Oratorie,
Vernuͤnftige anleitung
zur gelehrten und galanten
Beredſamkeit,
wie ſich ſelbige ſo wohl in oͤffentlichen reden,
als auch im taͤglichen umgang, bey allerhand ma-
terien, auf mancherley art, durch eine gluͤckliche er-
findung, nette expreßion und ordnung
zeigen muͤſſe,
mit auserleſenen exempeln erlaͤutert,
und mit einem regiſter verſehen.
Bey denenCoͤrneriſchen Erben,
in der Grimmiſchen Gaſſe.
Dem
Magnifico,
Hoch-Edelgebohrnen Herrn,
Herrn
Gottfried Langen/
vornehmen JCto,
Sr. Koͤnigl. Maj. in Pohlen
und Churfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen
hochbeſtalten Hof- und Juſtitien-
Rath, des Ober-Hof-Gerichts, des
Conſiſtorii und Schoͤppen-ſtuhls in
Leipzig hochverordneten Aſſeſſori,
der Stadt Leipzig hochanſehnlichen
Buͤrgermeiſter, und des groſſen
Fuͤrſten-Collegii Colle-
giato, \&c.
Meinem Hochzuehrenden
Herrn,
[] Wie auch
Dem Hoch-Edelgebohrnen
Herrn,
Herrn Jacob Born,
vornehmen JCto,
Sr. Koͤnigl. Maj. in Pohlen und
Churfuͤrſtl. Durchl. zu Sachſen hochbe-
ſtalten Appellations-Rath, des Ober-
Hof-Gerichts Aſſeſſori, der Stadt
Leipzig hochverdienten
Stadt-Richter, ꝛc.
Jngleichen
Dem Hoch-Edlen, Veſten und
Hochweiſen Herrn,
Herrn
Joh. Ernſt Kregeln,
hochverdienten Baumeiſter und
Fuͤrnehmen des Raths zu Leipzig, auch
fuͤrnehmen Kauf- und Handels-
Herrn daſelbſt,
Meinen Hochzuehrenden
Herren.
[]
Hoch-Edelgebohrne,
Hoch-Edler, Hochweiſer,
Hochzu Ehrende Herren,
EW. Magnificence, Hoch-
Edelgebohrnen und
Hoch-Edlen Herrlig-
keiten, gegenwaͤrtiges
werckchen zuzueignen,
habe kein bedencken ge-
tragen, da mir theils eine allgemeine
ſchuldigkeit ſchon fuͤrlaͤngſt auferleget,
Erlauchte und Hochverdiente Haͤupter
zu verehren, theils gantz beſondere pflich-
ten, welche, wann ich ſie erzehlen wolte,
uͤber die graͤntzen einer zuſchrift giengen,
mich zu dieſem unternehmen ins beſon-
dere verbinden. Es iſt zwar dieſe art
der verehrung allezeit mit einiger kuͤhn-
heit, und zuweilen gaꝛ zu groſſen freyheit
vergeſellſchaftet: Doch haben leute von
)( 3ho-
[] hohem range und veꝛdienſten, ſolche kuͤhn-
heit leichter vergeben und genehm gehal-
ten, als diejenigen, welche mit ihren weni-
gen faͤhigkeiten, ſo zu reden, noch vor den
hafen der gehoften ruhe laviret, ſelbige
begangen. Jch ſchmeichle mir mit die-
ſen eines gleichen gluͤcks, und da ich die eh-
re habe, Ew. Magnificence, Hoch-Edelge-
bohrnen, Hoch-Edlen Herrligkeiten/ alle
arten vom wohleꝛgehen zum aufnehmen
des gemeinen beſten und zu dem hohen
vergnuͤgen Dero hoch-anſehnlichen Fa-
milien anzuwuͤnſchen: So erſuche Die-
ſelben unteꝛthaͤnig, dieſe blaͤtter als gerin-
ge fruͤhlings-bluͤthen nicht zu verſchmaͤ-
hen, ſondern hochgeneigt anzunehmen,
und mich ſo lange Dero hohen wohlge-
wogenheit zu wuͤrdigen, biß ich durch
vollkommene fruͤchte zeigen koͤnne, mit
was fuͤr beſonderer tieffen ergebenheit
ich ſey
Ew. Magnificence,
Hoch-Edelgebohrnen, Hoch-Edlen
Herrligkeiten
gehorſamſt-ergebenſter diener
Der auctor.
[]
Vorrede.
EJne vorrede iſt einem buche ſo noͤthig,
als einem prieſter der kragen, einem
profeſſor der mantel und einem ſtu-
denten der degen, denn ſie ſoll dem
buche das anſehen und die rechte
kraft geben, auch wider die vermuth-
lichen anfaͤlle es zum voraus verthaͤidigen. Dieſes
hat der herr auctor reiflich in erwegung gezogen;
nachdem er aber ſeine zeit lieber auf andere dinge
als auf vorreden wendet: ſo hat er mich erſuchet, ihn
der muͤhe zu uͤberheben, und ich habe auch ohne be-
dencken ihm gewillfahret, und ſtatt ſeiner die muͤhe
eines vorredners uͤber mir genommen. Wann du
aber von mir erwarteſt, daß ich dir dieſe arbeit an-
preiſe, und mit geſchminckten und geſchwaͤntzten no-
ten erheben ſolle, ſo wirſt du dich betrogen finden.
Jch ſchicke mich zu nichts weniger, als zu einem pa-
negyriſten, und es wird auch weder dir noch dem
auctori/ welcher den fehler an ſich hat/ daß er von
ſeinen ſachen immer zu wenig haͤlt, damit gedienet
ſeyn. Alſo will ich dir nur eins und andeꝛs, was du
wider dieſes buch einwenden koͤnteſt, unter den fuß
geben, du magſt heꝛnach ſehen, ob ich recht habe, und
die boltzen vollends verſchieſſen. Da der herr au-
ctor eine Oratorie ſchreibet, ſo ſcheint er die menge
derſelben zu vermehren, und wir haben bereits der
Metaphyſicken, Logicken und Rhetoricken ſo viel,
daß wir iemand bitten moͤchten, einen vorſchlag zu
thun, wie man die anzahl derſelben verringerte.
)( 4Nun
[]Vorrede.
Nun wird er zwar wohl einwenden, daß er ſich hier
der allgemeinen freyheit bedienet/ welche einem ie-
den erlaubet, ſo gut er kan, ſein weniges vermoͤgen
zum dienſt des gemeinen beſten anzuwenden: Al-
lein er haͤtte dich doch billich, mein leſer, erſt um er-
laubniß bitten ſollen/ mit ſeinen ſchlechten ſachen
herfuͤrzutreten. Weiter habe ich anfangs mich
verwundert, warum er es eine Philoſophiſche
Oratorie genennet? Denn ich ſehe ja, daß es
auf alle arten von reden gerichtet iſt, was er hier
fuͤrbringet. Vielleicht meinet er, die Philoſophie
ſey die univerſelle gelehrſamkeit, und weil er ſein
werck auf Philoſophiſche, das iſt, nach ſeiner mei-
nung, auf gelehrte gruͤnde bauet, ſo ſey es auch eine
Philoſophiſche Oratorie. Wann du nun mein-
teſt, auch auf dieſe weiſe Theologiſche, Juridiſche
und Mediciniſche Oratorien zu ſchreiben, ſo koͤnteſt
du es verſuchen, aber du wuͤrdeſt es vielleicht nach
ſeinem concept nicht treffen, dann er wuͤrde ſpre-
chen, daß auch dieſe philoſophiſch/ das iſt, gelehrt,
muͤſten geſchrieben weꝛden, und in dieſen ſtreit will
ich mich weiter nicht mengen, dann es kaͤme da wohl
auf kein raiſonniren ſondern auf die probe ſelber an.
Bey dem werck ſelbſt hat der herr auctor ſeine lehr-
ſaͤtze ziemlich frey fuͤrgetragen, aber mit noch frey-
ern noten erlaͤutert. Erſtlich handelt er von ein-
richtung der gedancken, nachgehends von dem aus-
druck derſelben, und endlich von der diſpoſition
derſelben. Da gehet er von andern ab, welche die
elocution zuletzt ſparen, er handelt nirgends von
denengeneribus dicendi, demonſtratiuo, deliberatiuo,
Judiciali,ohngeachtetM.Uhlmann zum troſt aller
rhetorum dasdidaſcalicumnoch erfunden. Hin-
gegen dringet er uͤberall darauf, daß man der natur
des obiecti nachgehen, und wie ein mahler dabey
ſich auffuͤhren muͤſſe/ welcher eine ſache nach der
natur fuͤrſtellet, allenthalben die regeln der pro-
portion/ der Perſpectiv, des wohlſtandes beobach-
tet,
[]Vorrede.
tet, ſein obiectum zuweilen ausputzet, ſtarcke lichter,
ſtarcke ſchatten, und die doch mit einander in einer
guten harmonie ſtehen, und in einander zu flieſſen
ſcheinen, anbringet. Deßwegen hat er auch den
Apellem auf das kupferblat ſetzen laſſen, wie der-
ſelbe bemuͤhet iſt, dem Alexandro die urſachen ſeiner
Mahlerey zu entdecken. Nun laß ich alles dieſes
dahin geſtellet ſeyn, wo man ſonſt ſo viel hinzuſtel-
len pfleget, und muß erwarten, ob ich dem herrn
auctori recht prophezeiet, da ich ihm zuvoraus ge-
ſagt, daß er einige mit ſeiner ſchreibart beleidigen,
und vielleicht denen gelehrten regiſtratoribus, wel-
che mit anderer leute fehlern geld verdienen, in die
haͤnde fallen werde: Oder ob er recht gehabt, da
er mir geantwortet, daß er nicht vermuthe, die
feindſchaft vernuͤnftiger leute auf ſich zu laden;
wolten hingegen die unvernuͤnftigen boͤſe werden,
ſo ſey ihm ſolches gar lieb, denn es wuͤrde albern
ſeyn/ wenn er ſich etwas leid ſeyn lieſſe, das er doch
nicht aͤndern koͤnne. Jch moͤchte nur in ſeinem nah-
men den geneigten leſer bitten, daß er, ehe er boͤſe
werden wolte, zuvor die umſtaͤnde uͤberlegte, die
antecedentia und conſeqventia der ſtelle wohl be-
trachtete, womit er ſich etwa beleidiget zu ſeyn
glaubte, und lieber einer gelinden auslegung derſel-
ben, als einer uͤbereilten gehoͤr gaͤbe. Er ſetzte hin-
zu, daß er ſich auch fuͤr denen urtheilen derienigen
nicht fuͤrchtete, welche ſelbige oͤffentlich an den tag
legten, wohl aber fuͤr dieienigen, welche gleich de-
nen ſchmeißfliegen, gantz in der ſtille, auch auff die
reinſten ſtellen ihre excrementa ingenii ſetzten, und
ohngeachtet ſie ziemlich ſtranguriam empfaͤnden,
in ihrer ſatyriſchen vena, dennoch aus verborgenen
winckeln auf andere ihren gifftigen unflath gar zu
gerne ſpritzten. Denn, ſagte er, wer ſeine gedan-
cken uͤber meine arbeit publiciret, der unterwirfft
ſich dem urtheil der gantzen welt, die etwas davon
zu ſehen bekommt: iſt er nun vernuͤnftig in ſeinem
)( 5ur-
[]Vorrede.
urtheil, ſo lerne ich ia etwas von ihm/ und bekuͤm-
mere mich wenig oder nichts darum, ob ihm die
liebe zur wahrheit und tugend oder der neid, darzu
anlaß gegeben, iene ſchuͤtzet man mehrentheils fuͤr,
und dieſer iſt das rechte principium movens. Jſt
er unvernuͤnftig, ſo wirds ihm gehen wie dem Alex-
andro, da er von des Apellis gemaͤhlde unrecht rai-
ſonnirte, und die mahleriungen ihn auslachten;
denn es werden auch die anfaͤnger der beredſamkeit
ihn fuͤr einen ungeſchickten raiſonneur halten.
Jſt er endlich gar grob/ ſo fehlt mirs nicht an hertz,
auch nicht an der faͤhigkeit, ihm gehoͤriger weiſe zu
begegnen. Meines orts laſſe ich, wenn du es an-
ders auch zufrieden biſt, geneigter leſer, dem herrn
auctori darinne ſeine freyheit, und kan ers halten
nach ſeinem gefallen. Nur muß ich dich erinnern,
daß du nicht, wenn du ihn etwan wenig oder gebro-
chen reden hoͤreſt, daraus ſchluͤſſe macheſt: denn er
redet nur wenig oder gebrochene worte gegen ein-
zele perſonen, denen er nicht trauet, und die er nicht
kennet. Sonſt halte ich ihn fuͤr ſo complaiſant, daß
er niemand ſeine meinung aufdringet, abeꝛ ſich nicht
gerne eines andern meinung ebenfalls aufdringen
laͤſt, ohngeachtet er keine ſchwierigkeit macht, allen
leutenſuo modorecht zu geben, aber nicht von dir
praͤtendiret, daß du ihm in allem beyfallen ſolteſt, da
du vielleicht mit deinem geſchmack ſelbſt noch nicht
einig biſt. Zwey dinge muß ich doch noch beruͤh-
ren, einmahl die allegirten auctores und heꝛnach die
beygebrachten exempel. Bey ienem ſcheints, als
wann der herr auctor wenig ſtaat darauf machte,
denn er fuͤhrt ſie ſoquaſi aliud agendoan. Jch habe
ihm treuhertzig gerathen, er ſolle etwan ſehen, wie
er einen gelehrten fuhrmann wo auftriebe, der ihm
vorſpann gebe, und die auctores brav zuſammen
peitſchete, ich habe ihm auch etliche fuͤrgeſchlagen,
welche, ohngeachtet ſie ſo wenig Frantzoͤiſch als
Rabbiniſch verſtehen, doch gantze buͤcher mit Fran-
tzoͤi-
[]Vorrede.
tzoͤiſchen und Rabbiniſchen noten heraus geben.
Allein er meinte, was es denn noͤthig waͤre, anderer
leute zeugniſſe anzufuͤhren, da die ſache ſelbſt redete,
er habe noch gantze millionen auctores, die er alle
anfuͤhren wolle, wo man ihn der allegatorum we-
gen boͤſe machte. Bey den exempeln die er ſelbſt
gemacht/ [denn mit anderer leute arbeit habe ich ie-
tzo nichts zu thun] habe ich ihn gefraget, ob er nicht
in ſorgen ſtuͤnde, wann etwa Herr Luͤnig ſolte auf
die gedancken kommen, die reden kleiner herren
heraus zu geben, daß man auch da ſeine arbeit fin-
den moͤchte: allein er ſchien deßwegen gantz ge-
ruhig zu ſeyn, und meinte, wenn ihn etwa die natur
ſo kuͤnſtlich zubereitet haͤtte, daß der kopff auf die
huͤften relegiret waͤre, das geſichte bey dem kinne
eben ſo hoch in die hoͤhe ſtuͤnde, als bey der ſtirn, die
naſe gleich dem hoͤltzernen pferde auf einem gepfla-
ſterten marckte herfuͤr ragete, und der mund die
zaͤhne nicht mehr bedeckte, oder damit er deſto ferti-
ger alle leute taxiren koͤnte, immeꝛ offen ſtuͤnde, auch
ſonſt die gantze laͤnge ſeines coͤrpers nur etliche
ſpannen betruͤge, da moͤchte er freylich die ehre ha-
ben, daß man ihn unter die kleinen herrn einſchalte-
te; Aber da ihn der guͤtige himmel groͤſſer gemacht,
als ihm lieb ſey, ſo wuͤrde man ſeinetwegen ſich wohl
nicht bemuͤhen duͤrffen. Ubrigens hat er mir befoh-
len, denenienigen hohen Patronis, wertheſten Goͤn-
nern und freunden gehorſamſten ſchuldigſten erge-
benſten danck abzuſtatten, welche ihm theils durch
ihre lehren, theils durch ihren wohlgemeinten auf-
richtigen u. freyen rath, theils durch com̃unicirung
vieler buͤcher, theils durch ihre gemachte gelehrte
einwuͤrffe, bey verfertigung dieſes werckes, beyge-
ſtanden. Wann auch du, geneigter leſer, etwas fin-
deſt, das verdiente beygebracht zu werden, ſo bittet
er dich, daß du ihm ſolches nicht mißgoͤnnen wolleſt,
er wird dir gleichen groſſen danck abſtatten; wuͤn-
ſchet dir darneben alles wohlergehen, wie ich dann
gleich-
[]Vorrede.
gleichfalls dir will angewuͤnſchet haben. Sonſt
nimm dir unbeſchwert die muͤhe und corrigire fol-
gende druckfehlerpag. 2. l. 11. ließ: eintheilung.p. 8.
l. 11. ließ:program. IIII. §. 7. 14. p. 9. l. 20. ließ: den
anhang, undl. 29. ließ: unten den anhang.p. 17. l. 29.
ließ: Qvinctilianus.p. 23. l. 9. ließ:Part. III. cap. 3.
p. 35. l. 24. ließ: naturale.p. 47. l. 19. communium.
p. 62. l. 26. ließ: wollen.p. 72. l. 16. ließ: Hiſtoriſche.
p. 76. l. 4. ließ: im dritten capitel.p. 82. l. 27. ließ:
Apophthegmata.p. 84. l. 4. ließ: moͤglichkeit nicht
unterſcheiden.p. 86. l. 27. ließ: daraus.p. 99. l. 4.
ließ: zur.p. 105. l. 2. deutlichkeit.p. 190. l. 16. de
Germaniſmis falſo ſuſpectis, de amplificatione verborum
\& totius locutionis, p. 177. l. 33. ließ:Micraelii.und an-
dere, welche der herr auctor viellsicht bey dem aca-
demiſchen gebrauch, dem dieſe arbeit gewiedmet,
bemercken wird. Lebe wohl. Jch bin dein
ergebenſter
M. L. v. S.
Jnhalt des gantzen wercks.
- Vorbereitung: von der Oratorie uͤber-
haupt. - Der erſte theil: von der erfindung der ge-
dancken.- Cap. 1. von der erfindung der thema-
tum. - 2. von der erfindung der argu-
mentorum uͤberhaupt. - 3. von beweiß-gruͤnden.
- 4. von erlaͤuterungs-gruͤnden.
- 5. von bewegungs gruͤnden.
- Cap. 1. von der erfindung der thema-
- Der andere theil: von dem ausdruck der
gedancken.- Cap. 1. von dem ausdruck uͤberhaupt.
- 2. von dem ſtilo und deſſelben ei-
genſchaften. - 3. von den unterſchiedenen arten
des ſtili. - 4. von den mitteln zum guten
ſtilo. - 5. Moraliſche betrachtung des
ausdrucks.
- Der dritte Theil: von der ordnung im
fuͤrtrage.- Cap. 1. von der diſpoſition uͤbeꝛhaupt.
- 2. von reden im gemeinen leben
und briefen. - 3. von oͤffentlichen ſchul- und po-
litiſchen reden. - 4. von Juridiſchen reden.
5. von geiſtlichen reden.
- Anhang: von den aͤuſſeꝛlichen umſtaͤnden
im fuͤrtrage.
[]
lich ſind,
ſachen,
den ſpricht,
haſſet,
faſſet.
ſehn,
geſchehn.
ringet,
ſchwinget.
worte ſchein,
kunſt erhoben,
Hiemit wolte des Herrn Autoris, ſeines ehemali-
gen wehrten Auditoris, Philoſophiſche Ora-
torie der Studiren den Jugend beſtens
recommendiren,
D. IOHANNESSchmid,Prof. Publ.
und der Leipzigſchen Univerſitaͤt Senior.
Vernuͤnftige anleitung
zur
Beredſamkeit.
Vorbereitung
von
der Oratorie uͤberhaupt.
WAs die Oratorie ſey? §. 1. Worinn das weſen
der wahren beredſamkeit beſtehe? § 2. Wel-
ches der rechte endzweck der beredſamkeit? §. 3.
Daß ſich die beredſamkeit auch in der con-
verſation zeigen muͤſſe, §. 4. Von dem nutzen
der Oratorie, §. 5. Daß die Oratorie deßwe-
gen nicht zu verwerffen, weil ſie weltlich, weil man ſie
von natur beſitze oder mißbrauchen koͤnne, §. 6. Wor-
inn die Oratorie von der Logick unterſchieden? §. 7.
Was zu einem redner erfodert werde und ob er ein
polyhiſtor ſeyn muͤſſe? §. 8. Was zu einem redner
gehoͤre in anſehung des leibes? §. 9. Jn anſehung
des verſtandes? §. 10. Jn anſehung des willens?
§. 11. Was er fuͤr wiſſenſchaften hauptſaͤchlich verſtehen
muͤſſe? §. 12. Von der klugheit des redners uͤderhaupt,
§. 13. Von der klugheit des redners, in anſehung
Ader
[2]vernuͤnftige anleitung
der ſache davon er redet, §. 14. Jn anſehung ſeiner
eignen perſon, §. 15. Jn anſehung ſeines zuhoͤrers,
§. 16. Jn anſehung der aͤuſſerlichen umſtaͤnde, §. 17.
Von der hiſtorie der Oratorie uͤberhaupt §. 18. Von
der Oratorie vor der ſuͤndfluth und nach derſelben bey
den Barbarn, §. 19. Bey den Phoͤniciern, Hebraͤern
und Griechen, §. 20. Bey den Roͤmern, §. 21. Bey
den Teutſchen, §. 22. Bey den Frantzoſen, §. 23. Bey
den Engellaͤndern, §. 24. Bey den Jtaliaͤnern, §. 25.
Bey den Spaniern, §. 26. Bey denen uͤbrigen Natio-
nen, §. 27. Von [der eintheilung] der Oratorie, §. 28.
§. 1.
DJe Oratoriea) iſt eine vernuͤnftige
anweiſung! zur beredſamkeit, das iſt,
zu der geſchicklichkeit, ſolche woͤr-
ter zugebrauchen, welche mit un-
ſern gedancken genau uͤberein kommen,b)
und in ſolcher ordnung mit ſolcher art: ſeine
gedancken fuͤrzuſtellen, daß in denen die unſere
worte hoͤren oder leſen, eben die gedancken und
regungen entſtehen, die wir ihnen beybringen
wollen, damit die gluͤckſeeligkeit des menſchli-
chen geſchlechts befoͤrdert und der umgang un-
ter ihnen angenehm gemacht werde.
§. 2. Alſo beſtehet das weſen der beredſamkeit
in dem accuraten ausdruck der gedancken, und
es irren dieienigen, welche ſolches in der men-
ge leerer worte,a) in pedantiſchen formuln, in
figuren, in argutien,b) in der gleichheit mit
andern beruͤhmten rednern, in dem klange der
rede,c) in der kunſt den leuten was weiß zu
machen,d) in der fertigkeit von ſachen pro- und
contra zu ſchwatzen,e) und in andern der-
gleichen kleinigkeiten ſuchen.
§. 3. Die beredſamkeit hat einen doppelten
endzweck, einen allgemeinen und einen gantz
beſondern. Den allgemeinen hat ſie mit der
gantzen gelehrſamkeit, auch ſo gar mit der ſpra-
che gemein, nemlich die gluͤckſeeligkeit und das
vergnuͤgen der menſchlichen geſellſchaft zu be-
foͤrdern. Der beſondere endzweck aber iſt,
durch geſchickten ausdruck ſeiner gedancken in
andern eben die gedancken und regungen erwe-
cken, die man ſelbſt bey ſich hat und empfindet
und in andern rege zu machen ſuchet. a)
§. 4. Aus dieſem flieſſet von ſelbſten, daß
die
[5]zur beredſamkeit.
die beredſamkeit ſich auch im umgange zeigen
muͤſſe, weil eben daſelbſt die meiſte gelegenheit
ſich zeiget, die gluͤckſeeligkeit und das vergnuͤ-
gen der menſchlichen geſellſchaft zu befoͤrdern,
und ſeine gedancken auszudrucken. Zumahl
da man im umgange mit andern bey dem fuͤr-
trag ſeiner gedancken leicht wiederſpruch findet,
dafuͤr man bey oͤffentlichen declamationibus
ſicher iſt.
§. 5. Da uns nun die Oratorie zu einer ſol-
chen beredſamkeit vernuͤnftige anweiſung
giebt, ſo iſt ſie gewiß eine der noͤthigſten und
nuͤtzlichſten wiſſenſchaften. Alles unſer den-
cken und wiſſen wuͤrde vergraben liegen, und
die menſchliche geſellſchaft wuͤrde kaum beſte-
hen, noch von den thieren koͤnnen unterſchieden
werden, wann wir nicht die faͤhigkeit haͤtten
unſere gedancken durch worte an den tag zu le-
gen und zu reden. Allein alle unſere conver-
ſation und wiſſenſchaft, wuͤrde ein rechtes Ba-
bel ſeyn, wann wir nicht durch die Oratorie,
zum vernuͤnftigen ausdruck unſerer gedancken
angefuͤhret wuͤrden und alſo durch vernuͤnfti-
ges reden uns von unvernuͤnftigen menſchen
und albernen waͤſchern unterſcheiden koͤnten.
- Conf. Hermannivon der HardtDe ſermone humano
epiſtolam. Helmſtædt. 1705. 8. Lipſius Cent. I.
miſcell. Epiſtol. 77. Juxta Sapientiaeſtudium ſti-
lum cole \& exerce, qui diuae illius fidus \& neceſſa-
rius adminiſter. Quid enim recondita illa aliis
proderit, niſiſpargereeam \& emittere poteris felici
quadam penna (vel ſermone.) Alle menſchen re-
A 3den
[6]vernuͤnftige anleitung
den (natuͤrlicher ordentlicher weiſe) aber nicht
alle menſchen reden wohl und ſind beredt. Die-
ſes koͤnnen nur diejenigen welche die grund re-
geln der beredſamkeit inne haben und beobach-
ten.
§. 6. Jch weiß alſo nicht ob es eine heilige
oder naͤrriſche einfalt ſey, wenn man die Ora-
torie fuͤr eine ſache haͤlt, welche weil ſie welt-
lich, das iſt, nicht aus der offenbahrung ent-
ſprungen, einen nothwendigen zuſammenhang
mit der ſuͤndlichen welt habe.a) Dieienigen
welche ſonſt der Oratorie gram, erklaͤren ſich
auch fuͤr feinde der wahren beredſamkeit, und
unterſcheiden nicht eine vernuͤnftige Oratorie,
von einem Scholaſtiſchen woͤrterbuch,b) oder
wollen lieber uͤbelreden, als auf einen vernuͤnf-
tigen ausdruck ihrer gedancken bedacht ſeyn,
oder halten ihre fertigkeit im plaudern fuͤr be-
redſamkeit, wie dieienigen thun, welche ſich ein-
bilden von natur beredt zu ſeyn,c) oder ſte-
hen ſonſt in albernen vorurtheilen.d)
c) Es
[7]zur beredſamkeit.
§. 7. Wie die Oratorie zur beredſamkeit
anfuͤhret, alſo muß hingegen die Logick zum
vernuͤnftigen dencken anweiſung geben. Und
A 4zwar
[8]vernuͤnftige anleitung
zwar muß dieſe billich vorangeſetzet werden,a)
denn die Oratorie giebt keine anweiſung, von
ſachen, die man nicht verſtehet, und davon man
keine oder unordentliche gedancken hat, viel
worte zu machen. Hierinn iſt aber zugleich
der rechte unterſchied der Oratorie und Logick
zu ſuchen, und nicht in prolixitate expreſſio-
nis.b)
§. 8. Wer alſo ein vernuͤnftiger redner und
kein locutulejus oder affectiꝛender unnuͤtzer waͤ-
ſcher ſeyn will, muß von der natur gute gaben
und faͤhigkeiten erhalten, und dieſe faͤhigkeiten,
durch die kunſt und cultur, zu fertigen guten ge-
ſchicklichkeiten gemacht haben. von nichts reden
als was er verſteht, und auch von dem was er
verſteht, nicht eher reden als es noͤthig iſt. Wor-
aus erhellet, daß er eben kein polyhiſtor ſeyn
muͤſſe.a)
§. 9. Es werden aber zu einem redner fol-
gende dinge erfordert, und zwar in anſehung
des leibes, daß er nichts wiederwaͤrtiges und
ver-
[9]zur beredſamkeit.
verdrießliches in ſeiner perſon, geſichte und
aͤuſſerlichen weſen habe, uͤber ſeine minen air
und geſtus ohne affectation diſponiren koͤnne,
auch ſeine ſprache zu moderiren wiſſe und im
uͤbrigen mit geſunden organis zum reden aus-
geruͤſtet ſey. a)
§. 10. Jn anſehung des verſtandes, muß er
ordentlich, gruͤndlich, deutlich, artig gedencken,
alles muß von einem geſauberten iudicio dirigi-
ret werdena) das ingenium und memorie
muͤſſe nicht zu hefftig wuͤrcken, aber auch nicht
gar zu ſchwach ſeyn.b)
§. 11. Jn anſehung des willens, muß er
eine durch kunſt und klugheit zu wege gebrachte
gleichguͤltigkeit beſitzen,a) aufrichtige und red-
liche abſichten haben,b) und uͤber ſeine nei-
A 5gun-
[10]vernuͤnftige anleitung
gungen einiger maſſen diſponiren koͤnnen,
nicht furchtſamc), aber auch nicht verwegen
ſeyn.
§. 12.
[11]zur beredſamkeit.
§. 12. Von wiſſenſchaften ſind ihm ei-
nige ſchlechterdings noͤthig, einige koͤnnen ihm
nur zuweilen nuͤtzen. Die noͤthigen ſind:
Logicka), Moralb), insbeſondere die kunſt
der menſchen gemuͤther zu erkennen,c) die
hiſtorie derer dinge, die nahe um ihn ſind,d)
und die principia der ſache, davon er reden
wille), ingleichen eine erkaͤnntniß der ſprache,
darinn er redet.f) Alle uͤbrige gelehrte wiſ-
ſenſchaften, insbeſondere die alte und neue
Hiſtorie, koͤnnen ihm nach ſeinen unterſchie-
denen abſichten bald mehr, bald weniger
nuͤtzen.
§. 13. Jn den regeln der klugheit muß ein
vernuͤnfftiger redner wohl erfahren ſeyn, dann
hiedurch erlangt er eine geſchicklichkeit, nach
den
[14]vernuͤnftige anleitung
den unterſchiedenen beſchaffenheiten der per-
ſonen und ſachen, damit er umgehet, ſeine ge-
dancken einzurichten und fuͤrzutragen, wel-
ches die hoͤchſtnoͤthige prudentia oratoria iſt.
§. 14. Bey der ſache, davon er redet, hat
er zu ſehen, ob es eine theoretiſche, alte, un-
ſtreitige, beliebte, traurige, geiſtliche, ꝛc. oder
practiſche, neue, wahrſcheinliche, bittere, luſti-
ge, weltliche, ꝛc. ſache ſey, da eine iede von ietzt-
erzehlten, andere einrichtung, ausfuͤhrung und
ſtellungen erfordert.
§. 15. Unter denen perſonen, muß er ei-
nes theils ſich ſelbſt pruͤfen, andern theils ſei-
ne zuhoͤrer, oder wahrſcheinliche leſer. Bey
ſeiner eigenen perſon hat er entweder ſeine in-
nerlichen beſchaffenheiten, oder ſeine aͤuſſerli-
chen umſtaͤnde zu beobachten. Jene betrach-
tung fuͤhret ihn auf die kraͤfte ſeines verſtan-
des, und auf die neigungen ſeines willens,
dieſe aber auf das eigentliche decorum ora-
torium.
§. 16. Bey denenienigen, welchen er etwas
fuͤrtraͤget, muß er ihren verſtand, willen, al-
ter, geſchlecht, ſtand, vermoͤgen, und andere
umſtaͤnde in erwegung ziehen, ob ſie wahr-
heiten annehmen, vertragen oder mißbrau-
chen koͤnnen und dergleichen.
§. 17. Letzlich muͤſſen alle andere umſtaͤn-
de, der zeit, des orts, der gelegenheit, des
wohlſtandes uͤberhaupt, fuͤrnemlich die regeln
der gerechtigkeit und honnettete, ſorgfaͤltig in
be-
[15]zur beredſamkeit.
betrachtung gezogen werden, widrigenfalls
wird man vergebens reden, ihm ſelbſt und
andern ſchaden, und ſtatt eines geſcheuten
redners ein unnuͤtzer waͤſcher werden, ja
wohl gar ein thoͤrichter und ſchaͤdlicher menſch
heiſſen.
§. 18. Die hiſtorie der Oratorie giebt ei-
ne nachricht von denenienigen, welche anwei-
ſungen zur beredſamkeit geſchrieben, oder ih-
re proben der beredſamkeit der gelehrten welt
mitgetheilet. Ferner, was die Oratorie und
beredſamkeit fuͤr zufaͤlle gehabt, was fuͤr
veraͤnderungen ſie unterworffen geweſen, und
ſo fort an.
- Um die Hiſtorie der Oratorie und beredſamkeit,
haben ſich bekuͤmmert, Morhof im Polyhiſtore
Tom. I. Lib. VI. und in dem Unterricht zur
Teutſchen ſprache und Poeſie. Stolle in
der Hiſtorie der GelahrheitTom. I. Cap. II.
Reimmann in der Einl. zur Hiſt.Litt. Tom. I.
p. 56. 293. Clericus in arte Critica P. II. S. I.
Cap. 16. Gibert Jugemens des Scauans ſur les Au-
teurs, qui ont traité de la Rhetorique auec un precis
de la doctrine de ces auteurs. Paris 1713, Dieſes
Buch wird in den Actis Eruditorum 1721. im Jun.
p. 257. Polyhiſtor Rhetoricus genennet. He-
derich hat in ſeinen Philologiſchen Wiſſen-
ſchaften, bey der Rhetorick, vor iedem ſtuͤcke
eine ziemliche nachricht von auctoribus gege-
ben, die davon geſchrieben. Hieher koͤnnen
auch gezogen werden, Rapins vergleichung
des Demoſthenis und Ciceronis, und der di-
ſcours von der beſchaffenheit der gemuͤther
bey denen Athenienſern und Roͤmern. Jn-
glei-
[16]vernuͤnftige anleitung
gleichen haben ietzt-benannte auctores noch
andere angefuͤhret, die man bey ihnen finden
und zu rathe ziehen kan. Es werden auch in
folgenden noch mehr angefuͤhret werden.
§. 19. Jn den zeiten vor der ſuͤndfluth,a) und
gleich nach derſelben bey den Barbarn, b)
Scythen,c)Chaldaͤern, Jndianern und
andern voͤlckern, findet man von der Orato-
rie nichts. Jnzwiſchen moͤgen doch wohl
beredte leute unter ihnen geweſen ſeyn, die
theils auf einen accuraten ausdruck geſehen,
theils ihn durch gute regeln feſte zu ſtellen ſich
bemuͤhet haben, damit ein vernuͤnftiger ge-
brauch der rede unter denen menſchen einge-
fuhret wuͤrde.
§. 20. Bey den Phoͤniciern, Hebraͤern,
und andern Orientaliſchen voͤlckern, hat ſich
ieder-
[17]zur beredſamkeit.
iederzeit eine ſehr heftige und lebhafte imagi-
nation, wegen ihres hitzigen climatis, in einer
ſehr fruchtbaren erfindung und reichem aus-
druck gewieſen, wie man ſolches an denen
ſchriften altes Teſtaments zum theil wahr-
nimmt. Doch iſt uns ſonſt nicht viel uͤbrig
blieben, von dem, was ſie etwan in der Ora-
torie und beredſamkeit herfuͤrgebracht. Die
Griechen aber haͤlt man fuͤr die erſten, ſo
durch die wohlredenheit beruͤhmt worden, da-
zu ihnen die form ihrer republicken anlaß gege-
ben. Jns beſondere haben Ariſtotelesa) mit
ſeiner Rhetorick, Jſocratesb) und Demo-
ſthenesc) mit ihren reden, ihren guten cre-
dit, biß auf unſere zeiten, fuͤr allen andern
behauptet.
§. 21. Die beredſamkeit der Roͤmer fieng
in ihrer republick gar ſpaͤte an ſich zu zeigen,
ſtiege bald zu dem allerhoͤchſten gipfel, und fiel
nach und nach wieder, nachdem ſie ſich in al-
len arten fuͤrtreflich gewieſen. Jn der theo-
rie dienen uns noch Cicero und Quincilianus,
und in der praxi haben wir vollkommene mu-
ſter an Cicerone, Quinctiliano. Seneca, Pli-
nio, und vielen andern.
BSiehe
[18]vernuͤnftige anleitung
- Siehe Stollenl. c. §. 5. 6. 7. 10. ſqq.Morhoff
l. IIII. XI. ſqq. Quinctiliani dialogum de cauſſis
corruptae eloquentiae hat Hr. Chriſt. Aug. Heu-
mann heraus gegeben. Göttingae. 1719.8. Hier
iſt Hꝛn. Jo. Georg. Walchii Hiſtoria critica linguae
Latinae, Lipſiae 1716. mit anzufuͤhren.
§. 22. Die alten Teutſchena) bemuͤheten
ſich mehr durch tapfere thaten, als trefliche
reden beruͤhmt zu werden, biß endlich Ru-
dolph von Habſpurgb) durch einfuͤhrung
der Teutſchen ſprache bey ein und andern ge-
richtlichen handlungen, und die fruchtbrin-
gende Geſellſchafft,c) dieſe Nation erinner-
ten, an die cultur der Teutſchen ſprache und
beredſamkeit zu gedencken, darin ſie ietzo, wo
nicht alle Nationen uͤbertrifft, doch von kei-
ner uͤbertroffen wird. Wolte man die hiſtorie
der Teutſchen beredſamkeit ausfuͤhrlich be-
ſchreiben, wuͤrde man auf die Schleſiſche d)
Meißniſche,e)Niederſaͤchſiſchef) und
fraͤnckiſcheg) wohlredenheit, ins beſondere
zu ſehen haben. Uberhaupt ſind in der theorie
zu ruͤhmen: Huͤbner. h)Lange, i)Menan-
tes,k)Muͤller, λ)Talander, l)Uhſe, m)
Weiſe,n) und andere. Jn der praxi aber kan
man ſich Abſchatz *)Beſſers, o)Boͤhmers, p)
Canitzens,q)Franciſci, r)Geyers, ſ)Gry-
phii.t)Hoffmannswaldaus, u)Roͤnigs-
dorffs,w)Lohenſteins, †)Maͤyers, x)
Muͤllers,y)Neukirchs z)Neumanns, a)Pritii, b)Riembergs, c)Seckendorffs, d)
Treuers,*)Thomaſii, e)Weiſens, f)Zieg-
lers,
[19]zur beredſamkeit.
lers g)der reden groſſer Herren und fuͤr-
nehmer Miniſter,h) ꝛc. mit nutzen bedienen.
Zugeſchweigen, daß Buchner, i)Cellarius, k)
Schurtzfleiſch,l)Schuppius, m)Jacob
Thomaſius,n) und andere in der Lateiniſchen
ſprache, mit ihrer beredſamkeit groſſe ehre
eingelegt.
§. 23. Die Frantzoſen machen ihre bered-
ſamkeit groͤſſer, als ſie in der that iſt, doch ſind
als theoretici zu loben: Rapin a)Lámi, b)
Conrart,c)\&c. Als practici aber ſind Boſ-
ſvet,d)Flechier, e)Bourdaloue, f)Balzac,
g)Boileau, h)Voiture, i)Pays, k)Buſſi
Rabutinl)Fenelon m)Scuderi, n)\&c. in
groſſen ruhm. Uberhaupt iſt in der Frantzoͤi-
ſchen beredſamkeit mehr bel-eſprit und artig-
keit,
[27]zur beredſamkeit.
keit, als gruͤndliche ſcharfſinnigkeit anzutref-
fen.o)
§. 24. Von der Engellaͤnder beredſam-
keit iſt mir nur etwas weniges bekannt, nem-
lich dieſes, daß ſie ihre reden mit groſſem fleiß
und nachſinnen ausarbeiten, und fuͤrtrefliche
proben ihrer wohlredenheit herfuͤrbringen, daß
endlich ihre ſachen, wann ſie in das Teutſche
uͤberſetzet, wegen ihrer ſchoͤnen realien und
ſcharfſinnigen gedancken, ungemein wohl ge-
leſen und gebraucht werden.
- Was MorhoffPolyh. I. VI. IIII. 18. 19. 20. 21.
anfuͤhret, betrift nur geiſtliche redner, doch
iſt auch in ihren geiſtlichen reden eine ſchoͤne
moral und trefliche beredſamkeit. Man ſagt,
das Scriver ſich der Engellaͤnder ſehr wohl be-
dienet. Jch habe von Joſeph Hallen verſchie-
denes, Baxters nun oder niemahls, Sonthoms
guͤldenes kleinod, Roberti Boylens himmli-
ſchenliebes-triumph, einige reden vom Richard
Willis, Engliſche hiſtorien, und die ſint 12.
und mehr iahren publicirte ſo genannte Addreſ-
ſen, geleſen.
§. 25. Der Spanier beredſamkeit, iſt nach
dem genie dieſer nation, praͤchtig, ſpruchreich,
tief-
[29]zur beredſamkeit.
tiefſinnig, wie man ſolches an des Gracians
lobredea) auf Ferdinandum Catholicum, die
Lohenſtein uͤberſetzet, wahrnimmt. Es iſt
auch ſonſt dieſe Nation, bey den kennern der
Spaniſchen ſprache und Hiſtorie, in groſſen
credit.
§. 26. Denen Jtaliaͤnern, fehlt es nicht an
guten rednern in ihrer ſprache.a) Es zeigt ſich
aber ihre beredſamkeit mehr in der Poeſieb)
und lateiniſchen reden.c) Jn der letztern art
haben ſie ſolche proben die Ciceronianiſch
ſind gegeben.
§. 27. Es wuͤrde muͤhſam und weitlaͤuftig,
doch nicht gar zu nuͤtzlich ſeyn, aller voͤlcker be-
redſamkeit hiſtoriſch zu unterſuchen. Die Eu-
ropaͤiſchen, deren noch nicht erwehnung geſche-
hen, a) haben ſich nicht ſonderlich ſignaliſiret
in ihren mutterſprachen und nur eintzeln, in La-
teiniſcher ſprache, ihre beredſamkeit gewieſen,
wie dann Europa in den neuern zeiten, an La-
teiniſchen rednern fruchtb arer geweſen, als an
rednern die ihre eigne mundart cultiviret haͤttẽ.
b) Und aus den andern theilen der welt, kom-
men zuweilen proben der beredſamkeit zum
vorſchein, darinn ſchoͤne und lebhaffte ſtriche
einer
[30]vernuͤnftige anleitung
einer natuͤrlichen faͤhigkeit und grotesque al-
berne ideen, aus mangel ſattſamer cultur im-
mer miteinander abwechſeln.c)
§. 28. Wofern unſere Oratorie hinlaͤng-
lich ſeyn ſoll, eine gruͤndliche und artige bered-
ſamkeit herfuͤrzubringen, werden wir allezeit
erſtlich auf die erfindung der gedancken, zwey-
tens auf den ausdruck derſelben durch worte,
und drittens auf den fuͤrtrag ſelbſt, die dabey
noͤthige ordnung und andere umſtaͤnde zu ſehen
haben. Auf welche theile auch folgende
anweiſung beruhet.
Der
[31]
Der erſte theil der Oratorie,
von
der erfindung der gedancken.
Das erſte capitel,
von der erfindung uͤberhaupt und
inſonderheit deſſen was man fuͤr-
bringen will.
WAs erfinden eigentlich ſey? §. 1. Was die erfin-
dung in der Oratorie ſey? §. 2. Wie vielerley
dieſe erfindung in der Oratorie? §. 3. Von der erfin-
dung der materie zumreden, §. 4. Von der erfindung
eines thematis, oder von dem, was man will im re-
den ausfuͤhren, §. 5. Von denen thematibus natu-
ralibus und was dabey zu mercken, §. 6. Von denen
thematibus artificialibus, §. 7. Wie die themata
artificialia zu erfinden? §. 8. Was bey denen thema-
tibus artificialibus in acht zunehmen? §. 9 Von denen
lahmen erfindungs-mitteln, als der Lulliſterey, dem
pathetiſchen weſen, dem Oratoriſchen enthuſiaſmo
der cahbala, der topic, dem buchſtaben-ſpielen, in-
uentione analogica ꝛc. §. 10. Vondenen ſo von der
erfindung geſchrieben. §. 11.
§. 1.
DJe erfindung aller dinge, ſo weit ſelbige
in die graͤntzen menſchlicher erkaͤnntniß
eingeſchloſſen, beruhet auf eine fertig-
keit desingenii, ſachen nach der moͤglichkeit zu-
ſammen zu verbinden oder aus einander zu ſe-
tzen.a) Die ſchoͤnheit des ingenii, kommt auf die
tref-
[32]von der erfindung
treflichkeit des dabey herfuͤrleuchtenden iudicii
an, und die rechte beſchaffenheit des iudicii, auf
eine gute erfahrung und vernunft-lehre. Wer
alſo dieſes bey einander beſitzet, kan gut erfin-
den.
§. 2. Jn der Oratorie heiſt erfinden ſoviel, als
bey denen gelegenheiten, welche uns gebieten
zu reden, gedancken faſſen, wie man die ge-
ſammlete wiſſenſchaft und erfahrung in reden
anbringen moͤge, damit man ſeinen endzweck
erhalten koͤnne.
§. 3. Man gedencket alſo, ehe man redet, an
das wovon man reden oder was man in reden
ausfuͤhren will, und hernach an die art und
weiſe, wie man davon reden wolle, ienes heiſt
inuentio thematis, dieſes inuentio argumen-
torum.
§. 4. Die materie zum reden, geben uns al
le dinge, davon wir gedancken haben oder faſ-
ſen koͤnnen. Die gelegenheit aber der zeit des
orts, und anderer umſtaͤnde oder begebniſſe,
giebt uns freyheit und erfodert auch wohl von
uns, unſere gedancken auszudrucken, und alles
was wir davon wiſſen und gedencken anzu-
bringen.
§. 5.
[33]der gedancken.
§. 5. Dieſe gelegenheit wird genennet ca-
ſus, und der kurtze inhalt meiner gedancken,
darauf die rede gebauet wird, heiſt die propoſi-
tio, das thema.a) Zuweilen kan man nur
einen eintzigen concept zum grunde legen,b)
mehrentheils aber verbindet man zwey conce-
pte in dem dritten,c) und formiret alſo einen
ordentlichen ſatz, ia zum oͤftern muß man viele
ſaͤtze mit einander verbinden und davon re-
den.d)
§. 6. Bleibt man ſchlechterdings bey dem ca-
ſu, und zieht das thema gleich heraus, ſo be-
kommt man ein thema datum oder naturale.a)
Dabey muß man zufoͤderſt auf die regeln der
vernunft-lehreb) hernach auf die regeln der
klugheit,c) und nach anleitung derſelben auf
alle umſtaͤnde genau acht haben. Wenn man
nun durch artige, nicht gar zu bekannte, einfaͤl-
le, muthmaſſungen, vergleichungen, anmer-
ckungen, ausſchweiffungen ein thema natura-
le wohl ausfuͤhret, ſo wird man mit einem the-
ma naturali eben ſo weit kommen als irgend
ein anderer mit ſeinem themate artificiali.
§. 7. Zuweilen iſt man nicht geſchickt ein thema
nalurale recht zu tractiren, oder man will damit
nicht zu frieden ſeyn, ſo ſuchet man durch eine
meditation, und alſo durch die kunſt etwas bey
dem caſu zu erſinnen, damit man das thema
naturale verknuͤpfen koͤnne, das vielleicht bey
dem erſten anblick nicht iedermann in die ſinne
faͤllt und dieſes heiſt hernach ein thema artifi-
ciale.
- Z. e. ich ſoll einem kinde parentiren, das immer
kraͤncklich und gebrechlich geweſen, da alle ſpre-
chen: Gottlob daß es todt iſt, da werde ich von
loben und bedauren nicht viel ſagen koͤnnen und
C 2bey
[36]von der erfindung
bey denen anverwandten wird auch der troſt
nicht noͤthig ſeyn. ꝛc. Oder ich gratulire iemand
zu ſeinem erlebten geburts-tage, und wolte doch
gerne etwas mehr ſagen als andere ꝛc. Bey
dieſen faͤllen ſinne ich auf ein thema artificiale.
§. 8. Solches nun zu finden, reſolvirt man
den caſum in ſeine umſtaͤnde, bey iedem um-
ſtande ſuchet man allerhand moͤgliche einfaͤlle,
muthmaſſungen, urſachen, und andere gedan-
cken zu faſſen, dieſe ſchlieſſet man in kurtze pro-
poſitiones ein, ſo hat man viel themata artifi-
cialia.a) Die umſtaͤnde ſind entweder ge-
nerales, oder ſpeciales oder ſpecialiſſimae,b)
bey deren auſſuchung und ausfuͤhrung wie bey
allen thematibus artificialibus das thema na-
turale zum grunde muß geleget werden.
§. 9. Sonſt muß ich bey einem themate ar-
tificiali allezeit erwegen, ob ich nicht beſſer thaͤ-
te, wann ich beym naturali bliebe? wie ich es
kurtz, doch nicht dunckel und zweydeutig ab-
faſſen muͤſſeb) wie es mit dem themate natu-
rali auf eine ungezwungene und angenehme
art zu verknuͤpfen,c) ob etwan ein affect da-
bey anzudeuten und wie?d) und endlich daß
weder in der abfaſſung und putz noch in der
ausfuͤhrung deſſelben etwas paradoxes mit
unterlauffe.e)
§. 10. Jch koͤnte mehr anfuͤhren von erfin-
dung der thematum, wann meine abſicht waͤ-
re aus der Oratorie einen pontem aſinorum
zu machen, daraus auch dieienigen, denen es an
den hauptſtuͤcken ſo zur wohlredenheit gehoͤren,
fehlet, von ſachen die ſie nicht verſtehen, viel
erfindungen und worte machen lernten. Viel-
leicht iſt aber dieſes die abſicht derer, welche
mit der arte Lulliana,a) der topica,b) der
inuentione analogica,c) der cabbala,d)
dem buchſtaben ſpielen e) und dergleichen, wie
iener Kaͤyſer mit denen an den Brittanniſchen
kuͤſten aufgeraften und in triumph gefuͤhrten
mu-
[41]der gedancken.
muſchelſchaalen ein groſſes geraͤuſch machen,
oderdie lehr-begierigen auf ein pathetiſches we-
ſen Oratoriſchen enthuſiaſmum und andere
ſtaffeln zur waͤſcherey und narrheit verweiſen.
§. 11. Von der erfindung haben geſchrie-
ben Ariſtoteles, a)Cicero, bBoëthius, c)
Quinctilianus,d)Rud. Agricola, e)Petrus
Ramus,f)Beccherus, g)Cardanus, h)
Raymundus Lullus.i)Alſtedius, k)Kir-
cherus,l)Caſp. Knittel, n)Eman. The-
ſaurus,o)Janus Gerhardus Bucholdianus,
p)Caecil. Frey, q)Jord. Brunus, r)Owe-
nus Gunther,ſ)Val. Thilo, t)Nic. Cauſſi-
nus,u)Creſollius, w)Voſſius, x)Maſe-
nius,y)Keckermannus, z)Weiſius, a)
Fran-
[44]von der erfindung
Franciſcus Pomey, b)Eraſmus, c)Balbinus,
d)Radau, e)Vincentius Placcius, f)M.
Dauid Vlmann,g)Ludov. Granatenſis, h)
Leibniz,i)Morhoffius, k)Hede ich, l)
Wentzelm)\&c. Alle die gantze Rhetori-
cken heraus gegeben haben, ſind gleichfalls be-
muͤhet geweſen, die lehre von der erfindung zum
gebrauch zu aptiren, wiewohl nicht alle mit
gleichen gluͤck. Man kan dieſe leſen, wenn
man ſonſt will und muſſe hat, aber ich glaube
ſo lange, daß man wenig nutzen davon haben
werde, als es wahr iſt, daß ein mit guten na-
tuͤrlichen faͤhigkeiten begabter, durch eine rech-
te Logick gebeſſerter, durch wiſſenſchaften und
erfahrung bereicherter verſtand, die beſte quelle
guter erfindungen ſey.
[45]der gedancken.
o) Von
[46]von der erfindung
[48]von der erfindung
Das andere capitel,
von der erfindung der argumentorum
uͤberhaupt.
WAs in der Oratorie ein argumentum ſey? §. 1.
Ob ein argumentum in der Oratorie unterſchie-
den von einem argumento logico, und worinn? §. 2.
Wie vielerley die argumenta? §. 3. Aus was fuͤr
quellen dieſelbe zu nehmen? §. 4. Was die klugheit
bey erfindung der argumentorum erfordere? §. 5.
Wie und in was fuͤr ordnung ſie anzubringen uͤber-
haupt? §. 6. Was realia ſeyn? §. 7. Wie man
ſich einen vorrath von allerhand fontibus zu argu-
mentis anſchaffen koͤnne und von excerptis? §. 8. Von
der fertigkeit allezeit argumenta zu haben, und nichts
ohne raiſon zu ſagen. §. 9.
§. 1.
WEnn der redner feſtgeſetzet, wovon er
reden wolle, ſo muß er auch darauf
bedacht ſeyn, wie er von der ſache re-
den wolle, dabey muß er auf alles gedencken,
was ſeinen endzweck befoͤrdern kan, hingegen
ſich bemuͤhen dasienige aus dem wege zu raͤu-
men, was ihm daran hinderlich iſt, und alles
was er zu dem ende beybringt, heiſſet man in
der Oratorie ein argumentum.
§. 2. Weil nun durch daſienige was man
ſeinen endzweck zu erhalten beybringt, das the-
ma zugleich erweitert wird, ſo nennt man auch
die argumenta oratoria, amplificationes. Und
da dem redner freyſtehet, im nothfall,a) nach
den
[49]der argumentorum.
den regeln der klugheit, allerhand beyzubrin-
gen, was zur erhaltung ſeines endzwecks dien-
lich, ſo duͤrffen auch ſeine argumenta nicht eben
allezeit nach der Logicaliſchen ſchaͤrffe einge-
richtet ſeyn. Denn in der Logick heiſt man
das ein argument, womit man etwas entweder
auf eine unſtreitige oder wahrſcheinliche art be-
weiſet, und hierinn unterſcheiden ſich die argu-
menta Logica von denen Oratoriis.
§ 3. Dieſer argumentorum zehlet man ſonſt
eine groſſe menge, man hat argumenta realia
und perſonalia, die realia theilet man in do-
centia und perſuadentia, die perſonalia in con-
ciliantia und commouentia. Zu den docen-
tibus rechnet man explicantia, probantia, il-
luſtrantia, applicantia und ſo fort an.a) Al-
lein mir duͤnckt man koͤnne ſie am fuͤglichſten zu
dieſen dreyen arten zehlen, wenn man die argu-
menta eintheilet in probantia, illuſtrantia und
pathetica.
§. 4. An argumentis kan es dem redner
nie-
[51]der argumentorum.
niemahls fehlen, wann er eine gute Logick inne
hat, die ſache davon er reden ſoll verſteht oder
die diſciplin dahin dieſelbe gehoͤret,a) durch
lectur und erfahrung einen guten ſchatz geſam̃-
let, und endlich die regeln einer vernuͤnftigen
Moral anzubringen weiß. Und dieſe an-
gefuͤhrte dinge ſind die allgemeinen fontes
woraus alle argumenta flieſſen.
§. 5. Wenn man nun aus dieſen fontibus
argumenta nehmen will, ſo muß man zuvor
die ſache davon man redet und die beſchaffen-
heit ſeines auditoris in betrachtung ziehen. a)
Bey abſtracten ſachen muß ich mehr die diſci-
plinen, bey ſinnlichen wahrheiten mehr die er-
fahrung conſuliren.b) Bey einem zuhoͤrer der
in anſehung der ſache, die ich ihm fuͤrtrage in-
different iſt, kan ich der naturder ſache nach-
gehen, wo nicht, muß ich ſehn ob er vermoͤgend,
ſich durch gruͤndliche raiſons uͤberzeugen zu laſ-
ſen, oder ob er durch ſeinen eignen affect,
ſchwaͤche des verſtandes, oder des willens ein-
zunehmen.c) Uberhaupt muß man die fon-
tes und argumenta nicht miteinander vermi-
ſchen, und ſonſt gedencken, daß es mehr auf
die wichtigkeit und nachdruck der argumento-
rum, als auf die menge derſelben ankomme.d)
B 2a)
[52]von der erfindung
§. 5. Nach beſchaffenheit der ſache und des
zuhoͤrers, muß auch die ordnung derer argu-
mentorum eingerichtet werden, dahero es nicht
eben allemahl rathſam die ſtaͤrckſten oder die
ſchwaͤchſten voranzuſetzen. Soll die ſache be-
wieſen werden, faͤngt man von probantibus
an, ſoll ſie deutlich gemacht werden, muͤſſen
D 3illu-
[54]von der erfindung
illuſtrantia die fuͤrnehmſten ſeyn, ſoll ſie in die
uͤbung gebracht werden, muß man zufoͤrderſt
pathetica gebrauchen. Doch muͤſſen alle dieſe
nach der capacitaͤt des zuhoͤrers ordentlich und
deutlich angebracht werden, und es iſt zuweilen
noͤthig, ehe man ſie beybringt, das gemuͤth des
zuhoͤrers zu tingiren, damit ſie nicht fruchtloß
abgehena)
§. 7. Man iſt ſonſt bemuͤhet geweſen, ſo ge-
nannte realia in ſeinen reden anzubringen,
man hat aber nicht allezeit den rechten begrif
von ſolchen realibus. Vor dieſen hielte man
exempla und teſtimonia auch wohl emblemata,
ſimilia, medaillen, ꝛc. fuͤr realia. Heut zu
tage hat ſich der geſchmack geaͤndert, und man
glaubt, daß das reelle einer rede, in einem
gruͤndlichen und nach der klugheit angebrach-
ten raiſonnement beſtehe.
§.8. Wer gute natuͤrliche faͤhigkeiten durch
unterricht, nachſinnen, lectur, erfahrung und
uͤbung gebeſſert und vollkommen gemacht, der
wird alle univerſelle ſontes argumenta zu fin-
den bey ſich haben. Da aber das gedaͤchtniß
bey allen dieſem ein guter promus condus ſeyn
muß, ſo ſucht man dieſem durch gute excerptaa)
zu ſtatten zu kommen. Dieſemnach haben
excerpta allerdings groſſen nutzen, allein man
muß nicht meinen, daß es bloß und lediglich
darauf ankomme.
a) Mor-
[55]der argumentorum.
D 4§. 9.
[56]von den beweiß-gruͤnden
§.9. Damit man aber allezeit argumenta
in bereitſchaft und auch die fontes und die ex-
cerpta, welche man ſich angeſchaft gluͤcklich
treffe und parat habe, ſo muß man ſeinen ver-
ſtand bey allen was man ſiehet, erfaͤhret, hoͤ-
ret, lieſet, excerpiret und empfindet, alſo gewoͤh-
nen, daß er allezeit nachdencke, wie man es
nutzen und wieder an den mann bringen koͤnne.
Jm uͤbrigen muß man nichts thun und nichts
reden, wovon man nicht wenigſtens allezeit
zweyerley raiſons anzugeben wiſſe, eine wahr-
haftige und eine ſchein-raiſon.a) Jch glau-
be nicht, daß es einem auf die weiſe, an ar-
gumentis fehlen koͤnne.
Das dritte capitel,
von den beweiß-gruͤnden, und derſel-
ben erfindung.
Was eigentlich beweißgruͤnde ſeyn? §.1. Wie vie-
lerley dieſelben? §.2. Von den unſtreitigen
beweiß gruͤnden? §. 3. Wie vielerley dieſelben? § 4.
Beweißgruͤnde fuͤr die moͤglichkeit, §. 5. Fuͤr die
ſinnlichen unſtreitigen wahrheiten, §. 6. Fuͤr die
abſtracten unſtreitigen wahrheiten, § 7. Wo die-
ſelben herzunchmen? §. 8. Wie dieſelben einzurich-
ten und anzubringen? § 9. Von denen beweißgruͤn-
den fuͤr die wahrſcheinlichkeit, §. 10. Wie vielerley
die-
[57]und derſelben erfindung.
dieſelben? §. 11. Beweißgruͤnde fuͤr die Hiſtoriſche
wahrſcheinlichkeit, §. 12. Fuͤr die Phyſicaliſche
wahrſcheinlichkeit, §. 13. Fuͤr die Moraliſche
wahrſcheinlichkeit, §. 14. Fuͤr die wahrſcheinlich-
keit der zukuͤnfftigen dinge, § 15. Fuͤr die wahr-
ſcheinlichkeit im auslegen, §. 16. Wie ſolche argu-
menta zu erfinden und anzubringen? §. 17. Von
den beweißgruͤnden in der Philoſophie, §. 18. The,
ologie, §. 19. Juriſprudentz, § 20. Medicin, §. 21.
Mathematick, §. 22. Jm gemeinen leben, §. 23.
Von der krafft dieſer beweißgruͤnde, §. 24. Von de-
nen eigentlich ſo genannten Oratoriſchen beweiß-
gruͤnden oder vom fuco oratorio, §. 25. Von teſti-
moniis. § 26. Von apophthegmatibus, prouerbiis,
ſententiis, §. 27. Von exemplis, fictionibus, §. 28.
Von ſimilibus, emblematibus, comparatis ꝛc. §. 29.
Von medaillen, wapen, inſcriptionibus, epitaphiis,
ꝛc. §. 30. Von der benennung, ety mologie, antiphraſi,
tropo, allegorie. ꝛc. §. 31. Von den argumentis ab
inſinuatione, meditatione, conſectar[u]s, loco communi,
argutiis ꝛc. §. 32. Wie man ſolche geſchickt gebrau-
chen koͤnne? §. 33. Wenn noͤthig ſey zu beweiſen
daß die gegenſeitige meinung irrig? oder vom argu-
men to a contrario, §. 34. Was man dazu fuͤr be-
weißgruͤnde habe, § 35. Wie man ſich in anwen-
dung derſelben aufzufuͤhren. §. 36. Was dem iuſto,
honeſto, §. 37. Und den regeln der klugheit gemaͤß
bey den beweißgruͤnden, §. 38. Die beweißgrunde
ſind nicht mit einander ohne noth zu verwechſeln. §. 39.
§. 1.
EJn argumentum probans oder beweiß-
grund iſt ein richtiger ſchluß, wodurch
ich die wahrheit eines ſatzes, aus ſeinen
gehoͤrigen gruͤnden darthue, um den menſchli-
chen verſtand gruͤndlich davon zu uͤberzeugen. a)
[58]von den beweiß-gruͤnden
§. 2. Da alle wahrheit entweder unſtrei-
tig oder wahrſcheinlich iſt, ſo muͤſſen auch die
ſchluͤſſe, wodurch ich die wahrheit meines obie-
cti beweiſen will, anders beſchaffen ſeyn, bey
denen unſtreitigen, und anders bey denen
wahrſcheinlichen wahrheiten. Alſo hat man
zweyerley argumenta probantia uͤberhaupt,
demonſtratiua und probabilia.
§. 3. Unſtreitige beweiß-gruͤnde ſind ſolche
argumenta, welche den ſich ſelbſt gelaſſenen
verſtand, alſo von der wahrheit einer ſache
uͤberzeugen, daß er ihm ſolche nicht anders fuͤr-
ſtellen, und auch keinen zweiffel ferner dabey
haben kan.
§. 4. Und da die ſinne der urſprung und
kennzeichen aller wahrheiten ſind, und ins be-
ſondere die unſtreitigen wahrheiten, alſo aus
denſelben entſpringen, daß ſie entweder unmit-
telbar oder mittelbarer weiſe mit denſelben
zuſammen verknuͤpft ſind, ſo hat man auch
zweyerley arten von argumentis demonſtra-
tiuis, nemlich ſenſualia und abſtracta.
§. 5. Ehe eine ſache als wahr behauptet
wird, iſt ſie bloß moͤglich. Weil aber alles
in der welt moͤglich, oder wenigſtens von uns
nicht fuͤr unmoͤglich kan ausgegeben werden,a)
ſo
[59]und derſelben erfindung.
ſo hat man auch noch nichts bewieſen, wenn
man nur die moͤglichkeit der ſache dargethan
hat.b) Folglich hat man ſich um beweiß-
gruͤnde fuͤr die moͤglichkeit nicht ſonderlich zu
bekuͤmmern. Wenn man aber doch die moͤg-
lichkeit einer ſache darthun wolte, ſo haͤtte man
nur zu ſehen, ob ſchon davon ein exempel fuͤr-
handen, welches ſo dann die moͤglichkeit der
ſache ſattſam beweiſen wuͤrde.c) Waͤre kein
exempel davon fuͤrhanden, ſo koͤnte man durch
allerhand gleichniſſe ſuchen die moͤglichkeit be-
greiflich zu machen.d) Und endlich wird al-
les moͤglich wann man zeiget, daß GOtt alles
koͤnne wann er wolle, und daß kein menſchli-
cher verſtand ſeine allmacht abmeſſen, noch
ſeinen willen ergruͤnden koͤnne.e)
§. 6. Mit ſinnlichen unſtreitigen beweiß-
gruͤnden, beweiſt man alle dieienigen dinge,
welche unmittelbarer weiſe in die ſinne fallen,
und
[61]und derſelben erfindung.
und dabey man weiter nichts gebraucht, als
nur dieſe unmittelbarer weiſe von den ſinnen
entſtandene begriffe, mit geſchickten worten
auszudrucken. Hieraus koͤnte man zu einer
rechten topic [...], den erſten locum uniuerſalem
machen, nemlich experientiam.a) Und weil
entweder wir, oder andere, die wahrheit der
dinge unmittelbar aus den ſinnen empfunden,
ſo bekommt man zweyerley ſinnliche unſtreiti-
ge arten zu beweiſen, nemlich experientiam pro-
priam und experientiam alienam.b)
§. 7.
[62]von den beweiß-gruͤnden,
§. 7. Dieienigen ſaͤtze welche mittelbar aus
denen finnen herkommen und unſtreitig ſind
werden durch gelehrte begriffe bewieſen, nem-
lich durch die definitionesa) und diuiſiones,b)
und durch den zuſammenhang des ſubiecti und
praedicati.c) Bey denen definitionibus hat
man auf das genusd) und differentiam,e)
bey dem ſubiecto und dem praedicato, auf die
propriaf) conceptus inferioresg) und ſupe-
rioresh) und oppoſita,i) in der Moralins-
beſondere auf den endzweck und die verhaͤltniß
der mittel zu denſelben,k) in der Phyſic auf
die urſachen deroſelben verhaͤltniß zu den
wuͤrckungen, fleiſſig zu ſehen.l) Die rechte
kraft aber der hierausgezogenen ſchluͤſſe, wird
man ſich am allerbeſten aus der Logick ſelbſt
bekannt machen muͤſſen.
c) a
[63]und derſelben erfindung.
§. 8. Die unſtreitigen beweiß-gruͤnde bey
den ſinnlichen wahrheiten aus eigener erfah-
rung, giebt uns unſre empfindung und erkaͤnnt-
niß. Aus anderer leute erfahrung kan man
beweiß-gruͤnde haben, wann man entweder
ihre muͤndliche oder ſchriftliche erzehlungen ſich
bekannt macht, und ſonſt verſichert iſt, daß ſie
nicht aus einfalt ſich ſelbſt, aus boßheit andere
zu betruͤgen bemuͤhet ſind. Es muͤſſen aber
alle beweiß-gruͤnde aus der erfahrung, ſo ein-
gerichtet ſeyn, daß entweder niemand da-
ran zweiflen darf, oder daß iedermann die
wahrheit derſelben ohne weitlaͤuftigkeit ſelbſt
empfinden koͤnne.a) Die beweiß-gruͤnde zu
den unſtreitigen abſtracten gelehrten wahr-
heiten, geben uns quoad materiam die diſci-
plinen, quoad formam die Logick und eignes
nachſinnen.b).
b) Z. e.
[69]und derſelben erfindung.
§. 9. Alle dieſe unſtreitige beweiß-gruͤnde.
werden als unſtreitige ſchluͤſſe nach den regeln
der Logick eingerichtet. Bey denen ſinnlichen
argumentis, darf ich nicht viel kuͤnſteln, ſondern
nur behutſamkeit und klugheit gebrauchen.
Bey denen abſtractis aber iſt nur dieſes zu
mercken, daß ich ſie weder in der genauen Lo-
gicaliſchen ordnung, noch mit denen Logicali-
ſchen kunſt-woͤrterna) anbringe, es muͤſte
dann ſeyn, daß es beſonders von mir erfodert
wuͤrde. b)
§. 10. Wahrſcheinlich eine ſache beweiſen,
heiſt die wahrheit derſelben, aus der uͤberein-
ſtimmung der dabey fuͤrhandenen ſinnlichkei-
ten
[71]und derſelben erfindung.
ten und umſtaͤnde, unter ſich und mit der hy-
potheſi welche man erwehlet, darthun. Alle
dieienigen wahrheiten, welche durch definitio-
nes und unmittelbare begriffe nicht koͤnnen
ausgemacht werden, muß man demnach uͤber-
haupt alſo beweiſen, daß man die davon fuͤr-
handenen phaenomena und umſtaͤnde oder
ſinnlichkeiten, mit der hypothefi, welche man
angenommen, zuſammen haͤlt, und derſelben
genaue verbindung fuͤr augen leget.
- Z. e. ich wolte beweiſen: Daß das frauenzimmer,
davon oben gedacht, wohl nicht ſtellgtim ge-
gangen, oder: Daß iener wahrhaftig mediſi-
ret habe, oder: Daß einmabl ein kind im mut-
terleibe concipiret, oder: Daß der ſpieler aus
malhonnettere filoutiret habe, oder: Daß iener
der ſo liederlich depenſiret, wohl nicht der
kluͤgſte muͤſſe geweſen ſeyn ꝛc. Da muͤſte ich
alle umſtaͤnde zuſammen in erwegung ziehen
und zeigen wie ſchoͤn ſie alle mit meinem ſatze zu-
ſammen hiengen. Doch iſt zu mercken, daß bey
allen wahrſcheinlichkeiten, eine kleine ungewiß-
heit bleibe, ob nicht etwan die ſache anders ſeyn
koͤnne. Jnzwiſchen iſt man ia nicht zu ſchelten
wenn man ſeinen verſtand ſo gut und ſo weit
brauchet als man kan, und der wird nicht viel im
l'ombre gewinnen, der nur ſpielet wann er 5.
matadors hat. Das menſchliche leben aber iſt
ein ſpiel, da das wenigſte unſtreitig iſt.
§. 11. Wahrſcheinliche argumenta theilen
ſich uͤberhaupt alſo ein, daß man entweder
vergangene oder gegenwaͤrtige oder zukuͤnftige
dinge beweiſet. Und weil das gegenwaͤrtige nur
in einem augenblick beſtehet, bey dem vergan-
E 4genen
[72]von den beweiß-gruͤnden,
genem unſere klugheit nichts mehr vermag, ſo
begreift man beydes unter den nahmen der
theoretiſchen wahrſcheinlichkeit zuſammen, hin-
gegen die wahrſcheinlichkeit wegen des zukuͤnf-
tigen, wobey die klugheit am meiſten geſchaͤf-
tig, heiſſet man die practiſche. Jene iſt ent-
weder Hiſtoriſch oder Phyſicaliſch oder Mo-
raliſch wann ſie auf ſachen gehet, oder Herme-
nevtiſch wann ſie mit worten und auslegen zu
thun hat.
- Jch will hier einmahl fuͤr allemahl Herrn D. Ridi-
gersLogicaliſche ſchriften angefuͤhret und re-
commendiret haben, weil er die lehre von der
wahrſcheinlichkeit am vollkommenſten und
deutlichſten fuͤrgetragen.
§. 12. Hiſtoriche ſachen werden wahrſchein-
lich aus der uͤbereinſtimmung und guͤltigkeit
der davon fuͤrhandenen zeugniſſe und zeugen.
Hieher gehoͤren alſo alle geſchehene dinge, und
alle nachrichten, die wir andern von ſinnlichen
dingen geben, oder von ihnen bekommen. Die
guͤltigſten zeugen ſind, verſtaͤndige leute, wel-
che bey einer ſache ihre ſinne, augen, gegenwaͤr-
tig gebrauchet: Hierauf folgen leute, welche
zwar gegenwaͤrtig geweſen aber keine ſonder-
liche penetration haben: Ferner, welche es
von denen die gegenwaͤrtig geweſen gehoͤret:
Weiter, welche es von hoͤren ſagen haben, aber
zu der zeit zugleich gelebt haben: Die ſchlech-
teſten ſind die es nachher bloß von hoͤren ſagen
erfahren. Jhre zeugniſſe ſind entweder ge-
ſchriebene oder muͤndliche und bekommen von
ihnen
[73]und derſelben erfindung.
ihnen den werth. Wenn man hier nun die un-
terſchiedenen gradus wohl erweget, die beſchaf-
fenheit der perſonen und ſachen zu huͤlffe nim̃t,
ſo kan man gnugſame argumenta einen hiſto-
riſchen ſatz zu beweiſen anfuͤhren.
- Z. e. Jch ſolte beweiſen: Daß Friedrich Barbaroſſa
vom Pabſt mit fuͤſſen getreten: Oder daß die
Johanna Papiſſa wuͤrcklich geweſen; Oder:
Daß beydes eine fable ſey: Oder: Daß es in
Aſien leute gegeben, die nur ein bein gehabt,
und damit doch ſo geſchwinde lauffen koͤnnen,
als andere mit zwey beinen: Oder: Daß ie-
mand ein uͤbles leben fuͤhre: Oder: Daß der
ſchwan ſich ſelbſt zu grabe ſinge.
§. 13. Bey Phyſicaliſchen dingen, ſuche
ich aus denen phaenomenis oder natuͤrlichen
wuͤrckungen und zufaͤllen, welche unmittelba-
rer weiſe in die ſinne fallen, die verborgenen
urſachen und ſubſtantzen, wahrſcheinlich zu
machen. Und da muß unter der hypotheſi
und denen phaenomenis eine ſolche uͤberein-
ſtimmung gewieſen werden, daß dieſe aus ie-
ner ungezwungen zu flieſſen ſcheinen.
- Z. e. Jch ſoll beweiſen: Daß donner und blitz
etwas natuͤrliches ſey: Was eine ſonnenfin-
ſterniß ſey: Warum das getreyde ohne wind
taube koͤrner kriege: Ob ſich ein menſch koͤn-
ne unſichtbar machen?
§. 14. Bey der Moraliſchen oder ins beſon-
dere der Politiſchen wahrſcheinlichkeit, ſuche
ich die abſichten eines menſchen, die beſchaffen-
heit ſeines gemuͤths und verſtandes zu bewei-
ſen. Daher iſt es hier noͤthig, eine gruͤndliche
E 5er-
[74]von den beweiß-gruͤnden,
erkaͤnntniß des menſchlichen verſtandes und
willens zu haben, und nachgehends aus denen
umſtaͤnden nnd verrichtungen eines menſchen
einen ſatz zu formiren, deſſen wahrſcheinlich-
keit durch die genaue uͤbereinſtimmung mit des
menſchen verrichtungen und umſtaͤnden darge-
than wird, und mich von ſeinen abſichten be-
ſchaffenheit des willens und verſtandes unter-
richtet.
- Z. e. Jch wolte beweiſen, ob David ein voluptuo-
ſus geweſen oder nicht: Ob Alexander und
Julius Ceſar groſſe Helden geweſen: Ob die
Roͤmer ſo tapfere leute geweſen: Warum Sa-
lomon fuͤr weiſe zu halten: Was die Poly-
hiſtores fuͤr leute:
§. 15. Um zukuͤnftige dinge bekuͤmmern
ſich die menſchen am meiſten und begierigſten,
dannenhero iſt es kein wunder, wann man ih-
nen dabey die meiſtẽ unwahrheiten aufhenget,
da die wenigſten ſo ſcharfſichtig ſind, das zu-
kuͤnftige einzuſehen. Kluge leute halten das
fuͤr zukuͤnftig wahrſcheinlich, wovon ſie gegen-
waͤrtig eine uͤbereinſtimmung Phyſicaliſcher
und Moraliſcher urſachen, mit dem von der zu-
kuͤnftigen zeit und ſache gefaͤlletem urtheile ſe-
hen, und eben auf die weiſe kan man zukuͤnf-
tige dinge beweiſen.
- Z. e. Jch will beweiſen: Daß iemand dem es
an der conduite fehlt nicht leichtlich fortkom-
men werde: Oder: daß ein anderer der kein
geld, fuͤrnebme familie und geſchicklichkeit
wind zu machen habe, nicht ſo bald befoͤrdert
werde: Oder: Daß iemand bald ſterben muͤſſe.
§. 16.
[75]und derſelben erfindung.
§. 16. Die wahrſcheinliche meinung eines
redenden oder ſcribenten, beweiſet man aus
ſeinen vorhergehenden und nachfolgenden ſaͤ-
tzen und worten, dabey man die ſprache, die
umſtaͤnde der zeit und des orts, die kraͤfte des
verſtandes und willens, desienigen der da re-
det oder ſchreibet, unterſuchet, und aus deren
uͤbereinſtimmung untereinander die wahr-
ſcheinliche meinung darthut.
- Z. e. Jch wolte beweiſen, daß Hiob 19. v. 25. 26.
27. von der auffer ſtehung der todten rede:
daß Virgilius in ſeiner vierdten ecloga nicht
die menſchwerdung Chriſti und in der achten
nicht die h. Dreyfaltigkeit beſingen wollen.
§. 17. Will man nun wahrſcheinliche argu-
menta zum beweiß einer ſache finden, ſo muß
man ſich die ſache nach allen ihren umſtaͤnden
fuͤrſtellen, alle dabey befindliche ſinnlichkeiten
und zufaͤlle in erwegung ziehen, hernach moͤg-
liche hypotheſes formiren, aus dieſen moͤglichen
hypotheſibus dieienige ausſuchen, welche mit
allen umſtaͤnden genau uͤberein kommt. Bey
der ausfuͤhrung ſetzt man zufoͤderſt die hypothe-
ſin deutlich fuͤr augen, hernach fuͤhret man alle
umſtaͤnde nacheinander an, zeiget wie ſie in
der hypotheſi zuſammenhaͤngen, und nachdem
der auditor beſchaffen, traͤgt man dieienigen
phaenomena zuerſt oder zuletzt fuͤr, welche am
genaueſten mit der hypotheſi connectiren, da-
bey man ſorgfaͤltig moͤglichkeiten, unſtreitige
und wahrſcheinliche wahrheiten auseinander
ſetzen muß.
Die
[76]von den beweiß-gruͤnden,
- Die meiſte theorie hievon iſt in der Logick zu ſuchen,
und die praxis wird am beſten anfaͤnglich in
gegenwart eines lehrers angeſtellet. Unten
im dritten theil im vierdten cap. habe ich ein ex-
empel einer wahrſcheinlichen ausarbeitung, zu
einer diſputation, diſponiret.
§. 18. Alle ietztan gefuͤhrte gruͤnde gehoͤren zur
gelehrſamkeit uͤberhaupt und ſind alſo Philo-
ſophiſch. Nachgehends bekommen ſie bey der
anwendung unterſchiedene benennungen, von
den obiectis und diſciplinen bey welchen ſie ge-
brauchet werden. Sie behalten aber den nah-
men der Philoſophiſchen gruͤnde in den theilen
der Philoſophie, und da beweiſt man in der Lo-
gick und Metaphyſick aus denen conceptibus
Logicis alles auf unſtreitige art: Jn der Phy-
ſick aus den phaenomenis wahrſcheinlich, die
phaenomena ſelbſt auf ſinnliche unſtreitige art:
Jm Jure naturae aus dem principio Juris na-
turae auf gelehrte unſtreitige art: Jn den re-
geln der klugheit bald aus dem endzweck und
mitteln auf unſtreitige, bald aus der natur des
obiecti auf wahrſcheinliche art.
§. 19. Jn denen Facultaͤten und uͤbrigen
wiſſenſchaften, werden angefuͤhrten beweiß-
gruͤnden, die nahmen derer Facultaͤten und
wiſſenſchaften beygeleget. Alſo hat man in
der Theologie entweder die klaren worte der
h. ſchrift, dieſe beweiſen Theologiſche ſaͤtze auf
eine unſtreitige art: Oder man muß aus denen
umſtaͤnden bibliſcher ſpruͤche wahrſcheinlich
den rechten ſenſum ſchlieſſen, dabey man alle-
zeit
[77]und derſelben erfindung.
zeit wann man gruͤndlich beweiſen will, die hi-
ſtorie der bibliſchen ſpruͤche, den rechten ſedem
materiae, die loca parallela, den grund-text,
die analogiam fidei, die von denen orthodoxen
Theologis recipirten meinungen,a) ins beſon-
dere die libros ſymbolicos und confeſſiones pu-
blicas, zu rathe ziehen und die prudentiam
Theologicam beobachten muß. Und dieſe
Theologiſchen gruͤnde gelten uͤberall, wo man
als ein Chriſt oder als ein Theologus etwas zu
beweiſen hat.
§. 20. Jm Jure publico ſuchen wir bey uns
beweiß-gruͤnde, aus denen Reichs-Abſchieden,
der guͤldnen Bulle, dem Landfrieden, dem Re-
ligions frieden, dem Weſtphaͤliſchen frieden, de-
nen kaͤyſerlichen Capitulationibus, denen pa-
ctis und dem Reichsherkommen. Jm Jure
ciuili beweiſet man aus den legibus ciuilibus
und ſtatutis publicis, aus denen conſuetudini-
bus, contractibus, und mit teſtibus. Bey de-
nen legibus ſiehet man auf intentionem ratio-
nem und applicationem legis, dazu gebrauche
ich interpretationem hiſtoriam und prudenti-
am. Die conſuetudines wann ſie beweiſen
ſollen, muͤſſen notoriſch ſeyn, und durch viele
actus, die den geſetzen nicht zuwieder, und in
dem caſu unverruͤckt geſchehen ſind, guͤltig ge-
macht
[78]von den beweiß-gruͤnden
macht werden. Aus denen contractibus be-
weiſet man trifftig wann ſie wohl ausgedruckt,
in ihrer natur richtig, und dazu durch obrigkeit-
lichen conſens bekraͤftiget worden. Von de-
nen teſtibus ſiehe §. 8. not. a und §. 12. oben.
- Dieſer §. iſt mir aus Hornii Jure publico, unſers
Herrn Ordinarii ſchoͤnen uſu Theoretico-practico
Inſtitutionum und Pandectarum, Herrn Gribneri
Principiis proceſſus Judiciarii,Zieglers edition
der Proceß-ordnung, HerrnBarthii Hodegeta
Forenſi und Herrn Riuini Enunciatis bekannt
worden. Es ſcheint als wann Oldendorp
und Everhard von Middelburg fuͤr die ci[v]i-
liſten eine brauchbare topie haͤtten ausfinden
wollen, da ſie ohne viel muͤhe ihre argumenta
hernehmen koͤnten. Des letzteren buch fuͤhrt
dieſen titel: Loci argumentorum legales, auctore
D. Nicolao Everhardo a Middelburgo IC. CL.
magnique ſenatus Belgici apud Mechliniam olim
praeſide cum praefatione Dionyſii Gothofredi.
Darmſtadii 1613. 8. und hat 131. titulos oder locos
probandi.
§. 21. Was ich in der Medicin beweiſen
ſoll, iſt entweder eine ſinnliche wahrheit, oder ei-
ne Phyſicaliſche hypotheſis, oder eine propor-
tionirung der urſachen zu den wuͤrckungen.
Von allen dieſen habe ich §. 7. 8. und 13. ſoviel
hier noͤthig iſt angefuͤhret, wo man ſich deßfalls
raths erholen kan.
§. 22. Jn der Mathematick beweiſt’man alles
auf unſtreitige art, aus den eigenſchafften der
groͤſſen, ſetzt definitiones, axiomata, poſtulata,
theoremata, problemata und conſectaria nebſt
denen ſcholiis.
S. Wol-
[79]und derſelben erfindung
- S. WolffensElementa Matheſ. und die zu an-
fangs befindliche Commentationem de metho-
do Mathematica. Ridigeri Phyſicam diuinam
p. 13.
§. 23. Jm gemeinem leben will es nicht
allezeit mit ietzt erzehlten gruͤnden gluͤcken, daß
ſie den andern von der wahrheit einer ſache con
uinciren ſolten. Da wird man alſo nach be-
ſchaffenheit deſſen, mit dem wir zu thun haben,
ſeine argumenta einrichten muͤſſen. Ubri-
gens ſind hier die argumenta a poſteriori, κατ’
ἄνϑρωπον und alle ſinnliche demonſtrationes
mehrentheils beſſer zu gebrauchen, als a priori,
κατ’ ἀλήϑειαν und die ſehr abſtract ſind.
- Z. e. Wenn ich in converſation beweiſen will, daß
man nicht den eheſtand verſachen ſolle,
wann man noch unverbeyrathet, ſo wird kein
argument beſſer durchdringen als dieſes: Dann
es wird geſtrafft. Und wann ich iemand, der
nicht gar zu viel nachdencken kan, uͤberzeugen
ſolte, er muͤſſe fleißig in die kirche gehen, ſo
wird ihm wohl keine raiſon beſſer ſchmecken als
dieſe: Denn der wohlſtand erfodert es.
§. 24. Es ſiehet iedermann, daß alle dieſe
beweißgruͤnde unterſchiedene gradus haben,
und daß ſie leute fodern, welche faͤhig ſind rai-
ſon anzunehmen; Wo der verſtand des audi-
toris oder leſers alſo rein iſt, und von keinen
neigungen verdorben und die ſache iſt bloß the-
oretiſch, da wird man ihn kraͤfftig uͤberzeugen
mit dieſen gruͤnden. Wo aber nicht, da muß
man es auf dieſe argumenta nicht ankommen
laſ-
[80]von den beweiß-gruͤnden,
laſſen, ſondern pathetica zu huͤlffe nehmen und
illuſtrantia.
§ 25. Denn wenn alle leute weiſe waͤren,
oder auch nur nicht feinde der weißheit, duͤrffte
man an keine andere beweißgruͤnde gedencken,
als welche die wahrhaffte beſchaffenheit der
ſache an die hand giebt und daran die Logick
gearbeitet. Da dieſes aber nicht iſt, muß
man vielfaͤltig wind machen, und der wahrheit
zum beſten denen vorurtheilen und affecten
nachzugeben ſuchen, ſie zu uͤberwinden, und
ſolches iſt der rechte fucus oratorius.
- S. Ridigeri. S. V. \& F. Lib. III. Cap. l. p. 451. Lib.
IIII. Cap. IIII. p. 581. Hier ſind die aus dem
Seneca, Quintiliano L. V. C. XIII. Gellio noct.
Attic. L. I. C. VI. angefuͤhrten ſtellen merckwuͤr-
dig. Demnach kan man es nicht ſchlechter-
dings iemand verdencken, wann er ſolche be-
weißgruͤnde anfuͤhret, (die nicht eben buͤndig
ſchlieſſen) wo es noͤthig iſt. Denn die meiſten
leute machen ſich falſche kennzeichen der wahr-
heit, alſo thue ich ia nichts unrechts, wann ich ih-
nen ihre auch irrige zeichen fuͤrhalte und ſie da-
durch auf die ſpur bringe die wahrheit zu erken-
nen.
§. 26.
[81]und derſelben erfindung.
§. 26. Die andern dinge alſo, welche man
in denen Oratoriſchen buͤchern als aetiologien
und beweiß-gruͤnde recommandiret, muͤſſen
theils zu angefuͤhrten gruͤnden, theils unter den
fucum oratorium gerechnet werden. Z. e. Te-
ſtimonia haben ihre kraft eigentlich in der Hi-
ſtoriſchen wahrſcheinlichkeit, ſiehe oben §. 12.
Jn den uͤbri gen gehoͤren ſie zum fuco oratorio.
a) Und hier dienen ſie, wann man leute fuͤr
ſich hat, die in dem vorurtheil menſchlichen an-
ſehens ſtehen, und ſich von iemand den man an-
fuͤhret, lauter wahrheiten verſprechen, oder die
ein groß gedaͤchtniß, wenig iudicium haben.
Ferner wann es ſcheinet, als ob man neuerun-
gen fuͤrbraͤchte, ſo kan man ſich hinter die te-
ſtimonia, angeſehener leute verſtecken und ſeine
meinung mit ihren worten fuͤrtragen. Geld-
geitzigen und aberglaubiſchen leuten, gefallen
teſtimonia auch ſehr wohl. Doch iſt es auch
nicht verboten teſtimonia zum putz und ausdeh-
nung einer rede anzufuͤhren. Weil die mei-
ſten allegata, teſtimonia ſeyn ſollen, ſo hat es
mit denſelben faſt gleiche bewandniß.b)
§. 27. Apohthegmata oder ausſpruͤ-
che angeſehener leute, ſymbola, ſenten-
tzen, und ſpruͤchwoͤrter (adagia, prouer-
bia) oder ſaͤtze welche durch viele erfahrung
beſtaͤrcket und bey dem gemeinen volck fuͤr
wahrheiten gehalten werden, ohngeachtet ſie
halb wahr und halb falſch ſind, koͤnnen eben-
falls wie teſtimonia angebracht werden, und
werden zur noth fuͤr beweiß-gruͤnde paſſiren.
bey
[83]und derſelben erfindung.
bey leuten die im praeiudicio auctoritatis ſte-
hen, geldgeitzig argwoͤhniſch furchtſam ſind,
uͤberhaupt keinen rechten begrif von wahrheit
haben, oder wann die ſache in dem ſchlechteſten
grad der wahrſcheinlichkeit beruhet und dabey
groſſe behutſamkeit muß gebrauchet werden.
- Z. e. Jch riethe iemand: Er ſolte die geiſtlichen
unangetaſtet laſſen, und ich getrauete mir nicht
mit der raiſon fortzukommen: Denn es iſt nicht
recht: So koͤnte ich ſagen: Churfuͤrſt Joh.
Georg.l.pflegte zu ſprechen: Wer ungluͤck
haben will der fange nor mit den Prieſtern an.
Oder ich wolte beweiſen: man ſolte auch den
geringſten nicht beleidigen und ſpraͤche: kleine
maͤuſe haben auch ſchwaͤntze. - S. Hederich1. c. p. 436. 429. Sim. Goulartii
Apophthegmata ſacra. Lycoſthenis Apophthegm.
Zincgraeffii Apophth. Langii, Magiri Florile-
gium, Lockmanns Arabicae fabulae \& adagia,
Nouarini, Eraſmi, Junii, Braſſieani, Agricolae,
Gaertneri, Erpenii, Waltheri, Druſii adagia.
StollenI. II. 29. 35. 42. 47. MorhoffsPolyh.
l. I. XXI. Man kan auch aus aller beruͤhmten
leute ſchrifften, ſonderlich den auctoribus claßi-
cis, ſelbſt dergleichen ſuchen.
§. 28. Exempel beweiſen an und vor ſich
nichts als nur die moͤglichkeit eines dinges, da-
von oben §. 5. gehandelt, und in Hiſtoriſchen
ſachen, ſind ſie denen teſtimoniis gleich zu ſchaͤ-
tzen, ſiehe oben §. 12. Man koͤnte hieher auch die
erdichteten exempel rechnen und alſo fabeln pa-
rabolas, apologos, ꝛc. Man wird aus den
vorhergehenden leichtlich abnehmen, daß der-
gleichen ob ſie ſchon nicht buͤndig beweiſen, doch
F 2denen
[84]von den beweiß-gruͤnden,
denen beweiß-gruͤnden dienlich ſind, und end-
lich ſo werden exempel und fabeln, eins wie
das ander, bey leuten die wahrheit und moͤg-
lichkeit unterſcheiden, keine abſtracta begreif-
fen koͤnnen, ſinnlich gewoͤhnet ſind, ſich vom
ſtudio imitandi und aemulatione fuͤhren laſſen,
und ſonſt in vorurtheilen ſtecken oder affecten
haben, fuͤr tuͤchtige beweiß-gruͤnde paſſiren.
Zugeſchweigen, daß man ſie auch zum zierrath
einer rede und dieſelbe auszudehnen und ange-
nehm zu machen, nicht unbillich anfuͤhret. Wie
ſie als illuſtrantia zugebꝛauchen ſiehe im folgen-
den capitel.
- Z. e. Jch ſetze: Aus einer anſehnlichen familie
entſproſſen ſeyn, iſt nicht allemahl ein zeichen
eines groſſen verſtandes.Exempl.Jener Bi-
ſchoff in Franckreich war eines ſchweinhir-
ten ſohn, da ihm nun ein andrer ſeines glei-
chen, aber der aus einem vornebmen hau-
ſe entſproſſen, ſeine niedrige geburt fuͤrwarff,
antwortete iener: Wann ihr meines vaters
ſohn waͤret, ſo wuͤrdet ihr ietzo die ſchweine
huͤten. Eine andere Theſis: Unzeitiger ſchertz
bringt in das groͤſte ungluͤck.Exemplum:zu
Tiberii zeiten ſagte iemand zu einer leiche,
ſie ſolte dem vergoͤtterten Auguſto die nach-
richt bringen, daß dem volcke was er im te-
ſtament verordnet noch nicht zu gute kom-
men waͤre. Wie dieſes Tiberius erfuhr ließ
er ihn fuͤr ſich fodern, und nachdem er ihm
angedeutet daß er dieſe nachricht ſelbſt bringen
ſolte, alſofort hinrichten. Alſo konte iener gar
wohl bey dem poͤbel mit ſeinem beweiß fortkom-
men, da er ihm zeigen wolte: Unterthanen ſol-
ten ſich nicht wieder ihre obrigkeit anflehnen;
und
[85]und derſelben erfindung.
und ihnen die fabel von den gliedern fuͤrbrach-
te, welche wieder den magen revoltiret haͤt-
ten. S. Hederich1. c. p. 359. 423. Ridig. S. V.
\& F. 401. 459. Hln. Langens Orat.p. 91. Zwin-
geri Theatrum, Camerarii horas ſubciſiuas, Simon
GoulartiiSchatz-kammer, Wunder-ge-
ſchicht, Ernſts Blumen leſe, Bilder-hauß;
Confeckt-tafel, ſ. Gottſr. Hartungs Hi-
ſtor. Schanbuͤhne der welt, Joh. Chriſt-
Nehrings H[i]ſtor. Politiſch Lexicon, Grund-
manns Geſchichtſchule, Eraſmi Franciſci
Trauer-ſaal ꝛc. Zieglers Schau-platz, Laby-
rinth/ ꝛc. Troilo Oriental. reiſebeſchreibung,
Matthiae,Teatrum Hiſtoriarum,Schiebels hi-
ſtoriſches Luſt-hauß, Minſichts, Harsdoͤrf-
fers Hiſtoriſche ſachen. Alle reiſebefchrei-
bungen, Hiſtorien-ſchreiber und auctores claſſici
geben exempel im uͤberfluß, da mag man ſich ſo-
viele und gute ausſuchen als es einem gut
deucht. S. MorhoffsPolyhiſt.Stollens hiſt.
der gel. dieacta litter. Hamburgenſia, \&c.
.29. Bey denen ſimilibus, comparatis, em-
blematibus, ſymbolis und aller gegeneinander-
haltung meines obiecti mit andern dingen,
wird wohl niemand auf die gedancken gera-
then, daß ſie zum beweiß-gruͤnden zu rechnen,
ſondern daß ſie vielmehr als illuſtrantia anzu-
ſehen, (ſiehe folgendes cap.) und als dinge wel-
che dienlich eine rede auszudehnen und auszu-
putzen. Doch deucht mir, daß leute die viel
ingenium haben, gerne bildern und phantaſi-
ren, dergleichen als beweiß-gruͤnde anneh-
men, wenn man zumahl den willen durch aller-
hand dabey gebrauchte argumenta pathetica
zugleich rege zu machen ſuchet.
F 3Z. e.
[86]von den beweiß-gruͤnden
- Z. e. Theſis.Der muͤßiggang iſt ein ſchaͤdliches
Ding.Simile:Denn gleichwie dasopium
wann es in gar zu ſtarckerdoſigenommen
wird, den todt wuͤrcket: alſo verſetzt das vie-
le ruhen, der muͤßiggang, den menſchen in ei-
ne ſolche traͤgheit, ungeſchicklichkeit und un-
empfindlichkeit, daß er als ein todter menſch
in der menſchlichen geſellſchafft anzuſehen.
Emblema.Jener mahlete eine ſtockende uhr
und ſetzte dazu:Ipſa quies vitium eſt. \&c.S.
Langens Orat.p. 76. Hederichl. c. p. 358. 414.
Man findet zu ſolchen gelegenheit, in gantzen
collectionibus als: Lycoſthenis, Zehneri, La-
gnerii, Zwingeri, Langii, Lauretti, Molleri,
Franciſci, \&c. in ſcriptoribus der natuͤrlichen
Hiſtorie, der Phyſick, der Gaͤrtnerey, des land-
lebens, der pflantzen, der thiere, der baͤume, der
ſteine, metalle, in Hiſtorien, Geographien, reiſe-
beſchreibungen ꝛc.
§. 30. Medaillen und uͤberhaupt muͤntzen,
wapen, antiquitaͤten, inſcriptiones, marmora,
epitaphia, beyſchrifften, ꝛc. koͤnnen mit denen
daraus genommen umſtaͤnden und merckmah-
len, in der Hiſtoriſchen wahrſcheinlichkeit eini-
gen nutzen haben, muͤſſen aber an und fuͤr ſich
erſtlich ſelbſt wahrſcheinlich ſeyn, ehe und be-
vor ich daras etwas zum beweiß tuͤchtiges an-
fuͤhren will.
- Z. e. Wenn ich LudewigsXII.Koͤnigs in
Franckreich muͤntze anſehe, die er bey einem
bevorſtehenden kriege wieder den Pabſt ſchla-
gen laſſen,anno. 1511. ſo ſiehet darauf:Per-
dam Babylonis nomen. Hieraus koͤnte ich wohl
nicht beweiſen, daß Rom eben das Babylon ſey,
davon Apoc. 18. geredet wird, ſondern nur ſo
viel, daß es vom Ludewig XII. dem allerchriſt-
lichſten
[87]und derſelben erfindung.
lichſten koͤnige ſo genennet worden. Und eben
dieſes muͤſte ich aus der Hiſtoriſchen wahrſchein-
lichkeit richtig machen. Aber wann ich mit ge-
meinen leuten unter den Proteſtanten zu thun
haͤtte, ſo daͤchten dieſe alſofort, es muͤſſe noth-
wendig Rom das rechte Babylon ſeyn, weil es
auf der muͤntze ſo benennet worden. vid. M.
Liebii diſſert. Romam Babylon ex numis. Span-
hemium de vſu\& praeſtantia numiſmatum antiquo-
rum, und von dieſen Stollens Hiſtorie der Ge-
lahrheitp. 160. wo er von muͤntzen handelt. Fer-
ner Biragii Imperatorum Romanorum numiſma-
ta, Friſium de re numaria, du Frêne de infer. aeui
Numiſmat. Goldaſtum de re numaria veterum,
Labbaei Biblioth. numariam, Lampadium de na-
tura numi, Maiorem de numis, Maibomium de
vſu numorum vet. Patini numiſm. Imperat. Sa-
gittarium de numiſmat. Sneliium de re numaria,
Tirinum de antiq. monetis \& modernis, Tenzelii
Saxonia Numiſm.Monatliche unterredungen
Bibliothecam curioſam,MorhoffsPolyhiſt. I. V.
II.L.\&c.Von wapen S.Gribelii inſignia no-
bilium, Polidorum de origine inſignium regum \&
principum, Höppinum de iure armorum \& inſigni-
um. Tenzelii Biblioth. curioſ. repoſ. II. p. 554,
Büſſings, Hermannii,Fuͤrſts,Speners, Triers, He-
raldica, \&c.Stollel. c. p. 376. Von antiqui-
taͤten, ſ.Roſinum, Kippingium, Kirchmannum,
Manutium, Graeuium, Hottingerum, Quenſtaedt,
Geier, Bergen, Wedel, Dietericum, Strauch, Nico-
lai, Daſſouium; Buxtorff. Pfeiffer, Hildebrand,
Lundium, Caluoer, Schmidium, Fabricium, Meliſ-
ſantes,StollenI. III. 8. 9. 10. 11. Morhoffs.
Polyh. I. V. II.Von inſcriptionibus ſ.Vrſi-
num, Textorem, Maſenium, Weiſium, Senertum,
Stepnerum, Fabrettum, Flectwod, Reineſium,
Gruterum, Apianum, Amantium, Fendt, Boehme-
F 4rum,
[88]von den beweiß-gruͤnden,
rum, Theſaurum, Smetium, Panuinium, Mazo
chium, Golzium, Vrſinum, Boiſſardum, Pignori-
um, Waltherum, Falconerium, Chytraeum, Lab-
beum, ab Ines, Rubeum, Vrſatum, \&c.S[t]ollen.
l. c. 16. MorhoffsPolyh. I. IIII. XIIII. \&c.
Von beyſchriften ſ.Lazarellum,Gryphios, Hoff-
mannswaldau, Golau, Lohenſtein, Neu-
kirch, Meiſter, Mencke,Martialem, Owenum,
Sarbieuium, Sautelium, Proſp. Aquitanicum, Pau-
lum Silentiarium, Palladem,Stollen.I. V. 58.
61. MorhoffsPol. I. VII. Cap. I. II. III.
§. 31. Hier muß ich auch derienigen beweiß-
gruͤnde gedencken, welche man von der benen-
nung eines dinges, und denen dabey fuͤrkom-
menden nahmen, a notatione alſo, ab etymo-
logia, homonymia, ſynonymia, genio lin-
guae, tropo, vſu vocis, definitione nomina-
li, aequiuocatione, coniugatis, allegoria, an-
tiphraſi, interpretatione und dergleichen no-
minal-concepten hernimmt: Wann man
nemlich ſaͤtze beweiſen ſoll, die bloß die benen-
nung des dinges angehen, kan man aus dieſen
fontibus allerdings gruͤndliche beweiſe fuͤhren,
weiter aber erſtreckt ſich ihre kraft nicht. Doch
ſind ſie in gewiſſen faͤllen, die in vorhergehenden
§. §. beſtimmt worden, nicht ohne nutzen.
- S. Hederichp. 343. l. c. Z. e. Es beiſt iemand
ein gelehrter, deswegen iſt ers nicht gleich.
Und wenn ſchonJuseine ſuppe und auch das
recht heiſſet, ſo folgt deswegen nicht, daß
man beydes mit loͤffeln eſſen koͤnne. Aber
dieſes iſt recht bewieſen: Grotius iſt ein ge-
lehrter mann deßwegen muß er auch ſo ge-
nennet werden. Oder: Es iſt laͤcherlich
wann
[89]und derſelben erfindung.
Wann ſich die leute uͤber die ſyllogiſmos mo-
quiren; Denn es iſt eben als wenn ſich ie-
mand uͤber einem vernuͤnfftigen ſchluß mo-
quirete: Jndem ich einen Syllogiſmum aller-
dings einen vernuͤnfftigen ſchluß nennen muß.
Oder: Ein Philoſophe muß den affecten
nicht ergeben ſeyn: Denn er heiſt ein liebha-
ber der weißheit, wie reimt ſich aber dieſes mit
einen liebhaber der affecten.
§. 32. Endlich ſind einige dinge zu beruͤhren,
welche gleich denen vorhergehenden ſchein-
gruͤnden, in denen ebenfalls beruͤhrten faͤllen,
gelegenheit zu beweiß-gruͤnden an die hand bie-
ten, oder doch bey denen rhetoribus nicht recht
ausgemacht ſind und mit denen rechten Logi-
caliſchen theils vermiſcht, theils ihnen unrecht
entgegen geſetzt werden, theils auch zu ſehr nach
der ſcholaſtiſchen ſtrohſchneiderey ſchmecken.
Solches ſind die argumenta, a materia, a for-
ma [...], a subiecto, ab adiuncto, a partibus, a
circumſtantiis, a repugnantibus, oppoſitis,
diſparatis, diſſimilibus, inſinuatione, medita-
tione, conſectariis, loco communi, argutiis,
paralleliſmo, tempore, \&c. Wann ſie aber
etwas gutes an ſich haben, ſo iſt ſolches im vor-
hergehenden ſchon angefuͤhret, wie fern es zum
beweiſen nuͤtzlich, oder wird ſich bey denen illu-
ſtrantibus und patheticis, die nothwendig
ſorgfaͤltig von den probantibus zu unterſchei-
den, vollends zeigen. Ubrigens kan man ihrer
ſicher entbehren.
§. 33. Uberhaupt muß man ſich der Orato-
riſchen ſchmincke mit der groͤſten klugheit bedie-
F 5nen,
[90]von den beweiß-gruͤnden,
nen, ſie nicht gaͤntzlich verwerffen, doch auch
nicht ohne unterſcheid, nicht zu haͤuffig, nicht an
den unrechten ort, oder ſonſt auf pedantiſche uñ
abgeſchmackte art anbringen. Dabey iſt es
noͤthig, ſie nach den geſchmack des zuhoͤrers oder
leſers auszuleſen, ſeinen vorurtheilen dabey
nachzugeben, ſeinen affect dabey zu intereſſi-
ren, und ſich zu huͤten daß man nicht ungegruͤn-
dete gedancken zugleich dabey rege mache, oder
den leuten die waffen wieder die wahrheit in die
haͤnde gebe. Man bekommt bey ihrer anfuͤh-
rung zugleich gelegenheit, an die auctores zu
gedencken, wo man ſie gefunden, ſie zu erklaͤren
zu billigen oder zu verbeſſeꝛn, und allerhand ein-
faͤlle mit anzubringen.
- Es wuͤrde zu weitlaͤufftig fallen alles dieſes genau-
er zu determiniren, und mit exempeln zu erlaͤu-
tern, doch will ich einige zur probe anfuͤhren: Es
ſey z. e. folgender ſatz: Man ſoll nicht hoffaͤr-
tig ſeyn: ſo ſchickte ſich auf der cantzel am be-
ſten ein bibliſches teſtimonium Jacob. 4. v. 6.
denn Gott wiederſtehet den hoffaͤrtigen aber
den demuͤtbigen giebt er gnade. Jn der ſchu-
le naͤhme ich Zenonis ausſpruch: Nihil faſtu in-
decentius tum in ceteris tumpraecipue in iuueni-
bus. Jn der ausfuͤhrung redete ich von der
weißheit dieſes Philoſophi und warum er ſon-
derlich der iungen leute hochmuth ſo uͤbel ange-
ſehen. Jn einer politiſchen rede bediente ich
mich des ſimilis, ſo Lohenſtein gebrauchet:
Denn hochmuͤthige aufblehung iſt nicht min-
der ein gewiſſes zeichen einer gemuͤths-kranck-
heit, als die geſchwulſt der leibes-gebrechen
und eine augenſcheinliche andeutung iſt/ daß
ſol-
[91]und derſelben erfindung.
ſolche ebre fuͤr das behaͤltniß einer ſo eng-
bruͤſtigen ſeele zu groß ſey. Jn converſation
ſagte ich: Die hochmuͤthigen leute pflegten
manchmahl albern zeug zu machen, Z. e. Die
bauren inChiogeben dem Tuͤrckiſchen Kaͤy-
ſer iaͤhrlich 1000. ducaten daß ſie buͤrger heiſ-
ſen, und ienes frauenzimmer gewoͤhnte ſich
eine brille zu tragen, damit die leute auf ihre
ſchoͤnheit ſehen und ſie alſo diſtinguireten.
Haͤtte ich dieſen ſatz: Man ſoll nicht Hurerey
treiben, ſo fuͤhrte ich entweder einen beſſern
ſpruch an als den: Actorum. 15. v. 10. Oder ich
erinnerte, daß man nicht hurerey und vom er-
ſtickten oder vom blut eſſen fuͤr einerley halten
muͤſſe, ſonſt daͤchte ein boͤſer menſch, es habe die
hurerey eben ſo viel auf ſich, als wann man
blutwuͤrſte oder krammts-voͤgel aͤſſe und ein ein-
faͤltiger koͤnte dencken, beydes waͤre ſo ſuͤndlich
als die hurerey. Bey den exempeln huͤtete ich
mich, daß ich nicht boßhafftige und liſtig ausge-
ſonnene gluͤcklich ausgefuͤhrte ob ſchon beſtraffte
exempel weitlaͤufftig fuͤrtruͤge, denn ein boßhaff-
tes gemuͤth merckt ſich eher die art boͤſes zu thun
und ſinnet auf mittel der ſtraffe zu entgehen,
als daß es ſolte ſich durch die ſtraffe ſchrecken laſ-
ſen. Die emblemata muͤſten recht artig ſeyn,
ſonſt haͤlt man ſie nunmehro faſt fuͤr difficiles
nugas. Wolte ich beweiſen was die Catho-
licken glaubten, ſo fuͤhrte ich keine lehrer unſrer
kirchen, ſondern ihre libros Symbolicos an.
Redete ich fuͤr Printzen, ſo fuͤhrte ich lieber tu-
gendhaffte exempel aus ihrem hauſe als Hercu-
lem, Julium Caeſarem und Germanicum an,
hingegen naͤhme ich die exempel laſterhaffter
Printzen lieber aus dem grauen alterthum, als
aus einem hauſe davon vielleicht noch nahe an-
verwandten lebten. ꝛc.
§. 34. Man
[92]von den beweiß-gruͤnden
§. 34. Man kan ſich begnuͤgen laſſen, wann
man die wahrheit eines ſatzes recht ausgefuͤh-
ret, und kan ſicher glauben, daß man durch ſol-
che vorſtellung die gehofte wuͤrckung erhalten
koͤnne. Doch iſt zuweilen noͤthig die entgegen
geſetzten meinungenund gꝛuͤnde zu wiederlegen,
wann nemlich wuͤrcklich contraire ſaͤtze von ei-
nigen vertheidiget werden, wann dieſelben ei-
nen groſſen anhang haben, und dennoch in an-
ſehung des verſtandes und des willens groſſen
ſchaden thun, und wenn man glauben darf, es
werde ihre anfuͤhrung und gezeigte bloͤſſe, den
zuhoͤrer auf die rechte meinung fuͤhren, darinn
bekraͤftigen und alſo von einigen nutzen ſeyn.
Und dieſes heiſſet man argumenta a contra-
rio, von deren gebrauch in der erlaͤuterung ſiehe
folgendes capitel.
- Alſo iſt es laͤcherlich iemand wiederlegen, wo nie-
mand das gegentheil ſtatuiret: Oder ohne
unterſchied remotiue gehen: Oder etwas wie-
derlegen, daran niemanden etwas gelegen, man
mags glauben oder nicht: Oder da wieder man
keine kraͤftige gruͤnde anfuͤhren kan ꝛc. S. Ri-
dig. S. V. \& F. L. IIII. Cap. IIII.§. 38.
§. 35. Man wiederleget bey ſo beſtallten ſa-
chen, anderer leute der unſern entgegen geſetzte
meinung, entweder nach der wahrheit, aus de-
nen von uns feſtgeſtellten und ausgemachten
gruͤnden, es moͤgen nun dieſe gruͤnde von dem
gegner angenom̃en werden oder nicht:a) Oder
aus denen grund-ſaͤtzen welche wir zu beyden
theilen, annehmen und deren zuſam̃enhang mit
unſers
[93]und derſelben erfindung.
unſers gegners meinung wir dennoch laͤug-
nen:b) Oder aus des gegners eignen ſaͤtzen,
deren unrichtigkeit wir ebenfalls darthun koͤn-
nen:c) Oder aus denen augenſcheinlich fal-
ſchen, abgeſchmackten und paradoxen ſchluͤſſen,
welche daraus folgen. d) Bey unſtreitigen
ſaͤtzen, unterſuchen wir des gegentheils unrich-
tige verbindung des ſubiecti und praedicati,
ſtellen die unrichtige art zu ſchlieſſen, die uͤbel-
geordneten begriffe und definitiones, die natur
der idearum oppoſitarum fuͤr. Bey wahr-
ſcheinlichen, zeigen wir den ſchlechten zuſam̃en-
hang der ſenſionum unter ſich und mit der
hypotheſi, durch anfuͤhrung der wiederſpre-
chenden ſenſionum, und ſchwierigkeiten, und die
uͤbelausgeſuchte hypotheſin. Da dann die
wahrheit ſich in einer deutlichen leichten und
natuͤrlichen ordnung praeſentiret, wann ſich
hingegen die falſchheit mit dunckeln verworre-
nen erdichteten uͤberſteigenden begriffen und
ſaͤtzen von ſelbſten verraͤth.
§. 36. Bey der wiederlegung ſelbſt, bemuͤhe
man ſich ſo viel moͤglich, mit aller gelaſſenheit
mehr durch gruͤndliche ſchluͤſſe, als leere worte,
ſophiſtereyen, figuren, affecten, ingenioͤſe ein-
faͤlle und anderes laͤppiſches zeug, ſein wieder-
part zu uͤberzeugen. Man erwege, daß nicht alle
leute ihnen von ieder ſache einerley begriffe mit
unſern machen, und praͤtendire alſo nicht, auf
eine impertinente art, daß ieder die ſache ſo be-
greiffe, wie wir ſelbige begriffen haben, zumahl
wann auf beyden ſeiten vielleicht gleiche ſtaͤrcke
und ſchwaͤche oder dunckele begriffe waͤren.
Uberhaupt uͤberlege man erſtlich die oben §. 34.
beygebrachten umſtaͤnde, und gedencke, daß ein
weiſer mann viele wahrheiten wiſſe, die er
nicht einmahl fuͤrtrage, geſchweige andern auf-
zudringen ſuche.
§. 37.
[95]und derſelben erfindung.
§. 37. Jedoch was iſt es noͤthig, daß ich die-
ſes hier ſo ſor gfaͤltig erinnere, habe ich doch be-
reits in der vorbereitung §. 11. uͤberhaupt
einem redner und redenden aufrichtige und red-
liche abſichten angeprieſen. Jſt es doch bey
allen beweiß-gruͤnden inſonderheit noͤthig, daß
man nicht falſche ſaͤtze als wahre beweiſe, nicht
dem aberglauben, atheiſterey, dem aſotiſchen
und ſauertoͤpfiſchen weſen, den irrthuͤmern,
vorurtheilen, naſeweißheit und verderbten nei-
gungen damit an die hand gehe, nicht laſter und
boͤſe menſchen lobe, nicht tugend und rechtſchaf-
fene leute verachte, nicht boßhafter weiſe an-
derer leute gemuͤths-ruhe ſtoͤhre, nicht die
wahrheit zum deckel der boßheit und als einen
grif gebrauche andern tort zu thun und ſein
muͤthgen zu kuͤhlen und dergleichen. Allein es
kan dieſes nicht genug wiederholet werden, da
die galante welt die laſter in guͤldnen ſtuͤcken
einzuhuͤllen, und der tugend den bettelſtab in
die haͤnde zu geben ohnedem gewohnt iſt, hin-
gegen der menſchlichen geſellſchaft und der re-
publick mehr durch honnette redner als ge-
ſchickte redner gedienet wird. Alſo werde
auch davon im andern theil noch ausfuͤhrli-
cher handeln.
§. 38. Die rechte klugheit eines redners,
ſetzet billich den endzweck der beredſamkeit,
und die bey denen beweiß-gruͤnden noͤthige re-
geln der honnetete, des rechts der natur, und
der wahrheit nicht aus den augen, und bemuͤ-
het
[96]von den beweiß-gruͤnden, ꝛc.
het ſich nur die mittel dazu zu uͤberkommen
und wohl anzuwenden. Sie pruͤfet ſolche
nach ihren innerlichen und aͤuſſerlichen werth,
nach der beſchaffenheit des thematis das zu
beweiſen iſt, nach der faͤhigkeit und haupt-nei-
gung des zuhoͤrers, nach dem geſchmack des
ſaeculi, nach der gelegenheit der umſtaͤnde, und
ſuchet lieber ſolche aus, welche ietztbenannten
ſtuͤcken gemaͤß ſind, als ſolche dadurch ſie ihren
endzweck nicht erhaͤlt und ſich noch wohl dazu
feinde macht.
§. 39. Fuͤrnemlich huͤtet ſie ſich eine μετά-
βασιν ἔις ἄλλογένος zu begehen, die fontes pro-
bandi und die daraus genommene gruͤnde mit
einander zu vermiſchen, und quid pro quo an-
zufuͤhren, welches ein fehler iſt, den wenig
wiſſen, geſchweige zu vermeiden ſuchen. Jed-
wede wahrheit hat ihre eigene fontes, daraus
ſie entſpringt, und daraus ſie muß hergeleitet
und bewieſen werden, es muͤſte dann ſeyn, daß
eine reiffe uͤberlegung foderte hievon abzuge-
hen.
- Alles dieſes iſt fuͤr ſich klar, und braucht keines
weitlaͤufftigen beweiſes, die exempel aber ſolches
zu erlaͤutern, laſſen ſich beſſer muͤndlich als
ſchrifftlich gehen.
Das
[97]
Das vierdte capitel,
von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
WAs erlaͤutern oder illuſtriren heiſſe? §. 1. Was
der endzweck und nutzen der erlaͤuterungen
ſey? §. 2. Wie vielerley dieſelben? §. 3. Von erklaͤ-
rungen der woͤrter, §. 4. Von erlaͤuterung der ſachen
durch worte, §. 5. Erlaͤuterung der ſache aus ih-
rem weſen, §. 6. Durch beſchreibungen und einthei-
lungen, §. 7. Durch grundſaͤtze. §. 8. Durch dar-
aus gezogene ſchluͤſſe, §. 9. Durch allerhand ein-
faͤlle, §. 10. Erlaͤuterung der ſache durch andere
dinge ſo auſſer dem weſen derſelben, §. 11. Durch ex-
empel, §. 12. Durch teſtimonia, §. 13. Durch gleich-
niſſe, §. 14. Durch dißimilia, §. 15. Was bey denen
exempeln zu beobachten, § 16. Bey denen teſtimo-
niis §. 17. Bey denen gleichniſſen, §. 18. Bey de-
nen dißimilibus, §. 19. Was hiebey der honnetete
gemaͤß, §. 20. Was hierbey die regeln der klugheit
erfodern, §. 21.
§. 1.
ERlaͤutern oder illuſtriren heiſt, die ſache
welche man fuͤr ſich hat, auf ihre prin-
cipia zuruͤck fuͤhren, nach allen ihren
theilen auseinander legen, zuſammen ſetzen
und beſchreiben, daß ſie denen zuhoͤrern recht be-
greiflich werde, und ſie auch wohl auf der ſeite
beleuchten, da wir wollen, daß ſie der zuhoͤrer
oder leſer anſehen ſolle, oder mit ſolchen farben
fuͤrbilden, welche mit unſern abſichten gemaͤß
dieſelbe bemercken.
§. 2. Alſo kan man bey erfindung dieſer
Gargu-
[98]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
argumentorum eine gedoppelte abſicht haben,
einmahl die ſache deutlich klar und begreiflich
zu machen, und hernach ſie nach den genom-
menen abſichten begreiflich zu machen, daß ſie
nemlich der zuhoͤrer oder leſer in der geſtalt
und auf der ſeite ihm recht deutlich fuͤrſtelle, wel-
che wir ihm fuͤrzeigen.a) Mehrentheils ſucht
man beydes zugleich zu bewerckſtelligen, zuwei-
len aber kommt es mehr auf die eine als ande-
re abſicht an.b)
§. 3. Dannenhero hat man auch zweyer-
ley arten von argumentis illuſtrantibus, da
die eine art die ſache bloß erlaͤutert, ſie auf ihre
principia zuruͤckfuͤhret, nach allen ihren thei-
len und umſtaͤnden zerleget, zuſammenſetzet,
und beſchreibet, die andere art hingegen zu-
gleich die ſache, nach unſern abſichten, erlaͤutert
und fuͤrbildet. Ferner iſt eine andere art der
er-
[99]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
erlaͤuterungen, welche aus dem weſen und na-
tur der ſache ſelbſt genommen, und eine andere,
welche auſſer der ſache von andern dingen her-
geholet wird, iene dienet mehr zu deutlichkeit
und iſt ein werck des iudicii, dieſe nutzet ſonder-
lich meinen abſichten und kommt fuͤrnemlich
auf eine fertigkeit des ingenii an, iene erlaͤu-
tert theils worte, theils ſachen, dieſe nur ſa-
chen.
§. 4. Wir legen unſere gedancken durch
worte an den tag, wenn alſo dieſe einer er-
klaͤrung benoͤthiget, ſo finde ich dazu gelegen-
heit durch die beſchreibung des worts, des da-
rinn liegenden tropi, der haupt und neben idee
deſſelben, des urſprungs, hiſtorie, vielerley be-
deutung, zweydeutigkeit, gebrauchs deſſelben,
durch anfuͤhrung gleichvielbedeutender woͤrter
und redens-arten, wovon ſich im folgenden an-
dern theil von dem ausdruck der gedancken,
mehrere nachricht zeigen wird.
- Z. e. Jch wolte das Teutſche ſchimpfwort: Du
haſe erklaͤhren, ſo haͤtte ich: Definitionem no-
minalem:Haſe iſt ein Teutſches ſchimpfwort
und bedeutet einen menſchen, der einen luſti-
gen narren abgiebt, ohngeachtet er deswegen
weder penſion, noch ſtation, noch andere
vortheile hat:Tropum:Eigentlich bedeutet
haſe ein vierbeinigtes langoͤbrichtes wild-
pret, es wird aber auf die narren geleget,
vielleicht weil des haſens groͤſte klugheit im
lauffen beſteht, und ein narre alles lauffen laͤſt
was ihm einfaͤllt, oder weil nach Ariſtotelis
bericht/ lange ohren ein merckmahl der narr-
G 2heit
[100]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
heit ſind:Ideam principalem:Haſe ſoll haupt-
ſaͤchlich einen narren bedeuten:Ideam acceſ-
ſoriam:Aber einen ſolchen narren, der luſtige
einfaͤlle ohne ſolides iudicium hat und doch
keine penſion dafuͤr kriegt, oder der auch
wohl mit kopfwerffen, fuͤſſe ausſchlagen, haͤn-
de und manchettes drehen, allerhand luſtige
geſticulationes macht, oder viel frech toll und
laͤcherlich zeug unter einander redt und gar
gefaͤhrliche grimaces dabey zeiget,Deriuatio-
nem:Es ſoll herkommen vom Hebraͤiſchen
[...] oder vom Griechiſchen ουας, aurisein
obr, wegen der langen ohren, oder vom
Gehaſi des Eliſaͤ diener:ſecundum Hiſto-
riam:Reimmannn Einl. zur hiſtor.Litt.
Tom. IIII. p. 26. Es hatte der alte Erhar-
dus Schnepf bey der hiſtorie vom Eliſa und
feinem diener Gehaſi, in einer Gehaſi, in einer predigt zu Jena
ſich folgender formalien bedienet: Es befin-
den ſich dergleichen Gehaſi noch ietzo gar viel
unter denen menſchen, welche ihr zeitliches
intereſſe hoͤher balten als Gott, als den glau-
ben, als die wahre froͤmmigkeit und das an-
ſehen derer, welchen ſie in ihren wandel bil-
lich folgen ſolten. Ach freylich befinden ſich
derſelben noch viele. Jch bin ein Gehaſi, du
biſt ein Gehaſi, er iſt ein Gehaſi, wir alle mit
einander ſind eitel Gehaſi. Und da er alſo
dieſes wort ſo offt wiederhohlet, da baben es
die damahligen ſpoͤtter und Jſmaeliten auf-
geſchnappet, und ſich deſſelben in ihren zu-
ſammenkuͤnfften dergeſtalt bedienet, daß ſie
erſtlich alle dieienigen Gehaſi geheiſſen, wel-
che ſich in ihrem thun und laſſen nicht recht
aufzufuͤhren gewuſt, und endlich haben ſie
das wort gar enthauptet und die alberniner
haſen genennet. ꝛc.Homonymiam:Es giebt
vien-
[101]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
vierbeinigte und zweybeinigte haſen, hier
verſtehet man die letztern:Vſum:Man ge-
brauchts nicht gerne in oͤffentlichen reden
und anſehnlicher geſellſchafft, lieber in gantz
vulgairen reden:Synonymiam:Heiſt eben
ſo viel als ein ſtocknarre, poſſenreiſſer, luſti-
ger iuncker, laͤcherlicher kerl,bouffon, morio
ſtultus, lepidus homo, lepidum caput γελωτο-
πονος: Exergaſiam:Er iſt ein haſe, heiſt ſo
viel als: Er hat ins haſenfett getreten: Hat
einen ſparrren zu viel: Jſt geſchoſſen: Hat
einen wurm: Piquiret ſichbons motszu ma-
chen und lacht am erſten daruͤber. Jch koͤnte
noch hinzuſetzen es ſey ein nomen ſ\&fb;bſtantiuum
generis communis, ſingularis numeri, vocatiui ca-
ſus, cuiuſuis declinationis: ſo waͤre die gantze in-
terpretatio und analyſis grammatica richtig.
§. 5. Wenn man aber die gedancken oder
ſache ſelbſt, deutlich und nach ſeinen abſichten
fuͤrmahlen ſoll, ſo ſuchet man zu ende ſolche
worte aus, welche nicht nur in ihrer hauptidee,
ſondern auch in ihrer neben-idee, ia in ihrem
fall und klange, in ihren buchſtaben, die ſache
nach ihren eigenſchaften in dem gemuͤth des
zuhoͤrers oder leſers bilden, man erwehlet ſol-
che beywoͤrter, welche das haupt-wort, entwe-
der mit deutlich machen, oder deſſen inbegrif
determiniren, man wiederholet ein wort etliche
mahl, man fuͤhret ausdruckungen an, die zwar
eben das bedeuten aber etwas von der iedee ſo
wir bereits davon gemacht, abnehmen, oder
hinzuſetzen, oder dieſelbe corrigiren, oder auf
etwas bekanntes kurtz fuͤhren, oder ich ſpreche
G 3die
[102]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
die ſache artig aus, daß der zuhoͤrer oder leſer
ſich genoͤthiget ſiehet, dabey ſtehen zu bleiben
und ſelbige recht einzunehmen, von welchen
allen in folgenden andern theil ausfuͤhrlich zu
handeln.
- Z. e. Jch ſage: Die leute ſind der eitelkeit ietzo
ſehr ergeben:Illuſtratio; Verbis emphaticis:Das
tichten und trachten des menſchlichen her-
tzens iſt nur auf ein eitles weſen gerichtet:
Das menſchliche bertz haͤnget an der eitelkeit:
O quantum eſt in rebus inane!Jſt es nicht zube-
iammern, daß die heutige welt ſo erſchrecklich
denen vanitaͤten nachhaͤnget[?]Epithetis:Die
verblendeten ſterblichen, ſind der thoͤrichten
eitelkeit von gantzem hertzen zugeihan: Jr-
diſchgeſinnte menſchen haben ſich beſtaͤndig
der vergaͤnglichen eitelkeit gewiedmet.Repe-
titione:Die menſchen ſind hent zu tage der ei-
telkeit ſehr ergeben, der eitelkeit, welche ſie
von GOtt abfuͤhret, der eitelkeit, welche ſie
zu thoren macht: ꝛc. Die menſchen ſind in
der eitelkeit gantz erſoffen: Sie ſind der ei-
telkeit nicht gram: ſie lieben ſolche vielmehr
von gantzem hertzen: der menſchliche ver-
ſtand ſinnet nur auf eitle luſt: der wille
und die neigungen des menſchen fliehen nur
dasienige, was nicht nach der eitelkeit
ſchmeckt und begehren eyffrigſt, was in dieſes
reich der thorbeit gehoͤret:Alluſione:Der
prediger Salomo ſolte ietzt auftreten, da
wuͤrde er materie zu reden bekommen und
den text recht leſen koͤnnen: Die menſchen lie-
ben in allen gern die freyheit, nur von der ei-
telkeit laſſen ſie ſich gerne ſclaven feſſel anlegen
und dieſe tragen ſie mit luſt: Das menſchli-
che hertz iſt ein altar, auf welchem dem un-
be-
[103]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
bekannten GOtt, oder daß ich recht ſage, der
eitelkeit, viele opfer verbrannt werden:Ar-
gutiis:Man findet hent zu tage viel Epicu-
raͤer, aber ſelten einen Epieurum: Ein
menſch ſeyn, und eitelkeiten lieben, wollen
bey der heutigen welt faſt einerley ſagen:
Die auffuͤhrung der menſchen hat denen woͤr-
tern ihre ordentliche bedeutung entzogen,
denn thorheit und eitelkeit lieben heiſt ietzo
klugheit und ſich der weißheit ergeben, eigen-
ſinn und thorheit. ꝛc. - Jch will dieſe exempel nicht fuͤr vollkommene lei-
ſten angeben, daruͤber alle erklaͤrungen und il-
luſtrationes paſſen muͤſten, es wird dem iudicio
und der uͤbung des leſers und lernenden uͤber-
laſſen, nach anleitung meiner regel, beſſere ex-
empel zu machen, und auch in andern ſprachen
ſeinen fleiß anzuwenden. Man ſiehet im uͤbri-
gen aus angefuͤhrten, was meine meinung, und
wie man durch das nach ſinnen alles ſelbſten fin-
den und gebrauchen koͤnne, was man ſonſt mit
fuͤrchterlichen unzehlichen nahmen ohne ver-
ſtand ſeinem gedaͤchtniß einpraͤgen muͤſte.
§. 6. Dieſes was ich von erlaͤuterungen
bißher angefuͤhret, gehoͤrt bloß zur erklaͤrung
bloſſer worte oder zur erlaͤuterung der worte,
damit man eine ſache bemercket, und alſo alles
zum ausdruck der gedancken, welche ich im fol-
genden theile abgehandelt. Damit ich aber
zum haupt-werck nemlich zur erlaͤuterung der
ſache ſchreite, ſo findet ſich in ihrem weſen
ſelbſt die vollkommenſte gelegenheit zu denen
erlaͤuterungs-gruͤnden. Welches niemand
unbekannt ſeyn kan, der aus der Philoſophie
gelernet, was methodus analytica und ſynthe-
G 4tica
[104]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
tica ſey, denn nach ienem, fuͤhre ich die ſache
auf ihre principia zuruͤck, auf die ſinne, zur rech-
ten deulichkeit, nach dieſem aber, fuͤhre ich die
ſchluͤſſe aus ihren principiis her, und fange al-
ſo von denen principiis an, biß ich alles was
daraus flieſſet, dargethan, durch welche beyde
wege, man denn gewiß von einer ſache deut-
liche begriffe bekommen wird. Und weil eine
ſache entweder wahrſcheinlich, oder unſtreitig,
oder bloß moͤglich, oder gar falſch iſt, ferner ent-
weder ſinnlich, oder abſtract, hiſtorie, oder rai-
ſonnement iſt, und enldich nach beſchaffenheit
der diſciplinen, dahin ſie gehoͤret, vielerley ſeyn
kan, ſo iſt es noͤthig, hiebey was im vorigen
capitel ausgefuͤhret, ihm bekannt zu machen
und im uͤbrigen Logick und diſciplinen zu rathe
zu ziehen.
- Es iſt kein natuͤrlicherer weg die ſache deutlich zu
machen, als wann ich ſie mit ihren principiis
und criteriis recht fuͤrſtelle und beleuchte. Ha-
be ich wahrheiten fuͤr mir, ſo zeige ich, wie es
komme, daß es wahrheiten ſind, und halte ſie
gegen den urſprung der ſiune, oder ich weiſe,
was aus ihnen fuͤr ſaͤtze und wuͤrckungen flieſ-
ſen. Und wofern ich ſie nur ſelbſt recht erkenne,
wird es mir hier nicht fehlen, ſelbige auch deut-
lich zu machen. S. Thomaſii Einl. zur Vern.
cap. 12. 13. Ausuͤbung derſ. cap. 1. 2. Ridigeri
S. V. \& F. Lib. I. Cap. VI. Lib. IIII. Cap. II.
III. IIII.
§. 7. Die wichtigſte art der erlaͤulerung,
iſt hier die beſchreibung und die verſchiedenen
eintheilungen und einſchraͤnckungen eines din-
ges.
[105]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
ges. Bey denen unſtreitigen ſachen, bringe
ich eine deulichkeit herfuͤr, durch definitiones,
deſcriptiones, diuiſiones, diſtributiones, limi-
tationes und exceptiones. Bey wahrſchein-
lichen dingen, erzehle ich nur alle ſenſiones und
obſeruationes, die bey einer ſache gemacht wor-
den, und lege die hypotheſes mit deutlichen ſaͤ-
tzen fuͤr augen, bediene mich dabey deutlicher
worte und der guten natuͤrlichen ordnung, ſo
wird alles deutlich werden. Miſche ich nach
meinen abſichten, allerhand ſtriche und aus-
druckungen meines affects mit unter, erhoͤhe
und erleuchte die ſtuͤcke, welche den leſer oder zu-
hoͤrer am meiſten ruͤhren ſollen, und verſchwei-
ge hingegen, verdunckele, oder ſtreiche dasienige
gleichſam anders an, was meinen abſichten
zuwieder lauffende ſentiments bey ihm erre-
gen koͤnte, ſo kan ich auch dieſe ſtuͤcke brau-
chen, die ſache nach meinem endzweck fuͤrzu-
bilden.
- Z. e. Jch wolte dieſen ſatz erlaͤutern Falſche leute
ſoll man meiden: ſo koͤnte ichs thun per defini-
tionem ſubiecti:Falſche leute ſind ſolche men-
ſchen, welche aus mangel vernuͤnfftiger ten-
dreſſe gegen ihren naͤchſten, ſelbigen durch
allerhand verſtellungen und angenehmen
ſchein der freundſchafft zu betruͤgen ſuchen,
damit ſie ihren eignen nutzen, es koſte was
es wolle, allein befoͤrdern moͤgen:Praedicati:
Und ſolcher leute geſellſchafft, ia wo es moͤg-
lich, bekanntſchafft, ſoll man ſich ernſtlich
entziehen, und ſich mit ihnen auf keinerley
weiſe einlaſſen:Deſeriptionem:Es iſt man-
G 4cher
[106]von den erlaͤuterungs-gruͤnden
cher ſcharfſinnig und doch ein ſchalck, und
kan die ſachen drehen wie ers haben will,
Syr. 19. 22. Diſtributionem:Derſelbige ſchalck
kan den kopf haͤngen und ernſt ſehen und iſt
doch eitel betrug, er ſchlaͤgt die augen nieder
und horchet mit ſchalcks-ohren, und wo du
nicht acht auf ihn haſt, ſo wird er dich uͤberei-
len, und ob er zu ſchwach iſt, dir ſchaden zu
thun, ſo wird er dich doch, wann er ſeine zeit
ſiehet, beruͤcken. Man ſiehets einem wohl
an, und ein vernuͤnfftiger mercket den mann
an ſeinen geberden. Denn ſeine kleidung,
lachen und gang zeigen ihn an.Diuiſionem:
Leute, die es nicht redlich mit ihrem naͤchſten
meinen ſie moͤgen nun vornehm oder gering,
dum oder liſt[i]g, reich oder arm, manns- oder
weibes-perſonen ſeyn, ſoll man weder in ſeine
geſellſchafft ziehen, noch ſich ihnen aufdrin-
gen:Limitationem:Es muͤſte dann ſeyn daß
man ihrer ſchlechterdings nicht entbehren,
oder daß man ſie beſſern koͤnte:Exceptionem:
Haͤmiſche leute ſoll ich meiden, ausgenommen
wo es der wohlſtand erfodert. cꝛ. Ob nun
iemand fuͤr falſch zu halten, ſolches muß durch
die wahrſcheinlichkeit, ſo in vorigen cap. §. 14.
gewieſen, erhaͤrtet werden, und da koͤnte ich
meinen ſatz daraus alſo erlaͤutern: Wer von
allen zu profitiren ſuchet, und hingegen nie-
mand von ſich profitiren laͤſt, wer anders re-
det als ers meint, wer vorwerts einem die
haͤnde druͤckt, viel verſprechungen thut, einen
freundlich anlacht, ins angeſicht lobet, einem
geheimnuͤſſe anvertrauet, hinterwerts aber
einen durchzieht, keine verſprechungen haͤlt,
und was man nuͤtzliches fuͤrnimt, hintertrei-
bet, aus allen dingen geheimniſſe macht, ei-
nem gar zu uͤberfluͤßige complimente auf-
buͤr-
[107]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
buͤrdet und wenig guts in der that erzeiget,
der iſt billich mit allem fleiß zu meiden ꝛc. Bey
hiſtoriſchen ſachen koͤnte ich die anfuͤhrung aller
umſtaͤnde in einer that, der gelegenheit dazu
und dergleichen, interpretationem hiſtoricam
nennen. Die interpretatio Philoſophica aber
begreifft nach ihrem rechten begriff zugleich al-
les, was ich von denen erlaͤuterungen der ſache
aus ſich ſelbſt, ſie deutlich zu machen herfuͤr-
bringe.
§. 8. Jch kan eine ſache erlaͤutern, wann
ich die abſtracten und generalen begriffe, die
man von einer ſache machen kan, zuſammen
nehme, und als grund-ſaͤtze anſehe, daraus
mein ſatz oder obiectum flieſſet, und dieſes heiſ-
ſet man illuſtrationem a loco communi.
- Z. e. Bey den obigen ſatz koͤnte ich folgende gedan-
cken haben: Einen menſchen, der des andern
teuffel iſt, darf ich wohl fuͤr keinen engel h[a]l-
ten: was mir ſchadet, dafuͤr huͤte ich mich
billich: ꝛc. Am beſten aber laͤſt ſich dieſe art der
erlaͤuterung, bey hiſtorien und ſolchen ſachen ap-
pliciren, die nicht eben ſehr abſtract ſind.
§. 9. Jngleichen iſt dieſes eine art der erlaͤu-
terung, wann ich aus einem ſatze ſchluͤſſe ziehe.
und alſo dadurch deutlich die wuͤrckungen und
application einer ſache fuͤrſtelle, wodurch ich
zugleich dieſelbe nach meinen abſichten beleuch-
ten kan, und dieſes bemercket man mit der illu-
ſtratione a conſectario.
- Z. e. Bey obigen themate ſage ich: Denn ein
falſcher ſuchet mich entweder zu nutzen, oder
mir zu ſchaden, wann er mich genutzt, ſo lacht
er mich dazu aus, und wenn er mir ſchaden
ge-
[108]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
gethan, ſo wird er mir wohl gar noch dazu
gram:Proprium enim humani ingenii eſt: odiſ-
ſe quem laeſeris. Tacit. Agr. 42. 6. Oder:
denn auftichtige leute meinen, man ſey eben
der haar als die falſchen geſellen: Oder: denn
man kan bey ſolchen leuten ſchwerlich einen
raiſonnablen en dzweck erhalten: Oder: Dann
ihre bekanntſchafft und geſellſchafft, iſt was
ſehr unangenehmes, gezwungenes und ſchaͤd-
liches ꝛc. Hiebey thut die Logick gute dienſte,
wann ſie die arten der ſchluͤſſe zeiget.
