyde Religionen geſetzt iſt/
nicht weigern oder abſchlagen/ ſondern hierin dem Exempel St. Paulus deß H.
Apoſtels verfolgen/ in ſeiner Epiſtel/ factus ſum anima, ut omnes Chriſto lucrifa-
cerem.
Zum Dritten/ wiewol Wir mit gleicher Schrifft/ Decretis Patrum \&
Conciliorum, ſacris legibus \& Canonibus
wiſſen klaͤrlich darzuthun vnd zu be-
weiſen/ daß die Staͤnd/ ſo ſich der alten Religion nennen/ in viel Weg der Chriſt-
lichen Religionen vnd Kirchen-Guͤtern/ (non ſine ſummâ contumeliâ Dei,
tum quoque jacturâ Eccleſiæ Chriſti, \& periculo multarum animarum
) miß-
braucht/ welches Wir allein zur Notthurfft der Sachen/ vnd citra injuriam cu-
juſcunque
woͤllen geſagt haben. So haben Wir jedoch vmb geliebtes Friedens
willen/ in dieſer Conſtitution gewilliget/ daß Sie bey Jhren Kirchen Gebrauchen/
Ordnungen/ Ceremonien/ Haab/ Guͤtern/ liegend vnd fahrend/ Landen/ Leuten/
Herꝛſchafften/ Oberkeiten/ Herꝛligkeiten/ Gerechtigkeiten (darunder dann auch
die Election vnd Adminiſtration begriffen) Renthen/ Zinſen/ Zehenden/ biß zu
Chriſtlicher vnd friedlicher Vergleichung der Religion, ruhiglich bleiben vnnd
gelaſſen werden ſollen. Zum Vierdten/ haben ſie aber an dieſer Proviſion eini-
gen Mangel oder Zweiffel; da ſeynd Wir vnſers Theils vnbeſchwert/ dieſen
Artickel-beſſer zu erklaͤren/ jedoch daß an der Subſtantz nichts geaͤndert werde.
Zum
[89]Ander Theil.
Zum fuͤnfften/ ſo wiſſen Wir folgenden Artickel/ im maſſen die Geiſtlichen denſel-
ben geſtellt/ nicht zu bewilligen; nemblich daß wer von den Geiſtlichen zu dieſer
Religion trette/ von Stunden an de jure \& facto, ſolte von officio \& beneficio
entſetzt ſeyn/ vnd alſo/ demſelben nach dieſer Fried/ vnd deſſelben Execution, im
Fall wieder denſelben gebraucht werden. Dann demnach werden die Chur-
Fuͤrſten vnd Staͤnde der Augſpurgiſchen Confeſſion/ Krafft dieſes der Geiſtli-
chen Artickels obligirt vnd verbunden/ wieder beruͤhrten jhres Chriſtlichen Glau-
bens genoſſen/ zu Verfolgung vnd Vnterdruͤckung jhrer Confeſſion vnd Reli-
gion,
Zuzug vnd Huͤlff zu thun: Solches aber were wieder GOTT/ Jhr Ge-
wiſſen/ vnd bey aller Welt zum allerhoͤchſten Jhnen nachtheilig vnd Verweiß-
lich. Darzu vnd zum ſechſten/ ſo derſelbe Chriſtlich Artickel in dieſen Frieden
ſolt inſerirt werden/ vnd beſtehen; das were das hoͤchſte præjudicium, diß theils
Religion cum infamia, nicht allein der Perſohnen/ ſondern viel mehr principali
cauſæ,
dieſes Theils Chriſtlichen Glaubens vnd Confeſſion. Zum ſiebenden/
nachdem Wir aber bericht ſeyn/ daß die Geiſtlichen in Fuͤrſorg ſtehen/ die hohe deß
Reichs vnd andere Stifft moͤchten mit der Zeit prophaniert/ vnd in Weltliche
Herꝛſchafften verwandelt werden/ welches Vnſer Gemuͤth vnd Meynung nie
geweſen/ ſondern vielmehr je vnd allweg/ auch noch dahin geſehen vnd gearbeitet
haben/ daß dieſe vnd alle andere Geiſtliche Guͤter/ auß dem langwierigen Miß-
brauch/ ad primam Fundationem, vnd zu jhrem rechten Chriſtlichen Gebrauch
wieder moͤchten gebracht vnd reguliert werden/ vnd ewig bey der Chriſtlichen Kir-
chen bleiben. So ſeynd Wir zu mehrer Befeſtigung ſolcher Vnſer Chriſtlichen
Meynung vnd Ableynung alles Verdachts vnbeſchwert/ Vns mit den Staͤnden
der alten Religion zu vergleichen/ vnd vngefaͤhrlich nachfolgends lauts ein Ar-
tickel bey dieſer Conſtitution ſetzen zu laſſen: Es ſollen auch die hohen deß Reichs/
Ertz- vnd andere Stifft/ wann darin die Religion veraͤndert wird/ zu keiner Welt-
lichen Herꝛſchafft vnd Erbſchafft gewandt/ ſondern wie zuvor vnd noch gemeldt
iſt/ nach eines jeden Ertz Biſchoffs/ Biſchoffs oder Prælaten Abſterben oder Re-
ſignation,
bey Jhren Electionen, Adminiſtration vnd Guͤtern gelaſſen/ vnd
von dieſem Artickel in Vergleichung der ſpaltigen Religion ferner gehandelt vnd
geſchloſſen werden; doch den Weltlichen Staͤnden in Jhrer Hoheit vnd Her-
kommen vnvergreifflich.


Eben dieſe motiven trugen Sie auch Jhr. Koͤnigl. Mayſt vor/ mit dieſem
Anhang: Da aber dieſe Vnſere Chriſtliche vnd guthertzige Meynung vnd Vn-
derꝛicht/ bey Vnſern Herꝛn vnd Freunden/ der Chur vnd Fuͤrſtlichen Raͤthen
vnd Bottſchafften der alten Religion abermahls nicht ſolt ſtatt finden/ daß Wir
Vns jedoch zu Jhren Ehrwuͤrden/ G. vnd Gunſten keines Wegs wollen verſe-
hen/ dieweil dann ohne daß die Staͤnde der alten Religion, bevorab die Geiſtli-
chen/ mit vielen vn Chriſtlichen ſonderlichen beſchwerlichen vnnd vntraͤglichen
Eyden vnd Pflichten/ Statuten, Geſetzen/ Regeln/ Traditionen vnd Mißbraͤu-
Ander Theil. Mchen/
[90]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
chen/ durch Verhaͤngnuß deß Allmaͤchtigẽ beladen; ſo muͤſſẽ Wir letztlich nach laſ-
ſen vnd geſtatten/ daß ſie ſich deſſelbigen Artickels vndereinander/ auſſerhalb dieſer
Conſtitution vergleichen/ vnd nach Jhrem Willen vnd Wohlgefallen/ ſo hoch
vnd feſt ſie wollen/ verbinden. Wir aber der Augſpurgiſchen Confesſion, ſollen
vnd wollen auß allen oberzehlten Vrſachen/ dieſen Artickel in die gemeine Con-
ſtitution
deß Religion-Friedens zu ſetzen/ nicht bewilligen/ noch viel weniger
Vns verpflichten/ denſelbigen zu exequieren vnd zu handhaben: dann Wir
haben ohne das fuͤr Vns/ als bloͤde ſchwache Chriſten/ viel taͤglicher Suͤnden
gegen GOTT/ mit Vnſerem Gebett/ Vatter Vnſer/ abzubetten; derowegen
es ohne Noth iſt/ Vns mit frembden Suͤnden fuͤrſetzlich zu beladen. Sie be-
gehrten aber auch/ daß die Anſee vnd andere Staͤtte/ ſampt der Ritterſchafft in
gleichem Vertrag vnd Recht neben jhnen ſtuͤnden vnd gelaſſen wuͤrden/ welches
nicht allerdings wol auffgenommen worden.


Bey ſo geſtalten Sachen kam von Koͤn. M. nachfolgende reſolution: die
Roͤmiſch/ zu Hungarn vnd Boͤhem Koͤn. Mayſt. Vnſer allergnaͤdigſter Herꝛ/ hat
gnaͤdiglich angehoͤrt vnd vernommen/ der Churfurſtl. Raͤthe/ gegenwaͤrtigen
Fuͤrſten vnd Staͤnden/ vnd der Abweſenden Raͤthen vnd Bottſchafften ſchrifft-
lich bedencken/ welches Sie auff Jhr. Koͤn. M. gethane Propoſition, von wegen
deß gemeinen Friedens in Religion vnnd andern Sachen/ ſampt den daneben
eygentlichen beſchehenen erbiethen/ daß ſie ſich mit Berathſchlagung der uͤbrigen
Artickel/ den Land Frieden/ vnnd deſſelben Execution vnd Handhabe/ vnd
anders belangend/ ſo viel moͤglich/ auch befoͤrdern wollen. Vnd befinden Jhr.
Koͤn. Mayſt. darauß/ daß die Churfuͤrſtliche Raͤthe/ auch die erſcheinenden Fuͤr-
ſten vnd Staͤnde/ vnnd der Abweſenden Raͤthe vnd Geſandten/ dieſen Puncten
ſtattlich fuͤr Hand genommen/ bedacht vnd gehandelt/ aber doch ſich nicht aller-
dings vergleichen moͤgen. Dieweil nun uͤber vorige deß Heil. Reichs Abſchied.
Ordnungen/ vnd außgekuͤndten Kaͤyſerl. Landfrieden gemeine Staͤnd fuͤr nutz
vnd gut angeſehen/ daß der Religion vnd anderer Sachen halben/ ein gemeiner
Fried abzureden vnd zu vergleichen ſey. Vnd aber zu Auffrichtung vnd lang-
wieriger Erhaltung ſolches gemeinen Friedens Jhre Koͤnigl. Mayſt. ermeſſens/
dieſe zwey Stuͤck fuͤrnehmblich dienen/ vnd forderſam ſeyn moͤgen/ nemblich daß
zum erſten in Vergleichung vnnd Abred der Conſtitution ſolches gemeinen Frie-
dens/ fuͤrnemblich die Billigkeit fuͤr augen gehalten/ vnd kein Theil dem andern
zu viel wieder die Billigkeit vnd ſein alt Herkommen/ vnd habende Recht vnd
Gerechtigkeit/ zu uͤberlaͤngen oder zu beſchweren begehren; vnd zum andern/
daß die Conſtitution vnd Satzung mit vnverdunckelten klaren Worten vergrif-
fen/ vnd alſo verfertigt vnd auffgerichtet wuͤrde/ daß die/ ſo zu Vnfried Neigung
tragen/ derſelben Wort vnd Meynung/ auff vngleichen frembden Verſtand
fuͤglich nicht wohl zwingen/ vnd zu Jhrem vnruhigen Vorhaben/ eben auß der
Schrifft/ die vmb Fried vnd Ruhe willen fuͤrgenommen/ gleich das Wiederſpiel/
nemblich
[91]Ander Theil.
nemblich gemeine Vnruhe vnnd Vnfried anrichten koͤndten; So haben Jhr.
Koͤnigl. Mayſt. demnach obberuͤhrte gemeiner Staͤnde uͤbergeben ſchrifftlich
Bedencken/ ſtattlich bewogen/ vnd geben Jhnen/ darauff in Krafft der Roͤmiſ.
Kaͤyſerl. Mayſt. Vnſers allergnaͤdigſten Herꝛens gegebenen Vollmacht vnd
Heimbſtellung/ dieſe freundliche vnd gnaͤdige Reſolution.


Erſtlich laſſen die Roͤmiſche Koͤnigl. Mayſt. Jhro gnaͤdiglich wolgefallen/
das Friedgebott/ wie es im erſten Artickel beruͤhrts ſchrifftlichen Bedenckens ge-
ſtellt. Dergleichen laſſen es Jhr. Koͤnigl. Mayſt. bey dem andern Artickel an-
fahend/ vnd damit ſolcher Fried/ etc. auch gnaͤdiglich bleiben/ doch mit dieſer
Beſcheydenheit/ daß zu gebuͤhrender Erlaͤuterung der diſpoſition alſo lautend:
ſo ſollen die Kaͤyſerl. vnd Koͤnigl. Mayſt. auch Chuc-Fuͤrſten vnd Staͤnde deß
Heil. Reichs/ keinen Stand von wegen der Augſpurgiſchen Confesſion vnd
derſelbigen Lehr/ etc. nach den Worten (keinen Stand) hinzu geſetzt werden/
dieſe Wort (deß Reichs) damit dieſe Propoſition, wie ſie auch ohne zweiffel von
gemeinen Staͤnden nicht anderſt gemeint/ auff die Staͤnde/ ſo dem Heil. Reich
ohne Mittel vnterworffen/ allein verſtanden werden/ vnd darauß Wir verurſacht
werden/ daß jrgend eines Reichs Stands vnderworffener Vnderthan/ vmb deß
willen/ daß er fuͤr deſſelben Lands Stand erkent wuͤrde/ Jhre Vrſach ſchoͤpffen/
vnder dem Schein der Augſpurgiſchen Confesſion ſeinem Herꝛn ſich zu wieder-
ſetzen; vnnd dann erſt diſputirt muͤſte werden/ ob dieſe Wort allein von
den Reichs-Staͤnden zu verſtehen ſeyen/ oder auch auff andere Staͤnd/ ſo
den Reichs-Staͤnden zugehoͤrig vnnd vnderworffen ſeyen/ gezogen moͤge
werden.


Dann ja Koͤniglicher Majeſtaͤt bedencken fuͤr billich/ vnd allem friedlichen
Weſen nutz vnnd nothwendig/ daß die Conſtitution wie auch oblaut/ klar vnd
lauter gemacht werde/ vnd das/ ſo außdrucklich nicht bewilliget/ durch diſputir-
liche Wort vnd Meynung nicht hinein komm/ damit mehrer Zanck/ Weiterung
vnd Vnruhe verhuͤtet bleiben


Daß aber durch der Augſpurgiſchen Confesſion Verwandten Staͤnde/
Raͤthe vnd Bottſchafften bedacht worden/ jetztbemeldten Artickel anzuhencken
ſeyn/ daß er dieſem Fried auch begriffen ſeyn ſollen/ die von der Ritterſchafft/ Anſee
vnd andere Staͤtte/ allermaſſen vnd geſtalt/ wie andere Staͤnde: darob haben
die Roͤmiſche Koͤnigliche Mayſt. etwas Verwunderung empfangen. Dann die-
weil Jhr. Koͤnigl. Mayſt. bißher nicht fuͤrbracht worden/ daß die Ritterſchafft
noch auch die See vnd andere Staͤtte/ durch ſich ſelbſt/ oder Jhre vollmaͤchtige
Gewalthaber/ ſolches geſucht haben/ ſo koͤnnen auch der vnnd anderer Vrſachen
halben/ Jhre Koͤnigliche Majeſtaͤt nicht fuͤr gut achten/ jhren thalben in dieſer
Conſtitution ſolche Verordnung zu thun/ vnnd vmb ſo viel deſto weniger/
dieweil die deß Friedshalben/ zwiſchen Jhrer Koͤniglichen Majeſtaͤt vnd wegen
hochgedachter Kaͤyſerlichen Mayſt. vnd den Churfuͤrſten vnd Staͤnden deß H.
M ijReichs/
[92]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Reichs/ ſo auff dieſen Reichs Tag beſchrieben/ gehandelt vnd geſchloſſen ſoll wer-
den/ vnd nicht viel erhoͤrt worden daß anderer halb/ die nicht beſchrieben/ auch
nicht Reichs-Staͤnde ſeyn/ dergleichen Satzung oder Ordnungen gemacht/ oder
zu machen von den Reichs-Staͤnden geſucht ſeyen; ſo wuͤrden auch auß ſolcher
Einziehung allerley Vnglimpff vnd Beſchwerden erfolgen moͤgen. Dann erſt-
lich ſo viel die in gemeinangezogen Ritterſchafft betrifft/ ſo bedencken Jhr. Koͤn.
Mayſt. daß ſolch Wort entweder auff die freye Ritterſchafft/ ſo niemands an-
dern/ dann Roͤm. Kaͤyſern vnd Koͤnigen vnderworffen; oder auff die Ritterſchafft/
ſo andern Reichs-Staͤnden/ als Landſaſſen zugehoͤrig/ verſtanden werden muͤſſe.
Nun will ſich aber nicht gebuͤhren/ der freyen Ritterſchafft halben/ auff einem
Reichs Tag/ wie anderer Reichs-Staͤnde halb/ Satzung oder Ordnung zu ma-
chen/ in Betrachtung/ daß Sie nach Jhren habenden Freyheiten/ vnnd Jhren
loͤblichen alten Herkommen nach/ allein Roͤm. Kaͤyſer vnd Koͤn. vnderworffen;
vnd daß ſolches nicht allein hochbemeldter Kaͤyſerl vnd Jhrer Koͤnigl. Mayſt. an
Jhren habenden Hohheiten vnd Oberkeiten zu Schmaͤhlerung/ ſondern auch
derſelben Ritterſchafft zu Abkuͤrtzung Jhrer Freyheiten/ vnd altem Herkommen
gelangen wolte. Dann ob Jhnen ſchon erſtlich ohne Jhr Begehr vnd Vorwiſ-
ſen etwas das Jhnen allein/ oder Jhnen etlichen wohl annehmlich/ ſtatuiert vnd
verordnet wuͤrde/ ſo haͤtten ſie doch wohl zu ermeſſen/ daß kuͤnfftiglich auch geſetzt
vnd verordnet werden moͤchte/ das Jhnen vnd Jhren Kindern beſchwerlich were/
und das alßdann geſagt wuͤrde/ wie ſie annehmliche Sachen ohn Jhr wiſſen
gemacht/ genehm gehalten/ alſo ſolten ſie auch die beſchwerlichen/ ſo auch Jhrent-
halben vnverhoͤrt außgangen/ gedulden. Darauß vernuͤnfftiglich zu erachten/
daß mit Begehrung obberuͤhrts Anhangs den freyen Ritterſchafften gar nicht
gedienet/ vnd wo Jhr. Koͤnigl. Mayſt. darin willigeten/ daß ſolcher Anhang von
gedachten Ritterſchafften ehe mit Beſchwerden wieder fochten/ dann zu danck
angenommen wuͤrde. Dieweil dann deme alſo/ vnd ſonſt offenbar/ wann die
freyen Ritterſchafften gegen der Kaͤyſerl Mayt. vnd Jhr. Koͤnigl. Mayſt. deß
Religion, oder Prophan-Friedenshalb/ Beſchwerung haben/ daß Sie der halb bey
Jhren Mayſt. wie in andern Jhren obligen gebraͤuchlich/ vnd von alter Herkom-
men/ wol ſelbſt anzuſuchen/ vnd herwieder auch Jhr. Kaͤyſ. vnd Koͤnigl. Mayſt. ſich
gegen Jhnen/ als Pflantzer vnd Handhaber deß Adels/ mit allen gebuͤhrenden
Vaͤtterlichen Gnaden zu erzeigen wiſſen werden/ ſo bedarff es Jhrenthalben ſol-
ches Anhangs vnd Vermeldung gar nicht/ wolten aber vnter obberuͤhrtem Wort
Ritterſchafft die Landſaſſen vom Adel/ ſo Chur- vnd Fuͤrſten/ oder andern Staͤn-
den mit der Landſaͤſſerey zu gehoͤrig/ verſtanden werden; ſo wiſſen ſich der
Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandten Staͤnden Raͤthe vnnd Bottſchafften
ſelbſt zu erinnern/ daß dieſelbe noch andere Vnderthanen/ weder durch dieſen
Anhang oder Vermeldung/ auch einigen andern Weg/ wieder Jhre ordentliche
Lands fuͤrſten vnd Obrigkeiten/ geſtaͤrckt/ noch verthaͤdigt werden ſollen; wie dann
ſolches
[93]Ander Theil.
ſolches in vorigen deß H. Reichs Rechten vnd Ordnungen verſehen/ vnd in an-
geregtem uͤbergebenem Bedencken hernach/ im Artickel/ anhebende/ Es ſoll auch
kein Stand den andern/ noch deſſelben Vnderthan/ etc. guter maſſen fuͤrſehen/
vnd auß dieſen vnd andern mehr bewegenden billigen Vrſachen/ ſonderlich von
wegen Erhaltung mehrern vnd beſſern Friedens vnd Eynigkeit/ zwiſchen den
Lands Fuͤrſten vnd Obrigkeiten/ vnd Jhren Landſaſſen vnd Vnderthanen/ koͤndte
Jh. Koͤn. Mayſt. nicht bewilligen/ daß dieſer Anhang der Ritterſchafft halb in
dieſe Conſtitution komme.


Dann ſo viel ſolcher Anhang vnd Bedencken/ die Anſee vnd andere Staͤtte
belangend/ befinden Jhr. Koͤnigl. Mayſt. daß derſelbig/ deren Anſee vnd anderer
Staͤtte halben/ die ohne Mittel dem H. Reich vnderworffen ſeyn/ gar uͤber fluͤſſig
iſt angeſehen/ daß dieſelbe billich/ wie andere Frey vnd Reichs Staͤtt gehalten
ſollen werden; ſo viel der aber die Anſee vnd andere Staͤtte/ die der Roͤmiſchen
Kaͤyſ- oder Jhr Koͤnigl. Mayſt. ſonſt vnd anderſt/ dann als Roͤm. Kaͤyſer vnd
Koͤnigen/ vnd dann auch andern Chur Fuͤrſten vnd Staͤnden deß Heil. Reichs
vnderworffen ſeyn/ beruͤhren thut/ haben ſich bemeldter Staͤnd Raͤthe vnd Bott-
ſchafften ſelbſt vernuͤnfftiglich zu berichten/ daß es eben die Meynung hat/ wie jetzo
von den Ritterſchafften/ ſo in eines Reichs Stands Landſaſſerey gehoͤrig/ ange-
zeigt iſt. Vnd dieweil recht vnd billich iſt/ daß einem jeden das ſeinig ohn entzo-
gen/ vnd ohne Jrꝛung gelaſſen werde/ wie ſich Friedliebenden geziemer vnd wol
anſtehet/ vnd dann zu gemeinem Fried vnd Ruhe wenig dienſtlich ſeyn wuͤrde/ wo
ſich der Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandte Staͤnd Raͤthe vnd Bottſchaff-
ten/ an dem/ daß Jhre Herꝛen vnd derſelben Vnderthanen biß zu Chriſtenlicher
Vergleichung/ bey Jhrer Confeſſions-Religion gelaſſen wuͤrden/ nicht begnuͤ-
gen laſſen/ ſondern wolten noch daruͤber auch der Catholiſchen vnd alten Reli-
gions
Staͤnd/ Jhrer Anſee vnd anderer Staͤtt halben/ Ordnung vnd Maß fuͤr-
ſchreiben/ wobey ſie dieſelben der Religion halb bleiben laſſen ſollen; Vnd aber
Jhre Herꝛn vnd Obern/ Jhrer Anſee vnd anderer Staͤtte halben/ von den Staͤn-
den der alten Religion in ſolchem verſchonet werden: So geſinnen vnd begehren
Jhr Koͤnigl. Mayſt. gantz gnaͤdiglich/ daß die bemeldten der Augſpurgiſchen Con-
feſſion
Verwandten Staͤnd Raͤthe vnd Bottſchafften/ ſolches Jhres ſonderba-
ren Bedenckens guͤtlich abſtehen/ vnd die andern zu ſolcher groſſen Vngelegen-
heit vnd Beſchwerung zu dringen/ ferner nicht begehren/ ſondern ſich begnuͤgen
laſſen/ daß der alten Religion Staͤnde/ Jhrer Vnderthanen halben/ das Recht
vnd authoritet auch gegen Jhren Vnderthanen haben vnd gebrauchen/ daß Sie
der Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandten Staͤnden gegen derſelben Vnder-
thanen bißher zu geſehen/ vnd noch vnverhindert zulaſſen/ wie dann von Jhren
Herꝛn vnnd Obern ſelbſt kein anders in vorigen dieſen Sachen halb gehaltenen
dieſer Reichs Taͤgen vnd andern Zuſammenkuͤnfften geſtritten noch erhalten
vnd von Jhnen/ als Jhren Raͤthen vnd Bottſchafften/ billich jetzo auch nicht
ferner begehrt werden-ſolle.


M iijJhr.
[94]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Jhr. Roͤmiſ. Kaͤyſerl. Mayſt. haben ferner auch nach der laͤnge verſtanden
vnd erwogen/ was die drey Ertz Biſchoffe vnd Churfuͤrſten/ vnd Vnſer alten
Chriſtlichen Religion Verwandten Fuͤrſten vnd Staͤnd fuͤr ein beſonder beden-
cken/ obgehoͤrten Verſicul deß Religion Friedens zuzuſetzen/ im Verſicul, anhe-
bend/ doch ſollen hierin die Biſchoffen/ etc. fuͤr nutz vnnd gut angeſehen vnd
begehrt haben; vnd koͤnten Jhr. Koͤnigl. Mayſt. nach ſtattlicher Erwegung
nicht befinden/ daß daſſelbig Bedencken der Augſpurgiſchen Confeſſion anhaͤn-
gigen Staͤnden vnd Jhren Vnderthanen/ von allem dem/ deß ſie Jhrer Reli-
gion
vnnd Confeſſion halben bißher in Gebrauch vnd Nieſſung geweſen/ ichtzit
auch im wenigſten benehme oder entziehe/ ſondern daß es allein/ vnnd dennoch
nicht nach dem ſchaͤrpffſten ſetze vnd ordne/ wie es der Stifft/ Prælaturen, vnd
anderer Geiſtlichen Pfruͤnden vnnd Beneficien halben gehalten werden ſolle/
wann derſelben Jnhaber vnd Verwalter/ jhrem Beruff zu wieder/ jhren einmahl
beliebten angenommenen Geiſtlichen Stand/ vnd alte Religion verlaſſen/ vnd
davon abtretten/ damit dieſelben Prælaturen vnd Beneficia, demnach bey dem
Gebrauch vnnd Weſen erhalten werden/ darzu ſie geſtifftet; welcher letzten
Willen zu brechen abſcheulich were/ dem allmaͤchtigen GOTT zu Lob vnd Ehr
geſtifft vnd verordnet/ vnd dabey ſich laut Geiſtlicher vnnd Weltlichen Rechten/
ſonderlich auch vermoͤg deß H. Reichs Ordnung/ Abſchied/ Land Fried vñ juͤngſten
Paſſawiſchen Abſchieds ruhig gelaſſen/ vnd mit der That oder in vngutem ge-
gen jhnen nichts gehandelt/ noch fuͤrgenommen werden ſoll.


Dieweil nun die jetzt angeregte vorige Conſtitutionen vnnd Ordnungen/
ſonderlich die letzten/ vnnd der Paſſawiſche Vertrag ſelbſt/ dermaſſen auffgericht
ſind/ daß die Staͤnde der Augſpurgiſchen Confeſſion, die andern deß H. Reichs
Staͤnde/ ſo der alten Religion anhaͤngig/ Geiſtlich vnd Weltlich/ bey jhrer Reli-
gion,
Kirchen Gebraͤuch/ Ordnung vnd Ceremonien, auch jhrer Haab vnd Guͤter/
liegend vnd fahrend/ Landen/ Leuten/ Renthen/ Zinß/ Guͤlten/ Ober- vnd Gerech-
tigkeiten halben/ vnbeſchwert/ vnd ſie derſelben friedlich vnd ruhiglich gebrauchen
vnd genieſſen laſſen ſollen; So koͤndten Jhr. Koͤn. Mayſt. nit ermeſſen/ mit was
Fug oder Billigkeit den Geiſtlichen der angeregt vorbehaltlich Anhang zu wei-
gern ſeye/ dieweil er allein dahin gericht iſt/ daß ſie die Stifft/ Prælaturen vnd Be-
neficia,
vnd der halb jhnen zugehoͤrig Ober- vnd Gerechtigkeiten/ friedlich vnd
ruhig brauchen/ genieſſen vnd erhalten moͤgen: welches aber wo ſie ſich dieſes
Artickels verzeyhen vnd begeben muͤſſen/ nicht ſeyn koͤnte. Dann dadurch wuͤrde
alßdann geſchloſſen wollen werden/ wann jhr einer von ſeinem Geiſtlichẽ Stand/
vnd der alten Religion abtretten; daß er dannoch der Stifft Prælatur, Beneficia,
Adminiſtration,
die Jhm als einem Geiſtlichen vorgebuͤhrt/ jetzo vngeachtet/ daß
er ſich derſelben ſelbſt entſetzt vnd vnfaͤhig gemacht haͤtte/ nicht deſto weniger ge-
nieſſen vnd behalten ſoll moͤgen/ vnd daß ſich die andern Geiſtlichen gegen jhme
ſolcher ſeiner Abtrettung halb/ jhrer habenden Obrigkeit vnd Gerechtigkeit/ gar
nicht gebrauchen ſolten. Darauß auch erfolgen wuͤrde/ daß ſie das jenig/ ſo ſie
vnder oder bey jhnen zugenieſſen haͤtten/ mit ſchlechtem Fried vnd Ruhe gebrau-
[95]Ander Theil.
chen moͤchten/ welches den angezogenen Rechten/ Reichs Ordnungen vnd Ab-
ſchieden/ ja auch dem gleich hernachfolgenden Artickel/ anhebend/ es ſollen auch/ ꝛc.
geſtracks zu wieder/ vnd zu Erhaltung deß geliebten Friedens gar nicht foͤrderlich
were. Dieweil nun aber billich/ daß die Stifft/ Prælaturn vnd Beneficia, durch
die regiert vnd verwaltet werden/ die Layen der Stifftung vnd Stiffter willen/
darzu qualificiert ſeyen/ vnd von ſolchen Stifften/ Prælaturn vnd Beneficien, auch
nicht laͤnger vnderhalten/ vnd dabey geduldet werden. Dann ſo lang ſie dermaſſen
qualificiert bleiben/ vnd wo ſie davon abtretten/ vnd anderſt handeln/ dann wie es
die Stifftungen vermoͤgen/ vnd das Geiſtl. Recht von jhnen erfordert; daß alß-
dann den andern Geiſtlichen vnbenommen ſey/ ſich jhrer gebuͤhrenden Obrigkeit
vnd Gerechtigkeit/ ſonderlich mit Außſchlieſſung vnnd Abſchaffung gemeldter
Perſonen/ auch mit rechtmaͤſſiger Verſehung jhrer Stifft/ Prælatur, vnd Bene-
ficij
halb/ zu gebrauchen/ denn einer ſolchen Perſon Verbrechen/ Jhro ſelbſt allein/
vnd nicht der von Jhr beſeſſenen Stifft/ Prælatur oder Beneficien, zu Schaden
vnd Nachtheil kaͤme; demnach achten Jh. Koͤn. M. gantz billich ſeyn/ daß zu Er-
haltung der Geiſtl. langhergebrachten Ober-vñ Gerechtigkeiten: vmb Verhuͤtung
allerley Vnfrieds vnd Weiterung/ die ſonſt in viel Wege darauß erfolgen moͤch-
ten/ der obberuͤhrte Anhang/ wie er begehrt worden/ in dieſen gemeinen Frieden
verleibt werde/ ſoll anderſt dieſer Fried den Geiſtlichen auch zu Fried vnd Ruhe/
vnd nicht zu endlicher Verdruͤckung vnd Außrentung dirigirt vnd angericht wer-
den. Vnd demnach vermahnen Jhr. Koͤn. M. der Augſpurgiſchen Confeſſion
anhaͤngigen Staͤnden/ Raͤth vnd Geſandten gnaͤdiglich/ daß ſie ſolche Einleibung
laͤnger nicht wiederfechten/ ſondern als jhren Herꝛn vnd Obern/ in allweg ohnab-
bruͤchig/ vnd den Staͤnden der alten Religion, fuͤrnemblich aber den Geiſtlichen
nothwendig/ guͤtlich bewilligen wollen/ vnd hierin zu Gemuͤth fuͤhren/ daß ſich
uͤbel fuͤge/ den Altglaͤubigen vnnd Geiſtlichen ein ſolch beſchwerlich Ding ab-
erhalten wollen/ vngeachtet/ daß die Altglaͤubigen/ mit ſolcher jhrer der Augſpur-
giſchen Confeſſion-Verwandten verſchonen/ vñ jhnen kein Maaß noch Ordnũg
geben/ wie ſie mit denen/ von jhren eingezogenen Stifften/ Kloͤſter vnd Pfruͤnden/
die in dem Paſſawiſchen Vertrag/ vnder dem Frieden nicht begriffen worden/
vnd mit derſelben Beſitzer oder Verwalter/ auch andern jhren Prædicanten vnd
Kirchendienern handeln/ wañ ſich dieſelben ſolcher jhrer Verwaltung vñ Empter
vnfaͤhig machen; dann wie jhnen beſchwerlich fallen wuͤrde/ wo die Altglaͤubigen
zu verordnen begehrten/ daß ſie dieſelben/ vnangeſehen/ daß ſie von jhrer Confeſ-
ſions Religion
abfielen/ vnnd darwieder lehrten/ dannoch behalten muͤſten.
Alſo vnnd noch viel beſchwerlicher wuͤrde es auch den Altglaͤubigen vnnd jhren
Geiſtl. ſeyn/ dz fuͤr die abgefallenen bey den Stifften/ Prælaturen oder Pfruͤnden/
vñ derſelben Verwaltung bleiben laſſen/ vnd gedulden muͤſten/ ohnangeſehen/ dz
ſie jhr Religion vnd Gottesdienſt verachten vnd wiederfechten; darauß nichts an-
dets/ dañ Zanck/ Wiederwillen vnd ſchaͤdliche Weiterung erfolgen moͤchten: wel-
ches im Grund nicht ein Weg zu Erhaltung Friedens/ ſondern viel mehr zu Erhal-
tung vnd mehrerem Vnfrieden/ ſeyn wuͤrde.


Alßdann
[96]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Alßdann ferner der Artickel Es ſollen auch/ etc. in ſich haltet/ das Fried-
Gebott/ wie es der Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandte Staͤnde gegen andern
deß H. Reichs Staͤnden halten ſollen/ in ſeinem Eingang/ nach Benennung der
Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandten Staͤnde/ dieſe Wort geſetzt/ auch ſonſt
alle andere Staͤnd/ da iſt Jhrer Koͤnigl. Mayſt. gnaͤdigs bedencken/ daß ſolche
Wort/ auch ſonſt alle andere Staͤnd/ außgelaſſen werden/ damit in Krafft derſel-
ben nicht mag geſagt werden/ daß dieſer gemeine Fried nicht allein zwiſchen
Jh. Mayſt. vnd der Altglaͤubigen/ auch der Augſpurgiſchen Confeſr;ſion Ver-
wandten Staͤnden auffgericht ſeye/ ſondern auch noch zwiſchen allen andern
Staͤnden bethaydigt were/ darunder ſich folgends Sacramentirer/ Wiedertaͤuf-
fer vnd andere/ in viel Weg verworffene vnd verbottene Secten/ auch fuͤr befriedet
angeben moͤchten/ welches aber nicht ſeyn ſoll/ vnd freylich keines theils Mey-
nung iſt.


Dieweil auch in ſolchem Artickel nicht außdruckentlich geſetzt/ weß ſich der
Augſpurgiſchen Confesſion Verwandte Staͤnde gegen der Hochged. Kaͤyſ. vnd
Jh. Koͤn. Mayt. halten ſollen/ vnnd aber im ober Artickel/ anfahend/ vnd damit
ſolcher Fried/ ꝛc. lautbar außgedruckt wuͤrde/ was die Kaͤyſ vnd Koͤn Mayſt. auch
Chur Fuͤrſten/ ꝛc. der alten Religion gegen der Augſpurgiſchen Confesſion Ver-
wandten Staͤnden thun vnd laſſen ſollen/ ſo erfordert Jhr Koͤn. M. Bedencken
auch die Billigkeit/ daß Jh. M. halben/ Jhr auch neben andern Altglaͤubigen mel-
dung beſchehe/ oder in jetzt angezeigtem obgeſetzten Artickel Jh. Mayſt. auch mit
gedacht werde.


Vnd nach dem ſolcher Artickel auch zu ende allein mit dieſer Verpœnug/
nemblich alles bey Pœn in dem auffgerichten Land-Frieden beſchloſſen wuͤrde;
ſo achtet Jhre Koͤnigliche Majeſtaͤt/ daß daſelbſt auch die Verpœnung alſo
geſetzt werde/ alles bey Fuͤrſtlichen Ehren/ wahren Worten/ vnd Pœnen
deß Landfriedens. Oder daß bey dem obberuͤhrten Artickel/ ſo Kaͤyſ. vnd Koͤn.
Mayſt. vnd der altglaͤubigen Verſprechung dieſes Frieds halben begreifft/ die
Wort bey Kaͤyſerlichen vnd Koͤnigl. Wuͤrden/ Fuͤrſtl. Ehren/ vnnd wahren
Worten/ auch außgelaſſen werden/ damit hierin/ die gebuͤhrend Gleichheit gehal-
ten werde.


Die uͤbrigen Artickel laſſen Jh. Koͤn. Mayſt. Jhr gnaͤdiglich gefallen/ biß
auff den Verſicul, anfahend/ wo aber die Kaͤyſ. vnd Koͤnigl. Mayſt. etc. welchen Ar-
tickel Jh. Koͤnigl. Mayſt. Vnderthanen/ von wegen allerley ſonderbaren Frey-
heiten vnnd Herkommen/ Jhrer Mayſt. vnderſchiedlicher Land Vndertha-
nen nicht bewilligen koͤndten/ ſondern ſehen fuͤr beſſer an/ daß derſelb gar außge-
laſſen werde.


Belangend/ daß dieſer Fried/ laut deß Artickels/ vnd nach dem ein Ver-
gleichung/ etc. biß zu endlicher Vergleichung der ſtrittigen Religion wehren ſoll/
daran ſeyn Jh. Koͤnigl. Mayſt. an ſtatt der Kaͤyſ. Mayſt. vnd fuͤr ſich ſelbſt/ gnaͤdig-
lich
[97]Ander Theil.
lich wol zu frieden; vnnd achten ſolche Meynung mit dieſes Artickels Worten/
biß auff den Verſicul, wo dann ſolche Vergleichung/ etc. der Gebuͤhr vnd Billigkeit
nach/ gnugſamb vnd klar geſetzt ſeyn. Aber die Wort/ wo dann ſolche Verglei-
chung/ vnnd andere darauß folgende Worte achten Jhr. Koͤnigl. Mayſt. auß zu-
laſſen; in Betrachtung daß dieſelben zu keiner Vergleichung in der Religion, ſon-
dern einem oder dem andern Theil/ oder etlichen zaͤnckiſchen vnd friedhaͤſſigen
Staͤnden von beyden Theilen/ allein zu mehrer Halßſtarꝛigkeit/ vnd zu Erhal-
tung der an Seel/ Leib vnd Gut ſchaͤdlichen Trennung/ vnd Spaltung dienſtlich
ſeyn wuͤrde/ vnd darzu Vrſach geben moͤchten/ daß ſie ſich vmb ſo viel deſto weni-
ger durch Colloquia, National-Verſamblung/ oder auch durch den Weg eines
General Concilij weiſen laſſen wuͤrden.


Alßdann auch wiſſentlich/ daß in vielen Frey- vnd Reichs Staͤtten/ die
berde Religionen, nemblich vnſer alte Catholiſche Religion, vnd der Augſpurgi-
ſchen Confeſſion Verwandten Religion etlich Jahr her im Gang vnd Gebrauch
geweſen/ vnd noch/ ſo bedencken Jhr. Koͤnigl. Mayſt. nutz vnd nothwendig ſeyn/
daß jhrenthalben auch in dieſem gemeinen Fried/ ſolche Verordnung beſchehe/
daß hinfuͤhro/ wie bißher Geiſtlich vnd Weltlichs Stands Perſonen in ſolchen
Frey- vnd Reichs Staͤtten/ neben einander friedlich vnd ruhig bleiben vnd woh-
nen/ vnd kein Theil deß andern Theils Religion, Kirchen Gebraͤuch vnd Ceremo-
nien
abzuthun/ oder zu verdrucken vnderſtehen ſolle; alles bey Pœn deß Land-
friedens. Solches wuͤrde Jh. Koͤnigl. Mayſt. erachtens nicht allein von wegen
Erhaltung alles Buͤrgerlichen/ ruhigen vnnd friedlichen Weſens; rathſamb
vnd thuͤnlich/ ſondern auch nach geſtalt der Buͤrgerſchafft vnd Einwohner der
Frey- vnd Reichs Staͤtt/ billich vnd gleichmaͤſſig ſeyn: in Betrachtung/ daß die
Buͤrgerſchafft in den Frey- vnd Reichs Staͤtten alle zugleich/ vnd ohne Mittel/
den Roͤm. Kaͤyſern vnd Koͤnigen/ vnd dem Heil. Reich/ ſo wohl als andere mehre-
re Staͤnd vnderworffen; vnnd ſo nun andere Reichs Staͤnde die alte Religion
oder Augſpurgiſche Confesſion zu halten frey ſeyn wollen/ ſo mag ſolches den
Buͤrgern der Frey- vnd Reichs Staͤtt auch nicht wohl verſagt werden: vnnd
wuͤrde nicht wenig beſchwerlich ſeyn/ daß der weniger Theil in einiger Frey- oder
Reichsſtatt ſich durch der mehrern Theils Stimmẽ im Rath oder Gemein/ von
ſeiner jetzo habenden alten Religion vnd Kirchen Gebraͤuchen/ zu der Augſpurgi-
ſchen Confesſion, oder herwiederumb von ſolcher Conſesſion vnd jhren Kirchen-
Gebraͤuchen/ zu der alten Religion tringen muͤſte laſſen/ dieweil doch Gleich uͤber
ſeines Gleichen keinen Gewalt hat/ ſonderlich in ſolchen hohen wichtigen Sachen
deß Glaubens vnd der Religion: vnd wo die Buͤrgerſchafften gar/ oder zum
theil der Religion halb/ einiger Obrigkeit folgen/ vnd ſich weiſen ſollen laſſen/ daß
ſie niemand anderm billiger folgen ſollen/ als jhrer rechten ordentlichen Obrigkeit/
der obgedachten Kaͤyſerl. Mayſt. welche hievor auch auß bewegenden Vrſachen/
bey etlichen Staͤnden/ obbemeldte beyde Religionen neben einander halten zu
Ander Theil. Nlaſſen/
[98]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
laſſen/ bewilliget vnd zugelaſſen/ welches auch nachmahls ohne Beſchwerung vnd
Zerꝛuͤttung Frieden vnd Eynigkeit vnder den Buͤrgerſchafften nicht anderſt an-
geſtellt werden mag. Das alles wollen Jhr. Koͤnigl. Mayſt. den Chur Fuͤrſt-
lichen Raͤthen/ erſcheinenden Fuͤrſten vnnd Staͤnden/ vnd der Abweſenden Ge-
ſandten Raͤthe vnd Bottſchafften zu Erinnerung Jhres gnaͤdigen Willen vnd
Gemuͤths/ vnd von wegen fruchtbarer Auffrichtung/ vnd Erhaltung deß gemei-
nen beſtaͤndigen Friedens/ ohnangezeigt nicht laſſen/ vnd ſeynd derſelben mit aller
Freundſchafft vnd Gnaden wohl geneigt/ etc.


Zu verwundern/ daß Koͤnig Ferdinand ſo gar gelind gangen/ vnd eben deſ-
ſen beſchwerte ſich der Bapſt/ dann Carolus war ſo fern lebendig Tod/ vnd in
Teutſchland nicht mehr zu achten/ nach dem Er auß Jnßbruck fluͤchtig/ vnd von
Metz ſiegloß abgezogen. Zu mahl auch Jedermann ſich der Sonnen Auff-
gang erfrewet/ vnd ſolte es nur der tirelierende Lerch ſeyn; aber wenig die Sonn
anbeten/ wann ſie hinder den Berg gehet/ vnd ſich verbergen thut. Carolus
hatte gelernet/ was Teutſchland vor Macht koͤndte auff bringen/ wann es nur ein
Haupt haͤtte; wol wiſſend/ daß der Staͤnde Trennung Jhm den Sieg entgegen
getragen/ darumb er auch die zween gefangene Loͤwen nicht konte ohn ſonderliche
Gefahr ledig laſſen. So hoͤrt Er ſein Bruder/ den Koͤnig Ferdinand wol gehen/
wie leiſe Er/ auff ſammete Pantoffeln getretten. Koͤnig Ferdinand hatte zwar
den Bohemen eines angemacht/ mehr mit Gluͤck/ dann auß Tugend/ vnd be-
ſorglich ſich bey einen angeerbten/ vnd erſt uͤberꝛauſchten Koͤnigreich eines Auff-
ſtands/ ſo wolt gantz Hungarn ſtuͤcksweiß dahin fahren/ vnd die Oeſterꝛeichiſche
Laͤnder nach ſich ziehen/ darumb gedachte Er Freunde zu machen/ die Jhm in
Noͤthen auſſer allem Zweiffel ſolten beyſpringen/ wann nur das einige wegen der
Religion ſie nicht abwendig machte. Vnd eben deßwegen hatte er den Roͤmiſ.
Stuhl zu foͤrchten. Doch wuͤrde ein Geiſtlicher/ der ſo viel Ablaß predigen
laſſen/ auch den guten Vorſatz erwegen/ vnd die ſchaͤrpffe ſincken laſſen/ wann die
Noth einen rauhen Weg zeigt/ vnd durch viel Kruͤmbden zu dem Zweck geleitet.
Vnd galte hie nicht viel/ was ein Bruder dem andern thun ſolte; weil Ferdinand
alles trewlich bißher vernichtet/ auſſerhalb der Colluſion mit den Proteſtirenden/
damit die Kaͤyſerliche Hoheit nicht in dem Hauß Burgund hafften
bliebe/ ſondern dem Ertz-Hertzogthumb Oeſterꝛeich
gewiedmet wuͤrde.



Der
[99]Ander Theil.

Der zehende Diſcurß.


Conſtitution deß Religion-Friedens/ Gravamina wegen deß Reichs-
Hoff Raths. Von deſſen Vrſprung vnd Stifftung: auch von dem
Fuͤrſten Recht.


ALs man nun zu Augſpurg wegen deß Geiſtlichen Vorbehalts ſich
nicht vergleichen koͤnnen/ wie viel auch Erinnerungen/ Erklaͤrungen/ vnd
ſchrifftwechſelens jmmer geſchehen/ vnd beyde Partheyen auff den extremis
beharꝛeten/ ob ſchon Koͤnig Ferdinand allein euſſerſten Fleiß angewendet/
ein Mittel zu treffen/ damit beyderley zu frieden ſeyn koͤnten/ iſt endlich dieſer
Schluß vnd Abſchied erfolgt: Wir Ferdinand/ etc. Dieweil auff allen vor
dreiſſig vnd mehr Jahren gehaltenen Reichs Taͤgen/ vnd etlichen mehr Particular-
Verſamblungen/ von einem gemeinen beharꝛlichen vnd beſtaͤndigen Frieden
zwiſchen deß Heil. Reichs Staͤnden/ der ſtrittigen Religion halben/ auffzurich-
ten/ vielfaͤltig gehandelt/ gerathſchlagt/ vnd etliche mahl Friedſtaͤnde auffgerich-
tet worden/ welche aber zu Erhaltung deß Friedens niemahls genugſamb gewe-
ſen/ ſondern deren vnangeſehen die Staͤnde deß Reichs fuͤr vnd fuͤr in wiedern
Willen vnd Mißvertrawen gegen einander ſtehen blieben/ darauß nicht geringer
Vnrath ſein Vrſprung erlangt. Woher dann in waͤhrender Spaltung der
Religion ein ergaͤntzte Tractation vnd Handlung deß Friedens in beyder der Reli-
gion,
vnd Prophan- oder weltlichen Sachen nicht vorgenommen wird/ vnd in alle
Wege dieſer Artickel dahin gearbeitet vnd vergliechen/ damit beyderſeits Reli-
gionen
hernach zu vermelden/ wiſſen moͤchten/ was einer ſich zu dem andern end-
lich zu verſehen/ daß die Staͤnd vnd Vnderthanen ſich beſtaͤndiger vnd gewiſſer
Sicherheit nicht zu getroͤſten/ ſondern fuͤr vnd fuͤr ein jeder in vntraͤglicher Gefahr
zweiffentlich ſtehen muͤſt. Solche nachdenckliche Vnſicherheit auffzuheben/ der
Staͤnden vnd Vnderthanen Gemuͤther wiederumb in Ruhe vnnd Vertrawen
gegen einander zu ſtellen/ die Teutſche Nation, vnſer geliebtts Vatterland/ fuͤr
endlicher Zertrennung vnd Vndergang zu verhuͤten/ haben Wir Vns mit der
Chur-Fuͤrſten Raͤthen vnd Geordneten/ erſcheinenden Fuͤrſten vnd Staͤnden/ der
Abweſenden Bottſchafften vnd Geſandten/ vnd ſie hinwiederumb ſich mit Vns
vereinigt vnd vergliechen.


Setzen demnach/ ordnen/ wollen vnd gebiethen/ daß hinfuͤhro niemands/
was Wuͤrden/ Stands oder Weſens der ſey/ vmb keinerley Vrſachen willen/ wie
die Namen haben moͤchten/ auch in was geſuchtem Schein das geſchehe/ den an-
dern befehden/ bekriegen/ berauben/ fahen/ uͤberziehen/ belaͤgern/ auch darzu fuͤr
N ijſich
[100]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſich ſelbſt/ oder jemands andern von ſeinet wegen nicht dienen/ noch einig Schloß/
Statt/ Marck/ Befeſtigung/ Doͤrffer/ Hoͤfe/ vnd Weyler/ abſteigen/ oder ohn deß
andern Willen/ mit gewaltiger That frevendlich einnehmen/ oder gefaͤhrlich mit
Brand/ oder in andere Wege beſchaͤdigen/ noch jemands ſolchen Thaͤtern/ Rath/
Huͤlff/ vnd in kein andere weiß Beyſtand oder Vorſchub thun/ auch ſie wiſſentlich
vnd gefaͤhrlich nicht beherbergen/ behauſen/ aͤtzen/ traͤncken/ enthalten oder gedul-
den/ ſondern ein jeder den andern mit rechter Freundſchafft vnd Chriſtlicher Lieb
meynen/ auch kein Stand noch Glied deß Heiligen Reichs dem andern/ ſo an
gebuͤhrenden Orthen Recht leyden mag/ den freyen Zugang der Proviant, Nah-
rung/ Gewerb/ Renth/ Guͤlt vnd Einkommen abſtricken noch auffhalten/ ſondern
in alle wege die Kaͤyſerl. Mayſt. vnd Wir/ alle Staͤnde/ vnd hinwiederumb die
Staͤnde/ die Kaͤyſ. Mayſt. Vns/ auch ein Stand den andern/ bey dieſen nachfol-
genden Religions, auch gemeinen Conſtitutiones deß auffgerichten Landfriedens
alles Jnhalts bleiben laſſen ſollen.


Vnd damit ſolcher Fried/ auch der Religion halben/ wie auß hiebevor be-
meldten vnd angezogenen Vrſachen/ die hohe Notturfft deß Heil. Reichs Teut-
ſcher Nation erfordert/ deſto beſtaͤndiger zwiſchen der Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. Vns/
auch Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnden deß H. Reichs Teutſcher Nation, angeſtellt
vnd erhalten werden moͤchten: So ſollen die Kaͤyſerl. Mayſt. Wir/ auch Chur-
Fuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnde deß Heil. Reichs keinen Stand deß Reichs/ von
wegen der Augſpurgiſchen Confeſſion, vnd derſelbigen Lehr/ Religion vnd Glau-
bens halben/ mit der That/ gewaltiger weiß uͤberziehen/ beſchaͤdigen/ vergewaltigẽ/
oder in andere weg wider ſein Conſcientz, Wiſſen vnd Willen/ von dieſer Ang-
ſpurgiſchen Confesſions Religion, Glauben/ Kirchen Gebraͤuchen/ Ordnungen
vnd Ceremonien, ſo Sie auffgericht/ oder nochmals auffrichten moͤchten/ in
jhren Fuͤrſtenthuͤmben/ Landen vnd Herꝛſchafften/ tringen, oder durch Mandat/
oder in einiger anderer Geſtalt/ beſchweren oder verachten/ ſondern bey ſolcher
Religion, Glauben/ Kirchen Gebraͤuchen/ Ordnungen vnd Ceremonien, auch
jhren Haab/ Guͤtern/ liegend vnd fahrende/ Land/ Leuten/ Herꝛſchafften/ Obrig-
keiten/ Herꝛlichkeiten vnd Gerechtigkeiten/ ruhiglich vnd friedlich bleiben laſſen:
Vnd ſoll die ſtrittige Religion nicht anderſt/ dann durch Chriſtliche/ freundliche/
friedliche Mittel vnd Wege/ zu einhelligem Chriſtlichem Verſtand vnd Verglei-
chung gebracht werden/ alles bey Kaͤyſerlichen vnd Koͤniglichen Wuͤrden/ Fuͤrſt-
lichen Ehren/ wahren Worten/ vnd Pœn deß Landfriedens/ etc.


Dagegen ſollen die Staͤnde/ ſo der Augſpurgiſchen Confeſſion verwandt/
die Roͤm. Kaͤyſ. Mayſt. Vns/ vnd Churfuͤrſten/ Fuͤrſten/ vnd andere deß H. Reichs
Staͤnde der alten Religion anhaͤngig/ Geiſtliche oder Weltliche/ ſampt vnd mit
Jhren Capitteln/ vnd andern geiſtlichs Stands/ auch vngeacht/ ob vnd wohin
Sie Jhre Reſidentzen verꝛuͤckt oder gewendet haͤtten/ (doch daß es mit Beſtel-
lung der Miniſterien gehalten werde/ wie hierinnen davon ein ſonderlicher Artickel
geſetzt)
[101]Ander Theil.
geſetzt) gleicher geſtalt bey Jhrer Religion, Glauben/ Kirchen Gebraͤuchen/ Or-
dnungen vnd Ceremonien, auch Jhren Haab/ Guͤtern/ liegend vnd fahrend/
Landen/ Leuten/ Herꝛſchafften/ Obrigkeiten/ Herꝛligkeiten vnd Gerechtigkeiten/
Reathen/ Zinſen/ Zehenden/ vnbeſchwert/ etc. bleiben/ vnd Sie derſelbigen fried-
lich ruhiglich gebrauchen/ genieſſen/ vnweygerlich folgen laſſen/ vnd getrewlichen
darzu verholffen ſeyn/ auch mit der That/ oder ſonſt in Vngutem gegen denſelbi-
gen nichts vornehmen/ ſondern in alle Wege/ nach laut vnd Außweiſung deß H.
Reichs Rechten/ Ordnungen/ Abſchieden/ vnd auffgerichtem Landfrieden/ jeder
ſich gegen dem andern an gebührenden ordentlichen Rechten begnuͤgen laſſen/
alles bey Fuͤrſtlichen Ehren/ wahren Worten/ vnd Vermeydung der Pœn, in dem
auffgerichten Landsfrieden begriffen. Doch ſollen alle andere/ ſo obgemeldten/
beyden Religionen nicht anhaͤngig/ in dieſem Frieden nicht gemeint/ ſondern
gaͤntzlich außgeſchloſſen ſeyn.


Vnd nachdem bey Vergleichung dieſes Friedens Streit vorgefallen/ wo
der Geiſtlichen einer oder mehr/ von der alten Religion abtretten wuͤrden/ wie es
der von Jhnen biß dahin beſeſſenen/ vnd eingehabten Ertz Biſthumb/ Biſthumb/
Prælaturen vnd Beneficien halben/ gehalten werden ſoll/ welcher ſich aber beyder
Religionen Staͤnde nicht haben vergleichen koͤnnen: Demnach haben Wir
in Krafft hochgedachter Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. Vns gegebenen Vollmacht/ vnd
Heimbſtellung erklaͤrt vnd geſetzt/ thun auch ſolches hiemit wiſſentlich/ alſo/ wo
ein Ertz Biſchoff/ Biſchoff/ Prælat, oder ein anderer Geiſtliches Stands/ von
Vnſer alten Religion abtrettẽ wuͤrde/ dz derſelbig ſein Ertz Biſthumb/ Biſthumb/
Prælatur, vnd andere Beneficia, auch damit alle Frucht vnd Einkommen/ ſo er
davon gehabt/ alſobald/ ohne einige Wiederung vnd Verzug/ jedoch ſeinen Ehren
ohnnachtheilig/ verlaſſen/ auch den Capitteln/ vnd denen es von gemeinen Rech-
ten oder der Kirchen vnd Stifft Gewonheiten/ zugehoͤrt/ ein Perſon der alten
Religion verwandt/ zu wehlen vnd zu ordnen zugelaſſen ſeyn/ welche auch ſampt
der Geiſtlichen Capitteln vnd andern Kirchen/ beyder Kirchen vnd Stifft Fun-
dationen, Election, Præſentation, Confirmation,
alten Herkommen/ Gerechtig-
keiten vnd Guͤtern/ liegend vnd fahrend/ vnverhindert vnd friedlich gelaſſen wer-
den ſollen/ jedoch kuͤnfftiger/ Chriſtlicher/ freundlicher vnd endlicher Verglei-
chung der Religion vnvergreifflich.


Dieweil aber etliche Staͤnde/ vnd derſelbigen Vorfahren/ etliche Stifft/
Kloͤſter vnd andere Geiſtliche Guͤter eingezogen/ vnnd dieſelbigen zu Kirchen/
Schulen/ milden vnd andern Sachen angewendet/ ſo ſollen auch ſolche eingezo-
gene Guͤter/ welche den jenigen/ ſo dem Reich/ vnmittelbar vnderworffen/ vnd
Reichs Staͤnde ſeynd/ nicht zugehoͤren/ vnd deren Poſſeſſion die Geiſtlichen zur
Zeit deß Paſſawiſchen Vertrags oder ſeithero nicht gehabt/ in dieſem Frieden-
Stand mit begriffen/ vnnd bey der Verordnung/ wie es ein jeder Stand mit
obberuͤhrten eingezogenen/ vnnd allbereit verwendeten Guͤtern gemacht/
gelaſſen werden/ vnnd dieſelbige Staͤnde derenthalben weder inn- noch
N iijauſſer-
[102]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
auſſerhalb Rechtens/ zu Erhaltung eines beſtaͤndigen Friedens/ nicht beſprochen/
noch angefochten werden. Derohalben befehlen vnd gebiethen Wir hiemit/ vnd
in Krafft dieſes Abſchieds den Kaͤyſ. Mayſt. Cammer Richtern vnd Beyſitzern/
daß ſie dieſer angezogener vnd verwendeter Guͤter halben/ kein Citation, Mandat,
vnd Proceß erkennen vnd decernieren ſollen.


Damit auch obberuͤhrte beyderſeits Religions-Verwandten/ ſo viel mehr
in beſtaͤndigem Frieden vnd guter Zuverſicht/ mit vnnd bey einander ſitzen vnd
bleiben moͤgen/ ſo viel die Geiſtliche Iuriſdiction (doch den Geiſtlichen/ Churfuͤr-
ſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnden/ Collegien, Cloͤſtern vnd Ordens Leuthen an jhren
Renthen Guͤlten/ Zinß vnd Zehnden/ weltlichen Lehenſchafften/ auch andern
Rechten vnd Gerechtigkeiten/ wie obſteht/ vnvergriffen) wider der Augſpurgiſchen
Confeſſion Religion, Glauben/ Beſtellung/ vnd Miniſterien, Kirchen Gebraͤu-
chen/ Ordnungen vnd Ceremonien, ſo ſie auffgericht/ oder auffrichten moͤchten/
biß zu endlicher Vergleichung der Religion nicht exercirt, gebraucht oder geuͤbt
werden/ ſondern derſelbigen Religion, Glauben/ Kirchen Gebraͤuch/ Ordnungen/
Ceremonien, vnd Beſtellung der Miniſterien, wie hiebevor nachfolgends ein be-
ſonder Artickel geſetzt/ jhren Gang gelaſſen/ vnd kein Hindernuß oder Eintrag
dardurch beſchehen/ vnd alſo hierauff/ wie obgemeldt/ biß zu endlicher Chriſtlicher
Vergleichung der Religion, die Geiſtliche Iuriſdiction ruhen/ eingeſtellt vnd
ſuſpendirt ſeyn vnd bleiben. Aber in andern Sachen vnd Faͤllen der Augſpur-
giſchen Confeſſion, Religion, Glauben/ Kirchen Gebraͤuchen/ Ordnungen vnd
Ceremonien, vnd Beſtellung der Miniſterien nicht anlangend/ ſoll vnd mag die
Geiſtliche Iuriſdiction durch die Ertz Biſchoffe/ Biſchoffe/ vnd andere Prælaten,
die deren Exercitium an einem jeden Orth hergebracht/ vnd ſie in deren Vbung/
Gebrauch vnd Poſieſſion ſeynd/ hinfuͤr wie bißher vnverhindert exercieret, geübet
vnd gebraucht werden.


Als auch den Staͤnden der alten Religion verwand/ alle Jhre zuſtaͤndige
Rent/ Guͤlt/ Zinß vnd Zehenden/ wie oblaut/ folgen ſollen; ſo ſoll doch einem
jeden/ vnder dem die Renth/ Zinß/ Guͤlt/ Zehenden/ oder Guͤter gelegen; an den-
ſelbigen Guͤtern/ ſein weltliche Obrigkeit/ Recht vnd Gerechtigkeit/ ſo er von an-
fang dieſes Streits in der Religion daran gehabt/ vnd im Brauch geweſen/ fuͤr-
behalten/ vnd dadurch denſelbigen nichts benommen ſeyn; vnd ſollen dannoch
von ſolchem obgenandten Guͤtern die notthuͤrfftige Miniſteria der Kirchen/
Pfarꝛen vnd Schulen/ auch die Allmoſen vnd Hoſpitalia die ſie vormahls beſtellt/
vñ zu beſtellen ſchuldig/ von ſolchen obgemeldten Guͤtern/ wie ſolche Miniſteria der
Kirchen vnd Schulen vormahls beſtellt/ auch nochmahls beſtellt vnd verſehen
werden/ vngeacht wz Religion die ſeynd. Vnd ob ſolcher Beſtellung halben Zwie-
tracht vnd Mißverſtand vorfielen/ ſo ſollen ſich die Partheyen etlicher Scheyds-
Perſonen (deren jeder Theil eine oder zwo zu benennen; vnd daß ſich dieſelbigen
nicht vergleichen koͤnten/ einen vnpartheyiſchen Obmann zu erwehlen/ der
nachmals
[103]Ander Theil.
nach mals mit jhnen denn zuſetzen/ die Sach zu entſcheyden) vergleichen/ die nach
ſummariſcher Verhoͤrung beyder Theil/ in ſechs Monaten erkennen/ was vnd wie
viel zu Vnderhaltung obgemeldter Miniſterien vnd Stuͤck/ gegeben werden ſoll;
doch daß die jenigen/ ſo der Vnderhaltung halben der Miniſterien angefochten
werden/ ehe vnd dann dieſer guͤtlicher Außtrag oder Beſcheyd der Endſchieds-
Perſonen/ vnd auff den Fall/ ob mans/ erfolgt/ deß Jhren/ ſo ſie in Poſſeſſion ſind/
nicht entſetzt/ oder auch arꝛeſtiert/ noch auffgehalten werden. Deſto weniger
aber nicht/ ſo ſollen doch mitlerweil die jenigen/ ſo/ wie obgemeldt/ denen der Ren-
then Guͤlte/ Zinß/ Zehenden/ vnd Guͤter/ davon von alters hero die Miniſteria
der/ Kirchen verſehen worden/ vnd die ſolch onus auff Jhnen gehabt/ zu ſtehen/ biß
zu Außtrag der Sachen/ was ſie von alters hero ſolchen Miniſterien gegeben ha-
ben/ auch ferner entrichten.


Es ſoll auch keine Stand den andern/ noch deſſelben Vnderthanen zu ſeiner
Religion tringen/ abepracticiren, oder wieder Jhre Obrigkeit in Pflicht vnd
Schirm nehmen/ noch verthaͤdigen/ in keine Wege/ vnd ſoll hiemit den jenigen/ ſo
hiebevor von alters Schutz vnd Schirm Herꝛn anzunehmen gehabt/ hiedurch
nichts benommen/ vnd dieſelbige nicht gemeinet ſeyn. Wo aber Vnſere/ auch
der Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnden Vnderthanen der alten Religion, oder
Augſpurgiſchen Confesſion anhaͤngig/ von ſolcher Jhrer Religion wegen/ auß
Vnſern/ auch der Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnden deß Heil. Reichs Landen/
Fuͤrſtenthuͤmben/ Staͤtten oder Flecken/ mit Jhren Weib vnd Kindern/ an
andere Orth ziehen/ vnd ſich nieder thun wolten; denen ſoll ſolcher Ab- vnd
Zuzug/ nach Verkauffung Jhrer Haab vnd Guͤter/ gegen zimblichen billigem Ab-
trag der Leibeygenſchafft vnd Nachſtewr/ wie es eines jeden Orts von alters her
uͤblich herbracht vnd gehalten worden iſt/ vnverhindert menniglichs/ zugelaſſen
vnd bewilligt/ auch an Jhren Ehren vnnd Pflichten allerdings vnentgolten
ſeynd. Doch ſoll den Obrigkeiten an Jhren Gerechtigkeiten/ vnd herkommen-
der Leibeygenhalben/ dieſelbigen ledig zu zehlen/ oder nicht/ hiedurch nichts abge-
brochen oder benommen ſeyn.


Vnd nachdem in Vergleichung der Religion vnd Glaubens Sachen durch
ziembliche vnd gebuͤhrliche Wege geſucht werden ſoll/ vnd aber ohne beſtaͤndigen
Frieden zu Chriſtlicher/ freundlicher Vergleichung der Religion nicht wohl zu
kommen; So haben Wir auch der Churfuͤrſten Raͤth/ an ſtatt der Churfuͤrſten/
erſcheinende Fuͤrſten/ Staͤnde/ vnd der Abweſenden Bottſchafften vnd Ge-
ſandten/ Geiſtlich vnd Weltliche/ dieſen Fried Stand/ von geliebtes Friedens
wegen/ das hochſchaͤdlich Mißvertrawen im Reich auffzuheben/ vnd dieſe loͤbliche
Nation vor endlichem vorſtehendem Vndergang zu verhuͤten/ vnd damit man
deſto ehe zu Chriſtlicher freundlicher vnd endlicher Vergleichung der ſpaltigen
Religion kommen moͤge/ bewilliget/ ſolchen Frieden in allen obgeſchriebenen Arti-
ckeln/ biß zu Chriſtlicher/ freundlicher vnd endlicher Vergleichung der Religion,
vnd
[104]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd Glaubens Sachen/ ſtaͤtt/ feſt/ vnd vnverbruͤchlich zu halten/ vnd demſelben
trewlich nachzukommen. Wo dann ſolche Vergleichung durch die Wege deß
General Concilij, National Verſamblung/ Colloquien, oder Reichs Handlun-
gen nicht erfolgen wuͤrde/ ſoll alßdann nichts deſto weniger dieſer Friedſtand in
allen oberzehlten Puncten vnd Artickeln bey Kraͤfften/ biß zu endlicher Verglei-
chung der Religion vnd Glaubens Sachen/ ſtehen vnd bleiben; vnd ſoll alſo hie
mit obberuͤhrter Geſtalt/ vnd ſonſt in alle andere Wege/ ein beſtaͤndiger/ beharꝛ-
licher/ vnbedingter/ fuͤr vnſer ewigwaͤhrender Frieden auffgericht vnd beſchloſſen
ſeyn vnd bleiben.


Vnd in ſolchem Frieden ſollen die freye Ritterſchafft/ welche ohne Mittel
der Kaͤyſerl. Mayſt. vnd Vns vnderworffen/ auch begriffen ſeyn/ alſo vnd derge-
ſtalt/ daß Sie obbemeldter beyder Religion halben/ auch von niemand vergewal-
tigt/ betraͤngt noch beſchwert ſollen werden. Nach dem aber in vielen Frey- vnd
Reichs Staͤtten die beyde Religionen, nemblich vnſer alte Religion, vnd der
Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandten Religion, ein Zeit hero im Gang vnd
Gebrauch geweſen/ ſo ſollen die hinfuͤhro auch alſo bleiben/ vnd in ſolchen Staͤt-
ten gehalten werden/ auch derſelben Frey- vnd Reichs Staͤtt Buͤrger/ vnd andere
Jnwohner geiſtlichs vnd weltlichs Stands/ friedlich vnd ruhig/ bey vnd neben
einander wohnen/ vnd kein Theil deß andern Religion, Kirchen Gebraͤuche oder
Ceremonien abzuthun/ oder jhn davon zu tringen/ vnderſtehen/ ſondern jeder
Theil den andern/ laut dieſes Friedens/ bey ſolcher ſeiner Religion. Glauben/
Kirchen Gebraͤuchen/ Ordnungen/ vnd Ceremonien, auch ſeinen Haab vnd Guͤ-
tern/ vnd allen andern/ wie oben bey der Religion Reichs Staͤnd halben verordnet
vnd geſetzt worden/ ruhiglich vnd friedlich bleiben laſſen.


Vnd ſoll alles/ dzin hievorigen Reichs Abſchieden/ Ordnungẽ/ oder ſonſt begrif-
fen vnd verſehẽ/ ſo dieſem Fried Stand in allem ſeinem Begriff/ Artickeln vñ Pun-
cten zu wieder ſeyn oder verſtanden werden moͤchte/ demſelbigen nichts/ beneh-
men/ derogieren, noch abbrechen; auch dagegen keine declaration, oder etwas
anders/ ſo denſelbigen verhindern/ oder veraͤndern moͤcht/ nicht gegeben/ erlangt/
oder angenommen würde/ dannoch von Vnwuͤrden vnd Vnkraͤfften ſeyn/ vnd
darauff weder in-noch auſſer Rechtens/ nichts gehandelt oder geſprochen
werden.


Solches vnd jedes/ ſo obbeſchrieben/ vnd in einem jeden Artickel nahmhafftig
gemacht/ vnd die Kaͤyſ. Mayſt. vnd Vns anruͤhret/ ſollen vnd wollen Jhre Liebd.
vnd Kaͤyſ. Mayſt. vnd Wir/ bey Jhren Kaͤyſerlichen vnd Vnſern Koͤniglichen
Wuͤrden vnd Worten/ fuͤr Vns vnd Vnſere Nachkommen/ ſtaͤtt/ feſt/ vnver-
bruͤchlich vnd auffrichtig halten vnd vollnziehen/ dem ſtracks vnd vnweygerlich
nachkommen vnd geleben/ vnd daruͤber jetzo oder kuͤnfftiglich/ weder auß Vollkom-
menheit/ oder vnder einigem andern Schein/ wie der Nahmen haben moͤcht/ nicht
vornehmen/ handeln oder außgehen laſſen/ noch jemand anders von Jhrer Liebden
vnd
[105]Ander Theil.
vnd Kaͤyſ. Mayſt. vnd vnſertwegen zu thun geſtatten. Vnd Wir/ die verordnete
der Churfuͤrſten Raͤthe/ an ſtatt Jhrer Churfuͤrſtlichen Gnaden/ auch fuͤr Jhre
Nachkommen vnd Erben; Wir die erſcheinende Fuͤrſten/ Prælaten, Graffen
vnd Herꝛn/ vnd deß H. Reichs Frey- vnd Reichs Staͤtten/ Geſandte/ Bottſchaff-
ten vnd Gewalthaber/ an ſtatt vnd von wegen vnſerer Herꝛſchafften vnd Obern/
auch fuͤr Jhre Nachkommen vnd Erben/ willigen vnd verſprechen bey Fuͤrſtlichen
Ehren vnd Wuͤrden/ in rechten guten Trewen/ vnd im Wort der Warheit/ auch
bey Trewen vnd Glauben/ ſo viel ein jeden betrifft/ oder betreffen mag/ wie allent-
halben obſtehet/ ſtaͤtt feſt/ auffrichtig vnd vnverbruͤchlich zu halten/ vnd dem ge-
trewlich/ vnd vnweygerlich nachzukommen vnd zu leben/ etc. Ferner verpflichten
vnd verbinden Wir Vns zu allen Theilen/ daß die Kaͤyſerl. Mayſt. Wir vnd kein
Stand den andern/ mit was geſuchtem Schein das geſchehen moͤchte/ mit der
That/ oder ſonſt einiger Geſtalt/ heimblich oder offentlich/ durch Vns ſelbſt oder
andere/ von vnſert wegen beſchweren/ uͤber ziehen/ vergewaltigen/ bekriegen/ drin-
gen/ beleydigen oder betruͤben ſollen oder wollen; vnd ſo auch einig Theil oder
Stand wider ſolchen auffgerichten Frieden/ den andern/ als doch nicht ſeyn ſoll/
jetzt oder kuͤnfftig/ mit thaͤtlicher Handlung/ die geſchehe heimblich oder offentlich/
vergewaͤltigen/ oder betraͤngen wuͤrde/ daß die Kaͤyſerl. Mayſt. Wir/ vnd Sie/
auch Vnſere vnd Jhre Nachkommen vnd Erben alßdann nicht allein den Verge-
waͤltigern/ oder ſo thaͤtliche Handlung vorgenommen oder vornehme/ keinen
Rath/ Huͤlff oder Beyſtand leyſten/ ſondern auch dem andern Theil oder Stand/
ſo wieder dieſen Frieden vergewaltigt/ uͤberzogen/ oder bekrieget wuͤrde/ wieder
den Vergewaͤltiger/ oder der ſich thaͤtlicher Handlung vndernimbt/ Huͤlff vñ Bey-
ſtand leyſten ſollen vnd wollen; alles getrewlich/ vnd ohngefaͤhrlich/ etc. Wir
befehlen vnd gebiethen auch hiemit/ vnnd in Krafft dieſes Vnſers Reichs Ab-
ſchieds/ dem Kaͤyſerlichen Cammerꝛichter vnd Beyſitzern/ daß ſie ſich dieſem
Fried Stand gemaͤß halten vnd erzeygen/ auch den anruffenden Partheyen dar-
auff/ vngeacht/ welcher obgemeldten Religion die ſeyen/ gebührliche vnd not-
thuͤrfftige Huͤlff deß Rechtens mittheilen/ vnd wieder ſolches alles kein Citation,
Mandat
vnd Proceß erkennen vnd decernieren ſolle.


Als nun dem gemeinen Weſen nicht beſſer koͤnnen geholffen werden/ vnd
Koͤnig Ferdinand ſich euſſerſtens Thuns bemuͤhet/ alle Staͤnde zur genuͤge in
Wohlſtand vnd Sicherheit zu ſetzen/ dem nach dem Gewiſſen/ vnd der Vbung deß
Glaubens verſichert/ war noch uͤbrig/ daß man auch wegen etlicher Beſchwerlig-
keiten/ ſo die Proteſtirenden wieder den Reichs Hoff Rath zu haben vermeynten/
Handlung pflegte/ zumahl anfangs/ bey Stillſtand der Waffen/ vnd erſten Hand-
lung ſolches biß auff den nechſten Reichs Tag außgeſetzt/ vnd hoͤchlich verſprochen
worden. Vnd war das General-Gravamen uͤber Jhrer Mayſt. Hoff Rath/ ſo
deß H. Reichs/ vnnd der Staͤnd gemeine Sachen zu berathſchlagen/ vnd zu erle-
digen hatten.


Ander Theil. OWoher
[106]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Woher aber der Hoff Rath komme/ iſt zu wiſſen/ daß nicht allein die Hiſtorien/
ſondern auch die Reichs-Acta, Archiven vnd Abſchied/ wie auch die vhralte be-
ſtaͤndige Obſervantz glaubhafft/ vnd nach aller Notthurfft auß bezeugen/ daß
die Teutſche Roͤmiſche Kaͤyſer mit deß Heil. Reichs Staͤnden vnd Glieder/ vnd
dieſe hingegen mit den Roͤmiſchen Kaͤyſern reciprocè vnd obligatoriè von alters-
hero/ einer gewiſſen Form/ Maaß vnd Ordnung/ wie diß Regiment vnd Iuſtitia
deß Reichs vnder den Staͤnden zu fuͤhren ſeye/ vergliechen; darbey auch verab-
ſchiedet worden/ daß darvon/ ohne gemeines Zuthun/ Belieben vnd Willen/ ſo
wohl der Kaͤyſerl. Mayſt. als der Staͤnd/ nicht gewiechen werden ſolle. Jnſon-
derheit aber haben Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnd von vhralten Zeiten die Freyheit
herbracht/ daß Sie entweder vor Jhre Außtraͤgen/ oder nach Beſchaffenheit der
Sachen/ vor einem Kaͤyſer zu Recht gefordert worden: doch der Geſtalt/ daß die
Roͤmiſche Kaͤyſer bißweilen auff den Reichs Verſamblungen/ welche Sie ſolen-
nes Curias
genant/ bißweilen aber an Jhrem Kaͤyſerlichen Cammer-Gericht/
oder (wie es im Reichs-Abſchied Anno 1467. genant wird) am Kaͤyſerlichen
Hoff Gericht/ entweder ſelbſten in Perſon/ oder doch an deren ſtatt ein vorneh-
mer Chur- oder Fuͤrſt/ als Richter vnd Directorpręſidirt: Deme auch noch an-
dere anſehnliche Fuͤrſten vnd Staͤnd/ als Beyſitzer/ vnd Pares Curiæ beygewohnt;
vnd ſolche Iudicia zu Zeiten zu Lintz/ oder Wien/ je bißweilen auch zur Newſtatt/
Mecheln/ Regenſpurg/ Nuͤrnberg/ Speyer/ Vlm/ vnd andern Orthen im Reich/
wie es die Gelegenheit am beſten erleyden moͤgen/ gehalten worden. Dann ein
ſolche Gerichts-Stell allbereit vnder Henrico IV. im ſchwang geweſen/ genandt
das Fuͤrſten-Recht. Darumb die Sachſen mit dem Kaͤyſer ſolcher Geſtalt
geſchloſſen vnd den Frieden vor genehm gehalten/ wann er jnnerhalb eines Jahrs
Hertzog Otten/ der Baͤyern wiederbegehrte/ nach dem Fuͤrſten Recht/ ein genuͤgen
thaͤte/ wie die Herueldiſche Teutſche Chronick bezeugt. Vnd als Sie die
Sachſen hernach vnden gelegen/ erbiethen ſie ſich/ dem Kaͤyſer nach aller deß
Reichs Fuͤrſten Recht/ zu genuͤgen/ alles deſſen/ das er ſich beklagte/ abſtattung zu
layſten. Da Jhnen der Kaͤyſer geantwortet: Er wolte vnd ſolte über einen ſo
wichtigen Handel nicht ſprechen/ biß die Fuͤrſten deß Reichs beyſammen weren:
Vnd weil er die Fuͤrſten mit Jhren Kriegs-Leuten noch Gerſtingur beſcheyden/
ſolten ſie wann je gewiſſe Rew bey Jhnen/ daſelbſt erſcheinen/ vnd was die Fuͤr-
ſten vor oder wieder Sie ſprechen wuͤrden/ annehmen.


Eben alſo hat Friederich mit dem rothen Barth/ die Sachſen vnd Oeſter-
reicher wegen deß Baͤyerlands entſcheyden/ da Er auß Rath der Fuͤrſten/ dem
Sachſen das Baͤyerland/ vnd dem Oeſterꝛeicher den Tittel eines Hertzogen
gegeben/ wie Nauclerus ſagt. Vnd beſchreibts Aventinus weitlaͤufftig; als bey
ſelbigen Tractaten das Laͤndle ob der Enß von Baͤyern abgeriſſen worden. Vnd
als
[107]Ander Theil.
als Henrich der Loͤw den Marckt zu Bergen/ nach Muͤnchen verlegt/ haben die
Fürſten deß Hoffraths/ vff begehren/ druͤbergeſprochen/ es ſey ein Frewel vnd Ge-
watt/ den der Kaͤyſer nicht ſolte dulden. Alſo wurd Kaͤyſer Rudolff mit Koͤnig
Ottakern vertragen/ daß gemeldter Koͤnig vorgenehm halten ſolte/ was der Kaͤy-
ſer vnd der Fuͤrſten-Rath wegen Oeſterꝛeich/ Steyr vnnd Kaͤrndten ſprechen
wuͤrden: Wie dann auch auß dem Fuͤrſten Rath der beyden Hertzogen auß
Baͤyern alles hernach iſt geſchlichtet worden. Daß zwar auff dem angeſtellten
Reichs Tag zu Augſpurg die Hertzogen auß Baͤyrn/ geſampt erſchienen/ vnd
begehret/ Jhnen die Oeſterꝛeichiſche Lande zu Lehen zu verleyhen/ etc. Es ſeynd
aber Jhnen ſolches der Vrſachen willen abgeſchlagen/ daß auß Oeſterꝛeich eine
Bottſchafft/ gleich damahln auch/ auff dem Reichs-Tag erſchienen/ mit gehorſa-
men Anruffen vnd Bitt/ Jhnen Albertum zu Jhrem ordentlichen Herꝛn zu ge-
ben/ welche gute Affection, Chur- vnd Fuͤrſten zu gemuͤth gefaſſet/ vnd Alberto
vor Baͤyern die Lande verliehen/ wie dann damahlen durch die Reichs Fuͤrſten
verabſchiedet worden/ daß ob ſchon Oeſterꝛeich/ Steyer/ Kaͤrndten/ der Hertzogen
auß Baͤyern Vor Eltern abgenommen worden/ ſolche Lande Alberto deß
Kaͤyſers Rudolffs Sohn/ vnnd Mannharden dem Graffen zu Tirol/ zuge-
hoͤren/ vnd zu verleyhen ſeyen. Alſo ſagt Goldaſt/ hab Kaͤyſer Adolff
wegen der Juſulen im Rhein/ auß gemeinen Rath der Fuͤrſten ein Vrtheil
geben.


Alſo hielt Carolus IV. Gericht zu Speyer/ vnd hatte an ſeiner Seythen die
Chur Fuͤrſten/ Maͤyntz/ Coͤllen/ vnd Pfaltz. Alſo iſt der Kaͤyſer mit allen Chur-
Fuͤrſten/ mit gemeinem rath einmuͤtig zu rath worden/ als Pfaltz vnd Baͤyern
ſtrittig waren/ vnd uͤberein kommen/ daß Pfaltzgraff ruprecht der Elteſte/ vor
Pfaltzgraff ruprecht dem Jüngern/ zu allen Chur Fuͤrſtlichen Berathſchlagun-
gen/ als ein Churfuͤrſt zuzulaſſen ſeye. Eben alſo iſt Kaͤyſer Sigmund zu
Coſtnitz zu Gericht geſeſſen/ vnd bey Jhm etwa viel ſeiner/ vnd deß reichs/ geiſt-
licher vnd weltlicher Fuͤrſten/ nicht nur wegen obgemeldter ſtrittigkeit/ ſondern
auch wegen deß newen Zolls vnd Schantze am rhein/ daruͤber der Ertz Biſchoff
zu Coͤlln wieder den Hertzogen zu Beyern geklaget. Vnd alſo ſchreibt Kaͤyſer
Sigmund an den Churfuͤrſten zu Maͤyntz/ bey Lundorpen/ wegen Nieder-
Baͤyern: Demnach Wir trefflich beladen/ vnd der Entſcheydung nicht wohl
moͤgen außwarten/ vnd nemblich auch darumb/ daß Vns nicht gebuͤhret/ nach
dem Wir auch vermeinen recht zu denſelben Lande zu haben/ vnnd in Vnſerer
eygenen Sache nicht wohl richter geſeyn moͤgen/ vnnd die Sache deß Heili-
gen reichs treffliche Lehen anruͤhret/ haben Wir Fuͤrſten/ Graffen
vnnd Raͤthe darumb gehabt/ vnnd meinen/ daß billich ſey/ daß die Sache
von deß Heiligen Reichs Maunen außgetragen werde/ darumb begehren
Wir von deiner Liebde/ vnnd gebiethen dir/ etc. daß du andere deine Mit-
Chur Fuͤrſten/ zu einem Tag vnnd Statt/ die deiner Liebde beduͤncken/
O ijwird/
[108]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
wird beſenden/ etc. vnd alle/ die Recht zum Niederland meynen zu haben/ denſel-
ben Tag vnd Statt zu kuͤnden/ vnd darauff heiſchen wolleſt/ daß Jedermann
kaͤme/ oder ſeine maͤchtige Bottſchafft fende mit ſeinem Rechten/ das er vor dir/
vnd andern Churfuͤrſten/ vnd Fuͤrſten/ die deß Reichs Mann ſind/ meyne zu ge-
nieſſen/ vñ dieſen Schlag hielt er auch uͤber der Chur-Pfaltz ſeines Vattern gege-
benen Außſchlag zu behauptẽ vnd zu beſtaͤttigen/ als ſo wol die Geiſt-dann Wel-
tliche Chur Fuͤrſten deß H. Roͤm. Reichs Rath vnd Beyfall gegeben: nicht we-
niger/ als Marggraff Friederich auß Meiſſen/ vnd Erich Hertzog zu Lawenburg/
uͤber der Chur in Sachſen ſich zweyten. Ja Kaͤyſer Friederich ſchreibt an Her-
tzog Ludwigen in Baͤyern/ der es mit ſeinem eygenen Sohn zu thun hatte: Wir
wollen die Sache mit ſampt Vnſern/ vnd deß Reichs Chur-Fuͤrſten/ vnd andern
Fuͤrſten vor Vns nehmen/ vnd euch zu beyderſeyts mit der Freundſchafft/ oder
mit dem Rechten entſcheyden. Das letzte Exempel find ſich bey Kaͤyſer Maxi-
milian,
der ſelbſt vom Krieg abgelaſſen/ vnd andern Fuͤrſten dergleichen zuthun
anbefohlen/ als Anno 1504. der Pfaltzgraff vnd die Baͤyer Fuͤrſten uͤber Hertzog
Georgen Verlaſſenſchafft zu Feld lagen/ biß auff dem allernechſten Reichs Tag
von demſelben gantzen Streit erkandt vnd beſchloſſen wurde/ ſagt Gerhard von
Roo.


Es wurd auch ſolch Gericht etwann verſchoben/ wie Lundorp bey dem Jahr
1448. den Kaͤyſer einfuͤhrt: Jſt geſchoben vnd erſtreckt/ gebrechen halb Vnſer/ vnd
deß Reichs Fuͤrſten/ deren Wir zu dieſen Zeiten/ bequemlich bey Vns nicht ge-
haben moͤgen. Vnd konte von niemand anders/ als von Fuͤrſten beſetzt werden:
Dañ als der wiederſpenſtige Hertzog Henrich ein Argwohn geſchoͤpfft/ man wolte
Jhn vor die Vnderꝛichter ziehen/ weil er eben citirt war/ auff den Gerichts Tag
deß Koͤniglichen Cammergerichts zu erſcheinen/ ſchrieb Jhm der Kaͤyſer: Jſt
Vnſer Meynung nicht geweſen/ vnd noch Vnſer Meynung nicht/ daß ſolch
Recht in Vnſerm Cammer Gericht/ das Wir mit niedern Perſohnen als von
Fuͤrſten/ vmb Sachen/ die Vnſer/ vnd deß Reichs Fuͤrſten Ehr/ Leib oder Lehen
nicht berühren/ beſetzen; zwiſchen euch ſoll oder ſolte außgetragen werden/ ſon-
dern allein vor Vnſer Mayſt. vnnd Vnſeren vnd deß Reichs Fuͤrſten/ die Wir zu
Vns ſetzen werden. Jtem/ es wiſſe maͤnniglich/ daß Graffen/ Herꝛn/ Knecht
vnd Staͤtte/ die mit den Chur Fuͤrſten vnd Fuͤrſten/ in ſeinem Hertzog Ludwigs
Recht vermengt ſeyn/ vmb/ was ſein Ehr vnd Regalia beruͤhrt/ nicht zu ſprechen
haben. Vnd wurd der Spruch auff dieſe weiß abgefaßt/ wie bey Lundorpio in
dem Jahr 1417. zu Coſtnitz zu ſehen. Als Wir auff den Mittwochen zu Gericht
ſaſſen/ vnd bey Vns aber/ Vnſer vnd deß Reichs Fuͤrſten/ vnd Wir/ die/ vmb Vr-
theil vnd Recht hierin zu ſprechen/ mahneten/ da ſprach auß/ von Jhrer aller wegen/
der Ehrwuͤrdig/ Vlrich/ Biſchoff zu Vehrden/ ꝛc. zum Rechten alſo: Sinte-
mahl/ etc. die Sach zu Außſpruͤchen kommen iſt/ beduͤncket meine Herꝛn/ als
mich/ vnd ſprechen zum Rechten. Jtem/ ſprechen Wir alle/ die hernach geſchrieben
ſind
[109]Ander Theil.
ſind zum Rechten; Vnnd dann diß vorgeſchrieben Vrtheil haben geſprochen/
der Ehrwuͤrdige Iohannes Biſchoff zu Riga, etc. So haben Sie auch vor Vns
im Gerichte offentlich bekandt/ daß der Ehrwuͤrdige Iohannes, Biſchoff zu Chure/
in dem vorgeſchriebenen Vrtheil vnd rechte/ eins mit Jhnen ſey/ vnd der auch
alſo geſprochen/ vnd Jhn die außzuſprechen/ ſeine Vollmacht gegeben hat. Vnd
dieſelbe Vrtheil vnd recht ſind geſprochen/ vnd Wir vorgenandter Koͤnig Sig-
mund haben das vorgeſchrieben alles/ zu Vrkund dieſer Brieff/ verſiegelt/ mit
Vnſerer Koͤniglichen Majeſtaͤt Jnſiegel. Vnd dieſes war die vhralte Manier
in dem roͤmiſchen Teutſchen reich von wichtigen Haͤndeln zu vrtheilen.



Der eylffte Diſcurß.


Wie das Cammer-Gericht anfangs angeordnet worden: Wie die
Fuͤrſten von Jhrem Recht etwas fallen laſſen: Vnd dennoch ſich dem
Cammer-Gericht nicht vnderwuͤrffig gemacht. Was der Religions-Fried
den Proteſtirenden gegeben. Vom Geiſtlichen Vorbehalt; von den Paniers-
Brieffen.


NAchdem ſich aber befunden/ daß man ſolcher Geſtalt kein gewiſſen
beſtaͤndigen Orth zur Iuſtitien haben/ auch nicht bald vnd ſchlaͤunig zum
Außtrag rechtens gelangen koͤnnen/ den Staͤnden auch ſehr beſchwerlich
gefallen/ daß ſie Jhres rechtens halben dieſem Kaͤyſerlichen Gericht an ſo viel
vnderſchiedliche vnd weit entlegene Orth im reich/ ja auch je biß weilen gar in die
Oeſterꝛeichiſche Erblanden jedesmahls nach ziehen ſollen; haben ſie ſich deſſen
endlichen auff dem Reichs Tag zu Nuͤrnberg im Jahr 1467. deßgleichen zu
Franckfurt/ im Jahr 1486. beſchweret/ vnd damit ſo weit kommen/ daß die Staͤnd
damahlen auff ein ſonderbare newe Verfaſſung eines Reichs-Gerichts
bedacht geweſen. Als es aber damahlen noch nicht allerdings zur richtigkeit ge-
bracht werden koͤnnen/ iſt hernacher auff dem Koͤniglichen Tag zu bemeldtem
Franckfurt im Jahr 1489. bey Koͤnig Maximilian deßwegen abermahls Anmah-
nung beſchehen/ vnd dahin verabſchiedet worden/ damit niemand auß mangel
rechtens/ oder Friedens im reich/ ſich der Huͤlff entziehen moͤge/ ſo ſoll die Koͤnig-
liche Majeſtaͤt vnverzogentlich bey der Kaͤyſerl. Mayſt. getrewen vnnd muͤglichen
Fleiß ankehren/ daß ſein Kaͤyſerliche Gnad auff die Ordnung vnd Artickel/ auff
vorgehalten Taͤgen zu Franckfurt vnd Nuͤrnberg/ auff das Kaͤyſerl. Cammer-
Gericht begriffen/ vnd feiner Kaͤyſerl. Gnaden übergeben/ das Cammer Gericht
mit Cammer-richter vnd Beyſitzern/ auch der Mahlſtatt vnd anderem/ laut der-
ſelben Ordnung/ zwiſchen hier vnd Weyhenachten nechſt/ auffrichten/ vnd zum
O iijbeſten
[110]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
beſten ordnen vnd beſtellen wolten/ etc. Nachdem dann die Erfahrung zu erken-
nen geben/ daß vorangeregt ſtaͤtige aͤnderung deß Orts/ in welchem das Cam-
mer oder Hoff Gericht nach vnd nach gehalten worden/ der Proceß je mehr vnd
mehr erlaͤngert/ vnnd keine eygentliche gewiſſe Stelle ſeyn koͤnnen; Jhre
Mayſt. auch mit dem vielfaͤltigen in-vndauſſer Reichs abgelegenen gefaͤhrlichen
Kriegs- vnd andern Geſchaͤfften/ welche zu damahliger vnruhiger Zeit ſich haͤuf-
fig eraͤugt haben/ dermaſſen beladen geweſen/ daß Sie ſolcher Adminiſtration
Iuſtitiæ
nicht mehr in Perſohn abwarten koͤnnen; hat ſich Kaͤyſer Maximilian
endlichen auff der Staͤnd ferner vnnachlaͤſſiges urgiren vnd begehren/ bey ſeinem
erſten Reichs-Tag zu Wormbs/ im Jahr 1495. wie auch hernacher zu Aug-
ſpurg/ im Jahr 1500. deßgleichen in folgenden Reichs-Verſamblungen mit
Chur Fuͤrſten vnd Staͤnden/ dero Cammer-Gerichts halben/ alſo vergliechen/
daß ſolches ſtaͤtig im Reich/ vnd in einem gewiſſen vnd beſtaͤndigen Orth durch
Jhr. Mayſt. vnd die Staͤnde deß Reichs ſamentlich angeſtellt vnd gehalten/ da
von auch nicht transferirt werden ſolle/ es geſchehe dann mit Rath/ Wiſſen vnd
Belieben der Staͤnde.


Sintemal aber vor allen Dingen auch die Chur-Fuͤrſten/ Fuͤrſten vnd
Staͤnd deß Reichs von alters hero/ in Krafft jhrer habenden Regalien, nicht allein
jhre ordentliche Gericht in jhren Fürſtenthuͤmben/ Land vnd Staͤtten/ vor wel-
chen Jhre Vnderthanen/ vnd zugehoͤrige zu recht ſtehen ſollen/ gehabt vnd noch
haben/ ſondern auch noch mehrers vnd ſo weit eximiert geweſen/ daß auch in
Jhrem Belieben geſtanden iſt/ vnder ſich ſelbſten ſonderliche gewillkuͤhrte Recht-
liche Außtraͤg/ deren auff den heutigen Tag noch viel zu finden ſind/ zu machen/
vmb ſich deren/ oder aber in Mangel derſelben/ Jhrer vhralten befreyten Fuͤrſtli-
chen Außtraͤgen zu gebrauchen; vnd derwegen Zweiffelhafft geweſen/ ob es
nachmahls bey ſolchem Fürſtlichen Herkommen zu laſſen/ oder aber die Sachen
zu dieſem newen Cammer-Gericht/ als welches nicht allein in der Kaͤyſerlichen
Mayſt. ſondern auch deß Reichs/ vnd aller Staͤnd Nahmen ſelbſten ange-
ſtellt worden/ zu ziehen ſeyn ſollen. So iſt damahlen in bemeldtem erſten
Tag zu Wormbs Anno 1495. zwiſchen Kaͤyſer Maximiliano dem erſten dieſes
Nahmens/ vnd den Staͤnden dahin verglichen vnd verabſchiedet/ auch hernacher
im Jahr 1521. vnd 1555. abermahls beſtaͤttigt/ inſonderheit aber der Cammer-
Gerichts Ordnung einverleibt worden/ daß eines jeden Stands angehoͤrige
Vnderthanen/ in Jhren ordentlichen Gerichten; deßgleichen die Chur Fuͤrſten/
Fuͤrſten vnd Fuͤrſtmaͤſſigen/ bey Jhrer gewillkuͤhrten/ oder aber/ auff den Fall
einer oder andere ſolche nicht haͤtte/ bey Jhren vhralten ohne das Priviligierten
Fuͤrſtlichen Außtraͤgen/ vnd zwar dergeſtalt gelaſſen werden ſolten/ daß nemblich
Churfuͤrſtẽ/ Fuͤrſten/ vnd Fuͤrſtmaͤſſige/ einander nit vor einem Roͤm. Kaͤyſer/ oder
deſſen Hoff-Raͤthen/ noch auch vor einem andern geringern Stand/ ſondern ob
præcellentiam \& dignitatem perſonæ, allein vor Jhres gleichen/ nemblich einem
regie-
[111]Ander Theil.
regierenden Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Fuͤrſtmaͤſſigen/ welchen der Klaͤger vnder
den vier vorgeſchlagenen halb Geiſt- vnd halb Weltlichen erwehlen wird/ bekla-
gen ſollen. Jedoch aber/ vnd damit ein Kaͤyſer ſeiner Præeminentz vnd Supe-
rioritet
ha ben nicht davon außgeſchloſſen/ noch pręterirt werde/ haben Jhre
Mayſt. dieſen erwehlten Churfuͤrſten/ Fuͤrſten/ oder Fuͤrſtmaͤſſigen/ an Jhre
Kaͤyſerliche Stell delegirt, vnd demſelben gewalt vnd vollkommene Commiſſion,
als einem Koͤniglichen oder Kaͤyſerlichẽ Commiſſario, Krafft deſſelben Reichs-
Abſchieds geben/ vnd nach Jnhalt derſelben Ordnung zu Procedieren befohlen;
auch dabey noch ferner verabſchiedet/ da ein Churfuͤrſt/ Fuͤrſt/ oder Fuͤrſtmaͤſſiger
nicht von ſeines gleichen/ ſondern von einem geringern/ nemblich einem Prælaten,
Graffen/ Herꝛn/ oder andern rechtlich vorgenommen wuͤrde/ daß ſolches niederſt-
wo/ als vor Jhrer der Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Fuͤrſtmaͤſſigen ſelbſt eygenen
Raͤthen geſchehen ſolle.


Bey welchen Außtraͤgen/ als einer ſonderbaren vhralten Exemtion, die
Chur- vnd Fuͤrſten jederzeit ſtarck vnd ſteiff gehalten/ alſo daß im Jahr 1495. vnd
1500. als erſtlich von den Staͤnden das Cammer Gericht bewilliget vnd erwogen
worden/ ſie ſolche Jhre Freyheit fleiſſig in acht genommen/ vnd darumb die Cam-
mer Gerichts Inſtantz nicht in totum, ſondern mit gewiſſer Maaß/ vnd darzu nicht
beſtaͤndig/ ſondern nur auff ein Zeit von Jahren eingangen/ alſo daß Sie in Jh-
ren Erinnerungs-Schreiben an Kaͤyſer Maximilian Anno 1503. ſolche Jhre
Fuͤrſtliche Freyheiten nachmahls hochangezogen/ vnd daß Sie ſich derſelben an-
derſt nicht/ als nur guter Meynung/ vnd allein nach laut der newen Ord-
nung/ vnnd weiter nichts begeben haben. Nachdem aber auff dem hernach
erfolgten Reichs Tag zu Wormbß im Jahr 1521. ſich begeben/ daß die Graffen/
Herꝛn/ Ritterſchafft vnd Staͤtte/ ſich dieſes Fuͤrſtlichen Außtrags/ als dadurch
Sie nicht foͤrderlich recht erlangen koͤnten/ etwas hoch beſchweret/ vnd vmb ein
foͤrderliches recht gebeten/ hingegen aber Chur- vnd Fuͤrſten ſich auß vorauffge-
richter Ordnung außtraͤglichen rechtens/ vnnd Jhrer Chur- vnd Fuͤrſtlichen
Freyheit zu begeben/ nicht vnbillich beſchwert; Als haben Sie endlich auß der
Vrſachen/ damit Sie nicht darvor angeſehen werden/ ob truͤgen ſie deß rechtens
ſchewe/ oder andere auffzuhalten begehrten/ ſich obangeregten jhres befreyten
Fuͤrſtlichen rechtens noch ein mehrers vnd ſo viel begeben/ daß Sie noch acht
vnderſchiedliche außtraͤgliche Wege/ vor welchen Sie von Graffen/ Herꝛn vnd
ritterſchafft beklagt werden ſollen/ eingewilliget vnd zugelaſſen: Jn maſſen
ſolches vnnd obiges alles nicht allein in nachfolgenden vielen Reichs-Abſchieden
vnd verbeſſerten Cammer Gerichts Ordnungen mit mehrerm Confirmiert vnnd
Beſtaͤttigt/ ſondern auch noch dar zu weiter diſponiert worden/ wie/ vnd vor wel-
chem richter hingegen Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Fuͤrſtmaͤſſige/ die Prælaten,
Graffen/ Herꝛn/ vnd den Adel/ deßgleichen wie vnd wo die Prælaten, Graffen/
Herꝛen/ vnd ritterſchafft/ dem reich ohne Mittel vnderworffen/ einander
ſelbſten
[112]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſelbſten zu recht mahnen vnd vornehmen ſollen. Vnnd damit man noch mehr
ſehen moͤge/ wie die Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Fuͤrſtmaͤſſigen ſich an Jhre alte
herbrachte Außtraͤg ſo beſtaͤndig gehalten/ vnd davon ohne Jhren guten Willen
vnd ſpecial Bewilligung niemals getrieben werden ſollen oder koͤnnen/ ſo weiſen
die reichs-Acta de Anno 1548. nach aller Notthurfft auß/ vnd gibt es auch der
Reichs-Abſchied/ ſampt der Cammer Gerichts Ordnung zu erkennen/ daß
Kaͤyſer Carl in Sachen ſchlechte/ vnd nicht Land-Friedbruͤchige Spolia betref-
fend/ mit den hoͤhern Staͤnden ſonderbare Vnderhandlung pflegen muͤſſen/ biß
Sie endlich Jhrer Majeſtaͤt zu ſonderbahren Ehren vnnd Gefallen ſich der Auß-
traͤg wie die in der Reichs- vnd Cammer-Gerichts-Ordnung jhrenthalben ver-
ſehen ſeynd/ allein in dieſen Sachen/ gemeine vnd ſchlechte Entſetzung belangend/
etlicher maſſen/ vnd auß billigem mitleyden der Entſetzten/ etwas eingezogen ha-
ben. Auß welchem zu ſehen/ daß den Churfuͤrſten/ Fuͤrſten/ Fuͤrſtmaͤſſigen/
Prælaten, Graffen/ Herꝛen/ vnd Staͤtten/ vnd alſo allen Staͤnden deß reichs/ wie
auch der ritterſchafft/ ſo dem reich ohne Mittel vnderworffen/ Jhre gewiſſe vnd
beſtaͤndige Richter primæ inſtantiæ geordnet worden/ vor welchen Sie ordinariè
vnd vor allen Dingen vnd ſonſten wieder Jhren Willen anderswo/ weder von
dem Kaͤyſer/ noch den Cammer-Gericht/ rechtlich beſprochen/ oder beklagt werden
koͤnnen oder ſollen.


Damit aber bey dieſem auffs new verfaßten Kaͤyſerlichen Cammer-Ge-
richt maͤnniglich wiſſen moͤge/ wer vnd was fuͤr Sachen nach verallegirten Auß-
traͤge/ daſelbſt hin gehoͤrig ſeyn/ vnd wie weit die Staͤnde das Cammer-Gericht
agnoſcirt haben/ als ſeynd die Faͤll alle/ in welchen ſich die Staͤnde Jhrer Auß-
trags Freyheiten gutwillig begeben/ vnd conſequenter ans Cammer-Gericht
allein gewieſen worden/ vmb mehrer Gewißheit willen gleichfalls im andern Theil
der Verordnung mit ſonderbarer ſorgfaͤltigkeit ſpecificiert, nemblich 1. Cauſæ
fractæ pacis,
wann der Land Fried gebrochen. 2. Cauſæ fiſcales, was zum Kaͤy-
ſerlichen Fiſco vnd verwirckten Einkommen gehoͤrig. 3. Super conſtitutione Reli-
gionis,
wann die Religion, vnd das Kirchen-Weſen zu beſtellen. 4. Litigioſæ
poſſeſſionis,
wann uͤber Land vnd Leuten ein Streit entſtuͤnde/ wer ſie beſetzen
ſoll. 5. Pignorationum, was Pfandſchilling betrifft. 6. Mandatorum ſine
Clauſula,
wann ein Befehl ohne Vorbehalt abgeht. 7. Relaxationis ad effe-
ctum agendi,
das einer auff freyen Fuß geſtellt wuͤrde/ ſeine Sachen zu verfol-
gen. 8. Legis diffamari, was Scheltwort betrifft/ ſo Ehrenrührig. 9. Wann
die Iuſtitz verwaigert/ oder auff gezogen wird. 10. Wann man die Sach hoͤher
ſucht/ Appellationum, vnd endlich überhaupt/ daß alle vnd jede Perſonen vnd
Sachen/ die der Kaͤyſerlichen Iuriſdiction ohne Mittel vnderworffen/ vnd durch
ſondere Außtraͤge dieſer Ordnung/ oder anderer Privilegien, Freyheiten/ gewill-
kuͤhrte vnd rechtmaͤſſige Gewohnheiten nicht außgenommen ſeynd/ an dem Kaͤyſ.
Cammer-Gericht fuͤrgenommen/ vnd gerechtfertiget werden ſollen.


Es
[113]Ander Theil.

Es iſt aber dieſe Cammer-Gerichts-Ordnung alſo beſchaffen/ daß Sie
ſo wohl von den Staͤnden deß Reichs/ als auch der Kaͤyſerl. Mayſt. beſtellt/ die
Aſſeſſores durch dieſelbe nach Außweiſung der Reichs-Ordnung præſentirt, vnd
zu deſſen Vnderhaltung von jhnen ſamentlich contribuirt; von Jhrer Majeſtaͤt
aber/ als dem hoͤchſten Haupt vnd Brunnquellen der Iuſtitien præſidirt, vnd in
jhrem Nahmen vnd Jnſiegel alles expedirt wird: ſo gar/ daß es das Kaͤyſerliche
Cammer-Gericht genent/ hiebevor auch allein von Jhrer Majeſtaͤt vnderhalten/
vnd alſo nunmehr nach den Außtraͤgen alle vnd jede Sachen zwiſchen den Staͤn-
den dahin gehoͤrig ſeynd/ die nicht ſpecialiter eximirt worden/ vnd iſt wohl zu mer-
cken/ daß in beruͤhrter Cammer-Gerichts-Ordnung von derſelben Iuriſdiction
ein einiger Fall gaͤntzlich eximirt, vnd der Kaͤyſerl. Mayſt. zu dijudiciren ſpeciali-
ter
(doch nach Verſtand deß herbrachten Fuͤrſten Rechtens) uͤbergeben worden:
wann nemblich vmb Fuͤrſtenthumb/ Hertzogthumb/ Graff- oder Herꝛſchafften ſo
vom Reich zu Lehen ruͤhren/ vnd einem Theil gaͤntzlich vnd endlich abgeſprochen
werden ſollen/ Rechtfertigung entſtehen. So wird auch neben dieſem verordnet/
daß die Land Friedbruͤchige Sachen nicht allein ob verſtandener maſſen am Cam-
mer Gericht/ ſondern auch vor der Kaͤyſerl. Mayſt. mit dem Cammer-Gericht in
dieſem einigen Puncten ein bekaͤntliche concurrentiam haben ſollen. Vnd damit
dieſe zwiſchen Jhrer Majeſtaͤt vnnd den Staͤnden mit gemeinem Rath Zuthun
vnd Vergleichung ſo ordentlich diſtribuirte, vnderſchiedliche Inſtantzien zu ewi-
gen Zeiten beſtaͤndig vnd vnabbruͤchig gehalten werden/ haben Jhre Mayſt. ſich
mit den Staͤnden/ vnd Sie ſich hinwiederumb mit Jhrer Mayſt. dahin außdru-
ckentlich verglichen vnd vereiniget/ daß ſolches alles/ als der Kaͤyſerl. Mayſt. vnd
deß Reichs Recht vnd Ordnung/ hin fuͤhro beſtaͤndig gehalten/ vnnd dagegen alle
andere hievor auffgerichten Ordnungen vnd Satzungen/ ſo dieſer Ordnung zu
wider verſtanden werden moͤchten/ damit caſſirt vnd abgethan ſeyn; daß auch
alle reſcripta, Commiſſiones, Advocationes, Iuſſiones vnd Befehl/ ſo darwider
von der Kaͤyſerlichen Majeſt. oder andern/ wie das erdacht oder vorgenommen
werden moͤchte/ außgehen wuͤrde/ an Vollziehung derſelben nicht jrꝛen noch ver-
hindern ſollen.


Daher dann offenbar daß ein mercklicher Vnderſcheid zwiſchen den alten
Lateiniſchen/ vnd jetzigen Teutſchen Kaͤyſern iſt/ vnd daß demnach ipſatotius
reipublicæ Germanicæ forma
nicht auß den Lateiniſchen Rechten/ oder Bartolo
vnd Baldo, ſondern viel mehr auß deß Reichs uͤblichem Herkommen/ vnd dahero
ruͤhrenden alten Verfaſſungen/ auß der Guͤlden Bull/ Kaͤyſer- vnd Koͤniglichen
Capitulationes, deß Reichs Abſchieden/ vnd Conſtitutionibus zu nehmen; vnd
daß ſo wohl deß Oberſten Haupts im Reich/ als deren Glieder compactata, ju-
ramenta,
vnd gegeneinander verfaſte Ordnungen/ auch andere vnder den Staͤn-
den ſelbſten hergebrachte loͤbliche vnnd redliche Gewohnheiten vor allen Dingen
in acht zu haben/ vnd ſolchen nach zu procedieren ſeyn will. Darumb nicht wol
Ander Theil. Pzu
[114]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
zu glauben/ daß einiger Stand deß Reichs/ ob er auch ſchon einer oder der andern
Religion zu gethan wer/ zu finden ſey der ſich ſolcher ſeiner/ von ſo langen Jahren
auff ſich brachter anſehenlicher exemption, præeminentz vnd Freyheit/ welche
andere frembde Nationen den hochloͤblichen Teutſchen Chur-Fuͤrſten vnd Staͤn-
den mißgoͤnnen/ begeben/ vnd dem gemeinen Lateiniſchen Rechte ſich ſimpliciter
vnderwerffen wolte. Vnd iſt nicht allein von der erſten Cammer-Gerichts-
Ordnung an/ jederzeit gebotten geweſen/ der Staͤnd Vnderthanen von jhren
ordentlichen Vnder-Gerichten/ es ſey gleich in Civil oder Criminal-Sachen/
nicht zu avociren, vnd dargegen keine Advocationes, Iuſſiones oder Befehl/ wie
die erdacht werden moͤchten; ſondern es iſt auch von alters hero alſo obſerviert
worden/ wie deſſen ein Exempel im Jahr 1472. vnd darbey inſonderheit ſo viel zu
finden/ wie man vorgeben/ daß niemands gegen das Kaͤyſerlich/ als das oberſte
weltliche Gericht befreyet ſeye/ ſondern daß auch ein Vnderthan daſelbſten be-
klagt werden koͤnne/ deme aber entgegen/ weiland Kaͤyſer Friederichs Cammer-
Gericht/ welches damahlen Ertz Biſchoff Adolff/ Churfuͤrſt zu Maͤyntz/ neben
andern Staͤnden/ zur Newſtatt an ſtatt Jhr. Mayſt. beſeſſen/ geſprochen/ von den
beklagten cum cauſæ cognitione an den Burggraffen zu Gelnhauſen/ als ſeinen
immediatum ſuperiorem remittirt. Deßgleichen iſt auch zuvor im Jahr 1353.
geſchehen/ da Carolus IV. das Kaͤyſerliche Hoff-Gericht mit etlichen Chur-
Fuͤrſten vnd Staͤnden deß Reichs zu Speyer beſeſſen/ in welchem Graff Johann
zu Spanheimb/ vngeachtet er zuvor durch das Kaͤyſerliche Hoff Gericht in die
Acht erklaͤrt/ vnd die Anleytung/ wie damahlen braͤuchlich/ wieder Jhn allbereit
ergangen geweſen/ nichts deſto weniger auff Pfaltzgraff Ruprechts/ als ſeines
vnmittelbaren Richters abfordern/ mit der gantzen Sachen dahin gewieſen/ vnd
darauff alles/ was am Kaͤyſerlichen Hoff-Gericht wieder Jhn vorgenommen/
wiederumb gaͤntzlich caſſirt, tod vnd ab zu ſeyn/ mit Vrtheil vnd recht geſprochen
worden.


Vnd iſt in der Cammer Gerichts-Ordnung bey dem vierdten Außtrags-
Mittel zu ſehen/ daß die Chur- vnd Fuͤrſten dem Kaͤyſerlichen Hoff wieder Jhre
Außtraͤge ſo gar nichts einraͤumen wollen/ daß Sie auch fuͤr beſchwerlich geacht/
nur ein Commiſſarium, welchen der Klaͤger wider Sie bey der Kaͤyſerl. Mayſt.
außbringen mag/ zuzulaſſen/ ohngeachtet Jhnen doch das beneficium appellatio-
nis
von demſelben an das Kaͤyſ. Cammer-Gericht zu gebrauchen frey vnd bevor
geweſen vnd noch iſt. Dieweil dann die Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnd/ die Cam-
mer-Gerichts Iuriſdiction, daſelbſten Jhnen doch das beneficium appellationis
\& reviſionis
bevor bleibt/ gegen jhre Außtraͤg ſo hoch difficultirt haben/ iſt am
Tage/ daß Sie ſich jhrer Außtraͤg gegen dem Kaͤyſerlichen Hoff/ daſelbſten Sie
weder appellation, noch reviſion haben koͤnnen/ zu Jhrem hoͤchſten Schaden nicht
begeben/ vnd ſich dardurch aͤrger als die Bauren/ denen ſolche remedia zugelaſſen
ſind/ nimmermehr begeben wollen: Maſſen auch in keinen Actis kein Buchſtaben
oder
[115]Ander Theil.
oder Zeugnuß deſſen zu finden. Vnd ob wohl je bißweilen die Außtraͤg nicht
Jedermann gefallen/ auch wol ſolchen zu wider/ Proceß bey den Kaͤyſern ad par-
tem
außbracht worden; ſo iſt jedoch bekandt daß im Jahr 1502. das gantze Chur-
Fuͤrſtliche Collegium, als Churfuͤrſt Herman zu Coͤlln/ von der Statt Coͤlln an
Kaͤyſer Maximilians-Hoff beklagt/ vnd mit Citationen vnd Mandaren ange-
fochten worden/ ſich gantz ernſtlich opponiert, vnd Jhre Majeſtaͤt an die ordent-
liche Außtraͤg/ wie dieſelbe ſieben Jahr zuvor/ zu Wormbs vergliechen worden/
erinnert/ vnd den Churfuͤrſten zu Coͤlln mit ſolchen Proceſſen darwieder nicht zu
beſchweren gebeten; dabey auch inſonderheit gemeldet/ daß ſolche deß Churfur-
ſten zu Coͤlln Bitt ziemlich/ auch den Rechten vnnd der Billigkeit gemaͤß
ſeye.


Ferners nun/ daß nach den gewillkuͤhrten vnd andern gepriviligirten Auß-
traͤgen/ die Perſonen vnd Sachen/ ſo der Kaͤyſerltchen Iuriſdiction ohne Mittel
vnderworffen/ nicht an dem Kaͤyſerlichen Hoff/ ſondern vor dem Cammer Gericht
rechtlichen eroͤrtert werden ſollen/ etc. das wird auß offt allegierter Rubrick vnnd
diſpoſition der Cammer-Gerichts-Ordnung mit deutlichen Worten erwieſen/
da geordnet/ daß univerſaliter alle vnd jede Perſonen vnd Sachen die der Kaͤyſer-
lichen Iuriſdiction, ohne Mittel vnderworffen/ vnd durch ſondere Außtraͤge nicht
außgenommen/ am Cammer-Gericht gerechtfertiget werden ſollen. Welche
Wort dann/ wie ein Befehl/ ein außdruͤckliche Nothwendigkeit aufferlegen/ vnd
alle Wahl zwiſchen dem Hoff vnd der Cammer außſchlieſſen. Dieweil dann die
Staͤnd expreſſa diſpoſitione ans Cammer-Gericht gewieſen vnd darvon anderſt
nicht eximirt vnd befreyt worden/ als allein durch die Außtraͤge/ ſo folgt/ daß alle
vnd jede andere Sachen dahin gehoͤrig ſeyen. Vnd ſolches geſchicht billig darumb/
dieweil die Kaͤyſerliche Cammer im Reichs-Abſchied Anno 1531. das hoͤchſte vnd
letzte Gericht vnd Anno 1530. das Obriſt vnd letzte Gericht genennet wird/ welches
nicht ſeyn koͤnte/ wofern ein andere Inſtantia ordinaria ſeu univerſalis concurrens
am Kaͤyſerlichen Hoff ſeyn ſolte; ſondern er muͤſte nothwendig folgen/ daß der
Hoff Rath nicht allein nur gleich oder concurrens, ſondern hoͤher/ vnd wol gar über
die Kaͤyſerliche Cammer wer/ dieweil derſelbe die Cammer-Gerichts-Or-
dnung weniger dann nichts obſerviert, mit derſelben auch nichts zu ſchaffen ha-
ben/ noch an einige ordentliche Proceß der Reichs Abſcheide gebunden ſeyn/ viel
weniger aber das beneficium Syndicatus velreviſionis, welchen doch das Cam-
mer-Gericht vnderworffen iſt/ zulaſſen will. So iſt auch bekand/ wie vnd vor
welchem Richter alle Staͤnd deß Reichs beklagt werden ſollen/ nemblich ein jeder
vor ſeinem Außtrag vnd hernacher laut der Ordnung/ am Cammer-Gericht zu
Recht gefordert werden ſolle: Bey welcher inſtantia diſpoſitiva deß Kaͤyſerlichen
Hoffs ſo gar nicht mit einigem Buchſtaben meldung geſchicht/ daß auch Jhr.
M. mehr nicht/ als allein ſolche Faͤll vnd Sachen gelaſſen vñ vorbehalten werden/
in welchen von Fuͤrſtenthuͤmb/ Graff- vnd Herꝛſchafften/ ſo vom Reich zu Lehen
P ijruͤhren/
[116]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ruͤhren/ vnd einem Theil gaͤntzlich vnd endlich abgeſprochen werden ſollen/ geſtrit-
ten wird.


Damit es aber nicht das anſehen habe/ ob ſolte dieſe ſpecialis reſervatio ſeu
exceptio à regulâ
die Außtraͤgen oder dem Kaͤyſerlichen Cammer-Gericht in
Jhrer Inſtantia ein Schaden oder Eintrag thun/ vñ etwan in conſequentiam uni-
verſalis alicujus, ſeu ordinariè cognitionis aulicæ
gezogen werden; ſo haben ſich
die Staͤnd mit einer ſonderbahren daſelbſt angehefften clauſula ſalvatoria bey
Zeiten verwahren wollen/ vnd mit Jhrer Mayſt. ſich expreßè dahin vergliechen/
daß dieſem vorgemeldten Lehens-Faͤllen reſervirte cognition ſonſten in andern
der Cammer-Gerichts-Ordnung vnabbruͤchig ſeyn ſolle. Darauß dann an
ſich ſelbſten erhellet/ daß in denen Faͤllen/ welche nicht Fuͤrſtenthuͤmb/ Graff- oder
Herꝛſchafften antreffen/ es in alle Weg bey der Ordnung/ vnd deren darin
exprimirten Außtraͤgen/ vnd Cammer-Gerichts Iuriſdiction zulaſſen ſey. Vnd
eben darumb haben ſich auch die Churfuͤrſten/ Fürſten vnd Staͤnd/ bald nach
Auffrichtung der Cammer-Gerichts-Ordnung/ wieder Kaͤyſer Maximilian den
erſten dieſes Namens beſchwert/ dann als Jhre Mayſt. nicht allein im Jahr 1502.
der verglichenen Cammer-Gerichts-Ordnung zu wider/ den Churfuͤrſten zu
Coͤlln/ auff Anhalten der Statt Coͤlln/ citiren, ſondern auch hernacher Anno 1503.
das Cammer-Gericht zu Regenſpurg nicht veranlaßter maſſen beſetzen vnd hal-
ten laſſen; haben Sie ſolches ſo wohl auff dem Collegial-Tag zu Wuͤrtzburg/
als auch von Maͤyntz auß/ einhellig widerſprochen; mit dem vorwenden/ daß ſolch
abſonderlich Gericht den Staͤnden gantz beſchwerlich/ auch jhren Freyheiten vnd
Herkommen abbrüchig vnnd nach theilig ſeye; darumben auch Seine Mayſt.
auff die von Jhnen mit gewiſſer Maaß zuvor Anno 1495. vnnd 1500. bewilligt
Cammer-Gerichts-Ordnung gewieſen. Darauff dann ſolch abſonderlich
Cammer Gericht ſtracks Anno 1505. gantz wieder abgeſtellt/ vnd hernacher Anno
1507. de novo, aber nicht wie zuvor/ nach deß Kaͤyſerlichen Hoffs gefallen/ ſon-
dern nach Außweiſung der Cammer-Gerichts Ordnung/ mit den Staͤnden deß
Reichs darzu deputirtenraͤthen beſetzt vnd angeordnet/ auch hernacher jederzeit/
darbey alſo vngeaͤndert gelaſſen worden.


Vnd wann ſchon in Annis 1503. vnd 1504. etliche Vrtheil an bemeldtem
abſonderlichen Cammer-Gericht ergangen ſeyn moͤchten/ ſo iſt es doch eben die
Vrſach geweſen/ warumb die Staͤnd ſolches nothwendig anden/ vnd das Werck
ad prima principia revocieren muͤſſen: Vnd koͤnnen zwar die damahls publi-
cirte
Vrtheil wieder die jenige/ ſo Iuriſdictionem prolongirt haben/ dem reich vnd
deſſen Staͤnden/ ſo ſich deren nicht theilhafftig gemacht/ zu einigem præjuditz
nicht angezogen werden. So hat nicht weniger auch hernacher der Kaͤyſerliche
zu Nuͤrnberg angeordnete Rath/ welcher das Regiement genant worden/ die
limites præſcriptos Oberheiten/ vnd ſich auch je bißweilen im Nahmen der Kaͤy-
ſerlichen Mayſt. der Gerichtlichen Proceſſen zwiſchen den anſuchenden ſtreitten-
den
[117]Ander Theil.
den Partheyen annehmen vnnd decidiren wollen: Nachdem aber ſolches jhnen
niemahls von den Staͤnden eingeraͤumbt/ ſondern vielmehr die Ordnung deß
Cammer-Gerichts allerſeits vergliechen worden/ ſo haben ſich die Staͤnd ſolchem
newen Kaͤyſerlichen Gericht opponirt, vnd auff die Ordnung referirt, iſt auch
Anno 1524. verabſchiedet/ vnd abermahl befohlen worden/ daß Statthalter vnd
Regiment alle Gerichtliche Proceß vnd Rechtfertigung fuͤr das Cammer Gericht
vnd andere ordentliche Gericht weiſen ſollen: darbey es nicht allein abermahls
beſtaͤndiglich verblieben/ ſondern es ſollen auch die Staͤnde jedes mahls auff ſol-
che Ordnung ſich beruffen/ vnd da derſelben vnd den Außtraͤgen zu wider icht was
de novo einge fuͤhrt oder ſtatuirt werden wollen/ die Roͤm. Kaͤyſer allwegen ſon-
derbare Handlung mit Jhnen pflegen/ vnd mit wiſſen dieſer hierinnen verfahren
laſſen muͤſſen. Wie dann inſonderheit in der Cammer-Gerichts-Ordnung/
vnder der Rubrick daß dem Cammer-Gericht ſein ſtarcker Lauff gelaſſen werden
ſolle/ etc. gemeldet wird/ daß die Kaͤyſ. Mayſt. mit ſampt den Churfuͤrſten/ Fuͤrſten
vnd Staͤnden das Cammer-Gericht verwilliget/ zugeben vnd zugelaſſen/ vnd
alſo demſelben die Ordnung/ Macht vnd Gewalt/ nicht nur Jhrer Mayſt. allein/
in Krafft einer univerſal Iuriſdiction, ſondern viel mehr mit den Staͤnden ſament-
lich geben vnd anbefohlen haben.


Darauß noch weiter zu ſchlieſſen/ da dieſe Commiſſion cumulativè zu ver-
ſtehen wer/ ſo muͤſte die Concurrentia nicht der Kaͤyſ. Mayſt. allein/ ſondern auch
den Staͤnden/ als geſambten Concedentibus gehoͤren/ vnd ſolche vnder Jhnen
nicht getrennet/ ſondern gemein ſeyn/ ja es koͤnt en Jh. Mayſt. ſolche Iuriſdictio-
nem conceſſam à Camerâ avociren,
vnd wieder an ſich nehmen/ welches aber an-
geregter diſpoſition, vnd denen uͤberall in ordinatione beygeſetzten ſo ſcharpffen
clauſulis obligatorijs \& derogatorijs, è diametro zuwider were/ auch von Jhrer
Mayſt. bißhero nie begehrt worden. Man weiß ſich gleichwol zu berichten/ daß
bey kuͤrtzen Jahren hero Scribenten gefunden werden/ welche concurrentiam
Aulæ cum Camerâ Imperiali pro regulâ
gehalten haben/ dieweil aber dergleichen
nuda \& generalia problemata in Iure kein necesſariam illationem haben/ vnnd
zumahl auch von Jhnen allein expriſco jure Romano Latino hergenommen; ſo
will ſichs dannenhero ad faciem Reipublicæ Romanæ, wie ſolche zwiſchen den
Teutſchen Kaͤyſern/ vnd den Staͤnden deß Reichs von alters herkommen/ vnd
jhre ſonderbare hohe exemptiones vnd Reichs-Vertraͤg außweiſen/ ſehr übel
concludiren laſſen: ſintemahl dergleichen Privat-Scribenten den juribus publi-
cis
mit jhren Scholaſticis ratiunculis nichts præjudicirn, viel weniger Reipublicæ
noſtræ formam \& fundamenta
dardurch evertieren koͤnnen. Wie dann vnder
den Catholiſchen Staͤnden ſelbſt auch noch wohl zu finden/ die ſich biß dahero
der Kaͤyſerlichen Hoff-Proceſſen nicht durchauß [a]ccommodiren wollen/ ſon-
dern dargegen Schrifft- vnd Muͤndlich ſich geſetzt/ ja auch wol Jhre Notthurfft
P iijgegen
[118]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
gegen den Referenten vorbehalten/ vnd ſolches der Kaͤyſerl. Mayſt. in Schrifften
zu erkennen geben haben.


Es ſeynd aber ſolche vnd dergleichen in convenientien wider Jhrer Mayſt.
Gefallen/ vnd wolten ſelbſt gern ſehen vnd haben/ daß man ſie einſtelle vnd vnder-
laſſe; haben auch eben dieſer Maͤngel wegen den klagenden Staͤnden jederzeit
Vertroͤſtung gethan/ daß Sie beſagten Hoff rath zu reformiren vnnd zu verbeſ-
ſern gaͤntzlich gemeint ſeyen; welches auch zuverſichtlich geſchehen were/ da
man diß loͤbliche Intent ſo wohl zu befoͤrdern als zu verhindern beluͤſtiget gewe-
ſen. Vnd hindert nicht/ daß die Staͤnde in jhren Mißhaͤlligkeiten den Kaͤyſer-
lichen Hoff implorirt, vnd vor ein Richter erkant vnd gebraucht; dem weder
hiebevor/ noch dahero jemahls gewehrt/ noch vor vnrecht gehalten worden/ daß
die Staͤnd im freyem jhrem Willen ſich deß Hoffs ſelbſten gebraucht vnd Iuriſdi-
ctionem
je bißweilen prorogirt haben: Welches auch wohl vor Anſtellung deß
Cammer Gerichts geſchehẽ/ vnd hinfuͤhro nicht weniger niemands verwehrt ſeyn
ſolle: Daß aber die Staͤnde theils wieder Jhren Willen/ vnd vngeacht Jhrer
eingewandten exceptionum declinatoriarum, Ja ſo vieler anſehenlicher biß da-
hero gethaner Interceſſionum; theils auch da Sie anders jhr recht in der einen
Sachen nicht verliehren wollen/ in einer andern die Iuriſdiction, zu agnoſciren ge-
zwungen/ vnd nach Hoff geladen/ vnd daſelbſt entweder mit einem vngewoͤhn-
lichen Commiſſario, vnd deſſen gefaͤhrlicher relation, oder einem vnformlichen
vnd in viel Weg verdaͤchtigen Summariſchen Proceß, der Kaͤyſerlichen Mayſt.
ſelbſt eygenen Decret vnd Befehl zu wieder/ beſchwert werden ſollen/ darüber hat
man ſich bißhero ſo hoch beklagt: Viel weniger aber koͤnnen ſich die Evange-
liſche Staͤnde/ in Sachen den Religion-Frieden betreffend/ dem Hoff rath ſub-
mittieren.
Welchem Verdacht der Partheyligkeiten/ die Roͤmiſchen Kaͤyſer
auch in andern Sachen vor alters entfliehen wollen/ alſo daß auch Carolus IV.
in Beſitzung deß Kaͤyſerlichen Cammer-Gerichts/ auff Erinnerung der Staͤnd
ſelbſten auffgeſtanden/ vnd den Stab einem andern uͤbergeben. Vnd iſt ferner
bekand/ daß die Kaͤyſerl. vnnd Koͤnigliche Mayſt. ſich mit der Chur Fuͤrſten vnd
Staͤnden/ der genanten alten Religion conjungirt, vnd ſich ſamentlich vor eine
Parthey dargeben; hingegen aber die Staͤnd der Augſpurgiſchen Confeſſion
verwand/ als das ander Gegentheil verordnet/ vnd darauff verabſchiedet worden/
daß die Kaͤyſerl. vnd Koͤnigl. Mayſt. auch Chur Fuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnd der
genandten alten Religion keinen Stand von wegen der Augſpurgiſchen Con-
fesſion,
vnd derſelben Lehr; vnd hinwiederumb die Staͤnd/ ſo der Augſpurgi-
ſchen Confeſſion verwand/ die Kaͤyſerl. vnd Koͤnigliche Mayſt. Chur Fuͤrſten/
Fuͤrſten/ vnd andere deß Heiligen reichs-Staͤnd der alten Religion anhaͤngig/
geiſt- vnd weltlich/ gleicher geſtalt mit der That nicht beſchaͤdigen/ noch vergewal-
tigen/ ſondern ein jeder Theil ſich gegen dem andern an gebuͤhrenden ordentlichen
rechten
[119]Ander Theil.
rechten begnuͤgen laſſen ſoll vnd will. Sintemahl dann die Kaͤyſerl. Mayſt-
ſich in dieſer diſpoſition ſelbſten zu dem einen Theil ſtellet/ vnd wieder den andern
zum ordentlichen Rechten als ein Parthey erbeuth/ ſo hat maͤnniglich vnſchwer
zu gedencken/ daß Jhr. Mayſt. nunmehr darinnen nicht ſelbſt wohl Richter ſeyn
koͤnnen/ ſondern viel mehr ſelbſt Recht leyden wollen.


Es ſind aber der Beneficien/ ſo auß dem Religions Frieden denen Augſpur-
giſchen Confeſſions-Verwandten heimb wachſen/ fuͤrnemblich dieſe: Erſtlich
daß Sie wegen der Religion nicht ſollen uͤberzogen werden/ darnach/ daß nieman-
den die Commercien geſperꝛet werden/ der nur Recht leyden vnd nehmen will.
Drittens/ daß die Paͤbſtiſche Staͤnd moͤgen zu den Augſpurgiſchen Confeſſion-
Verwandien tretten/ vnd in jhren Landen/ da Sie ohnmittelbar dem Reich
vnderworffen/ die Religion aͤndern: Da dann der geiſtliche Vorbehalt ein ſehr
groſſen Streit erꝛegt. Dann als Anno 1555. der Religions-Fried ſich machten/
hat man ſich wegen der Beneficien ſo ein geiſtlicher Stand von der Roͤmiſchẽ Re-
ligion
heruͤber tretten wolte/ nicht vergleichen koͤnnen. Die Catholiſche wolten/
da ein Ertz Biſchoff/ Biſchoff/ Abt oder Prælat die Augſpurgiſche Confeſſion an-
nehm/ haͤtte er auß Recht vnd Verwirckung/ ohn einige Erkaͤntnuß der Sach/
ſein Ertz-Biſthumb/ Biſthumb/ Abtey oder Pfruͤnde verlohren. Darwieder
ſetzten ſich die Proteſtierenden Staͤnde/ vnnd wolten ein ſolcher ſolte ſein Ertz-
Biſthumb/ Biſthumb/ Abtey oder Pfründe behalten. Endlich ließ der Kaͤyſer
den Catholiſchen zu lieb/ ohne der Proteſtierenden Beyfall/ dem Religion-
Frieden einverleiben/ daß in ſolchen Fall der Geiſtliche ſein Pfruͤnd ohn Nach-
theil ſeiner Ehren im Stifft fahren laſſen; vnd ſetzt an ſtatt dieſer Wort ipſo jure
\& facto, abſque ullâ cauſæ cognitione,
dieſe alßbald ohne einige Widerung vnd
Verzug. Die Proteſtierenden lieſſen ſich nicht daran genuͤgen/ ſondern haben
offentlich/ muͤnd- vnd ſchrifftlich proteſticrt, bedinget vnd declariert, vnd vor
GOTT dem allmaͤchtigen bezeuget/ daß ſie in ſolchen geiſtlichen Vorbehalt nie-
mahls gewilliget/ vnd nochmahls jhres Gewiſſens halben nicht willigen koͤnnen
oder wollen.


Vnd iſt dieſelbe Proteſtation hernach auff allen Reichs Taͤgen widerholt
worden. Seye citra Conſenſum der Chur Fuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnde der
Augſp. Confeſſion, ja wieder jhren Willen in den Abſchied einverleibt; derhalben
dieſer Vorbehalt alſo beſchaffen/ daß er die Staͤnde der Augſp. Confeſſion nicht
binden oder obligieren moͤgen; ſondern wieder auß dem Religions-Frieden zu
diſpungieren vnnd auffzuheben/ weil er in denſelben abſq́ue par-tium conſenſu
(wie ſie vorgebẽ) kommen ſey/ vnd daß nach Gelegenheit vnd Art einer Tractation
vnd Vertrags/ darin der Religion-Fried auffgericht worden iſt/ niemand binden
mag/ der ſeinen Willen darein nicht gegeben hat: Seye beweißlich/ daß bey
Auffrichtung deß Paſſawiſchen Vertrags/ außtruͤcklich abgeredet/ vnd mit
beyder
[120]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
beyder Religions-Verwandten ſaͤmptlichen Bewilligung beſchloſſen worden
iſt/ daß das jenige/ ſo in dem vorgeſchlagenen Religion-Frieden/ den einen oder an-
dern Theil binden ſolte/ durch alle Staͤnde beyder Religionen, mit ordentlichem
Zuthun der Kaͤyſerlichen Mayſt. abgeredt/ vnd beſchloſſen ſolte werden/ welcher
Abred auch billich nachgeſetzt/ vnnd etwas wiederwaͤrtiges den Evangeliſchen
Staͤnden zu Nachtheil verbindlich/ nicht verordnet haͤtte werden koͤnnen. Seye
alſo dieſer Punct keine diſpoſition deß Religion-Friedens/ vnd verobligiere vnd
verbinde keinen Stand gegen den andern. Da es vmb etwas zeitliches zu thun/
wolten ſie an ſich/ was zum Frieden dienlich/ nichts laſſen erwinden: es treffe
aber Gottes Ehr/ die ſeyen Sie zu befoͤrdern ſchuldig/ keinen Menſchen den Weg
zur wahren Erkantnuͤß deß Worts Gottes/ dardurch die Seeligkeit zu erlangen/
durch Jhre Bewilligung/ oder einige Nachlaſſung/ ſo derhalben bey Jhnen
ſtuͤnde/ nicht hindern vnd beſchlieſſen koͤnten vnd wolten/ alldieweil keine Creatur
jemands die Erkantnuͤß deß H. Evangelij verbiethen/ ſondern ſeiner Allmacht/
einiger vnd vnwandelbarer Will iſt/ daß alle Menſchen ſeinen Sohn hoͤren ſollen/
vnd ſolches muͤſſen ſie nicht allein der geiſtlichen Perſonen ſelbſt/ ſondern auch
Jhrer Vnderthanen halber bedencken. Dann wo kein Biſchoff der Augſpur-
giſchen Confesſion geduldet/ ſo koͤnte auch derſelbig/ vnd ſeine Vnderthanen/ der
Lehr nicht berichtet vnnd vnderwieſen werden. Were alſo Gewiſſens halben
Jhnen vnverantwortlich/ ſo vielen Vnderthanen in Stifften geſeſſen/ den Weg
zur Seeligkeit zu verſperꝛen. Vnd wuͤrde Jhrer Chriſtlichen Religion nicht
ein geringer Schimpff/ Makul/ vnd Verachtung auff gelegt vnd zugefuͤgt/ wann
die jenigen/ ſo dieſelbe Religion annehmen/ vnd die Warheit deß Worts bekennen
wuͤrden/ ſolten Jhrer Adminiſtration, Digniteten vnd Officien entſetzt/ vnd deß
geiſtlichen Stands Nahmen nicht wuͤrdig ſeyn ſolten. Seye auch dieſer Punct
eine rechte determination der Religion ſelbſten/ dardurch die Augſpurgiſche Con-
feſſion
fuͤr eine verdambte Sect- vnd Ketzeriſche Lehr/ deren ſich kein Geiſtlicher
anhaͤngig machen moͤchte/ außgeſchrien vnd geſcholten wuͤrde. Seye Jhr Ge-
muͤth nicht/ ſolcher Guͤter/ den Reichs Stifften zu Nachtheil von Abhanden/ oder
in Zerꝛuͤttung/ oder prophanation bringen zu laſſen; ſondern viel mehr neben an-
dern Reichs-Staͤnden daran zu ſeyn/ vnd darob zu halten/ vnd deßwegen einer
ſondern diſpoſition vnd Verſehung ſich zu vergleichen/ daß die hohe/ Ertz- vnd
andere Stifft/ wann darinnen die Religion geaͤndert wuͤrde/ zu keiner weltlichen
Herꝛſchafft verwandt/ ſondern nach eines jeden Ertz-Biſchoffs/ Biſchoffs oder
Prælaten Abſterben/ oder Reſignation, bey Jhren Electionen, Adminiſtrationen
vnd Guͤtern gelaſſen werden ſolten. Vnnd hierunder ſtecken die Biſthuͤmb
Magdeburg/ Merßburg/ Halberſtatt/ ratzenburg vnd Vehrden/ ſagt Engelbrecht
vnd Winter.


Vierdtens haben die Proteſtierenden erhalten/ daß die geiſtliche Obrigkeit
gegen
[121]Ander Theil.
gegen ſie muß inhalten: deme zu Folg auch die Paniß-Brieff oder Layenpfruͤn-
den bey jhnen nicht ſtatt finden. Vnnd das ſind die Vorſchrifften vmb Layen-
pfruͤnden/ vnnd Præſentation-Schrifften eines Kaͤyſers/ auff ein Gottes
Hauß/ vmb eine Pfruͤnde/ zu Kuͤchen vnd Keller/ einem alten Diener. Dann
dem Roͤmiſchen Kaͤyſer gebuͤhret/ vnd ſtehet auß altem loͤblichen Herkommen
vnnd Gewohnheit zu/ auff einer jeden Prælatur oder Gotts Hauß deß Heiligen
Reichs/ eine Perſon/ die Kaͤyſerl. Mayſt. gefaͤllig iſt/ zu præſentiren, damit einem
eine Pfcuͤnde von Kuͤchen vnd Keller gegeben werde. Als wenn ein Kaͤyſer-
licher alter Trabant/ Hatſchier/ oder ein ander alter wohlverdienter Diener/ vom
Kaͤyſer eine ſolche Vorſchrifft vmb Layenpfruͤnde/ oder ein Paniß-Brieff an
eines Stiffts Abt/ Probſt/ Dechant/ Cloſter oder Stifft ſo von denſelben zu Lehen
gehen/ außbringt/ vnd außgebetten hat/ in Vornehmung vnd Hoffnung in den-
ſelben Cloͤſtern/ oder Stifften/ zu jhrer Erhaltung/ ein Pfrüund oder Leibgeding
damit zu erlangen. Kaͤyſer Rudolff ſchrieb alſo: dieweil auß alter vnd beſtaͤt-
tigter langhergebrachter Gewohnheit/ der Kaͤyſer vnd Koͤnig/ auff Vns kommen
iſt/ daß ein jeder Kirchen auff Vnſer Bitte ein Pfruͤnd hingeliehen werde; So
bitten Wir dich/ daß du dieſem Clerike/ dem Heiligen Reich zu Ehren/ verſe-
hung dieſer Pfruͤnd thun wolleſt/ ſolche Paniß-Brieff hat Biſchoff Melchior zu
Wuͤrtzburg Anno 1548. auff Sontag Invocavit, per edictum der Geſtalt im
Stifft Wuͤrtzburg verbotten/ daß ohne ſeinen Conſens vnd Verwilligung die-
ſelbigen beyden Stifften vnd Cloͤſtern/ keine Krafft haben ſollen. Der fuͤnffte
Nutzen iſt/ daß von den geiſtlichen Guͤtern vnd Einkommen/ die Miniſterien
der Kirchen vnd Schulen zu erhalten ſeyn. Vnd derſechſte/ daß die
eingezogene Stifft vnd Guͤter den Proteſtierenden ohn-
angefochten bleiben.



QDer
[122]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der zwoͤlffte Diſcurß.


Ob der Paſſawiſche Vertrag vnd Fried erzwungen/ vnd zu halten
ſey? Ob der Ayd/ ſo der Kirchen geſchicht/ dieſem Reichs-Abſchied zu
wider ſey? Ob eines vorigen Kaͤyſers Vertrag auch die Nachfahren am Reich
binde? Ob der Religions-Fried durch das Concilium zu Trient ſey auffge-
hoben?


DJeweil nun derProphan- vndReligions-Fried ſolcher Geſtalt
in Teutſchland geſchloſſen/ daß der Pabſt zu Rom Jhn gantz verworf-
fen/ der Cardinal vnd Biſchoff in gewiſſer Maaß/ wie auch die Prote-
ſtierenden
ſelbſt angehoͤrter Geſtalt nicht allerdings billigen wollen/ gab es aller-
hand Geſpraͤch vnd Nachgruͤblens: Vnd zumahl/ ob man einen ſolchen Frie-
den/ der dem Kaͤyſer mit Gewalt wer abgedrungen worden/ zu halten auch ſchul-
dig ſey? Etliche hielten dieſen Satz vor gewiß/ der Fried wer nicht auß Lieb/
ſondern auß Noth vnd Zwang geſchloſſen/ dieweil die Proteſtierenden zu Feld
gezogen/ vnd vnder deß Churfuͤrſten in Sachſen Baner den Kaͤyſer angegriffen/
übereylt/ vnd auß Teutſchland vertrieben; zumahl Sie auch den Frantzoſen an
ſich gehaͤngt/ vnd den Roͤmiſchen Koͤnig Ferdinand ſolcher Weiß geaͤngſtigt/ daß
Er Jhnen muͤſſen verſprechen/ den zu Lintz uͤber Holtz geduͤnchten Fried auff dem
nechſtfolgenden Reichs Tag zu beſtaͤttigen. Wann aber Ariſtoteles ſchreibt/ ein
geaͤngſtigter Mann verſpreche wahr vnd vnwahr/ boͤſes vnd gutes/ muͤglich vnd
vnmuͤglich/ damit er nur auß gegenwaͤrtiger Noth entrinnen koͤnne: Demnach
es auch kein wunder/ wann die bevorſtehende Gefahr/ vnd beſorgter Verluſt uͤber
die Gebuͤhr gejagt vnd getrieben worden. Vnd wann die Kriegs-Knecht etwas
auß den Kaͤyſerlichen Rechten hoͤren wolten/ wuͤrde man ſie berichten/ daß/ was
durch Forcht oder Gewalt erpreſſet/ nicht verbindet/ vnd von ohnkraͤfften gehalten
wird. Dann wann Koͤnig Ferdinand/ oder Kaͤyſer Carln weren frey geweſen/
das iſt/ wann weder Gewalt noch Forcht Jhnen zugeſetzt haͤtte/ würden ſie nim-
mermehr ein ſolches eingangen haben; alſo daß auß Jhrem Gemuͤth/ weil Ge-
walt vnd Forcht dem guten Glauben oder der Auffrichtigkeit gantz zu wieder/ vnd
die vernuͤnfftige Geſatz ſolchen uͤbereylten Leuten die voͤllige Reſtitution in Jhre
Freyheit geſtatten/ kein ſolcher Vertrag abzunehmen were. Es iſt aber noch ein
ander harte Knoden auffzuloͤſen; Wie weltliche Fuͤrſten vnd Herꝛn ſich in geiſt-
liche Haͤndel mengen/ vnd ohne vorwiſſen deß Pabſts zu Rom/ oder der gewiſſens-
Raͤthe/ der Kirchen zum hoͤchſten Nachtheil den Gewalt über die Seelen/ vnd den
Nutzen von den gewidmeten Guͤtern doͤrffen entaͤuſſern/ vnd Jhre zeitliche Wol-
farth/
[123]Ander Theil.
farth/ oder recht zu ſagen/ jhrer Landen Sicherheit mit den Kirchen Guͤtern erkauf-
fen? Ambroſius ſolte bey ſolchen Zeiten wieder von den Toden aufferſtehen/ vnd
den Kaͤyſern vnd Koͤnigen ſagen/ wann Sie von Gelt-Mitteln handeln/ neh-
men Sie Jhre Schoͤſſer vnd Schaffner zu Rath; vnd bereden ſich mit dem
Koch/ wegen eines ſonderlichen Geſchmacks der Speiſen; Jn Summa/
was Sie auch thun/ glauben Sie einem jeden Meiſter in ſeiner Kunſt/ allein in
Geiſtlichen vnd Kirchen-Sachen begehren Sie keines Biſchoffs/ von derglei-
chen eygentlichen Sachen ſein Gutachten beyzutragen; da doch ein ſolcher
dem Fuͤrſten weder zu lieb noch zu leyd/ wie ſonſten gebraͤuchlich/ ſondern nach
dem Heiligen Wort GOTTES/ zu der ewigen ſeeligen Wohlfahrt
rahte.


Vnd hie an dieſem Paß kompt Ulyſſis Minerva, pfetzet Vns an das
Leplin deß lincken Ohres/ vnnd ſpricht gantz heimblich: Raiſon d’ Eſtat:
darbey Wir es auch bewenden laſſen/ vnd gehen hinuͤber zu den andern/ die ſagen
Vns/ es wer einem vnerſchrockenen vnd großmaͤchtigen Kaͤyſer zu nahe geredt/
daß Er ſich auß Forcht haͤtte dahin treiben laſſen; ſo ſeye zwar nicht ohne/ die
Forchtuͤberfalle auch jederweilen den geharniſchten/ welches aber hie keinen Platz
finde/ weil der Kaͤyſer die beyde Fürſten noch gefangen gehalten/ vnd das gantze
Roͤmiſche Reich allem ſeinem wincken/ auſſerhalb Magdeburg vnd Bremen/
folgeten. Vnd ob ſchon vielleicht etwas Kleinmuͤtigkeit mit vndergeloffen/ ſo
beziehe ſich doch die Forcht nur auff vnrechtmaͤſſigen Gewalt/ weil ein jeder ſich
ſeines Rechten/ ohn eines andern Schmaach/ ſonderlich aber die Obrigkeit be-
dienen kan. Haͤtten nun die Staͤnde jhrem Fuͤrgeben nach/ von dem Kaͤyſer
nichts anders begehrt/ als was GOTTES Geſetz außweißt/ vnd ſein Gebott
erfordern/ daß man nemblich mit Jedermann Fried halte/ wer ja nichts vnbil-
liges geſchehen/ vnd keine Schmaach einigem Menſchen begegnet: das gemeine
Beſten/ vnd deß Vatterlands Freyheit/ deren Verwalter nechſt nach dem Kaͤyſer
die Churfuͤrſten ſind/ jetzunder zu geſchweigen. Vnd wer wolte den Staͤnden/
die wegen deß gemeinen Land Friedens ſich vergliechen/ die Macht benehmen/ ohne
Jedermanns Wiſſen oder Willen/ jhren Zuſtand beobachten/ jhre Wunden zu-
lecken vnd zu verbinden/ ja Fried vnd Ruhe zu ſtifften? Vnd wann man die
hochbetheurliche Wort anſiehet/ ſagen die Bauren ins gemein/ den Ochſen bey
den Hoͤrnern/ vnd den Mann bey den Worten. Dieweil es dann heißt/ bey
Kaͤyſerl. vnd Koͤnigl. Würden/ Fuͤrſtlichen Ehren/ in rechtem gutem Trawen/
vnd wahren Worten/ daruͤber jetzt oder zukuͤnfftiglich auß Vnvollkommenheit/
oder vnter einigen Schein/ wie der Nahmen haben moͤcht/ nichts darwieder fuͤr-
zunehmen; ſo wer Trew vnd Glaub auß/ wann er in ſeiner Quell verloͤſchete.
Vnd hilfft auch nicht/ ob die Proteſtierende, oder auch Paͤbſtiſche haben werden
oder nicht. Vnd wird Jhre Paͤbſtl. Heyl. ſelbſten andern geſtatten/ was Sie
ſelbſt in noͤthen practicieren; vnd jederweilen ein halb Ey lieber davon tragen/ als
vmb ein leere Schaal fechten.


Q ijWann
[124]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Wann man nun eines ſo wohl als das ander erꝛegt/ find ſich/ daß zwar zu
Paſſaw/ mitten vnder den Kriegs-übungen dieſer Fried geſchloſſen/ aber hernach
aller erſt beſtaͤttigt worden/ da keine Gefahr einiger Kriegs-Macht mehr vorhan-
den/ vnd zwar von allen Staͤnden deß Heil. Reichs/ mit angehaͤngter Pœn wieder
die Verbrecher: Dergeſtaͤlt/ daß auch uͤber zwey vnd vier Jahr hernach alles von
newem wiederholt vnd bekraͤfftiget worden. Ja es koͤnte mancher gedencken/
der Pabſt haͤtte hierzu Vrſach gegeben/ in dem er ſo vngern zu dem Concilio ge-
than/ vnd alſo die Hoffnung zu gütlichem Vtrtrag gantz abgeſchnitten/ in dem Er
fortgefahren/ vnd die Teutſchen noch nicht gehoͤret. Vnd wann gleich etwas
Gewalt oder Forcht mit vndergeloffen wer/ doch alles nachgehends beſtaͤttigt
worden/ vnd zwar in ſolchen Dingen/ die der Proteſtierenden vorgeben nach/
Goͤttlich vnd Menſchlich das Gewiſſen vnd die Freyheit betreffen/ darzu man
auch einen/ der ſich darwieder ſperꝛen wolte/ wohl noͤthigen moͤge. Zu deme wer
es dahin geſtanden/ ob man ein junerlichen Krieg uͤber Teutſchland lieber wol-
len ſehen/ vnd zu vngewiſſem Außſchlag fuͤhren/ als dieſen Vertrag eingehen.
Bleibt demnach die Freyheit vngezwungen/ wann auß zweyen Vbeln/ das eine
wird erwehlet. Vnd wird dieſer Fried zwar ein Religion-Fried genant/ geht
aber das Geiſtliche nicht an/ Sintemahl jede Parthey das Geiſtliche vnbekuͤm-
mert behaͤlt/ vnd ſein Gewiſſen allerdings vnbeſchwert empfindet: ſondern der
Fried betrifft eygentlich das euſſere vnd weltliche/ darumb die Staͤnd auch kein
Bedencken getragen/ denſelben ohn deß Pabſts zu Rom gut heiſſen zu ſchlieſſen
vnd anzunehmen.


Vnd kan wohl gefragt werden/ ob die Kaͤyſerliche Capitulation, in welcher
Er den Ayd dem Reich leyſtet/ bey dieſem Fried zu halten/ nicht den jenigen Ayd/
ſo Er dem Pabſt thut/ wann Er von Jhm wird beſtaͤttigt/ nemblich dem Roͤmiſ.
Stuhl allen Gehorſamb zu layſten/ vnd die Roͤmiſ. Religion zu beſchuͤtzen vnd
fortzur flantzen/ nicht zu wieder lauffe; oder wie beyde Ayde neben einander ſte-
hen koͤnnen. Etliche ſprechen/ es koͤnne niemand zweyen Herꝛen dienen:
dann er werde den einen haſſen vnd den andern lieben/ dem einen anhangen vnd
den andern verachten: alſo wer dem Pabſt zu Rom anhange/ koͤnne dieſen Frie-
den nicht vorgenehm halten. So koͤnne auch die Paͤbſtiſche Hoheit vnnd der
Roͤmiſchen Kirchen anſehen nicht anderſt behauptet werden/ als wann man die
widrige Lehr/ die den Pabſt den Anti Chriſt nennet/ vnterdruͤcke/ Auch koͤnne der
Pabſt den Kaͤyſer von dem Capitulations-Ayd loß zehlen/ dieweil derſelb ohne
ſein Bewilligung/ Jhm vnd der Roͤmiſchen Kirchen zum Nachtheil geſchehen;
demnach hab Er/ als Chriſti Statthalter Recht/ denſelben vor vnguͤltig zu ſchel-
ten. Andere meynen/ beyde Ayde moͤgen wohl beyſammen ſtehen/ gleich wie die
beyde Religionen zugleich/ nicht nur in einem Land/ ſondern in einer Statt/ ja in
einem Hauß ſich neben einander uͤben laſſen. Dann da die verſcheydene Reli-
gionen
die Ehe nicht trennen/ ſollen ſie weniger das politiſche Band/ da der Kaͤyſer
das
[125]Ander Theil.
das Haupt iſt/ auffloͤſen: wer auch ein nichtig Ding geweſen/ dieſen Abſchied
von der Freyheit vnd dem Friede beyder Religionen zu faſſen/ wann man Jhn
nicht halten koͤnte. So ſoll der Ayd deß Gehorſambs gegen dem Pabſt vnnd der
Roͤm. Kirchen alſo verſtanden vnd berahmet werden/ ſo fern es dem Kaͤyſer/ der
auff ſolche Bedingung erwehlt worden/ vnd darauff Er ſchon ein Ayd gethan/
wegen vnverfehrter Reichs-Abſchieden erlaubt iſt: Sintemahl wider dem
Pabſt zu Rom/ noch einigen andern Außlaͤnder gebuͤhrt/ ſolche/ damit ſie nichts zu
ſchaffen/ zu vernichten. Auch wolte man nicht glauben/ daß der Kaͤyſer/ im Fall
es dieſe Meynung haͤtte/ daß ein Ayd den andern vmbſtieſſe/ vnnd ſie alſo neben
einander nicht ſtehen koͤnten/ ein ſolch widerwaͤrtig Ding vnderfangen ſolte;
vnd viel mehr den einen/ fuͤrnemblich den letzten/ weil er durch den erſten ſchon
laͤngſt verbunden/ vnderlaſſen.


Doch moͤcht man ſagen/ der da verſpricht/ vnd ein Ayd thut/ die roͤmiſche
Religion zu beſchuͤtzen vnd zu befoͤrdern/ ſich nichts eben verbindet/ die andern
derſelben wegen zu vnterdrucken/ oder außzureuten; vnd bevorab/ daß ſchon zu
vorderſt verſprochen wird/ der Augſpurgiſchen Confesſion kein Eintrag zu thun.
Alſo koͤnt er beyde Stuͤck behalten/ nemblich ſeine Religion befoͤrdern/ vnd die an-
dere dulden. Sintemahl die wahre Religion mit der Lehr vnd dem verbeſſerten
Leben/ aber gar nicht durch Gewalt vnd Waffen befoͤrdert werde/ darumb auch
ein ſolche/ die kein ander Fundament haͤtte/ von ſich ſelbſt muͤſte vergehen. Vnd
alſo bliebe an ſeinem Orth/ daß man zweyer widerwaͤrtigen Herꝛn/ dem Mam-
mon/ der uͤber alles will gedient vnd geliebt ſeyn; Vnd dann GOTT der mit
keiner Creatur theilen will/ nicht dienen koͤnne.


Hie aber werden die beyde Religionen nicht ſolcher Geſtalt wider einander
geſetzt/ als nur wegen eines falſchen Wahn etlicher Romaniſten/ dieweil ſie dem
Pabſt anhangen/ vor dieſem Fried ein abſchewen tragen/ als weren ſie nach Goͤttl.
recht verbunden/ die andere Religion zu verfolgen/ vnd mit Gewalt zu vertrei-
ben. Vnd mag eine Religion die andere verſchreyen oder verdammen/ wie ſie
will/ wann es nur bey Worten vnnd Schrifften bleibt/ weil man jhr auff gleiche
Weiß begegnen kan/ damit die Wahrheit nur deſto heller herfuͤr leuchte/ welches
in den ſtrittigen Sachen am beſten geſchicht; darumb Paulus ſeinem Timotheo
befiehlt/ er ſoll ſtraffen/ bitten/ ſchelten in aller Gedult vnd Lehr: Dann man
doͤrffte nichts foͤrchten/ die Wahrheit werde dennoch herfuͤrbrechen vnnd oben
ſchweben.


Vnd moͤcht einer oder der ander ſagen/ wegen looßzehlung deß Ayds/ daß
der Ayd entweder zulaͤſſig vnd ehrlich ſey/ uͤber ſolchen Dingen; welche man
nach Goͤttlichen vnd Menſchlichen recht zu halten ſchuldig. Dann ein Ayd iſt
eine Verſicherung/ ſo GOTT zum Zeugen anrufft/ vnd zur raach uͤber den fal-
ſchen Ayd. Vnd ſcheint/ es finde bey demſelben keine looß zehlung/ die zu Verach-
tung Gottes gereicht/ einigen Platz: oder geſchicht der Ayd uͤber ein vnzulaͤſſig
Q iijDing/
[126]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Ding/ bey welchen mehr Buß/ als Looßzehlung vonnoͤthen. Dann in boͤſen
Sachen ſoll man das Geluͤbd widerꝛuffen/ vnd was vnbilliger Weiß gelobt iſt/
nicht thun. Muͤſte man derowegen zuvorderſt erkennen/ ob dieſer verſprochene
Religions-Fried ein vnbillig oder boͤß Werck ſey. Vnd hie ſagen die Proteſti-
renden/
der Pabſt zu Rom moͤge nicht Richter ſeyn/ weil Er in dieſer Sach ſich
zur Parthey gemacht/ vnd ſelbſt angeklagt werde.


Ob nun auch dieſer Vertrag die nachgehende Kaͤyſer binde/ ſprechen
etliche Nein/ wann in dieſem Paß die gemeine Regel ſoll Platz finden/ daß nie-
mand durch eines andern That verbunden werde/ da mit nicht einer dem andern
ein vnbillige Bedingung auffbuͤrde. Dann was einer gethan/ ſoll dem andern
nicht ſchaden: Zumahl vor wahr wuͤrd gehalten/ daß der Vorfahr ſeinen
Nachfahrn durch Vertrag vnd Verbuͤndnuß nicht verurtheilen koͤnne. Vnd
worzu nutzt/ daß einer verſpricht/ was ein ander thun ſoll vnd geben? dann gleich
wie alle Verbuͤndnuß auß dem zuſammengeſetzten Willen entſtehet/ alſo wird ſie
auch nach erloſchenem Willen auffgehoben; wie dann bey einem ableibenden
geſchicht/ welcher/ weil Er nicht mehr iſt/ keine qualiteten mehr hat. Dann es
erſtrecken nicht nur die Privilegien, ſondern auch die Vertraͤg vnd Buͤndnuſſen
jhren Gewalt nicht uͤber deß Fuͤrſten Tod/ dannenhero die Fidenaten nach Ro-
muli
Tod den Roͤmern den Krieg angebotten/ vnd geſagt; Sie haͤtten mit Jhnen
ferner keinen Bund. Wie es auch die Lateiner nach Koͤnigs Anci Martij Tod/
mit welchem/ jhrer Sage nach/ vnd nicht mit den Roͤmern ſie ein Bund getrof-
fen/ haben geſpielet. Alſo ſagt Perſeus Koͤnig in Macedonten/ der Bund/ ſo
die Roͤmer mit ſeinem Vatter getroffen/ gehe Jhn nicht an.


Es widerſprechen aber andere/ vnd geben vor/ deß abgeleibten That gereiche
auff die Erben/ weil der Erbe deß abgeleibten Perſon repræſentiere vnd trage:
zumahl auch einem jeden erlaubt ſey/ von ſeinem Eygenthumb/ wie es damit nach
ſeinem Tod zu halten/ zu verordnen. Vnd darin beſtehe eygentlich der Troſt
wider den Tod/ wann der Will noch nach dem Tod vollzogen werde. Vnd hie
muͤſſe man nicht eben den Roͤmiſchen Kaͤyſer ſelbſt/ oder deſſelben Perſon/ ſon-
dern das Reich ſelbſt/ daruͤber er zum Verwalter vnd Vormuͤnder geſetzt iſt/ be-
trachten/ daß Jhn dieſe Verbündnuß auch binde; alſo daß/ gleich wie bey
Mangel der Perſon eines Kaͤyſers/ das Reich dennoch nicht vergehet/ ſondern
bleibt; auch ſeine Verbuͤndnuß veſt vnnd kraͤfftig bleiben. So weiſen auch
dieſe Wort/ vor Vns vnd Vnſere Nachfahrn/ daß die Staͤnde dieſe Verbuͤnd-
nuß auff die Nachkoͤmblinge wollen außgedoͤhnt haben: Zumahl auch die
Kaͤyſer auff ſolche Bedingung erwehlt vnnd angenommen werden/ als die
nicht weniger/ dann jhre Vorfahren eines vnnd anders zu halten ſchuldig
werden.


Nun ſcheint/ die rechte vnd fuͤrnembſte Vrſach/ warumb ein Nachfahr im
Reich an die Verbuͤndnuſſen/ ſo ſeine Vorfahren getroffen/ gebunden ſey zu
halten/
[127]Ander Theil.
halten/ dieſe/ daß der erwehlte Kaͤyſer/ ehe er geſalbet wird/ mit abgefaßten Wor-
ten vor dem Ertz-Biſchoff vnd Churfuͤrſten zu Coͤlln/ den Ayd ablegt/ Er wolle
die Geſatz vnd Reichs-Abſchied halten/ vnd dieſelben auff keinerley Weiſe ver-
letzen. Darumb ein ſolcher Ayd/ der jhm bey der freyen Wahl mit dieſer
Bedingung wird vorgelegt vnd abgefordert/ an- vnd fuͤr ſich ſelbſt/ ein ſolche
Verbuͤndnuß mit ſich zu fuͤhren/ genugſamb ſeyn. Vnd da auch nicht ferner
zu beobachten/ were ein ſolcher Ayd kraͤfftig uͤber alle vnd jede Nachfahren im
Reich/ wegen ſolcher Verbuͤndnuſſen der Vorfahren; Vnd iſt nicht ohn/ es
wird niemand durch ein frembde That verbunden; ſcheint aber/ dieſe That ſey
deß Nachfahren ſelbſt/ weil Er auff ſolche Bedingung wird erwehlet/ daß Er
das vorige halten/ vnd deßwegen ſich gegen den Staͤnden verbinde/ weſſen ſich
ſeine Vorfahren bereit verbunden haben. Vnd weil Er gehalten iſt/ vor der
Salbung den Ayd/ daß er ſolches beobachten wolle/ zu thun/ iſt Er auch gehal-
ten/ denſelben zu halten. Dann in andern Faͤllen reden die Geſatz von eygen-
thuͤmblichen Guͤtern/ die nur von jhrem eygenen vnd directo domino verbunden
koͤnnen werden/ vnd gar nicht von gemeinen Haͤndeln vnd Sachen/ ſo zur Ver-
waltung deß Fuͤrſtenthumbs oder der Obrigkeit gehoͤren; vnnd nicht anderſt
verbinden/ als ein Erb/ der die Erbſchafft antritt/ ſich ſelbſten damit ver-
bindet.


Aber doch ſcheinet/ die Buͤndnuſſen vnd Freundſchafften mit den Außlaͤn-
diſchen beziehen ſich nur auff die Perſon deſſen/ ſo ſich verbindet/ vnnd ſeines
Sinnes oder Zuneigung weder Nachfolger/ noch Erben hat/ vnd wann der vor-
geweſener Fuͤrſt allein ſich verbunden/ koͤnnen ſie den Nachfahren nicht binden/
es were dann/ daß Sie bey Antrettung der Regierung ſich auff ein newes ver-
bunden: Welches dann bey den Roͤmiſchen Kaͤyſern ſeinen geweißten vnd eng-
berahmbten Wege hat. Dann ſolcher Geſtalt legt der Erb den Schluͤſſel auff
das Grab/ wann Er ſich nicht will verbinden laſſen/ vnd dieſe Wort fuͤr Vns vnd
Vnſere Nachkommen nicht begehrt anzunehmen.


Noch finden ſich Leute/ die ſagen doͤrffen/ der Religions-Fried were durch
das Tridentiniſche Concilium auffgehoben: dann er ſey ja nicht anderſt erlaubt
geweſen/ wie die Wort deß Außſchreibens lauten: Nachdem ſolcher Fried in allen
obbeſchriebenen Artickeln/ biß zu Chriſtlicher/ freundlicher vnd endlicher Ver-
gleichung wehren ſoll. Da es dann nur eine Erlaubnuß/ koͤnne er nicht jmmer
wehren/ ſondern ſoll ſeinen termin haben/ biß nemblich man von den ſtrittigen
Puncten/ ſich berahte vnnd entſchlieſſe; Welches dann auff dem Tridenti-
niſchen Concilio, ſo deßwegen verſamblet worden/ geſchehen iſt: darumb
dann der Religion-Fried ſein Endſchafft erꝛeicht hab. Zumahl auch
die Parthey ſelbſt/ ſo dieſen Frieden verſchafft vnnd getrieben/ nemb-
lich die Proteſtierenden ſelbſt ſich wegen der ſtrittigen Puncten auff
das Concilium beruffen; ſollen demnach billich ſich an deſſelben. Vrtheil
vnd
[128]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd Spruch halten; wuͤrden ſonſten erweiſen/ daß ſie jhre Sach von niemand
wolten gerichtet leyden.


Dieſen wird geantwort/ es wer das Concilium zu Trient nicht ſolcher Ge-
ſtalt verſamblet/ noch auff ſolche Bedingungen verhandelt worden/ wie es begehrt/
vnd zu hinlegung der ſtrittigkeiten in der Religion in allen Weg noͤthig geweſen/
ſondern nach deß Pabſts zu Rom belieben/ ſeine Meynung nur zu beſtaͤttigen.
So habe auch dieſer allein Macht ein Concilium zu laden vnd zu beruffen/ der alle
eingeladene vnnd beruffene vnter ſeiner Bottmaͤſſigkeit haͤlt: Wann dann die
Staͤnde deß H. Reichs dem Pabſt zu Rom gar kein Bottmaͤſſigkeit uͤber ſie geſtat-
ten/ vnd fuͤrnemblichſt/ weil er angeklaget werde/ ſey wider die Billigkeit/ daß ein
ſolcher das Concilium beſchrieben/ vnd demſelben als ein Richter vorſtehe. Es
ſolle ja niemand in eygener Sach richten/ oder andern/ wie ſie richten ſollen Geſatz
vnd Ordnung fuͤrſchreiben/ ſondern ſich ſelbſt zum Vrtheil darſtellen vnnd ſub-
mittieren;
gleich wie vor alters in dem Concilio zu Epheſen/ vnd in dem dritten
zu Conſtantinopel geſchehen/ auff welchen die beyde Patriarchen oder Paͤbſte zu
Conſtantinopel/ Neſtorius vnd Sergius, auch Cyrus von Alexandrien, vnd Ho-
norius
von Rom ſelbſt/ wegen deß Eutychiſchen Jrꝛthumbs verdampt worden:
vnd noch juͤngſt Iohannes XXIII zu Coſtnitz/ vnd Eugenius IV. zu Baſel. Dann
es ſey der Pabſt was die Ketzerey belangt/ kein Richter/ ſondern ſolle ſelbſt von
andern geurtheilt werden/ wie die vhralten Decreten etwan gelautet haben. Nun
werde allhie gehandelt/ vnd vorbracht/ wie der Pabſt zu Rom/ mit ſeiner Cleriſey
die Kirch verderbt habe/ vnd wolle gleichwol ſelbſt vnd in der Perſon ſeiner Lega-
ten,
die Er Jhm durch Ayd vnd Pflicht verbunden/ Richter ſeyn/ vnd auß eygener
Bewegung alles Ding beſchreiben vnd beſchlieſſen/ wie Pius IV. in deß Concilij
Bull geſtehet. Dannenher auch Bellarminus ſchreiben doͤrffen/ alle Concilien
ſoll der Pabſt pruͤfen/ auff daß man dieſer gut heiſſet/ behalte; vnd die Er verwirfft
nicht annehme. Solches aber reyme ſich gar nicht auff ein freyes Concilium,
ſondern ſey wider alle Billigkeit/ vnd wider der erſten Concilien Decreten vnnd
Gewohnheiten/ nur deß Pabſts Tyranney in der Kirchen zu beſtaͤttigen/ er-
funden worden: Alſo koͤnne auch keine Reformation, ſo dannenhero in der Kir-
chen entſtanden/ vorgehen.


Wann Wir dann erwegen/ daß das Edict von Religions-Frieden dieſe
Bedingung mit dieſen Worten klar mache: Wo dann ſolche Vergleichung durch
die Wege deß General-Concilij, National-Verſamblung/ Colloquien oder
Reichs-Handlungen nicht erfolgen wuͤrde/ ſoll alßdann nichts deſto weniger die-
ſer Fried Stand beſtehen vnd bleiben. Daß nun keine Vereynigung uͤber den
ſtrittigen Religions-Puncten erfolgt/ mag Vrſach ſeyn/ weil das Trientiſche
Concilium ſeine Gerechtigkeiten nicht gehabt/ ſo wohl wegen deß Pabſts zu Rom/
der es verſamblet/ vnd als ein Richter regiert/ ſo doch ſelbſt eben Er der beklagte
iſt; als auch wegen diß Orths/ ſo der anruffenden Parthey verdaͤchtig/ vnd
vnſicher
[129]Ander Theil.
vnſicher geweſen; Vnnd uͤber diß wegen der Manier/ ſo bey Eroͤrterung der
Strittigkeiten gehalten worden: Dahero es auch vor kein Oecumenicum Conci-
lium
zu nennen/ weil die Proteſtierenden nicht nur keine Stimm zu ſchlieſſen
gehabt/ ſondern auch nicht einmahl gehoͤrt worden! Alſo muſte das Edict in
ſeinen Kraͤfften bleiben. Dann ob ſchon verabſchiedet/ daß eine Religion die
andere biß dahin dulde/ ſo ſey doch kein Vergleich/ auß beruͤhrten Vrſachen nicht
geſchehen.


Ja es haben neben den Proteſtierenden noch viel gelehrte Leuth/ auch
Koͤnige vnnd Fuͤrſten ſelbſt ſich beſchweret; daß ſie vom Concilio abgehalten
worden; ſintemahl Petrus/ auff die Frag/ ob den newbekehrten Chriſten die
Beſchneidung noͤthig wer/ nicht allein mit den andern Apoſteln/ ſondern mit der
gantzen Kirch daruͤber zu berathſchlagen zuſammen kommen. So hab ſich auch
Petrus daſelbſt keines obern Gewalts angemaſſet/ weil die Apoſteln alle/ vnd
neben jhnen die Elteſten/ zugleich mit deß Volcks gemeinem Beyfall geſchloſſen/
die Beſchneidung ſey zur Seeligkeit nicht noͤthig. Gleich wie vnzehliche viel
Exempel am Tage liegen/ da die Biſchoffe/ oder die Cleriſey nicht allein/ ſondern
die Kaͤyſer/ Koͤnige/ Fuͤrſten/ gelehrte Maͤnner/ ſo entweder ein Ampt getragen/
oder ohne Ampt geweſen/ auff die Synodos beſchrieben/ gehoͤrt vnd zum Schluß
gebraucht worden. Zumahl auch das Paͤbſtiſche Recht außweiſet/ daß in Sa-
chen die Religion betreffend/ die Cleriſey nicht allein/ ſondern auch die Layen ſich
auff den Concilien finden ſollen/ dieweil kein wunder/ daß die Proteſtierenden
jmmerzu uͤber das Concilium geklagt/ vnd ſich deme nicht vnderwerffen wollen/
weil es nicht der Kaͤyſer/ ſondern der Pabſt zu Rom/ jhr Widerpart gehalten.
Aber das allerfuͤrnehmbſte Fundament moͤchte daher genommen werden/
daß dieſer Religions-Fried fuͤrter gehalten/ vnd noch nie
vnderbrochen worden.



RDer
[130]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der dreyzehende Diſcurß.


Kaͤyſer Ferdinand verordnet den Hoff-Rath. DieProteſtierenden
uͤberꝛeichen jhre Gravamina in Religions-Sachen.


NAchdem auff dem groſſen Reichs-Tag zu Augſpurg fuͤrnemb-
lich wegen der Religion, dem Cammer-Gericht vnd Hoff-Rath/ dem
Muͤntz-Weſen vnd der Tuͤrckenſtewr eiferig gehandelt/ vnd in Religions-
Weſen alles/ biß auff den Geiſtlichen Vorbehalt/ deme die geiſtliche Guͤter anhaͤn-
gig/ eroͤrtert vnd verabſchiedet/ theils auch verſchoben worden/ ſind noch vnder-
ſchiedliche Reichs-Taͤge/ wegen deß Tuͤrcken Macht etwan ruͤck- oder fortſtellig
vorgangen/ auff welchen der geiſtliche Vorbehalt jederzeit veſt vnd ernſtlich ſich
gereget. Dann wegen deß Reichs-Hoff-Raths ließ Kaͤyſer Ferdinand (nach
dem ſein Herꝛ Bruder Carolus V. ſich auch deß Kaͤyſerthumbs abgethan) dieſe
Ordnung vnd Inſtruction zu Augſpurg außgehen: Nachdem Wir vielfaͤltige
beſchwerliche Obligen/ damit Wir von deß H. Reichs/ auch Vnſerer Koͤnigreiche
vnd Erblaͤnder wegen beladen; deßgleichen auch die Gefaͤhrligkeit gegenwaͤrti-
ger Laͤuffte vnd Zeiten zu Gemuͤthe führen/ vnd bey Vns ſelbſt bewogen/ wie hoch
vnd groß vonnoͤthen/ denſelben allenthalben ſtattlich auffzuwarten/ damit ſolch
Obliegen vnd Lauff jederzeit nach dem Willen vnd Wohlgefallen deß Allmaͤchti-
gen/ auch fuͤrnemblich zu ſeinem Lob/ Ehr vnd Preiß/ vnd dann gemeiner Chri-
ſtenheit/ dem H. reich/ Vnſern Koͤnigreichen/ Land vnd Leuten zu Gut/ Troſt vnd
Wohlfarth geleytet/ gehandelt vnd verꝛichtet werden/ Jn maſſen Wir Vns deß
von anfang Vnſerer Regierung/ vnd in Krafft Vnſers obliegenden Kaͤyſerlichen
Ampts/ Vnſerm Vermoͤgen nach bißhero trewlich befliſſen/ Vns auch hinfuͤhro
keine Muͤhe noch Arbeit daran bedawrn/ dieweil Wir Vns auß ſchickung deß
Allmaͤchtigen/ vnd voriger Kaͤyſerlicher Majeſtaͤt/ Vnſers lieben Bruders vnd
Herꝛen/ Bruͤderlicher Ceſſion vnd Reſignation, auch mit der Chur Fuͤrſten deß
H. Reichs Vorwiſſen/ Bewilligung/ Rath/ vnd freundliches vnderthaͤniges Er-
ſuchen vnd Bitte/ jetzt zu vollkommener Adminiſtration vnd Regierung deß H.
Reichs erhoͤhet/ vnd gewürdiget worden. Hierumb vnd damit Wir nun ſolch
Vnſer Chriſtlich vnd Kaͤyſerlich Vorhaben ſo viel mehr in wirckung bringẽ/ vnd
gemeiner Chriſtenheit/ auch Vnſern deß H. Reichs/ Vnſerer Koͤnigreich/ Land
vnd Leut/ hohen ſchweren obliegenden Hauptſachen/ beruͤhmbter vnd fruchtbarli-
cher nachdencken/ vnd denſelbigen ſtattlich vor ſeyn/ vnd außwarten; vnd dañoch
darneben maͤnniglichen/ ſo Vns vmb Huͤlff vnd Handhabung anſuchen/ ordent-
lichs/ auffrichts/ fuͤrderlichs vnd beſtaͤndigs Recht vnd Expedition mittheilen/ vnd
deſſen verhelffen moͤchten: So haben Wir biß anhero zu Befoͤrderung vnd Ver-
richtung der Iuſtitia, vnd Partheyen Sachen/ Vnſern Kaͤyſ. Hoff-Rath erhalten/
welchen Wir auch hinfür an gleicher Maſſen erhalten/ vnd der Notthurfft nach/
mit
[131]Ander Theil.
mit noch mehr anſehnlichen/ erbaren/ frommen/ geſchickten vnd gelaͤhrten Perſo-
nen/ auß dem reich vnd Vnſern Nieder- vnd Ober-Oeſterꝛeichiſchẽ Landen erſe-
tzen/ vnd alle Iuſtiti vnd Partheyen Haͤndel (auſſerhalb deren ſo Finantz Sachen/
vnd Vnſer Cammergut belangen) vorberuͤhrten Vnſern Hoff-rath zu erledigẽ/
remittiren vnd weiſen wollen: doch wo ſolche Sachen fuͤrfielẽ/ die zugleich beruͤhrt
Vnſer Cammergut/ vnd die Iuſtitien betreffen/ als da ſeynd cauſæ remiſſionis
Actorum in Proceſſen,
ſo durch Vnſere Cammer Procuratores angeſtellt wordẽ/
darin wollen Wir Vns/ wohin dieſelben zu weiſen ſeyn ſollẽ/ Maß vnd Ordnung
zu geben vorbehalten haben. Vnd damit ſolcher Vnſer Hoff rath/ jederzeit Vns
zu ehren vnd reputation, anſehenlich gehalten werde/ ſo haben Wir zu deſſelben
Hoff-raths Præſidenten fuͤrgenommen vnd verordnet/ den Wohlgebornen/
Vnſern vnd deß reichs Erb-Caͤmmerer/ vnd lieben getrewen/ Carln Graffen zu
Zollern/ Vnſern Rath/ vnd wollen/ daß derſelb Vnſers Hoff-raths Vorgeher
ſeyn/ vnd die Vmbfrag haben/ vnd an jeden Orth/ da Wir ein zeitlang Vnſer be-
harꝛlich Laͤger haben/ verordnung thun/ damit jederzeit zu haltung ſolches Vnſers
Hoff-raths in Vnſern Herbergen/ oder ſo es der Zimmer halben nicht ſeyn kan/
an andern gelegenen nahenden Orthen/ darbey ein ehrlich Zimmer vnd Gemach
verordnet/ vnd darin all fuͤrfall nd Iuſtiti vnd Partheyen Sachen gehandelt/ auch
daſſelb Zimmer durch den Hoff raths Diener oder Thuͤrhuͤter (welcher ſein Auf-
ſehen auff bemeldten Vnſern Præſidenten haben ſoll) verwahrt vnd ſauber gehal-
ten werde. Doch iſt Vnſer Will vnd Meynung/ wo Wir einen Fuͤrſten auff den
Reichs Taͤgen/ in Vnſerem Reichs Hoffrath gebrauchen/ daß bemeldter Vnſers
Hoff raths Præſident demſelben den Vorſitz/ vmb die Vmbfrag vnd Beſchluß
im Hoff-Rath zu ſtehen vnd folgen laſſe/ die Zeit die er im rath ſelbſt zu gegen
ſeyn wird. Ob auch je bißweilen Vnſer Præſident, von Vnſerem Hoff reiſen/ vnd
abweſend ſeyn wuͤrde/ wollen Wir allwege einen auß Vnſern Hoff-raͤthen fuͤr-
nehmen/ ſo die Zeit ſeines Abweſens in Vnſerem Hoff-rath vortrette. Vnd ſollẽ
Vnſere Hoff-raͤth alle/ Vnſerm Præſidenten, oder in Abweſẽſeinem Verwalter/
in Hoff-Raths-Sachen gehorſam ſeyn/ vñ auf erfordern allzeit gutwillig erſcheinẽ
vnd ſich gebrauchen laſſen/ auch keiner über die angeſetzte Stund außbleiben/ wel-
cher aber ſolches ohn Erlaubnuß thun/ vñ ſaͤumig ſeyn wuͤrde/ der ſoll von Vnſerm
Præſidenten, oder ſeinem Verwalter derhalben angeſprochen/ auch von Jmhe die
Vrſach ſeines Außbleibens vernom̃en werdẽ damit ferners Vnſer Notturft nach
Einſehung beſchehen/ vnd gehandelt werden moͤge. Ob auch einer oder mehr Vn-
ſer Hoff-raͤthen anſuchen wuͤrden/ Jhnen ein zeitlang von Vnſerem Hoff zu ſeyn
zu erlauben/ ſoll ſolches ohne Vorwiſſen Vnſers Præſidenten vñ der Cantzley nit
beſchehen/ ſondern zuvor die Gelegenheit der Zeit/ auch die Anzahl gegenwaͤrtiger
Raͤthe/ deßgleichen ob die Sachen/ ſo ſelbiger Zeit zu erledigen ſeynd/ ſolch der
Hoff-raͤthen abreiſen/ erleyden muͤgen/ oder nit/ fleiſſig bedacht werden; doch daß
nach altem Gebrauch den Raͤthen/ ſo beweibet/ acht; vnd den andern ſo lediges
Stands/ 6. Wochẽ jedes Jahrs Jhren eygnen Sachẽ abzuwarten/ vñ zu verꝛeiſen
vnbenommen ſeyn ſoll.


R ijAlle
[132]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Alle vnd jede verſchloſſene vnd offene Schreiben/ Supplicationes, Brieff
vnd dergleichen/ ſo an Vns geſtellt/ vnd Vns nicht zu vnſern Haͤnden uͤberant-
wortet werden; die ſoll vnnd mag Vnſer Vice-Cantzlar annehmen; die ver-
ſchloſſene/ ſo nechſt zu Vnſern eygenen Haͤnden ſtehen/ auffbrechen/ beſichtigen/
auch folgends die obermeldte alle/ nach Geſtalt vnnd Gelegenheit einer jeden
Handlung/ entweder bey Vns/ in Vnſerm geheymen Rath anbringen/ oder aber
in andere Vnſere verordnete deß Heil. Reichs/ auch Hungariſche/ Bohemiſche
vnd Oeſterꝛeichiſche Hoff- vnd Cammer-Raͤthe außtheilen. Vnd wo die Sup-
plicationes
vnd andere Schrifften/ zu Vnſerer Secretarien Handen kommen/
ſollen ſie den Tag/ Monat vnd Jahrzahl jhres Empfangs alßbald darauff vor-
zeichnen. Damit auch die Iuſtitien vnd Partheyen Sachen/ vnd zuvorderſt die
armen Leute/ ſo Vns etwa auß Noth/ vnd zum theil auß Einfalt/ auß dem Reich/
vnd Vnſern Erblanden/ ferne Weg nachreiſen/ vmb ſo viel mehr befoͤrdert/ vnd
vor langem auffhalten/ vnd beſchwerlichen Vnkoſten verhuͤtet/ auch Armuth
halb/ Vnſer gebuͤhrlich Huͤlff/ Handhabung/ vnd Fuͤrderung niemand verzogen/
noch verlaͤngert werde/ ſo ordnen vnd wollen Wir/ daß Vnſere Hoff Raͤthe taͤglich
zu morgens/ in jhr auß gezeigten Rath-Stuben ordinariè zuſammen kommen/
vnd die Sachen ſo jederzeit fuͤrfallen vñ fuͤrhanden ſeyn werden/ in Vnſerem Na-
men vnd an Vnſer ſtatt fuͤrnehmen/ vnd die nicht uͤbereylen/ ſondern ſtattlich/
vnd mit hoͤchſtem Fleiß hoͤren/ berathſchlagen vnd erledigen/ auch Vnſer Præſi-
dent,
oder in ſeinem Abweſen/ ſein Verwalter die Vmbfrag haben. Dieſelb
Vmbfrag ſoll gewechſelt/ zwiſchen den Layſchen vnd gelaͤhrten Raͤthen/ je einen
vmb den andern gehalten/ vnd mit der Frag der erſten Stimm/ in Sachen die Iu-
ſtitien
im H. Reich betreffend/ an den Gelaͤhrten; Aber in Staads-Lands- vnd
ander Sachen an den Laͤyen angefangen werden; Jedoch ſoll Vnſer Præſident
in demſelben nach Geſtalt vnd Gelegenheit der Sachen Lands-Art/ vnd voriger
Relationen nicht befahret werden. Vnſer Præſident ſoll auch daran ſeyn/ daß
ein jeder auß Vnſern Raͤthen ſein Stimm anderſt nicht/ dann in ſeiner Ordnung
gebe/ einem andern nicht fuͤrgreiffe/ noch in die Red falle/ ſondern ſich hierinnen
aller gebuͤhrlicher Beſcheydenheit befleiſſe; Jedoch wo einer vermercken wird/
daß vorgebene Stimm von den andern nichtrecht verſtanden worden/ vnd ſich
deßhalben erklaͤren; oder wo er auß denen Vrſachen/ ſo durch die nachſtimmende
Raͤthe angezeiget/ ſein vorige Meynung aͤndern oder verbeſſern wolt/ das ſoll
jhme mit kurtzen Worten zu thun vnbenommen ſeyn. Deßgleichen ſoll auch
Vnſer Præſident darob ſeyn/ daß vmb Abſchneidung willen aller uͤberfluͤſſiger
Leng/ keiner auß Vnſern Raͤthen/ das jenig ſo verleſen/ oder durch einen andern
Rath in ſeiner Stimm erzehlt/ wieder vnnottuͤrfftiger Weiß widerholet/ vnd
repetirt werd/ ſondern ein jeder/ der nicht etwas fuͤrzubringen/ jhme mit kurtzen
Worten eines andern Meynung gefallen laß. Auff beſchehene Vmbfrag ſoll
Vnſer Præſident beſchlieſſen/ vnd die mehrere Stimmen jhren Vorgang haben;
Jedoch
[133]Ander Theil.
Jedoch wo die Stimmen in ziemblicher Anzahl zertheilt/ vnnd Vnſer Præ-
ſident
vermeicken will/ daß beyder oder mehrer theil Meynung mit ſtatt-
lichen Vrſachen beſtaͤrcket/ ſo ſoll Er auſſerhalb Vnſers Fuͤrwiſſens nicht be-
ſchlieſſen/ ſondern die Sachen mit kurtzer Erzehlung jedes Theils Gedencken/
zuvor an Vns gelangen laſſen/ vnd ſonſt gemeiniglich in allen Handlungen
maͤnniglichen gleichs/ Goͤttlichs Rechtens oder Abſchieds/ auch fuͤrderlicher Ab-
fertigung auß Vnſerm Hoff-Rath/ oder wo Noth/ bey Vns trewlich verhelffen/
alles nach ſeinem beſten Verſtand vnd Vermoͤgen: Vnd damit ſolches vmb ſo
viel beſſer beſchehe/ ordnen/ vnd wollen Wir/ daß hinführo die Supplicationes
vnd andere Schrifften/ darinnen die Sachen/ ſo zu berathſchlagen/ ſtehen/ diſpu-
tiert,
oder ſonſt außfuͤhrlich vnd hauptſachlich angezogen/ ſollen nach laͤng/ ver-
ſtaͤndlich geleſen/ vnd ſonderlich in Ableſung der Supplication, vnd ander Iuſtitien-
Sachen/ guter fleiß gebraucht werden/ Alſo/ ob ſchon dieſelben vmb deſto fuͤrder-
licher Richtigkeit willen/ einem oder mehr Gelehrten zuvor zu erſehen/ vnd Jhr
raͤthlich gutbeduͤncken daruͤber zu verfaſſen zugeſtellt weren/ daß dieſelben nichts
deſto weniger im Rath gar geleſen/ vnd abgehoͤret werden: doch daß hierinnen
die Conſilia oder informationes Iuris, ſo die Partheyen ſelbſt jhnen ſtellen laſſen/
außgeſcheyden: dann mit Abhoͤrung derſelben wollen Wir Vnſern Hoff Rath
nicht beladen/ ſondern bey dem bleiben laſſen/ daß Sie durch Vnſere gelehrte
Raͤthe/ ſo viel die Notthurfft erfordert/ daheimb erſehen werden. Es ſollen auch
Vnſere Raͤthe/ bevorab die Gelehrten fuͤrnemblich/ in hochwichtigen/ vnd weit-
laͤufftig diſputierten Handlungen/ vnder dem als man die Schrifften verlieſt/ die
Principal-Puncten vnd motiven derſelben/ zu beſſerer Jhrer Gedaͤchtnuß bald
im Rath in Jhre Memorial auffzuzeichnen gefaßt ſeyn.


Wo auch Vnſerer Raͤth einer oder mehr in gerichtlichen Sachen nach be-
ſchehener Verleſung/ vmb beſſerers nachgedenckens willen/ dieſelben Schrifften
Jhme anheimbs auff ein kurtze Zeit zu vergoͤnnen/ ſich baß darinnen zu erſeher/
oder wo vonnoͤthen/ darauff zu ſtudieren begehren wuͤrde: das ſoll jhne Vnſer
Præſident, nach ermeſſen/ vnd Gelegenheit der Sach/ doch in all Weg/ daß hierin-
nen kein vnnothwendiger Auffzug geſucht werde/ nicht abſchlagen. Wo auch
ſonſt etlich auß Vnſern Raͤthen mit jhren Stimmen auff die beſchehene Vmb-
frag ſo bald nicht koͤnten gefaſt ſeyn/ ſondern Bedacht/ vngefaͤhrlich biß auff den
andern Tag begehren wuͤrden/ das ſoll jhnen ſonderlich in wichtigen oder diſpu-
tier
lichen Sachen/ auff die Maaß/ wie obſtehet/ gleicher Geſtalt durch Vnſern
Præſidenten zugelaſſen werden; Vnd darauff ſollen die Rathſchlaͤge durch den
Secretari gefaſt vnd dem Præſidenten vnd Raͤthen ehmahln die außgehen/ vnd
ſo bald jmmer muͤglich/ fuͤrgeleſen/ vnd ſo ſie von jhnen approbieret/ alßdann erſt
ingroſſiert/ vnd verfertigt werden; Wir ſetzen vnd ordnen auch/ daß alle Raths-
Handlungen/ vnd ſonderlich auch/ wer diejenigen ſeyn/ denen man je zu Zeiten
die Sachen zu vberſehen/ vnd zu repetieren befiehlt/ in rechter Geheimb gehalten/
R iijvnd
[134]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd auſſer Vnſers Præſidenten vnd Secretarien, denen es befohlen/ durch die
andern Vnſer Hoff-Raͤth den Partheyen/ die berathſchlagten Beſcheyd/ vnd
Antworten/ nicht eroͤffnet werden ſollen/ Vnordnung vnd Verdacht zu verhuͤten.
Damit auch vmb ſo viel deſto beſſer im Gedaͤchtnuß behalten werde/ was jederzeit
vnd in was Gegenwaͤrtigkeit gerathſchlaget vnd geſchloſſen worden/ ſo wollen
Wir/ daß Vnſerer Secretarien jeder ein eygen Buch zu Verzeichnuß ſolcher
Rathſchlaͤg allezeit bey Jhm im Rath habe/ vnd den Monat vnd Tag im anfange
deß Raths erſtlich beſchreibe/ vnd darnach dem Præſidenten, oder Verwalter ſei-
nes Ampts/ auch die Hoff-Raͤth/ ſo dabey ſeyn/ fleiſſig verzeichnen/ vnd darnach
die rathſchlaͤge/ vnd Beſchluß/ ſo dieſelbige Raths Zeit beſchehen/ ordentlich
nach einander ſetze.


Ob dann Vnſern Hoff-Raͤthen Sachen vnd Beſchwerungen fuͤrkom-
mrn/ darinnen je zu Zeiten die Partheyen Jhr nechſt ordentlich Obrigkeit vnd
Gericht/ auch Vnſer fuͤrgeſetzt Landes Fuͤrſtliche regierung uͤberſchritten vnd
vmbgangen/ ſollen Vnſere Hoff-Raͤthe dieſelben Partheyen erſtlich fuͤr bemelt
jhr ordentliche Oberkeiten/ Gericht oder regierung/ wohin ſie dann gehoͤren/ zu
gebuͤhrenden expeditionen weiſen: Es were dann/ daß/ ob Sachen vnd Beſchwe-
rungen die ordentliche Oberkeiten/ Gericht oder Regierungen denſelben Jhrer
Empter halbẽ ſelbſt beruͤhrten/ oder ſonſt bewegliche Vrſachen vorhanden weren/
die Sachen in Vnſerm Hoff-rath anzunehmen/ darauff ſollen vnd moͤgen Vnſere
Hoff-raͤth nach Gelegenheit der Partheyen vnd Sachen/ wie es ſich gebuͤhret/
handlen vnd erledigen thun. Wo auch in Vnſeren Hoff-Rath-Sachen fuͤr-
kaͤhmen/ darinnen ſich Vnſere Hoff Raͤth nicht vergleichen moͤchten/ oder die
ſonſt an jhnen ſelbſt hochwichtig/ dapffer/ vnd anſehenlich weren/ daß Sie Erledi-
gung bey Vns bedoͤrffen die ſollen Vns jederweil mit jhren verzeichneten recht-
lichen Bedencken/ durch der Sachen Secretarien, in Gegenwaͤrtigkeit Vnſers
Hoff-Raths Præſidenten, vnd etlicher Vnſer Hoff-raͤth ſonderlich/ die ſo der
Sachen Referenten geweſen/ fuͤrbracht werden; darauff Wir folgends ſolche
Sachen erledigen/ vnd nach Vnſerem Willen vnd Gefallen in andere Wege/ der
Gebuͤhr nach zu geſchehen befehlen wollen. Vnnd was Wir von Vns dann
derowegen entſchloſſen/ das ſoll der Secretari in ſein Protocol vnd Rath-Buch
ſchreiben/ auch hernach ſolches entſchluß die Raͤthe wiederumb berichten. Was
Sachen dann in vermeldten Vnſerm Hoff-Rath/ auch nach Vnſer Erledigung/
wie obſteht/ beſchloſſen/ darauff Brieff verfertiget werden/ ſollen ſolche Sachen
der Secretari, ſolche Brieff/ wie oblautet/ mit hoͤchſtem zierlich/ vnd verſtaͤndlich
copiern/ vnd ingroͤſſiern laſſen/ anch darob ſeyn/ daß die Hoff Cantzeley Schrei-
ber/ denen Sie dieſelben zu ingroſſieren befehlen/ vnvorzugentlich fertigen. Vnd
inſonderheit meynen vnd wollen Wir/ daß die Beſchluß-Beſcheid vnnd Decreta
Vnſerer Hoff-raͤthen alßbald nach Berathſchlagung einer jeden Supplication
vnd Sachen verzeichnet vnd abgehoͤret werden/ damit folgends die Fertigung der
Brieff/
[135]Ander Theil.
Brieff/ oder mündlich Verabſcheyden der Partheyen deſto ordentlicher/ richtiger
vnd gewiſſer erfolgen moͤge. Es were dann/ daß je bey weilen Vnſerer Hoff-
Raͤthen deliberation vnnd Rathſchlaͤgen ein ſtattliche Außfuͤhrung erforderten/
dieſelben von Vnſern Secretarien fuͤrderlich verfaſſet/ vnd vor weiterer Ferti-
gung in nechſtfolgendem Hoff-Rath/ oder zum wenigſten Vnſerm Præſidenten,
in Gegenwaͤrtigkeit zweyer oder dreyer Hoff-raͤth/ ſo bey ſelbigem rathſchlag ge-
weſen/ abzuhoͤren fuͤrbracht werde.


Es ſollen auch Vnſere Secretari ſchuldig ſeyn/ jedes Morgens gedachten
Vnſeren Præſidenten deß Hoff raths/ oder im Abweſen/ ſeinem Verwalter an-
zuzeigen/ was ein jeder fuͤr Sachen in den hoff-rath zu erledigen habe/ damit er
derſelben ein Wiſſen empfahen/ vnd die genoͤthigſten am eheſten/ vnd da derſelben
Zeit nicht genug/ Alßdann im Fall der Notthurfft auch Nachmittag wiederumb
Vnſeren Hoff-raͤthen anſagen/ vnd alſo ohne langen Verzug alle Sachen zu
gebuͤhrender Erledigung bringen moͤge. Auch ſollen die Secretarien in allen
Sachen/ ſo vormahls auch in dem hoff-rath geweſen/ ehe Sie dieſelben wieder-
umb in den rath bringen/ zuſammen ſuchen/ was in demſelben zuvor fuͤrkom-
men/ vnd verabſcheydet. Es ſoll auch in Berathſchlagung der Haͤndel dieſe
Ordnung gehalten/ daß allwege vnſere eygene Sachen/ wie billich/ vorgehen;
darnach erſtlich die Sachen/ ſo keinen Verzug/ oder doch nicht wohl erleyden moͤ-
gen [...]folgends der Gefangenen/ Wittiben/ Waiſen vnd armen Leuthẽ/ auch alß
dann andrer Partheyen Sachen/ je nach dem ein Perſon vor der anderngewuͤr-
diget/ oder ein Sach vor der andern einkommen/ vor oder nach erlediget werden.


Vnd nachdem ſich auſſerhalb raths offtermahl zutraͤgt/ daß die Partheyen
deren Sachen halben/ ſo ſie in vnſeren hoff rath fuͤrbringen wollen/ oder ſchon
fuͤrbracht haben/ einen oder mehr vnſerer Raͤth ſchrifftlich oder muͤndlich erſuchen
oder anſprechen/ ſo moͤgen dieſelben ſich gegen Jhnen in denſelben Sachen/ ſo zu
erledigen ſtehen/ wohl mit gemeinen Worten ſolche Sachen zu der Billigkeit/ vnd
zu dem/ dz Sie die Partheyen befuͤget zu Befoͤrdern erbiethen/ auch in den erledig-
ten Sachen Sie vmb Beſcheyd vnd Antwort an vnſern Præſidenten, oder die Se-
cretarien
weiſen; vnd wo Beſcheyd jhnen den Partheyen ſchon geoͤffnet worden/
vnd ſie ſich derenſelben beſchwert zu ſeyn/ vermeynen wuͤrden/ ſie deß halben vn diſ-
putirter
Sachen jhr Notthurfft ordentlicher Weiß fuͤrzubringen vermahnẽ/ aber
ſonſt jhnen in ſpecie jhre Stim̃ zu verſprechen/ oder jhnen/ welcher Geſtalt ſie ſup-
plicieren,
oder jhre Sachen fürbringen ſollen/ zu rahten/ oder jhre Schrifften zu
corrigieren, oder in den erledigten Sachen/ darinnen vielleicht den Partheyen wi-
derwaͤrtige Beſcheyd beſchloſſen oder eroͤffnet weren/ ſich gegen derſelben fuͤr jhre
Perſon mit Worten oder Geberden ſchew wollen zu machen/ oder vielleicht auch
andere raͤth derhalben zu beſchuldigen; Auch hinwiederumb an Sachen/ da die
Partheyen guten Beſcheyd erlangt haͤtten/ oder erlangen moͤchten/ ſich derſelben
fuͤr jhre Perſon allein zu berühmen; das alles ſollen ſich vnſere raͤthe bey jhren
Pflichten enthalten.


Vnd
[136]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Vnd damit ſich Vnſere Hoff-Raͤthe keiner Vnwiſſenheit dieſer Vnſerer
Ordnung zu entſchuldigen haben/ ſo ordnen vnd wollen Wir/ daß ein jeder auß
Vnſeren Hoff-Raͤthen ein Abſchrifft nehme/ vnd bey ſich behalte; auch ſonſt
ein Abſchrifft derſelben/ ſampt einem Exemplar der guͤlden Bull/ Vnſers Kaͤy-
ſerlichen Landfriedens/ vnd anderer Reichs-Cammer-Gerichts vnd Policey-
Ordnung/ auch der Concordaten Germanicæ Nationis, auff deß Hoff-Raths
Tafel liegen/ damit Vnſerer Hoff-Rath jeder/ ſo offt es Jhme beliebet/ ſolche
Ordnung leſen/ vnd ſich derſelben deſto beſſer erinnern moͤge. So wollen Wir
auch mit Gnaden bedacht ſeyn/ etliche andere Rechts-Buͤcher/ deren man in
zweifelichen Handlungen nicht wohl entberen kan/ zu beſtellen/ vnd Vnſerem
Kaͤyſerlichen Hoff nachführen zu laſſen. Zum andern ſo wollen Wir auch/ daß
alle Quatember-Zeit am Freytage dieſe Vnſere Ordnung/ durch Vnſerer
Secretarien einen verleſen/ vnd von Vnſerm Præſidenten vnd Hoff-Raͤthen
abgehoͤret werde/ damit ſie es vmb ſo viel mehr in der Gedaͤchtnuß behalten/ vnd
ſich darnach zu richten/ vnd Vnſer/ vnd der Partheyen Sachen zu handlen vnd zu
befuͤrdern wiſſen. An dem allem beſchicht Vnſer ernſtlicher Will vnnd Mey-
nung/ vnd Wir behalten Vns bevor/ obbeſchriebene Ordnung jederzeit/ Vnſerm
gnaͤdigſten Anſehen/ Willen/ vnd Gefallen nach/ zu mindern vnd zu veraͤndern.
Geben in Vnſer/ vnd deß Reichs-Statt Augſpurg/ den 3. Tag Aprill/ Anno im
59. Vnſerer Reich deß roͤmiſchen im 29. vnd der andern im 33. \&c.


Ferdinand
Ad Mandatum Domini electi
Imperatoris proprium.
Vt Seld.

L. Kirhſchleger.


Hieher
[137]Ander Theil.

