[][][][][][][[I]]
Die Lehre
vom
Unternehmergewinn.

Ein Beitrag
zur
Volkswirthſchaftslehre


Leipzig,:
Druck und Verlag von B. G. Teubner.
1855.

[[II]][[III]]

Seinem geliebten Vater,
Herrn

Carl George Julius von Mangoldt,

Kön. Sächſ. Appellationsgerichtspräſidenten,
in kindlicher Verehrung
der Verfaſſer.


[[IV]][[V]]

Inhaltsverzeichniß.


  • Seite
  • Einleitung1
  • Die Wiſſenſchaft und das Leben 1
  • Unterſuchungen über die Vertheilung der Güter 2
  • Methode derſelben 3
  • Der Unternehmerantheil 4
  • Plan der vorliegenden Schrift 5
  • Erſtes Capitel: Geſchichtliche Entwickelung der Lehre vom Un-
    ternehmergewinn
    7
  • Die Engländer 7
  • Die Franzoſen 13
  • Die Deutſchen 19
  • Der engliſchen Auffaſſung ſich anſchließende Schriftſteller 20
  • Verſuche einer Vermittelung 22
  • Verſuche der Loslöſung des Unternehmergewinns von Zins und
    Lohn 26
  • Zweites Capitel: Begriff und Umfang des Unternehmergewinns34
  • Eigengeſchäfte, Verkehrsgeſchäfte 34
  • Uebernommene, unternommene Geſchäfte 35
  • Das Weſen der Unternehmung liegt in der Production auf
    eigne Gefahr 36
  • Vollkommene, unvollkommene Unternehmungen 38
  • Es iſt nicht der Vermögensbeſitz, noch die perſönliche Thätigkeit,
    die für die Stellung als Unternehmen maßgebend ſind 40
  • Unternehmergewinn 45
  • Von dieſem zu unterſcheiden ſind: die Theile des Ertrags, die
    nur Erſatz von Capital ſind 46
  • Die Entſchädigungen für vermiethbare Capitalnutzungen und
    Arbeitsleiſtungen 47
  • Drittes Capitel: Von der Bedeutung der Unternehmer für die
    Production
    49
  • Der Unternehmergewinn als Thatſache50
  • Urſachen deſſelben:
  • I.Erſparung am Productionsaufwande54
  • Durch billigere Benutzung der Productionsfactoren 54
  • Durch Erzielung eines ausgiebigeren Reſultates 57
  • II.Vortheile des Unternehmungsbetriebes bei Darbrin-
    gung der Producte
    59
  • Rechtzeitigkeit 59
  • Sicherheit der Qualität der Producte 61
  • Sicherheit und Stetigkeit der Preiſe 64
  • Erweiterung der Production 65
  • Entwickelungsgang des unternehmungsweiſen Be-
    triebes im Allgemeinen
    68
  • Seite
  • Bei der Occupation 71
  • Bei der Stoffproduction 72
  • Bei der Stoffveredelung 74
  • Bei der Gütervertheilung 76
  • Bei den perſönlichen Dienſten 78
  • Viertes Capitel: Von den Beſtandtheilen des Unternehmerge-
    winns und den Bedingungen für deren Höhe
    80
  • Beſtandtheile des Unternehmergewinns 81
  • I.Von der Gefahrprämie81
  • Unregelmäßigkeiten des Erfolgs, wirkliche Gefahren 82
  • Abweichungen des Gewinns von dem durch das Verhältniß der
    Gefahr gegebenen Potenze 85
  • Urſachen: allzugroßes Selbſtvertrauen 86
  • Unbeſtimmtheit der Wahrſcheinlichkeit 87
  • Verſchiedener Schätzungsmaßſtab für Gewinn und Verluſt 89
  • Einfluß der Culturentwickelung und Nationalität auf die Ge-
    fahrprämie 91
  • Die erlittenen Verluſte ſind aus dem Einkommen zu beſtreiten 93
  • II.Von dem Unternehmerlohn und -Zins96
  • Veränderlichkeit des Umfangs des Unternehmerlohns 96
  • Des Unternehmerzinſes 100
  • Verhältniß beider zur allgemeinen Culturentwickelung 100
  • Verſchiedenheit beider 103
  • Höhe derſelben 105
  • III.Von der Unternehmerrente109
  • Aeußere, innere Gründe derſelben 113
  • Unternehmerlohnrente 116
  • Unternehmerzinsrente 120
  • Großunternehmerrente 129
  • Unternehmerrente im engern Sinne 136
  • Vorſchläge zur Beſchränkung der Unternehmerrente 142
  • Unternehmereinbuße 144
  • Unternehmerlohneinbuße 145
  • Unternehmerzinseinbuße 147
  • Einbuße wegen Beſchränktheit des Capitals 149
  • Einbuße wegen Unmöglichkeit rechtzeitiger Beſchränkung oder
    Aufgabe einer Unternehmung 150
  • Allgemeine Bedeutung der Unternehmereinbuße 152
  • Vorſchläge zu ihrer Beſchränkung 153
  • Ungleichheit derſelben unter verſchiedenen Geſchäftszweigen und
    Nationen 154
  • Immaterielle Beſtandtheile des Unternehmerge-
    winns
    155
  • Einfluß des Culturzuſtandes darauf 158
  • Verhältniß der verſchiedenen Geſchäftszweige 159
  • Rückblick und Schluß162
  • Rückblick 162
  • Schluß. Die Betheiligung der Arbeiter am Gewinn 169
[[1]]

Einleitung.


Nur aus der ſteten Wechſelwirkung zwiſchen Wiſſenſchaft
und Leben geht die hoͤhere Entwickelung beider hervor. Der
Erkenntniß dieſer Wahrheit verdankt die neuere Zeit den groͤßten
Theil der Fortſchritte, die ſie auf praktiſchem, wie auf theo-
retiſchem Gebiet gemacht hat. Von dem Einfluß der Wiſſen-
ſchaft auf das Leben uͤberzeugt uns ein Blick auf die Dinge und
Einrichtungen, die uns Sicherheit, Bequemlichkeit, Behagen ge-
waͤhren. Wie unendlich viele ſind darunter, die nach Form und
Inhalt durch die gewonnene wiſſenſchaftliche Erkenntniß beſtimmt
worden ſind. Von dem einfachen Zahne am Rade der Maſchine
bis hinauf zu den complicirteſten Einrichtungen des oͤffentlichen
Lebens, uͤberall zeigt ſich der Einfluß der Thaͤtigkeit, welche
gefunden hat: Das ſind die natuͤrlichen Bedingungen, und ſo
wird der Zweck daher am beſten gefoͤrdert. — Und nicht min-
der tritt auf der andern Seite die wohlthaͤtige Ruͤckwirkung des
Lebens auf die Wiſſenſchaft hervor. Indem die letztere ihre Eroͤr-
terungen uͤberall da anknuͤpfte, wo das Beduͤrfniß der gegebenen
Verhaͤltniſſe eine Frage aufwarf, eine Abhuͤlfe erheiſchte, er-
waͤrmte ſie ihre Juͤnger nicht nur durch das Bewußtſein, mit
dem Wahren auch das Nuͤtzliche zu foͤrdern, ſondern ſie empfing
durch die Beobachtung der Thatſachen auch tauſendfache Anre-
gungen, wurde durch ſie von den verſchiedenſten Irrwegen immer
wieder auf die richtige Bahn zuruͤckgefuͤhrt, erhielt fuͤr die Be-
ſtaͤtigung oder Verwerfung, fuͤr die Verallgemeinerung oder
1
[2] Beſchraͤnkung der von ihr aufgeſtellten Saͤtze die unzweifelhaf-
teſten Anhaltepunkte und gewann, weit entfernt ihre Wuͤrde
dadurch beeintraͤchtigt zu ſehen, gerade auf dieſem Wege eine
feſte Grundlage ihrer Groͤße.


Auch die Volkswirthſchaftslehre, deren Entſtehung und
Entwickelung von Anfang an mit dem praktiſchen Beduͤrfniſſe
aufs innigſte verbunden war, iſt dem Zuge, fuͤr das praktiſche
Leben zu arbeiten, mit ſteigender Neigung gefolgt, und eben
dieſer Zug hat ſie zu ihren tiefſten und genialſten Forſchungen
gefuͤhrt. Insbeſondere verdankt ſie ihm die tiefen und ein-
greifenden Eroͤrterungen uͤber die Geſetze der Guͤtervertheilung.


Es iſt eine natuͤrliche Folge der fortſchreitenden oͤkonomi-
ſchen und Culturentwickelung, daß einerſeits die beſtehenden
Schaͤden immer mehr ans Licht gezogen werden, andererſeits die
Anſpruͤche der Menſchen an das Leben ſich fortwaͤhrend vermeh-
ren. Aber wie hierin die Vorbedingung zu jeder weitern Ent-
wickelung liegt, ſo auch eine unleugbare Gefahr; denn dem Be-
ſchraͤnkten, welchem ſeine Beſchraͤnkung immer deutlicher gemacht,
ſein Anſpruch auf eine beſſere Lage immer tiefer eingepraͤgt wird,
wird der Gedanke einer Berufung an die rohe Gewalt ſehr nahe
gelegt. — Nicht ohne Grund entſteht daher die Frage nach einer
Garantie gegen jene Gefahr, die Frage: iſt es moͤglich, den
Druck, der auf den niedern Claſſen laſtet, von ihnen abzuneh-
men? ihnen ein groͤßeres Maß von Genuͤſſen zu Theil werden,
von dem Reichthum der Geſellſchaft ihnen ein groͤßeres Stuͤck
zukommen zu laſſen? mit andern Worten: die Frage nach der
Moͤglichkeit einer Einwirkung auf die Vertheilung der Guͤter.
Und dieſe fuͤhrt nothwendig auf die Vorfrage zuruͤck: welches
ſind die natuͤrlichen Geſetze, nach welchen ſich, wenn eine zwangs-
weiſe Einwirkung nicht ſtattfindet, die Guͤter vertheilen, und zu
welchem Erfolge fuͤhren ſie?


[3]

Die neuere Nationaloͤkonomik hat, wie geſagt, dieſe Frage
ſcharfſinnigen und tiefeingehenden Eroͤrterungen unterzogen. Der
Weg, welchen ſie dabei eingeſchlagen hat, ſchien ihr durch die
Natur der Dinge vorgeſchrieben. Das Object, um deſſen Ver-
theilung es ſich handelte, war die Maſſe der producirten Guͤter,
der Grund, auf welchen ein Jeder ſeinen Anſpruch gruͤndete,
ſeine Theilnahme an der Production, ſei es mit ſeiner Perſon,
ſei es mit ſeinem Beſitze. Hierdurch war die Methode gegeben,
die verſchiedenen einzelnen Factoren der Production der Betrach-
tung zu unterziehen und zu erforſchen, unter welchen Bedingungen
ſie zur Production mitwirken. So ſtellte ſich der hervorgebrachte
Reichthum in verſchiedene Theile zergliedert dar, welche den Ar-
beitern als Lohn, den Capitaliſten als Gewinn oder Zins, den
Grundeigenthuͤmern als Rente, endlich wohl auch der Regie-
rungsgewalt als Steuer 1) zufließen.


Indeſſen ſtellte ſich die Nothwendigkeit einer Ergaͤnzung die-
ſer Eintheilung alsbald heraus. Einestheils zeigte ſich, daß das
Reſultat der einzelnen productiven Factoren ein ganz anderes
war, wenn man ſie in ihrer Vereinzelung dachte, als wenn man
ſie ſich zu gemeinſamer Wirkſamkeit verbunden vorſtellte. Neben
jenen productiven Factoren trat mithin die Kraft, welche ſie auf
ein gemeinſchaftliches Ziel richtete, als eine neue Quelle der
Production hervor. Andererſeits konnte der Umſtand nicht un-
beachtet bleiben, daß der Antheil, welchen Capitaliſten, Arbeiter,
Grundherren erhielten, ſich auf den Werth des zu producirenden
Products bezog, daß aber der Werth des wirklich producirten
Products haͤufig von dieſem mehr oder minder abwich, ſo daß
ſich bald ein Ueberſchuß, bald ein Ausfall nach jener Vertheilung
ergab, uͤber welchen die Wiſſenſchaft denn doch auch Rechnung
1 *
[4] abzulegen hatte. So kam man ſchon fruͤhe dazu, von einem
beſondern Antheile des Unternehmers zu reden.


Dabei knuͤpfte man zunaͤchſt an die Erſcheinungen der Wirk-
lichkeit an, und dieß brachte es mit ſich, daß man den Unter-
nehmer ſich nicht als eine neben den Inhabern der einzelnen
Productionselemente ſtehende, abgeſonderte Perſoͤnlichkeit dachte,
ſondern daß man einem von dieſen die Unternehmung zuwies
und in Folge davon den Unternehmerantheil mehr oder minder
mit demjenigen Antheile vermengte, den er aus ſeiner ſpeciellen
Mitwirkung bei der Production bezog. Die genauere Darſtel-
lung dieſer Entwickelung der Theorie wird das nachfolgende erſte
Capitel liefern. Nur nach und nach befreite man ſich von die-
ſem Irrthume, und es ſind namentlich deutſche Gelehrte, welchen
hieran das groͤßte Verdienſt zufaͤllt. Vollſtaͤndig durchgefuͤhrt
wurde indeſſen die Betrachtung des Unternehmerantheils, Unter-
nehmergewinns in ſeiner Abgeſondertheit von Lohn, Zins und
Rente bisher noch nicht, und es ſoll daher der Verſuch gemacht
werden, dieſe Durchfuͤhrung in der vorliegenden Abhandlung
vorzunehmen.


Die wiſſenſchaftliche Bedeutung der damit bezeichneten Auf-
gabe, die wir uns geſtellt haben, naͤher zu begruͤnden, wird nicht
nothwendig ſein. Iſt es von Wichtigkeit, die Einkommens-
arten nach ihren verſchiedenen Quellen zu unterſcheiden und da-
durch eine Einſicht in die Bedingungen ihrer abſoluten und re-
lativen Hoͤhe zu gewinnen, ſo wird ſich auch die iſolirte Be-
trachtung des Unternehmergewinns und deſſen ideelle Losloͤſung
von Lohn, Zins oder Rente rechtfertigen. Dieß hindert indeſſen
nicht, anzuerkennen, daß die Bedenklichkeiten, welche ſich einer
getrennten Behandlungsweiſe der einzelnen Einkommensarten ent-
gegenſtellen, beim Unternehmergewinn beſonders ſtark hervortre-
ten. Die Wirklichkeit zeigt die einzelnen Einkommenszweige, man
[5] kann wohl ſagen niemals in ihrer vollen Reinheit. Nicht allein
pflegt das Einkommen im Allgemeinen in ſeiner wirklichen Er-
ſcheinung faſt ſtets einen groͤßeren oder geringeren Beiſatz von
Capitalerſatz oder Aſſecuranzentſchaͤdigung zu haben, ſondern auch
im Einzelnen laͤßt es ſich kaum jemals auf einen einfachen Grund
zuruͤckfuͤhren. In der Rente iſt meiſtens ein Capitalzins ent-
halten, der letztere vermiſcht ſich mit Renten- und Lohnbeſtand-
theilen; der Lohn verbirgt Zins- und Rentenelemente in ſich.
Die Analyſirung der Einkommenszweige fuͤhrt daher meiſt zu Ab-
ſtractionen, deren Richtigkeit ſich durch die Erſcheinungen des wirk-
lichen Lebens nur ſchwer controliren laͤßt und bei denen die leere
Haarſpalterei dicht neben der Unterſcheidung von weſentlicher
Bedeutung liegt. Beim Unternehmergewinn iſt die Gefahr,
ſich in dieſer Weiſe zu verirren, doppelt groß, weil einerſeits die
Anhaltepunkte an das wirkliche Leben hier von vornherein faſt
ſo gut wie vollſtaͤndig fehlen, und weil andererſeits die Unter-
nehmer ſelbſt in der Regel keine Veranlaſſung finden, im Ge-
ſammtbetrage ihres Einkommens den Theil, der ihnen als Unter-
nehmern zukommt, von demjenigen, welchen ſie in anderer Eigen-
ſchaft beziehen, genau zu unterſcheiden. Einen genuͤgenden Grund,
die oben bezeichnete Unterſuchung gaͤnzlich zu umgehen, durften
gleichwohl dieſe Schwierigkeiten nicht abgeben, und dieß mag
den Verſuch rechtfertigen, den die vorliegende Schrift macht. Wenn
die Leiſtung des Verfaſſers hinter ſeiner Abſicht, eine wiſſen-
ſchaftliche Luͤcke auszufuͤllen, zuruͤckbleibt, ſo moͤge man ihr den-
noch einestheils im Hinblick auf die angedeuteten Schwierig-
keiten, anderntheils in Beruͤckſichtigung der Aufrichtigkeit des
Strebens, aus welchem ſie hervorgegangen, eine nachſichtige
Beurtheilung nicht verſagen.


Der Weg, den unſre Unterſuchung einſchlaͤgt, iſt kurz fol-
gender. Im erſten Capitel ſoll eine gedraͤngte Darſtellung der
[6] ſeit Adam Smith ausgeſprochenen Anſichten uͤber denjenigen
Theil des Einkommens aus der Production gegeben werden,
welcher den Producenten weder als Lohn, noch Zins, noch Rente
im ſtrengen Sinne zufaͤllt, und indem dabei die einzelnen An-
ſichten einer Kritik unterzogen werden, wollen wir ſuchen, die
noͤthigen Andeutungen fuͤr die Richtung zu gewinnen, in welcher
ein poſitives Ergebniß zu erſtreben iſt. Das zweite Capitel hat
aus der alſo gewonnenen Grundlage den Begriff des Unternehmer-
gewinns zu entwickeln. In dem folgenden Capitel iſt ausein-
ander zu ſetzen, auf welchen Umſtaͤnden die Moͤglichkeit eines
Unternehmergewinns in dem feſtgeſtellten Sinne beruht. Endlich
hat ſich das letzte Capitel mit der Erſcheinung des Unternehmer-
gewinns in der Wirklichkeit, mit den Beſtandtheilen, aus denen
er ſich zuſammenſetzt, und den Einfluͤſſen, die deren Betrag be-
ſtimmen, zu beſchaͤftigen.


[[7]]

Erſtes Capitel.
Geſchichtliche Entwickelung der Lehre vom Unternehmer-
gewinn.


Unter den Anforderungen, welche an Denjenigen geſtellt
werden, der eine Production unternehmen will, iſt keine, welche
fruͤher hervortritt und ſich allgemeiner geltend macht, als der
Beſitz eines Capitals. Man bedarf zur Production Rohſtoffe,
die meiſtens auch ſchon einen gewiſſen Tauſchwerth haben, alſo
Capital, Werkzeuge, alſo wieder Capital, Unterhalt, waͤhrend
man arbeitet, alſo zum dritten Male Capital. Nichts iſt daher
natuͤrlicher, als ſich den Unternehmer als Capitaliſten, ja das
Capital als das eigentlich unternehmende Element zu denken.
Dieß iſt denn auch die Auffaſſung, welche bei Adam Smith
hervortritt, und von der ſich eine geraume Zeit hindurch die
Nationaloͤkonomik nicht frei zu machen vermocht hat. „Sobald
als ſich Vermoͤgen in den Haͤnden Einzelner angeſammelt hat,“
ſagt Smith1), „werden Einige von dieſen es dazu verwenden,
Arbeitsluſtige, die ſie mit Material und Unterhalt verſehen, ar-
beiten zu laſſen, um durch den Verkauf ihrer Leiſtung oder durch
das, was ihre Arbeit dem Werthe des Materials hinzufuͤgt,
einen Gewinn zu machen.“ Der ſogenannte Ueberſchuß, welcher
nach Erſtattung des aufgewandten Capitals und Bezahlung der
Arbeitsloͤhne verbleibt, iſt ihm Gewinn, ohne daß er weiter
unterſucht, ob derſelbe nicht aus verſchiedenen, nach verſchiedenen
[8] Geſetzen ſich regelnden Beſtandtheilen zuſammengeſetzt iſt. Zwar
erkennt er wohl, daß in dem, was er Gewinn nennt, auch die
Entſchaͤdigung fuͤr eine Arbeit enthalten ſei, naͤmlich fuͤr die Arbeit
der Leitung und Aufſicht; eine Entſchaͤdigung, welche ſich etwa
nach der Hoͤhe des Gehaltes bemeſſen laſſe, den die Oberaufſeher
(principal clerks) in manchen groͤßern Erwerbsgeſchaͤften erhielten,
wo ihnen faſt die ganze Arbeit dieſer Art uͤbertragen ſei. Allein
er verfolgt dieſen Gedanken nicht weiter und zieht aus dem
Umſtande, daß der Gewinn in zwei Geſchaͤften ein ſehr ver-
ſchiedener ſein koͤnne, obwohl die Arbeit der Aufſicht und Leitung
nahezu dieſelbe waͤre, den allgemeinen Schluß, daß jener ein
vom Arbeitslohn durchaus verſchiedener Factor der Waarenpreiſe
ſei. Auf der andern Seite erkennt er ſehr wohl, daß der Ge-
winn außer jener Arbeitsentſchaͤdigung noch etwas Mehreres ent-
halte, als den bloßen Capitalzins, denn im neunten Capitel
des erſten Buches weiſt er nach, daß der Unternehmer, der zu
ſeinem Geſchaͤftsbetrieb ein Capital geborgt habe, fuͤr die Ver-
ſicherung, welche er gewiſſermaßen dem Glaͤubiger gegenuͤber auf
ſich nimmt, und fuͤr die Muͤhe der Verwendung des Capitals
entſchaͤdigt werden, d. h. mehr Gewinn ziehen muͤſſe, als nur
zur Deckung der Zinſen hinreichen wuͤrde. Indeſſen geht er auch
dieſem Gedanken nicht weiter nach und ſieht bei den folgenden
Betrachtungen den geſammten Ueberſchuß, welcher dem Unter-
nehmer nach Bezahlung der Loͤhne und Erſetzung des aufgewand-
ten Capitals verbleibt, als eine einheitliche Maſſe an, fuͤr welche
er die Geſetze im Gegenſatze zu den fuͤr den Arbeitslohn gelten-
den, aufſucht.


Auf keine andere Weiſe verfaͤhrt Malthus1). Derſelbe
[9] unterſcheidet uͤberhaupt nur zwiſchen Arbeitern, Grundeigen-
thuͤmern und Capitaliſten und theilt demgemaͤß den Ertrag der
Production in Lohn, Rente und Capitalgewinn. Letzterer beſteht
ihm in dem Unterſchiede zwiſchen dem Werthe der zu einer Pro-
duction noͤthigen Auslagen und dem Werthe des Products 1) und
wechſelt daher, je nachdem ſich das Verhaͤltniß zwiſchen dieſen
beiden Werthen aͤndert. Als Haupturſachen, welche hierauf ein-
wirken, giebt er einerſeits die groͤßere oder geringere Productivitaͤt
des Bodens an, welche die Folge hat, daß ein ſtaͤrkerer oder
ſchwaͤcherer Theil zur Erhaltung der beſchaͤftigten Arbeiter gebraucht
wird, andererſeits das veraͤnderliche Verhaͤltniß zwiſchen der
Menge des Capitals und der durch dieſes Capital beſchaͤftigten
Arbeitsmenge, die zur Folge habe, daß jeder Arbeiter einen
groͤßeren oder geringeren Theil der Lebensnothwendigkeiten erhalte.


Auch Ricardo2) kommt nicht weiter. Seine Lehre vom
Gewinn, die im Weſentlichen darauf hinauslaͤuft, daß der Ge-
winn von der Hoͤhe des Lohnes, der Lohn von dem Preiſe der
Beduͤrfniſſe und dieſer hauptſaͤchlich vom Preiſe der Nahrungs-
mittel abhaͤngt, weil alle andern Producte meiſt ohne Grenzen
vermehrt werden koͤnnen; daß alſo, da bei der Zunahme der
buͤrgerlichen Geſellſchaft und des Volkswohlſtandes der erforder-
liche Mehrbedarf an Nahrungsmitteln nur durch geſteigerte Arbeit
erlangt werde, der Gewinn ein natuͤrliches Streben habe zu
ſinken, dem jedoch durch die abnehmende und endlich aufhoͤrende
Capitalanſammlung eine Grenze geſetzt werde: dieſe Lehre hat,
wie man ſieht, mit den Anſichten Smith’s und Malthus’3)
[10] den Umſtand gemein, daß ſie Alles, was der Unternehmer be-
zieht, es ſtamme, aus welcher Quelle es wolle, unter der gemein-
ſamen Bezeichnung des Gewinnes der Grundrente und nament-
lich dem Arbeitslohne gegenuͤberſtellt. Wie in den meiſten an-
dern Punkten, ſo iſt auch in dieſem M. Culloch1) Ricardo
gefolgt. Er bezeichnet als Capitalgewinn den Theil des ver-
einigten Products des Capitals und der Arbeit, welcher denen,
die in productiven Unternehmungen beſchaͤftigt ſind, nach Abzug
der noͤthigen Bezahlungen und Wiedererſetzung des zerſtoͤrten Ca-
pitals uͤbrig bleibt. Es bleibt alſo auch bei ihm bei dem ein-
heitlichen Capitalgewinne.


Gegen das hierin liegende Zuſammenwerfen von Dingen,
welche eine ganz verſchiedene Erklaͤrung erfordern, und die dar-
aus nothwendig hervorgehende Verwirrung ſcheint ſich unter den
Englaͤndern zuerſt Samuel Read2) ausgeſprochen zu haben.
3)
[11] „Es ſcheint hinlaͤnglich klar, ſagt er, daß als Gewinn des
Vermoͤgens (profits of stock) Nichts angeſehen werden kann,
als was dafuͤr ohne die Arbeit erlangt werden kann, daſſelbe
perſoͤnlich anzuwenden oder ſeine Anwendung zu productiven
Zwecken zu uͤberwachen, weil Alles, was vermittelſt ſolcher Ar-
beit erlangt wird, Lohn iſt und auf dieſe Bezeichnung eben ſo
gerechten Anſpruch hat, als das, was durch irgend eine belie-
bige andere Art von Arbeit erworben wird.“ Auf dieſer Grund-
lage baut nun ein Recenſent der Quarterly Review1), in wel-
chem Rau Senior 2) vermuthet, weiter und unterſcheidet in dem
von M. Culloch bezeichneten Ueberſchuſſe vier Beſtandtheile naͤmlich:
Capitalzins, oder was man fuͤr den Gebrauch des Capitals ohne
perſoͤnliche Arbeit oder Gefahr erlangen kann; Aſſecuranz fuͤr
die Gefahr des beſondern Geſchaͤfts, auf welches das Capital
verwandt wird; Arbeitslohn fuͤr die perſoͤnliche Leitung, das
Talent oder das Geſchick des Capitaliſten; Monopolgewinn,
wie er aus dem Beſitz ausſchließlicher Vortheile, als geheimer
oder patentirter Verfahrungsweiſen oder Inſtrumente, vortheil-
hafterer Verbindungen, guͤnſtigerer Lage u. ſ. w. hervorgeht.
Von dieſen verſchiedenen Beſtandtheilen, welche die Oekonomiſten
unter der Bezeichnung Gewinn zuſammenfaſſen, ſagt er, iſt offen-
bar der erſte der einzige, welcher richtiger Weiſe von Loͤh-
nen, Aſſecuranz, Rente oder Monopolgewinnſten unterſchieden
werden kann. Der Gewinn vom Vermoͤgen (profit of stock)
iſt alſo eigentlich nichts Anderes, als der gewoͤhnlich in Pro-
2)
[12] centen des Werthes ausgedruͤckte Capitalzins (interest of capital),
der ſich aus Entſchaͤdigung fuͤr die Entſagung der unmittelbaren
Nutzung und Verſicherung gegen die gelaufene Gefahr zuſam-
menſetzt.


Eine im Weſentlichen hiermit uͤbereinſtimmende Einſicht
ſpricht ſich denn auch in den Grundzuͤgen der politiſchen Oeko-
nomie aus, die Senior unter eigenem Namen herausgegeben
hat 1). Er faßt dort Zinsrente und Gewerbsgewinn unter der
Benennung Profit zuſammen, theilt denſelben jedoch in zwei die-
ſen beiden Einkuͤnften entſprechende Theile.


In aͤhnlicher Weiſe behandelt der juͤngere Mill die Lehre
vom Gewinn 2). Dieſer enthaͤlt nach ſeiner Darſtellung die Ent-
ſchaͤdigung fuͤr Enthaltſamkeit, Gefahr und Anſtrengung und
loͤſt ſich demzufolge in Zins, Aſſecuranz und Lohn der Ober-
aufſicht auf. Obwohl Mill es hierbei fuͤr moͤglich erklaͤrt, daß
dieſe verſchiedenen Verguͤtungen ebenſowohl verſchiedenen, als
ein und derſelben Perſon zufließen koͤnnen, ſo haͤlt er doch durch-
gehends als Regel die Vorausſetzung feſt, daß die Arbeiter und
die Capitaliſten verſchiedene Claſſen bilden, daß letztere alle Ko-
ſten, einſchließlich der Loͤhne, vorſchießen und dafuͤr auch das
ganze Product erhalten. Die alte Grundanſchauung, den Unter-
nehmer als Capitaliſten zu denken, findet ſich alſo auch bei die-
ſem neueren engliſchen Nationaloͤkonomen 3).


[13]

Auf einen weſentlich andern Standpunkt ſtellen ſich die
meiſten franzoͤſiſchen Schriftſteller, indem ſie den Hauptnachdruck
auf die perſoͤnliche Thaͤtigkeit des Unternehmens legen und ihn
demzufolge weſentlich als Arbeiter, das, was er erhaͤlt, als Ar-
beitsentſchaͤdigung auffaſſen. Namentlich iſt es J. B. Say,
durch welchen dieſe Auffaſſungsweiſe dort heimiſch geworden iſt 1).
Derſelbe unterſcheidet als Einkommenszweige die Gewinnſte des
Grundes und Bodens, des Capitals und der Induſtrie 2) und
laͤßt wiederum letztere in die Gewinnſte der Unternehmer, der
eigentlichen Arbeiter und der wiſſenſchaftlich Thaͤtigen (de la classe
3)
[14]savante) zerfallen. Zwiſchen den Gelehrten, welche Erfindungen
und Entdeckungen machen, und den Arbeitern, die mit der Aus-
fuͤhrung beſchaͤftigt ſind, ſtehen ihm die Unternehmer, deren Auf-
gabe es iſt, die gemachten Erfindungen und Entdeckungen anzu-
wenden. In Folge deſſen liegt ihnen namentlich auch ob, jedem
Einzelnen, der zu einer Production beigetragen hat, ſeinen An-
theil am Ertrage zukommen zu laſſen. Um dieſe Stellung aus-
fuͤllen zu koͤnnen, beduͤrfen ſie ſowohl einer gewiſſen Menge von
geiſtigen und moraliſchen Eigenſchaften, als eines entſprechenden
Capitalbeſitzes, und dieſe doppelte Nothwendigkeit, in Verbin-
dung mit der Gefahr, welche ſie auf ſich nehmen, muß ihren
Gewinn auf eine anſehnliche Hoͤhe ſteigern, ſo daß er einerſeits
den Antheil der Grundeigenthuͤmer und Capitaliſten, andererſeits
den der wiſſenſchaftlich Beſchaͤftigten und der Lohnarbeiter uͤber-
ſteigen wird 1). Adam Smith ſagt, der Capitalgewinn ſei groͤ-
ßer oder kleiner, je nachdem ein Geſchaͤft mehr oder weniger
Gefahr darbiete. Hiergegen bemerkt Say, es ſei klar, daß dieſe
Gefahr, dieſer Verluſt und Gewinn die induſtriellen Faͤhigkeiten
betreffe. „Die Capitalien, ſagt er, haben durchaus keinen
Grund, ſich gewiſſen Productionen eher als andern zuzuwenden,
ſie haben weder Neigungen noch Willen. Zu ſagen, die Capi-
tale ſtroͤmten dahin, wo ſie die hoͤchſten Gewinne faͤnden, hat
keinen beſſern Sinn, als wenn man ſagen wollte: die Pferde
ſtroͤmen den Unternehmungen zu, wo ſie den meiſten Hafer zu
freſſen bekommen. Das Wahre iſt, daß man den Unternehmun-
[15] gen, welche einen groͤßern Gewinn abwerfen, mehr Capital zu-
wendet, daß aber der groͤßere oder geringere Gewinn, den man
aus dieſen Unternehmungen zieht, derjenige iſt, der aus der Ge-
werbsthaͤtigkeit der Unternehmer hervorgeht.“


Am naͤchſten der Darſtellung Say’s, jedoch unter Be-
nutzung des ſogleich zu erwaͤhnenden Werkes von Dunoyer,
ſchließt ſich Joſeph Garnier an 1). Er behandelt die Ent-
ſchaͤdigung des Unternehmers zu gleicher Zeit mit der des Ge-
lehrten und des Kuͤnſtlers unter den Loͤhnen und dringt darauf,
den Induſtriegewinn (bénéfice de l’industrie) der Unternehmer
nicht mit dem Gewinn der Capitalien zu verwechſeln, die ſie
anwenden.


Auch Droz2) behandelt den Gewinn des Unternehmers in
dem naͤmlichen Abſchnitte, wie den Arbeitslohn, und getrennt von
der Capitalrente. Den Capitalzins rechnet er zu den Pro-
ductionsauslagen. Doch unterſcheidet er allerdings auch den
Unterhalt des Unternehmers und ſeiner Familie, den er als einen
an ſich ſelbſt gezahlten Lohn betrachtet, von deſſen Gewinn.
Immerhin aber ſieht er die perſoͤnliche Thaͤtigkeit als die Haupt-
urſache des letzteren an. „Ein Unternehmer, ſagt er unter
Anderem, bereichert ſich und ein Anderer richtet ſich zu Grunde,
ohne daß die Urſache ihres Geſchickes anders wo liegt, als in
ihnen ſelbſt.“


Dunoyer in ſeinem vortrefflichen Werk uͤber die Freiheit
[16] der Arbeit 1) unterſucht zwar den Antheil am Ertrag der Pro-
duction, welcher dem Unternehmer zufaͤllt, nicht naͤher, allein
im 6. Buch handelt er ausfuͤhrlich die Eigenſchaften ab, welche
zu einer erfolgreichen Production erfordert werden, und aus Al-
lem, was er dort ſagt, geht zur Genuͤge hervor, wie auch er
in dem Unternehmer vor Allem die leitende und beaufſichtigende
Kraft ſieht.


Einige franzoͤſiſche Schriftſteller freilich naͤhern ſich mehr
oder weniger der engliſchen Auffaſſung. So Sismondi2), ſo
namentlich auch Roſſi3), der im Weſentlichen ganz auf Adam
Smith zuruͤckkommt. Er verſteht naͤmlich unter Gewinn (profit)
den Antheil des Capitals am Ertrage und will von dieſem
die Entſchaͤdigung fuͤr die Muͤhe der Leitung und Ueberwachung
nicht getrennt wiſſen. Es iſt ſeiner Meinung nach ein Miß-
brauch der analyſirenden Methode, den Gewinn als rein aus
den angewandten Guͤtern hervorgehend (comme uniquement af-
férents à la chose employée
) zu betrachten. „Der Wille, der
Entſchluß, ein Gut anzuwenden, ſagt er, gehoͤren nothwendig
zum Begriffe des Capitals, ebenſowie der Entſchluß, ſeine
Glieder zu ruͤhren und ihnen eine beſtimmte Richtung zu geben,
zum Begriffe der Arbeit, und ebenſowenig, wie man von dem
Arbeiter ſagen kann, er bekomme eine Entſchaͤdigung fuͤr ſeine
Arme und eine andere fuͤr den Willen, ſie zu gebrauchen, und
fuͤr die Intelligenz, welche er bei dieſem Gebrauche aufwendet,
eben ſo wenig kann man in Bezug auf den Capitaliſten ſagen,
[17] ein Gewinn ſei fuͤr das materielle Gut und ein anderer fuͤr
die Aufſicht und Leitung 1).


Die Anſicht, welche den Unternehmergewinn von Lohn
und Capitalgewinn ſondert und weſentlich auf eine Entſchaͤdi-
gung fuͤr die gelaufene Gefahr zuruͤckfuͤhrt, finden wir in
Frankreich mit aller Entſchiedenheit nur von Courcelle
Seneuil
2) vertreten. Im Anfang, meint er, arbeitet der
Menſch nur mit ſeinen eigenen Capital- und Arbeitskraͤften.
Die Theilung der Arbeit ruft jedoch bald die Benutzung frem-
der Capitalien und Arme hervor, und ſpaͤter nimmt der Unter-
nehmervertrag den heutzutage vorwiegenden Sinn an, daß der
Unternehmer zwar ein eignes Capital beſitzt, aber fremde Grund-
ſtuͤcke, Capitalien und Arbeiter gegen eine fixe Entſchaͤdigung
fuͤr die Betreibung der Unternehmung gewinnt. Er concipirt
und leitet die Unternehmung, er iſt deren Seele. Alle Ge-
fahren gehen auf ſeine Rechnung, aber auch alle Gewinnſte.
Auch in der Commanditengeſellſchaft und Arbeiteraſſociation er-
halten dort die Capitaliſten, hier die Arbeiter nur dadurch An-
theil am Gewinn, daß ſie die Gefahr der Verluſte mit auf ſich
2
[18] nehmen. Auch in den Actiengeſellſchaften und dem Gewinn-
antheil, den ſie ihren Directoren und Geranten zu geben pflegen,
iſt der Gewinn nur eventuell und darf weder mit dem Capital-
zins noch mit dem Lohne vermiſcht werden. Alle allgemeine
Urſachen, die auf die Prosperitaͤt des Handels und der Ge-
werbe hinwirken, wirken nach Courcelle Seneuil auch auf eine
Erhoͤhung des Gewinnes hin. Im Allgemeinen ſtehen die Ge-
winne im Verhaͤltniß zur Intelligenz der Unternehmer und zu
den guͤnſtigen oder unguͤnſtigen Umſtaͤnden, unter denen dieſe
ihre Wirkſamkeit entfalten. Obwohl in einer gegebenen Unter-
nehmung die Gewinne um ſo groͤßer ſind, einen je geringeren
Antheil Lohn und Zins vom Producte hinwegnehmen, kann man
doch die Verminderung des Lohn- und Zinsſatzes nicht als einen
guͤnſtigen Umſtand fuͤr die Verwirklichung großer Gewinne be-
zeichnen. In der Regel ſteigt Lohn und Zins zugleich mit dem
Gewinn im Verhaͤltniß der von dem Unternehmer fuͤr die frucht-
bare Verwendung von Arbeit und Capital aufgefundenen Gele-
genheiten. Zins und Gewinn ſind nicht Antagoniſten, es ſind
durch ein inniges, unaufloͤsliches Band vereinigte Genoſſen,
denen es durch die Natur der Dinge ſelbſt faſt immer zu glei-
cher Zeit und aus den naͤmlichen Urſachen gut oder uͤbel geht.


Trotz dieſer einzelnen Abweichungen wird man aber be-
haupten koͤnnen, daß im Allgemeinen die Franzoſen das weſent-
liche Kennzeichen des Unternehmers in der perſoͤnlichen Thaͤtig-
keit finden, die er zur Leitung und Beaufſichtigung der Unter-
nehmung aufwenden muß, und daß ſie demzufolge als die eigent-
liche Grundlage deſſen, was der Unternehmer erhaͤlt, die Ent-
ſchaͤdigung fuͤr dieſe perſoͤnliche Thaͤtigkeit anſehen; im Gegen-
ſatze zu den Englaͤndern, bei denen immer der Gedanke vor-
wiegt, daß der Unternehmer das Capital zu dem Geſchaͤft her-
[19] giebt und ſeinen Antheil hauptſaͤchlich als Entſchaͤdigung fuͤr die
aufgewendeten Nutzungen erhaͤlt 1).


Die deutſchen Nationaloͤkonomen haben ſich bald der einen
bald der andern Anſchauungsweiſe naͤher angeſchloſſen. Kraus2),
der den dritten Beſtandtheil des urſpruͤnglichen Einkommens ne-
ben der Bodenrente und dem Arbeitslohne als Verlagsprofit be-
zeichnet, ſpricht ſich faſt woͤrtlich in Uebereinſtimmung mit Adam
Smith aus. v. Schloͤzer3) ſieht den Ueberſchuß des Ertrages
uͤber den gehabten Aufwand als Capitalgewinn an, und es
ſcheint, daß er das Einkommen der wirthſchaftlichen Unter-
nehmer, die er uͤbrigens nirgends unter den Producenten
beſonders ausſcheidet, auf ihre Capitalverwendung zuruͤck-
fuͤhrt. —


Auch Nebenius4) ſchließt ſich der engliſchen Auffaſſung an,
indem er unter Capitalgewinn den ganzen Reinertrag begreift,
welchen die die Capitalien verwendenden Unternehmer aus den
Unternehmungen ziehen, wie ſich einestheils aus der Gegenuͤber-
ſtellung von Capitalgewinnſttaxe und Zinsfuß (§. 7), anderntheils
daraus ergiebt, daß er die erſtere in um ſo engere Grenzen ein-
2 *
[20] geſchraͤnkt werden laͤßt, je weniger die reelle Verguͤtung der
Dienſte der Induſtrie einer Verminderung faͤhig iſt und je mehr
die Schwierigkeit der Production waͤchſt.


Dagegen erſcheint bei Lotz1) der Antheil des Unterneh-
mers weſentlich als Belohnung ſeiner perſoͤnlichen Thaͤtigkeit, ja
in der Anmerkung ſagt er geradezu, der Unternehmergewinn ſei
eigentlich weiter nichts, als Arbeitslohn fuͤr die Leitung des
Geſchaͤfts 2).


v. Jacob3) begreift zwar den Profit des Unternehmers
unter dem Capitalgewinne (§. 277), faßt ihn aber doch als Ent-
ſchaͤdigung fuͤr perſoͤnliche Thaͤtigkeit auf, indem er ſagt, er ſei
das, was der Unternehmer fuͤr das Geſchaͤft der Unternehmung
erhalte (§. 281), und dieſes Geſchaͤft in Anordnung der Arbei-
ten, Verkauf der Producte ꝛc. beſtehen laͤßt (§. 278). Hiermit
ſtimmt es auch uͤberein, daß er (§. 292) erklaͤrt, der Profit des
Unternehmers ſei nichts Anderes, als eine Art von Lohn fuͤr die
[21] Arbeit, Muͤhe, Geſchicklichkeit, Gefahr u. ſ. w., welche mit der
Unternehmung verbunden ſind.


v. Prittwitz1) folgt in der Lehre von der Guͤterverthei-
lung im Weſentlichen der Darſtellung Say’s und baſirt dem-
gemaͤß den Unternehmergewinn auf die perſoͤnliche Thaͤtigkeit des
Unternehmers.


Schuͤz2) laͤßt den nothwendigen „Unternehmungsgewinn“
aus dem Lohne des Unternehmers fuͤr ſeine Thaͤtigkeit und aus
einer Aſſecuranzpraͤmie fuͤr die Gefahr von Capitalverluſten zu-
ſammengeſetzt ſein. Da er jedoch von der letzteren behauptet,
ſie muͤſſe der Gefahr entſprechen, die der Unternehmer auf ſich
nehme, ſo wird er dieſelbe kaum als reinen Ertrag behandeln
koͤnnen, und er darf daher wohl mit Recht unter denen auf-
gefuͤhrt werden, welche den Unternehmergewinn zu dem Lohne
rechnen.


Hildebrand3) kommt in dem bis jetzt erſchienenen erſten
Theile ſeines Werkes nur beilaͤufig bei Gelegenheit ſeiner Kritik
der ſocialen Wirthſchaftstheorien auf den Antheil der Unterneh-
mer am Ertrage der Unternehmungen zu ſprechen. Da er
denſelben aber durch die geiſtige Arbeit der Unternehmer und
die von ihnen ausgehende Organiſation der Arbeitskraͤfte be-
gruͤndet, ſo ſcheint er ebenfalls denjenigen Schriftſtellern zuge-
zaͤhlt werden zu muͤſſen, welche ſich der bei den Franzoſen vor-
herrſchenden Auffaſſung des Unternehmergewinns anſchließen.


Auch Roſcher4) ſteht auf dieſer Seite. Er nennt den
[22] Unternehmergewinn Unternehmerlohn, der meiſtens fuͤr die Ober-
aufſicht und die damit zuſammenhaͤngenden Arbeitsthaͤtigkeiten
verdient werde, auf jeden Fall aber, auch wenn der Unterneh-
mer ſich gaͤnzlich durch einen beſoldeten Agenten wollte vertreten
laſſen, dadurch, daß ſein Name das ganze Unternehmen zuſam-
menhalte, daß er auch in letzter Inſtanz die Sorge und Ver-
antwortlichkeit dafuͤr trage. Deshalb gehorche der Unternehmer-
verdienſt auch weſentlich denſelben Naturgeſetzen, wie der Ar-
beitslohn. Indeſſen beſchraͤnkt Roſcher ſelbſt dieſe Anſicht durch
den Zuſatz, daß der Unternehmerlohn ſich von allen uͤbrigen
Einkommenszweigen allerdings inſofern unterſcheide, als er nie
ausbedungen werden koͤnne, vielmehr in dem Ueberſchuſſe be-
ſtehe, welchen der Ertrag der Unternehmung uͤber alle aus-
bedungenen oder landesuͤblich berechneten Grundrenten, Capital-
zinſen und andere Arbeitsloͤhne darbiete. Auch uͤberſieht Ro-
ſcher keineswegs, daß haͤufig ein Theil des Unternehmergewin-
nes Rente (Monopolgewinn. Die Bedeutung, in der wir dieſen
Ausdruck gebrauchen, ſ. unten im vierten Cap. Abth. III) iſt, in-
dem er anerkennt, daß der große Unternehmer einen hoͤhern Lohn
fordern koͤnne, da es hierzu befaͤhigte Perſonen ſo aͤußerſt we-
nige gebe.


Viele deutſche Schriftſteller nehmen jedoch einen zwi-
ſchen der franzoͤſiſchen und der engliſchen Anſchauung mitten
inne liegenden Standpunkt ein, indem ſie ſowohl perſoͤnliche
Thaͤtigkeit als Capitalverwendung als fuͤr den Unternehmer
weſentlich anſehen. Hierher gehoͤren Storch, v. Hermann,
Rau und Eiſelen.


Storch1) ſtellt dieß mit einer gewiſſen Praͤciſion gleich
[23] an die Spitze des hierher gehoͤrigen Abſchnitts ſeines Werks.
„Der Gewinn des Unternehmers, ſagt er dort, gehoͤrt zu glei-
cher Zeit zu dem Lohne und dem Zinſe. Er iſt der Preis ſei-
ner Arbeit und richtet ſich nach der Groͤße des Erwerbsſtam-
mes. Der nothwendige Satz des Unternehmergewinnes iſt ihm
aus zwei Beſtandtheilen zuſammengeſetzt, naͤmlich aus einem
Arbeitslohn und aus einer Verſicherungspraͤmie; der wirkliche
Gewinn richtet ſich nach dem Marktpreiſe der Erzeugniſſe und
kann daher mehr oder weniger von dem nothwendigen abwei-
chen. Der Ueberſchuß des Ertrags uͤber die unvermeidlichen
Auslagen, zu denen er außer dem umlaufenden Verlage und
den Verlagsrenten auch jenen nothwendigen Gewinn rechnet,
bildet ihm den reinen Gewinn. Der wirkliche Gewinn muß
ſeiner Meinung nach im Allgemeinen — freie Concurrenz
vorausgeſetzt — bei allen Anwendungen der Erwerbsſtaͤmme
ungefaͤhr gleich groß ſein, obgleich das Verhaͤltniß des reinen
zu dem nothwendigen Gewinn nach der Beſchaffenheit des Ge-
ſchaͤfts uͤberaus verſchieden ſein kann.


v. Hermann1) behandelt zwar den Unternehmergewinn
in der Lehre vom Zinſe, unterſcheidet ihn aber durchaus von
dieſem. Der Unternehmer hat ſaͤmmtliche Erwerbsmittel fuͤr
Einen Zweck zu vereinigen, den Plan fuͤr den Betrieb zu ent-
werfen, das Erwerbsgeſchaͤft ſelbſt zu beaufſichtigen. Zugleich
garantirt er dem Capitalbeſitzer einen fixen Bezug, waͤhrend der
Ertrag vom Schwanken der Productenpreiſe abhaͤngt. Auf dieſen
doppelten Dienſt gruͤndet ſich ſein Anſpruch auf einen Antheil
am Gewinn. Dieſer Gewinn-Antheil iſt wahres Einkommen
und darf weder mit dem Lohne verwechſelt werden, den der Un-
ternehmer bezieht, wenn er, wie es im Kleingewerbe gewoͤhn-
[24] lich der Fall, zugleich als Arbeitsgehuͤlfe thaͤtig iſt, noch mit
dem Erſatz fuͤr alle Gefahr, die er bei Anwendung des frem-
den Vermoͤgens traͤgt, denn dieſe Verguͤtung iſt gar kein Ein-
kommen, ſondern Capitalerſatz, welcher zur Tragung vorkom-
mender Verluſte aufgeſpart werden muß. Wo die Unternehmer
mit eignem Capital arbeiten, ſcheidet ſich ihr Gewinn nicht von
dem Zinſe aus; dieß geſchieht erſt, wo ſie fremdes Capital an-
wenden, und hier erſcheint er als eine Verguͤtung fuͤr die Sorge
der ſichern und fruchtbaren Anlegung des Capitals. Dieſe Sorge
und Thaͤtigkeit verhaͤlt ſich in Umfang und Erfolg wie die Groͤße
des angewandten Capitals, weshalb denn der Unternehmer-
gewinn, den die Concurrenz im Durchſchnitte in den verſchiede-
nen Geſchaͤften auf gleichmaͤßiger Hoͤhe haͤlt, dem Capitale pro-
portional iſt. Seine Groͤße beſtimmt ſich durch das Ausgebot
an Capitalen, die der Beſitzer nicht ſelbſt anwenden will, und
den Begehr Derjenigen, die Capital zur productiven Anwendung
ſuchen. Je hoͤher der Zins bei gleichem Gewinn ſteigt, deſto
tiefer faͤllt der Unternehmergewinn und umgekehrt. Dauernde
Veraͤnderungen des Gewinnes kommen dem Zinſe, voruͤber-
gehende dem Unternehmergewinn zu Gute oder zu Schaden.
Wenn der Wettbewerb abzuhalten iſt, ſo kann der Unternehmer-
gewinn im Einzelnen hoͤher als uͤblich ſtehen, ja Theile deſſel-
ben koͤnnen ſo regelmaͤßig und ſicher fließen, daß ſie Capital-
werth erhalten. Verbeſſerungen und Koſtenerſparungen kommen
zwar Anfangs den Unternehmern, bald jedoch allen Conſumenten
zu Gute.


Rau1) verſteht unter Gewerbsverdienſt — eine Bezeich-
nung, die er der von Gewerbs- oder Unternehmergewinn vor-
[25] zieht — den Theil des rohen Gewerbsertrags, welcher dem Un-
ternehmer nach Abzug aller Gewerbskoſten, als Frucht ſeiner
Unternehmung, uͤbrig bleibt. Er iſt als ein eigenthuͤmliches
Einkommen anzuſehen, welches aus der innigen Verbindung der
Arbeit und des Capitals entſpringt und in welchem der Antheil
jeder dieſer beiden Urſachen an ihrer gemeinſchaftlichen Wirkung
nicht auszuſcheiden iſt. Von der Capitalrente unterſcheidet er
ſich dadurch, daß dieſe groͤßtentheils reines Einkommen iſt, von
dem Lohne dadurch, daß er nicht ausbedungen werden kann und
neben der Beſchaffenheit der Arbeit zugleich von der Groͤße des
angewendeten Capitals abhaͤngt. Die Koſten, welche der Un-
ternehmer in ſeinem Verdienſte verguͤtet erhalten muß und die
die Untergrenze deſſelben bilden, beſtehen aus dem ſtandesmaͤßi-
gen Unterhaltsbedarf fuͤr ihn und ſeine Familie und aus Ent-
ſchaͤdigung fuͤr die Gefahr von Verluſten oder des Mißlingens
der ganzen Unternehmung. In dem Maße, als der Gewerbs-
verdienſt dieſen Koſtenbetrag uͤberſteigt, bezieht der Unternehmer
ein reines Einkommen, den reinen Gewerbsertrag oder Gewinn;
der Gewerbsverdienſt im Ganzen pflegt mit der Zinsrente zu
ſinken und zu ſteigen und nimmt, wie dieſe, im Verhaͤltniß zu
dem angewendeten Capitale bei den Fortſchritten des Volkswohl-
ſtandes ab.


Eiſelen1) unterſcheidet im Unternehmungsgewinn eine
Vergeltung fuͤr die Muͤhwaltung, die eine Art von Arbeitslohn
ſei, und eine Entſchaͤdigung fuͤr die Gefahr des Verluſtes.
Letztere iſt jedoch nicht mit der eigentlichen Verſicherungspraͤmie
zu verwechſeln, die ſich der Capitaliſt mit der Mieths- oder
Zinsrente dafuͤr bezahlen laͤßt, daß ein verwendetes Capital
moͤglicher Weiſe verloren gehen kann, ſondern bezieht ſich auf
[26] die allgemeine Gefahr, daß das Geſchaͤft ganz oder theilweiſe
fehlſchlagen kann. Waͤhrend jene Gefahr ſich mit Wahrſchein-
lichkeit berechnen und durch allerhand Veranſtaltungen beſei-
tigen oder ausgleichen laͤßt, iſt dieſe entweder gar nicht oder
nur unter gewiſſen Vorausſetzungen zu entfernen und in ihrem
Eintreten ſo zufaͤllig und verſchieden, daß beſondere Vorkehrun-
gen dagegen nicht moͤglich ſind. Der Unternehmungsgewinn,
inſofern er mit dieſer Gefahr in Verbindung ſteht, iſt daher oft
ein wirklicher Gewinn, welcher dem Muthe zu Theil wird, ſich
der gedachten Gefahr auszuſetzen. Die Hoͤhe des Unterneh-
mungsgewinnes wird durch die Groͤße der Nachfrage nach dem
Producte der Thaͤtigkeit der Unternehmer und durch den Auf-
wand beſtimmt, welchen dieſe zu machen genoͤthigt ſind. Wegen
der Leichtigkeit des Ueberganges der Rentner in die Klaſſe der
Unternehmer und umgekehrt wird ſich der Unternehmungsgewinn
ſtets in einem gewiſſen Verhaͤltniſſe zu der Zinsrente halten.
Da die Anforderung an den Unternehmer, ſo wie der Grad der
Gefahr in den verſchiedenen Unternehmungen ſehr verſchieden
ſind, ſo wird auch der Unternehmungsgewinn nicht uͤberall gleich
ſein, und dieſe Ungleichheit wirkt namentlich auf die Concentra-
tion der Gewerbe.


