[]
DE STATV PERTVRBATO GERMA-
NIÆ ET FRANCIÆ.

Vnpartheyiſcher wolmey-
nender Theologo-Politicorum
DISCVRSSVVM,

Vierter vnd letzter Theil.

Vom Zuſtand deß Roͤmiſchen vnd Fran-
tzoͤſiſchen Reichs: deſſen Auff- vnd Abneh-
mung: Glori/ Vndergang vnd

Perturbation:
Biß auff dieſe Zeit/ vnd Endung deß Teutſchen Kriegs
deß 1652. Jahrs continuiert.
Darinnen alles/ was gutes vnnd boͤſes/ gleich
nach dem auffgerichten Religions-Frieden/ jeder Zeit in Reli-
gion vnd Staats-Sachen erfolget: Jn Conſideration vnd Beden-

cken gebracht vnd vor Augen geſtellt wird


[figure]

Franckfurt/:
Bey Johann-Gottfried Schoͤnwettern/

M. DC. LII.
[][]

ELENCHVS.
Summariſcher Jnhalt dieſer Diſcurſen
Vom Frantzoͤſiſchen Weſen.


  • I.WJe die Monarchien nach einander auffgewachſen vnd
    in kleine Koͤnigreich zergangenſind/ ſonderlich aber das Roͤ-
    miſche Reich. Von der Spaniſchen Macht/ deren ſich
    Franckreich allein wiederſetzet/ vnd dadurch die Liga verurſa-
    chet. Von Henrici IV. Vorhaben vnd Ende. Von Ludovici XIII. Heu-
    raht/ deß Marggraffen von Ankre hohem Anſehen vnnd Ende. Von dem
    Herꝛn von Luynes/ vnd dem Krieg wider die Hugonotten/ ſampt erfolgtem
    Friede Pag. 1.
  • II. Von den dreyen Partheyen in Franckreich: deß Cardinals Riſchelius
    Herkommen vnd Aempter/ auch geheyme Rahtsſtell. Wie er den Heurat
    zwiſchen deß Koͤnigs Schweſter/ vnd dem Printzen von Wallis geſchloſ-
    ſen: mit den Hollaͤndern den Bund ernewert: den Vhrheber deß Miß-
    verſtands bey Hoffabgeſchafft: die Cantzley vnnd Finantzen reformiert:
    auch das Veltlin wieder alles einwenden erobert/ vnd die Spanier drauß
    getrieben. p. 12.
  • III. Von deß Graffen von Manßſeld Practicken: deß Hertzogen von Sa-
    phoyen Krieg wider Genua/ vnnd Friede. Der Hollaͤnder begehren abge-
    ſchlagen. Der Hugonotten Frieden beſtaͤttigt. Von Vnwillen zwiſchen
    dem Frantzoͤſiſchen vnnd Engellaͤndiſchen Hoff. Wie Lothringen ein
    Manns Lehen ſey: vnd Verdun befeſtiget worden. Wie der Cardinal den
    Proteſtirenden in Teutſchland Huͤlff gethan. Wie ein groſſe Conſpira-
    tion wider den Koͤnig entdeckt/ vnd geſtrafft worden. p. 24.
  • IV. Wie die Admiralſchafft gefallen/ vnd der Cardinal Seeverwalter: vnnd
    ſonſt gute Anordnung gefaßt worden. Berahtſchlagung vber Roſchellen/
    vergeblicher Bund wider diß Vorhaben. Mißverſtand zu Bordeaux. Der
    Koͤnig wird kranck: die Engellander kommen auff die Jnſul Rè, vnd muͤſ-
    ſen wieder abziehen. Roſchell wird zu Waſſer vñ Land geſchloſſen. Der von
    Rohan rumort in Languedor. Die Engellaͤnder kommen noch zweymahl
    vergeblich den Roſchellern zu Huͤlff. Die Statt muß ſich auff Gnad vnd
    Vngnad ergeben. Languedoc muß auch Gehorſam leyſten. Ende deß Hu-
    gonottiſchen Kriegs. p. 35.

)( ijV. Mie
[]
  • V. Wie der Koͤnig in Franckreich Mantua auff ſeine Seit gebracht. Deſſel-
    ben Hertzogen Todt: vnd deſſen von Neuers Succeſſion: deß Koͤnigs
    Huͤlff. Der von Rohan accomodirt ſich. Der Hertzog von Orleans wird
    vnwillig. Der Kayſer nimbt Cur vnd Meyenfeld ein/ vnd lockt den Fran-
    tzoſen in Jtalien. Der auch in Teutſchland practiciert. Der Hertzog von
    Saphoyen bekriegt/ ſtirbt: der Mantuaniſche Krieg wird vertragen. p. 44.
  • VI. Der Schwed faͤllt in Teutſchland: die alte Koͤnigin will den Cardinal rui-
    niren: macht/ daß der Monſieur deßwegen von Hoff zieht. Wird ſelbſt von
    Hoff gehalten: vnd nach Bruͤſſel/ der Monſieur nach Burgund gewichen.
    Klag vber den Cardinal vnnd Koͤnig: Bund zwiſchen dem Koͤnig/ vnnd
    Schweden. Fried in Jtalien. Pignerol bleibt den Frantzoſen. Bund mit
    Bayern. Execution wider die Meutmacher. Der Koͤnig kompt ins Bi-
    ſtumb Metz/ macht ein vnbeſtaͤndigen Frieden mit Lothringen. Deß Mon-
    ſieurs Heuraht. Stillſtand vor die Liga. Trier gibt ſich in Frantzoͤſiſchen
    Schutz/ vnd wird wider eingeſetzt. Der Bapſt erzeigt ſich Frantzoͤſiſch. p. 55.
  • VII. Der Cardinal vergleicht die Biſchoffe vnd Moͤnche. Der Monſieur kompt
    nach Bruͤſſel. Deß Marſchalcks Mariliac Thun vnd Tod. Der Monſieur
    macht/ daß der Koͤnig den Lothringer zum Frieden zwang. Wird biß in
    Languedoc verfolgt: Monſieur macht Friede. Momoranzy wird enthaup-
    tet/ darumb Monſieur abermahl nach Lothringen entweicht: Guyſe ver-
    ſchertzt ſein Gubernament. Der Cardinal wird kranck: hindert den Hol-
    laͤndiſchen Treves. Feuquieres macht Bündnuß mit Schweden vnd O-
    ber Teutſchland. p. 66.
  • VIII. Was Crequy bey dem Bapſt im Namen deß Frantzoſen angebracht. Re-
    formation bey Hoff. Deß Lothringers Feindlichkeit. Das Hertzogthumb
    Bar eingezogen: vergebliche Tractaten wegen Lothringen. Nanzy belaͤ-
    gert: die Princeſſin Margreth entwiſcht. Andere Tractaten der Satt
    Nancy: welche Altringer vnd Feria vergeblich ſuchen zuentſetzen. Wie der
    Monſieur wieder nach Hoff kompt. Schreiben deß Cardinals an die Koͤ-
    nigin: Jhr/ vnd deß Cardinals/ auch Hertzogen von Saphoyen Tod. p. 76
  • IX. Deß Koͤnigs in Franckreich Außſchreiben an das Parlament zu Pariß/
    warumb die Fuͤrſten von Condè, Conty vnnd Longueuille in verhafft ge-
    nommen worden. 86.
  • X. Supplication deß Parlaments an den Koͤnig/ vnnd die Koͤnigin Regen-
    tin/ wegen deß de Condè Verhafftung. 105.
  • XI. Deß Parlaments Außſchreiben an die andere Parlament deß Koͤnig-
    reichs/ vnder dem 5. oder 15. Jan. 1649. p. 110.
  • XII. Der Fuͤrſten/ vnd groſſen Herꝛn Vereynigung wider den Cardinal Ma-
    zarini. 112.

XIII. Wie
[]
  • XIII. Wie der Hertzog in Friedland ſeine Verꝛaͤtherey heymlich foviert: was vor
    Oberſten drein conſentirt/ vnd wie alles vorgangen. 112.
  • XIV. Was ſich ferꝛner von Anno 33. zu Prag mit dem Friedlaͤnder zugetragen.
    123.
  • XV. Wie der Friedlaͤnder/ dem Koͤnig in Schweden vnd Franckreich/ etliche
    Reichslaͤnder einraumen wollen/ vnnd was er ferꝛner ſtraffbarlich darbey
    veruͤbet. 133.
  • XVI. Wie der Friedlaͤnder zu Eger ankommen/ vnnd die Cxecution gegen jhm
    vorgenommen worden. 153.


ELENCHVS.
Summariſcher Jnhalt dieſer Diſeurſen
in Germania.


  • I.WJe die Naturkuͤndiger den Himmel abmeſſen: vnnd deß
    Monds Beſchaffenheit berichten. Was Mathuſalem vor ein
    Geſpraͤch mit dem Schoͤpffer gehvlten: welchem Exempel Ri-
    ſchelin vnd Friedland/ auch der Koͤnig auß Schweden folgen/
    vnd aller Vnruh vberhaben ſeyn moͤgen. Pag. 1.
  • II. Wie es mit dem Kriegsweſen im Roͤ. Reich biß auff Kayſers Ferdinandi
    II. Ableiben ſich verloffen. Was der Kayſer vor ſonderliches Gluͤck vnnd
    Vngluͤck gehabt. Von eines Naſſawiſchen Graffen Zug nach Braſilien.
    Von der Statt Breda Eroberung: vnnd Vbergab der Veſtung Brey-
    ſach. Von deß Pfaltzgraffen vergeblicher Kriegs Verfaſſung. 8.
  • III. Warumb der Frantzoß dem Spanier newe Haͤndel gemacht. Von groſſen
    Jnſolentien der Kriegs Voͤlcker in Catalonien: deß Lands Freyheiten/
    vnnd jhrem Abfall. Von dem Koͤnigreich Portugal: von der Succeſſion:
    von Verbitterung gegen den Caſtilianern/ vnnd jhrem Abfall. Von Her-
    tzog Bernhards Todt/ deß Pfaltzgraffen Arꝛeſt in Franckreich: vñ Kriegs-
    laͤufften in Jtalien/ Catalonien/ auch Niederlanden. Wie die Schweden
    proſperirt/ vnd den Krieg in Boͤhmen gezogen. 16.
  • IV. Wie Engelland vnd Schottland vom Roͤm. Stuel abgefallen. Von den
    Schottlaͤndiſchen Kirchenordnungen/ vnd der Biſchoffen Verſtand mit
    dem Koͤniglichen Hoff. Wie der Anfang dieſes Kriegs ſich wegen Be-
    ſchreibung deß Nationals Syno di [...] angeſponnen. Von den Per-
    thenſiſchen Artickeln vnd Conſiderationen/ auch Tumult wegen der Litur-
    gig vnd Schottiſchen Bund. Von dem Synodo zu Glaſgua vnnd ange-
    )( iijhen-
    [] henden Krieg. Wie derſelb geſtillet/ wieder angangen/ vnnd geendet wor-
    den. Die Vrſach ſoll ſeyn Laud der Ertzbiſchoff/ der den Koͤnig abſolut/ die
    Biſchoffe groſſe Herꝛn/ vnd Großbritañien Baͤpſtiſch machen wollen. 26.
  • V. Von dem Kriegsweſen in Engelland/ Dennmarck/ Holland/ Jtalien
    vnnd Heſſen/ dahin ſich Banner ziehen muͤſſen/ in Bayern gangen/ durch
    Boͤhmen wieder herauß kommen/ vnd geſtorben. Wolffenbuͤttel belaͤgert.
    Von Catalonien vnnd Flandern: Engelland vnnd dem Reichstag. Von
    Vrſprung deß Vnweſens in Engelland/ wegen der Reformation in
    Schottland. Wie die Biſchoffe gefaͤnglich eingezogen: was der Vice Rè
    beſchuldigt/ vnd wie er gekoͤpfft worden. Vrtheil hievon. 37.
  • VI. Warumb der Frantzoß Perpignan erobert. Wie der Cardinal Richelin
    geſtorben. Von der Statt Roſchellen/ vnnd der Vnruhe bey Hoff in
    Franckreich. Von dem Parlament in Engelland. Von Lamboy vnd Wil-
    denſtein. Wie Torſtenſohn zwey Treffen erhalten/ vnd Olmuͤtz einbekom-
    men: die alte Koͤnigin in Franckreich geſtorben. Treffen bey Rocroy: Die-
    denhoffen. Graff Guebrian vnd Duͤttlingen. Freyberg vnd Bruͤn. Der
    Spanier Verluſt in Braband. 48.
  • VII. Mißverſtand zwiſchen Dennmarck vnd Schweden. Torſtenſohn faͤlt ein
    in Holſtein: kompt wieder in Boͤhmen mit Sieg. Wie Dennmarck vnden
    gelegen. Hertzog von Anguien ſiegt am Rhein. Ragoczy klagt. Saß von
    Gent/ Grevelingen/ Lerida. Fried in Jtalien: deß Bapſts Tod. Warumb
    der Ertzbiſchoff in Engelland den Kopff verlohren. Vrſach der Vnruh da-
    ſelbſt. Von der Jndependenten Vrſprung vnd Thun. 57.
  • VIII. Wie vngluͤcklich der Koͤnig in Engelland zu Feld geweſen. Wie der Fran-
    tzoß Roſes vnd Balaquier: dann Mardeick erobert/ vnd die Barbarini in
    Schutz genommen. Von deß Türcken Einfall in Candien/ vnnd deß Ra-
    goczy in Hungarn. Was Vrangel/ Koͤnigsmarck/ Heſſen vnd Weinma-
    riſche verꝛichtet: vnnd bey Allerßheim getroffen/ auch den Sachſen zum
    Stillſtand vermoͤgt. Wie Gallas vnd Torſtenſohn nach Boͤhmen gehen:
    der Kayſer mit Andacht vnd Macht den Schweden begegnet/ bey Jankaw
    geſchlagen/ vnd viel verlohren. Worin Torſtenſohn gefehlet. Was vor
    Veraͤnderung erfolgt. Wie es mit den Friedenstractaten hergangen.
    Vñ wie die Calviniſten in den Religionfrieden auffgenom̃en worden. 17.
  • IX. Der Tuͤrck leidet Verluſt. Die Staͤnd in Poln wollen nicht kriegen. Was
    die Frantzoſen in Jtalien vnd Spanien verꝛichtet. Der Koͤnig in Engel-
    land kompt in Jrꝛthumb. Niederlaͤndiſcher Krieg: das Hauptweſen ziehet
    ſich nach Heſſen: was da vberſehen worden. Geht wieder nach Bayern/
    vnd dem Bodenſee. Von dem Stillſtand: was in deſſen gegen den Kayſe-
    riſchen vorgangen. Wie Holtzapffel ſein Generalat angetretten/ die
    Schwediſchen biß in den Niederſaͤchſiſchen Krayß getrieben/ vnnd Mar-
    purg belaͤgert. Spaniſche vnd Tuͤrckiſche Haͤndel. 81.