HJeher gehoͤrt ferner/ von Erſetzung deß Reichs-Hoff-Raths/ vnd
derſelben Function, Abreiſen vnd Verhaltung: von Sachen in Reichs-
Hoff-Rath gehoͤrig/ vnd Erkennung der Proeeß: von Außtheilung vnd
Relation der Acten: von Handlung deß Reichs-Hoff-Raths: von der Cantz-
ley/ auch von Agenten vnd Procuratorn, vnd jhren Handlungen bey Gericht:
nemblich von Haltung ſolcher Ordnung/ ſintemahl zu jeden Zeiten viel klagens
vnd ſchreibens/ bald auff allen Reichs-Tagen geweſen/ dann die Proteſtieren-
den
ſich beklagt/ ſie werden dorthin gezogen/ da alles Partheyiſch hergehe/ ſonder-
lich wegen der Religion; hingegen die Romaniſten dieſen Schuld gegeben/ ſie
wolten Recht weder nehmen noch leyden/ ſondern alles nach jhrem Willen haben.
Das gantze Weſen beſtehet auff dieſer beyden Schrifften/ vnnd deren darauff
erfolgten Kaͤyſerlichen Reſolution.


Der Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnde der Augſpurgiſchen Confeſſion-Ver-
wandten Gravamina, ſo ſie der Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt am 12. May uͤbergeben/
lautet alſo: Allerdurchlaͤuchtigſter/ Großmaͤchtigſter/ Vnuͤberwindlichſter
Roͤmiſcher Kaͤyſer/ Allergnaͤdigſter Herꝛ. Wiewol Ewr. Roͤmiſ. Kaͤyſerl.
Mayſt. Chur-Fuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnde deß Heil. Reichs in dem verſchie-
nenen fuͤnff vnd fuͤnfftzigſten Jahr zu Augſpurg gehaltenem Reichs-Tag/ auß
ſonderer Wolmeynung/ vnd friedliebendem Gemuͤth/ zu Erhaltung Eynigkeit in
dem Reich Teutſcher Nation, einen allgemeinen jmmerwaͤhrenden Religion-
Frieden auffgericht/ damit verhoffentlich geweſen/ es ſolte vermittelſt deſſelbigen
allerley Vnrichtigkeiten vnd Beſchwerden zwiſchen den Staͤnden fuͤrkommen/
vnd abgeholffen worden ſeyn. So haben doch die Augſpurgiſche Confeſſions-
Verwandten nachmahls im Werck geſpuͤhret/ vnd erfahren/ daß angeregtem
Religion-Frieden nicht allein von der andern Religion-Staͤnden zum theil nicht
geliebt/ vnd ſtracks darwider gehandelt/ ſondern auch durch vngereimbte Deutun-
gen vnd Außlegungen deſſelbigen ſie der Augſpurgiſchen Confesſion Zugethane/
hoͤchlichen beſchwert worden/ darauß dann allerley Widerwillen/ Mißvertrawen/
vnd Vngleichheit im Reich erfolget/ welches ermelte der Augſpurgiſchen Confeſ-
ſions-
Verwandte Staͤnde verurſacht/ nachdenckens zu haben/ wie ſolchen Be-
ſchwerden abgeholffen/ ermeldter Religions-Fried in richtigen klaren Verſtand
gebracht/ auch alle Vnrichtigkeit fuͤrkommen/ vnd gaͤntzlich abgeſchafft werden
moͤchten/ Vnd haben derowegen jhrer hohen Notthurfft nach/ nicht vnderlaſ-
ſen koͤnnen noch ſollen/ ſolche jhre obliegende Beſchwerden vnd Maͤngel/ auch
friedliebende Bedencken Ewer Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt in Vnderthaͤnigkeit anzu-
bringen/ welches Ewr. Kaͤyſ. Mayſt. doch nicht dahin vermercken ſoll/ als wolten
hiedurch der Augſpurgiſchen Confeſſions-Verwandte Staͤnd Vrſach ſuchen/
daß angeregter Religions-Frieden in ſeiner Subſtantz ſoll auffgehebt/ allerley
Weitlaͤufftigkeit vnd Vnrichtigkeit/ zwiſchen den Staͤnden wieder eingefuͤhrt
Ander Theil. Swerden/
[138]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
werden/ ſondern viel mehr es dahin achten/ vnd gnaͤdigſt vermercken/ daß ſie durch
ſolch jhr anbringen anders nit gemeynt/ dann daß derſelbige Religion-Fried zu
einem richtigen/ klaren vnd vnvergreifflichen Verſtand allerſeits gebracht/ vnd
die vnziembliche Beſchwernuß/ ſo auß deſſelben Mißverſtand auch Mangel er-
folgt/ gebührlicher Weiß abgeſchafft/ vnd zu allen Theilen/ zwiſchen den Staͤnden
ein Gleichheit angerichtet vnd gehalten werden moͤchte. Wie dann gemeldte
Staͤnde ſich hiemit außdruͤcklich erklaͤrt haben wollen/ daß ſie von demſelbigen
Religion- Frieden/ auch darvor auffgerichten Paſſawiſchen Vertrag/ ſo viel
derſelbig einen jeden belangen thut/ vnd bewilliget worden/ abzuſtehen nicht wil-
lens/ auch bedacht ſeyn.


Vnnd ſolches jhr wohlmeinlich Bedencken Ewr. Kaͤyſerl. Mayſt. vnder-
ſchiedlich zu erklaͤren/ ſo wiſſen ſich Ewr. Kaͤyſ. Mayſt. allergnaͤdigſt zu berichten/
wiewohl anfaͤnglich in obbemeldtem Religion-Frieden verſehen vnnd diſponiret,
daß weder die Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. noch ſonſt einiger Churfuͤrſt/ Fuͤrſt oder
Stand deß Reichs/ keinen Stand deß Reichs von wegen der Augſpurgiſchen
Confeſſions-Religion, Glauben/ Kirchen-Gebraͤuchen/ Ordnungen vnd Cere-
monien,
ſo ſie auffgerichtet/ oder nochmahls auffrichten moͤchten/ in jhren Chur-
vnd Fuͤrſtenthuͤmben/ Landen/ Herꝛſchafften vnd Gebiethen/ tringen/ durch
Mandaten, oder in einiger andern Geſtalt beſchweren oder verachten/ ſondern bey
ſolcher Religion, Glauben/ Kirchen-Gebraͤuchen/ Ordnungen vnd Ceremonien,
auch jhren Haab vnd Guͤtern/ liegend vnd fahrend/ Land/ Leuthen/ Herꝛſchafften/
Obrigkeiten/ Herꝛligkeiten vnd Gerechtigkeiten/ ruhiglich vnd friedlich bleiben
laſſen ſollen. So will doch dieſer Conſtitution, vnd deroſelben Verſtand/ in
viel Weg zu wider gehandelt/ auch etwann mit der That fuͤrgenommen werden/
nemblich in dem/ als ſie die Augſpurgiſche Confeſſion-Verwandte Staͤnde jhre
wahre Chriſtliche Religion in jhren Chur- vnd Fuͤrſtenthumben/ Landſchafften/
Obrigkeiten/ Herꝛſchafften vnd Gebiethen anzurichten/ auch die Prælaturen,
Geiſtliche vnd andere Vnderthanen/ Landſaſſen vnd Staͤnde/ dergleichen Stifft/
Cloͤſter vnd Pfarꝛen/ ſo immediatè in jhren Land-Fuͤrſtlichen Obrigkeiten/ Iuriſdi-
ctionen,
Herꝛſchafften/ Gebiethen vnd Territorio gelegen/ Chriſtlich zu refor-
mieren
ſich vnderſtehen; daß in ſolchem Chriſtlichen Werck allerley Hindernuß
geſucht vnd eingewendet/ vnnd jhnen der Augſpurgiſchen Confeſſion-Ver-
wandten Staͤnden/ nicht allein jhre Relgion in angeregten Stifften/ vnd Cloͤ-
ſtern anzuſtellen/ die Prælaten vnd Geiſtlichen zu reformieren, nicht geſtattet/ ſon-
dern auch dieſelbige mit Außbringung vermeinter deß Kaͤyſerlichen Cammer-
Gerichts Mandaten vnd Proceſſen hoͤchlichen beſchwert vnd vmbgetrieben. Deß-
gleichen auch die Renten/ Zinß/ Zehenden vnd Guͤltẽ/ den Stifften vnd Cloͤſtern/
ſo in gedachten Chur- vnd Fuͤrſtenthumben/ Herꝛſchafften vnd Gebiethen liegen/
vnd allbereit reformiert, vnd zu jhrer Rellgion getretten/ von den Herꝛſchafften
der andern Religion, vnder welchen ſolche Gefaͤll fallen/ geſperꝛet/ auffgehalten/
vnd
[139]Ander Theil.
vnd zum oͤfftern gar nicht gefolget/ ſondern entzogen wollen werden. Alles vnder
dem Schein/ als ſolten die Prælaten geiſtliche Land-Staͤnde/ auch Stifft vnnd
Cloͤſter nicht/ ſondern allein die weltliche Vnderthanen in angeregter Reforma-
tion
gemeynt vnd begriffen ſeyn.


Wiewohl nun ſolcher Vmbſtand auffgerichtem Religion-Frieden
ſtracks entgegen/ vnnd der Buchſtab viel andere Meynung mit ſich bringet/
auch als auffgemeldten Reichs-Tag bey dem Woͤrtlein Staͤnde Zweiffel vorge-
fallen/ ob darunter die Land-Staͤnde auch begriffen/ Ewr. Roͤm. Kaͤyſerl.
Mayſt. deßgleichen auch alle andere Staͤnde der andern Religion expreßè ſich er-
klaͤrt/ laut damahliger Doclaration. So werden doch ſolches vngeachtet/ der
Augſpurg. Confeſſion-Verwandten Staͤnde hieruͤber zum hoͤchſten beſchwert/
gefaͤhrt/ vnd vngebuͤhrlicher Weiß vmbgetrieben. Alſo auch bey den Puncten
der Beſtellung der Miniſterien vñ Vnderhaltung der Miniſtrorum, dieweil dem-
ſelbigen/ in maſſen dann im Religion-Frieden heylſamlich bedacht/ nicht würck-
lichen nachgeſetzt oder gelebt will werden/ begegnen den Staͤnden der Augſpur-
giſchen Confeſſion hin vnd wider allerhand Beſchwernuſſen/ Eintrag vnd ge-
faͤhrliche Bedrohungen: Jnmaſſen ſolche E. K. M. in ſpecie wohl darzuthun/ vnd
der Gegentheil durchauß/ ſich wohl ſelbſt zu berichten/ vnd zu erinnern wird wiſſẽ;
Aber E. K. M. ſolcher weitlaͤufftigen Außfuͤhrung dieſer Zeit vnderthaͤnigſt zu
uͤberheben/ So zweiffeln der Augſp. Confeſſions-Verwandte Staͤnde gar nicht/
E. K. M. werde es zu allen theilen dahin richten/ wie es dann an jhm ſelbſt billich/
vnd der Verſtand ermeldtes Religions-Friedens mit ſich bringet/ auch von allen
Staͤnden in der Tractation dahin gemeynt worden iſt/ vnd vor Auffrichtung deß
Religion-Friedens/ allwegen der Augſpurgiſchen Confeſſion-Verwandte
Staͤnde alſo geruhiglich gebraucht. Deßgleichen ſich die geweſene Kaͤyſerl.
Mayſt. im hievor zu Regenſpurg auffgerichten Land-Frieden deß ein vnd fuͤnff-
tzigſten Jahrs/ allergnaͤdigſt erklaͤret/ als einem jeglichen Stand deß Reichs/ mit
ſeinen Prælaten, vnd geiſtlichen Stifften/ Cloͤſtern vnd Pfarꝛen/ etc. wie dieſelbig
Nahmen baben moͤgen/ die dem Reich ohne Mittel nicht vnderworffen/ der Reli-
gion
halben ein Chriſtlich Reformation der Augſpurgiſchen Confeſſion gemaͤß/
fuͤrzunehmen/ freyſtehen/ auch denſelben jhre Haab/ Guͤter/ liegend vnd fahrend/
Land/ Leuth/ Herꝛſchafften/ Obrigkeiten/ Herꝛligkeiten vnd Gerechtigkeiten/
Renth/ Zinß/ Zehend/ vnangeſehen/ wo dieſelbigen gefallen/ vnbeſchwert bleiben/
vnd ſie derſelbigen friedlich vnd geruhiglich gebrauchen/ genieſſen/ vnd vnwei-
gerlich folgen laſſen wollen/ getrewlich darzu verholffen ſeyn ſolten. Wie dann
ingleichem dem Gegentheil hierin kein Verhindernuß geſchicht.


Wiewohl nun fuͤr das ander/ zu Erhaltung noch mehrers Fried vnd Eynig-
keit/ auch guthertzigen Vertrawens zwiſchẽ den Staͤnden in ermeldtem Religion-
Frieden heylſamblich vnd wol verſehen/ daß von wegẽ Anrichtung der Auſgpurg.
Confeſſions-Religion derſelben Staͤnde/ mit Mandaten vnd Proceſſen, oder
S ijin einige
[140]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
in einige andere Geſtalt/ nicht beſchwert werden ſollen; So befinden ſich doch/
daß von wegen Anrichtung ſolcher Religion allerley beſchwerliche Mandaten vnd
Proceß außgebracht vnd erlangt. Wie dann Ewr. Kaͤyſerl. Mayſt. deſſen auff
juͤngſt gehaltenem Reichs-Tag zu Regenſpurg/ auch vnderthaͤnigſt bericht wor-
den. Welche Proceß nicht allein von den Staͤnden deß Reichs/ ſondern auch
von andern/ ſo nicht Reichs-Staͤnde/ oder auch dem Reich vnderworffen/ gegen
den Staͤnden der Augſpurgiſchen Confeſſion wollen außgebracht/ vnd getrieben
werden; Als da allbereit von vielen Staͤnden gemeldter Confeſſion vor etlich
Jahren/ mit jhren Vnderworffenen vnd Jngeſeſſenen/ zum theil auch Spittaͤl/
Cloͤſtern/ Enderungen beſchehen/ dieſelbigen von deß Ordens-Leuthen/ durch
Vertraͤge/ oder in andere Wege/ gaͤntzlich verlaſſen/ oder außgeſtorben/ auch von
den Staͤnden zu andern Mitteln gebrauchen/ als Spittaͤlen verwendet worden;
bey Verwendung ſolcher Cloͤſter billich/ wie hievor ruhig zulaſſen. Daß dem nach
die Provinciales, vnd dergleichen außlaͤndiſche Orden/ derowegen Proceß am
Kaͤyſerlichen Cammer-Gericht/ auch rothweiltſchen Gericht ſuchen vnd auß-
bringen/ die Staͤnde vnd Staͤtt damit zum hoͤchſten hin vnd wieder beſchweren
vnd vmbtreiben.


Alſo auch zum dritten/ weil der Augſpurgiſchen Confeſſions-Verwandte
Staͤnde/ in Staͤtten/ Doͤrffern vnd Flecken/ da ſie Gemeinſchafft mit den Geiſtli-
chen/ vnd andern haben/ der ends in Anrichtung jhrer Chriſtlichen Religion/ auch
notthuͤrfftiger Vnderhaltung der Predicanten vnd Kirchendiener/ allerley Ver-
hinderung geſchehẽ/ auß vermeintem Fuͤrgebẽ/ als ob in vielgemeldtem Religion-
Frieden deßwegen nichts außtruͤcklichs diſponiert, vnd verſehen. Wann dann
ſolche Vngelegenheit vñ Weigerung zu Verletzung der Conſcientien, auch Nach-
theil der Vnder thanen reichen thut/ ſo achten der Augſpurgiſchen Confeſſion-
Verwandten Staͤnde/ je billich/ vnnd dem Religion-Frieden nicht vngemaͤß
ſeyn/ daß in ſolchen Gemeinſchafften/ jedwederem Theil ſein Religion anzurichten
bevorſtehen/ vnd die Miniſteria von gemeinen der enden Pfarꝛen/ vnd Kirchen-
Gefaͤll utrinq́ue beſtellet/ vnderhalten werden ſolle. Wie dann auch in dem Fall/
da zween Staͤnde deß Reichs der ein der Augſpurgiſchen Confeſſion, der ander
aber der andern Religion in Gemeinſchafft ſitzen/ vnd doch einem dritten die Pfarꝛ
zu verleyhen/ vnd zu verſehẽ gebuͤhret/ ebenmaͤſſige Gleichheit mit Beſtellung der
Miniſterien vnd Vnderhaltung der Kirchendiener geſchehen/ vnd ſich billich kein
Theil deſſelbigen in dieſen Faͤllen beſchweren ſoll/ damit die arme Vnderthanen/
mit nothwendiger heylſamer Seelſorg verſehen/ vnd alſo in dem die gemeine
Chriſtenliche Wohlfarth der zeitlichen Iuriſdiction fuͤrgezogen/ vnd beyder der O-
brigkeit vnd Vnderthanen Gewiſſen nicht bekuͤmmert werden.


Ertragen auch der Augſpurgiſchen Confeſſion-Verwandte Staͤnde nicht
ein geringe Beſchwerd/ dieweil GOttes ernſtlicher Befehl iſt/ ſeinen geliebten
Sohn/ vnſern einigen Heyland/ Erloͤſer vnd Seeligmacher JEſum Chriſtum
zuhoͤren/
[141]Ander Theil.
zu hoͤren/ auch angeſehen/ quod fides ex auditu, \&c. Daß man vor der Zeit ſol-
chem entgegen an etlichen Orthen das heylig Evangelion Chriſti vnd Predigt zu
hoͤren ernſtlich verbotten/ welches damahls zum hoͤchſten beſchwerlich/ vnd obwohl
in obgedachtem Religion-Frieden der Vnderthanen halben außtrucklich verſe-
hen/ daß denſelbigen/ ſo ſich zu vnſerer wahren Chriſtlichen Religion thun wollen/
ein freyer Zug vnd Abzug geſtattet/ auch jhr Haab vnnd Guͤter gefolget werden
ſollen/ So iſt doch leyder am Tag/ daß an etlichen Orten dieſelbige nicht allein/ wie
gemeldt/ mit ernſtlichen Mandaten/ in etlichen Fuͤrſtenthuͤmben/ Herꝛſchafften
vnd Gebiethen/ von Beſuchung der Chriſtlichen Predigten/ vnd Bekantnuß deß
allein ſeeligmachenden Gottes Worts abhalten/ ſondern auch uͤber das haͤrtiglich
an Leib vnd Gut geſtraffet/ verjaget/ vertrieben/ jhrer Guͤter entſetzt vnnd beraubet
werden/ dardurch endlichen ſie mit jhren Weib vnd Kindern in das Elend gerah-
ten muͤſſen. Viel beſchwerlicher iſt es zu hoͤren/ daß viel guthertziger Leuth vnd
Chriſten der Augſpurgiſchen Confeſſion, Glauben vnd Lehr zugethan/ vnter dem
Schein/ als ſolten ſie weder vnſerer/ noch der andern Religion anhaͤngig ſeyn/
gefaͤhrt/ verfolgt vnd beſchwert werden. Vber ſolches alles ſo befinde ſich hin
vnd wieder bey etlichen Staͤnden/ fuͤrnemblich aber Frey- vnd Reichs-Staͤtten
vnd andern/ daß ob wohl die Obrigkeit vñ Gemeinde einhelliglich/ oder der mehrer
theil deroſelben die Lehr deß Heil. Evangelions/ vnd Anrichtung der Augſpur-
giſchen Confeſſion mit allem Ernſt ſuchen/ die Collatur aber vnd Verſehung der
Pfarꝛen andern geiſtliches Standes zugehoͤrig/ daß derowegen jhnen zum Theil
die Anrichtung ſolcher Miniſterien gaͤntzlich abgeſtrickt/ zum theil aber dahin
gezwungen werden/ da ſie der Predigt GOTTGS Worts/ auch rech-
ten Gebrauch der hochwürdigen Sacramenten nicht gar beraubt ſeyn wollen/ daß
ſie auff jhren ſelbſt eygenen Koſten ſolche Miniſteria beſtellet/ vnnd dannoch die
Pfarꝛgefaͤll/ vnd was dem ſelbigen anhaͤngt/ auß jhrem Gebieth vnd Staͤtten/
den geiſtlichen Collatoribus folgen muͤſſen laſſen/ welches doch ſtracks dem Reli-
gions-
Frieden/ auch Suſpenſion der geiſtlichen Iuriſdiction in der weltlichen
Reichs-Staͤnde Obrigkeit zu wider. Zu dem da dann an ſolchen Orthen die
Chriſtliche Religion von den Gemeinden mit einhaͤlligem eintraͤchtigem Rath
vnd Zuthun/ auß Chriſtlichem Eyfer begehrt vnd geſacht/ daß die etwann durch
ſondere außbrachte Comminationes, vnd ſelbſt erdichte Außlegungen deß Reli-
gion
Friedens mit der That abgehalten/ oder aber dahin gewieſen werden/ als
ſolten ſie von dem Religion-Frieden außgeſchloſſen/ vnd alſo die Communiteten,
in den Staͤtten nicht als Reichs Glieder vñ Membra, vnd von wegen der Religion
ſchuldig ſeyn/ jhre Guͤter zu verkauffen/ vnd alſo auß den Staͤtten ziehen/ vnd
dieſelbigen zu verlaſſen/ welches dann vnter ſolchen Communen nicht allein zu
beſchwerlichem Wider- vnd Vnwillen ſondern auch e[m]lich dahin reichet/ daß die
Staͤtt gar oͤd gelaſſen/ vnd dem H. Reich nicht geringer Abgang zugefügt wird.
S iijDero-
[142]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Derowegen die hohe vnvermeydliche Notthurfft erfordert/ hierinnen auch zeitli-
ches vnd gebuͤhrliches Einſehens zu haben.


Dieweil dann/ allergnaͤdigſter Kaͤyſer/ obgemeldte/ dem Gewiſſen verletz-
liche vnd ſchaͤdliche Beſchwerden ſich im Reich Teutſcher Nation vnd den Staͤn-
den hin vnd wieder begeben vnd zutragen; Aber die Religion der Augſp. Con-
feſſion
an jhr ſelbſt frey vnd expreße in dem Frieden alſo begriffen/ daß von wegen
vorgehend vnd künfftiger Anrichtung derſelbigen mit der Lehr/ Ceremonien, Kir-
chen-Gebraͤuchen vnd Ordnungen/ etc. kein Stand den andern verhindern/ Ein-
trag thun/ oder verkleinern ſoll; zu dem ſolcher Religions-Fried immediatè auff
die Reichs-Staͤnde geſtellt/ mit der weiteren vnd ſonderbaren Erklaͤrung/ daß
der Chur- vnd Fuͤrſten/ auch anderer weltlichen Herꝛſchafften vnd Obrigkeiten
vnderworffene vnd hindergeſeſſene Land-Staͤnd/ deß Reichs Staͤnden in der
Religion nachfolgen. Deßgleichen der Geiſtlichen Iuriſdiction, in der weltlichen
Chur- vnd Fuͤrſtenthumben/ Herꝛſchafften vnd Obrigkeiten ſuſpendirt; daß
auch von wegen Anrichtung der Augſpurgiſchen Confeſſion kein Mandat an dem
Kaͤyſerl. Cammer-Gericht erkandt werden ſollen. Neben dem die Staͤnde der
Augſpurgiſchen Confeſſion mit Reformation jhrer Cloͤſter/ Stifft vnnd hinder-
ſeſſener Cleriſey/ in geruhiglichem Herkommen/ auch fuͤr dem auff gerichten Reli-
gion-
Frieden/ geweſen/ vnd noch ſeyen; uͤber ſolches auch die geweſene Roͤmiſ-
Kaͤyſ. Mayſt. vnſer allergnaͤdigſter Herꝛ/ ehe vnd mehrgemeldter beſtaͤndiger/
vnbedingter/ fuͤr vnd fuͤr ewig waͤhrender Friede auffgericht/ die davor auffge-
richte Reichs/ vnd ſonderlichen den de Anno 41. zu Regenſpurg vergliechenen
Abſchieds mit lautern runden Worten erklaͤrt/ in maſſen obangeregte Copey mit-
bringt. Deßgleichen der Buchſtab deß in Anno 1555. allhie auffgerichten hoch-
verpœnten Friedens/ an jhme ſelbſt lauter vnd klar.


Hinwieder auch/ da derſelbig angezogener maſſen diſputiert, vnd verſtanden
werden ſolt/ vnwiderſprechlichen folgen muͤſt/ daß die Staͤnd der Augſpurgiſchen
Confeſſion in Auffrichtung ſolches Religion-Friedens/ Jhrer wahren Chriſt-
lichen Confeſſion vnd Religion der Conſcientz vnd Gewiſſen/ zuvorderſt aber
Gottes ewigen allein ſeeligmachenden Wors zu wider dieſe offentliche Schand-
makul angethan; daß jhre Chriſtliche Religion nicht würdig/ die in jhren Chur-
vnd Fuͤrſtenthumben/ auch Herꝛſchafften/ Obrigkeiten vnd Staͤtten/ auff den
Cantzlen gepredigt/ vnd von den ordentlichen Deputierten, Kirchen-Gefaͤllen
erhalten/ ſondern erſt mit newen ſubſidiis, vnd ſtipendiis die Miniſterien verſehen/
vnd die zuvor verordnete Gefaͤll/ andern auß jhren Fuͤrſtenthumben gefolgt wer-
den muͤſten. Zum andern dieweil die Geiſtlichen in den Chur- vnd Fuͤrſten-
thumben/ auch andern weltlichen Obrigkeiten vnd Herꝛſchafften/ gemeiniglich
den Geiſtlichen fuͤr jhre Perſon vnd certis juribus durchauß zugethan/ vnd alſo
ratione jhrer Iurium darbey erhalten werden ſollen/ daß keinem weltlichen Stand
zugelaſſen/ noch frey ſtuͤnde/ die Religion in ſeiner Obrigkeit/ weder bey den
Cloͤſtern/
[143]Ander Theil.
Cloͤſtern/ Stifftern Collegiis, Capitulis, da auch bey den wenigſten fuͤrnehmeſten
zu reformieren oder anzurichten. Darauß dann zum dritten erfolgte/ daß von
den Staͤnden der Augſpurgiſchen Confeſſion, jhrer ſelbſt Gewiſſen vnd Confeſ-
ſion
zu wider/ in jhren eygenen Fuͤrſtenthumben/ dem Pabſt kein beſſer Vor-
mawr gemacht/ ſondern deſſelbigen darin zu ewigen Zeiten erhalten müſte
werden.


Vnd dann zum Vierdten/ daß die auch vor ſich ſelbſten vnd dero Vnder-
thanen in dem zum hoͤchſten beſchweret/ daß ſie erſt mit newen Subfidiis Jhre Mi-
niſteria
beſtellen/ vnd demnach auß jhren Fuͤrſtenthumben/ Herꝛſchafften vnd
Obrigkeiten/ die verordnete Kirchen-Gefaͤll/ die auch etwann von den guthertzigen
Vnderthanen/ von jhrem Armuthlein/ laſſen muͤſſen. Vber ſolches/ da der Re-
ligion-
Fried/ wie er von etlichen diſputiert, vnd dahin verſtanden ſolt werden/ daß
propter intermisſionem officiorum der Paͤbſtlichen Kirch/ auch die in weltlichen
Fuͤrſtenthumben vnd Herꝛſchafften hinderſeſſene Prælaten, Stifft/ vnd Collegia
transferiert,
vnd an die Ende/ da ſie hin geſtifftet/ nicht mehr gefolget ſollen wer-
den/ Aber das mehrertheil der Chur- vnd Fuͤrſtenthumben gemeiniglich auff die
Land-Staͤnd/ darunter auch die Prælaturen fuͤrnemblich begriffen/ gewidmet;
vnd dahero in Reichs-Beſchwerden deſto hoͤher belegt/ die Prælaten aber vnnd
Stifft jhnen entzogen/ vnd andern geiſtlichen Staͤnden/ von wegen aͤnderung der
Religion zugethan werden ſolten/ daß darauß anders nichts dañ endliche Zerꝛeiſ-
ſung aller Chur- vnd Fuͤrſtenthuͤmb/ auch vieler Obrigkeiten vnd Herꝛſchafften
erfolgen/ vnd alſo alle Policey im Reich mit beſchwerlichem Vndergang deſſelbi-
gen erfolgen müſte/ wie dann gemeldte vnd andere mehr vnerzehliche Beſchwer-
den/ Vnruhe/ Weiterung/ vnd endlich Zerꝛuͤttung weiter außgefuͤhrt vnd darge-
than werden moͤchten. So haben demnach die Staͤnde der Augſpurgiſchen
Confesſion, mit gemeinem einhelligen Rath vnd Zuthun/ ſich aller obgemeldter
fuͤrgeloffenen/ vnnd weiter beſorgender Gefahr vnnd Beſchwernuß miteinan-
der Chriſtlichen vnnd vertrewlichen erinnert/ auch bey jhnen einhelliglich
befunden/ obgemeldte vnnd darauß weitere gefaͤhrte Beſchwerde ein gemein
Werck/ vnd ſolche Handlung ſeyn/ ſo jhrer aller wahren Chriſtlichen Reli-
gion
vnnd Confesſion durchauß in ſpecie, vnnd in gemein/ betreffen thaͤte/
derhalben ſie ſich auch billich gemeinlichen zu beladen haͤtten/ auch beladen
haben.


Vnd iſt derowegen an Ew. Roͤm. Kaͤyſ. Mayſt. jhr vnderthaͤnigſte Bitt/ die
wolle obgemelte vnd gegenwertige publica vnd hoͤchſte Gravamina, auch allbereit
außgebrachte Proceß, die beſchwerliche hin- vnd wieder außgangene Mandaten
vnd Verhindernuſſen/ dadurch den Chriſten vnd Liebhaber deß Seeligmachen-
den Worts Gottes/ die Thuͤr zum Himmelreich verſchloſſen/ vnd Vrſach zu vn-
billiger Verfolgung gegeben wird/ allergnaͤdigſt abſchaffen/ vnd fuͤrhin die gnaͤ-
digſte Fuͤrſehung vnnd Anſtellung thun/ daß dem Religion-Frieden zu wider/
mit
[144]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
mit der That noch ſonſten wie bißhero beſchehen/ nicht gehandelt/ in demſelben ſo
ſchimpfflich vnd gefaͤhrlich gegruͤbelt vnd diſputiert, ſondern derſelb ſeinem rech-
ten/ wahren vnd lautern Verſtand nach/ trucklich/ auffrecht/ vnd alſo von allen
Theilen vollzogen vnd gehandhabt/ deßgleichen in obgemeldten fuͤrgefallenen
Zweiffeln vnd dubijs, der hohen Notthurfft nach/ Gleichheit gehalten werde/
damit die Staͤnd vnd Glieder deß Heiligen Reichs/ als eines gemeinen Corporis
vnſers allerliebſten Vatterlandes Teutſcher Nation, in mehrerm guthertzigen
Vertrawen/ freundlicher auffrichtiger Eynigkeit/ deßgleichen beſtaͤndigem vn-
zweiffelichen Frieden/ ruhe vnd Sicherheit/ ſampt jhren Vnderthanen/ bey Ew.
Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. als jhrem von GOTT fuͤrgeſetzten Haupt/ vnd gnaͤdigſten
Herꝛn/ deßgleichen jhrem geliebten Vatterland vnzertrent vnd beſtaͤndiglich bey
einander bleiben vnd hinkommen moͤgen. Solches gegen Ewr. Kaͤyſ. Mayſt.
vnderthaͤnigſts/ vnd jhrem euſſerſten Vermoͤgen nach/ gehorſamblich zu verdie-
nen/ erkennen ſich die Staͤnde mehr gemeldter Augſpurgiſchen Confeſſion nicht
allein ſchuldig/ ſondern ſeynd es auch vnderthaͤnigſt geneigt. Da auch Ewr.
Kaͤyſ. Mayſt. in ſpecie obbemeldter Gravaminum, vnd andern/ ſo ſich nachmahlen
erfinden/ vnd an Tag kommen moͤchten/ Bericht begehren/ ſo ſeynd beruͤhrte
Staͤnde Ewr. Kaͤyſerl. Mayſt. dieſelbigen/ an welchem Orth/ vnd wem ſolche be-
gegnen/ anzuzeigen/ vnderthaͤnigſt vrbiethig. Actum Augſpurg den 11. May/
Anno 59.


Ewr. Roͤm. Kaͤyſ. Mayſt.
vnderthaͤnigſte/
Der abweſenden Chur-Fuͤrſten Geſandte/ die
anweſende Fuͤrſten vnd der abweſenden Fuͤr-
ſten/ vnd anderer der Augſpurgiſchen Con-
feſſion-
zugethane Staͤnde/
Bottſchafften.


Vnd dieſes iſt das Haupt-GravamenderProteſtierenden:was
aber ſonſten in Particular-Sachen deßwegen vorkompt/ iſt nicht ſonderlich zu ach-
ten/ als wann ein gantzes Biſthumb wanckt/ vnd mit dem Biſchoff auff die andere
Seit fallen will/ wie es dann bald hohe Exempel wird geben.



[145]Ander Theil.

Der vierzehende Diſcurß.


Der Catholiſchen Chur-Fuͤrſten vnd StaͤndGravamina,wider die
Confeſſioniſten uͤbergeben.


HJerauff antworten die von der altenReligionalſo: nachdem
im verſchienen 55. Jahr/ auff vielfaͤltige vorhin gepflogene Handlung/
zu Auffhebung allerhand Wiederwillens vnd Mißtrawens/ vnd entge-
gen Pflantzung vnnd Erhaltung beſtaͤndiger Ruhe vnd Eynigkeit im H. Reich
Teutſcher Nation, Vnſerem allgemeinen Vatterland; dann auch/ damit
beyderſeits hernach benandter Religion vnd Confeſſion-Staͤnden deren Zuge-
wandten/ Angehoͤrigen vnd Vnderthanen/ Geiſtlichen vnd Weltlichen/ ein
jeder bey ſolcher ſeiner Religion vnd Confeſſion, deßgleichen jhren Haab/ Guͤ-
tern/ Recht/ Oberherꝛlich- vnd Gerechtigkeiten ruhiglichen bleiben vnd gelaſſen
wuͤrden/ zwiſchen damahls der Roͤm. Kaͤyſerl. vnd Koͤnigl. Mayſt. Churfuͤrſten/
Fuͤrſten vnd Staͤnden/ der alten wahren Chriſtlichen vnd Catholiſchen Reli-
gion
an einem; ſo dann auch Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnden der Aug-
ſpurgiſchen Confeſſion ander theils/ ein gemeiner Fried auffgericht/ vnd be-
ſchloſſen/ demſelben auch feſtiglichen nachzukommen/ vnd zu glauben/ von
beyden Theilen bey Kaͤyſ. vnd Koͤnigl. Wuͤrden/ Fuͤrſtlichen Ehren/ wahren
Worten/ vnd Pœn deß Land-Friedens verſprochen vnd zugeſagt; Jnmaſſen
ſolches alles der Buchſtab/ vnd Jnhalt ſolches hochverſprochenen/ verpœnten/
bewilligten vnd publicierten Friedens/ weiter lauter vnd klaͤrlich außweißt.
Haben darauff Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnd gedachter alten Catholiſchen
Religion ſich befoͤrderlich dahin befliſſen/ daß jhres Theils ſolchem gemeinen
Frieden nichts zu wider gethan/ gehandelt/ noch auch dem andern Theil zu eini-
ger Klag der Verbrechung halben/ vrſach gegeben werden moͤcht. Entgegen
auch ſich gaͤntzlich verſehen vnd getroͤſtet/ der ander Theil werde demſelben nicht
weniger nachkommen ſeyn/ vmb ſich auff einigen vngegruͤndten Verſtand/ vnd
eygene Deutung ſolches Friedens nicht fuͤhren/ ſondern vielmehr die Sachen
dahin kommen laſſen/ damit maͤnniglichen eines ſolchen Friedens ſich erfrewen/
auch vnbetrangt vnd vnbeſchwert bleibẽn moͤgen.


Dieweil aber ermeldter Catholiſcher Theil ohnlaͤngſt/ nachdem ſol-
cher Fried einhelliglichen beſchloſſen/ inmittelſt/ vnnd was wieder ſolchen
Frieden nicht allein/ in jhrer Chriſtlichen Catholiſchen Religion, Kirchen-
Ander Theil. TGebraͤu-
[146]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Gebraͤuchen/ Ordnung/ Adminiſtration der Hochwuͤrdigen H. Sacramenten
vielfaͤltig turbiert, davon abgetrungen/ vnd vergwaͤltiget; ſondern auch an
jhren Kirchen/ Haab vnd Guͤtern ein merckliches entzogen/ vnd ſonſt in viel
Artickeln ſolches Friedens jhnen wider deſſelbigen Buchſtaben/ allerhand Be-
ſchwerlichs begegnet etc. Vnnd ob gleich der Catholiſche Theil (vermoͤg deß
ſonderbaren Befehls/ Cammer-Richtern vnd Beyſitzern/ in gemeldter Con-
ſtitution
deß Friedens aufferlegt/ daß ſie ſich ſolchem Friedſtand Gemaͤß halten/
vnd erzeigen/ auch den anruffenden Partheyen/ vngeacht/ welcher der beyder
Religion ſie ſeyen/ gebuͤhrliche vnd nothwendige Huͤlffe deß Rechtens mitthei-
len ſolten) ſtets angeregter jhrer Betrangnuß/ vnd Beſchwerung halb/ bey
dem Cammer-Gericht vmb nothwendig rechtlich Huͤlff angeſucht/ auch etwann
von demſelbigen/ Mandata, Actiones, vnd andere Proceß außbracht/ jedoch ſolche
Proceß vom andern Theil zu verhindern vnderſtanden/ die Gebuͤhr etwann
abgeſchlagen/ vnd was Recht iſt/ verlaͤngert: Vnd endlich nicht erfolgen will;
darob dieſer Theil nicht anders zu gewarten/ dann daß demſelben ſolcher Fried
mehr zu Verdruckung/ als zu gutem reichte vnd außgelegt werden wolle. So
ſeynd auß vnvermeydenlicher Notthurfft/ Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnde/
der alten wahren Catholiſchen Religion dahin verurſacht/ angeregte (eines
Theils) jhrer Beſchwerden/ der Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. Vnſerm allergnaͤdigſten
Herꝛn/ vnd der allergnaͤdigſten Einſehen/ in Vnderthaͤnigkeit anzubringen.
Wollen aber durch ſolche Fuͤrbringung den alſo einhelliglichen beſchloſſen vnd
publicierten Frieden uͤber dem klaren Buchſtaben nicht diſputierlich machen/
noch zu einigem vngleichen Verſtand oder Deutung ziehen/ ſondern hiemit
offentlich ſich erklaͤrt/ bezeuget vnd proteſtirt haben/ daß ſie dadurch von ſolchem
Frieden mit nichten ſich zu theilen/ ſondern nicht weniger als bißhero beſche-
hen/ vnd ſich wol gebuͤhret haͤtt/ auch hinfuͤhro denſelbigen zu halten/ vnd zu voll-
ziehen gemeint. Zu dem/ daß ſie in keinen vngewoͤhnlichen Verſtand oder En-
derung ſolches Friedens bewilligen/ aber bey dieſem Buchſtaben/ vnd lauterem
Verſtand belieben laſſen/ (auff welche Erklaͤrung dann deß Catholiſchẽ Theils/
allein ſolche Beſchwerung angezeigt werden/ ſo dem außtruͤcklichen Buchſta-
ben/ vnd lauterem Verſtand deß Religion-Friedens zu wider.)


Vnd anfaͤnglich wiewohl beruͤhrter Fried gleich zu Eingang außtruͤckli-
chen vermag/ daß ein jeder den andern mit rechter Freundſchafft/ vnd Chriſtli-
cher Liebe meynen/ den freyen Zugang der Proviand/ Nahrung/ Gewerb nicht
abſtricken noch auffhalten; auch damit ſolcher Fried der ſpaltigen. Religion
halben/ deſto beſtaͤndiger angeſtellt/ vnd erhalten werden moͤg/ kein Theil den
andern mit der That/ gewaltiger Weiß uͤberziehen/ beſchaͤdigen/ noch einiger an-
derer Geſtalt beſchweren oder verachten/ ſondern vielmehr/ ſo viel die alten
wahren Catholiſchen Religions-Verwandten betrifft/ der ander Theil derſelben
Staͤn-
[147]Ander Theil.
Staͤnden/ Geiſt- vnd Weltlich/ ſampt vnd mit jhren Capituln vnd andern geiſt-
liches Stands/ auch ohngeacht/ ob vnd wohin ſie jhre Reſidentz geruckt oder ge-
wendet haͤtten/ bey jhrer Religion, Glauben/ Kirchen-Gebraͤuchen/ Ordnungen
vnd Ceremonien, auch jhren Haab vnd Guͤtern/ liegend vnd fahrend/ Landen/
Leuthen/ Renthen/ Zinſen/ Zehenden/ ruhiglichen bleiben/ vnd deroſelben fried-
lichen gebrauchen/ genieſſen/ vnweigerlichen folgen laſſen/ vnd getrewlichen dazu
verholffen ſeyn/ vnd ſonſt auſſerhalb vnguͤtlichem Fuͤrnehmen/ ein jeder gegen
den andern an gebuͤhrenden ordentlichen Rechten/ ſich begnuͤgen laſſen ſoll. So
erfind ſich doch/ vnd iſt offentlich/ daß deß andern theils Reichs-Staͤnd/ nicht
allein in dem/ das von privat, vnd an ſich ſelbſt wenig nuͤtzlichen Perſonen/ die
alte Catholiſche Religion in gemein/ mit aller Vnguͤtlichkeit geſchwaͤcht wuͤrde/
zuſehen/ ſondern auch fuͤr ſich ſelbſten/ vnd vnder jhrem Nahmen/ ohne allen
Grund/ derſelbigen allerhand vn Chriſtliche Heydniſche Makul anzuhencken
vnd [...]rſtanden/ vnd vngeſcheut in jhren Staͤtten vnd Truckereyen mehrfaͤltig zu
gemeiner Auffruhr vnd Empoͤhrung im Heil. Reich dienliche Schrifften/ vnd
Famos-Libellen/ darin dieſer Religion Staͤnd vñ Perſonen zum ſchmaͤhlichſten
angetaſtet/ gedruckt/ verkaufft vnd ſpargiert worden.


Vber welche general, jedoch in Fundamento dem gemeinen Frieden wi-
derliche Beſchwerungen dann in ſpecie wohl dargethan werden mag/ daß auch
zu wuͤrcklicher vnnd mehrer Verachtung an etlichen Orthen vnd Flecken; da
beyder Religion vnd Confeſſion Staͤnd in Gemeinſchafft ſitzen/ vnd die O-
brigkeit in gemein haben/ die Confeſſions-Verwandten Staͤnde der Catholi-
ſchen Vnderthanen/ von wegen jhrer Chriſtlichen Religion, von den fuͤrge-
brachten gepflogenen Emptern/ vom Rath/ Gericht/ vnd andern Gemeinſchaff-
ten außſchlieſſen thun/ vnd darneben verbiethen/ mit jhnen kein Gewerb/ Ver-
kauffung Brods/ Frucht/ vnd anders zu treiben/ noch auch in andern jhren
Flecken kauffen oder verkauffen laſſen. Deßgleichen auch/ da deß Catholiſchen
theils/ Mann/ Fraw/ oder Jungfraw; zu der andern Religion heyrathen/
wird denſelben die Einſegnung/ auch etwann der Catholiſchen Kind-Tauff ver-
weigert; oder aber/ da deß Catholiſchen Theils jemands zu der Kind-Tauff
beruffen/ derſelbig darvon verworffen/ verhindert/ vnd verſpottet/ er gebe dann
Handtrew von jhme/ daß er ſich zu jhrer Confesſion begeben wolle. Darbey
neben dann auch dieſes nicht allein zu Verachtung angeregter wahrer Catholi-
ſchen Religion, ſondern viel mehr zu gaͤntzlicher Außreutung vnd Verdruckung
derſelben gereichet; vnangeſehen die Confeſſions-Verwandte Staͤnd ſich
wohl zu beſcheyden/ daß gemeiniglich alle Collegia. Stifftung vnd Cloͤſter/ ſon-
derlich der Religion halben/ niemands anders/ dann jhren Ordinarien, vnd
Biſchoffen/ oder aber immediatè dem Stuhl zu Rom vnderworffen/ vnd der
Confeſſions-Verwandten ohne Mittel Vnderthanen nicht ſind/ ſondern zu
T ijErhal-
[148]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Erhaltung ſolcher Collegien, Stifftung vñ Cloͤſter/ ſich etliche in jhrẽ Schutz vnd
Tutel begeben/ auch etwañ mit dem geding jhrer Gelegenheit nach/ einen andern
Schutz-Herꝛn anzunehmẽ; So habẽ doch etliche der Confesſions-Verwandten/
hohe auch wohl niedrige Staͤnd/ nach auffgerichtem Friedẽ/ in welchem kein ander
Stifft/ Cloͤſter/ vñ geiſtliche Guͤter/ dañ die jenigen allein ſo vor dem Paſſawiſchen
Vertrag eingezogen/ jhnẽ Confesſions-Verwandten Staͤnden/ alſo biß zu end-
lichem Vergleich/ bleiben zu laſſen nachgebẽ/ gleichwol noch mehr/ wo nicht einge-
nom̃en/ jedoch mit andern vnziemblichkeitẽ darin gehandelt/ oder aber der Ort/ ſo
man ſolche Perſonẽ nit gantz vnd zumal außgejagt/ denſelbigẽ vngeſtuͤm̃e Ampt-
leut vñ Pfleger auff gedrungẽ/ ſo der Cathol. Religiõ zu wider/ alles Muthwillens
gegen ſolchen Perſonen gebaͤhren/ jhnen auch nit geſtattẽ/ vermoͤg der Stifftung
oder Fundationẽ, zu Erhaltung derſelbigen/ newe vñ fernere Perſonẽ anzunehmẽ/
damit dieſe wahre Cathol. Religion der Orten gantz vnd zumahl extirpiert werde.


Vber dieſes dann auch da/ wie oblaut/ die Staͤnde der alten Religion,
ſampt vnnd mit jhren Capituln/ etc. bey jhrer Catholiſchen Religion, altem
Herkommen/ vnd Gerechtigkeiten gelaſſen werden ſollen/ dringen jedoch eines
theils der Confesſions-Verwandten Staͤnde in etliche Thuͤmb- vnnd andere
Capitul/ daß auff die erledigten Prælaturen vnd Beneficien, ſie jhrer wahren
Religion vngemaͤß/ vnd nicht qualificierte Perſonen/ wider jhre Fundationes
vnd Statuta, vnd bemeldt alt Herkommen auffnehmen ſollen/ welches nicht
allein der Conſtitution deß Friedens zu wider/ ſondern auch zu aller vnfreund-
licher Beywohnung gelangen muͤſte. So wird den Catholiſchen Staͤnden/
ſampt vnd mit jhren Capituln/ vnd andern Geiſtlichs Stands/ ſo bemeldten den
Confesſions-Verwandten zumahl weder mit Schutz/ oder in andere Wege
nicht verwand/ ſondern frey/ eygenthuͤmbliche Guͤter/ Renth/ Zinß/ Zehend/ etc.
in der Confesſions-Verwandten Obrigkeit haben/ das jhrige vmb kleinfuͤgige
Vrſachen/ vnd da ſie vmb das doppel wohl geſeſſen ſeyn/ jhrer Vnverhoͤrt/ durch
die Amptleuth vnd Befehlchhaber/ dero Gefallen vnd Bewegnuß nach/ arreſtiert
vnd auffgehalten. Wo dann auch die Catholiſche Staͤnd vnd Geiſtliche jhre
Zehend vnd Einkommen in deß andern Theils Obrigkeit/ oder auff deſſen Fle-
cken/ Doͤrffern vnd Hoͤfen/ mit rechtmaͤſſigem Titul an ſich bracht/ vnd haben
auch dieſelbigen je vnd allwegen/ ruhiglichen vnd jhres beſten genoſſen. Den-
ſelben jhres Gefallens/ wie vor alters herkommen/ vmb ein benandte Wein-
Frucht- oder Geldſumma/ verliehen/ verkaufft/ oder ſonſt in jhre gewoͤhnliche
Kaͤſten/ Hauß/ Keller vnd Schewer führen laſſen; daran thun nunmehr
der Confesſion-Verwandten Amptleut vñ Befehlchhaber alle Verhinderung/
verbiethen den Vnderthanen/ weder in Beſtaͤndnuß/ noch Kauffsweiß/ ſich mit
den Zehenden/ vnd Eygenthumbs-Herꝛn/ einzulaſſen/ noch auch in Samblung/
Einbringung vnd Erlangung/ gegen gebuͤhrlicher Belohnung/ einig Hülff
vnd Beyſtand zu thun; oder aber werden die geſamblete Zehend/ vnd andere
Einkommen/ ohne rechtmaͤſſige Vrſach/ viel Jahr lang/ uͤber vielfaͤltig Anſu-
[149]Ander Theil.
chen vnd Bitten hinderhalten vnd geſperꝛet/ auch etwann die Getrayd-Kaͤſten/
darauff ſie die eingeſamblete Zehend geſchuͤttet/ ſo in frembden Herꝛſchafften
gelegen/ mit Gewalt auffgebrochen/ vnd das Getraͤyd in jhre Herꝛſchafften
gefuͤhret/ vñ behaltẽ/ da ſonſt Krafft deß Religion-Friedens der ander dieſem der
Catholiſchen Theil getrewlichen zu ſolchem allem verholffen zu ſeyn/ ſchuldig iſt.


Ferner als auch vmb geliebtes Friedens willen/ vnd zu beſtaͤndiger Vnder-
haltung deſſelben/ der Conſtitution, in dem Verſicul anfahend: Dieweil aber
etliche Staͤnd/ etc. mit begriffen/ wie es der Stifft/ Cloͤſter vnd anderer Geiſt-
lichen Guͤter halben/ ſo vor dem Paſſawiſchen Vertrag/ zu Kirchen/ Schulen/
milten vnd andern Sachen angewendt/ vnd dero Poſſesſion die Geiſtlichen Zeit
deß Paſſawiſchen Vertrags/ vnd ſint gehabt/ gehalten werden. Die andern
aber ob ſie gleichwohl nicht Reichs-Staͤnd ſeynd/ denn zu Zeit deß Paſſawiſchen
Vertrags/ vnd darnach in Verwaltung vnd Poſſesſion jhrer Stifft/ Cloͤſter/
Beneficien vñ Guͤter geweſen/ dabey Jnhalt deß Articuls gelaſſen werden ſollen.
Darwider wird nicht allein/ als oblaut/ mit etlichen loͤblichen Stifft vnd Cloͤſtern
von den Confesſions-Verwandten gehandelt/ ſondern auch wo die loͤbliche
Stifft- vnd Cloͤſter in der Catholiſchen Staͤnde Territorio jhre Reſidentz, vnd
etwann denſelbigen Stifften/ Cloͤſtern oder Beneficien zugehoͤrige eygene Doͤrf-
fer/ Hoͤfe vnd Guͤter/ in dero Confesſions-Verwandten Gebieth gelegen haben/
werden jhnen ſolche Doͤrffer/ Hoͤfe vnd Guͤter/ ohn einige Verurſachung/ mit
Gewalt abgetrungen/ eingenommen/ vnd vorenthalten/ oder die Stifftungen
dahin letztlich genoͤthiget/ ſich da vmb jhres Gefallens mit jhnen zu vertragen.
Zu dem/ wiewohl die Stifft/ Collegia vnd Cloͤſter/ ſo in der Confesſions-Ver-
wandten Obrigkeit gelegen/ als fuͤr Lands-Staͤnd geachtet wollen werden/ auch
etwann in gemeinen Anliegen der Land-Fuͤrſtenthuͤmb vnd Gebieth/ darin ſie
gelegen/ jhre mitleydenliche Huͤlff leyſten/ aber doch gemeldter Confesſions-
Verwandten Staͤnd dermaſſen nicht vnderworffen/ daß ſolche Stifft/ Collegia
vnd Cloͤſter/ wider dieſen Frieden/ von der Stiffter Fundation gemaͤſer Admi-
niſtration/
vnd jhrer ordentlichen Wahl/ auch Annehmung der Perſonen/ in der
abgehenden ſtatt/ nit beraubt/ noch entſetzt werden ſollen/ ſo vnderſtehẽ ſich doch
vielbemelte Confesſions-Verwandten dieſe Stifft/ Collegia vnd Cloͤſter dieſes
alles/ auch ferner der Guͤter/ die ſie nit allein von dẽ Fundatorn, ſondern den meh-
rern theil/ auch durch gut Haußhaltung der Vorfahren/ vnd jhr ſelbſt bekennen/
vnd darüber die Ordinarien locorũ, jhrer gebuͤhrlichen Confirmation, Inveſtitur,
auch habenden weitern Gerechtigkeiten/ zu priviern/ wo auch davon gered werden
ſolt welcher maſſen die Staͤnd beyder Religionen vnd Confesſion, durch Stifft/
Collegien, Cloͤſter vnd Beneficien, Guͤter vnd Gefaͤll einziehen/ wird ſich lauter
befinden/ dz bey den Cathol. Staͤnden/ ſolche Guͤter den Fundationẽ gemaͤß ange-
legt/ vnd gebraucht werdẽ/ Aber die Staͤnde der Conf. Verwandtẽ den wenigſten
theil derſelbigẽ/ zu den Miniſt. vnd Schulen gebrauchẽ/ vñ den uͤbꝛigen vñ groͤſſern
Theil/ in jhren eygenen vnd weltlichen Nutz verwenden.


T iijDa
[150]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

da auch der Buchſtab deß verabſchiedeten Friedens in dem Verſicul, anfahend/
damit auch obberuͤhrte/ etc. klar vnd außdruͤcklich genug geſetzt/ welcher maſſen
der Geiſtlichen Iuriſdiction ſuſpendirt ſeyn ſolt: Nemblichen in den Faͤllen/
durch welche der Confesſions-Verwandten Lehr vnnd Kirchen-Ordnung ver-
hindert werden moͤchten; Aber in andern Sachen vnnd Faͤllen die Geiſtliche
Iuriſdiction durch die Ertz-Biſchoffe/ Biſchoffe vnd andere Prælaten, wie deren
Exercitium an einem jeden Orth herbracht/ vnd ſie deren in Vbung/ Gebrauch
vnd Poſſesſion hinfuͤhro/ wie bißhero vnverhindert exercirt, geuͤbet vnd gebrau-
chet werden ſolt. So vnderſtehen der Confesſions-Verwandten doch einige
geiſtliche Gericht vnd Conſiſtoria auffzurichten/ vnd alſo die Catholiſchen jhrer
rechtmaͤſſigen Iuriſdiction, deren ſie zur Zeit deß auffgerichten Friedens noch in
Poſſesſion geweſen/ zu entſetzen/ vnd darzu nicht allein/ jhrer eygenen Vnder-
thanen/ ſondern auch in den Gemeinſchafften/ vnd da etwann Catholiſche Staͤnd
deß Lehens in totum directus Dominus, der Confesſions-Verwandten Staͤnd
aber entweder Lehens oder Pfandsweiß/ gar oder zum theil utilis Dominus iſt/
die Vnderthanen von den Catholiſchen ordentlichen Conſiſtorijs abzuweiſen/
vnd an jhre newe auffgerichte Gericht zu zwingen/ ſo ſolches die Religion doch
gar nicht angehet. Dabeneben ob wohl der Kirchen Guͤter vnnd Diener be-
meldter geiſtlichen Iuriſdiction allein vnderwuͤrffig/ auch ſonſten von Recht vnd
Gewohnheit wegen aller Beſchwerden gefreyet/ auſſerhalb was jhnen von jhrer
ordentlichen Obrigkeit/ dem Collatori oder Patrono von rechts vnd alt Her-
kommen wegen/ zu thun gebuͤhret; Zu dem/ wann auch etliche Geiſtliche/ ſo
einem andern Geiſtlichen Reichs Stand immediatè vnderworffen/ auch nie-
mahls kein andere Obrigkeit erkanthaben/ mit gefreyten Haͤuſern vnd Guͤtern
in der Confesſions Verwandten Land ſitzen vnd wohnen/ jedoch von dero Ge-
richts Zwang eximiert vnd gefreyet/ aber jhren ordentlichen Obrigkeiten vnd
derſelben Religion gemaͤß/ vnderworffen ſeyn; deſſen aber auch gemeinen Frie-
dens ohnangeſehen/ benehmen ſich die Confesſions-Verwandte ſolche Kir-
chen-Guͤter/ Faͤlle/ Diener vnd Geiſtliche mit der That von der geiſtlichen Iuriſ-
diction
außzuziehen/ darauß Land-Staͤnd zu machen/ vnd alſo folgends gleich
andern Land-Staͤnden/ vnd vnzweiffelichen Vnderthanen/ ſolche gefreyte
Kirchen-Guͤter/ Haͤuſer vnd Perſonẽ/ mit der Weltlichkeit/ auch Stewr/ Volck/
Schatzung/ vnd anders zu belegen/ alles auß dem Grund/ ob dieſe Kirchen-
Guͤter/ Diener vnd Geiſtlichen Stands in jhrer Obrigkeit gelegen/ da doch ſol-
che res \& perſonæ Eccleſiaſticæ von jhrem Gerichts-Zwang eximieret, vnd
jhre Vnderthanen nicht ſeynd/ cum paria reputentur, eſſe exemptum, \& eſſe
extra territorium.


Auß ebenmaͤſſigen Vngrund/ vnd der Geiſtlichen Iuriſdiction vnd Ge-
rechtigkeit/ ſo dißfalls auch nicht ſuſpendirt iſt/ zu Abbruch werden nicht allein
die
[151]Ander Theil.
die Ordinarijlocorum an Orten da es jhnen gebuͤhret/ ſondern auch in gemein
die Catholiſche Staͤnd/ deren angehoͤrige Stifft vnd Zugewandte/ als Paſtores
(denen hierin ein ſonder Auffſehen/ zu haben gebuͤhrt) von den Heyligen vnd
Kirchenrechnungen uͤber alt Herkommen/ vñ alle Billigkeit außgeſchloſſen/ vnd
ſolche Gefaͤlle durch der Confeſſions-Verwandten darzu Verordneten/ (ſo man
an etlichen Orthen Gegenbereuter nennt) hin vnd wieder auffgehebt/ den
Kirchen entzogen/ vnd an andere Orth verwendet/ dardurch dann die Kirchen
vnd Gebaͤwe in ſchaͤdlichen Vnbaw gerathen/ vnd hernacher den Collatorn zu
verſteigern aufferlegt werden wollen. Gleichs als geſchicht auch mit den fun-
dierten
vnd geſtifften anniverſarijs præſentijs, vnd dergleichen Gefaͤlle. Deß-
gleichen auch in etlichen Reichs-Staͤtten/ daſelbſten Thümb- vnd andere Stifft
jhr eygene Pfarꝛen/ vnnd derſelben Verwaltung vnd patrocinia allein haben
von derſelbigen Reichs-Staͤtte Befehlchshabern eygenes Gewalts/ der
Kirchen vnd Heyligen Rechnungen vnd was der Vberſchuß ſeyn mag/ auffge-
hebt/ eingezogen/ vnd zu andern jhren den Collatoren vnbewuſte Sachen wider
altes Herkommen angewendet worden.


So dann auch weiter in dem Artickel deß Friedens/ anfahend/ Als auch
den Staͤnden/ etc. auß truͤcklichen vermeldt wird/ daß den Catholiſchen Reli-
gions-
Verwandten alle jhre Renthen/ Zinß/ Zehenden vnd Guͤlten gefolgt ſol-
len werden/ vnd ſie von denſelben die Pfarꝛen/ Schulen/ Allmoſen vnd Hoſpi-
talia,
die ſie vormahls zu beſtellen ſchuldig/ furthin beſtellen ſollen; mit dem
ferneren Anhang/ ob ſolcher Beſtellung halb Zwieſpalt vnd Mißverſtand vor-
fiele/ weß Außtrags darunder beyde Theil ſich zu gebrauchen; vnd daß vor
ſolchem Außtrag diejenigen/ ſo ſolcher Beſtellung vnd Vnderhaltung halben/
deren Miniſterien angefochten/ deß jhren/ ſo ſie in Poſſeß ſeyn/ nicht ſollen ent-
ſetzt/ oder auch arreſtiert, noch auffgehalten werden/ etc. Vnd dann der alten
Catholiſchen Religion, vnd jhre Angehoͤrige/ den Confesſions-Verwandten in
deren eygenthuͤmblichen Flecken vnd Doͤrffern/ kein Ordnung der Religion,
laut vielbemeldtes Friedens/ geben kunten/ Derowegen ſeit Publicierung
deſſelbigen auch noch vrbiethig geweſen/ ſolche Pfarꝛen vnd Pfarꝛer/ vermoͤg
angeregten Articuls/ zu beſtellen/ vnd zu vnderhalten; wie dann die Catholi-
ſchen allbereit faſt durchauß der Vnderhaltung vnnd Beſtellung halben der
Miniſterien, ſich mit den dargegebenen Predicanten vergliechen; So wollen
die Obrigkeiten/ oder jhre verordnete Ampt- vnd Befehlchs-Leuth/ ob gleich die
Predicanten etwan vnklagbar gemacht/ ſich daran nicht erſaͤttigen laſſen/ ſon-
dern tringen vnd noͤthigen/ durch allerhand vnziembliches fuͤrnehmen/ die Ca-
tholiſchen dahin/ daß ſie ſolchen Predicanten/ gantz uͤbermaͤſſigen/ ja auch mehr
dann dieſelben haͤtten begehren doͤrffen/ auch zu Zeiten mehr/ dann die Catho-
liſchen deren gefallen haben/ zu Competentz ſchaffen müſſen. Da auch etwann
die
[152]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
die Zehende deren Ends nicht ſo reichlich/ daß darauß ein ſolch Competentz
gereicht werden mag/ ſo wird dieſelbe etwann auff etliche der Geiſtlichen/ vnd
ſolche Guͤter/ davon man die Miniſterien zu beſtellen/ nicht ſchuldig/ als Hoff- vnd
zinßbahre Guͤter ſo in der Confeſſions-Verwandten Obrigkeit liegen/ geſchla-
gen/ von den andern Zinß vnd Guͤlt Leuthen/ mit thaͤtlicher gefaͤnglicher Ein-
ziehung/ zu jhrem groſſen Schaden vnd Verderbẽ/ von jhnen zu bringen/ vnder-
ſtanden; vnd dieſe Hoff vnd zinßbahre Guͤter/ als fuͤr die Competentz ver-
hafft/ dermaſſen zu beſchweren/ daß die Catholiſche ſolche Guͤter/ ſo den Pfarꝛen
nicht Pacht oder Zinßbar/ mit der Zeit vnbewohnet/ vngebawet/ gantz vnd gar
verlaſſen/ vnd dardurch per in directum, dem andern Theil eingeraͤumet wer-
den muͤſten. Vnnd ob wohl die Catholiſchen auff offtberuͤhrten im Frieden be-
griffenen Außtrag durch der halben beyderſeits Verordneten/ Handlung zu pfle-
gen/ ſich angebotten/ auch etwann nicht ohne geringe Beſchwerd/ der Compe-
tentz
halben/ ſich vergliechen/ zuverſichtig/ es ſolte bey ſolchem Anerbiethen/
auch bey beyderſeits Deputierten Vergleichung/ vnd ſie wider deß Friedens
klaren Buchſtaben/ hieruͤber ferner vnbeſchwere bleiben moͤgen; Da dann
gleichwol der Fried-Stand/ vermoͤg daß auch noch bey vergliechener Compe-
tentz,
von den Guͤtern/ davon von alters her die Miniſteria der Kirchen verſehen
worden/ vnd die ſo ſolches Onus auff jhnen gehabt/ ferner oder weiter nicht/ denn
was von alters her/ zu ſolchen Miniſterien gereicht/ auch fuͤrter entrichtet werden
ſolte. So werden dem allem entgegen/ den Catholiſchen etwann alle jhre Ze-
henden vnd Einkommen von newem arreſtiert vnnd verhafftet/ vnd nicht allein
der Confesſions-Verwandten/ ſondern auch zu Zeiten der Catholiſchen ſelbſt
Vnderthanen/ an Orthen/ da etwann beyde Theil in Gemeinſchafft ſitzen/ den
Catholiſchen nichts zu geben verbotten/ biß dahin/ daß uͤber alle/ forthin gepflo-
gene Handlung vnd Billigkeit/ ohn einiges Erkaͤntnuß jhres Willens gepflegt
vnd gelebt. Dadurch dann die Predicanten auch alſo angereitzt/ wo jhr einer
jhme vermeint ichts mangele/ daß derſelbige nicht mehr erſtlich der Gebuͤhr/ vnd
ordentlicher Weiß bey dem Collatori anſuchet/ ſondern etwann vmb gar ringfuͤ-
gige Vrſachen/ mit gar muthwilligen vnwahrhafften Verunglimpffen vnd
Bericht/ der weltlichen Obrigkeit nachlauffet/ viel Vnrichtigkeit vnd gemeines
Friedens perturbationes, zwiſchen beyder Religion-Staͤnden vnd Verwanten
anſtifftet/ vnd die Sachen dahin dirigieret, daß ab arreſto, vnd vnziemblicher
Pfaͤndung alle Zuſpruͤch faſt ſich anfahen/ vnd mit hoͤchſtem der Catholiſchen
Nachtheil ſich enden. Vnnd werden daneben die Collatores wider alten
Brauch ſub ſpecie Miniſteriorum zu vnnoͤthigen Baͤwen mit ſchweren Koſten
getrungen.


Zu deme/ da die vorige Catholiſche Pfarꝛer rechtſchaffen gehauſet/ das
jenige/ ſo ſie uͤber Notthurfft/ notthuͤrfftige Leibsnahrung/ auß Goͤttlicher
Bega-
[153]Ander Theil.
Begabung geſpahret/ den Pfarꝛen wieder angebawt/ vnd anderen zu gutem
kommen/ vnd durch die Nachkommen billich gleicher Geſtalt gehalten werden
ſolte. Auch an jhm ſelbſt billich/ recht vnnd herkommen/ ſo einem ein Be-
hauſung in gutem Baw vnd Weſen eingeraͤumbt/ vnd derſelbig ſich zu verſchrei-
ben ſchuldig/ daß er ſolche Behauſung/ in dem ein Baw/ auff gutem Weſen/ vnd
trucken erhalten wollen. So iſt an den jetzigen Predicanten ſolches zu geſche-
hen nicht zu vermuthen: Vnnd wollen die Confeſſions-Verwandten/ oder
jhr Amptleuth/ dieſen dem Catholiſchen Theil/ zu ſolchen billigen/ vnd zu Er-
haltung der Pfarꝛen/ nothwendigen Verſchreibungen nicht mehr gehalten ſeyn/
daß die Gebaͤw in kurtzem gar zu ſcheitern gehen muͤſſen. Wann auch etwann
ein Filial oder Capell in der Confesſions-Verwandten Gebieth liegt/ vnd vor
Zeiten Pfarꝛ-Kirchen/ ſo vnder der alten Religion-Staͤnd Obrigkeit begriffen/
incorporiert oder einverleibt/ vnd an Feyertaͤgen dern Gottesdienſt in der Pfarꝛ-
Kirchen geſucht/ vnd in der Wochen eins oder zweymahl von der Pfarꝛ-Kirchen
die Filial oder Capell verſehen worden: So wollen die Confeſſions-Ver-
wandten nicht zu frieden ſeyn/ ob man jhnen gleich deſſelben Filials Einkommen
will laſſen folgen/ ſondern wollen auch darauff einen Predicanten/ vnd nothwen-
dige Competentz, auß der Pfarꝛkirchen/ oder von demſelbigen Catholico, vnder
welchem die Pfarꝛ-Kirchen gelegen/ vollkoͤmblich gereicht haben/ oder beſchla-
gen denſelbigen/ ohne einige vorgehende Handlung vnd Erkandtnuß/ alle Ge-
faͤll vnd Einkommen. Wo dann die Catholiſchen mit den Confeſſions-Ver-
wandten in Gemeinſchafft ſitzen/ vnd der Catholiſchen Staͤnd/ deſſelben Ca-
pittel/ oder Angehoͤrige geiſtlichs Stands der Herꝛſchafft/ Statt/ Flecken oder
Dorffs/ verus \& directus Dominus iſt/ auch in etlichen Flecken/ der Catholiſch
Stand deſſelben Capitel/ oder angehoͤrige ſelbſt Paſtores, vnnd die Pfarꝛ jhnen
incorporiert iſt/ vnd gebuͤhrt ſich auch/ ſolche jhr verordnete Pfarꝛer/ mit gebühr-
licher Competentz zu verſehen. So will doch der Catholiſch von den Con-
feſſions-
Verwandten gezwungen werden/ ſeiner Confesſion gemaͤß/ jhme auch
einen Predicanten zu vnderhalten/ vnd an andern Orthen/ da die Kirchen-Ver-
ſehung den Catholiſchen gebuͤhret/ daſelbſten etwa mehr andere neben-Altaria,
Beneficia
vnd Capellaneyen befunden werden/ ſo entweder auff ſondere Gottes-
dienſt/ dem Pfarꝛer Aſſiſtentz vnd Huͤlff zu thun/ geſtifftet/ auch den Pfarꝛen
zum theil incorporirt, deren obbemeldte Catholiſche Staͤnd Collegia vnd
Stifftung ordentliche Patroni, Inſtitutores oder Collatores ſeyn/ ſolcher Colla-
tion
vnd Reſtitution, oder aber Præſentation, ſeit deß Paſſawiſchen Vertrags
auffgerichten Frledens/ vnd hernacher/ in ruhiglicher wuͤrcklicher Poſſeſſion vnd
Beſitz geweſen; Aber dieweil die Confeſſions-Verwandten nicht dulden moͤ-
gen/ daß die Gottesdienſt (darumb ſolche Altarien, Beneficien, vnd Capella-
naeyen
geſtifftet worden) allda beſchehen. Die Catholici patroni, Inſtitutores
Ander Theil. Voder
[154]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
oder Collatores wohl deß Willens vnd Meynung/ dieſelbigen Altarien, Benefi-
cien, Capella
neyen/ eins theils nach Gelegenheit vnd der Notthurfft/ damit ſie
bey der Kirchen/ dahin ſie geſtifftet/ gelaſſen wuͤrden/ den Pfarꝛern zu beſſer
Vnderhaltung/ denen addiren vnd folgen zu laſſen/ So will doch ſolch Mittel
auch kein ſtatt bey jhnen finden/ ſondern werden beruͤhrte Patroni, Inſtitutores
vnd Collatores, auch etwan die Profeſſores jhrer haben den Rechten/ auch ge-
wehrlichen Poſſeſſion mit der That entſetzt/ den Kirchen vnnd Pfarꝛen ſolche
Beneficia, wider der Fundatoren endlichen Will entzogen/ zu andern weltlichen
Sachen verwendet/ vnd nichts weniger die Collatores zu uͤbermaſſiger Compe-
tentz
vnd Vnderhaltung der Predicanten getrungen/ etc. Da auch an etlichen
Orthen/ da gleichwol jetzt der Religion halben aͤnderung geſchehen/ die Catho-
liſchen zu Verꝛichtung der Kirchendienſt nach Gelegenheit/ ein oder etwa zwo
Perſonen gehalten/ auch nichts verabſaͤumbt worden/ ſo wollen die Confeſſions-
Verwandten jetzt vor ein zwo; vnd fuͤr zwo/ vier Perſonen/ vnd auch alſo
gedoppelte Beſoldung haben/ alles in Meynung/ damit ſie die Catholiſchen
gaͤntzlich von jhren Gefaͤllen tringen moͤgen.


Alß dann ferners im Articul deß Friedens/ anfahend/ Es ſoll auch kein
Stand/ etc. geſetzt vnd geordnet; daß kein Stand den andern/ noch deſſelben
Vnderthanen zu ſeiner Religion tringen/ abpracticiern, oder wider jhre Obrig-
keit/ in Schutz vnnd Schirm nehmen/ noch verthaͤdigen ſolle. Vnd dann die
Catholiſchen Staͤnde ſampt jhren Capituln vnd Stifften/ etliche Flecken vnd
Doͤrffer haben/ bey der anreynenden der Confesſions-Verwandten Fuͤrſten-
thumben vnd Herꝛſchafften gelegen/ in welchen Doͤrffern nicht allein die geiſt-
liche Iuriſdiction, auch der Pfarꝛherꝛn Pfruͤnden/ jus patronatus, vnd Lehen-
ſchafft/ ſondern auch alle andere Ober- vnd Gerechtigkeit/ Vogtey/ Reiß/ Ste-
wer/ Frohndienſt/ Gebott vnd Verbott/ (allein/ die Geiſtliche Obrigkeit außge-
nommen) denſelbigen Catholiſchen Staͤnden/ Capituln vnd Stifften zuge-
hoͤrig/ welche Flecken vnd Doͤrffer/ auch jemands anders/ dann eben dieſen Ca-
tholiſchen gelobt/ geſchworen/ vnd keinem andern Herꝛen in einige Wege ver-
pflichtet/ dahin auch von alters allweg/ auch nach dem Paſſawiſchen Vertrag/
vnd gemachten Frieden/ bißhero von den Catholiſchen/ als dem Eygenthumbs-
Herꝛn/ die Pfarꝛen vnd Pfruͤnden mit Catholiſchen Prieſtern beſetzt werden/
vnd noch. Aber dem zu wider/ vnderfahen ſich jetzo die Staͤnd der Augſpurgiſchen
Confeſſion anhaͤngig/ die Catholiſchen Prieſter von den Pfarꝛen in ſolchen Fle-
cken vnd Doͤrffern abzuſchaffen/ vermeynen vnd wenden fuͤr/ dieſelben Pfarꝛen
vnd Pfruͤnden/ in Krafft geiſtlicher Obrigkeit/ mit Predicanten jhrer Confeſ-
ſion
zu beſtellen/ verſchaffen die Pfarꝛ/ Pfruͤnd/ Guͤlt/ Zinß vnd Einkommen/
jhren Predicanten: dadurch dann ſolche Vnderthanen von der Catholiſchen
Religion, auch den Heil. Sacramenten/ wider den auffgerichten Frieden/ zu der
andern
[155]Ander Theil.
andern Confesſion getrungen werden: Vnangeſehen quod ſit magna diffe-
rentia, eſſe in principatu, vel de principatu,
vnd da ſolches/ wie doch nicht iſt/
billich ſeyn ſolt/ will der ander Theil gleicher Geſtalt in ebenmaͤſſigem Fall zu
thun/ doch nicht geſtatten. So dann auch an den Orthen/ da wie oblaut/ die
Catholici mit dem andern Theil in Gemeinſchafft ſitzen/ vnd der Confeſſion-
Verwandter nur allein utilis Dominus iſt/ die Collation vnd Pfarꝛ-Verſe-
hung dem Catholiſchen gebuͤhrt/ auch etwann an ſolchen Orthen zwo vnder-
ſchiedliche Pfarꝛen ſeynd: ſo vnderſtehen ſich doch die Confesſions-Ver-
wandten daſelbſt den Catholiſchen Stand gantz vnd zumahl außzutringen/ neh-
men die Kirchen mit Gewalt ein/ vnd damit ſie jhr Vorhaben durchbringen/
vnd die noch gute Catholiſche Vnderthanen ermuͤden/ verziehen ſie auff die
Sonn- vnd Feyertaͤge mit jhrem Predigen vnd anderem/ muthwilliger Weiß
ſo lang/ daß man deß Catholiſchen Theils die Andacht/ Gottesdienſt vnd Pre-
digt/ ſchier deß Nachmittags verꝛichten muß. An welchen Orthen der Ge-
meinſchafft/ dann auch die Vnderthanen durch allerley heimbliche Bedrawung/
auch die Schulmeiſter vnd Knaben von den Catholiſchen Kirchen vnnd dem
Gottesdienſt abgehalten werden. Gleicher Geſtalt/ da der alten Religion-Ver-
wandten in etlichen Aemptern/ Flecken vnd Doͤrffern/ zwey Theil/ auch etwann
drey/ vnd der Confeſſions-Verwandten Staͤnd nur ein Theil der Obrigkeit ha-
ben/ wollen ſie von ſolches jhres dritten oder vierdten Theils wegen/ vnangeſehen
daß die Catholiſche Religion daſelbſt noch in Vbung iſt/ vnd billich das mehrer
theil das mindere an ſich ziehen vnd begreiffen ſolte/ jhr Confeſſion mit Gewalt
eintringen. Alſo beſchicht auch in der Catholiſchen Flecken vnd Doͤrffern/ darin
Eygenthumb/ noch auch an der hohen noch niedern Obrigkeit die Confeſſions-
Verwandten zumahl nichts/ ſondern allein etliche wenige leibeygene Leut haben/
daß ſie von ſolcher Leibeygenen wegen/ newe Predicanten dahin ſchicken wollen/
doch mit der Vnderhaltung die Catholiſchen beſchweren.


Es begibt ſich auch wieder in der Confeſſions-Verwandten Obrigkeit vnd
Herꝛſchafft daſelbſten die Catholici das jus patronatus vnd Collation haben/ ſie
ſolche Pfarꝛen mit der Confeſſion-Verwandten gefaͤlligen Predicanten muͤſ-
ſen verſehen laſſen/ daß entgegen in der Catholiſchen Staͤnd Obrigkeit/ da die
Confeſſions. Verwandten Staͤnd ein jus præſentandi oder patronatus haben/ ſie
auff ſolche Pfarꝛen/ vnd in deß theils Fuͤrſtenthumb/ Oberkeit vnd Gebieth/ newe
Predicanten ſtellen/ vnd die Catholiſche ſolche haben muͤſſen. Daß ſich auch
zutraͤgt/ daß uͤber einmahl beliebten vnd angenommenen Stand etlich Geiſtliche
vnd Ordens-Perſonen von ſolchem Stand vnd Orden abtretten/ auß keiner an-
dern Vrſachen/ dann daß ſie dahin/ durch die Confeſſions-Verwandten beredt/
vnd wider jhre Obrigkeit abpracticiert werden; So nehmen dieſelben Confeſ-
ſions-
Verwandten/ ermeldtem deß Friedens außtruͤcklichem Articul zu wider/
V ijſolche
[156]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſolche Abgetreitene nicht alle in vnder jhren Schutz vnd Schirm au/ ſondern vn-
derſtehen ſich auch vnter dem Nahmen/ als weren ſie beſtellte Diener gegen
jhrer Obrigkeit/ denen ſie noch mit Pflichten verwandt/ zu verthaͤdigen. Daruͤ-
ber ſich dann noch weiter begibt/ daß ſolche Abgetrettene/ aber jhrer ordentlichen
Obrigkeit noch vergelobte Perſonen/ vermittelſt der Confesſion-Verwandten
Handhabung vnd Schutz (dieweil ſie in etlichen Reichs-Staͤtten daſelbſten die
alte Catholiſche Religion, von Anfang der Chriſtlich Glaub an die Teutſchen
gelangt/ in Vbung geweſen vnd verblieben/ das jus patronatus der Pfarꝛen/
doch von wegen jhres einmahl angenommenen vñ beliebten geiſtlichen Stands/
haben/ ſolche Pfarꝛen auch mit Catholiſchen Prieſtern zu beſtellen ſchuldig
ſeyen) vnziemblicher Weiß derſelben Reichs-Staͤtt Catholiſcher Religion
vngemaͤß/ Predicanten in ſolche Pfarꝛen/ ſo dann auch dieſer Reichs-Statt
angehoͤrige Doͤrffer vnd Flecken eintringen/ welche den gemeinen Mann von
der wahren Religion, zu den newen vngegruͤndten Sachen abfuͤhren/ vnd ob
gleich ermeldte Reichs-Statt/ vnd derſelben erbar Rathſaͤß/ vmb mehr Frie-
dens willen/ dieſes alſo geduldet vnd nachgibt/ Aber damit ſie der Catholiſchen
ſeeligmachenden Religion nicht gaͤntzlich/ durch ſolch vnfugſamb Mittel beraubt/
zu Erhaltung derſelbigen die uͤbrige Ordens- vnd Cloͤſter Perſonen handhaben:
ſo vnderſtehen gedachte Patroni, mit Handhabung der Confesſions-Verwand-
ten Staͤnd/ vnangeſehen/ daß ſie auch das jus patronatus, durch vnziembliche
Collation der Præſentation verwuͤrckt/ uͤber den Predicanten zu halten/ wol-
len den Staͤtten/ oder dero Erbar Rathſaͤß/ vnd gehorſamen Mit-Bruͤdern
nicht nachgeben/ daß in bemeldten Ordens oder Cloſter-Kirchen die Catholiſche
Religion, ſo ſie je vnd allwegen profitirt, fuͤrbaß gelehrt/ noch auch die Heiligen
Sacramenta/ nach Einſetzung GOTTES vnd der Chriſtlichen Kirchen ad-
miniſtrirt
worden: Berauben alſo die Catholiſchen nicht allein jhrer wahren
Religion vnd Sacramenten/ ſondern auch der Schulen (zugleich auch damit/)
der Pfarꝛen Fraternitet vnnd Altaͤr-Gefaͤll/ auch deren Kirchenzierden/ Kleino-
dien vnd anders/ etc. welches alles nicht beſchehen/ da nach beruͤhrtem außtruͤck-
lichem Articul deß Friedens gelebt wuͤrde/ wie dann weiter/ wo durch Anſtifftung
der Winckel-Prediger der Catholiſchen Religion beſchwerlich begegnet/ weil
uͤberfluͤſſig geacht/ die Kaͤyſ. M. zu bemuͤhen.


Vnd wiewohl dann auch weiter in obbemeldtem Frieden begriffen/ nach-
dem in viel Frey- vnnd Reichs-Staͤtten beyde Religionen ein zeitlang im
Schwang vnd Gebrauch geweſen/ daß dieſelbigen hinfuͤhro auch alſo bleiben/
vnd in denſelben Staͤtten gehalten werden/ auch ein Theil den andern darbey
laſſen ſoll; So begibt ſich doch/ daß in ſolchen Staͤtten den Catholiſchen nicht
allein Eintrag hierinnen geſchicht/ ſondern wird auch außtruͤcklichen/ die wahre
Catholiſche Religion offentlichen zu predigen vnnd zu lehren/ die geiſtliche
Sacra-
[157]Ander Theil.
Sacramenta zu adminiſtrieren, vnnd den Gottesdienſt zu vollbringen ver-
botten; auch etwann an Ordens-Perſonen/ ſo eygenthümbliche Haͤuſer vnd
Reſidentz in ſolchen Staͤtten haben/ allerhand beſchwerlichs zugefuͤgt/ wie dann
deren/ etliche ſchmehlichs/ vnd mit Bedrawung durch Stattknecht/ Büttel
vnnd Schergen der Statt außgewieſen. Wiewohl auch etliche derſelben
Staͤtt angehoͤrend vnnd zugethane Staͤttlein vnnd Flecken/ zu dem mehren
Theil der alten Catholiſchen ohne Mittel anhaͤngig/ dieſelbig auch viel Jahr
hero/ vor vnd nach dem Paſſawiſchen Vertrag/ bey Haltung deß Gottesdienſts/
auch Gebrauch der Heil. Sacramenten/ vnd aller andern Ceremonien, wie
bey der allgemeinen Chriſtlichen Kirchen braͤuchlich/ vnverhindert gelaſſen/
das doch erſt bey weniger Zeit vnd Monaten geſchehen/ daß ſelbige durch die
jenige Obrigkeiten/ ſo der Evangeliſchen oder Augſpurgiſchen verwand/ be-
zwangter Weiß/ vnd wieder der ermeldten Catholiſchẽ Mit-Oberkeit/ vnd dero
zugethanen Willen/ davon getrungen/ die Pfarꝛer vnd Seelſorger angezeigter
Oerther außgetrieben/ die gantze Catholiſche Religion daſelbſt mit allem Got-
tesdienſt abgeſchafft/ vnd vnangeſehen/ daß allein der wenigere Theil der Aug-
ſpurgiſchen Confeſſion anhaͤngig/ jhre Predicanten auffgeſtellt/ der mehrer/
vnd alſo der Catholiſche Theil zu Haltung jhrer Commun vnd Predigten/ zu
wider dem Religion-Frieden/ vnd aller Chriſtlicher Freyheit/ Gebuͤhr vnd
Gleichmaͤſſigkeit getrungẽ werden. Viel beſchwerlicher faͤlts auch etlichẽ Cathol.
Reichs-Staͤttẽ/ dariñen alle Pfarꝛen vnd Kirchẽ mit Cathol. Pfarꝛern vñ Seel-
ſorgern verſehen/ vñ dieſelbige Cathol. Religiõ noch in uͤbung iſt/ aber von wegen
etlicher weniger/ zur Newerung geneigter dieſer Reichs-Staͤtt ſelbſtẽ Buͤrger/
vnd alſo vnderworffenen Vnderthanen geſucht wuͤrde/ jhres Gefallens/ ſolchen
wenigen Vnderthanen ein Predicanten zu ſchaffen/ vnnd alſo Vnruhe vnd
Zwieſpalt einzufuͤhren; daß auch zu Befoͤrderung eines ſolchen/ der Confeſ-
ſion-
Verwandten Chur- vnd Fuͤrſten nicht allein durch Schrifften/ vnd in an-
dere Wege/ dieſelbigen Reichs-Staͤtt vnd Catholiſchen/ ſolche Predicanten zu-
zulaſſen vermahnet/ ſondern auch wohl/ woferꝛ ſie in kurtzem diß falls nicht will-
fahren/ daß ſie alß dann in groſſe Gefahr geſetzt werden ſollen/ bedrawen die Vn-
derthanen hiemit halßſtarꝛig/ vnd zu allerhand Vngehorſamb bewegen.


So moͤchten auch vielfaͤltige mehr Beſchwerungen in genere vnd in ſpe-
cie
noch wohl angezeigt werden/ die alleſampt guter Proviſion, vñ Verſehung wol
bedoͤrfftig. Dieweil aber/ wie obgemeldt/ der Cathol. Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnd
Gemuͤth vñ Meynung nit iſt/ den Frieden diſputirlich zu machẽ/ ſondern endlich
bedacht/ denſelben jhres Theils/ in maſſen er beſchloſſen/ verſprochẽ vnd verpoͤnet/
zu voll ziehen/ auch den andern Theil/ da derſelbig vermeynen wuͤrde/ darwider ge-
handelt zu ſeyn/ gebührlichen Rechtens ſich nicht zu verweigern/ vnd dann in
vielgemeldtes Friedens Conſtitution, damit derſelbig deſto beſtaͤndiger/ vnd in
würckliche Richtigkeit gebracht/ vnd darin erhalten/ die Execution auff die
V iijProceß
[158]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Proceß vnd Pœn deß Land-Friedens geſtellt/ auch dermaſſen Cammer-Richter
vnd Beyſitzer/ verkuͤndet worden/ daß ſie in Krafft deſſelbigen/ den anruffenden
Partheyen rechtliche Huͤlff vnd Proceß ertheilen ſolten. Vnd gleich wohl den
Catholiſchen oberzehlter maſſen wider den Buchſtaben deß Friedens/ auff der
beſchwerten Partheyen embſig vnd rechtmaͤſſig ſuchen/ gebuͤhrliche Huͤlff vom
Cammer-Richter vnnd Beyſitzern nicht erfolgen will; ſondern da ſchon je zu
Zeiten/ doch gar in wenig Faͤllen/ die anruffende vnvergwaltigſte Catholiſche
Staͤnde vnd Partheyen/ Proceß vnd Mandaten ordentlicher Weiß erlangt vnd
außbracht/ denſelbigen mit nichten pariert worden. So will es ein hohe Notturfft
ſeyn/ zu Erhaltung gleichmaͤſſigen Friedens/ vnd Rechtens/ im Reich/ daß die
Roͤm. Kaͤyſ. Mayt. als das Oberhaupt/ Cammer-Richtern vñ Beyſitzern ernſt-
lichen aufferlegen/ vnangeſehen einiger excuſation, exception, oder anderer Vor-
wendung offtberuͤhrtem Religion-Frieden ſich gemaͤß zu halten/ darauff/ vnd
nach Außweiſung gemeiner Recht/ beyden Theilen fuͤrderlich/ auch in dieſen/ als
præjudicial-Faͤllen/ in einer benandten Zeit/ Iuſtitien wiederfahren zu laſſen.
Das wird zu beſtaͤndiger Erhaltung deß Friedens/ gemeiner Ruhe vnd Sicher-
heit/ auch zu aller Billichkeit gelangen: Dann ſolte ſolches nicht geſchehen/
vnd ob vermeldte Beſchwerungen durch gebuͤhrliche Mittel nicht abgeholffen
oder geſtillt werden/ were vielbemeldt er Fried nirgend anders zu dienlich/ dann
daß die wahre Catholiſche Chriſtl. Religion in wenig Jahren außgeloͤſcht werdẽ
muͤſte; wie dann ſolches der Confeſſions-Verwandten Staͤnd/ vnd derſelben
Zugewandten Fürnehmen zu ſeyn/ zum theil auß Abſchieden etlicher jhrer Ver-
ſamblungen zu verſtehen/ auch die verordneten zujuͤngſt gehaltenem Colloquio
außtrucklichen erklaͤrt haben.


Gelangt demnach an die Roͤm. K. M. der alten Catholiſchen Religion Chur-
fuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnden/ deren zugewandtẽ vnd betrangten Angehoͤrigen/
aller vnderthaͤnigſte/ hochfleiſſig vnd demuͤtigſte Bitt/ dieſelben wollen hierin
Vaͤtterlich einſehen haben/ damit obbemeldte/ hoch beſchwerliche vnd der Catho-
liſchen Religion gantz verderbliche Gravamina abgeſchafft/ was ſeithero deß
Paſſawiſchen Vertrags/ vnd auffgerichten gemeinen Friedens/ den Catholiſchẽ
ſchaͤdlichs begegnet/ wie derumb in integrum reſtituiert, vnd dann/ daß fuͤr baß
ſolcher Fried/ in Religion vnd andern Sachen/ vnverbruͤchlich gehalten werde/
die Catholiſchen bey jhrer wahren Chriſtlichen Religion, Ceremonien, Kirchen-
Gebraͤuchen/ Ordnungen/ Land/ Leuthen/ jhren Stifftungen vnd Gottshaͤu-
ſern/ Renthen/ Gülten/ Zinſen/ Zehenden/ auch bey Recht vnd Billichkeit blei-
ben moͤgen/ mit ernſt befehlen/ auch darob allergnaͤdigſt halten. Daran thut J.
Mayſt. ein rechts/ Gottſeeligs vnd trewlichs Werck/ vor welches die Catholiſche
Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnd/ deren Zugewandte vnnd Angehoͤrigen/
vmb dieſelbe zu aller Vnderthaͤnigkeit ſich ſchuldig erkennen/
vnd gantz willig ſeyn.



[159]Ander Theil.

Der fuͤnffzehende Diſcurß.


Reſolutionder Kaͤyſerl. Mayſt. uͤber beyder TheilGravamina,
den 13. May 1559. ertheilt. Was davon zu halten: Was beyde Par-
theyen vom Cammer-Gericht gemeynt. Der Pabſt erfordert die Proteſtie-
renden
auff das zu endlauffende Concilium. Ferdinand ſtirbt: Maximilian
wird Kaͤyſer. Von ſeinem erſten Reichs-Tag; Vnd wie die Acht an Hertzog
Johann Friederichen von Sachſen vollzogen worden. Von Anfang/ Mittel
vnd End der Niederlaͤndiſchen Kriegen.


WEil nun beyde Partheyen den Kaͤyſer vmb Huͤlff vnd Erledi-
gung jhrer Beſchwerden angeruffen/ erfolgt den folgenden Tag der
uͤberꝛeichten Proteſtierender Seiten Beſchwerden/ dieſe Kaͤyſerliche
Reſolution. Darauß abzunehmen/ daß die Catholiſche zuvor mit den jhrigen
eingekommen/ vnd die andern jhrer auch nicht vergeſſen; doch keine Parthey
der andern Aufflagen erwogen/ weniger widerlegt/ weil alles auff Weiß- vnnd
Beweißthumb/ etwann auch verurſachten vnd veranlaßten Verbrechen ver-
muthlich beſtanden.


Die Roͤm. Kaͤyſerl. Mayſt. vnſer allergnaͤdigſter Herꝛ/ hat verſchienener
Tagen etliche viel Gravamina vnd Beſchwerden/ ſo uͤber den juͤngſt auffgerichten
Religion-Frieden einem Theil von dem andern zugefuͤgt werden ſollen. Erſt-
/ ich von den Staͤnden der Augſpurgiſchen Confeſſion, folgends von den Staͤn-
den der alten Religion-Verwandten/ freundlich vnd gnaͤdiglichen empfangen/
vnd vernommen. Nun erkent Jhr. Mayſt. ſich gleichwohl jhres Kaͤyſ. Ampts
halben ſchuldig/ was einem oder dem andern Stand beſchwerlichs wider Recht
vnd Billichkeit/ bevorab wider Jhre Mayſt. vnd deß Heil. Reichs Conſtitu-
tiones
deß Religion vnd Land-Friedens begegnet/ daſſelb jhres beſten Vermoͤ-
gens zufuͤrkommen/ vnd abzuſchaffen. Jhr Mayſt befindet aber darneben die
obberuͤhrten Gravamina beyderſeits allein in genere/ ohn ſpecification der Per-
ſonen vnd Sachen/ auch zum theil dermaſſen weitlaͤufftig geſtellt/ wo man die-
ſelben jetztmahls/ (welches doch ohne zweiffel der Staͤnd Meynung nicht ſeyn
wird) particulariter examinieren ſolt/ daß ſolches einer mercklichen langen
Zeit/ vnd darzu/ in vielen ſtücken/ einer ſtattlichen Außfuͤhrung im Rechten/
vnd in der Geſchicht betreffen wuͤrde. Vnd wollen alſo Jhr. Mayſt. erachtens
ſolche mannigfaltige Puncten ſich nicht wohl uͤbereylen/ noch die Partheyen
an jhren habenden Rechten vnd Gerechtigkeiten verkürtzen laſſen/ demnach vnd
damit
[160]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
damit es bey vorbeſchloſſenen Handlungen einmahl bleiben moͤg/ vnnd nicht
Noth ſey/ auff alle vorfallende particular-Sachen/ jederzeit newe Conſtitutiones
vnd Satzungen auffzurichten: Dieweil dann vermoͤg deß nechſten allhie Anno
55. ergangenen Reichs-Abſchied fuͤrnemblich Jhr. Mayſt. Cammer-Richter/
vnd Beyſitzer/ zu Execution vnd Handhabung beruͤhrts Religion-Friedens
außtrucklich bewehrt vnd verordnet ſeynd.


So haben Jhr. Mayſt. fuͤr den bequembſten richtigſten Weg nach dem je
Jhr. Mayſt. ermeſſens/ die diſpoſition beruͤhrts Religion-Friedens an jhr ſelber
ziemblich lauter vnd klar/ wo dann jemands von dem andern/ uͤber vnd wider
ſolches beſchwert/ vernachtheilt oder vergwaltigt/ vnd deßwegen am Kaͤyſerl.
Cammer-Gericht anhalten/ daß dem ſelben befohlen werden ſolt/ auff ſolches
bevorab in vndiſputierlichen Faͤllen/ den anruffenden Partheyen fuͤrderlichen
vngeſaͤumbte Iuſtitien vnnd Huͤlff deß Rechtens mitzutheilen. Solte aber je
ein Caſus oder mehr dermaſſen zweiffelhafftig vnd diſputierlich fuͤrfallen/ daß
derſelb ſich erſten Anſehens auß dem Buchſtaben ermeldts Religion-Friedens
nicht wolt decidieren laſſen/ ſo verſieht ſich Jhr. Mayſt. Cammer-Richter vnd
Beyſitzer/ als Rechts-verſtaͤndige/ vnpartheyiſche/ Ehrliebende Leuth/ vnd die
von beyder Theil Religion-Verwandten geſetzt ſeyn/ werden nichts deſto weni-
ger den Verſtand/ der den gemeinen geſchriebenen Rechten/ auch aller natuͤrli-
chen Erbarkeit/ Billichkeit vnd menſchlicher Vernunfft gemaͤß ſey/ darauß zu
ſchoͤpffen/ vnd ſich demſelben nach in Verfaſſung jhrer Decreten vnd Vrtheil
aller Gebuͤhr wiſſen zu erzeigen/ das hat Jhr. Mayſt. alſo der abweſenden Chur-
fuͤrſten Geſandten/ auch den anweſenden Fürſten vnd andern der Augſpurgi-
ſchen Confesſion zugethanen Staͤnden vnd Bottſchafften/ gnaͤdiger Meynung
nicht wollen verhalten/ vnd troͤſtlicher Zuverſicht/ werden jhnen die Weg dar-
durch zu ſchleuniger Erledigung dieſer Puncten zukommen/ jhres Theils auch
nicht mißfallen laſſen.


Vnd was iſt allhie zu ſagen? der Kaͤyſer hatte nach vorbeſtellten Sachen
zu viel geſtattet/ vnd weil er ohn genugſame Gegenverfaſſung war/ auch neben
dem Frantzoſen den Tuͤrcken wider ſich geruͤſtet ſahe/ ſich herauß gewicklet/ wie
er nur gekoͤnt. Vielleicht in denen Gedancken/ die Zeit wuͤrde ſolche newe emer-
gentia
bringen/ ſo waͤren die Staͤnde auch ſo hitziger Sinnen/ daß man bald
wieder koͤnt zum newen Anfang gelangen/ vnd das Garn auff dem Haſpel wie-
der ablegen/ oder auff einen andern/ von mehr oder weniger Hoͤrnern auffwin-
den. Gleichwol wird der Kaͤyſer/ als ein Richter angelangt: Er weiß aber
trefflich wohl durchzuſchlingen/ bewirfft ſich auff das Cammer-Gericht/ huͤtet
ſich vor Weitlaͤufftigkeit/ vnd haͤlt das Ruder in der Hand/ an ſeinem hohen
Orth; verdient aber wenig Danck/ daß er den Confesſioniſten nicht alſobald
alles abſpricht/ als wohl wiſſend/ wie ſie ſuchten die gantze Welt zur Reformation
zu
[161]Ander Theil.
zu bringen/ welches ſie nenneten/ ſich von deß Pabſtes vnd der Cleriſey Joch
ledig machen/ vnd beyde Schwerdt/ das Geiſt- vnd Weltliche fuͤhren/ wie der
Koͤnig in Engelland ſich vnderfangen. Es hatte aber der Kaͤyſer die Teutſche
Macht vmb etwas lernen kennen/ vnd daß die Confeſſioniſten/ auff den Fall es
vmb das Palladium zu thun wehre/ ſich nicht mehr ſolten trennen laſſen/ weniger
vndereinander verfolgen vnd vnderdrucken. So waren auch die Teutſchen
nicht Huͤlfflooß/ angeſehen gantz Engelland/ Dennemarck vnd Schweden jhnen
den Ruͤcken wuͤrden halten. Dann Carolus V. haͤtte gut Gluͤck vnd bequeme
Zeit gehabt/ die Proteſtierenden von einander zu halten; jetzt wer es nicht
mehr thunlich. Ja der Frantzoß ſolte nimmer vnderlaſſen/ vnder dem Schein
der Raiſon d’ Eſtat die Marckſtein ſeiner Graͤntzen von der Moſel biß an den
Rhein zu verſetzen. Vber deß gab es auch ein Eckel gegen Spanien/ daß die
Burgundiſche Bruͤder dem H. Reich mehr Laſt/ als Nutzen bringen/ ja gleich-
ſamb gar abgeſcheyden ſeyn ſolten. So haͤtte ein Blinder in Bohem leicht
wider die Trommel ruͤhren/ vnd dieſelben Voͤlcker jhrer vhralten Freyheiten
erinnern moͤgen. Auß dieſen vnnd andern Vrſachen mehr verſchont Kaͤyſer
Ferdinand der Proteſtierenden, welches ſie jhm dennoch geringen Danck ſag-
ten/ als der ſich etwas Partheyiſch erzeigte/ vnd ſie dem Cammer Gericht zu
vertretten vnderwürffe; da doch zuvorderſt das Fuͤrſten R-echt/ vnd dann fuͤr-
nemblich das Religions-Weſen dahin gar nicht gehoͤrten/ fintemahl ſie auch
auff den Reichs-Taͤgen/ die Majora, vnd mehrern Stimmen durchauß nicht
wolten gelten laſſen/ in Erwegung der Pabſt zu Rom Biſchoffe oder Fuͤrſten
ohne Zahl machen/ vnd jhnen an die Seiten/ oder vor die Naſen ſetzen koͤnte/
auch die Cardinaͤl uͤber Koͤnige vnd Kaͤyſer erheben. Vber diß konte Kaͤyſer
Ferdinand leicht mercken/ wie ſein wohlgemeinter- vnd muͤhſamer Friedens-
Vertrag je laͤnger je mehr gehechelt wuͤrde/ weil die Catholiſchen ſelbſt ſeine
Declaration vmb neuner Vrſachen willen verwuͤrffig hielten/ dieweil dieſelbe
nicht auß deß Kaͤyſers Cantzley/ noch auß deß Reichs Archiven angezogen
wuͤrde; auch weniger bey andern Reichs-Abſchieden ſich befinde; davon die
Cammer nichts wuͤſte/ vnd die Staͤnde nicht/ wie Anno 55. vnderſchrieben; noch
jemahls biß dato waͤr an Tag kommen/ oder allegiert, ſondern offtmahls ver-
worffen worden; zumahl das datum ſolte außweiſen/ daß gemeldte Declara-
tion,
vmb einen Tag aͤlter als jhre eygene Mutter/ nemblich als der Religions-
Fried. Vnd dann ein Clauſel in ſich hielte/ wider den in Anno 55. geſchloſſe-
nen Religions-Fried.


Vnd eben an dieſem Orth liegt der Haas im Pfeffer: wer Richter ſeyn
ſolle/ uͤber die einge zogene geiſtliche Guͤter? An dieſem Orth/ vnd nirgend an-
derſtwo finden wir die Vrſach deß jetzigen dreiſſig jaͤhrigen Kriegs in Teutſch-
land. Die Confeſſions-Verwandten beklagten ſich auff dem Reichs-Tag zu
Ander Theil. XAugſpurg/
[162]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Augſpurg/ Anno 59 daß einige Befehlch auß der Cammer zu Speyer/ von
Reſtitution der Guͤter vnd Cloͤſter/ welche ſie in jhren Landen eingenommen
vnd reformieret, wider ſie ergangen: dann es hatten die Catholiſche Staͤnde
vnderſchiedliche mahl ſich beklagt/ daß die Confesſions Verwandten Cloͤſter/
etc. einnehmen/ gegen die offentliche Conſtitution, da jhnen doch nicht erlaubt
wer/ auch im geringſten keine Capellaney nach dem Paſſawiſchen Vertrag/ ſo
Catholiſch biß dahin geweſen/ zu aͤndern/ vnd weil Kaͤyſer Ferdinand dieſes an
die Cammer zu Speyer uͤberantwortet/ klagten die Confesſioniſten nochmahln
uͤber die Mandata vnd vermeynten/ die Cammer koͤnte nicht Richter ſeyn/ ſon-
dern es muͤſten beyderſeits deputierte Perſonen in gleicher Zahl/ dieſen Articul
zu declarieren vnd zu verbeſſern/ benahmbt werden: Hierauff wolten die Catho-
liſche argwohnen daß ſolche deputation allein begehrt wer/ ſie zu newen Pacten
zu bewegen; vnd zweiffelten gar nicht/ Kaͤyſer Ferdinands Meynung wer
geweſen/ daß die Confeſſioniſten keine Cloͤſter mehr/ nach dem Paſſawiſchen
Vertrag ſolten einziehen; vnd ob gleich ſolcher Caſus im Religions-Frieden
zweiffelhafftig/ koͤnten doch die Aſſeſſores deß Kaͤyſerl. Cammer-Gerichts/ vnd
vielmehr der Kaͤyſer/ nach Außweiſung der gemeinen Rechten vnnd Billigkeit/
daruͤber ortheilen. Dann das eygentliche Ampt eines Richters beſtehe darin/
daß er in zweiffelhafftigen Sachen vrtheile wie Salomon wegen deß erſtickten
Kindes/ zwiſchen den beyden Weibern/ vnd dem Geſatz den rechten Verſtand
gebe. Der Confesſioniſten vorgeben war/ erſtlich/ daß der Religion-Frieden
gemacht ſey/ durch Verwilligung beyder Theil/ der Catholiſchen vnd Religions-
Verwandten/ ſo folge auch/ daß die ſtrittige Sachen deſſelbigen von beyderſetes
Perſonen muͤſſen geſchlichtet werden. Welches die Catholiſche dem Kaͤyſer
allein heimb weiſen/ weil ſolch Geſatz auß Kaͤyſerl. Macht erſchollen/ vnd die
Fuͤrſten darzu geſtimmet/ daß ſo viel ein jedwedern betrifft/ oder betreffen mag/
dieſer Religion-Frieden vnfaͤhlbar gehalten/ vnd nach deſſelben Articuln vnd
Jnhalt in dem Kaͤyſ. Gericht geurtheilt ſolle werden. Vnd ſey ein groſſer Vn-
derſcheid zwiſchen der Außlegung/ da eine judicialis, die andere particularis: Vnd
werdt dieſe als ein allgemeines bekandtes Geſatz/ jene aber als ein Kaͤyſerlicher
Spru[ch] zu achten. Zum andern ſagen die Confeſſioniſten/ es ſey außdruͤcklich
im Religion-Frieden verbotten/ keine Conſtitution oder Declaration deſſelbi-
gen mehr zu machen/ oder zuzulaſſen; darumb weder Kaͤyſer/ noch Cammer
hier in was wetter vermoͤgen. Vnd iſt die Gegen-Antwort; die declaratio-
nes authenticæ,
durch welche der Religions-Fried geaͤndert/ abgebracht/ verbeſ-
ſert/ ꝛc. ſolle werden (deß gleichen die Confesſioniſten Anno 59. begehrt/ auch laͤngſt
hernach auffgewieſen/ als wer ſie jhnen vom Kaͤyſer Ferdinand gegeben/ vnd hie
nechſt widerlegt worden) ſeyen verbotten/ vnd gaͤntzlich auffgehaben/ aber die
ſententiæ judiciales gar nicht. Weil dann drittens der Kaͤyſerl. Cammer vnd
Aſſeſſorn befohlen/ dz ſie den Friedens-Articuln zu wider nichts ſollen mandiern
oder
[163]Ander Theil.
oder einigen Proceß ergehen laſſen; muͤſſe dann ein ſolcher Cammer-Proceß
nichtig ſeyn. So wird geantwortet/ Es ſey dem Præſidi vnd Beyſitzern oder
Cammer gebotten/ dem beſchwerten Theil/ zugegen dem Religion-Frieden/ Vio-
latorn
vnd Schaͤnder/ die Iuſtitz zu leyſten. Dieweil dann die Iuriſdiction der
Speyriſchen Cammer in dieſen cauſis fundirt, ſeye nothwendig præſumptio pro
juſtitia proceſſus,
vnd deroſelben ſententz; wer auch keiner præſumption vonnoͤ-
then/ dieweil die Mandata gemeiniglich geſchehen in weltkuͤndigen/ vnd die keines
wegs excuſirt koͤnnen werden/ deß Religion Friedens Violatoribus. Nach dem
dann endlich/ ſprechen die Confeſſioniſten/ die Kaͤyſer auß Verwilligung der
Reichs-Staͤnde/ mit Fürbehaltung etlicher ſchwerer Vrtheil/ die Iuriſdiction in
andere cauſas der Speyeriſchen Cammer per modum contractus uͤbergeben/ ſo
koͤñen zum wenigſten deß Kaͤyſers Hoff-Rath von dieſen/ zwiſchen den Staͤnden
Controverſien nicht vrtheilen. Wird aber Gegentheils beſtaͤndig widerſprochen/
Es werde ſich nirgend finden/ daß der Kaͤyſer einen Contract ſolt eingangẽ ſeyn/
daß er deß Reichs Vnderthanen in vielen cauſis die Iuſtitz nicht koͤnne admini-
ſtriern,
als were der alte Reichs Stand veraͤndert/ da doch ſolches nicht ſo leich-
lich haͤtte geſchehen koͤnnen. Jn deſſen wolte die Proteſtierenden beduͤncken/ der
Fried gienge auff Steltzen/ wann ſie ſich nit fuͤrſehen/ vñ beſſer zuſam̃en verbuͤn-
den/ als im Schmalkaldiſchen Bund. Darumb kamen zuſam̃ zur Naumburg
Pfaltzgraff Friederich ſampt ſeinem Sohn/ Hertzog Johann Caſimirn/ Hertzog
Auguſtus zu Sachſen/ beyde Churfuͤrſten: Pfaltzgraff Wolffgang/ Hertzog Jo-
hañ Friederich zu Sachſen/ Hertzog Vlrich von Meckelnburg/ Hertzog Chriſtoff/
von Wirtemberg/ ſampt ſeinem Sohn Eberhard/ Marggraff Carle von Baden
Ernſt vnd Philips/ beyde Hertzogen von Braunſchweig/ Ernſt Fuͤrſt von Heñe-
berg Graff Guͤnther von Schwartzburg/ ſampt vielẽ anden Grafen vnd Herꝛn.
Aber Marggraff Joachim von Brand. Churfuͤrſt/ Georg Friederich auch Marg-
graff von Brandenb. Hertzog Joh. von Mecklenb. Barmin vnd Joh. Friederich/
Hertzogen von Pom̃ern/ Hertzog Adolff von Holſtein/ Wolffgang vñ Carle von
Anhalt ſchickten jhre Bottſchafften dahin/ wie auch Landgraff Philips von Heſ-
ſen/ welcher doch uͤber fuͤnff Tage auch perſoͤnlich mit ſeinem Sohn Wilhelm er-
ſchienen. Friederich der ander/ Koͤnig in Dennemarck/ vnd die Fuͤrſten von Luͤ-
nenburg erklaͤreten jhre Meynung vnnd Einhelligkeit mit den andern Fuͤrſten
ſchrifftlich. Es hatte zwar dieſe Verſamblung den Nahmen/ als wer es vmb
Reviſion der Augſpurgiſchen Confeſſion zu thun/ weil nit alle exemplaria gleich
lautend befunden wuͤrden/ vnd zumahl eine Vorꝛede daran zu ſetzen/ welche
nicht jede Fuͤrſten vnderſchreiben wolten/ wegen vngleicher Außlegung/ ſo die
Heydelberger uͤber dem Nachtmahl deß Herꝛn behielten; Auch ſchuͤtzte man
fuͤr/ die Saͤchſiſche Brandenb. vnd heſſiſche haͤtten jhre Erbvereynigung erne-
wern wollen. Doch wuͤrde auff Cath. Seite ein anders geargwohnet. Pabſt
Pius IV. ſchrieb das vnderbrochene Concilium wieder auß nach Trient/ vnd
X ijverſchickte
[164]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
verſchickte zween Nuncios deßwegen/ die ſich auch zur Naumburg angemeldet/
vnd die anweſende Herꝛn/ weil ſie ſelbſt nicht allerdings in Glaubens-Sachen
einig weren/ zum Gehorſamb mit allem annehmlichen Verſprechen/ eingela-
den; wurden aber beantwortet/ daß ſie die Proteſtierende Niemand vor ein
Obern erkenneten/ als den Kaͤyſer/ mit Widerhohlung der Mißbraͤuche in der
Roͤm. Kirche/ vnd jhrer gruͤndlichen Eynigkeit: Doch wolte der Pabſt an ſei-
nem Fleiß nichts erwenden laſſen: wie er dann auch in Franckreich geſand/ ein
angeſtelltes Geſpraͤch zu Poiſſy wegen der Religion zu hindern. Aber in deſſen
wurd Engelland vnd Schottland ſeinem Gehorſamb ſchier gaͤntzlich entzogen/
ob gleich die Waldenſer in Saphoyen vnderdruckt/ vnd die Proteſtierenden in
den Niederlanden noch nicht konten empor kommen/ oder ſich veſt machen. Mit
dem Jahr 1563. endete ſich das Concilium zu Trient/ im achtzehenden Jahr/ nach
gehaltener erſten Seſſion: welches gleichwohl gewaͤret nur zwey/ vnder Paulo
III.
vnder Iulio III. eins/ vnd vnder Pio IV. zwey/ demnach zuſammen fuͤnff
Jahre. Dem Roͤm. Stuhl war erfrewlich/ daß Abdiſu Patriarch in Aſſyrien
ſich in Perſon angemeldet/ vnd den Kirchen-Satzungen vnderworffen. Wie
auch/ daß hernach die Reuſſiſche Kirchen vnder vier groſſen Biſthumbern ſich
von der Griechiſchen Kirchen zu der Roͤmiſchen gewendet; vnd daß die Jeſui-
ter auß Jndien eine Bottſchafft wegen derſelben Voͤlcker nach Rom zu wegen
gebracht. Hingegen proteſtierte Franckreich wider das Concilium, als ob
ſolches ſeiner Hoheit abbruͤchig; vielleicht weil wegen der hohen Hand vnd
Sitz Spannien jhme widerſprochen/ vnd der Pabſt den getroffenen Fried mit
den Hugenotten vor verdammlich erkant hatte. Jn deß ſchied Kaͤyſer Fer-
dinand von dieſer Welt/ vnd hinderließ ſeinem Sohn Maximiliano, der laͤngſt
zum Roͤm. Koͤnig erkohren vnd gekroͤnet war/ das Kaͤyſerthumb/ dieſer Kaͤyſer
hatte in Hungarn vnd Siebenbuͤrgen/ dem Tuͤrcken Widerſtand zu thun/ viel zu
ſchaffen/ vnd brauchte zum Feldherꝛn Lazarum Svvendy, der jhm zwar hohe
trewe Dienſt mit der Fauſt geleyſtet/ aber ſchier alles mit Verthaͤdigung der
Augſpurgiſchen Confeſſion verworꝛen.


Er hielt einen Reichs-Tag zu Augſpurg/ wegen deß Religion-Weſens/
deß Cammer-Gerichts/ der Müntz-Ordnung/ vnd deß Tuͤrcken Kriegs. Die
Proteſtierenden hielten an/ wie offter erwehnet/ vmb Freyſtellung der Religion
in den Stifftern: der Churfuͤrſt/ Pfaltzgraff wurd verklagt/ wegen Ernewe-
rung in der Lehr/ vnd Abſchaffung etlicher Prediger/ ſo der Augſpurgiſchen Con-
fesſion
zugethan geweſen/ vnd dann wegen freyer Stiffter. Das erſte verblieb
im alten Strich; das andere uͤberkam eine Außlegung/ durch allerhand Ent-
ſchuldigung. Was aber das Weltliche belangt/ wolte gedachter Churfuͤrſt
erweiſen/ die beyde Stifft Neuhauſen vnd Sinßheimb/ welche vom Biſchoff
von Wormbs angeſprochen wurden/ weren der Pfaltz vnmittelbar eygen;
darbey
[165]Ander Theil.
darbey es ſein Verbleibens etlicher maſſen behalten. Doch wurd Wilhelm von
Grumbach/ vnnd nach jhme Hertzog Johann Friederich von Sachſen ſeinet-
wegen in die Acht erklaͤrt/ in Gotha belaͤgert vnd bezwungen/ endlich gar ent-
haͤuptet/ der Fuͤrſt gefaͤnglich/ hingefuͤhrt/ vnd Gotha/ wie auch Grimmenſtein
geſchlayffet. Die Vrſach war dieſe: Wilhelm von Grumbach war am
Marggraͤffiſchen Hoff erzogen/ vnd in viertzig Jahr gehalten/ biß er zu Culm-
bach Statthalter worden. Als nun die Vehde zwiſchen ſeinem Herꝛn Marg-
graff Albrechten/ vnd den Biſchoffen angangen/ hatten ſich zwar beyde Par-
theyen wegen der Lehen-Leuthe Dienſten vergliechen/ hielten aber nicht aller-
dings/ nachdeme der Marggraff ſich mit dem Kaͤyſer vor Metz vertragen/ vnd
noch weniger/ als er im Braunſchweiger Land die letzte Niederlag empfangen:
darumb wurden dieſem Grumbach ſampt ſeinem Anhang/ noch vnder vorigem
Kaͤyſer/ ſeine Guͤter eingezogen. Vñ als Anno 1558. der Biſchoff zu Wuͤrtzburg
von fuͤnffzehen Reutern/ ſo vor dem Wirthshauß hielten/ von der Cantzley rei-
tend/ erſchoſſen worden/ gab mans dieſem Grumbach ſchuld/ konte es aber nicht
erweiſen. Doch macht er ſich noch verdaͤchtiger/ als er die Statt Wuͤrtzburg
durch Liſt eingenommen/ vnd der geiſtlichen Haͤuſer gepluͤndert/ jhnen auch ein
Vertrag abgenoͤtiget. Hertzog Johann Friederich von Sachſen nam ſich
ſeiner an/ vnd wolte von jhm nicht laſſen/ was auch die Staͤnde/ oder der Kaͤyſer
ſelbſt vor Abmahnung vnd Warnungen thaͤten. Dieweil dann leichtlich hier-
auß ein groſſes Fewer entſtehen/ auch der Religion-Fried angefochten werden
koͤnnen/ wie dann etliche auffruͤhriſche Schartecken/ ſonderlich die Nachtigal/
herumb geflogen/ als were dieſe Execution ein Anfang den Paſſawiſchen
Vertrag zu durchloͤchern; darumb beſchloß das gantze Reich/ der Sachen
mit Macht abzuhelffen/ wie auch durch den Churfuͤrſten auß Sachſen
geſchehen/ als er von dem Tuͤrcken-Zug wider auß Hungarn zu Land
kommen.


Jn deſſen gab es ſchier in allen ſiebenzehen Provintzen der Niederlanden
manchen Tumult vnd Auffſtand/ dieweil der Koͤnig in Spanien das Land in
gewiſſe Biſthuͤmb mit Verguͤnſtigung deß Roͤmiſchen Stuhls vertheilet/ die
Inquiſition, welche hiebevor wider die Maranen oder Juden in Spanien/ oder
etwann auch zu Rom wider die eingeſchlichene Ketzer beſtimbt geweſen/ mit
Gewalt eingefuͤhret; dadurch die Provintzen jhre Freyheit geſchmaͤhlert meyn-
ten. Es kam aber der Hertzog von Alba mit Kriegsvolck/ vnd macht/ daß die
Fuͤrnehmbſte fluͤchtig/ oder Kopffs kuͤrtzer worden: damit das Vbel zwar ein
wenig geſtillet/ aber nur deſto eyferiger worden/ als wann ein Waſſer den vorge-
ſchuͤtzen Damm endlich durch bricht/ vnd vmbreißt: Vnd hat dieſes Vnweſen
den Printzen von Vranien zu einem ſehr groſſen Mann gemacht/ ob es ſchon
viel Muͤhe/ Gefahr vnd Blut gekoſtet: Alſo macht ſich der Printz von Vranten/
X iijſampt
[169[166]]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſampt ſeinen Bruͤdern/ auß dem Land: der von Egmond vnd Horn wurden
als Rebellen enthaͤuptet; wie auch auff der andern Seit Don Pacieco Haupt-
mann/ deß Hertzogen von Alba Bluts-Freund/ weil kein Quartier noch gelten
wolt/ auffgeknuͤpfft; welches Exempel hernach ſo viel gegolten/ daß die Ran-
tzionen nach Stands Gebuͤhr geſchloſſen vnd gehalten worden. Vnnd iſt
ſchroͤcklich daß der von Alba ſich beruͤhmbt/ er haͤtte durch Henckers Hand biß in
achtzehen tauſend Geuſen/ das iſt/ Ketzeriſche Niederlaͤnder hinrichten laſſen.
Koͤnig Philips merckte aber wohl/ daß er der Sachen zu viel gethan/ vnd nur
den Abfall vermehret; darumb ließ er das praͤchtige Triumph-Bild/ ſo der
von Alba zur ewigen Gedaͤchtnuß laſſen auffrichten/ niederꝛeiſſen/ vnd ſeine
Schweſter/ die Koͤnigin in Hungarn/ Dõ Ioan de Auſtria, hernach die Hertzogin
Parma/ Caroli V. Natuͤrliche Dochter/ zu Regentinnen in das Land kommen.
Von dieſem Niederlaͤndiſchen Krieg gibt es mancherley vnnd wiederwaͤrtige
Gedancken/ in dem etliche meynen/ es haͤtte Spanien das Trientiſche Conci-
lium
in ſeinen Erblanden vnd Koͤnigreichen einzuführen ſolcher Geſtalt ange-
nommen/ weil vermuthlich ein groſſer Eyfer zu der Religion, vnd Nachdruck
wider die Ketzer der gantzen Welt Hertz vnd Gewogenheit ſolte erlangen. Dar-
auff dann erfolgen muͤſte eine rechte Kriegs-Schul/ damit man allzeit in Waf-
fen ſtuͤnde/ zu welcher kein Land mehr Volckreicher noch Kernhaffter ſeyn koͤnt/
als eben dieſe Niederlanden/ welche eyntzelen den Koͤnigen in Franckreich man-
nichmahl groſſen Widerſtand gethan: Auch koͤndte Franckreich wo nicht be-
zwungen/ doch in Forcht vnd Zaum dardurch gehalten werden: Darumb man
Spaniſcher Seite zu keinem Fried verſtehen ſolte. Es wollen aber andere vor
bekandt außgeben/ dieſe Niederlanden haͤtten wohl ſo viel Spanier auffgerte-
ben/ als die Jndien; vnd alles Jndianiſche Gold verſchlungen/ ja den Koͤnig
aller baarer Mittel entbloͤſſet/ vnd in groſſen Schulden-Laſt geſtecket; weit an-
derſt/ dann der von Alba jhm eingebildet/ nemblich eine guͤldenene Quell zu
ſetzen/ die Armens dick ſolte flieſſen. Dann es hatte Spanien ſchon in den erſten
acht Jahren bey den Kauffleuthen ſechs Tonnen Golds auffgenommen/ ohne
was die Kriegsvoͤlcker noch zu fordern gehabt. Schier vnglaͤublich iſt/ daß
Koͤnig Philips Anno 1599. ſoll geſagt haben/ er haͤtte fuͤnff tauſend/ fuͤnff hun-
dert vnd ſechtzig vier Millionen Ducaten mit kriegen/ in Franckreich vnd Nie-
derland verſpielet. So funden die Geuſen damahls in jhrer ordentlichen
Außgab vier hundert vnd zwantzig Tonnen Goldes/ ohn was Raub vnd Plün-
derung verderbt hatte; welcher in der einigen Statt Antorff/ an Baarſchafft
ohne die Kleinodien geſchaͤtzet worden viertzig Tonnen Golds.


Jn dieſen Krieg haben ſich gemiſcht die Engellaͤnder vnnd Frantzoſen/
auch Pfaltz vmb etwas/ vnd dann das Hauß Oeſterꝛeich; theils auß Eyfer
wegen der Religion, theils auß Hoffnung einigen Gewinnes/ theils auß Miß-
gunſt.
[167]Ander Theil.
gunſt. So hat man ſich auch beyderſeits wunderlicher Weiſe muͤſſen lencken
vnd wenden/ wann die Gelts-Mittel gemangelt/ vnd etwann derentwegen die
Kriegs voͤlcker gerumoret/ oder gar auffruͤhriſch worden: ſo mancher koſtbaren
Belaͤgerungen/ ſo vielen ſehr ſcharffen Treffen/ zu geſchweigen; biß endlich
nach Rath Iuſti Lipſii, dieſe Martialiſche Voͤlcker auß den Waffen zu der
Kauffmannſchafft vnd uͤber die Buͤcher/ oder Manufacturen zu bringen/ ein
zwoͤlff Jaͤhriger Stillſtand getroffen/ bey welchem es allerhand corruptiones
vnd Vortheil abgeben/ vnd der Krieg wieder angegangen: der dann durch
Vorſchub vnd Mitwürckung deß Frantzoſen ſo gar eyferig gefuͤhrt worden/ daß
die übrige gehorſame Provintzen deß Koͤnigs dadurch in groſſen Abgang/ vnd
euſſerſte Gefahr gerathen. Zumahl der Frantzoß die Gothalanen in ſeinen
Schutz genommen/ die Portugieſen zum Abfall bewegt/ den Saphoyer auff
ſeine Seyte gebracht/ den Lothringer vertrieben/ den Fuͤrſten zu Monaco außge-
kaufft/ bey dem Teutſchen Vnweſen den Rhein gefaſſet/ das Alpengebuͤrge er-
oͤffnet/ vnd die Spaniſche Macht an viel vnd weit entlegene Orth gezogen/ vnd
ſein euſſerſtes gethan/ der Spaniſchen Monarchi im Lauff zu ſtehen. Es
hat zwar Spanien muͤſſen leyden; daß man jhme wegen der Burgundiſchen
Laͤnder vnd eroberten Koͤnigreichen Portugal mißguͤnſtig worden; aber auch
nicht gefeyret/ weil dem vermeynten Koͤnig Antonio Huͤlff wiederfahren/ das
Waſſer in Franckreich truͤbe zu machen/ vnd die ſtarcke Parthey der ſamptlichen
Guiſen wieder den Koͤnig zu vnderhalten/ biß das Rad deß vnbeſtaͤndigen
Gluͤcks ſich gewendet/ daß die Niederlanden leichtlich vom Hauß Spanten
abgeriſſen/ vnd gaͤntzlich an Franckreich/ dahin Flandern ſonderlich gehoͤrig/ ge-
wachſen weren.


Endlich ſahen die abtrünnige Provintzen/ daß ſie in ſchwerem Schul-
den-Laſt ſtecketen/ ſie auff Franckreich ſich nicht beſtaͤndig zu verlaſſen/
vnd nicht bald wider ſolche herꝛliche conditionen, als Spanien wegen groſſer
Trangſahl vor dißmahl angebotten vnd gelobet/ wolte er je dem Frantzoſen
gewachſen ſeyn/ erlangen koͤnten; darumb lieſſen ſie ſich vor gantz freye Voͤlcker/
an welche weder Spanien/ noch Oeſterꝛeich in Ewigkeit nichts mehr zu ſuchen
hatten/ erklaͤren/ vnd machten mit Spanien ein ewigen Friede/ im Jahr 1648.
welchen der Frantzoß gern hindern wollen/ vnd darbey nichts geſchonet noch
geſpahret. Alſo vermeynen dieſe Laͤnder jhre Freyheit zu beobachten/ wie die
Schweitzer/ vnd Vene[ci]aner: moͤgen doch zuſehen/ daß es jhnen nicht ergehe/
wie den Ditmarſen/ oder Gothalanern. Dann wollen ſie ſich an keinen
Potentaten hangen/ ſo haben ſie keine Huͤlffe zu hoffen: vermeynen ſie allein
maͤchtig genug zu ſeyn/ ſo iſt das Exempel deß gantzen Griechenlandes/ der
fürnehmen Staͤtte/ Athen/ Carthago/ Tyr vnd Sidon/ ja der Koͤnigin
aller Staͤtte/ Rom/ vor Augen/ daß/ was euſſerlicherlicher Gewalt nicht
kan/
[168]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
kan/ jnnerlicher Ehrgeitz vnd Mißgunſt verurſachet. Allein iſt Wunderſamb/
daß in achtzig Jahren/ ein ſo kleines Land/ gegen andern zu rechnen/ vnd nur ein
achten Theil an Spanien beſetzen kan/ ſo viel uͤberſtanden/ vnd nunmehr die
gantze Welt trutzet: welches fürnemblich geſchicht/ wegen der baaren Gelt-
Mitteln/ ſo durch die Kauffmannſchafft auß allen vier Enden der Welt dahin
flieſſen; vnd dann wegen der vielen Schiffen/ die geſchwind ein vnd außlauf-
fen/ vnd allen Vberfluß herzufuͤhren. Jetzund vnvermeldet/ daß dieſe Voͤlcker
zu Waſſer vnd zu Land von kleinem Kind auff gelernet kriegen/ darzu ſie durch
Spanien genoͤthiget worden. Jhr Vermoͤgen kan man auch dahero ermeſſen/
daß ſie zwey hundert vnd acht ſtarcke Staͤtte/ uͤber ſechs tauſent drey hundert
Doͤrffer/ ohne Schloͤſſer vnd Herꝛen-Haͤuſer/ die gleichſamb vngezahlt da lie-
gen/ als der von Alba zu jhnen kommen/ beſeſſen: Darumb auch die Spanier es
vor ein einige Statt hieltẽ/ weil die Staͤtte ſo nahe aneinander gelegen/ vnd mit
Waſſer-Graͤben/ vnd Daͤmmen/ wie die Haͤuſer mit Gallerien vnd Gaͤngen/
zuſamm gefuͤgt waren. Wie reich nun die particularen ſeyen/ mag man davon
abnehmen/ daß der letzt verſtorbener Moͤſch Greffier in Holland/ vier Millionen
an baarem Geld hinderlaſſen/ der doch von geringem Herkommen geweſen.
Haͤtte er noch wenige Jahr leben ſollen/ wuͤrde er es dem Ferrat Baſſa, den der
Tuͤrckiſche Kaͤyſer Anno 1595. laſſen hinrichten/ vnd fuͤnff Millionen Goldes
bey jhme gefunden/ bald vorgethan haben. Doch machen dieſe vier Millionen
Hollaͤndiſch nicht uͤber ſechtzehen mahl hundert tauſend Reichsthaler. Wann
aber ein Diener zu ſolchem Vermoͤgen koͤnnen gelangen/ was ſolten der Herꝛen
vnd Staaden Kiſten wohl muͤſſen halten? Wer dann nun wolte vberſchlagen/
was vor baare Gelder/ vnd Kernhaffte Mannſchafft auff beyden Theilen auff-
gangen/ wie viel Schiffe geſuncken vnd verdorben/ wie manche Veſtung gebawt/
oder niedergeriſſen/ vnd bezwungen worden/ vnd ſolches alles in eine Summ
zuſammen ſchlagen/ der wird muͤſſen bekennen/ daß Spanien/ wann er dieſe
maͤchtige Landſchafften im Gehorſamb haͤtte beherꝛſchet/ eben hiermit die gantze
Welt dem Türcken vnd Perſianer/ gleich wie vor zeiten Rom gethan/ bezwin-
gen koͤnnen. Sintemahl berichtet wird/ daß dieſe Provintzen in kurtzer Zeit/
biß in viertzig Millionen Golds zum Orlog geſchoſſen; welches wohl glauben
kan; der das Gewerb vnd die Beſatzungen verſtehet; wie nechſtoben angedeutet
wird/ vnd glaubt/ daß der Hertzog von Parma vor ſechtzig tauſend Mann Mo-
natlich muͤſſen haben ſechs hundert/ vnd ein vnd ſiebentzig tauſend Guͤlden: Vnd
die Staaden jnnerhalb zweyen Jahren uͤber neun vnnd dreiſſig hundert tauſend
Guͤlden zum Krieg geſchoſſen. Vnd wann man der Hollaͤnder Macht zu
Waſſer uͤberſchlaͤgt/ wird man ſchier ſo viel kleine vnd groſſe Schiff
finden/ als im Lande Haͤuſer ſind.



[169]Ander Theil.

Der ſechszehende Diſcurß.


Von den Regenten in den Niederlanden/ als dem Hertzog von Alba;
Commendeur Requeſentz; Don Ioan de Auſtria; Hertzog von Parma;
Ertz-Hertzog Ernſt: Graff von Fuentes; Ertz-Hertzog Albrecht: Jhren
Tugenden vnd Maͤngeln; Vnd wie endlich Fried zwiſchen Spanien vnd den
Hollaͤndern worden.


ES moͤchte aber jemand gedencken/ ob dann der Koͤnig in Span-
nien auß ſo vielen Landſchafften/ die er beherꝛſchet/ nicht ſolt taugliche
Regenten funden haben/ die Niederlanden in Gehorſamb zu halten/ vnd
mit manier zu regieren. Darauff iſt die Antwort/ daß jede Regenten zwar jhre
ſcheinbahre Tugenden gehabt/ aber auch der Maͤngel vnd Faͤhler ſich nicht koͤn-
nen allerdings/ als Menſchen entſchütten; Jn Betrachtung auch nicht wenig
bey dem Spaniſchen Hoff/ nach welchem ſich ein Regent zu richten/ mit vnder-
geloffen. Darauß dann abzunehmen/ daß der Himmel der Spaniſchen Mo-
narchy dieſen Dorn in den Fuß geſtoſſen/ damit ſich je dermann dem wanckelba-
ren Gluͤck vnderwuͤrffig befinde.


Der erſte Regent in den Niederlanden war der Hertzog von Alba/ der
hierin fuͤrnemblich gefaͤhlet/ daß er der Niederlaͤnder humorn vnd Zuneigungen
nicht gekennet/ noch verſtanden. Dann wann ſich ein Bereiter in deß Pferds
Natur/ ſo er Zaum vnd Spohren recht will machen/ nicht ſchaͤmet zu ſchicken/
damit er mit der Zeit ein voͤlligen Gehorſamb erlange; warumb ſolte ſolches
nicht von einem Regenten nothwendig geſchehen? Als der freche Jüngling
Alcibiades ſich vnderfangen wolte/ die Hauptſtat in Griechenland Athen/ vnd
durch dieſelbe alle andere zu regieren/ fragte jhn der hochverſtaͤndige Socrates
ob er die Kunſt zu regieren/ dann gelernt haͤtte/ vnd von weme? Mit dem Erin-
nern/ daß keiner ſich vor ein Bereiter/ oder Lauteniſten wuͤrde doͤrffen außgeben/
wann er das Schul-Recht nicht verſtuͤnde. Gleich wie heut zu Tage die vom
Adel werden herfuͤr gezogen/ als haͤtten ſie alles in Mutterleib gelernet. Alſo
hatt es vielleicht dieſem Hertzogen von Alba auch an einem Lehrmeiſter gefaͤhlet.
Dann er zumahl nicht wollen mercken/ daß mehr durch Gelindigkeit/ als durch
Strenge bey vernuͤnfftigen Leuthen außzurichten; weil er in ſeinem Handel vnd
Wandel ſich viel zu rauhe vnd ſtoͤrꝛig erzeigt/ welches etwann in Spanien die
beſte Manier ſeyn moͤchte. Wann aber die Niederlaͤnder vor andern etwas
Ander Theil. Yhoͤfflich
[170]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
hoͤfflich ſeyn wollen/ auch an der Hoch-Teutſchen Ernſthafftigkeit ein Mißfallen
tragen/ ſo fern daß ſie auch ſehr gelindiglich gegen Kindern vnd Bedienten ver-
fahren; dennoch auch der Frantzoſen zu viel groſſe Freundligkeit/ als uͤbrigs
Liebkoſen einer Mutter/ vor vntauglich halten; begehren demnach von jhren
Herꝛn vnd Vorſtehern eine mittelmaͤſſige Freund vnd Holdſeeligkeit/ die ſich
nicht zu weit inhalte/ auch nicht zu weit herauß laſſe. Haben alſo die Nieder-
laͤnder mehr von ſich ſelbſt gehalten/ als die dienſtbare Jndianer/ vnd lieber Gut
vnd Blut wollen auffſetzen/ dann in Dienſtbarkeit leben. Es kan auch an die-
ſem Regenten getadelt werden/ daß er voller Mißtrawen geſtorben/ welches in
Kriegshaͤndeln wohl das allerbeſte/ aber nicht allzeit im Regiement/ weil alß-
dann einer den andern foͤrchtet vnd anfeindet/ einer auff den andern lauret/ vnd
Wort vnd Thaten mit neydiſchem Hertzen auffnimbt vnd außleget: Welches
uͤbel vmb ſo viel aͤrger/ daß es Wurtzel behaͤlt/ vnd nimmer gaͤntzlich mag außge-
rottet werden. Dann was man einem Neydiſchen verheiſſet/ ſchencket vnd
thut/ bleibt verdaͤchtig/ als were alles Boͤſe darunder verborgen: ja die taͤgliche
Erfahrung bezeuget/ daß ſolch Mißtrawen nicht anderſt/ als durch der einen
Parthey jederweilen durch beyder Vndergang hingelegt wird; gleich wie ein
Oehlflecke in dem Wollen Kleyd bleibt/ vnd vmb ſich friſſet/ biß an das Ende.
Mag auch eine Vermeſſenheit jhme haben angekleibet/ in dem er vermeynet/
es ſey kein Ding ſo wichtig vnd ſchwer/ welchs er jhme entweder durch Scharpff-
ſinnigkeit/ oder durch Macht gluͤcklich außzufuͤhren nicht getrawete/ als ſtunde er
auff ſich ſelbſt/ vnd haͤtte auff niemand anders zu ſehen. Welchem Faͤhler gantz
nahe verwand iſt der jenige Hochmuth/ daß der Menſch ſeinen Feind verachtet/
vnd hiedurch ſelbſt befoͤrdert. Dann gleich wieder jenige/ der ein geringe
Wund oder Kranckheit an ſeinem Leibe/ oder ein kleine Fewrfunck in ſeinem
Hauſe nicht in acht nimbt/ ſich ſelbſt/ ſeine Geſundheit/ Leben vnd Nahrung in
Gefahr ſetzt; alſo thut auch/ wer ſeinen Feind gering achtet/ vnd ſo lange zuſie-
het/ biß er jhm faſt uͤber den Kopff gewachſen: dadurch der Feind ein groſſen
Muth faſſet/ vnd von dem uͤbrigen auch wohl hoffen kan; der Schlaͤfferige aber
manchen Vortheil verliehrt vnd kleinlauts werden muß. Sonderlich aber hat
dieſer Regent ſein Augenmaaß uͤbel genommen/ daß er/ nach dem er den erſten
Einfall der Niederlaͤnder gluͤcklich gebrochen/ nicht alſobald die am Waſſer vnd
Meer gelegene Staͤtte in Holl- vnd Seeland angegriffen/ vnd vnder ſeinen
Gewalt gebracht/ ſintemahl deren nicht uͤber fuͤnff oder ſechs geweſen/ die den
andern allen ein Naßband ſeyn konten. Sein groſſes Bild auß Ertz/ zu Antorff
auffgerichtet/ bracht jhn vmb allen Glimpff/ auch bey ſeinem Koͤnig ſelbſt: Jn
welchem Stuͤck er billich vnvergeſſen ſeyn ſollen/ was Cato ſagt: Es ſey jhm
lieber/ daß man frage/ warumb jhm kein Bild auffgeſetzt werde/ als daß man
frage/ warumb man jhm ein Bild ſetze.


Jm
[171]Ander Theil.

Jm übrigen war dieſer Hertzog vnder die vornehmbſte Kriegshelden der-
ſelben hundert Jahren zu zehlen/ auch vielen vorzuziehen/ weil er mit herꝛlichen
Tugenden/ vnd Kriegsnoͤthigen Stuͤcken begabt geweſen: welches die Zuͤge
vnder Carolo V. genugſamb bezeugen. Dann er war in allem ſeinem Fuͤrha-
ben vnerſchrocken/ beſtaͤndig/ klug vnd vorſichtig/ daß er dem Feind wider allen
Einfall jederzeit vorgebawet/ auch niemahlen etwas freventlich gewagt/ oder ſich
bloß geben: ſo fern/ daß/ wann er ſchon keinen Feind in der naͤhe zu foͤrchten/ er
gleichwol ſein Laͤger/ nach Art der Roͤmer/ jederzeit beveſtigen/ vnd auffs beſte
mit aller Notthurfft verſehen laſſen: brache nicht auff/ es wer dann alles wohl
erkuͤndiget. Vnd weil die Kriegs-Ordnung das Heer/ wie die Seel den Leib
regieren ſoll/ uͤberſahe er niemand etwas; Ja wann einer allein ein Huhn ent-
frembdet hatte/ muſte er deßwegen Straff leyden. Dahero dann erfolgt/ daß
in ſeinem Laͤger allzeit guter Vorꝛath zu finden geweſen/ vnd der Haußmann bey
ſeinen Durchzuͤgen nimmer gewichen/ ſondern froh geweſen/ daß er mit geringer
Muͤhe ſeinen Vberfluß koͤnnen zu Geld machen. Vnnd dieſes vmb ſo viel
mehr/ weil er die Kriegs-Aempter nicht nach groſſem Anſehen vnd Geſchlecht/
noch auff einiger Freunde Vorſchrifften/ ſondern nach Tugend vnd Verdienſt
außtheilet: vnd alſo auß ſchlechten vnd gantz geringen Herkommens Soldaten/
Hauptleuthe/ Wachtmeiſter vnd Obriſte/ Maeſtri del Campo genant/ machte/
welches auch den allergeringſten Soldaten auffmunterte/ vnd bey hohen vnd
niedern ein freyen Gehorſamb verurſachte/ dieweil der Weg zu hohen Aemptern
vnd Ehren nicht verbawt/ ſondern gantz offen ſtunde. Er ſelbſten pflegt zu ſa-
gen: Sold vnd Straff ſollen beyſamm ſtehen: Vnd wann man den Hauß-
mann vnbelaydigt laſſe hab man vor kein Proviand zu ſorgen. Nicht zu ver-
geſſen iſt/ daß er all ſein Anſchlaͤge/ Sinn vnd Gedancken ſo bedeckt vnd heimb-
lich hielte/ daß mancher Anſchlag offtermahls verꝛichtet geweſen/ ehe man es
innen worden. Er war nimmer ohn tieffe Gedancken/ vnd redet ſehr wenig/
weil er es einem Mann vor die groͤßte Schand hielte/ wann er ſeine Zung nicht
zwingen ſolt: wie er dann zum Sprichwort führte: wer nicht ſchweigen kan/
taugt weder zu Herꝛendienſten/ noch zu Kriegsverwaltungen. Dieſe Tugen-
den vnd die obige Faͤhler haben manchesmahl gehandwechſelt/ nach den Bege-
benheiten; wie dann auch an ſeinen Nachfahren zu ſpuͤhren.


Dann Ludwig Requeſentz/ groß Commendor in Caſtilien/ hat zwar
nicht lang regieret/ wurde doch von maͤnniglich vor auffrichtig geliebet. Er
war ein Liebhaber der Tugend/ hoͤrete vnnd beantwortete Jedermann gantz
freundlich/ vnd hatte viel guts im Sinn: allein faͤhlete es jhm an deme/ daß
er in Widerwaͤrtigkeit/ vnnd da er von den Mißguͤnſtigen ſo wohl bey ſeinem
Koͤnig/ als den Niederlaͤndiſchen Landſaſſen hinein gehawen war/ ſich zu klein-
muͤtig erzeigt/ welches alles er nicht achten/ ſondern rund herdurch gehen ſollen.


Y ijAber
[172]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Aber Ioan di Auſtria war behertzt/ darneben gütig vnd freundlich/ arbeit-
ſamb/ vorſichtig/ vnverdroſſen/ verſaͤumbte kein Gelegenheit/ was einmahl be-
ſchloſſen/ ſetzte er fort/ was verſprochen/ hielt er trewlich: wohl beredt/ hohes
Verſtands vnd guter Gedaͤchtnuß/ gluͤcklich in ſeinen Anſchlaͤgen/ weil er ſie zu-
vorn wohl uͤberlegt vnd bedachte. Anderer Leuth Rath braucht er gern/ ja lieſſe
ſein eygenen Sinn fahren/ vnd folgte einem andern. Gegen einem dapfferen
Kriegsmann erzeigt er ſich/ wie gegen ſeinem Bruder/ vnd ließ kein tapffere
That vnbelohnt: hielte ſcharpffe Kriegs-diſciplin. Jn Summa/ er war im
Krieg vnverzagt vnd vnverdroſſen/ auſſer deme gantz zahm vnd mild: in ge-
meiner Beywohnung aber erzeigte er ſich/ wie ſeines Stands hohen Perſonen
gebuͤhrt. An jhme moͤchten die Politici tadeln/ daß er den zu Gent gemachten
Friedenſchluß vnderſchrieben/ welches bey Antrettung ſeiner Regierung/ durch
anſehnliche Geiſtliche mit vielem Vnderꝛeden geſchehen. Als er nun geſe-
hen/ daß er ſich dieſer Geſtalt gantz bloß gegeben/ vnd ein groſſen Faͤhler began-
gen/ alſo daß er auch weder zu Bruͤſſel/ noch zu Mecheln ſicher vnnd verwahrt
ſeyn koͤnte/ hat er die Sach mit ſonderlichem Liſt angegriffen/ vnd vnder dem
Schein/ daß er auff die Jagt reiten wolte/ ſich auff das Schloß zu Namen bege-
ben/ vnd nothwendiger Weiß das zuvor hinweg geſchickte Kriegsvolck wieder
zurück fordern muͤſſen. Als er aber befunden/ daß er durch Mißguͤnſtige bey
ſeinem Bruder dem Koͤnige in Spanien betragen worden/ als ob er ſelbſt nach
der Herꝛſchafft uͤber die Niederland ſtünde. Nam er ſolches zu viel zu Hertzen/
daß er daruͤber erkrancket/ vnd endlich verſtorben. So gar ein boͤſes ſchaͤdliches
Vnthier iſt der Mißgunſt: ſo gar ein vnleidliches Ding iſt es allen Koͤnigen/
Fuͤrſten vnd Potentaten/ wann man ſagt/ ein ander ſtehe jhnen nach dem Re-
giement; ſo gar ſchmertzt es kein Aug/ wann es etwann von auſſen angeſtoſſen
vnd verletzt wird/ als eines Koͤnigs Hertz/ wann es mit dieſem Argwohn getrof-
fen iſt. Dann ob wohl das Anbringen nichtig vnnd falſch/ gebaͤhrt es doch
gemeiniglich ein Mißtrawen/ auß welchem nichts dann boͤſes herkommen
kan.


Nach dieſem Regenten kam in die Niederlande der Hertzog von Parma/
welcher dem Koͤnig in Spanien ſehr erſprießliche Dienſt gethan/ vnd den meh-
rern Theil der Landen wieder zu Gehorſamb gebracht; dannenhero vnder die
fuͤrnehmbſte Kriegshelden zu zehlen; Jnſonderheit wann man den damahligen
Zuſtand der Niederlaͤndiſchen Provintzen/ deß Feinds Macht vnd Veſtungen/
aͤußlaͤndiger Koͤnigen/ Fuͤrſten vnnd Potentaten Verbundnuͤſſen mit dem
Feind/ an Geld vnd Volck zugeſchickte Huͤlff uͤberlegt: vnd daß dazumahl/
als er in Niederland kam/ nicht wohl ein eintziges Orth haͤtte/ da er ſeinen Fuß
ſetzen moͤchte/ dann das Hertzogthumb Luͤtzelburg vnd die Graffſchafft Namen
zu geſchweigen/ daß jhme vom Koͤnig befohlen worden/ zugleich zu einer Zeit
den
[173]Ander Theil.
den Krieg gegen Franckreich vnd Niederland zu führen: Da dann auch biß-
weilen der Vorꝛath an Geldt ſo gering geweſen/ daß es nicht wohl zu glauben.
Dahero der Hertzog nit allein ſein ſelbſt eygen Einkommen/ zu Bezahlung der
Kriegsvoͤlcker angewendet/ ſondern auch ſein Land vnd Leut mit vntraͤglichem
Schnldenlaſt beladen hinderlaſſen. Jn ſeinen Anſchlaͤgen war Er glücklich/
in ſeinen Sitten freundlich/ gegen maͤnniglich freygebig/ klug/ geſchickt/ ver-
ſtaͤndig/ vorſichtig; darneben wann es noth thaͤt/ kuͤhn vnd vnerſchrocken.
Jn all ſeinem Handel vnd Wandel/ in Haußhaltung/ an der Tafel/ etc. war
gleichſamb ein Koͤnigliche Magnificentz zu ſehen. Kein Arbeit verdroß Jhn/
kein Gefahr erſchreckt Jhn: vnd war bey widerwaͤrtigem Gluͤck leydſamb vnnd
gedultig/ bey Verluſt ſtandhafftig vnd vnempfindſamb. Sein Großmuͤtigkeit
erſcheinet darauß/ daß Er am End ſeines Lebens/ da Er einem Toden faſt gleich
ſahe/ ſich zu Pferd geſetzt/ vnd auff deß Koͤnigs Befehl wieder ein Zug in Franck-
reich vorgenommen. Jn Verꝛichtung ſeiner zuvor wohlbedachten Anſchlaͤgen
war Er vnbeweglich/ vnd von ſich ſelbſt ſpitzfuͤndig. Endlich war er auch ſo
vnpartheyiſch/ daß jhm gleich galte/ was Nation jemand were; wiewol er von
etlichen beſchuldigt wird/ daß er ſeinen Jtaliaͤnern zu viel geglaubt vnd getrawet
habe/ vnd daß er die Verlaͤumbdungen/ damit er bey dem Koͤnig verunglimpfft
worden/ jhme mehr zu Hertzen gehen laſſen/ dann ſichs gebuͤhrt haͤtte; dahero
dann ein ſchwere Kranckheit auff ſich geladen/ auß welcher der Tod bald gefolgt
iſt. Hat alſo gleichen Lohn mit ſeinem Vorfahren durch die Boßheit der Miſt-
guͤnſtigen erlangt. Ertz-Hertzog Ernſt ſtarb zu fruͤhe/ weil die Leute ſeiner nit
werth waren. Er erzeigte ſich in ſeinen Sitten ernſthafftig/ in Anſchlaͤgẽ gruͤnd-
lich/ in Verheiſſungen getrew/ in allen Tugenden eyferig/ eines vnbefleckten
Lebens/ fragte nach keinem Weibsbilde/ in Worten kurtz aber tieffſinnig/ ein ab-
geſagter Feind der Lůgen/ wie auch aller Schmeichler vnnd Ohrenblaͤſer/ gegen
die ſeinen/ denen er trawen moͤgen/ mehr dann frey gebig/ hatte zwar mehr Luſt
zum Friede/ als zum Krieg/ verſorgte gleichwol alles was zum Krieg gehoͤrt mit
allem Fleiß; hatte zwar viel guter Gedancken vnd Rathſchlaͤge/ ſo zu deß Nieder-
landes hoͤchſtem Nutz wuͤrden gereicht haben/ bey ſich beſchloſſen: in dem er aber
auff Gelegenheit dieſelbe ins Werck zu richten wartet/ muͤſte er von dieſer Welt
ſcheyden/ vnd dem Grafen von Fuentes das Regiement auff die jenige Zeit hin-
derlaſſen/ biß Ertz-Hertzog Albrecht in die Landen kommen.


Gleichwol iſt dieſer Graff von Fuentes faſt der gluͤckſeeligſte geweſen vn-
der allen Fuͤrſten/ ſo dem Niederland vorgeſtanden/ weil er in ſo kurtzer Zeit ſolche
Sachen verꝛichtet/ daß er bey maͤnniglich in ein hohes Anſehen kom̃en. An tapf-
ferem Gemuͤth faͤhlet es jhm nit/ war gluͤcklich dann andere Kriegs-Obriſte/ vn-
verzagten Hertzens/ als der ſich kein Gefahr/ oder andere Schwerlichkeiten er-
ſchrecken ließ; ja er verſchluckt vnd verdawet alles wie Zucker: war ſonſten im
Y iijzu-
[174]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
zu- vnd abgehen freundlich vnd ſprachſamb/ verſuchte das Gluͤck jederweilen
etwas mehr dann zu viel/ war etwas anzufangen keck/ aber noch viel kecker
im außfuͤhren/ inſonderheit dem Koͤnig uͤber die maſſen getrew. So wohl im
Laͤger/ als in Staͤtten hielte er vnder dem Kriegsvolck gute Zucht/ ſtraffte das
Boͤſe ohne Vnderſcheyd der Perſohnen. Doch hatte er mit der Zeit ſo wohl als
andere den Verleumbdern herhalten muͤſſen/ weil die Tugend faſt kein andern
Lohn zu gewarten hat.


Endlich kompt Ertz-Hertzog Albrecht in die Regierung/ bey welcher Zeit
viel wunderſame Faͤlle ſich begeben. Er war uͤber die maſſen keuſch vnnd
zuͤchtig/ konte auch das wenigſte vnzuͤchtig Wort nicht leyden: Zu geiſtlichen
Sachen verwendet Er Jaͤhrlich mehr denn hundert tauſendt Gulden. An
Weißheit vnnd Verſtand thaͤt es jhm keiner ſeiner Raͤthe bevor/ weil er viel
weiter ſahe/ vnd bey rechter Zeit alle Notthurfft verſchaffte. Jn ſeinen Red
vnd Antworten war er ſo maͤſſig/ daß Er nicht leichtlich ein uͤbrigs Wort ge-
braucht/ noch auch ein nothwendiges außgelaſſen/ hatte ein ſo ſtarckes Ge-
daͤchtnuß/ daß Er auff dreiſſig oder viertzig vorgelegte Puncten in ſelbiger
Ordnung/ wie ſie Jhm vorgelegt waren/ fein nach einander beſcheydentlich
Antwort ertheilte. Jn Außtheilung der ſo wohl Geiſt-als Weltlichen digni-
teten
vnd Aemptern war Er uͤber die maſſen vorſichtig/ darneben ſehr gluͤck-
lich. Die Tugend hat Er vor allen Dingen lieb/ vnd befoͤrderte die jenige/
ſo darmit begabt waren/ einen jeden nach ſeines Stands Gelegenheit. Er
war ſo ſcharpffſinnig vnnd durchdringenden Vrtheils/ daß/ wann Er ein
Menſchen einmahl angeſehen/ Er ſtracks wuſte/ was in jhme ſteckte. Ge-
braucht zwar [in] ſeinem Weſen vnnd Worten ein Koͤnigliche Hertzhafftigkeit/
war gleichwohl darneben frewdig vnd holdſeelig/ alſo daß/ wann Er etwann
merckte/ wie ſich jemand was forchtſamb erzeigte/ Er denſelben alßbald mit
freundlichen Worten auffrichtete/ vnd gleichſamb wieder zu ſich ſelbſt brachte.
Vber dem jenigen/ was Er zugeſagt/ hielt Er ſteiff vnd veſt/ betroge niemand/
verhieſſe auch nichts/ was Er nicht halten wolte. Wann Jhm etwann ein
vnverſehene Beſchwerligkeit auffſtieſſe/ war Er darumb nicht vnverzagt/ ſon-
dern fuhr in deme/ was beſchloſſen/ dapffer fort. Zufallende Gefahren/ vn-
verſehene Schaden/ Bedrohungen/ ja auch wider Jhn ergriffene Waffen/
ließ Er ſich wenig anfechten/ nicht anderſt/ als ob er ein Loͤwen Hertz haͤtte.
Kein Ding hat jemahlen ſo viel bey Jhm vermoͤcht/ daß Er Trew vnd Zuſag
gebrochen/ oder von Recht vnd Billigkeit abgewichen/ alſo daß auff ſein Wort/
wie auff ein feſte Mawr zu trawen geweſen.


An Geſicht vnnd Geberden hat man nicht einige Stoͤrꝛigkeit/ ſondern
vielmehr eine ſattſame Liebligkeit an Jhme vernehmen koͤnnen: Jn ſeinen
Worten vnd Reden merckte man jederzeit/ es gienge wie es gieng/ ein ſonder-
liche
[175]Ander Theil.
liche Maͤſſigkeit/ alſo daß Er faſt kein Wort ſprach/ das zu viel oder zu wenig
were/ Er pflegte zu ſagen/ eines Fuͤrſten Gemuͤth muͤſte viel hoͤher ſeyn/ dann
daß ein Luͤgen darein kommen koͤndte/ weil dieſelbe eines forchtſamen vnd zag-
hafften Hertzens Anzeig ſey.


Niemand hat jemahln geſehen/ daß Er ſich bey gutem Gluͤck uͤberhoben/
oder bey wiederigem were verzagt worden; hat niemanden einige Gutthat
auffgeropfft. Jn aller Kranckheiten/ mit welchen Er uͤbel geplagt geweſen/
von allen derſelben Pein vnnd Schmertzen hat niemand jemahlen einig Zei-
chen der Vngedult an Jhm vernommen/ auch nicht/ da Er in den letzten
Zuͤgen lage/ vnnd jetzund ſeine Seele dem Allerhoͤchſten Richter auffopffern
ſolte.


Jn Kriegszeiten/ vnd wann Er zu Feld lag/ hielt Er ſich ſo wohlgemuth/
vnd ſicher/ als ob Er daheimb zwiſchen ſeinen Trabanten in einem Luſt garten
ſpatzieren gienge/ vnd erzeigte viel mehr Hertzens/ als ſeine Leibskraͤfften nicht
vermoͤchten. Jn Gefahr zu Waſſer vnd Land/ ließ Er ſich ſo gar nichts an-
gehen/ eben als wann er zu Bruͤſſel vnderſchiedliche Leben oder Seelen in einer
Kiſten zum Vorꝛath haͤtte: ſo gar verließ Er ſich auff GOTTES Gnad
vnd Fuͤrſehung. Wann Er zu Pferd ſaß/ war Er nicht anderſt anzuſehen/
als von den alten Kriegshelden einer; der deß Reitens vnnd der Mathema-
tiſchen Kuͤnſten ſehr wohl erfahren/ vnd mit ſonderm Luſte die Werck im Laͤger
vnd ſonſten beſichtigte. Wie gar Er auch der hoͤchſten weltlichen Ehr nichts
geachtet/ erſcheinet darauß/ daß Er zweymahl/ erſtlich ehe Matthias, darnach ehe
Ferdinandus zu Kaͤyſern erwehlt worden/ ſolche Hoheit von ſich geſchoben/ da
doch ſehr wenig zu finden/ welche ſolch Kaͤyſerliche vnd Koͤnigliche Cronen von
ſich weiſen/ ſondern vielmehr durch allerley Mittel/ boͤſe vnd gute Fuͤndlein be-
gehren vnd ſuchen.


Nach dieſes Ertz-Hertzogen Ableiben hat ſeine Wittibe/ bald ein Ertz-
Hertzog auß Oeſterꝛeich/ bald ein Jnfant auß Spanien die Niederlanden be-
herꝛſchet/ vnd zwar in gar kurtzer Zeit/ mehr auß Gutachten deß beſtellten
Raths/ als eygenem Willkuͤhr/ ſonderlich nach deme ein zwoͤlffjaͤhriger Still-
ſtand der Waffen getroffen/ vnnd nach Außgang deſſelben der Krieg wieder
angegangen/ vnd der Frantzoß ſein gantze Macht wider die Spaniſche Landen
auffgebracht.


Das Gluͤck wolte dem Hauß Spanien den Ruͤcken kehren/ vnd konte
ſein alte Tuͤcke nicht laſſen. Dann als man meynte/ Franckreich vnd Engel-
land haͤtten zu Hauß genug Arbeit/ Jtalien vnd das Schweitzer Gebuͤrg muͤß-
ten Paß vnd Repaß geſtatten/ Teutſchland wer gefaſſet/ vnd nun koͤnte Nie-
derland nicht laͤnger widerſtreben/ noch ohne frembde Huͤlff beſtehen; da
ſpringt der Frantzoß ab/ macht Buͤndnuß mit den Hollaͤndern vnd Schweden/
vernichtet
[176]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vernichtet alle Hoffnung/ vnd bringt es ſo weit in Gothalanien/ Portugall/
Jtalien vnd Teutſchland/ daß Spanien dem Hauß Oeſterꝛeich keine erkleckliche
Huͤlff mehr leyſten koͤnnen/ vnd auff ſich ſelbſt ſehen muͤſſen; Etliche Haupt-
treffen/ ſo uͤbel abgeloffen/ ſchwaͤchten die Spaniſche Macht/ bevorab wegen
Geldt mangels/ vnd groſſer Vngelegenheit zur See/ vnnd der Wechſel-
Baͤncken/ daß es ſchiene/ die uͤbrige gehorſame Provintzen muͤſten auch gar
verlohren gehen/ weil auff der einen Seyten der Frantzoß/ vnd auff der andern
die Hollaͤnder jhme die beyde Arm anfielen. Darumb gedachte der Koͤnig/ die
Hollaͤnder ſolten ein groſſen Titel der Freyheit/ vnd die Suͤſſe deß Friedens/ dar-
nach ſie ſo lang getrachtet/ ja derentwegen ſie ſo viel Blut vergoſſen/ vnd ſo groſſe
Schulden gemacht/ nicht außſchlagen: darneben ſich auch erinnern/ dz den Fran-
tzoſen wegen deß Hertzogen von Alantzon Exempel/ nicht wohl zu trawen/ vnnd
daß jhr eygen Regiement jmmer wanckend iſt/ wie ein Schiff auff dem Meer.
Ja daß Henricus IV. jhrer vnerwart/ mit Spanien in Frieden getretten: Vnd
da die Frantzoſen ſolten den Meiſter ſpielen/ vnd Braband vnd Flandern wieder
vnder ſich bringen/ mehr vnertraͤglicher Nachbarn werden/ als die Spanier.


Welcher Vorſchlag endlich/ vnd nach vielem Vnderhandeln gelungen/
daß nunmehr die Hollaͤnder in gutem Vernehmen mit Spanien ſtehen/ Jhme
den andern Arm frey/ vnd vngehinderte Gelegenheit laſſen/ mit dem Frantzoſen
ſich herumb zu ſchlagen/ vnd das verlohrne wieder zu erlangen. Ob nun mit
der Zeit Spanien ſich mit Franckreich ſetzen/ vnd die Hollaͤnder zur Außbeut
machen; oder ob Franckreich in ſich ſelbſt verworꝛen; den Hollaͤndern keine
Huͤlff mehr leyſten/ vnd ſie wieder vnder das Spaniſche Gebieth
bezwungen ſollen werden/ wird die Zeit
eroͤffnen.




[177]Ander Theil.

Der ſiebenzehende Diſcurß.


Von Beſchaffenheit der Niederlanden: Wie viel Millionen ſie
Jaͤhrlich geben koͤndten: Von deren Fruchtbarkeit vnnd uͤbrigem
Vermoͤgen. Wie viel an den Niederlanden gelegen: Ob ſie noch moͤchten
vnder Spaniſchen Dominat kommen. Geld-Mangel erweckt Meuterey vnd
Abfall. Von der Tuͤrcken guter Kriegs-Zucht. Endlich von den Waſſer-
Graͤben/ ſo in dieſen Landen gezogen worden. Von dem Staadiſchen Regiement
vnd von dem Printzen von Vranien.


DAs iſt aber ein wunderſamb Werck/ daß die Spanier alles Gelt/
ſo ſie auß beyden Goldreichen Jndien übergebracht/ in den Niederlan-
den verſpielt vnd verlohren/ ſich ſelbſt arm/ vnd die Hollaͤnder reich
gekrieget haben/ welche nunmehr an Gold vnd Silber ſo uͤberfluͤſſig worden/ daß
ſie den gantzen Hollaͤndiſchen Boden mit Ducaten koͤndten uͤberlegen vnnd be-
decken; da hingegen in Spanien kupfferne Muͤntz/ wie man vermuthet/ biß
in dreiſſig Millionen Goldes gehet/ als were ſie auß der Hollaͤnder al-
ten Keſſeln geſchlagen/ dahero etliche Spanier ſagen doͤrffen/ wann ſie von
GOTT dem Allmaͤchtigen die Wahlhaͤtten/ entweder Spanien/ oder
Niederland in Beſitzung zu nehmen/ ſie wolten Spanien fahren laſſen/ vnd
Niederland behalten. Dann es einmahl gewiß iſt/ daß Niederland in ſeinem
kleinen Begriff mehr ſchoͤner vnd reicher Staͤtte hat/ dann Spanien mit ſampt
Portugall; mehr dann Jtalien/ mehr dann Franckreich/ ja mehr dann Franck-
reich vnd Jtalien zugleich. Das gantze Land/ vnd mehrer Theil der Staͤtte
ſeynd ſo veſt/ vnd wohl verſehen/ deßgleichen nirgend zu finden: die ſchoͤne Fel-
der/ Gewaͤlde vnd dergleichen iſt nicht wohl zu beſchreiben. Was aber das Meer/
vnd die allenthalben durchlauffende Stroͤm belanget/ iſt an guter Gelegenheit
dergleichen vnder der Sonnen nicht zu finden. Das Land iſt ſo reich an Ein-
kommen/ Zoͤllen vnd dergleichen/ daß/ wann alle Provintzen vnder deß Koͤ-
nigs Gewalt ſtuͤnden/ vnd nach jetziger Hollaͤndiſcher Art regiert wuͤrden/ man
uͤber die fuͤnfftzehen/ vnnd mehr Millionen wuͤrde Jaͤhrlich haben koͤnnen.
Ja es darff einer/ in einem Buͤchlein zu Ambſterdamb Anno 1590. gedruckt/ vor-
geben/ man koͤndte auß den ſiebentzehen Provintzen Jaͤhrlich in anderthalb hun-
dert Millionen erzwingen/ wann man allein erſtlich auff die Vnbewegliche/ zum
andern auff die Eſſen-Speiß vnd andere Notthurfft/ zum dritten auff die ein-
kommend vnd außgehende Güter vnd Wahren/ ein ertraͤgliche Schatzung legen
Ander Theil. Zwolte;
[178]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
wolte; welches gemeldter Seribent darzu thun ſich vermeſſen/ vnd rechnet
ohnge faͤhr anderthalb hundert tauſend Faͤſſer Bier/ ſo in dieſen Landen ver-
than werden/ in- oder auſſer Lands gebrawen/ vnnd ſetzt auff jedes Faß zwen
Guͤlden Accis oder Herꝛen-Geld. Wann auch uͤber dreiſſig tauſend Faͤſſer
Rheiniſchen/ vnd ſo viel Frantzen/ endlich fuͤnff tauſend Spaniſchen Wein in
dieſe Landen Jaͤhrlich kommen/ vnd ein jede Flaͤſch fünff Steuffer zahlt/ ma-
chen ſich dannenhero vier Millionen. Von den taͤglichen Speiſen folgen
Jaͤhrlich mehr dann viertzig Millionen. Vnd was koͤnten Zoͤlle/ Licenten/
vnd Aufflagen; die Haͤuſer/ die vnruͤhrende Guͤter/ vnd die Menſchen ſelbſt
vor groſſe Summen abgeben.


Was nun zu Vnderhaltung deß Leibs noͤthig/ haben dieſe Laͤnder bey ſich
ſelbſt/ außgenommen Oehl/ Holtz vnd Wein. Vnd ob wohl daſelbſt kein Wein
waͤchſet/ iſt doch kein Land/ da man mehr allerley Wein finden koͤnne/ alſo daß der
Spaniſch/ Rheiniſch vnd Frantzoͤſiſch Wein allda eben ſo genug zu finden/ als
da ein jeder ſelbſt gewachſen. Die Stroͤhme vnd Waſſer ſind ſo Fiſchreich/
daß allerley Fiſch von dannen in weit vnd nahe Landen verfuͤhret werden. Al-
lerley Fleiſch iſt uͤberfluͤſſig/ vnd hat ein beſondern Geſchmack deß Wildpraͤts
iſt eben viel/ ſonderlich an Gevoͤgeln. An Buttern vnd Kaͤß iſt ein ſolcher
Vberfluß/ daß das Land gleichſamb im Butter ſchwimmet/ vnd man wohl ſagen
kan/ Holland allein gebe ſo viel Milch/ als in Franckreich Wein wachſe. Deß
Leinwaths wird ſo viel gemacht/ daß es allen andern Landen mittheilet; vnd
deſſen iſt ein Theil ſo edel/ daß ein Stuͤck von zwey vnd zwantzig Brabantiſchen
Elen wol hundert Cronen gilt/ vnd am Gewicht nicht uͤber ſechs/ ſieben oder acht
Vntzen haͤlt: Demnach weit koͤſtlicher/ als der Byſſus, von deme die Alten ſo
viel melden.


Was will man ſagen von allerhand wuͤllen Gewand vnd Tuͤchern? von
ſchoͤnen Teppichen vnd dergleichen? welche durch die gantze Chriſtenheit/ auch
in Tuͤrckey/ ja in China vnd Japonien/ vnd gar in die newe Welt verfuͤhret/
verkaufft vnd vertauſcht werden? die Mahler Kunſt geht in ſtarckem Schwang/
vnd ſollen wohl deren mehr in Antorff allein ſich finden/ als in gantz Teutſch-
land/ Franckreich/ Jtalien vnd Spanien. Die Manufacturen oder Handwer-
cker/ ſo in Niederland gemacht werden/ thuns allen andern Außlaͤndiſchen
fuͤr. Die Jnwohner ſind allerley Spraachen erfahren/ vnd ſprechen dieſelben
wohl ſo zierlich/ als jhr angeborne Spraach/ biß auff die Weiber/ ſo etwann vier
oder fünff reden/ vnd iſt niemand ſchier/ der nicht zwo oder drey Spraachen rede.
Zu freyen Kuͤnſten vnd Wiſſenſchafften ſind ſie ſehr geneigt/ vnd laſſen ſich die-
ſelbe zu lernen keine Arbeit verdrieſſen/ alſo daß ſie in allen Faculteten fuͤrtreff-
liche Leuth haben/ vnd mit ſtarcken Beſoldungen vnderhalten/ an vielen Orthen
hohe Schulen ſtifften/ die Lateiniſche/ Griechiſche/ Hebraiſche/ Chaldaiſche/
Syriſche
[179]Ander Theil.
Syriſche vnd Perſiſche Spraachen Wunder ſehr treiben: ins gemein Iovia-
liſcher Complexion, ſonderlich das Weiber Volck/ welches ſich faſt zu viel der
Sauberkeit an Kleydung vnd Haußhalten befleiſſet; Vnd was ſonderlich zu
verwundern/ Haͤndel vnd Kauffmannſchafft eben ſo wohl/ vnd ſchier mehr
treibt/ dann die Maͤnner. Was den Schiff-Handel belangt/ iſt bey jhnen
nicht frembd/ daß einer vmb die gantze runde Erd vnd Waſſer-Kugel herumb
fahre. Die Wallonen ſind die beſte Fußknecht/ die Gelderer die beſte Reuter:
Schloͤſſer vnd Veſtungen wiſſen ſie vor andern Nationen zierlich vnnd veſt zu
bawen: Jn Zuruͤſtung der Schiffen thun ſie es den Venetianern bevor/
klug in Anſchlaͤgen/ vnverdroſſen im Fortſetzen/ vnnd beſtaͤndig im Voll-
fuͤhren.


Vorlaͤngſt wuͤrd geſagt/ der Niederlaͤndiſche Krieg allein haͤtte den Koͤnig
in Spanien zwey hundert vnnd viertzig Millionen in ſechtzig Jahren gekoſtet:
vnd wann Ludovicus XIII. jnnerhalb wenig Jahren zwey hundert Millionen
wider die Hugenotten verkriegt/ wie das Buͤchlein Aduis berichtet/ vnd darne-
ben ſieben Laͤger vnderhalten vnd beſoldet/ nemblich zwey in Franckreich/ eins
zu Waſſer/ eins wider die Genueſer/ eins im Veldlin/ eins in Holland/ vnd
eins in Teutſchland; hat man ſich uͤber dieſer Summ der zwey hundert vnnd
viertzig Millionen nicht zu verwundern/ ſondern die erſt geſetzte Summ der fuͤnff
hundert Millionen vor gewiß zu glauben. Dieweil bey allen dieſen Kriegen
ſich ſo maͤchtige Potentaten eingemiſcht/ vnd faſt Jaͤhrlich ſo viel auff die Vn-
derhaltung der vertrawlichen Correſpondentzẽ, entretronidos genant/ vnd an-
dern nicht ſo gar hochnoͤthige Außgaben/ nicht viel weniger auffgehet/ als auff
der Kriegsvoͤlcker Beſoldung.


Vnd wo wird man ein Land vnder der Sonnen finden/ daß in ſo engen
Bezirck ein jnnerlichen Krieg biß in ſiebentzig vnnd mehr Jahr außgeſtanden
habe? Braband/ Geldern vnd Flandern haben die Spitz abbeiſſen/ vnd das
meiſte beſauren müſſen/ vnd befinden ſich dennoch gegenwaͤrtiger Zeit ſo reich
vnd maͤchtig/ als haͤtte ſie nichts ůberloffen: Vnd wann ſchon Doͤrffer von
ſechs biß in zehen hundert Haͤuſern in die Aſchen fallen/ ſtehen ſie in einem
Jahr/ vnd weniger ſo herꝛlich wieder auff/ als weren ſie nimmer verheeret
worden.


Die Hollaͤnder hatten vorgenommen/ durch das Mitternaͤchtige Meer/
vnd durch die Eyß-Berge in Jndien zu brechen/ vnnd muſten auff dem Eyß
lange Zeit/ in ſtaͤtiger Nacht vnd Finſternuͤß der auffſteigender Sonnen er-
warten; in deſſen aber wider die Wilden/ weiſſe Baͤren vnd Fůchſe ſtreiten; wer-
den auch nicht nachlaſſen biß ſie dieſen kuͤrtzern Weg zu einer Bahn bringẽ. Wz
ſie vor Schaden auff der See/ von den Spaniern vnd Wilden in beyden Jndien
Z ijerlitten/
[180]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
erlitten/ iſt nicht zu beſchreiben; biß ſie es endlich zu einem groſſen Gewinn
gebracht. Vnd ob ſchon jhre Sach anfangs gantz verhaßt geweſen/ als wi-
derſetzten ſie ſich wie Rebellen jhrer angebohrnen Obrigkeit/ haben ſie es doch ſo
weit gebracht/ daß ſie von vielen Koͤnigen/ Fuͤrſten vnd Potentaten der Chri-
ſtenheit in Verbuͤndnuß auff- vnd angenommen worden: Sie fuͤhrten mit
der Koͤnigen in Franckreich Geld vnd Volck jhre Kriege/ der Koͤnig in Engel-
land/ vnd faſt alle Teutſche Fuͤrſten griffen jhnen vnder die Arm/ mit erſprieß-
lichem Vorſchub. Vnnd damit ſie bey allgemeiner Vnruhe etwas Lufft
ſchoͤpffen moͤchten/ haben ſie in Teutſchland Vnweſen erweckt oder vnder-
halten/ vnd Maͤnniglich wider den Kaͤyſer vnd das Hauß Oeſterꝛeich erꝛegt/ den
Bethlem Gabor zum Krieg auffgezogen/ dem Pfaltzgraffen die Bohemiſche
Cron dargebotten vnd beliebig gemacht/ den Koͤnig in Dennemarck in Teutſch-
land gebracht/ den Hertzogen von Saphoy vnd die Venetianer geſtaͤrckt/ die
Roſcheller vnd Hugenotten wider den Koͤnig in Franckreich vnderhalten/ vnd
immittelſt gleichwohl deß Koͤnigs vnnd der Cron Franckreich gute Freund ge-
blieben/ welches ein fürtrefflicher politiſcher Griff ſeyn muß. Einsmahls
ruͤſteten ſie uͤber hundert groſſer Schiffe/ in dreyen Jahren/ welche ſie vnder ver-
ſchiedenen Obriſten nach Weſt-Jndien mit vnglaͤublichem Koſten abgefertigt/
von welchen der mehrere Theil den Spaniern vnd dem Abgrund zu theil worden;
Vnd mag leicht/ daß dieſe Armada uͤber zehen Millionen gekoſtet: dergleichen
Vnkoſten vnd Schaden wiederfuhr jhnen in Oſt-Jndien. Auch belaufft ſich
der Verluſt von den Duͤnkerckern vnd auff dem Heringsfang uͤber fuͤnff Mil-
lionen; auch hat die Belaͤgerung/ vnd vergebliche vorgenommene Entſatz der
Statt Breda/ wie bekant/ zwantzig Millionen verzehrt/ vnd ſtunden noch uͤber
neun Millionen auff Zinſen zu bezahlen; Vnd werden dennoch weder muͤde
noch arm/ ſondern greiffen den Spanier an zur See/ helffen dem Koͤnig in
Franckreich vnd Dennemarck/ auch Engelland/ ohne was den Teutſchen Fuͤr-
ſten von jhnen vor Huͤlff wird geleyſtet.


Wie viel nun an den Niederlanden gelegen/ mag man auß Gelegenheit
deß Landes erachten/ zwiſchen Franckreich/ Teutſchland vnd Engelland/ als ein
Zaum oder Naßband: Wer nun die Niederlanden in ſeinem Gewalt haͤtte/
koͤndte uͤber alle Nachbaren herꝛſchen. Vnd dienet dem gantzen Spanien/ zu
einer ſtarcken Vormawr noch darneben; welches deßwegen keinen Nachbarn
zu foͤrchten/ dieweil die Herꝛſchafft deß gantzen Meers/ oder der Welt hieran
hanget. Vnd wann Spanien auß dieſen Landen wer außgetrieben/ koͤndte er
in Spanien ſelbſt nicht ſicher ſeyn. Wie nun groſſe Herꝛn hohe Schulen ſtiff-
ten/ darauß fuͤrtreffliche gelehrte Leut erwachſen; alſo haltẽ ſie jhre Ritter-Fecht-
vnd Reit-Schulen/ nach dem Exempel der Ottomañiſchen Porten/ auff daß ſie
geuͤbte Soldaten uͤber den Außſchuß jmmer zu in Bereitſchafft haben: welches
zwar
[181]Ander Theil.
zwar viel thut/ aber bey weitem nicht/ was die würckliche Schuhl/ in ſtaͤtigem
Krieg vermag/ da ein Feind den andern auffmuntert/ vnd klug machet. Es
erfolgt aber hierauff/ was Lycurgus den ſeinigen zuvor verkuͤndiget/ ſie ſolten
mit einem Feinde nicht lange Zeit kriegen/ damit derſelb nicht jhrer Manieren
gewohne/ vnd die Kunſt lerne/ auch wider ſie ſelbſt gebrauche; wie mit den The-
banern geſchehen/ die endlich der Spartaner Meiſter geworden.


Vnd hie moͤchte einer vor vnmuͤglich halten/ was die obengeſetzte Kriegs-
Helden nicht koͤnnen zu Werck richten/ nemblich die voͤllige Eroberung dieſer
ſiebenzehen Provintzen/ vnd eine newe Huldigung gegen dem Hauß Spanien;
darumb dann dieſer letzte Fried billig geſchloſſen worden; man wolte dann die
Voͤgelin der Lufft kauffen/ vnd ſein Geld ohn Hoffnung eines Genieß hinweg
werffen. Doch ſoll ein muthiger Potenta [...] das Hertz vnd die Hoffnung nim-
mer ſincken laſſen/ fuͤrnemblich wann er betraͤchtet/ daß Auguſtus nach Iulij
Cæſaris
Tod das Roͤmiſche Reich endlich gantz friedlich beſeſſen vnnd regieret.
Wer haͤtte geglaubt/ daß/ nach dem die Roͤmer zwo Haupt-Schlachten wider die
Carthaginenſer verlohren/ Martius mit den wenig uͤberbliebenen Roͤmern ſeine
Feind ſo gar wieder auff das Haupt ſchlagen ſollen? Jſt es nicht ein Wunder/
daß ein faſt geringes Staͤttlein in Spanien Numantia/ den Roͤmern zwantzig
Jahrlang widerſtanden/ vnnd zu vnderſchiedlichen mahlen groſſen Abbruch
gethan? Wie iſt es muͤglich/ daß Holl- vnd Seeland/ zwo ſo geringe Pro-
vintzen uͤber achtzig Jahr dem maͤchtigſten Koͤnig nicht allein widerſtanden/ vnd
das jhrige beſchuͤtzt/ ſondern denſelben auch in Oſt- vnd Weſten/ ja in Spanien
ſelbſt an greiffen doͤrffen? uͤber deme/ daß bey waͤrendem Krieg in Franckreich/
ja faſt durch die gantze Welt jhre Waffen vnd Macht geſehen vnnd empfunden
worden. Hat aber nicht Don Johan von Oeſterꝛeich faſt mit einer Handvoll
Volcks der Staaden Kriegsheer biß auff das Haupt geſchlagen vnd erlegt? Hat
nicht Marquis Spinola die Statt Breda alſo belaͤgert/ daß er dieſelbe in zehen
Meil Wegs vmb vnd vmb mit mehr dann zwey hundert Schantzen beſchloſſen?
vnd wiewohl alle Notthurfft in ſo langer Zeit zu Land von acht Meilen Wegs
muͤſſen zugefuͤhrt werden; Die Staaden auch neben dem Kriegs Volck/ ge-
waltige Huͤlff auß Franckreich/ Engelland vnd anderſt woher zu Feld gebracht
hatten/ ſie doch nicht allein das Laͤger/ ſondern auch nicht einige Convoy an-
greiffen doͤrffen. Man moͤchte wohl ſagen/ daß Graff Moritz/ der ſonſten viel
außgerichtet/ vnd in ſo viel Jahren die Kriegs-Kunſt zimblich gelernet hatte/
dazumahl all ſeiner Kunſt vergeſſen; in dem er wohl wuſte/ auff wie lange Zeit
die Statt Breda verſehen geweſen/ in mittelſt nicht vor ein andere Statt geruckt/
vnd dieſelbe belaͤgert (wie in waͤrender Belaͤgerung der Statt Oſtende ge-
ſchehen) ſondern viel vergebliche Mittel zu Land vnd Waſſer vorgenommen/
deren doch keines gluͤcken wollen. Vnd wer wolt glauben/ daß Spinola, nach
Z iijdem er
[182]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
dem er ſein Laͤger vnnd alle Wercken wohl beſetzt/ den Hollaͤndern hab vnder
Augen ziehen doͤrffen; da hingegen derſelbe/ nicht ohne ſcheinbare Schmaͤh-
lerung ſeiner zuvor erlangten Reputation, nicht eines ſich ſehen laſſen? Vnd
dieſes alles ſolte niemand leichtlich glauben/ wann es nicht ſo vielfaͤltig be-
ſchrieben/ vnd von maͤnniglich beglaubet were. Vnd was doͤrffen wir wetter
gehen/ als daß wir Kaͤyſers Ferdinandi II. Exempel vor vns nehmen? der hatte
vnderſchiedliche Feinde zugleich auff dem Halſe: Bethlem Gabor war mit den
Tuͤrcken/ der von Jaͤgerndorff mit den Lutheranern/ der Pfaltzgraff mit den
Calviniſten/ die Hungarn mit dem Landvolck auff den Beynen: darneben lieſſen
ſich an vnderſchiedlichen Orthen der Marggraff von Durlach/ Fuͤrſt Chriſtian
von Braunſchweig/ der Manßfeld vnd andere mercken; Alſo daß ſieben vn-
derſchiedene Laͤger wieder ein geringe Anzahl der Kaͤyſeriſchen Kriegsvoͤlcker
vnder dem Hertzogen auß Baͤyern/ vnnd dem Graffen von Bucquoy zu Feld
waren: vnd den Kaͤyſer vmbringt hatten/ daß er faſt nichts uͤbrig hatte/ als die
Statt Wien/ vnd dennoch ſie alle gedempfft/ vnd Teutſchland mit ſo vielen
Voͤlckern überſchwemmet/ daß er groſſe Haubt-Armeen in Holland/ in Pohlen/
vnd in Jtalien ſchicken koͤnnen. Wie gar wurd aber dieſe vnermaͤßliche Macht
in ſo kurtzer Zeit hernach vernichtet/ als der Hertzog von Friedland vor Stral-
ſund muͤſſen abziehen/ vnd die Schweden ſo manches Treffen/ mit geringer
Macht erhalten/ daß der Kaͤyſer in Regenſpurg gleichſamb belaͤgert/ auß Wien
gewichen/ vnd in Prag nicht kommen doͤrffen? Wie demuͤtiget Kaͤyſer Maxi-
milian
die Venetianer/ durch ein paar ſie greiche Treffen/ daß ſie das feſte Land in
die Schantz ſchlagen/ vnd ſich auff jhrer Jnſul allein halten muͤſſen? Dann
wen das Gluͤck einmahl anfaͤngt zu drucken/ denn laͤßt es ſo bald nicht wieder
empor kommen.


Welches dann gemeiniglich durch Geldt Mangel erſcheinet/ wann die
Kriegsvoͤlcker meutenieren/ oder gar überfallen: Wie dann eben vmb dieſer
Vrſachen willen die Staͤtte Zirickſee/ ter Goes vnd ter Tolen/ ſampt den Jnſeln
darinn ſie liegen/ verlohren/ vnd die Vnderthanen faſt ins gemein/ wegen uͤbel
hauſen der Kriegsvoͤlcker/ von der Spaniſchen Parthey ſind abgewendet wor-
den. Daß Frießland abgefallen/ vnd an die Staaden ſich ergeben/ iſt keiner
andern Vrſach anzuſchreiben. Auch haben ſich die vornehmbſte Staͤtte in
Holland/ weil man dem Kriegsvolck kein richtigen Sold gereichet/ ſondern allen
Muthwillen geſtattet/ deßgleichen vom Koͤnig abgezogen.


Vnd hie faͤlt mir eben ein/ daß wir Chriſten vns billich zu ſchaͤmen haben/
wann die Tuͤrcken in dieſem Stuͤck vns weit vorgehen/ dann ob wohl in derſel-
ben Lager gemeiniglich biß in drey mahl hundert tauſent Mann ſich befinden/
doch kein Geruͤcht/ kein Tumult/ kein Zanck noch Hader/ kein Fluchen noch Gotts-
laͤſtern gehoͤrt wird/ alſo daß man das gantze Laͤger vor ein Moͤnchskloſter anſehen
moͤchte. Die Wege/ Straſſen vnd alles wird in denſelben ſo reiniglich gehal-
ten/
[183]Ander Theil.
ten/ daß man den wenigſten Vnluſt nicht ſiehet; Zumahl ſie jhren eygenen
Vnflat/ wie die Jſraeliter in der Wuͤſten/ alſobald in die Erden verſcharꝛen.
Man ſpuͤhret da kein Spielen/ Freſſen vnd Sauffen/ ſondern ein jeder behilfft
ſich ſo genaw vnd ſpahrſamb/ daß auch in den gemeinen Schlacht-Stellen deß
gantzen Laͤgers kaum zwantzig geſchlachte Rinder zu finden; weil ein jeder Sol-
dat ſeine Speiß/ die doch faſt nichts anders iſt/ als Brod/ Knoblauch/ Zwiebeln
eingemachte Concombern/ Raͤttich vnd dergleichen bey ſich traͤgt/ vnd kein an-
dern Tranck begehrt/ als dz flieſſend Waſſer. Jhm wird durchauß kein Rauffen
oder Fechten geſtattet/ dahero dann auch zu Solimanns Zeiten der Welibeeg/
welcher den Anſambag/ ſo fuͤr den tapfferſten vnd ſtaͤrckeſten Kriegsmann ge-
haltẽ wuͤrde/ zum Kampff herauß gefordert hatte/ von den Baſſen hart geſtrafft/
etlich Monat lang verhafftet/ vnd ſonſt vor dem gantzen Laͤger verſchimpfft habẽ;
weil ſie vor vngeraͤumbt/ ja fuͤr eine Schand hielten/ daß ein Türck den andern/
da doch der Chriſten ſo viel vorhanden/ gegen welchen ſie jhre Tapfferkeit erzeigen
koͤnten/ ſolte auffreiben/ vnd dadurch dem Laͤger ein Abbruch/ dem Feind aber ein
groſſen Vortheil thun wollen. Damit aber ſolche Kriegs-Zucht deſto beſſer
vnderhalten/ vnd maͤnniglich zur Tapfferkeit angereitzet werde/ werden alle Em-
pter/ ohn einig Anſehen/ weß Stands oder Wuͤrden/ jemand ſeyn moͤchte/ allein
den jenigen/ welche ſich gegen dem Feind am tapfferſten verhalten/ vnd Kriegs
Wiſſenſchafft haben/ auffgetragen vnd verliehen. Daher es auch kompt/ daß die
Oberſte vnter jhnen gemeiniglich Bauren/ oder ſchlechter Leuth Kinder ſind/
welche vermittelſt tapfferer Kriegsthaten allgemach zu ſolchen Ehren Emptern
auffgeſtiegen; Vnd iſt ſolches den vornehmbſten Regenten oder Befehlchs-
habern bey jhnen viel mehr eine Ehr/ dann eine Schand. Wie gehet es aber bey
den Chriſten? Es ſolte zwar niemand zu einigem Kriegs-Ampt befoͤrdert wer-
den/ er haͤtte dann drey oder vier Jahr fuͤr ein ſchlechten Soldaten gedienet.
Niemand ſolt Hauptmann koͤnnen werden/ er haͤtte dann deß Vnderhaupt-
manns/ oder Fenderichs-Stell vertretten; niemand ſolte die Hoheit eines Ober-
ſten jhm traͤumen laſſen/ er haͤtte dann die Hauptmañſchafft mit groſſem Ruhm
gefuͤhret. Dann wie ſolte der jenige den Kriegsvoͤlckern gebieten koͤnnen/ der
alſo friſch/ vnd gleichſamb auß der Aeſch/ nagelnew von Hooff/ oder auß der
Schuhl kompt. Was Kriegs-Erfahrenheit ſoll der jenige haben/ der kaum ein
bloſſen Degen geſehen? Wie will der jenige die Gewaffnete anfuͤhren/ der ſelbſt
nie keine Waaffen getragen? wie will dieſer vnter dem Kriegsvolck Regiement
vnd Zucht halten/ der noch nit weiß/ was ſolches ſey/ oder worin es beſtehe? Jch
halte gaͤntzlich darfür/ daß dahero viel herꝛlicher Anſchlaͤge zu nicht/ viel Schlach-
ten verlohren/ viel Veſtungen uͤbergeben/ vnnd in Summa gantze Laͤger vnd
Kriegsheere zu ſchanden gericht werden/ weil man mit vngeſchickten Obriſten/
Hauptleuten vnd Officirern bedient iſt/ vnd hohe Sachen/ daran die Vnder-
haltung vnnd der Vndergang deß gantzen Regiements vnd Stands hanget/
den
[184]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
den jnugen außgeputzten/ vnd auffgebuͤfften Feder-Haͤnßlein vnd Junckern
vertrawet worden. Soll dann ein ſolcher von achtzehen oder zwantzig Jahren
einem alten erfahrnen Kriegsmann uͤber die Naſe fahren/ der doch kaum ein
toden Mann geſehen/ vnd von dem Kriegsweſen redet/ wie der Blinde von der
Farb? Was ſollen die verſuchten Soldaten gedencken/ wann ſie ſehen/ daß
ſolche vntaugliche junge Buͤffel/ die noch ehgeſtern dem Feld-Herꝛen auffge-
wartet/ oder ſonſt einem Fuͤrſten bey Taffel zum vorſchneiden gedienet/ vnd
ſolche Verdienſt in einem Briefflein herbey bringen/ uͤber alle den Vorzug
haben.


Noch ſoll von dieſen Landen vngemeldet nicht bleiben/ daß ſie/ dem Ge-
werbe zu Behuff/ mit tieffen Canaln vnd Waſſergraͤben aneinander gefuͤgt ſind/
vnd gleich wie vermittelſt einer Brücke von einem Vfer zu dem andern/ alſo ver-
mittelſt dieſer Canaln auß einem Land in das andere lauffen. Vnnd iſt dieſe
Manier/ die Stroͤhme abzulainen/ kein newer Fund/ ſondern von allen Zeiten
gebraucht worden. Dann Xerxes der Perſianer ließ den Berg Athos durch-
ſchrotten/ vnd das Meer durchlauffen/ zur Bequehmlichkeit ſeiner Flotte. Alſo
ließ Cyrus vor jhm den Strom Cydnus in viertzig Baͤchlein verleyten/ daß er
einem Weib nicht uͤber die Knie gangen. Von Koͤnig Seſoſtris iſt nicht zu
ſagen/ wie er den ſtarcken Fluß Nilum in Egypten von der Koͤniglichen Statt
Memphis in viel Stroͤhme getheilet/ nicht allein das Land allenthalben zu waͤſ-
ſern/ ſondern auch vor Feindlichem Einfall zu verwahren. Ein ander Koͤnig/
genant Nebo/ fuͤhrte ein Grabẽ von neun tauſend Schritt lang/ vnd eines Mor-
genlands breit/ in ein See geleytet. Denen wolte Ptolomæus nichts bevor
geben/ vnd fuͤhret von Peluſio ein gewaltigen Canal/ mit Schleuſen zu An- vnd
Ablaſſung deß Waſſers verſehen.


Noch ſoll dieſes alles geringſchaͤtzig ſeyn/ gegen dem groſſen Koͤnigreich
China, welches fuͤnffzehen Provintzen begreifft/ deren jede ſo groß/ als das beſte
Koͤnigreich in Europâ. Daſelbſten finden ſich fuͤnff hundert ein vnd neuntzig
Haupt-Staͤtte/ vnd der andern fuͤnffzehen hundert drey vnd neuntzig: vnd
ſind deren gar wenig/ ſo nicht mit Waſſerſtroͤhmen von Natur/ oder durch
Menſchliche Kunſt verſehen ſind; alſo daß man ſchreibt/ es wohne daſelbſt mehr
Volcks in den Schiffen/ als in den Haͤuſern. Gewiß iſt/ daß Carolus Magnus
geſinnet geweſen/ den Rhein in die Thonaw zu leyten: alſo wer die Weeſer durch
die Lipp in den Rhein zu bringen/ welches mercklichen groſſen Nutzen bringen
muͤſte.


Aber auff die Niederlanden zu kommen/ iſt bekant/ daß der edle Roͤmer
Domitius Corbulo in Holland/ von Leyden an/ durch Delff vnd Maeß Land/ bey
dem Dorff Schluß/ ein gewaltige breyte Farth gegraben. Deßgleichen thaͤten
die Bataven/ oder Einwohner vnder Claudio Civili, von Rhenen an/ bey
Vtrecht/
[185]Ander Theil.
Vtrecht/ auff Culemburg/ Vianen vnd Schonhoven/ welche fort hernach die
Leck genennet worden/ alſo daß der Rhein/ der ſonſten auff Vtrecht lieff/ ſich faſt
gantz dahin gewendet hat. Auch hatte der Roͤmiſche Feldherꝛ Druſus von dem
Dorff Jſſelort bey Arnheimb/ eine Farth auß Doeßburg/ Sutphen/ Deventer
vnd Campen gegraben/ damit man zu Schiff moͤchte in Frießland kommen/
welches dann eygentlich die Jſſel iſt. Was vor Vnkoſten die Statt Brüſſel
angewandt/ an einem vnebenen vnd harten Orth eine Farth acht Meilen lang zu-
graben/ iſt nicht wohl zu ſchreiben/ oder zu glauben. Dann es der gantzen Graff-
ſchafft Flandern ſchwer genug gefallen/ eine Farth von Bruck biß auff Gent zu
ziehen/ vnd uͤber vier Millionen Guͤlden geſchaͤtzet wird/ darumb auch Braband
eines ſo herꝛlichen Wercks/ daran dem gantzen Land ſo viel gelegen/ ſich vnder-
winden wird/ vnd die Jſabellen Farth vollenden. Dann wann die newe
Farth von Rheinberg auff Geldern vnd Venlo; vnd dann die andere von An-
torff auff Hernthals vnd Rurmund/ oder von Antorff auff Breda/ Hertzogen-
buſch vnd Venlo koͤndten ins Werck gerichtet werden/ ſolte ſo wohl Gelderland/
als Braband von den Hollaͤndern befreyt ſeyn. Noch geſchicht ein ander Wun-
der in dieſen Niederlanden/ daß man daſelbſt das Meer außſchließt/ vnd jrꝛgend
ein fruchtbar Land machet/ da zuvor das Waſſer uͤber langen Spieß tieff gefloſ-
ſen. Dann es haben die Hollaͤnder die gantze Sip/ ſo lauter Waſſer geweſen/
abgeteicht/ das Waſſer außgeſchoͤpfft/ vnd mehr dann eylff tauſend Morgen
frucht baren Landes darauß gemachet. Eben daſſelbe haben ſie auch an der
Bernſer verſucht/ vnd ob ſchon anfaͤnglich der Damm durch gebrochen/ gleich-
wohl das Werck zu End gefuͤhrt/ vnd in neun tauſend Morgen Lands gewon-
nen. Doch kan es nicht anderſt/ als ſehr gefaͤhrlich vmb ſolche gekuͤnſtelte
Laͤnder ſtehen/ ſo wohl wann feindlicher Gewalt/ als wann die Springfluthen/
oder hohe Meereswogen ein Damm vmbreiſſen/ vnd alles vnder Waſſer ſetzen.
Alſo daß wahr iſt/ was die vhralten Scribenten von dieſen Landen melden: ſie
ſtreiten nemblich wider Wind vnd Meer/ nicht wie Xerxes, der das Meer ließ
geiſſeln/ vnd anfeſſeln/ (darnach es aber wenig gefraget) ſondern daß ſie jhm den
Lauff brechen/ vnd Land abgewinnen: alſo auch mit dem Wind fechten/ nicht
mit ſchieſſen vnnd ſchlagen/ ſondern mit kuͤnſtlichem lavieren/ daß auff eine
Stund mit eben einem Wind dieſer zur Rechten/ jener zur Lincken ſeglet. Vnd
weil allhie auch Waͤgen gefunden werden/ mit Segeln vnd Wind auffzufan-
gen/ vnd mit Raͤdern/ auff druckenem Land vermittelſt deß Windes fortzugehen/
iſt noch uͤbrig/ daß dieſe Voͤlcker jhnen Fluͤgel machen/ vnd mit Icaro oder
Dædalo in der Lufft herumb fahren/ mit den Storcken/ vnd jhre Schiff nur ge-
brauchen/ die ſchwere Kauffmanns-Guͤter uͤberzubringen.


Der Hollaͤnder Regiement iſt bißher dieſer Geſtalt gefuͤhrt worden. Erſt-
lich/ was dengantzen Staad vnd Regierung ins gemein angehet/ als nemblich
Ander Theil. A adie
[186]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
die Beſchützung deß Landes/ die gemeine Laſten vnd Contributionen/ den Krieg
zu Land vnd zu Waſſer zu fuͤhren/ mit andern Koͤnigen/ Fuͤrſten vnd Potentaten
Verbuͤndnuſſen auffzurichten/ vnd dergleichen Sachen/ die ſtehen bey den Gene-
ral Staaden. Vnder dieſem Nahmen werden verſtanden die jenige/ welche von
der Ritterſchafft oder den Staͤnden einer jedern Provintzen darzu erwehlt wer-
den. Vnd wird in Berathſchlagungen nit auff die Haͤupter/ deren jede Pro-
vintz nach Belieben in der Zahl ſchicken mag/ ſondern auff die Provintzen in jh-
rer Ordnung/ nicht nur uͤber die benahmbte Puncten/ ſondern uͤber alles/ was
vorfallen moͤchte: auch geht die Præſidentſchafft vmb alle Wochen/ vnd wird
beſchloſſen/ nach den mehreren Stimmen. Die Kriegsſachen vnd Feldzuͤge ſtehen
bey dem Feld Herꝛn/ vnd werden nach deſſelben Gutduͤncken angeſtellet. Die
General Staaden haben einen Rath ſo von allen Provintzen erwehlet/ die jhnen/
was zu thun/ vnd zu laſſen/ vorſchreiben; Gleichwol der geſtalt/ daß ſie handeln
moͤgen/ nach dem die Sach vnd Wolfahrt deß Lands etwz erfordert/ mit Erwei-
terung/ Einziehung vnd Außlegung jhrer Vollmachten. Zu dieſem Rath
werden von jeglicher Provintz einer/ zween/ oder mehr erwehlet/ vnd hat der Koͤ-
nig in Engelland auch ein Perſon darin: Hie iſt ein beſonder Rentmeiſter/ vnd
zween Secretarien. Von dieſem Rath werden die Kriegs-Oberſten zu Land
vnd Waſſer/ wie auch die Admiraliteten/ deren es in vnderſchiedlichẽ Landſchaff-
ten etliche hat/ angeſetzt vnd befehlcht. Doch bleibt jeder Provintz bey jhren
Geſetz-Gewohn- vnd Freyheiten/ vnd hat jhre Obrigkeit in Buͤrger-vñ Halß-
peinlichen Sachen: beneben einem Schultheiß/ ſo die General Staaden anſetzẽ.
Jn den vornehmbſten Staͤtten werden auß den maͤchtigſten Buͤrgern von 24.
biß in 50. Mann erwehlet/ die Vroͤtſchop genant/ welche die gantze Statt regie-
ren/ ſo lang ſie leben. Auß dieſen werden in jeder Statt nach einer jeden Ge-
wohnheit/ zween/ drey oder vier Burgermeiſter/ vnd dann ſechs/ ſieben/ oder
mehr geſchworne Scheffen erwehlet: Der Burgermeiſter ſieht auff dz Regiment
vnd auff die diſciplin: die Scheffen ſprechen in Rechts-Haͤndeln; doch kan kein
Buͤrger verurtheilt werden/ der Burgermeiſter ſey dann darbey. Auß obiger
groſſen Zahl nimbt man die Rent-Baw- vnd Spittalmeiſter/ nur auff ein Jahr.
Die Doͤrffer auff dem Land werden nach alter Gewohnheit regiert: da hat es
Deichgraven/ Burgermeiſter/ Obachts-Herꝛn vñ dergleichen/ wie auch Schul-
theiſſen vnd Scheffen. Vnd ſprechen die Scheffen das Vrtheil in Halß-Ge-
richten. Die Ritterſchafft/ Edlen vnd Staͤtte werden von den Advocaren in
Holland beſchrieben. Der Staaden Beykunfft geſchicht deß Jahr fuͤnff oder
ſechs mahl nach Gelegenheit/ dieſe erwehlen ſo wohl auß der Ritterſchaft/ als den
Staͤtten/ wz beſchloſſen iſt/ ins Werck zu richten/ vñ deſſen hernach Rechenſchafft
zu thun. Es kan ſo wol in Buͤrgerlichen/ als Halß Sachẽ an den Hoff in Holland/
da dann ein Præſident, vnd etwañ 9. oder 10. Rahtsherꝛn ſind/ appellirt werden.
Neben
[187]Ander Theil.
Neben dieſem Hooff hat es den hohen Rath/ dahin alle Appellationes gelangen
vnd geſchlichtet werden: doch mag man von denſelben ein Reviſion begehren:
Dann werden dieſem Rath von den Staaden etliche Rechts-Gelehrten zugege-
ben/ da dann kein weitere Appellation gültig. Zu den Renthen vnd gemeinen
Einkommen/ ſind vnderſchiedliche Raͤthe vnd Amptleuth verordnet. Auch
iſt in Holland ein Brabandiſcher/ vnd in Seeland ein Flandriſcher Rath/ dieſel-
bige Sachen vnd Haͤndel/ ſo ſie deren Enden fuͤhren/ zu ſchlichten.