So verſchieden aber auch die Anſichten der erwaͤhnten
Schriftſteller uͤber unſern Gegenſtand ſind, ſo haben ſie doch alle
das mit einander gemein, daß ſie den Antheil des Unternehmers
am Ertrage ſowohl mit ſeiner perſoͤnlichen Thaͤtigkeit, als mit
der Wirkſamkeit des aufgewandten Capitals in eine unmittel-
bare Verbindung ſetzen und dadurch gehindert werden, ſich von
der Vermiſchung des Unternehmergewinnes mit Arbeitslohn und
Capitalzins vollſtaͤndig frei zu machen. Nur von wenigen Schrift-
ſtellern iſt die Trennung dieſer verſchiedenen Einkommenszweige
principiell ausgeſprochen und damit fuͤr die Betrachtung des Un-
[27] ternehmergewinnes ein neuer Standpunkt gewonnen worden.
Den erſten Schritt auf dieſem Wege macht Hufeland1), wenn
auch noch mit Unſicherheit. Auf den erſten Anblick zwar ſcheint
er zu Denen zu gehoͤren, die den Unternehmergewinn aus dem
Capitalbeſitze ableiten, denn er behandelt ihn in dem Abſchnitte
vom Capitalgewinn, indem er eine doppelte Art des letzteren
unterſcheidet, je nachdem er durch eigne Verwendung des Capi-
tals oder durch deſſen Ueberlaſſung an Andre gemacht wird.
Jener iſt ihm Unternehmungsgewinn, (ſo und nicht Unterneh-
mergewinn ſagt er von ſeinem Standpunkt aus ganz richtig,
da er gegen die Anſicht Say’s polemiſirt, der den Gewinn des
Unternehmers mit dem des Arbeiters verwechſelt). — Dann aber
faͤhrt er, von dieſer Auffaſſung abgehend, fort: Ganz genau
betrachtet iſt der Gewinn des Unternehmers, wenn man abzieht
1) den Arbeitslohn mit Gewinn (uͤber die Bedeutung dieſes
Ausdrucks ſiehe das Werk ſelbſt S. 280.) 2) den Erſatz des
Capitals, 3) den Erſatz fuͤr die Gefahr, den moͤglichen Schaden,
eigentlich außer dem Gewinne, den jeder Capitaliſt,
der auch ſein Capital nicht ſelbſt anwendet, zieht,
theils Gewinn, den er wegen der groͤßern Gefahr
zieht, die er als eigner Anwender des Capitals
traͤgt, theils eine Rente ſeiner Talente und ſonſti-
gen Geiſteseigenſchaften
. In Bezug auf den letzteren
Beſtandtheil findet ſich dann weiter unten S. 303 ff. bei ihm
ſchon die frappante Zuſammenſtellung mit der Bodenrente, auf
die wir zuruͤckkommen 2).


[28]

Hierher gehoͤren ferner Schoͤn, Riedel und v. Thuͤnen.


Nach Schoͤn’s1) Anſicht iſt die Quote des Unternehmers
der Ueberſchuß des Productionspreiſes uͤber die Preiſe der Ar-
beit-, Grund- und Capitalnutzungen, ſelbſtverſtaͤndlich auch uͤber
den Erſatz des umlaufenden Capitals. Wendet der Unternehmer
ſeine eigne Arbeit, ſein eignes Grundſtuͤck oder Capital an, ſo
muß er ſich Lohn, Zins oder Grundrente nach dem uͤblichen
Satze ausmeſſen und vom Reſte ſeine Unternehmungsquote be-
rechnen. Obwohl dieſe einerſeits von der Menge und dem Preiſe
der Producte, andererſeits von dem ausbedungenen Satze der
Renten abhaͤngt, worunter Schoͤn auch Lohn und Zins begreift,
ſo kann man ſie doch ſo anſehen, als ob ſie im Einzelnen auf
einem ſtillſchweigenden Vertrage mit der Geſammtheit und mit
den bezuͤglichen Theilhabern der Production beruhe, worin die
Geſammtheit zu dem noͤthigen Productenpreiſe, die bezuͤglichen
Arbeiter, Capitaliſten und Grundbeſitzer gewiſſermaßen ſubſidia-
riſch zu den noͤthigen Nachlaͤſſen von ihren Renten ſich verſtehen
muͤſſen. Dieß fuͤhrt Schoͤn dahin, die Geſetze des Preiſes auch
auf den Unternehmungsgewinn anzuwenden und zu unterſuchen,
wie Gebrauchswerth, Koſten und Wettbewerb auf dieſen einwir-
ken. Worauf derſelbe ſich nun aber eigentlich gruͤndet, das zu
eroͤrtern, uͤbernimmt er nicht weiter, und der richtige Gedanke,
den Unternehmergewinn durchaus von Lohn, Zins und Grund-
rente zu trennen, bleibt deshalb bei ihm ohne Frucht.


Mit groͤßerer Energie bemaͤchtigt ſich Riedel2) dieſes
Gedankens. Nachdem er am Schluſſe des erſten Buches das
Weſen, die Verſchiedenheit und die Wechſelwirkung der wirth-
[29] ſchaftlichen Unternehmungen eroͤrtert hat, wendet er ſich im zwei-
ten Buche zu der Vertheilung des Volksvermoͤgens und gelangt
hier zu dem Reſultate, daß der urſpruͤngliche Erwerb lediglich
von der Claſſe der Unternehmer gemacht wird. (§. 688). In
demſelben erſcheinen alle an Andere fuͤr Benutzung ihrer Pro-
ductionsmittel zu machenden Ausgaben als Koſten. Da es aber
dem Unternehmer frei ſtand, ſeine eigenen Productionsmittel
tauſchweiſe an Andere zu uͤberlaſſen, ſo hat er einen Anſpruch
auf Erſatz des hierfuͤr zu erlangen geweſenen Werthes, und der
geringſte Betrag des urſpruͤnglichen Erwerbes, welchen ein Un-
ternehmen gewaͤhren muß, iſt hiernach der, welcher hinreicht, um
einestheils den fuͤr die Theilnahme fremder Productionsmittel
daran an Capitaliſten, Grundeigenthuͤmer und Arbeiter zu ent-
richtenden, ſo wie anderntheils den fuͤr die Anwendung eigener
Productionsmittel des Unternehmers durch Widmung derſelben
fuͤr fremden Dienſt erreichbaren Nutzungswerth zu verguͤten.
Nun iſt jedoch mit jedem Unternehmen ein gewiſſer Grad von
Gefahr des Verluſtes ſowohl an den erwarteten Fruͤchten, als
an den Productionsmitteln ſelbſt verbunden. Hierfuͤr muß der
Unternehmer durch eine entſprechende Aſſecuranzpraͤmie entſchaͤdigt
werden, wenn ſeine Lage nicht ſchlechter werden ſoll, als die der-
jenigen Producenten, welche nicht ſelbſt Unternehmer ſind. So
lange der Erwerb nichts weiter enthaͤlt als dieſen Erſatz der auf-
gewendeten fremden und eignen Nutzungen und der Entſchaͤdigung
fuͤr die gelaufne Gefahr, erhaͤlt der Unternehmer als ſolcher noch
nichts, und es laſſen ſich allerdings Gruͤnde denken, die einen
Unternehmer bewegen, ſich mit einem ſolchen gewinnloſen Ertrage,
ja ſelbſt mit einem geringeren zu begnuͤgen. Doch dieſe Um-
ſtaͤnde bilden nur eine Ausnahme von der Regel, daß dem Un-
ternehmer, wenn der Producent Antrieb haben ſoll, in deſſen
Verhaͤltniß uͤberzugehen, außer dem Erſatz der regelmaͤßigen und
[30] außerordentlichen Koſten und dem Aequivalent fuͤr die Einnah-
men, auf welche er verzichtet hat, noch ein Gewinn zu Theil wer-
den muͤſſe, welcher ihm lediglich in der beſondern Eigenſchaft zu-
faͤllt, wodurch er ſich als Unternehmer auszeichnet. Dieß iſt
der Gewerbs- oder Unternehmungsgewinn 1). Den Grund, daß
ein ſolcher ſtattfinden kann, ſucht Riedel theils in der eigenthuͤm-
lichen, nicht durch Miethlinge zu verrichtenden Arbeit des Unter-
nehmers, theils in den beſonderen Vortheilen des Unternehmers
bei der Capitalbenutzung, theils in einem hoͤheren Betrage der
Aſſecuranzpraͤmie, als eben zur Deckung der Gefahr hinreicht,
theils endlich in dem natuͤrlichen Vortheil der Lage, in welchem
ſich die Unternehmer bei der Bedingung deſſen befinden, was
den uͤbrigen Producenten zur Abfindung gegeben werden ſoll.
Wir werden ſpaͤter noch Gelegenheit haben, auf dieſe Punkte naͤ-
her einzugehen. Was die Hoͤhe des Gewerbsgewinnes der ver-
ſchiedenen Unternehmungen anlangt, ſo hat derſelbe die Tendenz,
ſich uͤberall auf ein gleiches Niveau zu ſtellen, obwohl er hieran
einerſeits durch die Art von Monopol, welche manchen Unter-
nehmungen ihre Groͤße verleiht, und durch die Leichtigkeit, ſei-
nen Betrag geheim und dadurch von der Concurrenz abzuhalten,
andrerſeits durch auf laͤngere Zeit eingegangene Verbindlichkeiten
gehindert werden mag.


v. Thuͤnen2) bezeichnet als Unternehmergewinn den Ueber-
ſchuß, der dem Unternehmer zu bleiben pflegt, nachdem er von
[31] dem Geſammtgewinn, den er bezieht, die Zinſen des angewand-
ten Capitals, die Aſſecuranzpraͤmie und die Beſoldung eines
Commis, Adminiſtrators ꝛc., der die Geſchaͤftsfuͤhrung, Anord-
nung des Ganzen und die Aufſicht uͤbernimmt, in Abzug gebracht
hat. Daß hier uͤberhaupt noch ein Gewinn verbleibt, obwohl
das Capital durch die Zinſen, die Gefahr durch die Praͤmie,
die Arbeit und Muͤhe durch die Beſoldung bereits gedeckt iſt,
hat ſeinen Grund zuvoͤrderſt darin, daß es fuͤr gewiſſe Gefahren,
namentlich die Gefahr eines Sinkens der Preiſe, keine Aſſecu-
ranz giebt, und daß in Folge deſſen die Wahrſcheinlichkeit des
Gewinnes groͤßer ſein muß, als die des Verluſtes, weil der
Schmerz des Verluſtes zu der Freude eines entſprechenden Ge-
winnes in der Regel nicht in gleichem Verhaͤltniſſe ſteht. In
dem Maße, als der Verluſt eines Theiles oder des ganzen Ver-
moͤgens empfindlicher iſt, dem Gluͤcke und der Zufriedenheit
mehr raubt, als eine gleiche Vergroͤßerung des Vermoͤgens dem
Lebensgluͤcke hinzufuͤgen kann, in dem Maße, meint Thuͤnen,
muͤſſe auch bei Gewerbsunternehmungen die Wahrſcheinlichkeit
des Gewinnes groͤßer ſein, als die des Verluſtes. Ferner uͤber-
ſteigen ſeiner Meinung nach die Leiſtungen des fuͤr eigne Rech-
nung arbeitenden Unternehmers wegen des groͤßeren Intereſſes,
das er am Erfolge hat, die eines beſoldeten Beamten von glei-
chen Kenntniſſen und Faͤhigkeiten. Aus dieſem Grunde kann
der Unternehmer auch eine hoͤhere Entſchaͤdigung fordern, als
dieſer. Den Unterſchied zwiſchen dem Lohn fuͤr die Leiſtung des
Unternehmers und dem des beſoldeten Stellvertreters nennt Thuͤ-
nen Induſtriebelohnung; dieſe und den Unternehmergewinn faßt
er unter dem Namen Gewerbsprofit zuſammen. Man ſieht
leicht den Widerſpruch in der Darſtellung Thuͤnen’s. Erſt iſt
ihm Unternehmergewinn der ganze Ueberſchuß, der dem Unter-
nehmer nach den oben angefuͤhrten Abzuͤgen bleibt, dann nur
[32] ein Theil dieſes nun Gewerbsprofit genannten Ueberſchuſſes, deſ-
ſen andrer Theil die Induſtriebelohnung iſt. Indeſſen iſt ſeine
Meinung unzweifelhaft: der Unternehmer bezieht, abgeſehen von
der Entſchaͤdigung fuͤr die der Unternehmung zugewandten Capi-
talnutzungen und die durch Mietharbeiter zu erſetzen geweſenen
Arbeitskraͤfte und von der Aſſecuranzpraͤmie noch einen Gewinn,
und zwar beruht dieſer einestheils in dem Mißverhaͤltniß der
Empfindlichkeit von Gewinn und Verluſt, anderntheils in dem
durch das groͤßere Intereſſe bedingten groͤßerem Maße der Leiſtun-
gen des Unternehmers gegenuͤber dem Lohnarbeiter. Hier zeigt
ſich alſo daſſelbe Beſtreben, wie bei den vorhererwaͤhnten Schrift-
ſtellern, den Unternehmergewinn von den als Zins und Lohn
anzuſehenden Einkommenstheilen der Unternehmer durchaus ge-
trennt zu halten, und fuͤhrt zur Aufſtellung theilweiſe neuer Er-
klaͤrungsgruͤnde fuͤr ſein Vorhandenſein.


Faſſen wir die Anſichten der Nationaloͤkonomen uͤber den
Antheil des Unternehmers am Ertrage noch einmal in einem
kurzen Ueberblicke zuſammen, ſo finden wir Folgendes: Die aͤl-
teren Schriftſteller unterſcheiden in der Analyſe der Production
das Geſchaͤft des Unternehmens keineswegs als ein beſonderes
Moment, ſondern betrachten daſſelbe gewiſſermaßen als eine mit
dem Beſitze von Productionsmitteln gegebene Obliegenheit. Da
es zunaͤchſt die Capitaliſten ſind, auf welchen die wirthſchaftlichen
Unternehmungen laſten, ſo betrachten im Verfolg dieſer Anſicht
Adam Smith und ſeine (vorzugsweiſe engliſchen) Nachfolger
Alles, was jenen nach Erſtattung der aufgewendeten Koſten
uͤbrig bleibt, als Capitalgewinn. Bald jedoch draͤngt ſich die
Betrachtung auf, daß in dieſem Ertrage außer einem Erſatze fuͤr
die gelaufne Gefahr namentlich eine Entſchaͤdigung fuͤr perſoͤn-
liche Thaͤtigkeit, Arbeit enthalten ſei. Dieſe Betrachtung, welche
einige neuere Englaͤnder dazu fuͤhrt, den ſogenannten (Capital-)
[33] Gewinn genauer in ſeine verſchiedenen Beſtandtheile aufzuloͤſen,
giebt auf franzoͤſiſchem Boden zu einer fundamental-verſchiedenen
Anſchauungsweiſe Veranlaſſung, als deren Hauptvertreter J. B.
Say erſcheint. Es iſt die Perſoͤnlichkeit, auf welche bei der
Production der Hauptnachdruck gelegt wird, und da, wo die
Englaͤnder von Unternehmungen reden, treten bei Say und ſei-
nen Schuͤlern die Perſonen der Unternehmer auf 1). Der Antheil,
welcher ihnen zufaͤllt, erſcheint hauptſaͤchlich als Vergeltung ihrer
perſoͤnlichen Bemuͤhungen, und es entſteht die Frage, ob man
ihn wegen dieſes Charakters nicht ohne Weiteres dem Lohne
zurechnen ſolle. Indeſſen zeigen ſich bei naͤherer Pruͤfung doch
nicht unweſentliche Verſchiedenheiten zwiſchen dem Lohne der ge-
woͤhnlichen Arbeiter und der Verguͤtung, welche der Unterneh-
mer fuͤr ihre Thaͤtigkeit in Anſpruch nehmen, ſo wie auf der
andern Seite ein gewiſſes Verhaͤltniß dieſer Verguͤtung zu den
aufgewendeten Capitalien hervortritt. Hierdurch werden die
meiſten deutſchen Schriftſteller zu dem Verſuche veranlaßt, die
engliſche und die franzoͤſiſche Anſchauungsweiſe zu vermitteln,
wobei ſie jedoch ſelbſt meiſtens entweder in der einen oder in der
andern mehr oder weniger befangen bleiben. Die wahre Ver-
mittelung wird erſt dadurch moͤglich, daß man das Geſchaͤft des
Unternehmers im Gedanken von der Thaͤtigkeit der einzelnen
Productionsfactoren vollſtaͤndig trennt. — Dieß iſt der Weg, den
Hufeland und Schoͤn angedeutet und den Riedel und von Thuͤnen
3
[34] weiter verfolgt haben und auf welchem auch wir nunmehr zur
Erkenntniß des wahren Sachverhalts zu gelangen hoffen.


Zweites Capitel.
Begriff und Umfang des Unternehmergewinns.


Das Weſen jeder Wirthſchaft beſteht in der Darbringung
von Opfern an Behaglichkeit, Guͤtern oder Nutzungen zu dem
Zwecke, durch den erzielten Erfolg eine Befriedigung zu erlangen,
welche die erlittenen Entbehrungen, die gebrachten Opfer mehr
als aufwiegt. Die Geſammtheit der zu einem ſolchen Zwecke
getroffenen Maßregeln und Anſtalten bezeichnen wir im Allge-
meinen mit dem Ausdrucke Geſchaͤft 1). Das Verhaͤltniß zwiſchen
den zu bringenden Opfern und dem zu erlangenden Ergebniß
nennen wir den Erfolg des Geſchaͤftes. Derſelbe iſt ein ſicherer,
wenn ſeine beiden Factoren im Voraus bekannte Groͤßen ſind,
ein unſicherer, gefaͤhrdeter, wenn der eine oder der andere der
letzteren ſich nicht im Voraus beſtimmen laͤßt.


Wir unterſcheiden Eigengeſchaͤfte und Verkehrsgeſchaͤfte.
Bei den erſteren iſt die Benutzung fremder Capital- und Arbeits-
kraͤfte nicht ausgeſchloſſen, aber das Reſultat der Ausnutzung iſt
fuͤr die Wirthſchaft des Geſchaͤftsinhabers ſelbſt beſtimmt. Wenn
dieſer daſſelbe dennoch ſpaͤter verkauft oder vermiethet, ſo iſt das
ein weiteres, von der Production durchaus verſchiedenes und
von ihr getrennt zu haltendes Geſchaͤft. Bei den Verkehrs-
[35] geſchaͤften dagegen iſt das Product fuͤr den Tauſch beſtimmt;
der Erzeuger (Producent) und der Ausnutzer 1) ſind zwei getrennte
Perſoͤnlichkeiten.


Der Erfolg eines Geſchaͤfts kann in beiden Faͤllen ein ge-
ſicherter oder mehr oder weniger gefaͤhrdeter ſein. Die Errei-
chung des wirthſchaftlichen Zieles des Landmanns iſt von den
Zufaͤllen des Wetters und der Jahreszeit gleich abhaͤngig, er
mag nun blos fuͤr ſeinen eignen Bedarf den Boden bauen oder
ſeine Producte an den Markt zu bringen beabſichtigen. Aber
der Maßſtab fuͤr die Beurtheilung iſt in beiden Faͤllen ein ver-
ſchiedener, im erſtern Falle mißt er ſeinen Erfolg nach dem
Gebrauchswerthe, in letzterem nach dem Tauſchwerthe ſeines Er-
zeugniſſes 2). In jenem ſind ſchlechte Ernten immer ein Schaden,
in dieſem in Folge der unverhaͤltnißmaͤßigen Erhoͤhung der Preiſe
oft ein Vortheil.


Bei den Eigengeſchaͤften trifft die Unſicherheit des Erfolgs
immer den Producenten, der ja zugleich der Ausnutzer iſt. Zu
einer Unterſcheidung, ob er dieſelbe in jener Eigenſchaft oder in
dieſer auf ſich nimmt, iſt daher keine Veranlaſſung gegeben. Der
einzige Unterſchied, der gemacht werden muß, iſt zwiſchen ſicheren
und gefaͤhrdeten Geſchaͤften. Anders bei den Verkehrsgeſchaͤften.
Hier kann die Unſicherheit des Erfolgs auf den Ausnutzer, ſie
kann aber auch auf den Erzeuger fallen. Im erſtern Falle ſagt
man, ein Geſchaͤft werde uͤbernommen; ſo uͤbernimmt der
3 *
[36] Lohnarbeiter eine Arbeit gegen einen beſtimmten Lohn, ſo der
Capitaliſt die Darbringung ſeiner Capitalnutzungen gegen einen
beſtimmten Zins. Im letzterm Falle nennt man das Geſchaͤft
eine Unternehmung (ein Unternehmen). Eine Unternehmung
iſt alſo ein Verkehrsgeſchaͤft, bei welchem die Unſicherheit des
Erfolgs auf den Producenten faͤllt; ein Unternehmer der Inhaber
eines ſolchen Geſchaͤfts.


Hiermit iſt nun aber auch der Begriff der Unternehmung
erſchoͤpft, und wenn Riedel (S. 462), die planmaͤßige Verbin-
dung verſchiedener Productionsmittel fuͤr einen wirthſchaftlichen
Zweck eine Wirthſchafts-Unternehmung nennt, ſo koͤnnen wir
ihm hierin nicht beiſtimmen. Da es bei einer nur einigermaßen
entwickelten Cultur uͤberhaupt nur ſehr wenige Guͤter giebt, zu
deren Herſtellung nicht Arbeit und Capital oder, wenn man die
Tauſchwerth beſitzenden Naturkraͤfte von letzterm unterſcheidet, Ar-
beit, Capital und Naturkraͤfte gemeinſchaftlich beitragen, ſo wird
es allerdings auch ſelten oder nie vorkommen, daß nicht ver-
ſchiedene Productionsmittel bei einer Unternehmung vereinigt
werden. Allein nothwendig iſt dieß keineswegs, und wenn es
praktiſch moͤglich iſt, ein Gut durch Anwendung bloßer Arbeits-
kraft zu erzeugen, ſo wird Derjenige, der ſich hierauf einlaͤßt,
ebenfalls als Unternehmer gelten muͤſſen, ſobald nur der Werth
ſeines Products nicht im Voraus beſtimmt iſt. Auf der andern
Seite zeigt ſich, daß auch der Lohnarbeiter, der doch eben nicht
Unternehmer iſt, haͤufig verſchiedene Productionsmittel planmaͤßig
verbindet, ja es geſchieht dieß jedes Mal, ſobald ſich der Ar-
beiter eines Werkzeugs bedient. Alſo nicht in der Verbindung
verſchiedener Productionsmittel, ſondern in deren Anwendung
auf eigne Gefahr liegt das Weſen der Unternehmung 1). Das
[37] wirkliche Leben gewaͤhrt hoͤchſt ſelten Beiſpiele einer reinen Ueber-
nahme von Geſchaͤften, d. h. des fuͤr den Ausfuͤhrenden voll-
ſtaͤndigen Ausſchluſſes jeder Unſicherheit in Bezug auf Leiſtung
und Gegenleiſtung bei der Beſorgung eines Geſchaͤftes. Streng
genommen bietet ſchon jede Moͤglichkeit einer Veraͤnderung in der
ſubjectiven Werthſchaͤtzung der einen wie der andern eine ſolche
Unſicherheit dar, und danach wuͤrde, da eine ſolche Moͤglichkeit
nur bei vollkommener Gleichzeitigkeit von Leiſtung und Gegen-
leiſtung ausgeſchloſſen iſt, jedes Geſchaͤft, welches zu ſeiner Ab-
wickelung uͤberhaupt einiger Zeit bedarf, nicht im engſten Sinne
des Wortes uͤbernommen werden. Halten wir uns aber auch
nur an das objective Maß der Werthſchaͤtzung, ſo iſt das Fort-
beſtehen mancher Unſicherheiten bei Geſchaͤften, die uͤbernommen
werden, alſo eine Beimiſchung von Unternehmung, nicht zu ver-
kennen. Wird die Gegenleiſtung bei Abſchluß des Geſchaͤftes
blos zugeſagt, nicht unmittelbar geleiſtet, ſo bleibt immer eine
gewiſſe Gefahr fuͤr deren Realiſirung beſtehen 1); beſteht ſie nicht
in einem Gegenſtand, den der Uebernehmer ſelbſt nutzen, ſon-
dern in einem ſolchen, den er zur Befriedigung ſeiner Beduͤrf-
niſſe erſt wieder austauſchen will, z. B. in Geld, ſo bleiben die
zahlloſen Moͤglichkeiten einer Veraͤnderung des Tauſchwerthes
uͤbrig. Eben ſo iſt bei den Leiſtungen, welche der Uebernehmer
zuſagt, theils das Maß der dafuͤr aufzuwendenden Capitalien,
Nutzungen, Arbeitskraͤfte, theils dasjenige der dafuͤr zu leiſten-
1)
[38] den Entſchaͤdigung haͤufig ein im Voraus nicht zu beſtimmendes,
wie denn im wirklichen Leben die Uebernehmer umfangreicher
Leiſtungen, als Kriegslieferungen, großartiger Bauten u. ſ. w.,
in der That als bedeutende Unternehmer erſcheinen. Andererſeits
pflegen die meiſten Unternehmungen in Uebernehmungen aus-
zulaufen und zwar ſowohl den Inhabern der benutzten Produc-
tionsfactoren gegenuͤber, fuͤr deren Mitwirkung der Unternehmer
eine beſtimmte Entſchaͤdigung, als gegenuͤber den einzelnen Kunden,
denen er in gleicher Weiſe ein beſtimmtes Product zu liefern,
einen beſtimmten Dienſt zu leiſten uͤbernimmt. So erklaͤrt es
ſich, daß viele Unternehmungen ſich aus lauter uͤbernommenen
Geſchaͤften zuſammenſetzen.


Trotz aller dieſer Miſchungen von Unternehmung und
Uebernehmung und aller der Uebergaͤnge, welche die Wirklichkeit
von der einen zu der andern darbietet, wird die Wiſſenſchaft
doch an der Unterſcheidung beider feſthalten muͤſſen, da hiervon
die genauere Erkenntniß vieler wirthſchaftlicher Erſcheinungen ab-
haͤngt. Es tritt hier gerade derſelbe Fall ein, wie bei dem
ſtehenden und umlaufenden Capital, welche in der Wirklichkeit
auch durch die allmaͤligſten Schattirungen in einander uͤbergehen,
was Ricardo veranlaßt hat, ihren Unterſchied nur in der kuͤr-
zeren oder laͤngeren Dauerhaftigkeit zu erblicken, die aber den-
noch von der wiſſenſchaftlichen Analyſe ſtreng getrennt gehalten
werden muͤſſen.


Je ausſchließlicher die Unſicherheit des Erfolgs auf den
Producenten faͤllt, deſto vollkommener iſt die Unternehmung;
je weniger dieß der Fall iſt, deſto unvollkommener iſt ſie. Und
hier muͤſſen wir ſogleich eines wichtigen Unterſchiedes Erwaͤhnung
thun. Es giebt naͤmlich Unternehmungen, die ihre Production
ſo weit fuͤhren, daß ſie das fertige Product an den Markt brin-
gen, wodurch natuͤrlich die Gefahr des Ausnutzers auf ein Mini-
[39] mum reducirt wird. Dagegen giebt es andere, welche nur ſo
weit gehen, die Mittel zur Vollendung einer Production bereit
zu halten, vorbehaͤltlich ſie erſt in Folge eines concreten Ver-
langens, einer Beſtellung, zur Verwendung zu bringen. Hier hat
der Ausnutzer in Bezug auf das einzutauſchende Product begreif-
licher Weiſe nur eine mangelhaftere Sicherheit. Wenn wir weiter-
hin von vollkommenen und unvollkommenen Unternehmungen und
Unternehmern 1) ſprechen, ſo verſtehen wir dieß allemal im Sinne
dieſes Gegenſatzes. Ein Kleider- ein Moͤbelmagazin z. B. nennen
wir eine vollkommene, eine gewoͤhnliche Schneider- oder Tiſchler-
werkſtatt eine unvollkommene Unternehmung. Das Tragen der
Schwankungen im Verhaͤltniß des in einem Geſchaͤft zu machenden
Aufwandes und des zu erzielenden Ergebniſſes iſt demnach das
Kennzeichen des Unternehmers. Allerdings wird es nicht moͤglich
ſein, ein Geſchaͤft ohne den Beſitz eines gewiſſen Vermoͤgens und
gewiſſer perſoͤnlicher Eigenſchaften zu unternehmen. Um fremde
Arbeitskraͤfte zur Dispoſition zu erhalten, bedarf man eines Ca-
pitals, und um uͤber fremdes Capital zu verfuͤgen, muß man ent-
weder durch eignes Vermoͤgen oder durch perſoͤnliche Eigenſchaften
Buͤrgſchaft leiſten koͤnnen. Und es iſt ferner nichts natuͤrlicher, als
daß Jemand, der ein Geſchaͤft unternimmt, nun auch die Capital-
kraͤfte, die er beſitzt, und ſeine perſoͤnliche Arbeitskraft lieber
ſeiner eignen Unternehmung widmet, als ſie an Dritte verdingt.
In der Regel ſind daher die Unternehmer mit ihren Capitalien
wie mit ihrer perſoͤnlichen Thaͤtigkeit bei ihren Unternehmungen
betheiligt. So erklaͤrlich es unter dieſen Umſtaͤnden iſt, ſo bleibt
es aber nichts deſto weniger ein Fehler, wenn man als die Grund-
[40] lage der Stellung der Unternehmer entweder die Verwendung
eigner Capitale oder die Leiſtung gewiſſer perſoͤnlicher Dienſte
als maßgebend fuͤr die Unternehmung betrachtet.


Der Beſitz eines gewiſſen Vermoͤgens mag zu einer Unter-
nehmung nothwendig ſein, allein weder ſteht derſelbe zu dem
Umfange der letzteren in einem unmittelbaren Verhaͤltniſſe, noch
muͤſſen die Capitalien des Unternehmers in der Unternehmung
ſelbſt angelegt ſein. Die meiſten Geſchaͤfte werden zum groͤßeren
oder geringeren Theile mit fremden Capitalien betrieben, und
namentlich wird bei guͤnſtigen Conjuncturen zu ihrer Ausdehnung
faſt lediglich der Credit benutzt. Andererſeits finden wir haͤufig,
daß Unternehmer Capitalien beſitzen, die ſie nicht in ihr Geſchaͤft
verwenden, ſondern anderweit fruchtbringend ausgeliehen haben.
Der Vermoͤgensbeſitz iſt es daher nicht, welcher uͤber die Stellung
des Unternehmers in der Unternehmung und dem Publicum
gegenuͤber entſcheidet; ja es laͤßt ſich ſogar ein Unternehmer ohne
irgend eignes Vermoͤgen denken, wenn ſeine perſoͤnlichen Eigen-
ſchaften ihm genug Credit verſchafft haben, um ihm die noͤthigen
Fonds von Anderen zur Verfuͤgung zu ſtellen.


Eben ſo wenig darf man in der perſoͤnlichen Thaͤtigkeit der
Unternehmer fuͤr das Geſchaͤft die weſentliche Eigenſchaft ſuchen,
welche ſie zu Unternehmern macht. Hinſichtlich derjenigen Ar-
beiten, die gewoͤhnlich von Lohnarbeitern verrichtet werden, hat
man es auch meiſtens als eine bloße Zufaͤlligkeit angeſehen, die
fuͤr die wiſſenſchaftliche Betrachtung ohne Bedeutung iſt, wenn
es der Unternehmer ſelbſt iſt, welcher ſie ausfuͤhrt, und man
hat ganz richtig geſagt, der Unternehmer ſei in dieſer Beziehung
als ein bei ſich ſelbſt eingetretener Lohnarbeiter zu erachten.
Dagegen hat man gewiſſe andere Arten von Arbeiten als ſolche
angeſehen, die von dem Begriffe des Unternehmers unzertrennlich
ſeien und die man deshalb keinem Stellvertreter uͤberlaſſen koͤnne,
[41] ohne aufzuhoͤren, Unternehmer zu ſein. Hierher rechnet z. B.
Hermann 1) das Zuſammenbringen der noͤthigen Capitale, die
Beaufſichtigung des Geſchaͤfts, die Erwerbung von Credit und
Verbindungen und das Tragen der Unregelmaͤßigkeit des Ge-
winnes. Allein das Letztere gehoͤrt offenbar nicht in die Kategorie
der auf perſoͤnlichen Leiſtungen beruhenden Dienſte, ſondern iſt
mit unter dem Aufſichnehmen der Gefahr zu claſſificiren, und
die erſt genannten Dienſtleiſtungen ſind in der That ſolche, die
ſehr wohl von beſoldeten Arbeitern beſorgt werden koͤnnen und
die man daher nicht nothwendig ſelbſt ausuͤben muß, um Unter-
nehmer zu ſein. Daß dem wirklich ſo ſei, dafuͤr liefert uns eine
Erſcheinung den Beweis, die gerade in unſrer Zeit ſich immer
mehr ausbreitet, und die jener Vorausſetzung geradezu zu wider-
ſprechen ſcheint. Wir meinen die Actien-Geſellſchaften. Hier
iſt der Unternehmer eine moraliſche Perſon, die ſchon darum einer
eigentlichen Arbeitsthaͤtigkeit nicht faͤhig iſt. Sie fuͤhrt vielmehr
den Betrieb und groͤßtentheils auch die Controle durch von ihr
zu unterſcheidende Organe, die nur aus Ruͤckſichten praktiſcher
Fuͤglichkeit meiſtens aus ihren Mitgliedern gewaͤhlt werden. Ihre
Thaͤtigkeit als Geſammtheit beſchraͤnkt ſich nur auf ein letztes
Oberaufſichts- und Controlrecht, deſſen Ausuͤbung man wohl
kaum als eine Arbeit anſehen kann. Noch ſchaͤrfer tritt die
Moͤglichkeit, Unternehmer zu ſein, ohne eine eigne Thaͤtigkeit zu
entfalten, in der Commanditen-Geſellſchaft hervor. Hierunter
verſteht man bekanntlich eine Geſchaͤftsgenoſſenſchaft, wo ein Theil
der Unternehmer mit ſeinem ganzen Vermoͤgen fuͤr das Geſchaͤft
einſteht, waͤhrend ein anderer Theil nur eine beſtimmte Summe
eingeſchoſſen hat und nur fuͤr dieſe verbindlich iſt. Die Erſteren
pflegen den Betrieb des Geſchaͤfts ausſchließlich zu beſorgen, ja
[42] das franzoͤſiſche Recht unterſagt den Letzteren ausdruͤcklich jede
Einmiſchung in die Geſchaͤftsfuͤhrung 1), ſo daß hier von einer
perſoͤnlichen Thaͤtigkeit derſelben durchaus keine Rede ſein kann 2).


Auch Riedel theilt im Weſentlichen die Anſicht Hermann’s.
Nach ihm giebt es eine Thaͤtigkeit des Unternehmers, welche
zwar auch Arbeit genannt werden kann, welche ſich aber dadurch
von allen ſonſtigen gewerblichen Arbeiten unterſcheidet, daß ſie
nicht fuͤr Andre verrichtet werden kann, daß fuͤr ſie daher auch
im Dienſte Anderer kein Preis zu erringen iſt, welchen der Unter-
nehmer als Einnahme, worauf er verzichtet haͤtte, unter den Koſten
mit in Anſchlag bringen koͤnnte. „Dieſe Arbeit des Unterneh-
[43] mers, faͤhrt er fort, die ſich in der Organiſation des Geſchaͤftes,
in der Speculation wie in der Inſpection 1) zu erkennen geben
kann, iſt von dem Begriffe eines Selbſtunternehmers untrennbar.
Wenn auch der Unternehmer, wie man ungenau zu ſagen pflegt,
ſich durch eine andere Perſon vertreten laͤßt, indem er einen
Geſchaͤftsfuͤhrer beſoldet, ſo bleibt doch die Nothwendigkeit ſeiner
eignen Thaͤtigkeit, ſo bald er nicht blos den Namen zu der Unter-
nehmung hergiebt, waͤhrend ein Anderer der wahre Unternehmer
iſt. Waͤre die Arbeit des Unternehmers auch nur darauf be-
ſchraͤnkt, paſſende Geſchaͤftsfuͤhrer ausfindig zu machen und ſolche
zu controliren, ſo haͤtte ſie dennoch ihren Fortbeſtand und bliebe
die hoͤchſte, die uͤberhaupt in dem Geſchaͤfte wirkt.“


Was ſo eben gegen Hermann ausgefuͤhrt worden iſt, gilt
jedoch auch gegen Riedel. Die Thaͤtigkeit der Organiſation, der
Speculation und Inſpection iſt allerdings ſehr wohl von dem
Begriffe des Selbſtunternehmers trennbar, und derjenige, der
auf eigne Thaͤtigkeit verzichtet, wie der ſtille Geſellſchafter, hoͤrt
darum nicht auf, wahrer Unternehmer zu ſein. Was von dem
Begriffe des Unternehmers untrennbar iſt, das iſt allein einer-
ſeits das Empfangen des Ergebniſſes der Unternehmung, die
Herrſchaft uͤber die gelieferten Producte 2), andrerſeits die Ver-
[44] antwortlichkeit, fuͤr etwaige Verluſte einzuſtehen. Dieſe beiden
Eigenſchaften aber ſind in der That von dem Begriffe des Un-
ternehmers nicht zu trennen. Wer ein Geſchaͤft auf eigne Rech-
nung treibt, von dem iſt damit zugleich geſagt, daß etwaige
Verluſte auf ihn fallen. Ein Verluſt aber iſt nichts Anderes
als ein Mißverhaͤltniß zwiſchen dem Ertrage und den Koſten,
ein Zuruͤckbleiben des Werthes des Erſteren hinter dem Werthe
der Letzteren. Derjenige, der von einem Verluſte ſoll betroffen
werden koͤnnen, muß deshalb dieſe beiden Elemente, durch welche
er beſtimmt wird, auf ſich beziehen; mit andern Worten, er muß
es ſein, welcher die Koſten beſtreitet und das Product erhaͤlt.
Und da alle Productionsfactoren ihre Entſchaͤdigung nur aus
dem Producte empfangen koͤnnen, ſo muͤſſen ſie dieſelbe durch
den Unternehmer erhalten. Man kann dieſen deshalb auch als
diejenige Perſoͤnlichkeit bezeichnen, welche den Ertrag der Pro-
duction empfaͤngt und daraus den Factoren, welche dazu mit-
gewirkt haben, ihren Antheil zukommen laͤßt.


Was nach Erſetzung der fuͤr die Production verbrauchten
Guͤter und nach Deckung der Dritten fuͤr ihre Mitwirkung durch
Capitalnutzungen oder Arbeit zu gewaͤhrenden Entſchaͤdigung 1)
2)
[45] uͤbrig bleibt, gehoͤrt dem Unternehmer und bildet ſein Einkommen
aus der Unternehmung. In ſo weit, als daſſelbe nicht mehr
betraͤgt, als diejenigen Summen, welche durch unmittelbaren
Austauſch der eignen Arbeiten und Nutzungen des Unternehmers
zu erhalten geweſen waͤren, iſt es als eine Entſchaͤdigung fuͤr
dieſe, alſo als Lohn und Zins zu betrachten. In ſo weit, als
es dieſen Betrag jedoch uͤberſteigt, erſcheint es als ein rein auf
ſeiner Stellung als Unternehmer beruhendes Einkommen und
wird deshalb mit dem Namen Unternehmergewinn be-
zeichnet. —


Der Unternehmergewinn iſt alſo derjenige Theil des Ein-
kommens aus dem Unternehmen, welcher dem Unternehmer als
ſolchem zufaͤllt. Hieraus folgt:


1)


[46]

1) Zum Unternehmergewinn ſind nicht zu rechnen diejenigen
Theile des Ertrags, welche nur bei der Production verbrauchte
Guͤter erſetzen, mithin gar nicht reines Einkommen ſind. Hierher
gehoͤrt nicht nur der Erſatz des umlaufenden, ſondern auch der-
jenige fuͤr die wirklich vernutzten Theile des ſtehenden Capitals,
die ja dem umlaufenden Capitale gleich zu achten ſind. Aber
noch mehr. Die meiſten Unternehmungen ſind nicht auf eine ein-
malige oder nur in beſchraͤnkter Zahl zu wiederholende, ſondern
auf eine vielfaͤltige, ja wohl unberechenbar lang andauernde,
gewiſſermaßen ewige Production berechnet. Gewiſſe Verluſte,
die bei einer einmaligen Production als eine unberechenbare
Chance des Ungluͤcks erſcheinen, werden hier zu einer regelmaͤßigen
und auf das geſammte Product gleichmaͤßig zu vertheilenden Laſt
der Unternehmung. Wenn daher in einer Wirthſchaftsperiode
ſolche Verluſte nicht eingetreten ſind, ſo iſt keineswegs Alles,
was nach Beſtreitung der gewoͤhnlichen Koſten uͤbrig bleibt, reiner
Gewinn, ſondern es muß davon noch ein entſprechender Theil
(Reſervefonds) abgegeben werden, um den vorausſichtlichen Ver-
luſt einer ſpaͤtern Periode damit zu uͤbertragen. Oder um dieſes
Verhaͤltniß von einer andern Seite zu betrachten, eine Unter-
nehmung kann nur beſtehen, wenn die Verluſte, die ſie regel-
maͤßig von Zeit zu Zeit erleidet, durch einen entſprechend groͤ-
ßern Ertrag in der Zwiſchenzeit aufgewogen werden. Dieſer
groͤßere Ertrag erſcheint daher gewiſſermaßen als eine Entſchaͤ-
digung fuͤr die gelaufne Gefahr, iſt aber in der That nichts
weniger als reines Einkommen, ſondern bloßer Capitalerſatz.
Dagegen gehoͤrt derjenige Theil des Ertrags, welcher nach Been-
digung einer Unternehmung in Folge gelungener Speculationen
uͤber die zur Erſetzung des verbrauchten Capitals und zu Be-
zahlung von Lohn und Zins nothwendige Summe uͤbrig bleibt,
zum reinen Einkommen des Unternehmers, und zwar fließt ſie
[47] ihm in ſeiner Eigenſchaft als ſolcher zu, iſt alſo wirklicher Unter-
nehmergewinn. Der Beendigung einer Unternehmung iſt in
dieſer Beziehung der Abſchluß einer laͤngeren Periode gleich zu
achten, wo man annehmen kann, daß guͤnſtige und unguͤnſtige
Umſtaͤnde gegenſeitig ihre volle Wirkſamkeit geaͤußert haben. Bei
der gewoͤhnlichen Jahresrechnung muß man allerdings in vielen
Geſchaͤften bei einem etwaigen guͤnſtigen Ergebniß den Ueberſchuß
zur Deckung der Verluſte unguͤnſtiger Jahre bei Seite legen, nach
einem laͤngeren Zeitraum jedoch mag man billig annehmen, Gunſt
und Ungunſt der Verhaͤltniſſe habe ſich gleichmaͤßig erſchoͤpft, einen
Abſchluß machen und einen verbleibenden Ueberſchuß als reinen
Gewinn des Unternehmers betrachten.


2) Vom Unternehmergewinn zu unterſcheiden ſind ferner
diejenigen Theile des Einkommens des Unternehmers, die nur
die durch unmittelbaren Austauſch ſeiner Capitalnutzungen und
Arbeitsleiſtungen zu erlangen geweſene Einnahme erſetzen. Und
zwar iſt hier Eins wohl zu beachten. Zu den Geſetzen, welche
die Hoͤhe des Zinſes und Lohnes beſtimmen, gehoͤrt es, daß
dieſelbe ſich nicht nach der auf eine Production wirklich verwen-
deten Nutzungs- und Arbeitsmenge, ſondern nach den Capital-
und Arbeitskraͤften richtet, deren anderweite Anwendung den
Darleihern und Arbeitern unmoͤglich gemacht worden iſt. Hier-
auf gruͤndet es ſich z. B., daß ſolche Gewerbe, die ihre Arbeiter
nur waͤhrend der guͤnſtigen Jahreszeit beſchaͤftigen, einen hoͤheren
Lohn zahlen muͤſſen, als diejenigen, welche das ganze Jahr hin-
durch arbeiten laſſen. Wenn man ein Grundſtuͤck, das ſeinem
Eigenthuͤmer eine hohe Rente abwerfen wuͤrde, ſo bald er es
zu Bauplaͤtzen verwendete, pachtet, um es als Park zu benutzen,
ſo darf man nicht weniger dafuͤr bezahlen, als Jener im erſterm
Falle erhoben haͤtte. Einem Gelehrten von Ruf, der Elementar-
unterricht geben ſoll, muß das Honorar dafuͤr den fuͤr Arbeiten
[48] hoͤherer und ſchwierigerer Art zu erlangen geweſenen Lohn erſetzen.
Ebenſo muß ein Unternehmer rechnen. Wenn er naͤmlich wiſſen
will, wie viel er von ſeinem Einkommen als Lohn betrachten
muß, ſo darf er nicht blos die fuͤr die Unternehmung wirklich
geleiſtete Arbeit in Betracht ziehen, ſondern er muß auch ſolche
Talente und Kraͤfte, die er, wenn er nicht Unternehmer gewor-
den waͤre, anderweit haͤtte verwerthen koͤnnen und nun muͤßig
liegen zu laſſen genoͤthigt iſt, in Rechnung ſtellen. Ein Juriſt,
z. B., der ſich zum induſtriellen Unternehmer gemacht hat und
der Unternehmung ſeine ausſchließliche Thaͤtigkeit widmet, wird
auch fuͤr den zu erwarten geweſenen Ertrag ſeiner juriſtiſchen
Praxis, der er nun nicht nachgehen kann, entſchaͤdigt ſein
wollen.


Zugleich erhellt hieraus, daß die von Hermann und Riedel
gemachte und oben bekaͤmpfte Unterſcheidung zwiſchen ſolchen Ar-
beiten, die von Lohnarbeitern verrichtet werden koͤnnen, und
ſolchen, die vom Selbſtunternehmer untrennbar ſeien, ſelbſt wenn
ſie an ſich richtig waͤre, zur Beſtimmung des als Lohn anzu-
ſehenden Theils des Einkommens des Unternehmers untauglich
ſein wuͤrde. Nicht darauf, ob eine Arbeit vom Unternehmer
ſelbſt hat verrichtet werden muͤſſen, kommt es hier an, ſondern
darauf, ob die fuͤr eine Arbeit aufgewendete Art der Kraft und
des Talentes ſich an Andere, vielleicht zu einer andern Anwen-
dung, haͤtte verdingen laſſen. Die Arbeiten z. B., die Riedel
mit Organiſation, Speculation und Inſpection bezeichnet und
die wir unter dem gemeinſamen Namen der Geſchaͤftsfuͤhrung zu-
ſammenfaſſen koͤnnen, erfordern gewiſſe Faͤhigkeiten und Talente,
die auch fuͤr ſolche Arbeiten, welche in der Regel verdungen wer-
den, von Werth ſind. Ein ſcharfer Blick fuͤr das Nuͤtzliche und
Schaͤdliche, Entſchloſſenheit, Ordnungsliebe u. ſ. w. ſind Eigen-
ſchaften, die auch beim Lohnarbeiter geſchaͤtzt und mit einer Er-
[49] hoͤhung ſeines Lohnes bezahlt werden. Wer eine eigne Unter-
nehmung zu fuͤhren vermag, der wuͤrde daher meiſtens bei ſei-
nen perſoͤnlichen Faͤhigkeiten einen ziemlich bedeutenden Lohn von
Andern haben erlangen koͤnnen. Selbſt da, wo es keine Unter-
nehmungen giebt, die beſoldete Geſchaͤftsfuͤhrer ſuchen, wuͤrde
der Unternehmer doch von manchen ſeiner uͤber die gewoͤhnliche
Handarbeiterkraft und Geſchicklichkeit hinaus liegenden Eigen-
ſchaften eine vortheilhafte Anwendung zu machen im Stande ge-
weſen ſein. Auch fuͤr die Geſchaͤftsfuͤhrung muß daher der Unter-
nehmer einen Lohn bis zu dem Betrage erwarten, den er fuͤr die
Anwendung ſeiner hierauf bezuͤglichen Eigenſchaften haͤtte von
Andern erlangen koͤnnen.


Nur inſoweit die Unternehmung Faͤhigkeiten und ebenſo
Capitalien in Anſpruch nimmt, die von Anderen entweder gar
nicht oder doch nicht im vollen Umfange zu benutzen geweſen
waͤren, iſt die Entſchaͤdigung hierfuͤr ganz oder zum entſprechenden
Theile dem Unternehmergewinn zuzurechnen.


Drittes Capitel.
Von der Bedeutung der Unternehmer für die Production.


Es entſteht zunaͤchſt die Frage: giebt es nach den gemachten
Einſchraͤnkungen denn auch wirklich einen Unternehmergewinn?
Loͤſt ſich das geſammte Einkommen des Unternehmers aus der
Unternehmung nicht vielmehr regelmaͤßig in Lohn, Zins, Rente
auf? Und wenn dieß nicht der Fall iſt, woraus erklaͤrt es ſich,
daß der Unternehmer aus ſeiner Eigenſchaft als ſolcher den An-
ſpruch auf ein Einkommen ableiten kann?


4
[50]

Wir beginnen damit, das Vorhandenſein des Unternehmer-
gewinns als eine Thatſache zu conſtatiren. Zwar ſcheinen, na-
mentlich im Kleingewerbe und in der kleinen Landwirthſchaft, die
Faͤlle nicht ſelten zu ſein, wo den Unternehmern außer dem Zins
ihrer Capitalien und dem Lohne ihrer Arbeit etwas Weiteres
nicht zufließt, doch ſind das im Ganzen nur Ausnahmen. Daß
in der Regel der Unternehmer wirklich in dieſer ſeiner Stellung
einen uͤber Lohn und Zinsſatz ſeiner Arbeits- und Capitalkraͤfte
hinausliegenden Gewinn bezieht, zeigt ſich deutlich in dem haͤu-
figen Beſtreben, den Unternehmungen durch Anwendung fremder
Capitalien und Dingung von Lohnarbeitern eine groͤßere Aus-
dehnung zu geben. Bezoͤge der Unternehmer nichts weiter, als
den gewoͤhnlichen Zins und Lohn aus der Unternehmung, ſo
koͤnnte er dieſe vielleicht immer noch als eine paſſende Gelegen-
heit zu Capitalanlegung und Arbeitsverdienſt aufrecht erhalten,
aber er wuͤrde durchaus keinen Grund haben, derſelben einen
groͤßern Umfang zu geben, als um ſeine eignen Productions-
factoren zu verwenden. Wenn dieß dennoch geſchieht, ſo liegt
darin der Beweis, daß von dem vermehrten Ertrage ein Theil
dem Unternehmer zufließen muß 1).


[51]

Als eine voruͤbergehende Erſcheinung laͤßt ſich dieß freilich
aus dem erklaͤren, was Roſcher (§. 196 a) das Princip der Vor-
hand nennt. Der Unternehmer befindet ſich den Vermiethern
der Productivkraͤfte, von denen er Gebrauch macht, gegenuͤber
meiſtens in der guͤnſtigen Lage, den Wechſel der Conjuncturen
fruͤher wahrzunehmen, ſeinen Gewinn laͤnger geheim zu halten
und daher guͤnſtige Verhaͤltniſſe laͤngere Zeit, ohne dem Drucke
und Concurrenz ausgeſetzt zu ſein, ausbeuten, die Folgen un-
guͤnſtiger Verhaͤltniſſe dagegen zeitig auf Andere uͤberwaͤlzen zu
koͤnnen. Allein der Unternehmergewinn iſt nicht blos etwas
Voruͤbergehendes, wir ſehen Unternehmungen dauernd auch uͤber
dasjenige Maß hinaus, welches zur vollen Ausnutzung der
eignen Kraͤfte der Inhaber noͤthig iſt, mit gedungenen Arbeitern
und Capitalkraͤften arbeiten, Actiengeſellſchaften ſich keineswegs
beeilen, ihre Prioritaͤtsanleihen abzutragen, ſondern dieſelben
nur aus einem gleichſam uͤberkommenen Princip der Ordnung
und Sicherheit ſehr allmaͤlig tilgen u. ſ. w.


Als eine dauernde Art der Einnahme kann der Unterneh-
mergewinn ſeine Erklaͤrung nur darin finden, daß das Unter-
nehmen eines Geſchaͤfts, d. h. das Herſtellen eines Products fuͤr
den Verkehr, ohne daß das Verhaͤltniß des Ertrags zu den Ko-
ſten im Voraus feſtgeſtellt iſt, die betreffende Production erleich-
tert und verwohlfeilert, vielleicht wohl ſelbſt erſt moͤglich macht.
Denn waͤre dem nicht ſo, koͤnnte man Guͤter, indem man ihre
Herſtellung uͤbernimmt, eben ſo vollkommen und billig herſtel-
len, wie durch Unternehmung, ſo wuͤrde im Preiſe derſelben
nichts fuͤr den Unternehmer als ſolchen uͤbrig bleiben. Wenn
ſich der Preis der Guͤter dagegen auf einer Hoͤhe haͤlt, welche
den Unternehmern, die auf ihre Herſtellung bedacht ſind, als ſol-
chen einen Gewinn abwirft, ſo beweiſt das eben, daß das Unter-
4 *
[52] nehmen ihrer Herſtellung ſelbſt eine productive Seite haben muß.
Worin iſt dieſe nun zu ſuchen?


