[][][][][][][]
[][]Oberon.
A 23. Nur
[]
6. Und
[]
A 39. Der
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12. Drauf
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A 415. Die
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18. Auf
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A 521. Will-
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24. „Ihr
[]
27. Wer
[]
30. Und
[]
33. Auf
[]
36. Und
[]
39. Zwoͤlf
[]
42. Herr
[]
B45. Ehrt,
[]
48. Ich
[]
B 251. Dies
[]
54. Des
[]
B 357. Daß
[]
60. Der
[]
B 463. Der
[]
66. Zeuch
[]
B 569. Ein
[]
72. Hier
[]
Obe-
[]Oberon
3. Die
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6. Das
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9. Wie
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12. Geht
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15. Nun
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C18. Zulezt
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21. Ge
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C 224. Sie
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27. Und
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C 330. In-
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33. Sie
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C 436. Auf
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39. Der
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C 542. War
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45. Ach!
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48. Und
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51. Dann
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54. Und
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Oberon
[]Oberon
3. Laß
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6. Mein
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D9. Ge-
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12. Bey
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D 215. Aus
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18. Kaum
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D 321. Je-
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24. Zu
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D 427. Nun
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30. Nun,
[]
D 533. Steh
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36. Der
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39. Herr
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42. Ein
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45. Kurz
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48. Dem-
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51. Der
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54. Der
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60. Be-
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66. Man
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3. Daß
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45. Je-
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63. Zum
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Oberon
[]Oberon
3. Die
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6. Die
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12. Kaum
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15. Die
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27. Zum
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G 330. Nichts
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33. Ein
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G 436. So-
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39. Der
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G 542. Er
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45. Um-
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48. Die
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51. Die
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57. Er
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63. Der-
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5. Der
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H 28. So
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11. Doch
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23. All-
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H 526. Ein
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29. Aus
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32. Und
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38. Denn
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41. Noch
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44. Er
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47. Der
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6. Ro-
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12. Allein,
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18. Der
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21. Und
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27. Zu
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30. Ro-
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33. Iſt,
[]
36. Nichts
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K39. Wo-
[]
42. So
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K 245. Da
[]
48. Von
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K 351. Un-
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54. So?
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K 457. Ro-
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60. Wie?
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K 563. Da
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66. Und
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69. Seit
[]
72. Zwar
[]
Oberon
2. Der
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5. Der
[]
8. So
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11. Auch
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L14. Al-
[]
17. Straks
[]
L 220. Aman-
[]
23. Ge-
[]
L 326. Schwer
[]
29. Und
[]
L 432. Wie
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35. Er
[]
L 538. Doch,
[]
41. O
[]
44. Mit
[]
47. Laut
[]
50. Matt
[]
53. So
[]
56. Auch
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59. Kaum
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[]Oberon
3. Und
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9. Er
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15. Doch,
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M 418. Mit
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21. Wenn
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M 524. Allein
[]
27. Schon
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30. Das
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33. Izt
[]
36. Da
[]
39. Er-
[]
42. Kaum
[]
45. So
[]
N48. Ein
[]
51. Mit
[]
N 254. Al-
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57. Drey
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N 360. All-
[]
63. Und
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N 466. Sie
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69. Und
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[]Oberon
3. Der
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6. Und
[]
9. Noch
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12. Da
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15. Dann
[]
18. Oft
[]
21. Aman-
[]
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[]
27. Sie
[]
O 230. Schon
[]
33. Auf
[]
O 336. Je
[]
39. Schnell
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O 442. Zum
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45. Sie
[]
O 548. Ihr,
[]
Oberon
2. Was
[]
5. Des
[]
8. „Denn
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11. „ Das
[]
14. Vier
[]
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[]
20. So-
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26. Tief
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P 229. Da
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32. In
[]
P 335. Thut,
[]
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[]
P 441. Iſt
[]
44. Sie
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P 547. Sie
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50. Das
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59. Auf
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62. Mit
[]
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[]Oberon
3. Aman-
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15. Er-
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Q 318. Und
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36. Der
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39. Die
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24. Ein
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48. Von
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2. Daß
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8. Nie
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29. Allein,
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38. Und
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41. Wie
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44. Ein
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56. Die
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62. Suͤß
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[]Oberon
3. Nun
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12. Ver-
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15. Was
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18. In
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21. Gleich
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27. Der
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33. Sie
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T 336. Sag
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39. In-
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T 442. Was
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45. Be-
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T 548. „So
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51. Gieb,
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54. Sie
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57. Ein
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60. Im
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63. Un-
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69. In
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75. In
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89. Er
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Oberon
Ein Gedicht
in Vierzehn Geſaͤngen.
in Vierzehn Geſaͤngen.
Weimar,:
bey Carl Ludolf Hoffmann1780.
bey Carl Ludolf Hoffmann1780.
Oberon.
Ein Gedicht in vierzehn Geſaͤngen.
Erſter Geſang.
1.
Noch einmal ſattelt mir den Hippogryfen, ihr Muſen,
Zum ritt ins alte romantiſche land!
Wie lieblich um meinen entfeſſelten buſen
Der holde wahnſinn ſpielt? Wer ſchlang das magiſche band
Um meine ſtirne? Wer treibt von meinen augen den nebel
Der auf der Vorwelt wundern liegt?
Ich ſeh, in buntem gewuͤhl, bald ſiegend, bald beſiegt,
Des Ritters gutes ſchwert, der Heyden blinkende ſaͤbel.
2.
Vergebens knirſcht des alten Sultans zorn,
Vergebens draͤut ein wald von ſtarren lanzen:
Es toͤnt in lieblichem ton das elfenbeinerne horn,
Und, wie ein wirbel, ergreift ſie alle die wut zu tanzen.
Sie drehn im kreiſe ſich um bis ſinn und athem entgeht.
Triumf, herr Ritter, triumf! gewonnen iſt die Schoͤne.
Was ſaͤumt ihr? fort! der wimpel weht;
Nach Rom, daß euern bund der heil'ge Vater kroͤne!
A 23. Nur
[]
3.
Nur daß der ſuͤßen verbotenen frucht
Euch ja nicht vor der zeit geluͤſte!
Geduld! der freundlichſte wind beguͤnſtigt eure flucht,
Zween tage noch, ſo winkt Heſperiens goldne kuͤſte.
O rette, rette ſie, getreuer Scherasmin,
Wenn's moͤglich iſt! — Zu ſpaͤt! die trunknen ſeelen hoͤren
Sogar den donner nicht. Ungluͤckliche, wohin
Bringt euch ein augenblick? Kann liebe ſo bethoͤren?
4.
In welches meer von jammer ſtuͤrzt ſie euch!
Wer wird den zorn des kleinen Halbgotts ſchmelzen?
Ach! wie ſie arm in arm ſich auf den wogen welzen!
Noch gluͤcklich durch den troſt, zum wenigſten zugleich
Eins an des andern bruſt zu ſinken ins verderben.
Ach! hoft es nicht! zu ſehr auf euch erboßt
Verſagt euch Oberon ſogar den armen troſt,
Den armen lezten troſt des leidenden, zu ſterben!
5.
Zu ſtrengern qualen aufgeſpart
Seh ich ſie huͤlflos, nackt, am oͤden ufer irren;
Ihr lager eine kluft, mit einer handvoll duͤrren
Halbfaulem ſchilf beſtreut, und beeren wilder art,
Die kaͤrglich hier und dort an kahlen hecken ſchmoren,
All ihre koſt! In dieſer dringenden noth
Kein huͤttenrauch von fern, kein huͤlfewinkend both,
Die ganze natur zu ihrem fall verſchworen!
6. Und
[]
6.
Und noch iſt nicht des raͤchers zorn erweicht,
Noch hat ihr elend nicht die hoͤchſte ſtuf' erreicht;
Es naͤhrt nur ihre ſtrafbarn flammen,
Sie leiden zwar, doch leiden ſie beyſammen.
Getrennt zu ſeyn, ſo wie in donner und blitz
Der wilde ſturm zwei bruderſchiffe trennet,
Und ausgeloͤſcht, wenn im geheimſten ſitz
Der hoffnung noch ein ſchwaches flaͤmmchen brennet:
7.
Dies fehlte noch! — O du, ihr Genius einſt, ihr freund!
Verdient was liebe gefehlt die rache ſonder grenzen?
Weh euch! Noch ſeh ich thraͤnen in ſeinen augen glaͤnzen,
Erwartet das aͤrgſte wenn Oberon weint! —
Doch, Muſe, wohin traͤgt dich die adlersſchwinge
Der hohen trunkneu ſchwaͤrmerey?
Dein hoͤrer ſteht beſtuͤrzt, er fragt ſich wie ihm ſey,
Und was du ſiehſt ſind ihm geheimnisvolle dinge.
8.
Komm, laß dich nieder zu uns auf dieſen kanapee,
Und, ſtatt zu rufen, ich ſeh, ich ſeh,
Was niemand ſieht als du, erzaͤhl' uns fein gelaſſen
Wie alles ſich begab. Sieh, wie mit lauſchendem mund
Und weitgeoͤfnetem aug die hoͤrer alle paſſen,
Geneigt zum gegenſeit'gen bund
Wenn du ſie taͤuſchen kannſt ſich willig taͤuſchen zu laſſen?
Wolan! ſo hoͤret dann die ſache aus dem grund!
A 39. Der
[]
9.
Der Paladin, mit deſſen abenteuern,
Wir euch zu ergoͤtzen (ſofern ihr noch ergoͤzbar ſeyd)
Entſchloſſen ſind, war ſeit geraumer zeit
Gebunden durch ſein wort nach Babylon zu ſteuern.
Was er zu Babylon verrichten ſollte, war
Halsbrechend werk, ſogar in Karl des großen tagen:
In unſern wuͤrd' es, auf gleiche gefahr,
Um allen ruhm der welt kein junger ritter wagen.
10.
Sohn, ſprach zu ihm ſein oͤhm, der heil'ge Vater zu Rom,
Zu deſſen fuͤßen, mit einem reichlichen ſtrom
Bußfert'ger zaͤhren angefeuchtet,
Er, als ein frommer chriſt, erſt ſeine ſchuld gebeichtet;
Sohn, ſprach er, da er ihm den ablas ſegnend gab,
Zeuch hin in frieden! Es wird dir wohl gelingen
Was du beginnſt. Allein vor allen dingen,
Wenn du nach Joppen koͤmmſt, beſuch das heil'ge grab!
11.
Der Ritter kuͤſſet ihm in demuth den pantoffel,
Gelobt gehorſam an und zieht getroſt dahin.
Schwer war das werk, wozu der Kayſer ihn
Verurtheilt hatte; doch, mit Gott und Sanct Chriſtoffel,
Hoft er zu ſeinem ruhm ſich ſchon herauszuziehn.
Er ſteigt zu Joppen aus, tritt mit dem pilgerſtabe
Die wallfahrt an zum werthen heil'gen grabe,
Und fuͤhlt ſich nun an muth und glauben zwiefach kuͤhn.
12. Drauf
[]
12.
Drauf geht es mit verhaͤngtem zuͤgel
Auf Bagdad los. Stets denkt er, komt es bald?
Allein da lag noch mancher ſteile huͤgel
Und manche wuͤſte und mancher dicke wald
Dazwiſchen. Und ſchlimm genug, daß ihm die ſprache des landes
So fremd als die von Oc den armen heyden war:
Iſt dies der naͤchſte weg nach Bagdad, fragt er zwar
An jedem thor, allein kein menſch verſtand es.
13.
Einſt traf der weg der eben vor ihm lag
Auf einen wald. Er ritt bey ſturm und regen
Bald links bald rechts den ganzen langen tag,
Und mußt oft erſt mit ſeinem degen
Durchs wilde gebuͤſch ſich einen ausgang hau'n.
Er ritt bergan, um freyer umzuſchau'n,
Weh ihm! der wald ſcheint ſich von allen ſeiten,
Je mehr er ſchaut, je weiter auszubreiten.
14.
Was ganz natuͤrlich war daͤucht ihm ein zauberſpiel.
Wie wird ihm erſt, da in ſo wilden gruͤnden,
Woraus bey hellem tag ſich je herauszufinden,
Unmoͤglich ſchien, die nacht ihn uͤberfiel?
Sein ungemach erreichte nun den gipfel.
Kein ſternchen glimmt durch die verwachſnen wipfel;
Er fuͤhrt ſein pferd ſo gut er kann am zaum,
Und ſtoͤßt bey jedem tritt die ſtirn an einen baum.
A 415. Die
[]
15.
Die dichte rabenſchwarze huͤlle
Die um den himmel liegt, der unbekannte wald,
Und was zum erſtenmal in ſeine ohren ſchallt,
Der loͤwen donnerndes gebruͤlle
Tief aus den bergen her, das, durch die todesſtille
Der nacht noch ſchrecklicher, von felſen widerhallt,
Den mann, der nie gebebt in ſeinem ganzen leben,
Den machte dies zum erſtenmal erbeben:
16.
Auch unſer held, wiewohl kein menſchenſohn
Ihn jemals zittern ſah, fuͤhlt doch bey dieſem ton
An arm und knie die ſehnen ſich entſtricken,
Und wider willen laͤufts ihm eiskalt uͤbern ruͤcken.
Allein den Mut, der ihn nach Babylon
Zu gehen treibt, kann keine furcht erſticken;
Und mit gezognem ſchwert, ſein roß ſtets an der hand,
Erreicht er einen pfad, der ſich durch felſen wand.
17.
Er war auf dieſem weg nicht lange fortgegangen,
So glaubt er in der fern den ſchein von feu'r zu ſehn.
Der anblick pumpt ſogleich mehr blut in ſeine wangen,
Und zwiſchen zweifel und verlangen
Ein menſchlich weſen vielleicht in dieſen oͤden hoͤhn
Zu finden, faͤhrt er fort dem ſchimmer nachzugehn,
Der bald erſtirbt und bald ſich wieder zeiget
So wie der pfad ſich ſenket oder ſteiget.
18. Auf
[]
18.
Auf einmal gaͤhnt im tiefſten felſengrund
Ihn eine hoͤhle an, vor deren finſterm ſchlund
Ein praſſelnd feuer flammt. In wunderbaren geſtalten
Ragt aus der dunkeln nacht das angeſtrahlte geſtein,
Mit wildem gebuͤſch verſezt, das aus den ſchwarzen ſpalten
Herabnikt und im widerſchein
Wie gruͤnes feuer brennt. Mit luſtvermengtem grauen
Bleibt unſer ritter ſtehn den zauber anzuſchauen.
19.
Indem ſchallt aus dem bauch der gruft ein donnernd Halt!
Und ploͤtzlich ſtand vor ihm ein mann von rauher geſtalt,
Mit einem mantel bedeckt von wilden katzenfellen
Der grob zuſammengeflickt die rauhen ſchenkel ſchlug;
Ein graulich ſchwarzer bart hieng ihm in krauſen wellen
Bis auf den magen herab, und auf der ſchulter trug
Er einen zedernaſt, als keule, dick genug
Den groͤßten ſtier auf Einen ſchlag zu faͤllen.
20.
Der Ritter, ohne vor dem mann
Und ſeinem zedernbaum und ſeinem bart zu erſchrecken,
Beginnt in der ſprache von Oc, der einz'gen die er kann,
Ihm ſeinen nothſtand zu entdecken.
Was hoͤr' ich? ruft entzuͤckt der alte waldmann aus:
O ſuͤße muſik vom ufer der Garonne!
Schon ſechzehnmal durchlaͤuft den ſternenkreis die ſonne,
Und alldiezeit entbehr' ich dieſen ohrenſchmaus.
A 521. Will-
[]
21.
Willkommen, edler herr, auf Libanon, willkommen!
Wiewohl ſich leicht erachten laͤßt
Daß ihr den weg in dieſes drachenneſt
Um meinetwillen nicht genommen.
Kommt, ruhet aus, und nehmt vorlieb, ſo gut
Als mutter Natur uns hier mit eignen haͤnden thut.
Die ſonne iſt mein koch, und hier in dieſem keller
Springt tag und nacht mein wein und macht die Augen heller.
22.
Mein held, dem dieſer gruß gar große freude gab,
Folgt ungeſaͤumt dem landsmann in die grotte,
Legt traulich helm und panzer ab,
Und ſteht entwafnet da, gleich einem jungen Gotte.
Dem waldmann wirds als ruͤhr' ihn Alquifs ſtab,
Da jener izt den loͤr des blanken helms entſchnallet,
Und ihm den ſchlanken ruͤcken hinab
Sein langes gelbes haar in großen ringen wallet.
23.
Wie aͤhnlich, ruft er, o! wie aͤhnlich, ſtuͤck vor ſtuͤck,
Stirn, auge, mund, und haar! Wem aͤhnlich, fragt der Ritter?
„Verzeyht mir, junger mann! Es war ein augenblick,
Ein traum aus beßrer zeit! ſo ſuͤß! und auch ſo bitter!
Es kann nicht ſeyn! — Und doch, wie euch dies ſchoͤne haar
Den ruͤcken herunter fiel, war mir's ich ſeh ihn ſelber
Von kopf zu Fuß. Bey Gott! ſein bildnis, ganz und gar,
Nur Er von breitrer bruſt, und eure locken gelber.“
24. „Ihr
[]
24.
„Ihr ſeyd, der ſprache nach, aus meinem lande; vielleicht
Iſts nicht umſonſt, daß ihr dem guten herrn ſo gleicht,
Den ich, in dieſem wilden hayne,
So fern von meinem volk, ſchon ſechzehn jahre beweine.
Ach! ihn zu uͤberleben war
Mein ſchickſal! Dieſe hand hat ihm die augen geſchloſſen,
Dies auge ſein fruͤhes grab mit treuen zaͤhren begoſſen,
Und izt ihn wieder in euch zu ſehn, wie wunderbar!“
25.
Der zufall ſpielt zuweilen ſolche ſpiele,
Verſezt der Juͤngling. Sey es dann,
Faͤhrt jener fort; genug, mein wackrer junger mann,
Die liebe, womit ich mich zu euch gezogen fuͤhle,
Iſt traun! kein wahn — Und goͤnnet ihr den lohn
Daß Scherasmin bey euerm namen euch nenne?
„Mein nam iſt Huͤon, erb und ſohn
„Des braven Siegewin, einſt herzogs von Guyenne.“
26.
O! ruft der Alte, der ihm zu fuͤßen faͤllt,
So log mein herz mir nicht! O tauſendmal willkommen
In dieſem einſamen unwirthbarn theil der welt,
Willkommen, ſohn des ritterlichen, frommen,
Preiswerthen herrn, mit dem in meiner beſſern zeit
Ich manches abenteu'r in ſchimpf und ernſt beſtanden!
Ihr huͤpftet noch im erſten fluͤgelkleid
Als wir zum heil'gen grab zu fahren uns verbanden.
27. Wer
[]
27.
Wer haͤtte dazumal gedacht,
Daß wir nach achtzehn jahren in wilden felſengruͤnden
Auf Libanon uns wuͤrden wiederfinden?
Verzweifle keiner je, dem in der truͤbſten nacht
Der hoffnung lezte ſterne ſchwinden!
Doch, herr, verzeyht daß mich die freude ſchwazhaft macht.
Laßt mich vielmehr vor allen dingen fragen,
Was fuͤr ein ſturmwind euch in dieſes land verſchlagen?
28.
Herr Huͤon laͤßt auf einem ſitz von moos
Beym feuerheerd ſich mit dem Alten nieder,
Und als er drauf die reiſemuͤden glieder
Mit einem trunk, ſo friſch er aus dem felſen floß,
Und etwas honigſeim und trocknen datteln geſtaͤrket,
Beginnt er ſeine geſchichte dem wirth erzaͤhlen, der ſich
Nicht ſatt an ihm ſehen kann, und ſtets noch was bemerket
Worinn ſein vor'ger herr dem jungen ritter glich.
29.
Der Ritter erzaͤhlt, nach art der lieben jugend,
Ein wenig breit: wie ſeine Frau Mutter ihn
Bey hofe (dem wahren ort um Prinzen zu erziehn)
Gar fleißig zu guter lehr und ritterlicher tugend
Erzogen; wie ſchnell der kindheit lieblicher traum
Voruͤbergeflogen; und wie, ſobald ihm etwas pflaum
Durchs kinn geſtochen, man ihn zu Bourdeaux, von den ſtufen
Des ſchloſſes, mit großem pomp, zum herzog ausgerufen.
30. Und
[]
30.
Und wie ſie drauf in eitel luſt und pracht
Mit jagen, turnieren, banketten, ſaus und brauſe,
Zwey volle jahre wie einzelne tage verbracht:
Bis Amory, der feind von ſeinem hauſe,
Beym Kayſer, deſſen huld ſein vater ſchon verſcherzt,
Ihn hinterrucks gar boͤslich angeſchwaͤrzt;
Und wie ihn Karl, jedoch zum ſchein in allen gnaden,
Nach hofe, zum empfang der lehen, vorgeladen.
31.
Wie ſein beſagter feind, der liſtige Baron
Von Hohenblat mit Scharlot, zweytem ſohn
Des Kayſers, und dem ſchlimmſten fuͤrſtenknaben
Im Chriſtenthum, der lange luſt gehegt
Zu Huͤons land, es heimlich angelegt
Auf ſeinem zug nach hof ihm eine grube zu graben;
Und wie ſie eines morgens fruͤh
Ihm aufgepaßt im wald bey Montlery.
32.
Mein bruder Gerard, der die reiſe mit uns machte,
(So fuhr er fort) ein muntrer fant,
Mit ſeinem falken auf der hand,
Entfernt' im wald, aus kind'ſcher luſt, ſich ſachte
Von unſerm trupp, laͤßt ſeinen falken loß,
Und rennt ihm nach; wir andern zogen
Ganz arglos unſern weg, und achteten's nicht groß
Als falk und knab aus unſerm blik entflogen.
33. Auf
[]
33.
Auf einmal ſchlaͤgt ein klaͤgliches geſchrey
An unſer ohr; wir eilen ſchnell herbey,
Und finden Gerardin vom pferde
Geſtuͤrzt, beſchmuzt und blutend auf der erde.
Ein edelknecht, den keiner unſrer ſchaar
Erkannte, daß es Scharlot ſelber war,
Stand im begriff ihn waidlich abzuwalken,
Und ſeitwaͤrts hielt ein zwerg mit ſeinem falken.
34.
Von grimm entbrannt rief ich: du grobian,
Was hat der knabe dir gethan,
Der wehrlos iſt, ihm alſo mitzuſpielen?
Zuruͤck, und ruͤhr' ihn noch mit einem finger an,
Wofern dichs juͤckt mein ſchwert in deinem wanſt zu fuͤhlen.
Ha! ſchrie mir jener zu — biſt du's? Dich ſucht ich juſt.
Schon lange duͤrſt ich nach der luſt
Mein rachegluͤhend herz in deinem blut zu kuͤhlen.
35.
Kennſt du mich nicht, ſo wiß', ich bin der ſohn
Des herzogs Dietrich von Ardennen:
Dein vater Siegewin (moͤg' er im abgrund brennen!)
Trug uͤber Meinen einſt bey einem ofnen rennen
Mit hinterliſt den dank davon,
Und durch die flucht entgieng er ſeinem lohn:
Allein, ich hab ihm rache geſchworen,
Du ſollſt mir zahlen fuͤr ihn; da, ſieh zu deinen ohren!
36. Und
[]
36.
Und mit dem worte rennt er gegen mich,
Der, unbereit zu ſolchem tanze,
Sich's nicht verſah, mit eingelegter lanze.
Zum gluͤck pariert' ich ſeinen ſtich
Mit meinem linken arm, um den ich in der eile
Den mantel ſchlug, und auf der ſtell empfieng
Mit meinem degenknopf der unhold eine beule
So derb, daß ihm davon der athem ſtracks entgieng.
37.
Er fiel, mit einem wort, um nimmer aufzuſtehen.
Und ploͤzlich lieſſen ſich im walde reuter ſehen
In großer zahl; doch des erſchlagnen tod
Zu raͤchen, war dem feigen troß nicht noth.
Sie hielten, waͤhrend wir des knaben wunde banden,
Sich ſtill und fern, bis wir aus ihren augen ſchwanden;
Drauf legten ſie den leichnam auf ein roß
Und zogen ebnen wegs zum kayſerlichen ſchloß.
38.
Unwiſſend, wie bey Karln mein handel ſich verſchlimmert,
Verfolg ich meinen weg, des vorgangs unbekuͤmmert.
Wir langen an. Mein alter oͤhm, der Abt
Von Saint Denys, ein mann mit weisheit hochbegabt,
Fuͤhrt beym gehoͤr das wort. Wir werden wohl empfangen,
Und alles waͤre recht erwuͤnſcht fuͤr uns ergangen:
Allein, juſt wie man ſich zur tafel ſetzen will,
Haͤlt Hohenblat vorm ſchloß mit Scharlots leiche ſtill.
39. Zwoͤlf
[]
39.
Zwoͤlf knappen tragen ſie, in ſchwarzen fior vermummet,
Die hohen ſtufen hinan, und wer ſie ſieht verſtummet
Und ſteht erſtarrt. Sie nehmen ihren lauf
Dem ſaale zu; die thuͤren ſpringen auf:
Da tragen zwoͤlf geſpenſter eine baare,
Mit blutgen linnen bedeckt, bis mitten in den ſaal.
Der Kayſer erblaßt, uns allen ſtehn die haare
Zu berg, und mich trifts wie ein wetterſtrahl.
40.
Indem tritt Amory hervor, hebt von der leiche
Das blut'ge tuch, und — ſieh! ruft er dem Kayſer zu,
„Da iſt dein ſohn! und hier der frevler, der dem reiche
Und dir die wunde ſchlug, der moͤrder unſrer ruh!
Weh mir! ich kam zu ſpaͤt dazu!
Sich nichts verſehend fiel dein Scharlot im geſtraͤuche,
Durch meuchelmord, nicht wie in ofnem feld
Von rittershand ein ritterlicher held.“
41.
Soviel verdruß dem alten herrn auch taͤglich
Sein boͤſer ſohn gebracht, ſo blieb er doch ſein ſohn,
Sein fleiſch und blut. Erſt ſtand er unbeweglich,
Dann ſchrie er laut vor ſchmerz, mein ſohn! mein ſohn!
Und warf ſich in verzweiflung neben
Den leichnam hin. Mir war der bange vaterton
Ein dolch ins herz; ich haͤtt' um Scharlots leben
In dieſem augenblick mein beſtes blut gegeben.
42. Herr
[]
42.
Herr, rief ich, hoͤre mich! Mein will iſt ohne ſchuld;
Er gab ſich fuͤr den ſohn des herzogs von Ardennen,
Und was er that, bey Gott! es haͤtte die geduld
Von einem Heil'gen morden koͤnnen!
Er ſchlug den knaben dort, der ihm kein leid gethan,
Sprach laͤſterlich von meines vaters ehre,
Fiel unverwarnt mich ſelber moͤrdriſch an,
Den moͤcht ich ſehn, der kalt geblieben waͤre?
43.
Ha! ſchreyt der alte Karl, mich hoͤrend, ſpringt entbrannt
Vom leichnam auf, mit loͤwengrimm im blicke,
Reißt einem knecht das eiſen aus der hand,
Und, hielten die fuͤrſten ihn nicht mit aller macht zuruͤcke,
Er haͤtt' in ſeiner wut mich durch und durch gerannt.
Auf einmal ruͤttelt ſich der ganze ritterſtand;
Ein wetterleuchtender glanz von hundert bloßen wehren
Scheint ſtracks in jeder bruſt die mordluſt aufzuſtoͤren.
44.
Die hall' erdonnert von wildem geſchrey,
Das eſtrich bebt, die alten fenſter klirren,
Aus jedem mund ſchallt mord! verraͤtherey!
Die ſprachen ſcheinen ſich aufs neue zu verwirren.
Man ſchnaubt, man rennt ſich an, man zuͤckt die drohende hand.
Der Abt, den noch allein Sanet Benediets gewand
Vor frevel ſchuͤzt, haͤlt endlich unſern degen
Mit aufgehobnem arm ſein ſcapulier entgegen.
B45. Ehrt,
[]
45.
Ehrt, ruft er laut, den heil'gen Vater in mir
Des ſohn ich bin! Im namen des Gottes dem ich diene
Gebiet ich fried! — Er riefs mit einer mine
Und einem ton, der heiden zur gebuͤhr
Gendthigt haͤtt'. Und flugs auf einmal legen
Des aufruhrs wogen ſich, erhellt ſich jeder blick,
Und jeder dolch und jeder nakte degen
Schleicht in die ſcheide ſtill zuruͤck.
46.
Nun trug der Abt den ganzen verlauf der ſache
Dem Kayſer vor. Die uͤberredung ſaß
Auf ſeinen lippen. Allein, was half mir das?
Die leiche des ſohns liegt da, und ſchreyt um rache.
Hier, ruft der vater, ſieh, und ſprich
Dem moͤrder meines ſohns das urtheil! Sprichs fuͤr mich!
Ja, racheduͤrſtender geiſt, dein gaumen ſoll ſich laben
An ſeinem blut! Er ſterb' und maͤſte die raben!
47.
Izt ſchwoll mein herz empor. Ich bin kein moͤrder, ſchrie
Ich uͤberlaut. Der richter richtet nicht billig
In eigner ſache. Der klaͤger Amory
Iſt ein verraͤther, herr! Hier ſteh ich, frey und willig,
Will in ſein falſches herz, mit meines lebens fahr,
Beweiſen, daß er ein ſchalk und luͤgner iſt, und war
Und bleiben wird, ſo lange ſein hauch die luft vergiftet.
Sein werk iſt alles dies. Er hat es angeſtiftet!
48. Ich
[]
48.
Ich bin, wie er, von fuͤrſtlichem geſchlecht,
Ein Pair des reichs, und fodre hier mein recht.
Der kayſer kann mirs nicht verſagen!
Da liegt mein handſchuh, laßt ihn's wagen
Ihn aufzunehmen! und Gott in ſeinem gericht
Entſcheide, welchen von uns die ſtimme dieſes blutes
Zur hoͤlle donnern ſoll! Die quelle meines muthes
Iſt meine unſchuld, Herr! Mich ſchreckt ſein donner nicht.
49.
Die fuͤrſten des kayſerreichs, ſo viel von ihnen zugegen,
Ein jeder ſieht ſich ſelbſt in meiner verdammung gekraͤnkt.
Sie murmeln, dem meere gleich, wenn ſich von fern zu regen
Der ſturm beginnt: ſie bitten, dringen, legen
Das recht ihm vor. Umſonſt! den ſtarren blick geſenkt
Auf Scharlots blut'ges haupt, kann nichts den vater bewegen:
Wiewohl auch Hohenblat, der's fuͤr ein leichtes haͤlt
Mir obzuſiegen, ſich unter die bittenden ſtellt.
50.
Herr, ſpricht er, laß mich gehn, den frevler abzuſtrafen,
Ich wage nichts wo pflicht und recht mich ſchuͤzt.
Ha! rief ich laut, von ſchaam und grimm erhizt,
Du ſpotteſt noch, verraͤther? Erzittre! immer ſchlafen
Des raͤchers blitze nicht. Mein ſchwert, ruft Hohenblat,
Soll, moͤrder, ſie auf deine ſcheitel haͤufen!
Doch Karl, den meine glut nur mehr erbittert hat,
Befiehlt der wache, mich zu greifen.
B 251. Dies
[]
51.
Dies raſche wort empoͤrt den ganzen ſaal
Von neuem; alle ſchwerter blitzen
Das ritterrecht, das Karl in mir verlezt, zu ſchuͤtzen.
Ergreift ihn, ruft der Kayſer abermal;
Allein, mit vorgehaltnen klingen,
Sieht er, und knirſcht vor zorn, die ritter mich umringen.
Vergebens droht, ſchier im gedraͤng erſtickt,
Der geiſtliche herr mit bann und interdikt.
52.
Des reiches ſchickſal ſchien an einem haar zu ſchweben.
Die grauen raͤthe flehn dem kayſer auf den knie'n
Dem Recht der ritter nachzugeben:
Je mehr ſie flehn, je minder ruͤhrt es ihn:
Bis endlich herzog Nayms (der oft in ſeinem leben,
Wenn Karl den kopf verlohr, den ſeinen ihm geliehn)
Den mund zum ohr ihm haͤlt, dann gegen uns ſich kehret,
Und zum begehrten kampf des kayſers urlaub ſchwoͤret.
53.
Herr Huͤon fuhr in ſeiner erzaͤhlung fort:
Wie ſtraks auf dieſes einz'ge wort
Der aufruhr ſich gelegt, die ritter alle zuruͤcke
Gewichen, und Karl, wiewohl im herzen ergrimmt,
Mit ſtiller wut, im halbentwoͤlkten blicke,
Den achten tag zum urtheilskampf beſtimmt;
Wie beyde theile ſich mit großer pracht geruͤſtet,
Und wie, des ſiegs gewiß, ſich Hohenblat gebruͤſtet.
54. Des
[]
54.
Der ſtolze mann, wiewohl in ſeiner bruſt
Ein klaͤger pocht der ſeinen muth erſchuͤttert,
War eines arms von eiſen ſich bewußt,
Der manchen wald von lanzen ſchon zerſplittert.
Er hatte nie vor einem feind gezittert
Und kampf auf tod und leben war ihm luſt.
Doch all ſein trotz und ſeine rieſenſtaͤrke
Betrogen ihn bey dieſem blut'gen werke.
55.
Gekommen war nunmehr der richterliche tag,
Verſammelt alles volk. Mit meinem ſilberblanken
Turnierſchild vor der bruſt, und, wie ich ſagen mag,
Mit augen voll liebe begruͤßt, erſchien ich den ſchranken.
Schon ſtand der klaͤger da. In einem erker lag
Der alte Karl, umringt von ſeinen fuͤrſten,
Und ſchien, in offenem vertrag
Mit Amory, nach meinem blut zu duͤrſten.
56.
Die ſonne wird getheilt. Die richter ſetzen ſich.
Mein gegner ſcheint vor ungeduld zu brennen,
Bis die trompete ruft. Nun ruft ſie, und wir rennen,
Und treffen ſo gewaltiglich
Zuſammen, daß aufs knie die roſſe ſtuͤrzen, und ich
Und Hohenblat uns kaum im ſattel halten koͤnnen.
Eilfertig machen wir uns aus den buͤgeln los,
Und nun, in einem blitz, ſind beyde ſchwerter bloß.
B 357. Daß
[]
57.
Daß ich von unſerm kampf dir ein gemaͤhlde mache
Verlangſt du nicht. An grimm und ſtaͤrke war,
Und an erfahrenheit, mein gegner offenbar
Mir uͤberlegen. Doch, die unſchuld meiner ſache
Beſchuͤzte mich, und machte meine kraft
Dem willen gleich. Der ſieg blieb lange zweifelhaft;
Schon floß aus manchem quell des klaͤgers blut herunter,
Und Huͤon war noch unverlezt und munter.
58.
Der wilde Amory, wie er ſein dampfend blut
Den panzer faͤrben ſieht, entbrennt von neuer wuth.
Er ſtuͤrmt auf Huͤon ein, als wie ein ungewitter
Das alles vor ſich her zertruͤmmert und verheert,
Blizt ſchlag auf ſchlag, ſo daß der junge ritter
Der uͤberlegnen macht ſich nur mit muͤh erwehrt.
Er weicht, doch ſtets im kreis, und haͤlt, mit feſtem blicke
Und raſtlos ſchnellem arm, des gegners ſchwert zuruͤcke.
59.
Kaum ſieht ihn Der erſchoͤpft und athemlos und bleich,
So faßt er ſtraks mit beyden haͤnden
Sein maͤchtig ſchwert, den kampf auf Einen ſchlag zu enden.
Doch Huͤons gluͤck entgliſcht dem fuͤrchterlichen ſtreich,
Und bringt, eh jener ſich ins gleichgewicht zu ſchwingen
Vermag, da wo der helm ſich an den kragen ſchnuͤrt,
So einen hieb ihm bey, daß ihm die ohren klingen,
Und die entnervte hand den degengriff verliehrt.
60. Der
[]
60.
Der ſtolze ſinkt zu ſeines gegners fuͤßen,
Und Huͤon, mit gezuͤcktem ſchwert,
Dringt auf ihn ein. Entlade dein gewiſſen,
Ruft er, wenn noch das leben einen werth
In deinen augen hat. Geſteh es auf der ſtelle —
Bandit, ſchreyt Amory, indem er alle kraft
Zum lezten ſtoß mit grimm zuſammenraft,
Nimm dies und folge mir zur hoͤlle!
61.
Zum gluͤcke ſtreift der ſtoß, mit ungewiſſer hand
Vom boden auf gefuͤhrt, durch eine ſchnelle wendung
Die Huͤon macht, nur an dem fleiſchichten rand
Des linken arms; allein, der Ritter, in der blendung
Des erſten zorns, vergißt, das Hohenblat,
Um oͤffentlich vor Karln die wahrheit kund zu machen,
Noch etwas athem noͤthig hat,
Und ſtoͤßt ſein breites ſchwert ihm wuͤthend in den rachen.
62.
Der frefler ſpeyt in wellen rother flut
Die ſchwarze ſeele aus. Der ſieger ſteht, entſuͤndigt
Und rein gewaſchen in ſeines klaͤgers blut,
Vor allen augen da. Des herolds ſtimme verkuͤndigt
Es laut dem volk. Ein helles jubelgeſchrey
Schallt an die wolken. Die Ritter eilen herbey
Das blut zu ſtillen, das an des panzers ſeiten
Herab ihm quillt, und ihn zum Kayſer zu begleiten.
B 463. Der
[]
63.
Doch Karl (ſo faͤhrt der junge Ritter fort
Dem mann vom felſen zu erzaͤhlen)
Karl hielt noch ſeinen groll. Kann dieſer neue mord
Mir, rief er, meinen ſohn beſeelen?
Iſt Huͤons unſchuld anerkannt?
Ließ Hohenblat ein wort von widerruf entfallen?
Auf ewig ſey er dann aus unſerm Reich verbannt,
Und all ſein land und gut der krone heimgefallen!
64.
Streng war dies urtheil, ſtreng der mund
Aus dem es gieng: allein, was konnten wir dagegen?
Das einz'ge Mittel war aufs bitten uns zu legen.
Die Pairs, die Ritterſchaft, wir alle knieten, rund
Um ſeinen thron, uns ſchier die kniee wund,
Und gaben's endlich auf ihn jemals zu bewegen;
Als Karl zulezt ſein langes ſchweigen brach:
Wohlan, ihr Fuͤrſten und Ritter, ihr wollts, wir geben nach.
65.
Doch hoͤret den beding, den nichts zu widerrufen
Vermoͤgend iſt! — Hier neigt' er gegen mich
Herunter zu des thrones ſtufen
Den zepter — Wir begnad'gen dich:
Allein, aus allen unſern reichen
Soll dein verbannter fuß zur ſtunde ſtraks entweichen,
Und, bis du ſtuͤck vor ſtuͤck mein Kayſerlich gebot
Vollbracht, iſt wiederkunft unmittelbarer tod.
66. Zeuch
[]
66.
Zeuch hin nach Babylon, und in der feſtlichen ſtunde
Wann der Kalif', im ſtaat, an ſeiner tafelrunde,
Mit ſeinen Emirn ſich beym hohen mahl vergnuͤgt,
Tritt hin, und ſchlage dem, der ihm zur linken liegt,
Den kopf ab, daß ſein blut die tafel uͤberſpritzet.
Iſt dies gethan, ſo nahe zuͤchtig dich
Der erbin ſeines throns, die ihm zur rechten ſitzet,
Und kuͤß' als deine braut ſie dreymal oͤffentlich.
67.
Und wenn dann der Kalif, der einer ſolchen ſcene
In ſeiner eignen gegenwart
Sich nicht verſah, vor deiner kuͤhnheit ſtarrt,
So wirf dich, an der goldnen lehne
Von ſeinem ſtuhle, hin, nach Morgenlaͤnder art,
Und, zum geſchenk fuͤr mich, das unſre freundſchaft kroͤne,
Erbitte dir von ihm vier ſeiner backenzaͤhne
Und eine handvoll haar aus ſeinem grauen bart.
68.
Geh hin, und wie geſagt, eh du geſtraks vollzogen
Was ich dir hier von ſtuͤck zu ſtuͤck gebot,
Iſt deine wiederkunft unmittelbarer tod.
Wir bleiben uͤbrigens in gnaden dir gewogen.
Der Kayſer ſprachs und ſchwieg. Allein wie uns dabey
Zu muthe war, iſt nothlos zu beſchreiben.
Ein jeder ſah, daß ſo gewogen bleiben
Nichts beſſer als ein todesurtheil ſey.
B 569. Ein
[]
69.
Ein dumpfes murren begann im tiefen ſaal zu wittern.
Bey Sankt Georg (ſprach einer von den Rittern
Der auf der Lanzelot und Triſtan rauher bahn
Manch abentheur mit ehren abgethan)
Sonſt pfleg ich auch nicht leicht vor einem ding zu zittern;
Setz einer ſeinen kopf, ich ſetz ihm meinem dran:
Doch was der Kayſer da dem Huͤon angeſonnen
Haͤtt auch, ſo brav er war, Herr Gawin nicht begonnen!
70.
Was ſag ich viel? Es war zu offenbar
Daß Karl durch dies gebot mir nach dem leben trachte.
Doch, wie es kam, ob es verzweiflung war,
Ob ahnung, oder trotz, was mich ſo tollkuͤhn machte,
Genug, ich trat vor ihn und ſprach mit zuverſicht:
Was du befohlen, herr, kann meinen muth nicht beugen.
Ich bin ein Frank! Unmoͤglich oder nicht,
Ich unternehm's, und ſeyd ihr alle zeugen!
71.
Und nun, kraft dieſes worts, mein guter Scherasmin,
Siehſt du mich hier, nach Babylon zu reiſen
Entſchloſſen. Willſt du mir dahin
Den naͤchſten weg aus dieſen bergen weiſen,
So habe dank; wo nicht, ſo mach ich's wie ich kann.
Mein beſter herr, verſezt der Felſenmann,
Indem die zaͤhren ihm am bart herunter beben,
Ihr ruft wie aus dem grab mich in ein neues leben!
72. Hier
[]
72.
Hier ſchwoͤr' ich euch, und da, zum heil'gen pfand
Iſt dieſe duͤrre zwar doch nicht entnervte hand,
Mit euch, dem theuren ſohn und erben
Von meinem alten herrn, zu leben und zu ſterben.
Das werk wozu der Kayſer euch geſandt
Iſt ſchwehr, allein dafuͤr auch ehre zu erwerben!
Genug, ich fuͤhr euch hin, und ſteh euch feſten mut's
Bis auf den lezten tropfen bluts.
73.
Der junge Fuͤrſt, geruͤhrt von ſoviel treue,
Faͤllt dankbarlich dem Alten um den hals.
Drauf legen ſich die beyden auf die ſtreue,
Und Huͤon ſchlaͤft ſo gut als waͤr's auf Pflaum. Und als
Der tag erwacht, erwacht mit muntern blicken
Der Ritter auch, ſchnallt ſeine ruͤſtung an,
Der Alte nimmt den querſack auf den ruͤcken,
Den knittel in die hand, und wandert friſch voran.
Obe-
[]
Oberon
Zweyter Geſang.
1.
So zieht das edle Paar, ſtets froͤhlich, wach und munter,
Bey ſonnenſchein und ſternenlicht
Zween tage ſchon den Libanon herunter;
Und wenn die mittagsglut ſie auf die ſcheitel ſticht,
Dient hohes Gras im ſchatten alter zedern
Zum ruheplatz; derweil in bunten federn
Das leichte volk der luft die ſilberkehlen ſtimmt,
In aͤſten buhlt und theil an ihrer mahlzeit nimmt.
2.
Am dritten morgen laͤßt ein kleiner haufen reuter
Sich ziemlich nah auf einer hoͤhe ſehn.
Es ſind Araber, ſpricht zu Huͤon ſein begleiter,
Und aus dem weg dem rohen volk zu gehn,
Wo moͤglich, waͤre wohl das beſte;
Ich kenne ſie als unverſchaͤmte gaͤſte.
Ey, ey, wo denkſt du hin, erwiedert Siegwins ſohn,
Wenn hoͤrteſt du, daß Franken je geflohn?
3. Die
[]
3.
Die ſoͤhne der wuͤſte, von fern magnetiſch angezogen
Von Huͤons helm, der ihnen im ſonnenglanz
Entgegenblizt, als waͤr' er ganz
Karfunkel und rubin, ſie kommen mit pfeil und bogen,
Den ſaͤbel gezuͤckt, im ſturm herangeflogen.
Ein mann zu fuß, ein mann zu pferd
Scheint ihnen kaum des Angriffs werth;
Allein ſie fanden ſich betrogen.
4.
Der junge held, bedeckt mit ſeinem ſchild,
Sprengt unter ſie, und wirft mit ſeinem ſpeere
Den, der ihr fuͤhrer ſchien, ſo kraͤftig von der maͤhre,
Daß ihm ein ſtrom von blut aus mund und naſe quillt.
Nun ſtuͤrzen allezumal, des hauptmanns fall zu raͤchen,
Auf ſeinen ſieger zu, mit hauen und mit ſtechen;
Allein von Scherasmin, der ihm den ruͤcken deckt,
Wird auf den erſten ſchlag ein Pocher hingeſtreckt:
5.
Und auf den andern troß arbeitet unſer Ritter
So unverdroſſen los, daß bald ein zweyter und dritter
Den ſattel raͤumt. Auf jeden friſchen zug
Flog hier ein kopf, und dort ein arm, den ſaͤbel
Noch in der fauſt. Nicht minder kraͤftig ſchlug
Der Alte zu mit ſeinem luft'gen hebel.
Zu ihrem Mahon ſchreyn die Heiden fluchend auf,
Und wer noch fliehen kann, der flieht in vollem lauf.
6. Das
[]
6.
Das feld liegt grauenhaft mit leichen und mit ſtuͤmmeln
Von roß und mann bedeckt, die durch einander wimmeln.
Der held, ſobald ſein neuer ſpießgeſell
Das beſte roß, das ſeinen herrn verlohren,
Nebſt einem guten ſchwert ſich aus der beut' erkohren,
Spornt ſeinen ſchnaubenden hengſt und eilet vogelſchnell
Den thaͤlern zu, die ſich in unabſehbarn weiten
An des gebuͤrges fuß vor ihrem blick verbreiten.
7.
Es ſchien ein wohlgebautes land,
Mit baͤchen uͤberall durchſchnitten,
Mit ſchaafen die anger bedeckt, die auen im blumengewand,
Und zwiſchen palmen die friedlichen huͤtten
Der braunen bewoner verſtreut, die froh ihr tagwerk thun,
In ihrer armut reich ſich duͤnken,
Und wenn ſie hungrig und muͤd in kuͤhlen ſchatten ruhn,
Zum rohen baͤuriſchen mahl dem pilger freundlich winken.
8.
Hier laͤßt der Ritter, da ihn die ſonne zu druͤcken begann,
Sich brodt in friſche milch von einer hirtin brocken.
Das gute volk begafft, zur ſeite, halberſchrocken,
Wie er im graſe liegt, den fremden eiſernen mann;
Allein da blick und ton ihm bald ihr herz gewann,
So wagen ſchon kinder ſich hin und ſpielen mit ſeinen locken.
Den tapfern mann ergoͤzt ihr traulich frohes gewuͤhl,
Er wird mit ihnen kind, und theilt ihr ſuͤßes ſpiel.
9. Wie
[]
9.
Wie ſelig, denkt er, waͤr's in dieſen huͤtten wohnen,
Vergeblicher wunſch! Ihn ruft ſein ſchickſal anderwaͤrts.
Der abend winkt. Beym ſcheiden wallt ſein herz,
Und, um dem guten volk das freundliche mahl zu lohnen,
Wirft Huͤon eine handvoll gold
Der wirthin in den ſchoos. Allein die gluͤcklichen wußten
Nicht was es war, und uͤbten das gaſtrecht ohne ſold,
So daß die herrn ihr gold nur wieder nehmen mußten.
10.
Nun ritten ſie, bis endlich, da der tag
Zu daͤmmern izt begann, ein wald vor ihnen lag.
Freund, ſpricht der Paladin zum Alten,
Mich brennt's wie feu'r bis ich dem Kayſer wort gehalten.
Den naͤchſten weg nach Bagdad wollteſt du
Mich fuͤhren? Mir iſts ich ſey vier jahre ſchon geritten.
Den naͤchſten weg, verſezt ſein ſpießgeſell, geht mitten
Durch dieſen wald; allein, ich rath euch nicht dazu.
11.
Man ſpricht nicht gut von ihm; zum wenigſten noch keiner
Der ſich hinein gewagt, kam jemals wieder 'raus.
Ihr laͤchelt? Glaubt mirs, herr, ein uͤbellauniger kleiner
Boshafter Kobolt haͤlt in dieſem walde haus.
Es wimmelt drinn von fuͤchſen, hirſchen, rehen,
Die menſchen waren ſo gut als wir.
Der himmel weiß in welches wilde thier
Wir, eh es morgen wird, uns umgekleidet ſehen.
12. Geht
[]
12.
Geht nur, erwiedert Siegwins ſohn,
Durch dieſen wald der weg nach Babylon,
So fuͤrcht' ich nichts. — Herr, laßt auf meinen knieen
Euch bitten! Es iſt, bey Gott! mir mehr um euch als mich
Denn gegen dieſen geiſt, das glaubt mir ſicherlich,
Hilft weder gegenwehr noch fliehen.
Mit fuͤnf, ſechs tagen ſpaͤter iſts gethan;
Und ach! ihr koͤmmt noch ſtets zu fruͤh in Bagdad an!
13.
Wenn du dich fuͤrchteſt, ſpricht der ritter,
So bleibe du! Ich geh, mein ſchluß iſt feſt.
Das nicht, ruft Scherasmin: der tod ſchmeckt immer bitter,
Allein, ein ſchelm der ſeinen herrn verlaͤßt!
Wann ihr entſchloſſen ſeyd, ſo folg ich ohne zaudern,
Und helf uns Gott und unſre Frau zu Aeqs!
Wohlan, ruft Huͤon, komm! und reitet bleich wie wachs
Den wald hinein; der Alte folgt mit ſchaudern.
14.
Kaum war er in der daͤmmerung
Zweyhundert ſchritte fortgetrottet
Als links und rechts in vollem ſprung
Ein heer von hirſchen und reh'n ſich ihnen entgegen rottet.
Sie ſchienen, mit thraͤnen im warnenden blick,
(Wie Scherasmin, wiewohl bey wenig lichte,
Bemerken will) aus mitleid ihn zuruͤck
Zu ſcheuchen, als ſpraͤchen ſie: o, flieht ihr armen wichte!
15. Nun
[]
15.
Nun, merkt ihr, (fluͤſtert er zum Ritter) wie es ſteht?
Und werdet ihr ein andermal mir glauben?
Triffts nicht ganz woͤrtlich ein? Die thiere, die ihr ſeht,
Die aus erbarmen uns ſo ſtark entgegen ſchnauben,
Sind menſchen, ſag ich euch; und wenn ihr weiter geht,
Glaubt mir, ſo haben wir den Kobold auf der hauben.
Seyd nicht ſo hart und rennt aus Eigenſinn,
Trotz eines freundes rath, in euer ungluͤck hin!
16.
Wie, Alter, ſpricht der held, ich geh mit dieſen ſchritten
Nach Bagdad, den Kalifen um eine handvoll haar
Aus ſeinem bart und vier von ſeinen zaͤhnen zu bitten,
Und du verlangſt, ich ſoll von ungewiſſer fahr
Mich ſchrecken laſſen? Wo iſt dein ſinn geblieben?
Wer weiß, der Kobold iſt vielleicht mein guter freund.
Mit dieſen wenigſtens iſts nicht ſo ſchlimm gemeint;
Sieh, wie ſie all in einem huy zerſtieben!
17.
Indem ers ſagt, ſo ſprengt er auf ſie zu,
Und alles weicht wie luft und iſt im huy verflogen.
Herr Huͤon und ſein fuͤhrer zogen
Nun eine weile fort in ungeſtoͤrter ruh,
Stillſchweigend beyde. Der tag war nun geſunken,
Und ihren mohnſaft goß die braune nacht herab;
Rings um ſie lag ſchon alles ſchlummertrunken,
Und durch den ganzen wald war's ſtille wie im grab.
C18. Zulezt
[]
18.
Zulezt kann laͤnger ſich der Alte nicht entbrechen;
Herr, ſpricht er, ſtoͤr' ich euch in einem grillenplan
So haltet mirs zu gut; 's iſt eine meiner ſchwaͤchen,
Ich laͤugn' es nicht; allein, im dunkeln muß ich ſprechen,
Das war ſo meine art von meiner kindheit an.
Es iſt ſo ſtille hier als ſey der große Pan
Geſtorben. Toͤnte nicht der hufſchlag unſrer pferde,
Ich glaube daß man gar den maulwurf ſcharren hoͤrte.
19.
Ihr denkt ich fuͤrchte mich; doch, ohne pralerey,
Denn, was ein menſch auch hat, ſo ſinds am ende gaben,
Auch leben manche noch, die es geſehen haben,
Wo ſchwerter klirren, im feld und im turney,
Mann gegen mann, auf ſtechen oder hauen,
Waͤr's auch im nothfall zween und drey
An ihrer acht, ich bin dabey!
Da kann man doch auf ſeine knochen trauen.
20.
Kurz, hat ein feind nur fleiſch und blut,
Ich bin ſein mann! Allein, das muß ich frey geſtehen,
Um mitternacht um einen kirchhof gehen
Das lupft ein wenig mir den hut.
Sezt, einem geiſt, der queerfeld mir begegnet,
Steht meine phyſionomie
Nicht an: was hilft mir arm und degen, veneregris!
Wenn's unſichtbare ſchlaͤg' auf meinen ruͤcken regnet?
21. Ge
[]
21.
Geſetzt, wie man exempel hat,
Ich hau ihm auch den ſchaͤdel glatt vom leibe:
Noch weil er rollt, ſteht ſchon an deſſen ſtatt
Ein andrer da. Oft rennt, als wie zum zeitvertreibe,
Der rumpf ſogar in vollem lauf
Dem kopfe nach, und ſetzt ihn wieder auf
Als waͤr es nur ein hut, dem ihm der wind genommen:
Nun, bitt ich euch, wie iſt ſo einem beyzukommen?
22.
Zwar, wie ihr wißt, ſobald der hahn gekraͤht,
So iſts mit all dem volk das zwiſchen eilf und zwoͤlfen
Im dunkeln ſchleicht, geſpenſtern, oder elfen,
Als haͤtte ſie der wind davon geweht.
Allein, der ſpuk der hier ſein weſen treibet,
Iſt euch ein geiſt von ganz beſondrem ſchlag;
Der haͤlt hier ofnen hof, ißt, trinket, lebt und leibet
Wie unſer eins, und geht bey hellem tag.
23.
Um meine neugier aufzuſchrauben
Haſt du dein beſtes gethan, erwiedert Siegwins ſohn;
Man ſpricht von geiſtern ſoviel, und luͤgt ſoviel davon,
Daß layen unſrer art nicht wiſſen was ſie glauben.
Einſt kam an unſern hof ein tiefſtudierter mann
(Der pfarrer nannt ihn einen M — anichaͤer)
Der ſchwur, es waͤre gar nichts dran,
Und ſchimpfte weidlich los auf alle geiſterſeher.
C 224. Sie
[]
24.
Sie zankten oft ſich drum bey einer flaſche wein,
Und wenn das letzte glas zu kopf zu gehn begonnte,
So miſchten ſie ſoviel latein und griechiſch drein
Daß ich kaum dann und wann ein wort verſtehen konnte.
Gut, dacht ich dann, ihr ſchwatzt wohl ſehr gelehrt,
Allein, man weiß doch nichts als was man ſelbſt erfaͤhrt.
Ich wollte wohl, ein geiſt erwieſe mir die ehre
Und kaͤm und ſagte mir was an der ſache waͤre.
25.
Indem ſah unſer wandernd paar
Sich unvermerkt in einem park befangen,
Durch den ſich hin und her ſo viele wege ſchlangen,
Daß irre drinn zu gehn, ſchier unvermeidlich war.
Der mond war eben itzt vollwangig aufgegangen,
Um durch ein truͤglich dunkelklar
Die augen, die nach einem ausweg irren,
Mit falſchen lichtern zu verwirren.
26.
Herr, ſagte Scherasmin, hier iſts drauf angeſehn
Uns in ein labyrinth zu winden.
Der einz'ge weg ſich noch herauszufinden
Iſt auf gut gluͤck der naſe nachzugehn.
Der rath (der weiſer iſt als mancher kluͤgling meynet)
Fuͤhrt unſre frommen wandrer bald
Zum mittelpunkt, wo ſich der ganze wald
In einen großen ſtern vereinet.
27. Und
[]
27.
Und in der fern erblicken ſie in buͤſchen
Ein ſchoͤnes ſchloß, das, wie aus abendroth gewebt,
Sich ſchimmernd in die luft erhebt.
Mit augen, worinn ſich luſt und grauen miſchen
Und zwiſchen traum und wachen zweifelhaft
Schwebt Huͤon ſprachlos da und gafft:
Als ploͤtzlich auf die goldnen thuͤren flogen
Und rollt ein wagen daher, den leoparden zogen.
28.
Ein knaͤblein, ſchoͤn als wie auf ſeiner mutter ſchooß
Der Liebesgott, ſaß in dem ſilberwagen,
Die zuͤgel in der hand. Da koͤmmt er auf uns los,
Mein beſter herr, ruft Scherasmin mit zagen,
Indem er Huͤons pferd beym zaume nach ſich zieht;
Wir ſind verlohren! flieht, o flieht!
Da kommt der zwerg! — Er iſt ſo ſchoͤn, ſpricht jener —
Nur deſto ſchlimmer! fort! und waͤr' er zehnmal ſchoͤner!
29.
Flieht, ſag' ich euch, ſonſt iſts um uns gethan!
Der Ritter ſtraͤubt ſich zwar, allein da hilft kein ſtraͤuben;
Der alte jagt im ſchnellſten flug voran
Und zieht ihn nach, und hoͤrt nicht auf zu treiben,
Zu jagen uͤber ſtock und ſtein,
Durch wald und buſch, und uͤber zaun und graben
Zu ſetzen, bis ſie aus dem hayn
Ins freye ſich gerettet haben.
C 330. In-
[]
30.
Indem ſie fliehn verfolgt ſie ein gewitter
Mit regen, ſturm und blitz. Die fuͤrchterlichſte nacht
Verſchlingt den mond; es donnert, ſaußt und kracht
Rings um ſie her als ſchluͤg's den ganzen wald in ſplitter;
Kurz, alle element' im ſtreit
Zerkaͤmpften ſich mit zuͤgelloſem grimme:
Doch mitten aus dem ſturm ertoͤnt von zeit zu zeit,
Mit liebevollem ton, des geiſtes ſanfte ſtimme.
31.
Was fliehſt du mich? du fliehſt vor deinem gluͤck;
Vertrau dich mir, komm, Huͤon, komm zuruͤck!
Herr, wenn ihr's thut, ſeyd ihr verlohren,
Schreyt Scherasmin; fort, fort, die finger in die ohren,
Und ſprecht kein wort! er hat nichts guts im ſinn!
Nun geht's auf's neu durch dick und duͤnn,
Vom ſturm umſaußt, vom regen uͤberſchwemmet,
Bis eine kloſtermau'r die raſchen reuter hemmet.
32.
Ein neues abentheu'r! Der tag da dies geſchah
War juſt das nahmensfeſt der heil'gen Agatha,
Der ſchuͤtzerin von dieſem jungfernzwinger.
Nun lag, kaum einen buͤchſenſchuß
Davon, ein ſtift voll wohlgenaͤhrter juͤnger
Des heil'gen Abts Antonius;
Und beyde hatten ſich in dieſen abendſtunden,
Zu einer betefahrt freundnachbarlich verbunden.
33. Sie
[]
33.
Sie kamen juſt zuruͤck, als, nah am Kloſterbuͤhl,
Indem ſie paar und paar in ſchoͤnſter ordnung wallten,
Der reſt des ſturms ſie uͤberfiel.
Kreuz, fahnen, ſcapulier, ſind toller winde ſpiel,
Und ſtroͤmend dringt die flut bis in des ſchleyers falten.
Umſonſt iſt alle muͤh die ordnung zu erhalten.
Die andacht reißt. Mit komiſchem gewuͤhl
Rennt alles hin und her in ſeltſamen geſtalten.
34.
Hier wadet bis ans knie geſchuͤrzt
Ein noͤnnchen im moraſt: dort glitſcht ein moͤnch im laufen,
Und, daß er nicht auf einen haufen
Von ſchweſterchen, die vor ihm rennen, ſtuͤrzt,
Ergreift er in der angſt die Domina beym beine.
Doch endlich, da der ſturm ſein aͤuſſerſtes gethan,
Langt, athemlos, die ganze Chorgemeine,
Durchnaͤßt und wohlbeſprizt, im kloſtervorhof an.
35.
Hier war noch alles voll getuͤmmel,
Als durch das thor, das weitgeoͤfnet ſtund,
Mein Scherasmin ſich mitten ins gewimmel
Der kloſterleute ſtuͤrzt; denn auf geweyhtem grund
Iſts, wie er glaubt, ſo ſicher als im himmel.
Bald koͤmmt auch Huͤon nach, und, wie er gleich den mund
Eroͤfnen will, die freyheit abzubitten,
So ſteht mit einem blitz der Zwerg in ihrer mitten.