Als es dieſen abtrünnigen Provintzen anfangs ſehr kuͤmmerlich gieng/
fanden ſie keine erſprießliche Huͤlff/ weder bey Franckreich/ noch bey Engelland/
noch bey dem Hauß Oeſterꝛeich; alſo dz ſie ſich Printz Wilhelmen von Vranien/
auß dem Hauß Naſſaw/ wolten gaͤntzlich ergeben weil er ſehr viel bey jhnen ge-
than/ vnd wegen ſeiner Freundẽ in Teutſchland viel vermoͤchte. Welches freylich
ein deſperat Werck geweſen/ ſich nemblich einem Mitſtand/ vnd ſeines gleichen
lieber wollen vnderwerffen/ als einem Großmaͤchtigen Monarchen dienen. Er
befand aber den Laſt etwz ſchwehr/ vñ zu viel ſorglich; darumb behielt er die Kriegs-
macht zu Waſſer vnd zu Land in Handen/ mit dieſer Superioritet, ein Obmann/
da einige Provintzen zweiſpaltig wuͤrden/ vñ jhre Sach vor dem hohen Rath nit
koͤnten außtragen: über deß/ ſeines eygenen Entſcheyds vnd Vrtheils Executor
zu ſeyn. Dieweil nun dieſer Printz offtmals Mangel an Geld vnd Volck hatte/
muſte er manche gute Gelegenheit fahren laſſen/ vñ ſehr Behutſamb gehẽ/ damit
das gantze Weſen nicht vmbgeſtoſſen fiele. Sein Sohn Mauritz konte es ſchon
beſſer hinein wagen/ vnd thaͤt groſſe Sachen/ ſtarb ohne Manns-Erben/ vnd hin-
terließ dem Bruder Friederich Henrichen die Verwaltung. Welcher ſich laſſen
Jhre Durchleuchten nennen/ vnd ſeinem Sohn deß Koͤnigs in Engelland Toch-
ter vermaͤhlet/ aber all ſeinen Schatz darmit verſchwendet. Ein ſolche Alliantz,
vnd erhobenen Tittel ſahen die Staaden nicht gern/ vnd argwohneten/ daß/ da
Engelland vnter das Joch gerahten ſolte/ ſie hernach die nechſten am Reyhen
ſeyn muͤſten, Angeſehen ſie in jhren Schiffarthen dieſelbe Jnſel zu Freund habẽ
ſollen/ oder allen Schaden erwarten. Daß das Geld wieder vnter die Leute kom-
men/ war jhnen lieb/ auff daß der groſſe Vorꝛath nit Anlaß zu newen Haͤndeln
braͤchte. Vor laͤngſt hatte ſich der von Oudenbarnefeld dem Printzen wider-
ſetzet/ auß Argwohn einiges geſuchten Dominars, oder vielleicht Spanien ein
groſſen Dienſt zu erweiſen: Wurde aber bey ſo geſtallten Sachen/ ſonderlich
als der jůngere Printz/ Wilhelm/ ſich mit den Buͤrgermeiſtern zu Ambſterdamb
nit vertragen koͤnnen/ wiederumb gewuͤnſcht/ vnd vor klug zu ſeiner Zeit gehal-
ten. Jetzund will es heiſſen/ dem Hauß Vranien/ bevorab einem Kind in der
Wiege/ ſo hohes Anſehen vnd Vermoͤgen nicht ferner zu geſtatten/ ſondern
jede Provintz frey vor ſich ſelbſt/ vnd im Fall der Noth zum ge-
meinen Beſten zuſamm zu regieren.



[188]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der achtzehende Diſcurß.


Von Zwieſpalt derProteſtierenden,die ſich in Lutheraner vnd
Calviniſten zerfallen. Von Strittigkeiten/ ſo vnter den Lutheranern
entſtanden/ biß in zwantzigerley: auch etlichen Ketzereyen. Von der Calvi-
niſchen Streittigkeiten vnd Ketzereyen. Wie auch von der Catholiſchen Miß-
helligkeit in etlichen Stuͤcken. Vnd bedencken vber ſolche Haͤndel. Von drey/
oder fuͤnff Haupt-Secten in der Occidentaliſchen Kirchen/ vnd jeder Abſehen.


JVn kommen wir wieder auff die Haͤndel in Teutſchland. Die
jenige/ ſo ſich von der Roͤm. Kirchen abgeriſſen/ werden ins gemein die
Proteſtierenden, wegen jhrer Proteſtation auff dem Reichs-Tag zu
Speyer geſchehen/ genennet; ſind aber nicht einerley Glaubens in gewiſſen
Puncten/ ſonderlich vom Abendmahl/ wie der vier Staͤtte Confeſſion genug-
ſamb bezeuget. Es haben aber Zvvinglius in der Schweitz/ vnnd Calvinus zu
Straßburg vnd Genff/ noch andere mehr Puncten ſtrittig gemacht/ als von der
Gnadenwahl/ von dem freyen Willen deß Menſchen nach dem Fall/ von der
Perſon Chriſti/ vnd ſeiner Gegenwart im Abendmahl/ uͤber welche ſich die Pro-
teſtierende
ſolcher Geſtalt zertrennet/ daß ſie einander Waſſer vnd Waid ab-
geſagt/ die Bruͤderſchafft auffgekündet/ vnd mit Schrifften ſehr hefftig ange-
griffen vnd verfolgt haben. Anfangs verſtunden ſich die vier Staͤtte/ Zvvin-
glius
vnd Calvinus ſelbſt nicht allerdings/ biß ſie ſich erklaͤrt; doch tratten die
Staͤtte zu dem groſſen Hauffen/ vnd namen nicht nur die uͤbrige Puncten nicht
an/ ſondern lieſſen auch den Haupt-Puncten vom Abendmahl fallen; Jn Er-
wegung die Schweitzer jhr Thun abſonderlich fuͤhrten/ vnnd ſich der Reichs-
Haͤndel nicht theilhafftig machten: Calvinus aber ein Frantzoß/ ſein eygene
Meynung behielte/ vnd das Kind mit dem Bad außgoſſe/ alle Ceremonien, die
ſonſten zu gutem End eingefuͤhret/ vnd ohne Nutzen nicht waren/ abſchaffete/
vnd keinem andern nachernden wolte. Gleichwohl ſchreibt Calvinus ſelbſt an
Schalingium, Er verwerffe in keinen Weg die Augſpurgiſche Confeſſion, deren
er vorlaͤngſt ſelbſt gutwillig vnd gerne vnderſchrieben/ nemblich wie ſie der Author
ſelbſt erklaͤret habe/ dadurch er die verbeſſerte Edition verſtehet/ welche Bucerus
im Nahmen der Oberlaͤndiſchen Staͤtte/ in Gegenwart Lutheri, Anno 1537.
zu Schmalkalden vnderſchrieben. Vnd an die Gemeind in Pohlen; Es ſey
wegen der Augſpurgiſchen Confeſſion keine rechtmaͤſſige Vrſach vorhanden/
daß darumb die Diener deß HErꝛn vnder einander zu zancken haͤtten/ wann ſie
nur
[189]Ander Theil.
nur in dem rechten Verſtand derſelben einig ſeyn moͤchten: Es ſey kein Abtritt/
wann ſie eine deutlichere Erklaͤrung jhres Glaubens ſolten hinzu thun: Ja es
beruͤffen ſich gantz vnbilliger Weiß auff dieſelbe/ welche von deß Authoris Ver-
ſtand vnd Erklaͤrung weit abweichen. Daß er ſie aber eine Fackel nennet/ mey-
net er/ gegen dem Cardinal auß Lothringen/ es werde ein groſſes Fewr darauß
entſtehen/ berorab weil die Exemplar vngleiche Wort fuͤhreten. Sonſten
wuͤrde Calvinus auff offentlichen Zuſammenkuͤnfften/ neben Philippo, Pome-
rano, Brentio,
vnd Luthero ſelbſt gelitten/ vnd von den Papiſten ſelbſt erkandt
worden/ biß Illyricus ſich wider Philippum, vnd VVeſtphalus wider jhn auff ge-
worffen/ etliche wenige Jahr nach Lutheri Tod: wie er ſelbſt in Jahren 39.
40. vnd 41. an Farellum ſchreibet/ auch Sleidanus im 13. Buch meldet/ vom Ge-
ſpraͤch der Theologen, zu Regenſpurg/ vnd zu Wormbß/ vnd zwar im Nahmen
der Statt Straßburg. Alßdann jhn Lutherus Anno 1539. auff dem Tag Ca-
lixti
an Bucerum mit Ehrerbietung laͤſſet gruͤſſen/ neben vermelden/ daß er ſein
Buͤchlein mit ſonderlicher Luſt vnd Frewde geleſen. Alſo ſchreiben nach Lutheri
Tod Brentius, Vitus Theodorus vnd Philippus an jhn/ als einen lieben Bruder/
vnd rechtſchaffenen Evangeliſchen Prediger/ darfuͤr jhn auch die Fuͤrſten vnd
Staͤnde deß Roͤmiſchen Reichs/ der Koͤnig in Polen vnd Thuanus der Frantzoͤ-
ſiſche Scribent/ erkennen.


Nun iſt zu wiſſen/ daß Illyricus mit fuͤnff oder ſechs Perſonen/ wie auch
Iacob Andreæ, mit ſeinen ſechs Gehuͤlffen/ die Patres Bergenſes genandt/ vor
ſich ſelbſt die Calviniſten auß dem Religions-Friede außgeſchloſſen/ welches ſie
offentlich durch die Staͤnde nicht vermochten: Jener/ weil die getroffene
Concordi mit Bucero, vnd die repetition der Augſpurgiſchen Confeſſion, dem
erſten ůbergebenen Exemplar gleich gelten ſolten. Dieſer/ weil man zu dem
muͤndlichen eſſen deß Leibes Chriſti ſich nicht verſtehen wollen. Dann Straß-
burg gab den vertriebenen Niederlaͤndern vnd Frantzoſen eine Kirch/ ſampt dem
Buͤrger-Recht: So haben die Proteſtierende Staͤnde nimmer wollen zugeben/
daß man die Oberlaͤndiſche außſchlieſſe/ wie dann zu Franckfurt den 19. Aprill/
Anno 1539. die Kaͤyſerl. Mayſt. auß ſonderbaren Gnaden einen Frieden vnd An-
ſtand/ denen ſo zu Augſpurg jhre Glaubens-Bekantnuͤß uͤbergeben haben/
ertheilet/ wie auch denen/ ſo jetzunder mit ſelbiger Lehre Gemeinſchafft haben:
der Confeſſion, vnd der Religion, ſo darinnen enthalten/ jetzo verwand ſind/ an-
jetzo zugethanen Verwandten/ wie Hortleder meldet. Ob ſchon Anno 1566.
ſich Illyricus vnd Heilbrunnerus ſehr bemuͤhet/ den Pfaltzgraffen wegen deß
Calviniſmi verdaͤchtig zu machen/ vnd außzuſchlieſſen/ ſagt Iuſtus Springerus,
haben doch die Staͤnde gantz das wiedrige geſchloſſen/ vnd niemand das Vrtheil
uͤber den rechten Verſtand der Confeſſion, wann ſich verſchiedene Meynungen
finden/ geſtattet. Alſo haben die ſaͤmptliche Proteſtierende Staͤnde vor die
Aa iijbetrang-
[190]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
betrangten frembde Nationen geſchrieben/ vnd ſich jhrer/ als Mit-Bruͤder ey-
ferig angenommen: wie nicht weniger Lutherus, Eberus vnd andere/ die Wal-
denſer auffgenommen. Auch wurden die Abtruͤnnige anfangs in Franckreich
Martiniſten oder Lutheraner genant/ biß der Nahm Hugonott auffkommen.
Dannenhero Burchardus meldet: Kürtzlich iſt die Sach deſſelben Reichs-
Tages Anno 1566 zu Augſpurg der Calviniſchen Religion halben dahin gerah-
ten/ daß dieſelbe durch die Confeſſions-Verwandte nicht allein toleriret, ſondern
auch vnder Obdach/ Clientel/ vnd in den Schoß der Augſpurgiſchen Confeſ-
ſion
eingenommen/ vnd hernach derſelben Religion Obriſter Patron, vnd ſeine
Raͤthe/ ſo offt man von gemeinen Religions-Sachen tractieret, nicht alleine mit
zu Rath gezogen/ ſondern jhme auch die direction deß Raths/ Vmbfragen/ vnd
Schluß-Stimm gegoͤnnet worden. Es ſchuͤtzen zwar die Lutheraner den
Reichs-Abſchied fuͤr/ wer ſich abſondere/ oder zu wider ſey/ wer außgeſchloſſen/
dadurch die Calviniſten verſtehend; die jhnen antworten/ Es habe Bellarminus
weitlaͤufftig erwieſen/ daß die Lutheraner im Punct von der Vbiquitet, vnd
Communication Idiomatum, vnd mehr andern Paͤſſen/ laͤngſt von der Augſpur-
giſchen Confeſſion ſich verloffen/ vnd an derſelben ſtatt die Bergiſche Con-
cordi
zur Richtſchnur vnd Fundament jhrer Confeſſion gelegt/ wodurch ſie
ſich ipſo facto von der Augſpurgiſchen Confeſſion, vnd darauff fundierten Reli-
gions
-Friede ſelber abgeſondert haͤtten. Mit welchen Burchardus übereinſtim-
met/ welcher vnverhohlen ſchreibt/ daß die Lutheriſche auch im zehenden Artickel
von der erſtuͤbergebenen Confeſſion abgewichen. Schlieſſen auch/ die Paͤbſt-
ler ſeyen einer Parthey geneigt/ wie der andern; vnd ſuchen die Mißhelligkeit
zu jhrem Vortheil zu vnderhalten. Wie dann Commendoni Paͤbſtiſcher Ge-
ſandte bey Thuano hievon ſpricht: Es were dieſes eine gewünſchete Gelegen-
heit/ von GOTT dem HERRN ſelbſt an die Hand gegeben/ daß man jetzund
dem Vbel durch bequeme Mittel beykomme/ weil die Partheyen ſelbſt vnderein-
ander zwiſtig/ welche/ ſo lange ſie mit einander eynig/ mit weit groͤſſerer Schwe-
rigkeit zum Gehorſamb wuͤrden zu bringen ſeyn. Auch meldet der Cardinal
Hoſius an ſeinen Koͤnig in Polen: Sie haben ſich hoͤchlich beſchweret uͤber den
vnleydlichen Stoltz vnd Vbermuth Ioachimi Morlini, der ſich/ weiß nicht mit
was Recht/ fuͤr einen Biſchoff auff Samland außgibet/ daß/ da er ein Lutheraner/
vnd nicht ein Chriſt iſt/ ſich dennoch vnterſtanden habe/ die Calviniſten/ welche
nicht im geringſten ſchlimmer als die Lutheraner/ zu entſetzen/ vnd faſt gantz vnd
gar auß deß Hertzogs in Preuſſen Landen zu vertreiben/ etc. Darumb bitte ich/
es wollen Ew. Koͤn. M. dieſe Regenten vermahnen/ gleich wie ſie in E. M. Koͤ-
nigreich wollen gelitten ſeyn/ daß ſie alſo auch/ ſo fern ſie zur Chriſtlichen Kirchen
ſich nicht wieder wenden/ ſondern in jhrem Jrꝛthumb beſtecken wollen bleiben/ die
jrꝛenden Calviniſten ebenmaͤſſig in jhres Hertzogen Landen vertragen. Vnd
an
[191]Ander Theil.
an einem andern Orth/ ich hielt es viel zutraͤglicher zu ſeyn/ wo ſie nicht alle zu-
gleich/ die Lutheriſchen ſo wohl als die Calviniſchen koͤndten außgerottet werden/
daß ſie lieber beyde geduldet wuͤꝛden/ damit ſie ſich ſelbſt zuſam̃en beiſſen/ vnd freſ-
ſen/ vnd alſo ſich vndereinander verzehren moͤchten. Dann das gemeine Wort
iſt war: daß der Ketzer Krieg der Kirchen Fried bringt. Dieſer Krieg gefaͤllt
den Jeſuitern zu Loͤven ſo wohl/ daß ſie den Bergiſchen Concordiſten groſſen
Danck wiſſen/ weil ſie alle jhre Feil wider die Calviniſten richten/ dardurch deß
Spaniers Fuͤrhaben/ vnd deß Roͤmiſ. Stuhls Rathſchlaͤge/ den Glauben in
Teutſchland wieder einzufuͤhren/ vnd die Ketzer zu vertilgen/ befoͤrdert wuͤrden/
etc. Es iſt aber dieſe Verbitterung ſo hoch kommen/ daß ſie ſich nicht nur ver-
ketzert vnd verdambt/ ſondern ſo fern von einander geriſſen/ daß die Lutheraner
lieber ſolten zuruͤck wieder in die Paͤbſtiſche Kirch/ als fuͤr ſich zu den Calviniſten
tretten: Vnd nicht ohne Vrſach/ dieweil das Calviniſche Gifft/ wie es ins
gemein wird verꝛuffen/ ſo vnvermerckt einſchleichet/ daß man ſich nicht genug-
ſamb darfuͤr zu huͤten. Sie verlachen hingegen die hochtrabende Wort/ der
allein Seeligmachenden Lutheriſchen Religion, ſchuͤtzen vor den Befehl Chriſti/
Richtet nicht/ verdammet nicht/ erbiethen ſich groſſer Lernſambkeit/ da man was
widriges wolte auß GOttes Wort lehren: Erweiſen auch auß Lutheri vnnd
Brentii Schrifften ſelbſt jhre Meynung/ die aber durch vnzeitigen Eyfer vnd
hitzigen Streit jener Seit verlohrn worden: Begehren der Bruͤderſchafft/ ſchla-
gen Mittel zum Vergleich vor/ vnd huͤten ſich vor dem vnerbawlichen laͤſtern:
mit ſonderlichem verwundern/ daß bald keine Lutheriſche Predigt vor gut wolle
gehalten ſeyn/ ſie wer dann mit dem Blaßbalg deß Eyfers auffgeblaſen/ vnd auß
den Locis Communibus von den Schwermern/ Calviniſten/ Zwinglianern vnd
andern Jrꝛgeiſtern durchſpicket: Als ſolte Zvvinglius ſelbſt an ſeinem Thun
gezweiffelt haben/ ob der Teuffel oder ein Engel vom Himmel jhm den Grund
ſeiner Lehr entdecket: ſo fern/ daß ſich auch deß Calviniſmi verdaͤchtig macht/ wer
etwas beſcheydentlich/ vnnd ohne laͤſtern prediget/ wie Chriſtophel Donawern/
vnd Johann Arnden begegnet iſt. Sagen beſtaͤndig/ ſie ſeyen der Gottslaͤſterigen
Vfflagen nicht geſtaͤndig/ vnd nimmermehr uͤberfuͤhret: Jhre fuͤrnehmbſte
Scribenten werden wider eygenen Sinn vnd Gedancken/ angezogen vnd ver-
leumbdet/ vnd mit vngereumbten Folgereyen beſchweret; ſo achteten ſie auch
aller vnd jeder derſelben nicht mehr vnd nicht weniger/ als Lutheri/ anzunehmen
was der H. Schrifft vnd dem Glauben aͤhnlich; vnd zu verwerffen/ was denen
zu wider lieffe. Beziehen ſich eygentlich auff die offenbare Glaubens-Bekandt-
nuͤſſen der Gemeinden/ vnd nicht auff die ſonderbare Schrifften eines jeden; mit
dieſer Beſcheydenheit/ daß/ da ſie alſo gegen den Lutheranern verfahren wolten/
ſie wol vielmehr Vnfugs in jhren Schrifften/ auch Lutheri Buͤchern ſelbſt ſinden
wuͤrden. Vnd in dieſem allen machen ſie ein vnderſcheid vnter den Lutheranern
ſelbſt/
[192]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſelbſt/ deren ſie ein Theil Laͤſterer/ das andere die Sanfftmuͤtige nennen: vnder
jenen iſt Philippus Nicolai der fuͤrnehmbſt/ weil er jhnen Schuld gibt/ ſie machen
GOTT zu einem Vhrheber der Suͤnden/ der den groͤſſern Hauffen der Men-
ſchen/ ohne einige Vrſach verdamme/ die Suͤnde ſelbſt wircke; Ja ein GOTT
der Finſternuͤß/ vnd der leydige Teuffel ſelbſt ſey. Vnd dann die jenige/ ſo auß-
geben/ die Calviniſten reden vnd ſchreiben anderſt/ als jhnen vmb das Hertz wer/
als Woͤlffe vnder dem Schaaffs-Beltz. Vnder dieſen aber geht voran Phi-
lippus, Bucerus, Capito, Brentius,
vnd endlich Donawer vnd Calixtus.


Nun ſind die Lutheraner ſelbſt in vielen Stuͤcken mißhellig worden/ wie
Micrælius bezeuget. Der erſte Streit entſtund zwiſchen Luthern vnd Carlſtatt/
wegen der Bildſtuͤrmerey/ welche Luther nicht wolte gut heiſſen/ als in ſeinem
Abweſen geſchehen. Der ander Streit war zwiſchen Luthern/ vnd Johann
von Eyßleben/ genant Agricola, ob das Geſetz Moſes in der Kirchen GOttes zu
lehren wer: in welchem Agricola zwar ſich vnderꝛichten laſſen/ doch nach
Lutheri Tod ſeine erſte Meynung wieder getrieben/ vnd wenig Beyfall bekom-
men/ ſonderlich wegen ſeines Epicuriſchen Lebens/ das Oſiander an jhme tadelt.
Der drttte Streit uͤber dem Interim, das die Adiaphoriſten/ ohne Verletzung
deß Gewiſſens thaͤten annehmen. Der vierdte/ uͤber den guten Wercken/ als
Major behauptet/ ſolche weren zur Seeligkeit noͤthig/ Ambßdorff aber auch vor
ſchaͤdlich hielte. Der fuͤnffte/ uͤber der Mitwuͤrckung deß menſchlichen Willens/
deme Philippus etwas viel zugemeſſen/ darumb Strigelius mit ſeinem Anhang
genandt worden die Synergiſtæ, oder Mitwercker. Der ſiebende/ uͤber dem
Anſehen deß Buchs Philippi, genandt Corpus Doctrinæ, welches die Calvini-
ſten zu jhrem Vortheil angezogen: darumb etliche Lutheraner Philippum gar
verworffen/ etliche ſeine offentliche Schrifften zwar mit Maß annahmen/ aber
der neben Brieffe nicht achteten. Der ſiebende/ wider Oſiandrum, der Chriſtum
im Fleiſch/ doch nicht zum Creutz wolte haben/ wann ſchon Adam nicht gefallen
wer; Darumb die Goͤttliche Natur Chriſti/ der Glaͤubigen Gerechtigkeit
ſeyn muͤſte. Der achte/ wider Stankarum, der Chriſtum nur nach der menſch-
lichen Natur zum Mittler erkennete. Der neuntde wider Flacium Illyricum,
der auß der Erbſuͤnde das Weſen deß Menſchen machte. Der zehende/ zwiſchen
Æpino vnd Weſtphalo zu Hamburg/ ob Chriſtus bey ſeiner Hellenfarth ge-
litten/ oder nicht gelitten habe. Der eylffte/ als Heſhuſius im Abſtracto vnd
Concreto ſich verſtiegen/ vnd das Fleiſch Chriſti abgeſondert wolte angebeten
haben/ wegen mitgetheilter Majeſtaͤt. Der zwoͤlffte/ uͤber dem Concordi-
Buch/ welches Paulus ab Eitſen, vnd viel andere nicht wollen vnderſchreiben.
Der dreyzehende/ als die Helmſtaͤtter der Allenthalbenheit Chriſti bey allen
Dingen widerſprochen. Als etwann auch zu Franckfurt am Maͤyn/ daruͤber
Mißhelligkeit entſtanden; Darumb Bucerus von Straßburg kommen/ vnd
die
[193]Ander Theil.
die Prediger wieder verſoͤhnet/ auch gewiſſe Puncten verfaſſet/ nach welchen
man die Wort zu richten haͤtte. Der vierzehende/ als Huberus die allge-
meine Erwehlung aller Menſchen vorgabe. Der fuͤnffzehende/ als etliche
Prediger zu Regenſpurg nicht wollen den Wůrtenbergern nachgeben/ daß
man etwas uͤber die Haupt-Summ vom geliehenen Geld nehme. Derſechs-
zehende/ als etliche Prediger zu Luͤbeck die Bundnüſſe mit frembder Religion
Zugethanen gaͤntzlich verworffen. Der ſiebenzehende/ als etliche Magdebur-
giſche Prediger wider Iacobum Martini die Philoſophi, als der H. Schrifft zu
wider/ vnd der Jugend ſchaͤdlich/ verworffen. Der achtzehende/ zwiſchen den
hohen Schulen/ Tuͤbingen vnd Gieſſen/ uͤber der Majeſtaͤt Chriſti in den Tagen
deß Fleiſches. Der neunzehende/ zwiſchen den Predigern zu Dantzig/ uͤber Jo-
hann Arnds Buͤchern/ vnd etlichen Fragen von Krafft deß geſchriebenen Worts.
Der zwantzigſte/ uͤber der Helmſtaͤtter Beſcheydenheit gegen den Calviniſten
vnd Papiſten. Es haben ſich Fuͤrſten vnd Herꝛn/ auch Gottſeelige friedfertige
Prediger/ (doch deren nit viel/ weil der Eyfer zu groß) manchmal bemühet/ ſolche
Spaͤn auffzubeben/ vnd nicht allezeit Nutzen geſchafft/ biß etwañ ein vnruhiger
Kopff nach dem andern ſchlaffen gangen/ vnd die Wunde ſich nach vnd nach ver-
blutet. Vber dieſe Strittigkeitẽ haben ſich noch Ketzereyen/ wider den Grund der
Seeligkeit herfuͤr gethan: Da man nicht eygentlich ſagen kan/ ob ſie auß
Lutheri, oder auß Calvini Lehr entſtanden/ ſondern einmahl gewiß/ daß ſie auß
dem Abfall von der Roͤm Kirchen herfuͤr gebrochen: Als da ſind die Wieder-
taͤuffer/ welche wenig vmb die Schrifft/ aber viel vmb die Erſcheinungen ſich
bekuͤmmern; Vnd ſind in mancherley Secten vnder ſich ſelbſt zertrennet/ Apo-
ſtoliſche/ ſo von einem Orth zum andern gehen; Geiſtliche/ ſo ſich aller Frewd
entſchlagen; Schweiger/ ſo keine Predigt anhoͤren/ vnd auff keine Frag ant-
worten; Bettende/ ſo ſchier nichts anders thun; Traͤumer/ ſo auff Entzuͤckun-
gen warten; Libertiner/ ſo Weiber vnd alles gemein halten; Adamiten/ ſo
nackend vor dem Weiber-Volck ſtehen/ vnnd die Vollkommenheit wegen be-
zwungener Luſt ruͤhmen; Menniſten/ ſo naͤchtliche Zuſammenkuͤnfften hal-
ten; Vngeſchickte/ ſo alles leſen vnd ſtudieren verdammen. Liebreiche/ ſo den
Waaren kein Preiß ſetzen/ ſondern was der Kauffer gibt/ an nehmen; Jn Sum-
ma/ es ſollen vnder jhnen zwey vnd dreiſſig Haupt-Secten ſeyn/ der neben-
Faͤhler vngeachtet. Dieſen nach kan man Caſpar Schwenckfeldẽ von Oſſing/ ein
Schleſiſchẽ vom Adel/ ſetzen/ der auß allen etwz herauß zoge/ vnd keinem voͤlligen
Beyfall gabe; ſonderlich in deme/ dz Chriſti Fleiſch vnſerm Fleiſch keines Wegs
gleich waͤr. Jhme folgt Valentinus Weigelius, der den Buchſtaͤblichẽ Verſtand
der Schrifft gantz verworffen/ vnd Deuteleyen von dem Heil. Geiſt erwartet;
allen Kindern den Glauben/ ohne Erbſuͤnde zueignet; den Widergebohr-
nen keine Suͤnde beymeſſet; als welche das Geſetz GOTTES erfuͤllen
koͤnnen; endlich ein ruhiges Reich von tauſent Jahren noch in dieſer Welt
Ander Theil. Bberwar-
[194]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
erwartet; Zu letzt muͤſſen auch die Roſen-Creutzer/ ſo einen vollkommenen
Verſtand aller Wiſſenſchafften vorgeben/ nicht vergeſſen werden. David
Georgins gab ſich vor Chriſtum auß: wie auch Jacob Melſtintzky/ ein Polni-
ſcher Edelmann/ der zwoͤlff Raͤuber/ als Apoſteln/ außgeſandt. Michael Ser-
vetus/ ein Spanier/ verlaͤſtert die heylige Dreyeinigkeit/ vnnd wurd zu Genff
verbrand. Valentinus Gentilis verlohr ſein Kopff zu Bern. Wilhelm Poſtell
traͤumete/ Iohanna Veneta machte die Wetber ſeelig. Puccius dichtet ein
natürlichen Glauben an den Schoͤpffer. Fauſtus Socinus laͤſtert wider die an-
dere vnd dritte Perſon der Gottheit; auch wider die Rechtfertigung durch Chri-
ſtum; deme Oſtorodius vnd Smalcius gefolget. Fraciſcus David nennet den
Sohn vnd Heil. Geiſt nur virtutes Dei, oder Kraͤfften GOttes/ weder we-
ſentlich/ noch perſoͤhnlich vnderſcheyden: hielt Chriſtum/ fuͤr ein bloſſen
Menſchen. So gar verirꝛet ſich menſchliche Vernunfft/ wann ſie die Richt-
ſchnur verliehrt.


Die Calviniſten haben auch jhre Spaͤn vnter ſich ſelbſt gehabt/ vnnd
zwar in truͤbem Waſſer/ ehe ſie ſich mit einander geſetzt; ſonderlich Haußſchein/
Zwinglin vnd Carlſtatt zu Anfangs. Die grobe Ketzer thaͤten ſie von ſich mit
Verbannung vnd Verurtheilung. Caſtalio gab Calvino viel zu ſchaffen in
Genff/ vnnd wolten die Dienſtheiligen zu Baſel auch einreiſſen. Johann
Sylvanus zu Ladenburg war ein Arianer/ vnd ſein Geſell Adam Neuſerus endlich
gar zum Tuͤrcken zu Eonſtantinopel. Die Widertaͤuffer wolte Pfaltz nicht
dulden/ ſtellet ein Geſpraͤche an zu Francken thal/ ſie durch Vnderweiſung auff
den rechten Weg zu bringen; vnd druckte ſie hernach allenthalben/ biß ſie ſich
nach Frießland/ Maͤhren vnd Pohlen begeben/ da ſie ſich noch etlicher maſſen
enthalten/ ob ſie ſchon Maͤhren raͤumen muͤſſen. Die Schweitzer führten
nicht jederzeit gleiche Reden/ ja auch nicht die Heydelberger/ uͤber dem geiſtlichen
Eſſen vnnd Trincken im Abendmahl deß HERRN: Dann etliche machten
nur ein Glauben darauß/ andere wolten neben dem Glauben auch die Jnwoh-
nung Chriſti erfordern. Jtem vom Gehorſamb Chriſti/ wie Er das Geſetz
erfuͤllet/ vnd gelitten/ vnd welcher Geſtalt eine oder beyde Weiſenden Glaͤubi-
gen zu gut kommen. Auch hatten die Dillen bergiſche mit Naſone deß wegen
zu thun. Aber Piſcator vnnd Beza zweyten ſich uͤber etlichen Reden von der
Perſon Chriſti. Es wolten auch etliche als Probſtius, die Nothwendigkeit der
guten Wercken zur Seeligkeit einfuͤhren. Auß dieſen/ vnd andern Vrſachen
mehr wurd endlich ein Calviniſch Concilium zu Dortrecht in Holland gehal-
ten/ damit ſie ſich nicht gaͤntzlich von einander trenneten. Dann es hatten
Arminius vnd Vorſtius groſſen Anhang in der Lehr von der Gnadenwahl/ von
dem freyen Willen von der Beſtaͤndigkeit deß Glaubens biß ans Ende/ vnd von
der allgemeinen Gnade GOttes/ auch ob der Menſch dem Goͤttlichen Beruff
wider-
[195]Ander Theil.
widerſtehen koͤnne. Arminij Meynung hat Platz funden in Engelland/ vnnd
die Independenten oder Libertiner gezenget/ welche den Staad angegriffen/
den Koͤnig enthaͤuptet/ (ohne einiges Exempel von anbeginn der Welt) vnd die
Republic viertzig Tyrannen vnderwuͤrffig gemacht. Eben dieſe Funcken flogen
biß in Franckreich/ nach Saumur, vnd glimmeten ſchier allenthalben. Die
Bremer zweyen ſich auch uͤber die Genugheit vnd Wuͤrckung deß Todes Chriſti/
uͤber die Vrſach der verdienten Verſtoſſung/ vnd uͤber die Privat-Communion.
Auch gab es/ was fragens vnd diſputierens, ob ein Calvin iſt die Oſtien/ oder
runde Brod-Kuͤchlein/ ohne Brodbrechen/ vnverletztens Gewiſſens brauchen
koͤndte: Vnd dann ob er auß Mangel beſſerer Gelegenheit/ wohl moͤcht bey
dem Lutheriſchen Abendmahl ſich einſtellen.


Bey den Catholiſchen iſt zwar ein einiges Haupt/ welchem ſich alle
Gliedmaſſen derſelben Kirchen muͤſſen vnderwerffen/ ſo fern/ daß auch keine
Buͤcher ohne Cenſur vnnd Pruͤfung in Druck kommen. Nichts deſto weni-
ger hat ſich vnder den Jeſuitern vnd Dominteanern uͤber dem Artickel von der
Gnaden wahl ein ſslcher Streit erhaben/ daß eine Parthey die andere der Luthe-
riſchen oder Calviniſchen vnd hingegen der Pelagianiſchen Ketzerey beſchmuͤtzen
wollen. Auch Sixtus V. vnd Clemens VIII. den Streit nicht anderſt ſchlichten
koͤnnen/ als daß ſie befohlen/ jede Parthey moͤcht jhr eygene Meynung behalten/
vnd doch ferner keiner Ketzerey oder Jrꝛthumbs beſchuͤldigen. Der fuͤrnembſte
Streit aber iſt uͤber der Empfaͤngnuͤß vnd Geburth der Heil. Jungfrawen Ma-
rien/ ob ſolche in- oder ohne Suͤnden geſchehen. Dieweil dann beyde Partheyen
ein groſſen Anhang uͤberkommen/ vnd ein groſſer Riß in der Kirchen zu beſor-
gen/ befahl Sixtus IV. man ſolte deß Außſpruchs erwarten/ vnd in deſſen ſich nicht
verketzern: welche Bull Paulus V. wieder hohlet. Zumahl aber gantz Spa-
nien ſchier verworꝛen/ vnd nach dem Außſpruch verlangete/ ward Placidus de
Toſautes
nach Rom deßwegen abgefertiget/ vnd erhielt ein new Decret, daß
man/ Ergernuͤß bey dem Volck zu verhuͤten/ ſolte predigen/ Maria were
ohne Suͤnden empfangen/ welches man Gott ſeeliglich glauben koͤndte:
das dann allenthalben ſehr groſſe Frewd verurſachte/ die doch nicht lang
waͤrete/ weil der Gegentheil die Wort deß Decrets in wiederigen Ver-
ſtand zoge. Darumb der Koͤnig ein andere Bottſchafft verordnet/ weil
das angeſtellte Feſt auff wiedrige Weiß jrꝛgend gehalten ward: daruͤber
der Koͤnig ſchier verdaͤchtig worden/ als thaͤt er der Sachen zu viel/ vnd
griffe dem Pabſt vor/ wann er die Wiederſpenſtige mit Zwang zum Gehorſamb
anhielte.


Endlich wurd vnder Gregorio XV. den 24. May/ Anno 1622. ein Schluß
gemacht/ biß zu ferner Verordnung/ daß niemand in offentlichen Predigten
vnd Begaͤngnuſſen ſolte behaupten/ die Heil. Jungfraw wer in der Erbſuͤnd
B b ijempfan-
[196]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
empfangen/ bey Straff: ohne Nachtheil der andern Meynung/ die an jhrem
Orth hiemit gelaſſen worden/ daß keine Parthey die andere feindlich angreiffe/
oder verdamme. Doch wurde den Dominicanern verſtattet/ vnder ſich ſelbſt/
allein von dieſem Punct zu reden/ welches angeſchlagene Indult zu Barcellona
vnd zu Saragoſſa das Feſt gehindert/ vnd ſchier Tumult gegeben. Die uͤbrigen
Strittigkeiten/ ob das Concilium uͤber den Pabſt ſey: Ob alle vnd jede Koͤnig-
reiche vom Roͤmiſchen Stuhl dependieren vnd zu Lehen fallen/ ob ein Fuͤrſt
koͤnne Churfuͤrſt oder Kaͤyſer werden/ ohne deß Pabſt gutheiſſen. Ob ein Kaͤy-
ſer oder Koͤnig moͤge/ dem Roͤmiſchen Stuhl zu Nachtheil/ Bůndnuß oder
Frieden ſchlieſſen/ ob deß Pabſts Gewalt vnd Anſehen auß Goͤttlicher Schrifft/
oder weltlichen Rechten zu erweiſen/ ob die Welt ohn ein Pabſt ſeyn koͤnne/ vnd
wann etwann zween oder drey Paͤbſte weren/ die einander verbanneten/ weme
man ſolte anhangen/ oder ob der Anhang der uͤberwundenen Parthey/ Krafft
ſolches Bannes/ verdampt werde/ ſind Sachen/ die wir vor dißmahl in dieſen
engen Diſcurß nicht bringen koͤnnen/ vnnd laſſen andern auch etwas zu be-
ſinnen.


Koͤnnen doch vngeandet nicht laſſen/ daß nach Dioniſij Corinthij Mey-
nung/ ſolche Strittigkeiten nicht weniger Suͤnden ſind/ als die Abgoͤtterey;
Darumb jede Kirch/ an Haupt vnd Gliedern/ jhr nichts hefftiger ſolte angele-
gen ſeyn laſſen/ als dergleichen Vnheil zu verhuͤten/ vñ im erſten Wachßthumb
zu dempffen. Doch ſoll man ſich nicht ſolcher Geſtalt anſtoſſen vnd aͤrgern/
daß man ſich gar darvon abriſſe: Sintemahl es nichts newes/ daß groſſe Liech-
ter in der Kirchen in Mißverſtand gerahten. Alſo war kein geringer Streit
zwiſchen Paulo vnd Barraba, als Ampts Geſellen/ über Johanne mit dem Zu-
nahmen Marcus/ ob ſie jhn zum Reiß-Geſellen ſolten haben/ oder nicht. Vnd
dann zwiſchen Paulo vnd Petro, uͤber den Moſaiſchen Ceremonien, ob die newe
Chriſten daran gebunden weren/ oder nicht. Alſo zweyten ſich Cyprianus Bi-
ſchoff in Africa, vnd Pabſt Stephanus, uͤber dem Werth der Tauffe/ ſo ein Ketzer
verꝛichtet. So iſt bekandt/ daß man zwey hundert Jahr/ gleich von der Apoſteln
Zeiten uͤber der Zeit die Chriſt-Oſtern zu halten/ geſtritten/ biß zu Nicæa auff
der groſſen Verſamblung ein Schluß deß wegen gemacht worden. Auch haben
viel particular-Kirchen ſich getrennet uͤber dem Faſten/ wie vnd welche Zeit ſol-
ches muͤſte geſchehen; uͤber den Ceremonien bey dem Heil. Abendmahl/ vnd ob
die Cleriſey koͤnt ehelich werden/ wie der Tauff zu verꝛichten/ das gemeine Gebett
zu ſprechen/ vnd vielen andern Sachen vnd ſchwere Feindſchafft hat ſich zwiſchen
Baſilio dem groſſen/ vnd Euſebio zu Cæſarien erhoben/ daß jener ſeine Kirch ver-
laſſen vnd in Pontum gezogen/ auß Forcht deß Arianiſchen Kaͤyſers Valen-
tzen? Wie hefftig haben der alte Hieronymus, vnd Auguſtinus uͤber den Spruch
Pauli an die Galater am andern/ im eylfften Verſicul ſich zerzancket/ ob es zum
Schein
[197]Ander Theil.
Schein/ oder in das Angeſicht heiſſe. Eben eyferig erweiſe ſich Hieronymus
wider Iohannem, den Biſchoff zu Jeruſalem/ uͤber der Außlegung etlicher
Spruͤche: Vnd dann wider Ruffinum zu Aquilegien, wegen Origenis Schriff-
ten. Epiphanius vnnd Chryſoſtomus fielen einander ſo grimmig in die Haar/
auß voriger Vrſach/ daß ſie einander alles Vnheyl gewuͤnſchet. Dann als
Epiphanius von Conſtantinopel abfuhr/ wieder zu ſeinem Biſthumb in Cypern
zu eylen/ nam er [...]i [...]ſen Abſchied von Chryſoſtomo: du wirſt noch ohne Biſchoff-
liche Wuͤrde ſterben; vnd muſte zur Antwort hoͤren/ ſo wirſtu nicht in deinem
Vatterland ſterben koͤnnen. Weiches beydes wahr worden; dann Epipha-
nius
ſtarb auff der See/ ehe er nach Cypern gelangen koͤnnen/ vnd Chryſoſtomus
wurd ſeines Biſthumbs entſetzt/ in das Elend nach Armenien vnd Jſaurien ver-
ſtoſſen/ vnd daſelbſt ſeines Lebens verkuͤrtzet. Doch iſt hiebey zu mercken/ daß
ſolche Mißhelligkeiten zwar vnder waͤhrendem Gezanck die Gemuͤther der Leute
auff eine oder auff die andere Seyte ſich zulegen viel gegolten/ aber bey den vn-
paſſionirten ein Mitleyden wegen menſchlicher Bloͤdigkeit erweckt/ vnd keinem
Theil bey den Nachkoͤmblingen ſein Anſehen benommen. Vnd haben jederzeit
fromme Hertzen inniglich geſeufftzet/ ſo offt die Verſamblung der Cardinaͤlen
in Zwieſpalt gerahten/ vnd entweder den Apoſtoliſchen Stuhl eine zeitlang vn-
verſehen/ vnd ledig gelaſſen/ oder zwey Haͤupter/ als eines zu Rom/ das ander zu
Avenion, der Chriſtlichen Kirchen vorgeſtellt: Wann nemblich die Paſ-
ſionen mit vndergeloffen/ daran die bloͤde Gemuͤther/ als zu viel Handgreifflich/
ſich geſtoſſen/ nicht wiſſend/ ob eben der ſtaͤrckere vnd naͤhere auch das beſte Recht
haͤtte. Welches in weltlichen Sachen bekuͤmmerlich/ in Glaubens-Haͤndeln
aber verdammlich feyn mag. So tieff wird das weltliche hinein gezogen/ daß
ſich eines in das andere flechtet/ vnd ſcharpffe Verfolgungen entſtehen; daß man
auch vnder dem Schein der Gottſeeligkeit die weltliche Hoheit ſuchet/ wie im
erſten Theil dieſer Diſcurſen außgefuͤhret vnd erwieſen iſt/ darauß alles zu groſ-
ſer Veraͤnderung ſich neigen muß.


Man koͤndte zwar die Occidentaliſche Chriſtenheit in dieſe drey Haupt-
Secten abtheilen/ als da ſind die Paͤbſtler oder Catholiſche/ ſo den Pabſt zu
Rom vor das ſichtbare Haupt der Chriſtlichen Kirchen/ vnd vor den Statt-
halter CHRJSTJ auff Erden erkennen/ auch ſeinen Satzungen
folgen: Darnach die Lutheraner/ welche an Lutheri Außlegung der Schrifft/
Kirchen-Satzungen/ vnnd Verordnungen halten/ eben ſo ſteiff/ als die
vorige an dem Pabſthumb: Endlich die Calviniſten/ ſo gaͤntzlich vom
Pabſt abgetretten/ alles ſein Thun verworffen/ vnnd ſchier gar nichts be-
halten; Darumb jhnen auch die Lutheraner noch den Paͤbſtiſchen Saur-
teig muͤſſen behalten/ vnd dannenhero verdaͤchtig ſind. Dann dieſe drey Haupt-
Bb iijSecten/
[198]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Secten/ haben das Weltliche an ſich geriſſen/ oder vielmehr vnder ſich ge-
theilet; auſſerhalb der Calviniſten/ die vngebunden/ wider Calvini Schriff-
ten durchauß/ ohne vorbehalt annehmen/ noch ſich einigem Haupt vnderwerffen;
Der Pabſt bleibt das Haupt uͤber die Catholiſchen/ vnnd haͤlt Jtalien/
Spanien/ Pohlen/ Hungarn/ Franckreich vnnd Teutſchland im Ge-
horſamb.


Die Lutheraner werden ſchier nicht wiſſen/ ob ſie das Haupt jhrer Reli-
gion
ſollen an das Churfuͤrſtenthumb Sachſen binden/ weil vor Zeiten ein
Churfuͤrſt ſich ſchier gar den Calviniſten haͤtte anhaͤngig gemacht/ oder ob ſie
Dennemarck darzu erwehlen moͤchten. Weil er aber das Concordi-Buch
anfangs nicht angenommen/ vnd juͤngſt von den Schweden berepfft worden/
wuͤrde das beſte ſeyn/ das vierdte Haupt-Reich der Welt/ nach den vier Ecken
deß Himmels/ von Mitternacht hoffen/ vnd die Fortpflantzung deß Luther-
thumbs erwarten. Den Calviniſten will es gar nicht gelingen/ daß ſie mit
Macht empor ſchwebeten/ nach deme der Pfaltzgraff auff dem Bohemiſchen
Brettſpiel mehr verlohren/ als erobert; die Niederlaͤnder nur auff den
Profit ſehen/ vnd Engelland zum Mamelucken worden/ dahin alle Ketzereyen
anfangen zu niſten/ biß es endlich wieder zur Roͤmiſchen Kirchen komme. Vnd
eben vmb dieſer Vrſachen willen muͤſſen die Calviniſten ſich mehr mit der Feder
vnd Subtieligkeit laſſen ſehen/ daß ſie das Werck nicht mit Vngeſtuͤmme/ ſon-
dern mit Rencken vnd diſputieren anfangen vnd fortſetzen; wie ſie dann ſolcher
Geſtalt Heydelberg vnd Brandenburg auff jhre Meynung gebracht/ vnd an
Sachſen zuthun nicht werden vnderlaſſen/ ob der zweyte Streich nach dem
erſten etwann moͤchte gerathen.


Wann wir aber das Regiement in weltlichen Sachen beyſeit ſetzen/ vnd
die Occidentaliſche Chriſtenheit/ wie es dann ſeyn ſoll/ nach den verſchie-
denen Meynungen uͤber den Religions-Puncten betrachten/ finden wir noch
mehr Haupt-Secten/ als dieſe drey benahmbte; als da ſeynd die Wieder-
taͤuffer mit allen jhren Geſchlechten/ vnd dann die Samoſatenianer oder So-
zinianer/ mit all jhrem Anhang/ welche die Heil. Dreyeinigkeit auff mancherley
Weiſe vernichten/ vnd den Artickel/ wie der Menſch vor GOTT gerecht/ vnd
dannenhero feelig werde/ verkehren/ das Predig Ampt verachten/ die Heiligen
Sacramenten ſchaͤnden/ vnd die Obrigkeit auff jhrem Thron antaſten/ jhr das
Schwerdt abguͤrten/ als ob kein Chriſt mit gutem Gewiſſen koͤnt Obrigkeit ſeyn/
oder ſeine Vnderthanen mit dem Schwerdt wider allen feindlichen Gewalt
beſchirmen. Ja ſie laſſen ſich noch verlauten/ die drey Haupt-Secten der Ca-
tholiſchen/ Lutheraner/ vnd Calviniſten weren die drey Froͤſchen/ in der Offen-
bahrung am ſechs zehenden Capittel/ die auß deß Drachen Schlund giengen/
vnd
[199]Ander Theil.
vnd die Koͤnige auff Erden verſuͤhreten: Das Abendmahl aber wer eben
das rechte Zeichen deß Thiers auß dem Abgrund/ oder deß Anti-Chriſtes/
ohne welches Zeichen niemand kauffen oder verkauffen koͤndte/ das iſt/ nach
jhrer Meynung/ ohne welches Abendmahl niemand geduldet wuͤrde/ zu woh-
nen oder Handel zu treiben. Vnd ob ſchon die Außlegungen uͤber das Abend-
mahl vngleich ſeyen/ weren ſie doch im Grund/ vnd in den Worten der Ein-
ſatzung eins: Darumb zu Buͤrgerſchafft/ zu den Zuͤnfften/ zu Geiſt- vnd
Weltlichen Ehren kommen koͤndte/ wer ſich zu einer vnder dieſen dreyen
Außlegungen bekennen wolte. Doch ſind dieſe Leuthe nicht gleich arg oder
verkehrt; Angeſehen jhrer nicht wenige auß Einfalt den Mißbrauch/ vnd die
Laſter bey den dreyen Secten tadeln vnd ſchewen/ auch ſich bereden laſſen/ ſie
machen ſich frembder Suͤnden theilhafftig/ vnd verdammen alle andere/ wann
ſie ſich zu einer gewiſſen Gemeind bekenneten: Darumb ſie anſtehen/ vnd er-
warten/ was jhnen der Geiſt offenbahren moͤchte.


Gleich wie nun dieſe letztere nach keinem Regiement trachten/ wie ſie vor-
geben/ ſondern das Reich Chriſti inwendig in dem Hertzen der Menſchen ſuchen
im Geiſt vnd in der Wahrheit auffzurichten; alſo bemuͤhen ſich die drey Haupt-
ſecten/ einander zu vnderdrucken vnd übereinander zu herꝛſchen; darauß dann
ſo grauſames Kriegen vnd Blutvergieſſen entſtanden/ welches auch ſchwerlich
ein End wird nehmen koͤnnen/ biß die eine Parthey allein oben ſchwebt/ vnd die
andere verſchlingt/ wie in den Diſcurſen von dem Heydenthumb/
vnd von den Ketzern im erſten Theil
befindlich.



Der
[200]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der neunzehende Diſcurß.


Von dem Coͤllniſchen Krieg/ da der Ertz-Biſchoff dieProteſtierende
Religion
angenommen/ ſich verehligt vnd vertrieben worden. Wie
Henrich Iulius, Biſchoff zu Halberſtatt ſich verheyrathet/ vnd das Stifft in
Poſſeß behalten. Wie das Biſthumb Straßburg ſich getrennet/ vnd in Krieg
gerathen/ auch wieder zu Ruhe kommen. Wie die Guͤlchiſche Laͤnder ledig vnd
durch vielerley Anſpruch endlich in zwey Theil proviſionaliter vertheilt worden.
Was den Religions-Krieg damahlen zuruͤck gehalten.


SO haben wir nunmehr das Roͤmiſ. Reich zu betrachten/ wie es
nach dieſen dreyen Haupt-Secten (der andern zweyen neben-Secten
vor dißmahl nicht ferner zu gedencken) in drey wiedrige Partheyen
zerꝛiſſen iſt/ vnd wie ein jede derſelben ſich ſuchet empor zu bringen/ vnd durch
mehrern Anhang maͤchtig vnnd ſchroͤcklich zu machen. Die allererſte Bege-
benheit truge ſich zu in Bonn/ vnd durch das Ertz-Stifft Coͤlln. Dann Geb-
hard Truckſeß/ Herꝛ zu Waldpurg/ Ertz-Biſchoff vnd Churfuͤrſt zu Coͤlln/ ließ
jhm der Proteſtierenden Lehr vor der Catholiſchen gefallen/ verliebte ſich in
Frawlein Agnes/ Graff Johann Georgen zu Manßfeld Tochter/ ſo in einem
Cloſter/ in dem Geluͤbd der Keuſchheit lebte; vermaͤhlte ſich mit derſelben heimb-
lich/ doch mit Wiſſen vnd in Gegenwart der Freunden/ vnnd legte den Paſſa-
wiſchen Vertrag ſolcher Geſtalt auß/ daß der Vberfall/ vnd die Ehe jhn nicht
hindern ſolten/ das gantze Ertz-Stifft nach ſich zu ziehen. Er ſtund in den
Gedancken/ ſein nechſter Vorfahr/ Salentinus, Ertz-Biſchoff zu Coͤlln/ vnd
Biſchoff zu Paderborn/ der letzte vom Geſchlecht der Graffen von Eyſenberg/
ſonſten ein tapfferer Held/ haͤtte nicht allerdings weißlich gethan/ daß er beyde
Stifft uͤbergeben/ vnd ſeinen Stamm fortzupflantzen/ ſich mit Antoniâ Wil-
helmâ,
Graff Johann von Arenbergs Tochter/ ehlich vermaͤhlet: Da er doch
das Gluͤck annehmen/ vnd deſſelben Gunſt ſo lang müglich genieſſen ſollen/ vnd
ſeiner Gemahlin wo nicht ein Biſthumb/ doch ein Churfuͤrſtenthumb zur Mor-
gengab darlegen: Sonderlich aber/ weil er in Zeit ſeiner Regierung die Veſte
Rellingshauſen/ den Graffen von Schawenburg vmb ſieben zehen tauſend/
fuͤnff hundert vnd fünfftzig Gulden/ nach hundert vnd dreiſſig Jahren der Ver-
pfaͤndung abgeloͤſet: Wie auch nicht weniger die Statt Kaͤyſerswerda/ die
Aempter Vrdingen/ Erprod bey Neuß/ Netten bey Andernach/ vnd andere
Stuͤck mehr/ die er moͤgen zu Lehen empfangen/ oder als ein Pfandſchilling
beſitzen.
[201]Ander Theil.
beſitzen. Aber der Eyſenberger ſahe wohl/ daß er bey Entſtehung eines groſſen
Krieges ſein Geſchlecht nicht wuͤrde fortpflantzen koͤnnen/ vnd vielleicht Weib/
Gut vnd Blut darbey einſetzen vnd verliehren.


Auch dachte dieſer Gebhard/ Ertz-Biſchoff vnd Churfuͤrſt an ein andern
ſeiner Vorfahren/ Hermann gebohrnẽ Graffẽ zu Weda/ der vor etlichen viertzig
Jahren auß Rath ſeines Rechtgelehrten Iohannis Gropperi eine Reformation
in dem Provincial-Concilio angeſtellt/ vnd Bucerum von Straßburg kommen
laſſen/ aber ſich deß wegen bey ſeinen Geiſtlichen uͤbel entſchuldigt/ mit dem Vor-
wand/ daß auff dem Reichs-Tag allen vnnd jeden Staͤnden wohlmeynend
anbefohlen worden/ daß eine allgemeine Reformation im Geiſtlichen Weſen
geſchehe/ weil uͤber die eingeſchlichene viel faͤltige Mißbraͤuche ſo viel Klagens
jmmer zu vorkaͤme/ vnd deß Ertz-Stiffts Angehoͤrige nicht nach lieſſen/ darumb
zu ſollicitieren, darzu zwar anfangs Gropperus ſelbſt verſtanden/ vnd ein For-
mular
auffgeſetzt; aber nicht ferner darzu gehellen koͤnnen/ als der Ertz-Biſchoff
allenthalben Proteſtierende Pfarꝛer predigen laſſen/ darauß ein gaͤntzlicher
Abfall von der Roͤm. Kirchen vor Augen ſtuͤnde. Darumb verklagten jhn die
Cleriſey vnd hohe Schuhl vor dem Kaͤyſer vnnd Pabſt; die jhn vor geiſt- vnd
weltliches Gericht zur Klag vnd Antwort/ ſampt ſeinem Anhang eingeladen.
Sein Anhang war Graff Henrich von Stollberg/ ſo hernach Weltlich worden/
vnnd in den Eheſtand getretten. Rheingraff Jacob/ Graff Friederich von
Weda/ Biſchoff Hermans Bruder Sohn/ der ſelber hernach Anno 1562. zum
Ertz-Biſchoff erwehlet ward/ jedoch uͤber fuͤnff Jahr auch das Biſthumb uͤber-
geben/ vnd Weltlich worden. Graff Chriſtoffel von Oldenburg/ Hertzog
Reichard Pfaltzgraff der Anno 1569. in den Eheſtand getretten/ vnnd ſeinem
Bruder/ Hertzog Georgen zu Simmern in der Regierung nachgefolget; Vnd
Philips von Oberſtein. Es ſolte aber Ertz-Biſchoff Gebhard vnvergeſſen ſeyn
geweſen/ daß Ertz-Biſchoff Herman/ vnangeſehen ſeines ſo hohen Anhangs/
in Bann gethan worden/ vnnd daß jhn ſeine Appellation auff ein Concilium
Teutſcher Nation, wider den Pabſt/ als ſeine Parthey/ vnd nicht Richter/ gar nit
ſchuͤtzen moͤgen/ daß er endlich vom Ertz-Stifft abgetretten/ vnd auff dem We-
ſterwald/ in ſeinem Eygenthumb verſtorben.


Nun hatte Ertz-Biſchoff Gebhard kein ſondern Anhang/ noch Vermoͤ-
gens/ ſondern verließ ſich auff die Proteſtierende Staͤnde/ vnd auff den Poͤbel/
weil dazumahl zu Coͤlln ſehr viel Buͤrger der Reformierten Religion zugethan
waren/ die auch auß Rath beyder Graffen von Solms vnd Newenar durch
eine Supplication bey dem Statt-Rath vmb freye Vbung der Augſpurgiſchen
Confeſſion anhielten. Der Rath nam es übel auff/ vnd rufft beyde Hertzogen
von Gülich vnd Parma vmb Huͤlff an; Hingegen ſuchten die Reformierten
Huͤlff bey dem Ertz-Biſchoff ſelbſt/ der dann thate was in ſeinem Vermoͤgen
Ccgeweſen;
[202]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
geweſen; wurd aber deßwegen verklagt/ vnd durch Pabſt Gregorium XIII.
von ſeinem Vorhaben abzuſtehen vermahnet/ ſonderlich aber/ die Moͤnche/ wie
zu Bonn geſchehen/ nicht zu vertreiben; in deſſen die Staͤnde deß Ertz-Stiffts
ſich berathſchlagten/ ein andern Ertz-Biſchoff zu wehlen/ daruͤber man zu den
Waffen gegriffen/ ſonderlich als der Pabſt den Ertz-Biſchoff in Bann gethan/
vnd ſeiner Wuͤrden entſetzt/ welches Pfaltzgraff Johann Caſimir durchauß
nicht dulden wollen/ als wuͤrde dardurch dem Pabſt voller Gewalt eingeraͤumbt/
Chur- vnd Fuͤrſten in Teutſchland an- vnd abzuſetzen: Vnd zumahl da Kaͤyſer
Rudolphus den Ertz-Biſchoff auch ſeiner Churfuͤrſtlichen Dignitet entſetzte/
vnd dieſelbe nach deß Pabſts vnd Capitels Wahl auff Hertzog Ernſt in Baͤyern
verlegte; Was auch die beyde Churfuͤrſten in Sachſen vnd zu Brandenburg
einwendeten/ als haͤtte Gebhardus dem Religions-Frieden nichts zu wieder
vorgenommen.


Pfaltzgraff Johann Caſimir bracht etliche tauſend zu Hauff/ vnd lieſſe
ſich deß Kaͤyſers ernſthaffte Abmahnungs-Schreiben/ wie auch deß Pabſtes
Bann wider jhn nicht hindern/ ſondern zog dem abgeſetzten Ertz-Biſchoff zu
Huͤlff/ vnd hauſet uͤbel/ wie auch Graff Carlen von Waldpurgs Voͤlcker: So
feyrete Hertzog Ferdinand in Baͤyern auch nicht/ in deme die Reformation nach
Proteſtierender Manier in Weſtphalen fortgieng. Die Fuͤrſten hielten etliche
Zuſammen kuͤnfften/ vnd vermeinten die Haͤndel zu ſchlichten/ aber alles vmb-
ſonſt/ weil deß newen Ertz-Biſchoffs Gewalt überhand nahm/ vnd die uͤbrige
Proteſtierenden auß Neid gegen dieſem Pfaltzgraffen vnnd ſeiner Religion,
nichts zur Sachen thaͤten.


Auß welchem allem zu ſehen/ daß die Lutheraner den Calviniſten zum
Beſten nicht wollen kriegen; vnd die Calviniſten auff jhre Weiß wollen refor-
mieren; die Paͤbſtiſche alſo zwiſchen dieſer Mißhelligkeit wieder empor kom-
men/ vnd den Sieg davon getragen; auch vom Kaͤyſer ein groß Vorurtheil
wegen deß Geiſtlichen Vorbehalts/ wider deß Pfaltzgraffen Außlegung uͤber
den Religions-Frieden erhalten: allenthalben dieſem Pfaltzgraffen zu wider/
der zween Zůge in die Niederlanden/ wider den Spanier/ den Staaden zum
Beſten gethan/ aber nichts Denckwuͤrdiges außgerichtet. Doch gieng die
Acht deß Kaͤyſers ohne ſcharpffe Execution ab vnd griff nicht nach ſeinem Leib/
noch nach ſeinen Landen/ dieweil beyderſeits ein groſſer Krieg zu beſorgen war/
welchen deß Kaͤyſers Langmuͤtigkeit nicht wolte geſtatten/ vnnd gleichſamb mit
Riegeln verſchloſſen/ wie der groſſe Alexander die Tartarn mit den eyſern Thuͤ-
ren im Caſpiſchen Gebuͤrg ſoll von ſeinen Landen abgehalten vnd außgeſchloſ-
ſen haben.


Was nun dieſem Ertz-Biſchoff nicht gelungen/ das erhielt Henrich
Julius Biſchoff zu Halberſtatt/ ein gebohrner Hertzog zu Braunſchweig vnd
Lüne-
[203]Ander Theil.
Luͤneburg: der hielte Hochzeit Anno 1590. in den Oeſterlichen Feyertaͤgen in
Dennemarck/ mit Fraͤwlein Eliſabeth/ Friderici II. in Dennemarck Tochter/
vnd ward die Heimbfarth hernach den zwantzigſten Brachmonat/ bey der groſ-
ſen Hitz/ zu Wolffenbuͤttel/ in beyſeyn vieler Fuͤrſten vnd Herꝛn mit groſſem
Pracht gehalten. Weil nun dieſer geweſene Biſchoff an ſeinem eygenen
Hauß/ vnd dann an ſeinem Schwehrvatter ein ſtarcken Ruͤcken hatte/ muſte
man Paͤbſtiſcher Seyten zuſehen/ oder gewaͤrtig ſeyn/ daß auß Bann vnd Acht
nichts were worden/ ja daß andere Proteſtierende Fuͤrſten auch Hand angelegt
haͤtten in deme der Spanier mit Franckreich vnnd den Niederlanden all zu tieff
verworꝛen/ vnd Rudolphus nicht maͤchtig genug/ oder zu forchſamb ware. Der
Capitularen hieltens viel mit dem Biſchoff; welcher die Wiederſpenſtigen
nach vnd nach vnder geſuchtem Schein auch außgeſchafft hatt/ vnd das Gut
allein erhalten. Alſo gieng ein Stifft nach dem andern hin/ endlich auch
Magdeburg/ da ſich der Adminiſtrator auch verheyrathet/ vnnd wegen der In-
traden
mit den Capitularen vergliechen; vnnd vermehret der Proteſtieren-
den
Macht an Land vnnd Leuthen: alſo geſchah den Catholiſchen ſehr groſ-
ſer Abbruch/ vnd ſchiene/ als wer kein Widerſtand mehr/ weil man mit Kriegs-
macht nicht ſtewren wolte.


Doch gieng es den Proteſtierenden mit dem Biſthumb Straßburg
ſolcher Geſtalt nicht an. Dann es ſtarb zu Elſaß-Zabern den zwey vnnd
zwantzigſten Aprill/ im Jahr 1592. Johann Biſchoff zu Straßburg/ ein
Niederlaͤndiſcher Graff von Manderſchied/ nach dem er demſelben Biſthumb
drey vnd zwantzig Jahr/ drey Monat/ vnd etliche Tage vorgeſtanden. Sein
Tod wurd eh offenbahr/ als ſeine Kranckheit/ weil er durch ein harten Schlag
einsmahls dahin gefahren. Er konte ſich mit der Statt Straßburg nimmer
recht vergleichen/ noch vertragen/ ſondern erꝛegte offtmahls ſchwere vnd newe
Strittigkeiten/ daß er die Statt endlich gar gemitten/ vnd ſich auſſerhalb gehal-
ten. Das Biſthumb muſte wieder mit einem Haupt verſehen ſeyn; weil
aber die Capitularn/ ſo nach altem Brauch ein Biſchoff zu erwehlen haben/
nun in die ſieben Jahr/ beydes der Religion vnnd der Einkommen halben/ in
groſſem Mißtrawen vnd Zwietracht geſtanden/ vnd niemahln keine Verglei-
chung vnder jhnen zu treffen geweſen/ wartet Jedermann/ wohin die Wahl
deß newen Biſchoffs außſchlagen ſolte. Die Catholiſche Capitularn ſchrie-
ben fruͤhzeitig an den Kaͤyſer/ vmb Rath vnd That wider jhr Gegenpart: der
jhnen antwortet/ ſie ſolten etlicher Commiſſarien von jhm gewaͤrtig ſeyn/ vnd in
deſſen ſich beſter maſſen vorſehen.


Aber die Bruderhoͤffiſche Fuͤrſten/ Graffen/ vnd Herꝛn/ ſo ſich vom Pabſt-
thumb abgethan/ lieſſen an Gegentheil ein Schreiben abgehen/ vnd ermahneten
ſie zur Eynigkeit vnnd Gleichſtimmender Wahl eines newen Biſchoffs/ an
Cc ijgehoͤ-
[204]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
gehoͤrigem Orth/ im Bruderhoff zu Straßburg; welches ſie abgelehnet/
weil jhnen Hoͤfe/ Haͤuſer/ Renthen vnd Gefaͤll/ vnd anders/ was ſie in der Statt
gehabt/ abgenommen/ koͤndten ſie darin keines Wegs gehellen. Hierauff wurd
Johann Georg/ Marggraff zu Brandenburg zum Biſchoff von den Bruder-
hoͤfiſchen erwehlet/ auch gemeinem Gebrauch nach von der Statt verehret; vnd
ſolches alles durch ſein Außſchreiben verkuͤndiget. Dieweil aber die Veſten
auff dem Land ſich widerſetzten/ verſahen ſich die Straß burger bey zeiten/ mit
Volck/ vnnd erobertenden Kochersberg vnd Dachſtein mit Gewalt vor den
newen Biſchoff. Jn deß ſchickte Kaͤyſer Rudolff ſeinen Vettern/ Ertz Her-
tzog Ferdinanden/ nach Zabern/ als einen Sequeſter, biß die ordentliche Wahl
vorgienge. Es waren aber die Catholiſche Capitularn dieſes Vorſchlags eben
ſo wenig/ als der Gegentheil zu frieden/ ſondern erwehlten fuͤr ſich ſelbſt zu jh-
rem Biſchoff/ Herꝛn Carln/ gebohrnen Hertzogen in Lothringen/ der Roͤmiſch.
Kirchen Cardinal/ vnd Biſchoffen zu Metz/ vnd zeigten deſſen Vrſach an in
einem offenen Schreiben. Jn Lothringen waren bereits Voͤlcker auff den
Beinen/ die fielen uͤber die Zabern Stege in Teutſchland/ bemaͤchtigten ſich der
Statt Zabern/ als deß Biſchofflichen Sitzes/ vnd pluͤnderten ſehr uͤbel: Ero-
berten Benfeld/ vnd griffen die Straßburger an/ uͤberwaͤltigten den Kochers-
berg vnd Dachſtein.


Die Straßburger muſten jhre Meß einſtellen/ vnd ſolches den Kauffleu-
ten zu wiſſen thun. Den Krieg gieng eyferig fort/ vnd geſchahen etliche Nie-
derlagen: Die Schweitzer von Bern/ Zuͤrich vnd Baſel ſchickten den Straß-
burgern/ Vermoͤg jhrer Verbuͤndnuß/ drey tauſend Mann zu Huͤlff: Vnd
wurd Fuͤrſt Chriſtian von Anhalt jhr Feldherꝛ/ darbey Marggraff Ernſt von
Durlach acht tauſend Pferd erhalten/ vnnd hernacher viel Schaden gethan/
etwann auch erlitten. Kaͤyſer Rudolff hatte in Hungarn ſchwere Haͤndel mit
dem Tuͤrcken/ ſahe das Ertz Stifft Coͤlln vnd Weſtphalen noch in voller Vn-
ruhe/ wegen der obigen gehabten Reformation; Vnd muſte in Niederſachſen
dem Wetter ſeinen Lauff laſſen. Konte dem nach ſich in einen weit auß ſehenden
gefaͤhrlichen Krieg nicht einlaſſen; zumahlſeine Oeſterꝛeicher vnnd Bohemen
der Proteſtierenden Religion theils ſehr zugethan/ vnd im uͤbrigen nicht uͤbel
gewogen waren: Schickte derowegen ein Herold/ mit etlichen Commiſſarien
nach Straßburg/ die Sachen beyzulegen/ welches auch geſchehen/ doch mit groſ-
ſem Nachtheil der Catholiſchen; Vnd wurd der Fried Anno 1593. den erſten
Mertz publiciert, nicht zwar voͤllig/ ſondern biß die von Kaͤyſerl Mayſt. hierzu
verordnete Schieds-Maͤnner/ als der Churfuͤrſt von Maͤyntz/ Ertz-Hertzog
Fendinand/ der Biſchoff von Würtzburg/ der Churfuͤrſt von Heydelberg/ der
Landgraff in Heſſen/ vnnd der Chur-Adminiſtrator in Sachſen zuſammen
kaͤmen/ vnd ein gruͤndlichen Frieden ſchlieſſen moͤchten: welches jhnen aber
nicht
[205]Ander Theil.
nicht gel[u]ngen/ darumb ſie alles Jhr. Kaͤyſerl. Mayſt. uͤberſchrieben/ vnd an-
heimb geſtellt. Doch hatte es ſein verbleibens/ vnnd ſtarb der Biſchoff auß
Lothringen im Jahr 1607. deme ſein Coadjutor, Ertz-Hertzog Leopold/ Biſchoff
zu Paſſaw/ im Ampt ſolgte.


Dieſer Biſchoff ließ viel Volcks im dritten Jahr ſeiner Regierung im
Elſaß zuſammen lauffen/ vnd von dem Landvolck bewehrt machen; als nun
Straßburg deren bey drey tauſend zu Fuß/ vnd ein tauſend zu Pferd ſahe/ zogen
ſie das grob Geſchuͤtz auff die Waͤlle/ vnd verfahen ſich mit Kriegsknechten.
Aber der Churfuͤrſt zu Heydelberg ließ zehen Fahnen zu Roß/ vnnd zwantzig
Fahnen zu Fuß eylends in das Elſaß gehen/ zu deme ſich die Durlachiſche vnd
Wirtembergiſche auch geſchlagen/ vnd verurſacht/ daß dieſe Leopoldiſche Voͤl-
cker auß der Wantzenaw gleichſamb fluͤchtig/ ſich ins Breiſchthal gezogen/ nach
Moltzheim vnd Zabern. Die unierten Fuͤrſten/ eroberten Moltzheim durch
Vbergab. Dieweil aber das Landverderben jmmer fortgieng/ vnd vmb ſich
griffe/ hat inſonderheit der Hertzog von Lothringen/ Herꝛ Johann Reinharde
Graff zu Hanaw/ die Statt Straßburg/ vnd die Ritterſchafft im Vndern
Elſaß ein embſige Vnderhandlung zu Willſtaͤtt gepflogen vnd getroffen/ darin
alles vorgangene auffgehoben vnd vergeſſen/ aber bedingt worden/ kein Muſter-
platz mehr zu dulden. Alſo hat man Catholiſcher Seyten das Stifft ſampt
dem Titel erhalten/ aber durch die von Straßburg uͤber die maſſen ſehr geſchwaͤ-
chet vnd beſchnitten. So war der Sachen kein Rath zu ſchaffen/ weil es newe
Haͤndel wegen der Guͤlchiſchen Succeſſion, vnd dann zwiſchen Kaͤyſer Rudol-
pho,
vnd ſeinem Bruder/ Ertz-Hertzog Matthia ſelbſt abgeben.


Coͤlln/ Halberſtatt vnd Straßburg haͤtten ſchier ein groſſes Fewr/ zu dem
Religions-Krirg angelegt; lieſſen doch einglimmenden Zunder auff das kuͤnff-
tige. Jetzt kommen auch Fuͤrſten thümb vnd Koͤnigreiche/ ja das Kaͤyſerthumb
ſelbſt ins Spiel/ vnd zeigen auff kuͤnfftigen univerſal Kriege. Den 25. Mertz/
1609. ſtarb Hertzog Johann Wilhelm zu Guͤlich/ Cleve vnd Bergen/ ſo gebohrn
Anno 1562. hinder laſſend ſeine Gemahlin Maria Salome/ Marggraͤffin von
Baden/ ohne Leibs-Erben. Alſobald ließ der Coadjutor deß Biſthumbs Coͤlln
invnderſchiedlichen Flecken vnd Doͤrffern Patenten, vnd ſein Wapen anſchla-
gen/ welche aber die Guͤlchiſche vnd Bergiſche Officianten abgenommen/ biß
die Brandenburgiſche vnd Pfaltz-Neuburgiſchen eben einander vorgeſchlagen
worden/ ob ſchon Kaͤyſerl. Mayſt. befohlen/ es ſolten die Raͤthe neben der Fraw
Wittib keine Parthey vor denandern zu laſſen. Der Hertzog von Neuers mel-
det ſich an/ wegen ſeiner Stamm-Lini/ vnd Wapens: Chur Pfaltz nimbt die
Lehen ein/ ſo Guͤlch von jhm getragen: Kaͤyſerl. Mayſt. beſchreiben die Inter-
eſſenten
vor Gericht zu erſcheinen. Der Kern dieſer Succeſſion iſt; daß Wil-
helm/ Hertzog zu Gülch/ Eleve vnd Berg/ etc. mit Fraw Maria/ Koͤnigin in
Cc iijHungarn/
[206]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Hungarn/ Ertzhertzogin zu Oeſterꝛeich fuͤnff Kinder gezeuget/ Herꝛn Johann
Wilhelmen/ Marien Eleonoren/ Annen Magdalenen/ vnnd Si-
byllen. Als nun die erſte/ Herꝛn Albrecht Friederichen/ Marggraffen zu
Brandenburg/ vnnd Hertzogen in Preuſſen verheyrath worden/ hat ſie auff
Vaͤtter- vnd Muͤtterliche Erbſchafft verziehen/ mit dem Beding/ wann der
Maͤnnliche Stamm der Hertzogen zu Guͤlch abgehen ſolte/ daß alßdann alle vñ
jede Fuͤrſtenthůmb/ Graff- vnd Herꝛſchafften/ auff ſie/ als die erſtgebohrne/ vnd
derſelben ehliche/ auß jhrem Leib gebohrne Erben/ Vermoͤg Kaͤyſerlichen Privi-
legij,
fallen ſolten. Die andere Tochter iſt Herꝛn Philips Ludwigen/ Pfaltz-
graffen bey Rhein/ Hertzogen in Baͤyern/ zu Newburg verheyrathet worden/
welche zwar bey ſolcher Verheyrathung zugeſagt/ nach empfangenem Heyrath-
Gut/ auff Vaͤtter- vnd Muͤtterliche Erbſchafft in Favor deß Guͤlchiſchen
Manns-Stammes/ vnd mit nachfolgendem Vorbehalt gleichfalls Verziecht
zu thun/ nemblich dergeſtalt/ wann nach Abſterben Jhrer Fuͤrſtlichen Gnaden
Bruders/ deß juͤngſtverſtorbenen Hertzogen zu Guͤlich/ vnd deſſelben ehlicher
Maͤnnlicher Leibs-Erben/ die Fuͤrſtenthuͤmb/ Graff- vnd Herꝛſchafften/ mit
allen jhren Rechten/ Vnderthanen/ Landen vnd Zugehoͤrungen auff die erſtge-
bohrne Schweſter/ die Hertzogin in Preuſſen fallen ſolten; daß alßdann dieſelbe
ſchuldig vnd verbunden ſeyn ſolte/ Jhre Fuͤrſtliche Gnaden/ als der nechſtge-
bohrnen/ vnd den uͤbrigen jüngern Schweſter/ jeder ein gewiſſe vnnd benandte
Summa Geldes herauß zu geben: Da es ſich aber begeben ſolte/ daß hocher-
meldter Jhrer Fuͤrſtlichen Gnaden erſt gebohrne Schweſter ohne ehliche auß
derſelben Leib gebohrne Erben/ mit Tod abgienge/ daß alßdann alle vorgeſagte
Fuͤrſtenthuͤmb/ Graff- vnd Herꝛſchafften/ ſampt derſelbigen Zugehoͤrungen/
auff ſie die nechſtgebohrne/ erblich gefallen ſeyn ſolten.


Es hat aber hochernandte andere Schweſter/ Fraw Anna/ Pfaltz graͤffin
bey Rhein/ dazumahl/ als die gemeldte Zuſag geſchehen/ von dem Jnhalt deß
Privilegij, ſo Kaͤyſer Carolus V. Anno 1546. Hertzog Wilhelmen zu Guͤlch/
vnd deſſen Erben gegeben/ hernach auch beyde Jhrer Mayeſtaͤt Succeſſores,
Ferdinand vnd Maximilian confirmiert vnd beſtaͤttiget. Deme auch Kaͤyſer
Rudolff in keinen Weg zu derogieren, oder zu præjudicieren ſich erklaͤrt/ einige
Wiſſenſchafft nicht gehabt: Es vermag aber beruͤhrtes Privilegium auß-
druͤcklich/ wann hochernandter Hertzog Wilhelm zu Guͤlch keine ehliche
Maͤnnliche Leibs-Erben erzeugete/ oder gleichwohl ehliche Manns-
Erben mit ſeiner Gemahlin erwuͤrbe/ die aber folgends uͤber kurtz oder lang/ ohne
ehliche Maͤnnliche Leibs-Erben abgiengen; daß alßdann/ ſo kein ehlicher/
Maͤnnlicher Leibs-Erb von jhm Hertzog Wilhelmen gebohrn/ mehr vorhan-
den/ die Fuͤrſtenthuͤmb/ Land vnd Leuthe/ ſo von dem Kaͤyſer vnd dem Roͤmiſch.
Reich zu Lehen ruͤhren/ auff ſein/ Hertzog Wilhelms ehliche Toͤchter/ oder wo
derſel-
[207]Ander Theil.
derſelben dazumal keine mehr im Leben waͤre/ auff derſelben nachgelaſſene/ ehliche
Maͤnnliche Leibs-Erben/ ſo derſelben Zeit im Leben ſeyn/ fallen vnd kommen/
vnd jhnen folgen vnd zuſtehen ſollen/ vnd in ſolchem Fall jhme/ vnd jhren ehli-
chen Maͤnnlichen Leibs-Erben/ von der Kaͤyſerlichen Mayſt. oder deren Nach-
kommen am Reich gnaͤdiglich verliehen werden ſolten.


Nachdem nun dieſe andere Schweſter/ vnd derſelben Gemahl/ Pfaltz-
graff Philips Ludwig von dem Jnhalt deß obgedachten Kaͤyſerlichen Privilegij
eygentliche Wiſſenſchafft erlangt/ haben beyde Fuͤrſtliche Eheleuth den jhnen
zugemutheten Verziecht der Geſtalt zu thun/ nicht vnzeitig Bedenckens ge-
habt. Vnd ob wohl die Hertzogin in Preuſſen darwieder proteſtieren laſſen/
in welcher Protection ſie ſich ſelbſt auff erwehntes Privilegium bezogen/ ſo hatten
die andere Schweſter doch gleichfalls ſolenniter proteſtiert, vnd ſich in omnem
eventum
nothwendig verwahrt/ vnd jhren Erben jhr Recht vnnd Gerechtigkeit
expreßè vorbehalten.


Auch iſt vermuthlich/ daß die Hertzogin in Preuſſen von dero uͤbrigen
Schweſtern einen mehrern Verziecht/ als ſie ſelbſten/ ſampt allen Schweſtern/
dero Bruͤdern/ vnd allen den Fuͤrſtlichen Manns-Erben geleyſtet/ oder auch ein
ſolche Renunciation zu begehren gemeynet geweſt ſey/ ſo jhr ſelbſt nicht zu gutem/
den andern Schweſtern aber zu Nachtheil gereichen ſolte.


Vnd gleichen Vorbehalt vnd Proteſtation haben auch die dritte vnnd
vierdte Tochter gethan/ vnder welchen die dritte Hertzog Hanſen Pfaltzgraffen/
die vierdte aber Marggraff Carlen von Burgaw geheyrathet. Dieweil dann
nunmehr Hertzog Johann Wilhelm/ Hertzog Wilhelms zu Guͤlch einiger
Sohn/ ohne hinderlaſſene einige Leibs-Erben mit Tod abgangen/ vnd die Her-
tzogin in Preuſſen/ als die aͤlteſte vnd erſtgebohrne vnder den Schweſtern kuͤrtz
zuvor verſtorben/ vnd keine Maͤnnliche Leibs-Erben/ ſondern nur Toͤchter/ hin-
terlaſſen; will Pfaltz Newburg ſchlieſſen/ daß die Lande jhme gebuͤhren/ vnd
vnzertrennt beyſamm ſollen bleiben/ auch dem erſten Maͤnnlichen Erben allein
gebuͤhren.


Es legt aber Brandenburg das Privilegium anderſt auß/ vnd zieht es auff
ſein Vortheil/ daß er der einige Manns-Erb ſey; im Fall aber der erſtgebohrne
Tochter Manns-Stamm ſolte abgehen/ moͤchte die andere Tochter mit jhren
Erben zur Succeſſion kommen. Vnnd ſolches auß dem Heuraths-Contract,
auff Fraͤwlein Maria Eleonora/ vnd jhre Nachkommen/ nahmentlich Manns-
Stammes/ vnnd auch in Ermanglung deſſen/ auff die aͤlteſte Tochter/ wel-
che iſt Fraͤwlein Anna/ ſo hernach an Churfuͤrſt Johann Sigmund zu
Brandenburg vermaͤhlet worden/ erben ſolte: Auff welche Weiß
die Toͤchter oder Fraͤwlein nach einander/ in der Ordnung jhrer Geburth ſubſti-
tuirt,
vnd zur Succeſſion gelaſſen werden. Solten auch nit jrren/ was im Namen
der
[208]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
der drey letzten Fraͤwlein wird eingeſtrewet/ als ſolten die Preuſſiſche pacta
totalia
ſich zu beruͤhrtem Privilegio Caroli V. referiern: noch/ daß die andere
Tochter zur Zeit derſelben Beſtattnuͤß einige Wiſſenſchafft von ſolchem Privi-
legio
nicht gehabt haͤtte: noch/ daß angeregtes Privilegium allein der verſtor-
benen Toͤchter Maͤnnliche Leibs-Erben zur Succeſſion habilitierte, deren die
Hertzogin in Preuſſen keine/ dann allein Toͤchter verlaſſen: noch/ daß dieſelbe
Hertzogin den Fall nicht erlebt: noch/ daß die Pfaltzgraͤffin zugemuthetem
Verziecht zu leyſten/ Bedenckens gehabt/ auch auff dieſen Fall nicht wuͤrcklichen
verziehen haben ſolte: noch/ daß die Preuſſiſche pacta antenuptialia von der
Kaͤyſerlichen Majeſtaͤt nicht confirmiert ſeyn: noch/ daß dieſelbe dem aͤlte-
ſten Sohn von der aͤlteſten Tochter/ welche den Sterbfall erlebt/ an jhren
jure quæſito nicht præjudicieren koͤnnen: noch/ daß die juͤngſte Tochter in
angeregte Pacta nicht bewilliget habe; mit außgefuͤhrtem Beweiß/ vnd Vrſa-
chen der Ablehnungen.


Die Weltverſtaͤndige ſahen wohl/ daß dieſe Succeſſion nicht ohne Blut-
vergieſſen/ vnd Verheerung dieſer/ auch benachbarten Landen nicht wohl ab-
lauffen koͤndte. Darumb bemuͤheten ſich friedliebende Staͤnde/ ſonderlich
Landgraff Moritz in Heſſen/ ſo lang vnd viel/ biß ſich Brandenburg vnd New-
burg zu einer gemeinen Verwaltung dieſer Landen verſtunden. Jn deſſen
ſchickt der Kaͤyſer ſeine Commiſſarien, vnd kam Graff Henrich von der Marck/
deß Hertzogen von Bullion aͤlteſter Sohn/ mit Andeutung/ daß er vmb eine
guͤtliche Recompens ſeine Anforderung an die Graffſchafft Marck wolte fal-
len laſſen. Aber Chur-Sachſen meldet ſich an/ als haͤtte Kaͤyſerliche Ma-
jeſtaͤt jhme dieſe Landen zur Vergeltung ſeiner trewen Dienſten geſchencket.
Bey ſolchen ſchweren Zufaͤllen wurd ein Landtag gehalten/ vnd den regierenden
Raͤthen zu genuͤgen begegnet.


Die Frantzoſen erjnnerten ſich der vorigen Strittigkeiten/ vnter Kaͤyſer
Maximilian vnd Carlen dem Fuͤnfften; kamen mit Volck vnd Geſchuͤtz/ den
Proteſtierenden Fuͤrſten beyzuſpringen/ welche aber groß Bedencken getragen/
ſolcher frembden Huͤlff ſich zu bedienen. Aber Kaͤyſer Rudolff fertigt ab den
Ertz-Hertzog Leopold Biſchoff/ als ſein gevollmaͤchtigten Commiſſarium, weil
man deß Graffen von Zollern nicht viel wollen achten/ vnd gedachte dieſe Land/
biß zu Außtrag der Sachen/ dem Spanier zu gutem/ vnd dem Hauß Oeſter-
reich zu mehrem Auffnehmen/ zu verwalten; auff daß deß Reichs Hoheit an
ſeinen Lehen/ vnd die Intereſſenten an jhren Gerechtigkeiten nicht verkuͤrtzt wuͤr-
den. Das groͤßte Abſehen aber war/ daß der Koͤnig in Franckreich dem Chur-
fuͤrſte zu Brandenburg alle Huͤlff angebotten/ vnnd dem Hauß Oeſterꝛeich
ein ſolchen Brocken nicht goͤnnen moͤgen/ ſondern ſelbſt in dieſen Landen eine
Kriegs-
[209]Ander Theil.
Kriegsſchul auffrichten wollen. Der Ertz-Hertzog wurd zu Guͤlich eingelaſ-
ſen/ vnd verſahe den Orth mit allerhand Notthurfft von Coͤlln auß/ befahl
auch/ ohne ſein Wiſſen vnnd Willen keine Renthen zulieffern: welches
alles die Branden- vnd Neuburgiſche gar nicht achteten/ ſondern mit Gewalt
verfuhren/ auch wieder die zu Coͤlln publicierte vnd angeſchlagene Mandata
Comminationis
die Land-Staͤnde/ ſonderlich die Statt Dühren beſter maſſen
verſichert.


Vnd hie wolte der Religions-Krieg recht angehen/ da alles zuſammen
lieff/ wie Buttermilch: Engelland/ Pfaltz/ Wuͤrtemberg vnnd Baden
zu geſchweigen/ meldet ſich auch an/ vnd wolten die Hollaͤnder bey dieſem We-
ſen nicht die letzten ſeyn: Guͤlich wurd jmmerhin beveſtiget/ ſo vermehrte ſich
der Fuͤrſten Volck/ vnd kam ein Mandat ſine clauſulâ, alles in vorigen Stand zu
ſetzen/ biß zu Außtrag der Sachen: darneben arctiora Mandata an die Raͤthe/
Landſaſſen vnnd Staͤnde. Ein ſo reiches Lehen ſolte dem Hauß Oeſterꝛeich/
oder einem andern/ als den Prætendenten nicht uͤbel angeſtanden ſeyn/ wie vor
Zeiten die Weſtereichiſche Landen an die Graffen von Habßburg/ vnd das Her-
tzogthumb Meyland an das Spanien kommen iſt. Auch behielten vor Zeiten
die Kaͤyſer gantze Churfuͤrſtenthuͤmbe fuͤr jhre Kinder/ wie mit der Marck
Brandenburg mehr dann einmahl geſchehen.


Die beyde Fuͤrſten vnderlieſſen dennoch nicht/ die Regierung gleicher
Hand anzutretten/ vnd hie gieng es an ein offentliche Fehde; darumb die Pro-
teſtierende
Staͤnde zu Schwaͤbiſchen Hall/ vnd die Catholiſche zu Wuͤrtzburg
eine Zuſammenkunfft hielten/ jede Parthey dieſe Guͤlchiſche Laͤnder an ſich zu
bringen.


Darumb wurden die Leopoldiſche Voͤlcker im Elſaß verſamblet/ vnd auch
zerſtrewet/ weil es ſchiene/ nicht vmb die Guͤlchiſche Lande/ ſondern vmb das
gantze Religions-Weſen zu thun ſeyn. Zumahl auch dieſer Zeit Henricus
IV.
Koͤnig in Franckreich/ zwar zu den Catholiſchen ſich bekandt hatte/ nur
ſein new ererbtes Koͤnigreich deſto ruhiger zu beſitzen/ vnd dennoch mit einem
Calviniſten ſchwanger gieng/ auch ſechtzig biß in ſiebentzig tauſend Mann
muſtern lieſſe/ da man doch von keinem offentlichen Feind wiſſen/ als etwan
ein Anſchlag auff dieſe Guͤlchiſche Landen/ vnd dann eine Hoffnung
zu dem Teutſchen Kaͤyſerthumb vermuthen koͤnnen; darzu jhm die
Proteſtierenden ſehr ſolten geholffen haben/ mehr groͤſſere Freyheiten
von jhme in ſolchem Stand zu erlangen/ oder jhn gar wiederumb auff jhre
Seyten zu wenden. Er wurd aber Anno ein tauſend ſechs hundert vnnd ze-
hen/ in ſolchem Vorhaben erſtochen/ vnnd ſpuͤhrte man doch dieſen Nachdruck/
daß zehen tauſend Frantzoſen den Fuͤrſten zu Huͤlff herauß kamen/ als Printz
Ander Theil. D dMauritz
[210]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Mauritz Guͤlch belaͤgert vnd einnahm/ zu welchem Werck auch auß Engelland
merckliche Huͤlff war kommen.


Jn deſſen feyret Sachſen nicht/ ſondern nam die Kaͤyſerliche Citation
in obacht/ ſtellt ſich ein zu Prag/ vnderhielt in beyſein der Anweſenden Chur-
vnd Fuͤrſten die Lehen uͤber die Guͤlchiſche Landen/ gegen einem Revers, nemb-
lich daß das Hauß Sachſen potioris juris ſey/ vnd daß es mehr Recht zu dieſen
Landen/ als andere Prætendenten haͤtte zu demonſtrieren, Jtem daß die Catho-
liſchen in den Guͤlchiſchen Landen bey jhrer Religion geruhig vnd vnmoleſtiert
ſolten bleiben; daß der Marggraff von Burgaw/ vnd Hertzog von Nevers,
jhrer Forderung vergnuͤgt; daß Jhrer Mayſt. vnd Ertz Hertzog Leopolden die
auffgewendte Vnkoſten zu Erhaltung Guͤlch erſtattet werden ſolten/ beneben
wenigen Puncten mehr. Endlich verſtunden ſich nach vielem diſputieren,
Sachſen/ Branden vnd Newburg die Landen pro indiviſo zu poſſedieren vnd
zubeherꝛſchen. Doch blieben die zween poſſe dierende Fuͤrſten nicht lang
eynig/ in deme einer deß andern Geſatz vnd Ordnungen auffhube/ auch die
Religionen gegen einander vnter druckten/ oder befoͤrderten/ auch der Churfuͤrſt
zu Brandenburg ſich gar an die Staaden der vereinigten Niederlanden ge-
haͤngt/ vnd jhnen die Veſtung Guͤlich eingeraͤumet; Newburg aber gar zu der
Catholiſchen Religion zuruͤck getretten/ vnd die Spanier zum Schutz-Herꝛen
angenommen: ohne daß ein Vergleich vorgangen/ von zweyen Hoffhaltungen/
vnd Abtheilung der Laͤnder/ in zwey gleiche Theil/ ohne præjuditz, vnd nur pro-
viſionaliter.


An dieſem Paß ſchiene das Fewer dem duͤrꝛen Holtz ſehr nahe/ vnd haͤtten
die Catholiſche nur ein muthiges Haupt haben muͤſſen/ das Werck anzugreiffen
vnd durchzufuͤhren: Doch haͤtte ſich Franckreich/ Engelland vnd Denne-
marck mit eingeflochten/ vnd nebenden Hollaͤndern der Roͤmiſchen Kirchen
vielleicht den Garauß machen koͤnnen. Gleichwohl gab es andere vielſchwe-
rere Haͤndel zu Prag/ welche Biſchoff Cloͤſell ſoll geſtifftet haben/ darumb er
auch hernacher/ vnerachtet ſeines Cardinalats/ in Verwahrung genommen
worden. Der Vrſprung ruͤhrte daher/ daß Kaͤyſer Rudolff den Hitzigen vnd
Eyferern etwas zu gelind regierte/ vnd den Proteſtierenden, auß Lieb ſeiner
zeitlichen Ruhe/ vnd Verpflegung ſeines Willens/ nur zu viel durch die Finger
ſahe/ nicht bald ſelbſt ſich der Regierung annahme/ ſondern bey ſeinen Kuͤnſtlern/
vnd Damen ſich enthielte: Darumb der Roͤmiſch. Kirchen mit einem ſolchen
Beſchirmer wenig bedient were.


Die Cleriſey hatte ein Aug auff Ertz-Hertzog Carlens in Oeſterꝛeich
Sohn/ Ferdinanden/ der in der Zucht ſeiner Mutter/ Hertzogin Annen
auß Baͤyern zu ſonderem Eyfer/ die Roͤmiſche Religion wieder in Auff-
nehmen zu bringen/ war aufferzogen/ vnd dem Pabſt zu Rom beſter maſſen
recom-
[211]Ander Theil.
recommendiert worden/ auch ein ſonderlich Gelübd gethan/ ehe er die Regie-
rung zu Graͤtz angetretten/ die Ketzer außzutreiben/ vnd ſeine Landen der Roͤmi-
ſchen Religion allein zu vnderwerffen. Biſchoff Cloͤſell erachtet vor vnbillig/
daß die vier Ertz-Hertzogen/ Ernſt/ Matthias, Maximilian vnd Albrecht Kaͤyſers
Rudolphi Bruͤder/ ſo gar neben dem Kaͤyſerthumb ſolten hingehen/ vnd ſolche
Hoheit dem juͤngern Stamm uͤberlaſſen. Darumb ermuntert er den Ertz-
Hertzogen Matthiam, weil Kaͤyſer Rudolff keine Leibs-Erben hatte/ Ertz-Her-
tzogen Ferdinand in Reichs-Geſchaͤfften vor andern brauchte/ vnd Ertz-Hertzog
Ernſt die Niederlanden regierte/ auch der Weiber gar nicht achtete/ wegen eines
Wurms in ſeinen Nieren/ wie man nach ſeinem fruͤhzeitigen Tod verſpuͤhret/
vnd demnach keine Leibs-Erben hinderlaſſen wuͤrde/ nach der Kaͤyſerl. Hoheit zu
trachten/ ehe jhm ein ander fuͤrkaͤme.


Zu ſolchem End macht jhm Ertz-Hertzog Matthias in Oeſterꝛeich ein
Anfang/ vnd zwang Kaͤyſer Rudolffen/ jhme beyde Cronen/ Hungarn vnd Boͤ-
heimb abzutretten/ ſonderlich aber bey den Staͤnden das Kaͤyſerthumb zu be-
ſcheyden. Vnderdeſſen hielte ſich zwar Ertz-Hertzog Ferdinand ſtill/ vnderließ
dennoch nicht ſein Karꝛn heimblich fortzutrucken/ ließ Biſchoff Leopolden/ ſein
Bruder/ (der vielleicht die Kaͤyſerliche Cron eben gern/ vnd lieber als ein doppele
Biſchoffshaub tragen wollen) mit ſeinen Paſſawiſchen Voͤlckern/ vnd Lothrin-
gern rumoren/ biß es auch an Matthiam kommen/ vnd alle Hoheiten deß Hauſes
Oeſterꝛeich/ dem Ertz-Hertzogen Ferdinanden heimb gewachſen ſind. Solte
aber in ſelbigen Zeiten das Hauß Oeſterꝛeich einig geweſen ſeyn/ vnd vnter
einem tapffern Ertz-Hertzogen die Proteſtierenden wollen bekriegen/ haͤtte der
Religions-Krieg vmb zehen Jahr eher muͤſſen angehen; Zumahl man
Oeſterꝛeichiſcher Seyten mehr dann zu viel Vrſachen darzu
haben koͤnnen.



Der
[212]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der zwantzigſte Diſcurß.


Wie die Statt Donawerth wegen deß Abts in die Kaͤyſerl. Acht/ vnd
endlich in deß Hertzogen in Baͤyern Gewalt gerahten. Wie die Statt
Aach in die Acht gefallen/ vnd von den Proteſtierenden entledigt worden. Wie
die newe Statt Muͤlheimb nicht koͤnnen zu jhrer Vollkommenheit gelangen.


ES ſeynd aber neben den Ertz- vnd Biſthuͤmben/ Fuͤrſtenthuͤm-
ben vnd Koͤnigreichen/ etliche Staͤtte in das Spiel gezogen worden/
daß ſie manche Veraͤnderung entweder außgeſtanden/ oder gewaͤrtig
geweſen/ die erſte Statt mag ſeyn Donawerth/ welche vnder die Reichs-Staͤtte
biß dahin gezehlet/ vnd die Augſpurgiſche Confeſſion, wie andere mehr/ ange-
nommen; einen Abt aber in der Statt gelaſſen. Jhr Vngluͤck iſt auß ge-
ringen Vrſachen/ vnd daher fuͤrnemblich entſprungen/ daß der Burgermeiſter
vnd Rath daſelbſt gemeldtem Abt zum Creutz/ Benedictiner-Ordens/ die Pro-
ceſſion
in der Creutz-Wochen vnd ſonſten/ mit fliegenden Fahnen mitten durch
die Statt/ vnd uͤber offentliche Straſſen nicht verſtatten wollen; auch zu ver-
ſtatten von Rechtswegen nicht ſchuldig zu ſeyn gemeint/ ſondern dem Abt jeder-
zeit/ wann er ſich dergleichen vnderſtanden/ als einer Newerung widerſprochen/
vnd dieſelbe einzuſtellen begehrt: Jn Anſehung/ daß der Abt ſolches procedie-
rens
vnbefuͤgt/ ja daß es dem Rath gegen den Evangeliſchen Staͤnden zu leyden
vnverantwortlich were/ dadurch die Buͤrgerſchafft geaͤrgert/ vnd jrꝛgend ein
Vnglück daruͤber/ denen ſo den Fahnen nachfolgen/ begegnen moͤchte. Daran
ſich aber der Abt gar nicht gekehret/ ſondern dem Magiſtrat zu Verdruß ſeine
Proceſſion continuiert, vnd ſo ſtarck als er gekoͤnt/ auffgezogen kommen: darbey
ſich dann auch Georg Fuggers Hauß geſind finden laſſen/ welches dahero ſich
der Proceſſion beyzufügen Vrſach bekommen/ weil jhr Herꝛ zu Donawerth
wohnhafftig/ oder doch zu vnd abzuziehen pflegte.


Nun begab es ſich Anno 1604. als die Proceſſion mit fliegenden Fahnen
zum Donawthor hinauß gezogen/ vnd nach verꝛichter Walfahrt wiederumb
in die Statt hinein gewolt/ daß etliche Buͤrger in ziemblicher Anzahl ſich zwiſchen
die Thor gemacht/ vnd ſich zum Angriff geſtellt. Wie nun die Fahnentraͤger vn-
der das Thor kommen/ haben ſie jhnen die Fahnen auß den Haͤnden geſchlagen/
ſie vnd die jenigen/ welche jhnen auß der Proceſſion beygeſtanden/ abgeblawen/
vnd einen ſolchen Rumor erwecket/ daß ſich die von der Proceſſion verkriechen
muͤſſen. Darnach ſind allerhand ſchimpffliche Reden von der Buͤrgerſchafft
wieder
[213]Ander Theil.
wider den Pabſt vnd ſeine Religion, wider den Hertzogen von Baͤyern/ ja wider
Jhre Majeſtaͤt ſelber außgegoſſen worden/ welche von den Procedenten mit
Fleiß auffgefangen/ vnd hernach an den Kaͤyſerl. vnd Baͤyriſchen Hoff uͤbertra-
gen worden. Hierauff hat der Abt am Kaͤyſerlichen Hoff ein Mandatum Pœ-
nale,
dahin verlautend erhalten/ daß er bey ſeinem Herbringen deß Exercitij
Catholiſcher Religion, inſpecie der offentlichen Proceſſion per mediam civita-
tem,
von Buͤrgern vnd Rath ſollen gelaſſen werden. Darauff Burgermeiſter
vnd Rath der Statt Donawerth jhr außführliche Exceptiones, Sub \& Objectio-
nes
eingebracht/ welche aber nicht geachtet wollen werden/ ſondern noch Befehl
dahin gegangen/ daß der Baͤyerfürſt dem Abt die Hand bieten/ vñ jhm in ſeinem
Vorhaben helffen ſolte. Endlich hat der Abt ſo viel erhalten/ daß die Kaͤyſerl.
Achts-Erklaͤrung uͤber die Statt iſt ergangen/ vnder dato dem dritten Auguſti/
1607. darauff ſich dann die Donawerther erbotten/ den Abt mit fliegenden Fah-
nen durch die Statt gehen zu laſſen/ auch anders zu verſtatten/ nemblich dz Paͤbſti-
ſche Bürger nicht allein in Rath auffgenommen/ ſondern auch ferners/ da Pa-
piſten/ ſo vmbs Burger-Recht anhielten/ ſelbige darzu kommen zu laſſen/ vnd
ſolches zu bekraͤfftigen/ ein Obligation von ſich zu geben.


Es hat aber diß der Statt Donawerth Erbiethen gar nichts gelten noch
helffen wollen/ ſondern der Baͤyerfuͤrſt hat ſich der von Kaͤyſerlicher Majeſtaͤt
zur Execution jhm gegebene Vollmacht gebrauchet/ vnd den dritten November
den Kaͤyſerlichen Herold mit etlichen ſeinen Geſandten in das Staͤttlein Rayn
nahend darbey abgefertiget/ welche auff jhr daſelbſt Ankunfft nach Donawerth
geſchickt/ vnd der Bürgerſchafft Reſolution zu wiſſen begehrt/ ob ſie das jenige
approbieren wolten/ ſo der Rath hiebevor vnderſchrieben vnd eingangen/ nemb-
lich die Geiſtlichen in jhrer Proceſſion, allda durch die Statt vngehindert paſſie-
ren zu laſſen. Darauff dann der Rath ſechs vnd die Gemeine auch ſechs Mann
zum Außſchuß deputiert. Als ſie nun nach Rayn kommen/ hat man die Thor
alßbald nach jhnen geſperꝛet/ vnd ſie in Arꝛeſt genommen/ wie auch mehr andere/
ſo die von Donawerth/ die andern abzuhohlen/ dahin geſand/ von welchen doch
die Baͤyeriſche Geſandten allein fuͤnff behalten/ dieſelben nach Moͤnchen/ zu den
zween andern zuvor Gefangenen fuͤhren/ vnd die andern wieder nach Hauß zie-
hen laſſen.


Weil dann die Buͤrgerſchafft nichts bewilligen wollen/ als hat der Kaͤyſerliche
Herold/ mit ſeinem Herolds-Kleyd/ den zwoͤlfften November/ mit gewoͤhnlichen
Trommetenſchall/ auff einer Wieſen vor Donawerth/ Wantzenaw genant/ die
Statt ſampt der gantzen Buͤrgerſchafft/ auch alle die jenigẽ/ ſo jhnen mit Zufuͤh-
rung einer oder der andern Sachẽ im geringſten Huͤlff erweiſen/ in die Acht/ oder
Vogelfrey erklaͤrt: darauff die Buͤrger von der Donawbruͤcken alles biß auff die
Baͤume abgeſchriffelt/ ſolche im Nothfall alßbalden abzubrechen/ doch den Paß
D d iijmit
[214]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
mit den Wein vnd Guͤter-Waͤgen/ auch ſonſten zu Roß vnd Fuß durch zuwan-
deln/ offen gelaſſen; Jm Gegentheil aber hat ſich der Baͤyerfuͤrſt ſtarck geruͤ-
ſtet/ vnd in groſſer Eyl ein Laͤger von zehentauſent Mann zu Fuß/ vnd ſieben
hundert Pferden zuſammen gebracht/ vnd ſelbiges voͤllig/ neben drey Carthau-
nen/ viel Feldſchlangen/ auch etlich hundert Waͤgen mit Munition vnd Pro-
viant von Muͤnchen auß nach Baͤyern/ ein Meil von Donawerth/ dieſe Statt
mit Ernſt anzugreiffen/ geſchickt. Dem hat aber der Pfaltzgraff den Durch-
zug abgeſchlagen/ welcher ſeine Landsleuth/ den Adel/ vnd hundert Fraͤnckiſche
Reuter/ vnder dem Rittmeiſter Fuchß bey ſich gehabt/ auch von Hochſtett auß/
biß gen Newburg/ die Paͤß/ vnd ſonderlich wo es Bruͤcken hat/ ſtarck beſetzt/ auch
den Schellenberg nechſt bey Donawerth/ vnd vom Berg an/ biß auff den Hoff-
marck Ziegenhayn/ ſein Land mit ſechs hundert Bawren ſtarck verſchantzen
laſſen. Weil aber dieſes gegen der Baͤyeriſchen Macht zu wenig/ als hat die
Statt Donawerth/ nach dem ſie ſonſten keine Huͤlff geſehen/ auch die Buͤrger
nicht recht eynig geweſen/ Sontags den ſechs zehenden December/ acht Mann
nach Northeimb geſchickt/ mit Anzeigung/ daß ſie die Schluͤſſel zu der Statt
übergeben wolten. Darauff dann folgenden Montags Morgends zu acht
Vhren die Baͤyeriſchen mit etlichen Faͤhnlein hinein gezogen/ das Rathhauß
ein- vnd den Buͤrgern die Wehren abgenommen/ auch das Volck hin vnd wie-
der in die Statt einloſiert: die haben darnach ein Viſitation der Bürger Haͤu-
ſer vnd jhres Vermoͤgens gehalten/ doch nicht viel Baarſchafft/ aber wol viel
Schulden/ ſonderlich bey gemeiner Statt befunden: die Rüſtungen/ Wehren/
Buͤchſen/ auch etliche Stuͤcklein/ haben ſie mit ſechs Waͤgen nach Rayn ge-
fuͤhret/ vnnd die Pfarꝛkirchen allerdings zum Paͤbſtiſchen Gebrauch zu-
gerichtet.


Es war aber noch vor der Belaͤgerung eine Zuſammenkunfft deß Schwaͤ-
biſchen Crayſes nach Vlm angeſtellet/ zuberathſchlagen/ wie dieſer betrangten
Statt auff das foͤrderlichſte zu helffen. Daſelbſt fanden ſich alßbald die Kaͤy-
ſerliche Geſandten/ vnd warneten/ man ſolte ſich in ein außgemachte Sach nicht
legen/ vnnd die Execution der Kaͤyſerlichen Acht nicht hindern: Welches die
Staͤnde hoͤfflich ablehneten/ zumahl jhr Vorhaben einig vnd allein dahin ziehlte/
daß die Statt wieder zu Gnaden kommen moͤchte/ dergleichen Vorbitt zu keinen
Argenkoͤndte außgelegt werden. Als nun die Statt ſich ergeben/ ſchrieben ſie
an den Hertzogen von Baͤyern/ die Statt bey jhren wohlhergebrachten Geiſt-
vnd weltlichen Freyheiten zu laſſen: vnd an die Chur- vnd Fürſten deß Reichs/
ſie wieder zu verſoͤhnen/ vnnd auff dem bevorſtehenden Reichs-Tag in vorigen
Stand zu ſetzen.


Als nun im folgenden Jahr der Reichs-Tag zu Regenſpurg angieng/
wolten die Proteſtierende den Religions-Fried bekraͤfftiget: Die Catholiſche
aber
[215]Ander Theil.
aber alles eingezogene von Anno 1555. her/ reſtituiert haben; vnd wurd nichts
außgerichtet/ weil es in Oeſterꝛeich vnd Bohem Tumult geben. Gleichwohl
verſpührte Kaͤyſerl. Mayſt. daß die Proteſtierenden dieſen Proceß hoͤchlich
empfunden/ vnd jhme nichts mehr zu Willen ſeyn würden; darumb wurden
Kaͤyſerliche vnd Baͤyeriſche Commiſſarien nach Donawerth abgefertiget/ ſo die
Buͤrgerſchafft wieder auß der Acht vnd ins Kaͤyſers Gnade ſetzten: Auch ſolten
ſie ein Reichs-Statt genennet/ aber der Statt Gefaͤll dem Hertzogen gereichet
werden/ biß der Pfandſchilling deß auffgewendeten Vnkoſtens abgeloͤſt were.
Darauff ein newer Rath gewehlt/ vnd der Newe Calender zu brauchen/ auffer-
legt worden/ vnd weil die Proteſtierenden hieran ſich noch nicht vergnuͤgen lieſ-
ſen/ verſprach der Kaͤyſer/ den Hertzogen auß Baͤyern anderwerlich zu conten-
tieren,
vnd die Statt in voͤlligen vorigen Stand zu ſetzen; welches aber biß dato
erſitzen blieben.


Hieſpuͤhrt man/ daß die Cleriſey an jhrem Orth nicht gefeyret/ vnnd den
Politicis an die Hand gegeben/ wie die Roͤmiſche Religion wieder einzufuͤhren
were. Die Politici aber haben nur verſuchen wollen/ wie es moͤchte ablauf-
fen vnd auffgenommen werden/ wann man ein Glied von den Proteſtierenden
ſolte uͤberziehen. So befand ſich zwar ein Ernſt/ aber nur mit Worten/ vnd
wurd offenbar/ daß die Proteſtierenden mehr eyferiger ſind/ jhre Religion fort-
zupflantzen/ als dieſelbe zu erhalten/ wie bey Einziehung der Biſthumben/ vnd
bey Behauptung der Statt Donawerth zu ſehen iſt. Die Vrſach moͤchte ſeyn/
daß bey Donawerth kein Fiſch zu fangen/ ſondern nur Muͤhe/ Verdruß/ Vnko-
ſten vnd Feindſchafft zu gewinnen war; Vnd daß es eine gantz andere Gelegen-
heit hat vmb ein Biſthumb/ welches Land vnd Leut/ auch fette Præbenden mit
ſich bringet. Vnd wer will die Vnion-Verwandten in ſo kurtzer Zeit/ zu noth-
wendigen Speſen bringen [...] Diß merckte deß Tuͤrckiſchen Kaͤyſers Abgeſandter
auff dem Reichs-Tag zu Franckfurt/ dahin man jhn gern kommen laſſen/ die
ſchoͤnen fruchtbare wohlbewohnte Landſchafften der Teutſchen/ vnd dann die
Majeſtaͤtiſche Staͤnde beyſammen zu ſehen/ als man jhm zu Ehren ein Laute-
niſten ließ kommen/ welche Kunſt bey den Tuͤrcken ſonſt nicht bald zu finden; der
aber ſehr lang an den Seiten auff vnd abhaſpelte/ biß er ſie in eine Harmoney
bringen koͤnnen/ vnd doch endlich nichtsſonderlichs/ (nach deß Barbariſchen
Menſchen Verſtand/ der den Eſellieber hiehaxen/ als den Lerch tirelieren/ oder
die Nachtigal zwittern hoͤrte) daher machte; darauff hoͤhniſch geſprochen/ Alſo
gebe es viel Reichs-Tage/ vnd werde doch wenig verꝛichtet. Vnd hat nach
ſeiner Landsart mehr dann wohl geredt: dann wann der Tuͤrck mit ſeinen wei-
chen zarten Aſiatiſchen-Voͤlckern etwas außrichtet/ was wuͤrde er koͤnnen thun/
wann jhm ſolche Kern/ vnd hertzhaffte Nationen, als die Teutſchen/ auff das
geringſte Wincken muͤſten Gehorſamb leyſten? vnd eben ſolches Vrtheil faͤllete
Pyrrhus
[216]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Pyrrhus von den Roͤmern ſeiner Zeit/ als er ſie ſahe auff dem Tummel-Platz
alle vor ſich auff den Angeſichten liegen/ vnd keinen auff dem Ruͤcken als fluͤch-
tigen/ ſondern alle am Geſicht/ vnd auff der Bruſt verwundet/ daß er mit der-
gleichen Soldaten die gantze Welt getrawte zu uͤberwinden. So haben dann
die Proteſtierende erwieſen/ daß ſie gern querulieren/ vnd mit dem Mund frey
ſprechen/ aber in der Noth die Finger nicht gern verbrennen: Hingegen erwie-
ſen die Catholiſche Staͤnde/ daß ſie die Befoͤrderung jhrer Religion ohne Neid
vnd Mißgunſt ſuchen/ dannenhero dem Hertzogen in Baͤyern den Lohn ſeines
Eyfers gern goͤnnen/ daß er Donawerth beherꝛſche.


Aber ein wiedriges wird ſich erweiſen an der Statt Aachen/ in welcher ſich
von vielen Jahren her die Schweitzeriſchen vnd Genffiſchen Confeſſions-Ver-
wandten je laͤnger je ſtaͤrcker gemacht; weil dieſe Statt vor allen andern im Roͤm.
Reich zum Gewerb ſonderliche Freyheiten hat/ vnd von einem Ballen Waar
nicht mehr dann ein Heller auff jedem Zoll/ neben Vorzeigung gebuͤhrlicher
Atteſtation zahlt: von Carolo Magno alſo begnadiget/ vnd wegen dieſes erſten
Teutſchen Kaͤyſers Begraͤbnuß an dieſem Orth/ auch Verordnung der Kaͤyſ.
Croͤnung daſelbſt zu ewigen Zeiten/ von allen Nachkommen am Reich/ wohl
bekraͤfftiget vnd gehalten. Darumb ſie im Jahr 1581. ſich berathſchlagten/
wie ſie folgendes Jahr die jenigen zum Burgermeiſter-Ampt erheben koͤndten/
die jhrer Religion zugethan oder guͤnſtig waren. Als ſolches Kaͤyſer Rudolff
erfahren/ ſchrieb er jhnen ernſtlich zu/ ſie wolten ſolche gefaͤhrliche Newerun-
gen vermeyden vnd vnderwegen laſſen. Aber die zu Aach beantworteten das
Schreiben/ ſie gedaͤchten bey der vhralten Catholiſchen Religion vnaußgeſetzt
zu beharꝛen/ vnd wolten ſolches ehiſter Zeit durch eine beſondere Bottſchafft
Jhrer Majeſtaͤt mit mehrem bezeugen. Vnder deß wurd Hertzog Ernſten auß
Baͤyern/ der newlich zu einem Biſchoff zu Luͤttich erwehlet worden; auch Hertzog
Wilhelmen von Cleve anbefohlen/ ſie wolten verſchaffen/ daß im vorſtehenden
Chur-Tag die jenige zu Burgermeiſtern voran kaͤmen/ ſo in der Religion nichts
aͤndern ſolten: Gleichwohl aber geſchahe/ daß bey der Wahl beyde Partheyen
gleiche Stimmen hatten/ vnd die zween Catholiſche von den Abgeſandten be-
ſtaͤttiget worden. Weil aber die andern zween/ jhre gleiche begehrte Beſtaͤtti-
gung nicht erlangt/ die Schluͤſſel der Statt bey ſich behalten/ entſtund ein Auff-
ruhr. Die Calviniſten ſpanneten die Ketten vor den Gaſſen/ lieffen in jhrer
Ruͤſtung vor das Rahthauß/ vnd zogen das grob Geſchuͤtz zu den jenigen Tho-
ren vnd Thürnen/ die ſie innen hatten; doch ohne ſonderlichen Schaden.
Folgenden Tags kamen ſie ins gemein zuſammẽ auff das Rahthauß/ vnd bere-
deten ſich durch jhren Außſchuß beyderſeits/ wie eine Vergleichung zu allen
Seyten anzuſtellen.


Als hievon Kaͤyſer Rudolff Bericht bekom̃en/ ſchrieb er abermal an die Statt/
vnd
[217]Ander Theil.
vnd erließ zwar den Vnderthanen die Schuld/ wegen deß erweckten Aufflauffs/
aber mit dem Beding/ daß ſie hinfuͤhro im Frieden verbleiben/ der Religion hal-
ben nichts aͤndern/ die Prediger vnd Auffruͤhrer abſchaffen/ den Papiſten aber
jhre Guͤter wieder einraͤumen ſolten. Nicht weniger bemuͤhet ſich auch Chur-
fuͤrſt Auguſtus zu Sachſen/ vnd Hertzog Johann Georg Churfuͤrſt zu Bran-
denburg/ bey Jhrer Kaͤyſerl. Mayſt. ſie wolte nicht zulaſſen/ daß durch Erhaltung
der entſtandenen Vnruhe/ andere Fürſten Gelegenheit nehmen/ die Statt mit
Gewalt/ nicht ohne groſſen Schaden deß Roͤmiſchen Reichs einzunehmen vnd
zu bezwingen: dadurch ſie ſonder Zweiffel den Spanier verſtanden/ deren An-
ſchlaͤge zu verhuͤten/ bothen beyde Churfuͤrſten Kaͤyſerlicher Mayſt. jhre Huͤlff
an; mit der neben-Bitte/ ſolche jhre Vorbitt in Gnaden zuvermercken vnd
auffzunehmen. Der Kaͤyſer aber nam wieder verhoffen die beyde Chur-
fuͤrſtliche Anerbietungen in Vngutem auff/ vnd ſchrieb an dieſelbe ernſtlich/ mit
Anzeigung/ wie die zu Aach wieder jhren Ayd vnd alten Gebrauch/ die Obrigkeit
zu erwehlen/ Newerungen in der Religion einfuͤhren wolten/ vnd uͤber das wider
den wahrhafftigen Verlauff der Sachen/ die beyde Churfuͤrſten anderſt berich-
tet/ vnd zu vnbilligem Schutz erſuchet haͤtten. Schriebe darneben ferner an die
zu Aach/ ſie wolten ohne einigen Verzug vnd Außflucht pariren/ vnd Kaͤyſer-
lichem Willen nachgeleben. Vnd ob wohl andere Reichs-Staͤtte vmb Milte-
rung deß gefaßten Schluſſes gebetten/ hat doch ſolches der ſonderlichen Vrſa-
chen halben nichts hafften moͤgen/ weil die Papiſten vmb Außtreibung der Fran-
tzoͤſiſchen Prediger ohn vnderlaß bey Kaͤyſerlicher Mayſt. angehalten: haben
alſo die Reformierte dieſes mahl zu jhrem vorhabenden Zweck nicht gelangen
moͤgen.


Endlich wurd es durch die Papiſten ſo weit gebracht/ daß Anno 1598. die
jenige mit einander/ ſo wieder ſie geweſt/ proſcribiert, vnd in die Acht erklaͤret
worden. Vnnd ob wohl vor dieſem die Statt auch einmahl in die Acht kom-
men/ iſt es jedoch nie ſo arg vnnd ſtreng geweſen/ als dieſes mahl: Dann auch
alſobald die Execution dem Hertzogen von Guͤlich anbefohlen worden. Vnd
ob wohl der Reformierten Kirchen alſobald zugeſchloſſen/ vñ ſichs anſehen lieſſe/
als ob ſie vacieren wuͤrden/ ſonderlich weil der banniſierte Rath von ſich ſelbſt
abdancken wollen/ iſt doch ſolches noch eine Zeitlang in der Wag geſtanden.
Als man aber etliche Reformierten wegen der Kinder-Tauff geſtrafft/ auch
weil ſolche die Gevattern vnd jhre Mitgeſellen nicht verꝛathen wollen/ gefaͤng-
lich eingezogen; als haben die Staaden von Holland einen Trommeter mit
Brieffen dahin geſand/ deß Jnhalts/ daß gedachte Herꝛn zuſehen ſolten/ was ſie
mit ſolchen Lenthen zu thun haben; dann ſie keine Tuͤrcken oder Heyden/ ſon-
dern ſo wohl Chriſten als ſie ſeyn/ vnd derowegen ſolche wieder loß laſſen; wo
nicht/ ſolten ſie genugſamb zu ſchaffen finden. Darauff gedachte Herꝛn zu
Ander Theil. E eRath
[218]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Rath gangen/ vnd die Gefangenen wieder auff freyen Fuß geſtellt/ auch dieſe
Schreiben den Herꝛn zu Coͤlln nachmahls communicieret. Gleicher Maſſen
gieng den fuͤnfften Hornung dieſes ein tauſent ſechs hunderten Jahrs ein Trom-
peter mit Schreiben an den Rath zu Coͤlln/ gleiches Jnhalts ab.


Wie es aber eygentlich zu Aachen ergangen/ kan beſten theils auß der E-
vangeliſchen ſelbſtey genem Schreiben/ an die Herꝛn Guͤlchiſche Commiſſarien
verſtanden werden. Nachdem ſich allerhand Jrꝛſall vnd Mißverſtand zwiſchen
einem Erbarn Rath vnd Gemeind dieſes Koͤniglichen Stuhls vnd Statt Aach
eine zeitlang erhalten/ alſo daß die Sachendlich den 5. Julij 1611. zum Auff-
ſtand gerathen/ vnd aber Chur-Brandenburg vnd Hertzog von Newburg ſich
auff der Religions-zugethanen Buͤrger vnderthaͤniges Anhalten/ gnaͤdig ge-
fallen laſſen/ E E. hieher abzuordnen/ obangedeute Gebrechen in der Guͤte zu
entſcheiden/ vnd in Richtigkeit zu bringen: Jſt zu wiſſen/ daß die Anzahl der
Religions-Verwandten in dieſer Statt Aach ſich vor dreiſſig/ viertzig vnd funff-
tzig Jahren dermaſſen gemehret/ daß der meiſte vnd fuͤrnehmbſte Theil der Buͤr-
ger ſich zu der Augſpurgiſchen vnnd Reformierten Confeſſion bekandt haben/
dermaſſen daß die Religions-Verwandten nicht allein bey der gemeinen Buͤr-
gerſchafft/ ſondern auch ber einem Erbarn Rath wohl zwey dritte Theil gemacht
haben/ vnd daß alſo der vorige Rath die offentliche Exercitia der Religion anzu-
ſtellen/ erlaubt vnd zugelaſſen hat. Darauff dann erfolgt/ daß die hieſige Geiſt-
ligkeit die andern Buͤrger/ ſo ſich Catholiſch genant/ zum wiederſetzlichen Eyfer
erꝛegt/ vnd durch Mittel derſelben allerhand Vnruhe in der Statt angerichtet/
alle Benachbarte Fuͤrſten vnd Herꝛn wider den vorigen Rath angeruffen/ vnd
denſelben mit den offentlichen Exercitijs der Religion abzuſchaffen/ euſſerſten
Vermoͤgeus ſich befliſſen haben: Als ſie aber durch ſolche Mittel jhr vorgenom̃en
Intent durch zubringen nicht vermoͤcht/ endlich die Sach an deß Roͤmiſ. Kaͤyſers
Hoff gebracht/ vnd daſelbſt ſo viel erhalten/ daß der vorige Rath durch die in Año
93. ergangene Kaͤyſerliche Reſolution, removiert, vnd die offentliche Exercitia
der Religion, mehr gedachter Buͤrgerſchafft abgenommen/ die Religions-Ver-
wandten mit groſſen Geldſtraffen beladen/ die heimbliche Exercitia der Religion
verhindert vnd geſtrafft/ auff die Einſegnung der Eheleuthen/ Kinder-Tauff/
Begraͤbuuß der Toden/ beſondere Geldſtraffen geſtellt/ die Buͤrgerliche Frey-
heit den Religions-Verwandten in viel Weg geſchmaͤhlert/ vnd die alte Wahl
der Religions-Verwandten/ nach lant deß alten Gaffel- vnd Zunfft-Brieffs/
den Religions-Verwandten gaͤntzlich abgeſtrickt worden; Alſo daß demſelben
auß dem Jahr 98. biß eylff/ vnſaͤgliche Trangſaln/ Betruͤbnuß vnnd Schaden/
dardurch etliche in euſſerſt Verderben geſetzt/ vnd andere jhr Vatterland verlaſ-
ſen/ vñ ſich in dz Exilium begeben muͤſſen) zugefuͤgt worden/ vnd dieſelbe/ welches
dz allerbeſchwerlichſte iſt/ die Exercitia der Religion ſo viel Jahrlang entrathen
muͤſſen.
[219]Ander Theil.
muͤſſen. Ob nun wohl die Guͤlchiſche Herꝛn die offentliche Exercitia der Reli-
gion
bey Weyden auff dem Buſch anzuſtellen/ vnd maͤnniglich dieſelbe anzuhoͤ-
ren erlanbet daß die Predigten mit ziemblicher Anzahl beſucht worden: Ob auch
ſchon ſolches in Kaͤyſerlicher Reſolution mit dem geringſten Wort nicht verbot-
ten/ vnd keiner mit einiger Red-Billigkeit vnd Fugen in dieſer freyen Reichs-
Statt/ da daß Regiement zwiſchen gleichen freyen Buͤrgern in Democratiâ be-
ſtehet/ verbotten werden/ weil man die Exercitia Goͤttlichen Worts in der Statt
nicht leyden will/ auſſerhalb der Statt/ auff anderer Herꝛn Grund vnd Boden/
die Predigten ſolten viſitieren moͤgen: So hat ſich doch in der That beg ben/
daß ein erbahrer Rath auch ſolche Predigt auſſerhalb dem Reich/ von Aach auff
Fuͤrſtlichem Grund vnd Boden/ zu der Weyden/ vnd zu Stollbergen/ den Buͤr-
gern vnd Reichs-Vnderthanen zu beſuchen/ nicht geſtatten wollen/ ſondern
dieſelben durch ein offentlich angeſchlagen Edict bey deß Raths Straff verbottẽ/
vnd etliche Buͤrger vnd Reichs-Vnderthanen (ob gleich deren etliche auff Guͤl-
chiſchẽ Forſtguͤtern wohnhafft geweſen) mit dem Graß (welches ein Buͤrgerliche
Verhafftung iſt) vnd Pfortzen Gebott/ wie auch mit Gelt-Buſſen geſtraffet hat.
Vnd vnder anderm fuͤnff nahmhafften Perſohnen/ wofern ſie die aufferlegte
Straff bey dem fünfften Julij nicht erlegen werden/ angedeutet/ daß jhnen die
Buͤrgerliche Gerechtigkeit vnnd Haͤußliche Beywohnung auffgekuͤndet ſeyn
ſolte/ alſo daß dieſelbe einmals mit Weib vnd Kind/ von Hauß vnd Hoff/ in das
Elend verwieſen worden.


Nach dem nun gemeine Buͤrgerſchafft alle Beſchwernuſſen/ ſo derſelben
auß dem Jahr 98. biß anhero/ mit Abnehmung der offentlichen Exercitien, der
Religion, mit Vernewerung deß Raths/ mit der Achts-Erklaͤrung/ vnd darbey
abgenommenen vnertraͤglichen Geldſtraffen/ in gleichen mit den Buſſen/ ſo ſie
wegen Einſetzung der Eheleuten/ vnd Kindertauff/ ſo geraume Zeit/ neben
andern jhnen zugefuͤgten Schaden/ bezahlen muͤſſen/ zu Hertzen vnd zu Gemuͤth
gefuͤhrt; vnd darbey erachtet/ wann ſie auch dieſen Verbotten vnd Straffen ſtill-
ſchweigend laͤnger zuſehen ſolten/ daß alßdann den Religions-Verwandten/
durch ſolche Mittel/ alle jhre Exercitia der Religion, auch an frembden Orthen
benommen/ vnd dieſelbe dadurch viel ſchwerlicher dann zuvor durch das Cenß-
Gericht geſtrafft/ vnd ein guter theil der Buͤrger/ welche ſo groſſe Geltſtraff zu er-
legen nicht vermoͤgt/ auß jhrem Vatterland in das Elend verjagt/ vnd die Statt
von dem meiſtentheil der Buͤrger erledigt werdẽ muͤſte. Als hat ſich begebẽ/ dz er-
meldte Buͤrger ſich hin vñ wieder in d’Statt uͤber ſolche Beſchwernuſſẽ beſprochẽ/
vnd dahin geſchloſſen/ daß ſie ſich in aller Still/ vnd in ziemblicher Anzahl auff dz
Rahthauß verfuͤgen/ den Buͤrgermeiſtern/ Ampttraͤgern vnd Syndico, jhre Be-
ſchwernuſſen/ vñ dz vorangeregte Außweiſung vñ Beſtraffung der Buͤrger/ den-
ſelbẽ vnleydlich waͤren/ anzeigen/ vñ vmb Abſchaffung derſelbẽ anhalten wolten;
vnd ſich derowegen auff das Rahthauß begeben/ vñ bey denen daſelbſt Anweſendẽ
E e ijHerꝛn
[220]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Herꝛn Audientz begehrt. Weil aber dieſelbe den Buͤrgern keine Audientz
geſtatten wollen/ ſondern ſich mit runden Worten erklaͤret/ daß ſie die Buͤrger
anzuhoͤren nicht begehrten/ vnd ſie vom Rahthauß ſchimpfflich abgewieſen/ vnd
ſolches auff dem Marckt vnter dem gemeinen Mann ruchtbar worden; iſt erfol-
get/ daß die Buͤrger dardurch zu ſonderlichem Vnluſt bewegt worden/ daß dar-
auff etliche wenige junge vnbeſonnene Leuth Alarm geſchriehen/ dadurch ein
vnverſehener Aufflauff geſchehen/ vnd gegenwaͤrtiger Auffſtand verurſacht wor-
den: bey welchem gemeine Buͤrgerſchafft vnd Religions-Verwandten die
Schluͤſſel der Statt-Pforten in jhren Gewalt zu bringen/ vnd dieſelbe auff dem
Rahthauß zu bewahren/ auch vnder jhnen ſtarcke Wachten zu beſtellen. Dar-
durch ſie deſto mehr verurſacht worden/ daß alßbald nach dieſem Auffſtand et-
liche Geſandten von Braband in die Statt ankommen/ welche jhren gnaͤdigen
Fuͤrſten vnd Herꝛn/ vermoͤg etlicher mit dem Rath zu Aach Anno 1601. auffge-
richten Accordaten, als Protectorem, Defenſorem vnd Ober-Vogt der Statt
angeben/ auch andere mehr Jhrer Fuͤrſtlichen Durchlaͤuchtigkeit competi-
rende Gerechtigkeiten prætendirt haben/ mit groſſen vnd ſtarcken Bedraͤwun-
gen wieder die Religions-Verwandten: welches allenthalben groſſes Nach-
dencken gemacht/ vnd verurſachet/ daß jhre Credentzen nicht angenommen wor-
den/ ſondern daß die Buͤrger vnd Religions-Verwandten deß Raths Syndicum
vnd Secretarium mit jhrem Gelayth auff das Rahthauß gefuͤhrt/ vnnd durch
die ſelbe jhnen ſolche/ wie auch die alte Accordaten, ſo vorhundert vnd etlichen
Jahren zwiſchen Hertzog Carln von Burgund/ vnd der Statt Aach auffgerichtet
worden/ auffſuchen/ vnd durch Notarien vnnd Zeugen Abſchrifft derſelben ge-
nommen/ vnd darauß befunden/ dz zwiſchen den newen vñ alten Accordaten ein
groſſe Vngleichheit; in dem/ daß die alten Accordaten nicht durch Burgermei-
ſter/ Schoͤffen vnd Rath allein/ ſondern auch zugleich durch gemeine Buͤrger/
vnd die gantze Gemeynd; die newen aber durch Burgermeiſter vnd Rath al-
lein/ ohn vorwiſſen der Gemein/ auffgericht ſeyn: Vnd daß in den newen Ac-
cordaten
der Rath der Religion halben (da doch den alten derſelben mit keinem
Wort gedacht wird) gegen dem Hertzog von Braband fuͤr ſich vnd ſeine Nach-
koͤmblinge reverſiern, daß er allein der Roͤm. Catholiſchen/ vnd keiner andern
Religion oder Secten Exercitium, wie dann auch ſie/ die Secten ſelbſt nicht ge-
ſtatten/ auch nimmer mehr einige Veraͤnderung beſagter Catholiſcher Religion
in jhrer Statt zulaſſen ſollen/ alſo vnd dergeſtalt/ dadurch den jetzigen Rath/ oder
deſſen Nachkoͤmblin geweiniger anderer/ dan beſagter Catholiſchẽ Religion Ex-
ercitia
vngeſtrafft zugelaſſen werden ſolten/ daß ſie damit jhrer alten/ von Hertzog
Carl von Burg und jhnen verguͤnten vnd veraccordirten Privilegien vnnd Zoll-
Freyheiten ſich keines Wegs weiter zu erfrewen/ nach dieſelben zu Genieß haben
ſelten: auch daß Jhrer Fuͤrſtl. Durchlaͤuchtigkeit in Braband Feind/ Rebellen/
oder
[221]Ander Theil.
oder derſelben Verbannten nicht vnderhalten/ oder Vnderſchleiff geben/ vnd
in jhrer Statt keine Wohnung verſtatten/ ſondern dieſelbe auff Begehren ver-
treiben/ vnd von ſich außjagen/ auch kein Kriegsvolck in jhrer Statt auff halten
ſolten/ dadurch Jhr. F. D. Vnderthanen beſchaͤdigt werden koͤnnen. Es ſolle
auch in ſolchen newen Accordaten der Hertzog jhm außtrucklich vorbehalten
haben/ daß jhm dieſelben in allen ſeinen andern in der Statt Aach competie-
renden
Rechten/ Prætenſionen, Actionen vnd Zuſpruͤchen/ ſo wohl wegen der
Ober-Vogtey/ Mumberſchafft oder Meyerey zu Aach/ als andern derſelbigen
einiger Geſtalt gebuͤhrenden Gerechtigkeiten/ nicht nachtheilig oder præjudi-
cier
lich feyn ſollen.


Es haben aber uͤber die newe Accordaten nicht allein die Buͤrger vnd Re-
ligions
-Verwandten zu Aach/ ſondern auch die Guͤlchiſche Abgeſandten groſſe
Klag gefuͤhret/ weil die Vogtey vnd Meyerey/ auch Protection, Schutz vnd
Schirm zu Aach/ keinem andern als Roͤm. Kaͤyſerlicher Mayſt. vnd den Fuͤrſten
von Guͤlch gebuͤhret/ welche Fuͤrſten von Gülch auch den Vogt vnd Meyer da-
ſelbſt uͤber Menſchen Gedencken conſtituirt, der Rath vnd Buͤrgerſchafft auch
niemahls keinen andern Protectorem, wie auch keinen andern Vogt vñ Meyer/
als eben den/ welchen beſagte Fuͤrſten von Guͤlch/ jederzeit verordnet/ erkanthat:
Vnd weil durch ſolche newe Accordaten die Statt Aach nicht allein jhrer alten
Freyheiten beraubt/ ſondern auch vom Heil. Roͤm. Reich vnder deß Hertzogen
von Braband Iuriſdiction leichtlich gebracht werden ſolte/ welches die Buͤrger/
ſonderlich aber die Religions-Verwandten/ denen fürnemblich/ dem Religion-
Frieden/ vnd daruͤber auffgerichter Conſtitution zu wider/ jhre Freyheiten dar-
durch abgeſtrickt werden/ wider den Rath/ fuͤr ein hohe/ vnleydliche Beſchwernuͤß
anziehen. Sie haben auch hefftig geklagt/ daß man die Jeſuiter in die Statt
genommen/ welche wieder die vhralten Statuta die Privat-Haͤuſer vnd Hoͤfe an
ſich reiſſen/ vnd von Buͤrgerlichen Beſchwernuͤſſen frey machten.


Noch mehr verdaͤchtiger kam den Religions-Verwandten vor/ daß Mar-
quis Spinola
zu Prag mit ſondern Ehrenwar empfangen worden/ als haͤtte er
wegender Statt Aach was ſonderbares gehandelt.


Es kamen aber bald hernach Kaͤyſeriſche Commiſſarien, ſo die Buͤrger-
ſchafft vnd Jeſuiten in Kaͤyſ. Schutz genommen/ die Entſcheydung der gantzen
Sach dem Kaͤyſer vorbehalten/ vnd die Kriegsvoͤlcker abzuſchaffen begehrten.
Endlich kam es zur Bedraͤwung Kaͤyſerl. Acht/ deren Execution Ertz-Hertzogen
Albrechten in den Niederlanden vnd dem Churfuͤrſten zu Coͤlln auffgetragen
worden: deßwegen Chur-Pfaltz an den Koͤnig in Franckreich geſchrieben/ vnd
eine Abmahnung an Coͤlln erlanget. Dieweil aber indeſſen Hertzog Wolff
Wilhelm von Newburg zu der Catholiſchen Religion getretten/ vnd die Guͤl-
chiſche Laͤnder durch Huͤlff vnd Beyſtand deß Koͤnigs in Spanten vermeinte
Ee iijallein
[222]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
allein zu beſitzen/ wurd Spinola von Ertz-Hertzog Albrechten im Nahmen deß
Koͤnigs in Spanien zu einem Kaͤyſerl. Feld Oberſten die Execution der Acht in
beyden Staͤtten/ Aachen vnd Muͤlheimb zu vollziehen erklaͤrt: Welches die
Hollaͤnder auch wieder in die Waffen gebracht/ die Brandenburgiſche Parthey
zu vnderſtuͤtzen. Der Marggraff Spinola belaͤgert die Statt/ erobert vnd be-
ſetzt ſie/ ließ auch etliche Beſchuldigten einziehen/ deren die Kaͤyſ. Commiſſarien
durch jhre Subdelegierten zween koͤpffen/ vnnd einem andern kurtz Verſtorbenen
eine verdambte Seul auffrichten laſſen; was auch die Proteſtierende darzu
ſagen moͤgen.


Dieſe Execution geſchah Anno 1616. vnd war ein Wunder/ daß die gantze
Union ſo wenig darumb that. Dann ſie ſah vor Augen/ daß Spanien mit
einer groſſen Macht gefaßt war/ vnd daß die Hollaͤnder mit ſich ſelbſt viel zu thun
hatten/ auch ſich nicht weit in das flache Feld wuͤrden herauß laſſen. Jn Franck-
reich war auch wenig zu hoffen/ weil kein rechtes Haupt ſich erzeigte/ vnd das
gantze Koͤnigreich wider einander ſtunde. So wolten Engelland vnd Denne-
marck lieber Fried vnd Ruhe/ dann Vngemach vnd Krieg leyden/ vnd niemand
gern ſeine Wohlfahrt an ein hangende Maur werffen. Das fuͤrnehmbſte war/
daß die Lutheraner nicht eben viel darnach fragten/ daß die Calviniſten an jhrem
auffſteigen verhindert worden.


Gleiche Meynung hat es auch mit der Statt Muͤlheimb vnder Coͤlln/ auff
der andern Seit deß Rheins/ welchen Orth die zween letzt verſtorbene Guͤlchiſche
Herꝛn zu einer Gewerb-Statt angefangen zu bawen: Deßwegen dann Anno
1612. von den poſſedierenden Fuͤrſten groſſe Privilegien, ſonderlich die Vbung
der dreyen Religionen mit allem Zugehoͤr betreffend/ außgeſchrieben worden.
Coͤlln proteſtiert darwider/ vnd beſorgte/ die Calviniſten ſolten den mehrern
Handel dahin ziehen/ wie ſie dann ſchoͤne Haͤuſer dahin geſetzt/ vnd der Kaͤyſerl.
Abmahnung wenig geachtet: darumb dem Spinolæ die Execution der Acht
wider Muͤlheimb ſo wohl/ als wider die Statt Aach anbefohlen worden/ ob ſchon
Pfaltz-Newburg parirt/ vnd den Wall einzureiſſen angefangen Dann die
Handwercksleuthe wurden den 30. Sept. Anno 1615. fruͤhe zu Coͤlln außgelaſ-
ſen/ vnd in Nachen dahin geſchickt/ nicht nur die Waͤlle niederzureiſſen/ ſon-
dern auch die Haͤuſer abzubrechen/ welches ſie in etlichen
Tagen verꝛichtet.



Der
[209[223]]Ander Theil.

Der ein vnd zwantzigſte Diſcurß.


Was an dem Bohemiſchen Vnweſen ſey verſaͤumbt worden/ ſo
wohl an deß Pabſts vnd deß Concilij zu Baſel/ als auff deß Kaͤyſers
Sigiſmundi Seyten. Wie Kaͤyſer Sigiſmund genoͤthiget worden/ den Bohe-
men/ ſonderlich der Statt Prag/ den Majeſtaͤt-Brieff zu ertheilen. Der Ma-
jeſtaͤt-Brieff ſelbſt: Vnd wie derſelb bey ſtaͤter Vnruh vnderhalten worden/ biß
auff Koͤnig Ferdinanden.


ES ſchreiben die Naturaliſten/ das Queckſilber habe die Eygen-
ſchafft/ daß es nimmer ſtill liege/ (es werde dann in ſolchem Gefaͤß gefan-
gen/ da es nichts angreiffen/ oder durchdringen koͤnne/ wie an einem Glaß
vnd Spiegel zu ſehen) ſondern jmmerdar durchbohre: darumb man es in die
ſumpfechte Gaͤrten verfencke/ damit es dem Waſſer vorbohre/ vnd daſſelbe nach
ſich zu einem Abgrund ziehe. Auch wiſſen boͤſe Buben/ den Daͤmmen vnnd
Deichen an den geſchloſſenen Waſſern vnd Fiſchweyhern/ ſolcher geſtalt Scha-
den zu thun. Darumb das allerbeſte/ daß man bey dem Anfang Gegenwehr
thue/ vnd das zerꝛůttete alſobald mit friſchem Wafen wieder beſchlage/ ehe der
Schad uͤberhand nehme/ vnd hernach keine Verbeſſerung mehr leyden wolle.
Vnd dieſes findet ſich wahr ſeyn/ ſo wohl im weltlichen/ als im geiſtlichen Re-
giement/ wann man einiger Vnordnung den Schwang laͤßt/ daß ſie vnzehlich
viel Vngemach nach ſich zieht/ wie wir Augenſcheinlich hiemit erweiſen/ daß
man den Bohemen von Anfang zu viel nachgeben/ vnd durch die Finger geſe-
hen. Dann ſie hatten zwar Pabſt Gelaſij Canon, genant Comperimus, vor
ſich/ vnd den Gebrauch der Griechiſchen Kirchen/ daß die Communion vnder
beyderley Geſtalt ſolte gehalten werden; Vnnd weil es auff dem allgemeinen
Concilio zu Coſtnitz war determiniert worden/ daß man die Communion nicht
anderſt/ als vnder einerley Geſtalt ſolte halten/ thaͤt Pabſt Eugenius neben dem
Concilio zu Baſel der Sachen zu viel/ daß ſie den Bohemen zuvor/ ehe ſie zu
dem Concilio kommen/ betheurlich verſprochen/ wegen jhrer beruchten vier Ar-
ticuln/ nicht anderſt/ als auß der Heiligen Schrifft/ nach CHRJSTJ/
der Apoſteln/ vnd der erſten Kirchen Gebrauch/ wie auch nach den Conci-
lien,
vnnd denen Kirchenlehrern/ ſo ſich mit Wahrheit auff dieſelben
gruͤnden/ zu richten/ vnnd ſolche zum aller wahr hafftigſten/ vnnd gantz
vnpartheyiſchen Richter zu gebrauchen; Auch deme zu folg die bey-
derley Geſtallten verguͤnſtiget worden: Vnd obſchon ſolches vnder gewiſſen
vnd
[224]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd ſchweren Bedingungen geſchehen/ halff es doch ſehr wenig zu Hinlegung deß
groſſen Riſſes/ der zuvor in der Kirchen war/ vnd je laͤnger je breyter ſich erzeigte.
Dann weil die Bohemen von dem ſichtbarn Haupt der ſtreittenden Kirchen/
vnd von den Vaͤttern zu Baſel/ ſo an ſtatt der allgemeinen Kirchen ſich ver-
ſamblet vnd von ſtrittigen Puncten zu vrtheilen vnderfangen/ ſolches Indult
erlangt/ doͤrfften ſie wol dem weltlichen Haupt jhres Koͤnigreichs zuſetzen/ ſo
wohl durch demuͤtige Bitt vnd beweglichs Erinnern/ als auch durch Bedro-
hung vnd Kriegsmacht/ die Cron anderwertlich zu begeben: Jſt auch kein
Wunder/ daß Kaͤyſer Sigmund endlich darein gehellet/ vnd groͤſſern Abfall zu
verhuͤten/ was jhm von Rom vnd Baſel auß war zulaͤſſig gewieſen/ den eyferi-
gen Vnderthanen deß Koͤnigreichs endlich zugelaſſen vnd verſchrieben.


Es hatten zwar die Catholiſche den Procopium geſchwaͤcht vnnd geſchla-
gen/ auch in einem Treffen erlegt/ wie nicht weniger Procopium den juͤngern;
dadurch die Thaboriten vnd Waiſen/ zween ſchroͤckliche Hauffen/ auffgehoben/
vnd deren Letztere mit Fewr verbrand. Daranff hat ſich Kaͤyſer Sigmund deß
Koͤnigreichs Bohem bemaͤchtiget/ doch alſo/ daß man wohl ſpuͤhrete/ wie er
den Vertrag/ ſo er mit den Ketzern geſchloſſen/ mehr auß Noth/ als auß freyem
Willen verſtattet. Wie er in ſein Vaͤtterlich Erb auff eine oder andere Weiß
geſucht zu kommen/ vnd allgemach/ nach erlangtem Beſitz deß Koͤnigreichs/ nach
ſeiner Voreltern Schlag das Land wieder vnder die wahre Religion Chriſti
bringen/ geſchehen Anno 1436. darauff auch angefangen die Catholiſche Re-
ligion
wieder einzufuͤhren. Welches Philbert/ Biſchoff zu Coſtnitz/ hart ge-
trieben/ die Pfaffen wieder eingeſetzt/ auß der Meß die gemeine Wort vnnd Ge-
ſaͤnge wieder abgethan/ die Bilder wieder auffgeſtellt/ das Weyhwaſſer wieder
angeſetzt/ die Tauffſtein geweyhet/ die Altaͤre gezieret/ vnd allen Vnrath außge-
muſtert. Der groͤſſere Hauff ließ ſich weiſen/ aber Rockezans Anhang wieder-
ſetzte ſich/ vñ verkehrte den Poͤbel: vnd er ſelbſt erzeigt ſich auff offentlichem Platz/
vnd auff der Cantzel/ mit ſonderlichem Trutz vnd Bedrohen wider dieſe Refor-
matores.
Kaͤyſer Sigmund wolte in keine entweyhete Kirch gehen/ vnd begehrt/
man ſolte jhnen S. Jacobs Kirch/ welche die Minnen-Bruͤder innen gehabt/
einraͤumen/ ſo auch geſchehen.


Alſo kamen wieder nach Prag alle Bettel Orden/ die Celeſtiner/ die Schla-
ven der H. Jungfrawen Marien/ die Teutſchen/ die von Jeruſalem/ vnd etliche
Abte. Der Prieſter St. Georgen auff dem Prager Schloß/ fuͤgt ſich auch wie-
der an ſeinen Orth. Vnd weil keine Intraden vor die Prieſterſchafft ſich befan-
den/ verordnet der Kaͤyſer ſechs tauſent Cronen deß Jahrs/ welche zu der Cle-
riſey nothwendiger Vnderhaltung alle Wochen außgetheilet wurden. Auch
ließ er den Rockezan erinnern/ daß er von ſeinem Thun abſtuͤnd/ dem Vergleich
gemaͤß/ nicht mehr laͤſterte/ noch verdambte/ vnd vielmehr durch ſeine Accom-
modation
[22[225]]Ander Theil.
modation nach dem Biſthumb trachtete/ auch ſich nicht alle Witz allein einbil-
dete. Rockezan aber wurd je laͤnger je aͤrger vnd gifftiger/ vnd nante die Moͤnch
die newe Teuffel/ ſo von Tag zu Tag in die Statt kaͤmen/ ſie von der Warheit
abzuſtoſſen; welches ſie mit Darſetzung jhres Bluts nicht ſolten verſtatten.
Vnd da ſolches vor Kaͤyſer Sigmund kommen/ ſprach er: Wir aber wollen
deß Rockezans Blut gern vor dem Altar auffopffern vnd vergieſſen. Vber
dieſes bawte Johannes Rohatz ein noth veſtes Schloß/ auff einen hohen Berg/
genant Syon/ vnd thaͤt auß demſelben ſehr groſſen Schaden/ biß er ůberman-
net/ gefangen/ an den dritten Galgen oben/ ſein Prieſter Medius an den mittlern/
vnd nenntzig ſeiner Helffer an den vnderſten auff geknüpfft worden.


Dieſe Haͤndel nahmen uͤberhand/ vnd zog Rockezan/ ob er ſchon in einem
Winckel zu Graͤtz ſich verborgen hielte/ am Blaßbalg/ daß das Koͤnigreich nim-
mer ohne Rauch/ Fewr oder Funcken geweſen/ vnd manchmahl dem Kaͤyſer
Sigmund die Augen truͤb gemacht worden. Dann die Bohemen verlieſſen
ſich veſt auff den Majeſtaͤt-Brieff/ den ſie im vorigen Jahr/ vor der Croͤnung
erhalten hatten/ vnd lieſſen ſich wol verlauten/ daß ſie ein ſolch thewr erworbenes
Privilegium mit der Fauſt zu behaupten gedaͤchten: Wolte nun Koͤnig Sig-
mund das Koͤnigreich in guter Ruhe beſitzen/ muͤſte er ſein Wort halten/ vnd die
Geluͤbdigkeit der Scharpffe vorziehen. Auff daß man nun Handgreifflich ſehe/
wie Kaͤyſer Sigmund ſeinen Nachfahren im Koͤnigreich ein boͤſe Bahn gema-
chet/ vnd alle Vrſach gegeben/ daß Kaͤyſer Rudolffen hernach ein ander Maje-
ſtaͤt-Brieff abgetrungen worden/ auff welchen nicht nur der Bohemiſche/ ſon-
dern auch der Teutſche Krieg erfolget iſt/ ſetzen wir Kaͤyſer Sigmunds Maje-
ſtaͤt-Brieff allhero.


WJr Sigmund von Gottes Gnaden Roͤmiſcher Kaͤyſer/ zu allen Zei-
ten/ Mehrer deß Reichs; zu Hungarn/ Boͤheimb/ vnd Dalmatien/
etc. Koͤnig: Graff zu Luͤtzelburg/ etc. Thun hiemit dieſem Vnſerm
Brieff allen in gemein kund vnnd offenbar/ daß Wir Vns vor
Augen geſtellet/ die groſſe Vorſorg/ vielfaͤltige Muͤhe vnd Arbeit/ deß weyland
Allerdurchleuchtigſten Fuͤrſten vnd Herꝛn/ Herꝛn Carls/ Roͤmiſchen Kaͤyſers/
vnd Koͤnigs in Bohem/ Vnſers geliebten Herꝛn vnd Vatters/ hochloͤblichſter
Gedaͤchtnuß/ welcher die Alte/ dann hernach die Newe Statt Prag erweitert/
begnadet vnd erhebt/ mit Rechten/ nemblich mit Privilegien, Verſchreibun-
gen vnd Freyheiten/ allermaſſen ſolches in vielen ſeinen Brieffen mit mehrem
dargethan/ vnd erwieſen wird. Nunmehr aber hernach/ durch taͤgliches begeh-
ren dahin bewogen worden/ damit durch billige Mittel/ daß/ der ſo da geben hat
gluͤcklichen Anfang vnd Vermehrung/ auch das Gute verleyhe/ welches ver-
huͤlfflich iſt zu der Seelen Seeligkeit/ dem gemeinen Guten der geſambten
Ander Theil. F fEynig-
[226]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Eynigkeit/ auch Bruͤderlicher Vereinigung mit einander verſehen/ vnd alſo ſol-
chen Hoffnungen anſehenlich geholffen werde.


Als nun vor Vnſer Kaͤyſerlicher Majeſtaͤt erſchienen nahmhaffte Ge-
ſandten/ dazumahl weltlichen Standes/ auß der Alten Statt Prag/ Hanß
Welwar/ Sigmund Chotenſchitz/ Wentzel Hedwick/ vnd Niclas Humpoletz:
Auß der Newen Statt/ Paul Hulrich/ Valentin Kaba/ Benedict Cuknanlky/
vnd Daniel/ etc. beyder Prager Staͤtte mit-Buͤrger. Auß den Geiſtlichen
aber Magiſter Ioannes Rockizan/ Vlrich Baccalaureus von Znamb/ Martin
von Chrudim/ Prieſter Iohannes von St. Stephan/ auß den Teichlein/ vnd
Bohuneck von Chotzni/ vnd Vns im Nahmen der Burgermeiſter auß beyden
Gemeinden jetzt benandter Staͤtte/ der Profeſſoren der Praͤgeriſchen Acade-
miæ,
dergleichen anderer Pfarꝛer/ Prieſter vnd aller Studenten/ jhr embſiges
Begehren vorgebracht/ vnd mit vielem vmbſtaͤndigen Anhalten/ demuͤtigſt
erſucht vnd gebetten/ daß wir den jenigen Majeſtaͤt-Brieff/ welchen wir dem
gantzen Koͤnigreich vnd Marggrafft humb in gemein ertheilet/ zu Befriedigung
vnd Stillung dieſer Staͤtte/ auch ewiger Conſervation vnd Erhaltung/ auch
jhnen abſonderlich gnaͤdigſt ertheilen wolten: Vnd Wir jhnen nach Anhoͤrung
jhres Vorbringens dieſe Antwort ertheilet: Dieweilen Wir allbereit dem
gantzen Koͤnigreich vnnd Marggraffthumb bemeldten Majeſtaͤt-Brieff in
gemein ertheilet/ ſcheinet es ein Vberfluß ſeyn/ euch denſelben abermahls
inſonderheit zu geben: dann dieſe Statt iſt die allervornehmbſte/ vnnd die
Haupt-Statt.


Sie aber weiters einkommen/ es were jhnen vmb etlicher gewiſſen Moti-
ven
vnd Vrſachen/ vnd darinnen angezogener Puncten halber/ ſolches anbe-
fohlen worden. Vns alſo wiederumb vnauffhoͤrlichen/ vnd am allermeiſten
vmb einen Articul vnd Punct bittende/ jhnen denſelbigen deutlicher zu erklaͤren/
vnd in einen beſſern Verſtand zu bringen/ nemblich/ daß die jenige/ ſo das Hoch-
wuͤrdig Abendmahl vnder einerley Geſtalt zu empfahen im Gebrauch haben/
anderswo auſſerhalb der Prager-Staͤtten (in welchen man vnder beyderley
Geſtalt zu communicieren pfleget/ derowegen damit nicht etwa hierauß eine
ſchaͤndliche Vermiſchung entſtuͤnde/ vmb welcher Willen dann beyſamm woh-
nenden Vrſach zu Zanck/ vnd Zwietracht gegeben wuͤrde) wohnen ſolten/ auſ-
ſerhalb deren/ welchen ſie daſelbſt zu bleiben/ auß gutem Willen zulaſſen wolten.
Der guten Hoffnung zu jhnen/ ſie wuͤrden mitler Zeit zu beſſerem Vnderꝛicht
gelangen/ vnd die Communion ſub Utraque nicht ſchaͤnden/ oder ſich deren wi-
derſetzen doͤrffen; So haben Wir noch etliche beſondere/ vnd jhnen anbefoh-
lene Artickel/ darinnen Wir Vns vor dieſem/ den Herꝛn vnd Staͤnden ver-
pflichtet vnd verſchrieben/ denen beygefuͤget vnd zugeſetzet.


Erſtlich dieſen Artickel: daß der Vnder-Caͤmmerer der Koͤniglichen
Staͤtte
[227]Ander Theil.
Staͤtte vorgeſetzt wird werden/ ein Buͤrger zu Prag ſeyn/ vnd den Leib vnd das
Blut Chriſti/ vnder beyden Geſtalt/ wuͤrcklich empfahen ſoll. Wo ferne zu
Prag/ oder vmb Prag herumb/ Moͤnchen wohnen ſolten/ ſollen ſie den Prieſtern
bey den Pfarꝛen keine Verhinderung thun/ die Todten nicht begraben/ noch die
Sacramenta dem gemeinen Mann adminiſtrieren, ſondern alſo leben/ wie jhre
Ordens-Regeln außweiſen. Der Nonnen oder Moͤnchen Cloͤſter/ darinnen
die Communion ſub Utraq́ue gehalten worden/ auch ſich noch alſo in kuͤnfftigen
Zeiten verhalten/ vnd kein Prior oder Aeptiſſin/ ſo ſub Una communicierte,
uͤber andere Nonnen regieren vnd herꝛſchen. Die Prælaten auffm Prager-
Schloſſe/ die Canonici, Manſionarij vnd Altariſten, wann/ vnd welche auß jhnen
wieder zuruͤck kommen/ ſollen denen/ die ſub Vtraq́ue communicieren, keine
Verhinderung anthun: Vnd ſie weder im Koͤnigreich/ noch auſſerhalb deß
Koͤnigreichs/ nicht vor Ketzer außſchreyen/ noch an jhren Ehren antaſten; ſich
auch weder mit Adminiſtrierung der Heiligen Sacramenten/ noch Verꝛichtung
der Begraͤbnuͤſſen (die jhnen nicht zugelaſſen) keines Wegs einmengen. Der
Wiſchehrad (den ſie mit Gewalt erobert) ſoll ſich mit ſeinen Jnwohnern/ in
Empfahung deß Heiligen Abendmahls/ mit den Prager-Staͤtten vereinigen
vnd vergleichen/ ſo wohl die ſo auffm Ratſchin vor der Prager Burg wohn-
hafftig ſind. Deß Spittals bey der Bruͤcken Einkommen/ ſo den Armen vnd
Krancken verteſtiert worden/ ſoll nicht durch die Außlaͤnder/ ſondern durch der
Praͤger Ampt mann regiert/ deme getrewlich vorgeſtanden vnd diſpenſiert wer-
den/ wie ſolches allbereit von vielen Jahren hero gebraͤuchlich geweſt/ vnd alſo
noch gehalten wird. Der Collegiaten-Guͤter/ ſo da verwendet worden/ ſollen
vmb Verbeſſerung der Studien zu Prag willen/ wiederumb reſtituiert werden/
vnd die Magiſtri die jenigen/ ſo wiederkommen wolten/ ſo wohl andere Außlaͤn-
der/ die ſub Utraq́ue communicieren, nicht ſchmaͤhen/ ſondern vor gute Chri-
ſten/ vnd Kinder der Chriſtlichen Kirchen halten vnd ſchaͤtzen. Kein Außlaͤn-
diſcher/ der vnder beyderley Geſtalt nicht communicieren wolte/ ſoll an denen
Oerthern in Rath-Stuhl gezogen/ oder eines geſchwohrnen Amptmanns
Pflicht jhme gegeben werden.


Es ſoll auch in bemeldten Staͤtten kein vngewoͤhnliche Geldt-Stewr
auffgebracht/ vnd gegeben werden. Die Kirchen/ ſo zu den Pfarꝛen gehoͤrig/
vnd Zinßbare Cappellen den Crentz-Herꝛen vnd anderen/ ſollen in alle Weg
Ewig befreyet ſeyn/ deßgleichen die auff den Haͤuſern zu Prag/ verſchriebene
Prieſterliche Cammer-Zinß/ nicht mehr gereichet vnd bezahlet werden. Das
Geiſtliche Recht/ welches bey deß Prageriſchen Ertz-Biſchoffs Con-
radi
Zeiten/ in beyden Prager-Staͤtten außgeſetzet/ vnd mit Ertheilung
eines Siegels bekraͤfftiget iſt/ das ſolte allda/ vnd an keinem andern
Orth/ wie biß dato im Gebrauch gehalten/ vnnd allda die ſtrittigen Ehe/
F f ijſo
[228]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſo wohl andere zu dieſem Ampt gehoͤrige Sachen/ entſchieden vnd abgehandelt
werden.


Wann Wir dann angeregte Puncten zum offtern wiederhohlet/ ange-
hoͤrt; haben Wir ſie acceptiert, vnnd von Vns abzuſchaffen nicht verſtatten
wollen/ vnd diß vornehmblichen darumb/ damit nicht etwann durch etliche
ſchaͤdliche Zertrennungen/ der allbereit auffgerichteten Vertraͤge/ vnd deren ſo
noch auffgerichtet werden ſollen/ entſtehe/ vnd alle Muͤhe vnd Arbeit/ die Wir in
den vorigen Jahren mit Beſchwer gehabt/ darob ohne Frucht vnd gutes Ende/ zu
nichte gemacht werde. Derowegen ſo geben Wir mit rechtem Rath Vnſerer
vnd deß Heiligen Kaͤyſerthumbs/ vnd Vnſers Koͤnigreichs Bohem Fuͤrſten
vnd Herꝛn/ auch edlen Ritterſchafft vnd Adel/ nicht auß Jrꝛthumb oder Vnbe-
dachtſamb/ ſondern mit gutem Vnſerm Vorbedacht vñ gewiſſen Wiſſen/ dieſen
Brieff ſampt Vnſeren dem Koͤnigreich vnnd Marggraffthumb in gemein er-
theilten Majeſtaͤt obbenandten beyden Prager-Staͤtten hiemit auß Kaͤyſer-
licher Macht/ als Koͤnig in Bohem gnaͤdigſt bewilligen/ verſichern/ vernewern
vnd confirmieren, auch die andern in der Anzahl zehen gebettene Artickel: Mey-
nen/ ſetzen vnd wollen/ daß ſie den vnd alle darinnen inſerierte-Sachen/ ſampt
andern zehen erbettenen Puncten haben vnd halten ſollen/ vor eine kraͤfftige vnd
vnbewegliche Macht/ jetzt vnd zu kuͤnfftigen ewigen Zeiten. Wir ſind auch
bedacht/ dem Rath vnd der Gemeind auff der New-Statt/ wegen deß Mangels
vnd Verluſts jhrer genoͤttigten Gerichts- vnnd Grund-Brieffe/ deſſen ſie
Vns mit betruͤbtem Gemuͤth vnd Anſehen berichtet/ geliebtes GOTT zu
Vnſer gluͤcklichen Ankunfft nach Prag/ eine newe Gnade an denſelben Rech-
ten/ vnd andern Notthurfften zuthun. Gebuͤhrt demnach von Billigkeit
wegen keinem Menſchen/ dieſes Vnſers Brieffs Bekraͤfftigung vnd Begna-
dung in keinerley Weiß zu brechen/ noch ſich demſelben durch einige Vorwitz
vnd Frechheit zu wiederſetzen. Solte ſich aber jemand deſſen vnderſtehen/ der
ſey gewiß/ daß er ohne alles erlaſſen/ in Vnſere Kaͤyſerliche Vngnad/ vnd Vn-
ſers Koͤnigreichs Bohem in gemeldter Staͤtte Privilegien inſerierte ſchwere
Straff gefallen. Zu Vrkund vnd Bekraͤfftigung deſſen/ haben Wir befohlen/
dieſen Brieff/ mit Vnſerem Kaͤyſerlichen anhangenden Majeſtaͤt zu confir-
mieren,
vnd zu beſtaͤttigen. Geben Brinn/ Anno 1435. den 6. Tag Monats
Julij. Vnſerer Reiche/ deß Vngariſchen im fuͤnfftzigſten/ deß Roͤmiſchen im
ſechs vnd zwantzigſten/ vnd deß Bohemiſchen im ſechszehenden/ vnd deß Kaͤy-
ſerthumbs im vierdten Jahr.


Wolte nun Ertz-Hertzog Albrecht auß Oeſterꝛeich/ ſeinem Schwehr-
Vatter/ dem verſtorbenen Kaͤyſer Sigmund/ im Koͤnigreich Bohem ſucce-
dieren,
muſte er dieſe Rechten vnd Privilegien, auch bey Antrettung ſeiner Re-
gierung von newem bekraͤfftigen/ oder groſſen Tumults gewaͤrtig ſeyn. Nach
ſeinem
[229]Ander Theil.
ſeinem Abſterben/ machten die Bohemen zween Vorſteher oder Verwalter deß
Koͤnigreichs/ Mainhard von Newhauß ein Catholiſchen/ vnd Henrich Ptaczeck
von Rattagy/ ein Huſſiten. Die Huſſitiſche Prieſter entbrandten in Haß
vnd Eyfer/ theilten ſich in zwo Secten/ der Prager/ vnd der Thaboriten. Die
Prager behielten die Verwandlung im H. Nachtmal/ vnd uͤbergaben jhre Con-
feſſion Anno
1441. die Thaboriten verworffen dieſelbe/ vnd zeigten ſich auch vor
den Staͤnden Anno 1443. Weil ſie nun jhre beſte Oberſten im Krieg verlohren/
konten ſie mit jhrer Bekantnuͤß nicht empor kommen/ mußten ſich Pickarder
ſchelten laſſen/ vnd bey jhrem heimblichen Gottesdienſt in den Haͤuſern behelf-
fen. Kaͤyſers Alberti Sohn ward von Eliſabeth Kaͤyſers Sigiſmundi Tochter/
nach ſeines Vatters Tod gebohren/ vnd im dreyzehenden Jahr ſeines Alters
zur Regierung ſeines Koͤnigreichs Bohem erfordert/ vnd verordnete uͤber daſ-
ſelbe zum Statthalter Herꝛn Georgen/ von Kundſtatt vnd Podjebrad, der
Huſſitiſchen Religion zugethaͤn/ nach dem zuvor vnder der Verwaltung deß
Eytzingers vnd deß Graffen von Cilien es in dem Koͤnigreich/ bey Zeiten Frie-
derici III.
als Ober-Vormunds/ alles verworꝛen war hergegangen.


Koͤnig Ladislaus ſtarb Anno 1457. im achtzehenden Jahr ſeines Alters/
vnd wurd Georg Podjebrad, damahliger Statthalter/ zum Koͤnig auffgeworf-
fen/ im folgenden Jahr. Zu ſeiner Zeit war Æneas Sylvius, der ſich Pium II.
genandt/ Pabſt zu Rom/ vnd ſetzte den Bohemen zu einem Ertz-Biſchoff/
einen Thum-Dechant zu Prag/ mit welchem die Huſſiten nicht zu frieden
waren.


Koͤnig Georg erfand/ dieſen Vnwillen zu ſtillen/ dieſes Mittel/ daß er
zween Adminiſtratoren deß Ertz-Biſthumbs machte/ einen von der alten Roͤ-
miſchen Religion, den andern von den Huſſiten. Der Koͤnig wolte ſich mit
dem Roͤmiſchen Stuhl vereinigen/ vnd gaͤntzlich vnderwerffen/ wann jhn der
Pabſt nach den Compactatis vom Baſeliſchen Concilio beſtaͤttigt auff neh-
men/ vnd M. Iohann Rockyzan zum Ertz-Biſchoff laſſen wolte/ darzu er vom
gantzen Lande erwehlet/ vnd vom Kaͤyſer Sigiſmundo beſtaͤttiget war. Aber
Pabſt Pius ſchlug ſolches dem Koͤnig ab/ vnd ſagte/ das Concilium vnd der
Kaͤyſer haͤtten ſich in die Zeit geſchicket/ in welcher man/ Nothhalber/ etwas thun
muͤſſen. Was aber Rockyzan betreffe/ der wer offentlich ein Ketzer vnd Feind
deß Apoſtoliſchen Stuhls/ deme man nichts nachgeben koͤndte.


Da nun der Koͤnig hoͤret/ daß man jhn bey den Compactaten nicht con-
firmieren
wolte/ ergrimmet er im Zorn wider die Paͤbſte/ vnd ſchalt ſie grewlich/
vnd beſchloß/ ehe Leib vnd Leben/ vnd alles was er hatte/ zuzuſetzen/ ehe er von
deme weichen wolte/ das die Bohemen nun ſo viel Jahr hero mit jhrem Gut
vnd Blut erhalten. Er ſchrieb ein Land-Tag auß/ vnd præſentiert ſich mit ſeiner
F f iijKoͤnigin
[230]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Koͤnigin den Staͤnden/ vnd bezeuget/ wie er bereit waͤr/ mit den ſeinigen/ ob
den Compactaten zu halten/ vnd fraget ſie/ ob ſie jhme darin beyſtehen wolten?
Die Staͤnde trenneten ſich/ vnnd die Huſſiten verſprachen jhm nach beſtem
Vermoͤgen beyzuſtehen; aber die Romaniſten wolten mit den Compactaten
nichts zu ſchaffen haben. Der Paͤbſtiſche Legatus wohnete dem Land-Tag auch
bey/ vnd redete mehr freyer vor den Pabſt/ als der Koͤnig wohl vertragen kondte/
wurd im Zorn angegriffen/ vnd ins Gefaͤngnuß geworffen/ der Koͤnig aber in
Bann gethan/ vnnd die Breßlawer vnd Namßlawer von der Huldigungs-
Pflicht/ die ſie dem Koͤnig geleyſtet/ abſolvieret, vnd Jedermann bey Straffe deß
Banns gebotten/ dem Koͤnig keine Huͤlff zu thun.


Kaͤyſer Friederich ſchlaͤgt ſich drein/ als ein Scheidsmann/ vielleicht weil
er nicht allerdings wohl mit dem Pabſt zu frieden war/ ob ſchon derſelbe jhm vor
Zeiten vor ein Cantzler gedienet hatte/ Aber nunmehr Graff Dietern von Jſen-
berg/ Ertz-Biſchoffen zu Maͤyntz/ eben deßwegen entſetzt/ weil er ſich nicht ver-
pflichten wollen/ die Staͤnde deß Roͤmiſchen Reichs nicht anderſt/ als mit deß
Pabſts Belieben/ zu beſchreiben: daran dieſer Kaͤyſer/ vnd andere Staͤnde deß
Reichs groſſen Mißfallen trugen/ ſonderlich weil Graff Adolff von Naſſaw/ der
Paͤbſtiſche Biſchoff/ deßwegen groſſen Krieg fuͤhrete. Dieweil nun die Ro-
maniſten ſahen/ daß der Koͤnig ſie muͤſſen zu frieden laſſen/ wurden ſie vbermuͤ-
thig/ wiederſetzten ſich dem Koͤnig/ vnd uͤberzogen daruͤber ein Maͤhriſchen
Herꝛn/ daß er auß Gewalt gehorſamb worden. Sie machten gar eine Liga
wider den Koͤnig/ vnd beſchloſſen/ jhm keinen Glauben zu halten/ weil er der Kir-
chen keinen Glauben halte. Alſo thaͤt der Pabſt den Koͤnig von newem in den
Bann Anno 1466. vnd verflucht jhn in ſeiner Bull biß ins dritte vnnd vierdte
Glied. Sprach auch alle Bohemen von dem Eyd/ den ſie dem Koͤnig gethan/
looß/ vnd vermahnet alle Chriſtliche Koͤnige/ Fuͤrſten/ Herꝛn vnd Ritter/ daß ſie
jhn uͤberziehen/ bekriegen/ mit Fewr vnd Schwerdt verfolgen/ vnd mit allen
ſeinen Helffern/ vnd Helffershelffern todtſchlagen ſolten. Hierauff ließ der
Koͤnig ein Verthaͤdigungs-Schrifft wider den Pabſt außgehen/ darin er ſagte:
Ob er ſchon wohl wiſſe/ daß das Ampt eines Biſchoffs nicht ſey/ weltliche Re-
gierung zu führen/ ſondern alſo zu wandeln/ wie jhme der Herꝛ befohlen: vnd
daß es ein Zeichen deß Anti-Chriſts ſey/ wann er die Koͤnigreiche veraͤndere/
dennoch habe er allezeit Fried vnd Ruhe erhalten/ vnd ſich/ ſo viel er mit gutem
Gewiſſen thun koͤnnen/ gegen dem Roͤmiſch. Stuhl accommodiert, vnd dem zu
Ehren/ ſeiner rebelliſchen Vnderthanen Attentaten, mit Gedult vnd Glimpff
ertragen. Daß aber der Pabſt ſie anjetzo wieder jhn auffwickle/ das gebuͤhre
keinem Nachfolger Petri vnd Pauli/ welche in der That die Obrigkeit/ ob ſie
ſchon Heyden waren/ geehret/ vnd zu foͤrchten vnd zu ehren ernſtlich befohlen
haben/ etc. Bitte derowegen Kaͤyſerl. Mayſt. vnd alle Chriſtliche Koͤnige/
Fuͤrſten
[231]Ander Theil.
Fuͤrſten vnd Herꝛn/ ſie wollen ſich wider jhn nicht auffbringen laſſen/ oder ſeinen
wiederſpenſtigen Vnderthanen Rath/ Huͤlffe vnd Vorſchub thun/ etc. Hierauff
ward der Pabſt noch grimmiger/ vnd gab das Creutz wider Koͤnig Georgen auß/
ſchickte auch den Breßlawern Volck/ wider den Koͤnig zu Huͤlffe.


Darauff erfolgte/ daß die Romaniſten in Bohem Kaͤyſer Friederichen die
Cron auffgetragen/ vnd da er ſie nicht angenommen/ Koͤnig Matthiæ in Hun-
garn uͤber geben/ der vnerachtet/ Koͤnig Georgen Tochter zur Ehe hatte/ auß deß
Kaͤyſers Gutachten vnd Beliebung in Bohem mit Kriegsmacht gefallen/ aber
mit ſehr wenigem Gluͤck/ wie Cochlæus meldet.


Es vermaͤhlete auch zu der Zeit Marggraff Albrecht von Brandenburg
Henrico, Koͤnigs Georgen Sohn/ ſeine Tochter/ vnd lud dazu viel Fuͤrſten.
Da nun bey ſolcher Gelegenheit/ Koͤnig Georg den Fuͤrſten beweglich zu verſte-
hen gab/ wie gefaͤhrlich vnd Vngoͤttlich es ſey/ daß der Pabſt einem jeden Poten-
taten in ſein Reich vnd Fůrſtenthumb greiffe/ vnd verwende es wohin er wolle;
bringet er es bey denſelben auff den Weg/ daß ſie jhm Huͤlffe verſprechen vnd
ſchicken/ zwar die Hertzogen von Sachſen offentlich/ aber die andern Fuͤrſten auß
Forcht deß Bannes/ heimblich. Der Außgang deß Krieges war/ daß die Bo-
hemiſche Herꝛn/ die ſich wider jhren Koͤnig auffgelegt hatten/ vmb das jhrige
kamen/ viel Geiſtliche Guͤter der Moͤnchen vnd Thumbherꝛn verkaufft worden/
vnd vnder frembde Haͤnde geriethen/ zu geſchweigen/ wie Land vnd Leuthe dabey
verdorben. Beyde ſtreittende Koͤnige vertrugen ſich endlich ſo gut als ſie kon-
ten/ vnd blieb Koͤnig Georg in ſeinem Reich.


Vnder ſeiner Regierung ſtunden die Sachen der Huſſiten in Bohem in
hoͤchſter Bluͤthe/ weil Koͤnig Matthias viel zu ſchwach war/ vnnd Kaͤyſer
Friederich mehr zur Ruhe/ als zum Kriegen gebohren/ ſich deß Handels ſo viel
als nichts annahm. Koͤnig Georg hatte dapffere Soͤhne/ vnd wolte ſie bey
ſeinem Leben gerne zum Reich befoͤrdert ſehen; Schrieb auch deßwegen Anno
1471. zu Prag ein Landtag auß/ auff welchem er vortragen ließ/ daß die Staͤnde
allerhand Vrſachen halben/ zur Wahl eines newen Koͤnigs/ der jhme nachfol-
gen ſolte/ ſchreitten wolten: Aber die Staͤnde wolten ſich nicht verſtehen/ noch
bewegen laſſen: vnd da Koͤnig Georg nach zweyen Monaten/ nemblich den 22.
Mertz ſtarb/ giengen ſie in der Wahl/ ſeine Soͤhne vorbey/ vnd wehleten Uladiſ-
laum,
Koͤnig Caſimiri in Polen Sohn. Einen Monat vor dem Koͤnig ſtarb
Rockyzan, der Huſſiten Ertz-Biſchoff/ vnd ward in der Kirchen Teyn/ mit
groſſem klagen deß gemeinen Volcks begraben; da die Koͤnigin Iohanna der
Leiche ſelbſt nachgefolget. Dieſer war der Thaboriten ſtaͤtiger Feind vnd Wi-
derſacher/ verſchaffete auch/ daß ſie vnder Koͤnig Georgen mit Edicten vnd Koͤ-
niglichen Befehlen angeſtrenget wurden/ ſich entweder nach den Compactaten
zu regulieren/ oder auß dem Land zu ziehen. Aber die Huſſiten begunten auch
ſelbſt
[232]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſelbſt vnder Koͤnig Uladislao veracht zu werden; ſie wurden auch bey dem Koͤnig/
als Auffruͤhrer verunglimpffet/ vnd angeklaget/ als weren jhre Predigten vnnd
Geſaͤnge voller ſchmaͤhens vnd laͤſterens. Die Moͤnche vnd Canonici zu Prag
brachten es dahin/ daß die Altſtaͤtter Rathmaͤnner ſub Vtraq́ue, wie man die
Huſſiten nennete/ allezeit zuvor einer Meß in der Cappellen Beatæ Virginis
beywohnen muͤſſen/ ehe ſie zum Rahthauſe giengen/ bey groſſer Straff/ wie im
erſten Theil dieſer Diſcurſen auch angedeutet iſt. Es wolten auch die Bi-
ſchoffe keinen Huſſiten mehr zum Prieſter weyhen vnd ordinieren: Auch hiel-
ten die Romaniſten Anno 1583. bey dem Koͤnig an/ daß er das Vnder-Conſi-
ſtorium
zu Prag abſchaffen/ vnd beym Pabſt vmb ein newen Ertz-Biſchoff
anhalten wolte: darinnen der Koͤnig verwilligte.


Es wurden auch die Huſſiten/ die etwas eyferig waren/ auß dem Rath
vnd von den Emptern geſetzt. Der newe vnd gelinde Rath aber/ ſo weder kalt
noch warm war/ foderte die Prieſter/ ſo das Maul zu weit auff gethan/ auffs
Rahthauß/ vnd nach deme ſie daſelbſt jhres Straff-Amptshalben wohl durch-
gecapittelt waren/ wurd jhnen bey Verluſt jhrer Dienſt aufferlegt/ den Pabſt
nicht mehr vngebuͤhrlich zu nennen. Hierwieder wurd der Huſſitiſche Poͤbel
vngedultig/ ſtuͤrmete das Rahthauß/ vnd lieffen jhrem alten Herkommen vnd
Gebrauch nach/ etliche Rathherꝛn an/ wurffen ſie zu dem Fenſter hinauß/ vnd
fiengen an die Cloͤſter zu ſtuͤrmen vnd zu berauben. Welche Sache/ daß ſie
ohn ferner Blutvergieſſen geſtillet/ vnd gedempffet ward/ machte Koͤnig Vla-
dislai
groſſe Gedult vnd Glimpff/ vnd etlicher Herꝛn/ ſonderlich aber der Herꝛn
võ Muͤnſterberg/ Koͤnigs Georgen Soͤhne/ Fuͤrbitt. Solchen Bewegungen aber
vorzukommen/ ſchrieb der Koͤnig Anno 1485. einen Landtag nach Kuttemberg
auß/ auff welchem zwiſchen beyden Theilen ein ſolcher Vertrag gemacht wor-
den: Erſtlich/ daß die ſub Vnâ, die ſub Vtrâq́ue nicht bedraͤngen/ ſchmaͤhen vnd
verketzern ſollen/ vnd alſo auch wieder zuruͤck/ die ſub Vtrâq́ue es mit denen ſub
Vna
halten ſollen. Welcher auß der Prieſterſchafft darwider handeln werde/
ſoll auß dem Lande vertrieben/ vnd nicht wieder angenommen werden. Darnach
daß die Prieſterſchafft jhre Pfarꝛen alſo behalten ſollen/ wie ſie die jetzo innen
haͤtten. Wann ſie aber erlediget wuͤrden/ ſolten ſie mit andern/ jhrer Religion
verwand/ wieder beſetzt werden. Wuͤrde jemand auß den Herꝛn/ Rittern oder
Buͤrgerſchafft dawieder handeln/ ſolte er in Kaͤyſerl. Mayſt. vnd der Raͤthe
Straff verfallen ſeyn.


Dieſen Vertrag nennete Koͤnig Vladislaus ſeinen Vertrag/ vnd ließ jhn in
allen Staͤtten publicieren, vnd offentlichen anſchlagen/ dadurch er Fried im
Land geſtifftet. Vnd wer hat hierin groͤſſer Anlaß zu dem letzten Krieg gegeben/
Sigiſmundus oder Vladislaus? der erſte fuſſet auff das Concilium, vnd auff
deß Pabſts Verguͤnſtigung/ welche jhn nicht konten jrꝛ gehen laſſen; der ander
aber
[233]Ander Theil.
aber weiß/ daß der Pabſt das obige wiederꝛuffen/ vnd nicht gelten laſſen: faͤhrt
dennoch fort/ vnd macht einen Frieden/ den er zu ſeinem Ruhm will nach ſeinem
Nahmen genandt haben/ ob er ſchon nicht vnwiſſend ſeyn koͤnnen/ daß es zu Rom
weit anderſt beſchloſſen geweſen. So wird dann in das kuͤnfftige Kaͤyſer Ru-
dolff mit ſeinem ertheilten Majeſtaͤt-Brieff nicht ſo gar vbel außzurauſchen
ſeyn/ weil er beyde Exempel/ Kaͤyſers Sigiſmundi, vnd Koͤnigs Vladislai vorzu-
ſchuͤtzen hat. Koͤnig Vladislaus hatte ſich vorzuſehen/ daß nicht Koͤnig Geor-
gen beyde Soͤhne/ Victorin, vnd Henrich/ nunmehr Hertzogen zu Muͤnſterberg/
jhm die Cron abnehmen/ durch Huͤlff der Huſſiten: Alſo muͤſte er geſtatten/
daß Auguſtinus Lucianus, ein Welſcher Biſchoff/ das Ertz-Biſchoffliche Ampt
zu Prag antrat vnd verwaltet/ nach Jnhalt der Compactaten, vnder einer/ vnd
beyderley Geſtalt. Dennoch war Vladislaus nicht ſicher/ daß er ſchier mit
einem Pfeil am Fenſter liegend wer erſchoſſen worden/ darumb er das Schloß
zu Prag gebawet/ vnd den Huſſiten auff den Land-Tag zu Kuttenberg abermal
jhre Privilegien beſtaͤttiget/ Anno 1485. vnd verwilliget/ daß Magiſter Jacobus
Columbus,
der Huſſiten Verwalter worden/ vnd Anno 1507. geſtorben/ vnd
ſolcher Geſtalt haben ſich die Huſſiten biß an Koͤnig Vladislai Tod/ ſo Anno
1515. geſchehen/ erhalten. Deſſen Kinder waren Ludwig vnd Anna; Ludwig
war noch jung/ vnnd regierte nur neun Jahr/ in welcher Zeit die Huſſiten in
jhrem Weſen jmmer fortfuhren/ bevorab weil die Staͤnde das Koͤnigreich
ſelbſt verwalteten/ vnd keinen Frembden noch Anverwandten hinein lieſſen;
biß daß Ertz Hertzog Ferdinand/ weil er Fraͤwlein Anna/ nunmehr einige
Erbin in Bohem vnd Hungarn/ geheyrathet/ die Cron erlanget/ vnd in dem
Schmalkaldiſchen Krieg/ wie im erſten Theil dieſer Diſcurſen zu ſehen/ die
Bohemen geſchlagen/ vnd die Huſſiten verdrucket hat/ daß ſie
ſich ſtill/ vnd demuͤhtig halten
muͤſſen.



Der
[234]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der zwey vnd zwantzigſte Diſcurß.


Von Caroli V. Einkommen: Deſſen erſter Faͤhler/ daß er Martin
Luthern frey gelaſſen. Der ander/ daß er den Koͤnig in Franckreich
ledig gezehlt: Der dritte/ daß er den Barbaroſſa nicht gefangen/ den Muleaſſa
wieder eingeſetzt/ vnd der Veſten Goletta nicht viel geachtet: Der vierdte/ daß
er Hertzog Mauritzen das Churfuͤrſtenthumb Sachſen eingeraͤumbt: Der
fuͤnffte/ daß er das Hauß Medices zu groß gemacht hat. Andere ſeine neben-
Faͤhler. Darinnen auch Ferdinandus I. vnd Maximilianus II. ebenmaͤſſig
gefaͤhlet.


WAsCarolus V.vor ein berůhmbter Held geweſen/ was er vor
groſſe Thaten gethan/ was ſchoͤne kuͤnſtliche Tugenden jhn gezieret/
was Laͤnder er beherꝛſchet/ was Kriege er gefuͤhrt/ iſt bey denen zu leſẽ/
die ſein Leben weitlaͤufftig beſchrieben. Wie nun kein Rooß ohne Dornen/ kein
Weitzen ohne Huͤlſen/ kein Speltz ohne Sprew/ kein Jahr ohne Vngeziefer zu
finden; alſo hat ſich dieſer herꝛliche fuͤrtreffliche Fuͤrſt/ der Menſchlichen
Schwachheiten nicht entbrechen koͤnnen/ ſondern hat in vielen Stuͤcken etwas
geſtrauchelt/ vnd dadurch ſein groſſes Gluͤck verdunckelt/ vñ bey etlichen vnwerth
gemacht. Sein Jaͤhrliches Einkommen belieff ſich uͤber 20. Millionen Ducatẽ/
welches er gar nit zur Vppigkeit/ oder zum eytelen Pracht an Kleidung/ Ver-
ehrungen oder Gebaͤwen/ ſondern zu Erhaltũg ſeiner Hoheit angewendet. Vnd
zwar gienge es jhm/ wie dem Rieſen Briareus, deme die Poeten hundert Schen-
ckel/ vnd hundert ſtreitbare Arm angedichtet/ aber auch fuͤnfftzig Baͤuche gegebẽ/
daß/ ob er gleich ſo viel in einem Treffen außrichtete/ als fuͤnfftzig eintzele Mann/
er gleich auch vor fuͤnfftzig Mann muſte Nahrung zu ſich nehmen. Alſo waren
Caroli Landſchafften zerſtrewet/ vnd lagen fern von einander/ darumb er deſto
mehr Vnkoſten anzuwenden hatte/ dieſelbe im Gehorſamb/ vnd vor feindlichem
Vberfall zu bewahren.


Den allererſten Faͤhler hat man an jhm vermercket/ daß er Martin Luthern
zu Wormbs wieder von ſich in Sicherheit gelaſſen/ da er jhn doch/ nach dem Ex-
empel der Allgemeinen Kirchen zu Coſtnitz/ welche Huſſen/ vnd Jeromen von
Prag verbrand haͤtte/ von der Erden ſollen vertilgen/ vnd ſo wenig den Churfuͤr-
ſten in Sachſen darin anſehen/ als die Vaͤtter damahls das gantze Koͤnigreich
Bohem beobachtet. Vnd ſolte das Kaͤyſ. Gelayth an einem Orth ſo wenig/ vnd
ſo viel golten haben/ als am andern. Die ſolchen Faͤhler verthaͤdigen/ wenden
vor/ Luther wer nicht ordentlicher Weiß gehoͤret/ vnd verurtheilt geweſen/ wie
Huß/
[235]Ander Theil.
Huß/ ſondern nur zu Rom/ ohne Advocaten, vnd Wiederꝛede: darumb der
Kaͤyſer auch anderſt ſollen verfahren. Denen zur Antwort wird/ man haͤtte ge-
dachten Luthern in Kaͤyſ. oder Churfuͤrſtl. oder vnpartheyiſcher Verwahrung
halten/ vnd jhme das Buͤcher-Schreiben nicht nur mit Worten/ ſondern mit
der That/ vnd in enger Cuſtodi verwehren moͤgen/ daß er den groſſen Abfall nit
haͤtte verurſachen koͤnnen: oder da er ſich wider Verbott nicht ſtill gehalten/ nicht
mehr/ wie zuvor/ demuͤtig geſchrieben/ noch beſſer Vnderweiſũg begehret/ ſondern
geraſet vnd getobet/ das Pabſthumb vom Teufel geſtifftet doͤrffen ſchreiben/ jhn
mit allem Anhang/ als einen Rebellen uͤberziehen/ verurtheiln/ vnd auß dem Mit-
tel raͤumen: welcher geſtalt der Schmalkaldiſche Krieg/ vnd endlich erfolgte
Religions-Fried wohl vnerhoͤrt weren blieben. Zu geſchweigen/ daß Carolus ſich
ſelbſt allzuviel mit den Proteſtierenden eingelaſſen/ vnd Geſpraͤche vnd Religi-
ons
-Sachen vnderfangen/ als wer er ein Conſtantinus Magnus, von in ſolchem
dem Pabſt fürgegriffen. Er mag aber bey angehender Regierung vielleicht ſein
eygene Macht noch nit ermeſſen/ vnd ſich vor ſeinen Nachbarn zu ſehr gefoͤrchtet
haben.


Der ander Faͤhler mag ſeyn/ daß Carolus V. den gefangenen Koͤnig in
Franckreich wieder ledig gelaſſen/ vnd ſeinen Vortheil nicht beſſer in Acht ge-
nommen. Dann haͤtte er ein ſolchen Loͤwen/ wie es ſein Cantzler/ hochverſtaͤndlich
erinnerte/ ohn einigen Entgelt auff freyen Fuß geſtellet/ wer ſein Lob dem groſſen
Alexandro wenig gewichen/ welcher nur ſuchte zu uͤberwinden/ vnd ein ſonderli-
ches Wohlgefallen an deß gefangenen Koͤnigs Pacori Antwort getragen/ der
auff begehren/ wie er wolte gehalten ſeyn/ großmuͤtig geſprochen/ Koͤniglich ſolte
man jhn tractieren, in welchem Wort alles begriffen were; vnd jhm nicht nur
die Freyheit/ ſondern auch das Koͤnigreich/ neben vielen vnſaͤglichen Verehrun-
gen/ gethan vnd wiedergegeben. Dann daß Carolus V. Geld genommen/ vor
die Rantzon/ war Kauffmaͤnniſch/ vnd nicht Koͤnigiſch; daß er auch etliche Lehen-
Gerechtigkeiten getoͤdtet/ vnd etwas Land an ſich gezogen/ war kein Mittel/ ein
beſtaͤndigen Frieden zu ſtifften/ ſondern vielmehr ein vnaußloͤſchliſcher Zunder/
das begebene/ vnd ein mehrers wieder zu erobern. Wann aber Koͤnig Frantz
waͤr laͤnger in Verhafftung blieben/ haͤtte es in Franckreich allerhand Vnord-
nungen/ wie zur Zeit Koͤnig Iohannis, der in Engelland gefangen ſaß/ bey der
Verwaltung geben muͤſſen/ welche die Frantzoͤſiſche Macht von Teutſchland
vnd Jtalien abgehalten/ vnd zu jhrerey genen Conſervierung zuruͤck gezogen
haͤtten. Auch wuͤrde der Pabſt ſchwetlich ein andern Potentaten dem Kaͤyſer
an den Halß geworffen haben/ ſeine ſchrellwachſende Macht zu hemmen; weil
Engelland/ Schotten/ Dennemarck vnd Schweden abtruͤnnig/ oder wegen vor-
habenden Abfalls gantz verdaͤchtig warn/ vnd Polen nicht ſo gar veſt ſtunde/ ein
ſo groſſes Werck zu vnderfangen. So ſchien es auch mißlich/ ob Ertz-Hertzog
Ferdinand wieder ſein aͤltern Bruder etwas tentieren, vnd das Gluͤck verſuchen
wuͤrde.


G g ijVor
[236]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Vor ein dritten Faͤhler koͤnte man rechnen/ daß Kaͤyſer Carolus von Bar-
cellong mit ſtattlicher Kriegsruͤſtung in Africa geſchifft/ die Statt Tunis vnd
die Veſtung Goletta gewonnen/ vnd nicht behalten/ ſondern dem Muleaſſa/ auff
Arabiſch Moley Laſen genant/ welchen Adiaben Barbaroſſa/ Tuͤrckiſcher Statt-
halter vertrieben hatte/ vmb ein ſehr geringen Tribut/ von etlichen Falcken vnnd
Windſpielen/ wieder eingeraͤumbt/ hie lieff groſſer Vnfleiß vnnd Hinlaͤſſigkeit
mit vnder/ daß Barbaroſſa entrunnen biß gen Bonn/ da Auguſtinus Biſchoff
geweſen/ von dannen gen Algiera/ da er ſeine Schiff-Armada wieder auffge-
flickt/ vnd ſich nach Conſtantinopel begeben. Der Kaͤyſer behielt vnd beſetzte
zwar die Veſtũg/ verlohr aber ſie hernach wie der/ vnder waͤren dem Proteſtanten-
Krieg. Aber der entrunnene Barbaroſſa fiel Anno 1539. in Dalmatien ein/
erobert die Statt New-Caſtell am Albaniſchen Meer/ vor Zeiten Epirus ge-
nant/ erwürget bey vier tauſent Spanier/ ſo in der Beſatzung lagen/ vnder dem
Oberſten Sarmiento/ vnd fuͤhrte alles Volck in ewige Dienſtbarkeit: Zu wel-
chem Vnheil die Venetianer nicht wenig Anlaß gegeben/ in dem ſie dieſe mit
gemeinen Waffen eroberte Veſte/ auff jhrer Bottmaͤſſigkeit gelegen/ nicht koͤn-
nen vor ſich allein behalten/ vnnd alſo nach deren Erhaltung nicht ſonderlich
gefraget. Auch kam dieſer Barbaroſſa Anno 1543. an zu Tolon/ vnd uͤberwaͤltigt
mit den Frantzoſen die Statt Niſſa/ vnd that allenthalben bey ſeinem Abzug in
deß Kaͤyſers vnd deß Reichs Landſchafften/ ſo groſſen Schaden als er konte:
Welchen Schaden der Barbaroſſa nimmermehr haͤtte thun koͤnnen/ wann man
jhn nach Madrit/ in den Schatten geſetzt/ oder ſonſt ein langen Buchſtaben auß
jhm gemacht haͤtte. Was aber die Veſte Goletta belangt/ iſt kein Zweiffel/ es
waͤr der gantzen Chriſtenheit/ ſonderlich den Jnſeln darauß groſſer Schutz wie-
derfahren/ vnd haͤtten die Africaniſche Voͤlcker/ bey verſpuͤhrtem Schutz/ zum
Chriſtlichen Glauben kommen koͤnnen. Da dann keine Außred guͤltig genug
ſeyn mag/ als ob zu viel Koſten darauff gienge; da doch Barbaroſſa ſelbſt den
Weg gezeigt/ wie einem groſſen Herꝛn/ mit groſſem eygenen Nutzen zu dienen/
in deme er ſich deß Raubs ernehrt/ vnd nur deß Tuͤrckiſchẽ ertheilten Ammirals-
Tittel gebraucht/ auch etwann vmb die Gebuͤhr ein Reuterdienſt erwieſen. Die
zu Duͤnkercken in Flandern thaͤten dem Feind groſſen Schaden/ jhrem Koͤ-
nig angenehmen Dienſt/ vnd jhnen ſelbſt den beſten Nutzen/ wann ein Theil deß
Raubs in die Koͤnigl. Caſſa/ der ander Theil zu Vnderhaltung der Beſatzung/
Baͤwen/ vnd Schiffen/ der dritte Theil vnder die Krieger ſich verparthierte. Vñ
warumb ſolte eine gute Beſatzung zu Goletta nit ein gleiches ſollen thun koͤñen.


Ein vierdten Faͤhler/ von Carolo V. begangen/ ſolte man nennen/ daß er
Churfuͤrſt Johañ Friederichen in Sachſen zwar uͤberwunden/ gefangen/ vñ ent-
ſetzt; aber an der Elb weder auß deß Churfuͤrſten/ noch auß der Stiffter Landen
kein Poſten gefaßt/ gantz Sachſen in Devotion zu halten/ wie jhm ſolches frey
ſtunde. Dann ein ſtarcke Beſatzung i[n] ſo vortheilhafftigem Orth/ oder hinter
einem
[237]Ander Theil.
einem Naßband/ ſonſten Citadella genant/ oder Abſchnitt in einer weitlaͤufftigen
Statt/ darff wenig Nahrung/ vnd erhaͤlt ſich von dem Land/ vnd bezwingt ein
Paß/ biß eine Haupt-Armee ſich richtet/ od’ gibt ſolcher bey vnverhofftem Scha-
den/ vnd nothwendiger Flucht/ ſichern Sammelplatz/ das Gluͤck ferner zu verſu-
chen. Das groͤßte Vberſehens aber war/ daß Carolus ein Ketzer vor den andern
gabe/ vnd Hertzog Mauritzen das Churfuͤrſtenthumb verliehe. Dieſer hatte jhm
zwar groſſen Dienſt gethan/ vnd mit ſeinem Einfall in Sachſen die Voͤlcker
deß Schmalkaldiſchen Bundes zertheilt/ daß ein jeder ſein eygen Land zu ver-
wahren vom groſſen Hauffen gangen/ vnd den Churfuͤrſten entbloͤſſet/ auch
dem Kaͤyſer Huͤlffloß dargeſtellet; gleichwohl haͤtte Carolus die Recompens
wohl moͤgen auffziehen vnd verweilen/ in deſſen ein Kaͤyſerlichen Vogt in die
Landen ſetzen/ vnd Hertzog Mauritzen mit den Banden der guten Hoffnung in
ein vnvermerckten Arꝛeſt nehmen/ biß er beſſern Nutzen auß ſeinem Sieg
ſchoͤpffen koͤnnen/ vnd wie offt ſoll es wohl rewhaffte Gedancken haben geben/ als
der Kaͤyſer von Ynßbruck auff Villach bey eyteler Nacht muͤſſen ſich ſalvieren/
daß er offterwehntem Hertzog Moritzen nicht in die Haͤnde kaͤme? Ob man da-
mahls kein Teutſchen Fuͤrſten/ auß eben dem Hauß Sachſen oder Luͤneburg/ vñ
ſonſten finden koͤnnen/ der ein ſolches Churfuͤrſtenthumb mit danck/ zu Behuff
der Catholiſchen Religion, haͤtte wollen annehmen?


Einem fuͤnfften Faͤhler ſcheinet nicht vngleich/ daß Carolus dem von
Medices die Staͤtte Florentz vnd Siena/ nach dem er ſie mit groſſem Koſten
erobert/ ohn außfuͤhrliche Bedingung vnd Lehenſchafft vberlaſſen. Dann/ ſagt
Tacitus, wann die empfangene Gutthaten/ ſo hoch ſteigen/ daß man ſie nicht wol
vergelten oder erwiedern kan/ bringen ſie Scham/ Wiederwillen/ vnd endlich
Haß- vnd Feindſchafft: Welches an dem Hauſe Medices ſich erwieſen/ in deme
daſſelbige ſich zwar ſchuldig erkandt/ Carolo vor ſo hohe Wolthat zu dienen/ aber
auch eben deſſen ſich geſchaͤmet/ vnd zu mehrer ſeiner Subſiſtentz auff den Pabſt
geſehen/ endlich ſich gar an das Hauß Franckreich verknuͤpffet vñ verheyrathet.
Vnd hie haͤtte Carolus die vralte Gerechtigkeiten deß Roͤm Reichs in Jtalien
wieder ernewern/ vnd ſeinem eygenen Hauß ein friſches Lehen/ wie hernach mit
Maͤyland geſchehen/ erwerben ſollen. Vnd was vor Muͤhe hat es eben dieſen
Kaͤyſer gekoſtet/ daß er das Hauß Parma/ vnd dann Saphoyen etlicher maſſen
an ſich gezogen?


Vnder ſeine uͤbrige Faͤhler moͤchte zu zehlen ſeyn/ daß er in dem Koͤnigreich
Granaden ſoll ſieben mahl hundert tauſend Menſchen vmbkommen laſſen: daß
er ſeinen Bruder ſo eylfertig mit dem Hertzogthumb Wuͤrtemberg belehnet/
vnd den Verluſt deſſelben ſo gering geachtet: daß er die Kaͤyſ. Cꝛon nit auff ſeinen
Sohn gebracht/ ſondern ſeinem Brudern heimb gewieſen: daß er ſich na-
ckend vnd bloß außgezogen/ ehe er muͤſſen ſchlaffen gehen: daß er wohl geſehen/
wie alle ſein Vorhaben ohne deß Pabſts zu Rom Beyfall vnd Vnderſtuͤtzung/
G g iijzu
[238]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
zu Waſſer werden ſolte/ vnd dennoch ſich ſo wenig freundlich mit demſelben ge-
halten/ daß er ſeinem Bruder die Ernde deß Teutſchen Kriegs uͤberlaſſen/ vnd
ſo viel als nichts vor ſich vnd ſeinen Sohn behalten: daß er der Spaniſchen Mo-
narchey den Grund zu legen/ vnd den Anfang zu geben/ ſonſten aber der Gelegen-
heit nicht wiſſen zu gebrauchen/ vnd den Monarchen ſelbſt zuſpielen. Auß wel-
chem allem erſcheinet/ daß/ da er ſeiner Schantz wol in acht nehmẽ wollen/ Hoch-
vnd Nieder-Teutſchland/ ſampt Jtalien/ ſeinem Gewalt vnd Gehorſamb nim-
mer haͤtten entlauffeu moͤgen.


Kaͤyſers Ferdinandi I. Faͤhler moͤgen geweſen ſeyn/ daß er Anno 1541. den
Vnder-Oeſterꝛeichiſchen Staͤnden/ die vmb Reformation der Kirchen/ oder
doch vmb Schutz jhrer Prediger/ vnd der beyderley Geſtallten/ angehalten/ ſol-
ches biß auff Entſcheyd eines Concilij verguͤnſtiget: doch jederweilen auffgeha-
ben/ biß etwann einige Geltſtewr vonnoͤthen. Vnd weil Koͤnig Ferdinand die
beyderley Geſtalten deßwegen auff ein zeitlang erlaubete/ thaͤt ſein Tochtermañ/
Hertzog Albrecht in Baͤyern/ auß gleicher Vrſach/ ſeinen Vnderthanen gleiche
Verguͤnſtigung/ neben dem Fleiſch-Eſſen auff verbottenen Tagen. Vnd gienge
Ferdinand darin ſo behutſamb/ dz er bey dem Pabſt Pio V. vñachlaͤſſig deßwegen
angehalten/ welchs er auch kurtz vor ſeinem Ende in einer Bull an dẽ Biſchoff zu
Saltzburg geben den 16. April. 1564. erhalten/ vnd ſich deſſen inniglich erfrewet/
doch wegen ſcharpffen angehenden Clauſulen nicht publicieret; mit deme allein
zu frieden/ daß hierin der Pabſt ſeine Lindigkeit gegen den Vnderthanen ſo ferꝛn
gut geheiſſen; aber nicht vorgeſonnen/ dz dieſes ein hoch nachtheiliger Eingang
wider die Roͤm. Kirche worden. Der ander Faͤhler geſchah zu Speyer/ auff dem
Reichs-Tag/ in Abweſen Kaͤyſer Carlen/ da der Wormbſer Schluß võ Verbie-
tung der Newerungen in der Kirchen/ wo nicht gar auffgehoben/ doch mercklich
geſchwaͤcht worden: welches vielleicht dannenhero geſchehen/ damit die Staͤnde
deß Roͤm. Reichs mehr auff Koͤnig Ferdinand/ als auff Kaͤyſer Carlen ſehen:
dann die Erbtheilung war gantz vngleich/ vnd konten die Oeſterꝛeichiſche Landẽ/
Tyrol/ Breißgaw/ Elſaß/ Steyrmarck/ Kaͤrndten/ Krayn/ ſo viel Koͤnigreiche/
neben den Burgundiſchen Provintzen/ nicht auffwiegen. Die Proteſtierende
Fuͤrſten wolten es lieber mit einem Ertz-Hertzogen/ vnd Koͤnig in Bohem/ als
mit dem Spanier zu thun haben/ vnd trieben jhr Weſen jm̃er fort/ welches Fer-
dinandus/ als er endlich Kaͤyſer worden/ hernach nicht mehr hindern konte.