§. 10. Endlich kan man auch eine ſache deut-
lich machen, oder ihr nach ſeinen abſichten ver-
ſchiedene geſtalten geben, wann man allerhand
moͤglichkeiten dabey erdencket, betreffend die
umſtaͤnde, urſachen, wuͤrckungen, guͤte und an-
dere einfaͤlle, welche man bey einer ſache ha-
ben kan, und dieſes haben die rhetores bißher
mit einem gar zu generalen worte illuſtratio-
nem a meditatione genennet.
- Was meditatio heiſſe bey denen Logicis, iſt bekannt.
Es wuͤnſchte mancher unter dem ſpecioͤſen titel
der meditation eine verlegne wahre, abge-
ſchmackte auch wohl boßhaffte tinctur, anzuwer-
den, doch dieſes gefaͤllt nur leuten, die gerne boͤ-
ſes gut und gutes boͤſe heiſſen. Ein rechter red-
ner bedienet ſich lieber, der wahrhafftig aus ei-
ner ſache flieſſenden erlaͤuterungen, als dieſer
art der moͤglichen einfaͤlle, dazu ihm nur etwan
der geringſte umſtand der ſache, eine kleine ge-
legenheit gegeben, und welche ſo leicht wahr als
falſch, recht oder unrecht, ſeyn koͤnnen. Jch
habe oben dieſe art der meditation uͤberhaupt
ein raiſonnement geheiſſen und der hiſtorie ent-
gegengeſetzt, §. 8. not. a. Doch kan man die
ſelben
[109]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
ſelben allerdings auch wohl gebrauchen, wann
man eine honette abſicht hat und ſich einer ge-
ſchickten manier, ſelbige anzubringen, bedienet,
Z. e. Falſche leute ſoll man meiden: Denn
man moͤchte ſonſt von ihnen angeſteckt wer-
den: Sie ſehen auf einen groſſen beutel und
nicht auf verdienſte: Wenn der wolff den
ſchaffspeltz angezogen, iſt er am gefaͤhrlich-
ſten: Man hat zwar wohl falſche leute zu
ſeiner geſellſchafft gehabt, aber man iſt noch
von keinem unbetrogen wegkommen: ſie
drehen den leuten nicht nur naſen an, ſon-
dern ſetzen ihnen dazu brillen darauf: es ſind
gleichſam politiſche ketzer und alſo gehoͤren ſie
mit zu denen, davon die ſchrifft uͤberhaupt
ſagt: einen ketzeriſchen menſchen meide. Sie
haben GOtt den dienſt und dem naͤchſten die
liebe aufgeſaget:Hic niger eſt, hunc tu Roma-
ne caueto.
§. 11. Auſſer dem weſen der ſache, finden
ſich viel dinge, deren gleichheit oder ungleichheit
mit meinem obiecto kan gezeiget werden, ſel-
biges dem zuhoͤrer deutlich, oder nach meinen
abſichten, fuͤrzuſtellen. Zeige ich die gleichheit,
ſo finde ich ſelbige entweder in meinungen, oder
exempeln, oder gleichniſſen, rede ich aber von
der ungleichheit meines obiecti mit andern ſa-
chen, ſo iſt die ungleichheit entweder ab oppoſito,
oder a diſpari herzunehmen. Es iſt hievon in
dem vorigen cap. bereits etwas angefuͤhret.
§. 12. Exempel ſind ſpecies oder indiuidua,
das iſt, mehr ſinnliche als abſtracte begriffe,
welche ich mit denen abſtractis, darunter ſie
ſtehen, gegen einander halte, damit aus dieſer
zuſammenhaltung, die ſache den ſinnen naͤher
kom-
[110]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
komme, und nach meinen abſichten, deſto leich-
ter und deutlicher begriffen werde. Sie wer-
den aus der hiſtorie und erfahrung hergenom-
men, und wohl erſtlich an und fuͤr ſich nach ih-
ren umſtaͤnden erlaͤutert und bewieſen, hernach
aber auf das fuͤrhabende obiectum appliciret,
oder auch nur kurtz in wenig worten, ohne ap-
plication fuͤrgetragen.
- Z. e. Falſche leute ſoll man meiden:Illuſtrat. ab
exemplo:Haͤtte ſich Simſon nicht mit der
Delila eingelaſſen, waͤre er nicht um ſeine
krauſen haare, um ſeine augen, freyheit und
endlich gar um das leben kommen. Haͤtte
Siſſera nicht aus der Jael ihrem m[i]lch-topf
getruncken, und ſich ſo treuhertzig machen
laſſen, in ihrem gezelt zu ſchlaffen, ſo wuͤrde
ſein ſchlaf mit dem tode, durch den fatalen
nagel nicht ſeyn zuſammengehefftet worden.
Fuͤr Joabs gruß, Judas kuß und Granvel-
laniſcher ſchreibekunſt, muß man [l]eben ſo
wohl als fuͤr dem teuffel ein creutz machen.
§. 13. Jch kan meine meinung durch al-
lerhand teſtimonia erlaͤutern, wann ich die
gleichheit eines ſatzes mit andrer leute mei-
nung, ausſpruͤchen, ſpruͤchwoͤrtern und derglei-
chen darthue, und dabey dieienigen umſtaͤnde
bemercke, worinn ſie miteinander genau uͤber-
einkommen, oder von einander unterſchieden.
S. hiebey das vorige capit. §. 26.
- Z. e. Bey obigen ſatz fuͤhrte ich an Tacitum H. 1.
2. 6. der ſagt: Quibus deeſt inimicus, ſubinde
per amicos opprimuntur: und A. 14. 56. 5. odi-
um fallacibus blanditiis velatur. Oder ich ſpraͤ-
che: Wer einmahl aufm fahlen pferde ertappt
iſt,
[111]von den erlaͤuterungs-gruͤnden
iſt, dem trauet man nicht mehr: Oder ich ſag-
te: Groſſe Herren ſind einem manchmahl oh-
ne raiſon gram, und ſetzte hinzu Tacit. A. 6.
48. 2. Multi potentibus inuiſi, non culpa, ſed vt
flagitiorum impatientes.
§. 14. Ein ſimile iſt, wann ich eine idee
oder ſatz mit dem andern vergleiche, und ohn-
geachtet beyde ein ander nichts angehen, den-
noch ein oder mehr eigenſchaften und ideen be-
mercke, darinn ſie einander gleich kommen,
ſolche idee oder eigenſchaft nennet man ſo dann
das tertium comparationis. Man kan die
gleichheit eines dinges mit dem andern durch
ein wort oder bild bemercken, durch etliche ei-
genſchaften durchfuͤhren, die gleichheit ſo wohl
als ungleichheit inſonderheit andeuten, und
beyder verhaͤltniß gegen einander abmeſſen,
auch wohl iedwede abſonderlich ausfuͤhren.
- Z. e. Theſis:Schwelgerey iſt ein ſchaͤdlicher af-
fect:Illuſtr. Metaph.Sie iſt ein weg, der
uns zum verderben fuͤhret:Simile:Ein wa-
gen, darauf man zur hoͤlle faͤhret:Allegor.
Bernhardi: Defluit luxuria, quae tamquam currus
quadrigis voluitur vitiorum, ingluuie ventris, li-
bidine coitus, mollitie veſtium, otii ſoporisque re-
ſolutione, trahitur equis duobus. proſperitate vitae
et rerum abundantia. Et his qui praeſident, duo
ſunt aurigae, torpor \& ſecuritas. Comparatio:
Sie iſt eine zauberiſche Circe, gleichwie dieſe
des Ulyſſes geſellen in mancherley thiere als
ſchweine, affen, bunde und dergleichen ver-
wandelte, ſo veraͤndert auch die ſchwelgerey
die menſchen in allerhand viehiſche geſtalten,
und da die Circe doch noch denen metamor-
phoſirten ihre vorige geſtalt wiedergeben
konte, ſo iſt dieſes die ſchwelgerey nicht ver-
moͤ-
[112]von den erlaͤuterungs-gruͤnden,
moͤgend.Diſſimil.Pythagoras aß kraut und
ruͤben und lebte maͤßig, fuͤhrte hingegen ſeine
nachfolger zur weißheit: Die ſchwelgerey
hingegen erlaubt ihren anhaͤngern alles, und
macht ſie zu narren:A minori ad maius:Ein
vernuͤnftiges thier laͤſſet ſich nicht zwingen
unmaͤßig zu freſſen und zu ſauffen, wie viel-
mehr wird ſich ein vernuͤnftiger menſch fuͤrzu-
ſehen haben, daß er nicht von ſelbſten in das
laſter der ſchwelgerey verfalle.Prot. und Apod:
Gleichwie das panterthier, da es den wein
liebt, auch dadurch um ſeine freyheit kommt:
Alſo wird auch der menſch, welcher der
ſchwelgerey ergeben; dadurch um ſeine wohl-
fahrt gebracht: Die ſchwelgerey iſt ein glat-
tes eiß, darauf man gar zu leichte faͤllt, ein
Sodoms-apfel, der auswendig ſchoͤn, inwen-
dig voll aſche iſt, eine roſe mit dornen, eine
guͤldne ſclaven kette, eine thuͤr zum grabe, ein
weg zur hoͤllen, ein prophete, der den bettel-
ſtab vorher anzeiget, ein zeichen, daran man
abnehmen kan, daß der verſtand nicht zu hau-
ſe, oder wohl gar die unvernunfft beſitzerin
des hauſes. ꝛc. Siehe oben cap. 3. §. 29.
§. 15. Die ungleichheit eines dinges kan ich
zeigen, mit denen ihm entgegen geſetzten ideen
und ſaͤtzen, welche entweder bloß diſparata
ſind, oder contraria und contradictoria. Bey
ienen iſt nicht viel zu erinnern, indem alle ſimi-
lia auch diſſimilia ſeyn und von ſolchen in vori-
gen §. geſagt worden, dieſe aber heiſſen eigent-
lich oppoſita und in ſaͤtzen obiectiones, und
dienen dazu, daß man durch die regeln einer
guten eintheilung und oppoſition finde, was
dem vorhabenden obiecto koͤnne entgegen ge-
ſetzet
[113]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
ſetzet werden, ſelbiges damit zuſammen halte
uñ den mercklichen unterſchied zeige, damit man
aller confuſion und unrichtigen concepten, bey
dem leſer oder zuhoͤrer fuͤrkom̃en, und in fuͤrbil-
dung des obiecti ſeine einbildung praͤoccupiren
moͤge.
- Z. e. Jch halte die falſchheit und aufrichtigkeit,
die ſchwelgerey und maͤßigkeit, einen narren
und klugen gegeneinander. Oder ich zeige den
unterſchied der glaͤubigen und unglaͤubigen,
derer, die GOtt dienen und die ihm nicht die-
nen: Oder ich ſage, worinn falſchheit und
landes-verraͤtherey, ſchwelgerey und geitz
von einander unterſchieden Hiebey ſehe man,
was oben cap. 3. §. 34. etwan beygebracht. Hln.
Langens E. 3. O.p. 69. Hederich.l. c. p. 357.
413. Was ſonſten in andern Rhetoricken von
figuren und dergleichen hiebey gewieſen wird,
findet ſich von ſelbſten, wann man dieſen §. ver
ſtehet.
§. 16. Bey denen exempeln iſt noch dieſes
zuerinnern, daß ich mich ſonderlich nach ihnen
umthun muͤſſe, wann die ſache ſo abſtract, pa-
radox, unglaublich, und trocken zu ſeyn ſchei-
net, das man ſelbige ſchwerlich begreiffet, und
wann es noͤthig ihr eine ſolche tour zu geben, die
meinen abſichten gemaͤß bey dem zuhoͤrer oder
leſer einen eindruck machen kan. Und nach
dieſen beyden abſichten, welche man bey exem-
peln haben kan, muß man ſich auch in der
wahl und anfuͤhrung der exempel richten.
- Z. e. Wann ich ſpraͤche: Eo miſerabilior, quo quis
putatur illuſtrior:Die groͤſten leute ſind biß-
weilen die elendeſten; ſo muͤſte ich wohl
Hdurch
[114]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
durch exempel ſolches erlaͤutern: Oder ich ſagte:
Die gelehrten ſollen ſich nicht mit einander
zancken; ſo koͤnte ichs alſo erlaͤutern: Wann
ſich die ſtudenten unter einander ſchlagen, ſo
behalten ſie ihre ſchlaͤge, und das Concilium
bekommt die ſtraf/ gelder.
§. 17. Teſtimonia, apophthegmata, pro-
uerbia, und dergleichen fuͤhre ich an, wann et-
wa andere, meine ſaͤtze durch recht nachdruͤckli-
che und deutliche worte exprimiret haͤtten. Und
wann ich ſie nach der beſchaffenheit des zuhoͤ-
rers oder leſers und der ſache ſelbſt artig aus-
ſuche, ſo kan ich auch vermittelſt derſelben einen
ſolchen concept den leuten von der ſache ma-
chen, als ich intendire.
- Z. e. Bey obigen ſatz koͤnte ich anfuͤhren: Sabi-
nus ſagt: Graue onus, paruus honos, eum cum
geſtat ὀνος. Bey dem andern: Chryſoſtomi
worte: Zelus ſapere neſcit \& ira conſilium non
habet. Oder Juan Rufo Apophthegm. 431.
Entziehe dich dem diſputiren, ehe du erhitzt
wirſt, der ſieg iſt allezeit deſſen, der ſich fuͤr
zanck huͤtet.
§. 18. Gleichniſſe muß ich beybringen, wann
die ſache dunckel iſt und leicht mit andern augen
kan angeſehen werden, als ich wuͤnſche, daß
man ſie betrachten ſolle. Alſo muͤſſen ſie an
ſich ſelbſt deutlich ſeyn und nicht mit meinen ab-
ſichten ſtreiten. Sie tragen auch vieles zum
putz meines obiecti bey, und daß der zuhoͤrer
oder leſer ſeine aufmerckſamkeit ſonderlich auf
den umſtand wende, welchen ich mit einem
gleichniſſe diſtinguire. Hiebey iſt zu mercken,
daß
[115]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
daß nicht die beyden comparata als zwey
ſubſtantiua leicht zuſammen geſetzt werden,
und daß auch in dem gleichniſſe ſelbſt, auf der
ſeite des termini improprii nichts wiederſpre-
chendes ſey, endlich daß es nicht uͤber das ter-
tium extendiret werde.
- Z. e. Den todt nenne ich: Einen ſchlaf: das
grab: Eine ruhekammer, die ſuͤnde: Eine
giftige ſchlange. Die neidiſchen gelehrten
vergleiche ich mit bettlern, da immer einer
ſcheel ſiebet, wann der andre vor der thuͤr ſte-
het. Geſchencke heiſſe ich guͤldne hauptſchluͤſ-
ſel, ꝛc. Der donner des goͤttlichen worts,
geht noch an, ingleichen: Die ſtrahlen des
Gluͤcks; die ſonne der gerechtigkeit; aber:
Die butter des verſtandes; der puffer des
vater unſers; nimm als ein loͤwe deinen don-
nerkeil; die diamantnen ſchloͤſſer des himmels;
ich kan mit meinem ſchaafe der gedult, dem
ſchlaͤchter des ſchickſaals nicht entgehen; ꝛc.
klingt laͤppiſch.
§. 19. Diſſimilia, oppoſita, repugnantia
und dergleichen, fuͤhre ich an, wo zu beſorgen
iſt, es moͤchte der zuhoͤrer oder leſer, etliche din-
ge miteinander vermiſchen, oder ſich von ie-
nem einbilden, was ich gerne wolte, daß er von
dem andern dencken ſolte. Hier kan ich zu-
gleich dieienigen erlaͤuterungen bey dem oppo-
ſito ſelbſt anwenden, welche aus dem weſen
deſſelben flieſſen und darzu oben §. 5. 6. 7. 8.
9. 10. anweiſung gegeben worden. Doch
muß ich mich huͤten, daß mich die leute nicht bey
der illuſtration ab oppoſito fuͤr einen paß-
quillanten anſehen.
H 2Z. e.
[116]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
- Z. e. Jch ruͤhmte eine aufrichtge froͤimmigkeit,
ſo koͤnte ich fuͤglich den heuchler abſchildern,
wann ich alle die eigenſchaften fuͤrbildete, da-
mit er ſich etwan verriethe: Z. e. ich ſagte:
Man ſehe doch, wie der heuchler dort in der
kirche an dem fenſter ſeiner capelle ſtehet, die
haͤnde aufbehet und die augen verdrehet, wie
er bier in ſeiner behauſung die fenſter oͤfnet,
auf die knie faͤllt und gantze ſtunden betet,
man hoͤre nur, wie er in geſellſchaft von tu-
gend, von ehrlichkeit, froͤmmigkeit und der-
gleichen unvergleichlich wohl zu reden weiß,
man erwege, wie er allenthalben, merckmahle
ſeiner ſelbſtverlaͤugnung geben will, er iſſet
und trincket ſich nicht ſatt, er traͤgt einen
kahlen abgenutzten rock, er ſpielet wederl’om-
bre,noch rommelpiquet, noch baſſette, er will
kein frauens-menſch anſehen, er gebt zu kei-
nem ſchmauſe, iſt der muſick ſpinnefeind,
hielt es fuͤr todtſuͤnde, wann er einmahl dem
frauenzimmer ein ſtaͤndgen bringen ſolte, ꝛc.
Dieß alles iſt nicht ſo ſchlechthin zuverwerf-
fen: Aber nun wollen wir ihn auch auf der an-
dern ſeite beleuchtẽ, wie ſieht es in ſeinem her-
tzen, ia nur in ſeiner kammer und haußhaltung
aus? Seine arme frau und kinder muͤſſen
covent trincken, wann er ſo lange krnmme
griffe macht, als ihn die leute mit bouteillen
wein beſchencken, welche er ins geheim nicht
ſo wohl ſeines ſchwachen magens als vielmehr
des guten geſchmacks wegen, ohne iemandes
geſundheit zu trincken ausleeret, ſein geſinde
bringt er ums verdiente lohn und brodt, wann
der laquais keinen kuppler abgeben und die
magd aus furcht fuͤr einer fruͤhzeitigen ver-
mehrung des menſchlichen geſchlechts, nicht
mehr in ſeiner anweſenheit ſein ſchlafgemach
betreten will, insgeheim redet er von allen
leu-
[117]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
leuten boͤſes, zumahl wann ihm in ſeinen ta-
backs-collegiis, die vertraulichkeit und gleich-
heit der gegenwaͤrtigen die zunge loͤſet, und
der arme ſuͤnder, den er ſchwartz zu machen
allerhand farben bey bringet, keine zeit und
gelegenheit zur verantwortung finden kan,
er ſucht alle durch allerhand raͤncke ums ih-
rige zu bringen, weltzt ſich wie Caligula in
den alten thalern, ꝛc. Auf die weiſe moͤchte
etwan dasbild eines ſolchen heuchlers entworf-
fen ſeyn. Wolte ich nun gar kleider und woh-
nung zugleich mit beſchreiben und haͤtte wohl
gar iemand in gedancken, den ich abſchilderte, ſo
koͤnte freylich mein conterfait ſo gerathen, daß
es einem paßquill aͤhnlich ſaͤhe, (Z. e jener pa-
ſtor ſagte: Jch will ihn nicht nennen, ihr
kennt ihn alle wohl, vor acht tagen fiel ihm
der backofen ein.) Zumahl wann ich zu einer
zeit und an einem ort lebte, vbi difficile eſt ſaty-
ram non ſcribere. Juuenal.
§. 20. Die argumenta illuſtrantia haben
groſſe gewalt und oͤfters groͤſſere als die pro-
bantia ſelbſt, nachdem der zuhoͤrer nemlich
mehr duꝛch die phantaſie, als gruͤndliche ſchluͤſſe
zu convinciren. Dañenhero hat man ſorgfaͤltig
dahin zu ſehen, daß man nicht der wahrheit
zum nachtheil ſelbige anbringe, oder der tugend
und honnetete damit ſchade, hingegen den la-
ſtern und unwahrheiten den weg bahne.
- Man kan durch die illuſtrantia eine ſache laͤcher-
lich, abiect, heßlich, aber auch praͤchtig, ernſt-
hafftig, ſchoͤn und angenehm machen, ſie mag
an und fuͤr ſich ſeyn, wie ſie will, wie leicht iſt es
alſo, daß ein waͤſcher dieſe farben verſetze und
dem zuhoͤrer oder leſer ein blendwerck fuͤrmache,
H 3den
[118]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
den guten geſchmack verderbe und den willen
verkehre. Dannenhero einem vernuͤnfti-
gen leſer oder zuhoͤrer, die ſache allezeit ſuſpect
wird, wo er merckt, daß man es mehr auf illu-
ſtrantia, als gruͤndlichkeit ankommen laſſe.
conf. Clerici diſſ. de argumento ab inuidia ducto
welche in ſeiner Philoſophie, gleich nach der
Logick geſetzt, Hl. Lic. Jaͤnichen hat des Clerici
Philoſophie, wie bekannt, mit einer netten
vorrede, von dem leben dieſes Philoſophen,
herausgegeben, Leipzig, 1710. 8.
§. 21. Die klugheit erfodert hiebey, daß
ich zufoͤrderſt ſehe, ob die ſache auch wolle illu-
ſtriret ſeyn oder nicht, hernach daß ich mich
nach einem guten vorrath a) von dieſer art ar-
gumentis umſehe und aus demſelben nach be-
ſchaffenheit derſelben, nach den begriffen und
neigungen meines zuhoͤrers oder leſers illu-
ſtꝛantia ausſuche, und ob ſie ſich zu meiner diſpo-
ſition ſchicken, erwege. Alſo muͤſſen ſie nicht gar
zu unbekannt, weithergeholet, gezwungen,
verhaſt, obſcoͤn, dunckel, zweydeutig, laͤppiſch
gar zu bekannt, und ſonſt meinen abſichten zu-
wieder ſeyn, nicht ungegruͤndete, aͤrgerliche,
uͤbele, gedancken zugleich mit rege machen,
nicht zu weitlaͤuftig, in gar zu groſſer menge,
und gar zu ſehr gekuͤnſtelt, oder am unrechten
ort, z. e. praͤchtige bey ſchlechten dingen, oder
umgekehrt, angebracht werden,b) hingegen
unter ſich ſelbſt, mit der ſache, und allen ihren
umſtaͤnden in guter harmonie ſtehen, welches
alles denn, wegen vieler dabey fuͤrfallenden
umſtaͤnde, nicht eigentlich kan determiniret
wer-
[119]von den erlaͤuterungs-gruͤnden.
werden, ſondern einer geſchickten anfuͤhrung
fleißigen uͤbung, und eignem nachſinnen zu
uͤberlaſſen.
Das fuͤnfte capitel,
von bewegungs-gruͤnden.
WAs argumenta pathetica ſeyn? §. 1. Wie ſel-
bige eingetheilet werden? §. 2. Was conci-
liantia ſeyn? §. 3. Wie vielerley dieſelben? §. 4.
Wodurch ſich der redner beliebt mache? §. 5. Wo-
durch er ſich in auctoritaͤt ſetze? §. 6. Wodurch er
die attention des zuhoͤrers erhalte? §. 7. Was die
regeln der klugheit bey anbringung dieſer argumento-
rum erfodern? §. 8. Was eigentlich commoventia
ſeyn? §. 9. Wie vielerley dieſelben? §. 10. Wie
denen geldgeitzigen beyzukommen? §. 11. Denen
ehrgeitzigen? §. 12. Denen wolluͤſtigen? §. 13.
Denen gemiſchten temperamenten? §. 14. Wie die
affecten rege zu machen? §. 15. Wie ſie fuͤrzuſtel-
len? §. 16. Wie ſie zu unterdruͤcken? §. 17. Wie
die pathetica probantia und illuſtrantia mit einander
zu verbinden? §. 18. Was hierbey den regeln der
honetete, §. 19. und den regeln der klugheit gemaͤß?
§. 20. Vollkommene Topic oder fuͤrſtellung aller
argumentorum §. 21.
§. 1.
OBige arten von argumentis, gehen
nicht directe auf den willen, ſondern
vielmehr auf die einrichtung des ver-
ſtandes und deſſen uͤberzeugung. Dieienigen
aber, womit man bemuͤhet iſt, ſich der neigun-
gen
[121]von bewegungs-gruͤnden.
gen des zuhoͤrers oder leſers, bey ſolchen ſachen,
die in die uͤbung muͤſſen gebracht werden, zu be-
meiſtern, heiſſet man ins beſondere argumen-
ta commoventia, oder beſſer: pathetica, be-
wegungs-gruͤnde.
- Judicioͤſe leute bewege ich mit gruͤndlichen ſchluͤſ:
ſen, ingenioͤſe mit artigen gleichniſſen und aller-
hand beſondern einfaͤllen, memorialiſche leute
mit zeugniſſen und exempeln, aber wann ich
ſchon auf ſolche weiſe den verſtand gefuͤllet mit
vielen wiſſen, ſo fehlet es doch dieſem niemahls
an ausfluͤchten, welche ihm, die uͤble einrichtung
des willens gegen den verſtand, an die hand
giebt. Alſo heiſt es bey ſolchen: video meliora
proboque, deteriora ſequor. Dannenhero muß
ich auch die neigungen des willens attaquiren,
und alſo den gantzen menſchen in bewegung
ſetzen, wann ich ein obiectum patheticum habe,
da es darauf ankommt, daß es der leſer oder zu-
hoͤrer in die uͤbung bringe.
§. 2. Hier zeiget ſich alſo die rechte kunſt
zu uͤberreden,a) und dieſe fuͤhret mich auf die-
ienigen gruͤnde, wodurch theils die perſon des
redners dem zuhoͤrer angenehm gemachet,
theils die ſache demſelben nach ſeinen haupt-
neigungen, appetitlich fuͤrgelegt wird, theils
aber auch allerhand regungen des willens, zum
vortheil des redners, aufgebracht und einge-
richtet werden.
§. 3. Die gruͤnde, wodurch der redner ſei-
ne perſon dem zuhoͤrer angenehm macht, heiſſen
H 5ar-
[122]von bewegungs-gruͤnden.
argumenta conciliantia. Sie ſind von nicht
geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den-
cken, daß ſie einem lebens-regeln fuͤrſchreiben,
wodurch man die gewogenheit der leute in ſei-
ner auffuͤhrung an ſich ziehe ſolle, ſondern ſie ge-
ben nur mittel an die hand, wie man im reden
den leuten gefallen koͤnne, worauf bey der
kunſt zu uͤberreden alles ankommt.
- Sie koͤnten zwar von einem ieden, aus den regeln
der klugheit ſelbſt, hergeholet werden, doch wird
auch niemand boͤſe ſeyn, wann ich ihn der muͤhe
uͤberhebe, zumahl da dieſe maximen, durch die
gantze beredſamkeit, ihren nutzen erſtrecken.
§. 4. Wer alſo im reden gefallen will, muß
auf die beſchaffenheit derer, die ihn hoͤren, ſon-
derlich ſein abſehen richten, da fehlt es denen
zuhoͤrern bald an liebe und vertrauen, wenn ſie
zumahl geldgeitzig ſind, bald an hochachtung
gegen ihm, wann ſie ehrgeitzig, bald aber an
aufmerckſamkeit, wañ ſie wolluͤſtig und flatter-
haftig, und alſo muß er ſich um ihre gewogen-
heit, hochachtung und aufmerckſamkeit,
moͤglichſten fleiſſes bewerben.
§. 5. Die gewogenheit des zuhoͤrers ge-
winnet man, wenn man auf eine ungezwun-
gene und anſtaͤndige art, dem zuhoͤrer ſagt,
was er gerne hoͤret; ihn ohne verdaͤchtige
complimente lobet; ſich ohne niedertraͤchtig-
keit ihm weit nachſetzet: ſich allezeit ſo fuͤr-
ſtellet, daß ſich der zuhoͤrer einen begrif von uns
mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm
habe; ſehr honnet ſey; ſich der wohlfarth des
gemei-
[123]von bewegungs-gruͤnden.
gemeinen weſens, dem nutzen des zuhoͤrers,
dem intereſſe unſchuldiger mitleidens-wuͤrdi-
ger perſonen, ohne eigennutz aufopfere; die
falſchheit haſſe; die aufrichtigkeit hochhalte,
und ſich derſelben befleißige; wenn man alle
ruhmraͤthige, ſatyriſche einfaͤlle und invectiven
in den zuhoͤrer meidet; ſich nicht leicht uͤber et-
was moquiret, oder wann man etwas tadelt,
es in ſehr frembden exempeln thut, oder in
prima perſona plurali redet; wenn man die
wiedrigen gedancken des auditoris unver-
merckt beſtreitet; niemahls der orthodoxie
und recepten doctrin zu nahe tritt; dem audi-
tori nicht offentlich wiederſpricht; die ſache
feinem eignen urtheil uͤberlaͤſt; ſolche illuſtran-
tia anfuͤhret und lobet, die dem auditori ge-
fallen; ſich ſo viel moͤglich mit demſelben ſym-
pathiſiret; alles nach deſſen geſchmack und
begrif einrichtet ꝛc.
- Uberhaupt ſind die leute denenienigen gut, die ih-
nen gefallen, und es gefallen tugend, weißheit,
vernuͤnftige ſchluͤſſe, an dem redner oͤfters nur
wenigen, und dieſen darff man keinen wind vor-
machen. Hingegen gefaͤllet uns, was nach
unſern geſchmack und neigungen eingerichtet iſt,
alſo muß ein redner den zuhoͤrer recht ausſtudie-
ren, wenn er deſſelben liebe erhalten will, damit
er ſich mit demſelben ſympathiſiren koͤnne und
durch eine lebhaft angenommene gleichheit, die
der grund aller liebe iſt, ſich bey ihm inſinuire.
Zwar iſt die natuͤrliche ſympathie ſtaͤrcker als
die gemachte, datur etiam hic felicitas, mancher
bekuͤmmert ſich wenig oder nichts um die gewo-
genheit der leute und bekommt ſie am erſten,
ein
[124]von bewegungs-gruͤnden.
ein ander arbeitet ſich daruͤber zu tode, und doch
ſagen die leute, er verſtehe die kunſt nicht Deſe
faire aimer. Allein kan man doch falſch gold
und ſilber machen, das dem wahrhaften aͤhnlich
ſieht, und blinde halten es auch fuͤr aͤcht, die ſe-
henden dencken es muͤſſe ſo und nicht anders
ſeyn. Die ſache braucht keiner groſſen demon-
ſtration, und auch keiner weitlaͤuftigen erlaͤu-
terung.
§. 6. Sich in auctoritaͤt zu ſetzen, muß der
redner gruͤndliche, iudicioͤſe, ſcharfſinnige, nuͤtz-
liche dinge fuͤrbringen; zeigen daß Gott und
goͤttliche dinge daran theil nehmen; der groͤſten
leute meinung mit ſeiner uͤberein komme; daß
man ſich dennoch nicht durch aberglauben und
vorurtheile hinreiſſen laſſe; ſondern die warheit
und tugend liebe, und auch zu ſeinem ſchaden
verthaͤidige; da muß man alle gemeine, mit
abiecten laͤcherlichen ideen, verbundene reden
weglaſſen; keine laͤppiſche exempel, gleichniſſe,
ſpielen in worten, eitle zierrathen einbringen;
zuweilen von den gemeinen methoden abge-
hen; an ſtatt der wege und affecten, die der
auditor zu hoͤren meinet, andere erwehlen;
von ſich und ſeinen meriten wenig, mit groſſer
modeſtie, ohne oſtentation und affectation
reden, und allezeit zu verſtehen geben, daß man
bey dem zuhoͤrer mehr vermuthe; nicht mer-
cken laſſen, daß man auctoritaͤt ſuche; doch
aber zu keiner familiaritaͤt anlaß geben; ꝛc.
- Die verwunderung und ihre mutter die unwiſſen-
heit, der damit verwandte aberglaube, das vor-
urtheil menſchlichen anſehens, der eigennutz, die
alber-
[125]von bewegungs-gruͤnden.
alberne phantaſie der leute, haben fuͤr denen
elendeſten dingen die groͤſte hochachtung. Das
wiſſen geſcheute redner und verſtecken ſich alſo
allezeit hinter ſolche vergroͤſſerungs-glaͤſer, aber
es iſt nur ſchade, daß die windmacher mehren-
theils gluͤcklicher damit umgehen koͤnnen, als
die liebhaber der wahren weißheit. Sie rai-
ſonniren von nichts als ſtaats imaximen, ſca-
uoir-faire, politique, intrigues, denen geheim-
ſten abſichten der Monarchen, ihren meſures,
denen arcants politicis, ſtaats-fehlern der gantzẽ
welt, ſo bewundern wir ſie als oracula pruden-
tiae. Sie allegiren gantze dutzend auctores,
miſchen Arabiſch und Malabariſch mit ein,
reden von den cedern in orient biß an den yſſop
in occident, mahlen uns die prieſter der Jſis
wie ertzgebuͤrgiſche bergmaͤnner ab, beſchreiben
uns die unterſchiedenen farben des ſteins der
weiſen, bemuͤhen ſich unverſtaͤndlich zu ſprechen
und neue wahrheiten zu erdencken, biß der ver-
ſtand uͤberſchnapt, und ſo halten wir ſie fuͤr ge-
lehrt. Sie haben nichts, als verlaͤugnung
und unterdruͤckung der ſelbſt-liebe, creutzigung
des fleiſches, Chriſtum in uns, inbrunſt des her-
tzen s gegen das reich der kinder Gottes, eckel ge-
gen die ſchaugeruͤchte des luͤſternden fleiſches,
liebe zur tugend, auf der zungen, ſo glauben wir,
ſie ſind fromm u. ſ. f. Wie wenig haben ſo
ein ſcharffes geſicht, durch ſolche polyhedra
oder vergroͤſſerungs-glaͤfer, das rechte und in
gehoͤriger groͤſſe zu ſehen, wie wenig duͤrffen,
wann ſie ia ſcharfſichtig ſind, davon muchſen,
aber wie ſchwer haͤlt es, daß ein weiſer mit einer
ſolchen gabe der unverſchamheit, maͤchtigen ge-
ſchrey, verdrehung der augen und werffen der
haͤnde, als denen windmachern naturell iſt, ſich
noch dazu hinter einer ſolchen machine und in
einen ſolchen raritaͤten-kaſten verſtecke, daß ihn
der
[126]von bewegungs-gruͤnden.
der vornehme, gelehrte, reiche, und aller poͤbe[l]
fuͤr was beſonderes halte.
§. 7. Aufmerckſamkeit erreget man bey
dem zuhoͤrer, durch einen ordentlichen, deutli-
chen, kurtzen, leichten, angenehmen fuͤrtrag;
wann man erinnert, daß man wichtige ſachen
zu proponiren habe, die des zuhoͤrers wohlfarth
und intereſſe betreffen: daß man rechte ge-
heimniſſe, kunſtgriffe, res momentoſas, die
man ſonſt nicht ſo gemein mache, fuͤrbringen
wolle; wenn man ſeine ſachen in bildern
gleichniſſen, exempeln, argutien, ungewoͤhn-
lichen figuren, wuͤnſchen, bitten einſchlieſt;
wann man gleichſam die gedancken des zuhoͤ-
rers aufſuchet, ſelbige zu errathen meinet,
zweiffelhaftig machet; die rede auf gantz ſpe-
cielle umſtaͤnde fuͤhret, die der zuhoͤrer nicht
leicht vermuthet; alſo nicht zu ſubtile, weither-
geholte weitlaͤuftige, dunckele, verworrene, mit
limitationibus, propoſitionibus incidentibus,
digreßionibus diſtrahirte ſachen, fuͤrtraͤgt; noch
einen ſchlaͤffrigen ſtilum und fuͤrtrag gebrau-
chet ꝛc.
- Es kommt hier am meiſten darauf an, daß man
den zuhoͤrer curioͤs macht. Bey den windma-
chern heiſt es hernach zuletzt: coruos deluſit hi-
antes, et mundus vult decipi.Schuppius hat die
fehler, welche hiebey fuͤrgehen, in etlichen reden
artig fuͤrgeſtellet. Hl. Hoffrath Mencke hat
ebenfalls die marcktſchreyerey der gelehrten
hiebey, und Lilienthal in ſeinem Machiauelli-
ſmo litterario recht artig abgeſchildert. Ein
vernuͤnftiger redner kan, bey dem verderbten
ge
[127]von bewegungs-gruͤnden.
geſchmack der welt, dergleichen faſt nicht um-
gang haben.
§. 8. Die regeln der klugheit erfodern, daß
man angefuͤhrte argumenta mit unterſchied
und nicht an dem unrechten ort anbringe.
Denen geldgeitzigen fehlt es uͤberhaupt an der
menſchenliebe, alſo muß man ſich wohl etwas
muͤhe geben ihre gewogenheit zu gewinnen,
und eben dieſe muß man zu erhalten ſuchen,
bey leuten, welche etwa wieder unſern fuͤrtrag,
durch allerhand vorurtheile moͤchten einge-
nommen ſeyn, oder wo unſre perſon und ſache
vielleicht etwas an ſich haͤtte, daß der phan-
taſie und dem affect des zuhoͤrers unangenehm
fuͤrkommen koͤnte. Ehrgeitzige, hohe, einge-
bildete gemuͤther, entziehen leicht allen ihre
hochachtung, weil ſie zu viel fuͤr ſich ſelbſt ha-
ben muͤſſen, alſo muß man bey dieſen ſchon
mehr fleiß anwenden, bey ihnen eſtimiret zu
werden, wenn ſie zumahl ſich nichts ſonderli-
ches verſpraͤchen von dem redner, da er ihnen
unbekannt, unerfahren, furchtſam, iung und
uͤbel beruͤchtiget fuͤrkaͤme, oder wann dieſache,
dem erſten anſehen nach, von geringer wichtig-
keit ſchiene. Wolluͤſtige leute ſind wie Soſia
beym Terentio: amis de tout le monde, und
gehen auch mit ihrem eſtim ſehr verſchwende-
riſch um, aber flatterhaftig ſind ſie, alſo daͤch-
te ich, man haͤtte wohl urſach, ihren mercurium
zu figiren, und ſie attent zu machen. Eben
dieſes iſt auch noͤthig, wann der zuhoͤrer die ſa-
che
[128]von bewegungs-gruͤnden.
che fuͤr bekannt, obſcur, unnuͤtze, ihm contrair,
anſiehet, oder wann ſie an ſich etwas trocken
und ernſthaft iſt. Doch muß man bey allen,
ſich nicht mercken laſſen, wie man eben ihre ge-
wogenheit oder hochachtung oder aufmerck-
ſamkeit, durch ſolche griffe zu gewinnen ſuche.
- Jch werde vielleicht einigen bey dieſer art von ar-
gumentis zu wenig, einigen zu viel geſaget ha-
ben, alleine ich habe von anfang, dieſer leute
ihre gedancken vorausgeſehen, und alſo geſucht
es beyden recht zu machen, daruͤber bin ich auf
die mittelſtraſſe gerathen, damit ich nemlich
von keinem zu weit abkaͤme. Juzwiſchen iſt
nicht meine meinung, als ob ein redner, alles
was ich geſetzt, ſchlechthin anbringen muͤſſe,
auch nicht, daß er auſſer dem, was ich beyge-
bracht, nicht noch etwas anders und vielleicht
beſſers ausſinnen koͤnne. Sondern wir verſi-
ren hier in den regeln der klugheit, da niemahls
keine gantz univerſelle, aber auch keine gar zu
ſpecielle regel kan gegeben werden, und doch
gute erinnerungen nicht ſchaden koͤnnen. Man
ſchlage die auctores, welche von der erfindung
geſchrieben, hiebey nach, aber man ſtudire auch
dabey die erkaͤnntniß der welt, aus der Moral
und erfahrung.
§. 9. Mit dieſen argumentis haben die ei-
gentlich ſo genannten com̃oventia, eine genaue
verwandſchaft, vermittelſt welcher man den
zuhoͤrer zu uͤberreden bemuͤhet iſt, daß die ſache
nicht nur an ſich ſelbſt gut und ſo beſchaffen ſey,
wie ſie der zuhoͤrer wuͤnſchet, ſondern daß ſie
auch ins beſondere, dem zuhoͤrer zutraͤglich ſey.
Dabey man alſo die aͤuſſerſte kraft zugebrau-
chen,
[129]von bewegungs-gruͤnden.
chen, ſich der neigungen des zuhoͤrers zu be-
maͤchtigen, und ſeinen willen zu annehmung
und ausuͤbung der fuͤrgetragenen wahrheit,
ohne ſchwierigkeit zu diſponiren.
§. 10. Der menſch hat drey bona abſoluta
und dabey ſonderlich drey bona reſpectiua, da
denn dieſe zwar aus ienen entſtanden, aber
doch verſtand und willen mehr occupiren als
iene, und alſo drey hauptneigungen zeugen
nemlich geldgeitz, ehrgeitz, wolluſt.a) Will
der redner nun auch ſeine ſache dem auditori
angenehm machen, und ihn zur ausuͤbung der
fuͤrgetragenen wahrheit uͤberreden, ſo muß er
hauptſaͤchlich ſuchen zu zeigen, daß ſein fuͤr-
trag, zu erhaltung derer neben- und ſchein-guͤ-
ter diene. Dannenhero ſich hier dreyerley
gruͤnde dem redner darbieten, welche mit et-
was ſchwanckenden concepten, die argumen-
ta ab utili, honeſto, und iucundo, genennet
werden.b)
§. 11. Denen geldgeitzigen ſagt man: es ſey
eine rechte profitable ſache; man koͤnne ſich da-
bey etwas machen; ſie ſey gewiß zu erhalten;
ohne die geringſten koſten; von treflicher dauer;
mit Gottes ſeegen verknuͤpft; fodere nichts als
arbeit; man koͤñe dabey ſeinen neidern und fein-
den trotz bieten; ſich uͤber den wind der ehrgei-
tzigen und wolluͤſtigen moquiren; es waͤren viel
gute anzeigungeu dabey, daß es gluͤcklich, gehen
werde; es ziehe viele vortheile nach ſich; man
werde alt, ſtarck, begluͤckt, vermoͤgend dabey,
ohne anderer leute danck, indem man ſich auf
die weiſe zugleich formidable mache; ꝛc.
- Thomaſius im Recht Evangeliſcher fuͤrſten
ſagt: Es ſind keine aͤrgere tadeler, als die
geitzigen, obngeachtet ſie unter den boͤſen leu-
ren die aͤrgſten ſind. Deſto mehr hat man
ſich muͤhe zu geben ihnen beyzukommen, und
noch dazu ſie mit worten wozu zu bringen. Es
wird aber leichte werden, wann man ihre ge-
muͤths-beſchaffenheit recht ergruͤndet und ſo
dann ihrem geld-hunger, argwohn, menage,
furcht, neid, aberglauben, mangel des iudicii,
gemaͤß redet. Dabey hat man einen unter-
ſchied unter denen geldgeitzigen zu machen in
anſe
[131]von bewegungs-gruͤnden.
anſehung ihres ſtandes, erfahrung, mittel, de-
rer ſie ſich bedienen und ſ. f. a.
§. 12. Den ehrgeitzigen ſchwatzt man vom
honeſto fuͤr; daß ſie auf ſolche art, falls ſie
unſern fuͤrſtellungen gehoͤr geben, andern ei-
nen concept ihrer gottesfurcht, honnettete,
klugheit, und daher beſondere veneration fuͤr
ſie, inſpiriren wuͤrden; daß es allezeit ein zei-
chen von etwas groſſem ſey, ſo ſie verewige; bey
allen in guten andencken ſetze; nur etwas geld
koſte und ſolches doch reichlich wieder einbrin-
ge; vieler anderer bemuͤhung uͤbertreffe; ſie
formidable und angeſehen mache; bloß ihren
verdienſten, hertzhaftigkeit, geſchicklichkeit, con-
duite, wiſſenſchaft ꝛc. zugeſchrieben werde; ꝛc.
- Hiebey muß man, ebenfalls, auf die abſichten
eines ehrgeitzigen, und die unterſchiedenen ar-
ten der ehrgeitzigen, ſeine gedancken und gruͤn-
de richten.
§. 13. Denen wolluͤſtigen redet man von
lauter delicaten, charmanten, angenehmen,
ſuͤſſen ſachen fuͤr; wie unſer obiectum leib und
gemuͤth ergoͤtze; alle ſinnen vergnuͤge; uns
beliebt, galant, geſund, immer friſch, ſtarck,
ſchoͤn, biß zu einem hohen alter, ohne muͤhe ar-
beit und ſorgen, in ruhe und frieden erhalte;
uns viel freunde mache; uns in den ſtand ſetze
unſern endzweck zu erhalten auf allerhand wei-
ſe, ohne die geringſte ſchwierigkeit; uns zu di-
vertiren; andern armen leuten zu dienen;
danckbar zu ſeyn; in allerhand angenehme
converſation zu kommen; ꝛc.
J 2Alles
[132]von bewegungs-gruͤnden.
- Alles dieſes und noch viel mehrers, giebt mir
die betrachtung des wolluͤſtigen an die hand,
wenn ich die unterſchiedenen abſichten und arten
deſſelben unterſuche, und darnach zu reden mich
bemuͤhe.
§. 14. Zuweilen habe ich mit einem men-
ſchen zu thun, der ſelbſt nicht weiß, was er will,
oder der ein gemiſchtes temperament hat. Zu-
weilen aber ſoll ich an eine gantze verſamm-
lung reden, da faſt ein ieder anders geſinnet,
als der andre. Jn dem erſten fall muß ich die
miſchung des temperaments, vor allen dingen,
durch die moraliſche wahrſcheinlichkeit heraus-
gebracht haben, und denn nach beſchaffenheit
derſelben, aus obigen fontibus argumenta her-
aus ſuchen.a) Jn dem andern fall, ſehe ich,
was fuͤr ein affect unter den auditoribus her-
ſche, und welchen die meiſten zugethan, da ich
mich dann leichte auch im reden, nach ſolchen
richten kan.b)
§. 15. Aus den benannten haupt-affecten
entſpringen allerhand neben-affecten und re-
gungen des willens, deren natur und beſchaf-
fenheit aus der Moral und erfahrung man ſich
bekannt zu machen. Jm reden iſt es noͤthig
ſelbige entweder rege zu machen oder fuͤrzuſt el-
len oder zu unterdrucken. Jeden affect re ge
zu machen, muß man uͤberlegen, ſeine Morali-
ſche und Phyſicaliſche beſchaffenheit, wie er
ſich zu unſerer ſache und uͤbrigen umſtaͤnden
ſchicke, ins beſondere, wie ſich der zuhoͤrer dazu
diſponiret befinde; nachgehends ſucht man
nicht eben allemahl grade auf den affect durch-
zudringen, und ihn zu erregen, ſondern man
macht ſich etwan zufoͤrderſt an die mit ihm ver-
bundene neben-affecten; man ſucht den zuhoͤ-
rer immer bey der ſache zu erhalten, ſeiner auf-
J 3merck-
[134]von bewegungs-gruͤnden
merckſamkeit ſich zu verſichern; den verſtand,
von deſſen fuͤrſtellung die regungen des willens
zum oͤftern, wo nicht allemahl dependiren, mit
bildern nach unſern abſichten zu occupiren; in
den willen den affect ſelbſt lebhaft anzuneh-
men; hernach durch den ausdruck aller ſeiner
eigenſchaften lebhaft und nachdruͤcklich fuͤr-
zuſtellen; man miſcht allerhand contraire af-
fecten, daß ſie untereinander geſchwaͤcht und
wir meiſter werden; dabey laͤſt man den ange-
nommenen affect ſelbſt reden, der ſich durch al-
lerhand ausdruckungen ohne zwang in der re-
de von ſelbſten zeiget, welche manieren man
hernachmahls figuren nennet.
- Conf.Hl. Langens E. z. O.I. p. 50. ſqq. G, I.
Voſſii partitiones oratorias lib. II. Vinc. Placcii
promptuarium affectuum.Schroͤters Ora-
toriep. II. Cap. XII.Weiſens politiſcher red-
ner im cap. von den affecten.
§. 16. Weil hierbey das meiſte darauf an-
kommt, daß man den affect lebhaft fuͤrſtelle,
und alſo durch die einbildung in das gemuͤth
des zuhoͤrers wuͤrcke, ſo muß man wohl uͤber-
legen, worinn der grund des affects beſtehe,
was er fuͤr regungen und kennzeichen habe und
in was fuͤr ordnung dieſe kennzeichen zum vor-
ſchein kommen. Wenn man nun den affect
in ſeiner ſeele angenommen, und den ſtrichen,
die der affect fuͤrgezeichnet, auch in ſeinem aus-
druck folget, ſich dabey der obenangefuͤhrten il-
luſtrationen, aus dem weſen der ſache bedienet,
und den affect nach ſeinen manieren reden laͤſt,
alles
[135]von bewegungs-gruͤnden.
alles aber, was ſich zu dem affect nicht ſchickt,
verſchweiget, oder ihm eine andere farbe giebt,
ſo kan es nicht anders ſeyn, man muß den af-
fect nette und lebhaft fuͤrſtellen koͤnnen.
- Conf. Morhoffii Polyh. l. III. VIIII. 16. ſqq. 32. ſqq. allw[o]
er auctores, die von denen caracteribus der
affecten geſchrieben, anfuͤhret. Die Poeten
und Mahler ſind in der fuͤrſtellung der affecten
meiſter, daher Laurentius le Bruͤn in ſeinen
Locis communibus eloquentiae poëticae lib. VII-
und Carl le Bruͤn in ſeinem Differens caracteres
des paſſions: beyden zu dienen bemuͤhet geweſen.
Vielleicht findet man unter denen, die Hl. Stol-
le in der hiſt. der gelahrh.III. IIII. p. 135. ſqq.
beybringet, auch welche, die hiezu anleitung
geben. Das beſte buch iſt hier der lebendige
menſch, und die beſten regeln und exempel laſ-
ſen ſich eher muͤndlich geben und in der that
practiciren, als in todten buchſtaben auf dem
papier entwerffen. Was die figuren anbe-
trift, deren ich hier erwehnung thue, ſo hat
Lamidans l’ art de parler, am beſten davon
worte gemacht, unten werde ich etwas davon
gedencken, wo ich von der expreßion des affects
in worten handele.
§. 17. Den affect bey einem zuhoͤrer zu un-
terdruͤcken, kommt es darauf an, daß man das
obiectum, darauf er gerichtet und gegruͤndet,
unvermerckt mit andern gruͤnden, in dem ge-
muͤthe des zuhoͤrers fuͤrſtelle, anfaͤnglich ihn
nur etwan zweiffelhaft und argwoͤhniſch
mache, hernach ſeine aufmerckſamkeit immer
mehr auf die ſchlimme ſeite des affects fuͤhre
und hingegen bey der betrachtung der guten
J 4ſei-
[136]von bewegungs-gruͤnden.
ſeite diſtrahire, zuweilen dem affect nachgebe,
unter der hand zeige, wie er den fuͤrnehmſten
abſichten des zuhoͤrers zuwieder, auf ſchlechten
gruͤnden ruhe, ꝛc. Dabey man, was vorhin
angefuͤhret, mit zu huͤlffe nehmen muß.
- Sonſt hat man noch argumenta a turpi, damnoſo,
moleſto, allein man darf nur das gegentheil
von dem ſagen was §. 11. 12. 13. beygebracht,
ſo hat man materie genung zum reden.
§. 18. Alle menſchen laſſen ſich vermittelſt
ihrer affecten fuͤhren, wo man ſie hin haben
will, ſie muͤſten dann zu einem groſſen grad der
weißheit geſtiegen ſeyn, niemand aber will das
anſehen haben, als wann er es ohne raiſon
thue. Alſo da zumahl iedermann ſich einbil-
det recht zu raiſonniren, muß man niemahls
den affect attaquiren, ohne zugleich, inſon-
derheit wo einige theorie noͤthig iſt, den ver-
ſtand zugleich nach unſern abſichten zu diſpo-
niren. Dieſemnach muͤſſen die argumenta
probantia allezeit den grund legen, die illu
ſtrantia ſonderlich die imagination und das
gedaͤchtniß occupiren, und nachgehends die pa-
thetica denen probantibus und illuſtrantibus
den nachdruck geben.a)
§. 19. Weil man aber hierdurch, ſonderlich
durch die pathetica, die kraͤfte des menſchen in
bewegung ſetzet, ſo erfodert die gerechtigkeit,
daß man niemals malhonnette abſichten habe,
und wieder die wahrheit und tugend ſtreite, oder
den auditorẽ ohne noth beunruhige. Man muß
auch nicht zu weit gehen, ſondern ſich allezeit in
denen ſchrancken halten, da man fuͤr uͤbeln fol-
gerungen ſicher iſt, und alſo kan man die rege-
machung und unterdruckung der affecten, als
etwas indifferentes anſehen, welches, wofern
wir honnette abſichten haben, allezeit unſerer
freyen diſpoſition uͤberlaſſen wird.
§. 20. Die regeln der klugheit erfodern,
daß man ſolche mittel, ſich der menſchen gemuͤ-
ther zu bemaͤchtigen, ergreiffe, welche nicht ei-
ne contraire wuͤrckung herfuͤrbringen, ſich im
uͤbrigen aber zu den umſtaͤnden des auditoris,
der ſache, und des redners ſchicken, auch in ih-
rem aͤuſſerlichen ſchein, die approbation der
honnetten welt erhalten koͤnnen.
- Jch verſtehe unter der honnetten welt, nicht eben
die welt, welche gold und ſilber auf den kleidern,
federn auf den huͤten, weißheit und tugend in
der einbildung traͤgt, in der that aber ſich den
eitelkeiten aufopfert; vielweniger dieienige
J 5welt,
[138]von bewegungs-gruͤnden.
welt, welche ſich darum fuͤr erſchaffen haͤlt, daß
ſie gut eſſen und trincken und denen luͤſten nach-
gehen koͤnne, oder welche anderntheils, den mam-
mon im kaſten verehret und eine knickerichte und
filtzichte conduite, fuͤr ein merckmahl der gott-
ſeeligkeit annimmt, oder an ſtatt einer vernuͤnf-
tigen beurtheilung der laſter, von der mediſance
profeßion macht; ſondern dieienigen welche
verſtehen und ausuͤben, was die Frantzoſen nen-
nen: rendre iuſtice a chacun et faire honnetete a
tout le monde.
§. 21. Hier wird man alſo verhoffentlich
einen ſattſamen vorrath von argumentis zu-
ſammen bringen, und wofern man nur ein we-
nig iudicium practicum beſitzet, ohne vermi-
ſchung und uͤbelſtand ſolchen vorrath anwen-
den und nutzen koͤnnen. Da ich oben im 3.
cap. §. 6. einer rechten topic erwehnung ge-
than, ſo will ich hier zu einer vollkommenen to-
pic, einen kurtzen entwurff geben, welcher zu-
gleich eine wiederhohlung der abgehandelten
materie ſeyn kan.
Und
[[139]]
Und da alle argumenta, entweder probantia oder
illuſtrantia oder pathetica ſeyn, ſo ſind ins be-
ſondere wiederum nach dem dritten capitel:
Illu-
[[140]]
Illuſtrantia ſind nach dem vierdten capitel entweder
nominalia nuda oder (§. 4.)
realia und dieſe ſind
Pathetica ſind nach dem fuͤnften capitel:
An-
[[141]]
Anderer theil
der
Oratorie.
Von dem ausdruck der gedancken.
Das erſte capitel,
von dem ausdruck der gedancken
uͤberhaupt.
Was ſich ausdrucken heiſſe? §. 1. Wie vielerley
dieſes? §. 2. Vou der vulgairen expreßion,
§. 3. Von der gelehrten elocution, §. 4. Von der
formirung der rede, §. 5. Von den ſprachen, §. 6.
Von den buchſtahen, §. 7. Von denen woͤrtern, § 8.
Von denen ſaͤtzen, §. 9. Von denen periodis, §. 10.
Von denen urſachen welche den ausdruck veraͤndern,
§. 11. Von den allgemeinen ſprachrichter dem ge-
brauch, §. 12. Von dem gemeinen gebrauch, §. 13.
Von dem gelehrten gbrauch, §. 14. Von dem galan-
ten gebrauch, §. 15. Von der verhaͤltniß der gedan-
cken zu dem ausdruck, §. 16. Von dem ausdruck
durch die tropos, §. 17. Von dem ausdruck der affe-
cten durch die figuren, §. 18. Von denen vielerley
arten der figuren und derſelben rechten gebrauch, § 19.
§. 1.
[142]von dem ausdruck
ALles was in unſerm gemuͤthe fuͤrge-
het, es moͤgen nun gedancken ſeyn,
die wir im verſtande von einem ob-
iecto faſſen, oder regungen, welche wir in un-
ſerm willen dabey empfinden, koͤnnen wir
durch ſinnliche zeichen, mit welchen die idee der
ſache durch den gebrauch verknuͤpfet, und un-
ter welchen ſie bekannt iſt, von uns geben und
andern menſchen, mit denen wir umgehen,
mittheilen. Wann wir auf dieſe weiſe nun
bemuͤhet ſind, die in unſerm gemuͤthe entworf-
fene bildungen, in das gemuͤth anderer einzu-
praͤgen, ſo heiſt dann dieſes bey denen menſchen
der ausdruck der gedancken.a)
§. 2. Da ſich alles unſerm verſtande durch
aͤuſſerliche ſinnliche zeichen darſtellet, und durch
ſelbige in uns gedancken und neigungen erreget,
ſo koͤnnen wir auch alles, ſo bald uns nur ſolche
ſinnliche zeichen bekannt werden, ausdrucken.
Die gantze natur druckt ſich ſelbſt durch ſinnli-
che zeichen aus und die mahlerey folgt ihrer art,
durch nachmachung der an ihr befindlichen zei-
chena) Die belebten creaturen, haben uͤber
dieſes, ein vermoͤgen, durch ihre bewegung und
einen beſondern laut, die ſinnliche zeichen der
natur auszudrucken und auch die bey denen ſa-
chen inihnen entſtandene ꝛegungen fuͤꝛzuſtellen.
b) Der menſch hat endlich eine fuͤrtrefliche faͤ-
higkeit, durch die ſtimme und rede, alle ſinnliche
zei-
[143]der gedancken.
zeichen der natur, ſeine in ihm ſelbſt entſtandene
wuͤrckungen des veꝛſtandes und willens, oͤffent-
lich an den tag zu legen, und dieſe theilet ſich
uͤberhaupt in expreßionem vulgarem und elo-
cutionem eruditam.
§. 3. Wer ſich bloß damit begnuͤgen will,
daß er ſich ſeiner faͤhigkeit ſeine gedancken und
neigungen auszudrucken bedienen koͤnne, es
gerathe wie es wolle, und alſo mit der vulgai-
ren expreßion zufrieden ſeyn kan, dem rathe
ich, daß er die Oratoriſchen regeln, und alſo
auch dieſes buch, ungeleſen laſſe. Er wird an
mutter, ammen, mademoiſellen, junge maͤg-
den, laquaien, handwercksleuten, bauern
und dem gantzen poͤbel, was ſeine mutter-ſpra-
che betrift, die treflichſten ſprachmeiſter finden,
und
[145]der gedancken.
und zu den fremden, insbeſondere denen tod-
ten ſprachen, kan ihm ein fuͤrchterlicher Gram-
maticus oder pedantiſcher ſprach-richter, die
ſicherſte anleitung geben. Gedenckt er durch
nachahmung guter exempel, gluͤcklich oder un-
gluͤcklich, wie es kommt, zu empyriſiren, ohne
daß er raiſon von ſeinen reden angeben koͤnne,
ſo wird ihm zu ſolcher gluͤckſeeligkeit, ohne eine
vernuͤnftige anleitung, der weg offen ſtehen.
- Die ſich mit denen hier benannten mitteln behel-
fen, und dadurch zur beredſamkeit zu gelangen
ſuchen, dencken, es beſtehe dieſelbe nur in wor-
ten, oder auch wohl darinn, daß man ex tempo-
re viel her plappere, deswegen lernen ſie von ih-
ren informatoribus oder mademoiſellen ſpra-
chen, wie die papagoye, miſchen Teutſch, Latei-
niſch, Frantzoͤiſch, das hinderſte mit dem foͤ-
derſten, das hunderſte ins tauſende, ſo wunder-
barlich in einander, daß ſie von denen ignoran-
ten als groſſe redner, von denen verſtaͤndigen
als verwegene miſcher ſolcher ſachen, die ſich
nicht zuſammenſchicken, mit erſtaunen bewun-
dert werden. Jch weiß freylich von denen
groͤſten rednern keinen, der ſich darauf etwas
eingebildet haͤtte, daß er ex tempore reden koͤnne,
und der es dieſen angefuͤhrten ſeltzamen und
doch haͤuffigen wortmachern gleich zu thun ge-
ſucht. Jnzwiſchen laͤugne ich nicht, daß ſolche
windſpieler nicht zuweilen mit ihrer ſo genann-
ten gewiſſen gluͤcklichen kuͤhnheit (ſiehe Blondel
comparaiſon de Pindare \& d’ Horace p. 77.) einige
ſtriche anbringen ſolten, die nach allen regeln
der kunſt unverbeſſerlich; aber es geht ihnen,
wie den leuten, die von natur voltigiren koͤn-
nen; denn dieſe haben allezeit von groſſen gluͤck
Kzu
[146]von dem ausdruck
zu ſagen, daß ſie nicht bey iedem ſprunge auf
die naſe gefallen.
§. 4. Hier will ich ietzo einen verſuch thun,
ob ich zur gelehrten elocution, einige vernuͤnf-
tige regeln ertheilen koͤnne, nachdem ich von
der erfindung ſo viel als noͤthig beygebracht.
Und dieſe iſt eine geſchicklichkeit, eine ſache,
welche wir in unſerm gemuͤth klar, deutlich,
gruͤndlich, artig und ordentlich, nach ihren be-
ſchaffenheiten entworffen, mit denen daruͤber
in uns entſtandenen gedancken und regungen,
durch ſolche worte fuͤrzuſtellen, die mit der ſache
ſo ſie fuͤrbilden und unter ſich ſelbſt eine genaue
proportion und uͤbereinſtimmung haben, ſich
zu denen begriffen des zuhoͤrers oder leſers ſchi-
cken, und alſo vermoͤgend ſind, bey andern
eben die gedancken und regungen zu erwecken,
welche wir intendiren.
- Man ſiehet leicht aus dieſer beſchreibung, daß ich
nicht eben eine gelehrte elocution, an die wiſſen-
ſchaft einer gewiſſen ſprache binde, noch an ge-
wiſſe materien, noch auf gewiſſe plaͤtze oder
ſtuͤhle, noch an gewiſſe lebens-arten und der-
gleichen aͤuſſerliche zufaͤlle, vielweniger an die
menge der allegaten, oder an die tours der ge-
dancken alleine, oder alleine an die kuͤnſteley
und critique der worte, ohngeachtet ich alles die-
ſes in ſeinem werth laſſe; ſondern an die rechte
verhaͤltniß aller derienigen dinge, welche bey
dem ausdruck unſerer gedancken, durch worte
fuͤrkommen moͤgen.
§. 5. Die natur des menſchen hat ſeinen
leib mit beſondern organis ausgeruͤſtet, daß er
nicht
[147]der gedancken.
nicht nur einen laut von ſich geben, ſondern
auch vermittelſt der verſchiedenen anwendung
der organorum,a) den laut auf vielfaͤltige art
veraͤndern, dieſe veraͤnderungen zuſammen
ſetzen, ſolche zuſammenſetzung mit unterſchie-
denen ſtellungen und zufaͤllen fuͤrſtellen und
alſo eine foͤrmliche rede herfuͤrbringen kan,
welche als das geſchwindeſte bequemſte und
vollkommenſte mittel, ſeine gedancken und re-
gungen auszudrucken, von allen menſchen uͤber-
haupt beliebet worden.b)
§. 6. Der gebrauch hat unter gantzen voͤl-
ckern, beſondere arten der veraͤnderung und
zuſammenſetzung des lauts eingefuͤhret, daher
ſind unterſchiedene ſprachen entſtanden.a) Jn
denen ſprachen ſind von gewiſſen laͤndern, ia
auch wohl gewiſſen oͤrtern und lebens-arten be-
ſondere arten zu ſprechen beliebet worden, da-
hero ſo vielerley dialecti entſprungen,b) wor-
aus man die menge der ſprachen,c) die unter-
ſchiedenen veraͤnderungen,d) den reichthum
einer ieglichen,e) den unterſcheid derſelben,f)
die harmonie derſelben,g) und die beſondern
eigenſchaften einer ieden,h) abnehmen, aber
kaum uͤberſehen, determiniren, und gnugſam
bewundern kan.
§. 7. Ein vernuͤnftiger redner, bekuͤmmert
ſich ſonderlich um die erkaͤnntniß der ſprache,
darinn ihm die meiſte gelegenheit zu reden fuͤr-
kommen moͤchte. Und da die beſondere an-
wendung eines ieden organi, bey dem laut,
gewiſſe buchſtaben herfuͤr bringet, welche, ſo
zu reden, die erſten elementa und principia der
ſprache werden;a) ſo ſiehet auch ein klu-
ger redner, auf die natuͤrliche beſchaffenheit
ſolcher buchſtaben, damit er bey dem ausdruck
der gedancken, den zuſammenfall, klang und
maſſe der buchſtaben, dem obiecto gemaͤß mit
anbringen moͤge.b) Doch huͤtet er ſich da-
bey, fuͤr allem zwang, und andere paradoxe
und alberne gloſſen.c)
K 5b) Z.
[154]von dem ausdruck
§. 8. Aus buchſtaben und ſylben werden
endlich worte zuſammen geſetzt. Ein wort iſt
nichts anders, als ein articulatus und aus vie-
len veraͤnderungen des lauts zuſammen geſetz-
ter ſchall, womit der willkuͤhr der erſten erfin-
dera) unb der gebrauch der menſchen,b) eine
gedancke und begrif von einer ſache, beleget
und ausdrucket. Der redner unterſcheidet
alſo ſorgfaͤltig, die haupt- und neben-idee eines
worts,c) die haupt- und neben-woͤrter oder
epitheta,d) den grammaticaliſchen unter-
ſchied der woͤrter,e) die vulgairen und kunſt-
woͤrter,f) ſubiectum und praͤdicatum,g) uni-
voca, aͤquivoca und ſynonyma,h) die eigentli-
che bedeutung eines worts und die tropiſche,i)
und dergleichen zufaͤllige veraͤnderung der
woͤrter,k) und bemuͤhet ſich nicht nur einen
vorrath von worten zu haben, ſondern auch aus
dieſem vorrath, die convenableſten woͤrter zur
ausdruckung ſeines obiecti heraus zu ſuchen
und nach dem genie der ſprache und aller an-
dern umſtaͤnde, im reden anzubringen, wozu
im folgenden einige anleitung gegeben wird.
a) Die
[157]der gedancken.
g) Sub-
[159]der gedancken.
k)
[160]von dem ausdruck
§. 9. Aus worten werden endlich gantze ſaͤ-
tze formiret, wenn man nemlich zwey ideen in
der dritten verbindet, und mit gehoͤrigen wor-
ten ausdrucket. Bey dieſen beobachtet der
redner, alle dabey fuͤrfallende umſtaͤnde, ob ſie
aus vulgairen oder gelehrten begriffen beſtehen
a) ob ſie mit der eigentlichen oder tropiſchen be-
deutung der worte zu bemercken,b) ihren
ſyntax, urſprung, ordnung,c) ob ſie beia-
hend oder verneinend,d) vniverſal oder par-
ticular, oder limitirt zu concipiren,e) ob da-
bey die connexion des ſubiecti und praͤdicati
unſtreitig oder wahrſcheinlich oder gleichniß-
weiſe fuͤrzuſtellen,f) aus was fuͤr diſciplinen
und Facultaͤten ſelbige genommeng) ob ſie
bloß theoretiſch oder auch zugleich pathetiſch
auszuſprechen,h) ꝛc.
§. 10. Alle dieſe eigenſchaften der ſaͤtze, in-
gleichen die zuſammenſetzung verſchiedener ſaͤ-
tze, geben von ſelbſten, ohne muͤhe, anlaß,
gantze periodos zu machen. Ein periodus iſt
nichts
[163]der gedancken.
nichts anders alſo, alseine haupt-propoſition,
welche mit ihren eigenſchaften und neben-pro-
poſitionibus vollkommen ausgedrucket und in
einer gewiſſen zeit da die ſtimme ſteigen, ruhen
und fallen kan, ausgeſprochen wird.a) Er
iſt entweder explicativa,b) oder determina-
tiva,c) ſimplex oder compoſita,d) probans,
illuſtrans, oder pathetica,e) ꝛc. Dabey ſie-
het man auf die deutlichkeit, f) reinlichkeit, g)
den numerum, h) die ſymmetrie und rechte
maſſe deſſelben,i) ingleichen auf die veraͤn-
derung, welche man damit fuͤrnehmen kan.k)
L 3i) Die-
[166]von dem ausdruck
§. 11. Und dieſes waͤren die elementa, und
der natuͤrliche grund aller ſprachen. Es koͤn-
nen aber dieſe principia, ſo vielerley zufaͤlle ha-
ben, auf ſo mancherley weiſe veraͤndert werden,
daß man faſt ſo vielerley arten des ausdrucks
findet, als menſchen ſind. Die urſachen ſol-
L 4cher
[168]von dem ausdruck
cher veraͤnderungen ſind, die einrichtung des
verſtandes,a) die miſchung der temperamen-
te,b) die auferziehung,c) das clima,d) die
lebens-art,e) der genie eines ieden ſaͤculi, e)
der ort, g) die materie welche man ausdruckt,
h) die affectation der leute,i) die imitation
angeſehener perſonen,k) die natuͤrliche be-
ſchaffenheiten bey der pronunciation,l) das
alter,m) ꝛc. welche dinge ſo gar in einer ein-
tzigen ſprache unzehliche veraͤnderungen herfuͤr
bringen, und ſich doch niemahls gern unter
das ioch der kunſt bequemen, ſondern mehren-
theils lieber von der natur dependiren wollen.
§. 12. Daraus ſolte man faſt ſchlieſſen, als
wann es unmoͤglich, von der ſchoͤnheit und ac-
curateſſe des ausdrucks, regeln zu geben, und ſo
vielerley dinge, einer herrſchaft der kunſt zu un-
terwerffen; eben ſo, wie es ſchwer, den ge-
ſchmack der leute, durch diſputiren auszuma-
chen und durch regeln zu determiniren. Allein
zu geſchweigen, daß es hier nicht bloß auf der-
gleichen natuͤrliche zufaͤlle, oder auf eine bloſſe
empfin-
[172]von dem ausdruck
empfindung ankomme, ſo wirft ſich der ge-
brauch, ſo zu reden, zu einem allgemeinen
ſprachrichter auf, und tyranniſiret dergeſtalt,
daß man auch durch die regeln der vernunft
kaum vermoͤgend iſt, ihn einiger maſſen im
zaum zu halten. Und dieſer iſt eine gleichfoͤr-
migkeit oder uͤbereinſtimmung einer gewiſſen
nation oder ſocietaͤt, in dem ausdruck, betref-
fend die worte, redens-arten, und derſelben be-
deutung und anwendung.
§. 13. Dieſer gebrauch ſiehet entweder bloß
auf die worte, ſo iſt es ein Grammaticaliſcher
concept, und leget den grund zur Grammatick,
a) oder er ſiehet auf die idee, welche mit einem
worte ausgedruckt wird, ſo iſt er das funda-
ment der Rhetorick, und gehoͤrt hieher. Er
iſt aber ſo dann univerſel, wann er bey einer
gantzen nation, in einer gantzen ſprache, ein-
gefuͤhret, oder particular, wann er von einem
gewiſſen theil der nation, durch einhelligen con-
ſens angenommen worden. Der univerſelle
gebrauch, herrſchet ſonderlich bey ſenſuellen
dingen. erfindet ſelbige auszudrucken woͤrter
und fuͤhret ſie ein,b) macht die ſtamm-woͤr-
ter nach der phantaſie der erfinder, bindet die
ideen an die worte und veraͤndert ſie auch
wohl nach und nach, wird daher uͤberall im
gemeinen leben beobachtete) und auch als
der grund des particularen angeſehen. Jhn
zu erkennen und zu appliciren braucht man
weiter nichts als die erfahrung und memorie.
a) Die-
[173]der gedancken.
§. 14.
[175]der gedancken.
§. 14. Weil aber der univerſelle gebrauch
ſich mehr um den ausdruck ſenſueller dinge, und
um die hauptidee der worte, als um abſtracta
und um die neben ideen bekuͤmmert, ſo haben
gelehrte und polite leute, von demſelben abge-
hen, und einen particularen gebrauch unter
ſich einfuͤhren muͤſſen, und daher iſt der gelehr-
te und der galante gebrauch entſtanden. Der
gelehrte gebraucha) iſt alſo eine uͤberein-
ſtimmung der gelehrten,b) in dem ausdruck
derer abſtracten dinge,c) und zeiget ſich ent-
weder in erfindung neuer kunſt-woͤrterd) oder
in determinirung der bereits erfundenen, aber
ſchwanckenden und unrichtigen woͤrter.e)
Dieſen zu erkennen und zu appliciren, muß
man den univerſellen gebrauch und die medi-
tation, doch dieſe mehr als ienen zu rathe zie-
hen.
[177]der gedancken.
§. 15. Der galante gebrauch, iſt endlich
eine uͤbereinſtimmung derer politen leute,a)
in der vermeidung ſolcher woͤrter, die dem De-
coro zuwiderlauffende neben-ideen haben,b)
und in anwendung ſolcher, welche, nach be-
ſchaffenheit des durch die fuͤrnehmſten in der
republick eingefuͤhrten wohlſtandes,c) artige
neben-ideen haben.d) Damit man auch
dieſen recht erkenne und applicire, muß man
den univerſellen gebrauch und die eingefuͤhrte
regeln des wohlſtandes gegeneinander halten
und in obacht nehmen. Und wann man end-
lich von einer ſprache und derſelben ſchoͤnheit
urtheilen will, ſo muß man den gelehrten und
politen gebrauch zur richtſchnur ſetzen, nicht
aber den univerſellen.e)
§. 16. Auſſer dem allgemeinen ſprachrich-
ter dem gebrauch, hat ein redner zugleich die
verhaͤltniß der gedancken und worte, als eine
richtſchnur ſeines ausdrucks anzuſehen, und
zwar ſo, daß er ſich ihrer herrſchaft aus ſchul-
digkeit gern unterwerffe, da er mehrentheils
aus noth dem gebrauch nachgeben, und der
tyranney deſſelben weichen muß. Es iſt aber
dieſe zu beobachten unter den worten und ge-
dancken, unter den gedancken und der ſache
ſelbſt, unter den worten und der idee des zu-
hoͤrers, und endlich unter denen worten gegen-
einander. Und hievon iſt im folgenden 2. cap.
ausfuͤhrlicher zu handeln, hier aber nur ſo viel
zu gedencken, daß dieſe verhaͤltniſſe vollkommen
auszudrucken, faſt keine ſprache reich genug an
worten ſey, zumahl da bey dem groſſen reich-
thum der ſprachen, dennoch der verſtand mehr
gedancken faſſen, und der wille mehr regungen
M 4em-
[184]von dem ausdruck
empfinden kan, als der gebrauch, worte ſelbige
auszudrucken, eingefuͤhret.
§. 17. Dannenhero iſt man genoͤthiget
worden, an ſolche ſache zu gedencken, welche
mit dieſen verhaͤltniſſen einige verwandſchafft
und ihre eigene worte haben, damit man durch
die von ihnen entlehnten worten ausdrucken
moͤge, wozu man keine eigene finden koͤnnen,
und ſolche nennet man tropos. Nachgehends
hat man auch wohl ohne noth, zur zierde der re-
de, und den ausdruck nach ſeinen abſichten
einzurichten, tropos angewendet, und auſſer
dieſen faͤllen iſt es thoͤricht, tropos gebrau-
chen.a) Ubrigens iſt die verwandſchafft der
ſache, von welcher wir die worte entlehnen, mit
derienigen, ſo wir dadurch ausdruͤcken wollen,
entweder natuͤrlich oder kuͤnſtlich, iene koͤnte
man uͤberhaupt metonymiſch oder iudicioͤs, die-
ſe metaphoriſch oder ingenioͤs nennen, und ih-
ren urſprung in denen erlaͤuterungs-gruͤnden
ſuchen.b)
§. 18. Die regungen des willens druckt
die natur faſt von ſelbſten, und ohne zwang in
der rede aus, dadurch, daß ſie denen redens-ar-
ten und worten, durch beſondere ſtellung und
ausſprache, gewiſſe neben-ideen anhengt, dar-
aus man die verhaͤltniſſe des affects zu der ſa-
che, durch eine ſympathetiſche kraft abnehmen
und in dem andern erregen kan, und ſolche
merckmahle nennt man figuren. Da nun
dieſe die ſprache der affecten ſind, ſo muß man
wuͤrcklich nicht nur in dem gemuͤth affecten ha-
ben, ſondern es muͤſſen auch dieſe ſich zu dem
obiecto reimen, und in denen argumentis pa-
theticis gegruͤndet ſeyn. Da aber auch die af-
fecten niemahls ohne heftigkeit ſind, und als re-
gungen des willens, aufunzehliche weiſe ſich veꝛ-
aͤndern koͤnnen, ſo nim̃t der affect alle argumen-
ta, alle gedancken und worte, alle eigentliche uñ
tropiſche ausdruckungen, und bedienet ſich der-
ſelben ohne regeln, auf ſo vielfaͤltige art, daß es
ein-
[190]von dem ausdruck
einmahl unnoͤthig, hernach auch nicht wohl
moͤglich, alle ſolche arten zu determiniren.
- S. hiebey Lamil. c. L. II. Cap. VI. biß XIII. der
ſich am meiſten dabey aufgehalten, und die ar-
tigſten gedancken davon aufgeſetzet. Herrn
Langens E. z.O. P. I. p. 333. ſqq.Hederichs
Philolog. wiſſenſchaften vom ſtilo.p. 488. ſqq.
Linguae Latinae ornatum, (quem ex F. Syluio,
Ambiano, Alſtedio, Aluaro, Buchlero, Clarckio,
Datto, Pareo, Scioppio, Reyhero, Vechnero, Volgel-
manno, \& Weinhamero congeſſit, itemque viri
celeb. Joh. Michael. Dillheri ad locos inuentionis
Rhetoricae manuductionem illi adſtruxit Chriſtoph.
Arnold, Eloq. Poëſ. ac Graec. lingv. P. P. editio 7.
Norimbergae 1715. 12. cum triplici mantiſſa, de
Germaniſmis falſo ſuſpectis, de Germaniſmis falſo
ſuſpectis \& de numero oratorio) cap. V. p. 268.
Schmidii Grammaticam. Jacobi Thomaſii Rhetori-
cam, die ſeiner Philoſophie beygefuͤget und mit
derſelben Leipzig, 8. ediret ꝛc.
§. 19. Jnzwiſchen, da es doch mode wor-
den, in der Oratorie eine lange reihe figuren,
mit fuͤrchterlichen nahmen und beſondern be-
ſchreibungen, nach einander her zu zehlen, indem
ia alle Rhetoricken damit geſpicket ſind, ſo ſehe
ich mich genoͤthiget, auch hier ein regiſter der-
ſelben, dem leſer zu liefern, ob es wohl wegen
der vielen verworꝛenen unꝛichtigen und ſchwan-
ckenden concepten nicht wenig unangenehm.
Jch will dabey zugleich alles, was ſonſt unter
dem nahmen der figuren im reden bekannt iſt,
anfuͤhren, alſo finde ich erſt Gramma-
ticaliſche, hernach Rhetoriſche figuren; die
Grammaticaliſchen ſind entweder Orthogra-
phiſch,
[191]der gedancken.
phiſch,a) oder Etymologiſch,b) oder Syn-
tactiſch,c) oder Proſodiſch, d) die Rhetori-
ſchen ſind entweder dictionis in worten, oder
ſententiae in ſachen; iene beſtehen entweder
im mangele) oder im uͤberflußf) oder in
wiederholung einerleyg) und gleichfoͤrmiger
h) worte, dieſe ſind entweder probatoriae,i)
oder amplificatoriae,k) oder affectuoſae,l)
oder diſpoſitionism) und connexionis.
N 2i) Z. e.
[196]von dem ausdruck
Das andere capitel,
vom ſtilo und deſſelben eigenſchaften.
WAs der ſtilus ſey? §. 1. Wie vielerley derſelbe?
§. 2. Von den eigenſchaften des ſtili, §. 3. Von
den natuͤrlichen zierrathen, §. 4. Der ſtilus muß ſich
nach dem obiecto nach der perſon des redners und des
zuhoͤrers richten, §. 5. Von dem adaͤquaten aus-
druck, anbringung der neben-ideen und beywoͤrter,
§. 6. Von der reinlichkeit, §. 7. Von der deutlich-
keit, proprietaͤt, §. 8. Von der iunctur, ordnung der
woͤrter, §. 9. Von der periodiſchen ſtructur, inter-
punction, und dem numero oratorio, §. 10. Wie
man egal und ungezwungen ſich ausdrucken muͤſſe,
§. 11. Von den kuͤnſtlichen zierrathen, §. 12. Von
der lebhaftigkeit im ſtilo, §. 13. Von den tropis und
figuren, §. 14. Von denen falſchen zierrathen,
§. 15.
§. 1.
WEnn der ausdruck unſerer gedancken,
mit allen ſeinen theilen und verhaͤlt-
niſſen, a) in eine ſolche form gebracht
N 4wird
[200]von dem ſtilo
wird, welche mit denen abſichten des redners
in einer guten harmonie ſtehet, und da alles
conſpiriret, dem zuhoͤrer die gedancken beyzu-
bringen, und die affecten rege zu machen, wel-
che man intendiret zuerwecken, ſo heiſt dieſes,
wann man zumahl darinn zu einiger fertigkeit
elanget iſt, der ſtilus.b)
§. 2. Dieſer iſt ſo vielen veraͤnderungen un-
terworffen, daß es faſt nicht moͤglich ſolche
in gewiſſe claſſen zu bringen, und alſo die vie-
lerley
[201]und deſſelben eigenſchaften.
lerley arten des ſtili zu determiniren. Doch
ſind die fuͤrnehmſten nach denen hauptſaͤchlich-
ſten verhaͤltniſſen und momentis leicht zu mer-
cken. Alſo iſt der ſtilus in anſehung des obie-
cti, entweder ſimplex oder eruditus; entweder
humilis oder mediocris oder ſublimis; entwe-
der theoreticus oder patheticus; entweder
Theologicus oder Juridicus oder Medicus
oder Philoſophicus und Mathematicus oder
Hiſtoricus: Jn anſehung der gedancken ent-
weder iudicioſus oder ingenioſus oder memo-
rialis: Jn anſehung der hauptneigungen der
menſchen, entweder terſus oder magnificus
oder floridus: Jn anſehung der ſprache und
worte, entweder Lateiniſch oder Teutſch oder
Griechiſch und ſo vielerley als ſprachen ſind;
entweder naturalis oder artificialis, iener ent-
weder ſimplex oder proprius oder ordinarius,
dieſer hingegen entweder declamatorius oder
tropicus oder figuratus, der declamatorius ent-
weder oratorius oder theatralis; entweder
Aſiaticus oder Atticus oder Laconicus; ent-
weder luxurians und diffuſus, oder rotundus
oder conciſus und ſententioſus: Jn anſehung
des redenden, entweder ſerius oder iocoſus;
entweder candidus oder ironicus; entweder
recitativus oder relativus; entweder vehe-
mens oder temperatus: Jn anſehung desieni-
gen, der meine worte annimmt, entweder fami-
liaris oder galant oder caͤrimonioſus; entweder
dialogiſticus oder epiſtolaris; entweder dog-
maticus oder polemicus, ꝛc.
[202]von dem ſtilo
- Aus dieſem entſtehen noch vielmehr arten, weil
es nicht noͤthig alle zu determiniren, moͤgen die-
ſe genug ſeyn, von denen die unter dieſen am mei-
ſten in conſideration kommen ſiehe folgendes
cap.
§. 3. Ohngeachtet nun ſo viele arten vom
ſtilo zu erdencken, ſo hat doch ein ieder ſeine be-
ſondere eigenſchaften, dadurch er ſich von an-
dern unterſcheidet und welche man keinesweges
zu negligiren. Jnzwiſchen iſt es zufoͤrderſt
noͤthig, daß man ſich um die allgemeinen eigen-
ſchaften bekuͤmmere, welche man als weſentli-
che ſtuͤcke eines ieden ſtili, als die natuͤrlichen
zierrathen deſſelben und als den grund zu den
beſondern eigenſchaften eines ieglichen anzu-
ſehen.
§. 4. Dieſe allgemeine eigenſchaften, wel-
che den ſtilum uͤberhaupt ausmachen und zie-
ren, ſind nichts anders als richtige verhaͤltniſſe
aller derienigen theile, darauf der ausdruck be-
ſtehet. Folglich beſtehen ſie in einer guten pro-
portion der gedancken, zu dem obiecto, der per-
ſon des redners und zuhoͤrers, in einer genauen
uͤbereinſtimmung des ausdrucks mit den ge-
dancken und regungen des redners, in der rein-
lichkeit, deutlichkeit, guten verbindung der wor-
te und ſaͤtze, damit ſie der zuhoͤrer gerne hoͤre
und leicht begreiffe, und endlich in einer har-
monie des vorhergehenden mit dem nachfol-
genden oder in der gleichheit des ausdrucks an
ſich ſelbſt.
- Die von den angefuͤhrten ſtuͤcken nichts verſtehen,
nennen
[203]und deſſelben eigenſchaften.
nennen alle das ſchoͤne was daran iſt, und wel-
ches ihnen etwa bey leſung eines auctoris, der
dieſe dinge obſerviret, in das gemuͤth leuchtet, ein
je ne ſçais quoi, ein pathetiſches weſen, eine gluͤck-
liche kuͤhnheit, ein ich weiß nicht was.
§. 5. Wer nun ſeinen ausdruck in eine gu-
te form bringen, und einen rechten ſtilum an-
nehmen und gebrauchen will, der betrachtet
gleich anfangs das obiectum davon er reden
ſoll, nach allen ſeinen umſtaͤnden und eigen-
ſchaften, damit er demſelben gemaͤſſe gedan-
cken faſſen und anſtaͤndige regungen in ſich er-
wecken koͤnne.a) Hiernaͤchſt ſiehet er auf
die umſtaͤnde, begriffe und neigungen des zu-
hoͤrers, und ſuchet ebenfalls darnach die von
dem obiecto gefaſte gedancken und regungen zu
bilden,b) und endlich erweget er bey ſich ſei-
ne eigene diſpoſition, ſo wohl zum obiecto und
dem zuhoͤrer, als auch zur ausfuͤhrung des fuͤr-
geſetzten endzwecks bey ſeinem ausdruck.c)
§. 6. Nach dieſem iſt man auf den aus-
druck der gefaſten gedancken und neigungen be-
dacht, und da iſt es noͤthig, daß man ſolche woͤr-
ter und redens-ausſuche, welche nicht mehr und
nicht weniger ſagen, als die gedancken und re-
gungen bey dem obiecto leiden. a) Dabey hat
man achtung zu geben, daß nicht nur die haupt-
idee
[205]und deſſelben eigenſchaften.
idee richtig zu treffe, ſondern auch inſonder-
heit die neben-idee wohl ausgeſucht und ange-
bracht ſey.b) Weilen auch die beywoͤrter
am allermeiſten dazu beytragen, daß man adaͤ-
quat rede und ſchreibe, ſo iſt bey ſolchen eben-
falls zu unterſuchen, ob ſie bey denen haupt-
woͤrtern einen rechten effect haben und ſelbige
entweder gehoͤrig erklaͤren oder einſchraͤncken,
und alſo nicht vergebens ſtehen, ſondern ſich zu
den abſichten, die man bey dem ausdruck hat,
ſchicken.c)
§. 7. Die reinlichkeit in dem ausdruck ge-
bietet, daß man zwiſchen der gar zu groſſen cri-
tic
[208]von dem ſtilo
tic der Zeſianer,a) Ciceronianer und derglei-
chen ſprach-richter, und zwiſchen der groſſen
nachlaͤſſigkeit der galanten ſprach-verderber,
die mittelſtraſſe halte, daß man den gelehrten
und galanten gebrauch wohl beobachte, alte
verlegne, neuerfundene worte,b) idiotiſmos
anderer ſprachen und dialectorum,c) ver-
worrene conſtructiones, verſetzung der ſchluß-
woͤrter,d) einmiſchung frembder ſprachen,e)
und dergleichen vermeide, und im uͤbrigen nicht
wieder die regeln welche eine ſprache nach
der Grammatick zum grunde hat, verſtoſſe.f)
e) Zu-
[209]und deſſelben eigenſchaften.
§. 8. Mit der reinlichkeit iſt die deutlichkeit
im ſtilo gar genau verbunden, denn wo man
dieſe erhalten will, da muß iene nothwendig
beobachtet werden. Auſſer dem aber iſt zur
deutlichkeit noͤthig, daß man zweydeutige
worte und redens-arten, viele propoſitiones
incidentes, gar zu haͤuffige limitationes, epi-
theta, participia, verwerffung der woͤrter, un-
noͤthige ausdehnung und allzukurtze verfaſſung
der periodorum vermeide, die tropos und figu-
ren nicht zu haͤuffig und wieder die natur des
obiecti, oder weit hergeholt, unbekannt und zu
weit getrieben anbringe, welches alles wofern
man ſonſt nur im kopfe deutliche begriffe hat,
leicht ins werck zu richten.
- S. hiebey Hederichl. c. und Kemmerichl. c.
ingleichen Menantes Einleitung zur Teut-
ſchen Oratorie.P. I.Heinecciumde cultioris
ſtili fundamentis. Die zugleich verſchiedene
exempel anfuͤhren. Aus den fehlern die man
hier begeht wird der ſtilus obſcur, zweydeutig
und nach gelegenheit tumidus, frigidus, ꝛc.
Hederichp. 570. ſqq.
O§. 9.
[210]von dem ſtilo
§. 9. Bey der iunctur und ordnung der
woͤrter iſt zu mercken, daß man hiebey die be-
ſchaffenheit der ſache und die eigenſchaften der
ſprache zum voraus erwegen muͤſſe, denn nach
dieſem iſt die iunctur und ordnung der woͤrter
einzurichten, hernach vermeidet man ſorgfaͤltig,
daß nicht die natuͤrliche ordnung der ſachen
durch die woͤrter verworffen werde, daß nicht
gar zu viel vocales, nicht gar zu viel conſonan-
tes zuſammen kommen, daß nicht gar zu viel
gleichlautende ſylben, zu viel einſylbige oder
zweyſylbige woͤrter auf einander folgen, oder
auch ein conſonans oder vocalis zu ofte hinter-
einander wiederholet werde, und endlich daß
keine reime, termini klappantes oder wuͤrckliche
verſe fuͤrkommen.
- Von denen fehlern ſo hiewieder begangen werden,
geben ſonderlich Hederich und Kemmerich ar-
tige exempel. Hieraus entſtehet der ſtilus hiul-
cus, uniſonus, vagus ꝛc.
§. 10. Eine ſehr noͤthige und angenehme ei-
genſchaft des ſtili iſt, die periodiſche ſtructur,
welche nicht nur der deutlichkeit fuͤrtreflich zu
ſtatten kommt, ſondern auch dem ſtilo eine be-
ſondere annehmlichkeit giebt. Es beruhet aber
dieſelbe auf die interpunction und den ſo ge-
nannten numerum oratorium, iene zeiget, wie
man einen periodum, durch commata, cola, ſe-
micola und puncta unterſcheiden, und alſo der
ſtimme zum ſteigen, ruhen und fallen, gehoͤrige
zeit geben muͤſſe,a) dieſer aber iſt eine gewiſſe
maſſe des gantzen periodi, dadurch derſelbe in
einer
[211]und deſſelben eigenſchaften.
einer gewiſſen zeit, mit bequemer reſpiration
und dem obiecto gemaͤß, leicht auszuſprechen,
und mit einer vergnuͤgung anzuhoͤren iſt.b)
§. 11. Endlich iſt auch eine hauptſaͤchliche
eigenſchaft des ſtili, daß alle ſeine theile gegen
einander in denen vorhergehenden und folgen-
den ſtuͤcken, in einer guten harmonie und ver-
haͤltniß ſtehen, und uͤberall ſaͤtze mit ſaͤtzen, peri-
odi mit periodis auf eine ungezwungene art zu-
ſammenhaͤngen. Jenes heiſt man die egalite
oder gleichheit im ſtilo, dieſes die connexion und
verbindung, und ſucht, zumahl in einer gan-
tzen rede, nothwendig beyde, auf alle weiſe ge-
ſchickt anzubringen. Die gleichheit richtet
alles in einer rede nach der beſchaffenheit des
obiecti, nach denen davon entſtandenen ge-
dan-
[213]und deſſelben eigenſchaften.
dancken und regungen, und nach der einmahl
angenommenen form zu reden, gleichſtimmig
ein, a) und ob ſchon zuweilen veraͤnderungen
in der rede fuͤrfallen, ſind ſie doch nur in dem
aͤuſſerlichen putz derſelben zu ſpuͤren, und re-
ſolviren ſich endlich, wie die in der Muſick an-
gebrachte diſſonantien.b) Die connexion
der periodorum, beruhet auf der verbindung
und ordentlichen diſpoſition der gantzen rede,
und iſt entweder verbalis oder realis,c) wel-
che beyde nur darinn unterſchieden, daß bey
iener die verbindung zugleich durch worte aus-
gedruckt wird.d)
Exempl. I.Da die ſaͤtze ohne alle connexion
ſtehen.
Das buch welches ich ſo oft bereits von Euch
verlanget, habt Jhr mir endlich einmahl zu-
kommen laſſen, weßwegen ich denn anietzo
ſchuldigen danck abſtatte. Vor acht tagen war
der ehrliche Curtius bey mir, und beſuchte mich
in meinem neuen logis, welches mir ein be-
ſonders vergnuͤgen verurſachte, da ich ihn in
langer zeit nicht geſehen. Monſieur Sauſe-
wind fuͤhret ſich ietzo recht unbaͤndig auf, daß
alle leute davon zu reden wiſſen. Er verſpielt
dem vater das geld, und wann er kein geld
mehr hat, ſo ſchreibt er wechſel, ſolche nach des
vaters tode zu bezahlen, ia er wuͤnſcht deßhal-
ben recht ſehnlich, daß unſer herre Gott den
alten holen moͤge. Bey der iungfer Hippo-
craſſen liegt er gantze halbe tage, und wann er
nicht bey ihr ſeyn kan, daß etwan ein andrer
galant ſein rendezvous hat, ſo ſteht er in dem
hauſe gleich gegen uͤber, und charmiret bald die
fenſter-ſcheiben entzwey. Neulich hatte er
einen ſolennen ſchmauß bey ſich, da ließ er
auftragen, daß die tiſche knackten, und weil
O 4faſt
[216]von dem ſtilo
faſt zehnerley weine fuͤrhanden waren, er auch
keine complimente und aufmunterungs-gruͤn-
de ſparete, ſo kame niemand ohne einen ziemli-
chen ſchwindel nach hauſe. Herr Broſius
hatte bey der gelegenheit im heimgehen mit
denen ſaͤnftentraͤgern haͤndel, weil er die fenſter
in der ſaͤnfte gantz illuminiret, und nachge-
hends da ſie ihre durchſichtigkeit verlohren, als
unbrauchbar entzwey geſchmiſſen, aber daruͤ-
ber die haͤnde ziemlich bleſſiret. Die iungfer
Machmitten iſt ietzo eine braut, und wird ehe-
ſtens mit Hrn. Schoͤpschriſteln hochzeit halten.
Jch weiß nicht ob ich Euch bereits gemeldet,
daß Mr. Fanfaron Euch fuͤr ſehr eigenſinnig
halte, er hat ſich gegen mir ohnlaͤngſt etwas da-
von mercken laſſen, vielleicht hat er Euch etwan
auf der naſe ſpielen und zum beſten haben wol-
len, Jhr aber ſeyd nicht diſponiret geweſen,
es treuhertzig zu leiden. Gemeiniglich ma-
chen es dergleichen wohlgezogne herrlein ſo, ſie
wollen iedermann auf dem maule trummeln,
und mit ihren Quichotiſchen ſtreichen, betruͤge-
reyen und windmachereyen allen leuten eins
anhaͤngen, wer es nun nicht ſo gleich verſtehn
und mit einem tieffen reverentz annehmen will,
den beſchuldigen ſie einer eigenſinnigen und
verdrießlichen auffuͤhrung. Jhr werdet euch
darnach zu richten wiſſen. Jch bin
Vôtre tres fidele ami,
[217]und deſſelben eigenſchaften.
Exempl. II.Da die ſaͤtze in einer reellen
connexion ſind.
Als ich unlaͤngſt die ehre hatte, in dero ge-
ſellſchaft zu ſeyn, und mich aus dero converſa-
tion zu erbauen, ſo geriethen wir unter andern
auf die kennzeichen der rechten philoſophen,
und brachten derſelben eine ziemliche anzahl
zum vorſchein. Jch habe nachher dieſer ſache
noch ein wenig nachgedacht, und gefunden daß
man zu denen, derer wir neulich erwehnet, noch
hinzu ſetzen koͤnnen. Mir deucht ein rechter
Philoſophe habe inſonderheit dieſes an ſich,
dadurch er ſich von denen andern unterſchei-
det, daß er niemahls ſecten zu machen ſuchet,
oder ſich wohl gar ſelbſt an die ſpitze einer ſol-
chen ſecte ſtellet, die von ihm koͤnte benennet
werden. Jch dencke dieſes ſey ebenfalls ein
merckmahl eines guten Philoſophen, daß er nie-
mahls befehlsweiſe ſeine gedancken fuͤrtrage
und uͤber die begriffe der menſchen herrſchen
wolle, ſondern bloß ihnen ſeine gedancken als
einen guten rath mittheile. Jch glaube auch
dieſes ſeyen kennzeichen eines Philoſophen, daß
er nicht praͤtendire alles zu wiſſen, daß er ſich
mehr nach andere leute bequeme, als ſeine eige-
ne ehre nutzen, und commoditaͤt ſuche, daß er
niemand verketzere, daß er ſich der ſtreitſchrif-
ten enthalte, oder ſelbige doch mit aller ſanft-
muth gelaſſenheit und hoͤflichkeit gegen ſein
wiederpart verfertige (wovon man bey groſ-
O 5ſen
[218]von dem ſtilo
ſen ſtaats- und hofleuten aber nicht bey ſchul-
fuͤchſen, lebendige exempel findet) daß er ſeine
begierde zu wiſſen nicht zu weit treibe, daß er
mehr in der ausuͤbung als in der theorie ſeine
gute erkaͤnntniß zeige, und endlich daß er nie-
manden fuͤr ſo gar ſchlimm anſehe, daß er auch
das gute an ihm nicht eſtimiren ſolte. Jch
weiß nicht ob ich in dieſen ſtuͤcken recht gedacht.
Dero kuͤnftige zeilen werden mich deßfalls
beſſer unterrichten, welche ich mit verlangen er-
warte als
Dero
ergebenſter Diener.
Exempl. III.Da ein unſtreitiger ſatz mit ſei-
nem argumento realiter connectiret.
- Propoſitio: Studia ſunt neceſſaria.
- Aetiologia: Suntenim ex bonis relatiuis praeſtantiſſi-
mum, \& ad obtinendum ſummum ſatis accommo-
datum medium.
Elabor: Si quid vmquam, homini bene
nato \& educato, vtile eſt \& neceſſarium, il-
lud bonarum artium, litterarum, humanita-
tisque ſtudium eſſe, firmiſſime mihi perſua-
deo. Studiis parantur verae illaeopes ani-
mi, quae non furto eripi, non incendio ab-
ſumi, non naufragio abſorberi poſſunt, quae-
quae certam rectamque viam commonſtrant
ad perſequendum id bonum quo cetera
omnia continentur.
Exempl.
[219]und deſſelben eigenſchaften.
Exempl. IIII.Da ein wahrſcheinlicher ſatz
mit ſeinen argumentis realiter verbunden.
- Propoſitio: David iſt ein voluptuoſus geweſen:
(quatenus peccator.)
Elabor: Jch duͤrffte zwar vielen wieder-
ſpruch erfahren muͤſſen, wann ich ſagte: Da-
vid ſey nach ſeiner natuͤrlichen gemuͤths-nei-
gung, in ſofern er nicht vom H. Geiſt erleuch-
tet, im hoͤchſten grad wolluͤſtig geweſen; ich
dencke aber nicht daß man mich deßwegen zum
ketzer machen und eines gefaͤhrlichen irrthums
uͤberfuͤhren werde. Die wahrheit meines ſa-
tzes erhellet aus ſeinem gefuͤhrten lebens-wan-
del, ohne allen zwang gantz offenbahr. Furcht,
geilheit, viele klagen, neugierigkeit, beliebung
zur Muſick, weichhertzigkeit, mitleiden, thraͤnen,
bemuͤhung nach freundſchaft, appetit zu guten
eſſen und trincken, ſind die kennzeichen eines
wolluͤſtigen, und alledieſe finde ich an David.
Furchtſam war er als er fuͤr Saul und Abſo-
lon flohe, als Seba einen aufruhr erregte, ia
aus bloſſer zaghaftigkeit ſtrafte er den drey-
fachen moͤrder Joab nicht. Seine geilheit
zeigte er in der begebenhenheit mit der Bathſe-
ba, da er ſoviel weiber hatte und ohngeachtet
der groſſen menge die zu ſeinen dienſten ſtun-
den, doch nach andrer leute weiber griffe.
Nichts als klagen hoͤrte man von ihm, da
Saul und Jonathan iener als ſein ſchwieger-
vater, dieſer als ſein hertzens-freund gefallen
war, da er ſeinen ungerathenen ſohn von der
eiche
[220]von dem ſtilo
eiche, und das in unehren mit der Bathſeba
erzeugte kind, von dem ſchoße ſeiner mutter,
in das reich der todten laſſen muſte. Jch weiß
nicht, ob nicht eine kleine neugierigkeit ihn in
das lager getrieben, da er bißher nur ſeiner
heerde lager und huͤrden wahrgenommen; Ob
nicht das blut der helden, aus neugierigkeit und
luͤſternheit gewaget worden, da er des waſſers
aus dem brunnen unter dem thor zu Bethle-
hem trincken wollen; Ob nicht aus bloſſer cu-
rioſitaͤt vielleicht, gantz Jſrael von Dan biß gen
Berſeba, gezehlet worden. Mit ſeiner harffe
ſtillte er ofte die wut des melancholiſchen
Sauls, ia ich glaube daß er auch ſeiner
gar vergnuͤgten Bathſeba eines aufgeſpielet.
Seine freundſchafts-liebe hat gar zu merck-
wuͤrdige proben herfuͤrgebracht, als daß man
ſelbige fuͤrbeygehen und daran zweiffeln koͤnte.
Haͤtte er nicht auch zu guten eſſen und trincken
belieben getragen, er wuͤrde ſich vielleicht nicht
eben zu der zeit, da Nabal ſein ſchaͤffer feſt be-
gieng, bey ihm zu gaſte gebeten, oder denen
prieſtern ihre ſchau-brodte abgeborget haben,
welche freylich beſſer ſchmeckten, als die brodte
der gemeinen Juͤden ꝛc.
Exempl. V.Da ein wahrſcheinlicher ſatz
mit argumentis illuſtrantibus und pa-
theticis realiter zuſammenhaͤnget.
- Propoſ. Die tugend iſt ſelten mit dem Gluͤck verbun-
den.
Illuſtr.
[221]und deſſelben eigenſchaften.
- Illuſtr. a ſimili: Die ſuͤſſeſten kerne ſind immer in
bittere und ſtachelichte ſchalen eingehuͤllet.- Obiectio: Tugend wiederſtehet dem ungluͤcke. Il-
luſtr. ab exemplo \& teſtim. - Reſponſio: Apoſtrophe.
- Obiectio: Tugend wiederſtehet dem ungluͤcke. Il-
Elaboratio: Wer die gar beſondern und
mannigfaͤltigen veraͤnderungen, welche das
gluͤck mit denen armen ſterblichen fuͤrnimmt, in
reiffe uͤberlegung ziehet, der wird befinden,
daß dieienigen, welche ihre knie fuͤr den Baal
der laſter nicht beugen, ſondern ſich vielmehr
der tugend gaͤntzlich aufopfern, am allermeiſten
von demſelben angefeindet und verfolget wer-
den. Die goͤttliche allmacht, hat in dem ver-
wunderns-wuͤrdigen reiche der natur, es alſo
mehrentheils verordnet, daß ſich die beſte kraft
der fruͤchte, die ſuͤſſeſten kerne, unter harte, bitte-
re, und ſtachlichte ſchaalen verbergen, und von
ihnen eingeſchloſſen, ihre rechte annehmlichkeit
uͤberkommen muͤſſen. Die ſchoͤnſten roſen,
wachſen in den gefaͤhrlichſten dornen, ein
Myrrhenbaum giebt reichlicher ſeinen ſaft, ie
heftiger er von denen winden beſtuͤrmet wor-
den, und eine rechte tugend muß ſich unter de-
nen bittern ſchalen eines ſcheinbaren elendes,
unter den ritzenden dornen des ungluͤcks, und
unter denen daher brauſenden ſturm-winden
ihrer verfolger, der innerlichen guͤte ſuͤſſigkeit
und fuͤrtreflichkeit getroͤſten. Lohenſtein ſagt
gar artig:
Oft
[222]von dem ſtilo
Oft zeucht das ungeluͤcke,Das ſchon gezuckte beil von hals und bruſt zu-
ruͤcke,Wenn es die tugend ſieht mit ſtarren augen
an.
Er thut zugleich einen blick in die alte Hi-
ſtorie, auf den beruͤhmten Roͤmiſchen Marium.
Als nemlich die zu Minturnum einen Gallier,
ihm das leben zu nehmen, beordert, dieſer aber
indem er den Marium erkennet, ſich zugleich
der tapferkeit des Marii ſo er in dem Cim-
briſchen kriege gegenwaͤrtig als gemeiner ſolda-
te mit angeſehen, erinnerte, ſo entgieng ihm
gleichſam alle kraft dem aufgetragenen be-
fehl ein genuͤge zu leiſten, daß er auch das be-
reits gezuckte gewehr voller beſtuͤrtzung und
verwirrung von ſich werffen, und ſo gar den
Mario zur erhaltung ſeines lebens dienen mu-
ſte. Aber o ſeltzames gluͤck! haͤtteſt du dich
mit der tapferkeit des Marii verbinden wollen,
warum ſuchteſt du nicht vielmehr ihn fuͤr der-
gleichen umſtaͤnde zu bewahren, darinn er alle
augenblick den letzten ſtreich erwarten, und
bloß durch eine hoͤhere ſchickung abhalten kon-
te. Wilſt du der tugend deine annehmlich-
keiten zu koſten geben, ſo erwarte doch nicht
eine zeit da ihnen der geſchmack, ia alle ſinne be-
reits vergangen!
Exempl. VI. per ſimilitudines \& diſſimilitu-
dines,da das erſte exempel connectiret
worden, wozu die ſaͤtze ohne connexion
oben gegeben.
Mon[223]und deſſelben eigenſchaften.
Jhr habt mir abweſend ein kennzeichen Eurer
freundſchaft, in uͤberſchickung des bewuſten
buches, zu meinem groſſen vergnuͤgen gegeben.
Was wuͤrde ich nicht erſt fuͤr eine freude bey
mir empfinden, wann ich die ehre haben ſolte
Euch gegenwaͤrtig zu kuͤſſen? Eine ſolche freu-
de hat mir neulich der ehrliche Curtius gemacht,
da er nach einer langen abweſenheit mich in
meinen neuen logis beſuchet. Was meint ihr
hingegen wie mir zu muthe ſey, wañ Mr. Sau-
ſewind mit ſeinen ungezognen manieren mich
uͤberfaͤllt, und mir meine koſtbare zeit, am mei-
ſten aber meine ſtille ruhe, mit ſeinen incompre-
henſibilitaden und unverſchaͤmten weſen rau-
bet. Gewiß wann der unbaͤndige kerl auf reiſen
geht und nach Franckreich kommt, da wird er
ſich fuͤr les petites maiſons huͤten muͤſſen, wo
nicht kuͤnfftige hundstage ihm etwas fatales
begegnet; ſein geld verſpielt er gantz in cognito,
uñ dazu die helfte von ſeines vaters vermoͤgen.
Seine ehre und zeit vertaͤndelt er mit der Jfr.
Hippocraſſen, und damit auch ſein eignes logis
merckmahle von ſeinen thorheiten bekomme,
ſo ſchmauſet er fleißig, und laͤſtden wein aus de-
nen bouteillen in die maͤgen und aus den maͤ-
gen in die ſtube ſchuͤtten, daß bediente, maͤgde,
ſaͤnfftentraͤger, haͤſcher und mit dieſen die gan-
tze ſtadt ſeine ſchwelgerey und ſeiner gaͤſte auf-
fuͤhrung zu ruͤhmen haben. Jch moͤchte wohl
wiſſen, ob er klug werden koͤnne, wann man
ihm
[224]von dem ſtilo
ihm eine frau geben wird, denn man glaubt ia
ſonſt das viel maͤnner durch ihre weiber klug
werden. Herrn Schoͤpschriſteln dem es an ei-
ner andern art der klugheit fehlet, wird die Jfr.
Machmitten aus eben der urſach in die ſchule
fuͤhren, denn ſie werden naͤchſtens hochzeit hal-
ten, und weil alle leute von ihrer klugheit uͤber-
zeuget ſind, ſo zweifle ich nicht die zucht werde
wohl angewendet ſeyn, wenigſtens ſchicken ſie
ſich ſehr wohl zuſammen, und machen ein voll-
kommen paar, da ſie zu viel und er hingegen
bißher zu wenig raffiniret. So viel als ich ge-
mercket wuͤrdet ihr und Mr. Fanfaron euch
wohl nicht ſo gut zuſammenſchicken, denn er
haͤlt Euch fuͤr eigenſinnig, und Jhr glaubt er
ſey geſchoſſen. Vielleicht hat er gedacht, ve-
xatio dat intellectum, und hat euch wollen
klug machen, Jhr aber habts umgekehrt und
Eurem meiſter lection gegeben. Jnzwiſchen
koͤnt ihr hieraus von mir, ohne in die ſchule zu
gehen, lernen, wie er gegen euch geſinnet. Von
mir wiſſet Jhr ſonſt mehr als zu wohl, daß ich
iederzeit, mit aller aufrichtigkeit ſey
Vôtre tres fidele ami.
Exempl. VII.Da die ſaͤtze mit der connexione
verbali verknuͤpffet, aus dem Kemme-
richp. 1018.
Nachdem es dem hoͤchſten gefallen, mei-
nen bruder durch einen ſeeligen tod aus dieſer
zeitlichkeit abzufodern: So kan ich nicht um-
hin,
[225]und deſſelben eigenſchaften.
hin, ſolches demſelben zu hinterbringen. Und
gleichwie ich vielfaͤltig ſeine aufrichtige freund-
ſchaft verſpuͤret: Alſo hoffe, Er werde mir
auch ietzo eine probe ſehen laſſen, und zur lei-
chenbegaͤngniß erſcheinen. Jmmaſſen ich
denn verſichere, daß mir ſolches zum ſonderba-
ren troſt gereichen werde. Jm uͤbrigen wuͤn-
ſche in froͤlichen faͤllen Jhm dafuͤr meine er-
kaͤnntlichkeit zu zeigen, der ich verharre
Deſſelben
dienſtwilligſter.
Antwort.
Daß der hoͤchſte Deſſen geliebteſten bruder
zu ſich genom̃en, und alſo Sein hauß mit einer
trauer beleget: Solches habe ich mit nicht ge-
ringem beyleid aus Deſſen zeilen erſehen. Da
ich nun von Demſelben ſo guͤtig zu dem leichen-
begaͤngniß des ſeel. herrn bruders eingeladen
werde; auch uͤber dieſes meine freundſchaft
gegen Demſelben erfodert ſolchen liebes-dienſt
willigſt uͤber mir zu nehmen: Als habe ich be-
ſchloſſen zu Jhm zu kommen und gegenwaͤrtig
mit mehrern meine condolence abzulegen. Ge-
ſtalt ich dann mich gleich nach verſiegelung
dieſes auf den weg machen werde. Verblei-
be inzwiſchen nebſt beygefuͤgter verſicherung
meiner ergebenheit, Deſſen
dienſtergebenſter.
Zu dergleichenconnexion hat Kemmerich l. c. aus
dem Weiſen gantze modelle gegeben, welche ich
Pfuͤr
[226]von dem ſtilo
fuͤr leute die ſonſt nicht ordentlich gedencken und
verbinden koͤnnen gar dienlich erachte, fuͤr ande-
re moͤchte es wohl etwas zu kindiſch ſeyn.
Exempl. VIII.Da die ſaͤtze durch meditatio-
nes, conſectaria, locos communes ꝛc.
connectiret ſind.
Thema: Otto der III. hatte eine unkeuſche
gemahlin; ihre liebe fiel auf einen iungen gra-
fen von Modena; er wiederſetzte ſich ihreman-
ſuchen; ſie verklagte ihn als ob er ihr etwas
ſchaͤndliches zugemuthet; er wurde hingerich-
tet; ſeine gemahlin bewieß durch anruͤhrung
eines gluͤenden eiſens ſeine unſchuld; die kaͤy-
ſerin bekennete ihre uͤbelthat und wurde ver-
brannt. (Jch habe dieß exempelin meiner
iugend gemacht, da ich meinte, es waͤre eine
wahre hiſtorie, ietzo bin ich anders geſinnet
und wuͤrde es auch beſſer machen. Doch
exemplorum non requiritur veritas,und ich
kan kein beſſers ſo gleich finden.)
Elaboratio: Eitelkeit und laſter ſind ſo er-
ſchrecklich, daß ſie auch in die pallaͤſte der maͤch-
tigſten potentaten, deren winck unzehliche men-
ſchen gehorſamen, fuͤr deren thron ſich uner-
meßliche reiche demuͤthigen, ungeſcheut eindrin-
gen und ihren hohen beſitzern mit laſterhaften
feſſeln zu draͤuen, kein bedencken tragen. Die
gemahlin des occidentaliſchen monarchen Ot-
tonis des dritten, kan die unumſtoͤßliche wahr-
heit meines ſatzes mit ihrem ungluͤckſeeligen
exempel ſattſam bekraͤftigen. Jedermann
der
[227]und deſſelbigen eigenſchaften.
der einige faͤhigkeit beſaß, menſchliche vollkom-
menheiten zu beurtheilen, muſte ſie fuͤr die Ve-
nus des praͤchtigen regenten-himmels halten,
und die ſonne des Roͤmiſchen Reichs Otto kon-
te die ſtrahlen ſeiner hoheit und tapferkeit nicht
ſoweit ſchieſſen, als der glantz ihrer ſchoͤnheit ſich
in dem groͤſten theile der welt blicken ließ.
Groſſen ſchoͤnheiten pfleget die wolluſt, als ei-
ne zauberiſche Circe, am meiſten nachzuſtellen,
und ihre annehmlichkeit am erſten, durch an-
hengung eines garſtigen laſters, in eine thieri-
ſche ungeſtalt zu verwandeln; die kaͤyſerin aber
war kein Ulyſſes welcher dieſem zaubergifte
kluͤglich haͤtte entgehen koͤnnen. Sind die
neigungen ſturmwinde, ſo iſt die wolluſt gewiß
der heftigſte, und da die kaͤyſerin ihre auffuͤh-
rung, wie ein kluger ſchifmann das ſchif, nicht
wohl zu regieren wuſte, ſondern ſich vielmehr
derſelben freywillig preiß gabe, ſo wurde ſie
endlich auf die klippen der unkeuſchheit geworf-
fen, und muſte daran mit ihrem gaͤntzlichen un-
tergange zu ſcheitern. Dabey gienge ſie nicht
allein zu grunde und in das verderben, ſondern
ihr fall, oder daß ich recht ſage, ihre boßheit,
riſſe einen von der unſchuld ſelbſt bekroͤnten
grafen von Modena, elendiglicher weiſe zugleich
in den abgrund. Dieſer hatte bißhero in den
dienſten des maͤchtigen Ottonis, tapferkeit,
treue, und klugheit, ſeinem allerdurchlauchtig-
ſten oberhaupte gewiedmet, und es waren
auch ſeine verdienſte, durch die kaͤyſerliche gna-
P 2de
[228]von dem ſtilo
de, nicht nur gebilliget, ſondern auch erhoͤhet
worden. Sein edler und tugendhafter geiſt,
hatte denen innerlichen vollkommenheiten, eine
aͤhnliche und anſtaͤndige wohnung auserleſen,
und da ihn die natur mit einem wohlgebildeten
angeſichte und maieſtaͤtiſcher ſtatur begabet, ſo
traf es bey ihm ein, daß in einem ſchoͤnen leibe
ein ſchoͤner geiſt zu wohnen pflege. Hatte ſich
aber tugend und natur gegen ihm guͤtig erwie-
ſen, ſo ſchien es, als wann dadurch die eyfer-
ſucht des gluͤcks erreget worden, daß dieſes auch
ſich zu raͤchen es alſo gefuͤget, damit das hertz
der kaͤyſerin durch geile flammen entzuͤndet, den
unſchuldigen grafen, ſeiner eyferſuͤchtigen wut
aufopfern muͤſſen. Denn wie in geilheit ent-
brannte ſeelen, weder goͤttliche noch menſchliche
geſetze ſcheuen, die feſteſten baͤnder zertrennen,
und auch mit der aͤuſſerſten lebens-gefahr ihre
brennende begierden, in dem meere der luͤſte
abzukuͤhlen ſuchen, ſo ſuchte auch hier die feuri-
ge liebe der kaͤyſerin, theils durch die blitze eines
ſochtenden auges, theils durch die mit ſchmach-
tenden lippen ſehnlichſt herfuͤrgebrachten wor-
te, theils durch alle nur erſinnliche liebes-bezeu-
gungen, das hertz des grafens zu erweichen, und
in eine gleichfoͤrmige, obſchon verbotene glut zu
ſetzen. Sind nun ſonſt die liſtigen verſtellun-
gen einer lockenden Sirene, und der ſchmeichel-
hafte mund einer luͤſternden Evaͤ vermoͤgend,
alles zu ſclaven und unmoͤgliche dinge moͤglich
zu machen: So waren ſie doch hier, gegen das
geſetzte
[229]und deſſelben eigenſchaften.
geſetzte gemuͤth des tugendhaften grafens, un-
nuͤtze waffen. Waren der kaͤyſerin holdſeelige
blicke, pfeile, ſo war ſein hertz ein felſen, auf ſol-
chem muſten ſie zuruͤcke prallen, waren ihre
liebreitzende worte bande, ſo wurden ſie an den
haͤnden dieſes Simſons wie verſengte faden.
Er hatte gelernet, man muͤſſe am hofe bey ge-
wiſſen faͤllen mit ſehenden augen blind, und mit
hoͤrenden ohren taub ſeyn, weil die am beſten
ſingenden, am erſten zu fangen, und die am
liebreichſten ſcheinenden, am begierigſten zu
freſſen pflegen. Alſo war er ein Salaman-
der, in den flammen dieſer unkeuſchen, und ein
Joſeph, welcher ſeinen Gott fuͤr augen, die tu-
gend im hertzen, und die ſeiner gemahlin ge-
ſchworne treue in unverwelcklichen andencken
hatte, was wunder dann, daß er das ungezie-
mende anſinnen, der kaͤyſerlichen gemahlin, be-
ſtaͤndig abſchlug. Die einer wolluͤſtigen da-
me verſagte liebe, iſt ein unbetrieglicher vorbo-
te, der gewiß erfolgenden rache, und wie man
ſich fuͤr denen im heiſſeſten ſommer auf ſteigen-
den gewittern, am meiſten zu fuͤrchten, alſo
kanſtu bey deiner tugend ungluͤckliche graf,
von der, durch deine abſchlaͤgige antwort er-
zuͤrnten kaͤyſerin, nichts als blitz und donner-
ſchlaͤge vermuthen. Der grafnachdem er ei-
ne ſolche gelegenheit großmuͤthig ausgeſchla-
gen, welche von andern aͤngſtiglich geſuchet
wird, muſte in weniger zeit erfahren, daß die
keuſchheit denen grauſamſten verfolgungen
P 3aus-
[230]von dem ſtilo
ausgeſetzet, und daß laſterhafte gemuͤther den
ſpiegel, welchem ſie ihre ſchandflecken gewieſen,
gemeiniglich zerbxechen. Verlaͤumbdungen
haben nicht geringe macht, und ich werde
durch die ungluͤcklichen begebenheiten, ſo dieſes
laſter anrichtet, leicht auf die gedancken ge-
bracht, daß kein ungeheuer und raſende teuf-
fels-brut, dem menſchlichen geſchlecht ſo nach-
theilig und ſchaͤdlich ſey, als eben verlaͤumb-
dungen. Dieſe waren es auch, deren ſich die
kaͤyſerin als werckzeuge ihrer rache bediente,
und ſie durfte nur bey ihrem gemahl ſich bekla-
gen der graf habe ihr unzucht angemuthet, ſo
waren alle gute eigenſchaften deſſelben, in den
augen des durch die eyferſucht geblendeten und
aufgebrachten kaͤyſers, und alle dem kaͤyſerli-
chem ſcepter geleiſtete dienſte, bemuͤhungen, der
kaͤyſerin liebe zu erzwingen. Kurtz ſein todt
war eine wuͤrckung der abgeſchlagenen liebe,
und die kaͤyſerin ſahe mit freuden ſeinen, der
unſchuldigen ſeele beraubten, leib, unter den
haͤnden des henckers. Allein, triumphire
nicht unkeuſche moͤrdeꝛin. Tugend und unſchuld
wird gar leicht unterdruckt, aber ſie bleibt nicht
lange unterdruckt, oder findet wenigſtens, mit-
leiden, freunde ia wohl gar ſcharffe raͤcher. Die
gemahlin des erwuͤrgten grafens, wird durch
das um rache ſchreyende blut, ihres unſchuldi-
gen ehe-herrns bewogen, mit einer damahls
uͤblichen feuer-probe, durch unverletzte beruͤh-
rung
[231]und deſſelben eigenſchaften.
rung eines gluͤenden eiſens, ſeine unſchuld an
den tag zu legen und zu bewaͤhren. Zu dieſem
fuͤgte ſich die unruhe eines geaͤngſteten und auf-
wachenden gewiſſens. Solches iſt die aͤrgſte
tortur boßhaft geweſener menſchen, und wer
dieſes in der ſeele hat, iſt weit ungluͤcklicher, als
derienige, welcher eine ſchlange im buſen traͤgt,
und deſſen begleiter ein allzeit fertiger hencker
iſt, und eben dieſes folterte dieſe printzeſſin al-
ſo, daß ſie lieber ihre uͤbelthat und des grafen
unſchuld bekennen, als ſich einer irdiſchen hoͤl-
le aufopfern wolte. Darauf folgte eine er-
ſchreckliche ſtraffe, und es ſchien als wann mehr
die vereinigung ſo vieler geiſtlichen flammen,
dieſe ungluͤckſeelige, endlich in aſche verwan-
delt haͤtte, als der bey Modena aufgerichtete
ſcheiterhauffen, auf welchem ſie ihr leben mit
einem entſetzlichen ende iaͤmmerlich beſchlieſſen
muſte. Die nachwelt aber kan aus ihrer aſche
leſen: Hohen haͤuptern werde am gefaͤhrlich-
ſten von denen laſtern nachgeſtellet, und den-
noch ihre miſſethaten am ſchrecklichſten heimge-
ſuchet, wann die Goͤttliche allwiſſende Maie-
ſtaͤt, mit raͤchenden arme, was im finſtern be-
gangen, an die ſonne herfuͤrziehet.
§. 12. Und dieſes waͤren dieienigen eigen-
ſchaften des ſtili, ohne welche derſelbe, ein un-
formlicher miſchmaſch zuſammen gehaͤufter
worte bleibt, und welche hingegen wann ſie
wohl in acht genommen und angebracht, als
die wahrhaftigen und natuͤrlichen zierrathen
P 4deſſel-
[232]von dem ſtilo
deſſelben anzuſehen. Zu dieſen kommt nach-
gehends die kunſt, und bemuͤhet ſich den ſtilum,
durch allerhand arten von tropis und figuren,
durch lauter wohl ausgeſuchte argumenta illu-
ſtrantia und pathetica, ohngeachtet die natuͤr-
liche expreſſion dergleichen eben nicht nothwen-
dig erfoderte, lebhaftig, ſinnreich, hoch und an-
genehm zu machen. Doch iſt bey dieſen zu
mercken, daß ſie nicht am unrechten ort, nicht
wieder die natuͤrliche eigenſchaften des ſtili,
nicht zu haͤuffig, und nicht alsdann ſchon ange-
bracht werden, wenn man noch nicht die natuͤr-
lichen eigenſchaften recht beobachtet hat.
- S. Hiebey Lamil’art de parler lib. IIII. cap. XVIII.
XX.
§. 13. Da nun durch ſelbige alle theile der
expreſſion erhoͤhet, die gedancken nachdruͤckli-
cher, die regungen heftiger und die worte mit
denen dazu ſorgfaͤltig ausgeſuchten neben-
ideen bald maieſtaͤtiſcher bald anmuthiger
werden, ſo entſtehet daher eine beſondere leb-
haftigkeit des ſtili, welche das gemuͤth des zuhoͤ-
rers im nachſinnen unterhaͤlt, ſeine einbildung
beluſtiget, ſeine neigungen auf eine angenehme
art erreget, und das gehoͤr inſonderheit ergoͤtzet,
aber eben deßwegen nicht gar zu gemein zu ma-
chen, noch uͤberall anzubringen iſt.a)
§. 14. Jnſonderheit iſt es noͤthig, daß man
mit denen tropis und figuren, vernuͤnftig um-
zugehen wiſſe, und ſelbige nicht ungeſchickt aus-
P 5theile
[234]von dem ſtilo
theile.a) Beyde muͤſſen in der natur des ob-
iecti und der gedancken davon gegruͤndet ſeyn,
und denen eigenſchaften des affects ſich con-
formiren, denn wo dieſe hauptſtuͤcke fehlen, da
iſt auch die anbringung der troporum und figu-
ren ein fehler. Alſo ſind alle dieſe kuͤnſtliche und
gute zierrathen billich zu verwerffen, wañ man
ſie bey keinen hohen und pathetiſchen obiectis
anbringet,b) wann ſie monſtroͤſe ideen rege
machen,c) alle ſo wohl natuͤrliche als morali-
ſche capacitaͤt uͤberſchreiten, d) keine natuͤrli-
che ſchoͤnheit zum grunde haben und dannen-
hero mehr fuͤr eine laͤppiſche ſchmincke, e) als
angenehmen putz zu halten.
§. 15. Wo man dieſe hier beygebrachte
cautelen negligiret, den ſtilum gar zu ſehr kuͤn-
ſtelt, mit fleiß und ohne noth ungebraͤuchlich
redet, allzu ſinnreich und erhaben ſprechen will,
ſo entſtehet ein pedantiſcher, phantaſtiſcher,
aufgeblaſener und abgeſchmackter ſtilus, wel-
cher bey geringen dingen die praͤchtigſten zier-
rathen
[236]von denen unterſchiedenen arten
rathen verſchwendet, und deren veraͤchtlichkeit
nur noch mehr dadurch an den tag bringet;
welcher von auſſen allerley unnuͤtzen pracht
herbey holet, ohne das weſentliche ſchoͤne zu
conſideriren; welcher bey dem putz auf nieder-
traͤchtige, gezwungene und laͤppiſche kleinigkei-
ten verfaͤllt, und an ſtatt ſolider gedancken, kin-
diſche einfaͤlle fuͤrtraͤget.
- S. Hiebey Lamil. c.Hederichs Philol. Wiſſen-
ſch.p. 570 571. und die von ihm allegirten
auctores. Werenfelſens Diatribende mete-
oris orationis.Thomaſii Cautelen cap. 9.
Das dritte capitel,
von denen unterſchiedenen arten des
ſtili inſonderheit.
VOm ſtilo in anſehung des obiecti, § 1. und zwar
vom ſtilo humili, §. 2. Vom ſtilo mediocri, §. 3.
Vom ſtilo ſublimi, §. 4. Vom theoretico und pathe-
kico, §. 5. Vom erudito und zwar vom Theologico,
§. 6 Vom Juridico, und curiaͤ, §. 7. Vom Medi-
co, Philoſophico, Mathematico, §. 8. Vom Hiſto-
rico, §. 9. Vom ſtilo in anſehung der gedancken, §. 10.
Vom ſtilo ingenioſo und arguto, §. 11. Vom ſtilo ſa-
tyrico, §. 12. Poetico 13. Vom Butlesque, §. 14.
Vom ſtilo in anſehung der ſprachen, §. 15. Vom La-
teiniſchen, §. 16. Vom Teutſchen, §. 17. Vom de-
clamatorio, §. 18. Vom theatrali, §. 19. Vom lu-
xurianti, §. 20. Vom conciſo, ſententioſo, §. 21. Vom
ſtilo rotundo, §. 22. Vom ſtilo in anſehung des re-
denden, §. 23. Jn anſehung des hoͤrenden, §. 24.
Vom ſtilo familiari, dialogiſtico, §. 25. Vom galan-
ten
[237]des ſtili inſonderheit.
ten ſtilo, §. 26. Vom caͤrimonioſo, §. 27. Vom
epiſtolari, §. 28. Vom dogmatico und polemico, ꝛc.
§. 29.
§. 1.
D Je mancherley zufaͤlligen dinge, welche
bey dem ſtilo die weſentliche eigenſchaf-
ten deſſelben, vielfaͤltig bey der anwen-
dung modificiren, und die verhaͤltniß ſeiner thei-
le in etwas veraͤndern, bringen auch verſchie-
dene arten des ſtili herfuͤr.a) Die wichtigſte
veraͤnderung entſtehet, von den unterſchiede-
nen obiectis, deren iedes einen beſondern ſtilum
erfodert. Jſt das obiectum ſinnlich, ſo bekom̃t
man ſtilum ſimplicem, der ſicy auf den univer-
ſellen gebrauch gruͤndet; iſt es abſtract, ſo ent-
ſteht der ſtilus eruditus, nach dem gelehrten ge-
brauch; bey niedrigen obiectis iſt der ſtilus hu-
milis; bey hohen, der ſublimis; bey mittel-
maͤßigen, der mediocris zugebrauchen; gehet es
den verſtand allein an, erfordert es ſtilum theo-
reticum; gehet es den willen an, erfodert es
patheticum u. ſ. f.
§. 2.
[238]von denen unterſchiedenen arten
§. 2. Unter dieſen iſt der ſtilus humilis der
geringſte in anſehung des obiecti, aber der
ſchwerſte und nothwendigſte in anſehung ſeines
gebrauchs. a) Seine groͤſte kraft zeiget er in
dem adaͤquaten ausdruck, daß er von niedrigen
dingen, zwar dem obiecto aͤhnliche, aber deßwe-
gen nicht abiecte gedancken, ohne heftige be-
wegung, mit deutlichen, natuͤrlichen worten
fuͤrtrage, ſelbige in einen flieſſenden numerum,
maͤßige periodos, gelinde iunctur, mit deutli-
chen connexionibus zuſammenfuͤge, und hin-
gegen die kuͤnſtliche zierrathen als tropos und
figuren ſo viel moͤglich vermeide.
Rede
von den vorzuͤgen der alten zeiten
fuͤr die unſern.
Quocumque demum me in hac rerum
vniuerſitate vertam, Auditores, ingemiſcen-
tes
[240]von denen unterſchiedenen arten
tes audio \& vociferantes hominum turbas:
O Deus in quae nos reſeruaſti tempora! Ea
enim eſt humani generis conditio, vt qui-
dem in tempore viuat, ſed nunquam tempo-
re in quo viuit, contentum viuat. Puericonti-
nuis in votis habent, vt ex ephebis excedant,
aetatem iuuenilem adepti virilem cupiunt,
illam ſi conſequantur, anxie non ſolum con-
iugia deſiderant, ſed ſimul voto expetunt vo-
luptates, diuitias, honores, quando demum
vlterius aetate prouehi nequeunt, praete-
ritam repetunt, atque maiorum tempora
laudibus tantum non in uidendis extollunt.
Rationibus ſe deſtitui neutiquam patientur,
ſed quibus ſint muniti, dudum innotuit ho-
minibus recta ratione rite inſtructis. Eſt
quidam neglectus ſapientiae, qui loco ſum-
mi boni virtutis atque inde propullulantis
tranquillitatis animi, affectuum nebulis ho-
min um animos occoecantibus, iis bona re-
latiua obiicit, quae pro ſummo paſſim am-
plectuntur. Accedit huic neglectui rectae
rationis, affectuum in aeui praeſentis ho-
mines dominium, dum quidquid recta ra-
tio de bonis eiusmodi relatiuis ſummo poſt-
ponendis dicat, ſurdae pulſantur aures, ipſi
vero affectus non vt decebat ſuffocati, ſed
magis magisque in altum elati in infinitum
tendunt, animosque perpetuis curarum \&
votorum procellis agitant, vt ſemper alia
aliaque tempora exſpectent, \& tandem in
repeten-
[241]des ſtili inſonderheit.
repetendis maiorum temporibus deſinant.
Egregiae ſane, quibus ſua muniunt vota ho-
mines huius ſaeculi, rationes! Sed ne iniu-
rius ſim in eos, ipſorumque famae aliquid
detrahere videar, adducam quae reſtant, ſi
vobis ita videbuntur Auditores, alicuius
momenti rationes, quas votis ſuis praetexunt
laudatores temporis acti, \& quas ob cauſſas,
maiorum tempora exoptanda forent, mon-
ſtrabo. Id quidem praeſenti tempore maxi-
me negotium mihi datum eſſe duxi, vbi cir-
cum voluente anno, votorum atque gratu-
lationum ſtrepitu, omnia reſonare audi-
mus, vbi \& mea mouet religio pectora, vt
parentibus atque patronis, pro huc vsque
plane ſingularibus praeſtitis beneficiorum
generibus, debitas perſoluens gratias, fau-
ſtum noui anni initium ipſis apprecer. Si
ergo dignam hoc tempore materiam, ſi di-
gnum filio iudicatis orationis meae finem,
Auditores, fauentes aures mihi haud detre-
ctate. Sic comte ſatis \& erudite hac de re
diſſeruero, ſic optatum attingere ſcopum
potero longe facilius.
Atque vt inde exordiar, vnde in rebuspu-
blicis noſtris agendi\& omittendi principia in
ſubiectos influunt, accuratius tempora ma-
iorum inſpicienti, oculis ſeſe animi obiici-
unt, iuſti Ariſtides, Juſtiniani, fortes bello
Cæſares, Scipiones, benigni atque clemen-
tes Auguſti, Veſpaſiani, ſtudia rerumpubii-
Qcarum
[242]von denen unterſchiedenen arten
carum decus promouentes atque colentes
Caroli. Frequens ſane fuit antiquum aeuum
principibus, ex voluntate Dei ſalutem ſubdi-
torum in libertate vel ſecuritate confirman-
tibus, \& ſi vel maxime tulit vnum alterum-
ve officia boni principis negligentem, non-
dum abſoluta erat vt hodie imperantium
vis, ſed certis limitibus circumſcripta, nec
populo aut animus aut facultas deerat, trans-
gredientem limites ad carceres \& ſupplicia
rapere, \& ſucceſſori documentum ſtatuere.
Si vero non conceſſum erat, imperantes, li-
centia regniabutentes, penitus ſupprimere,
ſubditos defeciſſe vt plurimum docent hiſto-
ricorum monumenta. Sceptra capeſſebant,
populi, penes quem ſumma poteſtas eſt, au-
ctoritate \& voluntati ſurrogati. Sicelectio-
ne, non ſucceſſione, ſummum in republica
dignitatis faſtigium conſcendentes, non po-
terant non, populi amorem ſibicomparan-
di deſiderio ardentes, optima quaeque ſuſci-
pere, cumantea, vt ſuffragia omnium, ad di-
gnitates viam ſternentia, obtinerent, vitae
ac morum integritate conſpiciendos ſe
praebere non deſiiſſent. Ceteroquin po-
ſterioris aeui principibus non amor populi,
non vigor intellectus, non morum integri-
tas, non in ſtudia \& bonas quascumque ar-
tes propenſio, non bello exercitata manus,
ſed, quod ferme pudet dicere, patris cum
matre libidinoſa coniunctio, vnice vniceque
pote-
[243]des ſtili inſonderheit.
poteſtatem \& ius ad faſces imperii arripien-
dos conceſſit. Hinc illae lacrimae, hinc il-
la ſuſpiria ob calamitatem temporum prae-
ſentium, hinc illa temporum praeteritorum
deſideria. Nati quidem in purpura, raro
tamen \& ferme per miraculum digni impe-
rio euadunt. Fidei eiusmodi hominum
committuntur, qui dum ipſi recte viuendi
rationem nondum didicere, id tantum agunt
vt puero principi ad affectuum liberiorem
excurſionem portam adaperiant, dum fre-
na quidem laxare, non reſtringere ſciunt ne
aliquando gratia futuri principis excidant.
Inde gaudete quis canibusque, fertur impetu
quodam in ſequiorem ſexum, geſtit miniſtros
exagitare, ſubditos variis artibus ludibrio
exponere \& operoſe diuexare. Monitori-
bus aſperum, ſtudiis inimicum, religionis ir-
riſorem, veritatis impatientem ſe ſe gerit,
\& quodlibet audendi ſibi facultatem éſſe re-
lictam ſoli, credit. Tandem ſolium pater-
num ſcandens, qui ipſe ſibi imperare non-
dum didicerat, \& humanas \& diuinas vili-
pendet leges, patrum legens veſtigia, vitiis
magis quam virtutibus clara, ſubditos liber-
tate exuit, nec damnum in ſecuritate ſtabili-
enda reponit. Arcana dominationis pri-
marium ſuarum actionum ponit finem, ſe-
cundarium vt fines imperii latius extendens,
multis licet iniuſtis acceſſionibus id augeat.