X. Von
[]
  • X. Von dem wunderſamen Auffſtand zu Naples/ da ein armer Fiſcher das
    Statt Regiment an ſich gezogen/ vnnd mit vnglaublichem Gehorſam ge-
    herꝛſchet/ in deme jhm hundert vnd fuͤnffzig tauſend/ vnd mehr/ zu Gebott
    geſtanden. Wie derſelb den Adel verfolgt/ vnnd endlich Wahnſinnig wor-
    den/ auch vmbkommen: dadurch die Statt der vbermaͤſſigen Zoͤllen be-
    freyt/ vmb etwas zu Ruhe gelanget. 89.
  • XI. Holtzapffel begibt ſich auß Heſſen zuruͤck. Lamboy folgt jhm nicht. Die Ar-
    meen gehen vber die Donaw vnd den Lech. Holtzapffel felt in einem Tref-
    fen. Warumb ſolches verlohren worden. Lamboy vbet ſich am Rhein.
    Prag wird eingenommen. Ein newer Generaliſſimus auß Schweden
    kompt an vor Prag. Die Schweden weichen auß Bayern. Der Spanier
    Niederlag in Flandern vnd in Jtalien. Der Venetianer Verluſt. Guyſe
    wird im Koͤnigreich Naples gefangen. Die Poln werden auffs Haupt ge-
    ſchlagen: waͤhlen einen newen Koͤnig. Die Schotten werden geſchlagen/
    vnd der Koͤnig wird nach Londen gebracht. Fried zwiſchen Spanien vnnd
    Holland: auch in Heſſen vnd Hungarn. Tumult zu Pariß. 102.
  • XII. Wie alle Staͤnd in Europa nach dem Frieden getrachtet/ auſſerhalb Spa-
    nien. Was der Frantzoͤſiſche Fried erhalten: was die Weltliche Churfuͤr-
    ſten/ auch die Schweden vberſehen. Wer Vortheil davon getragen. Auff-
    ſtand zu Pariß wider den Cardinal Mazarini. Was die vorige Koͤnige
    vor Gluͤck vnd Vngluͤck gehabt. Was vnder deß Cardinals Verwaltung
    vor Nutzen/ ſonderlich auß dem teutſchen Frieden der Kron Franckreich
    zukommen. 113.
  • XIII. Mazarini Jugend: Verꝛichtung wegen Caſal/ Pignerol/ Sedan/ Mo-
    naco/ der Schweden/ deß Duc d’ Anguien, Diedenhoven/ Duͤtlingen/
    Marienthal: Flandern/ Graͤvelingen/ Huͤlſt/ Courtray/ Mardick/ Duͤnkir-
    chen. Warumb der Frantzoß Flandern angegriffen. Eyfer der Hollaͤnder
    gegen den Frantzoſen. Eroberung Tortoſa: Saphoyen. Tortona: Vigeua-
    no: Piombino: la Mothe: Roſe. Baͤpſtiſcher vnd Daͤniſcher Krieg. Maza-
    rini entſchuldigt. 121.
  • XIV. Deß Koͤnigs in Engelland Herkommen vnnd Leben. Deß Parlaments
    Execution vber etliche Koͤnigiſche Diener/ vnd Kriegs Verfaſſung. Der
    Koͤnig wird flüchtig/ vnnd gelieffert: angeklagt vnnd vervrtheilt/ auch ge-
    koͤpfft. Deß Parlaments Schutzrede. Vrtheil hievon. 129.
  • XV. Von dreyen Hauptfragen/ vber dem Engellaͤndiſchen Vnweſen. Ob der
    Biſchoffen oder Elteſten Regierung beſſer? wie weit dieſer beyder Hoheit
    ſich erſtrecke? daß das Volck an den Koͤnig nicht moͤge Hand anlegen: auß
    H. Schrifft vnd Bibliſchen Exempeln: auch Kirchengeſatz. Entſchuldigt
    die Preßbiterianer/ daß ſie in deß Koͤnigs todt nie verwilliget. 139.
  • XVI. Wie der Fluch auff alle Koͤnige in Engelland kommen/ auch gewuͤrcket.
    Wie Engelland wieder vereynigt/ aber Koͤnigin Maria Stuart gekoͤpfft
    wor-
    [] worden. Was Plato von Fluͤchen/ ſo durch Eltern geſchehen halte. Von
    dem Geſicht im Spiegel: von einem alten Verß/ vnd den letzten Koͤnigen
    in Engelland: auch einem Frantzoͤſichem Geſichte. Von noch dreyen Exe-
    cutionen in Engelland. 149.
  • XVII. Die Tractaten zu Nuͤrnberg bekommen allerhand Hacken/ wegen Hun-
    garn/ Niederland/ Trier/ Luͤck/ Jtalien vnd Poln. Der Coſacken Fried/ der
    Hungarn Muth zum Tuͤrckenkrieg. Das Temperament wegen Fran-
    ckenthal. Warumb ſolches dem Pfaltzgraffen vnannehmlich. Was Spa-
    nien vor erhebliche Vrſachen hab/ auß Franckenthal nicht zuweichen. 162.
  • XVIII. Drey Printzen in Franckreich kommen in Verhafft/ vnnd werden wieder
    loß: aber der Cardinal Mazarini muß auß dem Koͤnigreich welchen. Was
    die Türckiſche Bottſchafft zu Madrit geworben. Warumb Plumbino ein-
    genommen/ vnd wieder erobert worden. Wie Franckreich vnnd Portugall
    wollen eygene Patriarchen ſetzen. Wie die Venetianer zwey Geldmittel
    ergreiffen. Die Engellaͤnder fahren forth: Schweden hat Haͤndel mit den
    Reuſſen. China will zum Chriſten werden: Holland ſtutzt: Genua iſt in Ge-
    fahr: Schweitz behauptet jhre Freyheit. 172.
  • XIX. Der Schwediſche vnd Frantzoͤſiſche Fried werden geſchloſſen. Die Ab-
    danckung gehet ohne Auffruhr ab. Die Evacuation erfolgt/ biß auff gewiſ-
    ſe Orth. Das Temperament mit Franckenthal. Wegen der Lothringer vnd
    Franckenthaͤler kommen die Ober Rheiniſche Geſandten nach Franckfurt
    am Mayn/ vnd koͤñen ſich mit der andern Krayſen Geſandẽ nit vergleichẽ.
    Der Kayſer ſetzt ein Andachtsſeul/ vnnd reformiert. Chur Sachſen nimbt
    die Boͤhmen auff. 188.
  • XX. Die Schweitzer erhalten jhre Sach bey dem Kayſer. Ob der Cardinal hab
    koͤnnen vom Parlament gevrtheilt werden. Turaine macht ſich wieder
    Koͤnigiſch. Die Vnruh ſtillet ſich dannoch nicht. Jn Catalonien ſtehen der
    Frantzoſen Sachen ſchlecht. Der Koͤnig wird volljaͤhrig erklaͤrt. Der Ma-
    zarin wird wieder beruffen/ vnd hat ein klugen Kopff. Die Engellaͤnder
    vnd Hollaͤnder tractieren miteinander. Wie der Cleviſche Krieg entſtan-
    den/ vnd geſchlichtet worden. 193.
  • XXI. Die Ober Rheiniſche Staͤnde ſuchen ein Defenſions Weſen/ wegen der
    Spanier vnd Lothringer anzuſtellen. Conditiones, wie Frauckenthal zu
    evacuiren: Chur Pfaltz kompt ein mit ſeinen Beſchwerden. Chur Bayern
    vnd Chur Pfaltz zweyen ſich vber das Chur Wapen vnd Titul. Der Kayſ.
    Abgeſandte treibt ſelbſt auff die Evacuationsgelder. 200.
  • XXII. Alle andere Koͤnigreiche in Europa werden hie vorbey gegangen: vnd nur
    auff den Hertzogen von Lothringen geſehen/ daß er keine newe Vnruhe er-
    wecke: vnnd dann auff die Spanier Wie vnnd wann Franckenthal vnnd
    Hailbrun ſollen evacuirt werden. Der Author will ſich in/ oder vmb Fran-
    ckenthal ſetzen. Entſchuldigt ſich wegen deß gantzen Tractats. 209.

DE STATV
[1]

DE STATUFRANCIÆ
PERTVRBATO.


Der I. Diſcurß.


Wie die Monarchien nacheinander auffgewachſen/ vnnd
in kleine Koͤnigreich zergangen ſind/ ſonderlich aber das Roͤmiſche Reich von der
Spaniſchen Macht/ deren ſich Franckreich allein widerſetzet/ vnd dadurch die Liga
verurſachet. Von Henrici IV. Vorhaben vnnd Ende. Von Ludovici XIII.
Heuraht/ deß Marggraffen von Ankrehohem Anſehen vnnd Ende. Von den
Herꝛn von Luynes, vnnd dem Krieg wider die Hugonotten/ ſampt erfolgten Frie-
den.


GLeich wie in den Wuͤſteneyen vnd duͤrꝛen Einoͤ-
den in Africa/ der Wind etwan viel Sand auffwirbelt/ vnd end-
lich zu einem Hauffen/ wie groſſe Berge/ darſetzet: bald aber
ſolche eilwachſende Berge wieder zu einer Ebene macht/ vnd zer-
ſtrewt/ daß vnd da nur kleine Huͤgel ſtehen bleiben: alſo gehet es
ſchier mit den Koͤnigreichen auff Erden. Dann es hat der groſ-
ſe Nebucadnezar/ als ein fraͤßiger Hecht/ viel Fiſchlein verſchlun-
gen: als ein maͤchtiger Jaͤger vor Gott/ viel Fuͤrſten zu ſeinen Dienern muͤſſen
machen/ ehe er zu ſolcher Hoheit kommen/ daß er einem Baum koͤnnen verglichen
werden/ der mitten im Land ſtunde/ ſehr hoch/ groß vnnd dicke wer/ mit der Spitze
biß an den Himmel reychete/ vnnd ſich außbreytete biß an deß Lands Ende/ deſſen
Aeſte ſchoͤn/ vnd voller Fruͤchten daß alles zu eſſen hatte/ alle Thier auff dem Felde
vnder jhm Schatten funden/ vnnd die Voͤgel vnder dem Himmel auff ſeinen Ae-
ſten ſaſſen/ vnd alles Fleiſch von jhm ſich nehrete. Was war es aber mit jhm/ als
dieſer Baum abgehawen/ jhme die Aeſte behawen/ vnd das Laub abgeſtreyfft/ ſeine
Fruͤchten zerſtrewet worden/ daß die Thier/ ſo vnder jhm lagen/ weggelauffen/ vnd
Adie
[2]De Statu perturbato.
die Voͤgel von ſeinen Zweygen geflogen? da erwuchſen auß ſeinem Koͤnigreich
dieſe drey geringere/ Babylonien/ Meden vnd Lydien.