Nicht weniger Faͤhler hat begangen Kaͤyſer Maximilian der andere deß Na-
mens/ alles zu Folge/ der obigen Verguͤnſtigungen/ dann alsbald jedes Dorff wz
ſonderliches triebe/ wegen vieler vnbeſonnener Koͤpff vnder den Proteſtierendẽ
Predigern/ haben ſich die zween Staͤnde/ der Herꝛn vnd Ritterſchafft im Ertz-
Hertzogthumb Oeſterꝛeich vnder der Enß/ einer gewiſſen Kirchen-Ordnung/ vñ
ſonderlich der Ceremonien vnd Kirchen-Gebraͤuch halben/ gleich andern der
Augſp. Confeſſions-Verwandten Fuͤrſten vnd Staͤnden/ zu deß Kaͤyſers gutem
Benuͤgen vergliechẽ; darauff erlaubete jhnen Maximilianus II. biß zu einer allge-
meinen
[239]Ander Theil.
meinen Chriſtl. Reformation, vnd Vergleichung der Religion in Teutſchland/
die freye Vbung der Religion, dz dieſelbe nach Jnhalt der Augſp. Confeſſion, in
allen jhren Schloͤſſern/ Haͤuſern vnd Guͤtern/ doch auſſer den Kaͤyſerl. Staͤtten
vnd Maͤrckten/ fuͤr ſich ſelbſt/ jhr Geſind vnd Zugehoͤrigen/ auff dem Land aber
bey jhren zugehoͤrigen Kirchen zugleich/ vnd fuͤr jhre Vnderthanen ruhig vnd
ſicherlich gebrauchen moͤchten/ der Hoffnung/ es ſolte dadurch den ſchwebenden
Secten gewehret werden. Bezeugete auch in einer ſonderlichen Schrifft uͤber
das in Anno 1568. den 18. Auguſti verwilligtes Indult, vnder dem 10. May/ Anno
1570. daß er gemeldte Staͤnde ſampt vnd ſonders/ auch jhre Erben vnd Nach-
kommen/ ſampt jhren Pfarꝛen/ Kirchen vnd Schulen/ alle jhre Vnderthanen
vnd Zugehoͤrigen/ ſoller Bewilligung halben/ mit rechtem Wiſſen/ vnd gutem
zeitigem Bedacht/ auß Kaͤyſerlicher vnd Landsfuͤrſtlicher Macht fuͤr ſich/ alle
ſeine Erben vnnd Nachkommen/ hiemit dermaſſen aſſecuriere vnd verſichere/
daß ſie ſich derhalben weder bey jhm noch ſeinen Erben vnd Nachkommen/ oder
bey ſeinen/ vnd derſelben ſeiner Erben nachgeſetzter Obrigkeit einiger Vngnad/
Gefahr oder anderer Wieder waͤrtigkeit zu beſorgen haben/ ſondern derowegen
vor Maͤnniglich/ geiſtliches vnd weltlichen Standes/ vergewiſſert ſeyn vnd blei-
ben ſolten: Bey ſeinen Kaͤyſerlichen Worten darwieder jetzt noch kuͤnfftiglich/
weder auß Kaͤyſerlicher/ noch Lands-Fuͤrſtlicher Macht/ Diſpenſation, Indult,
oder Abſolution zu geben noch zu thun/ geſtatten/ ſo lang vnd viel/ biß zu einer
allgemeinen Chriſtlichen Reformation, vnd Gottſeeligen Vergleichung der
heiligen Religion in Teutſcher Nation.


Dieſer Faͤhler iſt vmb ſo viel groͤſſer/ daß er nicht vor-ſondern nach dem
Trientiſchen Concilio begangen/ die Abtruͤnnigen uͤber alle maſſen ſehr geſteif-
fet hat/ vnd hierinnen Ioachimi Camerarij von Leipzig/ wie auch Davidis Chy-
træi
von Roſtock/ ſo beyde der Proteſtierenden Religion zugethan waren/ zu
rahten geſucht vñ gefolgt. Ja ſich noch zu einer wuͤrcklichẽ Reformation d’Kirchẽ/
vnd ob er ſelbſt koͤnte neben der Kaͤyſ. Cron/ die Paͤbſtiſche auch tragẽ/ ſchier nahe
verfuͤhrẽ laſſen. Jn dem Land zu Wuͤrtemberg gedachtẽ ſie eine Veſtung zu neh-
men/ vñ 4. Regiment zu Fuß/ neben drey tauſend zu Roß daſelbſt hinzulegen/ die
Contributions-Gelder/ vnd andere Kriegsnotthurfft zu bewahren. Bey ſo
geſtallten Sachen hielten die Churfuͤrſten einen Tag zu Nuͤrnberg/ vnd fanden
kein ander Mittel/ dem bevorſtehenden Vngewitter vorzukommen/ als daß ein
Succeſſor dem Kaͤyſer welcher ſich innen hielte/ vnd mit niemand communi-
cierte,
darumb auch viel Sachen vnder ſeinem Nahmen befohlen worden/ von
denen er nimmer nichts erfahren/ nachgeſetzt/ vnd zur Vorſorg erwehlet wuͤrde/
welches der Kaͤyſer jhm nit allerdings zu wider ſeyn laſſen: ſtarb doch Anno 1612.
vnd macht ſeinem Bruder/ Koͤnig Matthiæ Platz.


Die allererſte Kaͤyſ. Verꝛichtung war/ daß der Baw zu Muͤlheimb/ den die
Proteſtierende Fuͤrſten eyferig trieben/ durch ein Kaͤyſerl. Mandat verhindert
wurd: vnd die Execution uͤber Muͤlheimb vnnd Aachen dem Marquis Spinolæ
auß
[240]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
auß den Niederlanden anbefohlen. Die zweyte war der Reichs-Tag zu Re-
genſpurg/ Anno 1613. auff welchem die Proteſtierenden, wie auch die Catholi-
ſchen/ jhre Gravamina gegeneinander uͤbergeben.


Was nun auff dieſem Reichs-Tag verꝛichtet worden/ das hat Nell/ deß
Kaͤyſers Schalcks-Narꝛ artlich vnd kurtz verfaßt. Dann als er ein ſchoͤn newes
Buͤchlein laſſen einbinden/ vñ ſolches vnder dem Arm trug/ wurd er vom Kaͤyſer
gefragt/ was er damit wolte. Da gab er zur Antwort/ er haͤtte die Reichs-Acta
drein geſchrieben: wie nun der Kaͤyſer begierig war die Acta zu leſen/ das Buͤch-
lein oͤffnete/ vnd durchblettert/ aber alles weiß fand/ antwort Nell: dieweil nichts
wer verꝛichtet worden/ haͤtte er auch nichts ſchreiben koͤnnen. Dann es ſtunden
beyde Partheyen gegeneinander in Verfaſſung/ vnd gedachten nicht vmb ein
Fuß zu weichen. Die Proteſtierende wolten nicht mehr zu der Verſamblung
kommen/ weil jhre Gravamina vneroͤrtert blieben; ſo erhielten die Catholiſchen ein
ſcharffe ſalvations-Schrifft wider die Unierten; daruͤber dieſe offentlich prote-
ſtieret,
vnd alſo von einander geſcheyden. Alſo brachte dieſer Reichs-Tag keine
Ruhe/ ſondern lauter Verbitterung. Doch erhielten die Catholiſchẽ ein groſſen
Vortheil/ daß Hertzog Wolff Wilhelm/ Pfaltzgraff von Newburg Fraͤwlein
Magdalena auß Baͤyern geheurathet/ vnd dardurch zu jhrer Religion gezogen
worden. Die dritte daß Kaͤyſ. Mayſt. dem Hertzogen von Braunſchweig gra-
tificierte,
vnd ein Mandat wider dieſelbige Statt außgehen laſſen. Die vierdte/
daß die Statt Magdeburg von der Buͤndnuß mit den Hollaͤndern/ beydes durch
den Kaͤyſer/ vnd durch den Churfuͤrſten/ ſind abgeſchreckt worden. Die fuͤnffte/
daß er an den Churfuͤrſten zu Heydelberg die Union begehrt hat/ gegen der Liga
auffzuheben. Die ſechſte/ daß er Ertz-Hertzog Ferdinanden auß Oeſterꝛeich zu
einem Sohn angenommen/ vnnd zu einem Nachfolger in den Koͤnigreichen
Hungarn vnd Bohem angenommen hat. Die ſiebende/ daß er alſobald ſich nach
Dreßden zu dem Churfuͤrſten in Sachſen begeben/ vnd nebẽ Koͤnig Ferdinando,
auch Ertz-Hertzogen Maximiliano, vnd Biſchoff Cloͤſel/ Frewd vnd
Rathſchlagung gepflogen.



ERRATA. Ander Theil.


P. 4. 1. l. Kern. l. 36. weit adde kommen. p. 9. l. 21. Herde ad. Weyde. l. antep. l.
ſehung. p. 16. l. antep. l. geben wollen. l. pen. l. zugleich. p. 23. l. ant. l. thet. p. 25. l. 8.
l. beyden. l. 24. l. Zeichen. p. 27. l. 31. ein l. Hertzog Georg von Braunſchweig/ ein p.
28. l. 9. Georg. p. 29. l. 14. l. recht. p. 32. l. 3. l. richten. l. 28. l. meyn. l. 37. l. geb. p. 34. l. 2.
l. ſchieden. l. pen. l. als. p. 35. l. 33. dem ad. Kayſer? p. 36. l. 13. l. ſchobẽ p. 37. l. 3. l. denen
l. 9. l. ſeinem p. 38. l. 25. l. Aber p. 42. l. 2. l. kein. p. 46. l. 22. l. den. p. 48. l. 23. ad. geſche-
hen. p. 49. l. 4. l. Emdius. p. 54. l. 19. l. zuviel. p. 65. l. 13. l. Gemuͤths/ bey jhm. l. 29. l.
Ke. l. 31. l. floſſ. l. 38. l. zo. p. 80. l. pen. l. noch. p. 88. l. 25. l. omnia. p. 91. l. 31. l. in. p. 98. l.
21. l. ſorgte ſich l. 30. l. rich. p. 107. l. antep. l. Mannen. p. 123. l. 38. l. haltẽ. p. 128. l. 26. l.
die er p. 170. l. 9. l. ſtoͤcken. p. 183. l. haben del. p. 185. l. 1. l. farth. l. 33. l. den. p. 186. l. 8.
l. geſehen nicht/ p. 191. l. 7. l. Pfeil. p. 196. l. 35. l. wie. p. 198. l. 12. l. weder.


[1]

GERMANIÆ PERTVRBATÆ
\& Reſtauratæ

Dritter Theil.


Wir haben in vorigen Diſcurſen/ deß Erſten vnnd Andern
Theils/ kurtzlich deducirt/ wie toll es im Roͤmiſchen Reich wegen deß Zwi-
ſpalts in der Religion/ jeder zeit vnd kurtz vor vnſern Zeiten hergangen/ vnd
vor Mutationes darauff erfolget/ dieweil dann der Zweyte Theil/ dieſer vn-
ſerern Diſcurſen/ mit dergleichen Handel beſchloſſen/ vnder deſſen aber die
Boͤhmiſche bekannte Auffwicklung/ vornemlich jhr Incrementum, von
Keyſers Rudolphi den Boͤhmen gebenen Mayeſtaͤtbrieff mehrertheils ge-
nommen/ als haben wir/ dieſes Dritten Theils Anfang machen/ vnd
folgends die gantze Handlung Kriegs vnd Frieds/ biß auff
den allgemeinen Muͤnſteriſchen Friedenſchluß
continuiren wollen.


Der Erſte Diſcurß.


Keyſer Rudolphi II. Fehler. Der Boͤhmen Mayeſtaͤtbrieff/ wegen Freyheit der Proteſtiren-
den Religion: vnd wie derſelbe auffgenommen/ auch widerſinniſch außgedeut worden.


KEyſer Rudolff der Ander dieſes Namens/ fing ſeine Regierung
ernſtlich an/ bemuͤhet ſich ſehr/ die Niderlanden mit dem Koͤnig in
Spanien zuvertragen/ ſchaffte die Calviniſten auß der Laußnitz/ ver-
meint das Vnweſen zu Augſpurg/ vnd in dem Biſtumb Straßburg/
durch ſein Anſehen hinzulegen; braucht aber keinen rechten Ernſt/ der
Roͤmiſchen Religion zum beſten/ vnd wolte ſich auch deßwegen nicht einreden laſſen/
ſondern blieb auff ſeiner Meinung/ alles in Friede zuerhalten/ ſo lang er leben moͤch-
te. Vnder ſeinen Dienern hielte er kein Vnderſcheyd/ welcher Religion ſie weren
vnd hielte den Proteſtirenden in Boͤhmen allen Schutz. Vnder ſeiner Regierun/ g
Dritter Theil. Agabes
[2]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ,
gab es viel vnd mancherley klagens/ zwiſchen den Catholiſchen vnd Proteſtiren-
den/ als wuͤrde der hochverpoͤnte Religionsfried ſo gar nicht gehalten/ vnnd thet je
eine Parthey der andern eingriff. Vnd fehlete der Keyſer hierin/ daß er alles ließ
hinſtreichen/ vnd keine Vnruhe/ weniger einigen Krieg leiden wolte. Das aller-
aͤrgſte war/ daß er den Boͤhmen vnnd incorporirten Landen ein Mayeſtaͤtbrieff/ zu
mehrer Verſicherung jhrer freyen Religion ertheilt: darin er den obangezogenen
Exempeln ſeiner Vorfahren zwar gefolgt/ eben dadurch vnſern dreyſſig jaͤhrigen
Teutſchen Krieg erweckt.


Es lautet aber der gemelde Mayeſtaͤtbrieff der Boͤhmen alſo: Wir Ru-
dolph der Ander/ von Gottes Gnaden erwehlter Roͤm. Keyſer/ zu allen Zeiten
Mehrer deß Reichs: zu Hungarn/ Boͤhem/ Dalmatien/ Croatien/ ꝛc. Koͤnig/ ꝛc.
Ertzhertzog zu Oeſterꝛeich/ Margraff zu Maͤhren/ Hertzog zu Luͤtzelburg vnnd in
Schleſien/ Margraff zu Laußnitz/ ꝛc. thun kund zu ewiger Gedaͤchtnuß mit die-
ſem Brieff Allermaͤnniglich/ Nach dem alle drey Staͤnde vnſers Koͤnigreichs
Boͤhem/ ſo den Leib vnnd das Blut deß Herꝛn Jeſu Chriſti vnder beyderley Ge-
ſtallt empfangen/ Vnſere liebe Getrewen/ bey dem verwichenen 1608. Jahr/ am
Montag nach Exaudi, auffm Pragerſchloß gehaltenen/ vnd am Freytag nach Jo-
hannis Baptiſtæ gemelden Jahrs geſchloſſenen Landtag/ bey vns/ als Koͤnig in
Boͤhmen/ in aller Demuth vnnd Vnderthaͤnigkeit Anſuchung gethan/ damit ſie
bey der gemeinen Boͤhmiſchen von etlichen Augſpurgiſch genannten/ beym ge-
meinen Landtag Anno 1575. beſchriebenẽ/ vnd der Keyſerlichen Mayſt. Weyland
Keyſer Maximiliano/ vnſerm geliebſten Herꝛn Vattern loͤblichſter vnd ſeelig-
ſter Gedaͤchtnuß/ vbergebenen Confeſſion (die jhnen bald dam als/ wie wir gewiß-
lich berichtet/ vnnd auß den Schreiben vnſers geliebſten Herꝛn Vatters eygener
Hand/ auch andern bey der Landtaffel vorhandenen Gedaͤchtnuß vernommen/
von Jhrer Mayeſtaͤt verwilliget worden) auch jhrer vndereinander auffgerichte-
ten/ vnnd in der Vorꝛede eingebrachten Vergleichung/ ſo wol an der jhren/ im ſel-
ben Landtag namhafftig gemachten/ jhre Religion antreffenden Bitte/ vnnd
freyem Exercitio jhrer Chriſtlichen Religion ſub Vtraque vngehindert/ maͤnnig-
lich gelaſſen: Solches alles auch von Vns jhnen den Staͤnden (in maſſen derſelbe
Artickel/ vnnd jhr in gemeldem Landtag/ vnd der Landtag in die Landtaffel/ in die
gruͤne Quatern der gemeinen Landtag/ Anno 1608. am Montag nach Exaudi,
vnder dem Buchſtaben K. 8. von Wort zu Wort eingeleibet/ vnd inſeriret/ Begeh-
ren alles mehrers in ſich haͤlt vnd außweiſet) gnugſam confirmiret werden moͤgte.
Wir aber ſelbige Zeit/ wegen anderer wichtigen Nottuͤrfften/ derenthalben der
Landtag damals außgeſchrieben worden/ vnnd keinen Auffſchub leiden koͤnnen/
ſolches zu confirmiren, biß zukuͤnfftigem auffm Donnerſtag vor Martini/ vnnd
ſelbmals nechſtkuͤnfftig benannten Landtag/ zu aller dieſer Sachen ferꝛnern Be-
ſchluß zuverlegen gnaͤdigſt begehrt/ vnd vnder deſſen ſo lang dieſes bey gemeinem
Landtag nicht vollzogen wuͤrde/ die Staͤnd ſub Vtraque alſo verſorget/ daß ſie jhre
Reli-
[3]Dritter Theil.
Religion frey vben/ vnnd vor Eroͤrterung vnnd gewiſſen Endung gemelden
Puncts/ zu keinen Artickeln/ was alſo von vns jhnen in der Propoſition vorge-
bracht werden moͤchte/ zuſchreiten/ zuberathſchlagen/ ja gar nichs zu handeln ſchul-
dig ſeyn ſolten: wie diß vnſer gnaͤdigſt begehren/ vnd Vorſorgung mehrers in ſich
halten thut.


Wie nun vorigen Landtags Verbleibung nach/ der auff obbeſchriebenen
Tag/ nemblich dem Donnerſtag vor Martini angeſetzte Landtag von vns gewiſſer
Vrſachen halben auch verlegt/ vnd nachmals ein anderer Dienſtags nach Pauli
Bekehrung durch vnſere Mandata außgeſchrieben/ vnnd auff das Praͤgeriſche
Schloß benennet worden/ vnnd gemelde Staͤnde ſub Vtraque vns auffs newe
angeregte Confeſſion vnd ein hellig gethane Vergleichung dabey vberꝛeicht/ auch
vnnachlaͤßlich bey vns jhrem Koͤnig vnd Herꝛn/ nicht allein durch jhr embſiges
vnderthaͤniges/ demuͤhtiges Bitten/ ſondern auch durch anſehnliche vornehme
interceſſionen angehalten/ daß wir zu angeregter Staͤnde ſub Vtraque, vnſerer
getrewen vnnd lieben Vnderthanen begehren gnaͤdigſt bewilligen wolten. Daß
wir nachgehalter fleiſſiger vnſerer Keyſer. vnnd Koͤniglicher Erwegung/ mit vn-
ſern Oberſten Landofficirern/ Landrechtſitzern/ vnnd Raͤhten deß Koͤnigreichs
Boͤhmen alles deſſen/ nicht vnderlaſſen/ auff gemelder Herꝛn/ Ritter/ Praͤger/ vnd
anderer Abgeſaudten auß den Staͤtten/ aller drey/ den Leib vnnd das Blut vnſers
Herꝛn Chriſti/ vnder beyderley Geſtallt empfangender/ vnnd ſich zu dieſer Confeſ-
ſion Bekennender Staͤnde gemelden Koͤnigreichs Boͤhmen/ vnſerer Getrewen
lieben/ vnderthaͤniges/ demuͤhtiges Bitten/ allen dreyen Staͤnden dieſes Koͤnig-
reichs/ vnſern lieben Getrewen/ einen gemeinen Landtag/ auff den Montag nach
Rogationum, anders der Kreutzwochen 1609. durch vnſere Koͤnigliche Mandata
außzuſchreiben/ auffm Prager Schloß anzuſtellen/ in gemelden offentlich auß-
gangenen Mandaten vnder andern auch dieſes außdrucklich zuſetzen: daß bey die-
ſem Landtag der Artickel von der Religion zur Eroͤrterung vnd Endbringung ge-
langen ſoll/ vnnd wir ſolches in die Landtags propoſition ſetzen/ auch welcher ge-
ſtallt alle in geſampt/ ſo wol ein jeders beſonders wie die ſub Vna, als auch die ſub
Vtraque,
vnnd die ſo ſich zu der Vns hiebevor vberꝛeichten Confeſſion bekennen/
jhre Religion vngehindert maͤnniglich/ ſo wol Geiſtlicher als Weltlicher Perſo-
nen vben moͤgen/ gebuͤhrliche Vorſorg thun wollen/ jumaſſen dieſes alles beſagte
vnſere Mandata, deren Datum auffm Schloß Prag Sambſtag nach Iubilate,
dieſes 1609. Jahrs in dem Punct mehrers außweiſen. Vnd als zu ſolchem von
vns außgeſchriebenen gemeinen Landtag/ ſich alle drey Staͤnde gleichfalls gehor-
ſamlich vnd vnderthaͤnig eingeſtellt/ wir auch vnſerem gethanen/ vnnd in vnſerm
Mandat inſerirten anerbieten nach/ den Artickel wegen der Religion/ in vnſerer
propoſition mit eingebracht: haben offt beſchriebene alle drey vereinigte Staͤnde
ſub Vtraque, jhr vorige vns in Schrifften vbergeben Begehr renouiert, vnnd
A ijvns
[4]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ.
vns gnugſame Verſicherung/ auch deſſen Bekraͤfftigung mit der Landtaffel/ vn-
derthaͤnigſt gebeten.


Dieweiln dann vnſer gaͤntzlicher Wille/ daß in dieſem Koͤnigreich vnder al-
len dreyen Staͤnden/ ſo wol denen ſub Vna, als denen offtbeſagten ſub Vtraque,
allen vnſern getrewen vnd lieben Vnderthanen/ jetzo vnnd in künfftige Zeit aller-
ſeits Lieb/ Einigkeit vñ gut Vernehmen/ zu Erweiterung/ Vnderhaltung deß ge-
meinen guten Friedens/ erhalten werde/ vnd jedes Theil ſeine Religion/ darinnen
es ſeine Seeligkeit verhofft/ Frey vñ ohne Bedraͤngnuß eines von dem andern/ v-
ben moͤge/ daß auch (wie billich iſt) dem Landstag Beſchluß Anno 1608. wie nicht
weniger vnferm offentlich außgangenem Mandat (in welchem voran geregte
vereinigte/ vnd zu der Confeſſion ſich bekeñende Staͤnde ſub Vtraq; vor die jenige/
die ſie jederzeit geweſt/ nemlich vor vnſere Getrewe vnd Gehorſame/ vnder vnſerm
gnaͤdigem Schutz/ zu allen Ordnungen/ Rechten vnnd Freyheiten dieſes Koͤnig-
reichs gehoͤrende Vnderthanen/ auff die ſich vnſere Koͤnigliche Pflicht/ die Recht
vnd Lands Ordnung erſtreckt/ erklaͤrt/ vnd jetzo nochmals erkennen thun) ein benuͤ-
gen beſchehe/ als haben wir in Anſehen ſo wol beſagter anſehenlicher interceſſio-
nen,
als auch der Staͤnde ſub Vtraque, embſiger offter Bitt/ vnd jren vielfaͤltigen/
getrewen/ nutzlichen/ vns die gantze Zeit hero vnſerer gluͤcklichen Regierung vber
ſie/ wuͤrcklich geleyſten Dienſt/ vnd vieler anderer Vrſachen halber/ wolbedaͤchtig/
mit vnſerm guten Wiſſen/ auß Koͤniglicher Macht in Boͤhmen/ vnd mit Raht der
Oberſten Landofficirer/ Landrechtſitzer/ vnſerer Raͤhte/ den Artickel wegen der Re-
ligion bey dieſem auffm Prager Schloß gehaltenen gemeinen Landtag/ mit allen
dreyen Staͤnden dieſer Kron/ der geſtallt eroͤrtert vnd beſchloſſen/ vnd die Staͤnde
ſub Vtraque mit dieſem vnſerm Mayeſtaͤtbrieff verſorgt/ vnnd thun ſie alſo ver-
ſorgen.


Anfangs nach dem hiebevor/ mit der Landsordnung Anno 32 ſo viel den
Glauben ſub Vna vnnd ſub Vtraque betrifft/ außgeſetzt/ daß ſie einander nicht be-
draͤngen/ ſondern vor einen Mann/ als gute Freund beyeinander ſtehen: auch kein
Theil das ander ſchmaͤhen ſoll/ ſo wird es hierin in dieſem Artickel bey der Lands-
Ordnung vollkoͤmmlich gelaſſen/ vnd ſollen damit beyde Theil/ gegen einander in
kuͤnfftige Zeit/ bey Vermeydung deren in der Landsordnung/ außgeſetzten Straff
verbunden ſeyn vnd bleiben.


Vnd ſintemal die ſub Vna, jhre Religion in dieſem Koͤnigreich frey/ vnd
vngehindert in Vbung haben/ vnd die ſub Vtraque, ſo ſich zu dieſer Confeſſion be-
kennen/ jhnen hierin keine Hinderung noch Außmeſſung thun: So bewilligen wir
hiezu vnd geben Gewalt vnd Recht/ zu Erhaltung hierinnen einer billigen Gleich-
heit/ daß gleichfalls viel angeregte vereinigte Staͤnde ſub Vtraque, ſo wol der
Herꝛn vnd Ritterſtand/ als auch die Praͤger/ Kuttenberger/ vnnd andere Staͤtte
mit jhren Vnderthanen/ vnnd in Summa/ alle die jenigen/ die ſich zu der Boͤhmi-
ſchen/ Weyland Keyſer Marimilianus vnſerm geliebſten Herꝛn Vatter/ loͤbli-
cher
[5]Dritter Theil.
cher vnd ſeeliger Gedaͤchtnuß/ beym gemeinen Landtag/ Anno 1575. vnnd vns jetzo
auffs new vberꝛeichten Confeſſion (darbey wir ſie gnaͤdigſt bleiben laſſen) bekennet
vnd bekennen/ keinen darvon außgeſchloſſen: jhre Chriſtliche Religion ſub Vtra-
que,
nach jnnhalt der Confeſſion/ vnd jhrer miteinander auffgerichten Vergleich-
ung vnd Verbuͤndnuß/ geraum/ frey an allen vnd jeden Orthen treiben vnd vben/
bey jhrem Glauben vnd Religion/ ſo wol der Prieſterſchafft/ vnd bey der Kirchen-
ordnung/ die jetzo vnder jhnen iſt/ oder angerichtet werden moͤchte/ biß zu gaͤntzlicher
Chriſtlicher einhelliger Vergleichung wegen der Religion im H. Reich/ gelaſſen
werden: nach denen allbereyt zuvor/ beym Landtag Anno 1567. auffgehebten/ in deß
Lands Privilegien vnd ſonſt außgelaſſenen Compactaten, aber ſich weiter zu rich-
ten/ nicht mehr ſchuldig ſeyn/ ſeyn werden noch ſollen.


Ferꝛner ſo thun wir den Staͤnden ſub Vtraque dieſe beſondere Gnad/ vnd
geben jhnen allen dreyen ſub Vtraque, zu dieſer Confeſſion bekennenden Staͤn-
den/ das vndere Prageriſche Conſiſtorium mit jhrer Prieſterſchafft/ jnhalt der
Confeſſion vnd jhrer Vergleichung/ vernewern/ vnd jhre Prieſterſchafft ſo wol in
Boͤhmiſcher/ als Teutſcher Sprach/ deren nach ordnen laſſen/ oder die geordneten
auff jhre Collaturen, ohne alle Verhinderung deß Prageriſchen Ertzbiſchoffs/ o-
der jemands anders/ einſetzen/ auffnehmen: nicht weniger auch die Praͤgeriſche
von alters hero denen ſub Vtraque zugehoͤrige Academiam, die wir den Staͤnden/
ſampt aller jhrer Zugehoͤr/ ebensfalls gnaͤdigſt in jhren Gewalt geben/ der geſtallt/
damit ſie dieſelbe gleichermaſſen mit tauglichen vnnd gelehrten Leuthen beſetzen/
gute loͤbliche Ordnung anrichten/ vnnd vber dieſen beyden gewiſſe Perſonen auß
jhrem Mittel zu Defenſorn verordnen moͤgen. Vnder deſſen aber/ ſo lang vnnd
viel ſolches von jhnen nicht ins Werck gerichtet wird/ ſollen die Staͤnde nicht we-
niger ſamptlichen bey deme/ was obbeſchrieben iſt/ dz ſie jre Religion/ allenthal-
ben geraun vnd frey vben moͤgen/ gelaſſen werden.


Vnd ſo viel Perſonen die vereinigte Staͤnde ſub Vtraque, jhres Mit-
tels zu Defenſoren vber gemelt jhr Conſiſtorium vnd Academiam, nach jhrer ein-
helligen Vergleichung/ auß allen dreyen Staͤnden in gleicher Anzahl verordnen/
vnd dieſelben vns/ als jhrem Koͤnig vnd Herꝛn vbergeben werden: dieſelbe alle vns
namhafft gemachte vnd vbergebene Perſonen/ keinen hievon auß gelaſſen wollen
vnnd ſollen wir jnnerhalb zweyer Wochen/ von Dato der vns vber gebenen Ver-
zeichnus/ darzu beſtettigen/ vnd ſie vor Defenſores erklaͤren/ doch vber der Staͤn-
den jhnen gegebenen Pflicht vnnd Inſtruction, in keine andere Inſtruction noch
Pflicht zuziehẽ. Da wir aber anderer Verhinderungẽ/ oder allerhand anderer Vr-
ſachen wegen/ in obbemelter Zeit dieſelben nicht beſtaͤttigen koͤnden oder wuͤrden:
ſo ſollen ſie doch eins wegs/ als deß andern/ vber beyden Defenſores verbleiben/ al-
les das thun vnd verꝛichten/ als wann ſie von vns confirmirt vnnd beſtaͤttiget we-
ren. Vnd da auch einer auß jhnen ſtuͤrbe/ werden die Staͤnde ſub Vtraque an ſtatt
A iijdeſſel-
[6]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ,
deſſelben/ beym nechſt darauff folgenden Landtag einen andern zu denen noch vbri-
gen im Leben verbliebenen wehlen/ vnd zugeben koͤnnen/ welches alſo ins kuͤnfftig
allezeit/ obbeſchriebener geſtallt/ wie von vns/ vnſern Erben/ vnd kuͤnfftigen Koͤni-
gen zu Boͤhem: Alſo auch von jhnen den Staͤnden ſub Vtraque vnnd den Defen-
ſorn obſervirt
vnd gehalten werden ſoll.


Jm fall auch jemand auß den vereinigten dreyen Staͤnden dieſes Koͤnig-
reichs ſub Vtraque, vber die Kirchen vnd Gottshaͤuſer/ deren ſie allbereit im Be-
ſitz ſind/ vnnd die jhnen zuvor zuſtaͤndig/ darbey ſie friedlich gelaſſen/ vnnd beſchuͤtzt
werden ſollen) es ſey in Staͤtten/ Maͤrckten/ Doͤrffern/ oder anderſtwo/ noch mehr
Gottshaͤuſer vnd Kirchen zum Gottesdienſt/ oder aber/ auch Schulen zu Vnder-
richtung der Jugend auffbawen laſſen wolte/ oder wolten/ werden ſolches ſo wol
der Herꝛn vnnd Ritterſtand/ als auch die Praͤger/ Kuttenberger/ vnnd alle andere
Staͤtte/ geſampt vnnd ſonders jederzeit geraum vnnd frey thun koͤnnen/ ohne aller
maͤnnigliches verhindern.


Vnd weiln in etlichen vnſern Koͤniglichen/ vnnd in Jh. M. der Koͤnigin/
als Koͤnigin zu Boͤhmen Staͤdten beyder Religionen zugethane/ nemlich ſub V-
na
vnnd ſub Vtraque beyſammen wohnen: Als befehlen wir jnſonderheit vnd wol-
len/ zu Erhaltung Fried vnnd Einigkeit/ daß jeder Theil ſeine Religion frey vben/
nach ſeinen Prieſtern ſich reguliren vnd richten moͤge/ vnnd ein Theil dem andern
in ſeiner Religion vnnd Ordnung/ keine Außmeſſung thue/ das Exercitium Reli-
gionis,
die Begraͤbnuß der Toden Leich in den Kirchen/ vnd auff den Kirchhoͤfen/
auch ſo wol das laͤuten niemand gewehret ſeyn.


Ebener geſtallt ſoll auch von dem heutigen Tag an zurechnen/ niemand
wie auß den hoͤhern Staͤnden/ alſo auch auß den Staͤtten/ Maͤrckten/ vnnd das
Bawers volck/ weder von jhren Obrigkeiten/ noch andern Geiſtlichen vnnd Welt-
lichen Standsperſonen/ von einer Religion abgewendet/ vnd zu deß Gegentheils
Religion mit Gewalt/ oder einiger anderer erdachten weiß gedrungen werden.


Daß nun alles was obbeſchrieben/ zu Erhaltung Lieb vnd Einigkeit von
vns trewlich gemeint vnd verordnet ſey/ ſo verſprechen wir derowegen mit vnſerm
Koͤniglichem Wort/ daß gedachte alle drey Vereinigte/ zu gedachter Confeſſion
ſich bekennende Staͤnde vnſers Koͤnigreichs Boͤhem/ jetzige vnnd kuͤnfftige/ auch
deren Nachkommen/ bey dieſem allem/ was obgemeldt/ von vns/ vnſern Erben/
vnd kuͤnfftigen Koͤnigen zu Boͤhmen/ vollkommentlich vnnd gaͤntzlich/ ohne Ver-
brechung oder Schmaͤhlerung gelaſſen/ vnd dabey geſchuͤtzt werden ſollen. Dann
wir ſie auch in dieſem allem/ bey dem Frieden deß H. Reichs/ wegen der Religion
auffgericht (der Religionsfried genannt) als ein vornehmes Glied deß H. Reichs
bleiben laſſen. Jn welchem jhnen/ weder von vns/ noch vnſern Erben vnd kuͤnffti-
gen Koͤnigen in Boͤhem/ noch jemands andern/ Geiſtlichen oder Weltlichen
Standsperſonen/ keine hinderung beſtehen ſoll/ in kuͤnfftige ewige Zeit.


Es ſoll
[7]Dritter Theil.

Es ſoll auch wieder obbeſtimbtten wegen der Religion auffgerichten Frie-
den/ vnnd wieder dieſe den Staͤnden ſub Vtraque, von vns beſchehene beſtaͤndige
Verſicherung/ kein Befehl/ vnd nichts dergleichen/ was jhnen darin in dem aller-
geringſten Hinderung oder Veraͤnderung bringen moͤchte/ von vns/ vnſern Er-
ben/ vnnd kuͤnfftigen Koͤnigen zu Boͤhem/ auch von keinen andern außgehen/ oder
angenommen werden. Vnd da auch gleich eheſtes ſolches außgienge/ oder von je-
manden angenommen worden ſeyn moͤgte/ daſſelbe doch kein Krafft haben/ vnd in
ſolcher Sachen mit oder ohne Recht nichts mehr gevrtheilt vnnd geſprochen wer-
den. Vnd dieſer Vrſachen halben thun wir hiemit alle vnd jede/ wider das theil de-
ren ſub Vtraque, vnd die jenige/ die ſich zu ſolcher Confeſſion bekennen/ hieuor auß-
gangene Befehl vnd Mandata, welcher Orthen die jmmer erfolgt ſeyn moͤchten/
auffheben/ caßiren vnd zu nicht machen/ vñ erkeñen ſie todt vnd null ſeyn: Alſo dz
dieſes alles/ auch die jetztge vñ vorige von dẽ Staͤndẽ bey vns dieſes Artickels halbẽ
geſuchte confirmation, vnd was entzwiſchen vnd bißdaher ſich verlauffen/ ermel-
ten dreyen vereinigten Staͤnden dieſes Koͤnigreichs/ ſamptlich oder ſonderlich/ zu
keinem Nachtheil vnd abbruch jhres guten Leymuths/ vnnd zu keiner Beſchwehr/
wie die Namen haben moͤchte/ iſt vnd gereichen: daſſelbe auch jhnen von vns/ vnd
kuͤnfftigen Koͤnigen zu Boͤhem/ in keinem boͤſen gedacht vnnd geandet werden
ſoll/ jetzo vnd zukuͤnfftigen ewigen Zeiten.


Darneben allen Oberſten Land Officirern/ Landrechtſitzern/ vnd vnſern
Raͤhten/ auch allen Staͤnden/ vnnd Jnwohnern dieſes Koͤnigreichs/ jetzigen vnnd
kuͤnfftigen/ vnſern lieben Getrewen/ gebietende/ gedachte Herꝛn/ Ritterſchafft/
Praͤger/ Kuttenberger/ vnd alle Staͤtte/ alle drey Staͤnde dieſes Koͤnigreichs/ mit
allen jhren Vnderthanen/ vnnd in Summa/ alle die ſub Vtraque, die ſich zu der
Boͤhmiſchen Confeſſion bekennen/ bey dieſer vnſer Verſicherung vnd Mayeſtaͤt-
brieff in allen Artickeln/ Puncten vnd Clauſeln verbleiben zulaſſen/ ſie dabey zu-
ſchuͤtzen/ vnd keine Hinderung oder Eintrag jhnen zu thun/ noch jemands andern
zuthun zuverſtatten/ ſo lieb euch iſt vnſer Zorn vnd Vngnad zuvermeyden. Vnnd
da ſich jemand/ Geiſtlichen oder Weltlichen Stands was dergleichen zu Ver-
brechung dieſes Mayeſtaͤt brieffs vnderſtuͤnde/ ſo ſollen vnd werden wir mit vnſern
Erben vnnd kuͤnfftigen Koͤnigen/ auch den Staͤnden deß Koͤnigreichs Boͤhem
verpflichtet ſeyn/ gegen einem jeden ſolchen/ als einem Verbrecher deß allgemei-
nen Landsfriedens zuverfahren/ die Staͤnde dabey zuſchuͤtzen vnnd zubeſchirmen/
aller geſtallt vnd maſſen/ wie der Artickel in der Lands Ordnung von Beſchützung
deß Lands der Ordnung vnd Recht Außmeſſung thut.


Endlich befehlen wir den Ober vnnd Vnder Amptleuthen bey der Land-
taffel deß Koͤnigreichs Boͤhem/ daß ſie kuͤnfftiger Gedaͤchtnuß willen/ dieſen vn-
ſern Mayeſtaͤtbrieff auff die Landtags relation, die bey dieſem Landtag von allen
dreyen Staͤnden deß Koͤnigreichs Boͤhem zur Landtaffel beſchehen ſoll/ in die
Land-
[8]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ.
Landtaffel einverleiben/ einſchreiben/ vnnd nacher dieſes Original zu den andern
Freyheiten/ vnd Privilegien deß Lands/ auffm Carlſtein legen laſſen ſollen. Deſſen
zu Vrkund haben wir vnſer Keyſerlich Jnſigel an dieſen vnſern Brieff vnd Ma-
yeſtaͤt anzuhangen befohlen. Geben auff vnſerm Koͤniglichen Schloß Prag Don-
neiſtag nach S. Procopij, Jm Jahr deß Herꝛn 1609. Vnſerer Reiche/ deß Roͤmi-
ſchen im Vier vnd Dreyſigſten/ deß Hungariſchen im Sieben vnd Dreyſigſten/
vnd deß Boͤhmiſchen auch im Vier vnd Dreyſigſten.


Rudolff/ ꝛc.
Adamus de Sternberg ſupremus Burggrauius
Pragenſis.
Ad Mandatum Sac. Cæſ. Maj.
proprium.
Paulus Michna.


DJeſer Majeſtaͤtbrieff iſt von den Zeloten vnnd Eyfferigen gleich vbel durch
die Hechel gezogen worden/ es gebuͤhre keinem Weltlichen Herꝛn/ ſtehe auch
nicht in deſſen Gewalt noch Macht/ in den Religion/ vnnd Geiſtlichen Sachen
Freyheiten zuertheilen: Rudolphus wer hierzu genoͤhtiget worden/ vnd hette in ſei-
nem hohen Alter etwas vnzeitiger Forcht ſich laſſen vberlauffen: Es heiten Mar-
tinitz vnd Schlawata/ auch keine Biſchoffe drein verwilligt/ zu mahl deß Bapſts
zu Rom Genehmhaltung nicht einmahl geſucht worden. Vnd war weit von der
Scheib geſcheſſen/ da alle Bitterkeit eben hiedurch/ wie eine Brunſt auffgienge/
daß man in Ehrenſachen/ vnd im Handel ſich getrennet/ drauff gieng es an ein
ſchmaͤhen von den Cantzeln/ auff den Gaſſen/ vnnd bey den Rahtſtellen: biß der
Abt zu Brauna/ der zu Sedelitz/ vnnd die Abtiſſin zu Skalitz jhren Vnderthanen
bey hoher Geldſtraff gebotten/ bey jhrer Beicht vnnd Meß auff Oſtern ſich einzu-
ſtellen. Der Biſchoff zu Kloſter Grabe verbott im Ampt Skerla das Viehe in die
Waid zutreiben/ vnd daß niemand auſſerhalb zur Predigt gieng. Alſo gab es Hin-
dernuß an Geburtsbrieffen/ Heurathen/ Burgerrecht vnd dergleichen. Der De-
fenſorn
thun vnnd laſſen wurd wider die hohe Obrigkeit gedeutet: die Jeſuiter ſetz-
ten eine Academiam neben die alte/ vnnd hoͤrt man nichts anders/ als Feindſelig-
keit vnd Wiederſpenſtigkeit/ Laͤſtern vnd Schmaͤhen.


Noch hatten die Defenſoren mit jhrem Anhang ein ſondern Eckel an der
Vereyn/ ſo Ertzhertzog Ferdinand/ deſignirter Koͤnig in Boͤhem/ mit dem Koͤnig
in Spanien den 6. Junij 1617. getroffen/ vnnd legten alles zum alleraͤrgſten auß-
Er hette mit leiblichen Eydspflichten die Cron Boͤhem Erblich an Spanien ver-
ſchrieben: vnd nichts deſto weniger vber drey Wochen hernach/ auff die Erhaltung
der Boͤhmiſchen Recht vnnd Privilegien ein wiedrigen Eyd gethan: ſich auch ver-
knuͤpfft bey dem erſten/ daß weder Kayſer/ noch Bapſt jhn auffloͤſen koͤnden: vnnd
ſolches
[9]Dritter Theil.
ſolches alles damit das Koͤnigreich nicht mehr durch Wahl/ ſondern durch Erb-
recht hinfiele/ welche Wahl man zuvor mit vielem bitten vnd flehen ſuchen/ vnnd
demühtig erlangen muͤſſen. So were das Spaniſch Joch vnertraͤglich/ vnd die
Geld Egeln vnerſaͤttlich/ der Blutigen Inquiſition zugeſchweigen/ welche alle
Hertzen quaͤlen ſolte/ vnnd von den Erb Vnderthanen allenthalben verworffen
were/ auch in den Niederlanden ein ſo grundverderblichen Krieg verurſacht hette.
Hingegen hatte ſich Ertzhertzog Ferdinand zuentſchuldigen/ daß er ohne den aͤlte-
ſten Stamm/ nemblich Spanien/ nicht beſtehen koͤnte/ vnd den Erbfeind jmmer
fuͤr der Thuͤr ſehe: ſo weren ja die Erb-Vereynigungen zwiſchen den nechſten
Blutsfreunden geſchehen/ vnd nicht vnter Frembden. Moͤcht ſeyn/ daß Spanien
gedacht ſeine Huͤlff hoch zurechnen/ vnd thewer bezahlt zunehmen: vnnd was Ca-
rolus V. mit Vbergebung der Keyſerlichen Hoheit verſehen/ wider einzuholen/ vñ
das Keyſerthumb Erblich zumachen/ wie dann die Regierſucht einer Waſſerſucht
wol verglichen wird/ da jener/ wie Pyrrhus, nicht Laͤnder genug ſind einzunehmen/
vnd dieſer jmmer durſtig bleibt/ wie viel er auch Waſſer in ſich geuſt. So koͤnte
mit der zeit dem Hauß Oeſterꝛeich alles zu vnd anwachſen/ was Spanien jemals
durch Heurath vnd Kriegsmacht vberkommen/ wann nemblich die Erſte Infantin
einem Oeſterꝛeichiſchen Herꝛn vermaͤhlt wuͤrde/ vnnd bey toͤdtlichem Abgang der
Spaniſchen Printzen alles nach ſich ziehe. Oder im fall man auß geheymen Vr-
ſachen gedachte Erſte Princeſſin an Franckreich oder Engelland/ daſelbſt ein
Vortheil zuſuchen vnnd Fuß zuſetzen/ beſtatten wolte/ ſolches mit gewoͤhnlichem
Verzuͤg geſchehe/ vnnd die zweyte Princeſſin zur rechtmaͤſſigen Erbin an das
Hauß Oeſterꝛeich geriethe: wie dann dieſe beyde Haͤuſer ſich durch Heurathen/
jmmerzu wuͤrden je naͤher vnd ſtaͤrcker verbinden/ auch keinem Frembden einzu-
ſchleichen geſtatten/ es wer dann etwann der Koͤnig in Poln/ daſſelbe Koͤnigreich
wider an die Schnuer zubringen/ vnd die vhralte Spruͤche zuernewern: fintemahl
daſſelbe dem Koͤnigreich Boͤhem mit leiblicher Bruͤderſchafft zugethan/ nicht
nur von denen Bruͤdern vnnd Regenten Zech vnd Lech/ ſondern von dem letzten
Koͤnig/ vnd von der Koͤnigin Anna her.


Noch gab es andere tieff vnd ſpitzfuͤndige Koͤpff/ die da wolten dieſen Ma-
jeſtaͤtbrieff im dunckeln/ vnd zwar auff der lincken vnd verkehrten Seiten leſen/ als
hette der Bapſt zu Rom/ ſein Willen darzu gegeben/ auch wol auß der Jeſuiter
beyrahten. Dann die ſub Vtraque wuͤrden eben ſolcher Freyheit mißbrauchen/ vnd
ſelbſt Vrſach geben/ daß man ſie wider vnder das Joch bringen koͤnde: zum wenig-
ſten hette man Baͤpſtiſcher Seiten leicht Vrſach zufinden/ vnnd Anſtoß zuſetzen/
daß ſie zun Waffen die erſten griffen/ vnnd alſo die Vrheber zum Krieg entſtuͤn-
den/ welcher dann die Weltliche Freyheiten/ ſampt dem Mayeſtaͤtbrieff verſchlin-
gen/ den Paſſawiſchen Vertrag vmbſtoſſen/ vnnd das Trientiſche Concilium al-
lenthalben einfuͤhren ſolte.


Dritter Theil BDer
[10]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der zweyte Diſcurß.


Wie Ertzhertzog Matthias nach den Oeſterꝛeichiſchen Landen/ vnd Koͤnigrei-
chen/ auch nach dem Keyſerthumb getrachtet/ vnd die Proteſtirenden nicht daͤmpf-
fen koͤnnen. Wie er Keyſer worden/ vnd Ertzhertzog Ferdinanden an Sohnsſtatt
angenommen/ vnnd zum Succeſſor verordnet: den die Boͤhmen doch hernach ver-
worffen.


ALs nun Keyſer Rudolff ohne Leibs Erben war/ auch auſſer aller
Hoffnung/ deren zuerlangen/ gab es vielerley Berathſchlagungen bey den
Ertzhertzogen/ wer doch an die Koͤnigreiche/ vnd zu der Roͤm. Key. Kron ge-
langen moͤchte/ auff allen fall/ den Gott geben moͤchte. Nun war Rudolphus/ mit
ſeinen Bruͤdern den Ertzhertzogen Matthia/ Ernſt/ Maximilian vnnd Albrecht/
etwas mild gegen den Proteſtirenden/ vnnd bemüheten ſich derſelben Gunſt zuer-
halten: welches dann nach jhrer Voreltern Manier/ wie gemeldet/ ſie gantz er-
ſprießlich erachteten/ vnd nicht vnderlieſſen/ ob ſchon die Cleriſey daran ein Miß-
fallen trug. Nun hatte Ertzhertzog Carlen von Graͤltz vnderſchiedliche Soͤhne/ ſon-
derlich Ferdinanden den Erſtgebornen/ den er in ſonderlichem Eyfer zu der Ca-
tholiſchen Religion laſſen aufferziehen: darumb die Cleriſey demſelben eyferigen
Ertzhertzogen die Koͤnigreiche/ vnnd das Keyſerthumb vor allen andern wünſche-
ten vnd anzuſchaffen gedachten. Weil aber Biſchoff Cloͤſel/ (eines Becken vnnd
Burgers Sohn zu Wien) ſolches gemercket/ vnnd vor vnguͤtig erachtet/ daß
Keyſer Maximiliant elteſter Stamm/ ſolte dem zweyten weichen/ vnd nachgehen/
verꝛeitzet er Ertzhertzogen Matthiam/ ſeiner Schantz in acht zunehmen/ vnnd bey
Keyſer Rudolpho/ ſeinem Herꝛn Bruder/ durch Bitt/ oder Gewalt es dahin zu-
bringen/ daß er/ wo nicht alle die Koͤnigreiche/ doch den guten Theil derſelben vor
ſich/ vnd ſeine verhoffte Erben erlangen/ vnd davon tragen moͤchte.


Ertzhertzog Matthias hatte ſich in Hungarn/ wider den Tuͤrcken gebraucht/
kam auff den Landtag nach Preßburg/ vnd hernach in Maͤhren: vnnd weil er ſahe/
daß die Oeſterꝛeicher/ denẽ er die Vbung jhrer Religion verbotten/ vber die andert-
halb hundert an der Zahl/ fuͤrnehme Leuthe/ als Landherꝛn/ Gubernatorn vnnd
Capitain/ bey jhm ernſtlich anhielten/ das Verbott wider auffzuheben/ welche er
mit ſtillſchweigen nicht kondeſtillen/ oder abweiſen: vnnd dieſelben anfingen
Kriegsvoͤlcker zuwerben/ vnnd jhre Freyheit mit den Waffen zuſuchen/ auch die
Hungariſche Staͤnde vmb Buͤndnuͤß vnd Huͤlff anſchrien: daß es auch gar zum
fechten kommen/ in welchem die Ertzhertzogiſchen den kuͤrtzern gezogen/ beſorgte
er ſich eines groͤſſern Vngluͤcks/ vnd wolte die Sach mit der Schaͤrpffe nicht auß-
fuͤhren. Darumb ob ſchon Ertzhertzog Leopold/ vnd der Baͤpſtiſche Nuncius an-
hielten/
[11]Dritter Theil.
hielten/ man ſolte den Ketzern vielmehr die alte Privilegia nehmen/ als newe ge-
ben: gab doch Matthias ſeinen Vnderthanen das exercitium der Religion frey/
auff jhren Schloͤſſern/ Doͤrffern vnd Veſtungen/ vnnd dann auch in Staͤtten/ in
den Privathaͤuſern: ſonderlich auch wurden jhnen drey Kirchen vergoͤnnet/ als zu
Jnſerßdorff/ Triebeß wingel/ vnd Hoͤrnals: durch welche Verguͤnſtigung damals
viel Vnruhe in Oeſterꝛeich geſtillet worden. Vnd ob ſchon die Catholiſche vorga-
ben/ die Lehre der Evangeliſchen were ſchon laͤngſt durch das Concilium zu Tri-
ent verdampt/ es were nur eine tolerantz, daß man jhnen in jhrem Exercitio nach-
geſehen/ die jhnen von Keyſer Maximiliano gegebene Privilegia Religionis gien-
gẽ alleine auff die Huſſiten/ die nur allein vber beyderley Geſtallt in deß Herꝛn
Nachtmal hielten/ vnnd ſonſten faſt in allem mit der Roͤm. Kirchen eins weren.
Darumb lieffen die Proteſtirende zuſammen/ brauchten Chur Saͤchſiſche Fuͤr-
bitt/ vnd Vnderhandlung/ vnd erhielten in Oeſterꝛeich/ in der Schleſi/ vnd in dem
Koͤnigreich Boͤhmen/ volle Macht/ Kirchen vnnd Collegia zubawen: mit dem An-
hang/ daß/ wer wider dieſe Privilegia etwas vornehmen wuͤrde/ fuͤr ein Zerſtoͤrer
deß gemeinen Friedens ſolte gehalten werden. Darauff wurd es allenhalben ſtill/
ſonderlich zu Prag/ da den 15. Julij Anno 1609. in einer Huſſitiſchen Kirch/ ſo lan-
ge Zeit verſchloſſen geweſen/ die erſte offentliche Predigt in Teutſcher Sprach iſt
gehalten worden. Vnd alle dieſe Privilegia hat Matthias/ als er zu der Boͤhmi-
ſchen Cron kommen/ muͤſſen bekraͤfftigen: Vermoͤge welcher man zu Prag zwo
Kirchen/ eine auff der kleinen Seiten/ die ander aber in der alten Statt/ daran
Anno 1611. Graff Schlick/ vnd Seyfried von Collonitſch den erſten Stein gelegt/
mit groſſem Vnkoſten auffgerichtet hat.


Anno 1612. wurd Ertzhertzog Matthias/ auch Koͤnig in Franckfurt am
Mayn zum Roͤm. Kayſer erwehlt/ vnd verordnet alſo bald/ daß die Statt Aach in
vorigen Stand geſetzt/ aber Muͤlheim vnden an Coͤlln am Rhein/ nicht ferꝛner be-
feſtiget wuͤrde/ wie droben weiter zuſehen. Jn deß verſpuͤhrte Kayſer Matthias/
daß er keine Leibs Erben hoffen koͤnde/ vnd daß ſeine Bruͤder nicht mehr zugewar-
ten hetten/ ließ er ſich dahin bereden/ daß er Ertzhertzog Carlens von Graitz elteſten
Sohn/ Ferdinanden/ an Kindsſtatt angenommen: vnd damit niemand darin zu-
ſprechen hette/ mit dem Koͤnig in Spanien/ eben deßwegen auch handeln laſſen/
daß derſelbe ſeinen Willen drein gegeben/ vnnd auff alle ſeine Spruͤche verzihen/
alſo/ daß Ertzhertzog Ferdinand hinfuͤro der Cron Boͤhmen/ am allernechſten ge-
ſtanden/ vnnd ſolcher geſtallt den Staͤnden/ beſter maſſen recommendirt worden/
geſchehen im Jahr 1517. da ſie jhn auff gewiſſen artickulirten Reverß vor ein zu-
kuͤnfftigen Koͤnig in Boͤhmen außgeruffen haben.


Wann man nun das gantze Religionweſen vberſchlaͤgt/ findet ſich ein ge-
waltſame Freyheit/ ſo etliche wenige Abtrünnige/ bey außgeſehner Gelegenheit/
auff eine oder andere weiſe erworben/ vnd immer zu außgebreytet/ in deme derſel-
ben Gegenparth ſich geneydet/ vnd ſelbſt gehindert/ den Privatnutzen dem allge-
B ijmeinen
[12]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ.
meinen weſen vorgezogen/ vnd zu jhrem ſelbſt eygenen Verderben vnnd Vnder-
gang/ viel Vrſach gegeben. Die Boͤhmen erhielten jhrer Abtruͤnnigen Lehr V-
bung mit dem Fauſtrecht/ vnnd erpreſten manches Indult, vnnd Verguͤnſtigung:
zeigten denen in Maͤhren/ Schleſien vnd Oeſterꝛeich den Weg/ dergleichen Vn-
geſtuͤmmigkeit vorzunehmen/ vnd an dem Roͤmiſchen Stul nicht mehr zubleiben.
Vnnd dieſe Voͤlcker vermeinten/ was etliche Potentaten in Teutſchland/ durch
eygenen Gewalt vñ hohes Anſehẽ durch getriebẽ/ dz muͤſte jnen auch gelten: weil ſie
es nun fuͤr eine ſchier vnmuͤgliche Sache befanden/ ſie hetten dann ein gewiſſes
Haupt/ einen Koͤnig/ der vor jhnen ein vnnd außgienge/ wie bey den Voͤlckern im
Weltlichen Regiment zu ſeyn pflegt/ verworffen ſie das vhralte Koͤnigliche Ge-
ſchlecht/ vnd vnderſtunden ſich/ ein andern Stamm/ nach jhrer Religion/ zuſetzen/
vnd vnder deſſelben Schatten zuruhen vnd froͤlich zu ſeyn.


Ein wunderlicher Handel/ das was die Cleriſey vor laͤngſt mit ſonderli-
chem Gluͤck/ in dem Roͤm. Reich vorgenommen/ ſchier eben ein ſolches von den
Abruͤnnigen leiden muß. Dann es hatte die Cleriſey jhren Staad allgemach mit-
ten in die Romaniſche Republic gepflantzt/ vnd ſolcher geſtallt ſehen auffwachſen/
daß der newe Staad dem alten vber den Kopff geſtiegen/ den Kayſerlichen Sitz
eingenommen/ die Reichs Vnderthanen an ſich gezogen/ den Kayſer ſelbſt dahin
gebracht/ daß er demuͤhtige Ehrerbietung/ dem Knecht aller Knechten Gottes er-
wieſen/ ja weder bey ſich ſelbſt/ noch vor andern ein Kayſer koͤnnen ſeyn/ als auff
Belieben vnd Gutheiſſen der Cleriſey. Vnd eben dieſen Weg namen die Con-
feſſioniſten an/ die wolten den Bapſt nicht mehr/ wie das Haupt der Chriſtenheit/
die Cleriſey nicht mehr vor jhre Herꝛn erkennen/ vnnd ſelbſt das Haupt jhrer
Kirchen ſeyn. Vnd weil ohne Geldmittel nicht bald etwas beſteht/ haben ſie alle
Stifft vnnd Pfruͤnden eingezogen/ vnnd ſich von den außgeſtreifften Roͤcken der
Cleriſey reich gemacht/ vnd fehlet nur an deme/ daß der Bapſt auch jhrer Gnaden
gelebe/ welches freylich in jhren Bottmaͤſſigkeiten jhre Superintendenten, Inſpe-
ctorn,
vnnd Obere im Kirchenweſen thun/ oder jhren Stul/ ja das Land raͤumen
muͤſſen. So werden wir dann hinfuͤro anmercken/ wie die Confeſſioniſten nach den
groben Brocken/ vnnd fetten Pfruͤnden noch ferꝛner gegriffen/ ſich weder dem
Cammer noch dem Hoffgericht vnderwerffen wollen/ vnnd jhr Vorhaben vnnd
Thun/ auff alle Mittel vnnd Wege geſucht zubehaupten. Wann ein ſchwer
Gewitter am Himmel ſich zuſammen zieht/ wirds hinder den Bergen truͤb vnnd
dunckel/ es donnert in der ferꝛne/ daß mans kaum hoͤren mag/ jeder weilen gibts ein
wenig Fewer vnd Blitz: biß die Winde/ ein ſo ſchweren Laſt recht gefaſſet/ vnnd all-
gemach antreiben/ da gehet das Donnern vnd Blitzen recht an/ da faͤllt der Platz-
regen/ da ſchlaͤgts mit Hagel/ Schloſſen/ Wolckenbruͤchen/ da entſinckt den Leu-
then der Muth/ da gibts Fluthen/ ſo alles hinreiſſen/ da trifft der Donner/ vnd zer-
ſchmettert vnd erſtickt/ da iſt Jammer vnnd Noth. Eben alſo hielten vnſere drey
Partheyen hinder dem Berg/ die Hertzen wurden truͤb vom Argwohn/ vnnd dun-
ckel
[13]Dritter Theil.
ckel von eygenem Nutz/ da die leiſe hoͤreten/ ſahen das Vnweſen von ferꝛn/ jnſon-
derheit die Schmaͤhkarten/ vnd Draͤuworte. Es manglet nur an einer gewaltigen
Begebenheit/ daß das gantze Wetter an vnnd fortgienge. Jn der Vnderpfaltz
wolts angehen/ vnd verblieb/ weil der Eyfer nicht ſtarck genug war. Das Ertzſtifft
Coͤln bracht groͤſſere Beyſorgen/ vnd hatte nur ein Fluͤgel vom Wetter. Jn Weſt-
phalen vnd Sachſen war der Himmel zu flach/ daß man den Donner/ wie in dem
Gebierg/ hette ſchroͤcklicher weiß hoͤren koͤnnen. Vber Guͤlch vnd Straßburg ſolte
das Gewoͤlck auff einander geſtoſſen haben/ da nicht ein ſtarcker Gegenwind ſol-
ches wider zerſtoben hette/ wie ein grob Geſchuͤtz das loß geht/ oder die Glocken mit
dem laͤuten. Der rechte Orth war Boͤhmen/ in einem dicken Wald/ vnnd mit Ge-
buͤrg ſchier allenthalben vmbgeben vnd beſchloſſen. Da hatte Æolus ſeinen Gewal-
tigen eine Zuſammenkunfft beſtimpt/ ſich zur genuͤge zuvben. Vnd als das Feldt
jhnen nicht weit vnnd breyt genug/ ſpatzierten ſie theils vber das Gebierg in Jta-
lien/ theils an die Meerhaͤfen: kehrten wider mit groſſer Vngeſtuͤm/ trieben ſich
von einem Haupfluß an den andern/ vnd legten jhr ſauſen vnnd brauſen in Weſt-
phalen/ als hette ſie Æolus wider in jhre Clauſen/ vnder den groſſen Berg gebracht/
vnd ſtill zu ſeyn befohlen/ auch zu Nuͤrnberg ein Siegel auffgedruckt/ biß er ſie ent-
weder eintzelen/ oder zu paren/ villeicht zugeſampt/ nach ſeinem Vnſinn wider her-
fuͤr brechen/ vnd den gantzen Erdboden mit dem Beſem deß Verderbens kehren/
verkehren/ vmbkehren/ vnd nimmer bekehren laſſe.



Der Dritte Diſcurß.


Von der Vnion: was vor gravamina vnd nachdencken dieſelbe vervrſachet.
Wer in derſelben begriffen/ vnd wozu ſie angeſehen. Warumb die Liga gemacht
worden/ vnd auff was Bedingungen. Wie Rudolphus geſtorben/ vnd Matthias
jhme ſuccedirt, auch was er verꝛichtet bey ſeiner Regierung.


ES empfunden die jenige/ ſo von der Roͤ. Kirchen waren abgetret-
ten/ daß der Bapſt zu Rom nicht feyerte/ ſie wider zu dem Gehorſam der
Kirchen zubringen: vnnd da es mit Diſputiren, Geſpraͤchen vnd Buͤcher-
ſchreiben nicht geſchehen wollen/ die Potentaten der Chriſtenheit wider ſie
erweckte/ vnd ſolches nicht heimlich/ ſondern vnverhohlen/ vnd offentlich. Dann er
hatte die jenige Ertz vnd Biſchoffe mit dem Bann verfolgt/ welche vor jhr eygene
Perſon ſeine Parthey verlieſſen/ vnnd die Laͤnder/ ſo ſie bißdahin beherꝛſchet/ auch
nach ſich in den Abfall ſuchten zuziehen. Sonderlich aber kam den Proteſtirenden
Staͤnden ſehr nachdencklich vor/ daß Anno 1572. ſo groſſe Frewd zu Rom geweſen/
vber dem Eyfer Caroli IX. in Franckreich/ der die Hugonotten laſſen in vielen
B iijStaͤtten
[14]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Staͤtten ſeines Koͤnigreichs erwuͤrgen: dann zu Eingang deß Herbſtmonats in
der Verſamblung der Cardinaͤlen dieſe Zeitung verleſen/ vnnd gleich darauff be-
ſchloſſen worden/ alſo bald/ rechtes Fuſſes zu S. Marx zu Wallfarten/ vnnd Gott
dem Allmaͤchtigen fuͤr ſolche Wolthat/ ſo er dem Roͤm. Stul/ vnnd der gantzen
Chriſtenheit erwieſen/ zu dancken/ vnnd deß kuͤnfftigen Maytags eine Meß in
der Kirchen S. Mineruæ zuhalten/ darzu dann der Bapſt ſelbſt/ vnd die Cardinaͤl/
zuerſcheinen verbunden ſeyn ſolten. Es ſolte auch in der gantzen Chriſtenheit ein
Jubbeljahr außgeſchrieben werden/ darin Gott dem Allmaͤchtigen gedanckt wuͤr-
de/ daß die Feind der Warheit/ vnnd der Kirchen in Franckreich vmbbracht: der
Tuͤrck newlich auff dem Meer geſchlagen/ vnnd in Niederland dem Duc de Alba
alles ſo gluͤcklich von ſtatt gienge/ endlich noch darumb/ daß in Poln ein ſolcher
Koͤnig moͤchte erkoſen werden/ welcher der Roͤm. Religion wol vorſtuͤnde/ vnnd
dieſelbe erweitern moͤcht. Sie eyferten jmmer zu vber die Außlegung deß Reli-
gion Friedens/ daß der Kayſer einen Churfuͤrſten deß Reichs lieber wollen der
Baͤpſtiſchen excommunication vnderwerffen/ als geſtatten/ daß die Reformation
deß Ertzſtifftes vorgienge: dadurch dann ein groſſes Vorvrtheil wider ſie auß gan-
gen. Auch war jhnen gantz zu wider/ daß ſie den Newen Calender ſolten annemen/
oder gewaͤrtig ſeyn/ da ſie ſich hierin dem Bapſt ſolten widerſetzen/ ſonderlich et-
wan ein vornehmes Glied der Proteſtirenden/ als namentlich die Statt Aug-
ſpurg/ vber welche Biſchoff Otto jhm ſein Recht bey Beſtaͤttigung deß Reli-
gion Friedens jmmer vorbehalten: oder die Statt Aach/ daß ſie muͤſten den Rath
mit lauter Catholiſchen beſetzen/ daß man hievon Vrſach nehme/ ſie zu vberziehen.
Wie dann auch nicht weniger das Vnweſen im Biſtumb Straßburg ſie auff-
munterte/ daß nicht vnder dem ſchein/ ein erwehlten Biſchoff einzuſetzen/ ſie gar uͤ-
berzogen wuͤrden/ ehe ſie ſich deſſen koͤnden verſehen. Sie lieſſen ſich berichten/ daß
es in Franckreich ein Geiſtliche Verbuͤndnuß/ oder Sacram Ligam abgeben/ wel-
che der Bapſt zu Rom/ der Koͤnig in Spanien/ der Hertzog von Saphoyen/ vnnd
noch andere Catholiſche Prælaten mehr/ durch einander beſchloſſen/ welche fuͤr-
nemlich darauff beruhete/ daß nicht mehr als ein eintzige Religion/ vnnd zwar die
Catholiſche behalten/ hergegen aber alle Rotten vnd Secten/ ſampt derſelbigen
Anhaͤnger vnd Verfechter/ verbannen. Zum Andern/ ſolte keiner auß den Fůrſt-
lichen Perſonen/ wann er ſchon am Geblüt der nechſte wer/ dem Koͤniglichen Re-
giment in die Succeſſion ein verleibet werden/ er ſey dann ſolcher gedachten Roͤm.
Catholiſchen Religion zugethan vnd verwand. Derowegen auch ſie in offentli-
chem angeſchlagenen Mandat ſich vermercken laſſen/ daß dieſer Heilige Bund
der Gerechtigkeit nicht nur gemaͤß/ ſondern auch wegen beſtaͤndiger guter Anord-
nung Geiſt vnd Weltlichen Regiments ſehr hoch vonnoͤhten ſey. Nicht weniger
Auffruhr vnd Verfolgung geſchah auch in Polen/ namentlich zu Crakaw/ durch
die Studenten/ vnd andere Eyferer. Dieſes zogen die Proteſtiren den durch ein
Beyſpiel auff ſich ſelbſten/ der Bapſt werde nicht vnderlaſſen/ ein gleiches in dem
Teutſchen
[15]Dritter Theil.
Teutſchen Reich zu vnderfangen/ ein Directorium auffrichten/ vnnd die Wider-
ſpenſtige mit Macht verfolgen. Vnd weil eben dieſer zeit die Koͤnigin Eliſabeth
in Engelland vom Bapſt Sixto V. in den Bann gethan/ wie er dann in einer
Baͤpſtiſchen Bull den Sententz vnnd Vrtheil/ ſo von beyden ſeinen Vorfahren
Clemente VIII. vnnd Paulo III. wider ſie ge [...]llet war/ bekraͤfftiget: dieſelbe jhrer
Koͤniglichen Wuͤrden beraubet/ die Vnderhanen von jhrem Gehorſam abſolvie-
ret/ vnd loß geſprochen/ vnnd dann jeder maͤnniglichen anbefohlen/ daß man dieſel-
bige zugebühren der vnd verdienter Straff ziehen ſolte. Auff welche excommuni-
cation
der Koͤnig in Spanien gangen/ vnnd Anno 1588. Engelland mit einer
ſchroͤcklichen Flott vnd Kriegsmacht/ wiewol vergeblich/ angefallen. Alſo meyn-
ten die Proteſtirenden/ werder Spanier der Executor alles deſſen/ was der Bapſt
wider die Abtruͤnnige vorhaͤtte/ vnnd wuͤrde zu gel[e]gner Zeit auch jhrer nicht ſcho-
nen. Gleich wie nun der Religionsfried abgenoͤthiget war/ alſo wolten jhn auch
die Proteſtirenden mit hoher Hand/ nach jhrem Belieben vnnd Nutzen außlegen
vnnd außdehnen: darumb mißfiel es jhnen/ daß der Biſchoff zu Saltzburg Wolff
Dieterich ein ſtreng Mandat/ wider die Evangeliſchen Burger zu Saltzburg laſ-
ſen außgehen/ eben in dieſem 1588. Jahr/ daß ſie ſolten das Land raumen/ woferꝛn
ſie ſich nit zur Roͤ. Catholiſchẽ Religion begeben wurden: dergleichen/ auch etliche
Jahr her/ gethan hatte der Biſchoff zu Wuͤrtzburg/ vnnd auch andere Staͤnde. Zu
deme allerhand ſcharpffe Edicta wider die Evangeliſchen in Kayſerlicher Maje-
ſtaͤt Namen auffgerichtet wurden/ dariñen den Evangeliſchen entweder zugehor-
ſamen/ oder ſich hinweg zumachen/ ernſtlich befohlen ward. Vnd alſo die Evange-
liſche Staͤnde in Oeſterꝛeich vnd zu Wien begehrten/ daß jhre Majeſtaͤt jhnen/ wie
andern Staͤnden Teutſcher Nation/ der Religion freye Vbung wolte gnaͤdigſt
vergoͤnnen vnd zulaſſen/ wurd ſolches zu weiterer Berathſchlagung gezogen. Der
Verdacht war am allergroͤſten/ daß die Catholiſche Staͤnde auff dem Deputa-
tions
Tag zu Franckfurt Anno 1590. nicht wollen verſtehen/ daß man den auff
Teutſchen Boden/ geuͤbten vielfaltigen Vbermuth der Spanier vnd Hollaͤnder/
mit Gewalt ſolte hindertreiben/ wie es die Proteſtirenden begehrten.


Sie gaben auff dem groſſen Reichstag zu Regenſpurg jhre gravamina
ein/ Anno 1594. vor das erſte/ daß Catholiſcher Seiten man in offenen/ vnnd in
Druck gegebenen Tractaͤtlein/ die heylſame conſtitutiones deß Religionfriedens/
nicht allein in gantz widerwertige vnd ſchaͤdliche Deutungen ziehen/ ſondern wol
gar zuſchwaͤchen/ vnd vmbzuſtoſſen ſich vnderſtehen doͤrffte: auch ſonſt ſich verneh-
men laſſe/ daß Weyland Koͤnig Ferdinand/ ohne Baͤpſtiſchen Conſens/ nicht ge-
buͤhret habe/ ein Religionfrieden zwiſchen den Staͤnden im Reich zutreffen/ oder
daß jedoch derſelbe nur ein Interim vnnd tolerantz, biß nach vollendetem Trienti-
ſchen Concilio geweſen/ welches nunmehr ſein Endſchafft erꝛeycht/ vnnd laͤnger
nicht binde: ja daß man nunmehr den Ketzern Glauben zuhalten nicht ſchuldig/ in
maſſen dann die Augſpurgiſche Confeſſion vnſchuldig/ vnnd vermeyntlich fůr ein
verdampte
[16]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
verdampte Religion angezogen wird. Darauff die Catholiche vberhaupt geant-
wortet/ daß ſie begehren von Kay. Mayſt. ſo wol als die andere beſchuͤtzt zu werden/
begehrten auch bey dem duͤrꝛen Buchſtaben zubleiben: muſten demnach leiden/ daß
ſie auff den Cantzeln jmmer zu geſchmaͤhet wurden. Zum andern klagten die Pro-
teſtirenden/ daß die Camerales, ſo in Religionsſachen nichts zuſprechen den Frey-
vnd Reichsſtaͤtten nicht wolten geſtatten/ jetzo vnd ins kuͤnfftige jhre Religion zu-
aͤndern. Vnd dann/ daß Baͤpſtiſche Nunci in das H. Reich/ darin zu reſidiren ge-
ſchickt werden/ die nicht allein Baͤpſtliche B [...]llen mit angedrawter Execution of-
fentlich anſchlagen laſſen/ ſondern ſich auch der im Religion frieden ſuſpendirten
Geiſtlichen Iuriſdiction wider die Augſpurgiſche Confeſſionsverwanden/ hin vnd
wider zugebrauchen vnderſtanden/ vnnd auch ins Werck gerichtet/ wie dann vn-
verborgen vnd Reichskuͤndig/ was der Bapſt durch ſeine außgeſchickte Nuncios,
mit excommuniciren, priviren, degradiren vnnd verketzern/ jhm widerumb ein ſol-
chen Gewalt in Teutſchland zumachen/ vermeſſentlich vornimpt/ welches jhm/ da
er noch im H. Reich in Geiſtlichen Sachen fuͤr ein Haupt gehalten/ nicht aller-
dings gut geheiſſen/ auch denſelben vber die Weltliche Fürſten mit Enderung der
Zeit/ vnd anderm/ ſo allein der Kay. May. vnnd Staͤnden zuſteht/ zu extendiren,
auch ſo ferꝛn gegen der Kay. Mayſt. ſelbſten zuverſuchen/ kein Schew mehr traͤgt/
daß jhre May. keinem Geiſtlichen Stand ſeine Regalia leyhen ſollen/ er habe dann
deſſen Confirmation vber ſeine Election, zuvor auffgelegt: dardurch er jhm dann
dieſe præeminentz vnnd Hoheit im Reich Teutſcher Nation/ wider das alt Her-
kommen zuſchoͤpffen vnderſtehet/ daß ſeine confirmation, vnnd nicht die Verleih-
ung der Regalien/ ein Geiſtlichen zum Fuͤrſten/ vnnd Stand deß Reichs machen
ſolle: zu welchem End er auch durch ſeine Cenſuren/ die Iuramenta vnnd Statuta,
auff den hohen Stifften/ von Tag zu Tag/ dermaſſen ſchaͤrpfft vnnd aͤndert/ damit
den Evangeliſchen aller Zutritt/ zu denſelben abgeſchnitten werde. Darauff die
Catholiſche antworten/ darin geſchehe den Proteſtirenden kein Eintrag/ ſondern
ſolche Inſpection geſchehe/ die Einigkeit vnder den Catholiſchen zuerhalten/ vnnd
were die Verbeſſerung deß Calenders/ mit Vorwiſſen vnnd Belieben geſchehen.
Endlich brachten die Proteſtirenden fuͤr/ das Burgerꝛecht were den Evangeli-
ſchen geſperꝛet/ vnnd die Evangeliſche Religion gehindert/ neben den ſcharpffen
Mandaten wider ſie/ vnnd andern vnziemlichen Beſchwerden/ ſonderlich wegen
der Iuriſdiction halben/ ſo die Ordensleuth haben/ da dann der Begraͤbnuſſen/ vnd
der Kammer/ keinen Evangeliſchen anzunehmen/ nicht vergeſſen worden/ noch
auch deß Rothweiliſchen Hofferichts. Auff welche jede Puncten die Catholiſche/
ſich ſolcher geſtallt/ mit Erklaͤrung vnd Gegenbeſchwerden/ herauß gelaſſen/ daß
man ſchier nicht wiſſen ſolt/ wer zu viel/ oder zu wenig thaͤte: es were dann in etli-
chen Particularſachen/ die keine Parthey den Jhrigen ſelbſt gut heiſſen kan.


Es ſchmertzte auch die Proteſtirenden hoͤchlich/ wie ſie beweglich anzogen/
daß Ertzhertzog Carlen/ den Steyrmaͤrckern angefangen das Exercitium der
Augſpurgi-
[17]Dritter Theil.
Augſpurgiſchen Confeſſion zunehmen: vnd noch mehr/ daß ſein Sohn Ferdinand/
ſo hernach Kayſern Matthiæ ſuccediret, ſich einmahl fuͤr alle/ ſo wol Muͤndlich
als Schrifftlich gegen ſeinen Landleuthen reſolvirt/ vnd auß truͤcklich erklaͤret/ ehe
Leib vnd Leben/ Fuͤrſtenthumb vnd alles in die Schantz zuſchlagen/ als die Evan-
geliſche Religion in ſeinen Landen laͤnger zudulden: vnnd daß darauff von Anno
1598. etliche Jahr nach einander/ Er ſcharpffe Reformation vorgenommen/ zu
Graitz/ zu Rackerſpurg/ zu Windiſchen Graitz/ zu Clagenfurt/ im Enßthal/ vnnd
in der Graffſchafft Cilien/ Landfuͤrſtliche vnd Kayſeriſche Commiſſarien/ mit ge-
wapneten Kriegsvoͤlckern hinein geſand/ die Kirchen mit vnderlegtem Pulver ge-
ſprengt/ das Poſtillen leſen vnnd Pſalmen ſingen/ auch Schulen gaͤntzlich auffge-
hoben/ die Lutheriſche Buͤcher an offenem Marck verbrand/ keinen Evangeli-
ſchen Burger zudulden/ oder anzunehmen verbotten/ die privat Pædagogos, deß
ordentlichen Pfarꝛers examini vnderworffen/ mit angehenckten ſehr ſcharpffen
Bedrawungen. Vnd weil Ertzhertzog Matthias ſchier dergleichen vnderfing/
machten ſich die Proteſtirenden leichtlich die Rechnung/ daß bey der Oeſterꝛeichi-
ſchen Regierung es nunmehr dahin kommen/ daß man die Evangeliſchen nicht/
wie zuvor/ gedaͤchte zudulden/ ſondern gar abzuſchaffen: welches dann in andern
jhren Landen vnnd Koͤnigreichen/ endlich auch im gantzen Roͤm. Reich erfolgen
wuͤrde/ wann man nicht Rath ſchoͤpffte/ vnnd ſich mit Macht widerſetzte; dann es
were zwar durch ein Kayſerlichen Herold/ in den Prager Staͤtten/ den Pickardern
das Exercitium nider gelegt/ vnd den Huſſiten annoch gelaſſen/ doch biß zu ande-
rer bequemer Zeit: gleich wie es der Hertzog von Saphoyen auch gemacht/ vnnd
alle Vncatholiſche ſeines Lands vertrieben/ vnd noch darzu die Statt Genff/ bey
Naͤchtlicherweil angefallen. Sie hetten das Exempel der Racuſaner in Poln/ die
ſich zuſammen verbunden/ vnd bißdahin/ aller Gewalt entbrochen. So hette man
auch mit Haͤnd vnd Fuͤſſen zuwehren/ daß die Guͤlchiſche Landen/ nicht dem Hauß
Oeſterꝛeich heimfielen/ oder vnder dem geſuchten Namen einer ſequeſtration, in
ewigem Streit/ ohne Richterlichen Spruch vnd Entſcheyd/ dem ſequeſtro verblie-
ben.


Auß dieſen vnd andern Vrſachen mehr/ hielten eine Zuſammenkunfft/ zu
Schwaͤbiſchen Hall im Jahr 1610. nachfolgende Proteſtirende Staͤnde: der
Churfuͤrſt zu Brandenburg in Perſon: deſſen Herꝛ Bruder geweſener Biſchoff
zu Straßburg. Pfaltzgraff Johann von Zweybruͤcken/ Pfaltzgraff Philipps Lud-
wig/ neben dero beyden Soͤhnen/ Wolff Wilhelm/ vnnd Auguſtus. Marggraff
Joachim Ernſt von Onoltzbach. Hertzog von Wirtemberg. Marggraff von Dur-
lach vnd Baden. Fuͤrſt Chriſtian von Anhalt. Graff Philipps Ludwig von Ha-
naw Müntzenberg. Graff Otto der Juͤnger von Solms. Graff Johann von
Naſſaw Dillenberg. Graff von Oetingen. Graff Friederich-Magnus von Erbach.
Graff Wolffgang vnnd Graff Georg Friederich von Hohenlohe. Graff Crafft.
Graff Wolffgang von Solms. Zween Graffen von Loͤwenſtein zu Wertheim.
Dritter Theil. CGraff
[18]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Graff Ludwig Eberhard/ vnd Graff Philipps Henrich von Hohenlohe/ zu Walt-
burg. Graff Gottfried von Caſtel. Graff von Schwartzenburg. Otto Wylo
Rheingraff. Graff Johann Ludwig von Leiningen. Graff Johann Jacob von
Eberſtein. Graff Wilhelm von Manßfeld. Graff von Bentheim. Herꝛ Schenck
Wilhelm/ Schenck Albrecht/ Schenck Carol/ Schenck Eraſmus/ Schenck Eber-
hard/ alle Schencken von Limburg-Herꝛn von Sainßheim. Herꝛ Hanß Albrecht
von Wolffſtein. Jtem Fuͤrſtliche Heſſiſche/ Fürſtliche Brandenburgiſche vnnd
Culmbachiſche Geſandten: zu dieſem ſind noch mehr Staͤnde/ vnnd in fuͤnff-
zehen Reichsſtaͤtte Geſandten/ auch deß Koͤnigs in Franckreich Ambaſſador mit
140. Perſonen daſelbſt ankommen. Dieſe Vnirte Evangeliſche/ wie ſich ſelbſt zu
Eingang nennen/ ſchrieben auß an Kay. May. vnd alle Potentaten jn- vnd auſſer-
halb deß Reichs/ es wer zwar heilſamblich bethewrt/ daß keiner den andern ſolte
anſeinden/ vberziehen/ noch entſetzen/ noch die Vnderthanen abſpannen: vnnd daß
die Staͤnde deß Reichs/ einander ſolten wider die Zerſtoͤrer gemeiner Ruhe bey-
ſtehen vnd ſchuͤtzen: doch werde der Religionsfried/ in Mißverſtand gezogen vnnd
vberſchritten: habe auch biß dahin keine Klag ſtatt funden/ auß welchem allem ein
endliche Ruin zugewarten: Darumb weren ſie bereyt vor etlichen Jahren/ in ein
mehr naͤhere Zuſammenſetzung getretten/ vnd ſich mit einander verglichen/ keinem
Menſchen zuwider/ noch zu Nachtheil/ noch die Stiffter zu hoͤchſtẽ Nachtheil deß
Adels/ in jhren Privatnutzen zureiſſen/ welches ſie mit der That erweiſen wolten.
Zogen aber an/ daß die poſſidirende Fuͤrſten wolten vber alles erbieten vnnd erin-
nern/ de facto entſetzt werden/ nur allein der Evangeliſchen Religion zu Nach-
theil: beziehen ſich auch auff das Fuͤrſten Recht/ vnd auff die Kayſerliche Capitula-
tion: mit angehengtem Bericht/ daß ein Stand dem andern ſolche Huͤlff zuley-
ſten/ eines jeden Recht vnnd prætenſion in der Hauptſach vnvorgreifflich ſchuldig
ſey. Daß die Saͤchſiſche Hertzogen nicht hinzu getretten/ verurſachte die præten-
ſion
auff Guͤlch/ vnd die Hoffnung/ ſolche Lehen von dem Hauß Oeſterꝛeich zuer-
halten/ vnnd trenneten ſich die Heſſen/ als Landgraff Philipps zu Marpurg ohne
Leibs Erben verſtorben/ vnd die Darmbſtattiſche Lini/ das gemeldte Fuͤrſtenthumb
nicht in die Staͤmme/ ſondern in die Haͤupter wolte getheilet haben: davon im drit-
ten theil dieſer Diſcurſen weit laͤufftig zuſehen. Der Nider Saͤchſiſche Crayß aber
wolte ſich nicht verdieffen/ in Erwegung auch im Schmalkaldiſchen Krieg/ die-
ſelbe Landen behutſam gangen/ vnd deſto ſanffter von demſelben Braſt kommen.


Die Catholiſche hingegen vermeynten mehr Vrſach zuhaben/ daß ſie ſich
in Buͤndnuß vnd Verfaſſung ſtellen/ vnd allen Gewalt abtreiben ſolten. Jhnen
war vnentſunckẽ/ dz der Großmeiſter in Preuſſẽ/ auß dem Hauß Brandenb. ent-
ſproſſen/ ein Weib genom̃en/ vñ dz Land nach ſich gezogẽ/ auch Lutheriſch gemacht/
wie gefaͤhrlich es etliche mahl mit dẽ Ertzſtifft Coͤln/ geſtanden/ dz es nit gar Welt-
lich vñ Evangeliſch were worden Es war am Tag/ wie das Biſtumb Straßburg
gewanckt/ vnd endlich zerꝛiſſen/ nunmehr halb Evangeliſch lebte. Magdeb. Halber-
ſtatt/
[19]Dritter Theil.
ſtatt vñ alle andere Stiffter hetten Weltliche Herꝛn angenom̃en vñ hielten Evan-
geliſche Dumherꝛn zum ſchein: denen dann alles vbrige mit der Zeit folgen moͤchte.
Der Proteſtirenden Klagen weren ſo vngereimbt/ daß ſie ſelbſten nicht wollen bey
dem Paſſawiſchen Vertrag bleiben/ noch denſelben beſtaͤttigen laſſen/ mit der Be-
dingung/ alles in den Stand zuſetzen/ als es Anno 1555. geweſen. Die Oeſterꝛeicher/
Hungarn vnd Boͤhmen dringen jhre Sachen jmmer forth/ mit gewapneter Hand/
vnnd werden in kurtzem die Catholiſchen gar außbeiſſen/ oder vnderdrucken: an jh-
ren Privilegien ſolte jhnen kein Eintrag geſchehen/ da ſie nur ſich ſtille hielten/ vnd
nicht weiter vmb ſich griffen. Jm Reich ſpiele ein jeder den Meiſter/ vnd laſſe ſich
durch kein Kayſerlich Anſehen/ von ſeinem Vorhaben abſchrecken. So geſchehe
niemand zuviel/ oder zu wenig/ wann gleich die Guͤlchiſche Landen/ dem Hauß
Oeſterꝛeich/ wegen alter vnnd newen prætenſionen, zu theil wuͤrde/ den Abtruͤnni-
gen Hollaͤndern zum Schrecken/ vnnd dem Koͤnig in Franckreich zum Schewen/
ja den drey Geiſtlichen Churfuͤrſten am Rhein/ zum Troſt vnd Schutz. Auch were
Weltkuͤndig/ wie die Proteſtirenden den Abtruͤnnigen in Franckreich/ vnnd in den
Niederlanden merckliche Huͤlff geleyſtet/ Gelder geſchoſſen/ Voͤlcker zugefuͤhrt/
vnd jmmerdar ein ſtarcken Ruͤcken gehalten. Vnd eben ſolches/ wuͤrden ſie nicht
vnderlaſſen/ da einiger Geiſtliche Stand zu jhnen tretten/ oder die Vnderthanen
wider die Obere ſich aufflehnen ſolten/ wie im Straßburger vnd Coͤlniſchen Krieg
geſchehen/ da es jhnen zwar/ wegen der maͤchtigen Benachbarten nicht gelungen/
doch anderwertlich zuverſuchen/ nicht vergeſſen iſt/ weil dann die Proteſtirende
den Anfang gemacht/ vnd eine Vnion oder Verbuͤndnuß geſtifftet/ wer es den Ca-
tholiſchen keines wegs nicht zuverdencken/ wann ſie ſich deß vbrigen vmb etwas
verſicherten/ vnd erwehreten.


Darumb hielten die Catholiſchen/ von Geiſt- vnnd Weltlichem Stand/
auch eine Verſamblung zu Wuͤrtzburg/ vnd verbunden ſich mit einander/ auff fol-
gende weiß: 1. Sollen die Verbundene einander mit beſtaͤndiger Trew bey-
ſpringen/ vnd ſich keiner vnderſtehen/ ſeinen Mitbruder oder deſſen Vnderthanen/
zuvnderdrucken/ oder zubeſchwehren/ noch wider dieſelben jcht was fuͤrzunehmen.
2. Wann vnder den Verbundenen einiger Mißverſtand erwaͤchſt/ ſoll der O-
berſte/ dieſer Verbuͤndnuß ſich bemuͤhen/ ſie wider mit einander zuvergleichen/ vnd
ſo es auch von noͤhten/ ſoll er ſich der andern Mitverbundenen Huͤlff bedienen. 3.
Soll keiner von den Vereinigten/ wiſſentlich deß andern Feind in ſeinen Gebie-
ten gedulden/ viel weniger denſelben defendiren/ ſondern ſolche alle ernſtlich ver-
folgen/ oder wo moͤglich/ mit aller ſeiner Macht auß dem Lande treiben. 4. Die
Verbundene ſollen/ aller Orthen fleiſſig acht haben/ vnd alles was ſie vernehmen/
ſo jhnen zu Schaden gereychen moͤchte/ mit dem eheſten den Oberſten berichten.
5. So einer von den Verbundenen vngebuͤhrlicher weiſe angefallen wuͤrde/ ſoll
der Oberſte mit den andern Verbundenen/ denſelben fuͤr ſich fordern/ ſeine Spruͤ-
che hoͤren/ vnnd alsdann/ was zur Defenſion nottuͤrfftig/ mit dem eheſten ſo moͤg-
lich fuͤrnehmen/ auch mit Huͤlff der Verbuͤndnuß denſelben vberfallen. 6. So
C ijjemand
[20]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
jemand von den Vereinigten einen andern vnbilliger weiſe/ vnnd auß vermeſſe-
nem Gewalt/ oder de facto an fiele/ ſo ſoll jhm/ vermoͤg der Verbuͤndnuß/ keine
Huͤlff darzu geleiſtet werden. 7. Der Deputirten Theil/ mag ſich vber die jenige
Ordnung/ ſo in der Reichs Conſtitution begriffen/ vnd auſſer der Verbuͤndnuß
Huͤlff auch deſſen Mittels der Execution gebrauchen. 8. Wann einer auß den
Verbundenen mit deren Authoritaͤt/ auſſer der Verbuͤndnuß Huͤlff etwas ſpen-
dirt hette/ ſo ſoll jhm ſolches auff vorhergehendes anmelden gut gemacht werden.
9. Wann in der Berahtſchlagung gleiche Vota weren/ ſo ſoll der Oberſte jeder-
zeit ein Einſpruch thun. 10. Wann auß dem Verzug Gefahr erſcheinete/ ſo ſoll
der Oberſte mit den Verbundenen Macht haben Reuter vnd Fußvolck zuwerben.
11. Die Defenſion ſoll niemals ſo lang auffgeſchoben werden/ biß einer auß den
Vereinigten offendirt würde/ ſondern man ſoll ſich zu derſelben Zeit gefertigt ma-
chen. 12. Dieſe Verbuͤndnuß ſoll neun Jahr an einander wehren. 13. Zum O-
berſten dieſer Verbuͤndnuß/ ſoll erwehlet werden Hertzog Maximilian in Bayern.
14. Sollen andere Fuͤrſten vermahnet werden/ ſich in dieſe Buͤndnuß zubegeben/
das negotium aber wird dem Oberſten heimgeſtellt. 15. Dem ſind adjungirt die
Biſchoffe Wuͤrtzburg/ Paſſaw vnd Augſpurg. 16. Wann die Verbundenen zu-
gleich/ auff einmal vnderſchiedlichen vberfallen wuͤrden/ ſo ſoll die Verbuͤndnuß-
huͤlff nach Gelegenheit/ vnnd Noth der Gefahr defendirt werden. 17. Da die
Notturfft erforderte/ ein Kriegsheer zuformiren/ ſo ſoll dem Oberſten allein das
Directorium heimgeſtellet werden. 18. So die Verbundenen jemands Sa-
chen annehmen/ ſoll demſelben nicht mehr erlaubet ſeyn/ mit ſeinem Widerſacher/
ohn der Verbundenen Conſens, ſich in guͤtliche Vergleichung einzulaſſen. 19.
Der Oberſte ſoll von allen kuͤnfftigen Schaͤden entlediget ſeyn. 20. Die Ver-
buͤndnußhuͤlff ſoll nach deß Reichs Matricul/ jedern Vereinigten/ der Proportion
nach/ angelegt werden. 21. Die Verbundenen ſollen eheſt/ ſo moͤglich/ in beſtimp-
ter Zeit/ einen guten Vorꝛath/ dem Verlaß nach/ zuſammen bringen/ vnd ſolle
Jaͤhrlich darzu gefamlet werden.


Als Kayſer Rudolph hievon Bericht bekommen/ ließ er abermahl ein Ab-
mahnungs Schreiben außgehen/ darin er bezeuget/ wie er die Prætendenten zum
ordentlichen Außſpruch eingeladen/ nicht ſeines Hauſes eigenen Nutzen geſucht/
ſondern die Kayſerliche Iuriſdiction, zu eines jeden Rechten geſucht zuerhalten:
darumb ſolte jeder Stand ſich huͤten/ in die jenige Poͤn zufallen/ ſo in den Reichs-
Abſchieden begriffen were. Nichts deſtoweniger giengen die Werbungen allent-
halben forth/ ſonderlich vor Ertzhertzog Leopolden/ darumb auch die Statt Straß-
burg ſich mit Voͤlckern verſehen/ vnnd Fuͤrſt Chriſtian von Anhalt zum Feldherꝛn
angenommen. Vnd in dieſem 1610. Jar wolte das Fewer in hoͤchſter Lohe breñen/
entweder im Elſaß/ wegen deß Biſtumbs Straßburg/ oder in den Guͤlchiſchen
Landen/ wegen derſelben Succeſſion: Die Vnirten zogen zu Feld/ vnnd rumorten
vbel in dem Elſaß: der Biſchoff zu Speyer/ macht das Dorff Eydenheim zu ei-
ner
[21]Dritter Theil.
ner Feſtung/ welche Fortification Chur Pfaltz ließ niderꝛeiſſen/ vnnd hingegen
Mannheim/ da der Necker in den Rhein faͤllt/ befeſtigen. Doch machte man Fried
im Elſaß/ weil Kayſer Rudolph vnnd Koͤnig Matthias/ nicht wol mit einander
ſtunden/ vnd der ſchwaͤchſte ſich an die Vnirten ohne zweiffel hencken/ vnd alſo den
Krieg in die Oeſterꝛeichiſche Laͤnder ziehen koͤnnen. Zu Coͤln bemuͤhete man ſich
zum eyferigſten/ wegen Beruhigung der Guͤlchiſchen Landen: weil aber die Fran-
tzoſen/ Spanier vnnd Hollaͤnder ſich drein ſchlugen/ vnnd in deſſen Chur Sachſen
auch damit belehnet ward/ giengen die Waffen jmmer forth. Endlich verglichen
ſich die Vnirten vnd Ligiſten/ weil kein Theil ſuchte ein andern zuvberfallen/ ſon-
dern nur in zulaͤſſiger Verwahrung ſeiner ſelbſt ſtunde/ daß allein das Guͤlchiſche
Vnweſen ſolte auß geſetzt ſeyn/ vnnd im vbrigen/ alle Nachbarſchafft gepflogen
werden. Hie erinnere ich mich zweyer Bawren auß Schwaben/ da der eine den
andern/ ohne viel Maulwaſchens/ an Halß ſchlug: vnd der Geſchlagene es vor gantz
frembd/ vnd vngewohnt auffnahm/ weil ſie noch nicht gezanckt hetten. Dann auch
der edle Loͤw/ vor dem Streit ſeinen Zorn erweckt/ wann er mit dem Schwantz
jhm ſelbſt auff den Ruͤcken ſchlaͤgt. Alſo waren die Ligiſten vnd Vnirten noch nicht
zornig/ vnnd rewet ſie beyderſeits deß Schimpffs/ wann ſie den Degen ſolten bloͤſ-
ſen. Sie hielten beyderſeits viel Zuſammenkunfften/ vnnd ſonderlich die Vnirten
zu Rotenburg an der Tauber/ da von Donawerth/ von der Guͤlchiſchen Succeſſion,
von den Paſſawiſchen vnnd Elſaſſiſchen Kriegsvoͤlckern/ auch von Verfolgung
der Evangeliſchen im Reich/ jmmer viel zu rahten war. Zu deme noch kommen/
was Aach/ Coͤln/ Braunſchweig/ vnd Bamberg vor Jrꝛungen verurſachet. Jn
dem Land zu Wuͤrtemberg gedachten ſie eine Feſtung zu nehmen/ vnd vier Regi-
ment zu Fuß/ neben drey tauſend zu Roß hinzulegen/ die Contributions Gelder/
vnd andere Kriegs Notturfft zubewahren. Bey ſo geſtallten Sachen hielten die
Churfuͤrſten einen Tag zu Nuͤrnberg/ vnnd fanden kein ander Mittel/ dem bevor-
ſtehenden Vngewitter vorzukommen/ als daß ein Succeſſor dem Kayſer/ welcher
jnnen hielte/ vnnd mit niemand communicirte, darumb auch viel Sachen/ vnder
ſeinem Namen befohlen worden/ von denen er nimmer nichts erfahren/ nachge-
ſetzt/ vnd zur Vorſorg erwoͤhlet wuͤrde: welches der Kayſer jm nit allerdings zuwi-
der ſeyn laſſen: ſtarb doch Anno 1612. vnnd macht ſeinem Bruder Koͤnig Matthiæ
Platz.


Die allererſte Kayſerliche Verꝛichtung war/ daß der Baw zu Muͤlheim/ den
die Proteſtirende Fuͤrſten eyferig trieben/ durch ein Kayſerlich Mandat verhin-
dert wurd: vnnd die Execution vber Muͤlheim vnd Aachen/ dem Marquis Spinolæ
auß den Niderlanden anbefohlen. Die zweyte war/ der Reichstag zu Regenſpurg/
Anno 1613. auff welchem die Proteſtirenden/ wie auch die Catholiſchen/ jhre gra-
vamina
gegen einander vbergeben. Was nun auff dieſem Reichstag verꝛichtet
worden/ das hat Nell/ deß Kayſers Schalcksnarꝛ arthlich vnd kurtz verfaſt. Dann
als er ein ſchoͤn newes Büchlein laſſen einbinden/ vnnd ſolches vnder dem Arm
C iijtrug/
[22]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
trug/ ward er vom Kayſer gefragt/ was er damit wolte. Da gab er zur Antwort/ er
hette die Reichs Acta drein geſchrieben: wie nun der Kayſer begierig war/ die Act
zu leſen/ das Buͤchlein oͤffnete/ vnnd durchblaͤttert/ aber alles weiß fand/ antwort
Nell: dieweil nichts wer verꝛichtet worden/ hette er auch nichts ſchreiben koͤnnen.
Dann es ſtunden die beyde Partheyen gegen einander in Verfaſſung/ vnd gedach-
ten nicht vmb einen Fuß zuweichen. Die Proteſtirende wolten nicht mehr zu der
Verſamblung kommen/ weil jhre gravamina vneroͤrtert blieben: ſo erhielten die Ca-
tholiſchen ein ſcharpffe Salvationsſchrifft/ wider die Vnirten: daruͤber dieſe offent-
lich proteſtiret/ vnd alſo voneinander geſcheyden. Alſo brachte dieſer Reichstag
keine Ruhe/ ſondern lauter Verbitterung. Doch erhielten die Catholiſchen einen
groſſen Vortheil/ daß Hertzog Wolff Wilhelm/ Pfaltzgraff von Newburg/ Fraͤw-
lein Magdalena auß Bayern geheuratet/ vnd dardurch zu jhrer Religion gezog[e]n
worden. Die dritte/ daß Ka. May. den Hertzogen von Braunſchweig gratificirte,
vnnd ein Mandat wider dieſelbige Statt außgehenlaſſen. Die vierdte/ daß die
Statt Magdenburg von der Bündnuß/ mit den Hollaͤndern beydes durch den
Kayſer/ vnd durch den Churfuͤrſten/ ſind abgeſchreckt worden. Die fuͤnffte/ dz er an
den Churfuͤrſten zu Heydelberg die Vnion begehrt hat/ gegen der Liga auffzuhe-
ben. Die ſechſte/ daß er Ertzhertzog Ferdinanden auß Oeſterꝛeich zu einem Sohn
angenommen/ vnnd zu einem Nachfolger/ in den Koͤnigreichen Hungarn vnnd
Boͤhmen angenommen hat. Die ſiebende/ daß er alſo bald ſich nach Dreßden zu
dem Churfuͤrſten in Sachſen begeben/ vnnd neben Koͤnig Ferdinando/ auch Ertz-
hertzogen Maximiliano/ vnnd Biſchoff Cloͤſel/ Frewd vnnd Rahtſchlagung ge-
pflogen.



Der vierdte Diſcurß.


Wie ſorglich es vmb die Catholiſche Religion geſtanden: wie die Cardinaͤl auff
Ertzhertzog Carlen geſchloſſen/ jhn vnd ſeinen Stamm herfuͤr zuziehen. Wie Ertz-
hertzog Carl mit der Reformation in ſeinen Erblanden angefangen/ vnnd ſein
Sohn Ertzhertzog Ferdinand mit allem Ernſt fortgefahren.


BEy dieſſen Haͤndeln vnd Verlauff/ ſtunden die Sachẽ dem Anſe-
hen nach/ ſonderlich wegen der Roͤmiſchen Religion/ in groſſer Beſorg-
lichkeit/ dannenhero der Mangel/ mehrern theils an einẽ Oberhaupt be-
ſtuͤnde/ welches die Sachen mit Ernſt angreiffen moͤchte/ die Verſamb-
lung der H. Cardinaͤlen zu Rom bekamen eine Zeitung vber die andere/ vom Ab-
fall gantzer Laͤnder. Es war bald kein Winckel in Teutſchland mehr rein Catho-
liſch: ſo hatten Engelland vnd Schottland/ auch Dennmarck/ vnd zuletzt Schwe-
den
[23]Dritter Theil.
den dem Roͤm. Stul den Gehorſam auff gekuͤndiget/ vnnd regierten jhre Kirchen
nach gutduncken. Mit Franckreich ſtunde es vber alle maſſen gefaͤhrlich/ in deme
die Hugenotten ſich mehreten/ vnnd ſchier nahe die Kron ſelbſt ergriffen hetten.
So war das Exempel in Boͤhmen noch vnvergeſſen/ als Georg Podiebragk/ ein
Huſſit/ auff den Koͤniglichen Thron geſtiegen. Vnd was ſolten die Proteſtiren-
den nicht vnderfangen/ daß ſie ein Kayſer nach jhrem Sinn auff werffen? zumahl
auch der Vicarius zu Heydelberg der Statt Aach/ vnd den Proteſtirenden Fuͤrſten/
wegen der Gülchiſchen Succeſſion, nach beſtem Vermoͤgen/ den Catholiſchen
zu Nachtheil vorgeſprochen. Das allerſchwerſte Nachdencken war/ daß die Kayſer
ſelbſt nicht richtig durch drungen/ vnnd den Proteſtirenden zuviel nach gaben/ et-
wañ emiger Willfahrung halben. Das Hauß Spanien hielt ſteiff an der Catho-
liſchen Religion/ vnnd daͤmpffte die Maranen/ vnnd Proteſtirenden mit Macht/
durch die Inquiſition, nam aber die Muͤhwaltung wolbezahlt/ vnnd ſuchteden
Kriegskoſten auff den Geiſtlichen Guͤtern/ mit vnd ohne willen: ja ließ nicht dun-
ckel ſpuͤren/ daß Jtalien jhm beliebte/ vnnd daß der Kirchen Staat wol etliche
Schwingfedern wůrde muͤſſen fallẽ/ oder außrauffen laſſen/ vnd den Maͤchtigern
den Ruͤcken darhalten/ auff begebenden Fall daruͤber zugehen. Die Oeſterꝛeichi-
ſche Kayſer moͤgten der Zeit/ wo nicht gar von der Kirchen abtretten/ doch wegen
jhrer Erblaͤnder ſich zweyen/ vnd die Gemuͤther der Vnderthanen an ſich zuziehen/
der Kirchen zu groſſem Nach theil/ viel Privilegia den Vneatholiſchen erweitern.
Vnnd wann das Kayſerthumb einmal den Abtruͤnnigen/ in die Haͤnde geriethe/
würde es jhnen ſo leichtlich nicht wider zubenehmen ſeyn.


Endlich wurde dahin geſchloſſen/ wann Ertzhertzog Carlen eine eyferige
Matron auß dem Hauß Bayern heurath/ vnnd ſich verbuͤnde/ mit dem Roͤ. Stul/
die Catholiſche Religion fortzupflantzen/ ſolte gedachter Stul da hin trachten/ daß
das Kayſerthumb von dem aͤlteſten Stamm/ in welchem Rudolphus/ Erneſtus/
Matthias/ Maximilianus/ vnd Albertus lebeten/ auff jhn/ als Kayſer Ferdinan-
di I. dritten Sohn/ oder ſeine Nach koͤmlingen/ abgetragen wuͤrde. Vnd wer wolte
nicht ſuchen/ ſein Stamm vnd Kinder groß zumachen/ wann ſolches mit Befoͤr-
derung der Kirchen geſchicht/ vnnd noch groſſes Lob er wirbt. Nun hatte Kayſer
Maximilian Anno 1570. den 30. May den Herꝛn vnd Rittern in der Steirmarck/
vnd anderſtwo mit Brieff vnd Sigel/ die Vbung der Proteſtierenden Confeſſion
erlaubt/ wie hie oben nechſt zuſehen/ vnd darin der Kirchen Anſehen zu ruͤck geſetzt:
ſo ferꝛn/ daß er auch zwey Jahr hernach an Gregorium XIII. beweglich begehrt/ er
ſolte widerꝛuffen vnd vernichten/ daß Pius V. Coſmum von Medices 1569. zu ei-
nem Großhertzogen in Toſcanâ gemacht/ gleichſam ſolches niemand anderſt/ als
dem Kayſer zuthun gebühre: vnd in Verweygerung deſſen/ ſeinen Geſandten gar
von Rom abgefordert: da doch bekandt/ daß Anno 1479. Paulus II. in gegenwarth
Kayſers Friderici III. in der Meß den Borſium zu einem Hertzogen zu Mutina, zu
Rhegio, vnd zu Lepidi gemacht/ ob ſchon ſolcher Titel jhm vom Kayſer zuvor ver-
liehen/
[24]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
liehen/ durch ſolchen actum aber bekraͤfftigt vnd gültig wurde. Es hatte Ertzhertzog
Carlen in der Erbtheilung Steirmarck/ Kaͤrnten vnd Krain gegen ſeinem Bru-
der erhalten/ vnnd bemuͤhet ſich zwar beſtes fleiſſes/ die Catholiſche Religion zuer-
heben/ vnd die Proteſtirenden zuverdrucken: kondte aber nicht viel außrichten/ biß
er Anno 1581. ſeines Herꝛn Vattern gegebenes Privilegium/ den Herꝛn vnd Rit-
tern wider abgeſprochen/ weil in dergleichen Faͤllen/ kein Regierender Herꝛ ſeine
Nach fahren binden koͤndte/ weniger auch wider die Kirch thun ſolte. Seine Ge-
mahlin war Maria Hertzog Albrechts in Bayern Tochter/ die er Anno 1571. im
Herbſtmonat geheurath: welche dann ein groſſen Eyfer/ wegen der Religion in jh-
res Vatters Hauß geſchoͤpfft/ den ſie auch in die Steirmarck gebracht/ vnnd jhren
Herꝛn jmmer angefriſtet. Dann jhr Großvatter Hertzog Albrecht in Bayern
lieſſe Anno 1506. Goldguͤlden ſchlagen/ da er auff den Knien vor dem ſitzenden
Marienbild/ das Kindlein im Schoß/ ſitzet mit gefaltenen Haͤnden/ in dieſer Vmb-
ſchrifft: O Maria, ora pro me: welches Anno 1646. Churfůrſt Maximilian in Bey-
ern nach machen/ vñ auff ſeine newe Ducaten pregen laſſen: zum Zeugnuß/ daß er/
wie jetzt letzlich Kayſer Ferdinand II. vnd Koͤnig Philipps IV. in Spanien gethan/
ſich vnd ſeines gantzes Hauſes Wolfahrt/ der H. Jungfrawen Marien/ als einer
Vorbitterin anbefehle. Vnder deſſen/ wie zuvorn/ gab es newe Anſpruͤche/ an die
Landſaſſen/ etwan das Graͤntzhauß Carlſtatt wider den Tuͤrcken zubawen/ oder
ſonſten baare Mittel bey zutragen: da man den Staͤnden gute Wort geben muͤſ-
ſen/ vnnd in Religions Sachen weit durch die Finger ſehen/ dann die Steiriſche
Staͤnde der Augſpurgiſchen Confeſſion/ wol zwo Millionen Golds/ das Land
auß Schulden zureiſſen/ vnder Beding- vnnd Verwilligung/ deß Augſpurgiſchen
Exercitij, An. 1569. bezahlt. Vnd das bevorſtehende Vnweſen im Jahr 81. mit
Neunmahlhundert Tauſend Guͤlden Rheiniſch abgewandt/ vnd noch fuͤnffzehen
Tonnen Golds Anforderung der Kammer nachgelaſſen. Endlich iſt Anno 1590.
Ertzhertzog Carlen geſtorben/ vnd hat fuͤnff Soͤhne hinderlaſſen/ Ferdinand/ Ma-
ximilian/ Leopold/ Carlen vnd noch zween andere.


Es iſt aber Ferdinand gebohren Anno 1578. den 9. Julij/ vnnd folgt dem
Vatter in der Regierung/ vnd erhielt Steirmarck vnd Kaͤrnnen. Zu Anfang ſei-
ner Regierung/ thet der Tuͤrck ſolchen Einfall/ daß ſeine Fraw Mutter vnd Fraͤw-
lein Schweſter in Carlſtatt ſich nicht genugſam verwahrt befunden/ vnd von dan-
nen nach Bayern ſich erhoben. Als man nun ein wenig Lufft wegen deß Tuͤrcken
bekommen/ kam Patriarch Franciſcus von Aglar/ der Herꝛ von Stadian/ vnnd
der Bambergiſche Vitzthumb/ Anno 1594. die Kirchen zu reformieren/ ſchaffeten
zu Villach die Augſpurgiſche Confeſſion ab/ kondten aber die Schluͤſſel zu der
Kirche vnd dem Statt Thor nicht erhalten/ weil der Raht vorgab/ ſolche weren jh-
nen von dem Herꝛn von Dieterichſtein anvertrawt/ mit Freyheit jres Gewiſſens.
Darauff Gewalt vorgangen/ vnnd das Volck den Vitzthumb/ nicht ferꝛner auff
der Landſtuben geduldet: doch ließ er in ſeinem Abzug etliche Prediger in Thurn
werffen/
[25]Dritter Theil.
werffen/ vnd ſahe alles zu einem Auffſtand bereyt. Noch groͤber gieng es in Ober-
Oeſterꝛeich/ vnd in dem Laͤndlein ob der Enß/ wegen vberhaͤuffter Beſchwerden/
da man gar zu ſtreiten kommen/ ſich doch bald vertragen. Salßburg ſtunde in glei-
cher Gefahr/ vnd Verfaſſung. Als nun beyde Ertzhertzogen/ Ernſt vnd Matthias
nach den Niederlanden gezogen/ dieſelbe Laͤnder im Namen Koͤn. May. in Spa-
nien zuverwalten/ blieb die Vormundſchafft vber Ertzhertzog Ferdinands Landen
zu vorderſt Keyſer Rudolpho/ vnnd dann Ertzhertzogen Maximiliano/ biß gedach-
ter Ertzhertzog Ferdinand die Regierung ſelbſt angetretten/ vnnd Anno 1598. auff
Anſuchen deß Paſtors zu Graͤtz dieſes Edict den 13. Sept. laſſen inſinuiren.


Von der Fuͤrſtlichen Durchleuchtigkeit vnſers gnaͤdigſten Herꝛn wegen/
denen Herꝛn Lands Hauptmann/ vnd Verordneten einer Erbarn Landſchafft in
Steyr/ gnaͤdigſt anzuzeigen: Sie werden ſich guter Meinung zu erinnern haben/
daß bey derſelben hoͤchſtgedachter Fuͤrſt. Durchl. geliebter Herꝛn Gebruͤder Præ-
ceptor M. Laurentius Sorabender,
als Pfarꝛherꝛ allhie zu Graitz vnlaͤngſt ſchrifft-
lich einkommen/ vnd begehrt/ die Predicanten allhie in der Stifft/ vnd das exerci-
tium
der Augſpurgiſchen Confeſſion/ wie mans nennet/ als welches jhm Pfarꝛ-
herꝛn in ſeiner Pfarꝛlichen Iurſdiction vnzuſtehend vnnd vnzulaͤſſig mannigfalti-
gen Eintrag thun/ abzuſchaffen. Vnd weil jhm dann vber ſein beſchehenes gütli-
ches erſuchen/ ſo wol bey ermeldten Herꝛn verordneten/ als dem beruͤhrtem exer-
citio,
kein Gehoͤr gegeben worden/ noch einige Abſtellung bißher erfolgt/ ſondern
ſie in Vbung ſolches jmmer fortfahren/ welches alles von jhnen wider vraltes/ vnd
viel hundert Jahren her erhaltenes Recht vnnd Gewonheit beſteht: vnnd daruͤber
wolgedachter Pfarꝛherꝛ bey Jhrer Fuͤrſt. Durchl. angebrachtem Suppliciren mit
mehrem hieneben zuvernehmen: So haben hierauff Jhre Fůrſt. Durchl. vnd auch
da er der Pfarrherꝛ gleich nicht darumb ſupplicirt hette/ ex proprio motu, zu Sal-
virung jhres Gewiſſens/ als ein Catholiſcher Ertzhertzog zu Oeſterꝛeich/ vnd Erb-
lands Fuͤrſt in Steyr auch Vogt vnd Lehensherꝛ der hieſigen Pfarꝛ/ wie auch ins
gemein Oberſter Vogt aller Geiſtlichen Stifften/ in jhren Erblanden gelegen/
vermoͤg deß hochloͤblichen Hauſes Oeſterꝛeich ſpecial Freyheit/ alß auch in krafft
der im gantzen Roͤm. Reich ſtatuirten vnd obſervirten allgemeinen Religions pa-
cification,
jhren Herꝛn Lands Hauptman vnd Verordneten/ hiemit alles ſonders
Ernſtes aufferlegen vnnd befehlen wollen/ daß ſie jhre Stifft/ Predicanten/ vnnd
das gantze Stifft/ Kirchen vnd Schulen exercitium, ſo wol hie/ als zu Judenburg/
vnd aller Jhrer Fuͤrſt. Durchl. eygenthumblichen Staͤtten/ Maͤrckten/ vnd derſel-
bigen Gezirckten/ von dato inner vierzehen Tagen/ gewißlichen abthun vnd ab-
ſchaffen/ auch ſolche jhre vnderhaltene Predicanten vnd Diener dahin weiſen/ daß
ſie in ſolchem Termin/ alle Jhrer Fuͤrſt. Durchl. Laͤnder raumen/ vnnd ſich darin
weiter keines wegs betretten laſſen: vnd hinfuͤro Sie Herꝛn Land Hauptman vnd
Verordnete/ auch der Beſtallung dergleichen Perſonen vnnd Diener/ in Jhrer
Durchl. eygenthumblichen Staͤtten/ Maͤrckten vnd Flecken/ vnd dergleichen Be-
Dritter Theil. Dzirck
[26]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
zirck ſich gaͤntzlich enthalten: an dem allem vollziehen ſie Jhrer Durchl. eygenen/
auch endlichen Willen vnd ernſtliche Meinung.


Auff dieſes Decret haben die Herꝛn Verordnete in Schrifften weitlaͤufftig
geantwort/ vnd ſich theils entſchuldigt/ daß ſie vorgeſetztem Befehl ohne vorwiſ-
ſen der vbrigen Landsherꝛn nicht koͤndten Folg leyſten: theils aber auch vnderthaͤ-
nigſt gebeten/ daß Jhre Fuͤrſt. Durchl. zu dieſen allergefaͤhrlichſten Zeiten von ſol-
chem jhrem Fuͤrnemen geruheten abzuſtehen/ in Betrachtung/ daſſelbe dem geley-
ſteten Jurament/ vnd deß Lands Privilegien entgegen vnnd zu wider: deß gleichen
deß groſſen Vnheils/ ſo darauß erwachſen moͤgte. Wurd aber nichts anders auß-
gericht/ als daß ein ſcharpff Decret an Pfarꝛherꝛ/ Rectorn vnnd Schulmeiſter
abgangen/ ſich von ſtund an alles predigens vnd lehrens zuenthalten/ vnnd jnner-
halb acht Tagen das Land zuraͤumen. Dieweil nun wider angeſucht worden/ der
Strenge nach nicht zuverfahren/ erfolgte das dritte Decret/ noch bey Sonnen-
ſchein auß Graͤtz/ vnd jnnerhalb acht Tagen auß dem Land/ bey Verluſt Leibs vnd
Lebens zu ziehen/ welches dann den 19. Sept. alſo geſchehen. Es lies aber Ertzher-
tzog Ferdinand zu Eingang deß folgenden Neun vnd neuntzigſten Jars/ ein Land-
tag nach Graͤtz außſchreiben/ auff welchem die Staͤnde der dreyen Landſchafften/
der Augſpurgiſchen Confeſſion zugethan/ ein lange Schrifft/ wegen jrer vermein-
ten Privilegien vbergeben/ darauff Jhre Fuͤrſt. Durchl. ſich gnaͤdigſt erklaͤrt/ alles
das jenige zubedencken vnd fuͤrzunehmen/ was ſich ohne Verletzung jhres Gewiſ-
ſens nur jmmer thun/ vnnd vor Gott dem Allmaͤchtigen verantworten laſſen wuͤr-
de. Aber vnder deſſen/ vnd weil man mit dem Schluß deß Landtags vmbgangen/
haben Jhre Fuͤrſt. Durchl. ermelte Religions vnnd Lamentationsſchrifft beraht-
ſchlagen/ vnd mit einer gleichfalls auß fuͤhrlichen Schrifft beantworten laſſen: mit
dieſer lautern Summariſchen Erklaͤrung/ daß Jhre Fuͤrſt. Durchl. von jhrem be-
fugten Reformationswerck mit nichten weichen/ ſondern ehe Leib/ Leben/ Fuͤrſten-
thumb/ vnd alles darſetzen woͤllen. Vber ein kurtze Zeit hernach haben Jhre Fuͤrſt.
Durchl. die Stifftkirchen zu Graͤtz durch jhre geordnete Commiſſarien/ Camillum
Suardo
Regimentsraht/ D. Hieronymum Manicordium, vnd D. Angelum Co-
ſtede
deß willen mit Gewalt eroͤffnen/ vnd einnehmen laſſen/ weil die Verordnete
die darzu gehoͤrige Schlüſſel/ auff etliche an ſie außgegangene Verordnungen nit
hergeben wollen.


Auch wurd Anno 1600. nechſtfolgend wegen Fortſetzung der Reformation
dieſe Inſtruction hin vnd wider in Staͤtten vnnd Maͤrckten den Burgerſchafften
verleſen. Sie werden ſich vngezweiffelt deſſen/ was jhnen den fiebenden Dito/ jh-
res ein lange Zeit hero/ in vielerley wege erwieſenen Vngehorſams willen/ fuͤrge-
halten/ wol zuberichten/ wie auch vornemblich dieſes zuerinnern haben/ was jhnen
darauff/ jhres vermeinten Gewiſſens halben/ auß H. Goͤttlicher Schrifft/ mit
ſtattlicher auß fuͤhrung/ vnd beſtaͤndigen/ auch vnwiderſprechlichen fundamentis,
in den fuͤrnembſten dieſer Zeit ſtrittigen Artickeln/ vnd Hauptſtuͤcken der Catholi-
ſchen
[27]Dritter Theil.
ſchen Religion ad longum ein gebildet vnd demonſtriret worden. Vnd weilen ſie
dann (kuͤrtzlichſt zuvermelden) weder den jenigen/ von Weyland dem Durchleuch-
tigſten Fůrſten vnd Herꝛn Herꝛn Carl Ertzhertzogen zu Oeſterꝛeich/ ꝛc. noch auch
die/ von denen nachmals geweſenen Landsfůrſtlichen Gubernatoribus, auß gan-
genen gnaͤdigſten vnd ernſtlichen Verordnungen/ die allein zu Verſicherung jhrer
Seelen Seligkeit/ vnnd wider Erhebung deß bey jhnen in Abfall gerathenen/ ge-
meinen Weſens Wolſtands angeſehen worden/ nicht nachgelebt/ noch auch die in
ſachen auß Befehl mehr hoͤchſtgedachter Fuͤrſt. Durchl. zu vnderſchiedlichen mah-
len fuͤrgeloffene Commiſſiones das wenigſte wuͤrcken/ auch die dannenhero hin-
derlaſſene/ vnnd gnaͤdigſte approbirte inſtructiones nicht in acht genommen wer-
den wollen. So ſeind demnach offt hoͤchſtgedachte Fuͤrſt. Durchl. Herꝛ Ferdinand/
Ertzhertzog zu Oeſterꝛeich/ ꝛc. vnſer gnaͤdigſter Herꝛ vnd Erb Landsfuͤrſt/ bey ſo ge-
ſchaffenen Sachen/ zu Abſtellung deß durch ſie in viel wege erwieſenen Vngehor-
ſambs/ auch dahin verurſacht worden/ dieſe vorſtehende namhaffte Commiſſion
in das Werck zurichten. Auff daß nun Burgermeiſter/ Richter vnd Raht allhie zu
N. eygentlich vñ in ſpecie wiſſen moͤgen/ wiſſen ſie ſich auff die fuͤrgangene Refor-
mation hin füro in einem vnd dem andern/ jrer Seelen Seligkeit/ vnd gemeinem
Weſen zum beſten/ zuerhalten/ vnnd ſich ins kuͤnfftig mit der Vnwiſſenheit nicht
entſchuldigen koͤnnen/ haben die in Sachen verordnete Herꝛn Reformations
Commiſſarien/ jhnen in Krafft/ vnd vermoͤg habenden Befehls/ dieſe hernach fol-
gende Puncten ſchrifftlichen hinderlaſſen wollen. Vnd weil die Ehre Gottes/ de-
rentwegen dann dieſe Commiſſion angeſtellet worden/ in allen Dingen jhren bil-
lichen Vorzug hat/ alſo erfordert auch vor das erſte/ der Catholiſchen Kirchen
Wolſtand/ als ewrer ſelbſt eigene/ ſo wol zeitliche/ als ewige Wolfarth/ daß ſich nit
allein die allhieſige gantze Gemeind/ Burgerſchafft vnd Jnwohner/ ſondern auch
vnd fuͤrnemblichen die Rathsperſonen/ als vorgeſetzte Obrigkeiten/ nach welchen
ſich der gemeine Mann ſich regulieren pfleget/ deren nunmehr durch generalia,
vnnd auß gangene ſpecial Befehl/ abſchafften Sectiſche Predicanten/ vnnd jhres
verfuͤhriſchen/ auch verdamlichen exercitij, ſie ſeyen nun wie ſie jmmer woͤllen/ fuͤr
ſich ſelbſt vnd die jhrigen/ bey Leibs vnnd Guts Straff/ gaͤntzlichen enthalten: her-
gegen aber ſich zu jhren ordentlichen Pfarꝛherꝛ begeben/ vnnd an ſeiner Seelſor-
gern ſich benuͤgen laſſen. An den Sonn- vnd Feyertaͤgen die Pfarꝛkirchen neben
jhren Weibern/ Kindern vnd Hauß geſind/ fleiſſig beſuchen/ alldorten die heilſame
Predigten hoͤren/ vnd dem Gottesdienſt beywohnen vnnd abwarten/ alſo die heu-
ratlichen copulationes, Kindertauffen/ vnnd andere Heilige Sacramenta/ an kei-
nem andern Orth/ als in der gemeldten ordentlichen Pfarꝛkirchen/ vnd von jhrem
geordneten Seelſorger/ begehren vnnd nehmen/ ſich auch deß Fleiſcheſſens in der
Faſten/ vnnd andern gebottenen Faſttaͤgen/ bevorab die Wirth ſampt jhren Gaͤ-
ſten/ gaͤntzlichen enthalten. Welche aber dieſem zuwider vnd entgegen was tenti-
ren oder begehen/ vnnd ſich der Predicanten/ ſie ſeyen auch in frembden Landen/ o-
D ijder
[28]Germaniæ Pertutbatæ \& Reſtauratæ
der wo ſie jmmer woͤllen/ nicht enthalten wuͤrden/ die ſollen nach geſtallt vñ Gele-
legenheit jhrer Vbertrettung/ vnnd der Fuͤrſt. Durchl. gnaͤdigen Gefallen/ ernſtli-
chen an Leib vnd Seel geſtrafft werden.


Zum andern ſo kompt den Commiſſarien etlicher maſſen für/ wie daß ein
ſchaͤdlicher/ wider die Ehre GOTTes/ vnnd geſetzte gute Policey ſtreitender boͤſer
Mißbrauch iſt/ daß die Buͤrger bey waͤrendem Gottesdienſt/ die Laͤden offen hal-
ten/ kauffen vnd verkauffen/ vnd leben ſo wol an denſelbigen Heiligen/ als andern
Wercktaͤgen/ handthieren: weil aber ſolches mit nichten zu gedulden/ jhnen auch
keines wegs gut geheiſſen werden kan: So ſollen dem nach Burgermeiſter/ Rich-
ter vnd Raht allhie/ obvermeldte Vnordnungen gaͤntzlichen abſtellen/ vnd mit
Ernſt darob ſeyn/ daß die Feyer-ſo wol als die Sontaͤg/ Feyerlich vnd Chriſtlich
gehalten werden: Jn maſſen dañ auch dem Statt Anwald/ Burgermeiſter/ Rich-
ter vnd Raht/ allhie hiemit befohlen ſeyn ſolle/ die Vbertretter der gebuͤhr nach/ in
einem vnd dem andern/ in die Straff zunehmen.


Zum dritten/ iſt auch Jhrer Fuͤrſt. Durchl. fuͤrkommen/ wie ſich etliche allhie
bißhero vnderſtanden/ an denen Feſt- vnd Feyrtagen in jhren Haͤuſern/ Sectiſche
Poſtillen/ mit heller Stim/ vnd auch privatim jhrem Haußgeſindlein vorzuleſen/
vnd auch andern zu Anhoͤrung/ der Laypredigten/ Vrſach zugeben: Nicht weniger
auch zu Schmach der Catholiſchen Religion/ allerley aͤrgerliche Geſaͤng vnd Lie-
der/ jn- vnd auſſerhalb der Haͤuſern geſungen: So ſoll demnach ſolches hiemit/ nit
allein alles Ernſts ab vnd eingeſtellt/ ſondern auch maͤnniglich befohlen ſeyn/ hin-
fuͤhro in jhren Haͤuſern einiges Sectiſche Buch/ bey fuͤnffzig Ducaten Straff/
fuͤr jedes ſtuͤck zuverſtehen/ nicht mehr zubehalten/ ſich auch bey keiner Sectiſchen
Privatpredigt/ in maſſen anfangs verſtanden/ oder Leſung verbottener Poſtillen
vnd Buͤcher/ an keinem Orth/ bey vorgedachter Straff/ nicht mehr finden zulaſ-
ſen. Da aber bey einem oder dem andern/ einiges Sectiſches Buch gefunden/ ſo
ſolle von demſelben/ dem es gehoͤrig/ oder bey dem es betretten wird/ angeregte
Straff wuͤrcklich abgefordert/ vnd ein Theil der Kirchen/ der ander dem Spital o-
der armen Leuthen/ der dritte aber dem Richter zuſtehen vnd verbleiben.


Vnd wie fuͤrs vierdte/ jhr euch deren ſo wol hiebevor/ als auch juͤngſtlich
vmb dieſe Refier geweſenen vnd abgeſchafften Sectiſchen Predicanten/ noch wol
zuerinnern: vnd es dann Jhre Fuͤrſt. Durchl. einmahl fuͤr allezeit/ bey ſolcher be-
ſchehenen Außſchaffung verbleiben zulaſſen gedencken: ſo iſt in deroſelben Namen/
jhr der Herꝛn Commiſſarien gantz ernſtlicher Befehl/ daß ſie/ ſo wol jhnen lieb iſt
Jhrer Fuͤrſt. Durchl. hoͤchſte Vngnad vnnd Straff zu vermeiden/ derſelben diß
orths beſchehenen Verordnungen nachmahlen gehorſamſt nach kommen/ vnd ei-
nige Predicanten/ weder in der Statt/ noch in jhrem Burgfried/ den wenigſten
Vnderſchleyff nicht geſtatten/ ſondern da kuͤnfftiger Zeit einiger darin betretten
würde/ alsbald nach demſelbigen greiffen/ vnd wolverwahrlich halten/ auch ſolches
ſtracks an Jhre Fůrſt. Durchl. gelangen laſſen.


Nach
[29]Dritter Theil.

Nach dem auch zum fuͤnfften/ die ſonderbare Notturfft erfordert/ daß alle
Sectiſche/ ſo wol Lateiniſche/ als Teutſche abgeſtellte Knaben vnd Maͤgdleinſchu-
len/ darinnen die liebe Jugend vnwiſſend in Jrꝛthumb gefuͤhret/ nachmahlen al-
lerdings gaͤntzlichen auff gehebt verbleiben: in maſſen dann auch ſolches hieuor all-
bereit verordnet geweſen: So wird demnach dem Herꝛn Statt Anwald/ Burger-
meiſter Richter vnnd Raht allhie/ bey Vermeydung Jhrer Fuͤrſt. Durchl. hohen
Vngnad vnd Straff/ hiemit abermahlen aufferlegt/ ob dieſer beſchehenen heilſa-
men Verordnung/ ſteiff vnd feſt zuhalten/ vnd zu wider Jhrer Fuͤrſt. Durchl. Ge-
botten dergleichen Perſonen weder jn-noch auſſerhalb der Statt/ noch Landge-
richt/ keinen Vnderſchleyff zugeben/ ſondern vielmehr dahin bedacht zuſeyn/ damit
der Burgerkinder zu den ordentlichen alten Pfarꝛ/ vnnd andern Catholiſchen
Schulen geſchickt/ wie auch die Maͤgdlein nirgends/ als an denen Catholiſchen
Orthen vnderwieſen werden. Da aber einer oder mehr Buͤrger/ für ſeine
Kinder privatim einigen Pædagogum zu halten vorhabens/ ſo ſoll derſelbe
vorhero dem Pfarꝛherꝛ zum Examen fuͤrgeſtellt/ vnnd da er Catholiſch vnd tuͤchtig
befunden/ als dann erſt zugelaſſen werden. Jm wiedrigen aber/ da einiger Secti-
ſcher Pædagogus oder Præceptor betretten/ der ſoll nach vorgelauffener gefaͤngli-
chen Einziehung/ auß der Statt/ folgends gar auß dem Land geſchafft werden.


Vnd weilen auch zum ſechſten/ wegen Befoͤrderung der Ehren GOttes/
vnd Wolſtand der H. Catholiſchen Kirchen/ hievor anbefohlen worden/ die Zech-
zunfft vnnd Bruͤderſchafften/ welche ein Zeit hero abkommen/ widerumb auff zu-
richten/ ſolches aber auß eingezogenen Berichten/ nicht allerdings ins Werck ge-
ſetzt worden: So wird demnach/ ſo wol dem Herꝛn Statt Anwald/ als auch dem
Statt Raht allhie/ in allweg befohlen/ dergleichen abkommene Brůderſchafften/
widerumb in den alten Stand zubringen/ vnnd alles Ernſts darob zu ſeyn/ damit
nemlichẽ die geſtiffteten Gottesdienſt fleiſſig verꝛichtet/ vnd den Proceſſionen bey-
gewohnet werde.


Nach dem auch fuͤr das ſiebende/ Chriſtliche Andacht erfordern thut/ auch
an jhm ſelbſt recht vnd billich iſt/ daß der Gottesdienſt Andaͤchtig celebrirt, vnnd
ehrlich gehalten werde: welches dann auch bey allen wol angeſtellten Ordnungen/
vnnd vornehmen Staͤtten gebraͤuchig/ daß die Statt Thuͤrner an denen Feſt vnnd
Feyertaͤgen dem Gottesdienſt abwarten/ vnd mit jhren Jnſtrumenten die Muſi-
cken/ zu Mehrung deß Goͤttlichen Lobs vnnd Ehr/ zieren helffen: So wird derowe-
gen jhnen auch hiemit aufferlegt/ jhre Statt Thuͤrner dahin zuhalten/ damit ſie an
denen Feſt. Sonn- vnd Feyrtaͤgen in die Pfarꝛkirchen kommen/ vnd alldorten vn-
der vnnd bey dem Ampt der H. Meß/ mit jhren Jnſtrumenten/ ſchuldiger Pflicht
nach/ Muſiciren/ vnnd ſo viel an jhnen gelegen/ die Ehre GOTTES befoͤrdern
helffen.


Was zum achten/ die zur Erdenbeſtaͤttigung der verſtorbenen Perſonen
anlangt/ da ſoll hinfuͤro keiner mehr nirgend hin/ auſſer Vorwiſſen vnd Bewillig-
D iijung
[30]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ung deß Herꝛn Pfarꝛers begraben/ ſondern alſo offt jemand ſtirbt/ ſolches dem
Herꝛn Pfarꝛherꝛ angezeigt werden/ damit er daruͤber der gebuͤhr nach/ die Ver-
ordnung zuthun wiſſe.


Vnd wie dann auch zum neundten/ dem gemeinen Weſen/ vnd ſonderlich
den armen Pupillen/ hoch vnd viel an dem gelegen/ daß die jaͤhrliche Gerhab-
ſchafft/ als auch Kirchen/ Spitaͤl/ vnd andere gemeiner Stattaͤmpter/ Raitungen/
(Rechnungen) ohne einigen Verzug vnd Auffſchub/ ordentlich juſtificirt vnnd
auff genommen werden: So iſt derowegen jhre der Commiſſarien ernſtlicher Be-
fehl/ daß ſie von allen vnd jeden Officirern/ denen gemeiner Stattaͤmpter/ auch
Gerhabſchafften anbefehlen/ alle hinderſtellige Raitungen/ jedesmahls auffneh-
men/ juſtificirn, vnd keinerley Raitungen vber ein Jahr anſtehen laſſen. Dann es
je ſonſten im widrigen die Erfahrung gibt/ was fuͤr mercklicher Schaden dem ge-
meinen Weſen/ ſonderlich aber den Pupillen/ durch ſolche der Obrigkeit vnper-
antwortliche Nachlaͤſſigkeit zugefuͤgt wird.


So iſt auch fuͤr das zehende/ zu Fortpflantzung vnd Erhaltung/ der Catho-
liſchen Religion (welche Jhre Fuͤrſt. Durchl. als Herꝛ vnnd Landsfuͤrſt/ in jhren
Fuͤrſtenthumen vnd Landen/ ſo wol widerumb zuerheben/ als auch in gutem auff-
rechtem Stand/ alles zu Gottes Ehre/ vnd ſeiner getrewen Vnderthanen/ zeitli-
cher vnd ewiger Wolfahrt zuerhalten/ endlich gedencken) nicht weniger der hieſt-
gen Statt Wolfahrt/ hoch von noͤhten/ wird auch ferꝛners in hoͤchſternanter Jh-
rer Fuͤrſt. Durchl. Namen/ jhnen hiemit eingebunden/ daß ſie hinfuͤro keinen
Sectiſchen oder Lutheriſchen Burger noch Jnwohner/ wer der auch ſeyn moͤchte/
auffnehmen/ ſondern welche Catholiſche/ ehrbare Perſonen/ das Buͤrger Recht
anzunehmen begehren werden/ deren Bekommung ſie ſich dann in alleweg befleiſ-
ſen ſollen/ jhnen daſſelbig gutwillig verleyhen/ vnnd ſolche neben jhnen vnderkom-
men laſſen. Darunder aber in allweg kuͤnfftig dahin bedacht ſeyn/ daß ſie ohn vor-
wiſſen deß Herꝛn Pfarꝛers/ als Anwalds/ der von tragendem Geiſtlichen Ampts
vnd ordentlicher Seelſorg wegen/ zuerkennen/ was recht Catholiſch/ oder nicht/
keinem das Burger Recht verleyhen/ noch vielweniger in jhr Rahtsmittel/ vnnd
zu andern Stattaͤmptern nehmen: wie dann auch hinfuͤro keiner zum Burger an-
genommen werden ſoll/ auſſer fuͤr Halt- vnd darauff gebraͤuchlicher Schwerung
der jenigen/ hin vnnd wider bey den Reformirten Staͤtten gebraͤuchigen Catholi-
ſchen Eydsnotel.


Vnd ob auch wol fuͤr das eylffte geſchehe/ daß etwan auff dieſe oder jene Ver-
aͤnderung vnd Reformation/ einer oder der ander das Burger Recht auffkünden
wuͤrden: ſoll ein Rath allhie/ voranbefohlner maſſen/ die Auffkuͤnder fuͤr Jhre
Fuͤrſt. Durchl. als Herꝛn vnd Landsfuͤrſten weiſen: die werden als dann Sie oder
einem Raht/ in maſſen vor auch beſchehen/ gnaͤdigſt beſcheyden wiſſen.


Nach dem ſich aber zum zwoͤlfften/ auß glaubwuͤrdiger Erfahrung/ offt-
mals zugetragen/ vnnd noch zutragen moͤchte/ daß ſich die jenige/ ſo ſich auß der
Gna-
[31]Dritter Theil.
Gnaden Gottes/ widerumb in die Catholiſche Kirch einſtellen/ deß wegen von an-
dern Sectiſchen vnd Ketzeriſchen injurirt, mit Schmaͤhworten angetaſtet/ auch
in mehr weg vbel tractiret/ vnd auß geſchreyen moͤchten werden. Jhre Fuͤrſt. Durchl.
aber keines wegs gemeynt/ dergleichen vngebuͤhr laͤnger vngeandet nicht zuſehen:
ſo iſt derowegen Jhr der Commiſſarien ernſtlicher Befehl/ daß ein Rath allhie/ ge-
gen dergleichen Ehrenſchaͤndern/ mit Beſtraffung an Leib vnnd Guth fuͤrgehen
ſolle.


Zum dreyzehenden/ ſollen Burgermeiſter/ Richter vnd Rath allhie/ gute
Mannszucht erhalten das ſchelten/ fluchen/ jauchtzen/ ſchreyen vnd poldern in den
Wirthshaͤuſern/ vnd auff der Gaſſen/ ſonderlichen aber auſſerhalb der Statt/ in
jhrem Burgfried vnd Landgericht/ allda ſich etwan allerley Herꝛenloſes/ vnzüch-
tiges vnd leicht fertiges Geſindlein auffhalten moͤchte/ welche groſſe Laſter/ dadurch
der Allmaͤchtige Gott zu Zorn vnd Straff bewegt wird/ begehen vnd treiben/ kei-
nes wegs geſtatten/ ſondern gegen den Verbrechern mit ernſtlicher Straff ver-
fahren: ſo wol das muͤſſig gehende Herꝛnloſes Gefindlein/ jn- vnd auſſerhalb der
Statt abſchaffen. Darunder dann auch dieſe Ordnung durch die Wirth hinfuͤro
gehalten werden ſoll/ daß ſie die ankommende Gaͤſte/ jedes mals dem Herꝛn Statt-
Anwald namhafft machen ſollen.


Es ſoll auch zum vierzehenden/ in der Statt vnd allen Gaſſen/ die Vnſau-
brigkeiten/ dadurch der Lufft inficirt/ vnnd ſchaͤdliche Kranckheiten verurſacht wer-
den moͤchten: ſonderlich aber auch diß abſtellen/ damit ſo viel moͤglich die Schwein
nicht jn ſondern auſſerhalb der Statt/ inmaſſen in andern wolgeordneten Staͤt-
ten auch gebraͤuchig/ gehalten werden.


Nach dem auch zum fuͤnffzehenden/ biß weilen durch die leydige Fewers-
bruͤnſten/ den Jnwohnern vnnd gemeinem Weſen/ groſſer vnwiederbringlicher
Schaden verurſachet/ welche aber etwan nur durch ſonderbahre der Jnwohner
ſelbſt Nachlaͤſſigkeit/ vnnd vbeler Fůrſehung gemeiniglich fuͤrzugehen pflegen: ſo
ſollen derowegen ſie diß Orts allerley gute Beſtell- vnd Fuͤrſehung/ als mit Ver-
ordnung gewiſſer/ tauglicher Perſonen/ vnnd andern nothwendigen Sachen/ fuͤr-
nehmen/ vnd alſo die Sachen in ſolche eyferige Berathſchlagung ziehen/ damit ge-
meiner Statt/ vnd jeder beſonders/ vor dergleichen Fewersbrunſten/ vnd vnwider-
bringlichem Schaden/ verhuͤtet/ vnnd etwan auff die erſcheinende Nachlaͤſſigkeit/
die Schaͤden (welche aber der Allmaͤchtige GOtt gnaͤdiglich verhuͤten wolle) nicht
bey jhnen ſelbſt erſucht werden muͤſſen.


Nach dem auch zum ſechzehenden Jhre Fuͤrſtl. Durchl. vnſer gnaͤdigſter
Herꝛ vnnd Erblands Fuͤrſt zu einem Statt Anwald/ den N. gnaͤdigſt verordnet/
vnd deſſen Officium iſt/ daß er erſtlich vnd foͤrderſt/ nichts wider die Catholiſche Re-
ligion: dann wider die Fuͤrſt. Durchl. vnnd deſſen Hoheit vnd Reputation/ fuͤr zu-
nehmen im wenigſten nicht geſtatte/ vnd nicht allein ob allen hievor erzehlten
Puncten vnd Artickeln ſtarck halte/ ſondern auch auff das gantze gemeine Weſen
in ge-
[32]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
in genere vnd in ſpecie, inmaſſen dann das vertrawen an jhn geſtellt iſt/ ſeine fleiſ-
ſige Achtung habe: ſo ſoll er derowegen nicht zugeben/ daß jemands/ wer der auch
ſeye/ wider einen oder den andern Punct/ etwas tentiren vnd fuͤrnehmen thue. Die-
ſe Inſtruction aber alle halbe Jahr/ bevorab zu der Richterwahl/ in geſambletem
Raht/ offentlich verleſen laſſen.


Schließlichen vnnd in einer Summa/ ſoll Richter vnnd Raht auch fuͤr ſich
ſelbſt/ ob allen denen hie vor erzehlten Puncten vnd Ordnungen/ von Obrigkeit
wegen/ ſteiff vnnd ernſtlich halten/ ſie handhaben/ auch hierinnen niemands ver-
ſchonen/ vnnd im fall ſie obſtehende Artickel ins Werck zurichten zu ſchwach ſeyn
wuͤrden/ bey Jhrer Fuͤrſt. Durchl. vmb Huͤlff vnderthaͤnigſt anlangen/ die jhnen
dann nicht mangeln/ vnnd den Vngehorſamen jhr Widerſetzlichkeit ſchwehr ge-
nug fallen wird. Zu dem ſollen ſie auch alles das thun/ was etwan ſonſten vor die-
ſem/ ſonderlich in vorgedachter Inſtruction, ein zeitlang hero/ vermoͤg der Lands-
fuͤrſtlichen an ſie auß gangenen gnaͤdigſten Befehlen/ geordnet/ vnd zu Fortpflan-
tzung der H. Catholiſchen Religion/ auch Erhaltung guter Policey/ vnd zu Nutz
vnnd frommen mehr hoͤchſtgedachter Jhrer Fuͤrſt. Durchl. auch gemeiner Statt
Auffnehmen/ gereicht/ fuͤregſehen/ vnd von alten Zeiten hero in guter Gewonheit
erhalten worden. Vnd damit ſie ſich nun eygentlich darnach zureguliren/ vnd ein
vnd anders gehorſambſt ins Werck zuſetzen/ ſich auch mit der Vnwiſſenheit/ auff
kuͤnfftigen fall nicht entſchuldigen moͤgen: ſo haben anfangs wolgedachte Com-
miſſarien einem Rath allhie/ dieſe Inſtruction vnder jhrer Fertigung hinderlaſſen
wollen. Actum, \&c. Zu Folg dieſer Inſtruction hat man noch im Jenner dieſes
Jahrs/ die Staͤtte Rackerßburg/ Cilia vnd Winndiſch Graͤtz/ auch mit gewehrter
Hand reformirt/ alle Lutheriſche Buͤcher verbrandt/ die Evangeliſche Burger an
Geldt hart geſtrafft/ vnnd auß dem Land gewieſen: auch in der Graffſchafft Cilia
vnd ſonſten etliche herꝛliche/ mit groſſem Vnkoſten/ von Landſtaͤnden erbawte Kir-
chen vndergraben/ mit Pulver zerſprengt/ geſchleiffet/ vnnd wie jnſonderheit zu
Wintenaw geſchehen/ an deren ſtatt Galgen vnd Hochgericht geſetzt worden. Die
Commiſſarien waren H. Martin Brenner/ Biſchoff zu Senaw/ H. Andre Frey-
herꝛ von Herberſtorff/ H. Alban von Moßheimb/ H. Hanß Friederich von Pahr.
Jn deſſen endet ſich der Land Tag zu Graͤtz in der Steyrmarck/ vnd wurd den jeni-
gen/ welche der Roͤm. Religion nicht ſeyn wollen/ biß auff den ſiebenden Tag
Mertzens/ kuͤnfftig jhre Guͤter zuverkauffen/ Termin zugelaſſen. Vnnd weil es
nichts iſt/ wann ein Verordnung ohne Handhab bleibt/ wurd dieſe Refermation
im November durch ein Faͤhnlein Knecht/ in vierhundert ſtarck/ fortgeſetzt/ vnnd
zu Clagenfurth der Anfang gemacht.


Wie widerſpenſtig aber ſich die Evangeliſche hierauff erzeigt/ ſonderlich in
deme der Erb Landsfuͤrſt mit ſeinem Heurath dieſer Zeit geſchaͤfftig war/ iſt auß
einem andern Decret/ deß folgenden 1602. Jahrs abzunehmen: wie wol wir Vns
zu allen vnſern getrewen Lands Leuthen/ vnd andern vnſern Vnderthanen/ ſampt
vnd
[33]Dritter Theil.
vnd ſonders gnaͤdigſt verſehen hetten/ es wuͤrden vnſere/ am erſten Tag Mertz deß
nechſt verwichenen 1601. Jahrs. wider die jenigen Sectiſchen Verfuͤhrer vnd Pre-
dicanten/ Schreiber/ Præceptores vnd Schulhalter/ welche ſich in dieſem vnſerm
Nieder Oeſterꝛeichiſchen Erbfuͤrſtenthumb vnd Landen/ an mehr Orthen auffhal-
ten/ wie auch derſelbigen Receptatorn, Vnderſchleyffgeber vnnd Mithelffer/
publicirte General, ſo wol zu Anrichtung vnd Beſtaͤttigung/ eines friedlichen vnd
ruhigen Politiſchen Weſens/ als vnſerer wahren allein ſeligmachenden Catholi-
ſchen Roͤmiſchen Religion/ ſchuldigen Erhalt- vnd Außbreytung: auch der dage-
gen/ noch von dencklichen Jahren hero/ auß Goͤttlicher Verhaͤngnuß eingeriſſe-
nen hochſchaͤdlichen Secten/ vnnd verderblichen Jrꝛthumen gaͤntzlicher Außrot-
tung/ vnnd daß wir dieſelben Befehl/ als regirender Herꝛ vnd Landsfuͤrſt/ mit gu-
tem bedacht vnd fug auß gehen laſſen/ bey maͤnniglichen/ niemanden auß genom-
men/ die ſchuldige Auffſichtigkeit vnd Folgleyſtung gefunden/ vnd keiner auß vn-
ſern Landſaſſen vñ Vnderthanen fuͤrſetzlich darwider gehandelt haben: So kompt
vns doch faſt taͤglich mit hochbefindlicher Beſchmertzung fuͤr/ vnnd wir muͤſſen es
ſelbſt Handgreifflich ſpuͤren vnnd warnehmen/ wie bemeldte General, von vielen
vnſern Landleuthen/ vnnd andern Vnderthanen/ biß hero in mehr weg wiſſentlich
vnd mit fleiß vberſchritten/ vnnd die darinnen geſetzte Straff vnd Poͤn/ gantz ver-
aͤchtlich gehalten vnd in Wind geſchlagen worden. Dem nach wir vns einmal be-
ſtaͤndig fuͤrgenommen/ vnnd nunmehr eygentlich entſchloſſen ſeyn/ vnſere Land-
fuͤrſtliche Authoritaͤt vnnd Hoheit wider derſelben Vbertretter/ in dieſen vnnd an-
dern Faͤllen/ fuͤrohin mit allem Ernſt zubeſchützen vnd handzuhaben/ vnd kein an-
dere Religion oder Glauben/ als den wir von der vralten Catholiſchen Roͤmiſchen
Kirchen/ vnnd derſelben Oberſten Hirten vnd Vorſtehern/ ohn alle Mackel vnnd
Befleckung empfangen/ vnd in dero wir ſelbſt geboren/ getaufft vnd erzogen wor-
den/ in dieſem vns von Gott an vertrawten Fuͤrſtenthumben/ vnnd Landen exerci-
ren zulaſſen/ vnnd was derſelben zuwider/ euſſerſtem Vermoͤgen nach zuwenden
vnd abzuſchaffen.


Derowegen wollen wir zu nothwendiger Jntroducir- vnd Vnderhaltung
eines allgemeinen mehrerm Gehorſambs/ beruͤhrte vnſere außgefertigte Gene-
ral Mandat nach folgender maſſen vernewert/ erfriſcht/ gemehrt/ vnnd zu maͤnnig-
lichs Nachrichtung vnd Warnung gebeſſert haben. Vnd weilen dann die Augen-
ſcheinliche Erfahrung ſo wol in dieſem/ als andern Landen/ mehr dann genugſam
bißhero an Tag geben/ wo den Sectiſchen Predicanten jhrer vermeinten Religion
Vbung/ oder derſelben Gemeinſchafften/ oder heymlich paſſiret vnd geſtattet wor-
den/ daß es dem gemeinen Weſen/ vnd eines Catholiſchen Fuͤrſten vnd Potenta-
ten Landsfuͤrſtlicher Reputation/ in viel wege præjudicirlich vnd nach theilig/ auch
nichts anders/ dann eine Vrſach vnd Anleitung/ zu allerhand Friedhaͤſſigen vnnd
Rebelliſchen Practiken geweſt: So woͤllen wir derowegen mit wolmeinlichem
Ernſt geſetzt/ ſtatuirt vnnd geordnet haben/ daß ſie/ die Sectiſchen Predicanten/
Dritter Theil. Eals
[34]Germaniæ perturbatæ \& Reſtauratæ
als wiſſentliche Auffruͤhrer wider die Hochlandsfuͤrſtliche Obrigkeit/ Betruͤber
vnd Zerſtoͤrer/ deß gemeinen Friedens/ ſampt den Schulhaltern vnnd dergleichen
jhren Adhærenten/ auß allen dieſen Fuͤrſtenthumben vnnd Landen/ auff ewig/ bey
hiebevor angeſetzter Straff/ jhres Lebens Verliehrung/ nochmaln geſchafft ſeyn
ſollen: mit dieſem ferꝛnern Anhang/ daß den jenigen/ welcher ein ſolche wiſſentliche
bandiſirte Perſon/ nach Publicirung diß vnſern nachgeſtzten Obrigkeiten/ leben-
dig lieffern/ oder deren Verhelffern behaͤndigen/ vnnd vmb Einſehung willen/
glaubwuͤrdige Kundſchafft einbringen wuͤrde/ jedes mahls dreyhundert Thaler
zu einer Verehrung/ auß vnſerm Hoffpfeningmeiſter Ampt/ oder Fuͤrſtlichen
Kammer vnfehlbarlich alsbald erlegen werden.


Weiter iſt vnſer Befehl/ daß keiner auß vnſern Landleuthen vnd Vnder-
thanen/ hohes vnd niedriges Standes/ niemand außgeſchloſſen/ einigen Sectiri-
ſchen Predicanten/ Præeeptorn oder Schulhaltern/ bey Verliehrung Haab vnd
Guts/ oder ernſtlicher Leibsſtraff/ in keinerley weiß noch weg/ den wenigſten Vor-
ſchub oder Vnderſchleyff/ wie es Namen haben mag/ noch mit demſelben vnder
vnſerem Landsfuͤrſtlichen Gebieth/ einige Gemeinſchafft nicht haben ſollen. Deß-
gleichen iſt vnſer endlicher Will/ daß alle vnd jede Nobilitirte Perſonen/ Jtem der
Landleuth Pfleger vnd Schreiber/ Buͤrger vnd Bawren/ vnnd andere Ruͤckſaͤſſi-
ge Jnwohner/ vnſerer Fuͤrſtenthumen vnd Landen/ vnnd aller derſelben Haußge-
noſſen/ welche auff dato zu vnſerer H. Catholiſchen Religion noch nicht getretten/
ſondern Sectiſch verbleiben/ aber gleichwol abſonderlich nicht außgeſchafft ſeyn/
endweder zu der heylwuͤrdigen Bekehrung/ mit Beichten vnnd Communiciren/
bey ordentlichen Catholiſchen Pfarꝛern vnnd Seelſorgern/ nach Publicir- vnnd
Vermahnung diß/ jnnerhalb ſechs Wochen/ ohn einige Widerꝛede/ Erinnerung
vnd Annehmung vnfehlbarlich greiffen/ oder aber gegen gebuͤhrlicher Erlegung
deß zehenden Pfennings (zu deſſen Anſchlag vnd Einbringung/ wir dann die Not-
turfft zuverordnen bedacht ſeyn) nach Verflieſſung obbeſtimpten peremptoriſchen
Termins/ jnner vierzehen Tagen/ bey Verluſt aller jhrer Haab vnd Guͤter/ all vn-
ſer Erbfuͤrſtenthumb vnd Lande gewißlich raumen/ vnd darin auſſer ſonderbahrer
von vns erlangter Licentz vnd Erlaubnuß nicht mehr kommen ſollen. Die jenigen
aber/ welche allbereit hiebevor jhrer Eygenſinnigkeit halber/ auß dem Land gegen
Hinderlaſſung der bewuſten Nachſtewr zuziehen/ aufferlegt worden/ ſolches aber
bißhero nicht ins Werck gericht/ ſeyn es ebenmaͤſſig bey Verlierung/ aller jhrer
Haab vnd Guͤter/ jnnerhalb vierzehen Tagen/ nach geſchehener Erinnerung ge-
genwertigen Generals/ ohne ferꝛners einſtellen zuvollziehen/ ſchuldig vnd verbun-
den. Was aber der Landleuth/ etwan nach auffgehaltem Sectiſche Officier vnnd
Diener belangt/ denen wollen wir zu Bevrlaubung/ vnnd anderer Catholiſchen
Auffnehmung/ ſechs Monat Termin/ von heutigen Dato anzurechnen/ hiemit
Gnaden ertheilt haben. Jm fall nun ſolchen außgeſchafften Perſonen jemands/
er ſey wer da woͤlle/ einige Auffenthaltung geben wuͤrde/ der ſoll von vns an Leib
oder
[35]Dritter Theil.
oder Guth nach Vngnaden geſtrafft/ vnnd hierůber keines verſchonet werden.
Vnnd damit man eygentlich wiſſen moͤge/ welche in obgeſagtem Termin/ dieſem
vnſerm Landfuͤrſtlichem Edict/ den ſchuldigen Gehorſamb geleyſtet haben oder
nicht/ Erſuchen wir die Ordinarios, wie auch die Prælaten vnd Ertzprieſter/ in vn-
ſern Landen/ hiemit gnaͤdigſt befehlend/ bey jhren vndergebenen Pfarꝛherꝛn vnd
Vicarien/ dieſe ernſtliche Fuͤrſehung zuthun/ damit ein jeder nach Empfahung
diß/ alle Hauß vnnd Stuͤckſaͤſſige Pfarꝛ Leuth/ ſampt derſelben Weib vnnd Kin-
dern/ ſo zu jhrem ziemlichen Verſtand/ vnd vber ſechzehen Jahr jhres Alters kom-
men ſeyn/ mit allem Fleiß beſchrieben/ vnd ſein embſiges auffmercken habe/ wer ſich
auß denſelben jnnerhalb deß beſtimpten Termins/ aufferladner maſſen/ zur Ca-
tholiſchen Beicht vnd Communion eingeſtellet oder nicht: vnnd wann alſo die be-
ſtimpte Zeit voruͤber ſeyn wuͤrde/ ſo ſollen die Pfarꝛer vnd die Vicarij/ jhre vnge-
horſame Pfarꝛkinder/ welche in Glaubensſachen nicht zulaͤnden wollen/ vnd kein
erhebliche Entſchuldigung fuͤrzuwenden/ vnverzüglich dem Landgericht/ darvnder
ein jeder wohnhafft/ ſchrifftlich anzeigen vnnd Namhafft machen/ vnnd den Ge-
richts Herꝛn/ als dann bey Straff Tauſend Ducaten in Gold/ in Krafft diß befoh-
len ſeyn/ auff eines jeden ordentlichen Pfarꝛers oder Vicarij erſuchen/ die ange-
zeigten Vncatholiſchen Perſonen/ ſampt allen jhren vnder ſeiner Iuriſdiction li-
genden Haab vnd Gütern/ von vnſertwegen/ biß auff weitern Beſcheid/ zuverar-
reſtiren/ vnnd deſſen vnſer N. O. Regierung/ neben Vberſchickung einer ordentli-
chen Verzeichnuß/ der eingezognen vnd verbottenen Guͤter/ vnverzuͤglich zuerin-
nern. Demnach iſt an alle vnd jede vnſere nach geſetzte Obrigkeiten/ Land Haupt-
Leuth/ Vitzdum/ Pfleger/ Verwalter/ vnnd Gerichts Jnhaber/ alſo auch Burger-
meiſter/ Richter/ Staͤtte vnd Maͤrckt/ Gemeinden/ Landrichter vnd ſonſt maͤnnig-
lichen/ vnſer ernſtlicher Befehl/ ob dieſen vnſern Generalen in allen Puncten vnd
Artickeln/ ſtaͤth vnd veſt zuhalten/ darwider nicht zuthun/ oder diß andern in einige
weiß vnd weg fuͤrzunehmen geſtatten/ als lieb einem iſt vnſer ſchwere Vngnad/
vnd Straff zuvermeiden. An dieſem allem beſchicht vnſer gantz ernſtlicher
Befehl/ auch endlicher Will vnd Maynung. Darnach weiß
ſich forthin maͤnniglich zurichten/ fuͤr Scha-
den vnd Nachtheil zuhuͤten. Graͤtz
den 12. Sept. 1602.



E ijDer
[36]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der fuͤnffte Diſcurß.


Warumb Matthias vnd Rudolphus den Lutheranern das Exercitium, aber
Ertzhertzog Ferdinand nicht gegoͤnnet. Wie viel an der Aufferziehung der jungen
Fuͤrſten gelegen: was ein Printz lernen ſolle. Was das Frawenzimmer hie thue.
Von dem Gewiſſen oder von der Religion: welches die drey Haupt Partheyen vor-
wenden.


BEy ſo geſtallten Sachen/ thete der BaͤpſtiſcheNunciusauch nit
feyren/ bracht es bey Koͤn. Mayſt. dahin/ daß die Kirch zu Entzerßdorff
von Wien auß vberfallen/ vnd verſperꝛet worden. Vnnd weil dergleichen
in Ober Oeſterꝛeich vorgenommen ward/ wolten die Vnderthanen zur
Huldigung nicht kommen/ man lieſſe jhnen dann das Exercitium frey/ darauß
Lermen/ vnd einige feindliche Treffen/ daß in einer Schlacht ſechshundert Mann
beyderſeits geblieben/ erwachſen/ wie hiebe vor angedeutet worden. Jn deme nun
Koͤnig Matthias theils auß Noth/ dann ſeine Voͤlcker etlichmal den kuͤrtzern ge-
zogen/ theils auß Forcht/ den Oeſterꝛeichiſchen Staͤnden zu Wien das freye Exer-
citium,
vnnd die verſperꝛete Kirchen widerumb verguͤnſtigt/ erhub ſich Ertzhertzog
Leopold/ Biſchoff zu Neuß von dannen nach Graͤtz/ vnd hinderließ eine Proteſta-
tion wegen deß getroffenen Friedens/ welchem hierin alle Oeſterꝛeichiſche Præla-
ten gefolget: doch geſchah hierauff die Erbhuldigung/ vber welcher man ſich biß da-
hin hatte wegen deß freyen Exercitij auff gehalten/ vñ reſormirte Koͤnig Matthias
im Junio/ 1609. die Nider Oeſterꝛeichiſche Regierung/ danckt ab theils Catholi-
ſchen/ vnd ſetzt an neun Evangeliſche an der abgeſetzten Stell/ nemblich drey vom
Herꝛn/ drey vom Ritterſtand/ vnd drey Doctores: wie man dann auch die andern
Aempter veraͤndert/ ſo theils mit Evangeliſchen beſetzt werden ſollen: vnd gieng
die Predigt zu Hornals mit groſſem Eyfer an/ wie auch in Maͤhrn vorgenommen
worden.


Als nun Kayſer Rudolph ſahe/ daß ſein Bruder Matthias Land vnd Leuth/
mit Gewinnung der Gemuͤther/ durch Freyſtellung der Religion an ſich zoge/ ſper-
rete er ſich zwar hefftig/ gegen den Boͤhmen/ ließ er es doch endlich/ nach langem
Tractiren/ vnd hien vnd widerꝛeyſen/ der von den Boͤhmiſchen Staͤnden Verord-
neten Directorn/ dahin gerahten/ daß zwiſchen dero Kay. May. vnd den Boͤhemi-
ſchen Staͤnden alle Sachen gaͤntzlich verglichen worden: vnd haben jhre Maye-
ſtaͤt nicht allein die Augſpurgiſche Confeſſion/ wie dieſelbige Kayſer Maximiliano
dem Andern von jren Vorfahren vbergebẽ/ ſo wol deren Exercitium, auch die Aca-
demi
vnd Conſiſtorium, der geſtallt verwilliget/ daß ſie ſolche fuͤr ſich/ mit jhren
Leuthen
[37]Dritter Theil.
Leuthen beſetzen/ vnd daruͤber Jhrer Majeſtaͤt ferꝛner Confirmation nicht bedoͤrf-
fen/ ſolches auch hin fuͤro zu ewigen Zeiten haben/ vnd damit auff keinen Synodum
gewieſen ſeyn/ oder werdẽ ſoltẽ: darauff dañ der beſchreyte Majeſtaͤt Brieff erfolget.
Dieſes alles machte den Steyrmaͤrckern/ Kaͤrntern vnd Krainern einen Muth/
vmb das geſperꝛete Exercitium bey Ertzhertzog Ferdinvnden anzuhalten/ in guter
Hoffnung/ nicht weniger von jhrem Landsfuͤrſten/ als die Schleſier von dem
Kayſer zuerhalten. Die Ertzhertzogen vnd Koͤnig Matthias hielten ejne Zuſam-
menkunfft/ vnd ward vbel auff genommen/ daß die Evangeliſche Staͤnde ſich ent-
ſchloſſen/ ehe zu der Propoſition deß Landtags nicht zugreiffen/ biß alles/ was der
Koͤnig vor dieſem Schrifftlich vnd Muͤndlich verſprochen/ vnd zugeſagt/ offentlich
publicirt wuͤrde: im wiedrigen Fall/ wolten ſie ehe darvon reyſen. Hatte alſo ein ſel-
tzam außſehen/ dann die Staͤnd wolten einmahl die Buͤrger/ als den vierdten
Stand nicht laſſen/ ſondern die bey jhnen haben/ vnd daß ſie auch deß offentlichen
Exercitij theilhafftig werden ſolten: alſo daß von beyden Theilen man ſich heymlich
zum Krieg ſchicken thete/ weil Biſchoff Cloͤſel mit Macht wider die Evangeliſchen
ſtunde/ vnd die Hungarn es mit den Oeſterꝛeichern hielten. Jn Summa/ es gieng
hart wieder/ vnnd gab doch jeder weilen ſanfftmuͤtigen Anblick/ auch wol manche
Verwilligung auß Vnwillen: wie dann Koͤnig Matthias den Burgerſtand paſſi-
ren laſſen/ vnnd noch achtzehen mittelgattung Staͤtte vnd Maͤrckte fuͤr den vier-
den Stand gehalten/ vnnd jhnen die Audientz neben andern Staͤnden/ wie auch in
Religionsſachen die Zuſammenkunfften zugelaſſen: welche Capitulation offent-
lich im Landhauß zu Wien verleſen worden/ den andern Mertz 1610.


Jn deme nun Koͤnig Matthias ſuchte/ auff Kayſers Rudolphs Stul zuſi-
tzen/ vnnd Ertzhertzog Leopold die Guͤlchiſche Land ſequeſters weiß zuverwalten/
macht ſich Ertzhertzog Ferdinand allenthalben beliebt/ erſchien auff den Reichstaͤ-
gen/ im Namen Kayſer Rudolphs/ vnnd erlangt Gunſt bey jedermaͤnniglich/ auſ-
halb bey ſeinen Landſaſſen/ vnd Vnderthanen der Augſpurgiſchen Confeſſion/ de-
nen er gar nichts verwilligen wolte. Deſſen gaben ſie groſſe Schuld ſeiner Fraw
Mutter/ ſeinem Praͤceptori Sonaber/ den Bapſt ſelbſten/ der jhn zu Taffel laſſen
ſitzen/ vnd mit ſonderlicher Pflicht dem Roͤm. Stul verbunden hette: wie auch ſei-
ner Gemahlin Mariana auß Bayrn. Dann es ſcheint/ es ſeyen keine Band ſtaͤr-
cker/ als die Aufferziehung/ das Frawenzimmer/ vnd die Gewiſſens Raͤhte.


Es iſt zwar bekandt/ daß Heroiſche Gemuͤther/ zu jhren Tugenden von ſich
ſelbſt/ durch krafft der Natur gezogen werden: wann ſie aber nicht Vnderꝛicht neh-
men/ vnnd durch ſtaͤttige Vnderweiſung/ wie mit einem fruchtbaren Taw erfri-
ſchet werden/ kompt nicht bald was ehrlichs darauß/ ja alle angeborne Krafft/
mag leichtlich in dem Keumen/ oder in der Wiegen erſtickt werden/ vnd allgemach
verſchwinden. Dann wie man den Acker/ wann er nicht jmmerzu mit dem Pflug
wird gebawet/ mit Graß/ Dorn vnnd Diſteln bald vberzogen ſiehet/ alſo ſchieſſen
in deß Menſchen Gemůth/ auß Mangel der tugendlichen Vnderweiſſung/ aller-
E iijhand
[38]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
hand Vntugend vnd Laſter herfuͤr. Hingegen aber kan man auß einem kleinen
Funcken Fewrs/ leichtlich ein groſſe Flamm bringen/ vnnd auß einem guten Ge-
müth viel ſchoͤne Fruͤchten der Tugend ziehen. Darumb haben hochverſtaͤndigt
Leuth nicht vnbillich erachtet/ man ſolt die junge Herꝛn/ den außerleſenen Zucht-
meiſtern anvertrawen: angeſehen die Tugend zwar von der Natur ein gewiſſen
trieb hat/ aber durch die Lehr zur Vollkomwenheit gelangen muͤſte. Es hat zwar
die Natur bey einem jeden den Grund/ vnd den Samen aller Tugenden gelegt/ es
muͤſſen aber dieſelben herauß gezogen werden. Welches Philippus Koͤnig in Ma-
cedonien wol verſtanden/ vnnd nicht eben deß wegen Gott gedanckt/ daß er einen
jungen Printzen vberkommen/ ſondern daß in ſelbiger Zeit der beruͤhmbte Ariſto-
teles
lebte/ der jhn nach Wunſch deß Vatters/ vnd nach Wuͤrden deß Koͤnigreichs
aufferziehen koͤndte: auch hernach gedachten Printzen durch Schreiben offt er-
mahnt/ ſeinem Zuchtmeiſter zufolgen/ auff daß du nicht etwan begeheſt/ ſpricht er:
was dich hernach gerewe/ wie es mir jetzt gehet. Weniger nicht that Kayſer Augu-
ſtus/ der Athenodorum ſtaͤts vmb ſich hatte.


Es moͤgte all hie jemand vorſchuͤtzen/ das ſtudieren ſchwaͤche die Kraͤfften
deß Leibs/ vnd mache ein forchtſames Hertz. Aber Seneca antwortet/ das Gemuͤth
koͤnne nirgends her geſtaͤrcket werden/ als auß Betrachtung der Natur/ vnd durch
gute Lehr. Es verſtehet aber Lipſius allhie nicht eine traͤge Lehr zu den Wolluͤſten/
ſondern die rechte Mannliche Wiſſenſchafft/ welche in den Meereswogen der
Welt den Menſchen behertzt vnnd vnerſchrocken/ auch gar offt ſehr anſchlaͤgig zu
newen wichtigen Haͤndeln mache. Dem zu Folg Alexander M. pflegen zu ſagen/
er ſuche groͤſſere Ehr in der Wiſſenſchafft/ als in der Hoheit ſeines Koͤnigr eichs:
weil er bey ſich ſelbſt wahr befunden/ daß einer/ der ſtudiert hat/ doppel ſcharpff ſi-
het/ welches Lob ſeine Nachfahren in dem Koͤnigreich Egypten/ biß auff den Ab-
gang jhrer Lini erhalten. Vnd werden die Perſen billich gelobt/ daß ſie die Koͤnigli-
che Printzen von zarter Kindheit auff/ wann alles zum leichteſten in ſie zubringen
iſt/ mit groſſer Sorgfalt laſſen anherwachſen: wie dann ſolche vier Zucht meiſter/
auß den allerehrlichſten Maͤnnern allzeit vmb ſich hatten/ deren der Erſte genannt
war/ der Allerweiſſeſte/ vnnd handelte von Religionsſachen: der Ander/ der Aller-
gerechteſte/ weil er erinnerte/ daß ein Fuͤrſt in ſeinem gantzen Leben/ ſich der War-
heit/ vnd der Billichkeit ſolte befleiſſen: der Dritte/ der Allermaͤſſigſte/ der nicht zu-
lieſſe/ daß der Printz ſich den Wolluͤſten zum Sclaven machte/ ſondern frey lebte/
wie einem Fürſten geziemet/ vnd das Fewer aller vnziemlichen Luͤſten daͤmpffete/
der Vierdte/ der Allerſtarckeſte/ der vieler Helden vnd Potentaten/ ſonderliche vnd
denckwuͤrdige Geſchichten zu erzehlen wuſte. Dieweil man aber heut zu Tag mehr
auff hetzen/ baitzen vnd tantzen achtet/ klagt Cominæus billich/ ſolche Regenten laſ-
ſen ſich an jhrer Diener wolgefallen binden/ vnnd thun ſelbſt nichts/ darauß Tren-
nungen vnnd Mißverſtand vnder dem Volck/ im Raht vnnd bey Hoff entſtehe:
gleich darauff gebe es Krieg/ vnd Landverderben/ Seuchen vnd alles Elend. Es
haben
[39]Dritter Theil.
habe auch das Volck wol Vrſach ſich zubekuͤmmern vnd zuklagen/ wann es ſehen
muͤſſe/ daß die jenigen Printzen vbel auff erzogen/ vnd Laſterhafftigen Leuthen vn-
dergeben werden. Dann wann die Printzen wiſſen/ wer ſie ſind/ oder ſeyn koͤnnen/
vberheben ſie ſich/ auß Schwachheit Menſchlicher Natur/ vber alle Geſetz vnnd
Ordnungen: darumb Theodoſius es vbel auffgenommen/ als Arſenius, ſeines
Sohns Arcadij Zuchtmeiſter/ ſtunde/ vnd der Printz auff dem Thron ſaſſe: auch
die Entſchuldigung nicht gelten laſſen/ daß Arcadius ein Kayſerlicher Printz/ vnd
der nechſte Erb zu dem Kayſerthumb were/ ſondern mit Zorn dem Printzen/ das
Kayſerliche Gewand abgezogen/ vnd Arſeniũ gezwungen/ auff den Thron/ mit be-
decktem Haupt zuſitzen/ Arcadium aber mit entbloͤſtem Haupt vor jhme zuſtehen/
wie ſonſten in allen Schulen gebraͤuchlich iſt: mit dieſem Beſchluß/ ſein Sohn
werde nicht anderſt/ deß Kayſerthumbs faͤhig vnd wuͤrdig ſeyn/ als wann er ſtu-
diere/ vnd Gottſelig lebe. Carolus V. hatte ſehr offt berewet/ daß er ſeinem geweſe-
nen Praͤceptori Adriano nicht beſſer gefolgt/ die Lateiniſche Sprach voͤllig zuler-
nen/ ſonderlich wann er durch ſeinen Cautzler etwan muͤſſen antworten laſſen.
Vnd daran war Vrſach Geuter/ einer ſeiner Hoffmeiſter/ der die Lateiniſche
Sprach jmmer pflegte zuverachten.


Es fragt ſich aber nicht vnbillich/ was ein Printz lernen ſoll? das kan vns
Alfonſus Koͤnig in Aragonien lehren der zuſagen pflegte/ Er hette auß den Buͤ-
chern das Kriegen/ vnd die Weiſe auffzuhoͤren erlernet. Albinus Caroli M. Præce-
ptor,
redet den Printzen mit dieſen Worten an: Jch bin dir zum Zuchtmeiſter ver-
ordnet/ vnd gegeben/ daß ich dir gewiſſe Regeln vorſchreibe/ recht zuleben/ vnd wol
zureden/ auff daß du vor ein dapffern Fůrſten im Krieg/ vnd vor ein Redner in
der Regierung gehalten werdeſt. Darzu man fuͤrnemblich durch die Hiſtorien/
vnd Wiſſenſchafften der verfloſſenen Zeiten gelangen mag: wie Baſilius M. zu ſei-
nem Sohn ſpricht: Nicht ſchewe dich/ durch die alten Geſchichten zuſpatzieren.
Dann daſelbſt wirſtu ohne Muͤhe finden/ was andere mit groſſer Arbeit zuſammen
getragen: darauß kanſtu ſchaffen/ bey des der frommen Fürſten Tugenden/ vnd der
boͤſen Laſter: deß Menſchlichen Lebens Veraͤnderung/ vnd der Welt Verkehrung/
neben dem Fall vieler maͤchtigen Koͤnigreichen/ vnd alles mit wenig Worten/ zu-
ſagen/ boͤſer Thaten Beſtraffung/ vnnd loͤblicher Werck Belohnung/ auff daß du
jene flieheſt/ der vnvermeidlichen Rach vnd Hand Goͤttlicher Juſtitz zuentgehen:
dieſen aber nach hengeſt/ die vnaußbleibende Ehr vnd Belohunug zuerlangen. Be-
diene dich jmmer zu der Geſchichtſchreiber/ als der Artzten/ damit du an dem Ge-
muͤth geſund bleibeſt: dann ſie werden dich lehren/ was du begehren/ vnnd was du
meiden ſolleſt/ mit was vor Leuthen du vmbgehen/ oder bleiben muͤſſeſt/ ja wie dein
gantzes Leben anzuſtellen ſey/ damit du nicht in viel Kranckheiten falleſt. Vnnd
wann du bey dieſem Vorhaben beharꝛeſt/ wirſtu leicht in kurtzem die rechte Gren-
tzen der kernhafften Tugend erꝛeichen. So viel iſt an einem Zuchtmeiſter gelegen/
daß der Printz auch deſſelben Sitten/ Geberden vnnd Maͤngel an ſich nimbt/ wie
von
[40]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
von Leonide Alexandri M. erſten Zuchtmeiſter bey Hieroymo zuleſen. Wie weit
aber ein Printz im ſtudiren kommen ſoll/ mag vns Lipſius lehren/ daß er nemblich
nicht nichts/ aber auch nicht alles ſuche zu lernen. Dann es wird Ludouicus XI.
Koͤnig in Franckreich bellich getadelt/ daß erſeinen Sohn Carlen gar nichts wol-
len ſtudieren laſſen/ vnder dieſem Vorwand/ er moͤgte in ſeinen Rahtſchlaͤgen nur
deſto widerſpenſtiger/ vnd allein ſeines Kopffs ſeyn wollen: hat auch erlangt/ was
er geſucht. Dann als nun der Sohn Koͤnig worden/ haben jhn zween oder drey ſehr
leichte Geſellen/ zu der Vuderthanen groͤſten Schaden vnd Verdruß/ wie einen
Ballen/ von einer ſeit zur andern/ nach jhrem belieben gewendet vnd gekehret. Al-
ſo hat ein ſo maͤchtiger Koͤnig/ auß mangel deß ſtudierens/ ſein Koͤnigreich nach
anderer Leuth beduncken regieren muͤſſen. Darumb ſagt Cominæus recht: ſolche
Fuͤrſten thun nichts mit Maß oder Verſtand/ weder in Kleydung noch im reden:
ſie laſſen keine redliche vnd erfahrne Leuth zu ſich kommen: ſie nehmen ſich jhrer ey-
genen Geſchaͤfften/ oder deß Volcks Wolfahrt nicht an/ ſondern vbergeben alles
den Geheimen Raͤthen/ welche dann bey jhrer Herꝛn Traͤgheit ſich bereichen/ vnd
kein ander Abſehen haben/ als den eigenen Nutz. Findet ſich jederweilen einer vn-
ter ſolchem Hauffen/ der gleichſam auß dem Schlaff erwache/ vnd ſeine Sinn auff
die Regierung ſchlage/ ſo geſchicht es doch gar ſpath/ vnnd wann die beſte Gelegen-
heiten vorbey geſtrichen. Dann gewiß iſt/ daß alle/ ſo in etwas den Vorzug erlangt/
von Kind auff ſich früher Zeit jhres Alters darauff befliſſen haben: vnd beruhet diß
gantze Werck zu forderſt auff der Gnaden Gottes/ vnnd dann auff einer fleiſſigen
Zucht. Dann wer ſihet nicht/ daß der Groſſe Alexander zu einem gantz Friedlieben-
den Fuͤrſten were erwachſen/ wann ſeine Zuchtmeiſter deſſelben hitzigen Zorn vnd
Vbermuth eingezogen hetten. Alſo waͤr Kayſer Michael der dritte diß Namens/ in
Orient/ ein loͤblicher/ vnd dem gemeinen Weſen nutzlicher Regent worden/ wann
jhn nicht ſein Zuchtmeiſter/ vnnd Barda der Kayſerin Theodoræ Bruder verder-
bet hetten/ daß er dem Nero nichts nachgeben/ den Steurman/ den Springhengſt/
den Verſchwender/ vnnd den Tyrannen zu agieren. Alſo war Julianus eines
feinen Gemuͤths/ wann jhn die Aberglaubige Præceptores, Libanius vnd Ma-
ximus,
nicht zur Sternkunſt vnd zur Wiſſenſchafft zukuͤnfftiger Dingen angewie-
ſen/ vnnd von dem Chriſtenthumb/ wider auff die Griechiſche Abgoͤtterey verleytet
hetten. Vnd wie man ſihet/ worin der obigen Printzen Præceptores zu wenig/ oder
zuviel gethan/ alſo iſt vor allen Dingen noͤhtig/ daß man erforſche/ zu welchen paſ-
ſionen deß Gemuͤths ein junger Printz vnderwuͤrffig werde/ ob jhn Zorn/ Geyl-
heit/ Hochmuth/ Begierd oder Forcht ergreiffen/ welche ſtuͤck in der zarten Jugend
weit weniger/ als im verſtaͤndigen Alter/ ſich verbergen laſſen. Darumb muͤſte
man jhn zuruͤck ziehen/ wann er hitzig vnnd hochtrabend waͤr/ vnnd auff muntern/
wann er traͤg vnd nachlaͤſſig ſich erzeigte/ vnd ſonderlich zur Erbarkeit vnd Tugend
anhalten/ im fall er den Wolluͤſten ſich ergeben wolte. Auch ſollen die Printzen
ſelbſt/ nach Druſi Exempel/ zu Feld/ vnd in das Lager ziehen/ wie Tiberius dieſen
Druſum
[41]Dritter Theil.
Druſum in Schlanonien verſchickt/ damit er deß Kriegsweſens allgemach ge-
wohnete/ vñ der Kriegsvoͤlcker Gunſt erlangete/ zugleich aber auch deß leichtferti-
gen Stattweſens in dem Feldlager abkaͤme. Dann es bleibt einmal vor alle bey
deme/ was Lycurgus ſeine Spartaner lehrete/ mit denen zweyen vngleich erzoge-
nen Hunden/ die doch einer Arth vnnd eines Wurffs/ doch der eine zu der Taffel
vnd dem Dellerlecken/ der ander aber zu dem jagen auff erzogen waren/ welches/ jh-
nen allezeit geblieben/ vnd nimmer zubenehmen geweſen.


Was nun das Frawen Zimmer belangt/ weiſen vns alte vnd newe Hiſto-
rien/ wie viel boͤſes vnd gutes/ durch daſſelbe geſtifftet wird. Einmal hat die Koͤ-
nigin in Franckreich jhren Herꝛn vnnd Koͤnig Clodouæum, vom Heydenthumb
zum Chriſtenthumb gebracht/ Sophia Kayſer Sigiſmunds Gemahlin/ hielte
dem Johann Huſſen in Boͤhmen die ſtang/ daß der Bapſt ſo viel als nichts an
jhm haben koͤnnen/ weil ſie auch den Koͤnig jhm Schutz zuhalten eingenommen/
gleich wie Franciſci I. in Franckreich Mutter Fabrum Stapulenſem wider ſeine
Gehaͤſſige beſchuͤtzt/ daß der Koͤnig auch auß ſeiner Verhafftung in Spanien ge-
ſchrieben/ vnd befohlen/ man ſolte jhme kein Leyd zufuͤgen. Kayſer Valens wurd
durch ſeine Mutter zu der Arꝛianiſchen Ketzerey vnderwieſen/ wie auch etliche an-
dere Kayſer mehr/ vmb dieſelbige Zeit. Was die Kayſerin Jrene vor Muͤhe ge-
than/ die Bilder/ wider jhres Sohns vnd Herꝛn willen/ vnd verbott nachmahlen
in die Kirchen wider zubringen/ vnd was deßwegen vor Veraͤnderungen vorgan-
gen/ iſt auß den Hiſtorien allenthalben zu wiſſen: zu vnſer Vaͤtter Zeiten iſt das
Koͤnigreich Engelland durch die Koͤnigin Maria wider zum Roͤm. Glauben/ vnd
bald durch die Koͤnigin Eliſabeth/ widerumb zu der Reformirten Religion verkeh-
ret worden. Das Hauß Mecklenburg/ wie auch Hohenlohe in einigem Stam/
wolt vom Lutherthumb zu den Calviniſten/ vnnd Anhalt von den Calviniſten/ zu
dem Lutherthumb eretten/ alles durch das Frawen Zimmer/ welches ſich vmb die
Regierung in ſtehender Ehe/ vnd noch mehr im Witt wenſtand/ bey den vnmuͤndi-
gen jungen Herꝛn/ gemeiniglich annimbt. Vnd wann die Verwaltung/ der jun-
gen Printzen dem Frawen Zimmer wird gelaſſen/ fordern vnd beruffen ſie ſolche
Præceptores vnnd Zuchtmeiſter/ wie ſie wollen/ behalten auch den Dominat vber
dieſelben/ ſo lang es jhnen gebühren mag.


Wann dann auch die Religion/ oder deß Gewiſſens Rath hieran hafftet/ iſt
leicht zuermeſſen/ daß die erſte Milch dem Topff den Geruch gibt/ den er biß zu
endt/ ja in allen Scherben erhaͤlt. Dann das Gewiſſen nicht anderſt iſt/ als ein
Jungfrawen Papier/ welches annimbt was man darauff ſchreibt/ vnnd ob man
gleich wolte das erſte auß wiſchen/ oder abſchaben/ vnnd was anderſt an die Stell
ſetzen/ wird ehe das Papir/ als die erſte Schrifft vergehen/ vnd die andere dennoch
vnleßlich machen. Es iſt aber das Gewiſſen/ dem Menſchen von Gott gegeben/
als ein vnaußſetzender Geferch/ Zeug vnnd Nachgaͤnger alles vnſers Thuns/ wel-
ches Thun/ wann es recht iſt/ ein freyen Muth/ vnnd Frewde in Gott gebieret/ ne-
Dritter Theil. Fben
[42]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ben einer hoͤchſten Ruhe deß Geiſtes/ in gutem Vertrawen. Hievon meldet Se-
neca: Ein weiſer Mann iſt nimmer ohne Frewd/ es entſtehet aber ſolche Frewd
auß nichts anderſt/ als auß dem tugendreichen Gewiſſen. Dann es kan niemand
frewdig ſeyn/ als der Mannhaffte/ der Gerechte/ vnd der Maͤſſige. Jtem/ die Tu-
gend allein verleyht die jmmerwehrende vnd ſichere Frewd: vnd wann ſchon etwas
darzwiſchen einfaͤllt/ iſt es doch nur wie eine Wolcke/ ſo vnden ſchwebt/ vnd den Tag
oben nicht hindern kan. Den vbrigen Stamm ſetzet Tullius mit dieſen Worten:
Wann nur das Gewiſſen/ vns in vnſerm gantzen Leben diß Zeugnuß gibt/ daß
wir das allerbeſte vns vorgenommen vnd gethan/ werden wir ohne einige Forcht/
in hoͤchſter Erbarkeit leben. Dann wann auch die gantze Welt zu trimmern gieng/
vnd auff ein ſolchen Mann fielen/ wird er doch vnerſchrocken alles vberſtehen: gleich
wie das boͤſe Gewiſſen den allerbehertzeſten Menſchen zittern macht/ wie ein Laub
am Baum/ vnd laͤſt jhm weder Tag noch Nacht Ruhe/ wie ein nagender Wurm/
vnd heimlicher Hencker/ der mit vnſichtbarer Peitſchen ſchlaͤgt/ vnd nicht auff hoͤrt/
als bey dem letzten Athem deß Lebens. Darumb koͤnde man/ ſo der Tyrannen Her-
tzen auffgeſchloſſen/ vnnd vnſere Augen zuſehen wuͤrden/ die ſtich vnd ſtreich/ das
reiſſen vnd beiſſen jhrer Hertzen/ Gemuͤther/ erſchroͤcklicher weiſe empfinden. Vnd
eben deß wegen ſoll ein Fuͤrſt diß fuͤr die groͤſte Mannheit halten/ daß er ſein Ge-
wiſſen trewlich verwahre/ vnd ſich darauff verlaſſen koͤnne. Dann es gilt hie kein
heucheln: in Ewigkeit muß die Thorheit ſich buͤſſen/ wann einen entweder eine lie-
derliche Perſon/ oder ein falſcher Wahn betrogen. Hierauff verließ ſich Africanus
major,
als man jhn vor Gericht forderte/ wegen etlicher Gelder/ ſo er auß dem
Krieg wider Antiochum in ſeinen eygenen Nutzen verwendet hette/ vnnd ſagt/ an
ſtatt ſeine Vnſchuld darzu thun: vnnd durch demuͤhtige Bitt das Volck zubewe-
gen/ jhr Roͤmer/ heut dieſen Tag jahrets ſich/ daß ich die maͤchtige Statt Cartha-
go vberwunden/ kompt/ laſt vns GOtt deßwegen dancken/ darauff jhm auch das
gantze Volck zum Capitolio gefolgt/ vnd den Anklaͤger/ ſampt dem Richter vnnd
Herolden allein gelaſſen/ doch wolt er kein Vngelegenheit haben/ vnd zog auß der
Statt. Viel anderſt verhielte ſich Nero/ nach dem er ſeine leibliche Mutter/ auch
ſein Zuchtmeiſter hingericht/ da jhm weder deß Raths/ noch deß Volcks/ noch der
Kriegsleuthe frewdiges zuruffen/ das Gewiſſen nicht koͤnnen veſt machen: wie er
dann offt ſelbſt beklagt/ er hab vor ſeiner Mutter Geiſt kein Ruh/ ſie ſchlage vnd
verfolge jhn mit brennenden Fackeln. Dann es kam jhm offt vor im Schlaff/ er
halte das Ruder auff dem Schiff/ vnnd ſeine Mutter zwing es jhm auß den Haͤn-
den/ ja ſie reiſſe jhn hin in die euſſerſte Finſtere: es vberfallen jhn die fligende Ameiſ-
ſen mit meng/ vnd die Goͤtzen der Heyden ſtoſſe auff jn. Nit viel beſſer gieng es Ca-
ligulæ/ der nim̃er vber drey Stunden Nachts ruhen koͤnen/ vnnd noch in vielfalti-
gem Schrecken vnd Einbildungen: welches dannenhero kommen/ daß er GOTT
gaͤntzlich verachtet/ vnd eben deßwegen zu einem gar geringen Donner oder Blitz/
mit den Augen geblintzelt/ vnd das Haupt in ein Kuͤſſen verſteckt/ wann aber ein
groſſes
[43]Dritter Theil.
groſſes Wetter am Himmel brauſete/ kondte er ſich nirgend behalten/ ſprang auß
dem Beth/ vnd verkroche ſich vnder die Bethlade. Dann es bleibt wahr/ daß das
Gluͤck wol die Straff/ von einem vnd dem andern/ die Forcht aber von niemanden
abwendet. Alſo war Domitianus/ jmmer voller Forcht vnd Schrecken/ auch vber
die maſſen Argwohniſch. Jhme kam Junius Ruſticus, den er vnſchuldiger weiß
hinrichten laſſen/ im Traum kurtz vor ſeinem Endt/ mit einem bloſſen Degen gar
offt vor. Kayſer Theodoſius hatte zu Theſſalonich ein groſſes Blutbad laſſen vor-
gehen/ vnd fand deß wegen weder Raſt noch Ruh: antwortet auch ſeinem geheimen
Rath Ruffino/ der jhm troͤſtlich zugeſprochen/ auff dem Boden liegend/ mit heiſſen
Thraͤnen: lieber Ruffine/ du fuͤhleſt nicht/ wo es mir wehe thut/ ich heule vnd ſeuff-
tze/ vber mein groſſe Noth/ daß die Kirch Gottes/ den Bettlern vnd Sclauen offen
ſteth/ vnd ſie jhren Herꝛn im Himmel anruffen doͤrffen/ mir aber der Zutrit zu jhm
verlegt/ ja der Himmel verſchloſſen iſt: doch kam er wider zu recht. Aber Koͤnig Die-
terich von Bern/ thet ſich in die Einſambkeit/ vnd ſtarb nach dreyen Tagen vor
Leyd/ nach dem er Symmachum vñ Boëtium, zween fuͤrtreffliche Maͤñer/ auß bloſ-
ſem Verdacht/ deß angemaſten Koͤnigreichs laſſen hinrichten/ vnd eben denſelben
Abend/ ein groſſer Fiſchkopff auff ſeiner Taffel jhm vor kommen/ als deß Symma-
chi
Haupt/ welches jhm die euſſerſte Noth ankuͤndigte. Von Alfonſo dem juͤngern
Koͤnig zu Naples/ ſchreibt Guicciardinus: Es iſt gewiß vnnd erwieſen/ daß Alfon-
ſum ſein Gewiſſen gequaͤlet/ vnd daß er weder Tag noch Nacht/ in ſeiner Seelen
ruhen koͤnnen: dann es ſtnnd jhm vor/ der enthaupteten Fuͤrſten Geiſter/ vnnd das
gantze Volck ſchryen Rach wider jhn: drumb entdeckt er ſein Fürhaben/ nur allein
ſeiner Stieff Mutter der Koͤnigin/ vnnd hielt es auff inſtaͤndiges anhalten/ vor
Bruder vnd Sohn verborgen/ wolt auch kein paar Tage warten/ das vollige Jahr
ſeiner Regierung zuſchlieſſen/ ſondern nahm die Flucht mit vier Galeaſſen/ darin
er das beſte ſeiner Sachen geladen: hatte aber bey dem auß weichen/ ein ſo groſſen
Schrecken wegen der Frantzoſen/ daß er meynte/ ſie vmbringeten vnd griffen jhn/
vnnd auff ein jedes Geraͤuſch/ ſich von einem Orth zum andern gewendet. Ein
junger vom Adelhatte ein andern/ erzehlt Chokier/ ohngefehr entleibet/ vnd kondte
deß wegen vor deſſelben Geiſt gar keine Ruhe finden: er ſchrieb gar beweglich auß
Hungarn/ dahin er als ein Soldat gezogen war/ daß er mit deß entleibten Freun-
den moͤcht vertragen werden/ was es auch jmmer koſten ſolte: empfand aber keine
Linderung nach dem Vertrag. Wie ſoll dañ den vorſetzlichen Moͤrdern vmb das
Hertz ſeyn/ wie ſoll es vmb dieſe ſtehen/ ſo die Chriſtenheit mit Blut vberſchwem-
men/ vnd zu vnrechtmaͤſſigen Kriegen rathen?


Hie muß ich hoͤren/ man muͤſſe das Gewiſſen beſeyt ſetzen/ bey den Staads-
ſachen/ vnd raiſon d’ Eſtat laſſen vorgehen. Es iſt aber nicht wunder/ wann dieſe
Leuth deß Fuͤrſten Gewiſſen vernichten/ weil ſie ſelbſt keine Stell in jhrem Hertzen/
Gott dem Herꝛn vergoͤnnen/ da doch Heyden vnd Chriſten nach geſundem Liecht
der Natur/ vnnd reiner Lehr von der Seeligkeit/ weit ein anders erfordern. Auch
F ijwird
[44]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
wird vorgeſchůtzt/ wann man nicht jederweilen ſich der Ketzeriſchen/ ja Türckiſchen.
Huͤlff bedienete/ ſolte man laͤngſt deß Nechſten Nachbarn Knecht worden ſeyn.
was aber ſolche Huͤlff endlich nutzet/ haben die Griechen erfahren/ wie auch die je-
nigen/ ſo ſolcher geſtallt die Freyheit deß Leibs vnd deß Gewiſſens verlohren.


Wann man aber von dem Eyfer/ oder dem Gewiſſen handelt/ iſt zuwiſſen/ dz
zwar einem jeden Menſchen deſſelbe/ als ein Anklaͤger/ Zeuge/ Richter vnd Voll-
zieher deß Vrtheils iſt gegeben/ vnd klebt der Seelen an in Ewigkeit. Dann das
Gewiſſen faſſet alles/ boͤſes vnnd gutes/ was begangen wird/ vnnd mercket/ was
auß Luſt/ Liſt vnnd Raach zu viel geſchehen/ zwar nicht alle maͤl gleich/ auff der
Stund/ ſondern etwan lange Zeit nach der That/ wann es/ wie ein verdeckt Fewer
vnder der Aſch wird herfuͤr gezogen/ oder wie ein ſchlaffender raſender Hund auff-
wachet. Als dann faͤllt es den Menſchen an/ macht die Suͤnde abſchewlich/ bitter/
vnd ſehr groß: es ſetzt ſich auff den Richterſtul/ vnnd ſpricht das Vrtheil wider ſich
ſelbſt/ ja naget mit ſcharpffen ſpitzigen Zaͤhnen ſich ſelbſt/ zehrt ſein eygen Fleiſch/
vnd verzehrt es doch nicht. Welches die Poeten wollen andeuten/ wann ſie den
Rieſen Tityum, oder Prometheum, wegen deß im Himmel geſtohlnen/ vnd auff
Erden gebrachten Fewers/ auff das Gebierg Caucaſus außgeſpannt/ vnd in Feſſel
an Haͤnden vnd Fuͤſſen gelegt/ die Bruſt auffgeſpalten/ vnnd die Raubvoͤgel dar-
auff geſetzt/ die mit jhren Schnabeln das Hertz durch graben/ vnd alle Aederlein/ ſo
jmmer wider heran wachſen/ außreiſſen/ vnd dem Nothleiden den nimmer keine
Ruhe laſſen/ ſondern vn auffhoͤrlichen Schmertzen verurſachen. Wann aber das
Gewiſſen ſtill vnnd ruhig iſt/ lachet alles/ wie im Fruͤling/ vnnd muͤſſen alle truͤbe
Wolcken der trawrigen Bekuͤmmernuß bald ehe weichen vnnd vergehen/ als ſie
heran ſtreichen.


Gleich wie wir nun im andern Theil verſtanden/ daß zwar fuͤnff Haupt-
Secten/ in der Occidentaliſchen Kirchen ſich befinden/ deren aber nur drey nach
dem Regiment ſtreben: alſo iſt leicht abzunehmen/ daß ein jede der ſelben dreyen ſich
bemuͤhet/ eines Printzen Gewiſſen/ mit ſeiner Deuteley einzunehmen/ auff daß
die andere zwo keinen Platz finden/ ja verfolget vnd vertrieben werden. Auff welche
weiſe man in der Chur Pfaltz vor/ zu vnnd nach Caſimiri Zeiten vnderſchiedliche
Veraͤnderungen bey dem Kirchenweſen geſehen. Kayſer Ferdinand der Erſte/
vnnd ſein Sohn Maximilian der Andere/ hetten ſchier mehr/ dann eine Parthey
ſich laſſen beybringen/ zum wenigſten/ eine widrige Parthey geduldet/ wie jhre an-
gemerckte Fehler davon zeugen. Aber Ertzhertzog Carlen ließ ſich anderſt berich-
ten/ vnd wolt nur die einige Parthey vor recht vnd guͤltig erkennen/ auch paſſiren
laſſen. Vnd weil ſein Sohn Ferdinand eben ſolche impreſſiones angenommen/
hielt jhn der Bapſt vor ein duͤchtiges Haupt deß Kirchen Kriegs wider die Abtruͤn-
nigen/ bracht jhn auch ſo weit/ daß er gelobt/ vnd offentlich/ ſo wol Schrifft-als
Muͤndlich ſich verlauten laſſen/ ehe Land vnd Leuth/ Leib vnnd Leben daran zuſetzen
vnnd zuverliehren/ ehe im Hembd/ mit einem weiſen Stecken ins Elend zugehen/
ehe
[45]Dritter Theil.
ehe ſich in Stuͤck zerhawen zulaſſen/ als die widrige Partheyen in ſeinem Gebiet
vnd Landen zu dulten. Wie nun Ertzhertzog Ferdinand ſein Gewiſſen/ mit dieſem
Eyfer einnehmen laſſen/ alſo theten auch/ vnd nicht weniger/ die beyde andere Par-
theyen an jhrem Orth/ ſich zu erheben/ vnd die andere zuvnderdrucken. Dann ſie
ſchuͤtzen alle drey das Gewiſſen vnd die Religion vor/ vnd wollen jederman mit
Witz oder Gewalt dahin bringen/ daß jhre/ vnnd kein andere Meynung den Vor-
zug behalte. Dann im Roͤm. Reich will Sachſen das Luthertumb erheben/ nimbt
jhm ſelbſt die allein Seeligmachende Religion/ vnnd verdampt die Paplſten vnnd
Calviniſten ſchlecht hinauß: wendet auch allen Fleiß an/ ein Gegenbapſtumb von
dem Concordibuch her/ zubefeſtigen. Die Heydelberger hingegen/ weil ſie zu
ſchwach ſind/ ſich empor zu ſchwingen/ vnnd wider zwo Partheyen zuſtehen/ ſu-
chen bey den Lutheranern Bruͤderſchafft vnnd Huͤlff: verdammen zwar nicht ſo
grob hinauß/ lehren doch/ daß jhre Meynung die allerbeſte ſey/ vnnd kluͤgeln vber
die maſſen.


Vnd wann alles recht wird vberlegt/ ſtreitet vnd kaͤmpffet jede Parthey/
mit Schrifften vnd Streichen/ mit Feder vnd Fewer/ mit diſputieren vnd defen-
diren/ mit Klaffen vnd Waffen/ nit nur vmb die hoͤchſte Wuͤrde der Lehr/ ſondern
auch vmb die freye Vbung derſelben/ zu welcher Vbung/ dann die Geiſtliche Guͤ-
ter/ vnnd Stifftungen gezogen werden/ als were das Gewiſſen an dieſelbe gebun-
den. Alſo muͤſſen die Kirchen ſich weyhen laſſen/ nach deß Lands Fuͤrſten impreſ-
ſion,
alſo wird nicht anderſt gelehrt/ als nach deſſelben humor, alſo gebuͤhrt dem
Vnderthan vnnd Landſaß kein andere Vbung/ als nach ſeines Obern Religion/
vnd ſolte dieſelbe mit vnnd durch die Obern jeden Monat/ oder jedes Jahr ſich aͤn-
dern muͤſſen: gleich wie manche Statt in ſolcher Zeit/ offt zween oder drey wiedri-
ge Herꝛn/ bey den geſchwinden Kriegslaͤufften anzunehmen genoͤthiget wird.
Vnd wann dann der reinen Parthey/ etwas zuwaͤchſt/ an Land vnd Leuthen/ oder
einiger Regirender Herꝛ auff jhre Seit trit/ iſt wunder groß frolocken: Zu welchem
Ende dann alle erdenckliche Rencken vnd Kuͤnſte erfunden werden. Doch bemuͤ-
hete ſich Sachſen nicht ſonderlich darunder/ auſſer halb deſſen/ daß ſeine Schrifft-
gelehrten ſich ſehr eyfferig erzeigten: dann er etwas naͤher zu den Catholiſchen ge-
tretten/ nit ſo ſehr auß Anmuth der Religion/ oder Trieb deß Gewiſſens/ als auß
Hoffnung/ die Guͤlchiſche Landen davon zutragen. Aber Heydelberg machte ſich
zum Haupt der Vnion/ mit welcher Sachſen/ vmb gemelter Vrſachen willen/
nicht wollen ſich verwirꝛen/ vnd widerſprach den Catholiſchen allenthalben: brach-
te auch etliche Lutheraner an ſich/ die aber/ als Nachbarn/ jhr beſonders abſehen
hatten.