Die Antwort hierauf hat um deswillen ihre Schwierigkei-
ten, weil wir, ſo weit wir unſere Blicke auch uͤber Raͤume und
Zeiten hinſchweifen laſſen, keinem wirthſchaftlichen Zuſtande be-
gegnen, welcher Verkehrsverhaͤltniſſe unter Abweſenheit jeglicher
Unternehmungen zeigte, und weil ſich ein ſolcher Zuſtand uͤber-
haupt kaum denken laͤßt. Wir muͤſſen indeſſen verſuchen, auf
dem Wege der Abſtraction zu einem Verſtaͤndniſſe zu gelangen.
Dabei muͤſſen wir uns vor allen Dingen den Geſchaͤftsgang
vergegenwaͤrtigen, wie er ſich beim Mangel irgend welcher Unter-
nehmungen geſtalten wuͤrde. Bei allen Productionen, deren
Erfolg der Natur der Sache nach kein geſicherter waͤre, bliebe
unter dieſer Vorausſetzung nur eine doppelte Moͤglichkeit uͤbrig,
entweder der Begehrer des Products muͤßte die Production
ſelbſt uͤbernehmen, wenn auch mit Zuziehung fremder Capital-
und Arbeitskraͤfte, oder er muͤßte ſie einem Dritten unter Zu-
ſicherung einer Entſchaͤdigung fuͤr die gehabte Muͤhe, wie der er-
forderlichen Auslagen uͤbertragen.


Wie ſchwierig und oft unmoͤglich das Erſtere iſt, lehrt
uns ein Blick auf die manichfaltigen Guͤter, deren wir uns
zur Befriedigung unſrer Beduͤrfniſſe bedienen. Wie ſollten wir
die Beſchaffung derſelben aller und zwar aus den einfachſten
Elementen heraus, aus denen ſie hervorgegangen, ſelbſtaͤndig
auf uns nehmen? — So bleibt in den meiſten Faͤllen nur die
Uebertragung der Production an einen Dritten uͤbrig. Aber es
fehlt ja nach der gemachten Vorausſetzung eben an Solchen, die
aus der Herſtellung gewiſſer Guͤter ein beſtimmtes Geſchaͤft ma-
chen, es fehlt nach der Unterſcheidung des vorigen Capitels
nicht nur an vollkommenen, ſondern auch an unvollkommenen
Unternehmern. Demnach entſteht die erſte Schwierigkeit ſchon
[53] beim Aufſuchen Jemandes, der die Herſtellung des gewuͤnſchten
Productes zu uͤbernehmen bereit waͤre. Eine weitere Schwierig-
keit wuͤrde ſich bei der Beſtimmung des Preiſes wie der Zeit
herausſtellen, in welcher die Dienſtleiſtung, ſei es unmittelbar,
ſei es in einem Sachgute verkoͤrpert, geleiſtet werden ſollte.
Viele Dienſtleiſtungen ſind der Art, daß ſie mit demſelben Auf-
wande Vielen zu gleicher Zeit geleiſtet werden koͤnnen wie We-
nigen oder einem Einzelnen. Hier muͤßte der Begehrende dann
ſo lange auf die Befriedigung ſeines Beduͤrfniſſes warten, bis
ſich eine groͤßere Anzahl mit ihm im gleichen Falle Befindlicher
zuſammengefunden haͤtte, oder er muͤßte einen unverhaͤltnißmaͤßi-
gen Preis bezahlen. Ganz aͤhnlich verhaͤlt es ſich mit vielen
Sachguͤtern, deren Productionskoſten ſich mit der Maſſenhaftig-
keit ihrer Erzeugung vermindern. Und wenn ſich nun bei einem
Productionswilligen eine gehoͤrige Nachfrage eingeſtellt haͤtte,
wuͤrde er auch das Sachgut alsbald zu liefern, den Dienſt ſo-
gleich zu leiſten im Stande ſein und wuͤrde er den zu fordernden
Preis ohne Weiteres beſtimmen koͤnnen? Bei Weitem die mei-
ſten Producte und Dienſtleiſtungen ſind das Erzeugniß vielfach
complicirter Thaͤtigkeiten und Capitalanwendungen. Die be-
treffenden Producenten wuͤrden daher auf alle ihre Vorarbeiter
und alle Diejenigen, die mit ihren Capitalien die Production
irgend wie zu foͤrdern haben, zuruͤckgreifen muͤſſen, um mit ihnen
Transactionen uͤber die zu uͤbernehmenden Geſchaͤfte zu treffen,
und bei jeder dieſer Transactionen wuͤrden ſich alle die obigen
Schwierigkeiten wiederholen. Schließlich aber, nach Beſeitigung
dieſer ſaͤmmtlichen Hemmniſſe waͤre es immer noch ſehr die Frage,
ob das gelieferte Product wirklich dem zu befriedigenden Be-
duͤrfniſſe entſpraͤche. Die vielfachen Enttaͤuſchungen, welche man
im wirklichen Leben bei Arbeiten erfaͤhrt, welche man zu beſtellen
genoͤthigt iſt, laſſen einen kleinen Schluß auf das Ergebniß
[54] ziehen, welches erreicht werden wuͤrde, wenn man alle Producte
nur auf dieſe Weiſe zu erlangen vermoͤchte.


Hiernach tritt die productive Bedeutung der Unternehmer
ſchon unverkennbar hervor. Unterſuchen wir deren Urſachen
naͤher, ſo finden wir, daß ſie gegenuͤber den Eigengeſchaͤften
und dem uͤbernehmungsweiſen Betriebe der Geſchaͤfte einen dop-
pelten Grund haben kann. Sie kann ſich naͤmlich ſtuͤtzen ent-
weder auf eine Erſparung am Productionsaufwand oder dar-
auf, daß ſie bei Darbringung der Producte Vortheile gewaͤhrt,
die auf anderem Wege gar nicht oder nicht in demſelben Um-
fange zu erlangen ſind.


I.Erſparung am Productionsaufwande.


Dieſelbe kann eintreten 1) dadurch, daß die zu einer Pro-
duction noͤthigen Factoren den Unternehmern ſich billiger zur
Verfuͤgung ſtellen, als bei den Eigengeſchaͤften oder dem Geſchaͤfts-
betrieb durch Uebernehmung. Daß im Allgemeinen die Beſitzer
von Arbeits- oder Capitalkraͤften bei deren Vermiethung einen
niedrigeren Entſchaͤdigungsmaßſtab anzunehmen bereit ſind, als
wenn ſie dieſelben auf ei[gn]e Hand verwendeten, erklaͤrt ſich zur
Genuͤge aus der erſparten Gefahr und Sorge fuͤr den Erfolg.
Daß aber der Miethpreis beider Productionsfactoren fuͤr den
Unternehmer haͤufig auch ein geringerer ſein wird, wie fuͤr den-
jenigen, der ſie nur zur Beihuͤlfe bei einer uͤbernommenen Pro-
duction ſucht, geht daraus hervor, daß der letztere in der Regel
nur einen einzelnen, bald voruͤbergehenden Zweck im Auge hat.
Nach kurzer Zeit werden Arbeiter und Capitaliſten, die mit ihm
in Verbindung getreten ſind, daher genoͤthigt ſein, ſich wieder
nach einer neuen Verwerthung ihrer Kraͤfte umzuſehen. Ver-
miethen ſie dieſelben dagegen an einen Unternehmer, der ſie
[55] vorausſichtlich fuͤr laͤngere Zeit, vielleicht fuͤr immer beſchaͤftigen
wird, ſo werden ſie in Rechnung darauf ſich gern einen ver-
haͤltnißmaͤßigen Abzug an ihrer Entſchaͤdigung gefallen laſſen.
Ein Maler, der auf Beſtellung fuͤr einen Gemaͤldehaͤndler, ein
Literat, der eben ſo fuͤr einen Buchhaͤndler regelmaͤßig arbeitet,
wird dieſem ſeine Bilder oder Buͤcher in der Regel billiger an-
rechnen, als demjenigen, der ihm nur ein einzelnes Werk ſeiner
Arbeit abkauft. Bekannt iſt, wie haͤufig ſchon die Hoffnung
einer regelmaͤßigen Beſchaͤftigung auf eine Verminderung des
Arbeitspreiſes einwirkt. Aus demſelben Grunde pflegen auch
ſolche Unternehmungen, welche Schwankungen in ihrer Ausdeh-
nung und deshalb der Nothwendigkeit, gemiethete Capitale und
Arbeiter zu kuͤndigen und zu entlaſſen, weniger unterworfen ſind,
unter uͤbrigens gleichen Verhaͤltniſſen guͤnſtigere Miethbedingun-
gen zu erhalten, als diejenigen, welche ſolchen Schwankungen mehr
ausgeſetzt ſind. Je allgemeiner verbreitet und je ſtetiger wir-
kend das Beduͤrfniß iſt, zu deſſen Abhuͤlfe zu dienen die Unter-
nehmung beſtimmt iſt, deſto eher wird ſich in dieſer Beziehung
ein Vortheil herausſtellen. Je weniger die Arbeiter oder die
Capitalien fuͤrchten muͤſſen, zu feiern, und je naͤher ihnen die
Hoffnung liegt, ihre Forderungen bald ſteigern zu koͤnnen, um
ſo weniger wird andererſeits der Unternehmer auf guͤnſtigere
Bedingungen zu rechnen haben, als derjenige, welcher Arbeit
oder Capital fuͤr ſeine eigene Wirthſchaft oder zur Ausfuͤhrung
eines uͤbernommenen Geſchaͤftes ſucht.


Ferner iſt als ein Vortheil des Unternehmers bei Feſtſtel-
lung der Miethpreiſe der Capitalien und Arbeitskraͤfte die groͤ-
ßere Ueberſicht uͤber das ihm zur Verfuͤgung ſtehende Angebot
und die Verhaͤltniſſe der Nachfrage zu erwaͤhnen. Wer fuͤr ſei-
nen eigenen Bedarf einen Arbeiter oder ein Capital zu miethen
ſucht, der iſt meiſt von den Arbeits- und Capitalkraͤften, die
[56] zur Verfuͤgung ſtehen, nur unvollkommen unterrichtet. Ebenſo
derjenige, der die Ausfuͤhrung eines Productes nur uͤbernom-
men hat, abgeſehen davon, daß bei dieſem, da ihm Reſtitution
der gemachten Auslagen zugeſichert iſt, das unmittelbare Intereſſe
an Gewinnung moͤglichſt billiger Miethpreiſe wegfaͤllt. Bei
dem Einen wie bei dem Andern iſt es etwas Zufaͤlliges, daß
ſie uͤberhaupt Capitalien oder Arbeitskraͤfte ſuchen, und es iſt
daher keine Veranlaſſung vorhanden, ihnen dieſelben, in ſo weit
ſie disponibel ſind, anzubieten, waͤhrend ſie den Unternehmern,
bei denen man vorausſetzt, daß ſie ſie gebrauchen koͤnnen, regel-
maͤßig angeboten zu werden pflegen. Die Unternehmer ſind da-
her meiſtens in der Lage, ſich von den verfuͤgbaren Capitalien
und Arbeitskraͤften die wohlfeilſten und ausgiebigſten auszuſu-
chen, waͤhrend Andere nur zwiſchen denjenigen waͤhlen koͤnnen,
die ſich ihnen gerade zufaͤllig darbieten. Schon beim Stellen
ſeiner Entſchaͤdigungsforderungen pflegt der Arbeiter oder Capi-
talbeſitzer dem Unternehmer gegenuͤber maͤßiger zu ſein, theils
weil er weiß, daß dieſer eine groͤßere Auswahl hat, theils weil
er einſieht, daß derſelbe von der Concurrenz [gezwungen] iſt,
ſeinen Productionsaufwand auf das knappſte Maß zuruͤckzufuͤh-
ren. Wenn dagegen Jemand zur Production fuͤr ſeinen eignen
Bedarf eine Arbeitskraft oder ein Capital ſucht, ſo glaubt man
ihm weit eher zumuthen zu koͤnnen, dafuͤr eine etwas hoͤhere
Entſchaͤdigung zahlen zu koͤnnen, und nicht minder iſt dieß der
Fall, wenn man weiß, daß er im Auftrage eines Andern ohne
eigne Gefahr handelt. Ein Tageloͤhner fordert leicht, wenn er
von einem Privatmann in deſſen Garten verlangt wird, einen
hoͤhern Tagelohn, als von einem Handelsgaͤrtner, weil er ſich
einbildet, jener koͤnne leichter eine groͤßere Ausgabe tragen; ein
Beamter, der fuͤr Rechnung der Regierung irgend ein Capital
zu miethen hat, begegnet nicht ſelten uͤberſpannten Miethsforde-
[57] rungen, weil die Capitalbeſitzer wiſſen, daß er auf alle Faͤlle
die Miethskoſten liquidiren darf.


2) Eine Erſparniß am Productionsaufwande fuͤr die Un-
ternehmer kann ferner dadurch eintreten, daß ſie mit den naͤm-
lichen Productionsfactoren ein ausgiebigeres Reſultat erreichen,
als wenn die Geſchaͤfte blos fuͤr den eignen Bedarf oder uͤber-
nehmungsweiſe betrieben wuͤrden. Es iſt uͤberfluͤſſig, die oft ge-
ſchilderten Vortheile der Arbeitstheilung und -Vereinigung, des
Zuſammenwirkens der Capitale und der Verbindung von Arbeit
und Capital hier noch einmal auseinander zu ſetzen; was aber
an dieſer Stelle hervorzuheben iſt, das iſt, daß dieſe Vortheile
groͤßtentheils nur beim unternehmungsweiſen Betriebe der Ge-
ſchaͤfte erreicht werden koͤnnen. Es leuchtet naͤmlich ein, daß
die Erlangung derſelben weſentlich von einer Regelmaͤßigkeit und
einer groͤßern Ausdehnung der Production abhaͤngt, wie ſie bei
Eigengeſchaͤften ſelten moͤglich iſt. Nur in der Wirthſchaft gro-
ßer Gemeinweſen, Staaten u. ſ. w. pflegt der Bedarf ein ſo um-
fangreicher und regelmaͤßiger zu ſein, daß man bei der Eigen-
production alle jene Vortheile ſich anzueignen vermag. Allein
indem die Wirthſchaft hier regelmaͤßig durch beauftragte Ueber-
nehmer gefuͤhrt werden muß, die kein eignes unmittelbares In-
tereſſe an dem Erfolge haben, werden jene Vortheile meiſtens
durch die wachſende Schwierigkeit, es den Privat-Unternehmun-
gen an gewiſſenhafter Sparſamkeit, ſcharfſinniger Combination
und ſtrenger Aufſicht gleich zu thun, weit uͤberwogen. Die Un-
ternehmer alſo ſind es, welche jene Vortheile meiſtens erſt zur
Geltung bringen, und hierin beruht in der That ein großer
Theil ihrer volkswirthſchaftlichen Bedeutung. Insbeſondere muß
hier noch der Einwirkung gedacht werden, welche der unterneh-
mungsweiſe Betrieb auf die Einfuͤhrung verbeſſerter Verfah-
[58] rungsarten bei der Production ſelbſt da ausuͤbt, wo dieſe bei
den Einzelwirthſchaften an ſich zulaͤſſig ſind. Die Einfuͤhrung
neuer Productionsmethoden pflegt mit einem Riſico verbunden
zu ſein, dem ſich der Einzelwirthſchafter auf eigne Gefahr nicht
gern ausſetzt. Hat man ſeine Wirthſchaft bisher in der alten
Weiſe erhalten, warum nicht auch ferner? Daß man fuͤr das
neue Verfahren einen Aufwand machen muß, iſt gewiß; der
Erfolg noch ungewiß. Dazu kommt, daß in der That das
Wagniß fuͤr den Einzelwirthſchafter ſowohl abſolut wie relativ
ein weit groͤßeres zu ſein pflegt, wie fuͤr den Unternehmer, ab-
ſolut, weil jener geringere Ausſicht hat, als dieſer, bei dem
neuen Verfahren ſogleich den wohlfeilſten und ausgiebigſten Weg
einzuſchlagen, relativ, weil ein etwaiges Mißlingen fuͤr jenen
empfindlicher und nicht ſo leicht wieder gut zu machen iſt, wie
fuͤr dieſen. Als auf einen Beleg, wie ſehr der unternehmungs-
weiſe Betrieb die Anwendung verbeſſerter Productionsarten foͤr-
dert, kann auf die Fortſchritte hingewieſen werden, welche der
Landbau zu machen pflegt, ſobald er vorzugsweiſe nicht mehr
fuͤr das Beduͤrfniß der eigenen Wirthſchaft, ſondern fuͤr den
Marktabſatz producirt 1). Wenn die Arbeiter in unſrer Zeit ſo
geneigt ſind, ſich allein die wunderbare Productivitaͤt der Ar-
beitstheilung zu Gute zu rechnen, ſo verkennen ſie durchaus die
Natur der Dinge. Ohne Unternehmer wuͤrde es nie zu dieſer
Trennung der Beſchaͤftigungen gekommen ſein; ohne Unterneh-
mer wuͤrde dieſe Trennung der Beſchaͤftigungen nie daſſelbe
fruchtbringende Reſultat gegeben haben, da lauter ſelbſtaͤndige
Arbeiter ſich nie in der Weiſe in die Haͤnde gearbeitet haben
[59] wuͤrden, wie wir es unter den gegebenen Verhaͤltniſſen ſehen 1).
Und wenn die Theilung der Arbeit jetzt noch die Mutter man-
cher unfruchtbaren Production iſt, ſo ruͤhrt das eben daher, daß
das Unternehmerweſen noch nicht ſeine hoͤchſte Ausbildung er-
reicht hat 2). Wie ſehr die Ausbeutung der erwaͤhnten Vortheile
vom unternehmungsweiſen Betriebe der Geſchaͤfte abhaͤngt, geht
uͤbrigens auch noch daraus hervor, daß die unvollkommenen Un-
ternehmungen ſich derſelben in der Regel in weit geringerem Grade
theilhaftig zu machen vermoͤgen, als die vollkommenen 3).


II.Vortheile des Unternehmungsbetriebs bei Darbringung
der Producte
.


Dieſelben zeigen ſich zunaͤchſt in der rechtzeitigen Dar-
bietung der Befriedigungsmittel der Beduͤrfniſſe. Viele Beduͤrf-
[60] niſſe und darunter die fuͤr das Leben der Menſchen maßgebend-
ſten geſtatten in ihrer Befriedigung keine laͤngere Verzoͤgerung.
Wir erinnern nur an das Beduͤrfniß der Nahrung und des
Schutzes gegen die Unbilden der Witterung. Hier muͤſſen die
Mittel zur Abhuͤlfe ſofort zur Stelle ſein, wenn ſie uͤberhaupt
Etwas helfen ſollen. Indem der Unternehmer ſie bereit haͤlt
oder wenigſtens die Moͤglichkeit gewaͤhrt, ſich binnen Kurzem,
wenn das Beduͤrfniß auftritt, mit ihnen zu verſorgen, leiſtet er
einen weſentlichen Dienſt. Was wuͤrde aus der Menſchheit ge-
worden ſein, wenn alle Einzelnen ſich jene Guͤter erſt durch
muͤhſame Transactionen, wie ſie nach der obigen Ausfuͤhrung
beim Mangel von Unternehmungen erforderlich werden wuͤrden,
haͤtten verſchaffen ſollen? Wahrſcheinlich waͤre es alsdann am
vortheilhafteſten geweſen, wenn Jeder ſich nur auf ſich ſelbſt
verlaſſen haͤtte; alle Vortheile des Verkehrs wuͤrden mithin auf
dieſem Gebiete fuͤr die Production verloren gegangen ſein.
Aber auch bei ſolchen Beduͤrfniſſen, die nicht gebieteriſch eine
unmittelbare Befriedigung erheiſchen, ſobald ſie hervortreten,
wuͤrde der Zeitverluſt, der aus dem Mangel von Unternehmun-
gen entſtehen muͤßte, ein empfindlicher Nachtheil ſein, um ſo
empfindlicher, je verwickelter die Arbeits- und Capitalleiſtungen
ſind, aus denen das gewuͤnſchte Product hervorgeht. Gerade
die den hoͤheren Lebensbeduͤrfniſſen dienenden Guͤter wuͤrden da-
durch vorzugsweiſe betroffen werden, und das Vorwaͤrtsſchreiten
der Cultur daher ein immer ſteigendes Hinderniß finden. Auch
hat das Nichtbefriedigen oder das Wartenmuͤſſen auf die Befrie-
digung von Beduͤrfniſſen in vielen Faͤllen ja nicht bloß die Be-
deutung eines entgehenden oder ſich verſpaͤtigenden Genuſſes,
ſondern es haͤngt davon auch die Moͤglichkeit weiterer Production
ab. Zeit iſt Geld, wie die Englaͤnder ſagen, iſt ein Spruͤch-
wort, welches fuͤr alle lebensfriſchen und ſtrebſamen Voͤlker gleich-
[61] maͤßig Geltung hat 1). In dem Maße, als ein Volk ſich ge-
woͤhnt hat, ſeine Zeit auszunuͤtzen, muͤßte die Verzoͤgerung im
Umſatz der Guͤter, wenn ſie durch die Unternehmungen nicht er-
ſpart wuͤrde, nachtheiligere Folgen haben 2).


Ein weiterer Vortheil der Production durch Unternehmung bei
Darbringung der Producte liegt in der Sicherheit, die dem Aus-
nutzer in Bezug auf die einzutauſchenden Objecte gewaͤhrt wird. Ein
Ausnutzer, der keinen Unternehmer faͤnde, welcher ihm fertige Pro-
ducte anboͤte, wuͤrde genoͤthigt ſein, ſich die Guͤter, deren er be-
[62] duͤrfte, ſelber zu erzeugen oder zu beſtellen. Dabei wuͤrde er von
vornherein in der Regel mit zwei Schwierigkeiten zu kaͤmpfen
haben, mit der Unklarheit ſeines eigenen Beduͤrfniſſes und mit
der Unkenntniß der vorhandenen techniſchen Mittel zu deſſen
Befriedigung. Waͤhrend es nicht ſchwierig iſt, von einem an-
gebotenen fertigen Gegenſtande zu beurtheilen, in wie weit er
einem gehegten Beduͤrfniſſe zu entſprechen geeignet iſt, iſt es
keineswegs ſo leicht, wie man glauben ſollte, ſich uͤber die Na-
tur eines Beduͤrfniſſes klar zu werden. Ein Beiſpiel, in wel-
chem im wirklichen Leben ſich das recht deutlich zeigt, iſt das
Bauweſen. Die meiſten Menſchen bilden ſich ein, die Beduͤrf-
niſſe ihrer wohnlichen Einrichtung ſehr genau zu kennen, und
Leute, die in der Lage ſind, ſich ein eigenes Haus zu bauen,
machen es ſich daher gern zur beſondern Liebhaberei, ſelbſt den
Plan dafuͤr zu entwerfen. Sehr oft aber zeigt es ſich, daß,
waͤhrend ſie fruͤher in einem Miethhauſe, das fertig von ihnen
vorgefunden worden war, leidlich bequem gewohnt hatten, in
dem neuen Gebaͤude die graſſeſten Uebelſtaͤnde heraustreten, und
der Fall iſt daher nichts weniger als ſelten, daß ſolche Eigen-
thuͤmer ihre nach eigner Angabe gebauten Haͤuſer bald moͤglichſt
wieder zu verlaſſen ſuchen 1). Beſchraͤnkt ſich nun vollends die
Thaͤtigkeit des Eigenthuͤmers nicht blos auf die Entwerfung des
Plans, ſondern dehnt ſie ſich auch noch auf die Ausfuͤhrung aus,
ſo pflegt auch der Mangel an Ueberſicht uͤber die techniſchen
Huͤlfsmittel ſeine Fruͤchte zu tragen. Manche gute Idee wird
[63] aufgegeben, weil man ſie nicht auszufuͤhren weiß, bei der Aus-
fuͤhrung andrer vergreift man ſich im Material, man ſpart am
unrechten Orte und verſchwendet am andern u. ſ. w. Und wie
mit den Haͤuſern, ſo wuͤrde es mit tauſend andern Gegenſtaͤn-
den des menſchlichen Beduͤrfens gehen, wenn man aus Neigung
oder Nothwendigkeit ſie nach eigner Angabe herſtellen ließe.
Die Unternehmungen bringen daruͤber hinaus; ſie kommen den
Beduͤrfniſſen des Einzelnen entgegen, ja zuvor. Indem die Un-
ternehmer ſich irgend eine Art der Production zur Lebensaufgabe
machen, muͤſſen ſie ihr beſonderes Augenmerk darauf richten, die
Natur und die Varietaͤten des Beduͤrfniſſes, dem ſie dienen
wollen, genau zu erforſchen, ſowie ſich mit den Mitteln, die zu
dieſem Behufe zu Gebote ſtehen, ſorgfaͤltig bekannt zu machen.
Dadurch entſteht eine große Manichfaltigkeit der Production
und ein Raffinement, das mit ſeinen Erzeugniſſen die latenten
Beduͤrfniſſe oft erſt zu wecken verſteht, wie Jeder ſchon an ſich
ſelbſt erfahren haben wird. Denn wer haͤtte ſich nicht einmal
bei einem Gang uͤber einen Markt oder durch eine große Waa-
renniederlage zum Ankauf irgend einer Kleinigkeit verleiten laſſen,
von der es ihm fruͤher nicht im Traume eingefallen waͤre, daß
er ſie brauchen koͤnnte? Zu den Vortheilen, welche die unter-
nehmende Production den Ausnutzern dadurch gewaͤhrt, daß ſie
dieſelben der Unterſuchung ihrer Beduͤrfniſſe und der Eroͤrterung
der Mittel uͤberhebt, mit welchen ſich die gewuͤnſchten Guͤter her-
ſtellen laſſen, kommt nun unmittelbar die groͤßere Sicherheit hin-
ſichtlich der Gebrauchsfaͤhigkeit der letzteren hinzu. Einem fer-
tigen Producte gegenuͤber, wie es der vollkommene Unternehmer
anbietet, kann man ſich ſein Urtheil leicht bilden; bei einem
Gute, das man ſich ohne Dazwiſchenkunft eines Unternehmers
verſchaffen muͤßte, bleibt es, wie bereits oben angedeutet, immer
zweifelhaft, ob es ſchließlich von der Art ſein wird, wie man es
[64] ſich urſpruͤnglich vorgeſtellt hat. Die Unſicherheit des Ergebniſ-
ſes der vom Ausnutzer veranlaßten Production faͤllt auf dieſen
zuruͤck; ohne Unternehmer wuͤrde er daher gewiſſermaßen fuͤr alle
Guͤter, die er ſich herſtellen laͤßt, ſelbſt als Unternehmer gelten
koͤnnen. Dadurch daß die betreffenden Productionen Gegenſtand
ſelbſtſtaͤndiger Unternehmung werden, wird ihm die Laſt dieſer
Gefahr abgenommen.


Hiermit haͤngt weiter der Einfluß nahe zuſammen, welchen
der unternehmungsweiſe Betrieb der Geſchaͤfte auf die Sicher-
heit und Stetigkeit der Preiſe
der Producte ausuͤbt.
Dem Unternehmer liegt, indem er ein Erzeugniß auf den Markt
bringt, der Betrag der Productionskoſten bereits vor; er hat alſo
fuͤr ſeine Preisforderung einen ſehr beſtimmten Anhaltepunkt.
Andererſeits ſtellt der unternehmungsweiſe Betrieb, indem er eben
die Production in die Haͤnde einer beſtimmten Claſſe von Men-
ſchen legt, das Verhaͤltniß von Nachfrage und Angebot der Pro-
ducte viel klarer heraus, als wenn die Beduͤrfenden fuͤr die Her-
ſtellung der betreffenden Producte erſt einen Unternehmer finden
oder ſie bei denen aufſuchen muͤßten, die ſie vielleicht zufaͤllig be-
ſitzen. Beides zuſammen genommen bewirkt, daß der Begehrer
eines durch Unternehmung erzeugten Gutes uͤber den Preis, zu
welchem er ſich es verſchaffen kann, ſehr bald ins Klare zu kom-
men vermag. Daß dieß ein oͤkonomiſcher Vortheil iſt, bedarf
keines Beweiſes, da es auf der Hand liegt, daß nun die Mit-
tel, welche zur Anſchaffung der betreffenden Guͤter vorraͤthig ge-
halten werden muͤſſen, ziemlich genau auf das Maß des wirklich
Erforderlichen beſchraͤnkt werden koͤnnen. Es iſt dieß im Ver-
ein mit der Zuverlaͤſſigkeit der Befriedigung nach Zeit und Art
auch der Grund, weshalb die unvollkommenen Unternehmungen,
die nur die Productionsmittel darbieten und die Production ſelbſt
erſt auf Verlangen vornehmen, vielfach durch vollkommene Unter-
[65] nehmungen in Schatten geſtellt worden ſind. Viele Leute kau-
fen ein Kleidungsſtuͤck, ein Moͤbel lieber im Magazin, als daß
ſie ſich es vom Schneider oder Tiſchler machen laſſen, weil ſie
wiſſen, daß ſie ihr Beduͤrfniß dort zu einem beſtimmten Preiſe
befriedigen koͤnnen. Natuͤrlich koͤnnen die Unternehmer, welche
die Production foͤrmlich organiſirt haben, die Erzeugniſſe auch
zu einem viel gleichmaͤßigeren Preiſe liefern, was fuͤr die Aus-
nutzer wieder ein Vortheil iſt. Nehmen wir ein ſehr einfaches
Beiſpiel. In unſern Waͤldern wachſen allerhand eßbare Bee-
ren wild; arme Leute unternehmen es, dieſelben zu ſammeln und
zu Markte zu bringen. Ein Mal koſtet ihnen dieß mehr, ein
ander Mal weniger Muͤhe, aber ſie machen daruͤber eine Durch-
ſchnittsrechnung und beſtimmen demgemaͤß ihre Preiſe, ſo daß
ſich eine gewiſſe Gleichmaͤßigkeit derſelben herausſtellt. Traͤten
ſie nicht als Unternehmer auf und ließen ſie ſich nur auf Be-
ſtellung in den Wald ſchicken und nach der wirklich gehabten
Muͤhe bezahlen, ſo wuͤrde man die Beeren zu ſehr ungleichen
Preiſen erhalten. Was ſich bei dieſer einfachen Unternehmung
im Kleinen begiebt, wiederholt ſich bei umfangreichern und ver-
wickelteren Unternehmungen vielfach im Großen.


Erklaͤren die bisher angefuͤhrten Punkte die Moͤglichkeit
eines Unternehmergewinns in ſolchen Faͤllen, die auch eine an-
dere als eine unternehmungsweiſe Production zulaſſen wuͤrden,
ſo bedarf es einer ſolchen Erklaͤrung in den Faͤllen nicht, wo
eine Production ſich uͤberhaupt nicht anders, als durch eine be-
ſondre Claſſe von Unternehmern ausfuͤhren laͤßt, indem hier die
Moͤglichkeit des Unternehmergewinnes mit der Moͤglichkeit der
Production ſelbſtverſtaͤndlich zuſammenfaͤllt. Fuͤr den ſpeciellen
Zweck unſerer Schrift koͤnnten wir daher dieſe Faͤlle uͤbergehen.
Da wir aber einmal von dem Einfluſſe des unternehmungs-
weiſen Geſchaͤftsbetriebes auf die Production geſprochen haben,
5
[66] ſo ſei es uns geſtattet, nachdem wir die Wirkungen der Unter-
nehmungen auf die Verwohlfeilerung und die Verbeſſerung der
Production bereits dargelegt haben, auch noch einige Bemerkun-
gen uͤber den Einfluß hinzuzufuͤgen, den die Unternehmungen
auf die Erweiterung der Production ausuͤben. Der unterneh-
mungsweiſe Betrieb, ſagen wir, macht die Herſtellung vieler Guͤ-
ter uͤberhaupt erſt moͤglich. Dieß kann einen doppelten Grund
haben. Einmal naͤmlich wuͤrde der groͤßere Aufwand, den man
in Ermangelung von Unternehmungen fuͤr die Erlangung man-
cher Guͤter machen muͤßte, oder die unguͤnſtigen Verhaͤltniſſe, de-
nen man dabei ausgeſetzt waͤre (Verſpaͤtung, Unſicherheit in Be-
zug auf Qualitaͤt und Preis) es in zahlreichen Faͤllen vollkom-
men unthunlich machen, ſich Guͤter auf ſolche Weiſe zu verſchaffen
zu ſuchen. Hierher ſind im Allgemeinen alle Guͤter zu rechnen,
deren Tauſchwerth ihrem Nutzwerthe nahezu gleich ſteht, d. h.
deren Erlangung ein Opfer koſtet, welches nach der allgemeinen
Schaͤtzung den Nutzen, den ſie bereiten, zum groͤßten Theile auf-
wiegt. Sodann aber wuͤrden die Ausnutzer mancher Producte
gar nicht darauf verfallen ſein, ſie in der eignen Wirthſchaft
herzuſtellen oder durch Beſtellung herſtellen zu laſſen. In die-
ſer Beziehung iſt auf das zu verweiſen, was oben von dem Er-
wecken latenter Beduͤrfniſſe durch die Unternehmungen geſagt
worden iſt. Es iſt eine in der wirthſchaftlichen Entwickelung
der Voͤlker ſich vielfach wiederholende Erſcheinung, daß die Guͤ-
ter fruͤher da ſind, als die Beduͤrfniſſe, denen ſie dienen ſollen.
In wilden Voͤlkern muß man erſt durch Geſchenke, die man ih-
nen macht, das Beduͤrfniß nach Producten wach rufen, die man
bei ihnen einzufuͤhren wuͤnſcht, um die Erzeugniſſe ihres Landes
dagegen einzutauſchen. Ackerbauende Bevoͤlkerungen werden mei-
ſtens erſt dann zu erhoͤhter Thaͤtigkeit angetrieben, wenn ſtaͤdti-
ſche Gemeinſchaften in ihrer Naͤhe ſie mit den Mitteln zur Be-
[67] friedigung erhoͤhter Beduͤrfniſſe bekannt gemacht haben. Der
Anblick des Comforts der Reichen weckt die Aermern erſt zu
nacheifernder Thaͤtigkeit, u. ſ. w. Der Unternehmungsgeiſt iſt
es, welcher die Mehrzahl dieſer Erſcheinungen erklaͤrt; er wirkt
der Kraft der Traͤgheit entgegen, welche die Menſchen bei dem
jeweilig gegebenen Zuſtande der wirthſchaftlichen Befriedigung
feſtzuhalten ſtrebt. Von den nur erwaͤhnten Beiſpielen, wo die
Production dem Beduͤrfniſſe zuvorkommt, ſind die beiden erſte-
ren nichts Anderes, als Erſcheinungen des Unternehmungsgeiſtes,
das letztere dagegen weiſt noch auf einen andern Hebel gegen
die bezeichnete Kraft der Traͤgheit hin, naͤmlich die Ungleichheit
des Beſitzes. Aber dieſe ſcheint an Bedeutung doch weit hinter
dem Unternehmungsgeiſte zuruͤckzuſtehen. Sie wirkt einmal nur
unter mannichfache Abſtufungen darbietenden Beſitzverhaͤltniſſen,
ſowie unter der Vorausſetzung einer moͤglichſt wenig beſchraͤnkten
Freiheit des Erwerbs und auch dann nur ſo weit, daß ſie die
verhaͤltnißmaͤßig Aermern nach den Genuͤſſen trachten laͤßt, wie
ſie ſich die Reichern in dem jeweilig gegebenen Zuſtande verſchaf-
fen koͤnnen. Aber ſie hebt uͤber dieſen Zuſtand nicht hinaus.
Je maͤchtiger ſie wirkt, je mehr alſo die Aermern den Reichern
nahe kommen, deſto mehr verliert ſie an Kraft und hebt ſich end-
lich ſelbſt auf. Wie wenig aber dabei darauf zu rechnen iſt,
daß der Reichthum aus ſich ſelbſt heraus Fortſchritte der Pro-
duction hervorrufe, daruͤber belehrt uns beiſpielsweiſe die Ver-
legenheit der Hoͤchſtvermoͤgenden, den Genuͤſſen, uͤber welche ſie
verfuͤgen koͤnnen, neue noch nicht dageweſene Elemente hinzuzu-
fuͤgen, ohne in widerſinnige Verſchwendung zu gerathen. Wie
wenig neue Gattungen von Producten hat der Reichthum her-
vorgerufen, wie viele dagegen der Unternehmungsgeiſt! Und das
iſt erklaͤrlich genug. Der reiche Mann wird durch die Genuͤſſe,
die ihm zu Gebote ſtehen, meiſtens ſo in Anſpruch genommen,
5 *
[68] daß er nicht daran denken mag, neue zu erſinnen, und wo dieß
dennoch der Fall iſt, weiß er in der Regel nicht, wie er es an-
fangen ſoll. Der Unternehmungsgeiſt iſt durch den veraͤnder-
lichen Sinn der Menſchen, die ſich ſelten lange mit den naͤm-
lichen Guͤtern begnuͤgen wollen, ganz beſonders darauf hingewie-
ſen, Neues zu ſchaffen und ſchlummernde Beduͤrfniſſe damit zu
erwecken, in vielen Faͤllen iſt dieß geradezu eine Lebensbedingung
fuͤr ihn.


Die allgemeine volkswirthſchaftliche Bedeutung der Unter-
nehmungen wird nach den vorausgegangenen Betrachtungen hin-
laͤnglich klar geworden ſein. Die Unternehmer ſind es, durch
deren Exiſtenz die Auffindung und Verwirklichung der beſten Pro-
ductionsmethoden, die Ausbeutung der von der Natur gegebenen
Huͤlfsmittel, die Herſtellung der Guͤter in der fuͤr das Beduͤrf-
niß dienlichſten Weiſe, endlich die Entwickelung der Guͤterwelt
uͤberhaupt zum groͤßten Theile bedingt iſt. Mit Recht ſagt daher
Schuͤz 1): von den Talenten und Kenntniſſen, von der Umſicht
und Thaͤtigkeit, endlich von dem Vermoͤgen und Credit der
Unternehmer haͤngt die Entwickelung der productiven Thaͤtigkeit
eines Volkes ganz beſonders ab, und ihre Thaͤtigkeit iſt um ſo
wichtiger, als mit ihrem Gluͤck oder Ungluͤck namentlich auch
das der großen arbeitenden Claſſe innig verknuͤpft iſt.


Die Entwickelung der Unternehmungen, und zwar ſowohl
aus den Eigengeſchaͤften und dem uͤbernehmungsweiſen Betriebe
heraus, als von ihrer unvollkommenen zu ihrer vollkommenen
Form, wird daher als ein wichtiges Zeichen der wirthſchaftlichen
Entwickelung uͤberhaupt zu betrachten ſein. Allerdings werden
ſich manche der erwaͤhnten Fortſchritte, ſobald erſt durch Unter-
nehmungen deren Realiſirbarkeit erwieſen iſt, auch von Eigen-
[69] geſchaͤften und von Geſchaͤftsuͤbernehmern aneignen laſſen. Allein
trotzdem wird es, ſo lange uͤberhaupt die naturgemaͤßen Be-
dingungen fuͤr den Fortbeſtand einer Unternehmung vorhanden
ſind, hoͤchſt ſelten gelingen, den Productionsgegenſtand derſelben
wieder der Production in der eignen Wirthſchaft oder im Wege
des Uebernehmens zuzufuͤhren. Selbſt wenn alle Vortheile des
Unternehmers bekannt ſind und deren Benutzung dem Eigenpro-
ducenten oder demjenigen, dem er eine Production uͤbertraͤgt,
offen ſteht, bleibt es doch wegen der Unſicherheit des Erfolgs in
der Regel vorzuziehen, die Producte, fuͤr deren Herſtellung ſich
Unternehmer finden, ſich von dieſen liefern zu laſſen. Die Pro-
ductionsvortheile, welche ſich Eigenwirthſchafter und Uebernehmer,
durch die Erfahrung der Unternehmungen belehrt, aneignen,
werden ſich daher meiſt nur auf ſolche Productionszweige beziehen,
fuͤr welche ſich noch keine Unternehmer gefunden haben, und in
dieſen vielleicht den Uebergang zum unternehmungsweiſen Betrieb
etwas verzoͤgern. Dem Unternehmungsbetrieb ausſchließlich faͤllt
faſt jede neue Production zu oder haͤngt doch mit ihm zuſammen.
So muß im Verlauf der wirthſchaftlichen Entwickelung eines
Volkes die Bedeutung der Unternehmungen im Verhaͤltniß zu
den fuͤr den eignen Bedarf betriebenen oder uͤbernommenen Pro-
ductivgeſchaͤften immer mehr in den Vordergrund treten. Es
haͤngt dieß auch mit den Fortſchritten zuſammen, welche die Frei-
heit der Verwendung der Capital- und Arbeitskraͤfte macht. Je
gebundener die letzteren ſind, deſto groͤßer iſt die Schwierigkeit
und deſto geringer die Neigung, Geſchaͤfte zu unternehmen; fuͤr
die Mittel zur Befriedigung vieler Beduͤrfniſſe muß daher noch
im Innern jeder Wirthſchaft ſelbſt Sorge getragen werden. Je
freier ein Volk ſeine Productivkraͤfte gebrauchen lernt, deſto maͤch-
tiger erwacht auch ſein Unternehmungsgeiſt und dehnt ſein Ge-
biet mehr und mehr aus. Wie wir oben geſagt haben, der
[70] Fortſchritt der Landwirthſchaft trete meiſt erſt hervor, wenn die-
ſelbe zur Unternehmung geworden ſei, ſo koͤnnen wir hier den
Satz umkehren und ſagen, ſie werde meiſt erſt zur Unternehmung,
wenn ihr die Mittel zum Fortſchritt geboten ſeien. Ein gewiſſes
Productionsgebiet wird freilich den Eigengeſchaͤften immer blei-
ben. Es beruht dieß theils in der Individualitaͤt und Dring-
lichkeit gewiſſer Beduͤrfniſſe, theils in der Fuͤglichkeit, auch die
unvermeidliche Mußezeit mancher Capitalien und Arbeitskraͤfte
im Eigenbetriebe nutzbar zu machen, theils in ethiſchen Verhaͤlt-
niſſen, welche es wuͤnſchenswerth machen, einer Gemeinſchaft des
Lebens, wie z. B. der Familie, auch die Grundlage eines gemein-
ſchaftlichen Wirthſchaftsorganismus nicht zu entziehen. Und ebenſo
iſt es nur natuͤrlich, daß die meiſten Unternehmungen zugleich
fuͤr den eignen Bedarf der Unternehmer ſelbſt an den Producten,
die ſie liefern, Eigengeſchaͤfte ſind. Im Allgemeinen aber wird
ſich, waͤhrend ſich der geſammte Productionskreis eines Volkes
mehr und mehr erweitert, derjenige der Eigen- und der uͤber-
nehmenden Production relativ und abſolut mehr und mehr ver-
ringern, und zwar wird der Verlauf dabei in der Regel folgen-
der ſein. Im Anfang wird nahezu ausſchließlich die Eigenpro-
duction herrſchen; allmaͤlig findet man es vortheilhafter, zur Her-
ſtellung gewiſſer Producte Andere zu veranlaſſen, welche dieſelbe
uͤbernehmen; die regelmaͤßige Uebernahme gewiſſer Productionen
wird nach und nach ein Gegenſtand beſonderer Vorbereitung und
abgeſonderten Berufs, es entſtehen unvollkommene Unterneh-
mungen; endlich geſtalten ſich aus dieſen, Dank ſei es nament-
lich der Huͤlfe einer geſteigerten Capitalanſammlung und ei-
nes ausgebildeteren Creditweſens, vollkommene Untenehmungen.
Insbeſondere der letztere Uebergang charakteriſirt eine entwickelte
Volkswirthſchaft. Auf den hoͤchſten Entwickelungsſtufen zeigt ſich
wohl auch ein Auseinanderfallen von Unternehmung und Pro-
[71] duction, was haͤufig als ein Zeichen herannahenden Verfalls
angeſehen werden kann. Doch darf man ſich die bezeichneten
Stadien nicht als in allen Productionsgebieten gleichzeitig ein-
tretend vorſtellen. Gerade die vollkommenen Unternehmungen
rufen oͤfter unvollkommene neue hervor. Auch bringt es die eigen-
thuͤmliche Art mancher Productionen mit ſich, daß ſie von jenem
Verlauf der Entwickelung mehrfach abweichen oder ihn auch gar
nicht oder nur zum Theil durchmachen.


Die Occupation freiwilliger Naturgaben 1) ſpringt meiſtens
und zwar ſehr fruͤh von der Eigenproduction zur vollkommenen
Unternehmung uͤber, was ſich einerſeits aus der hier alsbald
hervortretenden Laͤſtigkeit und Unzuverlaͤſſigkeit der Eigenpro-
duction, andererſeits daraus erklaͤrt, daß die Moͤglichkeit, be-
ſondere perſoͤnliche Qualificationen dabei zur Ausnutzung zu brin-
gen, und die Freiheit der Bewegung, die dabei obwaltet, zu
vollkommenen Unternehmungen anreizt. Man denke ſich z. B.
einen Volksſtamm, der ſich eben feſte Wohnſitze erwaͤhlt hat,
dabei aber noch von Jaͤgerei und Fiſchfang ſeine Hauptnahrung
zieht. Der Vortheil einer Theilung der Beſchaͤftigungen wird
alsbald hervortreten, die Einen werden die haͤuslichen Arbeiten,
die Andern die Jagd oder die Fiſcherei uͤbernehmen. Von den
Letzteren aber werden die Geſchickteren — und an dieſen wird
es nicht fehlen, da die Ergreifung der betreffenden Beſchaͤftigun-
[72] gen durch kein aͤußeres Hinderniß beſchraͤnkt iſt, und da der Er-
folg weſentlich von perſoͤnlichen Eigenſchaften abhaͤngt — es ſehr
bald vortheilhafter finden, ihre Entſchaͤdigungen in unmittelbare
Beziehung zu ihren Leiſtungen zu ſetzen, d. h. ihr Wildpret oder
ihre Fiſche nicht etwa gegen eine im Voraus bedungene Ent-
ſchaͤdigung auszuliefern, ſondern dieſelben auf eigne Gefahr zum
Tauſch anzubieten, alſo als vollkommene Unternehmer aufzutreten,
wie dieß andererſeits auch im Intereſſe der Verzehrer ihrer Pro-
ducte liegen wird. Von den uͤbrigen Occupationsthaͤtigkeiten
unterſcheidet ſich in Bezug auf die Seite, die wir hier in Be-
tracht ziehen, einigermaßen der Bergbau. Die natuͤrlichen Ver-
haͤltniſſe — der verhaͤltnißmaͤßig geringe Bedarf ſeiner Producte
in der Privatwirthſchaft einerſeits, andererſeits die Nothwendig-
keit, denſelben gleich in einem groͤßeren Umfange zu betreiben,
und der dabei erheiſchte groͤßere Productionsaufwand — wirken
haͤufig darauf hin, daß der Bergbau von vorn herein ein Gegen-
ſtand vollkommener Unternehmung werde. Als Umſtaͤnde, die
dieß hindern, treten dagegen bei manchen Gegenſtaͤnden des
Mineralreichs der hohe Werth, den man ihnen beilegt, und die
Feſſeln auf, in denen das Eigenthum an Grund und Boden
liegt. Dieſelben bewirken, daß die Gewinnung mancher Minera-
lien lange Zeit ein Gegenſtand der Eigenwirthſchaft groͤßerer Ge-
meinweſen bleibt 1), bis letztere erſt auf den hoͤhern Entwicklungs-
ſtufen der Volkswirthſchaft durch das Syſtem der vollkommenen
Unternehmungen allmaͤlig abgeloͤſt wird.


Die Stoffproduction — Landwirthſchaft im weiteſten Sinne
[73] — iſt laͤngere Zeit ſo gut wie ausſchließlich Gegenſtand der
Eigengeſchaͤfte. Erſt langſam in der Regel bildet ſich außerhalb
der landbauenden Bevoͤlkerung eine beſondere Claſſe, im Hinblick
auf welche man die Landwirthſchaft als Unternehmung betreiben
kann. Noch langſamer entſteht unter der landbauenden Bevoͤl-
kerung ſelbſt eine ſolche Theilung der Production, daß ein gegen-
ſeitiges regelmaͤßiges Tauſchverhaͤltniß eintritt. Auch die vielen
Beſchraͤnkungen, denen das Eigenthumsrecht und die Benutzung
des Grundes und Bodens lange unterworfen zu bleiben pflegt,
hemmen den Betrieb des Landbaus als Unternehmung. Trotz
alledem werden die Landwirthe doch ſchon ſehr fruͤh, wenn auch
nur fuͤr einen geringen Theil ihrer Erzeugniſſe, vollkommene
Unternehmer, da ſie ſelbſt bei ſehr niedrigem Culturzuſtand doch
nicht alle ihre Beduͤrfniſſe aus der eigenen Wirthſchaft zu befrie-
digen vermoͤgen, alſo auf einen Tauſch hingewieſen ſind. All-
maͤlig ſteigert ſich das mehr und mehr, die Geldwirthſchaft tritt
an die Stelle der Naturalwirthſchaft, und der Landbauer wird
immer vorwiegender Unternehmer, wenngleich die Landwirthſchaft
meiſtens natuͤrlich immer zum bedeutenden Theil Eigengeſchaͤft blei-
ben muß. Obwohl aber hier die vollkommene Unternehmung
unmittelbar neben dem Eigengeſchaͤft auftritt, fehlt es doch auch
nicht an Erſcheinungen, welche, wenn auch mehr oder weniger
mit jener oder mit dieſem verwachſen, die Uebergangsſtufen des
uͤbernehmungsweiſen Betriebes und der unvollkommenen Unter-
nehmung repraͤſentiren. Dahin gehoͤren das Aufziehen und Maͤſten
von Thieren fuͤr Rechnung Dritter, das Aufſtellen von Beſchaͤl-
hengſten, Zuchtbullen u. ſ. w. Auch die Verbindung zwiſchen
Grundherrn und Bebauern, die auf eine Theilung des Ertrags
wie der Gefahr hinaus kommt, iſt in gewiſſem Sinne hierher
zu rechnen. Doch treten dieſe Uebergangsſtufen im Ganzen we-
niger hervor, als bei den Gewerben, dem Handel und den per-
[74] ſoͤnlichen Dienſten. Das Auseinanderfallen von Unternehmung
und Production kommt auch bei der Landwirthſchaft vor, z. B.
im Verkaufen der Frucht auf dem Halme, des noch unreifen
Obſtes auf den Baͤumen u. ſ. w.


Bei der Stoffveredelung ſehen wir den bezeichneten Ent-
wickelungsproceß am deutlichſten und manichfaltigſten. Im An-
fang faͤllt die Stoffveredelung ausſchließlich den Eigengeſchaͤften
und zwar meiſtens der privativſten Art, der Haus und Familien-
wirthſchaft zu 1). Viele Producte werden lange Zeit nur auf
dieſe Weiſe hervorgebracht, andere, wie viele Erzeugniſſe der
weiblichen Arbeit, ſcheinen fuͤr immer an dieſe Art der Herſtellung
gewieſen, waͤhrend wieder andere mit groͤßerer oder geringerer
Schnelligkeit von den verſchiedenen Arten der Verkehrsproduction
erfaßt werden. Manche Wirthſchaften ſind durch die natuͤrlichen
Verhaͤltniſſe fuͤr gewiſſe Zweige der Stoffveredelung bevorzugt;
ſie ſchaffen ſich auch wohl, weil wegen ihres groͤßern Umfangs
oder aus andern Gruͤnden die betreffende Production oͤfter bei
ihnen vorkommt, dieſelbe erleichternde Werkzeuge und Vorrich-
tungen an. Was iſt natuͤrlicher, als daß diejenigen Wirthſchaf-
ten, welche in ſolcher Beziehung hinter jenen zuruͤckſtehen, ihnen
die Stoffe, welche der Veredlung in der fraglichen Weiſe beduͤr-
fen, zur Beſorgung der Production gegen Verguͤtung der Aus-
lagen und eine beſtimmte Entſchaͤdigung fuͤr ihre Bemuͤhungen
uͤbergeben? Alſo Uebernahme der Production. Iſt die letztere
aus innern oder aͤußern Gruͤnden keiner weitern Entwickelung
[75] faͤhig, ſo bleibt es wohl dabei. So ſind z. B. gewiſſe außerordentliche
Leiſtungen, namentlich Reparaturen, wie ſie bei gewerblichen un-
vollkommenen Unternehmungen nur ausnahmsweiſe vorkommen, ſo
daß man ſie nicht als Faͤlle anſehen kann, fuͤr welche die Unterneh-
mung gegruͤndet worden iſt, als Gegenſtaͤnde einer uͤbernehmungs-
weiſen Production zu betrachten. Werden die Faͤlle derartiger
zu uͤbernehmender Productionen dagegen haͤufiger, erhalten ſie
eine gewiſſe Regelmaͤßigkeit, wie dieß bei zunehmender Dichtig-
keit der Bevoͤlkerung bei allen der Stoffveredlung unterliegenden
Gegenſtaͤnden allgemeiner verbreiteter und nicht in einer beſon-
ders individuellen oder draͤngenden Form auftretender Beduͤrfniſſe
ſtatt haben wird, ſo wird das ſich Bereitmachen und Bereithalten
dafuͤr zu einem beſondern Geſchaͤfte; aus den Uebernehmern wer-
den unvollkommene Unternehmer, wie wir dieß bei den meiſten
Handwerken ſehen. In ſolchen Geſchaͤften, wo das Product
nicht allzuvergaͤnglicher Natur iſt, und wo andrerſeits eine Pro-
duction im Großen namhafte Erſparniſſe herbeifuͤhrt, oder wo
der Vortheil, das Product fertig zu finden, ſehr anziehend auf
die Ausnutzer wirkt, wird dann wohl auch auf Lager gearbeitet,
es entſtehen vollkommene Unternehmungen. Je mehr die Technik
fortſchreitet, je weiter und allgemeiner ſich die Beduͤrfniſſe ver-
breiten, je mehr Capitalien verfuͤgbar ſind, d. h. im Allgemeinen
je hoͤher ſich Cultur und Wohlſtand gehoben haben, auf deſto
mehr gewerbliche Productionszweige wird ſich der vollkommene
Unternehmungsbetrieb ausdehnen und in deſto groͤßerem Umfang
wird er den unvollkommenen Betrieb verdraͤngen. Dagegen ruft
er nach einer Richtung hin die uͤbernehmungsweiſe Production
hervor. Die unvollkommenen Unternehmer naͤmlich vermoͤgen in
manchen Faͤllen nicht, neben den vollkommenen zu beſtehen. Da
ſie aber einmal auf ihre Production angewieſen ſind, ſo ſuchen
ſie von den letzteren Beſtellungen zu erhalten; ſie treten zu dieſen
[76] in das Verhaͤltniß von Productionsuͤbernehmern. Es bildet ſich
das ſogenannte Kaufſyſtem, das freilich auch nur in den wenig-
ſten Faͤllen die Bedingungen laͤngeren Fortbeſtehens in ſich traͤgt
und meiſtens ſpaͤter durch das Fabrikſyſtem verdraͤngt wird 1).
Und nicht minder wirkt gerade die hoͤhere Entwickelung der Pro-
ductionsverhaͤltniſſe dahin, einen Theil der vollkommenen Unter-
nehmer in gewiſſer Beziehung wieder in unvollkommene zu ver-
wandeln. Durch die Erweiterung der Production und das Da-
zwiſchentreten der en gros Haͤndler zwiſchen die Producenten und
die Ausnutzer werden naͤmlich die großen periodiſchen Central-
anſtalten fuͤr den Abſatz der Producte aus Waarenmaͤrkten immer
mehr zu Muſtermaͤrkten 1), und die Inhaber umfangreicher In-
duſtrieetabliſſements vertauſchen die Production auf Vorrath mehr
oder minder wieder mit der auf Beſtellung; doch unterſcheiden
ſie ſich von den gewoͤhnlichen unvollkommenen Unternehmern in
ſo fern, als ſie meiſtens eben ſelbſt die Anregung zu dem zu
beſtellenden Producte gegeben haben muͤſſen.