C 436. Auf
[]
36.
Auf einmal iſt der himmel wolkenleer,
Und alles hell und mild und trocken wie vorher.
Schoͤn, wie im morgenroth ein neugebohrner engel,
Steht er, geſtuͤzt auf einen lilienſtaͤngel,
Und um die ſchultern haͤngt ſein elfenbeinern horn.
So ſchoͤn er iſt, doch koͤmmt ein unbekanntes grauen
Sie alle an; denn ernſt und ſtiller zorn
Woͤlkt ſich um ſeine augenbrauen.
37.
Er ſetzt das horn an ſeine lippen an
Und blaͤßt den lieblichſten ton. Straks uͤbermannt den Alten
Ein ſchwindelgeiſt; er kann ſich tanzens nicht enthalten,
Packt eine nonne ohne zahn,
Die vor begierde ſtirbt ein taͤnzchen mit zu machen,
Und huͤpft und ſpringt, als wie ein junger bock
So raſch mit ihr herum, daß ſchleyertuch und rock
Weit in die luͤfte wehn, zu allgemeinem lachen.
38.
Bald faßt die gleiche wut den ganzen kloſterſtand;
Ein jeder Lollhart nimmt ſein noͤnnchen bey der hand
Und ein ballet beginnt, wie man ſobald nicht wieder
Eins ſehen wird. Die ſchweſtern und die bruͤder
Vergeſſen aller zucht und regel ganz und gar.
Es iſt ein wahrer tanz von faunen und maͤnaden:
Hier flieht ein weyhel weg, dort winken runde waden,
Auch wohl noch mehr, und keine wirds gewahr.
39. Der
[]
39.
Der Ritter ganz allein ſteht feſt auf ſeinen Fuͤßen,
Und lacht (wer haͤtt' auch hier nicht lachen muͤſſen?)
Aus voller bruſt, dem veitstanz zuzuſehn;
Wie hoch die dicken waͤnſte huͤpfen,
Wie flink die nonnen daher auf kurzem graſe ſchluͤpfen,
Wie ſchnell und uͤppig ſich die runden huͤften drehn;
Kurz, wie, des wohlſtands quitt, dem ſie aus zwang gefroͤhnet,
Die liebe natur ſich tummelt, baͤumt und dehnet.
40.
Indeſſen naht ſich ihm der ſchoͤne Zwerg, und ſpricht
In ſeiner ſprach ihn an, mit ernſtem angeſicht:
Warum entfliehn vor mir, o Huͤon von Guͤyenne? —
Wie? du verſtummſt? beym Gott des Himmels den ich kenne
Antworte mir! — Nun kehrt die zuverſicht
In Huͤons bruſt zuruͤck. Was willſt du mein, erwiedert
Der juͤngling. — Fuͤrchte nichts, ſpricht jener; wer das licht
Nicht ſcheuen darf, der iſt mit mir verbruͤdert.
41.
Ich liebte dich von deiner kindheit an,
Und was ich gutes dir beſtimme
An keinem Adamskind hab ich es je gethan!
Dein herz iſt rein, dein wandel ohne kruͤmme,
Wo pflicht und ehre ruft, fragſt du nicht fleiſch und blut,
Haſt glauben an dich ſelbſt, haſt in der pruͤfung muth;
So kann mein ſchutz dir niemals fehlen,
Denn meine ſtrafgewalt trift nur befleckte ſeelen.
C 542. War
[]
42.
Waͤr nicht dies kloſtervolk ein heuchleriſch gezuͤcht,
Beloͤg ihr keuſcher blick, ihr leiſer bußton nicht
Ein heimlich ſtrafbares gewiſſen,
Sie ſtuͤnden, trotz dem horn, wie du auf ihren fuͤßen.
Auch Scherasmin, fuͤr den ſein redlich auge ſpricht,
Muß ſeiner zunge frefel buͤßen.
Sie alle tanzen nicht weil ſie der kitzel ſticht,
Die armen tanzen weil ſie muͤſſen.
43.
Indem beginnt ein neuer wirbelwind
Den Faunentanz noch ſchneller umzuwaͤlzen;
Sie ſpringen ſo hoch, und drehn ſich ſo geſchwind,
Daß ſie in eigner glut wie ſchnee am thauwind ſchmelzen,
Und jedes zappelnde herz bis an die kehle ſchlaͤgt.
Des Ritters menſchlichkeit ertraͤgt
Den anblick laͤnger nicht; er denkt, es waͤre ſchade
Um all das junge blut, und fleht fuͤr ſie um gnade.
44.
Der ſchoͤne Zwerg ſchwingt ſeinen lilienſtab,
Und ſtracks zerrinnt der dicke zauberſchwindel;
Verſteinert ſtehn ſankt Antons fette muͤndel,
Und jedes Noͤnnchen, bleich als ſtieg es aus dem grab,
Eilt, ſchleyer, rock und was ſich ſonſt im ſpringen
Verſchoben hat, in ordnung ſchnell zu bringen.
Nur Scherasmin, zu alt fuͤr ſolchen ſcherz,
Sinkt kraftlos um, und glaubt izt berſtet ihm das herz.
45. Ach!
[]
45.
Ach! keucht er, gnaͤdger herr, was ſagt ich euch? Nicht weiter,
Freund Scherasmin! faͤllt ihm der Geiſt ins wort:
Ich kenne dich als einen wackern ſtreiter,
Nur laͤuft dein kopf manchmal mit deinem herzen fort.
Warum, auf andrer wort, ſo raſch mich zu verlaͤſtern?
Fy! graulich ſchon von Bart, am urtheil noch ſo jung!
Nimm in geduld die kleine zuͤchtigung!
Ihr andern, geht, und buͤßt fuͤr euch und eure ſchweſtern!
46.
Das Kloſtervolk ſchleicht ſich beſchaͤmt davon.
Drauf ſpricht der ſchoͤne Zwerg mit huld zu Scherasmine:
Wie? Alter, immer noch des argwohns duͤſtre mine?
Doch, weil du bieder biſt, verzeyht dir Oberon.
Komm naͤher, guter alter zecher,
Komm, faſſ' ein herz zu mir und fuͤrchte keinen trug;
Du biſt erſchoͤpft; nimm dieſen becher
Und leer ihn aus auf Einen zug.
47.
Mit dieſem wort reicht ihm der Elfenkoͤnig
Ein trinkgeſchirr von feinem gold gedreht.
Der Alte, der mit noth auf ſeinen beinen ſteht,
Stuzt, wie er leer es ſieht, nicht wenig.
Ey, ruft der Zwerg, noch, keine zuverſicht?
Friſch an den mund geſezt, und trink, und zweifle nicht.
Der gute mann gehorcht, zwar nur mit halbem willen,
Und ſieht das gold ſich flugs mit wein von Langen fuͤllen.
48. Und
[]
48.
Und als er ihn auf einen zug geleert,
Iſts ihm, als ob mit wolluſtvoller hitze
Ein neuer lebensgeiſt durch alle adern blitze.
Er fuͤhlt ſich wieder ſo friſch, ſo ſtark und unverſehrt,
Als wie er war, da er, in ſeinen beſten jahren,
Mit ſeinem erſten herrn zum heil'gen grab gefahren.
Voll ehrfurcht und vertraun faͤllt er dem ſchoͤnen zwerg
Zu fuß; nun, ruft er, ſteht mein glaube wie ein berg!
49.
Drauf ſpricht der Geiſt mit ernſtem blick zum Ritter:
Mir iſt der auftrag wohl bekannt,
Womit dich Karl nach Babylon geſandt.
Du ſiehſt, was fuͤr ein ungewitter
Er dir bereitet hat; ſein groll verlangt dein blut.
Allein, was du mit glauben und mit mut
Begonnen haſt, das helf ich dir vollenden;
Da, Huͤon, nimm dies horn aus meinen haͤnden.
50.
Ertoͤnt mit lieblichem ton von einem ſanften hauch
Sein ſchneckengleich gewundner bauch,
Und draͤuten dir mit ſchwert und lanzen
Zehntauſend mann, ſie fangen an zu tanzen,
Und tanzen ohne raſt im wirbel, wie du hier
Ein beyſpiel ſahſt, bis ſie zu boden fallen:
Doch, laͤſſeſt du's mit macht erſchallen,
So iſts ein ruf, und ich erſcheine dir.
51. Dann
[]
51.
Dann ſiehſt du mich, und waͤr' ich tauſend meilen
Von dir entfernt, zu deinem beyſtand eilen.
Nur ſpare ſolchen ruf bis hoͤchſte noth dich dringt.
Auch dieſen becher nimm, der ſich mit wein erfuͤllet,
Sobald ein biedermann ihn an die lippen bringt.
Der quell verſieget nie woraus ſein nektar quillet:
Doch bringt ein ſchalk ihn an des mundes rand
So wird der becher leer, und gluͤht ihm in der hand.
52.
Herr Huͤon nimmt mit dank die wundervollen pfaͤnder
Von ſeines neuen ſchuͤtzers huld;
Und kaum verguͤlden ſich des oſtens purpurraͤnder,
So forſcht er ſchon, mit edler ungeduld,
Von Oberon den kuͤrzeſten der wege.
Zeuch hin, ſpricht Oberon, nachdem er ihn belehrt;
Und daß ich nie die ſtunde ſehen moͤge,
Da Huͤons herz durch ſchwachheit ſich entehrt!
53.
Nicht daß ich deinem mut und herzen
Mißtraue! aber, ach! du biſt ein adamskind,
Aus weichem ton geformt, und fuͤr die zukunft blind!
Zu oft iſt kurze luſt die quelle langer ſchmerzen!
Vergiß der warnung nie, die Oberon dir gab!
Drauf ruͤhrt er ihn mit ſeinem lilienſtab,
Und Huͤon ſieht aus ſeinem liebevollen
Azurnen augenpaar zwoo helle perlen rollen.
54. Und
[]
54.
Und wie er treu und pflicht ihm heilig ſchwoͤren will
Entſchwunden war der waldgeiſt ſeinem blicke,
Und nur ein lilienduft blieb wo er ſtand zuruͤcke.
Betroffen, ſprachlos, ſteht der junge Ritter ſtill,
Reibt aug' und ſtirn; wie einer, im erwachen
Aus einem ſchoͤnen traum, ſich ſucht gewiß zu machen,
Ob das was ihn mit ſolcher luſt erfuͤllt
Was wuͤrklichs iſt, ob nur ein naͤchtlich bild?
55.
Doch, wenn er auch gezweifelt haͤtte,
Der becher und das horn, das ihm an goldner kette
Um ſeine ſchultern hieng, ließ keinem zweifel platz.
Zumal der becher duͤnkt dem neuverjuͤngten alten
Das ſchoͤnſte ſtuͤck im ganzen Feenſchatz.
Herr, ſpricht er, im begriff den buͤgel ihm zu halten,
Noch einen zug, dem guten zwerg zum dank!
Sein wein, bey meiner treu! iſt aͤchter goͤttertrank!
56.
Und nun, nachdem ſie ſich geſtaͤrkt zur neuen reiſe
Giengs uͤber berg und thal, nach alter Ritter weiſe
Den ganzen tag; und nur ein theil der kurzen nacht
Wird unter baͤumen zugebracht.
So zogen ſie, ohn' alles abentheuer
Vier tage lang, der Ritter ſchon im geiſt
Zu Babylon, und gluͤcklich ſein Getreuer,
Daß Siegwins ſohn es iſt, dem er zur ſeite reiſt.
Oberon
[]
Oberon
Dritter Geſang.
1.
Am vierten, da ihr weg ſich durch gebuͤrge ſtahl,
Auf einmal ſehen ſie in einem engen thal
Viel reiche zelten aufgeſchlagen,
Und Ritter, mehr als zwanzig an der zahl,
Die gruppenweis umher in palmenſchatten lagen.
Sie ruhten, wie es ſchien, nach ihrem mittagsmahl;
Indeſſen helm' und ſpeer' an niedern aͤſten hiengen,
Und ihre pferde frey im graſew eiden giengen.
2.
Kaum wird die ritterliche ſchaar
Der beyden Reiſigen noch auf der hoͤh' gewahr,
So raffen alle von der erde
In haſt ſich auf aus ihrer mittagsruh,
Als ob zum kampf geblaſen werde.
Das ganze thal wird reg' in einem nu,
Man zittert hin und her, man laͤuft den waffen zu,
Hier wapnen Ritter ſich, dort Knappen ihre pferde.
3. Laß
[]
3.
Laß ſehen, ſpricht der Paladin,
Was dieſe ritterſchaft, die dem verdauungswerke
So friedſamlich kaum obzuliegen ſchien,
In ſolche unruh ſetzt. Wir ſelber, wie ich merke,
Erwiedert Scherasmin; ſeyd wohl auf eurer hut,
Sie kommen uns in halbem mond entgegen.
Herr Huͤon zieht mit kaltem blut den degen,
O, ſpricht er, der iſt mir fuͤr alles gut.
4.
Indem tritt aus dem kreis, in feinem wehrgeſchmeide,
Ein ſchoͤner mann hervor, gruͤßt hoͤflich unſre beyde,
Und bittet um gehoͤr. Herr Ritter lobeſam,
Spricht er, wer noch von unſerm ſtand und orden
Von ungefaͤhr zu dieſen zelten kam,
Iſt von uns angehalten worden.
Es ſteht in eurer wahl, ein ſpeerchen hier zu brechen,
Wo nicht, zu thun, warum wir euch beſprechen.
5.
Und was? fragt Huͤon zuͤchtiglich.
Nicht weit von hier, ſpricht jener, maͤſtet ſich
In einer feſten burg der Rieſe Angulaſſer;
Ein arger Chriſtenfeind, ein wahrer wuͤtherich,
Auf ſchoͤne weiber wie ein Kaffer,
Und, was das ſchlimmſte iſt, feſt gegen hieb und ſtich,
Kraft eines rings, den er dem zwerg genommen,
Aus deſſen park die Herr'n vermuthlich hergekommen.
6. Mein
[]
6.
Mein Herr, ich bin ein Prinz vom berge Libanon.
Ich hatte mich dem dienſt der Schoͤnen aller Schoͤnen
Drey jahre lang verdingt, und ohne minnelohn,
Bis ſie erflehn ſich ließ, ſo viele treu zu kroͤnen.
Doch, in der hochzeitnacht, da ich als braͤutigam
Ihr gleich den guͤrtel loͤſen wollte,
Da kam der wehrwolf, nahm ſie untern arm, und trollte
Vor meinen augen weg mit meinem holden lamm.
7.
Sechs monden ſind nunmehr verfloſſen,
Seit ich zu ihrem heil mein aͤußerſtes verſucht.
Weh mir! der eiſerne thurm, worein er ſie verſchloſſen,
Wehrt mir den zugang, ihr die flucht.
Das einz'ge, was ich noch von Amors ſuͤßer frucht
In dieſer langen zeit genoſſen,
Iſt tagelang von fern auf einem baum zu lauren,
Und hinzuſehn nach den verhaßten mauren.
8.
Zuweilen daͤuchte mich ſogar
Ich ſehe ſie mit losgebundnem haar
Am fenſter ſtehn, und mit gerungnen armen,
Als flehte ſie zum himmel um erbarmen.
Mir fuhr ein dolch ins herz. Und die verzweiflung nun
Trieb mich, ſeit jenem tag, zu thun
Was ihr erfahren habt, wie alle dieſe ſtreiter:
Kurz, ungefochten, Herr, koͤmmt hier kein Ritter weiter.
D9. Ge-
[]
9.
Gelingt es euch, was keinem noch gelang,
Aus meinem ſattel mich zu heben,
So ſeyd ihr frey, und reiſet ohne zwang
Wohin ihr wollt: Wo nicht, ſo muͤßt ihr euch ergeben,
Wie dieſe Herren hier, mir zu gebot zu leben,
Und nicht von hier zu gehn, ſo lang
Bis wir das abentheur beſtanden
Und meine braut erloͤßt aus Angulaffers banden.
10.
Doch, wenn ihr etwa lieber ſchwoͤrt
In ſeinen eiſenthurm geraden wegs zu dringen,
Und meine Angela allein zuruͤckzubringen,
So habt ihr freye wahl, und ſeyd noch dankes werth.
Prinz, ſprach der Paladin, was brauchts hier erſt zu kieſen:
Genug, daß ihr die ehre mir erwieſen:
Kommt, einen ritt mit euch und eurer ganzen zahl,
Vom uͤbrigen ein andermal!
11.
Der ſchoͤne Ritter ſtuzt, doch laͤßt er ſichs gefallen;
Sie reiten, die trompeten ſchallen;
Und, kurz, Herr Huͤon legt mit einem derben ſtoß
Den Prinzen Libanons gar unſanft auf den ſchoos
Der guten alten mutter Erde;
Drauf kommen nach der reyh die edeln knechte dran,
Und als er ihnen ſo wie ihrem Herrn gethan,
Hebt er ſie wieder auf mit hoͤflicher gebehrde.
12. Bey
[]
12.
Bey Gott, Herr Ritter, (ſpricht, indem er zu ihm hinkt,
Der Zedernprinz) ihr ſeyd ein ſcharfer ſtecher!
Doch baſta! eure hand! kommt, weil der abend winkt,
Zum bruͤderlichen mahl und zum verſoͤhnungsbecher.
Herr Huͤon nimmt den antrag dankbar an;
Drey ſtunden fliehen weg mit trinken und mit ſcherzen:
Und, wie die Herren ihn ſo ſchoͤn und hoͤflich ſahn,
Verziehn ſie ihm ihr rippenweh von herzen.
13.
Izt, ſpricht er, liebe Herrn und Freunde, da ich euch,
Was mein war ohnedies, ſo redlich abgewonnen,
Izt, ſollt ihr wiſſen, geht's geraden wegs ſogleich
Dem Rieſen zu. Ich war's vorhin geſonnen,
Und thu es nun mit deſto groͤßrer luſt,
Weil dieſem Biedermann ein dienſt damit geſchiehet.
Drauf dankt er, daß ſie ſich ſoviel mit ihm bemuͤhet,
Und druͤckt der reyhe nach ſie all' an ſeine bruſt.
14.
Und als ſie ihm zur burg des ungeſchlachten Rieſen
Durch einen foͤrenwald den naͤchſten weg gewieſen,
Entlaͤßt er ſie, mit der verſicherung,
Sie ſollten bald von ihrer Dame hoͤren.
Ade, ihr Herrn! — „Viel gluͤcks!“ — Und nun in vollem ſprung
Zum wald hinaus. Kaum roͤthete die foͤren
Die morgenſonn, als ihm, im blachen feld,
Ein ungeheurer thurm von ferne dar ſich ſtellt.
D 215. Aus
[]
15.
Aus eiſen ſchien das ganze werk gegoſſen,
Und war ringsum ſo feſt verſchloſſen,
Daß nur ein pfoͤrtchen, kaum zween fuß breit, offen ſtand:
Und vor dem pfoͤrtchen ſtehn, mit flegeln in der hand,
Zween hochgewaltige metallene Koloſſen,
Durch zauberey belebt, und dreſchen unverdroſſen
So hageldicht, daß zwiſchen ſchlag und ſchlag
Sich unzerknickt ſogar kein lichtſtral draͤngen mag.
16.
Der Paladin bleibt eine weile ſtehen,
Und wie er uͤberlegt, was anzufangen ſey,
Laͤßt eine Jungfrau ſich an einem fenſter ſehen,
Die winkt gar zuͤchtiglich ihm mit der hand herbey.
Mein treu! ruft Scherasmin, die Jungfer hat gut winken:
Ihr werdet doch kein ſolcher waghals ſeyn?
Seht ihr die Schweitzer nicht mit ihren langen zinken?
Da koͤmmt von euch kein knochen ganz hinein!
17.
Doch Huͤon hielt getreu an ſeiner ordensregel,
Dem Satan ſelber nie den ruͤcken zuzudrehn.
Hier, denkt er, hilft ſonſt nichts als mitten durch die flegel
Geradezu aufs pfoͤrtchen loszugehn.
Den degen hoch, die augen zugeſchloſſen,
Stuͤrzt er hinein; und wohl ihm! ihn verfuͤhrt
Sein glaube nicht: die ehernen Koloſſen
Stehn regunglos, ſobald er ſie beruͤhrt.
18. Kaum
[]
18.
Kaum iſt der Held hineingegangen,
Indeſſen Scherasmin im hof die pferde haͤlt,
So eilt die ſchoͤne magd den Ritter zu empfangen.
Mit ſchwarzen haaren, die ihr den ruͤcken niederhangen,
Im langen weißen rock, der bis zur erde faͤllt,
Und den am leichtbedeckten buſen
Ein goldnes band zuſammenhaͤlt,
Schien ſie wie ein modell zu Grazien oder Muſen.
19.
Was fuͤr ein engel (ſpricht, indem ſie ſeine hand
Nur kaum beruͤhrt, das Maͤdchen ſuͤßerroͤthend)
Was fuͤr ein engel, Herr, hat euch mir zugeſandt?
Ich ſtund am fenſter juſt, zur Heil'gen Jungfrau betend,
Als ihr erſchient. Gewiß hat ſie's gethan,
Und als von ihr geſchickt nimmt Angela euch an;
Von ihr, die ſchon ſo oft ſich meiner angenommen,
Zu huͤlfe mir geſandt, ſeyd tauſendmal willkommen!
20.
Doch laßt uns nicht verziehn; denn jeder augenblick
Iſt mir verhaßt, den wir in dieſem kerker weilen.
Ich komme nicht, ſpricht Huͤon, ſo zu eilen:
Wo iſt der Rieſ'? — O der, verſezt ſie, liegt, zum gluͤck,
In tiefem ſchlaf; und wohl, daß ihr ihn ſo getroffen;
Denn, iſt er wieder auferweckt,
Vergebens wuͤrdet ihr ihm anzuſiegen hoffen,
Solang der zauberring an ſeinem finger ſteckt.
D 321. Je-
[]
21.
Jedoch, den ring ihm ſicher abzunehmen
Iſts iuſt noch zeit. — „Wie ſo?“ — Der ſchlaf,
Der taͤglich drey bis viermal ihn zu laͤhmen
Und zu betaͤuben pflegt, iſt kein natuͤrlicher ſchlaf.
Ich will euch, weil noch wohl zwoo ganze ſtunden fehlen
Bis er erwacht, die ſache kurz erzaͤhlen.
Mein vater, Balazin von Phrygien genannt,
Iſt Herr von Jericho im Palaͤſtinerland.
22.
Beynah vier jahre ſinds, ſeit mich Alexis liebte,
Der ſchoͤnſte Prinz vom berge Libanon;
Und wenn ihn, wie er ſagt, mein ſproͤdethun betruͤbte,
So wußte, glaubet mir, mein herz kein wort davon:
Es fiel mir ſchwer genug! Doch, in den erſten wochen
Hatt' ichs der heiligen Alexia verſprochen,
Nur, wenn der Prinz drey jahre keuſch und rein
Mir diente, anders nicht, die ſeinige zu ſeyn.
23.
Ganz heimlich wurd' er mir mit jedem tage lieber;
Lang war die pruͤfungszeit; jedoch, ſie gieng voruͤber:
Ich ward ihm angetraut — und kurz, ſchon ſahen wir
Ins brautgemach zuſammen uns verſchloſſen:
Auf einmal flog im ſturm die kammerthuͤr
Erdonnernd auf, der Rieſe kam geſchoſſen,
Ergriff mich, floh davon, und ſieben monden ſchier
Sind, ſeit mich dieſer thurm gefangen haͤlt, verfloſſen.
24. Zu
[]
24.
Zu wiſſen, ob der Rieſ' es mir ſo leicht gemacht,
Ihm ſtuͤrmte ohne zahl beſtaͤndig abzuſchlagen,
Muͤßt ihr ihn ſelber ſehn. Mein Herr, was ſoll ich ſagen?
Stets angefochten, ſtets den ſieg davon zu tragen,
Iſt ſchwer. Einſt, da er mich in einer mondſcheinsnacht
(Noch ſchauderts mir!) aufs aͤußerſte gebracht,
Fiel ich auf meine knie', und rief mit wunden haͤnden
Die Mutter Gottes an, mir huͤlfe zuzuſenden.
25.
Die holde Himmelskoͤnigin
Erhoͤrte mich, die Jungfrau voller gnaden.
Getroffen wie vom blitz ſank der verſucher hin,
Und lag, ohnmaͤchtig mir zu ſchaden,
Sechs ſtunden lang betaͤubt. So oft, ſeit dieſer zeit,
Er den verhaßten kampf erneut,
Erneut dies wunder ſich; ſtracks muß ſein trotz ſich legen,
Und nichts vermag ſein zauberring dagegen.
26.
Dies war erſt heute noch der fall; und nach verlauf
Der ſechſten ſtunde (vier ſind ſchon davon verloſſen)
Steht er zu neuem leben auf,
So friſch und ſtark, als haͤtt' ihn nichts betroffen.
Des ringes werk iſt dies. Solang ihn der beſchuͤtzt,
Kann ihm am leben nichts geſchehen.
Ihr glaubt nicht, was der ring fuͤr tugenden beſitzt!
Allein, was haͤlt euch, ſelbſt das alles anzuſehen?
D 427. Nun
[]
27.
Nun giengs dem Ritter juſt wie euch.
Er hatte ſich, nach Angulaſſers namen,
Ein unthier vorgeſtellt aus Titans rohem ſaamen,
Den wilden Erdenſoͤhnen gleich,
Die einſt, den Goͤtterſitz zu ſtuͤrmen,
Den hohen Pelion mit ſammt den wurzeln aus
Der erde riſſen, um ihn dem Oſſa aufzuthuͤrmen:
Nun wurd' ein mann von ſieben fuß daraus.
28.
Habt ihr das Goͤtterwerk von Glykon je geſehen,
Den großen ſohn der langen wundernacht,
Im urbild, oder auch in gipſe nachgemacht,
So denkt, ihr ſeht den mann leibhaftig vor euch ſtehen,
Den mann, der in der mondſcheinsnacht
Das arme kind ſo ins gedraͤng gebracht.
So wie er lag, haͤtt' ihn von unſern neuern Alten
Der ſchlauſte fuͤr ein bild vom Herkules gehalten.
29.
Fuͤr einen Herkules in ruh,
Als er dem Augias den marmorſtall gemiſtet;
So breitgeſchultert, hochgebruͤſtet
Lag Angulaffer da; auch traf die kleidung zu.
Der Ritter ſtuzt: denn in den alterthuͤmern
Lag ſeine ſtaͤrke nicht; und ſo, vorm keuſchen blick
Des tages, im gewand der rohen natur zu ſchimmern,
Daͤucht ihm ein wahres Heidenſtuͤck.
30. Nun,
[]
30.
Nun, fluͤſtert ihm die Jungfrau, edler Ritter,
Was zoͤgert ihr? Er ſchlaͤft. Den ring, und einen hieb,
So iſts gethan! — „Dazu iſt mir mein ruhm zu lieb;
Ein feind, der ſchlafend liegt und nackter als ein ſplitter,
Schlaͤft ſicher neben mir; erſt wecken will ich ihn.“
So macht euch wenigſtens zuvor des ringes meiſter,
Spricht ſie. Der Ritter naht, den reif ihm abzuziehn,
Und macht, unwiſſend, ſich zum Oberherrn der Geiſter.
31.
Der ring hat, neben mancher kraft,
Die Huͤon noch nicht kennt, auch dieſe eigenſchaft,
An jeden finger ſtracks ſich biegſam anzufuͤgen;
Klein oder groß, er wird ſich dehnen oder ſchmiegen,
Wie's noͤthig iſt. Der Paladin begafft
Den wundervollen reif mit ſchaurlichem vergnuͤgen,
Faßt drauf des Rieſen arm, und ſchuͤttelt ihn mit macht
So lang und ſtark, bis er zulezt erwacht.
32.
Kaum faͤngt der Rieſe ſich zu regen an, ſo fliehet
Die tochter Balazins mit einem lauten ſchrey.
Herr Huͤon, ſeinem muth und ritterſtand getreu,
Bleibt ruhig ſtehn. Wie ihn der Heide ſiehet,
Schreyt er ihn grimmig an: Wer biſt du, kleiner wicht,
Der meinen morgenſchlaf ſo tollkuͤhn unterbricht?
Dein koͤpfchen muß, weil du's von freyen ſtuͤcken
Mir vor die fuͤße legſt, dich unertraͤglich juͤcken?
D 533. Steh
[]
33.
Steh auf und waffne dich, verſezt der Paladin,
Dann, Praler, ſoll mein ſchwert dir antwort geben!
Der Himmel ſendet mich zur ſtrafe dich zu ziehn,
Das ende naht von deinem ſuͤndenleben.
Der Rieſe, da er ihn ſo reden hoͤrt, erſchrickt
Indem er ſeinen ring an Huͤons hand erblickt.
Gieb, ſpricht er, mir den ring zuruͤcke
Und geh im frieden, geh, und dank es deinem gluͤcke!
34.
Ich nahm dir nur was du geſtohlen ab,
Und dem er angehoͤrt werd ich ihn wieder ſchaffen,
Spricht Siegwins ſohn: du, hole deine waffen
Und ruͤſte dich, und komm herab! —
„Du haͤtteſt mich im ſchlaf ermorden koͤnnen,
Verſezt der Ries mit immer ſanfterm muth;
Du biſt ein Biedermann; mich daurt dein junges blut,
Gieb mir den ring, den kopf will ich dir goͤnnen.“
35.
Feigherziger, ruft Huͤon, ſchaͤme dich,
Vergebens bettelſt du! Stirb, oder, wenn du leben
Verdienſt, verdien' es ritterlich!
Izt ſpringt der Unhold auf, daß ſelbſt die mauern beben;
Sein auge gluͤht als wie der hoͤllenſchlund,
Die naſe ſchnaubet zorn, dampf faͤhrt aus ſeinem mund,
Er eilt hinweg den panzer anzulegen
Der undurchdringlich iſt ſelbſt einem zauberdegen.
36. Der
[]
36.
Der Ritter ſteigt herab, und ungeſaͤumt erſcheint
Ganz im verluptem ſtahl ſein trotzigſichrer feind,
Der in der wuth vergaß, daß vor des ringes blitzen
Ihn keine zauberwaffen ſchuͤtzen.
Allein beym erſten ſtoß, den Huͤons gutes ſchwert
Auf ſeinen harniſch fuͤhrt, vergeht ihm ſchon das lachen;
Das blut ſchießt wie ein ſtrom den hals empor und ſperrt
Des athems weg in ſeinem weiten rachen.
37.
Er faͤllt, wie auf der ſtirn des Taurus eine fichte
Im donner ſtuͤrzt: der thurm, das feld umher
Erbebt von ſeinem fall; er fuͤhlt ſich ſelbſt nicht mehr,
Sein ſtarrend auge ſchließt auf ewig ſich dem lichte,
Und den verruchten geiſt, von frevelthaten ſchwer,
Schon ſchleppen teufel ihn zum ſchrecklichen gerichte.
Der ſieger wiſcht vom blutbefleckten ſtal
Das ſchwarze gift, und eilt zur Jungfrau in dem ſaal.
38.
Heil euch, mein edler Herr, ihr habt mich wohl gerochen,
Ruft Angela, indem ſie ſich entzuͤckt
Zu ſeinen fuͤßen wirft ſobald ſie ihn erblickt;
Und dir, die ihn zum retter mir geſchickt,
O Himmelskoͤnigin, ſey's feyrlich hier verſprochen,
Der erſte ſohn, mit dem ich in die wochen
Einſt komme, werd', in klarem dichten gold,
So ſchwehr er iſt, zum opfer dir gezollt!
39. Herr
[]
39.
Herr Huͤon, als er ſie gar ehrbar aufgehoben,
Erwiedert ihren dank mit aller hoͤflichkeit
Der guten alten Ritterszeit,
Die zwar ſo fein wie unſre nicht gewoben,
Doch deſto derber war, und beſſer farbe hielt.
Des Ritters große pflicht war jungfraun zu beſchuͤtzen,
Und, wenn er gleich nicht mehr fuͤr die als jene fuͤhlt,
Sein blut beym erſten ruf fuͤr jede zu verſpritzen.
40.
Die Dame hatte noch nicht zeit und ruh genug
Gehabt, den jungen mann genauer zu erwaͤgen;
Izt, da ſie ihn vermocht die waffen abzulegen,
Izt haͤtte ſie ſich gleich mehr augen wuͤnſchen moͤgen
Als Junos pfau in ſeinem ſchweiffe trug,
So ſehr daͤucht ihr der Ritter, zug vor zug,
Von kopf zu fuß, an bildung und gebaͤrden,
An großheit und an reiz, der erſte mann auf erden.
41.
Nicht, daß ſie juſt mit jemand ihn verglich
Der zwiſchen ihm und ihrem herzen ſtuͤnde;
Ganz arglos uͤberließ ſie ihren augen ſich,
Und bloßes ſehn iſt freylich keine ſuͤnde.
Kein ſcrupel ſtoͤrte ſie in dieſer augenluſt,
So ſanft ſpielt noch um ihre junge bruſt
Der ſuͤße Trug; und was ſie ſicher machte
War, daß ihr herz dabey nicht an Alexis dachte.
42. Ein
[]
42.
Ein gluͤck fuͤr dich, unſchuld'ge Angela,
Daß keiner deiner blick' in Huͤons buſen zunder
Zum fangen fand. Und freylich war's kein wunder:
Denn, kam ihr auch, wie dann und wann geſchah,
Der ſeinige auf halbem weg entgegen,
So war's der blick von einem haubenkopf;
Er haͤtt' auf einen blumentopf,
Auf ein tapetenbild, gleich wichtig fallen moͤgen.
43.
Ein unbekanntes was, das ihn wie ein magnet
Nach Bagdad zieht, ſcheint allen ſeinen blicken
Die ſcharfe ſpitze abzuknicken,
Und macht, daß jeder reitz an ihm verloren geht.
Vergebens iſt ihr wuchs wie eine ſchoͤne Vaſe
Von Amors eigner hand gedreht;
Vergebens ſchließt die ſanft erhobne naſe
Sich an die glatte ſtirn in ſtolzer majeſtaͤt;
44.
Umſonſt hebt ihre bruſt, gleich einem doppelhuͤgel
Von friſchem ſchnee um den ein nebel graut,
Den duͤnnen weißen Flor; umſonſt iſt ihre haut
So rein und glatt als wie ein waſſerſpiegel
Worinn im roſenſchmuck Aurora ſich beſchaut;
Vergebens hat ihr koͤnigliches ſiegel
Die Schoͤnheit jedem theil ſo ſichtbar aufgedruͤckt,
Daß ihr gewand ſogar ſie minder deckt als ſchmuͤckt.
45. Kurz
[]
45.
Kurz, Angela mit allen ihren reitzen
Iſt ihm vergebens ſchoͤn und jung;
Und, ferne — nach verlaͤngerung
Der holden gegenwart zu geitzen,
Wuͤnſcht er mit jedem augenblick
In ihres braͤut'gams arm recht herzlich ſie zuruͤck,
Und kann zuletzt ſich nicht entbrechen,
Da Sie nichts ſagt, ihr ſelbſt davon zu ſprechen.
46.
Kaum daß er ihr dazu geleit und ſchutz verſprach,
Und ihre lippen ſich in dank dafuͤr ergoſſen:
Als ein getoͤs von reiſigen und roſſen
In hof der burg, ſie ploͤtzlich unterbrach.
Schon trampelts laut die langen wendelſtiegen
Herauf. Die junge frau erſchrickt — „wer kann es ſeyn?
Doch bald zerſchmilzt ihr ſchrecken in vergnuͤgen,
Denn ſiehe da! Alexis tritt herein.
47.
Ihm war zwar, etwas ſpaͤt, zu ſinne
Geſtiegen, daß es ihm nicht allzuruͤhmlich ſey
Wenn Huͤon ſeine braut dem rieſen abgewinne,
Indeſſen, weit vom ſchuß, mit ſeiner reiterey
Er, ihr gemahl, im ſchatten, frank und frey,
Sein zaͤrtlich blut mit palmenwein verduͤnne:
Auch konnte ja (wer wird dafuͤr ihm ſtehen?)
Der Ritter gar davon mit ſeinem Engel gehen.
48. Dem-
[]
48.
Demnach, ſo hatt' er, ſtracks als ihm die ohren ſungen,
Mit ſeiner Ritterſchaft zu pferde ſich geſchwungen,
Und kam in vollem trab, falls etwa die gefahr
Durch Huͤons tapferkeit bereits voruͤber war,
Die Schoͤne in empfang zu nehmen,
Dem fremden Ritter Gottes lohn
Zu wuͤnſchen, und — ein wenig ſich zu ſchaͤmen
Denkt ihr — allein, er war ein Prinz von Libanon.
49.
Herr Huͤon, unverhoft des umwegs uͤberhoben
Mit Angela zuruͤck ins palmenthal zu gehn,
Laͤßt von den ſchoͤnen Herr'n ſich in die wette loben,
Und fuͤhlt ſich juſt dabey ſo gut als ob ſie ihn
Geſcholten haͤtten. Und nun, die wohlthat zu vollenden,
Wird, durch des ringes kraft, von unſichtbaren haͤnden
Mit allem was den gaum ergoͤtzt
Ein großer runder tiſch in uͤberfluß beſetzt.
50.
Ah, ruft die ſchoͤne braut, ich haͤtt' es ſchier vergeſſen:
Herr Ritter, ehe wir zum eſſen
Uns ſetzen, geht und ſchließt mit eigner hand geſchwind
Des Rieſen Harem auf; denn funfzig jungfraun ſind
Noch außer mir in dieſem thurm verwahret;
Der ſchoͤnſte maͤdchenflor, ein wahres tulpenbett!
Er hatte ſie fuͤr ſeinen Mahommed
Zu Opfern, denk ich, aufgeſparet.
51. Der
[]
51.
Der Harem thut ſich auf, und zeigt, in vollem putz
Und buntem lieblichem gewimmel,
Das wahre bild von Mahoms luſt'gem Himmel.
Herr Huͤon laͤßt die Damen all' im ſchutz
Der ſchoͤnen herr'n, und iſt ſchon weit davon geritten,
Da hinter ihm noch alles laͤrmt und ſchnarrt,
Die ehre ſeiner gegenwart
Sich wenigſtens zur tafel auszubitten.
52.
Schon ſchlich, indem in grau das abendroth zerfloß,
Der ſtille mond herauf am horizonte,
Als Huͤon, weil ſein gaul nicht laͤnger laufen konnte,
An einem ſchoͤnen platz zu ruhen ſich entſchloß.
Er ſieht ſich auf der gruͤnen erde
Nach einem lager um, indeſſen fuͤr die pferde
Sein Alter ſorgt. Auf einmal ſteht, ganz nah,
Ein praͤchtiges gezelt vor ſeinen augen da.
53.
Ein reicher teppich liegt, ſo weit es ſich verbreitet,
Auf ſeinem boden ausgeſpreitet,
Mit polſtern ringsumher belegt,
Die, wie beſeelt von innerlichem leben,
Bey jedem druck ſanft bluͤhend ſich erheben.
Ein tiſch von jaſpis, den ein goldner dreyfuß traͤgt,
Steht mitten drinn, und, was dem eſſensluſt'gen magen
Zum Goͤttertiſch ihn macht, das mahl iſt aufgetragen.
54. Der
[]
54.
Der Ritter bleibt als wie gefroren ſtehn,
Winkt Scherasmin herbey, und fragt ihn, was er ſehe?
O, das iſt leicht, erwiedert der, zu ſehn;
Freund Oberon iſt ſichtlich in der naͤhe.
Wir haͤtten ohne ihn die nacht,
Anſtatt uns nun in ſchwanenpflaum zu ſenken,
Auf Gottes boden nicht ſo ſaͤnftlich zugebracht.
Das nenn' ich doch an ſeine freunde denken!
55.
Kommt, lieber Herr, nach dieſer langen fahrt
Schmekt ruhe ſuͤß: laßt hurtig uns entguͤrten;
Ihr ſeht, der ſchoͤne Zwerg hat keinen fleiß geſpahrt,
Wiewohl im flug, uns herrlich zu bewirthen.
Herr Huͤon folgt dem rath. Sie lagern beyde ſich
Halbſitzend um den tiſch und ſchmauſen ritterlich;
Auch wird, beym ſang Gaſeonnſcher froher lieder,
Der becher fleißig leer, und fuͤllt ſich immer wieder.
56.
Bald loͤſet unvermerkt des ſchlafes weiche hand
Der ſanfterſchlafften nerven band.
Indem erfuͤllt, wie aus der hoͤchſten Sfaͤre,
Die lieblichſte muſik der luͤfte ſtillen raum;
Es toͤnt als ob ringsum auf jedem baum
Ein jedes blat zur kehle worden waͤre,
Und Mara's engelston, der zauber aller ſeelen,
Erſchallte tauſendfach aus allen dieſen kehlen.
E57. All-
[]
57.
Allmaͤhlich ſank die ſuͤße harmonie,
Gleich voll, doch ſchwaͤcher ſtets, herunter bis zum ſaͤuſeln
Der ſanftſten ſommerluft, wenn kaum ſich ie und ie
Ein blat bewegt, und um der Nymfe knie
Im ſtillen bach ſich kaum die ſilberwellen kraͤuſeln.
Der Ritter, zwiſchen ſchlaf und wachen, hoͤret ſie
Stets leiſer wehn, bis unter ihrem wiegen
Die ſinnen unvermerkt dem ſchlummer unterliegen.
58.
Er ſchlief in einem fort, bis, da der fruͤhe hahn
Aurorens roſenpferde wittert,
Ein wunderbarer traum ſein innerſtes erſchuͤttert.
Ihm deucht, er gieng auf unbekannter bahn,
Am ufer eines ſtroms, durch ſchattichte gefilde;
Auf einmal ſteht vor ihm ein goͤttergleiches Weib,
Im großen aug des himmels reinſte milde,
Der liebe reiz um ihren ganzen leib.
59.
Was er empfand iſt nicht mit worten auszudruͤcken,
Er, der zum erſtenmal izt Amors macht empfand,
Und athemlos, entgeiſtert vor entzuͤcken,
Sein leben ganz in ſeinen blicken,
Im boden eingewurzelt ſtand;
Sie noch zu ſehen glaubt, nachdem ſie ſchon verſchwand,
Und, da der ſuͤße wahn zulezt vor ihm zerfließet,
Nichts mehr zu ſehn die augen ſterbend ſchließet.
60. Be-
[]
60.
Betaͤubt, in fuͤhlbarm tod, lag er am ufer da
In ſeinem traum: als ihn beduͤnkt, er ſpuͤre
Daß eine warme hand ſein ſtarres herz beruͤhre.
Und, wie vom tod erwekt, erhob er ſich und ſah
Die Schoͤne abermal zu ſeiner ſeite ſtehen,
Die keiner Sterblichen in ſeinen augen gleicht,
Und dreymal ſchoͤner wie ihm daͤucht,
Und holder als er ſie zum erſtenmal geſehen.
61.
Stillſchweigend ſchauten ſie einander beyde an,
Mit blicken, die ſich das unendlich ſtaͤrker ſagten,
Was ihre lippen noch nicht auszuſprechen wagten.
Ihm war in ihrem aug' ein Himmel aufgethan,
Wo ſich in eine ſee von liebe
Die ſeele taucht. Bald wird das uͤbermaas der luſt
Zum ſchmerz; er ſinkt im drang der unaufhaltbarn triebe
In ihren arm, und druͤkt ſein herz an ihre bruſt.
62.
Er fuͤhlt der Nymfe herz an ſeinem buſen ſchlagen,
Der gluͤckliche! Wie ſchnell, wie ſtark, wie warm!
Und — ploͤtzlich hoͤrt es auf zu tagen,
Auf ſchwarzen wolken rollt des Donners feuerwagen,
Lautheulend bebt der ſtuͤrme wilder ſchwarm;
Von unſichtbarer macht wird ſchnell aus ſeinem arm
Im wirbelwind die Nymfe fortgeriſſen
Und in die flut des nahen ſtroms geſchmiſſen.
E 263. Er
[]
63.
Er hoͤrt ihr aͤngſtlich ſchreyn, will nach — o hoͤllenpein!
Und kann nicht! Steht entſeelt vor ſchrecken
Als wie ein bild auf einem leichenſtein.
Vergebens ſtrebt er, keucht und ficht mit arm und bein,
Er glaubt in eis bis an den hals zu ſtecken,
Sieht aus den wellen ſie die arme bittend ſtrecken,
Und kann nicht ſchreyn, nicht, wie der liebe wut
Ihn ſpornt, zu ihr ſich ſtuͤrzen in die flut.
64.
Herr, ruft ihm Scherasmin, da er ſein banges ſchnauben
Vernimmt, erwacht, erwacht! Ein boͤſer traum
Schnuͤrt euch die kehle zu — Fort, Geiſter, macht mir raum,
Schreyt Huͤon, wollt ihr mir auch ihren ſchatten rauben?
Und wuͤtend faͤhrt er auf aus ſeinem traumgeſicht;
Noch klopft von todesangſt umfangen
Sein ſtockend herz, er ſtarrt ins tageslicht
Hinaus, und kalter ſchweiß liegt auf den bleichen wangen.
65.
Das war ein ſchwerer traum, ruft ihm der Alte zu:
Ihr lagt vermuthlich wohl zu lange auf dem ruͤcken?
Ein traum? ſeufzt Siegwins Sohn mit minder wilden blicken,
Das war's! allein ein traum, der meines herzens ruh
Auf ewig raubt! — „Das wolle Gott verhuͤten,
Mein beſter Herr!“ — Sag mir im ernſte (ſpricht
Der Ritter ernſtvoll) glaubſt du nicht
Daß Traͤum' uns dann und wann was kuͤnftig iſt entbieten?
66. Man
[]
66.
Man hat exempel, Herr — Und wahrlich, ſeit ich euch
Begleite, laͤugn' ich nichts, erwiedert ihm der Alte.
Doch, wenn ich euch die reine wahrheit gleich
Geſtehen ſoll, ſo ſag ich frey, ich halte
Nicht viel von Traͤumen. Fleiſch und blut
Hat, wenigſtens bey mir, ſein ſpiel ſo oft ich traͤume;
Dies wußten unſre Alten gut,
Und lehrten's uns im wohlbekannten reime.
67.
Indeſſen, wenn ihr mir den inhalt euers traums
Vertrautet, koͤnnt' ich euch vielleicht was beſſers reimen.
Das will ich auch, ſpricht Huͤon, ohne ſaͤumen.
Kaum roͤtet noch den gipfel jenes baums
Der morgenſtral. Wir haben zeit zum werke.
Nur reiche mir zuvor den becher her,
Damit ich meine geiſter ſtaͤrke;
Es liegt mir auf der bruſt noch immer zentnerſchwer.
68.
Indeß der wundervolle becher
Den Ritter labt, ſieht ihn der Alte, maͤuschenſtill,
Als einer an, dem's nicht gefallen will,
Den wackern ſohn des braven Siegwins ſchwaͤcher,
Als einem manne ziemt, zu ſehn.
Ey (denkt er bey ſich ſelbſt, kopfſchuͤttelnd) im erwachen
Noch ſo viel werks aus einem traum zu machen!
Doch, weil's nun ſo iſt, mag's zum fruͤhſtuͤck immer gehn!
E 3Obe-
[]
Oberon
Vierter Geſang.
1.
Der Paladin beginnt nun ſeine traumgeſchichte
Wie folget: Was du auch, mein guter Scherasmin,
Von dem, was ich dir izt berichte,
Im herzen denken magſt, ſo iſts doch kein gedichte,
Daß ich, Gott ſey es dank! noch ſtets an leib und ſinn,
So wie du hier mich ſiehſt, ein reiner Juͤngling bin.
Nie hat vor dieſem tag in meinem ganzen leben
Mein unbefangnes herz der liebe raum gegeben.
2.
Es hatte zwar der ſchoͤnen Jungfraun viel
An meiner Mutter hof, und an gelegenheiten,
Die einen Knaben leicht zur taͤndeley verleiten,
Gebrach es nicht, zumal beym pfaͤnderſpiel:
Da gabs wohl manchmal auch ein ſtrumpfband aufzuloͤſen;
Allein der ſchoͤnſte fuß ließ meine fantaſey
In ſtolzer ruh; und waͤr's Genevrens fuß geweſen,
Es war ein fuß, mehr dacht ich nicht dabey.
3. Daß
[]
3.
Daß ich von kindheit an ſo viele offne Buſen
Und bloße ſchultern ſah, mocht auch mit urſach ſeyn.
Gewohnheit gleicht in dieſem ſtuͤck Meduſen,
Und fuͤr das Schoͤnſte ſelbſt verkehrt ſie uns in ſtein.
Allein, was half mirs, frey geblieben
Zu ſeyn bis in mein zweymal zehntes Jahr?
Auch meine ſtunde kam! Ach, Freund! mein ſchickſal war
Im traum zum erſtenmal zu lieben.
4.
Ja, Scherasmin, nun hab' ich ſie geſehn,
Sie, von den ſternen mir zur Siegerin erkoren;
Geſehen hab' ich ſie, und ohne widerſtehn
Beym erſten blick mein herz an ſie verloren.
Du ſprichſt, es war ein traum? Nein, Mann, ein hirngeſpenſt
Kann nicht ſo tiefe ſpuren graben!
Und wenn du tauſendmal mich einen Thoren nennſt,
Sie lebt, ich hatte ſie, und muß ſie wieder haben.
5.
O haͤtteſt du den Engel doch
Geſehn wie ich! — Zwar, wenn ich malen koͤnnte,
Ich ſtellte ſie dir hin, ſo gluͤend wie ſie noch
Vor meiner ſtirne ſchwebt, und bin gewiß, ſie brennte
Dein altes herz zu einer kohle aus.
Ach! daß nur etwas mir geblieben waͤr', das leben
Von ihr empfieng! Waͤr's nur der blumenſtraus
Vor ihrer bruſt! was wollt ich nicht drum geben?
E 46. Denk
[]
6.
Denk dir ein weib im reinſten jugendlicht,
Nach einem urbild von dortoben
Aus roſenglut und lilienſchnee gewoben;
Gieb ihrem bau das feinſte gleichgewicht;
Ein ſtilles laͤcheln ſchweb' auf ihrem angeſicht,
Und jeder reiz, von majeſtaͤt erhoben,
Erweck und ſchrecke zugleich die luͤſterne begier:
Denk alles das, du haſt den ſchatten kaum von ihr!
7.
Und nun, ſanft angelockt von ihren ſuͤßen blicken,
Dies holde weib, das nur die luftgeſtalt
Von einem engel ſchien, an meine bruſt zu druͤcken,
Zu fuͤhlen, wie ihr herz in meines uͤberwallt —
Iſts moͤglich, daß ich vor entzuͤcken
Nicht gar vergieng? — Nun komm, und ſprich mir kalt,
Es war ein traum! Wie ſchaal, wie leer und todt iſt neben
So einem traum mein vorig ganzes leben!
8.
Noch einmal, Scherasmin, es war kein ſchattenſpiel
Im ſitz der fantaſie aus weindunſt ausgegoren!
Ein unbetruͤgliches gefuͤhl
Sagt mir, ſie lebt, ſie iſt fuͤr mich geboren.
Vielleicht war's Oberon, der ſie erſcheinen ließ?
Iſts wahn? O laß ihn mir! die taͤuſchung iſt ſo ſuͤß!
Doch, nichts von wahn! Kann ſolch ein traum betruͤgen,
O ſo iſt alles wahn! So kann die wahrheit luͤgen!
9. Der
[]
9.
Der Alte wiegt ſein zweifelreiches haupt,
Wie wenn man euch ein wunderding erzaͤhlet,
Wovon ihr nichts im herzen glaubt,
Wiewohl euch grund es wegzulaͤugnen fehlet.
Was denkſt du, fraͤgt der Ritter. — Das iſts juſt,
Was mich verlegen macht, verſezt der Unverliebte:
Ich haͤtte freylich wohl zu manchem einwurf luſt;
Allein was halfs am end, als daß ich euch betruͤbte?
10.
Nur, vor der hand, weil euer fuͤrſtlich wort
Euch einmal gegen Karl verbindet,
So, daͤcht' ich, ſezten wir den zug nach Bagdad fort.
Vielleicht daß unterwegs der zauber wieder ſchwindet;
Vielleicht auch daß der Zwerg ſein beſtes thut
Und unverſehens ſich die Traumprinzeßin findet.
Inzwiſchen, lieber Herr, thut euch die hoffnung gut,
So hofft! Man macht dabey zum mindſten rothes blut.
11.
Weil dies der Knappe ſpricht, ſteht mit geſenkter ſtirne
Der Ritter da; denn ploͤzlich hatte ſich
In ſeinem liebeskranken hirne
Die ſcene umgekehrt. Ach, ſpricht er, taͤuſche mich
Nicht auch mit falſchem troſt! feindſelige geſtirne
Sind uͤber mir. Was kann ich hoffen, ſprich?
Der ſturm, der ſie von meiner bruſt geriſſen,
Laͤßt, leider, mich zuviel von meinem ſchikſal wiſſen.
E 512. Ent-
[]
12.
Entriſſen ward ſie mir! Noch ſtrekt ſie aus der flut
Die arme gegen mich — noch ſtokt vor angſt mein blut —
Und ach! Wie an den grund mit ketten
Geſchmiedet, ſtand ich da, ohnmaͤchtig ſie zu retten.
Das war im traum, ſpricht Scherasmin: wofuͤr
Euch ohne noth mit ſchwarzer ahnung graͤmen?
Ein traum laͤßt nie von art. Das beſte, glaubet mit,
Iſt, ſich daraus nur was uns freut zu nehmen.
13.
Daß euch im traum ein wohlgewogner geiſt
Die kuͤnftge Koͤnigin von euern herzen weißt,
Das hat er gut gemacht; ſo etwas laͤßt ſich glauben,
Und kurz, wir nehmen's nun fuͤr baare wahrheit an.
Allein den ſtrom, den wirbelwind, die ſchrauben
An hand und fuß, die hat der traum hinzugethan.
Mir ſelbſt iſt oft in meinen juͤngern Jahren,
Wenn mich der Alp gedruͤkt, dergleichen wiederfahren.
14.
Da, zum Exempel, laͤuft ein ſchwarzer zottelbaͤr,
Indem ich wandeln geh, der himmel weiß woher,
Mir in den weg; ich greif im ſchrecken nach dem degen
Und zieh, und zieh — umſonſt! Ein ploͤzlich unvermoͤgen
Strikt jede ſehne mir an allen gliedern loß;
Zuſehens wird der baͤr noch ſiebenmal ſo groß,
Sperrt einen rachen auf ſo graͤßlich wie die hoͤlle:
Ich flieh und aͤngſtige mich, und kann nicht von der ſtelle.
15. Ein
[]
15.
Ein andermal, da ihr von einem abendſchmaus
Nach haus zu gehen traͤumt, bey einem alten gaden
Vorbey — auf einmal knarrt ein kleiner fenſterladen,
Und eine Naſe gukt heraus
So lang als euer arm: ihr ſucht, halbſtarr vor ſchrecken,
Ihr zu entliehn, und vorn und hinten ſtehn
Geſpenſter da, die ins geſicht euch ſehn,
Und feu'rge zungen weit aus langen haͤlſen recken.
16.
Ihr druͤkt in todesangſt euch ſeitwaͤrts an die wand
Die gegenuͤber ſteht, und eine duͤrre hand
Faͤhrt durch ein rundes loch euch eiskalt uͤbern ruͤcken,
Und bohrt ins wams ſich ein, um euch ins herz zu zwicken.
Ein jedes haar auf euerm kopfe kehrt
Die ſpitz empor; zur flucht iſt jeder weg verwehrt,
Die gaſſe wird zuſehends immer enger,
Stets froſtiger die Hand, die Naſe immer laͤnger.
17.
Dergleichen, wie geſagt, begegnet oft und viel,
Allein, am end iſts doch ein bloßes poſſenſpiel,
Das nachtgeſpenſter ſich in unſerm ſchaͤdel machen,
Die naſe ſamt der angſt verſchwindet im erwachen.
Ich daͤcht' an euerm platz dem ding nicht weiter nach,
Und hielte mich an das, was mir der Zwerg verſprach.
Friſch auf! Mir ahnet was! Es muͤßte enden,
Wenn wir die Dame nicht in Bagdad wiederfaͤnden.
18. Bey
[]
18.
Bey dieſem worte ſpringt der Ritter, angeweht
Von friſchem mut empor, als haͤtt' ihm nichts getraͤumet.
Der morgenluft entgegenwiehernd ſteht
Sein Klepper ſchon geſattelt und gezaͤumet.
Er ſchwingt ſich auf, und wie er aus dem feld
Zuruͤcke ſchaut, verſchwunden iſt das zelt;
In einem wink erhob ſichs aus dem raſen,
In einem wink war alles weggeblaſen.
19.
Sie zogen nun dem lauf des hohen Eufrats nach,
Von palmen und gebuͤſch vorm ſonnenſtral geborgen,
Durchs ſchoͤnſte land der welt; ſtillſchweigend; keiner ſprach
Ein wort, wiewol's an ſtoff zum reden nicht gebrach;
Denn jeder war vertieft in andre Sorgen.
Die reine luft, der angenehme morgen,
Der voͤgel luſtgeſang, des ſtromes ſtiller lauf,
Wekt beyder fantaſey aus leiſem ſchlummer auf.
20.
Der Ritter ſieht in ihrem zauberſpiegel
Nichts ſehenswerth, als das geliebte bild.
Er mahlt die Goͤttin ſich auf ſeinen blanken ſchild,
Erklimt auf ihrer ſpur des Taurus ſchrofſten huͤgel
Steigt, ſie erfragend, bis in Merlins furchtbars grab,
Bekaͤmpft die Huͤnen und die Drachen,
Die um das ſchloß, worinn ſie ſchmachtet, wachen,
Und kaͤmpfte ſie der ganzen hoͤlle ab.
21. In-
[]
21.
Indeſſen er, in eingebildeter wonne,
Die ſchwer errungne braut an ſeinen buſen druͤkt,
Sieht unvermerkt an's ufer der Garonne,
Wo er als kind den erſten ſtraus gepfluͤkt,
Von Eufrats ufern weg der Alte ſich verzuͤkt.
Nein, denkt er, nirgends ſcheint doch unſers Herrgotts ſonne
So mild als da, wo ſie zuerſt mir ſchien,
So lachend keine flur, ſo friſch kein andres gruͤn!
22.
Du kleiner ort, wo ich das erſte licht geſogen,
Den erſten ſchmerz, die erſte luſt empfand,
Sey immerhin unſcheinbar, unbekannt,
Mein herz bleibt ewig doch vor allen dir gewogen,
Fuͤhlt uͤberall nach dir ſich heimlich hingezogen,
Fuͤhlt ſelbſt im Paradies ſich doch aus dir verbannt:
O moͤchte wenigſtens mich nicht die ahnung truͤgen,
Bey meinen vaͤtern einſt in deinem ſchoos zu liegen!
23.
In ſolcher traͤumerey ſchwind't unvermerkt der raum,
Der ſie von Bagdad trennt, bis izt die mittagshitze
In einen wald ſie treibt, der vor der glut ſie ſchuͤtze.
Noch ruhten ſie um einen alten baum,
Wo dichtes moos ſich ſchwellt zum weichen ſitze,
Und Oberons pokal erfriſcht den troknen gaum:
Als, eben da er ſich zum drittenmale fuͤllet,
Ein graͤßliches geſchrey in ihre ohren bruͤllet.
24. Sie
[]
24.
Sie ſpringen auf. Der Ritter faßt ſein ſchwert
Und fleugt dahin, woher die zettertoͤne ſchallen;
Und ſieh! ein Sarazen zu pferd,
Von einem Loͤwen angefallen,
Kaͤmpft aus verzweiflung noch, erſchoͤpft an kraft und mut,
Mit matter fauſt. Schon taumelt halbzerriſſen
Sein roß, und waͤlzt mit ihm in einem ſtrom von blut
Sich um, und hat vor ſchmerz die ſtange durchgebiſſen.
25.
Grimmſchnaubend ſtuͤrzt der Loͤw' auf ſeinen gegner los,
Aus jedem aug ſchießt eine feuerflamme.
Indem faͤhrt Huͤons ſtal ihm ſeitwaͤrts in die wamme.
Der thiere Fuͤrſt, den ſolch ein gruß verdroß,
Erwiedert ihn mit einer langen ſchramme,
Nach der des Ritters blut aus tauſend quellchen floß:
Haͤtt' Angulaffers ring nicht uͤber ihm gewaltet,
Ihn haͤtt' auf Einen zug der Loͤw' entzweygeſpaltet.
26.
Herr Huͤon rafft, was er an kraft vermag,
Zuſammen (denn ſein tod blizt aus des Loͤwen blicke)
Und ſtoͤßt ſein kurzes ſchwert mit macht ihm ins genicke.
Vergebens ſchwingt er noch den ſchweif zu einem ſchlag,
Von dem, wofern der Ritter nicht zuruͤcke
Geſprungen waͤr', er halb zerſchmettert lag;
Vergebens draͤuet noch die fuͤrchterliche tatze,
Ein ſtreich von Scherasmin erlegt ihn auf dem platze.
27. Der
[]
27.
Der Sarazen (den reichen ſteinen nach,
Die hoch auf ſeinem turban blitzen,
Ein mann von wichtigkeit) ſchien noch vor angſt zu ſchwitzen.
Die Ritter fuͤhren ihn, am arme, ganz gemach
Den baͤumen zu, in deren ſchirm ſie lagen.