Die Catholiſche hingegen/ vnd fuͤrnemlich die Cardinaͤl zu Rom/ bem ůhe-
ten ſich/ das Concilium Tridentinum allenthalben auff die Bahn/ vnd in vblichen
Gebrauch zubringen: darbey der Spanier ſein abſehen auff eine Monarchy hatte/
namentlich bey der Berahtſchlagung zu Monte Vlaſconi, im Jahr 1615. Vnnd
F iijweil
[46]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
weil die Sach ſehr ſchwer ſchiene/ wurd im folgenden Jahr zu Warſaw beſchloſ-
ſen/ man muͤſte die Hollaͤnder mit Macht vberziehen/ vnd verderben/ vnd zu Mag-
denburg ein feſten Fuß ſetzen/ dieweil derſelbe Adminiſtrator Primas in gantz
Teutſchland/ Auffſeher vber dẽ Ober Saͤchſiſchẽ/ Weſtphaliſchen vñ Fraͤnckiſchẽ
vñ Director vber den Niederſaͤchſichen Kreyß/ auch Reuiſitator der Kammer zu
Speix: darumb an der Elb/ in ſo beruͤhmtem vnd feſtem Orth/ ein Kriegsrath nie-
der zuſetzen/ vnd die Inquiſition anzuſtellen were. Jn deſſen muͤſte man den Koͤnig
in Dennmarck/ vnnd den Churfuͤrſten in Sachſen durch heurahten/ oder andere
Wege beſeit halten/ dem Pfaltzgraffen newe Haͤndel erꝛegen/ vnnd die Vnion zer-
trennen: auch den Lutheranern einen Muth machen/ wider die Calviniſten. Noch
war Cloͤſel der Cardinal vbrig durch Gewalt/ oder gute Wort zugewinnen/ daß er
Kayſer Matthiam heredete/ Ertzhertzog Ferdinanden ein Koͤnigreich/ mit Willen
oder Vnwillen/ abzutretten/ dieweil gedachter Ertzhertzog Ferdinand ſich dem
Bapſt zu Rom verpflichtet/ vnd dem geheymen Directorio vndergeben/ nach dem
man Anno 1617. zu Wien ſich lang bedacht/ wie man das Balthiſche Meer/ oder
die Oſt See vnd den Sund faſſen koͤnde: wie dann der Spanier zu dem Hauptwe-
ſen/ jaͤrlich dritthalb Tonnen Goldes verſprochen. Dann vmb dieſelbe Zeit Paulus
V.
ſich hoͤchlich befoͤrchtet/ es moͤchten die Ketzer/ nach Kayſers Matthiæ Todt/ ei-
nen Kayſer auß jhrem Mittel auffwerffen/ vnnd die Catholiſchen gar vnterdruͤ-
cken/ wie er ſolches dem Spaniſchen Geſandten/ der wegen deß Feſtes vber der Em-
pfaͤngnus der H. Jungfrawen Marien inſtaͤndig anhielte/ weitlaͤufftig zu ſeiner
Entſchuldigung/ deß langen Auffſchubs angedeutet. Vnd alſo bemuͤhete man ſich
Catholiſcher Seiten zum allereuſſerſten/ daß Ertzhertzog Ferdinand/ wegen ſei-
nes groſſen Eyfers/ vnd der zu Rom geleyſteten Pflicht/ von Kayſer Matthia an
Sohnsſtatt angenommen/ vnd zu einem Roͤmiſchen Koͤnig/ auch kuͤnfftigen Kay-
ſer vorgeſchlagen wurde/ das Hauptweſen der Catholiſchen Religion/ wider die
Ketzer zufuͤhren. Vnd hier zu befand ſich Albrecht Wallenſtein/ durch zwoͤlff gleich-
ſtimmende Aſtrologos ſehr bequem/ der eine Zeitlang mit dem Hertzogthumb
Friedland koͤnde zufrieden ſeyn/ biß man jhn zu einem Groß Fuͤrſten in Denn-
marck oder Mechelburg machen konde: vnder deſſen den Namen eines Kayſerli-
chen/ Baͤpſtiſchen vnd Spaniſchen Feldherꝛn führete.


Wie nun die Catholiſche Parthey dieſer geſtallt beſchloſſen geweſen/ vnnd
in guter Verfaſſung ſtunde: theten ſich die Calviniſten auch herfuͤr/ machten jhnen
einen Ruͤcken in Engelland durch Heurath/ als der Pfaltzgraff zu Heydelberg/
die Koͤnigliche Princeſſin daſelbſt heurate/ vnnd ſchon zu vor wegen ſeiner Fraw
Mutter/ mit dem Hauß Vranien/ auch wegen der Religion/ vnd vielen alten vnd
newen geleyſteten Dienſten/ mit den Hollaͤndern in geheymen Vernehmen ſtun-
de/ vnd Chur Brandenburg auch an ſich zoge. So ſolten auch die Hugonotten in
Franckreich/ ſonderlich aber die Fuͤrſtliche Haͤuſer von Rohan (welches durch
Heu-
[47]Dritter Theil.
Heurath an den Pfaltzgraffen hienge) vom Condé, vnd Chaſtillion, vnvergeſſen
ſeyn/ was man hiebevor bey jhnen gethan/ ein gleichen Reuterdienſt auff den
Nothfall zuerweiſen/ vnd vielleicht die gantze Koͤnigliche Macht wegen der Guͤl-
chiſchen Landen in das Teutſche Weſen einzuflechten. Alſo waren die Glocken
beyderſeits gegoſſen/ vnnd mangelte nur an einem Klippel/ den Lermen zuſchla-
gen: vnnd hielte jede Parthey das Gewiſſen/ oder die Religion fuͤr ſich/ vnnd am
beſten/ als koͤndten ſie nicht beſſer thun/ dann den Gegentheil nach Anleytung deß
auff einen oder den andern Weg angefuͤhreten/ vnnd feſt gemachten Gewiſſens/
vnder die Banck/ vnd in den Sack zuſtoſſen Dann wann man die Catholiſchen
fragt/ warumb ſie zu den Waffen greiffen/ koͤnnen ſie nichts anderſt antworten/
als daß man ſich von der Roͤmiſchen Kirchen entzogen/ derſelben Geſatz vnnd
Ordnungen verachtet/ vnd Kirchen vnnd Stiffter zu einer wiederigen Lehr/ ja gar
zur Jaͤgerey gebraucht/ vnnd alſo der Stiffter Sinn vnnd Willen vbertretten.
Eben dieſes ſagen die Proteſtirenden/ ob ſchon auß einem andern Grund/ daß
nemblich die liebe Alten die Ehr GOTtes betrachtet/ jhre eygene Mittel geſtifftet/
aber guter Meynung/ vnnd gar nicht/ daß Biſchoff vnd Moͤnch ſolten Vberfluß
treiben/ ſondern das Volck lehren/ vnnd zum Himmelreich bereyt machen. Die
Calviniſten wollen ſchier etwas weiter gehen/ vnnd behaupten/ daß jhnen/ Erb-
kaſten Vogtey Herꝛn/ der Vberfluß von den Einkommen der Geiſt-
lichen Guͤter zwar gebůhre/ darumb ſie auch Macht haben/ die
Stiffter gar zuvertilgen/ vnd Kammer- oder Taf.
fel Guͤter darauß zumachen. Da-
von drundem mit meh-
rem.



Der
[48]Germaniæ perturbatæ \& Reſtauratæ

Der ſechſte Diſcurß.


Wie Kayſer Matthias den Ertzhertzog Ferdinand zum Sohn angenommen:
der Koͤnig in Spanien auff Boͤhmen vnnd Hungarn verziehen/ gegen einer gegen
Obligation: wie Ferdinand zum Koͤnig in Boͤhem vorgeſchlagen/ vñ auff Beding-
ung angenommen worden. Wie der Kayſer vnd der Koͤnig nach Dreßden reyſen.
Wie die Staͤnde in Boͤhmen ein Landtag angeſtellt/ ſich vom Kayſer nicht ab-
mahnen laſſen/ vnd drey Kayſ. Diener zum Fenſter hinauß geſtuͤrtzt. Von den dreyẽ
Hauptvrſachen dieſes Kriegs.


WJr muͤſſen Vns dermahl eins in den Boͤhmerwald begeben/ vnd
fleiſſige acht nehmen/ wie das Fewer dieſes grund verderblichen dreyſ-
ſig Jaͤhrigen Kriegs endlich angegangen/ vnd ſich vber gantz Teutſch-
land auß gebreytet hat. Zu Prag/ in der Hauptſtatt deß Koͤnigreichs/
hielte ſeinen Hoff Kayſer Matthias/ diß Nahmens der Ander Koͤnig in Boͤh-
men vnd Hungarn/ vnd hatte die Zeit ſeiner Regierung/ den ſehr krancken Fried
vnderhalten/ alſo auch den Krieg euſſerſtes Fleiſſes hindertrieben. Dieweil er
nun ſahe/ daß weder er/ noch ſeine Bruͤder einige Hoffnung zu ehlichen Leibs-
erben mehr machen koͤnnen/ vnd nichts deſto weniger wegen eines Nachfolgers im
Koͤnigreich Boͤhmen/ nach ſeinem Ableiben ſorgfaltig war/ auff daß dieſelbe edle
Laͤnder bey dem Hauß Oeſterꝛeich bleiben/ vnnd wegen der zunehmenden Prote-
ſtiren den Religion/ darauff die Cardinaͤl vnnd Gewiſſens Raͤhte/ ſonderlich Car-
dinal Cloͤſel/ das fürnehmſte Abſehen hielten/ nicht etwan den Ketzern heymfal-
len/ vnnd gantz Oeſterꝛeich verderben moͤchte/ nam er ſeines Vatters Bruders
Sohn Ertzhertzog Ferdinanden an zu einem Sohn/ mit euſſerſtem Fleiß/ dem-
ſelben den Staͤnden im Koͤnigreich Boͤhmen zu recommendiren/ vnd jhme das
Koͤnigreich zuerwerben.


Es wolte aber hierzu noͤhtig ſeyn/ daß Spanien darein verwilligte/ vnnd
ſich ſeiner habenden An- vnd Zuſpruͤch ſo ferꝛn begebe. Dann das gantze Hauß
Oeſterꝛeich von Kayſer Albrechten her/ an die Koͤnigreiche Boͤhmen/ Hungarn
vnd Poln die Succeſſion zuſuchen hat: zuvorderſt aber hette Ferdinandus I. ſeiner
Gemahlin Erbrecht nicht erhalten/ ſondern gar leicht verliehren koͤnnen/ wann
nicht Carolus V. jhme die Boͤhmen zam gemacht/ vnnd vnder Sattel vnnd
Sporn gebracht hette. Darumb ſchickte der Koͤnig in Spanien den Graffen von
Ognata in Teutſchland/ der diß offentliches Jnſtrument auffrichten laſſen: Nach
dem die Kayſer-auch zu Hungarn vnd Boͤhmen Koͤnigliche Majeſtaͤt/ Matthias
der Ander/ auß Vaͤtterlicher vnd ſonderbahrer Liebe/ Fleiß vnd Sorgfaͤltigkeit/ ſo
er zu der Catholiſchen Religion/ vnnd dem Durchleuchtigſten Hauß Oeſterꝛeich
jeder-
[49]Dritter Theil.
jederzeit getragen/ zu dero erſprießlichen Wolfahrt fuͤrnemblich nothwendig ſeyn
erachtet/ daß noch bey derſelben Lebzeiten/ auff eine kuͤnfftige Nachfolgung in den
bey den Koͤnigreichen Hungarn vnd Boͤhmen/ vnd denſelben anhangenden Pro-
vintzen vnd Laͤndern/ Fuͤrſehung gethan wuͤrde/ zu welchem End ſie dann bey mei-
nem Herꝛn/ dem Koͤnig in Spanien viel Vnderhandlung gepflogen/ damit ſeine
Majeſtat dahin gebracht werde/ daß die ſelbe jhrem geliebten Vettern vnd Schwe-
ſtermann Ertzhertzogen Ferdinanden/ zu gutem vnnd ſondern gunſten beſtaͤttige/
vnd gut heiſſe die Abtrettung der Succeſſion in obgemelten Koͤnigreichen/ ſo im
Jahr 1571. den 29. Tag Aprill durch Koͤnigin Anna/ ſeine Mutter/ Kayſers Fer-
dinandi deß Erſten abſteigenden Mannlichen Leibserben/ zu ſonderlichem gefal-
len geſchehen iſt: wie nicht weniger auch abtrette/ vnnd vbergebe alles das Recht/
das derſelben ſeiner Majeſtaͤt in obgedachten Koͤnigreichen/ vnnd anhangen den
Laͤndern vnd Provintzen/ als dem einigen/ Frawen Annen in Hungarn vnd Boͤh-
men Koͤniginnen/ erſtgebornen Sohns/ Kayſer Maximilian deß Andern in rech-
ter abſteigender Linien/ Sohns Enckel zuſtehet/ oder auff jrgend eine weiß zuſte-
hen vnd gebuͤhren moͤchte. Daher jhre Majeſtaͤt/ auff daß ſie in die Fußſtapffen
jhrer hochberuͤhmten Vorfahren trette/ vnnd derſelben Exempel groſſer Freyge-
bigkeit nach arthe/ vnd wie groſſe Lieb vnnd Begierd ſie habe/ die wahre Religion/
gemeinen Nutzen/ vnd ſein eygen Hauß zuerhalten vnd zuvermehren/ wie ſie zu-
vor mit gewaltiger Huͤlffleyſtung/ vnd auff andere weg vnd weiß offtmalhs ge-
holffen/ alſo auch jetzund herꝛlich zuerweiſen/ den gemeinen Nutzen/ jhrer eygenen
vnd ſonderbahren Wolfahrt weit vorgezogen/ vnd mir jhrem Oratore vnd Lega-
ten/ durch einen gevollmaͤchtigten Gewalt/ vnd offentlich Jnſtrument/ ſo in be-
ſter Form den 21. Aprill dieſes lauffenden 1617. Jahrs/ zu Madril auffgerichtet
vnd verfertiget/ deſſen wahres Original mit ſeinen Beglaubten Copien hiemit
auff legend/ Macht vnd Gewalt gegeben/ gemelte Abtrettung ſampt der Beſtaͤt-
tigung droben gedachter Begebung/ jhrer Ertzhertzoglichen Durchleuchten zu gu-
tem Genuͤgen zuthun vnd zuverꝛichten.


Derohalben ich Graff von Ognata, Orator vnd Befelchhaber/ in Krafft
gemelten Mandati Procuratorij, ſo ich beydes in Original vnd Copien vbergeben-
wie auch habender Vollmacht/ im Namen deß Koͤnigs in Spanien/ meines
Herꝛn/ wie auch aller anderer ſeiner jungen Fürſtlichen Soͤhn vnnd Kindern/ be-
feſtige/ heiſſe gut/ vnd beſtettige gemelte Begebung vnd Abtrettung/ von obgemel-
ter Koͤnigin Anna/ meines Herꝛn Fraw Mutter geſchehen. Jch tritt auch ab/
vnd begebe mich in dieſem Namen/ alles deß Rechten/ das meinem Herꝛn/ dem
Koͤnig in Spanien/ den Durchleuchtigſten Fuͤrſten/ ſeinen Jnfanten vnd Soͤh-
nen/ in gedachte Koͤnigreich vnd anhangende Provintzen vnd Laͤnder gebuͤhrt/ o-
der auff was weiß vnd weg gebuͤhren mag/ Ertzhertzog Ferdinanden/ vnd ſeinen
in rechter vnauffhoͤrlicher abſteigender Linien/ ehlichen Mannlichen Leibs Erben/
ohn einige deß Glieds oder der Zeit Beſchreibung vnd Vorbehalt/ zu ſonderlichen
Dritter Theil. Ggunſten
[50]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Gunſten/ Gut- vnd Wolthat/ mit dieſen pactis vnd Bedingungen/ daß nemblich
die Vergeltung/ welche in einer der Oeſterꝛeichiſchen Landſchafften vnd Provin-
tzen zugeſchehen begehrt wird/ oder koͤnte begehrt werden/ auff eine andere Hand-
lung verſpart werde: welche zwar/ ſo bald jmmer moͤglich/ ſoll fuͤrgenommen wer-
den. Jn welcher man ſonderlich in acht zunehmen/ die vielfaltige Huͤlff vnnd
Wolthaten/ ſo jhrem Hauß in dieſen Landen ſeine Majeſtaͤt jederzeit erzeiget/ vnd
daſſelbige dardurch geſchuͤtzet hat: damit alſo/ wann dieſes alles wol behertziget
wird/ derſelben in dieſem ſtück/ ſo viel jmmer moͤglich/ auch ein Genuͤgen geſchehe:
mit dem auß druͤcklichen Anhang vnnd Verbindung/ daß ſo Jhrer Durchl. Ertz-
hertzogs Ferdinanden rechte Mannliche Linien ſolte abſterben/ genannte Koͤnig-
reiche vnd Provintzen auff Jhrer Koͤn. May. Nachkoͤmmlingen/ in rechter ehelich
auff einander folgenden Mannlicher Linien wider fallen ſollen: Alſo vnd der ge-
ſtallt/ daß die Toͤchter/ ſo vor Jhrer Durchleucht. vnd deroſelben Nachkoͤmlingen
weren geboren worden/ oder ſolten geboren werden/ auch derſelben Toͤchter/ Soͤhn
vnnd folgende Mannliche Leibs Erben/ jmmer vnnd ewig durch die Mannliche
Leibs Erben/ ſo von meinem Herꝛn dem Koͤnig in recht er Mannlichen Linien
rechtmaͤſſig entſpringen/ jetzt vnd zu allen Zeiten von der Nachfolg in gemelten
Koͤnigreichen vnnd anhangenden Provintzen/ ſollen außgeſchloſſen ſeyn vnnd
bleiben.


Wann nun dieſes alles alſo von Jhrer Durchl. eingangen vnd angenom-
men worden/ ſo gelange ſein Bitten vnd Begehren an Jhre Kay. May. die geru-
he hieruͤber von Kay. vnd Koͤn. Mayſt. allerſeits auffgerichte Jnſtrumenta vnnd
Brieff/ nach dero Vollmaͤchtigen Gewalt/ in beſter Form zubeſtaͤttigen. Vnd
ich Graff von Ognata, derich als ein Legat vnd Befelchshaber/ im Namen wie
obgemelt/ dieſes alles annehme vnd feſt halte/ verſprich zu dieſer Handlung meh-
rer Sicherheit im Namen meines Herꝛn Koͤnigs/ deſſelben Jnfanten vnnd Er-
ben/ vnnd aller jhrer Nachkommenden beyderley Geſchlechts/ mit gutem wiſſen
vnd wolbedachtem Willen/ auff beſte Form/ weiß vnd weg/ wie es nach Recht vnd
Gewonheit deß Roͤm. Reichs/ oder Koͤnigreich ſeiner Kayſerlichen Majeſtaͤt/ oder
auch anderer Provintzen Gewonheiten vnd Satzungen geſchehen mag/ daß alles
vnnd jedes/ was in dieſem Jnſtrument verfaſt/ vnnd begriffen/ auff dieſer Seiten
gantz vnd vnverbrechlich ſoll gehalten/ vnd ins Werck gerichtet werden: daß auch
vom Koͤnig oder Fuͤrſten/ vnd deſſelben Jnfanten vnd Kindern weder durch ein
Teſtament/ oder andern letzten Willen/ oder Verordnung vnder den Lebenden/
etwas dieſem entgegen vnnd zuwider ſoll vorgenommen werden: vnnd da derglei-
chen geſchehen ſolte/ ſolches nichtig vnd ohn kraͤfften ſeyn ſolle/ alle arge Liſt vnnd
Außzuͤge/ ꝛc. wie die jmmer Namen haben moͤgen/ nicht anderſt/ als wann ſie alle
hie genennt werden/ außgeſchloſſen. Jch renuncire vnd begebe mich auch derſel-
ben im Namen wie obgemelt/ zu deſto mehrer Krafft dieſes Brieffs gantz vnd gar/
will ſie auch dergeſtallt auff gehebt haben/ daß wider dieſes geſchworne vnd beſtaͤt-
tiget
[51]Dritter Theil.
tiget Jnſtrument weder der Roͤm. Bapſt oder Kayſer diſpenſation vnnd Auffhe-
bung ſoll koͤnnen begehrt/ oder erlangt werden: oder da dergleichen erlangt/ oder
von den Baͤpſten vnd Kayſern fuͤr ſich ſelbſt/ vnd auß eygner Bewegung ſolte ge-
geben werden/ will ich dieſelbe gaͤntzlich vnkraͤfftig vnd vnguͤltig gehalten
haben.


Wo auch vber das ſeiner Durchl. gefallen wuͤrde/ zu ſeiner vnd der ſeinigen
Verſicherung/ an gegenwertigem Jnſtrument/ in ſeinen Clauſeln etwas zuer-
newern/ hinz nzuthun oder zuverſchaffen/ jedoch die obgedachte Bedingungen/ vñ
was zur Hauptſach an jhr ſelbſt gehoͤrt/ vngeaͤndert/ wie ſolches im Namen vnnd
von wegen Jhrer Durchl. vnd dero Kindern begehrt worden (doch daß es von Da-
to dieſes Brieffs an/ in Jahrs friſt geſchehe) verſprich ich/ daß darzu mein Herꝛ/
der Koͤnig/ ſein Printz vnnd juͤngere Kinder/ lediglich verbunden ſeyn ſollen: vnnd
das mit Verpfaͤndung aller Guͤter meines Herꝛn Koͤnigs/ bey Koͤniglichen wah-
ren Worten vnd Trewen/ vnnd bey dem Eyd/ den ich hieruͤber in Jhrer May. Na-
men leiblichen auff die H. Evangelien geſchworen habe/ ꝛc. Dieſes iſt geſchehen
in beyſein/ Herꝛn Jacob Chiſel/ Freyherꝛn zu Kaltenbrun/ Jhrer Durchl. Rath
vnd Stallmeiſters: Herꝛn Vrbani/ Freyherꝛn von Battingen/ vnnd Perſin/ Jh-
rer Durchl. Kriegsrath vnd Kaͤmmerers/ als darzu erbettenẽ Zeugen: deßgleichen
auch in beyweſen auff ſeiner Durchl. Befelch/ ſeines geheymen Raths vnd Ober-
ſten Hoff Cantzlers/ Herꝛn Leonhard Gezy/ bey der Rechten Doctoris: welche auch
von mir darzu erbetten/ ſamptlichen mit eygenen Haͤnden hie vnderſchrieben
haben.


Dieſe Renunciation vnd Koͤnigliche Verzeyhung/ der Succeſſion vnnd
Nachfolg in beyden Koͤnigreichen Hungarn vnnd Boͤhmen/ hat nun Ertzhertzog
Ferdinand nicht allein mit Danck angenommen/ ſondern auch hingegen mit ei-
nem außfuͤhrlichen Diplomate, Jnſtrument vnd Briefflicher Verſicherung/ ſich
gegen dem Koͤnig in Spanien/ vnd ſeinen Mannlichen Leibs Erben/ ſo in rechter
ordentlicher Linien auff einander folgen werden/ verſprochen/ da es jhme in ſeiner
Linien an rechten ehelichen/ vnd ordentlich auffeinander folgenden Mannlichen
Erben mangeln ſolte/ Koͤn. May. in Spanien an jhrer habenden prætenſion vnnd
Gerechtigkeit zu gemelten beyden Koͤnigreichen nicht zuhindern/ noch verſchaf-
fen/ daß dieſelbe gehindert werde/ ſondern viel mehr den freyen Zutrit zulaſſen:
neben Erbietung annehmlicher Satisfaction vnd Widergeltung/ der bißher jhme
vnnd den ſeinigen geleyſten Spaniſchen Huͤlffen. Welches alles geſchehen
zu Prag den 6. Junij/ in der ordentlichen Kammer oder Conclave, Ertzhertzog
Ferdinanden/ in beyſein obgemelter Herꝛn Zeugen/ ſo ſich beyderſeits vnderſchrie-
ben! vnd alſo bald von Kay. May. approbirt vnd beſtaͤttiget worden.


Auff jetzt erzehlte geſchehene Renuntiation vnd Begebung/ aller vnd jeder
prætenſionen vnnd habenden Anſpůch zu den beyden Cronen/ ſo nach toͤdtlichem
Ableiben Kayſerlicher Mayſt. der Koͤnig in Spanien fuͤr- vnnd einwenden hette
G ijkoͤnnen/
[52]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
koͤnnen/ iſt alsbald der jenige Landtag zu Prag/ welcher durch ein Kayſerlich Auß-
ſchreiben/ den dritten May allenthalben im Koͤnigreich Boͤhmen publicirt wor-
den/ eine gantze Stund lang im Schloß zu Prag/ wie gebraͤuchlich/ mit einer groſ-
ſen Glocken eingeleutet worden: darauff Jhre Kayſ. Mayſt. neben den Ertzhertzo-
gen Maximilian vnd Ferdinanden/ welche etliche Tag zuvor daſelbſt ankommen/
nach gehaltenem Ampt/ auß der Schloßkirchen/ mit gewoͤhnlichen Ceremonien/
vnd vorgetragenem Schwerdt/ von den Herꝛn Staͤnden/ Officirern vnd Raͤthen/
in die Landſtuben begleytet worden/ daſelbſt Jhre Mayſt. auff den Koͤniglichen
Stul/ vnd neben deroſelben zur Rechten beyde Ertzhertzogen ſich geſetzt: darauff
durch den Oberſten Landhoffmeiſter die Vrſachen dieſes Landtags/ vnd daß Jhre
Mayſt. ſich der gehorſamen Staͤnde erſcheinen gnaͤdigſt bedancken/ vorgebracht.
Nach ſolchem hat der Oberſt Cantzler die Propoſition abgeleſen/ der Oberſt Burg-
vogt aber ſolche den Staͤnden Schrifftlich eingehaͤndigt/ mit ſonderer Recom-
mendation Jhrer Durchl. Ertzhertzog Ferdinanden Perſon/ als welche von Gott
mit fuͤrtrefflichen Tugenden vnd Qualitaͤten begabet/ vnd daß ſie ſolche in fleiſſige
deliberation ziehen wolten: darauff Jhre Mayſt. von Staͤnden wider dannen biß
an die Stirgen begleytet worden.


Der Hauptpunct in dem Kayſerlichen Vortrag war/ weil Jhre Kay. May.
in acht genommen/ daß Jhre Fuͤrſt. Durchl. Ertzhertzog Maximilian vnd Alber-
tus nunmehr erlebt/ vnd ohne Erben ſeyn/ hierumb ſo haben Jhr Kay. Mayſt. vor
das fuͤglich ſteange ſehen/ daß Jhrer Kay. Mayſt. Herꝛ Vetter Ertzhertzog Ferdi-
nand (welcher zu vor nicht wenig ſeiner Erblaͤnder hat/ vnd jhm Jhre Kay. May.
vmb dero fuͤrtrefflichen vnnd anſehentlichen Tugenden vnnd Qualitaͤten willen/
mit denen Jhr Durchl von Gott begabet/ auff Erweg- vnd Berathſchlagung
hochgedachter dero Herꝛn Gebruͤder/ vnnd deß gantzen hochloͤblichen Hauſes Oe-
ſterꝛeich/ zum Sohn beliebet) zu einem Koͤnig in Boͤhmen angenommen/ publi-
cirt vnd gekroͤnet werde: in maſſen dann beyde Jhrer Kay. Mayſt. Herꝛn Bruͤder/
vermoͤg jhrer ſchrifftlichen Reverſen/ welche den Staͤnden zugeſtellt werden ſol-
len/ jhrem Recht ſo ſie zu dieſem Koͤnigreich haben moͤgen/ renuncirt/ auch ſie ſelb-
ſten/ vnd das gantze Hauß Oeſterꝛeich hiemit wol zufrieden/ alſo daß es derent-
willen bey dieſer Verſamblung vnnd Tractation/ keines Bedenckens bedoͤrff-
tig. Derowegen Jhre Kay. May. von dero getrewen Staͤnden gnaͤdigſt erwar-
ten/ daß ſie nun in Erwegung obangezognen hochwichtigen Vrſachen/ Jhr
Fuͤrſt. Durchl. Ertzhertzog Ferdinanden zu jhrem Koͤnig vnnd Herꝛn/ im fall wie
obgemeldt Jhre Kayſ. May. ohne Mannliche eheliche Leibs Erben abgehen wuͤr-
den/ annehmen/ publiciren/ titulieren/ halten/ vnd erkennen: auch wegen eines ge-
wiſſen eheſtes Tags zur Croͤnung/ ſich miteinander vnderꝛeden- vnd entſchlieſſen
wollen.


Dagegen wollen Jhre Fürſt. Durchl. Ertzhertzog Ferdinand den Staͤnden/
dieſes Koͤnigreichs einen Revers alſo bald einhaͤndigen/ daß ſie bey Lebzeiten
Jhrer
[53]Dritter Theil.
Jhrer Kayſ. May. der Regierung vnd Herꝛſchung in dieſem Koͤnigreich/ von ſich
ſelbſten/ ohn Jhrer Kayſ. Mayſt. ſondern Willen/ vnd beneben mit Berahtſchla-
gung der Oberſten Landrechts Beyſitzer/ auch Jhrer Kay. Ma. Raͤhten/ deß Hoff-
vnd Cammerꝛechtens nicht anmaſſen/ noch vnterfangen ſollen/ biß nach Jhrer
Kay. May. Abſterben: Nur allein/ daß ſie jetziger Zeit ein gekroͤnter Koͤnig zu Boͤ-
hem genennet/ darfür gehalten/ vnd Jhrer Fuͤrſtl. Durchl. der Titel/ als einem ge-
kroͤnten Koͤnig zu Boͤhein gegeben werden. Auch vber dieſes/ ſo ferꝛn Jhre Fuͤrſt.
Durchl. bey Lebzeiten Jhrer Kayſ. May. der Regierung/ ohne abſonderlichen Be-
fehl vnd Willen Jhrer Mayſt. wie obgemelt/ ſich anmaſſen wolten/ daß in derglei-
chen fall die Staͤnde Jhrer Fuͤrſtl. Durchl. mit keiner Vnderthaͤnigkeit/ Gehor-
ſam vnd Pflicht verbunden ſeyn ſollen. So werden auch Jhre Durchl. alles das
jenige/ was Jhre Kay. May. vnnd vorgehende Koͤnig zu Boͤhem der Pflicht/ Be-
kraͤfftigung der Privilegien/ vnd aller andern hier zu gehoͤrigen Sachen haben ge-
leyſtet/ gleichfalls gnaͤdig vnnd willig zuleyſten- vnnd zuvollziehen ſchuldig
ſeyn.


Nach dem nun die Boͤhmiſche Staͤnd dieſe Propoſition den 6. vnnd 7. Ju-
nij delieberirt/ ſind den 9. diß Jhre May. vnnd beyde Ertzhertzogen wider in der
Landſtuben/ beneben den Landſtaͤnden erſchtenen/ vnd gaben zur Antwort/ Jhre
Mayſt. wuͤrden von jhnen demuͤhtigſt gebeten/ Sie wolten bey jhnen in dem Koͤ-
nigreich mit jhrer Reſidentz biß ans Ende bleiben. Vber das ſo annahmen ſie/
vnd publicirten im Namen der H. Dreyfaltigkeit/ (welche ſelbſt jhren Segen dar-
zu geben/ vnd dieſem Vornehmen beyſtehen wolle) auff ſolche E. Kayſ. Mayſt. als
Koͤnigs in Boͤhem gnaͤdigſt begehren vnd fuͤrbringen/ mit Ew. Kayſ. May. aller-
gnaͤdigſten Bewilligung/ Jhre Fuͤrſtl. Durchl. Ertzhertzog Ferdinanden/ E. Ma.
geliebſten Herꝛn Vettern vnd Sohn dieſer Welt/ folgender geſtallt/ nemlich/ im
fall der Allmaͤchtige Ew. Kay May. ohne Mannliche Leibs Erben/ von Ew. Kayſ.
May. im H. Eheſtand herkommend/ von dieſer Welt abfordern ſolte/ zum Koͤnig
in Boͤhem/ als auß der obgeſchriebenen Vrſach deſſen wuͤrdig/ vnd wann es ob
Gott will darzu kompt/ dem Koͤnigreich nutzen wird/ fuͤr vnſern Koͤnig vnd Herꝛn
einhellig/ mit aller gebuͤrender Reverentz/ nach inhalt der alten Gewonheiten vnd
Gebrauchs. Alſo damit Jhre Fuͤrſt. D. Ertzhertzog Ferdinand am Donnerſtag
in die S. Petri \& Pauli der Apoſteln deß Herꝛn/ das iſt/ den 29. diß Monats Maij/
im fall es Jhrer Kayſ. May. alſo gefaͤllig/ allhie auff der Prager Schloßkirchen S.
Viti Martyris,
vermoͤg obgeregter alter Gewonheit/ mit GOttes Huͤlff glůcklich
gekroͤnt werde doch mit E. Kay. May. vorher beſchriebenen maͤchtigen Vorbehal-
tungen/ vns in Demuth vergleichende.


Fuͤrs Erſte/ daß Jhre F. D. den Staͤnden bey der Kroͤnung die gebuͤhrliche
Pflicht vnd Eyde thue vnd leyſte: dann auch alle Privilegia vnd Majeſtaͤten/ Be-
gnadungen/ Freyheiten/ Recht vnd Landsordnung/ alle gute Gewonheiten vnnd
Gebraͤuche/ in allen Puncten vnnd Clauſeln/ nichts davon auß geſchloſſen/ aller-
G iijmaſſen
[54]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
maſſen wie E. Kay. May. vnſer jetziger allergnaͤdigſter Koͤnig vnnd Herꝛ/ vnnd
vorige Koͤnige in Boͤhem gethan/ gleichfalls confirmiren. Dieweil aber an je-
tzo bey E. Kay. May. Lebzeiten angeregte Beſtaͤttigung von Jhrer F. D nicht be-
ſchehen kan/ ſondern allererſt nach Ew. Kayſ. May. Ableiben/ welches doch der All-
maͤchtige lange Zeit verhuͤten wolle) derowegen wann der Allmaͤchtige nach ſei-
nem Goͤttlichen Willen E. Kay. May. von dieſer Welt abfordern/ als dann Jhre
F. D. von dem Tage Ew. Kay. May. Ableibens/ vnd nach Eintrettung Jhrer F.
D. Regiments zum Koͤnigreich Boͤhem anzuraiten/ jnner vier Wochen den nech-
ſten/ die Confirmation obgedachter Privilegien/ Majeſtaͤt/ Begnadungen/ Frey-
heiten/ Rechten/ aller guten Ordnung vnd Gebraͤuch/ in allen Puncten vnd
Clauſeln/ nichts dar von auß geſchloſſen/ allermaſſen/ wie es Ew. Kayſ. May. vnſer
allergnaͤdigſter Herꝛ/ auch vorige Koͤnige in Boͤhmen gethan/ wie ſchuldig/ leyſte/
vnd zu handen dem Burg Graffen zu Prag/ oder im fall zur ſelbigen Zeit kein O-
berſter Burg Graff im Leben were/ dem vornembſten Landofficirer nach jhm/ ge-
wißlich einhaͤndige/ welche Confirmation/ der Oberſte Burg Graff/ oder der nech-
ſte Landofficirer nach jhm/ auß ſeinen Haͤnden empfangen/ vnnd nach er bey nech-
ſtem Landrecht/ vnnd beyſein der Oberſten Landofficirer/ vnnd Landrechts Bey-
ſitzern/ zu der Landtaffel der Landsprivilegien deponiren ſoll/ alſo daß ſie hernacher/
vermoͤg deß Lands Beſchluß vnd Relation/ ſo deß wegen geſchicht/ zu den Privile-
gien deß Koͤnigreichs Boͤhem/ auff den Carlſtein vberantwortet/ vnd beygelegt
werden moͤgen. An jetzo aber alsbald der Kroͤnung/ ſoll Jhre F. D. verpflichtet
ſeyn/ den Staͤnden deß Koͤnigreichs Boͤhmen einen Revers/ von ſich zugeben/
daß Jhre F. D. in Lebzeiten/ Jhrer Kay. May. als Koͤnigs in Boͤhem/ ſich der Re-
gierung von ſich ſelbſt/ auſſer Jhrer Majeſtaͤt ſonderbarer Bewilligung vnd Be-
ratſchlagung der Oberſten Land Officirer vnd Landrechts Beyſitzern/ E. Kayſ.
May. Rath. deß Hoff. vnd Kammerꝛechts/ auch zweyen Perſonen/ der Perſonen
der Herꝛn Staͤnde/ auß jedem Crayß der Praͤger vnnd Abgeſanden/ auß den an-
dern Staͤtten aber ſechs Perſonen/ ſo mit dieſem Landtag verordnet ſeyn/ keines
wegs anmaſſen ſollen/ biß allererſt nach E. Kayſ. May. toͤdlichen Abgang/ ſondern
Jhre F. D. ſollen an jetzo ein gekroͤnter Koͤnig in Boͤhem genennt/ darfuͤr gehal-
ten/ vnd Jhrer D. der Titel in Boͤhem gegeben werden. Auch vber diß/ da Jhre F.
D. bey Lebzeiten E. Kay. May. der Regierung ſich anmaſſen wolten/ daß auff ſol-
chen fall wir Staͤnde Jhrer F. D. mit keiner Vnderthaͤnigkeit vnnd Pflicht ver-
bunden ſeyn ſollen: mit fernerer Einbringung im Revers/ daß J. F. D. wegen
obbeſchriebener Confirmation der Landsprivilegien/ vnnd deſſen einhaͤndigung
dem Oberſten Burg Graffen zu Prag/ oder dem nechſten Oberſten Landofficirer
nach jhm/ ſolches jnnerhalb vier Wochen/ den nechſten von dem Tage E. Kayſ.
May. Ableiben/ oder nach Eintrettung J. F. D. Regiments/ dem Koͤnigreich Boͤ-
hem zuthun ſchuldig ſeyn.


Vnd weil vor Alters hero bey Kroͤnungen in Boͤhem/ ein gewiſſe Steur
gereicht
[55]Dritter Theil.
gereicht worden/ alſo bewilligen wir dieſelbe/ nemlich ein halb jaͤhrig Jntereſſe vmb
Galli nachkuͤnfftig/ ſolche von vnſern Vnderthanen einzubringen/ vnnd auff
nechſt kuͤnfftige Weyhnachten/ oder ſechs Wochen hernach abzufuͤhren vnd zu-
geben/ welcher Artickel nicht weniger/ als zuvor gebraͤuchlich geweſen/ vnd im
Landſchluß einkommen/ darneben auch wegen der Commiſſion auff Carlſtein/ zu
Erhebung vnd Darbringung der Cron/ vnd anderer bey der Croͤnung gebraͤuchli-
chen Kleynodien/ gewiſſe Verordnung beym Landtag beſchehen ſoll. Vnd die-
ſe/ vnſer aller dreyer Staͤnd deß Koͤnigreichs Boͤhem Bewilligung/ ſo wir auff
E. Kay. May. ſo gnaͤdigſt begehren/ auß vnderthaͤnigſter Lieb/ vnnd gutem freyem
Willen gethan/ ſoll gereichen zu keiner Schmaͤhlerung/ vnd Abbruch deß Koͤnig-
reichs Boͤhem Privilegien/ Begnadigungen/ Freyheiten/ guter Ordnungen/ al-
ten Herkommen/ Gebraͤuchen vnd Satzungen/ jetzo oder kuͤnfftig zu ewigen Zei-
ten/ ꝛc.


Dieſer Schluß iſt in der Landſtuben offentlich abgeleſen/ als vom Oberſten
Burg Graffen die Staͤnd gefragt worden/ obeiner oder der ander darwider was
zu reden hette? Da aber niemand widerſprochea/ ſondern in gemein dieſe Election
approbirt/ hat er Jhre Durchl. Ferdinanden offentlich zum Boͤhmiſchen Koͤnig
proclamirt/ im Namen der H. Dreyfaltigkeit/ Gluͤck/ langes Leben/ vnd friedliche
Regierung/ wie auch dem Land Fried vnd Schutz gewuͤnſchet. Dieſe Gratula-
tion haben auch die Staͤnd widerholet/ vnd der Koͤnig hat den vornehmſten mit
Offerirung ſeiner Gnaden/ die Haͤnd gebotten. Nach geſchehener Erwoͤhlung
geſchahen allerhand Præparatoria zur Croͤnung/ zu welchem Endt den 26. Junij
die Kron vnd Koͤnigliche inſignia von Carlſtein mit 41. Waͤgen/ durch die Boͤh-
miſche Staͤnd abgeholet/ vnd in Prag gebracht worden: welchem nach die Croͤ-
nung den 29. diß jren Fortgang erꝛeichet.


Gleich nach verꝛichter Kroͤnung ſind der Kayſer/ die Kayſerin/ der newe
Koͤnig/ vnd Ertzhertzog Maximilian zu Prag/ mit den geheymſten Raͤhten auff-
gebrochen/ vnd den vierdten Auguſti/ zu Dreßden bey dem Churfůrſten ange-
langt. Der Verꝛichtung halben war die Muthmaſſung/ daß Koͤnig Ferdinand
auch zum Kayſerthumb gelangen/ vnnd daß das Hauß Sachſen/ auff künfftige
Begebenheiten an Oeſterꝛeich halten moͤchte/ wie auch wider den Aber Koͤnig
Friederich Pfaltzgraffen hernach geſchehen iſt. Vnd war ein groſſes/ daß ein al-
ter Kayſer ſampt dem new gekroͤnten Koͤnig zu jhrem Vaſſaln/ der vielmehr
ſchuldig geweſen/ zu Prag jhnen auffzuwarten/ auß dem Koͤnigreich wollen
reyſen.


Nun war noch vbrig/ daß die Hungarn der Boͤhmen Exempel folgeten/ vnd
Ertzhertzog Ferdinanden auch die Hungeriſche Kron auffſetzten: zu welchem End
ein Landtag nach Preßburg außgeſchrieben worden/ (der aber wegen deß jetztfol-
genden Boͤhmiſchen Vnweſens ſich ſchier ſtoſſen wollen/ doch endlich wohl abge-
lauffen) dahin aber Kayſer Matthias wegen vnpaͤßlichkeit deß Leibs/ nicht kom-
men
[56]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
men koͤnnen/ ſondern ſeine Hoffhaltung nach Wien verlegt: welches ein anfang
zu dem Boͤhmiſchen Vnweſen gemacht hat. Dann weil auch droben den Boͤh-
men ein Landtag verſprochen/ vnnd ſehr noͤthig war/ der aber vmb geſetzter Vrſa-
chen willen/ nicht konte vorgehen/ hielten die Evangeliſchen Staͤnde vnd Defen-
ſores
eine Zuſammenkunfft zu Prag/ betreffend ſonderlich die Erhaltung deß
Majeſtaͤtbrieffs vnd Schutz der Religion. Dann nach dem etliche Jahr anhero
in dem Hochloͤblichen Koͤnigreich Boͤhem viel vnerhoͤrte (ſprechen ſie) ſchaͤdliche
vnnd gefaͤhrliche Sachen practiſirt vnnd vorgenommen worden: worauß dann
nichts anders/ als ein allgemeiner Auffſtand/ Verderb vnd Vndergang erfolgen
vnd entſtehen koͤnnen/ jnſonderheit weiln Jhre Kay. May. deren dreyen Staͤnden
ſub vtraque hochwichtige/ lang gefuͤhrte vnd erlittene Beſchwerden/ Klagen vnnd
Drangſalen/ nicht allein nicht abhelffen vnnd abſchaffen wollen/ darumb ſie doch
zum offtermahl ſo wol Schrifft-als Muͤndlich/ jun- vnd auſſerhalb Landtaͤgen de-
muͤhtig gebeten vnd angeſucht/ ſondern auch noch darzu in ſpecie \& privato vor
jhrem Abzug zu Brandeiß gegen einem auß den Herꝛn Staͤnden/ nemlichen
Herꝛn Graffen von Thurn/ ſo viel perſoͤhnlich ſich erklaͤrt/ daß Jhre Mayſt. der
Staͤnden ſub vtraque Beſchwerden/ Klagen vnd Bitten nicht vor rechtmaͤſſig er-
kennete: hette auch zum Beſchluß alle jhre Collaturen dem Ertzbiſchoff zu Prag v-
bergeben/ wolte ferꝛner damit nicht behelliget oder beſchwert ſeyn. Weilen auch
etliche jhre Widerwertigen wegen der Religion vnd anderer Fr yheiten/ viel ſel-
tzame/ heymliche vnd offentliche Thaten ſich vnderſtanden/ auch etliche mit viel
Vnkoſten new erbawte Kirchengebaͤw/ gewalthaͤtiger vnd frefellhafftiger Weiß
eingeriſſen vnd verwuͤſtet/ als weren ſie endlich genoͤhtiget vnd verurſacht worden/
gemelden Landtag vnd Zuſammenkunfft anzuſtellen vnd zuhalten.


Ob nun wol die Staͤnde bey Jhrer Kay. May. vermeynt ſich zuentſchuldi-
gen/ daß nemlich zu dieſer Zuſammenkunfft/ vermoͤg deß Majeſtaͤtbrieffs/ Jtem
der Landsordnung vnd Landtags Beſchluß/ vnd anderer auff gerichten Verglei-
chungen ſie befugt: vnd gar im geringſten wider Jhre Kay. Mayſt ſich nicht ver-
griffen/ ſo iſt doch derenthalben nachfolgend Abmahnungs Schreiben den 11.
Mertz 1618. von Wien auß an die Staͤnd ergangen: Matthias/ ꝛc. Was ſich alſo
bey vergangener Zuſammenkunfft im Collegio/ hochloͤblichſter Gedaͤcht nuß Kay-
ſers Caroli IV. verlauffen/ ſolches haben wir nicht allein auß ewrem Schreiben/
vnd denen darin verſchloſſenen Beylagen/ ſondern auch auß andern vnderſchied-
lichen Orthen vnd Berichten gnaͤdigſt verſtanden: vnnd befinden/ daß ſolche Zu-
ſammenkunfft wider vnſere Kay. vnd Koͤn. Perſon außgeſchrieben worden/ in de-
me die Vrſach in beſagtem Einſchluß/ die von newem erbawte Kirch in der Statt
Cloſtergrab ſo dem Ertzbiſchoff zu Prag vberantwortet/ auch die Straff der vn-
gehorſamen Cloſter Vnderthanen/ auß der Statt Braunaw geſetzt wird/ welches
alles auff vnſere eygene gnaͤdigſte Anordnung beſchehen iſt. Fuͤrs Ander/ daß ſie
weiter/ dann jhnen der Majeſtaͤtbrieff/ vnnd die darauff zwiſchen beyden Theilen/
als
[57]Dritter Theil.
als ſub vna vnd ſub vtraque Verwandten getroffene Vergleichung zulaͤſt/ greif-
fen thun: in dem ſie ſich frembder Vnderthanen/ in vnbillichen Sachen/ vnd wider
vnſere Reſolution annehmen/ vnnd derſelben wider vns außdrucklichen Vnge-
horſam vnd Auffſtand vertheydigen/ vnnd jhnen hierin Staͤrckung geben wollen.
Bey welcher Zuſammenkunfft dann in gemein außgeſprengt/ wie nicht weniger
in jhren Citationen zum theil geſetzt worden/ als wann jhnen ſolche Vergleichung/
vnd Majeſtaͤtbrieff zunichten gemacht wollen werden/ vnd daß etwan Kriegs-
volck ins Koͤnigreich Boͤhmen einziehen ſolte. Dardurch wir nun bey dem ge-
meinen Volck/ als dieſer Sachen vnkuͤndigen/ in abweſen vnſer/ in ſchaͤdlichen
vnd boͤſen Verdacht/ bey vnſern lieben getrewen Vnderthanen aber in Mißgunſt
gezogen/ vnd darauß allerley ſchwere vnverſehene Tumult vnd Vnheyl/ in vnſerm
Koͤnigreich Boͤhmen mit gewaltigem/ vnd vnwiderbringlichem aller Einwohner
Schaden verurſacht werden koͤnnen: deſſen wir vns wider etliche Perſonen/ ſo deſ-
ſen vrſach/ keines wegs verſehen hetten/ ꝛc.


Hierauff ſind die Staͤnde fortgefahren/ einen Tag angeſtellt/ vnd den 20.
Tag May ein Ermahnungs Schreiben/ wegen jhres Vornehmens an alle Evan-
geliſche in Boͤhmen laſſen außgehen/ vnnd dann den 23. die Herꝛn Staͤnd nach
Hoff/ jeder mit bey ſich haben dem Knecht/ mit zween Piſtolen/ ins Schloß gerittẽ/
vnd vor den Oberſten Herꝛn Landofficirern/ jhre Beſchwerden vorgebracht/ Be-
ſcheyd angehoͤrt/ ab- vnnd eingetretten. Vnnd nach dem Herꝛ Oberſter Burg-
Graff neben Herꝛn Poppel Kreutzherꝛn/ vnd groſſen Prior bey vnſer lieben Fra-
wen/ ſich jhres Gefallens ziemlich accommodirt/ entgegen Herꝛ Schlabata Ober-
ſter Landhoffrichter/ vnd Herꝛ Schmiſantzky/ etwas Widerpart gehalten: als ha-
ben die Staͤnde die erſten zween beyſeits begerth/ vnd hierzwiſchen Herꝛn Schla-
bata vnd Herꝛn Schmiſantzky/ neben dem Secretario/ M. Philippo auß der Can-
tzeley durchs Fenſter in Graben/ ſo ein groſſe Hoͤhe/ herunder werffen laſſen: wie ſie
dann von einem gantzen Jahr hero/ ſich offentlich vermeſſen gehabt/ wer nur wider
den Majeſtaͤtbrieff/ das geringſte vornehmen oder reden ſolte/ ohn Vnderſcheyd
vnd Beobachtung einiges Rechtens oder Reſpects/ nach deß Koͤnigreichs Ge-
wonheit/ ernſtlich vnd euſſerſt abzuſtraffen. Die außgeworffene ſind aber alle drey/
durch Gottes Schickung beym Leben blieben/ daruͤber dann im Schloß/ ein groſ-
ſer Tumult vnnd Schrecken ſich erhoben. Theils Staͤnde/ vnnd ſonderlich der
Graff von Thurn/ ſind alsbald in die Altſtattgeritten/ den Leuthen zugeſprochen/
nichts anzufangen/ noch ſich zubefoͤrchten/ es ſolt niemand nichts beſchehen/ was ſie
gethan/ wuͤſten ſie wol zuverantworten/ wie ſie dann alles Schrifftlich an jhre
Majeſtaͤt wolten gelangen laſſen. Nach Stillung deß Volcks/ haben die Staͤn-
de den Oberſten Burg Graffen nach Hauß begleytet/ vnd jhnen die Thorſchuͤ-
tzen/ ſampt dem Schloßhauptman/ neben den drey Prager Staͤtten ſchweren laſ-
ſen. Foͤrters kamen die Staͤnd taͤglich in die Landſtuben zuſammen/ denen in
die achtzig Muſquetirer/ ſo mit Trommel vnd Pfeiffen auff- vnd abgefuͤhrt wur-
Dritter Theil. Hden/
[58]Germaniæ perturbatæ \& Reſtauratæ
den/ auffgewartet. Auch verbunden ſie ſich zuſammen/ wider Gottes/ jhres Koͤ-
nigs/ dann jhrer ſelbſt Feinde/ vnd Widerwertige deß Majeſtaͤtbrieffs zuſtreiten/
auch Leib vnd Guth bey einander auffzuſetzen. Sie gaben auch in Druck ein klei-
ne/ vnd ein groſſe Entſchuldigungs Schrifft/ auß was vnvermeidlichen Vrſa-
chen ſie ein Defenſion Werck anſtellen muͤſſen: vnnd hiermit giengen jhre Geſan-
den/ zu den Fuͤrſten vnd Staͤnden in Schleſien/ Maͤhren/ Laußnitz/ vnd andere
Landen dieſen Verlauff zuberichten/ vnd vmb Huͤlff/ wo ſie deren benoͤhtigt/ ver-
moͤg der auff gerichten Confoͤderation/ zu ſollicitiren. Vnd bald hernach/ auff
den 9 Tag Junij/ wurd ein offentliches Patent außgelaſſen/ daß die Jeſuiter/ de-
nen man alle Schuldt deß Mißtrawens/ vnd der Veraͤnderung zu egen wolte/ in
Ewigkeit ſolten auß dem Koͤnigreich Boͤhmen verbannet ſeyn vnd bleiben. Sie
hinderlieſſen aber bey beſtimptem Abzug eine Schrifft in Latein vnd Teutſch/ dar-
innen ſie beweiſen wollen/ daß ſie aller Bezůchtigungen vnſchuldig vnd daß mit
jhnen wider alles Recht gehandelt worden. Den andern Geiſtlichen wurd ſon-
licher Schutz gehalten/ wie dann abſonderlich der Graff von Thurn den Bettel-
Moͤnchen/ vnd vor andern den Capuzinern/ alle Tag jhr Deputat an Speiß vnd
Tranckreychen laſſen.


Vnd hie iſt die erſte Vrſach deß Kriegs am Tage: Ob ſchon die Evangeli-
ſche wollen vorgeben/ die Catholiſchen hetten Anno 1616. ſchon geſchloſſen/ ein Ke-
tzerkrieg anzufangen: darumb ſie auch deß folgenden Jahrs eine Verſamblung zu
Wien gehalten/ vnd ſich bedacht/ das Balthiſche Meer/ ſampt den Stroͤmen zu-
faſſen: ein ſecretum Directorium zuſetzen/ darzu Spanien Geldt/ vnd Ertzhertzog
Ferdinand ſeine Perſon ſpedirte: neben Nach forſchung auß dem Geſtirn/ vnd der
Geburtsſtund/ was vor ein Feldherꝛ darzu dienen moͤchte/ wie droben von dem
Hertzogen von Friedland erwehnet worden. Weil man nun nichts anders/ auff
Catholiſcher Seiten hoͤrete/ als Verketzerung der Evangeliſchen: vnd etwan etli-
che Eyferer geſagt ſolten haben/ man werde die Ketzer in kurtzem/ vnd noch in Jah-
res friſt dahin bringen/ daß ſie entweder in den Schooß der Catholiſchen Kirchen
widerkehren/ oder gar auß dem Koͤnigreich ziehen/ ja man werde ehe ein Hirſch
mit guͤldenen Hoͤrnern auff der Prager Bruͤcken/ als einen Ketzer im gantzen Koͤ-
nigreich zuſehen finden: es beſeſſen nun die oberſte Stellen drey Jeſniteriſche hi-
tzige Koͤpff/ vnd hetten andere gute Patrioten außgebiſſen/ darumb müſte man
bey Zeiten zu der Sache thun. Hie ſagen die Evangeliſchen/ ſie ſeyen zu den
Waffen genoͤthiget worden/ gleich wie die Vnion eben dieſes fuͤrſchützet: dieweil
ſie aber das Werck ſelbſt angegriffen/ vnd den erſten Streych thun wollen/ werden
ſte Muͤhe haben/ dieſe Klette von jhrem Rockrein abzureiſſen/ vnd den andern an-
zuwerffen. So iſt dann der Fenſterſprung/ vnd was deme gleich gefolgt/ die er-
ſte Vrſach dieſes Kriegs. Die andere mag ſeyn/ daß Ertzhertzog Ferdinand ver-
ſtoſſen/ vnd Friederich Pfaltzgraff zum Koͤnig angenommen worden. Die drit-
te/ daß Kayſer Ferdinand ein Spruch/ wegen den Geiſtlichen Guͤter gegeben: dar-
umb
[59]Dritter Theil.
umb ſich dann Franckreich vnd Schweden auch eingeflochten/ ob ſie ſchon ein ab-
ſonderliches Abſehen jhres Thuns gehabt. Gleichwohl heiſt es auff Evangeli-
ſcher Seiten/ es hette Kayſer Matthias den Beſchwerden abhelffen: Koͤnig
Ferdinand den vnbeſonnenen Krieg nicht fortfůhren/ ſondern Fried ſuchen/ vnnd
Kayſer Ferdinand den Streit vber dem Geiſtlichen Vorbehalt/ nicht mit den
Waffen/ ſondern auff einem Reichstag hinlegen ſollen. Vnd bleibt nochmalen
darbey/ daß es vmb der Geiſtlichen Guͤter halben zuthun geweſen/ wie die Boͤh-
men ſelbſt bekennen. Dann eben darumb/ erhub ſich der Krieg im Elſaß/ wegen
deß Biſtumbs Straßburg/ eben darumb kamen die Vnirten im vorigen Jahr
in Haylbrun zuſammen/ daß ſie eine Verfaſſung beſtimpten/ im Fall einer oder
der ander ſolte wegen deren Geiſtlichen Guͤtern/ ſo ſie nach dem Paſſawiſchen
Vertrag eingezogen/ vnd jhnen wegen Weltlicher Grundherꝛſchafft zueygneten/
angefochten werden/ die Spitze zubieten.



Der ſiebende Diſcurß.


Wie ein Erbfall in Heſſen den Zwitracht vnder den Proteſtirenden vermeh-
ret: von etlichen Streitſchrifften. Wie Kayſer Matthias weder die Boͤhmen/ noch
die Vnirten zum Frieden koͤnnen bringen/ eine Kriegsmacht auffgebracht/ vnnd
geſtorben. Vom Cometen/ vnd deſſen Bedeutung: nach arth deß Peloponneſichen
Kriegε.


BLeich wie nun alle Catholiſche wegen bekannten Eyfers/ vnnd
Geiſtlicher Pflicht vnder einem Haupt/ welches iſt der Bapſt zu Rom/ al-
le miteinander den Vncatholiſchen abguͤnſtig/ vnd feind waren/ auch
ſich vor denſelben zubefahren hatten/ alſo trachteten ſie/ allerhand Zwi-
ſpalt vnder denſelben zuerwecken vnd zuerhalten/ auff daß ſie die Luͤcken offen
finden/ vnd ohn groſſe Noth einbrechen koͤnten: welches dann ein vraltes Politi-
ſches ſtuͤcklein iſt/ wann man es ſo weit kan bringen/ daß Gegentheil in Neutrali-
taͤten oder Feindſeligkeit zerfaͤllt/ vnd nicht beyſammen bleibt. Eine erwuͤnſchte
Gelegenheit die Proteſtirenden zutrennen/ begab ſich wegen der Guͤlchiſchen Lan-
den. Dann gleich wie die Catholiſche gantz vngern ſehen/ daß jhre Landſchaff-
ten durch Erbfaͤlle/ oder ſonſten/ den Vncatholiſchen heymfallen/ vnnd durch ſol-
che Herꝛſchafften jhrer Religion ein Abbruch geſchehe: alſo vnd nichts weniger be-
trüben ſich die Lutheraner/ wann jhnen ſolcher geſtallt das geringſte abgeht/ vnd
den Calviniſten zuwaͤchſt: wie ſolches in dem Coͤllniſchen Krieg ſich erwieſen/ der
dann auff Catholiſcher Seiten ſo gluͤcklich nicht wer auß geſchlagen/ da die Luthe-
raner ſo wol als die Calviniſten/ Hand anlegen/ vnd vor einen Mann hetten ſte-
H ijhen
[60]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
hen wollen. Jſt demnach der Mißhelligkeit der Gemuͤther/ welche theils auß
brennendem Eyfer der Geiſtlichen/ theils auß hitziger Lieb gegen das Meum \&
Tuum,
ſonſten genannt die Regierſucht oder Ehrgeitz/ entſproſſen/ zuzuſchreiben/
daß der Churfůrſt zu Dreßden/ ſampt allen Saͤchſiſchen Landen vnd Fuͤrſten/ mit
dem Vnionsweſen wollen vnverworꝛen ſeyn/ vnd etwan lieber die Guͤlchiſiche
Landen dem Hauß Sachſen/ als einem andern goͤnnen: zumahl ſelbiger Zeit der
Churfuͤrſt zu Brandenburg auch die Calviniſche Lehr beliebet/ vnd angenommen/
auch nach vnd nach in der Marck eingefuͤhret. So hielte man auch bey Kayſer-
lichem Hoff die Sach in der Waage/ auff daß Sachſen in Erwartung ſelbiger
Lehen/ dem Hauß Oeſterꝛeich zugethan bliebe/ vnd die Calviniſten Huͤlffloß ſtůn-
den: weil ſie zu maͤchtig/ vnd den Lutheranern vber die Achſeln/ ja gar vber den
Kopff wachſen wolten.


Noch begab ſich ein anderer Fall in Heſſen/ als nemblich die beyde Haͤuſer/
Caſſel vnd Darmbſtatt/ vber der Erbſchafft deß abgeſtorbenen Stammes in Wi-
derwillen/ ja offentliche Fehde geriethen/ bey weichem Streit/ die Partheil[ig]keit
der Religion weit vorgedrungen. Dann weil die Caſſeliſche Lini/ ſich der Calvi-
niſchẽ Lehr angemaßt/ vnd eben deßwegen an das Churfuͤrſtliche Hauß Pfaltz ge-
halten/ in Hoffnung/ bey der Vnion/ im Fall es zu keinem offentlichen Krieg auß-
ſchlagẽ ſolte/ ein Ruͤcken zufindẽ: thet die Darmbſtattiſche Lini/ ſo bey der vngeaͤn-
derten Augſpurgiſchen Confeſſion verharꝛet/ nit weniger/ vnd macht ſich bey dem
Churfuͤrſtlichen Hauß Sachſen anhaͤngig: vmb ſo viel beſſer/ vnd mit gutem fug/
weil vor vielen Jahren/ zwiſchen den beyden Chur- vnd Fuͤrſtlichen Haͤuſern
Sachſen vnd Heſſen/ eine Verbruͤderung/ Auff. vñ vbergab getroffen/ dieſelb auch
renovando continuiret/ ernewert vnd geſchweren/ auch von Kayſerlicher Maye-
ſtaͤt confirmiret vnd beſtaͤttiget worden/ der geſtallt/ daß alle vnd jede Fuͤrſten/ ſol-
cher beyder Haͤuſer die angeregte Confraternitaͤt vñ Vbergab/ dabevor vnd jeder-
zeit/ von einem jeden Regirenden Kayſer vnd dem Reich/ nicht weniger/ als ande-
re jhre Fuͤrſtenthumb/ Land/ Leuth/ Graffſchafften/ vnnd Regalia/ zugleich mit zu
Lehen empfahen vnd getragen haben. Da noch weiter verſehen/ diſponiret vnd
geordnet/ daß beyde Chur- vnd Fuͤrſtliche Haͤuſer/ einander auff ſolche Bruͤder-
ſchafft vnd Vbergab alle jhre Mannſchafft/ ſie ſeyen Graffen/ Herꝛn/ Ritter oder
Knecht/ Burgmanne/ Voͤgte/ Ampt- vnd Hauptleuthe oder Burgere/ Land vnnd
Leuthe/ eine rechte Erbhuldigung thun laſſen ſollen/ derogeſtallt/ ob jhre Herꝛ-
ſchafften ohne Leibs Lehens Erben abgingen/ daß ſie alsdann der andern Chur-
oder Fuͤrſtlichen Parthey/ als jhrem rechten Erbherꝛn/ gehorſam vnnd gewaͤrtig
ſeyn ſollen vnnd wollen. Vber diß/ daß keine Parthey hoͤher als vber 30000. fl.
zu diſponiren/ auch ſolche Summ nurhend auß der fahren den Haab zuverma-
chen/ vnnd zulegiren bemaͤchtiget ſeyn ſolle. Nun iſt bekant/ daß das gantze Fuͤr-
ſtenthumb Heſſen von vielen particular Stuͤcken vnd Guͤtern/ die ſeyen Lehen ge-
weſen oder nicht/ zuſammen gebracht/ auch ein corpus indiuiduum, vnnd ein Fuͤr-
ſtenthumb
[61]Dritter Theil.
ſtenthumb darauß gemacht worden/ vnd nunmehr mit allen vnnd jeden denſelben
ſeinen partibus integralibus, von einem Kayſer vnd dem H. Roͤm. Reich Lehen-
růhrig ſeyn/ alſo daß alle Land/ Leuth vnd liegende Guͤter/ im Fürſtenthumb Heſ-
ſen per conuentiones publicas, Vertraͤge vnnd Lehenſchafften/ demſelben incor-
porirt/ auch einerley Arth vnd Natur angenommen haben.


Dieſe Landen hat Landgraff Philipps der Elter vnzertheilt/ vnnd allein be-
ſeſſen/ daruͤber auch Anno 1567. ein Teſtament vnd letzten Willen auffgerichtet/
welchen die vier Fuͤrſtliche Soͤhne/ Wilhelm/ Ludwig/ Philipps vnnd Georg zu-
halten einander zugeſagt vnd geſchworen. Darinnen nicht allein die angeregte
Erbverbrůderung confirmiret vnd beſtaͤttiget/ ſondern auch die Bruͤdere/ auff
den fall derer einer ohne Mannliche Leibs Lehens Erben/ nach dem Willen Gottes
abgienge/ einander ſubſtituirt werden/ dergeſtallt/ daß die vbrige drey dem Abge-
ſtorbenen in ſeinen zuertheilten Landen vnd Leuthen/ wie auch ſonſt in aller Ver-
laſſenſchafft/ ſamptlich ſuccediren/ vnd jhn erben ſolten: welche diſpoſition auff ein
fideicommiſſoriam ſubſtitutionem gerichtet/ daß Vermoͤg derſelben dem jeni-
gen/ ſo ohne Mann Leibs Lehens Erben verfallen wuͤrde/ die vbrige drey Herꝛn Ge-
bruͤdere ſamptlich/ vnnd alſo zu gleichen theilen ſuccediren ſollen: welches alles die
vier Gebruͤdere Fuͤrſten in Heſſen/ als ein pactum familiæ ſamptlichen auff gerich-
tet/ vnd die obgeſagte confraternitaͤt darinnen nicht allein beliebet/ vnd beſtaͤttiget/
ſondern zugleich vorgedachtes jres H. Vatters im Teſtament verordnete ſucceſ-
ſion
vnd ſubſtitutionem fideicommiſlariam zuhalten/ bey geſchwornem Eyd ein-
ander zugeſagt/ die auch auff alle jhre Leibs Lehens Erben vnnd Nachkommen ex-
tendirt,
alſo vnd der geſtallt/ daß nicht allein ſie Gebruͤdere vor jhre Perſonen bey
obangedeuten pactis confraternitatis \& familiæ, deßgleichen dem Vaͤtterlichen
Teſtament/ vnd darinnen verſchaffter ſubſtitution vnnd fideicommiſſo zubleiben
verſprochen/ ſondern ins kuͤnfftig auch Jhrer allerſeits Erben vnd Nachkommen
Fůrſten zu Heſſen/ zu ewigen Zeiten verbunden/ angewieſen vnnd verpflichtet/ ſol-
che pacta der Verbruͤderung vnd Erbvertrags zuſampt angeregtem fideicommiſ-
ſo,
ſteiff/ vnverbruͤchlich vnd vnwiderꝛufflich zu obſerviren vnd zuhalten. Vnd
iſt ſonderlich wol zumercken/ daß im Teſtament auch verſehen/ da ſich vnder den
vier Herꝛn Gebruͤdern/ oder deren Erben vnd Nachkom̃en Fuͤrſten zu Heſſen/ vber
kurtz oder lang/ vmb was Sach willen das were/ Jrꝛungen zutruͤgen/ vnd dahero
einer zum andern Zuſpruch vnnd Forderung zuhaben vermeynte/ vnnd ſich ſelbſt
vntereinander/ oder durch jhre Raͤthe guͤtlich nicht vergleichen koͤnten: daß auff
ſolchen fall die Fuͤrſten/ deren Erben vnd Nachkommen/ dieſelben Jrrungen/
durch den/ im Vaͤtterlichen Teſtament geſetzten Außtrag/ vnverzuͤglich/ vnd ohn
alle gefaͤhrliche Verlaͤngerung eroͤrtern laſſen ſollen vnnd wollen. Vnnd iſt der
Außtrag alſo beſchrieben vnd verordnet/ daß der Klagende theil vier vom Adel auß
ſeinen Raͤhten vnd Ritterſchafft/ die Landſaſſen ſeyen/ vier Rathsperſonen auß
ſeinen ſelbſt/ oder andern ſeiner Herꝛn Bruͤder Staͤtten/ wie daß einem jeden ge-
H iijfaͤllig
[62]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
faͤllig iſt/ vnd einen Gelehrten vom Hoffgericht/ deß gleichen der Beklagte auß be-
ruͤhrten Landſtaͤnden/ vnd dem Hoffgericht auch ſo viel: vnd dann beyde Klaͤger
vnd Beklagte ſamptlich einen Juriſten auß der Vniverſitet zu Marpurg/ jnner-
halb ſechs Wochen/ nach beſchehener deß Klagenden theils Erſuchung/ benennen
vnd erwehlen ſollen: auff gewiſſe Form/ Maß vnd Weiß alles anzuhoͤren/ zuerwe-
gen vnd zuentſcheiden.


Als nun der dritte Bruder/ Landgraff Philipps ohne Leibserben dieſe Welt
geſegnet/ wurde deſſen gantze Verlaſſenſchafft/ vnder die vbrige drey Herꝛn Ge-
bruͤdere gleichlingen vertheilet. Bald hernach ſtarb auch Landgraff Georg zu
Darmbſtatt/ hinderlaſſend drey Soͤhne/ Ludwig/ Philippſen vnnd Friederichen/
Landgraffen zu Heſſen. Weil nun Landgraff Ludwig der Elter/ zu Marpurg/
keine Leibserben gezielt/ vnd gleichwol zu einem hohen Alter gelangt/ auch je biß-
weilen mit beſchwerlichen Zufaͤllen vbereylet worden/ richtet er ein letzten Willen
auff: doch wurd zu Caſſel den 14. Jan. 1604. ein Vertrag gemacht/ daß/ wann der
vnverhoffte Fall zu Marpurg/ mit Landgraff Ludwigen dem Eltern begeben wuͤr-
de/ alsdann die Fuͤrſtliche Erben allerſeits ſtill ſtehen/ nichts mit Occupir- vnd
Einnehmung hinderlaſſener Land vnd Leuthen fuͤrnemen/ ſondern den Sachen/
biß nach verꝛichter F. Begraͤbnuß/ vnd Publicirung deß Vaͤtterlichen Teſta-
ments/ welche nechſtfolgenden Tag/ nach der Begraͤbnuß fuͤr genom̃en/ zu Werck
gerichtet/ vnnd den Jntereſſenten deſſen Abſchrifft zu jhrer Nachrichtung mitge-
theylet werden ſolte/ ein Anſtand geben/ vñ ſich darauff jhres Gemuͤths gegen ein-
ander ſo bald erklaͤrẽ woltẽ. Auch abgeredt/ im Fall nach eroͤffnung deß Vaͤtterlichẽ
Teſtaments/ eins oder anders halber Zweiffel oder Mißverſtand fuͤrfallen wuͤrde/
daß als dann die F. Erben/ wie es ferꝛner darmit zuverhalten/ ſich mit einander
freundlich vergleichen. Vnnd da die Sachen je zu rechtlicher Außfuͤhrung ge-
rahten ſolten/ alsdann ſolcher Proceß nach Außweiſung deß Erb Vertrags ange-
ſtellet vnnd vollführet werden ſolte. Hier auff iſt nun den 9. Octob. 1604. Land-
graff Ludwig der Elter Tods verblichen/ vnd weil er keine Leibs Erben hinderlaſ-
ſen/ durch ein Teſtament die eine Helfft ſeines Erbes/ Landgraff Moritzen zu Caſ-
ſel: die andere denen Landgraffen Ludwig/ Philipps vnd Friederichen zu Darmb-
ſtatt mit dieſem Anhang verſchafft/ daß im Kirchen Weſen keine Veraͤnderung/
der Augſpurgiſchen Confeſſion zuwider vorgehen moͤchte/ bey Verluſt deß Erbes.
Vnd dieſes Teſtament hat Landgraff Moritz acceptirt/ vnd ſich Zuhaltung alles
deſſen jnhalts erklaͤret: Landgraff Ludwig der juͤngere aber wolte ohn fuͤrgehende
deliberation in continenti zu ſolcher Vermaͤchtnuß/ purè \& abſolutè ſich nicht
declariren, weil er noch zur Zeit nicht geſehen/ wie ſich daſſelbe mit den Kayſerli-
chen Inueſtituris, Heſſiſchem Erb Vertrag/ vnd Saͤchſiſcher Verbruͤderung ver-
gleiche. Dann ein anders iſt/ theilen in die Staͤmme/ ein anders/ in die Haͤup-
ter: worin dann der Hauptſtreit beſtehet/ ob nemlich die Caſſeliſche Lini/ ſo nur auff
ein par Augen/ gleich wie die Darmbſtadiſche auff drey par Augen damahls be-
ſtunde/
[63]Dritter Theil.
ſtunde/ ein viertẽ theil/ oder die Helffte/ Darmſtatt aber drey viertetheil/ oder auch
die Helfft an ſich ziehen ſolten: Alſo war ein viertetheil deß Fuͤrſtenthumbs Mar-
purg ſtrittig/ vnd hette ſchier nahe gantz Heſſen verderbet vnd verſchlungen.


Dieweil nun auff Caſſeliſcher Seiten/ man ſich der Clauſul im Teſtament
wollen bedienen/ vnd wegen Widerſprechung/ das gantze Erb an ſich reiſſen/ ver-
ſtund Darmbſtatt zu den Außtraͤgen/ welche aber der Caſſeliſchen Lini die immiſ-
ſion,
auff anſuchen wollen ertheilen: darneben noch vnderſchiedliche Vorſchlaͤge
zuruͤcke gangen/ vnd vnannehmlich geweſen. Die groͤſſeſte Hindernuß war we-
gen der Graffſchafften Waldecken/ Goddelßheim vnnd Gruͤnebeck/ deß gleichen
wegen der Vniverſitet zu Marpurg/ ſo bey geſchehener immiſſion außgeſetzt wor-
den. Gleichwol geſchah die Theylung/ daruͤber Darmbſtatt viel wiſſen einzuwen-
den/ ob der Teſtator befugt geweſen/ ein ſolch Teſtament zumachen/ Ja/ ob nicht
Landgraff Philipps der Eltere der Sachen zuviel gethan: daß die nidergeſetzten
Außtraͤge nicht allerdings qualificiert geweſen/ zu einem ſolchen thun/ vnd daß ſie
jhnen mehr genommen/ als man jhnen nicht auff getragen/ ja das die zween juͤnge-
re Herꝛn Landgraffen gar nicht dar ein gehellen wollen: zumal die auff Darmbſtat-
tiſche Seiten gewiſſene Aempter mit groſſem Schuldenlaſt beſchwert/ vnd alſo
weit geringer weren/ als ſie im erſten Anſchlag geſchienen. Hier wurde hoch an-
gezogen/ daß Landgraff Moritz von Caſſell die Bilder auß der Kirchen geſchafft/
das Brodbrechen bey dem H. Abendmahl/ vnnd die voͤllige Zehen Gebott einge-
fuͤhrt/ auch zu ſolchem End Theologos vnd Profeßores ins Land vnd nach Mar-
purg beruffen: vnd ſolte dem nach das Teſtament gebrochen haben: welches alles an
Kayſerlichen Hoff gelanget/ darwider aber Caſſell excipirt/ mit vorgeben/ das
Fürſtenrecht laſſe die Mißverſtaͤnde in den Fuͤrſtlichen Haͤuſern nicht nach Hoff
evociren: So hette ſich der Kayſer deß Religionsweſens gantz begeben vnnd mit
den Augſpurgiſchen Confeſſions Verwanten nur auff gewiſſe maß ſich deßwegen
verabſchiedet. Es blieb aber dieſe wichtige Sach vneroͤrtert/ vnd verſchoben/ biß
das groſſe Fewer in Teutſchland auffgangen. Landgraff Moritz betrachtete das
Guͤlchiſche Weſen/ die Vnruhe im Elſaß/ vnd verſtunde ſehr wol daß es der mal
eins zu Streichen vnd Kappen kommen werde: darumb haͤngt er ſich an den Fran-
tzoſen/ nam deſſelben Liberey/ vnnd Beſtallung vnder dem Ehrentitell eines Mar-
ſchalcks an/ vnd machte ſich ſolcher geſtallt bey dem Gegentheil/ ja am Kayſerlichen
Hoff ſehr verdaͤchtig/ als der bey dem Guͤlchiſchen Weſen/ darauff die Kron
Franckreich von vndencklichen Jahren ein Abſehen gehabt/ nicht wenig hoffen/ o-
der foͤrchten konte. Doch bemuͤhete er ſich euſſerſten Fleiſſes/ die Prætendenten
dahin zubewegen/ daß ſie auff gruͤnd vnnd endlichen Vergleich der Laͤnder inte-
rims Weiß beſitzen/ beherꝛſchen/ vnnd nutzen ſolten: angeſehen ein Sequeſter oder
Verwalter/ den Kayſerliche Majeſtaͤt auß ſeinem Hauß gegeben/ jhme wegen der
Spaniſchen Huͤlff auß den Niederlanden/ auch wegen Kayſerlichem hoͤchſten
anſehen/ zu maͤchtig vnd zu ſchwer fallen wuͤrde. Bey Chur Pfaltz bildete er ſich
ein/
[64]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ein/ mehr Vorſchub zu dem Rechten/ ſo wol auff Reichstaͤgen/ als an dem Fuͤr-
ſtenrecht: Sintemahl Chur Pfaltz jmmer zu das Wort gefuͤhrt/ vnd vber die exor-
bitantien
der Juſtitz geklagt/ fuͤrnemblich da einiger Stand auß den Proteſtiren-
den einig Recht hatte/ oder vermeynte zuhaben/ als ob die Reichs Abſchiede/ vnnd
der Religionsfried darunder periclitierten: dannen hero auch den Namen bekom-
men/ als wolte er das Roͤm. Reich in ein andere Form gieſſen/ vnd alles auff gut
Calviniſch abfaſſen. Weil nun Chur Pfaltz ſich zum Haupt der Vnion machen
laſſen/ gedachte Landgraff Moritz zu Heſſen Caſſell/ ob gleich von Chur Pfaltz eyge-
ner Macht kein ſonderliche Huͤlff in Noͤthen zu hoffen/ koͤnte dannoch die Vnion
zu ſeinem Beyſtand/ durch gedachte Chur Pfaltz gebracht werden. Man wolte
auch ſelbiger zeit den Caſſelliſchen beymeſſen/ als hetten ſie zu dem Engellaͤndiſchen
Heurath trewlich vnd eyfferig gerahten/ damit ein ſo maͤchtiges Koͤnigreich etli-
cher maſſen verbunden wer/ Hand mit anzulegen/ vnd den Catholiſchen die Spitz
zubieten: zumal jmmer vnvergeſſen blieb/ was Anno 1588. mit der groſſen Fiotha
von Spanien wider die Jnſel tentiret war worden/ mit ſonderlichem erinnern/ de-
ren noch in viſceribus verborgenen Catholiſchen.


Auff Darmbſtattiſcher Seiten wurden nicht weniger/ Helffer vnd Helffers-
helffer geſucht vnd gewonnen. Dann wie Sachſen wegen der Erb Vereynigung
vnd demnach eygenem Jntereſſe/ zu müglicher Huͤlff verbunden/ ſo gab es doch we-
gen verwandelten Stammes der Chur viel Ruͤckdenckens/ da nicht alles Abſehen
auff das Hauß Oeſterꝛeich gerichtet muͤſſen ſeyn. Darumb zwar zu enger vnnd
mehrer Obliga ein Heurath zwiſchen Darmbſtatt vnnd Sachſen angeſponnen
vnd vollzogen worden: weil aber ſolches Band nicht allerdings ſtarck/ als von der
Kunckel genommen/ that Landgraff Ludwig zu Darmbſtatt/ mit wolbedachtem
Rath/ vnd gutheiſſen der Freunden vnnd Goͤnner eine Reyß nach Spanien/ gantz
vnvermerckt/ vnd brachte herauß/ was vielleicht Caſſell zu Pariß gefunden/ nemb-
lich jaͤhrliche Beſtallung/ vnnd groſſe Promeſſen auff begebenden Nothfall/ war-
umb es auch eygentlich zuthun war. Man ſtunde ſelbiger Zeit in Hoffnung/
als ſolte Darmbſtatt gar auff die Catholiſche Seiten mit der Religion tretten/
wie der juͤngere Hertzog von Neuburg gethan. Zumal nach der Widerkehr den
Bapſt zu Rom nit mehr vor den Antichriſt/ auff den Cantzeln auß geſchrien/ noch
die Kirchen Agenda wider den Bapſt vnnd Tuͤrcken gerichtet worden. Auff daß
nun dieſe beyde Haͤuſer Caſſell vnd Darmbſtatt in der Trennung blieben/ wurde
zu Gieſſen ein Lutheriſche Vniverſitaͤt/ wider die zu Marpurg/ ſo nunmehr Cal-
viniſch worden/ auff gerichtet/ bey welcher Occaſion es ein bitter Schulgezaͤnck ab-
geben/ gleich wie vnder den Federfechtern vnd Marxbrůdern. Es ſcheinet zwar
anfangs/ ein ſolch Schulgezaͤnck vnd Federfechten betreffe nicht viel: wann man
aber bedencket/ daß die Gemuͤther/ jnſonderheit bey der ſtudirenden Jugend/ da-
durch bewegt/ eingenommen/ vnd verbittert werden/ welche dann ein ſolch exulce-
rirtes Hertz/ mit der Zeit auff den Predigſtul/ in die Cantzley/ vnd zu dem Rathauß
bringt/
[65]Dritter Theil.
bringt/ erhellet die Wirckung im Werck: wie dann Luthers Anfang von der Feder
kommen. Vmb dieſe Zeiten gab es auch verſchiedene Scartecken vnnd Frie-
densſchrifften/ daruͤber manche Vrtheil allerſeits gefallen. Dann einmal wol-
ten die Calviniſten vnder dem Mantel der Augſpurgiſchen Confeſſion deß Reli-
gion- vnd Prophan Friedens faͤhig ſeyn: dann wolten die Lutheraner ſie nicht dar-
fuͤr erkennen/ verworffen die geſuchte Bruͤderſchafft/ vnd nannten die Calviniſten
jhre Stieff oder Gernbruͤder. Aber auff Catholiſcher Seiten thet ſich ein Vn-
gerß dorff vnd andere herfuͤr/ verhoͤnte der Proteſtirenden Weſen vnd Mißhellig-
keiten: vnnd ſtache gleichwol denſelben/ als ein Privatfeder/ nicht ſo ſehr in die Au-
gen/ als ein Buch Compoſitiopacis, in welchem erwieſen/ daß der Religionsfried
abgetrungen/ vnnd demſelben nach/ von Vnkraͤfften/ ja daß die Augſpurgiſcher
Confeſſion Verwante ſich deſſelben auff vielerley wege verluſtigt gemacht/ vnnd
vergeblich der vngeaͤnderten Confeſſion ſich rühmeten. Es wurde aber gedach-
tes Buch/ auff viel auſchreyen/ vnd verklagen/ auch vnder die Privatſchrifften ge-
rechnet.


Wie nun alles ſolcher geſtallt auff der Schockel/ vnnd in der Waag ſtunde/
lieſſen ſich die Vnirten nach Heylbrun Anno 1617. im Fruͤling verſamblen/ vnnd
antworteten dem Kayſer/ der ſie abmahnete/ wie auch die Liga/ von allen Verfaſ-
ſungen vnnd Buͤndnuſſen abzuſtehen/ vnnd guͤtliche Mittel zum Vergleich nicht
zuverwerffen: die Ligiſten hatten ſich an die Außlaͤndiſche gehengt/ vnd blieben jm-
mer zu vnder dem Bapſt zu Rom/ lieſſen Mandata vnd Executiones, deß Kayſers
Vnwiſſend außgehen/ vnnd eben deß wegen muſten ſie ſich wider einheymiſche
Vnderdruckung/ vnnd außlaͤndiſchen Vberfall verſehen/ blieben doch in den
Schrancken/ vnd theten nichts als jhren Privilegien gemaͤß. Kayſer Matthias
ſuchte auch nicht weniger das auff gehende Fewer in Boͤhem zu daͤmpffen: deme
die Defenſores geantwortet/ der laͤngſt geſchloſſene Fried vnder denen ſub Vna
vnnd ſub Vtraque wuͤrde durch vnruhige Leuth durchloͤchert vnnd vernichtet/ mit
Verketzer- vnnd Vervrtheilung deren ſub Vtraque, auch Verkehrung der Defen-
ſoren,
ſich ſelbſten zu Richtern/ vnd Außlegern deß Majeſtaͤtbrieffs gemacht/ vnnd
deme zu Folge/ die ſub Vtraque verſtoſſen/ vnd vnterdrucket. An welchem Orth
der Streit geweſen/ ob Krafft deß Majeſtaͤtbrieffs die/ zu den Kloͤſtern gehoͤrige
Vnderthanen/ Kirchen zuerbawen/ einig Recht hetten. Dann als die Statt
Braunaw eine Kirch anfieng zu bawen/ kam ein Kayſerlich Mandat/ mit dem
Baw jnzuhalten/ welches die Defenſores vermeynten/ dem Kayſer nicht ſolte ge-
buͤhren/ ſondern auff einem Landtag muͤſte eroͤrtert werden: vnnd alſo hingegen be-
fohlen/ es ſolten die Braunawer/ wie auch nicht weniger die Cloſtergraber/ zu dem
Ertzbiſtumb Prag gehoͤrig/ mit jhrem Kirchenbaw nur fortfahren/ vnnd ſich das
erpracticirte Mandat nichts jrꝛen laſſen. Bey welcher Begebenheit beyderſeits
die Hitz vnd der Eyfer vorgetrungen. Dann die Cloſtergraber Kirch/ zu welcher
auß dem Reich anſehnliche Stewren geſchehen waren/ wurd eingeriſſen: vnnd
Dritter Theil. Jdie
[66]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
die Schluͤſſel zu der andern in Braunaw dem Abt oder der Cantzley eingelieffert/
neben Verhafftung etlicher Perſonen/ ſo ſich widerſetzig befunden. Defenſores
klagten vber die zum Fenſter hin auß geſtuͤrtzte Kayſerliche Beampten/ als vber
Zerſtoͤrer deß Rechtens vnnd deß allgemeinen Friedens/ welcher vnder denen ſub
Vna,
vnd ſub Vtraque, Anno 1609. getroffen/ vnd am Sambſtag nach Egidij der
Landtaffelinſerirt worden/ die jhre Stellen vnd Aempter/ in welchen ſie ſich befun-
den/ nicht in acht genommen/ ſondern derſelben zu Schmaͤhlerung Jhrer Kayſ.
Mayſt. Authoritaͤt/ ſo wol zu Auffhebung deß allgemeinen Friedens boͤßlich ge-
brauchet: darumb ſie auch/ nach altem Gebrauch/ den Sprung thun muͤſſen: vnnd
ſolte dem Paul Michna/ der jhm/ ſampt den dreyen/ das gantze Regiment vnnd
Verꝛichtung im Koͤnigreich vber die Staͤnde zugemeſſen/ da er nicht Landfluͤchtig
worden/ nicht beſſer ergehen. Darauff dann die drey Staͤnde ſub Vtraque auß
jhrem Mittel/ gewiſſe Directores, Regenten vnd Landraͤhte/ dreyſſig an der Zahl/
die ſtaͤts in den Prager Staͤtten verbleiben moͤchten/ erkohren: Voͤlcker gewor-
ben/ vnnd die Patres Societatis, gleich wie die Tempelherꝛn/ auff einmal auß dem
Koͤnigreich bandiſiret/ jhnen alles Vnheyl in Franckreich/ Engelland/ Hungarn/
vnd Siebenbuͤrgen/ Venedig/ Niderland/ fuͤrnemblich in Boͤhem/ beymeſſende.
Vnnd halff keine Abmahnung/ noch Warnung/ von Kayſerlicher Mayſt. an alle
Staͤnde/ auch deß Roͤm. Reichs/ durch Patenten geſchehen. Darauff dann
eine Kriegsmacht vnder Graff Dampier auß Niderland/ im Namen Jhrer
Kay. May. den gehorſamen Boͤhmen zu Schutz auff gebracht/ vnd in das Koͤnig-
reich gefuͤhrt worden/ wie ſehr auch die Oeſterꝛeichiſche Staͤnde ſich bemuͤheten/
daß dem Vnweſen mit guͤtlicher Verhandlung moͤcht abgeholffen werden Da-
zu dann auch Ferdinand/ gekroͤnter Koͤnig ins Mittel getretten/ vnnd ſelbſt/ oder
durch Chur Sachſen eine Jnterpoſition angebotten vnd geſucht: aber vergeblich/
weil die Directores den Graffen von Manßfeld zu einem Feldherꝛn angenom-
men/ vnd durch deſſen vnderhabende Macht die Statt Pilſen belaͤgern/ vnd vber-
waͤltigen laſſen: zumahl das Mißtrawen vberhand genommen/ daß auch die aller-
beſte Fuͤrſchlaͤge nur vor Fallſtrick erachtet/ vnd verachtet geblieben/ wie dann auch
in Zweiffel gezogen wird/ welcher Meynung die zu Rottenburg auff der Tauber
verſamblete Vnirte Staͤnde/ vnder dem 3. Oct. 1618. an Kayſerliche Majeſtaͤt we-
gen deß Boͤhmiſchen Weſens geſchrieben/ ob ein Ernſt zum Vertrag/ oder ein
heimlicher Schrecken darunder verborgen gelegen. Der Graff von Thurn fuͤhrt
ein Heer abſonderlich/ vnd zog in die Oeſterꝛeichiſche Laͤnder/ dieſelben zum Auff-
ſtand zubewegen/ oder von der gegen Verfaſſung abzuhalten. Alſo wolt es auch
in Schleſien vnd Maͤhren wancken.


Vnd hie fiele zu bedencken/ ob nicht die Staͤnde ſub Vtraque zu viel gethan/
daß ſie wegen etlicher Kircken ſo weit gegangen: vnd die Befeſtigung jhres Maje-
ſtaͤtbrieffs lieber mit der Fauſt/ als in der Guͤte ſuchen: allda ſich befunden daß ge-
dachter Brieff endlich vnd gar zu ſtuͤcken vndtruͤmmern worden. Zuverwunder u
aber
[67]Dritter Theil.
aber auch/ daß Kayſer Matthias/ eines ſo gar friedfertigen Gemuͤths/ in ſeinem
hoͤchſten Alter/ ſich zu ſolchen Extremiteten verleyten laſſen/ ſeine nothleidende Au-
thoritaͤt wider zuerlangen. Welches Exempel an Ludovico XI. in Franckreich
ſich auch befunden/ daß er nemblich je laͤnger/ je Mißtraͤwiſcher worden/ vnd aller-
hand Mittel erdacht/ die gantze Welt zubereden/ daß er noch friſch vnd vermoͤglich
were/ vnnd im Alter nichts abgenommen hette. Darumb er auch auß feiꝛnen
Landen frembde Thier bringen/ ſeinem Namen einen groſſen Hall zugeben/ vnnd
in Verwaltung ſeines Koͤnigreichs nicht bald etwas einreden laſſen/ als verſtuͤn-
de er die Sachen nicht wie ſonſten/ oder weniger als ſeine Raͤhte. Gewiß iſt/ daß
das Alter ſein Vnpaßlichkeit am Leib empfindet/ vnd in Ohnkraͤfften muß anſte-
hen laſſen: aber hingegen ein Privilegium nimbt vnd zueygnet/ als wer der Ver-
ſtand durch die viele Jahre/ nur deſto reiffer vnd zeitiger worden: welches aber gar
offt fehlet/ wann nemlich die organa intellectus ſchwach worden/ vnd die operatio-
nes
der Sinnen hindern/ oder durch noch anklebende/ wiewollaͤngſt vberſtandene
Kranckheiten verwirꝛen/ wann zumal die Veraͤnderungen deß Gebluͤts/ vnd der
Humorn von ſich ſelbſt heran folgen/ oder durch die reuolutionen deß Geſtirns/
vnd Vmblauff deß Horoſcopi anbrechen. Noch mehr iſt zuverwundern/ daß die
anrainende Staͤnde/ als Sachſen/ Pfaltz vnnd Bayern/ nicht ernſthafftiger zur
Sachen gethan/ dieſem Vbel vorzubuͤgen: da doch kein Bawr auff dem Dorff ſo
traͤge oder geſchaͤfftig iſt daß er nicht alles anſtehen laſſe/ htenlauffe/ vnd Waſſer
beytrage/ wann nicht nur ſeines Nachbarn/ ſondern das allereuſſerſte Hauß im
Flecken anfaͤngt zubrennen: vnd wird bey der gleichen faͤllen aller Neid/ alle Feind-
ſchafft/ aller Widerwill beſeyt geſetzt/ damit ſich einjeder vor ein Biedermann er-
zeyge/ vnnd in gleicher Noth/ ein gleiche Nothuͤlff zuhoffen habe. Was moͤchten
aber die Directores ſich einbilden? ſolten ſie dem gantzen vnnd vereynigten Hauß
Oeſterꝛeich gewachſen ſeyn? wollen ſie dem in die Acht erklaͤrten Manßfeld/ deß
laͤngſt verſtorbenen vnd vermoderten Ziſka Seel/ Mannheit vnnd Gluͤck im krie-
gen beymeſſen/ daß er/ wie jener/ die Macht deß gantzen Roͤm. Reichs hindertreibe?
Sind ſie ſo rein in jhrem Thun? iſt vergeſſen/ was jhre Voreltern vnder Ferdinan-
do I. verkrieget vnnd verlohren? koͤnnen ſie ſich der vmbeſchriebenen Freyheit nicht
laͤnger bedienen? oder wird die Vnion Wunder thun vnd jhnen beyſpringen? ſoll
dann Boͤhmen ein Dummelplatz werden allen Voͤlckern in Europa/ eine Fecht-
ſchul daſelbſt auff zurichten? werden wol die Hollaͤnder Wunder thun/ vnnd jhrer
ſelbſt vergeſſen? ſoll der gantze Septentrion ſich verwenden/ vnnd in dieſen Wald
ergieſſen? vnnd was wird der zwantzigſte/ der zehende/ der fuͤnffte/ der dritte auff ge-
bottene Mann/ ohne frembde Huͤlff/ vnd dieſelbe ohne Geld Mittel/ auch das gan-
tze Weſen ohne Haupt verꝛichten? Nun wol an/ wir ſitzen im Narꝛenſchiff/ vnnd
wollen nicht drauß ſpringen/ ob wir ſchon den Vndergang vor Augen ſehen. Vn-
der deſſen verliehren wir das Haupt im Roͤm. Reich/ in deme Kayſer Matthias/
dieſer Vnruhe/ vnnd argen Welt vberdrüſſig/ zu dem groſſen Hauffen gehet/
J ijden
[68]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
den 10. 20. Mertz 1619. da eben noch einige Hoffnung war/ Sachſen/ Bayern/
vnd andere Staͤnde deß Roͤm. Reichs/ ſo wol der Liga/ als der Vnion Zugetha-
ne/ wuͤrden bey Jhrer Kay. Mayſt. vnd anderſeits bey den Boͤhmen/ was frucht-
barliches intercedendo koͤnnen außrichten. Es muſte aber der Rathſchluß deß
Oberſten Regenten ſeinen Fortgang gewinnen: Europa ſolte/ vnnd fuͤrnemblich
Teutſchland/ ſeinen Vbermuth/ der auß groſſer Sicherheit vnnd vielem Reich-
thumb entſtanden/ buͤſſen/ vnd zur Demuth gebracht werden. Der Himmelzeig-
te eine Ruthen/ nicht von Birckenzincken/ ſondern von Fewrflammen/ welche her-
nach gantz Europam mit Brand vnd Blutvergieſſen verderbet haben. Es erſchie-
nen aber droben am Himmel drey ſehr nach denckliche Werck/ der Donner/ wegen
ſeiner wunderſamen Herkunfft/ vnd vnerforſchlichen Wirckung: der Regenbo-
gen/ wegen ſeiner wunderſamen Schoͤne an Farben: vnnd der Comet/ wegen ſei-
ner ſchroͤcklichen vnd vngewohnlichen Geſtallt/ vnbeſtaͤndiger Bewegung/ vnnd
Verkuͤndigung vieler ſchweren Dingen. Vnnd ſolche Cometen ſind jederwei-
len ſo groß/ als ein gantz Gebuͤrg oder Waldung/ ja wie die Sonne: geſtalltet wie
ein groſſes Haar auff dem Haupt/ ein breyter Barth eines Pferds Schwantz/ o-
der auch wie ein Beſem auß Birckenreiſig. Sie werffen zu Zeiten Stein herun-
der/ zwiſchen zwantzig vnd ander thalb hundert Pfunden/ vnd laſſen ſich ſehen zum
laͤngſten ein halb Jahr/ zum wenigſten/ vier Wochen: wenden ſich gemeiniglich
von Mitternacht durch den Niedergang gegen dem Mittage/ auch etwan von
Mitternacht gegen dem Auffgang: ſtehen bald hoch bald nieder/ huͤpffen von einem
Orth zum andern/ vnd bedeuten nicht bald etwas gutes/ weil die Duͤnſte/ auß de-
nen der Comet erwachſen/ ſich nicht bald alle verzehren/ ſondern im verleſchen ei-
nen Peſtilentziſchen Geſtanck hinder ſich laſſen/ gleich wie ein auß geblaſenes
vnſchlicht Liecht/ daran die Lufft/ vnnd das Gewaͤchs der Erden ja deß Menſchem
Othem angeſteckt vnd verderbet wird. Sonderlich aber verſpürt man auff den
Cometen die Marcialiſche/ Mercurialiſche vnnd Saturniniſche Wirckungen.
Dann wann die Daͤmpffe warm vnd trucken ſind/ nimbt deß Menſchen Leib auch
ſelbige Stuͤck an ſich/ vnd ſamblet viel Gallen: vnd weil die Sitten der Beſchaf-
fenheit deß Leibs nacharten/ entzuͤndet ſich das Gebluͤt/ zu ſchwerem Zorn/ Hader/
Auffruhr vnnd Kriege. Vnd aber Hohehaͤupter an Hitz Vberfluß/ vnd duͤnne
Geiſter haben/ welche dannenhero leichtlich anzuſtecken ſind/ werden ſolche ge-
ſchwind zum Zorn gebracht/ fallen in vnverſehene Kranckheiten/ vnnd erwecken
nach jhrem Todt/ wer jhre Land vnd Leuthe beherꝛſchen ſolle/ viel Krieg vnd Ver-
aͤnderungen. Wie auch Mercurins vnbeſtaͤndig/ luͤgenhafft/ meynaidig vnd be-
trogen iſt/ alſo bringt ein Mercurialiſcher Comet keine andere Roͤßlein. Satur-
nus aber iſt boßhafftig vnd gehaͤſſig/ macht auch durch ſein Cometen ſolche Leuth:
zum wenigſten bezeugt die Natur dieſer geſtallt/ wie die Menſchen ſelbiger Zeit ge-
ſinnet ſeyen. Dann dieſe Zeichen predigen vns was ſonderliches/ weil ſie den ge-
meinen ſtrich der Natur nicht halten. Vnnd wer wolte den Meiſter an ſeinem
Werck
[69]Dritter Theil.
Werck nicht loben. Es wird vns aber auch deß Allerhoͤchſten Clementz neben
dem Zorn/ in dem blawen Spiegel deß Himmels alſo vor die Augen geſtellet:
dann wann Gott ein Statt oder Land will ſtraffen/ warnt er daſſelbe/ auff daß ſie
an deß Himmels Sternen/ als an den Augen deß Schoͤpffers/ Gottes Zuneyge
gegen vns vernehmen: ſchrecket vns aber auch darneben mit ſolchem Vngeheur/
von Suͤnden abzuſtehen. Wann aber auch Satan der Fuͤrſt in der Lufft durch
Gottes Verhaͤngnuß ſolche Bilder macht/ iſt er zwar als ein ſehr gewaltiger
Feind keines wegs zuverachten oder gering zuhalten/ ſondern es moͤgen der Men-
ſchen Hertzen/ deſto jnbruͤnſtiger zu deme ſchreyen/ der jhm ein Ring in ſeine Naſe
legen/ vnnd jhn mit Ketten der Finſternuß binden/ vnnd vnwiederſprechlich ſagen
kan/ hie ſollen ſich legen deine ſtoltze Wellen. Vnd wann die Cometen ſo offt er-
ſchienen/ als der Mond ſein Geſicht veraͤndert/ oder jmmer einerley weren/ gleich
wie die Sonne/ wuͤrde ſich niemand darüber verwundern/ oder entfetzen.


Dieſer Comet aber/ lieſſe ſich zu End deß Novembris im vorigen Jar ſehen/
im Zeichen der Waage/ diſſeits der Gleichlini/ bewegte ſich allgemach zwiſchen
den beyden Zeichen/ der Jungfrawen vnnd der Schlangen/ gegen Mitternacht
durchſtrich das Geſtirn Bootes, vnd ließ den Wagenmann zu der Lincken: fuͤgt
ſich endlich zu dem groſſen Baͤren oder Heerwagen/ vnnd henckte ſich an die zween
letzen Stern deß Schwantzes/ vnnd verſchwand an dem letzten/ als ein Fewr/ das
verleſchet. Wann dann bekant iſt/ daß dieſer Comet in der Planeten Straß/
bey dem Mercurio ſich gehalten/ hat er eben deß wegen viel Liſt/ Betrug vnd Kraͤ-
merey bedeutet. Phœbus zog voran/ begleytet mit dem Scorpion/ vnd Schlan-
genmann. Venus die Koͤnigin tratt huͤbſchlich von ferꝛn hernach/ deren auff dem
Fuß der Steinbock gefolget: Jupiter aber mit froͤlichem Geſicht neben Ganyme-
dis
Topff vber lang herein tratte. Diana kam zu letzt/ vnd weil ſie kein Wild mehr
im Wald gefunden/ hielte ſie ſich auff vmb den Mittaͤgigen Fiſch. Sehr ferꝛn
hernach kam der hinckende Steltzfuß/ hielt den Stier bey den Hoͤrnern/ vnnd ge-
dachte jhm das Joch auffzubinden. Vnnd eben ferꝛn hernach wolte Mars ſeine
Kuͤnheit er weiſen/ vnnd den Loͤwen vberfallen/ vnnd neben deß Rieſen Abentheur
eine vnerhoͤrte That verꝛichten. Zum Beſchluß dieſes Auffzugs kroche ein ſchoͤ-
ner newer Stern her fůr am euſſerſten Rand deß Himmels/ ſo lieblich anzuſehen/
als der Abend oder Morgenſtern/ vnder deſſen Stralen ſich Mercurius verdeckt
gehalten/ gleich ſchliche er den andern allen hernach/ jhre Heym lich keiten zuer-
kundigen/ vnd ſie auff der That zuerhaſchen/ biß der Comet ſich gegen Mitter-
nacht verſchlagen/ vnnd den guten Geſellen im Liecht/ vor jedermaͤnniglich allein
vnd in Scham gelaſſen. So hatten vnder der Waage Oeſterꝛeich/ Elſaß vnd
Saphoy/ Wien/ Franckfort/ Speir vnnd Hailbrun was herbes zuerfahren/ wie
auch vnder dem Steinbock/ Sachſen/ Heſſen/ die alte Marck/ Gülch/ Aug-
ſpurg/ Coſtnitz vnd Vlm/ keine Seiden zu ſpinnen. Was mag aber Saturnus
den Stier mit den Hoͤrnern faſſen? Soll es der Polen/ Buͤndner/ Lothringer/
J iijvnd
[70]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnnd Jrꝛlaͤnder Freyheit oder Servitut betreffen? muͤſſen Mantua/ Parma/
Wuͤrtzburg/ Leipzig/ Guiſen/ Manßleben/ vnd das Biſtumb Speir/ auch etliche
Wetter außſtehen? vnd wie kompt der edle Loͤw darzu/ daß ſeine beſte/ namhaffe-
ſte Orth/ als Welſchland vnnd Sicilien/ Prag vnd Coblentz/ Lintz vnnd Krembß/
Mantua vnd Rom/ vnder Martis Grawſambkeit ſollen ſeufftzen? fuͤrwahr es ſoll
noch ein Hercules wider muͤſſen aufftretten/ vnnd doch nicht viel darvon tragen/
außzubeuthen. Vnd was ſoll das Final ſeyn/ als der ſo lang gewuͤnſchte Fried/
den jedermaͤnniglich/ Morgens vnd Abends frewdiglich anblicket/ vnd gleichſam
begruͤſſet: wann nur der falſche tuͤckiſche Mercurius/ nicht vnder dem Mantel deß
Friedes ſo wol verborgen lege/ daß man ſeiner nicht koͤnte wahr nemen. Doch
wiſſe/ Mercuri/ du wirſt beſchaͤmpt da ſtehen/ die Decke ſoll von dir abgezogen vnd
deine Liſtigkeit offentlich bekant werden. Aber du frageſt nicht darnach/ wann
du nur deß Reichs Heimlichkeiten erkundigeſt/ vnnd bey dieſem Actu die End-
ſchafft deß Cometen erꝛeicheſt/ aber der letzte auff dem Theatro bleibeſt/ biß ein an-
der Auffzug an fange/ welches dann geſchicht bey dem newen Trigono, da vielleicht
herunder muß/ was vierhundert Jahr koͤnnen hoch heben/ vnd verlohren gehen/
was eine ſo lange Zeit erſparet vnd ſaͤurlich iſt erworben So ſtreiche hien/ du boͤ-
ſer Comet/ vnnd verloͤſche vber Engelland damit ſie den groͤſten Geſtanck von dei-
ner Boßheit empfinden.


Wir beſinnen vns allhie/ daß im erſten Jahr deß Peloponneſiſchen ein Co-
met vber Griechenland erſchienen/ vnd ſechtzig Tage geleuchtet/ der Krieg aber acht
vnd zwantzig Jahr gewehret: darbey Athen vnd Sparta ſich vor die zwey wieder-
wertige Haͤupter auff geworffen. Die Hauptvrſach deſſelben Kriegs war/ daß
Athen zu maͤchtig worden/ vnd anfing/ andere zuvnterdrucken/ zu groſſem Nach-
theil/ der damals ſchwachen oder verworꝛenen Spartaner. Der Anlaß zu den
Waffen zugreiffen wurd genommen zu faͤlliger weiſe/ weil die Athenienſer denen
zu Corfu Huͤlff geſand: jhre abtrinnige Statt Potiday mit Gewalt wider erobert/
welche vnnd dergleichen Strittigkeiten nach jnhalt der freyen Staͤtte Abſchieden
hetten ſollen in der guͤte/ vor der gantzen Verſamblung mit Recht vertragen
werden. Auch brachte man auff die Bahn/ die zu Aegina weren wider gemeine
Freyheit bedrangt/ vnd denen zu Megara alle Commercien/ weil ſie ein Geiſtlich
Gut/ oder Hayn angegriffen/ vnd gemein gemacht hatten. Wie nun vmb dieſer
Vrſachen willen/ auß gemeinem Schluß der Krieg den Athenienſern angekuͤn-
digt ward/ verhalßſtarꝛigte ſie Pericles, jhr Haupt im Regiment/ weil dieſes zwar
ein geringes begehrẽ ſcheinte/ aber ein mehres nach ſich fuͤhrte/ zur Prüfung/ ob ſie
auch Zaum vnd Gebiß koͤntẽ tragẽ/ vñ ſich von den Spartanern wolten reiten laſ-
ſen/ oder viel mehr jhre Hochmoͤgenheit bezeugen/ vnd einige Gegenverfaſſung an
die Hand nemen. Wann wir dann diefen Teutſchen Krieg betrachten/ ſo findet
ſich der Neid allenthalben/ vnnd daß jede Parthey ſolte wider die Reichs Abſchied
gehandelt haben/ wie offters erwehnt iſt worden.


Der
[71]Dritter Theil.

Der achte Diſcurß.


Wie das Vnweſen in Boͤhmen fortgangen: Koͤnig Ferdinand Roͤm. Kayſer/
vnnd Pfaltzgraff Friederich Boͤhmiſcher Koͤnig worden/ aber nicht lang geblieben.
Wie der Kayſer ſein Koͤnigreich Boͤhmen wider in ſein Gewalt vnnd Gehorſamb
gebracht: auch ein Reichstag nach Regenſpurg außgeſchrieben.


KAyſer Matthias iſt todt/ Koͤnig Ferdinand ſoll die Regierung an-
tretten/ erwirbt zu ſolchem ende Ertzhertzog Albrechts Vollmacht vnd
Ceſſion, erbieth ſich den Boͤhmen jhre Privilegien zu confirmiren/ wann
ſie nur die Waffen niderlegen/ vnd jhr Eyd vnd Pflicht betrachten wolten:
wird aber auff den auß geſchriebenen Landtag verſchoben. Jn deſſen beklagen
ſich die Boͤhmen/ Koͤnig Ferdinand hette die von jhnen entſetzte Perſonen wider
in jhre vorige Aempter geſetzet/ vnnd zu vor nicht drůber erkennen laſſen/ ſondern
dadurch angedeutet/ daß er gedaͤchte es fortzuführen/ wo es Kayſer Matthias ge-
laſſen: zumal die Kriegs voͤlcker liegen blieben/ ja noch andere an ſich zogen/ denen
der Paß durch das Bayriſche Gebiet gegoͤnnet worden/ vnd die Werbungen in
Jtalien/ Niederland vnd gantz Teutſchland ſehr fortgiengen. Sie hatten aber
kein andern Troſt/ als daß die Directorn in Maͤhren vnd Schleſien ſich etwas ey-
ſerig erzeigt/ vnd der Graff von Thurn die Nieder Oeſterꝛeicher zur Verbündnuß
noͤthigen wollen. Auch daß Bethlehem Gabor Fuͤrſt in Siebenbuͤrgen/ ſich mit
jhnen verbunden/ vnd mit Voͤlckern in Hungarn gienge: deme ſie vnder anderem
hefftig geklagt/ daß Koͤnig Ferdinand mit dem Hauß Spanien eine hochſchaͤdliche
Verbuͤndnuß hette getroffen/ wann er ohne Maͤnnlichen Saamen todsverfah-
ren wuͤrde/ als dann die Koͤnigreiche Hungarn vnd Boͤhmen/ mit derſelben ein-
verleibten Provintzen/ den Spaniern erblich heymgefallen ſeyn ſolten. Ja/ Koͤ-
nig Ferdinand hette ſich der Kron verluſtigt gemacht/ weil er die vbergebene vnnd
beaͤtdigte Reverſalien nicht gehalten. Vnd ſcheinet gantz wahr ſeyn/ daß ſie bey
dem Tuͤrcken vmb Schutz angeſucht/ weil hernach jhr new erwehlter Koͤnig eine
anſehnliche Bottſchafft an die Porta geſandt hat.


Noch fiel ein andere Beſchwernuß vor/ ob nicht Koͤnig Ferdinand moͤchte
die Kayſerliche Kron/ vnd alſo alles Anſehen vnnd huͤlffliche Gewalt erlangen.
Sachſen entſchuldigt ſich/ daß Chur Maintz den Koͤnig Ferdinand zum Wahltag
beſchrieben/ ſtuͤnde demſelben zuverantworten: wolte jhm aber nicht gebuͤhren/ ein
ſo hochwichtige Frag/ ob die Chur am Land/ oder auff der Perſon haffte/ ohne zu-
thun ſeiner Collegen/ zueroͤrtern. Jn Summa/ das Churfuͤrſtliche Collegium/
faͤhrt fort/ vneracht der Boͤhmen einwenden/ vnd wehlet Ferdinanden Koͤnig in
Boͤh-
[72]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Boͤhmen vnd Hungarn/ zum Roͤmiſchen Kayſer/ daß er den 30. Auguſti 1619.
auch in Franckfurt am Mayn gekroͤnet ward. Dann derſelbe ließ ſich wenig an-
fechten/ deß es in Boͤhmen/ auff ſeiner Seit nicht allerdings wol ſtunde/ weil ſeine
bey de Feldherꝛn Bouquoy vnd Tampier einander nicht wol verſtunden/ Wallen-
ſtein die Marggraffſchafft Maͤhren von der Verbuͤndnuß nicht koͤnnen abhalten/
vnd ſein eigen Schreiben bey dem Fuͤrſten zur Lignitz in Schleſien/ wie auch in
der Lanßnitz nichts verfangen wollen: ja daß der Graff von Thurn die Statt
Wien belaͤgerte vnd die Vorſtaͤtt jnnen hatte (davon er gleichwohl abſtehen muͤſ-
ſen/ als Bouqnoy den Manßfeld geſchlagen/ vnd etliche veſte Orth in Boͤhmen
vberwaͤltiget) vnd ſahe auff das Hauptweſen/ wie er die Kayſerliche Kron erlan-
gen moͤchte. Welches jhm auch endlich gelungen/ ob ſchon Chur Pfaltz ſeine
Stim auff den Bayrfuͤrſten gerichtet/ vnd in der Wahl mit Chur Sachſen nicht
allerdings wol verfahren/ die zwifache Commiſſion/ ſo auff gewiſſe Begebenheiten
gerichtet geweſen/ vnzeitig eroͤffnet/ vnnd Chur Sachſen darmit nicht wenig vor
den Kopff geſtoſſen/ daß die Wahl auff Koͤnig Ferdinanden/ mit vnd wider Wil-
len gefallen. Dann die Ligiſten vnnd ſamptliche Catholiſche ſahen der Zeit kein
ander Haupt/ welches den Vncatholiſchen/ ſo ſich in den Niderlanden/ in Bohem
vnd Oeſterꝛeich/ wie auch in Oberland/ maͤchtig vnd muthig erzeigten/ moͤchte ge-
wachſen ſeyn/ als eben das Hauß Oeſterꝛeich vnnd auß demſelben dieſen Ertzher-
tzog Ferdinanden/ der die beyde Koͤnigreich erhalten/ mit Spanien zu aller Noth-
hůlff ſich auff ein newes verbunden/ den Bapſt allen Gehorſam geſchworen/ in ſei-
nen Erblanden ein groſſen Eyfer wegen der Religion erwieſen/ vnd noch den Tag
vor ſeiner Wahl in den Jeſuiter Orden/ mit Geluͤbd/ auch Kleyd getretten/ vnnd
demnach ſein euſſerſtes zu Hindertreibung der Ketzer anwenden/ vnnd Helffers-
helffer auff bringen wuͤrde. Der Hertzog in Bayern war zwar der nechſte nach
Ertzhertzog Ferdinanden/ eines hohen Verſtands vnd Eyfers/ nicht von geringer
Macht/ vnd der Regierung ſehr wol erfahren: aber wegen deß Kayſers Ludwigen
auß Bayern verdaͤchtig/ welcher vber dem Kayſerthumb mit Ertzhertzog Friede-
richen geſtritten vnd obgeſieget. Koͤnden alſo beyde Haͤuſer in offentliche Fehde
gerahten/ vnd den Ketzern ein gut Spiel machen. Auch mochten Saltzburg/ vnd
andere benachbahrte Biſchoff zu ruͤck gedacht haben/ was etwan juͤngſt vorge-
gangen/ vnd wie Bayern jederzeit geſucht/ die Borten ſeines Mantels vmb etwas
außzubreyten/ mehr dann einem vnd anderem recht ſeyn dauchtete: So befand ſich
noch zu Rom/ wie Hertzog Albrecht/ zun Zeiten Ferdinandi I. ſo inſtaͤndig/ vmb
verguͤnſtigung der beyderley Geſtallten/ deß Fleiſcheſſens auff verbottene Tage/
auch der Prieſter Ehe halben/ angehalten/ welches alles dieſer zumahl kluge Her-
tzog vielleicht wider herfuͤr ſuchen/ vnd wegen Weltlichen Nutzes/ nach der groſ-
ſen Herꝛn weiſe/ treiben moͤchte: vnd aber an Ertzhertzog Ferdinanden/ wegen be-
kanten Eyfers/ vnnd offt widererholten Geluͤbdes/ ehe mit einem weiſſen Stab
auß dem Land ins Elend zugehen/ ja ſich ehe in Stuͤck zerhawen zulaſſen/ als der
Vn Ca-
[73]Dritter Theil.
Vn Catholiſchen Vbermuth laͤnger zudulden/ ſondern bey Verluſt aller ſeiner
Herꝛlichkeit/ auch deß Lebens ſelbſten/ zuhindertreiben/ in keinen Wege zubefah-
ren war.


Als nun die Boͤhmen vernommen/ daß jhre Geſanten nicht in die Statt
Franckfort/ weniger zu der Kayſerlichen Wahl zugelaſſen worden/ vnnd daß die
Churfuͤrſten den Ertzhertzog Ferdinanden vor ein Koͤnig in Boͤhmen/ vnnd dem-
ſelben nach/ vor ein Mit Chur fuͤrſten erkenneten/ auch leicht die Rechnung mache-
ten daß die Kayſerliche Kron demſelben wuͤrde heimfallen/ faſſeten ſie eine weit-
auß ſehende vnd gantz gefaͤhrliche Reſolution/ beeileten den auß geſchriebenen Land-
tag vor dem angeſetzten Termin/ vnd verſtieſſen/ ſo viel an jhnen war/ vnerachtet
der Churfůrſten Abmahnen/ vnd zum guͤtlichen Vertrag vielfaltiges Erbieten/
Ertzhertzog Ferdinanden von jhrem Koͤniglichen Thron/ als deß Koͤnigreichs
verluſtigt: wehleten aber zu jhrem Koͤnig Pfaltzgraff Friderichen am Rhein/ in e-
ben denſelben Tagen der Kayſerlichen Kroͤnung/ wie ſie jhme dann vnder dem
3. Sept. ſolches kund gethan/ mit vnderthaͤntger Bitte/ jhrer gantz einhelligen
Wahl ein Genuͤgen zuthun/ vnd das Koͤnigreich anzunemen. Sie hatten zwar
Anfangs auch was Abſehens auff Chur Sachſen/ weil aber daſſelbe Hauß anſehn-
liche Lehen von der Kron truͤge/ vnnd ſolche moͤchte eygen machen/ auch an dem
Hauß Oeſterꝛeich allzu ſteiff hielte/ geſchahen deßwegen wenig Wort: wie auch
wegen Saphoyen/ als zuweit entlegen/ vnd zuſchwach/ ein ſo ſchweren Laſt zutra-
gen. Chur Pfaltz aber wer nahe gelegen/ hette den Schluͤſſel zum Rhein/ Mann-
heim zur Hauptfeſtung gemacht/ vnnd Vdenheim geſchleyffet/ mit guter Corre-
ſpondentz beyder Koͤnigreiche/ Engelland vnnd Franckreich/ auch Verbuͤndnuß
mit der Vnion vnnd den Staden der vereynigten Niederlanden. Vnnd da ein
Vngluͤck vorgienge/ wuͤrden alle Evangeliſche Potentaten/ ſonderlich Engelland
vnnd Franckreich/ denen das Hauß Oeſterꝛeich Schatten machte/ alles wider zu-
rechte bringen. Nun waren auff Chur Pfaͤltziſcher Seiten alte Raͤhte/ die deß
gantzen Hauſes Oeſterꝛeich vbergroſſe Macht zuermeſſen/ vnnd die Erb Vereint-
gung zwiſchen dem Hauß Spanien vñ der Ferdinandiſchen Linien/ auch der Boͤh-
men Vngeſtuͤmme vnd Wanckelmuͤthigkeit/ vnnd vber diß alles die Kayſerliche
Hoheit zuerwegen meynten/ vom Krieg abriethen/ vnd die frembde/ auch benach-
bahrte Huͤlff vngewiß machten/ dadurch alle Erb Laͤnder in die euſſerſte Gefahr
koͤnten gerahten: dieſe aber wurden vor gantz alt vnnd kalt/ kleinmuͤhtig vnnd ver-
zagt gehalten/ die dem Lauff deß Evangelions keine Bahn ſuchten zumachen/ vnd
nach der beruͤhmbtem Teutſchen Freyheit/ als Lebens ſatt/ wenig fragten. Dar-
umb forderte man ſie wenig/ vnnd endlich gar nicht mehr zum Raht. Hingegen
fanden ſich andere/ die da vorgaben/ Spanien hette es nun bald wieder mit den
Hollaͤndern zuthun/ die jhn entweder drunten behalten/ oder in die Pfaltz/ ja gar
biß in Boͤhmen verfolgen würden: So were das Vnionsweſen ſo wol gefaſſet/
daß die Erblaͤnder auſſer aller Gefahr blieben/ vnd ſtuͤnde die Wahl den Boͤhmen
Dritter Theil. Kfrey/
[74]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
frey/ vnd moͤchten zu einem Koͤnig auffwerffen/ wen ſie wolten: auch hette man es
nicht mit dem Kayſer/ ſondern mit einem Ertzhertzogen/ vnnd vermeynten Chur-
fuͤrſten zuthun. Vnd wann wider verhoffen/ die Catholiſche Staͤnde ſich ſolten
in das Weſen ſchlagen/ wuͤrden alle Malcontenten im Roͤm. Reich/ ſonderlich
aber Caſſel vnd Durlach jhren Eyfer ſehen laſſen/ vnd Hand mit anlegen: zumahl
auch Brandenburg/ wegen der Guͤlchiſchẽ Landen/ ſich muͤſte regen/ vñ mit Macht
verwahren. Als man aber Engelland vmb Raht fragte/ wolte die Sach zu einem
boͤſen Exempel außgelegt/ vnnd ruͤckſtelltg gemacht werden/ wann nicht die Be-
gierd ſelbſt Koͤnig zuſeyn/ vnnd ſich in Koͤniglichen Dienſten reich zumachen/ die
fried- vnnd heylſame Conſilia hindertrieben hetten. Viel anderſt lieſet man in
Gerardi von Roo Jahrbuͤchern/ von Hertzog Albrechten in Bayern/ der die Koͤ-
nigliche Kron in Boͤhmen nicht wollen annehmen/ als man ſie jhm nach Koͤnig
Albrechten todt/ bey den Kindiſchen Jahren Ladißlai/ deß rechten Erben/ an-
getragen. Wie dann auff ſolche abſchlaͤgige Antwort in Bayern Kayſer Fri-
derich dem Boͤhmiſchen Geſanden Staſco/ der jhm zur Vormundſchafft/ ja gar
zum Eygenthumb gerahten/ geantwortet: die weil er ſehe/ daß jhm nit ſo viel Zeit
vnd Ruhe gebuͤhrte/ das Koͤnigreich Boͤhmen nach Notturfft zuverwalten/ hielt
er fuͤr Rathſam/ daß ſie auß jhrem Mittel eine Regierung anſtelleten/ alles nach
Recht vnd Billichkeit zuverwalten/ mit dem Anhang/ daß man alles zuverant-
worten wiſſe. Jn deſſen wolle er daran ſeyn/ daß der junge Koͤnig wol aufferzo-
gen werde/ ohn einiges abſehen/ ſeines beſondern Nutzes. Das Exempel von
Abdolonymo iſt alt/ vñ will zur Fabeln werden/ aber nur bey den Regierſuͤchtigen.
Dann als Strato/ Koͤnig zu Stdon am Meer/ deß geweſenen Monarchen Darij
Lehen Mann/ von dem groſſen Alexander verſtoſſen/ vnd Hephæſtioni verguͤnſtigt
ward/ ein andern Koͤnig zuſetzen/ wolte keiner vnder ſeinen Hoͤfflingen die Kron
annehmen/ weil ſie deß Stammes nicht weren. Darumb ſchickte Hephæſtion
Purpur/ Scepter vñ Kron dieſem Abdolonymo/ der zwar Koͤniglichẽ Geſchlechts/
aber ſo arm/ daß er ſein Garten vor der Statt mit eygener Hand bawete/ alſo daß
er anfangs nichts glauben koͤnnen/ biß man jhm die Kron auff geſetzet/ den Koͤnig-
lichen Gruß vnd Ehr gethan/ vnd alſo volle V [...]erthaͤnigkeit bezeuget: mit dieſem
Bericht vnd Wunſch an den groſſen Alexander/ daß er in ſeiner Haͤnde Arbeit alle
Genuͤglichkeit hette funden/ vnd wann er ſchon nicht reich geweſen/ hab jhm doch
nichts gemangelt: begehrie aber von den Goͤttern/ den Koͤniglichen Stand ſo ge-
ruhig vnd frewdig zufuͤhren/ als wenig jhme die Armuth beſchwerlich were gewe-
ſen. Sein Geſchlecht/ vnd vielmehr Tugend/ iſt außgeſtorben. Dannoch wolte
Chur Pfaltz angeſehen ſeyn/ als thet er nichts auſſer gutem Rath: ſchrieb an den
Hertzogen in Bayern/ vnd wolte deſſen Gutachten wegen Annehmung der Kron/
zu vorderſt vernehmen: erhielte aber ein ſolche Antwort/ die gar nicht den gefaſten
Einbildungen ahnen konde: gleich wie Sachſen antwortlich nur beklagte/ daß
ſein Vorſchlag vnd angebottene Jnterpoſition ſo gar nicht fruchten wollen. Po-
len/
[75]Dritter Theil.
len/ Venedig vnd Saphoy wuͤnſchten nur Fried/ ohne Blutvergieſſen. Wie nun
die Boͤhmen dieſe drey Vrſachen/ warumb ſie den gekroͤnten Koͤnig Ferdinand
verſtoſſen/ vnd nicht mehr vor jhren Koͤnig erkennen wolten/ an Tag gegeben/ die-
weil erſtlich er niemals rechtmaͤſſiger Weiß/ vermoͤg altes Gebrauchs vnnd Her-
kommens/ ſo dann auß Anleytung oder Krafft der Privilegien/ zu einem Boͤhmi-
ſchen Koͤnig erwehlet worden/ ja er ſelbſt nicht erwehlet/ ſondern allein auffgenom-
men/ vnd gekroͤnt zu werden begert hette. Dieweil zum Andern/ ſolche Auffneh-
mung vnd Kroͤnung/ ſo im Jahr 1617. noch bey Lebzetten Kayſers Matthiæ vor-
genommen/ vnd in das Werck gerichtet worden/ mit Liſt vnnd Pracucken zugan-
gen/ in deme man etliche Trewloſe/ dieſes Koͤnigreichs vnd Vatterlands Verꝛaͤh-
ter/ durch Geſchenck vnnd Verheiſſungen zur Handgezogen/ andere aber durch
ſchwere Betrohungẽ darzu genoͤthiget: vñ wern doch gleichwol nichts deſto wemger
mit gewiſſen Bedingungen geſchehen/ welchen wo er nicht nachkommen wuͤrde/
ſolten jhm Staͤnde zu keinem Gehorſamb verbunden ſeyn. Diewei. Drittens/
er gemelten Anhaͤngen nicht nach geſetzt/ ſondern den Eyd/ ſo er den Staͤnden ge-
ſchworen/ vnd die Reverßbrieff/ ſo er den Laͤndern gegeben/ in viel Wege vberfah-
ren: ja das noch mehr/ ſich bey dazumahl noch lebenden Kayſers Matthiæ Zeiten/
nicht allein in die Regierung ſelber eingetrungen/ ſondern auch vor- vnd nach deſ-
ſelben Kayſers Ableiben/ ſich als ein offentlichen Feind der Laͤnder erklaͤrt: vnnd
zwar daſſelbige zuvorderſt zu dieſem End/ damit er die Evangeliſche Religion
in gedachten Laͤndern außrotten/ den Staͤnden deß Koͤnigreichs/ vnnd denen mit
einverleibten Laͤndern die freye Wahl eines Koͤnigs/ wie auch andere Freyheiten/
abnoͤtigen/ vnd ſie vnder das Spaniſche Joch bringen moͤchte. Auff welche wei-
ſe dann er ſich ſelber alles Fugen vnnd Rechten/ welches jhm nach Kayſers Mat-
thiæ toͤdlichem Abgang hette gedeyen moͤgen/ vnfaͤhig/ hergegen aber die Laͤn-
der von beſagter Pflicht quit vnd ledig gemacht hette. Daß nun Cyur Pfaltz die
Kron angenommen/ vnd den 4. Nov. zu Prag gekroͤnet worden/ deſſen legt er die
gantze Vrſach/ auff die Patres Societatis, welche die Proteſtirenden vnderdruͤck-
ten/ vnd alle compactata durchloͤcherten/ dahero die Boͤhmen genoͤthiget worden/
jhren zuvor erwehlten Koͤnig zuverſtoſſen/ vnnd ein andern auß freyer Wahl zu-
kieſen/ durch viel hohe gegruͤndete/ befugte vnnd genugſame Vrſachen. Wann
dann die Sach an ſich ſelbſt Loͤb- vnnd Chriſtlich/ wuͤrde Chur Pfaltz das vnſchul-
dig vergoſſene Blut/ im fall der Verwaigerung auff ſich ziehen. So erforderte
die vralte Erb Vereinigung deß Koͤnigreichs mit der Obern Pfaltz/ eine ſchleuni-
ge Huͤlff/ neben der gemeinen Schuldigkeit/ gegen einem ſo fuͤrnehmen Glied deß
Roͤm. Reichs/ daß es nicht gar verduͤrbe/ oder in frembde Haͤnde geriethe/ ſondern
die Gewiſſens Freyheit vnderhielte/ vnnd die Drangſalen von frembden Kriegs-
voͤlckern abtriebe.


Wie nun der Majeſtaͤtbrieff den Catholiſchen in den Augen wehe gethan/
vnd ſie zu Eyfer verꝛeytzt/ die Außlegung deſſelben nach jhrem Sinn/ vnd Vor-
K ijtheil
[76]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
theil abzufaſſen vnd bey Kay. May. durchzueringen/ alſo haben ſolche proceduren
den Fenſterſprung vnnd gantzen Auffſtand im Koͤnigreich Boͤhmen verurſacht.
Als aber der Pfaltzgraff die Boͤhmiſche Kron angenommen/ vnd die Vnion ſo
ferꝛn an ſich gezogen/ daß dieſelbe auff dem Convent zu Nuͤrnberg dem Kayſerli-
chen Abgeſanden hochtrabend vnnd betrohlich geantwort/ nicht weniger auch an
den Hertzogen in Bayern/ als der Ligiſten Haupt vnnd Feldherꝛn geſchrieben/ es
muͤſten die Grauamina der Evangeliſchen dermal eins mit Schwert vnd Blut er-
oͤrtert werden/ Donawerth wider zum Reich kommen/ das Hoffgericht vnd gantze
Juſtitzweſen eine Reformation leiden/ die Pfaͤltziſche Erblaͤnder vnangefochten
bleiben/ vnd den Bedrangten Rettung widerfahren/ wie ſanfft auch Kayſer Fer-
dinand/ vnd Hertzog Maximilian in Bayern hingegen verfuhren: war die Rech-
nung leicht zumachen/ daß/ wer den Kopff erhielte/ den Barth ſcheren/ vnd dem
Vndenliegenden harte Geſatz vorſchreiben wuͤrde. Dann auch die Ligiſten jh-
res beſten nicht vergeſſen/ vnnd ſich zu Wuͤrtzburg ebenmaͤſſig verſamblet/ ein De-
fenſions Weſen/ wider allen feindlichen Vberfall/ anzuſtellen. Mittlerweil gieng
es in Boͤhmen vnd Oeſterꝛeich auch Hungarn ſehr vbel daher/ daß ein Stein
hette moͤgen erbarmen. Tampier vnd Buquoy hattens mit dem von Thurn vnnd
Manßfeld zuthun/ biß Fuͤrſt Chriſt. von Anhalt Oberſter Feldherꝛ gewordẽ. Der
Humanay in Hungarn brachte den Bethlem Gabor dahin/ dz er vom Jan. 1620.
biß in den September ſelbigen Jahrs ein Anſtand gemacht/ alſo daß die Coſacken
in Oeſterꝛeich koͤnnen durchbrechen: ſo kamen auch zwoͤlff tauſend Spanier heran/
vnd ſolten noch vier vnnd zwantzig tauſend zu Fuß/ ſampt ſechs tauſend Pferden
auff deß Koͤnigs in Spantẽ Sold vnd Speſen: aber 30000. Polacken/ welche der
Koͤnig in Polen verſprochen hatte/ wolten anfangs nicht erſcheinen/ weil die
Reichs Raͤthe ſich darwider ſetzeten. Doch wolte der Frantzoß weder dem Kayſer/
noch den Boͤhmen Huͤlff leyſten/ vnnd legte gleichwol etliche Voͤlcker auff die
Graͤntzen gegen Teutſchland. Der Koͤnig Pfaltzgraff ſahe kein andere Huͤlff/
als vier tauſend Engellaͤnder/ vnnd ein Regiment Hollaͤnder/ mit fuͤnffhundert
Pferden. Doch erſchienen auch vier tauſend Hungarn/ vnnd vermeldeten/ der
Secours von Bethlem Gabor wuͤrde vermoͤg jhrer Verbuͤndnuß alſo bald im
Zug begriffen ſeyn. Den allererſten Stoß bekam der Koͤnig Pfaltzgraff/ daß die
Hungarn vnd Boͤhmen zu Preßburg ſich nicht vergleichen koͤnnen: darnach daß
die Churfuͤrſten zu Muͤlheim in Thuͤringen einen Schluß gemacht/ vnnd denſel-
ben durch jhre Bottſchafft inſinuiren laſſen/ Churpfaltz ſolte dem Kayſer das Koͤ-
nigreich wider abtretten/ vnnd nicht ferꝛnere Vnruhe im Reich erwecken: Zum
dritten/ daß der Kayſer alle vnd jede Staͤnde deß Roͤm. Reichs/ ſich gegenwaͤrti-
ger Haͤndel zuentſchlagen/ abgemahnet: Zum vierden/ daß die Vnions Verwan-
ten zu Vlm/ nach langem Gezaͤnck geſchloſſen/ den Ligiſtiſchen Voͤlckern/ ſo im
Elſaß gegen den Vnirten lagen/ den Paß nach Bayern zuverſtatten: Zum fuͤnff-
ten/ daß der Vnion Feldherꝛ/ Marggraff Joach im Ernſt von Anſpach/ ſich behan-
deln
[77]Dritter Theil.
deln laſſen/ nicht dem Ambroſio Spinolæ/ ſo mit 14000. Mann in Boͤhmen ge-
dachte zuziehen/ den Rhein herunder entgegen zugehen/ ſondern nur den Paß vmb
Franckfurt vnd Oppenheim zuverlegen: Zum ſechſten/ daß die Oeſterꝛeichiſche
Staͤnde dem Bayriſchen Gewalt weichen/ vnnd huldigen muͤſſen: Zum ſieben-
den/ daß Chur Sachſen/ auß antrieb der Geiſtlichen/ vnd Eyfer gegen den Calvi-
niſten/ ſich bewegen laſſen/ in die Laußnitz zufallen/ vnnd Bauditz/ ſampt der gan-
tzen Landſchafft zubezwingen: Zum achten/ daß der Koͤnig Pfaltzgraff das Cruci-
ſtx auff der Prager Schloßbruͤcken/ vnnd die Bilder auß der Schloßkirchen (wel-
ches doch die Boͤhmiſche Calviniſche Herꝛn ſelbſten gethan) verſchaffen laſſen/ da-
durch ein groſſer Widerwill bey Lutheriſchen vnnd Catholiſchen entſtanden/ vnnd
vervrſacht/ daß man kein Baarſchafft mehr beygetragen/ die Soldateſca in Man-
gel/ vnd Vnmuth gelaſſen/ daß ſich endlich alles miteinander auff die Statt Prag
gezogen. Zum neundten/ daß der Koͤnig Pfaltzgraff ſelbſt ſich bey der Soldateſca
nicht beliebt gemacht/ vnnd den Muth ſincken laſſen/ in deme er an den Hertzog
von Bayern eine Muͤndliche Conferentz/ aber all zuſpaͤth/ begehrt: Zum zehenden/
daß er keinen Ruͤckengehabt/ vnnd weder Franckreich/ noch Engelland zu vor mit
ins Spiel gezogen/ auch die jenige Voͤlcker/ ſo wegen deß Gubernaments zu Metz/
auff den Beynen waren/ nicht wollen annehmen/ als Rebellen deß Frantzoſen/
welche aber jhme hernach nicht wenig Schaden auff der andern Parthey gethan.
Wie nun die ſamptliche Voͤlcker ſich auff den weiſſen Berg vor Prag gelaͤgert/
erhielt der Hertzog in Bayern/ vnder dem Kayſeriſchen Feld Oberſten Bouquoy
(dann Tampier war in Hungarn vor Preßburg erſchoſſen worden) vnnd vnder
ſeinem General Leutenant Tylli/ auff Sontag den achten November/ eine groſſe
Victory/ erlegt ſechs tauſendauff der Malſtatt/ erobert zehen ſtůck groben Ge-
ſchützes/ vnd vber hundert Fahnen. Legt ſich alſo bald vor Prag/ vnnd brachte die
drey Prager Staͤtte wider in Kayſerliche Devotion/ nach dem der Koͤnig Pfaltz-
graff den folgenden Tag deß Treffens in hoͤchſter eyl/ auch Gefahr/ ſeine eygene
Voͤlcker moͤchten jhn/ den auß ſtehenden Sold zuerhalten/ greiffen vnnd vberlief-
fern/ war außgewichen/ vnd zu Preßlaw den Staͤnden ein newes Hertz wollen mit
vergeblicher Hoffnung machen/ ob wuͤrde frembder Potentaten Huͤlff vnverzuͤg-
lich heranbrechen/ vnd alles wider zurecht bringen. Die Reyß gieng von Preß-
law nach Berlin/ vnd ferꝛner nach Holland/ auff daß Engelland/ Franckreich vnd
Dennmarck deſto leichter zur Aſſiſtentz moͤchten bewegt werden. Alſo iſt Pfaltz-
graff Friederich Churfuͤrſt/ zu Prag gekroͤnter Koͤnig geweſen/ ein Jahr vnd fuͤnff
Tage. Vor dem Haupt Treffen ſchiene es etwas ſorglich auff Bayriſcher Sei-
ten/ den Feind der ſich nach allem Vortheil vergraben/ vnd mit Geſchuͤtz verwahrt
hatte/ vor der Hauptſtatt/ die allein eine groſſe Macht beſtehen/ auch darſtellen
konte/ vnd mit allem Vorꝛath verſehen war/ anzugreiffen: wann nicht ein Moͤnch/
der Aſtrologj wol erfahren/ von dem Außgang deß Treffens gewiſſen Vorbericht
gethan/ vnnd ſtarcke Hoffnung gemacht hette. Doch machte den Catholiſchen
K iijein
[78]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ein Muth/ daß die Boͤhmen jmmerzu wichen/ vnnd kein andere Haupt Armada
auſſer dieſer konten auffbringen/ hingegen aber die Catholiſchen ſich zu den Chur-
Saͤchſiſchen in der Schleſie/ vnd zu den Kayſeriſchen in Hungarn/ ja gar herauß
ins Reich zu den Spaniſchen am Rhein beziehen/ vnnd wider verſtaͤrcken moͤgen:
zugeſchweigen was Spanien in Jtalien/ vnd den Niederlanden vor ferꝛnere Be-
reytſchafften mehr gemacht hatte. Dann ſelbiger Monarchy kein beſſere Zei-
tung zukommen/ als daß Churpfaltz die Kron Boͤhmen angenommen/ vnnd dar-
durch den Spaniern das Schwert in die Fauſt gegeben/ mit beyfall der ſamptli-
chen Catholiſchen/ in Teutſchland/ vnder dem ſchein vnnd namen der Oeſterꝛei-
chiſchen Hülff/ etwas denckwuͤrdiges zuvnderfangen.


Jn deſſen zog Chur Sachſen auß der Laußnitz nach der Schloſie/ vnd bracht
dieſelbe Landſchafft/ mehr durch Verſicherung der Kayſerlichen Gnad vnd Frey-
heit der Religion/ als durch Gewalt der Waffen/ wider zum Kayſerlichen Ge-
horſam: wie auch Bouquoy vnnd Balthaſar von Marꝛadas ein Orth nach dem
andern in Maͤhren vnder ſich brachten. Von dannen ſie nach Hungarn verꝛuckt/
den Bethlem Gaborn/ der die Hungariſche Kron angenommen hatte/ ebenmaͤſ-
ſig zudaͤmpffen. Noch war das Vnionweſen auff den Beinen/ doch ſolcher ge-
ſtallt/ daß der Feldherꝛ mit groſſem Geld lind gemacht/ ſich keines Ernſtes ge-
braucht/ darumb auch der Printz von Vranien wider nach Holland mit ſeinen
Voͤlckern gezogen/ vnd Obertraut/ der Teutſche Michael genannt/ vbel angeſehen
worden/ daß er ein Angriff oder Einfall gethan/ vnnd etliche fuͤrnehme Spaniſche
Officirer/ die man wol tractirt/ vnnd mit einem Zehrpfenning vor den gemeinen
Knecht/ wider hienuͤber geſand/ gefangen bekommen. Endlich wurd ein Still-
ſtand zwiſchen den Spaniſchen vnd Vnirten getroffen/ auch eine Zuſammen-
kunfft zu Augſpurg im Febr. deß 1621. Jahrs/ auff Catholiſcher Seiten/ vnnd eine
andere zu Hailbrun von den Vnirten/ vber dem beſorglichen Kriegsweſen gehal-
ten/ biß zu letzt die gantze Vnion ſich im Aprill geendet/ vnd ein jeder Fuchs vorſei-
nen Balg angefangen zuſorgen: doch blieben etliche Vnions Voͤlcker in der
Pfaltz/ dieſelbe zuverwahren/ wie auch auff eine geringe Zeit geſchehen/ in deme
Spinola ein Anſtand gemacht/ wegen deß verfloſſenen Treves in den Niederlan-
den mit Ertzhertzog Albrechten Raht zupflegen/ vnd dann auch dem Koͤnig in En-
gelland zugefallen/ der ein Freyherꝛn/ genannt Digby/ in Teutſchland geſandt/
die Feindſchafft vnnd Strittigkeiten/ zwiſchen dem Kayſer vnd Pfaltzgraffen hin
zulegen/ vnd die Pfaͤltziſche Erblaͤnder zuerhaltẽ. Der Graff von Manßfeld/ deß
geweſenen Gubernatorn zu Luͤtzelburg natürlicher Sohn/ verſtund wohl/ daß er
auff kein andere weiſe kond groß werden/ als durch die Waffen: darumb hette er
den Koͤnig Pfaltzgraffen gern in Boͤhmen behalten/ ſuchte die zerſtrewte Voͤlcker
von der Prager Schlacht an ſich zuziehen/ vnnd mit Zuthun deß Bethlem Ga-
born/ den Handel wider auff ein newes anzugreiffen: vmb etwas pickirt vnnd ver-
vnwillet/ daß der Koͤnig Pfaltzgraff das Generalat in Boͤhmen dem Fuͤrſt Chri-
ſtian
[79]Dritter Theil.
ſtian von Anhalt auffgetragen/ auch nicht ſo hoch bekuͤmmert/ wegen einer ſo groſ-
ſen Schlap auff dem weiſſen Berge/ weil er nicht ſelbſt darbey geweſen/ nun aber
deſto groͤſſere Ehr erwerben koͤnte/ wann jhm das Gluͤck bey verdorbenem vnd ver-
worꝛenem Weſen wohl ſolte wollen: Zumahl er nichts zuverlieren/ vnd deſto frew-
diger es hinein wagen moͤchte/ wie es jhm dann in dem Boͤhmiſchen Weſen
manchmahl wohl/ manchmahl vbelgelungen. Er hielt Pilſen vor ſeine Retira-
da/ vnnd graſete vmb ſich/ ſonderlich aber gegen der Obernpfaltz/ theilte Patenten
auß ohne Geldt/ vnnd richtet eine ſchoͤne Armada mit ein hundert Goldguͤlden/ ſo
er allein an Baarſchafft vbrig hatte/ bekam groſſen Zulauff/ vnnd vermeynte bey
den Vnirten zu Hailbrun eine newe Verfaſſung ins Werck zurichten: muſte aber
die Hertzbrechende Zeitung vernehmen/ daß die Statt Pilſen vmb ein ſtuͤck
Gelds vbergangen/ vnd er nunmehr den Fuchsbalg zugebrauchen/ damit er vnge-
ropfft vber den Wald/ auff das flache kaͤme. Dann er lavirte gegen dem Hertzog
in Bayern/ vnnd hoͤrte begierig an/ was man jhm vortrug: wiſchte aber einsmals
durch/ vnd rumorte in der vndern Pfaltz/ biß jhm der Weg nach den Niederlanden/
dahin er ſich durchſchlagen muͤſſen/ gewieſen ward. Noch ſetzte er ſich in Frieß-
land/ vnd wartet auff das Hungariſche Weſen/ aber vergeblich. Er vermeynte
Engelland einzuflechten/ vnnd gab den Frantzoſen an die Hand/ wie ſie von der
Spaniſchen Monarchi vmbzingelt wolten werden/ wann ſie jhrer Nachbarn ver-
geſſen theten. Vnd iſt gewiß/ daß dieſer Fewergeiſt ſein Wunſch erlanget/ nem-
lich eine Armada von zwoͤlff tauſend Mann/ mit zwoͤlff ſtuͤcken grobes Geſchuͤtzes
verſehen/ zufuͤhren/ vnd alſo Kreutzweiß durch ein Koͤnigreich zuſtreichen. Mehr
begehrte er nicht/ damit er ſich wenden vnnd kehren konte nach Belieben/ vnnd wie
ein ſchlupfferiger Ahl durchgehen/ wie er dann gar offt gethan/ biß er in Hungarn
ſtehend ſeinen Geiſt auffgeben. Klug war er vber alle maſſen/ vnd hat zu Pariß
den Modell abgeriſſen/ nach welchem der Cardinal von Riſchelieu hernach die
Saiten geſpannet hat.


Noch eins lag dem Kayſer im wege/ das jhn graͤmete/ weil er vernommen/
daß zu Segenberg/ in deme der vertriebene Koͤnig auß Boͤhmen Pfaltzgraff ſeine
Zuflucht vnnd Sicherheit/ bey den Hollaͤndern ſuchen wollen/ eine Zuſammen-
kunfft im Nieder Saͤchſiſchen Krayß ſich gehalten/ vnd von den Engellaͤndiſchen/
Daͤniſchen/ Schwediſchen/ Churpfaltz vnd Brandenburgiſchen/ Braunſchweigi-
ſchen/ Luͤneburgiſchen/ Holſteiniſchen/ Meckelburgiſchen/ Pommeriſchen/ vnd an-
dern Staͤnden deß Nieder Saͤchiſchen Krayſes/ beneben den Hollaͤndiſchen be-
ſchloſſen worden/ zehen tauſend Mann zuwerben/ vnnd auff allen Nothfall in Be-
reitſchafft zuhalten/ damit ein ſolche Macht mit dem Landvolck vermehret/ die
Laͤnder vor Militariſchem Muthwillen verwahren koͤndte. Es gieng auch das
Geſchrey/ der Segenbergiſche Bund hette beſchloſſen/ den Kayſer zuvorderſt bitt-
lich zuerſuchẽ/ dz er dem Pfaltz graffen der Vralt vaͤtterliche Laͤnder mit Ruhe wie-
der einraume/ vnnd den Spinola von deß Reichsboden abſchaffe/ oder jhren Ge-
walt
[80]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
walt im wiedrigen erwarte. Auch gieng das Maͤhrlein nicht ohne Grund in den
Maͤulern/ weil die beſagte zehen tauſend Mann ſich alſo bald auff dem Muſter-
platz fanden/ vnnd der Kayſer/ wie auch der Ertzbiſchoff zu Mayntz/ deß wegen an
Hertzog Friederich Vlrichen von Braunſchweig beweglich geſchrieben. Vnd
war ſolcher Beyſorg gar nicht von noͤthen/ weil Dennmarck zwar das ſeinige ge-
than/ vnnd ſechs tauſend Mann vber drey Monat/ dem gemeinen Evangeliſchen
Weſen zum beſten (dann alſo giengen die partheyliche Reden) in ſeinem Sold ge-
halten/ aber auch wider lauffen laſſen/ weil nirgend kein Ernſt zuſpüren/ vnnd der
Kayſer allenthalben ein wachendes Aug hatte. Ein Hertzog von Weinmar/ vnd
der Oberſte Kniphauſen vermeynten auch groſſe Fiſch zuſangen/ vnnd wurben
Voͤlcker vor den Graffen von Manßfeld/ alſo daß auch Chur Sachſen die trium-
phirende Armada/ auß Sorg vnd bevorſtehender Noth/ muͤſſen deren Enden ver-
legen/ allem Vnheil vorzukommen. Hertzog Chriſtian von Braunſchweig po-
ſtulirter Biſchoff zu Halberſtatt/ ein vnruhiger Kopff/ bildet ſich ein/ er koͤnde ſich
nun an dem Ertzbiſchoff zu Mayntz/ vñ an dem Landgraffen von Darmbſtatt mit
fuge raͤchen/ fuͤhret 13. Faͤhnlein anfangs/ durchſtreiffet das gantze Land/ wurd in
Weſtphalen vnnd bey Franckfort am Mayn geſchlagen/ thet ſich zu dem Graffen
von Manß feld/ verlohr in einem Treffen ſein rechte Hand/ welche er auff Reichs-
thaler mit einem bloſſen Schwerd praͤgen/ vnd mit dieſer Vmbſchrifft kroͤnen laſ-
len/ Gottes Freund/ aller Pfaffen Feind: als er zu Paderborn den S. Liborium, in
maſſeff Silber/ Lebensgroß/ gefunden/ vnnd auff Soldaten Manier/ in die Arm
genommen vnd gehertzet.


Jn mit tels lieſſe der Kayſer das Halßgericht/ ſo wol vber die noch lebende/
oder verſtorbene Directores zu Prag ergehen/ wie dann ſieben vnd zwantzig derſel-
ben zu Prag durch Henckers Hand ſind hingerichtet worden. Wann nun das
Koͤnigreich Bohmen wider recht gefaſſet/ beſtellet/ vnd auff gezaumet wer/ als dann
folgends auch auff andere Laͤnder ein Aug zuwerffen/ vnnd deren beſtes zugeden-
cken. Auff daß aber die gantze Welt/ vnnd fuͤr andern die Staͤnde deß Roͤm.
Reichs moͤchten ſehen/ was Vnrecht dem Kayſer von den Boͤhmen geſchehen/
vnnd wie vnnoͤthiger weiſe ſich Churpfaltz zu ſo gar weit außſehenden Haͤndeln ge-
drungen/ wurd ein Reichstag nach Regenſpurg außgeſchrieben/ das gemeine
Weſen/ zum allerbeſten zuerwegen/ vnd dem hereinbrechenden Kriegsverderben
zuſtewren: dahin dann auch alle vnnd jede Bitt- vnd Vorſchrifften/ auch Geſand-
ſchafften auß Engelland vnd Dennmarcken/ neben andern/ ſo die voͤllige Einſe-
tzung deß Pfaltzgraffen in ſeine Erblaͤnder ſucheten/ mit gutem glimpff verwieſen:
vnd blincketen nichts deſtoweniger deß Kayſers/ vnnd deſſen Adhærenten/ als deß
Spaniers/ deß Bayerfuͤrſten/ deß Churfuͤrſts in Sachſen/ vnd anderer Helffer/
Waffen allenthalben/ ſo wol in Hungarn/ als am Rheinſtrom/ vnd in Weſtpha-
len/ herfuͤr.


Der
[81]Dritter Theil.

Der neundte Diſcurß.


Wie es noch nicht allerdings ſtill worden/ der Kayſer den Pfaltzgraffen/ ſampt
ſeinem Anhang in die Acht gethan: Vrtheil hievon. Wie Landgraff Moritz zu Caſ-
ſel wegen der Graffſchafft Waldeck in Strittigkeit gerahten. Wie die Reforma-
tion in Boͤhmen auff genommen worden. Von mancherley Translatjonen der Herꝛ-
ſchafften: vnd ſonderlich der Chur Pfaltz.


MJt dem Kriegsweſen ſtunde es allenthalben ſehr gefaͤhrlich/ in de-
me Bethlem Gabor bey etlichen Treffen obgeſieget/ die Bergſtaͤtte in
Hungarn wider eingenommen/ vnd nach dem der Kayſeriſche Feldherꝛ
Bouquoy vor Newhaͤuſel in einem Außfall mit ſechzehen Wunden ge-
fallen/ machte der Kayſer den zweyten Frieden mit jhme/ zu anfang deß 1622.
Jahrs/ auff daß er deſto beſſer anderwertlich koͤnde raht ſchaffen. Jn der vndern
Pfaltz ward die Sach vnderbrochen/ vnnd in Engelland dahin gerichtet/ daß/ ob
ſchon der Koͤnig das Parlamentverſamblet/ vnnd ſich reſolvirt/ ſeinen Tochter-
mann den Pfaltzgraffen durch gůte/ oder mit Macht in ſeine Erblaͤnder wider
einzuſetzen/ iſt ſolches durch gute Wort vnnd Verpetſchierung ſeines Degens in
die Scheyde/ alles auff eine guͤtliche Verhandlung geſtellet worden/ mit deme
Vorwand/ es muͤſte der Pfaltzgraff von allen Buͤndnuſſen abſtehen/ ſeine Voͤl-
cker vnder Marggraff Johann Georgen zu Brandenburg/ ſonſten genannt von
Jaͤgerndorff/ wie auch vnder dem Graffen von Manßfeld/ abdancken/ ſich demüh-
tigen/ vnd der Kayſerlichen Gnad erwarten. Zu welchem ende der Manßfeld/
ſo jhm ein ſehr groſſen Namen gemacht/ vnnd Franckenthal der Belaͤgerung be-
freyt hatte/ ohne viel vermelden/ ob die Vnion der Koͤnig in Engelland/ die Boͤh-
men/ der Nider Saͤchſiſche Kreyß/ Dennmarck oder Franckreich/ die Hollaͤnder o-
der Pfaltzgraff jhn in Beſtallung hielten/ neben dem Marggraffen von Durlach/
den vollen Lauff jhrer Waffen/ auff deß Koͤnigs in Engelland euſſerſte Erinne-
rurg muͤſſen einſtellen vnd abdancken/ in deme der Hertzog in Bayern vor den Au-
gendeß Engellaͤndiſchen Geſanden Digby/ die Oberpfaltz durch Kriegsmacht
bezvungen vnnd eingenommen: doch erhielt Horatius Veer im Namen deß Koͤ-
nigs in Engelland/ etliche Voͤlcker in der Vndernpfaltz/ vnnd legte ſich Seque-
ſtersweiß in Franckenthal/ welcher geſtalt es auch am Rheinſtrom ſtille worden.
Dannoch muſte Manßfeld kriegen/ oder zu nichte werden: darumb behandelte er
ſich mit dem Hertzogen von Bovillion/ den Hugonotten in Franckreich zum be-
ſten/ wurd aber vbel angefuͤhrt/ ſchlug ſich bey Fleuri durch ein Paß/ gieng ſtrackes
Dritter Theil. LFuſſes
[82]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Fuſſes auff die Spanier vor Bergen Obſoom/ vnnd hub dieſelbe Belagerung
auff.


Es konde aber der Kayſer/ wegen dieſes practiciriſchen Kopffs nicht ohne
Sorgen ſeyn/ ob ſchon das Wetter vor ſolches mahl voruͤber/ weil jnſonderheit der
Nider Saͤchſiſche Krayß/ der Koͤnig in Dennmarck/ vnd ſelbige Staͤnde/ etwas
hart an den Kayſer/ wegen gegenwertigen Zuſtandes hatten geſchrieben. Dero-
wegen gedachte der Keyſer jedermaͤnniglich ein Schrecken zumachen/ wann er
mit der Acht vnd Oberacht herfuͤrkaͤme/ vnd ſeine Majeſtaͤt ſehen ließ/ nicht nur
wider den von Manßfeld/ ſondern auch wider den Pfaltzgraffen ſelbſt/ vnd gantzen
Anhang/ fuͤrnemlich wider den von Jaͤgerndorff/ Anhalt vnd Hohenlohe: mit ver-
melden/ daß noch bey Kayſer Matthiæ Regierung das Erb Koͤnigreich Boͤhmen
rebellirt/ vnnd die Sach vor etlichen Churfuͤrſten/ vnder denen auch Pfaltz gewe-
ſen/ nicht wollen außtragen/ wie es der Kayſer damals auß Handen geben wollen:
als nun die Succeſſion auff Jhn Ertzhertzog Ferdinanden/ mit Kroͤnung vnd Be-
lehnung kommen/ wer er auff Schrifftliches gewonliches einladen zu Franckfurt
am Mayn/ als ein Churfuͤrſt vnnd Koͤnig in Boͤhmen zu der Wahl eines Roͤm.
Kayſers erſchienen/ von allen/ auch von den Churpfaͤltziſchen Gevollmaͤchtigten
Raͤhten ſelbſt in allen ſtuͤcken vor ein Mit Churfuͤrſten/ vngeacht der Boͤhmiſchen
Abgeſandten widrigen einſtrewens/ erkant/ vnd einhellig zu einem Roͤm. Koͤnig/ in
Kayſer zuerheben/ erwehlt/ offentlich proclamirt/ vnnd folgends mit gebraͤuchli-
chen Soleñitaͤten gekroͤnt worden. Hette auch den Boͤhmen angebottẽ die Privile-
gien zu confirmiren/ vnd wircklich confirmiret/ vñ dem Churfuͤrſtlichẽ Collegio zu
Franckfurt eine guͤtliche Jnterpoſition geſtattet/ vñ eben deß wegen dẽ Kriegsvoͤl-
ckern ein Stillſtand der Waffen anbefohlen/ vnd der Verꝛichtung auff dẽ zu Re-
genſpurg angeſetzten Vertragstag erwartet/ ohne Sorg vnd Gedancken/ daß bey
ſo geſtallten Sachen/ Churpfaltz die Verſtoſſung deß gekroͤnten Koͤnigs/ vnnd
newe Wahl billichen/ weniger ſich ſelbſt zum Haupt der Rebellen machen/ vnd die
Kron annemen/ oder den Kayſer in ſeiner Reſidentzſtatt Wien angreiffen/ vnnd
noch vber diß mit dem Ertzfeind Chriſtlichen Namens in Buͤndnuß tretten/ auch
nach der Hauptniderlag/ newe Practicken vnnd Gewalt vnnachlaͤſſig vben ſolte:
dadurch der Pfaltzgraff Crimen læſæ Majeſtatis in viel wege begangen/ vnd in die
auff dieſes allerhoͤchſte verbrechen beley digter Majeſtaͤt/ in deß H. Reichs Conſti-
tutionen außgemeſſene hohe Straffen ipſofacto gefallen/ wider die Privilegen
der Kron Boͤhmen gehandelt/ den Religion- vnd Prophanfrieden gebrochen/ auch
ſich nicht abmahnen laſſen/ vnd dardurch in deß Kayſers vnd deß H. Roͤm. Reichs
Acht ipſo facto gefallen/ dadurch derſelbige ohne eintzige ferꝛnere Erklaͤrung/
Krafft der Reichs Abſchieden/ fůr ein Aechter/ jetzt alsdann/ vnd dann als jetzt/ er-
kant vnnd erklaͤret were: erkennet/ erklaͤret vnnd verkuͤndiget jhn alſo/ in ſeiner deß
Reichs Acht/ vnd Oberacht/ auch vorgemelte Poͤn/ Straff vnd Buſſen. Setzet
jhn auch auß ſeiner vnd deß H. Reichs Frieden in den Vnfrieden/ alles von Roͤm-
Kay-
[83]Dritter Theil.
Kay. Macht vnnd in Krafft diß als darauff zu gebuͤhrlicher Execution/ Vollzie-
hung vnd Vollſtreckung gaͤntzlich entſchloſſen: wie dann dem Hertzogen in Bay-
ern die Execution auff getragen worden. Als dieſes in Engelland erſchollen/ ließ
Koͤnig Jacobus dem Koͤnig in Spanien/ welcher das auffnehmen vnnd den ſtei-
genden Gewalt deß Hertzogen in Bayern nicht gern ſahe/ damit derſelbe nicht mit
der Zeit dem Hauß Oeſterꝛeich vber Achſeln vnnd Kopff wachſen moͤchte/ vmb ein
guͤtliche Jnterpoſition wegen deß Pfaltzgraffen erſuchen/ vnerwogen/ daß die
auß gewichene Niderlaͤnder am Rhein vnderſchleyff/ vnd die Hollaͤnder Raht vnd
That zu Heidelberg jederzeit gefunden hetten/ Pfaltzgraff Johann Caſimiren be-
ginnen vnvergeſſen.


Hie gab es mancherleyreden/ nach deme die Paſſiones die Zungen geſchlif-
fen/ ob nicht mit dieſer Acht Erklaͤrung/ auff Kayſerlicher Seit die Capitulation/
vmb etwas were lædirt vnd geſchwaͤchet worden/ deren Wort alſo lauten im 25. vnd
26. Artickel: Wir ſollen vnd wollen auch die Churfuͤrſten/ Fuͤrſten/ Prælaten/
Graffen/ Herꝛn vnnd andere Staͤnde deß Reichs/ ſelbſt nicht vergewaltigen/ ſol-
ches auch nicht ſchaffen/ noch andern zuthun verhaͤngen: ſondern wo wir/ oder je-
mand anders zu jhnen allen/ oder einem jnſonderheit zuſprechen hetten oder eini-
ge Forderung fuͤrnehmen/ dieſelben ſampt vnd ſonders/ Auffruhr/ Zwitracht/ vnd
allen Vnrath im H. Reich zuverhuͤten/ auch Fried vnd Einigkeit zuerhalten/ zur
Verhoͤr vnd gebuͤhrlichem Rechten ſtellen vnd kommen laſſen/ vnd mit nichten ge-
ſtatten/ in denen oder andern Sachen/ in was Schein oder was Namen es ge-
ſchehen moͤcht/ darinnen ſie ordentlich recht leiden moͤgen/ vnd deſſen erbietig ſeind/
mit Raub/ Nam/ Brand/ Fchden/ Krieg/ oder anderer geſtallt zubeſchaͤdigen/ an-
zugreiffen vnd zuvberfallen. Wir ſollen vnd wollen auch fuͤrkommen/ vnd kei-
nes wegs geſtatten/ daß nun hinfüro niemand/ hohes oder nidriges Stands/
Churfuͤrſt/ Fuͤrſt oder anderer ohn Vrſach/ auch vnverhoͤrt/ in die Acht vnd Ober-
acht gethan/ bracht oder erklaͤret werde: ſondern in ſolchem/ ordentlicher Proceß/
vnnd deß H. Roͤm. Reichs vor auff geſetze Satzung/ nach Außweiſſung deß H.
Reichs im Jahr 55. reformirten Kammergerichts Ordnung/ vnd darauff erfolgter
Reichs Abſchied/ in dem gehalten vnd vollzogen werde. Doch dem Beſchaͤdigten
ſein Gegenwehr/ vermoͤg deß Landfriedens/ vnabbruͤchig.


Hierauß wolten deß Pfaltzgraffen Goͤnner ſchlieſſen/ das Koͤnigreich Boͤh-
men wer deß Kayſers eygene vnd Privatſach/ vnd ſolte ein Kayſer ſelbſt vor dem
Pfaltzgraffen zu Red vnd Antwort ſtehen: auch braͤchte das Fürſten Recht mit ſich/
daß der Kayſer keinen Fuͤrſten in die Acht erklaͤren koͤnde/ ohne vorgehende Zu-
ſammenkunfft vnd Bewilligung/ wo nicht der Fuͤrſten/ zum wenigſten der Chur-
fürſten: zumal wann der Kayſer/ vnd die Geiſtliche Churfůrſten auch andere Kay-
ſerliche Hoff Raͤthe verdaͤchtig weren. Es wurd aber auff Kayſerlicher Seit ein-
gewendet/ daß man in bekanten Faͤllen/ auch ohn vorhergegangene Citation ein
Vrtheil faͤllen koͤnne/ vermoͤg Goͤttlicher/ aller Voͤlcker/ Geiſtlichen vnnd alten
L ijBurger-
[84]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Burgerlichen Rechten/ fürnemblich in Landkuͤndigen Sachen/ vnd gebrochenem
Landfrieden/ vnd Rebellionen: wie dann auch die in der Achts Erklaͤrung angezo-
gene Reichs Conſtitution deß Jahrs 1495. gar nicht lauffe wider die andere deß
Jahrs 1555.


Es war auch dieſer Zeit das Hauß Heſſen ſpaltig/ wie droben erwehnt wor-
den/ vnnd weil Landgraff Moritz zu Caſſel ſich befoͤrchtet/ die Spaniſche Macht
moͤcht jhme vber den Halß kommen/ vnnd ſeinem Vettern zu Darmbſtatt das
Recht vber Marpurg mit dem Schwerd zu. vnd anerkennen/ macht er ſich bald an-
fangs auß dem Vnionsweſen/ vnnd bekam dennoch newe Haͤndel wegen deß
Graffen von Waldeck/ wie folgt: Es haben in Jahren 1431. vnd 1438. Otto/ Hen-
rich/ vnd Walrad Graffen zu Waldeck Landgraff Ludwigen von Heſſen/ in gutem
Trawen/ Zuverſicht vnd Glauben zu einem Lehenherꝛn erkohren/ weil ſie vor den
Pattenbergern vnd Hertzogen von Braunſchweig ſich feindlichen Gewalts vnnd
Vberfalls zubefahren hatten/ darumb ſie demſelben jhre vhralte Graffſchafft
Waldeck/ mit aller jhrer Mannſchafft/ Schloͤſſern/ Staͤtten/ Pertinentien/ Rech-
ten vnd Gerechtigkeiten/ ſo viel deſſen in Recht vermocht/ vnd jhnen zuſtaͤndig ge-
weſen/ vnd jhre Eltern vor/ vnd ſie nach/ ingehabt vnd herbracht/ auff getragen vnd
gegoͤnnet/ dergeſtallt vnd alſo/ daß von ermelten Fuͤrſten von Heſſen/ die Graffen
zu Waldeck nun ins kuͤnfftige ſolche jhre Graffſchafft in Qualitaͤt eines rechten
Erb Mann Lehens haben/ verſtehen/ vnd empfangen: die Fuͤrſten von Heſſen auch
geſagten jhren lieben Oheimben ſolche Lehen/ da ſie zu rechter Zeit gemutet/ nicht
waigern ſollen/ ohne gefaͤhrde/ ſo lang einiger Lehens Erbe Waldeckiſchen Gebluͤts
vbrig: vnd ſo deren keine mehr weren/ als dann fuͤr die Fuͤrſten deß Lands zu Heſſen/
recht vnd redlich/ gantz vnd zumahl verfallen ſeyn. Vnd damit ſolche Verſchrei-
bung zu ewigen Zeiten ſtaͤt vnd veſt gehalten wuͤrde/ ſollen die vorgenannte Graf-
fen zu Waldeck außrichten/ ſchaffen vnd beſtellen/ mit aller jhrer Erbarn Mann-
ſchafft vnd Staͤtten/ vor ſich vnnd jhre Erben/ dem Landgraffen zu Heſſenrechte
Huldigung zu thun. Darauff ferꝛner erfolgt/ daß die Landgraffen dieſes jhr ſpe-
cificirtes vnnd auffgetragenes Recht an der Graffſchafft Waldeck wiederumb der
Roͤm. Kay. May. auffgegeben/ vnnd davon/ laut Heſſiſcher Jnveſtitur/ zu Lehen
empfangen. Weil aber die Graffen zu Waldeck ſich in etlichen Sachen beſchwert
befunden/ als theten die Landgraffen zu Heſſen jhnen zuviel/ iſt in Anno 1549. vnd
fuͤrters durch den Kayſerlichen Fiſcalam Kammergericht ein ordentlicher exem-
ptions
Proceß wider Heſſen erhoben/ vnd dadurch die Graffen von Waldeck acti-
vnnd paſſivè vor Reichs Graffen erkant worden: daruͤber Heſſen ſich aber be-
ſchwert befunden/ vnnd kurtzer Zeit mit Gewalt Wagen vnnd Pferd entfuͤhrt/ die
Kirchen auffgeſchlagen/ vnd reformirte Prediger eingeſetzt: auch deß Pœnalman-
dats/ ſo Kayſer Ferdinand gleich nach ſeiner Kroͤnung auff anſuchen der Graffen
ergehen laſſen/ nicht geachtet/ ſondern auff anregen der Statt Corbach/ ſo ſich den
Waldeckiſchen Graffen jmmerzu widerſpenſtig erzeigt/ nach der ſtrenge fortgefah-
ren/
[85]Dritter Theil.
ren/ die Statt Corbach eingenommen/ das Hauß Eiſenberg beſtiegen/ vnnd das
gantze Land mit Kriegsvoͤlckern belegt/ die Ritterſchafft beſchrieben/ vnnd die
Graffen von Waldecken der Lehen verluſtigt erklaͤrt/ als hetten ſie cooperirt/ daß
die Kayſeriſche oder Spaniſche Rheinfelß/ vnnd andere Orth am Rhein den Caſ-
ſelliſchen abgetrungẽ/ vñ Landgraff Ludwigen zu Darmbſtatt eingeraumet hetten.
Dañ ſo weit war es kom̃en/ dz Darmbſtatt die Jm̃iſſion beym Kayſerlichen Hoff
erhalten/ vnnd die Execution ernſtlich fortgeſetzt/ die weil auch das inhibitorium
von Churpfaltz vnd Sachſen/ als Vicarien deß Reichs gar nichts verfangen hat-
te. Es ſchien auch/ als wolte der Kayſer das Juſtitzweſen nicht mehr ſo lange
verweilen/ ſondern ſchleunige Vrtheil außlaſſen/ wie dann Baden wider Dur-
lach/ vnnd Lothringen wider Naſſaw-Sarbrůcken/ auch andere viel/ genuͤgliche
Spruͤch erhalten.


Jn Boͤhmen aber wolte es ſich ſtoſſen/ als der Fuͤrſt von Liechtenſtein/ Statt-
halter zu Prag/ die Lutheriſche Kirchen daſelbſt geſperꝛet/ vnd das Vn Catholiſche
Exercitium auff gehoben: daruͤber ſich Chur Sachſen/ vnnd fuͤrnemblich deſſelben
Hoffprediger/ D. Matthias Hoe/ hoͤchlich alterirt/ vnnd vergeblich bemuͤhet/ den
Calviniſten nur zum kitzel/ die jmmerzu den Lutheranern in den Ohren gelegen/
der Krieg betreffe eygentlich die Religion/ vnd ſeye nicht nur vmb die Calviniſten
zuthun/ ſondern es wuͤrden die Lutheraner eben ſo wol als ſie muͤſſen ſtampen/ vnd
das Loch treffen/ welches durch ein apologum von den ſchwartzen vnnd grawen
Hunden bey den Schafen ſie fuͤrbildeten/ da die grawen von den Woͤlffen/ wegen
nicht vngleicher Liberey ſich bereden laſſen/ zugleich in die Eyterbiſſige ſchwartzen
zufallen/ oder doch nur ſtill vnnd bey wehrendem Hatz in ruhe zuliegen: vnnd aber
hernach ſehen müſſen/ daß die Woͤlffe in die Herde gefallen/ auch die Zaͤhne vber
die vnwilligen Grawe geblecket/ jnen ein gleiches zuerweiſen/ wann ſie einige Ge-
genwehr zuthun ſich ſolten vnderw in den/ oder nicht lieber ſelbſt zugreiffen/ vnd ne-
ben den Woͤlffen banquetiren. Gewiß daß hiedurch der Nider Saͤchſiſche Kreyß
die gantze Sach in nach dencken gezogen/ vnd dem Dr. Hoe groß Vngleich allent-
halben gegeben worden/ daß er/ ſo zuvor die Catholiſchen/ vnnd den Bapſt ſelbſt
mehr ſcharpffer/ dann kein Calviniſt/ traducirt/ vnd vor der gantzen Welt beſchimf-
fet/ ver Antichriſtet/ ver Jſmaelt vnnd Vermeinaidet/ auch mit der Evangeliſchen
Blut gefaͤrbet/ ſich verkehren laſſen/ vnnd ſeinen eygenen Spruch/ daß den Papi-
ſten in Religions Sachen nicht zutrawen/ ja daß ſie die Lutheraner ſo wol als Cal-
viniſten anfeinden/ ſeinem Churfuͤrſten weit anderſt vorgebracht/ vnd nunmehr in
groß Bekuͤmmernuß verleytet/ wie Dr. Hoeſelbſt an den Fuͤrſten von Liechtenſtein
meldet/ daß er nicht genugſam ſchreiben koͤnne/ wie hoch die Evangeliſche Poten-
taten deß H. Roͤm. Reichs die Sperꝛung der zwo new erbawten Evangeliſchen
Praͤger Kirchen beſtuͤrtzt vnnd alterirt worden/ welches er auß gar vielen Schrei-
ben bißhero mit Schmertzen vernommen. Zumal Chur Sachſen ſo trewlich an
Kayſerlicher Majeſtaͤt gehalten/ vnnd alles ſein vermoͤgen auffgeſetzet/ vnnd nun-
L iijmehr
[86]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
mehr nicht hoͤher koͤnne betrübet werden/ als daß jhre Religion jetzo ſo gar euſſerſt
verhaſſet/ vnd deroſelben weder ſtell noch raum mehr vergoͤnnet werden wolle: wi-
der viel Kayſerliche Patenta/ ſincerationes, vnnd andere Vertroͤſtungen: vber diß
auch Ertzhertzog Carl jhme D. Hoe ſelbſt angezeiget/ daß er Befelcht wer von Jh.
Kay. May. jhn deſſen zuverſichern/ daß der alten vngeaͤnderten Augſpurgiſchen
Confeſſion Zugethanen/ in Jhrer Kay. Mayſt. Gebieth kein Bedraͤngnuß wider-
fahren ſolte: welches auch Chur Coͤlln auff dem Tag zu Můlhauſen durch jhn Dr-
Hoe den Churfuͤrſten in Sachſen mit mehrem vergewiſſern laſſen/ mit dieſem
Anhang/ daß die der alten Augſpurgiſchen Confeſſion Zugethane/ von den Ca-
tholiſchen anderſt nicht/ als jhr ſelbſt eygen Fleiſch vnnd Blut geliebet/ vnd gehal-
ten weren: Nun aber ein widriges erſcheine/ wuͤrden die Calviniſten frolocken/ vnd
in ihrer fuͤr ſichtigen Klugheit der Lutheraner Vnbeſonnenheit ſpotten.


Doch war noch etwas Hoffnung bey dem angeſtellten Reichstag zu Re-
genſpurg/ dahin der Kayſer/ die Geiſtliche Churfuͤrſten/ vnd der andern Geſand-
ten zu außgang deß Jahrs 1622. nach deme Graff Tilly die Statt Heidelberg den
16. Sept. zuvor mit Gewalt eingenommen vnd bezwungen gehabt/ ſich verſamb-
let/ dem Reich wieder Fried vnd Ruhe zumachen. Es wurde vorgetragen/ das
Roͤm. Reich koͤnde nicht fuͤglicher zu Ruhe kommen/ als wann die Seulen deſſel-
ben wieder auffgerichtet/ den gantzen Laſt zugleich truͤgen. Wann dann der
Pfaltzgraff in der Acht/ vnnd auſſer dem Land fluͤchtig worden/ erforderte die hohe
Notturfft/ dz deſſelben Stelle mit einer tauglichen Perſon wieder verſehen wuͤrde:
vnnd auch deß Hertzogen in Bayern kluge Regierung/ reiffer Verſtand/ vnnd vn-
vergleichte Prudentz von vielen Jahren/ auch bey dieſen gar verworꝛenen Zeiten
bekant/ vnd beruͤhmt wer/ (der doch ſonſten eine vralte Prætenſion zu der Chur het-
te/ welche ſolcher geſtallt ohn ferꝛnere Empoͤrung ſich koͤnde hinlegen/) erlangt er-
wehnter Hertzog Maximilian die Churfuͤrſtliche Wuͤrde/ vnd Belehnung/ ob
ſchon Sachſen vnnd Brandenburg ſolchen Streich lang auff gehalten/ aber end-
lich nicht mehr hin dertreiben koͤnnen/ vnnd etliche vorſchuͤtzeten/ daß zwey Chur-
fuͤrſtenthumb in einem Hauß nicht hafften koͤndten Ob nun dieſe Pactata ehe
vnd zu vor geſchehen/ dann Bayern mit ſeiner Macht in Boͤhmen gezogen/ vnd
ob Bayern ſo gar voͤllig auff das Laͤndle ob der Enß verziehen/ vnd ſeine auß geleg-
te fuͤnffzehen Millionen/ auff die Obere Pfaltz gut willig laſſen verlegen/ moͤchte die
Zeit noch bringen. Allein will nach dencklich ſeyn/ daß eben in der Stunde/ der
Chur Belehnung der Ofen Schadhafft worden/ daß die Staͤnde vor Fewr vnnd
Rauch im Zimmer nicht bleiben koͤnnen: wie dann etliche geſchloſſen/ daß ſolches
ein Vorbott eines newen Brands ſey/ da doch Sachſen vnd Brandenburg gantz
vngern darein verſtanden/ vnd nicht anderſt/ als vmb deß gemeinen Friedens wil-
len/ der hieran vermeyntlich hafften ſolte/ vnderſchrieben vnd eingewilliget. An-
dere meynten/ dieſe Procedur wuͤrde dem Roͤm. Reich ein ewigen Krieg gebaͤh-
ren/ weil die Pfaltzgraffen von Heidelberg in vielen Staͤmmen beſtuͤnden/ vnd
jmmer-
[87]Dritter Theil.
jmmer zu Gelegenheiten ſuchen ſolten/ das Kleinod der Chur wieder an ſich zu-
bringen. Die allzu Argwoͤhniſche wolten vor ein ſonderlich Politiſches ſtuͤcklein
halten/ daß Oeſterꝛeich dem Hauß Bayern jetzund zwar muͤſte ſchier alles zu Ge-
fallen thun/ doch auch nicht gern ein ſo maͤchtigen Nachbarn an der Seiten ſehe.
Darumb dieſe beyde Haͤuſer/ Pfaltz vnd Bayern/ zu demuͤthigen/ welche Diſciplin
ſie einander ſelbſten koͤnden geben/ gleich wie in dem Hauß Heſſen geſchehen.


Was nun belangt/ die Translation der Chur/ iſt nicht ohne/ daß etliche Roͤ.
Kayſer bedenckens getragen/ zuverſtatten/ daß zwey Churfuͤrſtenthumb auff eine
Perſon/ oder in ein Geſchlecht vnd Stam zuſammen waͤchſen. Dann Conra-
dus III. im Jahr 1140. Churfuͤrſt Albrechten zu Brandenburg die Chur Sachſen
eben deßwegen nicht verleyhen wollen: wie dann Henricus Superbus das Chur-
fuͤrſten thumb Brandenburg/ auch nicht moͤgen an das Churfuͤrſtenthumb Sach-
ſen knuͤpffen: zumal Anno 1422. nach abſterben Alberti III. als damaligen letzten
Churfuͤrſten zu Sachſen/ Anhaltiſcher Linien/ beyde Ludovicus mit dem Bart/
Pfaltzgraff vnnd Churfuͤrſt bey Rhein fuͤr ſich: vnnd dann Marggraff Friederich
Churfuͤrſt zu Brandenburg/ vmb ſeines Sohns Johannis Gemahlin (genannt
Barbara/ deß verſtorbenen Alberti Bruders Rudolphi III. einige Tochter) wil-
len/ neben dem Churfuͤrſtenthumb zu Sachſen hingehen/ vnd ſolches Friderico
bellicoſo,
Landgraffen in Thuͤringen vnd Meiſſen laſſen muͤſſen: alles bey der Re-
gierung Kayſers Sigiſmundi geſchehen/ der dieſem Geſchlecht den Rautenkrantz/
vnnd das doppelte Schwert/ mit der Churfuͤrſtlichen Dignitaͤt zu ewigen Zeiten
gegeben. Hingegen finden ſich auch Exempel/ daß Albertus der Vatter/ die
Chur Brandenburg/ vnnd Bernhardus der Sohn/ die Chur Sachſen/ vmb das
Jahr 1140. beſeſſen/ vnnd ſchier zwey hundert Jahr bey jhrer Poſteritaͤt behalten.
Alſo blieb die Chur Pfaltzauff Rudolphi Poſteritaͤt/ Anno 1324. vnnd die Chur-
Brandenburg auff ſeines Bruders/ Ludovici Bavari Soͤhnen. Fridericus
Victorioſus
war Churfürſt vnnd Pfaltzgraff am Rhein/ aber ſein Bruder Ru-
precht/ Churfuͤrſt vnnd Ertzbiſchoff zu Coͤlln. Jm Jahr 1483. Churfuͤrſt Ernſt in
Sachſen/ ſein Bruder Albrechten in Churfuͤrſtlicher Wuͤrde zu Maintz: wie auch
Anno 1514. Joachimus I. Churfuͤrſt zu Brandenburg/ ſein Bruder Albrechten in
gleichem Grad vnd Ampt. Alſo ſind Lotharius Churfuͤrſt zu Sachſen/ Chur-
fuͤrſt Ruprecht Pfaltzgraff/ wie auch Carolus IV. Sigiſmundus/ ꝛc. Churfuͤrſten
in Boͤhmen/ vnd zugleich Kayſer geweſen: doch iſt zuverwundern/ diß einig Exem-
pel durch alle Hiſtorien/ daß Anno 1332. Balduinus/ Henrici VII. Roͤm. Kayſers
Bruder/ beyde Churen/ Maintz vnd Trier/ beherſchet.


Wie nun Carolus Magnus/ vnd die folgende Kayſer auß ſeinem Geſchlecht/
die Laͤnder vnd Herꝛſchafften geaͤndert/ vnd gleichſam ein newe Welt auffgericht/
alſo iſt eben ſo gar viel nicht darvon zuſagen auſſer deme/ was es hernacher vnder
den Teutſchen Kayſern vor Abwechſelung/ der Staͤmme vnnd Laͤnder abgeben.
Dann Arnolphus vbergab dem damaligen Hungariſchen Landsfuͤrſten auch
Maͤhrn/
[88]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Maͤhrn/ neben andern Landſchafften. Sein Sohn Ludovicus IV. verliehe An-
no 911. Burcardo das Hertzogthumb Schwaben. Henricus Auceps gab die
Marggraffſchafft Meiſſen/ wider die Wenden zubeſchuͤtzen/ Friderico dem Graf-
fen zu Wetin: die Marck Brandenburg wider die Schlauen/ Seyfrieden von
Ringelheim/ ſeiner Gemahlin Bruder: Schleßwig wider die Dennmaͤrcker/ die
Marck Landsberg wider die Boͤhmen/ Polacken vnd Schleſier/ die Marck Lauß-
nitz wider die Sorben vnnd Wenden/ die Marggraffſchafft Oeſterꝛeich wider die
Hungarn/ vnderſchiedlichen Standsperſonen: Jnſonderheit aber dem Graffen
zu Henneberg Giſelberto/ mit ſeiner Tochter das Hertzogthumb Lothringen. Vnd
war ſolche Regierung neben der Ehr/ ein groſſer Laſt vnd Gefahr/ ſich andern zur
Vormawr zumachen. Otto I. verliehe Henrico ſeinem Bruder das Hertzog-
thumb Bayern: Ludovico ſeinem Sohn das Hertzogthumb Schwaben: Herman-
no Billingo von Stubeckshorn/ oder Stipshorn/ einem Saͤchſiſchen vom Adel/
(ſo ſeiner Kinder Hoffmeiſter geweſen/ vnd Hildegarden von Weſterburg geheu-
ratet) das Land zu Luͤnneburg/ mit der Laußnitz wider die Wenden/ Gereoni die
Marck Brandenburg/ vnnd Cunrado das Hertzogthumb Lothringen. Otto II.
vbergab Monteferꝛat/ Sauona/ Cena/ Jnciſa/ Boſcho/ Salutz/ Ponzon/ ſeinem
Tochtermann Matramo/ als einem wolverdienten Hoffmeiſter: Jmmodeo die
Landſchafft Saphoy/ vnd Tetaldo/ Azonis Sohn die Landſchafft Mantua. Otto
III. verliehe Theodorico II. ein guten theil an Holland: Henricus II. Alberto Graf-
fen zu Aſcanien/ die Marggraffſchafft Soltwedel. Wie es die Saͤchſiſche Kayſer
gemacht/ alſo verfuhren hernacher die Fraͤnckiſche: dann Cunradus Salicus ver-
liehe Adolpho von Salingsleben dz Land zu Oldenburg. Ludovico Barbato von
Orleans dz Land zu Thuͤringen/ vñ ſeinẽ leiblichen Sohn Henrico/ ehe er im Kayſer-
thumb gefolget/ dz Hertzogthumb Bayern/ vñ die Graff ſchafft Burgund. Vnd e-
ben dieſer Henricus/ genannt der dritte deß Namens/ Welphoni das Hertzog-
thumb Kaͤrnten/ vnnd endlich auch Bayern eingeraumt. Nicht weniger thet
Henricus IV. gegen Ottone/ einem Saͤchſiſchen Fuͤrſten/ vnnd vber ein Zeit her-
nach gegen Welphone/ Graffen zu Altorff vnd Lechrein/ mit Verleyhung deß
Hertzogthumbs Bayern/ Toſcana/ Sardinien vnnd Spoleto. Rudolphus von
Rheinfelden/ ſeiner Schweſter Ehegemahl/ trug das Hertzogthumb Schwaben
darvon/ vnnd nach deſſen Fall in einem Treffen/ Friederich von Hohenſtauffen/ e-
ben daſſelbe Hertzogthumb/ wie auch Otto von Naſſaw/ das Land Geldern vnnd
Sutphen. Henricus V. gab Graff Lothario zu Querfurt vnnd Supplinburg:
auch nach jhme Graff Hoyern von Manßfeld/ die Chur Sachſen. Vnnd eben
dieſer Lotharius gab Cunrado/ Graffen zu Wetin/ die Marggraffſchafft Meiſſen:
vnd ſeiner Tochter Hedwigen Ehegemahl/ Ludovico von Loͤven/ die Landgraff-
ſchafft Heſſen vnd Thuͤringen/ ſampt zwoͤlff andern Graffſchafften/ Orlamund/
Kefernburg/ Brandenburg/ Muͤhlberg/ Grumbach/ Ziegenhain/ Querfurt/ Hen-
neherg/ Honſtein/ Hoy/ Schwartzenburg/ vnd Holnſtein.


Dieſem
[89]Dritter Theil.

Dieſem Exempel haben die Schwaͤbiſche Kayſer nichts wollen nachgeben/
ſondern ſich jhres Majeſtaͤtiſchen Anſehens auch wollen bedienen. Dann als
verliche Cunradus III. dem Alberto Vrſo die Chur Brandenburg/ vnnd Frideri-
cus Barbaroſſa dem Ottoni/ von Witteißbach das Hertzogthumb Bayern: Beru-
hardo/ dem Graffen von Anhalt die Chur Sachſen: Henrico dem Marggraffen in
Oeſterꝛeich/ das Land oberhalb der Enß: Bogißlao/ das Hertzogthumb Pommern:
Henrico/ das Fuͤrſtenthumb Anhalt: vnd Hermanno/ einem Weiſchen Fuͤrſten/
ſich deß Rheins zu verſichern/ die Marggraffſchafft Baden. Alſo gab Friderictis
II. die Preuſſiſche Provincien/ mit denen daran gelegenen Landſchafften/ dem
Teutſchen Orden: Ottoni Puero/ das Land zu Braunſchweig vnnd Luͤnenburg:
Ottoni/ Hertzogen zu Sachſen/ die Chur Pfaltz/ Henrico Jlluſtri/ Marggraffen
zu Meiſſen/ das Land zu Thuͤringen. Man moͤchte allhie wol ſagen/ daß Tugend
vnd Noth einander außfordern/ vnnd die Beſchaffenheit deß Roͤm. Reichs zu je-
denzeiten nicht auff Stam vnnd Geſchlecht/ ſondern auff Tugend vnd Macht/ die
bevorſtehende Noth zuhindertreiben/ geſehen. Doch mag es etwan auch ergan-
gen ſeyn/ wie jenem Moͤnch/ den Ludovicus XI. Koͤnig in Franckreich/ vnvermu-
thet auff einer Banck ſchlaffend fand/ vnd jhme anſagen lieſſe/ Er ſolte Abt ſeyn/ in
einem fuͤrnehmen erledigten Kloſter/ auff daß erſagen koͤnt/ das Gluͤck hette jhn
im Schlaff ereylet. Dann auch die Hirten auff dem Felde ſehen/ daß die liebe Son-
ne ebenbald auff einen Kuͤhfladen/ als auff eine Roſeſcheinet.


Kein Wunder iſt es dann/ daß die Oeſterꝛeichiſche Kayſer jhrer ſelbſten nicht
vergeſſen wollen: wie dann Rudolphus I. dem vberwundenen Koͤnig in Boͤhmen/
Ottacker genannt/ Steyrmarck/ Kaͤrnten/ Crain/ gehoͤrige Landſchafften/ entzo-
gen/ vnd ſeinem Sohn Alberto verliehen. Henricus VII. gab das Land Henne-
berg dem Berchtold: Ludovicus Bavarus Statt vnnd Landſchafft Luca dem Ca-
ſtrucio/ Caſtracagne. Carolus IV. macht die Windiſche Fuͤrſten/ Albertum
vnnd Johannem/ zu Hertzogen in Mecklenburg/ weil ſie das Land ſchon jnnen hat-
ten. Kayſer Sigmund verliehe die Chur Sachſen/ Land- vnd Marggraff Frie-
derichen/ in Thuͤringen vñ zu Meiſſen: die Chur Brandenburg Burggraff Frie-
derichen zu Ruͤrnberg: Hermanno/ ſeiner andern Gemahlin Barbaræ Vattern
die Graffſchafft Cily/ Caſparo/ einem Tyroliſchen Herꝛn die Herꝛſchafft Spoigk.
Nicht weniger verliehe Fridericus III. Henrico/ deß Georgij Podiebrad/ geweſe-
nen Koͤnigs in Boͤhmen/ hinderlaſſenem Sohn/ die Herꝛſchafft Muͤnſterberg in
Schleſien. Vlrico von Gretſiel/ der Statt Hamburg geweſenen Kriegs Oberſten/
die Graffſchafft Frießland: dem Hertzogen zu Holſtein die Dittmarſchen/ vnnd
der Chur Brandenburg die Anwart auff Pommern. Maximilianus I. vbergab
Henrico Prunſchenck die Graffſchafft Hardeck/ vnd machte Eberharden zu Wuͤr-
tenberg vnd Teck zu einem Hertzogen. Carolus V. verliehe Philippo von Croy/
auß Koͤniglicher Poſteritaͤt in Hungarn/ das Hertzogthumb Arſchott/ vnd ſeinem
leiblichen Sohn Philippo/ das Hertzogthumb Meyland. Ferdinandus macht
Dritter Theil. Mſeinen
[90]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſeinen geweſenen Hoffmeiſter einen Spaniſchen Oberſten/ Gabriel Salaman-
ta/ zu einem Graffen zu Ortenburg in Kaͤrnten. Maximlianus verliehe Rober-
to die Graffſchafft Amberg. Vnd Rudolphus II. Graff Carlen von Manßfeld/
auch Sigiſmundo Batorio/ den Tittel eines Fuͤrſten deß Reichs.


Vnd zwar dieſes alles mit deme Vnderſchied/ daß etliche Laͤnder vnd Digni-
teten den Jnhabern beſtaͤttiget/ etliche aber von andern Staͤmmen auff ſie kom-
men: etwan mit einer vbrigen Verguͤnſtigung der Regalien minoren/ das iſt/
Zoll/ Vngeld/ Stewr/ Bergwerck/ Muͤntzgerechtigkeiten/ vnnd anderen Reichs-
Nutzungen. Alſo geſtattet Friedericus Barbaroſſa Manfredo/ einem Padua-
niſchen Herꝛn/ von einer jeden Hitz gebachen Brod einſtuͤck Brods/ wie auch von
einem Faß/ ein Maß Wein. Von Carolo IV. wird hien vnd wieder geſchrieben/
welcher maſſen er die/ biß auff ſeine Zeit/ den Roͤm. Kayſern einig vnd allein zuge-
ſtandene Hauptzoͤll zu dem allererſten auß Haͤnden gelaſſen/ vnd hien vnd wieder
verliehen/ wie auch andere vor vnnd nach jhm/ ſonderlich die Nutzungen von den
Bergwercken. Von Bergwercken hat Otto Marggraff zu Meiſſen in Zeit ſei-
ner Regierung in zwantzig Jaren/ Kirchen/ Schloͤſſer/ Staͤtte/ namentlich Pfor-
ten/ vnnd Altenzell/ Leipzig vnd Eulenburg gebawt vnnd mit Mawren vmbgeben:
Dann auch Anno 1472. ſich in dem Schneeberg eine ſo groſſe Blatten gediegen
Silber gefunden/ daß ſie Albrecht von Sachſen Hertzog zur Fuͤrſtlichen Taffel ge-
brauchet. Ja es ſoll das Annebergiſche Bergwerck/ eins mals in vier Jahren
auff die 124838. Guͤlden außgeworffen haben. Vnd dieſe Privilegien haben je-
der weilen auch die Geiſtliche vnd Prælaten erlangt: alſo ſind Fuld/ Herſchfeld/
Murbach/ Stablo/ Coruei/ Gefuͤrſtete Abte/ vnd ſonderlich Kaͤmpten (nach dem
Exempel deß Biſchoffs zu Wuͤrtzburg) Campoduna ſola judicatenſe, ſtolâ, Vor-
mittag in der Kirchen/ Nachmittag auff dem Rath Hauß. Als Carolus IV. ſei-
ne Tochter Margrethen wolte Johann Friedrichen/ deß Burggraffen Sohn zu
Nuͤrnberg vermaͤhlen/ macht er jhn zuvor zu einem Reichsfuͤrſten. Nach wel-
chem Exempel Sigiſmundus ſeinem Schwehrvatter/ dem Graffen von Cilien/
den Titull eines Gefuͤrſteten Graffen gegeben. Doch gieng ſolch beginnen nit alle
vnd jedemal an: Dañ Carolus Burgundus konte von Friderico III. den Koͤnigli-
chen Titull/ vnd General Vicariat nicht erlangen/ ob er ſchon von ſeinem Vatter
Philippo Bono, ſechs Hertzogthumb/ fuͤnffzehen Graffſchafften/ vnd andere Land
mehr ererbet hatte/ vnnd beſaſſe. Alſo wurd Philippo II. in Spanien das Vica-
riat vber Jtalien/ von Ferdinando I. vnd Coſino Medices, von Maximillano II.
der Titul eines Großhertzogen zu Toſcana abgeſchlagen/ mit dieſem vernehmen/
ſo viel nur dieſen geſuchten Titulln jhnen vber Jtalien zugehen wuͤrde/ ſo viel
muͤſſe nothwendig der Kayſerlichen Hoheit abgehen. Ruͤhmlich haben alſo ge-
than die Oeſterꝛeichiſche Herꝛn/ daß ſie den angebottenen Koͤniglichen Titul nicht
angenommen/ vnd an ſtatt deſſelben ſich Ertzhertzogen nennen laſſen. Es hat auch
jederweilen die Blutfreund ſchafft muͤſſen zu Ruͤcke ſtehen/ wie vnder Friderico
Barba-
[91]Dritter Theil.
Barbaroſſa/ da Henricus Leo/ Churfuͤrſt zu Sachſen/ vnd Hertzog in Bayern mit
dem Kayſer geſchwiſtrigt Kind/ Chur vnd Hertzogthumb auff einmal verlohren/
vnd ſehen muͤſſen/ daß die Chur Sachſen Bernhardo/ Graffen zu Anhalt/ ſeinem
nechſten Vettern/ als geſchwiſterigt Enckelen: vnd Ottoni von Wittelßbach das
Hertzogthumb Bayern verliehen worden. Jederweilen zahlte man auch ein ſtuͤck
Geld/ wie Carolus IV. von Ottone Bavaro/ ſeinem Tochtermann/ die Chur
Brandenburg vor ſeinen Sohn Sigiſmundum vmb 2000000. Goldguͤlden er-
kaufft/ vnd mit ſolchem Geld/ wie man damals zu ſprechen pflegte/ die Glockenſtri-
cke im Land nicht bezahlet. Alſo hat Carolus V. die damals von Johann Frie-
derichen dem Reich heimgefallene Chur Sachſen Mauritio deſſelben nechſten
Vettern/ dann ſie zweyer Brůder Soͤhne geweſen/ wie der fahren laſſen. Dage-
gen man aber in hiſtorijs andere Faͤll hat daß jnſonderheit die ex cauſafelonię, vnd
Mangel ehelicher Mannlicher Leibs Erben/ dem H. Roͤm. Reich heimgefallene
Chur- vnnd andere Fuͤrſtenthumb/ nach der Roͤ. Kayſer Gefallen/ auch andern
Standsperſonen/ ob ſie gleich titulo agnationis oder cognationis, den Verſtorbe-
nen/ wie auch den Roͤm. Kayſern ſelbſt entweder garnichts/ oder aber allein etwas
wenig verwand vnnd zugethan geweſen/ verliehen haben. Wie von Henrico V.
bekant/ daß er das Churfürſtenthumb Sachſen/ wegen etlicher Mißverſtaͤnd/ dem
von Querfurt entzogen/ vnd dem von Manßfeld vbergeben. So wol auch Si-
giſmundus Friderico Burggraffen zu Nuͤrnberg/ die Chur Brandenburg: vnnd
vber eine Zeit hernach/ Friderico Landgraffen in Thuͤringen vnd Marggraffen zu
Meiſſen/ die Chur Brandenburg verliehen: vnangeſehen vorgedachten Friderici
Churfuͤrſten zu Brandenburg elteſter Sohn/ mit Namen Johannes/ deß von
der Anhaltiſchen Linien geſtorbenen letzten Churfuͤrſten zu Sachſen/ Rudolphi/
hinderlaſſene einige Tochter/ genannt Barbara/ zur Ehe hatte/ vnnd vmb dieſer
Vrſachen willen/ auch die Chur Sachſen auff ſein Geſchlecht der Burggraffen zu
Nuͤrnberg/ wiewol vergeblich/ bringen wollen. Dabey doch auß allerhand Be-
glaubten Scribenten nicht zu verneynen/ welcher maſſen Henricus IV. Vladißlao
die Boͤhmiſche Kron/ Fridericus Barbaroſſa Bernhardo von Anhalt die Chur
Sachſen auff dem Reichstag/ Rudolphus I. ſeinem Sohn Alberto die Oeſterꝛei-
chiſche Land zu Augſpurg/ Henricus VII. Bertholdo zu Henneberg den Titul ei-
nes Fuͤrſten/ Carolus IV. Friderico Burggraffen zu Nuͤrnberg/ ſeinem Gegen-
ſchwaͤher/ gleichfalls den Titnl eines Fuͤrſten/ vnd dem Burgunder der den Titul
eines Graffen anderſt nicht/ dann mit vorwiſſen vnd einwilligen der andern Chur-
fuͤrſten deß Reichs zum anfang verliehen habe. Vmb welcher Vrſachen wil-
len dann Fridericus III. ſich gegen Carolo Burgundo/ ſeinem damalen im Sinn
geweſenen Gegenſchwaͤher entſchuldigt hat/ daß er jhme/ ohne der Churfuͤrſten
vorwiſſen weder mehr Land vnd Leuth verleihen/ noch hoͤher Titul ertheilen koͤnde.
Dergleichen Antwort auch Rudolphus II. Franciſco Mendozæ/ der Kron Spa-
nien Abgeſanden/ auff ſein angebrachtes begehren/ die bey der Graffſchafft Bur-
M ijgund
[92]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
gund gelegene/ vnd der Naſſawiſchen Herꝛſchafft/ vnnd zum vnmittelbaren Fuͤr-
ſtenthumb Oranien/ als pertinentiæ rcmotæ, gehoͤrige Land vnd Leuth/ denſelben
zunehmen/ vnd ſeinem Herꝛn/ dem Koͤnig in Spanien heim vnd anzuweiſen/ wie-
derfahren laſſen.