Priuilegia \& iuramenta negligit, \& vt ipſe
Q 2affe-
[244]von denen unterſchiedenen arten
affectibus ſuccumbere ſueuit ita ſubditos va-
riis ſuis \& vagis affectibus obedientiam iu-
raſſe ſibi perſuadet. Quis vmquam antiquis
temporibus tanta facinora ex circumſcripta
imperantium vi \& electione timuit, quanta
hodie ex ſucceſſione \& illimitata principis
voluntate ſentimus. Nolo vlterius progredi,
\& ex antiqua Germanorum hiſtoria de mon-
ſtrare, quam felix fuerit eorum aetas quam
fortunata, dum plane imperantibus deſtitu-
ti, nihilominus virtutem ſectari, fidem da-
tam ſeruare, fortitudine inclareſcere, ami-
citiam colere, non intermiſerunt. Vnicum
addendum eſſe exiſtimo, ex peruerſa ſum-
morum principum vitae conditione, vitia
quoque trahere alios, imperantium perſo-
nas gerentes. Princeps dum ſtudia negli-
git, nec dignos muneribus publicis admouet,
nec indignos remouet, ſed eius generis ho-
mines, qui cum principe vel Baccho, vel
Veneri, vel Marti, litare ſibi gloriae ducunt,
vel quouis modo pro amplianda dignitate,
aut corradendis principi pecuniae ſummis,
nati videntur. Olim virtute duce, officiis
intromiſſi, etiam virtutibus iis praeeſſe ſa-
tagebant, virtutibus deſtituti, virtutum ta-
men ſimulacris ſuffulti atque conſpicui vi-
debantur; nec ibi ſanguinis aut diuitiarum
habebatur ratio, ſed ſcientiae, experientiae
atque virtutis, quibus ſolis homines caput
ſupra
[245]des ſtili inſonderheit.
ſupra vulgus efferunt. Statu politico im-
medicabili vulnere laborante, quid de eccle-
ſiaſtico exſpectabimus? Arcta hi duo inter
ſe connexione iuncti, conſpiratione quadam
quaſi inita, nonnunquam quidquid ad rei-
publicae tranquillitatem referri poterat, de-
ſtruunt. Mirabimini, Auditores, me tam li-
bere de ſtatu noſtrorum temporum perdito
declamare, ſed ne paradoxa vobis proponere
me iudicetis, maiorum quaeſo noſtrorum
tempora euoluite atque imagines ſacrorum
virorum, quo decet, animo tantiſper remiſ-
ſo, intuemini. Quem, quaeſo inter noſtros
hodie monſtrabimus Chryſoſtomum, Mar-
tinum, Ambroſium, Auguſtinum, Macari-
um, Taulerum, Thomam a Kempis, Luthe-
rum, Melanchthonem, Arndtium. Non
dico plane nos carere viris ſacris muneri-
bus admotis, piis, eruditis, vitae \& doctri-
nae puritate conſpicuis, ſed non tam fre-
quentes eos inter nos eſſe, vti antiquiſſi-
mis temporibus, hoc eſt quod dolemus. Hoc
palmarium viro ſacro, miniſtro eccleſiae
eſſe duco, vt officia hominum \& obligatio-
nes ex lege diuina explicet, \& exemplo ſuo
rudiores, quibus rationes percipere natura
nouerca interdixit, dirigat. Ethoc palma-
rium ſibi olim putabant verbi diuini inter-
pretes, cum aut nullis aut ligneis inſtructa
templis eccleſia, aureis niteret ſacerdotibus.
Non ſane, quod plerumque obſeruamus,
Q 3variis
[246]von denen unterſchiedenen arten
variis machinationibus \& captionibus oc-
culte directis, ſacras prouincias auide arri-
pere tentabant, ſed vel oblatas recuſabant,
ſecum habitantes, ſuam expendentes imbe-
cillitatem, ſacri muneris vero dignitatem.
Introductinon gazophylazia ſua augere, va-
riis ventrem deliciis infarcire, ciſtas auro
argentoque implere, affectus titillare, ſtude-
bant, ſed fame ac ſiti premi, immo ad ſuppli-
cia rapi, leue quoddam huius vitae incom-
modum aeſtimabant, ſi hac ratione audito-
rum erigi in Chriſtum fidem aut corroborari
poſſe intelligebant. Noſtris interdum ho-
minibus ſatis eſt, per aliquot horas in vm-
bone ſacro balbutiiſſe, ita vt non immerito
quis cum Knittelio dixerit: Ecce iterum
verbum Domini loquitur per aſinam Balaa-
mi. Reliqua, quae munus exigere videtur
eccleſiaſticum, ceu opus operatum finiiſſe
gaudent, ac ſibi plaudunt, crumena probe
diſtenta exinde rediiſſe, de cetero imperare
potius auditoribus \& conſcientias illimitato
dominio crudeliter coërcere, quam iis ſer-
uire \& infirmitatibus pie ac moderate ſuc-
currere ſciunt. Principi aliisque reipubli-
cae curam ſiniſtre gerentibus, tantum abeſt
vt admonitionibus, tam publicis quam pri-
uatis, officia boni imperantis infulciant, vt
potius quidquid imperantes facinoris perpe-
trent, ſub ſpecie prudentis conſilii ac ſingu-
laris plane actionis ſubditis commendent,
ne
[247]des ſtili inſonderheit.
ne forſan S. Joh. Baptiſtae aut Chryſoſtomi
a[d]uerſa fata ſubire cogantur. Qualis rex,
talis grex, quales paſtores, tales oues. In
corpore vbi nec cor nec caputſana ſunt, ce-
tera membra male ſe neceſſario habent
omnia. Antiqua tempora \& bonis ciuibus
\& multitudine ſapientum \& optimis Chri-
ſtianis conſpicua, quid noſtris in hac re deſit
per hiſtoricos ſatis loquuntur. Portenta
inter Athenienſes fortitudinis atque erudi-
tionis, inter Romanos fidei \& honeſtatis, in-
ter Germanos magni animi, frugalitatis, a-
moris ſocialis, nouimus. De Chriſtianis
ſaeculorum primorum vel tantum circa re-
ſurgentis purioris doctrinae tempora, quan-
ta quaeſo pietatis, deuotionis, conſtantiae,
caritatis, fidei in Chriſtum exempla audiui-
mus. Noſtra aetas, nec ſtudia, nec pietatem,
nec honeſtatem, nec bonas artes colit. Inde
eſt, quod ſtudiis ſacrati in falſa eruditione
ſubſiſtant, \& ſaltem de pane lucrando cogi-
tent, ſic praeiudiciis auctoritatis atque prae-
cipitantiae plane immerſi, nil niſi patrum
effata, vel noua penitus omnia inuenta, cre-
pant. Et liberalium \& illiberalium artium
ſtudioſi, non eapropter omnes intendunt
neruos, vt omnium vtilitati conſulant, qui
proprius eſt ſcientiarum finis, ſed vt ſuam
praecipue mediis licitis pariter ac illicicis
promouere queant. Nolo criminibus in-
ſurgere, vtpote quae ferro \& igne, armata
Q 4magi-
[248]von denen unterſchiedenen arten
magiſtratus manu neceſſario reprimuntur,
ſed potius vitiis, quae late, quamuis occulte,
ſerpere ſentio. Officia coniugibus obſer-
uanda, parentibus liberisque exhibenda, do-
minis \& ſeruis inculcanda, neglecta apud
nos hodie atque diſcuſſa, maiori ſane pon-
dere publicam deprimunt tranquillitatem,
quam bella, quibus crebro quaſſantur respu-
blicae. Quod ſi vnquam de qua aetate vi-
luit illud Horatianum;
‘Aetas parentum peior auis, tulit
Nos nequiores, mox daturos
Progeniem vitioſiorem,’ ()
in noſtram conuenit. Atque ita fontes de-
texi, vnde oriantur tam infinita mala. mor-
bi, diſſidia, vulnera, furta, rapinae, lenocinia,
ſcortationes, adulteria, calumniae, iurgia, \&
neſcio, quae, quibus noſtrae dilacerantur res-
publicae, quae tamen omnia in capita ea-
rum recidunt. Quis non inde animum ad
reuocanda maiorum tempora inducat, vel
vt rectius dicam, quis non deſideret, vt vir-
tutes illae quarum memoria ex priſcis tem-
poribus hodienum viget, noſtram quoque
colluſtrent aetatem. Non autem vota noſtra
tanti ſunt, vt id efficere valeant, ſed labor
improbus, intellectus aſſiduo cultu perpoli-
tus, voluntatis atque affectuum indefeſſa \&
in infinitum repetita correctio. Si votis
interim aliquid efficiendum cenſetis, Audi-
tores,
[249]des ſtili inſonderheit.
tores, mea veſtris iungo, \& memor eius,
quod ſub exordium orationis meae promi-
ſeram, Deum veneror, qui in hunc vsque
diem, per tam miſera temporum noſtrorum
diſcrimina, ſoſpites vos ſeruauit atque inco-
lumes. Inprimis grates, quas mens humana
concipere poteſt maximas, Deo decerno,
quod TE Pater ad cineres omni amoris, cul-
tu proſequende, anno, quem iam egimus, ſal-
uum, atque ab omni vitae vel ſanitatis vel
fortunae detrimento liberum, ſuſtinuit. Tibi
autem, qua par eſt humanitate ac obſeruan-
tia gratias perſoluo, qui facultatem conces-
ſiſti ſtudiis incumbendi \& de emendatione
temporum cogitandi. Det Deus, vt qui ſe-
quitur, anno \& pluribus qui ſequentur, mihi
Tuis, meis, ciuitati, amicis, bonis omnibus,
viuas, vigeas, floreas, \& non niſi tempora
videas Saturnina. Sic quid poſſit filii deuo-
tus ac pius immo gratus animus, multis Ti-
bi nominibus innoteſcet, \& vt ſpero \& expe-
to non Tibi deerit cupiditas, paternis me cu-
mulare beneficiis \& ornare. Seruet Deus
\& vos, Patroni atque Fautores, omni hono-
rum genere proſequendi, vt inpoſterum pro
more veſtro laudatiſſimo in reſtituendis pa-
trum virtutibus \& in ſubleuandis veſtris fa-
miliis operam nauare, ſine vlla remora poſſi-
tis. De cetero meam tenuitatem, Vobis com-
mendatam eſſe precor, \& cum beneuola ve-
ſtra attentione me dignati ſitis, in praeſen-
Q 5ti
[250]von denen unterſchiedenen arten
ti commendatam fore ſpero. Credatis ve-
lim, me vobis ad quaeuis officiorum genera
promptum \& ſacratum.
Rede
von den vorzuͤgen unſerer zeiten fuͤr den
alten,
als eine wiederlegung der vorigen rede.
Unbeſtaͤndig ſeyn iſt ohnſtreitig ein weſentli-
cher begrif, welchen man von allen denenjeni-
gen ſachen, ſo die weiſe hand des allgemeinen
ſchoͤpfers, auf den erdboden dargeſtellet, haben
muß. Am allermeiſten aber iſt dasjenige der
veraͤnderung unterworfen, welches in ſeinem
zu oder abnehmen, und in allen ſeinen umſtaͤn-
den, von den haͤnden der menſchen gefuͤhret
wird, und aus ſeinem munde befehle erwarten
muß. Das menſchliche auge verlanget im-
mer etwas neues zu ſehen, wuͤrden nun die ir-
diſchen dinge, ſich ſtets in einerley geſtalt dem-
ſelben fuͤrbilden, ſo vergienge dadurch die beſte
gelegenheit, den gemuͤthern der menſchen, einen
empfindlichen eindruck zu machen, daß ſie die
weißheit ihres meiſters zu bewundern, und ſei-
nen willen in heiliger nachfolge zu verehren,
ſchuldig waͤren. Der menſch iſt mit recht die
kleine welt zu nennen, und alles was der inbe-
grif der groſſen in ſich ſchlieſſet, muß zu ſeinem
dienſte ſich gebrauchen laſſen. wie kan es alſo
anders ſeyn, alles was etwas iſt, muß ſo wohl
nach dem geſetze der groſſen als kleinen welt un-
beſtaͤn-
[251]des ſtili inſonderheit.
beſtaͤndig heiſſen. Dieſer unaufhoͤrliche wech-
ſel wird dennoch an der zeit als an einem maß-
ſtabe abgemeſſen, dannenhero ſind einige auf
die gedancken gerathen, ob nicht vielleicht die
zeit, die groſſe zeuge mutter ſo vieler unbeſtaͤn-
digkeiten, koͤnne genennet werden. Hat nun
der beſtaͤndige unbeſtand ſolche wuͤrckungen
herfuͤrgebracht, welche denen neigungen der
menſchen wohlgefallen, ſo iſt man bemuͤhet ge-
weſen, guldne zeiten zu erdichten und alſo de-
nen iahren und tagen zuzuſchreiben, wozu man
billich andere urſachen haͤtte ſuchen ſollen.
Sind hingegen verdruͤßliche zufaͤlle aufgeſtoſ-
ſen, welche den verhoften honig mit wermuth
vermiſchet, ſo hat man die zeiten angeklagt, da
man vielmehr ſeine eigne verrichtungen haͤtte
beſſer oder kluͤger einrichten koͤnnen. Eine
wuͤrckung dieſes vorurtheils iſt es, daß man im-
mer ſich mit der hofnung beſſerer zeiten ge-
ſchmeichelt, und dabey die gelegenheit verſaͤu-
met, die urſachen ſeines eigenen elendes zu
heben und ſeine wohlfahrt auf beſſern grunde
zu ſetzen. Denn die ſuͤſſe hoffnung pflegt
mehrentheils auch die wachſamſten gemuͤther
einzuſchlaͤffern, biß der gift zu weit um ſich ge-
griffen und der gegengift zu ſpaͤt ankommen.
Die zeit aͤndert ſich niemahls, aber wer in der
zeit lebt und der zeit ihre benennungen mitthei-
let, aͤndert ſich unaufhoͤrlich. Alſo ſolte man
nicht die guͤldnen zeiten der vorfahren wiede-
rum zu erleben wuͤnſchen, ſondern daß ihre tu-
genden
[252]von denen unterſchiedenen arten
genden aus dem grabe herfuͤrſchienen, und den
lebenden einen ſichern pfad zur gluͤcklichen
nachfolge zeigen moͤchten. Mein vorgaͤnger
hat Jhnen zwar H. und H. A. die vorzuͤge der
alten zeiten fuͤr den unſern gewieſen, allein nicht
in der abſicht einem lebloſen dinge ſolche leb-
hafte wuͤrckungen zuzuſchreiben, aber wohl die
urſachen zu zeigen, warum man dergleichen
wuͤnſche zu thun pflege, und auch einigermaſ-
ſen zu thun befugt ſey. Dabey hat er geſucht,
naͤhere gelegenheit zu bekommen, Jhnen bey
ietzigem iahres-wechſel, die fruͤchte ſeiner ſchul-
digkeit darzureichen. Eben dieß hat auch mich
bewogen, von der zeit zu reden, und zwar von
den vorzuͤgen unſerer zeiten fuͤr denen zeiten un-
ſerer vorfahren, wann ich meinem vorgaͤnger
nicht gaͤntzlich wiederſpreche und ihn vollkom-
men wiederlege, wird doch die eitelkeit desieni-
gen wunſches deſto klaͤrer werden, worinn man
nach dem vergangenem ſeufzet, damit man des
gegenwaͤrtigen vergeſſen moͤge. Sie erlau-
ben mir demnach, H. und H. A. Daß ich in
Dero Hochgeehrten verſamlung, ſo viel von
dieſer ſache rede, als meine ſtamlende zunge
und ungeuͤbter verſtand zulaͤſt, und ihnen die
zeichen meiner ergebenheit, gleichfalls in einem
gluͤckswunſche darbiete, ſo werde daran ab-
nehmen, ob ich die guͤtige erlaubniß habe, mich
ins kuͤnftige als dero diener aufzufuͤhren.
So lange die welt ſtehet und menſchen ge-
ſellſchaftlich leben werden, wird man nicht auf-
hoͤren,
[253]des ſtili inſonderheit.
hoͤren, ſich fuͤr den ſcepter gekroͤnter haͤupter zu
demuͤthigen, leute welche ſich der goͤttlichen
wahrheit befleißigen zu verehren, und ſich im
haußſtande zu gewiſſen pflichten verbindlich zu
machen, alſo wuͤrde es was ungereimtes ſeyn,
ſich dem obrigkeitlichem ioche, der anhoͤrung
goͤttliches willens, denen haͤußlichen pflichten
mit gewalt gaͤntzlich entziehen wollen. Aber
wuͤnſchen, daß alles, ſo viel die menſchliche
ſchwachheit leidet, nach den befehlen einer ge-
ſauberten vernunft eingerichtet werde, iſt nichts
unbilliches. Ob wir nun bereits dergleichen
zeiten erlebet, oder ietzo darinnen ſtehen, oder
noch ins kuͤnftige zu erwarten, ſolches iſt eine
frage, welche ohne groſſe behutſamkeit nicht
leicht zu beantworten. Solte es nach den ge-
dancken derer gehen, welche nur die fehler unſe-
rer, und die tugenden der vergangnen zeiten zu-
ſammen halten, ſo wuͤrden wir glauben muͤſ-
ſen, die zeiten waͤren bereits voͤlligverſtrichen,
da man der vernunft williges gehoͤr verſtat-
tet. Sie haben auch bereits, H. und H. A.
ſo viel die kuͤrtze der zeit leiden wollen, von
meinem vorgaͤnger gehoͤret, worinn man die
vergangenen zeiten denen unſern vorzuziehen
pflege: Dennoch finde ich urſachen genung,
welche mich bewegen koͤnten, denen unſern die
groͤſten vorzuͤge zuzueignen und ihn zu wieder-
legen, wenn ich mir ſelbſt wiederſprechen, und
einem lebloſen dinge ſolche lebendige wuͤrckun-
gen zuſchreiben wolte. Beruhete die ſache
bloß
[254]von denen unterſchiedenen arten
bloß darauf, daß uns die geburt den purpur zu
verehrenauferlegte, da die freye wahl bey den al-
ten nur wohl verdienten die kronen aufgeſetzet,
ſo moͤchte ich wiſſen, wer unter uns zum regieren
tuͤchtige perſonen ausſuchen ſolte. Es muͤ-
ſten ſolches ohnfehlbar leute ſeyn, welche eben-
falls nicht die geburt oder reichthum, ſondern
die weißheit von andern unterſchieden haͤtte,
und die muͤſten wiederum von denen aufgeſu-
chet werden, welche keinen geringen grad der
weißheit erſtiegen, dieſe von ebenfalls weiſen
leuten. Auf ſolche art wuͤrde man von dem
gantzen menſchlichen geſchlecht etwas fodern,
welches man nur im ſtande der unſchuld bey
demſelben gefunden, und welches nur in ienem
leben vollkommen zu hoffen, nemlich eine all-
gemeine weißheit. Wen das recht der nach-
folge auf den fuͤrſtlichen ſtuhl geſetzet, hat ohne
dem eben ſo viel urſachen, ſich durch fuͤrſtliche
tugenden dem volcke beliebt zu machen als wen
die freye wahl dazu erhoben. Jn den alten
zeiten muſten ſich unzehliche laͤnder zu den
fuͤſſen eines eintzigen legen, und ſeinen neigun-
gen faſt blinden gehorſam leiſten; bey uns
haͤlt die groſſe anzahl der zugleich regierenden
haͤupter, ſie ſelbſt untereinander in den gehoͤ-
rigen ſchrancken der billichkeit, und hat ia die
uͤble auferziehung das gute, welches man
von einem printzen erwarten konte, in der bluͤ-
te der iahre zum theil erſticket, ſo iſt der kluge
rath getreuer miniſter, die furcht fuͤr auswaͤr-
tiger
[155[255]]des ſtili inſonderheit.
tiger macht, die geſchloſſene verbindniſſe, er-
theilte freyheiten, friedens-handlungen, com-
mercien-ſorge genung denen unterthanen die
angenehmſten zeiten zu ſchencken. Die we-
nigſten ſind ſo ſcharfſichtig die geheimniſſe des
ſtaats einzuſehen, und doch unterſtehet ſich ie-
dermann davon zu urtheilen. Erfodert nun
zuweilen des landes wohlfarth, der untertha-
nen ruhe, daß printzen ihnen eine kleine unruhe
machen um groͤſſern uͤbel fuͤrzubeugen, ſo meint
der unterthan gnugſames recht zu haben, wo-
durch ſeiner neigung nur zu viel geſchehen, von
ſich abzukehren und wofern es ihm hierinnen
nicht gluͤcken will, die ungerechtigkeit ſeines
printzen anzuklagen. Haͤtten die geſchicht-ſchrei-
ber der alten, ohne ihren zeiten zu ſchmeichlen,
alles ausgedruckt, woruͤber ſich auch vernuͤñf-
tige unterthanen unter ihren fuͤrſten zu bekla-
gen urſach gehabt, ſo wuͤrden wir bald ſehen,
ob den unſern oder den alten zeiten, in anſe-
hung der regenten der vorzug beyzulegen. Und
wo werden wir von denen monarchen unſerer
zeit, ſolche thorheiten aufzeichnen koͤnnen, als
wir von denen alten mit den groͤſten erſtaunen
aufgezeichnet finden. Es prangen auch unſe-
re zeiten mit ſolchen Landes-vaͤtern deren
denckmahle bey unſern nachkommen weit dau-
erhaftiger ſeyn werden, als bey uns die ſaͤulen
Auguſti, Traiani, Hadriani, und anderer.
Nicht minder verdienen die lehrer unſer zeiten,
daß ihrer mit beſſern lobe gedacht werde, als
ins-
[256]von denen unterſchiedenen arten
insgemein der von ſeinen neigungen getriebene
poͤbel von ihnen zu urtheilen pfleget. Einen
wohlgeſaͤttigten eckelt auch fuͤr den niedlich-
ſten ſpeiſen, und wer unter tauſend edelgeſtei-
nen von gleicher koſtbarkeit den beſten ausſu-
chen ſolte, wuͤrde ſie entweder alle fuͤr koͤſtlich
oder alle fuͤr nichtswuͤrdig anſehen. So ge-
het es unſern zeiten, in anſehung der ihnen fuͤr-
geſtellten diener des goͤttlichen worts, indem
der zuhoͤrer daran keinen mangel unter uns
findet, nachdem ihm die ohren iuͤcken, ſo achtet
er dieſes uͤberfluſſes nicht, wie er wohl thun
wuͤrde, wann es ihm daran fehlete. Und ein
ieder der etliche predigten mit fluͤchtigen ge-
dancken angehoͤret, oder in die Homiletiſchen
buͤcher mit hungriger begierde eingeſehen, mei-
net berechtiget zu ſeyn, ieden lehrenden in der
gemeine Gottes, durch ungleiche urtheile in die
muſterung zu fuͤhren. Es wird dannenhero
nach geendigten Gottesdienſt, wohl dieſe frage
ohn unterlaß gehoͤret: Wie hat ers gemacht?
an ſtatt daß man fragen ſolte: Was habt ihr
zu eurer beſſerung gemercket? Die zeiten der
alten haben freylich im Chriſtenthum ſolche
lehrer aufzuweiſen, die man mit den nahmen
der heiligen beehret, und welche gewiß in un-
vergeßlichen andencken zu verehren. Selbſt
die heydniſchen prieſter unterſchieden ſich von
andern, durch wiſſenſchaften, eingezogenheit,
verachtung des irdiſchen und andere ſchein-
tugenden. Allein hierinn wuͤrden ſie alsdann
nur
[257]des ſtili inſonderheit.
nur einen vorzug fuͤr unſere zeiten haben, wann
es uns hierinn mangelte. Daß einige ihrem
h. amt ſich nicht gemaͤß auffuͤhren wollen oder
koͤnnen, ſolches wird ſich niemand befrembden
laſſen, der da weiß, daß ein menſch, wann er
auch mit noch ſo herrlichen gaben ausgeruͤſtet,
dennoch nicht aufhoͤre, ein menſch zu ſeyn. Jch
gehe noch weiter, und ſage, daß unſere zeiten
ſich eines groſſen vorzugs, wegen des geiſtli-
chen ſtandes, fuͤr den zeiten der alten ruͤhmen
duͤrfen. War es ſonſt kaum erlaubt die bloſſe
erzehlung goͤttlicher wahrheiten anzuhoͤren, ſo
koͤnnen wir durch die woche etliche mahl, nicht
nur die bloſſen wahrheiten ſelbſten, ſondern
auch die geſchickteſten auslegungen in denen
praͤchtigſten kirchen-gebaͤuden davon hoͤren.
Kein ort iſt ſo gering, keine gemeine ſo enge ein-
geſchrenckt, die ſich nicht eines ſeelſorgers freue-
te. Das Chriſtenthum hat ſich durch die gan-
tze welt ausgebreitet, und das licht der Evan-
geliſchen wahrheit ſuchet allenthalben durch
die finſterniß zu brechen, mit huͤlfe getreuer leh-
rer. Raubt der todt ein glied aus dem geiſt-
lichen orden, ſo iſt eine ſolche menge derieni-
gen, die ſich dazu wuͤrdig befinden, daß man
kaum in iahres-friſt den geſchickteſten darun-
ter ausſuchen kan, weil ſie alle gleiches vermoͤ-
gen ſelbigen getreulich fuͤrzuſtehen beſitzen. Die
alten verſpuͤrten an allen dieſen nicht geringen
mangel. Von der erkaͤnntniß der ſprachen und
anderer hoͤchſtnoͤthigen wiſſenſchaften, derer
Rſich
[258]von denen unterſchiedenen arten
ſich unſre lehrer, bey ſo maͤchtig angewachſener
gelehrſamkeit ruͤhmen, nichts zu gedencken.
Die ordnung des heyls wird in den ſyſtemati-
bus und ſymboliſchen glaubens-buͤchern mit der
ſchoͤnſten art fuͤrgetragen, da man vor dieſem
hier und dar ein ſtuͤck aus der Bibel reiſſen und
zu ſeinen glaubens-articuln zehlen muſte. Wer
ergoͤtzet ſich nicht an den ungemeinen einrich-
tungen des Gottesdienſtes, an die artigen erfin-
dungen die hiezu gehoͤrigen diener Gottes zu
unterhalten, an die von allen aberglauben und
unanſtaͤndigkeit geſauberten kirchen-gebraͤu-
che. Uberhaupt werden wir uns nicht ſchaͤmen
duͤrfen, wann ſonderbahre verdienſte in die ie-
tzigen zeitbuͤcher unſere nahmen einſchreiben.
Ein weiſer mann muß mit allen umſtaͤnden
der zeit, des orts, zu frieden ſeyn, wann ers nicht
aͤndern kan, oder ſich zum wenigſten huͤten, daß
er nicht oͤffentlich, durch unanſtaͤndiges klagen,
die ſchwaͤche ſeines verſtandes in der klugheit
zu leben, an den tag lege. Was im gemeinen
leben unſre ruhe zu ſtoͤhren ſcheinet, iſt alſo be-
ſchaffen daß es nur von denen verderbten nei-
gungen herruͤhret und auch ſelbigen wiederum
eintrag thut. Wer wolte alſo dieſerwegen
die gegenwaͤrtigen zeiten verfluchen, oder die
zeiten der alten zu erleben wuͤnſchen. Sonſt
iſt es eine ausgemachte ſache, daß zu unſern zei-
ten die wiſſenſchaften auf den gipfel der voll-
kommenheit zu ſteigen, einen begluͤckten an-
fang gemacht, da die alten ſelbige nur auf der
unter-
[259]des ſtili inſonderheit.
unterſten ſtuffen dazu zugelangen, erblickten.
Wie reich ſind nicht unſere zeiten an denen herr-
lichſten erfindungen und nuͤtzlichſten kuͤnſten
fuͤr denen alten? Die handlungen ſind gewiß
das bequemſte band gantze voͤlcker in vergnuͤg-
ter einigkeit zu verbinden, und wir koͤnnen uns
dieſes vorzugs billich fuͤr andern fuͤr den alten
ruͤhmen. Zwar olte es ſcheinen, als ob nur
eitelkeiten dadurch unter uns eingefuͤhret, und
alſo der menſchlichen geſellſchaft mehr geſchadet
als genutzet wuͤrde. Allein zu geſchweigen,
daß hiezu ein groſſer beweiß gehoͤret, ſo kan
doch dieſes nicht ſtreitig gemachet werden, daß
die handlungen ein groſſes wo nicht das meiſte
zu der galanten und civilen lebens-art unſerer
leute beytragen ſolten. Wuͤrden die alten in
ihrer einfaͤltigen kleidung und ungeſchlachten
ſitten wieder aufſtehen, und ſehen wie artig
unſer umgang, wie geſchickt unſere kleidung, wie
zierlich unſere ſprache in denen complimenten,
wie wohlanſtaͤndig unſer gantzes weſen, ſie
wuͤrden ihnen gantz beſondere und fuͤrnehme
gedancken von unſern artigkeiten machen. Jch
wuͤnſche mir alſo nicht beſſere zeiten zu erle-
ben, ich ſehne mich nicht nach den zeiten der al-
ten, aber dieſes wuͤnſche ich, daß ich und ein ie-
der, der weißheit und tugend zu ſeinen leitſtern
erkohren, ſich der gegenwaͤrtigen ſo bedienen
moͤge, daß ihm die zukuͤnftigen die angenehm-
ſten vergnuͤgungs-roſen zu brechen erlauben
muͤſſen. Doch ich haͤtte bald, von denen an-
R 2nehm-
[260]von denen unterſchiedenen arten
nehmlichkeiten unſerer zeiten und deren be-
trachtung entzuͤckt, vergeſſen, daß ich ſchlieſſen
muͤſſe, und daß ich Jhnen vorher, H. und H.
A zu den antritt des neuen iahres ergebenſt
gluͤck zu wuͤnſchen mir auferleget haͤtte. Jch
verehre Sie allerſeits, theils mit kindlicher
pflicht, theils unter den nahmen naher ver-
wandſchaft, theils weil ich mir von dero ver-
dienſten wie ſchuldig einen groſſen begrif ma-
che. Wie kan ich alſo anders als mich er-
freuen, da ich bey Jhnen meine ſchuldigkeit ab-
ſtatten und Sie insgeſamt im erwuͤnſchten
wohlſeyn antreffen kan. Wie kan ich anders,
da ich Jhnen zum theil fuͤr Dero vaͤterliche un-
ermuͤdete fuͤrſorge, zum theil fuͤr die von Jhnen
genoſſene vielfaͤltige zeichen einer ungefaͤrbten
freundſchaft, zum theil fuͤr Dero wohlgewogen-
heit, damit ich mir ſchmeichele, unendlich ver-
bunden bin, wie kan ich anders ſage ich, als
mich fuͤr dem throne Goͤttlicher maieſtaͤt demuͤ-
thigen uñ Jhnen allen geiſtlichen und leiblichen
ſeegen von oben herab ausbitten. Der Hoͤch-
ſte bekroͤne meinen wunſch mit erfreuender fol-
ge, ſo wird mir wie ich hoffe erlaubt ſeyn, ferner-
hin Dero mir geneigtes wollen zu ruͤhmen und
an Dero vergnuͤgen theil zu nehmen, da ich
nicht ablaſſen werde, in tiefſter ergebenheit Sie
allerſeits zu verehren.
§. 3 Nach dieſem iſt der ſtilus mediocris
der gebraͤuchlichſte und angenehmſte.a) Er fo-
dert ein mittelmaͤßiges obiectum,b) demſelben
gemaͤſſe
[261]des ſtili inſonderheit.
gemaͤſſe gedancken, muntere regungen und affe-
cten, (wofern das obiectum nicht bloß theore-
tiſch,) hat die freyheit tropos und figuren zum
ausputz des ausdrucks zu gebrauchen, beobach-
tet in der iunctur und dem numero einige zier-
lichkeit, wechſelt mit denen connexionibus ab,
hat alſo mehr freyheit als der humilis, und
auch mehr lebhaftigkeit.
Rede
von der unbeſtaͤndigkeit der menſchlichen
gemuͤther.
Der erdkreiß ſcheinet nur darum auch ohne
pfeiler ſo feſte gegruͤndet, und der himmel auch
ohne
[263]des ſtili inſonderheit.
ohne bogen ſo unbewegl. gewoͤlbet zu ſeyn, da-
mit beyde mit gewiſſern grunde, den beſtaͤndi-
gen unbeſtand und wechſel ihrer einwohner
uns fuͤr augen ſtellen. Dieſer iſt ſo maͤchtig,
daß er nicht nur uͤber dinge, deren weſen wir
wuͤrckl. empfinden, ſondern davon wir auch
nur einige moͤglichkeit erdencken koͤnnen, ſeine
unumſchraͤnckte herrſchafft ausuͤbet. Bald muß
ſich der heydniſche Jupiter unter allezeit ande-
rer geſtalt als ein verliebter ſchmeichler, bald als
ein mit donner-keilen um ſich werffender wuͤte-
rich von ſeinen verehrern abbilden laſſen. So
offt als die Gratien ihren reyen veraͤndern, er-
ſcheinen ſie in anderer ſtellung, die von einer
iñiglichen freude oder hertzfreſſenden betruͤbniß
ihren urſprung nehmen. Kaum hat die ſonne
ihre angenehme ſtrahlen dieſem runde gegoͤn-
net, ſo kan eine regen-ſchwangere wolcke licht
und freude in dunckelheit und ſchatten verſetzen,
und wird ſie von den Perſern angebetet, ſo muß
ſie ſich von den Mohren verfluchen laſſen. Den
mond werden wir niemals in der geſtalt auf-
gehen ſehen, in welcher wir ihn bey ſeinem un-
tergang angetroffen, und die ſterne ſcheinen al-
gemach auf unſern wirbel zu ſteigen, welchen ſie
nach wenigen ſtunden wieder verlaſſen. Hat
das feuer vor kurtzer zeit mit den helleſten
flammen geſpielet, ſo erblicket man gleich dar-
auf entweder ſchwache funcken oder graue
aſche. Der goldfuͤhrende Tagus bietet der
natur bald einen ſpiegel an, bald wird man
R 4ihn
[264]von denen unterſchiedenen arten
ihn von einem leimichten boden von ferne kaum
unterſcheiden koͤnnen. Nach dem winck des
allgewaltigen ſchoͤpfers fuͤhret ſich das erdreich
ietzt wie eine guͤtige zeuge mutter ſo vieler be-
wunderns wuͤrdiger kraͤuter auf, ietzt wie ein
mit ſtahl und eiſen uͤberzogener magnet-ſtein.
Nachdem willen eines halb erfrornen wandeꝛs-
mannes, muß ſich die lufft zur erwaͤrmung der
erſtarreten glieder gebrauchen laſſen, welche
er gleich darauf heiſſe ſpeiſen damit abzukuͤh-
len anwendet. Ein unnuͤtzer irwiſch iſt, wie
ich glaube, doch dazu nuͤtze, daß er zu einem bilde
der in die abwechſelung verliebten welt dienen
kan. Steine aus einem felſen gehauen, muͤſ-
ſen ſich ſo wohl zu einem verachteten pflaſter
als prahlenden fronton ſchicken. Die zeit
bauet mit erſtaunender bemuͤhung ſolche wer-
cke auf, von welchen man meinen ſolte, daß ſie
der unbeſtaͤndigkeit allen vortheil abgelauffen
haͤtten, und eben dieſelbige belehret uns nach
wenig verfloſſenen iahren, was ſie dabey fuͤr
ein abſehen gehabt, nemlich in der aſche und
uͤberbleibſeln von ſolchen koſtbarkeiten mit le-
bendigen buchſtaben zuſchreiben: es ſey alles
wandelbahr. Das ungemein harte ſtahl
hat noch kein mittel funden zu verhindern, daß
man es nicht in allerhand geſtalten zu unter-
ſchiedenen gebrauche zwinge. Die baͤume
fangen gegen den ſommer an ſich in gruͤnende
blaͤtter zu verſtecken und laſſen ſelbige gegen den
winter fallen, da dieſe ihnen alsdenn, wo nicht
noͤthi-
[265]des ſtili inſonderheit.
noͤthiger, doch eben ſo noͤthig zur bedeckung
waͤren. Alles was uns in die ſinne faͤllt, wuͤr-
de ſo zu reden faſt unerkaͤntlich ſeyn, wenn wir
nicht bereits den allgemeinen begrif davon haͤt-
ten, daß es der unbeſtaͤndigkeit unterworffen.
Man mercket als etwas beſonders an, bey dem
Oſt-Jndiſchen vor-gebuͤrge Commyrin eine ge-
gend gefundẽ zu haben, in welcher man in einer
halben ſtunde aus dem winter in den ſommer
uͤberſchiffen und die rauhe nord-luft mit ei-
nem erquickenden weſtwinde vertauſchen kan.
Haͤtte man den uͤberall ſich ereigenden wech-
ſel genauer in betrachtung gezogen, ich zweiffe-
le daß man dieſe gegend unter beſondere merck-
wuͤrdigkeiten wuͤrde gezehlet haben. Allein
ſo mancherley merckmahle des herrſchenden un-
beſtandes man antrift, ſo viele ſpuhren findet
man der weißheit unſers groſſen Schoͤpfers,
ſo viele urſachen zeigen ſich ſeine geſchoͤpfe zu be-
wundern. Denn wuͤrde er ſelbigen nicht die
geſetze der veraͤnderung unbeweglich eingepraͤ-
get haben, wuͤrden ſie ihrer groͤſten anmuth
mit welcher ſie die aufmerckſamkeit natur-lie-
bender gemuͤther an ſich ziehen, beraubet ſeyn,
und alles was ſeine wuͤrckende weißheit auf die
ſchaubuͤhne dieſer welt geſtellet, iſt ſeinem eben-
bildern zum nutzen aus nichts etwas worden.
Viel 100 ja 1000derley veraͤnderungen, ſo
in allen dieſen einzelen anzutreffen ſind, ſcheinen
in dem menſchlichen weſen ihren mittel-punckt
und groͤſte wichtigkeit zufinden, und dieieni-
R 5gen
[266]von denen unterſchiedenen arten
gen welche den menſchen die kleine welt nennen,
thun es gewiß mit dem groͤſten rechte. Er
bezeugt ſich nicht nur beſchaͤftigt durch ſchau-
ſpiele und kuͤnſtliche vorſtellungen, ſich als ei-
nen affen der wanckelbahren natur aufzufuͤh-
ren, ſondern iſt auch in der that und eꝛnſthaftigẽ
verrichtungen, ein inbegrif der groſſen welt, das
iſt ein ſchauplatz, alwo man umſonſt nach den
graͤntzen der unbeſtaͤndigkeit ſuchet. Jn ſei-
nem gemuͤthe treffen wir die herrſchaft an,
welche keine andere befehle, als ſolche die von
einer immerwaͤhrenden abwechſelung zeigen
austheilet. Denn ſonſt hat er nichts beſtaͤn-
diges, als daß er unaufhoͤrliche proben der un-
beſtaͤndigkeit an den tag leget. Jch habe
mir vorgenommen, Hoͤchſt und H. A. in Dero
H. und hochgeehrten gegenwart von dieſer un-
beſtaͤndigkeit menſchlicher gemuͤther etwas zu
reden, nicht daß ich mir die ſtrafbare freyheit
naͤhme, ihnen in ſo gemeinen ſachen deutliche
begriffe zu machen, da ſie weit mehrers ſchon
laͤngſtens ſcharfſinnig eingeſehen haben, ſon-
dern damit denen unveraͤnderlichen geſetzen
Dero gelehrten verſammlung, durch meine un-
beſtaͤndigkeit kein eintrag geſchaͤhe. Sie ha-
ben mir nur neulich oͤffentlich Dero beſtaͤndi-
ges wohlwollen zuerkennen gegeben, wofuͤr
mich Jhnen beſtaͤndig verpflichtet ſchaͤtze; alſo
habe das gewiſſe vertrauen, ſie werden durch
die ungeſchicklichkeit meiner fluͤchtigen gedan-
cken, ſich ietzo darinn nicht veraͤndern laſſen,
ſondern
[267]des ſtili inſonderheit.
ſondern meinen ſchwanckenden worten beſtaͤn-
dig geneigte aufmerckſamkeit erlauben. So
vieles ſich auch unſern gedancken auf den ſchau-
platz der groſſen welt als veraͤnderlich abbildet,
ſo will es doch nicht ohne urſach dafuͤr gehalten
ſeyn, und nach derſelben urſachen beſchaffen-
heit, folgen auch ſo mannigfaltige und widri-
ge wuͤrckungen. Wird der Menſch, wie ich
bereits oben erwehnet, mit groſſem recht die
kleine welt genennet, ſo iſt fuͤr ſich klar, daß der-
ienige erſt gluͤcklich von ſeinen veraͤnderungen
urtheilen koͤnne, welcher die urſachen ſeines
wechſelnden gemuͤths, und daher wuͤrcklich
entſtehende folgerungen in reiffere uͤberlegung
ziehet. Geldliebe, ehrſucht, wolluſt, ſind 3.
winde, welche unaufhoͤrlich das meer des
menſchlichen gemuͤthes beunruhigen, und
wenn ſie heftig geruͤhret werden, einen ſturm
nach den andern in demſelbigen erregen. Hier-
aus duͤrfte man vielleicht ſchlieſſen, daß ſolches
eines von denen groͤſten verdruͤßlichkeiten der
ſterblichen ſey. Jch will ſolches zugeben, allein
nur alsdann, wann einem naͤrriſchen Miſeno,
ich meine der verderbten einbildung, die
regierung uͤber ſolche, unbedachtſamer weiſe,
anvertrauet wird. Denn iſt ein weiſer Aeo-
lus oder die verbeſſerte vernunft, welcher das
regiments-ruder eigentlich zukommt, ein be-
herrſcher davon, ſo iſt die bewegung derſelben
vielmehr nuͤtzlich als ſchaͤdlich. Waſſer wel-
che in verachteten thaͤlern immer ſtille ſtehen
und
[268]von denen unterſchiedenen arten
und von keinem winde erreget werden, fangen
endlich an zu faulen und zu ſtincken, und
menſchliche gemuͤther, welche von keiner
vergoͤnnten bemuͤhung nach gelde, von keiner
arbeit nach dem gipfel der ehre, von keiner an-
nehmlichkeit gerechter wolluſt veraͤndert wer-
den, geben in ihren verrichtungen an den tag,
daß ſie ſich eher zu ſtummen ſtatuen auf die
haͤuſer, als vernuͤnftigen creaturen auf den erd-
boden geſchickt haͤtten. Alſo kommt es bloß
auf die bewegungs kraft der neigungen an.
Wie der koͤnig beſchaffen, ſo ſind ſeine unter-
thanen. Maſſet ſich die verderbte einbildung
der herrſchaft unbeſonnener weiſe an, ſo werden
entweder naͤrriſche oder ſchaͤdliche veraͤnderun-
gen die wuͤrckung davon ſeyn. Theilet aber
die zum regieren verordnete vernunft welche
durch unablaͤßiges verbeſſern zur vernunft
worden, die befehle aus, da werden dieſe regun-
gen alſo abwechſeln, daß man ſie zu einer zeit
vor noͤthig zur andern vor nuͤtzlich erkennen
muß. Welchen der mangel ſattſamer unter-
ſcheidungs-kraft, aus verderbter einbildung,
zum unverſtaͤndigen ſclaven des mammons
ausgeſondert, beurtheilet alle andere nach der
in ihm herrſchenden begierde, und hingegen
mangelnden liebe gegen ſeines gleichen. Des-
wegen glaubt er, daß er mit brennenden eyffer
ſich nach dem mittel ſeiner beſchuͤtzung umzuſe-
hen habe. Wer vor eigner vermeinten uͤber-
groſſen faͤhigkeit und unſtreitigen vorzug fuͤr
andern
[269]des ſtili inſonderheit.
andern, ſeinen eignen ſchatten bewundert, mei-
net gleichfalls er muͤſſe auf diejenigen ſtuffen
treten, welche ihn vor andern in die hoͤhe fuͤh-
ren. Ein anderer der vor der Veneri die knie
beuget oder dem Baccho altaͤꝛe aufrichtet, oder
ſeine Freunde vor den grund ſeiner vergnuͤgung
haͤlt nach dem trieb der blinden einbildung,
ſucht gleichfalls andere mittel herfuͤr, ſich in ſei-
nem elemente zu erhalten. Ja ſelbſt wer durch
die vernunfft ſeine begierden in zaum und zuͤgel
fuͤhret, haͤlt es fuͤr eine thorheit immer auf einer
leyer ſpielen und bey allen veraͤnderungen ſich
wie einen unbeweglichen klotz zu erweiſen.
Wenn man durch dieſe gruͤnde den wechſel
menſchliches gemuͤthes einzuſehen bemuͤhet iſt,
ſo wird man viel einen vollkommern begrif
ihm von denen ſo ſo ſehr unterſchiedenen wuͤr-
ckungen machen koͤnnen. Warum iſt ein
mann, welcher fuͤr weniger zeit iedermann
die groͤſten hoͤflichkeiten erwieſen, ietzo ſo
ſchwuͤlſtig, daß er meinet, die gantze welt muͤſ-
ſe ihm zu fuſſe fallen? Aus keiner andern urſa-
che, als weil ihm ein blindes gluͤck die kaſten
gefuͤllet, und vermoͤgend gemacht in ſeinen pal-
laͤſten armer leute huͤtten zuverſchlucken. Denn
Lutheri worte ſind noch heute zu tage fuͤr wahr
zu halten, wenn er ſpricht: Ein bauer der 10.
rthl. hat, bruͤſtet ſich und weiß nicht ob er auf
dem kopfe oder fuͤſſen gehen ſoll. Man ver-
ſuche es und gehe mit verſilberten haͤnden ihm
unter augen, im augenblick werden alle ehren-
bezeu-
[270]von denen unterſchiedenen arten
bezeugungen herfuͤrgeſucht, und uns angethan
werden, wenn ſie uns auch ſchon nicht zu-
kommen. Hat er etwas mit der mutter milch
in der jugend eingeſogen, welches ihm ein un-
geſchickter lehrmeiſter nicht zu benehmen ge-
trachtet, da ſcheint er wieder allen guten unter-
terricht unbeweglicher als ein berg darauf
donner und blitz loß ſtuͤrmen. Bringet man
ihm aber die hofnung eines gewinſtes bey, da
ſind 1000. eyde nicht genung, ihn auch bey den
loͤblichſten vorſaͤtzen zu verbinden. Jtzo ſucht
er alle kleinigkeiten mit der groͤſten ſorgfalt
zuſammen, und bald verſchlaͤudert er auch die
wichtigſten ſachen, weil er etwa dadurch meh-
rers zugewinnen trachtet, oder zum wenig-
ſten ſich in einem ſtande zuſeyn glaubet, da er
niemahls banqueroutiren koͤnne. Was er
dieſe ſtunde fuͤr ein geheimniß des ſtaats gehal-
ten, wird in der andern ohne weitlaͤuftigkeit
ausgeſchuͤttet, wenn die verfluchte mißgunſt
dem geitze die zunge loͤſet. Bald eilet er mit
furchtſamen ſchritten in die verborgenſten win-
ckel und ſcheinet fuͤr menſchlicher geſellſchafft ei-
nen abſcheu zu tragen, bald aber will er in allen
verſamlungen gegenwaͤrtig ſeyn, und mit ieder-
mann bekanntſchafft aufrichten, damit er dort
auf anderer unkoſten zehren, hier aber ſeine
ducaten vermehren, in beyden aber veraͤcht-
lich von andern ſprechen koͤnne. Wer den
Baal des ehrgeitzes fuͤr ſeinen abgott haͤlt, iſt
ein rechter Prometheus, welcher ſich bald wie
einen großmuͤthigen loͤwen, bald wie einen feu-
er-
[271]des ſtili inſonderheit
erſpeynden drachen, bald wie ein in der ebene
flieſſendes waſſer, bald wie eine an die wolcken
ſteigende flamme fuͤrſtellet. Ein ſolcher haͤlt
dasjenige fuͤr eitel, worinnen der Mammons
diener ſein leben ſuchet, und liebet das, was
jener als leere winde verlachet. Seines wun-
ſches theilhaftig zu werden, ſpahret er keine ehr-
bezeugungen, er will ein unterthaͤnigſter diener
von allen ſeyn. Wirft ihm endlich das gluͤck
eine ehren-decke um, ſo meinet er, es ſey ihm
damit zugleich alle darzu gehoͤrige geſchicklich-
keit mitgetheilet, da werden die vorher gar zu
hoͤflichen minen ietzo mit einem angemaſten an-
ſehen ſo ſehr vermindert, daß ſie kaum ein ſchat-
ten der vorigen zu nennen. Alle verrichtungen
werden mit ſonderbahrer ſtellung des leibes an-
gefangen und auch auf der gaſſe werden die
fuͤſſe gezwungen, alle auf den tantz-boden er-
lernete artigkeiten oͤffentlich zu zeigen Wo-
mit er augenſcheinlich zu verſtehen giebt, daß
die erhaltene ehre zu groß fuͤr ſeiner engbruͤſti-
gen ſeele ſey. Er iſt ſelber nicht vermoͤgend ſeinen
hochmuth von einem hauſe zum andern zu tra-
gen, deßwegen bedienet er ſich der gutſche und
pferde. Ein ander will mit gewalt alle ehre
zu verachten ſcheinen. Allein Diogenes mag
noch ſo ſehr Platonis kleider mit fuͤſſen treten,
iedermann glaubt daß ers mit groͤſſern hoch-
muth thue, und daß auch unter ſeinen ſchmutzi-
gen rocke eine aufgeblaſene Seele wohne. Func-
cius verwechſelt zu ſeinen ungluͤck, den ſeiner
mei-
[272]von denen unterſchiedenen arten
meinung nach verachteten prediger-ſtand mit
einer rathsbeſtallung aus lauterm hochmuth.
Jetzo umfaſſet er ſeine verehrer mit der groͤſten
liebe, und ein einziges wort, welches ſeine ehre
zu ruͤhren ſcheinet, iſt gnug, alle zornige fluthen
und rache auch auf den unſchuldigſten auszu-
ſchuͤtten. Ein alberner Carneades diſputiret
heute oͤffentlich, daß die gerechtigkeit ein gedich-
te muͤßiger leute ſey, und morgen iſt er beſchaͤff-
tiget das gegentheil zu behaupten, ſeine gelehr-
ſamkeit zu zeigen. Was fuͤr andaͤchtige ge-
berden zeiget nicht der ehrgeitz in dem geſichte
eines ſelbſt erwehlten heiligen, welcher doch
wohl nicht nur in dem innerſten ſeines hertzens,
ſondern auch ſeines hauſes denen laſtern, ſanf-
te kuͤſſen unterleget. Mancher verfluchet die
fehler geringer leute ohn aufhoͤren, und hinge-
gen die laſter erhabner und geehrter leute, wol-
te er lieber vor tugenden halten, da doch der
koth heßlich bleibt, ob er ſchon in chryſtallinen
gefaͤſſen aufgehoben wird, und die laſter gar-
ſtig zu nennen ſind, wenn ſie ſchon in ſammt
und guͤldene ſtuͤcken eingehuͤllet werden. Das
maͤchtigſte, ſo unſern fuß von den wege der be-
ſtaͤndigkeit verruͤcket iſt die wolluſt, und die ein-
bildung eines vergnuͤgens in verbotener belu-
ſtigung der ſinne. Dieſe iſt die zauberiſche
Circe, welche den menſchen bald in ſchweins-
bald in pfauen-geſtalt veraͤndert, bald mit af-
fen-bald mit hunde-geſichte fuͤrſtellet. Wie
wechſelt nicht ein verliebter narre die kleider
da-
[273]des ſtili inſonderheit
mit er ſeiner liebſten gefallen moͤge, uͤberall
wird man ihn mit baͤndern prahlen ſehen. Je-
tzo gehet er mit fluͤchtigen ſchritten, wo er aber
irgend von ferne das ihm angenehme ſchim-
mern ſiehet, werden gleich die glieder in eine
liebreitzende ſtellung gezwungen, augen und
haͤnde muͤſſen ihre bewegung nach einen gewiſ-
ſen tact einrichten. Und eben das was ihm
heute goͤttlich und uͤbermenſchlich vorgekom-
men, iſt morgen das verachteſte. Da wird
man inſonderheit wahr zu ſeyn befinden was
Seneca uͤberhaupt von der menſchlichen auf-
fuͤhrung urtheilet; Aliud ex alio placet, vexat,
nos fluctuamus, petita relinquimus, relicta
repetimus, alternae inter cupiditatem n -
ſtram \& poenitentiam vires ſunt. Wer zu
des Bacchi geſellſchaft ſich haͤlt, wie veraͤndert
der nicht ſein gemuͤthe, und nach der beſchaffen-
heit des gemuͤthes ſeine lebens art. Bald
fuͤhret er ſich wie eine raſende unruhe auf, wel-
che alles zernichtet alles zerſchaͤndet, alle erbar-
keit aus dem augen ſetzet. Bald will er alles
aus ſonderbahr angenommener aufrichtigkeit
und treuhertzigkeit, mit unaufloͤßlichen freund-
ſchafts banden feſſeln. Wer endlich die tu-
gendhafte vernunft zur fuͤhrerin ſeiner neigun-
gen auserſehen, wird ſich keinem baume ver-
gleichen laſſen, welcher von der winde gewalt,
weil er nicht weichen gelernet, zertruͤmmert
wird. Nach der zeiten lauf, wird er ſeinen
gang ietzt ſo, ietzt auf eine andere art einrichten,
Sund
[274]von denen unterſchiedenen arten
und den geſetzen der abwechſelungen ſein ge-
muͤth niemahls entziehen. Einem Jndianiſchen
hunde kommt es nur zu, den einmahl gefaſten
loͤwen ſo feſte mit den zaͤhnen zu halten, daß ihm
auch die ſchmertzhafle abhauung der fuͤſſe nicht
davon abbringet. Democritus und Heraclitus
werden bey uns faſt fuͤr ſchalcks-narren gehal-
ten, weil wir uns bereden laſſen, jener habe im-
mer gelacht, dieſer unaufhoͤrlich geweinet.
Man ruͤhmet die klugheit des Roͤmiſchen kaͤy-
ſeꝛs Marci Antonini Philoſophi noch bey unſereꝛ
ſpaͤten nach-welt in den beygelegten nahmen
des weltweiſen: Allein ich zweiffele. daß ihm
die rechte welt weißheit iemahls dieſe lehre ge-
geben, welcher er doch ſo eyfrig nachgelebet,
daß man niemahls von iugend auf, weder
durch die haͤrteſte betruͤbniß, nach angenehm-
ſten freuden-poſten ſein gemuͤth veraͤndeꝛn muͤſ-
ſe. Leute zwar welche den vorurtheilen der
Stoiker gehoͤr geben, werden das fuͤr die groͤſte
weißheit halten, heute eben dieſes wollen, was
man geſtern gewuͤnſchet. Ein beleſener Lipſius
aber, hat uns bereits ihre thorheit gezeiget, weñ
er ſaget: Welche ihre meinung mit ſtahl und
eiſen in dem gemuͤthe als in marmor gegraben,
ſind nicht faͤhig, geſchickte urtheile und wohlge-
gruͤndete rathſchlaͤge anderer, ihnen zu nutze zu
machen. Haͤtte Theſeus bey ſeiner gluͤckli-
chen zuruͤckkunft an ſtatt des ſchwartzen ſeegels
auf ſeinem ſchif, ein weiſſes aufzuſtecken nicht
vergeſſen, wuͤrde ſeines abgelebten vaters Ae-
gei
[275]des ſtili inſonderheit.
gei gemuͤth nicht in ſolche bekuͤmmerniß gera-
then ſeyn, daß er in dem unergruͤndlichen meere
einen grund ſeiner leidenſchaft geſuchet. Und
derienige iſt ohnſtreitig unter die klugen zu rech-
nen, welcher nach den befehlen der vernunft,
ſich bald ſo, bald anders auffuͤhret. Alſo ſcheint
zwiſchen der bewegungs kraft des gemuͤthes
durch die verderbte einbildung, und durch die
verbeſſerte vernunft der groͤſte unterſchied da-
rinn zubeſtehen, daß iene durch die menſchliche
neigungen, theils naͤrriſche theils ſchaͤdliche
wuͤrckungen herfuͤrbringet, dieſe hingegen,
durch eben ſelbige, unumgaͤnglich noͤthige und
nuͤtzliche veraͤnderungen verurſachet. Beyde
ſind alſo bewegende urſachen des menſchlichen
gluͤcks und ungluͤcks, nur daß iene dem gluͤcke
mehrentheils unterlieget, oder an ſtatt eines
balles mit dem menſchen zu ſpielen pfleget, dieſe
aber auch dem gluͤcke befehlen und mitten un-
ter den moͤrdlichſten waffen uñ feindſeligkeiten
dennoch triumphiren kan. Mehr redete ich,
mehr haͤtte ich zu reden, allein ich beſorge, H.
und H. A. meine ſtammlende zunge werde ver-
moͤgend ſeyn, Dero beſtaͤndig geneigtes auf-
mercken, in einen wiederwillen zu veraͤndern.
Redete ich alſo mit leuten, welche nur den nah-
men von dem Chriſtenthum entlehnet, ſo wuͤr-
de ich zum beſchluß mich bemuͤhen muͤſſen, ihre
gemuͤther von den irrdiſchen wandelbahren
thaͤlern, auf die unbeweglich ſtehende berge
Jſraelis zu fuͤhren. Denn wer da ſtehet darf
S 2ſich
[276]von denen unterſchiedenen arten
ſich keiner veraͤnderung befuͤrchten, denn wenn
es blitzt und donnert, ſo blitzt und donnert es
unter ſeinen fuͤſſen, und ihm ſchenckt die ſonne
der gerechtigkeit die angenehmſten ſtrahlen.
Jch wuͤrde die unbeſtaͤndigkeit des Ecebolii ver-
fluchen, welcher unter den kaͤyſern Conſtantino
Conſtantio, Juliano, Jouiano ſeine religion
zu einer mode machte, welche bald ſo bald an-
ders, nach dem geſchmack der welt koͤnte einge-
richtet werden. Jch wuͤrde die unbeſtaͤndigkeit
des creutz-vogels Loxiae veraͤchtlich fuͤrſtellen,
welcher alle winter ſeine farbe veraͤndert. Jch
wuͤrde es eine thieriſche veraͤnderung nennen,
wenn man in ſeiner bekehrung dem wolffe
nachahmen wolte, und zwar die haare, aber
nicht den rauberiſchen ſinn aͤnderte. Redete
ich endlich mit ungelehrten, ſo wuͤrde meine
groͤſte ſorgfalt dahin gehen muͤſſen, zu zeigen,
wie gefaͤhrlich es ſey, einem unbeſonnenen
Phaethonti die regierung ſeiner affecten anzu-
vertrauen, und wie vergnuͤglich es hingegen, der
vernunft den zuͤgel davon zuuͤbergeben. Jch
muͤſte darthun wie eine kluͤgliche abwechſelung
des gemuͤthes, eine mutter der meiſten tugen-
den ſey. Man glaubt daß in ein hauß, da
man bey ploͤtzlich entſtandenen ungewitter feu-
er anzuͤndet, ſo leicht kein donnerkeil einen er-
ſchreckenden ſchlag thue. Es iſt aber leichter
zu glauben, daß in eine ſeele, wo vernunft und
tugend ihr feuer und heerd haben, kein wiedri-
ges ſchickſaal eindringen und verwirrung an-
rich-
[277]des ſtili inſonderheit.
richten koͤnne. Jch muͤſte anfuͤhren, was den
Jcarum der fluͤgel beraubet, und ihn aus der
gemeinſchaft der geſtirne in den tiefſten ab-
grund geſtuͤrtzet, nehmlich ſeine von abge-
ſchmackter einbildung verurſachte veraͤnde-
rung. Sie erlauben mir alſo H. und H. A.
nur noch dieſes hinzuzufuͤgen, daß der gezie-
menden veraͤnderung des gemuͤthes, vor dem
poͤbel, als welchem der glantz der wichtigſten
wahrheiten nur die augen zu blenden u. ihn zum
haß zu veraͤndern pfleget, eine decke kluger auf-
fuͤhrung und verſchwiegenheit muͤſſe fuͤrgehan-
gen werden. Denn unter denenjenigen wel-
che mit ihrem verſtande unwiſſenheit und vor-
urtheile uͤberwunden, iſt es eine ausgemachte
ſache, daß die beſtaͤndigkeit zwar eine der
vornehmſten tugenden, allein haͤrte und halß-
ſtarrigkeit des gemuͤthes ein weit groͤſſeres la-
ſter ſey.
Dixi.
§. 4. Endlich iſt der hohe ſtilus der praͤch-
tigſte, aber auch der gefaͤhrlichſte.a) Er iſt
nur bey hohen obiectis zugebrauchen, davon
man nur die ideen der hoheit zuſammen ſucht,
b) ſelbige durch lauter tropos und figuren, oder
mit worten und redens-arten, welche die neben-
ideen einer hoheit haben, mit dazu genom-
menen emphatiſche beywoͤrtern, ausdrucket,
die iunctur der rede durch den zuſammenfall
der conſonantium und langer vocalium etwas
maieſtaͤtiſch, und den numerum donnernd und
S 3praſſelnd
[278]von denen unterſchiedenen arten
praſſelnd machet, auch meiſt realiter connecti-
ret, dannenhero die groͤſte tugend dieſes ſtili
darinn beſtehet, daß alle theile die hoheit des
obiecti vor augen zu legen, mit groſſem fleiß
zuſammen geſetzt ſind und conſpiriren. Das
abgeſchmackte, geſchwuͤlſtige, gar zu weit ge-
triebene weſen, iſt hier ſorgfaͤltig zu vermei-
den.c)
Rede
Auf Friedrich Wilhelm den groſſen,
Churfuͤrſten zu Brandenburg.
Fuͤrſten welche den ſcepter durch tugend er-
hoͤhen, uñ den thron mit tapferkeit unterſtuͤtzen,
muͤſſen eben ſo wohl den grauſamen geſetze des
todes unterworffen ſeyn, als diejenigen, welche
ihren purpur mit laſtern beflecken und ihren
hoff zu einen beſtaͤndigen ſitz, aller boßheiten
machen. So wohl ein die liebe der gantzen
welt an ſich ziehender Titus welcher den tag
fuͤr verlohren ſchaͤtzet, an welchen er niemanden
eine wohlthat erzeiget, als ein ungeheuer der
natur und raſende baͤrenbrut Nero, muß er-
fahren, daß die ſterblichkeit uͤber ihn herſche.
Wenceslaus und Guſtavus Adolphus wer-
den beyde in ihre erbbegraͤbniſſe eingeſencket,
obſchon dieſer als ein muthiger vor kirch und
vater
[281]des ſtili inſonderheit.
vaterland ſtreitender loͤwe ſeinen heldmuͤthigen
geiſt auffgiebt und iener mitten unter voͤllerey
un faulheit als ein anderer Sardanapalus hin-
geriſſenwird. So eine unſtreitige wahrheit nun
dieſes iſt, daß das allgemeine verhaͤngniß, ohne
anſehen, fuͤrſtliche ſtuͤhle umſtuͤrtzet: So ge-
wiß bleibt es doch hingegen, daß ein unendlich
groſſer unterſcheid unter dem erblaſſen eines
frommen Auguſti oder tapfern Germanici
und unter dem ableiben eines grauſamen Tibe-
rii oder verzagten Caligulae, Jch will ietzo
nicht ſagen von der art zu ſterben, ob es wohl
ausgemacht iſt, daß blutduͤrſtige tyrannen
gemeiniglich der wut erzuͤrnter unterthanen,
oder dem wurm eines nagenden gewiſſen, bey
ihren ende preiß gegeben werden: Jch will
auch nichts gedencken, von dem ort, welcher
nach ihrem tode den unſterblichen geiſtern, in
der langen ewigkeit an gewieſen wird: Son-
dern ich will nur von den allerdauerhaftigſten
und von keinem roſt und moder der zeit zu be-
ſiegenden denckmahle in ſo viel tauſend ſee-
len etwas erwehnen, woraus dieſer unter-
ſchied ſonnen-klar ſich darſtellen wird. Wie
gerne verbannete nicht, ein durch den todt von
dem wuͤterich Tiberio befreyetes Rom, das
gedaͤchtniß ſeiner verfluchten regierung, wuͤn-
ſchete, da es ſeinen erblaſſeten coͤrper der be-
graͤbniß unwuͤrdig, in die Tiber, werffen wol-
te, daß es hiemit zugleich alle merckmahle ſei-
ner tyranney in den abgrund der vergeſſenheit
S 5verſen-
[282]von denen unterſchiedenen arten
verſencken koͤnte. Wie gerne wuͤrde das von
einem mordgierigen Herode erloͤſete Judaea
unter 1000 erley freudens bezeugungen ſeines
todes und ungeheuren thaten vergeſſen haben,
wenn nicht das zu einem blut-urtheil gemachte
teſtament ihnen auferleget, ſein vermaledey-
tes andencken unter lauter fluch und rache auf
die nachwelt beyzubehalten. Denn auch die
nahmen ſolcher unbemenſchten menſchen ver-
dienen nicht aufgezeichnet zu werden, als zu
dem ende, daß man bey nennung derſelben aus-
ſpeyen, und die menſchliche natur bey erzeh-
lung ihrer ſchandthaten fuͤr ſolche ungeheuer
zu erſchuͤttern urſach habe. Die tugend hin-
gegen, ob ſie ſchon mit keinen goͤttlichen eigen-
ſchafften pranget, und ihre beſitzer neben ſich
der ſterblichkeit entreiſſen noch verewigen kan,
ſo ſchencket ſie ihnen doch die hertzen ſo vieler
1000 nachkommen, welche aus danckbarkeit
ſelbige zu behaͤltniſſen ihres glorwuͤrdigſten
gedaͤchtniſſes machen. Auguſtum ſetzet man
an den ort, welcher nur von goͤttern durtfe be-
ruͤhret werden. Germanici todt verurſachet
ein ſolches ungewitter der traurigkeit in den
gemuͤthern ſeiner verehrer, welches endlich ge-
heiligte tempel und altare einreiſſet, ihm ſelber
aber ein unſterbliches andencken ſeiner ta-
pferkeit daraus aufrichtet. Alles wodurch
Agricola die liebe und verwunderung aller an
ſich gezogen, ſagt Tacitus, iſt in dem anden-
cken der menſchen, wie in ertz und marmel ge-
graben,
[283]des ſtili inſonderheit.
graben, ſelbſt die zeit und das geruͤcht, werden
ſtuͤtzen dieſes denckmahls ſeyn. Und haben
die roͤmer ein ehren-mahl aufgerichtet, muͤſſen
die worte dabey ſtehen: Die nachwelt be-
wundere, was ſie nicht nachahmen kan. Jn-
dem ich mich unterwunden H. und H. A. die
geheiligte aſche des groſſen Fr. W. Ch. z. B.
in meiner rede Jhnen zu zeigen, ſo thue nichts
anders als daß ich der tugend ihr gebuͤhren-
des opfer auf demaltar meiner ſchuldigkeit dar-
lege, und indem ich ſeiner ungemeinen hel-
den-thaten abdruck ihnen fuͤrſtellen will, ſo
erblicken ſie zugleich merckmahle desjenigen
unterſcheides, womit ſich tugendhafte und
tapfere printzen, von denienigen bey ihrem
abſterben unterſcheiden, welche als ſclauen
aller laſter in der unterwelt, ſich aufgefuͤhret
haben. Alexander welchen ſeine thaten groß
gemacht, will nur vom Apelle gemacht und
vom Lyſippo in ſtein gehauen ſeyn, ein krie-
geriſcher Ageſilaus, will nur von den beruͤhin-
teſten meiſtern Griechenlandes ſein bildniß ver-
fertigen laſſen, und Achilles kan nur vom
Homero beſungen werden. Hier moͤchte mich
nun iemand einer hoͤchſtſtrafbaren vermeſſen-
heit beſchuldigen, daß ich unangeſehen mei-
ner ſchwachen zunge, vermoͤge deren ich unter
den rednern unſers Teutſchlandes, wie ein lal-
lendes kind unter fertigredenden leuten ſtam-
mere, mich dennoch unterſtanden, den nah-
men eines ſo groſſen helden und fuͤrſten, in dero
werthe-
[284]von denen unterſchiedenen arten
wertheſten verſamlung zu verehren. Allein,
Alexander wuͤnſcht nur darum ſein leben vom
Homero beſchrieben der nachwelt zu ſchencken,
damit eine fabelhaffte feder ſeinen thaten
gleichſam ein vergroͤſſerungs-glaß geben moͤ-
ge und Auguſtus hat nur darum ein gefallen
an der Aeneis Virgilii, weil er ihn darinn zum
anverwandten der goͤtter zu machen bemuͤhet
iſt. Und ich habe mit fleiß den groſſen Fr. W.
zum inhalt meiner rede erkieſet. Fehlt es mir
ſonſt an artigen erfindungen, ſo nehme ich an
deren ſtatt die thaten und tugenden dieſes
theureſten hauptes, finde ich einen mangel
bey mir wohlausgeſuchter worte, ſo darf ich
nur ſein glorwuͤrdigſtes leben durchgehen, ſo
werde an praͤchtigredenden gedancken einen
uberfluß haben. Billich beklagen ſich die be-
redteſten redner, wenn ſie von goͤttern auf er-
den reden wollen, daß es ihnen gehe, wie den
ſchnecken, die weder hertz noch zunge haben,
denn ſie wollen loben, ich will nur erzehlen.
Sie machen es wie Zeuxis, welcher wenn er
die Venerem mahlen ſoll, alle ſchoͤnheiten des
gantzen griechen-landes ſamlet, und von einer
ieden etwas goͤttliches ſeinen gemaͤhlde einver-
leibet. Sie ſuchen die tugenden anderer po-
tentaten auf, und wenden ſolche zu ihren ge-
brauch an. Jch darf nur wenn ich vom groſſen
Fr. W. reden will, den groſſen Fr. W. be-
trachten, denn an ihm finde ich alle fuͤrſtliche
tugenden, und was ich an ihm finde, ſind
fuͤrſt-
[285]des ſtili inſonderheit.
fuͤrſtliche tugenden. Ubrigens wird deſſen im-
mergruͤnender lorbeer dadurch nicht verwel-
cken, wenn ich ſolchen mit unreiner hand be-
ruͤhre, und ſein bild mit etwas ungeſchick-
ten farben und zitternden ſtrichen zu entſchat-
ten, mich erkuͤhne, wo mich H. A. von dero
geneigten aufmercken und urtheil in meinem
unternehmen begleitet ſehe. Die in allen
menſchlichen verrichtungen ihre befehle aus-
theilende unbeſtaͤndigkeit, hat auch der maͤch-
tigſten ſtaaten nicht geſchonet. Und ich ver-
wundere mich nicht, wenn die alten behauptet,
daß nach dem bilde der faſt circulrunden er-
den, alle ſachen und reiche circulsweiſe, nach-
dem das wanckende gluͤck das unbeſtaͤndige
rad drehet, ihren lauf fuͤhreten, die erfahrung
giebet ihnen beyfall. Jch rede nicht von dem
gaͤntzlichen untergehen alter und friſchem auf-
gehen neuer reiche, ſondern nur von denen
veraͤnderungen die in bereits eingerichten ſtaa-
ten ſich zutragen. Bald muß ſich das freye
Portugall zu dem Spaniſchen ioche beque-
men, da es kurtz vorhero unter eignen koͤnigen
Mohren und Spaniern getrotzet: Bald aber
entlaſtet es ſich deſſelben, u. beginnet zu voriger
hoheit zu ſchreiten. Unter denen regenten ſelbſt
findet ſich ein beſtaͤndiger wechſel. Wie an
dem ſtern-himmel, ſterne welche kurtz vorher
ihr funckelndes licht unſerm geſichts-kreiß ge-
wieſen, endlich ſich zum untergange neigen,
und wie ſich bey denen reineſten fixſternen, bald
aus-
[286]von denen unterſchiedenen arten
ausſchweiffende planeten, bald auch erſchre-
ckende cometen einfinden, alſo wird man an
den regenten-himmel groſſer laͤnder beydes
wahrnehmen. Scufzete ehemahls religion
und freyheit Britanniens, unter einer paͤbſti-
ſchen Maria: So folget gleich eine tapfere
Semiramis und großmuͤthige Zenobia die
Eliſabeth, welche ihr land mit bluͤhenden zei-
ten, ihre unterthanen mit ſieges-kraͤntzen, ſich
ſelber aber mit einem unſterblichen ruhme be-
zeichnet. Hatte hingegen Carolus der V. die
Spaniſche Monarchie, auf den hoͤchſten gip-
fel der vollkommenheit getrieben, ſo verlieret
ein ungluͤcklicher Philippus unter ſeinen
nachfolgern, die meiſten und koſtbarſten edel-
ſteine aus ſeiner krone, durch die von ſeinem rei-
che geſpaltene provinzen. Der Branden-
burgiſche adler ſcheinet in beyden ſtuͤcken, et-
was goͤttliches, und fuͤr andern ſonderbahres
an ſich zu haben. Unter ſeinen beſitzern findet
ſich in 900. iahren, ſo lange ſie unter die Teut-
ſchen printzen gezehlet worden, keiner, der nicht
wuͤrdig geweſen waͤre kronen gold zu tragen,
und ein herr unzehlicher laͤnder zu ſeyn, ob ſchon
das verhaͤngniß ſolches biß in die letzten zeiten
fuͤr ihnen geſparet. Keiner von ſeinen durch-
laͤuchtigſten Churfuͤrſten, hat unter den geſetzen
der vormundſchaft regieren gelernet, weil auch
die iuͤngſten hiezu geſchickt waren. Und ein
kluger Frid.II. ſchlaͤgt gar 2 ihm angebotene
kronen, die Pohlniſche und Boͤhmiſche groß-
muͤ-
[287]des ſtili inſonderheit.
muͤthigſt aus. Sein durchlauchtigſter ſtaat
iſt deshalben von dem himmel mit ſo guͤtigen
augen angeſchauet worden, daß er in dieſer
langen zeit, keine ungluͤckliche zufaͤlle erfahren,
ſondern in beſtaͤndigen wachsthum, biß dieſe
ſtunde ſeinen glantz erhalten. Sonderlich iſt
der gluͤckliche nahme Friederich demſelbigen
ein beſtaͤndiges merckmahl zuwachſender ho-
heiten und ſich vermehrender laͤnder geweſen:
Ob ſchon auch ein tapferer Albertus mit den
degen ſeinen nahmen in das buch der ewigkeit
als ein Teutſcher Achilles angeſchrieben, und
ein weiſer Joachimus durch den nahmen eines
Teutſchen Neſtoris ſich verewiget. Viele
potentaten wiſſen auch was ihnen ſonſt nicht
zukoͤm̃t, mit blut und todt draͤuenden ſchwerdte
ihnen zuzueignen: Brandenburg allein, hat
meiſtens unter den friedlichen palmen, ſeiner
gerechtigkeit belohnung, in ſo erwuͤnſchten zu-
wachſe gefunden. Und aus dem Branden-
burgiſchen gluͤcks-topfe, haben auch andere die
fuͤrtreflichſtẽ loſe gezogen. Rudolph von Habs-
burg ſtamm-vater des maͤchtigſten Oeſter-
reichiſchen hauſes, hat die kaͤyſerliche wuͤrde am
meiſten einen Brandenburgiſchen Friederich
zu dancken, welchem die danckbare nachwelt
den nahmen eines edlen beygeleget. Und eben
dieſer erwarb auf dem Reichs-tage zu Acken,
fuͤr ſich und ſeine durchlauchtigſte erben das
Burggrafthum Nuͤrnberg. Carolus der IIII.
hatte es niemand anders zuzuſchreiben, daß er
den
[288]von denen unterſchiedenen arten
den koͤniglich Boͤhmiſchen mit dem kaͤyſerlichen
reichs-apfel vertauſchen konte, als einem
Brandenburgiſchen Friedrich, welches er
ſelbſt erkannte, wenn er die hoͤchſte gewalt der
Chriſtenheit bey ſeiner abweſenheit in deſſen
haͤnde uͤberlieferte, und deſſen wapen durch den
beſitz vieler ſtaͤdte vergroͤſſerte. Ein andrer
Friderich ſtuͤtzte die durch krieg und unruhe er-
ſchuͤtterte krone auf dem haupte Sigismundi,
und ſetzte dafuͤr den churhut ſeiner Hohenzolle-
riſchen Familie auf, welcher mit dem Bran-
denburgiſchen ſcepter vergeſellſchaftet, koͤni-
glichen kronen den rang nunmehro zweiffelhaf-
tig machte. Die meiſten von den vor-eltern
unſers groſſen Fr. W. will ich andern anzu-
fuͤhren uͤberlaſſen, denn ich habe bereits dar-
gethan, daß er die weiſeſten und tapferſten
printzen Europae, unter ſelbigen zehle und daß
es wahr ſey, das adler nur adler zeugen koͤnnen.
Nur des durchlaͤuchtigen vaters, des großmuͤ-
thigen Georg Wilhelm muß ich erwehnung
thun, welcher bey der tauffe, unſers groſſen
Fr. Wilhelms nicht zugeben wolte, daß deſſen
hohe pathen ihm das ſo genannte pathen-geld
einbinden ſolten, um gleichſam zu verſtehen zu
geben, es wuͤrde derſelbe einmahl von keinem
andern die federn leihen duͤrfen, ſeinen adler
auszuſchmuͤcken. Er war der einzige printz in
welchem die tugenden aller durchlaͤuchtigſten
vorfahren ſich geſamlet und die hofnung ſo vie-
ler laͤnder beruhete. Denn es war nicht noͤ-
thig
[289]des ſtili inſonderheit.
thig daß er geſchwiſter hatte, weil die glor-
wuͤrdigſten eltern ſchon alles in ihm dem groſ-
ſen Teutſchen Reich, ia gantz Europae gege-
ben hatten. Doch weder die verdienſte der el-
tern, noch die gluͤckverheiſſende geburts ſtun-
de iſt vermoͤgend, den ſchaden zu erſetzen, wenn
eine verderbte auferziehung die bluͤten der tu-
gend in dem blute der iahre erſticket, und Ti-
berius ziehet an dem Caligula der ſtadt Rom
eine giftige ſchlange, und der welt einen unbe-
ſonnenen Phaͤeton auf. Fridrichs W. hoher
geiſt brauchte zwar nicht, auf den tugend-weg
geleitet zu werden, wozu er ſelbſt einen innern
trieb fuͤhlete, doch kan ich nicht leugnen, daß die
kluge aufſicht, des um ſeine auferziehung ſich
hoͤchſt verdientmachenden Joh. v. der Burg
und deſſen geſchickte unterweiſung, ein merck-
liches beygetragen, die in ihm gelegte faͤhigkeit
des verſtandes vollkommen zu machen, und die
herliche begierde zur tugend zu vergroͤſſern. Hie-
durch wurde er geſchickt dem Auguſto nachzu-
ahmen, und den regiments-ſtab im 20ſten iah-
re ſeines alters, als der großmuͤthige Georg
Wilhelm aus der welt gieng, beydes zu ergreif-
fen und kluͤglich zu fuͤhren, denn dadurch eroͤf-
nete ihm das guͤtige ſchickſahl die thuͤre, zu ei-
ner faſt 50 iaͤhrigen regierung. Und hie weiß
ich nicht, ob ich erſt ſeinen ſo weißlich gefuͤhr-
ten ſcepter, oder ſeinen den feinden er-
ſchrecklichen, freunden aber erfreulichen,
degen, oder ſein wohlbeſtelltes fuͤrſt-
Tliches
[290]von denen unterſchiedenen arten
liches hauß und geſegnete ehen ſoll fuͤrſtellig
machen. Viele welchen geburt und gluͤck
fuͤrſtliche huͤte aufſetzet wiſſen zwar wohl ihre
unterthanen zu regieren, allein nicht ſo wohl
ihren feinden einen blitzenden ſebel zu zeigen.
Andere ſind nur zum kriegen gebohren, und
ſind geſchickt den harniſch, nicht aber ſo wohl
die regierungs laſt zu tragen. Wieder an-
dere, koͤnnen ſo wohl denen feinden als ihren
unterthanen geſetze fuͤrſchreiben, ſind aber in
ihren vermaͤhlungen ungluͤcklich, oder koͤnnen
ihre reiche mit tuͤchtigen nachfolgern nicht ver-
ſehen. Allein in unſerm theureſten Fr. W.
finde ich alles, was zu kluger einrichtung der
regierung ſeiner laͤnder, zu den eigenſchaften ei-
nes ſo tapfern als gluͤcklichen feldherrns, und
zur ausbreitung ſeiner durchlauchtigſten Fami-
lie kan gerechnet werden. Die gottes-furcht iſt
die vornehmſte, ia die mutter aller regierungs-
tugenden, als welche von ihr abſtammen, und
wer derſelben ſein hertz zur behauſung ange-
wieſen, iſt dem Cocos-baum gleich, welcher
nicht nur mit gruͤnenden blaͤttern, ſondern mit
nutzbaren fruͤchten, ſeinen ſtamm durch das
gantze iahr zieret. Und unter den nachfolgern
Rudolphi Habſpurgici ſind dieienigen am
gluͤcklichſten, und haben ihnen die meiſten ſie-
geskraͤntze geflochten, welche der gottes-furcht
am meiſten ergeben geweſen. Unſern gottes-
fuͤrchtigen Fr. W. finden wir in denen gehei-
ligten wohnungen des hoͤchſten, als einen an-
daͤch
[291]des ſtili inſonderheit.
daͤchtigen und fleißigen zuhoͤrer goͤttlicher
wahrheiten. Denn es wird nicht nur unter
die tugenden gemeiner leute, ſondern auch
fuͤrſtlicher perſonen gezehlet, gottes wort mit
gebuͤhrender aufmerckſamkeit beehren. Und
da es nicht nur denen geiſtlichen ſeelſorgern zu-
koͤmmt, ihr hertz zu einem bet-altar dem hoͤch-
ſten zu wiedmen, ſondern vielmehr gekroͤnten
haͤuptern geziemet, fuͤr den geſegneten wohl-
ſtand ihres hauſes und unterthanen, mit goͤttli-
cher maieſtaͤt zu berathſchlagen, ſo erblicken
wir unſern Fr. W. nicht nur in ſeinem bet-zim-
mer, ſondern auch im felde, als einen andaͤch-
tigen beter, und ich zweiffele, ob er mehr durch
ſeinen tapfern arm oder eyfriges gebet die
feinde fliehen heiſſen. Der todt ſeiner hoͤchſt-
geliebten gemahlin, ſeines printzen CarlAemils,
auf welchen die frohen unterthanen bereits
ihre hofnungs-augen gerichtet hatten, ia ſeiner
andern durchlaͤuchtigſten printzen und prinzeſ-
ſinnen, welches ſolche dinge ſind, die auch das
hertzhafteſte gemuͤthe beugen koͤnnen,
werden von ihm mit ſtandhafter gelaſ-
ſenheit in den willen gottes ertragen. Bezeu-
get die wahrhafte feder kluger geſchichtſchrei-
ber vom Alberto dem V. marggrafen zu Bran-
denburg, daß man durch ſein gantzes leben ihn
nicht fluchen oder ſchweren hoͤren, ſo wird wer
Fr. W. leben beſchreiben will, eben dieſes von
ihm hineinzuſetzen nicht vergeſſen muͤſſen.
T 2Man
[292]von denen unterſchiedenen arten
Man lieſet nicht minder vom Fr. W. als
vom AlbertoI. herzog in Preuſſen daß ſie die
diener des hoͤchſten in ſonderbahren ehren ge-
halten. Und hat er zwar nicht 1000. kirchen der
Marien zu ehren, wie Jacobus der I. in Arra-
gonien, erbauet, und ſo viel ſchulen als buch-
ſtaben im A B C. wie Carolus M. ſo hat er
doch unzehliche in bluͤhenden ſtande erhalten
und verbeſſert; Denn es iſt eine groͤſſere kunſt
etwas wohlgeſtiftetes unterhalten, als etwas
ſtiften. (In omni genere impenſarum, pleri-
que noua opera fortius auſpicantur, quam
tuentur perfecta. Colum. Lib. IIII. cap III.)
Die fuͤrſtliche gerechtigkeit iſt eine tochter der
gottesfurcht, und ein ſtern welcher von derſel-
ben angezuͤndet, den boͤſen zum grabe, den lo-
bens-wuͤrdigen zu belohnungen leuchtet. Und
es ſcheinet der allerdurchlauchtigſte nachfolger
und erbe, ſo wohl der reiche als tugenden Fr.
W. habe keine tugend ſo ſehr an ſeinen durch-
lauchtigſten vater zu bewundern gehabt als
dieſe, da er die worte zu ſeinen koͤniglichen
denckſpruch erwehlet: Einem ieden das ſeine.
Denn gewiß, iſt etwas, welches den ruhm
fuͤrſtlicher tugenden biß an die ſterne zu erhoͤ-
hen vermoͤgend iſt, ſo iſt es die gerechtigkeit.
Sie ſchencket denen unteꝛthanen die angenehm-
ſte ruhe, denen veraͤchtern goͤttlicher und menſch-
licher ausſpruͤche, und ruhmwuͤrdigen ge-
muͤthern theilet ſie ihre gehoͤrige belohnungen
aus, ienen zwar dieſteln und dornen dieſen
palmen
[293]des ſtili inſonderheit.
palmen und roſen, feinden ſelbſt iaget ſie ein
Paniſches erſchuͤttern ein. Was chur-fuͤrſt
Joh. Georg einer von Fr. W. durchlaͤuchtig-
ſten ahnen, zu ſeinem ihn um recht und huͤlffe
anflehenden unterthanen ſagte: Wenñ du hey-
de und Tuͤrcke waͤreſt ſolte dir geholffen wer-
den, geſchweige da du mein unterthan biſt:
Das erfuͤllete er in ſeinen verrichtungen. Fa-
bricius der edle Roͤmer, offenbahret dem tap-
fern Pyrrho großmuͤtig, wie er eine giftige
natter in ſeinem buſen hege, indem ihn ſein leib-
artzt umbringen wolte, und dieſer konte nicht
anders, als in dieſe worte ausbrechen: Jch
wolte ehe glauben, daß die ſonne von ihrem
lauffe, als der tugend-liebende Fabricius von
ſeiner gerechtigkeit abzubringen ſey. Ein ge-
rechter Fr. W. verachtet nicht minder das an-
erbieten eines verraͤtheriſchen Frantzoſen, wel-
cher durch die abſchlachtung ſeines feld-herrn
des beruͤhmten Turenne, ihm eine fette Heca-
tombe zu opfern gedencket, ſondern beſtraffet
auch ſolches durch uͤberliefferung dieſes boͤſe-
wichts zur gehoͤrigen rache, und er verdienet
mehr lobes-erhebungen als der Roͤmiſche buͤr-
germeiſter. Denn iener will nicht, daß maͤch-
tige laͤder ihres koͤniges und unzehliche ſolda-
ten ihres oberhauptes, verraͤtheriſcher weiſe be-
raubet werden, ſondern er vielmehr uͤber einen
lebendigen Pyrrhum triumphiren koͤnne, und
Fr. W. verlanget auch nicht durch den hinter-
liſtigen todt eines generals, auf welchen bey
T 3wei-
[294]von denen unterſchiedenen arten
weiten nicht ſo viel beruhete, und dergleichen
Fꝛanckreich mehr hatte, ſeinen ſieg zu befoͤrdeꝛn.
Nicht nur Arcadius und Honorius, ſondern
auch Fr. W. ſind nicht allein fuͤr ſich tugend-
haft, ſondern laſſen auch keinen an ihren hoͤ-
fen zu befoͤrderungen und ehren-ſtellen gelan-
gen, der nicht die tugend an ſtatt des adels-
briefes aufweiſen kan. Und dieſes iſt eines der
vornehmſten kennzeichen, der hohen gaben ei-
nes regenten, wenn er tugendhafte diener auf-
ſuchet und erhoͤhet. Titus hielt es vor eine ſeinen
thron ſtuͤtzende maxime: kein unterthan muͤſſe
von demſelbigen mit betruͤbten gemuͤthe und
verduͤſterten geſichte zuruͤck kommen. Maxi-
milianus R. K. ſagte: die ertzherzoge von Oe-
ſtereich haben mehr durch freygebigkeit erwor-
ben, als durch kargheit. Die freundliche gut-
thaͤtigkeit und fuͤrſtliche milde Fr. W. hat ſei-
nen landen nicht geſchadet, ſondern ſie viel-
mehr bevoͤlckert, die handlungen vergroͤſſert,
und die manufackturen in ſolchen ſtand ge-
ſetzt, darinnen ſie allen andern nationen
trotz bieten koͤnnen. Die fuͤr der Frantzoͤiſchen
dragoner bekehrung fliehende Hugenotten
und in das iaͤmmerlichſte elend verbannete
Reformirte, finden unter den fluͤgeln des frey-
gebigen Brandenburgiſchen adlers, nicht nur
ſchutz, ſondern auch ihre zerſtoͤrte tempel, ihre
verbrandte wohnungen und ihre geraubte
guͤter reichlich und praͤchtig wieder. Und dieſe
ſo viel 1000 ihrer ſeyn, muͤſſen aufrichtige
zeug-
[295]des ſtili inſonderheit.
zeugniſſe abgeben, der ungemeinen liebe und
freundlichkeit Fr. W. ob ſie wohl ſelbige nicht
ſo lange genieſſen koͤnnen, als die eingebohrnen
unterthanen. Ja verhaſte feinde muͤſſen die
angebohrne gnade des huldreichen Fr. W.
bewundern, da er an ihnen keine rache uͤbet,
ob er ſie ſchon in ſeinen haͤnden hat. Viele
fuͤrſten, ja was ſage ich fuͤrſten, die meiſten
privat-perſonen, wiſſen ihre zeit, ich will nicht
ſagen mit unzulaͤslichen dingen, ſondern mit
unnuͤtzlichen kleinigkeiten zu verſchleudern:
Und ein in gantz Griechen-land fuͤr weiſe ge-
haltener Plato, muß in ſeinem alter die uͤble
verſchwendung ſeiner zeit beſeufzen. Fr. Wil-
helms langes leben, weiß von keiner uͤbelan-
gewandten ſtunde. Miſſet einer von ſeinen
durchlauchtigſten ſtamm-vaͤtern, der weiſe
churfuͤrſt Johannes, ſeine tage ſo ab, daß
nicht eine minute vergebens angewandt wird,
ſo thut er es ihm hierinne gleich. Die ſtun-
den des tages, welche ihm von denen unter-
redungen mit GOtt und goͤttlichen verrich-
tungen uͤbrig bleiben, werden einer preißwuͤr-
digen ſorge und liebe der unterthanen, denen
von unſerm groſſen Fr. W. hoͤchſtgeliebten
ſtudiis, der wohlfahrt des gantzen Teutſchen
Reiches, ja des weiten Europae aufgeopfert.
Denn er konte als ein vater, vermehrer, und
maͤchtiger beſchuͤtzer, von allen angeſehen wer-
den. Printzen welche geſetz-geber und ſtadt-
halter des hoͤchſten geſetz-gebers in der unter-
T 4welt
[296]von denen unterſchiedenen arten
welt ſind, haben zwar nicht noͤthig, ihren fuͤrſt-
lichen purpur, durch die geſetze einſchrencken zu
laſſen. Doch wenn ſie in ſelbige einen verwege-
nen eingriff thun, muß ſolcher zu einer quelle
unzehlicher ungluͤcklicher zufaͤlle werden. Un-
ſer groſſe Fr. W. brauchte es ebenfals nicht
ihm gewiſſe regeln zu ſtecken: Doch er war
ein lebendiges geſetze ſeinen unterthanen und
ein heller ſpiegel, woraus andere eine fuͤrſtli-
che auffuͤhrung mit offnen augen leſen ſolten.
Jn ſeiner reſidentz wird man keinen altar dem
Baccho aufgerichtet finden, und folglich wird
ihr die unkeuſche Venus keinẽ winckel zueignen
duͤrffen. Denn dieſe beyde haben ſich ver-
ſchworen, allezeit mit geſamter hand, die woh-
nungen der maͤßigkeit und keuſchheit, und die
ſuͤſſe ruhe menſchlicher gemuͤther zu zerſtoͤren.
Allein was gewinnet er dadurch ſonderbah-
res, fuͤr denenienigen, welche ihnen wie den
beſoffnen Pacuvio faſt taͤglich koͤnten zuruf-
fen laſſen: vixit? dieſes, daß ihn die durch
maͤßigkeit erhaltene natur, ſeine jahre, biß
an das vom Moſe dem ſterblichen leben vor-
geſetzte ziel, hinanzehlen laͤſſet und die ehrlie-
bende nach-welt den ſchimmer ſeines gantzen
allerdurchlauchtigſten hauſes, welches ſich
durch dieſe tugenden inſonderheit von vielen
andern unterſchieden, in ihm allein kaum gnug-
ſam bewundern kan. Er konte wie Auguſtus,
als er das 43 jahr ſeiner hoͤchſtloͤblichen regie-
rung zehlete, das groſſe ſtuffen jahr, menſch-
liches
[297]des ſtili inſonderheit.
lichen alters ungehindert uͤberſteigen, und in
ſeinem 67 jahre ſeiner armee ſich zu pferde zei-
gen. Wie die roſen ihren purpur ſo wohl, als
angenehmen geruch und blaͤtter verlieren,
wenn ein ungeſtuͤmer platz-regen ſie uͤberfaͤllet,
hingegen allezeit durch einen maͤßigen thau
veriuͤngen koͤnnen; alſo behalten die wangen
ihre farbe, die menſchliche natur ihre kraͤfte,
wenn man ſolche fuͤr gewaltſamer unmaͤßig-
keit bewahret. Die ſtrahlen der ſonne ſind
ſo durchdringend, und ihre waͤrme ſo kraͤftig,
daß man in allen dingen ihre nutzbare wuͤr-
ckung ſpuͤhret, doch iſt eine regenſchwangere
wolcke gnug, beydes zuverhindern und die erde
in kalte ſchatten zu ſtellen. Und alle hohe be-
gabniſſe einer fuͤrſtlichen ſonne, koͤnnen durch
unmaͤßigkeit, in dunckeln flor eingehuͤllet wer-
den. Nun verwundere man ſich nicht, wenn
er das aufmercken der vernuͤnftigen welt, ia
verwegner barbaren auf ſich und ſeine tapfern
thaten gezogen. Jndem ich ſeiner anderer hel-
den uͤberſteigende verrichtungen mich erinnere,
und einen blick in die mit ſeinen ſieges-zeichen
bedeckte felder thue, ſo werde den beruͤhmteſten
kuͤnſtlern nachahmen, welche nur groſſe ſchlach-
ten und begebenheiten, abzuſchildern belieben
tragen. Sonſt wuͤrde es ihnen H. und H. an-
weſende nicht an geduld, mir auch nicht an
wort und ſachen, wohl aber an der zeit fehlen,
denn hier fallen uns mit ſeinen heldenmuͤthi-
gen bemuͤhungen, alle hochfuͤrſtliche tugenden
T 5unſers
[298]von denen unterſchiedenen arten
unſers groſſen Fr. W. in die augen. Die
nachkommen haben nicht nur an den muͤntzen
ein gedaͤchtniß ſeiner tapferkeit, auf welchen
man ihn: Electorem regibus parem, Achil-
lem Germánicum, Patrem caſtrorum, be-
nennet, ſondern gantze laͤnder und voͤlcker ſind
lebendige muͤntzen, in welchen er mit blutigen
ſtahle eben dieſes gepraͤget. Das unbaͤndige
Pohlen, das rauhe Schwedẽ, das ſtoltze Franck-
reich, die Ottomaniſche pforte, haben dieſes
mehr als einmahl erfahren. Denn er gieng
nur wieder dieienigen zu felde, welche zugleich
ſeine und des Teutſchen Reichs, ſeines vaterlan-
des feinde ſeyn wolten. Antonini wahlſpruch
war: Malo ſeruare ciuem vnum, quam mil-
le hoſtes perdere, und was des groſſen Fr.
W. ſinn hiebey geweſen, koͤnnen wir auff der
muͤntze leſen, welche uns ihn in voͤlliger ruͤ-
ſtung mit bekraͤntzten haupte und die-
ſer umſchrifft zeiget: Ob cives ſerva-
tos. Sein allerdurchlaͤuchtigſter Herr va-
ter uͤberließ ihm das ſteuerruder der
regierung, da gantz Teutſchland von den wuͤ-
tenden krieges-wellen erbaͤrmlich erſchuͤttert
und ſeine laͤnder von unzehlichen feindlichen
winden beſtrichen wurden, doch ſo bald es ſeine
tapfere fauſt ergriffen, konte man ſagen: Noli
timere nauta caeſarem vehis. Es wurde
zwar bald nach ſeiner angetretenen regierung
eine ungemeine ſtille, durch den Weſtphaͤliſchen
friedens-ſchluß, und die Martis ſoͤhne ſteckten
ihre
[299]des ſtili inſonderheit.
ihre blutige ſchwerdter ein. Doch dieſer war
nicht anders anzuſehn, als ein vorbote eines
ebenfallß groſſen ungewitters, und erſchreckli-
chen darauf erfolgten krieges. Der ungluͤck-
liche Pohlniſche Joh. Caſimir, haͤtte bey nahe
hierinne kron und ſcepter, land und leute ein-
gebuͤſſet, als der mit dem Schwediſchen loͤwen
verbundene Brandenburgiſche adler, ihn gantz
erzuͤrnet anfiel. Die Warſchauiſche felder
ſind nicht minder als die Catalauniſchen be-
ruͤhmt worden, weil in dieſen ein nichtiger ehr-
geitz das commando fuͤhrte und beyde theile
einander faſt gleich waren: Jn ienem aber der
tapfere Fr. W. mit einem geringen volcke, al-
len Pohlniſchen adel, die groͤſten horden er-
grimmter Tartarn, und die wilden trouppen
gepanzerter Huſaren, auf einmahl vor ſich her
fliehen ſahe. Ein Brandenburgiſcher muſte wie-
der 6. feindliche armee kaͤmpfen, denn der un-
erſchrockene Fr. W. frug niemahls wie ſtarck
der feind waͤre, ſondern wo er ſich aufhielte.
Die groſſe anzahl der feinde machte den krieg
ſchwer, aber den ſieg deſto groͤſſer und die fruͤch-
te deſſelben deſto vollkommener. Er ſchreckte
die Polniſche republique alſo, daß ſie ihm die
oberherꝛſchaft von Preuſſen freywillig uͤberlieſ-
ſe. Eine ſache, welche ſie vordem mit blut
und todt, gantz verſtockt zu behaupten gewoh-
net war. Und ehe er noch ſeine ſieghafte pal-
men in oliven kraͤntze verwandeln konte, wieſe
er einer dem Teutſchen Reiche ungetreuen kro-
ne,
[300]von denen unterſchiedenen arten
ne, daß Fr. W. nicht nur uͤber
fluͤchtige Pohlen, ſondern auch ſonſt feſt
ſtehende Schweden triumphiren koͤnne.
Er war allezeit bey ſeiner armee gegenwaͤr-
tig, da ſonſt andere printzen, und nicht un-
billich, ihre geheiligte perſon denen feindlichen
kugeln ſelten bloß geben. Wolte alſo dem
erſten Achilli ſeines hauſes Alberto nichts
nachgeben, welcher wie ein grimmiger loͤwe ein-
ſten durch die feindliche glieder drang und ihre
hauptfahne mit dieſen worten ergrif: Jn der
welt iſt kein ſo ruͤhmlicher ort, da ich meines le-
bens ende ſuchen kan, als hier. Nur thut es
Fr. W. mit dem unterſcheid, nicht daß er wie
iener ſeine leute von der flucht zum ſiegen brin-
get, ſondern damit ſein heldenmuth auch uͤber
die ſeinen ſich ergieſſe, und er ſelbige zu einer zeit
anruͤcken und die feinde fliehen heiſſen koͤnne.
Doch wieder den erb-feind Chriſtliches nah-
mens, hat er ſeine geheiligte perſon nicht be-
muͤhet, denn es war genung, daß er ſeine waf-
fen dem tapfern Schoͤning liehe, fuͤr welche die
barbarn eben ſo wohl flohen, als die verzweif-
felten Troianer fuͤr dem Patroclo, welcher
dem Achilli ſeinen panzer und ſchild abgebor-
get. Vereinigte ſeine hohe gegenwart, ſeine
und des Reichs voͤlcker wieder das hochmuͤthige
Franckreich, ſo war er ein ſarder, welcher der
naturkuͤndiger bericht zu folge, die furcht ver-
treibt. Der ſtaat der vereinigten Niederlaͤn-
der, waͤre nimmermehr zu ſeinen verlohrnen
ſtaͤdten
[301]des ſtili inſonderheit.
ſtaͤdten gelanget, ia haͤtte vielmehr ſeine ande-
re welt Amſterdam uͤber dieſe hingegeben,
wenn nur nicht Fr. W. großmuͤthige gewohn-
heit waͤre geweſen, bedraͤngten huͤlfreichbeyzu-
ſpringen. Denn Fr. W. bemuͤhungen mach-
ten es, daß die in den Niederlanden aufgehende
Galliſche after-ſonne ſo bald untergehen
muſte, als ſie aufgegangen ware. Hiebey ſcheu-
ete er nicht den unerſetzlichen ſchaden, worinn er
ſeine laͤnder ſetzen muſte, denn er glaubte, daß
es beſſer ſey, ſelbige auf eine kurtze zeit in gefahr
laſſen, als in langwieriges ungluͤck ſtuͤrtzen,
und dieſes letztere waͤre unfehlbar erfolget,
wenn er zugegeben haͤtte, daß die um ſich greif-
fenden Bourbonier ſeine naͤchſte nachbarn wor-
den waͤren. Was hat nicht ſein eyffer fuͤr
Leopoldi thron, und die Teutſche freyheit vor
wunder dinge ausgerichtet, wenn er als ein ge-
treuer Reichs-patriote, den harniſch wieder
eben dies unruhige Franckreich angeleget?
Den groſſen Ludwig welcher Teutſchlande
unaufhoͤrlich mit ſeinen veraͤchtlichen feſ-
ſeln drohete, trieb er alſo in die enge, daß
er ſich nach fremder potentaten huͤlffe
aͤngſtiglich umſehen muſte. Schweden
ſolte der tapferkeit des groſſen Fr. W. zum
falle werden, und indem es in die Branden-
burgiſchen laͤnder fiel, dem beaͤngſtigten
Franckreich huͤlffe ſchaffen. Allein hier machte
der himmel erſt recht einen bewundernswuͤrdi-
gen anfang die Brandenburgiſchen waffen zu
ſegnen
[302]von denen unterſchiedenen arten
ſegnen. Es war als wenn ſie erſt ietzo be-
haupten ſolten, daß wie die Teutſchen unter
allen voͤlckern, die Brandenburger unter den
Teutſchen, welches den Roͤmern ſchon eine un-
ſtreitige wahrheit hieß, alſo Fr. W. unter
ſeinen Brandenburgern der edelſte und tapfer-
ſte waͤre. (ſiehe des Herrn von Beſſers ſchrif-
ten p. 69) hatte der groſſe Fr. W. bißher als
ein behutſamer Fabius, die Teutſchen ſachen
am Rheinſtrome zu vorigen kraͤften gebracht,
ſo bewieß er nun an der Oder, daß er ein blitzen-
der Marcellus ſey. Die Schwediſche loͤwen-
brut hatte ihn kaum geſehen, als er ſie geſchla-
gen. Denn wenn ſie geglaubt haͤtten, Fr. W.
lebte noch, wuͤrden ſie ſich nimmermehr, als
eine unertraͤgliche laſt ſeinen unterthanen auf-
gebuͤrdet und den adler in ſeinen ſitz beunruhi-
get haben. Fehrbellin wird uns noch ietzo
die gegend weiſen, welche er mit feindlichen lei-
chen beſaͤet hat, nachdem er allein mit ſeiner
abgematteten reuterey, das ausgeruhete und
in ſeinem vortheil ſtehende Schwediſche heer,
behertzt angegriffen und gluͤcklich geſchlagen.
Hierauf wurde in dreyen tagen ſein land von
den feinden geſaͤubert, der krieg in ihr eigen
land geweltzet, und in jahres-friſt ſahe man
den beſten theil davon in den haͤnden des
groſſen chur-fuͤrſten. Ein kuͤhner hertzog von
Friedland beaͤngſtiget Stꝛalſund gantzeꝛ 4 wo-
chen lang, und meint es zu erobern, wenn es
auch mit ketten am himmel angeheftet waͤre,
muß
[303]des ſtili inſonderheit.
muß aber dennoch beſchaͤmt davon ziehen, ein
tapfferer Fr. W. braucht nur 24 ſtunden, ſo
bringt man ihm die ſchluͤſſel entgegen. Ja als
der Schwediſche Horn das entlegene Preuſſen
beunruhigen will, muß dem tapfern beſitzer deſ-
ſelben, der harte winter eine eißbruͤcke uͤber
das groſſe meer legen, damit er ohne ſaͤumniß
ſeine bedraͤngten unterthanen erloͤſen, und
ſeine ſoldaten auf geſchwinden ſchlitten zu ih-
ren ſieges kraͤntzen eilen koͤnnen. So weiß
der erzuͤrnte himmel unrechtmaͤßigen friedens-
bruch zu beſtraffen, und hingegen die gerechten
waffen kriegeriſcher printzen zu bekroͤnen.
Will man hierauf nach dem verderblichen blut-
vergieſſen die feindſchaft verbannen, und der
erden eine angenehme ruhe ſchencken, ſo achtet
er die belohnung ſeiner tapferkeit, die mit dem
degen eroberte laͤnder nicht, dieſelbe gleichfals
zu befoͤrdern. Laͤnder welche ihn ſonſt erblich
zu gehoͤrten, und ihn ietzo zum andernmahl als
ihren uͤberwinder und beſitzer angenommen
hatten, waren ihm nicht ſo angenehm, als die
bloſſe hoffnung dasienige zu erhalten, woruͤ-
ber der todt erſt ſprechen ſolte, weil er hiedurch
die ruhe des Reichs wiederherſtellete. Hier be-
mercken wir billig die großmuth des groſſen
Fr. W. mit welcher er erdultet, daß ihn die-
ienigen unbilliger weiſe verlieſſen, deren wohl-
fahrt aus dem verderben zu reiſſen er
ſeine eigene in die ſchantze geſchlagen. Al-
lein der groͤſte triumph wird alsdenn bil-
lich
[204[304]]von denen unterſchiedenen arten
lich angeſtellet, wenn man ſich ſelbſten beſieget,
und dem groſſen Fr. W. werden es hierinn
wenig gleich, keiner aber zuvorthun koͤnnen.
Der erzuͤrnte himmel wolte ihn darum der un-
danckbahren welt nicht mehr goͤnnen, ſondern
zur ruhe bringen, und der 29 April des 1688 jah-
res war der tag, da der unſterbliche Fr. W.
den chur-hut ſeinem durchlaͤuchtigſten Fridrich
den weiſen aufſetzte, und von der hand des hoͤch-
ſten die himliſche krone erlangte. Eben zu ei-
ner ſolchen zeit da das bundbruͤchige Franck-
reich den Teutſchen boden mit feuer und
ſchwerdt barbariſcher weiſe betrat, und nur
durch die Brandenburgiſchen adler konte ge-
ſchrecket werden. Jch wolte zwar wuͤnſchen
daß der tag ſeines todes aus den jahr-buͤchern
getilget wuͤrde, allein hierdurch wuͤrde ich der
tugend des groſſen Fr. W. zu nahe treten,
indem er eben denſelben mit dem groͤſten ſiege
bezeichnet. Die wegen ihrer erfahrung in der
ſtern-wiſſenſchafft uͤberall beſchriene Aegyptier
haben geurtheilet, daß die leuchtende ſterne
im aufgange eine ſonderbare vermehrung ih-
rer kraͤfte ſpuͤhreten, hingegen mit ihrem un-
tergange licht und glantz verloͤhren. Sie
haben hierinnen gewaltig geirret, und dieie-
nigen irren noch mehr, welche vermeinen un-
ſer glorwuͤrdigſter Fr. W. habe ſein tapferes
leben mit keinem großmuͤthigen tode verſie-
gelt. Er hatte in ſo viel gewonnenen ſchlach-
ten, die letzte ſtunden ſeines lebens ihm zur
gnuͤge
[305]des ſtili inſonderheit
gnuͤge vor augen geſtellet, da an ſeiner ſeiten die
treflichſten leute durch gewaltſame ſtuͤckkugeln
weg, und aus dem lande der lebendigen hin-
geriſſen worden: Alſo war ihm dieſelbe als ei-
ne vorher laͤngſt bekanteſchantze, leicht zu uͤber-
ſteigen. Denn er leget mit der groͤſten gelaſ-
ſenheit den fuͤrſtlichen purpur ab, uͤberreichet
ſeinem erb-printzen den Brandenburgiſchẽ ſcep-
ter, theilet ihm den kern vaͤterlicher und fuͤrſt-
licher erinnerungen mit, und wird alſo indem
er dem tode nachgiebt ein ſieger uͤber denſel-
ben. Darum ſtirbt er nicht, ſondern veraͤn-
dert nur ſeine durchlauchtigſte perſon in dem
glorwuͤrdigſten nachfolger. Und die weiß-
heit Friderichs des 3. iſt allein geſchickt, ſo
vielen Brandenburgiſchen unterthanen, wenn
ſie uͤber den hoͤchſtſeeligſten abſchied des ihnen
unentbehrlichen Fr. W. in thraͤnen zerflieſſen
wollen, die augen abzutrocknen. Denn es
bleibt doch wohl feſt geſtellet, wenn der mund
der wahrheit uns verſichert, wo ein tugend-
hafter ſohn des vaters ſtelle erſetze, da empfin-
de man daß erblaſſen deſſelben nicht. Der
groſſe Fr. W. haͤtte keinen tuͤchtigern erben ſei-
nen vermehrten laͤndern geben koͤnnen, als,
denienigen der ſich bereits zum beſitzer aller
vaͤterlichen tugenden gemacht hatte. Es wird
auch deßwegen nicht nur wer ein Brandenbur-
giſch, ſondern auch Teutſch geſinntes gemuͤthe
heget, aus ſchuldigſter danckbarkeit ehren-tem-
pel dem klugen Fr. W. aufzurichten ſich bear-
Ubeiten.
[306]von denen unterſchiedenen arten
beiten. Nimmermehr wuͤrde das weitlaͤufti-
ge Spanien, in deſſen reichen die ſonne nie-
mahls untergehet, nach ſo vielen ſtroͤmen ver-
goſſenen bluts endlich doch unter die ſclaverey
der Frantzoͤiſchen lilien gerathen ſeyn, wenn
es ſeinem Carolo nicht an erben gemangelt
haͤtte. Brandenburg ſiehet ſeinen thron mit
vielen erben unterſtuͤtzet, und hat nichts von
dieſem harten ungluͤcke gekoſtet. Der unſterb-
liche Fr. W. iſt auch hierinn groß und begluͤckt.
Er ſtellet zur ſicherheit ſeiner laͤnder, aus der
erſten ehe mit einer ſchoͤnen Louiſa Henrietta
Oraniſchen und koͤniglichen gebluͤts 6 zeugen
ſeiner durchlaͤuchtigſten ehelichen verbindung
dar, aus der andern mit einer behertzten und
ihren groſſen Fr. W. auff dem Pommeriſchen
kriegs-platz begleitenden Dorothea 7. Cedern
muͤſſen nur mit cedern vergeſellſchaftet ſeyn
und das ſchaͤtzbare gold laͤſt ſich mit veraͤchtli-
chen bley nicht vermiſchen, man kan alſo leicht
abnehmen was dieſes vor himmliſche Princes-
ſinnen geweſen, welche das immer zu ſiegen ge-
wohnte hertz des groſſen Fr. W. beſieget, und
wie wohl dem lande bey dieſen fruchtbaren
landes-muͤttern gerathẽ Der groſſe nachfolger
des groſſen Fr. W. iſt aus erſterer ehe entſproſ-
ſen. Jn ſeiner geſeegneten regierung hat er
dasienige, was die Aegyptier unter die ſterne
verſetzt, und der kluge Friedrich der andere
wohlbedaͤchtig ausgeſchlagen, ſeinem chur-hau-
ſe zuwege gebracht, ich nenne kron und ſcepter.
Und
[307]des ſtili inſonderheit.
Und Preuſſen konte als denn erſt ungehindert
anfangen mit kronen-golde zu prangen, nach-
dem ihm der ſieghafte Fr. W. den weg durch
die eroberte ſouuerainitaͤt hiezu gebahnet. Frie-
drich der weiſe erſter koͤnig der chriſtlichen
Preuſſen, iſt nicht minder wie ſein durchlauch-
tigſter herr vater gluͤcklich und weiß wohl zu
regieren. Er eꝛhaͤlt in ruhigem frieden duꝛch ſeine
klugheit, was iener durch ſeine kriege und tap-
ferkeit bekraͤntzet, nur daß er im anfang ſeiner
regierung, den groſſen Ludwigen zwinget das
geraubte Bonn und Kaͤyſers-werth und andere
veſtungen auszulieffern. Unſchifbare fluͤſſe
muͤſſen ſich, durch ſeine klugheit gezwungen,
ietzo beſchiffen laſſen. Und das gantze Bran-
denburgiſche land wuͤrde noch ietzo ſein abſter-
ben und auch in ihm den groſſen Fr. W. be-
ſeuftzen, wenn er ihnen nicht einen andern
Friedrich Wilhelm hinterlaſſen, welcher die
klugheit ſeines großmaͤchtigen vaters und
die tapferkeit ſeines allerdurchlauchtigſten
groß-vaters beſitzet. Er iſt wie der groſſe
Fr. W. zum kriegen, alſo auch zum ſiegen ge-
bohren, und faͤnget bereits an auf eben den
feldern ſeine ſieges-zeichen aufzuſtecken, da die
ſaͤulen ſeines durchlaͤuchtigſten herrn groß-va-
ters noch gantz unverſehrt, wie neuaufgerich-
tet ſtehen. Er ſuchet auch hierin den ruhm des
unerſchrockenen Fr. W. und die nachwelt
wird nicht minder ihn, als ſeinen durchlaͤuch-
tigſten hln. groß-vater, mit unſterblichem an-
U 2dencken
[308]von denen unterſchiedenen arten
dencken zu verehren wiſſen. Dieienigen wel-
che von dem Hercules abſtammen wolten, wur-
den nicht vor aͤcht erkannt, wenn ſie nicht hertz-
haft waren, und die Brandenburgiſche adler
zeugen nur ihres gleichen an tapferkeit. Hat
man unter ſeinen durchlaͤuchtigſten vorfahren
an Fr. den erſten einen ſieghaften, an Fr. den
andern einen eiſernen an Alberto einen Achil-
lem und Ulyſſem, an Joachim den I. einen
Neſtor, an Joachim den andern einen Hector
und an Fr. W. den groſſen alles dieſes beyſam-
men, ſo wird die nachwelt erfahꝛen, daß der him-
elmit ſeinem nahmen, auch ſeinen geiſt auf deſ-
ſengroßmaͤchtigſten enckel geleget habe. Rief-
fen die Roͤmer ihren neuerwehlten kaͤyſern zu:
[...]is felicior Auguſto melior Traiano, ob ſie
wohl wuſten, daß es allen vermuthen nach kei-
ner von ihren nachfolgern dieſen beyden gleich
thun koͤnne: So ſchreyet dem enckel des groſ-
ſen Fr. W. und nachfolger Ftiedrichs des
weiſen, nicht der Brandenburgiſche unterthan
allein, ſondern gantz Teutſchland zu: Sey
gluͤcklicher und ſieghafter wie der groſſe Fr. W.
ſey beſſer denn Fr. der weiſe. Seiner Maieſtaͤt
allerdurchlaͤuchtigſte und bewundernswuͤrdige
gemahlin Sophia Dorothea, beſitzt die voll-
kommenheiten ihrer allerdurchlauchtigſten
ſchwieger mutter der ſchoͤnẽ Sophia Charlotte
gemahlin Friedrichs des I. Koͤnigs in Preuſſen,
und den muth der durchlaͤuchtigſten Dorothea
gemahlin des groſſen Fr. W. Billich iſt der in-
bruͤn-
[309]des ſtili inſonderheit.
bruͤnſtige wunſch eines Bꝛandenburgiſchen her-
tzens, daß ſie beyder nahmen zu gluͤcklicher vor-
bedeutung nicht ohne urſach tragen moͤge. Sie
wird bereits wie eine andere Sophie Char-
lotte bewundert, da ſie eines koͤniges tochter,
eines koͤniges gemahlin und eines ob wohl zu-
kuͤnftigen koͤnigs mutter iſt, und die zeit-regi-
ſter werden ſie kuͤnftig-hin, als eine andere Do-
rothea und fruchtbare landes-mutter bemer-
cken. Auf den guͤtiger himmel, haſt du zum
troſt der Preußiſchen provinzen den verluſt des
groſſen Fr. Wilhelms und weiſen Friedrichs
reichlich erſetzet, ſo fahre fort zu erweiſen, daß
du das Brandenburgiſche hauß zum beſtaͤndi-
gen ſeegen geſetzet habeſt. Kroͤne die tap-
fere und fuͤr die ruhe des vaterlandes, wieder
einen unruhigen koͤnig ſtreitende fauſt, mit ſieg-
haften lorbern und endlich erwuͤnſchten frie-
dens-palmen. Seegne ſeine koͤnigliche re-
gierung mit beſtaͤndigem gluͤck ſeine allerdurch-
laͤuchtigſte familie mit unveꝛaͤnderlichen wachs-
thum und die menge ſeiner unterthanen mit
dem ſchatz geiſtlicher und leiblicher guͤter. So
werden dieſe des Saturni guͤldne zeiten erle-
ben, die ſtudia den waffen zu trotz bluͤhen, und
unſer hochgeliebtes vaterland, ia die ruhe von
gantz Europa einen maͤchtigen ſchutz-enge[l]
an ihm haben. Sie koͤnnen H. und H. an-
weſende, was meine muͤde zunge von dem lobe
ſeines durchlauchtigſten groß-vaters vergeſſen,
ſelbſten an ihm erblicken, denn er iſt ein lebendi-
U 3ger
[310]von denen unterſchiedenen arten
ger abriß des groſſen, weil die welt ſtehet in
unverwelckten andencken lebenden und aller-
glorwuͤrdigſten Friedrich Wilhelms.
§. 5. Der ſtilus theoreticus und patheticus,
richtet ſein abſehen ebenfalls auf die beſchaf-
fenheit des obiecti. Jſt das obiectum bloß
theoretiſch und nur auf die uͤberzeugung und
den unterricht des verſtandes zu diſponiren,
ſo hat man auch nur auf den adaͤquaten deutli-
chen ausdruck, und die natuͤrliche eigenſchaften
des ſtili zu ſehen, ſolches wird der theoretiſche
ſtilus ſeyn, welcher mit dem ſtilo humili meh-
rentheils einerley. Jſt das obiectum eine ſa-
che die den willen angeht, muß auch der ſtilus
mit tropis und figuren, nach beſchaffenheit
des affects, nachdruͤcklicher gemacht werden,
daher heiſt er nachgehends patheticus, und iſt
mehrentheils zugleich mediocris, oder ſublimis.
Die heftigſten affecten, als, zorn, liebe, freude,
traurigkeit, unterſcheiden ihn am meiſten, dar-
nach auch alle ſeine theile zu diſponiren ſind,
uͤbrigens braucht er keine beſondere regeln.
§. 6. Der unterſchied des obiecti, macht
wiederum einen unterſchied unter den ſtilum
ſimplicem und eruditum, bey ienem iſt es ſinn-
lich, bey dieſem abſtract. Der ſtilus
ſimplex hat in ſo fern er nur von ſinnlichen ob-
iectis handelt, nichts beſonders, ingleichen der
gelehrte ſtilus uͤberhaupt. Jn ſo fern aber
dieſer ins beſondere auf Theologiſche materien
appliciret wird, iſt es noͤthig daß alle ſeine thei-
le
[311]des ſtili inſonderheit.
le etwas ernſthaftiges und anſehnliches an ſich
haben, auf der catheder richtet er ſich nach
dem gelehrten gebrauch, auf der cantzel ent-
lehnt er ſeine worte und redens-arten aus der
bibel, nimt auch daher alle ſeine argumenta,
kan ſonſt bald theoretiſch, bald pathetiſch, bald
humilis, bald mediocris, bald ſublimis ſeyn.
§. 7. Jn ſo fern er auf Juriſtiſche materien
appliciret wird, iſt er entweder im iure privato
oder publico gebraͤuchlich, und alſo entweder
bloß unter rechtsgelehrten, oder unter fuͤrſten
und rechtsgelehrten, oder unter fuͤrſten oder
ſonverains allein, in dem erſten fall heiſt er ein
Juriſtiſcher ſtilus, der im foro recipiret, in dem
andern faͤllen aber der ſtilus curiaͤ, cantzley-ſti-
lus, cammerſtilus, ſtilus Juris publici. Er
druckt ſein obiectum durch viele kunſt-woͤrter,
nachdruͤckliche beywoͤrter und beſondere for-
muln aus, conſtruiret auf eine von den ordent-
lichen conſtructionibus abgehende art, conne-
ctiret durch ausgedruckte connexiones mit be-
ſondern particuln und wird am beſten aus dem
gebrauch ſelbſt gelernet.
- S. Kemmerichl. c. p. 1049. 1058. Hiezu dienen
BarthiiHodegeta forenſis, Strykii vſus moder-
nus,Rohrs haußhaltungs recht, Volckmanns
notatiaͤt-kunſted. Beyeri;Menantes briefe
da er hinten aus des ſeel. D. Rivini collegio
MSS. die contracte ꝛc. angehenget. Herr D.
EckhardtsActiones forenſes, alle die collegia
practica geſchrieben, vielleicht haben wir hier
von Herr D.Rothern noch etwas gutes zu hof-
fen, zumahl was die neue Saͤchſiſche proceß-ord-
U 4nung
[312]von denen unterſchiedenen arten
nung anbetrift, ingleichen von Herrn D.Glafey,
von welchen man mir referiret, daß er an einem
wercke de ſtilo publico arbeite, davon freylich et-
was vollkommenes zu vermuthen.
§. 8. Jn ſofern er auf Mediciniſche, Phi-
loſophiſche und Mathematiſche materien ap-
pliciret wird, hat er wiederum nichts beſon-
ders, auffer daß bey einem Mediciniſchen obie-
cto die kunſtwoͤrter den ſtilum mercklich veraͤn-
dern, und da alles wahrſcheinlich iſt, was man
von dieſer materie fuͤrtraͤgt, ſo iſt inſonderheit
bey denen daraus gezogenen folgerungen, in
gewiſſen faͤllen, nichts als unſtreitig auszudru-
cken.a) Bey dem Philoſophiſchen, in ſo fern
er nur Logicaliſche, und Moraliſche lehrſaͤtze
proponiret, hat man ſich nach dem gelehrten
gebrauch zu richten, und hauptſaͤchlich auf die
deutlichkeit und adaͤquaten ausdruck zu ſehen,
dem alle andere eigenſchaften weichen
muͤſſen.b) Jn der Mathematick iſt gleich-
falls bey dem ſtilo die deutlichkeit und ordnung
das fuͤrnehmſte requiſitum.c)
b)
[313]des ſtili inſonderheit.
§. 9. Endlich iſt der ſtilus Hiſtoricus, we-
gen ſeines obiecti hieherzuziehen. Auſſer de-
nen pflichten, welche einem Hiſtorico fuͤr an-
dern ſcribenten und rednern obliegen, daß er
nemlich die wahrheit ohne affecten und par-
theylichkeit ſchreibe, daß er gnugſame und ſi-
chere nachrichten habe, daß er die Hiſtoriſche
wahrſcheinlichkeit wohl verſtehe, ſo iſt es was
ſeinen ſtilum anbetrift noͤthig, daß er deutlich
und ordentlich die ſache fuͤrtrage, ohne groſſe
weitlaͤuftigkeit und affectation, daß er ſorgfaͤl-
tig die umſtaͤnde, welche zu beſſerer einſicht in
die abſichten der agirenden perſonen dienen,
mit ausdruͤcke, welches durch ſcharfſinnige ur-
theile und meditationes geſchehen kan, daß er
alſo lieber im ſtilo humili oder zum hoͤchſten
U 5im
[314]von denen unterſchiedenen arten
im mediocri, als ſublimi, lieber im ſtilo theore-
tico als pathetico ſchreibe, ſonſt einen flieſſen-
den numerum und nette connexiones anbrin-
ge.
- S. Hievon Lamil. c. cap. XIIII.Hederichl. c. p.
557. Kemmerichl. c. p. 1052. Schefferuml. c.
p. 15. Caſpar ScioppiiDiſſ. de ſtilo Hiſtorico,
welche mit ſeiner Infamia Famiani edirt Amſter-
dam 1662. GroſſersIſagoge ſtili P. ſpec. cap. a.
§. 2. \&c. Sonſt hat man den hiſtoriſchen ſti[-]
lum im Nepote, Velleio, Salluſtio, Juſtino, J. Cae-
ſare, \&c. Diodoro Siculo, Dionyſio Halicarnaſ-
ſaeo \&c.im Pufendorf, Huͤbner, dem leben
Leopoldi, der Einleitung zur Roͤmiſch-Teut-
ſchen Hiſtorie, der Europaͤiſchen Fama, ia als
der Herr S. J. die Leipziger zeitungen ſchrieb,
rechnete man ſie auch hieher, ꝛc.
§. 10. Jn anſehung der beſondern einfaͤlle
und gedancken welche man bey dem obiecto
hat, oder vielmehr in anſehung des verſtandes
welcher die gedancken herfuͤr bringet, iſt der ſti-
lus entweder iudicioſus oder ingenioſus oder
memorialis. Bey dem iudicioſo und memo-
riali iſt nichts beſonders zu erinnern, indem
billich alle arten von ſtilis, vom iudicio des
verfaſſers und dem guten gedaͤchtnis deſſelben
proben ablegen ſolten:a) Der ingenioſus
aber wird, nach den unterſchiedenen abſichten
des der ihn gebrauchet, bald argutus, bald ſa-
tyriſch, bald poetiſch, bald laͤcherlich, von wel-
chen etwas weniges zu gedencken.
§. 11. Der ſtilus argutus druckt alles nach-
ſinnlich aus,a) verbindet zu dem ende vermit-
telſt einer fertigkeit des ingenii,b) durch eine
artige tour, ſachen, welche entweder garnicht
oder. ſehr wenig zuſammen zu gehoͤren ſcheinen,
c) und gruͤndet, ſich uͤberhaupt auf die argu-
menta illuſtrantia, als meditationes,d) ex-
empla, e) comparata,f) diſparatag) und
oppoſita, h) bedienet ſich dabey der figuren
und troporumi) und faſſet alles kurtz mit ar-
tigen epithetis, in einen kurtzen unmerum zu-
ſammen,k) connectiret meiſt realiter, muß
dannenhero nach denen cautelen, ſo bey den ar-
gumentis illuſtrantibus gegeben worden,l)
und nach denen eigenſchaften eines guten ſtili
uͤberhauptm) beurtheilet werden.
Denck-mahl
uͤber
die grab-ſtaͤte,
der
nimmer vergraben zuſeyn wuͤrdigen Frauen,
Frauen Rahel verwittibten Jaͤgerin,
gebornen Stegerin,
der verſtorbenen zum ruhme,
den lebenden zum vorb [...]de,
den verwandten zur ſchmertz-ſtillung,
ſich ſelbſt zur vergnuͤgung ſeiner ſchuldigkeit,
aus ungefaͤlſchtem mitle[i]den
den tag ihrer beerdigung,
den
[319]des ſtili inſonderheit.
den 8. julii 1679.
aufgerichtet
von
J. B.
Wer hier voruͤber gehet, gehe zuvor in ſich.
Er verlaſſe dis grab, mit verlaſſung der menſchlichkeit.
Er lerne von einer verſtorbenen/
was keine lebende lehren koͤnnen:
die vergaͤngligkeit des lebens,
in dem tode der vergaͤnglichen.
denn die leichen ſind hierin viel treuere lehr-meiſter
als alle welt-weiſen.
die vergaͤngligkeit nennen wir zwar,
aber wir kennen nicht ihre behaͤndigkeit.
wir haſſen ſie in dem gegenwaͤrtigen,
und laſſen ſie doch in dem zukuͤnftigen nicht.
denn wir glauben ohne furcht,
und fuͤrchten ohne glauben:
daß dieſes ſchoß-kind der menſchen ſeine eigene
mutter toͤdte.
das leben ſo wir lieben, uͤben wir nicht recht.
iſt es ein traum?
ſo iſt der ſchlaf die zeit,
und wir traͤumen weil wir ſchlafen:
iſt es eine fabel?
ſo betruͤgen wir uns auch.
der nebel,
den es mit verkehrten buchſtaben ausdruͤckt,
blendet das geſichte,
ſo lange wir zuſehen.
aber die ſterbenden oͤfnen uns die augen,
wenn wir ſie ihnen zudrucken.
was das leben ſey,
erkennen wir aus den todten, gruͤften.
ſuchteſt du wohl Pilgram,
unter dieſem lebloſen marmor,
das muſter weiblichen geſchlechts,
einen adler von adlern gezeuget,
die
[320]von denen unterſchiedenen arten
die gebohrne STEGERJN,
und verehligte JaͤGERJN?
mit deiner verwunderung findeſt du hier:
eine RAHEL dem namen,
ein ſchaaf der that und deutung nach.
eine tochter Jeptha den eltern,
eine Paulina dem eh-manne,
eine Cornelia den kindern,
eine gluͤckſeligkeit den freunden.
in ſchoͤnheit eine Helena;
in großmuͤthigkeit eine Debora;
in klugheit eine Penelope;
in gednld eine Suſanna;
in Gottesfurcht eine Judith.
mit kurtzem:
eine vollkommene unter der menge der unvollkom̃enen;
ein engel unter menſchen
die zwar auch ihre menſchlichkeiten,
wie die ſonne mackeln,
und der mond ungleichheiten gehabt;
aber ſonder ihre verſtellung.
die dunckele ſchattirungen machen die guͤte eines kunſt-
gemaͤhldes nur ſo viel kentlicher.
hier ſind ihre gaben verſtecket.
und ihre leiche lehret dich:
fuͤr der vergaͤngligkeit iſt nichts unvergaͤngliches.
fuͤr der unbeſtaͤndigkeit nichts unbeſtaͤndiges.
was iſt nun ſchoͤnheit?
ein apfel von Sodom, der ſeine aſche in ſich naͤhrt.
eine frucht dem wurm-ſtiche der zeit, wie der kuͤrbs
Jonas unterworffen.
eine blume, die auf uns ſelbſt erſtirbt,
und den leib zur baare brauchet.
was iſt die gluͤckſeligkeit der geburt und guͤter?
die hohen ſand-berge verſtiebet der wind am ehſten.
Prometheus hat allen grund-zeug ſeiner gebildeten
menſchen mit zehren angefeuchtet.
die perlen ſelbſt ſind thraͤnen der erzuͤrnten ſee;
die
[321]des ſtili inſonderheit.
die rubinen? geronnene bluts-tropfen.
die erde kan auch, von ein ſcharrung der erden,
uns erde nicht loßkauffen.
klugheit, großmuͤthigkeit, gedult, gottesfurcht,
und alle tugenden
ſind zwar waffen fuͤr dem ewigen,
nicht aber dem zeitlichen tode.
der duͤrre menſchen-wuͤrger hat kein empfinden.
ſein ohr kein gehoͤr; ſein auge kein geſicht;
ſein hertze kein mitleiden.
die alles einaͤſchernde eitelkeit laͤſt ſich durch keine
liebliche lippen erbitten.
o elend! o unerbitliches verhaͤngniß!
was heiſt nun leben?
in ſteter gefahr des todes ſchweben.
kaͤyſer Juſtinus fraget nach der ſtunde des tages,
und beſchleuſt die letzte ſeines lebens.
eine STEGERJN fehlet ihres ſteges nicht, und
faͤllt doch von demſelben.
ſie verbluͤbet mit bluͤhenden jahren
und erblaſt mit purpurnen wangen.
lerne denn mein pilgram an dieſem tode ſterben.
An dieſem falle keiner jugend trauen.
wer wird bleiben wenn ſolche vergehen?
die tauſend geſchicklichkeiten begreiffende JaͤGERJN
hat zur grabe-ſchrifft:
ich bin erjagt.
der tod iſt der jaͤger, die kranckheit das netze, das
wild ſie ſelbſt.
von ihrer lebhaftigkeit iſt nichts mehr uͤbrig.
was ſie ſie geweſt, iſt nun nicht mehr.
die eltern haben ihren troſt;
die verwandten ihr verlangen:
die freunde ihre vergnuͤgung;
die feinde ihre aufmunterung;
Leipzig aus ſeiner gemeine was ungemeines,
aus wenigem ein vieles verlohren.
kroͤnen nicht alle ſie mit dieſem nach-ruhm?
Xein
[322]von denen unterſchiedenen arten
ein menſch hat goͤnſtige und mißgoͤnſtige.
So wiſſe zur nachricht:
daß der fpiegel der welt, ſich dem ſpiegel der Smirne
tempel vergleiche,
welcher die ſchoͤnen leute garſtig zeiget.
ſie war wie das Parrhaſiſche gemaͤhlde,
von welchen man mehr kunſt durch den verſtand be-
greiffen muſte, als den augen der unverſtaͤndigen
gemahlet war.
glaube den unpartheyiſchen, und betruͤge dich in
einer warhafften ſache nicht.
waͤre dir vergunt: der entſeelten gebeine vor ihrer
vermoderung zu beſchauen,
ſo wuͤrdeſt du auch aus der abgelegten leibes
ſchale ſchlieſſen lernen,
was die huͤlſen vor einen kern gehabt.
denn ſolche todten ſind wie die mohnen-knuͤpfel,
welche wenn ſie ihre blaͤtter verlieren, dennoch
die krone behalten.
preſſet dir dieſes zehren aus, ſo weine bitterlich.
ſetze dich mit der Ceres eine zeitlang auff den ſtein,
darauff niemand lachen koͤnnen.
die aſche tugendhaffter weiber, verdienet auch
thraͤnen der helden, wie Siſigambens des
groſſen Alexanders.
aber beſchwere den ſeligen leichnam mit keiner
uͤbermaſſe.
wir haben ſie verlohren doch nicht auff ewig.
ihr ſchmertzhaffter tod, fuͤhret ſie zur ſuͤßigkeit des
Lebens.
die ſonne iſt am kaͤltſten bey ihrem aufgange
die Perſiſchen koͤnige trincken bey antretung ihrer
regierung einen trunck ſauren milchs.
wenn du desfals der verſtorbenen zum an-
gedencken,
und ihrem geſchlechte zu ehren,
den leichenſtein, mit deiner beſſerung, mitleidend
genetzet haſtꝛ
ſo
[323]des ſtili inſonderheit.
ſo troͤſtet dich die vernunfft mit dreyen worten:
Nicht zu viel
Die andere iſtLateiniſch, (welche ſprache we-
gen der haͤuffigen wortſpiele die man darinn
anbringen und weil man die gedancken kurtz
ausdrucken kan, gar geſchickt iſt zum ſtilo argu-
to) und auf die praͤadamiten gemacht, wird
vom Seldeno inotiis theologicisp. 70. aus
des Dietericiantiquitatibus biblicis angefuͤh-
ret:
‘Siſte viator gradum
\& hic quære:
quo patre? phantaſo.
qua matre? moria.
ubi natus? in cerebro.
Non ut Minerva Jouis
ſed ut Morpheus ſomni.
Qua nutrice? vanitate.
Quantus tempore? aeuiternus o pinione.
Sed revera vix quinque luſtra egreſſus.
Quid rerum geſſit in mundo?
Riſit. ſugillauit.
Errores abortiuit.
Cucurbitas pinxit.
Ventos venatus eſt.
Quid ſuſtinuit? mire miras fictiones,
imputationes, refractiones.
Si vos oſſilegi nihil aliquando invenietis, ne mir emini.
Qui ſepultns eſt hic praeadamita
Ουδ [...].’ ()
Weil ich einmahl uͤber die inſeriptiones ge-
rathen bin, will ich annoch folgende aus meiner
geringen ſammlung anfuͤhren:
X 2I.Als
[324]von denen unterſchiedenen arten
I.Als die Engellaͤnder mit Franckceich anno
1713. einen particulier-frieden ſchloſſen, ver-
fertigte ein Oeſterreichiſch-geſinneter folgen-
des:
Scire velim,
quid fuerint, quid ſint Angli?
Angli Germanorum olim fuerunt Angeli:
Lemures enim Gallicos exSueuorum aedibus expulerunt:
Suesque ſimul Bauaricos a lemuribus his ſimul obſeſſos,
(multis haud dubie in Danubium præcipitatis)
ex Sueuorum agris.
Auſtriacorum \& Batauorum ſpiritus fuere familiares.
Omnium arcanorum principes arbitri.
Genii fideles Caroli,
quem feliciter deportarunt in ſinum Barcinonis.
Angli [denique] quotiescunque cum hoſte congreſſi ſunt,
ſemper egerunt
angelos percuſſores, vaſtatores, depopulatores,
Primo mane, die medio, primo veſpere, nocte concubia,
\& mari \& terra.
Hoſtibus terrori fuere, perniciei, moleſtiae, tormento.
Boni itaque fuere, boni multis iuſte dicti ſunt tempe-
ſtatibus angeli,
Angli,
pro meliori acriter ſtantes cauſſa,
foedus, quod ſanxerant, ſancte colentes,
bonitatemque eam, iuſto hoc bello comprobatam, quam
ſaepiſſime, firmiter retenturos eſſe,
putauimus,
\& in bono iam ita confirmatos credidimus Anglos,
vt excidere prorſus non poſſint.
Putauimus, credidimus,
\& heu!
falſo!
Angli enim heu! nunc foedifragi facti angeli.
principio foederis
cadem qua foederati ceteri
inte-
[325]des ſtili inſonderheit
integritate, ſeueritate, iuſtitia,
Eademque fidei conſtantia, zelique probi obteſtatione
ad Caeſarem conuerſi,
a Caeſare \& caeſarianis ſubdole nunc auerſi,
hoſtium amici, amicorum hoſtes clancularii facti ſunt,
Nam qui nobiſcum non ſunt, contra nos ſunt.
Angli,
angeli tam boni olim, tam eandidi, tam niuei,
quam mali nunc ſunt, quam nigri, quam atri, quam pieei!
Angli perfide a foederatis foederisque ſanctitate
digreſſi,
in grande vitium lapſi.
Paucis:
angeli hi Callorum iam nuno ſuecubi ſunt
in caſſes Gallorum illapſi.
Digni qui ſemper ſint.
Digni, qui olim in tyrrannidis Gallicae
abyſſum praecipitentur \& concludantur,
Sed quoniam dixiſti a bonitate ſua defeciſſe Anglos.
quae cauſſa fuerit defectionis, quaeſo
refer?
Res digna relatu:
audi, ſile!
Angeli mali olim feminam,
hio, femina Anglos a bonitate abſtraxit:
Vnde vero hoc ipſum probas?
Vtinam nequeam!
Sed in hune maxime modum clamitat totus orbis
Auſtriacus,
Anna in veritate non ſtetit,
Anna in veritate non ſtante,
ex angelis denuo facti daemones, cacodaemones,
non in coelo, ſed in orbe, ſed in Anglia!
At manum de tabula.
II.Ohngefaͤhr anno 1694. kame folgendes auf
die Pietiſten aus einem antipietiſtiſchen ge-
hirn zum vorſchein.
X 3Heran
[326]von denen unterſchiedenen arten
Heran ihr frommen!
Schauet hier eine neue art der froͤmmigkeit!
Wolte GOtt, wir haͤtten die alte noch!
Der alte GOtt, der alte glaube, die alte pietaͤt ſind
immer die beſten.