Man reicht zur ſtaͤrkung ihm den goldnen becher dar,
Und auf arabiſch ſpricht der Alte: Herr, fuͤrwahr
Ihr habt dem Gott der Chriſten dank zu ſagen!
28.
Mit ſcheelem auge nimmt der Heid aus Huͤons hand
Den becher voll, und wie er an der lippen rand
Ihn bringt, verſiegt der wein, und gluͤend wird der becher,
In ſeiner fauſt, der innern ſchalkheit raͤcher.
Er ſchleudert ihn lautbruͤllend weit von ſich,
Und ſtampft, und tobt, und laͤſtert fuͤrchterlich.
Herr Huͤon, dem es graut, ihm laͤnger zuzuhoͤren,
Zieht ſein geweyhtes ſchwert, den Heiden zu — bekehren.
29.
Allein, der Schalk, der uͤbermannt ſich haͤlt,
Findt nicht fuͤr gut zur gegenwehr zu ſtehen;
Wie ein gejagter Strauß laͤuft er ins nahe feld,
Wo beyde pferd' im graſe weiden gehen.
Riſch ſchwingt er ſich auf Huͤons klepper, faßt
Ihn bey der maͤhn, und mit verhaͤngten zuͤgeln
Rennt er davon, in ſolcher angſt und haſt,
Als ſaͤß' er zwiſchen ſturmwindsfluͤgeln.
30. Das
[]
30.
Das abentheur war freylich aͤrgerlich;
Allein was half's, dem lecker nachzulaufen?
Zum gluͤcke war ein ding, das einem maulthier glich,
Im naͤchſten dorf um wenig geld zu kaufen.
Das arme thier, durchſichtiger wie glas,
Schien kaum belebt genug, um Bagdad zu erreichen;
Doch daͤuchts dem Alten noch auf deſſen ruͤkgrat daß,
Als ſeinem Herrn zu fuße nachzukeuchen.
31.
So ſezten beyde nun nach dem gewuͤnſchten Port
Den ritterlichen zug ſo gut ſie konnten fort.
Der Sonnewagen ſchwebt ſchon an des himmels graͤnzen,
Auf einmal ſehen ſie, von fern im weiten thal,
Gekroͤnt mit thuͤrmen ohne zahl,
Der ſtaͤdte Koͤnigin im abendſchimmer glaͤnzen,
Und durch ein Paradies von ewig friſchem gruͤn,
Den ſtolzen Eufrat hier, und dort den Tigris ziehn.
32.
Ein wunderſam gemiſch von ſchrecken und entzuͤcken,
Geheime ahnungen, und fremde ſchauer druͤcken
Des Ritters herz, da ihm der ſchauplatz auf ſich thut,
Wo, mehr ſein wort und angeſtammter mut
Als Karls gebot, ihn treibt ein wagſtuͤk zu beſtehen,
Wovon kaum moͤglich war ein beſſer ziel zu ſehen
Als gaͤhen tod. Gewiß war immer die gefahr,
Doch ſchien ſie nie ſo groß als da ſie nahe war.
33. Er
[]
33.
Er ſieht mit ihren goldnen zinnen,
Gleich einer Goͤtterburg, in furchtbarſtolzer pracht,
Der Emirn Burg, den Thron, der Aſien zittern macht;
Und du, ſpricht er zu ſich, was gebſt du zu beginnen?
Er ſtuzt. Doch bald ſtaͤrkt wieder ſeine ſinnen
Des glaubens mut, der ihn ſo weit gebracht,
Und eine ſtimme ſcheint ihm leiſe zuzuwehen,
Er werde die er liebt in jenen mauern ſehen.
34.
Auf, ruft er, Scherasmin, ſpann alle ſegel auf!
Du ſiehſt das ziel von meinem langen lauf,
Wir muͤſſen Bagdad noch vor dunkler nacht erreichen.
Nun gehts im ſchaͤrfſten trott, daß roß und reiter keuchen.
Der Knapp gießt ſeinem thier mitleidig etwas wein
Aus Ob'rons becher auf die zunge;
Da, ſpricht er, trink, du guter treuer junge,
Der becher troknet nicht fuͤr deinesgleichen ein.
35.
Er hatte recht. Kaum ſaugt des maulthiers zunge
So lechzend als ein ausgebrannter ſtein
Den ſuͤßen thau des zaubergoldes ein,
So ſchießt mit allbelebendem ſchwunge
Ein feuerſtrom durch adern und gebein;
Von neuer kraft geſpannt, erfriſcht an herz und lunge,
Laͤufts, einem Windſpiel gleich, mit ihm davon,
Und eh der tag erliſcht ſind ſie in Babylon.
F36. Noch
[]
36.
Noch irrten ſie in ſeinen erſten gaſſen
Unkundig in der daͤmmrung hin und her,
Als Fremde, die ſich bloß vom zufall leiten laſſen:
Da kam des wegs von ungefaͤhr
An ihrem ſtab ein Muͤtterchen gegangen,
Mit grauem haar und laͤngſtverwelkten wangen.
He, Mutter, ſeyd ſo gut, ſchreyt Scherasmin ſie an,
Und weiſet uns den weg zu einem Han.
37.
Die Alte bleibt geſtuͤzt auf ihre kruͤcke ſtehen,
Und hebt ihr wankend haupt die Fremden anzuſehen.
Herr Fremdling, ſpricht ſie drauf, von hier iſts ziemlich weit
Zum naͤchſten Han; doch, wenn ihr muͤde ſeyd
Und wenig euch genuͤgt, ſo kommt in meine huͤtte;
Da ſteht euch milch und brod, und eine gute ſchuͤtte
Von friſchem ſtroh zu dienſt, und gras fuͤr euer vieh;
Ihr ruhet aus, und zieht dann weiter morgen fruͤh.
38.
Mit großem dank fuͤr dies erbieten
Folgt ihr Herr Huͤon nach. Ihn daͤucht kein lager ſchlecht
Wo freundlichkeit und treu der offnen thuͤre huͤten.
Die neue Bauzis macht in eil die ſtreu zurecht,
Wirft quendel und orangenbluͤthen
Aus ihrem gaͤrtchen drauf, traͤgt fette milch voll ſchaum
Und ſaftge pfirſchen auf, und feigen friſch vom baum,
Beklagend, daß ihr fern' die mandeln nicht geriethen.
39. Dem
[]
39.
Dem Fuͤrſten duͤnkt, er hab in ſeiner lebenszeit
Nie ſo vergnuͤglich mahl gehalten.
Was der bewirthung fehlt, erſezt der guten Alten
Vertrauliche geſchwaͤtzigkeit.
Die Herren, ſpricht ſie, kommen eben
Zu einem großen feſt — „Wie ſo?“ — Ihr wißt es nicht?
Es iſt das einz'ge doch was man in Bagdad ſpricht;
Die Tochter unſers Herrn wird morgen ausgegeben.
40.
„Des Sultans Tochter? Und an wen?“
Es iſt der Druſen Fuͤrſt, und einer von den Neffen
Des Sultans, maͤchtig reich und ſchoͤn,
Und auf dem Schachbret ſoll ihn keiner uͤbertreffen;
Ein Prinz, mit Einem wort, den alle welt
Der ſchoͤnen Rezia vollkommen wuͤrdig haͤlt.
Und doch — geſagt in engeſtem vertrauen —
Sie ließe lieber ſich mit einem Lindwurm trauen.
41.
Das nenn' ich ſeltſam ſeyn, verſezt der Paladin,
Ihr werdets uns ſo leicht nicht glauben machen.
„Ich ſag's nicht ohne grund! Eh die Prinzeſſin ihn
So nahe kommen laͤßt, umarmt ſie einen drachen,
Da bleibts dabey! — Mir iſt von langer hand
Das wie und wenn der ſache wohl bekannt.
Zwar hab' ich reinen mund gar hoch verſprechen muͤſſen;
Doch, gebt mir eure hand, ſo ſollt ihr alles wiſſen.
F 242. Es
[]
42.
Es wundert euch vielleicht, wie eine Frau, wie ich,
Zu ſolchen dingen koͤmmt, die ſelbſt dem Fuͤrſtenſtamme
Verborgen ſind und ſonſten maͤnniglich?
So wiſſet dann, ich bin die mutter von der Amme
Der ſchoͤnen Rezia, bey der ſie alles gilt,
Wiewol ſchon ſechzehn volle Jahre
Verfloſſen ſind, ſeit Fatme ſie geſtillt;
Nun merkt ihr leicht, woher ich manchmal was erfahre.
43.
Man weiß, daß ſchon ſeit Jahren der Kalif,
Auf ſeine Tochter ſtolz, nicht ſelten
An Feſten, die er gab, ſie mit zur tafel rief,
Wo ſchoͤner maͤnner viel ſich ihr vor augen ſtellten.
Allein auch das weiß ſtadt und land,
Daß keiner je vor ihr beſonders gnade fand;
Sie ſchien ſie nicht ſowohl mit maͤdchenhaftem grauen
Als mit verachtung anzuſchauen.
44.
Indeſſen ward geglaubt, ſie koͤnne Babekan
(So heißt der Prinz, den ſich zum Tochtermann
Der Sultan auserwaͤhlt) vor allen andern leiden.
Nicht, daß beym kommen oder ſcheiden
Das herz ihr hoͤher ſchlug; ihn nicht mit fleiß zu meiden
War wohl das hoͤchſte was er uͤber ſie gewann:
Allein, ſie war doch ſonſt von niemand eingenommen,
Die liebe, dachte man, wird ſchon im Ehſtand kommen.
45. Je-
[]
45.
Jedoch, ſeit einem zwiſchenraum
Von wenig wochen, hat ſich alles umgekehret.
Seitdem kann Rezia den armen Prinzen kaum
Vor augen ſehn. Ihr ganzes herz empoͤret
Sich, wenn ſie nur von hochzeit reden hoͤret;
Und was unglaublich iſt, ſo hat ein bloßer traum
Die ſchuld daran — Ein traum? ruft Huͤon ganz in feuer;
Ein traum? ruft Scherasmin; welch ſeltſam abenteuer!
46.
Ihr traͤumte, faͤhrt die Alte fort,
Sie werd' in Rehgeſtalt an einem wilden ort
Von Babekan gejagt. Sie lief, von zwanzig hunden
Verfolgt, in todesangſt herab von einem berg;
Ihm zu entfliehen war die hoffnung ſchon verſchwunden:
Da kam ein wunderſchoͤner Zwerg
In einem Faeton, den junge Loͤwen zogen,
In vollem ſprung entgegen ihr geflogen.
47.
Der Zwerg in ſeiner kleinen hand
Hielt einen bluͤhnden lilienſtaͤngel,
Und ihm zur ſeite ſaß ein fremder junger Fant,
In Ritterſchmuk, ſchoͤn wie ein baarer Engel;
Sein blaues aug, ſein langes gelbes haar
Verrieth, daß Aſien nicht ſein geburtsland war;
Doch, wo er immer hergekommen,
Genug, ihr herzchen ward beym erſten blik genommen.
F 348. Der
[]
48.
Der wagen hielt. Der Zwerg mit ſeinem lilienſtab
Beruͤhrte ſie; ſtraks fiel die rehhaut ab:
Die ſchoͤne Rezia, auf ihres Retters bitten,
Steigt in den wagen ein, und ſezt erroͤtend mitten
Sich zwiſchen ihn und den, dem ſich ihr herz ergab,
Wiewohl noch lieb und ſchaam in ihrem buſen ſtritten.
Der wagen fuhr nun ſcharf den berg hinan,
Und ſtieß vor einen ſtein, und ſie erwachte dran.
49.
Entflogen war ihr traum, doch nicht aus ihrem herzen
Der Juͤngling mit dem langen gelben haar.
Stets ſchwebt ſein bild, die quelle ſuͤßer ſchmerzen,
Bey tag und nacht ihr vor, und ſeit der ſtunde war
Der Druſenfuͤrſt ihr voͤllig unertraͤglich.
Sie konnt ihn ohne zorn nicht hoͤren und nicht ſehn.
Man gab ſich alle muͤh die urſach auszuſpaͤhn;
Umſonſt, ſie blieb geheim und ſtumm und unbeweglich.
50.
Nur ihre Amm' allein, von der ich, wie geſagt,
Die mutter bin, wußt' endlich weg zu finden,
Das ſeltſame geheimniß, das ſie nagt,
Aus ihrer bruſt herauszuwinden.
Allein ihr wißt, ob mit vernuͤnftgen gruͤnden
Ein ſchaden heilbar iſt, der heimlich uns behagt.
Die arme Dame war ſich ſelber gram, und wollte
Gleichwoll daß Fatme ſtets dem uͤbel ſchmeicheln ſollte.
51. In-
[]
51.
Indeſſen kam der tag, vor dem ihr graut,
Stets naͤher. Babekan, um bey der ſproͤden Braut
In beßre achtung ſich zu ſchwingen,
Ließ wenig unverſucht, nur wollte nichts gelingen.
Sie war bekanntlich ſtets den Tapfern ſehr geneigt,
Er hatte ſich noch nie in dieſem licht gezeigt.
Laß, ſprach er zu ſich ſelbſt, uns eine That vollbringen,
Der Unempfindlichen bewundrung abzuzwingen!
52.
Nun ſezte ſeit geraumer zeit
Ein ungeheurer Loͤw das ganze land in ſchrecken;
Er fiel bey hellem tag in doͤrfer und in flecken,
Und wuͤrgte vieh und menſchen ungeſcheut.
Man ſpricht, er habe drachenfluͤgel,
Und klauen wie ein greif, und ſtacheln wie ein igel,
Sey groͤßer als ein elefant,
Und wenn er ſchnaube, fahr's als wie ein ſturm durchs land.
53.
Seit menſchendenken ward kein ſolches thier geſehen.
Auch ſtund ein großer preis auf deſſen kopf geſetzt;
Allein weil jedermann den ſeinen hoͤher ſchaͤzt,
Will des verdienſts ſich niemand unterſtehen.
Nur Babekan hielts des verſuches werth
Durch eine kuͤhne that der Schoͤnen ſtolz zu daͤmpfen.
Er ſteigt mit großem pomp zum Sultan und begehrt
Verguͤnſtigung, den Loͤwen zu bekaͤmpfen.
F 454. Und
[]
54.
Und als ihm's der, wiewol mit muͤh, gewaͤhrt,
Beſtieg er heute fruͤh vor tag ſein beſtes pferd,
Und ritt hinaus. Was weiter vorgegangen
Iſt unbekannt. Genug, er kam, zu allem gluͤck,
Auf einem fremden gaul, ganz leiſe, ſonder prangen
Und ohne loͤwenhaut zuruͤk.
Man ſagt, er habe ſtraks, ſobald er heimgekommen,
Sich hingelegt, und Bezoar genommen.
55.
Bey allem dem ſind nun mit unerhoͤrter pracht
Die zubereitungen zum hochzeitfeſt gemacht;
Unfehlbar wird es morgen vor ſich gehen,
Und Rezia ſich in der naͤchſten nacht
In Babekans verhaßten armen ſehen.
Eh dies geſchieht, fuhr Huͤon raſch heraus,
Eh ſoll das große rad der Schoͤpfung ſtille ſtehen!
Der Ritter und der Zwerg ſind, glaubt mir, auch vom ſchmaus.
56.
Die Alte wundert ſich des wortes, und betrachtet
Genauer, was ſie anfangs nicht geachtet,
Des Fremden blaues aug, und langes gelbes haar,
Und ſeinen ritterſchmuk, und daß er nur gebrochen
Arabiſch ſprach, und daß er ſchoͤner war
Als je ein mann, der in die augen ihr geſtochen;
Das raſche wort, das er geſprochen,
Und dieſe aͤhnlichkeit! Es daͤucht ihr ſonderbar.
57. Wo
[]
57.
Wo kam er her? Warum? Wer iſt er? Zwanzig Fragen
Zu dieſem zwek, die ſchon auf ihrer zunge lagen,
Erſtikte Huͤons ernſt. Er ſtellte ſich der ruh
Beduͤrftig, legte ſich auf ſeiner ſtreu zurechte.
Die Alte wuͤnſcht, daß ihm was ſuͤßes traͤumen moͤchte,
Und trippelt weg, und ſchließt die thuͤre nach ſich zu.
Allein wurmſtichig war die thuͤr und hatte ſpalten,
Und vorwiz jukt das ohr der guten Alten.
58.
Sie ſchleicht zuruͤk, und druͤkt ſo feſt ſie kann
Ihr lauſchend ohr an eine ritze,
Und horcht mit offnem mund und haͤlt den athem an.
Die Fremden ſprachen laut, und wie es ſchien, mit hitze;
Sie hoͤrte jedes wort; nur, leider! war kein ſinn
Fuͤr eine alte frau von Babylon darinn:
Doch kann ſie dann und wann, zum troſt in dieſem leiden,
Den namen Rezia ganz deutlich unterſcheiden.
59.
Wie wundervoll mein ſchikſal ſich entſpinnt,
(Rief Huͤon aus) wie wahr hat Oberon geſprochen:
Schwach iſt das Erdenvolk und fuͤr die zukunft blind!
Karl denkt, er habe mir gewiß den hals gebrochen;
Auf mein verderben zielt ſein auftrag ſichtlich ab,
Und blindlings thut er bloß den willen des geſchickes;
Der ſchoͤne Zwerg rekt ſeinen lilienſtab,
Und leitet mich im traum zur quelle meines gluͤckes.
F 560. Und
[]
60.
Und daß (ruft Scherasmin) die Jungfrau, die im traum
Das herz euch nahm, gerade die Infante
Des Sultans iſt, die Karl zu eurer braut ernannte;
Daß alles ſo ſich ſchikt, und daß auch Sie im traum
Wie ihr in ſie, in euch entbrannte —
So etwas glaubte man ja ſeinen augen kaum!
Und doch, ſpricht Huͤon, hats die Alte nicht erfunden,
Den knoten hat das Schikſal ſelbſt gewunden.
61.
Nur wie er aufzuloͤſen ſey,
Da liegt die ſchwierigkeit! — Mich ſollte das nicht plagen,
Erwiedert Scherasmin; Herr, darf ich ungeſcheut
Euch meine ſchlechte meynung ſagen?
Ich macht' es kurz und ſchnitt' ihn friſch entzwey.
Dem Junker linker hand ließ' ich den luſtpaß frey,
Und dem Kalifen ſeine zaͤhne,
Und hielte mich an meine Dulzimene.
62.
Bedenkts nur ſelbſt, in ihrer Gegenwart
Die Ceremonie mit kopfab anzufangen,
Hernach vier backenzaͤhn und eine handvoll bart
Dem alten Sultan abverlangen,
Und vor der Naſ' ihm gar ſein einzig kind umfangen,
Bey Gott! das hat doch keine art!
Das Schikſal kann unmoͤglich wollen,
Daß wir das ziel uns ſelbſt ſo grob verruͤcken ſollen.
63. Zum
[]
63.
Zum gluͤck, daß Oberon das beſte ſchon verſah.
Das hauptwerk iſt doch wohl dem haſen
Von braͤutigam das Fraͤulein wegzublaſen;
Und dazu hilft die ſchoͤne Rezia
Gewiß uns ſelbſt, ſobald ſie von der Alten
Berichtet iſt, das gelbe haar ſey da.
Mir liegt indeſſen ob, zween friſche klepper, nah
Beym garten des Serails, zur flucht bereit zu halten.
64.
Herr Scherasmin (verſezt der Ritter) wie es ſcheint
Entfiel euch, daß ich Karln mein ehrenwort gegeben,
Dem, was er mir gebot, buchſtaͤblich nachzuleben?
Da geht kein Jot davon, mein guter freund!
Was draus entſtehen kann, das mag daraus entſtehen!
Mir ziemt es nicht ſo was vorauszuſehen.
Im fall der noth (erwiedert Scherasmin)
Muß doch zulezt der Zwerg uns aus dem waſſer ziehn.
65.
Allmaͤhlich ſchlummerte der Alte unter dieſen
Geſpraͤchen ein. Von Huͤons augen bleibt
Der ſuͤße ſchlaf die nacht hindurch verwieſen.
Gleich einem kahn auf hohen wogen, treibt
Sein ahnend herz mit ungeduldgem ſchwanken
Auf ungeſtuͤm ſich waͤlzenden gedanken:
So nah dem port; ſo nah, und doch ſo weit!
Es iſt ein augenblik, und daͤucht ihm Ewigkeit.
Oberon
[]
Oberon
Fuͤnfter Geſang.
1.
Auch dich, o Rezia floh, auf deinen weichen ſchwanen,
Der ſuͤße ſchlaf. Du ſahſt in klippen dich
Verfangen, woraus dir einen pfad zu bahnen
Unmoͤglich ſchien. Verhaßt und fuͤrchterlich
Iſt dir das feſtliche roth am morgendaͤmmernden himmel,
Verhaßt der tag, der dich an Hymens altar winkt.
Langwaͤlzt ſie ſeufzend ſich um, bis endlich vom innern getuͤmmel
Der ſeele betaͤubt, ihr haupt herab zum buſen ſinkt.
2.
Sie ſchlummert ein, und, ihren mut zu ſtuͤtzen,
Webt Oberon ein neues traumgeſicht
Vor ihre ſtirn. Sie glaubt, bey mondeslicht,
In einer laube der gaͤrten des Harems zu ſitzen,
In fantaſieen der liebe verſenkt,
Ein ſuͤßes weh, ein lieblich banges ſehnen
Hebt ihre bruſt, ihr auge ſchwimmt in thraͤnen,
Indem ſie hoffnungslos an ihren juͤngling denkt.
3. Die
[]
3.
Die unruh treibt ſie auf. Sie laͤuft, mit haſtigen ſchritten
Und ſuchendem blik, durch buſch und blumengefild,
Eilt athemlos zu allen gruͤnen huͤtten,
Zu allen grotten hin; ihr auge, zaͤrtlich wild
Und thraͤnenvoll, ſcheint das geliebte bild
Von allen weſen zu erbitten.
Oft ſteht ſie aͤngſtlich ſtill und lauſcht,
Wenn nur ein ſchatten wankt, nur eine pappel rauſcht.
4.
Zulezt, indem ſie ſich nach einer ſtelle wendet
Wo durch der buͤſche nacht ein heller mondſchein bricht,
Glaubt ſie — O wonne! wofern kein falſches ſchattenlicht
Ihr gernbetrognes auge blendet —
Zu ſehen was ſie ſucht. Sie ſieht und wird geſehn;
Sein feuerblik begegnet ihren blicken.
Sie eilt ihm zu, und bleibt, in ſchauerndem entzuͤcken,
Wie zwiſchen ſcham und liebe, zweifelnd ſtehn.
5.
Mit ofnen armen fliegt er ihr entgegen.
Sie will entfliehn, und kann die kniee nicht bewegen,
Mit muͤh verbirgt ſie noch ſich hinter einen baum,
Und in der ſuͤßen angſt zerplazt der ſchoͤne traum.
Wie gerne haͤtte ſie zuruͤck ihn rufen moͤgen!
Sie zuͤrnt ſich ſelbſt und dem verhaßten baum.
Umſonſt bemuͤht, ſich wieder einzuwiegen,
Muß ſie am ſchatten nun des ſchattens ſich vergnuͤgen.
6. Die
[]
6.
Die ſonne hatte bald den dritten theil vollbracht
Von ihrem lauf, und immer war's noch nacht
Bey Rezia; ſo groß war ihr ergoͤtzen,
Den angenehmen traum noch wachend fortzuſetzen.
Doch da ſie gar zu lang kein lebenszeichen giebt,
Naht endlich Fatme ſich dem goldnen Bette, ſchiebt
Den ſeidnen vorhang weg, und findet mit erſtaunen
Sie hell erwacht, und in der beſten aller launen.
7.
Ich hab ihn wiedergeſehn, o Fatme, wuͤnſche mir gluͤck,
Ruft Rezia, ich hab ihn wiedergeſehen! —
Das waͤre! ſpricht die amm' und ſucht mit ſchlauem blik
Herum, als daͤchte ſie den vogel auszuſpaͤhen.
Das Fraͤulein lacht: Ey, ey, wie iſt dein witz ſo dik?
Ich denke doch, das ſollte ſich verſtehen?
Ich ſah ihn freylich nur im traum; allein
Er muß gewiß hier in der naͤhe ſeyn.
8.
Mir ahnt's, er iſt nicht fern, und ſprich mir nichts dagegen,
Wenn du mich liebſt! — „So ſchweig ich!“ — Und warum?
Was waͤre dann am ende ſo verwegen
An meiner hoffnung? Sprich! wie ſollt' ich ſie nicht hegen?
Die Amme ſeufzt und bleibt noch immer ſtumm.
„Was uͤberſteigt der Liebe allvermoͤgen?
Der Loͤwenbaͤndiger, der mich beſchuͤtzt, iſt ſie,
Und retten wird ſie mich, begreif ich gleich nicht wie.“
9. Du
[]
9.
Du ſchweigſt? du ſeufzeſt? Ach! zuwohl nur, gute amme,
Verſteh ich, was dein ſchweigen mir verhehlt!
Du hoffeſt nichts fuͤr meine flamme?
Ich ſelbſt, ich hoffe nur, weil beßrer troſt mir fehlt.
Die ſtunde naht; ſchon klirren meine ketten,
Und mein verderben iſt gewiß:
Ein wunder nur, o Fatme, kann mich retten,
Wo nicht — ſo kann es dies!
10.
Bey dieſem wort zieht ſie mit feu'rgem blicke
Aus ihrem buſen einen dolch hervor.
„Siehſt du? dies macht mir mut! dies hebt mich ſo empor!
Mit dieſem hoff' ich alles vom geſchicke!“
Die Amme ſchwankt an ihren ſtuhl zuruͤcke,
Wird leichenblaß und zittert wie ein rohr.
Ach! iſt dies alles, ſo erbarme
Es Gott! ruft ſie, und weint und ringt die arme.
11.
Das Fraͤulein druͤckt die hand ihr auf den mund:
Still, ſpricht ſie, faſſe dich! und ſtekt in ihren buſen
Den dolch zuruͤck. Du weißt, im weiten erdenrund
Iſt nichts mir ſo verhaßt als dieſer Fuͤrſt der Druſen.
Eh Der mich haben ſoll, eh ſoll ein giftger molch
In meine bruſt die ſcharfen zaͤhne ſchlagen!
Koͤmmt mein Geliebter nicht, den raub ihn abzujagen,
Was bleibt mir uͤbrig als mein dolch?
12. Kaum
[]
12.
Kaum hatte ſie die worte ausgeſprochen,
So hoͤrt man an der kleinen thuͤre pochen,
Die aus dem ſchlafgemach in Fatmens zelle fuͤhrt.
Die Amme eilt hinaus, und koͤmmt nach einer weile
Faſt athemlos zuruͤck vor freuden und vor eile.
Ihr ganzes antlitz glaͤnzt. Sie ruft (doch ſo gebunden
Iſt ihre zunge vor luſt, daß ſie den ton verliert)
Prinzeßin! jubilo! der Ritter iſt gefunden!
13.
Im nachtgewand, das wie ein nebel kaum
Den ſchoͤnen leib umwallt, faͤhrt jene aus den lacken
Und faͤllt entzuͤkt der Amme um den nacken:
Gefunden? Wo? Wo iſt er? O mein traum,
So logſt du nicht? — Die Amme, ſelbſt vor freuden
Ganz außer ſich, hat kaum noch ſoviel ſinn,
Die wonnetaumelnde halbnakte Traͤumerin
In großer eil ein wenig anzukleiden.
14.
Hereingerufen wird ſodann
Die Alte, ſelbſt ihr maͤhrchen zu erzaͤhlen.
Die gute Mutter faͤngt beym ey die ſache an,
Und laͤßt es nicht am kleinſten umſtand fehlen:
Kein zug, kein wort, das ihrem Gaſt entrann,
Wird im gemaͤhlde weggelaſſen.
Er iſts, er iſts! Wir haben unſern mann,
Ruft Fatme aus; es kann nicht beſſer paſſen!
15. Die
[]
15.
Die Alte wird von neuem ausgefragt,
Muß drey und viermal wiederholen
Was er gethan, geſagt und nicht geſagt;
Muß immer wieder ihn vom haupt bis zu den ſolen
Abſchildern, zug vor zug — wie gelb und lang ſein haar,
Wie groß und blau ſein ſchoͤnes augenpaar;
Und immer iſt noch etwas nachzuholen,
Das in der eil ihr ausgefallen war.
16.
Derweil ſich ſo um zwanzig Jahre juͤnger
Die Alte ſchwazt, entſpinnt der hohe lockenbau
Der ſchoͤnen Braut ſich unter Fatmens finger.
Mit perlen, glaͤnzender als thau,
Wird ſchneckengleich ihr ſchwarzes haar durchflochten,
Ohr, hals und guͤrtel ſchmuͤkt ſo ſchimmerndes geſtein,
Daß ihren glanz im ſonnenſchein
Die augen kaum ertragen mochten.
17.
Vollendet ſtellt nunmehr, von ihrer Nymfenſchaar
Zum feſt geſchmuͤkt und braͤunlich angekleidet,
Gleich einer Sonne ſich die Koͤnigstochter dar,
Und lieblich wie ein reh, das unter roſen weidet.
Kein auge ſah ſie ohne liebe an,
Wiewohl ſie izt nur maͤdchenaugen ſahn:
Nur ſie allein ſchien nichts davon zu wiſſen,
Wie neben ihr die ſterne ſchwinden muͤſſen.
G18. Das
[]
18.
Das feuer, das aus ihren augen ſtrahlt,
Die ungeduld, das lauſchende verlangen
Das ihre lippen ſchwellt und ihre vollen wangen
Mit ungewohntem purpur mahlt,
Sezt ihre Jungfrau'n in erſtaunen.
Iſt dies die widerſpenſt'ge braut,
(Beginnen ſie einander zuzuraunen)
Der geſtern noch ſo ſehr vor dieſem tag gegraut?
19.
Indeſſen ſammeln ſich die Emirn und Weſſire,
Zum feſt geſchmuͤkt, im ſtolzen hochzeitſaal.
Geruͤſtet ſteht das koͤnigliche mahl,
Und, bey trompetenklang, tritt aus der goldnen thuͤre
Des heiligen palaſts, von ſclaven aller art
Umfloſſen, der Kalif mit ſeinem grauen bart.
Der Druſenfuͤrſt, noch etwas blaß von wangen,
Koͤmmt ſtattlich hinter ihm als Braͤutigam gegangen.
20.
Und gegenuͤber thut die thuͤr von elfenbein
Sich aus dem Harem auf, und, ſchoͤner als die Frauen
In Mahoms Paradies, tritt auch die Braut herein.
Ein ſchleyer zwar, gleich einem ſilbergrauen
Gewoͤlke wehrt dem Engelsangeſicht
Den vollen glanz allblendend zu enthuͤllen;
Und dennoch ſcheint ein uͤberirdiſch licht
Bey ihrem eintritt ſtraks den ganzen ſaal zu fuͤllen.
21. Dem
[]
21.
Dem Druſen ſchwillt und ſinket wechſelweis
Sein herz, indem ſein aug an ihren Reizen hanget;
Er ſucht im ihrigen was er zu ſehn verlanget,
Allein, ein blick, ſo kalt wie alpeneis,
Iſt alles was er ſieht. Doch, dem bethoͤrten ſchmeichelt
Die eitelkeit, die ſelbſtbetruͤgerin,
Daß Rezia den ſproͤden blick nur heuchelt;
O! (denkt er) all der ſchnee ſchmilzt uͤber nacht dahin!
22.
Ob er zuviel gehoft ſoll kein geheimnis bleiben.
Doch, ohne izt unnoͤtig zu beſchreiben,
Wie drauf, nachdem der Iman das Gebet
Geſprochen, man beym ſchall der pauken und der zinken
Zur tafel ſich geſezt, erſt ſeine Majeſtaͤt,
Dann rechter hand die Braut, der Braͤutigam zur linken,
Und hundert dinge, die von ſelber ſich verſtehn,
Iſts zeit, auch wieder uns nach Huͤon umzuſehn.
23.
Der hatte, wie ihr euch erinnert, ſeine nacht,
Von ungeduld erhizt, von ahnungen umgaukelt,
Auf ſeiner ſtreu nicht ſanfter zugebracht
Als einer, den der ſturm in einem maſtkorb ſchaukelt.
Kaum aber hat dem tag zu ſeiner goldnen bahn
Aurorens roſenhand die pforten aufgethan,
So ſenkt ſich nebelgleich ein dunſt von mohn und flieder
Und lilienduft auf ſeine augen nieder.
G 224. Er
[]
24.
Er ſchlummert ein, und ſchlaͤft in Einem zug
Noch immer fort, da ſchon des ſonnewagens flug
Den himmel halb getheilt. Sein Alter gieng indeſſen
Um von der burg die lage auszuſpaͤhn,
Und zum entfuͤhrungswerk das noͤth'ge vorzuſehn;
Derweil, am kleinen heerd, zu ihrem mittageſſen
Die gute Wirthin anſtalt macht,
Halbmuͤrriſch, daß ihr gaſt ſo lange nicht erwacht.
25.
Sie ſchleicht zulezt, um wieder durch die ſpalten
Zu gucken, an die thuͤr, und trift, (zu gutem gluͤk
Fuͤr ihren vorwiz,) juſt den erſten Augenblik,
Da Huͤons augen ſich dem goldnen tag entfalten.
Friſch, wie der junge may ſich an den reyhen ſtellt
Wenn mit den Grazien die Nymfen taͤnze halten,
Hebt ſich mit halbem leib empor der ſchoͤne held,
Und rathet, was zuerſt ihm in die augen faͤllt?
26.
Ein kaftan, wie ihn nur die hoͤchſten Emirn tragen,
Wenn ſich der Hof zu einem feſte ſchmuͤkt,
Auf goldbebluͤmtem grund mit perlen reich geſtikt,
Liegt ſchimmernd vor ihm da um einen ſtuhl geſchlagen;
Ein turban drauf, als wie aus ſchnee gewebt,
Und, um ihn her, den Emir zu vollenden,
Ein diamantner gurt, an dem ein ſaͤbel ſchwebt,
So reich, daß ſcheid' und griff die augen ganz verblenden.
27. Zum
[]
27.
Zum ganzen putz, von fuß zu haupt,
Den ſtiefelchen aus uͤberguͤldtem leder
Bis zu dem demantknopf der hohen ſtraußenfeder
Am turban, mangelt nichts. Der gute Ritter glaubt,
Ihm traͤume noch. Woher kann ſolcher ſtaat ihm kommen?
Die Alte ſteht erſtaunt. Das geht durch zauberey,
Ruft ſie, ich haͤtte doch ſonſt was davon vernommen?
Der zwerg, ſpricht Scherasmin, iſt ganz gewiß dabey!
28.
Der Ritter glaubt es auch, und denkt: durch all die heiden
Im vorhof macht mir dies zum hochzeitſaale bahn.
Und flugs iſt kaftan, gurt, und alles umgethan.
Die Wirthin muͤht ſich viel ihn recht herauszukleiden,
„Allein was fangen wir mit dieſem turban an?
Das ſchoͤne gelbe haar ſeintwegen abzuſchneiden?
Nicht um die welt! — Doch ſtill! es geht ja wohl hinein;
Er ſcheint ja recht mit fleis dazu gewoͤlbt zu ſeyn!“
29.
Herr Huͤon ſtand nunmehr, bis auf die lilienglatte
Bartloſe wang', als wie ein Sultan da;
Indem das Muͤtterchen ihn um und um beſah
Und immer noch an ihm zu putzen hatte.
Drauf, als der treue Scherasmin
Ihm was ins ohr geraunt, beginnt er fortzugehen,
Reicht einen beutel gold der Wirthin freundlich hin,
Und nun, ade aufs wiederſehen!
G 330. Nichts
[]
30.
Nichts halb zu thun iſt edler geiſter art.
Ein reichgezaͤumtes roß ſteht vor der thuͤr der Alten,
Und neben bey zween knaben, ſchoͤn und zart,
In ſilberſtuͤck, die ihm die goldnen zuͤgel halten.
Herr Huͤon ſchwingt ſich auf; die knaben friſch voran,
Und fuͤhren ihn, auf einem ſeitenwege,
An Eufrats ufern hin, durch bluͤhende gehaͤge,
Bis ſie der hohen Burg ſich gegenuͤber ſahn.
31.
Schon iſt er durch den erſten hof gezogen,
Im zweyten ſteigt er ab, und geht zum dritten ein;
Er ſcheint ein hochzeitgaſt vom erſten rang zu ſeyn,
Und uͤberall, von dieſem ſchein betrogen,
Macht ihm die wache platz. Er ſchreitet frey und ſtolz
Daher, und naͤhert ſich dem thor von ebenholz.
Zwoͤlf Mohren, Rieſen gleich, ſtehn mit gezuͤktem eiſen
Die unberechtigten vom eingang abzuweiſen.
32.
Allein des Ritters ſtaat und koͤniglicher blik
Druͤkt, wie er ſich der hohen pforte zeiget,
Die ſaͤbelſpitzen ſchnell zuruͤk,
Die fernher ſich entgegen ihm geneiget.
Die fluͤgel rauſchen auf. Hoch ſchlaͤgt ſein heldenherz,
Indem ſie hinter ihm ſich wieder wehend ſchließen.
Drauf fuͤhrt ein ſaͤulengang, an welchen gaͤrten ſtießen,
Ihn noch zu einer thuͤr von uͤberguͤldtem erz.
33. Ein
[]
33.
Ein großer vorſaal war's mit ſclaven aller farben,
Kombabiſchen geſchlechts, erfuͤllt,
Die ewig hier am quell der freuden darben,
Und, da ein Mann mit Emirs glanz umhuͤllt
In ihre holen augen ſchwillt,
Mit blicken, die in knechtsgefuͤhl erſtarben,
Die arme auf die bruſt ins kreuz gefaltet, ſtehn,
Und kaum ſo mutig ſind ihm hintennach zu ſehn.
34.
Schon toͤnen cymbeln, trommeln, pfeiffen,
Geſang und ſaitenſpiel vom hochzeitſale her;
Schon nikt des Sultans haupt von weindunſt doppelt ſchwer,
Und freyer ſchon beginnt die freude auszuſchweiffen;
Der Braut allein theilt ſich die luſt nicht mit,
Die in des Braͤutgams augen gluͤhet;
Als, eben da ſie ſtarr auf ihren teller ſiehet,
Herr Huͤon in den ſaal mit edler freyheit tritt.
35.
Er naht der tafel ſich, und alle augenbrauen
Ziehn ſich erſtaunt empor, den Fremden anzuſchauen;
Die ſchoͤne Rezia, die ihre traͤume denkt,
Haͤlt auf den teller noch den ernſten blick geſenkt;
Auch der Kalif, den becher juſt zu leeren
Beſchaͤftigt, laͤßt ſich nichts in ſeinem opfer ſtoͤren:
Nur Babekan, den ſeines nahen falls
Kein guter geiſt verwarnt, dreht ſeinen ſtolzen hals.
G 436. So-
[]
36.
Sogleich erkennt der Held den mann von geſtern,
Der ſich verwog der Chriſten Gott zu laͤſtern;
Er iſts, der links am goldnen ſtuhle ſizt
Und ſeinen nacken ſelbſt als wie zur ſtrafe bieget.
Raſch, wie des Himmels flamme, blizt
Der reiche ſaͤbel auf; der kopf des Heiden flieget,
Und hochaufbrauſend uͤberſprizt
Sein blut den tiſch und den der ihm zur ſeite lieget.
37.
Wie der Gorgone furchtbars haupt
In Perſeus fauſt den wildempoͤrten ſchaaren
Das leben ſtraks durch ſeinen anblik raubt;
Noch dampft die Koͤnigsburg, noch ſchwillt der aufruhr, ſchnaubt
Die mordluſt ungezaͤhmt im buſen der Barbaren;
Doch Perſeus ſchuͤttelt kaum den kopf mit ſchlangenhaaren,
So ſtarrt der dolch in jeder blutgen hand,
Und jeder moͤrder ſteht zum felſen hingebannt:
38.
So ſtokt auch hier, beym anblik ſolcher kecken
Verraͤtheriſchen that, des frohen blutes lauf
In jedem gaſt. Sie fuhren allzuhauf,
Geſpenſtern gleich, von ihren ſitzen auf,
Und griffen nach dem ſchwert. Allein, gelaͤhmt von ſchrecken,
Erſchlafft im ziehn der arm, und jedes ſchwert blieb ſtecken;
Ohnmaͤcht'ge wut im ſtarren blik,
Sank ſprachlos der Kalif in ſeinem ſtuhl zuruͤck.
39. Der
[]
39.
Der aufruhr, der den ganzen ſaal empoͤret,
Schrekt Rezien aus ihrer traͤumerey;
Sie ſchaut beſtuͤrzt ſich um, was deſſen urſach ſey,
Und, wie ſie ſich nach Huͤons ſeite kehret,
Wie wird ihm, da er ſie erblikt!
Sie iſts, ſie iſts, ruft er, und laͤßt entzuͤkt
Den blut'gen ſtal und ſeinen turban fallen,
Und wird von ihr erkannt wie ſeine locken wallen.
40.
Er iſts, er iſts, rief ſie — allein die ſchaam
Erſtikt den ton in ihrem roſenmunde.
Wie ſchlug das herz ihr erſt, da er geflogen kam,
Im angeſicht der ganzen Tafelrunde
Sie liebekuͤhn in ſeine arme nahm,
Und, da ſie gluͤend bald, bald blaß wie eine Buͤſte,
Sich zwiſchen lieb' und jungferlichem gram
In ſeinen armen wand, ſie auf die lippen kuͤßte!
41.
Schon hatt' er ſie zum zweytenmal gekuͤßt;
Wo aber nun den trauring herbekommen?
Zum gluͤcke, daß der ring an ſeinem finger iſt,
Den er im Eiſenthurm dem Rieſen abgenommen.
Zwar, wenig noch mit deſſen wehrt vertraut,
Schien ihm, dem anſehn nach, der ſchlechtſte kaum geringer;
Doch ſteckt er ihn aus noth izt an des Fraͤuleins finger,
Und ſpricht: ſo eign' ich dich zu meiner lieben Braut!
G 542. Er
[]
42.
Er kuͤßt mit dieſem wort die ſanftbezwungne Schoͤne
Zum drittenmal auf ihren holden mund.
Ha! ſchreyt der Sultan auf, und knirſcht, und ſtampft den grund
Vor Ungeduld — ihr leidet daß der hund
Von einem Franken ſo mich hoͤhne?
Ergreift ihn! Zaudern iſt verrath!
Und, tropfenweis erpreßt, verſoͤhne
Sein ſchwarzes blut die ungeheure that!
43.
Auf einmal blitzen hundert klingen
In Huͤons aug', und kaum erhaſcht er noch,
Eh ſie im ſturm auf ihn von allen ſeiten dringen,
Sein hingeworfenes ſchwert. Er ſchwingt es draͤuend. Doch
Die ſchoͤne Rezia, von lieb' und angſt entgeiſtert,
Schlingt einen arm um ihn, macht ihre bruſt zum ſchild
Der ſeinigen — der andre arm bemeiſtert
Sich ſeines ſchwerts. Zuruͤck, verwegne, ſchreyt ſie wild:
44.
Zuruͤck! es iſt kein weg zu dieſem buſen
Als mitten durch den meinen, ruft ſie laut;
Und, kaum ſo ſanft und hold wie Amors braut,
Macht die verzweiflung ſie ſo graͤßlich wie Meduſen.
Vermeßne, haltet ein, ruft ſie den Emirn zu,
Zuruͤck! — O ſchone ſein, mein Vater! — und, o du,
Den zum Gemahl das ſchikſal mir gegeben,
O! ſpart mein blut in euer beyder leben!
45. Um-
[]
45.
Umſonſt! Des Sultans wut und draͤun
Nimmt uͤberhand, die Heiden dringen ein.
Der Ritter laͤßt ſein ſchwert vergebens blitzen,
Noch haͤlt ihm Rezia den arm. Ihr aͤngſtlich ſchreyn
Durchbort ſein herz. Was bleibt ihm ſie zu ſchuͤtzen
Noch uͤbrig als ſein Horn von elfenbein?
Er ſezt es an den mund, und zwingt mit ſanftem hauche
Den ſchoͤnſten ton aus ſeinem krummen bauche.
46.
Auf einmal faͤllt der hochgezuͤkte ſtal
Aus jeder fauſt; in raſchem taumel ſchlingen
Der Emirn haͤnde ſich zu taͤnzeriſchen ringen;
Ein lautes Huſſa ſchallt bacchantiſch durch den ſaal,
Und jung und alt, was fuͤße hat, muß ſpringen;
Des Hornes kraft laͤßt ihnen keine wahl:
Nur Rezia, beſtuͤrzt dies wunderwerk zu ſehen,
Beſtuͤrzt und froh zugleich, bleibt neben Huͤon ſtehen.
47.
Der ganze Divan dreht im kreis
Sich ſchwindelnd um; die alten Baſſen ſchnalzen
Den takt dazu; und, wie auf glattem eis,
Sieht man den Iman ſelbſt mit einem Haͤmling walzen.
Noch Stand noch Alter wird geſpart;
Sogar der Sultan kann der luſt ſich nicht erwehren,
Faßt ſeinen Großweſſir beym bart,
Und will den alten kerl noch einen bocksſprung lehren.
48. Die
[]
48.
Die nie erhoͤrte ſchwaͤrmerey
Lokt bald aus jedem vorgemache
Erſt die verſchnittenen herbey,
Sodann das frauenvolk und endlich gar die wache.
Sie all' ergreift die luſtge raſerey:
Der zaubertaumel ſezt den ganzen Harem frey,
Die gaͤrtner ſelbſt in ihren bunten ſchuͤrzen
Sieht man ſich in den reyhn mit jungen nymfen ſtuͤrzen.
49.
Als eine, die kaum ihren augen glaubt,
Steht Rezia, des athems faſt beraubt.
Welch wunder, ruft ſie aus, und juſt in dem momente,
Wo nichts als dies uns beyde retten koͤnnte!
Ein guter Genius iſt mit uns, Koͤnigin,
Verſezt der Held. Indem koͤmmt, durch die hauffen
Der tanzenden, ſein treuer Scherasmin
Mit Fatmen gegen ſie gelauffen.
50.
Kommt, keucht er, lieber Herr! Wir haben keine zeit
Dem tanzen zuzuſehn. Die pferde ſtehn bereit.
Die ganze Burg iſt toll, die thuͤren ſtehen offen
Und unbewacht; was ſaͤumen wir?
Auch hab' ich unterwegs Frau Fatmen angetroffen,
Zur flucht bepakt als wie ein laſtbar thier.
Sey ruhig, ſpricht der Held, noch iſts nicht zeit zu gehen,
Erſt muß das ſchwerſte noch geſchehen.
51. Die
[]
51.
Die ſchoͤne Rezia erblaßt bey dieſem wort,
Ihr aͤngſtlich auge ſcheint zu fragen und zu bitten:
Warum verziehn? Warum am ſteilem bord
Des untergangs verziehn? O, laß mit fluͤgelſchritten
Uns eilen, eh der taumelgeiſt zerrinnt,
Der unſrer feinde ſinnen bindt.
Doch Huͤon, unbewegt, begnuͤget ſich, mit blicken
Voll liebe, ihre hand feſt an ſein herz zu druͤcken.
52.
Allmaͤhlich ließ nunmehr die kraft des hornes nach;
Die koͤpfe ſchwindelten, die beine wurden ſchwach,
Kein faden war an allen taͤnzern trocken,
Und, in der athemloſen bruſt
Geſchwellt, begann das dicke blut zu ſtocken.
Zur marter ward die unfreywill'ge luſt.
Durchnaͤßt, als ſtieg er gleich aus einer badewanne,
Schwankt der Kalif auf ſeine Ottomanne.
53.
Mit jedem augenblik faͤllt ſtarr und ohne ſinn,
Da wo rings um die wand ſich polſter ſchwellend heben,
Ein taͤnzer nach dem andern hin.
Emirn und ſclaven ſtuͤrzen zappelnd neben
Goͤttinnen des Serails, ſo wie's dem zufall daͤucht,
Als ob ein wirbelwind ſie hingeſchuͤttelt haͤtte,
So daß zugleich auf Einem ruhebette
Der ſtallknecht und die Favoritin keucht.
54. Herr
[]
54.
Herr Huͤon macht die ſtille ſich zu nutze
Die auf dem ganzen ſaale ruht;
Laͤßt ſeine Koͤnigin, nah bey der thuͤr, im ſchutze
Des treuen Scherasmin, dem er auf ſeiner hut
Zu ſeyn gebeut; giebt ihm auf alle faͤlle
Das horn von elfenbein, und naht ſodann der ſtelle
Wo der Kalif, vom bal noch ſchwach und matt,
Auf einen polſterthron ſich hingeworfen hat.
55.
In dumpfer ſtille liegt mit ausgeſpannten fluͤgeln
Leisathmend die Erwartung rings umher.
Die taͤnzer all', von ſchlaf und taumel ſchwer,
Beſtreben ſich die augen aufzuriegeln,
Den Fremden anzuſehn, der ſich, nach ſolcher that,
Mit unbewehrter hand und bittenden gebaͤrden
Dem ſtutzenden Kalifen langſam naht.
Was, denkt man, wird aus dieſem allen werden?
56.
Er laͤßt ſich auf ein knie vor dem Monarchen hin,
Und mit dem ſanften ton und kalten blik des Helden
Beginnt er: Kayſer Karl, von dem ich dienſtmann bin,
Laͤßt ſeinen gruß dem Herrn der Morgenlaͤnder melden,
Und bittet dich — verzeyh! mir faͤllt's zu ſagen hart!
Doch meinem Herrn den mund, ſo wie den arm, zu lehnen,
Iſt meine pflicht — um vier von deinen backenzaͤhnen
Und eine handvoll haar aus deinem ſilberbart.
57. Er
[]
57.
Er ſprichts und ſchweigt, und ſteht gelaſſen
Des Sultans antwort abzupaſſen.
Allein, wo nehm ich athem her, den grimm
Des alten Herrn mit worten euch zu ſchildern?
Wie ſeine zuͤge ſich verwildern,
Wie ſeine naſe ſchnaubt? Mit welchem ungeſtuͤmm
Er auf vom throne ſpringt? Wie ſeine augen klotzen,
Und wie vor ungeduld ihm alle adern ſtrotzen?
58.
Er ſtarrt umher, will fluchen, und die wut
Bricht ſchaͤumend jedes wort. an ſeinen blauen lippen.
Auf, ſclaven! reißt das herz ihm aus den rippen!
Zerhakt ihn glied vor glied! zapft ſein verruchtes blut
Mit pfriemen ab! weg mit ihm in die flammen!
Die aſche ſtreut in alle winde aus!
Und ſeinen Kayſer Karl, den moͤge Gott verdammen!
Was? Solchen antrag? Mir? In meinem eignen Haus?
59.
Wer iſt der Karl, der gegen mich ſich bruͤſtet?
Und warum koͤmmt er nicht, wenn's ihn
So ſehr nach meinem bart und meinen zaͤhnen luͤſtet,
Und wagts, ſie ſelber auszuziehn?
Der menſch muß unter ſeiner muͤtze
Nicht richtig ſeyn, verſezt ein alter Kan;
So etwas allenfalls begehrt man an der ſpitze
Von dreymal hundert tauſend mann.
60. Kalif
[]
60.
Kalif von Bagdad, ſpricht der Ritter
Mit edelm ſtolz, laß alles ſchweigen hier,
Und hoͤre mich! Es liegt ſchon lange ſchwer auf mir,
Karls auftrag und mein wort. Des Schickſals zwang iſt bitter,
Doch ſeiner oberherrlichkeit
Sich zu entziehn, wo iſt die macht auf erden?
Was es zu thun, zu leiden uns gebeut,
Das muß gethan, das muß gelitten werden.
61.
Hier ſteh ich, Herr, ein Sterblicher wie du,
Und ſteh allein, mein Wort, trotz allen deinen Wachen,
Mit meinem Leben gut zu machen.
Doch laͤßt die ehre mir noch einen antrag zu.
Entſchließe dich von Mahommed zu weichen,
Erhoͤh das heilige Kreuz, das edle Chriſtenzeichen,
In Babylon, und nimm den wahren glauben an,
So haſt du mehr, als Karl begehrt, gethan.
62.
Dann nehm' ichs auf mich ſelbſt, dich voͤllig loszuſprechen
Von jeder andern foderung,
Und der ſoll mir zuvor den nacken brechen,
Der mehr verlangt! So einzeln und ſo jung
Du hier mich ſiehſt, was du bereits erfahren
Verkuͤndigt laut genug, daß einer mit mir iſt,
Der mehr vermag als alle deine Schaaren.
Waͤhl izt das beſte theil, wofern du weiſe biſt!
63. Der-
[]
63.
Derweil, an kraft und ſchoͤnheit einem Boten
Des Himmels gleich, der jugendliche Held,
Uneingedenk der lanzen, die ihm drohten,
So mannhaft ſpricht, ſo mutig dar ſich ſtellt:
Beugt Rezia von fern mit gluͤendroten
Entzuͤkten wangen, liebevoll
Den ſchoͤnen hals nach ihm, doch ſchaudernd, wie der knoten
Von all den wundern ſich zulezt entwickeln ſoll.
Oberon
Sechster Geſang.
1.
Herr Huͤon hatte kaum das lezte wort geſprochen,
So faͤngt der alte Herr wie ein beſeßner an
Zu ſchreyn, zu ſtampfen und zu pochen,
Und ſein verſtand tritt gaͤnzlich aus der bahn.
Die Heiden all' in tollem eifer ſpringen
Von ihren Sitzen auf mit ſchnauben und mit draͤun,
Und lanzen, ſaͤbel, dolche dringen
Auf Mahoms feind von allen ſeiten ein.
H2. Doch
[]
2.
Doch Huͤon, eh ſie ihn erreichen, reißt in eile
Der maͤnner einem raſch die ſtange aus der hand,
Schlaͤgt um ſich her damit als wie mit einer keule,
Und zieht, ſtets fechtend, ſich allmaͤhlich an die wand.
Ein großer goldner napf, vom ſchenktiſch weggenommen,
Dient ihm zugleich als ſchild und als gewehr;
Schon zappeln viel am boden um ihn her,
Die ſeinem grimm zu nah gekommen.
3.
Der gute Scherasmin, der an der thuͤre fern
Zum ſchutz der Schoͤnen ſteht, glaubt ſeinen erſten Herrn
Im ſchlachtgedraͤng zu ſehn, und uͤberlaͤßt voll freude
Sich einen augenblik der ſuͤßen augenweide;
Doch bald zerſtreut den angenehmen wahn
Des Fraͤuleins angſtgeſchrey; er ſieht der Heiden Raſen,
Sieht ſeines Herr'n gefahr, ſezt flugs das hifthorn an
Und blaͤßt, als laͤg' ihm ob die todten aufzublaſen.
4.
Die ganze Burg erſchallt davon und kracht,
Und ſtraks verſchlingt den tag die fuͤrchterlichſte nacht,
Geſpenſter laſſen ſich wie ſchnelle blitze ſehen,
Und unter ſtetem donnern ſchwankt
Des ſchloſſes felſengrund. Der Heiden herz erkrankt;
Sie taumeln trunknen gleich, gehoͤr, geſicht vergehen,
Der ſchlaffen hand entglitſchen ſchwert und ſpeer,
Und gruppenweis liegt alles ſtarr umher.
5. Der
[]
5.
Der Sultan, uͤbertaͤubt von ſo viel wunderdingen,
Scheint mit dem tod den lezten kampf zu ringen;
Sein arm iſt nervenlos, ſein athem ſchwer,
Sein puls ſchlaͤgt matt, und endlich gar nicht mehr.
Auf einmal ſchweigt der ſturm; ein lieblichſaͤuſelnd wehen
Erfuͤllt den ſaal mit friſchem lilienduft,
Und, wie ein Engelsbild ob einer todtengruft,
Laͤßt Ob'ron ſich auf einem woͤlkchen ſehen.
6.
Ein lauter ſchrey des ſchreckens und der luſt
Entfaͤhrt der Perſerin; ein unfreywilligs grauen
Bekaͤmpft in ihr das ſchuͤchterne vertrauen:
Die arme uͤber ihre bruſt
Gefaltet, ſteht ſie gluͤend neben
Dem Juͤngling da, dem ſie ihr herz gegeben,
Und wagt, der ſuͤßen ſchuld jungfraͤulich ſich bewußt,
Zu ihrem Retter kaum die augen zu erheben.
7.
Gut, Huͤon, ſpricht der Geiſt, du haſt dein ehrenwort
Geloͤßt, ich bin mit dir zufrieden.
Zum ritterdank iſt dir dies ſchoͤne Weib beſchieden!
Doch, eh ihr euch entfernt von dieſem ort,
Bedenke Rezia, wozu ſie ſich entſchließet,
Eh ſie vielleicht mit unfruchtbarer reu
Die raſche wahl verfuͤhrter augen buͤßet!
Zu bleiben oder gehn laͤßt ihr das Schiksal frey.
H 28. So
[]
8.
So vieler Herrlichkeit entſagen,
Verlaſſen Hof und Thron, dem ſie geboren ward,
Und ſich, auf ungewiſſe fahrt,
Ins weite meer der Welt mit einem Mann zu wagen;
Zu leben ihm allein, mit ihm den unbeſtand
Des Erdengluͤks, mit ihm des ſchikſals ſchlaͤge tragen,
(Und ach! oft koͤmmt der ſchlag von der geliebten hand!)
Da lohnt ſichs wohl, vorher ſein herz genau zu fragen.
9.
Noch, Rezia, wenn dich die wage ſchrekt,
Noch ſtehts bey dir den wunſch der Liebe zu betruͤgen;
Sie ſchlummern nur, die hier als wie im grabe liegen,
Sie leben wieder auf, ſobald mein ſtab ſie wekt.
Der Sultan wird dir gerne, was geſchehen,
Verzeyhn, trotz dem was er dabey verlohr,
Und Rezia wird wieder wie zuvor
Von aller welt ſich angebetet ſehen.
10.
Hier ſchwieg der ſchoͤne Zwerg. Und, bleicher als der tod
Steht Huͤon da, das urtheil zu empfangen,
Womit ihn Oberon, der grauſame! bedroht.
In aſche ſinkt das feuer ſeiner wangen.
Zu edel oder ſtolz, vielleicht ein zweifelnd herz
Mit liebesworten zu beſtechen,
Starrt er zur erde hin mit tiefverhaltnem ſchmerz,
Und laͤßt nicht einen blik zu ſeinem vortheil ſprechen.
11. Doch
[]
11.
Doch Rezia, durchgluͤht von ſeinem erſten kuß,
Braucht keines zunders mehr die flamme zu erhitzen.
Wie wenig daͤucht ihr noch was ſie verlaſſen muß,
Um alles was ſie liebt in Huͤon zu beſitzen!
Von ſchaam und liebe roth bis an die fingerſpitzen,
Verbirgt ſie ihr geſicht und einen thraͤnenguß
In ſeinem arm; indem, hochſchlagend von entzuͤcken,
Ihr herz empor ſich draͤngt, an ſeines ſich zu druͤcken.
12.
Und Oberon bewegt den lilienſtab
Sanft gegen ſie, als wollt' er ſeinen ſeegen
Auf ihrer herzen buͤndnis legen,
Und eine thraͤne faͤllt aus ſeinem aug' herab
Auf beyder ſtirn. So eil' auf liebesſchwingen,
Spricht er, du holdes Paar! Mein wagen ſteht bereit,
Bevor das naͤchſte licht der ſchatten heer zerſtreut,
Euch ſicher an den ſtrand von Aſkalon zu bringen.
13.
Er ſprachs, und eh des lezten wortes Laut
Verklungen war, entſchwand er ihren augen.
Wie einem traum entwacht ſteht Huͤons ſchoͤne braut,
Den ſuͤßen duft begierig aufzuſaugen,
Der noch die luft erfuͤllt. Drauf ſinkt ein ſcheuer blik
Auf ihren vater hin, der wie im todesſchlummer
Zu ſtarren ſcheint. Sie ſeufzt, und wehmutsvoller kummer
Miſcht bitterkeit in ihres herzens gluͤk.
H 314. Sie
[]
14.
Sie huͤllt ſich ein. Herr Huͤon, dem die liebe
Die ſinnen ſchaͤrft, ſieht nicht ſobald
Ihr herz beklemmt, ihr ſchoͤnes auge truͤbe,
So druͤkt er ſie, mit zaͤrtlicher gewalt,
Den rechten arm um ihren leib gewunden,
Zum ſaal hinaus. — Komm, ſpricht er, eh die nacht
Uns uͤberraſcht, und jeder arm erwacht,
Den uns zu lieb der Geiſt mit zauberſchlaf gebunden.
15.
Komm, laß uns fliehn, eh uns den weg zur flucht
Ein neuer feind vielleicht zu ſperren ſucht;
Und ſey gewiß, ſind wir nur erſt geborgen,
Wird unſer Schuͤtzer auch fuͤr dieſe ſchlaͤfer ſorgen.
Dies ſprechend traͤgt er ſie mit jugendlicher kraft
Die marmortrepp' hinunter bis zum Wagen,
Den Oberon zu ihrer flucht verſchafft,
Und eine ſuͤßre laſt hat nie ein mann getragen.
16.
Die ganze Burg iſt furchtbarſtill und leer,
Wie eine gruft, und leichen aͤhnlich liegen
In tiefem ſchlaf die Huͤter hin und her;
Nichts hemmt der liebe flucht; der wagen wird beſtiegen;
Doch traut das Fraͤulein ſich dem Ritter nicht allein,
Mit Scherasmin ſteigt auch die Amme haſtig ein.