Cyrus bracht wieder einen groſſen Berg auff in Perſien vnd verſchlaͤng die
vbrige Reiche. Er ſtund als ein Widder fuͤr dem Waſſer/ der hatte zwey hohe
Hoͤrner: ſtieß gegen Abend/ gegen Mitternacht vnd gegen Mittag/ vnd kein Thier
konde fuͤr jhm beſtehen/ noch von ſeiner Hand erꝛettet werden/ ſondern er thet was
er wolt/ vnd war groß. Wie bald aber kam der Ziegen Bock von Abend her/ vber
die gantze Erden/ daß er die Erde nicht beruͤhrte: vnd der Bock hatte ein anſehnlich
Horn zwiſchen ſeinen Augen/ vnd kam biß zu dem Widder der zwey Hoͤrner hatte:
vnd lieff in ſeinem Zorn gewaltiglich zu jhm zu/ ergrimmet vber jhn/ vnd ſtieß den
Widder/ vnnd zerbrach jhme ſeine zwey Hoͤrner. Vnnd der Widder hat keine
Krafft/ daß er fuͤr jhm hette beſtehen moͤgen/ ſondern er warff jhn zu Boden/ vnnd
zertratt jhn/ vnd niemand kond den Widder von ſeiner Hand erꝛetten. Welcher
geſtalt die Perſiſche Monarchy vnder dem letzten Koͤnig Dario zerꝛiſſen/ vnnd zu
Boden/ hiengegen die Griechiſche alles nach laut der Weiſſagung bey dem Pro-
pheten Daniel/ auffgerichtet worden.


Da aber Alexander der Groſſe/ vnder dem Geſichte vnd Bild deß Ziegen-
Bocks/ auffs ſtaͤrckeſte war worden/ zerbrach ſein groſſes Horn/ vnnd wuchſen an
deſſen ſtatt/ anſehnliche viere/ gegen die vier Winde deß Himmels/ welches ſind
die Koͤnigreiche Egypten/ Syrien/ Aſien vnd Macedonien/ als kleine Berge/ von
dem groſſen entſproſſen.


Das vierdte Reich aber auff Erden ward maͤchtiger/ dann alle Reiche/ fraſ-
ſe/ zertratte vnd zermalmete alle Lande/ biß endlich zehen Koͤnigreiche auß demſel-
bigen entſtanden. Dann wer weiß nicht/ daß auß dem Roͤmiſchen Reich dieſe
nachfolgende Koͤnigreich/ Jtalien/ Teutſchland/ Franckreich/ Spanien/ Engel-
land/ Dennmarck/ Schweden/ Poln/ Hungarn vnd Boͤhmen erwachſen? vnder
dieſen Koͤnigreichen ſind etliche/ die nur auff jhre Graͤntzen ſehen/ vnnd den Kopff
nicht begehren vber die Thuͤr außzuſtrecken/ wann ſie nur zu Hauſſe moͤchten fried-
lich leben: als da ſind Boͤhmen/ Hungarn vnd Poln: andere ſetzen ſich/ wegen vn-
verſcheydener Nachbarſchafft wider einander/ vnd finden in der naͤhe beyde Haͤn-
de voll Arbeit/ als Dennmarck vnnd Schweden/ auch hiebevor Franckreich vnnd
Engelland: andere wollen gar oben auß/ vnd ſich vber alle erheben/ als Jtalien we-
gen ſeiner Witz/ Teutſchland wegen der Kayſerlichen Hoheit/ vnd Spanien we-
gen ſeiner Kriegsmacht. Dann nach dem die Caſtilianer alle Koͤnigreiche in
Hiſpanien vnder/ vnd an ſich gebracht/ heißt es Rex Hiſpaniarum, auch die Bur-
gundiſche Provintzen erlangt/ vnd ein Stand oder Krayß deß Roͤmiſchen Reichs
Teutſcher Nation worden/ vnnd vber alles den erſten vnd aͤltern Stamm/ deß
Hanſſes Oeſterꝛeich gemacht/ fuͤrnemblich aber die Jnſeln Acores oder Fortuna-
tas,
ſampt Weſt- vnd Oſt Jndien zuſammen gefaſſet/ mag die Sonn weder hoch
noch
[3]De Statu perturbato.
noch nieder/ weder ferꝛn noch nahe jhren Lauff nehmen/ daß ſie den Spaniſchen
Vnderthanen jemals auſſer den Augen lauffe. Dannenhero das Plus Vltra ent-
ſtanden/ wie auch nicht weniger das gefluͤgelt Pferdt Pegaſus auff der Weltkugel/
mit den vordern Fuͤſſen in der Lufft/ ſo nach dem groſſen Alexandro mit dieſem hal-
ben Bezirck/ vnus non ſufficit Orbis, ein vnd andere Welt ſuchte.


Es hat zwar der Septentrion vnderſchiedliche Voͤlcker in Europam gleich-
ſam außgeſpiehen/ aber nimmer nach einer beſtaͤndigen Regierung getrachtet/ ſon-
dern die Laͤnder durchſtreifft/ den Raub außgetheilt/ vnd etwan ein kleinen Eck zu-
behaupten begehrt: Aber Franckreich bildet ſich hohe Sachen ein nach deme die
Engellaͤnder alles/ was ſie diß Sei[t]s in Poſſes gehabt/ dahinden laſſen/ vnd ſich in
jhre Jnſel einſchlieſſen vnnd verwahren muͤſſen. So wolte das Gluͤck in Jtalien
wunderſam hauſſen/ die Koͤnigreiche Naples vnnd Sicilien/ die Fuͤrſtenthumb
Calabrien vnnd Meyland bald den Spaniern/ bald den Frantzoſen verleyhen/
gleich wie es das Koͤnigreich Navarꝛa vnder die beyde Partheyen getheylet. Wie
nun Boͤhmen mit ſich ſelbſt/ wegen der Ketzerey zuthun hatte/ Hungarn in der Ge-
genwehr wider den Tuͤrcken ſtehen muſte/ Poln an den Moſcowitern vnnd Tar-
tarn vntrewe Nachbarſchafft ſahe/ Schweden das Daͤniſche Joch mit Vngedult
truge/ Schottland den Engellaͤndern nicht dienen wolte/ Engelland wegen der
Jrꝛen vñ Schotten Arbeit fande/ Jtalien ſich deß Bapſts vnnd anderer Eyfferer
ſchwerlich erwehren kondte/ Teutſchland wegen der Kayſerlichen Wahlofft in
Zwiſpalt geriethe/ blieben Franckreich vnd Spanien allein/ vnd vor allen andern
Landen vnd Herꝛſchafften ſolcher geſtalt veſt/ auff jhren eygenen Beynen/ daß ſie
zwo ſtarcke Partheyen gemacht/ vnnd noch machen/ zu deren einer oder andern ein
jeder Staad in Europa ſich nothwendig ſchlagen oder ergeben muß/ wann er nicht
in ſeinen Vnkraͤfften will vndergehen vnnd zum Sclaven werden. Alſo hat ſich
Franckreich auß keiner andern Vrſach in das Teutſche/ Jtalianiſche/ Niederlaͤn-
diſche/ Cataloniſche/ Portugieſiſche vnd Engellaͤndiſche Weſen eingeflochten/ als
nur den Spaniern in den Wegzuſtehen/ daß ſie nicht gar auff die hoͤhe einer Mo-
narchy ſteigen moͤchten.


Wie aber nun ſolches hergegangen/ wollen wir/ nach dem vns ein Zutritt zu
deß Cardinals Riſchelius Cabinet ohnlaͤngſt vergoͤnnet worden/ von Aufang biß
Dato an Tag geben: welches dann dem Leſer vmb ſo viel angenehmer ſeyn muß/
wann er zu der erſten Quell der Frantzoͤſichen Waffen kompt/ damit er bey Kayſer
Ferdinandi III. Regierung deſto beſſere nachricht erhalte/ vnnd das Vnweſen in
Europa/ ſonderlich in Germania außfuͤhrlicher vernehme/ dann groſſer Herꝛn Ge-
ſchaͤfften den groſſen Waſſerſtroͤmen nicht vngleich ſind/ welche jederman daher
ſihet rauſchen/ aber wenig Leuth auffwarts beſchawen/ oder jhren Vrſprung an
der Quelle betrachten.


Nun haben die vhralten Francken die Laͤnder Gallien vnder ſich gebracht/
A ijvn
[4]De Statu perturbato.
vnd anfangs zwar in etliche Koͤnigreiche zertheilt: weil ſie aber geſehen/ daß ſol-
cher geſtalt ſie in Kriege offtmals gegen einander zerfielen/ auch den Außlaͤndi-
ſchen nicht kondten gewachſen ſeyn/ ſie legten ſich dann Zirckelweiß rund zuſam-
men/ einander eylend beyzuſpringen/ vnd allenthalben eheſt zu wehren/ wie der wei-
ſe Jndianer Catanus dem groſſen Alexander vorgedeutet/ hat jhnen die Monar-
chy vnder einem einigen Haupt beliebet. Dannoch hatten ſie jn- vnnd an dem
Land viel Anfechtungen/ biß ſie die Normaͤnner/ ſo eingeniſtelt vnnd maͤchtig wa-
ren/ vnder ſich gebracht/ die Britannier/ nach der Caſtilianer Exempel/ durch
Heuraht dem Koͤnigreich incorporirt/ die Engellaͤnder mit euſſerſter Noth vnnd
Gefahr außgetrieben/ vnd in jhre Jnſel verwieſen/ die Flanderer/ Lothringer vnd
Burgunder ſo oben hien zu Freunden/ oder doch zu ſchwachen Feinden ge-
macht.


Engelland ließ all ſeine Spruͤche/ auſſerhalb deß einigen Tituls/ vngean-
det ſchlaffen/ vnd brauchte weder Gewalt noch Rencke oder Practicken/ nach dem
er keinen feſten Fuß mehr gehabt. Aber Spanien ſahe/ daß Navarꝛen zwar/ diß
vnd jenſeit deß Pireneſiſchen Gebuͤrgs ſich enthielte/ vnnd demnach jhme groſſen
Eingriff thun/ auch vielfaltige Hindernuß in Weg werffen konde/ wann nemlich
die Frantzoſen zuhielten/ vnnd mit groſſer Macht vber das Gebuͤrg hinein fielen.
Darumb gedachter/ was auff ſeiner Seiten deß Gebuͤrgs lage/ einzunehmen/
wie auch durch Verguͤnſtigung deß Roͤmiſchen Stuls geſchehen. Als nun bey-
de Koͤnigreiche Navarꝛen vnd Franckreich/ an einander gewachſem/ kondte man
Spaniſcher Seiten ſich leichtlich die Rechnung machen/ es wuͤrde bald zu Strey-
chen kommen. Darumb wurd eine Liga mit etlichen Fuͤrſten/ ſo vorlaͤngſt auß
Lothringen/ nach Franckreich kommen/ vñ von langerhand eingewurtzelt waren/
angeſponnen/ vnd mit vnſaͤglichen Geldmitteln/ auch Kriegsmacht vnderhalten/
womuͤglich/ ein ſolchen Koͤnig/ nach außgeſtorbener Linider Valeſier/ in Franck-
reich zuſtabiliren/ der Spanien Vaſall/ oder doch guter Freund were/ vnd die Spa-
niſche Macht vnd Hoheit nicht hinderte.