Die in der Vertheilung der Guͤter beſtehende Production,
der Handel, tritt als eine regelmaͤßige ſelbſtaͤndige Erſcheinung
erſt ſpaͤter hervor, als die Occupation, die Stoffproduction und
[77] Stoffveredelung. Urſpruͤnglich muß man ſich denſelben wohl
als eine uͤbernommene Geſchaͤftsthaͤtigkeit vorſtellen. Jemand be-
darf eines Productes, und ein Andrer uͤbernimmt es gegen Zu-
ſicherung einer beſtimmten Verguͤtung, ihm daſſelbe zu verſchaffen,
oder jener wuͤnſcht ein Product abzuſetzen, und dieſer uͤbernimmt
ebenfalls gegen Zuſage einer beſtimmten Verguͤtung den Verkauf.
(Haͤufig wird ſich ſchon hier ein Element der Unternehmung ein-
miſchen, indem die Verguͤtung von der Hoͤhe des gezahlten oder
erhaltenen Kaufpreiſes abhaͤngig gemacht wird.) 2) Indem ſich
dieß oͤfter wiederholt und aus ſolchem Uebernehmen daher ein
eignes Geſchaͤft gemacht werden kann, entſteht das Maͤklergeſchaͤft
und der Commiſſionshandel, die als unvollkommene Unternehmun-
gen anzuſehen ſind; ebenſo gehoͤrt der Speditionshandel in dieſe
Claſſe. Doch ſcheinen hier die vollkommenen Unternehmungen
— der Eigenhandel — keineswegs erſt aus den unvollkomme-
nen hervorgegangen zu ſein; vielmehr pflegen dieſelben ſchon in
fruͤher Kindheit der Voͤlker und neben dem Verkauf der Producte
durch den Producenten ſelbſt aufzutauchen. Auch verdraͤngt die
Entwickelung des Eigenhandels das Maͤklergeſchaͤft und den Com-
miſſions- und Speditionshandel keineswegs, ſondern bildet ſie
vielmehr erſt recht aus, indem ſie dieſelben zu ihren vermitteln-
den Organen macht und mit ihrer Huͤlfe erſt manche noch unzu-
gaͤngliche Gebiete erobert (in Folge welchen Proceſſes freilich
[78] auch manche unvollkommene Unternehmungen ſich in vollkommene
verwandeln, z. B. manche Kaufleute, die als Commiſſionaͤre
angefangen haben, zum Eigenhandel uͤbergehen). Derjenige Han-
delszweig, der am ſpaͤteſten zur Entwickelung kommt, der Handel
mit Werthpapieren, vollzieht ſich ſogar vorzugsweiſe durch die
Vermittelung unvollkommener Unternehmungen. Beim Handel
darf man mithin aus einem verhaͤltnißmaͤßig zahlreichen Vor-
handenſein der letzteren nicht auf eine niedrige Stufe ſeiner Ent-
wickelung ſchließen, vielmehr wird daſſelbe in der Regel als ein
Zeichen erreichter Bluͤthe anzuſehen ſein. Als Unternehmungen
ohne productives Element treten im Handel die reinen Differenz-
geſchaͤfte auf.


Perſoͤnliche Dienſtleiſtungen kommen zwar auch auf den
niedern Culturſtufen vor, allein einerſeits ſind ſie dort weit we-
niger manichfaltig als bei entwickelteren Zuſtaͤnden, und in
dieſer Hinſicht hat es etwas Wahres, wenn Rouſſeau und ſeine
Anhaͤnger dem Menſchen im ſogenannten Urzuſtande eine groͤßere
Selbſtaͤndigkeit zuſprechen, andrerſeits treten ſie dort nicht als
Unternehmungen hervor. Sie verwirklichen ſich faſt ohne Ausnahme
im Innern der einzelnen Wirthſchaften, wozu die Unfreiheit, in
welcher ſich zumeiſt die große Maſſe der Bevoͤlkerung befindet,
nicht wenig beitraͤgt. Mit der allgemeinen Entwickelung nehmen
dann auch viele perſoͤnliche Dienſtleiſtungen nacheinander und
wohl auch mit Ueberſpringung eines Zwiſchenſtadiums die For-
men der Uebernehmung, der unvollkommenen und endlich der
vollkommenen Unternehmung an. So tritt die Kunſt des Spie-
lens muſikaliſcher Inſtrumente erſt lediglich als Mittel zur Er-
heiterung der Wirthſchaftsgenoſſen auf; ſpaͤter wird das Auf-
ſpielen auch fuͤr Dritte uͤbernommen, wie wir noch heute die
Orcheſter auf den Dorftanzboͤden haͤufig aus ehrlichen Hand-
werkern zuſammengeſetzt ſehen, die aus ihrer Kunſt nur nebenbei
[79] einen Erwerb machen; noch ſpaͤter wird eine ſelbſtaͤndige Be-
ſchaͤftigung daraus, fuͤr welche man ſich beſonders bildet, und
die ſich fuͤr jede Beſtellung bereit haͤlt; endlich tritt das moderne
Virtuoſenthum hervor, welches durchaus das Weſen einer voll-
kommenen Unternehmung hat, nicht mehr auf Beſtellungen war-
tet, ſondern das Publicum zu ſeinen Leiſtungen heranruft 1).
Doch zeigt ſich auch hier ſchließlich, wie bei den Gewerben und
beim Handel, haͤufig ein Umſchlag, indem Production und Unter-
nehmung ſich trennt (man denke an die von Barnum und Andern
in Contract genommenen Saͤngerinnen und Schauſpielerinnen).
Viele perſoͤnliche Dienſtleiſtungen verharren indeß auch auf den
fruͤheren Productionsſtadien. Eine ganze Reihe derſelben erhaͤlt
ihren hauptſaͤchlichſten Werth durch die liebevolle Geſinnung, aus
der ſie hervorgehen, und iſt daher naturgemaͤß dem Gebiete
der Hauswirthſchaft zugewieſen; andere kommen zu ſelten vor,
um den Gegenſtand einer Unternehmung zu bilden, noch andere
dienen Beduͤrfniſſen, die nicht beliebig erweckt werden koͤnnen,
wie der Dienſt des Barbiers, des Arztes, des Advocaten, und
koͤnnen daher keine hoͤhere Form annehmen als die der unvoll-
kommenen Unternehmung; fuͤr ſolche perſoͤnliche Dienſtleiſtungen,
nach denen das Beduͤrfniß ein ſtetig wiederkehrendes iſt, ohne
daß ſie dem Kreiſe der Eigenwirthſchaft zufallen, iſt die Form
der Uebernehmung die gebraͤuchliche. Hierzu gehoͤren namentlich
die Dienſte, welche der Staat, die Gemeinde u. ſ. w. nicht un-
mittelbar von ihren Buͤrgern, ſondern durch beſoldete Beamte
beſorgen laͤßt.


[80]

Die productiven Beſchaͤftigungen treten alſo, um das Vor-
hergehende noch einmal zuſammenzufaſſen, mit den Fortſchritten
der Cultur immermehr aus der in ſich abgeſchloſſenen Wirth-
ſchaft in den Verkehr hinaus; ſie nehmen dabei vorwiegend ihren
Weg erſt zur Uebernehmung, dann von dieſer zur unvollkom-
menen und wiederum von dieſer zur vollkommenen Unternehmung;
doch kommen einerſeits Spruͤnge vor, andererſeits haͤlt jede der
genannten Betriebsweiſen gewiſſe Beſchaͤftigungen ihrer innern
Natur nach feſt. Eine fortgeſchrittene Culturentwickelung zeigt
daher allerdings eine uͤberwiegende Zahl von vollkommenen und
daneben von unvollkommenen Unternehmungen, dabei aber auch
vielfache Eigen- und uͤbernommene Productionen, endlich manich-
fache Geſchaͤfte gemiſchter Natur, kurz die groͤßte Vielſeitigkeit,
die ſich bei beſonders lebhaftem Verkehr noch dadurch vermehrt,
daß neben den eigentlich productiven Unternehmungen noch ſolche
auftreten, die des productiven Elements entbehren.


Viertes Capitel.
Von den Beſtandtheilen des Unternehmergewinnes und
den Bedingungen für deren Höhe.


Nachdem wir im vorhergehenden Capitel die Wirkung er-
oͤrtert haben, welche die Unternehmungen auf die Erhoͤhung (Ver-
wohlfeilerung, Vervollkommnung, Erweiterung) der Production
ausuͤben, muͤſſen wir nun unterſuchen, welcher Antheil von dieſem
erhoͤhten Erfolg den Unternehmern als Einkommen zufließt, und
[81] welcher als freie Nutzbarkeit 1) an das Publicum uͤbergeht.
Jene Eroͤrterung konnten wir als auf die Moͤglichkeit des
Unternehmergewinns gerichtet betrachten, die jetzige duͤrfen wir
als eine Unterſuchung ſeiner Wirklichkeit bezeichnen.


Wie bei allen uͤbrigen Productionsfactoren, ſo wird auch
bei den Unternehmern der Antheil, den ſie aus der Production
empfangen, einerſeits beſtimmt werden durch die Opfer, welche
ſie derſelben bringen. Nur dadurch, daß jener Antheil dieſe
Opfer aufzuwiegen verſpricht, koͤnnen ſie zur Unternehmung der
Production veranlaßt werden. Andererſeits wird ebenfalls wie
bei den uͤbrigen Productionsfactoren deren Menge oder Selten-
heit, ſo hier die Menge oder Seltenheit der unternehmungs-
faͤhigen Subjecte ihren Antheil begrenzen. Die Opfer, welche
die Unternehmer als ſolche bringen, beſtehen theils in Ueber-
nahme der Gefahr, theils in ſolchen Dienſten und Nutzungen,
die eben nur von den Unternehmern dargebracht werden koͤnnen.
Demgemaͤß wird man im Unternehmergewinn folgende drei Be-
ſtandtheile unterſcheiden koͤnnen:


  • 1) Entſchaͤdigung fuͤr die Laſt der Gefahr (Gefahr-
    praͤmie).
  • 2) Entſchaͤdigung fuͤr die dargebrachten Capitalnutzungen
    und Arbeitsleiſtungen (Unternehmerzins und- Lohn).
  • 3) Vortheile, die aus der relativen Seltenheit der unter-
    nehmungsfaͤhigen Subjecte fließen (Unternehmerrente).

I.Von der Gefahrpraͤmie.


Wo eine wirthſchaftliche Gefahr vorhanden iſt, da muß
auch eine Ausſicht auf erhoͤhten Erfolg vorhanden ſein. Wenn
6
[82] Jemand ſich im Beſitz von Productivkraͤften befindet, und es iſt
ihm bei einer beſtimmten Anwendung derſelben, ſei es unmittel-
bar fuͤr ſich ſelbſt, ſei es im Dienſte Anderer ein beſtimmtes
Reſultat, eine beſtimmte Einnahme ſicher, ſo wird er ſie einer
andern Anwendung, wo ein Reſultat von gleichem Werthe mehr
oder weniger zweifelhaft iſt, nur dann zuwenden, wenn dem
moͤglichen Verluſte ein moͤglicher Gewinn gegenuͤberſteht. Dieß
iſt ohne Weiteres klar, die Frage iſt nur, in welchem Verhaͤlt-
niß der moͤgliche Gewinn zum moͤglichen Verluſte ſtehen muß.


Man wird leicht mit der Antwort bereit ſein, die Gefahr
des Verluſtes und die Ausſicht des Gewinnes muͤßten ſich und
zwar in der doppelten Beziehung der Wahrſcheinlichkeit ihres
Eintritts und der Hoͤhe ihres Betrags gegenſeitig entſprechen,
ſo daß in demſelben Maße, als die Wahrſcheinlichkeit des Ge-
winnes geringer oder diejenige des Verluſtes groͤßer und der
moͤgliche Betrag des letzteren bedeutender werde, der moͤgliche
Gewinn groͤßer werden muͤſſe und umgekehrt. So einfach ver-
haͤlt ſich indeſſen die Sache nicht.


Es iſt zu unterſcheiden zwiſchen bloßen Unregelmaͤßigkeiten
des Erfolges und wirklichen Gefahren. Die erſteren treten bei
ſolchen Unternehmungen ein, die eine oftmalige Wiederholung
gleichartiger Operationen in ſich ſchließen. Der Porzellanfabrikant
muß darauf rechnen, daß ihm ſo und ſo viel Braͤnde mißgluͤcken,
der Champagnerfabrikant, daß ihm ſo und ſo viel Flaſchen zer-
ſpringen, der Kaufmann und Handwerker, daß er von ſo und
ſo viel Kunden keine Bezahlung erhaͤlt. Er wird ſich daher im
Allgemeinen nur dann auf die Unternehmung einlaſſen, wenn
der Ertrag der gelungenen Operationen den Verluſt der miß-
lungenen zu uͤbertragen verſpricht. Inſoweit iſt der erhoͤhte Ge-
winn an den erſteren, wie bereits im zweiten Capitel dargethan
worden iſt, gar nicht Gewinn, ſondern Capitalerſatz, wie die
[83] erlittenen Verluſte unter die Productionskoſten zu rechnen ſind.
Als Regel iſt dabei andrerſeits anzunehmen, daß die Concurrenz
einen uͤber jenen Capitalerſatz hinausgehenden Gewinn nicht zu-
laſſen wird. Wo dieß dennoch voruͤbergehend oder dauernd ge-
ſchieht, iſt der hoͤhere Gewinn lediglich als eine Folge mangeln-
der Concurrenz, folglich als Rente aufzufaſſen. (Vergl. Ab-
ſchnitt III.) Wo dagegen keinerlei Gruͤnde vorhanden ſind, welche
die Concurrenz beſchraͤnken, ſieht man durchaus nicht ein, wie
die Inhaber beſtimmter Arten von Unternehmungen dazu kommen
ſollen, ſich fuͤr die Schwankungen im Ertrage ihrer Geſchaͤfte noch
eine wirkliche Praͤmie zu verſchaffen. Wenn man ſich zum Beweiſe,
daß dieß dennoch geſchehe, auf den Gewinn beruft, den die
Aſſecuranzgeſellſchaften machen, indem man folgert, wie dieß z. B.
Riedel §. 695 thut, der Unternehmer muͤſſe ſich ſelber gegenuͤber
in dem naͤmlichen Falle ſein, ſo iſt dieſe Anſicht inſofern irrig,
als fuͤr diejenigen, welche ſich der Aſſecuranzgeſellſchaften bedie-
nen, die Verluſte, gegen welche ſie ſich decken, keine bloße Un-
regelmaͤßigkeiten des Geſchaͤftsertrags, ſondern wirkliche Gefahren
ſind. Der Gewinn, den nicht aſſecurirte Unternehmungen in
Folge der unterbliebenen Aſſecuranz machen, beruht entweder
darauf, daß die betreffenden Unternehmer wegen der Ausdehnung
ihres Geſchaͤfts einer Aſſecuranz nicht beduͤrfen, und faͤllt als-
dann unter die Großunternehmerrente (ſ. Abſchn. III. B. b.), oder
er iſt die Entſchaͤdigung fuͤr eine wirklich gelaufne Gefahr, wo-
von wir ſogleich zu reden haben.


Waͤhrend bei bloßen Unregelmaͤßigkeiten des Erfogls Ge-
winn und Verluſt auf das naͤmliche wirthſchaftende Subject
fallen und eben deshalb ſich gegenſeitig ausgleichen muͤſſen, der-
geſtalt, daß hier die oben angedeutete Antwort uͤber das Ver-
haͤltniß beider allerdings ihre Richtigkeit hat, zeigt ſich die wirth-
6 *
[84] ſchaftliche Gefahr eben darin, daß keine Ausſicht auf Wieder-
beibringung eines erlittenen Verluſtes vorhanden iſt, wie ein
einmal gemachter Gewinn nicht zum Erſatze kuͤnftiger oder vor-
hergegangener Verluſte verwendet zu werden braucht, daß es
mithin verſchiedene Perſonen ſind, auf welche der eine und auf
welche der andere faͤllt. Der Grund hiervon kann ſowohl darin
liegen, daß eine Unternehmung nur auf eine einmalige oder
wenigſtens beſchraͤnkte Zahl von Operationen berechnet und nach
deren Vollendung ein fuͤr allemal zu Ende iſt, als darin, daß
die Urſache des Verluſtes ſo außerordentlicher Art iſt, daß man
nicht annehmen kann, ſie kehre auf eine beſtimmte wiederholte,
wenn auch noch ſo große Zahl von Operationen regelmaͤßig
wieder. Was in ſolchem Falle Einer verloren hat, das wird
ihm, wie geſagt, nicht wieder erſetzt, und umgekehrt braucht auch
derjenige, welcher hier mehr als die Koſten gewinnt, von dieſem
Ertrage nichts fuͤr Capitalerſatz in Abzug zu bringen, ſondern
der Mehrbetrag iſt reiner Unternehmergewinn. Dem entſpricht
auch das Verfahren des wirklichen Lebens. Von den Actionaͤren
der zwoͤlf engliſchen Gascompagnieen, welche nach Schoͤn 1) 6 bis
12 Procent Dividende gewaͤhren, erſetzt keiner den Actionaͤren der
uͤbrigen vierzig Geſellſchaften, welche nicht einmal die landesuͤblichen
Zinſen geben, ihre Verluſte. Jeder geſuchte Advocat kann einen
Theil ſeines Einkommens als eine Folge davon anſehen, daß
Viele, die mit ihm nach dem gleichen Ziele ſtrebten, daſſelbe
nicht erreicht haben; aber es wird ihm nicht einfallen, deshalb
dieſen Theil ſparend zuruͤckzulegen, ſondern er conſumirt ihn
eben auch, wie ſein uͤbriges Einkommen.


Es fragt ſich nun, ob auch fuͤr dieſe Verhaͤltniſſe die obige
Regel gilt, die wir kurz dahin bezeichnen koͤnnen, daß der moͤg-
[85] liche Ertrag zur Gefahr im geraden oder, was daſſelbe iſt, zu
ſeiner Wahrſcheinlichkeit im umgekehrten Verhaͤltniſſe ſtehen muͤſſe.
Die Erfahrung widerſpricht dem unter gewiſſen Umſtaͤnden. Na-
mentlich bei aͤrmern Voͤlkern ſehen wir, daß Unternehmungen,
die den gluͤcklichen Unternehmern weit mehr eintragen, als der
Verluſt der ungluͤcklichen betraͤgt, gleichwohl eine concurrirende
Nacheiferung nicht hervorrufen. Weit haͤufiger aber noch iſt der
Fall, daß der Gewinn der gluͤcklichen Unternehmer den Verluſt,
der bei mißlungenen Unternehmungen der gleichen Art erlitten
wird, lange nicht aufwiegt. Es iſt eine bekannte Thatſache,
daß in unſern Verhaͤltniſſen bei den meiſten Speculationen im
Ganzen weit mehr verloren als gewonnen wird 1). Auch die
Erziehung, inſofern ſie wirklich Sache der oͤkonomiſchen Berech-
nung iſt, gehoͤrt hierher. In allen hoͤhern Berufsarten gelangt
nur ein verhaͤltnißmaͤßig kleiner Theil Derer, die dafuͤr beſtimmt
ſind, ans Ziel. Dieß erhoͤht freilich die Ausgiebigkeit der Stel-
lung derjenigen, denen das Gluͤck wohl gewollt hat, aber wer
moͤchte behaupten, daß die Mehreinnahme dieſer der Geſammt-
maſſe der von ihren weniger erfolgreichen Mitwerbern aufgewen-
deten Koſten entſpreche 2)?


[86]

Einen deutlichen Beweis, daß man ſich oft mit der Ausſicht
auf einen Gewinn begnuͤgt, deſſen Hoͤhe mit ſeiner Unwahr-
ſcheinlichkeit nicht im Verhaͤltniß ſteht, liefern endlich die oͤffent-
lichen Lotterieen, von denen der Staat eine regelmaͤßige Ab-
gabe erheben kann, ohne daß die Spieler ſich durch die Ver-
minderung des Gewinnſtbetrages unter die Maſſe der gemachten
Einſaͤtze von der Theilnahme am Spiele abhalten laſſen.


Wir koͤnnen es mithin als erfahrungsmaͤßig feſtſtehend be-
trachten, daß der moͤgliche Gewinn haͤufig ſowohl uͤber als unter
dem durch das Verhaͤltniß der Gefahr gegebenen Betrage ſteht.
Welches ſind nun die Gruͤnde, auf denen dieß beruht, d. h.,
welche dennoch in jenem Falle davon abhalten, in dieſem dazu
antreiben, ſich einer Unternehmung zu widmen, und ſo in Folge
der groͤßeren oder geringeren Concurrenz die Preiſe der Producte
dort uͤber, hier unter den von der Geſammtheit der gleichartigen
Unternehmungen aufgewendeten Koſten erhalten?


Es iſt hier zunaͤchſt das allzugroße Vertrauen zu erwaͤhnen,
das manche Menſchen auf ihr Gluͤck haben, ſo wie die ſich haͤufig
zeigende Ueberſchaͤtzung der eignen Geiſtesgaben. Obwohl man
weiß, daß zum Gelingen einer Unternehmung ein Zuſammen-
treffen mehrfacher guͤnſtiger Umſtaͤnde gehoͤrt, ſo ſcheint doch den
Meiſten, daß daſſelbe gerade bei ihnen ausbleiben werde, ſo
unglaublich, daß ſie dieſe Moͤglichkeit nicht in die gebuͤhrende
Erwaͤgung ziehen, und vielleicht noch leichtſinniger verfahren ſie
bei der Vorausſetzung, daß ihnen das Talent nicht abgehen
koͤnne, aus den gegebenen Umſtaͤnden auch wirklich den groͤßten
2)
[87] Nutzen zu ziehen. Sie ſchieben das Mißlingen der meiſten Unter-
nehmungen einem beſondern Ungluͤck oder Ungeſchick der Unter-
nehmer zu, von dem ſie ſchon frei ſein oder ſich freihalten wer-
den. Auf dieſe Weiſe kommt es nicht ſelten vor, daß ſich auch
dann noch Unternehmer fuͤr ein Geſchaͤft finden, wenn daſſelbe
keinen zu der wirklichen Gefahr im richtigen Verhaͤltniß ſtehen-
den Ertrag verſpricht. Auf der andern Seite geſchieht es aber
auch zuweilen, daß wiederholte oder beſonders in die Augen
fallende Ungluͤcksfaͤlle den Muth zu irgend einer Art von Unter-
nehmungen ſo niederdruͤcken, daß die beſtehenden Geſchaͤfte dieſer
Art auf laͤngere Zeit vom Drucke der Concurrenz mehr oder
minder befreit bleiben und einen Gewinn abwerfen koͤnnen, der
fuͤr die wirklich gelaufene Gefahr mehr als verhaͤltnißmaͤßige
Entſchaͤdigung gewaͤhrte. Von dem groͤßten Einfluſſe zeigt ſich
hier der Nationalcharakter. Herrſchen Selbſtvertrauen und Hart-
naͤckigkeit in demſelben vor, ſo wird die Concurrenz ſehr rege
ſein. Neigung zu Uebermuth, der dann eben ſo ſchnell in Ent-
muthigung uͤberſpringt, und Veraͤnderlichkeit wirken in entgegen-
geſetzter Richtung. Auch darin aͤußert ſich die Wirkſamkeit des
Nationalcharakters, ob man ſich mit Vorliebe minder oder mehr
gewagten Unternehmungen zuwendet. Das eine Volk rechnet bei
jenen, das andere bei dieſen genauer, und der Zudrang zu den
verſchiedenen Unternehmungen ſteht dazu im umgekehrten Ver-
haͤltniſſe.


Ferner kommt die Unbeſtimmtheit der Wahrſcheinlichkeit
des Erfolgs ſelbſt in Betracht. Bisher haben wir angenommen,
es ſtehe feſt, wie viel eine Unternehmung im guͤnſtigen Falle
abzuwerfen im Stande ſei, und ebenſo das Verhaͤltniß der ge-
lingenden zu den mißlingenden Unternehmungen ſei bekannt.
Dieß iſt aber kaum jemals in vollkommener Weiſe und oft nicht
einmal annaͤhernd der Fall. Wenn es ſich z. B. um Herſtellung
[88] eines neuen Products oder um Anwendung neuer Productiv-
kraͤfte handelt, deren Ausgiebigkeit man noch nicht hat erproben
koͤnnen, kann der Unternehmer nicht von einer beſtimmten Wahr-
ſcheinlichkeit des Erfolges ſeiner Unternehmung ausgehen. Dieſe
ſchwebt vielmehr ſelbſt noch in einer mehr oder minder vollſtaͤn-
digen Ungewißheit, die Wahrſcheinlichkeit iſt ſelbſt gewiſſermaßen
nur wahrſcheinlich. Unter dieſen Umſtaͤnden kann ein vernuͤnf-
tiger Wirth nur die geringſte Wahrſcheinlichkeit annehmen und
ſich nur dann auf die Unternehmung einlaſſen, wenn der moͤg-
liche Ertrag dieſer geringſten Wahrſcheinlichkeit entſpricht. So
haͤlt ſich der Ertrag, bis die Wahrſcheinlichkeit des Erfolges feſt-
ſteht, meiſtens uͤber den durch die wirkliche Gefahr gegebenen
Verhaͤltniſſen. Die gluͤcklichen Unternehmer gewinnen mehr als
die ungluͤcklichen verlieren. Ein hervorſtechend guͤnſtiger Erfolg
dieſer Art wird aber andrerſeits dann auch leicht uͤberſchaͤtzt und
die Urſache einer ſpaͤtern Ueberfuͤllung des betreffenden Ge-
ſchaͤftszweigs.


Mit der Unbeſtimmtheit der Erfolgswahrſcheinlichkeit nahe
verwandt iſt die Unwiſſenheit in Bezug auf die von einer Art
von Unternehmungen wirklich erzielten Erfolge. Nicht ſelten ge-
lingt es den Inhabern ſolcher Geſchaͤfte, dem Publicum und
namentlich den zu einer Concurrenz befaͤhigten Perſoͤnlichkeiten
die Einſicht in den wirklichen Erfolg ihrer Unternehmungen vor-
zuenthalten. Die Gewinne gelten fuͤr geringer, die Verluſte
fuͤr groͤßer, als ſie wirklich ſind, und die Folge davon iſt, daß
eine geſteigerte Mitwerbung fern gehalten wird und die Unter-
nehmer einen hoͤhern Unternehmergewinn beziehen. Der auf den
letzterwaͤhnten Urſachen beruhende Theil des Unternehmergewinns
iſt ſeiner Natur nach Rente, und wir kommen in dem Ab-
ſchnitte von der Unternehmerrente auf denſelben zuruͤck. Seiner
aͤußern Erſcheinung nach tritt er meiſtens nur voruͤbergehend auf,
[89] und aus dieſem Grunde durfte er auch hier nicht uͤbergangen
werden.


Endlich ergiebt ſich fuͤr die obige Regel, ſobald man ihre
tiefere Begruͤndung ins Auge faßt, noch eine dritte Beſchraͤnkung,
auf welche namentlich auch v. Thuͤnen ſchon aufmerkſam gemacht
hat. Die Regel bezieht ſich naͤmlich nicht auf das objective Maß,
ſondern auf die ſubjective Schaͤtzung von Productionsaufwand
und Erſatz. Wenn in einem gegebenen Falle die Moͤglichkeit,
der gebrachten Opfer verluſtig zu gehen, eben ſo groß iſt, wie
die Moͤglichkeit eines gelingenden Erfolgs, ſo verlangt man mit
Recht, daß im letztern Falle der Erfolg auch doppelt ſo groß
ſei, wie der moͤgliche Verluſt, aber doppelt nicht ſeiner objectiven
Groͤße, ſondern ſeiner ſubjectiven Bedeutung nach, was etwas
durchaus Verſchiedenes ſein kann. Denn nicht ſelten tritt der
Fall ein, daß der Schmerz uͤber einen erlittenen Verluſt zu der
Freude uͤber einen gemachten Gewinn nicht in demſelben Ver-
haͤltniſſe ſteht, wie die Tauſchwerthsgroͤßen, welche Gewinn und
Verluſt ausdruͤcken. Der Verluſt einer Kuh z. B., die 40 Tha-
ler werth iſt, legt dem, der mit ſeinem Unterhalte auf ſie
gewieſen iſt, haͤrtere Entbehrungen auf, als ihm ein Gewinn von
40 Thalern Befriedigung gewaͤhrt. Von dem, was Jemand
Entbehrliches beſitzt, mag er ſchon Etwas an eine Unterneh-
mung wagen, ſelbſt wenn der moͤgliche Ertrag der Gewinnswahr-
ſcheinlichkeit nicht vollkommen entſpricht. Wenn ein Mann, der
ſein reichliches Auskommen beſitzt, ein Loos in der Lotterie ſpielt,
ſo wird man ihn noch keinen ſchlechten Wirthſchafter nennen
duͤrfen, obwohl der Geſammtbetrag der Gewinne dem der Ein-
ſaͤtze nicht gleichkommt. Umgekehrt wird derjenige, der ſein
ganzes Vermoͤgen aufs Spiel ſetzt, ſelbſt dann unwirthſchaftlich
handeln, wenn die groͤßere Wahrſcheinlichkeit vorhanden iſt, daß
er eine weit bedeutendere Summe zuruͤck erhalten werde. Denn
[90] wenn er verliert, iſt das Ungluͤck fuͤr ihn ſchmerzlicher, als ſelbſt
ein groͤßeres Gluͤck fuͤr ihn erfreulich geweſen waͤre.


Wenn wir das Geſagte auf eine einfache Formel zuruͤck-
fuͤhren wollen und deshalb die Koſten jeder Unternehmung mit
K., die Zahl der gleichartigen Unternehmungen mit U., die Zahl
der gelingenden mit G. bezeichnen, ſo wuͤrde der von einer jeden
dieſer letzteren mit alleiniger Ruͤckſicht auf die Gefahr zu erwar-
tende Ertrag = ſein. Bezeichnen wir nun weiter das Maß
der Freude, das Jemand uͤber den Gewinn empfindet mit B.
(Befriedigung), das des Schmerzes, den ihm der Verluſt bereitet,
mit E. (Entſagung, Entbehrung), ſo verwandelt ſich die Formel
fuͤr den zu beanſpruchenden Ertrag in , und der letztere
ſteht uͤber oder unter dem mit bloßer Ruͤckſicht auf die Gefahr
berechneten, je nachdem E. groͤßer oder kleiner iſt als B.


Hierin liegt der weſentliche Erklaͤrungsgrund, weshalb
der zu erwartende Ertrag dauernd ſowohl uͤber als unter dem
durch das Verhaͤltniß der Koſten zur Gefahr gegebenen Betrag
ſtehen, oder, was daſſelbe iſt, warum der Geſammtertrag aller
gleichartigen Unternehmungen dauernd den dafuͤr gemachten Auf-
wand ſowohl uͤberſteigen, als nicht erreichen kann. Zugleich er-
geben ſich hieraus die Verhaͤltniſſe, die auf das eine und das
andere Reſultat von Einfluß ſein muͤſſen. Der Ertrag muß um
ſo hoͤher ſein, je ſchmerzlicher man etwaige Verluſte empfindet, je
weniger man Empfaͤnglichkeit fuͤr die Freude des Gewinns hat,
und umgekehrt. Aus dem erſteren Grunde wird er hoͤher ſein,
wo große, als wo kleine Summen auf dem Spiele ſtehen, hoͤher
bei einem armen, als bei einem reichen Volke, aus dem letzteren
hoͤher bei einer ſtillſtehenden als bei einer in raſcher Entwickelung
ihres Reichthums begriffenen Nation, deren Streben ausſchließ-
licher auf Vermoͤgensvermehrung gerichtet iſt, hoͤher bei weniger
als bei mehr gewagten Unternehmungen, weil die Empfaͤnglich-
[91] keit fuͤr den Gewinn in ſtaͤrkerem Verhaͤltniſſe, als die Summe
des Gewinnes zu wachſen pflegt 1). Die Gefahrpraͤmie, d. h.
derjenige Theil des Unternehmergewinnes, den man als Entſchaͤ-
digung fuͤr die gelaufene Gefahr anſehen kann, iſt daher, je
nach den Umſtaͤnden, eine verſchiedene, d. h. ſie aͤndert ſich nicht
nur im Verhaͤltniſſe zum Grade der vorhandenen Gefahr, ſon-
dern auch abgeſehen von dieſem, ſo daß die naͤmliche Art von
Unternehmungen zu verſchiedenen Zeiten eine verſchiedene Gefahr-
praͤmie verſprechen kann und umgekehrt 2 gleichzeitige Unter-
nehmungen mit verſchiedener Gefahr dennoch die gleiche Gefahrs-
praͤmie in Ausſicht haben koͤnnen. — Betrachtet man mit Ruͤck-
ſicht hierauf die natuͤrliche Entwickelung der Voͤlker, ſo zeigt ſich
ungefaͤhr folgender Verlauf. Auf der niedrigſten Stufe, wo
ein Volk eben nur das Allernothwendigſte erwirbt, kann es
nichts auf gewagte Unternehmungen verwenden, es giebt alſo
auch keine Gefahrspraͤmie. Je reicher es wird, deſto mehr bleibt
ihm fuͤr gewagte Unternehmungen uͤbrig, und je ſchneller und
leichter es reich wird, deſto geneigter wird es ſein, letztere ſelbſt
dann zu unternehmen, wenn der Ertrag der Gefahr nicht vollſtaͤndig
entſpricht 2). Spaͤter, wenn der Reichthum langſamer vorwaͤrts
[92] ſchreitet, die Beduͤrfniſſe ſich vermehren, der Erwerb ſchwieriger
wird, hat ſich zwar die Faͤhigkeit des Volkes zu gewagten Unter-
nehmungen nicht vermindert, daſſelbe wird aber immer ſorglicher
die Hoͤhe des in Ausſicht ſtehenden Gewinnes mit der Gefahr
vergleichen, die Geſammtmaſſe der gewonnenen Gefahrpraͤmie wird
der der erlittenen Verluſte ſich immer mehr naͤhern. — Ver-
fallenden Nationen iſt das hervorſtechende Streben nach Genuß
ohne perſoͤnliche Anſtrengung eigenthuͤmlich. Solche Unterneh-
mungen, die eine angeſtrengte und ſchwierige Thaͤtigkeit des
Unternehmers fordern, finden daher hier nur wenig Anklang,
ſelbſt wenn die Gefahr im Verhaͤltniſſe zu dem in Ausſicht ſtehen-
den Gewinn nur gering iſt, dagegen iſt man andern gewagten
Unternehmungen, die keine perſoͤnliche Anſtrengung verlangen,
nur allzuſehr geneigt. Der Geiſt des Spiels herrſcht vor und
man begnuͤgt ſich mit der Ausſicht auf einen zur wirklichen Ge-
fahr gar nicht im Verhaͤltniß ſtehenden Gewinn. Auch hier wirkt
uͤbrigens der Nationalcharakter vielfach modificirend ein, nicht
allein in ſeiner allgemeinen Richtung in Bezug auf Vorſicht oder
Luſt an der Gefahr, Freude an der Arbeit oder Sucht ſchnell
reich zu werden, Streben nach Selbſtaͤndigkeit oder Geneigtheit
ſich unterzuordnen, ſondern auch in ſeiner ſpeciellen Hinneigung
zu gewiſſen Beſchaͤftigungen und ſeiner Abneigung gegen andere.
Der philoſophiſche Geiſt der Deutſchen z. B. ſichert bei ihnen den
gelehrten Beſchaͤftigungen noch immer zahlreiche Juͤnger, obwohl
der moͤgliche Gewinn zu dem erforderten Aufwand und der Gefahr
des Mißlingens in keinem entſprechenden Verhaͤltniſſe ſteht. Alles
Geſagte bezieht ſich jedoch nur auf die Hoͤhe des Ertrags und
der Gefahrpraͤmie, die in Ausſicht ſtehen muß, ehe man ſich auf
2)
[93] eine Unternehmung einlaͤßt, nicht aber darauf, ob die Unter-
nehmungen vorherrſchend mehr oder minder gefaͤhrlicher Natur
ſind. Dieß haͤngt nicht allein von der Neigung und Faͤhigkeit
eines Volkes zu gewagten Geſchaͤften ab, ſondern eben ſo ſehr
von der Groͤße des Begehrs nach den Producten der letzteren
und von der Leichtigkeit, ſie vom Auslande einzutauſchen. Mit
anderen Worten, wenn bei einem Volke, welches gewagteren
Geſchaͤften ſehr abgeneigt iſt, Guͤter, die nur durch ſolche hervor-
gebracht werden koͤnnen, lebhaft begehrt werden, ohne vom Aus-
land bezogen werden zu koͤnnen, wird deren Erzeugung nicht
uͤberhaupt unterlaſſen werden, ſondern nur einen hoͤhern Preis
bedingen. Abgeſehen hiervon kann man im Allgemeinen ſagen,
daß, waͤhrend auf der einen Seite die Ausbildung der Arbeits-
theilung, die groͤßere Entfremdung, die zwiſchen Conſumenten
und Producenten eintritt, das Vorherrſchen des großen Gewerbs-
betriebes u. ſ. w. die Gefahr erhoͤhen, die groͤßere Sicherheit der
Rechtsverhaͤltniſſe, die genauere Erkenntniß und freiere Benutzung
der Naturkraͤfte, die wachſende Stetigkeit der Production und
der Beduͤrfniſſe, die allgemeinere Verbreitung des Wohlſtandes,
die vorherrſchende Vernuͤnftigkeit in der Conſumtion ꝛc. in ent-
gegengeſetzter Richtung und zwar durchſchnittlich mit groͤßerem
Erfolge wirken.


In Bezug auf die Groͤße der aus dem Volksvermoͤgen im
Ganzen zu deckenden Verluſte bleibt es ſich uͤbrigens vollkom-
men gleich, ob die Summe der Gewinne dieſelben erreicht und
uͤberſteigt oder nicht, da letztere als reines Einkommen ange-
ſehen und nicht zum Verluſtserſatz verwendet werden. Hier-
aus geht eine wichtige oͤkonomiſche Regel hervor. Wenn naͤm-
lich auf der einen Seite von dem gemachten Gewinne die er-
littenen Verluſte nicht erſetzt werden, ſo koͤnnen dieſe, wenn ſich
[94] ein Volk nicht aͤrmer machen will, nicht aus ſeinem Capital,
ſondern nur aus dem zu unproductiver Conſumtion beſtimmten
Vermoͤgen, alſo aus ſeinem Einkommen genommen werden,
hoͤchſtens kann von dem Capital hier ſo viel verwendet werden,
als in der naͤmlichen Zeit von dem Einkommen ſparend zuruͤck-
gelegt zu werden pflegt. Und wirklich iſt es das Einkommen,
aus welchem man regelmaͤßig die Chancen des Verluſtes zu be-
ſtreiten ſucht, und nichts beweiſt dieß deutlicher als die Maß-
regeln, die man ergriffen hat, um ſich dieſer Nothwendigkeit zu
entziehen. Hierhin gehoͤren namentlich zwei Erſcheinungen, naͤm-
lich die Aſſecuranzen und das ſogenannte Amortiſiren der Unter-
nehmungen. Bei den erſtern giebt man durch Vertrag entweder
mit andern Unternehmern der gleichen Art oder mit einer zu dieſem
Zwecke beſonders gegruͤndeten Unternehmung 1) einen beſtimmten
[95] oder unbeſtimmten Theil ſeiner Einnahme hin und erlangt dafuͤr
den Anſpruch auf Entſchaͤdigung bei gewiſſen Verluſten, man ver-
wandelt alſo die ungewiſſe Gefahr in eine dauernde, auf dem Ein-
kommen ruhende Laſt. Die Aſſecuranzen haben aber das Mangel-
hafte, daß ſie ſich nur auf gewiſſe, haͤufig wiederkehrende, all-
gemeine Ungluͤcksfaͤlle, wie Brand, Hagel, Viehſterben u. ſ. w.
beziehen, außerordentliche Faͤlle aber und namentlich die in dem
natuͤrlichen Schwanken der Preiſe liegenden Gefahren außer Acht
laſſen. Um auch uͤber dieſe hinweg zu kommen, ſucht man die
Unternehmungen zu amortiſiren, d. h. man legt einen Theil des
gemachten Gewinnes bei Seite und ſetzt ſich hierdurch in den
Stand, ſowohl etwaige Capitalverluſte zu decken, als auf die
Nutzungen aus dem aufgewendeten Capitale verzichten und des-
halb auch bei gedruͤckten Preiſen noch beſtehen zu koͤnnen.


Man darf daher, um das Geſagte noch einmal kurz zu-
ſammenzufaſſen, die Gefahrpraͤmie nicht in der Art auffaſſen,
daß man glaubt, jeder Unternehmer muͤſſe auf die Laͤnge Gewinn
und Verluſt ausgeglichen erhalten. Weil dieß aber doch mit
Unſicherheit und Sorge verknuͤpft ſei, ſo duͤrfe er noch auf einen
gewiſſen Ueberſchuß Anſpruch erheben. Vielmehr haben wir aus-
zufuͤhren geſucht, daß, in ſo weit man erwarten darf, vorkom-
mende Ausfaͤlle mit Ueberſchuͤſſen zu decken, von einer wirklichen
Gefahr und folglich auch von einer Gefahrpraͤmie nicht die Rede
1)
[96] ſei. Dieſe traͤten erſt ein, wo man darauf gefaßt ſein muͤſſe,
einen Verluſt zu erleiden, ohne ihn wieder erſetzen zu koͤnnen.
Alsdann muͤſſe allerdings die Ausſicht auf einen hoͤhern Gewinn
gegeben ſein. Wie hoch ſich der moͤgliche Gewinn belaufen muͤſſe
und wie weit er nach unten oder oben von dem Betrage der
fruchtlos aufgewendeten Koſten abweichen koͤnne, haͤnge theils
von der Natur des Geſchaͤfts ab, theils von dem Charakter des
Volkes, theils von dem Grade der Cultur und des Wohlſtandes,
den es erreicht, und der Schnelligkeit, mit der es ihn erreicht
habe. Von dem wirklich gemachten Gewinn ſei aber auch der
ganze Ueberſchuß uͤber die perſoͤnlich aufgewendeten Koſten
Unternehmergewinn. Weil aber der Gewinn reines Einkommen
ſei, ſo muͤßten die Verluſte, gleich viel wie hoch oder niedrig
ſich jene belaufen, ebenfalls aus dem Einkommen und duͤrften
nicht aus dem Capitalfonds des Volkes beſtritten werden.


II.Von dem Unternehmerlohn und -Zins.


Bereits im zweiten Capitel iſt bemerkt worden, daß die
Entſchaͤdigung, welche der Unternehmer, ſo bald er ſolche per-
ſoͤnliche Faͤhigkeiten, fuͤr deren Anwendung im Dienſte Anderer
er einen Lohn erhalten konnte, zu poſitiver Mitwirkung oder
auch nur negativ durch erzwungene Ruhe 1) fuͤr die Unternehmung
in Anſpruch nimmt, dafuͤr erhaͤlt, einfach als Lohn zu betrachten
iſt. Hierdurch wird der Unternehmergewinn, im Gegenſatz zu der
gewoͤhnlichen Auffaſſung, die ihm bald die Entſchaͤdigung fuͤr alle
perſoͤnlichen Leiſtungen des Unternehmers, bald wenigſtens die
[97] fuͤr die Geſchaͤftsfuͤhrung zurechnet 1), bedeutend eingeſchraͤnkt.
Allein es wird damit keineswegs in Abrede geſtellt, daß der
7
[98] Unternehmergewinn nicht auch unter Umſtaͤnden einen Beſtand-
theil enthalten koͤnne, der nichts Anderes als eine Entſchaͤdigung
fuͤr perſoͤnliche Leiſtungen iſt, nur duͤrfen die Faͤhigkeiten, auf
welchen dieſe Leiſtungen beruhen, entweder uͤberhaupt keine oder
doch keine vollſtaͤndige Verwerthung im Dienſte Anderer zulaſſen,
ſo daß ſie eben nur der Unternehmer als ſolcher zur Ausbeutung,
bezuͤglich zur vollen Ausbeutung zu bringen vermag. Erblickten
1)
[99] wir in jenem Falle nur einen Lohn des Unternehmers, ſo ſehen
wir hier einen wirklichen Beſtandtheil des Unternehmergewinns,
den wir analogiſch als Unternehmerlohn bezeichnen. Lohn
des Unternehmers iſt alſo die Entſchaͤdigung fuͤr die Anwendung
ſolcher Faͤhigkeiten, die verdungen werden koͤnnen, Unternehmer-
lohn die Entſchaͤdigung fuͤr die Anwendung ſolcher Faͤhigkeiten,
die nicht verdungen werden koͤnnen, bezuͤglich fuͤr den Theil der-
ſelben, bei denen dieß nicht der Fall iſt.


Daß eine Faͤhigkeit uͤberhaupt unter allen Umſtaͤnden un-
verdingbar ſei, laͤßt ſich, wie uns beduͤnken will, nicht anneh-
men. Wir koͤnnen uns keine Faͤhigkeit denken, die unter allen
Verhaͤltniſſen ſich ausſchließlich nur in der eignen Unternehmung
verwerthen ließe. Selbſt die Conception der Unternehmungen
beruht nur auf einer Combination von Lebendigkeit des Geiſtes
und Sach- und Menſchenkenntniß, die auch in Dienſtverhaͤlt-
niſſen ſchaͤtzbar bleiben wird 1). Dagegen kann unter gewiſſen
gegebenen Verhaͤltniſſen allerdings die Unmoͤglichkeit obwalten,
gewiſſe perſoͤnliche Eigenſchaften, ſowohl poſitive Kenntniſſe,
wie moraliſche Faͤhigkeiten, anders, als auf eigne Rechnung
zur Ausnutzung zu bringen. Noch haͤufiger tritt der Fall ein,
daß gewiſſe Faͤhigkeiten, in Lohn genommen, zwar ebenfalls,
aber nicht ſo vollkommen ausgebeutet werden koͤnnen, wie dieß
von dem Unternehmer ſelbſt geſchieht. Die Talente eines Men-
ſchen, der im Stande waͤre, eine eigne große Fabrikunternehmung
zu leiten, werden z. B. nur zum Theil in Anſpruch genommen,
wenn er von einem Dritten zu dem Geſchaͤfte eines Buchhalters
oder Werkfuͤhrers berufen wird. Der Arbeitgeber begehrt in
7 *
[100] der Regel von den verſchiedenen Eigenſchaften des Arbeitſuchenden
nur einzelne zu verwenden, oder wenn er auch keine von dieſen
vollſtaͤndig unbenutzt laͤßt, ſo nuͤtzt er ſie doch auch eben ſo wenig
vollſtaͤndig aus. Immerhin bleibt ein Theil der Arbeitsfaͤhig-
keit des Lohnarbeiters todt liegen, den dieſer bei einer eignen
Unternehmung wird productiv verwenden koͤnnen.


Ganz aͤhnlich, wie mit den perſoͤnlichen Faͤhigkeiten, ver-
haͤlt es ſich mit den Capitalien. Jedes Capital muß man ſich
natuͤrlich in einer beſtimmten concreten Form denken. In dieſer
concreten Form kann es fuͤr Dritte nutzbar ſein und deshalb
verdungen werden. Es koͤnnen aber eben ſo wohl auch Um-
ſtaͤnde eintreten, welche verhindern, daß es von Dritten fuͤr
Miethe begehrt werde, oder die ihm wenigſtens in den Augen
Dritter einen geringern Nutzungswerth beilegen, als es fuͤr den
Eigenthuͤmer bei der Ausnutzung durch eine eigne Unternehmung
hat. Was in letzterem Falle der Unternehmer fuͤr die eigne
Ausnutzung des Capitals bezieht oder mehr bezieht, bildet einen
Beſtandtheil ſeines Unternehmergewinns, ſeinen Unternehmer-
zins
im Gegenſatz zum Zinſe des Unternehmers, welcher
nur die durch Vermiethung zu erlangen geweſene Entſchaͤdigung
repraͤſentirt.


Die Hoͤhe des Unternehmerlohns und -Zinſes richtet ſich
demnach nicht ſowohl nach der Productivitaͤt der aufgewendeten
Faͤhigkeiten und Capitalien, als nach dem Verhaͤltniſſe des
Miethpreiſes, der von Dritten dafuͤr zu erlangen geweſen waͤre.


Die Moͤglichkeit, Arbeitskraͤfte und Capitalien an Andre
zu verdingen oder vom Standpunkte deſſen aus, der ſie ver-
wenden will, die Arbeitskraͤfte und Capitalien Andrer aus-
zunutzen, ſteht im genaueſten Verhaͤltniſſe zu der allgemeinen
oͤkonomiſchen und Culturentwickelung uͤberhaupt. Auf den nie-
drigſten Culturſtufen wird der groͤßte Theil der Producte im
[101] Innern der einzelnen Wirthſchaften erzeugt. Von einem Lohn-
und Creditſyſtem iſt noch keine Rede. Was fuͤr den Verkehr
etwa producirt wird, geſchieht noch ganz mit eignen Mitteln.
Sonach iſt die Entſchaͤdigung, welche die Unternehmer fuͤr die
Anwendung ihrer Productivkraͤfte empfangen, noch durchaus
Unternehmergewinn — Unternehmerlohn und- Zins. — All-
maͤhlig lernt man auch fremde Productivkraͤfte benutzen. Die
Aufgabe, die man dann den Arbeitern zu ſtellen pflegt, iſt keine
ſehr ſchwierige oder hoͤhere Talente erfordernde, allein bei der
unentwickelten Arbeitstheilung ſind es doch auch keineswegs
bloße mechaniſche Leiſtungen, die man kauft, und zieht man die
Stufe der Ausbildung im Allgemeinen in Betracht, ſo kann
man wohl ſagen, daß die ganze Leiſtungsfaͤhigkeit des Arbeiters
in Anſpruch genommen werde. Nun ſtehen aber in dieſen
Zuſtaͤnden die Unternehmer meiſt nicht viel hoͤher, wie die Ar-
beiter, und haben mithin auch keine groͤßeren Faͤhigkeiten auf
die Unternehmung zu verwenden, als jene. Die Faͤhigkeiten,
die ſie verwenden, koͤnnten ſie eben ſo gut auch verdingen. Was
ſie fuͤr perſoͤnliche Leiſtungen aus der Unternehmung erhalten,
iſt daher als Lohn anzuſehen, nicht als Unternehmergewinn.
Die naͤmliche Bewandtniß hat es mit der Vergeltung der Capital-
nutzungen. Die Capitalien, welche in dieſer Periode auftreten,
haben noch den Charakter ſehr allgemeiner Nutzbarkeit fuͤr die
verſchiedenſten Zwecke; es iſt kein Grund vorhanden, weshalb
ſie ein Dritter nicht eben ſo gut ſollte ausnutzen koͤnnen, wie
der Eigenthuͤmer. Der Miethpreis pflegt deshalb auch den bei
der eignen Verwendung zu erzielenden Gewinn vollſtaͤndig zu
erreichen. Was der Unternehmer fuͤr ſeine Capitalnutzungen
bezieht, iſt Zins, nicht Unternehmergewinn. — Nach und nach
wird die Arbeitstheilung und Arbeitsvereinigung wirkſamer; die
Dienſte der Lohnarbeiter werden einfacherer Natur, es ſind nur
[102] geringere Faͤhigkeiten, die um Lohn geſucht werden. Dagegen
werden von den Unternehmern hoͤhere Leiſtungen gefordert. Der
groͤßere Theil der Thaͤtigkeit, die ſie aufwenden, laͤßt ſich nur
in der eignen Unternehmung entwickeln. Was ſie dafuͤr be-
ziehen, iſt Unternehmergewinn und nicht Lohn. Eben ſo erhal-
ten die Capitalien eine ſpecialiſirtere Form; ſie ſind nur fuͤr be-
ſtimmte Productionen uͤberhaupt oder vollſtaͤndig auszunutzen,
und doch fehlt es an Leuten, die ſie fuͤr dieſe Productionen
miethen wollen; die Eigenthuͤmer befinden ſich in der Nothwen-
digkeit, ſie auf eigne Rechnung zu verwerthen; der Ertrag, den
ſie ziehen, wird wieder ganz (bezuͤglich zum Theil) Unternehmer-
gewinn. Die fortſchreitende Entwickelung aͤndert dieß Verhaͤltniß
wiederum. Der zunehmende Reichthum erzeugt zunaͤchſt ein Ver-
langen nach manichfaltigen perſoͤnlichen Dienſten, und zwar nicht
nur nach einfachen Handreichungen, ſondern namentlich auch
nach Leiſtungen hoͤherer Art. Es ſind gerade die hoͤhern Faͤhig-
keiten des Menſchen, welche neben der einfachſten mechaniſchen
Arbeitskraft verzugsweiſe geſucht werden. Zugleich ſchreitet die
Concentration der Gewerbe und des Handels ſo weit vorwaͤrts,
daß auch hier Arbeiten hoͤherer Art um Lohn geſucht werden.
Man braucht Aufſeher, Correſpondenten, Buchhalter, Reiſende
u. ſ. w., und immer geringer wird die Zahl derjenigen Faͤhig-
keiten, die man nicht um angemeſſenen Lohn zu verdingen im
Stande iſt. So bedeutend und ſchwierig auch die Thaͤtigkeit
der groͤßern Unternehmer iſt, ſo wuͤrden ſie doch ihre meiſten
Kraͤfte auch an Dritte haben vermiethen koͤnnen, und dem ent-
ſprechend muͤſſen ſie auch einen immer groͤßern Theil ihrer Arbeits-
entſchaͤdigung als Lohn betrachten, ſo daß davon fuͤr den Unter-
nehmergewinn immer weniger uͤbrig bleibt. In gleicher Weiſe
eroͤffnet die allgemeinere Verbreitung und Vermanichfaltigung
der Beduͤrfniſſe auch den ſpecialiſirten Capitalien die Moͤglichkeit
[103] des Ausleihens, und der Ertrag der letzteren bei der Eigenver-
wendung verwandelt ſich daher mehr und mehr in Zins. Zur
Zeit der hoͤchſten wirthſchaftlichen Entwickelung tritt mithin wie-
der ein aͤhnliches Verhaͤltniß ein, wie bei dem Anfange eines
Lohn- und Creditſyſtems. Die Unternehmer muͤſſen naͤmlich die
Entſchaͤdigung fuͤr ihre perſoͤnlichen Leiſtungen und Capital-
nutzungen groͤßtentheils als Lohn und Zins betrachten; nur der
Grund, auf dem dieß beruht, iſt ein weſentlich verſchiedener.
Dort war es die mangelhafte Arbeitstheilung, der eigne Mangel
an Bildung und die wenig ſpecialiſirte Form der Capitalien,
welche den Unternehmer verhinderte, mehr fuͤr die Unternehmung
zu leiſten, als der gedungene Arbeiter, und aus ſeinen Capitalien
einen groͤßern Nutzen zu ziehen, als irgend ein Aufborger. Hier
bewirkt die Menge der durch die Cultur erzeugten Beduͤrfniſſe
und das reiche Maß der vorhandenen Mittel, daß ſelbſt fuͤr die
hoͤchſten und complicirteſten Faͤhigkeiten und die ſpecialiſirteſten
Capitalformen eine ſtete wirkſame Nachfrage vorhanden iſt.