Sie, die zum erſtenmal ſo viele wunder ſiehet,
Die arme Frau weiß nicht wie ihr geſchiehet.
17. Wie
[]
17.
Wie wird ihr erſt, indem ſie ruͤkwaͤrts ſchaut
Und ſieht, an pferde ſtatt, vier Schwanen vor dem wagen,
Regiert von einem Kind? — und denket, wie's ihr graut,
Da ſie emporgelupft und durch die luft getragen
Sich fuͤhlt, und kaum zu athmen ſich getraut,
Und nicht begreifen kann, wie, ohne umzuſchlagen,
So ſchwer bepakt, der wagen ſich erhebt,
Und, ſteter als ein kahn, auf leichten wolken ſchwebt.
18.
Als endlich gar die Nacht ſie uͤberfiel,
Iſts wunder, daß die furcht zulezt die ſchaam beſiegte,
Und Fatme ſo gedrang an Scherasmin ſich ſchmiegte,
Als wie, wer ſchlafen will, an ſeinen lieben pfuͤhl.
Vermuthlich daß der mann dazu ſich willig fuͤgte;
In ſolchen faͤllen miſcht das herz ſich gern ins ſpiel:
Jedoch gereicht zum ruhm des wackern Alten,
Daß er wie reines gold dies feuer ausgehalten.
19.
Ganz anders war das junge Paar geſtimmt,
Das Amor izt mit ſeiner Mutter ſchwanen
Davonzufuͤhren ſchien. Ob auf gewohnten bahnen
Den lauf ihr zauberfuhrwerk nimmt,
Ob durch die luft, ob's rollet oder ſchwimmt,
Ob langſam oder ſchnell, mit pferden oder ſchwanen,
Sanft oder hart, mit oder ohne fahr —
Sie werden nichts von allem dem gewahr.
H 420. Ein
[]
20.
Ein neuer wonnetraum, ein ſeeliges entzuͤcken
Ins Paradeis, duͤnkt ſie ihr gegenwaͤrt'ger ſtand;
Sie koͤnnen nichts als ſtumm, mit nimmerſatten blicken,
Sich anſchaun, eins des andern warme hand
Ans volle herz in ſuͤßer inbrunſt druͤcken,
Und, waͤhrend himmel und erd' aus ihren augen ſchwand,
Und ſie allein noch uͤbrig ſind, ſich fragen:
Iſt's, oder traͤumt uns noch? Sind wir in Einem wagen?
21.
„So war's kein traum als ich im traum dich ſah,
(Rief jedes aus) „ſo war es Rezia?
„War's Huͤon? und ein Gott hat dich mich finden laſſen?
„Du Mein? — ich Dein? — wer durft' es hoffen, wer?
„So wundervoll vereint, uns nimmer nimmermehr
„Zu trennen! Kann das herz ſo viele wonne faſſen?“
Und dann von neuem ſtets einander angeblikt,
Von neuem hand um hand an mund und herz gedruͤkt!
22.
Vergebens huͤllt die Nacht mit dunſtbeladnen fluͤgeln
Den luftkreis ein; dies hemmt der Liebe ſehkraft nicht;
Aus ihren augen ſtrahlt ein uͤberirdiſch licht,
Worinn die ſeelen ſelbſt ſich in einander ſpiegeln.
Nacht iſt nicht nacht fuͤr ſie; Elyſium
Und Himmelreich iſt alles um und um;
Ihr ſonnenſchein ergießet ſich von innen,
Und jeder augenblick entfaltet neue ſinnen.
23. All-
[]
23.
Allmaͤhlich wiegt die wonnetrunkenheit
Das volle herz in zauberiſchen ſchlummer;
Die augen ſinken zu, die ſinnen werden ſtummer,
Die ſeele duͤnkt vom leibe ſich befreyt,
In Ein gefuͤhl beſchraͤnkt — ſo feſt von ihm umſchlungen!
So inniglich von ihm durchathmet und durchdrungen!
Beſchraͤnkt in Eins, in dieſem Einen bloß
Sich fuͤhlend — Aber o! dies Eins — wie grenzenlos!
24.
Kaum fieng Aurora an die ſchatten zu verjagen,
Und ſchloß dem Tag mit ihrer roſenhand
Die pforten auf, ſo hielt der ſchwanenwagen,
Nicht weit vom ſeebeſpuͤlten ſtrand
Von Aſkalon, im ſchirm von hohen palmenbaͤumen
Auf einmal ſtill. Ein ſanfter ſtoß
Wekt unſers doppelt paar, dies aus des ſchlummers ſchoos
Und jenes aus der Liebe wachen traͤumen.
25.
In ſuͤßem ſchrecken bebt die Sultanstochter auf,
Indem, zum erſtenmal, vom Morgen angeſtralet,
Das Weltmeer grenzenlos ſich in ihr auge malet.
Voll wunders ſchweift in ungehemtem lauf
Der ausgedehnte blik auf dieſen waſſerhoͤhen;
Die Unermeßlichkeit ſcheint vor ihm aufgethan;
Doch, mitten in der luſt koͤmmt ſie ein ſchaudern an,
Im Unermeßlichen ſich ſelbſt ſo klein zu ſehen.
H 526. Ein
[]
26.
Ein grauer flor umnebelt ihren blik.
Wo bin ich? ruft ſie. Doch, Herr Huͤon, der am Wagen
Mit ofnen armen ſteht ins gruͤne ſie zu tragen,
Bringt den verſchwebten geiſt ſchnell zu ſich ſelbſt zuruͤk.
Sey, ſpricht er, ohne furcht, mein Leben,
(Indem er ſeinen mund von lieb und ſehnſucht warm
Auf ihren buſen druͤkt, den ſtille ſeufzer heben,)
Sey ohne furcht, du biſt in meinem arm.
27.
Mit wonne fuͤhlt ſie ſich izt wieder ganz umgeben
Von ihrer liebe, ganz in ſeinen arm verſenkt,
Und junger epheu kann am ſtamm nicht bruͤnſt'ger kleben
Als ſie um ſeinen leib die runden arme ſchraͤnkt.
So eilt er mit der ſuͤßen beute
Den palmen zu; ſezt dann auf weiches mos
Sie in den ſchatten hin, ſich ſelbſt an ihre ſeite
Und tauſchte ſeinen plaz um keines Sultans los.
28.
Bald findet auch mit Fatme ſich bey ihnen
Sein Alter ein, entſchloſſen, er und ſie,
Bis auf den lezten hauch dem lieben paar zu dienen.
Kaum hatte Scherasmin im gruͤnen
Bey ſeinem Herrn, und Fatme nah am knie
Der jungen Dame plaz genommen,
Schnell, wie ein bliz der fantaſie,
Kam durch die luft der ſchoͤne Zwerg geſchwommen.
29. Aus
[]
29.
Aus ſeinen augen brach, durch ſanftbewoͤlkten gram,
Der freundſchaft mildes licht, und als er naͤher kam
Sahn ſie ein Kaͤſtchen, dicht beſezt mit Edelſteinen,
In ſeinem linken arm wie eine Sonne ſcheinen.
Freund Huͤon, ſprach der Geiſt, nimm dies aus meiner hand,
Wiewohl dich Karl dazu ausdruͤklich nicht verpflichtet:
Wenn du ihn wiederſiehſt, ſo dien' es ihm zum pfand
Daß du, was er begehrt, buchſtaͤblich ausgerichtet!
30.
Ihr merkt (wiewohl, in Rezias gegenwart,
Nicht ſchiklich war, es laut zu offenbaren)
Daß des Kalifen Zaͤhn' und Zwickelbart,
In baumwoll' eingepakt, in dieſem kaͤſtchen waren.
Es hatte, waͤhrend daß der Sultan noch erſtarrt
In ſeinem Lehnſtul lag, von Ob'rons unſichtbaren
Trabanten einer ſich behend an's werk gemacht,
Und alles ohne ſcheer' und pelikan vollbracht.
31.
Eilt nun, fuhr Ob'ron fort, bevor euch nachzujagen
Der Sultan zeit gewinnt! Dort auf der Rhede liegt
Ein Schiff, das ſonder harm in ſechs bis ſieben tagen
Mit euch bis nach Lepanto fliegt,
Dort findet ihr, ſobald ihr angekommen,
Ein ander's ſchon bereit, das nach Salern euch bringt;
Und dann, ſo ſchnell als lieb' und ſehnſucht euch beſchwingt,
Geradenwegs den lauf nach Rom genommen!
32. Und
[]
32.
Und tief, o Huͤon, ſey's in deinen ſinn gepraͤgt,
So lange bis dein Oehm, der fromme Pabſt Sylveſter,
Auf eurer herzen bund des Himmels weyhung legt,
Betrachtet euch als Bruder und als Schweſter.
Daß der verbotnen ſuͤßen frucht
Euch ja nicht vor der Zeit geluͤſte!
Denn wiſſet, daß im Nu, da ihr davon verſucht,
Sich Oberon von euch auf ewig trennen muͤßte.
33.
Er ſagt's, und ſeufzt, und ſtiller kummer ſchwillt
In ſeinem aug. Drauf heißt er ſie ihm nahen
Und kuͤßt ſie auf die ſtirn. Und als ſie aufwaͤrts ſahen,
Zerfloß er wie ein wolkenbild
Aus ihrem blik. Der goldne Tag verhuͤllt
Sein antlitz; traurig rauſchts, wie ſeufzer, durch die palmen,
Und land und meer ſcheint, dumpf und tief erſtillt,
In truͤbem duft geſtaltlos zu verqualmen.
34.
Ein ſeltſam Weh, ein ſtilles bangen druͤkt
Das holde Paar; ſie ſehn mit blaſſen wangen
Einander an; im ofnen mund erſtikt
Was jedes ſprechen will; ſie wollen ſich umfangen,
Und ein geheimes grau'n haͤlt ihren arm. Allein
In einem pulsſchlag ſtuͤrzt der dumpfe nebel nieder,
Lacht alles wie zuvor in goldnem ſonnenſchein,
Und mut und freude kehrt in ihre herzen wieder.
35. Sie
[]
35.
Sie eilen nach dem ſchiff, und finden's, hocherfreut,
Zur reiſe ſchon verſehn und eingerichtet
Durch ihres ſchuͤtzers guͤtigkeit.
Ein friſcher landwind weht, der anker wird gelichtet,
Das ſeevolk jauchzt. Die Barke, vogelſchnell,
Durchſchneidet ſchon mit ausgeſpannten fluͤgeln
Die blaue flut; die luft iſt rein und hell,
Und glatt das meer um ſich darinn zu ſpiegeln.
36.
Sanftwiegend ſchwimmt, gleich einem ſtolzen ſchwan,
Das ſchiff dahin, zum wunder aller Soͤhne
Des Ozeans, auf kaum gefurchter bahn.
So eine fahrt hat noch kein menſch gethan,
Rief jeder aus. Der Ritter und die Schoͤne
Stehn, arm in arm geſchlungen, ſtundenlang
Auf dem verdeck, und ſchau'n; und jede neue ſcene
Iſt Opium fuͤr ihren liebesdrang.
37.
Und wenn ſie in die unabſehbarn flaͤchen
Hinaus ſehn, wo in luft der wellen blau zerrinnt,
Faͤngt Huͤon an von ſeinem Land zu ſprechen,
Wie ſchoͤn es iſt, wie froh darinn die leute ſind,
Und wie von Oſt zum Weſt die Sonne
Doch auf nichts holders ſcheinen kann
Als auf die ufer der Garonne;
Und alles dies beſchwoͤrt ſein alter Lebensmann.
38. Denn
[]
38.
Denn Dem huͤpft hoch das herz, ſo oft er ſeinem lieben
Gaſcogne Hymnen ſingen kann.
Die ſchoͤne Rezia, wiewol ihr dann und wann
Viel worte unverſtaͤndlich blieben,
Horcht unverwandt. Denn das, wovon ihr nichts entgeht,
Was mit unſaͤglichem behagen,
So neu ihr's iſt, ihr herz unendlich leicht verſteht,
Iſt — was ihr Huͤons Augen ſagen.
39.
Ein ſanfter druk der warmen hand,
Ein ſeufzer, der das volle herz entladet,
Ein leiſer kuß, der roſenwang' entwandt,
Und, o! ein blik, in Amors thau gebadet,
Was uͤberzeugt, gewinnt und ruͤhrt wie dies?
Was geht ſo ſchnell, trotz dem behendſten pfeile
Von herz zu herz, trifft ſo gewiß
Den zweck, und macht ſo wenig langeweile?
40.
In ſeelgeſpraͤchen dieſer art
Verlohr das wortgeſpraͤch ſich ſtets bey unſern beyden.
Oft ſchlichen ſie, um zeugen zu vermeiden,
In ihr gemach, und ſtanden da gepaart
Am offnen fenſter, oder ſaßen
Auf ihrem Sofa. Doch, auch dann nicht ganz allein,
Die Amme wenigſtens muß ſtets zugegen ſeyn;
Denn Huͤon ſelber bat ihn nie allein zu laſſen.
41. Noch
[]
41.
Noch immer wiederhallt der ſchreckenvolle ton
Des ſtrengen „laßt euch nicht geluͤſten“
In ſeinem ohr; denn wißt, ſprach Oberon,
Daß wir uns ſonſt auf ewig trennen muͤßten.
Wie meynte das der Geiſt? es war ein tiefer ſinn
In ſeinem blick; ſein aug ward immer ernſter, immer
Bewoͤlkter: thraͤnen ſchwammen drinn,
Und ſein geſicht verlohr den ſonſt gewohnten ſchimmer.
42.
Dies ſchwellt mit ahnungen des guten Ritters herz;
Er traut ſich ſelbſt nicht mehr; der liebe leichtſter ſcherz
Erwekt die furcht, ob Ob'ron ihn verdamme.
Indeſſen frißt die eingeſchloßne flamme
Sich immer tiefer ein. Die luft, worinn er lebt,
Iſt zauberluft, weil Rezia ſie theilet;
Ihr athem weht darinn, ihr holder ſchatten ſchwebt
Um jeden gegenſtand, auf dem ſein auge weilet.
43.
Und, o! ſie ſelbſt glaͤnzt ihm im Morgenlicht
Im abendroth, im ſanften ſchattentage
Des Mondes an. In welcher ſchoͤnen lage,
In welcher ſtellung reizt ihr Nymfenwuchs ihn nicht?
Der ſchleyer, der vor allen fremden augen
Sie dicht umhuͤllt, faͤllt im Gemach zuruͤk,
Erlaubt ſogar dem furchtſamkuͤhnen blik
Sich, Bienen gleich, in hals und buſen einzuſaugen.
44. Er
[]
44.
Er fuͤhlt die ſuͤße gefahr. O, ſoll es moͤglich ſeyn
Du Schoͤnſte, ruft er oft, bis Rom es auszuhalten,
So wikle dich in ſieben ſchleyer ein!
Verſtecke jeden reiz in tauſend kleine falten;
Laß uͤber dieſes arms lebend'ges elfenbein
Die weiten aͤrmel bis zur fingerſpitze fallen,
Und ach! freund Oberon, vor allen
Verwandle bis dahin mein herz in kalten ſtein!
45.
Es war, wiewohl ihm oft die kraͤfte ſchier verſagen,
Des Ritters ganzer ernſt, den ſieg davon zu tragen
In dieſem kampf. Es daͤucht' ihn groß und ſchoͤn
Das ſchwere abentheu'r der tugend anzugehn,
Schon groß und ſchoͤn, es nur zu wagen,
Und zehnfach ſchoͤn und groß, es ruͤhmlich zu beſtehn.
Allein, die moͤglichkeit ſo einen feind zu daͤmpfen,
Der immer ſtaͤrker wird, jemehr wir mit ihm kaͤmpfen?
46.
Nichts iſt, was dieſem feind ſo bald gewonnen giebt,
Als bey der Schoͤnen, die man liebt,
Sich dem gefuͤhl ſtillſchweigend uͤberlaſſen.
Zum gluͤk erinnert ſich Herr Huͤon ſeiner pflicht,
Nach ritterlichem brauch, ſich mit dem unterricht
Der Sultanstochter zu befaſſen.
Denn ach! das arme kind lag noch im Heidenthum,
Und glaubt' an Mahommed, unwiſſend zwar warum.
47. Der
[]
47.
Der Ritter, ſie von dieſer peſt zu heilen,
Eilt was er kann (die Liebe hieß ihn eilen)
Sein bißchen Chriſtenthum der Holden mitzutheilen.
An eifer gab er keinem Maͤrtrer nach,
Er war an glauben ſtark, doch an erkenntniß ſchwach,
Und die Theologie war keineswegs ſein fach;
Sein Pater und ſein Credo, ohne gloſſen,
In dieſen kreis war all ſein wiſſen eingeſchloſſen.
48.
Doch was vielleicht an licht und gruͤndlichkeit
Der lehre fehlt, erſezt des lehrers feuer;
Herr Huͤon, ſtandsgemaͤß ein feind von woͤrterſtreit,
Handhabt das werk gleich einem abentheuer,
Und was er glaubt, beſchwoͤrt er hoch und theuer,
Erboͤtig, deſſen richtigkeit
Dem ganzen Heidenthum mit ſeinem blanken eiſen.
Zu waſſer und zu land handgreiflich zu erweiſen.
49.
Groß iſt in des Geliebten mund
Der wahrheit kraft; das herz, voraus mit ihm in bund,
Horcht ihm mit luſt und lehrbegiergem ſchweigen.
Was iſt ſo leicht zu uͤberzeugen
Als Liebe? Ein blik, ein kuß iſt ihr ein glaubensgrund.
Die Schoͤne, ohne ſich in fragen zu verſteigen,
Glaubt ihrem Huͤon nach, und macht in kurzer zeit
Ihr Kreuz an ſtirn und bruſt mit vieler fertigkeit.
I50. Das
[]
50.
Das heil'ge bad der Chriſten zu empfangen
Stand nun (wie unſer Held in ſeiner einfalt meynt)
Ihr weiter nichts im weg. Ihr iſts, um vor verlangen
Zu brennen, ſchon genug, daß Er darnach zu bangen
Und jedes augenbliks verzug zu haſſen ſcheint.
Ein juͤnger (Sanct) Baſils, ein großer heidenfeind,
Der ſich im ſchiff befand, wird leicht gewonnen, ihnen
Fuͤr die gebuͤhr hierinn mit ſeinem amt zu dienen.
51.
Die ſchoͤne Rezia, die nun Amanda hieß
Seitdem ſie in den Chriſtenorden
Getreten war, gewann nicht nur das Paradies,
Sie ſchien dadurch ſogar noch eins ſo ſchoͤn geworden.
Allein von Huͤon wich zur ſtunde ſichtbarlich
Sein guter geiſt. Es war, im taumel des entzuͤckens,
Des herzens und des haͤndedruͤckens
Kein end'. Umſonſt zerwinkt der treue Alte ſich;
52.
Vergebens ſtellt ſich Fatme gegenuͤber:
Der gute Paladin in ſeinem ſeelenfieber
Vergißt des Zwergs, der warnung, der gefahr.
Der Alte haͤtte ſich zu tode winken koͤnnen,
Die wonn', in die er ganz verſunken war,
Sie, deren kuß nun engel ſelbſt ihm goͤnnen,
Zu druͤcken an ſein herz, Amanda ſie zu nennen,
Umnebelt ſeinen blik, berauſcht ihn ganz und gar.
53. Auch
[]
53.
Auch Rezia, ſeitdem ſie von Amanden
Den namen eingetauſcht, glaubt freyer von den banden
Des zwangs zu ſeyn; iſt nicht mehr Rezia, vergißt
Nur deſto leichter Koͤnigswuͤrde,
Hof, Vaterland, und kurz was nicht Amanda iſt.
Die ruͤkerinnerung, die ſonſt wie eine buͤrde
Zuweilen noch an ihrem nacken hieng,
Fiel mit dem namen ab, den ſie im tauf empfieng.
54.
Sie iſt nun ganz fuͤr Huͤon neugeboren,
Gab alles, was ſie war, fuͤr ihn,
Gab eine Welt um Liebe hin,
Und fuͤhlt in ſeinem arm, ſie habe nichts verloren.
Sie gab ſich weg, und iſt Amande nun
Fuͤr Liebe nur, durch Liebe nur zu leben,
Hat in der Welt nichts anders mehr zu thun,
Nichts anders zu empfangen noch zu geben.
55.
Der wakre Scherasmin, der das verliebte Paar
In ſolcher ſtimmung ſieht, erſchrikt vor ihren blicken.
Er wird darinn ich weiß nicht was gewahr,
Das luͤſtern iſt verbotne frucht zu pfluͤcken.
Ein Zeuge druͤkte ſie, das ſah er offenbar.
Sie kuͤßten ſich, ſobald er nur den ruͤcken
Ein wenig kehrt, ſo raſch, ſo durſtiglich,
Und wurden roth, ſobald ſein auge ſie beſtrich.
I 256. Im
[]
56.
Im ſpiegel ſeiner eignen jugend
Sieht er nur allzugut was beyde nicht mehr ſahn;
Sieht, einer Motte gleich, die unerfahrne tugend,
Sich ahnunglos der ſchoͤnen flamme nahn:
Wie lieblich zieht der glanz, die ſanfte waͤrme an!
Durch ihre unſchuld ſelbſt betrogen
Umtaumelt ſie das licht in immer kleinern bogen,
Und ploͤzlich ach! verbrennt ſie ihre fluͤgel dran.
57.
In dieſer noth laͤßt der getreue Alte,
Mit Fatmen ingeheim zu dieſem zwek vereint,
Nichts unverſucht, was ihm ein mittel ſcheint,
Daß wenigſtens bis Rom des Ritters weisheit halte;
Ihm faͤllt bald dies bald jenes ein,
Sie zu beſchaͤftigen, zu ſtoͤren, zu zerſtreun;
Zulezt ſchlaͤgt er, da alle mittel fehlen,
Zur abendkuͤrzung vor, ein maͤhrchen zu erzaͤhlen.
58.
Ein Maͤhrchen nennt' er es, wiewohl es freylich mehr
Als maͤhrchen war. Ihm hatt' es ein Calender
Zu Baſra einſt erzaͤhlt, als er die Morgenlaͤnder
Nach ſeines Herren tod durchirrte, lang vorher
Eh in die kluft des Libans aus den wogen
Der ſtuͤrmevollen welt er ſich zuruͤkgezogen:
Und da es izt in ihm gar lebhaft ſich erneut,
Glaubt er, es ſey vielleicht ein wort zu rechter zeit.
Obe-
[]
Oberon
Siebenter Geſang.
1.
Und ſo beginnt er dann: Vor etwa hundert Jahren
Lebt' an den ufern des Teſſin
Ein Edelmann, an weisheit ziemlich gruͤn,
Wiewohl ſehr grau an bart und haaren;
Mit podagra und gicht, der ſpaͤten bittern frucht
Zuviel genoßner luſt, faſt taͤglich heimgeſucht;
Ein hofmann uͤbrigens, galant und wohlerfahren,
Und in der kriegeskunſt der Minne wohlverſucht.
2.
Dem war, nachdem er lang ſein ſuͤndliches vergnuͤgen
Daran gehabt, im Hageſtolzen ſtand
Auf Amors freyer puͤrſch bergauf bergab im land
Herumzuziehn, und, wo er eingang fand,
Bey ſeines Naͤchſten weib zu liegen;
Ihm, ſag ich, war zulezt der einfall aufgeſtiegen,
Den ſteiffen hals, noch an des lebens rand,
Ins ſanfte joch der heilgen Eh' zu ſchmiegen.
I 33. Mit
[]
3.
Mit viel geſchmak und wohlverkuͤhltem blut
Sucht er ein kind ſich aus, wie er's zu tiſch und bette,
Zu ſcherz und ernſt gerade noͤthig haͤtte,
Zumal zur ſicherheit; ein maͤdchen, fromm und gut,
Unſchuldig, ſittſam, unerfahren,
Keuſch wie der mond und frey von aller eiteln luſt,
Jung uͤberdies, pechſchwarz von aug und haaren,
Von farbe roſenhaft, und rund von arm und bruſt.
4.
Von allen drey und dreyßig ſtuͤcken,
Womit ein ſchoͤnes weib, ſagt man, verſehen iſt,
Haͤtt' er kein einzigs gern an ſeiner braut vermißt;
Am wenigſten das aug', in deſſen feuerblicken
Ein feuchtes woͤlkchen ſchwimmt, die kleine weiche hand,
Die lippen, die dem kuß entgegenſchwellen,
Das runde knie, der huͤften ſchoͤne wellen,
Und unter ſanftem druk den ſuͤßen widerſtand.
5.
Der gute alte Herr, beym kauf ſo ſchoͤner waare,
Vergaß nur eins — die fuͤnf und ſechzig jahre,
Die ſeinen kopf bereits mit ſchnee beſtreun.
Zwar macht er aus geheimer vorempfindung
Ausdruͤklich zum beding der ehlichen verbindung,
Sie ſollte reizvoll, warm, und alles das, allein
Fuͤr ihn, und kalt wie eis fuͤr jeden andern bleiben:
Allein, wer wird fuͤr ſie die klauſel unterſchreiben?
6. Ro-
[]
6.
Roſette that's. Roſette war ein kind,
War auf dem land, dem veilchen gleich, im ſchatten
Verborgen aufgebluͤht, war froh und leichtgeſinnt,
Und ſah in ihrem kuͤnftgen herrn und gatten
Nichts als den mann der ſie zur großen Dame macht',
Ihr reiche kleider gab und tauſend ſchoͤne ſachen,
Die kindern, wie ſie war, bey tage kurzweil machen;
An andern hatte noch ihr herzchen nie gedacht.
7.
Die hochzeit ward demnach mit großer pracht vollzogen.
Der edle Braͤut'gam, zwar ein wenig ſteif und ſchwer,
Stapft an Roſettens hand gar ehrenfeſt einher,
Und waͤhnt ſein taufſchein hab um zwanzig ihn belogen.
Was augen hat laͤuft ſchaarenweis herbey
Den praͤcht'gen kirchgang anzuſtaunen;
Ein ſtattlich paar, hoͤrt man zu beiden ſeiten raunen,
Sie gleichen ſich wie Januar und May.
8.
Roſettens unſchuld war, wie in dergleichen faͤllen
Gewoͤhnlich iſt, des alten Gangolfs ſtolz.
Er ſchien am zweiten tag vor hohem mut zu ſchwellen,
Und ſchritt einher gerader als ein bolz!
Es war der lezte trieb von einem duͤrren holz!
Die uͤbel, die ſich gern zu grauer Lieb' geſellen,
Begannen bald bey ihm ſich reichlich einzuſtellen;
Je waͤrmer Roͤschen ward, je mehr ihr Alter ſchmolz.
I 49. Indeß
[]
9.
Indeß verdoppelt er auf andre art die proben
Von ſeiner zaͤrtlichkeit, beſchenkt ſie taͤglich ſchier
Mit neuem modekram, mit ſpitzen, ſchoͤnen roben,
Juwelen, allem was er ihr
An augen anſehn kann. Es koſte was es wolle,
Was ihr vergnuͤgen macht, das iſt fuͤr ihn genuß;
Er fodert nichts dafuͤr als hoͤchſtens einen kuß,
Mit Einem wort, er ſpielt die alten mannes rolle.
10.
Roſette, jugendlich vergnuͤgt mit ihrem loos,
Spart auch dagegen nichts den Alten zu vergnuͤgen
Nach ſeiner art; ſezt ſich auf ſeinen ſchoos
So viel er will, und laͤßt auf ſeinem knie ſich wiegen,
Laͤßt aus gefaͤlligkeit ihn taͤndeln wie er kann,
Pflegt ſeiner, liebevoll, in ſeinem unvermoͤgen,
Und, wandelt ihn, wie oft, die ſchlafſucht an,
Darf er ſein ſchweres haupt auf ihren buſen legen.
11.
So lebten ſie in eintracht manches jahr
Zuſammen, keuſch und treu wie fromme turteltauben,
So treuergeben ſie, und er ſo voller glauben,
Daß jedermann dadurch erbauet war.
Der gute alte mann vergaß bey ihren ſcherzen
Sein podagra und ſeine ruͤckenſchmerzen,
Und ſeinetwegen blos beklagt in ihrem herzen
Die junge frau ſein zehntes ſtufenjahr.
12. Allein,
[]
12.
Allein, es kam; und ach! zu ihrem großen leide,
Ein uͤbel kam mit ihm auf Gangolfs graues haupt,
Das ſeiner liebſten augenweide
Den armen Greis auf lebenslang beraubt.
Nie wird er wieder ſich an ihren blicken ſonnen,
Nie wieder ſehn dies reizende Oval,
Wovon zu Engeln und Madonnen
So mancher maler gern die ſanften zuͤge ſtahl!
13.
Wer ſollt' ihm nun die lange zeit vertreiben,
Dem armen blinden mann, haͤtt' er Roſetten nicht?
Was wuͤrd' aus ihm, waͤr' ihr's nicht ſuͤße pflicht,
Untrennbar tag und nacht an ihn geklebt zu bleiben,
Ihm immer arm und augenlicht
Zu leyhn, fuͤr ihn zu leſen und zu ſchreiben,
Zu fragen was ihm fehlt, und, quaͤlet ihn die gicht,
Mit leichter warmer hand ihm knie und fuß zu reiben?
14.
Roſette, immer ſanft, gefaͤllig, mitleidsvoll,
Entrichtet ohne zwang und murren
Der ehſtandspflicht auch dieſen ſchweren zoll;
Aufmerkſam ſtets (wiewohl bey ſeinem knurren
Ihr heimlich oft die gall' ein wenig ſchwoll)
Daß ja ihr Alter nichts zu klagen haben ſoll.
Zum ungluͤck fieng er izt, trotz ihrem guten willen,
In ſeinem ſorgeſtuhl die ſchlimmſte aller grillen.
I 515. Der
[]
15.
Der aͤrgſte feind, der je ſich aus der hoͤlle ſchlich,
Die ſterblichen zu necken und zu quaͤlen,
Fuhr in den armen mann, und plagt ihn jaͤmmerlich.
Alt, ſchwach und blind, wie konnt' er ſich verheelen,
Roſette ſey, ſo ſehr ſie einem Engel glich,
Doch nur ein Weib? Konnt's an verſuchern fehlen?
Die welt iſt ringsumher von ofnen augen voll,
Und ach! das auge blind, das ſie beleuchten ſoll!
16.
So jung, ſo ſchoͤn, aus lauter liebeszunder
Gewebt — wer kann ſie ſehn und nicht vor ſehnſucht gluͤhn?
Wo ſah man je ſo friſche wangen bluͤhn,
Je augen funkelnder und lilienarme runder?
Zwar iſt ſie tugendhaft; ſie wird ja freylich fliehn,
Doch, wenn ſie auf der flucht nun glitſchte? waͤr'es wunder?
Der grund worauf ſie flieht iſt hellgeſchlifner ſtahl,
Und ach! die einmal faͤllt, die faͤllt fuͤr allemal.
17.
Selbſt ihre tugenden, ihr ſanft gefaͤllig weſen,
Ihr leichter ſinn, ſtets froh und guter ding,
Was ſonſt an ihr das liebſte ihm geweſen,
Die holde ſchaam ſogar, womit ſie ihn umfieng,
Und was ihm ſonſt von ihren tauſend reizen,
Entſchleyert und verſchoͤnt, ſein ſeelenſpiegel weißt,
Das alles hilft izt nur dem argwohn der ihn beißt
Sich in ſein wundes herz noch tiefer einzubeizen.
18. Der
[]
18.
Der ſclaverey, worinn das gute junge weib
Seit dieſer zeit verlechzt, iſt keine zu vergleichen;
Stets angeſchnallt an ſeinen ſiechen leib
Darf ſie ihm tag und nacht nicht von der ſeite weichen.
Mißtrauiſch aufgeſchrekt von jedem leiſen wort,
Traͤgt er die augen nun an ſeinen finger-enden,
Und nachts liegt eine ſtets von ſeinen knot'gen haͤnden
Bald da, bald dort auf ihr, aus furcht ſie ſchleich' ihm fort.
19.
So ſanft Roſette war, ſo fiel doch ſolch betragen
Ihr ſchwer aufs herz. Er nennt es Liebe zwar:
Allein ſie ſah zuwohl nur was es war,
Und fieng, anſtatt ſich fruchtlos zu beklagen,
Zu uͤberlegen an. So neben einem Mann
Von ſiebenzig, mit gicht und ſtein beladen,
Durchs leben, wie durch einen ſumpf, zu waden,
Und noch gequaͤlt dazu, daͤucht ihr ein harter bann.
20.
Gar vieles, was ſie ſonſt geduldig uͤberſehen,
Scheint in dem licht, worinn ſie izt es ſehen muß,
Hoͤchſt widerlich und gar nicht auszuſtehen.
Sein zaͤrtlichthun iſt izt ihr herzlichſter verdruß,
Sein ſcherz unleidlich plump, und eckelhaft ſein kuß;
Wagt er noch mehr, ſo moͤchte man vergehen!
Und ſie, o grauſam! ſie iſt jung und ſchoͤn fuͤr ihn,
Und was ihm unnuͤtz iſt, muß ſie ſich ſelbſt entziehn!
21. Und
[]
21.
Und was entſchaͤdigt ſie? Der Stadt geſell'ge freuden,
Tanz, ſchauſpiel, alles das iſt ihr verbotne frucht!
Von niemand wird ihr altes ſchloß beſucht;
Als giengen Geiſter drinn ſcheint jeder es zu meiden.
Ein großer garten, hoch mit einer mau'r umfaßt,
Iſt alles was ſie hat — im kreis ſich zu bewegen;
Zum traͤumen kann ſie da an einen baum ſich legen,
Und dann ſogar iſt ihr der blinde mann zur laſt.
22.
Ein junger Edelknecht, in Gangolfs ſchloß erzogen
Und uͤber ſeinen ſtall geſezt,
Wird izt zum erſtenmal betrachtenswert geſchaͤzt.
Er hatte zwar ſchon lange ſich verwogen,
Mit ſchmachtender begier die Dame anzuſehn,
Und oft geſucht ihr's muͤndlich zu geſtehn,
Doch, da ſie ſtets dem anlas ausgebogen,
Auch wieder ehrfurchtsvoll zuruͤcke ſich gezogen.
23.
Itzt aber, da verdruß und gram
Und langeweil bey tag, und noch langweil'gers wachen
Bey nacht, zerſtreuungen ihr zum beduͤrfnis machen,
Kein wunder, daß ſie izt die ſache anders nahm.
Es daͤucht ihr hart, in ihren ſchoͤnſten tagen
So gaͤnzlich allem troſt des lebens zu entſagen;
Und Walter, deſſen blik izt wieder mut bekam,
War unermuͤdet, ſich zum troͤſter anzutragen.
24. Sein
[]
24.
Sein eifer waͤchſt je mehr er raum gewinnt;
Er fleht, ſie weigert ſich; und unvermerkt entſpinnt
Sich ein verſtaͤndnis zwiſchen ihnen,
Wovon die augen bloß die unterhaͤndler ſind.
Denn Gangolf war nicht an den ohren blind,
Und oͤfters kann ein ohr fuͤr hundert augen dienen.
Der Alte ſpizt die ſeinen gleich und lauſcht
Wenn von Roſettens kleid nur eine falte rauſcht.
25.
Der zwang verkuͤrzt die komplimente
Des widerſtands, und in ſehr kurzer zeit
Sind Walter und die Dame ſchon ſo weit
Daß nur die frage iſt, wie man ſich naͤhern koͤnnte.
Von ihrem Drachen, den ſein huſten tag und nacht
Nicht ruhen laͤßt, gebannet und bewacht,
Was wird die junge frau erſinnen,
Um etwas raum und zeit fuͤr Waltern zu gewinnen?
26.
Noth ſchaͤrft den wiz. Indem ſie hin und her
Auf wege denkt, erwaͤhlt, verwirft, im beſten
Viel ſchwierigkeiten ſieht, faͤllt ihr von ungefehr
Ein Birnbaum ein mit ſtufengleichen aͤſten,
Der, an der raſenbank im garten, wo ſich, rund
Um einen marmorbrunnen, Hecken
Von myrten ziehn, hochuͤberhangend ſtund,
Den ſchattenſitz vor ſonnenglut zu decken.
27. Zu
[]
27.
Zu dieſem anmutsvollen ort,
Wo laue luͤftchen ſtets die zweige liſpelnd biegen,
Pflegt oft, zur ſommerszeit, wenn alles lechzt und dorrt,
Mit ſeinem Weibchen ſich der Alte zu verfuͤgen,
Um an des brunnens kuͤhlem bord
Ein ſtuͤndchen oder zwoo auf ihrem ſchoos zu liegen.
Zum garten hat jedoch den ſchluͤſſel er allein,
Und außer ihm und ihr kam keine ſeel' hinein.
28.
Was nun zu thun, den ſchluͤſſel zu bekommen,
Den ſtets im unterkleid der Alte bey ſich fuͤhrt?
Der wird beym ſchlafengehn ganz ſachte weggenommen,
Und, waͤhrend daß der mann ſein Ave pſalmodiert,
In wachs gedruͤkt, ſodenn am naͤchſten morgen
Der abdruk unvermerkt in Walters hand geſpielt,
Und ein poſtſcript dazu, das ihm den baum empfiehlt.
Das uͤbrige wird Walter ſchon beſorgen.
29.
Nun, was geſchah? Es war ein ſchoͤner warmer tag
Zu end' Auguſts, als unſern blinden Alten
Die Sonne lokt, wie er zuweilen pflag,
Die mittagsruh im myrtenrund zu halten.
Komm, meine Taube, ſpricht zu ſeinem andern Ich
Der graue Tauber, komm, mein Roͤschen, fuͤhre mich
Zu jenem ſtillen grund, wo, ſeit er uns verbunden,
Der Gott der Eh', ſo oft uns arm in arm gefunden.
30. Ro-
[]
30.
Roſette winkt, und Walter ſchleicht voran;
Die Gartenthuͤr wird leiſe aufgethan
Und wieder zugemacht; dann geht es an ein fliegen
Dem brunnen zu; der birnbaum wird erſtiegen,
Und, wo der breitſte aſt ſich ſanftgebogen kruͤmmt,
Roſettens thron im dichtſten laub beſtimmt.
Der Alte kommt indeß, mit ungewiſſen tritten,
An ſeines Roͤschens arm allmaͤhlich angeſchritten.
31.
Weil nun der mund beynah das einz'ge blieb,
Das noch, in viel und mancherley gebrechen,
Ihm dienſte that, ſo war von ſeiner lieb'
Und von dem Paradies des Ehſtands ihr zu ſprechen,
Gewoͤhnlich das, womit er ihr die zeit vertrieb.
Er miſchte dann, vielleicht ſie zu beſtechen,
Von ihren reizungen viel Poeſie hinein,
Und meiſtens kam ein ſtuͤk von predigt hinterdrein.
32.
Aus dieſem ton wars unterwegs gegangen,
Und, da ſie gluͤklich nun beym brunnen angelangt,
(Wo, wie ihr wißt, der liebe birnbaum prangt,)
Da hatte Gangolf auch, nachdem er ihr die wangen
Geſtreichelt, und (wiewohl vom huſten ſtark geplagt)
Viel ſchoͤnes ihr und zaͤrtlichs vorgeſagt,
Die predigt eben angefangen,
Die ihr im angeſicht des birnbaums ſchlecht behagt.
33. Iſt,
[]
33.
Iſt, ſprach er — da er ſo, die ſtirn an ihrer bruſt,
Im ſchatten bey ihr ſaß, und an dem runden, weichen
Atlasner arm ſanft auf und abzuſtreichen
Nicht muͤde ward — iſt wohl der unſchuld unſrer luſt,
Der ruh, dem ſuͤßen troſt, dem alle freuden weichen,
Dem gluͤk geliebt zu ſeyn und ſich bewußt
Man ſey es wuͤrdig — kurz, dem was du fuͤhlen mußt,
Wenn du mich liebſt, ein gluͤk auf erden zu vergleichen?
34.
O ſprich, Geliebte, — hier begann
Der alte Herr noch zaͤrtlicher zu ſtreicheln —
Doch rede frey und ohne alles heucheln,
(Denn einer hoͤret uns, den niemand taͤuſchen kann)
Darf ſich auch wohl dein armer blinder mann,
Der dich ſo zaͤrtlich liebt, darf ſich dein Gangolf ſchmeicheln
Daß du ihn wiederliebſt? daß er dein Alles iſt,
Dein ganzes herz erfuͤllt, wie du ſein Alles biſt?
35.
Zwar freylich, wollten wir die alten ſagen ſchaͤtzen,
So waͤre einem mann nichts minder zu verzeyhn,
Als an ein weib ſein ganzes herz zu ſetzen,
Zu bau'n auf ihre treu, zu trauen ihrem ſchein.
Laͤngſt lehrten uns, aus Tonnen und von Thronen,
Der narr Diogenes, die weiſen Salomonen,
Es ſey des Weibes herz kein zuverlaͤßig gut,
Und ihrer liſt nichts gleich als ihre wankelmut.
36. Nichts
[]
36.
Nichts von den weltlichen geſchichten
Zu ſagen, ſehn wir nicht ſogar das heilge Buch
Den ruhm der weibertreu von anbeginn vernichten?
Kam auf die menſchheit nicht durchs erſte weib der fluch?
Von ſeinen toͤchtern ward der fromme Lot betrogen;
Die kinder Gottes ſelbſt, ſchon vor der großen flut,
Verbrannten ſich, von weibern angezogen,
Die fittiche an ihrer ſtrafbarn glut.
37.
Die Delila'n, die Jaeln, Jeſabellen,
Und Bathſeba'n, und wie ihr name heißt,
Iſt unvonnoͤthen dir in reyhen aufzuſtellen,
Wiewohl die Schirft ſie nicht der Treue halben preißt.
Doch dieſe Judith, die den tapfern, frommen, alten
Feldmarſchall Holofern erſt in die arme ſchlingt,
Erſt liebetrunken macht, und dann ums leben bringt,
Wer kann dabey der thraͤnen ſich enthalten?
38.
Waͤr aber auch der weiber groͤßte zahl
An laſtern noch ſo reich, an tugend noch ſo kahl,
Dir, meine einz'ge, auserwaͤhlte,
Dir, meines alters troſt und meiner augen licht,
Dir trau' ichs zu, du bliebſt getreu an deiner pflicht,
Und fehlteſt nicht, wenn auch die beſte fehlte.
Dein Gangolf, der ſo rein, ſo treu dich liebt,
Wird, o gewiß! von dir ſo grauſam nie betruͤbt!
K39. Wo-
[]
39.
Wozu, verſezt mit ſchuldbewußten wangen
Die junge Frau, und zieht den ſchwanenarm,
Womit ſie um den guͤrtel ihn umfangen,
Mißmuthig weg — wozu, verſezt ſie raſch und warm,
All dieſe Litaney? Womit in meinem leben
Hab ich dazu gelegenheit gegeben?
Wie? ſoll ich glauben, daß dein herz an meiner treu'
Nur einen augenblik zu zweifeln faͤhig ſey?
40.
Ungluͤkliche! iſt dies fuͤr alle meine liebe
Zulezt der lohn? Wem gab ich ganz mich hin?
Der unſchuld erſten kuß, der jugend erſte triebe,
Wer hatte ſie? — und ach! daß ich zu zaͤrtlich bin
Iſt mein verbrechen nun! Ein herz iſt ihm verdaͤchtig
Das keinen andern kennt, fuͤr ihn nur ſtaͤrker ſchlug!
Hoffaͤrtger, haſt du nicht an dieſem ſieg genug?
Auch quaͤlen mußt du mich? O grauſam! niedertraͤchtig!
41.
Hier hielt ſie ihn, als ob der uͤbermaͤßge ſchmerz
Die ſtimm' in ihrer bruſt erſtikte;
Und ſchluchzend fiel der Greis ihr um den hals und druͤkte
Das treue weib reumuͤthig an ſein herz.
O weine nicht, mein Liebchen, o verzeyhe
Was Liebe nur gefehlt! Ich wollte nicht verdruß
Dir machen; o verzeyh, und gieb mir einen kuß,
Bey Gott, ich zweifle nicht an meines Roͤschens treue!
42. So
[]
42.
So ſeyd ihr, ſprach Roſett', indem ſie ſeinem kuß
Sanftſtraͤubend ſich entzog, ſo ſeyd ihr maͤnner alle!
Erſt lokt ihr uns ſo ſchmeichelnd in die falle,
Und habt ihr uns, macht ruhiger genuß
Statt friſchem blut bey euch nur boͤſe galle.
Weh dann der armen frau, die euch befried'gen muß!
Das flaͤmmchen ſelbſt, das ihr ſo eifrig angeblaſen,
Giebt euch zum argwohn ſtoff, und macht euch heimlich raſen.
43.
Der gute Mann, den ſehr zur ungelegnen zeit
Sein huͤftweh uͤberfaͤllt, weiß ſeinem armen leibe
Sonſt keinen rath, als dem getreuen weibe
Betheurungen zu thun von ſeiner zaͤrtlichkeit,
Und daß der ſchatten nur von argwohn himmelweit
Von ſeinem herzen ſey und bleibe.
Somit beſtaͤtigt dann der neue friedensſchluß
Von beyden theilen ſich mit einem ſuͤßen kuß.
44.
Das wakre Ehpaar ſank, aus leerheit oder fuͤlle
Des herzens, wie ihr wollt, in eine tiefe ſtille.
Roſette ſeufzt. Der Alte fragt, warum?
Nichts, ſagt ſie wiederſeufzend, und bleibt ſtumm.
Er dringt in ſie. „Sey unbeſorgt, mein Lieber,
Es iſt nur ein geluſt und geht vielleicht voruͤber.“ —
Was ſagſt du, ein geluſt? Wie gluͤklich machteſt du
Mein alter noch! — Sie ſchweigt und ſeufzt noch eins dazu.
K 245. Da
[]
45.
Da haͤtten wir die frucht von deinem kalten baden,
Fuhr Gangolf froͤhlich fort. Sag an! es koͤnnte dir,
Wenn du's verhielt'ſt, und dem Verborgnen ſchaden!
O! ſpricht ſie, ſaͤheſt du den ſchoͤnen birnbaum hier,
So friſch von laub, ſo ſtrotzend voll beladen
Mit reifer goldner frucht! die aͤſte brechen ſchier!
Ich ſagte nichts, aus furcht du moͤchteſt zuͤrnen,
Allein — ich gaͤb' ein aug' um eine dieſer birnen!
46.
Ich kenn ihn wohl den baum; er traͤgt im ganzen land
Die beſte frucht, verſezt der gute Blinde;
Doch, ſprich, wie machen wirs? Kein menſch iſt bey der hand,
Es iſt ein erndtetag, das ganze hofgeſinde
Im feld zerſtreut — der baum iſt hoch, und ich
Bin ſchwach und blind — O waͤre nur der bengel
Der Walter hier! — „Mir faͤllt was ein, mein engel,
Wir brauchen niemand ſonſt, ſpricht ſie, als dich und mich.
47.
Waͤrſt du ſo gut, und wollteſt mit dem ruͤcken
Nur einen augenblik feſt an den ſtamm dich druͤcken,
So waͤr's ein leichtes mir, hier von des Raſens ſaum
Dir auf die ſchulter mich zu ſchwingen;
Von da iſts vollends auf den baum
Zum erſten aſt zwoo kleine ſpangen kaum;
Ich bin im klettern und im ſpringen
Von kindheit an geuͤbt — gewiß, es wird gelingen.
48. Von
[]
48.
Von herzen gern, verſezt der blinde mann;
Und doch, mein kind, wenn du zu ſchaden kaͤmeſt?
Es braͤch' ein aſt? was koͤnnt' ich armer dann
Zu deinem beyſtand thun? — Wie, wenn du dich bequemeſt
Zu warten? — „Sagt ich nicht, daß ich nicht warten kann?
„Ich ſehe wohl, daß du des kleinen dienſts dich ſchaͤmeſt;
Um alles wollt ich dir nicht gern beſchwerlich ſeyn!
Und doch, wer ſieht uns hier? wir ſind ja ganz allein!
49.
Was war zu thun? Es konnte leicht das leben
Von einem Erben gar bey dieſer luͤſternheit
Gefaͤhret ſeyn; kurz, halb mit zaͤrtlichkeit
Halb mit gewalt, muß Gangolf ſich ergeben.
Er ſtemmt ſich an, hilft ſelbſt dem weibchen auf,
Und vom geduldgen kopf des guten alten narren
Schwingt ſich Roſette friſch zum luͤftgen ſitz hinauf,
Wo ihrer unterm laub verſtohlne freuden harren.
50.
Nun ſaß von ungefaͤhr, da alles dies geſchah,
Auf einer blumenbank, dem guten blinden Alten
Voruͤber, Oberon, um mit Titania,
Der Feenkoͤnigin, hier mittagsruh zu halten;
Indeß die Zefyrgleiche ſchaar
Der Elfen, ihr erfolg, zerſtreut im ganzen garten
Und meiſt verſtekt in blumenbuͤſchen war,
Um ſchlummernd dort den mondſchein zu erwarten.
K 351. Un-
[]
51.
Unſichtbar ſaßen ſie, und hoͤrten alles an,
Was zwiſchen mann und frau ſich eben zugetragen.
Zum ungluͤk, daß ſie auch die Birnbaumsſcene ſahn!
Dem Elfenkoͤnig gab dies großes mißbehagen.
Da, ſprach er zu Titanien, ſieht man nun
Wie wahr es iſt, was alle Kenner ſagen:
Was iſt ſo arg, das nicht, um ſich genug zu thun,
Ein weib die ſtirne hat zu wagen?
52.
Ja wohl, freund Salomon, bekennt dein weiſer mund:
„Ein einzler Bidermann wird immer noch geſehen;
Doch wandre einer mir ums weite Erdenrund
Nach einem frommen Weib, er wird vergebens gehen!“
Siehſt du, Titania, im birnbaum dort verſtekt
Das ungetreue weib des blinden mannes ſpotten?
Sie glaubt ſich in der nacht, die ſeine augen dekt,
So ſicher als in Plutons tiefſten grotten.
53.
Allein, bey meinem thron, bey dieſem lilienſtab,
Und bey der furchtbarn Macht, die mir das reich der Elfen
Mit dieſem Zepter uͤbergab,
Nichts ſoll ihr ihre liſt, nichts ſeine blindheit helfen!
Nein, ungeſtraft in Ob'rons angeſicht
Sich ihres hochverraths erfreuen ſoll ſie nicht!
Ich will den ſtaar von Gangolfs augen ſchleiffen,
Und auf der friſchen that ſoll ſie ſein blik ergreiffen!
54. So?
[]
54.
So? willſt du das? verſezt mit raſchem ſinn
Und wangen voller glut die Feenkoͤnigin;
So ſoll mein ſchwur dem deinen ſich vermaͤhlen!
So ſchwoͤr auch ich, ſo wahr ich Koͤnigin
Des Elfenreichs und deine gattin bin,
Es ſoll ihr nicht an einer ausflucht fehlen!
Iſt Gangolf etwa ohne ſchuld?
Iſt freyheit euer loos, und unſers nur geduld?
55.
Doch, ohne ſich an ihren zorn zu kehren,
Macht Oberon, was er geſchworen, wahr.
Beruͤhrt von ſeinem lilienzepter klaͤren
Sich Gangolfs augen auf, verſchwunden iſt der ſtaar.
Erſtaunt, entzuͤkt beginnt er aufzuſchauen,
Sieht hin, und ſchuͤttelt ſich als fuͤhr ein weſpenſchwarm
Ihm in die augen, ſieht, o Himmel! ſoll er trauen?
Sein treues Roͤschen, ach! in eines mannes arm!
56.
Es kann nicht ſeyn! er hat nicht recht geſehen,
Ihn blendete das langentwohnte licht,
Unmoͤglich kann ſich ſo das beſte weib vergehen!
Er ſchaut noch einmal hin — das nemliche geſicht
Durchbort ſein herz. Ha, ſchreyt er wie beſeſſen,
Verraͤtherin, Syrene, Hoͤllgezuͤcht,
Du ſcheueſt dich vor meinen augen nicht
Der ehr und treu ſo ſchaͤndlich zu vergeſſen?
K 457. Ro-
[]
57.
Roſette, wie vom Donner aufgeſchrekt,
Faͤhrt aͤngſtlich auf, indem mit einem zauberſchleyer
Ein unſichtbarer arm den blaſſen buler dekt;
Was fuͤr ein ſeltſam abenteuer
Stellt, denkt ſie, juſt in dieſem nu, ſo ſehr
Zur unzeit, das geſicht des alten unholds her?
Doch, nach dem wort der Koͤnigin der Elfen,
Fehlt ihrs an Witze nicht, ſich aus der noth zu helfen.
58.
Was haſt du, lieber mann? ruft ſie herab vom baum,
Was tobſt du ſo? — „Du fragſt noch, unverſchaͤmte?“
Ich arme! Wie? Du giebſt dem argwohn raum?
So lohnſt du mir, daß mich dein nothſtand graͤmte,
Daß ich, da nichts mehr half, durch ſchwarzer kunſt gewalt
Mit einem Geiſt in mannsgeſtalt
Um dein Geſicht zu ringen mich bequemte,
Und, dir zu lieb, im kampf den rechten arm mir laͤhmte?
59.
Was dank verdient, machſt du ſogar zu ſchuld,
Und ſchaͤmſt dich nicht mir ſolch ein lied zu ſingen?
Ha, ſchrie er, hier verloͤhr Sanet Hiob die geduld!
Was ich geſehen nennſt du ringen?
So moͤge mir dies neugeſchenkte licht
Des Himmels wunderhand bewahren,
Und du, treuloſes weib, moͤgſt du zur hoͤlle fahren,
Wie mir ein ehrlich wort zu deiner that gebricht!
60. Wie?
[]
60.
Wie? ruft ſie aus, ſo kann mein Gangolf ſprechen?
Weh mir! ach! zu gewiß muß etwas, was es ſey,
An meinem zauberwerk gebrechen;
Dein aug' iſt offenbar noch nicht von wolken frey!
Wie koͤnntſt du ſonſt, mit ſolchen harten reden
Dein treues weib zu morden, dich entbloͤden?
Dein ſehen kann kein wahres ſehen ſeyn,
Es iſt das flimmern nur von ungewiſſen ſchein.
61.
O! daß es moͤglich waͤr' mich ſelbſt zu hintergehen,
Spricht Gangolf; wohl dem mann den nur ein argwohn plagt!
Ich ungluͤkſel'ger hab's geſehen!
Geſehen was ich ſah! — „Dem Himmel ſey's geklagt!
Ward je ein weib ungluͤklicher geboren?“
(Schreyt die verraͤtherin mit einem thraͤnenguß)
„O! daß ich dieſen ſchmerz noch uͤberleben muß!
Mein armer mann hat den verſtand verloren!“
62.
Und welcher mann von zaͤrtlichem gemuͤt
Verloͤhr ihn nicht, troz allen ſeinen ſinnen,
Der thraͤnenguͤſſe aus ſo ſchoͤnen augen rinnen,
Und eine ſolche bruſt von ſeufzern ſchwellen ſieht?
Der Alte kann nicht laͤnger widerſtehen:
Gieb dich zufrieden, Kind, ich war zu raſch, zu warm;
Verzeih, und komm herab in deines Gangolfs arm,
Es iſt nun ſonnenklar, ich hatte falſch geſehen!
K 563. Da
[]
63.
Da hoͤrſt du's nun! ſpricht zu Titania
Der Elfenfuͤrſt: was er mit augen ſah
Schwemmt eine Thraͤne weg! Dein werk iſts; triumfire!
Doch hoͤr' auch nun den heiligſten der ſchwuͤre!
Ich glaubte mich geliebt, und fand mein gluͤk darinn;
Es war ein traum — Dank dir, daß ich entzaubert bin.
Hoff nicht ein Thraͤnchen werd auch mich umnebeln koͤnnen,
Von nun an muͤſſen wir uns trennen!
64.
Nie werden wir, in waſſer noch in luft,
Noch wo im bluͤthenhayn die zweige balſam regnen,
Noch wo der hagre greif in ewigfinſtrer gruft
Bey zauberſchaͤtzen wacht, einander mehr begegnen.
Mich druͤkt die luft in der du athmeſt; fleuch!
Und wehe dem verraͤthriſchen geſchlechte
Von dem du biſt, und weh dem feigen liebesknechte
Der eure ketten ſchleppt — ich haß euch alle gleich!
65.
Und wo ein mann in eines weibes ſtricken
Als wie ein taumelnder luſttrunkner Auerhahn
Sich fangen laͤßt, und liegt und girrt ſie an,
Und ſaugt das falſche gift aus ihren uͤpp'gen blicken;
Waͤhnt, Liebe ſey's was ihr im ſchlangenbuſen flammt,
Und horcht bethoͤrt der laͤchelnden Syrene,
Traut ihren ſchwuͤren, glaubt der hinterliſt'gen thraͤne,
Der ſey zu jeder noth, zu jeder quaal verdammt!
66. Und
[]
66.
Und bey dem furchtbarn Namen ſey's geſchworen
Der Geiſtern ſelbſt unnennbar bleiben muß,
Nichts wende dieſen fluch und meinen feſten ſchluß,
Bis ein getreues Paar, vom ſchikſal ſelbſt erkoren,
Durch keuſche Lieb in eins zuſammenfließt,
Und, probefeſt in leiden wie in freuden,
Die herzen ungetrennt, auch wenn die leiber ſcheiden,
Der Ungetreuen ſchuld durch ſeine unſchuld buͤßt.
67.
Und wenn dies edle paar ſchuldloſer reiner ſeelen
Und liebe alles gab und unter jedem hieb
Des ſtrengeſten geſchiks, auch wenn bis an die kehlen
Das waſſer ſteigt, getreu der erſten liebe blieb;
Entſchloſſen eh den tod in flammen zu erwaͤhlen,
Als ungetreu zu ſeyn ſelbſt einem thron zu lieb:
Titania, wenn alles dies geſchehen,
Dann werden wir uns wiederſehen!
68.
So ſprach der Geiſt und ſchwand aus ihrem blik.
Vergebens lokte ſie mit liebevoller ſtimme,
Nachfliehend, ihn in ihren arm zuruͤk!
Nichts kann des raſchen Worts, das er in ſeinem grimme
Geſprochen, haͤtt er gleich es ſelbſt zu ſpaͤt beweint,
Nichts kann ihn ſeines ſchwurs entbinden,
Bevor, nach dem beding der faſt unmoͤglich ſcheint,
Zwey Liebende, wie ers verlangt, ſich finden.
69. Seit
[]
69.
Seit dieſer zeit hat bis zu unſern tagen
Sich Oberon in eigener geſtalt
Nie mehr gezeigt, und (wie die leute ſagen)
Bald einen berg, bald einen dicken wald
Bald ein verlaßnes thal zu ſeinem aufenthalt
Gewaͤhlt, wo Liebende zu ſtoͤren und zu plagen
All ſein vergnuͤgen iſt; und daß er nur fuͤr euch
Das Gegentheil gethan, iſt einem wunder gleich.
70.
Hier endigte der Alte mit erzaͤhlen;
Und Huͤon nimmt Amanden bey der hand:
Wenn, ſpricht er, nur ein paar getreuverliebte Seelen
Zu Oberons und Titaniens ruhe fehlen,
So ſchwebt des Schikſals Werk an der vollendung rand.
War er's nicht ſelbſt, der uns ſo wunderbar verband?
Er, ſonſt der liebe feind, hat uns in ſchuz genommen,
Die proben — o! die laßt je eh'r je lieber kommen!
71.
Die Schoͤne legt, an Antworts ſtatt,
Des Juͤnglings hand ans herz mit ſeelevollen blicken.
Ihr, die ſo viel fuͤr ihn gethan, gegeben hat,
Was blieb ihr noch mit Worten auszudruͤcken?
Und eine Scene von Entzuͤcken
Erfolgt daraus, wobey der gute Scherasmin
Des ſchoͤnen Maͤrchens frucht, troz allem ſeinem nicken,
Auf einmal zu verliehren ſchien.
72. Zwar
[]
72.
Zwar noch verbarg der unſchuld keuſcher ſchleyer
Den Liebenden die wachſende gefahr,
Und ihre zaͤrtlichkeit ergoß ſich deſto freyer,
Je reiner ihre quelle war.
Nie war ein junges paar in liebesſachen neuer;
Doch eben darum hieng ihr loos an einem haar.
Ihr ganzes gluͤk auf ewig zu zerſtoͤren,
Brauchts einen augenblik, worinn ſie ſich verloͤren!
Oberon
Achter Geſang.
1.
Inzwiſchen ward nach ſieben heitern tagen,
Bey gutem wind, das ſchoͤne Heldenpaar,
Dem jedes element durch Oberon guͤnſtig war,
Ans ufer von Lepanto hingetragen.
Hier lagen, wie Herr Huͤon gleich vernimmt,
Zwo leichtgefluͤgelte pinaſſen ſegelfertig,
Die eine nach Marſiliens port beſtimmt,
Die andre Reiſender nach Napoli gewaͤrtig.
2. Der
[]
2.
Der junge Herr, des Alten wachſamkeit
Und Mentorblik ein wenig uͤberdruͤßig,
Iſt uͤber dieſen dienſt des zufalls ſehr erfreut
Und ungeſaͤumt ihn zu benutzen ſchluͤßig.
Freund, ſpricht er, jahr und tag geht noch vielleicht dahin,
Eh mirs gelegen iſt mich in Paris zu zeigen;
Du weiſt daß ich vorerſt nach Rom verſprochen bin,
Und dieſer pflicht muß jede andre ſchweigen.