Es hat aber in Franckreich jederzeit dieſe Beſchaffenheit gehabt/ daß nicht
bald ein Koͤnig nach eygenem Sinn/ vnnd auß beywohnender Klugheit regieret/
ſondern etwan alle wichtige Haͤndel einem verſchmitzten Kopff anvertrawt/ der
vnder deß Koͤnigs Namen vnnd Sigel die Verwaltung deß Koͤnigreichs vber-
nommen/ vnd getragen. Wie Pipinus, vnd hernach Hugo der Schappeler/ ſich
ſolche Regierung zu Nutz gemacht/ vnd dadurch Mittel gefunden/ den Erbkoͤnig.
lichen Stam neben Scepter/ Kron vnnd Thron zuſetzen/ die Koͤnigliche Hoheit
ſelbſt zuergreiffen/ vnd eygenes Namens zuregieren/ iſt hie nicht Noth zuerzehlen
Allein iſt hie zuwiſſen/ daß nach deme ſolcher Vnderkoͤnige Koͤpff geneygt gewe-
ſen/ gemeiniglich alles hergegangen. Alſo zogen die Frantzoſen vber das Alpen-
Geburg/ nach Jtalien/ er oberten bald ein Koͤnigreich/ bald ein Hertzogthumb/
nach
[5]De Statu perturbato.
nach dem der Vnderkoͤnig antriebe: lieſſen aber jhre Conqueſten fahren/ vnnd oh-
ne Huͤlff zerꝛinnen/ wann ein ſolcher den Koͤnig vnder den Damen/ oder ſonſt bey
guter Ruhe vnderhielte. Dann es ruͤhmen die Frantzoſen den Herculem/ ob
ſolte derſelbe vnder jhnen auch gelebt haben. Jſt nun deme alſo/ wie dann vn-
derſchiedliche viel dieſes Namens in verſcheydenen Landen geweſen/ zumahl alle
Heroiſche Thaten dieſen Ehreneitul zuerlangen pflegten/ werden ſie auch nicht in
Abred ſeyn koͤnnen/ daß Hereules ſein Loͤwenhaut/ die er zum Winterkleid vber
Hoſen vnnd Wambß/ im Sommer aber auff der bloſen Haut truge/ manchmahl
abgelegt/ vnd in der Princeſſin Omphale Frawenzimmer/ Kunckel/ Spindel vnd
Haſpel ergriffen/ auch di[e] von vieler Arbeit vnnd ſtettigem Fechten/ Ballenharte
Faͤuſt vnd Finger zum Zwirn [...]ezwungen. Sardanapalus thet deßgleichen/ ver-
lohr aber alle Herꝛlichkeit/ auch das Leben ſelbſten daruͤber. Tiberius ſahe/ daß
jhm ſein Sejanus wolt vber den Kopff wachſen/ darumb kam er jhm vor/ vnnd ver-
wahrte ſich zum beſten. Aber auff Franckreich wieder zukommen/ iſt bekant/ daß
die Lini von Bourbon, als auß Ludouico Sancto, dem Neundten deß Namens/
entſproſſen/ das Koͤnigreich nach den Valeſern/ in der Perſon Henrici IV. ſo we-
gen ſeiner Mutter auch Koͤnigin in Navarꝛen/ aber mit Calviniſcher vnnd Vn-
catholiſcher Lehr eingenommen war/ mit groſſer Muͤhe auff den Thron vnd zu der
Kron kommen/ zumahl der Bapſt ſich eines gaͤntzlichen Abfalls/ weil die Albigen-
ſev vnnd Waldenſer bey vhralten vnnd letzten Zeiten/ dem Roͤmiſchen Stul ſehr
groſſe Schmach angethan hatten/ zubeſorgem/ vnnd eben deßwegen dem Spanier
allen Favor erwieſe/ das Koͤnigreich in ein ander Modell zugieſſen. Aber Hen-
ricus bedacht ſich/ dieſer Banden loß zuwircken/ vnd bekandte ſich offentlich zu der
Roͤmiſchen Kirchen: doch wolte man jhm nicht allerdings trawen/ weil er nicht
vnderließ/ ſeine vorige Glaubensgenoſſen zubefoͤrdern vnnd zulieben/ ja dem gan-
tzen Hugon ottiſchen Staad nam haffte Freyſtaͤtte zu jhrer Verſicherung einzurau-
men/ welche hernach zu vielen jnnerlichen Kriegen Anlaß gegeben.


Dieſer Heroiſche Geiſt machte zwar endlich Fried mit dem Spanier/ ſeiner Vn-
derthanen Gemuͤth deſto feſter an ſich zuverbinden/ vnnd das Koͤnigreich in eine
rechte Geſtalt zubringen: muſte aber dem Roͤmiſchen Stul verſprechen/ die jeni-
ge Kirchenguͤter vnd Gerechtigkeiten/ ſo in Bearn, Foix, vnd andern Landſchafften
in Gaſconien vnnd Navarꝛen vnder wehrendem Buͤrgerlichen Krieg wegen der
Succeſſion von den Hugonotten weren eingenommen/ vnnd vereuſſert worden/
wieder herauß zubringen vnnd den Stifftungen gemaͤß zuverwalten: welches er
gleichwol zuthun biß an ſein End verzogen. Dann er gieng mit weit andern Ge-
dancken vmb/ vnd konde nicht vergeſſen/ daß Spanien durch ſo manche Practi-
cken/ auch offentliche Kriegsmacht jhm das Koͤnigreich gaͤntzlich entziehen/ vnnd
an ſich ſelbſt/ oder zum wenigſten an einen Frantzoͤſiſchen Fuͤrſten/ der eine Jn-
ſantin von Spanien heurahten ſolte/ bringen moͤchte. Darumb gedachte er ſich
A iijder-
[6]De Statu perturbato.
dermahl eins zuraͤchen/ machte Vorꝛaht an Baarſchafft/ ſahe nicht vngern/ daß
ſeine Vnderthanen nach den Niederlanden/ gleichſamb in die Kriegsſchul zoͤgen/
vnd einer/ oder der andern Parthey dieneten/ auff daß er derſelben Dienſt vnnd
Erfahrenheit mit der Zeit gebrauchen koͤndte. Ja er gab vor/ die Staden der
vereynigten Provintzen hetten jhm mit Geldt vnd Volck in ſeinen euſſerſten Noͤ-
then Huͤlff gethan: auß welcher Verbuͤndnuß er jhnen etliche Regimenter zuſchi-
cken vnd vnderhalten muͤſte.


Wie nun die Guͤlchiſche Laͤnder ohne Mannsſtam/ gleichſambledig ſtun-
den/ vnnd etliche Fuͤrſten in Teutſchland daruͤber zauckten/ konde er nicht leiden/
daß Spanien wegen vhralten Zuſpruͤchen/ oder Oeſterꝛeich/ als Sequeſter vnnd
Schiedsmann vnder Kayſerlicher Mayeſtaͤt hohem Anſehen/ dieſe Laͤnder an ſich
braͤchten: wol wiſſend/ daß die Kron Franckreich vor langen Jahren auch ein Stim
in dieſem Capitel/ vnnd etwan ein Fuß im Land gehabt/ ja ſich der Teutſchen Fuͤr-
ſten wider deß Hauſes Oeſterꝛeichs Beginnen/ vneracht der Religion/ ohnlaͤngſt
eyferig angenommen. Solcher geſtalt geſchahen groſſe Kriegs Bereytſchaff-
ten in Franckreich/ vnd der Koͤnig ſelbſt verordnete die Koͤnigin/ ſeine Gemahlin/
zu einer Regentin im Koͤnigreich/ ſo lang er auſſer dem Land ſeyn wuͤrde. Der
Roͤmiſche Stul ſtund in nicht geringen Sorgen/ es moͤchte dieſer Hercules die
Guͤlchiſche Succeſſion ergreiffen vnnd faſſen/ aber wegen ſtarcker Corꝛeſpondentz
mit den Proteſtirenden Fuͤrſten in Teutſchland nach dem Kayſerthumb trachten/
vnnd als dann die Catholiſche Larven/ ſo er vermuthlich nur wegen der Kron
Franckreich angezogen/ ablegen/ vnd den Vn Catholiſchen allenthalben Lufft ma-
chen/ vielleicht auff Jtalien auß ſeiner Vorfahren Berechtigung etwas verſuchen/
vnd die Kirch gar vndertrucken. Dieſer Sorg aber wurd abgeholffen/ als Frantz
Rauaillac, auß der Statt Angouleſme den Koͤnig in ſeinem Wagen/ auff freyer
Gaß/ mitten vnder ſeinen fuͤrnembſten Dienern/ in der Statt Pariß/ im Jahr
1610. mit einem groſſen Meſſer erſtochen/ daruͤber es mancherley Reden gegeben/
ob ſolches mit deß Bapſt wiſſen vnnd willen/ durch der Jeſuiter Antrieb/ oder auß
eygenem Melancholiſchem Sinn/ einblaſen deß boͤſen Feindes/ vnnd gefaßter
Meynung/ einen Tyrannen oder Abgefallenen hinrichten wer ſo wenig Suͤnde/
daß es noch ein Verdienſt zu groſſer Herꝛlichkeit im Himmel gereychte/ geſche-
hen/ wollen wir andern zuerwegen vbergeben. Gleichwohl muſten die gemelte
Patres ſich vbel leiden/ ſonderlich als deß Jeſuiters Johan Mariana Buch vom
Koͤnig/ vnnd deſſelben Vnderweiſung/ verdampt vnnd offentlich verbrannt/ auch
der Sorbonna vnd Hohen Schul Decret/ im Jahr Chriſti 1413. Mittwoch den 13.
Chriſtmonat/ ſo 141. Biſchoffe bey dergleichen Fall geſchloſſen/ durch Befehl deß
Parlaments wiederholet/ vnnd offentlich außgeſchriben. Hiengegen thet der
Pater Cotton der Societaͤt das Wort/ vnd behauptet/ daß die/ auff dem Concilio
zu Coſtnitz/ von Stuͤrtzung der Tyrannen/ abgefaßt/ vnnd hernach von den fuͤr-
nembſten
[7]De Statu perturbato.
nembſten Schrifftgelehrten weiter auß gefuͤhrte Meynung den entleibten Koͤnig
gar nicht betreffe: vnd daß deß Marianæ abſonderliche-Meynung die gantze So-
cietaͤt nicht koͤnde beſchmitzen.


Wie wunderſam bey ſo vnverſehner Veraͤnderung alles in Franckreich
durcheinander gangen/ in deme ein Weib das Regiment vber ein noch nicht gantz
zu Ruhe gebrachtes/ vnd an ſich ſelbſt zur Empoͤrung geneygtes Koͤnigreich/ auch
vber einen Minderjaͤhrigen Koͤnig/ da jederman/ ſich einzuſchleichen ſucht/ gefuͤh-
ret/ iſt leichtlich zuerachten. Doch ließ die Regentin vnder dem Marſchalck do-
la Chaſtre
den Guͤlchiſchen Secours an ziehen/ die Veſtung Guͤlch erobern/ vnnd
den Teutſchen Fürſten einraumen. Bald hernach wurd der junge Koͤnig Ludo-
vicus XIII. Henrici IV. erſtgeborner Sohn/ zu Rheims/ nach Gewonheit/ mit
groſſem Pracht geſalbet vnnd gekroͤnet/ allda er ſieben Stunden lang in der Kir-
che/ vnder ſchwerem Laſt der Koͤniglichen Zierathen/ bey Verꝛichtung deß Got-
tesdienſtes/ vnd der Ceremonien gleichſam geſchwitzet: aber auch Heroiſch geant-
wort/ als man ſeine Muͤhe vnd Arbeit bey ſolchem Alter beklagte/ Er wolt es noch
einmal/ vmb ein andere Kron vberſtehen. Jm folgenden Jahr gab es in Franck-
reich kein ſonderliche Bewegung/ weil ein jeder auff der Warth ſtunde/ wie die
newe Regierung moͤchte ein Gang nehmen. Aber im Jahr 1612. fand man raht-
fam/ dem jungen Koͤnig ein Gemahlin zuſuchen. Die Hugnotten meynten/
deß Hertzogen in Lothringen (der deß verſtorbenen Koͤnigs leibliche Schweſter/
doch ohne Leibs Erben/ zur Ehe gehabt/) aͤlteſte Princeſſin/ vnnd Erbin ſolte der
Kron gantz Lothringen/ wie vorzeiten mit Britannien geſchehen/ zum Heurahts-
gut mitbringen/ gedachten aber nicht/ daß der Hertzog von Voudemont, ſeinen
Bruder/ den regirenden Herꝛn erben/ vnd die Toͤchter außſchlieſſen ſolte. Aber
der Himmel hatte es weit anderſt verſehen/ dann der Koͤnig in Spanien nahm die
Princeſſin auß Franckreich/ vnnd der Koͤnig in Franckreich die aͤlteſte Jnfantin
auß Spanien/ beyde Kronen in Ewigkeit verhoffentlich mit Liebe zuverbinden/
zur Ehe: welches aber die Hugonotten der Kron Franckreich vor nachtheylich hiel-
ten/ als wann Spanien nur ſuchte die Frantzoſen einzuſchlaͤffern/ damit die Haͤn-
del in den Niederlanden vnverhindert fortgiengen.


Vnder deſſen kam der Marggraff von Ankre hoch an/ vnd thaͤt ſchier was er
wolte/ auß Verguͤnſtigung der Regentin vnnd Koͤniglichen Fraw Mutter/ dar-
umb er groͤſſern Anhang vnd Nachtritt hatte/ als einiger Printz/ ja als der Koͤnig
ſelbſt: welches verurſachte/ daß der Printz von Condè, die Hertzogen von Majne/
von Nevers vnd Longueville/ vnd Bouillon, ſonderlich da der Hertzog von Vandô-
me
bey Hoff angehalten ward/ ſich auß dem Staub/ vnd in jhre Gewahrſam mach-
ten/ weil ſie einem andern/ vnnd weit geringern/ ohne Verwaltung deß Staads/
die einem jeden nach Stands herkom̃en gebuͤhrte/ ſolten auffwarten. Der Krieg
gieng an/ nicht wider den Koͤnig/ wie man außgab/ ſondern wider den Marggraf-
fen
[8]De Statu perturbato.
fen von Ankre: darumb es viel vnderhandelns gekoſtet/ biß die Regentin den Koͤ-
nig mit groſſem Gepraͤng muͤndig/ vnnd der Regierung faͤhiglaſſen declariren.
Weil nun die Staͤnd auff deß Koͤnigs begehren/ die Notturfft der Kron zube-
rahtſchlagen/ zuſammen kommen/ vnd dannoch den obgemelten Fuͤrſten kein Ge-
nuͤgen geſchehen/ griffen ſie abermahl zu den Waffen/ im Jahr 1615. vmb die Zeit/
als die Koͤnigliche Heurahten ſolten vollzogen werden: vnnd machten ſich einen
Anhang bey den Hugonotten. Doch gab es wieder ein wenig Fried/ vnd newen
Tumult/ als der Printz von Condè bey Hoff wurd in Arꝛeſt genommen/ darauß
ein falſches Geſchrey entſtanden/ als hette jhn der Marggraff von Ankre laſſen
hinrichten/ deß wegen deß Marggraffen/ vnnd etlicher ſeiner Diener Haͤuſer in
Pariß/ beym Aufflauff vnd Sturmſchlagen gepluͤndert worden. Vnnd dieſem
Vnweſen war kein Raht zuſchaffen/ biß der Koͤnig im Jahr 1617. den Marggraf-
fen von Ankre/ vnder dem Thor/ deß Koͤniglichen Pallaſts/ bey der Gegenwehr/
durch/ den Hauptman Vitry, nidermachen laſſen/ in dem das Regiment ſelbſt er-
griffen/ demnach ſeine Fraw Mutter vnd geweſene Verwalterin deß Koͤnigreichs
nach Bloys, auff ein luſtigen Wirthumb Sitz ziehen laſſen: dadannoch etliche vn-
ruhige Geiſter dieſelbe verꝛeytzet/ vnd etliche vnruhige Haͤndel nachmahlen/ doch
ohne ſonderlichen Nachdruck/ vnder jhrem Namen angefangen. Wie es pflegt/
ſo ſchrye jeder man Barꝛabas vber den gefallenen Marggraffen/ alſo daß auch ſein
Weib/ vor eine Zauberin angeklagt/ verdampt vnnd verbrannt worden: zuge-
ſchweigen was Vnehr vnnd Schmach der raſende Poͤbel dem Coͤrper deß Marg-
graffen angethan. Gleichwohl kamen die Fuͤrſten alſo bald wieder nach Hoff/ vnd
ergieng ein General Pardon.