Zwar,
indem ſie die alte ſuchen,
Dringen ſie uns eine neue auf.
Wer denn?
Die Herren Pietiſten.
Du erſtauneſt, da du ſie nennen hoͤrſt:
Was wuͤrdeſt du nicht erſtlich thun, wenn du ſie reden
hoͤrteſt?
Du wuͤrdeſt ihnen nicht nur geneigtes gehoͤr geben,
ſondern ſie gar vertheidigen.
Denn ſie wiſſen meiſterlich
den ſchein des guten anzunehmen,
und den ſchalck zu verbergen.
Du ſolteſt ſchweren,
es waͤren heilige engel.
Wann du nicht wuͤſteſt, daß ſich der teuffel in einem
engel des lichts verſtellen koͤnte.
Fraͤgſt du nach ihrer lehre,
ſo wiſſe,
daß ſie keine und doch alle haben.
Auͤſſerlich paradiren ſie mit der h. ſchrifft,
ins geheim ſind das ihre glaubens-articul, was ihnen
traͤumt und gut deucht,
und die rechten glaubens-articul halten ſie fuͤr zanck-
aͤpffel.
Sie verwerffen die Philoſophie, und treten ſie mi[t]
fuͤſſen,
Damit ja niemand ſchlau werde ihre thorheiten
einzuſehen.
Sie ſchreiben Theologien,
Deren ſich ein Theologus ſchaͤmet.
Sie
[327]des ſtili inſonderheit.
Sie leſen die heilige ſchrifft wider die h. ſchrifft,
ſie ruͤhmen ſich einer heiligkeit,
und haſſen doch den ſtifter derſelben.
Sie halten conventicula, und verſammlen ſich in den
winckeln.
well ſie das licht ſcheuen.
Sie ſind bruͤder des ordens der unwiſſenheit,
Ritter, ſo die krancke froͤmmigkeit in das h. grab
bringen.
Die ihnen folgen,
ſind
baͤrtige weiber und ohnbaͤrtige juͤnglinge.
Jenen lernen ſie reden,
Denn es iſt doch gar zu lange ſeint Pauli zeiten,
daß ſie ſchweigenmuͤſſen;
Dieſen lernen ſie ſchweigen,
Denn indem ſie ſelbige ohne die wiſſenſchafften zu
beruͤhren,
auf die hohe GOttes-gelahrtheit fuͤhren,
(wie Chriſtus auf die zinnen des tempels gefuͤhret
wurde)
ſo ſetzen ſie ſelbige in die innere beſchaulichkeit,
in ein tieffes ſtillſchweigen,
als auf den hoͤchſten grad des gelahrten nichts.
Von GOtt
haben ſie gar zu viel im munde,
aber deſto weniger im hertzen.
Chriſtum
lieben ſie ſo ſehr,
daß ſie weder um die vergebung der ſuͤnden, noch bey
ſeinem h. abendmahl ihn incommodiren wollen.
Den H. Geiſt
verehren ſie nach ihrer art,
damit er ſie nicht zu fromm, ſondern zu inſpirirten ma-
chen moͤge.
Heiliger GOtt!
rechne mir eine freye ſchreib-art nicht zu,
X 4aber
[328]von denen unterſchiedenen arten
aber bekehre diejenigen,
welche noch viel freyer deine heiligkeit beleidigen,
als es mund und feder beſchreiben kan!
Dieſe ſeltzame heiligen
lieben ihren naͤchſten,
aber nur, wenn er weibliches geſchlechts iſt, geld hat,
und ihnen die fuͤſſe kuͤſſet.
Sie ſind demuͤthig,
aber nur fuͤr den leuten in minen und geberden,
ſie gehen ſchlecht bekleidet,
damit man ihre beſchmutzte heiligkeit deſto beſſer
erkennen moͤge,
ſie eſſen und trincken wenig,
denn ſie ſind ſatt von ihren eignen verdienſten,
und es moͤchte etwan das feuer verleſchen,
welches fuͤr den leuten ſcheinet,
und von der verſtellung angezuͤudet iſt.
Sie ſind ſehr religioͤs,
indem ſie alle religionen fuͤr gerecht halten.
Sie widerſprechen auch keinem ketzer,
weil ſie ſelbſt das widerſprechen nicht vertragen
koͤnnen.
Aber ihre diſputir-kunſt wird privatißime ausgeuͤbet,
wo ſie alle praͤſides ſind,
ohne reſpondenten und opponenten,
durch hand-briefgen.
Der grund-ſatz iſt allezeit: Dieſer iſt nicht unſer:
und der ſchluß: Ergo wollen wir ihn druͤcken.
Sie halten viel auf die bruͤder,
aber noch mehr auf die ſchweſtern,
daß ſie auch
wann etwan eine zur betruͤbten kinder-mutter
werden ſoll,
lieber gleich denen Juden einen neuen Meßiam von
ihr erwarten,
als ſie verdammen.
Deß-
[329]des ſtili inſonderheit.
Deßwegen ſchleichen ſie umher in die haͤuſer,
da haben ſie die betten zum knie-beugen nicht weit,
und fuͤhren die weiblein gefangen,
oder
Sie ſpaziren wie iener clericus in einen gruͤnen wald.
Auf ſolche weiſe feyren ſie alle tage ihren ſabbath,
und ſind doch niemahls muͤßig.
Warum ſolten ſie denn in die kirche gehen?
Zumahl, da ſie nicht wollen von menſchen
gelehret ſeyn?
Sie ſind geiſtliche prieſter,
ia gar Paͤpſte:
Warum ſollen ſie denn die prediger verehren?
Sie ſind viel ſcharf-ſichtiger als Bileam:
Warum ſolten ſie dann erſt
daß ſie die boten GOttes ſehen,
durch den honig des goͤttlichen worts, wie Jonathan,
ihre angen wacker machen?
Jhre collecte faͤngt ſich allezeit alſo an:
Gold haben und einen ſamtnen hut,
oder daß ich mich nicht verſpreche,
Gedult haben und einen ſanfften muth,
iſt mir fuͤr allen andern gut.
Sie ſind propheten,
deßwegen kommen ſie in ſchaafs-kleidern:
Denn von wem ſolte der ſpruch wohl am beſten zu
verſtehen ſeyn als von ihnen:
Thut meinen propheten kein leid.
Und wie ſolten ſie nicht denen boͤſes prophezeyen
koͤnnen,
denen ſie uͤbel wollen,
und denen gutes,
denen ſie weder ſchaden koͤnnen noch duͤrfen.
Sie ſind koͤnige:
Doch halt!
Koͤnige haben lange haͤnde:
ich muß aufhoͤren:
X 5Sonſt
[330]von denen unterſchiedenen arten
Sonſt werde ich von dieſen prieſtern geopfert,
von dieſen paͤbſten in bann gethan,
von dieſen propheten wie Micha tractiret,
und von dieſen koͤnigen
wie die baͤume von dem dornſtrauch verzehret.
Jch will nur alſo zum beſchluß
Euch
die alte treu, den alten glauben, die alte froͤmmigkeit
anwuͤnſchen.
Damit ihr aber nicht
durch dieſer leute pietaͤt in die impietaͤt verfallet,
ſo huͤtet euch,
nicht fuͤr der pietaͤt,
ſondern
fuͤr den pietiſten.
§. 12. Wird der ſtilus argutus insbeſonde-
re auf die laſter appliciret, daß man ſelbige
durchziehet und mit einer artigen und ange-
nehmen manier ridicul zu machen ſuchet, ſo
heiſt er eine ſatyriſche ſchreib-art. Er hat al-
ſo fuͤr den arguten nichts beſonders, und ſeine
groͤſte annehmlichkeit beſtehet in der freyheit
des geiſtes und in luſtigen einfaͤllen, dadurch
er nur thorheit und laſter mit einem beiſſen-
den ſchertz verſpottet.
- S. Thomaſii MonatheTom II. p. 337. ſeqq.Ha-
miltonl. c. p. 64. Lamil’art de perſuadercap. III.
Franciſcum Vauaſſorem de ludicra dictione cap.
VII. VIII.Stollens hiſt. dergel. I. V. 43. 45. 70.
MorhoffsPolyh. I. III. 9. 24. 27. und ander-
werts ꝛc. Man trift ihn am beſten an in Tho-
maſii Monathen, im verdeckten und entdeck-
ten carneval, in Canitzens, Philanders, Abels
Poeſien, ꝛc. im Horatio, Juvenali, Petronio,
Eraſmo, \&c. im Luciano welcher billich fuͤr ei-
nen
[331]des ſtili inſonderheit.
nen meiſter paßiret ꝛc. im Boileau, le Petit Moliere,
Boccalini Leti, \&c. Es heiſt ſonſt billich ioco ſalis
inſtar parce utendum, und es iſt leichter einen
guten ſatyricum abgeben als einen klugen. ſ Lo-
henſteins gedancken in der vorrede zu dem erſten
theil des Arminii. Doch iſt es laͤcherlich, daß die
leute denen ſcopticis gram, welche mehren-
theils viel menſchen-liebe und einen aufgeweck-
ten geiſt haben, hingegen die haͤmiſchen ſchleich-
fuͤchſe lieber ſehen, welche nach ihrem geldgei-
tzigen temperament, es mit keinem menſchen
redlich meinen und gemeiniglich dumme pin-
ſel und memorialiſche luͤmmel ſind.
§. 13. Der poetiſche ſtilus beobachtet zwar
die natuͤrlichen guten eigenſchafften des ſtili
uͤberhaupt, ingleichen die regeln der gantzen
beredſamkeit, hat doch aber in einigen davon
abzugehen gewiſſe freyheiten, und unterſchei-
det ſich von denen andern arten des ſtili,
daß er eine ſache durch beſondere worte und
beywoͤrter, durch haͤuffige figuren ausdrucket,
daß er dabey vermittelſt einer fertigkeit des in-
genii alle beſondere umſtaͤnde zuſammen ſu-
chet, welche vielleicht nur moͤglich ſind, aber
doch die ſache heftiger und nachdruͤcklicher zu
machen dienen, ia daß er zuweilen die worte
in eine ordentliche maſſe der ſylben in gleicher
zahl und in reimendungen zwinget.
- S. Schefferuml. c. p. 14. 16. Lamil. c. cap. XVI.
MorbofsPolyhiſt. I. III. X. und XI. Es ſind
ein paar artige ſtellen, welche Schefferus
aus dem Livio anfuͤhret und gegen des Virgilii
ausdruck haͤlt. z. e. Livius ſagtlib. II. 20. Mo-
ribundus Romanus ad terram ex equo defluxit.
Virgili-
[332]von denen unterſchiedenen arten
Virgilius gieht dieß im 2ten BuchAen. ſan-
guinis ille vomens riuos cadit, atque cruentam
Mandit humum, moriensque ſuo ſe in ſangui-
ne verſat.Und wenn Liviusl. 25. ſagt;Ma-
le ſuſtinenti arma, gladium ſuperne ingulo defi-
git.ſo ſetzt Virgilius:
‘dextraque coruſcum’ ()
Extulit, ac lateri capulo tenus abdidit enſem:
Ziegler in ſeiner Helden-liebe wann er ſagen
will: Die ſonne ſey aufgegangen, ſo ſpricht
er: Die muͤbſame ſonne hub ihr goldbe-
flamntes haar aus der ſee. Hier fragt ſich ob
es erlaubt, die nahmen der heydniſchen goͤtter
zugebrauchen? Mir gefaͤllet es nicht, wenig-
ſtens deucht mir ſtehet es im Teutſchen nicht
gar fein, und es iſt billich ad ſtili Ethniciſmum zu
referiren, davon Jacobus Thomaſius eine diſſer-
tation geſchrieben, zu geſchweigen, daß es eine
ziemliche armuth im ſtilo andeutet, ſich mit
dergleichen laͤppiſchen mythologiſchen gloſſen
herausputzen wollen, dabey man doch mehren-
theils ridicul wird: z. e. Warum ſoll ich ſpre-
chen: Titan ſitzt im guͤldnen ſtuͤck, auf ſeinen
wagen, und faͤbrt mit hrt mit ſchnellen Pferden, ꝛc.
Ziegler druckt es alſo aus: Es blitzt das
zeugniß der goͤttlichen allmacht und maie-
ſtaͤt, die ſonne, an der blauen feſte. [...]Warum
ſetzt man: Auricomus ſalſo ſurgens ex aequore
Titan ad nos fert onomaſma meum, oder: Cyn-
thius auricomus miſſo rutilante cubili natalem
noſtrum laetus ab axe refert:Lotichius ſpricht
an deſſen ſtatt:Ecce meus natalis adeſt, feliei-
bus opto auſpiciis, ſervent hunc mihifata diem.
Am meiſten zieren dieſen ſtilum die accuraten
und lebhaften fuͤrbidungen der ſache, z. e. von
einem ſturm zur ſee ſagt Virgilius:ſtridens aquilone procella
velum
[333]des ſtili inſonderheit.
velum aduerſa ferit fluctusque ad ſidera tollit.
Franguntur remi, tum prora auertit \& vndis
Dat latus: inſequitur cumulo praeruptus aquae mons.
Hi ſummo in fluctu pendent, his vnda dehiſcens
Terram inter fluctus aperit furit aeſtus arenis.
(Morhoff:)
‘Adverſam hinc Boreas crudeli verbere puppim
Sauciat, hinc madido ſubruit ore Notus.
Confligunt Euri Zephyris, furioſaque nobis
Atque ſibi pugnas, turba marique movet.
Heic brevia eſt ſyrtes, heic eſt metuenda vorago,
Heic ſcopuli infames, ſaxaque coeca ſedent,
Quo mittes oculis ſe plurima mortis imago
Ingeret.’
(Lobenſtein:)
ꝛc.Es ſchuͤttete die HandDes grimmen himmels dach, blitz hagel, ſchloſſen,
regen,Auf meine maſten aus mit vielen donnerſchlaͤgen,Die flotte ward zerſtreut, die ſeegel umgekehrt,Die ſeile gantz verwirrt, die ruder nichts mehr
werth,Die ſteuer theils zerſchellt, die ancker abgeriſſen,
Wo man nicht haͤtte Poetiſch ſchreiben wollen, waͤ-
ren dieſe beſchreibungen nicht noͤthig geweſen,
zumahl da ſie ſich nur auf die beſchaffenheit der
ſache gruͤnden, wie ſie etwa ſeyn koͤnte. Und
in ſolcher fiction beſteht die ſeele der Poeſie,
oder wenigſtens ihre groͤſte ſchoͤnheit.
§. 14. Zuweilen geht das ingenium in ſei-
nen einfaͤllen gar zu weit und verfaͤlt auf pa-
radope, laͤcherliche dinge. weil es entweder
von dem iudicio nicht gnugſam unterſtuͤtzet
wird, oder weil man mit fleiß woruͤber ſcher-
tzet, und einding ridicul zu machen ſuchet, als-
dann druckt man ſich theils durch alte verle-
gne woͤrter und redens-arten aus, theils
durch
[334]von denen unterſchiedenen arten
durch dergleichen, welche bey dem poͤbel ge-
braͤuchlich und viel applauſum finden, ia man
nimt ſich die freyheit, eben dadurch ein ge-
laͤchter zu erwecken, wann man den regeln der
beredſamkeit auf eine ſo merckliche art zuwie-
derhandelt, daß auch gemeine leute es erken-
nen und daruͤber lachen, und dieſes heiſt dictio
ludicra, burlesque, ein laͤcherlicher ſtilus, wo-
zu man keine regeln gebraucht als dieſe, daß
er entweder gar nicht, oder ſehr ſelten, bey gantz
beſondern faͤllen, zu gebrauchen.
- Alles was man von dieſem ſtilo ſagen kan, ſcheinet
im folgenden buch begriffen zu ſeyn: Franciſci
Vauaſſoris e S. J. de ludicra dictione liber in quo
tota iocandi ratio ex veterum ſcriptis aeſtimatur,
edidit jo. Erhardus Kappius mit des Vauaſſoris
Antibarbaro und Joh. Ludovici Balzacii epiſto-
lis ſelectis. Leipzig 1722. 8. Will man exempel
haben von dieſem ſtilo ſo mag man Scarrons
Virgile traueſti en vers burlesques Paris 1667. 12.
leſen, Loredano dell’Ihiade giocoſa hat Homerum
auf gleiche weiſe fuͤrgeſtellt, ſiehe Stollenl. c. V.
46. Morhofl. c. l. VI. 8. 9 Es gehoͤren auch
die knittelreime, meiſtergeſaͤnge und dergleichen,
la auf gewiſſe maſſe der froſch-maͤuſeler des
Rollenshagens hieher. S. davon Reimmanns
Hiſt. Litt.IIII. p. 668.
§. 15. Jn anſehung der ſprache, worte und
derſelben beſchaffenheit, damit man ſeine ge-
dancken fuͤrtraͤgt, iſt der ſtilus einmahl ſo vie-
lerley, als man ſprachen hat; hernach entwe-
der naturalis oder artificialis, ienerheiſt ent-
weder ſimpler, weil er von ſinnlichen, theore-
tiſchen, familiairen dingen handelt und iſt
mit
[335]des ſtili inſonderheit.
mit dem humili meiſt einerley, oder propri-
us, weil er keine tropos, oder ordinarius weil
er keine figuren braucht, und hat in dieſen faͤllen
nichts beſonders: Dieſer der artificialis
heiſt tropicus weil er tropos, und figuratus,
weil er figuren braucht, dabey ebenfals nichts
mehr zu erinnern, er heiſt aber auch declama-
torius weil er gewiſſe ſolennitaͤten erfordert
und hievon iſt etwas zu gedencken.
§. 16. Doch ehe ich davon etwas beybrin-
ge, muß ich von dem ſtilo in anſehung der
ſprache etwas ſagen, und zwar von dem Latei-
niſchen, weil ſolches die ſprache der gelehrten
und vom Teutſchen, weil dieſes unſere mutter-
ſprache iſt. Jene iſt fuͤr allen andern excoli-
ret worden, dannenhero findet man darinn
gewiſſere regeln und vollkommenere, oder
wenigſtens haͤuffigere exempel, ſo zu anbrin-
gung der guten eigenſchaften des ſtili den weg
bahnen.a) Es hat aber dieſe ſprache darinn
die groͤſte freyheit, daß ſie die woͤrter nach ge-
fallen verſetzen kan, und den vorzug, daß ſie
was die reinlichkeit anbetrift, gleichſam in
poſſeßione iſt, und ſich nicht leicht, durch ein-
miſchung fremder woͤrter, darinn turbiren laͤſt.
im uͤbrigen braucht ſie keiner beſondern regeln,
und wegen der eintheilungen in den Juliani-
ſchen, Muretianiſchen, Ciceronianiſchen, und
Curtianiſchen ſtilum,b) ingleichen in die aucto-
res unterſchiedener alter,c) darf man ſich
auch keine groſſe muͤhe geben.
§. 17.
[336]von denen unterſchiedenen arten.
§. 17. Man kan ſonſt im Lateiniſchen alle
arten vom ſtilo haben, und eben dieſe eigen-
ſchaft hat ſie mit der Teutſchen ſprache gemein,
von welcher bereits in der vorbereitung §. 22.
erwehnet, daß man entweder den Schleſiſchen
oder Meißniſchen oder Nieder-Saͤchſiſchen
oder Fraͤnckiſchen ſtilum, darinn obſervire.
a) Doch in keiner mund-art und in keiner
art von ſtilo iſt man befugt, die eigenſchaften
des guten ſtili uͤberhaupt, aus den augen zu
ſetzen, und wo man dieſe geſchickt anzubringen
weiß, und ſorgfaͤltig den genium dieſer ſpra-
che beobachtet, wird man auch einen guten
Teutſchen ſtilum ſchreiben. b)
Es vergliech iemand nicht uneben, dieſe vier ar-
ten von Teuſchen ſtilis, mit vier frauenzimmern,
da die eine ſich immer mit demanten gold und
ſilber heraus putzete und als eine hof-dame al-
lezeit in galla erſcheinen wolte; die andere,
gleich einem academiſchen frauenzimmer artig,
compaſant und liebreitzend waͤre, allen ge-
fallen, niemand lieben, zuweilen fuͤr beſſer gehal-
ten und mehr geehret ſeyn wolte als ihr zukaͤme;
die dritte wie eine geſchaͤftige haußwirthin, nicht
ſonderlich auf den aͤuſſerlichen putz hielte, ohnge-
achtet es ihr darã nich fehlete, auch nicht eben die
leute zu charmiꝛen ſuchte, ſondeꝛn vielmehr auf ih-
re verrichtungen daͤchte, inzwiſchen doch durch das
ungezwungene weſen, die herfuͤrleuchtende red-
lichkeit, und kluge wirthſchaft, allen gefiele; und
endlich die vierdte uͤberall die augen der leute
Yauf
[338]von denen unterſchiedenen arten
auf ſich ziehen wolte durch lichte und bunte far-
ben, ſchminckpflaͤſtergen, affectirten gang, ge-
borgte demante viele baͤnder, und allerhand klei-
nigkeiten. Doch will ich ihm nicht gaͤntzlich
beyfallen, ſondern vielmehr zum exempel einige
proben anfuͤhren, welche man conferiren mag:
ſonſten geſtehe ich, daß ich bey dieſer eintheilung
ebenfalls keinen rechten grund ſehe. Es mag
alſo zur probe des Schleſiſchen ſtili, der an-
fang der lob-rede dienen, welche der Herr
von Koͤnigsdorf auf Leopoldum gehalten,
der alſo lautet:
Der erdkreiß iſt niemahls in eine groͤſſere be-
ſtuͤrtzung geweſt, als er ſich in gegenwaͤrtigen
zeiten befindet. Die regierſucht hat faſt alle
voͤlcker erreget, und die koͤnigreiche wider ein-
ander geſtoſſen, und wolte gern aus derſelben
zertruͤmmerung ſich ein reich aufbauen, deſſen
beherrſcher die Borbonier und ihre untertha-
nen das menſchliche geſchlecht ſeyn ſollen Eu-
ropa rauchet allenthalben von dem angelegten
feuer, ſelbſt America haben die um ſich freſſen-
den flammen angezuͤndet, und das weite meer
hat nicht gnugſam waſſer ſolches zu loͤſchen.
Europa ſoll eine neue, und America die alte
oder vielmehr noch eine neuere welt werden;
ſo gar ſind die laͤnder verwuͤſtet, und die ſtaͤdte
umgekehret, daß die erde ihre vorige geſtalt ver-
lohren, und den inwohnern nichts als das all-
gemeine elend uͤbrig verblieben. Die waſſer
ſiehet man von blut aufgeſchwellet, und der
ocean wird dem rothen meere ſeinen nahmen
zweifelhaftig machen. Seine fluthen ver-
ſchlin-
[339]des ſtili inſonderheit.
ſchlingen gantze flotten, dadurch wird der ab-
grund ſeichte, auch in den hafen verurſachet
der ſchreckliche ſturm ſchif-bruͤche. Die ge-
fahr haͤlt allen das meer verſchloſſen, nur dem
verderben und untergang ſtehet es offen. Bey
dieſen bekuͤmmerniſſen iſt das empfindlichſte
ungluͤck, daß der ſtarcke Atlas, welcher die fal-
lende welt aufgehalten, der groſſe Leopoldus
(pleniſſimis titulis) mein im leben geweſener
allergnaͤdigſter Herr, durch den todt entkraͤftet
worden ꝛc.
- Als eine probe des Meißniſchen, kan der anfang
derienigen rede, welche Herr Gottfried Ole-
arius auf das abſterbenD.Schambergs
1706. gebalten, angeſehen werden. (Siebe die
reden groſſer HerrenII. p. 1064.
Wenn ſelbſt der purpur ſeinen glantz verſtel-
let, uñ ſtatt deſſen nur truͤbe blicke u. einen zwei-
felhaften ſchein von ſich geben will, und wañ die
ſchoͤnſte morgen-roͤthe ſich in eine dunckle nacht
verwandelt, und aus heitern himmel blitz und
donner herfuͤrbrechen: ſo iſts kein wunder,
wenn ein ohne dem unberedter mund, an ſtatt
einer wohlgeſetzten rede, fuͤr beſtuͤrtzung nur
lauter gebrochene worte und einen unver-
ſtaͤndlichen laut herfuͤr bringet. Und da ich
mich anietzo eben in ſolchen umſtaͤnden be-
finde, ſo wuͤrde mein fehler keine entſchuldi-
gung verdienen, daß ich mich fuͤr ihnen, hoͤchſt-
und hoch geehrteſte auweſende, herfuͤr zu treten
erkuͤhne, wenn nicht eine loͤbliche univerſitaͤt,
bey dem gegenwaͤrtigen, alle ihre glieder durch-
Y 2drin-
[340]von denen unterſchiedenen arten
dringenden ſchmertzen, nur fuͤr vergeblich ge-
halten, zu ablegung ihres ergebenen danckes,
einen beredten redner auszuſuchen; zugleich
aber es ihrer gegenwaͤrtigen pflicht nicht un-
gemaͤß befunden, die betruͤbniß vielmehr, als
die kunſt, das wort fuͤhren zu laſſen.
- Zur probe des Nieder-Saͤchſiſchen, gebe ich den
anfang einer rede, welche von Herrn Joſt
Chriſtoph BoͤhmernP. P.zu Heimſtaͤdt 1710.
auf die vermaͤhlung Hertzogs Auguſt Will-
helms zu Braunſchweig mit der Hertzogin zu
Hollſtein-Ploͤn, Eliſabeth Sophien Marien,
gehalten. (Siehe alleg. redenVII. 87.
Die allgemeine freude des gantzen landes,
ſo mit worten kaum auszudruͤcken, wohl aber
in aller getreuen unterthanen augen kan gele-
ſen werden, erinnert billig dieſe Julius-univer-
ſitaͤt ihrer unterthaͤnigſten pflicht, und verbin-
det dieſelbe, durch ein oͤffentliches denckmahl,
die gluͤckſeeligkeit dieſer zeit, nach dem maaß
ihres vermoͤgens, zu verehren. Das vergnuͤ-
gen, ſo man nach vorher ausgeſtandenen har-
ten trauer- und ungluͤcks-faͤllen, erlebet, iſt weit
groͤſſer und empfindlicher, als wenn einem nie-
mahls etwas widriges begegnet. Es iſt das
licht nimmer angenehmer, als nach einer groſ-
ſen finſterniß. Nach einem groſſen ungewit-
ter und platz-regen, ſcheinet uns die ſonne weit
lieblicher, und man beluſtiget ſich ſo dann weit
mehr an ihren ſtrahlen, als wenn wir ihren
ſchein, eine geraume zeit, ohne unterbruch ge-
noſſen, wenn ihr glantz unſerem geſichte ſich
lange
[341]des ſtili inſonderheit.
lange nicht entzogen. So bitter und ſchmertz-
haft der ausgang des zweyten monaths dieſes
jahres uns geweſen; ſo erfreulich und ange-
nehm iſt hingegen der anfang des letzt-abgewi-
chenen worden. Jener beraubete uns einer
tugendhaften und hochbegabten Fuͤrſtin, und
erweckte durchgehends bey iedermann ein ſon-
derbares beyleid, und ungemeine betruͤbniß:
Dieſer hingegen erſetzet den verluſt: ia was
wir unwiederbringlich verlohren zu haben ver-
meinten, erlangen wir in der groͤſſeſten voll-
kommenheit wieder. ꝛc.
- Ein exempel des fraͤnckiſchen ſtili giebt Eraſ-
mus Franciſci in ſeiner gruͤndlichen wiederle-
gung der verleumdungen. (Siehe die vorbe-
reit. §. 22. not.[r].)
Wie die ſonne den ſchatten, ſo hat wahrheit
die verlaͤumdung zum gefaͤhrten, wenn ſie, wi-
der die ſchwaͤrmende unwahrheit kaͤmpffet:
Und wie mancher ſchoͤnen Fuͤrſtin ein ſchwar-
tzer mohr, alſo folget dieſer heldin gern ein pech-
ſchmutziger laͤſterer auf den ferſen. Der, wel-
cher die wahrheit ſelber, und dazu gebohren iſt,
daß er die wahrheit zeuge, hat ſelbſt dafuͤr einen
dornen-krantz zu lohn bekommen: Derhalben
muͤſſen dieienigen, welche die toͤchter des luͤ-
gen-vaters, nemlich ketzerey und falſche verfuͤh-
riſche lehre, nicht kuͤſſen wollen, ſondern dieſel-
be verſchmaͤhen, bekoͤrben, und mit dem licht
der wahrheit beſchaͤmen, ſich nicht befremden
laſſen, daß der ſatan, ihnen allerley kletten, ia
ſcorpionen, kroͤten, und ſpinnen in die haare zu
Y 3werf-
[342]von denen unterſchiedenen arten
werffen trachtet, durch ſolche ſeine creaturen,
welche ottern-gifft unter ihren lippen, und peſti-
lentz in ihren federn haben; indem er, durch
ſolches mittel, den ketzeriſchen irrſalen, als be-
foͤrderern ſeines reichs, ein beſſeres anſehen
und credit zu erſpinnen hoft, wohl wiſſend, daß
die beruß- und ſchwaͤrtzung des rechtglaͤubigen,
den wahn-glaͤubigen zur ſchmincke diene: ꝛc.
§. 18. Von dem ſtilo declamatorio nun-
mehro zu reden, ſo wird derſelbe hauptſaͤchlich
deßwegen in etwas zu erwegen ſeyn, weil bey
ſeinem aͤuſſerlichen fuͤrtrag gewiſſe ſolennitaͤ-
ten,a) wie bereits erwehnet, zugleich fuͤrfallen,
darauf man bey der ausarbeitung und an-
wendung aller arten von ſtilis fuͤr andern all-
hier zu ſehen. Wird er bey ernſthaften bege-
benheiten gebrauchet, ſo kan man ihn den ei-
gentlichen ſtilum oratorium nennen, weil die-
ſer faſt der eintzige iſt, davon die anweiſun-
gen
[343]des ſtili inſonderheit.
gen zur beredſamkeit nachricht zu geben ſich
bearbeiten. Er fodert ſo dann, daß man
nicht nur alle gute eigenſchaften des ſtili an-
bringe, ſondern auch ſo anbringe, daß es recht
mercklich ſey, wie man bey ihrer anbringung
ſorgfaͤltig geweſen, wie man mit groſſem fleiß,
reine, deutliche, nachdruͤckliche, angenehme,
worte und redens-arten aufgeſucht, eine nette
iunctur und klingenden numerum genau beob-
achtet, u. uͤberall kunſt u. wiſſenſchaft, doch ohne
affectation, zu zeigen, ſich bemuͤhet habe.c)
§. 19. Ziehet man ihn auf das theatrum
zum ſchauſpielen, da hat er allerdings groͤſſere
freyheiten, und da der Oratorius niemahls das
burlesqve leidet, ſo kan man hier in gewiſſen
faͤllen, ſolches ſehr wohl gebrauchen. Wie
aber die groͤſte annehmlichkeit aller ſchauſpiele
darinn beſtehet, daß alles recht wahrſcheinlich
fuͤrgeſtellet werde, ſo iſt auch die groͤſte tugend
des ſtili theatralis, daß er mit dem caracter der
perſonen, die da reden, gar genau uͤberein ſtim-
me, und doch auch nicht gar zu ſehr uͤber die re-
geln des guten ſtili u. des wohlſtandes ſchreite.
- Siehe Stollens Hiſt. der gel.l. V. 29. ſqq. 69. Es
koͤnnen auch hieher die romainen und fabeln
auf gewiſſe maaſſe gezogen werden ibid. 67.
III. V. 33. Man findet allhier nicht nur die, ſo
regeln dazu gegeben, ſondern auch exempel, an-
gefuͤhret. Wenn auf einem theatro die perſo-
nen lange mit ſich ſelbſt reden, eine tiefe Moral
zeigen wollen, zoten reiſſen, die bauren gelehrt
und die printzen baͤuriſch ſprechen, da haben die
zuſchauer mehr eckel, als vergnuͤgen. Die hi-
ſtorie des Moliere, welcher ſeine magd conſuli-
rete, iſt bekannt.
§. 20. Die abfaſſung der periodorum bey
dem ausdruck, macht den unterſchied unter
den ſtilum luxuriantem oder diffuſum den ro-
tun-
[345]des ſtili inſonderheit.
tundum und concinnum, und unter den conci-
ſum und ſententioſum. Den erſten hieſſen die
alten Aſiaticum, den andern Atticum, und den
dritten Laconicum. Der luxurians, diffuſus,
Aſiaticus ſtilus iſt in ſeinẽ ausdruck weitlaͤuf-
tig, mit vielẽ beywoͤrtern bereichert, gebrauchet
lange worte, redens-arten, lange periodos,
nimt alle determinationes und umſtaͤnde einer
ſache mit, leidet viel propoſitiones incidentes,
ausſchweiffungen und beſchreibungen, auch
viel tropos und figuren, iſt zum oͤftern mit
dem ſublimi, mediocri, und pathetico verbun-
den, und beobachtet auch alſo die von dieſen
gegebene regeln, allezeit aber iſt er Oratorius.
- Er heiſt ſonſt auch prolixus, circumductus, ſiehe
Hederichs Philolog Wiſſenſch.p. 549. Hei-
necciuml. c.Langens Einl. 3. O.I. p. 302.
giebt davon ein exempel. Muretus, Hof-
mannswaldau, ꝛc. fuͤhren ihn. Zur probe
mag folgendes ſeyn: - Propoſitio:Wer ſich nichts zutrauet/ wird ſel-
ten befördert, wenn er ſchon gelehrt iſt. - Argum probans:Denn heut zu tage gilt das
wind machen. - Elabor. Alle verzagte und furchtſame gemuͤther-
welche ihre eigene kraͤfte nicht mit richtiger wa-
ge abzumeſſen und mit gnugſamer ſcharfſichtig-
keit zu betrachten wiſſen, dannenhero ſich ſelbſt
des gluͤcks unwuͤrdig ſchaͤtzen, und an ihren ver-
dienſten verzweiffeln, erfahren mehrentheils,
daß eben dieſes von ihnen gefuͤrchtete und mit
gar zu groſſer demuth verehrete gluͤck, ihnen die
thuͤre zu der gehoften ruhe, zu den verdienten be-
Y 5loh-
[346]von denen unterſchiedenen arten
lohnungen, und zu denen geſuchten befoͤrderun-
gen verſchlieſſe, wann ſie auch ſchon ihren ver-
ſtand durch ſcharf-ſinniges nachdencken ge-
ſchaͤrffet, durch artige erfindungen gezieret, und
durch viele wiſſenſchaften bereichert. Denn
nachdem man guͤldene, ſilberne, eherne, eiſerne,
hoͤltzerne, irrdene und endlich gar waͤſſerige zei-
ten, ſint erſchaffung der gantzen welt erfahren,
ſo ſcheinet es, als ob uns das ſchickſaal, in dem
ietzigen ſaͤculo, die luftigen zeiten haͤtte erleben
laſſen, da ſich die aufblaſenden und in die zeit,
in den geſchmack und unwiſſenheit der befoͤr-
derer, (die ohne dem allzeit groͤſſere leute zu ge-
ringern dienſten und wenigern beſoldungen for-
dern) durch eine ſchwũlſtige fuͤrſtellung ſchicken-
den prahler am allerleichteſten in den hafen der
ruhe und an denen gluͤckſeeligen inſuln der befoͤ-
derung ſehen: Ob wohl die folgende feurige
zeit ihre gemachten duͤnſte zerſtreuen, den wind
verduͤnnen, und ihre ſtoppeln verbrennen
moͤchte.
§. 21. Der rotundus, concinnus, Atticus
ſtilus maͤßiget den Aſiaticum, und gehet zwi-
ſchen dieſen, und den folgenden Laconicum,
die mittel-ſtraſſe, faſſet alſo ſeine periodos et-
was kuͤrtzer ab, ſetzet nicht eben lange worte
und redens-arten, auch keine haͤuffige propo-
ſitiones incidentes, und giebt denen tropis und
figuren eine gleiche proportion, kan ſich zu-
gleich bey dem humili, mediocri, ſublimi, theo-
retico, pathetico, erudito, hiſtorico, und andern
arten des ſtili finden, bleibt doch meiſtentheils
Oratorius.
- Siehe Hederich, Heinecciuml. c. \&c.Obiges
thema wuͤrde vielleicht nach dem ſtilo Attico
alſo zu ſetzen ſeyn:
[347]des ſtili inſonderheit
- Furchtſame gemuͤther, welchen ihre eigene gute
beſchaffenheiten ſo gering ſcheinen, daß ſie de-
nenſelben alles gluͤck abſprechen, koͤnnen ſich
auch keine vergnuͤgende huͤlfe von dieſer blin-
den goͤttin in ihren befoͤrderungen verſprechen;
wann ſie ſchon vorurtheile und unwiſſenheit
durch eine gruͤndliche gelehrſamkeit und reiche
wiſſenſchaft beſieget. Denn der geſchmack der
heutigen welt und die umſtaͤnde bey denen ſtaf-
feln, darauf man zur gluͤcklichen befoͤrderung
gelanget, erfordern von einem ieden, der ſie be-
treten will, daß er ſeine gute eigenſchaſten etwas
groͤſſer mache, als ſie in der that ſind, ſie etwas
hoch hebe, damit ſie deſto beſſer geſehen werden,
und wohl gar fuͤr guͤlden ausgebe, wenn ſie
gleichſam nur bleyern ſind.
§. 22. Endlich zeiget ſich der ſtilus Laconi-
cus, conciſus, ſententioſus, in einer gantz kur-
tzen verfaſſung, mit kurtzen periodis, laͤſſet
weitlaͤuftige beſchreibungen und einſchraͤnckun-
gen aus, redet gerne mit ſententzen und ſprich-
woͤrtern, (weil dieſe immer reicher an gedan-
cken als worten, und da ſie auf etwas anders
zielen, als der eigentliche wort-verſtand mit
ſich bringet, allezeit ein gedoppeltes nachden-
cken bey einem kurtzem ausdruck verurſachen)
verbindet meiſt realiter, ſucht aber deſto nach-
druͤcklichere worte auf, und iſt meiſtentheils
mit dem arguto verbunden, ſetzt doch niemahls
die guten beſchaffenheiten des ſtili bey ſeite.
- Siehe Hederich, Heineccium,l. c. oben §. 11.
Kem-
[348]von denen unterſchiedenen arten
Kemmerichl. c. p. 1040. Alſo klingt ange-
fuͤhrtes thema nach dieſem ſtilo auf folgende
weiſe: - Bloͤde hunde werden ſelten fett, und furchtſame,
die ihnen ſelbſt am wenigſten zutrauen, ſelten
befoͤrdert. Das gluͤck iſt eine kuͤhne goͤttin,
wenn man ihre gewogenheit haben will, muß
man ſich mit ihr ſympatiſiren. Hingegen iſt
ſie blind, alſo gewinnet man ſie nicht, wenn
man ihr den glantz aͤchter gelehrſamkeit fuͤrhaͤlt,
man erſchreckt ſie nicht mit dem ſchilde der Mi-
nervaͤ. Man faſſe dann ein hertz, und von
ſeinen verdienſten einen groͤſſeren begrif, ſo
wird man erfahren, daß es ein altes, aber
heut zu tage erſt recht wahres ſprichwort:
audaces fortuna iuuat.
§. 23. Jn anſehung desienigen, der da re-
det, und ſeiner abſichten, iſt der ſtilus entwe-
der ſerius, wenn man ernſthafte worte hat,
und dieſer hat nichts beſonders, als daß er die
familiaͤren reden und ſchertzenden gedancken
meidet, oder iocoſus, wann man ſchertzet, die-
ſer hat vieles mit dem ſatyriſchen und burle-
ſque gemein, iener heiſt auch candidus, wann
er es ſo meinet, als er redet, dieſer ironicus,
wann er was anders und wohl gar das ge-
gentheil verſtehet: Ferner iſt er entweder re-
citativus, und erzehlet anderer leute worte,
wie ſie von ihnen ausgeſprochen, oder relati-
vus, und veraͤndert nur die Grammaticaliſche
form der temporum, beyde gehoͤren zum Hiſto-
rico:
[349]des ſtili inſonderheit.
rico: Letzlich vehemens, wann der redende im
affect ſtehet, und temperatus, wann er von
keinem ſonderlichen affect gereitzet wird, iener
hat viel mit dem pathetico, dieſer mit dem theo-
retico gemein.
- Siehe hiebey Kemmerichl. c. p. 1046. 1054.
§. 24. Endlich in anſehung des hoͤrenden,
iſt der ſtilus gar mancherley; doch verdienen
nur der familiaris und dialogiſticus, der ga-
lante, caͤrimonioſus, der epiſtolaris und letz-
lich der dogmaticus, und polemicus, einige
anmerckungen, welche ich kurtz beyfuͤgen will,
da dieſes capitel wider vermuthen ſchon faſt
die graͤntzen einer rechten maſſe uͤberſchritten.
§. 25. Den familiaͤren ſtilum braucht man
im gemeinen leben, zu dem ausdruck ſeiner
gedancken, welche man mehrentheils von ſinn-
lichen dingen gefaſſet, und gegen leute, bey
denen man nicht noͤthig hat, viele caͤrimonien
zu machen, da ſie unſeres gleichen oder wohl
geringer als wir, und gute freunde von uns
ſeyn. Man braucht deßwegen nur ſeine ge-
dancken, durch reine, deutliche, adaͤquate wor-
te auszudrucken, wird nicht an einen periodi-
ſchen numerum gebunden, vielweniger darf
man ſich mit tropis und figuren breit machen.
Bleibt er nur bey unterredungen, ſo heiſt er
auch ſtilus dialogiſticus, doch richtet er ſich
alsdann nach dem begrif des hoͤrenden und
uͤberhaupt nach der beſchaffenheit des obiecti
und dem character der perſonen.
Sie-
[350]von denen unterſchiedenen arten
- Siehe StollenI. IIII. 24. ſqq. Dieſen ſtilum ha-
ben die in ana. ſiehe StollenI.Vorber. 59.
MorhoffsPolyh. I.I. XV. 56. Der Hr. auctor
der geſpraͤche im reiche der todten iſt hierinn
unter den neueſten am gluͤcklichſten.
§. 26. Eben dieſen ſtilum veraͤndern unter-
ſchiedene abſichten des redenden, daß er bald
liebkoſend nnd verbindlich, bald hoͤflich und
angenehm wird, alsdann koͤnte man ihn den
galanten ſtilum nennen. Er entlehnet ſo dann
etwas von dem arguten und ſchertzenden ſtilo,
richtet ſich nach dem galanten gebrauch, dru-
cket den affect der wohlgewogenheit und erge-
benheit, durch etwas ſchmeichlende worte aus,
bedienet ſich eines angenehmen leicht flieſſen-
den numeri, laͤſt zwar keine kunſt und ausge-
ſuchte zierlichkeit mercken, gehet doch aber nicht
zu weit davon ab, ſteigt nur biß zum ſtilo me-
diocri, und erfodert daß man ſonderlich die
perſonen nach ihren geſchlecht und ſtande be-
obachte, wann man ihn anbringen will.
- Zu dieſem ſtilo ſcheint die Frantzoͤiſche ſprache die
geſchickteſte zu ſeyn, allein Talander, Menan-
tes, Neukirch, ꝛc. haben in regeln und exem-
peln, in reden und briefen gewiefen, daß die
Teutſche ſprache es ihr vollkommen gleich thue
S. Kemmerichl. c. p. 1048. 1055.
§. 27. Von dieſen gehet der ſtilus in etwas
ab, welchen man im gemeinem leben gegen
hoͤhere gebrauchet. Denn ob zwarhier eben-
fals der galante gebrauch fuͤr andern zu con-
ſuliren iſt, ſo wird doch der ſtilus etwas ernſt-
hafter, man beobachtet fuͤr allen dingen den ſti-
lum
[351]des ſtili inſonderheit.
lum curiaͤ, man bezeuget ſeine ſubmißion durch
verbindliche worte, welche keine neben-ideen
einer familiaritaͤt haben, huͤtet ſich fuͤr aller
affectation einer kuͤnſtlichen ausarbeitung faſ-
ſet ſeine gedancken kurtz und beobachtet ſorg-
faͤltig die regeln des wohlſtandes. Daher
wird dieſes der ſtilus caͤrimonioſus genennet.
- S. Kemmerichl. c. p. 1057. Exempel findet man
in dedicationibus, ſuppliqven ꝛc. zuweilen di-
ſpenſiret uns der hoͤhere von dieſem ſtilo, und
fodert den galanten oder gar familiaͤren.
§. 28. Werden ietztangefuͤhrte ſtili ſchrift-
lich abgefaſſet und in briefen gebrauchet, ſo
entſteht daher der ſtilus epiſtolaris. Dieſer
bekommt alſo, nachdem er familiaͤr oder galant
oder caͤrimonioͤs iſt, auch unterſchiedene ge-
ſtalten, und muß aus vorheraehenden para-
graphis beurtheilet werden. Zuweilen fuͤhrt
man in briefen gantze propoſitiones aus, und
ſchreitet alſo uͤber die graͤntzen einer rede im ge-
meinen leben, ſo dann heiſſen es Oratoriſche
briefe, und bekommen nach denen noͤthigen
eigenſchaften des ſtili, eine recht Oratoriſche
form und Oratoriſchen ſtilum, welcher ſich mit
allen pathetiſchen, weitlaͤuftigen, hohen, und
ſinnreichen, auch andern arten von ſtilis ver-
binden laͤſſet, und deſſen oben §. 18. gedacht
worden.
- Siehe hiebey untenP. III. cap. 2. von briefſtel-
lern und briefen Stollenl. III. 30. Morhoffs
Polyh. I. I. XXIII. ſeqq.Hederichl. c. p. 585.
§. 29. Alle dieſe arten des ſtili, mag der-
ienige
[352]von denen unterſchiedenen arten
ienige unterſchied des ſtili beſchlieſſen, welcher
daher entſtehet, wann der redende den andern
zu unterrichten, oder ihn zu wiederlegen bemuͤ-
het iſt. Jener heiſt der ſtilus dogmaticus,
dieſer der polemicus. Jener kommt mit dem
humili, theoretico, erudito, Philoſophico,
familiari, dialogiſtico, groͤſtentheils uͤberein,
ſiehet nur auf den unterricht des verſtandes,
laͤſt alſo den deutlichen und adaͤquaten ausdruck
ſein hauptwerck ſeyn. Dieſer beobachtet, weil
er mit eineꝛ etwas unangenehmen ſache zu thun,
ſonderlich den galanten ſtilum und einiger maſ-
ſen den ſtilum dogmaticum, bekuͤmmert ſich
im uͤbrigen mehr um den deutlichen und adaͤ-
quaten ausdruck, um die rechte fuͤrſtellung
ſeiner meinung, und der gruͤnde darauf ſelbi-
ge beruhet, ingleichen um den rechten begrif
von des gegner meinung und ſeinen gruͤnden,
als um die uͤbrigen zierrathen des ſtili, vermei-
det alſo das ſatyriſche weſen und den pracht
der troporum und figuren.b)
ZDas
[354]von den mitteln
Das vierdte capitel,
von den mitteln zum guten ſtilo.
VOn den mitteln zum guten ſtilo uͤberhaupt, und
ins beſondere dem naturell, §. 1. Vom unter-
richt, §. 2. Von der lectur, §. 3. Von der uͤbung
und zwar durch die uͤberſetzung, §. 4. Durch die va-
riationes, §. 5. Durch imitationes, § 6. Durch
eigne zuſammenſetzung mit periodis, §. 7. Mit aller-
ley arten von argumentis, §. 8. Mit allerhand arten
von reden, §. 9.
§. 1.
DAß man zu einer fertigkeit im ſtilo
gelangen, und nicht nur die guten ei-
genſchaften des ſtili uͤberhaupt, ſon-
dern auch eines ieden inſonderheit recht an-
bringen koͤnne, muß man einmahl von der
natur mit guten faͤhigkeiten ausgeruͤſtet ſeyn,
hernach durch eine gute anfuͤhrung nach gruͤnd-
lichen und deutlichen regeln, auch durch die le-
ctur vollkommeneꝛ exempel aufgemuntert wer-
den, und endlich durch eignen fleiß und oft wie-
derholte uͤbung, zu der gehoͤrigen fertigkeit
kommen.a) Was hiezu die natur beytraͤgt,
iſt zwar an ſich nicht eben den regeln unter-
worffen, dann iudicium, ingenium und memo-
rie und einen lebhaftigen geiſt, kan man ſich
nicht ſelbſten geben, aber doch wird man durch
die Philoſophie und nachdencken das iudicium,
durch leſung der Poeien das ingenium, durch er-
lernung der ſprachen und Hiſtorie die memorie,
und
[355]zum guten ſtilo.
und endlich durch eine freye converſation das
gemuͤth ziemlich aufwecken, und zur fertigkeit
im ſtilo diſponiren.
§. 2. Der unterricht iſt bey nahe das fuͤr-
nehmſte, wenigſtens das bequemſte mittel fuͤr
denienigen, welcher den ſtilum lernen will, ob
es wohl dem lehrenden, wann er es redlich
meinet, nicht geringe muͤhe und ſchwierigkeiten
verurſachen kan. Denn von dieſem wird
erfodert, daß er den Grammaticaliſchen grund
der ſprache und der Oratorie, durch leichte
deutliche und gruͤndliche regeln zeige, anfaͤng-
lich mit kurtzen exempeln erlaͤutere, nachge-
hends zu dem leſen der auctorum ſchreite, und
endlich dem lernenden zu allerhand arten der
uͤbung anleitung gebe, auch dahinbringe, daß
er ſelbſt ein vernuͤnftiges urtheil, von den ſchrif-
ten ſo zur beredſamkeit gerechnet werden, faͤllen
koͤnne.
Z 2Es
[356]von den mitteln
- Es wuͤrde zu weitlaͤuftig fallen dieſes ausfuͤhrlich
zu erlaͤutern, und es iſt mein werck nicht einen
Polyhiſtorem methodicum abzugeben, da Mor-
hoffI II. und viel andere mich laͤngſt der muͤhe
uͤberhoben.
§. 3. Wer ſich der lectur recht bedienen
will, muß erſt bey ſich uͤberlegen, ob der auctor,
den er zu leſen gedencket, etwas zu ſeinen ab-
ſichten beytrage, ſich zu ſeinem genie ſchicke,
oder ſolches beſſere, und alſo die hiſtorie von
dem auctore, deſſelben abſichten, und eigen-
ſchaften, auch die urtheile der gelehrten von ihm
ſich bekannt machen. Nachgehends wendet
er ſich zum leſen des auctoris ſelbſt, ſiehet zufoͤ-
derſt auf die gedancken, wie er ſolche durch wor-
te fuͤrſtellet, ziehet aus denen periodis die
haupt-propoſition, beobachtet die ausfuͤhrung
derſelben durch argumenta, determinationes,
erklaͤrungen, bemercket die woͤrter, derſelben
haupt- und neben-ideen, die bey-woͤrter, die
reinlichkeit, deutlichkeit, iunctur derſelben, den
numerum, tropos, und figuren, lieſet alle tage
etwas darinn, und faͤllt nicht leicht von einem
auf den andern, denckt bey dem leſen auf die
moͤgliche application, und excerpireta) was er
ſchoͤnes findet, wenn er ſeinem gedaͤchtniß nicht
viel zutrauet, bemuͤhet ſich aber mehr, alles gu-
te recht ihm eigen zu machen, als ſeinem ex-
cerpten buch anzuvertrauen.
§. 4.
[357]zum guten ſtilo.
§. 4. Hernach ſchreitet man zu denen uͤbun-
gen und greift die ſache ſelbſt an. Man kan bey
denen uͤberſetzungen anfangen, und erſtlich
aus dem Lateiniſchen etwas ins Teutſche, aus
dieſem wiederum in das Lateiniſche uͤberſetzen,
hernach ſeine letzte uͤberſetzung gegen den aucto-
rem, daraus man zuerſt uͤberſetzet, ſelbſt halten,
und ſeine arbeit nach denſelben verbeſſern.
Ferner kan man aus einem Poeten etwas in
ungebundene reden uͤberſetzen, das Poetiſche
weglaſſen, und ſeiner arbeit die noͤthigen ei-
genſchaften eines guten ſtili zu geben ſuchen.
Will man ſich durch uͤberſetzungen gantzer au-
ctorum, der gelehrten welt zeigen, ſo muß man
freylich mehr geſchicklichkeit beſitzen als zu die-
ſer bloſſen uͤbung erfodert wird.
- Wer ſich anfaͤngt in ſtilo zu uͤben, dem fehlt es, bey
der verkehrten art zu ſtudiren, die mancher er-
griffen, meiſt an gedancken und an worten zu-
gleich, deßwegen halte ich dieſe art der uͤbung fuͤr
die erſte, indem man ſchon gedancken und worte
in dem auctore daraus man uͤberſetzen will, fin-
det, und nur einiger maſſen ſeiner mutterſprache
maͤchtig ſeyn darf. Hingegen wo man ſich un-
terfaͤngt mit gantzen uͤberſetzungen in die rolle der
buͤcher-ſchreiber zu kommen, da muß man den ge-
nium von beyden ſprachen, aus der und in die
man uͤberſetzet, voͤllig inne haben, und etwas
mehr, als eine ſuperficielle erkaͤnntnis der ſache/
davon der auctor gehandelt bey ſich finden, ſonſt
kommen Frantzoͤiſch-Teutſche, Engliſch-Teut-
ſche und dergleichen zwitter-ſprachen heraus,
deren wir leider gar zu viel in denen uͤbelgerathe-
nen uͤberſetzungen antreffen.
Z 3§. 5.
[358]von den mitteln
§. 5. Darauf kan man allerhand varia-
tiones fuͤr die hand nehmen. Man variiret
die worte, die redens-arten, die ſtructur der
periodorum, macht aus kurtzen periodis lan-
ge, aus langen kurtze, veraͤndert einen perio-
dum durch alle arten von ſtilis, man variiret
die ſaͤtze durch tropos und figuren, die worte
durch die caſus und durch die differentias
grammaticas, ia man variiret die gantze
connexion einer rede durch allerhand arten zu
verbinden.
§. 6. Weiter kan ſich ein lernender uͤben
durch allerhand arten der imitation. Man
nimmt eines auctoris wohlgerathene arbeit,
unterſucht ihn nach denen im 3. §. beruͤhrten
ſtuͤcken, und bemuͤhet ſich hernach die gedan-
cken eines auctoris, auf andere dinge zu appli-
ciren, durch veraͤnderung einiger umſtaͤnde,
man ſucht ſeine geſchicklichkeit im ausdruck, in
der wahl der worte, in dem numero und an-
dern eigenſchaften des ſtili nachzumachen, ia
man bearbeitet ſich ſeine verbindungen, ord-
nung der ſaͤtze und ſeinen gantzen character
und
[359]zum guten ſtilo.
und ſtilum bey andern gelegenheiten anzubrin-
gen doch ſo daß dabey nichts gezwungenes fuͤr-
komme, oder man eines plagii koͤnne beſchuldi-
get werden.
- Angefuͤhrte auctores geben hievon gnugſame
nachricht, und die exempel laſſen ſich beſſer ma-
chen als hier leſen.
§. 7. Doch die eigne arbeit und zuſammen-
ſetzung thut endlich das beſte, und dieſe kan an-
geſtellet werden mit ſaͤtzen, daß man nemlich
ſelbige in eine periodiſche ſtructur und nume-
rum einſchlieſſet. Man ſuchet, dieſes zu be-
werckſtelligen, die einſchraͤnckungen und erklaͤ-
rungen, des ſubiecti ſowohl als des praͤdicati,
in einem ſatze zuſammen und ſuchet alſo noͤthi-
ge beywoͤrter, geſchickte redens-arten, anſtaͤn-
dige tropos und figuren darinn anzubringen,
doch daß nichts unnuͤtzes und uͤberfluͤſſiges mit
einflieſſe.
- Siehe was obenP. II. cap. 1. §. 10. undcap. 2. §.
10. erinnert worden.
§. 8. Dieſem fuͤget man nachgehends al-
lerhand argumenta bey, welche ebenfalls in ei-
ne gehoͤrige periodiſche ſtructur und geziemen-
den numerum eingeſchloſſen, auch mit ihrem
hauptſatz durch eine gute verbindung verknuͤpf-
fet werden.
§. 9. Endlich ſchreitet man zur ausarbeitung
gantzer reden, uñ uͤbet ſich in ſyllogiſimis, chrien,
complimenten, declamationibus und was man
ſonſt fuͤr gattungen von reden haben mag, zu
deren voͤlligen einrichtung, folgender dritter
Z 4theil
[360]moraliſche betrachtung
theil dieſer Oratorie, kurtze, doch hinlaͤngliche
nachricht und anleitung geben wird. Hier iſt
nur noch dieſes zu gedencken, daß man zuvor
ehe man etwas ausarbeitet, in einem ſolchen
auctore leſe, welcher den ſtilum fuͤhret, darinn
man etwas einkleiden will, hernach leget man
ihn weg, und wird ſo dann ſein gemuͤth leichter
diſponiret finden, zu der verlangten ſchreib-art,
als ohne ſolche vorbereitung.
- Wen die kuͤrtze dieſes capitels befremdet, dererwe-
ge, daß es in anſehung ſeines inhalts das ſchwe-
reſte und laͤngſte ſey, aber gantz und gar auf die
uͤbung ſelbſt ankomme, und alſo keiner weitlaͤuf-
tigen theorie beouͤrffe, da die fleißigſten arbeiter
ſich nicht lange bey worten aufhalten.
Das fuͤnfte capitel,
Moraliſche betrachtung des ausdrucks.
ZUſammenhang mit dem vorigen, §. 1. Von dem
recht zu reden und zu ſchweigen, §. 2. Von de-
nen einſchraͤnckungen deſſelben, §. 3. Durch die re-
geln der gerechtigkeit, §. 4. Durch die regeln der
honnetete, §. 5. Durch die regeln der klugheit, §. 6.
Durch die regeln des wohlſtandes, § 7. Von den
ſchuldigkeiten des zuhoͤrers, §. 8. Von der klugheit
aus der rede zur urtheilen, §. 9.
§. 1.
ES iſt nunmehro bey dem ausdruck
nichts mehr uͤbrig als daß ich von dem-
ienigen endzweck der beredſamkeit bey
dem
[361]des ausdrucks.
dem ausdruck, etwas gedencke, welchen ich
in der vorbereitung, §. 3. den allgemeinen ge-
nennet. Und da ich bißhero, wie man den be-
ſondern erhalten muͤſſe, weitlaͤuftig gezeiget,
der beſondere aber in anſehung des ausdrucks,
ſich ebenfals auf den allgemeinen beziehet, ſo
iſt es noͤthig, daß ich von dieſen etwas weni-
ges beybringe.
§. 2. Der allgemeine endzweck der gantzen
gelehrſamkeit, alſo auch der beredtſamkeit und
des ausdrucks unſerer gedancken, iſt, die
gluͤckſeligkeit und das vergnuͤgen der menſchli-
chen geſellſchaft zu befoͤdern. Weil auch ein
ieder menſch ein mitglied dieſer geſellſchafft iſt,
ſo hat er das recht, ſich des ausdrucks, damit
er ſeine eigene wohlfahrt und vergnuͤgen wuͤr-
cke und behaupte, nach ſeinen vermoͤgen zu
bedienen, zu welchem recht ihn die natur durch
die organa und ſprachen den weg bahnet, und
welches ihm durch keine willkuͤhrliche macht
anderer kan entzogen werden.
- Man redet in dem Recht der natur, ſo viel von den
ſchuldigkeiten des menſchen, aber niemahls von
dem rechte deſſelben, welches gewiß nicht ſo
gering, daß es nicht eine beſondere unterſu-
chung verdienete. Jndem man alſo die menſch-
heit mit erzehlungen von ihrer ſchuldigkeit druͤ-
cket, ſo dencket ſie, es komme ihr von ihrem
recht zu diſponiren allein zu, dannenhero faſſet
ſie zwar die ſchuldigkeiten in das gedaͤchtnis,
aber die empfindung von ihrem recht behaͤlt ſie
in dem hertzen, oder ſie wird im beſitz und ge-
brauch ihres rechts, durch eitele ſpeculationes
Z 5und
[362]moraliſche betrachtung
und wunderliche praͤtenſiones, zum oͤftern oh-
ne noth beunruhiget. Die ſchuldigkeiten eines
menſchen ſind einſchraͤnckungen ſeines rechts,
wo man alſo keinen begrif von ſeinem recht,
dem endzweck deſſelben, und denen mitteln da-
zu, hat, da faſſen die ſchuldigkeiten niemahls
rechte wurtzel. Alſo hat der menſch das recht
durch den ausdruck ſeiner gedancken, ſein leben,
geſundheit, ehre, vermoͤgen und vergnuͤgen zu
erhalten, und bey denen faͤllen, welche ihm
daran eintrag thun, zu ſchweigen, und iener
tyranne, welcher den unterthanen verbieten
ließ, nicht miteinander zu reden, grief denen
unterthanen in ihre natuͤrliche gerechtſame
und hatte es ſeiner thorheit zuzuſchreiben, daß
das volck ſich in dem beſitz ſeines rechts, auf
eine ſolche weiſe maintenirete, dabey er um
den hals kam. Jch wuͤnſche die materie, von
dem recht und freyheit eines menſchen, von
einem andern ausgearbeitet zu ſehen, da ſich
denn auch ein capitel, von dem recht des men-
ſchen zu reden und zu ſchweigen, zeigen wuͤrde.
§. 3. Damit aber niemand in dem ge-
brauch ſeines rechts zu weit gehe, und den zweck
deſſelben uͤberſchreite, bey dem ausdruck ſeiner
gedancken, ſo ſind den menſchlichen neigungen
gewiſſe ſchrancken geſetzet, welche aber eben
aus dieſem endzweck herzuleiten. Solche be-
fehlen, daß die nothwendige unterhaltung, der
menſchlichen geſellſchafft nicht unterbrochen
werde, daß auch das vergnuͤgen derſelben
nicht geſtoͤhret werde, daß man nicht andern
hiezu gelegenheit gebe, und endlich daß man
ſich ſelbſt, bey beobachtung dieſer einſchraͤn-
ckun-
[363]des ausdrucks.
ckungen, durch den ausdruck ſeiner gedancken,
andern angenehm zu machen wiſſe. Das
erſte dependiret von den regeln der gerechtig-
keit, das andere von den regeln der honnetete,
das dritte, von den regeln der klugheit, und
das letzte von den regeln des wohlſtandes.
- Es heiſt mit dem menſchlichen geſchlecht bald wie
mit ienem: multitudo medicorum, regem perdi-
dit, alſo: multitudo normarum humanum ge-
nus perdidit. Jch dencke man koͤnne zu denen
erzehlten, alles referiren, was man von denen
ſchuldigkeiten eines menſchen, in anſehung der
rede, in ihrer relation auf den Moraliſchen nu-
tzen derſelben, ſagen mag.
§. 4. Die regeln der gerechtigkeit zu wel-
chen die reguln des Chriſtenthums mit gehoͤ-
ren, gebieten, daß man nicht rede wenn eines
menſchen leben, geſundheit, ehre, vermoͤgen,
und wohlfarth ohne noth, geſchweige noch ei-
ner gantzen ſocietaͤt, durch unſer reden ruiniret
wird, daß man im gegentheil nicht ſchweige,
wo man eines menſchen leben, geſundheit, eh-
re, vermoͤgen, und wohlfarth retten koͤnne.
- S. Pufendorfde Jure N. \& G. L. IIII. cap. I.
Thomaſiiinſtitutiones Jurisprudentiae divinae
L. II. cap. VIII.Uffelmannde obligat. hom.
quae ex ſermone oritur. und andere lehrer des
Rechts der natur. Wieder die regeln der ge-
rechtigkeit handeln einmahl dieienigen, welchen
eine ſtoͤckiſche verſchwiegenheit das maul ver-
bindet, wann ſie den andern auch nur mit einem
worte retten koͤnnen, wann ſie ſein gebuͤhren-
des lob bey gar bequemer gelegenheit nicht
fuͤrbringen, wann ſie denen wieder ihm fuͤrge-
brach-
[364]moraliſche betrachtung
brachten laͤſterungen deren unwahrheit ſie wiſ-
ſen, nicht wiederſprechen: Hernach dieienigen,
welche wieder die wahrheit reden, ſo daß der
andere dadurch um leib, leben, ehre, ver-
moͤgen, und wohlfarth kommt: Endlich die-
ienigen, welche zwar die wahrheit reden, und
eines andern laſter wahrhaftig erzehlen, aber
doch keinen beruf und keine obligation dazu
haben, auch niemand damit nutzen, wohl aber
dem andern entſetzlichen ſchaden zufuͤgen, und
dieſes iſt die ſo genannte mediſance.
§. 5. Nach den regeln der honnetete iſt man
verbunden nicht zu reden, wo man etwan des
andern ſeine gemuͤths-ruhe ſtoͤhren koͤnne, oder
ihm die erhaltung ſeiner geiſt- und leiblichen
guͤter, beſchwerlich, verdrießlich, koſtbar und
unangenehm machen moͤchte, im gegentheil iſt
man verpflichtet nicht zu ſchweigen, wo unſere
worte zu der gemuͤths-beruhigung des andern,
zu ſeiner commoditaͤt, vergnuͤgen, und uͤber-
haupt zur freundſchaft und zur guten uͤberein-
ſtimmung der menſchlichen gemuͤther, etwas
beytragen koͤnnen.
- Siehe angefuͤhrte auctores. Hiewider ſuͤndigen
diejenigen, welchen ihre ſtoͤckiſche auffuͤhrung
nicht erlaubet, des andern frage einer antwort
zu wuͤrdigen, oder ſein gemuͤth durch freundli-
ches zureden zu beruhigen, und ihn zu allerhand
vortheil bey gelegenheit zu helfen: Ferner die-
jenigen, welche, wann ſie ia reden, nicht freund-
und hoͤflich genung ihre worte fuͤrbringen, wel-
che des andern affecten, als liebe, haß, neugie-
rigkeit, durch allerhand unnuͤtzes reden rege ma-
chen, ſich eines zweydeutigen, ſatyriſchen, gar
zu ſchmeichelhaften ausdrucks bedienen, aus ei-
nem
[365]des ausdrucks.
nem geld-geitzigen, haͤmiſchen, falſchem gemuͤth,
anders reden, als ſie es meinen ohne daß ihnen
ein vernuͤnftiger endzweck freyheit gaͤbe, ſolches
zu thun, mehr verſprechen als ſie halten koͤmnen,
ſolche dinge von dem andern erzehlen, die zwar
mit der wahrheit uͤberein ſtim̃en, ihn auch nicht
eben ungluͤcklich machen, aber doch unruhig, laͤ-
cherlich, bey andern unangenehm, und ſo fort,
welches das hauptwerck derer iſt, ſo da affecti-
ren moqueurs zu ſeyn.
§. 6. Die klugheit verbindet uns denen re-
geln der gerechtigkeit und honnetete mit gu ter
manier ein gnuͤge zu leiſten, und wenn man
dieſe beobachtet, ſo gewoͤhnet ſie uns, nie-
mahls ohne vernuͤnftige abſichten zu reden und
zu ſchweigen, ſondern allezeit auf die urſachen
dieſer abſichten zu gedencken, und die wuͤrckun-
gen davon zu uͤberlegen, den ausdruck nach des
andern ſeinen vorurtheilen und neigungen, ſo
viel die regeln der gerechtigkeit und honnetete
erlauben, zu temperiren, bißweilen von den re-
geln des ausdrucks und den guten eigenſchaften
des ſtili abzugehen, mit einer guten art ſchaͤdli-
che wahrheiten zu verbergen, und nuͤtzliche un-
wahrheiten fuͤrzubringen, ꝛc.
- Siehe hiebey Gratians oracul mitD.Auguſt
Friedrich Muͤllers noten hin und wieder, und
andere lehrer der klugheit. Wider die klugheit
ſuͤndigen die vergeblichen wiederſprecher, eſprits
de contradiction, die in gelagen diſputiren, oder
in geſellſchaft wie die ſtummen oͤl goͤtzen ſitzen,
die zotenreiſſer, naͤrriſchen flucher, die ſich aller-
hand verwuͤnſchungen angewoͤhnen und gebrau-
chen, die das groͤſte maul fuͤr andern haben,
nichts
[366]moraliſche betrachtung
nichts verſchweigen koͤnnen, oder all[e]s ver-
ſchwiegen tractiren wollen, ihre verſprechungen
gar zu leichte aͤndern, und alſo zeigen, daß ſie
entweder bey dem verſprechen, oder bey dem
nicht halten narren geweſen, welche zur unzeit
affecten rege machen, bey allen neu-erfundenen
wahrheiten lerm blaſen, alles gleich mit ihren
raiſonniren reformiren wollen. ꝛc.
§. 7. Mit dieſen ſind die regeln des wohl-
ſtandes genau verbunden, denn ſelbige zeigen
uns, wie wir alle aͤuſſerliche umſtaͤnde, auch
diegeringſten kleinigkeiten, nach dem geſchmack
derer, denen wir zu gefallen urſach haben, ein-
richten muͤſſen, und nach dieſem wird zuweilen
von uns erfodert, daß wir nicht reden, zuweilen.
daß wir nicht ſchweigen, daß wir bey dem aus-
druck in der ſprache, minen, air und geſtibus
uns den leuten angenehm machen, uns durch
keine affectation ridicul, durch keine familiaire
reden verachtet, durch keine hyperboliſche, thra-
ſoniſche, ſatyriſche redens-arten verhaſt, und
durch die verachtung der vorhin angefuͤhrten
regeln der gerechtigkeit honnetete und klugheit,
den leuten zu keinem ſcheuſal machen.
- Hiewider ſuͤndigen auſſer oben angefuͤhrten die
plauderer, welchen beſtaͤndig das maul in ge-
ſellſchafft offen ſtehet, und die hingegen andern
immer in die rede fallen; die ſchul-fuͤchſe, welche
die politen manieren zu reden, nach ihrem Do-
nat und Grammaticken oder abſtracten ſpecu-
lationibus, und nicht nach der kaͤnntniß der po-
liten welt beurtheilen; diejenigen, welche im-
mer von ſich ſelbſt reden, und nicht an den verß
gedencken:
Nec
[367]des ausdrucks.- Nec te laudabis, nec te culpaueris ipſe,
- Hoc faciunt ſtulti, quos gloria vexat inanis. \&c.
- welche endlich die regeln vom ſtilo ohne urſach
negligiren, ꝛc.
§. 8. Doch ich muß hier auch denen zuhoͤ-
rern eine erinnerung geben, daß ſie ſich, wann
ſie iemand hoͤren, einmahl bemuͤhen, ſelbigen
recht zu verſtehen, und hernach von ſeinen ge-
dancken und ausdruck ein vernuͤnftiges urtheil
zu faſſen. Zu ienem iſt noͤthig, daß ſie die
ſprache, darin geredet wird, recht inne haben,
genau aufmercken, und kein wort vorbey laſ-
ſen, des redners ſtand und andere umſtaͤnde, ſo
viel moͤglich, in betrachtung ziehen, wenn ſie in
einem gemiſchten auditorio ſind, nicht dencken,
daß der redner ihnen allein zu gefallen rede,
ihn nicht mit vorgefaſten meinungen und blin-
den affecten, ſondern gehoͤriger gelaſſenheit
anhoͤren, auf ſeine haupt-propoſition achtung
geben, ſeine abſichten recht bemercken, und
wohin die ſache gehoͤret, erwegen, nicht hoͤren
und zugleich urtheilen wollen. Koͤnnen ſie
aber bey ſich ſelbſt gewiß ſeyn, daß ſie den
redner recht verſtanden, ſo muͤſſen ſie doch
noch, ehe ſie zum urtheilen ſchreiten, bey ſich
uͤberlegen, ob ſie auch die diſciplin, dahin die
von ihm fuͤrgetragene ſache gehoͤret, recht be-
griffen, ob ſie den character des redenden und
hoͤrenden in ihren gedancken recht formiret,
und alsdann koͤnnen ſie ein urtheil faſſen, wo-
bey ſie ſorgfaͤltig, ſich fuͤr den betrug der vor-
urtheile und neigungen, zu huͤten, und alle
regeln
[368]moraliſche betrachtung
regeln der beredſamkeit ibnen bekannt zu ma-
chen haben.
- Conf.Thomaſii ausuͤbung der Sitten-lebre cap.
3. und 4. Ejusdem inſtit. Jurisprudentiae di-
vinae Lib. II. cap. XII. Ridiger S. V. \& F. de
probabilit. Hermeneutica L. III. C. IIII und ande-
re, welche von der interpretatione geſchrieben,
denn dieſe muͤſſen, was ich hier kurtz geſetzt, voll-
kommener geben.
§. 9. Es iſt ein beſonderes kunſt-ſtuͤck der
klugheit, aus dem ausdruck von der gemuͤths-
beſchaffenheit des menſchen zu urtheilen, wel-
ches aber wegen der vielen dinge, welche hier
zuſammen genommen werden muͤſſen, nicht
ſo leicht iſt, als man meinet, hingegen auch
denenienigen, welche die hier zuſammen lauf-
fende wiſſenſchaften und geſchicklichkeiten be-
ſitzen, nicht ſauer ankommt. Jn der rede und
dem ſtilo eines menſchen kommen viele ſolche
ſtriche fuͤr, daruͤber der menſchliche willkuͤhr
nicht diſponiren koͤnnen, und alſo zeigt ſich da
die natuͤrliche bloͤſſe: Nur muß man ſo ſcharf-
ſichtig ſeyn ſelbige zu erkennen und recht zu be-
mercken, und man wird daraus theils die be-
ſchaffenheit des verſtandes, theils des willens
ziemlich abnehmen koͤnnen, wann man ſich
nur beſcheidet, daß es keine unſtreitige, ſon-
dern eine wahrſcheinliche ſache ſey. Es er-
fodert aber dieſe ſcharf-ſichtigkeit, die kaͤnntniß
der Moral, inſonderheit der menſchlichen affe-
cten, der lehre von der politiſchen wahrſchein-
lichkeit, der beſchaffenheit des menſchlichen
ver-
[369]des ausdrucks.
verſtandes, der regeln des ſtili, der Hiſtorie
des redenden, der Hermeneutiſchen wahrſchein-
lichkeit, und endlich eine gute lectur und er-
fahrung.
- Socrates ſagte, als ihm iemand einen knaben
brachte, deſſen gemuͤths-beſchaffenheit er unter-
ſuchen moͤchte, man ſolte denſelben reden laſſen.
Diogenes moquiret ſich, daß die leute keinen
topf kauften, wann ſie nicht vorher daran ge-
klopft, und verſucht, wie er klaͤnge, und doch
gleichwohl den menſchen aus dem bloſſen anſe-
hen, nicht auch aus der rede urtheilen wolten.
Deßwegen ſagt QuinctilianusL. VIII. Sermo-
ne hominem, vt aera tinnitu dignoſcimus, und
TerentiusHeauton. II. 4. Mihi, quale ingenium
haberes, fuit oratio. Verulamius VI. 1. de augm.
ſcient. meint, man koͤnne aus der ſprache von
gantzen voͤlckern urtheilen. So noͤthig aber die-
ſe kunſt, ſo ſchoͤn und angenehm ſie iſt, ſo weiß
ich doch nicht, ob folgende auctores hinlaͤngliche
nachricht davon gegeben, als: Janus Huartus
in Scrutinio animorum,Neuhuſius im Theatro
ingeniorum, ſ [...]de cognoſcenda hominum indole \&
ſecretis animi moribus.Jo. Mercurialis im
Muſaeo Phyſico ſ. de humano lngenio. Venet.
1640. 4. Camillus Baldusde diuinatione
epiſtolari. Bonon. 1664. 4. La Chambre dans
les caracteres des paſſions. IIII. Vol. Amſterd 1658
12. und Paris 1662. 4. (Siehe MorhofsPo-
lyhiſt. III. I. I. 11. Stollens Hiſt der Gel. III.
IIII. 35.) Scipio Claramontiusde coniectan-
dis latentibus animi affectibus.Ludovicus Cre-
ſolliusin vacationibus autumnalibus, ſiue de per-
fecta oratoris actione \& pronunciatione. Paris. 1620
4. Siehe Morhoffl. c. II. III. I. 3. Joh.
Wolfgang Trier in ſeinen kurtzen fragen
von denen menſchlicheu gemuͤths-bewegun-
A agen,
[370]moraliſ. betracht. des ausdrucks.
gen, Leipzig 1708. und menſchlichen nei-
gungen, 1609. 12. Chriſtoph Auguſt Heu-
mann im politiſchen Philoſopho cap. 3. G.
Polycarp Muͤllerde coniectandis hominum
propenſionibus ex ſtilo, Leipzig 1713. 8. wie-
wohl er in ſeiner Oratorie p. 96. davon ſelbſt
urtheilet: Sie ſey ſehr unvollkommen, weil
er damahls die principia der temperamente
noch nicht gnugſam erkennet. Jch habe oben
in der vorbereitung §. 12. not. b. c. einige
ſchon angefuͤhret. Es dienen zu dieſer kunſt
alle, die von denen requiſitis, ſo zur erkaͤnnt-
niß des menſchen dienen, geſchrieden, und da-
von Morhoff und Stollel. c. viel nachricht
geben, wem es gefaͤllt, der mag meine diſſ. de
prudentia diacritica, oder von entdeckung der
ſtellung und verſtellung der menſchen, eipzig
1723. hinzu thun, und die ſcribenten, welche
ich zu anfangs darinn angefuͤhret.
Drit-
[[371]]
Dritter theil
der
Oratorie.
Von der ordnung im fuͤrtrage.
Das erſte capitel,
von der diſpoſition uͤberhaupt.
VOn der diſpoſition und der damit verbundenen
elaboration, §. 1. Von der diſpoſition und aus-
arbeitung eines ſatzes und periodi, §. 2. Von
der diſpoſition, verbindung und ausarbeitung
vieler ſaͤtze und periodorum, §. 3. Durch einen
ſyllogiſmum, §. 4. Durch die chriam rectam,
§. 5. Durch chriam inverſam, §. 6. Durch eine
gantze oration, §. 7. Vom exordio, §. 8. Von
der propoſition, §. 9. Von der tractation, §. 10.
Von der concluſion, §. 11. Beſchluß dieſes capi-
tels, §. 12.
§. 1.
WEr an gedancken und worten einen gu-
ten und auserleſenen vorrath geſamm-
let, dem iſt nun nichts mehr noͤthig, als daß er
A a 2bey
[372]von der diſpoſition uͤberhaupt.
bey gegebener gelegenheit zu reden, die gedan-
cken in eine gute und natuͤrliche ordnung zuſam-
men fuͤge nachgehends dieſe zuſammen gefuͤg-
ten gedancken und theile durch hinzuthuung ih-
rer determinationen und erklaͤrungen gleich-
ſam uͤberkleide, und alſo ſeiner rede nach den
regeln der vernunft-lehre, des ausdrucks, der
klugheit, dieienige form gebe, wodurch er den
endzweck der beredſamkeit und ſeine abſichten
zu erhalten gedencket. Die zuſammenfuͤgung
heiſt diſpoſitio, und die uͤberkleidung elaboratio.
- Confer. Voſſii Inſtit orat. Lami l’art de perſuader,
cap. IIII.Langeus E. 3. O.I. 320. ſqq.und
anderwerts. Kemmerichl. e. p. 853. Huͤb-
uers kurtze fragen aus der O.p. 105. Cle-
ricus inpenſees de la vraie \& fauſſe eloquence,
cap. 2. Hamiltonl. c. p. 88. ſqq.Weiſens
Oratoriſche ſachen, der unter den neuern die
ehre der erſten erfindung vieler hieher gehoͤrigen
nuͤtzlichen dinge hat. Ludewigs Oratoriſche
nachricht von ietzigen chrien, Leipzig 1709. 8.
G Polycarp M [...]llers abriß einer gruͤndlichen
Oratoriep. 99. ſqq. Jngleichen ſeine Ideam elo-
quentiae nov antiquae,Hederichs Philol. Wiſſ.
p. 438. ſqq.Maͤnnlings exped. redner. Weid-
lings Orat. Hofmeiſter. Sigismund Lauxmin
Praxin Oratoriam Franckf. 1665. 12. Jacob Hu-
guesArtificium connexionum \& tranſitionum.
Witteb. 1657 denen man, die im Morhoff,
Stollen, Reimmannl. c \&c. ſtehn, hinzu fuͤ-
gen, und mich hinfuͤhro des allegirens uͤberhe-
ben kan.
§. 2. Man hat alſo nicht nur auf eine gan-
tze rede uͤberhaupt zu ſehen, wenn man ge-
ſchickt
[373]von der diſpoſition uͤberhaupt.
ſchickt diſponiren und elaboriren will, ſondern
auch auf die kleineſten theile derſelben, nemlich
auf die ſaͤtze und periodos, aus welchen nachge-
hends gantze reden erwachſen. Man muß
dabey entweder bloſſe ſaͤtze in eine periodiſche
ſtructur bringen, odeꝛ einen ſatz alſo fort mit
ſeinem argumento zugleich, als einen perio-
dum einrichten, in ienem fall ſiehet man auf
das ſubiectum, praͤdicatum und deren verbin-
dung, in dieſem auf den ſatz nicht allein, ſon-
dern auch auf das argument, welches damit
ſoll verknuͤpfet werden, zu welchem oben be-
reits P. II. Cap. I. §. 9. 10. einige anleitung
gegeben.
§. 3. Auf dieſe weiſe wird ein ieder ſatz zu
einem periodo, und wenn viele ſaͤtze zuſammen
kommen, werden viele periodi, welche aber al-
le in einer connexione reali ſtehen muͤſſen, die
zu zeiten mit der verbali ausgedruckt wird.
Und da hat man entweder einen ſatz mit ſeinen
argumentis, oder viele ſaͤtze mit ihren argu-
mentis untereinander zu verbinden. Sol-
ches gluͤcklich zu bewerckſtelligen, muß man
aus der Logick verſtehen, was methodus ſyn-
thetica und analytica ſey, was definitiones
und ſchluͤſſe ſeyn, was unſtreitig und wahr-
ſcheinlich muͤſſe tractiret werden, was man
general-ſpecial- und individual-concepte nen-
ne, was eigentliche, weſentliche und zufaͤllige
begriffe, was diverſa, oppoſita und derglei-
chen. Man muß die arten von argumentis
A a 3nach
[374]von der diſpoſition uͤberhaupt.
nach den regeln der klugheit auszuſuchen wiſ-
ſen, nach der natur der ſache, wie ſolches die Lo-
gick anweiſet, die ſaͤtze mit ihren argumentis
ordentlich rangiren und entwerffen, nachge-
hends iedweden ſatz, iedwedes argument, nach
den regeln des ausdrucks uͤberkleiden, ſo wird
man ordentlich diſponiret und elaboriret ha-
ben.
- Z. e. Als der Herr v. P. in meiner redner-ge-
ſellſchafft, ſeine erſte rede hielte, 1723. d. 7.
Julii, ſo war dieſelbe gar natuͤrlich alſo di-
ſponiret: - Propofit. ſecundaria gen. Ein ſtaat hat verſchiedene
ſtaͤnde:- Argum. illuſtr. Wie ein leib viel glieder:
- 2. Ein ſtand iſt dem andern fuͤrzuziehen:
- Argum. illuſtr. wie ein glied am leibe dem andern:
- 3. Beredte und kriegeriſche leute ſind der re-
publick und dem ſtaat noͤthig. - 4. Doch iſt die beredſamkeit dem krieg-fuͤhren
fuͤrzuziehen.
- 3. Beredte und kriegeriſche leute ſind der re-
- Argum. illuſtr. Wie ein leib viel glieder:
- Thema ſ. Propoſ. primaria: Hievon will ich reden und
zeigen: Daß die beredſamkeit dem krieg
fuͤrzuzieben.- Argum. probans a definitione: Der beredſamkeit,
des krieges,- a cauſa effic.: der beredſamkeit,
des krieges, - ab effectu: der beredſamkeit,
des krieges,
- a cauſa effic.: der beredſamkeit,
- Argum. probans a definitione: Der beredſamkeit,
- Prop. ſecund. ſpec.
- 1. Alſo bemuͤhet man ſich nicht un-
billig beredt zu werden: - 2. Auch ich habe luſt mich darum zu bemuͤhen:
- 3. Dieſe geſellſchaft will ich alſo mit halten:
- 4. Jch hoffe daraus zu lernen.
- 1. Alſo bemuͤhet man ſich nicht un-
Bey
[375]von der diſpoſition uͤberhaupt.
- Bey ieder propoſition und argumento waren wie-
derum andere argumenta und noͤthige erklaͤ-
rungen und determinationes beygebracht, alſo
floß die ausarbeitung gar nette und artig fol-
gender geſtalt:
Rede.
Von den vorzuͤgen der beredſamkeit fuͤr
dem krieg.
Das ſo kuͤnſtlich zuſammengefuͤgte gebaͤu-
de unſeres leibes, beſtehet aus einem zuſam-
menhang unterſchiedener gliedmaſſen, und den
coͤrper eines gemeinen weſens zieren die unter-
ſchiedenen ſtaͤnde und bemuͤhungen, durch
welche die ſterblichen ſuchen gluͤckſeelig zu wer-
den. Wie nun bey dem natuͤrlichen coͤrper
immer ein glied dem andern den vorzug ſtrei-
tig zu machen ſcheinet, da gebrauch und nutzen
eines erhebet das andere erniedriget; alſo ſind
bey einem Moraliſchẽ coͤrpeꝛ, die ſtaͤnde deꝛ men-
ſchen niemahls von einerley hoheit. So depen-
diret zum exempel von einer angenehmen durch-
dringenden beredſamkeit, und ruͤhmlich gefuͤhr-
ten kriegẽ das wohl gantzer reiche und zung und
degen ſind dieienigen werckzeuge, wodurch man
die gluͤckſeligkeit der laͤnder behauptet. Doch
halte ich gaͤntzlich dafuͤr, daß wie die ſonne dem
mond, dashaupt denen fuͤſſen, alſo die bered-
ſamkeit blutigen kriegen, an einem ſtaats coͤr-
per, weit fuͤrzuziehen ſey. Eben da ich heute
in dieſer anſehnlichen redner geſellſchafft das
erſte mahl zu reden die ehre habe, bin ich ent-
A a 4ſchloſſen,
[376]von der diſpoſition uͤberhaupt.
ſchloſſen, mit dero guͤtigen erlaubniß die vor-
zuͤge der beredſamkeit fuͤr grauſamen kriegen
zu zeigen. Jch hoffe nicht ungeſchickt zu ver-
fahren, wann ich meinem fuͤrſatz ein gnuͤge zu
leiſten, und darzuthun, worinnen dieſe vorzuͤ-
ge eigentlich beſtehen, beyder natur und eigen-
ſchafften, ſo viel mir meine wenige einſicht
und ungeuͤbte zunge erlauben, gegen einander
halte und ſelbige ihnen H. und H. A. in den
erſten lineamenten fuͤrbilde. Jch will durch
eine maͤnnliche beredſamkeit, nicht etwa einen
uͤberfluß leerer und ausgekuͤnſtelter worte,
oder eine menge pedantiſcher realien verſtan-
den wiſſen, durch welche einige dieſelbe auf
den hoͤchſten grad ihrer vollkommenheit ver-
meinen getrieben zu haben: ſondern einen leb-
haften ausdruck vernuͤnftiger gedancken, wo-
durch man dieienigen zu denen man redet,
nach ſeinen vortheil zu bewegen, und zu einer
nuͤtzlichen uͤbereinſtimmung ihrer meinung
und ihres verlanges mit dem ſeinigen, auf eine
plauſible und angenehme art gleichſam zu noͤ-
thigen, geſchickt iſt. Und dieſe beredſamkeit
allein iſt dieienige mutter, welche die ſchoͤnſten
kinder unſerer ſeelen, nemlich vernuͤnftige ge-
dancken, zum nutz der gantzen republik zur
welt gebieret. Was wird man ſich nicht alſo
fuͤr einen fuͤrtreflichen begrif von der beredſam-
keit machen, welche uns zugleich gewoͤhnet der
zeit, dem ort, dem zuhoͤrer und der ſache ge-
maͤß reden. Die beredſamkeit iſt gewiß ein
merck-
[377]von der diſpoſition uͤberhaupt.
merckmahl eines aufgeweckten geiſtes, ein et-
was, ſo uns bey iedermann beliebt machet,
damit man hertzen feſſelt. Sie iſt e in ange-
nehmer wiederſchall, welcher aus den inner-
ſten bewegungen des hertzens entſtehet und ein
untadelhafter zeuge daß wir ordentlich geden-
cken, ſcharfſinnig nachdencken und die hertzen
anderer, ſo wie unſere eigene, in haͤnden haben.
Da im gegentheil der krieg, nichts anders als
ein hitziges fieber der reiche, und peſt des ge-
meinen weſens, weil er auch in ſeiner groͤſten
vollkommenheit und gluͤckſeligkeit, ſtaͤdte zer-
ſtoͤret, laͤnder einaͤſchert, und menſchen um-
bringet. Ein feuer, welches denienigen der
es ernaͤhret verbrennet, eine ſaͤugamme aller
laſter, eine tochter der grauſamkeit, und es
ſchicket ſich niemand beſſer zum kriegen, als
wer ſich unter die zahl derienigen befindet, von
denen der bekannte vers ſaget: Nulla fides pie-
tasque viris, qui caſtra ſequuntur. Jm
kriege werden die menſchen gezwungen, alle
ſanftmuth und liebe zu verbannen, grimmiger
als panther und tieger zu ſeyn, und als feuer-
ſpeyende drachen andern den tod anzudraͤuen.
Die beredſamkeit hat ihren urſprung dem him-
mel und der allmaͤchtigen hand des ſchoͤpfers
zu dancken, der uns fuͤr andern creaturen, eine
vernehmliche ſtimme ihn zu loben, und eine ge-
ſchickte zunge, unſere vernuͤnftige gedancken
in menſchlicher geſellſchafft deutlich und leb-
haft zu erkennen zu geben, anerſchaffen hat.
A a 5Der
[378]von der diſpoſition uͤberhaupt.
Der krieg nimmt ſeinen anfang in der hoͤlle,
von dem geiſte der uneinigkeit und des mordes,
dem fuͤrſten der ſuͤnde und der finſterniß, und
glaube ich gewiß daß dieſer liſtige geiſt, die
menſchen in den abgrund zu ſtuͤrtzen, nichts
beſſers haͤtte erfinden koͤnnen, als eben den
krieg. Er iſt nichts anders als eine verſam-
lung zur ſuͤnde, und ein weg zur hoͤlle. Die
beredſamkeit erfodert einen gebeſſerten willen
und unumſchraͤnckte herrſchaft uͤber unſere nei-
gungen, denen doch der krieg den zuͤgel allzu-
weit ſchieſſen laͤſt. Jene iſt das leben eines
aufgeklaͤrten geiſtes, und die bemuͤhung einer
geſchickten zunge, und dieſer iſt eine verrichtung,
welche auch die ungeſchicklichkeit ſelbſt uͤber ſich
nimmt, nachdem ihr zorn und haß die arme
geſtaͤrcket und rachgierde und neid den degen
fuͤhren lernen. Ja die beredſamkeit iſt der
vernunft und eines menſchen, der krieg aber
der wildniß und grimmigen thiere eigenſchaft.
Solte aber wohl die menſchliche geſellſchafft
beſtehen koͤnnen, wo ſie nicht, durch die unzer-
trennlichen ketten der geprieſenen beredſam-
keit, ſo feſt verknuͤpfet waͤre? wuͤrden wir
nicht dem beliebten umgang die ſchoͤnſten gaͤr-
ten verſchlieſſen, und faſt alles zieraths berau-
ben, dafern wir ihm das vergnuͤgende geſchen-
cke des himmels die beredſamkeit entzoͤgen.
Sie beſchuͤtzet oͤfters thron und ſcepter, mit
beſſern nachdruck, als eine menge donnern
der carthaunen. Den feind haͤlt ſie meiſten-
theils
[379]von der diſpoſition uͤberhaupt.
theils mit groͤſſeꝛn voꝛtheil von den gꝛaͤntzen ab,
und die republick bey ihrer ordnung und gluͤck-
ſeeligkeit, als viel tauſend gezuckte ſchwerdter.
Ja das kleine glied die zunge, iſt das ſteuer-
ruder, womit fuͤrſten das groſſe ſchif der reiche
mit geringer muͤhe wenden und lencken, in
dieſem beruhet ehre und ſchmach, heyl und ver-
derben, ia leben und todt der unterthanen.
Wer wolte mich wohl einer unwahrheit uͤber-
fuͤhren, wann ich ſagte, daß man durch nichts
mehr, als durch eine wohlgeſetzte rede, zur tu-
gend ermuntert werde, weil ſie uns dieſelbe
ſo angenehm fuͤrſtellet, daß es faſt ohnmoͤglich
iſt, nicht auch zugleich ein verlangen darnach
zu haben, welches uns zu deren ausuͤbung an-
treiben ſolte. Sie iſt das band welches gan-
tze nationen verbindet, und durch welche gan-
tze voͤlcker ſich beruͤhmt gemacht. Allein haͤtte
man das ehemals bedraͤngte Teutſchland ge-
fraget, was hat deine ſtaͤdte dem erdboden
gleich gemacht, deine doͤrfer verwuͤſtet und
deine fruchtbaren aͤcker durchwuͤhlet? ſo wuͤr-
de es mit bebenden lippen und klaͤglicher ſtim-
me geantwortet haben; der krieg. Was
hat deine fuͤrſten gekraͤncket, die unterthanen
ruiniret, deine iungfrauen geſchaͤndet, den
kern deiner mannſchaft erwuͤrget, deine zar-
ten kinder getoͤdtet? der krieg. Was hat
die tugend veriaget, die freyen kuͤnſte des lan-
des verwieſen, die gerechtigkeit zu boden ge-
worffen, deine richterſtuben mit raube und
unſchul-
[380]von der diſpoſition uͤberhaupt.
unſchuldigen blute gefuͤllet? der krieg.
Was hat dich endlich ins aͤuſſerſte ver-
derben geſtuͤrtzet? der krieg. Jch bin ge-
wiß verſichert, daß noch viele bekriegte
reiche, wo ſie dieſes alles nicht laͤngſt werden
geklaget, dennoch erlitten haben. Der wich-
tigſte krieg, wenn er am gluͤcklichſten gefuͤhret
wird und aufs hoͤchſte geſtiegen, muß ſich doch
durch gewiſſe geſetze bemeiſtern laſſen, welche
nicht anders als durch die beredſamkeit koͤn-
nen fuͤrgetragen und verdolmetſchet werden.
Die geſetze theilen alſo in ihrer genauen verei-
nigung, der beredſamkeit die helfte ihrer herr-
ſchaft uͤber den krieg mit. Wer will ihr dem-
nach den vorzug ſtreitig machen? Sie iſt der
koſtbarſte ſchmuck eines printzen, die unetbehr-
liche geſchicklichkeit eines hofmannes, und die
ſchoͤnſte zierde eines groſſen capitains, wie die
ſonne und mond den himmel, ſo zieren die be-
redſamkeit und tapferkeit einen officirer und iſt
es ihm nicht wenig ehre, wann er ſeine worte
ſo geſchickt ſetzen, als ſeine mannſchaft ſtellen
kan. Es ſuchet demnach billich ein iedweder,
der als ein vernuͤnftiges mitglied der menſchli-
chen geſellſchaft leben will, ſich einer wahren
beredſamkeit zu befleißigen, und iſt gewiß ver-
ſichert, daß wie der ſchweiß den fleiß, alſo die be-
lohnung die bemuͤhung begleiten werde. Gewiß
der muß mit niedertraͤchtigem gemuͤthe, die
warhafte hoheitunſersgeiſtes, wie eine eule das
licht verabſcheuen, welcher in dieſem ſtuͤck nicht
ſuchet
[381]von der diſpoſition uͤberhaupt.
ſuchet einige vollkommenheit zu erlangen. Jch
kan nicht laͤugnen, daß ich zu dieſer gluͤckſeelig-
keit zu gelangen, laͤngſtens gewuͤnſchet, doch
habe niemahls ein bequemeres mittel, als die-
ſe redner-geſellſchaft angetroffen, weswegen
ich als ein mitglied in dieſelbe aufgenommen
zu werden geſucht, und meines wunſches ge-
waͤhret worden. Jch kan ohne den fehler ei-
ner ſchmeicheley zu begehen, aufs gewiſſeſte
verſichern, daß ich biß anhero in derſelben, ſo
wohl von denen ſaͤmmtlichen mitgliedern die-
ſer anſehnlichen redner-geſellſchaft, als haupt-
ſaͤchlich dem ſo gelehrt als beredten herrn praͤſi-
de durch geſchickte reden, zu einer freudigen
nachahmung gar ſonderlich bin angefriſchet
worden. Wobey ich mich doch iedesmahl
nach art der ſchiffer verhalten werde, welche
bey wiedrigem winde und mangel der kraͤfte,
dennoch ſolte es auch nur mit wiederholten
wuͤnſchen geſchehen, den bereits eꝛblickten Pha-
ros zu erreichen, ſich eyfrigſt bearbeiten.
§. 4 Die Rhetores geben die arbeit der
diſpoſition leichter zu machen, verſchiedene mo-
delle, darnach man ſeine gedancken im reden
ordnen kan, als z. e. den ſyllogiſmum und vie-
lerley arten der chrien. Der ſyllogiſmus fo-
dert einige erkaͤnntniß der unſtreitigen arten
zu ſchlieſſen, nach der ſyllogiſtick, und beſteht aus
dem ſatz oder der concluſion, dem beweiß-
grunde oder grundſatz und der verbindung
unter beyden oder der minori propoſitione,
und
[382]von der diſpoſition uͤberhaupt.
und alſo aus drey ſaͤtzen, welche ſechsmahl
verſetzt, mit andern argumentis, wenn es noͤ-
thig, erweitert, aber auch enge zuſammen ge-
zogen werden koͤnnen, ſo daß man wohl gar die
minorem weg laͤſt. Kommen zu denen ſaͤtzen
argumenta, ſo wird ein epichirema daraus,
bleiben dieſe weg, iſts ein bloſſer ſyllogiſmus,
bleibt minor weg, heiſts enthymema, ia es fin-
det auch hier der ſorites ſtatt, bey mehr als
drey propoſitionibus, wenn immer eine aus
der andern flieſſet.
- Exempel findet man uͤberall in denen Rhetoriſchen
buͤchern, ich will doch kurtz folgendes beyfuͤgen: - Propoſito:Man kan ſeine lebens-art im alter wohl
aͤndern und umſatteln.- Argum. Prob.Denn wozu man ſich in der unver-
ſtaͤndigen iugend begeben, ſolches kan man im
alter aͤndern.
- Argum. Prob.Denn wozu man ſich in der unver-
- Syllogiſmus: maior: Wovon man in der iugend zu ur-
theilen nicht faͤhig geweſen, und es doch erweh-
let, ſolches kan man im alter aͤndern.- minor: Unter dieienigen dinge, davon man in der
iugend zu [ur]theilen, nicht faͤhig geweſen, gehoͤret
billich die politiſche lebens-art, und derſelben er-
wehlung. - concluſ. Alſo wird niemand einem verſtaͤndigen
mann vor uͤbel halten, wann er den fehler ſeiner
iugend, in erwehlung der art zu leben, bey meh-
rern verſtand und erfahrung zu verbeſſern ſuchet
und aͤndert.
- minor: Unter dieienigen dinge, davon man in der
- Enthymema: maior: Wozu unſer alter und erfah-
rung natuͤrlicher weiſe noch nicht hinlaͤnglich,
eine vollkommene gute wahl zu treffen, und zu
urtheilen, das koͤnnen wir billig bey vollkomme-
nern verſtand und jahren aͤndern,
con-
[383]von der diſpoſition uͤberhaupt.
- coneluſ. Alſo wird niemand dencken, daß es eine ſuͤnde
ſey, wenn man eine in der iugend erwehlte le-
bens-art fahren laͤſt, und im reiffern alter eine
andere erwehlet. - Epichirema; Syllogiſmus oratorius: Ausfuͤhrung:
maior: wie oben:- Argum. illuſtr. Wir erfahren taͤglich, daß bey ei-
nem regiment neue arten, die regierung zu ver-
beſſern eingefuͤhret werden, aber wir erfahren
nicht minder, daß ſie nachdem man ihre fehler
durch laͤngere regierung empfunden, von eben
denen ſo ſie eingefuͤhret, geaͤndert werden. - Argum. probans: Als kinder haben wir kindiſche
anſchlaͤge und unternehmungen, als iuͤnglinge
ſetzen wir uns viel fuͤr und fuͤhren wenig aus, weil
wir unſere kraͤfte ſelten genugſam kennen, aber
als maͤnner koͤnnen wir erſtlich recht, von dem
politiſchen leben, maͤnnlich und verſtaͤndig urthei-
len.
- Argum. illuſtr. Wir erfahren taͤglich, daß bey ei-
- Minor: Wie oben:
- Argument. prob. Denn eine politiſche lebens-art
hat den endzweck, uns und die unſrigen mit ehren
und zum dienſt der ſocietaͤt darinn wir leben, zu
erhalten, hiezu aber gehoͤret erkaͤnntniß unſer
ſelbſt, erkaͤnntniß der ſtaͤnde, ihres guten und boͤ-
ſen, davon man in der iugend gemeiniglich das
wenigſte weiß: - Argum. illuſtr. wie den leuten, die keine Mahlerey
und bildhauer-kunſt verſtehen, und doch davon
urtheilen, ſo geht es uns in der iugend. - Argum. movens: Die lebens-arten haben zweyer-
ley ſeiten, auf der einen ſehen ſie gut, auf der an-
dern ſchlimm, wie leicht ſieht man doch unrecht.
- Argument. prob. Denn eine politiſche lebens-art
- Concluſio: Wie oben:
- Argum. illuſtr. ab exemplo aller derer die gluͤcklich
umgeſattelt haben: - Argum. mouens: Jſt derienige kluͤger, der in der
iugend
[384]von der diſpoſition uͤberhaupt.
iugend narret, und im alter dabey bleibt, oder der
ſo bey reiffen iahren die fehler der iugend durch
klugheit beſſert?
- Argum. illuſtr. ab exemplo aller derer die gluͤcklich
- Es koͤnten zu ieden argumento und ſatze, wieder neue
gefuͤget werden, ſo wuͤrde eine vollſtaͤndige oration
oder deduction daraus erwachſen. Als ein e-
empel eines Sorites mag folgendes ſeyn; wann
iemand aus ſchertz beweiſen wolte, alle leute rai-
ſonnirten recht, ſo koͤnte er folgende ſaͤtze machen: - Prop. 1. Alle leute raiſonniren.
- 2. Alle raiſonnements ſind gedancken.
- 3. Alle gedancken ſind ideen.
- 4. Alle ideen ſind erinnerungen.
- 5. Alle erinnerungen ſind empfindungen.
- 6. Alle empfindungen ſind wahr.
- 7. Wer wahtheiten bat raiſonniret recht.
- Concluſ 8. Alſo raiſonniren alle leute recht. Aber
man muͤſte ſich dabey auf die ſyllogiſtick und
inſtantzen nicht einlaſſen, ſondern die ſaͤtze fein
mit ingenieuſen einfaͤllen, argumentis illuſtran-
tibus, und patheticis ausputzen und uͤberkleiden,
ſo daͤchten die leute doch, man raiſonnirte ſelbſt
recht, und das waͤre fuͤr die feinde der Logick ein
gefunden freſſen.
§. 5. Solchen fuͤget man die chrien bey,
welche nichts anders ſind, als ein ſatz mit ſei-
nen argumentis, und heiſſen entweder Aphtho-
nianiſche oder Oratoriſche chrien. Die Aphtho-
nianiſchena) finden ietzo wenig liebhaber,
nachdem Weiſe die Oratoriſchen gluͤcklich er-
funden und artig gewieſen hat. Zu iedweder
chrie ſind alſo zwey hauptſaͤtze noͤthig, der
grundſatz oder das thema, und ſein beweiß-
grund oder die aͤtiologie, und zu dieſen koͤnnen
dienliche erlaͤuterungs-gruͤnde gefuͤget werden.
Es
[385]von der diſpoſition uͤberhaupt.
Es ſind aber der chrien zweyerley, entweder
recta oder inverſa, iene ſetzet den hauptſatz mit
ſeinem beweiß-grund, in der natuͤrlichen ord-
nung, b) dieſe ſetzt das argument vor den
haupt-ſatz, oder das ende einer rede in unſerer
meditation, zu anfang in der ausarbeitung. c)
§. 6. Die chria inverſa ſetzt entweder eine
aͤtiologie voran, oder ein argumentum illu-
ſtrans, in ienem fall heiſt ſie: chria per ante-
cedens und conſequens, in dieſem aber: chria
per theſin und hypotheſin. Die chria per an-
tecedens und conſequens hat alſo zwep haupt-
ſtuͤcke, den beweiß-grund und das thema, hie-
zu koͤnnen noch kommen, die verbindung des
beweiß-grundes mit dem themate, rationes
dubitandi und decidendi zu dem beweiß-grun-
de, und zu allen, auch accidentellen ſaͤtzen,
allerhand argumenta.a) Die chria per theſin
und hypotheſin ſetzt ebenfals zwey hauptſtuͤcke
das argumentum illuſtrans und das thema,
zu beyden thut ſie allerhand argumenta, auch
wohl argumentorum argumenta hinzub)
Diſpoſi-
[389]von der diſpoſition uͤberhaupt.
B b 3Diſpoſi-
[390]von der diſpoſition uͤberhaupt.
Aetiol.
[393]von der diſpoſition uͤberhaupt.
- Ætiol. Wir ſind vollkommen verſichert, daß dadurch
das Durchl. Hauß, wie ein palm[-]baum wach-
ſen und gruͤnen werde, als unter welchem bil-
de vormahls auf beſagter muͤntze der Printz von
Oranien vorgeſtellet wurde. - Meditatio: Das gluͤck zeiget uns alſo bald nach die-
ſer vermaͤhlung eine beſondere guͤte, da ſchon
unſere Durchl. Printzeßin einem Sardiniſchen
und Savoyiſchen Printzen zugefuͤhret werden
ſoll. - Votum:GOtt laſſe dieſes alles ſo gluͤckſeelig ſeyn,
daß wir aus dem ſeegen und der er hoͤhung
beyder Hoch-Fuͤrſtl. Haͤuſer augenſcheinlich
erkennen moͤgen, daß alle Dero fuͤrhaben,nec
ſorte nec fatogeſchehe.
§. 7. Aus verſchiedenen chrien wird end-
lich eine gantze rede oder vollſtaͤndige oration
zuſammen geſetzet,a) oder wenigſtens koͤnnen
in einer gantzen oration, alle hauptheile der-
ſelben, wie die chrien, diſponiret und ausgear-
beitet werden, wiewohl wañ man zu einer chrie
eine formulam initialem zu anfangs, und zu
ende die finalem ſetzt, ſo iſt es auch ſchon eine
vollſtaͤndige oration, nemlich eine ausfuͤhrung
eines haupt-ſatzes, durch ſeine noͤthige argu-
menta, welche man in eine ſolche form ge-
bracht, daß ſie nach denen regeln des wohlſtan-
des dem zuhoͤrer angenehm und zu unſern ab-
ſichten dienlich ſey. Es ſind aber die theile ei-
ner rede folgende: Exordium, propoſitio,
tractatio und concluſio, von deren ieglichen
insbeſondere noch etwas zu gedencken.
B b 5Dis-
[394]von der diſpoſition uͤberhaupt.
de honeſta aemulationc.
- Exordium ab oppoſito, ſc œmulatione noxia.
- Antecedens:Es giebet manchmahl leute, welche
ſich bemuͤhen auf eine boͤſe art, aus hoch-
muth and mißgunſt, andern es zuvor zu
thun. - Connexio: Allein weil dieſes eine boͤſe aͤmulation
iſt, ſo haben wir fuͤrgenommen,
- Antecedens:Es giebet manchmahl leute, welche
- Propos.von der beſſern aͤmulation zu reden,ad-
datur Captat. Benevol.
Tractatio continet duas chrias. - Chria I. ab vtili. PROTASIS:Die eifrige bemuͤ-
hungen, da unnuͤtze leute denen nichts nach-
geben wollen, mit welchen ſie zugleich zum
guten angewieſen werden, iſt hoͤchſt nuͤtzlich. - Aetiologia ab effectu: Denn dieſes muntert die
gemuͤther auf, daß ſie alle arbeit deſto williger
uͤber ſich nehmen, und deſto eyfriger verrichten. - Aetiologia a cauſa efficiente. Die information
der praͤceptorum ſelbſt gehet gluͤcklicher von
ſtatten, wenn die untergebene von ſolchem ey-
fer brennen. - Amplificatio ab Exemplo: Atticus war in ſeiner
jugend ſehr fleißig und tugendhaft: und die-
ſes verurſachte, daß alle ſeine mit-ſchuͤler zu
ſonderlichen fleiß und tugend ſich aufmuntern
lieſſen. - Amplif. a ſimili: Eine gluͤende kohle zuͤndet die an-
dere an, ein meſſer ſchaͤrffet das andere. - Amplif, ab Emblem. Zu Villa Franca in Franckreich
wurde von etl. gelehrten ao. 1687. eine geſell-
ſchaft aufgerichtet, die zu ihrem ſinnbild ein
kleinod erwehlten, mit edelſteinen beſetzt, dabey
dieſe worte zu leſen: Mutuo clareſcimus igne.
AD-
[395]von der diſpoſition uͤberhaupt.
- Applic. Die untergebene jugend ſind kleinodien, ſo
den eltern lieber als alle edelgeſteine, ꝛc. - Amplific. a Contrar. Wie manches hurtiges gemuͤthe
wuͤrde eingeſchlaͤfert werden, wenn es nicht die
furcht, von andern uͤberwunden zu [w]erden,
in dem fleiſſe erhalten wuͤrde. - Amplif. a Teſtimonio: Ohne zweifel hat der bekannte
ſchul- mann Valentinus Trotzendorff aus
keinem andern abſehen, als eine aͤmulation un-
ter ſeinen diſcipeln zu erwecken, dieſelben alle-
mahl bey dem anfange ſeiner lectionen alſo an-
geredet: Seyd gegruͤſſet, ihr edle, buͤrger-
meiſter, ratbs-herren, kaͤyſerl. koͤnigl. fuͤrſti-
raͤthe, kuͤnſtler, doctores, kauff, leute, aber
auch ihr henckers-knechte, ſchelmen, ꝛc. - Chria II. ab boneſto,Protasis:Solche aͤmulation
iſt eine herrliche tugend. - Aetiologia per deſcriptionem negat. \& poſitiuam:
Denn ſie iſt keine verachtung des andern,
wegen ſeiner gaben, ſondern ein betruͤbniß,
daß man nicht ſo fleißig, nicht ſo tugend-
haſt, nicht ſo geſchickt iſt, als ein anderer
von unſerer condition. - Ætiologia II. ab effectu:Wo dieſe nacheiferung in
dem hertzen gluͤet, koͤnnen die allerſchwere-
ſten dinge gluͤcklich ausgefuͤbret werden. Jn-
gleichen wird in den kuͤnſten durch aͤmula-
tion was groſſes ausgerichtet. - Amplif. ab Emblem. Die Academie zu Soiſſons fuͤh-
ret einen jungen adler, der den alten nach-
fliegt, mit dieſer beyſchrift: Maternis auſibus
audax. - Applicatio: Alſo machet die aͤmulation dreiſt
und tapffer, daß man auch was waget nach
anderer exempel. - Exempli loco poſſunt adduci Parrhaſius \& Zeuxis. Item
Julius Cæſar ex Suetonio.
CON-
[396]von der diſpoſition uͤberhaupt.
- Concluſio:Dannenbero laſſe man ſich durch
tugendhafter leute exempel zu gleichen tugem
den aufmuntern.
de laudibus Jurisprudentiae.
- EXORD. Antecedens:Die gerechtigkeit iſt eine
fuͤr trefliche tugend. - Ætiolog. Denn ſie iſt das band, wodurch die menſch-
liche geſellſchaft zuſammen gehalten wird. - Connex. I. Da nun die Rechts-gelehrheit, wie man
die gerechtigkeit handhaben muͤſſe, zeiget, - Connex. II. Und fuͤrnehme goͤnner von mir eine pro-
be verlangen. - Amplific. ab inſinuat. Ohngeachtet mein gehorſam,
meine unvermoͤgenheit ſattſam an den tag le-
get: - Conſequens \& ipſa Propoſitio:So babe nichts beſ-
ſers ausleſen koͤnnen, als das lob der edlen
Jurisprudentz. - Formul. fin. Captat. benevol. Jhr geneigtes zuhoͤren
wird meine rede gluͤcklich machen. - TRACTATIO ſ. Confirmatio tres Chrias continet,
Chriam I. - ab Honeſto. Formula init. ſ. præparans:Und daß wir
unſerm verſprechen nachkommen moͤgen: - Protaſis:So wird iedermann geſtehen, daß die
Rechts- gelehrheit alle ehre und den groͤſten
rnhm verdienet babe. - Ætiol. a Cauſa efficiente: Denn ſie hat ihren urſprung
von GOtt ſelbſt, welcher den menſchen und al-
len geſchoͤpfen gewiſſe Rechte und geſetze gege-
ben, nach welchen ſie ſich achten muͤſſen. Auch
die allerheiligſten maͤnner, als Moſes und die
Propheten und der Heyland ſelbſt, haben das
Recht gelehret und ausgeleget.
Am-
[397]von der diſpoſition uͤberhaupt.
- Amplif. ab Exper. Noch biß auf den heutige[n] tag hal-
ten hohe und niedrige obrigkeiten ſehr uͤber das
Recht, uñ die academien werden mit den gelahr-
teſten Profeſſoribus Juris verſorgt. - Amplif. ab Exemplo \& Teltim. Friedrich Auguſt be-
zeuget es mit ſeinem Allerdurchlaͤuchtigſten ex-
empel, wenn er an dem Codice Auguſteo, proceß-
ordnungen ꝛc. arbeiten laͤſt, und ſeine acade-
mien mit den fuͤrtreflichſten Rechts-lehrern ie-
derzeit beſetzet. - Ætiol. II a conſenſu gentium ſaniorum.
- (a) Formula connectens ſ. praep. Und es iſt leicht
zu erachten, warum dieſe edle Diſciplin ſo
hoch geachtet wird. - Ætiol. ipſa: Allermaſſen die beruͤhmteſten voͤl-
cker iederzeit die ausleger und lehrer der
geſetze in hohen ehren gehalten
- (a) Formula connectens ſ. praep. Und es iſt leicht
- Amplif. ab Exemplo:Solon war geehret bey den
Athenienſern, Lycurgus bey den Lacedaͤmoni-
ern, Numa bey den Roͤmern. Die Jmpera-
tores haben gleichfalls den Jureconſultis groſſe
ehre angethan, und auf ihre reſponſa ſehr ge-
ſehen. - Formula finalis ſ. Concluſio Chriae I.Derowegen laſ-
ſe man ſich memabls abwendig machen von
dieſem ſtudio, ſo wird es einem an ehre und
renommee nicht mangeln. - Chria II. ab Utili.
- Formul. Conn. Ja es werden viele andere herrl.
belohnu ngen erfolgen.
- Formul. Conn. Ja es werden viele andere herrl.
- Protaſis:Denn dieſe wiſſenſ[ch]aft bringt allgemeine
und auch ſonderbare nutzbarkeit. - Ætiol. a com. publ. Das iſt ja freylich ein koͤſtl. nutzen,
daß die Jurisprudentz die ruhe und den wohl-
ſtand des gemeinen bũrgerl. lebens befoͤrdert,
und die erbarkeit allenthalben dadurch beybe-
halten wird.
Ampli-
[398]von der diſpoſition uͤberhaupt.- Amplific. a contr. Viele achten zwar dieſen gemei-
nen nutzen nicht, iedoch dieſe leute ſind
unverſtaͤndig und haben mitleiden verdie-
net. - Rat. Cont. Denn alsdenn wuͤrden ſie es wohl er-
kennen, wenn keine gerichte gehalten
wuͤrden.
- Amplific. a contr. Viele achten zwar dieſen gemei-
- Ætiolog. II. a com. prtu. Jnzwiſchen mangelt es auch
nicht an privat-nutzen, ſintemahl die Juriſten
zu groſſem gut und hohen ehren gelangeu koͤn-
nen. - Amplific. a Compar. Der kauf-leute, ackers-leute pro-
fit ꝛc. iſt ziemlich, doch koͤnnen advocaten mit
leichterer muͤhe dazu gelangen. - Amplific. a Teſtim. Von dem verß:
Dat Galenus opes, dat Juſtinianus honares.
Chria III. ab Neceſſario. - Protaſis:Je mehr ich dieſem edlen ſtudio nach-
dencke, deſto mehr materie ereignet ſich
zu derſelben lobe, davon ich auch dieſes nicht
verſchweigen kan, daß ſie ein unentbehrli-
ches ſtudium ſey.- Ætiol. I. Denn die gantze welt muß durch geſetze
und gerechtigkeit erhalten werden. - Ætiol. II. Alle reiche und republiken, alle kir-
chen und ſchulen, alle collegia und privat-
haͤuſer wuͤrden leicht ruiniret werden, wenn
keine Jurisprudentz und Juris-exercitium
waͤre. - Ætiol. III. Sintemahl kein laſter ſo ſchrecklich
ſeyn wuͤrde, welches die welt nicht wuͤrde
ungeſcheuet ausuͤben.- Amplific. a teſtim. Daher der Griechiſche Poet
Euripides wohl geſaget:
Cuſtodia legum cinitates continet.
- Amplific. a teſtim. Daher der Griechiſche Poet
Am-
[399]von der diſpoſition uͤberhaupt.- Amplific. a comp. Gleichwie ein ſchiff auf dem
meere zu grunde gehen muͤſte, wenn kein
ſteuer- ruder und dergleichen, ancker, ꝛc.
da waͤren, daſſelbe im ordentlichen lauffe
zu erhalten, ꝛc. alſo ꝛc.
- Ætiol. I. Denn die gantze welt muß durch geſetze
- Concluſio:Derowegen moͤgen ſich diejenigen
wohl bedencken, welche ſich unterſtehen, die
Juriſten zu verachten.- Conſectar. II. Jedoch wollen wir den gottloſen
advocaten das wort nicht reden, welche wi-
der gewiſſen handeln, ſondern den recht-
ſchaffenen ꝛc.
- Conſectar. II. Jedoch wollen wir den gottloſen
per Theſin \& Hypotheſin.
- Auf einem Cavalier aus deſſen lebens lauffe man
ſiehet, daß er ſey gottſeelig und redlich geweſen. - Protaſis:Der wahre adel beruhet fuͤrnemlich auf
drey haupt-tugenden: Gottesfurcht, auf-
richtigkeit, tapferkeit. - Ætiolog. gen. I. Denn das gebluͤt ohne tugend iſt
ſchlechte ehre, weil die angebohrnen wapen
nuͤr aͤuſſerliche kennzeichen des adels ſind, und
werden manchmahl auch von unadelichen ge-
brauchet, tapfferkeit ohne gottesfurcht iſt eine
verwegenheit, weil ſonſt auch die ſelbſt-moͤrder
tapfer ſeyn muͤſten. - Ætiol. II. ſpecial. Gottesfurcht ſtehet demnach einen
ritter wohl an, und die bibel kan wohl bey ei-
nem bloſſen degen liegen.- Ratio: Denn GOtt ſelbſt hat denen heiligen
helden die waffen in die haͤnde gegeben,
zum ſchutz der kronen.
- Ratio: Denn GOtt ſelbſt hat denen heiligen
- Amplific. ab Exemplis: I. Moſes war tapfer genug
gegen dem Pharao, doch war der ſieg zweiffel-
haftig gegen Amaleck, wenn er die haͤnde ſin-
cken ließ. II.
[400]von der diſpoſition uͤberhaupt.- II. Guſtaphus Adolphus hat immer ſeine gebet-
buͤcher bey ſich gehabt, und auch wohl ſeine
eigne gebets- formuln aufgezeichnet. Ferdi-
nandus R. K. betet allezeit kniend - III. Ferdinandus Catholicus bekennet, daß er
mehr mit ſeufzern die Barbaren erleget, als
mit pfeilen.
- II. Guſtaphus Adolphus hat immer ſeine gebet-
- Ætiolog. III. ſpecial. Aufrichtigkeit iſt der andere
grund des adels.- Ratio: Denn eben darum ſtehen ſchild, helm,
lantzen und ſchwerdter in den wapen, und
ſie heiſſen Generoſi.
- Ratio: Denn eben darum ſtehen ſchild, helm,
- Hypotheſis ad laudem adplic.Dieſes alles fand ſich
bey dem wohl-ſeeligen, welchem billig in die
fahne mag geſchrieben werden:Pietas, ſince-
ritas, generoſitas. - Ætiol. I. Er war fromm, denn er laß fleißig GOttes
wort, gieng gerne zur kirche, betete fleißig auch
ſelbſt fuͤr ſeine feinde, wie die Prieſterſchaft be-
zeuget, er uͤbte die wercke des glaubens ꝛc. - Ætiol. II. Er war aufrichtig, nicht wie die heutige
welt die haͤnde ohne hertzen weiſet, das bezeu-
get ſeine converſation, und alle ſeine verrich-
tungen. - Ætiol. III. Seine tapferkeit hatte auch nicht einen,
ſondern viele triumph-bogen verdienet. Pro-
betur aus ſeinen feldzuͤgen und rebus geſtis. - Hypoth. ad luctuͤm adpl.Was iſt es wunder, daß
ein ſo theurer mann hoch beklaget wird. - Ætiol. Denn alle treu-ergebene gemuͤther ſehen
gleichſam die gottesfurcht, redlichkeit und tap-
ferkeit einſcharren. - Amplific. a diſtribut. Abſonderlich deſeufzen der Hr.
B. Fr. Schw. ꝛc. gar ſehr, das fromme auf-
richrige hertz, alle ſoldaten und officiers wol-
len das grab gleichſam mit thraͤnen netzen, da
ihm
[401]von der diſpoſition uͤberhaupt.
ihm GOtt die ehre verſaget, mit ſeinem eignen
blute die grabſchrift zuſchreiben, wie alle helden
wuͤnſchen. - Hypoth. adpl. ad ſolat.Jedoch iſt nicht ein gerin-
ger troſt, daß GOtt ſelber die unverhofte
ordre ertheilet, daß er den krieg verlaſſen, und
den gnaden-lobn ſeiner got[t]esfurtcht, treue
und tapferkeit aus GOttes eignen haͤnden
in ſeiner himmliſchen reſidentz empfangen
ſoll. - Probetur: Er hat glaͤubig und ritterlich wieder leibliche
und geiſtliche feinde geſtritten, und traͤget des-
wegen nunmehro die ſieges-krone auf ſe[i]nem
haupt, die GOtt allen ehriſtlichen und treuen
rittern aus den wolcken zeiget, mit der uͤber-
ſchrift: Legitime certantibus. - Conſequ. Dannenhero koͤnnen ſich die betruͤbten leid-
tragende zufrieden geben und dem ſeelig-ver-
ſtorbenen ſeine ehre und gluͤckſeeligkeit goͤnnen. - Hypotheſ. ad grat. act.Weil ſie ſehen, daß deſſen
unſterbliche tugenden von ſo vielen vorneh-
men anweſenden in hohen ehren gehalten
werden, die eben darum deſſen tugenden
mit den ihrigen haben begegnen wollen, und
ihn zu ſeiner ruhe ſtaͤtte begleiten. Gewiß
wie dieſes ein groſſes zum troſt beytraͤget,
alſo erkennen ſich die leidtragende verbunden/
zu dancken, und zu wuͤnſchen, zu dancken
fuͤr die ehre, ſo ihnen bewieſen, zu wuͤnſchen,
daß der Hoͤchſte ſie vor dergleichen faͤllen be-
huͤre. ꝛc.
per tres Chrias.
- Caſus:Einem fuͤrnehmen mann iſt ein eintziges
ſoͤhngen geſtorben, - Form. initialis:Je lieber ein kleinod, ie ſchmertz-
licher iſt deſſen verluſt. Doch muͤſſen wir
C czu
[402]von der diſpoſition uͤberhaupt.
zuweilen das, was uns am liebſten, am er-
ſten [v]erlieb[t]en. - Tranſitio: Dieſes bezeugen die lieben eltern, welchen
ihr eintziges ſoͤhngen geſtorben.
Chria I. de laude. - Protaſis:Deſſen artigkeit wohl verdient belobet,
und deſſelben verluſt beweinet zu werden. - Ætiol. 1. a dotibus corporis: Es war wohl gebildet.
- Ætiol. 2. a dotibus animi: Es leuchtete herfuͤr ein
rechtſchaffenes gemuͤthe. - Amplific. a diſtribut. Seine kindliche liebe bewieſe
es, wenn es mit lachendem munde dem vater
entgegen lief, und in ſeinen verrichtungen die
tugenden des vaters anzubringen ſuchte. - Amplif. a conſequenti. Dannenhero wuͤnſcheten die
lieben eltern, daß es moͤchte lange bey ihnen
bleiben. - Amplific. ab Exemplo: Der Poet Martialis thut von
des Reguli ſohne dieſen wunſch:Di ſeruate, precor, matri ſua vota patrique,Audiat ut natum Regulus illa duos.GOtt hoͤr des vaters wunſch, erfuͤll der mutterfreude,Dem vater gieb den ſohn, der mutter alle beyde.
(Chria II. de luctu.) - Protaſis:Aber ie mehr die hoffnung, ie ſtaͤrcker
die betruͤbniß. - Ætiol. I. Denn an ſtat eines langen lebens bringet
die kranckheit einen ploͤtzlichen todt. - Amplif. a conſequ. per Hypotheſin: Dahero ſehen wir
das haͤnde ringen der eltern, wir hoͤren das
ſeufzen derſelben, wir ſehen die thraͤnen der
anverwandten, wie der angehoͤrigen geſicht
erblaſſet, ꝛc. - Ætiol. II. per Proſopopœiam: So oft der vater den
ſarg
[403]von der diſpoſition uͤberhaupt.
ſarg anſiehet, koͤmmt es ihm vor, als wuͤrde
ihm zugeruffen, da liegt die ſtuͤtze deines ge-
ſchlechts, die freude deines alters, der troſt in
deinen betruͤbnuͤſſen.
Chria III. de ſolatio, - Protaſis:Doch die betruͤbten eltern koͤnnen ſich
zufrieden geben. - Ætiol. I. Denn ſie haben ihr kind nicht verloh[r]en,
ſondern nur vorangeſchickt. - Ætiol. II. Es wird ihnen viel artiger wieder ge-
ſchencket. - Concluſio, quæ continet gratiarum actionem:Dieſes
koͤnte ſchon genug troffes ſeyn, allein es
koͤmmt noch hinzu, daß die hochzuehrende
leichenibegleiter gleichfals bezeugen durchibre
gegenwart, daß ſie glauben, es ſey dieſes
kind imhimmel viel ſchoͤner; und ſie wollen
durch dieſe gegenwart eben dieſes denen be-
truͤbten leidtragenden verſichern. - Conſequens: Dannenhero kan nicht der danck zu-
ruͤcke bleiben, welcher in erwegung deſſen, mir
aufgetragen worden, denenſelben abzuſtatten,
ich wuͤnſche ꝛc.
§. 8. Die neigungen des auditoris, erlauben
dem redner gar ſelten, ſeinen ſatz gleich anfangs
zu proponiren dannenhero muß er ſich vorhero
bemuͤhen, des zuhoͤrers gemuͤth zu praͤpariren,
und ſolches geſchicht im exordio. Es iſt alſo
noͤthig, daß er darinn die argumenta conci-
liantia am ſtaͤrckſten anbringe, es von denen
general-concepten ſeines thematis, denen aͤuſ-
ſerlichen umſtaͤnden, argumentis illuſtrantibus
und probantibus, auch wohl patheticis her-
nehme, mit welchen die propoſition ſo unge-
C c 2zwun-
[404]von der diſpoſition uͤberhaupt.
zwungen verbunden ſey, daß ſie aus demſel-
ben zu flieſſen ſcheine. Der ausdruck muß mit
den uͤbrigen theilen der rede wohl uͤbereinſtim-
men, viele heftige affecten darf man nicht zei-
gen, es auch nicht weit ausdehnen, denn es iſt
beſſer, wann der affect mit der rede nach und
nach, iedoch dem obiecto gemaͤß, waͤchſt und
ſteiget, und die diſpoſition kan nach angefuͤhr-
ten arten eingerichtet werden.
§. 9. Die propoſition oder der fuͤrtrag des
thematis ſelbſt, drucket den gantzen inhalt der
rede, in kurtzen, entweder deutlichen oder ver-
bluͤmten worten aus, welche gar genau nach
den regeln der klugheit einzurichten. Es iſt
ſchlechterdings noͤthig, daß ein ieder der da
reden will, einen ſatz oder auch wohl nur eine
idee zum grunde lege, damit er nicht durch vie-
le concepte verwirret und diſtrahiret werde,
ſondern wiſſe worauf alle ſeine gedancken und
worte abzielen, ſo wird man verhoffentlich ſo
deutlich reden, daß der zuhoͤrer alles leicht ver-
ſtehen und von dem gantzen gebaͤude einen
richtigen begrif behalten wird, welches die
groͤſte tugend eines oͤffentlichen redners und
der fuͤrnehmſte zweck der propoſition, ia auch
der partition iſt, denn die erklaͤret nur die thei-
le des thematis und drucket aus, auf wie viel
momenta man bey der propoſition zu refle-
ctiren habe.
§. 10. Jn der tractation oder ausfuͤhrung
des thematis, kommen alle argumenta fuͤr,
welche
[405]von der diſpoſition uͤberhaupt.
welche man nach obigen vielfaͤltig gegebenen
regeln, fuͤr dienlich erachtet anzufuͤhren. Und
dieſe iſt billich der mittel-punct zu nennen, wo
ſich alle geſchicklichkeiten des redners, im erfin-
den und ausdrucken, concentriren. Sie wird
diſponiret nach angegebenen regeln, und leidet
vielfaͤltige zuſaͤtze, nach beſchaffenheit der ſache,
des auditoris, und des redners, durch gehends
aber muß ſie wohl connectiren, und zu den
uͤbrigen theilen eine gute verhaͤltniß haben,
doch ſo daß ſie unter allen am laͤngſten ſey.
§. 11. Aus der tractation muß die conclu-
ſion flieſſen, und ſo eingerichtet ſeyn, daß dem
zuhoͤrer, gleichſam als in einem bilde alles was
fuͤrgetragen worden, wieder fuͤrkomme. Dan-
nenhero ſchickt ſich am beſten ein conſectarium,
oder wohl etliche, eine kurtze wiederholung, eine
application, oder weil hier der affect nunmeh-
ro aufs hoͤchſte ſteigt, ein wunſch, allerhand
figuren, und argumenta pathetica, nach dem
der redner am beſten den endzweck der conclu-
ſion zuerhalten vermeinet.
§. 12. Alle und iede reden, ſie moͤgen nah-
men haben wie ſie wollen, beſtehen aus dieſen
theilen, und beruhen auf denen nunmehro an-
gefuͤhrten gruͤnden und regeln. Alſo koͤnte
ich hier fuͤglich ſchlieſſen, ohne daß ich beſorgte
etwas ausgelaſſen zu haben, welches zu erfuͤl-
lung meines fuͤrhabens dienete. Jedoch die
mode erinnert mich eines theils und andern
theils die nothwendigkeit, von einigen uͤbli-
C c 3chen
[406]von der diſpoſition uͤberhaupt.
chen gantz ſpeciell en reden etwas zu erinnern,
welches in folgenden capiteln geſchehen wird.
Die exempel welche ich [i]n dieſem capitel gegeben,
ſind nicht meine eigene arbeit, alſo will ich weder
an der chre der erfindung, noch verbeſſerung der-
ſelben theil nehmen. Damit ich aber auch eins
von meiner art beyfuͤ[g]e, daran ſich der leſer in
ſeinem affect gegen mir erholen moͤge, ſo mag
folgendes hier platz nehmen, welches eine diſpo-
ſition zu einer antrits-rede in einer gewiſſen red-
ner geſellſchaft iſt und zum themate hat:
Jurisprudentz und Oratorie muͤſſen mit
einander verbunden werden.
- Exordium: Antecedens.die facultaͤten muͤſſen nicht
von den diſciplinen der unive[r]ſellen gelehr-
ſamkeit getrennet werden:- Actiol. denn ſie haben eine genaue verwandſchaft
mit einander, und wenn dieſe mit ienen verknuͤpft
ſind machen ſie erſt einen gelehrten mann aus. - Connexio I. da nun die Rechtsgelahrheit eine Fa-
cultaͤt und die Oratorie eine gelehrte diſciplin
iſt: - Connexio II. und ich ietzo zum erſtenmahl in dieſer
redner geſellſchaft reden ſoll, da-ich bißher mich
im jure geuͤbet: Argumentum, in ſinuanis: ohn-
geachtet meine bereitwilligkeit zu reden, vielleicht
mein unvermoͤgen vetrathen moͤchte.
- Actiol. denn ſie haben eine genaue verwandſchaft
- [P]ropoſit. conſeq.ſo habe mir fuͤrgenommen zu be-
weiſen, daß jurisprudentz und Oratorie ſorg-
faͤltig muͤſſen mit einander verknuͤpfet wer-
den, und daß ein juriſte nothwendig ein ora-
tor ſeyn muͤſſe.- Argumentum mouens: Fauor in iudice plus valet
quam lex in codice, H. z. und ihre gewogenheit
und geneigtes aufmercken wird zu behauptung
meines fuͤrhabens das ſtaͤrckſte argument ſeyn.
- Argumentum mouens: Fauor in iudice plus valet
Tracta-
[407]von der diſpoſition uͤberhaupt.
- Tractatio:
- 1. Ponit definitionem eloquentiae.Nicht
alles reden, nicht alles unnuͤtze ob wohl zier-
liche reden, verdienet den nahmen der bered-
ſamkeit ſondern das iſt beredſamkeit, wenn
man eine geſchicklichkeit beſitzet:\&c. jam
ſequitur definitio.Und dazu fuͤhrt uns die
Oratorie. - 2. Applicat definitionem:
- 1. ad jurisprudentiam legislatoriam:Dieſe bered-
ſamkeit nun iſt es, welche denen buͤrgern die
mittel zu ibrer buͤrgerlichen wohlfar[t]h in
heilſamen geſetzen fuͤrtraͤgt. - Illuſtrans I. Nero ließ ſeine geſetze gar zart ſchrei-
ben, und hernach ſehr hoch anbeften, daß ſie nie-
mand leſen konte, damit er deſto eher ſeine bur-
ger ſtraffen moͤchte Eben ſo tyranniſch handelt
ein regent welcher undeutliche, zweydeutige geſe-
tze fuͤrtraͤgt, und nicht durch die Orototie ſeinen
willen mit genauen worten ausdrucken lernet: - Illuſtrans II. Alexander M. Julius Caͤſarcet wuͤr-
den nicht ſo gluͤcklich commandiret haben ohne
beredſamkeit.
- 1. Ponit definitionem eloquentiae.Nicht
- II. Ad Jurisprud. Conſultaioriam:Ohne dieſe be-
redſamkeit iſt es nicht moͤglich daß ein Juriſt
bey bofe ſeinem printzen und dem lande dienen
kan.- Illuſtrans I. a ſimili. Ein freund der nicht reden
kan, ſchaft uns wenig vergnuͤgen, und ein bof-
mann der ſeine anſchlaͤge zu des landes beſten
nicht fuͤrbringen kan, oder kauderwelſch fuͤrbrin-
get der das maul nicht aufthut wann es die wohl
farth des landes erfordert, und den printzen durch
vernuͤnftige fuͤrſtellungen ſucht auf das zufuͤh-
ren, welches ihm am zutraͤglichſten iſt, ein ſol-
cher iſt ebenfalls nichts nutze. - Illuſtrans II. ab exemplo: Demoſthenes war de-
nen Athenienſern mehr nutze als eine gantze ar-
mee und Philipyus Macedo wolte nur die Ora-
tores heraus haben.
- Illuſtrans I. a ſimili. Ein freund der nicht reden
[408]von der diſpoſition uͤberhaupt.
- III. Ad Jurisprud. Academicam:Was ſoll ich ſa-
gen von denenienigen, welche das Recht auf
Academien lebren und andern beybringen
wollen? Gewiß wer da ſagen kan, daß die-
ſen die Oratorie unnoͤthig der muß ſei-
nen verſtand auf die wanderſchaft zu denen
Malabaren geſchickt baben. - IIII. Ad Jurisprudentiam advocatoriam.Was kan
nicht endlich die Oratorie einem advocaten
dienen, da oͤfters auf einem worte die gantze
ſache beruhet, da er mit clienten und richtern
zu reden hat.- Illuſtrans:Cicero war ein groſſer Juriſte eben des-
wegen weil er ein guter Orator war. Jn En-
gelland, Franckreich, ꝛc. ſind das nur gute Juri-
ſten welche gute redner ſind. - Obiectio:Wenn iemand meinet, daß ich zuviel be-
haupten will, und mir fuͤrſtellet, daß viel advo-
caten geweſen die keine Oratorie verſtanden
und doch gut practiciren koͤnnen, und daß es ja
einem advocaten nicht noͤthig ſey, eine ſuppli-
que z. e. mit figuren und tropis zu ſchmuͤcken, ſo
antworte ich und frage: Ob er denn daraus daß
einsmahls ein ignorante gluͤcklich geweſen,
ſchlieſſen wolle, es ſey gut ein ignorante ſeyn?
und zeige ihm daß eine geſchmuͤckte Oratorie,
daß iſt eine ſolche, die mit figuren redet, freylich
nicht allen ſo gleich noͤthig ſey, aber wohl eine
Oratorie. Ferner zeige ich, daß viel unfug dar-
aus entſtanden, wann in judiciis leute gekom̃en,
die confuſe, weitlaͤuftige, zweydeutige ſtilos ge-
habt, dagegen die Oratorie ein ſicheres mittel
iſt. - Concluſio:Jch glaube mein ſatz ſey bewieſen,
und weiß daß ſie mir ſelbſt H. 3. noch argu-
menta geben wuͤrden, wenn es darauf ankaͤ-
me, daß ich weitlaͤuftig reden muͤſſe. Alſo will
ich nur dieſes ſagen, daß ich mich gluͤcklich
ſchaͤ
[409]von reden im gemeinen Leben
ſchaͤtze in Dero geſellſchakt zu ſeyn, und
werde mich dadurch geſchickt machen, in mir
zu verbinden, was man Jurisprudentz und
beredſamkeit nennet. ꝛc.
- Illuſtrans:Cicero war ein groſſer Juriſte eben des-
Das andere capitel,
von reden im gemeinen leben und von
briefen.
VOn reden im gemeinen leben uͤberhaupt, §. 1.
Von complimenten und diſcourſen, §. 2. Von
reden mit allerhand arten von leuten, §. 3. Von bit-
ten, §. 4. Von danckſagen, §. 5. Von lehren, ra-
then, vermahnen, §. 6. Von entſchuldigungen, §. 7.