3.
Indeſſen liegt mir ob, den Kayſer ſehn zu laſſen,
Daß ich mein wort erfuͤllt. Du biſt mein lehensmann,
Vollbringe du fuͤr mich, was ich nicht ſelber kann,
Beſteige flugs die eine der pinaſſen,
Die nach Marſeille ſteurt; dann eile ſonder raſt
Nach hof, und uͤbergieb, den Kayſer zu verſoͤhnen,
Dies kaͤſtchen mit des Sultans bart und zaͤhnen,
Und ſag ihm an, was du geſehen haſt:
4.
Und daß, ſobald ich erſt des heilgen Vaters ſegen
Zu Rom geholt, mich nichts verhindern ſoll,
Die Sultanstochter auch zu fuͤßen ihm zu legen.
Fahr wohl, mein alter freund! der wind blaͤßt ſtark und voll,
Die anker werden ſchon gelichtet,
Gluͤk auf die reiſ', und, haſt du mein geſchaͤft verrichtet,
So komm und ſuche mich zu Rom im Lateran;
Wer weiß, wir langen dort vielleicht zuſammen an.
5. Der
[]
5.
Der treue Alte ſieht dem Prinzen in die augen,
Wiegt ſeinen grauen kopf, und naͤhme gar zu gern
Die freyheit, ſeinen jungen Herrn
Mit etwas ſcharfem ſalz fuͤr dieſe liſt zu laugen.
Doch haͤlt er ſich. Das kaͤſtchen, meynt er zwar,
Haͤtt' ohne uͤbelſtand noch immer warten moͤgen,
Bis Huͤon ſelbſt im ſtande war,
Dem Kayſer in perſon die rechnung abzulegen.
6.
Indeſſen, da ſein fuͤrſt und freund darauf beſteht,
Was kann er thun als ſich zum abſchied anzuſchicken?
Er kuͤßt Amandens hand, umarmt mit naſſen blicken
Den werthen Fuͤrſtenſohn, den ſeine gegenwart
Noch kaum erfreut' und nun begann zu druͤcken,
Und thraͤnen troͤpfeln ihm in ſeinen grauen bart.
Herr, ruft er, beſter Herr, Gott laß euchs wohl ergehen,
Und moͤgen wir uns bald und froͤhlich wiederſehen!
7.
Dem Ritter ſchlug ſein herz, da zwiſchen ſeinem freund
Und ihm die offne ſee ſtets weiter ſich verbreitet.
Was that ich? ach! wozu hat raſchheit mich verleitet?
Wo hat mit ſeinem Herrn ein mann es je gemeynt.
Wie dieſer mann? wie hielt er in gefahren
So treulich bey mir aus! O daß ich es zu ſpat
Bedacht! wer hilft mir nun mit rath und that?
Und wer in zukunft wird mich vor mir ſelbſt bewahren?
8. So
[]
8.
So ruft er heimlich aus, und ſchwoͤrt ſich ſelber nun
Und ſchwoͤrt es Oberon (von dem er, ungeſehen,
Um ſeine ſtirn das leiſe geiſt'ge wehen
Zu fuͤhlen glaubt) ſein Aeuſſerſtes zu thun
Im kampf der lieb und pflicht mit ehre zu beſtehen.
Sorgfaͤltig haͤlt er nun ſich von Amanden fern,
Und bringt die Naͤchte zu, ſtarr nach dem Angelſtern,
Die Tage, ſchwermuthsvoll ins Meer hinauszuſehen.
9.
Die Schoͤne, die den Mann, dem ſie ihr herz geſchenkt,
So ganz verwandelt ſieht, iſt deſtomehr verlegen,
Da ſie davon ſich keine urſach denkt.
Doch mehr, aus zaͤrtlichkeit, von ihrem unvermoͤgen
Als, durch ſein ſproͤdethun, an ihrem ſtolz, gekraͤnkt,
Sezt ſie ihm ſanftmuth blos und viel geduld entgegen.
Das uͤbel nimmt indeß mit jeder ſtunde zu,
Und raubet ihm und ihr bey tag und nacht die ruh.
10.
Einſt um die zeit, da ſchon am ſternevollen Himmel
In Thetis ſchoos der funkelnde Arktur
Sich ſenkt — es ſchwieg am Bord das laͤrmende getuͤmmel,
Und kaum bewegte ſich, wie eine waizenflur
Auf der ſich Zefyr wiegt, der Ocean — die Leute
Im Schiffe, allzumal des tiefſten ſchlummers beute,
Verdunſteten den wein, der in den adern rann,
Und ſelbſt am ruder nikt der ſichre Steuermann:
11. Auch
[]
11.
Auch Fatme war zu ihres Fraͤuleins fuͤßen
Entſchlummert: Nur von deinem augenlied,
O Huͤon, nur von Deinem buſen flieht
O Rezia, der ſchlaf! — die armen ſeelen buͤßen
Der Liebe ſuͤßes gift. Wie wuͤhlt ſein heißer brand
In ihrem blut! Und ach! nur eine duͤnne wand
Trennt ſie; ſie glauben faſt einander zu beruͤhren,
Und nicht ein ſeufzer kann ſich ungehoͤrt verliehren.
12.
Der Ritter, dem der langverhaltne Drang
Zur marter wird, dem jede bittre zaͤhre,
Die ſeine grauſamkeit Amandens aug' entzwang,
Auf ſeinem herzen brennt, er ſeufzt ſo laut, ſo bang,
Als ob's ſein lezter athem waͤre.
Sie, die mit Lieb und ſchaam ſchon eine ſtunde rang,
Kann endlich laͤnger nicht die lindrung ſich verſagen,
Zu forſchen was ihn quaͤlt, und troſt ihm anzutragen.
13.
Im weißen ſchlafgewand, dem ſchoͤnſten Engel gleich,
Tritt ſie in ſein gemach, mit zaͤrtlichem erbarmen
Im keuſchen blik, und furchtſam offnen armen.
Ihm iſt, als oͤffne ſich vor ihm das Himmelreich.
Sein antliz, kurz zuvor ſo welk, ſo todtenbleich,
Wird feuerroth; ſein puls, der kaum ſo traͤge
Und mutlos ſchlich, verdoppelt ſeine ſchlaͤge,
Und huͤpfet wie ein fiſch im ſpiegelhellen teich.
L14. Al-
[]
14.
Allein, gleich wieder wirft ihn Obrons wort danieder;
Und da er ſchon, durch ihre guͤte dreiſt,
An ſeine bruſt ſie ziehen will, entreißt
Er ſchnell ſich ihrem kuß, ſich ihrem Buſen wieder;
Will fliehn, bleibt wieder ſtehn, kommt raſch auf ſie zuruͤk
In ihre arme ſich zu ſtuͤrzen,
Und ploͤzlich ſtarrt er weg, mit wildem rollendem blik,
Als wuͤnſcht' er ſeine qual auf einmal abzukuͤrzen.
15.
Sie ſinkt aufs lager hin, hoch ſchlaͤgt ihr volles herz
Durchs weichende gewand, und ſtromweis ſtuͤrzt der ſchmerz
Aus ihren ſchmachtenden vor Liebe ſchweren augen.
Er ſieht's; und laͤnger haͤlt die menſchheit es nicht aus;
Halb ſinnlos nimmt er ſie (werd' auch das aͤrgſte draus!)
In ſeinen arm, die gluͤhnden lippen ſaugen
Mit heißem durſt den thau der Liebe auf,
Und ganz entfeſſelt ſtroͤmt das herz in vollem lauf.
16.
Auch Rezia, von Lieb und wonne hingeriſſen,
Vergißt zu widerſtehn, und uͤberlaͤßt, entzuͤkt,
Und wechſelsweis' ans herz ihn druͤckend und gedruͤkt,
Sich ahnunglos den langentbehrten kuͤſſen.
Mit vollen zuͤgen ſchluͤrft ſein nimmerſatter mund
Ein herzberauſchendes wolluͤſtiges vergeſſen
Aus ihren lippen ein; die ſehnſucht wird vermeſſen,
Und ach! an Hymens ſtatt kroͤnt Amor ihren bund.
17. Straks
[]
17.
Straks ſchwaͤrzt der Himmel ſich, es loͤſchen alle ſterne;
Die Gluͤklichen! ſie werden's nicht gewahr.
Mit ſturmbeladnem fluͤgel braußt von ferne
Der feſſelloſen winde rohe ſchaar;
Sie hoͤren's nicht. Umhuͤllt von finſterm grimme
Rauſcht Oberon vorbey an ihrem angeſicht;
Sie hoͤren's nicht. Schon rollt des Donners droh'nde ſtimme
Zum drittenmal, und ach! ſie hoͤren's nicht!
18.
Inzwiſchen bricht mit fuͤrchterlichem ſauſen
Ein unerhoͤrter ſturm von allen ſeiten los;
Des Erdballs axe kracht, der wolken ſchwarze ſchoos
Gießt feuerſtroͤme aus, das Meer beginnt zu brauſen,
Die wogen thuͤrmen ſich wie berge ſchaͤumend auf,
Die Pinke treibt in ungewiſſem lauf,
Der Bootsmann ſchreyt umſonſt in ſturmbetaͤubte ohren,
Laut heult's durchs ganze ſchiff, weh uns! wir ſind verloren!
19.
Der ungezaͤhmten winde wut,
Der ganze horizont in einen hoͤllenrachen
Verwandelt, lauter glut, des ſchiffes ſtetes krachen,
Das wechſelsweis bald von der tiefſten flut
Verſchlungen ſcheint, bald, himmelan getrieben,
Auf wogenſpitzen ſchwebt, die unter ihm zerſtieben:
Dies alles, ſtark genug die Todten aufzuſchrecken,
Mußt endlich unſer Paar aus ſeinem taumel wecken.
L 220. Aman-
[]
20.
Amanda faͤhrt entſeelt aus des Geliebten armen,
Gott! ruft ſie aus, was haben wir gethan?
Der Schuldbewußte fleht den Schuzgeiſt um erbarmen,
Um huͤlfe, wenigſtens nur fuͤr Amanden, an;
Vergebens! Oberon iſt nun der unſchuld raͤcher,
Iſt unerbittlich nun in ſeinem ſtrafgericht;
Verſchwunden ſind das hifthorn und der becher,
Die pfaͤnder ſeiner huld; er hoͤrt, und rettet nicht.
21.
Der Hauptmann ruft indeß das ganze volk zuſammen;
Ihr, ſpricht er, ſeht die allgemeine noth;
Mit jedem pulsſchlag wird von waſſer, wind und flammen
Dem guten ſchiff der untergang gedroht.
Nie ſah ich ſolchen ſturm! Der Himmel ſcheint zum tod,
Um Eines ſchuld vielleicht, uns alle zu verdammen;
Um Eines frevlers ſchuld, zum untergang verflucht,
Den unter uns der bliz des Raͤchers ſucht.
22.
So laßt uns denn durchs Loos den Himmel fragen,
Was fuͤr ein opfer er verlangt!
Iſt einer unter euch, dem vor der wage bangt?
Wo jeder ſterben muß hat keiner was zu wagen!
Er ſprachs, und jedermann ſtimmt in den vorſchlag ein.
Der Prieſter bringt den kelch: man wirft die looſe drein;
Rings um ihn her liegt alles auf den knieen,
Er murmelt ein Gebet, und heißt nun jeden ziehen.
23. Ge-
[]
23.
Geheimer ahnung voll, doch mit entſchloßnem mut,
Naht Huͤon ſich, den zaͤrtlichſten der blicke
Auf Rezia geſenkt, die, bang und ohne blut,
Als wie ein Gipsbild ſteht. Er zieht, und — o! Geſchicke!
O Oberon! — er zieht mit froſt'ger bebender hand
Das Todesloos. Verſtummend ſchaut die Menge
Auf ihn; er ließt, erblaßt, und, ohne widerſtand,
Ergiebt er ſich in ſeines ſchikſals ſtrenge.
24.
Dein werk iſt dies, ruft er zu Oberon empor,
Ich fuͤhl, obwohl ich dich nicht ſehe,
Erzuͤrnter Geiſt, ich fuͤhle deine naͤhe!
Weh mir! du warnteſt mich, du ſagteſt mir's zuvor,
Gerecht iſt dein gericht! Ich bitte nicht um gnade
Als fuͤr Amanden nur, denn Sie iſt ohne ſchuld!
Vergieb ihr! Mich allein belade
Mit deinem ganzen zorn, ich trag ihn mit geduld!
25.
Ihr, die mein tod erhaͤlt, ſchenkt eine fromme zaͤhre
Dem Juͤngling, den der ſterne mißgunſt trift!
Nicht ſchuldlos ſterb ich zwar, doch lebt ich ſtets mit ehre;
Ein augenblik, wo ich, berauſcht von ſuͤßem gift,
Des wort's vergaß, das ich zu raſch geſchworen,
Der warnung, die zu ſpaͤt in meinen bangen ohren
Izt widerhallt — das allgemeine loos
Der menſchheit, ſchwach zu ſeyn — iſt mein verbrechen bloß!
L 326. Schwer
[]
26.
Schwer buͤß' ichs nun, doch klaglos! denn, gereuen
Des liebenswuͤrdigen verbrechens ſoll michs nicht!
Iſt lieben ſchuld, ſo mag der Himmel mir verzeyhen!
Mein ſterbend herz erkennt nun keine andre pflicht.
Was kann ich ſonſt als Liebe dir erſtatten,
O du, die mir aus Liebe alles gab?
Nein! dieſe heil'ge glut erſtikt kein wellengrab!
Unſterblich lebt ſie fort in deines Huͤons ſchatten.
27.
Hier wird das herz ihm groß; er haͤlt die blaſſe hand
Vor's aug, und ſchweigt. Und wer im kreiſe ſtand,
Verſtummt; kein herz ſo roh, das nicht bey ſeinem falle,
Auf einen augenblik von mitleid uͤberwalle.
Es war ein bliz, der im entſtehn verſchwand;
Sein tod iſt ſicherheit, iſt leben fuͤr ſie alle;
Und da der Himmel ſelbſt zum opfer ihn erſehn,
Wer duͤrfte, ſagen ſie, dem Himmel widerſtehn?
28.
Der ſturm, der ſeit dem erſten augenblicke
Da Huͤon ſich das todesurtheil ſprach,
Beſaͤnftigt ſchien, kam izt mit neuem grimm zuruͤcke.
Zerſplittert ward der maſt, das ſteuer brach.
Laßt, ſchreyt das ganze Schiff, laßt den verbrecher ſterben!
Der Hauptmann naͤhert ſich dem Ritter: junger mann,
Spricht er, du ſiehſt, daß dich verzug nicht retten kann,
Stirb, weil es ſeyn muß, frey, und rett uns vom verderben!
29. Und
[]
29.
Und mit entſchloßnem ſchritt naht ſich der Paladin
Dem Bord des ſchiffs. Auf einmal ſtuͤrzt die Schoͤne,
Die eine weile her lebloſer marmor ſchien,
Gleich einer raſenden durch alles volk auf ihn:
Es weht im ſturm ihr haar wie eines Loͤwen maͤhne;
Mit hochgeſchwellter bruſt und augen ohne thraͤne
Schlingt ſie den ſtarken arm in liebevoller wut
Um Huͤon her, und reißt ihn mit ſich in die flut.
30.
Verzweifelnd will ihr nach die treue Fatme ſpringen;
Man haͤlt ſie mit gewalt. Sie ſieht die holden Zwey,
So feſt umarmt, wie reben ſich umſchlingen,
Schnell fortgewaͤlzt, nur ſchwach noch mit den wogen ringen,
Und da ſie nichts mehr ſieht, erfuͤllt ihr angſtgeſchrey
Das ganze Schiff. Wer kann ihr wiederbringen
Was ſie verliehrt? Mit ihrer Koͤnigin
Iſt alles was ſie liebt und hofft auf ewig hin.
31.
Indeſſen hatte kaum die aufgebrachten wogen
Des Ritters haupt beruͤhrt, ſo legt, o wunder! ſich
Des Ungewitters grimm! Der donner ſchweigt; entflogen.
Iſt ſtraks der winde ſchaar; das meer, ſo fuͤrchterlich
Kaum aufgebirgt, ſinkt wieder bis zur glaͤtte
Des hellſten teichs, wallt wie ein lilienbette:
Das ſchiff ſezt ſeinen weg mit rudern munter fort,
Und, nur zween tage noch, ſo ruht's im ſichern port.
L 432. Wie
[]
32.
Wie aber wird es dir, du holdes Paar, ergehen,
Das, ohne hoffnung, nun im offnen meere treibt?
Erſchoͤpft iſt ihre kraft; beſinnen, hoͤren, ſehen
Verſchwand; nur das gefuͤhl von ihrer liebe bleibt.
So feſt umarmt, als waͤren ſie zuſammen.
Gewachſen, keines mehr ſich ſeiner ſelbſt bewußt,
Doch immer noch im andern athmend, ſchwammen
Sie, mund auf mund, dahin, und bruſt an bruſt.
33.
Und kannſt du, Oberon, ſie unbeklagt erbleichen,
Du, einſt ihr freund, ihr ſchuz, kannſt ſie verderben ſehn?
Du ſiehſt ſie, weinſt um ſie, und laͤßſt dich nicht erweichen?
Er wendet ſich und flieht — es iſt um ſie geſchehn!
Doch, ſorget nicht! der Ring laͤßt ſie nicht untergehn,
Sie werden unverlezt den nahen ſtrand erreichen;
Sie ſchuͤzt der magiſche geheimnisvolle ring,
Den Rezia aus Huͤons hand empfieng.
34.
Wer dieſen ring beſizt, das allgewaltge Siegel
Des großen Salomons, dem loͤſcht kein Element
Das lebenslicht; er geht durch flammen ungebrennt;
Schließt ihn ein kerker ein, ſo ſpringen ſchloß und riegel,
Sobald er ſie beruͤhrt; und will er von Trident
Im Nu zu Memphis ſeyn, ſo leyht der ring ihm fluͤgel:
Nichts iſt was der, dieſen Talisman
Beſizt und kennt, durch ihn nicht wuͤrken kann.
35. Er
[]
35.
Er kann den Mond von ſeiner ſtelle ruͤcken;
Auf offnem markt, im hellſten ſonnenſchein,
Huͤllt ihn, ſobald er will, auch ſelbſt vor geiſterblicken,
Ein unſichtbarer nebel ein.
Soll jemand vor ihm ſtehn, er darf den ring nur druͤcken,
Es ſey, den er erſcheinen heißt,
Ein menſch, ein thier, ein Schatten oder Geiſt,
So ſteht er da, und muß zu ſeinem wink ſich buͤcken.
36.
In erd und luft, in waſſer und in feuer,
Sind ihm die Geiſter unterthan;
Sein anblik ſchrekt und zaͤhmt die wildſten ungeheuer,
Und ſelbſt der Antichriſt muß zitternd ihm ſich nahn.
Auch kann durch keine macht im himmel noch auf erden
Dem, der ihn nicht geraubt, der ring entriſſen werden:
Die allgewalt, die in ihm iſt, beſchuͤzt
Sich ſelbſt und jede hand, die ihn mit recht beſizt.
37.
Dies iſt der ring der dich, Amanda, rettet,
Dich, und den Mann, der, durch der Liebe band
Und deiner arme kraft an deine bruſt gekettet,
Unwiſſend wie, an eines Eylands ſtrand
Dich und ſich ſelbſt, o wunder! wiederfand.
Zwar hat euch hier der Zufall hart gebettet;
Die ganze Inſel ſcheint vulkaniſcher ruin,
Und nirgends ruht das aug auf laub und friſchem gruͤn.
L 538. Doch,
[]
38.
Doch, dies iſts nicht was in den taumelnden minuten
Der erſten trunkenheit die Wonnevollen ruͤhrt.
So unverhoft, ſo wunderbar den fluten
Entronnen, unverſehrt an troknes land gefuͤhrt,
Gerettet, frey, allein, ſich arm in arm zu finden,
Dies uͤbermaͤßig große gluͤk
Macht alles um ſie her aus ihren augen ſchwinden.
Doch ruft ihr zuſtand bald ſie zum gefuͤhl zuruͤk.
39.
Durchnaͤßt bis auf die haut, wie konnten ſie vermeiden
Sich ungeſaͤumt am ſtrande zu entkleiden?
Hoch ſtand die Sonn' und einſam war der ſtrand.
Allein, indeß ihr trieffendes gewand
An felſen haͤngt, wohin dem Sonnenſtral entfliehen,
Der deine Lilienhaut, Amanda, doͤrrt und ſticht?
Der Sand brennt ihren fuß, die ſchrofen ſteine gluͤhen,
Und ach! kein baum, kein buſch, der ihr ein Obdach flicht!
40.
Zulezt entdekt des Juͤnglings bangen augen
Sich eine felſenkluft. Er faßt Amanden auf
Und fliegt mit ihr dahin; traͤgt eilends ſchilf zu hauf'
Und altes moos (der Noth muß alles taugen)
Zur lagerſtatt, und wirft dann neben ihr ſich hin.
Sie ſehn ſich ſeufzend an, und ſaugen
Eins aus des andern augen Troſt, fuͤr jede noth
Die gegenwaͤrtig druͤkt und in der zukunft droht.
41. O
[]
41.
O Liebe, ſuͤßes labſal aller leiden
Der ſterblichen, du wonnevoller rauſch
Vermaͤhlter Seelen — welche andre freuden
Sind deinen gleich? — Wie ſchreklich war der tauſch,
Wie raſch der uͤbergang, im Schikſal dieſer Beyden!
Einſt guͤnſtlinge des gluͤks, von einem Fuͤrſtenthron
Geſchleudert, bringen ſie das leben kaum davon,
Das nakte leben kaum, und ſind noch zu beneiden!
42.
Der ſchimmerreichſte ſaal, mit Koͤnigspracht geſchmuͤkt,
Hat nicht den reiz von dieſer wilden grotte
Fuͤr Rezia — und er, an ihre bruſt gedruͤkt,
Fuͤhlt ſich unſterblich, wird zum Gotte
In ihrem Arm. Das halbverfaulte moos
Worauf ſie ruhn, daͤucht ſie das reichſte bette,
Und duftet lieblicher, als wenn ſchasmin und roß
Und lilienduft es eingebalſamt haͤtte.
43.
O daß er enden muß, ſo gern das herz ihn naͤhrt,
Der ſuͤße wahn! Zwar unbemerkt ſind ihnen
Zwoo ſtunden ſchon entſchluͤpft: Doch, die natur begehrt
Nun andre koſt. Wer wird ſie hier bedienen?
Unwirthbar, unbewohnt, iſt dieſer duͤrre ſtrand,
Nichts das den hunger taͤuſcht, wird um und um gefunden;
Und ach! ergrimmt zog Oberon die hand
Von ihnen ab — der Becher iſt verſchwunden!
44. Mit
[]
44.
Mit unermuͤdetem fuß beſteigt der junge mann
Die klippen ringsumher, und ſchaut ſoweit er kann;
Ein ſchreckliches gemiſch von felſen und von kluͤften
Begegnet ſeinem blik, wohin er ſeufzend blinkt.
Da lokt kein ſaftigs gruͤn aus blumenvollen triften,
Da iſt kein baum, der ihm mit goldnen fruͤchten winkt!
Kaum daß noch heidekraut, und duͤnne brombeerhecken
Und diſteln hier und da den kahlen grund verſtecken.
45.
So ſoll ich, ruft er aus, und beißt vor wilder pein
Sich in die lippen, ach! ſo ſoll ich dann mit leeren
Troſtloſen haͤnden wiederkehren,
Zu ihr, fuͤr die mein leben noch allein
Erhaltenswuͤrdig war? Ich, ihre einzge ſtuͤtze,
Ich, der mit jedem herzensſchlag
Ihr angehoͤrt, bin nur um Einen tag
Ihr leben noch zu friſten ihr nicht nuͤtze!
46.
Verſchmachten ſoll ich dich vor meinem augen ſehn
Du Wunder der Natur, ſo liebevoll, ſo ſchoͤn!
Verſchmachten! Dich, die bloß um meinetwillen
So elend iſt! fuͤr mich ſo viel verließ!
Dir, der das ſchoͤnſte loos Natur und Gluͤk verhieß
Eh dich des Himmels zorn in meine arme ſtieß,
Dir bleibt (hier fieng er an vor wut und angſt zu bruͤllen)
Bleibt nicht ſoviel — den Hunger nur zu ſtillen!
47. Laut
[]
47.
Laut ſchrie er auf in unnennbarem ſchmerz;
Dann ſank er hin, und lag in fuͤrchterlicher ſtille.
Doch endlich faͤllt ein ſtral von glauben in ſein herz;
Er raft ſich aus des Truͤbſinns ſchwarzer huͤlle,
Spricht mut ſich ein, und faͤngt mit neuem eifer an
Zu ſuchen. Lang umſonſt! Schon ſchmilzt im Ocean
Der Sonnenrand zu gold — auf einmal, o entzuͤcken!
Entdekt die ſchoͤnſte frucht ſich ſeinen gier'gen blicken.
48.
Halb unter laub verſtekt, halb gluͤhend angeſtralt,
Sah er an breitbelaubten ranken,
Melonen gleich, ſie auf die erde wanken,
Einladend von geruch, und wunderſchoͤn bemalt.
Wie haͤlt er reichlich ſich fuͤr alle muͤh bezahlt!
Er eilt hinzu, und bricht ſie; glaͤnzend danken
Zum Himmel ſeine augen auf,
Und Freudetrunkenheit befluͤgelt ſeinen lauf.
49.
Amanden, die drey toͤdlichlange ſtunden
An dieſem oͤden ſtrand, wo alles furcht erwekt,
Wo jeder laut bedroht und ſelbſt die ſtille ſchrekt,
Sich ohne den, der nun ihr Alles iſt, befunden,
Ihr war ein theil der langen zeit verſchwunden,
Zum lager, wie es hier die noth der liebe dekt,
Mit ungewohntem arm vom ufer ganze lagen
Von meergras, ſchilf und moos der hoͤle zuzutragen.
50. Matt
[]
50.
Matt wie ſie war, erſchoͤpfte dieſe muͤh
Noch ihre lezte kraft; es brachen ihr die Knie,
Sie ſinkt am ufer hin, und lechzt mit duͤrrem gaumen.
Vom hunger angenagt, von heiſſem durſt gequaͤlt,
An dieſem wilden ort wo ihrs an allem fehlt,
Wie angſtvoll iſt ihr loos? Wo mag ihr Huͤon ſaumen?
Wenn ihn ein unfall traf? Vielleicht ein reiſſend thier —
Es nur zu denken, raubt den reſt von leben ihr!
51.
Die ſchreklichſten der Moͤglichkeiten
Mahlt ihr die Fantaſie mit warmen farben vor.
Umſonſt bemuͤht ſie ſich mit ihrer furcht zu ſtreiten,
Ein Wellenſchlag erſchrekt ihr ungluͤkahnend ohr.
Zulezt, ſo ſchwach ſie iſt, keucht ſie mit muͤh empor
Auf eines felſen ſtirn, und ſchaut nach allen ſeiten,
Und mit dem lezten ſonnenblik
Entdekt ſie Ihn — er iſts! er koͤmmt zuruͤk!
52.
Auch Er ſieht ſie die arme nach ihm breiten,
Und zeigt ihr ſchon von fern die ſchoͤne goldne frucht.
Von keiner ſchoͤnern ward, in jenen kindheitszeiten
Der Welt, das erſte Weib im Paradies verſucht.
Er haͤlt, wie im triumf, ſie in den lezten ſtrahlen
Der Sonn' empor, die ihre glatte haut
Mit flammengleichem roth bemahlen,
Indeß Amanda kaum den frohen augen traut.
53. So
[]
53.
So laͤßt ſich unſrer noth der Himmel doch erbarmen,
Ruft ſie, und eine große thraͤne blinkt
In ihrem aug'; und eh die thraͤne ſinkt
Iſt Huͤon ſchon in ihren ofnen Armen.
Ihr ſchwacher ton, und daß ſie halbentſeelt
An ſeinen buſen ſchwankt, heißt ihren retter eilen.
Sie lagern ſich; und, weil ein ander Werkzeug fehlt,
Braucht er ſein kurzes Schwert die ſchoͤne frucht zu theilen.
54.
Hier, Freunde, zittert mir der griffel aus der hand!
Kanſt du, zu ſtrenger Geiſt, in ſolchem jammerſtand
Noch ſpotten ihrer noth, noch ihre hofnung truͤgen?
Faul, durch und durch, und gallenbitter war
Die ſchoͤne Frucht! — Und bleich, wie in den lezten zuͤgen
Ein ſterbender erbleicht, ſieht das getaͤuſchte Paar
Sich troſtlos an, die ſtarren augen offen,
Als haͤtt' aus heitrer luſt ein Donner ſie getroffen.
55.
Ein ſtrom von bittern thraͤnen ſtuͤrzt mit wut
Aus Huͤons aug; von jenen furchtbarn thraͤnen,
Die aus dem halbgeſtokten blut
Verzweiflung preßt, mit augen voller glut,
Und gichtriſchzuckendem mund und grimvoll klappernden zaͤnen.
Amanda, ſanft und ſtill, doch mit gebrochnem Mut,
Die augen ausgeloͤſcht, die wangen welk, zu ſcherben
Die lippen ausgedoͤrrt — laß, ſpricht ſie, laß mich ſterben!
56. Auch
[]
56.
Auch ſterben iſt an deinem herzen ſuͤß;
Und dank dem Raͤcher, der in ſeinem grimme,
So ſtreng er iſt, doch dieſen troſt mir ließ!
Sie ſagts mit ſchwacher halberſtikter ſtimme,
Und ſinkt an ſeine bruſt: ſo ſinkt im ſturm zerknikt
Der Lilie ſterbend haupt. Von lieb und angſt verruͤkt
Springt Huͤon auf, und ſchließt die theure Seele
In ſeinen arm, und traͤgt ſie nach der Hoͤle.
57.
Ach! Einen tropfen waſſers nur,
Gerechter Gott! ſchreyt er, halb ungeduldig,
Halbflehend, auf — ich, ich allein, bin ſchuldig!
Mich treff allein dein zorn! mir werde die Natur
Ringsum zum grab, zum ofnen hoͤllenrachen,
Nur ſchone Sie! O leit' auf einer Quelle ſpur
Den dunkeln fuß! Ein wenig Waſſers nur
Ihr leben wieder anzufachen!
58.
Er geht aufs neu zu ſuchen aus, und ſchwoͤrt,
Sich eher ſelbſt, von durſt und hunger aufgezehrt,
In dieſen felſen zu begraben,
Eh er mit leerer hand zur hoͤle wiederkehrt.
Er, ruft er weinend, der die jungen raben
Die zu ihm ſchreyen, mit erbarmen hoͤrt,
Er kann ſein ſchoͤnſtes werk, ſein eigen bild, nicht haſſen,
Er wird gewiß, gewiß, dich nicht verſchmachten laſſen!
59. Kaum
[]
59.
Kaum ſprach er's aus, ſo koͤmmts ihm vor,
Als hoͤr' er wie das rieſeln einer quelle
Nicht fern von ihm. Er lauſcht mit ſcharfem ohr;
Es rieſelt fort — Entzuͤkt dankt er empor,
Und ſucht umher; und, bey der ſchwachen Helle
Der daͤmmerung, entdekt er bald die ſtelle.
In eine muſchel faßt er auf den ſuͤßen thau,
Und eilt zuruͤk und labt die faſt verlechzte Frau.
60.
Gemaͤchlicher des labſals zu genießen
Traͤgt er ſie ſelbſt zur nahen quelle hin.
Es war nur Waſſer — doch, dem halberſtorbnen ſinn
Scheint Lebensgeiſt den gaum hinabzufließen,
Daͤucht jeder zug herzſtaͤrkender als wein
Und ſuͤß wie milch und ſanft wie oͤl zu ſeyn;
Es hat die kraft zu ſpeiſen und zu traͤnken,
Und alles leiden in vergeſſenheit zu ſenken.
61.
Erquikt, geſtaͤrkt, und neuen glaubens voll
Erſtatten ſie dem, der zum zweytenmale
Sie nun dem tod entriß, des dankes frohen zoll;
Umarmen ſich, und, nach der lezten ſchale,
Strikt unvermerkt, am quell auf kuͤhlem moos,
Der ſuͤße Troͤſter alles kummers
Das band der muͤden glieder los,
Und lieblich ruhn ſie aus im weichen arm des ſchlummers.
MObe-
[]
Oberon
Neunter Geſang.
1.
Kaum ſpielt die morgendaͤmmerung
Um Huͤons ſtirn, ſo ſteht er auf, und eilet
Auf neues forſchen aus wagt manchen kuͤhnen ſprung
Wo den zerrißnen fels ein gaͤher abſturz theilet;
Spuͤrt jeden winkel durch, ſtets ſorgſam daß er ja
Den ruͤkweg zu Amanden nicht verliere,
Und kummervoll, da er fuͤr Menſchen und fuͤr Thiere
Das Eyland uͤberall ganz unbewohnbar ſah.
2.
Ihn fuͤhrt zulezt ſuͤdoſtwaͤrts von der hoͤle
Ein krummer pfad in eine kleine bucht,
Und im gebuͤſch, das eine felſenkehle
Umkraͤnzt, entdekt ſich ihm, beſchwert mit reifer frucht,
Ein dattelbaum. So leicht, wie auf der flucht
Zum Himmel eine arme ſeele,
Die aus des Fegfeur's pein und ſtrenger glut entrann,
Klimmt er den baum hinauf als ſtieg er himmelan;
3. Und
[]
3.
Und bricht der ſuͤßen frucht, ſoviel in ſeine taſchen
Sich faſſen ließ, ſpringt dann herab, und fliegt,
Als gaͤlt's ein Reh in vollem lauf zu haſchen,
Das holde Weib, das ſtets in ſeinem ſinne liegt,
So wie ſie munter wird, damit zu uͤberraſchen.
Noch lag ſie, als er kam, ſchoͤn in ſich ſelbſt geſchmiegt,
In ſanftem ſchlaf; ihr gluͤhn wie roſen ihre wangen,
Und kaum haͤlt ihr gewand den buſen halb gefangen.
4.
Entzuͤkt in ſuͤßes ſchau'n, den reinſten lieb'sgenuß,
Steht Huͤon da, als wie der Genius
Der ſchoͤnen Schlaͤferin; betrachtet,
Auf ſie herabgebuͤkt, mit liebevollem geiz,
Das engelgleiche bild, den immer neuen reiz;
Dies iſt, die, ihm zu lieb, ein gluͤk fuͤr nichts geachtet,
Dem, wer's erreichen mag, ſonſt alles, unbedingt
Was theu'r und heilig iſt, zum opfer bringt!
5.
„Um einen Thron hat Liebe dich betrogen!
Und, ach! wofuͤr? Du, auf dem weichen ſchoos
Der Aſiat'ſchen pracht wolluͤſtig auferzogen,
Liegſt nun auf hartem fels, der weite himmelsbogen
Dein Baldakin, dein bett' ein wenig moos;
Vor wittrung unbeſchuͤzt, und jedem zufall bloß,
Noch gluͤklich, hier, wo diſteln kaum bekleiben,
Mit etwas wilder frucht den hunger zu betaͤuben!“
M 26. Und
[]
6.
„Und ich — der, in des Schikſals ſtrenger Acht,
Mit meinem ungluͤk, was mir naͤhert, anzuſtecken
Verurtheilt bin — anſtatt vor unfall dich zu decken,
Ich habe dich in dieſe noth gebracht!
So lohn' ich dir, was du fuͤr mich gegeben,
Fuͤr mich gewagt? Ich ungluͤkſel'ger, nun
Dein Alles in der welt, was kann ich fuͤr dich thun?
Dem ſelbſt nichts uͤbrig blieb, als dieſes nakte leben?“
7.
Dies quaͤlende gefuͤhl wird unfreywillig laut,
Und wekt aus ihrem ſchlaf die anmutsvolle Braut.
Das erſte was ſie ſieht, iſt Huͤon, der, mit blicken
In denen freud' und liebestrunkenheit
Den tiefern gram nur halb erdruͤcken,
In ihren ſchoos des palmbaums fruͤchte ſtreut.
Die magre koſt, und eine muſchelſchale
Voll waſſers — macht die noth zu einem Goͤttermahle.
8.
Zum Goͤttermahl! Denn ruhet nicht ihr haubt
An Huͤons bruſt? Hat Er ſie nicht gebrochen,
Die ſuͤße frucht? Nicht Er des ſchlummers ſich beraubt
Und ihr zu lieb ſo manche kluft durchkrochen?
So rechnet ihm die Liebe alles an,
Und ſchaͤzt nur das gering, was Sie fuͤr ihn gethan;
Die wolken zu zerſtreun, die ſeine ſtirn umdunkeln,
Laͤßt ſie ihr ſchoͤnes aug' ihm lauter freude funkeln.
9. Er
[]
9.
Er fuͤhlt den uͤberſchwang von lieb und edelmut
In ihrem zaͤrtlichen betragen;
Und mit bethraͤntem aug' und wangen ganz in glut
Sinkt er an ihren arm. O! ſollt' ich nicht verzagen,
Ruft er, mich ſelbſt nicht haſſen, nicht
Verwuͤnſchen jeden ſtern, der auf die nacht geſchimmert
Die mir das leben gab, verwuͤnſchen jenes licht
Wo ich im mutterarm zum erſtenmal gewimmert?
10.
Dich, beſtes Weib, durch mich, durch mein vergehn,
Von jedem gluͤk herabgeſtuͤrzt zu ſehn,
Von jedem gluͤk, das dir zu Bagdad lachte,
Von jedem gluͤk, das ich dich hoffen machte
In meinem vaͤterlichen land!
Erniedrigt — dich! — zu dieſem duͤrft'gen ſtand!
Und noch zu ſehn, wie du dies alles ohne klagen
Ertraͤgſt — Es iſt zu viel! Ich kann es nicht ertragen!
11.
Ihn ſieht mit einem blik, worinn der Himmel ſich
Ihm oͤffnet, voll von dem, was kaum ihr buſen faſſet,
Amanda an: laß, ſpricht ſie, Huͤon, mich
Aus dem geliebten mund, was meine ſeele haſſet
Nie wieder hoͤren! Klage dich
Nicht ſelber an, nicht den, der was uns druͤcket
Uns nur zur pruͤfung, nicht zur ſtrafe zugeſchicket!
Er pruͤft nur die er liebt, und liebet vaͤterlich.
M 312. Was
[]
12.
Was uns ſeit jenem traum, der wiege unſrer liebe
Begegnet iſt, iſt's nicht beweis hievon?
Nenn, wie du willſt, den Stifter unſrer triebe,
Vorſehung, Schikſal, Oberon,
Genug, ein Wunder hat dich mir, mich dir gegeben:
Ein wunder unſer Bund, ein wunder unſer Leben?
Wer fuͤhrt' aus Bagdad unverſehrt
Uns aus? Wer hat der flut, die uns verſchlang, gewehrt?
13.
Und als wir, ſterbend ſchon, ſo unverhoft den wogen
Entrannen, ſprich, wer anders als die Macht
Die uns beſchuͤzt, hat uns bisher bedacht?
Aus Ihrer bruſt hab' ichs, wie lebensmilch, geſogen
Das waſſer, das in dieſer bangen nacht
Mein kaum noch glimmend licht von neuem aufgefacht?
Gewiß auch dieſes Mahl, das unſer leben friſtet,
Hat eine heimliche wohlthaͤt'ge hand geruͤſtet.
14.
Wofuͤr, wenn unſer untergehn
Beſchloſſen iſt, wofuͤr waͤr alles dies geſchehn?
Mir ſagt's mein herz, ich glaub's, und fuͤhle was ich glaube,
Die Hand, die uns durch dieſes Dunkel fuͤhrt,
Laͤßt uns dem elend nicht zum raube.
Und wenn die Hoffnung auch den ankergrund verliert,
So laß uns feſt an dieſem glauben halten,
Ein einz'ger augenblik kann alles umgeſtalten!
15. Doch,
[]
15.
Doch, laß das aͤrgſte ſeyn! Sie ziehe ganz ſich ab
Die Wunderhand, die uns bisher umgab;
Laß ſeyn, daß jahr um jahr ſich ohne huͤlf' erneue,
Und deine liebende getreue
Amande finde hier auf dieſem ſtrand ihr grab:
Fern ſey es, daß mich je, was ich gethan, gereue!
Und laͤge noch die freye wahl vor mir,
Mit frohem mut ins elend folgt' ich dir!
16.
Mich koſtet's nichts von allem mich zu ſcheiden
Was ich beſaß; mein herz und deine Lieb erſezt
Mir alles; und, ſo tief das gluͤk herab mich ſezt,
Bleibſt Du mir nur, ſo werd ich keine neiden
Die ſich durch gold und purpur gluͤklich ſchaͤzt.
Nur, daß Du leideſt, iſt Amandens wahres leiden!
Ein truͤber blik, ein ach, das dir entfaͤhrt,
Iſt, was mir tauſendfach die eigne noth erſchwert.
17.
Sprich nicht von dem was ich fuͤr dich gegeben,
Fuͤr dich gethan! Ich that was mir mein herz gebot,
That's fuͤr mich ſelbſt, Der zehenfacher tod
Nicht bittrer iſt als ohne dich zu leben.
Was unſer Schikſal iſt, hilft deine Liebe mir,
Hilft meine Liebe dir ertragen;
So ſchwer es ſey, ſo unertraͤglich — hier
Iſt meine hand! — ich will's mit freuden tragen.
M 418. Mit
[]
18.
Mit jedem auf und niedergehn
Der ſonne, ſoll mein fleiß ſich mit dem deinen gatten;
Mein arm iſt ſtark; er ſoll, dir beyzuſtehn
In jeder arbeit, nie ermatten!
Die Liebe, die ihn regt, wird ſeine kraft erhoͤhn,
Wird den geringſten dienſt mit munterkeit erſtatten.
So lang ich dir zum troſt zum gluͤk genugſam bin,
Tauſcht' ich mein ſchoͤnes loos mit keiner Koͤnigin.
19.
So ſprach das beſte Weib, und druͤkt mit keuſchen lippen
Das ſiegel ihres worts auf den geliebten mund;
Und mit dem kuß verwandeln ſich die klippen
Um Huͤon her; der rauhe felſengrund
Steht wieder zum Elyſium umgebildet,
Verweht iſt jede ſpur der nakten duͤrftigkeit;
Das ufer ſcheint mit perlen uͤberſtreut,
Ein marmorſaal die gruft, der felſen uͤberguͤldet.
20.
Von neuem mut fuͤhlt Huͤon ſich geſchwellt.
Ein Weib wie dies iſt mehr als eine Welt.
Mit hoher himmelathmender wonne
Druͤkt er ſein herz an ihre offne bruſt,
Ruft Erd und Meer, und dich, allſehende Sonne,
Zu zeugen ſeines ſchwurs: „ich ſchwoͤr's auf dieſer bruſt,
Dem heiligen altar der Unſchuld und der Treue,
Vertilgt mich, ruft er aus, wenn ich dies herz entweyhe!
21. Wenn
[]
21.
Wenn je dies Herz, worinn dein Name brennt,
Der Tugend untreu wird, und deinen Werth verkennt,
Dich je, ſo lang dies pruͤfungsfeuer waͤhret,
Durch kleinmut quaͤlt, durch zagheit ſich entehret;
Je laͤßig wird, geliebtes weib, fuͤr dich
Das aͤuſſerſte zu leiden und zu wagen:
Dann, Sonne, waffne dich mit blitzen gegen mich,
Und moͤge Meer und Land die zuflucht mir verſagen.“
22.
Er ſprach's, und ihn belohnt mit einem neuen kuß
Das engelgleiche weib. Sie freun ſich ihrer liebe,
Und ſtaͤrken wechſelsweis einander im entſchluß
So hart des Schikſals Herr auch ihre tugend uͤbe,
Mit feſtem mut und eiſerner geduld
Auf beßre tage ſich zu ſparen,
Und blindlings zu vertraun der allgewaltgen Huld
Von der ſie ſchon ſo oft den ſtillen ſchuz erfahren.
23.
Von beyden wurde noch deſſelben tags die bucht,
Die ihren palmbaum trug, mit großem fleiß durchſucht,
Und drey bis vier von gleicher art gefunden;
Die, im gebuͤſch zerſtreut, voll goldner trauben ſtunden.
Das frohe Paar, hierinn den kindern gleich,
Duͤnkt mit dem kleinen ſchaz ſich unermeßlich reich;
Bey ſuͤßem ſcherz und froͤhlichem durchwandern
Des palmenthals verfliegt ein abend nach dem andern.
M 524. Allein
[]
24.
Allein der vorrath ſchwand; ein Jahr, ein jahr mit bley
An fuͤßen, braucht's ihn wieder zu erſetzen,
Und, ach! mit jedem tag wird ihr beduͤrfnis neu.
Arm kann die liebe ſich bey wenig gluͤklich ſchaͤtzen,
Bedarf nichts außer ſich, als was Natur bedarf
Den lebensfaden fortzuſpinnen;
Doch, fehlt auch dies, dann nagt der Mangel doppelt ſcharf.
Und die allmaͤchtigſte bezaubrung muß zerrinnen.
25.
Mit wurzeln, die allein der hunger eßbar macht,
Sind ſie oft manchen tag genoͤtigt ſich zu naͤhren.
Oft, wenn, vom ſuchen matt, der junge mann bey nacht
Zur hoͤle wiederkehrt, iſt eine handvoll beeren,
Ein Moͤwen-ey, geraubt im ſteilen neſt,
Ein halbverzehrter fiſch, vom gier'gen Waſſerraben
Erbeutet, alles, was das gluͤk ihn finden laͤßt,
Sie, die ſeyn elend theilt, im drang der noth zu laben.
26.
Doch dieſer mangel iſts nicht einzig der ſie kraͤnkt.
Es fehlt bey tag und nacht an tauſend kleinen dingen,
An deren werth man im beſiz nicht denkt,
Wiewohl wir ohne ſie mit tauſend noͤthen ringen.
Und dann, ſo leicht bekleidet wie ſie ſind,
Wo ſollen ſie vor regen, ſturm und wind,
Vor jedem ungemach des wetters ſicher bleiben,
Und wie des winters froſt fuͤnf monden von ſich treiben?
27. Schon
[]
27.
Schon iſt der baͤume ſchmuk der ſpaͤtern jahrszeit raub,
Schon klappert zwiſchen duͤrrem laub
Der rauhe wind, und graue nebel huͤllen
Der Sonne kraftberaubtes licht,
Vermiſchen luft und meer, und ungeſtuͤmer bruͤllen
Die wellen am geſtad, das kaum ihr wuͤten bricht;
Oft, wenn ſie grimmbeſchaͤumt den harten feſſeln zuͤrnen,
Sprizt der zerſtaͤubte ſtrom bis an der felſen ſtirnen.
28.
Die noth treibt unſer paar aus ihrer ſtillen bucht
Nun hoͤher ins gebuͤrg. Doch, wo ſie hin ſich wenden,
Umringet ſie von allen enden
Des duͤrren hungers bild, und ſperret ihre flucht.
Ein umſtand kommt dazu, der ſie mit ſuͤßen ſchmerzen
Und banger luſt in dieſem jammerſtand
Bald aͤngſtigt, bald entzuͤkt — Amanda traͤgt das pfand
Von Huͤons Liebe ſchon drey monden unterm herzen.
29.
Oft, wenn ſie vor ihm ſteht, druͤkt ſie des Gatten hand
Stillſchweigend an die bruſt, und laͤchelnd fuͤllen thraͤnen
Ihr ernſtes aug'. Ein neues zartres band
Webt zwiſchen ihnen ſich. Sie fuͤhlt ein ſtilles ſehnen,
Voll neuer ahnungen, den mutterbuſen dehnen;
Was innigers, als was ſie je empfand,
Ein dunkles vorgefuͤhl der muͤtterlichen triebe,
Durchgluͤht, durchſchaudert ſie, und heiligt ihre liebe.
30. Das
[]
30.
Das ſuͤße liebespfand iſt ihr ein pfand zugleich,
Sie werde nicht von Dem verlaſſen werden,
Der was er ſchaft in ſeinem großen Reich
Als Vater liebt. Gern traͤgt ſie die beſchwerden
Des ungewohnten ſtands, verbirgt behutſam ſie
Vor Huͤons blik, und zeigt ihm ihren kummer nie,
Laͤßt lauter Hoffnung ihn im heitern auge ſchauen,
Und naͤhrt in ſeiner bruſt das ſchmachtende vertrauen.
31.
Zwar er vergaß des hohen ſchwures nicht,
Den er dem Himmel und Amanden zugeſchworen.
Doch deſto tiefer liegt das druͤckende gewicht;
Denn ſorgen iſt nun doppelt ſeine pflicht.
Bedarf es mehr ſein herz mit dolchen zu durchboren,
Als dieſes ruͤhrende geſicht?
Zeigt die gehofte huͤlf' in kurzer zeit ſich nicht,
So iſt ſein Weib, ſein Kind, zugleich mit ihm verloren.
32.
Schon viele wochen lang verſtrich
Kein tag, an dem er nicht wohl zwanzigmal den ruͤcken
Der felſengruft beſtieg, ins meer hinauszublicken,
Sein lezter troſt! Allein vergebens ſtumpft er ſich
Die augen ab, im ſchoos der grenzenloſen hoͤhen
Mit angeſtrengtem blik ein fahrzeug zu erſpaͤhen;
Die Sonne kam, die Sonne wich,
Leer war das Meer, kein fahrzeug ließ ſich ſehen.
33. Izt
[]
33.
Izt blieb ein einzigs noch. Es ſchien unmoͤglich zwar,
Doch, was iſt dem der um ſein Alles kaͤmpfet
Unmoͤglich? Wuͤrde jedes haar
Auf ſeinem kopf ein Tod, ſein mut blieb ungedaͤmpfet.
Von dieſem fels, worauf ihn Oberon verbannt,
War Eine ſeite noch ihm gaͤnzlich unbekannt.
Ein fuͤrchterlich gemiſch von klippen und ruinen
Beſchuͤzte ſie, die unerſteiglich ſchienen.
34.
Izt, da die noth ihm an die ſeele dringt,
Izt ſcheinen ſie ihm leichterſtiegne Huͤgel;
Und waͤren's Alpen auch, ſo hat die Liebe fluͤgel.
Vielleicht, daß ihm das Wageſtuͤk gelingt,
Daß ſein hartnaͤk'ger mut durch alle dieſe wilde
Verſchanzung der Natur ſich einen weg erzwingt,
Der ihn in fruchtbare gefilde
Vielleicht zu freundlichen mitleid'gen weſen bringt.
35.
Amanden eine laſt von ſorgen zu erſparen,
Verbirgt er ihr das aͤrgſte der gefahren,
In die er ſich, zu ihrer beyder Heil,
Begeben will. Sie ſelbſt traͤgt ihren theil
Von Leiden ſtill. Sie ſprachen nichts beym ſcheiden,
Als Lebewohl! ſo voll gepreßt war beyden
Das herz; doch zeigt ſein aug' ihr eine zuverſicht,
Die wie ein ſonnenſtral durch ihren kummer bricht.
36. Da
[]
36.
Da ſteht er nun am fuß der aufgebirgten zacken!
Sie liegen vor ihm da, wie truͤmmern einer Welt,
Ein Chaos ausgebrannter ſchlacken,
In die ein Feuerberg zulezt zuſammenfaͤllt,
Mit felſen untermiſcht, die, tauſendfach gebrochen,
In wilder ungeheurer pracht,
Bald tief bis ins gebiet der alten finſtern nacht
Herunter draͤun, bald in die wolken pochen.
37.
Hier bahnet nur Verzweiflung einen weg!
Oft muß er felſenan ſich mit den haͤnden winden,
Oft, zwiſchen ſchwindlicht tiefen ſchluͤnden,
Macht er, den gemſen gleich, die klippen ſich zum ſteg.
Bald auf dem ſchmalſten pfad verrammeln felſenſtuͤcke
Ihm weg und licht, er muß, ſo muͤd' er iſt, zuruͤcke,
Bald wehrt allein ein ſtrauch, den mit zerrißner hand
Er fallend noch ergreift, den ſturz von einer Wand.
38.
Wenn ſeine kraft ihn faſt verlaſſen will,
Ruft die entflohnen lebensgeiſter
Amandens Bild zuruͤck. Schwerathmend ſteht er ſtill,
Und denkt an ſie, und fuͤhlt ſich neuer kraͤfte meiſter.
Es bleibt nicht unbelohnt, dein aͤchtes Heldenherz!
Allmaͤhlich ebnet ſich der pfad vor ſeinen tritten,
Und gegen das was er bereits erſtritten
Iſt, was zu kaͤmpfen ihm noch uͤbrig iſt, nur ſcherz.
39. Er-
[]
39.
Erſtiegen war nunmehr der erſte von den gipfeln,
Und vor ihm liegt, gleich einem felſenſaal,
Hoch uͤberwoͤlbt von alten tannenwipfeln,
In ſtiller daͤmmerung, ein kleines ſchmales thal.
Ein ſchauder uͤberfaͤllt den matten
Erſchoͤpften wanderer, indem ſein wankender ſchritt
Dies duͤſtre Heiligthum der Einſamkeit betritt,
Ihm iſt, er tret' ins Reich der Schatten.
40.
Bald leitet ihn ein ſanftgekruͤmmter pfad,
Der ſich allmaͤhlich ſenkt, zu einer ſchmalen bruͤcke.
Tief unter ihr rollt uͤber felſenſtuͤcke
Ein weißbeſchaͤumter ſtrom, gleich einem waſſerrad.
Herr Huͤon ſchreitet unverdroſſen
Den berg hinan, auf den die bruͤcke fuͤhrt,
Und ſieht ſich unvermerkt in felſen eingeſchloſſen
Wo bald die moͤglichkeit des auswegs ſich verliert.
41.
Der pfad auf dem er hergekommen
Wird, wie durch zauberey, aus ſeinem aug' entruͤkt!
Lang irrt er ſuchend um, von ſtummer angſt beklommen,
Bis durchs geſtraͤuch, das aus den ſpalten nikt,
Sich eine oͤfnung zeigt, die (wie er bald befindet)
Der anfang iſt von einem ſchmalen gang
Der durch den felſen ſich um eine ſpindel windet,
Faſt ſenkrecht, mehr als hundert ſtufen lang.
42. Kaum
[]
42.
Kaum hat er athemlos den lezten tritt erſtiegen
So ſtellt ein Paradies ſich ſeinen augen dar:
Und vor ihm ſteht ein Mann von edeln ernſten zuͤgen,
Mit langem weißen bart und ſilberweißem haar.
Ein breiter guͤrtel ſchließt des braunen rockes falten,
Und an dem guͤrtel haͤngt ein langer roſenkranz.
Bey dieſem anſehn war's, an ſolchem orte, ganz
Natuͤrlich, ihn ſogleich fuͤr was er war zu halten.
43.
Doch Huͤon — ſchwach vor hunger, und erſtarrt
Vor muͤdigkeit, und nun, in dieſen wilden hoͤhen,
Wo er ſo lang umſonſt auf Menſchenanblik harrt,
Und von der felſen ſtirn, die ringsum vor ihm ſtehen,
Uralte tannen nur auf ihn herunter wehen,
Auf einmal uͤberraſcht von einem weißen bart,
Der ihn ſo lieblich ſchrekt — glaubt ein Geſicht zu ſehen,
Und ſinkt zur erde hin vor ſeiner gegenwart.
44.
Der Eremit, kaum weniger betroffen
Als Huͤon ſelbſt, bebt einen ſchritt zuruͤk;
Doch ſpricht er, ſchnell gefaßt: haſt du, wie mich dein blik
Und anſehn glauben heißt, erloͤſung noch zu hoffen
Aus deiner pein, ſo ſprich, was kann ich fuͤr dich thun,
Gequaͤlter geiſt, wie kann ich fuͤr dich buͤßen,
Um jenen port dir aufzuſchließen
Wo, unberuͤhrt von quaal, die Frommen ewig ruhn?
45. So
[]
45.
So bleich und abgezehrt, mit noth und gram umfangen
Als Huͤon ſchien, war der Verſtoß, in den
Der alte Vater fiel, nur allzuleicht begangen.
Allein, wie beyde ſich recht in die Augen ſehn,
Und als der Greis aus Huͤons mund vernommen
Was ihn hieher gebracht, wiewohl ſein anblik ſchon
Ihm alles ſagt, umarmt er ihn wie einen Sohn,
Und heißt recht herzlich ihn in ſeiner Klaus willkommen.
46.
Und fuͤhrt ihn ungeſaͤumt zu einem friſchen Quell,
Der, rein wie luft, und wie kryſtallen hell
Ganz nah an ſeinem Dach aus einem felſen quillet;
Und waͤhrend Huͤon ruht und ſeinen Durſt hier ſtillet,
Eilt er und pfluͤkt in ſeinem kleinen Garten
In einen reinlichen korb die ſchoͤnſten Fruͤchte ab,
Die, fuͤr den fleis ſie ſelbſt zu bauen und zu warten,
Nicht kaͤrglich ihm ein milder Himmel gab;
47.
Und hoͤrt nicht auf ihm ſein erſtaunen zu bezeugen,
Wie einem, der ſich nicht zween fluͤgel angeſchraubt,
Es moͤglich war die felſen zu erſteigen
Wo dreißig jahre ſchon er ſich ſo einſam glaubt
Als wie in ſeinem grab. „Es iſt ein wahres zeichen
Daß euch ein guter Engel ſchuͤzt;
Allein, ſezt er hinzu, das noͤthigſte iſt izt
Dem jungen Weib die hand des troſts zu reichen.
N48. Ein
[]
48.
Ein ſichrer pfad, wiewohl ſo gut verſtekt,
Daß ohne mich ihn niemand leicht entdekt,
Soll in der haͤlfte zeit, die du heraufzudringen
Gebrauchteſt, dich zu ihr, zuruͤk euch beyde bringen.
Was meine huͤtte, was mein kleines paradies
Zu eurer nothdurft hat, iſt herzlich euch erboten;
Glaubt, auch auf Heidekraut ſchmekt ruh der unſchuld ſuͤß,
Und reiner fließt das blut bey kohl und magern ſchoten.
49.
Herr Huͤon dankt dem guͤtigen alten Mann,
Der ſeinen ſtab ergreift ihm ſelbſt den weg zu zeigen,
Und, daß der ruͤkweg ihn nicht irre machen kan,
Bezeichnet er den pfad mit friſchen tannenzweigen.
Noch eh ins abendmeer die goldne Sonne ſinkt
Hat den erſeufzten berg Amanda ſchon erſtiegen,
Wo ſie mit durſtigen weitausgeholten zuͤgen
Den milden ſtrom des reinſten Himmels trinkt.
50.
In eine andre welt, ins Zauberland der Feen,
Glaubt ſie verſezt zu ſeyn; ihr iſt als habe ſie
Den Himmel nie ſo blau, ſo gruͤn die Erde nie,
Die Baͤume nie ſo friſch belaubt geſehen.
Denn hier, in hoher felſen ſchuz
Die ſich im kreis um dieſen luftort ziehen,
Beut noch der Herbſt dem wind von Norden truz,
Und Feigen reiffen noch, und Pomeranzen bluͤhen.
51. Mit
[]
51.
Mit ehrfurchtbebender bruſt, wie vor dem Genius
Des heil'gen orts, faͤllt vor dem eisgrau'n Alten
Amanda hin, und ehrt die duͤrre hand voll falten,
Die er ihr freundlich reicht, mit einem frommen kuß.
In unfreywilligem erguß
Muß ihn ihr herz fuͤr einen Vater halten.
Die furcht iſt ſchon beym zweiten blik verbannt;
Ihr iſt ſie haͤtten ſich ihr lebenlang gekannt.
52.
In ſeinem Anſehn war die angeborne Wuͤrde,
Die, unverhuͤllbar, auch durch eine kutte ſcheint;
Sein ofner blik war aller Weſen freund,
Und ſchien gewohnt, wiewol der jahre buͤrde
Den naken ſanftgekruͤmmt, ſtets himmelwaͤrts zu ſchau'n:
Der innre friede ruht auf ſeinen augenbrau'n,
Und wie ein fels, zu dem ſich wolken nie erheben,
Scheint uͤberm erdentand die reine ſtirn zu ſchweben.
53.
Den roſt der welt, der leidenſchaften ſpur,
Hat laͤngſt der fluß der zeit von ihr hinweggewaſchen.
Fiel' eine Kron' ihm zu, und es beduͤrfte nur
Sie mit der hand im fallen aufzuhaſchen,
Er ſtrekte nicht die hand. Verſchloſſen der Begier,
Von keiner furcht, von keinem ſchmerz betroffen,
Iſt nur dem Wahren noch die heitre ſeele offen,
Nur offen der Natur, und reingeſtimmt zu ihr.
N 254. Al-
[]
54.
Alfonſo nannt' er ſich, bevor er aus den wogen
Der welt geborgen ward, und Leon war das land
Das ihn gebahr. Zum fuͤrſtendienſt erzogen,
Lief er mit tauſenden, vom ſchein wie ſie betrogen,
Dem blendwerk nach, das immer vor der hand
Ihm ſchwebt, und immer im ergreiffen ihm entſchwand,
Dem ſchimmernden geſpenſt, das ewig opfer heiſchet,
Und, gleich dem ſtein der Narr'n, die hofnung ewig taͤuſchet.
55.
Und als er dergeſtalt des Lebens beſte zeit
Im rauſch des ſelbſtbetrugs an Koͤnige verpfaͤndet,
Und gut und blut, mit feur'ger willigkeit
Und unerkannter treu, in ihrem dienſt verſchwendet.