Es ſcheint aber/ groſſer Potentaten Favor wolle dem blinden Gluͤck nach/
vnd nicht nach dem Gebluͤt/ Tugent vnd Verdienſt gehen: darumb der Herꝛ von
Luynesbey dem jungen Koͤnig in ſehr groſſes Anſehen kommen/ daß er deß
Koͤnigs Zuneygungen lenckete/ wie er nur wolte: welches abermahl bey den Fuͤr-
ſten Verdruß brachte/ alſo daß ſie ſich zu der alten Koͤnigin ſchlugen/ vnd dem Koͤ-
nig im Jahr 1620. viel zuthun machten: wurden aber durch deß Koͤnigs Waf-
fen hindertrieben/ darumb es nunmehr den Hugonotten gelten ſolte/ welche zu
Loudun wieder deß Koͤnigs Verbott lang beyſammen blieben/ vnd die eingezoge-
ne Kirchen Guͤter in Bearn nicht widergeben wollen. Sie hatten an Roſchellen
ein gewiſſen Hinderhalt vnd Zuflucht. Darumb legte der Koͤnig derſelben Statt
die Ludwigſchantz vor die Thuͤr/ vnnd hielte ſie/ wie ein ſchnauben des Roſſe/ im
Naßband. Dieſer Vngelegenheit abzukommen/ verfertigt der Herꝛvon Sou-
biſe
etliche Schiff/ vnnd fiel in den Hafen zu Blawet/ erobert die Statt/ vnnd
fehlet der Veſtung/ gewann etliche Schiff/ dem Koͤnig vnnd dem Hertzogen von
Nevers zuſtaͤndig: ſchlug ſich aber bey vnverſehenem Wind/ wieder herauß/ nach
dem die geſpannete Kette/ vnnd vberdicke Seyl deß Hafens er durchſchrotten laſ-
ſen:
[9]De Statu perturbato.
ſen: vnd vermeynte/ im fall dieſer Anſchlag wer angegangen/ die Ludwigſchantz
dardurch auffzuheben/ vnnd den Hugonotten ein Frieden nach Wunſch zuerlan-
gen/ zumahl dergleichen Hafen vnd Veſtung in der gantzen Welt nicht zufinden.
Aber der Hertzog von Vaudôme, Gubernator deß Lands/ macht ſich mit dem gan-
tzen Adel auff/ vnd belagert jhn im Hafen vnd in der Statt/ auß new auffgeworffe-
nen Schantzen/ vnnd dem Schloß. Vnnd hie hatten jhnen die Hugnotten ein
boͤſen Rauch ſelbſt gemacht/ vnnd den folgenden Krieg redlich verurſacht/ als het-
ten ſie dieſes ſtuͤcklein auff der Verſamblung zu Loudun geſchmiedet. Darumb
fieng der Koͤnig in der Landſchafft Bearn an/ thet anderwertliche Verordnung/
brachte ſolch Hertzogthumb theils mit guten Worten vnnd auß Koͤniglichem An-
ſehen/ theils durch Gewalt der Waffen zum Gehorſamb/ vnd Vollziehung ſeiner
Mandaten/ zumahl die alte Koͤnigin jmmer zu klagte/ der vorige Koͤnig hette dem
Roͤmiſchen Stul ſolches verſprochen/ vnnd darinnen verſirte der Kron Wol-
fahrt/ beſetzt er die Aempter mit Catholiſchen Leuthen/ vnnd fuͤhrt die Romani-
ſche Religion wieder ein/ nicht auß Haß gegen den Hugonotten/ ſondern wegen
ſeines Vattern ſeligſten Andenckens Verſprechen vnd Ehre/ auff daß die Hugo-
notten kein Abſchew hetten/ jhme wider die Widerſpenſtigen zu dienen: welcher ge-
ſtallt die vnruhige Fuͤrſten kein rechtmaͤſſige Vrſach zuklagen mehr finden ſolten/
vnd ſeine Fraw Mutter ſich zu Ruh begeben muͤſſen. Aber die Hugonotten ſtel-
leten ſich zur Gegenwehr/ vnd erwieſen/ daß man jhnen die ſo theur erworbene vnd
beaͤidigte Freyheiten allenthalben ſchmaͤhlerte/ ob ſchon der Koͤnig dem Hugonot-
ten Leſdignieres das Ampt deß Conſtabels Bitt- vnnd Befehlweiſes auffgetra-
geu. Weil es aber in Bearn, zu Tours, zu Roſchellen/ vnnd allenthalben newe
Haͤndel/ Tumult vnnd Rebellionen gab/ beſchloß zu Eingang deß Jahrs 1621.
der Koͤnig in vollem Raht/ viertzig tauſend Mann zu Fuß/ vnnd ſechzehentauſend
Pferd ins Feld zubringen/ mit welchem er allem Vuheyl beyzeiten vorkommen
vnd abhelffen moͤgte.


Alſo zog der Koͤnig auff Saumur/ vnd endert Gubernator vnd Beſatzung/
belaͤgert vñ bezwang Saint lean d’Angely mit groſſer Gewalt/ wie auch viel andere
Orth. Dann die Hertzogen von Rohan/ vnnd Boullion waren zwiſtig/ vnnd
ſuchten nur jhren Vortheil/ darumb die Hugonotten auch widrige Meynungen
faßten/ in deme etliche wolten/ man ſolte/ vnnd moͤchte Gewiſſens halben dem Koͤ-
nig trawen/ der nicht anders als Gehorſam vnd Vertraͤglichkeit von ſeinen Vn-
derthanen erforderte/ darneben allen Vaͤtterlichen Willen zuſagte/ auch niemahls
ſein Wort gebrochen hette: die andern aber meynten/ weil die eingeraumte Staͤt-
te jhre Eltern vnd zum theil ſie ſelbſt mit ſo vielem Blut vnnd groſſem Koſten het-
ten erworben/ konde man ſolche Mittel der Sicherheit/ ohne ſchmaͤhliche Nach-
red gegen der lieben Poſteritaͤt nicht verantworten: Es moͤchte der Koͤnig wol
fromb/ redlich vnnd auffrichtig ſeyn/ den Dienern aber vnd Ohrenblaͤſern wehr
Bdannoch
[10]De Statu perturbato.
dannoch nicht trawen: ſo hielte die Cleriſey vmb jhr Verderben vnnachlaͤſſig an/
vnd wuͤrde dem Koͤnig das Gewiſſen mit der Zeit ſo gar enge machen/ daß er wie-
der ſeinen Willen ſiever folgen werde. Vnnd dieſer Meynung waren fuͤrnem-
lich die Roſcheller/ vnnd die zu Montauban/ mit jhrem Anhang: zwar auch nicht
wenige in Langnedoc/ welche der Hertzog von Montmorancy im Namen deß Koͤ-
nigs bekriegte/ vnd auff dem veſten Land dergeſtallt gedempfft hatte/ daß der von
Soubiſe, ſich auff die zwo Jnſuln vnd Oleron, ohn ferꝛn von Roſchellen/ rete-
riren vnnd legen muͤſſen. Der von Momorancy commandirte die drey Oberſten
S. Luc, Roche Foucaud vnnd Thoiras, gegen jhn: bediente ſich der Hollaͤndiſchen
Schiff vnd Voͤlcker/ wie auch der ablauffenden See/ vnnd hatte drey gantzer Tag
aneinander zufechten/ biß er die Jnſeln gewonnen/ vnd die Schiff theils verſenckt/
theils in die Flucht gebracht. Kondte ſich doch dieſer Victori nicht ohne groſſes
Hertzenleyd erfrewen/ weil ein Schiff auff dem druckenen ſitzen blieben/ an der
Seiten lage/ vnnd ſich nicht ergeben wolte/ ſondern das Fewr in das Pulffer ge-
than/ vnnd darmit vber drey hundert Mann in die Lufft geſprengt/ vnder denen
auch Vauuert, Villeneufuc vnnd Veillon geweſen. Die ſtuͤcke flogen ein viertel
Meil herumb/ vnd drey Koͤnigliche Schiff ſo ſich angehenckt hatten/ giengen dar-
uͤber zutruͤmmern. Doch wurd der Roſcheller Muth nicht nur hiedurch gebro-
chen/ ſondern auch der gantzen Parthey Macht mercklich geſchwaͤchet: geſchehen
im Julio 1625. Dieſer geſtallt theten die Hugonotten abſonderlich was ſie kon-
den/ vnd hatten kein Haupt/ als den Hertzogen von Rohan/ der etliche Landſchaff-
ten an ſich hatte gezogen/ aber an beyden Fittigen gelaͤhmt war. Der Hertzog
von Epernon plagte die Roſcheller/ vnnd der Koͤnig legte ſich vor Montauban, da
der Hertzog von Mayne im recognoſciren/ von einem Weib (wie Abimelech) oder
von einem Jaͤger durch den Kopff geſchoſſen worden: gleich wie der Herꝛ von Sou-
biſe
in der Jnſel eine Niederlag erlitten/ vnd ſich nach Roſchellen ge-
zogen.


Nicht wenig Beſtürtzung hatte es geben/ da der Graff von Manßfeld im
Jahr 1622. auß Boͤhmen vnnd gantz Teutſchland gewichen/ vnnd ſeine Voͤlcker
auff Sedan gefuͤhret/ als hette der Hertzog von Buillion dieſelben zu Behuff der
Hugonotten laſſen ankommen. Vnnd mag ſeyn/ daß die Practicken angeſpon-
nen geweſen/ welche doch der Hertzog von Buillon zu nicht gemacht. Zumahl er
vernommen/ daß der Hertzog von Rohan an den Conſtabel Leſdiquieres (ſo in ſei-
nen alten Tagen der Hugonotten Parthey vnnd Glauben verlaſſen/ vnnd zu den
Catholiſchen getretten) vmb Außſoͤhnung vnnd gemeinen Frieden geſandt hatte.
Der Krieg forderte mehr Zeit vnnd Koſten/ als ſich anfangs niemand einbilden
wollen/ weil die Hugonotten allenthalben/ auch in den geringſten Orthen ſich veſt
legten/ daß man die gantze Armee jedemahl muͤſſen heran fuͤhren/ dadurch ſie deß
Koͤnigs Waffen matt vnnd ſtumpff gemacht/ alſo daß der Koͤnig in dem Laͤger vor
Mon-
[11]De Statu perturbato.
Monpellier, Abends den 18. Oct. allen gehorſamen Vnderthanẽ den Fried zuge-
ſagt/ vnd gleichſamb von freyem ertheilt/ zog von einer Landſchafft zu der andern/
vnnd thet ſeinen Einritt zu Pariß zu Eingang deß Jahrs 1623. die Hugonotten
erlangten von dem Koͤnig/ eine Verſamblung zu Charenton bey Pariß/ im Mo-
nat November zuhalten: wie er dann genugſam bezeugte/ daß er nur die Rebel-
len/ vnd nicht die Religion verfolgte/ als er den Tempel in gedachten Charenton,
ſo die eyferige vnnd auffruͤhriſche Catholiſchen in Pariß/ wieder aller Beampten
willen/ in Brand geſteckt hatten/ wieder bawen/ vnnd die verordnete Speſen/ nicht
weniger als die Gelder zu Vnderhaltung der Hugonottiſchen Kirchen diener jm-
merzu auß der Koͤniglichen Renntkammer zahlen laſſen: doch muſte die Ludwig-
ſchantz den Roſchellern vor der Naſen liegen bleiben/ vnnd auff all jhr thun vnnd
laſſen gute Achtung geben: dann ſie konden gar vbel verſchmertzen/ daß der Her-
tzog von Guiſe ſie zur See ſo gar vbel geſchlagen hatte/ darumb ſie noch froh wa-
ren/ den Koͤniglichen Frieden mit Danck anzunehmen/ vnnd ſo lang zuhalten/ biß
ſie wieder Lufft/ vnd Mittel/ das Spiel auff ein newes anzufangen haben koͤndten.
Dieſer Krieg ſo viel Leuthe verderbt vnnd ſchlaffen gelegt/ wurd dem Herꝛn von
Luynes zugeſchrieben/ welcher gedachte/ es muͤſten als dann die groſſen Herꝛn von
Hoff bleiben/ vnd hien vnd wieder zu Feld/ vor oder wider den Koͤnig dienen/ vnder
deſſen er deß Koͤnigs Perſon in ſeinem Gewalt hette/ vnd im truͤben Waſſer
fiſchete. Doch thet der Eyfer wegen der Religion/ vnd
der Hugonotten Vngedult nicht
wenig darzu.