Dagegen man aber in ebenmaͤſſiger Materia andere Faͤll hat/ daß vnder
den Roͤm Kayſern Wenceßlaus den Vice Comitibus, wie auch Carolus V. Phi-
lippo ſeinem Sohn das Hertzogthumb Meyland: vnd andere Kayſer auch andere
Provincias allerhand Standsperſonen/ ohne wiſſen vnd einwilligen der Churfuͤr-
ſten deß Reichs verliehen/ welches auch vber ein Zeit Franciſcus I. Koͤnig in
Franckreich/ wegen deß Hertzogthumbs Meyland/ gegen den Churfuͤrſten deß
Reichs geandet hat. Vnder welchen Landen vnd Leuthen/ nach deß Roͤm. Kay-
ſers Gefallen/ ein Theil einen vnnd den andern/ nach dem er ſich vmb das Roͤm.
Reich verdient/ oder aber ſonſten bey den Roͤm. Kayſern/ vnd in anderweg Gluͤck
gehabt/ titulo prodonato, vnnd vmbſonſten: ein Theil aber gegen Erlegung ſon-
derbahrer verglichenen Geldſummen/ maſſen mit Montferꝛat geſchehen/ verliehen
worden ſeyn. Auff welche Meynung dann Vladißlaus vor die Kron Boͤhmen
4000. Talent: Barꝛabo wegen Meyland 10000. Kronen: Friederich Burg-
graff zu Nuͤrnberg/ vier mahl hundert tauſend Floren: Borſius wegen Modena
vnnd Reggio ein Kleynod von ein vnd zwantzig tauſend Kronen: Ludovicus Mo-
rus wegen Meyland vier mahl hundert tauſend Kronen: Vnd Cæſar Eſtenſis vor
Modena vnnd Reggio zweymal hundert tauſend Kronen baar erlegen muͤſſen.
Welche letzte Summ Alfonſus Hertzog zu Ferꝛara gedachtem Cæſari Eſtenſi, ſei-
nem auß vnehlicher Beywohnung erzeugten Vettern/ von der Statt Genua
deſto lieber auff genommen/ vnd Rudolpho II. bezahlt/ woferꝛn auff ſein Abſterben
das Hertzogthumb Ferꝛara/ als ein vom Jahr 1077. von der Mechtild herꝛuͤhren-
des Lchen/ dem Roͤm. Stul je widerumb heimfallen ſolte/ damit doch zum wenig-
ſten vorgedachtes Hertzogthumb Modena/ Reggio/ vnnd andere darzu gehoͤrige
Reichs Lehen/ bey ſeinem Vettern/ vorgedachtem Cæſari Eſtenſi, vnnd denen mit
einer Hertzogin zu Florentz erzeugten Poſteritaͤt gelaſſen/ vnd damit/ wo nicht der
Nam der Hertzogen zu Ferꝛara/ jedoch zum wenigſten der vngefehrlichen/ Anno
360. mit Cajo Actio Eſtenſi angeſangene/ vnnd zum Theil bey den Jtalianiſchen
Fuͤrſten/ vnd auff die vngefehrlich 1013. zwiſchen dem Azone Eſtenſi, vnnd Kuͤni-
gund Guelpha, einer Beyriſchen Fuͤrſtin getroffene Heurath noch auff den heuti-
gen Tag in Teutſchland/ bey den Hertzogen zu Braunſchweig vnd Luͤneburg erhal-
tene Familia, Titulus vnnd Name eines Hertzogen zu Eſte, Modena vnnd Regij
Lepidi,
oder Reggio noch ferꝛner fortgeſetzt werden moͤge. Auff welche Meynung
dann vorgedachter Cæſar Eſtenſis beruͤhrte Hertzogehumb Modena, vnd die darzu
gehoͤrige Statt Carpi, Frignani, Grafignani, vnnd die Graffſchafft Roſſellen/ ohne
mit tel von dem Reich/ wie auch das beruͤmbte Caſtellum Borſelli, als ein Mantua-
niſches Affter Lehen von dem Reich/ gegen Jaͤhrlicher Liefferung eines par Spo-
ren
[93]Dritter Theil.
ren (dergleichen zwar von gediegenem Goldt auch Ludouicus XII. Koͤnig in
Franckreich/ Maximiliano I. auff die zwiſchen jhnen Anno 1505. getroffene Ver-
gleichung wegen deß Hertzogthumbs Meyland alle Jahr vmb Weihenachten Zeit
haͤtte lieffern ſollen) biß auff dato bey ſich vnd den ſeinigen erhalten hat.


Wie wol nun auff die biß anhero angezogene Meynung/ die einem vnnd
dem andern vnder allerhand titulis verliehene Land vnnd Leuth zu Caroli Magni
Zeiten/ biß ohngefehrlich 912. allein Perſoͤnlich/ vnd nicht Erblich geweſen ſeyn/
vnnd darumb einer vnnd deß andern hinderlaſſener Poſteritaͤt nicht mit verliehen
worden: ſo hat doch Henricus Auceps ſeine in Weſtphalen/ Sachſen/ Thůringen/
vnd anderer Orthen gehabte Land vnd Leuth/ von ſeinen Voreltern hero Erblich
zubeſitzen einen anfang gemacht/ vnd dieſelbe/ wie geſchehen iſt/ bey ſeiner Mannli-
chen Poſteritaͤt Ottoni I. II. III. vnd Henrico II. zuerhalten vermeynt: vnd da ſich
die andere Staͤnde deß Reichs/ jnſonderheit in der Anno 934. zu Moͤrßburg/ dann
Anno 956. zu Augſpurg wider die Hungarn fuͤr gangenen Feldſchlacht ſo ritterlich
gehalten/ daß er vnd ſeine Nach kommen am Reich einen vnnd den andern/ die bey
einem jeden beſtandene Land vnd Leuth/ nicht wie vorhero geſchehen/ auff eines je-
den Lebzeiten allein/ ſondern auff ſeine Mannliche Poſteritaͤt/ vnd alſo allerdings
Erblich verliehen/ auſſerhalb was jnſonderheit Carolus IV. gegen den Peruſinern
bedingt hat/ daß die jhnen wegen der Tribut vnd Exactionen, ertheilte Privilegia
allein auff ſein/ deß Kayſers Lebzeiten Krafft haben ſollen. Wie es nun im Roͤ.
Reich ergangen/ alſo macht Franckreich jhm ſelbſten zum beſten/ newe Hertzogen/
Marſchalek vnnd Marggraffen. Deßgleichen thet der Koͤnig in Polen Sigiſ-
mundus I. Caſimiri Sohn/ Jagellonis Encklein/ Sigiſmundi Auguſti Vatter/
im Jahr 1525. vnnd behielt bey der Kron Poln vnder denen von dem Reich an ſich
gezogenen Preuſiſchen Landen/ Dantzig/ Torn vnd Elbing/ Marienburg/ Grau-
dentz/ Branberg/ Culen: vberließ aber den Vberꝛeſt als Koͤnigsberg/ Natangia/
Balga/ Heiligenbeil/ Brandenburg/ Creutzberg/ die Pilaw/ der Brandenburgi-
ſchen Herꝛfchafft/ vnder dem Namen eines Hertzogen in Preuſſen. Alſo riſſe er an
ſich Anno 1561. jedoch wider Ferdinandi Roͤm. Kayſers willen/ einen Theil von
dem Hertzogthumb Littaw/ vnd gab es Gothard Kektlern/ einem Weſtphaͤliſchen
vom Adel/ fuͤr ſich vnnd ſeine noch auff den heutigen Tag vorhandene Mannliche
Poſteritaͤt/ vnder dem Titul eines Hertzogen zu Curland zubeſitzen. Dieſes al-
les nun wol betrachtet/ mag ein jeder bey ſich ſelbſt ſchlieffen/ ob Kayſer Ferdinand
II. wol oder vbel gethan/ daß er die Chur Dignitaͤt/ mit ſampt der Obern Pfaltz
an Hertzog Maximilian auß Bayern vergeben/ vnd damit eine Schuld von fuͤnff-
zehen Millionen getoͤdtet/ aber auch das Laͤndlein ob der Enß wieder auß Ver-
hafft/ Pfand vnd Schuld befreyet. Da er ſich auch wol zu einem Richter darſe-
tzen koͤnnen/ den vralten Streit vber der Chur Dignitaͤt/ zwiſchen den beyden Haͤn-
ſern/ Bayern vnd Pfaltz durch einen Spruch zuentſcheiden.


Vnd iſt gewiß/ daß niemand dem Kayſer/ wie etwan hiebevor/ zu Regenſpurg
M iijdoͤrffen
[94]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
doͤrffen offentlich widerſprechen: darumb nur erinnert worden/ es thete der Han-
del/ ſo ein gantz Churfuͤrſtenthumb betreffe/ nicht vor den Kayſer allein/ ſondern
vor das gantze Churfuͤrſtliche Collegium gehoͤren/ zumal der Koͤniglichen Capitu-
lation/ welche vor ein Fundamental Geſetz zuhalten/ vnd zum allervoͤlligſten zuver-
wahren/ alles ſolte gemaͤß ſeyn. Auch wolte die Vollziehung der Kayſeriſchen
Acht nicht gleichlingen angenommen vnd gut geheiſſen ſeyn/ in deme etliche klag-
ten/ wann man dem Rechten ſeinen Lauff wollen laſſen/ hette man jhn zuvor ſol-
len c [...]iren vnnd hoͤren/ ehe man jhn in die Acht fallen laſſen: doch begehrte niemand
wider den Strom zuſchwimmen. Vnnd weil dieſer Tag/ alles Mißtrawen ab-
zuſchaffen/ vnnd ein beſtaͤndigen Frieden zuſtifften were angeſtellet worden/ ſolte
man alle Hindernuß auß dem Wege raumen/ vnd zu dieſem heylſamen Zweck zu
gelangen/ Jhre Kay. Mayſt. das Reformiren im Koͤnigreich Boͤhmen einſtellen/
den gefaßten Zorn wider den Pfaltzgraffen ſchwinden laſſen/ vnnd Gnad der
Strenge vorziehen/ wann er ein demuͤhtigen Fußfall thet/ vnd ein voͤlligen Ver-
züg/ jhme ſein Land vnd Leuthe wie dergeben: auſſerhalb welches Jhre May. jmmer
ſicher/ ſondern einem ewigen Krieg vnderworffen ſeyn wuͤrde. Auch ſolte Jh.
Kayſ. Mayſt. wegen Translation der Chur Dignitaͤt zu Ruͤck dencken/ an deß
Pfaltzgraffen Sohn/ der auch vor ſeines Vatters Verbrechen ein jus acquiſitum
zur Chur gehabt: wie auch nicht wentger an deſſen Bruder vnnd nechſte Namens-
Verwandten/ die eine frembde Schuld nicht koͤnden tragen/ auch Jhrer Kay.
May. ſelbſt getrewe Dienſt geleyſtet/ vnd ohne Verletzung der Billichkeit an jhrem
Rechten zu der Chur nicht zu verkuͤrtzen weren: zumal auch deß Pfaltzgraffen Be-
freunde Potentaten vnd Koͤnige/ es nicht alſo wuͤrden hinlauffen laſſen. Ande-
re Stimmen aber erhielten/ weil deß Kayſers Vorbringen erheblich/ ſo moͤchte ex
auß Kayſerlicher Vollmacht die jhm heimgefallene Chur nach eigenem Belieben
verleyhen. Vnd wann der Pfaltzgraff wieder zu Gnaden kaͤme/ moͤchten ande-
re dergleichen Haͤndel vnderfangen: Es muͤſte ja ein Vnderſcheyd ſeyn zwiſchen
einem Kayſer vnnd einem Pfaltzgraffen: da auch dieſer jmmer zu mit Gewalt ſich
ſuche ſelbſt wieder einzuſetzen/ vnnd zu keiner gebuͤhrlichen ſubmiſſion verſtehe.
So koͤnde das Chur Collegium laͤnger nicht vnergaͤntzt bleiben/ vnd thete der Kay-
ſer wol/ daß er hierinnen Raht ſchaffete. Aber andere Catholiſche fielen dieſem
Wuͤrtzburgiſchen Voto nicht allerdings bey/ ſehnten ſich nach der Ruhe/ vnd trach-
teten nach dem lieben Frieden: foͤrchteten ſich vor Dennmarck/ Engelland/ vñ dem
Nider Saͤchſiſchen Krayß/ auch andern auff gewickelten Waffen/ wann man alles
auff eine Schantz müſte ſetzen vnnd wagen. Vnnd weil der Kayſer ſeine Land-
ſchafften wieder vnder den Gehorſamb gebracht/ koͤnde man die reconciliation de-
ſto beſſer beſchleunigen: in deſſen mit der Reformation in Boͤhmen jnne halten/
die Staͤtt nit ferꝛner beſchweren/ vnd die Gravaming eroͤrtern. Dieweil aber dieſe
forchtſame Meynung den Eyferern miß fiele/ brachten ſie den Kayſer dahin/ dz er
ſich rund erklaͤrte/ er hette zum vberfluß an die Hertzogen in Pom̃ern vñ zu Braun-
ſchweig
[95]Dritter Theil.
ſchweig geſchrieben/ ſich bey dieſem Convent einzuſtellen: hette in der Achts Erklaͤ-
rung deß Pfaltzgraffen ſeine Capitulation nicht vergeſſen noch vberſchritten. Die
Zeiten weren aber damals ſo beſchaffen geweſen/ daß er wegen gedachter Acht we-
der gegenwertig/ noch Schrifftlich handeln koͤnnen/ in deme der Pfaltzgraff im-
mer fortgefahren jn zubeleydigen: Zumal auch auff dem Tag zu Muͤhlhauſen dieſe
Straff wider den Vngehorſamen vor rechtmaͤſſig erkant worden. Die Chur-
Dignitaͤt koͤnde jhme nit leiben/ doch ſolte jhm die Kayſerliche Gnad/ wann er
Zeichen ſeiner Reweſehen ließ/ allzeit offen ſtehen/ vnd die Beſtraffung/ auch an
Land vnd Leuthen/ wegen hohen Jnterceſſionen gemiltert werden. Die Refor-
mation in Boͤhmen gehoͤrte nicht an dieſen Orth/ weil ſolche einem jeden Stand
im Reich frey ſtuͤnde: darumb auch hierauß niemand einigen Argwohn zuſchoͤpf-
fen: als wuͤrde die Kayſerliche Capitulation/ wegen deß Religionfriedens nicht ge-
halten. Sachſen/ Brandenburg vnd Darmbſtatt wiederholten jhre vorige Mey-
nung/ vnd ſtieſſen ſich an deme/ daß die Acht vnnd Translation abſolut vnd ohne
Maßgebung geſchehen. Maintzvnnd Trier bedachten ſich auff Moderations-
mittel/ vnd brachten dem Kayſer beſonderlich vor/ wann dem Pfaltzgraffen etwas
auß Gnaden wieder fuͤhre/ daß ſie jhre vralte Pfandſchilling moͤchten an ſich zie-
hen: dem Koͤnig in Engelland zu lieb/ ſolte man deß Pfaltzgraffen Kinder vnnd
Agnaten von der Chur nicht außſchlieſſen damit es nicht wider die Guͤldene Bull/
vnd Koͤnigliche Capitulation lieffe. Vnd wuͤrde Bayern dieſe Moderation ſich
nicht entgegen ſeynlaſſen. Jn deſſen wurd auch gehandelt/ wie man Bayern bey
der Chur erhalten koͤnde: zu welchen ende der Caraffa bey dem Bapſt zu Rom fuͤnff
tauſend Mann erhalten. Hierwider ſetzten ſich die Saͤchſiſche vnd Brandenbur-
giſche Abgeſanden/ nach jnhalt jhrer Jnſtruction. Darmbſtatt wieſe die Transla-
tion den Churfuͤrſten anheym/ vnd triebe die Reformation/ aber mit ſo wenigem
Ernſt/ daß man ſpüren konde/ wie er nur ſeine Marpurgiſche Haͤndel ſuchte zube-
haupten. Aber Hertzog Wolffgang Wilhelm/ Pfaltzgraff zu Neuburg/ bracht
nicht ohne Vngeſtuͤm vor/ er wer der Guͤlden Bull vngemaͤß vberſchritten/ vnnd
nach deß Pfaltzgraffen Bruder/ der allernechſte/ vnſchuldige Agnatus vnd Erbe.
Jhm war ein gewaltiger Herꝛ bey Hoff wolgewogen/ die andern aber alle dem
Hertzogen auß Bayern darauß dann nicht wenig Mißtrawen erwachſen. Man
verlangte vber die maſſen/ daß der Churfuͤrſt in Sachſen ſich in Perſon einſtellete/
vnnd wegen der Translation den Außſchlag gebe. Der Bayrfuͤrſt mit ſeinem
Anhang machte ſich die Rechnung/ ſo er dieſe Stim erhielte/ wuͤrde kein Menſch
mehr darwieder ſprechen: ſo hoffeten die andern/ es wuͤrde Sachſen nimmer mehr
geſtatten/ daß die Chur auff ein Catholiſchen verlegt/ vnd dem Evangeliſchen We-
ſen ein ſo groſſer Abbruch geſchehen wuͤrde. Deß Perſoͤnlichen auſſenbleibens
Schuld legtman auff die Reformation vnd Abſchaffung der Evangeliſchen Pre-
diger im Koͤnigreich Boͤhmen: da doch der Churfuͤrſt nur einen Mantel geſucht/
ſich mit ſeiner Abweſenheit bey den Evangeliſchen zubeſchoͤnen/ vnnd deß Kayſers
Vngnad/
[96]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Vngnad/ im fall er wegen der eygenen Kayſerlichen Vollmacht/ der Teutſchen
Gerechtigkeit das Wort thun muͤſte/ abzulehnen. Noch fiel ein newe Beſchwer-
de vor/ wegen der vberlegten Chur/ weil deß Koͤnigs in Engelland elteſter Printz/
in Spanien geſchiffet/ ſich mit der Jnfanten zuvermaͤhlen/ von welcher ſo glichen
Reyſe etliche meynten/ der Heurath muͤſte gewiß ſeyn. Darumb ſolte man mit
Begebung der Chur an noch jnnehalten/ ob vermittelſt deſſelben Heuraths/ ein
gantzes Koͤnigreich zum Catholiſchen Glauben wieder zubringen were: So wuͤrde
der Pfaltzgraff ſich auch weiſſen laſſen/ vnd mit ſeinem Exempel gantz Teutſchland
der Roͤm. Kirchen zufuͤhren/ ſonderlich wann jhn der Kayſer dahin vermoͤchte/ dz
er ſeine Kinder in Engelland/ bey der Spaniſchen Jnfantin auff erziehen lieſſe.
Aber andere hielten nichts von dieſem Heurath/ vnd verlacheten ſolche weit auß ſe-
hende Rahtſchlaͤge. Der Kayſer folgte deß Caraffæ Raht/ vnd ließ die Catholi-
ſche Churfuͤrſten nach ein ander zu ſich kommen/ erhielte auch von jhnen was er
wolte/ vnnd erklaͤrte ſich/ nach etlichmahl gepflogen em Raht/ Er wolte den Pfaltz-
graffen/ den Koͤnigen/ Chur- vnnd Fuͤrſten zu gefallen/ ſeine Clementz/ vnnd den
Ernſt nach dem Frieden zubezeugen/ Pardon ertheilen/ wann derſelb ein Fußfall
thet/ ſeine Kriegsvoͤlcker abdanckte/ doch die Chur Dignitaͤt außbehalten/ welche
er niemand zum Nachtheil begeben wolle. Vnd weil deß Pfaltzgraffen Vettern
nicht bey handen/ auch das Churfuͤrſtliche Collegium nicht laͤnger leer koͤnde ſte-
hen/ belehnet er Hertzog Maximilian in Bayern/ wegen ſeiner fürtrefflichen Me-
riten mit der Chur: mit deme verſprechen/ daß deß Pfaltzgraffen Soͤhnen vnnd
Vettern zum beſten er ein Convent eheſt außſchreiben wolte/ auff demſelben eine
guͤtliche Verhandlung vorzunehmen. Vnd im Fall ſolcher Geſtallt nichts zu-
ſchlichten were/ wolte er die Sach Gerichtlich/ mit zuziehen der Churfuͤrſten eroͤr-
tern/ vnd jhnen den Außſchlag anvertrawen/ damit nach deß Bayerfuͤrſten Ablei-
ben die Chur/ vnnd anders eingenommenes/ dem jenigen vnder den Vettern zukaͤ-
me/ wem es die Rechten goͤnneten: doch daß es allezeit vor ein Lehen von Kayſerli-
cher Mayeſtaͤt herꝛuͤhrend erkant wuͤrde. Auff dieſe Bedingung ließ der Kayſer
den 25. Febr. dem Bayerfürſten die Chur/ weil eben auff dieſen Tag Vorzeiten
Hertzog Moritzen auß Sachſen/ von Carolo V. die Chur in Sachſen verliehen
worden. Der Kayſer legt ſein Majeſtaͤt an/ ließ deß Reichs Kleynodien vor jhm
her tragen/ als Scepter/ Apffel/ Kron vnd Schwerd/ vnd durch den Vice Cantzler
Vlmer deß Pfaltzgraffen Verbrechen/ vnnd Verluſt der Chur/ ſampt dieſer Be-
lehnung offentlich erklaͤren. Hertzog Maxunilian gieng zwiſchen dem Ertzbi-
ſchoff von Saltzburg/ vnnd ſeinem Bruder Alberto/ fiel vor dem Kayſer auff die
Knie/ vnnd hoͤret an/ daß der Kayſer auß Kayſerlicher Vollmacht jhn wolte zum
Churfuͤrſten machen. Der Hertzog bedanckte ſich/ empfing den Churfürſten-
Hut vnd Mantel/ legt die Finger auff die Evangelien/ vnd ſprach den vorgeleſenen
Aid trewlich nach/ kuͤſſet deß Kayſers Schwerd/ dancket noch mahln/ vnnd nahm
das Gluͤck von deß Kayſers Hand an/ gieng in ſeiner Stell zum Saal/ vnnd be-
diente
[97]Dritter Theil.
diente das Truckſeſſen Ampt mit Darſtellung deß erſten Gerichts. Vnnd an
dieſem Orth erhielt Caraffa die Heidelbergiſche Bibliotheck von dem newen
Churfuͤrſten/ nach Rem zufuͤhren. Wie nun hernach der Abt zu Fuld Tods ver-
blichen/ hatte Landgraff Moritz zu Caſſell ein Aug darauff/ wann nur der Nider-
Saͤchſiſche Kraiß wuͤrden vber die Vergebung der Chur eyfern: Es kam jhm aber
Johann Bernhard Schenck von Schweinßberg zuvor. Doch vnderlieſſen
Brandenburg/ Sachſen/ Braunſchweig vnd Pommern nicht zuklagen/ daß man
ſie nicht wollen hoͤren/ als ſie von Obſervantz der Fundamental Geſetzen Erꝛinne-
rung gethan: vnd nunmehr bey der Poſteritaͤt nicht entſchuldigen koͤnnen. Der
Pfaltzgraff wer geſtrafft worden vor vergnuͤglicher Verhoͤr: vnd zwar von denen/
ſo kein Recht vber dergleichen hohe Perſonen hetten. So were durch deß Kay-
ſers Moderation der Sachen auch nicht geholffen/ weil eben ſolcher geſtallt der
Pfaͤltziſchen Kinder vnnd Vetter Recht in Zweiffel/ vnnd auff vngewiſſen Auß-
ſchlag gezogen wuͤrde: deß wegen ſie ſich vor vbergroſſem Tumult vnd Vngemach/
das den Kayſer vnnd gantze Vatterland Teutſcher Natton betreffen wuͤrde/ ſich
foͤrchteten: auch von jhren eygenen Vnderthanen ermuntert/ zu jhrem noͤthigen
Schutz Kriegs Volck annahmen. Welck er Handel den Kayſer/ vnnd alle Ca-
tholiſche Fuͤrſten vmb etwas beſtuͤrtzt gemacht: zumahl Manßfeld in Oſt Frieß-
land/ vnd Fuͤrſt Chriſtian Biſchoff zu Halberſtatt im Biſtumb Oßnabruck vbel
hauſeten/ vnd den Nieder Saͤchſiſchen Kraiß auffruͤhriſch macheten. Darumb
fordert der Kayſer den Tilly nach Regenſpurg/ vnnd macht jhn in anweſen der
Staͤnden/ zu einem Graffen: hiernechſt geſchah Vnderꝛedung von Behauptung
der verlegten Kron/ vnnd ſchickten die Catholiſche Staͤnde den Landgraffen von
Darmbſtatt zum Churfuͤrſten in Sachſen/ jhn zur Genehmhaltung zubringen.
Vnnd damit die Verꝛichtung deſto trewlicher vorgtenge/ gab der Kayſer ein
Spruch/ wegen deß Fuͤrſtenthumbs Marpurg/ dem Darmbſtaͤtter zum beſten/
mit refuſion aller empfangenen Nutzungen/ welche Commiſſion den beyden
Churfuͤrſten zu Coͤlln vnnd Sachſen auffgetragen/ die Execution aber dem Tilly
anbefohlen worden. Es wurd aber hernach gemittelt/ auff einer Zuſammen-
kunfft zu Schleuſingen/ nach dem der Churfuͤrſt zu Maintz/ vnd der Landgraff zu
Darmbſtatt/ beneben dem Tilly/ etlichen Mißverſtaͤnden abgeholffen/ daß der
Churfuͤrſt in Sachſen/ den Bayerfuͤrſten nicht nur vor einen mit Churfuͤrſten er-
kannt vnnd angenommen/ ſondern auch alle moͤgliche Huͤlff zu Erhaltung Kay-
ſerlichen Anſehens zugeſagt vnnd verſprochen. Darauff der Kayſer zu gnaͤdi-
ger Erkanntnuß/ neben allen den gefangenen Saͤchſiſchen Hertzogen/ auch Printz
Chriſtian von Anhalt ledig gezehlt/ vnd zu Gnaden angenommen. Endlich hat
man den Churfuͤrſten auch an den Reyen gebracht/ vnnd die Chur Dignitaͤt der
Bayriſchen Wilhelmiſcher Lini mit allen Gerechtigkeiten/ zu ewigen Tagen vber-
geben. Alles durch wolabgefaßte Revers/ daß dieſer Zufall keinem Weltlichen
Churfuͤrſten/ einigerley weiſe weder præjudicirlich/ noch nachtheilig ſeyn ſolle.
Dritter Theil. NGleich
[98]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Gleich wie nun Kayſer Maximilian Anno 1505. in der Bayriſchen Fehden/ vber
deß Hertzogen von Landshut verlaſſene eygenthumbliche vnd Lehenguͤter/ dann
Churpfaltz ſeinem Sohn/ als deß verſtorbenen Hertzogen einiger Tochterman al-
les ſuchte mit Gewalt zuerhalten/ die geleyſtete Huͤlff an Zoͤllen/ Sloͤſſern vnnd
Landen/ ſo jhm zum allerbeſten gelegen/ bezahlt genommen: alſo thet allhie auch der
Hertzog/ vnd nunmehr Churfuͤrſt in Bayern/ wegen dero im Boͤhemiſchen Krieg/
vnd hernach geleyſteten Nothhuͤlff. Vnd weil der Pfaltzgraffen ſo gar viel/ vnd
biß vber dreyſſig/ Mannlichen Stamms zuzehlen waren/ macht er jhm leichtlich
die Rechnung/ er moͤchte vber kurtz oder lang wegen der Chur vnnd Obern Pfaltz
wieder angefochten werden: hielt derowegen ſeinen Pfandſchilling/ das Laͤndlein
ob der Enß/ am Schnuͤrlein/ vñ vermocht den Kayſer dahin/ daß er ſich verobligirt/
das Hauß Bayern bey den Pfaͤltziſchen Landen zu manuteniren. Welches dan-
noch dem Hauß Spanien nicht wollen gefallen/ weil nemblich das Hauß Bayern
zu hoch geſtiegen/ vnd dem Hauß Oeſterꝛeich vber den Kopff wachſen koͤnte. Es
konde aber bey ſolchem Lauff deß Gewitters nicht anderſt ſeyn/ vnd Bayern erhielt
was er wolte: Aber etlicher maſſen auß Zwang/ dieweil bekant war/ daß er mit dem
Frantzoſen leychete/ vnd an jhme einen ſtarcken Ruͤcken ſuchete.



Der zehendte Diſcurß.


Ein newe Liga wieder den Kayſer/ deren Haupt der Koͤnig in Dennmarck/ wird
geſchloſſen/ vnnd vom Friedlaͤnder vnd Tilly getrennet. Warumb der Fried hier-
auff nicht erfolgt ſey. Das Kayſerlich Edict vnd Deciſion wegen deß Geiſtlichen
Vorbehalts/ den Zuſtand deß Roͤm. Reichs/ vnnd die Vrſach eines newen Kriegs
inhaltend.


ES konde der liebe Fried noch nicht herfuͤr brechen/ weil es jmmer-
zu noch friſche Haͤndelgab: das Churfürſtliche Collegium war zwar er-
ſetzt/ aber Fuͤrſt Chriſtian von Braunſchweig/ Gottes Freund/ vnnd aller
Pfaffen Feind/ macht ſich wieder ſtarck/ ſo lag Manßfeld in Frießland:
vnd wartet/ was Bethlem Gabor/ mit deme von Jaͤgerndorff vnd Thurn in Hun-
garn vnnd Maͤhren verꝛichten ſolten. Bethlem Gabor klagte/ man hette jhm/
was jhm auff dem Reichstag zu Edenburg verſprochen worden/ nicht gehal-
ten: darumb bracht er den Kayſeriſchen Feldherꝛn/ Graffen von Negromonte in
euſſerſte Hungers Noth/ in dem er ſeinen dritten Frieden/ durch ein Anfang deß
Stillſtands von zween Monaten gemacht. Aber Tilly muſte auß der Wetteraw
nach Weſtphalen/ vnd dem tellen Hertzogen/ auch verſchlagenen Manßfeld Stoͤß
darbiethen/ biß Manßfeld/ ein Soldat de fortune, es dahin gebracht/ daß ſich ein
newe
[99]Dritter Theil.
newe Liga auff dreyſſig Jahr zu Pariß zwiſchen Franckreich/ Engelland/ Denn-
marck/ Saphoy/ Venedig vnnd den Staden der vereynigten Niederlanden ge-
ſchloſſen/ der zu hochgeſtiegenen Oeſterꝛeichiſchen Macht zubegegnen/ vñ die Vn-
derdruckte in jhre vralte Teutſche Freyheit wieder zuſetzen. Es wolte aber der
Handel nicht ſchleunig ergehen/ ob ſchon Manß feld allen Fleiß anwande/ in Per-
ſon vnd durch Schreiben/ die Frantzoſen vñ Engellaͤnder zum Ernſt auff zumun-
tern: dann auch alles wie der wollen zu Waſſer werden/ als Printz Moritz von Naſ-
ſaw/ vnnd kurtz vor jm der Koͤnig in Engelland Todts verfahrẽ/ darumb der gantze
Braſt auff den Nieder Saͤchſiſchen Krayß ſich zohe/ zumahl die andern Bunds-
verwandten entweder ſelbſt jhre Haͤnde voll zuthun bekamen/ oder jhr abſonderli-
ches Abſehen vnd Bedencken hatten/ ſich in gefaͤhrlichen Sachen zuverdieffen o-
der jhre eygene Lande zuentbloͤſſen/ vnd dem Hauptweſen bey zuſpringen. Die-
weil nur der Nieder Saͤchſiſche Krayß die Kriegsbrunſt vor Augen ſahe/ erwehlt
er Chriſtianum IV. Koͤnig in Dennmarck/ als ein Mitglied/ wegen Holſtein vnd
anderer Herꝛlichkeiten/ zu einem Krayß Oberſten/ damit weder Manßfeld noch
Tilly/ der tolle Hertzog noch Anhalt jhren Boden betretten/ vnd die Kriegsſchul
bey jhnen auffrichten moͤchten. Man kam etlichemal zuſam in Braunſchweig/
aber ohn ſonderliche Verꝛichtung/ vnnd erklecklichen Schluß oder Nachdruck.
Dieſe newe Armatur entſtunde fuͤrnemblich dannenher/ daß zwar der Magdebur-
giſche Adminiſtrator auß dem Hauß Brandenburg im Namen Kayſerlicher Ma-
jeſtaͤt weitlaufftig verſprochen/ es ſolte mit dem Nieder Saͤchſiſchen Kreyß gantz
keine Noth haben/ wann derſelb ſich nur Neutral hielt/ vnnd das Reſeruatum we-
gen der Geiſtlichen Gütern dem Kayſer heimſtellen wolte/ vnd jhre Voͤlcker zu den
Kayſeriſchen ſtoſſen/ alle Friedenſtoͤrer mit Macht zudaͤmpffen. Es wurd auch
vnder dieſe Staͤnde auß geſtrewt ein bitterer Saam deß Mißtrawens vnnd Arg-
wohns. Dann wie es Chur Sachſen verdroſſen/ daß es jhme nicht nach ſeiner
erſten Einbildung zugeſchlagen/ verwieſe er dem Adminiſtrator eine groſſe Vn-
achtſambkeit: der Biſchoff zu Bremen/ auß dem Hauß Braunſchweig meynt/ er
ſpieltvnder der Decke/ der Hertzog von Lůneburg/ Kreyßoberſter/ gab jhm Schuld/
als vnderfing er frembde Haͤndel/ vnnd gieng mit einer Mißgeburt ſchwanger/
darunb er auch ſein Ambt abgelegt/ welches der Koͤnig in Dennmarck auff ſich ge-
nommen. Vnd hie gab es viel ſchreibens/ klagens vnd ſagens/ die Mitternaͤch-
tige Voͤlcker hetten einen allgemeinen Auffſtand/ wider das Hauß Oeſterꝛeich vor/
deßwegen man eine ſtarcke Gegenverfaſſung richten muͤſte.


Vnd zwar ſchien es dem Kayſer nicht allerdings rahtſamb/ daß der Catho-
liſchen Ligæ Voͤlcker den Nieder Saͤchfiſchen Kreyß zu wieder Abtrettung der
Geiſtlichen Guͤter/ ohn ſeinen groſſen Danck bringen ſolten. Darumb muſte
Hertzog Albrecht von Friedland ſonſten genannt Wallenſtein/ mit dreyſſig tau-
ſend Mann heran kommen/ vnnd weil keine Abmahnungen helffen wolten/ den
Koͤnigin Dennmarck nach etlichen Treffen/ vnnd Bezwingung fuͤrnehmer Plaͤ-
N ijtzen/
[100]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
tzen/ zu einem Vertrag noͤthigen/ in deme Manßfeld durch Mecklenburg ſich nach
der Marck Brandenburg gezogen/ zu Zerbſt vnd Deſſaw geſetzt/ vnd endlich mit
dem tollen Hertzogen nach der Schleſien geruckt/ Hertzog Johann Ernſten von
Weinmar daſelbſt gelaſſen/ welcher auch guten Fortgang ſeiner Waffen gehabt:
er aber gedacht die Hungarn wieder auffruͤhriſch zumachen/ ſonderlich in Erwe-
gung ſeiner Kriegsvoͤlcker: fand aber ſein letztes Stůndlein/ oder wurde von dem-
ſelben an beſtimptem Orth ergriffen/ als er auß Siebenbůrgen ſich in Boſnta ge-
macht in willens nach Venedig zu reyſen/ vnd die Vollziehung deß Bundes ins
Werck zurichten. Auch konde der von Weinmar/ neben dem Marggraffen von
Baden vnnd von Thurain der Schleſien die laͤnge nicht verharꝛen/ fuͤrnemblich
nach deme der von Weinmar/ nicht ohne Zeichen beygebrachten Giffts/ verſtor-
ben/ vnnd die Kriegs Verwaltung allgemach hinckend worden/ alſo daß ſie ſich
endlich zu dem Koͤnig in Dennmarck begeben. Die Sachen ſtunden ſelbiger
Zeit auff deß Kayſers Seiten nit zum allerbeſten/ weil auch die Bauern im Laͤnd-
lein ob der Enß zu den Waffen griffen/ vnnd die Hauptſtatt Lintz hart belagerten.
Dann wann einige frembde Huͤlff vnd geuͤbte Kriegsleuth ſie haben koͤnnen/ man
jhrer ſo geſchwind nicht maͤchtig ſeyn/ vnd den fuͤrnembſten nach den Koͤpffen gra-
ſen koͤnnen. Weil nun Tilly dem Koͤnig in Dennmarck gewachſen/ ja vberle-
gen war/ verfolgt der Friedlaͤnder den Manßfeld/ vnnd bracht die Weinmariſche
Armada in der Schleſien zum Auffbruch/ wieder nach Nieder Sachſen zuziehen:
gedacht abex zum Hauptweſen zugreiffen/ vnd den Nieder Saͤchſiſchen Kreyß zu-
faſſen/ ſonderlich aber Wolffenbuͤttel durch die angefangene Belaͤgerung zube-
zwingen/ vnd auch der offenen See ſich zuverſichern. Jn welchem gantzem Ver-
lauff die Koͤnigliche Waffen wenig Gluͤck empfunden/ ſonderlich da Wolffenbuͤt-
tel/ die Krempe vnd Gluͤckſtatt vbergieng/ ſieben Faͤhnlein vberfielen/ vnnd neun-
zehen ſich deme von Anholt ergeben muſten/ zumahl die Staͤnde in dem Koͤnig-
reich deß Kriegens nicht mehr wolten/ ja den Koͤnig ſelbſten vber dem Belt zuhal-
ten gedachten/ auch die Hanſeeſtaͤtte keinen Raht mehr funden/ darumb zu Luͤbeck
ein Fried bethaidigt ward/ daß einer dem andern die eingenommene Staͤttevnnd
Schloͤſſer/ ſampt den Gefangenen/ wieder ſolte abtretten/ jeder ſeine Wrnden
ſelbſt lecken vnd Freundſchafft pflegen.


Doch hielt der Friedlaͤnder durch ſeinen General Leutenant Arnheim die
Statt Stralſund/ weil ſie keine Quarniſon einnehmen wollen/ hart belaͤgert/ vnd
dachte darvon nicht abzulaſſen/ weil jhm nunmehr der Kayſer den Titel eines
Reichsfuͤrſten gegeben/ vnnd beyde Hertzogthumb Sagan vnd Mecklenbirg ver-
liehen hatte. Nun iſt Manßfeld todt/ der tolle Hertzog verſchwunden. Wein-
mar auß dem Weg geraumt/ die Bawern gedaͤmpfft/ der Koͤnig in Demmarck
zum Fried genoͤthiget/ die vbrige Widerſacher zerſtrewt/ vnnd der gantze Nieder-
Saͤchſiſche Kreyß gefaßt/ vnd das Roͤm. Reich mit Kriegsvoͤlckern vberſchwem-
met/ vnd ob ſchon Chur Sachſen ſeinen Printzen Auguſtum zum Admimkratorn
deß
[101]Dritter Theil.
deß Stiffts Magdeburg wolt machẽ/ hat doch ſchon der Bapft hier in Verſehung
gethan/ vnd ſelbige Dignitaͤt deß Kayſers Sohn Leopoldo verſchafft/ derenwegen
es wol kein newen Krieg in den Saͤchſiſchen Landen geben ſolte. Alſo moͤcht man
den guͤldenen Frieden nunmehr vorgewiß hoffen/ biß etwan ein neidiſcher Nach-
bar das Fewr wie der auffblaſen/ vnd newe Haͤndel anſpinnen wuͤrde. Dann es
hatte das Hauß Oeſterꝛeich die Conſilia hoch/ vnd vber alle maſſen kluͤglich ge-
fuͤhrt/ zu Fortſetzung vnnd Außrottung der Hugonotten in Franckreich trewlich
vnnd eyferig gerahten/ den Koͤnig in Engelland mit einem Heurath zwiſchen dem
Printzen von Wallis vnnd einer Jnfantin auß Spanien/ wie auch mit der Hoff-
nung vnd Reſtitution der Pfaltz auff gezogen/ vnd ſchier gar in einen offentlichen
Krieg wieder Franckreich verleytet: den Koͤnig in Dennmarck recht laſſen wider
die Fauſt lauffen/ vnd mit einem blawen Aug abgefertigt/ den Saphoyer mit
Auffrichtung newer Armeen in Jtalien gantz jrꝛgemacht/ die Venetianer ver-
kehrt/ vnnd den Hollaͤndern die Haupt Armaden auff die Graͤntzen Oſtfrießland
gefuͤhrt/ auch deß Veltlins vnnd der Grawbuͤnden ſich verſichert/ oder doch der
Frantzoſen Gedancken vnd Macht dahin gezogen/ zumahl den Hertzogen in Loth-
ringen vermoͤcht/ dem Frantzoſen newen Lermen zumachen/ im Fall er etwan ſich
in das Teutſche Weſen einzuflechten bewegt würde.


Bey ſo geſtalten Sachen ſind wir kommen/ biß in den Sommer deß 1629.
Jahrs/ in deme die Proteſtirenden voller Forcht vnnd Schrecken ſtunden/ es wür-
den die Cammer vnd Hoffproceß wider ſie außgehen/ vnnd die Execution ohne ei-
nigen Verſchub erfolgen: vnd wann die Cleriſey jhre Spruͤche an die Kloͤſter vnd
Abteyen herfuͤr ſuchen ſolten/ wuͤrde jhnen wenig Land vnd Einkommen/ auch die
Religion nicht frey gelaſſen werden. Die Catholiſchen aber waren voller Frewd
vnd Hoffnung/ zu dem Jhrigen wieder zugelangen/ vnd nicht nur/ was nach den
Paſſawiſchen Vertrag/ ſondern auch was von Anfang deß Abfalls/ biß auff dem-
ſelben/ an Geiſtlichen Guͤtern jhnen entzogen worden/ wiederumb zuerobern/ vnd
alſo mit der Zeit einen Schaffſtall/ vnder einem Hirten vnd Statthalter Chriſti
zuſehen. Wie dann die Reformationen alſo bald in den Oeſterꝛeichiſchen Lan-
den eyferig getrieben/ vnd der zehende Pfening von den Auß weichenden erhoben/
auch denen/ ſo zu Dempffung der Abtruͤnnigen Gelder geſchoſſen hatten/ wieder
erſtattet wurden. Es hatte zwar Chur Sachſen/ wegen trewer geleyſteten Dien-
ſten bey wieder Eroberung deß Koͤnigreichs Boͤhmen Protectoria, vnd wurde we-
der mit Einquartirungen/ noch ſonſten einigerley weiß beunruhiget/ konde aber in
die laͤnge nit beſtehen/ ſondern ſahe ſich in gleicher Gefahr der Vberſchwemmung
mit allen den andern. Zu dieſem Ende hielten die Catholiſchen eine Zuſammen-
kunfft zu Heidelberg/ bathen den Kayſer durch Geſandſchafft/ den allgemeinen
Frieden eheſt zubeſtaͤttigen/ vnd ſie veſt zuſetzen: beſchloſſen auch mit jhren Kriegs-
voͤlckern nichts abzutretten/ biß jhnen die ſchwere Kriegskoſten erſtattet wuͤrden/
vnd weil man auch an ſie geſunnen/ die huͤlffliche Hand zubiethen/ daß man alles/
N iijwas
[102]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
was die Hollaͤnder vnd Frantzoſen dem Reich benommen/ wieder herbey braͤchte/
zogen ſie dieſen Vortrag in reifflicher Bedencken/ vnnd begehrten ſchließlich der
Kayſer wolte jhnen die entzogene Geiſtliche Guͤter wieder laſſen einraumen.
Dieſem jhrem begehren/ gab der Kayſer ſtatt/ vnd ließ wegen der Geiſtlichen Gü-
ter/ dieſes Mandat außgehen/ welches nach dem Boͤhmiſchen vnnd Daͤniſchen
Krieg ein newen Lermen erwecket/ vnd ſchier gantz Teutſchland zu Grund gerich-
tet hette.


Wir Ferdinand der Ander ꝛc. Entbieten/ ꝛc. Vnſer Freundſchafft/ Gnad/
vnnd alles Guts. Vnd ſetzen auſſer Zweiffel/ es werde maͤnniglich mehr dann
zuviel wiſſend vnd bekand ſeyn/ in was ſchaͤdlichen Mißhelligkeit vnd Zerꝛuͤttung/
vnſer geliebtes Vatterland Teutſcher Nation/ nun ein lange Zeit hero geſchwe-
bet/ deſſen Mißtrawen vnd hochgefaͤhrlicher Trennung/ Anfang vnnd Brunnen-
quell/ vrſpruͤnglich zwar die leydige Spaltung in der Religion geweſen/ vnd noch
iſt/ nach derſelben aber dieſes fuͤrnemblich/ daß gegen den Religion. vnd Landfrie-
den/ ſo fůrnemblich deßwegen auff gerichtet/ damit die Staͤnde beyder Religion/
ſolchem Frieden gemaͤß/ eintraͤchtig ſich gegeneinander verhalten/ auch kein Theil
dem andern an ſeinen Rechten/ Gůtern/ Land vnnd Leuthen/ keinen Eingriff/
Schaden oder Nachtheil zufuͤgen ſolle/ nicht allein vnderſchiedliche Spolia, vnd an-
dere hochſchaͤdliche Artentata, veruͤbet/ ſondern auch noch darzu vnder allerhand
geſuchten Schein/ vnnd durch hochſchaͤdliches Diſputat vber den Religionfrieden
ſelbſten/ gleichſam derſelbe in ſeinem Jnhalt den jenigen/ ſo dagegen gehandelt/ zu
ſtatten kommen thete/ juſtificirt vnd verthaidiget werden wollen.


Auß welchem dann erfolgt/ nach dem die Turbatores etliche Vrtheil ver-
lohren: auch jhrer vnrecht maͤſſigen Eingriff halber/ noch ferꝛneren Verluſtes ſich
beſorgen muͤſſen/ daß man zu letzt eines Theils gegen dem klaren Jnhalt deß Reli-
gionfrieden ſelbſt/ als auch anderer deß H. Reichs Abſchied/ keinen Richter mehr
leiden/ ſondern den andern Theil zu einem newen Vertrag/ vnnd daß ſich derſelbe/
vnder dem Schein einer Compoſition, alles An- vnd Zuſpruchs gaͤntzlichen bege-
ben moͤchte/ zwingen wollen: auch zu Behauptung ſolches vnrechtmaͤſſigen Jn-
t ents/ anfaͤnglich allerhand verborgene Jntelligentzen/ heymliche Verbuͤndnuß/
vnderſchiedliche Corꝛeſpondentzen/ vnnd zu letzt ein offentliche Vnion: dann/ als
dieſelbe durch die entſtandene Boͤhmiſche Rebellion/ ein erwuͤnſchten Vortheil
erlangt zu haben vermeynt/ jhr Vorhaben durch zudringen/ noch weitere Confœ-
derationes vnnd Buͤndnuſſen mit jnn- vnd außlaͤndiſchen Herꝛſchafften vnnd
Communen/ ja deß Erbfeinds Chriſtlichen Namens/ ſelbſt Einflechtung/ ange-
ſtellt: biß endlich durch ſolche Machinationes/ das gantze Vatterland in ein Flam-
men vnnd ſolchem Zuſtand/ darinnen es noch biß Dato/ mit hoͤchſtem Seufftzen/
vnd Wehklagen der Nothleidenden armen Vnderthanen/ ſich befindet/ gebracht
worden.


Ob nun zwar dieſes Vnheil vnſere loͤbliche Vorfahren am Reich/ als auch
viel
[103]Dritter Theil.
viel Friedliebende Staͤnde/ vnd darunder vornemlich deß H. Reichs Churfuͤrſten/
zeitlichen vorgeſehen/ vnd jhres Theils gern remediren wollen/ als dañ noch Anno
1559. als man erſtlich vber vnnd wider den Religlonfrieden eine vermeynte Klag
einzuwenden tentirt/ Weyland vnſers Vorfahren vnd Anherꝛn Kayſers Ferdi-
nandi Liebden/ dieſelbe Klagen an das Kayſerliche Cammergericht remittirt: dar-
uͤber aber die Proteſtirenden damalen die Kammer geflohen/ vnd die Deciſion von
gedachtes vnſers Anherꝛn Kayſers Ferdinandi Liebden ſelbſt begehrt/ mit dieſem
andeuten/ daß etliche darunder ſo lauter vnd klar/ daß ſie einiger weitern Außfuͤh-
rung nicht beduͤrfftig/ ſondern allein auß den ſchlechten Worten deß Religion-
friedens decidirt werden moͤchten. Jn maſſen ein ſolche General Deciſion auff
folgenden Reichstaͤgen/ vnnd ſonderlich noch Anno 1594. geſucht/ alsdann auch
damalen deß Adminiſtratoris der Chur Sachſen/ Hertzog Friederich Wilhelms
Liebdẽ/ ſolche Deciſion zu beſſerer Præparation deſſelben Reichstages proponiren
laſſen: So iſt doch wegen gefaͤhrlicher Tuͤrckenkriege/ vñ anderer verlengten Ex-
peditionen/ die Deciſion differiret worden. Nichſto weniger aber haben hoͤchſter-
melde vnſere loͤbliche Vorfahren hierzwiſchen nicht vnderlaſſen/ denen Betrang-
ten/ ſo bey denſelben vmb die Juſtitz angehalten/ jhrem Kayſerlichen Ambt gemaͤß/
ſo wol an jhrem Keyſerlichen Hoff- als dem Cammergericht zu Speter/ nach jn-
halt deß Religion friedens/ vnd der allgemeinen Rechten/ dieſelbe zuertheilen: biß
endlich Anno 1613. die jenige/ ſo ſich Corꝛeſpondirende genannt/ nicht allein ſolcher
rechtmaͤſſigen/ vnnd in dem Paſſawiſchen Vertrag ſo wol/ als auch in dem Reli-
gionfrieden ſelbſt/ auß druͤcklich fundirten Proceß/ an dem Kayſerlichen Hoff- vnd
Cammergericht/ nebẽ Vberꝛeychung newer Gravaminum ſich beſchwehrt/ ſon-
dern auch die hiebevor auß obbeſchriebene ſelbſt vorgeſchlagene Kayſerliche Deci-
ſion/ weiter nicht zulaſſen wollen/ ſondern auff einen newen Modum eines guͤtli-
chen Vergleichs/ ſo noch auff demſelben Reichstag vorgenommen werden ſollen/
gedrungen: vnd als ſie damals mit ſolcher vorgeſchuͤtzten Compoſition nicht fort-
kommen moͤgen/ haben ſie dannoch nicht vnderlaſſen/ wegen eines abſonderlichen
Compoſitiontags ſtarck in vnſers Vettern vnnd Vattern/ Weiland Kayſers
Matthiæ Liebden zudringen: welche ſich auch/ damit jre Liebden nichts/ ſo zu Wie-
derbringung guten Verſtandes vnder den Staͤnden dienen moͤchte/ an jhrem
Theil erwinden lieſſen/ einen Compoſition Tag endlich nicht zu wider ſeyn
laſſen.


Als ſie aber der Catholiſchen Staͤnden rechtmaͤſſige Beſchwerd/ ſo ſie bey
ſolchem Mittel gehabt/ in Erwegung gezogen/ weiln ſie von dem Religionfrieden
nicht konden noch wolten abweichen/ vnnd daher von jhrem Rechten tranſigendo
gegen Jnhalt deß Religion friedens ſich nit wiſſeten einzulaſſen/ vnd der Vrſach
halber alle Handlung nicht alle in vergeblich/ ſondern allein zu mehrer Verbit-
terung auß ſchlagen wuͤrden/ als haben ſie ſolchen Weg/ als ein deſperirtes Mittel
ſallen laſſen: wie dann eines Theils die Proteſtiren de Staͤnde ſelbſt erkant/ daß
mit
[104]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
mit demſelben/ ohne Einwilligung deß Catholiſchen Theils ſchwerlich zugelan-
gen. Dannenhero bald nach obgedachtem Reichstag/ Anno 1613. neben den Ca-
tholiſchen/ auch deß Churfuͤrſten von Sachſen/ vnd Landgraff von Heſſen Darm-
ſtatt Liebden vnſers Vorfahren/ Kayſers Matthiæ Liebden wolmeynendgerah-
ten/ daß jhre Liebden obgemelten grauaminibus, auß Kayſerlichem Ampt/ jhrer
Vorfahren am Reich/ Roͤmiſcher Kayſer Exempel zu Folg/ nach Jnhalt der
Reichs Conſtitutionen/ jhre Erledigung geben ſollen: wie dann daruͤber nechſtge-
dachtes Churfuͤrſten von Sachſen Liebden dz folgende 1614. Jahr den 5. Mertz in
jhrem Schreiben weitlaufftig erinnert/ die Nieder Saͤchſiſche Krayß Staͤnde von
der Conjunctur mit den Corꝛeſpondirenden/ neben andern auß dieſem Funda-
ment abzumahnen/ weil Jhre Mayeſtaͤt im Werck ſeyn/ die Gravamina foͤrder-
lich zuerledigen. Wann wir dann vnſers Kayſerlichen Ampts ermeſſen/ nicht
allein wie wir deß H. Roͤm. Reichs Widerwertigen begegnen/ vnnd ehgedachtes
Reich widerumben zu Ruhe ſtellen/ ſondern auch zugleich/ damit durch vngleiche
Außlegung vnnd Deutung deß Religionfriedens die Reichs Staͤnde nicht weiter
vndereinander in Zwitracht vnnd Mißhelligkeit gerahten/ embſiglich vorzuſehen/
auch der Vrſachen halben von dem Churfuͤrſtlichen Convent zu Muͤlhauſen auß/
vnderthaͤnigſt auß trewer Vorſorg fuͤr deß H. Roͤm. Reichs Wohlſtand/ erſucht
worden/ die allergnaͤdigſte Verfügung zuthun/ damit zu Auffrichtung gutem be-
ſtaͤndigem Vertrawen/ die zum oͤfftern von den Staͤnden eingebrachte vnnd ge-
klagte Gravamina/ nach Jnhalt der Reichs Conſtitutionen/ auch Religion vnnd
Prophanfriedens/ ſo weit vnd viel darinnen ſubmittirt/ eroͤrtert/ vnnd kein Stand
demſelben zu wider beleydigt vnd beſchwehrt bleibe.


Als haben wir ſolche vnſerm Ampt anhangende Erklaͤrung vnd Reſolution/
dem Religion vnd Prophanfrieden gemaͤß/ auch nach Jnhalt der Reichs Abſchte-
den/ vornemblich vom Jahr 1566. laͤnger nicht ſollen noch wollen anſtehen laſſen:
Bevorab/ demnach vns nicht allein vorgetragen worden/ welcher geſtallt auff
mehr beſagtem Reichstag Anno 1613. die Proteſtirende ſelbſt bekant/ daß die Gra-
vamina nicht new/ ſondern hiebt vor offtmahls geklagt/ die jenigen auch/ ſo darbey
jntereſſirt zu ſeyn vermeynen moͤchten/ gnugſam allbereyt daruͤber gehoͤrt worden/
ſondern auch ſchon laͤngſt/ Anno 1576. erſtgemelte Proteſtirende Staͤnde in jhren/
vnſerm Vorfahren Kayſers Maximiliani Liebden vberꝛeychten ſuppliciren/ vmb
Erledigung jhrer Gravaminum/ mit gutem Grund ſelbſt angedeutet/ daß vn-
noth ſey/ auff deß einen oder deß andern Theil Bewilligung zuſehen/ oder zuwar-
ten/ ſondern der Kay. Majeſtaͤt/ als dem Ober Haupt vnnd Handhaber aller Ord-
nung vnnd Geſetze/ auch Beſchirmer vnnd Beſchuͤtzer der Bedrangten/ alle voll-
kommene Gewalt vnd Macht zuſtehe/ Jhr Kayſerlich Ampt zu interponiren/ vnd
was zu [F]ortſetzung gemeiner Wolfahrt/ vnd Abſchaffung alles ſchaͤdlichen Miß-
verſtands vnnd Vnheils im Roͤm. Reich erſprießlich ſeyn mag/ vnnd vorigen
Reichs Satzungen gemaͤß iſt/ zuverordnen. Welches im Jahr 1559. erſtgemelde
Prote-
[105]Dritter Theil.
Proteſtirende/ wie auch oben angezogen/ mit dieſem Anhang an offtgedachtes vn-
ſers Anherꝛn Kayſers Ferdinandi Liebden mit ſolchen Formalibus gelangen laſ-
ſen/ daß es vmb die Gravamina alſo beſchaffen/ daß dieſelbige (als ſich ſolches in
Warheit findet) auß den klaren Worten der Reichs Conſtitutionen vnd deß Reli-
gionfriedens decidirt werden koͤnnen vñ ſollen. Ob vns nun zwar nicht liebers ge-
weſen/ als allen ſolchen grauaminibus durch vnſer Kayſerliche Reſclution/ jhre
abhelffliche Maß zugeben/ ſo haben wir doch vornemblich darauff geſehen/ wie wir
auch deſſen vom Churfuͤrſtlichen Collegio erinnert/ die jenige zueroͤrtern/ daruͤber
der ſubmiſſion halben/ der wenigſte Zweiffel nicht vorfallen moͤchte/ als diejenige
Gravamina ſeyn/ ſo auch ohne alle ſubmiſſion/ in dem klaren Buchſtaben deß Re-
ligionſriedens beſtehen/ vnnd an deren Reſolution zu Wiederbringung eines
durch gehenden Friedens/ am meinſten vnd hoͤchſten gelegen: darbey wir dann nit
vnderlaſſen wollen/ auch dem vbrigen nachzudencken/ vnnd bey erſter Gelegenheit
vns ebenmaͤſſig/ damit ſich niemand ferꝛner zubeſchweren Vrſach habe/ zu reſol-
viren.


Dieſem nach/ vnd damit wir zu dem Werck ſelbſten ſchreiten/ befinden wir
Erſtlich/ daß dem Religion frieden/ vnd vorigen dißfalls gantz nit auffgehobenen
Reichs Satzungen zuwider/ in ein gantz vnnoͤthig Diſputat gezogen/ vñ dardurch
der jetzige Vbelſtand im H. Roͤm. Reich nicht wenig verurſacht worden/ ob auch die
jenige Stifftungen/ Kloͤſter/ Prælaturen/ ſo vnder der Fuͤrſten vnnd Staͤnd Ge-
bieth vnnd Bott maͤſſigkeit gelegen/ vnd er dem Religionfrieden begriffen/ den je-
nigen/ welchen die Landsfuͤrſtliche/ vnnd ſonſten Terꝛitorial Obrigkeit zuſtehet/
Macht gehabt/ oder noch haben/ ſolche einzuziehen/ zu reformiren/ oder in ander
Weg zu milten Gaben/ oder ſonſt jhrem Gefallen nach zu verwenden. Daß nun
ſolches nicht ſeyn ſolle/ den Obrigkeiten auch dergleichen Eingriff in die Geiſtliche
Güter/ ob die zwar dem H. Roͤm. Reich nicht ohne Mittel vnderworffen nicht ge-
buͤhre: davon beſagter Religionfrieden klar vnnd außdruͤcklich im §. Dagegen/ ꝛc.
Daß die Augſpurgiſche Confeſſions Verwandte/ die andere deß H. Reichs Staͤn-
de der alten Religion/ Geiſtliche oder Weltliche/ ſampt vnd mit jhren Capituln/
vnd anderm Geiſtliches Standes/ auch vngeacht/ ob/ vnd wohin/ ſie jhre Reſiden-
tzen verꝛuͤckt hetten/ bey jhrer Religion/ Glauben/ Kirchengebraͤuchen/ Ordnung
vnd Ceremonien/ auch jhrem Haab/ Guͤtern/ liegenden vnnd fahrenden/ Landen/
Leuthen/ Herꝛſchafften/ Obrigkeiten/ Herꝛlichkeiten vnd Gerechtigkeiten/ Renten/
Zinſen/ Zehenden/ vnbeſchwehrt bleiben/ vñ ſie derſelben friedlich vñ ruhiglich ge-
brauchen/ genieſſen/ vnverweigerlich folgen laſſen/ vnd getrewlich dazu verholffen
ſeyn/ auch mit der That oder ſonſt in vngutem/ gegen dieſelben nichts fuͤrnehmen/
ſondern in alleweg nach laut vnnd Angeweiſung deß H. Reichs Rechten/ Ord-
nung/ Abſchieden/ vnd auffgerichten Landfrieden/ jeder ſich gegendem andern an
gebuͤhrendem ordentlichen Rechten benuͤgen laſſen: alles bey Fuͤrſtlichen Ehren/
Dritter Theil. Owahren
[106]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
wahren Worten/ vnnd Vermeidung der Pœn in dem auffgerichten Landfrieden
begriffen.


Daß nun die Wort (vnnd andern Geiſtlichen Stands) nicht auff ſolche
Stifft vnd Kloͤſter/ ſo dem Reich immediatè vnderworffen/ vnnd Reichs Staͤnd
ſeyn/ beſondern auff die jenigen/ ſo in jhrer der Augſpurgiſchen Confeſſions Ver-
wanden territorijs oder Gebleth gelegen/ zuverſtehen ſeyn/ das weiſen nicht allein
die Reichs Acta vnd Protocolla, welche vber dieſem Puncten im Fuͤrſten Rathge-
halten worden/ darinnen alles das jenige/ was in dieſem paragrapho (von Geiſtli-
chen vnd jhren Stifftern) vnder einen periodum geſetzt/ gar vnderſchiedlich/ vnd
in ſpecie anfangs von denen Geiſtlichen/ ſo Reichs Staͤnde: darnach von denen/ ſo
nit Reichs Staͤnde/ vñ in anderer tereitorio gelegen/ diſponirt vnnd auß gedruckt
wird: ſondern es gibt auch der Context ſelber zuverſtehen/ dz den Geiſtl. ſo jhre Re-
ſidentzen verꝛuckt/ eben ſo wol/ als wañ ſie ſich bey derſelben noch befinden thetẽ/ jre
Renten vnnd Einkommen auß der andern territorio vnnd Gebieth folgen ſollen.
Allermeiſt aber/ ſo iſt ſolches auß dem (§. Damit auch/ ꝛc.) vollend klaͤrlich abzuneh-
men/ in deme darinnen die Geiſtliche Juris dicition wider die Augſpurgiſche Con-
feſſions Verwanden/ mit dieſem außdruͤcklichem Vorbehalt ſuſpendirt wird daß
ſolche ſuſpenſion den Geiſtlichen Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnden/ Collegien/
Kloͤſtern vnnd Ordens Leuthen/ an jhren Renten/ Gült/ Zinſen vnnd Zehenden/
Weltlichen Lehenſchafften/ auch andern Rechten vnd Gerechtigkeiten/ wie obſte-
het/ (nemlich in vorangezogenem §. Dagegen) vnvergreifflich ſeyn ſoll/ ſintemah-
len in dieſen Worten die jenige Geiſtlichen/ ſo Reichs Staͤnde/ als Collegia/ Kloͤ-
ſter vnnd Ordens Leuth/ von denen allen eben diß/ was von Reichs Staͤnden/ hier
vnd oben gemeld worden/ in ſpecie geſetzt vnd wiederholet wird/ alsdann eben dieſe
Satzung ſo wol von der Mittelbaren/ als Vnmittelbaren Geiſtlichen Guͤtern/
Renten vnd Zinſen/ dem Reichs Abſchied Anno 1544. §. vnd mit/ ꝛc. \& ſequenti-
bus
) allerdings corꝛeſpondirt/ welcher als auch andere vorgehende Reichs Abſchie-
de/ ſo in dem Religionfrieden nicht expreſſe veraͤndert/ noch in ſeiner würcklichen
Krafft vnwider ſprechlich verbleibt.


So iſt auch zum Andern ſolches (im §. Dieweil aber/ ꝛc.) noch mehr zubefin-
den: dann in dem ſelben wird verſehen/ daß die jenigen Stifft vnnd Kloͤſter welche
nicht Reichs Staͤnden zugehoͤrig/ vnnd deren Poſſeſſion die Geiſtlichen zur Zeit
deß Paſſawiſchen Vertrags/ oder biß dahin nicht gehabt/ ſondern von den Aug-
ſpurgiſchen Confeſſions Verwanden Staͤnden noch vor dem Paſſawiſchen Ver-
trag eingezogen worden/ Jhnen den Augſpurgiſchen Confeſſions Verwanten
bleiben/ vnd derowegen weiter nicht mehr ſollen angefochten werden. Weil nun
hie die jenigen Stiffter vnnd Kloͤſter/ ſo dem Roͤm. Reich ohn alle Mittel vnder-
worffen/ von den jenigen/ ſo in der an dern territorio gelegen/ vnnd alſo nicht Vn-
mittelbare Staͤnd ſind/ abgeſondert vnnd diſponirt wird/ daß es mit ſolchen Mit-
telbaren Stifft vnd Kloͤſtern bey der Ordnung/ die ein jeder Stand/ vor dem Paſ-
ſawi-
[107]Dritter Theil.
ſawiſchen Vertrag/ mit ſolchen eingezogenen vnd verwendeten Guͤtern gemacht/
gelaſſen: vnd dieſelbe Staͤnd/ weder jnn- noch auſſerhalb Rechtens ſolcher Guͤter
halben nicht beſprochen noch angefochten werden ſollen/ ſo ſchleuſt ſich vnwider-
ſprechlich/ daß die jenigen Mittelbare Sifft vnd Kloͤſter/ ſo nicht vor dem Paſſa-
wiſchen Vertrag/ beſondern hernach erſt/ vnnd ſeithero dem Religionfried einge-
zogen/ außgenommen/ vnnd den Augſpurgiſchen Confeſſions Verwanten daran
gar kein Recht dieſelbe zu reformiren oder einzuziehen eingeraumbt/ ſondern daß
ſolches nicht zugelaſſen/ vnnd da dergleichen geſchehen/ den beleydigten Theilen
jhre Rechten vnd Gerechtigkeiten vor zuwenden vnbenommen.


Welches zum Dritten auch daher erſcheint/ daß im Religionfrieden nir-
gends zubefinden/ daß die Augſpurgiſche Confeſſions Verwanten einige Seifft
vnnd Kloͤſter mehr einziehen doͤrffen/ ſondern wie gedacht viel mehr das Wider-
ſpiel: alſo gar/ daß wann gleich ſolches nicht außdruͤcklich darinnen wer verbotten
worden/ es dannoch/ weiß nicht expreſſe zugelaſſen/ nach der Diſpoſition der allge-
meinen Geſt- vnd Weltlichen Rechten/ auch deß gemeinen Landfriedens/ zuvr-
theilen were/ vermoͤg deſſen niema dgebuͤrt/ einem andern das ſeinige zuentweh-
ren/ weniger dergleichen Geiſtliche Geſtifft vnd Guͤter zuveraͤndern/ welche zumal
diuini ju[r]is, vnd allein Gott vnnd der Kirchen/ nach Jnhalt jhrer Fundation zuge-
hoͤren/ vnd deßwegen (in erſtgedachtem §. Dieweil aber) daß ſie den Staͤnden/ ob
dieſelbe Guͤter zwar vnder jhrer Bottmaͤſſigkeit gelegen/ nicht zuſtaͤndig ſeyn/ auß-
truͤcklich vorbehalten worden: darumb auch die Augſpurgiſche Confeſſions Ver-
wanten/ ſich in dem Religionfrieden expreſſe verwahren laſſen/ daß ſie fuͤr die jeni-
gen mittelbare Geiſtliche Guͤter/ ſo ſie ſchon eingezogen/ nicht mehr Red noch Ant-
wort geben doͤrfften: vnd jrꝛet nicht/ daß im Religionfrted (im §. Vnd damit/ ꝛc.)
geſetzet/ daß die Augſpurgiſche Confeſſions Verwante Staͤnde/ bey jhrem Glau-
ben/ Ceremonien vnd Kirchen Ordnung/ ſo ſie in jhren Fuͤrſtenthumben/ Landen
vnd Herꝛſchafften auff gerichtet/ oder noch auffrichten moͤchten/ vngehindert ſeyn
vnd bleiben ſollen: darauß etliche zuſchlieſſen vermeynen/ daß ſie die darin gelegene
Kloͤſter auch zu reformiren Macht haben. Dann ob wol dergleichen Kloͤſter in
den Weltlichen zugelaſſenen Schuldigkeiten/ jhren gebuͤhrenden Reſpect dahin
tragen/ ſo haben ſie doch in den Fundationen vnnd Geiſtlichen Dingen/ mit den
Landen vnd Herꝛſchafften nichts zu thun/ ſondern wie vorgedacht/ gehoͤren Gott
vnd der Kirchen zu/ daher ſie dann von Weltlichem Gebieth vnnd Regiment diß-
falls exempt vnnd frey ſeyn. Es folgt auch nicht/ weil der Religionfried allein
zwiſchen Reichs Staͤnden auff gerichtet/ daß deß wegen der gleichen Ordens Leu-
then keine Proceß zuerkennen. Dann ob wol der Religionfrieden/ allein mit den
Staͤnden deß H. Roͤm. Reichs auff gerichtet/ ſo koͤnnen doch ſo gar die Vndertha-
nen in den beſtimpten Faͤllen ſich deſſelben gebrauchen: vnd iſt offenbar/ daß die in
andern Fuͤrſtenſtenthumben vnnd Landen gelegene Stifft vnnd Kloͤſter/ mit den
Geiſtlichen Reichs Staͤnden/ in dem Religionfeieden begriffen/ deſſelben vnd ge-
O ijmeiner
[108]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
meiner Rechten faͤhig/ auch derohalben eben ſo wol bey dem Jhrigen Handzuha-
ben: hingegen aber/ wie obgedacht/ an keinem Orth zufinden/ daß die Augſpurgi-
ſche Confeſſions Verwante jhnen den Geiſtlichen etwas weiter an jhren Guͤtern
entziehen ſollen oder moͤgen.


Nicht weniger iſt nunmehr Reichskuͤndig/ daß etliche Proteſtirende Staͤn-
de/ gegen den außdruͤcklichen Buchſtaben deß Religion friedens (im §. Vnd nach
dem/ ꝛc.) in welchem mit hellen Worten verſehen/ wo ein Ertzbiſchoff/ Biſchoff/
Prælat/ oder ein ander Geiſtliches Stands/ von vnſer alten Religion abtretten
wuͤrde/ daß derſelbige ſein Ertzbiſtumb/ Prælatur vnnd Beneficia, auch damit alle
Fruͤcht vnd Einkommen/ ſo er davon gehabt/ als bald ohne einig Widerung vnnd
Verzug/ jedoch ſeinen Ehren vnnachtheilig/ verlaſſen/ auch den Capituln/ vnd de-
nen es von gemeinen Rechten/ oder Kirchen vnd Stifftgewonheiten zugehoͤrt/ ein
Perſon der alten Religion verwand/ zuwehlen vnd zuordiniren/ zugelaſſen ſeyn/
bey der Kirchen vnd Stifft fundationen/ Electionen/ Præſentationen/ Confirma-
tionen/ alten Herkommen/ Gerechtigkeiten vnd Guͤtern/ liegend vnd fahrend/ vn-
verhindert vnd friedlich gelaſſen werden ſollen/ ꝛc.) dannoch ſich vnderſtanden/
nicht allein nach dem ſie von der Catholiſchen Religion abgetretten/ jhre Biſtum-
ben/ Prælaturen vnd Præbenden zubehalten/ ſondern auch die jenige/ welche damit
nicht verſehen geweſen/ nach ſolchen Biſtumen vnd Prælaturen zutrachten/ vnder
dieſem vorgegebenen Schein vnnd Vorwand/ gleichſam dieſer paragraphus, wel-
cher jhnen all zu hell in die Augen geſchienen/ kein Theil deß Religionfriedens ſey/
darin ſie auch niemahlen verwilligt/ ſondern vielmehr dagegen zum oͤfftern prote-
ſtirt. Dahero wir dann/ was es mit ſolchem paragrapho, den man in gemein den
Geiſtlichen Vorbehalt zunennenpflegt/ fuͤr eine eigentliche Beſchaffenheit habe/
vnd wie ſolcher in den Religions frieden kommen/ (ob vns zwar der Buchſtaben
deß Religionfriedens genugſam ſeyn ſollen) vns auß den Reichs Acten fleiſſig in-
formiren laſſen. Auß welchem wir dann befinden/ ſo viel die angezogene Contra-
diction/ vnd nicht Einwilligung der Proteſtirenden anlangt/ daß gleichwol der ſo
offtgemelte Religion frieden in ſeinem Jnhalt ein anders/ vnnd dieſes mit ſich
bringt/ daß derſelbe mit der ſamptlichen Churfuͤrſten vnnd Staͤnde beydertheil
Religionen Raht vnd guten Willen gemacht vnd beſchloſſen/ auch alſo vollzogen/
vnd dabey mit Aidbetheurlichen Worten/ von allen Staͤnden zugeſagt vnnd ver-
ſprochen worben/ daß er in allen vnd jeden ſeinen Puncten/ Clauſuln vnnd Arti-
ckeln/ ſtaͤt/ veſt vnd vnverbruͤchlich gehalten/ vnd dem ſelbem im geringſten nicht zu
wider/ noch entgegen gelebt werden ſolle. Wir vnd vnſere Vorfahrn ſeynd auch in
vnſer Wahl vnnd Kroͤnungs Capitulation/ auff ſolchen Religions frieden/ vnnd
den Jnhalt vnd Begriff/ ohne einige Außnahm vnd Vorbehalt/ gewieſen worden/
zu welchem vns deß H. Reichs Churfůrſten/ nicht alſo ohne Vorbehalt vnd vnder-
ſcheyd verbunden haben wuͤrden/ da in ſolchem Religions frieden jcht was zubefin-
den/ zu deſſen Haltung wir nicht obligirt ſeyn ſollen. Neben deme/ ſo weiſen die
Reichs-
[109]Dritter Theil.
Reichs Acta vnd Protocolla/ ſo vber der Behandlung dieſes Friedens/ in vnſerer
Reichs Cantzley vorhanden/ daß zwar anfangs zwiſchen den Catholiſchen vnnd
Augſpurgiſchen Confeſſion Verwanten vber dieſem Punct ein groſſe Diſcrepantz
geweſen/ vnnd die Augſpurgiſche Confeſſion Verwanten in ſolchen Vorbehalt
nicht einwilligen wollen: als aber die Catholiſchen von demſelben nicht weichen/
vnnd eher lieber den Religion frieden miteinander fahren laſſen wollen: auch dar-
auff vnſer geliebter Vorfahr Kayſer Ferdinand/ ſeeligen Andenckens/ viel wich-
tige vnd treffliche Vrſachen den Augſpurgiſchen Confeſſions Verwanten vorhal-
ten laſſen/ welche ſie auch nicht widerlegen koͤnnen/ geben mehrgedachter Reichs-
tag Anno 1555. glaubwürdige Original Acta vnd Protocolla zuvernehmen: was
maſſen der Abweſenden Augſpnrgiſchen Confeſſions Verwanten/ Chur-Fůr-
ſten vnd Staͤnde Bottſchafften zu jhren Principalen ein Regreß geſucht/ der jh-
nen auch auff zehen Tag lang gewilliget: nach welchem ſie den 20. Septemb. jhrer
Herꝛn Erklaͤrung hieruͤber eingebracht/ vnd als jhre Liebden vnnd die Raͤth nicht
weichen wollen: letzlichen bey ſolchem Vorbehalt mit dieſen außtruͤcklichen Wor-
ten/ daß ſie hierinnen endlich Jhrer Kayſerlichen Majeſtaͤt keinen Form oder
Maß zuſetzen wißten/ verbleiben laſſen: worauff ſie dann ſelbſten etliche Clauſulas,
welche ſie in dieſein Geiſtlichen Vorbehalt zuſcharpff zuſeyn bedunckt/ zu lindern/
auch andere Corꝛecturen denſelben einzuruͤcken gebetten: als jnſonderheit/ daß
beyde Theil miteinander ſich nicht vergleichen koͤnnen/ vnd den jenigen/ ſo ſolcher
geſtalt von den Stifftern tretten muͤſſen/ es an jhren Ehren vnſchaͤdlich ſeyn/ auch
dieſer Vorbehalt kuͤnfftiger Vergleichung der Religion/ nicht præjudiciren ſolte:
welches jhnen dann von Jhrer L. vmb gemeines Friedens willen/ vnd damit der-
ſelbige ſich nicht zerſchlagen moͤchte/ bewilliget worden. Darauff dieſer Vor-
behalt in den Religionfried/ eben auff die Form vnd Weiſe/ wie er jetzt darinnen
ſtehet/ gebracht/ vnd folgends den 25. Sept. mit dem Religionfrieden ohne einig
widerſprechen publicirt/ ſo wol dem Kayſerlichen Kammergericht/ darnach hien-
fort zurichten/ inſinuirt vnd anbefohlen worden.


Ob dann wol deß folgenden Jahrs als Anno 1556. wie auch hernach in An-
no 1557. vnd 1559. dargegen proteſtirt werden wollen/ iſt es doch bey dem Religion-
frieden/ als einer allbereyt geſchloſſenen/ vnd mit Aidsſchwuhr bekraͤfftigten Fun-
damentalgeſatz vnnd Ordnung/ durch welche auch der Catholiſche Theil allbereye
ein jus acquiſitum, ſo jhnen nicht mehr entzogen werden koͤnnen/ erhalten/ aller-
dings verbliebenewie dañ auff ſolche proteſtationes/ vñ der Augſpurgiſchen Conf.
Verwanten bitten vnnd ſuchen/ mehr hochgedachtes vnſers Vorfahren Kayſers
Ferdinand L. in vnderſchiedlichen Decreten/ daß ſie auß dem geſchloſſenen Reli-
gionfried nicht mehr ſchreiten koͤndten/ mehrmahls beſcheiden laſſen. Als auch
nach jhrer Ltodfall Kayſer Maximilian loͤblicher Gedaͤchtnuß/ auffm Reichstag
Anno 1566. vmb Caſſirung dieſes Puncts von den Augſpurgiſchen Confeſſions
Verwanten Staͤnden angelangt worden/ haben jhre L. darzu ſich ſo wenig/ als
O iijvor
[110]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vor wolgemeldter Kayſer Ferdinand verſtehen koͤnnen. Folgends hat vnſer viel
geliebter Herꝛ Vetter/ Kayſer Rudolffs L. in Gott ruhend/ ſich Anno 1590. den
27. Julij gegen die drey Weltliche Churfuͤrſten/ als ſie abermals dieſen Vorbe-
halt angefochten/ ſich gantz Kayſerlich/ dem Exempel jhrer Vorfahren gemaͤß/ er-
klaͤrt/ daß ſie in dem Religions frieden/ vnd deſſen Begriff keinen vnderſcheyd ma-
chen koͤnden/ vnd alſo auch den Artickel deß Geiſtlichen Vorbehalts vnder andern
fuͤr ein Artickel vnd Theil deß Religion friedens halten/ vnd auß folgenden Vrſa-
chen halten muͤſſen/ daß nemblich auff dieſe gantze Verfaſſung nichts dar von auß-
geſchloſſen/ Jhre Kayſ. Mayſt. ein leiblichen Aid geſchworen haben der auch eben
dieſes alles Jhr Kay. May. bey Jhrer Majeſtaͤt Koͤniglichen Wahl durch deß H.
Reichs Churfuͤrſten ſelbſt ohne einige Außnahm/ vnnd Reſervation fuͤrgehalten
worden ſey. Dabey es Jhre Majeſtaͤt nunmehr Pflichten halber billich auch
verbleiben lieſſen: dahero dann auch die ſupplicirende Chur- vnd Fuͤrſten vernuͤnff-
tiglich abnehmen koͤnden/ wie wenig jhrer Majeſtaͤt gebuͤhren wollen/ das jenig
was in beyden Stifftern Coͤlln vñ Straßlurg/ dieſem Vorbehalt zuwider vorge-
nommen iſt worden/ gut zuheiſſen: vnd daß es auch zu den erfolgten That Hand-
lungen vnd Weitlaͤufftigkeiten nim̃er kommen were/ daman ſich beyderſeits deß
Religionfriedens hett erinnern/ vnd dem ſelben geſtracks nach gehen wollen.


Auß welchem allem wir dann vmb ſo viel mehr billichmaͤſſige Vrſach haben/
dieſen vnſerer Vorfahren rechtmaͤſſigen/ wolbedachten reſolutionibus vnnd De-
cretis
nach zuſetzen/ je mehr wir/ auff was ſtattlichen veſten grund dieſelbe beſtehen/
auß den vorgangenen Actis, dem klaren Buchſtaben deß Religionfriedens vns
berichten laſſen. Dagegen auch die Proteſtirende mit Beſtandt nicht fuͤrwen-
den koͤnnen/ daß dieſer Vorbehalt jhren Ehren vnnd Gewiſſen hinderlich oder be-
ſchwerlich ſey: dann der Ehren halben ſie in dem Vorbehalt ſelbſt ſich ſchon ver-
wahrt: deß Gewiſſens halben aber noch vielmehr/ weil keines Theils Religion mit-
bringt/ oder jhr Religion darauff fundirt iſt/ daß ein jeder/ der derſelben zugethan/
muͤſte ein Ertzſtifft oder Præbenda haben: auch die Catholiſche Geiſtliche/ ſo aber
noch nicht in hoher Weyhe/ wann ſie ſich in den Eheſtand begeben/ ſolche Stifft
vnd Præbenden/ ohne einigen Nachtheil jrer Ehren/ weil ſie zu Geiſtlichen hoͤhern
Aemptern nicht mehr qualificirt ſeyn/ verlaſſen muͤſſen. Alßdann auch die dem
Geiſtlichen Vorbehalt in ſerirte Woͤrter (welcher ſich aber beyder Religion Staͤn-
de nicht haben vergleichen koͤnnen) gegen ſo klare Zuſag vnnd Aidliche Verbuͤnd-
nuß der Staͤnde beyderſeits Religionen/ vber den gantzen Jnhalt deß Religion-
friedens nicht jrꝛen koͤnnen/ ſintemalen eben darumb/ weil beyde Theil ſich in die-
ſem Punct nicht vergleichen koͤndten/ ſie ſolchen zu Kayſer Ferdinandi L. Auß-
ſchlag geſetzt: vnd als ſeine L. den ſelben geben/ vnd ſie hieruͤber der Kayſ. Mayſt. ſich
ſubmittirt/ iſt ein ſolcher dem Religion frieden einverleibt/ auch als eine gemeine
Reichs Conſtitution vnnd Ordnung von den ſaͤmptlichen Staͤnden deß Reichs
bekraͤfftiget vnd publiciert: wie dann ermelter Conſens vnd approbation auß der
ſubſcri-
[111]Dritter Theil.
ſubſcription vnd Verſieglung deß Religionfriedens/ als auch obangezogner der
Proteſtirenden Staͤnde Heymſtellung gnugſam dargethan wird/ vnd ſich mit fu-
gen weiters nicht laͤßt deſputiren.


Wann auch endlich vnnd zum dritten/ wiederumb auff die Bahn gebracht
werden will (wie wol dem erſten von vns außgeſetzten Puncten faſt entgegen/ als
darinnen man ſo gar den Geiſtlichen/ welche keine Reichs Staͤnd ſeynd/ kein Pri-
vilegium Religionis geſtaͤndig ſeyn wollen) gleichſamb auch die Vnderthanen der
Reichs Staͤnde deß Religion friedens faͤhig/ vnd dannenhero der Religion halber
von jhren Obrigkeiten nicht vertrieben werden koͤnten: ob zwar dieſer Gravami-
num halber die Staͤnde Augſpurgiſcher Confeſſion nicht einig/ zu deſſen jhres
vorgebens Beſcheinung ſie auch den §. wo aber/ ꝛc. anziehen: in welchem diſponirt/
da ein Vnderthan der Religion wegen an andere Orth ziehen/ vnnd ſich nieder
thun wolte/ demſelben ſolcher Ab- vnnd Zuzug/ auch Verkauffung ſeiner Guͤter/
gegen ziemlichem Abtrag der Leibeygen ſchafft vnd Nachſtewr vnverhinderlich zu-
gelaſſen werden ſolle. Als auch/ daß ſie abſonderlich hieruͤber der Vnderthanen
halber/ ſo vnder den Geiſtlichen geſeſſen/ vnnd damalen das Exercitium Augſpur-
giſcher Confeſſion hergebracht/ von mehrhoͤchſtgedachten vnſers Anherꝛn Kay-
ſers Ferdinandi L. ein Decret eben bey Schlieſſung deß Reichstag Anno 1555. er-
halten haben ſollen/ in welchem der Religionfried dahin declarirt/ daß ſolche Vn-
derthanen bey jhrem Glauben von der Geiſtlichen Obrigkeit vnverhindert gelaſ-
ſen werden ſollen: Alß haben wir gleichfalls vber dieſen Puncten (ob derſelbe zwar
auß dem Religionfrieden fuͤr ſich ſelbſt in dem §. Vnd damit/ ꝛc. Jtem §. Darge-
gen ſollen ꝛc. gantz klar erſcheinet/ in welchem den vnmittelbaren Staͤnden/ jr n
Glauben/ Kirchengebrauch/ Ordnung vnd Ceremonien anzuſtellen erlaubt/ auch
daß ſie in demſelben von niemands verhindert werden ſollen/ ernſtlich gebotten)
mit allem Fleiß die Acta deß Reichstages Anno 1555. vber dem Religionfrieden
vberſehen/ vnnd vns darauß vmbſtaͤndlichen berichten laſſen/ was dieſes Pun-
cten halben fuͤrgelauffen: auß welchem wir dann befinden/ daß zwar anfangs
groſſer Streit hieruͤber fuͤrgefallen/ vnd die Augſpurgiſche Confeſſions Verwan-
te ſtarck darauff gedrungen/ daß der andern Staͤnden Vnderthanen gleichfalls
die Augſpurgiſche Confeſſion moͤchte frey gelaſſen/ vnd deßwegen ein ſonderbare
Clauſula in Religionfried gebracht werden.


Es haben aber die Catholiſche daſſelbe keines wegs eingehen wollen/ ſon-
dern dagegen angezogen/ daß ſolches zu lauterem Auffruhr/ Vngehorſam vnnd
Vnwillen zwiſchen Herꝛſchafften vnnd Vnderthanen/ Vrſach gebe: vnnd weil ſie
den andern Staͤnden nicht fuͤrſchreiben/ wie ſie es mit jhren Vnderthanen halten
ſollen/ ſo wer es vnbillich/ daß ſie dißfalls den Catholiſchen Geſatz vnnd Ordnung
geben wolten: ſie die Catholiſchen gedaͤchten jhre Seel ſo wol als andere zuverſor-
gen/ vnd koͤnden derowegen nicht gedulden/ daß jhren Vnderthanen Raum vnnd
Lufft gegeben wuͤrde/ einer andern Religion/ als ſie ſelber weren/ anzuhangen.
Wel-
[112]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Welches jhnen auch mehr wolbeſagter vnſer freundlicher geliebter Anherꝛ/ Kay-
ſers Ferdinands L. mit mehrem ſtattlich vnd beweglich zu Gemuͤth fuͤhren laſſen:
mit dem außtruͤcklichen Anhang/ daß da ferꝛn die Handlung dahin ſolte gemeynt
ſeyn/ daß man auch der Catholiſchen Vnderthanen wolte darein ziehen/ es einen
kurtzen Weg hette/ vnd gantz vnnoͤthig were/ einander laͤnger auffzuhalten: dann
einmal wurden Jhre Leher alle Handlung zerſchlagen laſſen. Als aber die Staͤn-
de Augſpurgiſcher Confeſſion nichts deſto weniger die Freyheit deß Gewiſſens
ſtarck vrgirt/ haben jhnen die Cartholiſche endlich ſoweit nach geben/ daß den Vn-
derthanen frey ſeyn ſolle/ auß dem Land zuziehen: darauff gemelte Staͤnd die obge-
dachte Clauſul fallen laſſen/ vnd die Sach mit Jhrer L. vnd den Catholiſchen ver-
glichen/ wie ſie heut zu Tag im Religion frieden ſteht im §. Es ſoll auch/ ꝛc. nemlich
daß kein Stand den andern/ noch derſelben Vnderthanen zu ſeiner Religion
dringen/ abpracticiren oder wider jhre Obrigkeiten/ in Schutz vnnd Schirm neh-
men/ noch verthedigen ſoll/ in kein Weg. Jtem wo aber Jhrer Kay. Mayſt. der
Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnnd Staͤnd Vnderthanen der alten Religion/ oder Aug-
ſpurgiſcher Confeſſion anhaͤngig/ von ſolcher jhrer Religion wegen/ auß vnſerm/
auch der Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnde deß H. Reichs Landen/ Fuͤrſten thum-
ben/ Staͤtten oder Flecken/ mit jhren Weib vnnd Kindern/ an andere Orth ziehen/
vnd ſich nieder thun wolten/ daß den ſelben ſolcher Ab- vnd Zuzug/ auch Verkauf-
fung jhrer Haab vnnd Guͤter/ gegen ziemlichem/ billichem Abtrag der Leibey gen-
ſchafft vnd Nachſtewr/ wie eines Orths von Alters her vblich/ herbracht vnnd ge-
halten worden iſt/ vnverhindert maͤnniglichs/ zugelaſſen vnd bewilligt/ auch an jh-
ren Ehren vnd Pflichten allerdings ohnenthalten ſeyn ſolte.


Ja man iſt in dieſem Punct ſo behutſam verfahren/ daß daruͤber viel Thaidung
vorgangen/ biß man endlich die gefreyte Ritterſchafft vnd Staͤtte in ſolchen Reli-
gionfrieden eingeſchloſſen/ als in §. Vnnd in ſolchen Frieden/ ꝛc. zu ſehen: deſſen es
gantz nicht behuͤrfftig/ da alle vnnd jede Vnderthanen fuͤr ſich ſelbſt deß Priuilegij
Religionis
faͤhig weren. Darauß dann offentlich erſcheint/ daß den Vndertha-
nen die Religion nicht frey gelaſſen/ ſondern an derſelben ſtatt ein freyer Abzug ein-
geraumet worden. Vnd wann jhnen den Vnderthanen die Religion/ Jnhalts
vnd Vermoͤg deß Religionsfriedens frey gelaſſen/ hette es gar nicht beduͤrfft/ daß
die Augſpurgiſche Confeſſions Verwante Staͤnde/ erſt durch ein ſonderlich De-
cret/ vnd dem Religionfrieden derogirende Erklaͤrung/ daſſelbige zuwegen zubrin-
gen ſich ſo hefftig bemůhet hetten. Demnach aber von dieſem Decreto nichts im
Religionfrieden ſtehet/ ſondern dem ſelben vielmehr zuwider: ſolches auch dem
Kammergericht niemals inſinuirt/ noch jrgend eine Zeit darauff geſprochen vnnd
erkent/ viel weniger ad vſum gebracht worden/ auch ohne Bewilligung der Catho-
liſchen Staͤnde/ weil es eine Derogation deß Religionfriedens iſt/ ſo in dem Reli-
gionfrieden ſelbſten hoͤchlich verbotten/ nimmer kein Krafft haben mag: erſtge-
dachte Catholiſche Staͤnde/ auch daß ſolches jemahlen in ordentliche Reichs Be-
rath-
[113]Dritter Theil.
rathſchlagung gezogen/ viel weniger daß ſie darein gewilligt hetten/ nichts wiſſen
wollen: deßwegen dann vnſere loͤbliche Vorfahren auff vielfaltiges anhalten ſol-
ches Decret/ oder deſſen Jnhalt/ dem Religionfrieden nicht einverleiben/ noch der
Kammer inſinuiren laſſen wollen/ ſondern ſolches auff ſich ſelbſt ſtehen/ entgegen
aber den Religionfried in allen ſeinen Clauſuln vnnd Artickeln confirmiren/ be-
ſtettigen vnd beſchweren laſſen: Als hat es hierbey auch billich ſein Verbleiben: vnd
koͤnnen wir auch vnſers Theils wegen dieſes angezogenen Decrets/ auß dem Jn-
halt deß Religionfriedens nicht ſchreiten. Viel weniger aber mag auß dem §.
Wo aber/ ꝛc. Vnnd in demſelben geſetzten Woͤrtern (ſich nieder thun wolten) jcht-
was beſtaͤndig gegen dem hellen Buchſtaben deß Religionfriedens/ vnd die darü-
ber gepflogene Acta Publica geſchloſſen werden. Dann in demſelben §. allein
dieſes/ wie auß den Actis klaͤrlich erſcheinet/ verordnet vnnd geſetzt wird/ wann ein
Vnderthan ſich mit ſeiner Obrigkeit in der Religion nicht conformiren/ ſondern
viel lieber abziehen wolte/ daß jhme ſolches gegen Entrichtung vblicher Nachſtewr
befrey ſtehen: Er auch gegen ſeinen Willen/ zu der andern Religion nicht gedrun-
gen/ noch auch deßwegen ſeiner Guͤter verluſtigt ſeyn ſolle.


Auß welchem bißhero auß gefuͤhrten/ vnnd von vns nach Jnhalt deß Reli-
gionfriedens/ vnd anderer deß H. Reichs Abſchied/ Reichs Handlung vnd Actita-
ten/ reſoluirten dreyen Haupt Articuln/ wir dann biemiterkennen vnnd erklaͤren:
Erſtlich daß die Proteſtirende Staͤnde keine Vrſach ſich zubeklagen/ vnnd fuͤr ein
Gravamen anzuziehen/ daß den Ordens Generalen/ Abten/ Prælaten/ vnnd an-
dern Geiſtlichen Staͤnden/ ſo dem Reich nicht ohne Mittel vnderworffen/ da ſie
wegen jhrer eingezogenen Stifft vnd Guͤter/ Hoſpitalien/ vnnd andern Gottſeli-
gen Stifftungen/ beyvns oder vnſerm Kayſerlichen Kammergericht/ vmb noth-
wendige Proceß angehalten/ dieſelbe jhnen ertheilt/ auch daruͤber gar zu Vrtheil
vnd Execution geſchritten: ſondern daß entgegen die Catholiſche Staͤnde ſich bil-
lich vnnd rechtmaͤſſig beſchwehrt/ vnnd ſolcher Mediat Geiſtlichen angenommen/
daß denſelben jhre Kloͤſter vnnd Geiſtliche Guͤter/ deren ſie zu Zeit deß Paſſawi-
ſchen Vertrags/ oder ſeithero in Beſitz geweſen/ gegen den klaren Jnhalt deß Re-
ligionfriedens eingezogen/ jhre Renten vnnd Guͤlten auffgehalten/ ſie auch noch
daruͤber/ als wann ſie deß Religionfriedens gar nicht faͤhig weren/ von allen Rech-
ten vnnd Vindicationen gaͤntzlich verſtoſſen: die Guͤter aber zu eygenthaͤthlicher
Occupation der Obrigkeit/ gegen die Jntention vnd Meynung der Gottſeligen
Fundatorn/ als auch gegen dem hellen Buchſtaben deß Religionfriedens außge-
ſetzt werden wolten.


Bey dem andern Artickel erkennen wir ebenmaͤſſig/ daß die Augſpurgiſche
Confeſſions Verwanten kein Vrſach eintziger Beſchwerung/ daß jhrer Religion
Verwante/ ſo Geiſtliche Stifft/ Biſtumben/ vnnd dem Reich vnmittelbare
Reichs Prælaturen iñer haben/ oder denſelben noch nachtrachten/ nit wollen von
Dritter Theil. Pden
[114]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
den Catholiſchen Staͤnden fuͤr Biſchoffen vnnd Prælaten gehalten werden/ den-
ſelben auch jhre Seſſion vnnd Stimmen bey den Reichstaͤgen nit verſtatt/ noch
auch die Regalia vnd Lehen verliehen werden: da entgegen auffder Catholiſchen
Seiten/ Jnhalts deß Geiſtlichen Vorbehalts/ vnnd nach deſſen vndiſputirlichem
Buchſtaben/ dieſe offenbahre Gravamina nicht vnbillich geklagt werden/ daß ſol-
che von der Catholiſchen Religion abgewichene Geiſtliche/ Biſchoffe vnd Præla-
ten nichts deſtoweniger bey jhren Biſtumben vnd Prælaturen verharꝛen/ vnd al-
ler Rechten vnnd Privilegien/ die ſie bey der Catholiſchen Religion gehabt conti-
nuiren/ vnd fuͤr Reichs Staͤnd ſolcher Biſtumber vnd Prælaturen halber/ gehal-
ten werden ſollen: daß auch die jenige/ ſo der Catholiſchẽ Religion nicht ſeyn/ viel
weniger ſonſten zu Geiſtlichem Stand qualificirt/ nichts deſtoweniger zu ſolchen
Biſtumben vnnd Prælaturen ſich eingedrungen/ vnd noch weiter eindringen: vnd
dardurch den gantzen Catholiſchen Geiſtlichen Stand/ neben der Religion endli-
chen/ ſo viel an jhnen iſt/ auffzuheben vermeinen.


Als wir dann auch bey dem dritten Puncten etlicher Proteſtirender Staͤn-
de angezogene Gravamina gantz vnerheblich befinden/ ſampt den Catholiſchen
Staͤnden verweygert ſeyn ſolte/ in jhrem Gebiet/ jhre Vnderthanen zu jhrer Reli-
gion anzuhalten: auch da ſie ſich hierinnen nicht accommodiren wollen/ gegen das
gebuͤhrlich Abzug Geld vñ Nachſtewr/ jhrem Gefallen nach/ dieſelben auß zuſchaf-
fen/ oder auch an frembde Orther außzulauffen/ vnd andere Predigten vnd Exer-
citia zuſuchen/ zuverbieten: da ſie doch dieſelben gaͤntzlich abzuſchaffen wol befugt
weren. Hergegen aber iſt nach obgeſetzter Außfuͤhrung gantz augenſcheinlich/
daß die Catholiſchen ſich billich beſchwert befunden/ daß jhnen in ſolchen jhren Re-
formationibus,
von dem andern Theil Ziel vnnd Maß gegeben worden/ auch die
Vnderthanen zu gaͤntzlicher Defection vnd Abfall von jhrer Obrigkeit/ durch die-
ſen Fund ſollicitirt vnnd bewegt werden wollen. Vnd iſt dieſes Gravamen auff
dieſer der Catholiſchen Seiten deſto ſtaͤrcker/ weil ſolcher Reformation halber die
Augſpurgiſche Confeſſions Verwanten vermeinen wolten/ ſampt dißfalls die
Catholiſche mit jhnen nicht in gleichem Recht begriffen weren/ ſondern daß jhnen/
zwar jhre Vnderthanen zureformieren/ vnd die Widerſpenſtige außzuſchaffen/ er-
laubt/ auch dieſes im Werck offentlich erzeigen: entgegen aber den Catholiſchen
ſolches nicht gut ſeyn laſſen wollen.


Wann nun hiemit die vornembſte vnnd vordringende Gravamina/ an wel-
chen vornemblich der allgemeine Frieden hafftet/ als obgemelt/ auß den klaren
Worten deß Religionfriedens/ Reichs Conſtitutionen/ vnd offenen Reichs Acten
vberfluͤſſig vnd genugſam erklaͤrt/ vnd welcher Theil hierinnen ſich zubeſchweren/
oder nicht/ Vrſach gehabt/ außfuͤndig gemacht/ als befehlen wir hiemit vnſerm
Kammergericht/ (wie ſie dann in allen Puncten/ in Exoͤcterung deß Reichs Sa-
chen vber den Religionfrieden/ ſchon hiebe vor auß ebenmaͤſſigem Grund deß kla-
ren
[115]Dritter Theil.
ren Religionfrieden/ was wir durch diß vnſer offentlich Edict erklaͤrt vnd eroͤrtert
haben/ gleichfalls ſolches alles fuͤr Recht befunden) auff dieſe vnſere Erklaͤrung/
auch ins kuͤnfftig/ ohne weiter Diſputation/ wann dergleichen Faͤll vorfallen/ ſo in
dieſer vnſerer Reſolution begriffen/ zujudiciren vnd Vrtheil zuſprechen. Vnd
weil die Spolia vnd Turbatores, als auch Occupirung der Stiffter vnd Prælatu-
ren/ gegen den Jnhalt deß Religionfriedens/ vieler Orthen gantznotori/ vnnd
nicht zuwiderſprechen: dagegen auch das Ius, wie obgemeldt/ auß den Worten deß
Religionfriedens/ vnnd andern Reichs Abſchieden/ ebenfals vndiſputierlich/ daß
alſo nunmehr in ſolchen Faͤllen anders nichts von noͤthen/ als durch wuͤrckliche
Execution/ dem bedrangten Theil zu aſſiſtiren/ vnnd zu dem Seinigenzuverhelf-
fen: Als ſeynd wir zu wuͤrcklicher Handhabung beydes deß Religion- vnnd Pro-
phanfriedens endlich entſchloſſen/ vnſere Kayſerliche Commiſſarios foͤrderlich in
das Reich abzuordnen/ ſolche Abgewichene/ als auch mit Gewalt/ oder in andere
Weg eingezogene Ertz- vnd Biſtumer/ Prælaturen/ Kloͤſter vnd andere Geiſtliche
Guͤter/ Hoſpitalien vnnd Stifftungen/ deren die Catholiſche zur Zeit deß Paſſa-
wiſchen Vertrags/ oder ſeithero in Poſſeß geweſen/ vnd vnrechmaͤſſigen deſiituirt
worden/ von vnrechtmaͤſſigen Detentatoribus abzufordern/ vnnd mit tauglichen/
den Fundationen vnd Stifftungen gemaͤß/ ordentlich bernffenen/ vnd qualificir-
ten Perſonen beſetzen zulaſſen/ vnd alſo einem jedwedern/ zu dem jenigen/ was jh-
me gebuͤhrt/ vnd darzu er nach Außweiſung viel angezognen Religionfriedens be-
fugt/ ohne vnnothwendige Vmbſchweiff vnd Auffhalt zuverhelffen.


Wir wollen auch hierbey nochmahln/ nach Jnhalt offgedachten Religion-
friedens/ vnd deren auff denſelben beſagenden Reichs Abſchieden/ vornemlich de-
me de Anno 66. hiemit offentlich declarirt vnnd erkent haben/ declariren auch hie-
mit vnd erkennen/ daß ſolcher Religionfrieden allein/ die der vralten Catholiſchen
Religion/ vnd dero vnſerm geliebten Vorfahren Kayſer Carolo V. Anno 1530. den
25. Junij/ vbergebenervngeaͤnderten Augſpurgiſchen Confeſſions Verwande
angehe vnnd begreiffe: alle andere widrige Lehren vnd Secten aber/ wie dieſelben
auch genant/ vnd entweder bereyts auffkommen/ oder noch auffkommen moͤchten/
als vnzulaͤſſig/ davon außgeſchloſſen/ verbotten/ auch nicht gedultet oder gelitten
werden ſollen.


Gebieten demnach/ ꝛc. Euch ſampt vnd ſonderlich/ bey Poͤn deß Religion
vnd Landfrieden/ ſie wollen ſich dieſer vnſer endlichen Verordnung nicht wider-
ſetzen/ ſondern dieſelbe in jhren Landen vnnd Gebieten vnverzogentlich befoͤrdern
vnd zu Werck richten helffen. Wie nicht weniger vnſern Commiſſarijs/ auff de-
ro anruffen/ die huͤlffliche Hand bieten: den jenigen aber/ ſo dergleichen Ertz- vnnd
Biſtumer/ Prælaturen/ Kloͤſter/ Hoſpitalia/ Pfrůnden/ vnnd andere Geiſtliche
Guͤter Stifftung inhaben/ daß ſie ſich alßbald von Jnfinuation dieſes vnſers
Kayſerlichen Edicts/ zu Abtrettung vnd Reſtituirung ſolcher Biſtumb/ Prælatu-
P ijren/
[116]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ren/ vnd anderer Geiſtlichen Güter gefaßt halten: vnd auff anhalten vnſerer Kay-
ſerlichen Commiſſarien/ dieſelbe vnauffheltlich/ ſampt allen dero An- vnd Zugehoͤr/
einraumen vnd reſtituiren. Dann da ſie ſolchem nicht nach kommen/ oder hier-
in ſich ſaͤumig erzeigen wuͤrden/ ſie nicht allein in obangezogene Poͤn deß Land vnd
Religionfrieden/ das iſt/ der Acht vnnd Ober Acht/ auch Verlichrung aller jhrer
Privilegien/ Recht vnnd Gerechtigkeiten/ ipſo facto, ohne einige weitere Con-
demnation vnd Vrtheil/ dieſes jhren notoriſchen Vngehorſambs halber/ gefallen:
ſondern wir werden auch hierauff vnaußbleiblich die wuͤrckliche Execution als-
bald vornehmen vnd vollſtrecken laſſen.


Wir befehlen auch/ ordnen vnd wollen/ daß dieſes vnſer Kayſerlich Edict/
Reſolution vnd Erklaͤrung/ von eines jedwedern Krayſes außſchreibenden Fuͤr-
ſten/ in ſeinem Krayß offentlich publicirt/ vnd zu jedermaͤnniglichs Wiſſenſchafft
gebracht werde: daß auch denen von jhnen den Krayß außſchreibenden hien vnnd
wieder geſchickten Copijs/ nicht weniger als dem Originalſelbſten/ vollkommener
Glauben zugeſtellt werde. Das meynen wir ernſtlich. Geben in vnſer Statt
Wien/ den 6. Monats Tag Martij/ Anno 1629. vnſerer Reiche/ deß Roͤ-
miſchen im Zehenden/ deß Hungariſchen im Eilfften/ vnd
deß Boͤhmiſchen im Zwoͤlff-
ten.


Ferdinand.
Ad Mandatum Sacræ Cæſareæ Majeſtatis:
proprium.

P. H. Stralendorff.
Arnoldin von Clarſtein.



Der
[117]Dritter Theil.

Der eylffte Diſcurß.


Wie die Weltliche Herꝛſchafften dem Roͤm. Stul/ vnd andern Prælaten ſeyem
zugefallen/ ſo wol in Jtalien/ als in Teutſchland: vnnd wie ſolche etwan zu Geiſtli-
chen Lehen worden. Was die Geiſtliche in Teutſchland vor Reichs Huͤlffe:
leyſten.


DJeweil nun ein ſo langwiriger Krieg wegen der Geiſtlichen Guͤ-
ter/ ſich durch ſo viel hundert Jahr herogezogen/ fragt ſich nicht vnbillich/
wo dann ſolche Geiſtliche Guͤter eygentlich herꝛuͤhren: vnnd befindet ſich
anfaͤnglich/ deß entweder die Roͤm. Kayſerſelbſten/ oder aber vnder jhrer
Regierung andere fuͤrnehme Fuͤrſten deß Reichs/ von dem Reichsboden gewiſſe
Herꝛſchafften/ Staͤtte/ Iuriſdictionalia \& Regalia, vnnd anders/ entweder dem
Bapſtiſchen Stul zu Rom/ oder aber anderer Orthen zu allerhand milden vnnd
Geiſtlichen Sachen verwendet haben. Welches doch/ etlicher Meynung nach/
nicht den Verſtand hat/ dadurch eine vnd andere/ der Kirchen erwieſene Freygebig-
keit vbel zuſprechen/ ſondern damit allein Anzeig zuthun/ daß durch dergleichen
profuſas \& prodigas liberalitates, wie ſie hien vnnd wieder genennet werden/ das
Roͤm. Reich in empfindliches Abnehmen/ auch in dieſen Grundverderblichen
Krieg gerahten ſey.


Daſſelbe nun nach geſtallt dieſes Paß gleichfalls allein Summariſcher weiß
anzuzeigen/ vnd damit der Zeit nach/ auch vor Carolo Magno/ jnſonderheit de An-
no Chriſti 314. von Conſtantino Magno/ vnd alſo von eben deme/ welcher das O-
rientaliſche vnnd Occidentaliſche Kayſerthumb beyſammen gehabt/ vnnd vnder
welches Regierung ſie von einander getrennet worden/ einen Anfang zumachen/
ſoll er dem damaligen Bapſt. Sylveſtro/ vnnd vmb ſeinet willen dem Roͤm. Stul/
die auff der Statt Rom/ vnd dem Occidentaliſchen Kayſertumb beſtandene Kay-
ſerliche Hoheit/ mit denen dazu/ jnn- vnnd auſſerhalb der Statt Rom gehoͤrigen
Land vnnd Leuthen auff einmahl geſchencket haben. Vnnd wann gleich in dieſe
Schanckung ratione juris \& facti einiges Mißtrawen geſetzet werden wolte: ſo iſt
doch hiengegen von allerhand Scribenten fuͤr richtig gehalten worden/ was ohn-
gefehrlich vmb das Jahr 756. Pipinus Caroli Magni Vatter/ dem damahls ge-
weſenen letzten Koͤnig in Lombardey mit Namen Aiſtulphoabgenommen/ das ha-
be er dem damaligen Bapſt/ vmb deß willen er jhme zur Kron Franckreich ver-
holffen/ vnd dagegen ſeinen Herꝛn den Childericum/ von Pharamundo hero ge-
weſenen letzten Koͤnig in Franckreich/ in das Regenſpurger Kloſter zu S. Eme-
ran verwieſen hat/ mit einander/ vnnd vnder denſelben die Statt Ravennam/ vnd
P iijden
[118]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
den darzu gehoͤrigen Exarchatum/ vnnd die dabey gelegene Statt/ wie auch die an-
derweit dabey vnder dem Namen Pentapolis beruͤhmte fuͤnff Staͤtte/ Ariminum/
Peſaro/ Senogalliam/ Anconam/ Auximum/ vnnd die dazu gehoͤrige andere eylff
kleine Staͤtt verlaſſen habe. Welches dann/ zum Vnderſcheyd deren Anno 1077.
hernach vnder Henrici IV. Roͤmiſchen Kayſers Regierung/ von Mechtilde der
Roͤm Kirchen zugewandten/ vnd noch auff den heutigen Tag beruͤhmbten Patri-
monio Petri/ il ſtato della chieſa genannt wurd. Vber welche Provincias eben-
maͤſſiger Pipinus/ vnnd ſein Sohn Carolus Magnus dem Roͤm. Stul noch fer-
ner Corſicam/ Siciliam/ Sardiniam/ das Hertzogthumb Spoleti/ Toſcanam/
vnnd andere mehr zu dem Lombardiſchen Koͤnigreich gehoͤrige Provincias/ wie
auch vorhero/ von dem Lombardiſchen Koͤnigreich behaltene jaͤhrliche Tribut/ zu-
gleich mit vbergeben. Zumahl hat Pipinns/ das zu ſeiner Zeit geledigte Fran-
ckenland Burchardo/ dem damaligen Biſchoff zu Wuͤrtzburg/ wie anderſtwo ver-
meldet/ voͤlliglich vberlaſſen. Welche Donationes dann Carolus Mejnn vnnd
auſſerhalb Jtalien nicht allein beſtettiget/ ſondern auch in vielen wegen verbeſſert/
vnd vber das alles zu den von jhme auffgerichteten neun Biſtumben/ welche ſind
Naumburg/ Halberſtatt/ Paderborn/ Muͤnſter/ Hildeßheim/ Verden/ Muͤnden/
Bremen/ Hamburg/ in Vnder vnd Ober Sachſen allerhand groſſe Landſchafften/
vnd vnder denſelben jnſonderheit/ die hiebevor bey dem Witikiendo Magno/ Koͤ-
nig in Sachſen/ beſtandene Landſchafft Jburg dem Biſtumb Oßnabruͤck zugeord-
net. Ob es nun allein mit der gemeinen Feld Nutzung/ oder aber zugleich mit
Grund vnd Boden/ wie auch mit der Oberherꝛſchafft/ vnd allen Regalibus geſche-
hen ſey/ ſtehet den Partheyen zubeweiſen/ vnd zuverneinen. Zumaln dieweil ſich
die Baͤpſte/ Ertzbiſchoffe/ Biſchoffe/ Prælaten/ vnnd andere/ vber obangezogene/
vnd andere mehr Provincias/ etliche hundert Jahr hero der Oberherꝛſchafft/ vnd
aller regaliorum angenommen: darauff auch die Baͤpſte allein in den nechſten zwey
vnd dreyhundert Jahren ein Theil deren zuſammen gebrachten Landſchafften/ de-
nen von Ferꝛara/ Parma/ Vrbino/ vnd anders mehr/ als dem Roͤm. Stul zuge-
hoͤrige Kirchenguͤter von newem verliehen haben.


So iſt auch von Ludovico Pio/ dem Roͤm. Kayſer/ viel vnnd offt geſchrieben
worden/ welcher maſſen auch er in Zeit ſeiner von Anno 814. biß 840. gefuͤhrten
Kayſerlichen Regierung/ die von ſeinem Vatter vnnd Anherꝛn/ Carolo M. vnnd
Pipino/ dem Roͤm. Stul zugewande vielfaltige Provincias nicht allein beſtettigt:
ſondern auch gleichfalls andere Landſchafft demſelben von newem vberlaſſen: vnd/
wie ſich jnſonderheit ein Jtalianiſcher Scribent hoͤren laͤſt/ hat er in Toſcana allein
Arezzo/ Florentz/ Volaterꝛa/ Chiaſa/ Luca/ Piſtorium/ Lunegiana/ fuͤr ſich vnnd
das Reich behalten/ den vbrigen Reſt aber dem Roͤm. Stul zukommen laſſen. V-
ber welches alles im Jahr 875. biß 77. Carolus Calvus/ geweſener Koͤnig in
Franckreich/ beſchuldigt worden iſt/ daß er/ wider ſeines Brudern Ludovici Ger-
manici hinderlaſſene Mannliche Poſteritaͤt den Titul eines Roͤm. Kayſers zu er-
halten/
[119]Dritter Theil.
halten/ dem Roͤm. Stul das Roͤm. Kayſerthumb gar zur Lehen habe auffgetra-
gen. Zugeſchweigen/ daß auch Anno 901. Ludovicus IV. Roͤm. Kayſer/ ſeiner
Voreltern alle vnd jede dem Roͤm. Stul zugewante Land vnd Leuth/ abermaligen
beſtettigen müſſen. Vnd/ was die nachfolgende Roͤm. Kayſer an vorgedachten
dem Roͤm. Stul zugewanten Jtalianiſchen Landen/ wiederumb zu ruͤck genom-
men/ alles mit einander/ vnnd vnder demſelben jnſonderheit vorgedachten Exar-
chatum Otto I. Roͤm. Kayſer/ im Jahr 967. oder 69. dem damahligen Bapſt Jo-
hanni XIII. wiederumb zugeſtellt: vnnd vber das alles noch Anno 965. dem Bi-
ſtumb Mayntz/ in dẽ Land zu Thuͤringen vmb Erfurt vnd Schildenrod/ groſſe An-
zahl Land vnnd Leuth zukommen laſſen. Vnder welches Ottonis I. Regierung
auch Eſicus/ Graff zu Aſcaniẽ vnd Anhalt Anno 945. die Graffſchafft Walder-
ſee zum Stifft Ballenſtaͤtt/ vnnd Anno 979. Gero/ ein Saͤchſiſcher Herꝛ/ viel
Land vnd Leuth zu dem Biſtumb Magdeburg geſchlagen haben.


Vnd wann gleich die biß anhero von Conſtantino M. Pipino/ Carolo M. Lu-
dovico Pio/ Carolo Calvo/ Ottone I. angebene Donationes, auß einer vnd der an-
dern Vrſach/ in Zweiffel gezogen werden wolten: ſo iſt doch in Zeit Ottonis III.
vom Jahr 984. biß 1001. fuͤrgangener Kayſerlicher Regierung nichts gewiſſers/
dann daß er Sylveſtro II. dem Roͤm. Bapſt/ allein in der Marca Anconitana
auff einmal acht Staͤtte/ Piſaurum/ Fanũ/ Senoghallia/ Ancona/ Foſſambru-
num/ Calium/ Heſium/ Auxonum/ vnnd andere mehr Graffſchafften/ auch noch
Anno 985. Notgero/ Biſchoffen zu Luͤttich/ die Graffſchafft Hoye abermals vber-
laſſen habe/ wie Miræus in ſeiner Niederlaͤndiſchen vnnd die Speieriſche Croni-
cken bezeugen. Alſo iſt bekant daß Henricus II. Roͤm. Kayſer vmb das Jahr
1007. auff Reinaldi/ deß letzten Graffen zu Bamberg/ ohne Hinderlaſſung
Mannlicher Leibs Erben erfolgtes Abſterben/ die vmb Bamberg gelegne Land-
ſchafft zu dem/ von jhme daſelbſt/ im Namen S. Gregorij auffgerichten newen
Biſtumb/ geſchlagen hat. Dabey merckens werth iſt/ wie der damahlige Bapſt
Benedictus VIII. vmb vorgedachtes von newem auffgerichten Biſtumbs wil-
len Jaͤhrlich hundert Marck Silber/ vnd einen ſchoͤnen/ mit Sattel vnnd Zaum
außgefertigten Hengſt bezahlt haben wollen: jhme aber Henricus II. zu Abhelf-
fung dieſer Beſchwerung/ die Statt Beneventum/ welche von Caroli M. Zeiten
biß dahin dem Roͤm. Reich verblieben war/ abgetretten hat. Alſo vbergab dieſer
Kayſer im Jahr 1007. Erluino/ Biſchoff zu Cammerich/ auff Herberti Ertzbi-
ſchoffen vnd Churfuͤrſtens zu Coͤlln begehren/ die gantze Graffſchafft Cammerich:
vnd dem Stifft Speier/ Gleißweiler/ Horſtaͤtt/ vnd Walmeßheim.


Henricus III. wolte letztgemeltes Stifft auch in Gnaden bedencken/ vnnd
verehrt jhm das Ampt Rotenfelß/ Jtem Nußdorff/ Lauterbach/ Sambach/
Schneiden vnnd Bruͤxel. Dabey doch auß allerhand beglaubten Hiſtorijs
gleichsfalls richtig vnd gewiß iſt welcher maſſen von Anno 1056 biß 1106. Vnd
alſo zu Henrici IV. Roͤmiſchen Kayſers Zeit/ Bonifacius/ Tebaldi Sohn/ Ot-
tonis
[120]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
tonis Enckel/ in Jtalien ein maͤchtiger Fuͤrſt geweſen iſt/ der vnder dem Titul ei-
nes Hertzogen vnd Graffen/ Canuſium/ Mantua/ Luca/ Parma/ Rhegium Lept-
di/ Ferꝛara/ Toſcana/ Lombardia/ Liguria/ vnd andere mehr Provincias zwiſchen
Radico Fano/ bey Senis vnd Ceperano/ in Marca Anconitana gelegen/ von deß
H. Roͤm. Reichs wegen jnngehabt: deſſen Tochter/ mit Namen Mechtildis im
Jahr 1077. vnd alſo achtzehen Jar vor jhrem Abſterben/ welches Anno 1115 einge-
fallen/ dem damaligen Bapſt Gregorio VII. dieſelbe Herꝛſchafften miteinander
geſchenckt: davon ſie auch noch auff den heutigen Tag den Namen Patrimonij
Sancti Petri
erhalten hat. Hievon zu leſen Aventinus/ vnd Vaſquius. Vnder
eben dieſem Henrico IV. hat Gothofridus im Jahr 1096. von ſeiner Mutterbru-
der/ Gothofrido Gibboſo/ Hertzogen in Lothringen die Herꝛſchafft Bouillon er-
erbt/ vnd verkauffte ſie Otberto dem damaligen Biſchoff von Luͤttich/ vmb dreyze-
hen Marck Silber/ vnnd drey Pfund Gold: alſo erkauffte Balduinus/ Otberti
Bruder/ auch Biſchoff/ das Caſtel Covin vmb fuͤnffhundert Marck Silber/ vnd
ein Pfund Golds/ als der gewaltige Zug in Palæſtinam vorgenommen ward.
Ja es hat Henricus IV. ſelbſten dem Biſtumb Speir die Herꝛſchafften auff dem
Kreich- vnnd Speiergaw/ als Eppingen vnnd Herxheim/ Homburg/ Weihburg/
Hornburg/ Winterburg/ Ottenſtab/ vnd das gantze Kreichgaw ſelbſten/ ſampt dem
darin gelegenen Schloß Keſſenberg: wie auch Meiſterſehe/ Dideßheym/ Stein-
weiler/ vnd dann ein Theil an dem Rheinſtrom zugewendet/ vnd dadurch das Bi-
ſtumb in ſonderbares Auffnehmen gebracht.


Doch iſt zu wiſſen/ daß Carolus M. jnſonderheit/ vnd volgende Roͤm Kay-
ſer in Geiſtlichen Sachen/ vermoͤg deren Anno 774. zwiſchen dem Bapſt Adria-
n [...] vnd Carolo M. in gegenwart 153. Biſchoffen/ vorgangenen Vergleichung/ die
Macht vnd den Gewalt erlangt/ die Roͤm. Baͤpſt/ vnd andere Geiſtliche Stands-
perſonen/ ein- vnd abzuſetzen (wie laͤngſt erwehnt) vnd wann ſie gleich erwehlt wor-
den weren/ dieſelbe zubeſtaͤttigen/ oder aber an deroſelben ſtatt andere zuverordnen:
fuͤr welche Beſtaͤttigung/ vnd was derſelben anhaͤngig iſt/ einem jeden Roͤm. Kay-
ſer/ vnd derſelben Befelchhabern/ was beſonders hat bezahlt werden muͤſſen. Jn
Krafft welcher Vergleichung Anno 795. ſich dann Leo III. von Carolo M. ſelbſten
beſtaͤttigen laſſen/ auff daß der Occidentaliſche Kayſer dadurch verbunden wuͤr-
de/ ſolchen ſeinen Lehenmann wieder allen Gewalt/ ſo wol deß Orientaliſchen Kay-
ſers/ als der hereinbrechenden Mitternaͤchtigen/ vnd auch Saraceniſchen Voͤlcker/
mit gantzer Macht zubeſchuͤtzen. Darbey auch etliche wider den heutigen Lauff
bekennen muͤſſen/ daß die Roͤm. Baͤpſte auch vor Carolo M. von den regirenden
Kayſern beſtettiget worden/ vnd daß ſie derentwegen denſelben ein gewiſſe Sum-
ma Gelds bezahlen muͤſſen/ wie Baronius ſelbſten bezeuget/ daß inmittelſt biß die
Kayſerliche confirmationes beſchehen/ vnnd zu Rom angelangt/ vier Perſonen
das Bapſtumb verwaltet/ ein Ertzprieſter/ der erwehlte Bapſt/ der Oberſt Cantzlar
Primicerius genannt/ vnd ein Rathsherꝛ. Welches dann nach Caroli M. in
das
[121]Dritter Theil.
das Jahr 814. eingefallenes Abſterben/ zwiſchen dem Bapſt Stephano/ im andern/
vnd Paſchali im dritten Jahr hernach erwehlten Baͤpſten an einem: vnd Ludovico
Pio/ Roͤm. Kayſer/ zu dem andern theil/ ſchwere Streit hat verurſachet/ in deme
dieſelbe Baͤpſte der Kayſerlichen Confirmation vnd Jnveſtitur vnerwartet/ alß-
balden nach erfolgter Wahl fuͤr den Roͤm. Bapſt wollen erkant werden. Dar-
auff es dann Anno 827. bey dem damahligen Bapſt Gregorio IV. Muͤhe vnd Ar-
beit gebraucht/ biß er vorgedachten Ludovicum Pium fuͤr ſeinen Oberherꝛn er-
kant/ vnnd ſich von demſelben beſtettigen laſſen. Doch melden etliche Hiſtorici/
ermelder Ludovicus Pius hette ſich dieſes Privilegij begeben. Welchem aber
allem zuentgegen Anno 867. vnnd alſo bey Ludovici III. Kayſerlicher Regierung/
Hadrianus II. ſich lauter vernehmen laſſen/ wie auch Anno 884. vnder Kayſer
Ludovici Balbi Regierung Hadrianus III. ſo bald ſie/ vnd die folgende Baͤpſte
dafuͤr erwehlt vnnd außgeruffen/ ſo balden hetten ſie Macht/ ſich dafür offentlich
außzugeben/ vnd derentwegen einem vnd dem andern Roͤm. Kayſer nimmermehr
zu vnderwerffen. Wiewol im Jahr 963. Leo VIII. der damahlige Bapſt dem
Roͤm. Kayſer Ottoni I. mit Einwilligung deß zu derſelben Zeit gehalten Synodi,
vorangezogene Macht vnd Gewalt der Baͤpſtiſchen Perſonal inveſtituren wieder
eingeraumbt: dabey es auch Anno 995. Bruno/ oder Gregorius V. verbleiben laſ-
ſen/ welcher auch Ottonem III. damals geweſenen Roͤm. Kayſer/ fuͤr ſeinen O-
berherꝛn erkant hat: zumahl der Roͤm. Stul in zwifachen Sorgen ſchwebete/ es
moͤchten die Teutſche Kayſer bey Verweygerung ſolcher Pflicht/ einen vnd andern
Bapſt durch die außlaͤndiſche Feinde vnnd Ketzeriſche Voͤlcker gern laſſen vnder-
drucken: oder auch wider die allzuviel befindliche Aber Baͤpſte nicht ſchuͤtzen: vnnd
hernach die ſtarcke obengemelte verliehene Herꝛſchafften/ dem Stul ſelbſt entzie-
hen/ oder dem Feind abtringen/ vnd zumal dem Reich wieder einverleiben. Dar-
umb hat Henricus III. Roͤm. Kayſer/ Clementem II. vorhero bekandt/ als ein Bi-
ſchoff zu Bamberg/ vnder dem Namen Suidger/ oder Zindeker/ ein gebornen
Teutſchen/ vnd nach empfangenem toͤdlichen Gifft/ zu Bamberg begraben: fuͤrters
Anno 1048. Damaſum II. vnnd im folgenden Jahr Leonem IX. fuͤr einen Roͤm.
Bapſt abermahl eingeſetzt/ vnnd darauff/ zu Folg vorgedachter in annis 774. 827.
995. vnd zu andern Zeiten gemachten Verordnungen/ abermal die Fuͤrſehung ge-
than/ daß nunmehr/ vnnd hinfuͤhro keiner/ was Stands der auch were/ für einen
Roͤm. Bapſt erkant werden ſoll/ wann er nicht von dem/ zu jederzeit lebenden
Roͤm. Kayſer beſtettigt wuͤrde. Welches dann zum Theil noch bey ſeinen Leb-
zeiten/ meiſtentheils aber nach ſeinem/ in das Jahr 1056. eingefallenem Abſterben/
zwiſchen ſeinem Sohn/ vnd Enckelein/ Henrico IV. vnd Henrico V. viel ſchreckli-
che Krieg vnd Blutvergieſſen abgeben/ biß ſich/ folgender Anzeig nach/ erſtgedach-
ter Henricus V. Anno 1122. dieſes vorhero auff den Roͤm. Bapſt gehabten Priuile-
gij Inueſtituræ,
in ſeinem Feldlaͤger bey Wormbß/ gegen Bapſt Calixto II. bege-
Dritter Theil. Qben/
[122]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ben/ welches dann alſo bald auff dem daſelbſt gehaltenen Synodo mit mehrem iſt
beſtettigt worden.


Vnd das noch mehr iſt/ haben vor Alters die Roͤm. Kayſer auch in Geiſtli-
chen Sachen/ dieſen Vortheil gehabt/ daß/ was alle vnnd jed: Ertzdiſchoffe/ Bi-
fchoffe/ Prælaten vnd andere Geiſtliche/ bey Zeit jres Abſterbens an Baarſchafft/
angelegtem Geld/ Fahrnuß/ Viehe/ vnd anders hinderlaſſen/ nicht deß Verſtor-
benen Freunden/ viel weniger ſeinem Biſtumb/ Abtey oder Convent/ ſondern dem
Roͤm. Kayſer erblich vnd eygenthumblich heymgehen/ auch folgen vnd bleiben ſol-
te. Wann nun die Roͤm. Baͤpſte etwan auß Noth vnnd Zwang/ eines vnnd das
andere eingehen muͤſſen/ wie Paſchali II. geſchehen/ haben ſie es doch nach ge-
ſchoͤpfftem Lufft bald widerꝛuffen/ als gemeldter Paſchalis zwey Jahr nach dem
abgetrungenen Vergleich das Privilegium der Jnveſtituren ein Pravilegium
genennet/ biß es Calixtus II. zu endgebracht: dabey Kayſer Henricus V. jnſonder-
heit wegen deß Teutſchlands/ mehr nicht erhalten koͤnnen/ dann daß die geledigte
Biſtumb/ Abteyen vnd Prælaturen/ in deß Roͤm. Kayſers/ vnd ſeiner abgeordne-
ten Geſandẽ Gegenwarth: jedoch ohne einigen Gewalt vnd Gefaͤhrde/ fůrgenom-
men/ vnnd dem new erwehlten die darzu gehoͤrige Gerechtigkeit/ nicht wie vorhero
geſchehen/ per baculum Epiſcopalem \& annulum, ſondern allein per ſceptrum
verliehen wurde. Nach welchem Exempel Lotharius Saxo vom Jahr 1126. biß
1137. Zeit ſeiner Kayſerlichen Regierung/ fuͤrnemlich in Jtalien/ dem Baͤpſtiſchen
Stul/ viel Land vnd Leuth vbergeben: vnd daſſelbe neben andern jnſonderheit mit
deren/ an dem enſſerſten Theil Jtalien gelegenen Landſchafft Apultæ vnnd Sici-
liæ/ Calabriæ/ Neapolis/ vnd andern außfuͤndig zumachen/ ſeyn ſie/ auff die Anno
802. oder 803. zwiſchen Carolo M. vnnd den Conſtantinopolitaniſchen Kayſern
fuͤrgangene Vergleichung/ der Conſtantinopolitaniſchen Regierung Vertrags-
weiß gelaſſen worden: weil ſich aber vber ein Zeit hernach die Saraceni derſelben
Provintzen bemaͤchtiget/ da auch vngefehrlich vom Jahr 1005. biß 1025. vnder
Rollonis/ eines geweſenen Frantzoͤſiſchen Fuͤrſten in Normandey/ hinderlaſſener
Poſteritaͤt/ jnſonderheit Tancredus/ dieſelbe den Saracenen abgenommen/ vnnd
vnder jhren Gewalt gebracht/ haben ſie von Henrico II. vnnd folgenden Roͤm.
Kayſern/ ſich damit belehnen laſſen. Wie aber vnder Tancredi Poſteritaͤt der
Succeſſion halber etliche Strittigkeiten eingefallen/ vnd vmb deroſelben willen
ein Theil bey dem Kayſer/ ein Theil aber bey dem Bapſt jhre Huͤlff vnnd Zuflucht
geſucht: darauff iſt vnder vorgedachtem Kayfer Lothario vnd Jnnocentio damah-
ligem Bapſt/ ein gantz newer Vnwill entſtanden/ ob vorgedachte Provintzen fuͤr
Reichs oder aber fuͤr Kirchen Lehen erkandt werden ſolten. Daruͤber ſich beyde
Theil doch endlich verglichen/ die Lehen geſampter Hand außzugeben/ welche Be-
lehnung doch vber ein Zeit der Baͤpſtiſche Stul voͤllig an ſich gebracht/ vnnd das
Roͤm. Reich davon gaͤntzlich außgeſchloſſen. Was aber jnſonderheit Friderici
Barbaroſſæ Roͤm. Kayſers von Anno 1152. biß 1190. fuͤrgangene Regierung be-
trifft/
[123]Dritter Theil.
trifft/ hat er/ was vngefehr Anno 1108. von Henrico V. Roͤm. Kayſer von dem
Biſtumb Wuͤrtzburg eingezogenes Land zu Francken/ demſelben Biſtumb aber-
mals zugewand. Welcher maſſen aber Henricus VI. erſtgedachten Friderici I.
Sohn/ jnſonderheit mit Conſtantia/ als einer auß vorbemelten Normanniſchen
Stammes erzeugten Poſteritaͤt hinderlaſſenen Tochter/ vorangezogene Neapo-
litaniſche vnd Sicilianiſche Koͤnigreiche erheurahtet/ vnnd damit abermahl zum
Reich gebracht: vnd wie ſie im Jahr 1268. von ſeinen Nachkommen/ vnd alſo von
dem H. Roͤm. Reich an Carolum Andegauenſem in Franckreich/ folgends an die
Arꝛagonios in Spanien/ vnnd Anno 1516. an das hochloͤbliche Hauß der Ertzher-
tzogen zu Oeſterꝛeich kommen ſey/ iſt bekant/ vnd anderwertlich zufinden.


Jnmittels aber hat man nach vorgedachtes Henrici VI. Abſterben/ ſo Anno
1197. zu Meſſina in Sicilien eingefallen/ von Ottonis IV. biß vngefehrlich ins
Jahr 1209. gefuͤhrter Regierung/ bey Meibomio ſo viel Bericht/ welcher maſſen
er Viterbium, Montem Flaſconem, Oruiettum, Peruſium, vnd andere/ von vorge-
dachter Mechtilde an die Roͤm. Kirchverwanden Herꝛſchafften/ wie auch ein
Theil Apuliæ Spoleti/ biß an Calabriam/ derſelben wieder vberlaſſen. Auff wel-
che Meynung vom Jahr 1209. biß 1250. auch Fridericns II. Roͤm. Kayſer/ jnſon-
derheit die bey Cajeta oberhalb Neapoli gelegene Landſchafft Fundi, dem Roͤm.
Stul vberlaſſen muͤſſen/ da er anderſt von demſelben hat Fried haben wollen/ deſ-
ſen er aber nicht lang genieſſen koͤnnen/ dieweil er einen Weg als den andern in der
Excommunication den 13. Decemb. in ſeinem 57. Jaͤhrigen Alter ſterben muͤſſen.
Vnd fragt ſich allhie nicht vnbtllich/ wie dieſe beyde Stuͤck/ das Geiſt- vnd Weltli-
che/ bey der Cleriſey zuſammen gewachſen: ſintemal vnlaugbar/ daß Chriſtus/ der
Welt Heyland/ die Apoſteln/ vnnd durch dieſelben die Biſchoffe eingeſetzt hat/ die
Glaubigen zu regieren/ vnd in der Chriſtlichen Lehr/ Zucht vnd Geborſam zu vn-
derhalten/ die Widerſpenſtigen aber auß der Gemein zuſtoſſen. Welcher geſtallt
alle Koͤnige vnd Kayſer/ Fuͤrſten vnnd Herꝛn/ die durch Chriſtum ſeelig zuwerden
hoffen/ dieſem von Gott eingeſetzten Stand vnderworffen ſeyn muͤſſen. Dann
Chriſtus ſagt/ Wer euch hoͤret/ der hoͤret mich/ vnd wer euch verachtet/ der verachtet
mich: was jhr auff Erden binden werdet/ ſoll auch im Himmel gebunden ſeyn: vnd
was jhr auff Erden loͤſen werdet/ ſoll auch im Himmel loß ſeyn. Daß aber die
Herꝛſchafft vñ Verwaltung der Weltlichen Güter der Cleriſey/ wie bißher erzeh-
let/ von den Kayſern vnd Staͤnden deß H Roͤ. Reichs auffgetragen worden/ moͤch-
te ſich außdeme erweiſen/ daß der Apoſtel Paulus lehret/ die Glaubigen ſollen zu
ſeiner Zeit auch die Welt richten/ vnd vmb ſo viel mehr die Weltliche Haͤndel. J-
tem es ſey ein gar geringes/ wann die Welt das jrꝛdiſche vnnd vergaͤngliche den
Dienern Chriſti vberlaſſe/ angeſehen das Himmliſche vnd Vnvergaͤngliche/ vber
welches die Cleriſey/ als Haußhalter der Geheimnuſſen Gottes geſetzt ſeyen/ ohne
Vergleichung weit beſſer vnd hoͤher were. Dann welcher tauglich iſt/ die Him-
liſche Schaͤtze zuverwalten/ wird in dem Jrꝛdiſchen nicht vntauglich ſeyn koͤnnen:
Q ijvnd
[124]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd welchem die Seel/ ſampt der Seeligkeit ſich vertrawet/ wird den Leib ſampt
leiblichen Sachen nicht Vbel verſorgen.


Sonſten hat man bey dieſer Materideren/ von den Roͤm. Kayſern ſelbſten/
vnd andern vnder deroſelben Regierung/ der Roͤmiſchen vnd andern Kirchen zu-
gewanden Land vnd Leuthen/ von Anno 1250. biß 1273. nemblich biß an Rudolphi
I. Kayſerliche Regierung/ ſo viel Beruht/ daß neben andern Hartman/ Graff von
Dillingen/ im Jahr 1255 dieſelbe Graffſchafft dem Biſtumb Augſpurg/ vnd An-
no 1264. Cunradus/ Burggraff zu Nuͤrnberg/ dem Biſtumb Eichſtaͤtt/ Aben-
berg/ Spalt/ Wernfelß/ vnnd andere Oerther eygenthumblich zugewendet haben.
Wie wol nun vnder denen/ vom Jahr 1137. biß 1250. regierenden Roͤm. Kayſern
fuͤrnemlich Fridericus I. Henricus VI. Philippus/ Otto Fridericus II. jnſonder-
heit die in Jtalien gelegene/ vnnd meiſten Theils dem Roͤm. Stul zugewandte
Herꝛſchafften abermahls zum Reich zubringen/ ſich vielfaltige Muͤhe vnd Arbeit
haben koſten laſſen/ daran auch ein guten Theil wuͤrcklich darzu gebracht haben: je-
doch in Sorgen ſtehen muͤſſen/ die Roͤm. Baͤpſte wuͤrden bey allen Begebenheiten
wachſen/ vnd eines mit dem andern wieder an ſich ziehen: hat vorgedachter Rudol-
phus I. dem Roͤm. Stul/ vmb deren damahls in Teutſchland fuͤrgangenen/ vnnd
noch jmmerwehrenden vielfaltigen Vnruhe willen/ auß Antrieb ſeines Seelſor-
gers vnnd Beichtvatters/ Henrich Guͤrtelknopff/ eines Brodtbecken Sohn/ da-
mals geweſenen Biſchoffs zu Baſel/ vnd hernach Ertzbiſchoffen vnd Churfuͤrſten
zu Maintz/ neben anderm auch/ Marcam Anconitanam, Spoletum, Prouinciam
Mechtildis, Rauennam, Amiliam, Bobium, Cæſenam, Forum Populi, Liuij, Sem-
pronij, Fauentiam, Immolam, Bononiam, Ferraram, Ariminum, Vrbinum, Mon-
temferratum, Pentapolim
vnd Maſſam: zuvorderſt aber die Statt Rom/ Sicilien,
Neapolin, Calabriam, Apuliam, Corſicam, Sardiniam,
vnd anders/ reſpectiuè von
newem abgetretten vnnd eingeraumet/ oder aber ſolcher maſſen beſtettigt/ daß ſie
miteinander/ an Grund vnd Boden/ mit aller Oberherꝛſchafft vnd Regalibus, dem
Roͤm. Stul einig vnd allein verbleiben ſollen: mit welcher Handlung auch Ro-
mandiola,
vnangeſehen es vorhero auff die ſiebentauſend Vntz Gold dem Roͤm.
Reich Jaͤhrlich zuzahlen pflegte/ hienweg gangen iſt: aber vnder Ludouico Baua-
ro
viel Vngelegenheiten nachmals vervrſacht hat. Jſt auch zuwiſſen/ daß vnder
deß gemeldten Kayſers Regierung vom Jahr 1313. biß 1347. der Fuͤrſten von An-
halt Stamhauß Aſcania oder Aſchersleben/ im Jahr 1320. durch Eliſabethen/ ge-
borne Graͤffin zu Orlamund/ Ottonis deß Fuͤrſten zu Anhalt hinderlaſſene Wit-
tib/ an das Biſtumb Halberſtatt iſt kommen: vnnd vnangefehen die Fuͤrſten von
Anhalt derſelben Reſtitution im Jahr 1333. begehrt/ vnd bey dem Kayſer erhalten:
au [...] Anno 1340. hernach/ executoriales heraußgebracht/ vnd auff deroſelben pari-
tio
von einer Zeit zu der andern vnnd noch zu Caroli V. Regierung/ mehrmahls
gedrungen/ vnd inmittels in allen jhren Lehen Brieffen vorgedachte Graffſchafft
zu Lehen empfangen: ſo haben ſie doch dieſe Zeit hero dieſelbe zu jhren Landen vnnd
Handen
[125]Dritter Theil.
Handen nicht niederbringen koͤnnen. Eben alſo iſt nach Carolo IV. der Anno 1378.
geſtorben/ vnder Kayſer Wenceßlao/ im Jahr 1392. die Graffſchafft von Sein/
den meiſtentheil der Herꝛſchafft Valendar/ mit ſonderbarer maß/ der Chur Trier
zukommen. Vnd vnangeſehen das Kayſerliche Kammergericht im Jahr 1606.
deroſelben Wiederloͤſung dem Graffen zu Sain zuerkant/ iſt es doch die Zeit hero/
wegen eingewander Reviſion/ vnnd vorgefallenen Kriegslaͤufften/ einen weg als
den andern bey der Chur Trier verblieben.


Bey ſo geſtalten Sachen auch dieſes zubeobachten/ daß vnderweilen die letzte
jhres Namens vnnd Stammes/ die bey ſich gehabte Land vnnd Leuth/ als Anno
1056. Graff zu Lambach/ mit Regina von Weinßberg ſeiner Gemahlin/ dieſelbe
Graffſchafft dem Kloſter Lambach/ gleich wie Anno 1077. vorgedacht Mechtildis
jhre Herꝛſchafften in Jtalien dem Roͤmiſchen Stul/ vnd Anno 1093. Henricus de
Laca,
dem von jhm auffgerichten Gottshauß zur Loich alle ſeine Landen: wie dann
Otto von Scheurn/ vnd Haziga Koͤnigin auß Arꝛagonien jhre Guͤter dem Klo-
ſter Scheuren: vnnd Anno 1126. Bernhardus vnd Richwin mit jhrer Schweſter
Bertilda von Ebrau/ jhre Güter dem Kloſter Ebrau: Jtem Anno 1133. die von
Rohr vnnd Abenßberg alle jhre Guͤter dem Biſtumb Regenſpurg/ vnnd endlich
Herman/ Graff zu Cham vnd Vhoburg/ Anno 1171. alle ſeine zu vnd vmb Pantz
gelegne Guter/ auch Land vnd Leuth/ demſelbem Kloſter/ vnd Herman von Dillin-
gen Anno 1255. dem Biſtumb Augſpurg: letzlich Gerhard Graff zu Hirßberg/ ſein
Graff- vnd Herꝛſchafft dem Biſtumb Eichſtaͤtt vberlaſſen. Darauff zum Be-
ſchluß dieſes Puncti ein langer/ vnnd zum Theil verdrießlicher Catalogus erzehlt
werden koͤnde was der Roͤm. Stul in Jtalien/ vnd anderer Orthen/ wie auch aller-
hand Ertzbiſchoffe/ Biſchoffe/ Prælaten/ Abte vnd andere/ ſeithero Caroli Magni
Zeiten entweder von jhme/ vnd den Roͤm. Kayſern oder aber von andern allerhand
Standsperſonen/ auff vnderſchiedliche Wege/ an allerhand Provincien/ auch
Land vnnd Leuthen zuſammen gebracht haben. Als zum Exempel/ die Chur
Maintz/ Koͤnigſtein/ Sein/ das Eißfeld/ in dem alten Grubenhagiſchen Gebieth/
die Statt Hoͤchſt/ die Graffſchafft Rinegg/ Suſtenberg/ Hoffheim/ Miltenburg/
Vlm/ Algeßheim: die Chur Trier/ die Statt Trier/ die Graffſchafft Valendar/
Jtem/ Ober Weſel/ Popart/ vnnd ein Theil an Lothringen: die Chur Coͤlln/ das
Hertzogthumb Engern/ vnnd Weſtphalen. Vnd vnder den Biſtumben/ Aug-
ſpurg/ die Graffſchafft Dillingen/ Bamberg/ das darumb gelegene Fuͤrſtenthum/
Bremen/ die Graffſchafft Staden: Chur Land/ ein groſſe Anzahl Veſtung vnnd
Doͤrffer: Eichſtatt/ die Graffſchafft Herßberg vnd Heppurg/ Jtem Reichenaw/
Herꝛiden/ Greding/ Warberg: Halberſtatt/ die Graffſchafft Aſcherslebẽ: Hildeß-
heim/ ſieben Graffſchafften/ als Wintzenberg/ Schloden/ Popenburg/ Prinaw/
Weldenburg/ Loͤwenſtein/ vnd Hundsruͤcken. Luͤttich/ die Herrꝛſchafft Bovillon
vnd die Graffſchafft Hoye/ ſampt einem Theil an Lothringen: Magdeburg/ Craß-
wig/ Libuß/ Bilitz/ die Graffſchafft Aluensleben/ vnnd Lorbegg: Meiſſen/ Graff
Q iijEſiconis
[126]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Eſiconis hinderlaſſene Herꝛſchafften/ nemblich Wuͤrtzen/ Bichaw/ Buchaw/ Lu-
benitz: Paderborn/ ein Theil an Weſtphalen: Straßburg/ ein Theil an dem Elſaß:
Verdun/ deroſelben Statt vnd Landſchafft: Wuͤrtzburg/ das Land zu Francken/
Gemuͤnd/ Rotenfelß/ Meinbernheim/ Kitzingen/ vnd andere Orth mehr. Vnd
iſt dz Kloſter Reichenaw/ bey Coſtnitz von der Zeit an Land vñ Leuthen ſo maͤchtig
geweſen/ daß es von dannen auß/ biß nach Rom/ auff jhren eygenen Guͤtern jhren
Nachtlaͤger hat koͤnnen haben: dergleichen Fall auch im Jahr 1040 bey einem
Pfaltzgraffen/ genannt Rapeton/ ſich befunden/ von ſeinen an einander hangen-
den Weilern oder Guͤtern/ daß er auch allenthalben/ biß nach Rom/ ſeine Schloͤſ-
ſer/ vnd verpflichtete Kriegsleuth gehabt/ bey Frehero. Vnd meldet Johan von
Herden in ſeiner geſchriebenen Chronick/ das Kloſter Erbach ſoll vor Alters an
Jaͤhrlichem Einkommen ein einiges Ey weniger/ dann ein benachbartes Bi-
ſtumb Einkommens gehabt haben.


Es hat aber der Stul zu Rom ſolche Herꝛſchafften nicht alle vor ſich ſelbſt
behalten/ ſondern andern etwan zu Lehen auffgetragen: wie bekant/ das gegen der
Kron Spanien nunmehr etliche hundert Jahr geſchehen/ wegen beyder Koͤnig-
reichen/ Neapolis vnd Sicilien/ gegen Lifferung eines mit Sattel vnd Zaummol
auß geruͤſten Neapolitaniſchen Hengſtes/ vnnd ſechstauſend Kronen/ dafuͤr doch
vor der Zeit allein Sicilia dem Roͤ. Reich 40000. Kronen zur ordinari Reichs-
ſtewr bezahlt haben ſoll/ wie auch das Koͤnigreich Sardinien: die Farncſij haben
vom Roͤm. Stul das Hertzogthumb Parma vnd Placentz/ gegen Jaͤhtlicher Er-
legung zehentauſend Kronen/ vnnd dann die Landſchafft Caſtro, Roſſiglio, vnnd
anders. Der Großhertzog zu Florentz/ die Florentiniſche Herꝛſchafft in Toſca-
na,
einen Theil von dem Patrimonio Mechtildis, vnd die von dem Radicofano biß
an das Gebuͤrg Ceperani oder Centini, gelegene Landſchafft/ da ſich dann befin-
den Senis, Piſa, Liuorno, Piſtoia, Volaterra, Arezzo, die Jnſul Elba/ vnd die darin
gebawte Hauptſtatt Coſmopolis: Jtem Protum, Mons Ilcinas, \& Politianus, Cor-
tona, Piſcia,
wie auch ein Theil von der Riuiera di Genoua vnnd Lunegiana, jedoch
auſſerhalb der Statt Luca, vnd die vom Reich herꝛuͤhende Affter Lehen/ ſo Spanien
an Florentz begeben hat: deßgleichen ſind deß Roͤm. Stuls Lehen Leuthe die Beni-
laqui, Cæſarini, Cæſij, Cajetani, Columnenſes, Contareni, Corteignani, Maluaz-
zij, Pepoli, Riarij, Santo-Gemini, Vrſini,
vnnd vnder denſelben die Braciani. Es
ſeynd aber ſchier alle Præbenden/ Stiffter vnnd Biſtumber auch in Teutſchland
dem Roͤm. Stul heymgefallen/ vnnd gleichſam eygen worden/ ſolche zuverleyhen/
vnnd gewiſſe Lehenleuthe darmit zumachen: wie dann die Annaten, das Palhum,
die Anwartungen/ vnnd andere mehr dergleichen Sachen auß der Baͤpſtiſchen
Cantzley zu Rom/ vnd die taͤgliche Vbung davon zeugen. Es ſind aber auch die
Geiſtliche Staͤnde in Teutſchland ſchuldig vnd verpflichtet/ mit Mann/ Roß vnd
Geld die Roͤmer Zuͤge zubefoͤrdern/ ob ſchon die Weltliche Staͤnde jmmerzu kla-
gen die Cleriſey wiſſe ſichledig zuſprechen/ vnnd ohne Zuſchuß außzuhalfftern.
Dann
[127]Dritter Theil.
Dann Chur Mayntz ſoll nach dem Wormbſiſchen Anſchlag ſo Anno 1521. gemacht
worden/ Monatlich zu ſechzig Roſſen/ vnd zweyhundert ſiebenzig ſieben Fußknech-
ten/ an Gelt 1828. Guͤlden/ vnd zu Vnderhaltung deß Kayſerlichen Kammerge-
richts 300. Gülden: demnach zuſammen 2128. Guͤlden beytragen: Chur Trier/
nach der/ in Anno 1551. zu Wormbs geſchehenen moderation/ ſolcher geſtallt 1516.
Guͤlden. Chur Coͤlln/ ſo viel als Chur Mayntz: das Ertzſtifft Magdeburg 3632.
Guͤlden. das Ertz Stifft Saltzburg 2053. guͤlden: das Ertz Stifft Biſantz/ 6000.
guͤlden: das Ertz Stifft Bremen/ 1072 guͤlden. der Biſchoff zu Bamberg 574. guͤl-
den: der Biſchoff zu Wuͤrtzburg/ 1622. gülden: der Biſchoff zu Wormbs/ 101. guͤl-
den: der Biſchoff zu Speir/ 546. guͤlden: der Biſchoff zu Straßburg 693. guͤlden:
der Biſchoff zu Eichſtaͤtt/ 888. guͤlden: der Biſchoff zu Augſpurg/ 722. guͤlden: der
Biſchoff zu Coſtnitz/ 264. guͤlden: der Biſchoff zu Hildeßheim 188. guͤlden: der Bi-
ſchoff zu Padborn/ 412. guͤlden: der Biſchoff zu Verden/ 106. guͤlden: der Bi-
ſchoff zu Halberſtatt/ 492. guͤlden: der Biſchoff zu Münſter/ 992. guͤlden: der Bi-
ſchoff zu Oßnabruͤck/ 246. guͤlden: der Biſchoff zu Paſſaw/ 563. guͤlden: der Biſchoff
zu Freiſingen/ 539. guͤlden: der Biſchoff zu Chymſche/ 198. guͤlden: der Biſchoff zu
Baſel/ 114. guͤlden: der Biſchoff zu Wallis/ 940. guͤlden: der Biſchoff zu Regen-
ſpurg/ 243. gülden: der Biſchoff zu Meiſſen/ 197. guͤlden: der Biſchoff zur Naum-
burg/ 197. guͤlden: der Biſchoff zu Muͤnden/ 214. guͤlden: der Biſchoff zu Luͤbeck/
90. guͤlden: der Biſchoff zu Camin/ 214. guͤlden: der Biſchoff zu Schwerin/ 190.
guͤlden: der Biſchoff zu Verdun/ 348. guͤlden: der Biſchoff zu Cammerich/ 652.
guͤlden: der Biſchoff zu Metz/ 233 guͤlden: der Biſchoff zu Thul/ 80. guͤlden: der Bi-
ſchoff zu Luttich/ 1120. guͤlden: der Biſchoff zu Trient/ 592. gülden: der Biſchoff zu
Brichſen/ 592. guͤlden: der Biſchoff zu Moͤrßburg/ 315. guͤlden: der Biſchoff zu Le-
bus/ 150. guͤlden: der Biſchoff zu Brandenburg/ 94. guͤlden: der Biſchoff zu Ra-
tzenburg 85. guͤlden: der Biſchoff zu Schleßwick/ 170. guͤlden: der Biſchoff zu Ha-
velburg/ 280 guͤlden.


Der Abt zu Fulda/ 490. guͤlden: der Abt zu Hirſchfeld/ 90. der Abt zu Kemp-
ten/ 242. guͤlden: der Abt zu Reichenaw/ 70. guͤlden: der Probſt zu Weiſſenburg/
115. guͤlden: der Probſt zu Elwang/ 197. guͤlden: der Abt zu Salvelden/ 136. guͤlden:
der Hochmeiſter in Preuſſen/ 950. guͤlden: der Johañiter Meiſter/ 295. fl. der Abt zu
Weingarten/ 170. guͤlden: der Abt zu Saltmanßweiler/ 517. guͤlden: der Abt zu
Creutzlingen 46 guͤlden: der Abt zu Muhrbach/ 178. fl. der Abt zu Walckenried/
62. guͤlden: der Abt zu Weiſenaw/ 140 guͤlden: der Abt zu Muͤlhlbrun: 273. guͤlden:
der Abt zu Corphey/ 120. guͤlden: der Abt zu Schuſſenried/ 230. guͤlden: der Abt zu
Backenried/ 60. guͤlden: der Abt zu Waldfachſen/ 180. guͤlden: der Abt zu Rocken-
burg/ 124. guͤlden: der/ Abt zu Ochſenhauſen/ 205. guͤlden: der Probſt zu Seltz/ 24.
guͤlden: die Abtey zu S. Egidien in Nuͤrnberg/ 56. guͤlden: der Abt zu S. Maximin
Trier/ 249. guͤlden: die Abtey Heinoltzhauſen/ 90. guͤlden: die Abtey Rogenhauſen/
58. die Abtey S. Johan im Tubitahl/ 28. guͤlden: der Abt zu Gengenbach/ 69. guͤl-
den:
[128]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
den: die Abey Koͤnigshoffen/ 82. guͤlden: der Abt zu Rodde in Bayern/ 55.
guͤlden: das Gottshauß Marckthal/ 89. guͤlden: der Probſt zu Odenheim/
40. guͤlden: der Abt zu Stadel/ 172. guͤlden: die Abtey zu Kentzlingen/ 90.
guͤlden: wird aber im Roͤm. Reich nirgend/ als in der Matricula gefunden:
der Probſt zu Wettenhauſen/ 44. guͤlden: der Abt zu Koͤnigsprunn/ 82.
guͤlden: die Abtey zu Planckenberg/ 90. guͤlden: der Abt zu Cyſin/ 65. guͤl-
den: die Abtey zu S. Johann/ 82. guͤlden: der Abt zu Petershauſen/ bey
Coſtnitz/ 54. guͤlden: der Abt zu Heiſprunnen/ oder Prunnen/ 189. guͤlden:
der Abt zu Keyßheim/ 361. guͤlden: der Probſt zu Camberg/ 94. guͤlden: der
Abt zu S. Haimeran in Regenſpurg/ 157. guͤlden: der Probſt zu Berchtolds-
gaden/ 149. guͤlden: die Abtey Muͤnſter/ in S. Gregorien Thal: die Abtey
Muͤnchrod: die Abtey zu S. Cornelij Muͤnſter/ 218. guͤlden: die Abtey zu
Werden/ in Weſtphalen/ 108. gůlden: die Abtey Auerſperg/ 52. guͤlden: die
Abtey Pfrum/ 218. guͤlden: die Abtey Echternach/ 120. guͤlden: die Abtey
Caſtell/ 28. guͤlden: die Abtey zu S. Vlrich in Augſpurg/ 170. guͤlden: die
Abtey Zwifalten/ 608. guͤlden: die Abtey Zinnen/ 40. guͤlden: die Abtey S.
Matthes in Trier/ 30. guͤlden: die Abtey Hertelßhauſen oder Haidenhauſen/
20. guͤlden: die Abtey Bebenhauſen/ 20. guͤlden: die Abtey Herꝛn Albe/ 20.
gülden: die Abtey Zintlingen/ 20. guͤlden: die Abtey Glaubern/ 28. guͤlden:
die Abtey Schwartzbach/ 8. guͤlden: die Abtey Erbach zu Coͤlln/ 28. guͤl-
den.


Die Abtiſſin zu Quedlinburg/ 178. guͤlden: zu Eſſen/ 136. guͤlden: zu Her-
worden/ 54. guͤlden: zu Nieder Muͤnſter/ 85. guͤlden: zu Ober Muͤnſter/
61. guͤlden: zu Kauffingen/ 82. guͤlden: zu Lindaw/ 57. guͤlden: zu Gerin-
gerode/ 70. guͤlden: zu Buchaw/ 93. gülden: zu Rotenmuͤnſter/ 33. guͤl-
den: zu Guttenzell/ 25. guͤlden: zu Heppach/ 25. guͤlden: zu Banide/ 25.
guͤlden: die Balley Elſaß/ 310. guͤlden: die Balley Coblentz/ 278. guͤlden:
Mayntz/ wegen der Graffſchafft Reinegg vnnd Lahr/ gegen Hanaw/ 30. guͤl-
den: Jtem wegen Koͤnigſtein vnd Jpßſtein/ 150. fl. Coͤln/ wegen der Herꝛ-
ſchafft Reineck/ 30. guͤlden: Jtem wegen Reifferſcheyd/ 44. guͤlden: das Hauß
Oeſterꝛeich eximirt an Biſchoffen/ zu Gurck/ Seckaw/ vnnd Lavant/ vnnd dann
an Abten zu Schuͤttern/ S. Blaſij/ vnd S. Peter im Schwartzwald. 852. guͤlden:
welche Summen biß in 46890. guͤlden ſich belauffen. Dieweil aber jemand
moͤchte vorwenden/ daß nicht alle Poſten giebig/ vnnd nur die Summ groß zu-
machen geſetzt ſeyen: ſo iſt zu wiſſen/ daß auß Beſoldo de Ciuitatibus bekandt iſt/
wie im Jahr 1486. die Reichsanlagen/ zumal erſchoſſene Gelder ſich Monatlich
beloffen haben/ bey den Churfuͤrſten deß Reichs auff 93600. guͤlden: bey den Bi-
ſchoffen vnnd Prælaten/ 19400. guͤlden: bey den Weltlichen Fuͤrſten vnnd Staͤn-
den/
[129]Dritter Theil.
den/ 85200. guͤlden: vnnd bey den Staͤtten/ 156400. guͤlden. Vnnd in einer
Summ/ 354600. guͤlden. Dannenhero vor gewiß zuhalten/ daß Friedericus
I. Jahrs vber hundert Tonnen Golds zum Einkommen erhaben/ vnnd daß ſein
Enckelein Fridericus II. hernach/ im Jahr 1241. ſieben voͤllige Armeen/ an vn-
derſchiedlichen Orthen hat auffrichten/ zuſammen fuͤhren/ vnnd vnderhalten koͤn-
nen. Vnd iſt zumercken/ daß Teutſchland von denſelbigen Zeiten her/ ſonder-
lich nach den entdeckten Golt Landen der Newen Welt/ an Reichthumb Golt vnd
Silber/ vnglaublich ſehr zugenommen hat. Wird derowegen hiemit den Pro-
teſtirenden begegnet/ wann ſie vorgeben/ die Geiſtlichen in Teutſchland truͤgen
geringen/ oder gar keinen Laſt: angeſehen die Reichs Matricul/ vnnd nach vieler
vnd langer Bethaidigung/ auch ſehr offtmaliger Verbeſſerung dem einen Stand/
nach Beſchaffenheit ab- vnnd dem andern zu zulegen/ endlich beſtimpter Sum-
men. Da noch die Geiſtlichen in Teutſchland jhren beſondern Laſt/ gegen dem
Bapſt zu Rom muͤſſen tragen vnnd abſtatten: vnnd hingegen die Proteſtirenden
von den eingezogenen Kirchen Guͤtern/ jhre Pfarꝛen/ ohne Zuthun einiges Hel-
lers/ vnderhalten/ vnnd noch manchmahl abzwacken/ vnnd zu Kammer Guͤttern
verwenden: oder wol gar/ ſolche Reichs Gelder nur vom Vberſchuß der Kirchren-
ten erlegen. Welches anſich ſelbſt ſo weit auß dem Gelaiß nicht were/ ſintemahl
auch die mittelbare Stiffter vnd Kloͤſter/ deß euſſerlichen Nutzens beduͤrfftig/ vnd
bey gemeiner Noth ſich deroſelben getroͤſten: darumb dann auch billich zu der ge-
meinen Noth/ nach Muͤglichkeit abzuwenden/ ſtewren. Es würden aber die
Vnderthanen keiner ſeits ſich zubeſchweren haben/ wann man beyderſeits
etwas ingezogener Haußhielte/ vnd ſich nach der Decke
ſtrecken wolte.



Dritter Theil. RDer
[130]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der zwoͤlffte Diſcurß.


Der Catholiſchen Begehren an J. Kay. May. das Geiſtliche Reſervat zu de-
cidiren: Chur Bayern Gutachten hieruͤber. Klag vber die Calviniſter: Wie Chur-
Sachſen ſich vber das Edict beſchwehrt. Wie die Reformation fortgangen/
Arnheim in Poln/ Altringer in Jtalien gezogen/ vnd wie es beyderſeits zum Fried/
ſelbiger Enden abgeloffen. Wie der Friedlaͤnder Stralſund belaͤgert.


WJeviel den ſamptlichen Catholiſchen an dieſem Edict gelegen/
vnd wie eyferig ſie getrieben/ daß es herauß komme/ bezeugen ſie in dem
Bedencken/ ſo ſie zwey Jahr zuvor J. K. M. eroͤffnet/ in deme ſie geklagt/
man habe ſich endlich auff Proteſtirender ſeiten nicht entbloͤdet/ dem
Kayſer vnd den Catholiſchen Staͤnden/ wie auß dem zu Nuͤrnberg den 28. Nov.
Anno 1619. deroſelben Geſandte Fuͤrſt Hanß Georg von Zollern/ von den Evan-
geliſchen gegebenen Antwort/ vnnd bey einer dem Churfuͤrſten in Bayern den 21.
Dec. ſelbigen Jahrs zu Muͤnchen/ angebrachten Werbung zuſehen/ außdruͤcklich
vorgehalten/ ſich beruͤhrter Ertz- vnd Stiffter/ Kloͤſter/ Clauſen/ vnd darzu gehoͤri-
gen Gefaͤllen wegen/ als derenthalben ſie keinen guͤtlichen Vergleich vnd Hand-
lung leiden wollen/ bey Androhung offenen Kriegs/ aller Anforderung gaͤntzlich
zubegeben: vnnd ſolches alles vnder dem nichten vngereimbten Vorgeben/ als ob
der Geiſtliche Reſervat kein weſentlich Stuͤck beruͤhrten Religionsfriedens/ vnd
daruͤber auffgerichten Abſchieds were: da doch auffdemſelben die Confervation
deß Geiſtlichen Standes/ auff welchen die Reichs Verfaſſung wenigers nicht/
als auff den Weltlichen fundieret iſt/ vnnd folgend vnſer allein ſeeligmachenden
Catholiſchen Religion beſtehen/ die Catholiſche Staͤnde/ auch die Augſpurgiſche
Confeſſions Verwande anderſt nicht/ als mit außdruͤcklichem Vorbehalt/ in den
Reichsfrieden auff vnd angenommen/ vnnd dahero nothwendig folgen muͤſte/ da
den Catholiſchen ſolches nicht gedeyen ſolte/ daß der vbrige Jnhalt deß Religion-
friedens auch von Vnkraͤfften/ auch an ſich ſelbſten zu Grund gehen vnnd fallen
wuͤrde. Deßgleichen/ ob wol die jenige Proteſtirenden/ ſo nach dem Paſſawi-
ſchen Vertrag/ ſo viel anſehnliche Kloͤſter zu ſich geriſſen/ die Geiſtlichen vnnd die
Religion abgeſchafft/ vnd das Patrimonium Eccleſiæ jhnen zugeeygnet/ den Ver-
ſtand mehrgedachten Religionfriedens dahindehnen vnd außdeuten wollen/ als
ob in Krafft deſſelben jhnen nachgegeben worden/ die in jhren Fuͤrſtenthumb vnnd
Landen wohnende Geiſtliche vnnd Ordensperſonen/ von der vralten Catholiſchen
Religion/ jhrem Gottverlobtem Stande vnd Orden ab- vnnd zu der Augſpurgi-
ſchen Confeſſion zubringen: So iſt doch vnlaugbar vnnd bekantlich/ daß ſolche
Geiſt-
[131]Dritter Theil.
Geiſtliche Leuthe/ ſampt jhren Gottshaͤuſern vnd Gefaͤllen/ von der Weltlichen
Staͤnd Juriſdiction gaͤntzlich eximiret/ vnd ſie gemeinlich vielmehr die Weltli-
che Staͤnde zu jhrem Schutz obligiret haben. Vnnd ſo dißfals einiger Zweiffel/
muͤſte es doch bey beruͤhrten gemeinen Geiſtlichen Rechten ſo lang verbleiben/ biß
ſolcher Zweiffel gebuͤhrender weiß/ auch mit der Catholiſchen Bewilligung erlaͤu-
tert wuͤrd. Ja die Weltliche Obrigkeit koͤndte ſich auch nit weiter/ als auff die Reli-
gion bloß/ vnnd nicht auff die Guͤter extendiren. Ob wol allerhoͤchſt gedacht dero
Vorfahren Roͤm. Kayſer damit ſorgfaͤltig angeſtanden/ vnd vngern eine Zerꝛuͤt-
tung/ vnder den Staͤnden deß Reichs deßwegen erwecken wollen: derowegen auch
der wuͤrckliche Außſchlag in Pag. 6. Gravaminum zu nicht geringer der Catholi-
ſchen Nachtheil hiehero verblieben: So hat man doch vnſers ermeſſens ſolche con-
ſiderationes
erwogenen Vmbſtaͤnden nach jetziger Zeit ſo hoch nicht zuachten/ be-
vorab weil deß Erbfeindes halben (worauff vor dieſem der meiſte Reſpect geweſen)
man ſich/ Gott lob/ vor dißmal nicht zubefahren/ E. Kay. May. Authoritaͤt/ vnnd
der Sachen Befugnuß alſo bewand/ daß ſich wol niemand vnderſtehen vnd geluͤ-
ſten laſſen/ noch einige rechtmaͤſſige Vrſach haben wird/ ſich dem Kayſerlichen Ge-
richt vnd Forderung vngehorſamlich zu widerſetzen/ oder vber dieſelben zubeſchwe-
ren.


Chur Mayntz begehrt auch deß Churfuͤrſten in Bayern Gutachten/ ſintemahl
wann bey jetziger guten Occaſion etwas verſaͤumpt/ die Kayſerliche Deciſion aber
publicirt werden ſoll/ hernach der Mangel herein zubringen ſchwerlich ſeyn moͤch-
te. Der erſte Raht gieng vber die Reichs Staͤtte/ in welchen die Catholiſche Re-
ligions Verwande vnbilliger weiſe/ von den Burgerlichen Rahts- vnnd andern
Aemptern gantz außgeſchloſſen/ das Exercitium geſchmaͤhlert/ oder gar benom-
men/ vnnd ſie mit vnbefugten juramentis vnd Gebotten mercklich beſchwert vnnd
vnderdruckt wuͤrden: darumb ſolten ſolche Staͤtte im Zaum gehalten/ vnd etwan
ein Reichs Vogt/ oder ein Fuͤrſten zum Jnſpectorn zu leiden gemuͤſſigt werden.
Der Anfang koͤnde an der Statt Magdeburg geſchehen/ auff daß man gleich ſpuͤ-
ren moͤcht/ was Chur Sachſen darzu thun wuͤrde. Doch wer es zu fruͤhe/ mit den
Vnmittelbaren/ vnnd vor dem Paſſawiſchen Vertrag eingezogenen Geiſtlichen
Guͤtern etwas vorzunehmen/ ehe Klag vnd Widerꝛede geſchehen. Auch ſolt man
der Calviniſten halber fuͤr dißmahl nichts decidiren/ nach dem Kayſ Edict ein-
ruͤcken/ ſondern ſelbigen Punct noch in ſuſpenſo laſſen. Wie aber einmal Welt-
kündig/ vnnd vnwiderſprechlich iſt/ daß die Calviniſche Sect/ vnnd deren Anver-
wande/ der einige vnd rechte Brunquell ſeynd/ auß welcher biß Dato alle feindſe-
lige Conſilia/ vnnd das darauff erfolgte merckliche Mißtrawen/ Alienation/ vnnd
noch biß Dato wehrende Vnheil/ vnd leydige Kriegsweſen im Roͤm. Reich herge-
floſſen/ fomentirt vnnd extendirt worden: auch ſo lange dieſer anſehnliche Calvini-
ſche Geiſt in dem Reich gedultet/ vnnd jhm ein freyer Fuß gelaſſen wird/ kein Beſ-
ſerung zuhoffen/ oder ſich gegen den Calviniſten einiges andern/ als biß Dato zu-
R ijverſehen:
[132]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
verſehen: vnd dann auß dem Religionfrieden lauter vnd klar zuerſehen vnd abzu-
nehmen iſt/ daß die Calviniſche Sect in demſelben nicht begriffen/ vnnd eben dar-
umb auch Anno 1566. durch einen ergangenen gemeinen Reichs Schluß/ dieſe
vnnd andere dergleichen frembde Secten im Reich außgeſchloſſen vnnd verbotten
worden: So wollen wir vnvorgreifflich darfuͤr halten/ es moͤchte Jhre Kay. May.
zuerinnern ſeyn/ mit Gelegenheit jetziger fuͤrhabenden Deciſion/ etlicher Reichs
Gravaminum/ zugleich auch die Calviniſche Sect/ nicht zwar außdrucklich vnnd
in ſpecie vnder dem Namen der Calviniſterey/ ſondern in genere zuverbiethen/
vnd deß Religionfriedens fůr vnfaͤhig zudeclariren ſeyn. An Herꝛn von Stra-
lendorff ſchreibt Chur Bayern eben ſolches Jnhalts/ vnd meynt zu letzt/ es muͤßt
ein Examen angeſtellt werden: was verbottene Secten/ vnnd welche deß Calvini-
ſchen Verwande ſeyen: mit begefuͤgter Klag/ daß man ſich Anno 1566. durch die
Calviniſche heymliche Practicken/ von der Execution hette abhalten laſſen/ ſon-
ſten wer ſolche Sect allbereit extirpirt/ auch aller Vnraht jetzigen durch ſie verur-
ſachten leydigen Vbelſtands verhuͤtet geblieben.


Der Wolff hat einen boͤſen Ruff/ macht jhn aber ſelbſt. Zu Augſpurg
wolten die Calviniſten Anno 1530. ein beſonders haben. Sie wußten jmmerdar
viel von der Admintſtration deß Roͤm. Reichs zuſagen/ vnnd andere jrꝛig zuma-
chen/ daß dem Kayſer gebuͤhre/ die Gerechtigkeit zu Handhaben/ aber nicht anderſt/
als mit belieben der Staͤnde Geſatz vnd Ordnung/ nach welchen er ſeine Verwal-
tung zurichten/ zuſetzen. Daß alles nach Abgang der Caroliniſchen Kayſereine
weit andere Meynung habe/ da das Reich zur Wahlkommen/ die Majeſtaͤt vnnd
Verwaltung dem Kayſer allein: die Abſchiede aber neben jhme den Staͤnden zu-
kommen. Daß die mehrere Stimmen in Religions Haͤndeln gar nicht gelten
ſolten/ weil man auff Catholiſcher Seiten ſo viel Fuͤrſten machen/ vnd jhnen ent-
gegen ſetzen koͤnde/ mehr dann von noͤhten. Wie die Calviniſten den Hollaͤndern
beygeſtanden/ auß Engelland dem Spanier widerſtanden/ die Stiffter Coͤlln vnd
Straßburg geſucht auff jhre Seite zubringen/ die Vnion geſchmiedet/ die Guͤl-
chiſche Lande bekuͤmmert/ in Heſſen vnnd Waldecken/ ſonderlich im Koͤnigreich
Boͤhmenreformirt/ den Auffſtand befoͤrdert/ vnnd der Rebellion vorgeſtanden/
hat Vrſachgenug/ zu dieſem Haſſe vnnd Neid gegeben/ bevorab bey dem Hauſſe
Bayern/ wegen der Chur Dignitaͤt: vnd bey Sachſen/ wegen der Guͤlchiſchen Lan-
den/ auch Marpurgiſchen vnd Waldeckiſchen Strittigkeiten: da freylich die Welt-
liche Haͤndel/ vnnd das Kirchenweſen mit bitterem Eyfer durch einander gelauf-
fen. Doch iſt ſich vber deß Kayſers Großmuͤhtigkeit hoͤchlich zuverwundern/ daß
er/ was ſeine Vorfahren geſchewet/ vnnd wozu ſie ſich allzu vnkraͤfftig erachtet/
doͤrffen vnderfangen/ vnnd den Geiſtlichen zu Nutz vnnd Vortheil ſein Leib/ Gut/
vnd Blut in die Schantze ſchlagen. So viel vermag ein Geluͤbd/ vnnd ein bren-
nender Eyfer/ die Kirche zubefoͤrdern.


Wie aber der Churfuͤrſt in Sachſen diß Kayſ. Edict auffgenommen/ erhel-
let
[133]Dritter Theil.
let auß ſeinem Schreiben an Kay. Mayſt. vnder dem 28. Aprill/ 1629. Jn welchem
Schreiben er zuvorderſt ſich bedancket/ daß J. Kay. Mayſt. ſein Verantworinuß-
Schreiben auff das jhme jn ſinuirte Edict/ etlicher Reichs Gravaminum Erle-
digung betreffend/ wie auch ſeine Erklaͤrung mit Hauptſachlicher Notturfft einzu-
kommen/ ſo gnaͤdigſt/ vnd daß J. Kayſ. Mayſt. nicht zuwider ſey/ auffgenommen:
kompt derwegen nunmehr ein/ proteſtirt/ daß ſolches keines wegs wider Jhrer
Mayeſtaͤt Reputation/ Juriſdiction/ oder zu Abbruch ſeiner Vnter Ehr/ Deuo-
tion/ darinnen er/ ſo lange Vernunfft vnd Athem in jhm ſeyn werde/ vnaußgeſetzt
zuverharꝛen gemeynt. Vnd fuͤhrt dieſe antreibende Vrſachen der Einbringung
ſeiner Hauptſaͤchlichen Notturfft. 1. Sein Gewiſſen/ Ehr/ Seelen Notturfft
vnd ſchwere Pflicht/ damit er Jhrer K. M. vnnd dem Reich verwandt. 2. Jhrer
K. M. Hochloͤblichen Hauſes Hochheit vnnd Würde. 3. Sein vnnd aller E-
vangeliſchen Staͤnde Wolfahrt. 4. Daß es wider ſein Pflicht ſeyn wuͤrde/ das
jenige nicht zuerinnern/ darauß Jhrer K. M. vnd dero gantzem Hauſe mehr Scha-
den vnd Nachtheils/ als einigen Zuwachs/ vnnd Vortheil zugewarten. 5. Jn-
ſondecheit weil beſorglich ohne Confuſion deß H. Roͤm. Reichs/ zu deſſen Con-
ſervation J. K. M. Vorfahren/ alle jhre Conſilia vnd Actiones dirigirt/ der Zweck
ſchwerlich erꝛeicht werden moͤchte.


Nach dieſem Eingang tritt er zum Haupt Weſen/ vnd erinnert. 1. Die
entſtandene Religions differentien ſeyen allezeit auff den Reichstaͤgen/ vnnd von
anfangs von Carolo V. Imperatore, mit zuthun Friedliebender Chur- vñ Fuͤrſten
tractirt worden/ wie bey den Reichs Abſchieden von Jahren 1530. vnnd 1544. zuſe-
hen. 2. Religionfrieden ſey zwiſchen der Kay. May. vnd der Koͤ. May. vnd den
Catholiſchen Fürſten vnnd Staͤnden: wie auch der Augſpurgiſchen Confeſſions-
Verwanten Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnden Anno 1555. mit jhrer allerfeits Einwil-
ligung/ auff offentlichem Reichstag geſchloſſen/ vnnd in formâ pragmaticæ San-
ctionis
im Reich publicirt worden. 3. Sey zu der Zeit geſchehen/ da kein Stand
in Armis ſich befunden. 4. Vnnd dahero kein Zwang/ Forcht vnnd Betrohung
vorgangen/ vnnd hetten beyde Theil/ nemlich die Catholiſche vnd Augſpurgiſcher
Confeſſion Verwande Staͤnde den beſchloſſenen Friede acceptirt/ beliebet vnnd
angenommen. 5. So ſey der Religionfrieden kein Temporalwerck/ ſondern
ein vinculum perpetuum, vnd jmmerwehrendes Werck/ cum clauſula derogato-
ria in præteritum \& futurum.


Hingegen aber per Antit heſin vorgedachtem Kayferlichen Edict zu inſeri-
ren. 1. Ob wol in Faͤllen/ da die Wort hell vnnd klar/ alles zuvor genugſam ab-
diſputiret/ vnnd endlich auff die im H. Reich herkommene wege decidirt/ es keiner
weitern Handlung/ Vnderꝛed oder Vergleichung bedoͤrfftig: So hielte er doch
darfuͤr/ wann alles ſo hell vnd klar im Buchſtaben were geweſen/ Jhrer Kay Ma.
Vorfahren wuͤrden ſolchen Strittigkeiten nicht zugeſehen/ ſondern ſolche eroͤrtert
haben. 2. Sie hetten auch geſehen/ daß dieſelbe auff eine Jnterpretation vnnd
R iijDecla-
[134]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Declaration deß Religionfriedens hinauß lauffen wolte: derer Jhre Kay. vnnd
Koͤn. Majeſtaͤt ſich ohne Mitwiſſen vnnd Bewilligung ſamptlicher Churfuͤrſten
vnd Staͤnden nit zuvnderfangen. 3. Komme dieſe geſchwinde Kayſerliche Re-
ſolution/ Erklaͤrung vnnd Deciſion/ jhm vnnd andern Staͤnden Augſpurgiſcher
Confeſſion mit Beſchwer vor/ weil dergleichen modus procedendi ſeithero Anno
1555. bißhero in obſeruantia nicht gehalten worden. 4. Sondern ſey vielmehr
der Obſervantz zuwider/ daß wann die Catholiſchen vber die Staͤnde Augſpurgi-
ſcher Confeſſion/ vnd dieſe wiederumb vber jene intuitu deß Religionfriedens/ ſich
zubeſchweren gehabt/ vnd jedes Theil die Reichs Conſtitutionen vor ſich angezo-
gen/ ſolchen Differentzien in Anweſenheit der Kayſ. Mayſt. mit der ſamptlichen
Staͤnde Wiſſen vnnd Willen/ weilen ſie in Auffrichung deß Religionfriedens
mit cooperirt/ an Enden vñ Orthen/ dahin dergleichen Sachen gehoͤrten/ abzuhelf-
fen vor rahtſamb befunden. 5. Oder auff andere gemeine Zuſam̃enkunfften ver-
ſchoben. 6. Vnnd ſey dieſer modus procedendi, die Reichs Gravamina am
Kayſerlichen vnd Koͤnigl Hoffe/ in Form eines General Edicts vnnd allgemeiner
Sanction zueroͤrtern/ niemahls/ weder vor/ noch nach dem Religionfrieden/ ge-
braucht worden. 7. Gereiche nicht zu Fortpflantzung guter Einigkeit/ oder
Verminderung deß ſchaͤdlichen Mißtrawens. 8. Lauffe wider das Ius Ordi-
num Imperij,
vnnd der Reichs Staͤnde vngezweifelich hergebrachtes Recht. 9.
Jn den dreyen von Jhrer Kayſ. Mayſt. reſolvirten Haupt grauaminibus ſey durch
die ſamptliche Proteſtirende Staͤnde die ſubmiſſion noch nicht erfolgt/ ſondern
dieſelbe allerzeit in pendendi geblieben. 10. Sey nicht de tempore, Jhre May.
hetten noch zur Zeit/ vñ biß daß im H. Reich der ſo lang gewuͤnſchter Friede/ vnd
allgemeine Tranquillitaͤt reducirt/ damit in Ruhe ſtehen koͤnnen. 11. Kayſer
Ferdinandus I. wie Jhre Mayſt. ſelbſten in jhrem Edict gnaͤdigſt melden laſſen/
hetten die vber vnd wider den Religionfrieden Anno 1559. eingewendete Klage an
das Kayſerliche Kammergerichte remittirt: welches/ da alles im Religionfrieden
ſo klar/ nicht beſchehen were. 12. Daß ſie aber die Kammer geflohen/ darzu moͤ-
gen ſie bewogen haben/ daß weil der Religionfrieden mit gemeiner Staͤnde Be-
willigung/ in gemeiner Reichs Verſamblung auffgerichtet/ alſo auch dz jenige/ ſo
zweiffelhafft/ durch gleichmaͤſſigen modum tractandi muͤſſe entſcheyden wer-
den.


Nach deme nun Chur Sachſen deß Kayſers Procedur dieſer geſtallt durch-
gangen/ kompt er in obigem Schreiben/ auch auff der Sachen Beſchaffenheit
ſelbſt/ mit vermelden/ Er wolle in meritis cauſæ ſich zwar nicht herauß laſſen: ver-
nehme aber auß den Reichs Handlungen/ 1. Daß die Staͤnde der Augſpurgi-
ſchen Confeſſion die in Jhrer Landsfuͤrſtlichen Obrigkeit/ Hoheit/ territorijs vnnd
Gebiethen gelegene Stiffter/ Kloͤſter/ vnd andere Geiſtliche Guͤter/ in Chriſtliche
gebuͤhrliche Reformation zubringen befugt: wie ſich dann die Catholiſchen Jhrer
Lands Fuͤrſtlichen Obrigkeit/ auch gebraucht. 2. Wegen der Mediat Kloͤſter
vnd
[135]Dritter Theil.
vnd außlaͤndiſchen Provincialen hetten die Aſſeſſores Cameræ Anno 1557. ein
dubium mouirt, hievon auch auff dem Reichs Tag zu Augſpurg Anno 1566. Be-
richt eingebracht/ vnd vmb Reſolution gebetten: welche aber nicht erfolgt ſey. 3.
Darumb ermeldtes Kammergericht nach der Hand die gebettene Proceß abge-
ſchlagen. 4. Vnd da ſie gleich erkant/ jedoch dieſelbe auff einkommene exce-
ptiones
wieder caſſirt. 5. Jn den vier Kloͤſter Sachen ſey diß thema, ob die Pro-
vincialen vnnd Ordens Leuthe/ auff den Religionfrieden Proceß auffzubringen
befugt? ſo ſtarck diſputirt/ daß die Churfuͤrſten deß Reichs/ vor eine Notturfft be-
funden/ Kayſer Rudolphum II. zuerſuchen/ die Acta vom Kammergericht neben
jhrem voto, \& rationibus dubitandi ac decidendi abzufordern/ begehren zulaſſen/
damit ſolche gegen dem Reichstage Anno 1607. dem Churfuͤrſtlichen Collegio zu
durch leſen vbergeben/ was darinnen vorzunehmen wol erwogen/ vnd Jhrer Kay.
Mayſt. darauff ein Bedencken eroͤffnet werden moͤchte. 6. Die Evangeliſche
Staͤnde hetten hiebey jnſonderheit erinnert/ daß dieſer Punct eine interpretation
vnnd declaration deß Religionfriedens/ ſo vor die Kayſ. Mayſt. vnnd ſamptliche
Reichs Staͤnde zugleich gehoͤrte/ erfordern thete. 7. Er vnd andere Evangeli-
ſche Staͤnde ſeyen dadurch hoͤchlich beſchweret/ daß mit Zurückſetzung ſeiner vnnd
jhrer/ auff der Catholiſchen Staͤnde einſeitiges ſollicitiren/ dieſer ſo wichtiger/ all-
zeit contradictirter Punct/ in ſolcher Manier/ per modum generalis Edicti nicht
alleindecidirt/ ſondern auch dem Kammergericht ſolche Deciſion inſinuirt/ mit
Befelch/ ſich darnach im ſprechen vnnd erkennen zurichten: welches doch ehe nicht
braͤuchlich geweſen/ als wann auff Reichs- oder Deputationstagen die Ka. May-
ſich mit den Staͤnden darob verglichen. 8. Ob zwar die Conſtitutiones impe-
rij paratam executionem
auff ſich tragen/ ſo habe aber ſolches nur in denen Faͤllen
ſtatt/ da am jure, ob daſſelbe auß den Worten oder Buchſtaben zunehmen/ nicht
gezweiffelt werden kan: ſondern ſolches hell/ liquidum vnd klar: wo aber die Reichs-
Staͤnde noch derentwegen gegen ein ander in terminis contradictorijs begriffen/
das Kayſerliche Kammergericht ſelbſt angeſtanden/ vnd die Kayſerliche vnd Koͤ-
nigliche Majeſtaͤt ſich auff dieſe Maß den Außſchlag zugeben/ oder vor ſich etwas
zu ſtatuiren vnnd zu declariren/ nicht maͤchtigen wollen: da aber die Poſſeſſores
von ſechzig vnnd mehr Jahren in Poſſeß geweſen/ da koͤnne keiner ohne ordentli-
chen Proceß Rechtens/ ſeiner Poſſeſſion entſetzt werden: vnnd laſſe ſich ab execu-
tione
nicht anfangen. 9. Hertzog Friederich Wilhelm/ Adminiſtrator der
Chur Sachſen/ haͤtte zwar die promiſcuam allegationem grauaminum, jhm aber
doch nicht zuentgegen ſeyn laſſen/ mit gemeinem zuthun/ den groſſen Mißbrauch/
in deme die Catholiſche Obrigkeiten jhre arme Vnderthanen/ ob ſie gleich kein
Exercitium Augſpurgiſcher Confeſſion hetten/ vnnd ſich ſtill vnnd ruhig hielten/
entweder von Hauß vnd Hoff verjagten/ oder ſie ſonſten hefftig beſchwehrten: vnd
als das Edictum demigrando, dadurch auß dem nachgelaſſenen Abzug/ ein ge-
waltſamer Zwang gemacht/ abzuſchaffen/ es ſey aber alles ohne Frucht abgan-
gen/
[136]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
gen/ keine Vergleichung daruͤber erfolgt/ vñ alſo dieſer Punct im vorigen Stand
gelaſſen/ worden. 11. Kayſer Matthias habe nach dem Exempel Weyland
Kayſers Maximiliani II. vnd Kayſers Rudolphi II. den Reichs Satzungen vnd
Herkommen gemaͤß. nicht befinden koͤnnen/ die Reichs Gravamina durch Kayſer-
liche Reſcript/ Mandat/ Edict vnd Verordnungen zu decidiren/ ſondern hette es
auff eine Compoſitions Handlung/ nicht ohne Mitwiſſen der Catholiſchen/ die a-
ber zu ruͤck getretten/ verſchoben. 12. Da doch in ſeiner Churf. D. den 5. Maij.
Anno 1614 an Kayſer Matthiam gethanem Schreiben/ kein ſolcher modus pro-
cedendi
verſtanden werde/ welcher der Billichkeit/ den Reichs Conſtitutionen
vnd Herkommen zuwider/ dadurch der Friede nicht befoͤrdert/ keine Einigkeit ge-
pflantzet/ vnd die Staͤnde/ daß ſie vngehoͤrt depoſſidirt/ ſich noch mehr zubeſchweh-
ren hetten: habe aber zu Facilitirung deß bevorſtehenden prorogirten Reichsta-
ges Jhrer Kay. May. gerahten/ die jenige Gravamina zu reſolviren/ ſo in Jhrer
Kay. May. Maͤchten ſtuͤnden/ vnd dero Kayſerliche Hoheit nicht concernirten: in
den andern/ die vornembſten Motiven denſelben zugemuͤth fuͤhreten/ warumb Jh-
re Kay. Mayſt. ohne Verletzung der Kayſerlichen/ durch ordentliche Wahl erlang-
ten Hoheit/ in ſolche nicht verwilligen koͤnden. Wegen der vbrigen aber/ ſo in
Jhrer Kay. Ma. Maͤchten nit ſtuͤnden/ moͤchten ſie die jenige Staͤnde vernehmẽ/
welche ſolche Gravamina betreffen/ vnnd nach dero erlangtem Bericht durch Jn-
terpoſition/ Commiſſion/ oder in andern im Reich nicht vngebraͤuchliche Wege
jhre Eroͤrterung alsdann nehmen lieſſen. Refertſeſe an Kayſer Matthiam de da-
to
Dreßden Anno 1613. abgangenes Schreiben/ vnnd Jhrer Majeſtaͤt Antwort
vnder dem 13. Jan. 1614. Keinen andern modum procedendi habe Er Churfuͤrſt
vorgeſchlagen/ oder darzu gerahten.


Auff das bey der zu Muͤlhauſen letzten Collegial Verſamblung an Jh. Kay.
Mayſt. ergangenes Erſuchungs Schreiben ſagt Churfuͤrſt 1. Dergleichen ſeye
von jhme vnnd Chur Brandenburg niemahls erfolgt/ vielmehr aber ſolchem con-
tradictirt. 2. Sey von jhnen beyden ein vnderſcheydt gemacht/ zwiſchen den
Staͤnden/ die angeklagt/ jhre Antwort anbracht/ gehoͤrt/ vnnd zur Erkantnuß ſub-
mittirt/ vnnd den andern/ ſo jhre Notturfft noch nicht einbracht/ viel weniger ſub-
mittirt. 3. Ein in particulari beſchehene Submiſſion/ koͤnne dem andern/ ſo
noch Zeit zur Deciſion/ nicht beſchloſſen/ vnd ſich nicht ſubmittirt/ nicht præjudici-
ren. 4. Gegen ermeltem Collegial Tag ſey vor der Ankuͤnfft außdruͤcklich com-
paſcirt vnd bewilliget/ was daſelbſt wuͤrde vorgehen vnnd bedacht werden/ daß ſol-
ches nur vor eine vnverbuͤndliche Conferentz gehalten werden/ auch dabey die Ma-
jora nicht gelten ſolten.


Putat conſultius eſſe, durch einen allgemeinen Friede/ das in letzten Zuͤgen
liegende Roͤm. Reich zuerquicken/ vnd daſſelbe zu repariren: vnd vnder deſſen dieſe
Gravamina/ biß man in mehrerem vnd beſſerem Vertrawen/ zu Berathſchlag-
ung deß H. Roͤm. Reichs Notturfften/ vnnd Anſtellung gemeinnuͤtziger Ord-
nung
[137]Dritter Theil.
nung vnnd Verfaſſungen zuſammen kommen koͤnte/ an jhren Orth beruhen laſ-
ſen. Sagt ferꝛner/ es moͤchten wol etliche der Meynung ſeyn/ daß bey noch con-
tinuirenden Kriegstrublen vnnd Empoͤrungen/ mit der angetroheten Achts Exe-
cution am beſten ſolte vorzukommen ſeyn: es ſey aber diß nit der ordentliche Weg/
ſondern eytel Extrema/ ſo das Anſehen bey den Evangeliſchen Mittel Staͤnden
gewinnen wolten/ als ob hierdurch jhre total Außreutung geſucht/ vnnd endliche
Diſſolution deß Roͤm. Reichs mit groſſem Frolocken der Außwertigen/ ſo darauff
ein Aug geſchlagen/ jhr diſſegni darbey haben/ vnnd auß Ambition frembde Kro-
nen vnd Scepter affectiren/ erfolgen wuͤrde. Er Churfuͤrſt ſey zwar verſichert/
daß Jh. Kayſ. Mayſt. hierunder kein andere Jntention fuͤhrete/ als dem publico
wieder etwas auff die Beyne zuhelffen: wolte auch/ wann dieſes das rechte Mittel
were/ vnd dieſen effectum operiren koͤnde/ ſich nicht vnderſtehen/ Jhre May. zube-
helligen/ vnnd die Sachen ſchwerer zuniachen: Jn dem er aber dem Werck je mehr
vnd mehr nachdencke/ ſo ſtehe er in Forchten/ es moͤchte ſich vmbkehren/ an ſtatt der
gewuͤnſchten Einigkeit mehr Zwitracht: an ſtatt deß Friedens/ eitel Vnfried vnd
Vnſicherheit: an ſtatt verhoffter Conſervation deß Reichs/ eine erbaͤrmliche Lie-
ſolation erfolgen/ weil allen Vmbſtaͤnden vnnd Anzeigungen nach erſcheinete/
es ſey das Remedium/ da mit man helffen wolle/ viel ſchaͤdlicher vnd gefaͤhrlicher/
als die Kranckheit/ darinnen leyder annoch Teutſchland begriffen ſtehe: die Zei-
ten leiden ſolchen Rigor nicht/ der Modus ſey vngewoͤhnlich/ die Mittel zuſcharpff/
das Finis zu ſorglich vnd vngewiß/ darzu voller Difficulteten vnd Gefehrlichkei-
ten: vnd moͤchten Jhre Kay. May. hiernechſt à poſteriori jnnen werden/ wie vbel
die es mit Jhrer May. vnd dero hochloͤblichen Hauß Oeſterꝛeich gemeynet/ die zu
ſolchen Extremiten Raht/ That/ Anlaß vnd Vorſchub geben.


Da aber Jhre Kayſ. Mayſt. jhre angeborne Mild vnnd Gelindigkeit der
Schaͤrpffe vorziehen/ die Catholiſche Staͤnde/ wie ſie wol koͤnnen/ zu moderatio-
ribus conſilijs,
vnd daß ſie es nicht ſo genaw ſuchen/ diſponiren/ vnnd anvermah-
nen/ vnnd das gantze Werck alſo dirigiren vnnd vermitteln/ wie es deß H. Reichs/
vnd Jhrer Kay. Ma. eygenes Hauſes wolferiges Gedeyen/ vnd Auffnehmen er-
fordern thue/ hetten Jhre Kay. May. vngleich mehren vnd beſtaͤndigen Nutzen zu-
gewarten.


Vnd zum Beſchluß/ weil dieſes ſo ein hart/ wichtiges/ vnnd vberſchweres
Werck/ dergleichen bey vorigen Kayſern nicht vorgangen/ repetirt er de verbo ad
verbum
ſein/ an Jhre Kay. Mayſt. de dato den 26. Mertz ergangenes Schreiben:
bittet nochmahls fuͤr Gewalt/ vnnd vmb den Kayſerlichen Schutz/ den Jh. Kayſ.
May. jhme/ vnd allen Evangeliſchen Staͤnden zuhalten pflichtig: jhn auch/ daß
er zu offt ernantem Kayſerlichen Reſcript vnnd Edict/ aller maſſen es publicirt/
vnderthaͤnigſt nicht verſtehen/ noch ſich darzu bequemen koͤnne: ſondern Jhr Ka-
May. mit nachmaligem Vorbehalt deß vielfaltig conteſtirten/ vnd im Werck er-
Dritter Theil. Swieſenen
[138]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
wieſenen Reſpects vnnd Gehorſambs ſeinen diſſens dargegen nothtruͤnglich hie-
mit ferꝛner zuerkennen geben muͤſſe/ gnaͤdigſt entſchuldigt zuhalten/ vnd das gan-
tze Werck/ in Kayſerlichen gegen jhme vnd der gantzen Evangeliſchen Staͤnden/
allzeit verſpuͤhrter gantz ruͤhmlichen Jnclination/ vnnd der loͤblichen Vorfahren
Exempeln nach/ auff ſolche allgemeine Verſamblungs Tage zuverſchieben/ dar-
auff beyderley Staͤnde/ Catholiſche vnd Evangeliſche/ nottuͤrfftig moͤgen gehoͤrt/
folgends von J. K. M. mit Zuziehung zumahl anderer mit jntereſſirenden Mittel
gefunden werden/ welches der Sachen zutraͤglich/ zu wieder Auffrich- vnnd Fort-
pflantzung beſtaͤndiger guter Einigkeit vnnd Vertrawens/ erſprießlich/ dadurch
auch der heylſame Zweck zu aſſequiren/ den J. K. M. vnd alle friedliebende Staͤn-
de jhnen hierunder allwegen proponiret vnd vorgeſetzt.


Auff dieſes Schreiben cenſurirt ein Kayſerlicher Rath/ dieſe Argumenta
ſeyen zwar ſehr groß vnnd wichtig/ jnſonderheit/ wann man darneben conſiderirt/
wie hoch Jhrer Kay. Mayſt. vnd deroſelben Hauß an Chur Sachſen gelegen: Je-
doch aber muͤſſe darumb die Juſtitia, zu deren Jhre Kay. Mayſt. geſchworen/ vnnd
darumb jhr Gott/ Kron vnd Scepter in die Hand gegeben/ nit zuruͤck geſtellt/ vnd
der Vngerechtigkeit jhr Lauff gelaſſen werdẽ/ wie ſolches von Chur Mayntz eodem
Dato den 4. Mertzjuͤngſthin an Chur Sachſen gethanes Schreiben mit mehrerm
außweiſet: vnnd wer Jh. Kay. Mayſt. nie ins Hertz geſtiegen/ die Evangeliſchen
außzureuten. Betreffend aber/ in dem Churfuͤrſtlichen Schreiben/ daß vor Ge-
walt gebetten/ vnd daß er dem Edict nicht pariren koͤnne/ ſich entſchuldiget: da wer
dem gantzen hochloͤblichen Collegio bekandt/ daß daſſelbe/ viel weniger J. Kay.
May. Meynung nicht dahin gerichtet geweſen/ den Churfuͤrſten/ jhrer von Alters
hero jnhabender Stiffter halben/ vngehoͤrt/ mit einiger Execution zubeſchweren:
ſondern werde bey dem jenigen/ was ſich J. Ka. May. dißfalls gegen deroſelben/ bey
dem Anno 1620. zu Muͤlhauſen gehaltenem Convent erklaͤrt/ billich zulaſſen ſeyn.
Wie dann in allewege dahin zutrachten/ daß man Chur Sachſen in diß Edictum/
oder deſſen Execution/ gar nicht einmenge/ oder auff jhn verſtehe: ſondern hiervon
ſeparire. Vnd ſolches ſo wol vielfaltiger Politiſchen Reſpecten/ vnd J. K. M.
vielfaltig erwieſener trewer Dienſte halben: vnnd daß man Jhre Churf. D. in be-
ſtaͤndiger Devotion gegen J. K. M. vnnd dero hochloͤblichen Hauß Oeſterꝛeich er-
halte/ als auch durch dieſe Separation die Execution deß mehrangezogenen Kay-
ſerlichen Edicti im vbrigen facilitire/ vnnd zu wuͤrcklichem Effect deſtoleichter
bringe.


Bey ſo geſtallten Sachen ließ der Kayſer die Reformation durch ſeine Com-
miſſarios fortſetzen/ vnd den Anfang in der Statt Augſpurg machen/ dergleichen
auch zu Kauffbeuren/ vnnd in den Oeſterꝛeichiſchen Erblanden geſchehen: was
auch die Schwaͤbiſche vnd Fraͤnckiſche Evangeliſche Staͤnde/ neben dem Hertzo-
gen von Würtemberg bey den Commiſſarien vnd J. K. M. ſelbſten einbrachten/
dieweil der Churfuͤrſt in Bayern/ ſampt den Catholiſchen Staͤnden/ das Werck
eyfferig
[139]Dritter Theil.
eyfferig trieben. Die Statt Straßburg entſchuldigte ſich dem Edict zu pari-
ren/ weil ſie dem gemeinen Evangeliſchen Weſen/ nichts koͤndte zum Nachtheil
eingehen. Die Kriegs Waffen aber/ in deſſen die Kammer zu Speir wider den
Hertzogen von Braunſchweig/ vor den Biſchoff zu Hildeßheim geſprochen/ vnnd
das Stifft Halberſtatt wuͤrcklich reformirt ward/ wolten dem Teutſchen Boden
ſc[h]ier zuſchwerfallen/ darumb deß Friedlaͤnders General Leutenant Arnheim/
dem Koͤnig in Poln 10000. Mann/ wider den Schweden zugefuͤhrt/ aber wenig
außgerichtet/ zumal nach etlichen Treffen ein Stillſtand der Waffen/ auff 6. Jar
zwiſchen Poln vnd Schweden getroffen worden/ vnd zwar auß Eyfer der Polni-
ſchen Staͤnden/ welche deß Spiels vnnd Verluſts/ ſonderlich aber der frembden
vnbaͤndigen Teutſchen vberdruͤſſig worden/ vnnd den Koͤnig gleichſam hierzu ge-
noͤthiget hatten.


So erhub ſich auch ein newer Handel/ wegen deß Hertzogthumbs Mantua:
derſelbe Hertzog Vincentius ſegnete dieſe Welt/ vnd weil er keine Leibs Erben zur
Succeſſion hinderließ/ vnderfieng ſich deß Verſtorbenen Bruders Sohn/ Her-
tzog Carlen von Nivers/ ein Frantzoͤſiſcher Fuͤrſt/ der Regierung/ Anno 1626. den
27. Decemb. deß Kayſers/ wegen ſolcher Reichs Lehen/ vnbegruͤßt: dannenhero
die vralten Partheilichkeiten in Jtalien/ zwiſchen Spanien vnd Franckreich wie-
der erweckt worden. Der newe Hertzog von Mantua hatte ſehr wenig Huͤlff an-
fangs auß Franckreich/ biß die Statt Roſchellen ſich an den Koͤnig ergeben: wie
dann auch die Venetianer etwas behutſam giengen/ ob ſie ſchon ſich beſorgten ein
ſolch maͤchtiges Reichs Lehen/ wuͤrde dem ſchon zuvor vbermaͤchtigen Hauß Spa-
nien heymfallen/ vnd die Meylaͤndiſche Macht vber alle maſſen verſtaͤrcken. Dann
der Hertzog von Saphoyen miſchet ſich auch in die Haͤndel/ wegen deß Hertzog-
thumbs Montferꝛat/ ſo dem Mantuaniſchen anhaͤngig/ vnnd jhme durch etliche
Spruͤche vnnd Anforderungen afficieret war: alſo kam der newe Hertzog in die
Klippen/ daß er durch ſeinen Sohn dem Kayſer allen Gehorſamb müſſen anbie-
then: faſſet aber andere Gedancken/ ob ſchon Roſchellen ſich ergeben/ vnd der Mar-
ſchalck Crequi dem Saphoyer war eingefallen/ auch der Kayſer/ beyde Hertzog-
thum/ biß zu Außtrag der Sachen/ Sequeſtersweiß beſetzen wolte/ dieweil Don
Corduba mit der Belaͤgerung Caſal jmmer anhielte. Dann die 60000. Frantzo-
ſen drungen durch das Gebuͤrg/ vnd ſchlugen den Saphoyer/ daher die obige Be-
laͤgerung auch ſich auffgehoben/ wiewol ohne noth/ weil die Frantzoſen wieder zu
ruͤck geruffen/ die vbrige vnruhige Hugonotten zu Hauß muſten daͤmpffen. Der
Sachen nun ein End zumachen/ ließ der Kayſer gantz vnvermerckt/ die Clauſen
vnnd Paͤß bey Chur in den Buͤnden vberꝛumpeln/ vnnd vnder dreyen Generalen
Colalto/ Galaſſen vnnd Altringern 20000. Mann/ mit dreyen Heeren vber das
Gebuͤrg einfallen/ vnd alles biß auff Mantua vnnd Caſal einnehmen/ vnerachtet/
daß Richelieu die Statt Pignarol, vor dem Gebuͤrg dem Saphoyer abgedrungen/
vnd Momelian belaͤgert/ auff daß er an ſeinem Orth/ den Repaß vnnd Ruͤcken frey
S ijhaͤtte
[140]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
hette/ vñ ſeines Feinds Macht aber vertheylte/ oder weil er ſich ſonſten zum Haupt-
weſen zu ſchwach befuͤnde. Es war vmb die Satt Mantua zuthun/ die wurd aber
im folgenden Jahr/ nemblich 1630. den 18. Julij durch Kriegsliſt der verkleideten
Kriegsvoͤlckern eingenommen/ vnd drey Tag gepluͤndert/ vor den Augen deß newẽ
Hertzogen/ der ſich in das Caſtel retirirt/ vnnd auß Mangel aller Notturfft auff
ſolche Condition/ daß er ſicher nach Ferꝛara begleytet wuͤrde/ ergeben muͤſſen. Noch
war das Spiel nicht auß: dann Caſal hielt die Belaͤgerung auff/ biß Ambroſius
Spinola dem Cordubæ ſuccedirt/ aber von den Frantzoſen geſchlagen/ Carolo E-
manueli dem Hertzogen auß Saphoyen den Todt auß Bekuͤmmernuß/ vnnd weil
die Frantzoſen in das Meylaͤudiſche eingefallen/ vielleicht jhm ſelber an Halß ge-
zogen. Darauff dann ein Fried gethaidiget worden/ welcher aber zu Pariß nicht
wollen allerdings annehmlich ſeyn/ darumb Mazarini vnd Santacroce ſo vngern
auß Jtalien wieder nach Franckreich/ vnd ſo gar langſam gewichen.