So gleichmaͤßig aber auch die Moͤglichkeit, Arbeitskraͤfte,
und diejenige, Capitalien zu verdingen, im Allgemeinen neben
einander hergehen, ſo zeigt ſich doch ſchließlich eine weſentliche Ver-
ſchiedenheit. Capitalkraͤfte koͤnnen vollſtaͤndig verdungen werden.
Sobald das Capital in die Haͤnde des Miethers uͤbergegangen iſt,
beſitzt dieſer an ſich die vollſtaͤndig gleiche Moͤglichkeit, es aus-
zunutzen, wie der Eigenthuͤmer. Deshalb wird auch der Zins
die Neigung haben, bis zur vollen Hoͤhe des Unternehmerzinſes
zu ſteigen, und es wird ihm endlich gelingen, dieſen ganz ver-
ſchwinden zu machen. In der That, warum ſollte Jemand
ein gemiethetes Capital nicht eben ſo gut ausbeuten koͤnnen, wie
deſſen Eigenthuͤmer? Und warum ſollte er in dieſem Falle
zoͤgern, dem letztern den ganzen Betrag ſeines Unternehmerzinſes
[104] als Zins zu geben 1)? — Anders verhaͤlt es ſich mit den
Arbeitskraͤften. Ihre vollſtaͤndige Ausnutzung haͤngt weſentlich
von dem Willen und ſomit von dem Intereſſe des Arbeiters ab.
Sucht man den einen und das andre auch noch ſo ſehr mit ins
Spiel zu ziehen durch Anregung des Ehrgefuͤhls, durch Ein-
fuͤhrung des Stuͤcklohns und von Tantiemen, ſo wird es doch
in der Regel nicht gelingen, auf dieſe Weiſe die ganze Kraft
des Arbeiters in Wirkſamkeit zu ſetzen 2). Es bleibt daher ein
Faͤhigkeitstheil uͤbrig, welcher nicht mit zu miethen iſt, und der
[105] Lohn wird den Unternehmerlohn nicht vollſtaͤndig zu erreichen
vermoͤgen. Waͤhrend auf den hoͤchſten Wirthſchaftsſtufen der
Unternehmerzins verſchwindet, wahrt ſich der Unternehmerlohn,
wenn auch in beſchraͤnkter Weiſe, dauernd ſeine Stelle.


Fragen wir nun nach der Hoͤhe des Unternehmerlohnes
und Unternehmerzinſes, ſo ſehen wir hier von etwaigen Renten-
beſtandtheilen, die ſie enthalten, vorlaͤufig ab, da wir die letz-
teren (die Unternehmerlohnrente und Unternehmerzinsrente) d. h.
diejenigen Erhoͤhungen des Unternehmerlohnes und Unternehmer-
zinſes, die in der abſoluten oder relativen Seltenheit der be-
treffenden Arbeits- und Capitalkraͤfte ihren Grund haben, im
naͤchſten Abſchnitte zu betrachten haben werden. Wir ſprechen
alſo hier nur von derjenigen Entſchaͤdigung, welche dem Unter-
nehmer aus der Verwendung ſolcher Productivkraͤfte zufließt, bei
denen eine der Nachfrage nach den zu erzielenden Erzeugniſſen
entſprechende Concurrenz von gleicher Productivitaͤt einzutreten
vermag.


Was nun zunaͤchſt den Unternehmerlohn betrifft, ſo ſcheint
deſſen Hoͤhe durchaus durch dieſelben Umſtaͤnde beſtimmt zu wer-
den, wie die Hoͤhe des (Mieth-) Lohns. Die letztere richtet ſich
bekanntlich einerſeits nach den Schwierigkeiten, welche der Er-
langung der erforderlichen Faͤhigkeit entgegenſtehen, andererſeits
nach den Unannehmlichkeiten, welche die Ausuͤbung dieſer Faͤhig-
keit mit ſich bringt 1). Die gleichen Einfluͤſſe ſind es, welche ſich
[106] auch bei Beſtimmung der Entſchaͤdigung fuͤr ſolche Leiſtungen des
Unternehmers geltend machen, die keinen Lohnwerth haben.
Wuͤrden die Unternehmer irgend einer Art von Geſchaͤften fuͤr
ſolche Leiſtungen mehr erhalten, als genuͤgt, um ſie fuͤr jene
Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten angemeſſen zu entſchaͤ-
digen, ſo wuͤrde ſich eine groͤßere Anzahl derartigen Unterneh-
mungen zuwenden und dadurch dieſen Theil des Unternehmer-
gewinns wieder herabdruͤcken. Im entgegengeſetzten Falle, wenn
der Ertrag jene angemeſſene Entſchaͤdigung nicht gewaͤhrte, wuͤrde
ein Theil der Unternehmungen nicht fortgeſetzt oder eingeſchraͤnkt
und auf dieſe Weiſe das Gleichgewicht wieder hergeſtellt werden.
Je ſchneller ſich einerſeits die erforderlichen Faͤhigkeiten erlangen
laſſen und je leichter andererſeits die Verwendung der vorhan-
denen Faͤhigkeiten fuͤr andere Geſchaͤfte iſt, deſto ſchneller wird
ſich dieſe Ausgleichung bewerkſtelligen. Im Allgemeinen iſt nicht
anzunehmen, daß der Umſtand, daß gewiſſe Leiſtungen einen
Marktpreis erhalten oder verlieren, das Maß ihrer Vergeltung
weſentlich veraͤndere, da in dem einen wie in dem andern Falle
dieſes Maß durch die gleichen Bedingungen beſtimmt wird, viel-
mehr empfangen die Unternehmer fuͤr ſolche Leiſtungen, die ſie
den gegebenen Verhaͤltniſſen nach nicht iſolirt verkaufen koͤnnen,
nicht mehr und nicht weniger, als ſie, wenn letztere Moͤglichkeit
gegeben waͤre, Lohn erhalten wuͤrden. Der aus perſoͤnlichen
Leiſtungen des Unternehmers fließende Theil ſeines Gewinnes
entſpricht daher dem Lohne gleicher Arbeit.


In gleicher Weiſe verhaͤlt es ſich mit dem Unternehmerzins.
Jedes Capital repraͤſentirt eine gewiſſe Menge von Anſtrengun-
1)
[107] gen und Entſagungen, denen es ſeine Entſtehung verdankt. So
bald ſich zeigt, daß eine beſtimmte Capitalform einen groͤßern
Ertrag abwirft, als die mit dem gleichen Erzeugungsaufwand
entſtandenen Capitalien anderer Art, wird ſich die neue Capital-
bildung dieſer bevorzugten Form zuwenden und durch die erhoͤhte
Concurrenz deren Ertrag bis auf die normale Hoͤhe herab-
druͤcken, und dieß wird, wenn die betreffende Capitalform bisher
nur durch eigne Verwendung nutzbar gemacht worden iſt, nicht
minder der Fall ſein, als wenn ſie vermiethet wurde. Denn
wenn auch diejenigen, die Capital bilden, nicht in der Lage
ſind, die bevorzugte Capitalform ſelbſt zu verwenden, ſo koͤnnen
ſie unter dieſen Verhaͤltniſſen doch darauf rechnen, daß es der-
ſelben nicht an Abmiethern fehlen wird, welche guͤnſtigere Be-
dingungen bieten, als fuͤr andere Capitalformen. Von der
Schnelligkeit der Capitalbildung wird es abhaͤngen, ob der Unter-
nehmerzins fruͤher oder ſpaͤter auf das allgemeine Niveau herab-
ſinkt. Auf der andern Seite werden ſolche Capitalformen, die
einen, den allgemeinen Zins nicht einmal erreichenden Unter-
nehmerzins abwerfen, nicht neu gebildet werden. Nehmen ſie
in Folge deſſen ſchnell ab, ſo wird der Preis der Producte, zu
deren Erzeugung man ſie benoͤthigt, und damit die Hoͤhe des
Unternehmerzinſes, den ſie gewaͤhren, bald wieder ſteigen. Ver-
zehren ſie ſich nur wenig oder gar nicht, ſo wird ſich ihr Capital-
werth entſprechend vermindern. In beiden Faͤllen wird das Re-
ſultat ſein, daß der Unternehmerzins ſich auf die gleiche Hoͤhe
ſtellt, wie der Miethzins. Fuͤr die Hoͤhe des Zinſes ſcheint es
im Allgemeinen gleichguͤltig zu ſein, ob die Capitalien ſich in
den Haͤnden der Unternehmer ſelbſt oder in denen ſolcher Claſſen
anſammeln, welche dieſelben auszuleihen ſuchen. Nur inſofern
die letzteren Claſſen eine geringere Veranlaſſung zur Capital-
anſammlung fuͤhlen, wie die Selbſtunternehmer, weil ſie von
[108] dem gegebenen Zinsfuß einen groͤßeren Theil als Aſſecuranz,
einen geringeren als wirklichen Nutzungspreis anſehen, wie dieſe,
kann die Anſammlung von Capitalien in den Haͤnden von Rent-
nern langſamer vorwaͤrts gehen, als in denen von Unternehmern
und daher der Zinsfuß im erſteren Falle ſich laͤnger hoͤher hal-
ten. Fuͤr das Verhaͤltniß der Hoͤhe des Unternehmerzinſes zum
Miethzins bleibt dieß ohne Bedeutung, da ſich beide nach den
naͤmlichen Einfluͤſſen reguliren. Dagegen wirkt natuͤrlich das
Anſammeln der Capitalien in den Haͤnden Solcher, die ſie nicht
ſelbſt anwenden, auf eine Beſchraͤnkung des Gebiets des Unter-
nehmerzinſes uͤberhaupt hin, und umgekehrt nimmt die Capita-
liſation in den Haͤnden der Unternehmer leicht ſolche Formen
an, fuͤr die zur Zeit eine Miethnachfrage noch nicht vorhan-
den iſt.


Nur inſofern wird zwiſchen Miethlohn und Miethzins und
Unternehmerlohn und Unternehmerzins ein Unterſchied obwalten,
als ſich im Allgemeinen die erſteren ihrem Gravitationspunkte
ſchneller naͤhern als die letzteren. Dieß beruht darauf, daß die
Hoͤhe jener als aus einer Uebereinkunft zwiſchen zwei Perſonen
hervorgehend ſich der oͤffentlichen Kenntniß weniger entzieht, und
daher die Reaction gegen die Abweichung vom Normalſatz raſcher
hervorruft, waͤhrend der Unternehmerlohn und -Zins, den ſich
die Unternehmer nur gegen ſich ſelbſt berechnen, mit weit gerin-
gerer Klarheit hervortritt und demnach laͤngere Zeit einen ab-
weichenden Stand behaupten kann. (Vergl. hieruͤber auch den
folgenden Abſchnitt.)


Was wir in dieſem Abſchnitte darzulegen verſucht haben,
laͤuft kurz gefaßt auf folgende Saͤtze hinaus. Von der Ent-
ſchaͤdigung, welche der Unternehmer fuͤr aufgewandte Arbeits-
und Capitalkraͤfte erhaͤlt, gehoͤrt nur der Theil, welcher fuͤr
nicht verdingbare Productivkraͤfte gewaͤhrt wird, der Unter-
[109] nehmerlohn und Unternehmerzins im Gegenſatze zum Miethlohn
und Miethzins, zum Unternehmergewinn. Die Verdingbarkeit
der Productivkraͤfte haͤngt von dem jeweiligen Stande der Cultur
ab, und zwar pflegt ſich der Fortſchritt erſt in einer nahezu voll-
ſtaͤndigen Allgemeinheit, dann in einer Beſchraͤnkung und end-
lich wieder in einer Ausdehnung dieſer Verdingbarkeit zu charak-
teriſiren. Arbeits- und Capitalkraͤfte machen in dieſer Bezie-
hung die gleichen Phaſen durch, ſie unterſcheiden ſich aber da-
durch, daß die letzteren verdungen ſich ebenſo vollſtaͤndig aus-
beuten laſſen, wie von den Eigenthuͤmern ſelbſt, daß ein Theil
der Wirkſamkeit der erſtern dagegen von der Verwendung auf
eigne Rechnung der Inhaber abhaͤngig zu bleiben pflegt. Die
Folge iſt, daß der Unternehmerzins die Neigung hat, ſich gaͤnz-
lich in Miethzins umzuwandeln, daß dagegen ein Theil des
Unternehmerlohns als ſolcher unter allen Verhaͤltniſſen fort-
beſteht. Die Hoͤhe des Unternehmerlohns und Unternehmer-
zinſes richtet ſich durchaus nach den naͤmlichen Geſetzen, wie die
Hoͤhe des Miethlohns und Miethzinſes, und gravitirt nach dem
naͤmlichen Normalpunkte, ſo daß die Verwandlung des einen in
den andern auf deſſen Betrag ohne Einfluß bleibt. Nur pflegen
die gravitirenden Bewegungen beim Unternehmerlohn und -Zins
weniger energiſch zu ſein, wie beim Miethlohn und -Zins.


III.Von der Unternehmerrente.


Mit der Gefahrpraͤmie und der Entſchaͤdigung fuͤr per-
ſoͤnliche Leiſtungen iſt jedoch der Unternehmergewinn noch nicht
erſchoͤpft. Es kommt noch ein dritter Beſtandtheil hinzu, der
weſentlich die Natur einer Rente traͤgt und den wir daher auch
Unternehmerrente nennen.


Sobald zu einer Production irgend ein Element noth-
[110] wendig iſt, das ſich nicht in unbegrenzter Menge vorfindet und
eben ſo wenig beliebig vermehrbar iſt, kann das betreffende Pro-
duct auch nur in einer beſchraͤnkten Menge geliefert werden.
Wird dieſe von dem Begehr uͤberſtiegen, ſo ſteigert die Con-
currenz der Begehrenden den Preis des Products, bis ſich die
Kaufluſt oder Kauffaͤhigkeit ſo Vieler, als nicht befriedigt wer-
den koͤnnen, erſchoͤpft hat. Die Vermehrung des Ertrags geht
naturgemaͤß nicht allen Productionselementen gleichmaͤßig, ſon-
dern nur denjenigen zu Gute, die eben nicht vermehrbar ſind.
Dieſen muß ihre Seltenheit bezahlt werden. Sie liefern ihren
Inhabern eine Einnahme oder, inſofern ſie ſelbſt nicht dabei
vernutzt werden, ein Einkommen. Das iſt es, was die National-
oͤkonomik mit dem Namen Rente 1) bezeichnet, und was man
vielleicht beſſer eine Seltenheitspraͤmie nennen ſollte. In der
Regel iſt die Seltenheit keine abſolute, ſondern nur eine relative.
Das betreffende Productionselement iſt nicht vollſtaͤndig erſchoͤpft,
ſondern nur in geringerer Ergiebigkeit oder mit hoͤherem Auf-
wande herbeizuſchaffen. Dann erſcheint die Seltenheitspraͤmie
fuͤr das ergiebigere oder wohlfeilere Productionselement als die
Differenz ſeines Ertrags von dem Ertrage des unergiebigeren
oder theureren Erſatzmittels.


Eine ſolche Seltenheitspraͤmie oder Rente tritt faſt bei
allen Productionsverhaͤltniſſen auf, denn faſt uͤberall macht ein
einigermaßen umfangreicher Begehr die Benutzung von Produc-
[111] tionsmitteln noͤthig, die den urſpruͤnglich angewendeten 1) an Er-
giebigkeit oder Wohlfeilheit nachſtehen. Am deutlichſten und groß-
artigſten tritt ſie freilich in Bezug auf den Grund und Boden
im Landbau hervor, aber nicht minder zeigt ſie ſich bei allen
nicht vermehrbaren oder nur durch koſtſpieligere oder minder er-
giebige Surrogate zu erſetzenden Capitalien, ſobald die Nach-
frage nach den Producten, zu deren Herſtellung ſie mitwirken,
ſo weit ſteigt, daß jene fuͤr den Begehr zu dem keine Rente
enthaltenden Preiſe nicht mehr ausreichen. Ja ſelbſt ſolche Ca-
pitalien, die ihrer Gattung nach wohl vermehrbar ſind, koͤnnen
eine Rente abwerfen, ſo bald ſie fuͤr den Benutzer einen gewiſſen
individuellen Werth erhalten haben, wie dieß namentlich bei
den Nutzcapitalien, aber auch bei denjenigen Erwerbscapitalien
haͤufig der Fall iſt, die ein gewiſſes Sichhineinleben von denen
erheiſchen, welche ſie anwenden, z. B. bei allerhand Werkzeugen.
Und auch im Arbeitslohn iſt ſie nicht minder vorhanden, ſo bald
neben den geſchickteſten Arbeitern in einem Geſchaͤfte auch minder
[112] geſchickte beſchaͤftigt werden muͤſſen, um den Begehr zu befrie-
digen. Die Exiſtenz einer ſolchen Seltenheitspraͤmie im Lohne
nicht nur der hoͤhern, ſondern auch der bloß koͤrperlichen Arbeiten
iſt ſchon von Buͤſch 1) und nach dieſem von Hufeland 2) nach-
gewieſen worden. „Selbſt bei Arbeiten, welche bloß koͤrperliche
Kraͤfte vorauszuſetzen ſcheinen, ſagt der Letztere, wird Uebung
und erworbene Geſchicklichkeit einen Gewinn wie Talente geben,
und man kann dieſen oft nicht als eine Vergeltung fuͤr die Zeit
der Vorarbeit anſehen, weil die fruͤhere Arbeit, waͤhrend wel-
cher man doch auch ſeinen nothwendigen Arbeitslohn erhielt, ihren
Erſatz fuͤr ſich hatte. So arbeitet der alte, ausgelernte See-
mann nicht ſchwerer, als der neue jetzt erſt angehende, und
darf doch einen viel hoͤhern Lohn fordern, weil er durch Ge-
wohnheit die Theile des Schiffs beſſer kennt und dem Befehle
des Schiffers weit ſicherer und ſchneller gehoͤrige Folge leiſtet.
So wird beim Landbau der ausgelernte Pfluͤger beſſer als der
bloß grabende Tageloͤhner und noch reichlicher der geſchickte See-
mann bezahlt. Auf eine aͤhnliche Weiſe verguͤtet der Kaufmann
auch dem guten in den noͤthigen Handgriffen geuͤbten und ver-
ſtaͤndigen Waarenpacker mehr als dem gemeinen Tageloͤhner,
wenn auch Beide nur gleiche Kraͤfte gebrauchen. Eben dieß
gilt auch ſelbſt von Gemuͤthseigenſchaften. So wird ſelbſt aus-
gezeichnete Ehrlichkeit oft hoͤher, ſelbſt bei einem Tageloͤhner,
belohnt.“


Aus gleichem Grunde kann nun auch der Unternehmer
einen Gewinn machen. — In den vorhergehenden Abſchnitten
[113] ſind wir von der Vorausſetzung ausgegangen, daß, ſobald eine
Art von Unternehmungen entweder mehr oder weniger eintraͤgt,
als die Summe, welche dem gehabten Aufwande, den Auſtren-
gungen des Unternehmers und dem Grade der vorhandenen Ge-
fahr entſpricht, ein Zufluß neuer Unternehmer oder ein theil-
weiſes Uebergehen der bisherigen zu andern Berufsarten den
Ertrag auf jenes Niveau herabdruͤcken oder hinaufbringen koͤnne,
und daß, wo dieß nicht eintrete, der Grund in der vollkommen
freiwilligen Entſchließung der unternehmungsfaͤhigen Subjecte
liege. Allein nicht unter allen Umſtaͤnden laͤßt ſich die Zahl
der Unternehmer einer beſtimmten Art beliebig vermehren oder
vermindern. Im erſteren Falle beziehen alſo die Unternehmer
ein mit dieſem Umſtande fortdauerndes Mehreinkommen, das
ſeinen Grund in ihrer beſchraͤnkten Zahl hat. Daß dieſe ſich
nicht vermehrt, kann entweder von aͤußeren Gruͤnden herruͤhren,
indem poſitive Vorſchrift oder Sitte oder Unkenntniß des guͤn-
ſtigen Erfolges der betreffenden Unternehmungen die geeigneten
Perſonen, trotz des in Ausſicht ſtehenden oͤkonomiſchen Vortheils,
abhalten, ſich zu Unternehmern zu machen, oder von dem innern
Grunde, daß thatſaͤchlich ſolche Perſonen nicht weiter vorhan-
den ſind.


Zu den poſitiven Vorſchriften, welche die Vermehrung der
Unternehmer bis zu ihrer natuͤrlichen Zahl verhindern koͤnnen,
gehoͤren zuvoͤrderſt alle Verfuͤgungen, durch welche fuͤr einen
gegebenen Bezirk die Zahl der Unternehmer irgend einer Art
geradezu feſtgeſtellt wird, Vorſchriften, die theilweiſe noch durch
das Verbot, ſich außerhalb des Bezirks mit den betreffenden
Guͤtern zu verſorgen, verſchaͤrft ſind. Ferner ſind hierher zu
rechnen alle Vorſchriften, welche die Begruͤndung einer Unter-
nehmung an gewiſſe erſchwerende Bedingungen knuͤpfen, als da
ſind: Beſtehung einer regelmaͤßigen Lehrzeit oder einer Pruͤfung,
8
[114] vorausgegangenes Wandern, Erwerbung des Buͤrgerrechts,
Erlangung einer Conceſſion, Vermoͤgensnachweis oder Cautions-
ſtellung, Bezahlung gewiſſer Taxen, Erreichung eines beſtimmten
Alters, vorhergehender ſtrafloſer Lebenswandel u. ſ. w., oder die
Ausuͤbung des Geſchaͤfts belaſten, z. B. durch Auflegung von
Abgaben, eine fortgeſetzte polizeiliche Controle, buͤrgerliche Nach-
theile, die ſie daran knuͤpfen, Verbot beſtimmter Betriebsweiſen
oder einer beliebigen Ausdehnung des Geſchaͤfts und dergleichen
mehr; endlich alle Geſetze, die die freie Berufswahl, den Ueber-
gang von einem Beruf zum andern und die Vereinigung ver-
ſchiedener Geſchaͤfte in einer Hand verhindern. — Auch die Sitten
treten der Vermehrung der Unternehmer haͤufig entgegen und
beſchraͤnken die Freiheit der Entſchließung der Einzelnen. Fuͤr
gewiſſe ariſtokratiſche Staͤnde gilt haͤufig die Beſchaͤftigung mit
buͤrgerlichen Gewerben fuͤr unanſtaͤndig; die Bureaukratie glaubt
ihre Soͤhne nur wieder in dem alten Beruf erziehen zu duͤrfen;
bei manchen Unternehmungen verlangt man ein gereifteres Alter;
bisweilen ſind Titel und Wuͤrden noͤthig, um einem Unterneh-
mer einen Wirkungskreis zu verſchaffen. — Nicht minder findet
die Vermehrung der Unternehmer oft an dem aͤußeren Umſtande
ein Hinderniß, daß es den beſtehenden Unternehmern einer be-
ſtimmten Gattung gelingt, die außerordentlichen Vortheile, welche
ſie aus ihren Unternehmungen ziehen, laͤngere Zeit geheim und
dadurch die Mitwerbung von ſich abzuhalten. Dieß wird um
ſo leichter geſchehen koͤnnen, je manichfacher und verwickelter die
Beziehungen eines Geſchaͤftes ſind, je zarter die Natur der Ver-
haͤltniſſe iſt, auf die es Bezug hat, je mehr von Gluͤckschancen
dabei abhaͤngt und je weniger es durch aͤußeren glaͤnzenden
Apparat die Aufmerkſamkeit auf ſich zieht. So iſt meiſt der
Ertrag fabrikmaͤßiger Unternehmungen, welche die verſchieden-
artigſten Operationen in ſich vereinigen, ſchwieriger zu beurthei-
[115] len, als derjenige einfacher Handwerke; ſo iſt die Beſchaͤftigung
mit Dienſtleiſtungen, die ſich auf gewiſſe gern geheim gehaltene
Verhaͤltniſſe beziehen, nicht ſo ſicher zu taxiren, als diejenigen
mit ſolchen Dienſten, die offen entgegen genommen werden; ſo
herrſcht uͤber das Ergebniß gewagter Speculationen meiſt ein
groͤßeres Dunkel, als uͤber das regelmaͤßig ihren Gang fort-
gehender Geſchaͤfte; ſo pflegt der Gewinn aus dem Handel mit
ſehr koſtbaren, wenig voluminoͤſen Gegenſtaͤnden nicht ſo leicht
verfolgt werden zu koͤnnen, wie derjenige aus dem Handel mit
weniger werthvollen, umfangreiche Niederlagen erfordernden
Waaren oder aus der Arbeitsraͤume, Werkzeuge und Maſchi-
nen erheiſchenden Fabrikation 1).


Indeſſen nicht blos die erwaͤhnten aͤußeren Gruͤnde be-
ſchraͤnken haͤufig die Zahl der Unternehmer einer beſtimmten Art,
ſondern auch der innere Grund, daß es thatſaͤchlich an zu Unter-
nehmern geeigneten Perſoͤnlichkeiten gebricht, indem die natuͤr-
lichen Bedingungen fuͤr die Unternehmung eines beſtimmten Ge-
ſchaͤfts ſich nur in einer gewiſſen beſchraͤnkten Anzahl von Per-
ſonen vorfinden. Beide Arten von Gruͤnde vermiſchen ſich
vielfach und wirken gegenſeitig auf einander zuruͤck. Wenn z. B.
die Unternehmung eines Geſchaͤfts mit zahlreichen aͤußeren Schwie-
rigkeiten verbunden iſt, dann hat dieß leicht auch eine Vermin-
derung der Zahl der an ſich dazu befaͤhigten Perſoͤnlichkeiten zur
Folge; und umgekehrt, wenn nur Wenige zu einer Unterneh-
mung befaͤhigt ſind, macht ſich um ſo eher das Beſtreben geltend,
die natuͤrliche Beſchraͤnkung noch durch eine kuͤnſtliche zu ſteigern.
— In einem Punkte unterſcheidet ſich jedoch die Wirkung der
aͤußern und der innern Hinderniſſe einer Vermehrung der Unter-
8 *
[116] nehmer weſentlich von einander. Die erſteren verhindern mei-
ſtens abſolut, daß ſich außer einer gewiſſen gegebenen Menge
Jemand einer beſtimmten Unternehmung zuwende, und es hat
deshalb an der dadurch hervorgerufenen Rente in der Regel
jeder der beſtehenden Unternehmer ſeinen Antheil. Der natuͤr-
liche Mangel an unternehmungsfaͤhigen Perſoͤnlichkeiten dagegen
iſt in bei weitem den meiſten Faͤllen nur ein relativer, d. h.
unter den guͤnſtigſten Bedingungen koͤnnen allerdings nur Wenige
produciren, aber neben ihnen ſtehen Andere, welche die Pro-
duction, wenn auch unter etwas minder guͤnſtigen Verhaͤltniſſen,
vornehmen koͤnnen, neben dieſen Dritte, wieder etwas weniger
vortheilhaft Situirte, aber doch immer Productionsfaͤhige u. ſ. w.
Die Rente faͤllt daher in dieſem Falle nur einem Theile der
Unternehmer und in abgeſtufter Weiſe zu. Welches aber auch
der Grund ſein mag, der die Zahl der Unternehmer beſchraͤnkt;
immer ergiebt ſich, ſo bald dieſe begrenzte Zahl und die Maſſe
der Producte, die ſie zu dem urſpruͤnglichen Koſtenſatz zu liefern
vermoͤgen, dem Begehr nicht mehr entſpricht, eine Erhoͤhung der
Productenpreiſe, die den Unternehmern eine Rente abwirft.
Betrachten wir die Gruͤnde dieſer letzteren naͤher, ſo finden wir,
daß ſie beruhen koͤnnen auf der Seltenheit entweder:


  • A) der Faͤhigkeit zu irgend welchen beſtimmten perſoͤn-
    lichen Leiſtungen, oder
  • B) der Faͤhigkeit, uͤber die zu einer Unternehmung erfor-
    derlichen Capitalien zu disponiren, oder endlich,
  • C) der Vereinigung dieſer beiden Faͤhigkeiten.

A) Wenn wir von einer Rente der perſoͤnlichen Faͤhig-
keiten, von einer Lohnrente ſprechen, ſo verſtehen wir dar-
unter nicht den Ueberſchuß des Ertrags der Arbeit uͤber das
abſolut notwendige Maß noch den Ueberſchuß uͤber ein angeblich
natuͤrliches Maß des Lohns im Vergleich zu der Entſchaͤdigung
[117] des Capitals; vielmehr iſt uns die Lohnrente nur der Mehr-
betrag, den gewiſſe Leiſtungen uͤber das Maß hinaus erhalten,
das ihnen im Verhaͤltniß ihrer Quantitaͤt und Qualitaͤt zu an-
dern Leiſtungen zukaͤme. Hieraus folgt, daß niemals die Arbeit
im Allgemeinen, ſondern immer nur beſtimmte Arten von Ar-
beiten eine Lohnrente beziehen koͤnnen. Der Grund dieſes Be-
zugs iſt die Seltenheit der betreffenden disponiblen Arbeitskraͤfte,
und dieſe Seltenheit kann wiederum ſowohl in aͤußeren als in
inneren Urſachen begruͤndet ſein. Der Einfluß der erſteren,
welche die an ſich zu einer beſtimmten Arbeit befaͤhigten Per-
ſonen, von deren Ergreifung zuruͤckhalten, iſt nicht gering,
nimmt aber mit der ſteigenden Cultur mehr und mehr ab. Von
den geſetzlichen Beſtimmungen kommen in dieſer Beziehung weniger
die nur mehr vereinzelt auftretenden und dann meiſtens nur von
der Sitte bereits feſtgeſtellte Verhaͤltniſſe zur formellen Geltung
bringenden in Betracht, welche einzelne Claſſen und Perſonen
von der Betreibung beſtimmter Arbeiten ausſchließen, als die-
jenigen, welche die Anzahl der Arbeiter einer beſtimmten Gat-
tung auf ein feſtes Maß beſchraͤnken. Allein eine fortſchreitende
Entwickelung fuͤhrt nicht nur manichfache Umgehungen dieſer
Vorſchriften herbei, ſondern beſeitigt ſie auch wohl ganz und
gar oder umgiebt ſie doch mit mehr oder weniger erfolgreichen
Garantieen gegen eine Benachtheiligung des Publicums, ſo daß
das Geſetz den Arbeitern kaum mehr die Gelegenheit eines
Rentenbezugs ſichert. Aehnlich wirkt der allgemeine Fortſchritt
auf die Hinderniſſe, welche die Sitte vielfach einer Vermehrung
der Arbeiter einer beſtimmten Art entgegengeſetzt, indem er die
Schranken, welche die verſchiedenen Claſſen der Geſellſchaft von
einander getrennt halten, mehr und mehr beſeitigt — und einer
großen Anzahl von Arbeiten einen immer geiſtigeren Charakter
verleiht. Wenn z. B. gebildete Maͤnner heutzutage ſich auch ſo
[118] mancher Handarbeit nicht ſchaͤmen, ſo geſchieht dieß, weil ſich
nicht verkennen laͤßt, daß ſie auch dabei ihre Bildung zur Gel-
tung zu bringen vermoͤgen. Eine Ueberfeinerung der Sitten
kann jedoch zu der Abſperrung befaͤhigter Perſonen von gewiſſen
Arbeitsgattungen zuruͤckfuͤhren. — Was die Verheimlichung des
Ertrags einer beſtimmten Arbeit als Abhaltungsgrund fuͤr die
Ergreifung der letzteren und demnach als Grund einer Rente
fuͤr die beſtehenden Arbeiter anlangt, ſo faͤllt ſie an ſich wenig
ins Gewicht, indem gerade die Arbeit dasjenige Productions-
element iſt, deſſen Ertrag ſich am ſchwierigſten verheimlichen
laͤßt; daß indeſſen eine fortſchreitende Culturentwickelung mit
der groͤßeren Oeffentlichkeit, die ſie in alle Verkehrverhaͤltniſſe
bringt, mit der allgemeineren Ausbildung des Lohnſyſtemes und
mit der groͤßeren Belebung des Marktes auch dieſen aͤußeren
Grund einer Lohnrente immermehr beſchraͤnken muß, leuchtet ein.
Wenden wir uns zu den inneren Urſachen der letzteren, d. h.
zu dem wirklichen thatſaͤchlichen Mangel arbeitsfaͤhiger Perſonen,
ſo kann im Allgemeinen, je niedriger die Arbeitsfaͤhigkeit iſt,
die zu einer beſtimmten Leiſtung erfordert wird, und je weiter
ſie ſich daher verbreitet findet, deſto weniger eine Lohnrente dabei
ſtattfinden. In der Regel werden deshalb die mehr koͤrperlichen
Arbeiten weniger auf eine Lohnrente zu rechnen haben als die
mehr geiſtigen. Doch kann ſich dieß aͤndern, wenn in einem
Volke die geiſtige Entwickelung auf Koſten der koͤrperlichen vor
ſich geht, wie dieß in Zeiten beginnenden Verfalls zu geſchehen
pflegt. Einen je groͤßeren Aufwand an Zeit, Kraft und Geld
die Ausbildung einer Arbeitsfaͤhigkeit erheiſcht, deſto leichter
wird eine Lohnrente eintreten und deſto ſicherer ſich erhalten.
Dieß iſt z. B. der Grund, weshalb ausgezeichnete Gaben, aus-
gezeichnet ausgebildet, faſt immer einen unverhaͤltnißmaͤßig hohen
Lohn erhalten. Es iſt weniger die Seltenheit der Naturanlagen,
[119] als die der Bildung, auf welche ſich hier die Rente ſtuͤtzt. Eine
weit getriebene Arbeitstheilung erzeugt, weil ſie die Einſeitigkeit
der Arbeitsfaͤhigkeit ausbildet und den Uebergang von einem
Beruf zum andern erſchwert, haͤufig, wenn auch nur voruͤber-
gehend, Lohnrenten. In ſolchen Arbeiten, deren Bedarf großen
Schwankungen unterworfen iſt, zeigen ſich ebenfalls nicht ſelten
Lohnrenten, weil bei ploͤtzlich ſteigender Nachfrage neben den
bisherigen eingeſchulten Arbeitern nur ungeuͤbte, minder ge-
ſchickte zu haben ſind.


Die Hoͤhe, bis zu welcher ſich die Lohnrente ſteigern kann,
haͤngt außer von dem Wohlſtande der Begehrer des in Frage
kommenden Products oder Dienſtes und außer von der Dringlich-
keit und dem Ernſte des betreffenden Beduͤrfniſſes, namentlich
von der wirklichen oder eingebildeten Feinheit des letzteren ab.
Je minutioͤſer die Unterſchiede ſind, die man an einer Leiſtung
ſchaͤtzt oder zu ſchaͤtzen meint, deſto ſchwieriger wird die Con-
currenz darin. Daher tritt die Lohnrente namentlich bei den
Arbeiten der feinſten Gattung, bei den Arbeiten, die zur Be-
friedigung der zarteſten Beduͤrfniſſe beſtimmt ſind, hervor. Eine
große Raſchheit der oͤkonomiſchen Entwickelung bringt es meiſtens
mit ſich, daß man mehr auf die Quantitaͤt als auf die Qualitaͤt
der Genuͤſſe ſieht, und iſt deshalb der Entſtehung von Lohn-
renten nicht guͤnſtig, waͤhrend ein langſam zu ſeiner hoͤchſten
Entwickelung heranreifendes Volk eine groͤßere Feinheit des Ge-
ſchmacks ſich anzueignen pflegt. Doch ereignet es ſich im erſteren
Falle nicht ſelten, daß das Gefuͤhl, nicht im Stande zu ſein,
feinere Leiſtungsunterſchiede zu wuͤrdigen, gerade zu der Sucht
fuͤhrt, eine ſolche Wuͤrdigung geltend machen zu wollen, und daß
in Folge deſſen die Mode einzelnen Arbeitern oder Arbeits-
unternehmern eine beſonders hohe, in ihrer Grundlage freilich
ſehr unſichere Lohnrente zu Theil werden laͤßt.


[120]

Fuͤr den Unternehmergewinn kommt nach den im zweiten
Capitel und im vorhergehenden Abſchnitte dieſes Capitels auf-
geſtellten Grundſaͤtzen die Lohnrente nur inſoweit in Betracht,
als die betreffende Faͤhigkeit einzig von den Unternehmern ſelbſt
ausgenutzt werden kann. Nur inſoweit iſt ſie ein Theil des
Unternehmergewinnes, Unternehmerlohnrente, in allen
uͤbrigen Faͤllen Miethlohnrente oder Lohnrente im engeren Sinne.
Was oben uͤber die Veraͤnderung der Grenzen zwiſchen Mieth-
lohn und Unternehmerlohn geſagt worden iſt, gilt deshalb auch fuͤr
die Grenzen zwiſchen Miethlohnrente und Unternehmerlohnrente.
Es ergiebt ſich hieraus, daß die Lohnrente bei entwickelten Cultur-
verhaͤltniſſen mehr und mehr aus dem Unternehmergewinn aus-
ſcheidet, indeſſen doch nicht vollſtaͤndig, weil gewiſſe Faͤhigkeiten
immer nur bei den Unternehmern ſelbſt zu voller Entwickelung
zu gelangen pflegen, und da dieß namentlich Faͤhigkeiten hoͤherer
Art ſind, ſo geben ſie zur Erwerbung einer Lohnrente beſonders
Gelegenheit. Gerade die feineren Qualitaͤten, wegen deren
man die Producte einer beſtimmten Unternehmung beſonders
ſchaͤtzt und hoͤher bezahlt, verdanken dieſe oft der ſorgſamen
Thaͤtigkeit des Unternehmers, einer Thaͤtigkeit, die er im Dienſte
Anderer nicht in dieſer Weiſe entfaltet haben wuͤrde. Wie der
Unternehmerlohn mit dem Miethlohn auf gleicher Grundlage
beruht, ſo auch die Unternehmerlohnrente mit der Miethlohn-
rente, und es wird daher am Betrage derſelben durch die Ver-
wandlung der einen in die andere im Allgemeinen nichts ge-
aͤndert. Nur inſoweit der Betrag der Unternehmerlohnrente ſich
leichter verheimlichen laͤßt, als der der Miethlohnrente, kann
jene unter Umſtaͤnden eintreten oder ſich erhalten, wo dieſe nicht
ſtattfinden oder wieder verſchwinden wuͤrde.


B) Wie der Beſitz beſtimmter Arbeitsfaͤhigkeiten, ſo kann
auch die Verfuͤgbarkeit uͤber gewiſſe Capitalien zur Urſache einer
[121] Rente werden, wenn die Zahl der Perſonen, denen eine ſolche
Verfuͤgbarkeit zuſteht, eine abſolut oder relativ beſchraͤnkte iſt
und daher der Begehr nach den nur mit Huͤlfe jener Capitalien
herzuſtellenden Guͤtern das Angebot uͤberholt. Wie dort eine
Lohnrente hervortrat, zeigt ſich hier eine Zinsrente, und wie
jene bald Lohnrente im engern Sinne, Miethlohnrente, bald
Unternehmerlohnrente ſein konnte, ſo kann dieſe bald Zinsrente
im engern Sinne, Miethzinsrente, bald Unternehmerzinsrente
ſein, je nachdem das Capital vermiethet oder nur vom Eigen-
thuͤmer ſelbſt ausgenutzt werden kann. Zins und Unternehmer-
zins, Zinsrente und Unternehmerzinsrente verhalten ſich genau
ſo, wie Lohn und Unternehmerlohn, Lohnrente und Unternehmer-
lohnrente, und wie nur der Unternehmerlohn und die Unter-
nehmerlohnrente zum Unternehmergewinn gehoͤren, ſo auch nur
der Unternehmerzins und die Unternehmerzinsrente. Die Zins-
rente, ſei ſie nun Miethzinsrente oder Unternehmerzinsrente,
kann ſich natuͤrlich eben ſo wenig auf alle Capitalien gleichmaͤßig
beziehen, wie die Lohnrente auf alle Arbeitsfaͤhigkeiten; ſie be-
zeichnet nur den Ueberſchuß, den das Einkommen aus gewiſſen
Capitalien uͤber den allgemeinen Zinsſatz, d. h. uͤber das Ver-
haͤltniß hinausgewaͤhrt, das mit Ruͤckſicht auf die Schwierigkeit
ihrer Erwerbung im Vergleich mit andern Capitalien zu erwar-
ten waͤre, nicht aber das Verhaͤltniß zwiſchen Arbeits- und
Capitalentſchaͤdigung im Allgemeinen. Der Grund aber, wes-
halb ein Capital eine unverhaͤltnißmaͤßige Nutzung abwerfen kann,
kann entweder a) in der Seltenheit ſeiner Art, b) in der
Seltenheit ſeines Umfangs liegen.


a) Wenn Capitalien einer beſtimmten Art zur Herſtellung
irgend welcher Producte unbedingt nothwendig ſind oder dabei
nur durch unvollkommenere Surrogate erſetzt, und wenn ſie
ſelbſt uͤberhaupt nicht oder nur mit einem groͤßeren Aufwande,
[122] als ihre eigenen Herſtellungskoſten betragen, vermehrt werden
koͤnnen, fangen ſie an eine Rente, Zinsrente zu ergeben, ſo
bald der Begehr nach den Producten, zu deren Herſtellung ſie
dienen, ſo ſtark wird, daß ſie zu deſſen Befriedigung zu dem
bisherigen Preiſe nicht mehr ausreichen. Die Hoͤhe dieſer Rente
haͤngt einestheils von der Verbreitetheit und der wirklichen oder
eingebildeten Dringlichkeit des Beduͤrfniſſes, welchem die mit dem
betreffenden Capitale herzuſtellenden Guͤter dienen, und dem
Wohlſtande der Begehrer 1) der letzteren ab, andererſeits von der
Unmoͤglichkeit oder dem Grade der Schwierigkeit der Erſetzung
der betreffenden Capitalien. Die Rente zeigt ſich daher nament-
lich bei ſolchen Capitalien, welche zur Herſtellung unentbehrlicher
Lebensnothwendigkeiten erforderlich ſind, wo ſie, inſofern nicht
die Urſachen der Seltenheit der Capitalien beſeitigt werden, mit
der Dichtigkeit und dem Wohlſtande der Bevoͤlkerung ſteigt, ſo
wie andererſeits bei ſolchen Capitalien, deren Herſtellung durch
die Seltenheit ihrer Naturalbeſtandtheile oder durch die Schwie-
rigkeit der Arbeit und die Laͤnge der Zeit, welche ſie erfordert,
ſehr erſchwert iſt. In Folge der Uebertragbarkeit der Capitalien
wird der Werth dieſer letzteren ſelbſt erhoͤht, und fuͤr diejenigen,
welche dieſelbe auf oneroſem Wege erwerben, enthaͤlt daher die
Zinsrente die Bedeutung eines einfachen Zinſes. Auf die Ent-
ſtehung einer Zinsrente wirken Geſetz und Sitte weniger unmittel-
bar ein, d. h. ihre Wirkung erſtreckt ſich mehr auf die Schnellig-
keit oder Langſamkeit der Capitalanſammlung im Allgemeinen,
als auf die Verminderung oder Vermehrung gewiſſer beſtimmter
[123] Capitalarten, obwohl die durch die manichfachſten Einfluͤſſe des
aͤußeren und inneren Lebens bedingte Vorliebe fuͤr gewiſſe Ca-
pitalanlagen und Abneigung gegen andere, ſo wie die Erleich-
terung, welche die Bildung gewiſſer Capitalien, und die Er-
ſchwerung, welche die gewiſſer anderer durch Geſetz und Sitte
erfaͤhrt, ihre Wirkung keineswegs verleugnen. Die Entwicke-
lung des Verkehrs bringt uͤbrigens die rein oͤkonomiſchen Be-
ſtimmungsgruͤnde bei der Form, welche die neu ſich bildenden
Capitalien erhalten, mehr und mehr zur Geltung. Ebenſo wirkt
ſie beſeitigend auf diejenigen aͤußeren Urſachen der Zinsrente,
welche in der Unkenntniß von dem erhoͤhten Abwurfe gewiſſer
Capitalformen beruhen, gerade ſo, wie ſie den analogen Ur-
ſachen bei der Lohnrente entgegentritt. Auf den hoͤhern Cultur-
ſtufen kommen daher weſentlich nur die inneren Gruͤnde der
Seltenheit der Capitalien beſtimmter Gattungen in Betracht,
waͤhrend die aͤußeren Gruͤnde, d. h. diejenigen, welche einer an
ſich moͤglichen Vermehrung der Capitalien entgegenſtehen, mehr
in den Hintergrund treten. Wie bereits angedeutet, beſtehen
dieſe inneren Gruͤnde theils in der Seltenheit der Stoffe und
Kraͤfte, aus denen eine beſtimmte Capitalform hervorgegangen
iſt, theils in der Schwierigkeit der zur Bildung neuer Capitalien
erforderlichen Arbeit und der Dauer der dabei in Anſpruch zu
nehmenden Zeit. Eine Zunahme des Wohlſtandes und der
Dichtigkeit der Bevoͤlkerung pflegt zwar, indem ſie auf die Er-
hoͤhung des Begehrs wirkt, auch die Seltenheit zu ſteigern,
andererſeits aber auch durch die Beſeitigung der inneren Gruͤnde
derſelben ihr entgegenzutreten. So zeigt eine groͤßere Kenntniß
und Einſicht in die Natur vielfach, daß die angenommene Be-
ſchraͤnktheit gewiſſer oͤkonomiſcher Stoffe und Kraͤfte nur eine
eingebildete war, und daß ſich dieſelben vielfach vermehren oder
erſetzen laſſen; ſo treten immer einfachere Methoden zur Her-
[124] ſtellung beſtimmter Capitalformen hervor, waͤhrend ſich zugleich
die Moͤglichkeit, die erforderlichen Capital- und Arbeitskraͤfte
zu gewinnen, vergroͤßert; ſo wird endlich auch die fuͤr eine
ſolche Herſtellung nothwendige Zeit vielfach auf ein geringeres
Maß zuruͤckgebracht 1). Welche dieſer beiden Richtungen, die-
[125] jenige auf Vermehrung oder diejenige auf Verminderung der
Seltenheit gewiſſer Capitalarten den uͤberwiegenden Einfluß haben
wird, laͤßt ſich im Allgemeinen nicht beſtimmen; jedenfalls wird
das Uebergewicht der einen mit dem der andern von Zeit zu
Zeit abwechſeln. Ganz zu beſeitigen werden die inneren Gruͤnde
der Seltenheit mancher Capitalien niemals ſein, denn wenn der
Menſch auch viele Nutzungsquellen, deren Maß ſonſt fuͤr be-
ſchraͤnkt galt, erweitern und erſetzen lernt, ſo werden doch immer
andere uͤbrig bleiben, wo ihm dieß nicht gelingt, und immer
wird eine ſolche Beſeitigung der Seltenheit der Capitalien Zeit,
oft viel Zeit 1) erfordern, ſo daß wenigſtens voruͤbergehend viele
Gattungen von Capitalien Zinsrenten abwerfen. Aber eben
dieſer voruͤbergehende Charakter vieler Zinsrenten auf den hoͤhern
Culturſtufen verſetzt dieſelben aus den regelmaͤßigen Einkommens-
arten in die zufaͤlligen und unregelmaͤßigen, ſich nicht in einer
Erhoͤhung des Capitalwerthes zu fixiren vermoͤgenden Einnah-
men, denen man im Allgemeinen den Namen Gewinn zu geben
pflegt, ſo daß der außerordentliche Ertrag einzelner Capitalarten
hier weniger haͤufig als Rente, im Sinne eines geſicherten Ein-
kommens, wie als ausnahmsweiſer, voruͤbergehender Gewinn
erſcheint.


Zu einem Beſtandtheile des Unternehmergewinnes, zur
Unternehmerzinsrente wird die Zinsrente nur inſofern als
1)
[126] das betreffende Capital nur durch den Eigenthuͤmer uͤberhaupt
oder doch vollſtaͤndig ausgenutzt zu werden vermag. Die Moͤg-
lichkeit, Abmiether fuͤr ein Capital zu finden, das eine Rente
gewaͤhrt, wird ſich im Allgemeinen nach denſelben Umſtaͤnden
richten, wie dieſelbe Moͤglichkeit fuͤr die uͤbrigen Capitalien. Es
treten alſo in Bezug auf den Uebergang von Miethzinsrente in
Unternehmerzinsrente und umgekehrt dieſelben Verhaͤltniſſe ein,
wie in Bezug auf den Uebergang von Miethzins in Unternehmer-
zins. Bleiben wir bei dem Beiſpiele von Grund und Boden
ſtehen, ſo wird der Unterſchied der Qualitaͤt der Aecker, mag er
nun auf deren natuͤrlichen Beſchaffenheit, auf der darin fixirten
Arbeit oder auf Verkehrsverhaͤltniſſen beruhen, ſchon fruͤhe
hervortreten. So lange das Land nur von den Eigenthuͤmern
bewirthſchaftet wird, iſt dieſe Rente, inſofern die Eigenthuͤmer
uͤberhaupt Unternehmer ſind, d. h. fuͤr den Verkehr produciren,
Unternehmergewinn. Die Pachtverhaͤltniſſe, die ſich allmaͤhlig
herausbilden, verwandeln ſie faſt durchgaͤngig in Pachtrente,
denn da die Bewirthſchaftung noch ſehr extenſiv, mithin fuͤr alle
Grundſtuͤcke ziemlich gleichmaͤßig betrieben wird, ſo iſt nicht ein-
zuſehen, warum ſich die Moͤglichkeit der Verpachtung nicht fuͤr
ein Grundſtuͤck ſo gut annehmen laſſen ſollte, wie fuͤr das an-
dere. Spaͤter kommt der individuelle Charakter der Laͤndereien
mehr zur Geltung. Je mehr ein Grundſtuͤck einen ſolchen be-
ſitzt, deſto ſchwieriger wird es ſein, dafuͤr einen Pachter zu fin-
den, der ein entſprechendes Pachtgeld zu zahlen bereit waͤre,
deſto eher wird der Eigenthuͤmer zur Selbſtbewirthſchaftung ge-
noͤthigt ſein, deſto mehr wird mithin die Rente wiederum zu
einem Theile des Unternehmergewinnes. Endlich erhalten auch
die individualiſirteſten Grundſtuͤcke die Moͤglichkeit einer ange-
meſſenen Verpachtung und die Rente verwandelt ſich wieder in
Pachtrente.