B ijDer
[12]De Statu perturbato.

Der 2. Diſcurß.


Von den dreyen Partheyen in Franckreich: deß Cardi-
nals Riſchelius Herkommen/ vnd Aempter/ auch geheyme Rahtsſtell. Wie er
den Heuraht zwiſchen deß Koͤnigsſchweſter/ vnnd dem Printzen von Wallis ge-
ſchloſſen: mit den Hollaͤndern den Bund ernewert: den Vrheber deß Mißver-
ſtands am Hoff abgeſchafft: die Cantzeley vnnd Finantzen reformiert: auch das
Veltlin wieder alles einwen den erobert/ vnnd die Spanier drauß getrieben.


NAch dem der Abfall von dem Roͤmiſchen Stul geſche-
hen/ hat es in Franckreich gemeiniglich drey Partheyen/ die Koͤnigliche/
die Malcontenten/ vnnd die Hugonotten geben. Die Koͤnige pflegten
ſich nim̃er der Hugonotten zubedienen/ auſſerhalb Henrici III. vnd Henrici IV.
weil jener ſich von ſein eygenen Glaubens genoſſen/ auß Eyfer wegen der Suceſ-
ſion/ hindergangen ſahe: dieſer aber in der Vncatholiſchen Religion aufferzogen
war. Hiengegen haben die Malcontenten/ oder vnwillige Fuͤrſten bey Hoff ſich
gar offt bey den Hugonotten angemeldet/ vnnd durch derſelben Huͤlff etwan jhre
præten ſionen erlangt/ vnnd den gemelten Helffern auch ein gut Wort verliehen.
Vnnd ob ſchon die Koͤnige Franciſcus I. Henricus II. Carolus IX. vnnd Henricus
III.
alle mügliche Mittel an die Hand genommen/ dieſe dritte Parthey zu dempf-
fen/ vnd außzurotten/ hat es jhnen doch nicht wollen gelingen/ biß jhre gantze
Macht vnder deß Cardinals Riſchelius Verwaltung iſt zu Waſſer worden: wel-
ches Werck er ſonderlich wollen treiben/ damit er bey den außlaͤndiſchen Kriegen
vngehindert moͤchte fortfahren. Wie nun dieſes beginnen/ vnnd erwuͤnſchtes
End nicht das geringſte Stuͤck ſeiner Klugheit vnnd ſeines beruͤhmbten Gluͤcks
ſeyn mag/ alſo muͤſſen wir jhn etwas naͤher beleuchten.


Was ſein Herkommen vnd Geburt belanget/ befindet ſich/ daß Koͤnig Lud-
wig der Dicke/ von ſeiner Gemahlin Abdelen/ deß Hertzogs in Saphoyen Huberti
II. Tochter/ vnder andern Soͤhnen/ auch zween Roberten/ den erft- vnnd viertge-
bornen gezeuget/ welcher vierte der Groſſe wegen ſeiner Tugend genannt worden/
vnd die Statt Dreux im Biſtumb Chartres, mit dem Titul eines Graffen/ zu ſei-
nem Erbtheil beſeſſen. Dieſer hatte von ſeiner dritten Gemahlin/ ſo theil an
der Herꝛſchafft Brenne gehabt/ ein Sohn/ auch Robert genannt/ vermaͤhlet mi/
Yoland Roberti, Herꝛn zu Cauſſy, vnnd Agnes von Henao, (ſo mit Balwein-
Graffen in Flandern/ nochmahlen Kayſern zu Conſtantinopel/ vnnd mit Jſabel/
len
[13]De Statu perturbato.
len Koͤnigs Philippi in Franckreich Gemahlin. Geſchwiſtrigkind geweſen) Toch-
ter. Robert der Dritte deß Namens folgt jhm in der Regierung/ als der erſtge-
borne/ vnnd war von Koͤnig Philippo/ Mehrern deß Reichs/ zum Ritter geſchla-
gen. Sein zweyte Gemahlin/ Eliſabeth von Villabeon, genannt Chambellane,
auß dem Hauß Nemours, gebar jhm neben einer Tochter/ Roberten den Vier-
ten/ Viconten zu Chaſteaudun, Nihelen vnd andern Orthen. Sein Gemahlin
war Ieanne von Vandohme: ſein erſter Sohn/ Robert der Fuͤnfft deß Namens/
vnd Johann/ der den Bruder geerbet/ vnnd ſich mit Margrethen de la Roche, ſei-
ner Baaſen vermaͤhlet/ mit welcher er vnder andern Kindern auch Stephan/ ge-
nannt Gabani gezeuget/ der ſich ſchrieb Herꝛ zu Beauſac vnnd Senonches, Vicont
vnd Hauptman zu Dreux. Vnder andern Kindern brachte jhm Philippina von
Mautigny, altes Geſchlechts/ eine Tochter/ genannt Johannet von Dreux, an
Wilhelm le Roy, Herꝛn zu Chauigny, Bauſſonniere, Baſſes vnd Chillon vermaͤh-
let. Der zweyte Sohn auß dieſen Heuraht/ genannt Wilhelm le Roy, nahm
zur Ehe Franciſca von Fontenay/ deß Herꝛn von S. Gaſſian vnd S. Klaren Toch-
ter: deſſen Soͤhn einer/ Guyon le Roy, General wieder die Engellaͤnder im Jahr
1512. mit Jſabellen von Beauual, Frawen zu Ocoich vnd Villeroye gezeuget Anna
le Roye, Fraw zu Chillou, welche mit Frantz von Bleſſis, Herꝛn zu Riſcheliu/ im
Eheſtand gelebet.


Deme zu Folg ſetzen wir/ daß Henricus II. Koͤnig in Engelland/ ſeine Toch-
ter Leonora Alfonſo VIII. in Caſtilien vermaͤhlet/ auß welchem Heuraht Blanca,
Koͤnig Ludovici IX. deß Heiligen Mutter/ vnd Berenguele, Alphonſi IX. Koͤnigs
zu Leon Gemahlin entſproſſen/ die ein andere Berenguele gezeuget/ vnd Johañen
von Bregne, Koͤnig zu Acra vnd Jeruſalem ehelichen beygelegt dieſes Johannſen
Tochter Johannet von Beaumont, nahm zur Ehe Guy den Achten deß Namens/
Herꝛn zu Laual vnnd Vitre. Deren Dritter Sohn war Andreas von Laual/
Herꝛ zu Louen/ welcher von Johanneten Frawen zu Pomereux zengte Johannſen
von Laual/ Herꝛn von Bree: vnd dieſer vermaͤhlte ſich mit Franciſca/ Frawen von
vnnd zu Gaſſelin, auß welchem Heuraht Johan von Laual/ Herꝛ zu Bree vnnd
Chantoſeaux, ſampt ſeiner Tochter Guyonne von Laual kommen: vnnd zum Ge-
mahl gehabt Franciſcum II. von Pleſſis, Herꝛn zu Riſcheliu/ welcher geſtalt deß
Cardinals Genealogy/ von Vatter vnd Mutter ſich erſtreckt vnd beſchrieben fin-
det. Wir finden aber den Namen Pleſſis im Jahr 1201. deß Wilhelm von Pleſ-
ſis
genannt wird der Valet, oder Edleknecht/ welche Ehr nur den jungen Herꝛn/
vnd Rittersſoͤhnen gebuͤhrte. Sein Sohn hieß Johann von Pleſſis, vnd ward in
Engelland durch Heuraht/ Graff zu Warwick: der ander Sohn vnd zwar der aͤl-
tere war Peter von Pleſſis, zun Zeiten S. Ludwigs deß Neundten/ vnd ſahe Wil-
helm von Pleſsis ſeinen Sohn/ vnd Peter von Pleſsis ſein Nefen. Wilhelm von
Pleſsis folgt dieſem ſeinem Vatter Peter/ vnnd wurd Ritter im Jahr 1340. zeugt
B iijvon
[14]De Statu perturbato.
von Charlotten von der Cellen/ Silveſtern/ der Eliſabethen Groin geheuraht/ vnd
den Stam Riſchelin gepflantzt hat. Sein Sohn war Geoffroy von Pleſsis, ver-
maͤhlt mit Pe [...]rine von Clerembeau: welche Frantzen von Pleſsis gezeuget/ vnnd
Louys von Clerembeau, der Perꝛinen Brudergeerbet. Jhm folgte Frantz der
ander von Pleſsis, ſo die Fraw Guyonne von Laual geheuraht. Deſſen Sohn/
Frantz der Dritte/ nam zur Ehe Anna le Roy, wie droben gemeldet. Eins vnder
ihren Kindern hieß Ludwig/ vnnd blieb vor Arien: deſſen Sohn/ Frantz der Vier-
te/ ließ ſich ſehen im Treffen bey Moncontour, zog mit Henrico III. in Poln/ wurd
hernach Grand Preuoſt in Franckreich/ erlangt das Ritterhalßband vom H.
Geiſt Anno 1585. als vnſer Herꝛ Cardinal zur Welt kommen: war Henrico IV.
ſehr lieb/ vnnd ſtarb Anno 1590. in der Belaͤgerung der Statt Pariß. Dieſer
Frantz von Pleſsis zeugte mit Suſannen von der Pforten/ Henry du Pleſsis, Feld-
marſchalckeu: Frantz von Pleſsis, Cardinal/ Graffen zu Lion/ Primat in Franck-
reich/ Biſchoff zu Luçon/ endlich Ertzbiſchoff zu Aix in Prouence vnnd zum letzten
Lyon. Der dritte Sohn war Armand Johann von Pleſsis, Cardinal von Ri-
ſcheliu/ Duc \& Pair in Franckreich.


Dieſer Cardinal verlohr ſein Vatter/ da er nur fuͤnff Jahr alt war/ geboren
ſonſten in der Statt Pariß: anfangs ſtudierte er/ uͤbte ſich hernach in den Waf-
fen/ ließ auch dieſe fahren/ vnd bekam von ſeinem Bruder das Biſtumb Luçon, im
21. Jahr ſeines Alters/ durch Diſpenſation/ welche Zeit vber er den Buͤchern ge-
waltig obgelegen/ die eingeſchlichene Mißbraͤuche verbeſſert/ die eingefallene Kir-
chen wieder auffgericht/ vnnd ein Buͤchlein/ die Chriſtliche Vnderweiſung ge-
nannt/ laſſen außgehen. Nach Henrici IV. todt kam dieſer Cardinal nach Hoff/
das Leyd zuklagen/ weil der verſtorbene Koͤnig jhn pflegen ſein Biſchoff zunennen.
Er predigt etliche mahl mit groſſem Ruhm/ vnnd ward von der Cleriſey deputirt/
den Vortrag in dem Saal Bourbon vor den Staͤnden zuthun. Auff daß man
jhn nun bey Hoff halten kondt/ macht man jhn zum Grand Aumoſnier oder Al-
moßpfleger. Bald wurd er verordnet nach Spanien/ die Strittigkeiten zwiſchen
Spanien vnnd Mantua beyzulegen: weil aber der Marggraff von Ankre vnder
deſſen vmbkam/ vnd die Fuͤrſten ſich bey Hoff wieder einſtelleten/ gab man jhm die
geheyme Secretariatsſtell/ ſo der Herꝛ von Villeroy biß dahin verwaltet/ vnnd we-
gen der Fuͤrſten quittiren muͤſſen. Wie nun der Herꝛ Cardinal das ſchreckliche Exẽ-
pel am Marggr. von Ankre geſehen/ forcht er ſich/ vnd begehrt ſein Abſchied: aber der
Koͤnig gab jhm Stell vnder den Staads Raͤhten Wie auch die Koͤnigliche Fraw
Mutter ſich nach Bloys, von Hoff begabe/ ſuchte der Cardinal jhr zufolgen/ weil er
ein ſehr groſſes Vngewitter von ferꝛn kommen ſahe. Vnd weil man auch Sorg
truge/ er moͤcht mit der alten Koͤnigin etwas anſpinnen/ verfuͤgter ſich zu ſeiner
Probſtey Cauſſay, dreyſſig Meilen von Bloys. Vnd aber ſeine Neyder jhn ſo na-
he nit leiden konden/ auch die alte Koͤnigin gern aller jhren trewen Diener beraubt
hetten/
[15]De Statu perturbato.
hetten/ verfuͤgt er ſich nach ſeinem Biſtumb/ gen Luçon: vnnd wurd vnder einem
Ehrentitel nach Auignon geſchickt.