Alſo lieff dieſer Krieg bald zu End/ vnd vberkam der Hertzog von Nivers das
Hertzogthumb Mantua/ auch die Marggraffſchafft Montferꝛat zu Lehen/ derjun-
ge Hertzog von Saphoyen Victor Amedæus, ſein Land wieder/ vnd Jtalien ſo ferꝛn
den lieben Frieden: aber der Teutſchen Voͤlcker kamen wenig wieder zurück/ vnnd
lieſſen ſich in Jtalien begraben/ dadurch dem Kayſer der Kern ſeiner Kriegs-
macht geſchwaͤcht worden/ als er deren am allerhoͤchſten wider der Schweden
Einbruch vonnoͤhten hatte. Jn deſſen bemuͤheten ſich beyde Partheyen/ der Kay-
ſer/ vnd der Frantzoß/ in den Buͤnden/ vnnd bey den Schweitzern/ ſo wol mit Waf-
fen/ als Geſandtſchafften/ einigen Vortheil einander abzujagen/ biß es endlich zu
einem Vertrag kommen.


Aber der Hertzog von Friedland/ ließ ab von Magdeburg/ nach einem getrof-
fenen Vergleich/ vnd gedachte ſein newes Hertzogtumb Meckelnburg voͤllig einzu-
nehmen/ vnd ſich veſt in den Sattel zuſetzen: darumb dann er die Belaͤgerung der
Statt Stralſund an der offenen See deſto eyfferiger antriebe/ vnerachtet was die
alte Hertzogen vor Entſchuldigungen/ wegen jhrer mit dem Nieder Saͤchſiſchen
Krayß gefuͤhrten Waffen vorſchuͤtzeten/ oder auch der Koͤnig in Dennmarck/ ne-
ben den Hanſeeſtaͤtten vor bewegliche Vorſchrifften vnnd Jnterceſſiones
bey gedachtem Friedlaͤnder/ auch bey Kayſerlicher Ma-
jeſtaͤt ſelbſten einlegten.



Der
[141]Dritter Theil.

Der dreyzehende Diſcurß.


Deß Churfuͤrſten in Sachſen Vnwill haͤlt jhn vom Reichstag zu Regen-
ſpurg: deß Kayſers Vortrag/ wegen deß Pfaltzgraffen/ der Hollaͤnder/ vnd andern
Feinden. Vrtheil hievon. Was die Staͤnde vom Kayſer begehrt vnd erlangt.
Vom Koͤnig in Schweden/ wie er in Pommern kommen/ Franckreich an ſich gezo-
gen/ vnnd mit Feldoberſten gefaßt geweſen. Von den Zeichen dieſes Schwedi-
ſchen Kriegs. Wie der Churfuͤrſt zu Sachſen die Evangeliſche Staͤnderach Leip-
zig beſchrieben: vnd die Statt Magdeburg eingeaͤſchert worden.


HJe treiten wir in ein gefaͤhrliches Jahr 1630. vnnd fangen Nagel-
newe Haͤndel an/ die vns in das allereuſſerſte Verderben ſtuͤrtzen. Die-
weil Kayſerliche Mayeſtaͤt gantz Teutſchland mit Voͤlckern vberſchwem-
met vnnd belegt/ dorffte ſich niemand hoͤren oder mercken laſſen: doch gab
es allerhand Gedancken/ ſo wol auff das juͤngſt verwichene/ als auff das beſorgliche
vorſtehende. Chur Sachſen hatte ſeine Gedancken vnnd Vnwillen wegen deß
Edicts eroͤffnet/ vnnd muſte von den Evangeliſchen allerhand Verweiß vnnd er-
baͤrmliche Klagen hoͤren/ daß er/ vnd kein ander die Religion in Gefahr geſetzt/ die
wenigen Calviniſten zwar helffen vertreiben vnnd daͤmpffen/ daß ſie in Boͤhmen
kein Creutz auff der Schloß Bruͤcken mehr ſo bald abthun/ vnnd auß der Schloß-
Kirchen keine Bilder mehr außſchaffen: in Heſſen vnd Waldeck nicht mehr refor-
mieren: auff den Reichstaͤgen nicht mehr zancken/ vnd beſorgliche Vnionen an-
ſpinnen ſolten: aber vervrſacht/ daß ſo viel hundert Kirchen in Boͤhmen/ Oeſter-
reich/ vnnd durch das gantze Reich geſperꝛet/ ſo viel hundert tauſent Evangeliſche
der Freyheit deß Gewiſſens beraubet worden/ vnnd vber ſeine vnbeſonnene Huͤlff/
ſo er dem Hauß Oeſterꝛeich/ an ſtatt einer Zuflucht vor die Bedrangten geſeyſtet/
ſonderlich vber zween ſeiner geheymeſten Raͤthen ein Weltlichen/ vnd ein Geiſtli-
chen/ welche mit Spaniſchen Dublonen (nach gantz gemeiner ſage) ſich beſtechen
laſſen/ dem Waſſer dieſen Lauff abzugraben/ jnniglich zu ſeufftzen bewegt: Ja
ſich ſelbſten/ neben ſeinen ſo vielen eingezogenen/ Stifftern vnnd Geiſtlichen Guͤ-
tern/ der Gefahr dargebotten.


Jn deſſen gedachte der Kayſer das angefangene/ vnd ſo ferꝛn hienauß geführ-
te Werck feſt zumachen/ auch die Staͤnde/ ſo wol auß Forcht vnd Schrecken ſeiner
Vngnad vnd Waffen/ als auß Hoffnung einiges nebẽ Nutzes/ nach ſeinem Wil-
len zulencken. Alſo gieng der außgeſchriebene Reichstag an zu Regenſpurg/ da-
hin aber weder Sachſen/ noch Brandenburg in Perſon/ wie jnſtaͤndig ſie auch
darzu erſucht geweſen/ nicht kommen wollen/ weil ſie bereyt was anders kocheten/
ſo der Schwed ſoll anrichten vnd aufftragen.


S iijWie
[142]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Wie zur ſelben Zeit die Gemuͤther getrennt vnnd geneygt geweſen/ entde-
cket ein Quidam ſeinem werthen Freundt/ ſo viel jhm wiſſend worden/ mit dieſen
Worten. Woledler/ ꝛc. Jch hette zwar meinem verſprechen gemaͤß/ wegen die-
ſes Tages/ darauff gantz Europa die Augen gerichtet/ vnd was darauff abgehan-
delt worden/ E. L. eher berichtet/ wann ich nicht in meiner Abreiß von Regenſpurg
in Beſuchung der liebſten Freunden/ etwas mehr Zeit verſchlieſſen hette/ als ich
nicht vermeynte. Da ich nun ſolcher Viſiten vberhaben/ viel Geſchaͤfften abge-
lehnet/ die Verꝛichtungen abgelegt/ vnnd an dieſem einſamen Orth Ruhe gefun-
den/ als wann ich auß dem vngeſtuͤmmen Meer zum Hafen wer eingelauffen.
Erinnere mich derowegen meiner Schuldigkeit/ vñ berichte/ nach dẽ der ſehr grau-
ſame Grund verderbliche Krieg vber zwoͤlff Jahr gewuͤtet/ vnd das liebe Vatter-
land Teutſcher Nation ſehr hart gedrucket/ hatte es das Anſehen/ es wurde jeder-
maͤnniglich den Frieden ſuchen/ wuͤnſchen vnnd begehren/ mit ſonderlicher Hoff-
nung/ daß dieſer Tag eben zu ſolchem Ende angeſtellt/ vnd auch außlauffen wuͤrde.
Dann weil die Proteſtierenden/ die das euſſerſte biß dahin außgeſtanden/ vnd an-
noch mit vber ſchweren Belegungen/ auch mit der Catholiſchen Kriegs Voͤlckern
betrangt waren/ zumal die Catholiſchen ſelbſt der vnbaͤndigen Kayſeriſchen Sol-
dateſca Muthwillen mit Hertzbrechenden Thraͤnen erfahren/ ein abſchewen an
dem Kriegsbraſt/ Schaden vnd Koſten gefangen/ vnnd an deß Bayerfuͤrſten/ als
Generals/ Geltſuͤchtigen proceduren ein Eckel hatten: ſagte man/ Pfaltz Neu-
burg wolte von der Liga abſtehen: Saltzburg aber/ weil er bey dieſem Weſen nichts
wieandere gebeſſert ſeyn koͤnde/ noch wie vor keine Contribution erlegen. Vnd
dann Trier vnd Coͤlln von vielem erlittenen Schaden/ vnd der Spanier allzube-
ſchwerlicher Nachbarſchafft erzehlten: ware doch der Proteſtirenden Begehren/
in dieſem von den andern vnderſcheyden/ daß ſie ohne Außred vnnd Bedingung
fuͤr das allerꝛahtſamſte hielten/ mann ſolte alles auffheben/ Frieden ſtifften/ vnnd
das alte Vertrawen wieder anrichten: die Catholiſchen aber/ daß ſie zwar zum
Frieden geneygt/ doch nicht anderſt darzu verſtehen wolten/ als mit Reſtitution de-
ren abgedrungenen Geiſtlichen Guͤtern.


Hiebey iſt auſſer zweiffel zu glauben/ ein Frieden zuſchlieſſen/ vnd deßwegen
ein Reichstag zuhalten/ ſey dem Kayſer recht Ernſt geweſen. Dann auch noch
zu Wien/ als ein ſtarckes Geſchrey gieng/ man bemuͤhe ſich nur mit Worten/ die
Leuthe zubereden/ daß der Kayſer Fried vnnd gut altes Vernehmen ſuche/ vnd den
Reichstag vor ein fuͤgliches Mittel/ dahin zugelangen ergriffen: aber der Kayſer
werde gantz nicht verꝛucken/ ſondern von ferꝛn befehlen/ vnnd nach eygenem Sinn
regieren. Als nun dieſes Jhrer Kay. May. zu Ohren kommen/ hat er den Graf-
fen von Schwartzenburg/ Hoffmarſchalcken/ mit rauhen Worten angefahren/
warumb er keine Verordnung thue/ daß Diener/ Bagage/ Waͤgen vnnd Schiffe/
ſampt aller Notturfft zur Reyſe in Bereytſchafft ſtehen: eben ſeine Saumſelig-
keit vnnd Vnfleiß gebe dem Poͤbel Anlaß zu ſolchen Reden. So war der Kayſer
auch
[143]Dritter Theil.
auch von Natur ein friedfertiger Fuͤrſt/ ſonſten deß Friedens gewohnt/ vnnd der
nach ſeinem beywohnenden hohen Verſtand die Abwechſelung deß Gluͤcks: ſon-
derlich bey lauffendem Kriegsweſen reifflich erachtete/ demnach ſeine vielfaltige
Trtumph vnd Siegszeichen mit einer erquicklichen Ruhe kroͤnen wuͤrde. Vnd
wann das Kriegsweſen ſich durch gemeſſene Befehl nicht richten laſſe/ ſolten im
Widrigen die Verfaſſungen/ Contributionen/ Werbungen/ Vnbilligkeiten der
Menſchen Gemuͤther vielleicht ſo weit verbittern/ vnnd euſſern/ daß ſie auß Ver-
zweiffelung nach vnziemlicher Rettung ſich ſehnen moͤchten. Dieweil aber etli-
che zuviel Sorgfeltige ſich ſelbſten/ vnd andern einbildeten/ das Hauß Oeſterꝛeich
trachtet nach der Monarchy/ gantz Europam/ ja alle vns bekannte Nationen vn-
der ſich zubringen: fiel der Poͤbel/ ſo jederzeit zum aͤrgern geneygt/ in ſolchen Arg-
wohn/ der Kayſer ziehe zwar auff den Tag/ aber nicht dem gemeinen Weſen zum
beſten: auch nicht/ daß er ein ziemlichen Frieden begehrte/ ſondern theils darzu
gezwungen/ theils daß er ſein Hauß vnnd Stam deſto beſſer befeſtigen koͤnne/ weil
jhm gantz vortraͤglich worden/ daß man fein verfahren vnd Regierung/ biß dahin
gut geheiſſen/ vnnd beliebet. Ob nun der bittere Neid/ oder wolmeinender Raht
an dieſem Wagen geſchoben/ mag ein jeder erachten. Was nun etwas Kraͤfften
noch im Reich hette/ das ſolte durch Krieges Laſt/ gleich durch einen langwehren-
den Todt/ auch durch ſcharpffe Proceß bey der Kammer/ abgemattet/ außgeſogen
vnnd zu Grund gerichtet werden. Ein kluger Mann wiſſe ſein Schantz vnnd
Gluͤck/ welche der Kayſer ſo ferꝛn nach Wunſch erhalten/ in acht zunehmen/ vnnd
den Außgang/ wie das Waſſer auff die Muͤhle/ auff den Nutzen zuweiſen. Viel
Ding werden vnder der Hand thunlich/ ſo zuvor vnmuͤglich geſchienen. Die Pro-
teſtirenden koͤnde man vor dißmal/ mit Huͤlff der Catholiſchen vnder die Oeſterꝛei-
chiſche Herꝛſchafft bringen/ vñ hernach den Catholiſchen ſelbſt das Joch auffbuͤr-
den. Vnd ſolches wer nicht vnſchwehr auß deß Graffen Ognata vom Hauß We-
wara/ Spaniſchen Geſandten am Kayſeriſchen Hoff Worten vnnd Reden/ auß
dem geheymen Raht/ gegen ſeinen Vertrawten/ zuvermercken: der Teutſchen
Biſchoffe Roͤcke ſeyen viel zulang/ man müſſe ſie abnehmen vnd beſchneiden. V-
ber diß ſolte/ wann je ein Frieden zu machen wer/ man den Reichstag nit anſtellen/
ſondern anderwertlich beſchlieſſen. Dann auff dem Reichstag wuͤrden deß
Kayſers Actiones ſyndicirt/ vnnd ſein Anſehen geſchmaͤhlert. Ein Monarch
muͤſſe herꝛſchen/ vnd niemand anders/ dann jhm ſelbſten/ Rechnung thun. Dann
daß man Teutſchland mit Werbungen/ vnnd Kriegs Voͤlckern vberſchwemmet/
einen Krieg nach dem andern angezettelt/ Contributionen aufferlegt/ Fürſten ver-
jagt/ newe vnbekante Leuth/ vnnd zwar auß dem Hoff/ eingeſetzt/ alles ohne/ oder
auch wol wider Reichs Staͤnde/ vnd etwan auch der Churfuͤrſten ſelbſt verwaltet
vnd durchgedrungen/ wuͤrde ſchwer zuverantworten/ vnnd gar nicht zubeſchoͤnen
ſeyn. Vnnd wann auch ſchon der Kayſer zum Frieden verſtehen wolte/ muͤſte er
ſich erinnern/ daß ſein Herꝛſchafft vnd Anſehen auff dem Gewalt beruhe/ vnnd in
den
[144]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
den Waffen beſtehe: dieweil nicht wenig vnder den Staͤnden verbietert/ vnd der
gemeine Poͤbel gantz ſchwuͤrig worden/ vnd dannenhero einen Machtloſen Kayſer
auß Raach angreiffen vnd ſtuͤrtzen moͤchten.


Wie nun dergleichen Red- vnd Gegenreden im geheymen Raht laͤngſt de-
battirt vnd außgeecket/ were doch der jenigen Meynung/ ſo die Reyß vor nothwen-
dig gehalten/ vorgedrungen: zumahl man die ſchwuͤrige Gemuͤther durch die lieb-
liche Hoffnung eines guten Friedens nicht beſſer ſtillen koͤnde/ in deſſen muͤſſe man
den Staͤnden einbilden: deß Frantzoſen/ der Hollaͤnder/ vnd der Schweden feind-
ſeliges ſuchen wer wider das H. Roͤm. Reich/ gar nicht wider das Hauß Oeſter-
reich gerichtet/ darumb ſie alle das jhrige beyzutragen ſchuldig/ allen frembden
Gewalt abzutreiben/ vnd die Hoheit Teutſcher Nation zubehaupten. So war
am Tage/ daß der mehrere Hauff zwar gedaͤmpffet/ vnd zum Gehorſam kommen/
aber der Dienſtbarkeit ſo geſchwind nicht gewohnet/ ſondern durch Erwegung
deß vorigen Stands/ vnnd Vngedult gegenwertiger Zeiten/ ein ander jhre Be-
ſchwerden klagten/ vnd verꝛeitzten mit hohen Anzuͤgen/ darauß ein groſſer Brand
mit der Zeit entſtehen muͤſte. Wann dann nun die Kayſerichen in Preuſſen ei-
ne Niederlag erlitten/ in der Velaw/ wie in einer Maußfall ſitzen/ in Jtalien groſ-
ſe Noth litten/ Hertzogen Boſch vnnd Weſel verlohren gangen/ der Schwed auch
im Anzug begriffen/ deme man offentlich recht gebe/ were auff deß Kayſers ſeiten
eine hochwichtige Vrſach/ dem Reichstag in Perſon bey zuwohnen/ damit er ſei-
nen Sohn den Staͤnden zeigen vnd inſinuiren/ demnach das Kayſerthumb in ſei-
nem Hauß beſtaͤttigen koͤnde. Alſo hatte jede Parthey ein ſonderbahres Abſehen
vnd Getrieb zu dieſem Reichstag.


Der Vortrag beſtund darinnen/ daß der Kayſer kein Vrſach zum Krieg ge-
geben/ vnd den Frieden nicht hindere: dieweil aber der vertriebene Pfaltzgraff deſ-
ſen allen Schuld trage/ ſolte man jhm alle Hoffnung ſeiner Reſtitution abſchnei-
den/ vnd wider alle Friedenſtoͤrer ein Bund abfaſſen/ oder ferꝛnerer Bereitſchafft
ſich vergleichen/ damit der Hollaͤnder Frechheit vnnd Rauberey/ die dann juͤngſt
dem Reich noch namhaffte Staͤtte entzogen/ ein Ziel geſteckt/ vnnd das verlohrne
herwiederbracht werde. Vnnd weil der Frantzoß ſich der Jtalianiſchen Haͤndel
anmaſſe/ dieſelben zuſchlichten/ die jhme doch nicht gebuͤhren/ ſolte das Roͤm.
Reich ſeine Gerechtigkeiten beobachten/ vnd dero Schmaͤlerung nicht ferꝛner dul-
ten. Der Schwed hette kein Vrſach/ ſich in das Teutſche Weſen zuflechten: dem
muͤſte/ im Fall die Tractaten zu Dantzig nichts verfingen/ den Eyfer neben dem
Gewalt/ ſeine Frechheit zuſtraffen/ zeigen. Endlich ſolten die Staͤnde beraht-
ſchlagen/ wie ein beſtaͤndig Kriegsheer zuerhalten/ die Kriegsdiſciplin zuverbeſ-
ſern/ vnd die Contributionen anzuſchreiben weren.


Als dieſes anfangs vnder das gemeine Volck außkommen/ wurde viel vnd
mancherley geſprochen/ ſonderlich wann etwan ein paſſionirter/ wie ein Wind
die Wellen/ den Poͤbel auffſtuͤtzig machte. Jederman verwundert ſich/ daß/ da
der
[145]Dritter Theil.
der Eingang vom Frieden geweſen/ der gantze Reſt nur von Krieg vnd Contribu-
tionen handele: das hieſſe nemlich Frieden/ wann das Hauß Oeſterꝛeich herꝛſche/
vnd jederman ſich der Dienſtbarkeit befleiſſige: daſſelbe wiſſe wol fuͤrzuwenden der
Boͤhmen Rebellion/ deß Pfaltzgraffen eingreiffen deß Manß felders vnd der an-
dern Auffſtand: brauche aber die Waffen/ ſo wider die Feinde ergriffen wordẽ wi-
der deß Reichs Glieder. Man ſey dennoch mit dem Dennmaͤrcker verglichen/
vnd vnderlaſſe nicht/ Soldaten zuwerben/ vnd die Staͤnde mit Contributionen zu-
belegen. Ein Einfaͤltiger mercke/ daß das Priuatum durch deß Reichs Gewalt
vnnd Koſten geſucht werde. Dann weder der Pfaltzgraff/ noch die Hollaͤnder/
weder der Hertzog von Nivers/ noch der Frantzoß oder Schwed ſich an das Roͤm.
Reich reiben/ ſondern mit demſelben in Vngutem nichts begehrten vorzunemen/
vnd allein jhre Waffen wider das Hauß Oeſterꝛeich richteten. Vnd geſetzt/ der
Pfaltzgraff hette das Koͤnigreich Boͤhmen vnbillicher weiß angegriffen/ vnnd
Straff verdienet/ ſo habe man doch dieſelbe ohn deß Reichs Vorwiſſen auffer-
legt: dem Bayerfuͤrſten die Chur gegeben/ auch wol wider der Churfuͤrſten Wil-
len/ vnnd deß Spaniers Gutachten/ man dorffte auch weiterprognoſticiren/ das
Reich wuͤrde zu keinem beſtaͤndigen Frieden nimmer mehr gelangen/ wann Pfaltz
nicht reſtituirt/ vnnd ſein gantzes oder ein guten Theil am Land wieder erhalten:
dann zuvorderſt Ex vnd ſeine Kinder in ſo groſſer Anzahl/ die Nachkommende mit
gerechnet/ einem jeden vnruhtgen Kopff Anlaß zum Krieg geben koͤnten/ vnnd
wachſe der Neid bey den Proteſtirenden nur deſto hoͤher/ weil ſie ein ſolches Votum
verlohren. Wann aber der Pfaltzgraff wieder zu dem Seinigen gelangete/ wuͤr-
de die groſſe vnnd ſchwere Macht bey Bayern geringert/ der Neid bey den Oeſter-
reichern auffgehoben/ vnnd die Proteſtirenden aller Sorg entlediget. Damit a-
ber Bayern ſich nicht zuſchaͤmen hette/ wann er die ſo thewr erworbene Dignitaͤt
auffgebe/ beſonne man ſich/ jhme etliche Pfaltz Laͤnder eygenthumblich zulaſſen/ vnd
die Chur/ deſſen noch Exempel zufinden/ entweder mit Jahrsfriſten/ oder durch
Succeſſion/ von einem zum andern zuhand wechſeln. Die Hollaͤnder hetten
ſich zwar von der Spaniſchen Herꝛſchafft frey gemacht vnd loß gefochten/ ehreten
aber doch deß Reichs Majeſtaͤt vnnd hielten mit benachbarten Fuͤrſten/ auch mit
den Catholiſchen gute Neutralitaͤt/ vnnd hetten dem Reich nichts entzogen/ als
was Spanien zuvor jnnen gehabt/ oder zu jhrem hoͤſten Nachtheil jnnehmen wol-
len: vnnd were ein erfolgte Raach/ weil der Kayſer den Montecuculi/ ohne deß
Reichs Bewilligung/ ſeinem Vettern zuhelffen/ mitten in Holland laſſen einbre-
chen. Man bemaͤntele den Jtalianiſchen Krieg mit deß Reichs Gerechtigkeiten/
werde aber mit Teutſchem Gut vnd Blut/ dem Spanier zum beſten gefuͤhrt: an-
geſehen der von Nivers allezeit willig/ dem Reich Trew vnd Gehorſam zuſchweh-
ren/ welches dennoch nicht gelten wolle/ weil der Spanier keinen ſo nahen Fürſten
leiden moͤge/ der den Kopff nach Franckreich hencke. Wider den Schweden het-
te ja der Kayſer dem Poln ſeinem Schwager ein maͤchtige Armada geſandt: vnd
Dritter Theil. Tdar-
[146]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
darmit dem Schweden gezeigt/ daß er ſich feiner vertriebenen Vettern/ der Her-
tzogen auß Meckelnburg ſolte annehmẽ/ zumal dieſelbe vnverhoͤrter Weiſe verur-
theilt worden. Vnd dieſes war deß gemeinen Mannes Sage.


Aber die Churfuͤrſten ſprachen mit erhabener Stim/ von gegenwertiger
Zeit Elend/ von der Soldateſca Vbermuth/ vnd vnerſchwinglichen Contributio-
nen/ deſſen allen der newe Hertzog zu Mecklenburg/ ſonſten genannt der Friedlaͤn-
der/ General vber alles Kriegsvolck ein Vrſach were. Vnd verſtunde der Kay-
ſer ſelbſt wol/ daß der Diener genannt/ der Herꝛ aber gemeynt war/ zumal ſie noch
darneben erinnerten/ ſolcher Gewalt were biß dahin noch keinem Feldherꝛn einge-
raumpt zufuͤhren: als auch dieſes ohne der Staͤnde gutheiſſen geſchehen. Die
vnzehlige Kriegsknecht haben kein andern Feind/ als den Reichs Vnderthanen:
die jenige angegriffen vnd verfolgt/ wider welche kein Krieg beſchloſſen: die Con-
tributionen ſelbſt geſetzt/ vnnd euſſerſten Gewalts erpreſſet/ den Reichs Abſchieden
ſchnur ſtracks zuwider. Der Brandenburger erwieſe/ neben vnendlichem ande-
rem Schaden/ vber zwantzig tauſend Tonnen Golds an erlegten Contributions-
geldern: der Hertzog auß Pommern legte vor/ daß im Fuͤrſtenthumb Stetin al-
lein zehen tauſend Tonnen Golds erhoben worden/ vnd daß er ein Jahr lang/ vber
den Droß/ die Buben vnd das vnnuͤtz. Geſindlein ein vnd dreyſig tauſend zu Fuß/
vnd ſiebentauſend/ fůnffhundert vnnd viertzig zu Pferd muͤſſen verpflegen. Der
Landgraff zu Heſſen Caſſell docirte ſieben Tonnen Golds/ in etlichen Jahren: der
Wuͤrtemberger/ Monatlich hundert vnd zwantzig tauſend Guͤlden/ die Nuͤrnber-
ger/ Monatlich zwantzig tauſend. Die vbrige Staͤnde klagten alle/ daß einer
mehr/ der ander weniger geben muͤſte. Sie tadelten auch deß Generals/ vnd al-
ler Oberſten Stoltz in Kleydung/ in guͤlden vñ ſilbern Geſchirꝛ/ den vnglaublichen
Vberfluß an Pferden/ vnd bletterten das Buͤchlein/ ſo dazumahl in den Haͤnden
vmbgieng/ von deß Generals Hoffsordnung vnd deſſen Aemptern/ da die hoͤchſte
Beſtallungen hoͤher geſtiegen/ als bey dem Kayſer ſelbſt. Seines praͤchtigen
Hauſes zu Prag wolt man nicht vergeſſen/ welches hundert andere Haͤuſer ver-
ſchlungen/ vnd von deß Reichs Beuten. Der Kayſer entſchuldigte alles mit den
boͤſen Zeiten/ vnd deß Feindes Gewalt/ deme man den Sieg/ ſo in der einigen Be-
haͤndigkeit/ bevorab injnnerlichen Zerꝛuͤttungen/ nicht anderſt koͤnnen abgewin-
nen/ als wann man die wol vnnd ſteiffgehaltene Ordnung ein wenig beyſeit ſetze/
vnd vorbey gehe.


Hierauffen hat man beyderſeits mit vielen Schrifften ſich gezweyhet: in
welchen der Kayſer nichts weiters ſuchte/ die Churfuͤrſten aber/ das General vnnd
Soldateſca caſſirt vnnd abgedanckt: mit dem Frantzoſen vnnd Jtaliani-
ſchen Fuͤrſten/ ja auch mit dem Schweden/ ehe er in Pommern anlaͤnde/ Fried
gemacht/ auch deß Pfaltzgraffen Geſandten/ deme ſie frey Geleyth zu handeln er-
theilt/ zur Verhoͤr gelaſſen: vnnd kein Krieg mit den Hollaͤndern/ wegen ſo naher
Nachbarſchafft/ ſagt Chur Coͤlln/ angefangen/ ſondern die gantze Sach auff den
allge-
[147]Dritter Theil.
allgemeinen Reichstag verſchoben würde. Alſo wurd von dem Kayſer/ wider
der Hoffſchrantzen Danck/ erhalten/ daß beyde Freyherꝛn Johann Baptiſt von
Werdenburg/ vnnd Gerhart von Queſtenburg/ die der Friedlaͤnder zuvor mit vn-
ſaͤglichen Verehrungen eingenommen/ vnnd jhme die Stange zuhalten bewogen/
vnd eben auß dieſen bewuſten Vrſachen zu jhm abgeordnet worden. Vnd ſchie-
ne anfangs/ ſie hetten eine vberauß ſchwere Sach vber ſich genommen: zumahlen
ein Mann von tieffen Sinnen/ der deß abſolutiſſimi imperij gewohnt/ von den
groͤſten Fuͤrſten geehrt/ mit vnzaͤhlichem Reichthumb gefaßt/ wuͤrde ein ſo groſſen
Schimpff nit mit ſtillſitzen vertragen/ noch ſich zu einẽ Buͤrgerlichen Leben von ſo
hoher Stelle herunder begeben: zugeſchweigen/ daß mancher jhn wegen verůbten
Gewalts Gerichtlich oder ſonſten antaſten werde/ der jhn vnter Augen nicht wol
doͤrffen im hoͤhern Stand anſehen. Vnd dann lieff das Hertzogthum Mecklen-
burg in ſehr groſſe Gefahr. Wie nun jedermaͤnniglich mit Sorgen erwartete/ wo
ein ſo wichtiger Handel hienlauffen ſolte/ zu einer newen Empoͤrung nemlichen/
thet der Friedlaͤnder/ welches vor ein groß Wunder auffgenommen ward/ dem
Kayſerlichen Befehl ein genuͤgen. Darauß etliche geſchloſſen/ er wer dem Kay-
ſer gantztrew/ vnd ſeinen Pracht mehr zur nothwendigen Kriegsdiſciplin gefuͤhrt/
als zu deß Landmanns Verderben: wiche aber jetztmals dem Mißgunſt/ zu ſeiner
vergeblichen Rewe. Andere argwohneten/ man hette jhm heymliche vbergroſſe
Promeſſen gethan: ja man ſagte/ die Chaldeiſche Sternkunſt/ deren Meiſter/ den
Kepler/ er vnder andern bey ſich gehabt/ hetten dieſen Raht geſehen vnd vorgeſchla-
gen. Endlich meynten etliche/ es kaͤme alles vom Kayſer ſelbſten/ vnnd were der
Frantzoͤſiſche Krieg mit einer breyten Hoffnung friſcher Beuten/ jhm in ſeinem
leeren Sinn herumb geflogen/ fuͤrnemblich da er zu Memmingen gleichſambim
Kercker geſeſſen. Es mag nun dieſes/ jenes/ oder ein anders geweſen ſeyn/ ſo
ſchiene es doch einem Wunder ſehr aͤhnlich/ daß beydes der Kayſer/ den Churfuͤr-
ſten/ vnd der Friedlaͤnder dem Kayſer gefolgt hat.


Das andere/ ſo die Churfuͤrſten erhielten/ war/ daß man die Contributio-
nen reducirt/ vnd der groͤſſere Theil der Soldateſca abgedanckt worden. Dazu
dann der Kayſer verſprochen/ kuͤnfftig keinen Krieg ohne der Staͤnde Verwilli-
gung zufuͤhren: die Contributionen nicht nach deß Generals gutachten/ ſondern
nach jedes Krayſes Schluß auffzuſetzen. Vnnd endlich beſchloſſen/ der Kayſer/
die Churfuͤrſten/ vnnd die Frantzoſen den Jtalianiſchen Frieden/ der aber dem
Spanier gar nicht wollen gefallen: weil der Hertzog von Nivers in Mantua vnnd
Montferꝛat wurd eingeſetzt/ die Heer beyderſeits auß Jtalien abgefuͤhrt/ vnnd die
Paͤß in den Bünden/ wie zuvor/ frey gelaſſen. Mit deß Engellaͤnders Geſan-
den/ vnd deß Pfaltzgraffen Anwalt ſchloſſe man nichts anders/ als daß der Pfaltz-
graff zu Gnaden moͤge kommen/ vnd ein Theil ſeines Lands/ was der Spanier be-
ſitzt/ erhalten/ auch die Muͤlhauſiſche Puncten erfuͤllen. Alſo haben wir/ zu vn-
ſerm beſten vnd hoͤchſtem Gluͤck/ Guſtavo Adolpho/ der Schweden/ Gothen vnnd
T ijWen-
[148]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Wenden Koͤnig es zudancken/ daß wir die Waffen noch fuͤhren/ von den Chur-
fuͤrſten nicht vnderdruckt/ vnd der Cleriſey Schlaven nicht ſind worden. Dann
als vnder wehrenden Strittigkeiten der Freyherꝛ von Donaw/ ohne Hoffnung
zum Frieden/ auß Dantzig abgeſchieden vnd der Schwed mit Heersmacht in Pom-
mern eingefallen/ auch Stetin erobert/ vnnd die Kayſeriſchen geſchlagen waren/
meynte der Kayſer/ jetzt hette er alle Gelegenheit/ die Teutſche Hoheit wieder zuer-
heben/ vnd den Krieg mit Ernſt fortzuſetzen. Ein heymliche Forcht bey den Ca-
tholiſchen als hette Guſtavus/ kein ſo gar maͤchtiger Potentat/ ein ſolches Werck
nicht ohne gewiſſe Huͤlff der vñ willigen Proteſtirenden/ oder auch andern Poten-
taten/ vnderfangen: darumb ſie nicht ſo ſehr auß Lieb gegen dem Kayſer/ als we-
gen jhrer eygenen Gefahr dazu bewegt/ den Krieg/ vnnd ſchleunige Huͤlff be-
ſchloſſen.


Mittlerweil vergaſſe man nicht/ auß hitzigem anhalten/ vnnd euſſerſtem
Fleiß/ von der Wahl vnnd Kroͤnung eines Roͤmiſchen Koͤnigs zuhandeln/ doch
ſehr verdeckt. Der Fuͤrſt von Eggenberg/ der wegen ſtaͤtigen Zipperleins ſelten
auß dem Bette pflegte zukriechen/ beſuchte gleichwol die 4. Churfuͤrſten/ vñ der bey-
den Abweſenden Geſanden/ jeden in ſeinem Loſament/ vermeldet deß Kayſers Al-
ter/ welches durch groſſe Muͤhe ſich abgemattet/ vnd dannenhero ſo vielen Kranck-
heiten vnderworffen ſey: ruͤhmete hoch deß Kayſers groſſe Lieb gegen dem gemei-
nen Weſen/ deme er nichts groͤſſers mittheilen koͤnde: als ein guten Succeſſorn:
vnder einem Vicariat entſtehe viel Vnheyls: das Hauß Oeſterꝛeich hette ſich ſo
hoch bedient gemacht/ vnd wer Ferdinandus ein ſehr dapfferer Herꝛ/ ꝛc. Vnd weil
die Abweſende Churfuͤrſten hieruͤber keine Jnſtruction ertheylet/ ſchrieb man jh-
nen gleiches Jnhalts. Vnnd wurde der Churfuͤrſten Willfaͤhrigkeit vor ſo gar
gewiß gehalten/ daß ein zu Hoff wolbekanter Medicus dem Vatter mit einem
Poetiſchen Gedicht/ zu Nuͤrnberg gedruckt/ Gluͤck gewuͤnſchet/ daß mit jedermans
Wolgefallen die Kron Ferdinando III. wer auffgeſetzt worden. Aber die Chur-
fuͤrſten alle theten mit Worten groſſe Zuſag/ im Werck nichts: danckten fuͤr die
trewe Vorſorg/ konden aber den Reichs Conſtitutionen zu wider/ jhme nicht alſo
bald willfahren. Dann die Wahl behoͤre auff ein Reichstag/ darzu Zeit vnd gu-
ter Raht noͤthig/ biß man zu Franckfurt am Mayn zuſammen komme. Auch
were dem gemeinen Ruff zu weichen/ damit es nicht das Anſehen vberkomme/ als
ſey die Wahl vnfrey/ mitten vnder deß Kayſers Waffen/ vnd mit Gewalt erpreßt.
Alſo wurde dieſer Streich liſtiglich abgewandt: das ſeye nun geſchehen entweder
auß Lieb gegen dem gemeinen Nutzen/ oder die Teutſche Freyheit zubeſchirmen/
oder wegen deß Bayrfuͤrſten ſonderliches Abſehen: ſo iſt doch bekant/ daß man ſich
auch hieran geaͤrgert/ weil Koͤnig Ferdinand auff der Gutſchen/ in Zuſammen-
kunfften vnnd allenthalben/ die hoͤhere Stelle/ ſo jhm bey deß Vatters Lebzeiten
nicht wollen gebuͤhren/ wie etliche ſagten/ auß Ehrgeitz eingenommen/ deſſen jhn
auch der Vice Cantzler/ der von Stralendorff/ in geheym erinnert habe.


Auch
[149]Dritter Theil.

Auch gieng das Geſatz von der Majeſtaͤt hitzig fort/ vnnd wurden ſehr viel
vom Adel auß Francken vnd Schwaben/ auch am Rheinſtrom angegeben/ daß ſie
mit dem Manßfelder/ Durlacher/ Halberſtaͤtter wider den Kayſer feindſelige
Waffen geführt: darvnder etliche nicht ehe erfahren/ daß ſie im ſchwartzen Regi-
ſter ſtunden/ biß man nach jhnen gegriffen. Die Execution verꝛichtet Wolff
Rudolff Oſſa/ der ohnlaͤngſt von der Graffen zu Hanaw Liechtenberg Dienſten
zu einem Hoffſchrantzen worden. Vnnd weil die Jnſtruction auch der Beſchul-
digten Guͤter begriffe/ widerſetzten ſich die Chur- vnd Fuͤrſten hefftig/ weil ſolche
Edelleuth vnder jhr Gebieth geboͤrig/ truͤgen Lehen von jhnen vnd jhren Vor El-
tern/ welche man jetzund zum Kayſerlichen Fiſco wolte einziehen: vnnd da ein ſol-
cher ſtraffbar/ gebuͤhre die Confiſcation/ auß vralter Kayſerlicher Lindigkeit/ vnd
gutem Herkommen jhnen allein. Aber der Kayſer achtet ſolches einwenden nichts/
vnd lude durch dieſe Procedur den allergroͤſten Widerwillen auff ſich: dieweil die
Hiſtorien bezeugen/ daß auch die jenige Herꝛn/ ſo ſonſten gar geringes Lobtragen/
dennoch bey Beſtraffung deß Laſters der verletzten Majeſtaͤt/ nicht allezeit die jn-
tereſſirte geſucht/ ſondern manchmahl durch angemaßte Vnwiſſenheit mehr/ als
durch harte Straffen verꝛichtet. Es mache jhm mancher nur deſto mehr Fein-
de/ wann er einen oder zween nicht leben laſſe: die kluge Regenten/ ſo Frieden ſu-
chen/ laſſen viel Dieng vor bey ſtreichen/ damit nicht auff ein newes herfuͤr breche/
was man mit groſſer Muͤhe hiengelegt vnnd vergraben: gleich wie ein krancker
ſchwacher Leib nicht mit vielen vnd hefftigen Artzneyen/ ſondern mit der Ruhe
wolle curirt vnnd zu recht gebracht werden. Der Fuͤrſten Thun vnnd Wandel
muͤſſe ſich hecheln laſſen/ vnd mache ſich zumahl verhaßt/ wann einige Action dem
Geitz nachſtincke. Vnnd eben deßwegen habe Coſmus Mediceus, wegen ſeiner
Klugheit ein ſehr beruͤhmbter Fuͤrſt/ der Verdampten Guͤter den Kindern vnnd
Bluts freunden vberlaſſen. Darzu komme dann ein ander Vbel/ daß der Die-
ner vnnd Commiſſarien Geitz/ ein ſo kriedliche Sach nur deſto verhaßter mache.
Nach deme aber die Hoffſchrantzen Boͤhmen/ Maͤhren vnnd beyde Oeſterꝛeich/
vnder dem Vorwand der Majeſtaͤt vnd verbottenen Religion/ durchſuchet/ vnnd
ein hauffen armſelige vom Adel auß jhren Vaͤtterlichen Guͤtern vertrieben/ ſpitz-
ten ſie ſich auch auff die Reichsguͤter/ ſolche zuverſchlingen/ vnnd lieſſen jhre vner-
ſaͤttliche Begierd durch deß Kayſers Guͤte nur deſto hungeriger ſpuͤhren: zumahl
derſelb ſeinen Dienern ſehr vnderworffen/ alſo daß man mit geringer Forcht/ vnd
groſſem Nutzen/ etwas fuͤrtreffliches wol begehren vnnd erlangen konde. Vnnd
hierzu gab Anlaß/ daß der von Werdenberg ſich jrgend verlauten laſſen/ deß Fraͤn-
ckiſchen Adels Guͤter weren den geheymen Raͤhten/ wegen vieler hinderſtelligen
Beſoldung/ vnd dann wegen vieler Mühe vnd aller getrewen Dienſten verguͤnſti-
get. Vnnd wie die Welt geſinnet iſt/ eines andern Gluͤck zwerg anzuſehen/ alſo
gab es Verdruß/ daß etliche/ vnnd nicht jede/ namentlich der von Meggaw/ von
Trautmanßdorff vnd der Abt von Krembsmuͤnſter/ etwas von der Confiſcation
T iijdarvon
[150]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
darvon getragen/ vnnd noch den Graffen Tittel fuͤhreten: Alſo erachtet man mit
gleichem Vnwillen/ beydes ſein eygen Vnheyl/ vnd eines andern Gluͤck/ doch kon-
de dieſer reiche Fiſchzug auff keinerley weiſe gehindert werden.


Jch glaub/ E. L. erwarten/ daß ich auch referire/ was von Reſtituirung der
Geiſtlichen Guͤter ſey verhandelt/ gezanckt vnd beſchloſſen worden? kurtz hievon zu
reden/ ſo war dem Kayſer gar nicht reputierlich/ daß er die Sach/ ſo er ſelbſt eroͤrtert/
vnd durch ein außgelaſſenes Edict bekraͤfftigt/ nun einem andern ſolte heymſtel-
len: darumb hoͤrte man nichts/ als von einer Sach/ die ſich in kein Zweiffel nicht
mehr ziehen lieſſe. Doch ergiengen ſchier taͤglich Vrtheil wider Wuͤrtemberg/
Brandenburg/ Hohenlohe/ vnd Waldeck/ Straßburg vnd Nuͤrnberg/ die Geiſt-
liche Guͤter abzutretten. Alſo ſahe man Augenſcheinlich/ daß die Zeit deß Paſ-
ſawiſchen Vertrags vbel oder wenig galte/ vnnd daß glaubwuͤrdige Documenta
den Sophiſtereyen weichen muſten: wie es dann der Graff von Fuͤrſtenberg/ deſ-
ſelben Gerichtspræſident/ dem Brandenburgiſchen Cantzlar/ Caſpar Vrban von
Fleitſch/ der vber die Proceduren wider das Hauß Hohenlohe klagte/ vnverholen
mit dieſen Worten zuverſtehen geben Fronte capillata eſt: poſt hæc occaſio cal-
ua.
Gelegenheit traͤgt vornen Haar/ iſt hinden kahl/ drumb nimb jhr wahr. Auch
mir vnnd Georg Muͤllern in Vertrawen entdeckt: nach deme die Proteſtirenden
geſehen/ daß ſie die Geiſtliche Guͤter achzig vnd mehr Jahr beſeſſen vnd genoſſen:
folge/ daß ſie der Cleriſey eben ſo lange Jahr gedeyen/ vnnd koͤnden nach ſolcher
verfloſſener Zeit wol wieder auff die Proteſtirenden kommen. Doch vberꝛeych-
ten in den letzten Tagen deß Reichstages die Fraͤnckiſche vnd Schwaͤbiſche/ auch
Saͤchſiſche vnnd Braunſchweigiſche/ neben etlichen Staͤtten/ dem Mayntziſchen
Cantzlar eine Schrifft/ vnd erhielten zur Antwort/ wie weit ohngefehr die Catholi-
ſchen darzu verſtehen wuͤrden: darzu wurd der Monat Hornung/ vnnd die Statt
Franckfurt benambt. Ob den Catholiſchen Ernſt geweſen/ oder/ weil damahls
von deß Churfuͤrſten in Sachſen/ vnnd etlicher in Francken heymlichen Werbun-
gen/ von den Außſpehern wurd angebracht/ vnnd groͤſſer Auffſtand zubeſorgen ſie
vnder der Hoffnung eines Vertrags die Proteſtirenden wollen hinderhalten/ da-
mit ſie nicht zu newen Haͤndeln/ Hertzen vnnd Ohren oͤffneten/ kan ich nicht leicht-
lich ſagen: die Zeit wird alles entdecken. Vnd von dieſem allem/ auch von deme/
was vnder den Haͤuptern der Liga/ von der Kriegsvoͤlcker Sold/ mehr zum ſchein/
als daß es gelten ſolte/ beſchloſſen ſey/ will ich Muͤndlich/ ſo bald ich naher N. kom-
me/ fuͤglicher erzehlen. Gott befohlen/ vnd mich deroſelben zugefallen. Auß mei-
nem Vaͤtterlichen Schloͤßlein N. den 12. Jenner 1631.


Andere giengen weit zu ruͤck/ vnnd meynten/ man hette den Krieg vorſetzli-
cher weiſe/ vnd von langer Hand in Boͤhmen angezettelt/ auch den Boͤhmen keine
Ruhe gelaſſen/ biß ſie die Waffen ergriffen. Es weren viel Sachen vnder Kay-
ſers Matthiæ Hand vnd Siegel befohlen vnnd vollzogen worden/ darvon erkeine
Wiſſenſchafft getragen/ ja ſein Todſchiene geſchwind vnd vbereilt. Man hette den
Boͤh-
[151]Dritter Theil.
Boͤhmen zu Antrettung der Regierung anderſt koͤnnen vnnd ſollen begegnen/ als
muth willigen Kindern etwas vberſehen/ vnnd zu dem ende den Zaum ein wenig
ſchieſſen laſſen/ daß man ſie wieder auff der andern Seiten vnder die Sporen
braͤchte. Vnd als der Pfaltzgraff vberwunden vnnd verjagt/ den Krieg nicht in
die Saͤchſiſche vnd Heſſiſche Landen verſetzen/ vnnd zur Weitlaͤufftigkeit kein An-
laß legen/ oder frembden Potentaten/ ein Aug auff das Teutſche Weſen zuwerf-
fen/ Vrſach geben/ weniger aber den vralten Streit vnnd Mißverſtand/ vber dem
Geiſtlichen Vorbehalt decidiren vnd eroͤrtern. Vnnd gleich darauff die Refor-
mation ſo eyfferig vornehmen/ vnd mit Zwang der Militariſchen Execution fort-
ſetzen: ſonderlich aber die Hertzogen von Mecklenburg jhrer Erblanden nicht ent-
ſetzen/ noch die Staͤnde vnd Staͤtte/ wann ſie nicht eben thun/ was ein Gelt-Ehr-
vnd Regierſüchtiger Feldoberſter begehrt/ vberziehen/ belaͤgern vnnd bezwingen.
Daß nun der Pfaltzgraff/ vnnd die Meckelburgiſche vertriebene Herꝛn bey jhren
Anverwanten vnnd Blutsfreunden ſich vmb Huͤlff bewerben/ nach deme jhre de-
muͤtige Erklaͤrungen nicht angenommen wollen werden/ ſey nichts newes/ ſondern
juris naturalis \& gentium; wuͤrde auch mit der Zeit ein groſſen Tumult abgeben:
vnnd ſchien manchem wunderſam vnnd gantz verblendet vnder die Augen/ daß die
Evangeliſchen nicht nur auß Boͤhmen vnnd Oeſterꝛeich vertrieben/ vnnd das Lu-
therthumb auß denen Orthen verwieſen/ die von der Kammer Gerichtlichen/ den
Catholiſchen zuerkannt worden/ ſondern daß die ſo gut Evangeliſche Meckelbur-
ger nicht vmb ein Haar beſſer wurden geſchaͤtzt/ als die Calviniſten/ ja daß alle Pro-
teſtirende einen Kamme zu jhren Buͤrſten ſahen. Wegen deß Pfaltzgraffen het-
te man ſich nicht ſonderlich zubekuͤmmern/ angeſehen Engelland vnd Denumarck
durch Guͤte/ oder Gewalt jhme/ als einem gantz nahen Blutsfreund zu recht helf-
fen koͤnten: doch beſonne ſich Bayern alle ſeine Conqueſten veſt zumachen. Daß
aber Pommern ſo gar hart mit Kriegeslaſtbelegt/ ſchiene zwar eine Notturfft
wider deß Schweden feindſeliges beginnen/ hette aber das ferꝛne außſehen/ die of-
fene Seezufaſſen/ vnnd dieſelbe reiche/ veſte vnnd herꝛliche Landen/ vneracht der
Brandenburgiſchen Antwort/ vnd Eventual Belehnung nach Abſterben deß hin-
derlaſſenen Hertzogen/ Sequeſter-Lehen- oder anderer weiſe/ einzuziehen/ vnd dem
Hauß Oeſterꝛeich anzuſchaffen. Daß auch die Hollaͤnder man anzapffen ſolte/
fiel den Angraͤntzenden ſonderlich vngeraͤumpt/ nicht daß ſie dem Spanier ſeinen
vralten Dominat vberſolche Land/ vnnd dem Roͤm. Reich ſeine wolhergebrachte
Hoheit hetten vergoͤnnet/ ſondern weil ſie jhrer Haut forchteten/ ſie wuͤrden den
Ruͤcken muͤſſen darhalten/ vnd vielleicht aller jhrer Herꝛlichkeit beraubet werden.
Andere meynten/ die gemeldte Hollaͤnder wuͤrden ſich in jhrem waͤſſerichten Land
gern halten/ wie die Krott vnder jhrem Schild/ wann ſie Spanien nicht ſelbſt auff
deß Reichsboden verleytete: ſo ſolte es an jhrer Stewr vnd Gehorſamb vielleicht
auch nicht mangeln/ wann ſie einigen Schutz von dem Reich/ zu Handhabung jh-
rer hergebrachten Privilegien hoffen ſolten. So wuͤrde auch der Frantzoß mit
dem
[152]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
dem Lothringer/ der ſich an das Hauß Spanien veſt gemacht/ ohne zuthun der
Teutſchen wol gebaaren: es wer dann Sach/ daß man die drey Stiffter/ Metz/
Tull vnnd Verdun widerumb wolte ſuchen. Jn welchem Fall leichtlich zuver-
ſpuͤren/ daß Spanien die Hand mit im Spielhabe/ vnnd daß Oeſterꝛeich/ nach
Spaniſchem Exempel/ hierdurch ſuche in jmmerwehrender Verfaſſung zuſte-
hen: dahin dann auch gemeynt ſey/ eine Macht im Reich zuhalten/ durch welche
die Widerſpenſtige zu Chor zubringen/ vnnd die ergangene Vrtheil zuvollziehen
weren.


Andere aber beleuchteten dieſen Vortrag auff widrige Manier/ vnnd gaben
vor/ die Boͤhmen hetten jhren Majeſtaͤtbrieff nicht mehr vor eine Verguͤnſtigung/
ſondern vor ein Fundamental-Geſatz wollen brauchen/ vnd nach Belieben auß-
dehnen/ zu Vndergang der Catholiſchen Religion. Vnnd weil keine guͤtliche
Handlung bey jhnen ſtatt funden/ hette Ertzhertzog Ferdinand/ jhr erwehlter vnd
gekroͤnter Koͤnig ſie billich mit den Waffen bezwingẽ müſſen: bevorab aber/ da ſich
der Pfaltzgraff jhnen zu einem Haupt dargeſtellet/ vnd wegen der Religion newe
Haͤndel angefangen hette. Daß aber nach wieder erobertem Koͤnigreich die Waf-
fen/ nicht alſo bald niederlegen koͤnnen/ hette der von Manßfeld/ von Durlach/ von
Halberſtatt/ vnnd der Siebenburger verurſacht/ als welche zwar jederweilen den
ſieghafften Oeſterꝛeichiſchen Waffen weichen muͤſſen/ aber jederzeitfriſch her-
ankom̃en/ ſich in Oſt Frießland geſetzt/ den Weſtphaͤliſchen Krayß beunruhiget vñ
wol gar wieder biß in die Schleſien durchgedrungen. Wann dann der Nieder-
Saͤchſiſche Krayß/ neben dem Koͤnig in Dennmarck/ ſich ſolche abgedrungene
Nothwehr/ die Feinde auß dem Koͤnigreich Boͤhmen/ vnd ferꝛn von der Kayſerli-
chen Reſidentz zuhalten/ jrꝛen laſſen/ vnnd deßwegen in Mißtrawen/ ja zu offent-
licher Feindthaͤtlichkeit gerahten/ were dem Kayſer ja nicht zuzumeſſen/ wann man
die Waffen nicht niederlegte. Daß auch die Meckelburgiſche Hertzogen jhrer
Erblaͤnder entſetzt worden/ hetten ſie mehr dann zuviel verſchuldet vnd muͤſte auch
bey Einraumung der Geiſtlichen Guͤtern/ endlich die Jnſtitz vordringen/ angeſe-
hen auff keinem Reichstag noch ſonſten in der Guͤte nichts zuerhalten/ biß dato ge-
weſen. Wie die Benachbarte Patentaten aller Enden das Reich geſchmaͤhlert/
vnnd beropffet/ war bekannt: das koͤndte bey dieſer Begebenheit wieder zu ſeiner
vorigen Majeſtaͤt vnd Herꝛlichkeit gelangen/ als dann die Hiſtorien bezeugen/ daß
zwar das Roͤ. Reich nit leichtlich zu den Waffen gegriffen/ vnd etwan eine gerau-
me Zeit der Vnbillichkeit nachgeſehen/ aber endlich ein Ernſt gemacht/ vnnd das
verlohrne mit Luſt vñ Gewinn wieder her bey gebracht. Vnd nach deme die Staͤn-
de dem Kammergericht ſo wenig pariren/ vnnd ſich der Execution mit Macht wi-
derſetzen/ auch zu Behauptung jhrer vngerechten Sachen ſich mit frembden Po-
tentaten verknipffen/ were nichts billichers/ noch nutzlichers/ als dem Rechten ei-
ne Handhab zumachen/ vnnd mit der Execution ſchleunig zuverfahren/ wie ein je-
der Potentat vnder den ſeinigen/ ohne Abſehen vnd Maßgebung der Benachbar-
ten
[153]Dritter Theil.
ten zuthun befugt iſt vnd auch zuthun pflegt. Was Spanien belangt/ erhellert
bey vielen mehr Mißgunſt/ als Leutſeligkeit/ wann die rebelliſche Erb. Vndertha-
nen mit Gewalt ſolten zum Gehorſam zubringen ſeyn/ welche alle vnd jede Poten-
taten in vblichem Gebrauch hetten.


Es erhub ſich aber ein allgemeine Klag von allen Enden vnd Ecken deß Roͤ.
Reichs/ mit einem wunderſamen Wiederſchall vnd Echo. Der Hertzog in Pom-
mern fuͤhrte eine vnglaubliche Klag vber die Soldateſca/ vnder andern daß das
Land bey angehenden Einquartierungen ſolchen Vberfluß gehabt/ daß die Offi-
cieror jhre Taffeln auff vierzig Trachten vnd Schuͤſſeln geſetzet/ nunmehr aber
der geſtallt eroͤſet/ daß ſie jetzt mit ſechs Eſſen/ wegen der Vnmuͤglichkeit gern vor
lieb nehmen. Die Churfuͤrſten wolten deß Friedlaͤnders Jnſolentzten vnd hoch-
trabendes Verfahren/ zu Nachteil jhrer Hoheiten/ nicht ferꝛner duldten: zumahl
derſelbe auch Kayſerlicher Majeſtaͤt offene Mandaten wenig/ vnnd nicht anderß
beobachtete/ als wann es jhme gefaͤllig/ oder hette heymliche Brieff/ die Staͤnde zu
verſchimpffen. Vor andern brachte Chur Sachſen vor/ der Kayſer ſolte neben
Verleyhung der Saͤchſiſchen Lehen/ darumb er thete vnderthaͤnigſt anhalten jhm
ſeinen Kriegskoſten erſtatten/ die Religion vnd das gemeine Weſen in den vori-
gen Stand/ ehe der Krieg angangen widerſetzen/ die Statt Augſpurg namentlich/
das Edict wegen der Geiſtlichen Güter auffheben/ vnnd die Kriegs Oberſten zur
Rechnung der erhabenen Contributionen vnd erpreßten Geldern anhalten. Dar-
auff Jh. K. M. geantwortet/ das erſte Begehren ſolte geſchehen/ im vbrigen wolte
er dem Paſſawiſchen Bertrag gemaͤß verfahren. Endlich ſolt vnnd muſte der
Friedlaͤnder ſein hoͤchſte Gewalt vber die Soldateſca reſignieren/ vnnd dem Tilly
Platz machen: hatte aber darneben noch dieſen heymlichen Wolgefallen/ daß der
Kayſer den Generalat nicht dem Churfuͤrſten in Bayern/ der ſolches jnbruͤnſtig
verhoffete/ vnd wegen der Chur Pfaltz auch Billich vnd Recht erachtete/ vnd eben
deßwegen jhm dieſen Stein geſtoſſen/ ſondern dem Tilly/ jhm ohne Reſpect zuge-
biethen auffgetragen. Es wurde zwar eine Reformation vnder den Kriegsvoͤl-
ckern beliebet/ welche aber den Laſt vmb ein ſehr geringes erleichtert.


Noch hatte Kayſerliche Majeſtaͤt ein ander Abſehen/ vnd meynten vnder
der Hand den Koͤnig in Hungarn zum Roͤmiſchen Koͤnig den Staͤnden zu inſi-
nuiren/ vnd ſeine vnd andere Oeſterꝛeichiſche Printzen/ wie bereyt durch deß Bapſt
Verguͤnſtigung mit dem Ertz Stifft Magdeburg geſchehen/ bey den Ertz Stiff-
tern Mayntz vnnd Trier in die Coadjutoreyen zubringen/ wie etwan hiebevor das
Hauß Brandenburg/ vnnd gegenwertig das Hauß Bayern theten. Es wolten
aber etliche vnder den Staͤnden/ ſonderlich Trier/ die Sach nit verſtehẽ/ vñ beſorg-
ten ſich/ das Kayſerthum moͤcht dem Hauß Oeſterꝛeich Erblich anwachſen/ vñ die
Ertz Stiffter Eygenthumb werden/ ſolche entweder bey Stam vnd Namen durch
Mittel der Coadjutoreyen/ zubehalten/ oder in Weltliche Chur- vnnd Fuͤrſten-
Dritter Theil. Vthum-
[154]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
thumber zuverwechſeln/ gleich wie in Spanien die Cleriſey jhr Einkommen er-
haͤlt/ dem Gottes Dienſt abwartet/ vnnd der Weltlichen Regierung ſich enſ-
ſert.


Mit dem Koͤnig in Schweden hatte es dieſe Meynung/ daß er ein frewdiger
Kriegsmann ſich in den Waffen von Jugend auff geuͤbet/ mit den Moſcowitern/
vnd Daͤnen offt geſchlagen/ doch endlich zu ſeinem Ruhm vnd Nutzen verglichen:
letzlich auch mit den Polacken abgeworffen/ vnnd jhre Macht/ ſo in Reuterey/ vor
der Fauſt/ vnd in der Hitze den Handel außzutragen/ mehrentheil beſtehet/ auff ein
newe Manier/ die weder in Poln/ noch Moſcaw biß dahin vblich geweſen/ mit Er-
oberung benambter Staͤtte vnd Landſchafften hindertrieben/ vnd zum ſechsjaͤhri-
gen Stillſtand vermoͤget. Dann er verwahret jmmerzu den Ruͤcken/ vergrub
ſich auff der ſtund wider die Reuterey/ ſpintiſirt ſeine geringe Macht durch Liſt vnd
Vortheil zuverſtaͤrcken/ vnd der Gegenparthey wo nicht zu ſtarck/ doch gleich zu-
machen/ ſchier nach der vralten Romaniſchen Kriegskunſt. Er ſahe in die fer-
ne/ was es in Teutſchland geben moͤchte/ vnd da die Evangeliſchen daſelbſten ſol-
ten vnden liegen/ wuͤrde ſich der Polack verſtaͤrcken/ vnd an jhme raͤchen: Darumb
gedachte er Teutſchland vnbekanter Weiß zu durchwandern/ vnnd deſſen ein Au-
genmaß zunehmen: wie er dann nach Heydelberg ſelbſt zu dem damaligen Statt-
halter/ nicht anderſt als deß Pfaltzgraffen in Schweden/ (ſeiner Halbſchweſtern
Ehevogt) Hoffjunckern einer/ jhm allein bekant/ ſich verfügt/ vnnd deß biß dahin
zumahl gering geſchaͤtzen Koͤnigreichs Schweden Macht/ etlichen vbermuͤhtigen
Schrantzen das Maul zuſtopffen/ demonſtrirt/ vnnd herauß geſtrichen. Sein
Jntent war/ den Krieg auß Lieff- vnd Churland/ von der Littaw vnd ſeinen Pro-
vintzen nach Muͤglichkeit abzuhalten/ vnd ein Schaͤntzlein auff frembdem Boden
zuwagen: wol verſichert/ daß jhn kein Potentat/ er wolte dann ſich alles Heyls
verzeihen/ biß in Schweden/ im Fall er den kuͤrtzern zoͤge/ verfolgen ſolte: hienge-
gen aber ſeine Reichs Vnderthanen durch den guten ſanfften Lufft/ die vberfluͤſſi-
ge Guͤter/ vnnd alle Wolfahrt deß Teutſchen Bodens/ ſich würden zum fechten
leichtlich anfriſten laſſen. Zum wenigſten ſtunde er in der Hoffnung/ die ſechs
Jahr vber deß gemeldeten Stillſtands mit Poln/ ſeine Voͤlcker ſolcher geſtallt in
der Kriegs Vbung zuerhalten/ vnd bey dem Spiel zwar wenig oder gar nichts ein-
zuſetzen/ aber ohne Gewinn nicht abzuziehen. Die Gelegenheit kam jhm wol zu
Paß/ daß man ſeine Geſandten bey den Verſamlungen der Hanſee Staͤtten/ vnd
anderer Tractaten nimmer zugelaſſen: die Seehaͤfen jhme geſperꝛet/ vnd andere
nothwendige Commercien verſagt: den Arnheim dem Koͤnig in Poln zu Huͤlff
geſannt/ der jhm in einem heiſſen Treffen ſo bang gemacht/ daß er ſein Wehrge-
henck ſich ledig zuwuͤrcken/ vber den Kopff geſtreyfft/ vnd damit ſein Caſtoren Hut
dahinden gelaſſen/ den er wieder zuſuchen vermeynte: ſeine Anverwanten/ die Her-
tzogen von Mecklenburg/ jhrer Erblaͤnder entſetzt/ vnd aller Gnaden verluſtigt ge-
machteſeine Glaubensgenoſſen in Teutſchland/ vnnd Angehoͤrige/ mit geſchwin-
den
[155]Dritter Theil.
den Proceſſen/ mit dem Edict/ vnd mit der eylfertiger Execution beſchwert vnnd
verdruckt: dem Friedlaͤnder den Tittel vnd die Herꝛſchafft vber die Oſt See gege-
ben: vnnd ſolches alles zubehaupten/ die Statt Stralſund mit einer vnnoͤhtigen
Belaͤgerung geaͤngſtigt: den Koͤnig in Dennmarck in die enge gebracht/ daß der-
ſelbe mit Muͤhe ſich ſelbſt retten/ vnnd auß dem gedraͤng herauß wicklen koͤnnen:
mit Beſchlieſſung der Seehaͤfen vnnd Stroͤme/ dem gantzen Teutſchland Faͤſſel
vnd Bande angelegt/ den Benachbarten aber ein Brill/ oder Naßband auffge-
bunden: zumal auch jhm endlich von dẽ Reichstag geantwortet/ aber den Tittel ei-
nes Fuͤrſten/ vnd nicht eines Koͤnigs gegeben: vnd ſeine Schreiben an den Fuͤrſten
in Siebenbuͤrgen/ wider aller Voͤlcker vnd gemeiner Ehrbarkeit Recht vnnd Ge-
wonheit auffgefangen vnd eroͤffnet.


Hierauff vnderꝛedet ſich Guſtavus Adolphus/ Koͤnig in Schweden/ mit
Chriſtiano IV. Koͤnig in Dennmarck/ vnnd verſichert ſich ſeiner guten Nachbar-
ſchafft/ deme er ſo viel beſſer trawen koͤnnen/ weil derſelb nunmehr abgemattet/ vnd
ſeine Staͤnde zu einem newen Krieg ſo leicht nicht bewegen wuͤrde: zumahl auch
mit der Statt Hamburg wegen jhres territorij, Beherꝛſchung deß Elb Stroms/
vnd Auffrichtung oder Steigerung newer Zoͤlle/ in feindliche Kriegs Verfaſſung
gerahten: nahm alſo die Statt Stralſund in ſeinen Schutz/ den er auch alſo bald
mit huͤlfflicher Hand geleyſtet: ſchrieb an die Churfuͤrſten deß Roͤm. Reichs/ be-
klagt ſich vieler gelittenen Schmach/ vnd gab Vrſach ſeines Vorhabens. Chur-
Brandenburg lieſſe auff dem Reichstag mit vielen Vmbſtaͤnden vortragen/ daß
der Schweden Macht vnd Muth keines wegs gering zuſchaͤtzen/ ſondern hoͤchſtes
fleiſſes abzuwenden were/ damit ſolche in jhrem rauhen Land gantz arme Voͤlcker/
wie alle Hiſtorien bezeugten/ nicht Europam vberſchwemmeten/ vnd an Teutſch-
land den Anfang maͤchten/ zumahl vnder einem dapffern Haupt vnnd Koͤnig/ der
ſein Schul Recht außgeſtanden/ die Conſilia allein fuͤhrte/ vnd vorn an der Spitze
ſich jmmer finden lieſſe: konde aber mit Muͤhe nicht mehr erlangen/ als daß Han-
nibal Freyherꝛ von Donaw/ im Namen deß Kayſers nach Dantzig kommen/ mit
dem Koͤnig in Schweden zutractieren: der ſich aber mit Tractaten nicht auffhal-
ten laſſen/ ſondern vnder demſelben ein ſtarcke Huͤlff/ ſampt anderer Notturfft/
nach Stralſund geſand/ vnd die gantze Jnſul Ruͤgen in ſein Gewalt gebracht: vnd
ob ſchon die Kayſeriſchen dem Hertzogen auß Pommern/ Goͤrtz vnnd Greiffenha-
gen abgetrungen/ doch hiengegen mit nicht gar groſſem Heer in Pommern ange-
laͤndet/ wie ein Donnerſtrahl durchgebrochen/ die Jnſul Vſendom/ Statt vnnd
Schloß Wolgaſt/ Wollin/ Cammin/ Golnaw/ vberwaͤltiget/ Stetin durch halb
gezwungene Tractaten/ Stargart aber mit Gewalt erhalten/ deſſen allein ſich der
Hertzog auß Pommern bey Kayſ. Mayſt. aber vergeblich entſchuldiget: auch den
Kayſeriſchen ſolchen Schrecken eingejagt/ daß ſie auß vielen Orthen ohne Noth
gewichen/ vnd in dem Land Mecklenburg Roſtock/ auff der andern Seit Colberg/
vnnd vor ſich Greiffenhagen befeſtiget/ welches letztere dennoch in dieſem Jahr
V ijdurch
[156]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
durch die Schweden bezwungen/ die andere beyde aber mit der Zeit erobert wor-
den.


Es verſtunde der Koͤnig in Schweden gar wol/ daß ein ſolches Garn ſich
nicht ſo leichtlich abhaſpeln/ vnnd daß der Kayſer ſeine vbrige Voͤlcker auß Poin/
vnnd auß Jtalien zuſammen fuͤhren/ auch auß den Spaniſchen Provintzien/ wie
nit weniger auß Teutſchland die Armeen in ſolcher Zahl/ als er etwan ſeine Rot-
ten/ darſtellen vnd verſetzen wuͤrde: vnnd weil jhm nicht vnwiſſend/ daß alle Evan-
geliſche Staͤnde an deß Kayſers Procedur ein Mißfallen trugen ja ſich nach vnd
nach jhres Verderbens zubefahren hetten: darumb zog er Chriſtian Wilhelm/
Marggraffen zu Brandenburg/ Adminiſtratorn zu Magdeburg/ vnd Coadjntorn
zu Halberſtat leichtlich an ſich/ weil dieſe beyde Stiffter jhme abgeſprochen/ vnnd
ſonſten vergeben waren/ daß derſelb ſich in Magdeburg begab/ vnnd mit Kriegs-
macht Hall/ Moritzburg/ Manßfeld/ vnnd andere Orth einnahm vnd den Kayſe-
riſchen anderwertliche Haͤndel anlegte: wurd aber bald eingethan/ vnnd in Mag-
deburg belaͤgert/ davon drunden. Hertzog Frantz Carlen von Lawenburg/ richtet
auch eine Armee an der Elb/ erobert Lawenburg/ Neuhuſen/ vnnd Ratzenburg:
wurd aber vom Pappenheimer geſchlagen/ vnnd auff dem Waſſer ſich zuergeben
genoͤthiget. Vnnd weil es dem Schweden etwan in Teutſchland moͤchte Fehl
ſchlagen/ daß die Gemuͤther ſich nicht koͤnten zu ſeinem Vorhaben bezeugen/ oder
durch vberfuͤhrten Gewalt/ von jhme wieder abgeriſſen wuͤrden: macht er ſich
Franckreich zum Freund: ja zum Bundsverwanten vnd Nothhelffer/ dieweil be-
kant/ daß Spanien/ als bey Zertrennung der Vnion geſchehen/ das Roͤm. Reich
auff derandern Seiten angreiffen/ vnnd vnder ſich bringen/ endlich auch ein groſſe
Macht/ die Franckreich eben ſo wol zubefoͤrchten hette/ zu den Kayſeriſchen ſtoſſen
wuͤrd/ die jhm allein zuſchwer fallen/ getheylt aber nicht vnvberwindlich ſcheinen
koͤnte. Vnder dieſem Verlauff war Bethlehen Gabor geſtorben/ vnnd Ragotzy
an ſeine Stell kommen/ der dann bey ſeiner newen Regierung zu Hauß Haͤndel
gefunden/ daß er ſich deß Hungeriſchen Weſens annoch nicht koͤnnen annehmen.
Es verſtarb aber auch Johan Jacob Graff von Anholt/ vñ der Hertzog Colaldo: ſo
wurd Duca Sauelli etliche mahl in Pommern geſchlagen/ vnnd gieng das Hertzog-
thumb neben dem Land Mecklenburg vor die Kayſeriſchen verlohren: welches
dem Friedlaͤnder im Hertzen wolgefiel/ vnd Hoffnung machte/ man wuͤrde ſeiner
noch mit der Zeit bedoͤrffen vnd begehren/ ſonderlich da Tilly jrgend eines auff die
Finger ſolte bekommen.


Wie aber ſonſten dergleichen bevorſtehende/ blutige Kriege/ vnnd jaͤmmer-
liche Lands Verwuͤſtung/ durch vorgehende prodigia, Zeichen/ vnnd Wunder/
gleichſamb als Vorbotten der Goͤttlichen Zorn Ruthen/ jederzeit angekuͤndiget
worden/ alſo hat es bey Eingang dieſes dreyſſigſten Jahrs/ daran auch nicht er-
mangelt. Geſtallt dann den 25. Jenners/ in der Nacht/ nach S. Pauli Bekeh-
rungs Tag/ auff welchen vnſere Vorfaͤhren/ in dieſen vnnd anderen Sachen/ ein
ſonder-
[157]Dritter Theil.
ſonderbares Augenmerck gehabt/ an vnderſchiedlichen Oerthern in Teutſchland/
wie auch in der Schleſien/ ſeltzame chaſmata, von widerwertigen/ mit einander
ſtreitenden Kriegheeren erſchienen: alſo teutlich/ daß man auch die Trouppen von
Reutern vnd Fnßvolck/ die Fahnen vnd Cornetten/ den Blitz vnd Rauch von den
loß gebranten Stücken/ Mußquetten vnd Piſtolen/ ja die Piquen vnd Langeſpieß/
welcher geſtallt ſie ſolche Anfangs/ in geſtallt vnzahlbarer weiſſer Stroͤmlein auff-
recht gefuͤhret/ bald gegeneinander gefaͤllet/ geſehen: wie auch nicht weniger das
Gethoͤn der Waffen/ praßlen der Pferden/ donnern der Stuͤcke/ vnnd krachen der
Muſquetten vnnd Piſtolen/ gleichſamb von weitem/ mit groſſem Schrecken vnnd
Verwunderung der Leuthe gehoͤret worden. Ebenfalls hat zu Geißmar in
Heſſen/ etwan dritthalb Meil von Caſſel gelegen/ ein Tilliſcher Soldat/ in der
Nacht Blut angefangen zuſchwitzen: deſſen ſein Camerade beym Mondſchein
gewahr worden/ daruͤber erſchrocken/ vnd dem Wirth/ ein Liecht zubringen geruf-
fen. Da ſie den angeregten Soldaten matt/ die Leilachen voller Blut/ deß glei-
chen ſeine Seiten gantz Blutig gefunden. Vnnd ob ſie wol das Blut von jhm
abgewiſchet/ hat er doch jmmerforth vnd mehrgeſchwitzet/ biß es etwan nach einer
Stunde auffgehoͤret.


Es zuͤndet ſich aber ein ander Fewr an/ welches ſo lang heymlich glimmete/
biß es durch der Schweden Einbruch Lufft bekame. Dann der Kayſer wolte
weder durch Bitt/ noch Erinnerung ſich bewegen laſſen/ von der Execution deß
einmal auß gelaſſenen Edicts wegen der Geiſtlichen Gůter/ ſo den Evangeliſchen
ein vnertpaͤglicher Laſt war/ abzuſtehen. So wurden auch die nachdenckliche
Confiſcations Proceß in Francken/ Schwaben/ vnd am Rheinſtrom/ wider die je-
nige/ ſo ſich deß Manß feldiſchen/ Badiſchen vnd Braunſchweigiſchen Vnweſens
theilhafftig gemacht: durch den von Oſſa mit ſonderer Schaͤrpffe forthgetrieben.
Die Kriegs beſchwerden hatte der Kayſer zu lindernwol Hoffnung gemacht: doch
beſorgten die Evangeliſchen/ es doͤrffte ſchwerlich ein gewieriger/ vnnd jhnen fuͤr-
traͤglicher Effect darauff erfolgen: konden ſich alſo leichtlich einbilden/ daß die Laſt
deß jetzt beſchloſſenen Schwediſchen Kriegs/ meiſtentheils auff ſie ankommen
doͤrffte. Derowegen etliche der vornembſten Evangeliſchen Chur Fuͤrſten vnnd
Staͤnden Abgeſandte ſchon damalhn zu Regenſpurg das Fundament zu ſo tha-
nem Werck etlicher maſſen gelegt/ welches jhre Principaln folgendes Jahrs zu
Leipzig vollzogen: worinnen ſie durch die Schwediſche Emiſſariosgeſtaͤrcket wor-
den.


Sie ſahen zwar wol/ daß der Religion Bedrangnuß anderſt nicht abzuhelf-
fen: noch die ſinckende teurſche Freyheit wieder auff die Beyn zubringen were/ als
wann jhre Principalen eine dapffere Reſolution ergriffen/ vnnd ſich in
gute wuͤrckliche Verfaſſung ſtelleten. Allhie aber ſtunden ſie an/ weil der Schwed
mit ſeiner Armee noch ſehr weit/ vnnd ferꝛn: die Kayſeriſche hiengegen in gantzen
[R]eich den Meiſter ſpieleten/ vnd jhnen auff dem Dache lagen/ wie die Sach anzu-
V iijgreiffen/
[158]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
greiffen/ damit die Evangeliſche mit jhrer Defenſion auffkommen/ vnd ſich in gu-
te Poſtur ſtellen koͤnden/ alſo daß ſie von dẽ Kayſeriſchen daran nit verhindert wuͤr-
den? zu dem hatten die Evangeliſche Staͤnde auff den Churfuͤrſten zu Sachſen/
als das Haupt gleichſam/ vnd maͤchtigſten vnder jhnen allen in Teutſchland: der
auch beym Kayſer/ jhrem vermeynen nach/ in groſſem Reſpect/ ein ſonderbahres
Abſehen/ vnnd wolten ohn jhn ſich keines Dings vnderfangen. Darumb ſie kei-
nen fuͤglichern Weg funden/ als gemelten Churfuͤrſten zu einem dergleichen De-
fenſions. (oder new Vnions) Wercke/ vor die Evangeliſche Religion vnd teut-
ſche Freyheit/ zubewegen vnd in den Harniſch zubringen. Dann dieſem wuͤrde
der Kayſer nicht ſtracks gerade zu vor den Kopff ſtoſſen/ oder mit Gewalt (wie et-
wan gegen andere) ſondern mit groſſer Conſideration wider jhn verfahren/ vnd er
alſo Zeit/ ſich in Poſtur zuſetzen/ gewinnen: auch ſolches vmb ſo viel deſto leichter/
weil deſſen Land nicht/ wie anderer Evangeliſchen/ mit Kayſerlichen Einquatie-
rung beleget. So wer auch deſſen Macht dergeſtallt conſiderabel/ daß er ein recht
Fundament zu ſolcher Verfaſſung legen koͤnde: mit welcher/ wann andere benach-
barte Evangeliſchen ſich conjungiren theten/ ſich hernachmals/ ſonderlich vermit-
telſt der Schwediſchen Aſſiſtentz/ Huͤlffe vnd Zuthun/ den Kayſeriſchen die Wa-
ge vnd Balance zuhalten gnugſamb vermoͤchten: deß vielgeltenden oberwehnten
Reſpects/ welchen alle Evangeliſche in Teutſchland auff Chur Sachſen truͤgen/
zugeſchweigen/ der ſo bald nicht wuͤrde Lermen blaſen/ daß nicht jederman zu Pferd
ſitzen/ vnnd keiner der letzte wuͤrde ſeyn wollen. Ob nun wol die Evangeliſche
Staͤnde alle in geſampt/ vnd ein jedweder vor ſich abſonderlich/ jhre Gravamina/
Drangſal vñ Beſchwerden/ womit ſie von dẽ Kayſeriſchen beleget/ vnnd gepreſſet
waren/ an den Churfuͤrſten zu Sachſen vielfaltig gelangen laſſen/ auch etliche der
Staͤnde Abgeſandten/ zeit wehrenden Collegialtags/ zum Churfuͤrſten ſelbſt ge-
reyſet/ jhn durch alle Mittel/ daß er ſich der Evangeliſchen Staͤnde wuͤrcklich an-
nehmen/ vnnd in eine Verfaſſung ſtellen moͤchte/ zubewegen angeſuchet vnnd jhm
ſeine eygene Gefahr vielfaltig zugemuͤth geführet: wolte doch ſolches mehr nicht
bey jhme verfangen/ als daß er ſich erklaͤret/ alles dem Kayſer beſter maſſen zu re-
monſtriren/ vnd bey demſelben intercedendo beweglich einzukommen/ damit den
Grauaminibus der Evangeliſchen Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnden foͤrderlichſt/ der
Billichkeit gemaͤß/ abgeholffen werden moͤchte: biß endlich eine vornehme gewiſ-
ſe Perſon/ ſo bey dem Churfuͤrſten damals in groſſem Credit geweſen/ eine Reyſe
zu jhm gethan/ vnnd jhn dahin diſponiret/ daß er verwilliget/ einen allgemeinen
Convent der Evangeliſchen Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnde naher Leipzig außzu-
ſchreiben/ vnd von derſelben Notturfft außfuͤhrlich/ daſelbſt zutractiren/ vnnd zu-
handeln. Wegen der Calviniſten gab es was nachdenckens/ ob man ſie auch be-
ſchreiben ſolte/ in welchem fall ſie ohne zweiffel jhre laͤngſt geſchehene Warnun-
gen herfuͤr ziehen/ vnnd abermahls das Directorium wuͤrden fuͤhren wollen: ja
durch dieſelben moͤchte der Kayſer zuverbittern ſeyn/ als nehme man ſich der Re-
bellen
[159]Dritter Theil.
bellen vnd Meuthmacher an/ vnd ins kuͤnfftige vnder den Proteſtirenden beyder-
ley Gattung/ wie wißhero/ keinen Vnderſchied mehr machen. Dieweil man aber
auff Chur Brandenburg vnnd Heſſen Caſſel/ wegen jhrer bewuſten Macht/ ein
Abſehen genommen/ auch forgen muͤſſen/ ſelbige koͤnden ſich an Franckreich/ oder
die Hollaͤnder ſchlagen/ ließ man die gedachte Calviniſten auch einladen vnnd be-
ſchreiben. Als nun die Staͤnde erſchienen/ wurd beſchloſſen/ wegen der Strit-
tigkeiten vber den Geiſtlichen Guͤtern/ die guͤtliche Handlung mit den Catholiſchen
forth zuſetzen/ wegen der Kriegsbeſchwerden aber/ an den Kayſer beweglich zu-
ſchreiben/ alles in vorigen Stand/ ſonderlich die Statt Augſpurg wieder zuſetzen:
da dann die Brandenburgiſche/ nebenden Caſſelliſchen mit den Saͤchſiſchen eine
vnvorgreiffliche Conferentz gehalten/ die Lutheraner mit den Reformierten zu-
vertragen: brachtens auch ziemlich weit/ biß auff etliche wenige Artickel/ vnnd
ſchloſſen/ einander alle Chriſtliche Liebe ins kuͤnfftig zuerzeigen: welches aber den
Eyferern oder Zanckſuͤchtigen nicht gefallen wollen/ als ob man beyderſeits heu-
chelte/ vnd nicht rund herauß fuͤhre/ darumb auch ſo viel als nichts hiermit außge-
richtet worden/ ſondern mit der Zeit dieſe Frage außgebruͤtet/ ob man auch wegen
der Calviniſten auff Lutheriſcher Seiten/ im fall das Lutherthumb verſichert we-
re/ ein einig Pferdt ſatteln/ ein Speer brechen/ ja gar ein Strohalmen auffheben
ſolte.


Jn deſſen feyrete der Koͤnig in Schweden nicht/ vnd begehrte an die Staͤn-
de zu Leipzig/ eine voͤllige Conjunction/ vnder gewiſſen Receſſen: oder doch/ ein
Monatliche Geltſtewr/ vnd den Catholiſchen die Einquartirungen vnd Werbun-
gen zuverſagen/ jhme aber zuverſtatten: vnd zum wenigſten die particular Staͤn-
de auff ſeine Seiten zubringen. Chur Sachſen blieb nur in generalibus, lobte
den Koͤnig in Schweden/ wolte deſſen Huͤlff ſich in allen Noͤthen verſichern/ vnnd
dennoch den Kayſer nicht offendiren: die andern waren dem Schweden wol zuge-
than wann ſie nur zu wuͤrcklicher Verfaſſung/ vnnd naͤherer Alliantz Lufft haben
koͤnden. Nun war Magdeburg vnder deſſen belagert/ vnd konde beyden Theilen/
der jhrer maͤchtig geweſen/ groſſen Vortheil thun. Chur Sachſen ließ vnver-
merckter Weiß/ etwas Proviant durch ſein Land den Magdeburgern zukommen/
wolte ſie aber nicht entſetzen/ vnd kondte ſich mit dem Koͤnig/ der den Ruͤcken frey
wolt haben/ vnd deßwegen die Veſtung Spandaw dem Brandenburger/ auff Zeit
vnnd Maß abgehandelt/ daruͤber nicht vergleichen: welcher gleichwol jhnen den
von Falckenberg/ einen wolverſuchten Oberſten/ die Gegenwehr beſter maſſen an-
zuordnen/ zugeſand hatte. Es giengen aber in der Statt viel vnd groſſe Fehler
fuͤr/ welche das euſſerſte Verderben vber ſie gezogen haben. Dann erſtlich man-
gelte es an Gelt/ vnnd Quartieren vor das Kriegsvolck/ darumb die Bloquirung
friſch angangen/ vnnd wenig Volck ſich in der Statt Dienſten zubegeben Luſt be-
kommen. Darnach thet der Adminiſtrator/ wider deß Koͤnigs erinnern/ die
Arm zu weit auff/ faſſete mehr/ als er halten kond/ vnnd vertheilte ſeine Macht/ die
dem
[160]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
dem Vberfall ſich ſolcher geſtallt vnderwürffig machten/ wie es dann zu Calbe/
vnd Hall/ auch New Alvenßleben ergangen. Drittens/ hatte ſich die Statt ſelbſt
eingebildet/ der Koͤnig wuͤrde/ ohn einige Conſideration/ ſtehendes Fuſſes/ mit ei-
ner Armee kommen/ vnnd jederman in vorige Ruhe ſetzen: weil nun ſolches ſo
ſtracks nicht geſchehen konde/ auch ratio belli es nicht zuließ/ waren ſie daruͤber vn-
willig vnd verdroſſen. So lamentirte der Adminiſtrator auch hielt keine Ordre/
war wenig beliebet/ vnnd ohne Reſpect/ hatte auch den Vorꝛath drauſſen liegen/
vnnd den Kayſeriſchen zu Nutz kommen laſſen: ja es gab die Stattdem von Fal-
ckenberg weder Brod/ noch Pulver ohnebaare Bezahlung. Das Regiment
der Statt ſtund bey dem Magiſtrat/ vnd einem Außſchuß von fuͤnffzig Perſonen:
welcher in zween Hauffen/ jeden von fuͤnff vnnd zwantzig Perſonen getheilt: hier-
auff folgten die Zuͤnffte vnd Vierthel. Die Geiſtliche machten auch gleichſam
ein eygen Corpus, weil ſie aber wegen vnderſchiedlichen differentzten mit dem Ma-
giſtrat/ nicht allerdings eynig/ entzogen ſie ſich vieler Dinge/ dem gemeinen We-
ſen zu groſſem Nachtheil. Der Magiſtrat war wol ziemlich affectionirt/ die er-
ſte Claß deßgleichen: die andere aber gantz vnd gar entgegen/ vnd machte ſo viel/
daß auch die erſte in vnderſchiedlichen Sachen/ ſonderlich wegen deß Lauffplatzes/
jhr Votum dem Magiſtrat gantz nicht geben wollen. Dahero dieſer zu deß ge-
meinen Beſten Befuͤrderung nichts ſchlieſſen moͤgen/ weil alles per majora gehen
muͤſſen/ zwar wolte er der Geiſtlichkeit ſich behelffen/ vnnd implorirte deren Will-
kuͤhr/ den Lauffplatz belangend: die Geiſtliche aber vermeynten jhre privat præten-
ſionen/ durch dieſes Mittel durch zudringen/ vnnd ehe ſie dem Raht beyfall geben
theten/ jhre gefallene Authoritaͤt zurecuperiren. Woruͤber dieſer/ ſampt vielen
andern gemein nuͤtzigen Vorſchlaͤgen/ ins ſtecken gerathen/ alſo daß der von Fal-
ckenberg kaum im Jenner erhalten koͤnnen/ daß man ſechshundert Mann in die
Statt einquartirt: die andern haben ſich/ biß auff die Belaͤgerung/ in den Vorſtaͤt-
ten/ als der Sudenburg vnnd Newſtat/ behelffen/ auch daruͤber guten Theils con-
ſummiren muͤſſen: daß alſo die Statt Magdeburg/ in dieſer jhrer obligenden
hoͤchſten Noth ſo gar vnerkantlich vnd Blind geweſen/ vnd weder die Gefahr/ ſo ihr
auß Ruin der Koͤniglichen Voͤlcker enſtehen moͤchte/ noch den Vortheil/ den ſie
bey deren Conſervation im gegentheil zuhoffen gehabt/ zu Hertzen nehmen wollen.
Wann aber ein Vngluͤck kommen ſoll/ verſtopfft GOtt Ohren vnnd Augen/ daß
der Menſch ſo zu ſeinem Vndergang reiff iſt/ in die jrꝛe geraͤth/ vnd dem Vngluͤck
entgegen laufft.


Jn deſſen bracht der Koͤnig gantz Hinder Pommern vnder ſeinen Gewalt/
zog ſich nach Mecklenburg vnd der Marck/ vergliche ſich in etwas mit Branden-
burg/ vnnd ſetzte in Vor Pommern/ bey Schweet: folgt dem Tilly/ der jhm nichts
moͤgen anhaben/ von ferꝛn nach/ vnnd vberwaͤltiget Franckfurt an der Oder/ wel-
ches Tilly nicht verhuͤten koͤnnen/ vnnd deßwegen ſeinen Marſch nach Magde-
burg gerichtet/ die Belaͤgerung mit Ernſt anzugreiffen/ vnd deß Stroms ſich zu-
verſi-
[161]Dritter Theil.
verſichern. Die Statt befahret ſich/ es moͤchte jhre Entſchuldigung/ ſo ſie bey
dem Kayſer vnd dem Feldherꝛn Tilly eingewand/ wenig fruchten/ vnd nahm jhre
Zuflucht zu dem Leipziger Convent/ mit vberſchickten Copeyen jhrer Beſchweh-
rungs- vnnd Entſchuldigungsſchrifften/ mit Bitt/ jhrer als Glaubensgenoſſen/
vnnd Mitglied maſſen der Chriſtlichen Evangeliſchen Kirchen/ bey den Conſilijs
eingedenckt zu ſeyn: ſie in der Noth vnd Beſchwerung nicht zulaſſen/ ſondern auff
Mittel zuſinnen/ wordurch nicht allein ſie/ vnd jhre Statt/ ſondern auch das gan-
tze Ertz- vnd andere benachbarte Stiffter/ Fuͤrſtenthumb vnnd Lande/ auß ſolcher
Drangſal wuͤrcklich erꝛettet wuͤrden/ vnd zu einem beſtaͤndigen Frieden gelangen
moͤchten. Der von Pappenheim wolt den Falckenberger corꝛumpiren/ fand a-
ber ſchlechten Beſcheyd. Tilly eroberte alle Auſſenwerck/ entweder leer/ oder mit
Gewalt/ weil die Kriegsvoͤlcker in andere Staͤttlein vnd Schloͤſſer verlegt/ vnnd
demnach verſpielet worden/ daß auſſerhalb der Burgerſchafft/ nicht gar vollkom-
lich dreytauſent Mann zu Fuß/ vnd dritthalbhundert Pferd zum Fechten vorhan-
den waren. Die Poſten theilten ſich in der Statt auß/ vnnd geſchahen ſcharpffe
Außfaͤlle. Den 9. Tag Maymonat/ auff den Abend hielt General Tilly Kriegs-
Raht/ wie die Sache anzugreiffen were: weil er wegen eines Sturms in groſſem
Zweiffel ſtunde. Doch/ wie ein vornehmer Officirer/ das Exempel der Statt
Maſtricht angefuͤhret/ woſelbſt die Wacht in der Morgenſtund geſchlaffen/ vnnd
die Burger ſich nach Hauſe begeben hatten/ durch welches verſehen gedachte Statt
mit Sturm vbergangen war/ wurd geſchloſſen/ folgenden Tag einen General-
ſturm zuverſuchen/ vnnd verglichen/ daß Pappenheim mit den Gronßfeldiſchen/
Wangeleriſchen vnd Savelliſchen Regimentern das groſſe Werck an der New-
ſtatt (wider den General Majorn/ Carln Huno von Amſteroth/ vom Kroͤcken-
thor/ biß ans Fiſcher Vſer) Hertzog Adolff von Holſtein das Werck am Kroͤcken-
thor/ Graff Wolff von Manßfeld den Heydeck (wider den von Falckenberg an der
Sudenburg) drey Kayſerliche Regimenter/ neben etlichem Ligiſtiſchem Volck/ das
newe Werck auff dem Werder bey der Bruͤcken/ welches den Fiſchern/ ſampt etli-
chen Buͤrgern anvertrawet war/ anfallen ſolten/ nach gegebener Loſung. Pap-
penheim hatte einen groſſen Vortheil zum Sturm/ einen truckenen Graben/ ei-
nen Thalhaͤngigen Wall/ den man faſt ohne Muͤhe hinan lauffen moͤgen/ ohne
Streichwehr vnnd Flancken. Der Fleiß machte jhm ſolches zu Nutz/ in dem er
ſich in den Wall eingeſchrotet/ vnd biß an die Sturmpfaͤle Stiegen hawen laſſen.
Tilly beſorgte ſich einer Schlappen/ vnnd ließ nicht gleich Tage/ wie beſchloſſen/
ſtuͤrmen/ ſondern hielt noch einmal Kriegsraht/ biß an ſieben Vhren: welches da-
hero der Statt zum vbelſten auß geſchlagen/ weil eben/ der gefaßten Ordnung ge-
maͤß/ der halbe Theil der Burger nach Hauß gegangen/ die andere Helffte auff
den Mittag abzuloͤſen/ welche alsdann nach Hauß giengen/ vnnd den Abend ſich
wieder einſtelleten. Als nun die gantze Burgerſchafft neben der Soldateſca die
Dritter Theil. Xgan-
[162]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
gantze Nacht vber auff den Waͤllen im Gewehr geweſen/ vnd deß Feindes vergeb-
lich erwartet/ vermeynten ſie/ es wuͤrde bey hellem Tag keine Noth haben: zumal
Tilly vorigen Tages etliche grobe Stuͤcke Geſchuͤtzes abfuͤhren laſſen/ dabey man
ſich deß Abzugs/ wegen herankommenden Secours vermuthet. Alſo zog der
halbe Theil von der Burgerſchafft nach Hauß/ vnnd der von Falckenberg auff das
Rahthauß/ die auff den Waͤllen aber waren muͤde vnnd ſchlaͤfferig biß ſie Papen-
heim vmb ſieben Vhr munder machte/ fünffzehen Soldaten auß der fouſſe bra-
yen
triebe/ den Ober Wall anlauffen/ aber durch den eilenden von Falckenberg wie-
der zuruͤck geſchlagen wurd. Am Hohen Thor gab es ſchlechte Haͤndel/ in deme
die Schiltwacht vbereylt/ vnnd die Schlaffende vbermannet/ ja biß in die Pforte
getrieben worden. Als in deſſen der von Falckenberg gefallen/ erfolgte lauter
Vnordnung/ daß man auch den Wall vnnd die Pforte quittirte: alſo daß das
ernſtliche Fechten wider den Hertzogen von Holſtein wenig genutzet/ in deme dieſe
Papenheimiſche auff dem Wall hinderwerts zu dem Kroͤckerthor kommen. Der
Graff von Manßfeld wurd zweymal zu ruͤck geſchlagen/ vnd konde nicht durchbre-
chen/ biß man jhm endlich ein Thor geoͤffnet: eben alſo gieng es auff dem Werder.
Man wehrte ſich zwar dapffer mitten in der Statt/ vnd trieb die Kayſeriſchen wie-
der an den Wall: vnnd richtet darmit nichts auß/ weil die hohen Officirer fielen/
vnnd das Fewer/ ſo Papenheim in etliche Gaſſen laſſen legen/ durch ein ſtarcken
Wind getrieben/ vberhand nahm. Der Adminiſtrator wurd am Schenckel ver-
wundet/ vnnd nach Wolffenbüttel geſchleppet. Der Jammer gieng recht an/ als
man die Reuter vnd Crabaten hieneingelaſſen/ mu pluͤndern/ vnd allem erdenck-
lichen Vbermuth/ da endlich jnnerhalb zwoͤlff Stunden/ von Zehen biß aber Ze-
hen/ die gantze Statt/ vnd darinnen ſechs Pfarꝛkirchen/ ſampt jhren Thuͤrnen/ be-
neben allen Stifftern vnd Kloſterkirchen/ durchauß weg gebrand/ vnd in die Aſche
gelegt worden: biß auff hundert vnnd dreyſſig neun Haͤuſer/ die mehrentheils am
Fiſcher Vfer gelegen/ vnnd kleine Huͤttlein ſind. Der Buͤrger ſind in die vier
hundert im leben gefunden: die Thumkirch wurd zur Meſſe geweyhet/ vnnd in der-
ſelben das Te Deum laudamus geſungen. Dieſes Vngluͤck hat bedeutet der
Sturmwind/ ſo den ſechs vnnd zwantzigſten deß jüngſt verſchienen Wintermo-
nats/ abends zwiſchen drey vnd vier Vhr/ vnderſchiedliche Thuͤrne vnnd Spitzen
von den Kirchen abgeworffen/ vnnd das Oberſte zu Vnden gekehret: in der Cap-
pellen zum Paradeiß den fuͤnffklugen Jungfrawen jhre Lampen/ vnd dem Newen
Teſtament den Kelch auß der Hand geworffen: den von Falckenberg vor dem
Thor auff dem Feld/ dreymal vom Pferdt gewehet. Alſo donnerte es eben bey
hellem Tage/ zu der Stund der Adminiſtrator in Hamburg zu Pferd geſeſſen/ ſich
nach Magdeburg zuerheben.


Vnd was fuͤr manigfaltige Fehler ſind bey dieſem Werck vorgangen? der
Kayſer bringt dieſes Ertzſtifft auff ſeinen Sohn/ vnd bewegt dadurch den Sach-
ſchen zu Vnwillen: der Sachs will newe Stiffter an ſich ziehen/ vnnd iſt der alten
noch
[163]Dritter Theil.
noch nicht verſichert: vermeynt den Beltz ohne naſſe machen zuwaſchen/ vnnd will
dem Kayſer nit zu nahe tretten: der Schwed ſoll jhm auffwarten/ vnd im Schlaff
den Frieden bringen: der Kayſer ſoll die ſo lang geſchmiedete Reſolution wegen
deß außgegangenen Edicts/ auff ſein Wort aͤndern: das Fewr deß Kriegs muß
ſich in den Schrancken behalten/ vnnd weme nutzet ſolch groß Guth/ ſo im Rauch
auffgangen/ oder wer wird alle vergrabene Schaͤtze zufinden wiſſen? wo befind ſich
nun dieſer Orth zum Magaſin/ zu den Werbungen/ vnd allen Kriegsbequemlich-
keiten/ ſo auſſerkohrn? alles ligt in der Aſche/ vnnd beklagen die Kriegsknechte den
verbrannten Raub/ die Oberſten aber/ die verſchertzte Proviand vnnd Kriegs A-
munition.


Was ſonſten dieſe Statt Magdeburg belangt/ finden wir/ daß ſie jhren Na-
men vberkommen von der Venus/ die an dieſem Orth im Heydenthumb hochge-
ehret worden/ auff einem guͤldenen Wagen/ neben jhren dreyen Toͤchtern/ die
Charites genannt. Den Tempel zerſtoͤrte Carolus Magnus/ vnd bawte an die
Stell eine Kirch vnder dem Gedaͤchtnuß Sancti Stephant: welcher aber ſampt der
Statt/ von den Hunnen zerſtoͤret worden. Das Schloß vbergab er Hertzog Wit-
tekinden/ nach angenommenem Chriſtlichen Glauben. Gemelte Veſtung/ vom
Griechiſchen Woͤrtlein genannt die Burg/ iſt lange Zeit der Burggraffen/ oder
Grentzen Verwaͤrern Sitz geweſen: dergleichen dann nicht wenig am Elbſtrom/
vnnd an der Saal zufinden/ damit die Roͤmiſche Beſatzungen bey einbrechendem
Barbariſchen Gewalt einige Zuflucht vnd Sicherheit hetten. Dieſes Orth iſt
mit der Zeit Ottonis I. Gemahlin/ der Kayſerin Edith zum Heurath Wiederlag
vbergeben/ vnd durch derſelben anhalten zu einer Statt erbawt worden vom Jahr
940. vnd nicht anderſt genannt worden/ als die Burg/ darinnen die Hertzogen in
Sachſen ſich als Burggraffen enthalten/ biß Anno 1294. Albrecht der Dritte/
Hertzog vnd Churfuͤrſt in Sachſen/ der Statt das Burggraffen Ampt vmb neun
tauſend (ſagt Brotuuius) Marck Silbers verkaufft: wie auch Dieterich von E-
berßdorff das Schutheiſſen Ampt vmb anderthalb tauſend Marck. Doch iſt
das Burggraffen Ampt von der Statt auff das Capitel kommen/ mit einigem
Vorbehalt/ ſolches ohne der Statt guten Wiſſen vnd Willen niemanden auffzu-
tragen oder zuverleyhen: das Schultheiſſen Ampt aber dem jenigen Burger ge-
buͤrte/ welchen die Burgerſchafft dem Ertzbiſchoff benamen vnd darſtellen wuͤrde:
wie es dann auch in gemelter Burgerſchafft Macht ſtehen ſolte/ ein vnannehmli-
chen Schultheiſen abzuſetzen: doch ſchreibt Dreſſerus etwas anders darvon. Jn
der Matricul der Reichs Staͤtte/ befindet ſich dieſe Statt nicht/ weil ſie jhrem Ertz-
biſchoff nicht wenig verbunden. Vnd hie iſt der hoͤchſte Dingſtul vnd Oberhoff/
ein Quelle deß Saͤchfiſchen Rechtens/ dahin alle Sachſen/ vnnd Gardie Placken
ſich beziehen/ Recht zuholen/ vnd zuleiden. Da finden ſich drey Rath Haͤuſer/ de-
ren jedes mit vierzehen Rathmannen/ vnd eylff Zunfftmeiſtern verſehen. Zween
Burgermeiſter/ ſo mit der Regierung alle beyde Monat/ abwechſeln: dann ein
X ijOber
[164]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Ober Kaͤmmerer/ zween Paurmeiſter oder Worthalter/ neben zween Vnder-
Kaͤmmerern regieren/ vnd haben neben ſich den geheymen Raht/ den Ober Statt-
ſchreiber/ den Außſchuß/ vnd den weiten Raht/ in welchem ſitzen der Præſident/ der
Schultheiß mit ſeinen Beyſitzern/ der jüngſt außgetrettene oder alte Raht/ der O-
beralte Rath/ vnd die hundert Mann. Als vor hundert Jahren die Statt Mag-
deburg das Jnterim nicht wollen annehmen/ vnnd deßwegen eine ſchwere Belaͤ-
gerung/ die Hertzog Moritz/ Churfuͤrſt in Sachſen/ zu ſeinem eygenen Nutzen/ im
Namen deß Kayſers vorgenommen/ vnd endlich zu einem Vergleich kommen laſ-
ſen/ außſtehen muͤſſen: vnd im folgenden Jahr hernach/ der Kayſer/ wegen groſſer
Winterfroſt/ ein guten Theil ſeiner Voͤlcker/ vor der Statt Metz in Lothringen/
welche der Frantzoß durch Corꝛuptionen/ als er ſich der vndertruckten Fuͤrſten in
Teutſchland annahm/ eingenommen/ vnd ſtarck verwahrt hatte/ eingebuͤſſet/ auch
vnverꝛichter Sach abgezogen/ vnnd die Belaͤgerung auffgehoben/ hoͤrte man ein
gemein Sprichwort in Teutſchland/ die Metz vnnd die Magd/ hetten dem Kayſer
den Tantz verſagt. Dieſer Schimpff iſt Ernſt worden/ vnd hat dieſe Magd jhr
Kraͤntzlein gekoſtet: wie dann die Statt eine Junfraw vnder einem Krantz/ zwi-
ſchen den Zinnen einer veſten Burg/ in jhrem Wapen gefuͤhret/ entweder als ein
Andencken/ jhres vorigen Heydniſchen Gottesdienſts: oder als ein Zeichen eines
vngebogenen Rechtens/ nach welchem ſie vnverſehrtes Gewiſſens/ das Kraͤntz-
lein deß obſiegens frey/ vnnd ohne Anſehen der Perſon/ außtheilte: oder als ein
Wunſch- vnd Triumphszeichen/ daß jhre Feinde oder Neider die Veſtung jhrer
Burg nimmermehr koͤnnen vberwaͤltigen auch kuͤnfftig nicht ſolten vbermoͤgen.
Sie mag dann nunmehr ein ander Wapen kieſen/ vnd eine Wittfraw im ſchwar-
tzen Trawrkleid auffſtecken. Vnnd vber diß hat zwar Carolus Magnus ſieben
Ertzbiſtumb in Teutſchland geſtifftet vnd reichlich begabet/ nicht nur die liebe Ju-
gend zuvnderweiſen/ ſondern auch die Heydniſche Vnderthanen in dem wahren
Chriſtenthumb zu vnderꝛichten/ vnd mit gelehrten Seelſorgern zuverſorgen: alſo
dem Ertzſtifft Magdeburg den Primat vnnd Vorzug in gantz Teutſchland vnder
allen Geiſtlichen gegoͤnnet. Dannenhero auch ſo hohe Aempter wegen der
Viſitation bey der Kammer/ vnnd in der Krayſen Dire-
ctorijs
im Weltlichen erfolgt ſind.



Der
[165]Dritter Theil.

Der vierzehende Diſcurß.


Was Spanien vor Schaden erlitten. Wie der Frantzoß mit dem Schweden
ein Bund gemacht/ vnd Vrtheil hievon. Vom Convent vnnd Schluß zu Leipzig:
daher die Conjunction vnder Sachſen vnnd Schweden/ auch das Haupt Treffen
bey Leipzig geſchehen. Wunderzeichen hievon. Wie der Koͤnig auß Schweden
durch Thuͤringen vnd Francken: biß vber den Rhein ſeine Victoriperſequirt/ vnd
der Churfuͤrſt zu Sachſen in Boͤhmen gangen/ vnnd die Haupſtatt Prag einge-
nommen.


BEy ſo geſtalten Sachen/ vmbſahe ſich der Koͤnig in Schweden/
vmb Huͤlff/ ein ſo groſſes Werck ferꝛner außzufuͤhren: jhme kam zum be-
ſten/ daß die Spaniſche Macht ein voͤllige Huͤlff dem Hauß Oeſterꝛeich
leyſten koͤnnen. Dann es hatte Anno 1629. der Hollaͤndiſche Admiral
ohnferꝛn der Jnſul Cuba/ die Spaniſche Floth geſchlagen/ vnnd eine Beuth von
168. Tonnen Golds davon gebracht/ vnd alſo groſſe Vngelegenheit bey der Bra-
bantiſchen Caſſa vervrſachet. So war Hertzogen Boſch mit Gewalt/ vnd We-
ſel durch Kriegs Liſt verlohren/ ob ſchon der Kayſeriſche Feld Herꝛ Monte Cuculi
biß in die Velaw ſich begel en hatte/ aber neben den Spaniſchen mit Verluſt ab-
ziehen muͤſſen. Vnd weil das folgende Jahr Fernambuck in Weſt Jndien von
den Hollaͤndern auch erobert worden/ muſte man ſich euſſerſtes Vermoͤgens die-
ſes 1631. Jahr bemuͤhen/ den ſo maͤchtigen Orth wieder zubezwingen/ damit der
Feind kein feſten Fuß ſelbiger Enden ſetzen koͤnde. Vnd lieff das Gluͤckrade den
Spaniern auch in Flandern hart zuwider/ in deme jhre Floth zwiſchen Bergen ob
Soom vnd Wilhelmſtatt gantz geſchlagen ward/ daß biß in drey tauſendt Solda-
ten den Hollaͤndern in die Haͤnde gerahten/ vnd kein einiges Schiff darvon kom-
men. Doch thet Spanien die Kriegs Verfaſſungen in Jtalien/ vnder dem
Fůrſtenberger dem Hauß Oeſterꝛeich zum beſten jmmer fort ſetzen. Allein begab
ſich ein newes Vngluͤck/ daß der Frantzoß ſich mit dem Schweden/ wegen der ver-
triebenen Fuͤrſten in Teutſchland/ vnd vndertruckter Teutſcher Libertaͤt/ thet ver-
binden: welche Tractaten nach vier Monaten ſich zu Eingang dieſes 1631. Jahrs
geſchloſſen/ vnnd zwar durch Vorſchub vnd Zuſprechen deß Cardinal Richelieu/
daruͤber die eyferige Catholiſche ein groſſen Miß fallen trugen: die Politiſche Ca-
tholiſche aber wegen Hoheit jhres Koͤnigs/ vnd auß Haſſe wider das Hauß Spa-
nien/ kein Ruͤckdenckens noch Gewiſſen daruͤber machten/ weil ein Potentat nit
weniger Ruhm erjagt/ wann er ſeine Angehoͤrige verthaidigt vnnd beſchuͤtzt/ als
wann er ſeiner Benachbarten Ehrgeitz hindertreibt. Es vergaß aber der Cardinal
der Kirchen gar nicht/ ſondern ließ dieſen Punct zuvorderſt dem Schluß ein ver-
X iijleiben/
[166]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
leiben/ daß die Roͤm. Catholiſche Religion/ vnverdruckt in Teutſchland bliebe/
wann je die verſprochene Gelthuͤlff erfolgen ſolte.


Nicht vnbillich fragt ſichs allhie/ ob der Catholiſche Frantzoß recht vnnd wol
gethan/ daß er ſich mit dem Ketzeriſchen Schweden/ wider den Catholiſchen Kay-
ſer verbunden? Die Frantzoſen ſprechen/ weil Ambroſius vnnd Auguſtinus deß
Schweden Waffen billichen/ (dann der jenige Krieg vor rechtmaͤſſig zuhalten/
welcher zu Schutz der Bundsgenoſſen wird vorgenommen/ oder auch die vorgan-
gene Schmach zuhindertreiben vnd zu raͤchen: in welchen ſtuͤcken der Potentaten
hoͤchſter Ruhm beſtehe/ ſintemahl ſie jhre Macht auch nicht hoͤher koͤnnen bringen)
ſo muͤſſe man auch geſtehen/ daß ein ander Potentat ſich mit jhme verbinden moͤ-
ge: fuͤrnemlich aber wann darbey der Kirchen/ vnnd deß Gewiſſens Freyheit wird
beobachtet. Hinwieder aber wann die eyfferige Catholiſchen vorgeben/ ſolcher
Bund gereyche dennoch etlichen Ketzeriſchen Fuͤrſten zum beſten: ſehen die Frau-
tzoſen auff den Staad/ vnd meynen/ ſie finden am hellen Mittage/ was Carolus V.
im Schildt gefuͤhret/ nach dem er Spanien/ Niederland/ Teutſchland/ vnnd den
groͤſſern Theil in Jtalien in ſeinen Gewalt gebracht/ nemblich vnder dem Deck-
mantel der Religion/ jhme auch Franckreich vnnd Engelland zu vnderwerffen/ vnd
die vralte Monarchey der Roͤm. Kayſer in ſeinem Hauß anzuſtellen. Darumb
Henricus II. Koͤnig in Franckreich das Teutſchland eine Vormaur aller Voͤlcker
in Europa genannt/ welche man nicht koͤnde niederꝛeiſſen laſſen. Sie ſuchen vnd
finden in jhren Chronicken/ daß wegen dieſes Scheins der Religion/ das Koͤnig-
reich Navarꝛen jhnen entgangen/ vnnd dem Spanier angewachſen: ja daß eben
deßwegen das Koͤnigreich Franckreich/ durch die Ligiſten ſolte gar Spaniſch wor-
den ſeyn. Vnd wann die eyferige Catholiſche ferꝛner einſtrewen/ durch ſolchen
Krieg vnd Bund muͤſten die Catholiſche gleichwol ſehr viel leiden/ denen man ehe
ſolte zu Huͤlff vnd Troſt erſcheinen/ als zu Schmach vnnd Hertzenleyd: begegnen
jhnen die Frantzoſen/ es hette ja Koͤnig Ferdinand ſich mit den Moren wider Kay-
ſer Henricum II. wider das Concilium zu Florentz/ wider die Baͤpſte Leonem IX.
vnd Victorem II. verbunden/ nur damit Spanien nicht vnder die Contribution
kaͤhme: vnd vermeinen/ Spanien ſuche deß Tuͤrcken Freundſchafft/ gleich wie es
auch mit dem Perſianer/ vnnd gar mit etlichen Goͤtzendtenern vnd Potentaten in
Jndien im Bundt ſtehe. Sie kommen gar zu weit/ vnnd ſagen Carolus V hab
ſich mit den Lutheranern wider die Kron Franckreich verbunden: vnd ſolches auß
gutachten ſeiner Geiſtlichen/ deren wie Bannes berichtet/ man ſich ſo wol/ als der
Pferd vnnd Elephanten bedienen moͤge. So meldet Mariana, Koͤnig Aurelius
hab vor den Moren vnd Saracenen nicht anderſt Fried haben koͤnnen/ als daß er
jhnen zum Jaͤhrlichen Tribut hundert junge Catholiſche Toͤchter gelieffert: Ja
Alphonſus Magnus hette den Moren ſeinen Sohn Ordonium vbergeben auffzu-
erziehen. Wie dann gegenwertiger Zeit das Hauß Oeſterꝛeich ſein vralte
Buͤndnuͤſſen mit Dennmarck/ Sachſen/ Brandenburg/ pflegte zuernewern.
Auch
[167]Dritter Theil.
Auch muͤſte der Bapſt zu Rom/ vnd gantz Jtalien die Augen auffthun/ vnnd dem
Hauß Oeſterꝛeich ſtewren/ damit es nicht dielang verloſchene Gerechtigkeiten
wieder herfuͤr ſuche/ vnnd ſich allenthalben Meiſter mache. Wann dann der
Frantzoß ſich von ſo viel hundert Jahren einen trewen Beyſtand vnd Beſchirmer
der Roͤm. Kirchen erwieſen/ hab er dieſelbe auch dieſer Zeit in gute Obacht zuneh-
men/ vnd dannenhero nicht ohne Vrſach im beruͤhrten Bund verſehen/ daß die
Catholiſche Religion allenthalben vnverletzt bleibe/ wo ſie die Siegreiche Waffen
deß Koͤnigs in Schweden finden ſolten. Was aber die vbrige Drangſalen der
Catholiſchen belange/ muͤſte man dieſelben einem vnannehmlichen Apothecker
Tranck/ der zwar den Leib abmatte/ aber doch wieder zur Geſundheit bringe/ ver-
gleichen: welcher geſtallt auch die Lutheraner vnder deß Kayſers Voͤlckern in groſ-
ſer Anzahl/ den guten Catholiſchen keine Seiden im Mantuaniſchen Krieg ge-
ſponnen. Vnd wann man gleich ſolte meynen/ der Frantzoß hette beſſer ſich mit
der Teutſchen Liga verbunden/ vnnd auff ſolche weiß ſeinen Zweck ebenmaͤſſig et-
reichenkoͤnnen: zumal etliche Ordensleuth deſſen etliche Vortraͤge gethan: wird
replicirt/ die Liga hange demnach an dem Hauß Oeſterꝛeich/ vnd ſeyen die Ordens-
leuth in Staadsſachen allzu leicht glaubig/ koͤnnen auch jhre Vortraͤge nicht be-
haupten/ vnnd müſſen gleich vber Befehl gethan haben. Doch beſonne ſich der
Cardinal/ weil etliche Kayſeriſche Voͤlcker auff Lothringen ſich zogen/ vnnd Metz/
Thul/ Verdun/ fuͤrnehmlich Moyennic dem Hertzogen auß Lothringen zum be-
ſten/ der Kron Franckreich abzuzwacken/ mit dem Churfuͤrſten in Bayern einen
Bund zutreffen/ vermoͤg deſſen Franckreich auff derſelben Seiten ſicher vnd auß
Gefahr ſeyn moͤchte: wie ſie dann ein auffrichtige gute vnnd beſtaͤndige Freund-
ſchafft/ auch veſte vnd enge Obligation/ einander auff acht Jahr lang trewlich bey-
zuſpringen geſchloſſen: derowegen der Frantzoß ſich verbinden laſſen/ dem Chur-
fürſten in Bayern Neun tauſent zu Fuß/ vnnd zwey tauſent zu Roß/ ſampt Ge-
ſchuͤtz vnd Zugehoͤr/ ſeine Erb- vnd erworbene Land zubeſchuͤtzen: vnnd der Chur-
fuͤrſt in Bayern dem Frantzoſen/ drey tauſent zu Fuß/ vnnd ein tauſent zu Roß e-
benmaͤſſig zuvnterhalten/ oder nach eines jeden Belieben/ die Gelder darfuͤr zuer-
legen.


Vnnd weil in dem folgenden Jahr der Koͤnig in Schweden an den Rhein-
ſtrom verꝛuͤckt/ vnnd den Ertz- vnnd Biſchoffen ſehr bang machte/ nahmen ſie jhre
Zuflucht zu dem Frantzoſen der eben zu Metz/ wegen der Vnruh in Lothringen ſein
Hofflager hielte/ klagten vnnd erwieſen jhm jhren bevorſtehenden Vndergang/
wann er dem Schweden nicht widerſtuͤnde. Erhielten aber nichts anders/ als
daß ſie ſich von deß Kayſers Parthey abthaͤten/ vnnd dem Schweden/ als Neutral
ſtuͤnde/ Durchzuͤge verſtatteten/ vnnd die Notturfft zur Hand braͤchten: im vbri-
gen/ wegen der Religion ohne Sorgen weren. Doch erfolgte auch eine Bott-
ſchafft an den Schweden/ jhnen zum beſten: vnnd daß der Churfuͤrſt zu Trier in
Frantzoͤſiſchen Schutz auffgenommen worden: davon hernacher.


Zur
[168]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Zur Zeit deß groſſen Verderbens in Magdeburg/ machte ſich der Schluß
zu Leipzig/ daß die Evangeliſche Staͤnde zun Waffen greiffen/ vnd jhre Land vnd
Leuthe nach vermoͤgen ſchützen ſolten: welches den Kayſer hoͤchlich offendiret daß
er deßwegen vnderſchiedliche Schreiben gewechſelt/ auocatoria vnd comminato-
ria
außgehen laſſen/ aber damit nichts außgerichtet/ biß daß eine voͤllige Armee
auß Jtalien/ vnder dem Fuͤrſtenberger/ in Schwaben gefallen/ die noch nicht al-
lerdings vollzogene Kriegs Verfaſſungen gehemmet vnnd zertrennet/ die Staͤtte
vnd Staͤnde namentlich Wuͤrtenberg vnd Baden/ vnd zuletzt auch Nuͤremberg/
vom Leipziger Schluß abzuſtehen gezwungen: bey welchem aber Landgraff Mo-
ritz in Heſſen zu Caſſel veſt gehalten/ vnnd nur deſto eyferiger zu dem Koͤnig in
Schweden getretten. Wie dann weder deß Fuͤrſtenbergers/ noch deß Tilly an-
ſuchen vñ vor die Thuͤr gefuͤhrter Gewalt/ bey jm/ vñ bey den Staͤnden der Ritter-
ſchafft nichts verfangen koͤnnen: ja noch verurſacht/ daß gedachter Landgraff vmb
ſich gegriffen/ nach dem er Lufft bekommen/ Minden vnnd Hoͤxter eingenommen/
vnd in Weſtphalen ſich veſt gemacht/ eine nicht geringe Macht mit deſſelben Kray-
ſes Contributionsgeldern auff die Beyn zubringen vnd zuerhalten. Dann nach
deme der Koͤnig Franckfurt an der Oder/ Havelberg vnnd Landsberg einbekom-
men/ auch ſich/ wie hart es gleichwol gehalten/ (dann der Koͤnig/ wieder zuruͤck zu-
gehen/ vnnd einen guten Frieden vor ſich à part zumachen/ wann man jhme nicht
wolte vnder die Arm greiffen/ gantz beweglich gedrohet) mit dem Churfuͤrſten zu
Brandenburg verglichen vnd geſetzt/ lieſſe ſich darmit nicht genuͤgen/ daß die Kay-
ſeriſchen jhm die eine Seit deß Elbſtroms frey gelaſſen/ ſondern gieng vber die
Elb/ vnnd ſetzt ſich bey Werben: darauff die Meckelburgiſche Herꝛn Schwerin
ſelbſten erobert/ vnd zu Guſtraw jhren frewdigen Einzug gehalten/ auch noch die-
ſes Jahr die Vbergab der Statt Roſtock erzwungen. Tilly muſte wider ſeinen
Willen von Heſſen ablaſſen/ vnd nach der Elb/ aber vnverꝛichter Sach bey Wer-
ben zu ruͤck/ auß groſſem Mangel/ nach Magdeburg ſich ziehen: vnder deſſen ein
Engellaͤndiſcher freywilliger Secours/ vnder dem Feldherꝛn Hamilton dem Koͤ-
nig zukommen/ in ſechstauſent Mann beſtehendt/ vnnd hette an dem Weſerſtrom
ſollen außſteigen/ dieweil man dem Biſchoff zu Bremen/ Hertzog Johann Adolff
von Holſtein das Stifft abdringen wollen/ jhme Schutz zuhalten: weil er aber die
Oder hienauff gefahren/ ließ der Koͤnig den Guſtav Horn/ von den Schleſiſchen
Graͤntzen zu ſich kommen/ vnnd befahl dem Hamilton ſolchen Poſten wider allen
beſorglichen Einfall zuverwahren. Vnnd weil Tilly mit den Fuͤrſtenbergiſchen
Voͤlckern/ biß in Meiſſen eingedrungen/ dem Fugger aber Ordre ertheilt/ in Heſ-
ſen einzufallen/ den Churfuͤrſten vom Leipziger Schluß nicht moͤgen abſchrecken/
vberwaͤltigt er Moͤrſeburg/ Naumburg/ Jena vnnd andere Orth/ von geringem
Widerſtand/ bezwang Leipzig/ ſampt dem Schloß Pleiſſenburg/ mehr mit Schre-
cken/ dann mit Gewalt.


Jn
[169]Dritter Theil.

Jn ſolcher Noth bewarbe ſich Chur Sachſen vmb eine Conjunction der Waf-
fen bey dem Koͤnig in Schweden/ welche auch auff gewiſſe Maß vnd Weiß/ durch
Vermittelung deß Saͤchſiſchen Feld Marſchalcks Johann Georg von Arnheim
geſchehen: alſo daß nach vollzogener Alliantz der Koͤnig zu Schweden/ mit ſeiner
gantzen Armee/ in dreyzehen tauſent zu Fuß/ vnd acht tauſent/ acht hundert vnnd
fuͤnffzig zu Roß beſtehend/ den dritten Herbſtmonat/ zu Wittemberg vber die
Elb Bruͤcke gezogen/ vnnd folgenden Tages bey Dieben/ an der Mulda angelan-
get. Alſo erhub der Churfurſt zu Sachſen/ bey deme in eygener Perſon/ damals
ſich befand der Churfuͤrſt zu Brandenburg/ ſein Laͤger bey Torgaw/ vnd ſtieß ſeine
Voͤlcker den fuͤnfften zu den Schwediſchen. Jn dem erſten Kriegs Rath erzeig-
te ſich Sachſen ſehr hitzig: man ſolte grad auff den Feind gehen/ vnnd jhm ein of-
fentliche Feldſchlacht lieffern: der were ſonſt auß ſeinen Landen nicht zubringen/
welches bereyts verderbt/ vnd koͤnde die beyde feindliche Armeen auß Vnmuͤglich-
keit nicht tragen. Der Koͤnig war zu erſt gantz einer andern Meynung/ vnd hielt
nicht vor gut/ daß man den geradeſten Weg forth/ nach Leipzig avanciren ſondern
vielmehr auff der Seiten nach Hall ſich ſchlagen/ dieſer Statt ſampt der Moritz-
burg impatronieren/ auch Moͤrſeburg erobern/ vnd den Feind alſo von ferꝛn vmb-
zingeln vnnd verſuchen ſolte/ ob jhm dergeſtallt was abzulauffen: vnnd da man je
zuſchlagen geſinnet/ er auß ſeinem Vortheil zubringen were. Dann es konde
der Koͤnig nicht faſſen/ warumb Tilly ſich auß ſeinem Vortheil/ auff das flache
Feld begeben ſolte/ da er verwahrt ſtehen/ vnnd ſeinen Feind abmatten ja zu einer
gefaͤhrlichen Retiraden obligiren koͤndte. Ferꝛner kam dem Koͤnig gantz nicht
rahtſam vor/ alles auff die ſpitze vnd extremitaͤten ankommen zulaſſen: wann wir
jetzt zu einem Haupt Treffen vns reſolviren/ ſo ſetzen wir/ deß allgemeinen Weſens
zugeſchweigen/ eine Kron/ vnnd zween Chur Huͤte in das Spiel. Nun iſt das
Gluͤck vberall im Menſchlichen Leben/ vor allen Dingen aber im Krieg/ ſonderlich
im Haupt Treffen vngewiß vnd wandelbar: vnd moͤchte der Allerhoͤchſte nach ſei-
nem geheymen Raht/ vnſerer Suͤnden wegen/ leicht einen Vnfall vber vns ver-
hengen/ daß wir denkuͤrtzern zoͤgen/ vnd der Feind die Oberhand erhielte. Gleich-
wol meine Kron/ wann ſie dieſe meine Armee/ vnnd meine Perſon ſelbſten einbuͤſ-
ſen thete/ wuͤrde zwar einen groſſen Verluſt leiden: doch hat ſie noch eine Schan-
tze zum beſten/ dann ſie iſt ſo weit/ darzu vber Meer gelegen/ mit einer ſtarcken wol-
armirten Schiff Armada gefaßt/ in jhren Frontieren gnugſam verwahret/ vnd ſte-
het in dergleichen Kriegsbereytſchafft jnnerhalb Landes/ daß ſie daher noch keinen
groſſen haſard jhres Staads lauffen darff/ oder ſich etwas widriges hauptſaͤchlich
zubefahren hat: aber vmb euch/ denen der Feind auff dem Halſe/ vnd gar im Lande
ligt/ wird es/ daferꝛn die Schlacht vbel außlauffen ſolte/ gantz vnnd gar gethan
ſeyn/ vnd die Chur Huͤte gewaltig zuwackeln/ oder gar zuſpringen beginnen. Die-
ſes alles ohngeachtet/ blieb der Churfuͤrſt zu Sachſen beharꝛlich auff ſeiner Reſo-
Dritter Theil. Ylution/
[170]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
lution/ daferꝛn der Koͤnig nicht zuſchlagen gedaͤchte/ wolte er es allein wagen/ vnd
dem Tilly eine Schlacht lieffern. Darumb der Koͤnig/ weil er verſichert/ daß der
Churfuͤrſt alle Patientz verlohren/ der Sachen einen ſichern Anſtand zugeben/
vnd vielleicht ſich allein mit ſeinem Volck auß Deſperation hinem wagen wuͤrde/
endlich auch ſeinen Willen darein gegeben: ſintemahl er lieber nebenſt dem Chur-
fuͤrſten gegen dem Tilly ſtehen vnnd fechten/ als allein/ wann der Churfuͤrſt zu
ſcheuttern gerichtet/ mit dem Tilly ſchlagen vnd zuthun haben wolte.


Wie er nun zur Bataille reſolvirt/ hat er auch eilends dem Feinde auff den
Halß zugehen vor gut angeſehen: in Betrachtung/ daß ſeine vnd deß Churfür-
ſten Macht der Tillyſchen Armee jetzt genugſam proportioniret/ vnnd weil es je ge-
ſchlagen ſeyn muſte/ bey jetzigem tempo, da der General Wachtmeiſter Altringer/
ſo ſchon vmb die Gegend Erfurd angelanget/ mit ſeinen Voͤlckern noch nicht zum
Tilly geſtoſſen/ ehe/ als hernachmals eine Schantz zu wagen ſtuͤnde. Seind alſo
der Koͤnig zu Schweden vnd Churfuͤrſt zu Sachſen/ nebenſt beyden jhren Armeen/
als der Churfuͤrſt von Brandenburg zuvor Abſchied von jhnen genommen/ vnnd
ſich zu ruͤck in ſein Landt begeben/ den ſechſten Herbſtmonat in voller Bataille, die
Koͤnigliche Schwediſche den rechten/ vnd die Chur Saͤchſiſche den lincken Flůgel
haltend/ fortgezogen/ vnd hielten jhren Marſch gerad auff Tilly/ nach Leipzig: mit
dieſem Vnderꝛicht/ daß die leichte Pferd den Kuͤraſſierern nur die Pferd mit brai-
ten Wunden faͤllen ſolten. Auff der andern Seite funden ſich beym General
Tilly/ welchem eben denſelben Tag/ wie er die Statt Leipzig durch Accord erobert/
dieſe Conjunction vnnd gewaltfamer Anzug deß Koͤnigs vnnd deß Churfuͤrſten/
durch einen Gefangenen/ den der Churfuͤrſt/ die Leipziger/ daß ſie biß auff ſeine Zu-
kunfft halten ſolten/ abgefertigt hatte/ verkundſchafft worden/ nicht wenig Moti-
ven vnd Vrſachen/ ſo jhn/ die Sache auff die Spitze zuſtellen/ vnd dem vngewiſſen
Gluͤck/ vnd Außgang einer Feldſchlacht zuvertrawen/ zu ruͤck hielten. Dann zu
einem mal lag er in Feindes Lande/ worin er eine ſtarcke vortheilhaffte Poſt ergrif-
fen/ vnnd trieb jhn noch zur Zeit keine Noth noch Mangel an zum ſchlagen: welche
vielleicht bey ſeinem Widerparth ſich eraͤugnen/ vnnd dem Churfürſten zu Sach-
ſen/ wann Tilly das Werck verſchiebe/ ſeine bey Handen habende Armee zuvnder-
halten/ in die laͤnge ſchwer fallen würde. Zu dem war der General Wachmeiſter
Altringer mit ſeinen Troppen ſchon vor der Hand/ deſſen Ankunfft in alle Wege
zuerwarten ſtuͤnde/ damit/ wann es zu offentlichen Streichen kommen ſolte/ ſol-
ches alsdann mit groͤſſerer Macht/ vnnd mehrer Vergewiſſerung der Victori ge-
ſchehen moͤchte. Dieſer Vrſachen halber befahl er drey Battereyen auffzuwerf-
fen/ vnnd ſein Lager bey Leipzig mit etlichen Lauffgraͤben/ zubeſchlieſſen/ ſo den fol-
genden Morgen ſchon in ziemlicher Defenſion geſtanden. Aber die groſſe Præ-
ſumption deß Feldmarſchalcks von Pappenheim/ vnd anderer hohen Kayſerlichen
Officirer/ welche auff jhre bißdahin vnvberwindliche/ vnnd in einem außbund vnd
kern alter/ verſuchter Soldaten beſtehende Kriegsmacht trotzeten/ vnd nicht ver/
meynten
[171]Dritter Theil.
meynten/ daß die vnanſehnliche Schweden/ vnd newgeworbene Chur Saͤchſiſche
Knecht jhnen die balance halten/ viel weniger das Siegkraͤntzlein entziehen ſolten:
ſtieß dieſes Vorhaben vmb. Moͤchte auch wol den General Tilly das gar zu groſ-
ſe Vertrawen auff ſeine Fortun/ welche jhm bißhero in keiner Action faſt die Fer-
ſen gewieſen/ betrogen/ oder vielmehr die Goͤttliche Providentz/ ſo dem Hauß Oe-
ſterꝛeich einen Haupſtoß geben wollen/ dieſen alten vorſichtigen Greiſen dahin be-
wogen haben/ daß er das vngewiſſe vor das gewiſſe erkieſet/ vnnd ſich auß ſeinem
Vortheil bey Leipzig herauß zubegeben/ reſolviret. Ruckte alſo den ſiebenden
Herbſtmonat in aller fruͤhe/ nach etlichen groben Loſungsſchuͤſſen/ die gantze Ar-
mee vor das Laͤger hinauß/ ſtellete ſie mit guter muſſe in Schlacht Ordnung/ (die
alſo bey einer halben Stund gehalten) ſie zubeſichtigen/ vnnd zum dapffern fechten
anzufriſten/ advancirte demnach allgemach/ vber die Doͤrffer Lindenthal/ klein vnd
groß Wiederꝛitſch/ gegen Breytenfeld/ dem Feind auff eine Meilwegs von Leip-
zig entgegen/ verſichert ſich/ als ein abgefuͤhrter Soldat/ deß Windes/ ſo von A-
bend damals gangen/ beſetzt die Hoͤhe mit ſeinem Geſchütz/ vnnd ſtellet die Armee
darhinder/ vergaſſe aber einige Reſerven zumachen. Das gantze Corpo von
Fußvolck beſtnnd in vier groſſen Spaniſchen Bataillons, die Cauallerie hencket er
mehrentheils als Fluͤgel an das Fußvolck zu beyden Seiten: in allem ſiebenze-
hen Regimenter zu Fuß/ vnnd ebenviel zu Roß. Den rechten Fluͤgel commen-
dirt der Graff von Fuͤrſtenberg den lincken der Feld Marſchalck von Pappenheim/
bey dem Corpo fand ſich Tilly in Perſon.


Der Koͤnig muſte (wie Tilly ſchon allerdings fertig) ehe er ſeine Front recht
ſtellen vnnd außbreyten koͤnnen/ vber einen engen Paß beym Dorffe Podelwitz/
vnnd der Churfuͤrſt vber einen andern zur lincken Hand/ beym Dorff Ztholka fili-
ren/ womit der Morgen gutentheils dahin gangen. Auch befand der erſte ſtand/
ſo die Armee ergriffen/ vberm Paß ſich dermaſſen enge/ daß man die Reihen dop-
peln muͤſſen: zugeſchweigen daß die Stuͤcke recht gepflantzet/ vnnd die Scharen in
behoͤrlichen Raum/ einander beyzuſpringen/ geſtellet werden moͤgen: da Tilly ein
gute Occaſion mag vorbey haben ſtreichen laſſen. Der Koͤnig hatte die Seini-
gen auff der rechten Seiten in zwey Treffen/ vnd jedes in zween Fluͤgel/ neben dem
Corpo vertheilt: im erſten Treffen ſtunden Schweden vnd Finnen/ hinder jhnen
das Rheingraͤffiſche Regiment zur Reſerve: im andern Treffen/ die Liefflaͤnder
vnd Churlaͤnder/ vnder deß Koͤnigs Perſoͤnlichem/ vnnd in ſeinem Abweſen/ deß
Banners Commendo. Jm erſten Treffen deß Schwediſchen lincken Fluͤgels
commendirte Guſtav Horn/ Feld Marſchalck/ zwiſchen den Regimentern zu Roß
ſtunden commendirte vnd außgeleſene Mußquetirer. Das Corpo der Jnfan-
terie erhielt dieſchwache/ zuſamgeſtoſſene Regimenter in vier Brigaden: die erſte
fůhrte Ako Ochſenſtierna: die andere/ als das gelbe/ oder Koͤnigliche Leib Regi-
ment/ Maximilian Teuffel: die dritte/ Erich Hand: die vierde/ Oberſt Winckel.
Hinder dieſen hielten zur Reſerve/ Vßlar mit dem Koͤn. Leib Regiment zu Roß/
Y ijvnd
[172]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
vnd Ramſay/ Hamilton vnd Monroy/ mit drey ſtarcken Trouppen zu Fuß. Jm
andern Treffen deß Schwediſchen lincken Fluͤgels/ befunden ſich drey Brigaden/
vnder dem Graffen von Thurn/ Hebron vnd Vitzthumb. Die Bataille beſchloſ-
ſen Cochitzky vnd Schaffmann mit jhren Reutern. Es hatte auch jede Briga-
de/ vber die groſſe Stuͤck/ ſo vor die Bataille man fuͤhrete/ jhre gewiſſe Regiment-
ſtuͤcklein/ welche von einem einigen Pferd gezogen/ auch auff den Notfall nur von
zwo/ oder dreyen Perſonen geruͤcket/ vnnd mit groſſer Geſchwindigkeit hien vnnd
wieder gebracht/ vnd gewandt werden konten. Die Chur Saͤchſiſche Schlacht-
ordnung/ ſo der Feld Marſchalck Arnheim/ doch auff gutachten deß Koͤnigs/ dem
er den Abriß gezeiget/ fermirt hatte/ war gleichfals in ſein Corpo, vnd beyde Fluͤ-
gel von Reuterey vnderſchieden: vnd beſtand in 6. Regimentern zu Roß/ vnd in ſo
vielen zu Fuß.


Tilly begruͤſſet den herannahenden Feind mit drey Canonſchuͤſſen/ vnd hielt
an mit ſchieſſen/ in dem der Koͤnig fortruͤcket/ vnnd den Oberſt Baumgarten im er-
ſten Canonſchuß zerſchmettert/ biß er naͤhern vnnd gewiſſern Schuß hette: wel-
ches dann ohngefehr nach zwey Vhren auff den Mittag dem Tantz ein rechten An-
fang/ vnd nach dreyen harten Treffen ein Endt gemacht hat. Tilly hatte bey dem
erſten Treffen den Wind faſt auff dem Ruͤcken/ vnd mehrentheils zu ſeinem Vor-
theil/ derhalben der Koͤnig ſeine Bataille lincks vmb/ ſo viel muͤglich ſchwenckete den
Wind halber zuerlangẽ: Tilly hiengegẽ/ der/ worauff ſolches angeſehen/ wol merck-
te/ wolte ſich den Vortheil nicht nehmen laſſen/ ſondern bemuͤhet ſich das Feldt ge-
gen der lincken Hand zugewinnen/ vnd ein Dorff/ den Schwediſchen zur Seiten/
in Brandt zuſtecken: woruͤber der lincke Fluͤgel/ ſampt dem Holſteiniſchen Regi-
ment/ vor der andern Bataille abgeriſſen ward/ alſo daß diß Treffen vor andern
Orthen fruͤhzeitig angieng. Weil auch die Kayſeriſche Reuter der Koͤniglichen
Schwediſchen commendirten Muß quetierer beym erſten Treffen deß rechten Fluͤ-
gels gewahr wurden/ vnd dieſelbigen meydeten/ zogen ſie ſich noch mehr zur lincken
Hand herumb: alſo daß die Koͤnigliche Reſerve/ im Rheingraͤffiſchen Regiment
beſtehend/ vnd der andere Hauff/ ehe als der erſte zum Fechten kommen. Mit wel-
chen der General Banner getroffen/ vnd vom Koͤnig Tronpenweiſe/ auß dem er-
ſten Hauffen/ alſo zeitlich ſecundiret worden/ daß er dieſen deß Feindes lincken
Fluͤgelbald gebrochen/ vnd in die Flucht gebracht. Das Holſteiniſche Regiment/
ſo nebenſt dem lincken Fluͤgel/ von dem Corpo der Bataille ſich abgeriſſen hatte/
ſtund vber die maſſen feſte/ vnd empfing etlichemal heßlich die Koͤnigliche Schwe-
diſche Reuter/ ſo darauff anſetzten/ biß es endlich von den commendirten Mußque-
tierern vnnd Reutern zu gleich angefallen/ vbermannet/ vnnd mehrentheils in die
Pfanne gehawen ward/ da ein jeglicher faſt in ſeinem Stand in ſeinem Todt be-
decket.


Folgt das ander Treffen: Jn deme der Koͤnig dergeſtalt gegen dem Kayſe-
riſchen lincken Fluͤgel in voller Action begriffen/ marſchirte dz Kayſeriſche Corpo
von
[173]Dritter Theil.
von Fußvolck/ nebenſt der Reuterey auff beyden Seiten/ von der Hoͤhe herunder/
vnnd ſchwang ſein Front ſolcher maſſen/ daß ſie mehrentheils die Koͤn. Schwedi-
ſche vorbey gehend/ mit gantzer Macht auff die Chur Saͤchſiſche getroffen. Was
nun vor Reuterey auff deß Koͤnigslincken Fluͤgel ankam/ ward bald getrennet/
vnd in die Flucht gebracht: dargegen geriethen die Chur Saͤchſiſche/ ſonderlich das
Fußvolck/ vnnd die Ritterpferde/ in Vnordnung/ alſo daß ſie gutentheils das Ge-
wehr von ſich geworffen/ vnd das Feld raumeten: Es vertiefften ſich aber die Kay-
ſeriſchen in dem nachhawen ſo weit/ daß ſie jhre eygene Bataille dadurch geſchwaͤ-
chet/ vnnd noch mehr/ als ſie voller vermeinten Victori die noch ſtehende Saͤchſi-
ſchen zuhinderziehen/ vnd gar nieder zumachen vermeinten. Dann als ſich der
Churfuͤrſt ſelbſt nach Eulenburg auß dem Staub gemacht/ kam Feld Marſchalck
Arnheim zum Koͤnig/ die trawrige Relation abzulegen/ vnd newe Ordre zuholen:
darumb wandten/ auff deß Koͤnigs Befehl/ der lincke Schwediſche Fluͤgel/ vnnd
zwo Brigaden vom andern Hauffen im Corpo, ſo Hebron vnd Vitzthumb com-
mendirten/ dieſer Furj der Kayſeriſchen zubegegnen/ jhre Front lincks vmb/ vnnd
kam der lincke Fluͤgel den Kayſeriſchen faſt gegen der Seiten/ die zwo Briga-
den aber ſtracks gegen jhnenzuſtehen/ (vnd hie iſt das dritte Treffen.)


Worauff die Kayſeriſche Cavallerey zwar bald das reiß auß genommen/
das Fußvolck aber in ſolcher Poſtur ſehr lang gefochten/ vnnd die Schwediſche
Reuterey/ ſo auff ſie angehawen/ Mannlich abgewieſen: bey welchem ſchlagen es
ziemlich ſcharpff daher gangen. Endlich gleichwohl/ nach dem Feld Marſchalck
Horn mit der Cavallerey vnd commendirten Mußquetirern/ deß lincken Fluͤgels/
welchen der Koͤnig das Weſt Gothiſche Regiment/ auß dem rechten Fluͤgel zu
Huͤlff geſchickt/ wie auch obigen beyden Brigaden: ſie aller Seit auffs newe/ mit
Macht angrieffen/ worunder auch die Regiment ſtuͤcklein/ ſo man von allen Or-
then zuſammen gefuͤhret/ in die noch ſtehende Trouppen ſtarck vnnd vnauffhoͤrlich
geſpielet: ward jhre Ordnung nach dem ſie noch etliche Furioſe Salven gegeben/
gebrochen vnnd zertrennet: vnder deſſen der Koͤnig mit dem rechten Fluͤgel/ biß an
das Hoͤltzlein auff der Hoͤhe advanciret/ vnnd was er allda von Widerſtand noch
gefunden/ vollends zerſchlagen vnnd zerſtrewet. Die meyſte Koͤnigliche Jnfan-
terey/ als die vier Brigaden im erſten/ vnnd eine im letzten Hauffen/ ſind faſt muͤſ-
ſig geſtanden/ vnnd nicht einmahl recht zufechten kommen. Nach dieſem fuͤnff-
ſtuͤndigen ſehr harten Treffen/ hieb die Schwediſche Cavallerey den Fluͤchtigen
nach/ welche aber bey eingefallener Nacht wolentrunnen. Tilly wer vom lan-
gen Fritzen/ Rhein Graͤffiſchen Regiments erſchoſſen/ oder gefangen worden/
wann nicht Hertzog Rudolph Maximilian zu Sachſen Lawenburg/ den langen
Fritzen durch beyde Ohren geſchoſſen/ vnnd den Tilly erꝛettet hette. Erentrann
nach Hall/ vnnd eylte nach Halberſtatt mit funffzehen Faͤhnlein zu Fuß: zu deme
ſich Pappenheim mit vierzig geſambleten Cornet Reutern auch begeben. Der
Kayſeriſchen haben ſechstauſent/ ſechshundert ins Graß gebiſſen: die Schwedi-
Y iijſchen
[174]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſchen ſtaͤrckten ſich von den Gefangenen/ daß ſie nun mehr an ſtatt dreyzehen/ wohl
achzehen tauſent Mann an Fußvolck zehleten.


Dieſes Haupt Treffen war durch gewiſſe Wunderzeichen bedeutet: dann
bey Sonnenwald/ in der Nieder Laußnitz/ hoͤrete man in der Lufft ein ſtarckes
ſchieſſen vnd krachen/ als wann mit Stuͤcken vnd Muß quetten hefftig Fewer ge-
geben würde. Vber Aſcherßleben erzeigten ſich/ den 18. vnnd 19. Brachmonat/
gegen Abend vmb fuͤnff Vhren/ am hellen Himmel/ zwey Kriegsheer/ deren eines
von Mittag/ das ander von Mitternacht kam. Selbige zogenauffeinander durch
die Sonne daher/ vnd hielten ein hartes Treffen: dabey aber das auß Mitternacht
kommende Heer dem andern von Mittag beydemal oblag/ vnnd die Victorier-
hielte. Vnnd ward in einer Stund/ gantz gleichfoͤrmig dieſe beyde Tage alſo am
Himmel geſehen: durchſchoß darauff alle beydemal/ nach geendetem Treffen/ ein
Mann/ ſo in langem Talar/ mit einem Pflitzbogen auffgezogen/ den jenigen ſo das
Heer von Mittage gefuͤhret/ mit einem Pfeil vbern hauffen/ vnd verſchwand. Zu
Freyburg vnnd Moͤrſeburg verwandelt ſich das Waſſer in Blut/ zu Hall an der
Saale/ vor dem Stein Thor/ auff der lincken Seiten am Stattgraben/ entſprang
eine Quell von lauter Waſſer/ vnd faͤrbete ſich allgemach in der mitte deß Statt-
grabens: ſo befand ſich auch das Waſſer in den Sturmfaͤſſern auff dem Marck
Blutroth. Kurtz vor dem Treffen ſetzte ſich ein weiſſe Taub auff eine Chur Saͤchſi-
ſche Standart/ vnd vberſchwung hernach die gantze Schlachtordnung. Die Nacht
vor der Conjunction bey Dieben traumete dem Koͤnig/ wie er ſo Muͤhſam mit
dem Tilly gerungen/ in den lincken Arm von jhme gebiſſen/ ſich erzoͤrnet/ vnnd ge-
dachten Tilly bey den Haaren gegriffen/ zu Boden gebracht/ vnnd mit Fuͤſſen ge-
tretten: vnnd mag der lincke Arm den lincken Fluͤgel/ oder der Saͤchſiſchen Flucht
bedeutet haben. Noch nachdencklicher iſt es/ daß Tilly deß Morgens vor der
Schlacht/ in deß Todengraͤbers Behauſung am Gotts Acker bey Leipzig/ in einer
Stuben/ da viel Todenbgaren angemahlet/ Kriegs Raht gehalien/ daruͤber Pap-
penheim ein Grauſen bekommen.


Auff dieſe Haupt Action erobert der Koͤnig Moͤrſeburg vnd Hall/ verſichert
ſich der Statt Magdeburg/ vnnd nahm die Fuͤrſten zu Anhalt in ſeinen Schutz/ in
deſſen der Churfuͤrſt ſein Leipzig wieder bezwungen. Sie kamen zuſam/ vnnd hiel-
ten/ dem Tilly durch die Stiffter Magdeburg/ Halberſtatt/ vnnd das Land zu
Braunſchweig nachzufolgen gleich anfangs/ zu Verſchonung der Evangeliſchen
Laͤnder im Nieder Saͤchſiſchen Krayß mit nichten vor rahtſam vnd gut. Stunden
jhnen alſo vornemlich noch zween Wege vor der Hand/ da ſie einen Gang gehen
koͤnden: der eine zur lincken Seiten/ auff deß Kayſers Erblaͤnder: der ander gera-
de vber den Thuͤringerwald/ in Francken vnd an die Pfaffengaſſe. Der Churfuͤrſt
hatte beſt Luſt darzu/ vber Erfurt gegen Francken zugehen: darumb er den Koͤnig
gern auff die lincke Hand/ gegen die Kayſerliche Exblaͤnder/ angebracht hette.
Wiewol aber dieſes Orths gute Quartier/ vnd bey ſchlechtem Widerſtand wenig
Gefahr
[175]Dritter Theil.
Gefahr zuvermuthen war/ trug der Koͤnig doch vber ſolchem Vorſchlage dannen-
hero bedencken/ weil der Tilly mit dem wleder geſambleten Volck/ ſich nach dem
Weſerſtrom gezogen/ woſelbſt er mit Zuziehung der Altringiſchen vnnd Fuggeri-
ſchen Troupen leicht ein ſtarck Corpo wieder zuſammen bringen/ vnnd wann der
Koͤnig vnnd Churfuͤrſt ſich von einander gethan/ deme der vnder jhnen die rechte
Hand behalten/ vnd der nechſte bleiben wuͤrde/ auff den Leib gehen doͤrffte Es mag
auch wol der Koͤnig vorgedacht haben/ daß die Reichs Staͤnde alßdann nicht jhme/
ſondern dem Sachſen anhaͤngig wuͤrden: ſo beſorgte der Koͤnig ſich eines andern
Spaniſchen Einfalls an dem Rheinſtrom von den Spaniern/ welche mit Huͤlff
der Ertzbiſchoffen das gantze Spiel ſolten verderben: vnd wolte die Chur Saͤchſi-
ſchen/ ſo ohne das vor ſich dem Feinde zu ſchwach/ vnnd empfangener newlichen
Stoͤſſe/ noch etwas kleinmuͤhtig/ dieſen haſard allein nicht lauffen laſſen: bevor-
ab da ſie vom Feld Marſchalck Arnheim commendirt wuͤrden/ weil jhn der Koͤnig
in der Leipziger Schlacht/ als in einer ſcharpffen Occaſion/ da es auff Chur Saͤch-
ſiſcher Seiten jnſonderheit etwas hart dawieder gelauffen/ nicht wenig alterirt/ be-
ſtuͤrtzt vnnd jrꝛeſolut befunden: der moͤchte ſonſten/ wie die Florettenfechter/ in der
Speculation fuͤrtrefflicher/ aber im ſcharpffen Fechten vnnd hitziger Action nicht
der beſte ſeyn. Zu deme kam hierunder bey dem Koͤnig in Conſideration/ daß der
Churfuͤrſt zu Sachſen/ bey den Schleſiſchen Fuͤrſten vnnd Staͤnden/ wie dieſelbe
vor dieſem durch ſeine Vermittelung in Kayſerliche Devotion ſich wieder erge-
ben/ ſeine Churfuͤrſtliche Parole/ wegen Freyheit der Religion/ vnnd ſonſten hart
verknüpffet hatte: weßwegen ſie einen ſonderbaren Reſpect auff jhn truͤgen/ auch
alſo allem anſehen nach/ weil von dem jenigen/ ſo jhnen verſprochen/ vom Kayſer
wenig gehalten worden: ſo bald der Churfuͤrſt mit ſeiner Armee ſich naͤhern thaͤte/
demſelben/ auß Hoffnung zu voriger Religion- vnnd Prophan Freyheit zugelan-
gen/ mit Hauffen zufallen wuͤrden. Es trang aber deß Koͤnigs Authoritaͤt bey der
Deliberation durch/ vnd ward der Schluß dahin vermittelt: daß der Churfuͤrſt ein
feſten Fuß in Schleſien ſetzen/ vnd ſich darinnen ſo viel muͤglich außſpreyten/ vnd
dem gemeinen Evangeliſchen Weſen zum beſten in ferꝛnere ſtarcke Verfaſſung
ſtellen ſolte. Der Koͤnig hiengegen wolte zuvorderſt in Thuͤringen gehen/ vnd da-
ſelbſt einen rechten Staad formieren: wie jhm dann der Churfuͤrſt ſolches/ vnnd
was dem anhaͤngig/ zum gemeinen Nutzen zugebrauchen/ auffgetragen vnd quit-
tieret: folgends naher Francken ſeinen Marſch nehmen/ den Proteſtirenden im
Oberland Lufft machen/ vnnd die Pfaffengaß heimſuchen: auch dem Tilly/ dafern
er es zuverwehren vnderſtuͤnde/ das Haupt biethen.


Alſo ſchickte der Koͤnig ſeine Commiſſarien voran/ vnnd fand entweder
Schrecken/ oder geneygten Willen. Nuͤrnberg/ Erfurd/ ergaben ſich gegen Re-
vers/ vnd verſprochenem Schutz beyderley Religionen/ daruͤber hie/ vnd anderſt-
wo es manchen Conteſt gegeben: die Hertzogen von Weimar/ Wilhem/ Albrecht/
Ernſt vnd Bernhard Gebruͤdere/ begaben ſich in ſeine Dienſten/ eine Armee in
Thuͤrin-
[176]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Thuͤringen zurichten. Der Koͤnig ruckt in Francken/ erobert Maß feld/ Koͤnigs-
hoffen/ Schweinfurt/ Wuͤrtzburg ſampt dem Schloß: darauff die Proteſtirenden
im Fraͤnckiſchen Krayß auch zu jhme getretten/ ob ſchon Tilly heran kommen/ vnd
die Lothringiſche Armee an ſich gezogen/ der Landgraff hatte Muͤnden eingenom-
men/ vnnd in Weſtphalen vmb ſich gegraßt: ſtieß allhie zum Koͤnig mit dreyzehen
Compagnien zu Pferd/ vier Regimenter zu Fuß/ vnnd 1500. Mann Außſchuß.
Hanaw wurd zu deß Koͤnigs Devotion durch einen Anſchlag/ Aſchenburg vnnd
Steinheim/ wie auch Hoͤchſt mit gewalt/ Franckfurt durch Vergleich/ gebracht.
Crtrang in das Rhingaw/ ſetzt in Perſon mit wenigem Volck/ bey Oppenheim/
vber den Rhein/ ſahe Wormbs von den Lothringern/ vnd Stein von den Spani-
ſchẽ verlaſſen/ bezwang Mayntz/ Creutzenach/ vñ ſchlug die Spanier/ darauff ſie die
Wetteraw quittiret: Speyer/ Manheim/ Mergentheim/ Winßheim/ Koͤnigſtein/
Hailbrun/ theten auß Forcht oder Zwang/ was der Koͤnig befahle. Jn deſſen feyrete
Feld Marſchalck Ako Totte nicht/ vnd erobert Roſtock vnd Wißmar/ wie auch Doͤ-
mitz: von dannen zog er nach dem Stifft Bremen/ demſelben Ertzbiſchoff die Hand
zubiethen/ vnnd fand Hertzog Georgen zu Luͤneburg/ in deß Koͤnigs wuͤrcklichen
Dienſten/ gleich wie der Hertzog von Braunſchweig auch in Bund getretten/ de-
me Hertzog Chriſtian zu Luͤneburg gefolget. Der Churfuͤrſt zu Sachſen lage an-
noch ſtill vmb Leipzig/ vnd machte Calender/ als ob er ſich deß Handels vnd Gluͤcks
ſchaͤmete/ vnd mehr auff Kayſerliche/ als Schwediſche Ordre wartete. Vielleicht
auch vberſchlagen/ was hernach erfolgt: mit Wunſch/ daß man zur Stund Frie-
den geſtifftet/ vnd alles in alten ruhigen Stand wieder geſetzt haͤtte: er muſte aber
in dieſem Schiff fortfahren/ vnd ſich dem vngeſtuͤmmen Wetter vertrawen. Dañ
er kondte den Einfall der Kayſeriſchen in die Nieder Laußnitz/ die Pluͤnderungen
vnnd Bravaden biß vor Alt Dreßden/ als hette die Schlappe bey Leipzig ſie ver-
droſſen/ vnnd ſuchten ſolche zuvergelten/ nicht vertragen. Vnnd ließ General
Bannern heran kommen/ gieng auff die Kayſerifchen/ welche ſich geſchwind in die
Ober Laußnitz/ vnnd von dannen nach der Schleſi vnnd Boͤhmen ſich zertheilten:
lainet deß Spaniſchen Abgeſanden Werbuug ab/ daß er zu den Waffen genoͤthi-
get worden/ der doch nach wie vor einen durchgehenden geſunden Frieden begehre
vnd ſuche. Die Armeeruckte in Boͤhmen/ erobert Leutmeritz/ Prag ſelbſt/) da er die
auffgeſteckte Koͤpff der Boͤhmiſchen Herꝛn abnehmen/ vnnd ehrlich begraben laſ-
ſen: vnd gleichſam jhr/ vnd deß Pfaltzgraffen beginnen gut geheiſſen) Eger/ Ein-
bogen/ Falckenaw vnnd andere viel Orth/ weil man ſich ſolches Einfalls nicht ver-
muthet hatte. Vnd dieſes ſeynd die Fruͤchten der Leipziger Schlacht/ deren
Einerndung Tilly/ ob er ſchon ſein Beſtes that/ nicht
hin dern koͤnnen.


Der
[177]Dritter Theil.

Der fuͤnffzehende Diſcurß.


Wie es bey Hoff/ vnd den vbrigen Kayſeriſchen Voͤlckern geſtanden/ vnd Til-
ly wieder ein ſtarcke Armee zuſam gebracht. Mit was Muͤhe der Hertzog von
Friedland wieder zum Generalat moͤgen gebracht werdẽ: deß Schweden Verꝛich-
tung am Rheinſtrom: an der Weſer: von beyder Churfuͤrſten S. vnnd B. Be-
rahtſchlagung/ deß Friedlaͤnders Einfall in Sachſen (auch anderer Orts Kriegs-
Vbungen) vnnd deß Haupt Treffens bey Breytenfeld Außgang: auch deß Koͤnigs
in Schweden Todt.


AVff der Catholiſchen Seiten aber/ ſonderlich am Kayſeriſchen
Hoff zu Wien iſt/ je vnvermuthlicher der betruͤbte Fall bey Leipzig ſich zuge-
tragen hatte/ je ſchwerer vnnd ſchmertzlicher er jhnen vorkommen. Es war
die geſchwinde Eroberung der Statt Leipzig/ vnnd daß beyderſeits Armeen
gegen einander geſtanden in Bataille/ auch ohne ſchlagen nicht von einander kom-
men wuͤrden/ vberall ſchon erſchollen vnnd ruchtbar worden. Die groſſe Gluͤck-
ſeeligkeit jhres bißhero vnvberwindlichen Kayſers/ die continuirliche Victorien jh-
res alten Generals/ vnnd die Weltkuͤndige Dapfferkeit/ jhrer Soldateſca hatten
aller Menſchen Gemuͤther/ vom hoͤchſten biß zum niedrigſten/ mit einer gewiſſen
vnfehlbaren guten Hoffnung dergeſtalt angefuͤllet/ daß ſie die Schweden/ ſampt
jhren Adhærenten/ ſchon vorgeſchlagen vnd vberwunden hielten: vnd machten jh-
nen allerhand hohe Concepten/ von nuͤtzlichem Gebrauch deß Sieges. Das
wandelbare Gluͤck ſpielete jhnen vber dieſe ſchwehre Niederlage noch einen ſeltza-
men Boſſen/ vnd erfrewete ſie eine geringe weile mit guter Zeitung/ damit es ſie
baldt hernach deſto kuͤmmerlicher betruͤben moͤgte. Dann etliche hohe Officirer
auff Kayſeriſcher Seiten/ wie ſich das Treffen gegen den Chur Saͤchſiſchen wol
angelaſſen/ mit gar zufrühzeitigem Fleiß/ an jhre gute Freund/ nach dem Kayſeri-
ſchen Hoff Curierer ſpediret den Sieg/ ſo zwiſchen beyden Theilen noch in der Wa-
ge ſtund/ gargewiß gemachet/ vnd dadurch jedermaͤnniglich in Frewd vnd Frolo-
cken geſetzt hatten: darumb man/ an ſtatt der groſſen progreß/ bedacht ſeyn muͤſſen/
wie wieder diß obſiegenden Feindes Macht/ ſie ſich ſelbſt in jhren Landen verwah-
ren vnd mannteniren moͤchten.


Nicht weniger Schrecken ergriff/ nach einkommender dieſer Zeitung/ die
beyde General Wachtmeiſter/ Altringer vnnd Fugger: deren jener mit etlich tau-
ſend Mann/ zum Tilly zuſtoſſen/ ſchon den Thüringer Wald paſſieret war: dieſer
neben dem Graffen von Merode, gegen dem Landgraffen zu Heſſen ſich engagirt
Dritter Theil. Zbefand:
[178]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
befand: alſo daß ſie auß Forcht deß andringenden Vngewitters/ deſſen ſie nach zer-
ſchelleter Haupt Armee/ zuerwarteten keinen Sinn hatten/ ſich in groſſer eyl zu
ruͤck/ in mehrere Sicherheit begeben: derowegen Landgraff Wilhelm zu Heſſen/
vnder ſolchem Abzug/ die Statt Vach/ darin eine Compagnie zu Fuß von drey
hundert Koͤpffen/ vnd eine zu Pferd/ Fuggeriſchen Volcks gelegen/ angegriffen/
ſtuͤrmender Hand erobert/ vnd die Soldaten alle/ biß auff hundert vnd vierzehen/
niedergehawen vnnd fricaſſiren laſſen. Tilly war den zehenden Herbſtmonat
ziemlich ſchwach wegen der empfangenen truckenen Stoͤſſen/ von Aſcherslebenzu
Halberſtatt ankommen/ vnd ſamlete ſeine zerſtrewete Voͤlcker wieder nach Muͤg-
lichkeit. Weil er aber/ auß Forcht vor den Schwediſchen zu Halberſtatt nicht
lang trawen wolte/ als vberliefferte er den vierzehenden dito/ dem Raht die
Schluͤſſel der Statt/ nach ſechs Jahren/ neben Erinnerung dem Kayſer trew zu
bleiben: vnnd machte ſich mit den geſambleten Trouppen/ wie auch dem Halber-
ſtaͤttiſchen Adminiſtratorn/ Johan Reinhard von Metternich/ neben allen Catho-
liſchen Geiſtlichen vnd Ordens Leuthen/ ſo in den benachbarten newlich reformir-
ten Stifftern vnnd Kloͤſtern nicht laͤnger zubleiben rathſam hielten/ von dannen/
auff Oſterwick/ Schleden vnd Borckelen: alda er ſich mit vier Feldſtuͤcklein/ vnnd
denen Trouppen/ ſo den gefangenen Adminiſtratorn von Magdeburg nach
Wolff enbuͤttel fuͤhreten/ den er hernach gen Jngolſtatt laſſen convoyren/ verſtaͤr-
cket. Er gieng auff Alefeld/ Hoͤxter/ vnd ſchlug eine Bruͤck vber die Weſer: ſeine
Armee ward jmmer ſtaͤrcker/ als der Graff von Rittberg/ Oberſte Farensbeck/ vnd
der Graff von Sultz mit jhren Regimentern zu jhme ſtieſſen. Der Graff von
Gronßfeld ſolte den Weſerſtrom beobachten: alſo zog Tilly nach Borgholtz/ War-
burg/ Baldron/ vnd conjungirte ſich den letzten dieſes Monats zu Fritzlar mit den
Altringiſchen vnd Fuggeriſchen: befand auch vierzehen Stuͤck Geſchuͤtz/ vnnd er-
reychte Fulda/ hielt rendevous, vnd zehlete achtzehentauſend zu Fuß/ vnnd achzig
zwo Compagnien zu Pferd/ erwartete auch der Lothringiſchen Armee/ die derſelbe
Hertzog auß Trew vnnd Hoffnung dem Kayſer geworben hatte/ vnd empfienge ſie
bey Miltenburg: kam aber zu ſpath/ die Hauptfeſtung zu Wuͤrtzburg zuentſetzen.
Darumb ſucht er den Koͤnig auſſer dem Vortheil zulocken/ kondt kein Voͤlcker in
Hanaw bringen/ bemaͤchtigt ſich aber deß Schloſſes vnnd Staͤttlein Bobenhau-
ſen. Hiernechſt empfing er Schaden durch einen Einfall/ verſtaͤrckt ſich doch/
biß in zwey hundert vnd viertzig ſechs Compagnien zu Pferde: eroben Rotenburg
an der Tauber/ vnnd legt den Printzen von Pfaltzburg mit den Lotheingern hien-
ein: Er ſelbſt gieng auff Winßheim. Er hub ſich auff Anſpach/ vnd fand daſelbſt
einreiches Zeughauß/ vber die geflehnte Pferd vnd Guͤter. Zu Gantzenhauſen
nahm der Feld Marſchalck Pappenheim/ mit welchem/ als einem Vrheber der
Leipziger vngluͤcklichen Schlacht/ er ſich biß dahin nicht allerdings wol vergleichen
koͤnnen/ vom jhm Abſchied/ vnd richtet ſeinen Weg nach Weſtphaler. Er ſelbſt
zog auff Schwabach/ vnnd Nuͤrnberg/ da man jhm nichts zu Willenwar/ ſonder-
lich
[179]Dritter Theil.
lich weil Graff Heintz Wilhelm von Solms/ mit ſeinen zwey newen Regimen-
tern zu Roß vnd Fuß vor die Statt fechtete. Darumb zog er ab/ vnnd verlohr
ſeine Ammunition im Rauch/ durch Rach eines gezwungenen/ vnnd nun außreiſ-
ſenden Conneſtabels: theilt ſeine Voͤlcker/ ſchickt deren etliche in Boͤhmen wider
die Chur Saͤchſiſche/ legt ſich ſelbſt in das Rieß/ den Donawſtrom zubedecken/ vnd
ließ die Lothringer an den Rheinſtrom von ſich: deren Hertzog wieder nach Hauß/
etwas vnwillig gezogen/ weil jhm der verſprochene Generalat nicht gerahten: hat-
te doch ein trawriges Gluͤck/ als der Printz von Pfaltzburg in Bayern geſtorben.
Waͤr Tilly vor Nuͤrnberg/ ſtehen blieben/ hette der Koͤnig vber Rhein nicht ſetzen
doͤrffen/ ſondern der Statt Rettung thun muͤſſen: doch eroberte Tilly die Feſtung
Wiltzburg/ durch Vbergab der Anſpachiſchen Wittib/ vnd bedienet ſich derſelben
ſehr wol eine lange Zeit. Er trawte die beſtimpte ſechs Regimenter nicht in das
Wirtembergiſche Land zuquartieren/ weil Guſtavus Horn Hailbrun erhalten/ vnd
nahm Winterquartier/ wo er vermochte.


Am Kayſerlichen Hoff hatte man Vrſach der Beſtuͤrtzung vnd dem Schre-
cken zubegegnen/ nach dem ſich das Blaͤttlein gemandt/ vnd das Gluͤck dem Kay-
ſer/ nach langem vnd vielem ſchmeichlen den Ruͤcken gekehrt: jnſonderheit da man
ſahe/ daß Chur Sachſen vom Koͤnig in Schweden noch nicht abzubringen war/
vñ das Koͤnigreich Boͤhmen in groſſem Kriegsbraſt ſtunde: auch verſpuͤhrte man/
daß die jenige/ ſo zu der extremitaͤt nie verſtehen wollen/ ſchon zuvor verkuͤndigten/
wie gantz Teutſchland vnd die Erblaͤnder verſchont nicht bleiben wuͤrden. Dar-
umb gedachte der Kayſer wie er den zweyen feindlichen Hauptarmeen auch zween
General entgegen ſetzte: zumal Tilly ſein groͤſtes Abſehen auff das Bayrland ge-
halten/ daſſelbe zubedecken/ vnnd vielleicht ſolcher geſtallt dem Hauptweſen nicht
zum allerbeſten vorgeſtanden. Dieſer Vrſachen halben gedachte man an den
Hertzogen von Friedland/ der ohne Dienſt/ zu Znaim priuatus lebte. Vnnd weil
man vor einem Jahr/ auff der Churfuͤrſten/ fuͤrnemlich aber deſſen in Bayern
anhalten/ die Schuͤppe gegeben/ ſuchte man jhm das Generalat durch den Fuͤrſten
von Eggenberg/ den gedachter Hertzog von Friedland vor andern Kayſerlichen
Bedienten vnnd Geheymbden/ hoch reſpectirte/ abermal anzutragen. Der aber
zu Anfang ſich gantz Kaltſinnig er wieſen: auch darbey ſeine gute vnd erſprießliche
Dienſte/ ſo er dem Kayſer geleyſtet/ angezogen/ auch wie vbel er dargegen beloh-
net worden. Dahero er nicht Vrſach hette/ ſich wiederumb beym Kayſer in
Dienſt einzulaſſen/ vnd ſonderlich da einander das Werck in Ruin geſetzt/ ſolches
zuvndernehmen/ vnnd wieder in Stand zurichten. Er haͤtte ſich nuumehr aller
Ambition entſchlagen/ vnd zu Ruhe begeben: hoffete/ weil er ſich bey dieſem Krie-
ge gantz nichtintereſſirt gemacht/ deſſen auch vom Feinde zugenieſſen. Moͤchte
ſeines theils dem Kayſer gerne goͤnnen/ daß es jhm nach Wunſch ergienge: baͤte a-
ber/ mit dieſerſchweren Laſt/ ſo jhm auffgebuͤrdet werden wolte/ ſeiner vor dißmal
zuverſchonen. Der Fuͤrſt von Eggenberg/ deme deß Hertzogs von Friedland ho-
Z ijher
[180]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
her Geiſt vnnd Humor wol bekannt (da her er nicht zweiffelte/ die Ambition ſolte
endlich vber den gefaßten Vnmuth die Oberhand erhalten/) ließ deßwegen nicht
nach/ ob ſchon der Baum vom erſten Streich nicht gefallen/ vnnd hielt ferꝛner an:
entſchuldigte den Kayſer/ daß alles/ ſo er hiebevor gethan/ er faſt gezwungen thun
müſſen. Hette ſchon damalen wol beſorget/ (als er jhm nemlich die Abdanckung
angekuͤndet) vnd folgends in der That erfahren/ daß er den allerkoͤſtlichſten Edel-
geſtein auß ſeiner Kron verlohren: ja ſich ſelbſten die rechte Hand mit der lincken
geſtuͤmlet vnd abgehawen/ in deme er den Hertzogen von Friedland/ der jhm mit ſo
groſſer Trew/ vnd gluͤcklichen Succeſſen gedienet/ ſeiner Dienſt entlaſſen. Die
gute Affection vnnd das hohe Vertrawen/ ſo der Kayſer zu ſeiner Perſon geſetzet/
were dardurch nicht gemindert/ ſondern gemehret: welches der Hertzog ohnſchwer
darauß abzunehmen hette/ weil der Kayſer bey jetzigem vbelen Zuſtande/ da die
Sachen gantz auff die Spitze gerahten/ jhn vor allen andern Cavalliren/ dieſelbe
wiederumb zufaſſen/ außerſehen. Der andern/ die jhm vorm Jahr im Genera-
lat ſuccediret/ Verſehen vnnd Vngluͤck/ wuͤrde jhm zu deſto groͤſſerer Ehre vnnd
Reputation gereichen. Er moͤchte den Vnmuth/ ſo er wegen ſeiner Abdanck-
ung geſchoͤpffet/ dem Vatterlande/ vnd gemeinem Weſen zum beſten ſchwinden
laſſen: auch darbey erweiſen/ daß ſeine Trew durch dieſe vnnd dergleichen Zufaͤlle
deß Menſchlichen Gluͤcks/ vnbeweglich/ vnnd ſeine Tugend capabel were/ die fau-
ten,
ſo andere begangen/ zuverbeſſern/ vnd das Werck/ ſo maͤnniglich ſchier vorver-
lohren ſchaͤtzte/ zu redreſſirn vnd wieder auffzurichten.


Mit dieſen vnd dergleichen Anmahnungen bracht er es endlich ſo weit/ daß
der Hertzog von Friedland ſich erklaͤrte/ er wolte dem Fuͤrſten von Eggenberg/ weil
er jhm ſo hoch verobligirt/ etwas zu lieb vnd gefallen thun/ biß auff den Mertz Mo-
nat dem Kayſer abermal bedient ſeyn/ vnd eine vollkommene ſtarcke Armee/ dem-
ſelben zu Dienſte/ richten vnnd auff die Beyne bringen. Weßwegen er aber kei-
nen Namen noch Titul eines Generals/ oder ſonſten/ zuhaben begehrte/ auch vor-
auß bedingen that: wider dẽ Feind/ es wer im Treffen oder andern Jmpreſen/ ſich
keines Wegs gebrauchen zulaſſen/ ſondern nur das Volck zuſammen zufuͤhren.
Jnmittelſt/ Zeit ſolcher drey Monaten moͤchte man ſich entweder auff einander
ſubjectum reſolviren/ oder aber/ welches das beſte vnd ſicherſte/ nach Frieden trach-
ten. Solches Erbieten/ welches gleichſam die erſte Staffel zum Generalat/ ac-
ceptirte der Kayſer/ weil er den Hertzog von Friedland vor dißmahl nicht hoͤher zu-
treiben vermochte: vnnd war gar wol darmit zufrieden. Nahm alſo derſelbe ſein
Hauptquartier zu Znatm in Maͤhren: ließ auch darauff in deß Kayſers/ vnnd an-
dern vmbliegenden Laͤndern/ zu Roß vnnd Fuß ſtarck werden. Der Feld Mar-
ſchalck/ Herꝛ von Tieffenbach vbergab alſo bald ſeine vnderhabende Kriegsvoͤl-
cker/ ſolche/ ſampt allen newgeworbenen/ in deß Kayſers eygenen Landen/ nach
gutduncken/ vnd freyem Belieben/ einzuquartieren: wie er dann endlich ſehr hohe
Conditionen bey dem Kayſer erhalten/ ſo wol wegen Verwaltung deß Kriegswe-
ſens/
[181]Dritter Theil.
ſens/ daß er bey niemand Ordre zuſchoͤpffen/ als wegen einer hohen Recompens/
vnd Niederlegung der Waffen. Zu Wien hielt man Gottestrachten/ vnnd be-
feſtiget die Statt: der Bapſt ſchoſſe ein anſehnliche Summ Gelds/ Florentz/
Mutina vnnd Luca erboten ſich/ dem Kayſer nach muͤglichkeit beyzuſtehen. Ve-
nedig vnd die andere Staͤnde/ machten viel Wort/ ohne Werck: es kroͤpffete ſie an-
noch daß die ſchoͤne reiche Statt Mantua ſo elendig außgepluͤndert worden/ vnnd
hatten ein Aug auff die Frantzoͤſiſche Faction/ welche der Cardinal Borgia fuͤhre-
te. Polnthet gar nichts darzu/ wegen deß Stillſtands/ vnnd dann auß Forcht
deß Moſcowitiſchen Kriegs. Der Koͤnig in Spanien/ zu Hungarn vnd Boͤh-
men/ die Gemahlin/ der Fuͤrſt von Eggenberg/ vnnd andere vornehme Herꝛn am
Hoff/ trugen groſſe Baarſchafft zuſam/ ohne was die Erblanden nach den hohen
Anlagen/ beybringen muͤſſen. Auch ſchloſſen die Ligiſten/ deren Voͤlcker Pappen-
heim fuͤhrete/ dem Kayſer trewlich beyzuſpringen.


Gleich wie nun der Koͤnig in Schweden nichts anderſt geſucht/ als ſeinen
Feind den Kayſer zuſchwaͤchen/ alſo begab ſichs/ daß die Catholiſche Staͤnde meh-
rentheiljhre Geſandten bey dem Frantzoſen hatten/ vnd Schutz ſuchten/ wo derſel-
be wider den Schweden nicht zuverꝛeitzen were. Diß begehren kondte der Fran-
tzoß nicht allerdings abſchlagen/ vnnd mittelt eine Neutralitaͤt/ durch den Marg-
graffen von Breze vnd Freyherꝛn von Charnaſſe/ vor die Liga vnd den Churfuͤr-
ſten in Bayern/ da ſie ſolche mit Ernſt/ vnnd nicht zum Auffſchub oder beſſerer
Verfaſſung geſucht hetten. Aber Chur Trier gienge ſie ein/ vnd vbergab dem
Frantzoſen als ſeinem Buͤrgen/ die Veſtung Ehrenbreytſtein vnd Philippsburg/
weil der Koͤnig in Schweden nicht trawen wollen/ auß Veſachen/ daß jhn der Bi-
ſchoff zu Bamberg mit den Tractaten vmbgefuͤhret. Pfaltz Newburg/ vnnd
Statt Coͤln erlangten nichts/ weil ſie den Kayſeriſchen/ Spaniſchen vnnd Ligiſti-
ſchen allen muͤglichen Vorſchub zuthun/ nicht kondten noch wolten vnderlaſſen:
vnd ſolten wol ein harten Strauß außhalten muͤſſen/ da es nicht andere Haͤndel ab-
geben hatte. Der Hertzog in Lothringen ſchmeckte Lunten/ vnnd antwort dem
Koͤnige/ er wer deſſen Feind nie geweſen/ ſondern hette vielmehr in Tugent vnnd
loͤblichen Thaten jhm nach geeyfert/ vnd gleich zuthun ſich bearbeitet/ deß Kayſers
bittlichen begehren aber/ mit Leyſtung einiger Aſſiſtentz/ ſtatt zugeben/ vnnd ſeiner
Vorfahren Verſprechung folge zuleyſten/ ſo wol Schuldigkeit/ als ſeiner ſelbſt
eygenen Sicherheit halben/ nicht Vmbgang haben koͤnnen. Bevorab da auff
dem Leipziger Convent dergleichen Conſilia/ ſo ſeinem Land vnnd Staad zum
hoͤchſten nachtheilig/ vnderder Schmiede vnnd im Fewer geweſen: darumb er re-
putierlicher zu ſeyn erachtet/ ſeinen Feind auſſer Landes zuſuchen/ als daheym zu-
erwarten. Er nehme aber jetzt die vom Koͤnige jhm angebotene Freundſchafft
von Hertzen gern/ vnnd vmb ſo viel deſto lieber an/ weil er verſtuͤnde/ daß nicht eben
der Haß wieder die Roͤm. Catholiſche Religion/ ſondern andere Vrſachen/ den-
ſelben zum Krieg bewogen: wolte ſich auch ins kuͤnfftige/ derer beſter maſſen be-
Z iijfleiſ-
[182]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
fleiſſigen/ vnd dem Koͤnig in alle dem/ was ſeine Ehr vnd Reputation zulieſſe/ will-
faͤhrig erwieſen. Nach dem es aber nur fůr eytele Wort gehalten werden wolte/
geſchah dieſer Schluß: daß der Koͤnig in Franckreich/ daferꝛn keine guͤtliche Ver-
mahnung verfangen ſolte/ den Hertzogen von Lothringen mit gantzer Gewalt an-
greiffen/ vnd dahin bringen: damit derſelbe dem Koͤnig zu Schweden/ vnnd deſſen
Confœderirten/ nicht mehr auffſetzig ſich erzeigen moͤchte oder koͤndte/ hiengegen
wolte der Koͤnig zu Schweden/ ob etwan Franckreich/ deß halben vom Kayſer/ Koͤ-
nige in Spanien/ oder ſonſten jemands angefochten wuͤrde/ jhm mit aller Macht
gegen dieſelbe beyſtaͤndig ſeyn.


Jn deſſen kam die Koͤnigin in Schweden/ wie auch der Reichs Cantzler A-
xel Ochſenſtirna/ vnd der Pfaltzgraff/ geweſener Koͤnig in Boͤhmen/ als erfordert/
vnnd viel andere Herꝛn zu dem Koͤnig: allda er mit Hertzog Vlrich zu Braun-
ſchweig/ mit der Statt Braunſchweig ſelbſt/ mit den Hertzogen zu Mecklenburg/
mit der Statt Vlm/ mit den Wetterawiſchen vnnd Weſterwaͤldiſchen Graffen/
mit den Staͤtten Luͤbeck/ Luͤnneburg vnnd Bremen/ ſo viel ſchleuniger ſich vergli-
chen/ vnnd Alliantz getroffen/ weil der Feld Marſchalck Pappenheim in den Nie-
der Saͤchſiſchen Kreyß einbrechen wolte. Er ſchickt D. Pothuidi, Biſchoffen zu
Lincoͤping/ in das Stifft Halberſtatt/ das Kirchenweſen wieder auff gut Lutheriſch
zu redreſſteren. Vnd weil der Sillſtand/ mit der Liga zu endlieff/ die Spaniſche a-
ber ſich an der Moſell ſambleten/ ließ er Rheingraff Ott Ludwigen auff ſie gehen/
vnnd ſie ſchlagen: erobert Braunfelß/ Bobenhauſen vnnd Kirchberg/ befeſtigt
Mayntz/ vnnd verordnet an dem Eck/ da der Mayn in den Rhein fallt/ eine Veſte
vnnd Statt zubawen/ von ſeinem Namen genannt die Guſtavusburg. Die
Straßburger/ vnd der Graff von Hanaw Lichtenberg/ ſchleyfften die Schantzen
zu Druſenheim vnd Lichtenaw/ auß welchen die Kayſeriſche vnnd Lothringiſche
Voͤlcker dem Land beyderſeits Rheins viel Vnfug angethan. Pfaltzgraff Chri-
ſtian von Buͤrckenfeld ließ ſich vor ein General der Cavallery beſtellen/ vnd konde
nicht hindern daß Oſſa Wildſtaͤtt eingenommen. Nun hatte General Johann
Banner Magdeburg belaͤgert/ vnd zur Vbergab den Graffen von Manß feld ge-
noͤhtiget/ wann nit Pappenheim wer herangezogen/ vnd den Belaͤgerten/ ehe der
Hertzog von Weinmar moͤgen zur Stelle ſeyn/ Lufft gemacht hette: der ruinirt a-
ber/ vnd verließ den Orth/ weil Hertzog Wilhelm von Weinmar Goͤttingen/ Du-
derſtatt/ vnnd das Eyßfeld vberzogen: der Landgraff zu Heſſen aber Warburg/
Erichsburg vnd Amoͤneburg erobert/ am Weſerſtrom ſolchen Gewalt zu hinder-
treiben.


Jn Boͤhmen lieſſen ſich die Chur Saͤchſiſchen jhres Gluͤcks genuͤgen/ vnnd
hielten etwas raumlich Hauß in den Winterquartieren/ darauff Mangel vnnd
Rumoren/ auch endlich das Sterben erfolget. Beyde Churfuͤrſten zu Sachſen
vnd Brandenburg kamen zuſam/ beraht ſchlagten vber die/ vom Kayſer vnnd der
Catholiſche Liga auff die Bahn gebrachte Friedens Tractaten/ vnd vber die Mit-
tel/
[183]Dritter Theil.
tel/ ein Frieden zuerlangen: was vor Conditiones darbey vorzuſchlagen/ vñ wz vor
eine Verſicherung deßwegen zubegehren/ wie es mit deß Koͤnigs in Schweden
dabey habenden Jntereſſe/ vnnd auffgewanten Kriegskoſten zuhalten. Vber
Pfaltzgraff Friedrichs Reſtitution: vnd wie man/ da kein Fried zuerlangen wer/
ſich enger zuſam verbinden/ in ſtaͤrckere Verfaſſung ſtellen/ vnnd alſo dem Feind
das Haupt biethen koͤnte. Wegen der Aſſecuration fanden ſich viel Jrꝛungen/
ob nicht deß Koͤnigs in Franckreich Caution/ oder deß Bapſts Conſens vnd Ra-
tification den Stein zuheben vermoͤchten. Die erſte achtet man vor nicht ge-
nugſam/ weil der Staad in Franckreich ſehr vnruhig/ vnnd mehr als einiger an-
der zur Veraͤnderung vnnd newen motibus geneygt. Der Koͤnig koͤnde eben ſo
wol/ als ſein Herꝛ Vatter/ durch ein kaltes Eyſen den Reſt bekommen/ waͤr auch
ſonſt der Sterblichkeit vnderworffen: deßwegen hierauff nichts zubawen. Das
andere Mittel ſchiene vngereumbt/ weil es der Religion faſt zuwider lieff/ vnd
mercklich præjudiciren wolte/ wañ man dem jenigen/ ď vor den Antichriſt gehalten
wuͤrde/ ſo hoch vnd viel deferiren/ oder demſelben ſo viel Glauben zuſtellen ſolte/
der den Ketzern keinen Glauben zuhalten/ vor ein Fundament ſeines Staads biß-
her geachtet. Chur Sachſen bracht ein drittes: daß der Kayſer vor ſich vnd ſei-
ne Nachkommen/ auff den fall einer nicht Haltung/ vnd Vbertrettung der belieb-
ten Friedenspacten/ allen Recht- vnd Gerechtigkeiten/ vnnd Prætenſionen/ ſo er
beydes im Reich/ als Kayſer vnnd Ertzhertzog zu Oeſterꝛeich/ wie auch als Koͤ-
nig zu Hungarn vnnd Boͤhmen in denen Koͤnigreichen hette: in gleichem die
Geiſtliche in gemein/ allen reſeruatis, welche ſie im Paſſawiſchen Vertrage/ vnnd
ſonſten ſich vorbehalten/ renunciren ſolten. Chur Brandenburg war der Mey-
nung/ ſolcher Verſicherung/ ob ſie ſchon am allerbeſten geſchehen/ wer im wenig-
ſten zu trawen/ weil der Kayſer/ vnd deſſen Parthey/ dieſelbe eben ſo leichtlich vnnd
geſchwinde/ wie die Friedenspacten ſelbſt brechen koͤndten: erforderte eine real
Caution. Chur Sachſen blieb gleichwol bey ſeiner Opinion/ vnnd hielt ſolche
Verſicherung vor genugſam vnd gut: zweyffelte aber daran/ daß ſie zuerhalten
waͤr/ weil der Kayſer vnd die Liga lieber alles auff die euſſerſte Spitz ſetzen wuͤrden:
vnnd ließ ſich ein Stillſtand von fuͤnffzehen/ oder 20. Jahren gefallen: welchen
Brandenburg vor hochſchaͤdlich hielte/ nach dẽ der Kayſer/ vñ die Liga in jre vorige
verlohrne: die Evangeliſche aber auß jhren jetztinhabenden Vortheilen dadurch
geſetzet wuͤrden. Darumb were das beſte/ daß man ſich jetzt/ weil man dem Fein-
de gewachſen/ anderſt nicht als Hauptſaͤchlichs vereynigen moͤchte: nicht zweife-
lend/ daß gleichmaͤſſige Macht/ ſo einander die Wage halten koͤndte/ auff beyden
Seiten auch billichmaͤſſige Conditiones zuwegen bringen wuͤrde. Wegen Er-
ſtattung der Kriegs Vnkoſten/ vnd deß Koͤnigs in Schweden Jntereſſe/ ward nur
in genere weitlaͤufftig diſcurꝛirt: gleichwohl vor die vnbillichſte Sach gehalten/
wann ſie in keine Conſideration kaͤme. Dann es hette der Koͤnig animo plus
quàm heroico
ſeine Perſon gewaget/ dem gemeinen Weſen ſo trewlich vorge-
ſtanden/
[184]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſtanden/ vnd ſo Mannlich vnd dapffer darvor gefochten/ daß nechſt Gott/ jhm el-
lein/ nicht nur Lob vnd ewiger Nachruhm/ ſondern auch eine Real vnd genugſame
Recompens gebuͤhrete. Doch votirte man im Raht dahin/ daß die Auffwiegler/
ſo alles Vnheil im Reich verurſachet/ vnnd den Koͤnig mit der That beleydiget/
proportionabiliter ſolchen Laſt tragen/ vnd was ſolche Turbatores begangen/ oder
geſtifftet/ die andere/ ſo euſſerſte Trew vnd beſten Fleiſſes darwider gerahten/ vnnd
ſich geſetzet/ nicht entgelten ſolten. Die Pfaͤltziſche Sach triebe Chur Branden-
burg jnſonderheit. Jn welchem Punet ſich Chur Sachſen endlich erklaͤrt/ ob wol
der Pfaltzgraff jhn vnnd ſein Churfuͤrſtliches Hauß/ mit Privation der Boͤhmi-
ſchen Lehen/ vnd auff andere Weiſe mehr/ hochbeleydiget/ vnd genugſame Vrſach
gegeben/ auff die Raache vnnd Gegenvergeltung bedacht zuſeyn/ ſo hette er es doch
jederzeit auß dem Sinne geſchlagen/ vnd were dieſes nachmalen ſeine Meynung.
Wann er dem Pfaltzgraffen auß gewiſſem Reſpect/ nicht ſolte wider Bayern
wuͤrcklich helffen koͤnnen/ daß er jhm gleichwol nicht wolte hinderlich vnd im We-
ge ſeyn.


Bey der bevorſtehenden Kriegs Verfaſſung/ vnd darzu erforderten gnugſa-
men Mitteln/ ward befunden/ daß die Churfuͤrſten vor ſich ſelbſt/ der groſſen
Macht/ ſo der Hertzog von Friedland auff die Beyne zubringen im Werck begrif-
fen war/ nicht baſtant weren: darumb ſie nothwendig der Aſſiſtentz deß Koͤnigs
in Schweden ſich bedienen muͤſten. Allhie aber erꝛegte ſich bey den Chur Saͤch-
ſiſchen eine Difficultaͤt/ wegen deß Directorij, vnd wie ſtarcken Secours man an
den Koͤnig in Schweden begehren ſolte: dann dieſe befahrten ſich/ wann der Koͤ-
nig eine Armee vnder einer hohen Generalsperſon ſchickte/ wuͤrde er auch derſel-
ben die Kriegs Direction/ ſo dem Koͤnig/ laut der Alliantz/ zuſtuͤnd vnd gebuͤhrete/
vbertragen: welches wider jhres Churfuͤrſten Reputation vnnd Hoheit/ vornem-
lich wann derſelbe bey der Armee ſelbſt zugegen were/ lauffen thaͤte. Dieſer Vr-
ſachen halber achteten ſie vor eine Notturfft/ bey dem Koͤnig vmb Erklaͤrung an-
zuhalten/ nicht allein weſſen der Churfuͤrſt/ im fall der Noth/ auff ſein Begehren/
ſich zu jhm zuverſehen/ ſondern auch was er vor Ordre dem jenigen Officirer/ ſo
den Secours commendieren wuͤrde/ zugeben geſinnet wer. Hierunderſchien/
daß Feld Marſchalck Arnheim ſich fleiſſig gebrauchte/ vnnd darnach trachten thet/
wie er alle naͤhere Conjunction mit den Koͤniglichen Schwediſchen verhindern
moͤchte: weil er nicht gern ſahe/ daß jhm jemand an die Seite geſetzt wuͤrde/ mit
deme er competentz wegen deß Commendo vberkaͤhme/ vnd der vielleicht auff ſein
Thun vnnd Weſen Achtung ſchluͤge: alſo daß auch/ da ein Geſchrey erſchollen/ ob
ſolte General Banner im Anzug ſeyn/ ſich mit den Chur Saͤchſiſchen zuconjun-
gieren/ er ſich verlauten laſſen/ ſo bald gemelter General anlange/ ſein Abſchied zu-
nehmen. Dieſer Bedencken wegen lieſe es ſich anſehen/ der Churfuͤrſt zu Sach-
ſen wuͤrde die Sach erſt auffs euſſerſte kom̃en laſſen/ ehe er vom Koͤnig in Schwe-
den dergeſtallt Secours begehren ſolt. Schließlich hat man auch wegen der
Con-
[185]Dritter Theil.
Conjunction der Waffen/ zwiſchen beyden Churfuͤrſten tractirt. Vnnd Chur
Brandenburg zwar begehret/ Chur Sachſen moͤchte ein Theil ſeiner Armee in
Schleſien gehen laſſen/ ſo wolte er jm zu ſolcher expoitte mit etlich tauſent Mann
Aſſiſtentz thun: oder da dieſes Chur Sachſen nicht gefiele/ moͤchte er jhm Chur
Brandenburg mit eim Theil Volcks zu ſeiner Defenſion/ vnd vorhabenden deſ-
ſeing
auff das Land Schleſien/ beyſpringen. Welches Chur Sachſen nicht vor
practicabel/ noch ſeine Armee zutheilen vor rahtſam gehalten/ vnnd nach zweyer
Tagen Deliberation rund abgeſchlagen. Daher auch Chur Brandenburg ſeine
Trouppen zu den Chur Saͤchſiſchen zuſtoſſen Bedencken getragen: vnnd iſt alſo
die Conjunction vor dißmal zu keiner Wuͤrcklichkeit gediehen.


Der Friedlaͤnder thet ſeim Verſprechen genug/ bracht ein ſchoͤnes Volck
zu hauff/ ließ ſich bitten/ das Generalat anzunehmen/ das ſolte erfuͤhren im Na-
men deß gantzen Hauſes Oeſterꝛeich vnd Spanien in abſolutiſſimâ formâ: es ſol-
te weder der Kayſer noch ſein Sohn ſich bey der Armee befinden/ vnnd jhm erlaubt
ſeyn ohne deß Kayſers Conſens zu confiſciren vnd zuperdoniren/ weil der Kayſer
zu milt wer: da weder Hoffraht/ noch Kammergericht jhme Eintrag zuthun het-
ten/ oder auch deß Kayſers Gelaith vnd Pardon gelten moͤchte: beneben einer Re-
compens auß den Oeſterꝛeichiſchen Erblanden/ deß Hertzogthumbs Mecklenburg
zugeſchweigen/ welches bey jeden Friedens Tractaten zubeobachten/ vnd ohne jhn
gar nichts zuſchlieſſen. Ein groſſer Fehler von einem ſo klugen Mann ſeinen
Herꝛn der geſtallt/ als einen Gefangenen zutreiben: welcher aber auff das Haupt-
weſen geſehen/ vnnd das vbrige der Zeit heymgeſtellt. Jn deß nun der Koͤnig in
Schweden am Rheinſtrom ſein Vorhaben werckſtellig gemacht/ vnnd der Bi-
ſchoff von Bamberg einen Ruͤcken an dem Tilly in der naͤhe gefunden/ wurd der
Koͤnig verurſacht/ den Feld Marſchalck Horn nach Bamberg zu commendiren/
daſelbſt es Kappen geregnet/ daß der Koͤnig ſelbſt nach Francken anzoge/ darumb
jhm Tilly/ gleich wie zuvor Horn dem Tilly gewichen. Der Churfuͤrſt in Ba-
yern wolt anfangs/ Tilly ſolte dieſen Schwarm nach Boͤhmen oder Oeſterꝛeich
ziehen/ vnnd den Friedlaͤuder zur Conjunction noͤthigen/ auff daß der alte Groll
das Bayerland nicht Huͤlffloß ſtellete. Doch beſonne er ſich/ es moͤchte jhm/ als
dem Haupt der Liga gelten/ das Volck wuͤrde den Muth verliehren/ wann man
die zwo Vormawren der Donaw vnnd deß Lechs wolte verlaſſen/ vnnd was dann
ſo viel daran gelegen/ wann ein ſolcher Herꝛ den General vmb Huͤlff erſuchen
muͤſte? dann der Koͤnig ward zu Nuͤrnberg wohl empfangen/ verſichert ſich der
Statt/ erobert Donawert/ vnnd drang auff Rain vnd Augſpurg/ vnnd ließ zwey
vnnd ſiebenzig Stuͤcke Creutzweiß in das Gehoͤltz gehen/ da ſich Tilly vergraben
hatte. Eine dreypfuͤndige Kugel traff den Tilly an den Schenckel/ obig dem
Knye/ darvon er bald hernach zu Jngolſtatt verſtorben/ vnnd war kein Wider-
ſtand mehr/ weil die Bayriſchen Newburg quittirt/ vnnd Augſpurg nicht retten
Dritter Theil. A akon-
[186]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
koͤnnen. Aber vor Jngolſtatt hette der Koͤnig ſein Leben/ ſo wol als der junge
Marggraff von Baden/ ſchier eingebüßt/ in dem das Pferd vnder jhm erſchoſſen/
er gefallen/ vnd mit Blut beſudelt war. Guſtav Horn gieng die Donaw hinab/
vnd Baudiß vermochte den Dennmaͤrcker nicht wieder an den Reyhen zubringen/
weil der Lübeckiſche Vertrag jhn zu hart verknuͤpfft hatte. Der Friedlaͤnder hat-
te kein eyl/ wie Bayern laͤngſt gemuthmaſſet: ſo wolte das alte Pflaſter der Neu-
tralitaͤt bey Bayern nicht mehr ziehen/ ob es ſchon durch den Frantzoͤſiſchen Reſi-
denten verſucht worden. Darumb zoge er ſich nach dem Friedlaͤnder/ vnnd be-
maͤchtigt ſich der Statt Regenſpurg mit Liſt: in dem der Koͤnig Freyſingen vnnd
Muͤnchen/ daſelbſt er viel vergrabene Stück gefunden/ bezwang: der aber zu ruͤck/
in Francken gangen/ Cronach vergeblich belaͤgert/ dieweil der Friedlaͤnder anfin-
ge ſich zumoviren. Darbey er dann die Conjunction mit Chur Sachſen geſucht/
in Willens/ den Krieg an die Donaw zulegen/ vnnd den andern Landen Lufft zu-
machen.


Hie braucht der Friedlaͤnder den Fuchßbalg gegen Sachſen/ vnd die Loͤwen-
haut wider Schweden: tractirt mit dem Feld Marſchalck Arnheim/ vnnd endlich
mit dem Churfuͤrſten ſelbſt/ verhindert die Conjunction/ erobert Prag/ vnnd laͤßt
die Sachſen auß gantz Boͤhmen abziehen. Wie ſolches dem Koͤnig gefallen moͤ-
gen/ iſt leicht zuerachten. Doch gieng es in Schwaben vnd Nieder Sachſen jh-
me noch nicht allerdings vbel/ wie wol das Gluͤck der Waffen mit Einnehmung
vnnd Verluſt etlicher fuͤrnehmen Orth/ ſeine Tuͤcke nicht gelaſſen. Aber am
Rheinſtrom wolte es newe Haͤndel geben/ in dem die Spaniſche vber die Moſel
gangen/ vnd Speyer eingenommen: doch wendet ſich der Wind/ daß dieſelbe Ar-
mee wieder zu ruͤck gangen/ vnd Straßburg mit den Schweden geſchloſſen. Weil
nun die Bayriſche Voͤlcker in der Ober Pfaltz ſich befunden/ ſuchte ſie der Koͤnig
daſelbſt/ ſpedirt ein Abgeſandten nach Siebenbuͤrgen vnnd nach Conſtantinopel/
ſo wol den Regierenden Fuͤrſten Ragozy/ mit deß Gabors Wittib (ſeiner Gemah-
lin Schweſter) zuvergleichen/ als newe Kriegs Haͤndel zuerꝛegen. Vnd weil es
ſchier vmb die Statt Nuͤrnberg gelten ſolte/ legt er ſich vor dieſelbe/ vnnd erwartet
deß Friedlaͤnders/ welcher ſich gantz gegen jhm in ein Vortheil vergraben. Hie
zog der Koͤnig viel Volcks an ſich/ vnd ließ den Reichs Cantzlar am Rhein/ dahin
ſich Pappenheim ziehen wollen/ das beſte thun/ der auch dem Churfuͤrſten von
Coͤlln die Neutralitaͤt ertheilt/ vnd den Frantzoſen Coblentz/ weil jhnen
der Churfuͤrſt zu Trier bereyts Hermanſtein eingeraumbt/ abgetretten. Der
Friedlaͤnder hielt ſich in ſeinem Vortheil/ ließ die Bayriſche vnnd Leopol-
diſche in deſſen vmb ſich graſen/ vnnd die heran marſchirende Koͤnigiſche
Voͤlcker abhalten: da es dann manchen ſtoltzen Kopff gekoſtet/ ſonderlich
als der Koͤnig deß Friedlaͤnders Lager mit voller Macht vergeblich angegriffen.
Jn deſſen vbte man ſich auch im Eiſchfeld/ vnd ſonderlich geſchahe in der Schleſiẽ
die Conjunction erſtlich mit den Schweden vnd Brandenburgiſchen/ vnnd dar-
nach
[187]Dritter Theil.
nach mit den Chur Saͤchſiſchen: allda die erſte Æmulation wegen der auantgarde
ſich erhoben/ wie auch wegen deß Angriffs bey Steinaw/ da gleichwol die Kayſe-
riſche biß an Preßlaw/ vnnd ferꝛner weichen muͤſſen/ wie traͤge Arnheim auch ſich
erwieſen. Eben alſo gieng es in Meyſſen/ vnd im Elſaß/ da Holck vnd Horn jhr
beſtes gethan. Vnd weil der Frantzoß den Churfuͤrſten zu Trier in ſein Schutz
auffgenommen/ ließ er eine Armee auff Trier vnd Philippsburg gehen/ ſeine
Verſicherungs Plaͤtze zubeſetzen/ vnd ſeinen verſprochenen Schutz zuleyſten: wel-
ches dann dem Feld Marſchalck Horn trefflich wol zu Paß kommen. Weil nun
die beyde feindſelige Laͤger bey Nuͤrnberg nicht laͤnger kondten ſubſiſtiren/ vnnd
gleichwol einander auch nichts anhaben/ brach der Koͤnig auff/ empfieng den Tar-
tariſchen Geſandten/ vnd ſucht den Donawſtrom/ ſonderlich Rain/ welches dem
alten Mitſchefal den Halß gekoſtet/ wieder zuerobern: deme dann Landsberg vnd
andere Orth folgen muͤſſen. Es waren aber die Kayſeriſche dem Churfürſten in
Sachſen vberlegen/ denſelben entweder vom Koͤnig abzuziehen/ oder in Grund zu-
verderben: darumb der Koͤnig all ander Vorhaben laſſen fahren/ vnnd auff das
zweyte anſuchen alſo bald nach Sachſen ſich gewendet/ daſelbſten Huͤlff vnnd
Rettung zu thun: vnnd ſchien/ als wolte ſich der gantze Laſt deß Kriegsweſens
nach der Elbe ziehen zumahl auch Pappenheim von Maſtricht (welchen Orth er
dem Koͤnig in Spanien zu Dienſten wollen entſetzen) durch Weſtphalen kam an-
gezogen/ vnnd Paderborn/ wie auch Wolffenbuͤttel/ der Belaͤgerung entſchuͤttet/
dieweil ſich Baudiß zuſchwach befunden/ als er Hildeßheim fahren laſſen/ doch
Magdeburg vnd den Elbſtrom behauptet. Jn deſſen nun Pappenheim in Meiſ-
ſen vnd Thuͤringen/ wie ein Wetter durchgebrochen/ erobert der Friedlaͤnder durch
Vbergab/ Statt vnd Schloß Leipzig/ ſampt andern Orthen/ alſo daß dem Chur-
fürſten Zeit vnd Weil lang worden/ biß die Schwediſche Voͤlcker vber den Thü-
ringer Wald nach der Naumburg kommen/ allda die Koͤnigin jhren Abſchied ge-
nommen.