Von allerhand nachrichten, §. 8. Von wuͤnſchen, con-
dolencen, und gratulationlbus, §. 9. Von allerhand
andern reden, §. 10. Von briefen, §. 11. Derſelben
invention, §. 12. Elocution, §. 13. Diſpoſition, §.
14. Von der titulatur, §. 15. Von der uͤberſchrift
und unterſchrift, §. 16. Von der zuſammenlegung,
verſtegelung und aufſchrift, §. 17.
§. 1.
WJr reden am allermeiſten im gemeinen
leben, alſo brauchen wir dazu eine
Oratorie am allernoͤthigſten, und ob
man zwar wohl meinen ſolte, es gaͤbe ſich der-
gleichen von ſelbſten, ſo finden ſich doch dabey
ſo viele fehler, daß es nicht unnoͤthig, auch hie-
von einige anmerckungen zu geben. Jch rechne
aber hieher, alle dieienigen kurtzen reden, welche
man im taͤglichen umgange, ohne groſſe vor-
bereitung, von allerhand fuͤrfallenden materi-
C c 5en,
[410]von reden im gemeinen Leben.
en, zur erhaltung ſeiner abſichten und vergnuͤ-
gung der menſchlichen geſellſchaft fuͤrbringet.
Die erfindung geben alle fuͤrfallende umſtaͤn-
de der converſation, der ausdruck iſt nach dem
ſtilo familiari, dialogiſtico, dem galanten, caͤ-
rimonioſo, epiſtolari, curiaͤ, einzurichten, die
diſpoſition iſt allezeit ie natuͤrlicher ie beſſer,
und die connexio meiſt verbalis, wozu hier noch
inſonderheit die accidentalis kommt.
§. 2. Sie koͤnnen eingetheilet werden in
complimente, diſcurſe, und Briefe. Durch
complimente werden kurtze, hoͤfliche, und ga-
lante reden verſtanden, mit welchen man dem
andern hauptſaͤchlich ſeine hochachtung und zu-
neigung zu verſtehen giebt, damit man ſich
und ihn vergnuͤgt machen moͤge.a) Diſcurſe
ſind unterredungen, da einer mit andern ſeine
gedancken conferiret entweder noͤthige geſchaͤf-
te und nuͤtzliche ſachen auszumachen, oder die
zeit zu verkuͤrtzen, dabey bißweilen compli-
mente mit einflieſſen koͤnnen.b) Briefe ſind
endlich wann man ſeine complimente, und
was man in diſcurſe etwan ſagen koͤnte, zu
papier bringet, und dem andern, weil er ab-
weſend iſt, communiciret.c)
b) Hier
[411]und von brieffen.
§. 3. Die allermeiſte reflexion iſt auf den-
ienigen zu machen, bey dem man ſeine worte
anbringet, denn ſolcher iſt entweder hoͤher,
oder geringer, oder unſeres gleichen, er ſtehet
entweder im affect oder iſt ruhig, entweder
hat er vorurtheile oder nicht. Hoͤhern bege-
gnet man ehrer-bietig, nach dem caͤrimoniel
und wohlſtand, mit wenig worten, aber die
mit bedacht ausgeſprochen; ſeines gleichen
begegnet man hoͤflich, galant; geringern
freundlich und liebreich mit deutlichen, und
ſich zu ihren umſtaͤnden ſchickenden worten.
Wie man denen affecten und vorurtheilen zu
begegnen, iſt zur gnuͤge aus obigen zu ſehen.
§. 4 Die materie dieſer reden, iſt ebe[n]fals
zu beobachten, daß man die manieren, da-
mit man ſelbige fuͤrtraͤgt, darnach einrichten
koͤnne. Wann man iemand warum bittet,
ſo iſt die groͤſte behutſamkeit dabey anzuwen-
den, damit das unangenehme, welches dabey
iſt, verſuͤſſet werde, dahin gehoͤren empfehlun-
gen, einladungen und allerhand der gleichen
kurtze
[412]von reden im gemeinen Leben
kurtze reden, darinn man von dem andern ei-
ne gnade oder gewogenheit oder dienſt ſich
ausbittet.
Es iſt unnoͤthig, dieſes weiter auszufuͤhren,
weil es gar leicht iſt, wofern nur was in die-
ſem gantzen werck zum grund geleget iſt, ſorg-
faͤltig nach den regeln der klugheit appliciret
wird. Es iſt auch dasienige, was man bittet,
nach dem 5ten cap. des andern theils zu erwe,
gen.
§. 5. Bey dem danckſagen, iſt es ſchon nicht
ſo ſchwer, die dazu gehoͤrigen manieren zu be-
obachten, es ſchadet auch hier nicht, wann
man ſchon ein wenig zu freygebig mit ſeinem
dancke iſt. Man bezeuget dabey, wie man
die erwieſene guͤte wohl erkenne, recht eſtimi-
re, dagegen ſeine erkaͤnntlichkeit zeigen wolle.
§. 6. Einige reden ſind mit der neben- idee
der hoheit und des anſehens verknuͤpfet als
lehren, rathgeben, vermahnen, ſtraffen, war-
nen, verweiß-geben, und dabey muß man
entweder ſich ſehr extenuiren und demuͤthigen,
oder ſeine begierde die man habe, dem andern
zu dienen, hochheben, oder auch wohl zeigen,
daß man mit auctoritaͤt nicht nur gravitaͤtiſch
ſprechen, ſondern auch denen worten durch die
that einen nachdruck geben koͤnne, alles nach
beſchaffenheit deſſen mit dem, und darinn man
zu thun hat, ia man thut auch wuͤnſche und
ſeuftzer hinzu, wenn der affect, wo es noͤthig,
groß wird.
§. 7. Man entſchuldiget ſich im gemeinen
leben,
[413]und von briefen
leben, entweder wegen eines begangenen ver-
ſehens, oder wegen etwas zukuͤnftigen, wel-
ches dem andern vielleicht nicht angenehm
ſeyn moͤchte, da man ihm etwas ab-
ſchlaͤgt, ꝛc. Jn ienem fall erkennet man ſein ver-
ſehen, macht es entweder kleiner oder groͤſſer,
ſchuͤtzt entweder unwiſſenheit, oder uͤberei-
lung, oder unmoͤglichkeit, oder wohl keine ur-
ſach fuͤr, in dieſem beklagt man ſein unver-
moͤgen, verhinderniſſe, ungluͤck, allerhand
zufaͤlle, in beyden ſucht man das unangeneh-
me durch bitten, verſprechen und wuͤnſchen
zu verſuͤſſen.
§. 8. Man giebt allerhand nachrichten,
warnungen, recommendations, bey allerhand
faͤllen, wann man an einen orte ankommt,
wieder geſund wird, fuͤr den andern zu ver-
richten gehabt, ihn fuͤr boͤſen warnet, und das
gute recommendiret, dabey die deutlichkeit
und accurateſſe das beſte, auch ſonſt nach be-
ſchaffenheit der umſtaͤnde viel klugheit und be-
hutſamkeit zu gebrauchen.
§. 9. Man macht endlich allerhand wuͤnſche,
trauer- und freudens-bezeugungen, ꝛc. bey
welchen allen die kuͤrtze, die artigkeit der ge-
dancken, die lebhafte fuͤrſtellung des affects,
deutlich und nette, ohne affectation, nach den
allgemeinen regeln der beredſamkeit der klug-
heit und des wohlſtandes, geſchickt anzubrin-
gen.
§. 10. Sonſt kommen noch allerhand an-
dere
[414]von reden im gemeinen Leben
dere arten von reden im gemeinen leben fuͤr,
als anwerbungs- viſit-bewillkommungs- ab-
ſchieds- ſchertz-freundſchafts-haußwirths-re-
den, ꝛc. Ja es erforderten die diſcurſe, in an-
ſehung ihrer materialien, noch viele regeln, al-
lein man mag ſie aus angefuͤhrten ſelbſt ler-
nen einrichten, ſonſt wann ich mich auf eine
voͤllige abhandelung derſelben einlaſſen, und
ihre moralitaͤt, nebſt derſelben hiſtorie hin-
zuthun wolte wuͤrde vielleicht ein foliante,
mit leichterer muͤhe davon geſchrieben, als
von andern geleſen werden.
- Bey den diſcurſen heiſt es recht: Cantu dignoſcitur
auis, das wuſte iener blinde, der die Dom-
herren an dem diſcurs von ihrer koͤchin kannte-
Daher der bekannte verß:
‘Navita de ventis, de tauris narrat arator,
Enumerat miles vulnera, paſtor oues,
Nobilis at iuvenis, primae lanuginis annis,
Rura ſua \& cerui cornua, ſigna domus,
Et lepores \& aues, talos, chartaeque triumphos,
Vina, theatra, tuas, bella puella! genas. \&c.’ () - Doch muß man einen unterſchied machen, unter
einen der fuͤr ſich und der fuͤr andere lebt und re-
det. Man kan auch wohl ſchlimmer und beſſer
reden, als man denckt. ꝛc. Wolte man diſcurſe
ſchreiben und geſpraͤche wuͤrde man den chara-
cter der redenden zu beobachten und auszudru-
cken haben und gute geſpraͤche leſen muͤſſen, S.
StollenI. IIII. 24. und obenP. II. cap. 3. § 25.
§. 11. Jch gehe alſo zu denen briefen, wel-
che faſt mehr geſchicklichkeit erfodern, als alle
andere arten von reden, denn auſſer dem, daß
man die grund-regeln der beredſamkeit wohl
inne
[415]und von briefen.
inne haben und anwenden muß, erfodern ſie
auch eine beſondere natuͤrliche faͤhigkeit, und
geſchwinde expedition, dazu eine fleißige uͤ-
bung und erfahrung behuͤlfflich iſt.
- S. Hrn. Hof-rath Langens E. z. O.II. 91. da
man leicht die beſten regeln und exempel an-
trift, Neukirch anweiſung zu Teutſchen
briefen, Talanders, Menantes, Weiſens,
Junckers, ꝛc. Kemmerichl. c. p. 1124. Hede-
richs Philolog. Wiſſ.p. 585.
§. 12. Die erfindung iſt bey denen briefen
ſehr leicht, denn die urſach, warum ich ſchrei-
ben muß, und die gelegenheit zum ſchreiben,
wird mein thema, oder die propoſition des
briefes. Habe ich mehr propoſitiones, ſo
muß ich die connexiones erfinden, oder ich
kan auch dieſelben weglaſſen, und die propo-
ſitiones bloß hinſetzen, wann ich an familiai-
re freunde ſchreibe. Die ausfuͤhrung geſchicht
kurtz, und deutlich in wenigen und gantz na-
tuͤrlichen argumentis, ohne allen zwang und
groſſe kunſt.
§. 13. Die ſchreib-art muß alſo ſo natuͤr-
lich ſeyn, als wann man redete, dennoch fin-
det auch, nach beſchaffenheit der ſache, der ar-
gute ſtilus ſtatt. Und weil doch hier die worte
geſchrieben werden, und nicht ſo leicht ver-
ſchwinden, als in diſcurſen, ſo muß man auch
in ſetzung derſelben etwas behutſam verfah-
ren. Am gebraͤuchlichſten iſt hier alſo der ga-
lante, caͤremonioͤſe familiaire ſtilus, welcher
hier der ſtilus epiſtolaris heiſſet.
Siehe
[416]von reden im gemeinen leben
- Siehe obenP. II. cap. 3. §. 25. 26. 27. 28. Die
Frantzoſen ſind hier billig zu ruͤhmen, man ſehe:
Lettres choiſies des meilleurs \& plus nouueaux
auteurs Francois, traduites en Allemand, par Me-
nantes. Hamburg 1709. 12. Ob wohl die uͤber-
ſetzung nicht durchgaͤngig gleich gluͤcklich ge-
rathen, ſo kan man doch in etwas daraus pro-
fitiren.
§. 14. Die diſpoſition iſt ſehr leicht, man
entwirft kurtz, erſtlich ſeine propoſitiones und
argumenta, ſo natuͤrlich als es moͤglich, nach
vorhergehendem capitel, ſetzt dazu eine for-
mulam initialem, a) und finalem,b) arbei-
tet hernach alles dieſes in einer guten conne-
rion aus, und leget das concept bey ſeit, da-
mit es aufgehoben ſey, zur eignen nachricht,
bey allerhand faͤllen, ia es iſt wohl gethan,
wann man alle ſeine briefe in ein beſonderes
buch erſtlich ausarbeitet, und daraus abſchrei-
bet, welches unglaublichen groſſen nutzen hat,
b) Z. e.
[417]und von briefen.
§. 15. Bey den reden im gemeinen leben
iſt ſonſt mehr als iemahls auf die titulatur
zu ſehen, fuͤrnemlich aber in brie[fen], ſelbige
dependiret von dem wohlſtand, und dem ga-
lanten gebrauch, und man geht dabey am ſi-
cherſten, wenn man leute, die den eingefuͤhr-
ten gebrauch wiſſen, zu rathe zieht, und die
mittel-ſtraſſe behaͤlt, ſo daß man weder zu
hoch noch zu niedrig ſteige.
- Jch werde bey dem gebrauch dieſes buchs, die ti-
tular vollkommen denen, die mich hoͤren, zu
zeigen befliſſen ſeyn, andere moͤgen Heinrich
Volcken von Wertheims Titular buch, das
neu eroͤffnete Europaͤiſche Staats-Titular-
buch, ſo Hr. Luͤnig heraus gegeben, und an-
dere titulaturen und titel-buͤcher aufſchlagen.
D dHier
[418]von reden im gemeinen leben
Hier wuͤrde es zu weitlaͤuftig ſeyn, ſolche
auszufuͤhren. S. Stollenl. c.
§. 16. Bey den briefen iſt die uͤberſchrift
und unterſchrift ſonderlich zu beobachten, wel-
che im Lateiniſchen, im Teutſchen und Fran-
tzoͤiſchen ſehr veraͤndert. Die Lateiniſchen
kan man nach der alten art an ſeines gleichen
und an geringere einrichten, an hoͤhere muß
man den ſtilum curiaͤ, in den worten, und der
manier zu ſchreiben behalten, doch geſtehe ich,
daß ich den Lateiniſchen calender, wenn ich
das datum der unterſchrift gegen uͤber ſetzen
ſoll, niemahls gerne gebrauche. Bey dem
Teutſchen und Frantzoͤiſchen, muß nur uͤber-
und unterſchrift einander aͤhnlich ſeyn, und
bey dieſer erſt der nahme des ſchreibers, und
gegen uͤber der ort und die zeit zu ſtehen kom-
men.
- Etliche ſetzen auch das datum gleich oben an die
ſpitze des briefes, zur rechten, und kan dieſes
bey kaufmanns- wirthſchafts und Juriſtiſchen
briefen paßiren, anderwerts ſchickt ſichs mei-
nes beduͤnckens nicht ſo wohl.
§. 17. Letzlich leget man die briefe zuſam-
men, verſiegelt ſie, und macht die aufſchrift
darauf. Bey dem zuſammen legen muß man
alle affectation vermeiden, und es iſt am be-
ſten, couverte zu machen. Die beſiegelung
geſchicht, wenn man den brief uͤber land
ſchickt, mit einem wapen oder verzogenen
nahmen, ſchickt man ihn aber nur von einem
hauſe zum andern, kan es auch wohl mit ei-
ner deviſe geſchehen. Wird der brief mit der
poſt
[419]und von briefen.
poſt geſchickt, macht man mehrentheils nur
eine Frantzoͤiſche aufſchrift, welche den nah-
men, (nicht aber den fuͤrnahmen) die aͤmter
und bedienungen, (ohne bey-woͤrter und an-
dere kennzeichen der anverwandſchaft und
des affects) desjenigen, an dem er gerichtet,
den ort, da der brief hin ſoll, und die addreſ-
ſe ausdrucket, das uͤbrige iſt unnuͤtze: Wird
er eingeſchlagen, kan man Teutſch oder La-
teiniſch, den nahmen und fuͤrnahmen mit
bey woͤrtern und elogiis, die aͤmter, den ort,
ohne addreſſe und andere kleinigkeiten ſetzen.
Welche kurtze regeln verhoffentlich nicht oh-
ne nutzen und grund beobachtet werden, ohne
daß man ſich um mehrere zu bemuͤhen haͤtte.
- An hoͤhere ſchickt man die briefe lieber durch einen
umſchlag, und wenn ſie beruͤhmt, ohne addreſſe.
conf. Mr.Raͤdleins vollkommenen Frantzoͤi-
ſchen ſprachmeiſter den andern theil, da er in
der kurtzen anweiſung zum Frantzoͤiſchen brief-
ſchreiben, gar artige anmerckungen gemacht.
Das dritte capitel,
von allerhand ſchul- und politiſchen
reden.
VOn ſolennen ſchul-reden, §. 1. Von gemeinen
ſchul-reden, §. 2. Von ſchriftlichen ſchul reden,
§. 3. Von allerhand buͤrgerlichen reden, §. 4. Von
inſcriptionibus und lebens lauffen, §. 5. Von paren-
tationibus, §. 6. Von Gluͤckwuͤnſchungs empfah-
und bewillkommungs-reden, §. 7. Von vermaͤh-
D d 2lungs-
[420]von allerhand ſchul-
lungs und gevatterſchafts reden, §. 8. Von huldi-
gungs lehns-reichs-kreiß-land- und ſtifts tags reden,
§. 9. Von reden in religions-regierungs-iuſtitz- und
kammer-ſachen, §. 10. Von hof-ritter-ordens-ſtaats-
kriegs geſandſchafts-reden, §. 11. Von condolentz-
und trauer-reden, §. 12.
§. 1.
HChul- und politiſche reden erfodern et-
was mehr vorrath und zubereitung,
als die reden im gemeinen leben, am
meiſten aber die ſolennen ſchul-reden, als, de-
clamationes, oͤffentliche reden, gantze actus
Oratorii, panegyrici, gedaͤchtnis-reden, inve-
ctiv-reden, und dergleichen Jch wuͤſte bey
allen dieſen nichts ſonderliches mehr zu erin-
nern, als dieſes daß man hier, die gantze
kraft ſeiner beredſamkeit, im erfinden, ausdru-
cken, diſponiren, und ausarbeiten ſehen zu laſ-
ſen ſchuldig ſey, denn was die materialia anbe-
trift, ſo laſſen ſich ſolche theils aus der bloſſen
benennung ſchlieſſen, theils nicht gar wohl de-
terminiren.
§. 2. Gleichergeſtalt iſt bey denen gemei-
nen ſchul-reden, als allocutionibus, proluſio-
nibus, praͤlectionibus, und andern nichts be-
ſonderes hier zu gedencken, und was man et-
wan davon nuͤtzliches ſagen moͤchte, iſt entwe-
der zu weitlaͤuftig, als daß es in die engen
ſchrancken einer Rhetorick ſolte koͤnnen ver-
faſſet werden, theils wuͤrde es vielleicht nicht
nach dem geſchmack des leſers ſeyn, und duͤrfte
ich
[421]und politiſchen reden.
ich alſo fuͤr meine muͤhe wenig erkaͤnntlichkeit
und gewogenheit zu hoffen haben.
- Als ein exempel einer proluſion, will ich hier dieie-
nige rede einruͤcken, welche ich bey eroͤfnung mei-
ner redner-geſellſchaft 1723. den 19. Junii ge-
halten.
Rede.
von den eigenſchaften eines guten redners
P. P.
Jndem ich die ehre habe, gegenwaͤrtige loͤb-
liche redner-geſellſchaft, mit Dero geneigten
wohlwollen, unter meiner anfuͤhrung zu eroͤf-
nen: ſo erinnere mich billich desienigen end-
zwecks, welchen ſie ihnen dabey ruͤhmlichſt
fuͤrgeſetzet. Sie wollen nemlich durch oft
wiederhohlte, vernuͤnftige uͤbung, als den ſi-
cherſten weg zur vollkommenheit, ſcharfſinnige
geſchickte, und artige redner werden. Sie ſind
vollkommen uͤberzeuget, die rede mache uns zu
menſchen, aber eine vernuͤnftige rede, zu ver-
nuͤnftigen menſchen. Ein reiner und gleicher
ſchlag der unruhe an einer wohlgemachten
uhr, giebt unſerm gehoͤr, ſo fort zuerkennen,
daß die feder alles in einer ordentlichen bewe-
gung, von innen her treibe, und auch die zeiger
daran die zeit genau bemercken: So glau-
ben ſie, daß eine wohlgewoͤhnte und geuͤbte
zunge, von einer guten ordnung der gedancken,
und tugendhaften klugen auffuͤhrung zeuge.
Da es ausgemacht iſt, daß gedencken, thun,
und reden, eben ſo noͤthige und wichtige eigen-
D d 3ſchaf-
[422]von allerhand ſchul-
ſchaften eines menſchen, als an einer uhr, feder,
zeiger und unruhe ſind. Meine ſchuldigkeit erfo-
dert, Dero auf meine faͤhigkeit geſetztẽ vertrau-
en, mit bereitwilliger aufrichtigkeit zu bege-
gnen, und mit ihnen dahin zu arbeiten, daß der
fuͤrgeſetzte endzweck von ihnen leicht und ge-
wiß erhalten werde. Da ſie nun anietzo eben
deswegen gegenwaͤrtig, damit ich hiezu den
anfang machen moͤge, ſo erlauben ſie mir daß
ich ihnen zum voraus, das bild eines vollkom-
menen redners, mit lebendigen farben in etwas
entwerffe. Jch wuͤrde vergebens reden, wann
ich das bild eines vollkommenen redners in ſol-
cher bildung abſchildern wolte, daß er einem
buͤrger aus der Platoniſchen republick aͤhnlich
ſehe. Jch wuͤrde auch eben ſo ungeſchickt han-
deln, wann ich ihn mit ſchwuͤlſtigen worten und
hochtrabenden gedancken, ihnen fuͤrmahlete,
als die albern mahler, welche da ſie der natur
folgen ſolten, in ihren ſchildereyen, ſelbige hin-
gegen verguͤlden und verſilbern, alſo will ich
ſchlechterdings der natur nachgehen. Dieſe
ruͤſtet einen redner mit der faͤhigkeit zu geden-
cken, zu wollen, und zu reden aus, und alle die-
ſe faͤhigkeiten der ſeele, kleidet ſie in einen
menſchlichen coͤrper ein. Waͤre die bloſſe
kraft, gedancken zu faſſen, hinlaͤnglich, einen
redner zu machen, ſo waͤren alle menſchen red-
ner, folglich waͤre die beredſamkeit keine kunſt,
die man durch regeln und uͤbung erlernen muͤ-
ſte, indem ſo gar die kinder in der wiegen, auf
die
[423]und politiſchen reden.
die weiſe, ſo groſſe redner waͤren, als Cicero
pro roſtris. Demnach wird man dieſe faͤhig-
keit zu gedencken, durch die regeln der vernunft-
lehre zu beſſern und vernuͤnftig einzurichten
urſach haben, wofern man in ſeiner bered-
ſamkeit das gewaͤſch der alten weiber uͤber-
treffen will. Denn ſo wenig die kinder tantzen
lernen, ehe ſie gehen koͤñen, ſo wenig kanman ge-
ſchickt reden, ehe man vernuͤnftig dencken geler-
net. Vernuͤnftig gedencken, erfodert, daß man
ordentlich wiſſen, artig erfinden, gruͤndlich
ſchlieſſen koͤnne. Alles wiſſen, iſt nicht moͤg-
lich, viel wiſſen iſt nicht allezeit nuͤtzlich, und
ein mit vielen wiſſen angefuͤlltes gedaͤchtniß,
iſt einem redner oͤfters ſo dienlich, als ein mit
denen delicateſten ſpeiſen uͤberladener magen.
Aber wiſſen, wovon man reden will, die
grund-ſaͤtze derjenigen wiſſenſchaft inne haben,
dahin der kern unſerer rede gehoͤret, iſt ſchlech-
terdings noͤthig, und zwar in einer ſolchen
ordnung, daß man auch wiſſe. wie und was
man wiſſe. Artig erfinden, heiſt nicht gluͤck-
lich ſeyn im erfinden. Midas, ein koͤnig in
Phrygien, erhielte durch einen gluͤcks-fall
groſſen reichthum, allein Apollo ſetzte ihm
nichts deſto weniger eſels-ohren an. Hinge-
gen Thales, erwirbt durch ſeine klugheit viel
vermoͤgen, und behaͤlt doch dabey mit ver-
groͤſſerten ruhm, den nahmen eines weiſen.
Gewiß ein gluͤcklicher einfall, kan einem red-
ner nicht ſchaden, aber wann ein redner ſich
D d 4bloß
[424]von allerhand ſchul-
bloß mit gluͤcklichen einfaͤllen bereichern und
begnuͤgen will, wird ſeine erfindungs-kraft
zu einem tollhauſe oder wenigſtens zu einer
comoͤdianten-kammer werden, da ſie ein wohl
ausgeruͤſtetes zeughauß ſeyn ſollte. Alſo muß
die beurtheilungs-kraft das beſte thun, dieſe
ordnet und pruͤfet alles wiſſen, unterſuchet al-
le erfindungen, und ſcheidet von den unnuͤtzen
ſchlacken das aͤchte gold, das rechte weſen von
den aberwitzigen traͤumen, und die brauchba-
ren waffen des redners von denen larven.
Dieſe beurtheilungs-kraft ruͤſtet einen redner
aus mit der kunſt, ſeinen zuhoͤrern ins hertz
zu ſehen, und ſich deſſelben zu bemeiſtern. Sie
fuͤhret ihn durch die erfahrung auf die hiſtorie
derer dinge, die um ihn ſind, und lehret ihn
alles zu ſeinem nutzen anzuwenden. Wo-
hin die gedancken gehen, dahin neiget ſich das
hertz, und dieſes muß bey einem redner keine
behauſung unreiner geiſter ſeyn, welche die
wahrheit, als ein licht, das ihre augen blen-
det, verabſcheuen, welche der tugend fall-ſtri-
cke legen, welche ohne aufhoͤren als freche
moͤrder in dem hertzen rennen, und ſelbiges mit
tumult beziehen, nachdem ſie die geſetze der
geſunden vernunft, der offenbahrung, und
der buͤrgerlichen geſellſchaft, unter die fuͤſſe
getreten. Es muß auch kein behaͤltniß eines
ungeſchmackten waſſers ſeyn, welches aus
mangel der bewegung ſtinckend worden. Son-
dern es muß von ſolchen neigungen getrie-
ben
[425]und politiſchen reden.
ben werden, die ſelbſt leben, die denen gedan-
cken und worten geiſt und leben mittheilen,
und doch ſich niemahls dem joch der geſunden
vernunft entziehen. Kurtz ein redner muß
mit lebhaften neigungen etwas wollen, doch
nichts malhonnettes wollen, und ſich ſeiner
neigungen als ein herr ſeiner unterthanen be-
dienen. Dieſes iſt die innere beſchaffenheit
eines vollkommenen redners, und wenn es mit
dem inwendigen ſeine richtigkeit hat, ſo zeigen
ſich nunmehro gedancken und regungen in
auserleſenen worten. Viel worte ſind nicht
allemahl ein zeichen eines guten iudicii, viel
ſchoͤne worte wollen auch das werck nicht aus-
machen, und eine rede, deren verfaſſer ſo viel
gold und ſilber, diamanten, moſch, zibeth,
ambra, purpur, perlen, muſcheln, geflammte
ſaͤulen, ſinn - bilder einmiſchet, gleichet meh-
rentheils einem bettlers-mantel, welcher die
bloͤſſe des verſtandes dennoch nicht bedecken
will. Aber ſachen, die das hertz ruͤhren, und
ſich in denen worten kurtz uñ doch deutlich, rein-
lich und doch ungezwungen, angenehm und
doch in ihrem weſen fuͤrſtellen, ſind ein kenn-
zeichen, wodurch ein redner ſich hauptſaͤchlich
unterſcheidet. Er redet allezeit nach beſchaf-
fenheit des vorhabenden obiecti und doch von
ſchlechten ſachen niemahls niedertraͤchtig, von
praͤchtigen dingen maieſtaͤtiſch, aber niemals
aufgeblaſen, von geiſtlichen andaͤchtig, und
doch nicht myſtiſch oder heuchleriſch. Er ſchwa-
D d 5tzet
[426]von allerhand ſchul-
tzet einem armen unerfahrnen niemals von
den ſchaͤtzen des groſſen Mogols etwas fuͤr.
Erzehlet auch nicht dem frauenzimmer, was fuͤr
geheimniſſe in der Metaphyſick verborgen. Sei-
ne beredſamkeit laͤſt ſich in keine hoͤltzerne und
ſteinerne machinen einſchlieſſen, ſondern zeiget
ihre kraft uͤberall im menſchlichen leben, wo
es nuͤtzlich und noͤthig iſt. Endlich ſtellet uns
auch ſein leib, eine lebendige beredſamkeit vor
augen. Alles redet an ihm, geſicht, augen,
haͤnde, ſtellungen, alles redet mit der ſache.
Bey traurigen dingen zeugen alle bewegun-
gen ſeines leibes, von einer innerlichen betruͤb-
niß, und bey froͤlichen dingen wird er gewiß
nicht thraͤnen vergieſſen. Er beobachtet den
wohlſtand, ohne daß er daraus einen abgott
mache. Er redet mit hertzhaftigkeit, denn
wer wie die ſchnecken, weder hertz noch zunge
hat, ſchickt ſich zu keinem redner, allein ſeine
freymuͤthigkeit iſt mit vieler ſittſamkeit gemaͤſ-
ſiget. Er redet nicht wie des Alberti Magni
ſtatue, welche bey ihren reden ſich nicht be-
wegte, aber man darf ihn auch nicht fragen,
wie viel ſchritte er peroriret. Capiſtranus,
ein Paͤbſtiſcher knecht, welcher zu denen Creutz-
zuͤgen durch ſeine predigten die leute bere-
den ſollte, konte auch diejenigen, ſo ihn nicht
hoͤreten, ſondern nur ſahen alſo ruͤhren, daß
ſie bitterlich weineten. Gewiß aller geſchick-
ten redner aͤuſſerliche ſtellung trift die her-
tzen der zuhoͤrer. H. A. Dieſes iſt das bild
eines
[427]und politiſchen reden.
eines vollkommenen redners, welches ich kurtz
mit denen erſten linien fuͤrgezeichnet, wo iſt
nun das weſen? waͤren bloſſe figuren, viele
complimente, pedantiſche formulen, wortſpie-
le, ſinn-bilder, ungeheure worte, und derglei-
chen nichts-wuͤrdige kleinigkeiten, diejenigen
kennzeichen, woran man vollkommene redner
bemercken muͤſte, ſo wuͤrden wir viel redner
haben. Ja, waͤre es nur eine unumgaͤngliche
nothwendigkeit, daß die geſchicklichkeit regeln
zu geben, allezeit einen vollkommenen redner
bezeichnete, ſo getrauete ich mir leicht origina-
lia von meiner gegebenen copie anzutreffen.
So aber da dieſes nicht iſt, will ich ihnen
ſelbſt zu beurtheilen uͤberlaſſen, ob ich das
bild eines vollkommenen redners recht aus-
gedruͤcket, oder ob wir ſelten ſo gluͤcklich das
original davon zu finden. Jnzwiſchen hoffe,
man werde mit der zeit, an ihnen ſelbſt viel-
leicht originalia von meinem gemachten be-
griffe autreffen. Und damit ſie erkennen, daß
ich nicht ohne urſache hoffe, ſo will ich dieſen
platz demjenigen einraͤumen, welcher aus ih-
rer geſellſchaft zuerſt eine probe ſeiner bered-
ſamkeit ablegen wird. Jch wuͤnſche, daß un-
ſere loͤbliche redner-geſellſchaft, und alle mit-
glieder derſelben, ihre uͤbungen zu unſer aller
vergnuͤgen verrichten, und daß ihnen hernach
insgeſammt, allezeit ſolche gelegenheiten zu
reden vorfallen moͤgen, da ſie in gluͤckwuͤn-
ſchungen ihre beredte zungen zu gebrauchen,
urſach
[428]von allerhand ſchul-
urſach haben. Bin ich dero wohlgewogen-
heit und guͤtigen vertrauen verſichert, ſo glau-
be meine wenige faͤhigkeit und aufrichtige er-
gebenheit Jhnen zu dienen vollkommen gut
anzubringen.
§. 3. Fodern aber die muͤndlichen ſchulre-
den groſſe application, ſo wollen gewiß die
ſchriftlichen, mit nicht geringern fleiſſe ausge-
arbeitet ſeyn, als dedicationes, diſputationes
programmata, und buͤcher. Bey denen de-
dicationibus, kommen auſſer denen regeln
der beredſamkeit, und gelehrſamkeit, auch die
regeln des wohlſtandes hauptſaͤchlich in be-
trachtung, indem die hier begangenen fehler
nicht ſo leicht verziehen werden.a) Bey denen
diſputationibus, kommen geſchriebene ſachen
und muͤndliche reden zugleich zum vorſchein,
iene erfodern mehr gelehrſamkeit,b) dieſe
mehr hoͤflichkeit,c) beyde eine vernuͤnftige an-
wendung der geſamleten Philoſophiſchen und
Oratoriſchen ſchaͤtze. Programmata werden
vonſolchen leuten geſchrieben, zu deren lehrer ich
mich nicht aufwerffe,d) und die buͤcher ſchrei-
berey hat ſich wie die Leiptziger meſſe meinen
wenigen urtheilen laͤngſt entzogen. e)
[431]und politiſchen reden
Jch habe ſelbſt bey einer andern gelegenheit
dergleichen kurtz in folgenden terminis entworf-
fen, welches wegen anverwandſchaft der ma-
terien, hier einzuruͤcken, kein bedencken trage:
P. P.
Es iſt auſſer ſtreit und die erfahrung zehlet
es bereits zu den veriaͤhrten dingen, daß ein
Teutſcher mehr beliebung trage, auswaͤrtige
huͤlſen zu benagen, als den kern der koſtbar-
keiten, welche ihm ſein vaterland darbeut, zu
ſchmecken. Wir muͤſſen ſelbſt geſtehen, daß
wir ienem ſtern-ſeher zuvergleichen, welcher
ſich durch die betrachtung des entfernten Ca-
pricorni am himmel abhalten ließ, was in ſei-
nem eignen hauſe vorgieng, in obacht zu neh-
men. So iſt unſere auffuͤhrung beſchaffen
in hundertfachen zufaͤllen, ſo iſt ſie ſonderlich
in dem fleiß zeit und unkoſten, ſo wir auf ſpra-
chen wenden. Wir bearbeiten uns mit er-
ſtaunender muͤhe zu ergruͤnden, ob Cicero
quoque oder coque geſprochen, ob die aͤlte-
ſten Griechen oi wie ein i oder wie einen dop-
pelt-lautenden buchſtaben ausgeredet. Wenn
wir aber unſre gedancken, nur gegen unſere
diener eroͤfnen ſollen, ſo begehen wir ſoviel
fehler als man worte zehlet. Und haben wir
ia durch fleißige leſung der Pſalmen und Evan-
gelien oder in den kram-buden gelernet adiecti-
uum
[445]und politiſchen reden.
uum und ſubſtantiuum zuſammen zuſetzen, ſo
meinen wir nunmehro mit recht, meiſter der
Teutſchen ſprache zu ſeyn. Fangen wir an
unſere reden zu einem vernuͤnftigen und ange-
nehmen gebrauch zu bereiten, ſo koͤnnen wir
uns kaum halten, daß nicht aus unſerer bered-
ſamkeit eine waͤſcherey, aus der reinlichkeit der
rede eine unnuͤtze critik, aus der zierlichkeit der-
ſelben, ein praͤchtiger, obwohl papierner bil-
der-kram werden ſolte. Als ich dieſes uͤber-
leget, habe ich beſchloſſen denen Herrn Com-
militonibus von 10. biß 11. uhr mittwochs und
ſonnabends meine grund-ſaͤtze einer vernuͤnf-
tigen beredſamkeit mitzutheilen, und zu erklaͤ-
ren, ob ich vielleicht, ſolte es auch etwas weni-
ges ſeyn, zu Dero nutzen hierinn beytragen
koͤnte. Kuͤnftigen ſonnabend werde den an-
fang machen, und meine arbeit wird nichts be-
lohnen als Dero gegenwart und beſtaͤndige
gewogenheit.
§. 4. Die andern politiſchen reden haben
ſchon etwas mehrere freyheit, was die Orato-
riſche form anbetrift, hingegen wollen ſie mit
deſto groͤſſerer behutſamkeit, was anbetrift die
curia-
[446]von allerhand ſchul-
curialien, abgehandelt ſeyn. Sie kommen
entweder am hofe oder in republicken vor, an
beyden orten iſt eine beliebte kuͤrtze, nette ſcharf-
ſinnige tour der gedancken, gute natuͤrliche
ordnung, genaue beobachtung des redenden,
hoͤrenden, und der umſtaͤnde, das angenehmſte
und wichtigſte. Doch leiden unter ihnen die
inſcriptiones, lebens-lauffe, und parentationes
noch am meiſten putz.
§. 5. Die inſcriptiones ſind ſchriften, wel-
che man verfertiget, daß ſie auf ſaͤulen triumph-
bogen, ſtatuen, medaillen, grab-ſteine, und
dergleichen, koͤnnen geſetzet werden, alſo ſolten
ſie billich kurtz ſeyn, doch leidet auch dieſes ſeine
ausnahme. Es ſind ihrer zweyerley, einmahl
gemeine, hernach argute, iene halten kurtz die
hiſtoriſche erzehlung deſſen, bey welcher gele-
genheit ſie aufgerichtet worden, in ſich, dieſe
aber ſind nach dem arguten ſtilo abzufaſſen,
von dem obiecto darauf ſie verfertiget.a) Mit
denen lebens-lauffen hat es was die verfaſſung
betrift, faſt gleiche bewandnis, doch werden ſie
nur auf verſtorbene und nach dem uͤblichen
wohlſtand eingerichtet.b)
Wandersmann! ſteh und rechne!
ſiebenmahl ſieben
iſt
49.
und das fatale ſtufen-jahr
da
[447]und politiſchen reden.
da
eine boͤſe ſieben
auf denen ſtaffeln der wolluſt,
in dieſes grab fiel,
nachdem ſie
allezeit die ſiebende zahl heilig gehalten.
Sieben jahr
war ſie ein kind und auch eine kuplerin;
denn der mutter
trug ſie die briefgen,
holte die amanten,
hielte das licht,
ſtund ſchild wacht
und
half den vater kroͤnen.
damit ſie lernete,
was ſie ſieben jahr darauf verſtehen wolte,
nehmlich
vierzehen jahr alt
eine alamode jungfer
zu ſeyn.
hier exercirte ſie ſich in dem was ſie
ſieben jahr darauf ſeyn wolte,
nehmlich
mit experientz und geſchicklichkeit
ein und zwantzig jahr alt
eine hure.
ſo meiſterlich daß ſie ſich
zur ruhe
und da ſie heyrathete
ihren mann in unruh ſetzte,
und wurde
ſieben jahr darauf
acht und zwantzig jahr
eine hahnreh-macherin.
Da ſie in der kunſt zu, und an ſchoͤnheit
abnahm,
zahlte ſie aus des mannes beutel
was
[448]von allerhand ſchul-
was ihr ſonſt bezahlet wurde,
und wurde binnen ſieben jahren,
fuͤnf und dreißig jahr,
eine ſtipendiaten-halterin.
Da der mann ſtarb,
und mit ihm der erhalter,
ohne welchen die ſtipendia
mitten im ſtecken ins ſtecken geriethen,
hielt ſie
42. jahr alt
ihrer jungfer tochter,
ſieben jahr
das zahl-brett,
und ward wieder was ſie zuvor geweſen,
in ihrem alter ein kind und kuplerin,
ſieben jahr darauf
in dem 49. jahre,
nachdem ſie mehr als
ſiebenmahl ſieben und ſiebenzigmahl ſiebenmahl
auf den ſtaffeln ihres lebens
ihre ſeele zu falle gebracht,
fiel ſie in ihrem ſtuffen-jahr
mit dem in ſuͤnden gefallenen leibe
in dieſes grab.
Denn
ſiebenmahl ſieben
iſt
neun und viertzig.
Gehl denn nun haſtu die
boͤſe ſieben ausgerechnet,
vor welche du mehr
als vor iene ſieben ſo aͤrger waren als er
dich in acht zu nehmen!
Lebens-
[449]und politiſchen reden.
Lebens-lauf,S. T.
Herrn Otto Friedrich von Dießkau auf
Lauer Eulau und Audigaſt ꝛc.
Gebohren werden, leben und ſterben, ſind
dinge, in welchen alle ſterbliche einander gleich
kommen, doch iſt nichts mehr, worinn man ei-
nen von dem andern beſſer unterſcheiden koͤn-
ne, als eben gebohren werden, leben, und ſter-
ben. Wenn wir des nunmehro in die hoͤch-
ſte ruhe eingegangen H. H. v. D. (tit. tot.)
hochadeliches herkommen, chriſtlich-gefuͤhrten
lebens-wandel und hochſeeliges erblaſſen, an-
ietzo mit hinzufuͤgen, werden dieienigen merck-
mahle, womit der hoͤchſte durch die geburt ihn
von andern unterſchieden, zum preiſe ſeiner
allmaͤchtigen fuͤhrung herfuͤr ſcheinen: Die
tugenden, womit der hochſ. den lauf ſeines ed-
len lebens, fuͤr andern ausgezieret, werden ihm
ſelbſt zum ſchuldigſten nachruhm, andern zu
kluger nachfolge in das gemuͤthe ſtrahlen.
Die letzte ſtunde, in welcher er den tauſch des
zeitlichen mit dem ewigen getroffen, wird von
ſeinem behertzten und ſtandhaften ſiege fuͤr an-
dern uͤber die bitterkeit des todes zeugen und
denen hochadel. hinterlaſſenen und betr eine
nicht geringe ermunterung, die haͤupter aus
dem trauren zu erheben, andern aber auf glei-
che nachfahrt zu dencken, an die hand geben.
Was alſo den eintritt in dieſe ſterblichkeit des
nunmehro in die ſeel. unſterblichkeit getretenen
F fhoch-
[450]von allerhand ſchul-
hochſeel. (tit.) betrift, ſo hat das beruͤhmte
Leipzig ihm zu ſeiner geburts-ſtadt, im iahr
1640. am 24. Novemb. dienẽ muͤſſen. Hier wird
zugleich deſſen hochadelichen ſtam̃-hauſes muͤſ-
ſen erwehnung gethan werden, ob es ſchon uͤ-
berfluͤßig ſcheinen moͤchte, da daſſelbe bereits
durch die laͤnge der iahre, zu eins von den aͤl-
teſten, und durch die menge tugendhafter ah-
nen, zu eines von den anſehnlichſten unter den
hochadelichen haͤuſern dieſes landes gemacht,
und alſo ſattſam ruͤhmlichſt bekannt worden.
Jn demſelben zehlen ſich zu vaͤterlicher linie un-
ſers hochſeel. verſtorbenen, ſein herr vater
Hans v. D. (tit. tot.) die frau mutter Maria
Sophia von Rixleben, (tit. gentis) der herr
groß-vater Otto v. D. (tit, tot.) die [f]rau
groß-mutter frau Eliſabeth v. Pflugin, ꝛc.
der herr aͤlter-vater herr Hans v. D. ꝛc. die
frau aͤlter-muter frau Catharina v. Pflu-
gin, ꝛc. Zu der muͤtterlichen ſeite zehlen ſich,
der herr groß-vater Georg Friedrich von Rix-
leben, ꝛc. Die frau groß-mutter Fr. Agnes
von Einſidel, ꝛc. Der herr aͤlter-vater Cor-
nelius v. Rixleben, ꝛc. Die frau aͤlter-mut-
ter Frau N. von Breitenbach, ꝛc. So hatte
das abſtammen von fuͤrtreflichen ahnen, und
das anſehen ſeiner hochadelichen eltern, ihn be-
reits von vielen andern unterſchieden. Allein
die leibliche geburt war nicht geſchickt, ihn von
der gemeinſchaft unwiedergebohrner abzuſon-
dern, und zu einem mitglied derienigen zu ma-
chen,
[451]und politiſchen reden.
chen, welche da ſie den geiſtlichen adel haben, in
der that den hoͤchſten adel beſitzen. Dannen-
hero war die erſte ſorge ſeiner hochadelichen el-
tern eine h. ſorge, ihn nemlich durch die h.
tauffe aus dem unſeeligen ſtande, in die gemein-
ſchaft der kinder Gottes zu verſetzen, zum denck-
mahl deſſen wurde ihm der nahme Otto Frie-
drich beygeleget. Wer den tugend-weg zu
betreten angefangen, und ſich bereits unter die
zahl der nachfolger Chriſti einſchreiben laſſen,
braucht nichts ſo noͤthig, als eine gute erkaͤnnt-
niß des rechten weges, und eine ſattſame un-
terſcheidungs-kraft des wahren von dem fal-
ſchen. Die hochadelichen eltern bemuͤhten
ſich alſo alles ernſts, dieſe zarte pflantze zu ei-
ner ſolchen vollkommenheit zu bringen, darinn
ſie mit wachſenden iahren beſtaͤndig bleiben,
und ſich von der unbeſtaͤndigkeit der eitlen ab-
ſondern moͤchte. Doch kaum hatten ſie einen
rechten anfang ihrer heiligen bemuͤhung ge-
macht, als ein fruͤhzeitiger todt bereits darinn
aufzuhoͤren, ihnen auferlegte. Denn die hoch-
adeliche Frau mutter wechſelte das ewige mit
dem zeitlichen, da ſie kaum ſechs iahr ihr theu-
reſtesp pfand, mit einer mehr als muͤtterlichen
vorſorge, gefuͤhret, und der Hr. vater folgete ihr
zwey iahr hernach. Die zarte iugend unſers
hochſeel. verſtorbenẽ herrn v. D. beweinete da-
mahls das abſterben ſeiner ſo vielgeliebten el-
tern mit kindlichen thraͤnen, wuͤrde aber, bey
mehrern zuruͤckgelegten iahren, mit der zaͤrte-
F f 2ſten
[452]von allerhand ſchul-
ſten empfindlichkeit, weit heftiger ſolches ge-
than haben, wenn nicht die getreue vorſorge
Carls v. D. (tit. tot.) den durch doppelten
trauer-fall erſchreckten hochſeel. in ſeine auf-
ſicht genommen, und biß in das 18. iahr, in
denen anfangs-gruͤnden der vernunft und
ſchrift, auch anderer hochadel. wiſſenſchaften,
haͤtte unterrichten laſſen. Denn hieſelbſt fand
er dasienige, was ihm, durch den hintritt ſeiner
hochſeeligen eltern, war entzogen worden. Hier
legte er den grund zu demienigen, welches ei-
nem nicht nur vom gebluͤte, ſondern auch gemuͤ-
the edelgebohrnen zukommt, wozu ſeine hoch-
adeliche eltern, nur den erſten ſtein beygetra-
gen hatten, und nachdem der grund wohlgele-
get, konte er ſicher darauf zu bauen ſuchen. Es
iſt bekannt, das frembde laͤnder beſehen, vieles
zu der vollkom̃enheit eines cavallieꝛs darreichen
kan, allein nuralsdann wann man in ſeinem ei-
genen vaterlande wohl und kluͤglich zu leben
gelernet. Unſer hoch-ſeel. Herr v. D. hatte
die regeln kluger auffuͤhrung zu hauſe wohl
auszuuͤben gewuſt, deßwegen wurde auch ſein
Herr vormund bewogen, ihn in die entfern-
ten laͤnder zu ſchicken, um ſelbige auch an an-
dern oͤrtern zu zeigen und vollkommen zu ma-
chen. Er gieng alſo in die vereinigte Nieder-
lande, beſahe ſelbige, und ſetzte ſich in Mathe-
matiſchen wiſſenſchaften feſte, damit er von
dar etwas nuͤtzliches zuruͤck braͤchte. Wie er
denn auch darinn nachgehends, noch im alter
ſeine
[453]und politiſchen reden.
ſeine beluſtigung geſucht, und durch viele ver-
fertigte riſſe, ſeine erkaͤnntniß in der bau- und
befeſtigungs-kunſt, zur gnuͤge bewieſen. Jn
Engelland hat er ſich zwar nur 4. monath
aufgehalten, allein ſeine geſchicklichkeit konte
durch die kuͤrtze der zeit nicht verhindert wer-
den, auch daſelbſt die Engliſche ſprache wohl
zu faſſen, welche er nachgehends in leſung der
ſchoͤnſten Engliſchen buͤcher zu ſeinem vergnuͤ-
gen angewendet, auch ſelbige wohl geredet.
Von da begab er ſich nach Franckreich, all-
wo er ſprache und uͤbungen, um welche allein
andere dieſes reich beſuchen, ſehr wohl gefaſ-
ſet, daß er beydes hernach im vaterlande ge-
ſchickt anzubringen gewuſt. Nachdem er
aber nun ſeinen ruͤhmlichſt-fuͤrgenommen
zweck voͤllig erhalten, hat er ſich wieder nach
hauſe verfuͤget, die vaͤterlichen guͤter in beſitz
genommen, und ſolche in kurtzer zeit in weit
beſſern ſtand geſetzet, als er ſie gefunden. Die-
ſe aber mit tuͤchtigen beſitzern, ſich ſelbſt, mit, in
ſeine fußſtapffen tretenden, erben zu verſorgen
hat er ſich vermaͤhlet mit Fr. Urſulen v. Schi-
ckau, ꝛc. Und ob er zwar nicht mehr, als eine Fꝛl.
Tochter gezeuget, ſo iſt doch ſeine ehe nicht we-
nig begluͤckt und vergnuͤgt geweſen. Dieſe
hat er an den Hoch-wohlgebohrnen Herrn
Joh. Adolph von Ponickau (tit. tot.) vermaͤh-
let, und auf dieſer ehe hat der vaͤterliche ſee-
gen geruhet, daß man neun angenehme ehe-
pfaͤnder aus ſelbiger geſehen, wovon 4. dem
hrn. groß-vater vorangegangen in die ewig-
F f 3keit,
[454]von allerhand ſchul-
keit, 5. aber noch am leben, als 4. herren
ſoͤhne und eine fraͤulein tochter. Am meiſten
haben wir urſach, der gottesfurcht des hoch-
ſeel. bey ſeinem erblaßten coͤrper, uns zu erin-
nern. Denn dieſe iſt eine ſo fruchtbare mut-
ter, daß, wer dieſelbe beſitzet, zugleich fuͤr ei-
nen beſitzer der uͤbrigen tugenden mit recht ge-
halten wird. Sie leuchtete darinn herfuͤr,
daß er mit der groͤſten ſorgfalt nicht nur oͤf-
fentlich die verſammlung der glaͤubigen be-
ſuchte, ſondern auch ſein gantzes hauß zu glei-
chem eyfer anhielte. Die diener des Hoͤch-
ſten hoͤrete er nicht nur alſo oͤffentlich mit nu-
tzen, ſondern ſuchte auch in geheim, aus hertz-
licher geneigtheit zu ihnen, mit ſelbigen um-
zugehen, und aus dieſem umgange ſich zu er-
bauen. Die fruͤchte davon waren eine ey-
frige bemuͤhung, alles in dem nahmen goͤttli-
cher maieſtaͤt anzufangen, und die ſeegen-rei-
che hand derſelbigen, bezeugte mit erwuͤnſch-
tem ausgange, worauf ſeine verrichtungen an-
gefangen. Seine geſchicklichkeit war ein
mittel, welches die gnade groſſer Herren der-
maſſen auf ihn lenckte, daß ſie oͤfters geſuchet,
ſich ſeiner klugen erfahrung, in allerhand com-
mißionen, ia gar in hohen ehren-ſtellen zu des
gemeinen beſten zu gebrauchen. Nun hat er
zwar dieſe allezeit mit der groͤſten klugheit von
ſich abgelehnet, allein in ienen um ſo viel
mehr zu verſtehen gegeben, daß er zwar ent-
ſchloſſen, in ſeinem ſtande GOtt und dem
naͤchſten zu dienen, aber doch vermoͤgen und
willen,
[455]und politiſchen reden.
willen habe, auch oͤffentlich die wohlfahrth
des gemeinen weſens zu befoͤrdern. Man hat
dieſes auf denen allgemeinen land-taͤgen
wahrgenommen, und um eben dieſer urſache
willen, gar zeitig ihn zu einem hochanſehnli-
chen mittglied des weitern, hernach des en-
gern ausſchuſſes aufgenommen. Jn beyden
wird man ihm, den ruhmwuͤrdigſten nahmen
eines aufrichtigen patrioten, iederzeit beyle-
gen. Die von hohen haͤuptern ihm aufge-
tragenene verrichtungen ſind niemahls, ohne
begluͤckter erhaltung des geſuchten endzwecks,
von ihm zu ende gefuͤhret worden. Zu hauſe
aber hat er ſich alſo gewieſen, daß haͤnde und
vermoͤgen, fuͤr unrecht erworbenen gute ſtets
verſchloſſen, arme, kirchen und ſchulen hinge-
gen zu bereichern, allezeit eroͤfnet geweſen. Alſo
beweinen nunmehro, ſein obwohl ſeeligſtes
abſterben, nicht nur iene, ſondern fuͤrnehmlich
ſeine unterthanen, welche bey ihm erwuͤnſchten
rath und huͤlfe niemahls veꝛgebens geſuchet ha-
ben. Wir wolten ein mehrers erzehlen, doch
da der todt die wuͤrckliche fortſetzung eines ſo
loͤblich gefuͤhrten wandels unterbrochen, mit
nichten aber deſſelben glantz verloſchen, ſo ſind
wir gleichfalls genoͤthiget, unſere erzehlung
zu ſchlieſſen, und mit wenigen ſeines hochſee-
ligen abſchieds zu gedencken. Jn ſeiner le-
bens-zeit hat er die ſchmertzhafteſten kranckhei-
ten uͤberſtanden, und iſt inſonderheit vom po-
dagra ziemlich beunruhiget worden, doch iſt
ietzo die todes-urſache maraſinus ſenilis cum
F f 4cum
[456]von allerhand ſchul-
febri lenta geweſen, welche auch vermocht
das band der ſeelen und des leibes zu trennen,
am 14. februarii nachmittags um 4. uhr.
Davon der Hoͤchſte, die zum ſterben, durch
genieſſung des h. abendmahls und andaͤchti-
ges gebet, wohl bereitete ſeele zu ſich gezogen,
der erblaſte leichnam aber dem Hoch-adeli-
chen begraͤbniß anvertrauet, nachdem beyde ſo
lange beyſammen gewohnet, daß das leben
unſers hoch-ſeel. O. F. v. D. auf 76. jahr, 2.
monath, und 20. tage geſtiegen. Uns iſt bey
ſeiner geburt, die erinnerung unſers vergan-
genen eingangs zum irdiſchen leben; bey ſei-
nem lob-wuͤrdigen lebens-wandel, eine fuͤr-
ſtellung und unterſuchung unſeres eigenen ge-
genwaͤrtigen weſens und wandels gegeben;
und endlich bey ſeinem erblaſſen, ein blick in
unſern zukuͤnftigen ſarg uͤbrig gelaſſen wor-
den, dazu der HErr der heerſchaaren uns
ſelbſt unſer hauß beſtellen helfe, auf daß wir
die verklaͤrte ſeele des hochſeel. Herrn v. D.
in iener frohen ewigkeit in der hand GOttes
antreffen, und unſere leiber gleich dem ſeini-
gen eine ſanfte ruhe in dem ſchooß der erden
finden moͤgen.
§. 6. Parentationes ſind politiſche reden,
welche man bey beerdigung eines verſtorbe-
nen haͤlt, um denſelben bey denen zuhoͤrern
in gutes andencken zu ſetzen, und denen leichen-
begleitern zu dancken.a) Solche recht zu
verfertigen, muß man zufoͤrderſt den lebens-
lauf durchgehen, darnach das lob, die bedau-
rung
[457]und politiſchen reden
rung, den troſt, und den danck an die leichen-
begleiter, abmeſſen und einrichten,b) endlich
entweder das thema naturale oder artificiale
ordentlich diſponiren, ſo daß dieſes uͤberall auf
den verſtorbenen wohl appliciret, und der an-
fang mit einer guten meditation gemacht wer-
de,c) und letzlich den ausdruck mit der aus-
arbeitung nach den umſtaͤnden angenehm und
artig einrichten, wozu die gegebenen regeln
ſchon hinlaͤnglich.
Hoch-Ehr- und Tugendtbelobte,
Allerſeits hoͤchſt und hochgeſchaͤtzte An-
weſende.
Die geburt ſtellet uns alle auf den ſchauplatz
der unterwelt, das leben macht uns alle da-
ſelbſt zu ſpielenden perſonen, aber die noth-
wendigkeit zu ſterben, heiſſet uns alle beſchlieſ-
ſen. Da uns nun geburt und leben etwas
ſinn-
[459]von politiſchen reden
ſinnliches ſchencken, hingegen der todt uns al-
les deſſen beraubet, ſo iſt es kein wunder daß
der menſchlichen natur, nichts ſo erſchrecklich
und unertraͤglich fuͤrkommt, als eben die
nothwendigkeit zu ſterben. Jedoch wann
man die ſache nach der wahrheit unterſuchet,
ſo muß man geſtehen, daß eben dieſe noth-
wendigkeit, mehr angenehmer, als fuͤrchter-
lich ſeyn muͤſſe, und daß der todt, zumahl
bey tugendhaften, mehr den nahmen einer
geburt und des anfangs zum leben, als des
todes und endlichen beſchluſſes unſerer jahre
verdiene. Es iſt bekannt, daß die allerfuͤr-
treflichſten artzeneyen, die allerkoſtbarſten din-
ge, durch nichts anders gezeuget werden, als
durch den todt. Die taͤgliche erfahrung leh-
ret, daß leute, welche dem gemeinen weſen
noch ſo fuͤrtreflich gedienet, welche ihrem ne-
ben-menſchen noch ſo vernuͤnftig, chriſtlich,
und aufrichtig begegnet, dennoch nicht ſon-
derlich geachtet, beneidet, und bald auf dieſe
bald auf eine andere weiſe verfolget werden.
Kaum aber legen ſie ſich auf das ſterbe-bette,
ſo faͤngt man an ſie zu bedauren, der neid zieht
gantz beſchaͤmt zuruͤcke, und alle angeſtellte
verfolgungen fallen auf ihre eigne anſtifter
zuruͤck. Denn ſo lange ſie leben, ſind ihre
verdienſte in etwas eingehuͤllet, welches in die
aͤuſſerlichen ſinne foͤllet, und vielleicht mit vie-
len ſinnlichen ſchwachheiten vermiſchet iſt.
Nimmt aber der todt dieſe huͤlle hinweg, ſo
dringen
[460]von allerhand ſchul-
dringen allein die verdienſte, und beſondere
gute eigenſchaften ſolcher leute, in das gemuth
anderer, woſelbſt ſie etwas ihnen aͤhnliches
ſuchen und finden, und auf die weiſe fangen
tugendhafte erſt an zu leben wann ſie ſterben.
Ach wie ſehnlich wuͤnſchet doch ein unſterbli-
cher geiſt, daß ihm durch den todt die thuͤr zum
leben moͤge aufgethan werden, wann er er-
weget, wie viel tauſend verhaſte ungluͤcks faͤl-
le, ihm den weg zur zeitlichen gluͤckſeeligkeit
enge machen, und mit diſteln und dornen be-
ſaͤen, wann er bedencket, wie ſo gar leicht
auch das bereits eriagte kleinod zeitlicher gluͤck-
ſeeligkeit, ihm aus den haͤnden koͤnne gewun-
den werden Sie allerſeits H. und h. anwe-
ſende wiſſen als chriſten, daß das ſterben nichts
anders ſey, als ein gang zu der unſterblichkeit
und daß wir eben deswegen daß verweßliche
ablegen, damit wir das unverweßliche in der
ſeeligen ewigkeit anziehen moͤgen, und alſo
werden ſie mit mir einſtimmen, daß ein ſterbli-
cher menſch durch den todt, zu einen glorwuͤr-
digen, ſicherern, ia ewigen leben, wiederge-
bohren werde. Dieſe gedancken habe bereits
zu anderer zeit geheget, daß ich aber ſelbige
ietzo in dero hochgeſchaͤtzten verſammlung er-
oͤffne, dazu giebt mir dieienige pflicht gelegen-
heit, welche uns anietzo befiehlet, zu guter-
letzt, des hoch- und wohl-edlen hoch- und
wohlgelahrten Herrn, Herrn Johann Jm-
manuel Muͤllers der Philoſophie Magiſtri,
und
[461]und politiſchen reden.
und der gottesgelahrtheit beflieſſenen, chriſt-
liches und ruhmwuͤrdiges andencken, in einen
leichenbegaͤngniſſe zu verehren. Jch habe an
den ſeelig- verſtorbenen kein todtes, ſondern
vielmehr ein lebendiges exempel, deſſen was
ich zuvor angefuͤhret, daß nemlich der zeitliche
todt kein todt, ſondern vielmehr eine geburt zu
einem neuen leben zu nennen ſey. Wir wer-
den hinfuͤhro an den ſeelig-verſtorbenen ge-
dencken als an einem menſchen, welcher zwar
durch die geburt von ehrlichen eltern ein ſterb-
liches leben, aber durch den todt ein unſterb-
liches erhalten. Wir erinnern uns deſſelben,
als eines vernuͤnftigen menſchen, welcher ſich
im leben ſo viel moͤglich, nunmehro aber durch
das abſterben, vollkommen von der eitelkeit
abgeſondert. Der ſich iederzeit, durch die
erkaͤnntniß ſeiner ſchwachheit mehr vollkom-
men gemacht, als daß er durch eine ſchwuͤlſti-
ge fuͤrſtellung ſeiner verdienſte und praͤſumti-
on von ſich ſelbſt ſich in ein thoͤricht nichts
haͤtte verwandeln ſollen. Wir ſtehen bey
ſeinem grabe als den ruhe-kaͤmmerlein eines
chriſten, der hier in der zeit, mehr die nahrung
fuͤr ſeine ſeele geſuchet, und ſeinen leib caſtey-
et, als den alten adam gepfleget, und den
neuen menſchen verſchmachten laſſen; eines
chriſten, deſſen ſtiller und eingezogener gott-
gelaſſener wandel ihn mehr unter die zahl der
ſtillen im lande und gott angenehmen ſeelen
verſetzet, als in den wirbel der ſchwaͤrmenden
welt-
[462]von allerhand ſchul-
welt-kinder hingeriſſen; eines chriſten, der
hier den befleckten rock des fleiſches abgeleget,
und an dieſen orte, nunmehro ſeine verweßli-
che kleider verwahren laͤſſet, weil er bey der
hochzeit des lammes in Chriſti blut und gerech-
tigkeit bekleidet, ſich einſinden muͤſſen. Wir
haben von ihm ein bild in unſerm gedaͤchtniß,
als eines beflieſſenen der gottes-gelahrheit,
welcher den kern der goͤttlichen weißheit, mehr
in einer lebendigen ausuͤbung, als in einer uͤ-
berſteigenden betrachtung, geſuchet. Wir
verehren endlich ſein andencken, als eines
Magiſtri der gelehrſamkeit, welcher es dahin
gebracht, wohin wenig ſtudieꝛende gedencken, die
allerwenigſten kommen, nemlich daß er mit
dem geſamleten ſchatz aͤchter gelehrſamkeit,
Gott, andern, und ihm ſelbſt dienen koͤnnen.
Da wir wiſſen, daß er damit bereits maͤn-
nern, welche unſere Philyrea, als theure lehrer
hochhaͤlt, und ſeinem vaterlande gedienet,
auch den buͤcher-ſchatz einer hochloͤblichen uni-
verſitaͤt, zum theil beſorget. Alles dieſes hat
man mehrentheils bey des ſeelig-verſtorbenen
lebzeiten gewuſt, aber man hat es verſchwie-
gen, da es theils die beſcheidenheit des wohl-
ſeeligen nicht erlaubt haͤtte zu ſagen, theils, da
man ſich ſelten muͤhe giebt, ein gegenwaͤrtiges
gut, wegen dẽr aͤuſſern ſchale darunter es ſteckt,
zu unterſuchen, biß man genoͤthiget wird, wenn
der todt die aͤuſſern huͤlſen zubricht deſſen fuͤr-
trefflichkeiten zu erkennen. Nunmehro da er
erblaſſet, lebet nicht nur der unſterbliche geiſt
in
[463]und politiſchen reden.
in der unbegreiflichen freude der ſeeligen e-
wigkeit, ſondern es wird auch das andencken
des wohlſeeligen herrn M. bey ihnen allerſeits
h. und h. A. und bey denen die ihn kennen
hinfuͤhro leben. Jedoch, es iſt dieſes anden-
cken mit etwas unangenehmen verknuͤpfet,
fuͤr dieienigen, welche dabey ſich erinneren,
was ihnen entzogen. Es iſt durch ſein ab-
ſterben, ein aufgehender ſtern ſeiner familie,
verdunckelt. Die republick hat ein nuͤtzliches
mitglied verlohren, welches derſelben vielleicht
wichtigere fruͤchte in der ſtille gebracht haͤtte,
als dieienigen, welche μεταπολλης φαντασιας
unſere augen blenden, und doch wohl unwiſ-
ſenheit und den unflat der laſter in guͤldenen
oder chryſtallinen gefaͤſſen herum ſchleppen.
Die zahl der zukuͤnftigen arbeiter in Chri-
ſti weinberge, und unſere geiſtliche redner-ge-
ſellſchaft, hat einen aus ihren mittel ein-
gebuͤſſet. Demnach werden die bekuͤmmer-
ten freunde, die betruͤbten angehoͤrigen,
wer fromme und gelehrte leute recht zu ſchaͤ-
tzen weiß, freylich den verluſt bedauren, wel-
cher ſie durch den ſeeligen hintritt des herrn
M getroffen hat, und ſie verlangen vielleicht
lieber, ſelbigen zu ſehen, als an ihn zugeden-
cken. Allein wie der magnet ſeine kraft ver-
liert, wann er mit einem diamant verbunden,
alſo glaube ich werde die ſehnſucht und das
verlangen der betruͤbten leidtragenden, nach
den wohlſeeligen, ſich ſtillen, mithin dieſes be-
kla-
[464]von allerhand ſchul-
klagen ein ende nehmen, wann ſie erwegen, was
fuͤr ein unſchaͤtzbares kleinod dem wohlſeeligen
beygeleget worden. Die ſterne leiden keine
verdunckelung, und dieſen ſtern, welcher ietzo
den aͤuſſerlichen ſinnen nur entzogen worden,
werden wir dermahleinſt in groͤſſerer klarheit
ſehen, wann wir in ienem leben, wie auser-
wehlte ſonnen leuchten. GOtt wird die ab-
gefallene bluͤte, mit reiffen fruͤchten erſetzen.
Der Herr des weinberges, wird es an treuen
arbeitern nicht fehlen laſſen. An ſtatt daß
der wohlſeelige, hier in unſerer geſellſchaft nur
lallen lernen, von den guͤtern der unerſchoͤpfli-
chen quelle alles reichthumes, wird er anietzo
den fuͤrtreflichſten lob-redner derſelben voll-
kommen fuͤrſtellen. Und wenn man auch den
ſeelig verſtorbenen, aus der unſterblichkeit
wieder zuruͤck rufte, wuͤrde man in der that
wieder die regeln der wahren klugheit und
freundſchaft handeln, denn man wuͤrde ihn aus
den leben wieder in todt zuruͤck ziehen, und
wieder ſterben heiſſen, man wuͤrde mehr auf
ſeinen nutzen, als das vergnuͤgen des wohl-
ſeeligen dencken. Alſo wollen wir vielmehr,
dem unſterblichen geiſt, die gluͤckſeeligkeit des
ewigen lebens goͤnnen. Wir wollen vielmehr
ſein andencken bey uns ruhmwuͤrdig, als be-
truͤbt ſeyn laſſen. Sein ſtilles weſen, ſeine
demuth und was er gutes an ſich gehabt, ſoll
uns zum exempel dienen und ſein uͤbergang in
die unſterblichkeit der kuͤnftigen nachfolge er-
innern.
[465]und politiſchen reden
innern. So wird er dann zu bekraͤftigung
deſſen, was ich anfaͤnglich behauptet, da er er-
blaſſet, uns nicht als ein todter, ſondern le-
bendiger im gedaͤchtniß bleiben. Dero aller-
ſeits anſehnliche verſammlung h. u. h. anwe-
ſende, ia dero hochgeneigte aufmerckſamkeit
bezeuget, ich habe die wahrheit geredet, wann
ich gemeint, der wohlſeelige herr M. M. ſey
durch den todt zum leben wiedergebohren,
und es muͤſſe vielmehr der todt, von tugend-
haften zumahl, unter den nahmen einer neuen
geburt, fuͤr etwas angenehmes, als bitteres
gehalten werden. Da ſie nun zugleich ihre
hochachtung hiebey, gegen den wohlſeeligen
herrn M. und deſſen betruͤbte angehoͤrige hie-
mit an den tag geleget, ſo ſind ihnen dieſelben
fuͤr dieſes zeichen Dero gewogenheit, und ich
fuͤr Dero guͤtigen beyfall unendlich verbunden.
Sie und ich werden uns gluͤcklich ſchaͤtzen, weñ
wir ihnen h. u. h. anw. die fruͤchte unſerer er-
kaͤnntlichkeit, als wohlſchmeckend und ange-
nehm, gluͤckwuͤnſchend und nicht als bittere
ſchlehen uͤberlieffern koͤnnen. Jch verlaſſe
dieſen ort, wann ich zuvor dem wohlſeeligen
herrn M. zum lebendigen denckmahl, folgende
grabſchrift beygefuͤget:
lich heiſt,
cken,
G gUnd
[466]von allerhand ſchul-
geiſt;
lebens ſchencken.
§. 7. Die beſchaffenheit der uͤbrigen reden,
welche bey denen ſolennitaͤten des hofes und
der republicken fuͤrkommen, lernet man am
beſten aus denen exempeln, welche herr Luͤnig
zuſammen getragen, unter dem titul: Groſſer
herren, vornehmer miniſter, und anderer be-
ruͤhmten maͤnner gehaltene reden.a) Ja
eben dieſem fleißigen manne, haben in dieſem
ſtuͤck, die Politici wann ſie Lateiniſch perori-
ren,b) oder auch nur die ſprache des Teut-
ſchen reichsc) verſtehen und lernen wollen,
die groͤſte verbindlichkeit. Jn denen erwehn-
ten reden findet man von gluͤckwuͤnſchungs-
empfah-bewillkommungs-lob-reden, die exem-
peld)Tom. I.Frieſens, Beichlings, Alvens-
lebens, Bodenhauſens, Roſenhahns, Fuchs,
Huldeberg, Leſts, Kuͤhleweins, Sittingers,
Bernſteins, Kochens, von Baudiß, Tieffen-
bachens, Salla, Fockhi, Senft von Pilſach,
III.Seckendorfs, Gersdorfs, Nieſemeuſels,
Schertzers, Borns, Rochaus,V.Ritters,
einiger Frantzoſen (als des Flechier) Pohlen
und Engellaͤnder, Noſtitzens, Oberlaͤnders,
Fabricii,VII.Oxenſtirns, Pritii, Boͤhmers,
Koͤnigsdorfs, Voigts, Riembergs, Schrey-
vogels, Bergues, Schroͤers, Boͤttigers,
Gundlings, Riemenſpergers, Haldens,
Orths
[467]und politiſchen reden.
Orths,VIIII.Schlevogts, Ancillons, Kot-
tulinsky, Liths, Riembergs, Huldenbergs,
Schweinitzens, Jerins, Venedigers, Pauli,
Schluͤtterns, Teckmanns, Hallmanns,XI.
Flemmings, Canitzens, Unverfaͤhrts, Re-
chenbergs, Menckens, Degenfelds, Peils,
Alefelds, Becks, und anderer.
§. 8. Von vermaͤhlungs-geburts- und ge-
vatterſchafts-reden trift man exempel an im
Tom. I. II. von Stein, Frieſen, Schwerin,
Perband, Leſt, Opel, Alvensleben,III.Ein-
ſiedel, Kuͤhlewein, Huldeberg, Niemen,
Treuer.V.Fabricii, Obernitz,VII.Hulde-
berg,VIIII.Zeitzken, Cramm, Bredelo,XI.
Flemmingen, Canitzen, und andern.
- Hieher ſind auch die ſo genannten ſiroh-krantz-re-
den zu ziehen, weiche nach vermaͤhlungen zum
divertiſſement gehalten werden. Jch habe ſtatt
eines exempels folgende beyfuͤgen wollen,
daraus [l]eicht die beſchaffenheit ſolcher reden und
der groſſe genie ihres verfaſſers abzunehmen.
Jndem es unſere ſchuldigkeit erfordert, der
weyland (tit. tot.) Fraͤulein N. N. ihr letz-
G g 2tes
[468]von allerhand ſchul-
tes ehren-gedaͤchtniß zu begehen, nachdem die-
ſelbe ſich in verwichener nacht mit dem (tit. tot.)
herrn N. N. in eine ſcharffe rencontre einge-
laſſen, und dabey ſo ungluͤcklich geweſen, daß
ſie daß alleredelſte und koſtbahreſte was ſie ge-
habt, eingebuͤſſet; So wird mir hoffentlich
erlaubet ſeyn, meine wenige gedancken, ſo mir
bey dieſer begebenheit beygefallen in etwas zu
eroͤfnen. Sonder allen zweiffel hat wohl
nichts anders, als die liebe dieſen unſchaͤtzba-
ren und unerſetzlichen verluſt verurſachet, da-
bey iſt mir eingefallen, ob nicht die liebe mit
dem kriege vollkommen veꝛglichen werden koͤn-
te. Wann uͤberhaupt der krieg mehr erfah-
rung als wiſſenſchaft erfordert, ſo bin ich vor-
aus verſichert, daß beyde verliebte dieſe nacht
mehr empfindung werden gehabt haben, als
ſie uns erzehlen wollen. Will der krieg mit
groſſer application gefuͤhrt ſeyn, und erfordern
inſonderheit die belagerungen ſehr groſſe bemuͤ-
hung, hilf himmel wie ſauer wird es unſerm
neuen paar worden ſeyn, er geſtehe mir nur
offenhertzig neuer herr ehemann mit was gro-
ſer muͤhe er approchiret hat, bis er die trenche-
en, eroͤffnen koͤnnen, wie vielmahl er avan-
ciret iſt, und wie vielmahl er repousſiret wor-
den, auch man ihn zugeruffen, runde vorbey.
Es iſt aus denen geſchichten des vorigen ſeculi
bekannt, daß in dem Niederlaͤndiſch. kriege die
Spanier den tapfern Naßauiſchen Printzen
Mauritium ſpott weiſe den A. B. C. ſchuͤtzen
genen-
[469]und politiſchen reden
genennet, nachdem er ihnen aber nach der zeit
eine feſtung nach der andern eingenommen,
ließ er ihnen wieder zum poſſen das a. b. c. auf
ſeine ſtuͤcke gießen, und fragte wie ihnen dieſes
gefiele? Unſere neue junge frau wird ausder
erfahrung am beſten zu ſagen wiſſen, ob ſie
dergleichen A. B. C. ſchuͤtzen in der liebe vor
ſich gehabt, oder ob ſie chamade geſchlagen
und capituliret habe. Man ſolte zwar ver-
muthen, wir wollen es ihr auch zu trauen, ſie
werde das ihr ſo theuere anvertraute kleinod
aufs euſſerſte defendiret haben, ja ſich erinnert
haben, daß ſie eines braven Generals toch-
ter und eines groſſen Capitains niece ſey, und
aus einem hochberuͤhmten geſchlechte herge-
kommen, welches ſich jederzeit vor andern
durch tapfere actiones diſtinguiret, und ſeinen
feinden nur einen ſchritt zu weichen, niemahls
gewohnt geweſen, allein was thut die liebe
nicht, und ſie wird auch ihres orts nunmeh-
ro bekennen muͤſſen, was der groſſe koͤnig
Guſt: Adolphus von ſich zu ſagen pflegte, daß
ſie eine eiſerne ſeele in einen glaͤſernen und alſo
zerbrechlichen leibe getragen hat. Jſt ferner
bey dem krieg groſſe gefahr auszuſtehen, ſo
wird auch dieſes neue paar uns ſo viel davon
vorzuſagen wiſſen, daß man ihnen wohl zu-
ruffen moͤchte: Dulce bellum in expertis
Entweder er hat roſen brechen wollen, ſo
iſt er ſonder zweiffel geſtochen worden, oder
G g 3er
[470]von allerhand ſchul-
er hat ſich als einen liebhaber der inſtrumental
muſic aufgefuͤhrt, ſo wird er entweder was
vor ſich gefunden haben, das gleich einen thon
und geſchrey ſo bald man es anruͤhret, giebet,
und beyde werden ihm dieſe lection geben:
Noli metangere. Sie aber die neue frau
welche etwas verlohren, das ſie niemahls
wieder bekommen wird, kan nunmehro
mit recht einem glaſe verglichen werden,
daruͤber jener die bedencklichen worte ſchrie-
be: Dum tangitur frangitur Dum con-
cipit concidit Dum generat degenerat.
Jedoch es iſt nunmehro geſchehen, und gleich
wie der krieg einer beſtaͤndigen abwechſelung
des gluͤcks unterworffen iſt, alſo hat ſich auch
bey ihnen eine ſolche veraͤnderung zu ge-
tragen die mit nichts in der welt erſetzt werden
kan: Sollen wir dieſen verluſt nicht ſchmertz-
lich beklagen, doch Rerum irreparabilium felix
oblivio, gluͤckſeelig iſt, der da vergiſt,
was nun nicht mehr zu aͤndern iſt. Wir
wollen vielmehr die entſeelte von der wahl-
ſtadt zu ihrer ruhe bringen, und uns dabey
der eitelkeit, nichtigkeit und vergaͤnglichkeit
aller ding, ewelche mehrentheils in der menſch-
lichen einbildung beſtehen, erinnern, dem hei-
ligen vater in Rom ſeine bey der kroͤnung ge-
woͤhnliche aſche abborgen, dieſelbe auf dieſe
iungferſchaft ſtreuen, und auf ihr grabmahl
ſetzen:
[471]und politiſchen reden
ſetzen: Sic transit gloria mundi. Wir
wollen uns aber auch damit troͤſten, daß
wir zwar geſtern ein fraͤulein verlohren,
aber heute eine junge frau wieder gefunden
haben, und daß aus dieſer aſche ein neuer
phoͤnix auf ſtehen, und ſie jenem gewaͤch-
ſe in Weſt-Jndien gleich ſeyn werden, welches
nach untergangener ſonne die ſchoͤnſten bluͤten
hervor zu bringen pfleget: Wie dann vor ei-
ner halben ſtunde unſerm groſſen Capitain das
gluͤck wiederfahren, daß er zugleicher zeit
hochzeit und kindtauffe machen kan, worauf
man appliciren moͤchte: Unius corruptio
eſt alterius generatio. Wo eine iungfer-
ſchaft vergeht, bald eine neue auferſteht.
Nicht ohne beſondere verwunderung habe
ich verwichene nacht wahr genommen, daß
eben zu der zeit, da vermuthlich das treffen am
hitzigſten geweſen, ein groſſer ſturm entſtanden,
welcher aber ſo fort mit einem ſanften und
fruchtbaren regen begleitet worden, zu einer
gluͤckſeeligen vorbedeutung daß unſer ne ues
paar mit vollen und favorablen wind ihre
ſeegel ſtreichen, in den hafen der gluͤckſeelig-
keit einlauffen, und mit fruchtbaren re-
gen befeuchtet werden ſoll, welches dann der
guͤtige himmel nebſt 1000. andern ihnen an-
gewuͤnſchten gluͤckſeeligkeiten erfuͤllen wolle.
G g 4Nur
[472]von allerhand ſchul-
nur rathe ich, mein lieber junger Hr. ehemann
wolle ſich zwar nicht auf einmahl aus den oden
fechten, dabey aber wohl erinnern, daß er in
ſeinem wapen eine gerſten-aͤhre fuͤhre, welche
wann ſie gut wachſen und hervor kaͤumen ſoll,
das erdreich fleißig und wohl nicht aber nur
quatember-weiſe beduͤnget und beſtellet wer-
den muß. Denen theureſten eltern von beyden
theilen, wuͤnſchen wir, daß ſie vor dieſe liebe
kinder und kindes-kinder viel alte thaler ſam̃-
len moͤgen, woraus ſie aus der erfahrung ſelbſt
die worte ſagen koͤnnen: Wohl dem,
der freude an ſeinen kindern erlebet.
Unſern groſſen N. aber, qui nobis hæc otia
fecit, ſagen wir davor gehorſamſten danck,
und weil wir ſeine gewoͤhnliche und natuͤrli-
che neigung mehr als zu wohl kennen, ver-
moͤge derſelben er zwar groſſe dinge verrich-
tet, deßwegen aber nicht gelobet ſeyn will, ſo
will ich meinen wunſch kuͤrtzlich dahin con-
centriren, daß gleichwie ehemahls einer von
ſeinen anherren wegen ſeiner groſſen merite
das licht von N. genennet wurde, alſo auch
er das licht von N. mit wohl verdientem recht
noch lange jahre bleiben, und dadurch ſein
nahme und preißwuͤrdiges gedaͤchtniß bey uns
verewiget werden moͤge. Jhnen allerſeits
ſchoͤnen begleiterinnen, ſoll ich zwar im nah-
men des neuen paares fuͤr dieſen letzten liebes-
und ehren-dienſt gehorſamſten danck abſtat-
ten,
[473]und politiſchen reden.
ten, darbey aber auch wohl meinend nicht
verhalten, daß ſie nebſt mir ihren ietzigen zu-
ſtand recht hertzlich beklagen, denn ob ſie wohl
ſcheinen, dieſe niedergelegte unſchuld heimlich
zu belachen, ſo koͤnnen ſie doch verſichert ſeyn,
daß ihnen vielleicht gar bald ein gleiches be-
gegnen werde. Jch nehme mir dahero die
freyheit ihnen zu wuͤnſchen, das ihre bereits
angegangene innerliche kriege, bald in eine
dergeſtaltige offenbare flamme ausbrechen
moͤgen, daß ſie zu der ihnen ſo hoch benoͤ-
thigten ruhe gelangen koͤnnen. Ja wollen ſie
mir nicht trauen, ſo belieben ſie ſich nur der
worte zu erinnern, die ſie ſeit einigen jahren
ſo fleißig geſungen haben:
Ehe ich aber noch dieſe ſtelle verlaſſe, muß ich
zum wohl verdienten nach-ruhm, und nach
wohl-hergebrachter gewohnheit unſerer wer-
theſten Fraͤulein N. noch dieſe grab-ſchrift
ſtellen:
ſchuld ſterben,
verderben,
G g 5Jch
[474]von allerhand ſchul-
liebe kan,
- es wohl
- ach wohl
- ſehr wohl
§. 9. Huldigungs-Reichs-Kriegs-Land-
Stifts-tags-reden ſind daſelbſt Tom. I. II.
von Koͤnigen, Kochen, Jena, Schwerin,
Bick, Seyffarthen, Fuchs, Schulenburg,
Schardio, Cortreio, Muͤnchhauſen, Sy-
dow, Born, Jacobi, Faͤrbern, Schleinitz,
Bodenhauſen, Gersdorf, Hoͤrnigk, Haͤberl,
Metternich, Martini, Schauern, Wallen-
ſtein, Limbach, Oberg, Huldeberg, Calen-
berg, Ahlemann, Boſen, Senfts, Schoͤn-
berg, Kuͤhlewein, Alvensleben, Schmids,
III.Leſt, Stegern, Gersdorf, Bergern,
Pfautzen, Rotenburg, Zech, Ahlemann,
Jmhof, Reventlau, Mylio, Troyer, Schra-
der, Einſiedel, Windiſchgraͤtz, Meer, Loͤ-
wenſtein, Stratemann, Bucelini,V. Eini-
gen Frantzoſen, Engellaͤndern und Pohlen,
Metternich, Winneberg, Bartholdi, Hul-
deberg, Sintzendorf, verſchiedenen hohen,
haͤuptern, VII.Heber, Riemenſpergern,
Tonnauern, Wackerbart, Heiniſch, Wald-
burg, Lamberg, Franckenberg, Schrey-
vogel, Sanders, Schoͤnborn, Siegmann,
Huldeberg, Schuͤtz, Goͤrne, Printzen,
Sen-
[475]und politiſchen reden.
Senning, Oſtau, Wallenrad, Kurtzen,
Reichenbach, Alemann, Oexel, Sintzen-
dorf, Traun, einigen Engellaͤndern, VIIII.
Thomaͤ, Zißler, Schemel, Zech, Huldeberg,
Sintzendorf, einigen Frantzoſen und Engel-
laͤndern, Harrach,XI.Arnim, Lyncker,
Marſchall, Stein, Hauniſch, Harras, Ho-
gius, Mylius, Canitz, Schlevogt, Sintzen-
dorf, Harrach, ꝛc.
§. 10. Religions-Jntroductions-Regie-
rungs-Juſtitz-Cammer-reden haben gehalten:
I.Fuchs, Stoͤſſer, Berchem, Leſt, Valcke-
nier, Jena, Schwerin, Windiſchgraͤtz,
Schmidt, Seckendorf, Boſe, Helldorf,
Koͤtteritz, Platz, Kuͤhlewein,III.Wylich,
Muͤller, Schoͤnleben, Kuͤhlewein, Durrius,
Gersdorf, Ducker, Steinbach, Wildhau-
ſen, Alvensleben, Fabricius, Senft v. Pil-
ſach, verſchiedene Durchlauchtigſte Prin-
tzen, Einſiedel, Heldorf, Schmidt, Dieß-
kau, Kuͤhlewein, Steger, Eſcher, Schoͤn-
born, Schwartzenberg.V. verſchiedene
Paͤbſte, Frantzoſen, Engellaͤnder, Portugie-
ſen, Pohlen, Boſe, Taſſo, Eſcher,VII.Loͤ-
ſer, Oſſelin, Printzen, Jablonsky, Gerhard
Abt zu Loccum, Riemberg, Kuͤpfender,
Senft, Kuͤhlewein, Jtaliaͤner, Frantzoſen,
Engellaͤnder, John, Mertloch, Ponickau,
Schreyvogel, Poͤllnitz, Canitz, Maͤyer,
VIIII.Aidinger, verſchiedene Frantzoſen,
Pabſt ClemensXI.Ebner, Loͤben, Calen-
berg,
[476]von allerhand ſchul-
berg, Kaltſchmidt, verſchiedene Engellaͤnder,
Flemming, Hartmann,XI.Canitz, Papſt
ClemensXI.Poͤlnitz, etliche Frantzoſen, Al-
than, Gersdorf, Schacher, Spohr, Falck-
ner, Chriſt, Creutz, Seeligmann, Broͤſicken,
Schuͤtz, Buͤnau, hohe Haͤupter ꝛc.
§. 11. Hof-Ritter-Staats-Kriegs-Ge-
ſandſchafts-reden ſiehet man von II.Fuchs,
Doͤlau, Jacob, Zehmen, Miltitz, Leſt, Op-
pel, Valckenier, Heimburg, Dona, Brandt,
Boſen, Trautmannsdorf, verſchiedenen
Durchlauchten Haͤuptern, IIII.Schlieben,
Schoͤnebeck, Fuchs, Reiboldt, Helldorf,
Schoͤnleben, Leſt, Dießkau, Ebels-bach,
Braſſer, Altheim, Heerwarth, etlichen
Printzen, VI.Oppeln, Pernſtein, Pohlen,
Frantzoſen, Jtaliaͤner, Engellaͤnder, den Sia-
miſchẽ abgeſandten, Caunitz, Lichtenſtein, den
Algierſchen abgeſandten, Lamberg, Jordan,
Schweden, Daͤnen, von vielen Souverains,
VII.Senft, Loſſen, Spanheim, verſchiede-
ner Nationen Abgeſandten und Printzen.
VIIII.Zanthier,XI.Wolframsdorf, Mar-
ſchall, Boſe, Gersdof, einigen groſſen Prin-
tzen, Engellaͤndern, Frantzoſen, Schweitzern,
Jtaliaͤnern, Tuͤrcken, Moſcovitern, ꝛc.
§. 12. Die condolentz-lob-trauer-reden
ſind abgelegt vom II.Canitz, Schmidt,
Boſen, Leſt, Thomaſio, Wedeln, Nitzſch-
witz, Oleario,IIII.Leſt, Koͤnigsdorf, Po-
ſadowsky, Dießkau, Rondeck, Strauſſen,
Len-
[477]und politiſchen reden.
Lentzen, Loſſen, Neitzſchtz, Koßboth,
Huldeberg, Miltitz, Gersdorf, Born,
Senft, Heidenreich, Rex, Sydow, Hof-
mannswaldau, Lohenſtein, Graͤfen,
Krantzen, Pritio, Pippingen, Neukirch,
Boſe, (D. Auguſt) von Boſe,VI.Ritter,
Buͤnau, Soͤlenthal, Lichnowsky, Planitz,
bey gewaltſamen todes-faͤllen von verſchiede-
nen, VIII. Eben dergleichen von verſchiede-
nen, andere von Muͤllern, Franckenberg,
Boͤhmern, Schwartzenfelß, Vettern. Hul-
deberg, einigen Frantzoſen, Koͤnigsdorf,
ClemensXI.,Dewitz, Riemberg, Acken,
Zanthier, Dießkau,X.Zetzke, Slevogt,
Wentzel, Maͤyer (D. Joh. Friedr.) Proͤck,
Boͤhmern, Zanthier, Neukirch, Jablonsky,
Krakewitz, Haſſen, Boͤhmern, Leipzigern,
Eiſenfeld, Spoor, Hallmann, Lange, Hu-
nold, (Menantes) Born, Baudis,XII.Buͤ-
nau, Nolten, Schramm, Koſchenbahr,
Canitz, Bruͤmſe, ꝛc.
Das vierdte capitel,
von Juridiſchen reden und ſchriften.
VOn Juridiſchen reden und ſchriften uͤberhaupt,
§. 1. Von muͤndlichen reden der gerichts-perſo-
nen, §. 2. Pflegung der guͤte, §. 3. Admonitionibus bey
vernehmungen, iuramentis in cauſa civili, §. 4. Jn
cauſa criminali, §. 5. Der zeugen vernehmung, §. 6.
Von ſchriftlichen reden der gerichts-perſonen, cita-
tioni-
[478]von Juridiſchen reden
tionibus, notificationibus, huͤlfs, und immißions-
praͤceptis, ꝛc. §. 7. Von regiſtraturen, §. 8. Eydes-
notuln, §. 9. Zeugen und inquiſitional-artickuln, §.
10. Zeugen-rotulis, §. 11. Confrontations-puncte. §. 12.
Urtheils-fragen, §. 13. Urtheilẽ, abſchieden u. weiſungen,
§. 14, Berichten, §. 15. Subhaſtations-patenten, §. 16.
Von muͤndlichen reden auf ſeiten der advocaten und
partheyen, bey der guͤte, §. 17. Bey reden mit inqui-
ſiten, §. 18. Von provocationibus, einbringen, ant-
wort auf die klage, anbringung der exceptionen, pro-
ſecution der leuterung, iuſtification der appellationen,
§. 19. Zeugen-productiones, §. 20. Bey ſchwerungs-
terminen, §. 21. Von ſchriftlichen reden der advoca-
ten und partheyen, als contracten, §. 22. Klagen,
ſuppliquen, denunciationibus, §. 23. De- und rela-
tiones iuramentorum, §. 24. Beweiß, beſcheinigung,
beybringen, zeugniß-artickel, interrogatoria, §. 25.
Product-weiſe rechtliches verfahren, §. 26. Leutera-
tionen, apellationen, §. 27. Defenſions-ſchriften, §.
28. Fragen zu informat-urtheilen und alten extra-
hiren, §. 29.
§. 1.
UNter denen lebens-arten, welche einer
vernuͤnftigen bredſamkeit am meiſten
benoͤthiget, ſind ſonderlich die beyden
hohen Facultaͤten, Jurisprudentz und Theo-
logie, indem beyde, gantze ſtaaten mehrentheils
mit worten regieren, und alles was dahin ge-
hoͤret, ausmachen. Jch will von iener zuerſt
gedencken, welche als eine klugheit angeſehen
wird, ſolche mittel zu erfinden und anzubrin-
gen, dadurch die ruhe der buͤrgerlichen geſell-
ſchaft, nach den regeln der gerechtigkeit, er-
halten werde. Doch vermeine ich nicht de-
nen-
[479]und ſchriften.
nenjenigen lehren zu geben, von denen ich
ſelbſt unterrricht bereitwilligſt anhoͤren wuͤrde,
ſondern nur denen anfaͤngern, aus der Ora-
torie, als einem ſtuͤck der univerſellen gelehr-
ſamkeit, einige kleine erinnerungen mitzuthei-
len, damit dieſer wiſſenſchaft kein eintrag ge-
ſchehe.
§. 2. Der grund dieſer Facultaͤt iſt in dem
Recht der natur, denen goͤttlichen und buͤrger-
lichen rechten zu ſuchen, und alſo in der legali-
taͤt. Die klugheit muß darauf bauen, und
die gewohnheit hat zu genauerer beobachtung
derſelben, die umſtaͤnde der zeit, der perſonen,
und anderer dinge, in gewiſſe ſchranckẽ geſchloſ-
ſen, das ſind formalia und fatalia, damit habe
ich ietzo nichts zu thun. Aber die beredſam-
keit iſt das mittel, dadurch alles dieſes ſeine
kraft erlanget, denn da muß man theils muͤnd-
lich, theils ſchriftlich reden, da muͤſſen theils
richter theils partheyen und advocaten ihre
worte fuͤrbringen.
- Hieher gehoͤrige ſchriften, habe ich theils oben cap.
3. P. II. §. 6. angefuͤhret zu denen man Scha-
chersCollegium practicum,Schwendendoͤr-
fernad Fibigium, Rivini Enunciata und Excepti-
ones forenſes, Thönneckers aduocatum,Ber-
gernin Elect. Diſc. for. \&c. ſetzen kan.
§. 3. Das muͤndliche reden der gerichts-
perſonen, iſt erſtlich bey pflegung der guͤte am
noͤthigſten, da der richter entweder ex officio,
oder auf anhalten einer parthey, beyde in der
guͤte zu vergleichen ſucht. Mir deucht nach
mei-
[480]von Juridiſchen reden
meiner wenigen einſicht, daß hier das rechte
mittel ſteckt, die proceſſe nicht nur zu verkuͤrtzen,
ſondern gar zu verringern. Denn wer
wuͤrde wohl ſich in einen weitlaͤuftigen pro-
ceß einlaſſen,, wann ein beredter richter beyde
partheyen fuͤr ſich foderte, ihnen die weitlaͤuf-
tigkeit, koſtbarkeit, uͤble folgerungen, ungewiß-
heit des proceſſes fuͤrſtellete, mittel zum ver-
gleich fuͤrſchluͤge, ſie ſelbſt mit einander reden
lieſſe, ihnen bedenckzeit gaͤbe iedem insgeheim,
entweder die ſchwachen gruͤnde ſeines rechts,
oder die ungewißheit des ausſchlags fuͤrbildete,
doch ſo daß er ſich nicht in den verdacht der par-
theylichkeit, oder den andern in groͤſſere animo-
ſitaͤt ſetzte, wenn ſage ich ein beredter richter mit
triftigen gruͤnden, pathetiſchen ausdruck, kurtz,
deutlich, dieſes alles fuͤrtruͤge, ia zuweilen, wo
es rechtens ſeine auctoritaͤt zu huͤlffe naͤhme,
wer wuͤrde luſt haben zu proceßiren?
§. 4. Es reden ferner gerichts-perſonen bey
vernehmung der partheyen, ſonderlich wo ie-
mand ſchweren ſoll, da der richter nach beſchaf-
fenheit des vorgeladenen ſeine rede einrichtet
und ihn de vitando periurio erinnert, durch
anfuͤhrung der praͤſumtionen, welche wieder
ihn ſtreiten, was gegentheil wieder ihn beyge-
bracht und dargethan, doch huͤtet er ſich fuͤr al-
lotria, und unbillige verfaͤngliche fragen und
praͤtenſiones, es wird auch wohl in ſchwerungs-
terminen, wo etwa wichtige momenta fuͤrfal-
len,
[481]und ſchriften.
len, die beredſamkeit eines geiſtlichen zu huͤlfe
genommen.
§. 5. Sonderlich aber geſchicht dieſes letztere
in caußis criminalibus, bey purgatoriis. Uber-
haupt muß dem ſchwerenden, der haupt-punckt,
weßwegen er ſchweren ſoll, deutlich rund und
nachdruͤcklich herausgeſagt werden, damit er
ſich nicht mit reſervationibus mentalibus helf-
fen koͤnne. Sonſt hat der richter bey verneh-
mungen der inquiſiten, ſeine worte behutſam
einzurichten, damit des inquiſiten auſſage,
nicht ex capite nullitatis angefochten werde,
er hat auch dabey die gerechtigkeit ſorgfaͤltig zu
beobachten und unpartheyiſch, nicht nur dasie-
nige zu conſideriren, was den delinqvenden
graviren, ſondern auch exculpiren koͤnne,
denn es iſt nicht ſchwer auch einem unſchuldi-
gen, durch eine falſche beredſamkeit dahin zu
bringen und ſo zu verwirren, daß er eines laſters
ſich ſchuldig geben muß, das er niemahls be-
gangen.
§. 6. Denen zeugen wird der zeugen-eyd fuͤr-
gehalten, erklaͤret, und ſie vermahnet die wahr-
heit zu ſagen. Die interrogatoria werden
kurtz, deutlich, im ſtilo ſimplici abgefaſſet, wo
ſie dunckel ſind erklaͤret, die umſtaͤnde wohl
ausgedruckt, von ihnen eine deutliche, ſo viel
moͤglich categoriſche antwort gefodert, und ſie
nicht mit vielen nebendingen verwirret, wel-
ches alles kluge und verſtaͤndige richter, mehr
als zu wohl, zumahl in unſern landen, da gott-
lob unteꝛ der geſeegneten regierung unſers groſ-
H hſen
[482]von Juridiſchen reden
ſen oberhaupts, iedweden durchgaͤngig genaue
juſtice wiederfaͤhret, beobachten.
§. 7. Schriftliche reden der gerichts-perſo-
nen ſind citationes, notificationes, huͤlffs- und
immißions-praͤcepta, auflagen ſub \& ſine
comminationibus, monitoria, inhibitiones,
welche ſaͤmtlich erfordern den nahmen des
richters und der partheyen, auf ſeiten dieſer ein
expediendum, meiſtentheils auch ein einge-
raͤumtes ſpatium legale, die citationes noch
locum iudicii, \& diem certum profeſtum, ſ.
iuridicum; ratione der citation zur einlaſſung
und antwort auf die klage, oder in Proceſſu
executiuo, zur recognition des documents,
ſo muͤſſen auch vermoͤge der proceß-ordnung die
partheyen zur guͤtlichen handlung citiret wer-
den. Alle dieſe fodern den ſtilum Juridicum
und curiaͤ, ſind ſonſt kurtz und deutlich abzu-
faſſen.
§. 8. Die regiſtraturen werden uͤber das-
ienige, was im gerichte gehandelt und fuͤrge-
tragen wird, zu des richters und der partheyen
nachricht verfertiget und aufgezeichnet, alſo iſt
noͤthig, daß ſie genaumit den ſachen die fuͤrfal-
len, uͤbereintreffen, auch wohl gar der parthey-
en eigne worte beybehalten, deutlich und kurtz
ſeyn, ſonderlich bey inquiſitionibus, da todt
und leben, ehre und gut des inquiſiten, an des
actuarii feder hanget.
§. 9. Die eydes notuln ſind mittel die wahr-
heit heraus zubringen, da ein ieder der die ſchul-
dig-
[483]und ſchriften.
digkeit auf ſich hat, die wahrheit zu bekennen,
durch einen ſchwur bey ſeinem GOTT (alſo
auch Juden, bey dem GOtt Abrahams, Jſa-
acs und Jacobs ꝛc.) bekraͤftigen ſoll, daß er
die wahrheit ſage, alſo muͤſſen ſie deutlich ſeyn,
den ſtatum controuerſiae recht bemercken, in
civil-ſachen aus der partheyen eignen worten,
ihre dismembration aus der litis-conteſtation,
in criminal-ſachen aus dem eingeholten urtheil
genommen werden.
§. 10. Zeugen und inquiſitional-artickel
werden ebenfalls, abgefaſſet, die dem richter
ſo noͤthige wahrheit zu verſchaffen, denn wann
ſie kurtz, deutlich, zur ſache gehoͤrig, ordentlich da
im̃er einer aus den andern flieſſet, damit man
dem pruritui negandi fuͤrbeuge, ſo kan der rich-
ter wann er nur die lehre von der wahrſchein-
lichkeit inne hat, und die hiſtorie des menſchen
uͤberhaupt und inſonderheit, aus einer guten
Moral und erfahrung gelernet, leicht hinter die
wahrheit kommen, es mag der befragte ant-
worten wie er will.
§. 11. Die zeugen-rotuli entſtehen aus die-
ſem zum theil, muͤſſen den nahmen des gerichts,
der zeugen, daß ſie richtig geſchworen, die zeit,
den ort, ihre antwort bey iedem artickel, die un-
terſchrifft und beſiegelung, nach iedwedes iu-
dicii ſtilo und obſervantz in ſich faſſen.
§. 12. Bey der confrontation, muͤſſen in
einem inquiſitional proceß, die zeugen oder
complices ihre auſſagen, dem inquiſiten ins
H h 2ge-
[484]von Juridiſchen reden
geſicht ſagen, alſo muͤſſen dieſelben deutlich den
inquiſitional-artickeln conform ſeyn, ieder con-
frontations-punckt enthaͤlt nur einen umſtand
gehet nicht auf nebendinge, die noch nicht aus-
geſaget, auch nicht auf andere delicta, weilen die
confrontation ein actus praeiudicialis und in-
quiſitionis ſpecialis iſt, zu welchen abſque in-
diciis legitimis nicht zu ſchreiten.
§. 13. Urtheils-fragen ſind ein ſchreiben, in
welchen der richter ein dicaſterium um ſeinen
rechts-ſpruch erſuchet, ſich entweder auf die
acta beziehet, oder ſpeciem facti dem petito
praͤmittiret, ſich aber aller refutation und ne-
ben dinge enthaͤlt.
§. 14. Urtheile, abſchiede und weiſungen
ſind reſolutiones, dadurch der richter die ſtrei-
tigkeiten der partheyen decidiret. Urtheile wer-
den als briefe an dem richter aus dem dicaſte-
rio, da er ſie eingeholet, geſchickt, enthalten
kurtz und deutlich das vorbringen der parthey-
en, und den darauf abgefaſten rechtsſpruch.
Abſchiede werden vom richter an die partheyen
geſtellet, und weiſungen als bloſſe reſolutiones
in regiſtraturen ad acta gebracht, uͤberall iſt
die abſicht denen partheyen deutliche entſchei-
dung ihrer ſtreitigkeiten zu geben, wobey die
eingefuͤhrten opiniones und gewohnheiten bil-
lich der gerechtigkeit weichen muͤſſen.
§. 15. Berichte ſind ebenfals ſchriftliche re-
den des richters, da er entweder auf befehl,
oder eingewandte appellation, in einem ſchrei-
ben
[485]und ſchriften.
ben an den iudicem ſuperiorem, die ſpeciem
facti, gelegenheit zur berichts-erſtattung, des
parths gravamina erzehlet, dieſelben refutiret
und alles des iudicis ſuperioris deciſion un-
terwirft. Sind reverential-apoſtel ertheilet
worden, wegen guͤltig-gehaltener appellati-
on, bleiben die gravamina und derſelben refu-
tation weg, alles im ſtilo ſimplici kurtz und
deutlich.
§. 16. Subhaſtations-praͤcepta ſind endlich
wann der richter nach erzehlung, wie es zu
dieſem extremo gekommen, eine gewiſſe ſache,
die er nach der wahrheit und ihrem werth be-
ſchreibet, zu iedermanns kauf, mit determi-
nirung der noͤthigen umſtaͤnde, oͤffentlich feil
bietet.
§. 17. Dieſes waͤren die meiſten reden auf
ſeiten des richters. Advocaten ſind in ihrem
gewiſſen verbunden, die ſtreitigkeiten auf
billige wege entweder zum vergleich, oder
durch den weg rechtens zu ende zu bringen.
Bey ienem haben ſie muͤndlich denen par-
theyen zur guͤte zu rathen, ſie keinesweges
durch allerhand empfindliche worte in einan-
der zu hetzen und zu verbittern, ſondern viel-
mehr bey pflegung der guͤte kurtz und deutlich,
ieder die vortheile und das vermeinte recht
der partheyen fuͤrzutragen, ihren clienten
aber insgeheim, vor den termin zur guͤte, mit
nachdruͤcklichen fuͤrſtellungen, die wahrheit zu
ſagen, und ſie zu praͤpariren.
H h 3§. 18.
[486]von Juridiſchen reden
§. 18. Reden ſie mit inquiſiten, welches
mehrentheils in beyſeyn des richters oder a-
ctuarii geſchicht, ſo ſind ſie zwar nicht verbun-
den, ihn zum geſtaͤndniß zu uͤberreden, doch
auch nicht befugt, ihn zu verſtocken, und alſo
wahrheiten zu unterdrucken, miſſethaten zu
vertuſchen, ſondern nur ihm den zuſtand ſei-
ner ſache aufrichtig zu eroͤfnen, und ihn um
die media \& momenta defenſionis umſtaͤnd-
lich zu befragen.
§. 19. Jhre vornehmſte arbeit iſt das ein-
bringen, dadurch ſie ihre rechte gegen einan-
der ſetzen, dem ſchreiber dictiren, und dem
richter uͤberlaſſen zum ausſpruch. Solches
muß kurtz und deutlich mit ſattſamer anfuͤh-
rung der umſtaͤnde und ausfuͤhrung ihrer ge-
rechtſame, ohne zaͤnckerey und ſatyriſche
ſchreib-art geſchehen. Denn hier ſind die
ſpitzigen federn, piquanten worte und derglei-
chen, nur kennzeichen der noch wallenden hitze
der jugend, und daß man mit dem erſten
ſchwerdte fechte. Mit denen provocationi-
bus wird der anfang gemacht, da ſie ihr fuͤr-
bringen, woruͤber termin ausgebracht, wie-
derholen, und gegentheilen zu dem, wozu er
citiret, auffodern. Gegentheil antwortet
auf die momenta und worte der klage, von
punct zu punct, kurtz, entweder quoad facta
propria, mit affirmat, oder negat, und quoad
facta aliena mit neſcit, oder wie er will. Hin-
ten haͤngt er ſeine ausfluͤchte und exceptio-
nes
[487]und ſchriften.
nes an, weil es nicht erlaubt ſolche mitten
einzuſtreuen. Will beklagter litem affirma-
tive conteſtiren, und klaͤgern ſeine ſaͤmtliche
exceptiones ins gewiſſen ſchieben, werden ſie
per ſpeciem facti kurtz, deutlich und buͤndig
eingebracht, einlaſſung hierauf gefodert, und
die eydes-delation angehaͤngt. Leuterungs-
proſecutionen und appellations-iuſtificationen
ſind hieher zu rechnen, geſchehen ſo wohl quoad
formalia, da man deduciret, wie man fatalia,
inſchriften und dergleichen beobachtet, als auch
quoad materialia, durch richtiger und deut-
licher anfuͤhrung der gravaminum und mo-
mentorum cauſſae.
§. 20. Wenn ſie zeugen produciren, wer-
den ſolche dem richter zur vereydung und ver-
nehmung dargeſtellet, und zwar abſentes
tanquam praeſentes, damit nicht die deſertion
des zeugen zu befuͤrchten.
§. 21. Jn ſchwerungs-terminen ſtellet der
advocat den juraturum zum eyde dar, und bit-
tet kuͤrtzlich, ihn zu admittiren. Dabey er
dem richter, und auch wohl dem geiſtlichen,
wann ſie bey ihren admonitionen excediren,
einhalt thun kan. Haben die partheyen ſelbſt
bey dieſem allen zu reden, ſo geſchicht es alles
kurtz und deutlich, ohne einmiſchung vieler ne-
bendinge, und mit gehoͤrigem reſpect, fuͤr dem
richter, als welchem die hohe landes-herr-
ſchaft einen theil ihrer maieſtaͤt zu ſolchen ge-
richts-uͤbungen allergnaͤdigſt verliehen, und
ihn dabey ſchuͤtzet.
[488]von Juridiſchen reden
§. 22. Schriftliche reden der advocaten re-
commendiren ſich durch ihre kurtze deutlichkeit,
gruͤndlichkeit und buͤndige ſchluͤſſe, dahin gehoͤ-
ren contracte, oder in ſchriften verfaßte hand-
lungen, derer, die pacta unter ſich aufrichten,
damit durch ſolche, dieſe handlungen zur gnuͤ-
ge koͤnnen erwieſen werden. Alſo muͤſſen ſie
die in Rechten determinirten requiſita an ſich
haben, davon die Jurisprudentz regeln giebt,
ferner deutlich ohne zweydeutigkeit, und mit
ſattſamer bemerckung aller umſtaͤnde abge-
faſt werden.
§. 23. Es gehoͤren hieher klagen, welche
als der grundſtein des proceſſes deutlich, facti
ſpeciem, medium concludendi und petitio-
nem congruam an den richter, in ſich halten,
davon alle proceß-einleitungen nachricht ge-
ben. Ferner ſuppliquen, welche ebenfalls
ſtatum cauſſae praͤmittiren, momenta juris
loco connexionis, anfuͤhren, und mit dem
petito ſchlieſſen, bey welchen allen die formalia
billig zu beobachten, und der ſtilus Juridicus
und curiaͤ, auch was oben von briefen erin-
nert, zum theil mit zu obſerviren. Denun-
ciationes brauchen gleiche aufmerckſamkeit,
dabey ich nichts zu erinnern, als daß nur das
uͤberfluͤßige wegzulaſſen, welches mit derſelben
abſicht ſtreitet, und daß ſie ſich nicht auf ein ſa-
gen und wiederſagen und hoͤrenſagen gruͤnden.
§. 24. Delatio iuramenti ſtellet dem ge-
gentheil das gelaͤugnete factum zur eydlichen
eroͤf-
[489]und ſchriften.
eroͤfnung, relatio ſchiebet ſolches gegnern, in
ſo weit es zulaͤßig, zuruͤck. Beyde muͤſſen
deutlich determiniren, warum und in wie weit
ſie unternommen, nach beſchaffenheit der fa-
ctorum ſich richten, und die formalia richtig
beybehalten.
§. 25. Beweiſen, beſcheinigen, beybrin-
gen geſchicht zur behauptung einer ſache, da
es denn ſchlecht um den advocaten ausſehen
wuͤrde, wann er den unterſchied der beweiß
gruͤnde nnd die kraft zu ſchlieſſen aus der Lo-
gick und Oratorie nicht wuͤſte. Bey den zeug-
niß-artickeln und interrogatoriis kan, was
oben §. 10. und 11. etwan angefuͤhret, mu-
tatis mutandis hier wieder appliciret werden
§. 26. Bey den product-weiſe rechtlichen
verfahren, werden die gegen einander gehal-
tenen gruͤnde, in ſchriften, als ſalvations-ex-
ceptions-ſchriften, repliquen, dupliquen, tri-
pliquen, von neuen ordentlich wiederholet und
deduciret. Man kan hieher was oben §. 9.
gemeldet, wieder appliciren. Die momenta
Juris und formalia ſind in der Jurisprudentz
ſelbſt zu ſuchen, der ſtilus iſt Juriſtiſch, die
ordnung natuͤrlich, und gehet was im proceß
bereits fuͤrgefallen, von punct zu punct, kuͤrtz-
lich durch, dabey zwar die argumenta triftig,
aber nicht pathetica ſeyn duͤrffen.
§. 27. Leuterationes und appellationes ſu-
ſpendiren die urtheile und abſchiede von ihrer
rechts-kraft, erzehlen ſententiam grauantem,
H h 5die
[490]von Juridiſchen reden
die grauamina und die intention des leute-
ranten, oder appellanten, mit beobachtung
der formalien.
§. 28. Am allermeiſten zeiget ſich der ad-
vocat als einen guten redner in defenſionibus,
da er nicht die wahrheit unterdruͤcken, ſondern
entweder die unſchuld eines inquiſiten, oder
wenigſtens, daß er durch die beygebrachten
dinge, nach den rechten, noch nicht zu verdam-
men, zeigen ſoll. Da beſchreibt er ſpeciem
facti unter der hand nach ſeinen abſichten,
das corpus delicti, die gravirenden zeugen-
auſſagen, momenta defenſionis, vitam ante-
actam, unzulaͤnglichkeit der indiciorum und
grauantium, macht die zeugen ſuſpect, und
ſtellet ihnen defenſional-zeugen entgegen, oh-
ne bibliſche ſpruͤche, exclamiren, lerm-blaſen,
und vieles allegiren, ſondern vielmehr durch
gute ordnung, deutlichen ausdruck und ſcharf-
fe gruͤnde, welche von der erfahrung ihres er-
finders in der Logick, ins beſondere der wahr-
ſcheinlichkeit, und der Oratorie zeugen.
§. 29. Endlich iſt auch von fragen zu in-
format-urtheilen und acten extrahiren zu ge-
dencken. Jene faſſen eine ſpeciem facti, dar-
uͤber angeſtellte frage, und bitte um einen
Rechts-ſpruch, kurtz, deutlich, ordentlich im
Hiſtoriſchen und Juridiſchen ſtilo auch wohl
unter erdichteten nahmen in ſich. Dieſes rich-
tet ſich nach der abſicht des excerpirenden, ſetzt
kurtz die haupt-momenta der ſache auf, und
druͤckt
[491]und ſchriften.
druͤckt den ſinn der ſchriften aus. Und hie-
mit mag auch dieſe abhandlung beſchloſſen
ſeyn, da verhoffentlich, der nutzen der Ora-
torie, in dergleichen reden, zur gnuͤge daraus
erhellet. Doch muß man ſich unter der Ora-
torie, keine figuren-kraͤmerey und waͤſcherey
einbilden, noch ingenioͤſe und ſatyriſche re-
dens-arten, denn dergleichen iſt hier ſorgfaͤl-
tig zu vermeiden.
Das fuͤnfte capitel,
von Theologiſchen oder geiſtlichen
reden.
VOn geiſtlichen reden und predigten, §. 1. Was
dazu erfodert werde, §. 2. Von dabey fuͤrfal-
lenden fehlern, §. 3. Von dem text, §. 4. Von der
propoſition, §. 5. Von der tractation, §. 6. Von
dem exordio, §. 7. Und der concluſion, §. 8. Von
der invention, elocution, diſpoſition, und ausarbei-
tung, §. 9. Von andern geiſtlichen reden, §. 10.
§. 1.
JCh gehe nun fort zu den geiſtlichen oder
Theologiſchen reden, bey welchen ich
ebenfalls, nur denen unerfahrnen, ei-
nige Oratoriſche anmerckungen mittheilen
will. Geiſtliche oder Theologiſche reden nenne
ich alle diejenigen reden, welche auf die heil.
ſchrift, und die lehr-ſaͤtze der Theologorum
nach
[492]von Theologiſchen
nach iener gebauet ſind, und einen daraus
einzurichtenden caſum praͤſupponiren. Die
fuͤrnehmſten hierunter ſind die predigten, wel-
che man beſchreibet als geiſtliche reden, die an
ein gemiſchtes auditorium gerichtet werden,
ſelbigem den inhalt des goͤttlichen wortes,
betreffend die pflichten des zuhoͤrers, nach den
regeln des chriſtenthums, fuͤrzutragen, zu er-
klaͤren, und ſie zur ewigen ſeeligkeit daraus zu
erbauen.
§. 2. Wo iemand als ein redner mittel in
haͤnden hat, nachdruͤcklich ſeinen zuhoͤrern an
das hertz zu greifen, ſo hat ſie ein prediger;
denn er traͤgt ein wort fuͤr, das felſen zerſchmeiſ-
ſet, ſeel und geiſt durchſchneidet, die verheiſ-
ſung hat nicht leer wieder zu kommen, und
ſeine perſon iſt durch privilegia, ſo ihm GOtt,
der Landes-HErr und die opinion der leute
beygeleget, in die bequemſten umſtaͤnde geſe-
tzet, ſein amt recht zu fuͤhren, und ſeinen end-
zweck zu erhalten. Es wuͤrde alſo eine ſchan-
de ſeyn, wann er ſeines orts nichts hiezu bey-
tragen wollte, durch gebet, erkaͤnntniß der h.
ſchrift und ihres verſtandes, erkaͤntniß der
glaubens- und lebens-lehren des chꝛiſtenthums,
gruͤndliche einſicht in die Logick und Moral,
und vollkommene wiſſenſchaft der grund-re-
geln einer vernuͤnftigen beredſamkeit.
- Jch will ietzo nach meiner wenigen einſicht kurtz
meine gedancken nur denen lehrlingen eroͤf-
nen,
[493]oder geiſtlichen reden.
nen, und zwar mit meinen eignen worten,
ſonſt koͤnte ich leicht Chryſoſtomum, Augu-
ſtinum, Ambroſium, Petrum Chryſologum,
Maximos, Leonem M. Bernbardum, Calo-
vium, Loͤſchern, Calixtum, Hornium, Carp-
zovios, Olearium, Zeidlerum, Goͤbelium,
Baͤyerum, Goͤtzen, Rivinum, Schmidios,
Hyperium, Gauſenium, Perizonium, Secken-
dorffen, Grabium, Berneckern, Breckelſen,
Guͤnthern, Maͤyern, Crocium, Dannhauern,
Huͤlſemannen, Koͤnigen, Pfeiffern, und un-
zehlige andere anfuͤhren. Ja was wuͤrd ich
nicht fuͤr einen apparatum von homilien, ho-
miletiſchen buͤchern, poſtillen und dergleichen
beybringen koͤnnen?
§. 3. Hieraus ſiehet man leicht wie uͤbel es
mit denienigen beſchaffen, welche ſich zu fruͤh
aufs predigen legen, und dieſes ihr hauptwerck
ſeyn laſſen; welche weder natur und gnade,
nach die pflichten eines menſchen, buͤrgers und
Chriſten aus einander zuſetzen wiſſen; welche
nur ihre memorie fuͤllen, unnoͤthige ſchaͤtze von
diſpoſitionibus, concordantzen, collegiis, und
predigen ſamlen und poſtillen-reuter werden;
welche es nur aufs ſpielende ingenium ankom-
men laſſen; welche bloß theoretiſch predigen
und nur erklaͤrungen fuͤr den verſtand, keine
bewegungen fuͤr den willen anbringen; wꝛlche
nur den willen hingegen beſſern wollen ohne
den verſtand zu unterrichten; welche gar zu
wenig affect zeigen und mit groſſer kaltſinnig-
keit alles obenhin tractiren; welche gar zu hef-
tige
[494]von Theologiſchen
tige affecten, ohne alle modeſtie und modera-
tion blicken laſſen; welche meinen mit einer
profanen wiſſenſchaft und ſchwuͤlſtigen neuer-
lichen geiſt gotteswort gleichſam bey den haa-
ren uͤber ihre eitle leiſten abzupaſſen; welche
im gegentheil ihre grobe unwiſſenheit mit dem
heiligen mantel der ſcheinheiligkeit bedecken
und alle natuͤrliche mittel, deren ſich doch Gott
und die propheten und apoſtel ſelbſt fuͤrtreflich
zu bedienen gewuſt, mit einem paͤbſtiſchen
hochmuth unter die fuͤſſe treten und verbannen
a) ꝛc. Daß ich von den fehlern der zuhoͤrer
nichts gedencke.b)
§. 4. Die predigten haben dieſes beſonders
an ſich, daß ſie eine geiſtliche rede aus der h.
ſchrift
[496]von Theologiſchen
ſchrift zum grunde legen, welche man den text
nennet, und die entweder zum unterricht oder
beſſerung des auditorii dienet. Dieſen muß
der geiſtliche redner fuͤr ſich, nach der Gram-
matick, Logick und Oratorie zu reſolviren wiſ-
ſen, zur erſten muß er den grund-text, die verſi-
onen, die commentarios, wo es noͤthig und
nuͤtzlich, zuhuͤlfe nehmen, zur andern muß ihm
die Logick, nach der hermeneutiſchen probabili-
taͤt, die Theologia exegetica, analogia fidei,
Theologia dogmatica und moralis, den rech-
ten ſinn zu ergruͤnden behuͤlflich ſeyn, zur letz-
ten wird ihm die Oratorie, den ausdruck recht
zu unterſuchen, helfen.
- Die unterſchiedene benennung des textes und an-
dere termini, damit die Theologia Homiletica
angefuͤllet, ſind hier anzufuͤhren unnoͤthig.
§. 5. Nach dieſer arbeit iſt das erſte, daß
man den grundſtein zum gantzen gebaͤude einer
predigtlege, und ſolches geſchicht in erwehlung
eines thematis oder der propoſition, dabey
man alles was von erfindung der thematum
oben geſagt worden, hier wieder anwenden kan.
Uberhaupt ſind die themata hier ebenfalls ent-
weder naturalia oder artificialia, iene ſind ein
kurtzer inhalt des textes oder des ſtuͤcks aus dem
text, darauf man ſeine predigt bauet, dieſe aber
allerhand meditationes im Logicaliſchen ver-
ſtande, welche man bey einem text anſtellet,
und in eine propoſition faſſet, bey ienen reſol-
viret man den text und gehet von principiis zum
ſchluͤſ-
[497]oder geiſtlichen reden.
ſchluͤſſen, bey dieſen faͤngt man an von dem
ſchluͤſſen und geht auf die principia zuruͤck, in
beyden thut die Logick de meditatione ſynthe-
tica \& analytica gute dienſte.
- Man hat ſonſt viel prediger-methoden als: para-
phraſticam articulatam \& inarticulatam, paralleli-
ſticam, poriſmaticam, quaeſtionalem, prouerbia-
lem, aſceteticam, allegoricam, ſymbolicam, em-
blematicam, ſchematicam, ſyntheticam, didaſca-
licam, elenchticam, paedeuticam, epanorthoti-
cam, conſolatoriam, arbitrariam, analyticam, \&c.
es hat auch wohl iede univerſitaͤt ihre methode-
Doch ich erinnere mich daß der ſeel. herr D. Guͤn-
ther ein treflicher Homilete und prediger in Leip-
zig, bey dergleichen ſagte: wer einen guten cul-
tivirten verſtand habe, wiſſe dieſes ohne nah-
men von ſelbſt.
§. 6. Auf die propoſition folgt die einthei-
lung, welche nach den regeln einer guten diviſi-
on einzurichten, daß ſie die fuͤrnehmſten mo-
menta, ſo man abzuhandeln gedencket, anzeige.
Die abhandlung ſelbſt, beweiſt, erklaͤrt, die
vorhabende ſache und wendet ſie zum nutzen des
auditorii an, nach denen dabey fuͤrfallenden
umſtaͤnden. Alſo erklaͤret ſie den text und die
darausgezogene propoſition, und ſuchet da-
raus den zuhoͤrer entweder am verſtande oder
willen zu beſſen. Jenen zwar durch bewei-
ſung der rechten lehre, und wiederlegung der ir-
thuͤmer und vorurtheile, dieſen aber durch ver-
mahnung zum guten und warnung fuͤr boͤſen,
dazu noch der troſt gezogen wird.a) Durchge-
hends werden die noͤthigen argumenta, nach
J ibe-
[498]von Theologiſchen
beſch affenheit des textes beygebracht, und es
koͤnnen auch hier die oben gegebene lehren von
argumentis nutzen.
§. 7. Die gantze predigt bekommt ein exor-
dium generale, welches mit denen exordiis an-
derer reden gleiche abſicht, und einrichtung hat,
alſo wird es kurtz und mit argumentis concili-
antibus fuͤrgetragen, ohne weitlaͤuftiges exege-
geſiren. Etliche haben auch ein exordium ſpe-
ciale und ſpecialißimum, da denn das generale
eine praͤparation zum text, das ſpeciale zur pro-
poſition, und das ſpecialißimum zur tractation
iſt. Man kan auch hier, was oben vom exor-
dio gedacht, anbringen.
§. 8. Die concluſion hat hier eben den end-
zweck, den ſie anderwerts hat bey andern
reden, beſteht alſo in einer wiederholung, bitte,
wunſch, gebet, pruͤfung und und andern practi-
ſchen argumentis, welche aus dem text und
deſſen abhandlung flieſſen.
§. 9. Bey allen predigten iſt in der erfin-
dung der text das erſte, aus dieſem die propoſi-
tio, hieraus die partitio, und tractatio, zu die-
ſer die argumenta probantia, illuſtrantia, und
pathetica, welche letztern aus der h. ſchrifft
genommen werden, und aus dieſen argumen-
tis beſtehn auch das exordium und concluſio.
Der ausdruck iſt Theologiſch, wo es noͤthig
pat-
[499]oder geiſtlichen reden.
pathetiſch auch wohl ſublimis, uͤberall nach
beſchaffenheit der meiſten zuhoͤrer des redners
und des textes, Oratoriſch und dem heiligen
vorhaben gemaͤß. Jn der diſpoſition und aus-
arbeitung folgt auf dem wunſch oder das ge-
bet und die anrede an das auditorium, das
exordium generale und deſſen verbindung mit
der propoſition, welches mit einem gebet be-
ſchloſſen wird. Hierauf folget der text, das
exordium ſpeciale, doch iſt dieſes nicht alle-
mahl noͤthig, weiter die propoſition a) und
partition und der wunſch oder ein gebet. Fer-
ner kommt die tractatio, nach den theilen der
partition, und denen fuͤr ſich aufgeſetzten ſub-
diuiſionibus, welcher auch wohl koͤnte ein ex-
ordium ſpecialißimum praͤmittiret werden.
Endlich die concluſion, das gebet und der
ſchluß, bey welchen allen, die Oratorie, das
exempel guter und beliebter prediger, und der
von ihnen eingefuͤhrte wohlſtand, zu rathe zu
ziehen, auch die zeit, ſo zu einer predigt geſetzt,
nicht zu uͤberſchreiten. Von dem vortrag ſelbſt
kan folgendes capitel nachgeleſen werden.
Luc. 7. v. 35.
- Exordium: Joh. 8. v. 46.
- Propoſitio:Die von ih[r]en kindern gerechtfertigte
weißheit.
[500]von Theologiſchen
- Partitio und tractatio zeigen:
- 1. Die weißheit,
- 2. Die kinder derſelben,
- 3. Die rechtfertigung derſelben.
- Concluſio: Repetitio und applicatio.
Exemplum thematis artificialis uͤber das Ev-
angelium Domin. Palmarum. Matthaei 21.
- Exordium: Joh. I. v. 29.
- Propofirio:Das zu ſeiner ſchlacht-hanck gehende
lamm GOttes. - Partitio und tractatio ſagen, wie es gehe:
- 1. willig und geduldig,
- 2. denen propheceyungen gemaͤß,
- 3. praͤchtig,
- Concluſio: Vermahnung: Philipp. 2. v. 5.
- Troſt: 2. Tim. 2. v. II. 12.
- Warnung: Sap. 5. v. 1. ſqq.
Exemplum thematis artificialis elaborati,
gehalten in Leipzig D. 14. p. Trinit. 1723.
GEbet und danckſagung ſind der Chriſten opfer,
wenn ſie fuͤr dem thron der goͤttlichen maie-
ſtaͤt erſcheinen, und an beyden erkennet man ſie
als geiſtliche prieſter fuͤr Gott ihrem himmliſchen
vater. Es verbindet ſie aber zu dieſer gedoppel-
ten heiligen bemuͤhung, der ausdruͤckliche befehl,
welchen der herr der herrſchaaren aus ſeinem hei-
lig-
[501]oder geiſtlichen reden.
ligthum durch den mund des pſalmiſten ſeines he-
roldes, an ſie ergehen laͤſſet, da es im 50 Pſalm
heiſſet: Ruffe mich an, in der zeit der noth,
ſo will ich dich erretten und du ſolſt mich
preiſen. Das menſchliche hertz wird alſo abge-
bildet, daß es nur mit einer ſpitzen ſich zur erden
ſencket, hingegen oben getheilet und mit zweyen
huͤgeln himmel an gerichtet iſt. Das hertz der
Chriſten eriũert ſich ſeiner geiſtlichen und leiblichen
noth, wann es ſich gegen die erde neiget. Allein
es iſt ein gedoppelter altar, auf welchen einerſeits
dem allerhoͤchſten helfer in aller noth im glauben
und hofnung angeflammte opfer des gebets ge-
bracht werden, auf der andern ſeite aber die er-
kaͤnntliche liebe ſchuldige danckopfer, dem herrn
zu einen ſuͤſſen geruch, anzuͤndet. Das irdiſche
leben iſt ein edles kleinod, welches uns die goͤttli-
che allmacht durch die leibliche geburt mitgethei-
let, aber es iſt billich einer roſe zu vergleichen, wie
dieſe mit lauter dornen, alſo iſt ienes mit angſt
und noth umgeben. Noth iſt verhanden, wenn
der wiederſacher des menſchlichen geſchlechts, der
fuͤrſt der finſterniß, umhergehet, und wie ein
bruͤllender loͤwe uns zu verſchlingen ſuchet. Noth
iſt verhanden, wenn die im argen liegende welt,
uns mit ihren veraͤchtlichen feſſeln, der augenluſt,
fleiſches-luſt und hoffaͤrtigen leben, mit ihren
banden der truͤbſal und verfolgung drohet. Noth
iſt verhanden, wann unſer eignes verderbtes ſuͤnd-
liches blut in unſern adern tobet, und das ver-
fuͤhreriſche fleiſch durch boßhafte neigungen, uns
J i 3der
[502]von Theologiſchen
der wut unſrer feinde verratheriſcher weiſe auf-
zuopfern gedencket. Solte da nicht noth verhan-
den ſeyn, wenn die regierungs-ſonnen ſich in blut
verwandeln, wenn an dem kirchen-himmel mond
und ſterne verdunckelt werden, wenn man die
pflichten eines ieden ſtandes, denen zerbrochenen
taffeln Moſis gleich macht und unter die fuͤſſe
tritt? Solte da nicht die zeit der noth verhan-
den ſeyn, wenn das brauſende meer des krieges,
unſere graͤntzen uͤberſchwemmet, wenn die ſich
aufthuͤrmende wellen der kranckheit, den abgrund
zum verderben eroͤffnen, wenn die waſſerwogen
der boͤſen rotte daher rauſchen, und unſere wege
beunruhigen? Wenn der heuchler und falſche
freund, ſich buͤckt, unſern fuͤſſen netze zu legen.
Und ſehet meine freunde, alles dieſes ſind dinge
welche ſo genau mit dem menſchlichen leben ver-
geſellſchaftet, daß uns immer eins nach den an-
dern erſchuͤttert und in eine furchterweckende be-
trachtung ſetzet. Wenn nun alle welt ſeufzet:
Mitten wir im leben ſind, mit dem todt um-
fangen, wen ſuchen wir der huͤlffe thu,
Daß wir guad erlangen? ſo gedencken
rechtſchaffene Chriſten an Gott und ſprechen:
Das thuſt du herr alleine. Wenn die gan-
tze welt aͤngſtiglich ſchreyet:
So antworten Chriſten: Zu dir, zu dir herr
Chriſt
[503]oder geiſtlichen reden.
Chriſt alleine. Er iſt der GOtt Jſraelis, wel-
cher ihnen ſelbſt den weg bahnet, und die huͤlff-
reiche hand bietet, wann er ſpricht: Ruffe mich
an, in der zeit der noth. Der nahme des Herrn
iſt ein feſtes ſchloß, der gerechte laͤuft dahin und
wird beſchirmet. Dahin laͤuft David, wenn er
ſpricht: Wenn mir angſt iſt, ſo ruffe ich den
Herrn an, und ſchreye zu meinen GOtt; ſo
erhoͤret er meine ſtimme von ſeinem heiligen tem-
pel, und mein geſchrey koͤmmt fuͤr ihm zu ſeinen
ohren. Zwar als dorten Jonaͤ ſchiff denen ſtuͤr-
menden wellen preiß gegeben war und ſeinen
ſchiffern zu einem grabe werden wolte, ſchrien
dieſe ein ieglicher zu ſeinem GOtt, und wenn
die menſchen in noth gerathen, ſo faͤllt ein iegli-
cher ſeinem GOtt, den er ihm ſelbſt gemacht zu
fuͤſſen. Einige verlaſſen ſich auf menſchen, und
halten fleiſch fuͤr ihren arm, andere machen ih-
re eigne klugheit zu ihrem abgott, andere beugen
ihre knie fuͤr den Baal des ehrgeitzes ſprechen
zum goldklumpen: du biſt mein troſt, oder opfern
ſich auch wohl ihren eignen luͤſten auf. Allein:
Kein vernuͤnftiger ſchifmann wirft den ancker
auf trieb-ſand aus, kein kluger baumeiſter gruͤn-
det ſein hauß auf einem falſchen boden, ſondern
J i 4viel-
[504]von Theologiſchen
vielmehr auf einen felſen. Alſo lauffen Chriſten
den herrn an, der iſt ihnen ein ſichrer hafen, ſie
gruͤnden ſich auf den felß und hort Jſraelis, ſo
werden ſie wohl bleiben. Sie heben ihre augen
auf zu den bergen, von welchen ihnen huͤlfe
kommt, und ſiehe ihre huͤlfe kommt von dem
Herrn, der himmel und erden gemacht hat. Sie
heben ihre augen auf zu dir, der du im himmel
ſitzeſt, ſiehe wie die augen der knechte auf die haͤn-
de ihrer herren ſehen, wie die augen der magd
auf die haͤnde ihrer frauen, alſo ſehen der Chriſten
glaubens-augen auf den Herrn unſern Gott, und
der Herr der nahe iſt allen die ihn anruffen, allen
die ihn mit ernſt anruffen, der thut was die gotts-
fuͤrchtigen begehren, und hoͤret ihr ſchreyen,
und hilfet ihnen. Denn der iſts, der nicht al-
lein geſprochen: Ruffe mich an, in der zeit der
noth, ſondern der auch hinzu geſetzt: So will
ich dich erretten. So ſehen ſich dann recht-
ſchaffene Chriſten, wieder die anlaͤuffe der feinde,
mit dem ſchilde der goͤttlichen allmacht bedecket.
So koͤnnen ſie unter den ſchatten und fluͤgeln des
hoͤchſten ſicher wohnen. Er wird ihre huͤlfe in
der noth, ihr artzt in kranckheit, ihr leben im
tode, ihr labſal in truͤbſal, ihre ſtaͤrcke, in ſchwach-
heit, ihr reichthum in armuth, ihre ſonne im
ungewitter, und wenn es blitzt und donnert, ſo
blitzt und donnert es unter ihren fuͤſſen, ſie aber
ſtehen auf den bergen Jſraelis und ihnen ſchei-
net die goͤttliche gluͤcks und gnaden-ſonne. So er-
[i]nnern ſie ſich dann der worte Davids: es iſt ein koͤſt-
lich
[505]oder geiſtlichen reden.
lich ding dem Herrn dancken, und deinem nahmen
lobſingen du hoͤchſter; und haben ſie anfaͤnglich
dem befehl der goͤttlichen barmhertzigkeit ein ge-
nuͤge geleiſtet, und ihn angeruffen in der zeit der
noth, ſo veraͤndert ſich ihr gebet endlich in ein
ſchuldiges danckopfer und ſie preiſen ihren er-
retter. Da heiſt es nachgehends: Dancket dem
herrn, denn er iſt ſehr freundlich, und ſeine guͤte
waͤhret ewiglich. Preiſet Jerufalem den Herrn
lobe Zion deinen Gott. Herr wer iſt die gleich un-
ter den goͤttern? wer iſt dir gleich? der ſo maͤch-
tig, heilig, ſchrecklich, loͤblich und wunderthaͤtig
ſey. Heilig heilig heilig iſt unſer Gott der herre
zebaoth alle lande ſind ſeiner ehren voll. Alleluja.
Jch zweifle nicht, meine freunde, es werden auch
unſre hertzen, nach dem befehl des hoͤchſten, in
heiliger andacht entzuͤndet werden, unſerm Gott
die ſchuldigen opfer des gebets und des danckes in
ſeinem heiligthum zu bringen. Und da nach ei-
nem vollkommenen muſter, durch die nachah-
mung, ein vollkommenes gegenbild kan verferti-
get werden, ſo oͤffnet ſich in unſerm Evangelio
ein ſchauplatz, auf welchen wir feurige beter und
inbruͤnſtige danckbarkeit vergeſellſchafet antref-
fen. Damit aber nicht unſere eigene blindheit,
als die hoͤchſte ſeelen-noth, uns an betrachtung
dieſer heylſamen exempel hindern moͤge, ſo erin-
nere mich billich bey dieſer gelegenheit, da meiner
ſeelen und allen die mich hoͤren, huͤlfe noth iſt,
deines befehls dreyeiniger GOtt. Jch ruffe
dich an, um den beyſtand deines guten geiſtes,
J i 5um
[506]von Theologiſchen
um deine gnade zum reden hoͤren und vollbrin-
gen. Jch ruffe dich an, in und mit dieſer ge-
meine, im ungezweiffelten vertrauen, auf das
verdienſt Chriſti, in dem gebet, welches er uns
ſelbſt gelehret, zu erhoͤren verheiſſen hat, und
[...]nge zuvor:
Textus Luc. 17. v. II. 19.
Und man ſahe an ihnen die zungen zerthei-
let als waͤren ſie feurig. So redet der Ev-
angeliſt Lucas im 2 ſeiner Apoſtelgeſchicht von
denen apoſteln, wenn er die ſichtbahre ausgieſ-
ſung des h. Geiſtes ausfuͤhrlich beſchreibet, und
ſetzet dadurch alle die es hoͤren und leſen in eine
heilige verwunderung. Jch will mich ietzo nicht
einlaſſen, die geheimniß-volle eigenſchaft, der da-
mahls erſt mit dem h. Geiſt ausgeruͤſteten
Apoſtel, weitlaͤufftig zu entdecken. Vielmehr
ruffe ich dabey aus mit den Apoſtel Paulo: O
welch eine tieffe des reichthums, beyde der weiß-
heit und der erkaͤnntniß Gottes, wie gar unbe-
greiflich ſind ſeine gerichte und unerforſchlich ſei-
ne wege. Wenn ich aber betrachte, daß alle
rechtſchaffene Chriſten Gott gebet und danck im
bruͤnſtigen eyfer zu opfern ſchuldig ſind, ſo er-
blicke ich uͤberall und insbeſondere bey gelegen-
heit des angehoͤrten evangelii
‘Zertheilte und feurige zungen der glaͤu-
bigen’ ()
Denn da ſehe ich, wie der erſte theil:
‘Feurig betet’ ()
Der
[507]oder geiſtlichen reden.