[127]

Da die Vermiethbarkeit oder Nichtvermiethbarkeit beſtimmter
Capitalien zu der Staͤrke des Begehrs nach dem damit herzu-
ſtellenden Producte, wie andererſeits zu der Schwierigkeit oder
Unmoͤglichkeit, ſie zu vermehren oder zu erſetzen, in keiner un-
mittelbaren Beziehung ſteht, ſo iſt auch die Verwandlung der
Zinsrente aus Miethzinsrente in Unternehmerzinsrente und
umgekehrt fuͤr deren Hoͤhe von keinem unmittelbaren Einfluß.
Dagegen machen ſich unter Umſtaͤnden einige indirecte Wirkungen
dieſer Verwandlung geltend. Wenn naͤmlich auf der einen Seite
die Seltenheit der fuͤr eine Production verwendeten Capitalien
blos auf aͤußeren Gruͤnden beruht, d. h., wenn thatſaͤchlich noch
mehr concurrenzfaͤhige Capitalien vorhanden ſind, die nur durch
die Verhaͤltniſſe von einer Mitwerbung abgehalten werden, ſo
iſt eine Geſtaltung der Dinge, welche einen Miethbegehr nach
den betreffenden Capitalien erzeugt, wohl geeignet, jene aͤußern
Hinderniſſe zu beſeitigen. Denn ſo weit Sitte und Geſetz hier
in Betracht kommen, koͤnnen dieſe die Capitalinhaber wohl hin-
dern, ihre Capitalien ſelbſt auszubeuten, aber in der Regel
nicht, ſie zu vermiethen, ſo daß mit der Gelegenheit, welche
ſich hierzu bietet, jene aͤußere Schranke einer vermehrten Con-
currenz hinwegfaͤllt 1). Inſofern aber blos die Unkenntniß des
zu erlangenden Ertrags die in Frage ſtehenden Capitalien von
der Mitwerbung abhielt, verſchafft gerade das Zinsangebot der
Miethbegehrer bald die fehlende Aufklaͤrung. Demnach wuͤrde
[128] die blos auf aͤußern Urſachen beruhende Zinsrente, indem ſie
aus dem Unternehmergewinn ausſcheidet und zur Miethzinsrente
wird, einer Verminderung ausgeſetzt ſein. Indeſſen kommen
derartige Zinsrenten wohl nur ſehr wenige vor, da, wo die
Vermiethung gewiſſer Capitalien nicht moͤglich, der natuͤrliche
Verlauf der Dinge das Eigenthum derſelben mehr und mehr
aus den Haͤnden ſolcher Claſſen, die ſie nicht auszubeuten ver-
moͤgen, in die ſolcher Claſſen uͤbergehen laͤßt, die ſich daran
nicht behindert finden. Zugleich wirkt ein anderer Umſtand der
Verminderung der Zinsrente bei eintretender Vermiethbarkeit der
Capitalien ſehr energiſch entgegen und vielmehr auf deren Er-
hoͤhung hin. So lange Capitalien nur durch die Eigenthuͤmer
ausgenutzt werden koͤnnen, geſchieht dieß, da dieſe ſelten die
hierzu geſchickteſten Perſoͤnlichkeiten ſind, in der Regel nur in
unvollkommener Weiſe. Die betreffende Production bleibt hin-
ter ihrer moͤglichen Vollkommenheit und daher die Nachfrage nach
den zu liefernden Waaren hinter ihrer moͤglichen Ausdehnung
mehr oder minder zuruͤck. Werden nun die Capitalien vermieth-
bar, ſo gelangen ſie in die Haͤnde derer, die ſie am beſten aus-
zunutzen verſtehen, und die mit Huͤlfe derſelben betriebene Pro-
duction wirft leicht einen erhoͤhten Ertrag ab. Zunaͤchſt kommt
freilich dieſer Mehrgewinn den Abmiethern der Capitalien als
eine beſondere Belohnung ihrer Thaͤtigkeit zu, bald aber zieht
meiſtens in Folge der Concurrenz der Capitaliſt, als der In-
haber des ſeltenen Productionsfactors, den Mehrbetrag, es
erhoͤht ſich alſo die Zinsrente in Folge ihrer Verwandlung aus
Unternehmerzinsrente in Miethzinsrente. Dieſer indirecte Ein-
fluß der Vermiethbarkeit der Capitalien auf die Steigerung der
Rente iſt oft ſehr bedeutend, wie es ja z. B. bekannt iſt, welche
Einwirkung das Entſtehen eines tuͤchtigen Paͤchterſtandes auf
die Hebung und Belebung der Landwirthſchaft und damit auf
[129] die Vermehrung der Grundrente hat. Unmittelbar dagegen wird
durch die Vermiethbarkeit der Capitalien an der etwaigen Rente,
die ſie abwerfen, eben ſo wenig Etwas geaͤndert, wie an dem
Zinſe, den ſie gewaͤhren, und der Unternehmer bezieht daher
als Ertrag ſeiner auf die Unternehmung verwendeten Capitalien
nicht mehr und nicht weniger, als wenn er ſie vermiethet oder
auch nur die Gelegenheit dazu gehabt haͤtte.


b) Es kann aber auch nicht die beſondere Qualitaͤt des
erforderten Capitals, ſondern nur deſſen Umfang ſein, welcher
die Vermehrung der Unternehmer eines Geſchaͤfts beſchraͤnkt und
dadurch die Moͤglichkeit einer Rente gewaͤhrt. Auf den niedri-
geren Culturſtufen tritt dieß noch nicht hervor; die unentwickelte
Arbeitstheilung, die geringere Verbreitung feinerer Beduͤrfniſſe,
die Schwierigkeit des Abſatzes in die Ferne ſchraͤnken nicht nur
den Bedarf an Capital im Allgemeinen ein, ſondern bewirken
auch namentlich, daß nur kleinere Poſten geſucht werden. So-
bald ſich die Arbeitstheilung entwickelt, die Beduͤrfniſſe in immer
weiteren Kreiſen ſich verbreiten, der Verkehr ſich von laͤſtigen
Feſſeln befreit, werden die Unternehmungen auf immer inten-
ſiveren Betrieb, immer maſſenhaftere Production hingewieſen und
verlangen deshalb immer mehr und immer groͤßere Capitalien.
Die Zahl derer, welche uͤber ſo ausgedehnte Capitalkraͤfte zu
verfuͤgen vermoͤgen, bleibt dann leicht hinter der geſteigerten
Anfrage zuruͤck. Die Folge davon iſt entweder, daß gewiſſe
Producte nur in beſchraͤnkter Maße geliefert werden koͤnnen und
ſich dadurch uͤber dem Koſtenpreiſe halten, oder daß neben den
ausgedehnteſten und am billigſten producirenden Unternehmungen
noch kleinere, theurer producirende beſtehen, die mit ihren Koſten
den Preis des Productes normiren. In beiden Faͤllen werfen
die Unternehmungen, die mit den groͤßeren Capitalien wirth-
ſchaften, einen Ertrag ab, der die Auslagen des Unternehmers
9
[130] und den durch andere Urſachen beſtimmten Satz ſeines Unter-
nehmergewinns uͤberſteigt.


Wem fließt nun dieſer Ueberſchuß zu, den Beſitzern der
groͤßeren Capitalien oder den Unternehmern, die ſie verwenden?
Oder, wenn die Unternehmer ſelbſt die Beſitzer der Capitalien
ſind, erhalten ſie ihn als Unternehmer oder als Capitaliſten?
Iſt er als eine Erhoͤhung des Zinſes oder als ein Theil des
Unternehmergewinns aufzufaſſen?


Wir nehmen im Folgenden an, der Beſitzer des Capitals
ſei ein Anderer wie der Unternehmer. Die Folgerung fuͤr den
Fall, daß das Capital dem Unternehmer ſelbſt gehoͤrt, ergiebt
ſich von ſelbſt. Fließt in jenem Falle der Ueberſchuß dem Ca-
pitaliſten zu, ſo erhaͤlt ihn in dieſem der Unternehmer auch nur
in ſeiner Eigenſchaft als Capitaliſt. Empfaͤngt ihn aber dort
der Unternehmer, ſo bildet er auch hier einen wirklichen Be-
ſtandtheil des Unternehmergewinns.


Wir behaupten nun, daß es wirklich der Unternehmer iſt,
der jenen Ueberſchuß, jene Rente empfaͤngt. Zwar koͤnnte man
ſagen, fuͤr denjenigen, der ein groͤßeres Capital zu ſeiner Unter-
nehmung bedarf, ſei es offenbar ein Vortheil, daſſelbe aus
einer Hand zu empfangen, er werde die erſparte Muͤhe des
Zuſammenborgens gern mit einer kleinen Erhoͤhung des Zinſes
bezahlen, und zum Beweiſe hierfuͤr koͤnnte man ſich auf die Er-
fahrung berufen, daß in der That haͤufig ein etwas hoͤherer
Zins fuͤr groͤßere Summen bezahlt zu werden pflegt. Allein
dem Vortheile des Schuldners, nur einen Glaͤubiger zu haben,
ſteht die Annehmlichkeit gegenuͤber, die auch fuͤr dieſen darin
liegen muß, ſein Capital nicht da und dort zerſtreuen zu muͤſſen.
Jener hoͤhere Zins aber iſt meiſtens nur ein ſcheinbarer und
beruht darauf, daß ein Capital im Allgemeinen mehr Gefahr
laͤuft, wenn es in einem, als wenn es in verſchiedenen Poſten
[131] ausgeliehen iſt, daß folglich eine groͤßere Aſſecuranz bezahlt
werden muß. Im aͤußerſten Falle kann der Zins, den ein
Capitaliſt von ſeinem, an einen Unternehmer ausgeliehenen
Capital empfaͤngt, von demjenigen, den er bei einer Ausleihung
in kleineren Poſten empfangen wuͤrde, nur um ſo viel abweichen,
als der Empfaͤnger des Capitals die Annehmlichkeit ſchaͤtzt, es
aus einer einzigen Hand zu erhalten; jener Ueberſchuß aber
kann weit mehr betragen, denn er beruht auf ganz anderen
Urſachen. Der Capitaliſt, der ein großes Capital ausleiht,
empfaͤngt dafuͤr moͤglicher Weiſe verhaͤltnißmaͤßig etwas mehr
Zins als der kleine Capitaliſt, weil derjenige, der ein großes
Capital bedarf, weniger Muͤhe und Sorge hat, wenn er es
auf einmal erhalten kann, als wenn er es aus verſchiedenen
Quellen zuſammenbringen muß. Der Unternehmer dagegen, der
mit einem groͤßeren Capitale wirthſchaftet, zieht einen groͤßern
Ertrag aus ſeiner Unternehmung, weil die Zahl derjenigen, die
uͤber ein groͤßeres Capital verfuͤgen und deshalb die betreffenden
Producte uͤberhaupt oder mit den geringſten Koſten herſtellen
koͤnnen, im Verhaͤltniß zum Begehr nach den damit herzuſtellen-
den Producten eine beſchraͤnkte iſt.


Wenn wir nach den Urſachen dieſer Beſchraͤnkung fragen,
ſo ſcheint es, daß aͤußere Urſachen der letztern, d. h. ſolche
Umſtaͤnde, die einen Theil der Unternehmer trotz der ob-
jectiven Zulaͤſſigkeit des Großbetriebes und ihrer ſubjectiven
Befaͤhigung zu demſelben dennoch beim Kleinbetriebe feſt-
halten, als durchaus ausnahmsweiſe Erſcheinungen nicht wei-
ter in Betracht zu ziehen ſind. Dagegen ſind die innern
Gruͤnde der fraglichen Beſchraͤnkung doppelter Art. Die Dis-
poſitionsfaͤhigkeit uͤber ein fremdes Capital beruht naͤmlich ent-
weder auf eignem Vermoͤgensbeſitz oder auf perſoͤnlichen Eigen-
ſchaften. Wenn ich Jemanden ein Capital anvertrauen ſoll,
9 *
[132] ſo muß er mir entweder als ein wohlhabender oder als ein be-
ſonders faͤhiger und rechtſchaffener Mann bekannt ſein, ſo daß
ich einen Verluſt nicht zu fuͤrchten habe. Die Zahl der großen
Unternehmer beſchraͤnkt ſich alſo auf diejenigen, die eines oder
mehrere der erwaͤhnten Praͤdicate in ausgedehnterem Maße be-
ſitzen. Was die einzelnen Praͤdicate anlangt, ſo beruht bei
minder entwickelter Cultur die Dispoſitionsfaͤhigkeit uͤber fremdes
Capital, der Credit, vorzugsweiſe auf eignem Vermoͤgensbeſitz,
und zwar iſt bei mangelhaften Rechtsverhaͤltniſſen namentlich der
Immobiliarbeſitz wirkſam; nur Selbſtbeſitzer, insbeſondere Grund-
beſitzer bilden hier die Claſſe der groͤßeren Unternehmer. Je
mehr Reichthum und Cultur fortſchreitet, deſto leichter wird es
auch der Intelligenz und Rechtſchaffenheit, in die Schranken zu
treten und ſich Credit zu verſchaffen. Es iſt auf den hoͤheren
Culturſtufen verhaͤltnißmaͤßig mehr der perſoͤnliche Werth, welcher
den Credit begruͤndet, als der todte Reichthum, freilich nur ein
ausgezeichneter perſoͤnlicher Werth, weil mit dem Umfange der
Geſchaͤfte auch der Umfang des Credits ſich erhoͤhen muß. Wenn
z. B. auf einer niedrigeren Culturſtufe zur Betreibung eines
Geſchaͤftes die Verfuͤgung uͤber 500 Thaler gehoͤrte, ſo konnten
es faſt nur diejenigen, welche ein entſprechendes Vermoͤgen be-
ſaßen, unternehmen, denn auf perſoͤnliche Eigenſchaften wollte
Niemand gern borgen. Mit dem zunehmenden Reichthum wird
es demjenigen, der ſich nur durch eine tuͤchtige Perſoͤnlichkeit
auszeichnet, allerdings leichter, Capital zu borgen, allein zugleich
concentrirt ſich der Geſchaͤftsbetrieb. Wo ſonſt 500 Thaler hin-
reichten, da bedarf es jetzt vielleicht das Drei- und Vierfache, um
eine Unternehmung zu gruͤnden, und natuͤrlich wird man dem
entſprechend auch groͤßere perſoͤnliche Garantieen fordern. Mit
anderen Worten: fuͤr die Mittelmaͤßigkeit waͤchſt zwar die Moͤg-
lichkeit, Credit zu erhalten, aber in demſelben, wo nicht in
[133] ſtaͤrkerem Maße vermindert ſich die Fuͤglichkeit, ihn in der ge-
gebenen Beſchraͤnkung zu benutzen; nur die wirklich hervorragende
Perſoͤnlichkeit zieht aus der groͤßeren Leichtigkeit, Capital aufzu-
nehmen, Vortheil. Wenn bei minder entwickelter Cultur die
Zahl der groͤßeren Unternehmer trotz des in Ausſicht ſtehenden
hoͤheren Gewinns ſich nicht vermehrt, ſo beruht dieß auf der
geringen Zahl derjenigen, die im eigenen Vermoͤgensbeſitz eine
genuͤgende Dispoſitionsfaͤhigkeit haben; wenn das Gleiche unter
entwickelteren Culturverhaͤltniſſen geſchieht, ſo iſt es zum groͤßten
Theile eine Folge der Seltenheit ſolcher perſoͤnlicher Eigenſchaften,
die Credit in dem verlangten Umfange eroͤffnen. Dieſer Theil
der Rente der Unternehmer und mit ihr der hoͤhere Preis der
Producte faͤllt dort weg, wenn ſich die wohlhabenden Beſitzer,
hier, wenn ſich die faͤhigen Perſoͤnlichkeiten vermehren. Was
nun die Credit verleihenden perſoͤnlichen Eigenſchaften betrifft,
ſo iſt ſchon bemerkt, daß dieſelben weſentlich doppelter Art ſind,
naͤmlich Erwerbs- und Wirthſchaftsfaͤhigkeit und Rechtſchaffen-
heit; hier ſei nur noch auf Eines aufmerkſam gemacht. Man
koͤnnte glauben, bei hoͤherer Cultur muͤſſe die Bedeutung der
Rechtſchaffenheit fuͤr den Credit hinter der der Erwerbs- und
Wirthſchaftsfaͤhigkeit zuruͤcktreten, da die groͤßere Ausbildung des
Rechtes den Glaͤubiger vor Betruͤgereien ſicher ſtellen muͤſſe.
Dem iſt jedoch nicht ſo, und nirgends iſt die perſoͤnliche Soliditaͤt
wichtiger fuͤr den Credit, als auf den hoͤchſten Culturſtufen. Die
Urſache iſt wohl hauptſaͤchlich darin zu ſuchen, daß die groͤßere
Complication der Unternehmungen fuͤr nicht Sachverſtaͤndige eine
genaue Einſicht in dieſelben erſchwert und juriſtiſcher Vorſichts-
maßregeln ſpottet, ſowie darin, daß der geſteigerte Verkehr ein
immer coulanteres Verfahren erfordert.


Die Hoͤhe dieſes Theils der Unternehmerrente, die wir
Großunternehmerrente nennen koͤnnen, beſtimmt ſich einer-
[134] ſeits nach der Menge der Perſonen, welche uͤber Capitalien in
dem in Frage kommenden groͤßern Umfange zu disponiren ver-
moͤgen, andererſeits nach den Vortheilen, welche die Production
im Großen gewaͤhrt. In letzterer Beziehung fallen namentlich
die Zulaͤſſigkeit einer ausgedehnten Arbeitstheilung, die Moͤglich-
keit von Erſparniſſen am Productionsaufwand und einer umfang-
reicheren Anwendung großer ſtehender Capitalien — Punkte, die
vielfach wieder unter ſich zuſammenhaͤngen — und die groͤßere
Regelmaͤßigkeit des Ertrags der Production bei großartigerem
Betriebe ins Gewicht. Was ins Beſondere den zuletzt erwaͤhn-
ten Punkt betrifft, ſo erinnern wir an das, was oben uͤber die
Aſſecuranzgeſellſchaften geſagt worden iſt. Was bei kleinen Unter-
nehmungen wirkliche Gefahr iſt, wird bei großen nur ein mehr
oder minder unregelmaͤßiger Theil des Productionsaufwandes.
Große Unternehmungen finden in ihrer eignen Ausdehnung ihre
Aſſecuranz, ſie produciren daher um die betreffende Gefahr-
praͤmie, bezuͤglich die Koſten, welche die kleineren Unternehmer
dem Aſſecurateur zu zahlen genoͤthigt ſind, wohlfeiler und be-
ziehen demgemaͤß den concurrirenden kleinern Unternehmern gegen-
uͤber eine Rente. Der Fortſchritt der Cultur beguͤnſtigt im All-
gemeinen die Production im Großen, indem er die Arbeits-
theilung, die Verallgemeinerung der Beduͤrfniſſe und die Er-
weiterung des Abſatzgebietes foͤrdert, und wuͤrde ſich daher der
Entſtehung des Rententheils, von dem wir hier reden, foͤrder-
lich erweiſen, wenn er ihm nicht anderntheils durch die Ent-
wickelung, welche er dem Credit, namentlich durch deſſen Um-
wandlung aus Realcredit in Perſonalcredit zu Theil werden laͤßt,
und durch die Erleichterung des Aſſociationsweſens maͤchtig ent-
gegenarbeitete. Welche von dieſen beiden Tendenzen in Wirk-
lichkeit die Oberhand gewinnt, iſt im Allgemeinen nicht zu be-
ſtimmen. Je hoͤher die Grenze liegt, bis zu welcher die Pro-
[135] ductivitaͤt einer Unternehmung in ſtaͤrkerem Verhaͤltniſſe zunimmt,
als die Vermehrung ihres Betriebscapitals, je groͤßer dieſer
Unterſchied iſt, je unregelmaͤßiger die Natur der betreffenden
Production iſt, ſo daß ſie einen weniger umfangreichen Betrieb
mit großen Gefahren umgiebt, je hartnaͤckiger endlich die der
Erweiterung des Credits und des Aſſociationsweſens entgegen-
ſtehenden Hemmniſſe ſich zu behaupten wiſſen; deſto hoͤher kann
die Großunternehmerrente ſteigen, waͤhrend die entgegengeſetzten
Verhaͤltniſſe ihr Entſtehen verhindern oder auf ihre Abminderung
und allmaͤhliges Verſchwinden hinwirken. Im Allgemeinen wird
das Reſultat ſein, daß der Großbetrieb da, wo er am produc-
tivſten iſt, den Kleinbetrieb verdraͤngt, waͤhrend er dem letzteren
diejenigen Geſchaͤfte uͤberlaͤßt, wo ſeine, des Großbetriebs, Pro-
ductivitaͤt nur eine unbedeutend groͤßere iſt. Die Differenz zwiſchen
ſeiner Productivitaͤt und der des Kleinbetriebs in denjenigen
Geſchaͤften, wo beide unter den fuͤr den letztern am wenigſten
unguͤnſtigen Bedingungen noch neben einander beſtehen, wird
das Maß fuͤr die Großunternehmerrente abgeben 1).


[136]

C) Wie der Mangel an ſolchen Perſonen, welche die zu
einer Unternehmung erforderlichen Arbeitskraͤfte beſitzen, oder
an ſolchen, welche uͤber die noͤthigen Capitalien zu verfuͤgen ver-
moͤgen, die Urſache einer Unternehmerrente werden kann, ſo
kann die letztere auch daraus hervorgehen, daß es an Perſonen
mangelt, welche die hinreichend gegebenen Arbeits- und Capital-
kraͤfte zu einer Unternehmung zu vereinigen vermoͤgen: Unter-
nehmerrente im engeren Sinne
. So kann es z. B. vor-
kommen, daß die Zahl der Unternehmungen einer beſtimmten
Gattung ſich nicht vermehren laͤßt, weil diejenigen, welche in
der Lage ſind, uͤber die nothwendigen Capitalien zu verfuͤgen,
nicht diejenigen Kenntniſſe und Faͤhigkeiten beſitzen, welche unter
den gegebenen Verhaͤltniſſen von den Unternehmern unerlaͤßlich
verlangt werden. — Und noch haͤufiger bleibt wohl die Zahl
1)
[137] der Unternehmer eine beſchraͤnkte, weil diejenigen, die ihrer
perſoͤnlichen Qualification nach mit in die Schranken zu treten
geeignet waͤren, nicht im Stande ſind, uͤber die erforderlichen
Capitalien zu verfuͤgen.


Innere Gruͤnde, weshalb die zu einer Production zu ver-
einigenden Arbeits- und Capitalkraͤfte ſich fliehen ſollten, laſſen
ſich nicht wohl denken, da die Beſitzer der einen wie der andern
vielmehr das lebhafteſte Intereſſe haben, ſich gegenſeitig zu
ſuchen. Die Unternehmerrente im engeren Sinne wird daher
im Gegenſatze zu den bisher behandelten Renten weſentlich, ja
ausſchließlich auf aͤußeren Urſachen beruhen. Es iſt die Schwie-
rigkeit der Uebertragung von Capital- und Arbeitskraͤften, wel-
cher ſie ihre Entſtehung verdankt, und ſie ſchwindet in demſelben
Maße, als dieſe Schwierigkeit beſeitigt wird. Ihre hoͤchſtmoͤg-
liche Hoͤhe wuͤrde ſie in einem Zuſtande haben, wo gar kein
Verkehr mit Productivkraͤften ſtattfaͤnde, ſondern Jeder nur ſein
eignes Capital durch ſeine eigne Arbeit fruchtbringend zu machen
ſuchte. Je nachdem der Zufall die fuͤr eine Production erfor-
derlichen Kraͤfte ſeltener oder haͤufiger in einer Hand vereinigte,
wuͤrde ſie auf und nieder ſchwanken, und unter Umſtaͤnden
koͤnnte ſie nur an dem Grade des Nutzwerths der zu liefernden
Producte eine Grenze finden. Indeſſen wuͤrde ſelbſt hier eine
Gegenwirkung nicht ausbleiben, indem eine außerordentliche
Hoͤhe der Unternehmerrente i. e. S. einerſeits die zu der be-
treffenden Production perſoͤnlich Befaͤhigten zur Anſammlung der
noͤthigen Capitalien anſpornen, andererſeits diejenigen, die ihrem
Vermoͤgen nach unternehmungsfaͤhig waͤren, wenigſtens in der
heranwachſenden Generation veranlaſſen wuͤrde, ſich auch die
erforderlichen perſoͤnlichen Eigenſchaften zu erwerben. Das haupt-
ſaͤchlichſte Hinderniß findet ein Steigen der Unternehmerrente
i. e. S. jedoch darin, daß mit der fortſchreitenden Entwickelung
[138] die Productivkraͤfte mehr und mehr zu einem Gegenſtande des
Verkehrs werden, ſo daß, wer die eine Gattung der zu einer
Unternehmung erforderlichen Kraͤfte beſitzt, die Gelegenheit erhaͤlt,
ſich auch uͤber die außerdem nothwendigen Kraͤfte, die ſich im
Beſitz Dritter befinden, die Verfuͤgung zu verſchaffen, und zwar
iſt es im Allgemeinen zunaͤchſt das Capital, welches fremde Ar-
beit, erſt ſpaͤter die Arbeit, welche fremdes Capital in Dienſt
nimmt. Je mehr ein Volk vorwaͤrts ſchreitet, deſto leichter ſind
in der Regel Arbeitskraͤfte jeder Art um Lohn zu haben, und
deſto weniger Schwierigkeiten finden andererſeits, wie wir im
vorigen Abſchnitte geſehen haben, perſoͤnliche Faͤhigkeiten, ſich Cre-
dit zu verſchaffen, deſto mehr ſchwinden alſo die Urſachen der
Unternehmerrente i. e. S. und damit dieſe ſelbſt. Iſt auch nicht
zu uͤberſehen, daß die zunehmende Concentration und aus-
gebildetere innere Gliederung der Unternehmungen das Zuſam-
menbringen der noͤthigen Productionsfactoren zu einem immer
ſchwierigeren Geſchaͤfte macht, ſo bezieht ſich das nur auf die
damit verbundene Arbeit, nicht auf die Schwierigkeit der Ver-
einigung in einer Hand an ſich. Die Production iſt ſchwerer
in Gang zu bringen, weil mehr Elemente und in kuͤnſtlicherer
Weiſe zu vereinigen, nicht weil dieſe Elemente ſchwerer aufzu-
finden und zu gewinnen ſind. Aus dieſem Grunde kann wohl
der Lohn des Unternehmers, bezuͤglich der Unternehmerlohn,
ſteigen, nicht aber die Unternehmerrente i. e. S. Auf den hoͤhern
Culturſtufen kann man dieſe in der That wohl als vollſtaͤndig
verſchwunden anſehen, denn es wird hier kaum je der Fall vor-
kommen, daß Unternehmungen mehr als den Normalertrag ab-
werfen, weil die Concurrenz aus dem Grunde eine beſchraͤnkte
iſt, daß die zu der betreffenden Production erforderlichen Mittel
Schwierigkeiten finden, ſich zu vereinigen 1).


[139]

Daß eine ſolche Unternehmerrente, wo ſie wirklich auftritt,
ein Beſtandtheil des Unternehmergewinns iſt, geht daraus her-
vor, daß ſie unter allen Umſtaͤnden immer nur dem Unternehmer
zu Gute gehen kann. Welches auch die Urſache ſein mag, welche
Jemand zur Vereinigung beſtimmter Productionselemente be-
faͤhigt, Beſitz oder perſoͤnliche Eigenſchaften, die Rente wird ihm
erſt dann zu Theil, wenn er durch die thatſaͤchliche Vereinigung
dieſer Elemente zum Umternehmer geworden iſt, und kein Stell-
vertreter kann ſie beziehen. Uebrigens muß man ſich huͤten, die
Unternehmerrente i. e. S. zu verwechſeln einerſeits mit der Ent-
ſchaͤdigung fuͤr die Arbeit, die verſchiedenen Elemente einer Pro-
duction zuſammen zu bringen und zuſammen zu halten, anderer-
ſeits mit der Rente, welche einzelne Productionselemente wegen
ihrer Seltenheit beziehen. Jener Lohn und dieſe Rente koͤnnen
unter den Unternehmergewinn fallen, inſofern die fragliche Ar-
beit nur vom Unternehmer geleiſtet, die betreffenden Produc-
tionselemente nur von ihm ausgenutzt werden koͤnnen, aber ſie
muͤſſen es nicht nothwendig. Die Unternehmerrente i. e. S.
dagegen gehoͤrt immer zum Unternehmergewinn, denn ſie iſt die
Praͤmie, welche denjenigen, die gewiſſe Productionselemente auf
ihre Gefahr zu einer Production vereinigen, die alſo wirklich
Unternehmer werden, wegen der Seltenheit eines ſolchen Be-
ginnens zu Theil wird.


1)


[140]

Blicken wir auf das uͤber die Unternehmerrente i. w. S.
Geſagte zuruͤck, ſo zeigt ſich zunaͤchſt, daß dieſelbe auch da, wo
ſie noch Beſtandtheile enthaͤlt, die ſpaͤter entweder ganz ver-
ſchwinden oder doch nicht mehr unter den Unternehmergewinn
fallen, dennoch niemals als die Urſache einer Erhoͤhung der Preiſe
der Producte betrachtet werden kann, aus denen ſie gezogen
wird. Allerdings kann eine Unternehmerrente, ganz ebenſo wie
alle uͤbrigen Renten, nur da entſtehen, wo ſich der Preis der
betreffenden Producte uͤber deren Koſtenſatze behauptet, allein
der Umſtand, daß dieß der Fall iſt, iſt ebenſowenig die Folge
der Unternehmerrente, wie jeder andern Rente, vielmehr beruht
derſelbe hier wie dort auf einem Seltenheitsverhaͤltniß gewiſſer
Productionsfactoren, nur daß von dieſem Verhaͤltniſſe dort die
Inhaber des betreffenden Productionsfactors, moͤgen ſie Unter-
nehmer ſein oder nicht, hier nur die Unternehmer den Vortheil
ziehen. Daß die Unternehmer es ſind, zu deren Gunſten ein
ſolches Seltenheitsverhaͤltniß hervortritt, aͤndert im Allgemeinen
an deſſen Bedeutung und Wirkung unmittelbar nichts und
wirkt deshalb auch nicht auf die Preiſe ein, wie dieſe denn
durch den Uebergang mancher Renten aus dem Unternehmer-
gewinn in Miethrenten nicht alterirt zu werden pflegen.


Aber noch mehr. Nicht nur daß die Unternehmerrente
eine Vertheuerung der betreffenden Producte nicht herbeifuͤhrt,
faͤllt ſie auf den hoͤhern Culturſtufen nicht einmal mehr mit
einer ſolchen zuſammen, ſondern deutet dort vielmehr haͤufig auf
ein bevorſtehendes Herabgehen der Preiſe hin. Die Unter-
nehmerrente erfaͤhrt naͤmlich bei fortſchreitender Entwickelung in
doppelter Weiſe eine Beſchraͤnkung. Zunaͤchſt geſchieht dieß
dadurch, daß die aͤußeren Urſachen, welche die Vermehrung der
Productionsfactoren hindern, mehr und mehr verſchwinden und
eine immer oͤkonomiſchere Vertheilung der vorhandenen Productiv-
[141] kraͤfte eintritt. Laͤßt ſich auch daruͤber, wie langſam, oder wie
ſchnell dieß geſchieht, welche Ausnahmen beſtehen bleiben und
welche Wirkungen damit verknuͤpft ſind, keine allgemeine
Regel aufſtellen, da die Individualitaͤt des Volkes, die Hoͤhe
ſeiner intellectuellen und moraliſchen Bildung, der Grad ſeiner
politiſchen Freiheit, die Richtung, Art und Manichfaltigkeit ſeiner
Beziehungen zum Auslande u. ſ. w. hier die manichfachſten Unter-
ſchiede begruͤnden werden, ſo darf man doch die erwaͤhnte Er-
ſcheinung im Allgemeinen als eine Wirkung der natuͤrlichen Ent-
wickelung bezeichnen. Dadurch aber werden die Renten uͤber-
haupt und die Unternehmerrente ins Beſondere immer aus-
ſchließlicher auf Faͤlle einer natuͤrlichen Beſchraͤnktheit der Pro-
ductionsfactoren zuruͤckgefuͤhrt. Dieß trifft mehr oder weniger
alle einzelnen Beſtandtheile, die wir in der Unternehmerrente
unterſchieden haben, beſonders aber die Unternehmerrente im
engeren Sinne, die dadurch allmaͤhlig ganz verſchwindet. Ferner
vermindert ſich die Unternehmerrente (i. w. S.) dadurch, daß
die fortſchreitende Ausbildung des Lohn- und Creditweſens nach
und nach die Zinsrenten ganz und die Lohnrenten zum bei wei-
tem groͤßten Theile, naͤmlich ſoweit aus dem Unternehmergewinn
ausſcheidet, daß unter den letzteren nur noch diejenigen Lohn-
renten fallen, die ſich auf die Seltenheit ſolcher Faͤhigkeiten be-
ziehen, welche erſt durch das Unternehmerintereſſe geweckt oder
vollſtaͤndig ausgebildet werden. So beſchraͤnkt ſich die Unter-
nehmerrente mehr und mehr auf die Unternehmerlohnrente in
der angegebenen Begrenzung einerſeits, andererſeits auf die
Großunternehmerrente und zwar auf beide inſoweit als die maß-
gebenden Qualificationen thatſaͤchlich nur in einer hinter der
Nachfrage zuruͤckbleibenden Menge vorhanden ſind. Nun beruht
aber die Unternehmerlohnrente in der gedachten Begrenzung dar-
auf, daß einzelne Unternehmer vermoͤge der Ausdehnung, welche
[142] das Unternehmerintereſſe ihren productiven Faͤhigkeiten giebt,
billiger produciren lernen, als dieß bisher moͤglich war, und
ein ganz aͤhnlicher Fall iſt es mit der Großunternehmerrente,
die auch nur da entſteht, wo ſich einem Theile der Unternehmer
durch Ausdehnung ihres Betriebes die Moͤglichkeit billigerer
Production eroͤffnet. Beide treten daher keineswegs erſt bei
ſteigenden Productenpreiſen ein, vielmehr werden ſie, nament-
lich die erſtere, haͤufig erſt dadurch hervorgerufen, daß die Be-
draͤngniß des Geſchaͤfts die Unternehmer noͤthigt, auf alle Mittel
der Verbeſſerung der Production zu ſinnen. Der Theil der
Unternehmer, welcher ſich auf dieſe Weiſe eine Rente verdient,
ſpornt nun die uͤbrigen zu aͤhnlichen Anſtrengungen an, und
das vermehrte Angebot, welches dadurch entſteht, fuͤhrt natur-
gemaͤß eine Verminderung der Preiſe herbei.


Hierin liegt die Kritik fuͤr alle diejenigen Vorſchlaͤge,
welche in der Abſicht, ſei es die Productenpreiſe zu vermindern,
ſei es den Antheil der uͤbrigen Productionsfactoren, namentlich
der Arbeit zu vergroͤßern, darauf gerichtet ſind, den Unter-
nehmergewinn kuͤnſtlich zu beſchraͤnken oder wohl ſelbſt den
unternehmungsweiſen Geſchaͤftsbetrieb uͤberhaupt zu beſeitigen.
Bei allen dieſen Vorſchlaͤgen iſt es die ſtillſchweigende oder aus-
geſprochene Vorausſetzung, daß die Unternehmer die Preiſe der
Guͤter, die ſie produciren, auf einer Hoͤhe halten, die ihnen
neben der den Umſtaͤnden entſprechenden Entſchaͤdigung fuͤr die
gelaufne Gefahr und fuͤr die in die Unternehmung verwandten
Capitalnutzungen und Arbeitsleiſtungen noch ein weiteres Ein-
kommen, alſo eine Rente abwirft, auf die ſie eigentlich keinen
Anſpruch haben und die ſie alſo gewiſſermaßen aus der Taſche
ihrer Productionsgehuͤlfen oder der Ausnutzer ziehen. Dieſe
Vorausſetzung hat aber mit der Benachtheiligung der Produc-
tionsgehuͤlfen nicht das Mindeſte zu ſchaffen. Ein Druck des
[143] Lohnes oder Zinſes in einzelnen Erwerbszweigen kann nur eine
Folge der Schwierigkeit oder Unmoͤglichkeit ſein, die betreffenden
Arbeitskraͤfte oder Capitalien anderwaͤrts zu uͤbertragen, eine
Schwierigkeit oder Unmoͤglichkeit, welche hervorzurufen nicht in
der Hand der Unternehmer liegt und von der ſie auch ſo lange
keinen Vortheil ziehen, als ihre eigne Concurrenz nicht begrenzt
iſt. Alle Maßregeln, welche gegen die Unternehmerrente ge-
richtet ſind, werden daher den Arbeitern oder den Capitaliſten
nichts helfen, ſo lange ihnen nicht die Moͤglichkeit oder Erleich-
terung der Uebertragbarkeit ihrer Productivkraͤfte gegeben iſt,
und iſt ihnen dieſe gegeben, ſo ſind ſie fuͤr ſie uͤberfluͤſſig. Vom
Standpunkte des Schutzes der Arbeiter oder Capitaliſten ſind
mithin derartige Maßregeln durchaus nicht zu rechtfertigen. Was
aber ein Einſchreiten gegen die Unternehmerrente im Intereſſe
der Conſumenten, alſo zur Erzielung wohlfeilerer Preiſe anbe-
langt, ſo iſt daran zu erinnern, daß jene obige Vorausſetzung
nur da gerechtfertigt erſcheint, wo eine hinreichende Concurrenz
der Unternehmungen verhindert iſt. So weit dieſer Uebelſtand
zu beſeitigen iſt, ſtrebt ſchon die natuͤrliche Entwickelung dieß
nach und nach in der gerechteſten und erfolgreichſten Weiſe zu
thun. Wo dennoch eine augenblickliche Abhuͤlfe noͤthig erſcheint,
muß ſie wenigſtens mit der vorſichtigſten Beſchraͤnkung angewandt
werden, damit das in der natuͤrlichen Lebenskraft eines Volkes
liegende Streben, die Hinderniſſe und Begrenzungen einer erwei-
terten Production hinwegzuraͤumen, nicht beeintraͤchtigt oder
wohl gar erſtickt und dadurch eine voruͤbergehende Unvollkommen-
heit in ein dauerndes Uebel verwandelt werde. Es ſollte daher
in einem ſolchen Falle hoͤchſtens von einer und zwar immer nur
proviſoriſchen Beſchraͤnkung des Unternehmergewinns, nicht aber
von einer Beſchraͤnkung des unternehmungsweiſen Betriebes die
Rede ſein. Inſofern dagegen eine entſprechende Concurrenz der
[144] Unternehmer durch die natuͤrlichen Verhaͤltniſſe dauernd aus-
geſchloſſen iſt, wird zu unterſcheiden ſein, ob ſich dieſe Beſchraͤn-
kung auf die perſoͤnliche Befaͤhigung der Unternehmer oder auf
eine eigenthuͤmliche Geſtaltung der aͤußern Umſtaͤnde ſtuͤtzt. Eine
auf außerordentlicher perſoͤnlicher Befaͤhigung beruhende Unter-
nehmerrente beſchraͤnken zu wollen, waͤre nicht allein ungerecht,
ſondern auch unpractiſch und erfolglos, indem dadurch die be-
treffenden Producte um nichts wohlfeiler, ſondern die Unter-
nehmer nur von groͤßerer Anſtrengung abwendig gemacht werden
wuͤrden. Es bleibt mithin nur der Fall uͤbrig, wo die natuͤr-
lichen Verhaͤltniſſe gewiſſen Unternehmungen ein dauerndes Mo-
nopol gewaͤhren, auf welchen jene Vorſchlaͤge Anwendung finden
koͤnnen. Ob ein ſolcher Fall wirklich vorhanden, will mit großer
Vorſicht beurtheilt ſein, und faͤllt die Entſcheidung bejahend aus,
ſo ſind von den zur Wahrung des oͤffentlichen Intereſſes dienen-
den Maßregeln immer diejenigen vorzuziehen, welche der Wirk-
ſamkeit der Unternehmer, von der eine billige Production zumeiſt
abhaͤngt, am wenigſten hinderlich ſind, mildere Beſchraͤnkungen
alſo, ſo lange ſie irgend ausreichen, vor ſchaͤrferen 1), und nur
im aͤußerſten Nothfall iſt es zu rechtfertigen, wenn das be-
treffende Geſchaͤft dem unternehmungsweiſen Betriebe ganz ent-
zogen wird.


Der Unternehmerrente ſteht diejenige Verminderung des
Ertrags der Unternehmungen gegenuͤber, die dann eintritt, wenn
[145] ſich, trotz einer Verminderung der Nachfrage nach den Pro-
ducten der Unternehmungen, die letzteren dennoch ihrer Zahl
oder Ausdehnung nach nicht beſchraͤnken laſſen und die wir dem-
nach als Unternehmeruͤberfuͤllungseinbuße, kuͤrzer
Unternehmereinbuße bezeichnen koͤnnen. Dieſelbe bildet
genau die Kehrſeite der Unternehmerrente, und dieſer Gegenſatz
laͤßt ſich in allen einzelnen Beziehungen verfolgen. Wie die
Rente ſowohl auf aͤußern als auf innern Gruͤnden beruhen kann,
ſo auch die Ueberfuͤllungseinbuße; d. h. die anderweite Verwen-
dung ſolcher Productionselemente, die in einem beſtimmten Ge-
ſchaͤftszweige nicht mehr eine der allgemeinen Lage entſprechende
Entſchaͤdigung finden, kann ſowohl in Folge aͤußerer Verhaͤltniſſe,
als ihrer eignen innern Natur nach, unthunlich ſein. Und
wie die Rente nur den ſeltenen Elementen einer Production zu
Theil wird, ſo faͤllt die Ueberfuͤllungseinbuße nur auf die uͤber-
ſchuͤſſigen, waͤhrend die uͤbrigen Productionselemente ihre nor-
male Entſchaͤdigung beibehalten. Dieſelben Grundſaͤtze, nach
denen wir die einzelnen Beſtandtheile der Unternehmerrente unter-
ſchieden haben, laſſen ſich deßhalb auch auf die Unternehmer-
einbuße anwenden.


Demnach kann die letztere zunaͤchſt ſein Unternehmer-
lohneinbuße
, wenn naͤmlich nur auf eigne Rechnung anzu-
wendende Arbeitsfaͤhigkeiten fuͤr ihre Leiſtungen nicht mehr eine
Entſchaͤdigung erhalten, wie ſie nach deren Schwierigkeit oder
Unannehmlichkeit im Vergleiche mit andern Leiſtungen zu erwar-
ten waͤre. Was bei der Unternehmerlohnrente uͤber die in Folge
der natuͤrlichen Entwickelung der Voͤlker ſich ergebende Veraͤn-
derung der Grenzen, innerhalb deren Arbeitsfaͤhigkeiten nur auf
eigne Rechnung der Inhaber zur Geltung gebracht werden koͤn-
nen, geſagt worden iſt, gilt natuͤrlich auch hier und bezeichnet
den Wechſel, in welchem die Lohneinbuße bald in groͤßerem, bald
10
[146] in geringerem Umfange, bald gar nicht vom Unternehmergewinn
in Abzug zu bringen iſt. Und ebenſo wie dort der Uebergang
von Unternehmerlohnrente in Miethlohnrente im Allgemeinen als
ohne unmittelbaren Einfluß auf die Hoͤhe der Rente hat bezeich-
net werden koͤnnen, ſo zeigt es ſich auch hier fuͤr den Betrag
der Lohneinbuße im Ganzen gleichguͤltig, ob ſie am Miethlohn
oder am Unternehmerlohn erlitten wird, da dieß in Bezug auf
das Angebot der betreffenden Faͤhigkeiten keinen Unterſchied be-
gruͤndet. Nur inſofern die Unternehmerlohneinbuße nicht ſo klar
zu Tage tritt, als die Miethlohneinbuße, mag die Menge der
disponibeln Unternehmerleiſtungen mitunter wohl langſamer auf
ihr natuͤrliches Niveau zuruͤckgehn, als die der Miethleiſtungen.
Doch iſt der Unterſchied hier jedenfalls geringer als bei der
Lohnrente, da die Unternehmer kein Intereſſe dabei haben, ihre
Einbuße zu verheimlichen.


Die Lohneinbuße im Allgemeinen hat inſofern eine weit
beſchraͤnktere Bedeutung, wie die Lohnrente, als ſie, waͤhrend
der Steigerung der letzteren kein abſolutes Ziel geſetzt iſt, nie-
mals weiter gehen kann, als bis zu einem Punkte, wo immer
noch ein Lohn beſteht, der zwar im Verhaͤltniß zu andern Loͤhnen
unvortheilhaft ſein mag, aber doch immer noch eine Entſchaͤdigung
fuͤr die Anwendung der Arbeitskraft bildet. Je weniger eine
Arbeitsfaͤhigkeit Freiheit beſitzt, ſich zu bethaͤtigen, einen je ſpe-
cielleren Charakter ſie hat, je ſchwankender und zufaͤlliger das
Beduͤrfniß iſt, dem ſie dient, und je weniger ihr Inhaber ſich in
der Lage befindet, ſie ruhen zu laſſen, deſto eher wird eine
Lohneinbuße eintreten. Deßhalb vermindert ſich dieſelbe mit der
allmaͤligen Entfeſſelung der Verkehrsverhaͤltniſſe, den Fortſchritten
einer allſeitigen Bildung, der Verallgemeinerung und Con-
ſolidirung der Beduͤrfniſſe und der Vermehrung des Wohlſtandes,
kurz mit der allgemeinen Culturentwickelung, die alle dieſe Er-
[147] ſcheinungen hervorzurufen pflegt, und wenn ſie andererſeits frei-
lich durch die mit der Vermehrung der Arbeitstheilung verbun-
denen groͤßern Einſeitigkeit der Ausbildung der Faͤhigkeiten ge-
foͤrdert wird, ſo geſchieht dieß doch im Allgemeinen nur voruͤber-
gehend und vermag die entgegengeſetzten Einfluͤſſe kaum aufzu-
wiegen. Als negativer Beſtandtheil des Unternehmergewinns,
als Unternehmerlohnuͤberfuͤllungseinbuße, wie wir ſie hier einzig
zu betrachten haben, kommt die Lohneinbuße auf den hoͤhern
Culturſtufen wegen der mehr und mehr ſich ausbreitenden Ver-
miethbarkeit der Arbeitsfaͤhigkeiten immer weniger in Betracht 1).
Doch pflegt ſie auch bei entwickeltem Verkehr in Bezug auf die
ſelbſt hier noch nur durch die Unternehmer ſelbſt zu verwerthenden
Erwerbsfaͤhigkeiten ſich wenigſtens in einer Form geltend zu
machen. Dieſe Faͤhigkeiten ſind naͤmlich haͤufig das Reſultat
muͤhſam errungener und koſtſpieliger Erfahrungen und duͤrften
aus dieſem Grunde auf einen hohen Lohn Anſpruch machen.
Nichtsdeſtoweniger erhalten ſie ihn nur ſelten, weil die Con-
currenz des nachwachſenden Geſchlechts, das, auf den Schultern
ſeiner Vorgaͤnger ſtehend, ſich dieſe Erfahrungen ohne Muͤhe
und Koſten aneignet, dieß nicht geſtattet.


Im Gegenſatz zur Zinsrente ſteht die Zinseinbuße,
die dann entſteht, wenn die Nutzungen, welche ein Capital
ſeiner concreten Natur nach gewaͤhren kann, im Preiſe ſinken,
ſei es weil ſie uͤberhaupt weniger begehrt werden, ſei es weil
ſie anderweit billiger beſchafft werden koͤnnen. Ihre Grenze hat
ſie da, wo der uͤbrig gelaſſene Zins die Erhaltung des Capitals
10 *
[148] nicht mehr lohnt. Sind die Capitalien der betreffenden Art
leicht vergaͤnglich, ſo wird ſich ihre Menge bald vermindern und
dadurch, inſofern ſie nicht eben durch einen billigern Erſatz ganz
verdraͤngt zu werden beſtimmt ſind, wieder in Verhaͤltniß zum
Begehr ſetzen; erhalten ſie ſich dagegen fort, ſo muß ihr Werth
im Verhaͤltniß zur Verminderung des Zinsertrags abnehmen.
Der Gefahr, eine Zinseinbuße zu erleiden, ſind Capitalien um
ſo mehr ausgeſetzt, einerſeits je geringer die Zahl der Beduͤrf-
niſſe iſt, denen ſie zu dienen vermoͤgen, und je weniger ver-
breitet und je wandelbarer dieſe Beduͤrfniſſe ſind; andererſeits,
wenn ſie dringenden und in weiten Kreiſen empfundenen Be-
duͤrfniſſen abhelfen, je zufaͤlliger ihre Entſtehung und je unwirth-
ſchaftlicher und mangelhafter die Art iſt, in welcher ſie die be-
treffenden Beduͤrfniſſe befriedigen; denn um ſo energiſcher wird
im letztern Falle das Beſtreben ſein, einen wohlfeileren oder
ausgiebigeren Erſatz fuͤr ſie zu finden, und um ſo mehr wird es
Ausſicht auf Erfolg haben. Am ſicherſten verhaͤltnißmaͤßig ſind
ſolche Capitalien, die uͤberwiegend das Erzeugniß einer rationell
geleiteten Arbeit ſind und die ſelbſt in rationeller Weiſe zur
Erzeugung von Producten mitwirken, welche ein allgemein ver-
breitetes und tiefwurzelndes, aber nicht uͤbermaͤßig dringliches
Beduͤrfniß befriedigen. Der allgemeine Fortſchritt befoͤrdert die
Zinseinbuße durch die Vermehrung des ſtehenden Capitals und
durch den Charakter der Specialiſirung, welchen er der Guͤter-
welt uͤberhaupt verleiht, in Verbindung mit der Regſamkeit, die
er in die Beſtrebungen nach techniſchen Verbeſſerungen aller Art
bringt; er tritt ihr aber entgegen dadurch, daß er die Beduͤrf-
niſſe verallgemeinert und ſtetiger macht, ſowie indem er ihrer
Befriedigung eine immer rationellere Grundlage giebt. Perioden
eines ploͤtzlichen Aufſchwungs der Volkswirthſchaft aus Traͤgheit
und Schlendrian zu einem wiſſenſchaftlich begruͤndeten Betrieb
[149] pflegen daher in Folge ſich raſch folgender Erfindungen den Ab-
wurf vieler Capitalien zu beeintraͤchtigen 1); je weiter ſich aber
der Fortſchritt entwickelt und befeſtigt, deſto zuverlaͤſſiger wird
der Ertrag auch der ſtehenden Capitalien und deſto mehr verliert
die Zinseinbuße im Ganzen an Boden. Den Unternehmergewinn
trifft die letztere als Unternehmerzinseinbuße nur inſofern,
als das betreffende Capital einzig durch deſſen Herrn ſelbſt zu
verwenden war, alſo bei einem allſeitig entwickelten Verkehr
immer weniger. Wie ihr Gegenſatz, die Unternehmerzinsrente,
ſo hat auch die Unternehmerzinseinbuße die Neigung, allmaͤlig
ganz aus dem Unternehmergewinn zu verſchwinden 2). Auf ihren
Betrag iſt uͤbrigens dieſe Verwandlung ebenſowenig von un-
mittelbarem Einfluſſe, wie die entſprechende Verwandlung der
Zinsrente, und aus dem naͤmlichen Grunde.


Die Großunternehmerrente findet in der Unternehmerein-
buße kein Analogon. Wenn in einem Geſchaͤftszweig die klei-
nern Unternehmer ſo theuer produciren, daß der Preis der Pro-
ducte, der durch die Concurrenz wohlfeiler producirender Groß-
unternehmungen gedruͤckt iſt, ihnen nicht mehr die nach Maßgabe der
aufgewandten Capitalnutzungen und Arbeitsleiſtungen zu erwar-
tende Entſchaͤdigung gewaͤhrt, und die Zahl der kleinen Unter-
[150] nehmer dennoch nicht abnimmt, ſo kann der Grund nur darin
liegen, daß ſie entweder ihre Arbeitsfaͤhigkeit oder ihre Capi-
talien in der concreten Geſtalt, die ſie einmal haben, anderweit
nicht angemeſſen zu verwerthen wiſſen. Die Einbuße iſt alſo
nicht das Reſultat ihrer beſchraͤnkten Dispoſitionsfaͤhigkeit, ſon-
dern faͤllt unter einen der ſchon behandelten Faͤlle, iſt Unter-
nehmerlohn- oder Unternehmerzinseinbuße. Das Analogon zur
Großunternehmerrente iſt wo anders zu ſuchen. Es iſt naͤmlich
richtig, daß Capitalbetraͤge von einem ſehr beſchraͤnkten Umfange
ein geringeres Feld ihrer Verwendung haben, als groͤßere
Capitalbetraͤge. Die Folge iſt, daß ihr Zins von dem Zinſe
groͤßerer Capitalien um den Betrag der Koſten abweicht, welche
ihre Zuſammenlegung und die Vertheilung des Zinſes verurſacht,
wovon uns der Zins der in den Sparkaſſen niedergelegten Ca-
pitalien ein Beiſpiel gewaͤhrt. Hier iſt demnach allerdings eine
Einbuße, aber ſie trifft lediglich die Beſitzer der betreffenden
Capitalien ohne Ruͤckſicht darauf, ob ſie dieſelben auf eigene
Rechnung verwenden oder nicht; mit dem Unternehmergewinn
hat ſie nichts zu ſchaffen.


Dagegen hat der Theil der Unternehmerrente, welcher aus
der Beſchraͤnktheit der Faͤhigkeit, die zu einer Unternehmung
erforderlichen Productionselemente zu vereinigen, hervorgeht, ſei-
nen Gegenſatz in der Einbuße, die ſich daraus ergiebt, daß ein
Unternehmer die zu Stande gebrachte Vereinigung der bei ſeiner
Unternehmung mitwirkenden Productionselemente nicht ſo bald
wieder aufzuheben vermag, als eine Verminderung des Ertrags
eine Beſchraͤnkung oder Aufhebung der Unternehmung erheiſchen
wuͤrde. Auf den hoͤheren Culturſtufen ſcheinen die Hinderniſſe,
die dem entgegenſtehen, im Allgemeinen groͤßer zu ſein, als auf
den niedern. Denn iſt nicht die intenſivere Landwirthſchaft von
laͤngeren Pachtzeiten begleitet? Noͤthigt nicht der fabrikmaͤßige Be-
[151] trieb der Gewerbe zu vielfachen, weithin ſich erſtreckenden Capital-
fixirungen? Bedingt nicht uͤberhaupt die raͤumliche, materielle
Ausdehnung der Unternehmungen auch deren zeitliche? Die
groͤßere Vorausſicht und wiſſenſchaftlichere Einſicht bei ihrer
Gruͤndung auch die Berechnung auf eine laͤngere Wirkſamkeit?
So findet ſich der Unternehmer auf den hoͤhern Culturſtufen
vielfach auf laͤngere Zeit an ſeine Unternehmung gebunden, wie
auf den niedern, und die Ausgleichung wird deshalb nicht ſo
ſchnell erfolgen koͤnnen. Gleichwohl iſt kaum anzunehmen, daß
die Minderung des Unternehmergewinns, die hieraus entſteht,
in ihrem Geſammtbetrage bei vorgeſchrittener oͤkonomiſcher Ent-
wickelung verhaͤltnißmaͤßig groͤßer ſein werde, als bei noch ge-
ringerer Entfaltung dieſer letzteren, einerſeits weil die freiere
Bewegung und der ſchaͤrfere Einblick in die bei dem Betriebe
einer Unternehmung offene Chancen des Gewinnes und Ver-
luſtes einer allzu großen Ueberfuͤllung der Unternehmer in einem
Geſchaͤftszweige von vorn herein verhuͤtend entgegenwirkt, an-
dererſeits weil eine Veraͤnderung der Beduͤrfniſſe oder die Moͤg-
lichkeit, ſie anderweit billiger und beſſer zu befriedigen, ſich hier
in der Regel erſt ſehr allmaͤlig zur Geltung bringen wird 1).
Wenn wirklich eine Ueberfuͤllung eingetreten iſt, ſo beſeitigt ſie
ſich bei ausgebildeten Wirthſchaftsverhaͤltniſſen allerdings lang-
ſamer, aber ſie tritt ſeltener ein. Wie von der entgegengeſetzten
Rentenart, ſo laͤßt ſich daher auch von dieſer Art der Ueber-
fuͤllungseinbuße im Allgemeinen behaupten, ſie nehme mit der
fortſchreitenden Cultur an Bedeutung ab.