Sah er ganz unverhoft, im ſchoͤnſten morgenroth
Der gunſt, durch ſchnellen fall ſich frey von ſeinen ketten;
Noch gluͤklich, aus der ſchifbruchsnoth
Das leben wenigſtens auf einem Bret zu retten.
56.
In dieſem ſturm, der alles ihm geraubt,
Blieb ihm ein ſchaz, wodurch (ganz gegen hofes ſitte.)
Alfonſo ſich vollkommen ſchadlos glaubt,
Ein liebend weib, ein freund, und eine huͤtte.
Laß, Himmel, dieſe mir, war nun die einz'ge bitte
Die ſein befriedigt herz zu wagen ſich erlaubt.
Zehn jahre lang ward ihm was er ſich bat gegeben.
Allein, ſein ſchikſal war auch dies zu uͤberleben.
57. Drey
[]
57.
Drey ſoͤhn', im vollen trieb der erſten jugendkraft,
Der eignen jugend bild, die hofnung grauer jahre,
Sie wurden durch die peſt ihm ploͤzlich weggeraft;
Bald legt auch ſchmerz und gram die Mutter auf die bahre.
Er lebt! — und niemand iſt der mit ihm weint,
Denn ach! verlaſſen hat ihn auch ſein einzger freund!
Er ſteht allein. Die welt die ihn umgiebet
Iſt Grab — von allem grab, was er, was ihn geliebet.
58.
Er ſteht, ein einſamer, vom ſturm entlaubter baum,
Die quellen ſind verſiegt wo ſeine freuden quollen.
Wie haͤtt ihm izt die huͤtte, wo er kaum
Noch gluͤklich war, nicht ſchreklich werden ſollen?
Was iſt ihm nun die Welt? Ein weiter leerer raum,
Des Gluͤckes ſpielraum, frey ihr rad herumzurollen;
Was ſoll er laͤnger da? Ihm brach ſein lezter ſtab,
Er hat nichts mehr zu ſuchen — als ein grab.
59.
Alfonſo floh in dieſes unwirthbare
Verlaßne Eiland, floh mit faſtzerſtoͤrtem ſinn
In dies gebuͤrg, und fand mehr als er ſuchte drinn,
Erſt ruh', und mit dem ſtillen fluß der jahre
Zulezt zufriedenheit. Ein alter Diener, der
Ihn nicht verlaſſen wollt', die einzge treue ſeele
Die ihm ſein ungluͤk ließ, begleitet' ihn hieher,
Und ihre wohnung war nun eine felſenhoͤle.
N 360. All-
[]
60.
Allmaͤhlich hob ſein herz ſich aus der truͤben flut
Des Grams empor; die nuͤchternheit, die ſtille,
Die reine freye luft, durchlaͤuterten ſein blut,
Entwoͤlkten ſeinen ſinn, belebten ſeinen mut;
Er ſpuͤrte nun, daß, aus der ewgen ſtille
Des lebens, balſam, auch fuͤr Seine wunden, quille;
Oft brachte die Magie von einem ſonnenblik
Auf einmal aus der gruft der Schwermut ihn zuruͤk.
61.
Und als er endlich dies Elyſium gefunden,
Das, rings umher mit wald und felſen eingeſchanzt,
Ein milder Genius, recht wie fuͤr ihn, gepflanzt,
Fuͤhlt' er auf einmal ſich von allem gram entbunden,
Aus einer aͤngſtlichen traumvollen fiebernacht
Als wie zur daͤmmerung des ewgen Tags erwacht.
Hier, rief er ſeinem Freund, vom unverhoften ſchauen
Des ſchoͤnen orts entzuͤkt, hier laß uns huͤtten bauen!
62.
Die huͤtte ward erbaut, und, mit verlauf der zeit,
Zur nothdurft erſt verſehn, dann zur gemaͤchlichkeit,
Wie ſie dem alter eines Weiſen
Geziemt, der minder ſtets begehret als bedarf.
Denn, daß Alfons, als er den erſten plan entwarf
Von ſeiner flucht, ſich mit geraͤth und eiſen,
Und allem was zur huͤlle noͤthig war,
Verſehen habe, ſtellt von ſelbſt ſich jedem dar.
63. Und
[]
63.
Und ſo verlebt' er nun in arbeit und genuß
Des lebens ſpaͤten herbſt, beſchaͤftigt ſeinen garten,
Den quell von ſeinem armen uͤberfluß,
Mit einer muͤh', die ihm zur wolluſt wird, zu warten.
Vergeſſen von der welt, und nur, als an ein ſpiel
Der kindheit, ſich erinnernd aller plage,
Die ihm ihr dienſt gebracht, beſeligt ſeine tage
Geſundheit, unſchuld, ruh, und reines ſelbſtgefuͤhl.
64.
Nach achtzehn jahren ſtarb ſein redlicher Gefaͤhrte.
Er blieb allein. Doch deſto feſter kehrte
Sein ſtiller geiſt nun ganz nach jener Welt ſich hin,
Der, was er einſt geliebt, izt alles angehoͤrte,
Der, auch er ſelbſt ſchon mehr als dieſer angehoͤrte.
Oft in der ſtillen nacht, wenn vor dem aͤußern ſinn
Wie in ihr erſtes Nichts die koͤrper ſich verlieren,
Fuͤhlt' er an ſeiner wang' ein geiſtiges beruͤhren.
65.
Dann hoͤrt' auch wohl ſein halbentſchlummert ohr,
Mit ſchauerlicher luſt, tief aus dem hayn hervor,
Wie Engelsſtimmen ſanft zu ihm heruͤber hallen.
Ihm wird als fuͤhl er dann die duͤnne ſcheidwand fallen,
Die ihn, noch kaum, von ſeinen Lieben trennt;
Sein Inners ſchließt ſich auf, die heilge flamme brennt
Aus ſeiner bruſt empor; ſein Geiſt, im reinen lichte
Der unſichtbaren welt, ſieht himmliſche geſichte.
N 466. Sie
[]
66.
Sie dauren fort, auch wenn die augen ſanftbetaͤubt
Entſchlummert ſind. Wenn dann die morgenſonne
Den ſchauplatz der Natur ihm wieder aufſchließt, bleibt
Die vor'ge ſtimmung noch. Ein glanz von Himmelswonne
Verklaͤret fels und hayn, durchſchimmert und erfuͤllt
Sie durch und durch; und uͤberall, in allen
Geſchoͤpfen, ſieht er dann des Unerſchaffnen Bild,
Als wie in tropfen thau's das bild der ſonne, wallen.
67.
So fließt zulezt unmerklich Erd und Himmel
In ſeinem geiſt in Eins. Sein Innerſtes erwacht.
In dieſer tiefen ferne vom getuͤmmel
Der leidenſchaft, in dieſer heil'gen nacht
Die ihn umſchließt, erwacht der reinſte aller ſinne —
Doch — wer verſiegelt mir mit unſichtbarer hand
Den kuͤhnen mund, daß nichts unnennbars ihm entrinne?
Verſtummend bleib ich ſtehn an dieſes abgrunds rand.
68.
So war der fromme Greis, vor dem mit kindestrieben
Amanda niederfiel. Auch Er, ſo lang entwoͤhnt
Zu ſehn, wornach das herz ſich doch im ſtillen ſehnt,
Ein menſchlich angeſicht! — erlabt nun an dem lieben
Herzruͤhrenden, nicht mehr gehoften anblik ſich,
Und druͤkt die ſanfte hand der Tochter vaͤterlich,
Umarmt den neuen Sohn zum zweitenmal, und blicket
Sprachloſen dank zu Dem, Der ſie ihm zugeſchicket.
69. Und
[]
69.
Und fuͤhrt ſie ungeſaͤumt nach ſeiner ruheſtatt,
Zu ſeinem quell, in ſeine gartenlauben,
Bedekt mit goldnem obſt und großen purpurtrauben,
Und ſezt ſie in beſiz von allem was er hat.
Natur, ſpricht er, bedarf weit minder als wir glauben;
Wem nicht an wenig gnuͤgt, den macht kein reichthum ſatt;
Ihr werdet hier, ſolang die pruͤfungstage waͤhren,
Nichts wuͤnſchenswuͤrdiges entbehren.
70.
Er ſagte dies, weil ihm der erſte blik gezeigt
Was er nicht fragen will und Huͤon ihm verſchweigt.
Denn Beyde, hatte gleich das elend ihre bluͤhte
Halb abgeſtreift, verriethen durch geſtalt
Und ſinnesart, wo nicht ein koͤniglich gebluͤte,
Doch, ſichrer, einen Wehrt, dem ſelbſt die Allgewalt
Des gluͤks nichts rauben kann vom reinen vollgehalt
Der innern angebornen guͤte.
N 5Oberon
[]
Oberon
Zehnter Geſang.
1.
Schon dreymal wechſelte der tag ſein herbſtlich licht,
Seit dieſe freyſtatt ſie in ihrem ſchooße heget,
Und beyde koͤnnen noch ſich des gedankens nicht
Entſchlagen, daß der Greis, der ſie ſo freundlich pfleget,
Kein wahrer Greis, daß er ein Schuzgeiſt iſt,
Vielleicht ihr Ob'ron ſelbſt, der ihres fehls vergißt,
Und da ſie ſchwer genug, daͤucht ſie, dafuͤr gebuͤßet,
Bald wieder gluͤklich ſie zu machen ſich entſchließet.
2.
Nun ſchwindet zwar allmaͤhlich dieſer wahn,
Und ach! mit ihm ſtirbt auch, nicht ohne ſchmerzen,
Die hoffnung die er naͤhrt; doch ſchmiegen ihre herzen
Sich an ein Menſchenherz nur deſto ſtaͤrker an.
Es war ſo ſanft das herz des guten Alten,
So zart ſein mitgefuͤhl, ſein innrer ſinn ſo rein,
Unmoͤglich konnten ſie ſechs tage um ihn ſeyn
Und laͤnger ſich vor ihm verborgen halten.
3. Der
[]
3.
Der junge Mann, im drang der dankbarkeit
Und des vertrau'ns, zumal da ihn zu fragen
Sein Wirth noch immer ſaͤumt, eroͤfnet ungeſcheut
Ihm ſeinen namen, ſtand, und was, ſeit jener zeit,
Da er zu Montlery des Kayſers ſohn erſchlagen,
Bis dieſen tag mit ihm ſich zugetragen:
Durch welchen Auftrag Karl den tod ihm zugedacht,
Und wie er gluͤklich ihn mit Ob'rons ſchuz vollbracht:
4.
Und wie in einem Traum die liebe ſich entſponnen,
Die ihn beym erſten blik mit Rezia vereint;
Wie er mit ihr aus Babylon entronnen,
Und das Verbot, das ſein erhabner Freund
Ihm auferlegt, und wie, ſobald er deſſen
In einem augenblik von liebesdrang vergeſſen,
Die ganze Natur ſich gegen ſie empoͤrt
Und ihres Schuͤtzers huld in rache ſich verkehrt.
5.
Wohl, ſpricht der edle Greis, wohl dem, den ſein Geſchik
So liebreich, und zugleich ſo ſtreng erziehet,
Den kleinſten fehltritt ihm nicht ſtraflos uͤberſiehet,
Wohl ihm! Denn ganz gewiß, das reinſte erdengluͤk
Erwartet ihn. Auf herzen wie die euern
Zuͤrnt Oberon nicht ewig. Glaube mir,
Mein Sohn, ſein auge ſchwebt unſichtbar uͤber dir;
Verdiene ſeine huld, ſo wird ſie ſich erneuern!
6. Und
[]
6.
Und wie verdien ich ſie? Mit welchem opfer ſtill'
Ich ſeinen zorn? fragt Huͤon raſch den Alten;
Ich bin bereit, es ſey ſo ſchwer es will;
Was kann ich thun? — Freywillig dich enthalten,
Antwortet ihm Alfons: Was du geſuͤndigt haſt
Wird Dadurch nur gebuͤßt. — Der junge Mann erblaßt.
Ich fuͤhl es, ſpricht der Greis mit ſanfterroͤthender wange;
Allein, ich weiß von Wem ich es verlange!
7.
Ein edles ſelbſtgefuͤhl ergreift den jungen Mann:
„Hier haſt du meine hand!“ — Mehr ward kein wort geſprochen.
Und wohl ihm, der, nach mehr als hundert wochen,
Sich ſelbſt das zeugniß geben kann,
Er habe ſein geluͤbde nicht gebrochen!
Es war der ſchoͤnſte ſieg, den Huͤon je gewann.
Doch hat er oft die furcht vorm Alten zu erroͤthen,
Oft Rezia's ſtandhaftern ernſt vonnoͤthen.
8.
Nichts unterhaͤlt ſo gut (verſichert ihn der Greis)
Die ſinnen mit der pflicht im frieden,
Als fleißig ſie durch arbeit zu ermuͤden;
Nichts bringt ſie leichter aus dem gleis
Als muͤß'ge traͤumerey. Um der zuvorzukommen,
Wird ungeſaͤumt, ſobald der tag erwacht,
Die ſcharfe axt zur hand genommen,
Und holz im hayn gefaͤllt bis in die dunkle nacht.
9. Noch
[]
9.
Noch eine huͤtte fuͤr Amanden aufzurichten,
Und dach und waͤnde wohl mit leim und moos zu dichten,
Dann zum Kamin, der immer lodern muß,
Und fuͤr den heerd, den noͤthigen uͤberfluß
Von fettem kien und kleingeſpaltnen fichten
Hoch an den waͤnden aufzuſchichten,
Dies und viel anders giebt dem Prinzen viel zu thun:
Allein, es hilft ihm nachts auch deſto beſſer ruhn.
10.
Zwar anfangs will es ihm nicht gleich nach wunſch gelingen,
Die holzaxt ſtatt des ritterſchwerts zu ſchwingen;
Die ungewohnte hand greift alles ſchwerer an,
Und in der halben zeit haͤtt' es ein knecht gethan.
Doch taͤglich nimmt er zu, denn uͤbung macht den meiſter;
Und fuͤhlt er dann und wann ſich dem erliegen nah,
So wehet der gedank, es iſt fuͤr Rezia,
Sein feuer wieder an, und ſtaͤrkt die matten geiſter.
11.
Indeſſen Huͤon ſich im wald ermuͤdet, pflegt
Der edle Greis, der mit noch feſtem tritte
Die ſchwere laſt von achtzig jahren traͤgt,
Der ruhe nicht; nur daß er von der huͤtte
Sich ſelten weit entfernt. Kein heitrer tag entflieht,
Der nicht in ſeinem lieben garten
Ihn dies und das zu thun beſchaͤftigt ſieht.
Amandens ſorge iſt des kleinen heerds zu warten.
12. Da
[]
12.
Da ſaͤhe man (wiewohl, wenn Engel nicht
Mit ſtillem blik ihr ebenbild umweben,
Wer ſieht ſie hier?) mit heiterm angeſicht,
Auf dem die ſorgen nur wie leichte woͤlkchen ſchweben,
Die Koͤnigstochter gern ſich jeder niedern pflicht
Der kleinen wirtſchaft untergeben:
Auch was ſie nie gekannt, viel minder je gethan,
Wie ſchnell ergreift ſie es, wie ſteht ihr alles an!
13.
Oft ſchuͤrzt ſie, ohne mindſten harm
Daß ihre zarte haut den ſchoͤnen ſchmelz verliere,
Beym waſſertrog, vor ihrer huͤttenthuͤre,
Den ſchlanken ſchwanenweißen arm.
Die freud' (ihr ſuͤßer lohn) den vaͤterlichen Alten
Und den geliebten Mann in einem ſtand zu halten,
Der von dem druͤckendſten der armut ſie befreyt,
Veredelt, wuͤrdigt ihr des tagwerks niedrigkeit.
14.
Und ſieht ſie dann (auch Er iſt jener Engel einer!)
Der heilge Greis, der von der arbeit kehrt,
Und ſegnet ſie: o dann iſt ihre freude reiner
Und inniger, als wuͤrd' ihr dreymal mehr verehrt
Als ſie zu Bagdad ließ. Wenn dann bey ſternenlichte
Die nacht ſie alle drey am feuerheerd vereint,
Und auf Amandens lieblichem geſichte,
Das halb im ſchatten ſteht, die flamme widerſcheint:
15. Dann
[]
15.
Dann ruht, mit ſtillem liebevollen
Entzuͤkten blik, der junge Mann auf ihr,
Und ſeine ſeele ſchwillt, und ſuͤße thraͤnen rollen
Die dunkle wang' herab. Tief ſchweiget die begier!
Sie iſt ein uͤberirdiſch Weſen
Das ihm zum troſt erſcheint — er iſt begluͤkt genug,
Daß er ſie lieben darf, und o! in jedem zug,
In jedem keuſchen blik, daß er geliebt iſt, leſen!
16.
Oft ſitzen ſie, der fromme freundliche Greis
In ihrer mitt', Amanda ſeine rechte
In ihrer linken hand, und hoͤren halbe naͤchte
Ihm zu, von ſeiner langen lebensreiſ'
Ein ſtuͤk, das ihm lebendig wird, erzaͤhlen.
Vom antheil, den die warmen jungen ſeelen
An allem nehmen, wird's ihm ſelber warm dabey,
Dann werden unvermerkt aus zwoo geſchichten drey.
17.
Zuweilen, um den geiſt des truͤbſinns zu beſchwoͤren,
Der, wenn die flur in dumpfer ſtille traurt,
Im ſchneegewoͤlk mit eulenfluͤgeln laurt,
Laͤßt Huͤon ſeine kunſt auf einer harfe hoͤren,
Die er von ungefaͤhr in einem winkel fand,
Lang ungebraucht, verſtimmt, und kaum noch halb beſpannt:
Doch ſcheint das ſchnarrende holz von Orfeus geiſt beſeelet,
Sobald ſich Rezia's geſang mit ihm vermaͤhlet.
18. Oft
[]
18.
Oft lokte ſie ein heller wintertag,
Wenn fern die ſee von ſtrenger kaͤlte rauchte,
Der blendendweiße ſchnee dicht auf den bergen lag,
Und izt die abendſonn' ihn wie in purpur tauchte,
Dann lokte ſie der wunderſchoͤne glanz
Im reinen ſtrom der kalten luft zu baden.
Wie maͤchtig fuͤhlten ſie ſich dann geſtaͤrkt! wie ganz
Durchheitert, neubelebt, und alles grams entladen!
19.
Unmerklich ſchluͤpfte ſo die winterzeit vorbey.
Und nun erwacht aus ihrem langen ſchlummer
Die Erde, kleidet ſich aufs neu
In helles gruͤn; der wald, nicht mehr ein ſtummer
Veroͤdeter Ruin, wo nur die pfeiler ſtehn
Der praͤchtgen laubgewoͤlb' und hohen ſchattengaͤnge
Des Tempels der Natur, ſteht wieder voll und ſchoͤn,
Und laub druͤkt ſich an laub in lieblichem gedraͤnge.
20.
Mit blumen decket ſich der buſen der Natur,
Aufbluͤhend lacht der garten und die flur;
Man hoͤrt die luft von vogelſang erſchallen;
Die felſen ſtehn bekraͤnzt; die fließenden kryſtallen
Der quellen perlen wieder rein
Am friſchem moos herab; den immer dichtern hayn
Durchſchmettert ſchon im lauen mondenſchein,
Die ſtille nacht hindurch, das lied der nachtigallen.
21. Aman-
[]
21.
Amanda, deren ziel nun immer naͤher ruͤkt,
Sucht gern die einſamkeit, ſucht ſtille dunkle ſteige
Im hayn ſich aus, und dichtgewoͤlbte zweige.
Da lehnt ſie oft, von ahnungen gedruͤkt,
An einem bluͤhnden baum, und freuet ſich des webens
Und ſumſens und gedraͤngs und allgemeinen lebens
In ſeinem ſchoos — und druͤkt mit vorempfundner luſt
Ein lieblich Kind im geiſt an ihre bruſt.
22.
Ein lieblich kind, das ihre mutterliebe
Mit jedem ſuͤßen reiz verſchwenderiſch begabt,
Sich ſchon voraus an jedem zarten triebe,
Der ihm entkeimt, ſich ſchon am erſten laͤcheln labt,
Womit es ihr die leiden alle danket
Die ſie ſo gern um ſeinetwillen trug;
Sich labt an jedem ſchoͤnen zug
Worinn des vaters bild ſanft zwiſchen ihrem ſchwanket.
23.
Allmaͤhlich wird der wonnigliche traum
Von ſchuͤchternen beaͤngſtigungen
Und ſtillem gram, den ſie vor Huͤon kaum
Verbergen kann und doch verbergen will, verdrungen.
O Fatme, denkt ſie oft, und thraͤnen ſtehen ihr
Im auge, waͤreſt du in dieſer noth bey mir!
Getroſt, o Rezia! Das ſchikſal das dich leitet
Hat dir zu helfen laͤngſt die wege vorbereitet!
O24. Ti-
[]
24.
Titania, die Elfenkoͤnigin,
Sie hatte ſeit dem tag, da troz und widerſinn
So unvermuthet ſie um Oberons herz betrogen,
Sich in dies nemliche gebuͤrg zuruͤkgezogen.
Mit dem Gemal, der ihr durch einen Schwur entſagt,
Den unterm unbegrenzten bogen
Des himmliſchen azurs kein Geiſt zu brechen wagt,
Mit ſeiner lieb und ihm war all ihr gluͤk entflogen.
25.
Zu ſpaͤt beweint ſie nun die unbeſonnene That
Des raſchen augenbliks; fuͤhlt mit beſchaͤmten wangen
Die groͤße ihrer ſchuld, den ſchweren hochverrath
Den ſie an ihm und an ſich ſelbſt begangen.
Vergebens kaͤmpft ihr ſtolz der ſtaͤrkern zaͤrtlichkeit
Entgegen! — Ach! ſie floͤge himmelweit
Und waͤrfe gern, um ihr vergehn zu buͤßen,
In thraͤnen ſich zu des Erzuͤrnten fuͤßen.
26.
Was haͤlf es ihr? Er ſchwur, in waſſer noch in luft,
Noch wo im bluͤhtenhayn die zweige balſam regnen,
Noch wo der hagre Greif in ewigfinſtrer gruft
Bey zauberſchaͤtzen wacht, ihr jemals zu begegnen!
Vergebens kaͤm ihn ſelbſt die ſpaͤte reue an,
Auf ewig feſſelt ihn der ſchwur den er gethan.
Ihn auszuſoͤhnen bleibt ihr keine pforte offen;
Die einz'ge die ihr bleibt, was iſt von der zu hoffen?
27. Sie
[]
27.
Sie iſt auf ewig zu. Denn nur ein liebend paar
Wie keines iſt, wie niemals keines war
Noch ſeyn wird, ſchließt ſie auf. Von ſchwachen Adamskindern
Zu hoffen eine Treu — die keines ſturmwinds ſtoß
Erſchuͤttert, eine treu, die keine probe mindern
Kein reiz betaͤuben kann — Unmoͤglich! — Hoffnunglos
Sinkt in der fernſten Zukunft dunkeln ſchoos
Ihr thraͤnenſchwerer blik — nichts kann ihr elend mindern!
28.
Verhaßt iſt ihr nunmehr der Elfen ſcherz, der tanz
Im mondenlicht, verhaßt in ſeinem roſenkleide
Der ſchoͤne May; ihr ſchmuͤkt kein myrtenkranz
Die ſtirne mehr; der anblik jeder freude
Reißt ihre wunden auf. Sie flattert durch das Leer
Der weiten luft im ſturmwind hin und her,
Findt nirgends ruh, und ſucht mit truͤbem blicke
Nach einem ort, der ſich zu ihrer ſchwermut ſchicke.
29.
Zulezt entdekt ſich ihr im großen Ozean
Dies Eyland. Aufgethuͤrmt aus ſchwarzen ungeheuern
Ruinen, lokt es ſie durch ſeine ſchwaͤrze an
Den irren flug dahin zu ſteuern.
Es ſtimmt zu ihrem ſinn. Sie taumelt aus der luft
Herab, und ſtuͤrzet ſich in eine finſtre gruft,
Um ungeſtoͤrt ihr daſeyn wegzuweinen,
Und unter felſen, ſelbſt, wo moͤglich, zu verſteinen.
O 230. Schon
[]
30.
Schon ſiebenmal, ſeitdem Titania
Dies traurige leben fuͤhrt, verjuͤngte ſich die erde
Ihr unbemerkt. Als wie auf einem opferheerde
Liegt ſie auf einem ſtein, den Tod erwartend, da;
Der tag geht auf und ſinkt; die holde ſchattenſonne
Beleuchtet zauberiſch die felſen um ſie her;
Vergebens! Stroͤmten auch die quellen aller wonne
Auf einmal uͤber ſie, ihr herz blieb' wonneleer.
31.
Das einz'ge, was ihr noch mit einem traum des ſchattens
Von troſt ihr ewig leid verſuͤßt,
Iſt, daß vielleicht der zuſtand ihres Gattens
Dem Ihren gleicht, und Er vielleicht noch haͤrter buͤßt.
Gewiß, noch liebt er ſie, und o! wofern er liebet,
Er, durch ſich ſelbſt verdammt zum ſchoͤpfer Ihrer pein
Und ſeiner eignen quaal, wie elend muß er ſeyn!
So elend, daß ſie gern ihm ihren theil vergiebet!
32.
Doch, da fuͤr jede ſeelenwunde
Wie tief ſie brennt, die Zeit, die große troͤſterin,
Den wahren balſam hat: ſo kam zulezt die ſtunde
Auch bey Titania, da ihr verdumpfter ſinn
Sich allgemach entwoͤlkt, ihr herz geduldiger leidet,
Und ihre Fantaſie in gruͤn ſich wieder kleidet:
Sie giebt den ſchmeicheleyn der Hoffnung wieder raum,
Und was unmoͤglich ſchien wird izt ihr Morgentraum.
33. Auf
[]
33.
Auf einmal grauet ihr vor dieſen duͤſtern ſchluͤnden,
Worinn ſie einſt ſich gern gefangen ſah;
Schnell muß aus ihrem aug' ein theil der klippen ſchwinden,
Und ein Elyſium ſteht bluͤhend vor ihr da.
Auf ihren leiſen ruf erſchienen
Drey liebliche Sylfiden, die ihr dienen;
Ein ſchweſterliches Drey, das ihren gram zerſtreut,
Und der Verlaßnen', mehr aus lieb als pflicht, ſich weiht.
34.
Das Paradies, das ſich die Elfenkoͤnigin
In dieſe felſen ſchuf, war eben das; worinn
Alfonſo ſchon ſeit dreyßig jahren wohnte;
Und, ihm unwiſſend, war's die grotte, wo ſie thronte,
Woraus ihm, durchs gebuͤſch vom nachtwind zugefuͤhrt,
Der liebliche geſang, gleich Engelsſtimmen, hallte;
Sie war's, die ungeſehn bey ihm voruͤber wallte,
Wenn er an ſeiner wang' ein geiſtig weh'n verſpuͤrt.
35.
Auch unſre Liebenden, vom tag an, da die wogen
An dieſes Eyland ſie getragen, hatte ſie
Bemerkt, und taͤglich ſpaͤt und fruͤh
Erkundigung von ihnen eingezogen.
Oft ſtand ſie ſelbſt, wenn jene ſich allein
Vermeynten, ungeſehn, ſich naͤher zu belehren;
Und was ſie hoͤrt und ſah gab ihr den zweifel ein,
Ob ſie vielleicht das paar, das ſie erwartet, waͤren.
O 336. Je
[]
36.
Je laͤnger ſie auf ihr Betragen merkt,
Je mehr ſie ſich in ihrer hoffnung ſtaͤrkt.
Sind Huͤon und Amanda die getreuen
Probfeſten ſeelen nicht, die Oberon begehrt,
So muß ſie ihrer nur auf ewig ſich verzeihen.
Von nun an ſind ſie ihr wie ihre augen wehrt,
Und ſie beſchließt, mit ihren kleinen Feen
Dem edeln jungen Weib unſichtbar beyzuſtehen.
37.
Die ſtunde kam. Von dumpfer bangigkeit
Umhergetrieben, irrt Amanda im gebuͤſche,
Das, um die huͤtten her, ein liebliches gemiſche
Von wohlgeruch zum morgenopfer ſtreut.
Sie irret fort, ſo wie der ſchmale pfad ſich windet,
Bis ſie ſich unvermerkt vor einer grotte findet,
Die ein geweb von epheu leicht umkraͤnzt,
Auf deſſen dunkelm ſchmelz die morgenſonne glaͤnzt.
38.
Alfonſo hatte oft vordem hineinzugehen
Verſucht, und allemal vergebens; eben dies
War ſeinem alten Freund, war Huͤon ſelbſt geſchehen,
So oft er, um des wunders ſich gewiß
Zu machen, es verſucht. Sie hatten nichts geſehen;
Sie fuͤhlten nur ein ſeltſam widerſtehen,
Als ſchoͤbe ſich ein unſichtbares thor,
Indem ſie mit gewalt eindringen wollten, vor.
39. Schnell
[]
39.
Schnell uͤberfiel ſie dann ein wunderbares grauen,
Sie ſchlichen leiſe ſich davon
Und keiner wollte ſich der probe mehr getrauen.
Man weiß nicht, ob Amanda ſelbſt es ſchon
Zuvor verſucht; genug, ſie konnte dem gedanken
Die erſte, der's gegluͤkt, zu ſeyn
Nicht widerſtehn; ſie ſchob die epheuranken
Mit leichter hand hinweg, und — gieng hinein.
40.
Kaum ſah ſie ſich darinn, ſo kam ein heimlich zittern
Sie an; ſie ſank auf einen weichen ſiz
Von roſen und von moos. Izt fuͤhlt ſie, bliz auf bliz,
Ein ſchneidend weh gebein und mark erſchuͤttern.
Es gieng vorbey. Ein angenehm ermatten
Erfolgte drauf. Es ward wie mondenſchein
Vor ihrem blik, der ſtets in tiefre ſchatten
Sich taucht', und, ſanft ſich ſelbſt verlierend, ſchlief ſie ein.
41.
Izt daͤmmern liebliche verworrene geſtalten
In ihrem Innern auf, die bald voruͤberfliehn,
Bald wunderbar ſich in einander falten.
Ihr daͤucht, ſie ſeh drey Engel vor ihr knien,
Und ihrverborgene Myſterien verwalten;
Und eine Frau, gehuͤllt in roſenfarbes licht,
Steh neben ihr, ſo oft der athem ihr gebricht
Ein buͤſchel roſen ihr zum munde hinzuhalten.
O 442. Zum
[]
42.
Zum leztenmal beklemmt ihr hoͤherſchlagend herz
Ein kurzer ſanftgedaͤmpfter ſchmerz;
Die bilder ſchwinden weg, und ſie verliert ſich wieder.
Doch bald, erwekt vom nachklang ſuͤßer lieder
Der halbverweht aus ihrem ohr entflieht,
Schlaͤgt ſie die augen auf, und ſieht
Die drey nicht mehr, ſieht nur die Koͤnigin der Feen
In ihrem roſenglanz ſanftlaͤchelnd vor ihr ſtehen.
43.
Auf ihren armen lag ein neugeboren kind.
Sie reichts Amanden hin, und, wie verweht vom wind,
Entſchwebt die Goͤttin ihrem blicke;
Doch blieb noch lang ein roſenduft zuruͤcke.
Im gleichen Nu erwacht Amand' aus ihrem traum,
Und ſtrekt den arm empor, als wollte ſie den ſaum
Des roſigten gewandes noch erfaſſen;
Umſonſt! ſie greift nach luft, und iſt allein gelaſſen.
44.
Doch, einen pulsſchlag noch, und wie unnennbar groß
Iſt ihr erſtaunen, ihr entzuͤcken?
Kaum glaubt ſie dem gefuͤhl, kaum traut ſie ihren blicken!
Sie fuͤhlt ſich ihrer buͤrde los,
Und zappelnd liegt auf ihrem ſanften ſchoos
Der ſchoͤnſte Knabe, friſch wie ein morgenroſ'
Und wie die Liebe ſchoͤn! Mit wonnevollem beben
Fuͤhlt ſie ihr herz ſich ihm entgegenheben.
45. Sie
[]
45.
Sie fuͤhlt's, es iſt ihr Sohn! Mit thraͤnen inniger luſt
Gebadet, druͤkt ſie ihn an wange, mund, und bruſt,
Und kann nicht ſatt ſich an dem knaben ſehen.
Auch ſcheint der knabe ſchon die Mutter zu verſtehen.
Laßt ihr zum mindſten den genuß
Des ſuͤßen wahns! Er ſchaut aus ſeinen großen augen
Sie ja ſo ſprechend an — und ſcheint nicht jeden kuß
Sein kleiner mund dem ihren zu entſaugen?
46.
Sie hoͤrt den ſtillen ruf — wie leiſe hoͤrt
Ein mutterherz! — und folgt ihm unbelehrt.
Mit einer luſt, die, wenn ſie neiden koͤnnten,
Die Engel, die auf ſie herunter ſahn,
Die Engel ſelbſt beneidenswuͤrdig nennten,
Legt ſie an ihre bruſt den holden ſaͤugling an.
Sie leitet den Inſtinkt, und laͤßt nun an den freuden
Des zartſten mitgefuͤhls ihr herz vollauf ſich weiden.
47.
Indeſſen hat im ganzen Hain umher
Ihr Huͤon ſie geſucht, zwoo aͤngſtlich lange ſtunden,
Und, da er nirgends ſie gefunden,
Fuͤhrt ihn zulezt ſein irrer fuß hieher.
Er naͤhert ſich der unzugangbarn Grotte;
Nichts haͤlt ihn auf, er kommt — o welch ein augenblik!
Und ſieht das holde Weib, mit einem Liebesgotte
An ihrer bruſt, vertieft, verſchlungen in ihr gluͤk.
O 548. Ihr,
[]
48.
Ihr, denen die Natur, beym eingang in dies leben,
Den uͤberſchwenglichen Erſaz
Fuͤr alles andre gluͤk, den unverlierbarn ſchaz,
Den alles gold der Aureng-Zeben
Nicht kauffen kann, das Beſte in der welt
Was ſie zu geben hat, und was ins beßre leben
Euch folgt — ein fuͤhlend herz und reinen ſinn gegeben,
Blikt hin und ſchaut! — Der heil'ge vorhang faͤllt!
Oberon
Eilfter Geſang.
1.
Es iſt nun zeit, uns auch nach Fatme umzuſchauen,
Die wir, ſeit Rezia mit Huͤon ſich ins meer
Geſtuͤrzt, im ſchiff, allein und alles troſtes leer
Gelaſſen, tag und nacht das ſchikſal ihrer Frauen
Beweinend, und ihr eignes freylich auch.
Denn ach! ſie weint, ſie ſchreyt, ſie rauft ihr haar vergebens;
Er iſt verweht, mit einem einzigen hauch
Verweht, der ganze Bau der ruhe ihres lebens.
2. Was
[]
2.
Was ſoll nun aus ihr werden, ſo allein
In einem ſchiff, von zuͤgelloſen ſoͤhnen
Des rauhen meers umringt, die ihren jammer hoͤhnen,
Mit frechen augen ſchon, berauſcht in feurigem wein,
Verſchlingen ihren raub — was wird ihr ſchikſal ſeyn?
Zum gluͤk erbarmet ſich der ſchuzberaubten Schoͤnen
Ein unverhofter ſturm, der in der zweyten nacht
Die ſee zum tummelplaz empoͤrter wogen macht.
3.
Die Pinke treibt, indeß ein allgemeines zagen
Das volk entnervt, auf ungewiſſem meer
Herumgejagt, bald weſt bald ſuͤdwaͤrts hin und her;
Bis, da der winde wut in ſieben ſchreklichen tagen
Erſchoͤpft iſt, an den ſtrand von Tunis ſich verſchlagen
Der Hauptmann ſieht. Den zufall der ihn ſehr
Zur unzeit uͤberraſcht, in vortheil zu verwandeln,
Beſchließt er Fatmen hier als Sclavin zu verhandeln.
4.
Denn Fatme, die kaum fuͤnf und dreißigmal
Den May ſein blumenkleid entfalten
Geſehn, war eine aus der zahl
Der lange bluͤhenden Geſtalten
Die nicht ſo leicht verwittern noch veralten;
Und die mit Reizen von gewicht,
Viel feu'r im blik, viel gruͤbchen im geſicht,
Euch fuͤr den roſenglanz der jugend ſchadlos halten.
5. Des
[]
5.
Des Koͤnigs Gaͤrtner kam, durch zufall, auf den plaz
Wo alles das um vierzig Sultaninen
Zu kauffen war. Es ſchien betrachtung zu verdienen;
Er trat hinzu, beſah, und fand es ſey ein Schaz.
Sein grauer kopf ward nicht zu rath gezogen.
Es fehlte, duͤnkt ihn, nichts in ſeinem Guliſtan
Als eben dies. Das gold wird hurtig vorgewogen,
Und Fatme duldet ſtill was ſie nicht aͤndern kann.
6.
Indeß verfolgt mit ſtets gewognem winde
Der treue Scherasmin den anbefohlnen lauf.
Kaum nahm Maſſiliens Port ihn wohlbehalten auf,
So ſezt er ſich zu pferd, und eilt ſo ſchnell, als ſtuͤnde
Sein Leben drauf, zum Kayſer nach Paris.
Er hatte ſchon die naͤchſte hoͤh' erſtiegen
Und ſah im morgenroth die ſtadt noch ſchlummernd liegen,
Als ploͤzlich ſich ſein kopf an einen zweifel ſtieß.
7.
„Halt, ſprach ſein geiſt zu ihm, und eh wir weiter traben,
Bedenke wohl was du beginnſt, mein ſohn!
Zwar ſollte das dein weiſer ſchaͤdel ſchon
Zu Askalon erwogen haben,
Wiewohl der wind, der dort in Huͤons ſegel blies,
Dir wenig zeit zum uͤberlegen ließ.
Doch, wenn wir ehrlich mit einander ſprechen wollen,
Du haͤtteſt damals dich ganz anders ſtraͤuben ſollen.“
8. „Denn
[]
8.
„Denn, unter uns geſagt, es iſt doch offenbar
Kein menſchenſinn in dieſer Ambaſſade.
Den Kayſer, der vorhin uns nie gewogen war,
Erbittert ſie gewiß im hoͤchſten grade.
Am ende waͤr es nur um's reiche kaͤſtchen ſchade!
Denn, wahrlich, mit der handvoll ziegenhaar,
Und mit den zaͤhnen da, Gott weis aus welchem rachen,
Wird deine Exzellenz ſehr wenig eindruk machen.“
9.
„Ja, wenn Herr Huͤon ſelbſt, mit ſtattlichem geleite
Von reiſigen Trabanten, und ſofort,
Und mit der Tochter des Kalifen an der ſeite
Hereingeſchritten waͤr', und haͤtte ſelbſt das wort
Gefuͤhrt, und mit gehoͤrigen grimaſſen,
Wie einem Ritter, Duͤe und Pair
Geziemt, auf rothem Sammt, von goldnen quaſten ſchwer,
Die ſachen uͤberreicht — da wollt' ichs gelten laſſen!“
10.
„Da kommt des aufzugs pracht, die fey'rlichkeit, der glanz
Der Sultanstochter, an der hand des ſtolzen Gatten,
Kurz, jeder umſtand kommt dem andern da zu ſtatten,
Und traͤgt das ſeine bey, die Sache rund und ganz
Zu machen. Karlen bleibt nichts weiter einzuwenden,
Er hat den glauben in den augen und in haͤnden;
Der Ritter hat ſein wort gehalten als ein Mann,
Und fodert frey was ihm kein Recht verſagen kann.“
11. „ Das
[]
11.
„Das alles geht auf einmal in die bruͤche,
Freund Scherasmin, wenn du nicht kluͤger biſt
Als der dich abgeſchikt. Wohlan, was raths? was iſt
Zu thun? — Das beſte waͤr, auf allen fall, er ſchliche
Mit ſeinem kaͤſtchen ſich ganz ſachte wieder ab
Eh jemand ihn bemerkt, und ritt' im großen trab
Geradenwegs nach Rom, dem freyport aller frommen,
Wo hoffentlich ſein Herr inzwiſchen angekommen.“
12.
So ſprach zu Scherasmin ſein beßrer Genius:
Und da er ihm, nach langem uͤberlegen
Der ſache, kluͤgers nichts entgegen
Zu ſetzen hatte, war ſein endlicher entſchluß
Der guten ſtadt Paris das ſchulterblat zu weiſen
Und ſporenſtreichs nach Rom zu ſeinem Herrn zu reiſen,
Er uͤberſteigt die Alpen, langet an,
Und gleich ſein erſter gang iſt nach dem Lateran.
13.
Allein, umſonſt ermuͤdet er mit fragen
Nach ſeinem Herrn den Schweizer, der die wach'
Am thore hat, umſonſt das ganze vorgemach,
Kein menſch kann ihm ein wort von Ritter Huͤon ſagen.
Vergebens rennet er die Stadt von haus zu haus
Und alle Kirchen und Spitaͤler fragend aus,
Und ſchildert ihn vom ferſen bis zur ſcheitel
Den leuten vor — all ſeine muͤh iſt eitel.
14. Vier
[]
14.
Vier ewige wochen lang, und dann noch zwo dazu,
Verweilt er ſich in ſtets betrognem hoffen,
Laͤßt keinen tag ſich ſelbſt noch andern ruh
Mit forſchen, ob ſein Prinz denn noch nicht eingetroffen;
Und, da kein warten hilft, beginnt er uͤberlaut
Ein großes Ventregris, nach Basquen art, zu fluchen,
Und ſchwoͤrt, ſo weit der Himmel blaut,
In einem pilgerkleid den Ritter aufzuſuchen.
15.
Was konnt er anders thun? Sein geld war aufgezehrt,
Und eine perle nur vom kaͤſtchen anzugreiffen,
(Das billig hundertfachen wehrt
In Huͤons augen hat, weil ihm's der Zwerg verehrt)
Eh ließ er ſich den balg vom leibe ſtreiffen!
Von einem pilgersmann wird weder gold begehrt
Noch ſilbergeld; er kann mit Muſchelſchalen
Und Litaueyn die halbe welt bezalen.
16.
So bettelt nun zwey jahre lang, und mehr,
Der treue unverdroſſne Alte
Sich durch die welt, die laͤnge und die queer',
Und macht an jedem port, auf jeder inſel halte;
Fragt uͤberall vergebens ſeinem Herrn
Und ſeiner Dame nach — bis ihn zulezt ſein ſtern,
Und ein geheimer trieb, der ſeine hoffnung ſchuͤret,
Nach Tunis vor die thuͤr des alten Gaͤrtners fuͤhret.
17. Er
[]
17.
Er ſezt ſich vor die thuͤr auf eine bank von ſtein,
Um, muͤde wie er iſt und ſchwach von langem faſten,
Im ſchatten da ein wenig auszuraſten,
Und eine Sclavin bringt ihm etwas brod und wein.
Sie ſieht dem Mann im braunen pilgerkleide
Erſtaunt ins aug', und Er der Sclavin ebenfalls,
Und, ſich mit einem ſchrey des ſchreckens und der freude
Erkennend, fallen ſie einander um den hals.
18.
Biſt du es, Fatme, ruft an ihrer naſſen wange
Der Pilger freudig aus; iſt moͤglich? — Ach! ſchon lange
Ließ Scherasmin die hoffnung ſich vergehn —
Iſts moͤglich daß wir uns zu Tunis wiederſehn?
Was fuͤr ein wind hat euch in dieſe Heydenlande
Verweht? Und wo iſt Huͤon und Amande?
Ach, Scherasmin, ſchreyt Fatme laut, und bricht
In thraͤnen aus — Sie ſind — Ich Arme! — Frage nicht!
19.
Was ſagſt du, ruft der Alte, — Gott verhuͤte!
Was ſind ſie? Sprich! — „Ach Scherasmin, ſie ſind“ —
Mehr bringt ſie nicht heraus! Das ſtockende gebluͤte
Erſtikt die red' in ihrer bruſt — Sie ſind? —
O Gott! ſchluchzt Scherasmin, und weinet wie ein kind
An Fatmens hals — In ihrer vollen bluͤthe!
Es iſt zu hart! Allein mir ſchwahnte lang vorher
Nichts gutes! Fatme — ach! die Probe war zu ſchwer!
20. So-
[]
20.
Sobald die gute Frau zum klaͤglichen berichte
Nur wieder athem hat, erzaͤhlt ſie ſtuͤk vor ſtuͤk,
Von ſeiner abreiſ' an bis auf den augenblik
Der ſchreckennacht, da, beym auffackelnden lichte
Der blitze, Rezia, durch alles volk, das dichte
Auf Huͤon draͤngt, ſich ſtuͤrzt, den arm in liebeswut
Um den Geliebten ſchlingt und in die wilde flut
Ihn mit ſich reißt — die traurige geſchichte.
21.
Drauf ſitzen ſie wohl eine ſtunde lang
Beyſammen, ſich recht ſatt zu klagen und zu weinen,
Und beyde ſich, aus treuem liebesdrang,
Zum preis des ſchoͤnſten Paares zu vereinen,
Das je die welt geziert. Nein, ruft ſie vielmals, nie,
Nie werd' ich eine Frau, wie dieſe, wiederſehen!
Noch ich, ruft Scherasmin in gleicher melodie,
Je einem Fuͤrſtenſohn wie Er zur ſeite ſtehen!
22.
Zulezt, nachdem er ſich wohl dreymal ſagen laſſen
Wie alles ſich begab, geht ihm ein ſchwacher ſchein
Von Glauben auf, und laͤßt ihn hoffnung faſſen,
Sie koͤnnten beyde doch vielleicht gerettet ſeyn.
Je mehr er es bedenkt, je minder geht ihm ein,
Daß Oberon auf ewig ſie verlaſſen;
In allem dem; was er fuͤr ſie gethan,
War abſicht, wie ihn daͤucht, und ein geheimer plan.
P23. Bey
[]
23.
Bey dieſem ſchwachen hoffnungsſchimmer,
Der, wie ein fernes licht in tiefer nacht, ihm ſcheint,
Entſchließt er ſich, von Fatme nun ſich nimmer
Zu trennen, und, mit ihr durch gleichen ſchmerz vereint,
Des Schikſals aufſchluß hier in Tunis abzuwarten.
Durch ihren vorſchub tauſcht er pilgerſtab und kleid
Mit einem ſclavenwamms und einem grabeſcheid,
Und dient um tagelohn im koͤniglichen garten.
24.
Indeſſen Fatme und der wakre Scherasmin
Die blumenfelder, die ſie bauen,
Wie ihrer Lieben grab, mit thraͤnen oft bethauen;
Sieht Huͤon, ſeit ſein pruͤfend ſchikſal ihn
In dieſe Einſiedley voll anmuth und voll grauen
Verbannt, nicht ohne gram den dritten fruͤhling bluͤhn.
Unmoͤglich kann er noch ſein heldenherz entwoͤhnen
Ins weltgetuͤmmel ſich mit Macht zuruͤkzuſehnen.
25.
Der kleine Huͤonnet, das ſchoͤnſte mittelding
Von muͤtterlichem reiz und vaͤterlicher ſtaͤrke,
Das je am hals von einer Goͤttin hieng,
Und wahrlich doch zu anderm tagewerke
Beſtimmt, als mit der axt auf ſeiner ſchulter einſt
Ins holz zu gehn, vermehrt nur ſeinen kummer.
Auch dich, o Rezia, in naͤchten ohne ſchlummer,
Belauſcht dein Engel oft, wenn du im ſtillen weinſt.
26. Tief
[]
26.
Tief fuͤhlt ihr beyd', in dieſer jugendbluͤhte,
Daß abgeſchiedenheit euch unnatuͤrlich iſt;
Fuͤhlt kraft zu edlerm thun in eurer bruſt, vermißt
Des heldenſinns, der unbegrenzten guͤte
Gleich unbegrenzten kreis! — Umſonſt bemuͤhn ſie ſich
Die thraͤne, die dem abgewandten aug' entſchlich,
Dem alten Vater zu verheelen:
Ihr laͤcheln taͤuſcht ihn nicht, er ließt in ihren ſeelen.
27.
Und ob ihm Dieſe welt gleich nichts mehr iſt, doch ſtellt
Er ſich an ihren plaz, in das was ſie verloren,
Was ihnen zugehoͤrt, wozu ſie ſich geboren
Empfinden — fuͤhlt aus Ihrer bruſt, und haͤlt
Die thraͤne fuͤr gerecht, die ſie vor ihm aus liebe
Verbergen, tadelt nicht die unfreywill'gen triebe,
Und friſcht ſie nur, ſolang' als ihren lauf
Das Schikſal hemmt, zu ſtillem hoffen auf.
28.
An einem abend einſt — das tagwerk war vollbracht,
Und alle drey, (Amande mit dem Knaben
Auf ihrem ſchoos) um an der herrlichen pracht
Des hellgeſtirnten Himmels ſich zu laben,
Sie ſaßen vor der huͤtt' auf einer raſenbank;
Verſenkten ſich mit ahnungsvollem grauen
In dieſes Wundermeer, und blikten ſtillen dank
Zu Ihm, der ſie erſchuf, gen himmel aufzuſchauen:
P 229. Da
[]
29.
Da fieng der fromme Greis, mit mehr geruͤhrtem ton
Als ſonſt, zu reden an, von dieſem erdenleben
Als einem Traum, und vom hinuͤberſchweben
Ins wahre Seyn — Es war, als wehe ſchon
Ein hauch von himmelsluft zu ihm heruͤber,
Und trag ihn ſanft empor indem er ſprach.
Amanda fuͤhlts; die augen gehn ihr uͤber,
Ihr iſt's, als ſaͤhe ſie dem Halbverſchwundnen nach.
30.
Mir, fuhr er fort, mir reichen ſie die haͤnde
Vom ufer jenſeits ſchon — Mein lauf iſt bald zu ende;
Der Eurige beginnet kaum, und viel
Viel truͤbſal noch, auch viel der beſten freuden,
(Oft ſinds nur ſtaͤrkungen auf neue groͤßre leiden)
Erwarten euch, indeß ihr unvermerkt dem ziel
Euch naͤhert. Beydes geht voruͤber,
Und wird zum traum, und nichts begleitet uns hinuͤber.
31.
Nichts als der gute ſchaz, den ihr in euer herz
Geſammelt, wahrheit, lieb, und innerlicher frieden,
Und die erinnerung, daß weder luſt noch ſchmerz
Euch nie vom treuen hang an eure pflicht geſchieden.
So ſprach er vieles noch; und als ſie endlich ſich
Zur ruh begaben, druͤkt er, wie ſie duͤnkte,
Sie waͤrmer an ſein herz, und eine thraͤne blinkte
In ſeinem aug', indem er ſchnell von ihnen wich.
32. In
[]
32.
In eben dieſer Nacht, von dunkeln vorgefuͤhlen
Der zukunft aufgeſchrekt, erhub Titania
Die augen himmelwaͤrts — und alle roſen fielen
Von ihren wangen ab, indem ſie ſtand, und ſah,
Und las. Sie rief den lieblichen Geſpielen,
Mit ihr zu ſehen was in dieſem nu geſchah,
Und wie zu ungluͤkſchwangern zuͤgen
Amandens Sterne ſchon ſich an einander fuͤgen.
33.
Und, dicht in ſchatten eingeſchleyert, fliegt
Sie ſchnell dem lager zu, wo zwiſchen mandelbaͤumen
(Der Knabe neben ihr) die Koͤnigstochter liegt,
Aus ihrem ſchlaf von ahnungsvollen traͤumen
Oft aufgeſtoͤrt. Titania beruͤhrt
Die bruſt der Schlaͤferin (damit die unruh ſchweige
Die in ihr klopft) mit ihrem roſenzweige,
Und raubt den knaben weg, der nichts davon verſpuͤrt.
34.
Sie kommt zuruͤk mit ihrem ſchoͤnen Raube
Und ſpricht zu ihren Grazien: ihr ſeht
Das grauſame geſtirn, das ob Amanden ſteht:
Eilt, rettet dieſes kind in meine ſchoͤnſte laube,
Und pfleget ſein, als waͤr's mein eigner ſohn.
Drauf zog ſie aus dem kranz um ihre ſtirne
Drey roſenknoſpen aus, gab jeder holden Dirne
Ein knoͤſpchen hin, und ſprach: hinweg, es daͤmmert ſchon!
P 335. Thut,
[]
35.
Thut, wie ich euch geſagt, und alle tag' und ſtunden
Schaut eure Roſen an; und wenn ihr alle drey
Zu Lilien werden ſeht, ſo merket dran, ich ſey
Mit Oberon verſoͤhnt und wieder neuverbunden.
Dann eilet mit Amandens ſohn herbey,
Denn mit der meinen iſt auch Ihre noth verſchwunden.
Die Nymfen neigten ſich, und flohn
In einem woͤlkchen ſchnell hinweg mit Huͤons ſohn.
36.
Kaum war der Morgen aufgegangen,
So ſucht mit bebendem unruhigem verlangen
Amanda ihren Freund, der ſeine lagerſtatt
Fern von Alfons und ihr in einem felſen hat.
So haſtig eilt ſie fort, daß ſie (was nie geſchehen
Seitdem ſie Mutter war) vor lauter eil vergißt,
Nach ihrem ſohn, der noch ihr ſchlafgeſelle iſt,
Und ruhig (glaubt ſie) ſchlaͤft, vorher ſich umzuſehen.
37.
Sie findet ihren Mann, im garten irrend, auf,
Und beyde nehmen auf der ſtelle,
Was ſie beſorgen ſich verbergend, nach der zelle
Des alten Vaters ihren lauf.
Wie klopft ihr herz, indem ſie ſeinem lager
Sich langſam nahn! Er liegt, die haͤnde auf ſein herz
Gefaltet, athemlos, ſein antliz bleich und hager,
Doch edel jeder zug, und rein, und ohne ſchmerz.
38. Er
[]
38.
Er ſchlummert nur, ſpricht Rezia, und legt
Die hand, ſo leicht daß ſie ihn kaum beruͤhret,
Auf ſeine hand; und da Sie kalt ſie ſpuͤret
Und keine ader mehr ſich regt,
Sinkt ſie in ſtiller wehmut auf den blaſſen
Erſtarrten leichnam hin; ein ſtrom von thraͤnen bricht
Aus ihrem aug und badet ſein geſicht;
O Vater, ruft ſie aus, ſo haſt du uns verlaſſen?
39.
Sie rafft ſich auf, und ſinkt an Huͤons bruſt.
Und beyde werfen nun ſich bey der kalten Huͤlle
Der reinſten Seele hin, in ehrfurchtsvoller ſtille,
Und ſaͤttigen die ſchmerzlichſuͤße luſt
Zu weinen; druͤcken oft, um endlich wegzugehen,
Auf ſeine hand der liebe lezten zoll,
Und bleiben immer, nie gefuͤhlter regung voll,
Bey dem geliebten Bild als wie bezaubert ſtehen.
40.
Es war als ſaͤhen ſie auf ſeinem angeſicht
Die daͤmmerung von einem neuen leben,
Und wie von reinem Himmelslicht
Den Widerſchein um ſeine ſtirne weben,
Der ſchon zum geiſt'gen leib den erdenſtoff verfeint,
Und um den ſtillen mund, der eben
Vom lezten Segen noch ſich ſanft zu ſchließen ſcheint,
Ein unvergaͤngliches kaum ſichtbar's Laͤcheln ſchweben.
P 441. Iſt
[]
41.
Iſt dirs nicht auch (ruft Huͤon, wie entzuͤkt,
Amanden zu, indem er aufwaͤrts blikt)
Als fall' aus Jener welt ein ſtral in deine Seele?
So fuͤhlt' ich nie der menſchlichen Natur
Erhabenheit! Noch nie dies Erdeleben nur
Als einen weg durch eine dunkle hoͤle
Ins Reich des Lichts, nie eine ſolche ſtaͤrke
In meiner bruſt zu jedem guten werke:
42.
Zu jedem opfer, jedem ſtreit
Nie dieſe kraft, nie dieſe munterkeit
Durch alle pruͤfungen mich maͤnnlich durchzukaͤmpfen!
Laß ſeyn, Geliebte, daß der truͤbſal viel
Noch auf uns harrt — ſie naͤhert uns dem ziel!
Nichts ſoll uns mutlos ſehn, nichts dieſen glauben daͤmpfen!
So ſpricht er, ſich mit ihr von dieſem heilgen ort
Entfernend — und ihn nimmt das Schikſal gleich beym wort.
43.
Denn, wie ſie hand in hand nun wieder
Hervorgehn aus der zell', und ihre augenlieder
Erheben — Gott! was fuͤr ein anblik ſtellt
Sich ihren augen dar! In welche fremde welt
Sind ſie verſezt? Verſchwunden, ganz verſchwunden
Iſt ihr Elyſium, der Hayn, die Blumenflur.
Verſteinert ſtehn ſie da. Iſts moͤglich? Keine ſpur,
Sogar die ſtaͤtte wird nicht mehr davon gefunden?
44. Sie
[]
44.
Sie ſtehn an eines abgrunds rand,
Umringt, wohin ſie ſchaudernd ſehen
Von uͤberhangenden gebrochnen felſenhoͤhen;
Kein graͤschen mehr, wo einſt ihr garten ſtand!
Vernichtet ſind die lieblichen gebuͤſche,
Der dunkle Nachtigallenwald
Zerſtoͤrt! Nichts uͤbrig, als ein graͤßliches gemiſche
Von ſchrofen klippen, ſchwarz und oͤd und ungeſtalt!
45.
Zu welchen neuen Jammerſcenen
Bereitet ſie dies grauſe ſchauſpiel vor?
Ach, rufen ſie, und heben, ſchwer von thraͤnen,
Den kummervollen blik zum heil'gen Greis empor:
„Ihm wurde dies gebuͤrg in fruͤhlingsſchmuk gekleidet,
Dies Eden Ihm gepflanzt; um ſeinetwillen nur
Genoſſen wir's; und Schikſal und Natur
Verfolgen uns aufs neu', ſobald er von uns ſcheidet!
46.
Ich bin gefaßt, ruft Rezia, und ſchlingt
Ein Ach zuruͤk, das ihrer bruſt entſteiget.
Ungluͤkliche! der tag, der all dies ungluͤk bringt,
Hat dir noch nicht das ſchreklichſte gezeiget!
Sie eilt dem Knaben zu, den ſie vor kurzem, ſuͤß
Noch ſchlummernd (wie ſie glaubt) verließ;
Er iſt ihr Lezter troſt: des ſchikſals haͤrtſten ſchlaͤgen
Geht ſie getroſt, mit Ihm auf ihrem arm, entgegen.
P 547. Sie
[]
47.
Sie fliegt dem lager zu, wo er
An Ihrer ſeite lag, und, wie vom bliz getroffen,
Schwankt ſie zuruͤk — der Knab iſt weg, das lager leer.
„Hat er ſich aufgerafft? fand er die thuͤre offen
Und ſuchte Sie? O Gott! wenn er verungluͤkt waͤr'?
Entſezlich! — Doch vielleicht hat um die huͤtte her
(So denkt ſie zwiſchen angſt und hoffen)
Vielleicht im garten nur der Kleine ſich verloſſen?
48.
Im garten? Ach! der iſt nun felſichter Ruin!
Sie ſtuͤrzt hinaus, und ruft mit bebenden lippen
Dem Knaben laut beym namen, ſuchet ihn
Ringsum, mit todesangſt, in hoͤlen und in klippen.
Der Vater, den ihr ſchreyn herbeygerufen, ſpricht
Umſonſt den troſt ihr zu woran's ihm ſelbſt gebricht,
Er werde ſich gewiß in dieſen felsgewinden
Geſund und friſch auf einmal wiederfinden.“
49.
Zwo ſtunden ſchon war alle ihre muͤh
Vergeblich. Ach! umſonſt, lautrufend, irren ſie
Tief im gebuͤrg umher, beſteigen alle ſpitzen,
Durchkriechen jeden buſch und alle felſenritzen,
Und laſſen ſich, um wenigſtens ſein grab
Zu finden, kummervoll in jede kluft hinab:
Ach! keine ſpur von ihm entdekt ſich ihrem blicke,
Und von den felſen hallt ihr eigner ton zuruͤcke.
50. Das
[]
50.
Das unbegreifliche des zufalls, daß ein kind
Von ſeinem alter ſich verliere,
An einem ort, wo weder wilde thiere
Noch menſchen (wilder oft als jene) furchtbar ſind,
Mehrt ihre angſt; doch naͤhrt es auch ihr hoffen:
„Es kann nicht anders ſeyn, er hat ſich nur verloffen,
Und ſchlief vielleicht, auf irgend einem ſtein,
Vom wandern muͤd, in ſeiner unſchuld ein.“
51.
Aufs neue wird der ganze felſenruͤcken,
Wird jeder winkel, jeder ſtrauch
Der ihn vielleicht verſtekt, durchſucht mit Falkenblicken.
Die unruh treibt ſogar, wie unwahrſcheinlich auch
Die Hofnung iſt ihn dort lebendig aufzuſpuͤren,
Sie bis zum ſtrand herab, wo, unter dem gemiſch
Von aufgethuͤrmtem ſand und ſumpfichtem gebuͤſch,
Sie endlich unvermerkt einander ſelbſt verlieren.
52.