Der andere: Jnbruͤnſtig dancket, und dabey
ſeuftze ich:
Daß ich mir die zungen der glaͤubigen als zerthei-
let und feurig fuͤrſtelle, und zwar wie ſie eines
theils feurig beten, dazu bieten mir die im Ev-
angelio auftretende auſſaͤtzige, ſichere gelegenheit.
Sie ſind elende leute, ſie erkennen ihr elend, ſie
ſuchen rath und huͤlfe, und da bricht die angſt
ihres hertzens, in lichte flammen aus, wenn ſie
ruffen: JEſu liebſter meiſter erbarme dich un-
ſer. Endlich wird auch ihr gebet durch eine
wunderthaͤtige errettung verſiegelt. Elende leu-
te ſind ſie, denn ſie ſind auſſaͤtzig, und in der elen-
deſten beſchaffenheit. Der auſſatz iſt eine, denen
morgenlaͤndern bekannte, unheilbare, abſcheuli-
che kranckheit. Wen dieſes gift entzuͤndet, der
wurde ſo fort gleichſam unter die todten verban-
net, und aus aller menſchlichen geſellſchaft aus-
geſchloſſen. Das geſetz, als ein ſtrenger zucht-
meiſter, legte ihm bey ſeinem ungluͤckſeeligen zu-
ſtande, ſo viel unertraͤgliche buͤrden auf, da-
runter auch wohl ein ſtarcker geſunder haͤtte zu
boden ſincken moͤgen. Bey dieſen allen ſaht
man den auſſatz an, als eine derienigen ſtraffen,
womit
[508]von Theologiſchen
womit dir raͤchende hand des gerechten richters,
die freventlichen uͤbertreter des geſetzes, als zum
exempel: Miriam, Vſiam, und andere zu
ſchlagen pflegte. So daß die mit dem auſſatz
behaftete urſache fanden, zu ſeuftzen: Herr es
iſt nichts geſundes an meinem leibe fuͤr deinen
draͤuen, und iſt kein friede in meinen gebeinen fuͤr
meiner ſuͤnde. Denn meine ſuͤnde gehen uͤber
mein haupt, wie eine ſchwere laſt ſind ſie mir zu
ſchwer worden. Meine wunden ſtincken und ei-
tern fuͤr meiner thorheit. Meine lieben freun-
de ſtehen gegen mir und ſcheuen meine plage, und
meine naͤchſten treten ferne. Urtheilet nun
ſelbſt, meine freunde, ob dieſe auſſaͤtzige nicht mit
rechte elende leute zu nennen? Jedoch ſie erken-
nen ſelbſt ihr elend, denn ſie ſtehen von ferne.
Was fuͤr eine hertzens angſt mag nicht in ihrer
ſeelen geweſen ſeyn, wann ſie ſich als ein ſcheu-
ſaal der welt, ihrer aͤuſſerlichen kranckheit wegen,
nicht unterſtehen duͤrffen iemand unter die augen
zu treten? was fuͤr brennende regungen moͤgen
ſie nicht empfunden haben, wenn ſie ſich ihrer
geiſtlichen unreinigkeit, als bloß und entdecket fuͤr
den augen Gottes, als ein greuel fuͤr den augen
der heiligſten maieſtaͤt erinnert. Jch meine ia,
daß ſie urſach gehabt, von ferne zu ſtehen, wie
der zoͤllner, und ihre augen nicht aufzuheben gen
himmel, ſondern an ihre bruſt zu ſchlagen, und
zu ſeufzen: GOtt ſey uns armen ſuͤndern gnaͤdig.
Allein ihre erkaͤnntniß iſt eine heylſame erkaͤnnt-
niß, denn ſie fuͤhret ihre fuͤſſe auf den himmels-
weg,
[509]oder geiſtlichen reden.
weg, zu dem herrn den artzt Jſraelis, ſie wird
ihnen zu einer feuer-ſeule in der nacht, und zu ei-
nem weg-weiſer in der wuͤſten. Denn ſie begeg-
nen Chriſto, ſie heben ihre ſtimme auf und ſchrey-
en: JEſu liebſter meiſter erbarme dich unſer!
Koͤnten ſie auch wohl einen beſſern meiſter zu helf-
fen aufgeſucht haben, und koͤnten ſie ein vollkom-
mener brandopfer, als dieſes feurige gebet, JE-
ſu angezuͤndet haben: JEſu lieber meiſter er-
barme dich unſer. Sie ſetzen alle ihre kraͤfte zu-
ſammen, und concentriren die kraft aller gebete
in wenig worte, welche hingegen als ein blitz,
durch glauben und andacht entzuͤndet, in das
hertz JEſu eindringen. Jeſu ſagen ſie, und er-
inneren damit gleich anfangs, den in die welt ge-
kommenen Meßiam, daß er ein ſeeligmacher der
menſchen, aber auch ihr ſeeligmacher ſey. Unſer
hertz haͤlt dir fuͤr dein wort, ihr ſolt mein antlitz
ſuchen, darum ſuchen wir auch herr dein antlitz,
und ruffen: JEſu lieber meiſter. Hiebey legen
ſie zugleich ihr bekaͤnntniß ab, und nennen JE-
ſum ihren herrn und meiſter. Sie entſagen hie-
mit aller andern herrſchaft, reiſſen ſich loß von
dem ioch der ſuͤnden und des ſatans und werfen
ſich zu den fuͤſſen des Herren aller Herren, des
meiſters zu helfen, des rechten beyſtehers. Die-
ſen nehmen ſie an, als den verheiſſenen heyland,
und ſchreyen: erbarme dich unſer. Wir ſind elend
und iaͤmmerlich, du aber biſt der hoheprieſter,
der da ſoll ein mitleiden haben, mit unſrer ſchwach-
heit. Nun dann da wir dich anruffen in der
noth,
[510]von Theologiſchen
noth, und du verheiſſen haſt uns zu erretten, ſo
erbarme dich unſer, laß unſer gebet fuͤr dir tuͤgen
wie ein rauchopfer, heile, errette, hilf uns, laß
dein hertz gegen uns brechen und erbarme dich
unſer. JEſu lieber meiſter erbarme dich unſer.
Wie ſolte denn der das ohr gemacht hat, nicht der
elenden feuriges und glaͤubiges gebet hoͤren? O
ia er hoͤrets, er ſchauet auf ihr elend, daß er ih-
re ſeele errette vom tode und bey ihm iſt hoͤren,
ſehen, und helfen ſo fort auf eine goͤttliche und
wunderthaͤtige art mit einander verknuͤpfet: Ge-
het hin, heiſt es, und zeiget euch den prieſtern,
damit dem geſetz meines vaters ein gnuͤge geſche-
he, und da ſie hingiengen wurden ſie rein. Sind
das nicht feurige zungen die dieſes gebet ausge-
ſprochen: JEſu lieber meiſter erbarme dich un-
ſer. Und hoͤret meine freunde, eben dieſes iſt
die ſprache der glaͤubigen, eben dieſes iſt das ge-
bet, welches ſie mit einer feurigen zunge fuͤr Gott
bringen Glaͤubige kinder Gottes haben auch
ihre noth, welche ihnen innerlich und aͤuſſerlich
den weg zum leben, mit diſteln und dornen be-
ſaͤet. Zwar ſpricht ein aufgeblaſener ſchriftge-
lehrter, ein in ſeinen luͤſten erſoffenes welt-kind,
was fehlet mir noch? Aber Chriſten ſeuftzen:
Mir mangelt zwar ſehr viel, doch was ich ha-
ben will, iſt alles mir zu gute erlangt mit Chri-
ſti blute, dadurch ich uͤberwinde, todt teuffel
hoͤll und ſuͤnde. Die kirche Chriſti iſt ein ſchiff,
welches die gewalt der wellen hin und her wirft,
und in den abgrund zu reiſſen ſich bemuͤhet, ſolten
denn
[511]oder geiſtlichen reden.
denn Chriſti Juͤnger nicht ſchreyen: Herr hilf
uns wir verderben. Chriſten ſind die heiligen
und geliebten Gottes, aber auch unter ſeinen hei-
ligen iſt keiner ohne tadel, ſie muͤſſen leider mit
Paulo klagen, ich weiß, daß in mir, daß iſt in
meinem fleiſche, wohnet nichts gutes, wollen ha-
be ich wohl aber vollbringen das gute finde ich
nicht. Und ein mann, deſſen gleichen JEſus in
gantz Jſrael nicht funden an glauben, muß ſa-
gen: Herr ich bin nicht werth, daß du unter mein
dach geheſt. Endlich ſo iſt leibliche noth creutz
und ungluͤck der Chriſten taͤglicher gefaͤhrte.
Wenn aber andere, durch den ſchlaf der ſicherheit,
unter die todten zu rechnen, wenn ſie verblendet
ſind durch finſterniß und blindheit ihres hertzens.
die in ihnen iſt, wenn ſie in der ſatans ſchule ſo
fuͤhl-loß gemacht, daß ſie ihr elend nicht empfin-
den, ſo fuͤhlen glaͤubige Chriſten ſich ſelbſt und
ſorgen fuͤr ihre ſeele. Wenn ſie nun ihre leibes
und ſeelen noth fuͤhlen, ſo gehen ſie nicht mit
den boten des Koͤnigs Ahaſiaͤ, und fragen Baal-
Sebub den gott zu Ekron, ob ſie von ihrer
kranckheit geneſen koͤnnen, ſondern ſie treten in
die geſeegneten fußſtapfen Davids, Hißkiaͤ, Hi-
obs, ia der auſſaͤtzigen. Denn da dieſe elende
rieffen, da hoͤrete der Herr und half ihnen aus
aller noth. So erheben ſie denn ihre ſtimme im
eyfrigem gebet, in brennender andacht, mit feuri-
ger zunge: JEſu lieber meiſter erbarme dich
unſer. Wir ſchreyen mit unſerer ſtimme zu
GOtt, zu GOtt ſchreyen wir und er erhoͤretuns.
Jn
[512]von Theologiſchen
Jn der zeit der noth ſuchen wir den Herrn, un-
ſere hand iſt des nachts ausgereckt und laͤſt
nicht ab, denn unſere ſeele will ſich nicht troͤſten
laſſen, als nur durch dich, der du der eintzige mitt-
ler und fuͤrſprecher biſt:
Dabey ergreiffet der glaube das verdienſt ſeines
heylandes, die liebe ſtellet alles in der gottheit
allerheiligſten wohlgefallen, denn Gott erhoͤret
das glaͤubige gebet allezeit, er hilft, aber er hilft
nicht wenn wir wollen, oder auf eine ſolche art,
wie wir wollen, ſondern nach ſeinem unerforſch-
lichen rath. Die hofnung aber wartet der rechten
zeit, was Gottes wort zuſaget, und richtet das
bekuͤmmerte hertz mit goͤttlichen troſt auf, biß
ein ſo feuriges gebet das hertz des himmliſchen
vaters erweichet, und die huͤlffe aus Zion uͤber
Jſrael herfuͤrbricht. Nach dieſem laͤſſet ſich
auch gleichſam der glaͤubigen zertheilte und feuri-
ge zunge mit ihrem andern theil in bruͤnſti-
ger danckſagung hoͤren. Habe ich nun, meine
ſreunde, zehen auſſaͤtzige, als ein beyſpiel feuriger
beter angefuͤhret, aus unſerm evangelio, ſo muß
ich leider, nur einen eintzigen, als ein muſter
bruͤnſtiger danckbarkeit aus demſelben fuͤrſtellen.
Der nothleidenden beter iſt eine groſſe menge.
Denn Herr wenn truͤbſal da iſt, ſo ſuchet man dich,
und wenn du ſie zuͤchtigeſt, ſo ruffen ſie aͤngſtiglich.
Hinge-
[513]oder geiſtlichen reden.
Hingegen iſt die danckbarkeit eine der ſeltenſten
tugenden, und es verraͤth ſich auch hier die boß-
heit des menſchlichen hertzens, daß es ſich lieber
des boͤſen als des guten erinnert. Was wun-
der denn, daß von zehen auſſaͤtzigen nur einer
danckbarkeit ausuͤbet, da man bey der heutigen
welt unter tauſend kaum einen antrift, der dem
danckenden Samariter gleich komme. Jedoch
ie ſeltener ein kleinod, ie fuͤrtreflicher iſt es, und
die vollkommenheit desienigen muſters, welches
uns unſer Evangelium von einer danckbaren
zunge anffuͤhret, iſt ſo herrlich, daß wir dabey der
undanckbaren uͤbrigen fuͤglich vergeſſen und hin-
gegen den eintzigen danckbaren Samariter zur
nachfolge beybehalten koͤnnen. Dieſer ſiehet
und erkennet, daß er geſund worden, er kehret
um, faͤllt auf ſein angeſicht, zu den fuͤſſen JEſu,
preiſet GOtt und dancket ſeinem erloͤſer, welcher
auch dieſes danckopfer liebreich annimt. Jch weiß
meine freunde, ſeine erkaͤnntniß war eine lebhaf-
te uͤberzeugung, daß JEſus ſeyn lieber meiſter
ſich ſeiner erbarmet, da er ſich ploͤtzlich veriuͤnget
ſahe wie einen adler, und da er empfand, daß
eine heylſame aͤnderung an ſeinem leibe vorgegan-
gan war. Wieaber eine lebhafte uͤberzeugung,
und eine lebendige erkaͤnntniß, auch zugleich ei-
nen kraͤftigen eindruck in den willen verurſachet,
ſo folgen auch bey ihm dieſer erkannten wahrheit
gemaͤſſe thaten. Er kehret alſo um, und ſon-
dert ſich damit von denen undanckbaren gefaͤhr-
ten ab, er tritt nunmehro nicht von ferne, ſondern
K kfaͤllt
[514]von Theologiſchen
faͤllt JEſu zu fuͤſſen, und die feurige zunge wel-
che ſich zuvor mit einem eyfrigen beten und ſchrey-
en um huͤlfe hatte hoͤren laſſen, wird nunmehro
getheilet, dem helfenden JEſu, ein bruͤnſtiges
danckopfer zu bringen. Wundert euch nicht, mei-
ne freunde, daß uns der Evangeliſt zwar das ge-
bet der auſſaͤtzigen aufgezeichnet, hingegen die
worte mit welchen der danckbare Samariter die
groſſen thaten Gottes geprieſen, nicht aufge-
ſchrieben. GOtt verlanget zwar feurige und
ernſtliche gebete, aber weil unſere noth endlich und
zeitlich iſt, ſo ſind wir auch vermoͤgend mit kur-
tzen worten ſelbige dem groſſen GOtt fuͤrzutra-
gen. Allein die uns von der hoͤchſten goͤttlichen
Maieſtaͤt erzeigte gnade, iſt etwas unendliches
und ewiges, und das lob, welches wir dafuͤr ſchul-
dig ſind, waͤhret ſo lange wir leben, biß in die ſee-
lige ewigkeit, ohne aufhoͤren, in unzehlichen wor-
ten. Und wie ſolten wir geſchickt ſeyn die worte,
deren ſich der arme Samariter zum preiſe ſeines
leiblichen und geiſtlichen artztes bedienet, in un-
ſer gedaͤchtniß zu faſſen, da er vielleicht fuͤr in-
brunſt ſeines hertzens nicht worte genug, nicht
nachdruͤckliche worte genug finden koͤnnen, mit
welchen er die ihm erzeigte wohlthat haͤtte ausdruͤ-
cken koͤnnen. Denn wer kan die groſſen thaten des
Herrn ausreden und alle ſeine loͤbliche wercke prei-
ſen. Zudem ſo will der wohlthaͤtige GOtt, daß wir
vielmehr in der that und wahrheit, als mit bloſ-
ſen worten unſere danckbarkeit bezeugen ſollen.
Es iſt genug, er preiſete GOtt mit lauter ſtim-
me,
[515]oder geiſtlichen reden.
mel, denn der koͤnige und fuͤrſten geheimniſſe ſoll
man verſchweigen, aber gottes geheimniſſe und
wunderthaten ſoll man oͤffentlich ruͤhmen. JE-
ſus laͤſt ſich ſein lallen ſo angenehm ſeyn, daß er
ihm antwortet und ſpricht, ſind ihr nicht zehen
rein worden? wo ſind aber die neune? hat ſich
ſonſt keiner funden der umkehre und gebe GOtt
die ehre, denn dieſer frembdlinger? ſtehe auf,
gehe heim, dein glaube hat dir geholfen. Ja
du gluͤckſeeliger Samariter, dein glaube hat dir
geholfen, dein glaͤubiges und feuriges gebet hat
deinem JEſu das hertz geruͤhret, daß er dich wun-
derbarlich geheilet, dein glaͤubiges und inbruͤn-
ſtiges danckopfer, da du GOtt die ehre gegeben,
iſt die urſach, daß wir dich nicht als einen Sa-
mariter, nicht als einen frembdlinger, ſondern
als einen Chriſten, als ein muſter eines glaͤubi-
gen Chriſten anſehen. Denn eben die feurige
zunge, welche wir an dir erblicken in einem bruͤn-
ſtigen dancke, fuͤr die deiner ſeelen und deinem
leibe erzeigten wohlthaten, erblicken wir auch
an allen glaͤubigen kindern GOttes. Dieſe er-
kennen ebenfals, was GOtt an ihnen gethan,
wenn ſie mit Jacob ſprechen: Herr wir ſind zu ge-
ring aller barmhertzigkeit und aller treue, die du
an deinen knechten gethan haſt. Wie alle ihre
tugend aus dem glauben an Chriſtum kommet, ſo
entbrennet auch eben dieſe erkaͤntniß, aus einem
ſo heiligen feuer, und dieſe zuͤndet ferner GOtt
ein danckopfer nach dem andern in ihrem hertzen
an, ſie ſondern ſich auf ſolche weiſe ab von dem
K k 2undanck-
[516]von Theologoiſchen
undanckbahren haufen der welt-kiuder, ſie keh-
ren um von dem breiten wege, werfen ſich zu
JEſu fuͤſſen, und treten in ſeine fußſtapfen,
daß man von ihnen ſagen kan:
Und wie dem Jeſaia durch eine gluͤende kohle vom
altar, bey ſeinem groſſen geſichte die zunge geruͤh-
ret und geheiliget wurde, alſo wird auch ihre zunge
durch den h. Geiſt im glauben geruͤhret, entzuͤn-
det, und geheiliget, daß ſie dem HErrn, der uͤber
die Seraphinen ſitzet, ein dancklied nach dem an-
dern anſtimmen, daß ihre ſeele den HErrn erhebt
und ihr geiſt ſich freuet ihres heylandes. Biß ſie
in der ſeeligen ewigkeit, ihre lob-geſaͤnge mit dem
heilig, heilig, heilig, der Cherubim und Sera-
phim verſtaͤrcken, und alſo dem Hoͤchſten auf die
allervollkommenſte art danck opfern, und ihre ge-
luͤbde bezahlen. Nun, meine freunde, es iſt
der goͤttliche befehl: Ruffe mich an in der
zeit, ſo will ich dich erretten, und du ſolt
mich preiſen, und wir erblicken dieſem zu-
folge, an allen glaͤubigen, feurige und zer-
theilte zungen, welche eines theils feurig
beten, andern theils inbruͤnſtig dancken.
Gehoͤren wir nun unter die zahl dererienigen,
welche ihre luſt haben an dem geſetz des HErrn,
ſind wir glaͤubige Chriſten, maͤnner GOttes, ſo
ſprechen wir billig mit Elia: Es falle feuer vom
him-
[517]oder geiſtlichen reden.
himmel, und entzuͤnde die erkalteten hertzen, die
ſchweren zungen, welche ſich ſo ſchwerlich zum
gebet und lobe des Allerhoͤchſten bewegen, derer-
ienigen, welche aus einer geiſtlichen unempfind-
lichkeit, ihre noth nicht erkennen, und ſprechen:
Wir ſind reich und haben gar ſatt, und duͤrffen
nichts, und wiſſen nicht, daß ſie ſind elend iaͤm-
merlich blind und bloß. Der barmhertzige va-
ter locket uns, wie eine henne ihre kuͤchlein un-
ter ſeine fluͤgel, daß wir glaͤuben ſollen, er ſey
unſer rechter vater, und wir ſeine rechte kinder,
auf daß wir getroſt und mit rechter zuverſicht ihn
bitten ſollen, wie die lieben kinder ihren lieben
vater. Und dennoch ſind die menſchen ſo blind
und taub, daß ſie ſich nicht entſchlieſſen koͤnnen,
hinzuzutreten mit freudigkeit zu dem gnaden-
ſtuhl, auf daß ſie barmhertzigkeit erlangen, und
gnade finden, auf die zeit, da ihnen huͤlfe noth
ſeyn moͤchte. Wenn aber der zuchtmeiſter der
truͤbſal kommt, ſo erinnern ſie ſich der gnaden-
thuͤr, kommen und klopfen an, aber, da ſie ſo
lange nicht an GOtt gedacht, und jetzo nur mit
den lippen an ihn gedencken, und ſich zu ihm na-
hen, ſo bleibet ihnen die gnaden-thuͤre verſchloſ-
ſen, und es erſchallet die donner-ſtimme in ihren
ohren: Jch habe euch noch nie erkannt, weichet
alle von mir, ihr uͤbelthaͤter. Andere bewegen zwar
wohl ihre zunge zum gebete, aber das hertz iſt
nicht dabey, es iſt kein feuriges gebet, das in ei-
nem zerknirſchten bußfertigen hertzen durch den
rechten glauben angezuͤndet waͤre. Zuweilen
K k 3heiſt
[518]von Theologiſchen
heiſt uns die eingefuͤhrte gewohnheit ein gebet-
buch ergreiffen, und unſere aͤuſſere geſtalt ſchei-
net einem betenden nicht ungleich, aber das hertz
iſt mit ſo vielen ſchweren eitelkeiten umgeben, daß
es ſich zu GOtt nicht heben kan, oder wir legen
wohl mit dem ergriffenen gebet-buche alle regun-
gen der gottesfurcht zugleich von uns. Solte
da nicht der Hoͤchſte klagen: Dies volck nahet ſich
zu mir mit ſeinen lippen, aber ihr hertz iſt ferne
von mir, vergeblich dienen ſie mir, dieweil ſie
Lehren ſolche lehre, die nichts denn meuſchen-
gebote ſind. Nadab und Abihu bringen fremd
feuer fuͤr dem HErrn, aber das feuer fuhr aus
von dem HErrn, und verzehrete ſie. Was fuͤr
ein feuer-eyfer drohet nicht denenjenigen, welche
mit fremden gedancken fuͤr dem HErrn kom-
men, mit einem hertzen, das entfremdet iſt von
dem leben, das aus GOtt iſt, welche auf ein
fremdes verdienſt ſich gruͤnden, auch wohl auf
ihre ſelbſt-erwehlte heiligkeit trotzen, da doch nur
allein Chriſtus ſpricht, was ihr den Vater bitten
werdet in meinem nahmen, das wird er euch ge-
ben, und da die Chriſtliche kirche ſingt:
Wir
[519]oder geiſtlichen reden.
Wir wollen uns von dieſem ungluͤckſeeligen hauf-
fen abſondern, meine freunde, zu Chriſto kommen
und mit ſeinen iuͤngern ſeufzen: HErr, lehre uns
beten, verbinde hertz und zunge in heiliger andacht,
im wahren glauben auf dein verdienſt, damit wir
recht feurig beten moͤgen, damit wir ohne unterlaß
beten moͤgen, damit wir als tempel dir lebenslang
geheiliget, unſere hertzen als rechte altaͤre, dir ge-
faͤllige opfer des gebets bringen moͤgen. Bey
ſolchen umſtaͤnden werden wir der ſichern hof-
nung leben koͤnnen: Es werde unſer gebet ia, a-
men und erhoͤret ſeyn, und der HErr werde das
opfer unſerer lippen anſehen, wie das opfer des ge-
rechten Abels, und es von uns gnaͤdig annehmen.
Denn wir haben einen GOtt, der da hilft, und ei-
nen HErrn HErrn, der vom tode erloͤſet, von
dem alle gute gaben und alle vollkommene gaben
von oben herab kommen, der uns gute gaben, ia
den heiligen geiſt geben will, wann wir ihn dar-
um bitten. Auf ihn koͤnnen wir alſo durch das
gebeth in aller noth unſer anliegen werfen, und zu
ihm ſchreyen: Abba lieber vater, Kyrie eleiſon,
Chriſte eleiſon, JEſu, lieber meiſter, erbarme
dich unſer. Das gebet iſt der Chriſten geiſtli-
cher ancker und panacee, darum ruffet uns die
gemeine der glaͤubigen zu: Befiehl du deine
wege, und was dein hertze kraͤnckt, der allertreu-
ſten pflege, des, der den himmel lenckt, der wolcken,
luft und winden giebt wege, lauf und bahn, der
wird auch wege finden, da dein fuß gehen kan.
Dem HErren muſt du trauen, wann dirs ſoll
K k 4wohl-
[520]von Theologiſchen
wohlergehn, auf ſein werck muſt du ſchauen,
wann dein werck ſoll beſtehn, mit ſorgen und mit
graͤmen, und mit ſelbſt eigner pein, laͤſt GOtt
ihm gar nichts nehmen, es muß erbeten ſeyn. Ja
du helfer in aller angſt, und noth, du liebſter
Heyland JEſu Chriſte: So oft ich nur gedenck
an dich, all mein gemuͤth erfreuet ſich, wann
ich mein hofnung ſtell zu dir, ſo fuͤhl ich freud
und troſt in mir. Wann ich in noͤthen bet nnd
ſing, ſo wird mein hertz recht guter ding, dein
geiſt bezeugt das ſolches frey des ewgen lebens
vorſchmack ſey. Und wenn dort, HErr JEſu,
wird fuͤr deinem throne auf meinem haupte ſtehn
die ehren-krone, da will ich dir, wenn alles wird
wohl klingen, lob und danck ſingen. Moſes kla-
get zwar uͤber den undanck der halsſtarrigen kin-
der Jſrael, wenn er ſaget: Danckeſt du alſo dem
HErrn deinem GOtt, du toll und thoͤricht volck,
iſt er nicht dein vater und dein HErr, iſts nicht
er allein, der dich gemacht und bereitet hat? Aber
ob GOtt will, meine freunde, ſo ſoll uns dieſer
harte vorwurf nicht treffen, wir wollen vielmehr
unſere ſchuldige danck-opfer dem Hoͤchſten brin-
gen in der that und in der wahrheit. Jn der
that zwar, daß wir der dreyeinigen Maieſtaͤt uns
gantz und gar zu eigen widmen. Daß auch un-
ſer hertz in vollkommener liebe erbrenne gegen un-
ſern naͤchſten, daß wir barmhertzig ſind, gleichwie
unſer vater im himmel gegen uns barmhertzig iſt,
und daß wir unſern naͤchſten mit bruͤnſtiger liebe
umfaſſen, gleichwie JEſus Chriſtus uns geliebet
hat
[521]oder geiſtlichen reden.
hat bis in den todt, dabey wollen wir nicht auf-
hoͤren hier in dieſer zeit die groſſen thaten GOt-
tes zu verkuͤndigen, und zu preiſen mit bruͤnſtiger
zunge, was GOtt an uns gethan, biß wir in der
frohen ewigkeit mit allen heiligen und auser-
wehlten anſtimmen werden: Heilig iſt unſer
GOtt, heilig iſt unſer GOtt, heilig iſt unſer
GOtt, der HErre Zebaoth, alle lande, ia aller
himmel himmel ſind ſeiner ehre voll, Alleluja.
§. 10. Auſſer denen predigten kommen
geiſtliche reden fuͤr, bey introductionibus, or-
dinirungen, trauungen, taufena) im beicht-
ſtuhl,b) in den richter-ſtuben, bey admonitio-
nibus, c) mit delinquenten, d) im hauſe bey
krancken, betruͤbten und ſterbenden. ꝛc. Zu
welchen allen man keine beſondere regeln noͤ-
thig, da man theils aus den nahmen dieſer
reden gleich ſiehet, worauf es ankomme, theils
die ailgemeinen regeln der Oratorie dabey
hinlaͤnglich. Jm uͤbrigen hat ſich der geiſt-
liche redner, bey allen dieſem zu huͤten, daß
man ihn fuͤr keinen atheiſten, naturaliſten
und irrglaͤubigen frey-geiſt, oder ketzer halte,
aber auch nicht eines aberglaubens, heuchle-
riſchen papentzenden weſens, ignorantz und
grobheit beſchuldigen koͤnne.
P. P.
Die wunderbare freygebigkeit und mil-
digkeit des allerliebſten Heylandes JEſu
Chriſti, welche er nach dem inhalt des mor-
genden Evangelii an den leiblich hungrigen
erwieſen, erinnert auch meine hungrige ſeele
des brods des lebens, welches mir mein hey-
land im abendmahl fuͤrgeſetzet, und ich wer-
de begierig zuſehen und zu ſchmecken, wie
freundlich der HErr ſey. Zwar komme ich
gleich ienem verlohrnen ſohn, welcher ſeine
geiſtlichen guͤter in Adam verlohren, ſich her-
nach mit den traͤbern dieſer welt gefaͤttiget,
und ſein Laͤtare in den irrdiſchen luͤſten geſu-
chet, auch nunmehro aller kleider ſeine ſuͤnd-
liche bloͤſſe zu decken ſich beraubet ſiehet. Al-
lein ich ſeufze auch mit ienem verlohrnen ſohn:
Vater, ich habe geſuͤndiget im himmel und fuͤr
dir, ich bin fort nicht werth, daß ich dein kind
heiſſe: Jedoch ſiehe an das blut und verdienſt
deines gehorſamſten ſohnes, deſſen gehorſam
biß zum todt am creutz uns die ietzige zeit fuͤr-
haͤlt, ſiehe, wie auch ich mit ſeinem blute be-
ſprenget und abgewaſchen, und mit ſeiner ge-
rechtigkeit, die ich glaubens-voll ergreife, be-
klei-
[523]oder geiſtlichen reden.
kleidet. So zweiffele ich denn nicht, es wer-
de Mhhr. Paſtor auf ſolche meine bekaͤntniß
mich zu dem tiſch des HErren fuͤhren, und da-
mit ich daſelbſt wuͤrdig erſcheine, an GOttes
ſtatt von meinen ſuͤnden loßſprechen. Jch ge-
lobe Jhnen hiemit an, fuͤr GOttes angeſicht
mit des h. Geiſtes beyſtand JEſum hinfuͤhro
als meinen HErrn und Koͤnig zu erwehlen,
und deſſen befehlen in meinem kuͤnftigen leben
mich willig und ſchuldig zu unterwerffen. Am.
Anhang
von den aͤuſſerlichen umſtaͤnden im
fuͤrtrage dem ſchreiben und ausreden:
VOm ſchriftlichen fuͤrtrage und deſſen einrich-
tung, §. 1. Von der Steganographie, §. 2. Von
der orthographie der Lateiner, §. 3. der Teutſchen,
§. 4. Vom muͤndlichen fuͤrtrage. §. 7. Von der mine
und dem air, §. 8. Von denen geſtibus, §. 9. Von
andern dabey zu obſervirenden dingen, §. 10. Be-
ſchluß des gantzen wercks, §. 11.
§. 1.
NUnmehro iſt nichts mehr uͤbrig, als
daß ich von dem wuͤrcklichen fuͤrtra-
ge der rede in ſchriften und ausreden
etwas beybringe. Bey allem ſchriftlichen
fuͤrtrage, iſt einmahl dahin zu ſehen, daß man
leicht und geſchwinde ſeine ſachen zu papier
bringe,a) hernach daß man es auch ſo zu pa-
pier bringe, daß andere leute leicht und be-
quem unſere worte leſen, und ohne kopfbre-
chen heraus bringen, was wir geſchrieben
haben.b) Auf beyden ſeiten muͤſſen die re-
geln des wohlſtandesc) die Orthographie und
beſchaffenheit der ſache den ausſchlag geben.
§. 2. Es iſt eine beſondere kunſt, ſo zu
ſchreiben, daß nur gewiſſe perſonen unſere
fchriften leſen koͤnnen, mit welchen wir des-
falls ein verſtaͤndniß haben, dazu bedienet
man ſich der buchſtaben, der ziffern, verſchie-
dener
[526]von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage
dener characteren, und anderer mittel. a)
Doch wie es etwas gefaͤhrliches ſich derglei-
chen zu bedienen, das leicht verdacht und un-
angenehme unterſuchung nach ſich ziehet, ſo
hat man auch dieſer kunſt eine andere entge-
gen geſtellet, welche alles, was ſo verborgen
geſchrieben, entdecken kan. b)
§. 3. Die Orthographie hat man am ſorg-
faͤltigſten zu beobachten, ſo wohl im Lateini-
ſchen als Teutſchen, welches die bey uns uͤb-
lichen ſprachen, und was die Orthographie
betrift, doch am ſtreitigſten ſind. Bey iener
hat man ſich zu bekuͤmmern, um die auctores,
welche davon geſchrieben,a) um die buchſta-
ben, derſelben unterſchied in groſſe und kleine,
curſiv- und ſtehende, und derſelben rechten ge-
brauch, daß man keine frembde einbringe,
keine auslaſſe und zuſetze, um die ſylben, ihre
theilung, um die woͤrter, um die zahlen, um
die diſtinctiones, und daß man nicht bald ſo,
bald anders ſeine ſchreiberey einrichte, auch
ſonſt, was oben §. 1. erinnert, nicht aus den
augen ſetze.
§. 4. Bey der Teutſchen Orthographie hat
man ebenfalls die auctores, ſo davon geſchrie-
ben,a) zu mercken, den unterſchied der groſſen
und kleinen buchſtaben,b) der langen und
kurtzen,c) die verdoppelung derſelben,d) daß
man nicht uͤberfluͤßige ſetze, e) nicht frembde
einmiſche, f) nicht einen fuͤr den andern ge-
brauche,g) bey den ſylben, daß man ſie recht
theile und zuſammen ſetze, nicht zuſammen
ziehe,h) daher eine uͤble ausſprache entſtehet,
bey gantzen woͤrtern, daß man ſie, wo ſie in
die Teutſche conſtruction geflochten werden,
auch mit Teutſchen buchſtaben ſchreibe,i) daß
man ihre endungen wohl unterſcheide, k) den
artickel recht anbringe,l) den unterſchied der
woͤrter, die unterſchiedene bedeutungen haben,
wo moͤglich, auch im ſchreiben unterſcheide,m)
die coniugationes recht formire, n) die praͤ-
poſitiones mit den rechten caſibus verbinde, o)
die diſtinctiones obſeruire, p) und uͤberhaupt
die bequemlichkeit fuͤr dem ſchreiber und dru-
cker, die deutlichkeit und den wohlſtand fuͤr
den leſer, und einerley art der Orthographie,
immer fuͤr augen habe.
L lb) Hier-
[530]von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage
d) Oh-
[531]dem ſchreiben und ausreden.
§. 5. Bey dem muͤndlichen fuͤrtrage hat
man zu ſehen, auf eine bequeme und der ſache
gemaͤſſe ausrede, auf eine gute diſpoſition des
geſichts, auf die bewegungen des leibes nach
den affecten, und nach den argumenten, auf
die regeln des wohlſtandes, die beſchaffenheit
des zuhoͤrers und anderer umſtaͤnde, welche
alle miteinander, die ohnedem kraͤftige bered-
ſamkeit des leibes vollkommen machen, und
von allen unanſtaͤndigkeiten abhalten.
- Hiezu dienen Conrart, den ich oben in der vorbe-
reit. § 9. angefuͤhret und darunter, wo ich nicht
irre, Michael le Faucheur verborgen iſt. Fran-
tziiSpecimen eloquentiae exterioris, Amſterdam,
1697. 8. Groſſers anleitungzu leichen- und
hochzeit-reden. Kemmerichloc. cit. pag. 1060.
QuinctilianusLib. XI.Voßius inRhetori-
ca contracta Lib. V. cap. VIII. VIIII. Wenn
dieſe Umſtaͤnde recht obſerviret werden, ge-
ben ſie der rede das rechte leben, deßwegen De-
moſthenes, das gantze weſen der beredſamkeit,
darinn zu ſuchen meinte. Capiſtranus konte
auch, bloß mit dieſem exterieur, die leute zum
weinen bewegen. Frantzius nnd Mayer fuͤhr-
ten ihre lehrlinge daher vor den ſpiegel, ſol-
ches recht zu lernen. Und was hat man da-
L l 3durch
[534]von aͤuſſerl. unſtaͤnden im fuͤrtrage
durch nicht fuͤr unruhe in der welt angerichtet,
ſonderlich in democratiſchen republicken wenn
ſich unbedachtſame redner dieſes mittels bedie-
net, ohne die uͤbien folgerungen dabey zu beden-
cken.
§. 6. Damit man hier deſto gluͤcklicher fort-
kommen moͤge, iſt es noͤthig, alles was man
fuͤrbingen will, in einem fertigen gedaͤchtnis zu
haben. Dazu ſind die ſogenannten mnemoni-
ſchen kuͤnſte die ſchlechteſten mittel, und ma-
chen den redner mehr zu einer redenden ſtatue,
als vernuͤnftigen und klugen redner. Hin-
gegen iſt es beſſer, wenn man bey reden im
gemeinen leben nichts ohne uͤberlegung fuͤr-
bringet,a) und in oͤffentlichen declamationi-
bus ein ordentliches ſyſtema ſeiner gedancken,
nach einer iudicioͤſen diſpoſition, im kopfe hat,
und bey der ausrede mehr auf die gedancken,
als worte dencken darf, als welche man durch
eine gute uͤbung, leicht und wohl ex tempore
ſetzen lernet.b)
§. 7. Bey der ſprache muß man zwiſchen
der geſchwindigkeit und langſamkeit, zwiſchen
der ſtaͤrcke und ſchwaͤche, zwiſchen der erhebung
und erniedrigung derſelben, allezeit die mittel-
ſtraſſe halten, damit man nach belieben dieſel-
be veraͤndern koͤnne, in keine verdrießliche mo-
notonie falle, kein graͤßliches geſchrey und ler-
men, dabey die ſtimme uͤberſchnappt, mache,
nicht pfeiffe oder bruͤlle, und unverſehens von
einem extremo ins andere gerathe,a) ſondern
ohne zwang die argumenta, zumahl die pathe-
tica, wo die rechte neben-idee des affects iſt,
durch den accent wohl unterſcheiden moͤge.b)
Jn geſellſchaft und in reden gegen hoͤhere, muß
die ſtimme, ſo viel ſich thun laͤſt, moderiret
werden.
§. 8. Das geſicht muß von dem inwendi-
gen affect des redners am meiſten zeugen, da-
mit auch der zuhoͤrer gemuͤth, welche dem red-
ner gemeiniglich ins geſicht ſehen, dadurch ge-
ruͤhret werde. Man muß alſo ſeine augen ſo
wenden, daß nichts flatterhaftiges noch ſtarres
darinn wahrgenommen werde, und doch ein
ieder von den zuhoͤrern ſagen koͤnne, daß man
ihn angeſehen, und alſo mit ihm geredet habe.
Die mine, welche man mehrentheils von natur
hat, muß durch ein ungezwungenes air, nach
beſchaffenheit des obiecti, eingerichtet werden,
und von einer freymuͤthigen ſittſamkeit zeugen.
§. 9. Die bewegungen der haͤnde und fuͤſ-
ſe, ja des gantzen leibes, muͤſſen ſich nach be-
ſchaffenheit der ſache und der ſtatur des red-
ners
[537]dem ſchreiben und ausreden.
ners richten, und man muß wiſſen unter einem
theatraliſchen aufzuge, einer pathetiſchen rede
und ſtillen familiàren diſcours einen unter-
ſcheid zu machen. Denn das ſchlagen mit den
haͤnden, das ſtampfen mit den fuͤſſen, und
wenn man fragen kan, wie viel ſchritte der red-
ner peroriret, iſt bey oͤffentlichen reden eben ſo
wenig nutze, als wenn man in allen geſellſchaf-
ten peroriren wolte.a) Uberhaupt muß man
ſich hier die muſter vernuͤnftiger leute fuͤrſtel-
len, und ihnen das angenehme, wodurch ſie ſo
wohl in oͤffentlichen reden, als familiaͤren di-
ſcourſen und complimenten, die hertzen der zu-
hoͤrer an ſich ziehen, und welches in weitlaͤuf-
tige regeln zu faſſen, viel muͤhe, wenig nutzen
haben wuͤrde, abzulernen ſuchen.
§. 10. Sonſt muß man bey dem fuͤrtrag ſei-
ner gedancken, durch ausreden allezeit ein geſetz-
tes gemuͤthe zeigen, ſich dannenheꝛo die moͤglich-
keiten in etwas fuͤrſtellen, welche einen etwa er-
ſchrecken, verwirren und diſtrahiren koͤnten, und
ſich einiger maßen darwieder gefaſt machen.
L l 5Man
[538]von aͤſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage
darf auch die regeln des wohlſtandes und einer
guten conduite dabey nicht eben aus den augen
ſetzen, da es ausgemacht iſt, daß die heutige welt
mehr die ſchalen als den kern, mehr den aͤuſſer-
lichen glantz als den iñerlichen werth beobach-
te, und auch wohl dieſen nach ienen beurtheile.
§. 11. Und dieſes waͤre alſo, was zu einer
gelehrten und galanten beredſamkeit zu wiſſen
noͤthig. Was dabey verſehen, wird die zeit
beſſern, was daran fehlet, wird ein reiffes nach-
ſinnen erſetzen, und was daran gutes iſt, wird
eine fleißige uͤbung vollkommen machen, da
die beredſamkeit zu denenjenigen wiſſenſchaf-
ten gehoͤret, welche nicht in einer uͤberſteigen-
den betrachtung, ſondern vernuͤnftigen
ausuͤbung beſtehen.
Regiſter[[539]]
Appendix A Regiſter der nahmen.
Appendix A.1 A.
- Abel. 330.
- Abſchatz. 18.
- Agricola, Rudolph. 43. 83.
- Agrippa. 45.
- Alciatus. 143.
- Alexander ab Alexandro.144.
- Alſtedius. 190. 336. 43.
- Aluarus. 190.
- Amantius. 87.
- Ambianus. 190.
- Ambroſius. 493.
- Ammianus 144.
- Anonymi von der Teutſchen Orthographie. 528. 529.
- Apianus. 87.
- Aquitanicus Proſper. 88.
- Aramena. 19.
- Areſius. 143.
- Aretinus. 238.
- Ariſtoteles. 17. 43. 44. 99.
- Arnd. 25.
- Arnhemius. 143.
- Arnold Chriſtoph. 190. 211. 336.
- Auguſtinus. 493.
Appendix A.2 B.
- Baier Jo. Wilhelm. 493
- Balbinus. 44. 143.
- Baldus. 369.
- Balzac. 26. 28. 278. 334.
Barba-
[[540]]Regiſter der nahmen.
- Barbarinus. 143.
- Barthius Ctus.78. 311.
- Bary Renatus. 160. 161.
- Baudius. 170.
- Baxter 28.
- Becherus, 43. 60. 525.
- Becmannus. 184. 336.
- Bellegarde. 12.
- Bellin. 528.
- Bentiuoglio. 239.
- Berger. 479.
- Bergen. 87.
- Bernecker, vom anſehen der prediger, 493.
- Bernhardus. §. 111. 493.
- Beſſer. 8. 154. 155. 261. 302. 319.
- Beza. 143.
- Biragius 87.
- Bircken, Sigm. von. 528.
- B[l]ondel 145
- Bocatius. 144.
- Boccalini 331
- Boͤcklerus. 171. 336
- Boͤhmer. 18. 19. 30. 87. 457. 535
- Boͤdiker, 25. 152 [...]29
- Bohſe, D Auguſt, ſiehe Talander.
- Boethius, 43.
- Boileau, 26. 234. 278. 331.
- Boiſſardus, 88. 143.
- Boldonus. 143
- Borgheſius. 143
- Bornitzius. 143
- Boſſuet. 26
- Bouhours, 28. 234. 315
- Bourdaloue, 26
- Boxhornius. 143.
- Boyle. 28
- Braß icanus. 83
Breckels
[[541]]Regiſter der nahmen.
- Breckels, Theod. a 493
- Brunus. 43. 45.
- Brun, Laurentius. 135
- Carl. 135
- Bryere, 12.
- Buchner. 19. 168. 343.
- Buchlerus. 190
- Bucholdianus. 43
- Buddeus, J. F. 11. 12. 147. 148.
- Burgalius. 143
- Burmannus. 235
- Buͤßing. 87
- Butſchky. 528
- Buxtorff. 87
Appendix A.3 C.
- Cabinet-prediger. 316
- Calixtus. 493
- Calovius, 493
- Caluoer, 87
- Camerarius. 85. 143
- Canitz, 18. 23. 238
- Cardanus. 43. 60
- Carductius, 143
- Carneades. 272
- Carneval, verdecktes und entdecktes. 330
- Carpzouii, Joh. Bened. 493
- Caſſandre. 17
- Caſt[e]lli. 151
- Caußinus. 43. 143. 336
- Cellarius, 19. 151. 313. 336. 343
- Chambre, la 369
- Chauvinus. 177
- Chryſippus. 94
- Chryſologus, Petrus 493
- Chryſoſtomus, 114, 493
- Chytraͤus, 88
- Cicero, 2. 10. 17. 15. 43. 44. 168. 184. 186. 192.
211. 238. 261. 278. 343.
[[542]]Regiſter der nahmen.
- Claius, M. Jo. von Hertzberg. 528
- Claramontius. 369
- Clarmundus. 26
- Clarckius. 190
- Clenardus. 152
- Clericus. 3. 15. 118. 176. 184. 278.
- Clodius. 156
- Coelius. 170
- Conrart. 9. 26. 533
- Cordeſius. 143
- Cornelius Nepos. 238. 314
- Cramer. 153
- Creſollius. 43. 369
- Crocins, Jo. 493
- Crucius. 343
- Cunaeus. 169. 143
- Curtius. 16. 174. 234. 278
Appendix A.4 D.
- Dannhauer. 431. 493
- Dantz. 151
- Daſſouius. 87
- Dattus. 190
- Del-Rio. 60
- Demoſthenes. 17. 15. 170. 192
- Dexel. 143
- Dietericus. 87. 323
- Dillherus. 190
- Diodorus. Siculus 314
- Diogenes. 271
- Dionyſ. Halicarnaſſ. 314
- Dippel. 6
- Druſius. 83
- Dunckelberg. 529
Appendix A.5 E.
- Ebinus. 144
- Eckard Joh. Georg. 152.
- Eckard. 311
- Einleitung zur Roͤmiſch-Teutſchen Hiſtorie 19
Eras-
[[543]]Regiſter der nahmen.
- Eraſmus. 44. 83. 331. 358
- Ernſt. 85
- Erpenius. 83.
- Faber, 152
Appendix A.6 F.
- Fabrettus. 87
- Fabricius, Joh. Alb. 336. 87.
- Joh. 353
- Facciolati. 3
- Falconerius. 88
- Faſoldus. 143
- Faucher 533.
- Fenelon. 26. 262
- Fendt. 87
- Ferrus. 14
- Fletwo 87
- Flechier. 26. 278
- Florus. 168
- Fontanini. 29
- Franciſci. 18. 19. 85. 86. 204. 34
- Frantzius. 533
- Frene du 87
- Frey, Jan. Caecil. 43.
- Freyer. 529
- Freytag. 280
- Friſius. 87
- Friſch. 153. 529
- Froſchmaͤuſeler. 529. 334
- Fuͤrſt. 87
Appendix A.7 G.
- Gaͤrtner. 87
- Gauſenius. 493
- Geißler. 143
- Gelehrten Lexicon. 22, 23ꝛc.
- Gellius. 4, 80
- Gerhard. 25, 238
- Geyer. 18, 23, 87, 238
- Gibert. 15
- Glafey. 311
- Glaßius. 152
[[544]]Regiſter der nahmen.
- Goͤbel, Sebaſtian 493
- Goͤtze, Georg. 493
- Golau. 87
- Goldaſtus. 87
- Golzius. 87
- Gothofredus, Dionyſius. 78
- Goueanus. 44
- Goulartius. 83, 85
- Grabius de concionibus artificialibus.493
- Gracian. 10, 12, 29, 129, 313, 353, 365
- Graeuius. 87, 235
- Granatenſis. Ludov. 44
- Greiffenhahn. 151
- Gretſer. 317
- Gribelius. 87
- Gribner. 78
- Griſchow 147, 148, 151
- Groſſer 200. 314, 336, 344, 533
- Grotius. 88
- Grundmann. 85
- Gruterus. 87, 170
- Gryphius, Andr. 18, 23, 278
- Chriſtian. 18, 23
- Guarini. 262
- Gueintzius. 529
- Gueuarra 386
- Guͤnther, Owenus 43
- Joh. 493
Appendix A.8 H,
- Hall, Joſeph. 28
- Hamilton. 200, 278, 315, 330
- Hantſch 431
- Happelius. 25
- Harapollines. 144
- Hardt, von der. 5, 151
- Harsdoͤrffer. 19, 143, 155, 85, 528
- Hartung. 85
[[545]]Regiſter der nahmen.
- Hederich 13, 15, 44, 58, 152, 157, 190, 527, 358,
372, ꝛc. - Heineccius, Jo. Gottl. 13, 209, 345, ꝛc.
- Helmont 147
- Henningius 143
- Hermann 87
- Hermogenes 234
- Heſiodus 262
- Heſius 143
- Heumann 18. 370
- Higynus 144
- Hildebrand 87
- Hoͤppinus 87
- Hofmannswaldau 18. 23. 24. 88. 154. 155. 168.
234. 261. 344. 345 - Homerus 278. 283. 334
- Horatius 154. 168. 330. 214.
- Hornius, Caſpar Henr. 78
- Jmmanuel 493
- Hottingerus 87
- Huartus 369
- Huͤbner, Jo. 18. 19. 49. 55. 314. 336
- M. A. N. 355
- Hugues 372
- Huͤlſemann 493
- Hunold 20
- Hyperius, Andr. Gerh. 493
Appendix A.9 J.
- Jenichen, Lic. 118
- M. Joh. 355
- Jnes ab 88
- Job, Syndic. 314
- Jouius. 143.
- Julius Caeſar 238. 314. 337
- Juncker 25. 415
- Junius 83. 143
- Juſtinus 314. 262
M mJuvena-
[[546]]Regiſter der nahmen.
- Juvenalis 117. 330
Appendix A.10 K.
- Kapp 334, 343
- Keckermannus 43
- Kemmerich 200, 209, 210, 224, 278, 311. ꝛc.
- Kippingius 87
- Kirchmannus 87
- Kircher 43, 144
- Kirchmayer 211
- Kitſchius 143
- Klaius 155
- Knittel 43
- Koͤnigsdorff 18, 22, 279, 338.
- Koͤnig 493
Appendix A.11 L.
- Labbaeus 87, 143
- Lagnerius 86
- Lami 26, 41, 330, 343, 352, 353, 372, 121, 135,
142, 147, ꝛc. - Lampadius 87
- Lange, Joſeph 83
- D. Joachim. 336
- D. Gottfriedt 18, 58, 82, 85, 86, 113, 134,
163, 190, 200, 372, 214, 261, 316, 410, 433.
- Langjahr. 529.
- Laſſenius 25
- Laurettus 86
- Lauxmin 372
- Lazarellus 87
- Leibnitz 44
- Leo M. 493
- Leopoldi Leben 314
- Leti 331
- Lettres galantes \& hiſtoriques432, 27
- Leyſer 25
- Liebe 87
- Liebe, Georg. 529.
- Lilienthal 82, 126
[[547]]Regiter der nahmen.
- Limnaeus 143
- Lipſius 5, 170, 171
- Liuius 16, 168, 331, 332, 337
- Lockmann 30, 83
- Loeſcher 152, 493
- Lohenſtein 18, 19, 29, 88, 90, 155, 221, 233, 234
278, 331, 333 - Longinus 27, 234, 278
- Longolius 49
- Loredano 262. 334
- Lotichius 332
- Lucanus 24
- Lucianus 4, 330
- Ludwig M. 152
- D. Gottfried 372, 25
- Lullus 43
- Lundius 87
- Luͤnig 25. 343. 344. 417. 466. 467
- Lutherus 269, 495
- Luͤtkemann 25
- Lycoſthenes 83. 86
Appendix A.12 M.
- Magirus 83
- Maior 87
- Maͤnnling 24. 189. 372
- Manutius 87
- Marini 278
- Martialis 88
- Martini Cornelius 317
- Maſenius 43. 315. 87. 143. 315. 336
- Matthiae 85
- Maximus, Epiſc. Reg.493
- Epiſc Taur.493
- Maͤyer, Joh. Fried. D.18. 24. 278. 493, 533.
- Mazochius, 88.
- Meibomius 87
- Meiſter 88
- Meliſſantes 87
[[548]]Regiſter der nahmen.
- Menantes 18. 20. 209. 238. 311. 340. 350. 416. 410. 415
- Mencke, Joh Burch. 12. 39. 88. 126. 152. 156
- Luͤder 78
- Menetrier 143
- Menudier 153.
- Mercurialis, Joh. 369
- Middelburg, Euerhard von 78
- Minſicht 85
- Mirandula, Jo. Fr. Picus 60
- Moliere 331, 344
- Mollerus 86
- Monas 144
- Montenar a, 143
- Morhoff 3. 15. 44. 173. 315. 333529. ꝛc.
- Motte de la 238
- Muͤller, Gottfr. Polyc. 3. 4. 20. 22. 18. 211. 214.
370. 372- D Aug. Fridr. 3. 11. 12. 32. 313. 365
- Heinrich 18. 24. 316
- Muͤhlpfoͤrt. 154.
- Muͤretus 165. 343. 345.
Appendix A.13 N.
- Nehring 85
- Neubuſius 169369
- Neukirch Beniamin. 18. 24. 261. 350. 415.
- Neumarck 18. 24. 261. 344.
- Neumeiſter 25. 155.
- Nouarinus. 83
Appendix A.14 O.
- Oldendorv. 78
- Olearius Jo. 25. 493.
- Obſervat. Hall.42.
- Octauia. 19.
- Ogerius Simon 143
- Omeis Magnus Daniel 143. 144. 529.
- Opiz 25. 238.
- Orus 144
- Ouidius 168. 238.
Owens
[[549]]Regiſter der nahmen.
- Owenus 88
Appendix A.15 P.
- Paͤanius. 238
- Pallas. 88
- Panuinius. 88
- Paradinus. 143
- Pareus. 190
- Patin. 87.
- Paulinus. 143
- Pays. 26. 238.
- Pererius 144
- Perizonius 493
- Petit le, 321
- Petronius 168. 330
- Pfeiffer 87. 152
- ‒ ‒ Jo. Gottlob. 493
- Phaedrus. 168
- Philander von der linde 154. 261. 330
- Philotheus 143
- Picinellus. 143
- Pierius 143
- Pignorius. 88
- Pipping. 23
- Placcius. 44. 134
- Platina. 29
- Plautus. 170. 238.
- Plinius. 17. 262. 278. 316. 343.
- Plutarchus. 238
- Polidorus 87
- Polnaenus 144
- Pomey 44
- Ponatus 150
- Pritius 18. 24. 19238. 344
- Proſper Aquitanicus. 88
- Pufendorff 314. 363.
Appendix A.16 Q.
- Quenſtaͤdt 87
M m 3
[[550]]Regiſter der nahmen.
- Quinctilianus 2. 3. 8. 16. 17. 18. 43. 44. 80. 168. 175.
184. 234. 261. 343. 369. 533.
Appendix A.17 R.
- Rabner 261. 336
- Rabus Paulus 22
- Rabutin. 26
- Radau 44
- Raͤdlein. 153. 419
- Ramus. 43
- Rapicius. 211
- Rapin. 15. 26. 27
- Rauiſius. 144
- Rechenberg. 17
- Reden goſſer Herren und fuͤrnehmſter Miniſter. 19.
261. 238. 344. 466. - Redtelius 144
- Reimmann. 9. 15. 16. 19. 22. 26. 45. ꝛc.
- Reineſius 87
- Reuſnerus. 143
- Reyherus 190
- Richter. 25
- Richelet 153
- Ricobonus 2 [...]
- Riemberg. 18
- Riemer. 25. 119: 316
- Riva 144
- Rittershufius. 143
- Riuinus. Quintus ſeptim. 479
- ‒ ‒ Tilemann Andreas. 493
- ‒ ‒ Jo. Florens. 78. 311.
- Roͤſerus 143
- Rohr. 12. 311.
- Rollenhagen 334
- Roſinus 87
- Rother. 311
- Rothmahler. 25
- Rubeu s 88
Ruͤdiger
[[551]]Regiſter der nahmen.
- Ruͤdiger. 3. 4. 8. 9. 11. 12. 34. 42. 49. 59. 72. 79. 80
92. 93. 94. 104. 129. 151. 157. 158. 160. 178.
261. 368. - Rufo Juan 114
- Ruſcellus 143
Appendix A.18 S.
- Saauedra. 143
- Sabinus. 114
- Sadeler Joh. Rudolph. 25. 528
- Sagittarius 87
- Salluſtius 168. 314
- Sambucus. 143
- Sanctius 152. 336
- Sandaeus. 144
- Sanden von. 144
- Sarbieuius. 88
- Saubertus. 143
- Sautelius. 88.
- Scapula 152
- Scarius. 211
- Scarron 334
- Scioppius. 190. 314
- Schacher. 479
- Schaeuius 144
- Schefferus 171. 331. 336. 355. 200. 314
- Scheffer. 143
- Schiebel. 85. 143
- Schichſaadi. 30
- Schleſiens fliegende Bibliotheck. 19
- Schmidius. Jo. A. 11. 493
- ‒ ‒ Traſmus. 190. 149. 152
- ‒ ‒ Joh. 262. 280. 535
- ‒ ‒ Joh. Argentor. 493
- Schnegaſſen El. 528
- Schottelius. 25. 528
- Schreuelius 152
- Schrader. 211
M m 4Schroͤter.
[[552]]Regiſter der nahmen.
- Schroͤter 24. 134
- Schubart. 211
- Schuppius. 19. 25. 26. 126.
- Schurtzfleiſch C. S. 19. 26. 313. 343
- H. L. 234
- Schwartz Jo. Conrad. 336
- Schwendendoͤrffer. 479
- Scriver. 25. 28. 144
- Scuderi 26. 27
- Seckendorff. 18. 344. 493
- Seldenus. 323
- Seneca. 17. 80. 154. 211. 261. 273. 278. 316
- Sennertus. 87
- Seumius. 143
- Silentiarius. 88
- Simon Richard. 152
- Smetius 88
- Snellius. 87
- Sonthom. 28
- Sophocles. 278
- Spanhemius. 87
- Spate ſiehe Stieler
- Spener. 25. 87. 238
- Starckius 200. 336
- Statius Achilles. 44
- Stepnerus. 87
- Stieler Caſpar. 152. 528
- Stolle. 12. ꝛc.
- Stock. 153
- Strauch. 87
- Stryck 311.
- Sturmius. 316
- Syluius. 190
- Syncreuius. 143
Appendix A.19 T.
- Tacitus. 108. 110. 111. 168. 170. 316
- Taegius. 143
Talander.
[[553]]Regiſter der nahmen.
- Talander. 18. 22. 19. 238. 350. 410. 529
- Taſſo. 278
- Taurellus. 143
- Telemaque par Fenelon. 262
- Tenzel. 87
- Terentius. 127. 238. 369
- Textor 87
- Theſaurus. 88. 14343.
- Thilo. 43
- Thomaſius Chriſtian. 4. 8. 11. 12. 18. 25. 27. 130. 174.
278. 313. 363-368. - ‒ ‒ Jacob 11. 19. 26. 190. 332.
- Thomeus. 144
- Thoͤnnecker 479
- Tirinus. 87
- Toͤllner 529.
- Torrentinus 144
- Treuer 18. 24.
- Trier 87. 369
- Troilo 85
- Tunger. 143
- Turckius. 148
- Typotius. 143
- Tzſcherning 528
Appendix A.20 V.
- Valerius de Valeriis. 45
- Vauaſſor. 330. 334
- Vechnerus 190
- Velleius. 262. 314
- Veneroni. 153
- Verulamius. 369
- Vffelmann. 363
- Vhſe 18. 12.
- Vinhold. 311
- Virgilius. 3. 154. 168. 186. 238. 262. 278. 331. 332. 334
- Vitruuius 337
- Vlmann. 44.
- Vogelmannus 190
M m 5Voiture.
[[554]]Regiſter der nahmen.
- Voiture 26. 262
- Volckmann. 311
- Voſſius 134. 152. 211. 336. 372. 43. 533
- Vrſatus. 88
- Vrſinus. 87. 88.
Appendix A.21 W.
- Waͤhner. 151.
- Wagenſeil. 200. 336. 358
- Walchius. 3. 18. 26. 177. 336
- Waltherus 83. 88
- Warnecks Poetiſcher Verſuch von uͤberſchriften 207
- Wedel 87
- Weidling. 143. 372
- Weinhammer. 190
- Weiſe. 18. 25. 19. 43. 87. 134. 211. 238. 279. 315. 384
- Weiſſenborn. 355
- Wellerus. 152
- Wentzel. 44. 47.
- Werenfels. 11. 177. 236. 280
- Wertheim Volcken von. 417
- Weidler. 144
- Willis. 28
- Wolff Chriſtian 79. 313
Appendix A.22 Z.
- Zehner. 86
- Zeidler Melchior. 493
- Zeſen Philipp. von 528
- Ziegler Anshelm von. 18. 25. 25. 169-332. 173. 232.
261 - ‒ ‒ Caſper. 78.
- Zinckgraͤf 83. 143
- Zwingerus 85. 86
Regiſter
[[555]]Regiſter der ſachen.
Appendix B Regiſter der ſachen.
Appendix B.1 A.
- Abdanckung.
- Derſelben themata 33, 35, 36. Was ſie ſey, 456. ſqq.
Ein exempel auf Hrn. M. Muͤllern, 458. Mehrere
exempel, 476. Was dabey zu beobachten, 457.
auf allerhand gar beſondere und rare faͤlle, 457. - Abſtracta.
- Was fuͤr argumenta dazu noͤthig, 51, 62, 64, 69.
- Wie ſie auszudrucken, 175, 237.
- Acutifatuum ſ. oximoron.
- Adagia ſ. prouerbia.
- Adaͤquater ausdruck.
- Wie er zu erhalten, 204. iſt die groͤſte kraft des
ſtili humilis’ 238. Jſt ſonſten als ein weſentlicher
begrif der beredſamkeit anzuſehen, 3 - Adeo.
- Heiſt nicht ideo, ob es ſchon manche ſo gebrauchen,
205. - Admiratio. 197.
- Aequipollentia, 187.
- Aequivocatio.
- Ein argument, 88. iſt bey dem ausdruck zu beobach-
ten, 156. iſt zu vermeiden, 209. - Aetiologia eine figur,196.
- Dienet zur connexion, 214.
- Affecten.
- Erfodern beſondere argumenta, 120. ſqq. wie man
ſie rege zu machen 133. fuͤrzuſtellen, 134. zu unter-
druͤcken, 135. auszudruͤcken. 189. Die vornehm-
ſten,
[[556]]Regiſter der ſachen.
ſten, 129. veraͤndern den ausdruck, 168. erken-
net man aus dem ſtilo, 368. artige benennung
der haupt-affecten, 132. neben-affecten, 133. wie
man dabey kluͤglich zu verfahren, 136. ſqq. 79. ſeq.
in dem fuͤrtrag zu bemercken. 533535. - Affectation.
- Veraͤndert den ausdruck, 168. iſt im ſtilo zu vermei-
den, 313, 343, 351. ꝛc. in predigten ſonderlich,
494. und im fuͤrtrage 533. ſqq. - Allegoria,88, 188, 111.
- Alluſio, 188, 317.
- Alter
- Veraͤndert den ſtilum, 168.
- Amplificiren.
- Was es ſey, 48.
- Anabaſis,197.
- Anaclaſis.194.
- Anadiploſis.195.
- Anagrammata ſ. wortſpiele.
- Anakoenoſis, 196.
- Analepſis,194.
- Analyſis,196.
- Anaphora,194.
- Anaſtrophe,193.
- Antanaclaſis,194.
- Antimeria,187, 191.
- Antimetabole,197.
- Antimetatheſis,197.
- Antiphraſis,88.
- Antiptoſis,187.
- Antiquitaͤten,
- Wie ſie zur erfindung der argumente dienen, und wer
davon geſchrieben, 86, 87.
Anti-
[[557]]Regiſter der ſachen.- Antiſtaſis,194.
- Antiſtoechon.191.
- Antitheſis,191.
- Antitheton,197.
- Antizeugmnenon,194.
- Antonomaſia,187.
- Anwerbungs-compliment.
- Was dabey zu thun, 414.
- Aphaereſis, 191.
- Apocope, 191.
- Apodioxis,199.
- Apologi,83.
- Apophthegmata ſiehe Prouerbia.
- Aporia,198.
- Apoſiopeſis,198, 193.
- Apoſtrophe,198.
- Argutiae ſiehe ſtilus argutus.
- Archaiſinus,191.
- Argumenta,
- Oratoria und Logica, 48, 49. perſonalia, realia,
expiicantia, docentia, applicantia, perſuadentia,
49 probantia, 49, 57, ſqq. poßibilia 59 de-
monſtratiua, 58, 62. probabilia, 5870.
abſtracta, 58. 62. 69. ſenſualia, 58, 61, 69.
Philoſophica, 76. Logica. 7648. Phyſica 73.
Hiſtorica, 72. Moralia 73. Theologiea 76.
Juridica, 77 Medica, 78. Mathematica, 78.
a priori et poſteriori. 79. κατ ανϑρωπον κατ αλη-
ϑ [...]αν. 79, 94. illuſtrantia, 49, 97 ſqq. 80, 132,
315. 184. pathetica, [...]9, 80, 120, 212. concili-
antia, 49, 122. commoventia, 49, 121. 128 ab
utili, honeſto et iucundo, 129 facili et neceſſa-
rio, 120. a turpi, damnoſo et moleſto, 136 - Aſteiſmns,198.
- Aſyndeton,191, 193.
- Auctoritaͤt,
- Wie ſie zu erlangen, 124. iſt zu einigen reden im ge-
meinen leben noͤthig, 412. des richters dienet
bey proceſſen, 480. iſt in predigen nicht zu af-
fectiren, 494. - Auditorium.
- Wenn es gemiſcht, wie es zu gewinnen, 132.
- Auerſio.198.
- Auferziehung.
- Veraͤndert den ausdruck. 169,
- Ausdruck.
- Der gedancken, 142, 168. durch die tropos, ſiehe
Tropus, der affecten, ſiehe affecten oder Figuren
oder ſtilus, oder expreßio. - Auxeſis.197, 187.
Appendix B.2 B.
- Barbarn.
- Jhre Oratorie, 16.
- Battologia.194.
- Beredſamkeit
- Was ſie ſey, 2. ihr weſen, 3. ihr endzweck, 4.
361. ſoll ſich auch im umgange zeigen, 5. 343. ihre
hiſtorie, 16. - Bewegungs-gruͤnde ſiehe argumenta
commouentia, - Beweis-gruͤnde ſiehe argumenta
probantia. - Bewillkommungs-compliment,
414, 466. - Bitt-compliment,411.
- Bilder-ſchriften,143.
- Bons mots,4. ſiehe ſtilus argutus.
Briefe, - Deren themata muͤſſen naturel bleiben, 38. muͤſſen
nicht gekuͤnſtelt ſeyn, 233. exempel ohne conne-
xion, 215. in connexione reali, 217, 223. in
connexione verbali, 224, ihr ſtilus, 351. was
ſie ſeyn, 410. was dabey in acht zu nehmen, 414. - Buchſtaben.
- Was ſie ſeyn, 147. 153. was ein redner dabey
zu beobachten, 153. ſqq. Buchſtaben-ſpiele, ſiehe
wort-ſpiele. - Burlesque,334.
Appendix B.3 C.
- Cabbala,40.
- Cammerſachen-reden,475.
- Caſus,33.
- Catachreſis,187.
- Charientiſimus,198.
Chria, - Eine figur, 196. Aphthoniana, 384. Oratoria,
384. recta, 385. inverſa, 388. per antecedena
und conſequens, per theſin \& hypotheſin,338.
Ciceronianer, - Jhre allzu groſſe Critick zu vermeiden, 208, 174.
Circumlocutio ſ. Periphraſis.
Circumſtantiae - Die beſte gelegenheit zur invention der thematum
artificialium, 36.
Clima - aͤndert den ausdruck, 168.
- Climax,195.
- Colon,210.
- Collatio ſiehe Gleichniß,
- Color,56. 196
- Communicatio,196.
- Comma,210.
- Comparatio197.
- Comparata ſiehe gleichniſſe.
Complimente
- Was ſie ſeyn, 410. Woher ſie entſtehen, 181. was
dabey zu beobachten, 409. ſqq.- Conceßio,196.
- Confeßio,196.
- Concluſio,405.
- Condolentz-compliment,413, 476.
Connerio
- Was ſie ſey, 212. wie vielerley, 213. realis, 214.
verbalis, 214, accidentalis, 410. in denen ſti-
lis unterſchieden, 314. 315. in der diſpoſition, 372.
Conſectarium - ein argumentum illuſtrans, 107. dienet zur con-
nexion, 214, 226.- Contrarium,112. ſiehe diſputiren.
Converſation
- Contrarium,112. ſiehe diſputiren.
- Hilft zum ausdruck. 169. 411
- Correctio,198.
- Craſis191.
Appendix B.4 D.
- Danckſagungs-compliment412
- Dechifrir-kunſt,526. 179. 527. 533.
- Decorum
- Muß von einem redner obſerviret werden 11. 14. 366
- Dedicatio428.
- Definitio.
- Ein beweiß-grund 62. Ein erlaͤuterungs-grund 99.
104. Dient den ausdruck zu reguliren 177- Deriuatio.88. 160.
- Dereinſt
- Jſt nicht von vergangenen ſondern zukuͤnftigen zu
gebrauchen 205- Deſcriptio.105. 197.
- Deutlichkeit im ſtilo.209.
- Diaereſis.191.
- Dialecti.
- Deren urſprung 148. ſind nicht in einander zu mi-
ſchen 208.- Diallelon.197.
- Diaplaſiaſinus.191.
- Diaſtole.193.
- Diaſyrmus.197
- Diatypoſis.197.
- Dictio ludicra ſiehe burlesque.
- Diffidentia,
- Auf ſich ſelbſt, iſt ſchaͤdlich. 345
- Dilogia.194.
- Diſcourſe
- muͤſſen nicht gekuͤnſtelt ſeyn. 38. 233. was dabey
ſonſt zu obſerviren 414.- Diſparata.315
- Diſpoſitio
- Was ſie ſey was dabey zubeobachten 371. ſqq.
- Diſputiren.
- Darinnen muß man die terminos anbringen 70. wie
man ſich dabey aufzufuͤhren 92. 133. Wie der
ſtilus dabey ſeyn muͤſſe 352. einrichtung der diſpu-
tationen 428.
N nDisſimilia
[[562]]Regiſter der ſachen.- Diſſunilia.
- Dienen zur erlaͤuterung 112. 115. dienen zum con-
nectiren 214.- Diſſimilitudo.197.
- Diſtributio
- Ein erlaͤuterungs: grund 106. eine figur 196
- Diviſio.
- Dienet zur erlaͤuterung. 104. 105.
- Dubitatio.198.
Appendix B.5 E.
- Ecphoneſis.197.
- Ectaſis.193
- Ehrgeitzige
- Wie ſie zu gewinnen 122. 127. 129. 131.
- Ellipſis191. 193.
- Emblemata
- Wo ſie dienlich. 85. 91. 143.
- Empfehlungs compliment. 412.
- Enallage187. 191.
- Engellaͤnder
- Jhre oratorie. 28. 324.
- Enthuſiaſinus oratorius41
- Enthymema.382.
- Entſchuldigungs-compliment.412
- Epanadiploſis.159.
- Epanalepſis.194.
- Epanodos.195..
- Epanorthoſis.198.
- Epentheſis.191.
- Epexegeſis.194
- Epexergaſia.194.
- Epibole.294.
- Epichirema.382.
- Epiphonema.196.
- Epiphora.194.
- Epiploce.195.
- Epiſtrophe.194.
- Epiſynaloephe.191.
- Epitaphia ſiehe Jnſcriptiones
- Epitheta.
- Was ſie ſeyn. 156. was dabey zu beobachten 158. 205.
- Epitrope.196.
- Epizeuxis.195.
- Erfahrung
- Wenn man daraus beweiſen koͤnne 61. 51. Was
bey den beweiß-gruͤnden aus der erfahrung zu be-
obachten. 64.- Erfindung
- Was ſie ſey, was dabey zu beobachten bey allen faͤl-
len. 31. ſqq. - Erlaͤuterungs-gruͤnde ſiehe argumenta illuſtrautia.
- Ethniciſinus ſtili.332.
- Etymologie,88.
- Euphemiſinus.188.
- Exallage.194.
- Exclamatio.197.
- Excerpta.
- Sind gut. 54. Wie ſie zu machen 55. ſind doch nicht
gar zu hoch zu eſtimiren.- Execratio.197.
- Exemplum.196
- Exempel.
- Was ſie ſeyn. 109. Wenn ſie beweiſen. 83. ſind wohl
auszuſuchen. 91. 113. 119.- Exergaſia.194.
Exordium.
- Exergaſia.194.
- Was es ſey. 103, in predigten. 498. 499.
N n 2Ex-
[[564]]Regiſter der ſachen.
Expresſio. - Was ſie ſey ſiehe ausdruck. Vulgaris 144. erudita 146.
- Extemporiren.145. 534.
Appendix B.6 F.
- Fabeln.
- Ob ſie beweiſen 83.
Falſchheit. - iſt zu meiden. 105. 107. [1]09.
Figuren. - Machen keine beredſamkeit 3. machen aufmerckſam
126. ſind die ſprache des affects 134. 189. verzeich-
niß aller figuren 190. dienen zur connexion 214.
ſind in briefen hiſtorien zeitungen ꝛc. nichts nuͤtze
233. viel weniger beym diſputiren 352. dadurch kan
man variiren 358.- Flagella diſputantium,133.
Flucher
- Flagella diſputantium,133.
- Handeln wider den galanten gebrauch, 180. wi-
der die klugheit, 365.- Fraͤnckiſcher ſtilus,18. 337. 341.
Frantzoſen
- Fraͤnckiſcher ſtilus,18. 337. 341.
- Jhre Oratorie, 26. ihre ſprache, 150, 152, 153.
ſchickt ſich ſehr wol zum galantẽ ſtilo in briefen. 350
Frucht-bringende geſellſchaft, - Contribuiret etwas zur cultur der Teutſchen ſpra-
che, 18.
Fucus Oratorius. - Was er ſey, 80. wie er zu gebrauchen, 89.
Appendix B.7 G.
- Galante,
- Galant ſtudiren, 174. galanter gebrauch ſiehe
gebrauch. Galante ſprach-verderber, 280.
Galliciſinus.192.
Gebrauch, - Was er ſey, 172. der univerſelle, 172. Der ge-
lehrte, 175. der galante, 350. Ge-
[[565]]Regiſter der ſachen.- Geburts-reden,467.
- Gedaͤchtnis,534.
Geld-geitzige,
- Wie ſie zu gewinnen, 129. 122. 127. 130.
Gelehrter, - Wer es ſey, 176. gelehrte gebrauch, 175.
- Germaniſmus,192. 190.
Geſpraͤche,
- Germaniſmus,192. 190.
- Was dazu fuͤr ein ſtilus noͤthig 349. im reich der
todten, 350. ſiehe Diſcourſe.- Geſandſchafts-reden,476.
Gewogenheit,
- Geſandſchafts-reden,476.
- Wie ſolche zu gewinnen, 122.
Gluͤckliche kuͤhnheit. - Wird verworfen in der Oratorie, 145.
Gleichniſſe. - Ob ſie beweiſen, 85. was ſie ſeyn, 111. wenn ſie
zu gebrauchen, 114, 118. werden zu figuren, 197
dienen im ſtilo arguto. 315.- Gluͤckwuͤnſchungs-reden,466.
Goldmachen
- Gluͤckwuͤnſchungs-reden,466.
- iſt moͤglich, 60.
- Grabſchrift ſiehe inſcriptiones.
- Graeciſinus,191. 192.
- Gratuliren,413.
Griechen,
- Grabſchrift ſiehe inſcriptiones.
- Jhre Oratorie, 17. ihre ſprache, 13. 150. 151. 152.
Appendix B.8 H.
- Haſe,
- Ein Teutſches ſchelt-wort, woher es komme, 99.
Hebraiſmus,192.
Hebraͤer, - Jhre Oratorie, 16. ihre ſprache, 151. 152.
N n 3Hel-
[[566]]Regiſter der ſachen.- Helleniſmus,191. 192.
- Heraldic,87.
- Hermeneia,194.
- Hermeneutic ſiehe interpretatio.
- Heteroſis,187, 191.
Heuchler,
- deſſen bild, 116.
Heydniſche goͤtter, - Deren muß man ſich beym ausdruck enthalten, 332.
Hieroglyphica,143.
Hiſtorie. - Jſt einem redner nuͤtzlich, 11. der Oratorie, 15. 47.
iſt vom raiſonnement zu unterſcheiden, 65. Hi-
ſtoriſche wahrſcheinlichkeit, 72, 81, 86.- Hof-reden,476.
- Homoeoptoton,195.
- Homoeoteleuton,195.
- Homonymia,88.
- Honeſtum,129, 131.
Honnettete,
- Was ſie ſey, 137. iſt einem redner noͤthig, 9, 95,
137, 364.- Huldigungs-reden,474.
- Hypallage,187. 193.
- Hyperbole,187.
- Hypobole,196,
- Hypotypoſis,197.
Appendix B.9 J.
- Jcon,196.
- Jdiotiſinus,161. 208. 148.
- Je ne ſcai quoi,203.
Jlluſtriren, - Was es ſey, 97. erfindungen dazu, 98 ſqq.
Jma-
[[567]]Regiſter der ſachen.- Jmago,196.
Jmitiren
- Jmago,196.
- Macht keinen redner, 3. voraͤndert den ausdruck,
168. iſt ein mittel zum guten ſtilo, 358.- Jmpoßibilitaͤt,59.
- Jncrementum,197.
- Jndianer,16.
Jngenium,
- Zu viel iſt nichts nutze, 4. dienet zur invention, 31.
zum ſtilo arguto, 315. zum poetiſchen ſtilo, 331.
wie es zu cultiviren, 354.- Jnopinatum,198.
Jnſcription,
- Jnopinatum,198.
- Dienet zur erfindung, 86. Wer davon geſchrieben.
87. 315. auf die Jaͤgerin gebohrne Stegerin. 318.
auf die praͤadamiten. 323. auf den frieden der
Engellaͤnder mit Franckreich. 324. auf die pieti-
ſten. 326. auf eine coquette, 446.
Jnterpretatio - Hermenevtica, 75. 88. 99. 101. Hiſt. Philoſophica. 107.
- Jnterpunctio,210.
- Jnterrogatio,198.
- Jntroductions-reden,475.
Jnuentio,
- Was es ſey, 31. der thematum. 33. analogica, 40.
der argumente, 48. ſqq.- Jronia,188.
Jtaliaͤner,
- Jronia,188.
- Jhre Oratorie, 29. ſprache. 151. 153.
- Jucundum,129. 131.
Judicium.
- Jucundum,129. 131.
- Wird zur Oratorie fuͤr allen erfodert. 9. 32. 354.
Juriſten, - Denen iſt die Oratorie noͤthig, 7. 13. ihre beweiß-
gruͤnde, 77. von ihren reden, 477. ihr ſtilus.
911. N n 4Ju-
[[568]]Regiſter der ſachen.- Juſtitz-ſachen-reden,475.
Jus naturae.
- Juſtitz-ſachen-reden,475.
- Einem redner noͤthig. 12. wie man darinn beweiſe,
76. muß auch von dem recht des menſchen han-
deln. 361.
Appendix B.10 K.
- Klugheit,
- Einem redner noͤthig. 11. 12. 14. bey erfindung der
argumentorum, 51. 53. 89. 95. 118. 127. 137. beym
ausdruck. 365.- Kriegs-reden,474.
Appendix B.11 L.
- Landtags-reden,474.
- Latiniſinus,192.
Lateiniſche - Oratorie, 17. ſprache, 13. 19. 29. 30. 150. 151. 152.
175. 335,
Lebens-art - Formiret den ſtilum, 168.
Lebens-lauf, - Wie zu machen, 446. des Hrn. von Dießkau. 449.
Lectur, - Jſt noͤthig zur erfindung. 51. zum ſtilo. 356.
- Limax,132.
- Litotis,187.
Locus communis,
- Was es ſey. 107. dient zum connectiren. 214. 226.
Logick, - Wie ſie von der Oratorie unterſchieden. 7. 8. einem
redner noͤthig. 11. 51. 62. 68.
Logomachien, - Wie ſie zu vermeiden, 11. 177.
- Loquendum cum vulgo,174.
- Lulliana ars,40.
- Luſus verborum ſiehe wortſpiele.
Appendix B.12 M.
- Mathematick,
- Wie man da beweiſe, 78. derſelben ſtilus. 312.
- Medaillen,86.
Medici
- Medaillen,86.
- Brauchen die Oratorie, 7. 13. wie ſie beweiſen, 78.
ihr ſtilus, 312.
Mediſance, - Was ſie ſey. 364.
Meditatio, - Ein argumentum illuſtrans. 108. dient zur conne-
xion. 214. 226. zum ſt[i]lo arguto. 315.
Meißner - Jhr ſtilus. 18. 337. 339.
- Meioſis,187.
- Meiſter-geſaͤnge,334.
- Memorie ſiehe gedaͤchtniß.
- Matabaſis.199.
- Metaphora.188.
- Metaphyſick,76.
- Metalepſis.187.
- Metatbeſis.191.
- Metonymia.187.
- Meriſmos.196.
- Mimeſis.198.
- Moͤglichkeit.58.
Moquerie,
- Jſt ſchaͤdlich, 61. was ſie ſey, 364.
Moral, - Einem redner noͤthig, 11, 51. wie man darinn auf
unſtreitige art beweiſe, 62. auf wahrſcheinliche
art, 73.- Muͤntzen ſiehe Medaillen-
- Mythologie,332.
N n 5Na-
[[570]]Regiſter der ſachen.
Appendix B.13 N,
- Naturel,
- Zur Oratorie. 8. zum ſtilo. 354.
Nieder-Sachſen, - Jhre Oratorie und ſtilus. 18. 337. 340.
- Noema,196.
- Notatio,88.
Numerus Oratorius.
- Was es ſey. 210. wer davon, geſchrieben,
190. 211. im ſtilo humili. 238. mediocri,
260. ſublimi, 277. im hiſtoriſchen ſtilo. 314.
im arguto, 315. Oratorio. 343. familiari. 349.
Appendix B.14 O.
- Obſecratio.197.
- Occupatio.196.
- Oeſterreichiſcher ſtilus.342.
Oppoſita. - Dienen im beweiſen, 62. 89. 92. im erlaͤutern. 112.
115. im ſtilo arguto. 315.
Oppoſitio.197.
Orator. - Deſſen eigenſchaften. 8. 421. ſqq. deſſen geſtus. 533.
Oratorie. - Jhre beſchreibung. 2. iſt noͤthig. 5. wie ſie von der
Logick unterſchieden, 8. iſt ein ſtuͤck der univerſellen
gelehrſamkeit. 13. ihre hiſtorie. 15.
Orthographie. - Der Lateiner. 526. der Teutſchen. 527. ſqq.
Oximoron.197.
Appendix B.15 P.
- Paeaniſmus,197.
- Palillogia.195.
Panegyricus. - Auf Fridr. Wilhelm den Groſſen, Ch. z. Br. 280. fo-
dert ſtilum ſublimem. 239. 279. was dabey zu mer-
cken. 420. wer dergleichen im Teutſchen gehalten.
466. 476.
Pan-
[[571]]Regiſter der ſachen.- Pantomimi.9.
- Parabolae.83.
- Paradiaſtole.197.
- Paradigma.196.
- Paradoxon.198.
- Paralipſis.198.
- Paragoge.191.
- Paraſiopeſis.198.
- Parecbaſis.197.
- Paregmenon.195.
- Parecheſis.195.
- Paromologia.196.
- Paronomaſia.195.
- Parrheſia.198.
- Partes orationis.158.
- Pathetiſches weſen.41. 203.
Periodus,
- Was er ſey. 162. wie zu macheu. 166.
- Periphraſis.197.
- Periſſotes.193.
Philoſophie.
- Einem redner noͤthig, 11. was ſie ſey. 176. wie man
darinn beweiſe. 76. iſt nicht zu verachten. 159. wie
ſie von der Oratorie unterſchieden. 8.
Phyſic. - Wie man darinn beweiſe. 62. 73. 76.
Phoͤnicier. - Jhre Oratorie. 16.
Phraſes.213.
Pietiſten. - Jnſcription auf dieſelben. 325.
- Pleonaſmus,191. 193.
- Ploce.194.
Politick.
- Politiſche wahrſcheinlichkeit. 73. polite leute. 179.
politer gebrauch, ſiehe galanter gebrauch.- Polyptoton.195.
- Polyſyndeton.192.
- Politiſcher ſtilus.331.
- Portugieſen.30.
Praͤdicatum.
- Dienet zum beweiß, 62. beym ausdruck zu bemercken. 156. 163
- Praͤfiguratio.197.
- Praelectio,420.
- Praeteritio.198.
Predigt.
- Was ſie ſey, 492. wie zu machen. 492. ſqq. drey exempel. 499.
- Procatalepſis.196.
- Prodiaſipheſis.193.
Programma.
- Was dabey zu mercken. 428. exempel. ibid.
- Prolepſis.192. 196.
Proluſio,
- Prolepſis.192. 196.
- Was dabey zu mercken, 420. ein exempel. 421.
Propoſitio, - Deren erfiudung 33. was dabey zu mercken. 160. 403. 404.
in predigen. 496. ſiehe thema.- Proprium.62.
- Proſopopoeia.198.
- Proſtbeſis.191.
- Protaſis, ſiehe propoſitio.
- Prouechia.114. 82.
- Punctum,210.
- Punctiren.98.
Appendix B.16 R.
- Raiſonnement,
- Jſt von der Hiſtorie unterſchieden. 65.
Realia. - Was ſie ſeyn, 54. muͤſſen nicht gehaͤuft werden. 233.
- Rebus de Picardie.143.
Rede,
- Rebus de Picardie.143.
- Deren formirung, 147. Rede-kunſt, ſiehe Oratorie. Redner
ſiehe Orator. Rede von den vorzugen der alten zeiten 239.
der neuen, 250. von der unbeſtaͤndigkeit menſchlicher ge-
muͤther. 262. auf Friedr. Wilhelm, Ch. z. Br. 280. von den
vorzuͤgen der beredſamkeit fuͤr den krieg. 375. von den ei-
genſchaften eines guten redners. 421. Allerhand diſpoſi-
tiones zu reden. 382. 385. 389. ſqq. reden mit ſeines gleichen.
349. 350. mit hoͤhern, 350. 535. gegen geringere, 349. Mo-
raliſche regeln der rede, 360. ſqq. Theologiſche reden 491.
Juridiſche, 477. Schul- und politiſche, 419. im gemeinen
leben-
[[573]]Regiſter der ſachen.
leben, 409. ſiehe ausdruck. reden durch den bauch, ſiehe
ventriloquae.- Redner-geſellſchaft.262. 374. 535.
- Regierungs-ſachen reden.475.
- Reichstags-reden.474.
- Reiectio.199.
- Reinlichkeit im ſtilo.207.
- Refutiren ſiehe wiederlegen.
- Religions-reden.475.
- Repugnantia115. ſiehe oppoſita.
- Reticentia198.
- Reaocatio.199.
- Rhetorick ſiehe Oratorie.
Roͤmer
- Redner-geſellſchaft.262. 374. 535.
- Jhre beredſamkeit, 15. 17.
- Romainen.235. 344.
Appendix B.17 S.
- Sang froid10. 233.
- Sarcaſmus197.
Satyren. 117. ſiehe ſtilus - Scoptici331.
Schleſier - Jhre oratorie und ſtilus 18. 337. 338.
- Scholaſtiſcher ſtilus175.
- Schulreden342. ſqq.
Schwatzhaftigkeit
- iſt keine beredſamkeit. 3. 8. 117. 144.
- Schweitzeriſcher ſtilus342
Scythen
- Schweitzeriſcher ſtilus342
- Jhre Oratorie 16.
- Semicolon210.
- Senſualia51. 58. 237.
- Sermocinatio198
Similia ſiehe gleichniſſe.
Spanier.
- ihre oratorie 28.
Sprache - Woher ſie entſtanden 148. der thiere 141. 144. der natur 142.
durch bilder 143. der haͤnde 144. deren menge 148. deren
veraͤnderungen 167. harmonie 150. erlernung 151. 153. 182.
beurthei-
[[574]]Regiſter der ſachen.
beurtheilung 179. Sprachrichter 172. 208.: ſprachen wiſſen,
30. 94. ſprachverderber 208. 175. 174- Staats-reden476.
- Steganographie526.
Stilus.
- Was er ſey 199. deſſen eigenſchafften uͤberhaupt 202. Aſiaticus
345. Atticus 345. 346. argutus 315. aequiuocus 209. aequa-
lis 212. artificialis 334. caerimonioſus 351. conciſus 169. 345.
347. concinuus 346. curiae 311. 351. der criticorum 168. dia-
logifticus 349. dogmaticus 352 diffuſus 345. declamatorius
335. 342. epiſtolaris 351. eruditus 310. 176. fluidus 169. frigi-
dus 299. 235. figuratus 335. familiaris 349. galanter 349.
350. humilis 238. 313. 335. hiſtorieus 313. 348. ingenioſus 168.
314. judicioſus 168. 314. Juridicus 311. joeoſus 348. 334. lu-
xurians 345. laconicus 345. 347. Lateiniſcher 335. laͤcherlicher
333. magnificus 168. memorialiſcher 168. 314. Medicus 312.
Mathematicus 312. mediocris 160. 314. 239. naturalis 334.
obſcurus 209. Oratorius 342. 345. 346. polemieus 352. pedan-
diſcher, phantaſtiſcher 235. poͤbelhafftig 239. poeticus 331. pa-
theticus 310. 314. proprius 335. reeitatiuus, relatiuus 348.
ſatyricus 330. 330. 352. ſchlaͤfriger 233. 126. ſerius 348. ſim-
plex 334. Teutſcher 335. 317. Theologicus 310. Philoſophicus
176. 312. ſublimis 237. 239277. 314. tumidus 209. 235. tropicus
335. theatralis 344. vehemens 349. theoreticus 310. 314. tem-
peratus 349. rotundus 346. ſiehe ausdruck.- Stroh-krantz-reden.467.
- Sublimis ſtilus ſiehe ſtilus.
- Subiectum62. 156. 159. 163.
- Suſpenſio.198.
- Syllogiſmus89. 382.
- Syncriſis.197.
- Symploce.194.
- Symbole.197.
- Syllepſis.192.
- Synizeſis.193.
- Synecdoche.193
- Synonyma156. 159
- Synonymia.193. 88.
- Syſtole.193.
Appendix B.18 T.
- Tachygraphie524
- Tapinoſis.187. 197.
- Tautologia.194.
- Technopaegnia.43.
- Terminus ſiehe woͤrter
- Tertium comparationis.111.
Teſtimonia. - Wenn ſie beweiſen 72. 81. erlaͤutern eine ſache 110. 114. was
dabey zu beobachten 119.
Teutſche. - Oratorie. 18. ſprache. 13. 15. 49. 150. 152. 175. 337.
Theologus. - Braucht die oratorie 7. 13. Theologiſche gruͤnde 76.
Thema - Siehe propoſitio. Naturale. 35. artificiale. 35. zu erfinden
36. was dabey in acht zu nehmen 36. ſqq.- Titulaturen.181. 417.
- Tmeſis191.
Topic
- Ob ſie zur invention tuͤchtig. 40. entwurff einer neuen to-
pic 139.- Trauerrede476.
- Tranſitio199.
- Tractatio.404.
Tropus.
- Dient zur interpretation 99. 156. was ſie ſeyn und wie vie[l]
184. ſchaden der deutlichkeit 209. machen den ſtilum leb-
haftig 232. ihr gebrauch 238. 261. 310. 315. 335. 349. 358.
345. 352. 277.
Appendix B.19 V.
- Variatio.
- Mittel zum guten ſtilo. 358.
- Ubung im ſtilo357.
Uberſetzung.
- Ubung im ſtilo357.
- Mittel zum guten ſtilo 357. was bey uͤberſetzungen der buͤ-
cher zu mercken 358.
Uberreden. - und reden iſt zweyerley. 121.
- Ventriloquae mulieres148.
- Vermaͤhlungs-reden.467.
Vermahnungen.
- Zu ſolchen iſt auctoritaͤt noͤthig 412.
Vernuͤnfteln - Jſt ein albernes wort 206
- Viſitcompliment414.
Umſatteln.
- Viſitcompliment414.
- iſt leine ſuͤnde 382
- Unbeſtaͤndigkeit.
- Der menſchlichen gemuͤther in einer rede. 262
- Vniuerſal-ſprache
- iſt die Lateiniſche 30. iſt moͤglich. 149.
- Vniuoca156. 159.
Unterricht im ſtilo.
- Vniuoca156. 159.
- Wie er beſchaffen ſeyn ſoll. 355
- Ungleichheit im ſtilo.213
- Votum.197
- Vtile.129.
Appendix B.20 W.
- Waͤſcherey ſiehe ſchwatzbaftigkeit
- Wabrheit58
- Wahrſcheinlichkeit70.
Wapen-kunſt ſiehe heraldic
Weiß machen - iſt keine beredſamkeit. 3.
Wind machen. - iſt erlaubt der wahrheit zum beſten 80. wie man es mache.
123. 125. 126. 133. 145. 345. 347. 348.
Wiederlegung - Wie und wenn ſie noͤthig 92. ſiehe diſputiren und oppoſita.
Wolluͤſtige - Wie ſie zu gewinnen 131. 129. 127.
Worte - Kunſt-woͤrter. 69. 156. neue zu machen iſt erlaubt 149. was
dabey zu mercken 156. 172. 175. 179. 184. 204. ihre iunctur
210. ꝛc. Wortſpiele 40. 43. 317. 323.- Wunſch zu machen413
Appendix B.21 Z.
- Zeſianer.174. 208.
- Zeugma192
Zoten - ſind laͤppiſch und alſo zu vermeiden 108. 365.
Zuhoͤrer - Jhre pflicht 367. bey predigten ſiehe predigt.
Zukuͤnftige Dinge - Wie ſie darzuthun 74
Zweydeutigkeit ſiehe aͤguivoca.
ENDE.
[[577]][[578]]
de-kunſt. Einige ſagen die Rhetorick gebe re-
geln, die Oratorie bringe ſie in die uͤbung; und
machen alſo einen unterſchied unter beyden, das
will ich ihnen nicht wehren, ich thue es inzwi-
ſchen nicht.
modus melior, quam vt latine, vt dilucide, vt orna-
te, \& adid quodcunque agetur, apte congruenterque
dicamus. Quincti l. Lib. III. V. Tria ſunt quæ
præ-
[3]zur beredſamkeit.
praeſtare debet orator, vt doceat, moueat, delectet
Und Morhoff lobt den Virgilium alſo: Non
plus dicit, quam debet. quae maxima omnis elo.
quentiae virtus eſt. Polyh. I. 3. 10. 30. Joh. Clerici
Penſeés de la vraie et fauſſe eloquence Parrhaſian.
I. p. 73. ſind fuͤrtreflich einen rechten begrif von
der beredſamkeit zu machen. Man hat ſie
mit noten ins Teutſche uͤberſetzt edirt Alten-
burg. 1722. 8. Conf. Ridig, Senſum Veri \& Falſi.
IIII. 4. de propoſitione medit. D. Auguſt Frid.
Mülleri Diſſ. de Arte [e]loquendi Lipſiæ 1708. M.
Gottfr. Polycarp. Mülleri. diſſert. de emendatione
eloquentiae moderna praemiſſam ideae eloquentiae
Nov-antiquae, Joh. Georgii Walchii Epiſt. de cor-
rupta ſcholarum eloquentia, Facciolati orationi ad
humanitatem praemiſſam. Lipſ. 1716. Eiusdem dia-
triben de litteris humanioribus, hiſtoriae criticaelati-
næ linguæ adiectam.
cum iudicio paranda eſt. \&c. Es iſt alſo uͤbel ge-
than wann man die leute nur auf die ausdeh-
nung der rede fuͤhret, und doch finde ich daß die-
ſes der meiſten rhetorum ihr hauptwerck ſey-
Viel worte ſind nicht allemahl ein zeichen eines
A 2guten
[4]vernuͤnfftige anleitung
ten iudicii. Und es muß doch wohl ein unterſchied
ſeyn unter ſchwatzhaftigkeit und beredfamkeit.
meynung ſeyn, allein ob man ihnen wohl den
naͤchſten platz nach denen groͤſten ſchertzern bey
hofe gerne einraͤumet, ſo wird doch der gar zu
groſſe zufluß vom ingenio ſie wohl zu keine red-
ner machen.
II. da er die Sophiſten abſchildert.
Vid. A. Gellium in noct. V. I.
n. und die von ihm allegirten auctores. Ridig. l.
c. §. 36. M. Gottfr. Polycarp. Mülleri diſſert. de
emendatione eloquentiae moderna. p. 22. §. XX.
der beredſamkeit nicht miſchen, denn ich bin noch
zweiffelhaft, ob nicht etwa ein wortſtreit daraus
gemacht werden koͤnne. conſ. Ridig. S. V. \& F.
Lib. IIII. Cap. IIII, §. 30. und M. Polyc. Mülleri
Diſſ. de emendatione eloquentiae moderna.
grundriß der aeademiſchen Gottes-gelahr-
heit: Logic Rhetorick\&c.waͤren erfindun-
gen und gaben des teuffels: Mir duͤnckt weil
er ſie weder als treuhertzige ſchweſtern, noch als
goldtincturen gebrauchen konte. Uberhaupt
wo die gelehrſamkeit reden darf, da ſpricht ſie
der unwiſſenheit dem aberglauben und der athei-
ſterey ein ſcharffes urtheil, was wunder dann
daß dieſer Cerberus ſeinen geiffer wieder die
beredſamkeit ausſchuͤttet.
den mit uns gebohren, vielweniger eine fertig-
keit wohl zu reden. Dieſe fertigkeit kan man oh-
ne regeln und uͤbung nicht erhalten. Wer ſoll
uns alſo die regeln geben, welche durch ſo vieler
iahre abwechſelndeu geſchmack, dennoch regeln
blieben, und durch vieler und groſſer redner voll-
kommene proben bewehret worden? Gewiß,
weder unſere ammen noch unſere muͤtter koͤn-
nen ſie uns mit der milch einfloͤffen, vielweniger
werden wir ſie auf dem tantz- oder fecht-boden
lernen. Wie man aber hier die fuͤſſe und den
degen gebrauchen lernet, ſo ſolte man ſich auch
nach gelegenheit umthun, wo man die fertig-
keit bekaͤme, wohl und geſchickt zu reden. Doch
ich befinne mich, bey dem tantzen braucht man
die fuͤſſe, bey dem fechten die haͤnde, hingegen
bey der wohlredenheit braucht man den kopf,
und da haben die meiſten veraͤchter der bered-
ſamkeit bey ihren falſchen abſichten weniger
verſtand und geſchick als in haͤnden und fuͤſſen.
als bibliſch reden, und die concordantzen und
poſtillen ſtehn ihm beſſer an, ein Juriſte denckt
weil die Oratorie ſeiner unwiſſenheit im jure
nicht zu ſtatten komme, ſey ſie wohl nichts nuͤtze,
der Medicus glaubet eben das, weil er in ſei-
nen recepten keine oratoriſche figuren braucht,
andere haltẽ es fuͤr eine ſchulfuͤchſiſche ſache, weil
ſie aus der Hiſtorie noch nicht unterrichtet, daß
ein groſſer ſtaats-mann und ein treflicher redner
ſeyn, mehrentheils beyſammen ſtehe. Kurtz:
ars non habet oſorem niſi ignorantem.
gehen koͤnnen, ſiehe Thomaſii kle[i]ne ſchrifften
program. II.
erhellet aus dieſen und den folgenden daß es eben
nicht ſo leicht ſey einen guten redner abzugeben.
Denn man muß von der natur dazu gemacht,
und uͤber dieſes mit treflichen qualitaͤten ausge-
ruͤſtet ſeyn, wiſſenſchafften, ſprachen in ſeiner ge-
walt haben, dem zuhoͤrer ins hertz ſehen ꝛc. doch
eben deswegen iſt es ein deſto groͤſſerer ruhm.
darinn die Pantomimi bey ihnen uͤberaus gluͤck-
lich waren. vid. Reimmann Hiſt. Litt. Germ. Vol.
III. p. 394. Thomaſii Caut. Cap. 9. p. 182. §. 50.
Conrart de l’action de l’orateur, ſo zu Helmſtaͤdt
1690. 4. lateiniſch, unter dem titul: de pronun-
ciatione \& geſtu oratoris, und 1709 zu Jena in 12
Teutſch heraus kom̃en, mit dem titul: Conrarts
gruͤndlicher unterricht, wie ein geiſtlicher
und weltlicher redner in der ausſprache
und geſtibus ſich manierlich und klug auf-
fuͤhren ſolle. Hieher gehoͤren viele regeln des
wohlſtandes, ſiehe unten des dritten theils un-
ſerer Oratorie achtes capitel.
§. XXVI.
muͤtze iſt hier nichts nuͤtze.
ten auctores. Der alte Cato ſagte: Orator eſt
vir bonus, dicendi peritus, conf. Cic. de offic. L. II.
C. XIIII. Jch weiß leider wohl, daß die wenig-
ſten menſchen redliche abſichten haben, ſie ſetzen
bey allen ihren verrichtungen, alſo auch bey ih-
ren reden, geld-geitz, ehr-geitz, wolluſt zu ihrem
endzweck, und intendiren allezeit dabey, den
andern zu betruͤgen. Allein ſie betreten dabey
einen weg, auf welchen viele tauſend, auch die
gluͤcklichſten und groͤſten leute, den hals gebro-
chen. Denn man betruͤgt einen nur einmahl,
und hat ihn hernach mit allen ſeinem anhang
zum feinde, und wer einmahl gewohnt iſt mal-
honnetten abſichten nachzugehen, der kommt
bey denen, die mit ihm umgehen, bald herum,
hernach iſt er ſo zu reden, fertig, und alle ſind
uͤbel gegen ihn geſinnet, warten auch nur auf
beqveme gelegenheit, ihm wieder eins anzu-
haͤngen. Hingegen iſt auch die welt niemahls
ſo unvernuͤnftig, daß ſie iemand, der auf eine
vernuͤnftige art, allezeit honnetten abſichten
nachgehet, ſollte gaͤntzlich fallen laſſen. Zu
geſchweigen der goͤttlichen, natuͤrlichen und
buͤrgerlichen rechte, welche uns verbinden, al-
lezeit redliche abſichten zu haben.
redner bringt alle, die ihn hoͤren, faſt in kindes-
noͤthen, ein verwegener, allarmiret ein gantzes
auditorium, macht es aufmerckſam und ſcharf-
ſichtig auf die fehler, ſo er begeht, beydes iſt
unangenehm und albern.
tung und Ausuͤbung der Vernunfft-Lehre,
Halle. 1719. 8. Ridiger. Senſus V. \& F. Lipſiae
1722. 4. Ejuſdem Inſtitutiones eruditionis Lipſiae
1717. 8. und Philoſophia pragmatica, Lipſiae.
1723. 8. Da in beyden letztern die Logick gleich
aufangs wohl ausgefuͤhret. D.Aug. Frid.
Muͤllers Teutſche Philoſophie, daran derſelbe
ietzo noch arbeitet, und wovon die Logick meh-
rentheils fertig. Wer in der Philoſophie und
ſonſt an recepten doctrinen glaubt, und dazu
Logick und Moral gebrauchen will, dem will
ich folgende fuͤrtrefliche Triumuiros recommen-
diren: Jacobi Thomaſii Philoſophiam. Jo. An-
dreae Schmidii Compendium Philoſophiae,
Helmſt. 1710. 8. Jo. Franciſci Buddei elementa
Philoſophiae inſtrumentalis, theoreticae \& pra-
cticae. Man kan dieſen beyfuͤgen Samuel
Werenfelſens Diſſertationde Logomachiis E-
ruditorum. Amſterd. 1702. 8. und die beygefuͤg-
te Diatribe de Meteoris orationis. Jch koͤnte
mehr Logicken anfuͤhren, wann es auf die men-
ge
[12]vernuͤnftige anleitung
ge oder ſeltenheit oder auf einen Frantzoͤiſchen
be l’eſprit oder ſchulfuͤchſiſchen woͤrter-kram, bey
gutem raiſonniren ankaͤme.
der klugheit, und des wohlſtandes unter ſich.
Alſo gehoͤren hieher alle, welche ietzt-benannte
drey wiſſenſchaften, in ihre vollkommenheit zu
ſetzen ſich bemuͤhet haben. Duͤrfte ich ohne ie-
mand zu praͤiudiciren, aus einer ſo groſſen men-
ge, etliche wenige einem zukuͤnfftigen redner an-
preiſen, ſo wollte ich Thomaſii Einleitung und
Ausuͤbnng der Sitten-Lehre,Ridigeri Philo-
ſophiam pragmaticam,die klugheit zu leben
und zu berrſchen, welche 1722. 8. Leipzig her-
aus kommen, Buddei Philoſophiam practicam,
Gracians Homme de Cour mit D.Auguſt fried-
rich Muͤllers noten, les caracteres ou les moeurs
de ce ſiecle par Mr. de la Bruyere,des Hrn. von
Rohrs moraliſche ſchriften, Bellegarde ſa-
chen, und Hrn. Hofrath Menckens Diſputa-
tion:De eo, quod decorum eſt, anfuͤhren. Wer
mehrere wiſſen, und auch von denen, die ich an-
gefuͤhret, zum theil nachricht haben will, der
leſe Hrn. Stollens Hiſtorie der Gelahtheit
den dritten theil.
zu ebenfalls anleitung. Jch erinnere mich ins
beſondere des Bellegarde l’art de connoitre les
hommes. Amſterd. 1709. 12. und Rohrs unter-
richt von der kunſt der menſchen gemuͤther
zu erforſchen, Leipzig. 1714. Jch werde viel-
leicht von dieſer und der vorigen gattung, im
folgenden, mehrere auctores anzufuͤhren gele-
genheit haben.
einem redner, ſondern uͤberhaupt fuͤr einem
klugen menſchen, die noͤthigſte wiſſenſchaft ſey,
welche
[13]zur beredſamkeit.
welche er aber nicht aus buͤchern, ſondern aus
der vernuͤnftigen erfahrung haben muß.
gelehrſamkett, dieſes aber ins beſondere zu de-
nen Facultaͤten und Diſciplinen. Und da die
Oratorie ein ſtuͤck der univerſellen gelehrſam-
keit, ſo mag ſich um die principia der Facultaͤ-
ten und Diſciplinen inſonderheit derjenige be-
kuͤmmern, welcher die Oratorie in denenſelben
zu appliciren gedencket, z. e. ein Theologus um
die heil. Schrift, derſelben grund-ſprache, die
Libros ſymbolicos, die Kirchen hiſtorie und or-
thodoxie, ein Juriſte um die leges, derſelben
hiſtorie, rationem und applicationem, wer von
Mediciniſchen dingen reden will, muß Phyſick,
Chymie, Anatomie, Botanick, ꝛc. verſtehen, ꝛc.-
Sagt man: ia, wann ich die Diſciplin verſte-
he, ſo brauche ich keine Oratorie, ſo antworte
ich: es folgt nicht gleich, daß, wer eine ſache
verſteht, auch ſofort geſchickt ſich ausdrucken
koͤnne.
fuͤrnehmſten Philologiſchen Wiſſenſchaften
ruͤhmen, die zu Wittenberg 1713. 8. heraus
kommen, worinn man auch mehrere auctores,
die hieher gehoͤren, allegiret findet. Jngleichen
Jo. Gottl. Heineccii ſtili cultioris fundamenta,
Halae. 1720. 8. Jener handelt von der Grie-
chiſchen, Lateiniſchen und Teutſchen ſprache,
dieſer inſonderheit von der Lateiniſchen. Meh-
rere muß man in MorhoffsPolyhiſtore und
Stollens Hiſtorie der gelahrheitT. I. Cap. II.
und III. ſuchen.
nam p. 47. und 124. Doch bin ich, was die
elogia, welche er der rede-kunſt beyleget, be-
trifft, mit ihm nicht einig. Zumahl, da der
Herr Auctor den ruhm ſelbſten hat, daß er ein
guter redner ſey.
etwas hievon in denen hiſtorien der Philoſo-
phie und Moral dieſer voͤlcker. vid.Stollen
Tom. II. Cap. I. §. 14. ſeqq. Tom. III. Cap. I.
§. 8. 10. ſeqq.
Curtio Libr. VII. Cap. VIII. §. o. ſeqq. iſt wohl
des Curtii eigene arbeit und mit denen reden,
welche von den alten bey andern geſchicht-
ſchreibern e. g. Liuio \&c. aufgezeichnet ſind,
hat es vielleicht gleiche bewandniß.
hoffTom. I L. VI. C. I. 2. Frantzoͤiſch iſt ſie edirt
par Mr. Caſſandre. la Haye. 1718. 8.
Tom. I. Lib. VI. Cap II.
Academicis Sect. V, C III.
die uͤbrigen verdienſte der Teutſchen um die
Oratorie der neuern zeit beruͤhret p. 379. Ein-
leitung zur Roͤmiſch-Teutſchen Hiſtoriep 871.
Tom. I. p. 109, 112. 113. II. 138. Thomaſii Cau-
telenC. 9. §. 27. 28. 29.
in Schleſiens fliegender bihliotheck ꝛc. Stolle
T. I. Cap. IIII. §. 20. Cap. V. § 67.
le proben abgeleget.
mers und anderer reden. StolleT. I. C. V. §. 67.
fers, Franeiſci, ꝛc. ſchrifften lernen. Es waͤre
zwar bey dieſer eintheilung vieles zu erinnern,
ich habe ſie zuerſt beym Huͤbner gefunden in ſei-
nen oratoriſchen fragen, und was er Saͤchſiſch
nennet habe ich Meißniſch, hingegen was er
Brandenburgiſch heiſſet, Niederſaͤchſiſch genen-
net. Jedoch hoffe ich, es werde niemand unter
die ketzer gerechnet werden, wann er an dieſe ein
theilung nicht glaubet oder auch wann er ſie fuͤr
gut und nuͤtzlich paſſiren laͤſſet.
Oratorie durch regeln und exempel, zum an-
B 2dern-
[20]vernuͤnftige anleitung
dernmahl edirt, Leipzig 1713. 8. Herr Stolle hat
ſie nicht angefuͤhret, und alſo wann ich die wahr-
heit ſagen darff, das beſte in dieſem genere ver-
geſſen. Der erſte theil hat folgende capitel 1.
von der haupt-diſpoſition aller reden durch die
chrie. 2. Von der propoſition einer rede. 3.
Von den aͤtiologien, 4. von den amplificationi-
bus, inſonderheit a contrario. 5. a ſimili. 6.
ab exemplo und teſtimonio. 7. a loco communi
und meditatione. 8. ab interpretatione, 9. ab
argutlis. 10. a conſectariis. 11. Von den aus-
putz der chrie durch die periodos. Der andere
theil beſteht aus folgenden: 1. Von den reden
welche die aͤtiologie zuerſt ſetzen. 2. Von den
briefen. 3. Von denen reden in welchen die am-
plificationes zuerſt geſetzet werden. 4. Von ab-
danckungen. Uberall ſind denen gruͤndlichſten
regeln, die ſchoͤnſten exempel beygefuͤget. Das
programma des Herrn Auctoris iſt ſo ſchoͤn, wel-
ches Er 1708. geſchrieben, das ich es unten P. III.
Cap. 4. meinem wercke eine merite zu machen mit
einruͤcken will. Wie ich hoffe der Herr Auctor
werde dieſes nicht unguͤtig nehmen, ſo bitte der
geneigte leſer wolle mich nicht deswegen fuͤr ei-
ne eule halten, welche ſich mit fremden federn
ſchmuͤcket.
rie und briefverfaſſung, andere auflage, Hal-
le und Leipzig 1715. 8. Handelt im 1. theil von
ſtilo, im 2. von der invention, im 3. von der diſpo-
ſition. Von ſeinen auserleſenen briefen ſiehe
StollenT. I. IIII. 38. Was er mehr geſchrie-
ben ſoll unten angefuͤhret werden. Jſt wie be-
kannt D. Hunold.
ner gruͤndlichen Oratorie zum academiſchen
gebrauch entworffen und mit anmerckungen
ver-
[21]zur beredſamkeit.
verſeben, Leipzig 1722. 8. hat zwey theile, der
erſte giebt zur theorie, der andere zur praxi an-
weiſung. Er iſt zu loben, daß er Logick und Ora-
torie miteinander zu verbinden geſucht, und doch
gewieſen daß man ſelbige nicht vermiſchen ſolle.
Seine Idea eloquentiæ nov-antiquæ iſt mit ſeiner
academiſchen klugheit zugleich heraus kommen
Leipzig 1720. 4. Wie dieſe zur galanten gelehr-
ſamkeit fuͤrtrefliche dienſte thut, alſo ſteckt iene
voller artigen ſachen und nuͤtzlichen wahrheiten.
z. e. p. 18. ſagt der Herr Auctor: In eo infelix eſt
orbis eruditus, quod tot habeat hinc \& inde ora-
toriae emendatores cum tamen perpaucos inveniat,
a quibus quidquam viderit, quod in hoc ſcribendi
genere excellat feratque aetatem. Und p. 23.
ſetzt Er: Eruditi ſtulti, ſunt maximi ſtulti \& am-
pliſſimi ſæpe viri plurimis praeiudiciis opinioni-
bus \& affectuum ſtimulis ita abundant, vt non niſi
iuxta ſuas perſuaſiones ſint ducendi. Jch habe
dieſe ſchrifft mit vielen vergnuͤgen geleſen. Sie
enthaͤlt in ſich 1. Diſſertationem de emendatione
eloquentiae moderna, 2. Programma auſpicale ora-
eioni praemiſſum als der Herr Auctor 1716. Prof.
Eloqu. und Poeſeos zu Leipzig wurde III. Orationẽ
de genere dicendi nov antiquo. IIII. Ideam elo-
quentiae nouantiquae, P. I. C. I. de themate, 2. de
argum. probantibus. 3. de argum. mouentibus. 4.
conciliantibus 5. de illuſtratione \& amplificatione.
6 de inuentione \& diſpoſitione, 7. de ſtilo. 8. de
actione. P. II. Practica. C. I. de conuerſatione \&
progymnaſmatibus. 2. de litteris conſcribendis. 3.
de orationibus ſolemnibus. 4. de orationibus va-
riorum vitae generum. Was man uͤbrigens von
des Herrn Auctoris Oratorie ihm vor einen con-
cept machen ſolle, giebt er ſelbſt an die hand. Diſſ.
de emend. p. 44. ſentio quoad principia totius Ora-
toriae artis cum Ariſtotele ac familia eiusdem, ſed
B 3nollena
[22]vernuͤnftige anleitung
nollem cum Paulo Rabo in Rhetorica ciuili ab ipſo
edita (Regiomonti \& Lipſiae 8. 1704.) libro mul-
tae diligentiae \& vtilitatis variae ariſtotelizare.
rie, allezeit fertiger briefſteller ꝛc. ſind bekannt
vid.StollenI. IIII. 38 Er heiſt ſonſt Boſe und
hat ſich durch viele nette Teutſche ſchriften be-
ruͤhmt gemacht.
wohl informirter redner, worinn die orato-
riſchen kunſt-griffe vom kleineſten biß zum
groͤſten durch kurtze fragen und ausfuͤbrliche
antwort fuͤrgetragen werden. Die fuͤnffte
auflage, Leipzig 1712. 12. Jſt in 4. Buͤcher ge-
theilet, da das 1. von worten, das 2. von perio-
dis. Das dritte von der connexione periodorum,
das 4 von der gantzen Oration handelt. Hin-
ten iſt des Herrn von Koͤnigsdorff rede auf
Leopoldum und des Herrn von Planitz auf Joſe-
phum beygefuͤgt. Bey der achten auflage wel-
che nunmehro 1723. heraus kommen, hat man
ein paar miſerable piecen da kein r drinnen iſt
angehengt.
§. 12. 51 56. 69. Morhoff,Polyhiſtor. Tom. I.
Lib. VI. Cap. I. §. 32. Cap. III. §. 12. S. das ge-
lehrtenLexicon.Reimmanns Einl.III. 382. 388.
443. IIII. 653. M. G. Polyc. Müllerum de emenda-
tione eloquentiae moderna p. 5. ſqq.
1696. 8. edirt.
und fuͤrnehmer Miniſter beygefuͤget und fuͤr
andern wohl zu leſen. Er war ehedeſſen Prof-
Eloquentiaͤ in Helmſtaͤdt und zugleich D. und
Prof. Theolog ietzo aber iſt er des Kaͤyſerlichen
freyen ſtiffts Lockum Abt. Jch habe die ehre ge-
habt
[23]zur beredſamkeit.
habt, auf der Julius-univerſitaͤt Jhn als mei-
nen lehrer zu veneriren, und nach deſſen gelehrter
anfuͤhrung mich in der beredſamkeit zu uͤben.
Wenn man ſeine Lateiniſchen orationes und pro-
grammata lieſet, wird man zweifelhaftig ſeyn,
wie es moͤglich, daß man in zweyen ſprachen zu-
gleich excelliren koͤnne. Von ſeiner commenta-
tione academica de orationibus parentalibus iſt un-
ten P. III. cap. 5. zu gedencken.
welche uͤber das zeitige abſterben der Bran-
denburgiſchen Chur-Princeſſin Eliſabeth
Henriette gehalten, und ſeinen gedichten beyge-
fuͤgt iſt, aufgeſetzet haͤtte, ſo wuͤrde ihm wegen
derſelben artigkeit hier ein platz gebuͤhren.
log. in der mantiſſa. Von ſeinen ſchrifften hat
er ſelbſt ein verzeichniß heraus gegeben nebſt der
wiederlegung des M. Jo. Matthaei 1691. 8.
Nuͤrnberg, und da zehlet er derſelben ſchon 66.
Man ruͤhmt ihn als einen meiſter in geſpraͤchen.
Stolle.I. IIII.§. 28. Das gelehrtenLexicon.
ſind zum ſtilo ſimplici und denen Theologis nu-
tze. S. das gelehrtenLexicon.
Von Andrea Gryphio ebenfalls Stollenl. V.
35. Von beyden wie auch von andern deren ich
erwehnung gethan und welche nicht mehr in le-
ben, kan das gelehrten Lexicon nachgeſchlagen
werden. Vom Andrea gehoͤren hieher ſonderlich
ſeine lob- und trauer-reden.
die rede, welche ſeinen gedichten angehaͤngt, die
man auch in den reden groſſer Herrn ꝛc. fin-
det. Von ihm und ſeinen uͤbrigen ſchriften und
verdienſten ſiehe vorhin angefuͤhrten Stollen
B 4I. V.
[24]vernuͤnftige anleitung
I V. 37. und anderwerts, ingleichen das ge-
lehrten Lexicon.
Arminium enucleatum und Schroͤter eine an-
weiſung zur Oratorie nach Lohenſieins art
in 8. heraus gegeben.
treflichſten redner unter denen Lutheriſchen The-
ologis geweſen. Seine fruͤheſtunden, betruͤb-
tes und getroͤſtetes kind GOttes, geiſtliche re-
den und andere ſchriften, ſind ſo voller geiſt und
leben, daß er unſterblichen ruhm behalten wir[d].
ſtock hat Erquickſtunden, den himmliſchen lie-
beskuß ꝛc. in reinen Teutſchen ſtilo geſchrieben.
Morhoff. Pol [...]h. I. VI. IIII. 23.
ben mit ſeiner beredſamkeit. S. StollenI. IIII.
20. 38. 40.
zu Leipzig. 8. heraus kommen. Sie beſtehen
theils in ungebundenẽ theils gebundenen ſachen
und man hat damit vielleicht das werck abgehen
moͤchte Hoffmannswaldaus reduͤbungen fuͤrge-
ſetzt. Doch recommandiren ſie ſich ſelbſt wohl.
und andere ſchriften ihn auch in der beredſamkeit
unſterblich gemacht.
ralium auf der Julius-univerſitaͤt, iſt ein fuͤr-
treflicher redner. Als eine probe ſeiner bered-
ſamkeit, kan man die rede anſehen, welche er bey
der abreiſe der ietzigen Kaͤyſerin, damahligen Koͤ-
nigin in Spanien in Wolffenbuͤttel gehalten, und
in
[25]zur beredſamkeit.
in den reden groſſer Herrn und fuͤrnehmen Mi-
niſtren ſtehet. Jch habe Jhm in dieſem ſtudio
vieles zu dancken.
ſeinen ſchrifften gewieſen, daß man eine gute Phi-
loſophie auch in der Teutſchen ſprache, gruͤndlich
nett und angenehm fuͤrtragen koͤnne.
verdienten Mann ſiehe Stollenl. IIII. 18. 38.
Thomaſii CautelenC. 9. §. 30. und oben die
not. n.
verdienet wegen ſeines Schauplatzes und La-
byrinths der zei, hier mit recht einen platz. Von
ſeinen uͤbrigen zur Teutſchen beredſamkeit dienli-
chen ſchriften, wird anderswo meldung geſche-
hen, inzwiſchen S. das gelehrten Lexicon.
Luͤnig, auch um die Teutſche beredſamkeit beſon-
ders verdient gemacht. Wo ich nicht irre, ſo ha-
ben wir nunmehro 12. tomos. Jch koͤnte hier
noch mehr anfuͤhren z. e. D. Leyſers parerga Ora-
toria. D. Huldrich Sigismund Rothmahlers
Oratoriſche baumſchule, Rudolph Sadelers
Teutſche Rhetorick, Schottelium, Boͤdickern,
Morhoff, Scriveꝛn, Luͤtkemann, Gerhardt, Arndt,
D. Gottfried Ludwig, Chriſtian Juncker, Rie-
mern, Schuppen, Happelium, Opitzen, Oleari-
um, Spenern, Laſſenium, Neumeiſtern, Daniel
Richtern im vorſchlag wie man zu der redner-
kunſt nach dem ingenio dieſes ſaeeuli gelangen
koͤnne 1662. 8. und unzehliche andere. Doch es
iſt mein vorhaben nicht, einen voͤlligen abriß der
Teutſchen beredſamkeit zu geben. Am allerwe-
nigſten iſt meine abſicht alles gute und boͤſe was
in dieſer art zum vorſchein kommen zuſammen zu-
raffen, und mein weniges ur theil daruͤber zu faͤl-
B 5len.
[26]vernuͤnftige anleitung.
len. Dann eine ſolche ſchatz-kammer meinen le-
ſern zu ſchencken bin ich zu arm und mit den Hof-
meiſtern will ich mich nicht verwirren. Hat ie-
mand luſt ein oder den andern auſſer den ange-
fuͤhrten noch zu ſehen, ſo ſchreibe er deſſen nahmen
hierbey, oder kan er auch von oberwehnten et-
wan einen nicht in dieſer claſſe leiden, ſo ſtreiche
er deſſen nahmen weg. Es werden ſich in folgen-
den, am gehoͤrigen ort noch einige zeigen.
l. 1. XXIIII. 99. Stollel. IV. 12.
Prof. Walch herausgegeben, ingleichen ſeine
andere ſchriften.
delt Clarmundus in ſeiner lebens-beſchreibung
die 1710. 8. Dreßden und Leipzig heraus kom-
men. Seine Epiſtolae Orationes, Diſſertationes,
Poëmata \&c. ſind hier ſonderlich zu ruͤhmen.
hoff iſt nicht wol auf ihm zu ſprechen Polyh. l. VI.
III. 3. Reimmann Einl. IIII. p. 102. Mehrere
Lateiniſche redner unter den Teutſchen, nennet
angefuͤhrter Morhoffl. VI. III.
les reflexions ſur l’eloquence du Barreau \& de la
chaire Paris 1684. 4. in ſeinen operibus.
\& de perſuader die 1676. 12. Paris heraus kommen.
S. Morhoffl. VI. l. 31. Stollel. II. 13.
das gelehrten Lexicon.
theTom. I. p. 659. MorhoffPolyh. l. I.
XXIIII. 24. Die diſſertation de la grandc elo-
quence iſt die ſechſte in ſeinen operibus.
des Longini de ſublimitate herausgegeben, war
ein treflicher ſatyricus, und wichtiger partiſan
der alten in dem bekannten vorzugs-ſtreit zwi-
ſchen den alten und neuen. Siehe Stollens
Hiſt. l. V. 44. l.Vorber. 21. 23. Thomaſii
MonatheTom. I. p. 185. Jn den lettres ga-
lantes par Madame de C. Tom. V. p. 160. ſteht
ein artiges epitaphium auf ihn.
p. 659. ſqq.
und Amourettes ſind ungemein wohl zu leſen.
Grenoble \& Paris. 1664. 12.
ry, von ienen ſiehe Stollenl. V. 27. von dieſer
eben denſelben l. IIII. 29. l. V. 67. III. III. 8.
alle
[28]vernuͤnftige anleitung
alle leute charmiret, ins Teutſche, ſo wird die
ſchmincke bald abfallen. Denn wer Teutſch
philoſophiret, der muß gewiß gut reden und
was geſcheutes fuͤrbringen, wann er gefallen
will. Doch will ich denen reden, welche in dem
Receuil des harangues, prononceés par Meſſieurs
de l’academie Francoiſe, darunter viele fuͤrtreff-
lich ſind, ihr gebuͤhrendes lob nicht abſprechen.
Der P. Bouhours hat unſere Nation ſo laͤppiſch
und veraͤchtlich tractiret, daß ich ſeiner ſchriften
nicht erwehnen mag.
Giuſto Fontanini della eloquenza Italiana Rom.
1706. 4. und des Gioſeffo Maria Platina Arte
Oratoria. Bologna 1716. 4. zu zehlen
humanioribus, auch die beredſamkeit, in ſelbi-
gen reich, in ihre vollkommenheit zu ſetzen.
ſprache, die ſprache der gelehrten iſt, und wohl
gar den platz einer univerſal-ſprache behaupten
kan. Andern theils ruͤhrt es aus einempedan-
tiſchen vorurtheil her, da man lateiniſch koͤn-
nen, fuͤr die rechte gelehrſamkeit haͤlt.
ſchen und Maroccaniſchen abgeſandten, inglei-
chen denen briefen ſolcher Nationen, ferner bey
ihren Philoſophen Schichſaadi, Lockmann ꝛc.
3. §. 11. 12. Weil aber nicht alle Leute dieſe fer-
tigkeit beſitzen, ſo ſind nicht alle leute geſchickt
gut zu erfinden. Jngenium und iudicium muß
man einiger maſſen von natur haben, erfahrung
und vernunft-lehre muͤſſen nothwendig hin-
zu kommen.
wann ich ihn anrede oder an ihn ſchreibe: Jch
gratulire ihm zur erhaltenen Doctor-wuͤrde.
Oder man redet von duellen, und ich ſoll ſagen:
Die duelie ſind verboten.
der reſignation Philippi desV.in Spanien.
nem logicam: z. e. Doctor werden iſt gewiß
nichts geringes. Oder: Die duelle ſind
mit recht in Sachſen verboten. Oder: Die
ſonne iſt das centrum der welt.
bene iſt zu loben, zu beklagen, die hinterbliebe-
ne angehoͤrige ſind zu troͤſten, denen leichen-
begleitern muß man dancken. Bey einer in-
veſtitur: Die vacante ſtelle muß wieder beſe-
ßet werden, der Souverain will dieſen dazu
verordnen, alſo werden die ſo davon depen-
diren ihn dafuͤr zu reſpectiren wiſſen. Oder
ich ſpreche: Philipp derV.hat die crone nie-
dergeleget, dieſes ſetzt viele in ver wunderung,
viele in ſorgen, vielen macht es einen vorneh-
men concept von der großmuth dieſes Mo-
narchen, ich glaube, daß er bey ſeinem tempe-
Crament
[34]von der erfindung
rament mehr verlaͤugnung gewieſen haͤtte,
Wann er ſich noch laͤnger der regierungs-laſt
unterzogen, als da er ſie nun abgeworffen.
den einige machen, iſt nicht weit her. Jnglei-
chen die diſtinctiones unter thema ſimplex und
coniunctum, finitum und infinitum, liberum
und adſtrictum, ſcholaſticum, politicum, eccle-
ſiaſticum, mixtum, demonſtratiuum, deliberati-
vum, iudiciale, didaſcalicum. Hingegen hat
die eintheilung der thematum, welche von de-
nen diſciplinen hergenommen wird, groͤſſern nu-
tzen, indem mich dieſe betrachtung zugleich in die
diſciplin ſelbſt fuͤhret, daraus ich alles was von
einer ſache geſcheutes kan geſaget werden, her-
holen muß.
cept auf die definitiones deſſelben, ſiehe Ridigeri
S. V. \& F. Lib. I. von V. biß X. Cap. oder auf die
hypotheſes welche man dabey machen kan, vid.
ibid. Cap. XII. bey einem ordentlichen ſatze aber,
muß ich auſſer ietztangefuͤhrten momentis, auf
die
[35]der gedancken.
die regulas enunciationis zugleich reflectiren ſiehe
ibid. Lib. II. Cap. I. Da dann alle dieſe momenta
mir auch neue erfindung zu ſaͤtzen an die hand
geben.
fuͤllen, allein ſie gehoͤren zur univerſellen gelehr-
ſamkeit. Doch moͤgen zur probe folgende die-
nen: 1.) Einen ſatz den ich verſchweigen kan oh-
ne ridicul zu werden, 2.) wovon ich keinen deut-
lichen und klaren begrif habe, 3.) wobey ich kei-
nen vernuͤnftigen endzweck angeben kan, 4.) wo-
durch ich der ſache zu nahe trete, den zuhoͤrer be-
leidige, mir ſelbſt keinen vortheil ſtiffte, doch
nicht dazu verbunden bin, ꝛc. verſchweige ich
billich. 5.) Hingegen wozn mich einige ſchul-
digkeit treibet und keines von obbenannten ſtuͤ-
cken abhaͤlt, auch die in der vorbereitung §. 13.
14. 15. 16. 17. angefuͤhrten unterſuchungen an-
geſtellet, davon kan ich billich reden. Wo man
angefuͤhrte cautelen nicht brauchen und anwen-
den kan, hat man ſeine freyheit Ein mehrers
wird hievon im folgenden ſich zeigen.
des habe ich folgende umſtaͤnde: Es war immer
kranck, es war gebrechlich, es hat Wenig gu-
te tage gehabt, der todt hat ein ende gemacht
ſeiner kranckbeiten ꝛc. Dabey koͤnte ich folgen-
de gedancken haben: 1.) Die menſchen ſind, von
ihrer geburt an, ſo lange ſie in der welt ſind,
vielen und vielerley kranckheiten unterworf-
fen 2.) Jch erinnere mich dabey des blindge-
bohrnen, da die Juͤnger beym Joh. am 8. ſa-
gen: Meiſter wer hat geſuͤndiget? Dieſer
oder ſeine eltern, ſo antwortet Chriſtus: We-
der er noch ſeine eltern, ſondern daß die wercke
Gottes an ihm offenbahr wuͤrden: 3.) Wir
haben wohl wenig gute tage, ſo lange wir in
der welt leben: 4.) Wenn man ſich fuͤr den
todt fuͤrchtet, muß man wohl nicht bedencken,
daß der todt die beſte artzney, der eingang
zum leben, der weg zur vollkommenheit und
ein
[37]der gedancken.
ein ende alles uͤbels ſey. Schloͤſſe ich dieſe me-
ditationes in propoſitiones ein, ſo kriegte ich fol-
gende themata artificialia: 1.) Die welt ein
lazareth, die beſtaͤndige empfindung des to-
des im leben, das lebendige grab, die beſeelte
aſche. 2. Die wege Gottes, das unumſchraͤnck-
te recht des Schoͤpfers, der krancke prediger.
3.) Die guten tage der menſchen/ der verdor-
bene geſchmack bey der begierde zu leben, die
eitle lebens-luſt. 4.) Die vergebliche furcht
fuͤr dem tode, die beſte artzney, der eingang
zum leben, der weg zur vollkommenheit, das
ende alles uͤbels ꝛc. Man ſiehet aber leicht, daß
das beſte auszuſuchen, und daß es auf eine gute
ausfuͤhrung fuͤrnemlich ankomme.
dem begriff welchen ich mir vom obiecto mache
z. e. aus der definition, denn dasgenus in der
definition giebt lauter circumſtantias generales,
die differentia giebt lauter ſpeciales, und die
membra dividentia oder ſpecies oder indiuidua
geben circumſtantias ſpecialißimas. Z. e. es
ſtirbt eine braut an ihren hochzeittage eines
ſchnellen todes, wann ich dieſer parentiren oder
ein leichengedicht verfertigen ſolte, und ſtellete
fuͤr: die nothwendigkeit zu ſterben, die unbe-
ſtaͤndigkeit des menſchlichen lebens. ſo bekaͤme
ich themata, welche auf alle menſchen koͤnten
appliciret werden, redete ich: von dem ver-
welckten braut-krantz, von dem mit dem ehe-
bette vertauſchten grabe, denen in trauerfa-
ckeln verwandelten hochzeitlichtern, dem
ſchrecklichen braut-fuͤhrer, der geſtoͤhrten-
hochzeitluſt: ſo haͤtte ich lauter themata ſpecia-
lia, fuͤhrete ich aus: den ſchnellen wechſel der
irdiſchen mit der himliſchen hochzeit, die ver-
ſchwundene braut, oder es waͤre den morgen
C 3vor
[38]von der erfindung.
vor der trauung der trauring zerſprungen, und
ich ſtellete dieſes fuͤr, ſo wuͤrden dieſes ihemata
werden die aus denen circumſtantiis ſpecialißi-
mis floͤſſen. Es iſt leicht zu urtheilen, daß die
von der erſten art nicht viel ſagen wollen, wo
nicht eine gantz auſſerordentliche ungemeine
ausfuͤhrung ſie erhoͤhet. Die aus denen cir-
cumſtantiis ſpecialibus genommen werden, ſind
am gebraͤuchlichſten und leichteſten. Endlich
die letzten ſind zwar angenehm, erfodern aber
viel behutſamkeit.
man ſonſt nicht viel zierrathen braucht, ſolte es
billich allezeit naturel bleiben.
man die propoſitiones incidentes weglaſſe, in-
gleichen unnuͤtze epitheta, dunckel iſt es, wann
man gar nichts dabey dencken kan, und zwey-
deutig, wann man zu viel dabey dencken muß,
auch wohl gar das gegentheil, und alſo zweiffel-
haft bleibet, welches der erfinder des thematis
gemeinet habe. Dieſemnach ſind z. e. folgende
themata albern: Die von dem himmel abſtam-
mende, dem menſchen zwar geſchenckte, aber
durch
[39]der gedancken.
den fall wiederverlohrne und durch Gottes
gnade eintzig und allein wieder herzuſtel-
lende er kaͤnntniß der menſchen in geiſtlichen
dingen: oder die bettel hochfuͤrſtlich ange-
ſehen ſeyn wollende welt, an ſtatt: Die er-
kaͤnntniß der menſchen im geiſtlichen, oder
die prahlende welt. Dunckel wuͤrde es ſeyn,
wann ich ſpraͤche: die kroͤnende Eupheme, der
ſcheideweg der tugend, oder ich wolte handeln
von dem woͤrtgen: und. Zweydeutig wuͤrde
es klingen, wann ich fuͤrſtellen wolte: Den wind
der gelehrten, den Theologiſchen Krebs
(Epheſ. 6. v. 14.) 2. Tim. 2. v. 17.)
Alſo kan ich nicht errathen, was iener fuͤr ein
thema naturale muͤſſe gehabt haben, der da fuͤr-
geſtellet: Das geiſtliche Großbrittannien,
und zwar erſtlich, das irdiſche Jrrland, zum
andern, das hoͤlliſche Schottland, zum drit-
ten das himliſche Engelland. Ein ander ſtel-
lete bey einer hochzeit, da der Braͤutigam 60.
die braut 52 iahr alt war, das paradies der lie-
be, fuͤr, ein ander: den Caffe der liebe, und was
machen Venus und Cupido bey hochzeiten die
muſen bey gluͤckwuͤnſchen, der todt bey leichen,
die jahrgaͤnge bey predigten, die eigenliebe bey
buͤchern und diſputationibus ꝛc. nicht zuweilen
fuͤr weithergeholte themata, da alles bey den
haaren zuſammen gezogen und gezwungen
wird. conf.Menckens charlatanerie der ge-
lehrten von buͤchertituln.p. 33.
nen gantz andern affect als: Die rechtmaͤßige,
oder lobenswuͤrdige eigenliebe. Ferner: die
zwar nicht verdiente aber doch erlangte huͤl-
fe, oder: die erbetene huͤlffe, klingt weit ange-
nehmer, als: die von GOtt erbettelte huͤlffe.
C 4Und
[40]von der erfindung.
Und aus dieſen beyden: der betruͤbte unter-
gang der landes-ſonne und: der leider ins
graß beiſſende fuͤrſt, wird ein ieder die erſte
wehlen.
gelaͤute bey dem grabe Chriſti uñ zwar erſtlich
die himliſche ſchloßglocke 2.) die groſſe ſtadtglo-
cke 3.) die kleine dorf glocke: Die Oeſierreichi-
ſche lerche: Die butter [des] verſtandes: Der
wohlerlaubte ſelbſt[mord:] Des h. Roͤm. Reichs
ſchweinkofen Bayern: Des h Roͤm Reichs
ſand-buͤchſe die Marck Brandenburg: Aus-
putzer aller geelſchnaͤbel: Die eichene keule
der ſtandhaftigkeit: Die cedern der demuth:
Die in alle winckel ſchimmernde ceder: Die
nach dem adler reiſende ſonne: Der laſter-
weg und tugend-ſteg: Das mit dem himmel
verwechſelte welt-getuͤmmel: Das himmel-
ſuͤß erquickende Jeſus-bertz: Ariadneiſcher
faden der goͤttlichen fuͤhrung: der pruͤgel
des gebets ꝛc.