Hie fing man an zuerkennen daß man ſeines Beyrahtens hochnoͤhtig wer/
als nemblich der Herꝛ von Luynes Conſtabel worden/ vnnd alle groſſe Herꝛn ver-
aͤchtlicher weiſe hielte: darumb ſie die alte Koͤnigin zu Bloys angeſchrihen/ vnnd
jhr herauß geholffen/ auch ein maͤchtig Kriegsheer auff die Beyn gebracht/ der
Conſtabel vnnd der Koͤnig theten gute Gegenverfaſſung/ begehrten doch beyde
ſchrifftlich an den Cardinal/ nach Angouleſine zuziehen/ vnnd dieſen Vnwillen
beyzulegen: wie er dann die alte Koͤnigin dahin bracht/ daß ſie dem Koͤnig jhrem
Sohn nachgeben vnnd die Fuͤrſten jhre Schuldigkeit erkennet/ auch zu Couſsiers
ſelbſten Vnderꝛedung gepflogen/ vnnd dem Koͤnigreich wieder Ruhe verſchafft.
Wie nun der Cardinal der alten Koͤnigin nach zoge gen Pouques, macht man jhn
vor vielen andern zum Verwalter der Sorbonna: allda er den Doctor Richern
dahin gebracht/ daß derſelb etliche wenige Meynungen/ ſo auch dem Parlament
zuſchaffen gaben/ fallen laſſen: im vbrigen wurd das gantze Gebaͤw nach der kunſt/
vnnd ſehr bequem zu dieſer vralten hohen Schul zugerichtet. Weil nun der Koͤ-
nig dieſes hohen Geiſtes Eyfer vnnd gluͤckliche Verꝛichtungen ſahe/ auch die alte
Koͤnigin dieſen jhren trewen Diener wolt zum muͤglichſten befoͤrdert ſehen/ wurd
er nach Hoff in das Cabinet/ vnd zum jnnerſten geheymſten Raht/ ja Verwalter
deß Koͤnigreichs/ doch vnder deß Koͤnigs Namen/ beruffen. Dann man ſahe
wohl daß der Marggraff von Vieuuille, der nach dem Herꝛn von Piſieux, an deß
Herꝛn von Luynes Stell war getretten/ zwar Fried vnnd Ruhe ſuchte/ aber einem
ſolchen Laſt gar nicht gewachſen wer: zu deme auch nichts heymlich hielte/ vnd ge-
gen jeder maͤnniglich ſich rauh vnd hochmuͤtig erzeigte.


Das allererſte Werck/ ſo der Cardinal vornahm/ war der Heuraht zwiſchen
dem Printzen von Walliß in Engelland vnnd der Koͤniglichen Princeſſin Hen-
riette Marie
auß Franckreich: darbey er dieſe verſchiedene Abſehen hatte/ erſt-
lich den Heuraht von Spanien abzuwenden/ weil der Printz ſelbſt in Spanien
war geweſen/ vnnd nach vielem Auffzug vnverꝛichter Sachen wieder abgezogen/
als die Spanier gar zu groſſen Vortheil auff Engelland/ wie vorzeiten mit der
Koͤnigin Maria/ geſucht: ob vielleicht eine Offenſion hierauß entſtehen koͤndte.
Zum andern/ die Catholiſche Romaniſche Religion in Engelland zuſtabiliren/
welches biß dahin durch mancherley Practicken nicht wollen angehen: jetzunder
aber mit Willen geſchehen koͤnde. Zum dritten/ daß der Catholiſchen hitziger
Eyfer in Engelland wohl ſo viel anzedeln wuͤrde/ daß die Engellaͤnder einander
ſelbſt in die Haar geriethen/ vnnd alſo den Frantzoͤſiſchen Waffen keinen Eintrag
weder in Teutſchland/ noch in den Niederlanden/ oder auch in Franckreich thun
koͤnden/ viel mehr ſich an Franckreich halten/ vnnd den teutſcheu Fuͤrſten zur vori-
gen Freyheit wieder verhelffen/ auch von den Rebelliſchen Hugonotten in Franck-
reich
[16]De Statu perturbato.
reich gaͤntzlich laſſen wuͤrdẽ. Auch wußte er mit beydẽ Graffen auß Engelland/ von
Carlile vnd Holland ſolcher geſtalt vmbzugehen/ daß ſie wegen der Religion keine
Beſchwerlichkeit mehr machten. Dann er hielt jhnen vor/ der Koͤnig wer der
erſtgeborne Sohn der Kirchen/ vnnd koͤnd ohne Verguͤnſtigung deß Bapfts hier-
in gar nichts thun. So ſolten auch der Koͤnig vnnd das Parlament in Engel-
land vber der Religion ſo gar ſteiff nicht halten/ weil ſie bey jhrem hohen Verſtand
ſelbſt finden koͤndten/ daß ſich die Gewiſſen nicht zwingen lieſſen/ vnnd daß eben/
daher ſo mancher Auffſtand geſchehe. Nun hatte bereyts der Ertzbiſchoff von
Ambrun/ Frantzoͤſiſcher Geſandte/ in Landen ſelbſt/ mit Koͤnigs Jacobi gutem
Belieben/ vber zwantzig tauſent Menſchen gefirmt. Doch reyßte der Marggraff
von Effiat zu jhm/ daß er das Parlament ſo gar hoch hierin nicht achten ſolte/ weil
es mehrentheils Puritaniſch/ vnnd der Koͤniglichen Hoheit zu wieder
were.


Als wurden die Heurahtspuncten den 10. Nov. 1624. in Pariß verglichen
vnnd vnderſchrieben/ mit ſehr groſſem Vortheil der Catholiſchen in Engelland/
welche dadurch in Freyheit geſetzt/ nichts mehr zufoͤrchten hatten. Das aller fuͤr-
nembſte war/ daß die Princeſſin/ vnnd kuͤnfftige Koͤnigin jhre Capellen/ Prieſter
vnnd Hoffdiener/ auch deren Kinder Diener auß Franckreich ſelbſt wehlen/ vnnd
kein andere/ als Catholiſche nehmen moͤchte/ die ſonſt niemand vnderwuͤrffig von
jhr allein dependirten: vnd die Kinder dreyzehen Jahr lang bey ſich behalten/ vnd
nach Belieben aufferziehen moͤchte. Welches dann vmb ſo viel mehr zuverwun-
dern/ daß man nicht wegen der Religion/ ſondern wegen Staadsſachen der Jn-
fantin auß Spanien/ als ſie nach Pariß kommen/ alle Spaniſche Diener vnnd
Damen genommen/ hiengegen aber Jnheymiſche vnnd Frantzoͤſiſche gegeben.
Doch wurd Pater Berule nach Rom/ wegen der Diſpenſation geſandt: der aber
das Werck mehr ſchwerer gemacht/ als es an ſich ſelbſten/ vnd bey dem Roͤmiſchen
Hoff/ der allzeit ſich groſſer Wichtigkeit vnnd Circumſpection annimbt/ gar nicht
noͤhtig war: alſo daß der Frantzoͤſiſche Abgeſandt/ der Herꝛ von Bethune, auß
Sorg/ es moͤchte das Parlament in Engelland den gantzen Handel vmbſtoſſen/
dem Bapſt vnd den Cardinaͤlen nicht nur die Notturfft vortragen/ ſondern auch
zu End ſeiner Rede mit wenigem andeuten muͤſſen/ es hielten viel Schrifftgelehr-
ten darfuͤr/ man koͤnde deß Bapſts vnbegruͤßt in dergleichen Faͤllen forthfahren.
Dem nach verſtarb Koͤnig Jacobus mitlerweil/ vnd wurd der Heurath zu Pariß
durch den Hertzogen von Bouquingan vollzogen/ die Princeſſin nach Engelland
gebracht/ vnnd im Jahr 1625. zu Endt deß Monats Junij dem Koͤnig beygelegt/
vnnd Koͤniglich gehalten. Auß dieſem Heuraht erhielte gleichwohl Franckreich
dieſen Vortheil/ daß den Hugonotten kein offentliche Huͤlff zukommen/ vnnd daß
dieſelbe ſtarcke Parthey von auſſen Huͤlffloß zu Grund gerichtet werden koͤn-
nen.


Das
[17]De Statu perturbato Franciæ.

Das zweyte Stuͤck/ ſo der Cardinal noch im Jahr 1624. verꝛichtet/ war der
ernewerte Bund mit den Hollaͤndern. Dann dieſelbten ſchickten die Herꝛn von
Nortwick/ võ Paw vñ võ Eſten/ als Extraordinari Geſandten/ nach Compiegne
zu dem Koͤuig/ vnd klagten/ daß jhre Feinde die ſo thewr erworbene Freyheit ſuch-
ten zuvernichten/ darumb der Koͤnig den vorigen Bund mit jhnen ernewern/ vnd
vber diß beyſolcher Noth ein anſehnliche Summ Geldts auch vorſchieſſen wolte.
Der Koͤnig zoge zu Gemuͤth/ daß ſeine Kron hiedurch nur deſto herꝛlicher ſeyn
wuͤrde/ vnnd daß hie nichts wider die Gerechtigkeit vorgienge/ dieweil das Hauß
Oeſterꝛeich bey Vernichtung der Fundamental Geſatzen der Provintzen ſich jhrer
Obrigkeitlichen Hoheit ſelbſt verluſtigt gemacht/ die Hollaͤnder zu einer Gegen-
wehr genoͤhtigt/ vnnd alſo verſpielet. Welches das Hauß Oeſterꝛeich bey den
Tractaten Anno 1609. vnd im Schluß vom zwoͤlff jaͤhrigen Stillſtand der Waf-
fen ſelbſt nachgeben/ vnnd geſtanden hette. Darauff dann Engelland/ Denn-
marck/ Schweden die mehrere teutſche Fuͤrſten/ vnd Hanſeſtaͤtte/ auch Venedig
gangen/ vnd ſie vor eine freye Republic erkennet. Der Cardinal thet noch hien-
zu/ die Hollaͤnder hetten ſich von mehr dann ſechzig Jahren her vmb gantz Europa/
ſonderlich vmb Franckreich hoch verdient gemacht/ daß ſie allein dem Spaniſchen
Ehrgeitz widerſtanden/ vnd die Spitz abgebiſſen. Vnd da der Koͤnig den Grau-
buͤndern Huͤlff zuleyſten gedaͤchte/ koͤndte dieſe ſtarcke Diverſion die Spaniſche
Macht/ den Frantzoͤſiſchen Waffen zum Vortheil/ von einander halten. Vber
diß alles hatte Henricus IV. ſich ſehr wohl bey dieſer Buͤndnuß in ſeinen euſſer-
ſten Noͤhten befunden: wann dann niemand wiſſen koͤnde/ was Gott nochmahlen
vber Franckreich verhengen wuͤrde/ hette man allhie die beſte Gelegenheit ſich einer
gewiſſen Huͤlff ins kuͤnfftige zuverſichern. Man vergliche ſich daß der Koͤnig jh-
nen in dreyen Jahren drey Millionen zweymahl hundert tauſent Pfund mit die-
ſem Bedieng ſolte vorleyhen/ daß ſie die Erſtattung in den erſten dreyen Jahren
nach geendetem Krieg theten: daß ſie ohn ſein Wiſſen vnd Verwilligung mit kei-
nem Staad Fried oder Anſtand machen ſolten. Vnd da jhre Mayeſtaͤt außge-
rüſtete Orlogſchiff haben muͤſten/ ſie dieſelben vmb billichen Preyß entweder ver-
kauffen/ oder darleyhen ſolten. Vnnd da jhre Mayeſtaͤt den Krieg anfing die
Helfft gemeldter Geldter zuerſtatten/ oder biß zu Abtrag der gantzen Summ/ mit
jhren Schiffen zudienen/ auch die Frantzoͤſiſche vnderhaltene Voͤlcker in ſolchem
fall biß nach Calais oder Diepen zulieffern/ gehalten weren.