Auf einmal ſchrekt Amandens ſtilles ohr
Ein ungewohnter Ton: ihr daͤucht, es glich dem ſchalle
Von ſtimmen; doch, weil's wieder ſich verlohr,
Und ſie bey einem waſſerfalle,
Der mit betaͤubendem getoͤſe uͤbern rand
Von einem hohen felſenbogen
Herunterſtuͤrzt, ſich ziemlich nah befand,
Glaubt ſie, ſie habe ſich betrogen.
53. Ihr
[]
53.
Ihr ſchwanet nichts von groͤßerer gefahr,
Ihr einziger gedank iſt ihres ſohnes leben:
Und ploͤzlich, da ſie kaum um einen huͤgel, neben
Dem waſſerfall, herumgekommen war,
Sieht ſie beſtuͤrzt, von einer rohen ſchaar
Schwarzgelber Maͤnner ſich umgeben,
Und hinter einem hohen riff
Erblikt ſie in der Bucht ein ankernd ruderſchiff.
54.
Sie hatten kurz zuvor, um waſſer einzunehmen,
Vor anker hier gelegt, und waren noch damit
Beſchaͤftigt, als, mit ſchnellgehemmtem ſchritt,
Auf einmal eine Frau vor ihre augen tritt,
Gemacht beym erſten blik die Schoͤnſten zu beſchaͤmen.
Erſtaunen ſchien ſie alle ſchier zu laͤhmen,
An dieſem oͤden ort, den ſonſt der ſchiffer fleucht,
Ein junges weib zu ſehn, die einer Goͤttin gleicht.
55.
Der Schoͤnheit anblik macht ſonſt rohe ſeelen milder,
Und Tyger ſchmiegen ſich zu ihren fuͤßen hin:
Doch Dieſe fuͤhlen nichts. Ihr ſtumpfer raͤuberſinn
Berechnet ſich den Werth der ſchoͤnſten Frauenbilder
(Von Marmor oder Fleiſch, gleichviel!) mit kaltem blut
Blos nach dem marktpreis, juſt wie anders kaufmannsgut.
Hier, ruft der Hauptmann, ſind zehntauſend Sultaninen,
Mit Einem griff, ſo gut wie hundert zu verdienen.
56. Auf,
[]
56.
Auf, Kinder, greifet zu! So ein geſicht wie dies
Gilt uns zu Tunis mehr als zwanzig reiche Ballen:
Der Koͤnig, wie ihr wißt, liebt ſolche nachtigallen;
Und dieſer Wilden hier gleicht von den Schoͤnen allen
In ſeinem Harem nichts: Ihr reicht Almanſaris,
Die Koͤnigin, ſo ſchoͤn ſie iſt, gewiß
Das waſſer kaum. Wie wird der Sultan brennen!
Der zufall haͤtt' uns traun! nicht beſſer fuͤhren koͤnnen.
57.
Indeß der Hauptmann dies zu ſeinem volke ſprach,
Steht Rezia, und denkt zween augenblicke nach
Was hier zu waͤhlen iſt. „Sind dieſe leute feinde,
So hilft die flucht mir nichts, da ſie ſo nahe ſind:
Vielleicht daß edelmut und bitten ſie gewinnt.
Ich geh, und rede ſie, mit zuverſicht, als freunde,
Als retter an, die uns der Himmel zugeſendet.
Vielleicht iſts unſer gluͤk, daß ſie hier angelaͤndet.“
58.
Dies denkend, geht, mit unſchuldsvoller ruh
Im ofnen blik, und mit getroſten ſchritten,
Das edle ſchoͤne Weib auf die Korſaren zu:
Allein ſie bleiben taub bey ihren ſanften bitten.
Die ſprache, die zu allen herzen ſpricht,
Ruͤhrt ihre eiſernen entmenſchten ſeelen nicht.
Der Hauptmann winkt; ſie wird umringt, ergriffen,
Und alles laͤuft und rennt die Beute einzuſchiffen.
59. Auf
[]
59.
Auf ihr erbaͤrmliches geſchrey,
Das durch die felſen hallt, fliegt Huͤon voller ſchrecken
Den wald herab, zu ihrer huͤlf herbey.
Ganz außer ſich, ſobald ihm was es ſey
Die baͤume laͤnger nicht verſtecken,
Ergreift er in der noth den erſten knot'gen ſtecken
Der vor ihm liegt, und ſtuͤrzt, wie aus der wolken ſchoos
Ein donnerkeil, auf die Barbaren los.
60.
Sein holdes Weib zu ſehn, die mit blutruͤnſt'gen armen
Sich zwiſchen raͤubertatzen ſtraͤubt,
Der anblik, der zu Tygerwut ihn treibt,
Macht bald den eichenſtok in ſeiner fauſt erwarmen.
Die ſtreiche fallen hageldicht
Auf koͤpf' und ſchultern ein mit ſtuͤrzendem gewicht.
Er ſcheint kein Sterblicher; ſein aug' ſprizt feuerfunken,
Und ſieben Mohren ſind ſchon vor ihm hingeſunken.
61.
Beſtuͤrzung, ſchaam und grimm, von einem einz'gen mann
Den ſchoͤnen raub entriſſen ſich zu ſehen,
Spornt alle andern an, auf Huͤon loszugehen,
Der ſich, ſo lang' er noch die arme regen kann,
Unbaͤndig wehrt; bis, da ihm im gedraͤnge
Sein ſtok entfaͤllt, die uͤberlegne menge,
Wiewohl er raſend ſchlaͤgt und ſtoͤßt und um ſich beißt,
Ihn endlich uͤbermannt und ganz zu boden reißt.
62. Mit
[]
62.
Mit einem ſchrey gen Himmel ſinkt Amande
In Ohnmacht, da ſie ihn erwuͤrgt zu ſehen glaubt.
Man ſchleppt ſie nach dem ſchiff, indeß das volk am ſtrande
Auf den gefallnen ſtuͤrmt, und tobt, und rache ſchnaubt.
Ihm einen ſchnellen tod zu geben,
Waͤrs auch der blutigſte, daͤucht ſie gelindigkeit;
Nein, ruft der Hauptmann aus, um deſto laͤngre zeit
Der tode grauſamſten zu ſterben, ſoll er leben!
63.
Sie ſchleppen ihn tief in den wald hinein,
So weit vom ſtrand, daß auch ſein lautſtes ſchreyn
Kein ohr erreichen kann, und binden ihn mit ſtricken
Um arm und bein, hals und ruͤcken,
An einen baum. Der ungluͤkſelge blikt
Zum Himmel auf, verſtummend und erdruͤkt
Von ſeines elends laſt; und lautfrohlockend fahren
Mit ihrem ſchoͤnen raub nach Tunis die Barbaren.
Oberon
[]
Oberon
Zwoͤlfter Geſang.
1.
Schon ſinkt der tag, und traurend wirft die nacht,
(Ach! nicht vertraulich mehr in ſuͤßer herzensfuͤlle
Von Liebenden und Freunden zugebracht)
Mitleidig wirft ſie ihre truͤbſte huͤlle
Ums oͤde Eyland her, wo aus der tiefen ſtille
Nun keinen morgen mehr der freude lied erwacht;
Nur Ein Verlaßner noch von allem was er liebet
Der pflichten ſchreklichſte durch ſtilles dulden uͤbet.
2.
Ihn hoͤrt Titania, in ein gewoͤlk verhuͤllt,
Tief aus dem wald herauf in langen pauſen aͤchzen,
Sieht den Ungluͤklichen in ſtummer angſt verlechzen,
Und weint und flieht. Denn, ach! vergebens ſchwillt
Ihr herz von mitgefuͤhl! Ein eiſernes geſchicke
Stoͤßt ſie, ſobald ſie ſich ihm naͤhern will, zuruͤcke.
Sie flieht, und wie ſie nach dem einſt geliebten ſtrand
Noch einmal umſchaut, blinkt ein goldring aus dem ſand.
3. Aman-
[]
3.
Amanda hatte ihn, im ringen mit den Soͤhnen
Des raubes, unvermerkt vom finger abgeſtreift.
Die Elfenkoͤnigin, indem ſie ihn ergreift,
Erkennt den Talisman, dem alle Geiſter froͤhnen.
Bald, ruft ſie freudig, iſt das maas des ſchikſals voll!
Bald werden wieder dich die ſterne mir verſoͤhnen
Geliebter! Dieſer Ring verband uns einſt; er ſoll
Zum zweytenmal zu meinem Herrn dich kroͤnen!
4.
Inzwiſchen hatte man im ſchiff, mit großer muͤh,
Amanden, die in ohnmacht lag, ins leben
Zuruͤkgerufen. Kaum begonnte ſie
Die ſchweren augen troſtlos zu erheben;
So fiel vor ihr der Hauptmann auf die knie,
Und bat ſie, ſich dem gram nicht laͤnger zu ergeben:
Dein gluͤk iſts, ſprach er, bloß wovon ich werkzeug bin;
In wenig tagen biſt du unſre Koͤnigin.
5.
Beſorge nichts von uns, wir ſind nur dich zu ſchuͤtzen
Und dir zu dienen da: Dich, Schoͤnſte, zu beſitzen
Iſt nur Almanſor wehrt, der dir an Reizen gleicht.
Er wird beym erſten blik in deinen feſſeln liegen,
Und, glaube meinem wort, du wirſt ihn mit vergnuͤgen
Zu deinen fuͤßen ſehn. Der Hauptmann ſprichts, und reicht,
(Um allen argwohn, den ſie hegen mag, zu ſtillen)
Ein reiches tuch ihr dar, ſich ganz darein zu huͤllen.
Q6. Der
[]
6.
Der iſt des todes (faͤhrt er fort,
Mit einem blik und ton, der alles volk am bord
Erzittern macht) der je des frevels ſich verwaͤget
Und ſeine hand an dieſen ſchleyer leget!
Betrachtet ſie von dieſem augenblik
Als ein juwel, das ſchon Almanſorn angehoͤret.
Er ſagts, und zieht, damit ſie ungeſtoͤret
Der ruhe pflegen kann, kniebeugend ſich zuruͤk.
7.
Amanda, ohne auf des raͤubers wort zu hoͤren,
Bewegunglos, betaͤubt von ihrem ungluͤk, ſizt,
Die haͤnde vor der ſtirn, die arme aufgeſtuͤzt
Auf ihre knie', mit ſtarren, thraͤnenleeren
Erloſchnen augen da. Ihr jammer iſt zu groß
Ihn auszuſprechen, ihn zu tragen
Ihr ſtarkes herz zu ſchwach. Nur dieſen lezten ſtoß
Ertraͤgt ſie nicht. Sie ſinkt; doch ſinkt ſie ohne klagen.
8.
Sie ſchaut nach troſt ſich um, und findet keinen — leer
Und hoffnunglos und nacht, wie ihre ſeele,
Iſt alles, alles um ſie her;
Die ganze welt verkehrt in eine moͤrderhoͤle!
Sie ſtarrt zum Himmel auf — auch Der
Hat keinen troſt, hat keinen Engel mehr!
Am abgrund der verzweiflung, wo ſie ſchwebet,
Steht noch der tod allein, der ſie im ſinken hebet.
9. Mit-
[]
9.
Mitleidig reicht er ihr die abgezehrte hand,
Der lezte, treuſte Freund der leidenden! Sie ſteiget
Hinab mit ihm ins ſtille Schattenland,
Wo aller ſchmerz, wo aller jammer ſchweiget;
Wo keine kette mehr die freye Seele reibt,
Die ſcenen Dieſer welt wie kindertraͤume ſchwinden,
Und nichts aus ihr als unſer herz uns bleibt:
Da wird ſie alles, was ſie liebte, wiederfinden!
10.
Wie ein verblutend Lamm, ſtillduldend, liegt ſie da,
Und ſeufzt dem lezten augenblik entgegen:
Als, in der ſtille der nacht, ſich ihr Titania
Troſtbringend naht. Ein unſichtbarer Regen
Von ſchlummerduͤften ſtaͤrkt der ſchoͤnen Dulderin
Mattſchlagend herz, und ſchlaͤft den aͤußern ſinn
Unmerklich ein. Da zeigt ſich ihr im traumgeſichte
Die Elfenkoͤnigin in ihrem roſenlichte.
11.
Auf! ſpricht ſie, faſſe mut! Dein Sohn und dein Gemahl
Sie athmen noch, ſind nicht fuͤr dich verloren.
Erkenne mich! Wenn du zum drittenmal
Mich wiederſiehſt, dann iſt, was Oberon geſchworen,
Erfuͤllt durch eure Treu. Ihr endet unſre pein,
Und wie Wir gluͤklich ſind, ſo werdet Ihr es ſeyn.
Mit dieſem wort entſchwebt die Goͤttin ihrem blicke,
Doch bleibt noch, wo ſie ſtand, ihr roſenduft zuruͤcke.
Q 212. A-
[]
12.
Amand' erwacht, erkennt an ihrem duft
Und roſenglanz, die nur allmaͤhlich ſchwanden,
Die goͤttergleiche Frau, die in der felſengruft
Gleich unverhofft ihr ehmals beygeſtanden.
Geruͤhrt, beſchaͤmt von dieſem neuen ſchuz,
Ergreift ihr herz mit dankbarlichem beben
Dies pfand von ihres ſohns und ihres Huͤons leben,
Und beut mit ihm nun jedem ſchikſal truz.
13.
Ach! wuͤßte ſie, was ihr (zu ihrem gluͤcke)
Verborgen bleibt, wie troſtlos dieſe nacht
Ihr ungluͤkſelger Freund, mit ſiebenfachem ſtricke
An einen eichenſtamm gebunden, zugebracht,
Wie braͤch ihr herz! — Und Er, vor deſſen augenblitze
Nichts dunkel iſt, der gute Schuzgeiſt, weilt?
Er ſteht, am quell des Nils, auf einer felſenſpitze
Die, ewig unbewoͤlkt, die reinſten luͤfte theilt.
14.
Den ernſten blik dem Eyland zugekehrt,
Wo Huͤon ſchmachtet, ſteht der Geiſterfuͤrſt, und hoͤrt
Sein leiſes aͤchzen, das aus tiefer ferne
Zu ihm heruͤberbebt — ſchaut nach dem Morgenſterne,
Und huͤllt ſich ſeufzend ein. Da naͤhert, aus der Schaar
Der Geiſter, die theils einzeln, theils in Ringen,
Ihn uͤberall begleiten und umſchwingen,
Sich einer ihm, der ſein Vertrauter war.
15. Er-
[]
15.
Erblaſſend, ohne glanz, naht ſich der Sylfe, blikt
Ihn ſchweigend an, und ſeine augen fragen
Dem kummer nach, der ſeinen Koͤnig druͤkt;
Denn ehrfurcht hemmet ihn die frage laut zu wagen.
Schau auf, ſpricht Oberon. Und mit dem worte weiſt
In einer wolke, die mit ausgeſpanntem fluͤgel
Voruͤberfaͤhrt, ſich dem beſtuͤrzten Geiſt
Des armen Huͤons bild, als wie in einem ſpiegel.
16.
Verſunken in der tiefſten noth,
An ſeines herzens offnen wunden
Verblutend, ſteht er da, verlaſſen und gebunden
Im oͤden wald, und ſtirbt den langen martertod.
In dieſem hoffnungloſen ſtande
Hebt ſeine Seele noch das zuͤrnende gefuͤhl:
„Verdient' ich das? Verdiente das Amande?
Iſt unſer Elend nur der hoͤhern Weſen ſpiel?“
17.
„Wie untheilnehmend bleibt bey meinem furchtbarn leiden,
Wie ruhig alles um mich her?
Kein Weſen fuͤhlt mit mir; kein ſandkorn ruͤkt am meer
Aus ſeinem plaz, kein blat in dieſen laubgebaͤuden
Faͤllt meinetwegen ab. Ein ſcharfer kieſel waͤr'
Um meine bande durchzuſchneiden
Genugſam — ach! im ganzen raum der zeit
Iſt keine hand, die ihm dazu bewegung leiht!“
Q 318. Und
[]
18.
Und doch, wenn meine noth zu wenden
Dein wille waͤr', o Du, der mich dem tod ſo oft
Entriſſen wenn ich es am wenigſten gehofft,
Es wuͤrden alle zweig' in dieſem wald zu haͤnden
Auf deinen wink!“ — Ein heilger ſchauder blizt
Durch ſein gebein mit dieſem himmelsfunken;
Die ſtricke fallen ab; er ſchwankt, wie nebeltrunken,
In einen arm, der ihn unſichtbar unterſtuͤzt.
19.
Es war der Geiſt, dem Oberon die geſchichte
Der beyden Liebenden im bilde ſehen ließ,
Der dieſen dienſt ihm ungeſehn erwies.
Der Sohn des lichts erlag dem klaͤglichen geſichte.
Ach! rief er, inniglich betruͤbt,
Und ſank zu ſeines Meiſters fuͤßen,
So ſtrafbar als er ſey, kannſt du, der ihn geliebt,
Vor ſeiner noth dein großes herz verſchließen?
20.
Der Erdenſohn iſt fuͤr die Zukunft blind,
Erwiedert Oberon: Wir ſelbſt, du weiſt es, ſind
Des Schikſals diener nur. In heil'gen finſterniſſen,
Hoch uͤber uns, geht ſein verborgner gang;
Und, willig oder nicht, zieht ein geheimer zwang
Uns alle, daß wir ihm im dunkeln folgen muͤſſen.
In dieſer kluft, die mich von Huͤon trennt,
Iſt mir ein einzigs noch fuͤr ihn zu thun vergoͤnnt.
21. Fleug
[]
21.
Fleug hin, und mach ihn los, und trag ihn auf der ſtelle,
So wie er iſt, nach Tunis, vor die ſchwelle
Des alten Ibrahims, der nahe bey der ſtadt
Die gaͤrten des Serai's in ſeiner aufſicht hat.
Dort leg ihn auf die bank von ſteinen,
Hart an die huͤttenthuͤr, und eile wieder fort;
Doch huͤte dich ihm ſichtbar zu erſcheinen,
Und mach es ſchnell, und ſprich mit ihm kein wort.
22.
Der Sylfe kommt, ſo raſch ein pfeil vom bogen
Das ziel erreicht, bey Huͤon angeflogen,
Loͤßt ſeine bande auf, beladet ſich mit ihm,
Und traͤgt ihn, uͤber meer und laͤnder, durch die luͤfte
Bis vor die thuͤr des alten Ibrahim;
Da ſchuͤttelt er von ſeiner ſtarken huͤfte
Ihn auf die bank, ſo ſanft als wie auf pflaum.
Dem guten Ritter daͤucht was ihm geſchieht ein traum.
23.
Er ſchaut erſtaunt umher, und ſucht ſichs wahr zu machen;
Doch alles was er ſieht beſtaͤtigt ſeinen wahn.
Wo bin ich? fragt er ſich, und fuͤrchtet zu erwachen,
Indem beginnt, nicht fern von ihm, ein hahn
Zu kraͤhn, und bald der zweyte und der dritte;
Die ſtille flieht, des himmels goldnes thor
Eroͤfnet ſich, der Gott des tages geht hervor,
Und alles lebt und regt ſich um die huͤtte.
Q 424. Auf
[]
24.
Auf einmal knarrt die thuͤr, und koͤmmt ein langer Mann
Mit grauem bart, doch friſch und roth von wangen,
Ein grabſcheit in der hand, zum haus herausgegangen:
Und beyde ſehn, zugleich, was keiner glauben kann,
Herr Huͤon ſeinen treuen Alten
In einem ſclavenwams — der gute Scherasmin
Den werthen Herrn, den er fuͤr tod gehalten,
In einem aufzug, der nicht gluͤkweiſſagend ſchien.
25.
Iſts moͤglich, rufen alle beyde
Zu gleicher zeit — Mein beſter Herr! — mein Freund!
Wie finden wir uns hier? — Und außer ſich vor freude,
Umfaßt der alte Mann des Prinzen knie, und weint
Auf ſeine hand. Ihn herzlich zu umfangen
Buͤkt Huͤon ſich zu ihm herunter, hebt
Ihn zu ſich auf, und kuͤßt ihn auf die wangen:
Gott Lob, ruft Scherasmin, nun weiß ich daß ihr lebt!
26.
Was fuͤr ein guter wind trug euch vor dieſe ſchwelle?
Doch zum erzaͤhlen iſt der ort hier nicht geſchikt;
Kommt, lieber Herr, mit mir in meine zelle,
Eh jemand hier beyſammen uns erblikt.
Auf allen fall ſeyd Ihr mein Neffe Haſſan (fluͤſtert
Er ihm ins ohr) ein junger handelsmann
Von Halep, der die welt zu ſehn geluͤſtert,
Und ſchiffbruch lidt, und mit dem leben kaum entrann.
27. Ja,
[]
27.
Ja, leider! blieb mir nichts, ſeufzt Huͤon, als ein leben
Das keine wohlthat iſt! — Das wird ſich alles geben,
Erwiedert Scherasmin, und ſchiebt ſein kaͤmmerlein
Ihm hurtig auf, und ſchließt ſich mit ihm ein.
Da, ſpricht er, nehmet plaz; bringt dann auf einem teller
Das beſte was ſein kleiner vorrathskeller
Vermag, herbey, oliven, brod und wein,
Und ſezt ſich neben ihn, und heißt ihn froͤlich ſeyn.
28.
Mein beſter Herr, daß wir, nach allen ſtreichen
Die uns das Gluͤk geſpielt, ſo unvermuthet hier
Zu Tunis, vor der huͤttenthuͤr
Des gaͤrtner Ibrahims uns finden, iſt ein zeichen
Daß Oberon ganz unvermerkt und ſtill
Uns alle wiederum zuſammenbringen will.
Noch fehlt das Beſte; doch, zum pfande fuͤr Amanden
Iſt wenigſtens die Amme ſchon vorhanden.
29.
Was ſagſt du? ruft herr Huͤon voller freuden.
Demſelben Ibrahim, dem ich bedienſtet bin,
Dient ſie als Sclavin hier, erwiedert Scherasmin.
Wie wird das gute Weib die augen an euch weiden!
Drauf faͤngt er ihm bericht zu geben an,
Was er, in all der zeit, gelitten und gethan,
Und was ihn, unverrichter ſachen,
Bewogen, von Paris ſich wieder wegzumachen.
Q 530. Und
[]
30.
Und wie er ihn zu Rom im Lateran geſucht,
Und, ſeiner dort viel wochen ohne frucht
Erwartend, unvermerkt ſein bischen geld verzettelt,
Und wie er drauf, mit muſcheln ausſtaffiert,
Sich durch die halbe welt als Pilger durchgebettelt,
Bis ihn ſein guter Geiſt zulezt hieher gefuͤhrt,
Wo Fatme, die er unverhoft gefunden,
Auf beſſre zeit mit ihm zu harren ſich verbunden.
31.
Zum gluͤk iſt immer unverſehrt
(Sezt er hinzu) das kaͤſtchen mitgezogen
Das euch der ſchoͤne Zwerg zu Askalon verehrt;
Denn, wie ich ſehe, Horn und Becher ſind entflogen.
Verzeiht mir, lieber Herr! ich traf den wunden ort;
Es war nicht huͤbſch an mir ſo frey herauszuplatzen:
Die freude, daß ich euch gefunden, macht mich ſchwatzen;
Allein, ihr kennt mein herz, und weiter nun kein wort!
32.
Der edle Fuͤrſtenſohn druͤkt ſeinem guten Alten
Die hand, und ſpricht: ich kenne deine Treu',
Sollſt alles wiſſen, Freund! ich will dir nichts verhalten,
Allein, vor allem, ſteh in Einem ding mir bey.
Das Kaͤſtchen, das du mir erhalten,
Iſt an Juwelen reich; denkſt du nicht auch, es ſey
Am beſten angewandt, mir eilends pferd und waffen
Und ritterlichen ſchmuk in Tunis anzuſchaffen?
33. Es
[]
33.
Es ſind zwoͤlf ſtunden kaum, ſeit eine raͤuberſchaar
Amanden mir entriß, mir, der am oͤdſten ſtrande
Allein mit ihr und unbewafnet war.
Sie fuͤhren ſie vielleicht in dieſe lande,
Nach Maroc oder Fez, gewiß nach einem plaz
Wo hoffnung iſt, ſie theuer zu verkaufen:
Allein kein Harem ſoll mir meinen hoͤchſten ſchaz
Entziehen, ſollt ich auch die ganze Welt durchlaufen.
34.
Der Alte ſinnt der ſache ſchweigend nach.
„Die Gegend, wo ihr euch mit Rezia befunden,
Iſt alſo wohl nur wenig ſtunden
Von hier entfernt?“ — Nicht daß ich wuͤßte, ſprach
Der junge Fuͤrſt; vielleicht ſinds tauſend ſtunden:
Mich trug, unendlich ſchnell, ich weiß nicht wer,
(Doch wohl ein Geiſt) aus einem Wald hieher,
Wo mich das raͤubervolk an einen Baum gebunden.
35.
Das hat, ruft jener aus, kein andrer Arm gethan
Als Oberon's. Ich ſelber, ſpricht der Ritter
Ich trau ihm's zu, und nehm's als ein Verſprechen an,
Er werde mehr noch thun. So bitter
Die Trennung iſt, ſo ſchreckenvoll das bild
Des holden Weibs in wilden raͤuberklauen;
Dies neue Wunder, Freund, erfuͤllt
Mein neubelebtes herz mit hoffnung und vertrauen.
36. Der
[]
36.
Der muͤſte nur ganz herzlos, ganz von ſtein,
Und ohne ſinn, und gaͤnzlich unwerth ſeyn
Daß ſich der Himmel ſeinetwegen
Bemuͤhe, haͤtt er auch von dem die Haͤlfte nur
Erfahren was mir wiederfuhr,
Der kleinmuth und verdacht zu hegen
Noch faͤhig waͤr'. Es geh durch feuer oder flut
Mein dunkler weg, ich halte Treu und Mut!
37.
Nur, lieber Scherasmin, wenns moͤglich iſt, noch heute
Verſchaffe mir ein Schwert und einen Gaul.
Zu lang' entbehr ich beydes! — an der ſeite
Der Liebe zwar — Doch izt, in dieſer Weite
Von Rezia, daͤucht mir mein herzblut ſtehe faul
Als wie ein ſumpf, bis ich die ſchoͤne beute
Den Heiden abgejagt. Ihr leben und mein gluͤk,
Bedenk' es, hangt vielleicht an einem augenblik.
38.
Der Alte ſchwoͤrt ihm zu, es ſollt' an ihm nicht liegen
Des Prinzen ungeduld noch heute zu vergnuͤgen.
Doch unverhoft haͤlt ſeines eifers lauf
Am erſten abend ſchon ein leidiger zufall auf.
Denn Huͤon fuͤhlte von ſoviel Erſchuͤtterungen,
Die ſchlag auf ſchlag gefolgt, auf einmal ſich bezwungen,
Und brachte, matt und gluͤhend, ohne ruh,
Die ganze nacht in Fiebertraͤumen zu.
39. Die
[]
39.
Die Bilder, die ihm ſtets im ſinne lagen,
Beleben ſich; er glaubt mit einem ſchwarm
Von feinden ſich ergrimmt herumzuſchlagen;
Dann ſinkt er kraftlos hin, und druͤkt im kalten arm
Die leiche ſeines Sohn's! Bald kaͤmpft er mit den fluten,
Haͤlt die verſinkende Geliebte nur am ſaum
Des kleides noch; bald, feſt an einen baum
Gebunden, ſieht er ſie in Raͤuberarmen bluten.
40.
Erſchoͤpft von grimm und angſt ſtuͤrzt er aufs lager hin
Mit ſtarrem blik. Dem treuen Scherasmin
Koͤmmt ſeine Wiſſenſchaft in dieſer noth zu ſtatten.
Denn dazumal war's eines Knappen amt
Die Heilkunſt mit der kunſt der Ritterſchaft zu gatten,
Ihm war ſie ſchon vom Vater angeſtammt,
Und viel geheimes ward auf ſeinen langen Reiſen
Ihm mitgetheilt von Rittern und von Weiſen.
41.
Er eilt, ſobald der ſchoͤne morgenſtern
Am himmel bleicht (indeß bey dem geliebten herrn
Als waͤrterin ſich Fatme emſig zeiget)
Den gaͤrten zu, worinn noch alles ruht und ſchweiget;
Sucht kraͤuter auf, von deren wunderkraft
Ein Eremit auf Horeb ihn belehret,
Und druͤkt ſie aus, und miſchet einen ſaft,
Der binnen kurzer friſt dem ſtaͤrkſten fieber wehret.
24. Ein
[]
42.
Ein ſanfter ſchlaf beginnt ſchon in der zweyten nacht
Auf Huͤons ſtirne ſich zu ſenken.
Mit liebevoller treu gepfleget und bewacht,
Und, reichlich angefriſcht mit kuͤhlenden getraͤnken,
Fuͤhlt er am vierten tag ſo gut ſich hergeſtellt,
Um ſich, ſobald der mond die laue nacht erhellt,
In einem gaͤrtnerwams, womit man ihn verſehen,
Mit Scherasmin im garten zu ergehen.
43.
Sie hatten in den roſenbuͤſchen,
Nah an der huͤtte, noch nicht manchen gang gethan,
So kommt die Amme (die, was neues aufzufiſchen
Sich oft dem Harem naht) mit einer zeitung an,
Die kraͤft'ger iſt als irgend ein Laudan
Des Kranken blut und nerven zu erfriſchen;
Es ſey, verſichert ſie, beynahe zweifelfrey
Daß Rezia nicht fern von ihnen ſey.
44.
Wo iſt ſie? wo? ruft Huͤon, mit entzuͤcken
Und ungeduld, auffahrend — hurtig! ſprich!
Wo ſahſt du ſie? — Geſehn? erwiedert Fatme, ich?
Das ſagt ich nicht; allein, ich laſſe mich zerſtuͤcken
Wenn's nicht Amanda iſt, die dieſen abend hier
Gelandet. Hoͤret nur, was, die minute, mir
Die Juͤdin Salome, die eben
Vom innern Harem kam, fuͤr ganz gewiß gegeben.
45. Kurz,
[]
45.
Kurz, ſprach ſie, vor der abendzeit
Ließ auf der hoͤh' ſich eine Barke ſehen;
Sie flog daher mit vogelsſchnelligkeit,
Die ſegel ſchien ein friſcher wind zu blaͤhen.
Auf einmal ſtuͤrzt aus wolkenloſen hoͤhen
Zikzak ein feur'ger ſtral herab,
Und mit dem erſten ſtoß, den ihm ein ſturmwind gab,
Sieht man das ganze ſchiff in voller flamme ſtehen.
46.
An loͤſchen denkt kein menſch in ſolcher noth.
Das feuer tobt. Vom fuͤrchterlichſten tod
Umſchlungen, ſpringt aus ſeinem flammenrachen
Wer ſpringen kann, und wirft ſich in den nachen.
Der wind macht bald ſie von dem ſchiffe los,
Treibt ſie dem ufer zu; doch, eine viertelſtunde
Vom ſtrand, ergreift den kahn ein neuer wirbelſtoß,
Und ſtuͤrzt ihn um, und alles geht zu grunde.
47.
Die leute ſchreyn umſonſt zu ihrem Mahom auf,
Arbeiten, mit der angeſtrengten ſtaͤrke
Der todesangſt, umſonſt ſich aus der flut herauf!
Nur eine einzge Frau, die ſich zum augenmerke
Der Himmel nahm, entrinnet der gefahr,
Wird auf den wellen, wie auf einem wagen,
Ganz unverſehrt, und unbenezt ſogar,
Dem nahen ufer zugetragen.
48. Von
[]
48.
Von ungefehr ſtand mit Almanſaris
Der Sultan juſt auf einer der Terraſſen
Des Schloſſes, die hinaus ins Meer ſie ſehen lies,
Erwartungsvoll den Ausgang abzupaſſen.
Ein ſanfter Zefyr ſchien die Frau herbeyzuwehn.
Doch, um ſich nicht zuviel auf Wunder zu verlaſſen,
Winkt izt Almanſaris, und hundert Sclaven gehn
Bis an den hals ins meer, der Schoͤnen beyzuſtehn.
49.
Man ſagt, der Sultan ſelbſt ſey an den ſtrand gekommen,
Und habe ſie von einem Aſmoglan
Der aus dem ſtrudelnden ſchaum bis zur Terraß hinan
Sie auf dem ruͤcken trug, ſelbſt in empfang genommen.
Man konnte zwar nicht hoͤren was er ſprach,
Doch ſchien er ihr viel hoͤfliches zu ſagen,
Und, weil's an zeit und freyheit ihm gebrach,
Sein herz ihr, wenigſtens durch blicke, anzutragen.
50.
Wie dem auch ſeyn mag, dies iſt ganz gewiß
(Faͤhrt Fatme fort) daß ſich Almanſaris
Der ſchoͤnen Schwimmerin gar freundlich und gewogen
Bewieſen hat, und ihr viel ſchoͤnes vorgelogen,
Wiewohl der Fremden ſeltner reiz,
Ihr gleich beym erſten blik Almanſors herz entzogen;
Und daß ſie ein gemach bereits
Im Sommerhaus der Koͤnigin bezogen.
51. Angſt,
[]
51.
Angſt, freude, lieb und ſchmerz, mahlt, waͤhrend Fatme ſpricht,
Sich wechſelsweis in Huͤons angeſicht.
Daß es Amande ſey, ſcheint ihm, je mehr er denket,
Je minder zweifelhaft. Es zeigt ſich ſonnenklar,
Daß Oberon, wiewohl noch unſichtbar,
Die zuͤgel ſeines ſchikſals wieder lenket.
Wohlan dann, Freunde, ſpricht er, rathet nun,
Was meynet ihr? Was iſt nunmehr zu thun?
52.
Dem Sultan mit gewalt Amanden zu entreißen,
Das wuͤrde Roland ſelbſt kaum wagen gutzuheißen,
Erwiedert Scherasmin; wiewohl es rathſam iſt,
Uns ingeheim, auf alles was geſchehen
Und nicht geſchehen kann, mit waffen zu verſehen.
Doch, vor der hand, verſuchen wirs mit liſt!
Wie, wenn ihr, da ihr euch doch nicht des grabens ſchaͤmet,
Beym Ibrahim als gaͤrtner dienſte naͤhmet?
53.
Geſezt, der Alte macht auch anfangs ſchwierigkeit,
Er ſieht euch ſchaͤrfer an, und ſchuͤttelt
Sein weiſes haupt; mir iſt dafuͤr nicht leid;
Ein ſchoͤner diamant hat manches ſchon vermittelt.
Laßt dieſe ſorge mir, Herr Ritter! Zwiſchen heut
Und morgen ſehn wir euch, troz aller ſchwierigkeit,
Zum nettſten gaͤrtnerſchurz betittelt;
Das weitre uͤberlaßt dem Himmel und der zeit.
R54. Der
[]
54.
Der vorſchlag daͤucht dem Ritter wohl erſonnen,
Und wird nun ungeſaͤumt und kluͤglich ausgefuͤhrt.
Der alte Ibrahim iſt bald ſo gut gewonnen,
Daß er den Paladin zum Neffen adoptirt,
Zu ſeinem ſchweſterſohn, der von Damaſt gekommen,
Und in der blumenzucht beſonders viel gethan;
Kurz, Huͤon wird zum Gaͤrtner angenommen,
Und tritt ſein neues amt mit vielem anſtand an.
Oberon
Dreyzehnter Geſang.
1.
Die Hoffnung, die ihr ſchimmerndes gefieder
Um Huͤon wieder ſchwingt, Sie, die er einzig liebt,
Bald wieder ſein zu ſehn, die goldne hoffnung giebt
Ihm bald den ganzen glanz der ſchoͤnſten jugend wieder.
Schon der gedanke bloß, daß ſie ſo nah ihm iſt,
Daß dieſes luͤftchen, das ihn kuͤhlet,
Vielleicht Amandens wange kaum gekuͤßt,
Vielleicht um ihre lippen kaum geſpielet:
2. Daß
[]
2.
Daß dieſe blumen — die er bricht,
Und maleriſch in kraͤnz' und ſtraͤuſſe flicht,
Um in den Harem ſie, wie uͤblich iſt, zu ſchicken,
Vielleicht Amandens locken ſchmuͤcken,
Ihr ſchoͤnes leben vielleicht an ihrer lieblichen bruſt
Verduften — der gedank erfuͤllt ihn mit entzuͤcken;
Das ſchoͤne roth der ſehnſucht und der luſt
Faͤrbt wieder ſeine wang' und ſtralt aus ſeinen blicken.
3.
Die heiße tageszeit vertritt das amt der nacht
In dieſem land', und wird verſchlummert und vertraͤumet.
Allein, ſobald der abendwind erwacht,
Fragt Huͤon, den die Liebe munter macht,
Schon alle ſchatten an, wo ſeine Holde ſaͤumet.
Er weiß, die nacht wird hier mit wachen zugebracht;
Doch darf ſich in den gaͤrten und terraſſen
Nach ſonnenuntergang nichts maͤnnlichs ſehen laſſen.
4.
Die Damen pflegen dann, beym ſanften roſenglanz
Der daͤmmerung (die hier ſich niemals ganz
Verliert) bald paarweis, bald in rotten,
Die bluͤhenden alleen zu durchtrotten.
Oft kuͤrzt geſang und ſaitenſpiel und tanz
Die ſchnelle nacht; drauf folgt in ſtillen grotten
Ein bad, zu dem Almanſor ſelbſt (ſo ſcharf
Gilt hier des wohlſtands pflicht) ſich niemals naͤhern darf.
R 25. Aman-
[]
5.
Amanden (die, wie unſer Ritter glaubte,
Im Harem war) zu ſehn, blieb keine moͤglichkeit,
Wofern er nicht ſich um die daͤmmrungszeit
Im garten laͤnger ſaͤumt als das Geſez erlaubte.
Er hatte dreymal ſchon die unruhvollſte nacht
In einem buſch, bey dem vorbeyzugehen
Wer aus dem Harem kam genoͤthigt war, durchwacht,
Gelauſcht, gegukt, und ach! Amanden nicht geſehen!
6.
Fußfaͤllig angefleht von Fatme, Ibrahim,
Und Scherasmin, ihr und ſein eignes leben
So offenbar nicht in gefahr zu geben,
Wollt' er, wiewohl der ſonnenwagen ihm
Zu ſchnell hinabgerollt, am vierten Abend (eben
Zur hoͤchſten zeit) ſich noch hinwegbegeben,
Als ploͤzlich, wie er ſich um eine Hecke dreht,
Almanſaris ganz nahe vor ihm ſteht.
7.
Sie kam, gelehnt an ihrer Nymfen eine,
Um, lechzend von des tages ſtrengem brand,
Im friſchen duft der Pomeranzenhayne
Sich zu ergehn. Ein leichtes nachtgewand,
So zart als haͤtten Spinnen es gewebet,
Umſchattet ihren leib, und nur ein goldnes band
Schließts um den buſen zu, der durch die duͤnne wand
Mit ſchoͤner ungeduld ſich durchzubrechen ſtrebet.
8. Nie
[]
8.
Nie wird die Bildnerin Natur
Ein goͤttlicher modell zu einer Venus bauen
Als dieſen leib. Sein reizender Kontur
Floß wellenhaft, dem feinſten auge nur
Bemerklich, zwiſchen dem Genauen
Und Ueberfluͤßigen, ſo weich, ſo lieblich hin,
Schwer war's dem kaͤltſten Joſephsſinn,
Sie ohne luͤſternheit und ſehnſucht anzuſchauen!
9.
Es war, in jedem theil, was je die Fantaſie
Der Alkamenen und Lyſippen
Sich als das Schoͤnſte dacht' und ihren Bildern lieh,
Es war Helenens Bruſt, und Atalantens Knie,
Und Leda's Arm, und Erigonens Lippen.
Doch bis zu jenem reiz erhob die kunſt ſich nie,
Der ſtets, ſobald dazu die luſt in ihr erwachte,
Sie zur Beſiegerin von allen herzen machte.
10.
Der Geiſt der Wolluſt ſchien alsdann
Mit ihrem athem ſich den luͤften mitzutheilen
Die um ſie wehn. Von Amors ſchaͤrfſten pfeilen
Sind ihre augen voll, und wehe dann dem Mann,
Der mit ihr kaͤmpfen will! Denn, koͤnnt' er auch entgehen
Dem feurigſchmachtenden Blik, der ihn ſo lieblich kirrt,
Wie wird er dieſes Mund's verfuͤhrungen, wie wird
Er ihrem Laͤcheln widerſtehen?
R 311. Wie
[]
11.
Wie dem Syrenenton der zauberiſchen ſtimme,
Der des gefuͤhls geheimſte ſaiten regt?
Der in der ſeele ſchooß die ſuͤße taͤuſchung traͤgt
Als ob ſie ſchon in wolluſtſeufzern ſchwimme?
Und wenn nun, eh vielleicht die Weisheit ſichs verſehn,
Verraͤthriſch jeder ſinn, zu ihrem ſieg vereinigt,
Den lezten augenblik der trunkenheit beſchleunigt:
Wie kann, o ſagt, wie kann er widerſtehn?
12.
Doch, ruhig! Fern iſt noch, und ungewiß vielleicht
Der Schiffbruch, der uns izt faſt unvermeidlich daͤucht;
Zu fliehen (ſonſt auf alle faͤlle
Das kluͤgſte) gieng in dieſem augenblik
Nicht an — Sie war zu nah — wiewohl an Huͤons ſtelle
Ein wahrer gaͤrtner doch geflohen waͤr'. Zum gluͤk
Hilft, falls ſie fragt, ein korb mit blumen und mit fruͤchten,
Den er im arme traͤgt, ihm, eine antwort dichten.
13.
Natuͤrlich ſtuzt die ſchoͤne Koͤnigin,
In ihrem wege hier auf einen Mann zu treffen.
Was machſt du hier, fragt ſie den Paladin
Mit einem blik, der iedem andern Neffen
Des alten gaͤrtners toͤdlich war.
Doch Huͤon, unterm ſchirm geſenkter augenlieder,
Laͤßt auf die kniee ſich mit edler ehrfurcht nieder,
Und ſtellt den blumenkorb ihr als ein opfer dar.
14. Er
[]
14.
Er hatte (ſpricht er) bloß es ihr zu uͤberreichen
Die zeit verſaͤumt, die allen ſeinesgleichen
Die gaͤrten ſchließt. Hat er zuviel gethan,
So mag ſein kopf den raſchen eifer buͤßen.
Allein die Goͤttin ſcheint in einen mildern plan
Vertieft, indeß zu ihren fuͤßen
Der ſchoͤne Frefler liegt. Sie ſieht ihn guͤtig an,
Und ſcheint mit muͤhe ſich zum fortgehn zu entſchließen.
15.
Den ſchoͤnſten Juͤngling, den ſie jemals ſah — und ſchoͤn
Wie Helden ſind, mit kraft und wuͤrde — fremde
Der farbe nach — in einem gaͤrtnerhemde —
Dies ſchien ihr nicht natuͤrlich zuzugehn.
Gern haͤtte ſie mit ihm ſich naͤher eingelaſſen,
Hielt nicht der ſtrenge zwang des wohlſtands ſie zuruͤk.
Sie winkt ihm endlich weg; doch ſcheint ein Seitenblik,
Der ihn begleitet, viel, ſehr viel in ſich zu faſſen.
16.
Sie ſchreitet langſam fort, ſtillſchweigend, dreht ſogar
Den ſchoͤnen hals, ihm hinten nach zu ſehen,
Und zuͤrnt, daß er dem wink ſo ſchnell gehorſam war.
War er, den blik, der ihn erklaͤrte, zu verſtehen,
Zu bloͤde? Fehlt's vielleicht der reizenden geſtalt
An ſeele? Truͤgt das ungeduld'ge feuer
In ſeinem blik? Macht die gefahr ihn kalt?
Wie, oder ſucht' er hier ein Anders abenteuer?
R 417. Ein
[]
17.
Ein anders? — Dieſer zweifel huͤllt
Ihr ploͤzlich auf, was ſie ſich ſelber zu geſtehen
Erroͤthet. Unruhvoll, verfolgt von Huͤons bild,
Irrt ſie die ganze nacht durch lauben und alleen,
Horcht jedem luͤftchen das ſich regt
Entgegen, jedem blat das an ein anders ſchlaͤgt;
Still! ſpricht ſie zur Vertrauten, laß uns lauſchen!
Mir daͤucht, ich hoͤrte was durch jene hecke rauſchen.
18.
Es iſt vielleicht der ſchoͤne Gaͤrtner, ſpricht
Die ſchlaue Zof': er iſt, wofern mich alles nicht
An ihm betruͤgt, der Mann ſein leben dran zu ſetzen,
Um hier, im hinterhalt, an einen buſch gedruͤkt,
Mit einem anblik ſich noch einmal zu ergoͤtzen
Der ihn ins Paradies verzuͤkt.
Wie wenn wir ihn ganz leiſe uͤberraſchten,
Und auf der friſchen that den ſchoͤnen Frefler haſchten?
19.
Schweig, Naͤrrin, ſpricht die Haremskoͤnigin,
Du faſelſt, glaub ich, gar im traume?
Und gleichwohl richtet ſie geradenwegs zum baume,
Woher das rauſchen kam, die leichten ſchritte hin.
Es war ein Eidechs nur geweſen,
Der durchs geſtraͤuch geſchluͤpft. — Ein ſeufzer, halb erſtikt,
Halb in den ſtrauß, den ſie zum munde hielt, gedruͤkt,
Bekraͤftigt was Nadin' in ihrem blik geleſen.
20. Un-
[]
20.
Unmuthig kehrt ſie um und mit ſich ſelbſt in zwiſt,
Beißt ſich die lippen, ſeufzt, ſpricht etwas und vergißt
Beym dritten wort ſchon was ſie ſagen wollte,
Zuͤrnt, daß Nadine nicht die rechte antwort giebt,
Und nicht erraͤth, was ſie errathen ſollte;
Die ſchoͤne Dame iſt, mit Einem wort — verliebt!
Sogar ihr blumenſtrauß erfaͤhrts — wird, ohn' ihr wiſſen,
Zerknikt, und, blat vor blat, verzettelt und zerriſſen.
21.
Drey Tage hatte nun das Uebel ſchon gewaͤhrt,
Und war, durch zwang und widerſtand genaͤhrt,
Mit jeder nacht, mit jedem morgen ſchlimmer
Geworden. Denn, ſobald der abendſchimmer
Die bunten fenſter mahlt, verlaͤßt ſie ihre zimmer,
Und ſtreicht, nach Nymfen art, mit halbentbundnem haar,
Durch alle gartengaͤng' und felder, wo nur immer
Den Neffen Ibrahims zu finden moͤglich war.
22.
Allein, vergebens lauſcht' ihr blik, vergebens pochte
Ihr buſen ungeduld: der ſchoͤne Gaͤrtner ließ
Sich nicht mehr ſehn, was auch die urſach heiſſen mochte.
Ungluͤkliche Almanſaris!
Dein ſtolz erliegt. Wozu dich ſelbſt noch laͤnger quaͤlen,
(Denkt ſie) und was dich nagt Nadinen, die gewiß
Es lange merkt, aus eigenſinn verheelen?
Verheimlichung heilt keinen ſchlangenbiß.
R 523. Sie
[]
23.
Sie waͤhnt ſie ſuche troſt an einer Freundin buſen,
Doch was ſie noͤthig hat iſt eine Schmeichlerin.
In dieſer hofkunſt war Nadine meiſterin.
Der ſaft von allen Pompelmuſen
In Africa erfriſchte nicht ſo gut
Der wolluſtathmenden Sultanin gaͤhrend blut,
Als dieſer Freundin rath und zaͤrtliches bemuͤhen
Den Mann, den ſie begehrt, bald in ihr netz zu ziehen.
24.
Um Mitternacht und bey verſchloßnen thuͤren
Ihn in den theil des Harems einzufuͤhren
Worinn Almanſaris ganz unumſchraͤnkt befahl,
Schien nicht ſo ſchwierig, ſeit der Sultan, ihr gemahl,
Der leidenſchaft zur ſchoͤnen Zoradinen
(Wie ſich die junge Fremde hieß,
Die durch ein wunder juͤngſt an dieſem ſtrand erſchienen)
Ganz oͤffentlich und frey ſich uͤberließ.
25.
Die Amme hatte ſich im ſchließen nicht betrogen,
Es war Amande ſelbſt, die aus der raͤuber Macht
Titania durch einen bliz gezogen
Und unverlezt an dieſen ſtrand gebracht.
Ihr wißt, was ſich begab als ſie ans land gekommen;
Wie ihr Almanſor ſtraks ſein fluͤchtig herz geweiht,
Und wie mit neidiſcher verſtellter zaͤrtlichkeit
Almanſaris ſie aufgenommen.
26. Der
[]
26.
Der Sultan war vielleicht der allerſchoͤnſte Mann
Auf den die Sonne je geſchienen,
Und wußte deſſen ſich ſo ſiegreich zu bedienen,
Daß ihm noch nie ein weiblich herz entrann.
Zum erſtenmal bey dieſer Zoradinen
Verlohr er ſeinen ruhm. Fuͤr Sie iſt nur Ein mann
Auf erden; Sie hat keine augen, keinen
Gedanken, keinen ſinn, als nur fuͤr dieſen Einen.
27.
Die Wuͤrde ohne ſtolz, die edle ſicherheit,
Die anſtandvolle, unverſtellte
Gleichguͤltigkeit und ungezwungne kaͤlte,
Womit ſie ihn, der hier befehlen kann, ſo weit
Von ſich zu halten weiß, daß er wie ſehr er brennet
Ihr kaum durch einen ſtummen blik
Zu klagen wagt, — dies alles ſieht und nennet
Almanſaris der Buhlkunſt meiſterſtuͤk.
28.
Gewohnt, des Sultans herz nach ihrer luſt zu drehen,
Zu herrſchen uͤber ihn, im Harem unbeſchraͤnkt
Zu herrſchen, koͤnnte ſie den Szepter ungekraͤnkt
Von dieſer Fremden aus der hand ſich ſpielen ſehen?
Zwar leyht ſie ihrem haß ein laͤchelndes geſicht,
Und thut als zweifle ſie an Zoradinen nicht;
Doch uͤberall iſt's in des Harems mauern
Verborgner augen voll, die all ihr thun belauern.
29. Allein,
[]
29.
Allein, ſeitdem des ſchoͤnen Gaͤrtners reiz
Mit Amors ſchaͤrfſtem pfeil ihr ſtolzes herz durchdrungen,
Hat luſtbegier die eiferſucht verſchlungen.
Ihr ehrgeiz weicht nun einem ſuͤßern geiz,
Dem geiz nach ſeinem kuß. Ihn wieder zu beſiegen
Iſt nun ihr einz'ger ſtolz. Mag doch die ganze welt
Zu Zoradinens fuͤßen liegen,
Wenn Sie nur den ſie liebt in ihren armen haͤlt.
30.
Sie ſelbſt befoͤrdert nun den anſchlag — Zoradinen,
Entfernt von ihr, in einem andern theil
Des Harems, den Almonſor ſchon in eil
Fuͤr ſie bereiten ließ, anſtaͤnd'ger zu bedienen.
Der Fremden wahrer ſtand, wiewohl ſie ihn noch nicht
Geſtehe, mache dies zu einer art von pflicht;
Beym erſten anblik koͤnn' es keinem aug' entgehen,
Sie ſey gewohnt nichts uͤber ihr zu ſehen.
31.
Indem Almanſaris, mit liſt'ger hoͤflichkeit,
Auf dieſe weiſe ſich in ihren eignen zimmern
Von einer Zeugin, die ihr laͤſtig iſt, befreyt:
Laͤßt, ohne ſich um ſie, und wie ſie ſich die zeit
Vertreiben kann und will, im mindeſten zu kuͤmmern,
Almanſor, der nun ganz ſich ſeiner Liebe weiht,
Ihr freyen raum, Entwuͤrfe auszubruͤten,
Wozu im Harem ihr ſich hundert haͤnde bieten.
32. Un-
[]
32.
Unmaͤßig graͤmt indeß der ſchoͤne Gaͤrtner ſich,
Daß ihm — der ſchon ſeit mehr als ſieben tagen
Die mauern, wo Amande traurt, umſchlich,
(Denn daß ſie traurt, das kann ſein eignes herz ihm ſagen)
Das holde Weib auch durch ein Gitter nur
Zu ſehn, nur ihres leichten fußes ſpur,
(Er wuͤrd' ihn, o gewiß! aus tauſenden erkennen!)
Die unmitleidigen geſtirne noch mißgoͤnnen.
33.
Er wirft ſich unmuthsvoll bey ſeinen freunden hin;
„Koͤnnt ihr, wenn ihr mich liebt, denn keinen weg erſinnen,
Nur einen einz'gen mund im Harem zu gewinnen,
Der meinen namen nur, und daß ich nah ihr bin
Ins ohr ihr fluͤſtre? —“ Still! da koͤmmt mir was zu ſinn,
Ruft Fatme aus: Ihr ſollt ihr einen Selam ſchicken!
Geht nur, die blumen die uns noͤthig ſind zu pfluͤcken;
In dieſer ſprache bin ich eine meiſterin.
34.
Und Haſſan eilt, wie Fatme ihm befohlen,
Ein myrtenreis, und lilien, und ſchasmin,
Und roſen und ſchonkilien herzuholen.
Drauf heißt ſie ihn ein haar aus ſeinen locken ziehn,
Nimmt duͤnnen goldnen drat, und windet
Und dreht das haar mit ihm zuſammen, bindet
Den ſtrauß damit, und d'rein ein lorberblat
Worauf er A und H, verſchraͤnkt, gekritzelt hat.
35. Nun,
[]
35.
Nun, ſpricht ſie, wenn ichs noch mit zimmerwaſſer netze,
So iſts der ſchoͤnſte brief, den je ein herzensdieb
Von eurer art an ſeine Liebſte ſchrieb.
Wollt ihr, daß ichs geſchwind euch uͤberſetze?
Verliere keine zeit, ruft Huͤon, tauſend dank!
Du kannſt nicht bald genug mir eine antwort bringen;
Die liebe ſchuͤtze dich und laß es dir gelingen!
Geh, wir erwarten dich auf dieſer raſenbank.
36.
Die gute Fatme gieng. Allein, weil ihr kein zimmer
Im innern theil des Harems offen ſtand,
So lief der ſtrauß durch manche ſclavenhand,
Und ward zulezt (wie ſich der zufall immer
In alles ungebeten miſcht)
Durch einen irrthum von Nadinen aufgefiſcht,
Und ihrer Koͤnigin, nachdem ſie erſt durch fragen
Das wie und wann erforſcht, frohlockend zugetragen.
37.
Weil Fatme dieſen brief gebracht,
Die Sclavin Ibrahims, ſo konnte der verdacht
Auf keinen andern als den ſchoͤnen Haſſan fallen.
Und daß er aus des Harems Schoͤnen allen
Der Schoͤnſten gelten muß, ſcheint eben ſo gewiß;
Zumal nach dem was juͤngſt ſich zugetragen.
Was koͤnnte denn das A und H ſonſt ſagen,
Als — Haſſan und Almanſaris?
38. Und
[]
38.
Und haͤtte ſie, wiewohl es nicht zu glauben,
Auch eine Nebenbulerin;
Nur deſtomehr triumf fuͤr ihren ſtolzen ſinn,
Der Feindin mit gewalt die beute wegzurauben!
Die eyferſucht, die dies auf einmal rege macht,
Vereinigt ſich mit andern ſanftern trieben,
Nicht laͤnger als bis auf die naͤchſte nacht
Den ſchoͤnen ſieg, nach dem ſie duͤrſtet, zu verſchieben.
39.
Indeſſen kommt, entzuͤkt von ihres auftrags gluͤk,
Und ohne argwohn, hintergangen
Zu ſeyn, faſt athemlos, mit gluͤhend rothen wangen
Vor freud und haſt, die Amme nun zuruͤk.
Ihr blik iſt ſchon von fern als wie ein ſonnenblik
Aus wolken, die ſich juſt zu theilen angefangen.
Herr Ritter (raunt ſie ihm ins ohr) was gebt ihr mir?
So oͤfnet heute noch ſich euch die Himmelsthuͤr?
40.
Mit Einem wort, Ihr ſollt Amanden ſehen!
Noch heut', um mitternacht, wird euch die kleine thuͤr
In's myrtenwaͤldchen offen ſtehen:
Der Sclavin, die euch dort erwartet, folget ihr
Getroſt wohin ſie geht, und fuͤrchtet keine ſchlingen;
Sie wird euch unverſehrt an ort und ſtelle bringen.“
Das gute weib, dem nichts von argliſt ſchwahnt,
Haͤlt ſich des weg's gewiß, den ſie ihm ſelbſt gebahnt.
41. Wie
[]
41.
Wie hoch, o Fatme! bin ich dir verbunden!
Ruft Huͤon aus — ich ſoll ſie wiederſehn!
Noch Dieſe nacht! Und waͤr's durch tauſend wunden
Unmittelbar von Ihr, in meinen tod zu gehn,
Kaum wuͤrde weniger die nachricht mich erfreuen!
Mein beſter Herr, ich habe guten mut;
Die ſterne ſind uns hold, ihr werdet Sie befreyen,
(Spricht Scherasmin) und alles wird noch gut!
42.
Gebt mir drey tage nur, um heimlich eine Pinke
Zu miethen, die nicht fern in einer ſichern bucht
Vor anker liegen ſoll; bereit, beym erſten winke,
Sobald der augenblik zur flucht
Uns guͤnſtig wird, friſch in die See zu ſtechen.
Noch laͤßt's das kaͤſtchen uns an mitteln nicht gebrechen;
Nur gold genug, ſo iſt die welt zu kauf;
Ein goldner ſchluͤſſel, Herr, ſchließt alle ſchloͤſſer auf!
43.
Indeß daß unſer Held die zeit von ſeinem gluͤcke
Mit ungeduld an ſeinem pulſe zaͤhlt,
Und, weil ſein puls mit jedem augenblicke
Behender ſchlaͤgt, ſich immer uͤberzaͤhlt:
Seufzt, nicht geduldiger, die reizende Sultane,
Geruͤſtet ſchon zum ſieg, die mitternacht herbey.
Gefaͤllig bot der Zufall ihrem plane
Die hand, und machte ſie von allen ſeiten frey.
44. Ein
[]
44.
Ein großes Feſt, der ſchoͤnen Zoradinen
Zu ehren im palaſt vom Sultan angeſtellt,
Wobey die Obalisken all' erſchienen,
Gab ihr, in ihrem theil des Harems, offnes feld.
Daß ſich Almanſaris fuͤr uͤberfluͤßig haͤlt
Bey dieſer luſtbarkeit, ſchien keinem ungebuͤhrlich;
Im gegentheil, man fand das kopfweh ſehr natuͤrlich,
Das, wie gebeten, ſie auf einmal uͤberfaͤllt.
45.
Die ſtunde ruft. Der ſchoͤne Gaͤrtner nahet
Sich leiſe durchs gebuͤſch der kleinen gartenthuͤr.
Wie klopft ſein herz! Ihm fehlt der athem ſchier,
Da eine weiche hand im dunkeln ihn empfahet,
Und ſanft ihn nach ſich zieht. Stillſchweigend folgt er ihr,
Mit leiſem tritt, bald auf bald ab, durch enge
Sich oft durchkreuzende lichtloſe bogengaͤnge,
Und nun entſchluͤpft ſie ihm vor einer neuen thuͤr.
46.
Wo ſind wir, fluͤſtert er, und tappt mit beyden haͤnden.
Auf einmal oͤfnet ſich die thuͤr. Ein matter ſchein,
(Wie wenn ſich, zwiſchen myrtenwaͤnden
Mit epheu uͤberwoͤlbt, in einem fruͤhlingshayn
Der tag verliert) entdekt ihm eine reyhe zimmer
Die ohne ende ſcheint; und, wie er vorwaͤrts geht,
Wird unvermerkt das matte licht zu ſchimmer,
Der ſchimmer ſchnell zum hoͤchſten glanz erhoͤht.
S47. Er
[]
47.
Er ſteht betroffen und geblendet
Von einer pracht, die alles, was er ie
Geſehn, beſchaͤmt; ſo ſehr iſt gold und Lazuli
Und was Golcond und Siam reiches ſendet,
Mit ſtolzer uͤppigkeit hier uͤberall verſchwendet.
Doch unbefriedigt ſucht ſein liebend auge — Sie.
Wo iſt Sie, ſeufzt er laut. Kaum iſt ſein ach! entflogen,
So wird, in einem bliz, ein vorhang weggezogen.
48.
Zu beyden ſeiten rauſcht der reiche goldſtoff auf,
Und welch ein ſchauſpiel zeigt ſich ſeinen ſtarren blicken!
Ein goldner thron, und eine Dame drauf
So wie ein Bildner ſich, verloren in entzuͤcken,
Die Liebesgoͤttin denkt. Zwoͤlf Nymfen, jede jung
Und voller reiz, wie Amors Schweſtern, ſchweben
In Gruppen um ſie her — um, gleich der daͤmmerung,
Den ſteigenden triumf der Sonne zu erheben.
49.
Von roſenfarbner ſeide kaum
Beſchattet, ſchienen ſie, zu ihrer Dame fuͤßen,
Wie woͤlkchen, die in einem Dichtertraum
Um Cythereens wagen fließen.
Sie ſelbſt, im reichſten puz und mit Juwelen ganz
Belaſtet, zeigt ihm bloß, daß all dies bunte funkeln
Nicht faͤhig iſt, den angebohrnen glanz
Von ihrer ſchoͤnheit zu verdunkeln.
50. Herr
[]
50.
Herr Huͤon (der ſich nun der gaͤrtner Haſſan nennt)
So wie ſein auge ſich zu ihr erhebt — erkennt
Almanſaris, erſchrikt, verwirrt ſich, wankt zuruͤcke.