V. Tom. I. und Hederichs Philologiſche Wiſ-
ſenſchafftenp. 382. Die gantze kunſt beſtehet in
fuͤnf circuln, iedweder iſt in neun theile, deren
ieder einen gewiſſen terminum hat, eingetheilet
und dieſe werden dann bey einem themate mit
demſelben und untereinander combiniret nach
der regula combinatoria. Nach dem Hederich
iſt der erſte, circulus ſubiectorum und hat folgen-
de terminos: Deus, ſpiritus, corpus, homo, ſen-
ſitiuum, vegetatiuum, inſtrumentale, poſſeſſiones,
actiones. Der andere: circulus praedicatorum
abſolutorum mit folgenden terminis: Bonitas
duratio, capacitas, forma, localitas, motus, poten-
tia, principium, quantitas: Der dritte: circulus
praedicatorum reſpectiuorum, zeiget nachgeſetz-
te terminos: Differentia, concordantia, contra-
rietas, ordo, aequalitas, inaequalitas, figura, ſignum,
relatio. Der vierdte giebt als der circulus ne-
gatiuorum dieſe: Annihilatio, diuerſitas, impo-
potentia, contradictoria, malitas, nihil, priuatio,
remotio, falſitas. Der fuͤnffte: circulus quae-
ſtionum fuͤhrt dieſe: An? quid? cur? ex quo?
quantum? quale? quando? vbi? quonam?
deswegen auch alle rhetores darauf fallen, ſie
giebt doch noch gelegenheit an die hand an das
weſen der ſache ſelbſt zu gedencken. Aber die-
ſes iſt es auch alles was von ihr kan erwartet
werden. Wer alſo die ſache nicht verſteht, fuͤr
dem ſind alle loci topici leere faͤcher, ſiehe l’art
de parler in einem beſondern cap. reflexions ſur
C 5les
[42]von der erfindung
les lieux communs. Obſeruat. Hallenſes Tom. I.
Obſ. 17. Auctorem artis cogitandi. Zugeſchwei-
gen daß ſie auch anlaß giebt, die ſachen zu con-
fundiren, moͤglichkeiten fuͤr wahrheiten anzu-
nehmen, wahrſcheinlichkeiten fuͤr unſtreitig, und
ſich gar leicht ridicul zu macheu. S. von den
locis topicis Hederichl. c. p. 342. Ridigeri S. V.
\& F. Lib. IIII. Cap. IIII. §. 6. ſqq. Die loci topici
ſind folgende: A notatione, ab etymologia, a
ſynonymia, \& homonymia, a coniugatis, a defi-
nitione, a genere, a ſpecie, a toto, a partibus, a cauſ-
ſa efficiente, a materia, a forma, a fine, ab effectu,
a ſubiecto, ab adiuncto, a circumſtantiis, a repu-
gnantibus, a comparatis, ab exemplo, a teſtimonio.
hoffs iudicium im Polyhiſtore l. IV. l. 18. Man
nimmt nach dieſer kunſt, von einer ſo gleich in
die ſinne fallende ſache, anlaß, bey dem obiecto
davon man redet, etwas zu gedencken. Wenn
man ſie zu erfindung allerhand gleichniſſe ge-
brauchet, iſt ſie nicht gaͤntzlich zu verwerffen.
den buchſtaben im alphabet eine gewiſſe zahl be-
deuten laͤſſet, hernach einen nahmen, oder ſatz
nach ſeinen buchſtaben zuſammenrechnet, und
endlich eines andern ſatzes oder nahmens ſum-
me ebenfalls zuſammen nimmt, beyde aber ſo
lange zerret und zerſtuͤmmelt, biß von beyden ſaͤ-
tzen die ſummen einander gleich werden. Als
man iuͤngſt auf die bevorſtehende niederkunft
der Kaͤyſerin cabbalirte und um die wette ei-
nen Printzen prophezeyte, machte iemand fol-
gendes:
Qua Cabala quiuis ex quouis fingere quoduis,
Et ſibi pro lubitu dicere fata queat,
Haccine pro certo promitti maſcula proles
Imperio poſſit Caeſareoque throno?
Oma-
[43]der gedancken.
Omagnas nugas magnis conatibus actas!
Quas puerum \& ſuperent vtilitate nuces!
Optetis ſtulti! ſperetis, Cetra tacete.
Nam cabala haec fieri fabula forte poteſt.
Dieſes iſt mancherley, z. e. durch verſetzung in
anagrammatibus als z. e. Calepinus, verſetzt Pe-
licanus, Leopoldus: Pello duos, ſiehe Morhoff
Polyh. l. VII. III. 6. der Herr von Beſſer in ſei-
nen unvergleichen gedichten hat unter andern
folgendes auf einen anagrammatiſten:
Was hat doch auf den Helicon,
Ein anagrammatiſt davon,
Daß er der woͤrter ordnung ſtoͤhret?
Nichts dann daß er den kopf ſich ſtoͤhrt,
Und wie die woͤrter er verkehrt,
So ſein gehirn ſich mit verkehret.
Es gehoͤren hieher alle luſus verborum; der
poeten technopaegnia; wenn man aus ieden
buchſtaben eines wortes ein beſonders wort
macht, z. e. iener ſagte, er wolte ein friſch weib
nehmen, das iſt: fromm, reich, iung, ſchoͤn,
chriſtlich und haͤußlich; wenn man aus der
gleichheit zweyer woͤrter gelegenheit zu reden
nimmt, u. ſ. f.
toricae ſind bekannt S. StollenII. II. 7. 8. und
l. IIII. 10. not. q.Morhoffl. VI. l. 2.
torica libri II. Topica ad C. Trebatium.S. Stol-
lenl IIII. 10. Morhoffl. VI. l. 9. l.IIII. XI. 7. Ci-
ceronis Topica ſind beſonders cum notis variorum
zu Paris 1542. 1547. 1557. u. 1567. in 4. mit
Achillis Statii zu Loͤwen 1552. 8. und mit Ant.
Goueani zu Paris 1545. 8. heraus kommen.
ſchrieben, des Ariſtotelis ins Lateiniſche uͤber-
ſetzt, und uͤber des Ciceronis in VI. buͤchern com-
mentiret ſiehe MorhoffPolyh. II. l. XI. 1. He-
derichs Philologiſche wiſſenſchaften,p. 340.
des andern Quinctiliani declamationibus heraus
kommen Lugduni 8. 1549. S. Stollenl. IIII. 10.
Morhoffl. IIII. XIII. 3.
MorhoffPolyh. II. I. XII. 1. II. V. I. 4. iſt zu
Coͤlln 1579. 8. edirt. ſ. auch Stollen I. IIII. 13.
und von ihm allegirten Reimmann.III. p. 380.
in fuͤrhergehenden und folgenden §. mehrere ſa-
chen vom Ramo angemerckt. MorhoffPolyh
II. I. XII. 1. Ramus beſchreibt die dialectic als
eine artem diſſerendi und theilet ſie in inuentio-
nem \& iudicium, hat auch die 4 genera cauſſarum
recht im ſchwang gebracht.
in quauis materia ex pedite acquirenda, S. Mor-
hoffPolyh. l. II. IIII. 32. der es auch zur inuenti-
one rerum dienlich haͤlt. Sein leben ſteht, nebſt
dem catalogo ſeiner ſchrifften, vor ſeiner naͤrri-
ſchen weißbeit- und weiſen narrheit, welche
hl. Reimmann wieder herausgegeben. Jnglei-
chen in eben hl. Reimmans Einl. zur hiſtor.
litt.der TeutſchenIII. p. 536.
Polyh. l. II. V. 2. Es ſcheinet als ob er [d]bie fuͤr-
treflichkeit der Logick in der erfindung, wohl ein-
geſehen. Jm 10ten tomo ſeiner wercke ſteht ein
tractat: de inuentione.
nebſt andern ſeinen we[r]cken, iſt zu Straßburg
m[i]t Jordani Bruni, Agrippae, und Valerii de Va-
leriis anmerckungen heraus kommen 1617. 8.
Siehe oben §. 10. not. a.
Straßburg edirt ſ. MorhoffPolyh. I. II. V. 40.
55.
fol. Amſterdam Morhoffl. c. 41.
8. Morhoff.l. c. 43.
ſtotelicoS. Morhoffl. c. 3. 46. l. VI. III. 10.
Gerh. Bucholdiani, Lugd. Gall. 4. 1533. allegiret
Morhoff.II. V. I. 4.
neos noua \& expeditiſſima, Paris. Jenae \& Arnſta-
diae recuſa 1674. 12. Morhoff.I. II. V. 51. I. VI.
I. 18.
rum. 1587. editus.Morhoff.l. c. 29. Hernach
artificium perorandi a Jordano Bruno. Nolano
Italo, traditum ſiehe ibid. 54.
continentes totius artis Logicae medullam, faculta-
tem omnium ſcientiarum ac demonſtrationum
principia inueniendi diiudicandique rationem
Helmſtadii. 1586. 8. Idem 1. II. VII. 4.
an l. VI. I. 16. von ſeinen panegyricis und an-
dern ſachen trifft man eben daſelbſt und Cap.
III. 6. einige nachricht an.
profana ſind zu Coͤlln 1681. 4. herauskommen,
auch zu Pariß. 1643 4. Morhoffl. VI. 117.
Rhetorum 1620. zu Pariß in 8 gedruckt. ibid. 7.
hier ſind ſeine Inſtitutiones oratoriae zu ruͤhmen
ſo zu Leyden 1643. 4. am beſten, 1608. 8. am er-
ſten, ediret.
1707. 8. Morhoff.l. c. 17.
ſiehe von ihm oben die vorber. §. 22. Seine
gantze Logick zeigt faſt nichts als die application
der
[47]der gedancken.
der Topic in der Oratorie, und alle ſeine nach-
folger loben die Topic.
1706. in 12. Morhoffl c. 18. Er hat ſonderlich
inuentionem analogicam abgehandelt.
Morhoff.l. c. 21.
Wuͤrtzburg 1688. 12.
Einl.III. p. 386. Morhoff.l. c. 18.
ſtotelicae vna cum promtuario tripliei inuentionis
Enthymematicae Affectuoſae \& Moratae 1695.
Hamburg vid.Reimmanns-Einl.III p. 381.
1675. Franckfurt am Mayn 12. Idem III. p. 383.
corum communum in concionibus. Lugd. 1582. 8.
tam lobt Morhoff.l. II. V. 61.
nachricht ſondern auch ſelbſt in ſeinem Polyhiſtore
vielfaͤltig zur inuentione anweiſung gegeben.
Jnſonderheit im Tom. I. Cap. VI. VII. und al-
len folgenden.
II. Cap. I. und II. Jch dencke wer dieſen und
MorhoffsPolyhiſtorem hat, kan der uͤbrigen al-
le wohlentbehren.
Leipzig ediret, habe ich nicht vergeſſen wollen,
weil er ſich bemuͤhet zu zeigen wie man die Hiſto-
rie als einen quell der erfindung nutzen koͤnne.
Ubrigens wird man mehr auctores beym Mor-
hoff antreffen koͤnnen, meine abſicht iſt nicht ge-
weſen, ſie alle, und in einer vollkommenen ſtel-
lung anzufuͤhren.
IIII. §. 23 ſqq. Dieſen muß man fuͤr allen an-
dern bey dieſen und dem folgenden capitel nach-
leſen.
in ſeinen Oratoriſchen fragen. Hier muß ich
Herrn Joh. DanielsLongolii Phil. und Med.
Doctorisgedencken, und ſeiner einleitung zu
gruͤndlicher erkaͤnntniß einer ieden inſonder-
heit der Teutſchen ſprache, der man ſich zu
accurater unterſuchung ieder ſprache, und
beſitzung eine[r] untadelhaften beredſamkeit in
gebundenen uñ ungebundenen reden, wie auch
Dbeſon-
[50]von der erfindung
beſonders in Teutſchen fuͤr allerley condition
alter und geſchlechte zu einem deutlichen und
nuͤtzlichen begrif der mutter ſprache bedienen
kan, Budiſſin 1715. 8. Dieſer verwirft p. 25 3. alle
dieſe eintheilungen und p. 260. die ſyllogiſmos.
Dagegen giebt er p. 175. folgende locos topicos
an, welche ich im vorigen capitel anzufuͤhren
vergeſſen: 1.) locum notationis, 2.) exiſtentiae,
3.) eſſentiae, 4.) compoſitionis, 5.) familiae, 6.)
qualitatis, 7.) conditionis, S.) reſpectus, 9.) fati,
10.) teſtimonii, 11.) comparationis, 12.) definitio-
nis, 13.) diuiſionis, 14.) vſus, 15.) incommodi.
Und pag. 231. ſetzet er als fontes zu unſtreitigen
beweiß-gruͤnden 1.) Locum notationis 2.) exi-
ſtentiae, 3.) eſſentiae, 4.) diuiſionis, 5.) compo-
ſitionis, 6.) rationis, 7.) conuenientiae, 8.) diſcon-
uenientiae. Es kommen nicht unebene einfaͤlle
in dieſem buche fuͤr, doch wird man leicht ſehen,
daß ich ihm, mit recht, nicht gefolget.
dancken, damit der redner ſeinen endzweck zu
erhalten ſucht, (nemlich in andern eben die ge-
dancken und regungen zu erwecken, die er ihnen
beybringen will, ſ. die vorber. §. 1. 2. 3.) ſind
entweder auf den unterricht und beſſerung des
verſtandes oder einrichtung des willens gerich-
tet, ienes ſind argumenta theoretica, dieſes
practica oder pathetica, der erſten koͤnnen nicht
mehr als zweyerley arten ſeyn, die eine welche
die ſache beweiſet, das ſind argumenta proban-
tia, die andere welche ſie erlaͤutert, das ſind il-
luſtrantia. Jm uͤbrigen laſſe ich ieden die frey-
heit mehr und weniger zu glauben als ich, hoffe
aber auch man werde mir gleiches gluͤck ange-
deihen laſſen, und deßwegen nicht eben ſcheel
ſehen.
redners benebſt der Moral, aus denen diſcipli-
nen holt man hauptſaͤchlich argumenta pro-
bantia, aus der lectur und erfahrung illuſtran-
tia, die Moral giebt fuͤrnemlich pathetica an die
hand.
angeht, da iſt es alles in wind geredt, wannich
mich nur bey trockenen demonſtrationibus auf
halte. Und hingegen, wann ſie bloß auf ſpecu-
lationibus beruhet, da komme ich mit argumen-
tis patheticis blind. Alſo wann ich ein kind
das zum ſpielen neigung truͤge, davon abziehen
wolte, wuͤrde es laͤcherlich ſeyn, wann ich mich
bloß bey theoretiſchen fuͤrſtellungen aufhielte,
und wann der bauer den decem abtragen ſoll,
da ſuche ich vergeblich die argumenta aus der
concordantz. Denn in ienem fall, iſt ein
pruͤgel und gut exempel, und in dieſem der
ſchuld thurm das treflichſte argument. Hin-
gegen wenn iemand wolte das tauſendiaͤhrige
reich beweiſen, oder mir ſagen, was eine ſonnen-
finſterniß waͤre, und kaͤme mit argumentis pa-
theticis mit predigen und exclamationibus auf-
gezogen, da wuͤrde er ſich treflich proſtituiren.
Eben ſo, wenn iemand von der aufferſtehung
der todten reden wolte, und ſuchte ſeine argu-
menta aus dem Terentio, oder wolte aus dem
Euclide demonſtriren daß 1. mahl 1. nicht mehr
als 1. waͤre. Oder es wolte einer einen armen
bauer zur freygebigkeit, einen unvernuͤnfftigen
menſchen zu beobachtung einer wahren freund-
ſchafft, ꝛc. vermahnen, oder einem ſchneider
von der quadratura circuli, einem ſtaats-manne
von der vierdten figur in der ſyllogiſtic, einem
poeten von dem nutzen der Algebra in der reim-
kunſt ꝛc. viel fuͤrſchwatzen. Kurtz ich muß
wiſſen, ob es mehr auf probantia oder illuſtran-
tia oder pathetica bey der ſache ankomme, ehe
ich mich nach argumentis umthue.
um die ſonne bewegte, ſo muͤſte ich die Aſtrono-
mie herfuͤr kriegen. Wolte ich beweiſen ein ver-
liebter ſtudente habe keine courage, und keine
luſt
[53]der argumentorum.
luſt zum ſtudiren, ſo duͤrffte ich nur die taͤgliche
erfahrung zu rathe ziehen.
urſach uͤbel gegen mir diſponiret iſt, kommt ihm
alles was ich ſage, ungereimt fuͤr, da darf ich
gewiß nicht reden wie ich will. Wenn ich ihm
nun aus guter meinung wozu rathen wolte, ſo
ſage ich ihm auch wohl er ſolle das contrarium
thun, alſo koͤm̃t ihm mein rath ungereimt fuͤr und
er reſolviret ſich das zu thun, was ich juſt inten-
direte. Einem vernuͤnfftigem honnetten men-
ſchen, mag ich frey ſagen, was ich gedencke, ei-
nen unvernuͤnfftigen muß ich ſehr menagiren,
zumahl wann er verſchlagen iſt, einen dummen
und boßhafften muß ich ebenfalls nach ſeinem
genie tractiren.
gogne, und da ers uͤbel nahm daß man nicht die
ſtuͤcke geloͤſet, auch deßwegen dem Commendan-
ten ein uͤbel geſichte machte, ſo ſagte dieſer, wie
er wohl zwantzig urſachen haͤtte warum ſolches
nicht geſchehen. Die erſte waͤre, weil ſie der-
mahlen keine ſtuͤcken haͤtten. O ſagte hierauf
der Dauphin, die uͤbrigen 19 raiſons will ich
euch ſchencken, bey ſo beſtallten ſachen. So
kommt es mir mit denenjenigen fuͤr, welche da
ſie nicht vermoͤgend die rechten gruͤnde zu tref-
fen, dafuͤr halten es komme auf die menge der
argumentorum an.
beym Laban, Cicero pro Deiotaro, pro M. Mar-
cello und anderwerts.
excerptis, ingleichen von der einrichtung der-
ſelben und von auctoribus ſo davon geſchrieben
angefuͤhret. Hl. Hoͤbner hat in ſeinen Orato-
riſchen fragen auch zum excerpiren einen fuͤr-
ſchlag gethan. Mir gefaͤllt dieſe methode: man
laͤſt ein buch oder etliche papier einbinden, ſo daß
man immer mehr und mehr daran heften kan,
voran ſetzt man ein vollſtaͤndiges regiſter, ſo auf
bequeme art eingerichtet, und da man immer
mehr zuſchreiben kan nach gelegenheit, hernach
paginiret man ſein buch, laͤſt auf beyden ſeiten
einen maͤßigen rand, ſchreibt auf der einen ſeite
kurtz die contenta auf der andern, die zeit wenn
man das excerptum eingetragen und den ort wo
es geſchehen. Lieſet man nun etwas in einem
auctore, ſo ſchreibt man kurtz den nahmen des
auctoris, des buchs, wo und wenn es heraus
kommen anch wohl kurtz die contenta des buchs,
und groſſer leute iudicia davon. Darunter
kommen die excerpta ſelbſt. Hat man fuͤr ſich
gute einfaͤlle, die man gerne behalten will, ſo
ſchreibt man ſolche ebenfalls ein, ingleichen
was man hie und da beſonderes hoͤret. Die no-
mina propria traͤgt man a part in das regiſter,
und ſo bekomt man mit der zeit ein excerpten
buch, das man gewiß in allen wiſſenſchafften
nutzen kan, dabey man auch zugleich den fort-
gang und eine hiſtorie ſeines fleiſſes ſiehet.
Ubrigens muß man allezeit gedencken, man ex-
cerpire, damit man ſeine excerpta nuͤtzen moͤge,
man lebe aber nicht deswegen, daß man immer
nur excerpiren muͤſſe. Findet man eine beque-
mere methode zum excerpiren, ſo bediene man
ſich derſelben, und dencke daß eine methode ſich
nicht fuͤr alle leute ſchicke, ſondern ieder nach ſei-
nem eignen begriff ihm die ſache am leichteſten
machen koͤnne.
macht, die heiſt: Color, und nennen ſie eine
wahrſcheinliche urſache, welches gewiß zu viel
ehre fuͤr ſolchen Oratoriſchen wind iſt.
mendire ich zum nachleſen Hederichs Anleit. zu
den Philologiſchen wiſſenſchafftenP. II.nach
der Rbetorick: Hln. Langens OratorieP. I.
Cap. 1. biß 10. welche die ſache nicht nach den ge-
meinen ſchlendrian obenhin abhandeln.
impoſſibilitatem hypotheticam \& abſolutam in-
gleichen inter poſſibilitatem hypotheticam \& ab-
ſolutam ferner inter poſſibilitatem definitam \&
indefinitam. S. Ridig. S. V. \& F. Lib. III. Cap. I.
§. 36. Z. e. wann man ſagt: Es koͤnne wohl
einmahl ducaten regnen, ſo kan dieſes niemand
fuͤr abſolut unmoͤglich ausgeben, aber wohl hy-
pothetice, wann Gott nemlich nicht wolte, oder
weil ſich die ducaten muͤntzer nicht wohl in me-
diam aëris regionem tranſportiren koͤnten, oder
weil die lufft das gold nicht wie waſſer in die
hoͤhe bringen und wie die ſchneeflocken praͤgen
koͤnte.
nen ſchatz finden koͤnne, ſo wuͤrde ihm wohl
niemand etwas darauf borgen. Wann ein an-
der ſchon moͤglich gemacht, wie der donnerkeil
gezeu-
[60]von den beweiß-gruͤnden,
gezeuget werde, ſo folget deßwegen noch nicht
daß es donnerkeile gaͤbe, und daß ſie wahrhaf-
tig ſo gezeuget wuͤrden. Alſo wann ich ſchon
fuͤr moͤglich hielte, daß es hexen geben koͤnne,
ſo glaubte ich deswegen nichtgleich, daß es wel-
che gaͤbe, und daß dieſe oder iene frau eine hexe
ſey. Ob ich ſchon von iemand ſage, daß er
falſch ſeyn koͤnne, ſo folget daraus nicht daß ers
wuͤrcklich ſey und daß ich ihn wahrhaftig dafuͤr
halte.
daß man gold machen koͤnne? Allerdings: von
ienem iſt ein exempel 2 B. der Koͤnige am 6.
von dieſem hat man ſehr viele, davon die proben
in der Kaͤyſerl. Wiener. Florentiniſchen und an-
dern kunſt-kammern zeugen conf. Martin. Del.
Rio Diſq. Magic. lib. I. Cap. 4. Quaeſt. 14. Cardan.
de ſubtilit. l. 6. Jo. Fr. Pic. Mirand. de auro lib. III.
c. 2. Morhoff II. II. XXXVI.
daß die menſchen koͤnten fliegen lernen, ſo ſagte
ich, wie es in denen Tyroliſchen gebuͤrgen voͤgel
gaͤbe, die ein ſchaf in der luft wegfuͤhren koͤnten,
S. Bechers naͤrriſche weißheit und weiſe narr-
heit, oder wie iener ſchuͤler der elſtern ausneh-
men wollen, vom thurme herab geflogen, ſo ſey
es auch moͤglich, daß ein menſch fliegen koͤnte.
tigen, factum infectum, ꝛc. machen koͤnne, kan ich
nicht fuͤr abſolut unmoͤglich ausgeben, weil ich
der goͤttlichen allmacht keine graͤntzen ſetzen, auch
nicht wiſſen kan, ob es GOtt nicht einmahl wol-
len koͤnne.
ſehr angenehmer o[rt]. So iſt der beweiß:
Man ſehe nur die ſchoͤnen gebaͤude und gaͤr-
ten, die angenehme lage, man hoͤre nur die fuͤr-
treflichen Muſicken man hat von allen orten
der welt correſpondence, immer was ne[u]e[s],
man komme nor in die [G]eſellſchaften, man laſ-
ſe ſich nur von denen ſchonen anſtalten und
ordnungen einige nachricht geben.
iemand lieben, ſo ſeben ſie alle ſeine fehler als
tugenden an, und wenn ſie iemand baſſen, ſo
halten ſie alles gute an ihm fuͤr ſchlimm: So
koͤnte ihn leicht iedermann aus ſeiner eigenen
erfah[r]ung beweiſen. Spraͤche ich aber: Die
tadelſucht iſt ein ſchaͤdliches ding, ſo haͤtte ichs
unſtreitig bewieſen, wann ich hinzuſetzte: Man
frage nur Naſutum Mephiſtopholem, der
kriegte ſeiner mocquer[i]e wegen in Dreßden
brave ma[n] ſchellen. Oder es ſagte iemand:
Beym fechten komes nicht eben auf die groͤſſe
an, ſo duͤrffte er nur an ſtatt des beweiſes, das
experiment anfuͤhren, welches Goliath mit dem
David in dieſem ſtuͤck gemacht.
ſenſchafft:Probatio a definitione:Denn ſie iſt
eine practiſche diſciplin, welche regeln giebt
die wahrheit uͤberhaupt zu erkennen und den
menſchlichen verſtand zuverbeſſern, damit
man ſich fuͤrirthuͤmer und vorurtheilen huͤ-
ten moͤge.
den oder beurtheilen vollen, ſo muß ich dazu
die Logick brauchen.
was ich in der Logick finde, kan ich wieder
nutzen und ſolte das nicht eine nuͤtzliche
wiſſenſchafft ſeyn davon man ſo handgreif-
lichen und groſſen nutzen hat.
ſind ohnſtreitig nuͤtzlich.
wahrbeit uͤberhaupt zu erkennen/ und die
kraͤffte des menſchlichen verſtandes zu ver-
beſſern, iſt ja wahrhafftig von ungemeinen
nutzen.
zu allen andern wiſſenſchafften.A proprio
praedicati:und es kan ihr niemand ohne den
groͤſten ſchaden entbehren.
ſie lehret mir unſtreitige und wahrſcheinliche
wah[r]heiten recht zu tractiren, wahrheiten zu
erfinden und zu beurtheilen, gute definitio-
nes und buͤndige ſchluͤſſe zu machen, eine ſache
recht zu erkennen und die wahrheit der ſelben
recht fuͤrzutragen darzuthun und zu verthei-
digen ꝛc. oder: ich kan ſie in der Theologie,
Juriſprudentz, Medicin ꝛc. unvergleichlich
wohl gebrauchen.
he not. d:Denn ſie iſt eine diſciplin, Das iſt:
eine gelehrte wiſſenſchafft eine indicioͤſe
ſcharfſinnige erkaͤnntniß.
heit, und wer wolte ſagen daß ſie eine unnuͤtze
wiſſenſchafft oder erfindung des teuffels
waͤre.
verſtand von irthuͤmern und vorurtheilen
zu befreyen, und hieru iſt auſſer der Logick
kein bequemeres mittel.
a Cauſſa:Denn ſie iſt eine frucht der gebeſſer-
ten vernunfft, eine gabe Gottes;\& effectu:
Denn ſie iſt urſach, daß man ſeinen verſtand
recht gebrauchen lernet, das haben die ſtiffter
der ſchulen und univerſi[t]aͤ[t]en wohl einge-
ſehen, derwegen haben ſie lehrer und Profeſ-
ſores der Logick beſtellet, und man ſehe doch
ei-
[64]von den beweiß-gruͤnden,
einen menſchen der gar keine Logick verſteht,
was macht ein ſolcher nicht fuͤr alberne ſchluͤſ-
ſe und laͤppiſche gloſſen und wie martert er
ſich nicht eine ſache und wiſſenſchafft recht zu
begreiffen.
Es mag dieſes ſtatt eines exempels gut genung
ſeyn, ſo man aus dem ſtegreiff gegeben. Es iſt
dabey nicht die meinung daß man alle ſolche be-
weiß-gruͤnde bey einem ſatze nacheinander her-
beten ſolle, ſondern man ſiehet leicht, daß das
argumentum probans a definitione der grund
und mittelpunckt der uͤbrigen ſey.
eine ſinnliche unſtreitige art beweiſen koͤnne,
und daß man ſehr wenig ſachen auf dieſe art
unſtreitig zu machen vermoͤgend ſey. Al-
les was [...]wan eines beweiſes bedarff, iſt ent-
we-
[65]und derſelben erfindung.
weder hiſtorie oder raiſonnement. Hiſtorie iſt
eine bemerckung desienigen, was unmittelbarer
weiſe in die ſinne faͤllt: Raiſonnement iſt eine
gegeneinanderhaltung der gedancken, die man
bey der hiſtorie hat. Daß ich hier von der hi-
ſtorie gedencke, ſo iſt ſolche allezeit einerley, (ich
nehme ſie aber in den allerweitlaͤuftigſten ver-
ſtande) und wann ſie mir unmittelbar in die
die ſinne faͤllt, ſo iſt ſie mir unſtreitig, wofern
ich nur meine ſinne recht dabey gebraucht ha-
be. Hat ein ander dieſe ſinnliche unmittel-
bare erfahrung gemacht, ſo iſt ſie ihm un-
ſtreitig, nunmehro aber wie ſoll ich ihm meine
hiſtorie und erfahrung, oder er mir die ſeinige
unſtreitig machen? Seine bloſſe erzehlung will
es nicht ausmachen, alſo muß ich dabey verſi-
chert ſeyn, daß keine boßheit und einfalt ihn zu
dieſer erzehlung verleitet. Weil aber dieſes
ſchwer iſt, ſo gleich zu beurtheilen, und wir es
beyde einander nicht veruͤbeln koͤnnen, wann wir
darinn zweiffelhafftig ſeyn, da die boßheit der
leute groß iſt, ſo ſage ich letztlich, es muͤſſe die
ſache auch ſo beſchaffen ſeyn, daß iedermann die
wah[r]heit derſelben, ohne weitlaͤufftigkeit ſelbſt
empfinden und davon die hiſtorie vermittelſt
ſeiner eigenen ſinne haben koͤnne. Kan dieſes
nicht geſchehen, ſo wird auch die ſache nimmer-
mehr auf eine ſinnliche art unſtreitig werden,
ſondern da muß ich auf wahrſcheinliche gruͤnde
dencken, und wenn ſich auch dieſe nachgehends
nicht finden, ſo iſt die gantze ſache falſch. Dieſe
anmerckung iſt von groſſen nutzen, und wird
dawieder uͤberall vielfaͤltig verſtoſſen, alſo will
ich ſie mit einigen exempeln erlaͤutern z. e. Jch
ſehe daß iemand ein ſehr propres kleid traͤgt
und vieles geld verthut, daß ein anderer im
ſpielen filoutiret, daß ein andrer einen kuffer
mit einem nachſchluͤſſel auſſprenget die ſachen
Eher-
[66]von den beweiß-gruͤnden.
heraus nimt und heimlich weg traͤget, daß
ein andrer in ein gewiſſes hauß ziehet, daß ein
frauenzimmer im hembde des nachts zu ie-
mand ſchleichet, ſich zu ihm leget, wieder um
aufſtehet da der tag angebrochen und ſich in
ihr bette verfuͤget, auch im geſichte defiguree
ausſiehet, ich hoͤre, daß iemand ienen heßlich
durchziehet, ꝛc. Alles dieſes iſt mir unſtreitig,
und wann ich es iemand erzehle, der uͤberzeuget
iſt daß ich weder aus einfalt noch boßheit ihm
dergleichen fuͤrſage, dem wird es ebenfalls un-
ſtreitig, und wir halten es beyde fuͤr bewieſen,
wann ich ſage: ich habe dieſe facta geſehen und
dieſe worte gehoͤret, auch meine ſinne wie ſichs
gehoͤret dabey gebrauchet. Allein wenn iemand
an meiner aufrichtigkeit besfalls zweiffelte e. g.
der iudex, ſo muß ich ihn desfalls durch einen
ieiblichen eyd auf erfodern verſichern, oder es
zweifelte iemand ob nicht einfalt und boßheit zu-
gleich zu einer ſolchen erzeblung etwas beygetra-
gen, ſo muß ich ihn dahin bringen, daß er ſelbſt
die hiſtorie unmittelbar begreiffen und alſo ſelbſt
die erfahrung machen koͤnne. Z. e. ich fuͤhre ihn
in die geſellſchafft des hln. mit den propren klei-
de und laſſe ihn ſelbſt deſſen auffuͤhrung betrach-
ten, ich ſchaffe ihm gelegenheit daß er incognito
den kuͤnſtlichen ſpieler ſpielen ſiehet, ich laſſe ihn
ſelbſten obſerviren ob dieſer nicht in das gewiſſe
haus gezogen. Geſetzt, daß er den arbeiter bey
dem kuffer, und den naͤchtlichen irrſtern ſehen
oder den ſchelmiſchen kuckuck hoͤren koͤnne, ſey
alles ſo beſchaffen daß ihm nicht angehen wolte,
eigne erfahrung davon zu haben, ich moͤchte ihn
fuͤhren wie ich wolte ſo folgte daraus nur ſo
viel, daß die ſache nicht unſtreitig, inzwiſchen
gehoͤret alles dieſes zur hiſtorie und bleibt immer
eins. Kommet man aber nun auf das raiſon-
nement
[67]und derſelben erfindung.
nement, da zeiget ſich eine ſchreckliche veraͤnde-
rung. Dann dieſes iſt vielerley, nachdem ich
die ſache betrachte, im nachdencken angreiffe,
dagegen geſinnet bin und ſo fort an, und hier iſt
es gar zu leichte, daß man fehle z. e. Daß dieſer
ſich proper haͤlt, viel geld verthut, da denckt
einer: Der kerl iſt ein narre, der andre: Er
iſt ein raiſonabler wackrer Herte er bezahlet
brav. Der dritte: Es ſteckt was darhinter
er hat vielleicht geheime raiſons ꝛc. daß die-
ſer falſch ſpielet, dabey denckt iemand: Es iſt
eine wuͤrckung der klugheit des ſpielers, der
andre: Er thuts aus malhonnetete, der
dritte: Er thuts aus ſpaß ꝛc. bey dem an
dem kuffer arbeitenden kan ich dencken: Es ſey
ein dieb, oder: Es ſey iemand der ſeinen kuf-
ferſchluͤſſel verlohren, und alſo durch einen
nachſchluͤſſel ſich helffen muͤſſe, oder: Es ſey
iemand der befehl habe ſo zu verfahren ꝛc.
Wie viel urſachen kan der nicht anfuͤhren der
ein gewiſſes hauß bezogen, und wie viel dichten
ihm nicht andere leute an? ꝛc. Kan nicht das
frauenzimmer etwa ein mittel wieder die colic
geſucht haben, kan ſie nicht vielleicht ſich verir-
ret haben, kan ſie nicht vielleicht ſtellatim gewe-
ſen ſeyn, auf iemand gelauſchet haben, einmahl
extra gegangen ſeyn ꝛc. Wolte ich nun mein
raiſonnement als einen grundſatz anſehen, und
die hiſtorie als einen unſtreitigen beweiß anfuͤh-
ren, ſo haͤtte ich doch nichts unſtreitig gemacht
z. e. Jch kan nicht unſtreitig ſagen: Der kerl iſt
ein narre, weil er ſich propre auffuͤhrt und
geld verthut, ꝛc. Nun ſehe man einmahl wie
es in dieſem ſtuͤck verkehrt im gemeinen lebet
hergeht, wie die leute hiſtorie und raiſonnement
vermiſchen, das raiſonnement ohne unterſchied,
mit der hiſtorie, die hiſtorie mit dem raiſonne-
E 2ment
[68]von den beweiß-gruͤnden.
ment blindlings beweiſen wollen ꝛc. Mancher
Theologus machte einen gern zum ketzer der
nur zwey elementa glaubt, mancher Juriſte
machte einen wohl zum ehebrecher der einem
maͤdgen auf die achſel klopfft, ein andrer ſchreibt
es ſeinen verdienſten zu daß man ihn zeitig be-
foͤdert, ein anderer klagt, man ſehe auf keine
merite, weil man ihn nicht zeitig genung wie er
will, befoͤrdere, und alle irren gewaltig, wenn
ſie etwas unſtreitiges geſagt zu haben, ſich ein-
bilden. Dannenhero ſiehet iedermann, wie
viel dazu gehoͤre etwas unſtreitig zu machen und
wie noͤthig es ſey, die hier angefuͤhrten cautelen
zu beobachten, und wie ſorgfaͤltig man auf eine
gute einrichtung des raiſonnement zu ſehen. Die-
ſes letztere lehret uns die Logick, und wer dieſe
nicht verſteht, wird ſein lebtage nicht verſichert
ſeyn koͤnnen, daß er ein richtiges raiſonnement
das zum beweißfuͤhren tuͤchtig angebracht habe.
Spricht iemand, warum ſtreiten aber die Logici
ſelbſt, wegen ihrer beweißgruͤnde und warum
ſind die gelehrten nicht gleich einerley meinung?
ſo antworte ich: Eben deswegen, weil ſie die
regeln einer vernuͤnftigen Logick nicht recht ge-
brauchen, zuweilen wohl gar nicht einmahl ver-
ſtehen, und weil etliche ſachen ſchlechterdings ſo
beſchaffen ſind, daß kein menſchliches raiſonne-
ment, es ſey auch ſo ſolide es wolle, nicht hin-
laͤnglich, alles dabey fuͤrfallendr recht ausein-
ander zu leſen und auf die gehoͤrigen gruͤnde zu
bauen. Es wird dieſe digreßion niemand zu-
wieder ſeyn, da ich hier von erfindung der be-
weißgruͤnde in dem gantzen inbegriff des menſch-
lichen lebens rede, ich habe auch nur kurtz an-
fuͤhren wollen, was dabey zu beobachten, ſonſt
wuͤrde von dieſer materie allein ein buch voll-
gefuͤllet.
haͤtte an Chriſtum, wuͤrde verdammt: oder
vactio commiſſoria ſey verhoten, ſo wuͤrde
ich bey ienem die materialia in der Theologie,
bey dieſem im Jure ſuchen muͤſſen, zu beyden
aber waͤre mir die Logick, wann ich die argu-
menta daraus ſuchen wolte, als ein werckzeug
hoͤchſtnoͤthig.
de lebens-art, hat ihre beſondere kunſt-woͤrter,
alſo ſehe ich nicht warum man ſich uͤber die Lo-
gicaliſchen terminos moquiret, und ſich recht
was darauf zu gute thut, wann man ſie hoͤniſch
durchziehet. S. Thomaſium in der Einleitung
zur vernunſtlebreCap. 4. Wer im gegentheil
uͤberall mit quidquid, atqui, ergo, aufgezogen
kommt, verdienet billich die cenſur angefuͤhrten
Herrn Thomaſii in der ausuͤbung der ver-
nunft-lehreCap. 2. §. 142. Z. e. ich habe fol-
genden Satz: Ein guter freund dient mir von
freyen ſtuͤcken und aus eignem trieb. Dieſen
werde ich am beſten unſtreitig beweiſen, aus der
beſchreibung eines guten freundes, und alſo
ſpreche ich: Denn ein guter freund iſt ia ein
E 3ſol-
[70]von den beweiß-gruͤnden,
ſolcher menſch, welcher mit mir in der gemuͤths-
vereinigung ſtehet, und mir alles zu erweiſen
bemuͤhet iſt, was mir angenehm und nach denen
geſetzen erlaubt iſt. Daraus wuͤrde nach der
Syllogiſtick folgendes argumentum:
- Maior:Wer mein guter freund iſt ſiehet mit mir
in der vereinigung des gemuͤths, und ſuchet
mir alles zu er weiſen, was mir angenehm und
nach dem geſetzen erlaubt iſt: - Minor. Atquidaß mir iemand aus eignem trieb
diene ſolches iſt mir ſehr angenehm und er-
laubt: - Concluſio: Ergodienet mir ein guter freund von
freyen ſtuͤcken und aus eignem trieb. - Wann ich nun dieſen ſchluß in ſolcher ſtellung uͤber-
all anfuͤhren wolte, ſo wuͤrde ich vielleicht ridicul
werden, alſo laſſe ich die Logicaliſchen kunſt-woͤr-
ter weg, und binde mich eben nicht an die ſyllogi-
ſtiſche ordnung, das iſt, ich ſetze bald maiorem,
bald minorem bald concluſionem voran, oder
in die mitte, oder zu ende, z. e. Mir iſt nichts
angenehmers, als wann mir iemand aus eig-
nem trieb nuͤtzliche dienſte oder gefahigkeiten
erzeiget, und ich finde auch nicht, daß dieſes
mit denen goͤttlichen und menſchlichen rech-
tem ſtreite. Allein ich darf ſolches wohl von
niemand anders als von einem guten freunde
erwarten. Denn dieſer iſt ia ein hertz und
ſeele in zweyen leibern, und iſt alle augenblick
bereit mir wahrhaftig angenehme, nuͤtzliche
und erlaubte dienſte zuerweiſen.
ret.
liche hoheit eingefuͤhrtes ſyſtema Theologicum
haͤtten, das die Theologiſchen ſaͤtze deutlich und
ordentlich ſetzte und die fontes probandi gruͤnd-
lich anwieſe.
ten, da hingegen bey vernuͤnftigen ein wort ge-
nung iſt. Quinctil. de orat. Dial. Quomodo mi-
nimum vſus minimumque profectus ars medendi
habet in his gentibus, quae firmiſſima valetudine
ac ſaluberrimis corporibus vtuntur: ſic minor ora-
torum obſcuriorque gloria eſt, inter bonos mores et
in obſequium regentis paratos. \&c.
teiniſch Griechiſch und Hebraͤiſch koͤnnen:
ſo waͤre dieſes mein rechter beweiß-grund: Denn
Lateiniſch iſt die ſprache der Gelehrten, Grie-
chiſch und Hebraͤiſch aber, die grundſprache
der Bibel, welche ein Theologus nothwen-
dig verſtehen ſoll. Erfoderten es aber die re-
geln der klugheit ſo ſetzte ich noch hinzu: Siehe
Flacium in claue S. Scripturae, Franzium de inter-
pretatione Scripturae ſacrae, Glaſſium in Gramma-
Ftica
[82]von den beweiß-gruͤnden
tica \& Rhetorica ſacra oder auch wohl gar den
h. Auguſtinum de doctrina Chriſt. L. II. C. 10. da
er ſagt: Latinae homines \& duabus aliis ad ſcri-
pturarum diuinarum cognitionem habent opus,
Hebraea ſcilicet \& Graeca, vt ad exemplaria proce-
dentia recurratur, ſi quam dubitationem attulerit
Latinorum interpretum infinita varietas.S. He-
derichl. c. p. 360. und Hln. Langens Oratorie
p. 91. Sonſt findet man gantze collectiones
von teſtimoniis. Am beſten iſt es, man ſucht
ſie ſelbſt aus probaten auctoribus zuſammen, da
man ſich denn der auctorum claßicorum fuͤr an-
dern bedienen kan. Denn man darf nicht den-
cken daß dieſe letztern deßwegen hierzu nichts
taugen weil man gemeiniglich nur Lateiniſch
und Griechiſch daraus lernet und ſie den ſchul-
knaben in die haͤnde giebt. Wann ich hier au-
ctores allegiren wolte, wuͤrde ich vielleicht ein
exempel einer unendlichen zahl geben muͤſſen.
terarium p. 85. Da er ſehr artig von denen al-
legatis raiſonniret, und noch andere, die eben
davon gehandelt, anfuͤhret. Herrn Hoffrath
Mencken von der charlatanerie der gelebrten
in dem angefuͤgten ſendſchreibenp. 261. edi-
tionis Germ. 1716.
ſitionem. S. Ridig. S. V. \& F. L. II. Cap. v. p. 306.
ſqq. Wann ich bewieſen habe: ein Sounerain
ſolle die wohlfarth der unterthanen den
zweck ſeiner verrichtungen ſeyn laſſen; ſo
folget daß es falſch ſey, wann er ſeine eigne
luſt und willkuhr zum vornehmſten end-
zweck ſeiner bemuͤhungen macht.
hung laͤugnen, und naͤhme doch die h. ſchrifft
an. ſo wiederlegte ich ihn aus derſelben mit
gnugſamen grund und recht. Und dieſe beyde
arten
[94]von den beweiß-gruͤnden,
arten zu wiederlegen, heiſſet man argumenta κατ’
αληϑειαν, nach der wahrheit.
heiſt mit denen beyden vorhergehenden ein ar-
gumentum a priori. Z. e. Es ſagte temand:
Die gelehrſamkeit beſtaͤnde in wiſſenſchafft
der ſprachen und im buͤcherſchreiben, und
wolte doch die Schurmannin und den Cbry-
ſippum nicht fuͤr gelehrt halten, da doch iene
14. ſprachen verſtanden und dieſer 311. Logicali-
ſche buͤcher geſchrieben.
ductio ad abſurdum, ad incommodum. S. Ridigeri
S. V. \& F. l. c. p. 570. 588. ſqq.Thomaſium in
Ausuͤbung der Vernunfftlehre cap. 5. Z. e. Es
ſagte iemand: Alle fragen ſind ſrey und ich
fruͤge ihn: Ob er ein dieb ſey?
und es wuͤſte keiner, was das fuͤr ein ding waͤ-
re, da muͤſte ich nothwendig erſtlich deutlich die
geheimniſſe der punctir-kunſt fuͤr augen mahlen,
hernach ſuchte ich auch unter der hand die bloͤſ-
ſe und das ridicule in dieſer kunſt mit zu entde-
cken, damit ich ſie deſto gluͤcklicher herunterma-
chen koͤnte.
an, daß ich durch die deutlichkeit den verſtand
lebhafft ruͤhre, in practiſchen hingegen iſt es noͤ-
thig, daß ich auch den willen mit treffe. Hie-
raus erhellet zugleich, wie noͤthig und nuͤtzlich
dieſe art von argumentis, und warum ſie oben
cap. 2. §. 3. hauptſaͤchlich als argumenta theo-
retica angegeben worden.
wir brod in der wuͤſten? Da ſiehet es um einen
redner gefaͤhrlich aus. Und wann mich iemand
fruͤge, woraus er ſeine illuſtrantia hernehmen
muͤſſe, ſo wuͤrde mir ſelbſt bange werden. Zwar
bey denenienigen illuſtrantibus, welche aus
dem weſen der ſache flieſſen, giebt es keine
ſchwierigkeit, hingegen bey denen andern wel-
che auſſer dem weſen der ſache ſind, ſetzet es um
ſo viel groͤſſere. Auf die Theatra, Gradus ad
Parnaſſum, Specula, Polyantheas, Florilegia, Flores,
Arcana, Lexica, Nucleos, Seminaria, Bibliothe-
cas, Bellaria. Polymathias, Officinas, Horas ſucci-
ſiuas, Memorabilia, Collectanea, Amphitheatra,
Aurifodinas, Theſauros, Recueils, Memoires, Di-
uerſitez curieuſes, Oeures melés, Luſthaͤuſer, Rei-
ſe beſchreibungen, Schatz-meiſter, die in Ana
und dergleichen Locorum Communium ſcripto-
res, moͤchte ich nicht alle leute gerne weiſen, der
geſchmack iſt nicht bey allen einerley und der
verſtand vielweniger. Daß ich doch etwas
ſage, ſo rathe ich: Man nehme teſtimonia aus
ſolchen auctoribus, die dem zuhoͤrer gefallen;
exempel von guten ſachen, aus der neuen, von
boͤſen, aus der alten Hiſtorie, oder mit einem
wort, aus der Hiſtorie uͤberhaupt; ſimilia ins-
beſondere, aus dem reich der natur und zwar
lieber aus der Europaͤiſchen hiſtoria naturali,
als aus der Aſiatiſchen Africaniſchen und Ame-
ricaniſchen welt; alle mit einander aus ſeinen
eigenen, mit iudicio geſamleten excerpten.
empeln, wie laͤcherlich es ſey, wann man hierwie-
H 4der
[120]von bewegungs-gruͤnden.
der verſtoſſe. Doch kriegt man auch wohl
noch alle tage in predigten, parentationibus,
und complimenten der leute, gnug von ſolchen
oratoriſchen ſchnitzern zu hoͤren, deswegen ich
hier das papier nicht damit verderben will.
parler, oder die kunſt zu reden, von l’art de per-
ſuader, oder der kunſt zu uͤberreden.
Ridigeri Philoſ. pragm. oder Inſtitutiones erudi-
tionis p. 606. ſqq inſonderheit p. 706. ſqq. allwo
er zugleich des G[r]acians maximen diſponiret,
die man denn ebenfalls hiebey nachleſen mag-
Jch weiß wohl, daß mancher ſich eingebildet,
er ſey ein Hercules, wann er dieſen dreyleibich-
ten Geryoni, einen kampf angeboten, allein
dieſer regieret biß dato noch immer die bemuͤ-
hungen der menſchen, man mag von ihm glau-
ben was man will, und ihn durch einen tubum
caͤleſtem oder terreſtrem anſehen. Denen zu-
gefallen die ihn fuͤr eine chimaͤre halten, will ich
Jhier
[130]von bewegungs-gruͤnden.
hier, mit groſſem reverentz fuͤr ihre meinung,
ſagen, ich wolle verſuchen ob ich auch aus fal-
ſchen ſaͤtzen koͤnne nuͤtzliche wahrheiten ſchlieſ-
ſen.
neceſſario, aber ſie koͤnnen leicht zu denen ange-
fuͤhrten dreyen referiret werden, zugeſchweigen
daß man keine gruͤndliche urſach angeben kan,
warum man ſie als beſondere membra dividen-
tia anſehen wolle.
bey dem andern zwey, bey dem dritten gar alle
drey. Bey dem erſten alſo, rede ich nach dem
herſchenden affect, oder wann die ſache demſel-
ben zuwieder, ſo ſuche ich die beyden neben-affe-
cten wieder den haupt-affect zu reitzen; bey den
letzten beyden, ſuche ich die argumenta fuͤr an-
dern auf, welche einige verbuͤndniß mit einan-
der haben, und alſo der miſchung des affects
gleich kommen. Dabey erinnere mich der arti-
gen benennung, welche ein ſcharfſinniger kopf,
denen temperamenten beylegte, da er einen men-
ſchen von ſchwachen affecten oder einen phleg-
maticum einen limax, einen geldgeitzigen ei-
nen
[133]von bewegungs-gruͤnden.
nen harpax einen ehrgeitzigen einen feuerfax,
und einen wolluͤſtigen einen flirax nennete
einen menſchen aber, wo alle drey haupt-affe-
cten in groſſer kraft, raſeten, mit dem nahmen
des fuͤnften temperaments, nemlich eines ge-
ſchoſſenen bechrete. Und ich geſtehe, daß bey
dieſer letzteren art leute, man faſt an der kraft
der beredſamkeit deſperiren moͤchte.
die windmacher wohl zu practiciren. Denn
wann ſie mit einem hauffen ſtudenten zu thun
haben, ſo erwegen ſie leicht, daß die meiſten ſtu-
denten wolluͤſtig ſeyn, und alſo reden ſie ihnen
auch lauter ſolche artige einfaͤlle und angeneh-
me ſachen fuͤr, daß ſie ohnſchwer den andern,
mit allen ſeinen neuen wahrheiten zum gelaͤch-
ter machen, und das praͤ behalten.
laſſen:Argum. probans:Denn es iſt eine eitel-
keit.Illuſtrans:Sie iſt ein duͤnnes glaß, ſo
leicht in den fuͤrſichtigſten haͤnden zerbricht:
Patheticum:Sie reitzet das hertze, blendet
den verſtand, und wird mit furcht beſeſſen.
Coniunctio omnium:Es iſt gewiß keine gerin-
ge eitelkeit, wann man ſich auf den putz der
aͤuſ-
[137]von bewegungs-gruͤnden.
aͤuſſerlichen ſchoͤnheit mit ſichern muthe ver-
laſſen will: Denn dieſer iſt einem duͤnnen
glaſe, welches auch in den fuͤrſichtigſten haͤn-
den leicht zerbricht, billich zu vergleichen, und
wird zwar mit einiger vergnuͤgung beſeſſen,
hingegen mit vielfaͤltiger ſorgfalt gefahr und
unruhe bewahret.
ſuader.
man von ihr dencken koͤnne, und ſo bald auch die-
ſe accidentia unſere ſinne beruͤhren, verſtehen
wir, was ſo zu reden die natur damit ſagen wol-
le. die Mahlerey will am meiſten ſagen, wann
ſie der natur am genaueſten nachgeht, hieher ge-
hoͤren die bilderſchrifften, Rebusde Picardie, Ci-
fre oder Gieroglifici Grammaticali, hernach die
Hieroglyphica Aegyptiaca, Pöetica, ferner die
Symbola, deviſen, emblemata, gedaͤchtniß-
muͤntzen, ꝛc. welche alle mit einander als redende
bilder anzuſehen. Von dieſen kan man nachſe-
hen, Magni Daniel Omeiſens gruͤndliche an-
leitung zur/ Teutſchen accuraten Reim- und
Dicht-kunſtp. 194. Harsdoͤrfern in den Ma-
thematiſchen erquick-ſtundenTom. II. P. XIIII.
prop. VII.ingleichen in ſeinen geſpraͤch-ſpielen
p. 178. die emblemata Alciati, Sambuci, Ca-
merarii, Syucreoii, Boyshardi, Sauberti,
Maſſenii, Paulini, Areſii, Barbarini, Bur-
galii, Borgheſii, Boldoni, Bornitii, Cardu-
ctii, Boxhornii, Ferri, Arnhemii, Dexele, Roͤ-
ſeri, Scheflers, a Montenar, Weidling,
Schiebel, Junii, Taurelli, Saavedraͤ, Bezaͤ,
Reuſneri, Paradini, Heſii, Zinckgraͤfens,
Picinelli, ꝛc. Menetrier inPhiloſophia ima-
ginumoderSylloge Symbolorum,Amſterd.
1695. 8. Jacobi Typotii, Theſauri, Taͤegii,
Balbini, Labbei, Oggerii, Jovii, Ruſcelli,
Rittershuſii, Lymnaͤi, Seumii, Philothei,
Geißlers, Tungers, Kitſchii, Henningii, Cau-
ſini,
[144]von dem ausdruck
ſini, a Ripa, Ebini, Wiedlers, Scrivers,
Sanda[r] von Sanden Cordeſit, Urſini, ſym-
boliſche buͤcher ſymbola und anweiſangen da-
zu. Ferner Kircherde Hieroglyphicis Aegy-
ptiorum, Pierium, Pererium, Monas, Harapolli-
nem, Orum, Faſoldum, \&c. Schaeuii Mythologi-
am ex Natali Comite, Torrentino, Rauiſio, \& ex
Leonico Thomeo, Bocatio, Higyno, Alex. ab Ale-
xandro, Polyaeno, Ammiano \&c. auctam ſec. vice
edidit M. Frider. Redtelius, Stetini. 1712. 12. con-
fer.Omeiſens Mythologie die ſeiner oben
angefuͤhrten dichtkunſt beygefuͤget, und Mor-
hoffsPolyh. I. I. XXI.§. 59. ingleichen eben
MorhoffsPolyh. I. IIII. II. und II. II. IIII, auch
I. VII. I. 17.
und bewegungen, dadurch ſie ſich exprimiren,
die menſchen haben vocem articulatam, und koͤn-
nen dieſe ſo wohl als ihre bewegungen, gar un-
zehliche mahl veraͤndern, wie dann Joh. Bul-
wer ein Engellaͤnder ein gantzes buch geſchrie-
ben, von den deutungen der haͤnde allein. S.
hiebey MorhoffsPolyhiſt. I. IIII. I. \& II.
organorum zum reden anſtellen. Z. e. der lunge,
der lufftroͤhre, des oberſten theils der lufftroͤhre,
(des Adams apfels) des zaͤpfleins, gaumens,
der zunge, naſe, lippen, zaͤhne, ꝛc. und zeigen,
wie aus derſelben unterſchiedenen applikation,
der unterſchied der buchſtaben, in vocales und
conſonantes und dieſer in mutas, liquidas, labia-
les, palatinas, dentales, linguales, gutturales, \&c.
entſtehe: Jch koͤnte bemercken, wie noͤthig es
ſey, von iugend auf, dieſe organa zum [g]uten ge-
brauch zuzubereiten, ꝛc. Allein ich will den
leſer lieber auf das artige buch des Hln Griſ-
thows, ſo den titul fuͤhrt: Introd. in Philog.
generalem, vna cum ſuccincta bibliotheca ſcripto-
rum Philologiae generalis ac ſpecialis, accedit pro-
theoria Jo. Fr. Buddei, welches zu Jena 1715. 8.
berauskommen, und zwar ins beſondere auf das
3. cap. verweiſen. Dabey kan man Lami l’art de
parler \& perſuader chap. I. L. I. Fr. Merc. van
HelmontNatur alphapeth. oderAlphabeti vere
naturalis Hebraici delineationem nachleſen. S.
zugleich MorhoffsPolyhiſt. I. IIII. I. ſqq.Stol-
lens hiſt. der gelahr.I. II. Dabey fallen mir
K 2die
[148]von dem ausdruck
die mulieres ventriloquae ein, wiewohl, wenn ich
daran gedencke, iſt mir, als wann ichs etwan im
Robinſon Cruſoe geleſen, ſo unwahrſcheinlich
kommt mir alles davon fuͤr.
mittel, den ausdruck recht nachdruͤcklich zu ma-
chen, daher man die kraft des ſpruͤchworts:
viua vox docet, verſtehen kan. Man muß hier-
bey billich die weißheit des maͤchtigen Schoͤp-
fers bewundern, welcher die menſchen mit einer
ſo fuͤrtreflichen gabe, als die rede iſt, ausgeruͤ-
ſtet und gleich in der ſchoͤpfung verſehen hat.
aͤlteſte unter ihnen, haben die critici gar vielerley
meinungen S. Griſchow.I. c. cap. IIII. Buddei
Hiſtor. Eccl. V. T. Wilhelmi Turkii ſpecimen Hi-
ſtoriae ſacrae a mundo condito ad exodum Iſraëli-
tarum, vna cum primordiis gentium Aſſyriorum
\& Babyloniorum, acceſſit praefatio de vita \& ſcri-
ptis
[149]der gedancken.
ptis auctoris Halae. 1722. Lib. I. Sect. IIII. Lib.
II. Sect. III.Stollel. c. §. 7. ſqq.Morhoff.l. c.
nicht, daß man ſo wenig davon geſchrieben-
Von den dialectis der Griechen ſiehe Morhoffs
Polyhiſt. I. IIII. VI. 16. 19. conf.Reimmann
biſt. Litt.l. p. 84. ſqq.Stollenl. c.Morhoff
hatl c.Schmidii tractatde dialectis Graccorum.
uͤbergangen.
nicht ietzo in der welt? wie viel ſind verlohren?
wie viel werden noch entſtehen?
tium, vermiſchungen der ſprachen, von dem ge-
ſchmack der leute, von der zeit, von der cultur der
ſprachen, von denen temperamenten, von denen
neu aufkommenden kuͤnſten und wiſſenſchafften,
gebraͤuchen, ꝛc. Siehe §. 11.
ſich hierinn eines groſſen vorzugs zu ruͤhmen ur-
ſach habe. Denn fehlt es ia etwan an einem
worte, ſo haben die menſchen allezeit das recht
ονοματοποιεῖν, neue woͤrter zu machen, und es
fehlt auch nicht an geſchicklichkeit, ſolches zu be-
werckſtelligen. Man ſetze nur einmahl, nach der
arte combinatoria, die vielerley arten des lauts,
der woͤrter, ſylben und buchſtaben zuſammen,
wie viel millionen veraͤnderungen koͤnnen da
nicht herfuͤrgebracht werden, doch muß hernach
der gebrauch ſolche veraͤnderungen legitimiren
und einfuͤhren. Hiebey kan man ſich die moͤ-
glichkeit einer univerſal-ſprache leicht fuͤrſtellen,
aber auch beurtheilen.
ter ſylben und buchſtaben, beſondere redens ar-
ten und idiotiſmos, beſonderes genie, u. ſ. f. Hier
moͤchte ich mich wohl belehren laſſen, ob ich recht
K 3haͤtte
[150]von dem ausdruck
haͤtte, wann ich ſpraͤche, der genie der Teut-
ſchen, Lateiniſchen und Griechiſchen ſprache, di-
ſtinguire ſich darinn faſt von allen ſprachen, daß
man in dieſen dreyen benannten, allen fuͤrkom-
menden obiectis gemaͤß reden und ſich ausdru-
cken koͤnne? Z. e. im Frantzoͤſchen ſolte es mei-
nes beduͤnckens ſchwerer fallen, einen ſolchen ſti-
lum ſublimem herauszubringen, bey einem ho-
hen ſubiecto, als man wohl im Teutſchen zu praͤ-
ſtiren geſchickt waͤre. Ja wann ich mich nicht
etwan aus g[r]oſſer liebe zu meiner mutter-ſprache
irre, ſo duͤnckt mir, die Teutſche ſprache uͤbertref-
fe auch hierinn die Griechiſche und Lateiniſche-
daß ſie ſich eher als dieſe beyden in allerhand,
denen obiectis gemaͤſſe formen, gieſſen laſſe,
Deßwegen wundere ich mich manchmahl, daß
die Teutſchen ihre eigene ſprache ſo veraͤchtlich
tractiren, Z. e. warum haben wir Profeſſores der
Griechiſchen und Lateiniſchen ſprache und nicht
auch der Teutſchen? warum haben wir nur
Lateiniſche und Griechiſche, nicht aber auch
Teutſche auctores claßicos und ſprachmeiſter?
ꝛc. S. Thomaſii CautelenVII. 23.
einander differiren, ſo wird man doch in vielen
ſtuͤcken eine artige harmonie unter ihnen ſpuͤh-
ren, welches nicht wohl anders ſeyn kan, da wir
ſie alle einem Schoͤpfer und urheber zu dancken,
da die natur allen menſchen einerley arten von
organis, den laut zu formiren und zu veraͤndern
gegeben. S. G. Leopoldi Ponati anleitung
zur harmonie der ſprachen, Braunſchweig-
1712. 8. MorhoffsPolyh. I. IIII. III. 8. 9. Jch
daͤchte, wann wir unſere mutterſprache zu aller
foͤrderſt recht lernten, und hernach, vermittelſt
der harmonie und diſcrepantz derſelben mit an-
dern ſprachen, auf die erlernung; anderer ſpra-
chen
[151]der gedancken.
chen gefuͤhret wuͤrden, es duͤrfte nicht uneben
ſeyn.
allermeiſte an, und dazu ſollen uns die gram-
maticken fuͤhren. S. hievon MorhoffsPoly-
hiſtorem Grammaticum.Stollenl. c. bey erler-
nung der ſprache iſt allezeit zu unterſuchen, war-
um man ſie lerne? ob man ſie zum gebrauch
oder zur critic haben wolle? Will man ſie zum
gebrauch haben (denn zur critic geben die bey
Morhoff, Stollen, Reimmann, Griſchow, ꝛc.
angefuͤhrten auctores nachricht) ſo iſt es noͤthig
erſtlich nach einer gantz compendioͤſen Gram-
matick, von einem gelehrten, getreuen, deutli-
chen und freundlichen lehrmeiſter angefuͤhret zu
werden, daß man nur einige erkaͤnntniß von den
eigenſchaften einer ſprache kriege, z. e. im latei-
niſchen nach Cellani erleichterter Lateiniſchen
Grammatick, die zu Merſeburg 1709. zum
neundten mahl edirt und ſeinem libro memoriali
beygefuͤget iſt, im Griechiſchen nach des Herrn
v. der Hardtſtudioſo Graeco oder nach der arti-
gen Teutſch edirten Grammatick, welche zu
Wolffenbuͤttel 1715. 8. heraus kommen, nebſt
dem Griechiſchen Syntaxi, der 1716. mit
Herrn v d. Hardt vorredes eben daſelbſt,
beyde, wo ich nicht irre, von Herr Andtea Ge-
org Waͤbnern, der ietzo am Goͤttingiſchen
Gymnaſio ſtehet, herausgegeben; im Hebraͤi-
ſchen nach des Herrn v. der HardtFundamen-
tis Hebraeae Linguae oder HerrnD.Dantzens
Litteratore Ebraeo-Chaldaeo;un Frantzoͤiſchen
nach des HerrnM.Greiffenhahns in Jena,
Grammatick; im Jtaliaͤniſchen nach Caſtelli
nouuelle Grammaire Italienne \& Francoiſe pour
bien entendre \& parler Italien dans peu de
tems. Amſterdam 1714. 8. im Engliſchen nach
K 4Lud-
[152]von dem ausdruck
Ludwigs Engliſcher Grammatick, Leipzig
1717. 8. Und dieſes ſind, deucht mir, die nuͤtzlich-
ſten ſprachen. Hernach muß man ſo fort zur
praxi ſchreiten, zum leſen der auctorum und zur
ausarbeitung, auch wohl zum reden, und dabey
ſo lange eines fuͤhrers ſich bedienen, als man
ſich noch nicht ſelbſten helffen kan. Endlich
weil man eine ſprache nicht leicht auslernen
wird, iſt es gut von ieder ein vollſtaͤndiges lexi-
con und ausfuͤhrliche Grammatick, zum nach-
ſchlagen, immer bey der hand zu haben, Z. e. im
Teutſchen, Boͤdickers Grundſaͤtze der Teut-
ſchen ſprache im reden und ſchreiben, Berlin
1690 und 1701. in 8. Spatens Teutſches Lexi-
con. Nuͤrnberg 1691. 4. (Wie Hl. Eckard
in ſeinem kloſter, mit dem verſprochenen ety-
mologiſchen lexico, und die unter dem Hln.
Hoffrath Mencken in Leipzig florirende
Teutſchuͤbende Geſellſchaft, mit dem fuͤrha-
benden Teutſchen Hiſtoriſch-Poͤetiſch-Criti-
ſchen lexico, die bofnung der lehrbegierigen
und in dieſem ſtuͤck beduͤrftigen welt, ſtillen
und erſaͤttigen werde, ſtehet zu erwarten)
im Lateiniſchen Schmidii Lateiniſche Gram-
matick mit den hypomnematibus, oder San-
ctii Minervam, 1714. 8. Amſterdam, oder
Voßii Ariſtarchum, 1653. Amſterd. und Fa-
bri theſaurum,fol. 1710. Leipzig, im Griechi-
ſchen Nic. Clenardi oder Welleri Grammati-
cken und Scapulaͤ, Schrevelii, oder Hede-
richs Griechiſche lexica. (zum Teutſchen, La-
teiniſchen, Griechiſchen, iſt Hederichs anlei-
tung zu den Philologiſchen wiſſenſchaften,
ein feines hand-buch.) im Hebraͤiſchen Hln.
Loͤſchers werckde cauſſis linguae Hebraeae,
Pfeifferscriticam ſacram,GlaßiiPhilologiam
ſacram,denn des Richard SimonsHiſtoire cri-
tique
[153]der gedancken.
tique iſt bey orthodoxis in keinen ſonderlichen
credit) und Hln. StocksClauem linguae ſanctae;
im Frantzoͤiſchen Mr. Raͤdleins vollkomme-
nen Frantzoͤiſchen ſprachmeiſier,Menudier ge-
nie de la langue Francoiſeund Hln. Friſchens
Frantzoͤiſches Lexicon, ingleichen Richelet Di-
ctionaire.im Jtaliaͤniſchen etwan Cramers
oder Veneroni Grammaticken, und Raͤdleins
ſprach ſchatz, ꝛc. Sonſten ſtehe ich in den ge-
dancken, daß man eben deswegen, gar zu lange
uͤber der Lateiniſchen ſprache zubringe, weil man
ſie zu zeitig anfange, und daß man keine ſprache,
bloß mit dem gedaͤchtniß, ohne iudicio, vollkom-
men und gruͤndlich lerne. Das iudicium aber
wird durch die Philoſophie excoliret. ꝛc.
1. \&c.StollenI. II.Reimmannl. p. 75. ſqq.
Die ausſprache der buchſtaben variiret faſt in al-
len ſprachen, darnach man ſich auch zu richten
hat.
und E bey delicaten und zaͤrtlichen, F, L, W, bey,
gelinden und fluͤchtigen, S. bey ſtillen und flieſ-
ſenden, R, M, bey fuͤr chterlichen, ꝛc. Die ſyl-
ben unterſcheiden ſich gleichfalls, dactili bedeu-
ten was geſchwindes, trochaͤi was gravitaͤtiſches,
trauriges, iambi was luſtiges, ꝛc. Das wiſſen
die Poͤeten wohl. Alſo ſagt Horatius gar artig
L. II. od. 14. Eheu fugaces, Poſthume Poſthume la-
buntur anni, und anderwerts: Illi robur \& aes tri-
plex circa pectus erat, qui fragilem truci com̃iſit pe-
lago ratem primus L. I. ad 3. Man leſe nur L. II. od.
XIII. da er den baum verflucht. Virgilius
druckt die geſchwindigkeit ſehr wohl aus, wenn
er ſpricht: Ferte citi flammas, date telaque, ſcan-
dite muros.Seneca iſt auch darinn ein meiſter:
Octavia: Vincam ſacuos ante leones, tigresque
truces, fera quam ſaeui corda tyranni: item: Pe-
ior eſt bello timor ipſe belli, iam minae ſaeui ceci-
dere ferri, iam ſilet murmur graue claſſicorum, iam
tacet ſtridor litui ſtrepentis, alta pax vrbis revocata
laetae \&c.Muͤhlpfort faͤngt ſein gedicht auf
den Hoffmanns waldau eben ſo pathetiſch an, als
das obiectum erfoderte: Magnae animae exuuias,
diffracta habitacula carnis, \& quantum potuit Libi-
tinae infringere caeca ſaeuities, lacrumas inter
planctusque Quiritum, horriſonos genitus trun-
cataque murmura vulgi, efferimus; Unſern Teut-
ſchen rednern und Poͤeten fehlt es auch nicht an
dieſer geſchicklichkeit. Alſo ruͤhmt der Pleißi-
ſche Apollo Ph[i]lander von der linde nicht ohne
urſach eine beſondere ſtelle aus des Hln von
Beſſers poͤeſien, (S. Philanders von der Linde
vermiſchte gedichte die unterredung p. 169) wel-
che folgender weiſe flieſſet:
Du biſt den ketten gleich in wohlbeſtallten uhren,Durch die von innen her die feder alles treibt:
Man
[155]der gedancken.Man ſieht nicht ihren gang; doch zeigen ihre ſpuren,Daß iedes rad durch ſie in ſeiner ordnung bleibt.
Man leſe auch was hochbelobter Hl v. Beſſer von
der belagerung Stettin, in ſeinen ſchrifften, p.
121. Von dem treffen Friedrich Wilhelms des
groſſen p. 114. bey dem leichengedicht, auf ſeine
Fr. Gemahlin p. 214. und anderwerts, hierinn
fuͤr beſondere proben gewieſen. Bey Lohen-
ſteinen, Hoffmanns-waldauen und andern be-
ruͤhmten dichtern und rednern, findet man auch,
daß meine anmerckung gegruͤnbet.
herren mercken ſollen. Aus HarsdoͤrffersSpe-
cimine l. Philol. Germanicae p. 301. habe ich in
meiner Diſp. de nimio in linguis ſtudio, Lipſiae,
1716. folgendes angefuͤhret, welches gewiß para-
dox genung die conſonantes zuſammen zwinget:
Es ſtimmet mit mir ein, die ſtimme ſo wir hoͤren,Das praßlende geſchluͤrf, fließt aus den erden roͤh-
ren,Und liſpelt durch den kieß; der klatſch und platſcher
thon,Spricht ſonder fleiß und kunſt faſt allen ſprachen
hohn.Das ſum und brum geſauß, das ſchnarren, murren,
marren,Kan andrer zungen kraft in ſchroffen ſand ver-
ſcharren.Es rollt mein donner-wort es ruͤllt, bruͤllt, brauſt,
zerſplittert,Daß durch die luft und gluft die hein und ſtein er-
ſchuͤttert ꝛc.
Zugeſchweigen anderer fehler, als, der ſelbſt-
gemachten und nichts bedeutenden worte ꝛc. ſo
erfoderte das obiectum wohl nicht dergleichen
zwang. Klaius machts noch luſtiger S. Hl.
NeumeiſtersDiſſ. de poëtis GermanicisLeipzig
1695.
[156]von dem ausdruck
1695. p. 72 und das SchediaſmaHln.M. Clodii
de inſtituto Societatis Philo-Teutonicae Poëticae,
quae ſub praeſid. Menckenii Lipſiae congregatur.
p. 16. ſqq. z. e.
Die kunſt bleibt wohl richtig, aber die affectation
der kunſt, iſt niemahls angenehm.
daran gedacht, ob ſie das weſen der ſache mit
dem worte bemercken moͤchten, ſondern ſie ſind
mehrentheils ihrer phantaſie gefolget, zuweilen
treffen doch idee und wort zuſammen. Alſo kan
ich eines theils, die gedancken von der natur-
ſprache, nicht als gar zu gegruͤndet annehmen,
andern theils, halte ich es nicht fuͤr unvernuͤnf-
tig, wañ der redner ſich bemuͤhet, ſolche worte zu
treffen, welche der beſchaffenheit der ſache nahe
kommen. Z. e. Hochmuth: kommt ſchon der
idee naͤher als Ehrgeitz.Bombarda, iſt, deucht
mir ein gut Lateiniſches wort, ohngeachtet es
in keinem alten auctore ſieht, denn die ſache ſo
dadurch angedeutet wird iſt neu, und das
wort der ſache ſehr conform. S. Morboff und
Stollenl. c. ingleichen Lamil’art de parler L.
I. c. XII.Hedrichs anleit. zu den Philol. wiſ-
ſenſchaften, von der Lexica und Phraſiologia,
welche auctores anfuͤhren, die ſich auſſer den
Lexicographis, um die critic der woͤrter bekuͤm-
mert.
tandi erfunden, und die haupt-idee ideam prin-
cipalem, die neben-idee, acceſſoriam genennet.
(D. Ridiger S. V. \& F. nennet iene realem dieſe
accidentalem, L. I. c. XIII. § XI. welche man
auch ſonſt bey dieſem cap. conferiren mag.) Je-
ne oder die principalis, bedeutet die ſache ſelbſt,
dieſe die acceſſoria, bemercket zugleich einen um-
ſtand oder affect, und macht alſo den nachdruck
eines worts aus, dannenhero man auf dieſelbe
bey erklaͤrungen, uͤberſetzungen und dem aus-
druck der gedancken uͤberhaupt, ſorgfaͤltig zu ſe-
hen. Z. e. homo und mortalis heiſt beydes ein
menſch, aber ienes deutet auf den urſprung,
dieſes
[158]von dem ausdruck
dieſes auf das ende deſſelben. Ein mann und
ein maͤnngen, differiren in der neben idee und
und dieſe kan entweder den umſtand der natur
bemercken, ſo heiſt maͤnngen, ein kleiner mann/
oder den affect der liebe, ſo heiſts ein lieber
mann, oder der verachtung, ſo heiſts, ein
ſchlechter mann.
haupt-worts, entweder zu erklaͤren oder zu de,
terminiren und zu reſtringiren. Jene artheiſ-
ſet bey den Scholaſticis reduplicatioum, bey
D. Ridigern l. c.explicativum und wird von de-
nen differentzen und propriis eines dinges herge-
nom̃en: dieſe aber ſpecificativum oder derei mi-
nativum von denen eintheilungen eines dinges.
Z. e. ein ſterblicher menſch erklaͤret, und ein [z]or-
niger menſch, reſtringiret den begrif von einem
menſchen.
nis: Subſiantivum, adiectivum, activum,
paſſivum und particulam oder kuͤrtzer: no-
men, verbum, particulam, und weitlaͤuftiger
nach den Grammaticken: nomen, pronomen,
verbum, participtum adver[b]ium praͤpoſitio-
nem coniunctionem und interiectionem. Die
erſte eintheilung iſt die beſte, (ſ. Ridiger. l. c. lib.
II. C. XI. §. II.) Dadurch kan man ſich bey erler-
nung und anbringung der woͤrter helffen: Z e.
Die gelehrſamkit,eruditio,gelehrt,eruditus,
gelehrt machen,erudire,gelahrt werden,eru-
diri,gelehrt,erudite.
und determiniret ſie, die kunſtwoͤrter werden
durch die kuͤnſte und denenſelben zugethane,
herfuͤrgebracht und ausgemacht, nach denen un-
terſchiedenen abſichten der menſchen S. unten
§. 12. 13. 14. Morhoff.l. c. II. V. I. §. 6.
wird, praͤd[i]catum aber, was von einer ſache ge-
ſagt wird. Dieſen unterſchied mercke ich deß-
wegen an, weil man bey dem ausd[r]uck, die praͤ-
dicata allezeit nach denen ſublectis accommodi-
ren muß, Z. e. es wuͤrde albern ſeyn, wann ich
ſpraͤche: es ſind viel grillen in der Philoſo-
phie, und wuͤrde eben ſo klingen als wann ie-
mand ſagte: es iſt viel ſtroh im golde. Dann
von der Philoſophie und vom golde, kan man
ſolche praͤdicata nicht geben. Mehrentheils
wird das Praͤdicatum zu einem neben wort ae-
macht, da dann eben dieſes zu beobachten S.
obennot. d.und folgendes cap. 2.
num, dieſes ſind die beſten, aber auch ſeltenſten
worte, Z. e. GOtt, gnade, tugend, gelehrſam-
keit, wahrheit; aͤquivoca haben viel ideen und
nur einen terminum, Z. e ein fuchs, die roſe, ꝛc.
Alſo wenn ich einen nenne, virum beatae mem o-
riae, qui exſpectat iudicium, weil er noch lebt, da
bedeutet es gantz was anders, als wann ichs
ihm auf den leichen-ſtein ſetze, ingleichen, ein
wohlgezogner menſch i. e. der auf der tortur
geweſen und der eine gute erziehung gehabt.
Es iſt ſonſt ein ungluͤck fuͤr die ſprachen, wann ſie
zu viel aͤquivoca haben und die redner ſolten
darauf bedacht ſeyn, durch einen accuraten aus-
druck und gebrauch der woͤrter, dieſem ungluͤck
abzuhelffen. Synonyma ſind, wo ich eine ie-
dee mit vielerley worten bemercken kan, Z. e.
wild, mutbig, unbaͤndig, frech, der Z. e. Gott-
ſeelig, gottesfuͤrchtig, tu[g]endhaftig, oder Z. e.
propenſio, amor, dilectio, beneuolentia, \&c. Aus
dergleichen ſucht der redner das beſte aus, denn
ohngeachtet die haupt-idee einerley ſeyn moͤchte,
ſo koͤnten doch wohl die neben-ideen eins nach-
druͤcklicher machen als das andere.
ter, ingleichen der zuſammenfall, conſtruction,
verbindung, arrangement, (ſiehe Lami l’art. de
parler cap. x. L. I.alter, hiſtorie, derivation, ꝛc.
derſelben, ſind von einem redner niemahls zu ne-
gligiren. S. unten das 2. cap. ingleichen das 4.
gaire ſind von ſachen die unmittelbar in die ſinne
fallen, gelehrte ſind abſtracta, iene haben bloſſe
erzehlungen, hiſtorie, dieſe aber gruͤndliche rai-
ſonnements zum grunde; z. e. der Pabſt iſt ge-
ſtorben: Renatus Bary hat eine Rhetorick
geſchrieben; (Amſterdam 1669. 12. Frantzoͤiſch)
Bavius hat ein carmen gemacht: Madame
hat heute compagnie: Muß ich iemand, wann
ich hut ſtock und degen habe, auch wohl mit
dem ſtock ein compliment machen? ſind alles
vul-
[161]der gedancken.
vulgaire dinge. Hingegen wenn ich ſpraͤche:
Fuͤrſten muͤſſen ſo wohl ſterben als andere
menſchen: Des Bary Rhetorick iſt nicht viel
nutze: Bavii carmen iſt ſehr albern gemacht:
Madame hat heute eine pinſel-compagnie: zu
viel und zu wenig complimente machen, iſt deu
leuten odioͤs: gruͤndet ſich auf ein raiſonne-
ment und auf abſtracta. Bey ienem muß ich
vulgaire terminos brauchen, bey dieſem darf
ich nach meinem willkuͤhr aͤndern, wann ich nur
der idee des raiſonnements nachgehe. Bey ie-
nem muß ich nur fragen, ob die copula richtig,
bey dieſem bekuͤmmere ich mich zugleich um den
richtigen concept des praͤdicati.
obiectum keinen putz braucht, formire ich nur ſaͤ-
tze, die aus eigentlichen worten beſtehen, und
da das praͤdicatum keinen t[r]opum involviret,
ferner, wo ich alle dunckelheit und zweydeutig-
keit ſorgfaͤltig vermeiden ſoll. Siehe §. 17.
ieden ſprache ſehen nach der grammatick; ferner
auf die idiotiſmos, d. i. ſolche redens-arten,
welche zu denen diſcrepantzen einer ſprache von
der andern gehoͤren, weiter ob ſich die redens-
arten worauf beziehen ſollen, S. Hederichs
Anleit. zu den Philolog. Wiſſ von der phra-
ſiologie.
ander ſubordiniret ſind, wird der ſatz beiahend;
ſind ſie einander opponirt, wird er verneinend
Z. e. Tugend und laſter ſind einander oppo-
niret, alſo ſpreche ich: Laſter werden bey groſ-
ſen leuten nicht zu tugenden.
niß des praͤdicati gegen das ſubiectum. Alſo
ſage ich recht: Alle fuͤrſten muͤſſen ſterben,
Ldenn
[162]von dem ausdruck
denn die ſterblichkeit erſtrecket ſich uͤber alle
menſchen: Oder: Kein richter ſoll geſchencke
nehmen, denn alle richter ſollen gerechtigkeit
handhaben und alle geſchencke ſuchen hingegen
das recht zu beugen. Hingegen ſagte ich nicht
recht: Alle gelehrte ſind gluͤcklich, denn das
gluͤck iſt kein eſſentielles ſtuͤck eines gelehrten,
auch kein allgemeiner concept von ihm, ſonſt
wuͤrde Spitzelius nicht haben ſeinen Litteratum
inſelicem ſchreiben koͤnnen. Wann ich wolte
ſetzen: Alle reiche ſind raiſonnable, ſo wuͤrde
man mir viele inſtantzen geben koͤnnen, alſo muͤ-
ſte ich meinen ſatz limitiren und ihn alſo ausſpre-
chen: Alle reiche, welche durch die Moral
oder die regeln des Chriſtenthums gebeſſert,
ſind raiſonnable leute.
boten: David iſt wahrſcheinlich ein ſangui-
neus geweſen: David entbrannte, da ſich
Bathſeba im waſſer abkuͤhlete, und Joſeph
wurde zu eiß, da Sephira in der groͤſten glut
entzuͤndet war.
ologie unſtreitig, in der Moral wahrſcheinlich,
aber in der Jurisprudentz wuͤrde man mich in-
iuriarum belangen, wann ich es nur von einem
eintzigen ſagte.
druck der gedancken, bey pathetiſchen, zugleich
auf den ausdruck des affects, ſiehe §. 18. Da-
her entſtehen auch gewiſſe nebenideen der re-
dens-arten.
Hln. Hofrath Langens Orat.P. I. p. 320.
Lamil’ art de parler L. III. c. VIII.
Laſter werden bey vornehmen leuten nicht
zu tugenden.Periodus explicatiua:Leute wel-
che das gluͤck durch geburt, ſtand, und reich-
thum, oder auch wohl durch eigene verdien-
ſte, fuͤr andern erhaben, ſind nicht vermoͤ-
gend, ſolche thaten, ſo die regeln der goͤttli-
chen weißheit und der vernunft unterbre-
chen, und die ruhe der menſchlichen geſell-
ſchaft ſtoͤbren, in GOtt und menſchen gefaͤl-
lige tugenden zu verwandeln. Hieher gehoͤ-
ren alle definitiones.
ckungen aus. Z. e. Propoſ.die gottesfurcht iſt
zu allen dingen nuͤtze, und hat die verheiſſung
dieſes und des zukuͤnftigen lebens.Periodus de-
terminatiua:Menſchen, welche ihrem ſchoͤpfer
die ſchuldige ehrfurcht niemahls verweigern,
und davon allezeit lebendige proben, in der
auffuͤhrung gegen ihren naͤchſten, an den tag
L 2legen,
[164]von dem ausdruck
legen, koͤnnen der ungezweiffelten hoffnung
leben, es werde zu ihrem zeitlichen und ewi-
gen vergnuͤgen, die allmacht und liebe des un-
erſchoͤpflichen brunnens alles guten, ſich ver-
einigen, und uͤber ſie mit reichen ſtroͤhmen
ergieſſen.
Prop.die tapferkeit verewiget:Periodus ſim-
plex:Ein unerſchrockener muth, der ſich nach
gnugſamer uͤberlegung, durch tapfere thaten
zeiget, macht uns denen gleich, welche in ih-
rem leben von allen bewundert, und nach ih-
rem tode durch ein unſterbliches andencken
verewiget werden. Compoſita hat mehr pro-
poſitiones, neben der haupt-propoſition,
und iſt daher entweder bimembris, trimem-
bris oder quadrimembris; Z. e. Das duel-
liren wird billich geſtraft:Periodus compo-
ſita bimembris:Da das duelliren ein ſolches
verbrechen iſt, da einzele perſonen, ſich ſelbſt
zu raͤchen die wut des boßhaftigen hertzens,
in dem blute des naͤchſten, auch wohl gar mit
deſſen tode abzukuͤhlen, und das veꝛmeinte un-
recht abzuwaſchen gedencken: ſo wird ein ie-
der leichtlich zugeſtehen, daß eine ſolche, der
republick ſchaͤdliche, unartige rache, billich
von einer hohen Obrigkeit, mit empfindli-
cher ſtrafe beleget werde:Trimembris:Alle
durch unbeſonnenheit und boßheit fuͤrge-
brachte verbrechen, werden in einer wohlbe-
ſtallten republick billich geſtraft: Da nun
das duelliren, gemeiniglich von ſolcher art
zu ſeyn pfleget: So erhellet daraus von ſelb-
ſten, daß es auch in unſrer republick billich
niemand geſtattet, ſondern vielmehr mit ge-
rechter ſtrafe angeſehen werde:Quadrimem-
bris:Das duelliren iſt ein hoͤchſtſchaͤdliches,
grauſames, und unbeſonnenes verfahren:
Da
[165]der gedancken.
Da nun dergleichen billich zu beſtrafen: So
wird auch mit groͤſtem recht dieſe begierde
blut zuvergieſſen, mit ſtrafen gedaͤmpfet: Es
muͤſte dann ſeyn, daß eine hobe Landes-O-
brigkeit die idee des verbrechens davon weg-
naͤhme und der republick ein menſchliches op-
fer zu ſchencken fuͤr noͤthig erachtete.
grund ein: Z. e. Fuͤrſten muͤſſen ſterben:
Periodus probans:Da das unerbitliche ver-
haͤngniß und die allgemeine ordnung der na-
tur, allen menſchen ſchlechterdings die noth-
wendigkeit zu ſterben auferleget: So haben
auch printzen, wenn ſie ſchon kron und ſcepter
fuͤhren, ſo lange ſie mit der menſchheit um-
geben, ihnen die ſichere rechnung zu machen,
daß endlich der todt ihre fuͤrſtlichen ſtuͤhle
umſtuͤrtzen, und ihren purpur der verwe-
ſung uͤberantworten werde. Jlluſtrans fuͤhrt
ein argumentum illuſtrans ein, Z. e: Lohenſtein
exprimiret obigen not. a. befindlichen periodum
im Arminto l. I. p. 15. alſo: Der koth bleibt
heßlich und ſo viel mehr kenntbar in chryſtal-
linen gefaͤſſen, und die laſter garſtig, wann ſie
ſchon in ſammet und goldſtuͤcke eingehuͤllet,
oder auf elfenbeinerne ſtuͤhle geſetzet werden.
Pathetica ſucht den affect zu ruͤhren, Z. e. Maza-
rin ſagt: ein kerl ohne geld, lebt in der welt
recht ſchaͤndlich:Periodus mouens:Jhr ar-
men leute, die ihr euch mit eurer gelehrſam-
keit und tugend viel einbildet, und doch kein
geld habt! Jhr kommt mir fuͤr wie der ſchaͤ-
cher der ſich auf das paradieß freuete und
doch am creutze ſchmaͤhlich crepiren muſte,
bedenckts doch nur ſelber ob ich nicht recht
habe? (Mazarin ſagt es zum wenigſten.)
theil des gehoͤrs, und auf die rechte abfaſſung des
ſatzesan, welchë man in einen periodum einſchlieſ-
ſen will. Es giebt leute, die ſind bey nahe von na-
tur incapable einen periodum zu machen, weil ſie
nicht ordentlich und ſatzweiſe gedencken koͤnnen-
Solche leute ſchreiben briefe von einem und mehr
bogen, und der gantze brief iſt ein periodus, ia
ſie halten wohl gantze predigten, die ſind eben-
falls ein eintziger periodus. Sie haben zwar
einen grundſatz mit noth concipiret, aber dazu
ſetzen ſie etliche hundert propoſitiones inciden-
tes, eben ſo viel limitationes, und drey mahl ſo viel
beywoͤrter, und tavtologien, ſolten ſie dann nicht
eine ſtunde daran zu predigen haben? Jener
luſtige kopf, machte zum ſpaß, dieſen fehler fuͤr-
zuſtellen, folgenden periodum. Jch ergetze mich,
mein leib und ſeele, meine innerliche und aͤuſ-
ſerliche ſinnen, meinen verſtand und willen,
an nichts in der welt mehr, es ſey (hier erzeh-
lete er alle erſinnliche delicateſſen) was es wolle,
als an den unvergleichlichen ſchatten, des
ſchoͤnen (ich weiß nicht, ob es eine linde oder
bircke oder erle (hier erzehlete er alle baͤume
iſt,) baums, welcher auf der wieſe ſtehet, (hier
beſchrieb er die wieſe nach ihrer voͤlligen lage)
woſelbſten das graß gewachſen, davon der
ochſe gefreſſen, von deſſen haut, mein ſchatz,
ihr neulich ein paar flecken unter ihre abſaͤtze
von meiſter N. ſetzen laſſen. Will man die-
ſen fehler vermeiden, ſo muß man ordentlich erſt
kurtze ſaͤtze faſſen, die nur aus einem ſubiecto und
praͤdicato beſtehen, einen ſolchen ſatz uͤberleget
man wohl, was er fuͤr zuſaͤtze, einſchraͤnckungen,
und dergleichen haben muͤſſe, dieſe ſetzt man hin-
zu, und faͤngt dann an zu verſuchen, wieviel
mahl man reſpiriren koͤnne, ob zu dem ſteigen,
ruhen,
[167]der gedancken.
ruhen, und fallen der ſtimme ein rechtes tempo
ſey, davon man nicht incommodiret werde, ver-
aͤndert und verſetzt die woͤrter und redens-arten
ſo lange, biß alles leicht und commode auszu-
ſprechen, ſo kriegt man allezeit nette periodos,
Z. e. Jch haͤtte dieſen ſatz: Excopiaferocia: erſt-
lich fehlt das verbindungs wort, dieſes ſetze ich
hinzu: Ex copia oritur ferocia: Damit man
nicht copiam unrecht verſtehe, ſo ſetze: Ex copiæ
pecuniae, rerum ad vitam tranſigendam neceſſa-
riarum, oritur ferocia: Weil dieſes nicht univer-
ſel, ſetze: Oritur plerumque ferocia: Weil es nur
bey unverſtaͤndigen geſchicht, ſetze hinzu: Apud
homines imprudentes, affectibus indulgentes,
intellectu praeiudiciis deturpato aegrotantes: So
bekommt man folgenden periodum: Ex copiæ
pecuniae \& rerum ad vitam tranſigendam neceſ-
ſariarum, oritur plerumque ferocia, apud homines
imprudentes, affectibus indulgentes, intellectu
praeiudiciis deturpato aegrotantes: Oder beſſer
und mit bequemerer ausſprache: Quiſquis nec
intellectum a praeiudiciis emendare, nec in volun-
tate affectibus imperare, ideoque parum prudenter
ſe gerere didicit: ipſi ex nimio rei familiaris incre-
mento, \& opum, quamuis fugacium, affluentia,
effrena plerumque \& indomita ſubnaſcitur ferocia:
Da dann alle theile in gehoͤriger ſymmetrie ſte-
hen, leicht auszuſprechen ſind und wohl in das
gehoͤr fallen. conf.Lamil’ art de parler l. c. und
unten das 2. cap.
memorialiſche ausdruck. Der indicioͤſe iſt rei-
cher an gedancken als worten, ſetzt nicht leicht
etwas vergebens, macht viel einſchrenckungen,
wird daher zuweilen ſchwer zu verſtehen, zumahl
wenn alles gar zu kurtz gefaſt. Z. e. Tacitus,
Petronius, Phaͤdrus, Salluſtius, Quinctilia-
nus, Buchnerus; ꝛc. der ingenioͤſe, hat viel
gleichniſſe, ſpielt mit worten, flieſt wohl, bringt
allerhand einfaͤlle an. Z. e: Florus, Ovidius,
Muretus, Hofmanns-waldau, ꝛc. Der me-
morialiſche, iſt reicher an worten als gedancken,
mit phraſibus aus andern auctoribus, mit ſen-
tentzen und dergleichen, geſchmuͤckt, alſo un-
gleich, unbeſtaͤndig, weitlaͤuftig. z. e. Barthius,
der meiſten criticorum, ſ. MorboffsPolyh. I. I.
XXIII. 46. Am beſten iſts, wann iudicium,
ingenium, memorie ſo gemiſcht ſind, daß das
iudicium am ſtaͤrckſten, ingenium und memorie
zuſammengenommen dem iudicio gleich ſeyn,
Z. e. beym Cicerone, Livio, Horatio, Virgilio,
Cu-
[169]der gedancken.
Cunaͤo, Ziegler, ꝛc. andere miſchungen taugen
nichts.
fiquen, fluiden, und conciſen ausdrucks.
Wenn man dieſe arten mit denen arten der vor-
hergehenden note vermiſchet, kan man wieder
beſondere veraͤnderungen des ausdrucks bemer-
cken. Ehrgeitzige lieben einen magnifiquen,
wolluͤſtige einen fluiden, geldgeitzige einen con-
ciſen ausdruck. ꝛc.
viel zur einrichtung des ausdrucks. Eine freye
converſation, liebreiche und vernuͤnftige edu-
cation, macht, daß man ohne ſchwierigkeit ſich
ausdruckt, und ohne furcht zu fehlen, eine ſolche
fertigkeit zeiget, die nicht anders als angenehm
iſt. Eine ſtoͤckiſche pedantiſche auferziehung iſt
urſach, daß man ſich, wann man auch erwach-
ſen und die herrlichſten anweiſungen gehabt, die
ſchoͤnſten buͤcher geleſen, die fuͤrtreflichſten me-
ditationes im kopfe hat, die gelehrteſten ſachen
zu papier bringet, dennoch im gemeinen leben,
nicht ohne zwang und noth, und ohne roth zu
werden, exprimiren kan. Jm gegentheil, wo
die eltern uͤber der kinder albernes reden ein ge-
fallen zeigen und lachen, und der lehrer mit
furcht und zittern ſie corrigiren muß, da bekom-
men die leute eine frechheit, daß ſie nachge-
hends, ohne ſchamhaftigkeit, die albernſten ein-
faͤlle, auf eine impertinente art, fuͤrbringen,
und die gantze zeit mit ihrem thoͤrichten plap-
pern, verſtaͤndiger leute ohren, auf die tortur
bringen, und wie viel hengt uns nicht aus der
converſation mit andern leuten an?
S. Neuhuſium im theatro ingenii humani und
andere, Z. e. der Teutſche ausdruck iſt entweder
L 5Schle-
[170]von dem ausdruck
Schleſiſch oderr Meißniſch oder Niederſaͤchſich
oder Fraͤnckiſch, der Lateiniſche und Griechiſche
entweder Atticus, oder Laconicus oder Aſiati-
cus und Rhodicus. Wie differiret nicht der
Orientaliſchen voͤlcker ausdruck von dem un-
ſern? ꝛc.
ſthenes, iener hatte ſich mehr aufs dociren,
dieſer mehr auf die praxin gelegt. Hofleute re-
den gantz anders als ſchulleute, handwercksleu-
te und ſoldaten wieder anders ꝛc.
den moden, aus unterſchiedenen urſachen, ꝛc.
ſtaunen an, die man anderwerts fuͤr ſchlechte
helden halten wuͤrde; wiederum ſind andere
verachtet, welche vielleicht an andern orten am
liebſten gehoͤret werden.
ein iedes obiectum muß nach ſeinen eigenſchaf-
ten ausgedruckt werden. Siehe unten das 2.
cap.
diſpoſition des verſtandes zu reden, oder die nei-
gungen nicht haben, welche andere treiben, und
alſo inuita mincrua, und nicht, wie ihnen der
ſchnabel gewachſen, reden wollen. Z. e. wann
Lipſius ſchreiben will wie Tacitus, oder wann
Gruterus und Coͤlius Lipſii ausdruck affectiren
S. MorhoffsPolyh. l. I. XXIIII. 69. 70.
Jene zwingt ſich andere zu folgen mit denen ſie
nichts gleiches hat, dieſe ſucht, was andere, mit
denen ſich etwas gleiches bey uns findet, ſchoͤnes
herfuͤrgebracht, nachzumachen, ohne zwang und
falſchen abſichten. Z e. Baudius imitirt Plau-
tum gluͤcklich und man lobt ihn deßwegen S.
Mor-
[171]der gedancken.
MorhoffsPolyh. l I. XXIIII. 87. Budaͤum
will man, wegen ſeiner art zu imitiren, nicht ſon-
derlich loben, S. eundem l. I. XXIII. 47. vid.un-
ten cap. 4.
vitaͤtiſch, einige liſpeln, einige ſchnarren, einige
haben eine leiſe, kleine, ſchwache ſtimme, andere
ſtarck und grob.
ſehr, alten leuten will es nicht mehr ſo flieſſen
als iungen, daher heiſt eine rechte beredſamkeit
bey den Lateinern virilis eloquentia, und dieſe iſt
a flore iuuenili orationis, ingleichen a terſo dicendi
genere ſenili, ſehr unterſchieden. Lipſius hatte
im alter einen gantz andern ausdruck angenom-
men, als in der iugend. ſiehe Morhoffl. c.
63. Daß ich hier von andern urſachen der
veraͤnderung im ausdruck nicht gedencke, Z. e.
Manche ſchreiben und reden ſchoͤn, wann ſie
verliebt, zoͤrnig, berauſcht, unter guten freun-
den ſind, hingegen zu anderer zeit will es nicht
fort, ſo iſt auch ein menſch nicht alle ſtunden
gleich diſponiret zum reden. S. Schefferumde
ſtilo illiusque exercitiis (cum Jo. Henr. Boecleri diſſ.
de comparanda Latinae linguae facultate ed. Jenae
1678. 8.) Cap. I. p. 10.
genera, conſtructiones, ſyntaxin, ꝛc. und iſt ſo
maͤchtig, daß auch Kaͤyſer Sigismundus ſich
druͤber verwunderte, da er ohngefaͤhr ſchiſmam
an ſtatt ſchiſma: geſprochen, und mit ſeiner
Kaͤyſerl. auctoritaͤt nicht wieder denſelben ſchuͤ-
tzen konte.
ſchwartz, lang, ſchlagen, werffen, ꝛc. ſind lau-
ter ſenſuelle ſachen, dieſe hat der univerſelle ge-
brauch unter ſeiner diſpoſition. Eben derſelbe
nimt auch zuweilen woͤrter aus andern ſprachen,
und giebt ihnen in einer fremden das buͤrger-
recht.
Teutſchen ſprache, cap. 4. wer die ſtamm-
woͤrter finden wolle, muͤſſe ſie nicht in den
ſtaͤdten und bey hofe, ſondern auf den doͤr-
fern unter den bauren ſuchen. Jch ſetze noch
hinzu, daß man ſie nicht allemahl mit gnugſamen
grund in andern ſprachen ſuche.
die ſonne oder plat-Teutſch nur mit etwas ge-
ſchloſſenem munde ausgeſprochen, de oder dey
ſunne nennen, der denckt gleich an das groſſe
licht, welches den tag erleuchtet. Und wann
nun ſchon der Chymicus das gold und ein ver-
liebter ſeine amaſia darmit beleget, ſo hat doch
der univerſelle gebrauch eigentlich die idee der
ſonne daran gebunden. Alſo veraͤndert der ge-
drauch manchmahl woͤrter in anſchung ihrer be-
deutung, Z. e. ſchalck hieß vorzeiten ein treuer
diener, daher marſchalck; ſchuft kam in der be-
deutung mit dem Hebraͤiſchen Schophet uͤberein;
ſchelm war ein ehren- und geſchlechts-nahme.
S. Zieglers Heldenliebe der ſchrifft die vor-
rede. Mayd hieß eine iungfer, hofieren hieß ei-
nem
[174]von dem ausdruck
nem ehre erwieſen, heut zu tage wuͤrde man ſich
fuͤr der ehre nach dem ietzigen verſtande gar ſehr
bedancken. ꝛc. Bald wird dieſer bizarre ge-
brauch aus orthodoxe und Philoſophe ſchimpf-
woͤrter machen, der grund iſt ſchon dazu gelegt.
lich beobachtet. Z. e. an ſtatt: handſchub ſage
ich nicht handſtruͤmpfe oder an ſtatt: beinklei-
der, nicht lendenholftern, ꝛc. Alſo irreten die
Zeſianer gar ſehr, da ſie alle woͤrter reformiren
wolten und auch die bereits das buͤrgerrecht in
unſerer ſprache gewonnen hatten, ausmuſterten/
da ihnen doch der univerſelle gebrauch im wege
ſtand. Die immer Ciceronianiſch ſchreiben wol-
len, denen geht es eben ſo. Nec nimis molles nec
nimis moroſi ſimus.S. Thomaſii Cautelen
VII. und die vorrede, ſo er ſeiner Einleitung
zur Vernunftlehre fuͤrgeſetzet. Die herren, ſo
galant (i. e. uͤberhin) ſtudiren, ſuͤndigen dagegen
in der groſſen nachlaͤßigkeit. Hernach ſo wird
auch der gemeine gebrauch billich in obacht ge-
nommen, was anbetrift die ſachen, ſo man fuͤr-
bringt, loquendum cum vulgo, \&c. Wann der
bauer (und auch der gelehrte bauer) glaubt, die
ſonne gehe herum, ſey nicht groͤſſer als ſein hut,
die hexen ritten um Walpurgis auf beſen und
ofengabeln und ziegenboͤcken nach dem bloxber-
ge, und ich habe keinen beruf ihn kluͤger zu ma-
chen, da rede ich nach ſeinen begriffen: hingegen
wuͤrde das wohl ein greulicher thor ſeyn, der mir
wuͤrcklich aus einem ſolchen diſcours, derglei-
chen alberne meinungen beymeſſen wolte. Wenn
Curtius die thaten des Alexandri beſchreibt, ſo
ſetzt er verſtaͤndigen leuten eine marque zu geben,
was ſie von ſeiner hiſtorie halten ſollen, nur dieſe
worte: Equidem plura transſcribo, quam credo.
Sapienti ſat.
conſuetudinem ſermonis conſenſum eruditorum,
aber darinn hat er geirret, daß er hiedurch den
univerſellen verſtanden. Den gelehrten ge-
brauch verderben mehrentheils die halbgelehr-
ten, welche mit ihren unreiffen gedancken, und
manchmahl zur unzeit und uͤbelausgeſonnenen
neuen wahrheiten, ſolche woͤrter herfuͤrbringen,
die nichts heiſſen, und zuweilen ohne noth von
dem univerſellen gebrauch abgehen. Die Teut-
ſche ſprache hat ſonderlich das ungluͤck, da man
alle wiſſenſchafften mit dem Scholaſtiſchen La-
tein verdorben, daß ſie mit genauer noth, gelehr-
te ſachen ohne einmiſchung Lateiniſcher kunſt-
woͤrter fuͤrtragen kan. Ja die Lateiniſche ſpra-
che
[176]von dem ausdruck
che ſelbſt iſt durch dergleichen Scholaſtiſche woͤr-
ter ziemlich ungeſtalt worden, wann man etwas
gelehrtes fuͤrtragen ſoll. Daher entſteht der ſo
genannte Philoſophiſche ausdruck, i. e. der aus-
druck, deſſen ſich die docirenden bedienen. Von
dem gelehrten gebrauch uͤberhaupt, ſ. Cleric. ar-
tem critic. Part. II. \&. III. Von dem gelehrten
gebrauch in der Lateiniſchen ſprache ſ. Hede-
richs Philologiſche wiſſenſch. von derLexica
undPhraſiologia Latina ingleichen was Mor-
Hoff und Stollel. c. fuͤr auctores allegiren.
Thomaſii Cautelen cap.VII. Daraus man
leicht die application aufs Teutſche machen
kan.
gen, und nicht alles gelehrte, die den nahmen
fuͤhren, oder die Lateiniſch koͤnnen, und es doch
hier auf gelehrte ankommt, ſo muß ich melden,
daß ich unter gelehrte dieienigen verſtehe, welche
eine iudicioͤſe, gruͤndliche, ſcharfſinnnige, erkaͤnt-
niß der abſtracten dinge haben, und ſolche zum
nutzen des menſchlichen geſchlechts anwenden.
Z. e. Das wort Philoſophie hat Pythagoras
erfunden, bedeutet damit die liebe zur weißheit,
heut zu tage heiſt es die einleitung zur gelehrſam-
keit, die univerſelle gelehrſamkeit, dadurch man
ſeinen verſtand und willen zu erkennen zu beſſern
und zu denen hoͤhern Facultaͤten und beſondern
diſciplinen anzufuͤhren lernet. Mir deucht, daß
alle gelehrte in dieſer bedeutung einſtimmig ſind,
die andern gruͤtz-koͤpfe nehmen Philoſophie bald
fuͤr eine kunſt zu diſputiren, oder grillen zu fan-
gen, oder die creutz und die quere zu raiſonniren,
u. ſ. f.
die ſinne fallen, ſondern dabey man ſein iudici-
um gebrauchen und nachdencken muß. Z. e. ge-
lehrſamkeit, weißheit, billichkeit ꝛc.
man ein wort haben, ſelbige zu benennen, alſo
wer in der gelehrſamkeit etwas herfuͤrgebracht,
muß ebenfalls auf die benennung bedacht ſeyn,
und da muß er zufoͤrderſt ſehen, ob nicht der-
gleichen wort ſchon in der ſprache fuͤrhanden,
hernach, ob nicht etwan durch die analogie der-
gleichen wort zu formiren, ferner wann dieſes
nicht angehen ſolte, ob nicht in einer andern ſpra-
che ein wort ſey, das die ſache ausdrucket, endlich
bekommt er erſt freyheit, ein neues wort zu ma-
chen, aber er darf es nicht gebrauchen, ohne ſol-
ches durch eine definitionem nominalem zu er-
klaͤren. Denn durch die definitiones nominales
werden die logomachien vermieden, ſiehe We-
renfelſens diſſert. die in der vorber. §. 12. not. a.
angefuͤhret.
raiſonable, bonnet, galant, ꝛc. ſind zwar erfun-
den und faſt durch den univerſellen gebrauch re-
cipirte woͤrter, aber wie uͤbel werden ſie nicht
angewendet z. e. wann der raͤuber ſterben ſoll,
ſo ſagt er, es ſey nicht billich, daß man ihm das
leben nehme; wer uns mehr giebt, als wir ver-
dienet haben, den nennen wir raiſonnable; man
ſagt: ein galanter pruͤgel ꝛc. Solcher woͤrter
eigentliche bedeutung zu determiniren, ſolten die
gelehrten muͤhe anwenden, und ihren gebrauch
dem einreiſſenden mißbrauch entgegen ſetzen.
Sonſt dienen zum gelehrten gebrauch die
Lexica Philoſophica, als Stephani Chauvi-
ni. 1713. Loͤwarden. 1692 Rotterdam in
fol. Joh. Miraelii 1662. 4. Stettin.J. H.Com-
pendioͤſesLexicon Metaphyſicum.Franckfurt
1715. 8. Goclenii, ſiehe MorhoffsPolyh. l. IIII.
IIII. 5. Reimmannl. c. IIII. 566. doch moͤchte
Herrn Walchens dieſe wohl uͤbertreffen, auf
Mwelches
[178]von dem ausdruck
welches uns ſchon D.Ruͤdiger in ſeiner vorr-
de zurPhiloſophia Synthetica 1717. vertroͤſtet. Es
ſolte auch billich ein ieder gelehrter, wann er von
abſtracten ſachen ſchriebe, ein kleines lexicon dazu
thun, damit die von ihm gegebenen nominal de-
finitiones wieſen, wie man ſeine ſprache verſtehen
ſolte, aber er muͤſte auch raiſon geben, warum er
von dem univerſellen gebrauch abgegangen. Von
dem gelehrten gebrauch abzugehen, hat man
ſonſt nicht ſo leicht urſach und freyheit. Alſo
iſt es nicht wohlgethan, wann man die Lateini-
ſchen kunſtwoͤrter uͤberſetzet Z. e. obiectum, uͤber-
wurff, ſubiectum, unterwurff, ꝛc. oder wann man
ihnen ohne noth andere bedeutung giebt. Z. e.
wann ſich einer nennete Magiſtrum vtriuſque Phi-
loſophiae, ſo daͤchte ich er waͤre ein grillenfaͤnger,
dann nach dem gelehrten gebrauch, haben wir
nur eine Philoſophie, wann er nun vollends
ſagte, er verſtehe darunter einmahl die Philoſo-
phie, hernach die Mathematick, ſo daͤchte ich
noch mehr er ſchwaͤrmete, dann wer wird doch
iemahls die Mathematick eine Philoſophie
nennen? Eben ſo wann ſich der Juriſte nennet
Doctorem vtriuſque iuris, das wiſſen alle gelehrte,
daß er einmahl das ius ciuile hernach das ius ca-
nonicum verſtehe, wann ſich aber ein Phyſicus
woite Doctorem vtriuſque mundi nennen, da
wuͤrde man faſt auf die gedancken gerathen, als
wann er im himmel und auf erden, oder in der
alten und neuen welt ein Doctor ſey, denn wann
er ſchon ſagte, er verſtuͤnde einmahl die welt,
und hernach den menſchen, ſo weiß ich doch nicht,
ob er damit fortkommen koͤnte, dann es iſt wieder
den univerſellen und gelehrten gebrauch, den
menſchen die welt zu nennen, und alſo homi-
nem und mundum promiſcue zu gebrauchen, man
unterſcheidet zwar wohl macrocoſmum und mi-
cro-
[179]der gedancken.
crocoſmum, aber nicht ſo, daß man ienen mun-
dum, und dieſen auch mundum nennet ꝛc.
welche nicht ſo wohl durch abſtracte dinge (ohn-
geachtet ihnen dieſe treflich nutzen und zu ſtatten
kommen) als vielmehr durch erfahrung und er-
kaͤnntniß der welt, und des ſtaats, verſtand und
willen alſo gewoͤhnet haben, daß ſie nach den re-
geln der klugheit durch den umgang im gemeinen
leben, andern zu gefallen geſchickt ſind, und alſo
ihren eigenen nutzen ſo wohl als den nutzen der
republick zu befoͤrdern eine fertigkeit beſitzen.
Jhre academie iſt, ſo zu reden, der hof, und ihre
trivial-ſchulen ſind eine freye und muntere (nicht
aber freche) auferziehung, converſation mit fuͤr-
nehmern leuten und frauen-zimmer, und ver-
waltung publiquer affairen, haben ſie dazu noch
eine gelehrte erkaͤnntniß von denen ſachen, ſo
M 2waͤchſt
[180]von dem ausdruck
waͤchſt ihnen dadurch noch einmahl ſo viel ge-
ſchicklichkeit zu.
che und unter dem poͤbel nur gebraͤuchliche worte
z. e. alle worte, welche man ſonſt mit dem axiomate
entſchuldigen muß: naturalia non ſunt turpia; alle
arten von fluͤchen, zoten, ſcheltworten ꝛc. ferner die
grob und baͤuriſch klingen, als: freſſen, ſauffen,
hoſen, dreck, ꝛc. an ſtatt deſſen ſagen ſie: eſſen,
trincken, bein-kleider, koth, ꝛc. Ja ſie ſpre-
chen auch wohl die durch den univerſellen ge-
brauch eingefuͤhrten woͤrter etwas zierlicher und
manierlicher aus und moderiren die ſtimme, daß
ſie nicht aus vollem halſe reden. Einige ſind in
etwas privilegiret davon abzugehen Z. e. Die
Herren Medici, ꝛc. denn die duͤrffen eher natuͤr-
licher reden. Andere affectiren mit fleiß wider
den politen gebrauch zu ſuͤndigen Z. e. die naͤrri-
ſchen flucher, zotenreiſſer, poſſenmacher, ꝛc.
die dencken ſich durch ſolche thorheit in auctori-
taͤt zu ſetzen, beliebt, formidable zu machen. Wie-
derum andere affectiren hier den politiſchen ge-
brauch gar zu ſehr, Z. e. wenn man ſprechen wol-
te: ich habe mirſalua venia,oderſaluo honore,
oder wohl garſal fonore,ein paar ſchuhe ge-
kaufft, oder wie iene frau, die ſagte an ſtatt: boh-
nen, behnen, meinte, man braͤchte bey bohnen
den mund gar zu ſehr aus den falten, oder an
ſtatt: boden, kohlen, lieber bodden, kollen, ꝛc.
ten gebrauchs, aber weil er ſehr veraͤnderlich iſt,
ſo wird auch daher der polite gebrauch ſehr geaͤn-
dert. Wann eine ſache gar zu gemein wird, ver-
liert ſie ihre annehmlichkeit, und dann ſuchen
leute, die von andern wuͤrcklich diſtinguiret ſind,
ſich auch mit nicht gemeinen dingen in der diſtin-
ction zu erhalten, Z. e. ſonſt bedienten ſich die
fuͤrnehmſten nur der ſilbernen caffee-kannen, da
dieſe
[181]der gedancken.
dieſe zu gemein worden, fangen ſie nun an bloß
irdene zu gebrauchen. So geht es mit denen
manieren zu reden, mit der titulatur ꝛc. Daher
lernt man dieſes nicht leicht aus buͤchern, ſon-
dern aus dem menſchlichen leben, aber eben deß-
wegen iſt es leicht dawider zu verſtoſſen, und
noch mehr, deßwegen muß man es einem, der da-
wider verſtoͤſt, nicht ſo leicht aufmutzen und dar-
uͤber ſich alteriren, ob es wohl freylich unrecht
ſelbiges negligiren.
und andere polite manieren zu reden, Z. e. daß
man einen du, den andern er, den dritten gar ſie
nennet, und ietzo fuͤngt man gar an, die leute ih-
nen zu nennen, als: ich bitte ihnen gar ſchoͤn;
Daß man einen durchlauchtig, hochgebohren/
geſtrenge, gnaͤdig, ihre excellentz, magnifi-
centz, ſich aber einen gehorſamen, unterthaͤni-
gen, allerunterthaͤnigſten diener nennet; nach
dem univerſellen gebrauch iſt ein ſieb durch-
laͤuchtig, des thuͤrmers ſohn hochgebohren,
der boltzapfel geſtrenge, GOtt allein gnaͤdig,
und ihre excellentz heiſt ihre fuͤrtreflichkeit,
ihre magnificentz aber ihre großthulichkeit;
und wann ich mich eines andern unterthaͤnigen
diener nenne, ſo hat das nicht den verſtand, als
wann ich ſein ſchuhputzer waͤre. Hier thun ei-
nige der ſache zu viel, einige zu wenig, einige
ſehen ſonſt die ſache nicht recht an. Zu viel
thun alle dieienigen, welche an dem unrechten
ort, oder im uͤberfluß, oder mit fremden woͤr-
tern, einen politen gebrauch affectiren, z. e.
wann man die iunge magd ſie nennet; oder
man nennt ſich ohne unterſchied einen unterthaͤ-
nigen diener, da es wohl an einem ergebenen
diener gnug waͤre; wann man ſo viel fremde
woͤrter einmiſcht, als Frantzoͤiſche und Jtaliaͤ-
M 3niſche
[182]von dem ausdruck
niſche ins Teutſche, wie klingt das, wann ich
ſpreche: Monſieur oder Signorhaben ſie doch
diebonteund a iuſtiren mein kleidun peu,ich
will fuͤr ſolchecomplaiſancemich bey iederoc-
caſion reconnoiſſantauffuͤhren, auch meineob-
ligation reellement conteſtiren, an ſtatt: Mei-
ſter oder mein Herr. mache er mir doch mein
kleid zu rechte, ich will mich dafuͤr geboͤtiger
maſſen abfinden. Zu wenig thun dieienigen,
welche dencken, ſie vergeben ihrer hoheit etwas,
wann ſie andere leute hoͤflich tractiren, ſich ge-
horſame diener nennen, oder ſonſt einen bau-
er-ſtoltz affectiren wollen. Dieienigen ſehen
endlich die ſache wohl nicht recht ein, welche den
politen gebrauch, nach der bibel abmeſſen, wel-
che weil ſie etwas grober complexion ſind oder
ſonſt einen wunderlichen geſchmack von dem po-
liten gebrauch und von der redlichkeit oder auf-
richtigkeit haben, und entweder alle complimen-
te und titul als ſuͤndlich oder als kennzeichen
der falſchheit ausſchreyen, oder wohl gar nach
dem univerſellen gebrauch und bloſſen wort-ver-
ſtande nehmen, z. e. es ſagt iemand, er wolle
ihnen gerne dienen und gefaͤlligkeiten erzei-
gen, und ſie praͤtendiren, er ſolle nun ihren la-
quais abgeben. Hier heiſt es verba valent vt
num̃i, hingegen ſo lange man im univerſellen ge-
brauch bleibet heiſt es: verba ſunt ſigna rerum.
Dem zu folge iſt freylich der bauren ausdruck
der aufrichtigſte.
Roͤmiſchen bauren, das Frantzoͤiſche nach des
gemeinen volcks zu Pariß, das Teutſche nach des
poͤbels ausdruck, ausſprache und manier zu re-
den beurtheilen. Man muß auch nicht, wann
man eine ſprache lernen will. ſelbige nach des
poͤbels art zu reden, ſich angewoͤhnen, z. e. wer
Teutſch
[183]der gedancken.
Teutſch lernet, muß nicht ausſprechen: loffen,
glauben, wo hammerſchen, ꝛc. an ſtatt, lauf-
fen, glaͤben, wo haben wir es denn ꝛc. ohn-
geachtet freylich der univerſelle gebrauch nicht
zu verabſaͤumen. Eben ſo muß man in Fran-
tzoͤiſchen nicht lernen: J’auons, queque cique ca-
enflez vous, an ſtatt: nous auons, qu’eſt ce que
cela, en voulez vous, oder im Lateiniſchen: ne-
num exfociont topper, queicoumque endo prae-
ſentebos \& continoeis \& inexemplificabilibos ca-
labricantur coeris, an ſtatt: non effugiunt cito,
quicumque (in) praeſentibus \& peculiaribus inuol-
uuntur curis.
ſtedium in Rhetor. L. I. c. 2. Becmannum in
Manuduct. ad Lat linguam c. XV. Clerici Art.
Critic. P. II. S. l. c. 6. QvinctilianusInſtit.
Orat. VIIII. I. Tropus eſt dictio ab eo loco, in quo
propria eſt, translata in eum, in quo non pro pria
eſt. Und VIII. 6. Id facimus aut quia neceſſe, aut
quia ſignificantius eſt, aut quia decentius.Cicero
ſagt L. III. de Orat. Tropum neceſſitas genuit in-
opia coacta\& anguſtiis: poſt autem delectatio iu-
eunditas ue cel brauit. Daber iſt der eigentliche
und der tropiſche ausdruck entſtanden. Durch
den
[185]der gedancken.
den tropiſchen ausdruck, wird eine ſprache gleich
noch um die helfte reicher, und die rede, nachdem
man ſie recht anbringet, kraͤfliger praͤchtiger und
angenehmer, ia die ſache ſelbſt bekommt da-
durch vielerley anſehen. Oft ſagt man auch
mit einem tropo mehr als mit vielen worten, aus
welchen allen die nothwendigkeit und der nutzen
der troporum zur gnuͤge erhellet.
4. ausgefuͤhret, zum grunde legen, und die da-
ſelbſt von den argumentis illuſtrantibus ange-
fuͤhrten cautelen, hier wiederholen. Dann hier
kommt es eben am meiſten auf den ausdruck der
argumentorum illuſtrantium an, wie in folgen-
den beyden §. §. auf den ausdruck der argumen-
torum patheticorum. Die metonymiſche oder
iudicioͤſe verwandſchaft gruͤndet ſich auf die ar-
gumenta illuſtrantia, welche aus dem weſen der
ſache flieſſen, und von dieſer art haben die Rhe-
tores folgende manieren determiniret, da man
ſetzen kan:
- 1. Genus pro ſpecie, Z. e. an ſtatt: Die truncken-
heit bringet ihre anhaͤnger ums leben: ſetze:
die unmaͤßigkeit opfert ihre verehrer dem tode
auf. - 2. Speciem pro genere, Z. e. an ſtatt: Es iſt frie-
de geweſen: ſetze: Der ackersmann hat noch
kein eiſen, auſſer zum feldbau, und der buͤrger
kein geſchoß, als nur zu freundens bezeugun-
gen gebrauchet. - 3. Partem eſſential. pro toto, Z. e. an ſtatt: Got-
tesfuͤrchtige menſchen ſterben gerne: ſetze:
Gottergebene ſeelen unterwerffen ſich mit
freuden der trennung von dem zeitlichen. - 4. Partem integr. pro toto, Z. e. an ſtatt: Hier
ſind viel leute geblieben: ſetze: Die erde iſt
allhier mit dem vergoſſenen blute benetzet,
M 5und
[186]von dem ausdru
und mit den gliedmaſſen der erſchlagenen be-
ſaͤet worden. - 5. Totum pro parte, Z. e. an ſtatt: Es iſt bißher
in Teutſchland, Franckreich, Engelland, ꝛc.
friede geweſen: ſetze: Gantz Europa hat die
kriegeriſchen waffen bißanhero fuͤr unbrauch-
bar gehalten und aus den haͤnden geworffen. - 6. Nomen proprium pro appellatiuo, Z. e. an ſtatt:
Unſer Landes-Herr iſt ein gnaͤdiger Herr:
ſetze: Unſer Allerdurchlauchtigſter Frie-
drich Auguſt iſt der rechte Auguſtus und
Traianus unſerer zeiten. - 7. Appellatiuum pro proprio, Z. e. an ſtatt: Vir-
gilius: ſetze: Der Poͤet, an ſtatt: Cicero:
ſetze: Parens eloquentiae Romanae, oder: der
Roͤmiſche buͤrgermeiſter. - 8. Antecedens pro conſequente \& v. v. an ſtatt:
memento mori: ſetzte: meditare funus tuum:
oder, an ſtatt: Wann das frauenzimmer cour-
teſirt, verliert es ſeine renommee: ſetze: Wo
ein frauenzimmer ſich gewoͤhnt in den fen-
ſtern zu liegen, und nach denen iungen herren
zu ſehen, von ihnen viſiten anzunehmen, mit
verliebten blicken zu ſpielen, ſich beſchencken
zu laſſen, da iſt es von hertzen gefehlt. - 9. Partem orationis pro alia, Z. e. an ſtatt: ein tu-
gendhaffter kan nicht ſterben: ſetze: Die tu-
gend entreiſſet ihre beſitzer der ſterblichkeit.
ꝛc. - 10. Accidens partis orationis pro alio, Z e. an ſtatt:
Die fuͤrſten muͤſſen auf ihre feinde und auf
ihre umerthanen ſehen: ſetze: ein fuͤrſt muß
zwar ſeinen feind ſtets in augen haben, aber
dabey ſeinen unterthan nicht uͤberſehen:
oder, an ſtatt: Sapientes terreſtria contemnunt
hilaritate quadam animi: ſetze: Sapiens ſupra
lunam poſitus, ſemper ſerenum eſt in eius animo.
\&c. - 11. Affirmationem pro negatione \& v. v. Z. e. an
ſtatt: ein frommer betet allezeit: ſetze: ein
gottesfuͤrchtiger unterlaͤſſet niemahls das ge-
bet. ꝛc. - 12. Plus vel minus quam intelligitur, Z. e. an ſtatt:
er hat die feinde bald geſchlagen, ſetze: die
feinde hatten ihn kaum geſehen, als er ſie ge-
ſchlagen, oder, an ſtatt: Judas hatbey ſei-
ner verraͤtherey gottloß gehandelt, ſetze:
Judaͤ verraͤtheriſcher kuß und falſches hertze
verdienet gewiß keinen panegyricum: ꝛc. - 13. Effectum pro cauſſa \& v. v. Z. e. an ſtatt: die
liebe verblendet: ſetze: Die liebe faͤllet ia ſo
leicht auf etwas heßliches als auf etwas ſchoͤ-
nes. ꝛc. - 14. Adiunctum pro ſubiecto \& v. v. Z. e. an ſtatt:
Er liebt das ſtudir en mehr als den krieg: ſetze:
er will lieber denen ſtillen Muſen ſeine zeit
aufopfern, als dem kalbfelle folgen ꝛc.
Und da nennen ſie 1. 2. 3. 4. 5. ſynecdochen, 6. 7. an-
tonomaſiam, 8. metalepſin, 9. enallagen, oder
ins beſondere antimeriam 10. heteroſin, und
zuweilen antiptoſin 11. aequipollentiam, 12. hyper-
bolen und dieſe bald meioſin, oder tapinoſin, bald
auxeſin, bald litoten, bald heteroſin, bald cata-
chreſin, bald bloß hyperbolen, 13. 14 ſchlechtweg
metonymiam, da denn noch hypallage drunter
begriffen. Jch dencke, man habe ſich mehr um
die fontes, und den gebrauch, als um die nahmen,
welche bißweilen undeutlich und ſchwanckend
concipiret, zu bekuͤmmern. Als fontes koͤnnen
alle dieienigen ideen angeſehen werden, welche
mit unſerm obiecto verknuͤpfet, zu welchen uns
die natur und meditation gantz ungezwungen
fuͤhren, und der gebrauch iſt nach der abſicht die
man hat, und nach denen im erſten theil cap. 4.
angefuͤhrten regeln, anzuſtellen und zu beurthei-
len.
[188]von dem ausdruck
len. Die metaphoriſche oder ingenioͤſe ver-
wandſchaft, gruͤndet ſich auf die argumenta il-
luſtrantia, welche auſſer dem weſen der ſache
ſind, daher kan man ſetzen:
- 1. Simile, Z. e. an ſtatt: Rechte liebe iſt beſtaͤn-
dig, ſetze: Das feuer der wahren liebe verli-
ſchet auch im grabe nicht: oder: eine bruͤnſti-
ge liebe, welche von der aufrichtigkeit unter-
halten wird, kan bey keiner veraͤnderung aus-
leſchen. ꝛc. - 2. Exemplum, Z. e. an ſtatt: er iſt ein furchtſa-
mer tyranne, ſetze: er iſt ein rechter Tiberius.
Hieher koͤnten auch ſententiae referirt werden. - 3. Z. e. Oppoſitum eius, quod intelligitur, an ſtatt:
du biſt albern, ſetze: Du biſt ein artiger,
ſchoͤner herre! ꝛc.
Hievon wird 1.metaphora genennet, wenn das ſimi-
le durch etliche eigenſchaften gut durchgefuͤhret
wird, heiſt es allegoria, fuͤhrt es einen gelin-
dern concept ein als man ſich vom obiecto ſonſt
macht, heiſt es euphemiſmus. Wenn 2. kurtz
angefuͤhrt wird heiſt es alluſio, ſonſt bleibt es ein
ordentliches argumentum illuſtrans. Und end-
lich 3. iſt die ironia. Die fontes dazu und was
bey dem gebrauch zu beobachten, ſiehe oben P. l.
c. IIII. Das hauptſaͤchlichſte iſt, daß man nicht
gar zu unbekannte und von dem weſen der ſache
gar zu weit entfernte dinge nehme, und daß man
nicht in der ausfuͤhrung ſich uͤbelreimender ideen
und worte bediene. Z. e er iſt ein rechter Philipp
freyherr von Winneberg, an ſtatt: er liebt ſeine
freunde beſtaͤndig, oder: er iſt ein rechter
Ecebolius, an ſtatt: er iſt unbeſtaͤndig in der
religion, denn das wiſſen nicht alle leute, daß ie-
ner geſagt: er befinde ſich am beſten bey alten
kleidern und bey alten freunden, und daß die-
ſer ſeine religion zu anfang des vierdten ſaͤculi
nach
[189]der gedancken.
nach der religion der Kaͤyſer gerichtet. Jn
ſchriften pflegen ſich die leute, ſo hiewieder pecci-
ren, mit noten zu helffen. Ubel connectiret die-
ſes: Was ſolte wohl dieſer fuchs nicht thun,
ia ich mercke es ſchon, er ſey zwar von auſſen
ein ſchaf, aber inwendig ſind die wolffs klau-
en ziemlich groß (beym Maͤnnling in ſeinem
expediten redner. Franckfurt und Leipzig 1718.
8. p. 212.) Dann er faͤngt beym fuchſe an und
hoͤrt beym wolffe auf. Wie ſich der affect mit den
tropis ausdrucke, laͤſt ſich von ſelbſten ſchlieſſen,
und wird im folgenden 19. §. gewieſen werden.
Aphaereſis, ablatio: Temnere, fuͤr: contemnere.
Epentheſis, interpoſitio: Siet, fuͤr: ſit. Diapla-
ſiaſmus, geminatio: Relligio, fuͤr: religio. Syn-
cope, craſis, conciſio: Repoſtus, fuͤr: repoſitus.
Paragoge, proſparalepſis, adductio: Dicier, fuͤr:
dici. Apocope, abſciſſio: Fac, fuͤr: face. Syn-
aereſis, epiſynaloephe, contractio: Negoti, fuͤr:
negotii. Diaereſis, dialyſis, diſtractio: Aquai,
fuͤr: aquae. Metatheſis, transpoſitio: I prae,
fuͤr: prae i. oder hyperbaton, traiectio: Tran-
ſtra per \& remos. Antitheſis, antiſtoechon, mu-
tatio litterae: Optumus, fuͤr: optimus. Tmeſis,
diſſectio: Quae me cumque vocant terrae, fuͤr:
quaecumque: Alle dieſe zuſammen heiſt man
mit einem wort metaplaſmos.
und dieſe wiedernm antiptoſin unter ſich begreif-
fet, ſiehe §. 17. not. b. num. 9. 10. Helleniſmus,
Graeciſmus: Familias, fuͤr: familiae. Archaiſmus,
vetuſtatis imitatio: Terrai, fuͤr: terrae.
boni paſtoris officium eſt, dahin gehoͤrt: Aſynde-
ton, defectus copulae:Glaube liebe, hofnung,
fuͤr: Glaube, liebe, und hofnung.Pleonaſmus,
abundantia:Jch habe es mit meinen augen ge-
ſehen, fuͤr: ich habe es geſehen; dahin gehoͤrt:
poly-
[192]von dem ausdruck
polyſyndeton, abundantia copulae:Glaube, und
liebe, und hofnung.Helleniſmus, Graeciſmus:
Magnorum indignus auorum, fuͤr magnis auis
indignus, Latiniſmus:Es fehlet ſo viel, daß
wir unſere arbeit erheben ſolten, daß wir
vielmehr ſo eigenſinnig ſind, daß uns auch
Demoſtbenes nicht gefaͤllt: Alſo ſagt Cicero:
Tantum abeſt, vt noſtra miremur, vt vſque eo diffi-
ciles ac moroſi ſimus, vt nobis non ſatisfaciat ipſe
Demoſthenes. Galliciſmus: Als der Koͤnig in
Franckreich den Moliere frug: Warum er die
comoͤdie, der Tartuffe, nicht mehr ſpielete? ſo
ſagte er: C’eſt Monſieur le Preſident, qui me l’ a
defendu:Das iſt, der herr Praͤſident, welcher
mir es verboten, fuͤr: der herr Praͤſident hat
mir es verboten.Hebraiſmus:Des todes
ſterben, fuͤr: ſterben.Vanitas vanitatum, fuͤr:
maxima vanitas. Germaniſmus: Das iſt zwar
etwas, es hilft etwas, aber es machts nicht
aus: Dieſes giebt Cicero:Eſt illud quidem
aliquid, adiuuat aliquid, ſed nequaquam in iſto
ſunt omnia. Archaiſmus, obſoleta conſtructio:
Abſente nobis, fuͤr: abſentibus nobis. Synthe-
ſis vel numeri vel generis, compoſitio ſecundum
ideas, non ſecundum conſtructionem vocum: Ma-
gna pars in flumen acti,Der meiſte theil ſind
in den fluß geiagt, fuͤr: acta, und: iſt. Scelus
qui me perdidit,das laſter, der hat mich rui-
niret, fuͤr: Sceleſtus, und: der laſterhafte
menſch. Der Syntheſi wird Prolepſis opponiret:
Milites redeunt, hic ex Hiſpania, ille ex Gallia,
fuͤr: hic redit ex Hiſpania, ille ex Gallia. Zeu-
gma geht auf die verbindung der naͤchſten woͤr-
ter: Sociis \& rege recepto, fuͤr receptis;Die-
ſes ſind ſeine waffen, ſein helm und ſchild ge-
weſen, fuͤr: Dieſes iſt ſein helm, ꝛc.Sylle-
pſis verbindet in der conſtruction die fuͤrnehm-
ſten:
[193]der gedancken.
ſten: Mulciberis capti, Marsque Venusque do-
lis fuͤr: capta; Diuitiae, decus, \& gloria, in
oculis ſita ſunt; Naues \& captiuos, quae ad
Chium capta erant;Mann, frau, und kinder,
ſind baußwirtblich.Synecdoche ſyntactica:
Aethiops albus dentes, fuͤr: quoad dentes; Et
id genus alia, fuͤr: eius generis alia, oder alia
quoad id genus;Das grane alter, fuͤr: Die
grauen haare der alten.Hypallage: Solſtiti-
um pecori defendite, fuͤr: defendite pecusa ſol-
ſtitio, Virg.Der herrDoctorhat die wache,
da doch die wache ihn hat. Anaſtrophe:(ſ.not.
a.) Italiam contra, an ſtatt: contra Italiam.
comae, fuͤr ſtetẽrunt. Diaſtole, ectaſis, productio:
Italiam fato profugus, fuͤr: i⏑ta⏑li⏑ãm fato. Sy-
nizeſis conſeſſus: Alueo als zwey ſylben ausge-
ſprochen.
fuͤr omnium hominum peſſime! Quos ego!Jch
will euch! nemlich: mores lehren.Aſynde-
ton, omiſſio copulae: Abiit, exceſſit, euaſit, eru-
pit;Er bat in kurtzen, ehre, geld, geſundheit,
freunde, alles verlohren.
filium decem menſibus in vtero geſſit.Jch habe
es mit meinen obren gehoͤret. Setzt man ſie
der dentlichkeit wegen, heiſt ſie prodiaſipheſis,
des affects wegen, periſſotes. Polyſyndeton,
abundantia copulae: Somnus, \& vinum, \& epu-
lae, \& ſcorta, \& balnea, corpora atque animos
eneruant;Er hat geld, und geburt, und fuͤr-
nehme freunde, und eine ſchoͤne ſtatur, und
einen groſſen degen, und iſt doch eine feige
memme.
rihus: Quicumque vbique ſunt, qui fuere, quique
Nfuturi
[194]von dem ausdruck
futuri ſunt poſthac, ſtulti, ſtolidi, fatui, fungi,
bardi, blenni, buccones, ſolus ego longe omnes
ante eo ſtultitia \& moribus indoctis. Plaut.Er
aͤngſtiget, quaͤlet und martert ſich vergebens.
Exergaſia, expoſitio, hermeneia, antizeugmenon,
epexergaſia, epexegeſis interpretatio, epibole, ex-
allage, repetitio phraſibus ſignificantioribus: Quid
enim tuus ille, Tubero, in acie Pharſalica gla-
dius agebat? cuius latus ille mucro petebat?
quis ſenſus erat armorum tuorum? quae tua
mens, oculi, ardor animi? quid cupiebas? Cic.
Jch liebe dich, ich ſehne mich nach dir, ich kan
ohne dich nicht vergnuͤgt und ruhig ſeyn, ia
ich kan ohne dich nicht leben. Werden nur
worte und redens-arten wiederholet, die ſchlecht-
weg einerley bedeuten, ſo wird ein fehler daraus,
der heiſt battologia oder tautologia.
- Ploce, wenn das wort wiederholet wird, und ein-
mahl die hauptidee, das andere mahl die fuͤr-
nehmſte neben-idee bemercken ſoll: Hic conſul
vere eſt conſul;Ein vater bleibt doch vater. - Antanaclaſis, anaclaſis, dilogia, wenn ein wort wis-
derholet wird, welches zwar mit ienem einerley
buchſtaben, aber nicht einerley bedeutung hat:
Bella gerit vt omnia bella auferat; veniam ſi
impetrauero veniam; Parentesſind meiſten-
theilsparentes,D. i. ſie muͤſſen gehorchen, und
liberibleibenliberi,D. i. frey und unge-
zwungen. - Analepſis heiſt iede wiederholung eines worts.
- Antiſtaſis, traductio, wenn ein wort im contrairen
ſinn wiederholet wird: Vna ſalus victis, nullam
ſperare ſalutem. - Anaphora, wiederholung des worts in anfange der
ſaͤtze: Epiphora, epiſtrophe am ende: Symploce
im anfang und am ende zugleich, ſind bekannt.
Epanalepſis wiederholet ein wort, welches im an
fang
[195]der gedancken.
fang geſtanden am ende: Creſcit amor numi quan-
tum ipſa pecunia creſcit. Anadiploſis, epanadi-
ploſis, palillogia, wiederholet ein wort damit der
ſatz geſchloſſen im anfang des folgenden. Epa-
nodos, wiederholet die letzten worte eines ſatzes,
im andern, zuerſt: Wer laͤugt, der ſtiehlt, und
wer ſtehlen will, muß ſich auch mit luͤgen be-
helffen.Domino domus, non domo dominus
honeſtatur. Epizeuxis, wiederholet ein wort mit
einer exclamation: O Corydon, Corydon quae te
dementia cepit! Climax, gradatio, epiploce,
wenn der vorhergehende und folgende ſatz, durch
die wiederholung eines worts, connectiret:
Secundae res pariunt negligentiam, negligentia
temeritatem, temeritas perniciem.Wer ſich
immer divertiret, lernet nichts, wer nichts
lernet, wird nicht befoͤrdert, wer nicht befoͤr-
dert wird, hat nichts zu leben, wer nichts zu
leben hat iſt der elendeſte menſch unter der
ſonnen.Polyptoton wiederholet ein wort mit
veraͤnderter endung: Mors mortis morti mor-
tem, mors, morteredemit.Rechte maſſe, rech-
tes gewicht, und ein rechter glaube ſtehn al-
len leuten an. ꝛc.
verbera; Per anguſta ad auguſta; Amantes
haud raro ſunt amentes;Nach dem fleiß
kom̃t der preiß.Pannis annisque obſitus;Gut
und blut;Paregmenon: Is demum miſer eſt,
cuius miſeriam, nobilitat nobilitas;Ein menſch
hat menſchliche ſchwachheiten, ſo lange er mit
der menſchheit umgeben.Parecheſis: le ris tenta
le rat, le rat tata le ris; O fortunatam natam me
conſule Romam;Liederliche lieder ſoll man
nicht ſingen.Homoeoptoton wann ſich ſaͤtze mit
einerley caſibus und temporibus, und Homoeote-
leuton wann ſie ſich mit einerley ſylben endigen,
ſind leicht.
tio:Moͤchte iemand einwenden, watum ſoll
man redliche abſichten haben, da man faſt
deßwegen fuͤr einfaͤltig gehalten wird? Al-
lein hierauf dienet zur antwort. ꝛc.Hypobole,
ſubiectio, macht und wiederlegt viele einwuͤrffe
zugleich. Anakœnoſis, communicatio, wenn man
mit dem zuhoͤrer die ſache gleichſam uͤberlegt:
Nunc ego iudices, iam bos conſulo, quid mihi faci-
endum putetis? Paromologia, confeſſio wenn man
etwas zugeſteht, damit man den andern deſto
nachdruͤcklicher uͤberzeugen moͤge: Du haͤltſt
mich fuͤr einen ignoranten, du ziehſt mich
uͤberall aufs heßlichſte durch, und haſt eine
rechte freude wann du dich uͤber mich moqui-
ren kanſt, ich lobe dich deßwegen oder will dir
es wenigſtens nicht wehren, aber ich muß
doch nicht ein ſo gar ſchlechter kerl ſeyn, denn
ſonſt wuͤrdeſt du dir ia meinetwegen nicht ſo
viel muͤhe geben.Epitrope, conceſſio, wenn
man etwas zugeſtehet das beſte aber ſich fuͤr be-
haͤlt: Jch glaube gerne daß er viel vermoͤgen
habe, daß er ein ſchoͤner kerl ſey, daß er viel
verſchlagenheit beſitze, aber daß er deßwegen
ein vernuͤnftiger menſch ſey, kan ich mir nicht
wohl einbilden.
cap. 3. § 27. cap. 4. §. 13.) wenn dieſe mit der
application fuͤrgetragen wird, heiſt ſie Noëma,
ſetzt man dem auctorem hinzu, heiſt ſie Chria,
ſteht ſie am ende, heiſt ſie Epiphonema. Aetiolo-
gia iſt ein ordentlicher beweiß-grund. Color ein
falſcher (ſiehe oben P. I. cap. 2. § 9. not. a) Ex-
emplum, paradigma, iſt ein argumentum illu-
ſtrans (ſiehe oben P. I. cap. 3 §. 28. cap. 4. §. 12.