Noch hatte der Koͤnig hoͤhere Gedancken/ weil er ein ſehr ſchweres Werck vor
Augen ſahe/ nemblich eine enge Vereynigung/ vnnd Kriegs Verfaſſung mit den
Evangeliſchen: darumb er ein Tag nach Vlm geſetzt/ vnd ließ den Birckenfelder/
an ſtatt deß krancken Banners/ in Bayern: den Horn aber im Elſaß (da bald die
Schweitzer/ wegen deß Stiffts Baſel: bald der Lothringer/ wegen deß Stiffts
Straßburg jhme Hacken einſchlugen/ deren er aber wenig geachtet/ vnd den Bau-
diß am vndern Rheinſtrom/ vmb Coͤlln hauſen/ vnnd Franckenthal in die euſſer-
ſte Noth bringen: wie dann die Jnfantin von Brüſſel Ordre ertheilt/ den Orth
zum allerletzten niemand anders/ als dem Pfaltzgraffen/ geweſenen Koͤnig in
Boͤhmen/ (der mit vielem Geldt zu den Schweden/ als von jhnen erfordert/ ſich
begeben/ vnnd bey dem Auffbruch vor Nuͤrnberg ſeinen Abſchied nach dem Rhein-
ſtrom genommen hatte) abzutretten: derſelb befand ſich zwar bey dem geſchloſſe-
A a ijnen
[188]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
nen Accord/ ſtarb aber in Mayntz/ ehe die Spaniſche Quarniſon außgezogen. Jn
der Schleſien konden ſich die dreyerley Voͤlcker nit betragen/ vnd hetten ſich ſchier
ſelbſt vmb die Quartier geſchlagen/ weil die Schweden ermaſſen/ es muͤſte entwe-
der Arnheim die Sach nicht allerdings verſtehen/ oder etwas anders bruͤten. Mit
dem Koͤnig aber ſtund es alſo/ daß jme ď Secours/ den Hertzog von Luͤnenberg ſol-
te herbey fuͤhren/ zulang verzoge: darumb er endlich nach Weiſſenfelß geruͤckt/
vnd eine Schlacht Ordnung/ ſchier wie vor einem Jahr bey Leipzig/ bey Breyten-
feld geſetzt. Vnnd meynte der Friedlaͤnder/ es wuͤrde zu keiner Haupt Action
kommen/ biß die Luͤnebuͤrgiſche vnd Saͤchſiſche Voͤlcker zur Stelle weren: wie er
nun den Ernſt ſahe/ zog er ſich zuruͤck/ nach Luͤtzen/ in einem dicken Nebel/ der den
Koͤnig verhindert/ fruͤhertag Zeit das Scharmuͤtzel anzufangen/ vnnd legt ſich an
die hohe Straß/ nach allem Vortheil. Das erſte Treffen geſchah an den Lauff-
graͤben/ vnder dem Fußvolck: das ander von der Reuterey/ da der Koͤnig ſelbſt v-
ber den Graben geſetzt/ vnd feine Schmalaͤnder angefuͤhrt: da jhm der lincke Arm
entzwey geſchoſſen worden/ daß er an Hertzog Frantz Albrechten von Sachſen La-
wenburg begehrt/ jhn auß dem Getuͤmmel zufuͤhren: in welchem Weſen er von
einem Truppen Kayſeriſchen Reuter/ im Nebel/ Staub vnnd Dampff angetrof-
fen/ vnnd mit zween Schuͤſſen gar/ doch vnerkannt/ erlegt worden. Andere wol-
ten außgeben/ als werder Koͤnig imrecognoſciren auff Curaſſierer geſtoſſen/ vnd
im Nebel von jhnen vnerkannt erſchoſſen worden. Man konte meynen weil diß
Haupt gefallen/ es ſolte die gantze Schwediſche Armee ſich alſo bald ergeben/ oder
zertrennen/ zum wenigſten der Flucht befleiſſen: dieweil aber deß Koͤnigs Pferd
mit blutigem Sattel vnd Piſtolen/ im freyen Feld von den Voͤlckern erſehen/ vnd
ſein Todt kundbahr worden/ erweckte ſolcher vnwiederbringlicher Verluſt/ ein ſol-
chen Eyfer/ Zorn/ Grim vnd Rachgier/ daß ſie ohn allen Reſpect/ gleichſamb blin-
der weiſe/ vnd wie wuͤtende Thiere/ auff die Kayſeriſchen loß gangen/ vnnd nicht ſo
ſehr den Sieg/ als jhren ſelbſt eygenen Todt geſuchet. Alſo wurd der lincke Fluͤ-
gel in die Flucht gebracht/ wie auch nicht weniger die Crabaten deſſelben Fluͤgels/
von dem Bagage wieder zu ruͤck getrieben/ vnder dem Commendo Hertzog Wil-
helms von Weimar. Dem rechten Fluͤgel gieng es nicht viel beſſer/ der von der
Wind Muͤhl vnnd den Stuͤcken weichen muͤſſen: bey welchem Angriff Hertzog
Bernhard von Weinmar noch dieſen Vortheil gehabt/ daß der Kayſeriſchen
Kriegs Amunition im Rauch auffgangen. Pappenheim hatte Ordre/ die Mo-
ritzburg zubemeyſtern/ vnd bekam eylenden Befehl zu Halle/ dem Spiel beyzuwoh-
nen: welches auch geſchah in vollem Galop/ mit ſo vielem Volck er in Ordnung
bringen koͤnnen. Hiegieng der Tantzerſtrecht an/ vnnd muſten die abgemattete
Schwediſche Voͤlcker ſich zu ruͤck ziehen/ auch alle vorige erſtrittene Vortheil v-
berlaſſen. Die Verzweiffelung aber triebe ſie auff den Pappenheim/ mit ſolcher
Fury/ daß ſie das Geſchuͤtz abermal erhielten/ vnnd ſich veſt ſetzten. Die Nach
macht
[189]Dritter Theil.
macht ein End am Treffen/ vnnd Scharmuͤtzeln/ in welcher die Kayſeriſche das
Feld geraumbt/ vnnd Hertzog Bernharden von Weinmar auff der Mahlſtat ge-
laſſen: vnd ſolches fuͤrnemlich/ weil Pappenheim verwundet/ vnd geſtorben: alles
geſchehen/ den 6. 16. Nov. 1632.



Der ſechszehende Diſcurß.


Deß Koͤnigs in Schweden/ Thun/ Laſſen/ Vorhaben/ vnd Ende. Von deß
Pfaltzgraffen Vngluͤck/ auch nach ſeinem Tode. Von deß Friedlaͤnders Actionen/
vnd Todt.


WAnn wir nun von dem Koͤnig in Schweden wollen vernehmen/
war er einer ziemlichen wolgewachſenen Statur/ guter Complexion/
vnnd ſtarcken/ faſt zu der Fettigkeit geneygten Leibs/ gantz anmuhtiger
Geberden: hielte nichts von dem euſſerlichen Kleyder Pracht/ liebte die
Studia, darumb er auch ſeine Vniverſitaͤt Vpſal mit vielem Einkommen begabet/
vnnd zu Doͤrpte in Lieffland ein andere auffgerichtet: laſe gern die alte vnnd newe
Geſchichten/ vnnd kont in den Fortificationen wol vor ein Meiſter beſtehen. Er
bedorffte keines Dolmetſchen zum Latein/ Teutſchen/ Frantzoͤſiſchen vnd Jtalia-
niſchen/ vnnd war ſehr wolberedt. Bey allen vnd jeden Regimentern verordnet
er Feldprediger: erzeigt ſich auff den jaͤhzorn nur deſtognaͤdiger. Sein Koͤnig-
reich verſahe er mit trefflichen Geſatzen/ vnd erlangte/ daß ſeine Tochter Chriſtina
jhm ſuccediren moͤchte. Bey der Cavallery war ſeine Arth/ daß er mit Schwen-
cken nicht viel krummes machte/ vnnd wie ſie drey Mann hoch ſtunde/ alſo muſte
nur das erſte/ oder zum hoͤchſten/ die zwey erſte Glieder allein/ wann ſie dem Feind
das weiſſe in den Augen ſahen/ Fewr geben: hernach zun Seitenwehren greiffen:
das letzte Glied aber ohn einigen Schuß/ mit bloſſen Degen an den Feind gehen/
vnd beyde Piſtolen (gleich wie die vorderſten eine) auff den Hatzſparen. Vnnd
weil er befunden/ daß in den tieffen Schlachtordnungen/ wie man ſie nach alter
Manier gemachet/ die vordern den hinderen nicht Platz gaben zu fechten/ vnd von
dem groben Geſchütz nur deſto groͤſſern Schaden empfingen/ alſo ließ er die Jn-
fantery nur ſechs Mann hoch ſtellen: welche bey dem Treffen/ vnd in der Noth/ jh-
re Glieder zu doubliren wuſten. Auff welche Manier deß Feinds Canon gerin-
gern Effect hatte/ auch die hinderſten ſo wol als die vorderſten jhr Gewehr nuͤtzlich
gebrauchten/ wann das erſte Glied kniend/ das ander gebucket/ vnnd das dritte
auffricht ſtehend/ vnnd demnach je einer vber deß andern Achſel Fewer geben kon-
de. Erhenckte die Truppen aneinander/ daß jede Brigade einer kleinen beweg-
lichen Feſtung gleichte/ mit courtinen vnnd flanquen. Bey Antrettung ſeines
A a iijRegi-
[190]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Regiments/ fand er im ſiebenzehenden Jahr ſeines Alters alles mit vielen groſ-
ſen Difficultaͤten verwicklet/ vnnd das Koͤnigreich an allen Seiten von Feinden
vmbgeben: riſſe ſich aber ſolcher geſtalt herauß/ daß er keines Orths nicht eines
Schuchsbreyt Land eingebuͤſſet/ vnd hingegen ſeine Graͤntzen vmb ein merckliches
erweitert/ wie es der Moſcowiter vnnd der Pol wol empfunden. Jn dem Teut-
ſchen Weſen gieng er fuͤrſichtig vnd kluͤglich: fand aber wo nicht Thür vnd Thor/
doch Hertzen vnd Muth offen: machte es aber endlich anderſt/ als Alexander Ma-
gnus/ welcher ſeine Macedonier gering achtet/ vnnd der vberwundenen Perſianer
Sitten vnd Kleydung angenommen. Dann dieſer ſchonete ſeiner Reichs Vn-
derthanen/ vnnd ließ die Teutſchen bey Nuͤrnberg wider alle Kriegs Regeln an-
lauffen/ ſonderlich die Heſſen/ welche er ſchimpfflich empfing/ als ſie im erſtẽ Sturm
nichts außgerichtet/ vnd da ſie im andern Anlauff ſchier alle in das Graß gebiſſen/
auch mit ſeinen Finnen die Schand halben muͤſſen anſetzen/ eben wenig außge-
richtet/ vnzeitig gelobet: vnnd den Landgraffen dadurch zu andern Gedancken ge-
reytzet/ daß er wieder nach Heſſen gangen/ ſeyn eygen Land zubeſchuͤtzen/ wie eyfe-
rig man jhn auch erſuchte/ bey dem Hauptweſen zubleiben. Den Oberſten He-
bron verbittert er/ als die Auantgarde einem jungen Oberſten zukommen/ vnnd
Hebron ſeinen Leutenant auffziehen ließ/ mit dieſen Worten. Er hette ein Pfaf-
fen noch im Bauch/ daß er ſich Buͤrgerlich anlegte/ vnnd dem Engellaͤndiſchen
Geſandten/ als ein Hoͤffling auffwartete. Welcher Schimpff jhn gerewet/ ſon-
derlich da die Friedlaͤndiſche Reuterey heran brach/ vnnd ſeine Poſten im Laͤger v-
bel verſehen waren/ darumb in geſchwinder Anordnung dem Hebron Bittsweiß
ein Poſten anbefohlen/ biß die vbrige Voͤlcker er herbey braͤchte: welches auch He-
bron gutwillig auffgenommen/ vnnd hertzhafftig verꝛichtet. Mit Sachſen vnnd
Brandenburg ſpannete er alle Tractaten zu ſeinem Vortheil/ vnd wolte das Di-
rectorium
allein fuͤhren/ welches er nicht wol/ ſeine Officirer aber gar nicht ver-
bergen koͤnnen. Den Pfaltzgraffen ließ er zu ſich kommen/ vnnd mit Koͤnigli-
chem Titul offentlich außblaſen: nahm jhm das Geld ab/ vnnd wolte nicht leiden/
daß einig ander Haupt wer/ als er ſelbſt/ wol wiſſend/ daß die Teutſchen viel lieber
zu einem Teutſchen Haupt/ als zu einem frembden Fuͤrſten ſich ſchlagen ſolten:
wie das Exempel vom Manßfelder ſchon laͤngſt erwieſen. Auch war der An-
griff bey Nuͤrnberg allzu dollkuͤhn/ vnd das Treffen bey Breytenfelß wieder allen
Vortheil: ſo halten Kriegs verſtaͤndige darfuͤr/ es ſoll das Haupt bey dergleichen
Hauptſaͤchlichen Occaſionen nur den Leib regieren/ vñ den Fuͤſſen befehlen/ wo ſie
gehen oder ſtehen: den Haͤnden weiſen/ wo ſie ſchlagen oder heben ſollen: die Au-
gen aber von einem hohen Thurn gleichſam vmb vnd vmb wenden/ vnd nicht ſelbſt
im Nebel Staub/ Rauch ſich verblenden/ zumal eines Feldherꝛn Fauſt nicht haͤr-
ter ſchlaͤgt/ als deß geringſten Soldaten: das Leder aber gleichlingen weich iſt/
vnd die Kugeln ohne anſehen der Perſonen ſtreichen. Vnd wann ſchon etwan
dergleichen in den Hiſtorien zufinden/ iſt doch ſolches bey verlohrnen Sachen al-
lein
[191]Dritter Theil.
lein geſchehen/ als wann Julius Cæſar die Schlachtordnung wieder geſtellt/ oder
Cyrus vnd Alexander Magnus wegen der gantzen Monarchy/ gegen keinem Feld-
herꝛn oder Oberſten/ ſondern gegen jhrem Widerparth/ der in Perſon den Knech-
ten beygewohnet/ ſich vnverzagt muͤſſen ſehen laſſen: vnd zwar/ nicht in der Dem-
merung oder im Nebel/ da leichtlich ein groſſes Vnheyl geſchicht/ ſondern nur bey
der Hauptſach/ wann etwan ein Fluͤgel gewichen/ vnnd durch Ankunfft jhres
Haupts/ der mit Worten vnd Wercken jhnen ein new Hertz macht/ wieder ſoll zu
Stand gebracht werden. Was vor hohe Gedancken dieſer Koͤnig bey ſich ſelbſt
gekochet/ erhellet auß etlichen Worten/ die er lauffen laſſen/ da Engelland/ Franck-
reich vnnd Holland zur Sachen thun wuͤrden/ ſolte der Spanier ſein Kopff nicht
ſicher in Madrit zum Fenſter hinauß ſtecken doͤrffen. Vnnd eben zu dem Ende
ſuchte er ein Argonauticam, oder Schiff Farth nach den Jndien anzuſtellen: wel-
ches Werck aber dem Dennmaͤrcker ſonderlich ein groſſes Nachdencken verur-
ſacht/ als wolte dieſer hochtrabende/ vnd nimmer ruhende Geiſt eine Mittnaͤchtige
Monarchy anrichten/ vnnd wie Alaricus oder Athanaricus, gantz Europam vnder
ſich bringen/ vnnd die Fluͤgel biß in Aſien außbreyten: wie dann der Ehrgeitz vner-
ſaͤttlich iſt/ ja vielmehr waͤchſt/ wann man jhn vnderhaͤlt/ gleich dem Fewer/ welches
verloͤſcht/ da kein friſch Holtz hienzu kompt/ vnnd ſonſten nur deſto grewlicher vmb
ſich greifft. Vnd weil vor Zeiten zu vnderſchiedlichen mahlen/ die Jnſul Groß-
Britannien/ Dennmarck vnnd Schweden/ vnder einem Koͤnig oder Koͤnigin ge-
weſen/ kondte die Begierd zu ſolcher Hoheit einem ſolchen Geiſt wol im Traum
vorkommen. Vnnd wer kan wiſſen/ ob er nicht an die vralte Bahn vber die Al-
pen/ nach der Lombardey: vnnd vber das Pyrehiſch Gebuͤrg in Spanien/ ja gar
biß in Africa dencken moͤgen/ ſeiner Vrgroß Eltern Grabſchrifften wieder zuer-
newern? doch fanden etliche bey dem Liechtenberger dieſes Koͤnigs Abcontrafayt
vnnd Beſchreibung/ vnder dem ſehr breyten Namen deß Scorpioniſten/ daß er
veraͤchtlich vnd anfangs nur ein Fuͤrſt genannt vnnd erkandt/ der Romaniſchen
Cleriſey/ mit ſeinen Waffen vnd dem Ketzergifft/ ſehr groſſe Forcht einjagen/ vnd
allen Abbruch zufuͤgen: ja zu einem Specialzeichen/ ein Sprung in die Jung-
fraw/ welches der Rheinſtrom ſeyn mag/ zuthun: vnnd die gantze Welt auffruͤh-
riſch machen: aber auch endlich in Verzweiffelung/ der ſeinen Sachen kein Raht
mehr wißte/ fallen wuͤrde. Dennoch wolte er den Namen nicht haben/ daß er die
Cleriſey verfolgte/ weil er ſie vnvertrieben ließ/ aber doch als beropffte/ daß ſie nicht
allzeit zubleiben hatten: wie ſeine Entſchuldigungen gegen dem Koͤnig in Franck-
reich außweiſen. Den Calviniſten war er heymlich feindt/ wegen deß Artickels
von der Gnadenwahl/ wie ſehr es ſonſten verbarge/ vnd hielte dennoch nicht aller-
dings ſteiff auff dem Lutherthumb/ vnnd bezeuget/ daß jhm das Brodbrechen ein
Mittelding ſey: vnnd thet vor allen ſeinen Entrepriſen ſein Gebet/ beſchloß auch
das verꝛichte Werck mit einer Danckſagung zu Gott/ dadurch er ſich beyallen
Voͤlckern ſo beliebt gemacht/ als wann er nur bloͤßlich Gottes Werckzeug wer/ ſei-
nen
[192]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
nen Rahtſchluß zuerfuͤllen: welches ſtuͤcklein Numa, Lycurgus, Sartorius vnnd
andere mehr auch wol verſtanden/ vnnd nuͤtzlich getrieben. Es muſte aber ſein
Lauff ein Ende nehmen/ vnd die Welt erkennen/ daß manchmal der Juͤnger vber
den Meiſter iſt/ wie wir dann noch zuvernehmen haben/ was ſeine hinderlaſſene
Feld Oberſten/ ſo in ſeiner Kriegs Schul gelernet/ vor Thaten gethan/ welche die
ſeinigen vmb etwas verdunckelt. Doch koſt es am mehrſten Kunſt vnd Arbeit/
wann man das Eiß anfaͤnglich brechen muß.


Von dem Pfaltzgraffen/ geweſenen Koͤnig in Boͤhmen/ iſt anders nichts zu-
ſagen/ als Vngluͤck: dann er ſich in ſeinen jungen Jahren verleyten laſſen/ das al-
lermaͤchtigſte Hauß in Europa anzugreiffen/ ohne heroiſchen Muth vnnd taug-
liche Vnder Regenten/ ohne Beyſtand vnd Ruͤcken/ als muͤſte der Himmel jhme
allzeit lachen/ vnd heyterhell bleiben: zumal er mit Engelland vnd Dennmarck ſo
nahe anverwand worden. Er ſolte aber an der Engellaͤnder eygenen Spruch
gedacht haben Rex erat Eliſabeth: nunc eſt Regina Iacobus. Vor war Koͤnig E-
liſabeth/ jetzt Koͤnigin Jacobus ſteth. Dann der Koͤnig in Engelland alt vnnd
der Ruhe gewohnet/ ſelbſten wenig beobachtet/ was vor Factionen jn ſeinem Koͤ-
nigreich ſich angeſponnen/ welche endlich ſeinen Sohn deß Lebens mit der Kron/
vnnd ſeine Erben aller Koͤniglichen Dignitaͤt beraubet haben. So war Denn-
marck/ ſampt den Sachſen/ wegen der Calviniſterey/ auch Mißvergunſt/ dem
wachſenden Pfaltzgraffen ohne das nicht wol zugethan/ vnnd kondten die vbrige
Freunde ſo viel als nichts helffen. Alſo wurd jhm von Anfang das Weſen wie-
derꝛahten/ ſo wol wegen der vngehewren groſſen Macht bey dem Hauß Oeſter-
reich/ als auch wegen der Vnbeſtaͤndigkeit der Boͤhmen ſelbſt/ die jhre Haͤndel
durch jhn ſuchten außzuwaſchen: vnnd dennoch bey euſſerſten Noͤthen alle Mittel
ſperꝛeten/ biß ſie ohne dieſen Koͤnig/ vnd er ohne jhr Koͤnigreich ſeyn muͤſſen. Doch
kam er wieder in ſein Land/ als der von Manßfeld rumorete: muſte aber auff deß
Koͤnigs in Engelland bedrohliches Erinnern/ von allen Kriegs Verfaſſungen
abſtehen/ wieder nach Holland reyſen/ vnnd erwarten/ was man auff der langen
Banck vor Tractaten wuͤrd hoblen vnnd ſchlichten. Zu ſolchem End wurd ein
Heurath zwiſchen dem Printzen von Wallis in Engelland/ vnnd der Jnfantin in
Spanien angeſponnen/ bey welchem Werck Spanien ſo viel erhalten/ daß En-
gelland zu den Waffen nicht gegriffen/ ſondern ſtill geſeſſen: vnd dann/ die vnder-
truckte Catholiſche erhalten/ vnd allerhand hohe Sachen zu ſeinem Vortheil ge-
trieben. Der Koͤnig in Schweden gab jhm zwar das Land wieder/ aber mit vn-
annehmlichen Conditionen/ ſo wol im Geiſt-als im Weltlichen/ vnnd fuͤhret jhn
nur mit ſich/ wie ein Bild/ welches man vmb Geld zeigt. Der Spanier vbergab
jhm das Franckenthal/ nicht auß Gunſt/ ſondern auß Noth/ damit die Schweden
nicht drein niſten ſolten/ vnnd ein Raubhauß/ gleich wie Benfelden im Elſaß/ vor
die Vnder Pfaltz drauß machen koͤnten: wol wiſſend/ daß ſeine Prætenſionen er
gegen Pfaltz jederzeit aͤffern vnd erhalten/ wider Schweden aber nichts außrich-
ten/
[163[193]]Dritter Theil.
ten/ vnnd vielleicht von jhnen noch ein beſorgliche Nachbarſchafft zugewarten ha-
ben wuͤrde. Vnd was war es vmb das Franckenthal/ ſelbiger Zeit? der Engel-
laͤnder mit ſeiner vermeinten Sequeſtration/ vnd die Gemahlin mit jhrem Wit-
thumbs Sitz/ konden dieſelbe Frewde wol ringern vnd verſaͤuern. Mercklich iſt
es/ daß jhn der Todt in der Churfuͤrſtlichen Reſidentz Statt Mayntz hingenom̃en/
jnn- oder an ſeinem Lande/ eben zu der Zeit/ als der Koͤnig in Schweden gefallen/
auff welchen er einige Hoffnung ſetzen moͤgen/ vnnd/ da er denſelben vberleben ſol-
len/ nur deſto mehr Braſt von den Schwediſchen Feldherꝛn zugewarten hatte.
Wie nun mancher Menſch in einem gantz vngluͤcklichen Planeten iſt gebohren/
wann je auff dieſen Wahn vnnd gemeinen Spruch etwas zuhalten: alſo hat die-
ſer Pfaltzgraff nach ſeinem todt auch nicht moͤgen Ruhe haben. Dann da ſein
Bruder/ der Hertzog von Simmern/ von der Adminiſtration zu Heydelberg wei-
chen muͤſſen/ vnd ſeinen Leib der Statt Franckenthal nit vertrawen wolte/ ſchlep-
pet er den Leichnam mit ſich/ biß nach Sedan/ auff der Maſe in Franckreich/ in ei-
nem gar geringen Geleyth/ als in der Flucht. Da dann auch der Wagen mit
der Leich zu vnderſchiedlichen mahlen vmbgefallen/ vnnd im Fahren geſtuͤrtzet iſt
worden. So vnaußſetzlich verfolgt das Vngluͤck die jenige/ ſo ſeine Gunſt vnd
Huld verlohren haben.


Auff Kayſeriſcher Seiten thet man etliche wenige Frewdenſchuß zu Wien/
weil das feindſelige Haupt gefallen/ vnnd daß die vbrige Partheyen nun ſich tren-
nen ſolten/ oder doch ſonſten zugewinnen weren/ gewiſſe Hoffnung war: doch
ſchmertzete es nicht wenig/ daß die Schlacht auch nach deß Koͤnigs Tod/ verlohren
worden/ vnnd daß Pappenheim/ der in dem Nieder Saͤchſiſchen Krayß/ vnnd im
Laͤndlein ob der Enß/ ſo trewen Dienſt geleyſtet/ auch in das Graß gebiſſen. Mann
hette den Friedlaͤnder gern vor jhn gegeben/ wann der Todt einigen Wechſel an-
genommen oder deß Kepleri Thema hindertrieben werden koͤnnen. Der Fried-
laͤnder hatte bey Auffrichtung der groſſen Armee/ ſeinen Credit bey der Soldate-
ſca/ vnnd ſeine baare Mittel/ ſo er im vorigen Generalat/ auch auß dem Land zu
Mecklenburg gezogen/ reichlich angewandt/ vnd dadurch groß Lob erworben Noch
hielte man jhn vor gantz Kriegsverſtaͤndig/ daß er entweder Nuͤrnberg/ zu deß
Koͤnigs in Schweden groͤſtem Nachtheil in ſein Gewalt bringen: oder daſelbſt
hien jhn ziehen vnd conſumiren wollen. Er hatte hinderſich Boͤhmen/ Bayern
vnnd Oeſterꝛeich/ zu aller ſeiner Notturfft: da hiengegen der Koͤnig etliche andere
feindliche Armeen im Reich ſahe ſchweben/ die jn endlich gar vmbringen/ vnd mit
ſeinen hungerigen Voͤlckern verſchlingen moͤgen. Darumb achtet er keiner Bra-
vaden/ vnd blieb im Lager zum allerbeſten auff dem Bergverwahrt/ wie eine Krot
vnter jhrem Schilt. So war auch der Zedell mit dem Churfuͤrſten in Sachſen
fortgezogen/ vnd begunten vnderſchiedliche Evangeliſche Staͤnde der Schweden
muͤde zuwerden/ weil der Durchzuͤge/ deß Kriegs Zehenden/ vnd der Gelt Contri-
Dritter Theil. B bbutio-
[194]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
butionen kein Ende war. Vor dißmahl thet der Friedlaͤnder abermal ein kluges
Stuͤck/ daß er zum Treffen verſtehen wollen. Dann hette er die Oberhand behal-
ten/ oder nit/ ſo waren noch viel Voͤlcker hien vnd wieder/ die alle ein ſehr groſſen
Hauffen abermal machen konten: ob auch ſchon das Land mit rauberiſchen Voͤl-
ckern vberſchwemmet wer/ wuͤrde er dadurch nur in groͤſſerem Anſehen bleiben/
vnnd deſto mehr erſucht werden. Ja es muͤſte dermal einſt ſolgen/ das Koͤnig
Guſtav/ der allenthalben an der Spitz ſeyn wolte/ ſelbſt in das Meſſer lieff/ vnnd
ſich abkuͤhlete: alsdann hette er in einer Schlacht alles wiederbracht/ daß in zehen
Haupt Treffen koͤnnen verlohren werden: wie jhm dann vor dißmahl die Rech-
nung zugeſchlagen. Noch eines iſt an jhme zuloben/ daß er ſich anfangs nicht
in das Treffen gewagt/ ſondern allenthalben muͤgliche Anordnung gethan/ vnnd
die andern laſſen fechten/ biß er geſehen/ daß die ſeinigen gewichen/ vnnd zaghafft
worden. Wie er dann ſelbſt bey ſolchem Hatz einen Schuß von einer Piſtolen in
den Schenckel bekommen/ vnnd ſich in Leipzig verbinden laſſen. Daß aber das
Gluͤck von jhm außgeſetzt/ wie auch juͤngſt von dem Tilly/ iſt nicht ſeine Schult o-
der Verſaumuß/ ſondern Gottes vnwandelbarer Wille/ vnd der Renterey Bloͤ-
digkeit. Jn Leipzig hielt ſich der Friedlaͤnder nicht vber drey Stunden/ beſetzt
Schloß vnd Statt/ vnnd begab ſich nach Boͤhmen: bracht gleich wieder ein groß
Volck/ an geworbenen Bauren zuſammen/ legt den Holck nach Pilſen vnd Eger/
allen Einbruch zuverhuͤten/ vnd nahm die beſte Voͤlcker nach der Schleſiẽ. Dann
es hatte der Cantzlar Oxenſtirna die Vormundſchafft der Koͤnigin in Schweden/
ſo nur ſieben Jahr alt war/ vnd ſonderlich was das Teutſcheweſen betrifft/ vber ſich
genommen/ vnd nach dem Haupt Treffen bey Breydtenfeld die Koͤnigiſche Voͤl-
cker zuvorderſt Leipzig mit dem Schloß Pleiſſenburg/ Chemnitz/ Freyburg vnnd
Zwickaw wieder erobert/ demnach gantz Sachſen von den Kayſeriſchen entledigt:
theilt er die Voͤlcker in zween Hauffen: der Hertzog von Luͤneburg vnd Kniphau-
ſen wandten ſich nach Weſtphalen/ vnnd Hertzog Bernhard gieng nach Francken
vnd Schwaben/ zu deme Horn auß dem Elſaß ſich jederweilen geſchwungen. Jn
der Schleſien brachten die Koͤnigiſche vnnd Saͤchſiſche die Statt Brieg dahin/
daß ſie ſechshundert Mann einnahme: ſo griff der Landgraff in Heſſen auch vmb
ſich/ vnd ſahe man die Schwediſche Waffen gluͤcklich fortgehen. Es ſahe aber
Oxenſtirna ſehr wol/ daß der Friedlaͤnder abermahl mit einer groſſen Fluth wuͤr-
de angezogen kommen/ vnnd wie ein ſtarcker Strom durchbrechen: darumb be-
ſchrieb er die Evangeliſche vier Krayß nach Hailbrun/ vnnd ſchlug jhnen vor/ zu-
berathſchlagen/ welcher geſtallt der Krieg wieder die Catholiſchen forthzuſetzen we-
re. Daſelbſt befand ſich auch deß Koͤnigs in Franckreich Abeſandter Fequie-
res,
vnd beſorgte ſich ſehr/ die Staͤnde wuͤrden eintzelen zu dem Kayſer tretten/ vnd
alſo dem Frantzoſen den Krieg wieder den Spanier/ bevorab da die Staden auch
ſolten zum Frieden verſtehen/ zu ſchwer fallen. Alſo ernewrtete der Frantzoß den
Bund mit Schweden/ vnd in Schweden tratten die Reichs Verwalter jhre Aem-
pter/
[195]Dritter Theil.
pter/ nach Jnhalt deß Koͤniglichen Teſtaments an/ vnnd beſchloſſen auff einem
Reichstag den Krieg in Teutſchland mit Ernſt fortzuſetzen.


Der Hertzog von Luͤnenburg ſchlug die Ligiſtiſche Voͤlcker bey Allendorff/
welche nach Pappenheimbs Todt Merode vnd Gronßfeld fuͤhreten/ vnd bezwang
Hammeln. Pfaltzgraff Chriſtian von Birckenfeld belaͤgert Hagenaw/ vnnd
muſt dem Hertzogen auß Lothringen die Spitz bieten bey Pfaffenhoffen/ da ſeine
Reuterey außgeriſſen/ das Fußvolck aber den Sieg erhalten. Vmb welches
Einfalls willen der Frantzoß den Lothringer Feind erklaͤrt. Der Rheingraff
gieng vmb die Waldſtaͤtte/ vnd vnderfieng Breyſach vergeblich zubelaͤgern/ gleich
wie Horn auch vor Coſtnitz nichts auß gerichtet. Doch erobert Kniphauſen Oß-
nabruͤck/ vnd Hertzog Bernhard ruͤckt in Bayern/ vnnd bezwang Regenſpurg.
Die Kayſeriſchen feyreten auch nicht/ machten ſich wieder Meiſter zu Leipzig/ wie
die Bayriſchen Neuburg erobert/ vnnd Boͤninghauſen in Heſſen vnnd Waldeck
eingefallen/ auch dem Kniphauſen auff die Finger geklopfft. Jn Schleſien
tractirte man zwar vom Frieden/ griff doch einander friſch auff die Haut/ wie dann
Arnheim dem Gallas eins wollen anmachen/ vnder deſſen aber die Steinawer-
Schantz mit allem Zugehoͤr verlohren: alſo daß die Saͤchſiſche biß nach Dantzig
gewichen/ weil der Friedlaͤnder mit voller Macht jhnen in den Eiſen war/ Franck-
furt vnnd Landsberg verlaſſen/ Goͤrlitz verlohren/ auch gantz Schleſien raumen
muͤſſen. Aber Altringer vnd Feria konden im Elſaß nicht fort/ ſo ferꝛn/ daß auch
Philippsburg ſich an die Schweden ergeben/ welches der Ertzbiſchoff von Trier
dem Frantzoſen/ der ſeine Armee ohn feꝛn hielte/ verſprochen/ vnd gern eingeraumt
hette gehabt. Dieſer Krieg gieng alſo durch das Wirtembergerland/ biß in die
Obere Pfaltz/ allda der Friedlaͤnder/ ſo den Schaffgotſchy in Schleſien gelaſſen/ in
Boͤhmen wunderliche Sachen vorgenommen/ daſſelbe Koͤnigreich an ſich zubrin-
gen/ vnd auff dem Weiſſen Berg ſich feſt zulegen. Da nun die Sachen vmb et-
was wollen kundt werden/ ſucht er ſeiner vnderhabenden Oberſten etliche zucor-
rumpieren/ ja endlich gar mit Hertzog Bernharden zu tractieren: daruͤber er zu
Eger/ Nachts in ſeinem Gemach/ ohn ferꝛnern Tumult/ mit einem Spieß durch-
ſtochen worden/ als ſchon zuvor die Oberſten heimliche Ordre empfangen/ dem
Gallas ferꝛner zupariren. Hie wird viel geſprochen/ was der Friedlaͤnder mit
Sachſen vnnd Brandenburg ſoll verabſchiedet haben: da gleichwol andere vorge-
ben/ es ſey vnder ſeinen Brieffen nicht ein Buchſtab geweſen zu ſolchem Laſter der
verletzten Majeſtaͤt/ vnnd hette der Neidt bey Hoff/ auch anderer hohen Haupter
hierin cooperiret. Dem nichts iſt verborgen/ wird auch dieſes wiſſen. Doch
wird vor gewiß gehalten/ der Friedlaͤnder ſey nie recht Catholiſch/ gar nicht Jeſui-
teriſch geſinnt geweſen. Jn Summa/ wie er bey ſeinem eyranniſchen Kriegs Re-
giment vielen das Leben durch Henckers Hand laſſen verkuͤrtzen/ alſo hat er auch
keines ſanfften Todes ſterben moͤgen. Vnnd wann er ſchon nichts anders ge-
than/ als daß er ſo gar vnbillige Conditiones ſeinem Herꝛn vnnd Kayſer abgenoͤ-
B b ijthiget/
[196]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
thiget/ iſt es genug/ vmb zween Koͤpff zuverlieren/ da er ſie haben koͤnnen. Auch
iſt ſchwer zuverantworten/ daß er ſo wunderſeltzam mit Arnheym tractirt/ vnd ſel-
ben Fuchsbalg vor dz erſte mal gluͤcklich gefuͤhrt/ gantz Boͤhmen wieder zuerobern:
aber vielleicht zum Deckmantel ſein letzte vnd ſehr gefaͤhrliche Tractaten damit zu-
bedecken. Jn der Perſiſchen Monarchy wird ſich finden/ daß der Fuͤrſt Darius,
der Roͤmer Sertorio nicht vngleich/ wegen eines empfangenen Affronts bey Hoff/
ſich in das Gebuͤrg gethan/ vnd von keiner Macht koͤnnen bezwungen werden biß
ein ander Fuͤrſt ſich erbotten/ wo ferꝛn jhm der Koͤnig erlaube/ ein Abfall zuthun/
vnd allen Muthwillen drey Jahr lang im Land zuvben/ wolle er den beſagten Feind
daͤmpffen/ wie er auch gethan hat/ durch einen verꝛaͤhteriſchen Bund mit jhm: wel-
ches aber mit Vorwiſſen der Obern geſchehen: wie im appendice Plutarchi zu-
leſen. Wie kan er aber entſchuldigen/ daß er die groſſe Anzahl ſeiner Voͤlcker
nicht auff die Staͤnde/ wie er wol thun koͤnnen/ ſondern auff die Erblaͤnder gelegt/
den Kayſer ſolcher geſtallt außzuſaugen/ vnd gantz matt zumachen/ auff daß er kei-
nen Widerſtand mehr finde. Warumb verunglimpfft er die wohlverdiente O-
berſten bey dem Kayſer/ daß er jhnen keine Recompens vnd Lehen gebe/ nur damit
er ſie vom Kayſer abwende/ vnnd an ſeiner Gnad/ als an einem Schnuͤrlein leyte/
vnnd nach Belieben fuͤhre? Die jenige/ ſo jhn vmb etwas entſchuldigen wollen/
wenden fuͤr/ daß von anfang her deß Kayſers Waffen vngluͤcklich geweſen/ ſo
lang man von Hoff auß muͤſſen Ordre erwarten/ vnnd alle gute Gelegenheiten
vorbey ſtreichen laſſen. Vnnd was mag die gewaltige Floth wider Engelland
Anno 1588. ruinirt haben/ als der gemeſſene Befehl/ den der General gehabt/ ſei-
nen Zug zurichten? da hiengegen die Schwediſche General nach Befindung ver-
fahren/ aber auch in einem frembden Land/ da ſie das jhrige nicht mit ins Spiel
geſetzt. Die Generalsperſonen moͤgen hie/ an ſtatt der Geſundheit Truͤnck/ ei-
nen ſchoͤnen Diſcurßhoͤren laſſen/ vnd den alten Briſſac oder Lanou von den To-
den erwecken/ den Außſchlag zugeben: doch aber Mardonij nicht zuvergeſſen/ wel-
cher ſich beklagt/ er verſtuͤnde ſein Stuͤck/ vnd hette ſein Schulrecht laͤngſt außge-
ſtanden/ hette Mittel genug an der Hand/ vnnd muͤſte geſtehen/ daß ſeines Herꝛn
vnnd Koͤnigs Xerxis Glück oder Vngluͤck jhm alle wolgefaßte Conſilia Krebs-
gaͤngig machte. Jn deſſen hatt der Kayſer bey dieſem Kriegsweſen viel dapffer
Feldherꝛn eingebuͤßt/ als Tampier/ Bouquoy vnd ſonderlich den Tilly vnd Fried-
laͤnder welche dem Hauß Oeſterꝛeich ſehr nuͤtzliche Dienſt erwieſen/ vnnd zuletzt/
wegen Vnbeſtaͤndigkeit deß Gluͤcks/ in Vngnaden verſtorben/ vnnd dennoch deß
Kayſers Kriegs Verfaſſung vnzerſtoͤrt hinderlaſſen: ob ſchon es etwan
nit geringe Muͤhe gekoſtet/ die Voͤlcker wieder in behoͤ-
rige Diſciplin zubringen/ ſonderlich in
der Schleſien.


Der
[197]Dritter Theil.

Der ſiebenzehende Diſcurß.


Wie es mit dem Kriegs Weſen bewandt: das Haupt Treffen bey Noͤrdlingen
vorgangen: der Frantzoß den Krieg mit allem Ernſt fuͤhrt/ vnnd der Kayſer mit
dem Sachſen den Prager Frieden geſchloſſen. Der Prager Frieden ſelbſt.


NAch dem der Friedlaͤnder auß dem Weg geraumet worden/ vnder-
fing ſich Matthias Gallas/ ein Tyroler/ ſchlechten Herkommens/ auff deß
Kayſers Befehl/ deß Generalats/ biß der Koͤnig in Hungarn den Voͤl-
ckern ſeine Perſon zeigte. Dann weil der Churfuͤrſt in Bayern nur auff ſich
ſelbſt fahe/ vnnd ſein eygen Land bedeckte/ auch in der naͤhe vmb ſich grafete/ ſahe
der Kayſer wol/ daß ein ander Ernſt muͤſte erſcheinen. Der Rheingraff/ vnnd
Horn ſpielten den Meiſter im Elſaß vnnd in Schwaben: ſo hielt Hertzog Bern-
hard das Bayerland angefeſſelt/ wie dann Landgraff Wilhelm neben dem Her-
tzogen von Luͤnenberg in Weſtphalen vnnd Heſſen jhren Dummelplatz/ vnnd ver-
ſpielten manche Schantz-deßgleichen auch in der Schleſien geſchahe/ doch lagen
die Kayſeriſchen vnden/ bey der Lignitz. Vnnd wie Banner ein Aug hatte auff
Franckfurt an der Oder/ alſo buhlete der Churfuͤrſt in Bayern vmb Regenſpurg:
vnd weil Hertzog Bernhard mit Volck nicht zum beſten verſehen war/ beſetzt er den
Orth/ gieng mit Horn in Bayern/ erobert Landshut/ mit groſſem Vorꝛaht/ vnnd
fehlete in feiner gemachten Rechnung/ da der Churfuͤrſt ſie in Bayern laſſen hau-
ſen/ vnnd in deſſen Regenſpurg durch Vbergab einbekommen. Darumb Horn
von jhme nach dem Rhein ſich gezogen/ vnd er ſelbſt das Bayerland quittirt/ nach
dem der Entſatz Regenſpurg zulangſam erſchienen. Aber Banner wiſcht hienein
in Boͤhmen/ vnnd erobert Limburg mit Gewalt. Daß nun Bayern die beſte
Voͤlcker fuͤhren/ vnnd den groͤſten Nutzen von allen denen vergangenen Treffen
darvon tragen/ ja wegen bey Handen habender eygener vnnd Ligiſtiſcher Macht/
endlich dem Hauß Oeſterꝛeich/ vnnd dann dem Kayſer vber den Kopff wachſen
moͤchte/ ſtunde dem Kayſer eben ſo wenig an/ als daß der Friedlaͤnder an mehr
dann Vormundersſtatt herꝛſchen ſolte. Zu dem end wendet er ſein euſſerſtes dar-
an/ ein andere Armee/ nach deme die vorige vnder dem Duc di Feria, an Platz ſie
ſollen/ biß in die Niederlanden durchbrechen/ gantz war ruinirt worden/ ohne etwas
wenigs/ ſo ſich wieder zuruͤck/ vnd dann in Bayern/ eintzelen erꝛettet/ auß Jtalien
kommen zulaſſen/ vnd deren Aſſiſtentz/ im Durchzug ſich beſter maſſen zubedrenen.
Dann ſo ferꝛn die Kayſeriſche Oberſten ſich nicht wollen vnder einiges Haupt auß
jhrem Mittel begeben/ nun aber den Koͤnig in Hungarn ohne einige Widerꝛede
angenommen: welcher darumb deß Sachſen ſo gar viel nicht geachtet/ weil man
B b iijin gu-
[198]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
in guten Friedens Tractaten mit demſelben ſtunde/ ſondern nach Schwaben ge-
rucket/ fuͤrnemlich der Statt Noͤrdlingen ſich bemaͤchtigen/ vnd den Jtalianiſchen
Voͤlckern ſo Ferdinand, Cardinal Infant in Spanien/ laͤngſt geworben/ vnd in die
Niederlande/ als ein newer Gubernator bey ſiebenthalb tauſent zu Fuß/ vnnd an-
derthalb tauſent zu Pferd fuͤhren ſollen/ den Paß zu facilitiren/ vnnd ein Reuter-
dienſt abzufordern.


Wie nun Noͤrdlingen auff das euſſerſte belaͤgert war/ vnnd Huͤlff bey Her-
tzog Bernharden ſuchte/ befand derſelb vnd Horn noch weniger rahtſam/ das gan-
tze Evangeliſche Weſen im Oberland auff die Spitze zuſetzen/ biß etwan Rhein-
graff Ott Ludwig mit ſeinen Voͤlckern heran kaͤme. Als aber Larß Kagg/ ſo in
Regenſpurg gelegen war/ vnd darinnen von Freunden vnnd Feinden groß Lob er-
worben/ mit dem vbergangenen Graff Kratzen/ vnd den Durlachiſchen Bawern
zu Hertzog Bernharden ſtieß/ bracht er jhn bald auff die Seite/ daß man eheſt an-
greiffen ſolt/ ehe ſich die gantze Armee veſt legte vnd vergruͤbe: darwider ſich Horn
ſetzte. Die Schwediſche griffen hertzhafft an/ ſo geſchehen den vier vnnd zwan-
tzigſten Augſt/ newen Calenders/ im Jahr tauſent ſechshundert vnnd dreiſſig vier/
wurden aber vom groben Geſchuͤtz/ das mit Hagel geladen/ erbaͤrmlicher weiß em-
pfangen/ vnd gar in ein Confuſion gebracht/ als eine eroberte Schantz ſie in die Lufft
geſprengt/ vnnd auff jhre vbrige Voͤlcker geworffen: ſonderlich da die Kayſeriſche/
mit den Spaniſchen/ Bayeriſchen vnd Lothringiſchen in ſie fielen/ vnnd alles mit
niedermatzen in die Flucht brachten. Was mit dieſer Schlacht auff einer Sei-
ten gewonnen/ vnd auff der andern verlohren ſey worden/ iſt leichtlich zuerachten.
Dann Noͤrdlingen ergab ſich ohne ferꝛnern Gewalt: der Koͤnig legt ſich in das
Wuͤrtembergerland/ der Bayerfuͤrſt begab ſich nach Francken/ vnd hatte ein Ab-
ſehen auff Augſpurg: der Lothringer verfuͤgt ſich mit den Jtalianiſchen Voͤl-
ckern/ das Elſaß hienunder. Gleich wie nun Hildeßheim drunden dem Ligiſti-
ſchen Gewalt weichen muͤſſen/ alſo gieng Wuͤrtzburg hieoben vber/ ob ſich ſchon
Heydelberg noch hielte: Vberlingen am Bodenſee verſah die Schantz/ wie auch
Philippsburg/ welche Veſtung die Schweden bey zwey Jahr lang belagert ge-
habt/ vnd eben jetzt dem Frantzoſen/ deme ſie Chur Trier zur Verſicherung laͤngſt
wollen einraumen/ vnnd bey ſo geſtallten Sachen angetragen vnnd abgetretten:
ſintemal Caſpar Bamberger/ der ſie zuvor auß hoͤchſtem Mangel den Schweden
auffgeben muͤſſen/ bey Naͤchtlicherweil dieſelbe vber das Eyß erſtiegen/ vnnd mit
groſſem Schatz wieder erobert hatte.


Dieſes nahm der Frantzoß auff zu ſeiner hoͤchſten Schmach/ ließ Kriegs-
rath halten/ Geſandten nach Teutſchland/ Conſtantinopel/ Groß Britannien/
Niederland/ Venedig/ Rom vnd Dreßden gehen. Dann jhme wol wiſſend/ daß
der Hertzog auß Lothringen/ mit Huͤlff der Spaniſchen vnnd Kayſeriſchen ſein
Land wider ſuchen/ vnd Franckreich auß Raach anfallen wuͤrde. Zumahl ohn-
laͤngſt der Kayſer etliche Regimenter nach Metterich/ vnnd deren Enden an die
Maaſe
[199]Dritter Theil.
Maaſe gelegt/ auch dem Friedlaͤnder das Generalat vber den Frantzoͤſiſchen Krieg
aubefohlen gehabt. Die Beſtůrtzung bey Hoff war nicht gering/ weil zubefah-
ren/ daß Metz/ Thul vnnd Verdun/ mit gantz Lothringen wieder verlohren gienge/
vnd die teutſche Voͤlcker biß nach Pariß ſtreiffen wuͤrden. So war auch die Be-
reytſchafft nicht bey der Hand/ eine groſſe Macht ferꝛn an den Rhein zuſtellen.
Doch repræſentirt Oxenſtirna/ der von der Verſamblung zu Franckfurt/ ſich
nach Franckreich erhaben/ deß Koͤnigs Obligation wegen deß ernewerten Bun-
des: deſſelben groͤſtes Jntereſſe bey Beſchirmung deß Churfuͤrſten zu Trier: vnd
der vnvmbgaͤnglichen Gefahr/ ſo Franckreich auff dieſer Seiten vor der Thuͤr le-
ge. Darzu noch eben ein anders kom̃en/ dz die Spanier auß Kayſerlicher Ordre/
die Statt Trier durch Corꝛeſpondentz erobert/ vnnd den am Podagra liegenden
Churfuͤrſten gefaͤnglich angenom̃en/ nach Bruͤſſel gefuͤhrt/ vnd endlich dem Kay-
ſer nach Wien vberlieffert/ wo er biß in das 10. Jahr im Arꝛeſt geſeſſen. Hie gien-
gen dem Frantzoſen die Augen auff/ daß er auß dem Schlaff erwachet/ weil er ver-
ſpuͤhrt/ was groſſen Vortheil das Hauß Oeſterꝛeich an dem Paß durch das
Schwertzergebuͤrg hette: hie wurd der Krieg/ welches die Hollaͤnder ſo lange Zeit
geſuchet/ vnnd bißdahin nimmer erlangen koͤnnen/ von eygener Verꝛeytzung wi-
er Spanien außgeblaſen vnd angekuͤndet/ das Veltlin gaͤlingen vberfallen/ vnnd
alle Vorſorg zu Werck gerichtet/ daß nicht gantz Teutſchland dem Kayſer zufiele.
Zumahl Augſpurg vnnd Vlm/ Mayntz vnd Hanaw/ Luͤnenburg vnnd Sachſen/
weniger Heſſen vnnd etliche Orth in der Wetteraw/ dieſen Strom nicht wuͤrden
auffhalten koͤnnen.


Hiengegen pflegte man eyfferiger Friedenstractaten zwiſchen Oeſterꝛeich
vnnd Chur Sachſen: da dann jener Seit zubedencken ſtunde/ wie man die verbit-
terte Proteſtirende Staͤnde vmb etwas beguͤnſtigen/ vnnd von den Schweden ab-
ziehen: auch dem Spanier mit Huͤlff erſcheinen moͤchte: dieſer Seit aber/ wie
man nicht alle Gnad vnnd Hoffnung bey dem Hauß Oeſterꝛeich verſchertzte/ vnnd
doch das Evangeliſche Weſen wieder auffrichtete/ der frembden Gaͤſte auch wie-
derloß wuͤrde. Darumb wurd ein Fried erſtlich zu Pirna abgehandelt/ vnd ver-
zeichnet/ darnach zu Prag geſchloſſen/ mit dieſen Worten.


Kund vnd zuwiſſen ſey hiemit jedermaͤnniglichen/ nach dem die Roͤm Kay.
auch zu Hungarn vnd Boͤhmen Koͤn. May. ꝛc. vnſer aller gnaͤdigſter Herꝛ/ als O-
berhaupt/ gantz eyfferig dahin getrachtet/ vnd die Churfuͤrſtliche Durchleuchten zu
Sachſen/ ꝛc. als eine vornehme Seul deß H. Roͤm. Reich/ dazu trewlich cooperi-
ret/ wie/ vnnd auff was maſſe doch ein Chriſtlicher/ allgemeiner/ ehrbarer/ billicher
vnd ſicherer Friede in dem H. Roͤm. Reich wieder auffgerichtet/ vnd daſſelbe/ nach
ſo vielen lang gewehrten Kriegen/ vnd daruͤber außgeſtandenem Elend/ Noth/
vnnd Zerſtoͤrung/ erquicket/ der Blutſtuͤrtzung einſten ein End gemacht/ vnnd das
geliebte Vatterland der Hochedlen Teutſchen Nation vom endlichen Vnder-
gang erꝛettet werden moͤchte. Daß ſie darauff/ vnnd zu ſolchem heylſamen gemein
nutzi-
[200]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
nutzigem Ende/ weil man bey dieſem leydigen Vnweſen/ vnd ſonderlich wegen de-
ro auffs Reichsboden/ ſich noch befindenen außlaͤndiſchen Nationen vnd Kriegs-
partheyen/ zu keiner allgemeinen Reichs/ oder andern gemeinen Verſamblungen
ſicherlich gelangen koͤnnen/ beyderſeits dero Raͤhte vnd Gevollmaͤchtigte/ anfaͤng-
lich naher Leutmaritz/ von dannen naher Pirna/ vnnd endlich auff Prag geſchickt/
vnd ſich dem Reich zu Nutz vnd Ehren/ der teutſchen Nation/ vnd beyderſeyts re-
ſpectiuè
Koͤnigreichen/ Churfuͤrſtenthumb/ Landen vnnd Leuthen zu Troſt vnnd
Rettung/ vnnd dem gemeinen Weſen zum Beſten/ nachfolgenden gemeinen
Friedenſchluß verglichen vnd vertragen haben.


Anfaͤnglich bleibt es/ wegen der Mediat Stiffter/ Kloͤſter vnd andern Geiſt-
lichen Gütern/ vnd deren ſamptlichen Zubehoͤrungen/ welche der Augſpurgiſchen
Confeſſion Verwanden Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnde deß H. Roͤm. Reichs Vor-
fahren noch vor dem auffgerichteten Paſſawiſchen Vertrag oder Religionfrieden
eingezogen/ vnnd innen gehabt/ bey dem klaren Buchſtaben vnd Verordnung deß
angeregten hochbeteurten Religionfriedens allerdings vnd durchauß. Was a-
ber anlangen thut die immediat Stifft vnd Geiſtliche Güter/ ſo vor dem Paſſa-
wiſchen Vertrag oder Religionfrieden eingezogen worden/ ſo wol auch die jenige
Stifft vnnd Geiſtliche Guͤter/ welche nach gedachtem Paſſawiſchen Vertrag oder
Religionfrieden in der Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandten Gewalt kom-
men/ die ſeyn gleich mediat oder jmmediat (darunder dann auch die freyen Welt-
liche Stifft/ ſo dann die Meiſterthumb vnnd Commantureyen der Ritterlichen
hohen Orden mit begriffen) iſt es endlich dahin verhandelt/ daß dieſelben jetztbe-
melten Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnden/ ſo viel ſie deren Anno 1627. den 12. Nov.
Styl. Nov. jnnen gehabt/ beſeſſen vnd gebraucht/ nichts außgeſchloſſen/ wie es auch
genannt werden moͤchte/ ohne einigen An- vnnd Zuſpruch/ vnder was Prætext/
Schein oder Vorwenden auch ſolches geſchehen koͤndte oder moͤchte/ auff viertzig
Jahr/ von dato dieſer beſchloſſenen Vergleichung anzurechnen/ geruhlich verblei-
ben/ auch was einem vnnd anderem eine Zeit hero daran eingezogen/ vnnd ſie ent-
ſetzt/ voͤllich vnd plenariè, jedoch ohne Erſtattung einiger Nutzung/ Schaden oder
Vnkoſten/ die ein Theil an den andern prætendiren wolte/ reſtituirt wer-
den.


Vnd weil am 12. Nov. ſt. n. Anno 1627. etliche Biſtumb vnd Geiſtliche Guͤ-
ter/ ſo nach Außweiſung dieſes Friedenſchluſſes/ den Augſpurgiſchen Confeſ-
ſions Verwandten auff obbemelte viertzig Jahr bleiben ſollen/ mit Einquartie-
rung vnnd Kriegs Volck beleget/ oder wider derſelbigen jnnhabere Reſcript/ Be-
fehl vnnd Verordnung ergangen ſeyn moͤgen. Damit nun vber kurtz oder lang
kein Zweiffel entſtehe/ ob durch ſolche Einquartirungen vnd dergleichen Militari-
ſche Ordinantzen/ als auch Reſcript vnd Befelch/ der Jnnhabere Poſſeß geaͤndert/
oder dermaſſen geſchwaͤcht zu ſeyn erachtet werden koͤnde/ daß dieſelbe Stifft vn-
der deß vorhergehenden Paragraphi Diſpoſition nicht mehr gehoͤrig weren: als
hat
[201]Dritter Theil.
hat man ſich dahin verglichen/ daß vorbeſagte Kriegs Einquartierung/ vnnd der-
gleichen Militariſche Ordinantzen/ auch Reſcript/ Verordnung vnd Befelch/ ſo
in bemeldten Stifften ergangen/ keines wegs zu Nachtheil/ weniger zu Auffhe-
bung der Jnnhabung/ welche in offtbeſagten Stifftern vnnd andern Geiſtlichen
Guͤtern der Augſpurgiſchen Confeſſion zugethane Staͤnde/ Vermoͤg erlangten
Poſtulationen/ oder Electionen/ noch am 12. Nov. ſt. n. An. 1627. gehabt/ gemeynt
ſeyn: ſondern vnerachtet alles deſſen/ die jenige vor Jnhaber zuhalten/ vnnd der
Diſpoſition deß nechſt vorhergehenden Paragraphi zugenieſſen haben ſollen/ in
deren Namen noch an beſagtem 12. Nov. ſt. n. Anno 1627. die Regierung deſſelben
Biſtumbs/ Stiffts/ Kloſters/ oder andern Geiſtlichen Guts/ wuͤrcklich geführet
worden.


Jedoch nehmen J. Kayſ. May. hiervon expreßè auß/ die jenige Stifft/ Kloͤ-
ſter/ Kirchen/ vnd andere Geiſtliche Guͤter/ welche den Catholiſchen auff die/ von
beyden Theilen judicialiter eingebrachte Acta, vnnd vtrimq; beſchehene Submiſ-
ſion (dahin auch vndern andern der ſamptlichen Herꝛn Churfuͤrſten Anno 1627.
zu Muͤlhauſen eroͤffnetes Bedencken gehet) in einem vñ anderem Particularfall/
durch gerichtlich publicirt Vrtheil/ an jhrem Kayſerlichen Hoff oder Kammer-
gericht zu Speyer/ vor oder nach dem 12. Nov. ſt. n. Anno 1627. zuerkant/ vnnd et-
wan vmb dieſelbe Zeit noch nicht zur Execution gebracht. Dann ſolche ſollen noch-
mahls der Stand Rechtens vnderworffen bleiben/ vnnd der Execution halben er-
gehen/ was ſich nach Außweiſſung deß Religion- vnnd Landfriedens wird ge-
buͤhren.


Es ſoll aber bey den jenigen Stifften vnnd Geiſtlichen Guͤtern/ von welchen
obiger §. Was aber anlangen thut/ ꝛc. diſponirt/ zeit wehrender verwilligter vier-
zig Jahren/ in Geiſt- vnd Weltlichen Sachen/ in dem Stand/ wie es den 12. Nov.
ſt. n. Anno 1627. geweſen/ allerdings verbleiben/ auch/ die Religion betreffend/
beym Exercitio der Catholiſchen Religion/ Jtem den Menſibus papalibus, prima-
rijs precibus,
Canonicaten/ Præbenden vnnd Beneficien/ an denen Orthen/ wo
angeregte Catholiſche Religion/ vnnd was jetzo vorgehend mehr gemeldet/ am 12.
Nov. ſt. n. Anno 1627. noch in Vbung geweſen/ darbey gelaſſen/ ins kuͤnfftig auch
noch weiter obſervirt: deßgleichen die Kloͤſter vnd Religioſen/ ſo dieſelbe Zeit von
den Catholiſchen verſehen worden/ auch hinfuͤro jhnen vnperturbirt gelaſſen: da
einige Enderung darſieder darmit gemacht/ ſolche wieder obgethan/ vnnd alles in
den Stand/ wie es Anno 1627. den 12. Nov. ſt. n. geweſen/ wieder geſetzt/ vnd fuͤr die
Catholiſche erhalten/ auch wann etwa in denſelben Kloͤſtern ein Catholiſcher ab-
ſtuͤrbe/ ein ander an deſſen Stelle genommen/ vnnd wider dieſes alles die Catholi-
ſche keines wegs gravirt/ auch kein Eintrag vnder einigem Prætext/ Schein oder
Vorwenden dargegen geſtattet/ oder einiges darwider lauffen des Statutum, Iura-
mentum,
oder Capitulation guͤltig ſeyn/ gut geheiſſen oder allegirt werden. Jn
Dritter Theil. C cſpecie
[202]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſpecie ſollen die obgemeldte Stifft vnnd Dom Capitel dieſe viertzig Jahr vber bey
jhrem Stand/ Weſen/ Rechten vnd Gerechtigkeiten/ jnſonderheit in caſu vacantię
bey jhren Electionen vnd Poſtulationen vnverhinderlich gelaſſen/ dieſelbige Ele-
ctionen vnnd Poſtulationen auch/ die weren nun ſeithero deß 12. Nov. ſt. n. Anno
1627. auff Catholiſche oder Augſpurgiſche Confeſſions Verwante vorgegangen/
oder moͤchten ins kuͤnfftig/ ſo lang die bewilligte viertzig Jahr wehren/ entweder
auff Catholiſche oder Augſpurgiſcher Confeſſions Verwanten fallen/ nicht ange-
fochten werden/ vnnd es ohn einiges Diſputat/ ob der Electus oder Poſtulatus der
Catholiſchen Religion oder Augſpurgiſchen Confeſſion zugethan/ dieſe vierzig
Jahr vber ſein verbleiben darbey haben. Jedoch aber in ſolchen Stifften/ es ſey
gleich bey Lebzeiten deß Jnnhabers/ oder ſede vocante die Election oder Poſtula-
tion geſchehen/ oder falle noch kuͤnfftig auff einen Catholiſchen oder Augſpurgi-
ſchen Confeſſions Verwanten/ vigore hujus pacti publici, bey den jenigem Reli-
gionsſtande/ ſo wol die Catholiſche Religion/ in gleichem die Menſes Papales, pre-
ces primarias,
Canonicaten/ Præbenden vnd Beneficien/ Kloͤſter vnnd Religio-
ſen/ als die Augſpurgiſche Confeſſion betreffende/ allerdings vngeaͤndert gelaſſen
werden/ wie es ſich im ſelbigen Stifft noch am 12. Nov. ſtyl. nouo. Anno 1627. be-
funden.


Anlangend die Seſſiones vnnd Vota bey den Reichs- vnd Deputation-
auch Kammergerichtlichen Viſitation- vnnd Reviſion Taͤgen/ deren ſich ſonſten
die Augſpurgiſche Confeſſions Verwandte Staͤnde/ wegen der in jhrer Jnnha-
bung begriffenen/ oder Krafft dieſes Friedenſchluſſes wieder dahin gelangenden
Jmmediat Stiffte/ hetten gebrauchen wollen/ iſt es darbey verblieben/ daß dieſel-
be Seſſiones vnd Vota die benannte viertzig Jahr vber beyſeits geſtellt/ vnd dieſel-
ben Conventus vnd Verꝛichtungen/ nichts deſto weniger von der Kay. May. vnd
andern darzu gehoͤrigen Reichs Staͤnden/ reſpectivè außgeſchrieben/ fortgeſtellt/
vnd verꝛichtet werden ſollen. Jn den Krayſen aber/ wo die Augſpurgiſche Con-
feſſions-Verwande Staͤnde/ als Jnnhaber eines oder mehrer Jmmediat Stiffter/
Seſſiones vnd Vota hergebracht/ ſollen ſie jhnen/ wie vor dieſem/ alſo auch kuͤnfftig/
die verglichene viertzig Jahr vber/ gelaſſen werden. Damit auch nach Verflieſ-
ſung der ſo offt angezogenen vierzig Jahren/ die liebe Poſteritaͤt/ vmb all ſolcher
ſo lang vnd ferꝛn hinauß geſtellter Strittigkeiten willen/ nicht abermals in Vn-
rnh vnd Weiterung gerahte/ ſondern viel mehr gute Lieb vnnd Einigkeit erhalten
werde: So ſolle noch vor Außgang der bewilligten vierzig jaͤhrigen Zeit/ durch
Zuſammenſetzung Friedliebender Staͤnde/ von beyderley Religion/ in gleicher
Anzahl/ oder dero hierzu bevollmaͤchtigten Raͤhte/ Bottſchafften vnd Abgeſand-
ten/ alle euſſerſte Bemuͤhung/ Sorg vnnd Fleiß dahin angewendet werden/ ob die
Sache/ angeregter Geiſtlicher Guͤter halben/ mit beyder Theil Belieben/ auff ein-
mal koͤnd zu Grund verglichen werden. Damit aber dieſelbe Vergleichung nit
gar zulang/ vnd faſt biß auff die letzte Zeit geſparet werde: So ſolle ſie auffs laͤngſt
jnner-
[203]Dritter Theil.
jnnerhalb den nechſten zehen Jahren von dato vorgenommen/ vnnd ſo viel als
Menſch- vnnd muͤglichen iſt/ zu Ende gebracht werden: Jedoch gantz vnverkuͤrtzt
vnnd vngeringert/ deren vber ſolche zehen Jahr/ an denen bewilligten zehen Jah-
ren/ als dann noch reſtirender Zeit/ wuͤrde aber ſolches nicht erfolgen/ ſo ſoll nach
Außgang der bemelten viertzig Jahren/ jeder Theil in den jenigen Rechten ſtehen/
welches er den 12. Nov. ſt. n. Anno 1627. gehabt hat/ ſich deſſelbigen/ ſo gut oder
ſchwach es damahls geweſen/ guͤtlich oder rechtlich zugebrauchen. Vnnd ſoll
deßwegen kein Theil wider den andern/ vnerkanuts ordentlichen Rechtens/ zu
den Waffen greiffen/ die Roͤm. Kay. Mayſt. auch ſolches andern zuthun/ nicht ge-
ſtatten/ weniger fuͤr ſich die Staͤnde darmit beſchweren.


Vnd behalten Jh. Kay. May. fuͤr ſich/ vnd dero Nachkommende am Reich/
als Oberhaupt/ Jhr/ auff den ſall der nicht Vergleichnung/ oder weitere Strittig-
keiten/ die gebuͤhrende Hoheit vnnd Juriſdiction/ vnnd die ſtrittige Faͤlle zwiſchen
denen Partheyen/ ſo wol an dero Kayſerlichen Hoff (doch mit Zuziehen etlicher
Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnde deß Reichs Raͤhte/ von gleicher Anzahl/ beeder/ der
Catholiſchen Religion/ vnnd Augſpurgiſcher Confeſſton zugethan/ welche jhrer
Pflicht/ damit ſie jhren Herꝛn ſonſt verwand/ zu dieſem Actu zu vor her erlaſſen/
vnd in dieſen Sachen in beſondere Eydspflicht zur Juſtitz/ darinnen ohne einiges
Anſehen der Perſon/ vnnd welcher Religion eine oder andere Parthey zugethan/
dem Religionfrieden vnd Reichs Conſtitutionen gemaͤß/ zuverfahren/ genommen
werden ſollen) als an dero Kayſerlichen Kammergericht/ allenthalben nach vor
hergehender genugſamer Verhoͤr/ vnnd vermittelſt ordentlicher Proceß/ in jeder
Sach abſonderlichen zueroͤrtern/ wie auch die Manutention deß Religion vnnd
Prophanfriedens tragenden Kayſerlichen hohen Amptswegen/ vnnd nach Auß-
weiſung der Reichs Abſchieden/ vnnd Kayſerlichen Wahl Capitulation zuex erci-
ren billich bevor: denen Catholiſchen ſoll weiter nichts von jhren Ertzſtifft/ Kloͤ-
ſtern vnd andern Geiſtlichen Guͤtern/ die ſie noch am 12. Nov. ſt. n. Anno 1627. jn-
nen gehabt/ oder auch/ vermoͤg dieſes Friedenſchlußes/ wiederbekommen ſollen/
demſelbigen zugegen im wenigſten en: zogen/ ſondern da jhnen etwas weiter ge-
nommen/ oder abgeſtrickt wuͤrde/ ſollen ſie deſſen alsbald vnverzuͤglich reſtituire
werden. Da ſie auch ſonſten wider den Religion- vnnd Prophan- oder auch die-
ſen Frieden in etwas beſchweret wuͤrden/ ſollen ſie befugt ſeyn/ deßwegen jhre Ma-
jeſtaͤt an dero Kayſerlichen Hoff/ oder bey dem Kayſerlichen Kammergericht an-
zulangen: die ſollen dann/ nach Außweiſung deß Religion- vnnd Prophan oder
auch dieſes Friedens/ vnd anderer Reichs Conſtitutionen vnnd Ordnungen/ die
heilige Juſtitz adminiſtirirn. Ebenmaͤſſig ſoll es auch gehalten werden mit den
Augſpurgiſchen Confeſſions Verwandten/ daß nemblich jhrer keiner wider den
Religion- vnd Prophanfrieden/ noch auch wider dieſen Frieden/ oder wider andere
Reichs Conſtitutiones vnnd Ordnungen im wenigſten gravirt/ oder jhnen von
Cc ijdenen
[204]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
denen Stifft vnnd Geiſtlichen Gütern/ ſo ſie vormahls gehabt/ vnnd jhnen/ nach
Außweiſung dieſes Friedenſchluſſes/ bleiben ſollen/ etwas entzogen werde.


Das Ertz Stifft Magdeburg betreffend/ iſt es vmb deß lieben Friedens wil-
len dahin gelanget/ daß Churf. D. zu Sachſen freundlicher geliebter Sohn/ Her-
tzogs Anguſti zu Sachſen/ Guͤlch/ Cleve vnnd Berg/ Fuͤrſtliche Gnaden daſſelbige
auff jhre vbrige Lebtage jnnen haben vnnd genieſſen moͤgen. Vnnd ſollen ſeine
F. G. darinnen nicht perturbirt noch gehindert werden. Was die Seſſion vnnd
Votum wegen dieſes Ertzſtiffts auffs Reichs Deputation- vnd Kammergericht-
lichen Viſitation vnd Reviſiontaͤgen anlanget/ ſoll es darmit allerdings/ wie o-
ben wegen anderer/ von denen der Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandten
Staͤnden jnhabenden hohen Stifften geordnet vnd verglichen/ auch wegen dieſes
Ertzſtiffts gehalten werden/ vnnd die Reichs-Deputations- vnnd Kammerge-
richtliche Viſitation vnd Reviſionstaͤge/ ohnbehindert deß Magdeburgiſchen diß-
falls beyſeit geſtellten Voti/ von nun an wieder fortgehen/ vnnd weiter nicht auff-
gehalten/ noch geſperꝛet ſeyn. Jn dem Nieder Saͤchſiſchen Kraiß aber behal-
ten J. F. G. vnd das Ertzſtifft/ wegen der Direction/ Voti vnd Seſſion das jenige
wie es hergebracht. Es ſoll auch das Ertzſtifft Magdeburg/ die offtberuͤhrte vier-
tzig Jahr vber/ in Geiſt- vnd Weltlichen Sachen/ auch die Catholiſche Religion/
menſespapales, preces primarias, Canonicaten/ Præbenden vnnd Beneficien/
Kloͤſter vnd Religioſen/ ſo wol die Augſpurgiſche Confeſſion/ vnd in caſu vacan-
tiæ
die Wahl vnd Poſtulation betreffende/ allerdings/ wie bey den Biſtumben vnd
Stifften/ ſo von Zeit dieſer geſchloſſenen Handlung an/ denen Augſpurgiſchen
Confeſſions Verwandten auff viertzig Jahr verbleiben/ ins gemein verglichen
worden/ vnveraͤnderlich gehalten werden.


Wegen der vier reſpectivè Herꝛſchafften vnnd Aempter/ Querfurt/ Guͤtter-
bock/ Dama vnd Borck iſt es vmb deß lieben Friedens willen auch dahin gelangt/
daß der Herꝛ Churfuͤrſt ſolche zu ſeiner beſſern Contentirung vnnd Beruhigung
einnehmen/ vnd vom Ertz Stifft Magdeburg zu Lehen recognoſciren/ auch ſo lang
behalten vnd genieſſen moͤchte/ biß ſie mit ſeiner Churf D. Belieben vnd Willen/
peræquipollens wider außgewechſelt wuͤrden: Jedoch vom Reich vnnd Nieder-
Saͤchſiſchen Krayß an den Reichs- vnnd Krayßſtewren/ vnnd andern gemeinen
Anlagen vnabbruͤchtg. Dann ſolche Jhre Churf. D. proportionabiliter zutra-
gen ſchuldig/ wie auch deßwegen ſeiner Churf. D. von dem Dom Capitel vnnd
Landſchafft eine Schrifftliche Einwilligung zuertheilen/ vnnd von ſeiner Churf.
D. mit eheſtem wuͤrcklich zuerheben. Vnnd ſollen ſeine Churf. D. ermelter
Aempter halben nicht angefochten werden. Vber diß auff gnaͤdigſte Erinne-
rung allerhoͤchſt gedachter Jh. Kayſ. Mayſt. damit deß Herꝛn Marggraffen Chri-
ſtian Wilhelms zu Brandenburg F. G. zu dero beſſerem Vnderhalt/ ein gewiſſes
an Gelt/ auff jhr Lebenlang/ auß dem Ertz Stifft Magdeburg Jaͤhrlich gereicht
werden moͤchte/ mit S. Churf. D. wegen dero Herꝛn Sohns/ Hertzogen Auguſti
F. G.
[205]Dritter Theil.
F. G. abgeredt vnd verglichen worden/ daß ſeiner/ deß H. Marggraffen F. G. auff
jhr Lebenlaug (vnd laͤnger nicht) Jaͤhrlich zwoͤlff tauſent Reichsthaler in ſpecie/ je-
des Jahrs auff zween Termin/ halb auff Oſtern/ vnd halb auff Michaelis zu Leip-
zig/ in den Meſſen daſelbſt/ vnnd zwar mit dem erſten Termin/ nach Verflieſſung
eines halben Jahrs friſt/ von Zeit erlangter Poſſeſſion zurechnen/ anzufahen/ an
ſeiner deß Herꝛn Marggraffen F. G. Leuthe/ ſo deßwegen gevollmaͤchtiget/ vnnd
bey der Ertzbiſchofflichen Magdeburgiſchen Renntkammer ſich angeben wuͤrden/
auß deß Ertz Stiffts Renten vnd Gefaͤllen (welche dann/ ſo viel davon fuͤr Her-
tzogs Auguſti F. G. gehoͤren/ hiemit wuͤrcklich verpfaͤndet ſeyn ſollen) gewiß vnnd
ohnfehlbar gegen Quittung ſollen gereicht vnnd erlegt werden. Jedoch ſtehet
hochgedachten Hertzogs Auguſti F. G. bevor/ wegen all ſolcher Summen/ der
Jaͤhrlichen zwoͤlfftan ent Reichsthaler/ mit Zuziehung deß Dom Capitels vnnd
der Landſchafft/ dem Herkommen gemaͤß/ eine Anlage im Ertz Stifft zumachen/
damit vermittelſt derſelben Collect/ der Ertz Biſchofflichen Rentkammer voͤllig
erſetzt werde/ was dieſelbe zu hochgedachtes Herꝛn Marggraffen F. G. Jaͤhrlichen
Deputat anwenden muͤſſen.


Was den Augſpurgiſchen Confeſſions Verwanten alſo/ wie vorgeſetzt/ be-
williget worden/ da haben J. Kay. Mayſt. außtruͤcklichen bedingt/ daß es nicht ſoll
dahin verſtanden werden/ als ob dadurch der Luͤbeckiſche Friedenſchluß de Anno
1629. wie ſolcher zwiſchen Jh. Kay. Mayſt. vnd der Koͤn. Wuͤrde zu Dennmarck/
Nordwegen ꝛc. auffgerichtet worden/ in einigem Paß ſolte auffgehoben vnnd ge-
aͤndert ſeyn. Wie dann Jh. Kayſ. May geliebten Herꝛn Sohn/ Ertzhertzog Leo-
pold Wilhelms Hochf. D. neben andern auch das Biſtumb Halberſtatt/ nach Jn-
balt jhrer Poſtulation vnd Capitulation gelaſſen/ vnd es im Ertz Stifft Bremen
mit der Catholiſchen Religion vnd Augſpurgiſchen Conſeſſion/ vnd deren freyen
Vbung/ in dem Stand/ dieſe viertzig Jahr vber erhalten werden ſoll/ wie es den
12. Nov. ſt. n. Anno 1627. darinnen geweſen/ vnnd oben von andern Stifftern in
ſpecie dem Ertz Stifft Magdeburg verglichen worden.


Die von der freyen Reichs Ritterſchafft/ ſollen bey dem Exercitio Augſpur-
giſcher Confeſſion/ wie es der Religionfried mit ſich bringet/ ruhig gelaſſen/ vnnd
jhnen daruͤber gantz kein Eintrag gethan/ ſondern daferꝛn etwan einiger beſche-
hen wer/ ſie darwieder reſtituirt werden. Jn den Reichsſtaͤtten ſoll es mit de-
nen/ mit welchen allbereit in dieſem Krieg Jh. Kay. May. in particulari accordiren
laſſen/ bey denſelbigen Accorden bleiben: mit allen andern Reichs Staͤtten aber/
bey dem Religionsfried durch vnd durch gelaſſen/ wegen der Statt Donawerth iſt
dieſes abgeredt/ wann zuvor der Churf. D. in Bayern/ der auffgewandte Kriegs-
Vnkoſten wieder erſtattet/ daß alsdann an bemelter Statt Reſtitution kein Man-
gel ſeyn/ auch von dieſer Sache ferꝛner Vnderꝛedung/ etwa hiernechſt bey Reichs
Zuſammen kunfften zupflegen/ J. K. M. vñ hoͤchſtgedachte Churf. D. in Bayern/
ſich vielleicht nicht wuͤrden zuwider ſeyn laſſen.


C c iijWas
[206]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Was der Roͤm. Kay. May. Erb Koͤnigreich Boͤhmen/ vnd andere dero Oe-
ſterꝛeichiſche Erblaͤnder betrifft/ haben bey allerhoͤchſt gedachter Kay. May. S. C.
D. zu Sachſen/ zum aller inſtaͤndigſten/ hoͤchſt vnnd fleiſſigſten angehalten/ damit
gedachtes freye Exercitium der vngeaͤnderten Augſpurgiſchen Confeſſion/ an
Orth vnnd Enden/ wo es Anno 1612. ſich befunden/ gleicher geſtallt hienfüro frey/
vnd vngehindert zu- vnd nachgelaſſen werden moͤge/ auch ſolches mit Anfuͤhrung
vieler vnderſchiedlichen motiuen, eyferig vrgiret/ vnnd davon in keinerley wege
weichen wollen: Allein Jh. Kay. Mayſt. wie offt vnnd vielfaltig auch darumb An-
ſuchung gethan worden/ iſt hierzu gar nicht zubewegen geweſen/ ſondern haben
vielmehr hierentgegen allerhand Bedencken/ vnd neben andern mehrernauch die-
ſes erinnern laſſen/ daß man Jh. Kay. May. weil der Augſpurgiſchen Confeſſions
Verwandten Staͤnd eygener gemachter Regel/ vielfaltigem ſuchen vnnd begeh-
ren nach/ die Religion vñ deren Einfuͤhrung der Landsfuͤrſtlichen Hoheit anhaͤn-
gig ſeyn ſolte/ ein ſolches auch nicht zuent ziehen willens ſeyn/ vnnd deroſelben an-
muthen wuͤrde: dann was einem Stand im Reich recht/ das muͤſte ja dem an-
dern/ zumal Jh. Kayſ. May. ſelbſt/ nicht vnrecht/ noch verbotten ſeyn. Welches
dann/ daß Jh. Kay. Mayſt nicht darein willigen S. C. D. ohngern vernommen/
vnnd anderſt gewuͤnſchet: weil aber Jh. Kayſ. May darbey ſo veſt beſtanden/ als
iſts dabey allerdings geblieben/ vnnd haben Jh. Kay. May. ſich wegen Schleſien
abſonderlich reſolvirt: wegen der Laußnitz aber mit J. C. D. einen ſonderbahren
Vertrag auffgerichtet: mit dem es ſeln bewenben hat.


Nach dem auch von J. C. D. zu Sachſen geſucht vnnd begehret worden/ daß
mehrere Gleichheit der Religion am Kayſ. Kammergericht introduciret/ vnnd
nach dem jetzigen Catholiſchen Kammer Richter/ ein Augſpurgiſcher Confeſſions
Verwandter/ vnnd nach Abgang deſſelben/ wieder ein Catholiſcher: vnd alſo fort-
an per vices geordnet/ vier Præſidenten/ darunder zween Catholiſch/ vnnd zween
Augſpurgiſche Confeſſions Verwandte/ beſtellet/ vnnd die Anzahl der Augſpurge-
ſchen Confeſſions Verwandten Aſſeſſorum, dem Numero der Catholiſchen Bey-
ſitzer gantz gleich gemacht werden moͤchte/ dergeſtallt/ daß von nun an die Roͤm.
Kay. May. auch alle Churfuͤrſten vnd Kreyſe/ welche jetzo oder kuͤnfftig zupræſenti-
ren haben/ eytel der Augſpurgiſchen Confeſſion Verwandtepræſentiren/ ſo lang
vnnd viel biß die Aſſeſſores beyder Religionen in numero pares ſeyn. So offe
dann kuͤnfftig ein Aſſeſſor abgienge/ das Kammergericht die Roͤm. Kay. May o-
der den jenigen Churfuͤrſten oder Kreyſe/ an welchem ſelbigen mahls die Præſen-
tation were/ berichten ſolten/ von was vor Religion/ zu Erhaltung einer gleichen
Anzahl/ die præſentandi ſeyn muͤſten. Alſo iſt dieſer Articul/ biß zu einer ehiſten
Zuſammenkunfft der Staͤnde deß Reichs beeder Religions Verwandten/ auß-
geſetzet worden. So bald man aber wird zuſammen kommen/ ſoll ſolcher an-
derweit vorgenommen/ in mittelſt aber vnnd biß derſelbige entlediget/ es bey vori-
ger gemeiner Kammergerichts Ordnung ohne Enderung gelaſſen/ vnnd die liebe
Juſtitz
[207]Dritter Theil.
Juſtitz ohne Anſtand adminiſtrirt/ auch mit Vnderhaltung deß Kammergerichts/
vnd deſſen Bezahlung/ vorige Ordnung in acht genommen werden.


Die bißhero geſteckte Ordinari Viſitationes vnd Reviſiones deß Kammer-
gerichts ſollen nunmehr wieder angehen vnnd befoͤrdert werden. Weil aber/ mit
groſſem Schaden deß Reichs/ ſolche vber dreyſſig Jahr lang angeſtanden vnd er-
liegen blieben/ dahero nicht nur in gemeinen Gebrechen deß Kammergerichs/ ſon-
dern auch in etlich tauſent hoch beſchwerlich zuſammen auffgewachſenen Revi-
ſionsſachen/ fuͤr den erſten Anfang viel zuthun ſeyn wird/ als iſt verglichen/ daß ei-
ne extraordinari Viſitation wie in Anno 1600. geſchehen/ vermittelſt eines De-
putationstages angeſtellet/ vnd von der Roͤm. Kay. May. auch ſchickender Chur-
Fürſten vnd Staͤnde Geſanten/ alle Jmperfection erkundigt/ von deren Remedi-
rung gerahtſchlaget/ ein modus, wie den auffgehaufften Reviſionſachen ſchleunig
vnd recht abzuhelffen/ erſonnen/ auff dem nechſten Reichstag der Roͤm. Kay. Ma.
vnd ſaͤmptlichen Reichs Staͤnden referirt/ ein gemeiner Schluß daruͤber gefaßt/
nichts deſto weniger aber inmittelſt mit den Jaͤhrlichen Ordinari Viſitationẽ/ da-
mit keine weitere vnd newe’ Jmperfection vnnd Hauffung vorgehe/ trewlich vnnd
ſteiſſig verfahren werden.


Den Kayſerlichen Reichs Hoffraht betreffend/ haben wegen J. Kay. May.
dero Geſandten ſich nochmalen erklaͤret/ daß bey erſter Reichs Verſamblung die
verfaßte Reichs Hoffrahts Jnſtruction den geſampten Herꝛn Churfuͤrſten/ Jn-
halts der Kayſerlichen Capitulation/ zu jhrem Gutachten vbergeben/ vnnd derſel-
ben außtruͤcklich mit eingeruͤckt werden ſolle/ daß die Reichs Staͤnde ins gemein
mit Commiſſionen/ nicht vbereylet/ noch mandata ſine clauſulâ indifferenter, vnd
auſſer deren im Rechten nachgelaſſenen vnd geordneten Faͤlle/ wieder ſie decretirt
werden ſollen. Weil aber auch ſeine C. D. zu Sachſen darbey ferꝛner geſucht/
daß der Reichs Hoffraht ebener geſtallt in gleicher Anzahl der Religion beſetzt
werden moͤchte/ vnnd die Kayſerlichen Geſandten darwieder eingewendet daß die
Beſtellung deß Reichs Hoffrahts von beyden Religions Verwandten in glei-
cher Anzahl im Roͤm. Reich nit herkommen/ derowegen auch ein ſolches Jh. Kay.
Mayſt. nicht zu zumuthen: weren aber deß gnaͤdigſten erbietens/ daß wie ſie/ vnnd
dero loͤbliche Vorfahren am Reich/ qualificirte ſubjecta, der Augſpurgiſchen Con-
feſſion zugethan/ von jhrem Reichs Hoffrath nit außgeſchloſſen: alſo wolten ſie
dieſelben auch hinfüro gnaͤdigſt zubeſoͤrdern nicht vnderlaſſen: als iſt dieſer Punct
auff weitere kuͤnfftige Beredung zwiſchen der Roͤm. Kay. M. vnd dem Hochloͤbli-
chen Churfuͤrſtlichen Collegio/ doch ohne einigen Abbruch Jh. Kayſ. May. Autho-
ritaͤt/ Juriſdiction vnnd Hoheit/ außgeſetzt worden. Vnnd haben Jh. K. M. bey
ſo beſchehener Außſetzung deſſelben Puncten Jhro reſervirt/ daß vnder deſſen/
vnnd biß daß die angeregte Vnderꝛedung mit Jh. Ka. Ma. allergnaͤdigſten gutem
Einwilligen/ die Vergleichung deſſelben Puncten erfolge/ Jh. Kay. May. Jhro
ſelbſt/ vnnd jhrem Kayſerlichen Reichs Hoffraht/ in einigem Stück/ zumahl auch
an
[208]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
an Handhabung vnnd Execution dieſes gegenwertigen Friedenſchluͤſſes/ gantz
nichts wolten geſperꝛet vnd entzogen haben.


Der Augſpurgiſchen Confeſſions Verwandten Chur-Fuͤrſten vnd Staͤn-
den deß Reichs Agenten vnnd Procuratorn/ ſollen am Kayſ. Hoff/ wann ſie ſich
ſonſten/ wie die Reichs Hoffrahts Ordnung mit ſich bringt/ gebuͤhrend legitimi-
ren/ vnd Jhr K. M. Verordnung/ ſo der Agenten vnd Procuratorum halben/ an
dero Kayſerlichen Hoff gemacht/ gemaͤßverhalten/ gleich wie beyder hochloͤblich-
ſten Kayſer Maximiliani II. Rudolphi II. vnd Matthiæ Zeiten vnweygerlich ge-
dultet/ vnd in keinerley wege/ vmb der Religion willen/ angefochten werden. So
ſoll auch keine Sach durch die Roͤm. Kayſ. Mayſt. vom Kayſerlichen Kammerge-
richt an Kayſerlichen Reichs Hoffraht abgefordert/ was einmal am Kammerge-
richt præueniendo Rechthaͤngig gemacht/ vnnd dahin gehoͤrig iſt/ daſelbſt gelaſſen
vnd erledigt/ vnd vnwiſſend der ſaͤmptlichen Reichs Staͤnde dem Kammergericht
kein Kayſerlich Geſetz gegeben werden.


Jn der Pfaͤltziſchen Sach/ als vber welche viel Jahr hero viel grauſame
motus, Vnruhe vnd Beſchwerung vorgangen/ haben die C. D. zu Sachſen in-
ſtaͤndig darauff gedrungen/ daß dieſelbe/ ſo wol in puncto der Churwuͤrde/ als der
Landen/ gaͤntzlich vnd zu grund moͤchte beygelegt vnnd vertragen werden. Die-
weil aber Weltkuͤndig/ es auch das Hochloͤbliche Churfuͤrſtliche Collegium zu
Muͤhlhauſen Anno 1627. alſo befunden/ daß der proſcribirte Pfaltzgraff Friede-
rich alles deß Vnheils/ ſo in Jhrer K. M. Erb Koͤnigreich Boͤhmen/ vnd folgends
im Roͤmiſchen Reich entſtanden/ ein Hauptanfaͤnger vnd Vrſaͤcher/ vnnd Jhre
Ka. May. ſampt dero hoͤchſtgeehrtem Hauß daruͤber in viel Millionen Schulden/
vnd andere groſſe Schaͤden kommen/ auch theils Erblaͤnder/ wegen deß angewan-
den Kriegs Vnkoſtens/ dahinden laſſen müſſen/ vnd daher von jhrer Reſolution/
wie ſtarck vnd eyferig auch C. D. zu Sachſen ſich darumb bemuͤhet/ nicht weichen
wollen: Als ſoll es bey dem jenigen/ ſo Jhre Kay. Ma. wegen derſelben Chur vnd
Lande fuͤr Jhre C. D. in Bayern/ vnnd die Wilhelmiſche Lineam/ auch ſonſt ge-
gemacht/ ſo wol was Jhre Ka. Ma. wegen etlicher geweſener Pfaͤltziſchen Diener
Guͤter angeordnet/ allerdings verbleiben. Doch ſoll Weyland Churfuͤrſt Frie-
derichs deß Vierdten/ Pfaltzgraffens bey Rhein/ hinderlaſſenen Frawen Wit-
wen/ jhr Leibgeding/ ſo viel ſie deſſen richtig liquidiren wird/ paſſirt/ vnnd deß pro-
ſcribirten Kindern/ wann ſie ſich vor Jhrer Ka. May. gebuͤhrlichen humilirn/ ein
Fuͤrſtlicher Vnderhalt/ auß Kayſerlichen Gnaden/ vnnd nicht auß Schuldigkeit/
gemacht werden.


Die Tillyſchen Erben ſollen von dem im Hertzogthumb Braunſchweig ſuc-
cedirenden Landsfuͤrſten/ vnnd deſſen Erben vnd Succeſſoren/ jhrer aſſignirten/
vnd von denen Hertzogen zu Braunſchweig vnd Luͤnenburg vormahls beliebten/
vnnd zuzahlen bewilligten viermal hundert tauſent Reichsthaler/ in acht Jahren
nach einander/ jedes Jahrs in der Leipziger Oſtermeß vnd zwar Anno 1637. zum
erſten
[209]Dritter Theil.
erſtenmal mit fuͤnffzig tauſent Reichsthaler/ ſampt einem zweyjaͤhrigen Zinß von
der gantzen Summa/ je fuͤnff vom hundert gerechnet: vnd dann in der Oſtermeß
Anno 1638. wieder mit fuͤnffzig tauſent Reichsthaler/ ſampt einem einjaͤhrigen
Zinß von dem Reſt der Hauptſum/ abermahls nur fuͤnff vom hundert gerachnet:
vnnd ſo fortan/ deß vbrigen Reſtes/ jedes mahls zuſampt dem Zinß in annis 1639.
vnd 1640. \& ſequentibus, bezahlet/ vnd vnder deſſen bey jhrer Hypothec vnd Aſſi-
gnation gelaſſen: in Verbleibung aber der Bezahlung eines oder andern Ter-
mins/ wiederumb zu jhrer vorigen Poſſeſſion der aſſignirten Aempter reſtituirt
werden. Die vor dato dieſes Friedenſchluſſes in derſelben Schuldſach erſchienene
Zinſen/ wie auch die auß denſelben Aemptern ſchon erhobene Nutzungen/ ſollen
vmb Friedens vnd Ruhe willen/ compenſirt/ vnnd alle davon geweſene Forderun-
gen beyderſeits geſtellet ſeyn.


Wegen der Hertzogen zu Mecklenburg haben Jhre K. M. ſich/ vmb gemei-
nen Friedens willen/ vnnd auß hoͤchſt angebohrner Guͤte/ auch vmb J. C. D. zu
Sachſen beharꝛlichen Jnterceſſion willen/ dahin erklaͤret/ es wolten J. K. M. ſie die
beyde Hertzogen (wo ferꝛn ſie gegenwertigen Friedenſchluß danckbarlich vnnd
wuͤrcklich acceptiren/ vnnd ſich ſolchem gemaͤß verhalten/ auch deme jhrenthalben
ſonderbahr begriffenen Memorial gebuͤhrend nachkommen werden) wiederumb
zu Kayſerlichen Hulden vnnd Gnaden auffnehmen/ vnnd bey Land vnnd Leuthen
gantz ruhig verbleiben laſſen.


Die Reſtitution betreffende ſollen der R. K. M. jhrem Ertzhauſe/ auch allen
dero aſſiſtirenden Churfuͤrſten vnnd Staͤnden: ſo dann allen jhren Kriegs Ver-
wandten/ vnd dero Raͤhten/ Dienern/ Landſtaͤnden vnnd Vnderthanen auch Or-
densleuthen/ vnd ins gemein allen vnd jeden angehoͤrigen/ Geiſt- vnd Weltlichen
Societet/ vnnd Communen/ niemanden außgenommen/ in ſpecie auch dem Her-
tzog zu Lothringen/ vnd ſeinen Angehoͤrigen/ von den Augſpurgiſchen Confeſſions
Verwandten Staͤnden/ alle jhre Churfuͤrſtenthumb/ Fuͤrſtenthumb/ Graff- vnnd
Herꝛſchafften/ Land vnd Leuthe/ Schloͤſſer/ Paͤſſe/ Veſtungen/ liegende Gruͤnde/
vnd aller Enden zuſtehende Renten/ Guͤlten/ Nutzungen/ Gefaͤlle/ vnnd alle Oer-
ter/ welche ſeithero Anno 1630. entſtandener Vnruhe/ nach deß Koͤnigs Guſtavi
Adolphi in Schweden/ ꝛc. Ankunfft auffn Reichsboden/ eingenommen worden/
ſo viel Jhre K. M. vnd dero Aſſiſtirende zu gedachter Zeit in Poſſeß gehabt/ oder
jhnen Vermoͤg dieſes Schluſſes ſonſt gebuͤhret/ ſie moͤchten es in Anno 1630. in
Poſſeſſion gehabt haben oder nicht/ was vnnd wie viel ſie/ die Augſpurgiſche Con-
feſſions Verwandte/ davon noch ſelbſt in Haͤnden haben/ ohnweygerlich reſtitutrt
vnd eingeraumbt werden. Jedoch ohne Erſtattung auffgehobener Nutzungen/
erlittener Kriegs-Schaͤden/ vnd auffgewandter Vnkoſten/ auch ohne einige De-
molirung/ oder Zufuͤgung vnd Geſtattung einiges ferꝛneren vorſetzlichen Scha-
dens/ wie auch ohne Abfuͤhrung Geſchuͤtzes/ vnnd anderer an denſelben Orthen
Dritter Theil. D dannoch
[210]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
annoch befindlichen Mobilien: auſſerhalb was jeder Theil an Stuͤcken vnd Mu-
nition ſelbſt dahin geſchaffet oder mit gebracht. Vnnd ſollen die Vnderthanen/
da ſie an einem oder anderm Orth Pflicht geleyſtet/ vnnd ſich verwandt gemacht/
hiervon loß gezehlet werden.


Was aber die außwertige Potentaten vnnd Nationen/ in ſpecie die Kron
Franckreich/ Schweden vnd andere/ die nicht Reichs Staͤnde/ noch deſſen Glieder
ſeyn/ oder daſſelbige an jetzt recognoſciren/ oder gleich Reichs Staͤnde vnnd deſſen
Glieder weren/ jedoch zu dieſem Frieden ſich nicht bekennen/ noch demſelben ge-
maͤß verhalten wuͤrden/ in Haͤnden haben: zu deſſen allen wuͤrcklichen vnfehlba-
ren Reſtitution vnd wieder Erlangung/ ſollen J. C. D. zu Sachſen/ ſo wol die an-
dern Augſpurgiſchen Confeſſions Verwandten/ Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnde/
wann ſie dieſes Friedens mit genieſſen wollen/ der Roͤm. Kay. May. vnnd denen
Catholiſchen/ mit geſampter Hand vnd Zuthat/ in Krafft dieſes Vertrags vnnd
Friedſtandes/ auch auffgerichten gemeinen Landfriedens vnd Reichsordnung/
ohn allen Anſtand helffen/ auff Maß vnd Weiſe/ wie davon vnden bey der Execu-
tion deß Friedenſchluſſes mit mehrerm beredet worden. Doch verſtehet ſichs in
allwege/ daß in dem nechſt vorher gehenden Periodo gemelten Puncts der Reſti-
tution nicht gemeynet/ auch nicht begriffen ſeynd/ die jenige Geiſt- vnd Weltliche
Guͤter/ ſo zwar Anno 1630. noch in Catholiſcher Staͤnden Haͤnden geweſen/ je-
doch aber Krafft vnderſchiedner Puncten/ dieſes Friedenſchluſſes/ den Augſpur-
giſchen Confeſſions Verwanten bleiben ſollen.


Dargegen ſollen vnd wollen J. K. M. vnd ſamptliche Catholiſche Staͤnde/
vnnd dero Kriegs Verwande/ auch hienwiderumb allen Augſpurgiſchen Confeſ-
ſions Verwanten/ Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnden deß Reichs/ vnnd dero Raͤhten/
Dienern/ Landſtaͤnden vnd Vnderthanen/ vnnd ins gemein allen jeden jhren An-
gehoͤrigen/ vberall niemand (als die von der Amneſtia excipirt ſeyn) außgenom-
men/ reſtituiren vnnd einraͤnmen. Vnd gleicher geſtalt die Vnderthanen von
der Pflicht/ die ſie an einem oder anderm Orth geleyſtet/ vnd ſich darmit verwandt
gemacht loß zehlen/ was von dero Chur-Fuͤrſtenthumen/ Landen vnnd Lenthen/
Veſtungen/ Schloͤſſern/ Paͤſſen/ liegenden Gruͤnden/ vnd aller Enden im Reich
zuſtehenden Renten/ Guͤlten vnd Nutzungen/ vnnd allen Orthen/ wie die Namen
haben/ ſeither Anno 1630. entſtandener Vnruhe/ nach Ankunfft deß Koͤnigs in
Schweden auff deß Reichs Boden/ von allerhoͤchſt gedachter J. Ka. Ma. dero aſſi-
ſtirenden Chur-Fürſten vnd Staͤnden/ auch Kriegs Verwanten occupirt gewe-
ſen/ oder den Augſrurgiſchen Confeſſions Verwanten/ vermoͤge dieſes Frieden-
ſchluſſes bleiben ſollen/ vnd ſolches gleichfalls ohne Demolirung/ oder Zufuͤgung
vnnd Geſtattung einiges ferꝛneren vorſetzlichen Schadens/ wie auch ohne Abfuͤh-
rung Geſchuͤtzes/ oder anderer an denſelben Orthern annoch befindlichen Mobi-
lien/ auch ohne Erſtattung auffgehobener Nutzung/ erlittener Kriegs Schaͤden/
vnd
[211]Dritter Theil.
vnnd auffgewandter Vnkoſten: auſſerhalb was jeder Theil an Stuͤcken vnnd
Munition/ wie oben gemelde/ ſelbſten dahin geſchafft/ oder mit ſich ge-
bracht.


Neben vnd vber dieſem haben vmb Friedens willen/ die Roͤ. K M. auch ver-
williget/ daß was bey bey der im Nieder Saͤchſiſchen Krayß Anno 1625. entſtande-
nen Vnruhe occupirt worden/ darunder dann in ſpecie die Beſtung Wolff enbuͤt-
tel vnd Nienburg mit gemeynet/ jhrem rechten Herꝛn/ vnd alles/ was Jhre Kay.
Ma. dero Aſſiſtirende ſonſten mehr von Staͤtten vnd Veſtungen derer O [...]rther
in jhren Haͤnden haben/ allermaſſen wie obgemeldt/ ohne Abſtattung der auffgeha-
benen Nutzungen/ ohne Abfuͤhrung noch daſelbſt vorhandenen Geſchuͤtzes/ oder
anderer Mobilien/ auſſerhalb was an Stuͤcken vnd Munition ſie vnd die Catho-
liſchen dahin bringen laſſen/ ſollen vnverweigerlich reſtituirt werden. Jedoch
beſcheydentlich/ vnd alſo: was C. D. zu Sachſen im Koͤnigreich Boͤhmen/ vnnd
Hertzogthumb Schleſien etwa noch jnnen hat/ das ſollen vnnd wollen S. C. D. in
zehen Tagen/ nach Empfahung dieſes/ mit Kayſerlicher Mayeſtaͤt Hand vnd Se-
cret Jnſigel bekraͤfftigten Friedens/ ohne Auffenhalt/ reſtituiren/ jhr Kriegsvolck
davon abfuͤhren/ vnder der K. M. oder deroſelben hierzu in ſpecio gevollmaͤchtig-
ten Befelchshabern/ die Plaͤtz vnnd Veſtungen/ ſo ſie etwa innen haben/ abtretten/
damit kein anders/ als das Kayſeriſche Volck/ dieſelben occupiren moͤge. Da
auch etwan ander Volck noch darinnen lege/ wollen J. C. D. daſſelbige/ wo Jhre
Kayſ. Mayſt. es allergnaͤdigſt begehren wuͤrden/ mit jhrer alsdann im Namen
Jhrer Kay. Mayſt. vnd deß Heiligen Reichs fuͤhrenden Armada herauß bringen
helffen.


Eben auch am ſelben Tage/ da die Reſtitution der K. Ma. in Boͤhmen vnnd
Schleſien geſchicht/ ſollen vnd wollen gleich ſo wol die K. Ma. der C. D. zu Sach-
ſen reſtituiren vnd abtretten alles/ was von dero Churfuͤrſtenthumb/ oder andern
jhro zugehoͤrigen Landen/ Jhrer K. Ma. oder dero Herꝛn Aſſiſtenten Kriegsvolck
alsdann in Beſatzung noch haben moͤchten. So dann ſollen vnnd wollen Jhre
C. D. mit erſt angeregter Kayſerlichen Reichs Armada verhelffen/ daß auch den
Catholiſchen im Reich das jhrige/ dieſem Vertrag vnnd Frieden Schluß gemaͤß/
zum ſchleunigſten wieder eingeraͤumbt werde/ es moͤchten ſich gleich die andern
Augſpurgiſchen Confeſſions-Verwandte Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnde zu dieſem
Accord bekennen/ vnnd demſelbigen gemaͤß verhalten/ oder nicht. Entgegen ſoll
von Jhrer K. Ma. vnd den Catholiſchen/ mit geſampter Hand vnd Zuthat/ eben-
meſſige Huͤlff/ Rettung vnnd wieder Erlangung deß Jhrigen/ jedem Augſpurgi-
ſchen Confeſſions Verwandten/ ſo viel jhm nach Außweiſſung dieſes Frieden-
ſchluſſes gebuͤhret/ gedeyhen vnnd wiederfahren. Jn maſſen dann auch hiemit
auß druͤck lich bedinget worden/ daß der C. D. zu Brandenburg/ wann ſie ſich zu
dieſer Pacification verſtehen/ vnnd in allem bequemen (wie ſie dann von dieſem
Frieden nicht außgeſchloſſen/ noch vnder den excipiendis ab Amneſtia gemeynt
D d ijſeyn)
[212]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
ſeyn) die Anwartung/ vnnd daruͤber habende Belehnung an den Pommeriſchen
Landen/ vnd ſonſten allerdings verbleiben/ von Jhrer K. M. auch dieſelbe darbey
geſchuͤtzt werden ſolle. Nicht allein aber wegen der Pommeriſchen Landen/ ſon-
dern auch ſonſt ins gemein/ ſoll man conjunctis viribus ſich dahin bemuͤhen/ daß
der Ober- vnd Nieder Saͤchſiſche Krayß von frembden/ vnnd jnſonderheit dem
Schwediſchen/ vnd anderem darin liegendem/ vnd dieſem Friedenſchluß ſich nicht
gemaͤß verhaltendem Kriegs Volck liberirt/ ſolches vom Reichs Boden abge-
ſchafft/ vnnd da es nicht gutwillig weichen wuͤrde/ mit zuſammengeſetzter Macht
darauß gebracht/ die Plaͤtze/ welche es beſetzt/ davon befreyet/ vnnd jhren vorigen
Herꝛn/ vnd denen ſie/ vermoͤge dieſes Friedenſchluſſes/ gehoͤren/ vnweygerlich wie-
derumb eingereumet werden. Eben deßgleichen ſoll auch im Weſtphaͤliſchen/
oder Nieder Rheiniſchen Krayß/ vnd ſonderlich an dem Weſer Strom geſchehen/
damit auch von- vnnd auß denſelben Orthen dem Reich/ in ſpecie auch Jhrer K.
M. Erb Koͤnigreich vnnd Landen/ weiter keine Gefahr dahero zugezogen werden
moͤge/ ſondern dieſer Friede einem jeden ſeine Ruhe bringe.


Wann ſolches geſchehen/ oder man deſſen beyderſeits in wuͤrcklicher Arbeit
begriffen/ ſollen dem Fuͤrſtlichen Hauß Braunſchweig vnd Luͤnenburg/ ſo es die-
ſem Friedenſchluß ſich accommodiren/ vnnd ſeine vires zu deſſelbigen Vollſtre-
ckung/ mit der. K. M. vnd deß Heiligen Reichs Armaden zuſammen ſetzen wuͤrd/
die Veſtung Wolffenbuͤttel/ vnnd alle andere Oerther/ Veſtungen vnnd Plaͤtze/ ſo
hochgedachtem Hauß zuſtaͤndig/ vnnd vermoͤge dieſes Friedenſchluſſes gebuͤhren/
reſtituirt vnnd abgetretten werden. Ein gleichmaͤſſiges ſoll mit allen andern
Plaͤtzen/ welche Jhre K. M. vnd die Catholiſchen etwan der Orthen innen hetten/
gegen alle die jenige/ denen ſolche vorhin zugeſtanden ſeyn/ geſchehen. Wann
auch im Chur Rheiniſchen/ Ober Rheiniſchen/ Bayriſchen/ Schwaͤbiſchen vnnd
Fraͤnckiſchen Krayß/ der Roͤ. K. M. vnnd den Catholiſchen/ ſampt jhren Mitver-
wandten/ jnſonderheit dem Hertzogen von Lothringen/ vnnd ſeinen Ange hoͤrigen/
das jhrige plenariè wie obvermeldt/ reſtituirt/ vnd alle andere Beſatzungen außge-
ſchafft/ wollen Jhre Ka. May. reciprocè denen Augſpurgiſchen Confeſſions-Ver-
wandten in jetzgemeldten Krayſen/ ſo ſich zu dieſem Accord gleicher geſtalt beken-
nen/ vnnd denſelbigen vollziehen helffen werden/ die von jhren Landen/ jnhabende
veſte Plaͤtze vnd Oerther wiederumb abtretten vnd einraumen/ auch auß Regen-
ſpurg die Guarniſon abfuͤhren laſſen. Ob aber gleich Jhre K. M. ſolcher geſtalt
etliche Oerther in bemelten Krayſen noch beſetzt behielten/ ſo hats doch dieſe klaͤr-
lich abgeredte Meynung/ da die Staͤnde/ welchen ſelbige veſte Oerhter zuſtehen/
nicht ſollen ſchuldig ſeyn/ von jhren Land vnnd Leuthen laͤnger außzubleiben/ oder
ſich derſelben Regierung zuenthalten/ noch auch ſolche Kayſerliche Reichs Be-
ſatzung auß dem jhrigen zubeſolden vnd zuverſorgen/ vnd ſolchen Laſt allein zutra-
gen/ ſondern auß den gemeinen Reichs Contributionibus, ſoll die Vnderhaltung
deß jenigen Volcks/ ſo vber die Ordinaria bey friedlichen Zeiten gewoͤhnliche Præ-
ſidia,
[213]Dritter Theil.
ſidia, noch weiter zur Beſatzung eingelegt wird/ hergenommen werden. Es ſoll
auch von denſelben Beſatzungen/ keinem Stand an ſeinen Obrigkeitlichen/ vnnd
andern juribus, ſo den Einkunfften vnnd Jntraden/ einiger Einhalt vnd Eintrag
beſchehen/ ſondern er/ deren vngehindert/ wann er ſich zu dieſem Friedenſchluß
wuͤrcklich bekennen/ vnnd demſelbigen gemaͤß verhalten thut/ alles deß jenigen ge-
nieſſen/ weſſen er vorhin befugt geweſen/ vnnd jhm in dieſem Schluß nicht be-
nommen iſt.


Wegen deß Hertzogen von Lothringen/ iſt hiemit jnſonderheit bedingt/ vnd
abgeredt worden/ daß er zu allen ſeinen Land vnnd Leuthen/ Schloͤſſern/ Paͤſſen/
Veſtungen/ liegenden Guͤtern/ Nutzungen/ Guͤldten vnnd Gefaͤllen/ Hoheiten/
Wuͤrden vnd Gerechtigkeiten/ allenthalben/ wie er dieſelbe noch in Anno 1630. ge-
habt/ nichts außgenommen/ reſtituirt/ vnnd darbey erhalten/ auch nicht nachgeſe-
hen werden ſolle/ daß weiter an ſeinen Veſtungen etwas demolirt/ oder jhme eini-
ger vorſetzlicher Schade zugefuͤgt werde. Solte es aber vber Zuverſicht geſche-
hen/ ſoll ſolches von Jhrer K. M. vnd von denen/ dieſen Friedenſchluß Belieben-
den Chur-Furſten vnd Staͤnden deß Reichs/ an den Verurſachern/ vnnd Helf-
fershelffern/ nicht vngeahntet/ noch vngerochen gelaſſen werden. Die Veſtung
Philippsburg gehoͤrt nicht mit in dieſen Reſtitutions Punct/ ſondern Jhre K. M.
haben jhr reſeruirt/ es damit zuhalten/ wie ſie es fuͤr ſich vnd das H. R. Reich am
deſten befinden. Vnd wird ſolches wie alles andere/ trewlich/ ehrbar/ ohne arge
Liſt vnd Gefaͤhrde verſtanden/ vnd daß darmit nach Teutſcher Ehrbar- vnd Auff-
richtigkeit gehandelt werde.


Was dann bey dieſer ab Anno 1630. biß dato gewerten Kriegs Vbung die
bißherige Jnterims Beſitzer/ gegen einem vnd andern Nachbar aſſeriret/ vnnd zu-
behaupten ſich vnderſtanden/ ſolle keinem Theil Vortheil oder Schaden bringen/
ſondern bey dem jenigen/ was vor derſelben Kriegs Vbung vblich/ billich vnd recht
war/ gelaſſen werden. Alle vnd jede Kriegs Gefangene/ deren Principaln ſich
dieſer Friedenshandlung allerdings wuͤrcklich bequemen/ ſollen zu allen vnd jeden
Theilen/ ohn einig Loͤßgelt/ von Publicirung dieſes Friedens/ binnen Monats-
friſt erlediget/ vnnd auff freyen Fuß geſtellet werden. Doch daß die jenige/ welche
ſich allbereyt geſchaͤtzet/ oder eine Rantzion verſprochen/ dieſelbige zuerlegen/ vnnd
durchgehend alle Gefangene/ es ſey gleich eine Rantzion von jhnen verſprochen o-
der nicht/ die Vnkoſten/ welche auff ſie in wehrender Cuſtodia ergangen/ erſtatten
ſollen.


Zwiſchen der Roͤ. Ka. Ma. vnd denen ſamptlichen Catholiſchen/ Jhr aſſiſtie-
renden Chur-Fürſten vnd Staͤnden deß Reichs/ auch allen dero Kriegs Ver-
wanten/ an einem/ vnd dann S. C. D. zu Sachſen/ wie auch allen andern ſo jhrer
bißherigen Kriegs Parthey zugethan geweſen/ der Augſpurgiſchen Confeſſion
Verwanten Staͤnden/ am andern Theil: wann ſie ſich ſampt oder ſonders zu die-
ſem Friedenſchluß/ vnd zu deſſen gaͤntzlicher Vollſtreck- vnd Handhabung/ als-
D d iiibald
[214]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
bald nach deſſelben Publication/ vnnd an jeden Stand davon gelangenden Wiſ-
ſenſchafften vor Verflieſſung deren drunten beſtimpten 10. Tage/ vnd alſo ohn ei-
nige Verzügerung/ wuͤrcklich bequemen/ denſelben annehmen/ aller Dings dar-
ein verwilligen/ vnd ſich darzu verbunden machen/ iſt eine vollkommene Amneſtia
alles deſſen/ ſo bey dieſer letzten Kriegs Vbung von Anno 1630. an im H. Roͤm.
Reich/ nach Ankunfft deß Koͤnigs in Schweden auff deß Reichs Boden/ zwiſchen
jhnen vorgegangen/ vnd was darzu Vrſach gegeben/ geſtifftet vnd auff gerichtet/
vnd alle Mißhelligkeit/ Vnmuth vnd Widerwillen/ ſo darbey entſprungen/ vnnd
dahero/ auff waſerley Wege es auch geſchehen moͤchte/ herfuͤr geſuchet werden
koͤndte/ gaͤntzlich auffgehoben/ dergeſtalt vnd alſo/ daß derſelben von keiner Seiten
weiter in Vngutem nicht zu gedencken/ noch derowegen ein Theil wider den an-
dern/ weder durch Guͤte oder Recht/ vnder einigerley Schein/ nichts zuprætendi-
ren/ noch vorzuwenden. Jnſonderheit aber auch der Kriegs Bnkoſten vnd zu-
gefuͤgten Schaͤden halben/ ſo wol Jhre K. M. dero Hauß/ vnd allerſeits Catholi-
ſche Staͤnde/ weder jetzo/ noch kuͤnfftig nichts ſuchen/ ſondern alles durchauß ge-
ſuncken vnd gefallen/ vnnd auß Kayſerlicher Macht vnnd Vollkommenheit/ auch
Krafft dieſes Friedenſchluſſes/ auff gehoben vnd abgethan ſeyn ſoll.


Jn ſolche Amneſtia ſollen auch Jhre K. M. jhres Hauſes/ vnd deren Jhr aſ-
ſiſtirenden Catholiſchen/ vnd anderer Kriegs Verwanten/ vnd dann ſeiner C. D.
zu Sachſen/ vnd der andern auff derſelben Seiten mit geweſenen Augſpurgiſchen
Confeſſions Verwandten Staͤnde Erben vnd Nachkommen/ Lande vnd Leuthe:
ſo dann alle hohe vnd niedere Kriegs Officirer/ vnd gantze Soldateſca ins gemein/
ſo wol beſtellte Raͤht vnd Diener/ ſie haben Namen wie ſie wollen/ vom Hoͤchſten
biß zum Niedrigſten/ vnd vom Niedrigſten biß zum Hoͤchſten/ ohn einigen Vn-
derſcheyd: in gleichem alle Rahts Verwandte in Reichs- oder andern Staͤtten/
auch dero Bediendte/ vnd in Summa jedermaͤnniglich ſo einer oder der andern
Parthey bey obgeſetzter Kriegs Vbung verwand vnnd zugethan geweſen/ an Leib/
Leben/ Ehr Wuͤrden/ Freyheit/ Haab/ Guͤtern/ Lehen/ Rechten/ Gerechtigkeiten/
Stand vnd Ampt/ kraͤfftig mit eingeſchloſſen/ vnd deßwegen wider ſie vnd dero
Erben in geſampt vnd ſonders/ ſo wenig als wider das Haupt vnd Glieder ſelbſt/
auch ſonſten von keinem/ dieſem Kriege zugethan vnd verwand geweſenem Stand/
wider deß andern auch darbey jntereſſirt geweſenen Standts Officirer/ Raͤhte/
Diener vnd Vnterthanen/ vnder keinerley Schein vnd Prætext/ wie ſolches jm-
mer Namen haben/ vnd erſonnen werden moͤchte/ zu ewigen Zeiten in Vngutem
nichts gedacht/ noch denſelben etwas vorgeruckt/ viel weniger geanthet vnd gero-
chen/ auch den Staͤnden deß Reichs ſelbſt/ vnd ſonſt andernins gemein/ an deren
von der R. K. M. vnd dem H. Reich/ oder auch durch einen oder mehr Staͤnde/ von
einem oder mehren ſeiner Mitſtaͤnden tragenden Lehen/ vnnd andern Gerechtig-
keiten nichts/ ſo im thun oder laſſen vorgegangen/ wie auch keine vnderbliebene
Muthung oder Verſaͤumnuß/ ſo etwa wegen vorgeweſener dieſer letzten Kriegs-
Vnruhe
[215]Dritter Theil.
Vnrnhe beſchehen/ beygemeſſen/ oder einige Beſchwerde zugezogen werden/
ſondern alles/ ſo vorgangen/ gaͤntzlich abgethan/ verloſchen vnnd auffgehoben
ſeyn.


Es ſoll auch/ wann ſeither Anno 1630. am Kayſerlichen Reich Hoffsraht
Rechliche Termin angeſetzt worden/ vnd die Partheyen darauff nicht erſchienen
weren/ oder jhre Notturfft gebuͤhrend nicht eingebracht hetten/ ſolches jhnen
gleichfalls zu keinem Nachtheil vnd Abbruch jhres Rechtens gereychen. Es zie-
hen aber Jhre K. Ma. von dieſer Amneſtia per expreſſum auß/ die Boͤhmiſche vnd
Pfaͤltziſche Haͤndel vnd Sachen/ vnd was demſelben anhangt. Vnd weil Jhre
K. M. ſolche zudaͤmpffen/ ſich vnd jhr Hauß in ſchwere Laͤſte ſtecken/ vnd wie obge-
dacht/ etliche jhre Erb Laͤnder zuruͤck laſſen vnd entrahten muͤſſen: So haben Jhre
K. M. jhr die Erſtattung derentwegen auffgewandter Kriegs Vnkoſten/ vnd ver-
urſachten Schaͤden/ bey Verurſachern/ Helffern vnd Befoͤrderern/ ſo viel derſel-
ben mit Jhrer K. Ma. durch andere Vertraͤge/ oder ſonſt nicht albereyt verglichen
oder auß geſuͤhnet/ noch weiter zuſuchen vorbehalten. Ferꝛner ziehen auch Jhre
K. M. auß dieſer Amneſtia etliche Perſonen vnd Guͤter/ von welchen Jhre K. M.
der C. D. zu Sachſen eine ſpecial Communication Schrifftlich thun laſſen/ vnd
zugleich vmb Friedens vnd Ruhe willen/ milteſte Erbiethung gethan/ die Auß-
nahm auß der Amneſtia gantz vnd zumal nicht welter zuerſtrecken/ als in dieſem
Friedenſchluß/ vnd in derſelbigen Schrifftlichen ſpecial Communication klaͤrlich
gemeltet iſt.


Weil dann Jhre Ka. Ma. auff ſolchem particular Außzug allergnaͤdigſt be-
ſtanden/ Jhre C. D. auch nicht befinden koͤnnen/ daß vmb ſo bewanter Vorbehal-
tung willen/ die heylſame Reichs Beruhigung einige Stund zu hindern/ ſo ha-
ben es ſeine C. D. endlich vmb Friedens willen darbey verbleiben laſſen. Vnd
ſoll ſolcher Außzug vnd deſſen Specification/ wie ſie in einem Nebenreceß vnder
heutigem Dato verfaßt/ eben ſo kraͤfftig vnnd guͤltig ſeyn/ auch daruͤber gehalten
werden/ ſo wol/ als wann ſie von Worten zu Worten dieſen Vertrag Specifica-
tions einverleiber. Doch haben Jhre K. M. ſich darneben allergnaͤdigſt erklaͤret/
daß/ wann nach Publicierung ſolcher Specification/ ein oder andere außgenom-
mene Perſon/ ſich bey derſelben vnverlaͤngt anmelden/ vnnd Gnad begehren wuͤr-
de/ Sie/ nach Beſchaffenheit der Sachen/ jhnen aller Weg zu jhrem Kayſerlichen
Gnadenthron zukommen/ hierdurch nicht geſperꝛet haben wolten. Welche
Staͤnde mit Jhrer K. Ma. bereyt particulariter accordirt/ die ſollen bey jhrem Ac-
cord gelaſſen werden/ entgegen aber nicht befuge ſeyn/ etwas mehrers/ als in dem-
ſelbigen verwilliget/ auß dieſem Frieden zubegehren/ oder aber ſich deß jenigen/ was
ſie in ſelbigen partieular Accorden zugeſagt/ durch dieſen zuentbrechen. Obge-
dachter Amneſti vnnd ins gemein deß gantzen Friedenſchluſſes/ ſollen die bey der
vorgangenen Kriegs Vbung Neutral gebliebene Staͤnde/ da ferꝛn ſie ſich zu die-
ſem Frieden ſchluß gleich falls alsbald bekennen/ denſelben annehmen/ vnd wuͤrck-
lich
[216]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
lich vollziehen helffen/ neben jhren Raͤhten vnd Dienern/ Land Staͤnden vnd Vn-
derthanen/ mitgenieſſen/ vnd aller deſſen Commodorum mitfaͤhig ſeyn. Jn
dieſen Friedenſchluß ſollen auch mit eingeſchloſſen ſeyn/ die jenigen Potentaten
vnnd Gewaͤlte/ die einem oder anderem Theil bey dieſer jetzt vorgangenen Kriegs-
Vbung bey geſtanden: doch ſo ferꝛn ſie all erſeits wollen/ vnnd das jenige/ was ei-
ner oder andere in dieſem jetzten Krieg von Anno 1630. biß zur Zeit deß Friedens/
ſonderlich auch dem zu Regenſpurg in jetzgedachtem 1630. Jar mit dem Koͤnig in
Franckreich gemachten Friedenſchluß zugegen/ eingenommen/ vuverlaͤngt den
vorigen Beſitzern/ oder denen es/ vermoͤg dieſes Friedenſchluſſes/ gebuͤhret/ reſti-
tuiren. Auff welchen Fall zu ewigen Tagen/ in keinerley weiſe jchtwas vngleich
gedacht/ ſondern hiemit beygelegt ſeyn ſoll/ was ſonſt eine oder andere Kriegende
Parthey/ wegen der/ jhrem Widertheil bey dieſer Kriegs Vbung erwieſenen Aſ-
ſiſtentz/ hette vorwenden moͤgen.


Die Roͤm. Kay. May. haben allergnaͤdigſt vbernommen/ dieſen gantzen Frie-
denſchluß allen vnd jeden Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnden deß Reichs/ auch deſſel-
ben freyer Ritterſchafft/ wie nicht weniger den See- vnd Anſee Staͤtten/ gantz foͤr-
derlich zu publiciren vnnd zu notificiren/ Jhnen vermittelſt Kayſerlichen Paten-
ten/ vnnd darzu gehoͤriger Schreiben vnnd Befelchen/ die hohe Notturfft/ auch
Schuldigkeit/ Lieb vnd Trew deß Vatterlands: ſo dann die ſchwere Pflicht vnnd
Eyd/ damit man der Roͤm. Kay Ma. vnd dem H. Reich verwand/ beſter maſſen zu
Gemuͤth zufuͤhren/ vnnd beweglich zuermahnen/ daß ein jeder/ an welchen derglei-
chen abgehen/ in ſeinem Gebieth ſolche Pacification/ zu Maͤnnigliches Wiſſen-
ſchafft offentlich publiciren/ auch den gegenwertigen Friedenſchluß in allen vnnd
jeden Puncten belieben vnd annehmen/ darauff ſein geworben Volck auß ſemer
Mit Staͤnde Landen wuͤrcklich abfordern vnd weg nehmen/ von d[e]roſelben Zeit an
niemanden/ dardurch einigen weiteren Schaden zufügen laſſen/ daſſelbe Volck
mit Jhrer K. M. Armada conjungiren/ vnd darvon mehr nicht/ als ſo viel er deſ-
ſen zu etwas Beſatzung ſeiner Veſten Plaͤtze nothwendig bedarff/ behalten/ zu-
gleich mit in ſeiner/ die Acceptation dieſes Friedenſchluſſes beſagender Erklaͤrung/
ob vnd mit wie viel Volck er ſich mit der Kayſerlichen Armada conjungtren koͤnne
vnd wolle/ vnd in was für Zuſtand vnd Order ſich daſſelbe befinden thue/ andeu-
ten/ vnd deſſen noch vor Verflieſſung zehen Tag/ nach Publicierung vnd erlangter
Wiſſenſchafft dieſes Friedens/ entweder mit gebuͤhrendem Reſpect die R. K. M.
oder da daſſelbe vor Verflieſſung ſolcher Zeit/ wegen Vnſicherheit der Straſſen/
vnd weite deß Wegs/ gegen Jhrer Ka. Ma. ſelbſt zuthun/ jhme nicht wol muͤglich
were/ doch an ſtatt Jhrer K. M. die Koͤ. Wuͤrde zu Hungarn vnd Boͤhmen/ oder
die Churfuͤrſtliche Gnaden vnd Durchleuchtigkeiten zu Mayntz/ Coͤlln/ Bayern
oder Sachſen/ ſampt oder ſonders/ oder die Kayſerliche General Befelchshaber/
welche jhme am nechſten oder gelegneſten deutlich vnd klar berichten ſolte/ damit
man alsdann wiſſen moͤge/ wie ſich gegen jedem zuverhalten ſey. Dann dieſer
Friede
[217]Dritter Theil.
Friede wird zu dem Ende gemacht/ damit die werthe Teutſche Nation zu voriger
Jntegritet/ Tranquillitet/ Libertet vnd Sicherung reducirt/ vnd die Roͤm. K. M.
vnd dero hohes Ertz Hauß/ auch alle Churfuͤrſten vnd Staͤnde deß Reichs/ ſo nicht
davon außgenommen/ vnd ſich darzu bekennen/ ohne Vnderſcheyd der Catholiſchẽ
Religion vñ Augſpurgiſchen Confeſſion/ zu dem jhrigen reſtituirt/ vnd darbey er-
halten werden. Solang vnd viel auch/ biß daſſelbige zu Werck gerichtet/ ſoll nit
geruhet/ noch gefeyret werden.


Zu deſſen allen wuͤrcklichen vnd gluͤcklichen Vollſtreckung vnd Handha-
bung/ ſollen Jhre K. M. als das Oberhaupt im Reich/ armirt verbleiben. Zu
derſelben ſoll C. D. zu Sachſen/ vnd aller andern Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnden
Kriegs Volck (auſſerhalb was ſie obgehoͤrter maſſen/ zu Beſatzung jhrer veſten
Plaͤtze behalten) ſtoſſen/ vnd Jhrer Kay. Ma. vnd dem Reich/ zu Exequirung vnd
Handhabung dieſes Friedenſchluſſes/ Pflicht leyſten/ vnd alſo auß allen Armaden
eine Hauptarmada gemacht werden/ die ſoll heiſſen vnd genennet werden/ der
Roͤmiſchen Kayſerlichen Majeſtaͤt/ vnd deß Heiligen Roͤmiſchen Reichs Kriegs-
heer. Auß demſelbigen Kriegsheer ſoll von Jhrer K. M. Jhrer D. zu Sachſen
ein anſehnlich Corpus zu deroſelben hohen General Commando gelaſſen werden:
das vbrige Volck alles mit einander ſoll immediatè vnder Jhrer K. M. geliebſten
Herꝛn Sohn/ der Koͤ. Wuͤrden zu Hungarn vnd Boͤhmen hoͤchſtem General
Commando/ vnd wem es Jhre K. May. nechſt deroſelbigen/ von jhret- vnd deß H.
Reichs wegen/ gantz oder zum theil zu dirigiren/ allbereyt vertrawet hetten/ oder
noch vertrawen wuͤrden/ ſeyn vnnd bleiben. Vnd mit ſolchem Kayſerlichen
Reichs Kriegs Heer/ vnd deſſen vnderſchiedenen Corporibus, ſolle wieder alle die
jenige/ ſo ſich dem Frieden wiederſetzen/ oder das jenige/ was demſelben nach/ ei-
nem jeglichen reſtituirt werden ſoll/ nicht reſtituiren/ oder Jhre Kay. May. vnd das
Reich noch weiter verunruhigen würden/ noch Anweiſung vnd Verordnung Jh-
rer Ka. May. zu Vollziehung dieſes Friedenſchluſſes/ gegangen werden/ jnmaſſen
deßwegen ein beſonders Memorial vnder heutigem Dato auffgerichtet/ darinnen
mit mehrerm zubefinden/ wie es mit einem vnnd anderm ſolte gehalten
werden.


So viel aber Armaden ſeyn werden/ auch alle dero Generalen/ General Leu-
tenant/ Feldmarſchalck/ vnd ins gemein alle vnd jede denſelbigen verwandte Per-
ſonen/ von der hoͤchſten biß auff die niedrigſte/ ſollen der Roͤm. Kayſ. Mayſt. vnnd
dem Heil. Reich trew/ hold/ gehorſam vnd gewaͤrtig ſeyn/ jhr einiges Abſehen al-
ler gehorſambſt auff die Roͤ. K. M. als auff das einige Oberhaupt/ vnd auff das
H. Roͤ. Reich/ ſonderlich aber auch auff die Handhabung dieſes Friedenſchluſſes/
fuͤhren/ vnd der Roͤm. K. M. vnnd H. R. Reich/ wie ſolches die Reichs Ordnung
[v]ermag/ vber die jenige Pflicht/ ſo deroſelben jhr Volck allbereyt vorhin geleyſtet/
mit ſonder bahren Pflichten ſich hierauff verwandt machen. Doch ſollen die Koͤ.
Dritter Theil. E eW. zu
[218]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
W. zu Hungarn vnd Boͤhmen/ vnd die Churfuͤrſten deß Reichs da deren einer o-
der mehr un Namen der R. K. M. vnd deß H. R. Reichs einen Generalat fuͤhre-
te/ vnd alſo auch die C. D. zu Sachſen/ perſoͤhnlicher Eydspflicht erlaſſen/ vnd ſich
an dem begnuͤgt werden/ daß ſie ſolchen jhren hohen Kriegs Befelch auff Jhre der
R. K. M. vnd dem H. Reich ohne das geleyſtete trewe Eyde/ oder doch auff reſpe-
ctivè
Koͤnigliche vnd Churfuͤrſtliche Ehre vnd Wuͤrde/ Trew vnd Redlichkeit/ an
Eydsſtatt nehmen: alle andere Kriegs Haͤupter/ vnd ins gemein alles Volck/ ſoll
die Pflicht wuͤrcklich ablegen. Die Inſtructiones, auch Articuls Brieffe wollen
Jhre K. May. auß deß H. Reichs Abſchieden vnd Ordnungen beylaͤufftig ziehen/
acht darauff geben/ vnd daruͤber halten laſſen/ daß Zuverſchonung deß ohne das
ſehr exhaurirten Vatterlands/ alle Jnſolentien verhuͤtet/ gute Kriegsdiſciplin
wieder auffgerichtet/ vnd die Kriegs expeditiones, zu ſchleunigſter Erꝛeichung deß
allgemeinen hoch deſiderirten Frieden Zwecks/ zum vor ſichtigſten angeſtellt/ auch
die Quartier ohne Vnderſcheyd der Religion oder Standes/ doch der Chur-Fuͤr-
ſten/ vnnd Stuͤnde Reſidentzen vnnd Veſtungen/ wie auch der außſchreibenden
Reichs Staͤtte (welche aber dagegen die Einquartierung auffm Lande/ oder ſonſt/
nach Proportion erſetzen ſollen) damit zuverſchonen/ gleich außgetheilet werden
moͤgen.


Vnd weil ohnmuͤglich/ zu allgemeinen Reichs-Krayß- vnd Deputations
Verſamlungen dißmals zugelangen/ vnnd doch eine Anlage gemachtſeyn will/ es
gehe gleich einsmals (welches Gott gnaͤdiglich verleyhe) zu gaͤntzlichẽ Friede/ oder
zu Vnderhaltung noch etlichen Kriegsvolck: als verſichert man ſich/ es werde kein
Chur-Fürſt vnd Stand deß Reichs/ noch auch die freye Reichs Ritterſchafften/
oder Anſeeſtaͤtte bedenckens haben/ ſtracks mit- vnd neben jhrer Acceptatton die-
ſes Friedenſchluſſes/ ein hundert vnd zwantzig Monat/ nach dem einfachen Roͤ-
merzug zubewilligen/ vnd ſolche in ſechs gleichen Zielen/ benanntlich 1. Sept. vnd
[...] Dec. dieſes noch lauffenden/ vnd 1. Martij. 1. Junij. 1. Sept vnd 1. Decemb. deß
nechſtkuͤnfftigen 1636. in die Leg Statt/ deren jeder Stand von deß Reichs Pfen-
ningmeiſter/ den Reichsſatzungen vnd dem Herkommen nach berichtet werden
ſoll/ an guter Reichs Muͤntze/ doch der Reichsthaler hoͤher nicht/ als vmb andert-
halben Guͤlden/ oder Neuntzig kreutzer angeſchlagen/ ohnfehlbar zuerlegen/ damit
ſo viel deſto mehr die diſciplina militaris wie der angerichtet/ vnd andere Exorbi-
tantz vnd Vnordnung/ welche beym Kriegs Weſen/ in Ermangelung der ordent-
lichen Zahlung/ gemeiniglich folgen thut/ verhuͤtet werden moͤge. Kein Stand
ſoll alsdann ſchuldig ſeyn/ zugleich zu contribuiren/ vnd auch die Laſt/ deß Quar-
tiers zuertragen/ oder die Verpflegung der Soldateſca vmbſonſt zukommen zu-
laſſen/ ſondern der Kayſ. May. vnnd deß Reichs Commiſſarij/ welche nach dieſen
Schluß abſonderlich hierzu zuverordnen/ ſollen darfuͤr ſorgen/ daß richtige/ gleih-
maͤſſige Verpflegungs Ordinantz gemacht vnd gehalten/ vnd was jeder Stani/
oder deſſelben Vnderthanen an Proviant vnnd Fuͤtterung lieffern/ jhnen hieng-
gen
[219]Dritter Theil.
gen an den Contributionen abgezogen/ oder auß dem Reichs Pfennigmeiſter
Ampt wieder herauß gegeben/ vnd nachgetragen werde.


Weil aber den gemeinen Staͤnden ſehr ſchwer ſeyn wuͤrde/ alle von deroſel-
ben Zeit an/ auff die obgedachte Kayſerliche Reichs Armaden gehende Koſten
vollkomlich vnnd zu gaͤntzlicher Abſtattung zutragen/ oder auch denen Staͤnden/
welche vber die Proportion auß Noth vnd Zwang deß Kriegs/ vor andern Staͤn-
den leiden müſſen/ jhre Schaͤden auß den Kriegs Contributionen/ welche von den
Staͤnden nach vnnd nach bewilliget werden/ zuerſetzen: So ſoll es nicht darumb
die Meynung haben/ daß die Staͤnde deß Reichs ſchuldig ſeyn ſollen nach zutra-
gen vnd zu erſtatten/ was vber die Kriegs Contributionen/ ſo ſie nach vnd nach be-
willigen/ auff den Krieg gehet: ſondern es ſoll deſto embſiger auff Erſpar- vnnd
Einziehung aller vermeidlicher Vnkoſten/ vnnd anff ein Ringerung der Anzahl
deß Kriegsvolcks/ alſo/ daß die Kayſerliche vnd deß H. R. Reichs Armada in vn-
derſchiedlichen Corporibus der Gefahr adæquirt/ vnnd nicht vber die Notturfft
ſtarck ſey geſchen/ wie auch auff eine vollkommene Btruhigung deß Reichs vnnd
alſo auff foͤrderlichſte gaͤntzliche Abdanckung deß Krtegsvolcks/ trewlich getrach-
tet werden. W[i]e dann die R. K. M. mit Raht vnd Beliebung der Herꝛn Chur-
fuͤrſten/ einen Reichstag auffs ehiſt auß ſchreiben wollen/ auff daß/ wann man je
weiter Kriegen muͤſte/ alles/ was ferꝛner bey der Militia zu conſideriren/ auff ſelbi-
gem Reichstag mit geſampter Staͤnde ordentlichem Zuthun eroͤrtert werde.


Jumittels ſoll nachmals/ weder das gantze Reich Tentſcher Nation/ noch
einiger Stand deſſelben/ einiges wegs zu den Nachtraͤgen/ oder ſonſt zu einiger
Zahlung welche nichtins gemein verwilliget wird/ obligirt ſeyn: ſondern es mag
denen/ die ſich dieſem Friedenſchluß entweder garnicht/ oder doch nicht genugſam
bequemen/ vnnd an deß Vatterlands deſto laͤnger wehrender koſtbaren Armatur
ſchuldig ſeynd/ da ſich deren vber verhoffen eintge finden ſolten/ deſto ſtaͤrcker zuge-
ſprochen/ vnd die Erſ[e]tzung auß deme/ ſo denſelben zuſteht/ vermoͤg der Reichsord-
nung/ geſucht werden. Kompt man dann einmahl wieder zur laͤngſt gewuͤnſch-
ten Beruhigung deß lieben Vatterlands Teutſcher Nation/ (dahin man dann je-
derzeit enſſerſt vnd trewlich ſich zubemuͤhen) vnd ſo bald nur wegen der ſich Wie-
derſetzenden darzu gelangen/ ſo ſollen alle vnnd jede Einquartirungen/ Sammel-
vnd Muſterplaͤtze/ Kriegsſteuren/ vnd andere den Reichsſatzungen zuwieder lauf-
fende Beſchwerungen/ mit denen das Reich eine Zeithero belegt/ vnd beladen ge-
weſen/ ins kuͤnfftig allerdings vnd durchauß fallen/ vnd ſich derſelben nimmer-
wehr angemaßt werden. Deßgleichen ſoll auch alsdann keine einige Kriegs-
Verfaſſung im H. Roͤm. Reich/ weder vom Haupt/ noch den Gliedern/ zu wieder
der Kayſerlichen Wahl/ Capitulation/ den Reichs Abſchieden vnnd Krayß Ver-
faſſungen/ vorgenommen werden.


Es ſoll auch wegen keiner Sach/ es ſey dieſelb in dieſem Tractat auß geſtellt/
verglichen oder nicht/ jnſonderheit auch wegen der Pfaͤltziſchen Sach nicht/ der
E e ijKay-
[220]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Kayſerlichen Conceſſion/ Belehnung vnd Verordnung zuwider/ einige außlaͤn-
diſche Kriegs Macht auff deß Reichs Boden zukommen geſtattet/ oder da ſie wie-
der hoffen je darauff kaͤme/ doch mit geſamptem Zuthun/ davon wieder weg ge-
bracht werden. Ferꝛner ſollen Jn. vnd mit Auffrichtung dieſes Friedenſchluſſes/
vnnd deſſen Publication/ alle vnnd jede Vniones, Ligæ, Fœdera vnnd dergleichen
Schluͤſſe/ auch darauff gerichtete Eyd vnnd Pflichte/ gaͤntzlich auff gehoben ſeyn/
vnd ſich einig vnd allein an die Reichs vnnd Krayß Verfaſſunge/ vnd an dieſe ge-
genwertige Pacification gehalten werden. Doch verſtehet ſich ſolches gar nicht
auff eine Auffgebung der Churfuͤrſtlichen Vereyn. Eben ſo wenig verſtehet es
ſich auff der Roͤm. K. M. vnd dero hohen Ertzhauſes/ oder auch auff anderer Chur-
Fuͤrſten oder Staͤnd confirmitre Erb Vereynigung. So ſollen auch dardurch
der dreyen Chur- vnd Fuͤrſtlichen Haͤuſern/ Sachſen/ Brandenburg vnd Heſſen/
vralte von den Roͤm. Kayſern confirmirte Erb Vereynigung vnnd Erb Verbrü-
derung/ ohnbeſchadet ſeyn. Die Roͤ. K. M. wollen mit den außwertigen Chriſt-
lichen Potentaten vnd Gewaͤlten/ welche deroſelben vnnd dem H. Reich/ jhre Be-
ruhigung/ Ehr vnd Wuͤrde/ auch Land vnd Gebieth nicht verhindern/ gute Einig-
keit/ vnd vertrawliches Vernehmen erhalten/ vnd den jhrigen reciprocirtes ſiche-
res hien- vnd herꝛeyſen/ auch vngehinderte freye Commercia/ nach Jnhalt Jhrer
Kayſerlichen Wahl Capitulation/ vnnd deß Reichs Satznngen geſtatten. Es
woͤllen auch Jhre K. May. allerſeits/ Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnde deß Reichs/ mit
Recht vnd Gerechtigkeit/ nach Jnhalt der Fundamental Geſetze/ Guͤldenen Bull/
vnd anderer loͤblichen Reichs Conſtitutionen/ ſo dann laut dieſes Vertrags/ auch
mit Sanfftmuth vnd Guͤte regieren/ vnnd denſelben Kayſerliche Freundſchafft/
Hulde/ Gnad vnd Gutes erweiſen/ vnnd maͤnniglichen Gleich vnd Recht/ darin
doch jedes Reichs Grund-Veſte vnd Gluͤckſeeligkeit beſtehet/ verbleiben laſſen/
wie auch das gantze R. Reich bey ſeiner wol hergebrachten Libertet/ Freyheit vnnd
Hochheit/ wie dann auch Religion vnd Prophanfrieden/ jeder Zeit erhalten vnd
ſchützen. Die Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnde deß Reichs aber/ ſampt vnnd
ſonders/ ſollen auch zuvorderſt vnnd hienwiderumb der K. M. allen ſchuldigen/ vn-
derthaͤnigſten Reſpect/ Gehorſamb/ Lieb vnd Trew ſtandhafftig erzeigen/ vnnd in
allem/ wie trewen vnd gehorſamen Churfuͤrſten/ Fuͤrſten vnd Staͤnden gebuͤhret/
ſich verhalten.


Auch ſolle zwiſchen den Catholiſchen vnd Augſpurgiſchen Confeſſions Ver-
wanten Staͤnden das alte gute auffrechte teutſche Vertrawen wiederumb erho-
ben/ trewlich fortgepflantzet/ vnd alles das jenige/ ſo Miß verſtand oder Weiterung
gebaͤhren moͤchte/ vmb deß allgemeinen Beſten willen/ fleiſſig vnd zeitlich verhuͤtet
werden. Beyde die Catholiſche vnnd Augſpurgiſche Confeſſions Verwandte
Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnde/ ſollen mit einander zu Handhabung Fried vnnd
Rechtens/ getrewlich concurꝛieren/ vnnd Jhrer K. M. als dem Oberhaupt/ hierzu
allen ſchuldigen Reſpect/ Gehorſam vnd Beyſtand erweiſen. Vnd weil das H.
R. Reich
[221]Dritter Theil.
R. Reich ohne den ſo weißlich auffgerichteten Landfrieden nicht beſtehen kan/ als
ſoll auch derſelbige vom Haupt vnnd Gliedern jederzeit trewlich obſervirt vnnd
vor Augen gehabt/ vnd daruͤber/ zumal bey dieſen grauſamen/ eine zeit hero haͤuf-
fig eingeriſſenen Vnordnungen/ vnd faſt ohne ſchew veruͤbten Gewalt-Thaten/
mit groſſem Ernſt vnd Eyfer gehalten/ vnd ein jeder Contravenient nach aller
Schaͤrpffe/ ohn Anſehen einiger Perſon/ geſtrafft werdẽ/ damit eines Exempel ein
Schrecken vieler ſeyn moͤge. Vnd da einer oder anderer Stand ſich/ den Reichs-
Geſetzen vnnd Executions Ordnungen/ vnnd dieſem Friedenſchluß zu wieder in
Verfaſſung ſtellete/ Werbung vnd Kriegsvolck annehme/ vnd darvon auff Erin-
nerung der K. May. welche von den außſchreibenden Staͤnden der angraͤntzenden
Krayſen ſampt oder ſonders deſſen ohn verzuͤglich adviſirt werden ſolle/ nicht guͤt-
lich abſtehen wolte/ ſoll wieder denſelben/ nach Jnhalt deß Reichs Fundamental
Geſetze/ vnnd anderer heylſamen Conſtitutionen/ auch dieſer Pacification/ mit
Kayſerlichem Ernſt verfahren/ vnnd darinnen allerſeits deß H. Reichs Ge-
ſetzen vnnd Ordnungen nachgegangen/ vnnd dieſelbe in acht genommen
werden.


Was in dieſem Friedenſchluß/ vnnd deſſen neben Receſſen/ keine ſonderbare
Erklaͤrung vnnd Deciſion hat/ darin ſoll es allerdings bey deß H. Reichs Funda-
mental Geſetzen auch hoch vnd thewr verpoͤnten Religion- vnd Prophanfrieden/
ſo wol andern heylſamen Reichs Conſtitutionibus vnd Ordnungen/ vnnd wann
auch in denſelben keine ſonderbare Diſpoſition befindlich/ bey Verordnung ge-
meiner Kayſerlichen Rechten gelaſſen werden. Was aber dieſem wolbedaͤchti-
gen Friedenſchluß zuwider vnnd entgegen/ oder hinderlich vnnd ſchaͤdlichen ſeyn
moͤchte/ es habe auch Namen wie es jmmer wolle/ das ſoll zu keiner Zeit von nie-
mand/ wer der auch were/ angezogen oder vorgewendet werden/ ſondern alles vnnd
jedes/ ſo ferꝛn vnd weit es dieſem Friedenſchluß/ vnd deſſen in ſich haltenden Pun-
cten/ Articuln vnd Meynungen nachtheilig/ abbruͤchig vnd hinderlich ſeyn koͤnte/
es ſey gleich Gerichtlich verordnet/ oder auſſer Gericht verhandelt/ vnd habe Na-
men wie es wolle/ hiemit vnnd in Krafft dieſes/ gaͤntzlichen vnd zu Grund auffge-
hebt ſeyn/ auch von nun an vnd zu ewigen Tagen/ weder jnn- noch auſſerhalb Ge-
richts/ zu Hindertreibung/ Gloſſierung/ Declaration oder Limitation dieſes Ver-
gleichs weder per modum Actionis, noch Exceptionis (auſſerhalb was droben we-
gen der Geiſtlichen Guͤter einem jeden/ auff den fall entſtehender weiter Verglei-
chung/ nach Verflieſſung der daſelbſt beſtimpter Jahr/ zu ſeinem Rechten vorbe-
halten) alle girt vnd eingefaͤhrt/ viel weniger jchtwas darauff erkant/ decretirt ſen-
tentionirt oder exe quirk werden: ſondern ſolcher Vergleich/ wie derſelb in ſeinen
klaren deutlichen Worten vnnd Buchſtaben lautet/ als eine veſte vnveraͤnderliche
Norma, Regul vnd Richtſchnur eines auffrechten/ beſtaͤndigen/ ewig wehrenden/
vnauffloͤßlichen Friedens/ in allen hohen vnnd niedern Gerichten/ wie auch auſſer-
halb derſelben/ gehalten/ vnd da deme zuwider/ vber Zuverſicht/ auch ins kuͤnfftige
E e iijvon
[222]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
von jemanden/ weß Stands/ Würden/ oder Weſens der auch wer/ de facto dire-
ctò
oder [...]indirectum vorgenommen/ impetrirt/ oder motu proprio erfolgẽ/ o-
der ſonſten einigerley weiß gehandelt wuͤrde/ ſoll daſſelbe jetzo alsdann/ vnd dann
als jetzo gantz vnnd allerdings vnguͤltig/ vnd ipſo facto null vnd nichtig ſeyn/ vnnd
als wann es nicht ergangen vnd vorgenommen/ gehalten vnd geachtet werden.


Vnd wollen Jhre K. May. dieſe gantze Pacifications Handlung bey jhren
Kayſerlichen Wuͤrden vnnd Worten/ fuͤr ſich vnnd jhre Nachkommen am Reich/
auch dero Ertz Hauß/ ſtaͤt/ vnverbruͤchlich vnd auffrichtig halten vnd vollziehen/ de-
ren ſtracks vnweygerlich nachkommen vnd geleben/ vnnd daruͤberjetzo oder kuͤnff-
tig/ weder auß Vollkommenheit oder einigem andern Schein/ wie der Namen
haben moͤchte/ nichts fuͤrnehmen/ handeln oder außgehen laſſen/ noch jemand an-
dern von jhrent wegen zuthun geſtatten. Jngleichem thut Jhre C. D. zu Sach-
ſen vor ſich/ jhre Erben vnd Nachkommen/ vnwiederufflichen bey dero Chur vnd
Fuͤrſtlichen Wuͤrden/ Stand vnd Namen verſprechen vnnd zuſagen/ daß ſie alle
das jenige/ ſo in dieſem per modum pacti oder reſeruati ein kommen/ vor ſich/ Jhre
Erben vnd Nachkommen/ auch Land vnd Leuthe/ Vnderthanen/ alſo trewlich vnd
veſte halten vnnd darwider in keinerley Wege handeln ſollen noch wollen/ noch je-
mand anderen von jhrentwegen zu thun geſtatten. Vnd da Jhre K. May. dero
hohes Hauß vnd aſſiſitrende/ oder auch Jhre C. D. vnd dero Mitverwande/ oder
jemand ſo in dieſem Vertrag begriffen/ vnd ſich mit gleicher Verpſlichtung darein
begibt/ mit thaͤtlicher Handlung/ oder ſonſten Vergewaltigung leiden/ oder dem-
ſelben das ſeine vorenthalten wuͤrde/ denſelben wollen Jhre K. M. vnnd C. D. ge-
trewe Huͤlff/ Rath vnnd Beyſtand/ in Krafft deß hieruͤber auffgerichteten gemei-
nen Landfriedens/ Reichs Ordnung vnnd dieſes Vertrags vnnd Friedenſtands/
ſaͤmptlich vnd ſonderlich leyſten. Vnnd ſolle alſo dieſes Kayſerlich/ Koͤniglich/
Churfuͤrſtlich/ Fuͤrſtlich/ ehrbar vnd auffrichtig/ veſt vnd kraͤfftig gehalten werden.


Vnd wann nun dieſer Friedenſchluß von den andern Geiſtlichen vnnd
Weltlichen Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnden/ oder doch dẽmehrern Theil gleichfalls
beliebet vnnd bekraͤfftiget/ ſoll er vmb deß bom publici willen/ als eine gemeine
Reichs Bewilligung gelien/ auch von Jhrer K. M. dero Reichs Hoffraht ſo wol
dem K. Kammergericht zu Speier/ tragenden K. Amptswegen/ daranff jederzeit
zuſprechen/ anbefohlen werden. Geſtalt dann Jhre K. M. als das Ober Haupt/
ſich darzu Kayſerlich erklaͤrt/ S. C. D. zu Sachſen auch jhres Theils/ daß ſolches
geſchehen moͤge/ bewilliget/ vnd dergleichen von denen/ ſo dieſen Vertrag anneh-
men/ vnd ſich darzu verbunden/ auch zubeſchehen. Vnnd ſoll auch S. C. D. zu
Sachſen/ zu derſelben vnd ſamptlicher Augſpurgiſcher Confeſſions Verwandten
Staͤndte gehoͤrender Sicherung/ der Herꝛn Catholiſchen Staͤndte gehoͤrender
Sicherung/ der Herꝛn Catholiſchen Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnde allerſeits/ oder
deß mehrern Theils/ vnnd was die hohen Ertz- vnnd Stifft belangt/ zugleich der
Dom Capitel Beliebung vnd Bekraͤfftigung dieſes Vertrages originaliter eh-
ſtes
[223]Dritter Theil.
ſtes vberſchicket/ auch hierinnen keinem Stande/ er ſey einer oder der andern Reli-
gion zugethan oder verwandt/ einige Außflucht oder Verzuͤgerung nicht verſtat-
tet/ ſondern eine durchgehende Gleichheit hierinnen gehalten/ vnd trewlich/ teutſch
vnd auffrecht in allem verfahren werden. Jn maſſen dann auch deſſen von Kay.
vnnd Koͤ. M M. Seine C. D. zu Sachſen/ vnnd dero Augſpurgiſche Conſeſſions
Verwandte Mit Staͤnde/ hiermit Kayſerlichen vnd Koͤniglichen verſichert ſeyn
ſollen.


Schließlich haben ſich Jhre Kay. May. vnd C. D. zu Sachſen/ bedaͤchtlich
erinnert/ daß auſſer eines gemeinen Reichs- oder zum wenigſten Deputation Ta-
ges/ dergleichen das gantze Reich betreffende hohe Schluͤſſe nicht zumachen: ge-
ſtallt dann auch Jhre Kay. Mayſt. vnnd C. D. (da es nur die jetzige/ mit ſo gar ſon-
derbaren ſchweren Vmbſtaͤnden vmbgeben/ klaͤgliche Reichs Bewandnuß ge-
ſtattet/ vnd kem ſonderbar eylend vnverzuͤgliches Rettungsmittel erfordert hette)
ſolches gerne ſorgfaͤlltig in acht genommen: iſt ſich dem nach verwahrt worden/ vnd
wird nochmahls htemit klaͤrlich bedinget/ daß der dißmals auß vnvmbgaͤnglicher
Noth gebraucht Modus dem H. Roͤ. Reich/ vnnd deſſen ſampt- oder ſonderlichen
Gliedern/ ſonſten zu ewigen Tagen keine præjudicirliche Conſequentz oder be-
ſchwerlichen Eingang bringen/ oder von jemand vor ein Exempel angezogen wer-
den ſolle.


Jn vrkund ſeynd dieſer Brieff drey auff Pergamen originaliter außgefer-
tigt/ deren jeder von R K. M. auch C. D. zu Sachſen/ vor ſich vnd dero Nachkom-
men/ ſelbſthaͤndig vnderſchrieben/ vnnd mit Anhaͤngung dero Kayſerlichen vnnd
Churfuͤrſtlichen Jnſiegel verwahrt/ vnd das eine Exemplar der K. M. das andere
Jhrer C. G. zu Mayntz/ zu dero Reichs Cantzley/ das dritte Jhrer C. D. zu
Sachſen zugeſtellet worden. Geſchehen zu Prag den
30. May/ Anno Chriſti vnſers Erloͤſers
vnd Seligmachers/
1635.


Der
[224]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ

Der achtzehende Diſcurß.


Vrtheil von dem Prager Frieden: vnnd wie Chur Sachſen deßwegen beſchul-
diget: aber auch vertheidiget wird.


ES wurd aber dieſer Fried gleich Anfangs am Sachſen geſtriegelt/
vnnd getadelt: der modus procedendi wer vnrecht maͤſſig/ vnnd C. D. zu
Sachſen nicht befugt geweſen/ ohne Vorwiſſen/ Communtcation/ Con-
ſens/ Willen vnnd Gutheiſſen der andern Staͤnde in einige Tractaten ſich
einzulaſſen: viel weniger aber finaliter vnd endlich zu ſchlieſſen/ vnd dardurch von
den andern ab- vnd zu der R. K. M. ſich zuſchlagen. Diß gebe im H Roͤ. Reich
ein boͤſe Conſequentz: dann wann die Reichs Staͤnde als Vniuerſi betrachtet wer-
den/ ſo gehoͤre der meiſte/ oder doch zum wenigſten zweyer Theile derſelben Conſens
darzu. Werden ſie aber conſiderirt als Singuli, ſo ſey die Handlung/ ohne der Ab-
weſenden ſonderbahre Ratification/ vnkraͤfftig. 2. Derogeſtalt/ daß dahero
dieſer Friedenſchluß alleine die Staͤnde verbuͤnde/ welche jhn gutwillig angenom-
men: denen andern aber ſchade der erzwungene Conſens nicht: ſondern ſie hetten
ſich alle mit dem Edicto Prætorio quod vi metusue causâ heut oder morgen dar-
wieder zuſchuͤtzen vnnd zubehelffen/ wie etwan anderwertlich vom Paſſawiſchen
Vertrag auch außgeben worden. 3. Es hette das Anſehen/ daß ein groß Niſi
darunder verborgen ſeyn muͤſſe/ daß ſo offt der 12. Nov. ſt. n. Anno 1627. widerholet
worden: vnnd will von etlichen gemuthmaſſet werden/ quaſi aliquid monſtrialat,
vnnd ziele auff das auß gelaſſene Kayſerliche Edict/ vnnd den darin angezogenen
Muͤlhauſiſchen Convent/ (da der Graff von Schwartzenburg der Romantſchen
Religion zugethan/ im Namen deß Churfuͤrſten zu Brandenburg gewaltig ope-
riret) welcher Anno 1627. gehalten/ ob hette auff demſelben das Churfuͤrſtliche Col-
legium Jhrer K. M. alle Gravamina/ wegen der Geiſtlichen Guͤter/ bloß vor ſich
ſelbſten zu decidiren/ maͤchtiglich anheym gegeben: vnnd weil das Churfuͤrſtliche
Collegium es damals vor ſich/ ohne der andern Fuͤrſten vnnd Saͤnde deß Reichs
Einwilligung nicht thun koͤnnen/ moͤchte nach Verflieſſung der viertzig Jahren
darauff gedrungen werden/ als hetten ſich alle Evangeliſche Staͤnde durch dieſe
oͤfftere Wiederholung deß 12. Nov. ſt. n. Anno 1627. darzu ingeſampt verſtanden/
daß Kay. M. Macht haben ſolle/ das Anno 1629. auß gelaſſene Edict zu exequiren/
vnnd jhres eygenen Gefallens/ wegen der Geiſtlichen Guͤter/ zu diſponiren vnnd
decidirn. 4. Es waͤr das Koͤnigreich Boͤhmen/ vnnd die Oeſterꝛeichiſche vnnd
Maͤhriſche Landen darinnen vbergangen/ vnd jhnen das liberum exercitium reli-
gionis
nicht erhalten. Dahero als Anno 1539. die Proteſtirende Staͤnde den jh-
nen
[225]Dritter Theil.
nen zu Schweinfurth fuͤrgeſchlagenen Particular Frieden nicht annehmen wol-
len/ hetten ſie vnder anderm auch die ſo denckwuͤrdige Wort gebrauchet: dieweil
wir haben fuͤr Vnchriſtlich halten muͤſſen/ daß jemand jhm allein/ vnnd nicht der
gantzen Religion vmb Frieden handele/ ſo haben wir vns nicht doͤrffen verſiche[r]n/
vnnd vnſere Bruͤder laſſen in aller Gefahr ſtecken. Darumb ſo haben wir keinen
Anhang leiden moͤgen/ dadurch wir einen Anſtand hetten/ vnnd andere vom Frie-
den außgeſchloſſen weren: dann das were andern den Weg beſchlieſſen zum Glau-
ben vnd Himmelreich/ vnnd verhindern die nothwendigen Articul deß Glaubens
zubekennen/ die zu Augſpurg verdammet ſeynd/ zu den wir aber alle Welt fuͤhren/
vnd ſolche zu glauben foͤrdern ſollen. Auch/ ſo wir etwas bewilliget/ ſo hetten wir
in Verdammung deß Chriſtlichen Glaubens bewilliget/ vnd weren deren Bieder-
Leuthe Verꝛaͤhter worden/ auch die in hoͤchſte Verfolgung geſetzet/ denen wir
ſchuldig ſeyn/ allen Vorſchub vnd Huͤlffe/ doch nach Ordnung/ zuthun vnd zuver-
ſchaffen/ daß ſie in vnſers Glaubens Gemeinſchafft kommen/ vnnd darbey bleiben
moͤgen. 5. Auch die Schleſiſche Fuͤrſten vnnd Staͤndte/ zuwider dem Anno 1621.
auffgerichteten Churfürſtlichen/ von K. M. confirmirten Accord beſchweret wor-
den: Krafft welches/ vnd anderen darauff erfolgten Handlungen vnnd Actuum
C. D. zur Protection allerdings verbunden ſey. 6. So wolte es in gleichem
den Reformirten zum mercklichen Præjuditz gereichen/ vnd groſſes Nachdencken
verurſachen/ daß in dem Friedenſchluß das Wort Proteſtirende nicht gebraucht
wird/ ſondern allein die Wort Augſpurgiſche Confeſſions Verwandte zubefinden
ſeyn: Sintemahl vnverneinlich/ der Name Proteſtirende Anno 1529. vnnd alſo
das vorige Jahr ehe die Augſpurgiſche Confeſſion vbergeben/ denen/ ſo wider den
damahligen Reichs Adſchied proteſtiret/ von den Catholiſchen auff geleget wor-
den/ wie auß Dr. Braunen Dialogo von den Ketzern zuſehen. 7. So ſey hier-
uͤber die Pfaͤltziſche oberkandte Sach/ ſonderlich wegen deß Churfuͤrſtlichen Voti,
ſo denen Evangeliſchen Staͤnden auff Reichs-Krayß- vnd Wahltaͤgen abgien-
ge/ magni præjudicij: Jn maſſen dannin einem Scripto auff Seiten der Catholi-
ſchen es ſonderlich mit dieſen Worten gekuͤhmet wird/ quantivis dein pretij eſt,
quòd in in Collegio Electorali nobis ac parti Catholicæ ſtabilitur, ac confirma-
tur vnius voti acceſſio.
Vnnd wuͤrde gewißlich die Pfaͤltziſche Enderung mate-
riam \& ſegetem noui belli
ſuppeditieren. 8. Vnd jnſonderheit/ daß die Amne-
ſtia nicht vniuerſalis, groſſen Schaden thue/ vnnd newes Fewer erwecken: dahero
billich/ daß nach dem Exempel K. M. hochloͤblichen Vorfahren/ fuͤrnemlich Caroli
V. vnd anderer Chriſtlichen Potentaten/ namentlich deß weitberuͤhmten Fuͤrſten
Coſmi de Medices, durch hoch vernuͤnfftiges diſſimuliren/ lieber etwas zu vberge-
hen/ als all zu hart mit ſolchen Confiſcationen zuſtraffen/ damit deme/ nach außge-
ſtandener vieler Schwachheit/ noch Krafftloß darnieder liegenden R. R. ſeine
Ruhe gelaſſen/ die durch den edlen lieben Frieden an jetzo kaum etwas geheylete
Dritter Theil. F fWun-
[226]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Wunden/ nicht auffs newe wiederumb auffgeriſſen/ deß Legati Priuernatum auff
deß Plautij Burgermeiſters zu Rom Frage/ Quid ſi vobis ignoſcatur, qualem pa-
cem habituri ſitis?
gegebene Antwort/ Si bonam dederitis, habebitis fidam \& per-
petuam: ſi malam, haud diuturnam,
bey Liyio, in acht genommen werde/ vnnd ſol-
che Heroiſche Perſonen Theils nicht Anlaß nehmen/ ſich auß Deſperation an be-
nach barte Potentaten zuhengen/ dadurch dem Roͤ. R. groͤſſere Vnruhe/ vnnd noch
gef[aͤ]hrlichere Kriege erwecket werden koͤnten. Welche Jhre K. M. vielmehr ab-
zuwenden vnd Vermoͤge der Capitulation/ vnd deß jetzigen Friedenſchluſſes/ mit
denen außwertigen Potentaten gute Eynigkeit vnd Vernehmen zupflegen: oder/
da dieſelben dem Roͤm. R. zuſetzen ſolten/ zuvor daheyme den Rauch zu dempffen
ſchuldig/ daß die Flammen nicht außſchlagen/ ſondern alsdann Jhre Kay. M. an
den Graͤntzen/ mit der Staͤnde einhelligen Fuͤſſen/ dem Feind vnder Augen ziehen
koͤndte wie der Staͤnde Augſpurgiſcher Confeſſions Geſandten/ in jhrem Beden-
cken vber der K. M. am 25. Aug. Anno 1576. auffm Reichs Tag zu Regenſpurg ge-
gebenen Reſolution Wort/ bey Lehman/ lauten. Auch darumb/ daß obangereg-
te Perſonen/ deßwegen/ daß ſie ſich wieder Jhre Ka. M. nur alleine zu Erhaltung/
oder Wiedererlangung jrer Guͤter gebrauchen laſſen/ deß Criminis læſæ Majeſta-
tis,
nach Menochij Meynung nicht ſchuldig: Sondern in dieſem Defenſiv Krie-
ge/ da wegen Manglung ordentlicher Obrigkeit/ ſagt Lehman/ ein jeder ſich deß
ſeinigen propriâ authoritate, wieder bemaͤchtigen wollen. Cùm pro defenſione
etiam Turcas \& infideles in auxiliũ vocare, licere ſtatuãt Oldrad. \& Kirchov.
Auch
hieruͤber/ wegen zugefuͤgter Schaͤden vnd Vnkoſten/ nicht belanget werden koͤn-
ne/ Salicet. \& Hortled. Jn maſſen dann auch an jetzigem Friedenſchluß alſo
concludiret/ denn es ſonſten bey vielen/ jnn- vnd auſſerhalb deß R. R. das Anſehen
gewinnen moͤchte/ ob were der Fried nicht freywillig gegeben/ vnd hette durch Ein-
ziehung der Guͤter/ etlicher maſſen erkaufft werden muͤſſen/ cùm certijuris ſit, pa-
cefactâ, antiquis poſſe ſſoribus reſtituendas eſſe poſſeſſiones, apud Menoch.
Jn
deſſen/ vnnd anderer Vmbſtaͤnde reiffer Erwegung bey denen Tractaten/ billich
dahin geſehen werden ſollen/ damit die Schaͤrpffe nach geblieben/ vnnd keiner von
der Amneſtia außgeſchloſſen/ ſondern Kayſer. l Ma. zu einer andern milten Reſo-
lution bewogen/ vnnd auß K. Hulde/ vnd angebohrner Oeſterꝛeichiſcher Sanfft-
muth vnd Gůtigkeit/ allen mit einander gaͤntzlichen perdontrt were. 9. Vnnd
weilen es wegen der Geiſtlichen Guͤter nicht perpetua, ſondern paxtemporaria,
wuͤrde die liebe Poſteritaͤt/ nach verfloſſener Zeit/ der Religion halber in hoͤchſter
Gefahr ſtehen. 10. Zumahln wann der K. Reichs Hoffrath das Erkantnuß ha-
ben/ vnd den endlichen Außſchlag abſq; remedio ſuſpenſiuo geben ſolte. 11. Zu
deme/ war kein Aſſecuration/ als Feder vnd Papier vorhanden/ daß in dieſer abge-
handelten Zeit der Friede gewiß gehalten werden ſolle. Dann es wer auff Sei-
ten der Catholiſchen doch keine Sicherheit zuhoffen/ wann ſie ſchon alle/ nach An-
leytung deß Friedenspuncten/ vor ſich vnd jhre Nachkommen/ vnnd die Dom Ca-
pitel
[227]Dritter Theil.
pitel in formâ patenti jhre Erklaͤrungen vnnd Approbationen einſchicketen/ an
Worten vnnd rohem Tuche (ſagt Lehman) ginge viel ein. Sie lieſſen jhnen den
Spruch/ den Ketzern doͤrffte man keinen Glauben halten/ durch keine Tranſactio-
nes,
oder guͤtliche Vergleichung/ Sincerationes oder auffgerichtete Vertraͤge/ wie
hochbetheurlich auch dieſelben beredet/ beliebet/ vnnd conceptis verborum
formulis
beſtettiget wuͤrden/ nimmermehr auß dem Sinn vnd Hertzen bilden vnd
außreuten: koͤndte wol ſeyn/ daß ſie hierdurch die Evangeliſchen vnder ſich/ vnnd
von denſelben nur die Aſſiſtenten zutrennen verhoffen. Wie dann ſchon Anno
1541. auffin Reichs Tag zu Regeuſpurg/ auch darüber geklaget/ daß die Catholi-
ſchen Trennung vnder denen Religions Verwandten anzurichten ſich bemuͤhe-
ten/ vermoͤg der Reichs-Acten. Dergleichen Trennung zurahten haͤtte ſich auch
ſchon Iohan. Franciſc. Cardin. Commendonus auff dem Anno 1566. gehaltenen
Reichstage zu Augſpurg/ dahin er von dem Bapſt Pio V. abgefertiget/ zum heff-
tigſten bemühet/ ſagt Thuanus. Dahin ſey auch gerichtet der Diſcurs/ Anno
1627. publiciret/ von dem Buͤndnuß der Woͤlffe mit den grawen Hunden/ Zuauß-
tilgung der ſchwartzen/ oder bundflecketen.


Dann ſie blieben/ wie gedacht/ bey jhrem principio: Man ſolte den Ketzern
keinen Glauben halten/ welches ſie bißhero/ wegen deß Religionfriedens/ in der
That genugſam erwieſen hetten. Davon zu ſehen Apol. Sax. §. Daß man. Vnd
Lehman l. 3. Ob es gleich die Jeſuiter vernichteten/ vnd von den fœderib. publicis,
jure gentium introductis,
nicht verſtanden haben wolten in Comp. Pacis c. 5. q. 59.
Was aber auff dieſes jhr Fuͤrgeben/ vnd deß Becani Lehr/ de fide hæreticis non ſer-
uandâ,
ſonderlich in c. 10. zutrawen ſey/ das finde man im Buͤchlein/ ſo genennet
wird Wiederlegung Vngerßdorffs Erinnerung von den Calviniſten p. 34. Vnd
ſey darauß zuerſehen/ daß der Bapſt ſchreibet/ ob ſchon die Sach an ſich ſelbſt gut
were/ wuͤrde es dennoch von der Perſohn deß Kayſers vnrecht. Apol. Sax. p. 70.
vnd Lehman ſaget vngeſchewt in juſta defenſ. p. 139. Bleibet demnach/ daß vnſers
allerheiligſten Vatters Vrbani VIII. vnd der K. May. kein andere Meynung iſt/
als daß die Ketzereyen in Teutſchland außgerottet/ vnnd der vralte Catholiſche
Glaub wieder eingefuͤhrt werde. Ja auch ein Eyd helffe nichts: dann der gelte
allein in denen Sachen/ die an ſich ſelbſt recht vnd zulaͤſſig: davor ſie aber den vnbe-
dingeten vnnd jmmerwehren den Religionfrieden nicht erkennen wollen/ daß es ei-
ne ſolche geſtalt mit jhme habe/ daß er auff einige weiſe vnd wege fuͤr zulaͤßlich koͤn-
ne geachtet werden. Apol. Saxon. p. 76. Wie dann die Augſpurgiſche Confeſſions
Verwandte/ in jhrer Replicâ auffm Reichstage den 26. Feb. 1543. hefftig daruͤber
geklaget: deß gleichen/ daß die Catholiſchen darfuͤr hielten/ der Bapſt vermoͤchte
ſie ex plenitudine poteſtatis von allen ſolchen Zuſagen abſolviren: vnnd moͤchte
ohne deſſelben Bewilligung kein Friede geſchloſſen werden. Comp. Pac. c. 5. q. 28.
Auch hab ſich Julius I. geruͤhmt/ er mache Buͤndnuͤſſen vnnd Vereyn mit den
Frantzoſen vnd Teutſchen nur allein/ daß er ſie betruͤge. Auch hette Treuiſanus,
F f ijRaths-
[228]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Raths Verwandter zu Venedig/ vnnd S. Marxen Verwalter/ beſtaͤndig auß ge-
ben: dasſey der Baͤpſte eygenes Thun/ daß ſie auff jhre Zuſag nichts achten: ja
beſchloſſen/ daß die Kirch/ vngehindert einiges Contracts/ vnnd einiger Verheiſ-
ſung/ wann ſie nur ein newes Beneficium erlange/ jhre Obligationes wiederꝛuf-
fen/ vnd außfuͤhrlich wieder die jenige/ ſo die Prælaten hochbetheurlich vollzogen/
handeln moͤge. Daher dann gewiß werde/ daß man mit weniger Sicherheit mit
ſolchen/ deren Rechte ein Rechte der Falſchheit/ einigẽ Bund moͤge treffen/ als mit
dem Tuͤrcken. Welches ſonderlich allhier deſto mehr zubefahren/ wenn der
Bapſt allbereyt darwider einen eygenen Legatum hette proteſtiren laſſen. Da-
hero der Jeſuiter Roſenbuſch vom Religionfriede in ſeiner Declaration p. 87.
ſchreibe: Er zweiffele gar nicht/ die frommen Kayſer vnnd Fuͤrſten Catholiſcher
Religion vnnd Glaubens hetten dieſe Dinge eingegangen/ mit Jhrer Heyligkeit
Wiſſen vnnd Conſens/ damit ſie in jhrem Gewiſſen deſto ſicherer ſeyn koͤnten.
Ob aber der Bapſt den Religionfrieden approbiret oder verworffen habe/ das ſey
in obberuͤhrtem Buͤchlein wieder Vngerßdorff weitlaͤufftiger außgefuͤhret: oder
wenn es doch kaͤme/ geben ſie vor/ man muͤſſe eine Zeitlang/ zu Verhuͤtung groſ-
ſes Vnheyls/ biß ſich dermahl eins beſſere Gelegenheit eraͤuge/ temporiſiren.
Comp. Pac. q. 26. wie laͤngſten zuvor vber dergleichen Temporiſation die Proteſti-
rende Staͤnde/ vnnd Marggraff Albrecht in jhrem Außſchreiben Anno 1552. zum
hefftigſten bey Hortled. klagen. Mann hette zum oͤfftern erfahren/ daß bey den
Catholiſchen wahr worden/ was dort ſtehet: ſcio, quo vos pacto ſoleatis per-
plexarier: pactum non pactum eſt, non pactum pactum eſt; quod multis lubet.

Darumb auch nach geſchloſſenem Friede bey jhnen allerdings kein beſtaͤndiges
Vornehmen zuhoffen/ ſondern vielmehr zu muthmaſſen ſey/ daß wider ſie practi-
ſirt werden muͤſſe/ was der weiſe Heyd Demoſthenes gerahten: Vnum natura
prudentium in ſemetipſa poſſidet præſidium, quod cùm omnibus bonum eſt, \&
ſalutare, tum vel maximè liberis hominibus, contra hoſtes, Diffidentia.

Vnnd was in der Fabel von dem Fuchſe gemeldet wird/ welcher bey der Reconci-
liation zur Schlangen ſagte/ er wuͤrde es wol nimmermehr vergeſſan/ was jhm be-
gegnet/ noch der Schlangen mehr trawen/ wann ſie jhm gleich noch ſo ſehr Liebko-
ſete: wie er jhme gleichfalls nicht einbilden koͤndte/ daß ſie jhme trawen wuͤrde.
So ſolte auch billich dieſes die Evangeliſche ſtutzend machen/ daß in der Schrifft/
welche C. D. zu Sachſen am 28. Apr. Anno 1629. an Kay. May. abgehen laſſen/ die
Kayſerliche Reichs Hoffraͤhte gerahten/ Jhre K. M. ſolten bey denen zu Muͤlhau-
ſen Anno 1627. beſchehenen Sinceration vnd Aſſecuration verbleiben/ vnd dahin
trachten/ daß Chur Sachſen in das Edict/ oder deſſen Execution gar nicht einge
menget/ ſondern davon ſepariret wuͤrde: vnnd ſolches ſo wol/ wegen vielfaltigen
Politiſchen Reſpects/ als auch darumb/ daß durch die Separation die Execution
deß K. Edicts im vbrigen facilitiret/ vnd deſto leichter zum wuͤrcklichen Effect ge-
bracht werde. Will alſo von etlichen darfuͤr gehalten werden/ daß dieſer Friede
allein
[229]Dritter Theil.
allein zu dem Ende geſchloſſen/ damit die Catholiſchen ſich wieder recolligiren/
vnd mit groͤſſerer Macht ins kuͤnfftige außruͤſten koͤnnen. Alſo hab ſich Carolus
V. jmmerzu vor Hertzog Moritzen zu Sachſen gefoͤrchtet. Thuan. Sey derowe-
gen den Catholiſchen/ weil ſie ſonderlich noch in Armis, nicht zu trawen/ da auch
gleich (woran noch ſehr zu zweiffeln) die beredete 40. Jahr vber alles/ was in die-
ſer Pacification vnnd Friedens Vergleichung geſchloſſen/ vnnd beliebet/ gehalten
wuͤrde.


12. So were noch ferꝛner die Frage/ wie es dann Verlauff der vierzig Jah-
ren hergehen ſolte/ weil die rechte wahre Vrſache vnnd Vrſprung deß bißhero ge-
fuͤhrten Krieges/ welche iſt die zweyſtimmige Jnterpretation oder Deutung/ Auß-
legung vnnd Verdolmetſchung deß Religionfriedens/ vnnd der Streit vber den
Geiſtlichen Guͤtern/ Stifftern vnd dergleichen/ auß dem Grunde nicht gehaben/
ſondern nur auff eine lauffende Zeit/ von vierzig Jahren/ die Eroͤrterung geſcho-
ben worden: womi aber weder die an jetzo lebende Religions Verwanden genug-
ſam verſichert/ noch auch der werthen Poſteritaͤt oder Nachkommen/ auff welche
ſo wol deß Nachruhms/ als der Vorſorge halben/ nach dem Exempel der loͤblichen
Vorfahren in allen oͤffentlichen Handelungen nicht zuſehen/ gedienet vnd geholf-
fen were. 13. So ſey nicht weniger in groſſe Confideration zuziehen: daß gleich
wol die Kron Schweden/ ſo mit in dem Krieg begriffen/ nicht allein zu denen Tra-
ctaten nicht gezogen/ ſondern auch mit Vergieſſung Koͤniglichen Bluts/ der ver-
dienten Satisfaction halber/ nichts gedacht worden: welche ſich aber ſo bloß auff
die maſſe/ wie in offt gemeldetem Friedenſchluß Erwehnung geſchehen/ nicht ab-
fertigen laſſen koͤnten. 14. So were in gleichem zu bedencken/ wann etliche
Staͤnde/ ſo viel nicht nahe Verwante ſeyn koͤnnen/ ſich nicht zum Frieden Schluß
bequemeten/ ob mit gutem Gewiſſen man ſie mit Heerskrafft vberziehen helffen/
vnd gleichſam in propria viſcera ſæviren/ ſo wol die Schweden/ vnnd deren Mit-
verbundene mit Gewalt auß dem Reich vertreiben koͤnne. Jn Summa/ ſagen
etliche/ Pacem modernam eſſe periculoſam \& plenam bello, aut quod ait Mithri-
dates apud Salluſtium, ob interna mala, dilata magis eſſe prælia, quàm pacem da-
ta[m].
Vnnd ſolches erweiſen ſie durch Betrachtung deß hierauff erfolgendem
Vbels. 1. Werden die Schweden wegen dieſes Friedens nur deſto ſchwuͤriger
werden/ vnnd nicht in der Furj ein groſſes Vngluͤck angehen doͤrffen: welches dan-
nenhero noch mehr zubefoͤrchten/ weilen ſie ſich auff den Polniſchen Treues, vnnd
Frantzoͤſiſchen Secours, auch auff jhr eygenes Volck in Preuſſen zuverlaſſen/
vnnd es ſonſt heiſſe/ wie Livius ſagt/ Omnia audaciſſimè incipientes, rarò fefellit
fortuna.
Ober wie deß Antonij Conſilium beym Tacitol. 3. lautet: Eſſe adhuc
Vitellio vires: ambiguas, ſi deliberarent: acres ſi deſperâſſent.
2. Sey ein jn-
nerliches Vngluͤck/ daß mancher an ſein vbeln Znſtand werde gedencken/ wie er
durch dieſen Frieden excipiret/ vnd gantze Laͤnder vmb die Religion kommen. Vnd
ſolches werde ſo lang im Gemuͤth/ wie ein Dorn im Fuß bleiben/ biß es wie der zur
F f iijandern
[230]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
andern Vnruhe oder Auffruhr außſchlage. Sonderlich ſey die Religion/ oder
Gewiſſens Freyheit ein ſolches Stuͤck/ welches/ da mans ſucht zuvndertrucken/
bald wie eine groſſe Flam̃ vber ſich ſchlaͤget: vti nihil tàm voluntarium, ita tàm in-
quietum nihil, quàm Religio, ſi voluntati obſtes.
Schlieſſen darumb/ dieſer
Friede ſey gefaͤhrlich vnnd beſorglich/ vnnd hebe noch lange nicht alle Gravamina/
viel weniger lanienam Chriſtianorũ mutuam auff: es werde ſich auch in eventu er-
weiſen/ ob gegenwertiger Fried GOttes edles Geſchenck ſey/ oder/ ob Vegetio zu
glauben/ wann er ſagt/ frequentius paces, quàm arma nocuerunt.


Das Gegenbedencken repræſentiret/ was vor Vnheil auß dem jnnerlichen
Krieg erwachſe/ vnnd daß allhie die Vrſach dieſes Kriegs auffgehoben/ nemblich
die Execution deß Anno 1629. herauß gelaſſenen Edicts caſſiret/ denen Beſchwe-
rungen der Reichs Staͤtt (es ſey nemlich jhnen vielſaltig wieder den Religionfrie-
gen Jnhalt gethan/ die mediat- vnnd jmmediat-Stiffter/ vnnd Geiſtlichen Guͤt-
ter entzogen/ einem Theil mandata ſine clauſulâ gegeben/ dem andern aber abge-
ſchlagen/ vnnd das beneficium emigrandi gebuͤhrlich nicht verſtattet. Jtem/
daß man ordinari Viſitationes vnnd Reviſiones nicht befoͤrdere/ die Krayß vnnd
Executions Ordnung nicht in acht nehme/ auch ſonſten groͤblich wider den Pro-
phanfrieden handele/ die Capitulation in Kriegs Verfaſſung/ vnnd andern Din-
gen/ auß den Augen ſetze/ vnd was/ beſage der Reichs Acten/ der Klagen mehr ge-
weſen) nunmehr dergeſtallt gutes theils abgeholffen/ daß hinfuͤro vber den Reli-
gion- vnnd Prophanfrieden allerdings gehalten/ es bey der Krayß vnd Execu-
tions Ordnung verbleiben: vnnd was darinnen nicht begriffen/ noch den Reichs-
vnd Fundamental Geſetzen/ ſo wol andern Reichs Conſtitutionen/ vnd da darm-
nen keine ſonderbahre Diſpoſition vorhanden/ nach den gemeinen Kayſerlichen
Rechten/ decidirt werden ſollen. Es werde in dieſer Pacification auff die Liebe
deß Nechſten/ Nutz vnd Wolfahrt der Vnderthanen/ das bonum publicum, vnd
fuͤrnemlich anff die Conſervation deß R. Reichs ein ſonderbares ſorgfeltiges Au-
ge gehalten/ aller Argwohn vnnd Mißtrawen auß dem Wege geraͤumet/ zwiſchen
den kriegenden/ vnnd zu dem Frieden geneygten Partheyen/ eine Amneſtia/ Caſ-
ſir-Vergrab- vnd Auffhebung voriger Mißhelligkeiten vnnd Hoſtilitaͤten indu-
ciret/ vnnd alles in vergeſſen geſtellet. Jn Summa/ es wird dieſer Schluß der-
maſſen ſtabiliret/ daß keiner denſelben vmbſtoſſen/ davon abweichen/ oder ſonſten
etwas tentiren kan/ was zu deſſen Schwaͤchung gereychen moͤchte. Dieweil er
dann vnverletzt GOttes Ehr/ vnnd guten Gewiſſen geſchehen koͤnnen/ ſoll man
jhn lieber eingehen/ als es vollends gar auff die Extrema ſtellen/ welches ſo wol
gegen GOtt/ als die werthe Poſteritet vnertraͤgliche Verantwortung auff ſich la-
den wuͤrde. Man muͤſſe in particularietwas leyden/ den Krieg abzuwenden/ zu
mal ſolches auch Anno 1555. geſchehen. Vnd 1. haben beyde Negotianten jhre
beyde Partheien repræſentirt/ vnnd das Geſetz aller Geſetzen/ nemlich deß Reichs
Wolfahrt beobachtet: da dann Scipionis Naſicæ Spruch golten: Neceſſarium
viro
[231]Dritter Theil.
viro ſapienti in paruis à juſtititiâ abire, qui in magnis eam ſaluam velit: daß es an
fleiſſigen Erinnerungen nicht ermangelt/ der Stein aber nicht weiter zubringen/
noch zuheben geweſen: darumb die Particularen dem Gegentheil zu vielem nach-
gruͤblen nicht Vrſach geben ſolten. 2. Wer es je kein Zwang/ ſolchen anzuneh-
men. 3 Erfolge je die allgemeine Ruhe. 4. Darzu man ſich ſchuldig wiſſe.
5. Vnndkoͤnne manchem wol wider ſeinen Willen einige Gutthat wiederfahren.
6. So hetten auch die Staͤnde jhnen ſelbſt nicht helffen koͤnnen. 7. Vnd muͤ-
ſte nach vielem Blu[t]vergieſſen/ oder Schlagen dennoch die eine Parthey in ein
ſawern Apffel beiſſen. 8. So wer es auch nichts newes/ daß vnder vielen Bunds-
genoſſen einer oder der ander auß ſonderbaren Vrſachen abtrette. 9. Vnd daß
jede Parthey ſich zum allerbeſten gefaßt mache/ bey den Tractaten die Oberhand
zuerhalten. 10. Derowegen bleiben muͤſſe/ was Tacitus meldet. Omne ma-
gnum exemplum habere ſolet exiniquo aliquid, quod contra ſingulos vtilitate
publicâ rependitur.
11. Daß aber Nemo alteri ſtipulari poteſt, nicht ſtatt fin-
den koͤnne/ erweiſe das jusgentium: ſintemal der Spruch nur de jure civili. 12.
So hat auch hie metus cauſa nichts ein zuwenden/ weil nichts vnziemliches/ ſon-
dern aller Nutz vorgangen vnnd geſucht worden. Wie dann zu Erhaltung ge-
meinen Friedens im H. R. R. alle Chur-Fuͤrſten vnd Staͤnde Geiſt- vnd Welt-
liche haben geſchehen laſſen muͤſſen/ daß/ vnangeſehen aller Vertraͤge/ Freyheiten/
Jndulten vnnd Herkommen ſo der Anlage zuwider ſeyn moͤchten/ jhnen von allen
Lehen vnd Erbe/ den gemeinen Pfenning zur Tuͤrckenſteur zugeben/ durch die
Reichs Abſchiede/ jnſonderheit den Speyeriſchen Anno 1544. aufferlegt worden:
darwider ſie obbenahmtes Edict nicht anziehen doͤrffen. Fuͤrnemlich aber hette
man wol bey dem Leipziger Schluß verſpuͤhret/ daß etliche Staͤnde jhr abſonderli-
ches Abſehen gefuͤhret vnnd ſich nimmermehr mit C. D. zu Sachſen vergleichen
wollen: darumb C. D. zu Sachſen jhro ſelbſten/ vnnd dann dem Evangeliſchen
Weſen Sicherheit procurieren muͤſſen. Zugeſchweigen der groſſen Vngelegen-
heiten/ ſo auß frembder Nationen Huͤlff jederzeit entſtanden/ wie noch newlich
das Griechiſche Kayſerthumb mit ſeinem Vndergang erwieſen. Endlich ſo het-
ten die zu Franckfurt verſamblete Staͤnde/ nach eheſter Notificirung/ ſich wol koͤn-
nen herbey fügen vnd alle Notturfft erinnern.


Was aber das vermeynte im dunckeln liegende NIS 1 belangt/ werden die
Relationen deß 1629. Jahrs außweiſen/ wie es mit dem Reformations Weſen
vor vnnd alsdann geſtanden. Der Tag zu Muͤlhauſen were ja vor eine vnver-
buͤndliche Conferentz gehalten/ welches der Vortrag ſelbſt mit ſich bringe/ vnnd
der Geiſtlichen Guͤter nicht gedacht worden. Vnnd da die Deciſion/ wegen
derſelben in einem Schreiben Jhrer Kay M. heimgeſtellet worden/ hette es Chur-
Sachſen nicht vnderſchrieben: wer auch/ was im Edict darauß angezogen/ nicht
zu attendiren/ welches doch allhie auffgehoben wird. Taminiqua eſt curioſa ſub-
tilitas, vt nec, quæ ipſius bono fiunt, pervideat.
Daß nun Boͤhmen vnnd die
Oeſter-
[232]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Oeſterꝛeiſche Landen hierin vber vielfaltiges erinnern vnnd bewegliches Vortra-
gen/ præterirt worden/ were doch auch im vorigen Seculo geſchehen/ weil ſie fremb-
de Vnderthanen/ vnd kein Souuerain jhm eingreiffen oder fuͤrſchreiben laſſe. Zu-
mahl auch keine Mittel/ die Sach außzufuͤhren/ bey Handen/ vnnd der frembden
Kronen Huͤlff vngewiß ja ſorglich: wie dann an denſelben Landen das Evange-
liſche Weſen auch nicht haffte. So machen auch die Theologi ein Vnderſcheyd
inter religionis propagationem \& defenſionem, vnnd formiere Gerhardus dieſe
Frag: Ob man/ ſo lang Krieg fuͤhren koͤnne vnd ſolle/ biß auch das Exercitium Re-
ligionis
in den Kayſerlichen Erblanden wieder reſtituirt worden? Gleiche Mey-
nung habe es auch mit den Schleſiſchen Staͤnden/ deren ſich etliche ferꝛner ver-
dieffet/ vnd demſelben nach deß Pardons/ vnd Chur Saͤchſiſcher Protection ver-
luſtigt gemacht: worinnen dann jederzeit auff das Haupt Weſen muͤſſen geſehen
werden/ bey welchem dennoch den Staͤnden nach Beſchaffenheit entweder auff et-
liche Jahr/ oder in perpetuum das Exercitium iſt erhalten worden. Da dann
allezeit die Jmpoſſibilitet wird vorbehalten vnd eingewendet: mit eroͤffneter Thuͤr
der Gnaden/ daß was Zeit wehrend iſt/ zu perpetuiren. Dann alſo haben die
Roͤmer mit Porſena wegen der Tarquinier/ vnd heut zu Tag die Chriſtenheit mit
den Tuͤrcken gehandelt.


So belauffe auch der Vnderſcheyd zwiſchen den Worten Proteſtirend/ oder
Evangeliſch nicht ſo hoch. Dann weil wegen der Calviniſten nichts zuerlangen
geweſen/ habe man nicht Vrſach gehabt/ jhrentwegen mit den Waffen zu conti-
nuiren. Jn Betrachtung/ daß dieſe Pacification nur eine Newerung deß Paſ-
ſawiſchen Vertrags ſey/ vbi paciſcentes ſunt ſoli Pont ficij \& Lutherani: daß
man alſo zu Prag nichts anders reden koͤnnen. Vnd ſey dardurch der Calvini-
ſten nichts begeben: ja vielmehr/ daß jhnen wann ſie nur wollen/ der Weg zur
Gnaden eroͤffnet worden: dergeſtalt/ daß ſie nichts weniger dieſes Friedens faͤhig
werden koͤnnen. Dann ob ſie wol deß Religionfriedens Anno 1555. zu Augſpurg
auffgerichtet nit genieſſen koͤñen/ weil in demſelben außtrucklich zufindẽ/ dz nur die
Catholiſche vñ Lutheriſche Religion dariñen begriffen/ vnter deren keine die Calvi-
niſche propriè zu rechnen ſey: ſo werden ſie doch paſſivè auffgenommen/ daß man
jhnen zwar das Exercitium, ſo ſie/ allbereyt hetten/ laſſen: aber nicht jhnen zugleich
auch Macht geben ſolte/ jhre Vnderthanen zu jhrer Calviniſchen Religion zu re-
formieren. Dannenhero D. Lutherus jhnen zugeſchrieben: Weltlich wollen
wir mit euch eyns ſeyn/ das iſt/ zeitlichen vnnd leiblichen Frieden halten: aber
Geiſtlichen wollen wir euch meyden vnnd haſſen. Bey welcher Tolerantz es ins
künfftige bleiben ſolle.


Wegen der Pfaͤltziſchen Sach hetten ja die ſieben Churfuͤrſten geſchloſſen:
weil GOTt dieſelbe Sach nie befoͤrdern wollen. Dann Chur Bayern vor ſich
habe die Kayſerliche Jnveſtitur/ die gewaltſame Beſitzung/ vnnd die vralte Præ-
tenſionen. Die Amneſtia wer dahin gebracht/ daß dieſelbe das R. Reich mehr
erfrewen
[233]Dritter Theil.
erfrewen/ als betruͤben ſolte. Wegen der Geiſtlichen Guͤter hette man Jhre
Kay. M. dahin nit bereden koͤnnẽ/ zu Nachtheil der Catholiſchen etwas zubegeben:
doch wuͤrde ein Reichstag alles eroͤrtern vnd veſt machen/ wie auch Anno 1566. ge-
ſchehen. Vnnd weil von dem Kayſerlichen Reichs Hoffraht jederzeit diſputie-
ret worden/ ob derſelb der Kammer zu Speyr gleich/ oder vorgehen ſolle: hette C.
D. zu Sachſen es dennoch dahin getrieben/ daß die Vrcheil mit Zuziehung etli-
cher Churfuͤrſten auffgehen ſolten. Der Aſſecuration halben/ muͤſte man traw-
en/ wie Koͤnig Matthias zu Hungarn Friderico III. deme er die gebrochene
Buͤndnuß ſo offt vorgeruckt hatte: vnnd die Roͤmer den Carthaginenſern auff jh-
ren Eydt. Daß nun etliche Pontificij ſchreiben/ Mann ſey nicht ſchuldig/ den
Ketzern Glauben zuhalten: gehe das gantze Weſen nicht an. Die Zeit der vier-
zig Jahr præſupponire die Guͤte/ vnnd den Rechtsſtand/ hernach die Waffen: dar-
mit keinem nichts benommen/ ſondern der jetzige Krieg verſchoben worden. Die
Schweden weren nur Opitulatores, vnnd hetten jhr Haupt verlohren/ auff wel-
ches C. D. zu Sachſen allein geſehen: vnnd mit Franckreich ſich nie verbunden.
So müſte man den eygenen periclitirenden Staad ſuchen zuerhalten/ vnnd den
Frembden/ da ſie zuweit greiffen/ vñ den erſten Zweck verꝛuͤcken/ ſo gar groſſen Ge-
walt nicht verſtatten. Darumb auch die Schweden/ als Acceſſorij, ſo gar hoch
nicht zubetrachten weren/ wie vor hundert Jahren Churfuͤrſt Moritz auch gegen
dem Frantzoſen ſich verhalten. Dann das Woͤrtlein ohne deß Mit verbunde-
nen Conſens/ gar nicht die Meynung habe/ als were man verbunden/ auff deß
Außlaͤndiſchen Nutzen vnnd Frieden mehr zuſehen/ als auff ſich ſelbſten: weil je-
ner das gute Werck ohne Noth zerꝛuͤtten moͤchte. Deßwegen dann auch der
beyden verbundenen Kronen Proteſtationen/ man billich ermeſſen/ vnnd von jh-
nen verhoffen koͤnnen/ daß ſie denſelben gemaͤß dem Vatterland Teutſcher Na-
tion/ den lieben Frieden nicht mißgoͤnnen wuͤrden: bevorab da C. D. zu Sachſen
den Schweden bey dieſem Friedenſchluß alle moͤglichſte Trew erwieſen/ vnnd be-
zeuget/ in deme jhnen der Krieg nicht purè angekuͤndiget/ ſondern nur auff die Re-
ſtitution der jnhabenden Oerther gedrungen wird. Daß man aber Jhre Kayſ.
Mayſt. zu allen vnd jeden Puncten/ ſo einer hier der ander dar/ zu ſeinem eygenen
Nutzen geſuchet/ hette zwingen ſollen/ lieffe damahligem Stand der Kayſerlichen
Waffen hart zuwider/ als welche mehr victoriſierten/ nach dem die Schweden
auß Mangel eines Haupts in Confuſion gerahten/ vnnd viel harte Leges den E-
vangeliſchen auffbuͤrden koͤnnen/ dann auß einigem Zwang oder Benoͤhtigung
einige vnannehmliche Conditiones Jhro vorſchreiben laſſen.


Zumahl Angenſcheinlich erhellet/ daß die Kayſerliche Majeſtaͤt in ſehr vie-
len ſtuͤcken/ was Jhrer Kayſ. Mayſt. Hoheit etwas verklein erlich/ dem Hauß Oe-
ſterꝛeich nachtheilig/ vnnd den ſamptlichen Catholiſchen vnleidlich/ nachgegeben:
ob ſchon in einem vnnd andern Puncten etwas auch hingegen erhalten worden.
Dritter Theil. G gDas
[234]Germaniæ Perturbatæ \& Reſtauratæ
Das allernachdencklichſte moͤchte ſeyn/ daß die Kayſerliche Majeſtaͤt durch die-
ſen Friedenſchluß alle zeit in Waffen kan ſtehen/ den Frantzoſen anzugreiffen/ vnd
wieder zum Reich zubringen/ was vor vielen Jahren demſelben abgezwackt iſt
worden. Nun begeben ſich wunderſeltzame Faͤlle vnder den Kriegs Haͤndeln/
darbey der Gewapnete vnglaublichen Vortheil haben vnnd machen kan/ die Be-
nachbarte Staͤndte zuvnderdrucken/ vnnd vnder das Joch zubringen: ja den
Bunds Verwandten mehr/ als dem Feind Abbruch zuthun/ vnd ſich zubereichen.
Maſſen dann die Roͤmiſche Monarchy/ durch kein ander Mittel ſo hoch iſt geſtie-
gen: daruͤber dann die Bataui jmmerdar geklaget/ daß man/ welches jhnen zum
allerbeſchwehrlichſten vorkommen/ jhre junge Mannſchafft in den Außſchuß ge-
zogen/ vnnd auß einem Land in das andere geſchleppet/ ſie zu Hauß nur deſto mehr
zuſchwaͤchen vnd im Zaum zuhalten. Wie nun die zwo ſehr beruͤhmbte Staͤtte/
Rhodiß vnd Marſilien/ keine Vrſach hatten/ ſich in der Roͤmer jnnerliche Kriege
ein zuflechten/ ſind ſie dennoch mit den Haaren darzugezogen/ vnnd jhres Staads
gaͤntzlich beraubet worden. So viel vermag der durchreiſſende Strom deß Kriegs-
weſens.


Dieſen Frieden haben alle vnd jede Staͤnde nach vnd nach angenommen/
den einigen Landgraffen zu Caſſel außgeſetzt/ dann ob ſchon Hertzog Bernhard
von Sachſen-Weimar in Verfaſſung geblieben/ wurd er doch vor kein Stand
oder regierenden Fuͤrſten/ vnder ſo vielen Bruͤdern/ gerechnet/ ſondern vor ein
frewdigen Helden/ der nach Ehr vnd Ruhm ſtrebete/ geachtet. Es hielten aber
die Schweden veſt darob/ C. D. zu Sachſen machte ſich ſelbſt Bundbruͤchig/ vnd
deuteten den Bund nicht auff deß Koͤnigsperſohn/ ſondern auff die Kron/ vnnd
das gantze gegenwertige Weſen. Sie achteten der fuͤnff vnd zwantzig Tonnen
Golds/ die man jhnen zu einer qualicunque Recompenſation angebotten/ nicht
eben hoch: lieſſen etliche Schrifften außgehen/ vnnd vnderſtunden ſich/ zubewei-
ſen/ daß der Prager Friede auff Evangeliſcher Seiten wieder Gott/ deſſen Wort/
vnd Chriſtliches Gewiſſen: wieder Ehr vnd Redlichkeit/ auch alle Chriſtliche Tu-
genden: wieder nothwendige gebuͤhrliche Verſicherung/ ſo eines Friedenſchluſſes
Zweck/ vnnd auß demſelben erfolgen ſolte: wieder die alte teutſche Freyheit/ deren
er den Reſt gebe/ die Gurgel abſteche/ vnnd auff einmahl das Leben/ Waſſer vnnd
Waid abſpreche ſchnur ſtracks lauffe.


Nun kondten die Schweden ſich dieſes Friedens wohl entbrechen/ auch die
Karten wiederumb auff ein newes miſchen/ vnd vmbgeben laſſen/ weil ſie noch gu-
te Brocken vbrig hatten/ nicht von jhrem Capttal/ ſondern von den gewonnenen
teutſchen Mitteln an Land vnnd Veſtungen. Da dann das fuͤrnembſte jhnen
das Spielgut machte/ daß Malcontenten ſich herfuͤr theten/ vnnd deren ſich ein
groſſe Anzahl ſchmuͤcken/ durcken vnnd bucken mußte/ ſo aber allenthalben die Oh-
ren ſpitzeten/ bey dem erſten Lermenblaſen wieder in Harniſch zukriechen. Dann
dieſe
[235]Dritter Theil.
dieſe Soldats de Fortune gedachten/ ſie wuͤrden bey fortgehendem Spiel/ ſich
entweder groß vnd reich machen/ oder etwan in das Graß beiſſen/ vnd vff dem Hel-
den Acker ein Grabmahl der Ehren erlangen: zumal ſie deß Graffen von Manß-
feld friſches/ vnnd deß groſſen Alexanders altes: der Gothiſchen Voͤlcker aber ma-
nigfaltiges Exempel/ vor den Augen/ vnd im Sinn hatten.


Hie ſolten wir nun fortfahren: es will aber der Tempel zu Jeruſalem nicht
von dem Helden David/ ſondern von dem jungen vnd friedfertigen Salomon er-
bawet werden. Julius Cæſar mag kriegen ſo lang er will/ die Ehre/ das templum
Jani/ oder Friedensſtifft zu ſchlieſſen/ muß Auguſto bleiben. Ferdinandus II. wird
vns nicht zu Ruhe bringen/ weil der Friede noch nicht reiff: Ferdinandus III. wird
es thun/ vnd das Schwert in die Scheyde weiſen/ auch das alte Vertrawen
nochmahlen wiederpflantzen/ vnd erfrewlich auff-
richten.

Appendix A ERRATA.


P. 4. l. 1. l. vmb. p. 5. l. 14. Conſiſtorium wiedrumb in jhren Gewalt vnd Verſor-
gung/ vnnd bewilligen darzu gnaͤdigſt/ daß ſie/ die gedachten vereynigten Staͤnde
ſub vtraq; das Conſiſtorium mit/ ꝛc. p. 6. ult. l. beſchehen. p. 11. l. 35. l. 1617. p. 13 l. 1. l.
die da. p. 14. l. 31. l. bannet wůrden. p. 15. l. 22. l. als. l. ult. l. vnguͤltig. p. 18. l. 30. l. drun-
ten im 7. Diſcurß. p. 25. l. 14. l. Son. p. 28. l. 7. l. eben p. 36. l. 29. er del. p. 39. l. 2. l. junge
l. 28. l. ſchoͤpffen. p. 45. l. 26. l. einen. p. 66. l. pen. ſuchen ad. wollen. p. 70. l. 20. l. Kriegs
ein p. 76. l. 23. Speſen ad. folgen. p. 79 l. pen. l. die. p. 85. l. 6. die l. vber das Fuͤrſten-
thumb Marpurg l 37. l. durch. p. 87. l. 9. l. wie bey Wurffbeyn zuſehen. Dann l. 28.
1583. ad. ſahe. p. 89. l. 2. l. alſo. l. 31. l. Schlick. p. 94. l. 15. l. nimmer. p. 107. l. 14. l. weils.
p. 129. l. 13. l. men ſich verglichen. p. 134. l. 22. l. ti. p. 144. l. 34. l. man den. p. 146. l. 29.
adde zum ewigen Hohn erwachſen p. 148. l. 8. ſchen adde entſtund/ p. 151. l. 29. l. An-
wart. p. 165. l. 11. l. kein. p. 167. l. 37. l. Staͤnde. p. 172 l. 37. l. ſeinen. p. 194. l. 8. l. abkaͤhl.
p. 198. l. ult. l. Metwich. p. 201. l. 20. l. dem. p. 204. l. 30. l. dem.


ENDE


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CC-BY-4.0
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2025). Wartmann, Sigismund Friedrich. Germaniae Pertvrbatae et Restavratae sive Vnpartheyischer wolmeynender Theologo-Politicorum Discvrsvm Ander vnd dritter Theil. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bpmc.0