Betrachten wir die Unternehmeruͤberfuͤllungseinbuße im
[152] Ganzen, ſo hat ſie, weil ſie nicht allein durch die Moͤglichkeit,
die betreffenden Productionselemente anderweit zu verwenden,
ſondern auch durch diejenige, letztere uͤberhaupt ruhen zu laſſen,
beſchraͤnkt wird, ein weit enger begrenztes Feld, als die Unter-
nehmerrente. Mit dieſer gemein hat ſie, daß ſie auf den hoͤhern
Culturſtufen und namentlich, einen je ſtabileren Charakter dieſe
angenommen haben, mehr und mehr zuruͤcktritt, nicht nur, weil
von den moͤglichen Einbußen ein immer geringerer Theil auf
die Unternehmer als ſolche faͤllt, ſondern auch, weil dieſe Ein-
bußen ſelbſt immer geringer werden muͤſſen. Dieß iſt eine na-
tuͤrliche Folge der fortgeſchrittenen Entwickelung des wirthſchaft-
lichen Organismus, ſowie des Zuruͤcktretens aller aͤußeren Ein-
fluͤſſe, welche eine Ueberfuͤllung einzelner Geſchaͤftszweige be-
wirken. Was namentlich den letztern Punkt anbetrifft, ſo kom-
men geſetzliche Beſtimmungen hier weniger in Betracht, da es
ſich auch in den unfreieſten Zuſtaͤnden als nicht wohl thunlich
erweiſt, Jemand geſetzlich zu zwingen, eine Unternehmung zu
begruͤnden und fortzuſetzen, bei der er ſeine Rechnung nicht zu
finden vermag. Dagegen zeigt ſich jenes Zuruͤcktreten bei den
auf der Sitte beruhenden Einfluͤſſen, indem die Traͤgheit und
Unbeholfenheit, welche oft auf niedern Culturſtufen ſchon uͤber-
fuͤllte Geſchaͤftszweige ergreifen und dabei beharren laͤßt, blos
weil ſie zunaͤchſt liegen, und das Vorurtheil, welches ein ſolches
Verfahren wohl gar fuͤr eine Sache der Ehre und Pietaͤt anſieht,
durch den wirthſchaftlichen Fortſchritt mehr und mehr uͤberwunden
werden. Und ebenſo beſeitigt der letztere den auf einer irrthuͤm-
lichen Schaͤtzung der zu erwartenden Gewinnſte beruhenden uͤber-
maͤßigen Zudrang zu einzelnen Unternehmungsarten, gegen den
ſich freilich auch auf den niedern Culturſtufen ſchon das Noth-
geſchrei der beſtehenden Unternehmer moͤglichſt zu wehren ſucht,
da die groͤßere Regelmaͤßigkeit des Bedarfs, die zunehmende
[153] Stetigkeit der Einkaufs- und Miethpreiſe und die mit der Con-
centrirung der Unternehmungen nothwendig verbundene groͤßere
Oeffentlichkeit ihres Betriebs eine ſchaͤrfere Einſicht in ihre Koſten
gewaͤhren, waͤhrend zugleich die Berechnung des gewonnenen
Rohertrags durch die genauer zu bemeſſende Productionsfaͤhig-
keit und die groͤßere Gewißheit der Verkaufspreiſe erleichtert
wird. Man darf ſich hierin nicht dadurch irre machen laſſen,
daß auch auf hoͤher entwickelten Wirthſchaftsſtufen unter dem
großen Publicum oft fabelhaft irrige Meinungen uͤber den Er-
trag gewiſſer Unternehmungen verbreitet ſind. Es geht damit,
wie mit falſchen Geruͤchten anderer Art, die auch nirgends leichter
und allgemeiner Glauben finden, als bei einer cultivirten, dicht-
gedraͤngten Bevoͤlkerung. Die Maſſe glaubt eben, ohne zu pruͤ-
fen; aber auf ihre Meinung kommt es auch gar nicht an, ſon-
dern auf die Meinung Derjenigen, welche bei der Sache wirklich
intereſſirt ſind, und dieſe wird natuͤrlich von der Wahrheit um
ſo weniger abweichen, je mehr die Verhaͤltniſſe Anhaltepunkte
zur Pruͤfung an die Hand geben. Bei einem oͤkonomiſch ge-
reiften Volke macht ſich demnach die Unternehmereinbuße mit
einiger Bedeutung nur noch inſofern geltend, als die von ein-
zelnen Unternehmern als ſolchen gemachten Erfahrungen, indem
ſie ein Gemeingut Aller werden, denjenigen, auf deren Koſten
ſie gemacht worden ſind, keinen entſprechenden Vortheil mehr
gewaͤhren, und als ferner die den Unternehmungen gegebene groͤ-
ßere Stabilitaͤt einem unmittelbaren Sichanſchmiegen an das ver-
minderte Beduͤrfniß hinderlich iſt.


Hiernach ſind die Vorſchlaͤge zu beurtheilen, welche wohl
gemacht worden ſind, um die Unternehmer gegen etwaige
Ueberfuͤllungseinbußen ſicher zu ſtellen. Von vornherein iſt
dabei der Grundſatz feſtzuhalten, daß ſolche Vorſchlaͤge eine
Beruͤckſichtigung nur dann verdienen, wenn die Ausſicht auf
[154] eine Ueberfuͤllungseinbuße den Unternehmungsgeiſt niederzu-
halten geeignet iſt. Ihr Zweck ſoll nicht ſein, Unterneh-
mungen zu verhindern, ſondern vielmehr Hinderniſſe, welche
deren Hervortreten entgegenſtehen, zu beſeitigen. Von dieſem
Geſichtspunkte aus mag man es vielleicht rechtfertigen, wenn
auf niedern Culturſtufen der dort nur noch ſchuͤchtern hervor-
tretende Unternehmungsgeiſt einigen Schutz gegen Verluſte der
erwaͤhnten Art erhaͤlt; nur ſollte dieſer ſich nie ſo weit erſtrecken,
daß dadurch die freie oͤkonomiſche Entwickelung behindert oder
in falſche Bahnen geleitet und die naturgemaͤße Beſchraͤnkung
der Unternehmeruͤberfuͤllungseinbuße, nach der ſie ſtrebt, beein-
traͤchtigt wuͤrde. Namentlich ſind alle Maßregeln zu verwerfen,
welche auf eine Reglementirerei der Beduͤrfniſſe und der Art ihrer
Befriedigung hinauslaufen. Bei vorgeſchrittener Entwickelung
aber wird der Schutz der Unternehmer nicht weiter zu gehen
brauchen und gehen duͤrfen, als genuͤgt, um bei ihnen an fort-
dauernden Verſuchen zur Verbeſſerung der Production ein leben-
diges Intereſſe aufrecht zu erhalten. Gegen die in der laͤngern
Dauer, fuͤr welche die Unternehmer an die Ausnutzung und
Entſchaͤdigung der erworbenen Productionsfactoren gebunden ſind,
begruͤndete Gefahr aber wird ein beſonderer Schutz um ſo we-
niger angemeſſen ſein, als gerade in dieſer Gefahr die wirk-
ſamſte Warnung vor uͤbereilten Geſchaͤftsanlagen und der natuͤr-
lichſte Antrieb zur Beruͤckſichtigung aller von Wiſſenſchaft und
Erfahrung angegebenen Productionsvortheile liegt.


Die Moͤglichkeit der Unternehmerrente und Ueberfuͤllungs-
einbuße kann nach allem Geſagten auf einer gegebenen Wirth-
ſchaftsſtufe nicht fuͤr alle Unternehmungen eine gleich weite ſein;
denn nicht alle Gattungen der Unternehmungen ſtehen in einem
beſtimmten Zeitpunkt auf einer gleichen Hoͤhe der Entwickelung.
Der auswaͤrtige Handel entwickelt ſich z. B. fruͤher, als der
[155] Binnenhandel. Es wird alſo eine Periode geben, wo der
Unternehmergewinn in jenem von einer Seltenheitspraͤmie und
Ueberfuͤllungseinbuße freier iſt wie in dieſem. Und ſo ſtehen
in jedem gegebenen Zeitpunkte die manichfaltigſten Unternehmun-
gen zur Totalitaͤt der vorhandenen Cultur in einem verſchiedenen
Verhaͤltniß. Auf eine aͤhnliche Weiſe macht ſich die nationale
Verſchiedenheit der Voͤlker geltend. Zwei Voͤlker koͤnnen gleich
reich ſein und gleiche Schnelligkeit des Fortſchrittes beſitzen, ohne
daß Unternehmungen einer beſtimmten Art bei dem einen ſo
vorgeſchritten ſind, wie bei dem andern; dann wird auch die
Moͤglichkeit der Unternehmerrente und Ueberfuͤllungseinbuße eine
verſchiedene ſein.


Wir haben hiermit die Betrachtungen zu Ende gefuͤhrt,
welche ſich auf die einzelnen Beſtandtheile des Unternehmer-
gewinnes und die Umſtaͤnde beziehen, die fuͤr deren Hoͤhe maß-
gebend ſind. Es bleibt uns nur noch eine Bemerkung hinzuzu-
fuͤgen uͤbrig. Der Unternehmergewinn iſt, wie wir oben ge-
ſehen haben, nichts Anderes, als der Ueberſchuß des Ertrags
des Products der Unternehmung uͤber die aufgewendeten Koſten.
Bisher haben wir ſtets angenommen, jener Ertrag beſtehe in
einer gewiſſen Menge von Tauſchguͤtern, mithin, es laſſe ſich
auch der Unternehmergewinn auf einen gewiſſen poſitiven Tauſch-
werth zuruͤckfuͤhren. Dieß iſt aber nicht ausſchließlich der Fall;
es laͤuft vielmehr neben dem Tauſchwerth beſitzenden Ertrage
der Unternehmung noch ein keinen ſolchen Tauſchwerth beſitzen-
der her, welcher in der dem Unternehmer durch die Unterneh-
mung geſchaffenen Stellung beſteht. Der Unternehmergewinn
wird weſentlich beſtimmt durch die Anzahl der concurrirenden
[156] Unternehmer im Verhaͤltniß zum Begehr nach dem zu liefernden
Producte; dieſe Anzahl aber richtet ſich nicht allein nach den
fuͤr die Unternehmer in Ausſicht geſtellten Tauſchguͤtern, ſondern
zugleich nach den immateriellen Annehmlichkeiten und Vortheilen,
auf welche ſie ſich Rechnung machen duͤrfen.


Dieſen Einfluß erkennt man gewoͤhnlich dadurch an, daß man
ſagt, der Unternehmergewinn ſei groͤßer oder geringer, je nachdem
das Geſchaͤft mehr oder weniger angenehm und ehrenvoll ſei.
Richtiger ſcheint es zu ſagen, der Unternehmergewinn beſtehe aus
zwei Theilen, naͤmlich poſitiven Tauſchwerthen und immateriellen
Vorzuͤgen, deren Tauſchwerth, um einen Ausdruck aus der Natur-
wiſſenſchaft zu gebrauchen, latent, gebunden ſei. Beide Theile
zuſammengenommen bilden erſt die Geſammtſumme des dem
Unternehmer als ſolchen zufließenden Gewinns, deſſen Hoͤhe
durch die Einfluͤſſe, welche wir der Reihe nach durchgegangen
haben, beſtimmt wird. Je groͤßer der eine Theil, deſto geringer
muß demnach der andere ſein und umgekehrt. Dieß iſt nicht zu
uͤberſehen, wenn es ſich um Erklaͤrung der Unterſchiede handelt,
welche ſich im Vergleich der Hoͤhe des materiellen Unternehmer-
gewinns verſchiedener Zeiten, Voͤlker und Geſchaͤftszweige ergeben.


Es entſteht die Frage: Wie wirkt im Allgemeinen die
Culturentwickelung auf das Verhaͤltniß dieſer beiden Theile, aus
denen ſich der Unternehmergewinn zuſammenſetzt, ein? Um
hierauf Antwort geben zu koͤnnen, muͤſſen wir die immateriellen
Vorzuͤge der Unternehmer etwas naͤher ins Auge faſſen. Wir
haben dabei zunaͤchſt Annehmlichkeiten und Vortheile zu unter-
ſcheiden. Unter jenen verſtehen wir die Befriedigung, die ein
Unternehmer unmittelbar in dem Unternehmen ſelbſt findet, unter
dieſen die Vorzuͤge, die ihm wegen ſeiner Stellung durch Sitte
und Geſetz zugeſtanden werden. Jene alſo umfaſſen alles
Werthvolle, was fuͤr Jemand eben darin enthalten iſt, daß er
[157] Unternehmer iſt; dieſe alle Auszeichnungen, die ihm darum wer-
den, weil er Unternehmer iſt.


Die Annehmlichkeiten der Stellung eines Unternehmers
beſtehen im Vergleich zu der eines bloßen Arbeiters in der
freien, ſelbſt gewaͤhlten Dispoſition uͤber ſeine Kraͤfte, der Un-
abhaͤngigkeit von fremder Aufſicht und Controle, der Befreiung
von Verantwortlichkeit gegen Andere, als ſich ſelbſt; im Vergleich
mit der eines Capitaliſten, der ſeine Capitalien gegen Zinſen
ausgeliehen hat, in dem Bewußtſein einer gewiſſen ſelbſt ge-
waͤhlten und ſelbſt geſchaffenen Wirkſamkeit, der Verwirklichung
eines eignen Gedankens, eines eignen Willens. Die Vortheile
beruhen darauf, daß die oͤffentliche Meinung den Unternehmern
gegenuͤber den bloßen Arbeitern und den Capitaliſten ein beſon-
deres Anſehen zugeſteht, und wohl auch die Geſetzgebung, der
oͤffentlichen Meinung hierin folgend, gewiſſe poſitive Anerken-
nungen hinzufuͤgt. Die Urſache hiervon liegt darin, daß man
die Unternehmer als ſelbſtaͤndiger betrachtet, wie die Arbeiter.
Man nimmt an, daß dieſe durch ihre nothwendigen Beduͤrfniſſe
an die Arbeit gebunden und mehr oder minder in die Willkuͤr
derjenigen gegeben ſind, die ihnen letztere gewaͤhren, waͤhrend
jene durch das Vermoͤgen oder den Credit, uͤber den ſie verfuͤgen,
eine unabhaͤngigere Stellung haben und im ſchlimmſten Falle
immer noch in die Klaſſe der Arbeiter uͤbergehen koͤnnen. Den
bloßen Rentnern gegenuͤber beruht das groͤßere Anſehen, das
man den Unternehmern einraͤumt darauf, daß man ſie fuͤr nuͤtz-
lichere Mitglieder der Geſellſchaft anſieht. Sind ſie es doch erſt,
welche die Capitale fruchtbar machen und durch deren Verbin-
dung mit den vorhandenen Arbeitskraͤften das Reſultat erzielen,
von deſſen gluͤcklicher Verwirklichung die ganze materielle Exiſtenz
der Geſellſchaft abhaͤngt.


Hieraus ergiebt ſich, welchen Einfluß der Culturzuſtand,
[158] in welchem ſich ein Volk befindet, auf den Umfang jenes im-
materiellen Theiles des Unternehmergewinns ausuͤben muß. Bei
einem noch auf den erſten Stufen der Entwickelung ſtehenden
Volke iſt nothwendig die Arbeitstheilung gering. Die Folge
davon iſt, daß auch die freien Arbeiter, inſoweit ſolche exiſtiren,
nicht einzelne beſtimmte Leiſtungen, ſondern ihre geſammte Ar-
beitskraft verdingen, ſo daß die Aufſicht und das Befehlsrecht
des Arbeitsgebers durchſchnittlich weit tiefer in ihre perſoͤnliche
Freiheit eingreifen, als unter weiter vorgeruͤckten Culturverhaͤlt-
niſſen. Die Annehmlichkeit, Unternehmer zu ſein, iſt demnach
dort, mit der Lage eines bloßen Arbeiters verglichen, eine weit
groͤßere, wie hier. Im Vergleich mit dem Zinſen beziehenden
Capitaliſten ſcheint die Lage des Unternehmers in den niedrigeren
Culturperioden weniger annehmlich zu ſein, wie in den hoͤheren,
weil ſich der Sinn fuͤr die Wuͤrde der eigenen Willenskraft, der
Stolz auf die Selbſtaͤndigkeit der Leiſtung erſt ſpaͤter entwickelt;
nur tritt uͤberhaupt die Claſſe der Rentner erſt bei einigermaßen
vorgeſchrittener Entwicklung und auch dann im Anfang noch ſehr
vereinzelt auf. Noch in mittelalterlichen Zuſtaͤnden hat das Aus-
leihen auf Zins vielfach ſelbſt den Charakter einer und nicht
ſelten ſehr gewagten Unternehmung. Was dagegen die mit der
Stellung eines Unternehmers verbundenen Vortheile betrifft, ſo
ſind ſie der Stellung eines Arbeiters gegenuͤber um ſo groͤßer,
je niedriger die Art der zu verdingen moͤglichen Arbeit ſteht, je
hervorragender die perſoͤnliche Thaͤtigkeit des Unternehmers iſt.
Sie ſind deshalb auf den mittlern Culturſtufen am groͤßten.
Auf den niedrigſten ſteht der freie Lohnarbeiter nicht viel tiefer
als der Unternehmer; auf den hoͤchſten werden ſo hervorragende
perſoͤnliche Leiſtungen um Lohn geſucht, die Leichtigkeit, aus
einem Lohnverhaͤltniſſe in das andere uͤberzugehen, und damit
die Selbſtaͤndigkeit der Lohnarbeiter iſt ſo vergroͤßert, daß die
[159] Mißachtung gegen Diejenigen, die in einem Lohnverhaͤltniſſe
ſtehen, mehr und mehr verſchwindet. Aehnlich verhaͤlt es ſich
mit den Vortheilen der Unternehmer gegenuͤber den Capitaliſten.
Auf den niedrigſten Culturſtufen fehlen die gegen Zins auslei-
henden Capitaliſten noch ſo gut wie gaͤnzlich; wer Capital irgend
einer Art beſitzt, der iſt auch, in ſo weit er nicht die Fruͤchte
unmittelbar fuͤr ſich verzehrt, Unternehmer; alſo haben auch die
Unternehmer vor den bloßen Capitaliſten hier keine Vortheile
voraus. In den hoͤchſtentwickelten Zuſtaͤnden dagegen iſt die
Bedeutung des Capitals eine ſo vorwiegende und dabei die nicht
fuͤr materiellen Erwerb aufzuwendende Zeit doch auf andere
Weiſe ſo vielfach nuͤtzlich anzuwenden, daß man den Rentnern
im Organismus der geſammten Geſellſchaft keine geringere Stel-
lung anweiſt, wie den Unternehmern. Nur in den mittlern
Zuſtaͤnden, die zwiſchen der Barbarei und der vollſtaͤndig ent-
wickelten Cultur mitten inne liegen, erhaͤlt der Stand der
Unternehmer gegenuͤber den bloßen Capitaliſten eine beſondere
Bedeutung und in Folge deſſen auch groͤßere Vortheile, und zwar
um ſo mehr, je mehr die ganze Richtung einer Zeit und eines
Volkes auf das Materielle geht. Hierauf hat aber nichts mehr
Einfluß, als die Schnelligkeit der materiellen Entwickelung. Je
ſchneller ein Volk auf der Bahn des Reichthums vorwaͤrts ſchrei-
tet, deſto mehr Gewicht legt es auf den Erwerb, deſto angeſehe-
ner erſcheinen ihm Diejenigen, welche erwerben, gegenuͤber Den-
jenigen, die ſcheinbar nur genießen.


Fragt man nach dem Verhaͤltniß des materiellen und des
immateriellen Theiles des Unternehmergewinnes in den ver-
ſchiedenen Geſchaͤftszweigen der gleichen Zeit und des naͤmlichen
Wirthſchaftskreiſes, ſo zeigt ſich auch hier der Einfluß des Na-
tionalcharakters und des Grades wie der Schnelligkeit der er-
[160] langten Culturentwickelung, denn je nach der Verſchiedenheit
dieſer Elemente ſind auch die Grundlagen verſchieden, auf wel-
chen die immateriellen Vorzuͤge der einzelnen Geſchaͤftsarten fuͤr
die Unternehmer beruhen. Dieſe Vorzuͤge richten ſich zunaͤchſt
nach der Art des Betriebs der Unternehmungen. Je nachdem
naͤmlich ein Geſchaͤftszweig dem Groß- oder dem Kleinbetriebe
angehoͤrt, werden die unternehmungsfaͤhigen Perſonen bei der
Schaͤtzung der Vorzuͤge der Stellung eines Unternehmers einen
verſchiedenen Maßſtab anlegen. Der Großbetrieb erfordert be-
deutende Capitalien; die Unternehmer, die hier auftreten, ver-
gleichen ſich daher nicht ſowohl mit Lohnarbeitern, als mit Rent-
nern, und was ihnen als immaterieller Gewinn erſcheint, ſind
weniger die Vorzuͤge, die ſie vor jenen, als diejenigen, die ſie
vor dieſen voraus haben, weniger alſo namentlich die Selb-
ſtaͤndigkeit, als die Befriedigung des Thaͤtigkeitstriebes, welche
die Unternehmungen gewaͤhren. Umgekehrt verhaͤlt es ſich mit
den kleinen Unternehmungen. Hier wuͤrden die Unternehmer,
wenn ſie nicht eben ſolche waͤren, ſich meiſtens ihre Exiſtenz nur
als Lohnarbeiter verdienen koͤnnen, und der immaterielle Gewinn
ihrer Stellung beſteht demnach weſentlich in den Vorzuͤgen,
welche dieſe vor einem Lohnverhaͤltniſſe gewaͤhrt, ſomit haupt-
ſaͤchlich in der groͤßeren Selbſtaͤndigkeit und Freiheit, welche
ſie geſtattet. Dem entſprechend wird denn unter den Geſchaͤften
des Großbetriebs der immaterielle Theil des Unternehmergewinnes
da am groͤßten ſein, wo der perſoͤnlichen Bethaͤtigung der wei-
teſte Spielraum und die hoͤchſte Anerkennung eroͤffnet iſt, alſo
namentlich in ſolchen Unternehmungen, die eine beſondere Ent-
faltung organiſatoriſchen Talentes, charaktervoller Energie und
geſchickten Speculationsgeiſtes zulaſſen oder die als im allgemei-
nen Intereſſe beſonders wichtig gelten. Unter den im kleinen Maß-
ſtabe betriebenen Unternehmungen dagegen wird der immaterielle
[161] Theil des Unternehmergewinnes mit um ſo groͤßerer Bedeutung
hervortreten, je regelmaͤßiger und peinlicher die Anſtrengungen
ſind, die in einem Geſchaͤftszweig von den Arbeitern verlangt
werden, je ſchaͤrfer die Controle, je ſtrenger die Zucht iſt, welche
dieſe ſich gefallen laſſen muͤſſen, und je mehr die Organiſation
der Unternehmung es den Unternehmern erlaubt, ſich von be-
ſonders unangenehmen Arbeiten frei zu machen. Indem nun
von dem Nationalcharakter, der Hoͤhe und Schnelligkeit der
gegebenen Culturentwickelung, uͤberhaupt von allen concreten
Verhaͤltniſſen, die dem Volksleben ſeinen poſitiven Gehalt geben,
das Maß der Beduͤrfniſſe der verſchiedenen Art, die Wichtigkeit,
die man ihnen beilegt, die Art und Weiſe, ſie zu befriedigen,
die Vorliebe fuͤr gewiſſe Beſchaͤftigungen und die Abneigung
gegen andere, der Drang nach Selbſtaͤndigkeit oder die Gefuͤgig-
keit, ſich unterzuordnen, das Beduͤrfniß nach Thaͤtigkeit oder
die Sehnſucht nach ruhigem Dahinleben und das Verhaͤltniß,
in welchem die verſchiedenen Volksclaſſen zu allen dieſen Mo-
menten ſtehen, bedingt werden, ſind jene Factoren es auch, von
welchen es abhaͤngt, in welchen Geſchaͤftszweigen der immaterielle
Unternehmergewinn eine groͤßere oder geringere Bedeutung erhaͤlt,
oder, was das Naͤmliche iſt, in welchen Geſchaͤftszweigen die
Unternehmer ſich mit Ruͤckſicht auf jene immateriellen Annehm-
lichkeiten und Vortheile eine groͤßere oder geringere Beſchraͤnkung
ihres materiellen Gewinnes gefallen laſſen. Will man daruͤber
hinaus noch eine allgemeine Regel aufſtellen, ſo mag es die
ſein, daß in den Geſchaͤftszweigen, wo die Unternehmer aus
den Capitaliſten hervorgehen, alſo im Allgemeinen im Groß-
betrieb, der immaterielle Theil des Unternehmergewinns weniger
ins Gewicht faͤllt, als in denjenigen, wo ſich der Stand der
Unternehmer aus den Arbeitern recrutirt, im Kleinbetriebe. Dieß
ruͤhrt daher, daß der Drang nach Selbſtaͤndigkeit, auf welchem
11
[162] jener Theil des Unternehmergewinnes im letzteren Falle beruht,
in der Regel ſtaͤrker wirkt, als das Beduͤrfniß perſoͤnlicher Be-
thaͤtigung, in welchem er im erſteren Falle ſeinen Grund hat,
zumal da ſich dieſes Beduͤrfniß doch auch vielfach noch anders
befriedigen laͤßt, als in wirthſchaftlichen Unternehmungen, wozu
noch kommt, daß die Vorzuͤge der Stellung als Unternehmer
fuͤr die Capitaliſten nicht im Verhaͤltniß zu der Ausdehnung der
Unternehmung zu wachſen pflegen, ja, da ſie rein perſoͤnlicher
Art ſind, bei ſehr großen Unternehmungen, die nur durch eine
Geſellſchaft unternommen werden koͤnnen, zum groͤßten Theil oder
auch ganz verſchwinden. Nur in ſolchen Zuſtaͤnden, wie Adam
Smith die hollaͤndiſchen ſeiner Zeit ſchildert, wo das geſammte
ſociale und politiſche Leben ſo mit dem Geſchaͤftsleben zuſammen-
faͤllt, daß Jeder, der nicht Geſchaͤftsmann iſt, angeſehen wird,
„wie ein Civiliſt in einem Kriegslager“, mag dieſe Regel eine
Ausnahme erleiden, und der immaterielle Unternehmergewinn
mag hier verhaͤltnißmaͤßig in den kleinen Unternehmungen weniger
hochgeſchaͤtzt werden, wie in den großen.


Rückblick und Schluß.


Wir glauben, nun die Fragen, die wir uns am Anfang
dieſer Schrift geſtellt hatten, beantwortet zu haben, und faſſen
die gewonnenen Reſultate kurz noch einmal zuſammen. Unter
dem Worte „Unternehmung“ verſteht man die auf eigene Rech-
nung vorgenommene Richtung gewiſſer Productivkraͤfte auf eine
Verkehrsproduction, deren Ergebniß noch nicht mit Gewißheit
feſtſteht, die alſo mit groͤßerer oder geringerer Gefahr verbunden
[163] iſt 1). Derjenige, welcher jene Richtung giebt und dieſe Gefahr traͤgt,
iſt Unternehmer, der Reinertrag, der ihm in dieſer Stellung zu
Theil wird, Unternehmergewinn. Zum Unternehmergewinn ge-
hoͤrt nicht zuvoͤrderſt Alles, was gar nicht wirklicher Reinertrag
iſt, alſo namentlich nicht alle diejenigen Werthe, die, nur zur
Erſetzung vorausſichtlicher Verluſte beſtimmt, gleichſam nur vor-
uͤbergehend in den Haͤnden des Unternehmers ſich befinden. So-
dann eben ſo wenig derjenige Theil des Reinertrags, der den
Unternehmer fuͤr die Verwendung ſolcher eigenen Arbeitskraͤfte
oder Capitalien entſchaͤdigt, die, fuͤr fremde Rechnung verwendet,
11 *
[164] ihm einen Lohn oder Zins eingebracht haben wuͤrden. Es iſt
nur ein Zufall, daß er es ſelbſt iſt, welcher als Unternehmer
jene Productionselemente verwendet, und was er dafuͤr erhaͤlt,
bleibt nichts deſto weniger Zins und Lohn, wenn er auch beide,
anſtatt ſie auszuzahlen, in den eigenen Haͤnden behaͤlt. Da es
nun aber lediglich von der Stufe wirthſchaftlicher und allgemeiner
Culturentwickelung, auf der ein Volk ſich befindet, abhaͤngt, ob
ein Capital oder eine Arbeitskraft an Dritte verliehen oder nur in
eigener Unternehmung ausgebeutet werden kann, ſo folgt daraus,
daß der Unternehmergewinn auf verſchiedenen Entwickelungs-
ſtufen einen verſchiedenen Umfang von Einnahmen umfaßt. Die
Entſchaͤdigung fuͤr Arbeitsleiſtungen und Capitalnutzungen, die
in der einen Periode wirklich zum Unternehmergewinn gehoͤrt,
erſcheint in der andern als Zins oder Lohn, wenn auch die
Urſachen, welche die Hoͤhe dieſer Entſchaͤdigung beſtimmen, da-
durch im Allgemeinen nicht afficirt werden, ob dieſe letztere unter
den einen oder den andern Begriff faͤllt. Dagegen muß man
zum Unternehmergewinn außer den materiellen Tauſchguͤtern, die
dem Unternehmer als ſolchem zufallen, auch die immateriellen
Annehmlichkeiten und Vortheile zaͤhlen, welche unmittelbar oder
mittelbar mit ſeiner Stellung verknuͤpft ſind. Der oͤkonomiſche
Werth derſelben haͤngt davon ab, in wie weit ſie die Unter-
nehmer veranlaſſen, mit einem geringeren materiellen Gewinne
ſich zu begnuͤgen. Das Verhaͤltniß, in welchem der Unter-
nehmergewinn ſowohl im Allgemeinen als in Beziehung auf das
Verhaͤltniß der verſchiedenen Geſchaͤftszweige unter einander, aus
materiellen und immateriellen Theilen beſteht, wird durch die
Hoͤhe und Schnelligkeit der Entwickelung und durch die nationale
Eigenthuͤmlichkeit eines Volkes, uͤberhaupt durch die concrete
Geſtaltung ſeines Lebens in verſchiedenen Faͤllen verſchieden be-
ſtimmt. Doch tritt im Ganzen der immaterielle Theil des Unter-
[165] nehmergewinnes im Großbetrieb weniger hervor, wie im Klein-
betrieb.


Die Moͤglichkeit eines Unternehmergewinns beruht auf den
Vorzuͤgen, die der unternehmungsweiſe Betrieb vor den Eigen-
geſchaͤften und den uͤbernommenen Geſchaͤften voraus hat, und
dieſe Vorzuͤge erklaͤren ſich wiederum, abgeſehen von der Anwen-
dung ſolcher Productivkraͤfte, die nur in der eigenen Unterneh-
mung ſich entwickeln laſſen, einestheils durch die Erſparniſſe,
welche die Unternehmer am Productionsaufwande zu machen im
Stande ſind, anderntheils durch die Vortheile, welche ſie bei
Darbringung der Producte zu gewaͤhren vermoͤgen.


Daß aber der erzeugte groͤßere Nutzwerth auch einen Tauſch-
werth erhaͤlt, daß die erzeugten Guͤter nicht im Verhaͤltniß der
verminderten Productionskoſten wohlfeiler werden, daß der Unter-
nehmer vielmehr als ſolcher Tauſchwerthe empfaͤngt, mit andern
Worten, die Wirklichkeit des Unternehmergewinns beruht auf
einer dreifachen Urſache. Zuvoͤrderſt naͤmlich iſt die mit einer
Unternehmung verbundene Gefahr eine Laſt, die in der Regel
Niemand umſonſt auf ſich nehmen will. Es muß deshalb außer
dem Erſatz fuͤr die aufgewendeten Koſten noch ein Ueberſchuß in
Ausſicht ſtehen. Im Allgemeinen muß dieſer natuͤrlich um ſo
groͤßer ſein, je geringer die Wahrſcheinlichkeit iſt, mit einer
Unternehmung einen guͤnſtigen Erfolg zu erzielen; hieraus darf
man aber nicht folgern, daß der in Ausſicht ſtehende Gewinn
immer im genauen Verhaͤltniſſe zur gelaufenen Gefahr ſtehen,
oder, was daſſelbe waͤre, daß die Summe der in Unternehmun-
gen gleicher Art gemachten Gewinne und die der in denſelben
erlittenen Verluſte ſich gegenſeitig immer ausgleichen muͤſſe; viel-
mehr ereignet es ſich oft, daß der Gewinn der gluͤcklichen Unter-
nehmer den Verluſt der ungluͤcklichen nicht erreicht; ebenſo kann
aber auch der umgekehrte Fall eintreten, daß mehr gewonnen
[166] als verloren wird. Dieß erklaͤrt ſich theils aus dem verſchie-
denen Grade der Zuverſicht, welche die Menſchen unter ver-
ſchiedenen Umſtaͤnden auf ihr Gluͤck und ihre Befaͤhigung haben,
theils daraus, daß man fuͤr die Schaͤtzung des Gewinns einen
andern Maßſtab anlegt, wie fuͤr die des Verluſtes, theils end-
lich daraus, daß in vielen Faͤllen die Groͤße und Wahrſchein-
lichkeit des zu hoffenden Gewinnes oder der zu laufenden Gefahr
ſich nicht uͤberſehen laͤßt. Mag uͤbrigens die Summe des ge-
machten Gewinnes die der erlittenen Verluſte uͤberſteigen oder
hinter ihr zuruͤck bleiben, immer ſind die letzteren vollſtaͤndig aus
dem Volkseinkommen zu beſtreiten, waͤhrend andererſeits jener
kein Capital erſetzt (mit Ausnahme der Reſtitution des von den
Gewinnenden ſelbſt eingeſetzten Capitals), ſondern wirkliches
Einkommen iſt.


Eine zweite Urſache, weshalb den Unternehmern ein Ge-
winn zugeſtanden werden muß, liegt in den Arbeitsfaͤhigkeiten
und Capitalien, die ſie der Unternehmung widmen, und die im
Dienſte Dritter nicht zu verwerthen geweſen waͤren. In wie
weit das Letztere der Fall iſt, haͤngt, wie erwaͤhnt, von dem
Stande der gegebenen Culturverhaͤltniſſe ab, und demgemaͤß
faͤllt bald ein groͤßerer, bald ein geringerer Theil der Ent-
ſchaͤdigungen fuͤr die von dem Unternehmer aufgewandten Arbeits-
und Capitalkraͤfte, als Unternehmerlohn und Unternehmerzins,
unter den Unternehmergewinn. An ſich ſcheint die Verdingbar-
keit bei keiner Art von Arbeits- oder Capitalkraͤften unbedingt
ausgeſchloſſen, und es laſſen ſich daher keine Leiſtungen oder
Nutzungen als ſolche bezeichnen, die in allen Faͤllen nur vom
Unternehmer dargebracht werden koͤnnen und fuͤr welche die Ent-
ſchaͤdigungen unter jedem Verhaͤltniſſe dem Unternehmergewinn
zufallen. Die Entwickelung des Lohn- und Ereditweſens, welche
eine Folge einer gereiften Cultur iſt, ſchmaͤlert hier dieſen Be-
[167] ſtandtheil des Unternehmergewinns mehr und mehr, doch macht
ſich dabei der Unterſchied geltend, daß nur der Unternehmerzins
endlich ganz verſchwindet, waͤhrend ſich ein Theil des Unter-
nehmerlohns auch auf den hoͤchſten Entwicklungsſtufen aus dem
Grunde zu erhalten pflegt, weil die Energie der Arbeitskraft
der Unternehmer vielfach erſt durch das eigene Unternehmer-
intereſſe vollſtaͤndig entwickelt wird. Was die Hoͤhe der fuͤr
ſolche Leiſtungen oder Nutzungen empfangenen Entſchaͤdigung an-
langt, ſo wird ſie durch dieſelben Momente beſtimmt, welche
fuͤr die Hoͤhe des Miethlohnes und Miethzinſes maßgebend ſind,
und es faͤllt und ſteigt daher dieſer Theil des Unternehmer-
gewinnes, ſeiner relativen Hoͤhe nach, mit der Hoͤhe des Lohnes
und Zinſes im Allgemeinen.


Endlich kann der Unternehmergewinn darauf beruhen, daß
die Zahl der Unternehmer einer beſtimmten Gattung ſich auch
bei geſteigertem Begehr nach den Producten der betreffenden
Unternehmungen nicht vermehren kann, und jene in den erhoͤhten
Preiſen der Producte auf dieſe Weiſe einen Monopolgewinn,
eine Rente, beziehen. In dieſer Hinſicht ſind vier Faͤlle zu
unterſcheiden, je nachdem die Vermehrung der Unternehmer eine
Grenze findet in der Seltenheit entweder der von den Unter-
nehmern geforderten Arbeitsfaͤhigkeiten (Unternehmerlohnrente)
oder der nur von ihnen auszubeutenden Capitalformen einer be-
ſtimmten Art (Unternehmerzinsrente) oder der Moͤglichkeit, uͤber
ein Capital von ſolchem Umfange, wie es zur billigſten Pro-
duction nothwendig iſt, zu verfuͤgen (Großunternehmerrente), oder
endlich der Faͤhigkeit, die noͤthigen Capital- und Arbeitskraͤfte
zu productivem Zuſammenwirken zu vereinigen (Unternehmer-
rente i. e. S.). Die Unternehmerlohnrente und die Unternehmer-
zinsrente unterſcheiden ſich von der Miethlohnrente und Mieth-
zinsrente nur dadurch, daß ſie ſich auf Arbeits-, bezuͤglich Capital-
[168] kraͤfte beziehen, die ſich nur von den Beſitzern ſelbſt als Unter-
nehmern ausbeuten laſſen, und die Veraͤnderlichkeit dieſer Be-
dingung fuͤhrt ein ſtetes Uebergehn der einen Rentenform in die
andere mit ſich, ohne daß dieß einen unmittelbaren Einfluß auf
deren Hoͤhe haͤtte, da die Urſachen, auf denen ſie beruhen, da-
durch nicht direct eine Veraͤnderung erleiden. Dieſe Urſachen
ſind doppelter Art, naͤmlich entweder aͤußere (Geſetz, Sitte, Ver-
heimlichung des in Ausſicht ſtehenden Gewinnes) oder innere
(natuͤrlicher Mangel der erforderlichen Qualificationen). Die
erſtern werden durch den Fortſchritt der Culturentwickelung
mehr und mehr beſeitigt; auf die letztern wirkt dieſer theils durch
die Vermehrung der Bevoͤlkerung, die Erhoͤhung und Verallge-
meinerung der Beduͤrfniſſe foͤrdernd, theils durch die Verbreitung
der Bildung, durch die erhoͤhte Einſicht in die Natur und die
ausgedehntere Herrſchaft uͤber dieſelbe vermindernd ein, ſo daß
die auf innere Gruͤnde baſirten Lohn- und Zinsrenten in wech-
ſelnden Perioden bald zu- bald abnehmen. Dem entſprechend
vermindert ſich die Bedeutung der Unternehmerlohn- und der
Unternehmerzinsrente auf den hoͤhern Culturſtufen mehr und
mehr, einestheils in Folge ihrer durch die Entwickelung des
Lohn- und Creditweſens gegebenen zunehmenden Umwandlung
in Miethlohn- und Miethzinsrente, anderntheils durch die Be-
ſchraͤnkung, welche die Lohn- und Zinsrente uͤberhaupt durch
das allmaͤlige Wegfallen der ſie hervorrufenden aͤußern Gruͤnde
erfaͤhrt. — Der als Großunternehmerrente bezeichnete erhoͤhte
Ertrag, welcher denjenigen Unternehmern zu Theil wird, die
vor ihren Mitwerbern die Verfuͤgung uͤber ein Capital von
ſolchem Umfange voraus haben, wie es allein die hoͤchſt moͤg-
liche Ausnutzung aller Productivkraͤfte erlaubt (ein Verhaͤltniß,
das im Weſentlichen nur auf innern Gruͤnden beruht), iſt immer
als ein Theil des Unternehmergewinns anzuſehen, weil der
[169] erhoͤhte Ertrag nicht eine Folge der Natur des Capitals, ſon-
dern der Eigenſchaften des Unternehmers iſt, welche die Aus-
beutung des Capitals durch eine Hand ermoͤglichen. Die immer
mehr ſich herausſtellenden Vortheile concentrirter und maſſen-
hafter Production wirken bei fortſchreitender Cultur auf den
Betrag dieſer Rente erhoͤhend ein, dieſer Einfluß wird aber
durch die groͤßere Leichtigkeit des Credits und die Ausbildung
des Aſſociationsweſens in der Regel aufgewogen und ſelbſt uͤber-
wogen. Die Unternehmerrente i. e. S. oder Rente fuͤr die Ver-
einigung der noͤthigen Arbeits- und Capitalkraͤfte endlich hat
lediglich in aͤußeren Verhaͤltniſſen ihren Grund und tritt daher
auf den hoͤhern Culturſtufen mehr und mehr zuruͤck, indem es
hier fuͤr Diejenigen, die uͤber die Productivkraͤfte der einen Art
verfuͤgen, immer leichter wird, auch die der andern Art zur
Verfuͤgung zu erhalten, wenn auch andererſeits der groͤßere Um-
fang und die reichere innere Ausbildung der Unternehmungen
die Vereinigung der Productionsfactoren zu einer immer ſchwie-
rigeren Aufgabe machen.


Der Unternehmerrente ſtehen diejenigen Verluſte gegenuͤber,
die daraus hervorgehen, daß ſich die Zahl der Unternehmer
bei vermindertem Begehr der betreffenden Producte nicht oder
nicht ſogleich vermindern laͤßt. Die naͤmlichen Urſachen, welche
die Unternehmerrente nach Umfang und Bedeutung beſchraͤnken,
vermindern aber im Allgemeinen auch dieſe Unternehmeruͤber-
fuͤllungseinbuße bei fortſchreitender Entwickelung der Voͤlker.


Wenn dieſe theoretiſchen Saͤtze wahr ſind, ſo werden ſie
auch der praktiſchen Bedeutung nicht entbehren. Dieſe im Ein-
zelnen zu verfolgen, liegt freilich außerhalb der Aufgabe und
der Grenzen dieſer Schrift, doch mag es, um beiſpielsweiſe zu
[170] zeigen, wie auch hier der Weg aus dem ſcheinbar todten und
unfruchtbaren Gebiete rein theoretiſcher Unterſcheidungen zu den
Niederungen des lebendigen Verkehrs fuͤhrt, geſtattet ſein, we-
nigſtens nach einer Richtung hin die praktiſchen Conſequenzen
unſerer Unterſuchung hervorzuheben und dieſer damit einen Ab-
ſchluß zu geben, der auf die Beziehung ihrer Reſultate zu den
großen harmoniſchen Geſetzen der Voͤlkerentwickelung hinweiſt.


Die Menſchenfreundlichkeit — und theilweiſe wohl auch
die Furchtſamkeit — unſerer Tage, beſchaͤftigt ſich viel mit der
Verbeſſerung der Lage der um Lohn arbeitenden Claſſen. Neben
den phantaſtiſchen Vorſchlaͤgen einer auf ganz neuen, den Geſetzen
der Menſchennatur widerſprechenden Grundlagen zu errichtenden
Organiſation unſerer buͤrgerlichen und ſtaatlichen Verhaͤltniſſe tau-
chen Ideen zu einzelnen Veraͤnderungen auf, die ſcheinbar gemaͤßig-
terer Art auch fuͤr bedaͤchtigere Denker anziehend und verlockend
ſind. Unter dieſen iſt eine, die ſich einer gewiſſen Verbreitung
erfreut, die Betheiligung der Arbeiter am Gewinn des Unter-
nehmers. Es erſcheint ſo hart, daß Diejenigen, welche einer
Production vorzugsweiſe ihre perſoͤnlichen Kraͤfte weihen, von
den Vortheilen, welche guͤnſtige Umſtaͤnde bei der Verwerthung
der Producte darbieten, ausgeſchloſſen und auf das genau be-
grenzte und oft karge Maß ihres Lohns angewieſen ſein ſollen,
waͤhrend Andere, die an dem Werke keinen weitern perſoͤnlichen
Antheil haben, den Ruhm der Urheberſchaft und materielle Vor-
theile davon tragen, die mit dem, was ſie geleiſtet, in keinem
richtigen Verhaͤltniſſe zu ſtehen ſcheinen; es kommt ſo unnatuͤr-
lich heraus, daß zwiſchen dem Arbeiter und dem Erzeugniß ſeines
Fleißes, ſo bald es aus ſeinen Haͤnden hervorgegangen iſt, gar
kein weiteres Band beſtehen ſoll, und es iſt daher erklaͤrlich,
daß man ſich nach kuͤnſtlichen Mitteln umgeſehen hat, um dieſe
[171] Verhaͤltniſſe zu aͤndern, daß man glaubt durch irgend welche
poſitive Vorſchriften den Arbeitern einen unmittelbaren Antheil
an der Unternehmung verſchaffen zu muͤſſen und dadurch ihre Lage
verbeſſern zu koͤnnen 1).


Das Ergebniß unſerer Unterſuchung iſt einem ſolchen Vor-
ſchlage, inſofern man dabei nur eine Verbeſſerung der Lage der
Arbeiter im Auge hat, nicht guͤnſtig, denn ſie zeigt, daß man
an der Stellung des Unternehmers und folglich auch an ſeinem
Gewinne nur inſoweit theilnehmen kann, als man die Gefahr
der Unternehmung mit traͤgt; daß aber dieſe Gefahr um ſo
ſchwerer, der moͤgliche Gewinn um ſo leichter wiegt, jemehr
man einen etwaigen Verluſt zu fuͤrchten hat; daß alſo der Ar-
beiter, der mit ſeiner ganzen Exiſtenz auf den regelmaͤßigen
Ertrag ſeiner Thaͤtigkeit angewieſen iſt, indem er genoͤthigt
wuͤrde, einen Theil ſeines Lohnes aufs Spiel zu ſetzen, in ein
ſeinem Intereſſe durchaus zuwiderlaufendes Verhaͤltniß hinein-
gezwungen werden wuͤrde 2),3). Dagegen ergiebt ſich aus unſerer
[172] Unterſuchung auch einestheils, daß, eine geſunde nationale
Lebenskraft uͤberhaupt vorausgeſetzt, die natuͤrliche Entwickelung
der Dinge, die Leichtigkeit ſich an Unternehmungen zu bethei-
ligen, trotz der durchſchnittlich groͤßeren Concentrirung der letz-
teren, durch die wachſende Freiheit des Verkehrs und die Aus-
breitung des Aſſociationsweſens, ſo wie durch die immer voll-
ſtaͤndigere Ausbildung des Lohn- und Creditweſens auch fuͤr den
3)
[173] Arbeiter mehr und mehr vergroͤßert; anderntheils, daß ſie die
Bedeutung des Unternehmergewinnes uͤberhaupt gegenuͤber den
uͤbrigen Einnahmens- und Einkommensarten immer mehr ab-
ſchwaͤcht, und daß ſie ihm insbeſondere diejenigen Beſtandtheile
entzieht, die ihm in den Augen der arbeitenden Claſſen eine
Gehaͤſſigkeit verleihen koͤnnen: das Eine, weil durch die groͤßere
Stetigkeit und allgemeinere Verbreitetheit der Beduͤrfniſſe und
die dadurch hervorgerufene groͤßere Sicherheit des Abſatzes in
Verbindung mit der durch die techniſche Ausbildung gegebenen
groͤßern Sicherheit der Production die Gefahr dieſer letzteren
und damit auch die Wagnißpraͤmie beſchraͤnkt wird, und weil
auch die Lohn-, Zins- und Rentenbeſtandtheile, inſoweit die
letztern uͤberhaupt fortbeſtehen, ſich mehr und mehr aus dem
Unternehmergewinn ausſcheiden; das Andere, weil ſie die aͤußern
Urſachen, welche die Arbeiter verhindern, den Unternehmern
gegenuͤber als gleichberechtigte Mitglieder der Geſellſchaft auf-
zutreten und ihren vollen Vortheil wahrzunehmen, zunehmend
beſeitigt. So ergiebt ſich als Conſequenz unſerer Unterſuchung,
daß jenes Streben, die Arbeiter gewaltſam aus ihrer Arbeiter-
ſtellung in die von Unternehmern hinuͤberzufuͤhren, nicht nur
unmittelbar fuͤr ſie von Nachtheil, ſondern auch um ſo uͤber-
fluͤſſiger iſt, als der Verlauf der Dinge von ſelbſt dahin fuͤhrt,
ihnen einen derartigen Uebergang mehr und mehr zu erleichtern,
zugleich aber auch ihnen den Wunſch danach immer weniger
fuͤhlbar zu machen. Auch hier gelangen wir alſo zu dem naͤm-
lichen Ergebniß, auf das uns eine eingehendere Betrachtung der
phyſiſchen und moraliſchen Weltordnung ſo oft hinfuͤhrt, daß
eine voreilige Haſt ein wuͤnſchenswerth erſcheinendes Ziel nicht
erreichen laͤßt, daß aber in den von der Natur den Dingen ein-
gepflanzten Entwickelungskeimen das Mittel gegeben iſt, uns dem-
ſelben immer naͤher zu fuͤhren; eine Erkenntniß, die freilich
[174] nicht dahin mißzuverſtehen iſt, daß wir traͤge nun Alles gehen
laſſen ſollen, wie es von ſelber geht, aus der uns aber wohl
die Lehre erwaͤchſt, nicht im Kampfe mit den natuͤrlichen Be-
dingungen des Lebens, ſondern in deren Entwickelung unſere
Aufgabe zu erblicken.