Dies allverblendende wolluͤſt'ge traumgeſicht
Was ſoll es ihm? — Er ſieht Amanden nicht!
Sie ſuchte hier ſein herz, Sie ſuchten ſeine blicke.
Almanſaris, die ſehr verzeyhlich irrt,
Glaubt, daß ihr glanz allein ihn blendet und verwirrt.
51.
Sie ſteigt vom thron herab, koͤmmt laͤchelnd ihm entgegen
Und nimmt ihn bey der hand, und ſcheint bereit, fuͤr ihn
Die Majeſtaͤt, vor der ihm ſchwindelt, abzulegen,
Und allen vortheil bloß von ihrem Reiz zu ziehn.
Unmerklich wird ihr anſtand immer freyer;
In ihren augen brennt ein lieblichlodernd feuer
Und ſpielt elektriſch ſich in ſeinen buſen ein;
Sie druͤkt ihm ſanft die hand, und heißt ihn froͤlich ſeyn.
52.
Halb unentſchloſſen ſcheint ſein blik ihr was zu ſagen;
Sie winkt die Nymfen weg, und weg iſt auch ſein mut.
Er ſcheint zu furchtſam, nur die augen aufzuſchlagen.
Die ſcene aͤndert ſich. Ein zweyter vorhang thut
Sich auf. Almanſaris fuͤhrt ihren bloͤden Hirten
In einen andern ſaal, wo rings umher die wand
Bekleidet war mit roſen und mit myrten,
Und mit erfriſchungen ein tiſch beladen ſtand.
S 253. Beym
[]
53.
Beym eintritt werden ſie mit ſang und klang empfangen,
Aus ſaiten und geſang ertoͤnt der freude geiſt:
Und Haſſan ſezt, wie ihm's die Dame heißt,
Ihr gegenuͤber ſich. Erroͤthendes verlangen
Und ſchoͤne ungeduld bekennet, furchtſamdreiſt,
In ihrem ſchwimmenden blik, auf ihren gluͤhenden wangen,
Ihm ſeinen ſieg: Allein, aus ſeinen augen bricht
Wie aus gewoͤlk ein traurigduͤſtres licht.
54.
Zwar irrt, nicht bloͤde mehr, ſein blik von freyen ſtuͤcken
Auf ihren reizungen umher;
Doch nicht aus Liebe, nicht mit ſchmachtendem entzuͤcken,
Nicht, wie ſie wuͤnſcht, vom thau wolluͤſt'ger thraͤnen ſchwer.
Er iſt zerſtreut, er ſcheint ſie zu vergleichen,
Und jeder reiz, der ihm nachſtellend ſich enthuͤllt,
Mahlt nur lebendiger Amandens edles bild,
Und muß, beſchaͤmt, den keuſchen reizen weichen.
55.
Vergebens reicht ſie ihm den blinkenden pocal
Mit einem blik, der Amors ganzen koͤcher
In ſeinen buſen ſchießt. Beym frohſten Goͤttermahl
Reicht ihrem Herkules den vollen Nektarbecher
Mit ſuͤßerm laͤcheln ſelbſt die junge Hebe nicht.
Umſonſt! Mit froſtigem geſicht
Nimmt er den becher an, den kaum ihr mund beruͤhrte,
Und trinkt, als ob er gift auf ſeiner zunge ſpuͤrte.
56. Die
[]
56.
Die Dame winkt: und ſchnell ſchlingt ſich die ſchweſterſchaar
Der Nymfen, die vorhin den goldnen thron umgaben,
In einen tanz, der Todte auf der baar
Mit neuen ſeelen zu begaben,
Und Geiſter zu verkoͤrpern faͤhig war.
In Gruppen bald verwebt, bald wieder paar und paar,
Sieht Huͤon hier die lieblichſten geſtalten
In tauſendfachem licht freygebig ſich entfalten.
57.
Vielleicht zu deutlich nur, ſcheint alles abgezielt
Begierden ihm und ahnungen zu geben:
Er fuͤhl' es immerhin, denkt ſie, wenn er nur fuͤhlt.
Wie reich das ſchauſpiel iſt das hier die Schoͤnheit ſpielt!
Wie reizend iſt der Arme leichtes ſchweben,
Der Huͤften uͤppiger ſchwung, der Knoͤchel wirbelnd beben!
Wie ſchmachtend fallen ſie, mit halbgeſchloßnem blik,
Als wie in ſuͤſſen Tod izt ſtufenweis zuruͤk!
58.
Unwillig fuͤhlt die uͤberraſchten ſinnen
Der edle Mann in dieſer glut zerrinnen.
Er ſchließt zulezt die augen mit gewalt,
Und ruft Amandens bild zum maͤcht'gen gegenhalt;
Amandens bild, aus jener ernſten ſtunde
Als er, den druk noch warm auf ſeinem munde
Von ihrem kuß, zu Dem, der die Natur
Erfuͤllt und traͤgt, den eid der Lieb und Treue ſchwur.
S 359. Er
[]
59.
Er ſchwoͤret ihn, aufs neue, in gedanken
Auf ſeinen knie'n vor dieſem heil'gen bild:
Und ploͤzlich iſts als hielt ein Engel ſeinen ſchild
Vor ſeine bruſt, ſo matt und kraftlos ſanken
Der Wolluſt pfeile von ihr ab.
Almanſaris, die acht auf alles gab
Was ihr ſein blik verrieth, klopft ſchnell in ihre haͤnde,
Und macht in einem wink dem uͤpp'gen tanz ein ende.
60.
Und ob ſie gleich mit muͤh kaum uͤber ſich gewann
Dem marmorharten jungen Mann
In ihren armen nicht empfindung abzuzwingen,
Verſucht ſie doch noch eins, das ſchwerlich fehlen kann;
Sie laͤßt ſich ihre Laute bringen.
Auf ihrem polſterſiz mit reiz zuruͤkgelehnt,
Und, zum bezaubern faſt, durch ihre glut verſchoͤnt,
Was wird ihr durch die gunſt der Muſen nicht gelingen?
61.
Wie raſch durchlaͤuft in lieblichem gewuͤhl
Der roſenſinger flug die ſeelenvollen ſaiten!
Wie reizend iſt dabey, aus ihrem offnen weiten
Ruͤkfallenden gewand, der ſchoͤnen arme ſpiel!
Und, da aus einer bruſt, die Weiſe zu bethoͤren
Vermoͤgend war, das maͤchtige gefuͤhl
Sich in geſang ergießt, wie kann er ſich erwehren
Auf ſeinen knie'n die Goͤttin zu verehren?
62. Suͤß
[]
62.
Suͤß war die Melodie, bedeutungsvoll der Sinn:
Es war das lied von einer Schaͤferin,
Die lange ſchon ein feu'r, das keine raſt ihr goͤnnet,
Verbarg — doch nun dem allgewalt'gen drang
Nicht laͤnger widerſteht, und dem, der ſie bezwang,
Erroͤthend ihre pein und ſeinen ſieg bekennet.
Das lied ſtand zwar im buch; allein, ſo wie ſie ſang,
Singt keine, die nicht ſelbſt in gleichen flammen brennet.
63.
Hier weicht die ſtolze Kunſt der ſiegenden Natur;
So lieblich girrt der Venus Taube nur!
Die ſprache des gefuͤhls, ſo maͤchtig ausgeſprochen,
Der ſchoͤnen toͤne klarer fluß
Durch kleine ſeufzerchen ſo haͤufig unterbrochen,
Der wangen hoͤhers roth, des buſens ſchnellers pochen,
Kurz, Alles iſt vollſtroͤmender erguß
Der leidenſchaften, die in ihrem Innern kochen.
64.
Im uͤbermaas von dem was ſie empfand
Faͤllt ihr zulezt die Laute aus der hand.
Die Arme oͤffnen ſich — Doch, Huͤon, dem es graute,
Greift eilends noch im fallen nach der Laute
Wie ein Begeiſterter, und ſtimmt mit maͤcht'gem ton
Die antwort an; geſteht, daß eine Andre ſchon
Sein herz beſizt, und daß im Himmel und auf Erden
Ihn nichts bewegen kann ihr ungetreu zu werden.
S 465. Feſt
[]
65.
Feſt war ſein ton, und unbeſtechlich ſtreng
Sein edler blik. Die Zauberin, wider willen,
Fuͤhlt ſeine obermacht. Sie blaßt, und thraͤnen fuͤllen
Ihr zuͤrnend aug; die luſt koͤmmt ins gedraͤng
Mit ihrem ſtolz. Sie eilt ſich zu verhuͤllen;
Verhaßt iſt ihr das licht, der weite ſaal zu eng:
Mit einem kalten blik auf ihren
Rebellen, winket ſie, ihn ſchleunig abzufuͤhren.
66.
Die gipfel glaͤnzten ſchon im erſten purpurlichte,
Als unſer Held, die ſtirn in finſtern gram
Gehuͤllt, zuruͤk zu ſeinen Freunden kam.
Erſchrocken laſen ſie in ſeinem angeſichte
Beym erſten blik die haͤlfte der geſchichte.
Ungluͤkliche, ſpricht er zu Fatmen, die vor ſchaam
Zur erde ſinkt, wohin war dir dein ſinn entflogen?
Doch — dir verzeyh ich gern — du wurdeſt ſelbſt betrogen.
67.
Und als er drauf, was ihm in dieſer nacht
Begegnet war, erzaͤhlt, faßt er den guten Alten
Vorn an der bruſt, und ſchwoͤrt: ihn ſoll die ganze Macht
Von Africa zuruͤk nicht laͤnger halten,
Mit ſchwert und ſchild, wie einem Rittersmann
Geziemt, in den palaſt zu dringen,
Und ſeine Rezia dem Sultan abzuzwingen.
Du ſiehſt nun, ſpricht er, ſelbſt, was ich mit liſt gewann!
68. Zu
[]
68.
Zu ſeinen fuͤßen fleht ihm Scherasmin, und lange
Vergebens, nur drey tage noch dem zwange
Der noͤthigen verborgenheit
Sich in geduld zu untergeben,
Und nicht durch einen ſchritt, den ſelbſt die tapferkeit
Verzweifelt nennt, ſein und Amandens leben
Zu wagen; bittet nur um dieſe kurze zeit,
Um jedes hinderniß von ſeiner flucht zu heben.
69.
Auch Fatme ſteht auf ihren knieen, ſtrekt
Ihr haupt der rache dar, wofern ſie zu Amanden
Ihm binnen dieſer friſt den zugang nicht entdekt.
Sie ſchwoͤrt, zum zweitenmal ſoll kein betrug zu ſchanden
Sie machen — Kurz, der Ritter ſelber fuͤhlt
Daß ihm ſein unmuth nicht den beſten weg empfiehlt:
Er giebt ſein wort, und kehret in den garten
Zuruͤk, um ſeines dienſts und des erfolgs zu warten.
S 5Oberon
[]
Oberon
Vierzehnter Geſang.
1.
Indeſſen ſucht auf polſtern von damaſt
Almanſaris, mit Amors wildſtem feuer
In ihrer bruſt, umſonſt nur eine ſtunde raſt.
Iſts moͤglich, oder hat das ſchnoͤde abenteuer
Der lezten nacht ihr nur getraͤumt? Ein Mann
Verachtet dich, Almanſaris? Er kann
Dich ſehen und fuͤr eine andre brennen,
Kann dich verſchmaͤhn, und darf es dir bekennen?
2.
Zur wut treibt der gedanke ſie;
Sie ſchwoͤrt ſich grenzenloſe Rache.
Wie haͤßlich wird er ihr! Ein ungeheu'r, ein drache,
Iſt lieblicher, als ihre fantaſie
Den Undankbaren mahlt — Wie lang'? — In zwo minuten
Iſt ſie des vorigen ſich ſchon nicht mehr bewußt;
Bald ſoll er tropfenweis im ſtaub vor ihr verbluten,
Bald druͤkt ſie ihn entzuͤkt an ihre bruſt.
3. Nun
[]
3.
Nun ſteht er wieder da in ſeiner ganzen Schoͤne,
Der erſte aller Erdenſoͤhne,
Ein Held, ein Gott! — Unmoͤglich iſt er nur
Der Neffe Ibrahims — In ſeinem ganzen weſen,
In ſeinem ton und anſtand iſt die ſpur
Von dem, was er umſonſt verbergen will, zu leſen;
Wo iſt der ſtempel der Natur
Der einen Koͤnig macht ſichtbarer je geweſen?
4.
Er, er allein, iſt Ihrer werth,
Iſt werth, in ihrem arm ſich zu vergoͤttern.
Und, o! ihr fehlt ein bliz, die Feindin zu zerſchmettern,
Die ihn bezaubert haͤlt, und ihr den ſieg erſchwert?
Doch, wie? Almanſaris? Fuͤhlſt du dich ſelbſt nicht beſſer?
Goͤnn ihm den kleinen ſtolz ſich pfauengleich zu blaͤhn
In ſeinem heldenthum! Selbſt Dir zu widerſtehn!
Das alles macht doch nur die luſt des ſieges groͤſſer!
5.
Beſtuͤrm' ihn erſt, eh du den mut verlierſt,
Mit jedem reiz, auf den ſich wahre ſchoͤnheit bruͤſtet;
Begieb, damit du ihn um ſo viel ſichrer ruͤhrſt,
Der fremden waffen dich, womit die Kunſt uns ruͤſtet;
Er fuͤhl und ſeh' was Goͤtter ſelbſt geluͤſtet!
Und wenn du dann ſein herz noch nicht verfuͤhrſt,
Er dann dich noch verſchmaͤht — dann, Koͤnigin, erwache
Dein ſtolz, und ſchaffe dir die ſuͤße luſt der Rache!
6. So
[]
6.
So fluͤſtert ihr aus einer Zofe mund
Der kleine Daͤmon zu, den ihr, mit vollem Koͤcher,
Gebietriſch ſitzen ſeht auf dieſem Erdenrund!
Der alle welt aus ſeinem zauberbecher
Berauſcht, und den, wer ihn nicht beſſer kennt,
Zur ungebuͤhr, den Gott der Liebe nennt:
Denn — jeder jungen unerfahrnen Dame
Zur nachricht ſey es kund! — Asmodi iſt ſein name.
7.
Almanſaris, in deren warmen blut
Schon ein Verfuͤhrer ſchleicht, iſt gegen den Betruͤger
Von Außen, weniger als jemals auf der hut;
Sein anhauch naͤhrt und faͤchelt ihre glut,
Und kaum daß ſie, zur zier, dergleichen thut
Als widerſtuͤnde ſie, ſo iſt Asmodi Sieger.
Die Zofe Schmeichlerin, ſein wuͤrdiges Organ,
Legt den entwurf ſogleich mit vieler klugheit an.
8.
O! raubet nun dem bliz die feuerſchwingen,
Ihr ſtunden, ihn herbeyzubringen,
Den ſuͤßen Augenblik! Zu langſam ſchleichet ihr
(Wie ſchnell ihr eilt!) der lechzenden Begier!
Doch — Sie iſts nicht allein, die izt Secunden zaͤhlet:
Auch Huͤon uͤberlebt, von ungeduld gequaͤlet,
Den traͤgen Gang der drey verhaßten tage kaum,
Und wachend und im ſchlaf iſt Rezia ſein traum.
9. Der
[]
9.
Der zweyte morgen war dem ſehnlichen verlangen
Der Haremskoͤnigin nun endlich aufgegangen;
Goldlockicht, ſchoͤn und roſenathmend ſieg
Er, wie der Herold, auf, der ihr den ſchoͤnſten ſieg
Verkuͤndigte: ſchon ſaͤuſelt durch die Myrten
Die, dicht verwebt, der Grotten ſchoͤnſte guͤrten,
Ein leichter morgenwind, und tauſendſtimmig ſchallt
Der voͤgel fruͤhes chor im nahgelegnen wald:
10.
Doch um die grotte her iſt unterm myrtenlaube
In ew'ger daͤmmerung das heiligthum der Ruh.
Hier girret nur die ſanfte Turteltaube
Dem Tauber ihre ſehnſucht zu.
In dieſen lieblichen gebuͤſchen,
Dem dunkeln ſiz verborgner einſamkeit,
Pflegt oͤfters ſich zur ſtillen morgenzeit
Almanſaris mit baden zu erfriſchen.
11.
Der anmutsvolle morgen rief
Den ſchoͤnen Haſſan auf, indeß noch alles ſchlief,
Die blumenkoͤrbe voll zu pfluͤcken,
Die er, mit jedem tag, dem Harem zuzuſchicken
Verbunden war: als ihm ein Sclav entgegenlief
Und keuchend ihm befahl die grotte aufzuſchmuͤcken.
Der Neger fuͤgt, zur eil' ihn anzuſpornen, bey,
Daß eine Dame dort zu baden willens ſey.
12. Ver-
[]
12.
Verdroſſen geht Herr Huͤon, auszurichten
Was ihm befohlen war. Er fuͤllt mit bunten ſchichten
Von blumen, Florens ganzem ſchaz,
Den groͤſten korb, und eilt zum augewieſnen plaz.
Fern iſts von ihm, der ſache mißzutrauen.
Allein, beym eintritt in die grotte, faͤllt auf ihn
Ein dumpfes wunderbares grauen,
Und ein verborgner Arm ſcheint ihn zuruͤkzuziehn.
13.
Betroffen ſezt er ſeine blumen nieder,
Doch faßt er augenbliks ſich wieder
Und laͤchelt ſeiner furcht. Das zweifelhafte licht,
Das unter tauſendfachem flittern
In dieſem labyrinth mit ſichtbarm Dunkel ficht,
War ohnezweifel ſchuld an dieſem kind'ſchen zittern,
Denkt er, und geht getroſt, bey immer hellerm ſchein,
Mit ſeinem blumenkorb ins Innerſte hinein.
14.
Hier herrſcht ein Tag wie zu verſtohlnen freuden
Die ſchlaue Luſt ein zauberlicht ſich waͤhlt,
Nicht tag nicht daͤmmerung; es ſchwebte zwiſchen beyden,
Nur lieblicher durch das was ihm zu beyden fehlt.
Es glich dem Mondſchein, wenn durch Roſenlauben
Sein ſilberlicht zerſchmilzt in blaſſes roth.
Der Held, wiewohl ihm hier noch nichts gefaͤhrlichs droht,
Erwehrt ſich kaum bezaubert ſich zu glauben.
15. Was
[]
15.
Was er am wenigſten ſich uͤberreden kann,
Iſt, daß man hier, wo alles um und an
Von blumen ſtrozt, noch blumen noͤthig haͤtte;
Doch, wie ſein auge nun auf alle ſeiten irrt,
O wer beſchreibt wie ihm zu mute wird,
Da ihm auf einem ruhebette
Sich eine Nymf' aus Mahoms Paradies
Im vollen Glanz der reinſten Schoͤnheit wies!
16.
In einem licht, das zauberiſch von oben
Wie eine Glorie auf ſie herunterſtroͤmt,
Und, durch die dunkelheit des uͤbrigen erhoben,
Mit ihres Buſens ſchnee die lilien beſchaͤmt:
In einer lage, die ihm reizungen entfaltet
Wie ſeine augen nie ſo ſchoͤn entſchleyert ſahn;
Mehr werth als alles, was zum Farren und zum Schwan
Den Jupiter der Griechen umgeſtaltet.
17.
Die Gaſe, die nur, wie ein leichter ſchatten
Auf einem Alabaſterbild,
Sie hier und da umwallet, nicht verhuͤllt,
Scheint mit der naktheit ſelbſt den reiz der ſchaam zu gatten.
Weg, feder, wo Apell und Titian
Beſtuͤrzt den pinſel fallen ließen!
Der Ritter ſteht, und bebt, und ſchaut bezaubert an,
Wiewohl ihm beſſer war die augen zuzuſchließen.
18. In
[]
18.
In ſuͤßem irrthum ſteht er da
Und glaubt (doch nur zween Augenblicke)
So ſchoͤn iſt was er ſieht, er ſehe Rezia.
Allein, mit Recht mißtrauiſch einem gluͤcke
Das ihm unglaͤublich daͤucht, tritt er ihr naͤher, ſieht,
Erkennt Almanſaris, und wendet ſich und flieht.
Er flieht, und fuͤhlt im fliehn von zween elaſtiſchrunden
Milchweißen armen ſich gefangen und umwunden.
19.
Er kaͤmpft den ſchwerſten kampf, den je, ſeit Joſephs zeit,
Ein Mann gekaͤmpft, den edeln kampf der Tugend
Und Liebestreu und feuervollen Jugend
Mit Schoͤnheit, Reiz und heißer Ueppigkeit.
Sein Will' iſt rein von ſtraͤflichem entzuͤcken;
Allein, wie lange wird er ihrem ſuͤßen flehn,
Den kuͤſſen voller glut, dem zaͤrtlichwilden druͤcken
An ihren buſen, widerſtehn?
20.
O Oberon, wo iſt dein lilienſtaͤngel,
Wo iſt dein horn in dieſer faͤhrlichkeit?
Er ruft Amanden, Oberon, alle Engel
Und Heilige zu huͤlf' — Und noch zu rechter zeit
Koͤmmt huͤlf' ihm zu. Denn juſt, da jede Sehne
Ermatten will zu laͤngerm widerſtehn,
Und mit wolluͤſtger wut ihn die erhizte Schoͤne
Faſt uͤberwaͤltigt hat — laͤßt ſich Almanſor ſehn.
21. Gleich
[]
21.
Gleich einem angeſchoßnen Wild,
Und wuͤtend, eine Frau die ihn verſchmaͤht zu lieben,
Hat er, verfolgt von Zoradinens bild,
Schon eine ſtunde ſich im garten umgetrieben:
Der zufall leitet ihn in dieſes myrtenrund;
Er glaubt die ſtimme von Almanſaris zu hoͤren,
Und, weil die Grottenthuͤr nur angelehnet ſtund,
Geht er hinein, ſich naͤher zu belehren.
22.
Der Daͤmon, der durch ſeiner Prieſterinnen
Gefaͤhrlichſte des Ritters Treu' beſtritt,
Wird ſchon von fern an ſeinem Sultansſchritt
Almanſors nahe ankunft innen.
O huͤlfe, huͤlfe! ſchreyt das ſchnellgewarnte Weib,
Und wechſelt ſtraks mit Huͤon's Ihre rolle,
Stellt ſich, als kaͤmpfte ſie um ihren eignen leib
Mit einem Wuͤtenden, der ſie entehren wolle.
23.
Ihr wilder blik, ihr halbzerriſſenes gewand,
Ihr fliegend haar, des jungen Gaͤrtners ſchrecken,
Der von der unverſehnen kecken
Beſchuldigung wie blizgetroffen ſtand,
Der ort, wo ihn der Sultan fand,
Kurz, alles ſchien in ihm den Frefler zu entdecken.
O! Alla ſey gelobt, rief die Betruͤgerin,
Daß ich Almanſorn ſelbſt die rettung ſchuldig bin!
T24. Drauf
[]
24.
Drauf, als ſie ſchamhaft ſich in alle ihre ſchleyer
Gewickelt, luͤgt ſie, mit dem ton
Der unſchuld ſelbſt, ein falſches abenteuer:
Wie dieſer ſchaͤndliche verkappte Chriſtenſohn,
Da ihr die luſt im kuͤhlen ſich zu waſchen
Gekommen, ſich erfrecht ſie hier zu uͤberraſchen,
Und wie ſie mit gewalt ſich ſeiner kaum erwehrt,
Als ihn, zu groͤßtem gluͤk, der Sultan noch geſtoͤrt.
25.
Um von dem haͤßlichen verbrechen,
Deß er beſchuldigt wird, den Ritter loszuſprechen,
Bedurft's nur Einen unbefangnen blik;
Doch ſeinem Richter fehlt auch dieſer einzge blik.
Der Held verachtet es, mit einer Frauen ſchande
Sich ſelbſt vom tode zu befreyn;
Er ſchmiegt den edeln Arm in unverdiente bande,
Und huͤllet ſchweigend ſich in ſein bewußtſeyn ein.
26.
Der Sultan, den ſein Unmut zum verdammen
Noch raſcher macht, bleibt dumpf und ungeruͤhrt.
Der Frefler werd' in ketten weggefuͤhrt,
(Herrſcht er den ſclaven zu, die ſein befehl zuſammen
Gerufen) werfet ihn in eine finſtre gruft;
Und morgen fruͤh, ſobald vom thurm der Iman ruft,
Werd' er, im aͤußern hof, ein raub ergrimmter flammen,
Und ſeine aſche ſtreut mit fluͤchen in die luft!
27. Der
[]
27.
Der Edle hoͤrt ſein urtheil ſchweigend, — blitzet
Auf das verhaßte Weib noch Einen blik herab,
Und wendet ſich, und geht in feſſeln ab,
Auf einen Mut, den nur die unſchuld giebt, geſtuͤtzet.
Kein ſonnenblik erfreut das fuͤrchterliche grab
Worinn er nun tief eingekerkert ſitzet.
Der nacht des Todes gleicht die nacht die auf ihn druͤkt
Und jeden hoffnungsſtral in ſeinem geiſt erſtikt.
28.
Ermuͤdet von des Schikſals ſtrengen ſchlaͤgen,
Verdroſſen, ſtets ein ball des wechſelgluͤks zu ſeyn,
Seufzt er dem augenblik, der ihn befreyt, entgegen.
Schrekt ihn das Vorgefuͤhl der ſcharfen feuerpein?
Die Liebe hilft ihm's uͤbertaͤuben.
Sie ſtaͤrkt mit Engelskraft die ſinkende Natur.
Bis in den tod (ruft er) getreu zu bleiben
Schwur ich, Amanda, dir, und halte meinen ſchwur!
29.
O daß, geliebtes Weib, was morgen
Begegnen wird, auf ewig dir verborgen,
Auf ewig auch, Dir, treuer alter Freund,
Verborgen blieb'! — Wie gern erlitt' ich unbeweint
Mein traurig Loos! Doch, wenn ihr es erfahret,
Erfahret weſſen ich beſchuldigt ward, und mit
Dem ſchmerz um meinen tod ſich noch die ſchande paaret,
Zu hoͤren, daß ich nur was ich verdiente litt —
T 230. O Gott!
[]
30.
O Gott! Es iſt zuviel auch dies noch zu erdulden!
Es buͤße immerhin fuͤr meine ſuͤndenſchulden
Der ſtrengſte tod! Ich klage niemand an!
Dies einz'ge nur, o Oberon, gewaͤhre
Dem, den du liebteſt, noch — beſchuͤtze meine Ehre,
Beſchuͤtze Rezia! — Du weiſt, was ich gethan!
Sag' ihr, daß ich den heil'gen Schwur der Treue
Zu halten, den ich ſchwur, den Feuertod nicht ſcheue.
31.
So ruft er aus, und, vom Vertraun geſtaͤrkt
Daß Ob'ron ihn erhoͤrt, beruͤhrt ihn unvermerkt
Der mohnbekraͤnzte Geiſt des Schlummers
Mit ſeinem ſtab, dem Stiller alles kummers,
Und wieget ihn, wiewohl nur harter ſtein
Sein Kuͤſſen iſt, in leichte traͤume ein.
Hat ihm vielleicht, zum pfand, daß bald ſein leiden endet,
Der gute Schuzgeiſt ſelbſt dies labſal zugeſendet?
32.
Noch lag die halbe Welt mit finſterniß bedekt
Als ihn aus ſeiner ruh ein dumpfes klirren wekt.
Ihn daͤucht er hoͤr' im ſchloß die ſchweren ſchluͤſſel drehen;
Die eiſenthuͤr geht auf, des kerkers ſchwarze wand
Erhellt ein blaſſer ſchein, er hoͤret jemand gehen,
Und ſtemmt ſich auf — und ſieht — in ſchimmerndem gewand,
Die krone auf dem haupt, die lampe in der hand,
Almanſaris zu ſeiner ſeite ſtehen.
33. Sie
[]
33.
Sie reicht die lilienhand ihm, reizvoll laͤchelnd, dar,
Und — wirſt du, ſpricht ſie, mir vergeben
Was nur die ſchuld der not, nicht meines herzens, war?
O du Geliebter, haͤngt an Deinem ſchoͤnen leben
Mein eignes nicht? Ich komme, der gefahr
Dich zu entziehn, (troz deinem widerſtreben!)
Vom Holzſtoß dich, wozu dich der Barbar
Verdammt, auf einen Thron, den du verdienſt, zu heben!
34.
Die Liebe oͤfnet dir der Hoheit ſonnenbahn:
Auf, mache ſie von deinem ruhm erſchallen!
Nimm dieſe hand, die dir ſich ſchenket, an;
In einem wink ſoll dein Verfolger fallen,
Und all ſein volk, wie ſtaub, um deine fuͤße wallen.
Im ganzen Harem iſt mir alles unterthan;
Vertraue dich der Liebe ſichern haͤnden,
Und, was ſie wagte, wird dein eigner mut vollenden!
35.
„Hoͤr' auf! o Koͤnigin, dein Antrag haͤuffet bloß
Mein leiden, durch die qual Dir alles abzuſchlagen.
O! warum zwingſt du mich's zu ſagen?
Ich kauffe mich durch kein Verbrechen los!“
Iſts moͤglich? ruft ſie, kann ſo weit der unſinn gehen?
Ungluͤklicher, im angeſicht
Der flamme, die bereits aus deinem holzſtoß bricht,
Kannſt du Almanſaris und einen Thron verſchmaͤhen?
T 336. Sag
[]
36.
Sag mir, verſezt er, Koͤnigin,
Ich koͤnne dir mit meinem blute nuͤtzen,
So ſoll die luſt, womit ich eil' es zu verſpruͤtzen,
Dir zeigen, ob ich unerkenntlich bin!
Ich kann, zum danke, dir mein herzensblut, mein leben,
Nur meine ehre nicht, nur meine treu nicht geben.
Wer Ich bin weiſt du nicht, vergiß nicht wer Du biſt,
Und mute mir nichts zu, was mir unmoͤglich iſt.
37.
Almanſaris, aufs aͤußerſte getrieben
Durch ſeinen widerſtand, ſie wendet alles an,
Was ſeine Treu durch alle ſtufen uͤben
Und ſeinen mut ermuͤden kann.
Sie reizt, ſie droht, ſie fleht, ſie faͤllt, verloren
In lieb' und ſchmerz, vor ihm auf ihre kniee hin;
Doch unbeweglich bleibt des Helden feſter ſinn,
Und rein die Treu, die er Amanden zugeſchworen.
38.
So ſtirb dann, weil du willſt! ruft ſie, des athems ſchier
Vor wut beraubt; ich ſelbſt, ich will an deinem leiden
Mein gierig aug mit heißer wolluſt weiden!
Stirb als ein thor! des Starrſinns opferthier!
Schreyt ſie mit funkelndem aug', und flucht der erſten ſtunde
Da ſie ihn ſah, verwuͤnſcht mit bebendem munde
Sich ſelbſt, und ſtuͤrmt hinweg, und hinter ihr
Schließt wieder, klirrend, ſich des kerkers eiſenthuͤr.
39. In-
[]
39.
Inzwiſchen hatte das geruͤchte,
Das Ungluͤksmaͤhren gern verbreitet und verziert,
Von ihrem Herrn die traurige geſchichte
Auch Scherasmin und Fatmen zugefuͤhrt.
Der ſchoͤne Haſſan, hieß es, ſey im bade
Vom Sultan mit Almanſaris allein
Gefunden worden, und morgen, ohne gnade,
Werd' er, im großen hof, ein raub der Flammen ſeyn.
40.
Ob Huͤon ſchuldlos ſey war ihnen keine frage;
Sie kannten ja der ſachen wahre lage.
Doch, haͤtt' er auch gefehlt, ſo war er mitleidswerth.
In faͤllen dieſer art wird aͤchte Treu bewaͤhrt.
Anſtatt die zeit mit jammern zu verderben,
Beſchloſſen ſie, das aͤuſſerſte fuͤr ihn
Zu wagen, um ihn noch aus dieſer noth zu ziehn,
Und, ſchluͤg' es fehl, mit ihrem Herrn zu ſterben.
41.
Kurz eh der tag begann, gelingt es Fatmens mut
Und wachſamkeit die Huͤter zu betruͤgen,
Und unerkannt ſich bis ins ſchlafgemach zu ſchmiegen
Wo Rezia, von Huͤon traͤumend, ruht.
Des unverhoften wiederſehens freude
Macht einen augenblik ſie ſprachlos alle beyde.
Das erſte wort das Fatme ſprechen kann,
Iſt Huͤon, iſt bericht von dem geliebten Mann.
T 442. Was
[]
42.
Was ſagſt du, goldne Amme, ruft Amande,
Und faͤllt ihr um den hals — mein Huͤon, mir ſo nah?
Wo iſt er? — Ach! Prinzeſſin, was geſchah!
(Schluchzt jene weinend) hilf! zerreiſſe ſeine bande!
Spreng ſeinen kerker auf! dem Ungluͤkſelgen droht,
Aus liebe bloß zu dir, ein jaͤmmerlicher tod.
Und drauf erzaͤhlt ſie ihr genau die ganze ſache,
Und ihres Ritters Treu, und der Sultanin rache.
43.
Schon, ruft ſie, ſteht der holzſtoß aufgethuͤrmt,
Nichts rettet ihn, wenn ihn nicht Zoradine ſchirmt!
Mit einem ſchrey der angſt, halbſinnlos, faͤhrt Amande
In wilder Haſt von ihrem lager auf,
Wirft, wie ſie ſteht, im leichten Nachtgewande,
Den Curdee um, und eilt in vollem lauf
Des Sultans zimmer zu, durch alle Sclavenwachen,
Die ſie mit wunder ſehn, und ſchweigend plaz ihr machen.
44.
Sie dringt hinein, nichts achtend daß es fruͤh
Am tage war, und wirft mit lilienblaſſen wangen,
Und haaren, die zerſtreut um ihre ſchultern hangen,
Sich vor dem Sultan auf die knie'.
Almanſor, ſpricht ſie, wenn mein Leben dir
Erhaltenswuͤrdig ſcheint, ſo laß mich nicht vergebens
Dir knieen — Schwoͤre, daß du was ich bitte mir
Gewaͤhren willſt! Es gilt die ruhe meines lebens!
45. Be-
[]
45.
Begehr, o Schoͤnſte, ſpricht erſtaunt und froh zugleich,
Der Sultan: laß mich nicht in Ungewisheit ſchweben!
Dir zu gefallen iſt mein feurigſtes beſtreben;
Begehre frey! Mein Schaz, mein Thron, mein Reich,
Nichts iſt zuviel, was Du verlangſt und ich zu geben
Vermag. Ein einzigs nur behaͤlt ſich Manſor vor,
Dich ſelbſt! — „Du ſchwoͤrſt es mir? —“ Der liebestrunkne Mohr
Beſchwoͤrts — „So ſchenke mir des gaͤrtners Haſſan leben!“
46.
Wie, ruft der Sultan mit beſtuͤrzter mine,
Welch eine bitte, Zoradine?
Was geht das leben dich von dieſem Sclaven an?
„O viel, Almanſor, viel! Mein eignes haͤngt daran!“
Sprichſt du im Fieber? Schwaͤrmeſt du? Verzeihe,
Doch, du mißbrauchſt des unbegrenzten Rechts
Das dir die Schoͤnheit giebt — Am leben eines knechts
Der ſein Verbrechen buͤßt? — „Er buͤßt fuͤr ſeine Treue!“
47.
„Mir iſt ſein herz bekannt, er haͤlt an ſeiner pflicht,
Iſt ſchuldlos, iſt ein Mann von unverlezter Ehre;
Und doch — o Manſor! — wenn er ſchuldig waͤre,
So raͤche ſein vergehn an Zoradinen nicht!“
Mit augen die von kaum verhaltnem grimme funkeln,
Ruft Manſor: Grauſame, was quaͤlt dein zoͤgern mich?
Welch ein geheimnis daͤmmert aus dem dunkeln
Verhaßten raͤthſel auf? Was iſt dir Haſſan? Sprich!
T 548. „So
[]
48.
„So wiß es dann, weil mich die not zum reden zwinget,
Ich bin ſein Weib! Ein Band, das nichts zerreiſſen kann,
Ein band, gewebt im Himmel ſelber, ſchlinget
Mein gluͤk, mein Alles feſt an den geliebten Mann.
Uns druͤkt mit ſeiner ganzen furchtbarn Schwere
Des Schikſals arm — Wer weiß, wie bald an dich
Die reyhe kommt? — du ſiehſt mich elend — ehre
Mein leiden, Gluͤklicher! — Du kannſt es, rette mich!“
49.
Wie? du biſt Haſſans weib, und liebſt ihn? — „uͤber alles!“
Ungluͤkliche, er iſt dir ungetreu!
„Er ungetreu? Die urſach ſeines falles,
Ich bins gewiß, iſt einzig ſeine Treu.“
Ich glaube was ich ſah! — „So ward er erſt betrogen,
Und du mit ihm?“ — Mit zuͤrnendem geſicht
Spricht Manſor: ſpanne nicht den bogen,
Zu ſtolz auf deinen reiz, ſo lange bis er bricht!
50.
Dein Haſſan ſtirbt — und ich kann nichts, als dich beklagen.
Er ſtirbt, ſchreyt Rezia — Tyrann,
Haſt du ein herz mir das zu ſagen?
Er, dem ein Wort von dir das leben ſchenken kann,
Er ſtirbt? — So iſt es! wer des Harems zucht verlezt,
Erwiedert Manſor kalt, dem iſt der Tod geſezt.
Doch, weil du willſt, ſo ſey des Sclaven leben,
Sein Leben oder Tod, in deine hand gegeben!
51. Gieb,
[]
51.
Gieb, Schoͤnſte, mir ein beyſpiel edler huld,
Gieb mir die ruh, die du mir raubteſt, wieder!
Ich lege Kron' und Reich zu deinen fuͤßen nieder,
Ergieb dich mir, ſo ſey dem frefler ſeine ſchuld
Geſchenkt! Er zieh, mit koͤniglichen gaben
Noch uͤberhaͤuft, zu ſeinem volk zuruͤk!
O zoͤgre nicht, die Guͤte ſelbſt zu haben
Die du begehrſt! — Ein wort macht mein und ſein geſchik.
52.
Unedler, ruft mit eines Engels zuͤrnen
Das ſchoͤne Weib, ſo theuer kauft der Mann
Den Zoradine liebt ſein leben nicht! — Tyrann,
Kennſt du mich ſo? — Die ſchlechteſte der Dirnen
Die mich bedienten einſt, verſchmaͤhte deinen thron
Und dich um ſolchen Preis! Zwar ſteht, uns zu verderben,
In deiner macht: doch, hoffe nicht davon
Gewinn zu ziehn — Barbar, auch Ich kann ſterben!
53.
Der Sultan ſtuzt. Ihn ſchrekt des edeln weibes mut.
Sein feiges herz wird mehr von ihrem Draͤun geruͤhret
Als da ſie bat; doch, ihre Schoͤnheit ſchuͤret
Das feuer der begier zugleich in ſeinem blut.
Was ſagt' er nicht, ihr herz mit liebe zu beſtechen?
Wie bat er ſie? Wie ſchlangenartig wand
Er ſich um ihren fuß? — Umſonſt! Ihr Widerſtand
War nicht durch drohungen, war nicht durch flehn zu brechen.
54. Sie
[]
54.
Sie bleibt darauf, ihr ſoll der tod willkommner ſeyn.
Der Sultan ſchwoͤrt mit fuͤrchterlicher ſtimme
Bey Mahoms Grab, nichts ſoll vor ſeinem grimme
Sie retten, geht ſie nicht ſogleich den antrag ein.
Iſts nicht mein leztes wort, ſoll Alla mich verdammen!
Hoͤrt man den Wuͤtenden bis in dem Vorſaal ſchreyen:
Entſchließe dich, ſey auf der ſtelle mein,
Wo nicht, ſo ſtirb mit dem Verworfnen in den flammen!
55.
Sie ſieht ihn zuͤrnend an, und ſchweigt. Entſchließe dich,
Ruft er zum zweytenmal. — O! ſo befreye mich
Von deinem anblik, ſpricht die Koͤnigin der Frauen,
Des Todes grinſen ſelbſt erwekt nur minder grauen.
Almanſor ruft, und giebt, von wut erſtikt,
Den grauſamen befehl, und hoͤllenfunken ſpruͤhen
Aus ſeinem aug. Der Schwarzen Erſter buͤkt
Sich bis zur erde hin, und ſchwoͤrt, ihn zu vollziehen.
56.
Schon ſteht der graͤßliche Altar
Zum opfer aufgethuͤrmt; ſchon draͤngt ſich, ſchaar an ſchaar,
Das Volk herzu, das, gern in angſt geſetzet,
An trauerſpielen dieſer art
Die augen weinend labt, und ſchauernd ſich ergoͤtzet.
Schon ſtehn, zum leiden und zum tode noch gepaart,
An Einen Marterpfahl gebunden,
Die einzgen Liebenden die Ob'ron rein erfunden.
57. Ein
[]
57.
Ein edles paar in Eins verſchmolzner Seelen,
Das treu der erſten Liebe blieb,
Entſchloſſen, eh den tod in flammen zu erwaͤhlen,
Als ungetreu zu ſeyn ſelbſt einem Thron zu lieb!
Mit naſſem blik, die herzen in der klemme,
Schaut alles volk geruͤhrt zu ihnen auf,
Und doch beſorgt, daß nicht den freyen lauf
Des trauerſpiels vielleicht ein zufall hemme.
58.
Den Liebenden, wie ſie gebunden ſtehn,
Iſt zwar der troſt verſagt einander anzuſehn;
Doch, uͤber alles, was ſie leiden
Und noch erwarten, triumfiert
Die reinſte ſeligſte der freuden,
Daß ihre Lieb' es iſt, was ſie hieher gefuͤhrt.
Der tod, der ihre Treu mit ew'gem Lorbeer ziert,
Iſt ihres herzens Wahl, ſie konnten ihn vermeiden.
59.
Inzwiſchen ſiehet man mit fackeln in den haͤnden
Zwoͤlf Schwarze ſich dem Opfer paarweis nahn.
Sie ſtellen ſich herum, bereit es zu vollenden,
Sobald der Aga winkt. Er winkt. Sie zuͤnden an.
Und ſtraks erdonnerts laut, die Erde ſcheint zu beben,
Die Flam' erliſcht, der ſtrik, womit das treue Paar
Gebunden ſtand, faͤllt wie verſaͤngtes haar,
Und Huͤon ſieht — das Horn an ſeinem halſe ſchweben.
60. Im
[]
60.
Im gleichen augenblik, da dies
Geſchah, zeigt ſich von fern mit lautem Schreyen
Almanſor hier, und dort Almanſaris.
Sie eilen haſtig an, in zwo verſchiednen reyhen,
Er Zoradinen, Sie den Haſſan zu befreyen;
Und beyden folgt ein Trupp, bewehrt mit Dolch und Spies.
Auch ſtuͤrzt mit bloßem Schwert durch die erſchrokne menge
Ein ſchwarzer Rittersmann ſich mitten ins gedraͤnge.
61.
Doch Huͤon hat das pfand, daß nun ſein Oberon
Verſoͤhnt iſt, kaum mit wonnevollem ſchaudern
An ſeinem hals erblikt, ſo ſezt er ohne zaudern
Es an den mund, und lokt den lieblichſten ton
Daraus hervor, der je geblaſen worden.
Sein edles herz verſchmaͤht ein feiges volk zu morden;
Tanzt, ruft er, tanzt, bis euch der tanz den athem raubt!
Dies ſoll die Rache ſeyn, die Huͤon ſich erlaubt.
62.
Und wie das Horn ertoͤnt, ergreift der Zauberſchwindel
Zuerſt das volk, das um den holzſtoß ſteht,
Schwarzgelbes, lumpichtes, halbnackendes geſindel,
Das ploͤzlich ſich, wie toll, im ſchnellſten wirbel dreht;
Bald miſchet ſich mit allen ſeinen Negern
Der Aga drein; ihm folgt was fuͤße hat,
Bey Hof, im Harem, in der Stadt,
Vom Sultan an bis zu den waſſertraͤgern.
63. Un-
[]
63.
Unluſtig faßt der Schach — Almanſaris beym arm;
Sie ſtraͤubt ſich, doch was hilft ſein unmut und ihr ſtraͤuben?
Der taumel reißt ſie fort, ſich mitten in den ſchwarm
Der Walzenden mit ihm hineinzutreiben.
In kurzem iſt ganz Tunis in allarm,
Und niemand kann auf ſeiner ſtelle bleiben:
Selbſt podagra, und zipperlein, und gicht
Und todeskampf befreyt von dieſer Tanzwut nicht.
64.
Indeſſen, ohne auf das poſſenſpiel zu blicken,
Haͤlt das getreue Paar, in ſeligem Entzuͤcken,
Sich ſprachlos lang' umarmt. Kaum hat ihr buſen raum
Fuͤr dieſen uͤberſchwang von freuden.
Er iſt nun ausgetraͤumt der pruͤfung ſchwerer traum!
Nichts bleibt davon als was ihr gluͤk verſchoͤnt.
Gebuͤßt iſt ihre ſchuld, das Schikſal ausgeſoͤhnt,
Aufs neu von ihm vereint, kann nun ſie nichts mehr ſcheiden!
65.
Theilnehmend inniglich, ſieht, noch auf ſeinem roß,
Der biedre Scherasmin (er war der ſchwarze Ritter)
Der Wonne zu, worinn ihr herz zerfloß.
Er iſts, der wie ein ungewitter
Vorhin dahergeſtuͤrmt, um das geliebte Paar
Zu retten aus der feigen Mohren haͤnden,
Und, ſchluͤgs ihm fehl, ein leben hier zu enden,
Das, ohne ſie, ihm unertraͤglich war.
66. Er
[]
66.
Er ſpringt herab, draͤngt durch den tollen reigen
Mit Fatme, die ihm folgte, ſich hinan,
Den Liebenden von ihrem Throne ſteigen
Zu helfen, und ſie im Triumfe zu empfahn.
Groß war die freude — Doch, ſie ſchwoll noch hoͤher an,
Da ſie den wohlbekannten Wagen,
Von Schwanen, durch die luft, ſtets niedriger, getragen,
Zu ihrem fuͤßen nun auf einmal halten ſahn.
67.
Sie ſtiegen eilends ein — Die Mohren moͤgen tanzen
So lang es Oberon gefaͤllt!
(Wiewohl der Alte raſpeln oder ſchanzen
Fuͤr eine beßre kurzweil haͤlt.)
Der luͤftge Faeton fliegt, leicht und ohne ſchwanken,
Sanft wie der ſchlaf, und ſchneller als gedanken,
Mit ihnen uͤber land und meer,
Und ſilberwoͤlkchen wehn, wie faͤcher, um ſie her.
68.
Schon tauchte ſich auf bergen und auf huͤgeln
Die Daͤmmerung in ungewiſſen duft;
Schon ſahen ſie den Mond in manchem ſee ſich ſpiegeln,
Und immer ſtiller wards im weiten Reich der luft;
Die Schwanen ließen izt mit ſinkendem gefieder
Allmaͤhlich ſich bis auf die erde nieder:
Als ploͤzlich, wie aus abendrot gewebt,
Ein ſchimmernder Pallaſt vor ihren Augen ſchwebt.
69. In
[]
69.
In einem luſtwald, mitten zwiſchen
Hochaufgeſchoßnen vollen roſenbuͤſchen,
Stand der Palaſt, von deſſen wunderglanz
Der ſtille hayn und das gebuͤſche ganz
Durchſchimmert ſchien — Wars nicht an dieſem orte,
Spricht Huͤon leiſ' und ſchaudernd — Doch, bevor
Ers ausſpricht, oͤfnet ſchnell ſich eine goldne Pforte,
Und zwanzig Jungfraun gehn aus dem palaſt hervor.
70.
Sie kamen, ſchoͤn wie der May, mit ewigbluͤhenden wangen,
Gekleidet in glaͤnzendes Lilienweiß,
Die Erdenkinder zu empfangen
Die Oberon liebt. Sie kamen tanzend, und ſangen
Der reinen Treue unſterblichen Preis.
Komm, ſangen ſie (und goldne zymbeln klangen
In ihren ſuͤßen geſang, zu ihrem lieblichen tanz)
Komm, trautes Paar, empfang den ſchoͤnen Siegeskranz!
71.
Die Liebenden — ſich kaum beſinnend — in die wonne
Der andern Welt verzuͤkt — ſie wallen, hand in hand,
Den doppelreyhen durch: als, gleich der Morgenſonne
In ihrem Braͤut'gamsſchmuk, der Geiſt vor ihnen ſtand.
Nicht mehr ein ſchoͤner Zwerg, ein Knaͤblein, wie er ihnen
In lieblicher verkleidung ſonſt erſchienen —
Ein Juͤngling, ewig ſchoͤn und ewigbluͤhend, ſtand
Der Elfenkoͤnig da, den Ring an ſeiner hand.
U72. Und
[]
72.
Und ihm zur ſeite glaͤnzt, mit ihrer roſenkrone
Geſchmuͤkt, Titania in milderm Mondesglanz.
In beyder Rechten ſchwebt ein ſchoͤner myrtenkranz.
Empfange, ſprechen ſie mit liebevollem tone,
Du treues Paar, zum edeln Siegeslohne,
Aus deiner Freunde hand den wohlverdienten Kranz!
Nie wird von euch, ſolang ihr dieſes zeichen
Von unſrer Liebe bewahrt, das Gluͤk des Herzens weichen.
73.
Kaum daß das lezte wort von Oberons lippen fiel,
So ſah man aus der luft ſich eine wolke neigen,
Und aus der wolke ſchoos, bey goldner harfen ſpiel,
Mit lilien vor der bruſt, drey Elfentoͤchter ſteigen.
Im arm der dritten lag ein wunderſchoͤner Knab,
Den ſie, auf ihren knie'n, Titanien uͤbergab.
Suͤßlaͤchelnd buͤkt zu ihm die Koͤnigin ſich nieder,
Und giebt, mit einem kuß, ihn ſeiner Mutter wieder.
74.
Und, unterm jubelgeſang der Jungfraun, die in Reyhn
Vor ihnen her den weg mit roſen uͤberſtreun,
Ziehn durch die weite goldne pforte
Die Gluͤklichen hinein in Oberons Freudenhaus.
Was ſie geſehn, gehoͤrt, an dieſem ſchoͤnen orte,
Sprach ihre zunge niemals aus;
Sie ſahn nur himmelwaͤrts, und freudenthraͤnen brachen
Aus ihren augen aus, ſo oft ſie davon ſprachen.
75. In
[]
75.
In einen ſanften ſchlaf verlohr ſich wonniglich
Der ſel'ge Traum. Und mit dem Tage fanden
Sie beyde, Arm in Arm, wie neugeboren, ſich
Auf einer bank von moos. Zu ihrer ſeite ſtanden,
Reich aufgeſchmuͤkt, vier wunderſchoͤne pferde,
Und ringsum lag, bey hauffen, im gebuͤſch
Ein praͤchtig ſchimmerndes gemiſch
Von waffen, ſchmuk und kleidern auf der erde.
76.
Herr Huͤon, dem das herz von freude uͤberfloß,
Wekt ſeinen Alten auf; Amande
Sucht ihren Sohn, der noch auf Fatmens ſchoos
Sanftſchlummernd lag. Sie ſehn ſich um. Wie groß
Iſt ihr Erſtaunen! — Herr, in welchem lande
Glaubt ihr zu ſeyn? ruft Scherasmin entzuͤkt
Dem Ritter zu — Kommt, ſeht von dieſem ſtande
Nach weſten hin, und ſagt, was ihr erblikt?
77.
Der Ritter ſchaut hinaus, und traut
Dem anblik kaum. — Er, der ſo viel erfahren,
Und deſſen augen ſo gewoͤhnt an wunder waren,
Glaubt kaum was er mit augen ſchaut.
Es iſt die Sein', an deren bord ſie ſtehen!
Es iſt Paris, was ſie verbreitet vor ſich ſehen!
Er reibt ſich aug und ſtirn, ſchaut immer wieder hin,
Und ruft: iſts moͤglich, daß ich ſchon am ziele bin?
78.
U 2Trabt
[]
Nicht lange ſchaut er hin, vor freude ganz betroffen,
So ſtellt ſich ihm ein neues Schauſpiel dar.
Ihm daͤucht, daß alles um die Burg in aufruhr war,
Man hoͤrt trompetenſchall, und eine Ritterſchaar
U 2Trabt
[]
Trabt dem turnierplaz zu, die ſchranken ſtehen offen.
Mein gluͤk, ruft Huͤon, laͤßt mein hoffen
Stets hinter ſich. Geh, Freund! wofern nicht alles mich
Betruͤgt, giebt's ein Turnier; geh, und erkund'ge dich.
79.
Der Alte geht. Inzwiſchen wird Amande
Von Fatmen angekleidt. Denn, was ſie haben muß
Sich mit dem glanz, der ihrem hohen Stande
Und ihrer ſchoͤnheit ziemt, in dieſem fremden lande
Zu zeigen, fanden ſie im reichſten uͤberfluß
Gehaͤuft zu ihren fuͤßen liegen.
Herr Huͤon laͤßt indeß, mit manchem Vaterkuß,
Den kleinen Huͤonnet auf ſeinem knie ſich wiegen.
80.
Und ſieht, mit inniglicher luſt,
Das ſchoͤne Weib, durch alles fremde Zieren
Und Schimmern nichts gewinnen noch verlieren.
Ob eine roſe ihre bruſt
Umſchattet, ob ein ſtrauß von blitzenden juwelen
In glanz ſie huͤllt — ſtets durch ſich ſelber ſchoͤn
Und liebeathmend, ſcheint durch Den
Ihr nichts geliehn, bey Jener nichts zu fehlen.
81.
Der Alte kommt izt mit der nachricht an,
Drey tage ſey bereits der Schranken aufgethan.
Karl (ſpricht er) immer noch durch ſeinen groll getrieben,
Hat ein Turnier im Reiche ausgeſchrieben;
Und rathet, welchen Dank der Sieger heut' erhaͤlt?
Nichts kleiners, Herr, als — Huͤons Land und Lehen!
Denn, euch aus Babylon mit ruhm gekroͤnt zu ſehen,
Iſt was dem Kayſer nicht im ſchlaf zu ſinne faͤllt.
82. Auf,
[]
82.
Auf, wafne mich, ruft Huͤon voller freuden,
Willkomner konnte mir kein' andre botſchaft ſeyn.
Was die Geburt mir gab, ſey nun durch Tugend mein!
Verdien' ich's nicht, ſo mag's der Kayſer dem beſcheiden
Der's wuͤrdig iſt! — Er ſagt's, und ſiehet Rezia
Ihm laͤchelnd ſtillen beyfall nicken.
Ihr Buſen klopft ihm Sieg! — In wenig augenblicken
Steht glaͤnzend ſchon ihr Held in voller ruͤſtung da.
83.
Sie ſchwingen ſich zu pferd, die Ritter und die Frauen,
Und ziehen nach der Stadt; und allenthalben ſchauen,
Vor ihrer pracht entzuͤkt, die Leute nach, und wer
Die gaſſen muͤßig tritt, laͤuft hinter ihnen her.
Bald langt mit Rezia Herr Huͤon vor den planken
Der ſtechbahn an. Er laͤßt, nachdem er ſich bey ihr
Beurlaubt, Scherasmin zu ihrem ſchuͤtzer hier,
Zieht ſein Viſier herab, und reitet in die ſchranken.
84.
Ein lautes lob verfolgt von beyden ſeiten ihn,
Ihn, der an anſtand und an ſtaͤrke
Den Beſten, die der ritterlichen werke
Bisher gepflegt, weit uͤberlegen ſchien.
Scheelſehend ſtand am ziel, auf ſeinem ſtolzen roß,
Der Ritter, der in dieſen dreyen tagen
Des Rennens preis davon getragen,
Und mit den Fuͤrſten ſah der Kayſer aus dem Schloß.
85.
U 3Daß
[]
Herr Huͤon neigt, nach ritterlicher weiſe,
Sich vor dem Kayſer tief, dann vor den Damen und
Den Richtern — tummelt drauf im kreiſe
Den muth'gen hengſt herum, und macht dem Sieger kund
U 3Daß
[]
Daß er gekommen ſey, den Dank ihm abzujagen.
Er ſollte zwar erſt Stand und Namen ſagen;
Allein ſein ſchwur, daß er ein Franke ſey,
Und ſeines aufzugs pracht, macht vom geſez ihn frey.
86.
Er wiegt und waͤhlt aus einem hauffen ſpeere
Sich den, der ihm die meiſte ſchwere
Zu haben ſcheint, ſchwingt ihn mit leichter hand,
Und ſtellt, voll zuverſicht, ſich nun an ſeinen ſtand.
Wie klopft Amandens herz! Wie feurige gebete
Schikt ſie zu Oberon und allen Engeln ab,
Als izt die ſchmetternde trompete
Den Ungeduldigen zum rennen urlaub gab!
87.
Dem Ritter, der bisher die Nebenbuler alle
Die Erde kuͤſſen hieß, ſchwillt maͤchtiglich die galle,
Daß er gezwungen wird, auf dieſe neue ſchanz
Sein gluͤk und ſeinen ruhm zu ſetzen.
Er war ein Sohn des Dovlin von Maganz,
Und ihm war lanzenſpiel kaum mehr wie haſenhetzen.
Er ſtuͤrmet, wie ein ſtral aus ſchwarzer wolken ſchoos,
In voller wut, auf ſeinen gegner los.
88.
Doch, ohne nur in ſeinem ſiz zu ſchwanken,
Trift Huͤon ihn ſo kraͤftig vor die bruſt,
Und wirft mit ſolcher macht ihn ſeitwaͤrts an die planken,
Daß alle rippen ihm von ſeinem fall erkranken.
Zum kampf vergeht ihm alle weitre luſt.
Vier Knappen tragen ihn ohnmaͤchtig aus den ſchranken.
Ein jubelnd Siegsgeſchrey prallt an die wolken an,
Und Huͤon ſteht allein als Sieger auf dem plan.
89. Er
[]
89.
Er bleibt am ziel noch eine weile ſtehen,
Ob jemand um den Dank noch kaͤmpfen will, zu ſehen;
Und da ſich niemand zeigt, eilt er mit ſchnellem trab
Amanden zu, die, hoch auf ihrem ſchoͤnen roſſe,
Wie eine Goͤttin glaͤnzt, und fuͤhrt ſie nach dem Schloſſe.
Sie langen an. Er hebt gar hoͤflich ſie herab,
Und fuͤhrt ſie, unter ſtetem Vivat rufen
Des Volks, hinauf, die hohen marmorſtufen.
90.
Wie eine Silberwolk umwebt
Amandens angeſicht ein undurchſichtger ſchleyer,
Durch den ſich jedes aug umſonſt zu bohren ſtrebt.
Voll ungeduld, wie ſich dies Abenteuer
Entwickeln werde, ſtroͤmt die Menge, ohne zahl,
Dem edlen Paare nach. Izt oͤfnet ſich ein Saal;
Hoch ſizt auf ſeinem Thron, von ſeinem Fuͤrſtenrathe
Umringt, der alte Karl in Kayſerlichem ſtaate.
91.
Herr Huͤon nimmt den Helm von ſeinem haubt,
Und tritt hinein, in ſeinen ſchoͤnen locken
Dem Gott des Tages gleich. Und alle ſehn erſchrocken
Den Schnellerkannten an. Der alte Karlmann glaubt
Des Ritters Geiſt zu ſehn. Und Huͤon, mit Amanden
An ſeiner hand, naht ehrerbietig ſich
Dem Thron, und ſpricht: Mein Lehnsherr! Siehe mich,
Gehorſam meiner pflicht, zuruͤk in deinen Landen!
92.
Und
[]
Denn, was du zum Beding gemacht
Vor meiner wiederkehr, mit Gott hab ichs vollbracht!
In dieſem kaͤſtchen ſich des Sultans Bart und Zaͤhne,
An die, o Herr, nach deinem wort, ich Leib
Und
[]
Und Leben aufgeſezt — und ſieh, in dieſer Schoͤne,
Die Erbin ſeines throns, und mein geliebtes Weib.
Mit dieſem worte faͤllt von Reziens angeſichte
Der ſchleyer ab, und fuͤllt den Saal mit neuem lichte.
93.
Ein Engel ſcheint, in ſeinem himmelsglanz,
(Gemildert nur, damit ſie nicht vergehen,)
Vor den Erſtaunten dazuſtehen:
So groß, und doch zugleich ſo lieblich anzuſehen,
Glaͤnzt Rezia, in ihrem myrtenkranz
Und ſilbernen gewand. Die Koͤnigin der Feen
Schmiegt ungeſehen ſich an ihre Freundin an,
Und alle Herzen ſind ihr ploͤzlich unterthan.
94.
Der Kayſer ſteigt vom Thron, heiſt freundlich ſie willkommen
An ſeinem Hof. Die Fuͤrſten draͤngen ſich
Um Huͤon her, umarmen bruͤderlich
Den edeln jungen Mann, der glorreich heimgekommen
Von einem ſolchen zug. Es ſtirbt der alte groll
In Karlmanns bruſt. Er ſchuͤttelt liebevoll
Des Helden hand, und ſpricht: Nie fehl' es unſerm Reiche
An einem Fuͤrſtenſohn, der dir an Tugend gleiche!
Appendix A Druckfehler.
Vierter Geſang. Stanze 22. Vers 1. leſet: geſogen
anſtatt geſehen.
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- TextGrid Repository (2025). Wieland, Christoph Martin. Oberon. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bph6.0