16.) Diſtributio (ibid. cap 4. §. 7.) meriſmus, di-
niſio, analyſis, ſind eintheilungen. Icon imago;
Compa-
[197]der gedancken.
Comparatio, ſyncriſis, ſimilitudo; Symbole, col-
latio; Diſſimilitudo; ſind gegen einanderhal-
tungen gewiſſer dinge. (ſiehe cap. 4. oben) Dia-
typoſis, hypotypoſis, delineatio, deſcriptio, praefi-
guratio, beſchreibet etwas als wann man es mit
augen ſaͤhe. (ſiehe oben l. c.) Periphraſis, circum-
locutio, umſchreibt etwas. Folgende vier ha-
hen mit oppoſitis zu thun: Paradiaſtole, diſtin-
ctio, diſcriminatio:Er iſt zwar raffinirt, arg-
liſtig, aber nicht klug.Antimetabole, dialle-
lon, commutatio, antimetatheſis:Wir leben
nicht, daß wir eſſen ſondern wir eſſen daß wir
leben:Antitheton, oppoſitio:Ein Philoſophe
iſt in armuth reich, in verachtung geebrt, in
unrube ruhig, und indem er ſich uͤberwinden
laͤſt, ein ſieger.Oxymoron, acutifatuum: Si ſa-
pis, quod ſcis, neſcis. Ter.Ein gelehrter iſt
kein gelehrter, wann er ſich von vorurtheilen
und neigungen regieren laͤſt.Parechaſis, di-
greſſio: wann man eine propoſitionem inciden-
tem oder zufaͤllige idee beſonders ausfuͤhret und
von der hanptſache inzwiſchen abgeht Auxeſis
und Tapinoſis, ſ. unter denen tropis. §. 17. num.
12. Anabaſis, incrementum, wann die rede in
worten und ideen ſteigt: Gloriam, honorem, im-
perium bonus \& ignauus aeque ſibi exoptant, Sall.
Es iſt viel ein menſch ſeyn, noch me[h]r aber ein
vernuͤnftiger menſch ſeyn, am allermeiſten
endlich auch ein Chriſte ſeyn und als ein Chri-
ſte leben.
ner heftigkeit ausruffet: O tempora! [o] mores!
Paeaniſmus gruͤndet ſich auf froͤlichkeit bey der
ausruffung: Wohl her, laſt uns wohl leben!
Obſecratio, auf eine bitte. Votum auf einen
wunſch. Exſecratio verwuͤnſchet. Admiratio
bewundert. Diaſyrmus, illuſio verſpottet. Sar-
N 3caſmus,
[198]von dem ausdruck
eaſmus, hoſtilis irriſio, verſpottet die todten oder
ſterbenden. Apoſtrophe, auerſio, richtet die rede
an iemand, der nicht unter den zuhoͤrern iſt. In-
terrogatio, erotema, bringt etwas frageweiſe fuͤr.
Sermocinatio dichtet peꝛſonen redẽ an. Proſopopœia,
fictio perſonae, dichtet dingen reden an, die nicht
reden koͤnnen. Parrheſia wann etwas gar zu frey
geſagt, aber durch eine angenehme raiſon gut ge-
macht wird. Aſteiſmus, wenn eine ſchertzhaffte
raiſon gegeben wird. Epanorthoſis correctio,
ſagt und wiederruft etwas gleich, damit man ſich
nachdruͤcklicher ausdrucken moͤge. Charientiſ-
mus beantwortet etwas freundlich, aber mit
einer Jronie. Mimeſis wiederholet etwas mit
einer Jronie, an ſtatt es zu wiederlegen. Aporia,
dubitatio, zweiffelt, bey entſtandenen contrairen
affecten. Apoſiopeſis, paraſiopeſis, reticentia,
bricht die rede mit der groͤſten heftigkeit ab und
redet anders: Quos ego! ſed motos praeſtat com-
ponere fluctus. \&c. Welche alle den heftigſten
grad der affecten zum grunde haben, und dabey
man alſo ſehr behutſam zu gehen, deßwegen auch
die in der vorbereitung §. 13. ſqq. ingleichen cap.
3. §. 37, 38. 39. cap. 4. und 5. angefuͤhrte re-
geln vorher wohl zu erwegen.
wolle etwas verſchweigen und es doch anfuͤhrt.
Paradoxon inopinatum, ſuſpenſio, wenn man ſo
anfaͤngt und in etwas fortfaͤhret, daß der zuhoͤrer
nicht weiß wo man hinaus will, biß man end-
lich ploͤtzlich unvermutheter weiſe ſchlieſſet: In
me quiduis harum rerum conuenit, quae ſunt dicta
in ſtultum; caudex, ſtipes, aſinus, plumbeus. In
illum nihil poteſt; num exſuperat eius ſtultitia
haec omnia?
wohl,
Und
[199]der gedancken.
ruͤſt,
Tranſitio, metabaſis, wenn man erinnert, wie
man von der einen materie aufhoͤre, und nun-
mehr zu der andern ſchreite.
Apodioxis reiectio, wenn etwas, davon gegenwaͤr-
tig nicht noͤthig zu reden, ausgeſetzet wird. Re-
uocatio, wenn man von einer digreßion oder groſ-
ſen weitlaͤuftigkeit wiederum einlencket: Sed ſatis
de his; ad rem ipſam redeamus!
len, denn das iſt albern, wann man bloß aus
den worten oder aus den redens-arten, oder
bloß aus denen einfaͤllen oder ſonſt aus andern
dingen und einzelen zufaͤllen des ausdrucks vom
ſtilo ein urtheil faͤllen will. Das obiectum, die
gedancken, regungen, die worte, der redende, der
hoͤrende, alle dieſe dinge ſind wichtige momenta,
darauf man bey dem ausdruck zu reflectiren,
und deren verhaͤltniſſe man gar ſorgfaͤltig zu
beobachten.
gen ſtili Romani, Lauban 170 ꝛ 8 Jo. S[t]arckii In-
ſtitutionem philologicam \& Rhetoricam de ſtilo.
Hamburg 1705. 8. Joach. Langii inſtitut. ſtili
Berlin 1711. 8. Wagenſeil de ſtilo. Pera ſchola-
ſtica Loc. I. p. 875. ſqq.Kemmerichs neueroͤf-
nete academie der wiſſenſchaften, zweyte er.
oͤfnung Leipzig 1711. 8. ins beſondere cap. 3.
L. l. Lamil’art de parler L. IIII. D Jac.Jmm.
Hamiltons allerleichteſte art der Teutſchen
rede-kunſt, beſtehend in kurtzen und gruͤndli-
chen regeln und in gnugſamen und deutlichen
exempeln, Leipzig 1712. 8. cap. 5. ꝛc. Morhoff,
Stolle, Hederich,I. c. \&c.
haben, alſo auch einen ſtilum ſublimem, bey pa-
thetiſchen ſachen muß ich ſolche affecten anneh-
men, als das objectum erfodert, alſo auch einen
affectuoͤſen und vehementen ſtilum. Bey klei-
nigkeiten hingegen iſt es ungereimt viele hohei-
ten ſuchen, oder bey theoretiſchen dingen viel
affecten ſpuͤhren laſſen. Dannenhero iſt es ein-
faͤltig, wann ſich die leute nur an einen ſtilum
gewoͤhnen und alle obiecta gleich durch damit
fuͤrbilden, eben ſo, wie es einfaͤltig wann ein
mahler Kaͤyſer und Koͤnige, buͤrger und bauern,
warum nicht auch affen und pfauen, in quarre
perruͤquen und im harniſch mahlen wolte. Wer
dem-
[204]von dem ſtilo
demnach mit bibliſchen ſpruͤchen complimenti-
ret, theatraliſch prediget, uͤber indifferente oder
gar vernuͤnftige binge ſatyriſiret, leichen gedich-
te in dactyliſchen verſen macht, in converſation
declamiret, bey der geburt eines erbaren mannes
himmel und erde zur freude aufmuntert, aus der
concordantz parentiret, aus dem hoͤlliſchen Pro-
teus des Franciſci, geſpenſter hiſtorien demon-
ſtriret, ꝛc. Der hat zu ſeinem ſtilo einen ſchlech-
ten grund gelegt
mer ein hohes obiectum, deßwegen darf er nicht
gleich allezeit im ſtilo ſublimi reden, ſonſt wuͤr-
den ſich die herren poſtillanten treflich auf den
ſtilum ſublimem legen muͤſſen, und man wuͤrde
auf den cantzeln wie Lohenſtein in ſeinem Armi-
nio zu reden anfangen.
taͤts-ſachen, weibiſche leute zu nichts großmuͤ-
thigen, wer eine kleine ſtimme hat, muß keine
vehemente affecten ausdrucken wollen, ein De-
mocritus ſchickt ſich nicht wohl zu traurigen ob-
iectis, einen phantaſten lacht man aus und
wenn er noch ſo ernſthaft thun will, und wer
ſich mit dem zuhoͤrer ehemahls familiariſiret
und fleißig zu biere gegangen, der wird nachge-
hends mit ſeinen ſtrafpredigten und epanortho-
ſiren nicht viel ausrichten.
nahmen beylegen, die ihnen nicht zukommen,
oder ſolche worte und redensarten gebrauchen,
die doch das nicht ausdrucken, was ſie ſagen
wollen, Z. e. einer nennte einen burgemeiſter
in einer kleinen ſtadt: Oracul [d]ieſe[r] ſtadt, und
es war ein wagenmacher. Man braucht ietzo
faſt durchgehends: adeo, an ſtatt ideo, und es
thun es auch wohl leute die mit ihrem ſtilo pa-
radiren wollen, dadoch ienes: ſo ſehr, und die-
ſes: Daber, deßwegen, heiſſet. Eben ſo iſt es
unrecht, wann ich ſpreche: dereinſt, und rede
doch von dingen die vergangen ſind, als: Jch
habe e[s] dereinſt gethan, beſſer iſt es gebraucht,
von zukuͤnftigen, als: Er wird dereinſt rech-
nung fode[r]n. Hiewieder verſtoſſen ebenfalls,
welche immer im ſuperlativo mit hunderten und
tauſenden reden, oder alles panegyriſiren, im
gegentheil aber auch dieienigen welche alles her-
untermachen mit ſchlechten worten exprimiren,
als: Er iſt ein unvergleichlicher Poet, und iſt
doch wohl ein maͤßiger reimenſchmitt, der mit
ſeinen halbſchuͤrigen gedancken, ſchlechte obie-
cta am beſten herumnimt, oder: Er iſt ein
ſchlech-
[206]von dem ſtilo
ſchlechter mann, und man will eigentlich nur
ſagen: er gefaͤllt mir nicht. Man hat dieſe
fehler um ſo viel mehr zu vermeiden, da ver-
nuͤnftige leute daraus einen ſchlechten verſtand
und niedertraͤchtigkeit des gemuͤths ſchlieſſen.
hauptſaͤchlich beobachtet, weil ſie die umſtaͤnde
eines obiecti, und den affect ſo man dabey hat,
bemercken. Sie ſind nicht nur in worten ſon-
dern auch in redens-arten, in der ordnung klang
und fall der worte, in periodis, zu obſerviren
und anzubringen. Doch iſt dabey ihr uͤberfluß,
ihre unrechte collocation und ein gar zu ſehr ge-
kuͤnſteltes weſen und gezwungene ſchoͤnheit zu
vermeiden. Z. e. vernuͤnfteln, ſoll heiſſen die
vernunft gebrauchen und hat die nebenidee der
verachtung, allein dieſe neben idee iſt albern an-
gebracht, dann ſeine vernunft gebrauchen, ver-
dienet ia keine verachtung, man muͤſte denn die
unvernunft fuͤr etwas lobwuͤrdiges halten.
Oder man ſagt von einem fuͤrſten: er ſey den
weg alles fleiſches gegangen, ſoll heiſſen er ſey
geſtorben, aber es hat eine niedertraͤchtige ne-
benidee, uñ macht den fuͤrſten den bauren gleich.
Von einem verſchlagenen ſtaats-mann ſage ich
nicht er ſey ein fuchs, auf der cantzel ſpreche ich
nicht: Paulus habe den narren gefreſſen an
ſeine Corinthier, bey honnetten leuten ſage ich
nicht: Jch habe mir tuch zu hoſen gekauft ꝛc.
Denn alle dieſe haben eine abiecte neben idee.
Deßwegen ſetzen die Lateiner nobiſcum, an ſtatt:
cum nobis. Die Schrift ſagt: Saul ſey in die
boͤle gegangen ſeine fuͤſſe zu decken, an ſtatt:
Er habe was anders gethan. Alſo haben ge-
wiſſe materien, gantze reden, ihre gewiſſe neben-
ideen, z. e. wer noch nicht verheyrathet iſt, hat
nicht eben noͤthig bey erklaͤrung der worte: des
man
[207]und deſſelben eigenſchaften.
mannes gang zu einer magd, oder der hiſtorie
von der Thamar, ſich lange aufzuhalten. Und
wer einer gantzen Theologiſchen Facultaͤt: Man-
gel an geiſtlichen guͤtern und unempfindlich-
keit der gnade Gottes fuͤrwirft/ und ausrot-
tung der unter ihr im ſchwange gehenden ſuͤn-
den anwuͤnſchet, ꝛc. der muß in groſſer aucto-
ritaͤt ſtehen, ſonſt wann es ein iunger ſtudente
waͤre, wuͤrde es ihm ſehr albern laſſen.
entweder das hauptwort erlaͤutern oder ein-
ſchrencken, und zu den abſichten des redners et-
was helffen. Dawieder ſuͤndigen alle dieieni-
gen, welche beywoͤrter gebrauchen, daß der pe-
riodus oder der verß nur voll werde; welche epi-
theta ſetzen, die ſich mit ihren abſichten nicht
reimen; welche ſich gewiſſe beywoͤrter, flick-
woͤrter und dergleichen angewoͤhnet, oder
ſelbſtgemachte beywoͤrter anbringen. Z. e. wann
man einen Monarchen einen allerliebſten Herrn
heiſſet. ihm allerliebſte tugenden beyleget, ꝛc.
oder man ſagt: der langmuͤthige Gott ſtraffet
mit donner und blitz, oder: er iſt verteuffelt
freundlich, ꝛc. conf.den poetiſchen verſuch
von uͤberſchriften, Hamburg 1704. 8. pag. 171.
ſqq. oder die flick-woͤrter: nimirum, ſeilicet,
nemlich, indeſſen, und uͤberall nichts, derglei-
chen, ſo zu ſagen, ꝛc. und andere favoriten; alſo
weiß ich die ſtunde nicht was das fuͤr ein wort
ſey, kan es auch in keinem lexico finden, das
doch viele an ſich haben, wenn es nicht recht fort
will: emmemae \&c. Jn den reden groſſer Her-
ren, hat ſich iemand angewoͤhnet, in allen ſei-
nen reden zu ſprechen: Jch beuge die knie
meines bertzens ꝛc.
ihrer phantaſie nach, recht reine Teutſch, ſo wohl,
im urſprung, als auch in der ausſprach, flexion
und orthographie, ſie haben ſich aber deßhalben
treflich muͤſſen laſſen herumnehmen. S. vori-
ges cap.
noua, antiquata, poëtica, dura, turpia, rara nimis,
vel peregrina fuge. Wenn man hierwieder han-
delt, entſteht der ſtilus barbarus, miſcellaneus,
ant[i]quarius, poeticus, culinarius. S. Hederich
l. c. p. 566. 572
480. 242. 87. und anderwerts.
tzung anderer ſprachen und in der poeſie an,
wenn man zumahl bey ienem punckt, in der er-
kaͤnntniß der ſprachen nicht recht feſte ſitzt, und
von beyden den genium nicht recht inne hat,
bey dieſem etwan in noth iſt, wie der reim her-
auskomme und der verß voll werde. Z. e. Jhr
wißt, bey wem ihr boͤſes habt gethan, an
ſtatt: gethan habt. ꝛc.
recht verſteht und wohl gar unrecht ausſpricht,
z. e. ceruilité an ſtatt ciuilité und dieſes, an
ſtatt: Hoͤfligkeit/ guͤtigkeit;Saluette, an ſtatt:
Seruiette;ein mann von groſſen meriten, an
ſtatt: Ein mann von groſſer merite (denn me-
rites der pluralis heiſt: Ver dienſt Chriſti oder
gute wercke im Theologiſchen verſtande) an
ſtatt: Ein mann von groſſen verdienſten ꝛc.
mache keine ſoloͤciſmos, barbariſmos, ſiehe He-
derich. l. c.
und alſo der ſatz mit allen ſeinen determinationi-
bus und umſtaͤnden ausgeſprochen, da ſetzt man
ein punctum, wo man aber ohne die ſachen zu zer-
ſchneiden inne halten kan oder inne halten muß,
da ſetzt man ein comma, ein colon wird geſetzt wo
mehr als eine haupt-propoſition in den periodum
gefaſſet, und ein ſemicolon wo propoſitiones in-
cidentes mit eingeruͤcket werden. conf. Voſſium
Part. Orat. Lib. V. C. I. §. 1. WeiſeInſtit. Orat. Lib.
praep. Cap. 2. Vinholdin Periodis \& Chriis Cioe-
ronianis. Wo man dieſe periodiſche ſtructur, wel-
che mit der iunctur der woͤrter genau verbunden,
negligiret, wird der ſtilusinciſus, diſſolutus, dif-
ficilis, ꝛc.
rio Coͤlln 1582. 8. Kirchmaͤyers Prof. zu Wit-
tenb. Diſſ. de numero Oratorio, Schubartus de
numero Oratorio, Ricobonus cap. 65. Rhetoric.
Schraderus in Ariſtot. Lib. III. c. 8. Lami l’art de
parler L. III. cap. 11. ſqq. Arnold in mantiſſa III.
ornatui Linguae Latinae annexa.Muͤller im
Abriß einer gruͤndlichen Oratorie p. 84. der des
Scarii Anweiſung zum Oratoriſchen numero, die
er de arte Rhetorica lib. III. c. 39. biß 45. beyge-
bracht anfuͤhret. Cicero de oratore lib. 3. Nume-
roſum eſtid, in omnibus ſonis atque vocibus, quod
habet quasdam impreſſiones, \& quod metiri poſſu-
mus, interuallis aequalibus; Und anderswo: Ge-
nus numeroſae \& aptae orationis, qui non ſentiunt,
quas aures habeant, aut quid in his homini ſimile
ſit, neſcio, Meae quidem \& perſecto completo-
que verborum ambitu gaudent, \& curta ſentiunt
nec amant redundantia. Seneca ſagt: Lib. 3.
O 2Contr.
[212]von dem ſtilo
Contr. 19. Triarius compoſitione verborum beile
cadentium, multos ſcholaſticos delectabat, omnes
decipiebat. Die fundamenta des numeri ſind,
die iunctur und ordnung der worte, die maſſe der
zeit und die harmoniſche bewegung der luft, wel-
che, nach dem urtheil des in dieſem ſtuͤck ſehr zaͤrt-
lichen gehoͤrs, fuͤr angenehm gehalten wird, und
um ſoviel eher das gemuͤth afficiret. Daß der
numerus gantz zu negligiren, und die deßfalls
von vernunftigen leuten gegebene regeln, fuͤr
grillen zu halten, wird niemand mit raiſon ſagen.
Jm gegentheil iſt auch nicht zu laͤugnen, daß von
vielen die ſache gar zu hoch getrieben werde/
wenn ſie ſo gar die ſylben abzehlen, und die worte
gar zu genau abmeſſen. Alles kommt dabey dar-
auf an, daß man buchſtaben, ſylben worte, ſaͤtze,
dem obiecto gemaͤß ausſuche und formire, die
theile in einem periodo nicht zu kurtz oder zu lang
oder gar zugleich oder ungleich abfaſſe, und bey
der ausſprache das gehoͤr conſulire, auch nicht
immer bey einer leyer bleibe.
zu reden, dazu man keine diſpoſition bey ſich fin-
det, wann man mit anderer leute worten reden
will, wann man ſeinem ſtilum mit phraſibus aus
allerley auctoribus ſpicket und recht zuſammen
flicket, wann man bey dem aufſatz einer rede zu-
weilen abbricht und nach einiger zeit wieder
darzu geht, in der ausarbeitung fortfaͤhret, ohne
das vorhergehende wieder durchzuleſen, und das
gemuͤth wiederum in gleiche diſpoſition, wie bey
dem vorhergehenden zu bringen, wann man der
ſprache nicht recht maͤchtig, und ſich nicht fleißig
geuͤbet, ſo entſtehet daher ein ungleicher kindi-
ſcher, fluctuirender ſtilus. S. Hederichsl. c. p.
567. 569. 572.
als mit dieſem von der Muſick entlehnten gleich-
niſſe. Denn wie in einer ieden Muſick, alles auf
die harmonie ankommt, welche auch durch das
thema, den general baß und deſſen regeln, im-
mer unterhalten wird, ohngeachtet viele ſtim-
men, viele inſtrumenta, ſemitonia und diſſonan-
O 3tien
[214]von dem ſtilo
tien mit unterlauffen, ſo iſt es auch im ſtilo, wo
die beſchaffenheit des obiecti und die einmahl
angenommene form zum grunde liegt, ohnge-
achtet die affecten bald ſteigen, bald fallen, die
gedancken bald durch die haupt-ideen ausge-
druckt, bald durch die neben-ideen veraͤndert und
nachdruͤcklicher gemacht werden. Man koͤnte
auch ſagen, der redner mache es in dieſem ſtuͤck
wie ein mahler, welcher bey abbildung eines ob-
iecti, zwar unterſchiedene farben braucht, ſchat-
ten und licht abwechſeln laͤſt, aber dennoch uͤber-
all die regeln der proportion und des wohlſtan-
des nach der natur in acht nimmt, nec humano
capiti ceruicem iungit equinam, Horat. de art.
poët.
gumenta, und es kan hierinn niemanden fehlen,
wer ordentlich gedencket und die beſchaffenheit
der argumentorum, davon P. l. gehandelt, wohl
erkennet, es wird auch davon im dritten theil
bey der diſpoſition, vieles hieher gehoͤriges erin-
nert werden. S. Herrn Langens E. z O. l. 12.
ſqq. 218. II. 124. ſqq.Herrn Muͤllers Abriß ei-
ner gruͤndlichen Oratorie p. 85. ſqq. Aetiologien,
loci communes, meditationes, conſectaria, aͤhn-
lichkeit und unaͤhnlichkeit der ſaͤtze figuren, ſind
hierzu die gebraͤuchlichſten mittel.
gewiſſen worten und formuln aus, als z. e. mit
den letzten worten des vorhergehenden periodi,
mit denen pronominibus relativis, mit parti-
culis cauſſalibus, copulativis, comparativis, und
adverſativis, als: und, entweder, oder, nach
dem/ ſo, denn, immaſſen, daß, ſolches, da, um,
als, demnach, gleich wie, alſo, obwohl, ſo,
nicht nur, ſondern auch, auch, allein, nichts
deſtoweniger, wofern, dannenhero, inzwi-
ſchen,
[215]und deſſelben eigenſchaften.
ſchen, ꝛc. Doch muͤſſen ſie nicht zu haͤuffig an-
gebracht werden, ſonſt wird eine wort-kraͤme-
rey daraus, die unangenehm und unanſtaͤndig
iſt. Weil ich zu dieſem cap. noch einige exem-
pel ſchuldig bin, ſo will ich ſelbige hier dergeſtalt
lieffeꝛn, daß man die manieren zu connectiren ins
beſondere dabey ſehen moͤge:
theils im uͤberfluß. Die im mangel es verſehen,
denen fehlt es mehrentheils an einer fertigkeit
des ingenii, an einer guten lectur, an der uͤbung,
oder es hat ſie die natur mit einer ziemlichen doſi
vom
[233]und deſſelben eigenſchaften.
vom ſang froid begabet. Solche leute bekom-
men dann zwar einen guten ſtilum, wann ſie die
natuͤrlichen eigenſchaften deſſelben wohl an-
bringen, und daruͤber zu diſponiren wiſſen, aber
ſie behalten einen ſchlaͤfrigen fuͤrtrag, und es
werden auch oͤfters ihre ſchoͤnſten ſachen und
treflichſten gedancken, ohne dieſe wuͤrtze, denen
leuten abgeſchmackt fuͤrkommen. Hingegen,
welche hier im uͤberfluß ſuͤndigen, die uͤberhaͤuf-
fen den verſtand des leſers und zuhoͤrers, richten
einen tumult nach den andern in ſeinen neigun-
gen an, und allarmiren ihn beſtaͤndig, daß er
entweder die beſten gedancken uͤberhuͤpft, oder
endlich des lermens gewohnt wird, und fuͤr der
gar zu vielen wuͤrtze, man mag ſie nun als ein
ſaltz oder als einen honig anſehen, einen rechten
eckel bekommt. Jch geſtehe daß ich deßwegen
lieber in des Zieglers Baniſe, als in des Lo-
henſteins Arminio leſe, und daß ich bey die-
ſem die haͤuffung der ſo genannten realien, als
eine heroiſche tugend, die man zwar bewun-
dern, aber nicht nachmachen muͤſſe, anſehe.
Was fuͤr einen eckel wuͤrde ich nicht erſt bekom-
men, und (wo ich mir nicht zuviel ſchmeichele,)
auch andere ehrliche leute mir mir, wann wir in
allen familiair diſcourſen, complimentir-briefen,
ſuppliquen, zeitungen, hiſtorien und dergleichen,
welche lieber den natuͤrlichen ausdruck haben
wollen als den gekuͤnſtelten, wenn wir ſage ich,
wahrnehmen muͤſten, wie die auctores ſich mar-
terten, unſern verſtand und willen, ohne noth,
durch ihre zur unzeit angebrachte kunſt, zu beun-
ruhigen, an ſtatt ſelbigen zu beluſtigen.
1694. in groß 4. mit Boileau uͤberſetzung her-
aus kommen, oder wie ihn Henr. Leonh.
Schurtzfleiſch zu Wittenberg 1711. 4. heraus
gegeben. Hermogenemde inuentione \& ideis (ſie-
he MorhoffPolyh. 1. VI, l. 5.) Bonhoursdans la
maniere de bien penſer dans les ouurages d’eſprit.
Lamil’art de parler l. c.
natus virilis fortis \& ſanctus ſit, nec effeminatam
leuitatem, nec fuco eminentem colorem amet, ſan-
guine \& viribus niteat.
ra manu orientem, altera occidentem contingeres:
Wann Lohenſtein ſpricht: Jch wuͤrde der goͤtt-
lichen fuͤrſebung in die ſpeichen treten: oder:
der Herr von Hofmannswaldau habe ſeine
deichſel dem vaterlande wieder zugekehret:
Wann Hofmannswaldau ſagt: Jch war ein
rechtes nichts an farb und an geſtalt: Wann
die
[235]und deſſelben eigenſchaften.
die federn der poeten anfangen blut zu ſchrei-
ben: ꝛc. ſo deucht mir immer als wann es Ora-
toriſche monſtra waͤren.
gutes ſey da iemand ſetzt: Es ſey eine ceder
gefallen, welche bißher ihren glantz in allen
winckeln gewieſen, und ihr glantz ſey zu dem
ſtrahl der herrlichkeit geflogen: Wann iemand
Petri thraͤnen eine ſuͤndfluth nennet: Wann
ein anderer ſagt: Wo dieſer held etwas fuͤrge-
nommen, da haͤtten ſich die ſchrancken der
natur ausdehnen und die zuͤgel der menſchli-
chen gemuͤths-neigungen reiſſen muͤſſen:
Wann Burmann auf Graͤvii grab ſetzt:
Graeuius hac mundi mole cadente cadet.’
natur die farben etwan ſo verſetzt haͤtte, daß das
rothe in die augen, das ſchwartze auf die zaͤhne
und das gelbe auf die wangen gekommen waͤre,
oder da die natuͤrliche proportion der glieder und
die herfuͤrleuchtende modeſtie und klugheit feh-
lete, was wuͤrden wohl da die ſchminck-pflaͤſter-
gen, der zinnober auf den wangen, und die affe-
ctirten blicke oder gezwungenen airs, ia ein hal-
bes angehengtes koͤnigreich von pierrerien fuͤr
eine wuͤrckung haben? Und ſolche ſchoͤnheiten
fuͤhren uns mehrentheils die romainen-ſchreiber
auf.
arten des ſtili nicht daher kommen, weil man die-
im voꝛigen cap. angefuͤhrte eigenſchaften weg laͤſ-
ſet, ſondern weil man dieſelben nur mehr oder
weniger mercken laͤſt. Wie z. e. die unterſchie-
denen geſichter der leute nicht deßwegen bemer-
cket werden, weil es dieſem an der naſe ienem an
den lippen oder augen fehlt, ſondern weil iener
eine groſſe, dieſer eine kleine naſe hat, weil dieſer
eine herfuͤrragende ober-lippe, iener eine her-
fuͤrſtehende unter-lippe, iener ſchwartze, dieſer
katzen-graue augen hat. ꝛc.
und ordnung ſich bedienet, und des reichthums
der troporum und figuren entbehren muß; weil
er ſeine fehler nicht bergen kan, und die guten
eigenſchaften des ſtili ohne putz und kuͤnſtliche
zierrathen herfuͤrleuchten muͤſſẽn: Er iſt aber
auch nothwendig, weil die hohen obiecta ſeltner
unſern ausdruck erfodern, und weil derienige,
welcher dieſen nicht verſteht, zu allen arten von
ſtilis, die ſich alle durch den humilen erklaͤren laſ-
ſen, ungeſchickt iſt. S. Lami L. IIII. C. X.He-
derichl. c. p. 543. Den ſtilum humilem findet
man in Weiſens, Speners, Gerhards, Gey-
ers, Pritii, Menantes, Talanders, ꝛc. ſchriften;
in den reden groſſe[r] Herren; in Opitzens, Ca-
nitzens, ꝛc. Poeſien; im Cornelio Nepote, Julio
Caeſare, Terentio, Plauto, Ciceronis epiſt. ad fam.
Virgilio in Eclogis, Ouidio, \&c. im Plutarcho,
Aeliano, Paeanio, \&c.in denen Frantzoͤiſchen
memoires, comoedies, lettres galantes, im Paysin
den fabeln desde la Motte, \&c. im Aretino,
Benti-
[239]des ſtili inſonderheit.
Bentiuoglio, \&c. Die dieſen ſtilum fuͤr gemein
poͤbelhaft oder fuͤr unflaͤtig und garſtig halten,
haben die ſache wohl nicht recht eingeſehen.
Denn unter folgenden redens-arten iſt ia wohl
ein unterſchied: Engenius hat die Taͤrcken und
Ftantzoſen uͤberwunden: Der tapferkeit des
Eugenii, hat weder die Frantzoͤiſche liſt, noch
die Tuͤrckiſche grauſamkeit wiederſtehen koͤn-
nen: Dieſer Tentſche Joſua hieß die Fran-
tzoͤiſche ſonne und den Tuͤrckiſchen mond ſtille
ſtehen, da uns iene lauter feuer, dieſer lauter
kalte naͤchte bey ſeinem aufgang drobete: Wie
ſoll man aber dieſen unterſchied anders bemer-
cken; als daß ich das erſte fuͤr eine redens-art
im ſtilo humili, ſo in erzehlungen und familiar-
diſcourſen uͤblich, anſehe: Das andere fuͤr einen
ausdruck im ſtilo mediocri, ſo man in der hiſto-
rie dieſes helden finden muͤſte: Das dritte koͤn-
te nur in einem panegyrico auf dieſen printzen
ſtatt finden, und muͤſte zum ſtilo ſublimi gerech-
net werden. Spraͤche ich aber: Derabbèhat
die frantzoſen gefreſſen, und die Tuͤrcken ge-
ſchunden, das wuͤrde gemein poͤbelhaftig und
garſtig klingen. Jch will zur probe eine rede
einruͤcken, welche anno 1718. fuͤr iemand verfer-
tiget, von dem vorzug der neuern zeiten fuͤr
den alten, und da ſelbige ſich auf eine die vor-
hergegangen beziehet, von dem vorzug der al-
ten fuͤr die unſern, ſo mag ſelbe ebenfalls
hier ihren platz haben:
maͤßigen obiecta am haͤuffigſten, und weil es mit
denen menſchlichen dingen mehrentheils nur zu
einer beliebten mediocritaͤt kommt. Er iſt der
angenehmſte, weil er die mittelſtraſſe haͤlt zwi-
ſchen dem trockenen und ſtillen weſen des humi-
lis und zwiſchen dem praͤchtigen und praſſeln-
den ſtilo ſublimi, ſo gar daß etliche ihn fuͤr den
ſtilum der weiſen leute halten. Man kan dabey
eher ſeine bloͤſſe verſtecken, als im humili, und
auch nicht leicht in gefahr lauffen ſich zu verir-
ren als im ſublimi. Tutiſſima ſere per medium
via, quia vtriuſque vltimum, vitium eſt.Quin-
ctilianusL. XII. cap. 10. Wiewohl Quinctilia-
nus ſelbſt ſich gar zu ſchwanckend exprimiret,
von den unterſchiedenen ſtilis. S. Thomaſii
Cautelen cap.VIIII. Ridig. S. V. \& F. p.
578. Hederichl. c. p. 545. Lamil. c. cap.
XI.RabnersRationem ſtili elegantioris. Man
findet ihn im Hofmannswaldau, Philander
von der Linde, Beſſer, Langen, Neumann,
Neukirch, ꝛc. in Ciceronis philoſophicis, ora-
tionibus und epiſtolis (wie man denn auch aus
dem Cicerone im Lateiniſchen, den ſtilum ſubli-
mem lernen kan, und alſo alle drey arten von ſti-
lis, eben ſo wie im Teutſchen aus dem Ziegler
und aus den reden groſſer herrn) im Seneca,
R 3Plinio
[262]von denen unterſchiedenen arten
Plinio, Virgilii Georgic. Velleio, Juſtino, \&c.
Jſocrate, Heſiodo, \&c. im Voiture, Telemaque
des Fenelon \&c. im Loredano, Guarini, \&c.
dunckel, denn man kan nicht leicht determiniren,
wo das mittelmaͤßige auſhoͤre und anfange;
deßwegen referiret man zuweilen etwas zum
ſimplici, das von andern zum medioeri gebracht
wird, oder man haͤlt etwas fuͤr ſublim, das nur
zum mediocri gehoͤrt: Allein iſt ſchon der unter-
ſchied ſo handgreiflich nicht, ſo iſt er doch wahr-
haftig da, und es iſt eben, als wenn man die ſta-
turen der leute eintheilet, in klein groß und mit-
telmaͤßig, denn da kan niemand ſagen, bey wel-
chem zoll der laͤnge die mittelmaͤßige ſtatur an-
fange und auf hoͤre, daher manchmahl einer von
dieſen fuͤr groß von ienem fuͤr mittelmaͤßig ge-
halten wird, inzwiſchen iſt doch dieſer unterſchieb
nicht ohne nutzen und hat ſeinen grund. Man
kan auch zufrieden ſeyn, wann man nur nicht das
groſſe fuͤr klein, das kleine fuͤr groß anſieht, und
alſo nicht hohe obiecta mit dem ſtilo humili, und
niedrige mit dem ſtilo ſublimi uͤberfirnſet und
fuͤrſtellet. Als ein exempel vom ſtilo mediocri
mag folgende rede angeſehen werden, welche in
der nunmehr in die 40 iahr florirenden redner-
geſellſchaft unter Jhro Magnificentz des Herrn
D. Schmiden Eloqu. P. P. Ordin. und Theol. Ex-
traord. praͤſidio in Leipzig von mir, als einem
mitgliede beſagter Societaͤt, anno 1717. d. 24.
Februarii gehalten worden:
art einflieſſen laſſen, das die neben-idee einer
familiaritaͤt hat und zu populairen dingen ge-
braucht wird, oder eine gedancke die nichts ho-
hes involviret, ſo iſt alles verdorben. S. Lami
l. c. c. VIIII.Kemmerichl. c. p. 1042. 1045. Cle-
ricus inPenſees de la vraie \& fauſſe eloquence cap.
III.Hederichl. c. p. 544. inſonderheit Longi-
numde ſublimi des Boileau oder wie er ex theatro
Sheldoniano cum vita Longini 1710. 8. ediret,
(ſiehe oben cap. 2. §. 14. n. a.) und andere de-
ren Morhof und Stolle l. c. erwehnen. Thoma-
ſius Cautc. VIIII. und aus dieſem D.Hamilton
ſcheinen nicht viel vom ſtilo ſublimi zu halten,
weil ſie nirgends deutliche regeln und vollkom-
mene exempel davon angetroffen. Der erſte hat
vielleicht die abſicht zugleich dabey gehabt, den
albernen trieb iunger leute zu maͤßigen, die oh-
ne unterſchied auf den ſtilum ſublimem fallen,
dieſer aber ienem zu folgen, indem er doch ſonſt
des Lohenſteins ſtilum ſublimem lobt p. 52. Man
mag ſie hiebey alſo conferiren. Sonſt findet man
den ſtilum ſublimem lm Lohenſtein, Gryphio,
Ziegler, Mayer, den reden groſſer herren, ꝛc.
im Cicerone ſonderlich in orat. Catilin. Liuio,
Curtio, Virgilii Aeneid. Plinii Paneg. Senecae
Tragoed. \&c. im Homero, Sophocle \&c. im Bal-
zac, Flechier, \&c. im Taſſo, Marini, \&c. Wie-
wohl
[279]des ſtili inſonderheit.
wohl ſie freylich von denen ſcharf critiſirenden
manchmahl theils nicht hieher gerechnet, theils
ziemlich taxiret werden.
welche ſchlechterdings kein ſtilus ſublimis ſtatt
findet. Hohe obiecta ſind, die ſich auf etwas
goͤttliches beziehen, oder nichts als ſolche gedan-
cken involviren, die von der welt (nicht eben der
alten weiber, und unwiſſenden iugend, ſondern
der vernuͤnftigen) fuͤr etwas auſſerordentliches
gehalten und bewundert werden. Und dieſes
iſt das ſublime ſelbſt, welches Boileau von dem
ſtilo ſublimi unterſcheidet, den ein hohes obie-
ctum und die gedancke davon, iſt ia nicht mit
dem ausdruck einerley. Aber eben dieſes ſubli-
me erfodert einen hohen ausdruck und dazu ſchi-
cken ſich nicht alle leute. Z. e. haͤtte Weiſe wohl
einen ſolchen panegyricum auf Leopoldum hal-
ten koͤnnen, als der Herr von Koͤnigsdorf?
ctum hat, oder bey einem hohen obiecto auf laͤp-
piſche umſtaͤnde und kleinigkeiten faͤllt, oder mon-
ſtroͤſe ideen macht, oder Gott zu nahe tritt und
menſchliche hoheiten hoͤher hebt, oder wo man in
den worten, derſelben iunctur, numero, und
dergleichen, affectiret: Z. e. wenn man bey ei-
nem maͤſſigen officirer, erbaren mann und frau,
in der parentation einen lermen macht, als wann
Marlborough und Turenne, printzen und prin-
tzeßinnen fuͤrhanden; wann man bey ſchlechten
dingen illuſtrantia von hohen ſachen hernimmt,
gratulirt z. e. einer buͤrger-frau, und fuͤhrt koͤ-
niginnen als exempel an; wann man von einem
groſſen helden redet und unter andern anfuͤhret,
wie er ſich mit beſonderen hohen air zu ſchneutzen
pflege; wann Hofmannswaldau ſpricht: Rufſt
du ſo baͤlt mich auch der bimmel ſelbſt nicht
auf; Wann iener biſchof in Straßburg bey dem
S 4ein-
[280]von denen unterſchiedenen arten
einzug des koͤniges in Franckreich, die worte:
Herr nun laͤſſeſtu deinen diener im friede fah-
ren ꝛc. auf ſich appliciret, ꝛc. oder man redet
von diamantnen zim̃ern, ſchencket perlen, ſchne-
cken blut, gantze koͤnigreiche weg, oder wie iener
von den bruͤſten ſeiner geliebten: Zinnober
kroͤnte milch auf ihren zuckerballen, ꝛc. S. We-
renfelsde meteoris orationis,HerrM.freytags
diſſert. de frigido. Lipſiae 1719. Hederichl. c. p.
570. 571. obiges cap. 2. §. 15. ꝛc. Damit ich
auch von dieſem ſtilo ſublimi eine probe gebe, ſo
mag folgende rede dazu dienen, die ich 1716 den
11. Martii, eben in oberwehnter beruͤhmten red-
ner-geſellſchaft, ſo noch ietzo unter Jhrem vene-
rablen Oberhaupt bluͤhet, gehalten:
anlaß, da ein Medicus bey einem todtgefunde-
nen kinde, ſeine gehabten obſervationes alſo fuͤr-
brachte, daß man bereits der mutter von kopf-
abhauen fuͤrſchwatzte, da die relation des Me-
dici, ſo viel gab, als ob ſie das kind umgebracht,
nachgehends da ein anderer Medicus, voneb en
dieſem obiecto ſeine obſervationes einſchickte,
ſchaͤmte man ſich ſo gar des angeſtellten proceſ-
ſes, daß man die mutter heimlich dimittirte. Al-
ſo iſt es eine gefaͤhrliche ſache, wann die Medici
de lethalitate vulnerum ihre urtheile ſtellen.
Man findet dergleichen ſtilum ſchoͤn in Thoma-
ſü ſchriften, im Gracian des Herrn D.Auguſt.
Friedr. Muͤllers, in Schurtzfleiſchens, Cella-
rii diſputationibus, ꝛc. Er kommt auch meiſt
mit dem ſtilo humili und theoretico uͤberein.
Wolffens Mathematick, welche was die deut-
lichkeit, ordnung und andere gute requiſita bey
dieſem ſtilo anbetrift, leicht ein vollkommenes
muſter ſeyn kan. Sonſt waͤre zu wuͤnſchen, daß
dieienigen, welche in der h. ſchrift die Mathema-
tiſchen ſachen, z. e. den tempelbau, die ausmeſ-
ſung der ſtaͤdte, des tempels, ꝛc. uͤberſetzt, theils
der Mathematick ſo vollkommen erfahren gewe-
fen, theils auch der Hebraͤiſchen ſprache, in der
vollkommenheit, als es zu einer tuͤchtigen uͤberſe-
tzung noͤthig.
gewiß, daß ie genauer man die guten eigenſchaf-
ten des ſtili anbringet, und noch vielmehr, ie
ſorg-
[315]des ſtili inſonderheit.
ſorgfaͤltiger man ſich bemuͤhet ſcharſinnig zu ge-
dencken und buͤndig zu ſchlieſſen, ie iudicioͤſẽr
wird der ſtilus. Jſt bey dem ſtilo nichts, als
viel memorie, wenig iudicium und ingenium zu
bemercken, da hat man urſach ihn zu verbeſſern.
1660. 12. Weiſiidiſſ. de elegantiis realibus ſeu do
orationum floſculis an. 1685. Eiusdem Inſtit. Ora-
tor. L. II. C. IIII. Eiusdem Poëſis hodiernorum
Politicorum ſeu, de argutis inſcriptionibusWeiſ-
ſenfels 1678. 8. Bouhours dans la maniere de
bien penſer dans les ouurages d’eſprit, und Inge-
nieuſes penſees des anciens \& modernes.Ha-
miltonl. c. p. 58. Morhofii diſciplina argu-
tiarum 1693. 12. conf. Eiuſdem Polyhiſt.
I. VI. III. 8. ſqq. Hederich l. c. p. 609. ſqq. Es
wird ſonſt der ſtilus argutus mehr in inſcriptio-
nibus gebrauchr, und mit dem ſtilo ſublimi ver-
bunden, als anderwerts, wiewohl er doch nicht
zu
[316]von denen unterſchiedenen arten
zu verwerfen. wann man ihn als eine wuͤrtze
gebraucht, den ſtilum beliebt und eine geſell-
ſchaft angenehme zu machen, ia es ſchreiben
Tacitus, Seneca, P[l]inius ꝛc. mehrentheils
im ſtilo arguto, im Teutſchen: Riemer,D.Hein-
rich Muͤller in ſeinen Erquick-ſtunden, der
Cabinetprediger ꝛc. die epigrammata ꝛc.
ſich mit dem ſtilo arguto nicht verwirret, denn
man kan zur noth ihn wohl entbehren.
einer ſache gantz fremde urſachen wuͤrckungen
und eigenſchaften bey z. e. T[r]eu und glaube
waͤhren am langſten/ denn ſie werden am we-
nigſten gebraucht: Jener alte meinte er koͤn-
nebeſſer ſehn, mehr tragen, und babe mehr zu
befeblen, als in ſeiner iugend, denn einmahl
kaͤme ihm alles doppelt fuͤr das geſicht, her-
nach muͤſſe er mehr leiden und enolich muͤſſe
er ſeinen leuten eine ſa[ch]e zehnmahl befehlen,
ehe ſie geſchehe: Sturmius wurde von Aug-
ſpnrg an Carolum V. geſchickt, rechenſchaft zu
geben, warum die ſtadt unſer lieben frauen
bruͤder ſo uͤbel tractiret, und gab dieſe antwort:
So lange ſie anſer lieben frauen bruͤder gewe-
ſen, habe man ſie gerne geſehen, aber da ſie
haͤtten unſer lieben frauen maͤnner werden
wollen, waͤre es zu arg worden: Wenn man
den narren ſtatuen ſetzt, da wird ſeiner klug-
heit auch gedacht werden:Mr.Windbeutel
traͤgt eine ſchoͤne perruque, will damit die leu-
te luͤgen ſtraffen, wenn ſie ſprechen, es ſey kein
gutes haar an ihm: Publicola hat eine rechte
f[r]omme frau, denn ſie feyert alle woche ſieben
feyertage: Er iſt wie das gluͤck das ihn erho-
ben, denn er ſucht nur den narren fortzuhel-
fen: Das frauenzimmer will nicht wiſſen,
was
[317]des ſtili inſonderheit.
was es mit einem manne machen ſolle, und
will doch lieber einen iungen als einen alten
haben: Jener wuͤnſchte, daß alle hanrey er-
ſauffen moͤchten, ſeine frau verſetzte, ſo wuͤrde
ſie auch eine trauer kriegen: ꝛc
z. e. Jetzo iſt das frauenzimmer manchmahl
kluͤger als zu Potiphars zeiten, ſie greiffen
nicht nach den kleidern, ſondern nach den leib:
Auf dem Colloquio zu Regenſpurg ſagte Gretſer
ein Jeſuite, zum Cornelio Martini: Was
macht denn Saul unter den propheten? O,
antwortete Martini, er ſucht des vaters eſel:
David und Jonathan haben wenig, Joah
und Judas viel ihres gleichen hinter ſich ge-
laſſen: Dieſer held hat ſich bald als einen be-
hutſamen Fabium bald als einen blitzenden
Marcellum und Julium Caſarem gewieſen.
ꝛc.
bracht werden, z. e. Jener ſagte von einem frau-
enzimmer, das ſich ſehr entbloͤſſet hatte, es mache
es wie die kaufleute, welche die verlegnen
wahren forne an im laden legten: Ein andrer
ſagte von einer printzeßin, als ſie in einem
wald kommen, da es nie licht geweſen, ſey es
alſobald tag worden, ꝛc.
anderhaltung verſchiedener obiectorum: z. e.
Richelieu grifden leuten nach den koͤpfen
Mazarin nach den hertzen: Ludwig der XI.
Koͤnig in Franckreich wolte einen Abt abſetzen,
dieſer ſagte: er babe 4 [...] iahr zugebracht ehe er
A B (Abbe) gelernet muͤſſe eben ſo viel zeit
haben, ehe er CD (cede) lernen ſolte, ꝛc.
ter gelehrter: Er iſt tugendhaft wenn es ei[n]
laſter iſt: Ein hofmann ohne klugheit: Chri
ſtus
[318]von denen unterſchiedenen arten
ſtus und Belial bemuͤheu ſich nach den ſeelen
der menſchen, iener daß er ſie ſeelig, dieſer
daß er ſie verdammt mache: Die auftichtig-
keit duldet keine falſchheit und die falſchheit
keine aufrichtigkeit: Er iſt from aber nicht
tugendhaft: Weißheit und thorheit muͤſſen
von uns erkannt werden, ꝛc.
ro ſind keine weitlaͤufftige beſchreibungen loci
communes, erklaͤrungen und dergleichen mit ein-
zumiſchen.
zu weit hergeholt, ꝛc. ſeyn ſ. obenP. I. cap. 4.
§. 21. ꝛc.
alle eigenſchaften des ſtili uͤberhaupt dabey zum
grunde legen. ſ. P. 2. Cap. 2. Doch es iſt beſſer
in gantzen exempeln zu ſehen, worinn der ſtilus
argutus beſtehe, als in vielen regeln, und will ich
hier ein paar inſcriptiones zu dem ende commu-
niciren, davon die erſte einen fuͤrnehmen die an-
dere einen eyfrigen auctorem gehabt. Jene
lautet alſo:
ſprache geſchrieben, haben meiſtens ihre abſicht
auf die Lateiniſche ſprache gehabt, einige auch ih-
nen dieſelbige eintzig und allein zu lehren ange-
legen ſeyn laſſen. Jch habe derſelben ſchon
viel angefuͤhret, als: Schefferum, Heineccium,
Groſſern, Starcken, Langen, Wagenſeil,
Becmannum, Voſſium, Sanctium, Arnol-
dum, Rabnern, Caußinum, Boͤclern, Alſte-
dium, Maſenium, Cellarium, Hederich, ꝛc.
Was die Hiſtorie der Lateiniſchen ſprache betrift
und der Lateiniſchen auctorum, dazu dienen
Morhof, Stolle,Fabricii Bibliotheca Latina,
Hederichsnotitia auctorum, Walchii hiſtoriæ
critica Lat. linguae, und unzehlich andere, de-
ren Morhoff und Stolle erwehnen, wozu man
noch Jo. Gottlieb Schwartzensde fatis qua-
rumdam vocum diſſ. 1717. und ReimmannsHi-
ſtoriam quorumdam vocabulorum Latinorum Ha-
lae 1718. 8. ſetzen kan. S. oben die vorber §. 21.
nen Oratoriſchen fragen, den erſten nennet er
deutlich und leicht, den andern weitlaͤuftig, den
dritten rein und auſſerleſen den vierdten kurtz
und ſententioͤs. Herr Hederich hingegen l. c.
p. 561. ſagt: So viel Lateiniſche auctores
ſind, ſo viel giebt es auch beſondere arten des
Lateiniſchen ſtili, und erlaͤutert ſeine gedan-
cken von dieſen mit gar feinen anmerckungen.
lyhiſt. I. IIII. XI. ſeqq. Die alter der Lateiniſchen
auctorum ſind: aurea, argentea aenea und fer-
rea, dazu einige noch luteam \& ligneam ſetzen.
Die Eritici ſind, wegen ihrer determination,
und der auctorum die zu ieden gehoͤren, ſelbſt
nicht recht einig, und man halte auch nur ſcri-
benten aus eben dem alter gegeneinander z. e.
J. Caeſa-
[337]des ſtili inſonderheit.
Jul. Caeſarem, Liuium, Vitruuium, ſo wird man
leicht ſehen, daß dieſe diſtinction zwar nicht zu
verwerffen, aber doch nicht die richtigſte und
nuͤtzlichſte.
Teutſchen ſtili, nemlich den Schweitzeriſchen,
auch die ſechſte, als den Oeſterreichiſchen, hin-
zu thun. Doch weil ich darinnen keinen vor-
gaͤnger habe, ſo will auch dieſe arten nicht zu-
erſt auf die bahn bringen.
angefuͤhret, daß ich hier der muͤhe kan uͤberhoben
ſeyn. Aber unter dieſen iſt noch niemand, der
den genium der Teutſchen ſprache, etwas aus-
fuͤhrlich beſchrieben haͤtte. Jch dencke, daß die
conſtruction das fuͤrnehmſte ſey, darinn dieſe
ſprache ſich von andern unterſcheidet, welche
man am beſten aus der Grammatik erlernet.
tzern oder ſteinern ſtuhl ſteiget oder auf einen
freyen platz tritt, und an eine gantze verſamm-
lung ſeine worte richtet, ꝛc.
ſchrieben, wollen uns lernen orationes machen,
da doch dieſes der kleineſte theil einer vernuͤnfti-
gen beredſamkeit iſt, und es zeiget, daß man eben
ſo einen engen begrif von der beredſamkeit habe,
als ein Hiſtoricus von der Hiſtorie, wenn er nur
die leben der Roͤmiſchen Kaͤyſer darinn ſuchet,
oder als ein Logicus von der Logik, wenn er nur
ſyllogiſmos daraus machen lernet.
p. 554. Regeln zu dieſem ſtilo geben alle gute
Rhetoricken in groſſer menge. Exempel ſiehet
man an allen, welche gute, eigentlich ſo genannte
orationes publiciret, als: Cicero, Quintilianus,
Plinius, Muretus, Buchnerus, Crucius, Cúnaeus,
Cellarius, Schurtzfleiſch, in den orationibus
procerum Europae,die Hr. Luͤnig heraus ge-
geben, in denorationibus clariſſimorum viro-
rum ſelectis, editis a Jo. Erhard Kapp. Lipſiae.
1722. 8. \&c.in den reden groſſer Herren und
Y 4fuͤr-
[344]von denen unterſchiedenen arten
fuͤrnehmer miniſter, welche eben belobter
Herr Luͤnig heraus gegeben, in Hofmanns-
waldau, Pritii, Seckendorfs, Groſſers, Neu-
mann[s], und anderer reden, welche theils ſchon
angefuͤhret, theils noch fuͤrkommen werden.
conf.MorhofsPolyhiſt. orat.Stollens Hiſt.
der gelahrb.I. IIII. \&c.
gefuͤhrten ſtilis, oben erinnert.
allgemeine praxis, im wege ſtehet, ob es daher
komme, weil man ſo wenig in den Oratorien biß-
her vom ſtilo polemico erinnert, und alſo die
leute nicht fein von kindheit auf zum complai-
ſanten controvertiren angefuͤhret, oder weil ſon-
derlich dieienigen, welche andern aus dem Chri-
ſtenthum die liebe, und aus der Moral die ſanft-
muth und gelaſſenheit gar zu fleißig lehren, ſich
ſelbſt dabey zu lehren vergeſſen. Denn man
con
[353]des ſtili inſonderheit.
controvertiret am liebſten im ſatyriſchen ſtilo
miteinander, und ohngeachtet man den gegen-
theil bereits durch den wiederſpruch zum heſtig-
ſten beleidiget, und ein laſter der beleidigten maie-
ſtaͤt begangen, (wie Gracian redet) ſo ſuchet man
doch auch durch einen ſtachlichten ſtilum, ihn
noch mehr zu erbittern und ſeine gedult aufs
aͤuſſerſte zu bringen, oder ihn auf klopfechteriſch
mit laͤppiſchen einwuͤrffen, hoͤniſchen gelaͤchter,
figuren, ehranſehnlichen und fuͤrchterlichen griß-
gramen oder dergleichen baͤmiſchen kunſtgriffen
zu uͤberwinden und (wie man zu reden pflegt) zu
proſtituiren. Lami ſagt gar gar artig IIII. cap.
XIII. J’admire ces declamateurs, qui croyent auoir
triomphé de leur ennemy, quand ils ſe ſont railleæ
de ſes raiſons: ils croyent l’auoir terraſſé, quand
ils l’ont chargé d’iniures, \& qu’ils ont epuisé
toutes les figures de leur art pour le repreſenter
tel qu’ils veulent qu’il paroiſſe. Vernuͤnftige
leute ſind anders geſinnet. S. vom Theolo-
giſchen controvertirenFabricii conſideratio-
nem controuerſiarumin der vorrede, wo er zu-
gleich verſchiedene andere auctores anfuͤhret.
Gracians oracul. 11. 37 135. 183. 207. 213. 279.
Maxime ꝛc. Zwar ſcheinet es als ob man be-
fugt waͤre. die galante manier zu reden bey ſeite
zu ſetzen, wenn der andere angefangen grob zu
ſeyn, oder wann es wenigſtens der klugheit ge-
maͤß, bißweilen einen klopfechteriſchen gelehrten
Peter Squentz abzugeben: Allein ich weiß nicht/
ob man das recht bekomme, ein narr zu werden,
wenn der andere ein thor iſt, und ob die geheim-
niſſe der klugheit in der zaͤnckerey zu ver-
ſchwenden, und nicht vielmehꝛ in der modeſtie und
galanterie beſſern nutzen ſtiften.
ſtili, welches ſeinem tractat de ſtilo, den ich cap.
1. §. 11. not. m. P. II. allegiret, beygefuͤget iſt,
nachleſen. Jngleichen MorhoffsPolyh. l. II.
XIII. ſqq.Hederichs Philolog. Wiſſ.p. 574. \&c.
Die auctores welche vom ſtilo ſonſt geſchrieben
und deren ich im vorigen cap. erwehnet, geben
auch hiezu anfuͤhrung. Jch haͤtte daſelbſt M.
Auguſt Nathanael Huͤbners Anweiſung zum
Teutſchen ſ[t]ilo, Hannover 1720. 8. M.Joh.
Jenichens gruͤndliche anleitung zur Poeti-
ſchen elocution, Leipzig 1706. 8. Weiſſen,
borns anweiſung zur Teutſchen Poeſie und
Oratorie, ꝛc. anfuͤhren koͤnnen.
iſt gut wenn man dabey nicht bloß auf den aus-
druck, ſondern die gedancken ſieht.
da das thema: Breui hac in vrna conduntur cine-
res magni Alexandri, ſieben und ſiebentzigmahl
und das andere, da dieß thema: Omnibus mori-
endum eſt, funfzig mahl variiret iſt, p. 517. und
und p 537. Die variation iſt gewiß das treflich-
ſte mittel zum reichthum der worte, dazu ſonſt
Eraſmus und Wagenſeil ꝛc. anleitung gege-
ben.
Aphthonio, der im 5. ten jahrhundert nach
Chriſti geburt gelebet, ihren nahmen, iſt ent-
weder realis, oder verbalis, oder mixta, hat 8.
ſtuͤcke: Laudem auctoris, paraphraſin thematis,
aetiologiam, contrarium, ſimile, exemplum, teſti-
monium, concluſionem, z. e. man wolte uͤber fol-
gende worte Platonis: Tum demum beatus ter-
rarum orbis eſt futurus, cum aut ſapientes regnant
aut reges ſapere incipiunt, eine rede halten, ſo ſetzte
man:
- 1.) Laudem auctoris: Plato war ein trefflicher Philo-
ſophe und ſtaatsmann, unter andern ſeinen ma-
ximen war dieſe nicht uneben, da er ſagte: Dann
wuͤrden erſtlich gluͤckſeelige zeiten kommen,
wann die weiſen regierten, oder die koͤnige
weiſe wuͤrden. - 2.) Interpretat. thematis: Er meint nicht, alsdann,
wann ſich die koͤnige in maͤntel verhuͤlleten, baͤn-
cke hinſetzten, und collegia Philoſophica und Pan-
ſophica hielten, oder wie die petits-maitres vom
ſtaat, mit einem Frantzoͤiſchen bel-eſprit, tres-a-
greablement, und mit vielen bons mots par deſſus
le marché neben hin raiſonnirten, auch nicht als-
dann, wann man die ſchulfuͤchſe (rechtſchaffene
ſchulmaͤnner ungeſchimpft) zu koͤnigen wachte,
ſondern wann leute die verſtand und willen
durch nachſinnen und erfahrung gebeſſert und
vollkommen gemacht, den thron beſtiegen, oder
printzen gelernet haͤtten, die pflichten eines ver-
nuͤnftigen klugen und gerechten menſchen, und
B beines
[386]von der diſpoſition uͤberhaupt.
eines geſchickten regenten zugleich auszuuͤben,
und allezeit die liebe und hochachtung ihrer un-
terthanen zu erhalten wuͤſten. - 3.) Aetiologiam: Von der fuͤrtreflichkeit und nothwen-
digkeit der wahren welßheit zur regierungs-
kunſt: - 4.) Contrarium: Von dem ungluͤck der unterthanen/
denen es an weiſen regenten fehlt: - 5.) Simile: Von einem verſtaͤndigen ſchiffer, der das
ſteuer-ruder kluͤglich zu leucken weiß, ꝛc. - 6.) Exemplum: Von den gluͤcklichen zeiten Salamo-
nis und den uͤbeln zeiten Rehabeams ꝛc. - 7.) Teſtimonium: Aus dem Prediger Salomo am 10.
v. 16. 17. Guevara im Horologio P. l. 21. Bias
inter leges Prieneis latas hanc dedit: Nemo Prie-
nenſium gubernator legitor, niſi ſit litteris Grae-
corum eruditus: Nulla enim maior eſt reipubli-
cae peſtis, quam ſapientia prudentiaque guberna-
torem deſtitui \&c. - 8.) Concluſio: Von der bemuͤhung nach weißheit.
Jn dieſer heiſſet man das thema protaſin das ar-
gument aetiologiam. z. e.
Diſpoſ. per chriam ordinariam oder
rectam:
- Protaſis, ſ. Prop.Die Gelehrten muͤſſen ſich bemuͤhen,
auf ſolche arten und theile der gelehrſamkeit
ſich zulegen, ſo den gemeinen weſen dienlich
ſeyn koͤnnen.- Interpretat, Dieienigen wiſſenſchaften ſind der re-
publick dienlich, durch die ſie tugendhaft und
weiſe, wie auch in allen ſtaͤnden gebeſſert und
vollkommener gemachet werden kan.
- Interpretat, Dieienigen wiſſenſchaften ſind der re-
- Aet, prima:Der gelehrte ſtand iſt eben deswegen
geſtiftet, und mit privilegien verſehen, daß er
allen und ieden ſtaͤnden eine anweiſung zur
tugend und weißbeit, wie auch zur buͤrgerli-
chen gluͤckſeeligkeit geben ſolle.
Medit.
[387]von der diſpoſition uͤberhaupt.- Medit. Hieraus kommt der rang der gelehrten: Deñ
da ſie andern zur beſſerung dienen ſollen, hat
man ihnen ein anſehen beylegeu muͤſſen. - Teſtim. Eine ſolche gelehrſamkeit die dem ſtaat
dienlich iſt nennet Quintilianus: eruditionem
verecivilem: und preiſet ſie an den Roͤmern.
- Medit. Hieraus kommt der rang der gelehrten: Deñ
- Act. 2. Alle wiſſenſchaften ſo denen ſtaͤnden und der
republick, neben uns, nicht dienen, ſind nichts
anders, als ein otinm eruditum i. e. bey vieler
arbeit unnuͤtze.- Interp. dergleichen ſind dieienigen wiſſenſchaften,
ſo nur allein auf die ſubtilitaͤt derer ſprachen, die
entfernten und verlegenen hiſtorien, tiefſinnige
und weit hergeſuchte ſpeculation gehen. - L.C. alle dieienigen, ſo mit ihren fleiß niemand wie-
der nutzen koͤnnen, ſind warhaftige muͤßiggaͤn-
ger. - Aet. L. C. Denn ein muͤßiggaͤnger thut zwar ſtets
etwas, aber nichts nuͤtzliches. - Coroll. ſ. prop. repet.alſo haben auch die ge-
lehrten unſerer zeit noͤthig, ihre ſtuditz mehr
in dem ſtaat brauchbar zu machen.
- Interp. dergleichen ſind dieienigen wiſſenſchaften,
Z. e. folgende antritts-rede,
Diſp. per chriam inverſam:
- Concluſ.wie ich nichts mehr als die beſtaͤndige guͤ-
te von dieſen hochanſehnlichenCollegiowuͤn-
ſche, alſo bitte ich mir dieſelbe hierdurch mit
geziemender ergebenheit aus.- Argum. mouens: Dero approbation allein, wird
von mir billig ſo hoch geſchaͤtzet, daß ich ſie allen
andern lob ſpruͤchen fuͤrziehe. - Aet. Locus Com. vie vernuͤnftige ehre kommt nicht
auf die menge, ſondern auf die vortreflichkeit der-
ienigen, die uns ehren, ſonderlich an. - Sim. Wenn wir von den haupte des landes ein ein-
tziges gnaden-zeichen empfangen, achten wir es
hoͤher, als alle geſchencke der unterthanen. - Connex. Damich nun die guͤtige aufnahme in ders
anſehnliches Collegium eine beſtaͤndige ſreund-
ſchaft und eine beſtaͤndige zuneigung hoffen
laͤſſet.
- Argum. mouens: Dero approbation allein, wird
- Protaſ.So dancke ich gantz ergebenſt, fuͤr dieſes
erſte und beſondere zeichen, der ſo lange ge-
hoften guͤtigkeit gegen mich. - Propoſ. 2. Jch verſpreche nichts zu unterlaſſen, wor-
durch dero vertrauen gegen mich befeſtiget, und
meine aufrichtige ergebenheit vollkommen bezeu-
get werden kan.- Vot.Gott ſchuͤtze dieſes anſehnlicheCollegiumſo
lange, daß es allen andern zum exempel des
gluͤcks, ordnung und fuͤrtreflich keit dienen
kan.
- Vot.Gott ſchuͤtze dieſes anſehnlicheCollegiumſo
Z. e. Diſpoſitio einer rede per anteced. \&
conſequens bey uͤberreichung eines
gedichts und abend-muſick:
- Antecedens argum. prob.Wir haben allezeit fuͤr un-
ſer groͤſtes gluͤck geſchaͤtzet, Ew. Durchl. ge-
treueſte unterthanen zu ſeyn- Aet L. C. Es iſt ein groſſer unterſcheid unter de-
nenjenigen, ſo einem weiſen regenten, und un-
ter andern ſo einem potentaten der die affecten
in ſich herrſchen laͤſſet, ergeben ſind, - Arg. ill: a ſimili. Die pflantzen und alle gewaͤchſe
treibet zwar auch die hitze, des ſichtbaren und
groben feuers, aber der zarte und guͤtige ſtrahl
der ſonne, macht ſie vollkommener und ſchoͤner, - ab ex: Die Roͤmer wuͤnſcheten ſich beſtaͤndig un-
terthanen zu ſeyn ihres guͤtigen und weiſen
Trajani, ob ſie gleich der monarchiſchen macht,
noch nicht vollkommen ergeben waren. - Conn: Da wir nun Durchl. und weiſeſter Fuͤrſte
durch Dero ankunfft in unſern ort gelegenheit
finden, dieſes in unſerem hertzen, ſo viel 1000.
mahl geruͤhmte gluͤck, unſerer ſelbſt, oͤffentl.
zubezeugen,
- Aet L. C. Es iſt ein groſſer unterſcheid unter de-
- Conſ. thema. protSo werden E. H. F. Durchl.
gnaͤdigſt anſeben, daß wir ſolches in gegen-
waͤrtigen untertbaͤnigſten gedichte, und aus
tiefſter devotion unternommenen abend- mu-
ſick, nicht nur E. Durchl. ſondern der gan-
tzen welt kund thun.- Argum. patheticum: Alle unſere ſtudien achten wir
nur vor mittel uns faͤhig zu machen, dieſes
gluͤck in E. Fuͤrſtl. Durchl. unterthaͤnigſten dien-
ſten dermahleins vollkommen zu genieſſen.
- Argum. patheticum: Alle unſere ſtudien achten wir
- Concluſ.Wie wir uns denn Denſelben als einen beſi-
tzer der weißheit und gelehrſamkeit, zu be-
harl. gnade in unterthaͤnigſter devotion
empfohlen haben wollen.
Z. e. I. Diſpoſitio einer trauungs-rede per
theſin \& hypotheſin.
- Theſ.Es iſt nichts weniger als weißheit und lie-
be zu zwingen, ja man hat noch nie erfah-
ren, daß gezwungene liebe und wahr-
heit moͤglich ſey:- Simile: So wenig als ſich die flamme und alſo
das brennende feuer verſchlieſſen laͤſt, wenn es
nicht verloͤſchen ſoll; ſo wenig laͤſt auch die liebe
der menſchen, ſich in gewiße graͤntzen zwingen. - L. C. Liebe und wahrheit ſind die groͤſten vollkom-
menheiten geiſtlicher natur.
- Simile: So wenig als ſich die flamme und alſo
- Medit. Sie ſind wie die religion ſo aus liebe
und wahrheit beſteht, und alſo uͤberredet,
nie gezwungen werden kan. - Connex. Die verbindung derer hertzen und des gan-
tzen leibes, ſo wir die ehe nennen, iſt eben des
wegen unzwingbar, weil ſie von einer uͤberzen-
gung des verſtandes und aufrichtiger liebe des
hertzens ihren urſprung und leben empfaͤnget.- Hypoth. ſ. Propoſ.Alſo wuͤnſchen wir ietzo oͤffent-
lich 2. perſonen gluͤck, die ſich ihrer freyheit
in erwehlung dieſes ſtandes bedienet.
- Hypoth. ſ. Propoſ.Alſo wuͤnſchen wir ietzo oͤffent-
- Aetiol. Jhr verſtand uͤberzeugt ſie ſelbſt, daß eine
iede perſon unter ihnen, der liebe und hochach-
tung wuͤrdig ſey: - Medit. Man ſagt: ſo viel koͤpfe ſo viel ſinne, aber
weiſe perſonen haben nur einen kopf in ihrer
erkaͤntnis: - Sim. Die thorheit hat die menſchen in denen mei-
nungen geſchieden, gleich wie ſie die ungerech-
tigkeit in krieg und ſtreit gebracht hat, die weiß-
heit vereiniget die menſchen, wie die ſonne
allezeit vereiniget iſt. - Aetiol. Die eigne empfindung ihres gleichen, hat ihre
hertzen zur liebe bewogen: So daß ſie beyde
einander geliebet, ehe wir auch gewuſt daß ſie
von
[391]von der diſpoſition uͤberhaupt.
von einander geliebet worden. - L. Comm: Die tugend iſt allezeit frey und von der
natur allezeit frey erklaͤret, - Appl. Alle tugend iſt eine art der liebe, alſo iſt die
liebe allezeit baroniſtret. - Conn. Der ietzige ſtandt den ſie aus freyheit erwehlet
ſcheint ſie doch um die freyheit zu bringen,
nachdem ieder theil nun verbunden iſt, die
pflicht, die treu und beyſtand lebenslang ein-
ander zu erweiſen. - L. C. Die menſchliche freyheit iſt alſo niemahls frey.
- Reſp. Die verbindung aber iſt kein zwang, denn
wer willig dient, iſt dennoch frey.- ConclWir wuͤnſchen daß ihnen ihre verbin-
dung ſo angenehm und ſo geſeegnet ſeyn moͤ-
ge, daß ſie den darunter verborgnen zwang,
wo er anders ſo zu nennen, bey der ſuͤßig-
keit ihrer freyheit nie verſpuͤhren moͤgen. - II.Diſpoſition einer rede darinnen den Prin-
tzen von Pfaltz-Sultzbach im nahmen der
ſtaͤnde ſeines landes zu der vermaͤblung mit
der Fuͤrſtin von Arenberg gratulirt wird.
- ConclWir wuͤnſchen daß ihnen ihre verbin-
- Theſ. ſ. argum. Illuſtrans:Die unbeſchreibliche
freude der getreueſten unterthanen uͤber
die vermaͤhlung E. Durchl. iſt ſo groß, daß
ſie ſelbe mit eignen worten nicht aus zu druͤ-
cken wiſſen, ſondern ſie als ein befonderes
ſchickſaal des himmels anſehen, bey wel-
chen Gott alles gethan: Alſo daß man da-
von recht ſagen koͤnne:Nec ſorte nec fato. - Interpretatio hiſtorica: Dieſe uͤberſchrift iſt gebraucht
worden, als Wilhelm III. Printz von Oranien
ao. 1672. zum ſtadthalter der vereinigten Nie-
derlande erwehlet wurde. - Interpretat. Philoſ. Es ſoll dadurch angezeiget wer-
den, daß bey ſo hohen verrichtungen hoher
haͤupter eine beſondere goͤttliche providentz
B b 4das
[392]von der diſpoſition uͤberhaupt.
das regiment fuͤhre, nicht aber ein blindes
gluͤck, noch die fatalitaͤt der geſtirne. - Locus communis: Jn denen verbindungen hoher
haͤupter lieget des regiment Gottes ſelbſt uͤber
die gantze welt verborgen. - Exempla: Die all ancen des Oeſterreichiſchen hau-
ſes und deſſen anſehnliche kraͤfte ſind durch
vermaͤhlungen geſtiftet: Die wunderbahre
verbindung von Franckreich und Spanien hat
eine Spaniſche infantin zum grunde: Die
ietzige regierung von Groß-Brittannien, ſtam-
met aus keinem andern fundament. Das
ietzige freye regiment von Schweden iſt aus der
Heßiſchen mariage entſprungen. - Simile. Ein groſſer monarch regieret die untertha-
nen durch die klugheit und faͤhigkeit der mini-
ſter und GOtt veraͤndert die gantze welt, durch
die direetion hoher pot ntaten, als ſeiner un-
mittelbaren befelshaber.- Hypotheſis.Wir finden gleichfals an dieſer
Durchl verbindung, daß ſie ein unmittel-
barer zeuge des gnaͤdigen himmels ſey, und
freuen uns uͤber die darunter verſteckte al-
lergnaͤdigſte providentz Gottes.
- Hypotheſis.Wir finden gleichfals an dieſer
- Actiologia. Nicht nur eine vollkommene Prinzeßin
wird dadurch dem gantzen lande zugewendet,
ſondern auch ſo ein fuͤrtreflich hauß von Au-
vergne verbindet ſein gluͤck und intereſſe mit dem
ruhigen Sultzbach. - Locus Comm. Die unterthanen ſehen ihr gluͤck durch
die gluͤckſeligkeit ihrer beherrſcher.
Simile. Die vollkommenheit derer Potentaten
iſt ein ſpiegel des gluͤcks derer unterthanen.- Hypotheſ. II. Sive Propoſitio.Alſo unterfangen
wir uns im nahmen der geſamten Sultzba-
chiſchen lande zu dieſer hochfuͤrſtlichen ver-
maͤhlung zu gratuliren.
- Hypotheſ. II. Sive Propoſitio.Alſo unterfangen
Talanders curioͤſes Hand- Buch und getreu-
en Hofmeiſter, Menantes neueſte art boͤflich
zu reden und zu leben, Herrn Langens E. z-
O.II. p. 6. ſqq.Weiſens ſachen ꝛc. Man
ſteh ſonſt leicht aus der beſchreibung der com-
plimente, wie ich ſie gegeben, was man dabey
fuͤr fehler zu vermeiden.
ten zu converſiren gelegenheit gehabt, aber
noch mehr denen welche die grundregeln der
beredſamkeit nicht inne haben. Man darf nur
dencken, was man reden und wie man es fuͤr-
bringen wolle, und bey dieſen beyden iſt keine
regel der beredſamkeit aus den augen zu
ſetzen, nur iſt es nicht noͤthig, daß man affe-
ctire oder ſeine kuͤnſte mercken laſſe.
ruͤhmt die geneigtheit des andern, ſeinen be-
fehl, ſeine gnade, und bezieht ſich darauf, be-
zeuget ſeine freude uͤber des andern wohlſeyn,
wohlgewogenheit, wiederholt des andern brief,
ruͤhmt ihn, oder wenn wir was auſſerordent-
liches ſchreiben, machen wir einen kurtzen ent-
wurf in generalioribus zum anfange, zweiffeln,
ob wir ihm haͤtten ſchreiben ſollen, bitten ihn
wohl den brief nicht zu leſen, wann er dieß
oder ienes nicht vertragen koͤnne, vermuthen
allerhand affecten bey ihm, erklaͤren unſere af-
fecten bey verfertigung des briefes, unſere
ſchuldigkeit, ſetzen eine maxime, die anfangs
etwas dunckel, aber durch den brief erklaͤret
wird, ꝛc.
ihn aller danckbarkeit, liebe, veneration, ſchaͤtzt
ſich gluͤcklich ſein diener zu ſeyn, bezeuget ſeine
begierde nach antwort, ruͤhmt ſeine merite, ge-
wogenheit ꝛc. Bittet ihn zu glauben, daß
man ihm ergeben, um die erlaubniß ſich als
ſeinen diener aufzufuͤhren. ꝛc. Aus der ſor-
mula initiali muß der brief ſelbſt und aus dem
brief die formula finalis zu flieſſen ſcheinen. Ex-
empel hierzu zu geben iſt nicht noͤthig, es ſind ein
paar obenP. II. cap. 2. §. 11. angefuͤhrt.
cedens und conſequens, durch theſin und hy-
potheſin, durch einen ſyllogiſmum, durch die
theile einer ordentlichen oration. Jm uͤbrigen
mag man aus denen complimenten, und was
ich davon vorhin angefuͤhret, hier wieder die
application auf die materialien der briefe und
andere umſtaͤnde derſelben machen.
haltenen diſputation de neceſſaria ſtudii Philoſo-
phici \& Oratorii coniunctione wurde folgende
dedication an Jhro durchl. dem Hertzog von
Sachſen-Eiſenach gerichtet, welche ſtatt ei-
nes exempels anzuſehen:
Serenisſ
[429]von politiſchen reden
‘Serenisſimo Celſisſimoque
Principi ae Domino
Domino
IOHANNi
WILHELMO
Saxoniae Iuliae Cliviae
Montium Angariae
Weſtphaliae
Duci
Thvringiae Landgravio
Misniae Marchioni
Hennebergiae Principali Dignitate
Marcae Ravensbergae
Comiti
In Ravenstein
Sayn Wittgenstain
Dynastae
Et reliqua
Patriae Patri Optim [...]
Pie Sapienti
Iuste Clementi
Pacifice Prudenti
Muſarum Nutritori
Eminenti
Suarum
Raro Inter Principes Exemplo
Amori
Principi Domino Suo
Clementisſimo
Levem huncce meditationis ſua [...]
Foetum
Humillimo ſubiecti animi
Cultu
Offert
Praeſes.
S[e]renisſime Clementisſime
Princeps’ ()
Magno
[430]von allerhand ſchul-
bis lumen Ariſtoteles, libros Rhetoricorum con-
ſecrate, non crubuit. Tibi Serenisſime Prin-
ceps, Alexandro, ſi dicamus quod res eſt, nec vere
magna ſimulacris poſtponamus, longe maiori, in Ari-
ſtotelis \& philoſophorum ſubſelliis latitans \& haerens,
quod artem Rhetoricam concernit opuſculum, ad pe-
des Tuos ſubmiſisſime deuolutus, offert. Quod, qui mi-
rabuntur, neſcient forſan, quanto impetu feratur ani-
mus, ſtudiis quantus quantus ſacratus atque immerſus, ut
ipſi, ſe ſuaque devoveat, a quo animam ſtudiorum, pacem
\& tranquillitatem, in ſe deriuandam exiſt mat. Ini-
quisſimum iudicaui, inter tot, qui Tibi Serenisſime
Princeps, vitam, vitae tranquillitatem, tranquillitatis
cauſſam, incrementa ſtudiorum, debent, inter tot vir-
tutum Tuarum Celſisſimarum admiratores, inter tot,
quos, dum vel unius amorem pluris habes, quam timorem
millium, in ſtuporem Tanti Principis rapis, me ſolum
ſilere, me quidem, qui \& otium huic diſſertationi con-
ſcribendae, prudentisſimo Tuo regimini tribuo. Acci-
pe, eapropter, Serenisſime Princeps, clementisſime,
quod offero, immo me totum. Sic leve \& rude opu-
fculum, eruditum videbitur, infelix auctor felix habe-
bitur, \& omne quod impoſterum mens litteris ſacrata
molietur opus, Tuo ſub imperio halcyoniis gauiſa,
Tibi Serenisſime Princeps acceptum referet. Faxit
Sum̃us rerum humanarum arbiter, ut tamdiu nobis ſuper-
ſtes vigeas, Tuae Serenisſimae Domus incrementa videas,
natales proſperitatum Celſisſimarum perpetuo celebres,
donec gratiarum ex aſſe fuerint defuncti debito, ſub-
diti, bonarum artium cultores, \& in his, tenuioris
huius conaminis’ ()
Tibi
Serenisſime Clementisſime
Princeps
Subiectisſimus
humillimus
auctor.
Alſo kommt es dabey auf eine gelehrte diſpoſi-
tion und ausarbeitung an, ich will zur diſpoſi-
tion in folgenden exempel anleitung geben:
- Diſpoſitio diſſertationis (ſecundum diſſertat. Dn. D.
Pfaffii de praeiudiciis Theologic.) de praeiudiciis
circa Jus naturae. - Propoſ. 1. Exordii loco: argumenti difficultas.
- 2. Definitio praeiudiciorum.
- 3. Definitio Juris naturae.
- 4. Concludendi principia.
- 5. Origines praeiudiciorum.
- 6. Philoſophiae ignorantia.
- 7. Eiusdem cum Theologia confuſio.
- 8. Affectuum dominium.
- 9. Hiſtoriae litterariae ignorantia.
- 10. Praeiudicia ipſa varii generis \& praecipue
- 11. Theologorum ex confuſione Script. Sacr.
- 12. Ictorum ex conf. Juris ciuilis.
- 13. Philoſophorum ex ſectis variis.
- 14. Effectus. horum.
- 15. Remedia falſa: ſcepticiſmus.
- 16. Satyricum ſcribendi genus.
- 17. Perſecutio.
- 18. Praeiudicia opponere praeiudiciis.
- 19. Vera media: Sincera meditatio Logica.
- 20. Meditationum iuſta expresſio.
- 21. Hiſtoriae literariae cognitio.
- 22. Meditationum iuſta applicatio.
- 23. Concluſionis loco.
- Wenn zu dieſen ſaͤtzen allerhand argumenta,
digreßiones, und allegata kommen, ſo wird
ein groſſes werck daraus, und man hat ordent-
lich verfahren.
diſputandi den grund, als Dannhaueri
Hantſchii ideae boni diſputatoris, und
die oben angefuͤhrten Philoſophien. Jch weiß
aber nicht wie es bißweilen kommt, daß die
nebſt
[432]von allerhand ſchul-
beſten theoretici die ſchlimſten practici ſind, und
daß die Flagella diſputantium oͤfters die
ſchlechteſten leute. Sie ſetzen ihnen keinen an-
dern endzweck fuͤr, als den andern zu proſtitu-
iren, und zu uͤberwinden, und daß ſie dieſes er-
halten, ſetzen ſie ſich mit einer hoͤniſchen mine
hin, und gehen des andern arbeit ungebeten,
von anfang zu ende durch, ſagen davon mit
vielen ingenieuſen und laͤcherlichen einfaͤllen,
was ihnen gut deucht, ohne ein tuͤchtiges ar-
gument zu formiren. Hingegen meint der an-
dere, er muͤſſe wieder alle fuͤrſtellung recht be-
halten, und freuet ſich wann er ſeinen gegner
mit einer artigen tour abgekapt, und das letzte
wort haben kan Beyde dencken an hoͤflichkeit
am wenigſten, aber wie wuͤrden doch die audi-
tores lachen koͤnnen, und fleißig zu ih[n]en kom-
men, wenn ſie einander gar zu vernuͤnftig be-
gegnen wolten? Man moͤchte auf viele diſpu-
tationes folgendes appliciren: Lettres Galantes
\& Hiſtoriques Tom. VI. p. 109.
‘I’ ai vu deux partis diſputer,
De ia verite, ſans l’ entendre:
Le public ſans y rien comprendre,
Pour l’un ou l’ autre ſ’ enteter,
Et de leur diſpute autentique,
Qui ſ’ entend moins, plus on l’ explique
I’ ai vu qu’ apres vn long debat,
Apres replique ſur replique,
La haine des partis etoit le reſultat.’ ()
zumahl eine ſchrift iſt, welche den guten ge-
ſchmack in der Oratorie nicht wenig befoͤrdern
kan:
Der
[433]und politiſchen reden.
Der
in Leipzig
ſtudirenden iugend
eroͤfnet ſeine
Collegia die von Trinitatis 1708.
ſollen gehalten werden,
D.Gottfried Lange,
Maj. Princip. Colleg.
Collegiatus.
JCh habe es vor noͤthig gehalten auf einem beſon-
dern blate meine collegia zu melden, welche mit
Gottes huͤlfe dieſen ſommer uͤber ſollen gehalten wer-
den. Denn, weil wenig univerſitaͤten in Teutſchland
ſeyn werden, welche an menge der leſenden Leipzig
gleich kommen ſolten, ſo koͤnte es gar leicht geſche-
hen, daß auch dieſes mahl unter dem hauffen, ſo vieler
andern meine nachricht von collegiis verlohren gien-
ge, oder die leſenden mit ſolcher aufmerckſamkeit ſich an
die uͤbrigen und vielleicht beſſern zettul attachirten,
daß meine ſchrift, die eine zeitlang allhier unbekannt
worden iſt, von den wenigſten geſehen wuͤrde.
Mein abſehen aber iſt vornehmlich denienigen zu
dienen, welche collegia Oratoria von mir verlanget ha-
ben, wofern wir nur allerſeits einander recht verſtehen,
und uns unter der Oratorie nichts anders einbilden,
als was ſie eigentlich ſeyn, und von rechtswegen heiſ-
ſen ſoll. Denn, gewiß, wer ſich in die verbluͤmten
redens-arten verliebet, und in den gedancken ſtehet, er
habe was gutes verrichtet, wenn niemand ohne ſeine
ſteingen und creutze verſtehet, was in der obſcuren
ſchrift verborgen iſt, wer ferner in exclamationibus
und interrogationibus den anfang und das ende der
Oratoriſchen kuͤnſte zu finden vermeinet, oder ſich
damit am beſten zu helfen gedencket, wenn er das
Franzoͤiſche Lexicon fein oft gebrauchen, und ſeine re-
den den kleidern aͤhnlich machen kan, die aus vielen un-
E eter-
[434]von allerhand ſchul-
terſchiedenen zeugen zuſammen geſetzet ſind, der duͤrf-
te bey mir gar ſchlecht getroͤſtet werden.
Die zeiten ſind vorbey, da man der zukuͤnftigen
vergeſſenheit zu gefallen fleißig war, und ſich uͤber
einer ſache den kopf verderbte, welche nirgends an-
ders als auf ſchulen bewundert wurde. Heut zu
tage, da unter ſo vielen wiſſenſchaften nicht allein die
uͤberfluͤßigen von den noͤthigen muͤſſen unterſchieden,
ſondern auch dieſe letztern nach der rechten art erlernet
werden, iſt alles in einem gantz andern ſtand gera-
then, und ich doͤrfte bald ſagen, der gantze plunder,
aus welchem ſonſt die Oratorie beſtehen ſolte, wird
itzund nur als eine zugabe bey derſelben angehenckt,
und auch dieſe zugabe iſt nichts anders als confect,
welchen man ſehr maͤßig gebrauchen muß, wenn ſei-
ne delicateſſe nicht zum eckel anlaß geben ſoll.
Wer meine einleitung zur Oratorie geleſen, wird
wohl wiſſen, wie ich denen, die mich hoͤren und leſen
wollen, zweyerley gerne beybringen moͤchte, nemlich
ordnung und zierlichkeit Wenn eines von beyden
fehlen ſolte, wiewohl keines fehlen muß, ſo koͤnte nach
meinem urtheile das letzte am ehſten wegbleiben. Die-
ſes aber wird von denen, die ſich in die figuren verwi-
ckeln, umgekehret: Und alſo darf man ſich nicht wun-
dern, warum etliche, die doch ſonſt alles wiſſen wollen/
nicht allein ſelbſt bey verſaͤumung dieſes hoͤchſt-noͤthi-
gen ſtudii in einer gantz loͤdlichen unwiſſenheit zu ſte-
cken vermeinen, ſondern auch andern die federn aus
den haͤnden reiſſen, wenn ſie dieſelben zu einer klugen
und geſchickten art gewoͤhnen wollen.
Wiewohl, es iſt gar leicht zu errathen, was ihnen zu
einem ſo ſchaͤdlichen unternehmen anlaß giebet. Pfle-
get man von den Poeten zu ſagen, daß ſie nicht gemacht,
ſondern gebohren werden, ſo laͤſt ſich ſolches gewiſſer
maſſen auch auf die redner deuten. Wer ſich dabey
zwingen will, der ſiehet nicht viel anders aus als
ein unhoͤflicher, wenn er freundlich zu thun genoͤ-
thiget wird, oder, wie ein frauenzimm er, welchesden
Bas
[435]und politiſchen reden.
Bas ſingen, und ohne cadanz die inſtrumente ſpielen
will. Wo nun eine ſo ungluͤckliche natur vollends mit
einer uͤblen und ungegruͤndeten anweiſung verwirret
wird, ſo ſoll dieſes hernach das beſte mittel ſeyn, wann
man das gantze werck auf einmahl verachtet, und die
allzuſchweren regeln vor unnuͤtzlich und uͤberfluͤßig
ausgiebet.
Wer mit dieſer entſchuldigung nicht fortkommen
kan, nimmt eine andere zu huͤlfe, und meinet, das
naturel muͤſſe alles thun, mit ſtudiren und kuͤnſteln ſey
hier wenig auszurichten, zumahl da man heut zu tage
faſt an allen groſſen hoͤfen die leute am liebſten reden
hoͤret, die nach der natuͤrlichen ordnung ohne allen
zierrath ihre propoſitiones zu machen wiſſen. Doch
ich habe in einem andern programmate auf dieſen
einwurf ſehr weitlaͤuftig geantwortet, und mag mich
dergeſtalt nicht ſelbſt allhier ausſchreiben Wem
GOtt die gnade giebet, daß er ein wenig tief in die
welt ſehen, und von der gelegenheit urtheilen kan,
durch welche ſich die meiſten ſo hoch geſchwungen ha-
ben, der wird bald mercken, daß ihnen die unver-
gleichlichen reden nicht aus dem ermel gefallen ſind.
Wer bey der erlangten vollkommenheit nicht mehr
ſtudiret, muß ſolches doch thun, ehe er vollkom̃en wird,
faſt eben auf den ſchlag, wie ein geſchickter ſchrei-
ber ſich des lineals nicht mehr bedienet, ob er gleich
ſeine zeilen ſchwerlich ſo gleiche machen wuͤrde, wo
ihm daſſelbe gleich vom anfange ſeines fleiſſes haͤtte
mangeln ſollen. Reden wir nicht alle weitlaͤuftig,
ſo muͤſſen wir doch weitlaͤuftig ſchreiben, und mit der-
gleichen ſaͤtzen, wie man ſie zu nennen pfleget, wird
meiſtentheils der erſte grund zu unſerm gluͤcke geſetzet,
welche dergeſtalt wohl verdienen, daß man ein wenig
zeit auf dieſelben wendet. Zumahl, da der geſchrie-
bene buchſtabe nicht bloß zum beweiſe deſſen, was
aufs papier gebracht iſt, dienet, ſondern auch die
geſchicklichkeit und ſchwaͤche eines menſchen eben ſo
E e 2wohl
[436]von allerhand ſchul-
wohl als ſein diſcurs verrathen kan. Jm uͤbrigen
iſt dieſes dabey die groͤſte kunſt, daß man keine
kunſt mercken laͤſſet: Gleichwie dieſes die kluͤgſten
ſchmeicheleyen ſind, welche gleichſam unter der ma-
ſque eines ernſthaften und aufrichtigen geſichtes an-
gebracht werden.
Hierbey aber kan ich ſelbſt nicht leugnen, wie un-
ſere Oratorie dadurch gar ſchwer gemacht wird, weil
man von allen dingen, welche dazu noͤthig ſind, ohn-
moͤglich regeln geben kan. Denn wer will die Ca-
ſus erzehlen, welche unzehlich ſind, und wenn ſolches
auch geſchehen koͤnnte, was wuͤrde uns die ausar-
beitung anderer leute helfen, da man immer was
neues erfinden, und den beyfall der zuhoͤrer und le-
ſer dadurch am meiſten verdienen muß, wenn etwas
geredet oder geſchrieben wird, das ſie zuvor weder ge-
hoͤret noch geſehen haben?
Weil ferner zum reden und ſchreiben, wie oben all-
bereit geſaget worden, vornehmlich ordnung erfor-
dert wird, die ordnung aber viel ſachen praͤſuppo-
niret, welche ſie rangiren kan, ſo folget vors erſte,
daß die Oratorie kein werck vor kinder, ſondern vor
erwachſene und ſolche leute ſey, die nicht allein ihr
judicium wohl zugebrauchen, ſondern auch aus den
diſciplinen, vornehmlich aus der Moral und Hiſto-
rie ihre beweißthuͤmer und amplificationes herzu-
nehmen wiſſen: Es folget ferner, daß man ohne
dieſe huͤlfs-mittel zwar die praͤcepta Oratoria aus-
wendig lernen, aber deſſentwegen doch keine gelehr-
te rede verfertigen koͤnne: Und drittens folget auch,
daß die leute, welche noch gar nichts im kopfe ha-
ben, nothwendig ungedultig werden, und davon
lauffen muͤſſen, wenn ſie ſich in ſchreiben und reden
uͤben ſollen.
Darzu koͤmmt noch, daß der ſtilus ſo ſehr unter-
ſchieden, und dergeſtalt mancher, der doch ſonſt gute
wiſſenſchaften hat, dennoch immer zweifelhaftig iſt,
[437]und politiſchen reden.
ob er mit einer hohen, mitteln, oder niedrigen
ſchreib-art am meiſten ausrichten koͤnne. Es hilft
etwas, wenn man hierbey auf die Facultaͤten ſie-
het, und die bewegung der affecten nebſt allem, was
darzu gehoͤret, einem Theologo mehr als einem Ju-
riſten recommendiret, welcher letztere das meiſte lob
verdienet, wenn er ſeine ſachen ſchlecht, deutlich und
ordentlich vorſtellen kan: Es iſt auch nicht ohne, daß
man auf das naturel und die uͤbrigen eigenſchaftẽ der
redner ſelbſten verfallen muß, indem der ſtylus ſen-
tentioſus einem menſchen, der ſeine ausſprache nach
der geſchwinden poſt einzurichten pfleget, uͤbel an-
ſtehen ſolte, andere hingegen, die einen gantzen tact
bey iedweder ſylbe aushalten, den zuhoͤrern ſchreibe-
tafeln in die haͤnde geben muͤſten, wofern ſie bey
dem ende eines langen periodi das mittel und den
anfang nicht vergeſſen ſolten: Es iſt ferner eine aus-
gemachte ſache, daß man in einem panegyrico an-
ders als in einem briefe ſchreiben, und die ſo genann-
ten geſtudirten reden kuͤnſtlicher als kurtze Oratio-
nes einrichten muͤſſe, welche nur complimente bedeu-
ten, und ohne weitlaͤuftiges nachdencken von dem
munde und aus der feder flieſſen ſollen: Gleichwie
endlich niemand wird zu leugnen begehren, daß wir
gar oͤfters nach dem goût ſolcher leute, die uͤber un-
ſer gluͤcke zuͤ diſponiren haben, reden, und manche
ſchlimme redens-art mit einmiſchen muͤſſen, weil
ſie ihnen gefallen hat: Doch bey dieſem allen iſt
mehr zu bedencken, als ſich mancher einbildet, und
die erfahrung bezeuget es mit manchem traurigen
exempel, wie bißweilen ein eintziger terminus, wel-
cher unrecht angebracht, oder dem ſtylo curiaͤ zu-
wider iſt, manchen redner zum ſpotte vieler hochge-
ſchaͤtzten anweſenden dargeſtellet hat.
Was ſoll ich endlich von der Teutſchen ſprache an
ſich ſelbſt ſagen, mit welcher wir heut zu tage un-
ſere kuͤnſte meiſten theils zu marckte fuͤhren muͤſſen?
E e 3Die
[438]von allerhand ſchul-
meiſten geſtehen wohl, daß ſie noͤthig ſey, aber ſehr
wenig geben ſich die muͤhe dieſelbe zu erlernen. Weil
es unſere mutter-ſprache heiſt, ſo wollen wir auch von
den muͤttern alles begreiffen, was uns davon zu
wiſſen noͤthig iſt. Rechtſchaffene leute, welche der
jugend darinnen zu dienen gedencken, muͤſſen ſich
veraͤchtlich tractiren laſſen, und die meiſten alten
ſchul-monarchen finden alle ihre intereſſe dabey, daß
ſie von der Teutſchen Oratorie nicht viel weſens ma-
chen. Denn bey den gewoͤhnlichen Rhetoricken gie-
bet es vielerley auswendig zu lernen, und wer nach
dieſer art ſeine information einzurichten gedencket,
kan gar leicht einen halben Julium Caͤſarem abge-
ben, und zu gleicher zeit vor andere und ſich ſelbſt
arbeiten: Da hingegen bey einer rechten anfuͤhrung
in dieſem ſtudio gar wenig auf das auswendig ler-
nen ankoͤmmt, ſondern bey nahe alles durch immer-
waͤhrendes fragen und elaboriren muß ausgerichtet
werden.
Als im vorigen ſeculo die Frantzoſen unter der
direction des Cardinals Richelieu an efangen hatten
ihre ſprache zu verbeſſern, ſo wolte man wie in an-
dern, alſo auch in dieſem ſtuͤcke den auslaͤndern in
Teutſchland nachgehen, und das werck am allereh-
ſten durch geſellſchaften heben, darinnen ſich alle
glieder einen beſondern nahmen geben und durch
buͤcher-ſchreiben ihre landes-leute nach und nach zu
der liebe ihrer eigenen ſprache gewoͤhnen ſolten. Wie
nun hierbey das abſehen der durchlauchtigſten Stif-
ter gar ſehr zu loben, auch der nutzen vielleicht in
einem und dem andern ſtuͤcke zu erkennen war: So
muſte man hingegen beklagen, daß etliche nicht
zeit, andere, die ſich mit gewalt mit einmiſchen wol-
ten, nicht capacite genug hatten das werck zu heben,
die letztern aber, welche gar zu ſehr affectiren, und
gleichſam einen ſchoͤppenſtuhl vor die Teutſchen woͤr-
ter aufrichten wolten, denſelben mehr ſpott als nu-
tzen
[439]und politiſchen reden.
tzen zuzuziehen vermochten, und dadurch alle gute
intention auf einmahl uͤber den hauffen ſchmiſſen.
Daher geſchahe es auch, daß wir eher gute ver-
ſe, als gute ungebundene reden in unſere ſprache
hatten, und da man von rechtswegen durch die Ora-
torie zur Poêſie haͤtte gelangen ſollen, ſo wieſen im
gegentheile die zwey unvergleichliche maͤnner:
Opitz und Hofmanswaldau den rednern die rechten
wege, indem ſich faſt niemand, der nur ein wenig
feuer hatte, enthalten konte ihre unvergieich[l]iſche
ſchriften zu leſen, und denſelben wo nicht in verſen,
doch zum wenigſten in der zierlichkeit ihrer ausrede
nachzugehen.
Wenn wir nun behaupten wollen, daß nach ver-
flieſſung einer ſo langen zeit alles nach und nach beſ-
ſer und vollkommener bey derſelben worden ſey, ſo
duͤrfen wir uns die einwuͤrfe, ſo in den vorherge-
henden gemacht worden, nicht zur unzeit irre ma-
chen laſſen. Denn die ſachen, von welchen man
keine regeln geben kan, beſtehen in den curialien
und ſind freylich an einem hofe anders als an dem an-
dern. Doch mir deucht, wer nur in ſeinem funda-
mente richtig iſt, der wird ſich hernach durch einige
nachrichten gar leichte in das uͤbrige finden lernen.
Wir koͤñen uns bey der kaufmannſchaft ein gleichniß
vorſtellen. Da werden die gewoͤlber nicht nach ei-
nerley facon angeleget, auch die buͤcher nicht nach
einerley art gefuͤhret, und dennoch kan ſich einer,
der was gruͤndliches davon begriffen hat, gar leicht
in alles ſchicken
Was die noth mit den ſo genannten realien an-
belanget, ohne welche bey dieſem ſtudio nicht wohl
fortzukommen iſt, ſo will ich bey dieſer gelegenheit
gantz offenhertzig meine gedancken davon eroͤfnen.
Es iſt erſtlich ein ſchaͤdliches praͤjudicium, daß wir
die realia nur allein in exemplis und teſtimoniis
ſuchen, und wenn dieſe ſollen angebracht werden,
E e 4zu
[440]von allerhand ſchul-
zu den collectaneis als unſerer eintzigen zuflucht ge-
hen wollen. Denn ohngeachtet ich nicht zu leugnen
begehre, daß man ſich allerdings mit denſelben in
verfertigung einer rede treflich helfen, auch exempel
und zeugniſſe anderer auctorum uͤberaus wohl anwen-
den kan: So giebt es doch auſſer dieſen noch viel rea-
lia von gleichnuͤſſen, contrariis, meditationibus, locis
communibus ꝛc. Welche eben ſo gut, ja gewiſſer
maſſen noch beſſer als die vorhergehenden ſind, weil
ſie bloß von unſerm nachdencken herruͤhren, und
dergeſtalt an ſtatt des weitlaͤuftigen buͤcher-krahms
nur ein faͤhiges und geuͤbtes ingenium erfo-
dern: Vors andre laſſen ſich alle reden und ſchrif-
ten gar fuͤglich in zwey claſſen eintheilen, davon
ich die eine gekuͤnſtelt, die andere ungekuͤnſtelt nen-
nen koͤnte. Zu der erſten wird viel erfordert, aber ſie
iſt auch die allernoͤthigſte nicht. Denn es geſchiehet
gar ſelten, daß man auf der catheder gantze ſtun-
den lang peroriret, und auſſer dieſem giebet es, wenn
ich die eintzigen Parentationes ausnehme, heutiges
tages ſehr wenig caſus, abſonderlich vor politicos
bey welchen die collectanea unentbehrlich waͤren.
Jhre gluͤckwuͤnſche, und condolenzen, ihre huldi-
gungs antrits-landtags und andere reden gehoͤren
in die claſſe, wo nichts gekuͤnſteltes gelitten wird,
und wer ſich mit ſeinen allegatis aus dem Julio Caͤſa-
re, Curtio, und andern dergleichen buͤchern gar zu
breit dabey machen, auch zur unzeit philoſophiren
wolte, duͤrffte den verhoften beyfall derer, die ihn
hoͤren, wohl ſchwerlich erhalten.
So iſt endlich wegen des ſtyli dieſes wohl der ſi-
cherſte rath, daß man ſo ſchreiben lernet, wie es der
nutzen und die hergebrachte gewohnheit bey den can-
tzeln und cantzeleyen haben will. Weil nun dieſe
insgeſamt mit den hochtrabenden figurirten redens-
arten ordentlicher weiſe nicht viel zu ſchaffen haben,
ſo ſiehet auch ein iedweder gar leichte, worauf ſein
fleiß
[441]und politiſchen reden
fleiß in dieſem ſtuͤcke am allermeiſten muͤſſe gerichtet
werden
Unterdeſſen, wie ich dieſes ihrer vielen zum troſte
will geſchrieben haben, welche ſich das ſtudium Ora-
torium gar zu ſchwer einbilden, und bey ihrem maſ-
ſigen vorrathe der erudition bey nahe zweifeln wol-
len, ob ſie auch mit einigen nutzen ein collegium da-
ruͤber hoͤren koͤnten: So duͤrfen hingegen andere
nicht meinen, als ob in meinen lectionibus nur das
leichteſte ſolle beruͤhret, das andere hingegen auſſen
gelaſſen werden. Sondern wie meine einleitung auf
alles gerichtet, ein auditorium auch meiſtentheils
mit vielerley leuten angefuͤllet iſt, die zwar einerley
hoͤren, aber ſolches mit der zeit nicht auf einerley
weiſe anzuwenden gedencken, ſo werde ich auch von
anfange bis zum ende alles [durchgehen], die praxin
mit erklaͤrung der regeln beſtaͤndig verbinden, und
durch vielfache neue caſus ſonderlich denen dienen,
die ſich entweder ſelbſt noch weiter uͤben, oder mit
der zeit andre informiren wollen.
Niemand darf ſich dabey ſcheuen in gegenwart
vieler andern ſeine elaborationes abzuleſen, wiewohl
ſolches ohnedem iedweden zu ſeinen eigenen belie-
ben anheim geſtellet wird. Denn, ich weiß mich
gar wohl zu beſinnen, daß diejenigen oͤfters beym
beſchluſſe eines collegii die beſten geweſen ſind, wel-
che man beym anfange deſſelben vor die ſchlimſten
halten muſte. Allenfals aber kan dieſer noth durch
ein collegium privatißimum, dazu ich mich gleichfals
offerire, abgeholfen werden. Wie ſich denn freylich
wohl zu einem collegio welches bloß auf die praxin
gerichtet iſt, kein allzu groſſer und unbekannter Nu-
merns ſchicket.
Mit dieſer arbeit gedencke ich II. gar fuͤglich ein
COLLEGIUM HISTORICUM zu verbinden. Denn
die collectanea heben des werck bey den amplifi-
cationibus alleine nicht, die meiſten titul muͤſſen in
E e 5unſern
[442]von allerhand ſchul-
unſern kopfe ſtehen, und koͤnnen durch nichts beſſer
als die hiſtorie in ordnung gebracht werden. Weil
nun die neuſten exempel ohne zweifel die beſten ſind,
weil man ſich dabey nicht befuͤrchten darf, daß in den
gemeinen troͤſtern das meiſte davon ſchon werde ent-
halten ſeyn, ſo iſt auch mein vorſatz nach einleitung
des Herrn von Pufendorf die letztern zeiten mit al-
len dazu gehoͤrigen genealogien fleißig durchzuge-
hen. Vielleicht wird dieſes, wie ehmahls ſchon
allhier geſchehen, ein collegium perpetuum, daß
diejenigen, ſo es einmahl bezahlt, daſſelbe hernach
mehr als einmahl hoͤren koͤnnen.
Man theilet ſonſt die hiſtorie in antiquam, mediam,
und novam ein; Jch aber halte es vor noͤthig noch
eine ſpeciem zu nennen, welche novisſima heiſſen
muß, und in den zeitungen enthalten iſt. Wie ich
aber durch zeitungen nicht allein die gewoͤhnlichen
blaͤtter, ſo in Leipzig und andern orten zum drucke
befoͤdert werden, ſondern vornehmlich die nachricht
von den wichtigen affairen ſo zu Regenſpurg vor-
gehen, verſtehe: Als wird wohl niemand zu leug-
nen begehren, das dieſelben bey jungen leuten eine
erklaͤrung hoͤchſtvon aoͤthen haben. Denn wer will
mir ohne dieſelbe zum exempel ſagen, worinn die
ſtreitigkeiten zwiſchen den aſſeſſoribus in ber Kaͤy-
ſerlichen Cammer zu Wetzlar beſtehen, worauf ſich
die ſo genannte Erbmaͤnner ſache in Muͤnſter gruͤnde,
was es mit der introduction des Boͤhmiſchen Voti in
das Churfl. collegium vor eine bewandtniß habe,
warum die reichs-armee noch bis dato in keinen
rechten ſtand komme? u. d. g. m. Jch hoffe der-
geſtalt gar ein loͤbliches werck zu verrichten, wenn
ich woͤchentlich zwey ſtunden zu dieſer arbeit ausſe-
tze, und erſtlich denen zu gefallen, die nicht gerne
viel leſen, aber doch etwas wiſſen wollen, die noͤ-
thigſten ſachen, ſo in den Teutſchen und Frantzoͤi-
ſchen nouvellen enthalten ſind, kuͤrtzlich referire, her-
nach
[443]und politiſchen reden
nach aber die memoriale ſo ohnlaͤngſt von mir zum
drucke ſind befoͤdert worden, vor die hand nehme,
und bey denſelben einen diſcurs formire, welcher et-
was tieffer in den ſtaat und das jus publicum gehet.
Es iſt ohne dem zu beklagen, daß viel tauſend
Teutſche, welche doch gelehrt heiſſen wollen, nicht
einmahl wiſſen, wie es im Teutſchen reiche zugehet.
Daher geſchiehet es anch, daß etliche in den geſell-
ſchaften, wo man nicht beſtaͤndig von ihren hand-
wercke redet, mit ziemlicher angſt ſtille ſchweigen,
andre mit noch groͤſſer proſtitution reden und noch
andre welche ſich doch durch dergleichen ſtudia am
meiſten heben, und den weg zur rechten befoͤrde-
rung bahnen ſolten, ihr unvermoͤgen meiſtentheils
zu einer zeit erkennen und beklagen, da ihnen weiter
nicht kan geholfen werden. Da nun ohne dem mein
vorſatz iſt III. durch ein Collegium GRATUITUM
den anfang in meinem leſen dieſes mahl zu machen,
ſo wil ich den zuſtand des H. Roͤmiſchen reiches Teut-
ſcher nation in ſeinen geſchichten, gewohnheiten und
rechten, denen, die mich von 1. biß 2. uhr nachmit-
tags hoͤren wollen, gruͤndlich und deutlich vorſtellen,
und meine einleitung zum grunde legen, weil ſie der
herr verleger, ob gleich die erſten zwey theile aller-
erſt fertig ſind, auf mein erſuchen allbereit zu ver-
kauffen gedencket. Und indem es ein collegium iſt,
welches alle ſtudioſt von allen facultaͤten beſuchen
und zu ihren nutzen anwenden koͤnnen, ſo hoffe ich
wenig leere baͤncke zu behalten, obgleich dieſe ſtunde
ſonſt ordentlicher weiſe mehr der ruhe als der arbeit
beſtimmet iſt, und wil kuͤnftigen monrag g. g. als
den 4. Jun. anfangen, auch bald darauf von den uͤbri-
gen collegiis dazu IV. das MORALE uͤber Buddei ele-
menta philoſophiæ moralis gehoͤret, die ſtunden mel-
den.
GOtt laſſe dieſes vorhaben auf allen ſeiten geſe
gnet ſeyn, und gebe, daß Leipzig, den ruhm, ſo [eſ]
ins
[444]von allerhand ſchul-
in andern ſtuͤcken bey den entlegenſten nationen ver-
dienet, auch vornehmlich wegen ſeiner univerſitaͤt zu
allen zeiten behalte.
Gegeben den 30. Maͤy 1708.
die buͤcherſchreiberey, mit der Leipziger-meſſe voͤl-
lig vergliche, man koͤnte bey den kleinen ſilber-
buden, bey den groſſen drechsler-buden, bey den
herumgehenden brill- und ſcheerenſchleiffern, bey
den marcktſchreyern, ſeiltaͤntzern, poppen-ſpie-
lern, comoͤdianten, bey denen ſo die meſſe beſu-
chen, artige tertia comparationis finden.
3. §. 11. Jch habe von einem guten freunde fol-
gende communiciret bekommen, auf eine boͤſe
ſieben:
mit ſinnbildern ausgeputzet wird, gute medita-
tiones ſchicken ſich hier beſſer, z e. dienet fol-
gender welchen ich 1717. aufgeſetzet:
ckungen nicht darauf angeſehen, daß man bibliſ.
ſpruͤche u. den Catechiſmum zum grunde legen,
und ohne unterſcheid die wahrheit ſagen muͤſſen.
groͤſſert, bald verſetzt werden, nach beſchaffen-
heit des obiecti, und ſolches recht zu erkennen,
iſt die hiſtorie des verſtorbenen hoͤchſt-noͤthig.
P. I. cap. 1. Einige machen ſich eine ſchwierig-
keit daraus, bey gar ſeltenen faͤllen, etwas ge-
ſchicktes zu einer parentation zu erfinden, z. e.
bey einem, der vor dem feind geblieben, im duell
erſtochen, in der raſerey ſich zum fenſter heraus
geſtuͤrtzt, auf der cantzel todt blieben, im waſſer
erſoffen, im feuer verbrennet, vom donner er-
ſchlagen ꝛc. allein dazu kan man nach oben ge-
gebenen regeln am leichteſten gelangen. Hin-
gegen bey denen faͤllen, da gantz nichts ſeltza-
mes fuͤrkommt, welche in denen allgemeinen
ideen ſtehen bleiben, da waͤre es, deucht mir,
ſchwerer etwas beſonderes zu finden. Die me-
ditation, damit man anfaͤngt, muß durch die
gantze parentation ihre kraft erſtrecken, und
ſonderlich der ſchluß mit derſelben artig ver-
bunden werden, auch ſonſt artig verfaſſet ſeyn.
Jch habe P. III. cap. 1. ſchon zur diſpoſition re-
F f 5geln
[458]von allerhand ſchul-
geln gegeben, die auch bey parentationibus zu
gebrauchen. Sonſt iſt man an die angefuͤhrte
ordnung zu diſponiren, hier eben nicht ſo ſehr
gebunden, und wenn man einige faͤhigkeit und
aufgeweckten geiſt beſitzet, doch aber die regeln
der beredſamkeit wohl inne hat, kan man auch
wohl von danckſagen anfangen. Die ſchoͤnſte
anweiſung zu dieſer art reden, iſt in Juſti
Chriſtophori Boͤhmeri,Polit. \& Eloqu. Prof.
(iam Abbatis Loccumenſis) commentatione Acade-
mica, de orationibus, parentalibus, anzutref-
fen, ſo zu Helmſtaͤdt 1715. 4. heraus kommen,
welcher auch 12 diſpoſitiones auf allerhand
faͤlle beygefuͤget. Es ſind bey dieſen reden vie-
le bekannt worden die theils groſſe ehre, theils
nichts damit erworben, ich habe auch deren
ſchon viel angefuͤhret, und werde noch einige
unten §. 12. nennen. Selbſt habe ich 1723.
dem ſeel. Hrn. M. Jmmanuel Muͤllern, im groſ-
ſen montaͤglichen Prediger-Collegio, als ein
mitglied deſſelben, in gegenwart Hrn. Lic. Je-
nichen und anderer und derer ſaͤmtlichen glie-
der beſagten Collegii folgender geſtalt paren-
tiret:
in einen band gezogen und mit einem regiſter
der reden verſehen.
rum Europae corumdemque miniſtrorum ac le-
gatorum. Lipſiae 1713. 8.
bekannt.
hen.
fuͤr ſich iunge leute zu huͤten, z. e. die affectation
einer gelehrſamkeit, auctoritaͤt, neuerung, be-
gierde zu reformiren, und dergleichen, welche al-
le aus dem mangel der Logick, Moral, und Ora-
torie herruͤhren, als: was iſt es noͤthig Lutheri
verſton zu toxiren, Hebraͤiſch und Griechiſch mit
einzumiſchen, wann es iunge leute thun, und
klingt doch wohl manchmahl, als wie iener, der
da ſagte: Des menſchen ſohn oder eigentlicher
nach den grund-text zu reden: der ſohn des
menſchen: Wie reimt ſich das fuͤr iunge leute,
wenn ſie denen bauren die laͤngſt vermoderten
ketzereyen erzehlen, und weitlaͤuftig wiederlegen,
wenn ſie mit vieler impertinentz ſich eines ſtraf-
amts anmaſſen, oder von denen exempeln alter
und geuͤbter Theologen und prediger abgehen,
und es ihnen auch auf ungeſchickte art nachma-
chen wollen, wann ſie ſpruch auf ſpruch haͤuffen,
ohne application, oder wohl gar ſo ſchlecht in
der Moral bewandert, daß ſie gantz gezwungene
und
[495]oder geiſtlichen reden.
und mitleidens-wuͤrdige reflexiones machen, ꝛc.
doch ich will auch nicht denen ſpoͤttern des pre-
digt-amts, materie zu ihren albernen urtheilen
an die hand geben.
rer, die oͤffters am wenigſten verſtand haben,
unterfangen, den prediger entweder nach ihren
fleiſchlichen begriffen, oder myſtiſchen grillen zu
formiren. Sechs ſtuͤcke, ſpricht Lutherus in ſei-
nen tiſchreden C. XXII.gehoͤren zu einem pre-
diger, wie ihn die welt haben will: 1.) daß er
gelehrt ſey, (i. e. nach dem begrif der unverſtaͤn-
digen welt daß er nicht etwan eine ſolide gelehr-
ſamkeit habe, ſondern allotria, Critic, hiſtoriam
litterariam, antiquitaͤten allein, Geographie,
Chiromantie ꝛc. wiſſe) 2.) feine feine ausſprach
habe 3.) daß er beredt ſey (i. e. ein waͤſcher,
plauderer) 4.) daß er eine ſchoͤne perſon ſey, die
die maͤgdlein und frauen lieb haben koͤnnen,
5.) daß er kein geld nehme, ſondern geld zu
gebe, 6.) daß er rede was man gerne hoͤret.
Dippel ſagt: ein prediger muͤſſe ſeyn verwan[-]
delt in das goͤttliche nichts: Und einer von ſel-
nen b ruͤdern meint: ein prediger muͤſſe alle
menſchheit ausgezogen haben, in geſellſchaft
nicht lachen, auſſehen als wenn er ſchon halb
vergoͤttert waͤre,. Und was fallen ſonſt nicht
vor ungereimte urtheile, von denen armen praͤ-
dicanten? Gewiß man moͤchte immer derglei-
chen delicaten wehlern, einen prediger, wie ſie
ihn haben wolten, aufs papier mahlen laſſen,
daß ſie ihn geſund gebrauchen und immer bey
ſich haben koͤnten. Jnzwiſchen bleibt es ſicher-
lich richtig: ein prediger muß nicht nur ein
geiſtlicher redner, ſondern auch ein redner ſeyn.
elenchticus, paedeuticus, epanorthoticus, conſola-
torius. Dabey aber kluͤglich zu verfahren.
und da hat man entweder naturalia themata
oder artificialia, damit man meine gedancken
deſto beſſer erwege, will ich ſie mit folgenden
exempeln erlaͤutern:
zu thun, welche meines unteri ichts verhoffent-
lich nicht beduͤrfen.
die beicht-kinder, welche zwar mit einer kurtzen
K k 5for-
[522]von Theologiſchen
formul, als: GOtt ſey mir armen ſuͤnder
gnaͤdig, fertig werden koͤnnen, aber denen es
doch nicht verboten, auch in etwas laͤnger zu
reden. Z. e. Wann einer am ſonntag Laͤtare
zur beichte gienge, wuͤſte ich nicht, ob man
ihm verargen koͤnte, wann er ſich alſo beich-
tend hoͤren lieſſe:
kommen: Chriſtliche erinnerung von eyd-
ſchweren, darinnen gezeiget wird, was der
eyd auf ſich babe, ꝛc. von Caſpar Meliſan-
droD. P. Super.zu Altenburg. Franckfurth
und Leipzig. 1722. 12. Dem beygefuͤget 1.)
D.Joh. Friedrich Maͤyers hertz-bewegliche
warnung fuͤr einem falſchen eyd, als ein for-
mular denen ungeuͤbten prieftern aus dem
Greifswaldiſchen academiſchen Conſiſtorio
im druck communiciret, welche eine gar pa-
thetiſche admonition in ſich faſſet. 2.) M.Joh.
Chriſtian Loͤſers in Roc[h]litz warnung fuͤr
den meineyd ꝛc. Daraus man ſich raths er-
holen mag, wenn es etwa einem fehlen ſollte.
Oratorie nichts nuͤtze, der verſuche es nur mit
ſolchen verbitterten und verwirrten leuten zum
theil als delinquenten. Mir deucht, daß man
gewiß alle argumenta zu huͤlfe nehmen muͤſſe
ihnen das hertz weich zu machen. Bey eini-
gen thun ſanftmuͤthige gelinde liebreiche wor-
te das beſte, bey andern will mehr ſchaͤrfe ge-
brauchet ſeyn, wo man da keine erkaͤntniß der
menſch-
[524]von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage
menſchlichen gemuͤther und vernuͤnftige bered-
ſamkeit beſitzet, wird man wenig gutes aus-
richten.
viel moͤglich, weg, man kuͤnſtelt nicht eben an
den
[525]dem ſchreiben und ausreden.
den buchſtaben, man erſpahret, ſo viel ſich thun
laͤſt, die groſſen buchſtaben. Jn gewiſſen faͤl-
len, wo man nemlich zu ſeiner eigenen nachricht
ſchreibt, iſt die ταχυγραφία eine beſondere ange-
nehme kunſt, durch abbreviaturen, ziffern, weg-
laſſung der vocalium, der artickel, und praͤpo-
ſitionen, ꝛc. zu ſchreiben, wie man den von
Crucigern ruͤhmt, daß er ſo geſchwinde ſchrei-
ben, als andere reden koͤnnen, ſ. Reimmann
III. 85. Hiſtlitt.MorhofsPolyhiſt. l. IIII.
II. 3. Jn der buchdruckerey, welche gewiß
vieler verbeſſerung und beyhuͤlffe brauchte, hat
Becher eine erfindung gehabt, ſo geſchwinde
zu ſetzen, als andere ſchreiben koͤnnen, ſ. Reim-
mannl. c. 218.
ſchlechte hand ſchreiben, und ſich wohl gar mit
dem axiomate entſchuldigen: Docti male pin-
gunt. Dem man leicht ein anderes entgegen
ſetzen kan: Si non vis intelligi, non debes legi.
Wann man auch fuͤr andere leute ſchreibet, iſt
die ταχυγραφία nicht viel nuͤtze. Zur verſtaͤnd-
lichkeit hilft ſonſt der unterſcheid der buchſta-
ben in anſehung ihrer groͤſſe und verſchiedenen
characteren, am allermeiſten aber die interpun-
ction, davon obenP. II.cap. 1. und 2. geſagt.
man gewiſſe ſpatia laſſe, nicht zur unzeit abbre-
viire, und andere dergleichen dinge, die man
beſſer aus der erfahrung lernet.
phia, ſtehe Morhofl. c. 4. Reimmann1. c. 259.
Es gehoͤret ad Philoſophiam ſecretiorem, ſonſt
wolte ich davon mehr worte machen.
darinn die Engellaͤnder zuweilen groſſe meiſter,
ſiehe angefuͤhrte auctores.
giſchen wiſſ.p. 9. erzehlet, ſiehe auch Stollen
I. II.
[527]dem ſchreiben und ausreden.
I. II. 27. Morhofl. c. cap. VIIII. 1. Sonder-
lich iſt Hrn. Hederichs werck hier gar fein zu
gebrauchen, und will ich lieber den leſer dahin
verweiſen, als ohne noth, weitlaͤuftig davon
handeln, was bey der Lateiniſchen Orthogra-
phie zu bemercken.
vermuthe, und meine Orthographie vielleicht
eini-
[528]von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage
einigen anſtoͤßig ſcheinen moͤchte, ſo will dieſen
§. etwas erlaͤutern. Die auctores, welche von
der Teutſchen Orthographie regeln gegeben,
ſind: M.Joh. Claius, von Hertzberg, mit ſei-
ner Grammatica linguae Germanicae, Lipſ. 1578.
8. Eisleben, 1604. 8. Jena, 1651. 12. Franckf.
1689. 12. Ein anonymus, der 1630. eine
Teutſche ſprach-kunſt heraus gegeben in 12.
Georg Philipp Harsdoͤrferin ſpecimine Phi-
lologiae Germanicae, 1646. 12. Teutſchen Se-
cretario, der 1654. 8. edirt, und nicht nur von
der rechtſchreibung im ſiebenden theile ſehr wohl
raiſonniret, ſondern auch in den uͤbrigen 9. thei-
len feine briefe, ſo wohl was die materialia, als
formalia betrift, beybringet, und endlich mit
einem myſterio ſteganographico decifratorio be-
ſchlieſſet, welches letztere gewiß artig iſt, und
andere ſchriften, Joh. Rud. Sadeler in der Teut-
ſchen Orthographie und Phraſeologie, Baſel,
1659. 8. Ein anonymus, der 1676. eine recht-
ſchreibung und wortforſchung der Teutſchen
ſprache heraus gegeben: Braunſchw. 8. An-
dreaͤ Tzſchernings unvorgreifliches bedencken
wegen der Teutſchen ſchreib- nnd ſprach-kunſt
Luͤbeck 1658. 12. Eiusdem abriß einer Teut-
ſchen ſchatz-kammer, Luͤbeck 1650 12. Juſt.
George Schottelii Teutſche Grammatick
1641. 8. Braunſchweig, und voͤllig ausgefuͤhrt
nebſt einem Lexico Etymologico und vielen zu-
ſaͤtzen 1663. 4. Joh. BellinsSyntaxis praepoſi-
tionum Teut. Luͤbeck. 1661. Hoch-Teutſche
Rechtſchreibung Eiusdem, Nuͤrnberg 1637.
Sam Butſchky Cantzeley, 1660. Zeitz Sieg-
mund von Bircken Teutſche Red- und Ticht-
kunſt, 1679. 12. Caſpar Stielers oder des
Spaten Teutſcher ſprach-ſchatz und Grammati-
ca, Nuͤrnberg, 1691. 4 Philipp von Zeſen
linguae Teutonicae orthographia,El. Schnee-
gaſſens
[529]dem ſchreiben und ausreden.
gaſſens Teutſche Grammatick. Franckf- 1660. 8.
Chriſtian Gveintzii des ordnenden Teutſche
Rechtſchreibung, 1662. 12. und zuerſt 1645.
Morhofs unterricht von der Teutſchen ſprache
und poeſie, Kiel 1682. 8. Luͤbeck und Franckf.
1700. 8. George Liebens Teutſches Woͤrter-
buͤchlein und Rechtſchreibung, Freyberg 690. 8.
M.Joh. Jacob Langiahrs anleitung zur [T]eut-
ſchen ſprache. Eißleben 1697. Omeis in der
gruͤndlichen Anleitung zur Teutſchen Reim-
und Ticht-kunſt, fuͤhrt p. 299. die Orthographie
an, wie ſich der loͤbliche Pegneſiſche Orden dar-
uͤber verglichen Die fruͤcht-bringende geſell-
ſchaft, die Teutſch-geſinnte genoſſenſchaft und
andere geſellſchaften haben ſich gleichermaſſen
hier ſignaliſtret. Jo Boͤdickers grund-ſaͤtze
der Teutſchen ſprache, Berlin 1690. und 1708.
8. M.Conrad Dunckelbergs noͤthiger Schul-
zeiger zu der Orthographie, 1701. und 1710. 8.
Nordhauſen. Talander in der gruͤndlichen ein-
leitung zu Teutſchen briefen. Hieronymi Frey-
ers anweiſung zur Teutſchen Orthographie
1712. 8. Halle. Eines anonymi kunſt Teutſch
zu ſchreiben, Chemnitz 1711. 8. M.H. anleitung
zur Teutſchen Orthographie. Dreßden 1713. 8.
Juſtin Toͤllners deutlicher unterricht von der
Teutſchen Orthographie. Halle, 1718. 8. Joh.
Leonhard Friſchens entwurf eines Teutſchen
Lexici, und ſeine edition von Jo. Boͤdickers
grundſaͤtzen. 8. 1723. Berlin. Hederichs [P]hi-
lolog. wiſſ.p. 68. ſqq.Eines anonymi Ortho-
graphie. Dreßden 1709 8. conf.StollenI. II.
45. MorhofsPolyh. I. IIII. IIII 7. und andere
Doch uͤbertrift immer einer den andern, und
wann ich Boͤdickern, Morhof, Talandern
und Hederichen habe, kan ich der andern leicht
entrathen.
1) Alle nomina propria mit ihren davon abſtam-
menden woͤrtern, muͤſſen mit groſſen anfangs-
buchſtaben geſchrieben werden, z. e. Leipzig,
Meißniſch. 2.) Desgleichen alle nahmen der
diſciplinen, Facultaͤten, und freyen kuͤnſte, z. e.
Theologie, Muſicaliſch, Hiſtoriſch 3) Ferner
aller anfangs-buchſtabe eines periodi, einer re-
de, eines verſes, eines worts oder vorworts, das
eine nebenidee der ehre hat, welche auszudru-
cken man fuͤr gut und noͤthig haͤlt. 4.) Hinge-
gen ſind uͤberall, ſonſt kleine buchſtaben zuge-
brauchen. Jch weiß wohl daß viele lieber alle
ſubſtantiva mit groſſen anfangs-buchſiaben
ſchreiben, und ſprechen man erhalte dadurch eine
deutlichkeit und beuge vieler ambiguitaͤt fuͤr-
allein warum ſchreibt man denn nicht im Grie-
chiſchen, Lateiniſchen, Frantzoͤſchen, alle ſub-
ſtantiva groß, da doch eben dieſe raiſon ſtatt fin-
den koͤnte? Zudem habe ich ſchon faſt den ſtaͤrck-
ſten gebrauch, der neuſten ſchriften fuͤr mir,
als viele bibeln, die buͤcher welche bey accuraten
buchfuͤhrern, z. e. Thomas Fritſchen in Leipzig,
ꝛc. herauskommen, zugeſchweigen, daß die com-
moditaͤt im ſchreiben und druͤcken, und die regeln
einer guten unterſcheidung ſolches ſchlechter-
dings fodern. Nach den colis und dem frag-
und ausruffungs-zeichen, iſt es indifferent.
doppelung, hernach durch hinzuthuung eines h,
und kurtz, durch die zweyfachen gleich darauf
folgenden conſonantes; bey dieſen muß die be-
quemlichkeit im ſchreiben, die deutlichkeit, und
der gelehrte gebrauch den ausſpruch thun, z. e,
Die baabe, ich habe, der ſtaat/ die ſtadt, an
ſtatt, thaten, reden, geredt, kuͤhn/ kuͤmmer-
niß, iſt recht geſchrieben. ꝛc.
ten gebrauch nachzugeben, muß kein buchſtabe
verdoppelt werden: z. e. die gaabe, iſt falſcht
muß heiſſen: die gabe: Der ſchlaf, ſomnus,nich
der ſchlaaf, oder: der ſchlaff ein anders iſt
ſchlaff ſchlapp.laxus, ferner: Des ſchlafes’
nicht: des ſchlaffes. ꝛc.
genen, ſchoͤneſter, leidlichen, ſtudieren, bergk,
brodt, mier, dihr, an ſtatt: Darum kuͤnftig,
pful, der hof, ſegnen, ſchoͤnſter, leidlich, ſtudi-
ren, berg, brod, mir, dir, ꝛc.
ſtomus, φiloſoφus, aber eben ſo uͤbel iſt es,
wann man ſchreibet: Studiren, Competenten,
an ſtatt: ſtudiren, competenten, und die vo-
ces hybridae ſchicken ſich ſo wenig im Teutſchen
als andern ſprachen. Wie wuͤrde das laſſen,
wann man im Lateiniſ. ſchriebe: φιλοσοphus, βιβλι-
[...]ϑηca, λυχnus, \&c oder im Frantzoͤiſchen δια-
λοgue, διαλεκticien \&c. Warum ſoll denn unſe-
re Teutſche ſchreiberey, fuͤr allen andern ſpra-
chen, die ehre haben, ſo ſcheckigt auszuſehen?
ſten gelehrten richten und nach der bequemlich-
keit ſchreiben und ausſorechen, ingleichen nach
der Grammaticaliſchen veraͤnderung der woͤr-
ter, z. e. fuͤrurtheil, ſezzen, ſezen, ſchikken, wax,
eydechs, Zi [...]ero, Babſt, papſt, foͤnix, kwaal,
willich, tahten, muth, erkaͤnntnis, erkaͤnt-
niſſ, erkaͤnntniſ, koͤnte vielleicht entſchuldiget
werden, aber angefuͤhrte raiſons wollen, daß
man ſchreihe: vorurtheil, ſetzen ſchicken,
wachs, eydex, Cicero, pabſt, Phoͤnix, qual,
willig, thaten, muth, erkaͤnntniß, ꝛc.
keit zu ſehen, inſonderheit aber bey der theilung
L l 2der
[532]von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage
der ſylben, daß ich nicht theile: fromm en, hertz-
en, lachen, Chriſten, ſondern: from-men,
her-tzen, la-chen, Chri-ſten. ꝛc.
doch ſage ich, ſalua diſſentientium auctoritate,
man habe raiſon, ſo viel nur immer die commo-
ditaͤt des leſers erlaubt, von frembden buchſta-
ben und woͤrtern ſich zu enthalten. Hernach
muͤſſe man die worte, welche das buͤrgerrecht in
der Teutſchen ſprache erhalten, billich Teutſch
ſchreiben. Ferner alle kunſtwoͤrter, alle nomina
propria, alle woͤrter die Teutſche endungen be-
kommen, und alle diejenigen, welche ein Teut-
ſcher leſer, leichter in ſeiner mutter ſprache ge-
ſchrieben leſen und verſtehen koͤnne, als in einer
andern. Daß ich recht habe, ſolches bewegt
mich zu glauben, die Orthographie der bibel, wel-
che Hebraͤiſche und Lateiniſche woͤrter in Teut-
ſchen buchſtaben zeiget, die Orthographie der zei-
tungen, der geſangbuͤcher, der beſten Teutſchen
ſchriften die von den correcteſten buchfuͤhrern
verlegt, und die grundregeln aller ſchreiberey,
daß von der mode in andern ſprachen, die alles
mit ihren buchſtaben ſchreiben, (auſſer gantze alle-
gata) nichts gedencke.
Lateiniſchen nomina propria, dawieder mehr als
zu ſehr gehandelt wird.
vorhergehenden praͤpoſition und dem ſolgenden
worte z. e. zum andern fuͤr: zu dem andern:
oder zu gutem gluͤck, fuͤr: Zu dem guten gluͤck.
Einen catalo[g]um derſelben ſiehe beym Hede-
richl. c. p. 89. ſqq.
- n. o. p.) Sieben angefuͤhrten HederichI. c. p. 104.
III. 114. oben P. II. cap 2. §. 10 Ubrigens will
ich niemand ſeiner ſchreiberey wegen verketzern,
denn
[533]dem ſchreiben und ausreden.
denn hier ſtatuiren wir weder pabſt noch ſymbo-
liſche buͤcher, man wird mir auch meine freyheit
zu glauben nicht nehmen, ſolte ich aber wieder
meine eigene lehrſaͤtze iezuweilen geſündiget ha-
ben, ſo muß man bedencken, daß der beſte ſchrei-
ber manchmahl ſich irre, und daß ich kein buch-
drucker ſey, oder eine eigene buchdruckerey fuͤh-
re, daß endlich der ſtilus dogmaticus hierinn
einige freyheit habe.
converſation das beſte thun.
ches mittel, da man nur die erſten drey reden et-
wan, feſte und wohl auswendig lernen darf und
zwar von wort zu wort, bey denen nachfolgen-
den wird man ſchon einige erleichterung, betref-
fend die ſetzung der worte ſpuͤhren, und bey fort-
geſetzter uͤbung nicht in gefahr lauffen mit vie-
len geburts ſchmertzen und aͤngſtlichen mit-ar-
beiten des auditorii, ſeine ſachen zu marckte
zu bringen, oder wohl gar daruͤber zu erſticken
zu verſtummen und beſchaͤmt abzuziehen. Jch
habe
[535]dem ſchreiben und ausreden.
habe in dieſem ſtuͤck dem ehmaligen Prof. Eloqu.
in Helmſtaͤdt Hln D. Boͤhmer und dem Hln D.
Schmiden in Leipzig viele verbindlichkeit, da
beyde als meine Hochgeehrteſten Lehrer, iener in
einer Societate parentatoria, dieſer in der obener-
wehnten Societate oratoria mir deßfalls die ſchoͤn-
ſte gelegenheit zur uͤbung gegeben. Dieienigen
welche ihre reden herleſen, duͤrfen ihres ge-
daͤchtniſſes wegen in keiner gefahr ſtehen, aber
es faͤllt auch ſonſt viel annehmlichkeit dabey
weg.
im chor, durch die fiſtel den diſcant geſungen,
nachdem er ins amt gekommen redete er ordent-
lich den baß, aber in predigten wechſelte baß und
und diſcant gar ſeltſam miteinander ah. Alſo
wann man gantz gelinde geredet hat, und faͤhret
auſ einmahl mit groſſem geſchrey und gepolter
L l 4her-
[536]von aͤuſſerl. umſtaͤnden im fuͤrtrage
heraus, ſolches iſt gewiß ſehr unangenehm, und
man wird von keiner noth dazu gezwungen.
man den accent recht zu ſetzen, und den ausdruck
am gehoͤrigen ort emphatiſch zu machen wiſſe.
Z. e. in dem ſpruch: Rommt her zu mir, alle
die ihr muͤhſeelig und beladen ſeyd, ſteckt der
groͤſte nachdruck in den woͤrtern mir und ich,
wer ihn da nicht durch den accent erhoͤhet, re-
det ihn nicht recht aus. Hingegen bey den
allegationibus z. e. der bibliſchen ſpruͤche, iſt
kein nachdruck durch den accent anzudeuten, und
wer das capitel und den verß mit einer noch ſo
pathetiſchen ausrede beehrete, wuͤrde damit
nichts kluges ausrichten. Da iſt es recht unan-
genehm, wann man in der ausrede einen confu-
ſen accent fuͤhret.
primiren, weil man oft in laͤcherliche und abiecte
dinge verfallen wuͤrde, es iſt aber auch nicht noͤ-
thig, und man kan zur noth eher der ſorge, we-
gen der bewegungen der haͤnde und fuͤſſe, ent-
behren, als der bewegung der ſtimme, und des
gehoͤrigen nachdrucks in dem accent. Jn ge-
ſellſchaft und gegen hoͤhere, muß vollends die
bewegung modeſt ſeyn.
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- Kolimo+
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- TextGrid Repository (2025). Collection 3. Philosophische Oratorie. Philosophische Oratorie. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bpk0.0