[][][]
Notes
1).
So Roſſi Distribution de la richesse, 3. Vorleſung, am Schluſſe.
1).
Wealth of Nations B. I. ch. 6.
1).
Principes d’économie politique, trad. par M. Maurice Monjeau.
Paris
1846. Das engliſche Original iſt mir nicht zur Hand.
1).
S. 233. ff.
2).
Principles of political economy and taxation, hauptſächlich ch. 6.
und 21.
3).
Auf die Differenzen zwiſchen Malthus und Ricardo gehen wir hier
1).
Principles of political economy. Neue Ausg. London 1830. S. 103
wird als Reingewinn des Vermögens der Gewinn bezeichnet, welcher den
Capitaliſten, die ſich auf induſtrielle Unternehmungen einlaſſen, nach Abzug
aller einſchlagenden Ausgaben zufällt, ähnlich auch S. 366. S. 221 wird
als Gewinn der Ueberſchuß dargeſtellt, der durch die Differenz zwiſchen der
durch die Höhe des Lohnes repräſentirten und der dafuͤr eingetauſchten Arbeit
conſtituirt wird. Wenn M. Culloch S. 366 ff. die Lehre Ricardo’s über
den Gewinnſtantheil (rate of profit) erläutert und theilweiſe modificirt, ſo
bezieht ſich das nur auf das Verhältniß, in welchem ſich Capital und Arbeit
in den Ertrag des Productes theilen, und gehört daher nicht hierher. Im
Uebrigen kennt er immer nur 3 Arten von Theilhabern an der Production,
nämlich Arbeiter, Capitaliſten, die er ſtets als die Unternehmer anſieht, und
Grundbeſitzer. S. u. A. S. 364 ſeines Werks.
2).
An Inquiry into the Natural Grounds of Right to Vendible Pro-
3).
nicht näher ein, da ſich dieſelben nur auf das Verhältniß zwiſchen Lohn und
Capitalgewinn beziehen und zu dem Gegenſtande unſerer Abhandlung in kei-
nem unmittelbaren Verhältniſſe ſtehen.
1).
Band XLIV, Seite 1—52, das Hierhergehörige Seite 19 ff.
2).
Grundſätze der Volkswirthſchaftslehre, 5. Ausg. 1847. §. 238. An-
merkg. b.
2).
perty or Wealth. Ich ſelbſt habe das Buch nicht auftreiben können und citire
es daher nach dem ſogleich zu erwähnenden Aufſatze der Quarterly Review.
1).
Outline of the Science of Political Economy, London 1836. Das
Buch iſt mir nicht zur Hand und ich citire daher nur nach Rau, §. 238.
Note b.
2).
Principles of Political Economy by John Stuart Mill, London 1848,
Band I. S. 476 ff.
3).
Soetbeer erwähnt in dem ſeiner Ueberſetzung John Mill’s angehängten
Nachweis über die national-ökonomiſche Literatur von 1846 — 52 auch noch
dreier Abhandlungen Tucker’s in Hunts Merchants magazine, die den Ti-
1).
Rau, §. 238 und neuerdings Roſcher (die Grundlagen der Rational-
ökonomie. Stuttgart und Tübingen 1854, §. 195, Anm. 3.) fuͤhren auch
ſchon Canard unter Denen an, die den Gewerbsverdienſt dem Lohne zurech-
nen. Dieß iſt inſofern richtig, als Canard (§. 21) von den Verkäufern einer
Waare regelmäßig vorausſetzt, daß ſie eine induſtrielle Thätigkeit darauf ver-
wendet haben. Allein Canard übergeht nicht nur den Unterſchied zwiſchen
Unternehmern und Arbeitern, ſondern auch den zwiſchen Unternehmern und
Capitaliſten. Hierzu kommt, daß er den Unterſchied zwiſchen Einkommen und
Eigenthum, Capitalerſatz und Capitalzins mehrfach verkennt. Dieſer Gegen-
ſatz ſowohl, wie derjenige des Einkommens aus den verſchiedenen Produc-
tionsfactoren verſchwimmt bei ihm, und man könnte daher vielleicht ebenſo
gut ſagen, er rechne den Gewerbsverdienſt zum Capitaleinkommen. Jeden-
falls iſt ſeine Darſtellung für die Lehre vom Unternehmergewinn durchaus
bedeutungslos, und ich habe aus dieſem Grunde vorgezogen, ſeinen Namen
im Texte zu übergehen.
2).
Cours, Buch V, beſonders die Cap. 1, 2, 7—9 und Traité, Buch II,
Cap. 7, dazu in der Ueberſetzung von Morſtädt der dem erſtern Werk ent-
nommene Anhang zu Bd. II, Abth. 3, Cap. 3.
3).
tel: Theory of profits führen. Ich habe ſie nicht erlangen können und muß
es daher dahingeſtellt ſein laſſen, welche Berückſichtigung der Unternehmer-
gewinn darin gefunden hat. Der Ort, wo Soetbeer ſie einregiſtrirt, und der
Umſtand, daß Mill ſie mit Stillſchweigen übergeht, laſſen mich jedoch ver-
muthen, daß ſie von der in England üblichen Auffaſſung des „profit“ nicht
weſentlich abweichen.
1).
Wie ſehr Say den Unternehmer als Arbeiter anſieht, geht nament-
lich aus der Stelle hervor, auf die wir hier Bezug nehmen und in der es
heißt: Ces trois causes tendent à élever leurs profits non seulement au
dessus de ceux des propriétaires de terre et des capitalistes, mais au des-
sus de ceux des autres travailleurs c’est-à-dire au dessus de ceux
qui cultivent les sciences ou qui reçoivent un salaire.
1).
Eléments de l’économie politique, nouvelle édition, die Brüſſeler
Ausgabe 1850 ch. XVI. §. 5 z. vgl. mit ch.III. §. 3. — Auch im Journal
des économistes XVIII, 201 ff. XIX, 143 ff.
u. neuerdings in Coquelin u.
Guillaumin, Dictionnaire de l’économie politique, Artikel entrepreneur d’in-
dustrie.
2).
Economie politique, Bruxelles 1837, B. III. ch. 4.
1).
De la liberté du travail, Paris 1846.
2).
Nouveaux principes I. 359. Paris 1822.
3).
De la Distribution de la richesse, Brüſſeler Ausgabe 1851. 20. u.
21. Vorleſung.
1).
Die weſentliche Verſchiedenheit beider Fälle liegt jedoch auf der
Hand. Die Arme gehören ſo gut zur Perſönlichkeit des Arbeiters wie ſeine
Muskelkraft und Intelligenz. Das Capital iſt von der Perſönlichkeit des
Capitaliſten vollſtändig geſchieden. Er kann es ohne Anſtrengung an einen
Andern ausleihen oder veräußern, was der Arbeiter mit ſeinen Armen nicht
kann. Daß Roſſi dieſen Unterſchied überſah, rührt daher, daß er fortwäh-
rend die perſönliche Kraft und Fähigkeit als Capital anſieht, eine Ausdeh-
nung dieſes Begriffes, die ſchon von dem Verfaſſer des eben erwähnten Auf-
ſatzes der Quart. Rev., ſowie von Hermann, Staatsw.-Unterſ., München 1832,
S. 50—59 zurückgewieſen worden iſt.
2).
In Coquelin et Guillaumin, Dictionnaire d’écon. polit. Article:
Profit.
1).
Es bedarf kaum der Hindeutung, wie ſehr dieſer Unterſchied der
Auffaſſung der Verſchiedenheit der Hauptrichtung der productiven Thätigkeit
in beiden Nationen entſpricht. Die auf das Maſſenhafte, Zweckentſprechende,
Solid-Billige gerichtete Induſtrie der Englaͤnder gebraucht als Haupt-
hebel das Capital; die Eleganz, Gefaͤlligkeit und geſchmackvolle Neuheit,
welche die Franzoſen bei ihren meiſten Waaren in erſter Linie erſtreben,
kann nur durch fortwaͤhrendes Mitarbeiten der Unternehmer erreicht werden.
2).
Staatswirthſchaft, herausgeg. v. Auerswald, Königsberg, 1808.
B. 1. S. 150.
3).
Anfangsgründe der Staatswirthſchaft, Riga, 1805, §. 29, 63 und
76. Anmerkg. 2.
4).
Ueber die Natur und Urſachen des öffentlichen Credits. 2. Ausg.
Carlsruhe u. Baden 1829. Hierher gehörig namentlich Cap. 2.
1).
Handbuch der Staatswirthſchaftslehre, 2. Auflage, Erlangen 1837.
B. 1. S. 471—472.
2).
Gleichwohl heißt es im Texte auf der nämlichen Seite, dem Unter-
nehmer müſſe, außer ſeinem eigentlichen Unternehmergewinn,
noch ein Antheil um deswillen zu Gute gerechnet werden, weil er als Un-
ternehmer des Geſchaͤfts zugleich die Arbeit der Direction auf ſich nehmen
müſſe, ein Widerſpruch, den der Verfaſſer zu beſeitigen wohl ſelbſt in Ver-
legenheit geweſen ſein möchte.
Außerdem behauptet Lotz, daß dem Unternehmer vermöge ſeines natür-
lichen Uebergewichts häufig ein Theil des den Arbeitern gebührenden Lohnes
zufließen werde. Hierdurch wird ein Theil des Unternehmergewinnes auf
denſelben Grund geſtützt, aus welchem ſich alle Monopolgewinne ableiten.
Indeſſen iſt dieſer Gedanke, auf den wir ſpäter des Weitern zurückkommen,
nicht weiter verfolgt.
3).
Grundſätze der Nationalökonomie. 3. Aufl. Halle 1825.
1).
Volkswirthſchaftslehre. Mannheim 1846. §. 464 ff.
2).
Grundſätze der Nationalökonomie. Tübingen 1843, S. 315 ff.
3).
Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft. Bd. 1. Frank-
furt a. M. 1848. S. 259 ff.
4).
In dem oben angeführten Werke S. 358 ff.
1).
Handbuch der Nationalwirthſchaftslehre aus dem Franzöſ. von Ran,
Hamburg 1819. Bd. I. 3. Buch. 13. Hauptſtück.
1).
A. a. O. S. 204—214 zu vergl. mit S. 80 und S. 145.
1).
Grundſätze der Volkswirthſchaftslehre, 5. Ausg. Heidelberg 1847.
S. 311—323.
1).
Die Lehre von der Volkswirthſchaft, Halle 1843. S. 558—599.
1).
Neue Grundlage der Staatswirthſchaftskunſt, Bd. 1. Gießen und
Wetzlar 1807. S. 290 ff.
2).
Es iſt ein Verdienſt Roſcher’s (Die Grundlagen der Nationalökonomie,
B. I. 1854, S. 2.) die wiſſenſchaftliche Bedeutung Hufeland’s, richtig ge-
würdigt und neu herausgehoben zu haben.
1).
Neue Unterſuchung der Nationalökonomie und der natürlichen Volks-
wirthſchaftsordnung. Stuttgart und Tübingen 1835, S. 87 und 112—116.
2).
Nationalökonomie. 2. Bd. Berlin 1839, §§. 466—477 u. 685—698.
1).
Eine Folge dieſer Entwickelung iſt, daß Riedel die Lehre vom Unter-
nehmungsgewinn, die ſonſt erſt mit oder nach der Lehre von der Rente,
dem Zinſe und dem Lohne abgehandelt wird, in ſeiner ſyſtematiſchen Dar-
ſtellung dieſen Lehren vorausgehen laſſen muß, wodurch der Vortheil einer
weit größern Klarheit erreicht wird.
2).
Der naturgemäße Arbeitslohn, erſte Abtheilung. Roſtock 1850. S.
80—86.
1).
Bezeichnend in dieſer Beziehung iſt die Klage John Stuart Mill’s,
daß die Gewohnheit der engliſchen Sprache es nicht geſtatte, das Wort
undertaker in demſelben Sinne zu gebrauchen, wie die Franzoſen ihr en-
treprenenr
S. 479. Doch findet ſich undertaker z. B. bei Ad. Smith I, 6:
The profits of the undertaker of the work, who hazards his stock in this
adventure .... The undertaker of the one will expect a yearly profit.
1).
Metonymiſch nennen wir dann auch das gewonnene Ergebniß ſelbſt
ſo. — Im erſteren Sinne ſagen wir z. B., Jemand habe ein gutes Geſchäft,
in letzterem, er habe ein gutes Geſchäft gemacht.
1).
Wir ziehen dieſen Ausdruck der Bezeichnung Conſument vor, da in
letzterer immer die Idee einer Verzehrung liegt, während ſich manche Güter
ohne eine ſolche ausnutzen laſſen oder durch die Ausnutzung doch nur ſehr
allmälig verzehrt werden. Schmuck, Kunſtwerke von Erz und Stein ꝛc.
2).
Hiermit hängt es zuſammen, wenn Hermann a. a. O. S. 29 aus-
ſpricht, eine Production (für den Verkehr) ſei nicht eher als beendigt an-
zuſehen, als bis ihr Product zu Geld gemacht ſei.
1).
Es liegt übrigens auf der Hand, wie leicht ſich hiſtoriſch die Anſicht
1).
Daß man z. B. beim Ausborgen von Capital ſelbſt bei erträglicher
Vorſicht immer nach zufälligen Verluſten ausgeſetzt bleibt, hebt ſchon Adam
Smith (I. 9) hervor.
1).
Riedel’s erklärt. Früher hatte man das Weſen der Unternehmung theils
in der Capitalanwendung, theils in der perſönlichen Thätigkeit geſucht. So-
bald man erkannte, daß dieß falſch war, lag es am nächſten, dieſes Weſen
in nichts Anderem als in der Verbindung jener beiden zu ſuchen.
1).
Der Kürze halber mag uns dieſer Ausdruck anſtatt des richtigeren:
Inhaber unvollkommener Unternehmungen nachgeſehen werden. Spricht man
doch auch ohne Anſtoß von „großen Grundbeſitzern.“
1).
S. 206 Anmerk.
1).
Code de Commerce Art. 27, 28.
2).
Das engliſche Recht kennt die Commanditen-Geſellſchaften nicht
(vergl. hierüber John St. Mill a. a. O. II. 465). In ſeiner Anſchauungs-
weiſe ganz conſequent ſieht J. B. Say (Cours V, 15) die Commanditare nicht
als Unternehmer, ſondern als der Unternehmung fremde Darleiher von Ca-
pital an. Allein ganz richtig bemerkt ſein Sohn hierzu in der Note zu der
betreffenden Stelle, eine Handelsgeſellſchaft ſei ein fingirtes, ein ſogenanntes
Vernunftweſen, welches der wahre Gewerbsunternehmer werde. Dieſer
Unternehmer biete dem Publicum, das mit ihm verkehre, je nach der innern
Einrichtung ſeiner Verfaſſung verſchiedene Garantien ſeiner Zahlungsfähig-
keit dar. Bei den Compagniegeſchäften beruhe dieſe Garantie auf der un-
begrenzten Verantwortlichkeit aller Aſſociés mit ihrer Perſon und ihrem ge-
ſammten Vermögen, bei der Commanditen-Geſellſchaft in der vollſtändigen
Verantwortlichkeit des Geranten und einer auf den Betrag der eingezahlten
oder zugeſagten Capitale beſchränkten Verantwortlichkeit des Commanditars;
in der anonymen Geſellſchaft endlich ſeien die Geſellſchaftsgenoſſen Dritten
gegenüber nur für den Betrag der Actien verantwortlich, die ihren Antheil
repräſentiren. Hier werde thatſächlich eine einfache Verbindung von Capi-
talien der Gewerbsunternehmer und die in das Geſchäft verwendeten Capitale
dienten dem Publicum einzig zur Garantie. Auf keinen Fall aber dürfe man
einen Aſſocié als einen Darleiher des Capitals, das ſeinen Antheil am Ge-
ſchäft ausmacht, an ſeinen Mitaſſocié anſehen.
1).
Unter Organiſation verſteht er das Verſehen des Geſchäfts mit den
benöthigten Productionsmitteln, unter Speculation das Unterlegen eines
Planes, welcher die beſte Art von Anwendung der Productionsmittel ver-
ſpricht, unter Inſpection die Sorge für die Aufrechthaltung der Verbindung
der Productionsmittel und der Richtung, die ihnen gegeben worden iſt,
durch beſtändige Leitung und Beaufſichtigung des Geſchäfts. (§. 468). —
2).
Nur unvollkommene Unternehmungen, welche die von den Beſtellern
der zu liefernden Waare ſelbſt dargebotenen Rohſtoffe verarbeiten, machen
hiervon eine Ausnahme, dieſelbe beruht aber eben auf der Unausgebildetheit
ihres Charakters als Unternehmung. Bei Unternehmungen, welche perſön-
1).
Wenn wir hier und weiterhin unter den vom Unternehmer zu leiſten-
den Entſchädigungen der Productionsfactoren neben Lohn und Zins die Rente
nicht noch beſonders aufführen, ſo geſchieht dieß mit Abſicht. Unter Rente
verſtehen wir im Allgemeinen die Vortheile, welche man im Verkehr aus dem
Innehaben einer monopoliſtiſchen Stellung irgend welcher Art zu ziehen
vermag. Dieſe Rente tritt nun im Leben nur in den ſeltenſten Verhältniſſen
rein auf. Einerſeits pflegt der Arbeitslohn, nicht ſelten auch der Capital-
zins einen Rentenbeſtandtheil zu enthalten, andererſeits iſt in dem, was wir
2).
liche Dienſtleiſtungen zu ihrem Gegenſtande haben, fällt das oben angegebene
Kennzeichen nur deshalb weg, weil ſie überhaupt keine materiellen Producte
liefern.
1).
vorzugsweiſe Rente nennen, in der Bodenrente meiſtentheils ein Zins mit
enthalten. Schon deshalb dürfte es zu entſchuldigen ſein, wenn wir der
Kürze halber die Rente nicht beſonders aufführen. Hierzu kommt aber ein
Zweites, nämlich daß für den Unternehmer der Entſtehungsgrund, welcher
die Rente vom Zinſe unterſcheidet, etwas Unweſentliches iſt. Für ihn nimmt
die Rente durchaus die Bedeutung eines Zinſes an. Wenn er für ſeine Zwecke
ein Grundſtück pachtet, ſo fragt er nicht, aus welchem Grunde der Eigen-
thümer eine Entſchädigung verlangen kann. Dieſer erſcheint ihm in dem
einen wie in dem andern Falle als der Inhaber eines Capitals, der für
deſſen Nutzung einen Entgelt verlangt. Kaum der Bemerkung bedarf es,
daß wir, indem wir die Rente mit unter den Koſten begreifen, dem bekann-
ten Satze, daß die Rente keinen Theil der Productionskoſten ausmache, nicht
widerſprechen. Dieſer Satz iſt nämlich vom Standpunkte der Volkswirthſchaft
ganz richtig. Dort, wo es ſich um die für eine Production von einem Volke
im Ganzen zu bringenden Opfer handelt, macht die Rente keinen Unterſchied.
Die Rente ändert nicht die Production, ſondern nur die Vertheilung des Volks-
vermögens. Aber für den einzelnen Unternehmer, auf deſſen Standpunkt
wir uns hier ſtellen, bildet die Rente, die er bezahlen muß, allerdings einen
Theil der Koſten. Vergl. übrigens über die Rente das vierte Capitel,
Abſchn. III.
1).
Häufig freilich wird die Aufnahme fremder Capitalien ſich dadurch
erklären, daß ſie zu noch weiterer Ausnutzung der Arbeitskraft des Unter-
nehmers die Gelegenheit geben ſoll. Allein was dem Unternehmer in Folge
davon zu Gute geht, iſt darum meiſtens doch nicht als Lohn zu betrachten,
ſondern gehört wirklich zum Unternehmergewinn, indem der Unternehmer
gewöhnlich ſeine Arbeitskraft nicht zu einer größern Ausnutzung zu verdingen
Gelegenheit gehabt haben würde, als er ihr in dem bisherigen beſchränkten
Umfange ſeines Geſchäfts zu Theil werden laſſen konnte. Aber auch abge-
ſehen hiervon liefern z. B. die Prioritäts-Anleihen der Actiengeſellſchaften
den Beweis, daß ſich die Unternehmer von Vergrößerungen ihrer Unter-
nehmungen einen über den erhöhten Aufwand an Lohn und Zins hinaus-
gehenden Gewinn verſprechen.
1).
Auch das Vorangehen der großen Grundbeſitzer, die in weit aus-
gebildeterem Maße, als die kleinen, Unternehmer ſind, in der Einführung
verbeſſerter Productionsmethoden beſtätigt die hier ausgeſprochene Anſicht.
1).
Dieß erkennen die Socialiſten an, indem ſie eine „Organiſation der
Arbeit“ verlangen. Aber indem ſie derſelben nur eine willkürliche, künſtliche
Grundlage geben wollen und die im freien Verkehre wirkſame organiſche
Kraft durchaus verkennen, verlieren ſie ſich in die ungerechtfertigtſten For-
derungen. Eine treffliche Kritik dieſes poſitiven Theiles der ſocialen Theo-
rien liefert Hildebrand in ſeinem angeführten Werke §§. 48—52. Daß auch
die Arbeiteraſſociationen meiſtens wieder auf eine den Verhältniſſen des
freien Verkehrs entſprechende Gliederung zurückkommen müſſen, hat ſich in
Frankreich gezeigt. Vergl. den angeführten Artikel Garnier’s im Dictionn.
d’écon. polit.
2).
Es iſt bekannt, welche Verluſte dem Handel durch Ueberfüllung eben
erſt eröffneter Märkte entſtehen. Eben weil es dort noch an Unternehmern
fehlt, machen entfernte Unternehmer oft die ruinöſeſten Speculationen. Bei-
ſpiele bei Dunoyer, S. 246 u. 316.
3).
Wie ſie umgekehrt, ſobald ſich ihnen Gelegenheit zur vollen Aus-
beutung jener Vortheile bietet, ſich leicht in vollkommene Unternehmungen
verwandeln.
1).
Nicht minder bezeichnend ſagen die Amerikaner: Zeit iſt der Stoff,
aus dem das Leben gemacht wird.
2).
Auf der andern Seite iſt nicht zu leugnen, daß gerade auch durch
das unternehmungsweiſe Betreiben der Geſchäfte Zeit verloren geht. Denn
eben ſo gut, wie es ein Zeitverluſt iſt, wenn der Conſument auf den Pro-
ducenten warten muß, eben ſo gut iſt es umgekehrt auch einer, wenn der
Producent auf den Conſumenten wartet. Allein es iſt keine Frage, daß im
letzteren Falle ſich der Verluſt in engern Schranken hält, als im erſteren.
Es hängt dieß namentlich mit der in Folge der Unternehmungen eintreten-
den Arbeitstheilung zuſammen, welche das Sichfinden von Nachfrage und
Angebot erleichtert. Auch iſt nicht zu überſehen, daß bei einer Production
durch Uebernehmung die Reihe der Tauſchverhandlungen, welche bei der Pro-
duction durch Unternehmungen vorkommt, doppelt und mehrfach durch-
gemacht werden müßte. Während jetzt dieſe Verhandlungen einfach von den
Urproducenten durch die ſucceſſiven Theilhaber an der Production bis zum
Conſumenten hinabgehen, würden ſie in jenem Falle erſt vom Conſumenten
zu den Urproducenten hinauf, dann wieder von dieſen zu jenem herunter und
ſo vielleicht mehrmals hin und her gehen müſſen, ehe das Product wirklich
hergeſtellt würde. Dadurch würde der in dem Lagern der Rohmaterialien,
der Halbfabrikate und fertigen Producte liegende Zeitverluſt gewiß weit
überwogen werden. Dieß iſt um ſo ſicherer anzunehmen, als die meiſten
Unternehmungen, ſobald der Abſatz zu ſtocken beginnt, die Lager zu über-
füllt werden, die Möglichkeit beſitzen, ſich in ihrer Production einzuſchränken
und die dabei mitwirkenden Kräfte für eine anderweite Verwerthung frei
zu machen.
1).
Dieß hat freilich oft auch noch einen andern Grund. Wer einmal
die Bauwuth hat, den läßt ſie auch nicht leicht ruhen, und er beſitzt ſelten
das Talent, ſich in das einmal Geſchaffene gemächlich einzuleben. Indeſſen
die im Text angeführte Urſache der betreffenden Erſcheinung iſt gewiß eben
ſo wenig zu verkennen.
1).
a. a. O. S. 123.
1).
Wir folgen im Nachſtehenden bei der Eintheilung der Productiv-
beſchäftigungen Roſcher (§. 38), doch übergehen wir die Entdeckungen und
Erfindungen, die nach unſrer Anſicht kaum zu den wirthſchaftlichen Arbeiten
zu rechnen ſind — eine entgegengeſetzte Auffaſſung bei Riedel §§. 172—180 —
und jedenfalls nicht füglich ſelbſt Gegenſtand einer Unternehmung werden
können, wenn auch ihre Anwendung zu ſolchen Veranlaſſung giebt. — Mehr
oder weniger übereinſtimmende Eintheilungen der productiven Beſchäftigun-
gen u. A. bei Riedel (§. 171) und Dunoyer (in der Einleitung).
1).
Allerdings tritt in dieſem Falle neben der Production für den eig-
nen Bedarf auch früh ſchon die Richtung auf den Verkehr hervor, und ver-
miſcht ſich alſo in ſo fern Eigengeſchäft und Unternehmung, doch bleibt der
Charakter des erſtern längere Zeit vorwiegend.
1).
Noch um 1797 gab es in Hoch-Schottland viele Bauern, deren
ganze Kleidung Hausproduct war, mit Ausnahme der Mütze, des Schneiders
für den Rock und der Nadeln, überhaupt der eiſernen Werkzeuge. Aber
Weber, Walker, Färber, Gerber, Schuſter u. ſ. w. war der Bauer mit
ſeiner Familie ſelbſt: every man Jack of all trades, Roſcher a. a. O. §. 49.
1).
Das Kaufſyſtem entſteht freilich auch häufig durch die Verwandlung
induſtrieller Nebenbeſchäftigungen in Hauptbeſchäftigungen. Von dieſer Seite
wird es namentlich in den leſenswerthen Artikeln (von Weinlig?) des Dresdner
Journals von 1851: Was haben wir in London gelernt? aufgefaßt, in deren
zweitem auch eine vortreffliche Darſtellung des Uebergangsproceſſes vom
Kauf- zum Fabrikſyſtem gegeben iſt.
1).
Vergl. hierüber und über die Bedeutung, welche die Induſtrieaus-
ſtellungen in dieſer Beziehung haben: Knies, Die Eiſenbahnen und ihre
Wirkungen, Braunſchweig 1853. S. 112, und meine Abhandlung: Münchner
Ergebniſſe, in Gutzkow’s Unterhaltungen am häuslichen Herd. Jahrgang III.
Nr. 4.
2).
Als ein Beiſpiel, wie lange ſich eine ſolche primitive Form des Han-
dels erhalten kann, führe ich die Art und Weiſe an, wie ſich die Deutſchen in
Genf bis in die 30er Jahre dieſes Jahrhunderts, wo ſich eine deutſche
Buchhandlung in dieſer Stadt etablirte, ihren Bedarf an deutſcher Literatur
verſchafften. Bei einem franzöſiſchen Antiquar des Ortes lag nämlich ein
Bogen auf; wer ein Buch wünſchte, ging hin und ſchrieb dort deſſen Titel
auf. Wenn der Bogen voll war, wurde er dann nach Leipzig geſchickt, und
es erfolgte die Sendung der beſtellten Bücher in einem großen Ballen.
1).
Auch wohl den Zuhörern, wenn ſie ſich nicht zahlreich eingefunden
haben, ein Abendeſſen anbietet, wie es nach Berlioz’s Soirées de l’orchestre,
Liſzt und Rubini in einer kleinen Stadt Frankreichs machten, als ſie trotz
ihrer berühmten Namen nur ſpärliche Zuhörer in ihr Concert gelockt hatten.
1).
Utilité gratuite nach Bastiat (Harmonies économiques, zweite Ausg.
Paris 1851.)
1).
a. a. O. S. 114.
1).
In Frankreich rechnet man im Allgemeinen, daß von 100 verſuchten
oder angefangenen gewerblichen Unternehmungen 20 zu Grunde gehen, bevor
ſie irgend Wurzel gefaßt haben; 50—60 vegetiren kürzere oder längere Zeit
in beſtändiger Gefahr des Untergangs und höchſtens 10 kommen zu bedeu-
tender, oft nicht einmal dauernder Blüthe. Godard, bei Roſcher §. 196.
Anm. 2.
2).
Schon Adam Smith (I, 10) ſagt: Man vergleiche, was an einem
gegebenen Orte von den verſchiedenen Arbeitern eines gewöhnlichen Gewerbes,
wie Schuhmachern oder Webern durchſchnittlich jährlich verdient und was
von ihnen ausgegeben wird, und man wird finden, daß die erſtere Summe
in der Regel die letztere überſteigt, aber man ſtelle denſelben Vergleich in
Bezug auf Juriſten (Richter und Studenten) an, und man wird finden, daß
2).
der jährliche Verdienſt nur in einem ſehr niedrigen Verhältniß zu der jähr-
lichen Ausgabe ſteht, mag man gleich den erſteren ſo hoch und den letzteren
ſo niedrig anſchlagen, als es ſich füglich thun läßt.
1).
Es kann dieß wohl nach dem Obigen nicht mißverſtanden werden.
Zur Erläuterung bemerke ich jedoch: nicht das iſt damit geſagt, daß wer
bei gleichem Einſatz doppelt ſo viel gewinnt als ein Anderer, ſich mehr als
doppelt darüber freuen müſſe, daß alſo z. B. die Freude deſſen, der
100,000 Thaler in der Lotterie gewinnt, mehr als noch einmal ſo groß
ſein müſſe, wie die deſſen, der 50,000 Thaler gewinnt. Meine Meinung
iſt vielmehr nur die, daß die Ausſicht auf einen höhern Gewinn zu einer
leichtern Beurtheilung der Chancen der Gefahr führt. Darauf beruhen alle
Lotterien. Wenn ich mit 10 Thalern im günſtigen Falle 15 oder 20 ge-
winnen kann, ſo wäge ich die Möglichkeit des Verluſtes genauer ab, als
wenn ich die Ausſicht auf mehrere Tauſende habe.
2).
Man denke an die Spielluſt in Californien, an das Auftauchen ge-
2).
wagter Unternehmungen, ſo bald ein Land oder eine Gegend einen plötzlichen
ökonomiſchen Aufſchwung nimmt, u. ſ. w.
1).
Der Gewinn der Aſſecuranzunternehmungen erklärt ſich daraus, daß
dieſelben nur da auftreten können, wo die Gefahr, gegen welche ſie verſichern,
von den Unternehmern als eine beſondere Laſt empfunden wird, und deshalb
die Gefahrprämie über dem Verhältniß zur Gefahr ſteht. Ein Beiſpiel mag
das erläutern. Es ſtehe feſt, daß in einer gegebenen Zeit von 40 feuer-
gefährlichen Unternehmungen derſelben Art regelmäßig eine durch Feuer voll-
ſtändig vernichtet wird. Der regelmäßige Ertrag ſolcher Unternehmungen
müßte demnach den Ertrag anderer Unternehmungen, die von dieſer Gefahr
befreit werden, um 1/39 ihres Werths überſteigen. So lange aber der Ertrag
ſich auf dieſer Grenze hält, kann den Unternehmern keine ſelbſtändige Aſſe-
curanz zu Hülfe kommen; die 39/39, welche jene abzugeben vermögen, reichen
nur hin, um den Verluſt zu erſetzen, nicht aber die Aſſecuranz für ihre
Leiſtung zu entſchädigen. Erſt wenn die Laſt der Gefahr die Unternehmun-
gen ſo reducirt hat, daß der Ertrag in Folge der durch das verminderte
Angebot erhöhten Preiſe ihrer Producte ſich über das Verhältniß zur Gefahr
erhoben hat, daß z. B. die obigen 39 Unternehmungen je 1/35 ihres Werths
als Gefahrprämie beziehen, kann eine Aſſecuranz eintreten. Dieſelbe be-
hielte in dieſem Falle 4/35 für ihre eigne Deckung übrig. Begnügt ſie ſich
mit weniger, ſo wird der Erlaß, falls eine Vermehrung der Unternehmungen
1).
möglich iſt und die Nachfrage nach den betreffenden Producten die nämliche
bleibt, in dem verminderten Preiſe dem Publicum; wo dieß nicht oder nur
theilweiſe der Fall iſt, den Unternehmern ganz oder zum Theil als Rente
zu Gute gehen. Als Conſequenz ergiebt ſich hieraus, daß die Aſſecuranzen,
vorausgeſetzt, daß kein Zwang dazwiſchen tritt, die Producte zwar unter
Umſtänden wohlfeiler, aber nie theurer machen können.
1).
In dieſem Falle vermindert ſich jedoch der Lohn um den Werth-
betrag, den man dem Ueberhobenſein von der betreffenden Anſtrengung bei-
legen mag.
1).
Mit dieſer Anſicht hängt es zuſammen, wenn manche Schriftſteller
ſich große Mühe geben, die dem Unternehmer nöthigen Qualificationen genau
aufzuzählen. — So z. B. unter den Franzoſen J. B. Say (Cours, V, 8.
Traité, II,
7.) und Dunoyer (Buch VI.) und unter den Deutſchen Steinlein
(Handbuch der Volkswirthſchaftslehre, Bd. I. München 1831. S. 444 ff.);
zugleich mit einem langen Literaturnachweis. Wir von unſerm Standpunkt
aus vermögen darauf keinen beſondern Werth zu legen, da wir eine beſtimmte
Thätigkeit nicht als weſentlich nothwendiges, unentbehrliches Merkmal des
Unternehmers betrachten. Soll jedoch einmal eine ſpecielle Thätigkeit des
Unternehmers angenommen werden, ſo wird man darunter diejenige verſtehen
müſſen, die ſich auf die Conception der Production, das in Bewegung Setzen
und Zuſammenhalten der Productionselemente und die Verwerthung der
Erzeugniſſe bezieht. Mit Beziehung hierauf würde man die von einem
Unternehmer geforderten Eigenſchaften etwa in folgender Weiſe claſſificiren
können:
  • 1) Erkenntniß der wachenden und ſchlummernden Bedürfniſſe und des
    Betrags der Mittel, welche das Publicum für deren Befriedigung aufzuwen-
    den fähig und geneigt iſt, und zwar beider Größen in ihrem ſteten Wechſel.
  • 2) Fähigkeit, ſich ein Ideal der geforderten Producte zu bilden, ſowie
    Erkenntniß des ökonomiſch beſten Verfahrens zu ihrer Herſtellung und der
    anzuwendenden Productionselemente, ihrer abſtracten und concreten Leiſtungs-
    fähigkeit, ihres Preiſes ſowohl für den Unternehmer ſelbſt als für etwaige
    Concurrenten; eben ſo Erkenntniß der perſönlichen Leiſtungsfähigkeit der
    letzteren im Vergleich mit ſeiner eignen; als Folge von Alledem die Fähig-
    keit, den Preis, zu welchem man ſelbſt und zu welchem Andre zu produciren
    vermögen, mit wohlbegründeter Zuverſicht zu berechnen.
  • 3) Talent, die in jedem gegebenen Augenblicke zu Gebote ſtehenden
    wohlfeilſten und ausgiebigſten Productionsmittel auszuſpüren und für die
    Unternehmung zu gewinnen.
  • 4) Talent, die gewonnenen Productionselemente auf die fruchtbrin-
    gendſte Weiſe zu verwenden und ſie zur Production im Allgemeinen, wie im
    Bezug auf ihr Verhältniß gegen einander in die richtige Stellung zu bringen.
  • 5) Talent, die gewonnenen Productionselemente der Unternehmung und
    zwar fortdauernd in der höchſten Ausgiebigkeit, zu der man ſie bringen kann.
1).
  • zu erhalten, wie andrerſeits die minder fruchtbar oder nachtheilig wirkenden
    Beſtandtheile der Unternehmung unverzüglich herauszufinden und zu beſeitigen.
  • 6) Talent, ſein Angebot ſtets im entſprechendſten Umfang, zu der
    günſtigſten Zeit, unter den vortheilhafteſten Verhältniſſen, in der verlockend-
    ſten Weiſe zu ſtellen.

Geht man auf die geiſtigen und moraliſchen Eigenſchaften, auf welchen
alle dieſe Fähigkeiten beruhen, näher ein, ſo findet man, daß ſie nicht
weniger umfaſſen, als Kenntniß und richtige Beurtheilung der gegebenen
Verhältniſſe wie der Menſchen im Allgemeinen und ſeiner ſelbſt insbeſondere,
Muth, Beſonnenheit, Ausdauer, Fleiß, Selbſtbeherrſchung, Phantaſie,
kurz Alles, was überhaupt zu einem vollkommenen Menſchen gehört, ſelbſt
die Begeiſterung darf nicht fehlen, die alle Fähigkeiten erſt nach einem Ziel-
punkte zuſammendrängt, und endlich muß eine ſpecielle Geſchäftskenntniß
noch hinzu kommen. Da aber auf Erden einmal Alles unvollkommen iſt,
ſo würde es darauf ankommen, zu beurtheilen, in welcher Reihe die ver-
ſchiedenen Eigenſchaften ihrer Wichtigkeit nach rangiren, mit dem Fehlen
welcher größere und mit dem Fehlen welcher anderer geringere Nachtheile
verknüpft ſind. Hierüber läßt ſich jedoch keine allgemeine Regel aufſtellen,
vielmehr wird das Reſultat nach den verſchiedenen Geſchäften und in dieſen
wieder nach den verſchiedenen Umſtänden ein durchaus verſchiedenes ſein,
und ſchließlich erfordert jeder einzelne Fall ſeine eigne Beurtheilung. Nur
ſo viel läßt ſich ſagen, daß wenn auch die höchſte menſchliche Vollkommen-
heit und die höchſte Vollkommenheit des Unternehmers zuſammenfallen, die
Stufen minderer Vollkommenheit nicht dieſelbe Gleichartigkeit zeigen. Man
kann ein geiſtig und moraliſch ſehr vortheilhaft ausgebildeter Menſch und
dennoch zu einem Unternehmer wenig geſchickt ſein, und auf der andern
Seite ſehen wir Unternehmer, die ihre Sache vortrefflich verſtehen und den-
noch von dem allgemeinen menſchlichen Ideale ſehr weit entfernt ſind.
1).
Auch der Erfindungsgeiſt findet unter Umſtänden ſeine Abmiether.
In Lancaſhire und Weſtriding giebt es Fabrikanten, die geſchickte Mechaniker
nur zur Einführung von Verbeſſerungen an den Maſchinen halten. Edinb.
Rev. Jan. 1849. S. 70 ff.
1).
Man kann nicht einwenden: dann behält er ja nichts für ſich. Einen
Capitalertrag allerdings nicht, aber wohl den Ertrag ſeiner Arbeit, zu deren
Verwerthung das Capital ihm die Gelegenheit ſchafft, und den Unternehmer-
gewinn. Auch vergeſſe man nicht, daß wir den Unternehmerzins von der
Gefahrprämie durchaus ſcheiden und einzig und allein den reinen Ertrag des
Capitals darunter verſtehen.
2).
„In ſolchen Zeiten, wo durch die Wechſelfälle der Conjunctur das
Geſchäft große Verluſte bringt, und das Vermögen, wie die Ehre des Unter-
nehmers auf dem Spiele ſteht, iſt der Geiſt deſſelben von dem einen Ge-
danken, wie er das Unglück von ſich abwenden kann, erfüllt, und der Schlaf
flieht ihn auf ſeinem Lager. Anders verhält es ſich in einem ſolchen Falle mit
dem beſoldeten Stellvertreter. Wenn dieſer am Tage ordentlich gearbeitet
hat und am Abend ermüdet nach Hauſe kommt, ſchläft er mit dem Bewußt-
ſein erfüllter Pflicht ruhig ein. Aber die ſchlafloſen Nächte des Unterneh-
mers ſind nicht unproductiv. Hier faßt er Pläne und kommt auf Gedanken
zur Abwendung ſeines Mißgeſchicks, die dem beſoldeten Adminiſtrator, wie
ernſtlich derſelbe auch ſeine Pflicht zu erfüllen ſtreben mag, doch verborgen
bleiben, weil ſie erſt aus der höchſten Anſpannung aller auf einen Punkt
gerichteten Geiſteskräfte hervorgehen . . . . Der auf eigne Rechnung und auf
eigne Gefahr arbeitende Unternehmer beſitzt bei übrigens gleichen Eigen-
ſchaften eine größere Leiſtungsfähigkeit als der beſoldete Stellvertreter, wie
groß auch deſſen Pflichttreue ſein mag, und dieß iſt der Grund, warum dem
Unternehmer außer den Adminiſtrationskoſten noch eine Vergütung zukommt.“
v. Thünen a. a. O. S. 83—84. Auch Roſcher hebt die Fruchtbarkeit der
ſchlafloſen Nächte des Unternehmers mit Nachdruck hervor.
1).
Auf dieſe beiden Categorien glauben wir Alles zurückführen zu kön-
nen, was auf die Verſchiedenheit des Lohns bei verſchiedenen Arbeiten Ein-
fluß hat. Unter der Unannehmlichkeit der Arbeit verſtehen wir demnach nicht
bloß Quantität und Qualität der Anſtrengung, ſondern auch die größere
oder geringere Stetigkeit der Beſchäftigung, die perſönliche Gefahr, den
Standesaufwand ꝛc. Die Schwierigkeiten, welche der Erlangung der erfor-
derlichen Fähigkeit entgegenſtehen, beſtehen theils in Capitalaufwand, theils
1).
in der von den Lernenden geforderten Mühe und Sorgfalt. Beſondere
Talente, die von manchen Beſchäftigungen gefordert werden oder dieſelben
erleichtern, gehören nicht hierher. Was für dieſelben gewährt wird, iſt nur
der Form nach Lohn, in der That aber (Lohn-) Rente.
1).
Das Wort Rente, offenbar mit dem franzöſ. rendre, dem engl.
render zuſammenhängend, hat etymologiſch keinen andern Sinn, als unſer
deutſches Einkommen, d. h. eine ohne Beſchädigung der Urſache, aus der
ſie fließt, periodiſch wiederkehrende Einnahme. Die Seltenheitsprämie aber
iſt nicht nothwendig Einkommen und eben ſo wenig iſt jedes Einkommen
Seltenheitsprämie.
1).
Neuerdings iſt von Carey (The past, the present and the future,
Philadelphia 1848. The Harmony of interest agricultural, mauufacturing
and commercial.
(Philadelphia 1851.) und im Journal des Econ. XXXII. 89 ff.)
in Beziehung auf die Grundrente die Anſicht aufgeſtellt worden, daß es nicht
die vortheilhafteſten Ländereien ſeien, welche zuerſt in Angriff genommen wür-
den, daß die Ausdehnung der landwirthſchaflichen Production im Gegentheile
von ungünſtigeren zu günſtigern Ländereien führe. Ich glaube, daß ſich
dieſer Satz dahin verallgemeinern läßt, daß die meiſten Productionen nicht
unter den natürlich günſtigſten Bedingungen begonnen werden, ſondern ſich
erſt im Laufe ihrer Entwickelung auf dieſelben baſiren, und behalte mir vor,
dieſe Anſicht ein andermal näher zu begründen.

Die Natur der Rente wird übrigens dadurch nicht alterirt, denn ob es
die älteren oder die jüngeren Unternehmungen ſind, welche unter günſtigeren
Bedingungen produciren, bleibt ſich in dieſer Beziehung vollkommen gleich.


Aus dieſem Grunde konnte im obigen Texte eine der Ricardo’ſchen Auf-
faſſung entſprechende Ausdrucksweiſe ſtehen bleiben.

1).
Abhandlung von dem Geldumlauf in anhaltender Rückſicht auf die
Staatswirthſchaft und Handlung. 2. Aufl. Hamburg und Kiel 1800. Buch II.
§§. 14 u. 17.
2).
a. a. O. I. 304 ff.
1).
Die Vorliebe der Schacherjuden für den Handel mit Pretioſen erklärt
ſich zum Theil mit aus dieſem Umſtande.
1).
Sind dieſe Begehrer ſelbſt wieder die Herſteller anderer Güter und
iſt ihnen die Befriedigung des betreffenden Bedürfniſſes unentbehrlich, ſo
wird der Wohlſtand der Begehrer jener andern Güter das maßgebende
Moment, und ſo geht die Rückwirkung möglicher Weiſe durch die verſchie-
denſten Güterclaſſen hindurch.
1).
Um dieſe Sätze an einem Beiſpiele zu erläutern, nehmen wir Grund
und Boden einer beſtimmten Fruchtbarkeit. Derſelbe gewährt eine Rente,
wenn der Preis ſeiner Producte den Satz überſteigt, der zur Erſetzung der
Productionskoſten einſchließlich der Zinſen des aufgewandten Capitals hin-
reichend iſt, und dieſer Preis kann eine ſolche Höhe nur durch die verhält-
nißmäßige Seltenheit der betreffenden Grundſtücke erreichen. Dieſe Selten-
heit wiederum rührt entweder daher, daß zwar noch mehr Grundſtücke der
betreffenden Art vorhanden ſind, aber durch äußere Gründe von produciren-
der Mitwirkung abgehalten werden, oder daher, daß die Zahl der betreffen-
den Grundſtücke eine thatſächlich beſchränkte iſt. Jenes iſt z. B. der Fall,
wenn die concurrenzfähigen Grundſtücke durch Sitte oder Geſetz in den Händen
von Eigenthümern feſtgehalten werden, die ſie weder ſelbſt auszubeuten geeignet,
noch durch Andere ausbeuten zu laſſen geneigt ſind, oder wenn der außerordent-
liche Ertrag der werbenden Grundſtücke der nämlichen Art unbekannt bleibt.
Eine zunehmende Entwickelung des geiſtigen und materiellen Verkehrs wird
ſolche Erſcheinungen immer ſeltner machen. Die thatſächliche Beſchränkung
der Menge der betreffenden Grundſtücke muß zwar um ſo ſtärker erſcheinen,
je lebhafter der Begehr nach ihren Producten wird, allein dem wirkt bei
fortſchreitender Entwickelung entgegen: eine beſſere Naturkenntniß, welche
vielleicht die Erſetzbarkeit der begehrten Producte durch andere oder die
Mittel lehrt, auch andern Aeckern auf künſtliche Weiſe dieſelbe Fruchtbarkeit
zu verleihen, wie ſie die Rente gebenden beſitzen; die Auffindung von Er-
ſparungen bei landwirthſchaftlichen Meliorationen, ſo daß Bodenverbeſſerun-
gen, die auf den Rente gebenden Grundſtücken mit großem Aufwande durch-
geführt worden ſind, auf den übrigen Grundſtücken nun mit geringeren
Koſten hergeſtellt werden, was durch die mit dem zunehmenden Verkehr ent-
ſtehende größere Leichtigkeit, die nöthigen Arbeiter und Capitalien zu er-
halten, noch befördert wird; endlich die größere Schnelligkeit, mit welcher
andern Grundſtücken die Concurrenzfähigkeit verliehen werden kann, indem
die größere Fülle der vorhandenen Capital- und Arbeitskräfte und die ge-
1).
Man denke an die Schafrace der New-Kents in England, die durch
Kreuzung durch 20 verſchiedene Generationen hindurch entſtanden iſt. Vergl.
Biot, im Journ. des Savants Jul. 1851.
1).
ſchicktere Methode ihrer Verwendung landwirthſchaftliche Verbeſſerungen in
einer Zeit zu vollenden geſtattet, die bei minder entwickelten Verhältniſſen
oft nicht entfernt dazu hingereicht haben würde.
Die Anwendung dieſer Sätze auf die verſchiedenſten Arten der Rente
gewährenden Capitalien ergiebt ſich ohne weitere Darlegung.
1).
Dieſe Schranke wird zu gleicher Zeit noch von einer andern Seite
untergraben; die Vermiethbarkeit der Capitalien hebt nämlich, indem ſie
deren Ausbreitung in die geeignetſten Hände bringt, in der Regel die
ganze fragliche Production und damit das Anſehen derer, welche dieſe be-
treiben. Dadurch aber wirkt ſie den Vorurtheilen entgegen, auf welchen die
äußeren Hinderniſſe der Selbſtbewirthſchaftung der Capitalien großentheils
beruhen.
1).
Die Großunternehmerrente ſtrebt natürlich, ſich in den verſchiedenen
Geſchäftszweigen ins Niveau zu ſetzen, und die Folge iſt, daß die Concur-
renz der kleinern Unternehmer zuerſt da unmöglich gemacht wird, wo die
ökonomiſchen Vortheile der großen Unternehmungen am größten ſind. Die
Productivität einer großen Unternehmung mit 100,000 Thalern Betriebs-
capital betrage den kleinern Unternehmungen gegenüber, wo ſie ſich nur
auf 4 belaufe, in dem Geſchäftszweig A. 7, in B. 6, in C. 5, dann wird
ſich zunächſt auch die Großunternehmerrente dem entſprechend verſchieden
formiren. Sehen wir der Einfachheit wegen von allen übrigen Einflüſſen
ab, ſo können wir ſie als genau in demſelben Verhältniß ſtehend betrachten,
ſo daß ſich, während der Zinsfuß für kleinere Capitalien 4 Procent wäre,
ein Capital von 100,000 Thalern in A. angelegt dem Unternehmer mit 7,
in B. mit 6, in C. mit 5 Procent verintereſſiren, mit andern Worten, daß
die Großunternehmerrente in A. 3, in B. 2, in C. 1 Procent betragen
1).
würde. Die Großunternehmerrente beruht aber nun lediglich darauf, daß
die Zahl derer, welche über Capitalien von einem gewiſſen Umfang, hier
von 100,000 Thalern, verfügen können, eine beſchränkte iſt. Könnte man
mit 100,000 Thalern in A. 3 Procent Rente gewinnen, in B. und C. nur
2, bezüglich 1 Procent, ſo würden diejenigen, die über eine ſolche Summe
zu disponiren haben, von B. und C. weg ſich zu A. wenden und dort durch
ihre Concurrenz die Preiſe der Producte und damit die Großunternehmer-
rente herabdrücken. Wäre letztere auf 2 und der Preis der Producte im
Verhältniß von 7 zu 6 geſunken, ſo könnten die kleinen Unternehmer in A.
nicht mehr beſtehen, es würde dort nur Großbetrieb ſtattfinden können. In
B. würden die bisherigen Verhältniſſe, Großbetrieb neben Kleinbetrieb, be-
ſtehen bleiben. In C., weil dort der Großbetrieb noch immer nicht ſo vor-
theilhaft wäre, wie in A. und B., würde nur Kleinbetrieb herrſchen. Für
die Praxis ergiebt ſich hieraus die Folgerung, daß, wenn in irgend einem
Geſchäftszweig ein Fortſchritt ſtattfindet, der den Großbetrieb beſonders
erfolgreich macht, ſolche andere Geſchäftszweige, wo der Großbetrieb die
verhältnißmäßig am wenigſten günſtigen Reſultate liefert, vorausgeſetzt, daß
inzwiſchen keine Erweiterung des Credits ſtattgefunden hat, wieder zum
Kleinbetrieb getrieben werden.
1).
Nur einen Fall giebt es, wo die Unternehmerrente i. e. S. ſich
1).
auch noch auf höheren Culturſtufen erhält, wenn ſich nämlich die coucurrenz-
fähigen Productionselemente im Auslande vorfinden, die dortigen Unter-
nehmer aber durch Schutzzölle von der Mitwerbung abgehalten ſind. In-
deſſen wird eine fortſchreitende Entwickelung durch die ihr inwohnende na-
türliche Tendenz zum Freihandelsſyſtem auch dieſen Fall mehr und mehr
einſchränken.
1).
Da in einem ſolchen Falle übrigens die Möglichkeit, eine Unterneh-
mung zu betreiben, übertragbar zu ſein und daher Capitalwerth zu erhalten
pflegt, ſo treffen etwaige Eingriffe in der Regel nicht ſowohl den Unter-
nehmergewinn, als die Capitalrente.
1).
So geht z. B. der anſcheinend nicht ſeltene Fall, daß ein Unter-
nehmer für die nämlichen Leiſtungen weniger Lohn erhält, als die in ſeinem
Dienſte ſtehenden Arbeiter, den Unternehmergewinn eben darum nichts an,
weil es ſich um Leiſtungen handelt, welche auch durch Mietharbeiter ver-
richtet werden können.
1).
So erzählt Babbage, daß in England in einigen Gewerbszweigen
wegen der raſch ſich folgenden mechaniſchen Verbeſſerungen die Durchſchnitts-
dauer einer Maſchine nur auf 3 Jahre berechnet werde, wonach ſie durch
einen neuen Apparat erſetzt werden müſſe.
2).
Dieſen Zuſtand, wo die Zinseinbuße nicht mehr unter den Unter-
nehmergewinn fällt, verkennen oft die Unternehmer, indem ſie über den
ſchlechten Gang ihrer Geſchäfte klagen, während es in der That ihr Capital
iſt, deſſen Ertrag eine Einbuße erlitten hat. Bei dem Verſuche, daſſelbe
zu verkaufen, würde ihnen das klar werden. Sie haben allerdings verloren,
aber nicht als Unternehmer, ſondern als Capitaliſten.
1).
Intereſſante Beiſpiele der Hinderniſſe, welche ſich einer ſchnellern
Einführung productiver Verbeſſerungen entgegenſtellen u. A. in der Edin.
Rev. 1849. Jan. S. 70 ff.
1).
Zu dieſer Definition ſind wir durch die Betrachtung der hiſtoriſchen
Entwickelung der Lehre von den Unternehmungen und dem Unternehmer-
gewinn (Cap. I.) gelangt, und ſie rechtfertigt ſich nicht minder durch die
Etymologie des Wortes. Durchaus abweichend von dem bisherigen Sprach-
gebrauch und deshalb im Obigen von uns nicht berückſichtigt iſt die Bedeu-
tung, in der L. Stein: Syſtem der Staatswiſſenſchaft Bd. I. (Stuttgart
und Tübingen 1852) S. 287 ff. das Wort Unternehmen brauchte. Danach
iſt das Unternehmen „die Thätigkeit des Einzelnen, in welcher dieſelbe durch
productive Verwendung ſeines Vermögens einen beſtimmten Erwerb zu
machen ſtrebt“ … „die Bethätigung des Individuums an der Sphäre der
ihm eignen, in ſeinem Vermögen zuſammengefaßten Güterwelt.“ … „die
wirthſchaftliche That.“ „Jede Arbeit iſt ein Unternehmen, weil ſie noth-
wendig eine individuelle iſt. Wie jene für das Güterleben, ſo iſt dieſes
für die Wirthſchaft die Quelle der Herrſchaft des Menſchen über den Stoff.
Das Unternehmen aber ſteht höher als die Arbeit; denn als eine That des
Menſchen hat es in ſich einen von der Perſönlichkeit gegebenen Zweck.“ …
„Arbeit und Unternehmen verhalten ſich wie das Natürliche und das Per-
ſönliche im Menſchen.“ u. ſ. w. — Man wird nicht beſtreiten können, daß
dieſe Erklärung mit dem Sinne, welchem bisher Wiſſenſchaft und Sprache
des gewöhnlichen Lebens dem Worte Unternehmen (Unternehmung) beigelegt
haben, nicht im Einklange ſteht, und es wäre daher wünſchenswerth gewe-
ſen, daß Stein zur Bezeichnung des von ihm ſehr richtig erkannten Gegen-
ſatzes des natürlichen und des perſönlichen Elements in der productiven
Thätigkeit des Einzelnen ein anderes Wort gewählt hätte.
1).
Vergl. hierüber Hildebrand a. a. O. S. 152.
2).
Etwas Anderes iſt es, wenn der Vorſchlag im Sinne einer von den
Arbeitern dem Hauptunternehmer zu gebenden Garantie ihrer Leiſtungen
gemacht wird. Von dieſem Geſichtspunkte aus empfiehlt ſich eine Bethei-
ligung der Arbeiter am Gewinn da, wo den Arbeitern ungewöhnlich viel
anvertraut werden muß, und wo ſie ſehr tüchtig und an Bildung von ihrem
Herrn wenig verſchieden ſind; vergl. hierüber Roſcher a. a. O. S. 39. — Doch
iſt natürlich hier Alles der freien Vereinbarung zu überlaſſen.
3).
Eine treffliche Ausführung der Gründe, welche gegen eine Bethei-
ligung der Arbeiter am Gewinn ſprechen, in der Edinb. Rev. April 1849
S. 426—433. 1) Abgeſehn von den geſetzlichen Hinderniſſen, die erſt zu
beſeitigen wären, tritt einer ſolchen Betheiligung ſogleich ein praktiſches
Bedenken entgegen. Die Arbeiter erhalten den ihnen gebührenden Antheil
3).
bereits im Lohne, alſo könnten ſie einen Antheil am Gewinne nur durch
Aufgeben eines Theils ihres jetzigen fixen Lohnes erlangen. Anſtatt ihres
Lohnes, nicht hinzu zu dieſem, könnten ſie Antheil am Gewinn erhalten.
Alſo müßte der Plan mit einer Reduction des Wochenlohns beginnen. Nur
die wenigſten Arbeiter würden auf eine ſolche Veränderung eingehn. —
2) Was ſoll in Jahren des Verluſtes, beſonders wenn deren mehrere ſich
folgen, geſchehn? In ſolchen Jahren ſind zugleich die Nahrungsmittel
theuer. Die Arbeiter in einem ſolchen Gemeinſchaftsſyſtem hätten mehr Aus-
gaben und weniger Verdienſt und fänden ſich am Ende des Jahres mit dem
Antheil am Verluſte belaſtet, der auf ihren Theil fiele und den ſie wahr-
ſcheinlich dem Arbeitsgeber bis auf beſſere Jahre ſchuldig bleiben müßten.
Die Wiederbezahlung dieſer Schuld, wo der Arbeiter nur immer abzuzahlen
hätte, während der Herr reichen Gewinn machte, würde eine viel ſchlimmere
Stimmung erzeugen, als die jetzige iſt. Zudem würde wahrſcheinlich die
Erſetzung des feſten Lohnes durch einen ungewiſſen, einen Geiſt des Spieles
und der Unvorſichtigkeit erzeugen. Sie verlangt eine moraliſche und ſociale
Entwickelung, von der die Manufacturbevölkerung noch weit entfernt iſt. —
3) Der Plan iſt unausführbar. Abgeſehn von den Schwierigkeiten, die dar-
aus entſtehen, wenn ein Arbeiter vielleicht jahrelang in der Schuld des Herrn
iſt, die Streitigkeiten, wer die Schuld des Erfolges trage; abgeſehn von
der Entmuthigung des Arbeiters und der Verſuchung, ſeiner Schuld durch
Wechſel des Herrn ſich zu entledigen, darf die große Zahl der Arbeiter, die
eine Fabrik beſchäftigt — in England durchſchnittlich 500 — nicht über-
ſehn werden. Von dieſen kommen und gehen viele, wie es ihnen einfällt.
Wie will man für dieſe eine Genoſſenſchaft einrichten? Andere ſind faul,
lüderlich, trunkſüchtig; man muß ſie fortſchicken. Aber wie Jemand fort-
ſchicken, der einen Anſpruch am Gewinn hat?

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TextGrid Repository (2025). Mangoldt, Hans von. Die Lehre vom Unternehmergewinn. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bpkh.0