Das dritte Stuͤck/ darin der Cardinal ſeine Weißheit ſehen ließ war/ daß
er den Oberſten Ornano wieder auff freyen Fuß brachte. Dieſer Oberſte war
deß Hertzogen von Orleans Gubernator/ vnnd lag dieſem jungen Herꝛen an/ deß
Koͤnigs Kaltſinnigkeit ſo ſtillſchweigend nicht vorbey zulaſſen: es war aber ſein
Jntent/ jhm einen Anhang zumachen/ vnnd in truͤbem Waſſer zufiſchen/ ſo ferꝛn/
daß er ſich auch etwas wichtiges vernehmen ließ/ wie der Marggraff von Vieuuille,
Cſo nach
[18]De Statu perturbato Franciæ.
ſo nach dem Herꝛn von Piſieux deß Koͤnigs Staad verwalten/ anbrachte. Well
nun hierauß kein geringes Vnheyl entſtehen koͤnnen/ meynte der Cardinal/
man ſolte den erſtẽ Fehler/ wañ man ſie auff jener Seit erkeñete/ vñ auff dieſer ver-
hindern koͤndte/ vberſehen/ zumahl ſolches zu groſſer Trew ins kuͤnfftige dienete:
daß der Oberſt Ornano zu hoch geſtiegen/ vnnd alſo den Schwindel bekommen.
Darumb befahl der Koͤnig/ daß der Oberſt in ſein Gubernament/ nach Ponthaint
Eſprit
ſich verfuͤgte. Wie aber der Oberſt ſich auff ſeinen Herꝛn verließ/ vnnd
nicht meynte/ daß man alles in Kundſchafft bracht hette/ vermocht er ſeinen Herꝛn/
vor jhn zubitten/ oder zubochen/ daß er bey Hoffbleiben moͤchte. Der Koͤnig aber
ließ ſich durch keine Bitt/ wie jnſtaͤndig vnnd hefftig es auch von ſeinem Herꝛn
Bruder geſchahe/ von ſeiner Reſolution abwenden/ dieweil jr beyder enge Freund-
ſchafft ſich ſonſten trennen koͤndte/ vnnd Ornano ſelbſt nicht verſtuͤnde/ in was vor
Gefahr er ſich ſteckte/ demnach befahl/ man ſolte dieſen vnbeſonnenen Oberſten in
die Baſtille ſetzen/ vnd vber wenig Tage auff das Schloß zu Caën fuͤhren. Das
Gefaͤngnuß ſtund jhm vbel an/ vnnd erſucht den Cardinal/ jhm wieder herauß zu-
helffen/ welches auch geſchah/ aber nach dem der Marggraff von Vieuuille in Vn-
gnad war gefallen. Dann der Koͤnig gab jhm vorige Stell wieder/ vnnd trawte
feinem vielfattigen Verſprechen/ regaliert jhn auch mit einer anſehnlichen Sum-
ma Gelds. Dannoch vergaß er ſeiner ſelbſt/ vnd miſcht ſich in der Damen Wirꝛ-
weſen/ die jhm in die Ohren blieſen/ jederman foͤrchtete jhn/ wegen ſeines
Herꝛn.


Dadurch wuchs jhm das Hertz/ daß er auß geben doͤrffen/ wann man jhm
nicht ein Marſchalckſtab gebe/ wolt er/ etlichẽ Fuͤrſten Zugefallen/ ſeinen Herꝛn
vom Hoffmachen weichen. Wie ſolches vorkam/ gedacht der Koͤnige jhn auß
dem Weg zuraumen/ oder doch wohl zuverwahren/ auff daß nicht was aͤrgers
darauß entſtuͤnde. Aber der Cardinal erinnerte jhn ſeiner Clementz/ zumahl
auch man nach einem ſolchen Ehren Ampt/ jhn mit deſto groͤſſer Schmach koͤnde
hienſtecken/ im fall er ſich gar nicht beſſern wolte. Wie nun der Cardinal ſahe/
daß die alte Koͤnigin an der Regierſucht noch kranck gienge/ braucht er all ſein
Wohlredenheit/ jhr zuerweiſen/ daß ſie von dem Regiment dermahleins ſolte ab-
laſſen/ ſo wuͤrde aller Argwohn bey dem Koͤnig von ſich ſelbſten fallen/ welches auch
endlich gerahten/ vnnd ein kleine Zeit gut gethan. Nach der Koͤnigin war der
Hertzog von Orleans der hoͤchſte vnnd nechſte/ welchen der Oberſt Ornano, nun-
mehr Marſchalck gubernierte: Nun wolte die alte Koͤnigin niemand neben dem
Koͤnig wiſſen/ vnnd wo ſie den Koͤnig nicht ſelbſt moͤchte regieren/ doch ſein Ohr
vnd Gemuͤth allein beſitzen. Darumb koſtet es viel Muͤhe/ biß der Koͤnig mit jh-
rem Belieben ſeinen Bruder auch vmb etwas zu wichtigen Geſchaͤfften zoge. Den-
noch giengen die heymliche Verbuͤndnuſſen wider jhn forth: darumb thet er ſich
nach Fontanieblau/ auff das Luſthauß/ die heymliche Practicken in einem engen
Bezirck
[19]De Statu perturbato Franciæ.
Bezirck beſſer als in dem Getuͤmmel zu Pariß zuvermercken. Vor allen Din-
gen ſahe vnnd hoͤrte der Koͤnig ſelbſt/ wie der Marſchalck Ornano den Hertzogen
von Orleans manchmahl ein gantze Stunden lang vornahm/ von dem bevorſte-
henden Heuraht/ zwiſchen jhm vnd der Princeſſin/ vnnd Erbin Maria von Mon-
penſier,
abwendig machte: vnd den Koͤnig ſelbſt kitzelte/ in dem er jhn doͤrffen ver-
melden/ wer zu deß Hertzogen von Orleans Heuraht rahte/ meyne es mit dem Koͤ-
nig nicht trewlich: angeſehen die Kinder ſo kommen wuͤrden/ jedermans Gemuͤth
nach ſich/ von dem Koͤnig abziehen ſolten. Aber der Koͤnig ſahe nur auff deß
Marſchalcks falſchen Sinn/ vnd ließ jhn nach geendigter Jacht durch den Haupt-
man Hallier greiffen/ vnnd nach Bois de Vincennes fuͤhren/ allda er bald hernach/
auß Verhaltung ſeines Waſſers geſtorben. Der Koͤnig ließ ſich nichts anders
mercken/ als daß er an die Fraw Mutter ſchrieb/ es wer geſchehen/ weil er zwiſchen
jhm vnnd dem Hertzogen von Orleans wollen Vnfug anſtellen. Vnd eben dieſe
Antwort gab er auch gemeltem ſeinem Bruder/ welcher nicht vnderlaſſen kondt/
ſein Vnwillen mit dieſer Gegenrede zubezeugen/ da er ſolches vor wahr wißte/ wol-
te er jhn ſelbſt vor Gericht anklagen vnd verfolgen: doch muͤßte man nothwendig
Achtung geben/ daß nicht etwan ſeine Feinde jhm dieſes Bad faͤlſchlich zugerich-
tet hetten. Was aber eygentlich vor wichtige Sachen damahls gekochet worden/
wird der Graff von Chalais mit der Zeit entdecken/ vnnd mit dem Kopff das Ge-
lach bezahlen/ vnnd weil die Engellaͤndiſche Geſandten/ ſich wegen verzogener
Diſpenſation deß Bapſts vber den Heuraht/ etwas lang bey Hoff hielten/ gab es
allerhand heymliche Practicken bey den Damen/ darumb auch die von Veruet
auß Befehl deß Koͤnigs ſich von Hoff/ neben etlichen andern/ in die Einſame be-
geben muͤſſen: daruͤber ſchier das gantze Frawenzimmer dem Cardinal ſpinnen
feind worden/ als mißgoͤnnete er jhnen die frewdige Zuſammenkunfften. Gleich-
wohl iſt ſich zuverwundern/ wie der Cardinal alle dieſe Heymlichkeiten erforſchen/
vnd erſinnen/ der junge Koͤnig aber verſchweigen/ jhnen das Maaß gantz voll
geben/ vnnd die Garn/ daß ſie ſelbſt hienein gefallen/ ſo wohlſpannen koͤn-
nen.


Das vierte Stuͤcklein/ einer ſonderbahren Klugheit ließ der Cardinal dar-
in ſehen/ daß er dem Koͤnig an die Hand gab/ wie er die hohen Aempter ſolte bey
Hoff anordnen. Dann als der Koͤnig die Augen je laͤnger je mehr auffthet/ ließ
er den Marggraffen von Vieuuille fahren/ vnnd jhm deß Cardinals Manieren
zum beſten gefallen: ja er befahl/ man ſolte gedachten Marggraffen zu S. Ger-
main greiffen/ nach Amboiſe fuͤhren/ vnnd gefangen ſetzen: die Vrſach ſchrieb er
ſelbſt an das Parlament/ daß derſelb die in ſeiner gegenwart gefaßte Reſolutionen
geaͤndert: mit den Abgeſanden/ ſo ſich bey jhm hielten/ wider ſein Befehl tractirt:
zu vnderſchiedlichen mahlen den jenigen Haß/ ſo er auß eygenem Widerwillen ge-
gen einem oder dem andern erweckt/ auff jhre Mayeſtaͤt verſchoben: vnnd endlich
C ijfalſche
[20]De Statu perturbato Franciæ.
alſche Nachricht erdacht vnnd beygebracht/ damit jhre Majeſtaͤt ſich vor denen
ſchewen ſolten/ die jhm zu groſſer Confidentz Vrſach geben hetten/ weil nun der
Koͤnig jhn ſelbſt gewarnt/ er ſolte anderſt verfahren/ vnd ſeine Verordnung fleiſſi-
ger beobachten/ auch in Worten vnnd Wercken behutſamer gehen/ vnnd alle groſſe
Herꝛn bey Hoff jhm durch ſeinen hochmuͤtigen Geiſt/ vnd dann/ daß er die Koͤnig-
liche Donationes hinderhalten/ auch neben ſeinem Schwigervatter auß dem Koͤ-
niglichen Schatz groſſe Summen entwendet/ hat man jhm leicht dieſen Stein
ſtoſſen koͤnnen.


Weil er aber auch vber die Finantzen geſetzt war/ mußte dieſelbe Stell wie-
der verſehen werden. Der Cardinal gab den Raht/ weil es damit viel ein ande-
re Beſchaffenheit hette/ als mit der Heymlichkeit eines Staads/ moͤchte der Koͤ-
nig vor einen/ jhrer zween anſetzen/ damit der Eyfer gegen einander ſie im rechten
Gelayß hielte: vnd ſolche Leuth wehlen die auffrichtig vnnd from weren/ auff daß
zum wenigſten einer getrew bleibe: ſolche muͤſten alte verſuchte Maͤnner ſeyn/ we-
gen deß Anſehens bey dem Volck vnnd der Sparſamkeit/ ſo das Alter mit ſich
bringt: nicht zu arm/ noch zu maͤchtig: ſondern ordentlicher Haußhaltung ge-
woͤhnlich. Vnd hierzu wurden vorgeſchlagen vnnd benamt die Herꝛn von Cham-
pigny
vnd von Marillac.


Wie nun deß Marggraffen von Vieuuille Vngluͤck dieſe zween herfuͤr gezo-
gen/ alſo hat der Todt den Cantzlar in Franckreich/ den Herꝛn von Sillery hienge-
nommen/ vnnd dadurch den Siegelverwahrer/ den Herꝛn von Haligre, hoͤher ans
Bret/ vnnd auff den leeren Stul gebracht. Deß Cantzlers Vngnad wurd von
etlichen dem Marggraffen von Vieuuille, als der kein dapffern Mann vmb ſich lei-
den koͤndte: von andern dem Cardinal zugemeſſen/ als ob er nur ſeine Creaturen/
vnnd kein andere in hohen Aemptern zuſehen jhm vorgenommen hette. Es war
aber weit gefehlt bey dieſem Vmbwechſel/ vnnd verſtunde Haligre ſelb wohl vnder
der Hand/ daß jhm deß vorigen Cantzlers Schuhe nicht gerecht waren/ vnnd daß
ſich der Cardinal ſeiner halb ſchaͤmete/ auch deßwegen jhn offt ließ zu ſich kommen/
die ſchlaffende Frombkeit in den vielfaltigen Geſchaͤfften auffzumuntern/ vnd ab-
zuſchleiffen. Wie jhm dann der Koͤnig bald hernach das Siegel nahm/ vnnd
dem Marillac vbergeben/ weil er dem Monſieur nicht vnder Augen ſagen doͤrffen/
dem Ornano wer recht geſchehen. D’ Effiat kam an Marillac Stell. Was aber
nicht im Sack iſt/ kan man ſchwerlich drauß bringen/ vnnd ſagte jener: der Eſel iſt
fromb/ vnnd nichts mehr/ darumb kompt er gen Hoff/ wann er ſoll Saͤck tragen/
ſonſt laͤßt man jhn wol hinder dem Zaun Diſteln graſen.


Nach dieſem gieng es an die Finantzen: vnnd iſt in Franckreich jederzeit ge-
ſchehen/ daß die Verwalter der Koͤniglichen Einkommen in wenig Zeiten vber-
maͤſſig reich worden/ Herꝛſchafften an ſich erkaufft/ Kinder mit groben Sum-
men verheuraht/ vnnd ein herꝛlichen Staat gefuͤhret/ aber wenig im Koͤniglichen
Schatz
[21]De Statu perturbato Franciæ.
Schatz gelaſſen. Wie nun der Herꝛ von Marillac, deme die Ruhe ſein Lebtag
verdrießlich geweſen/ dieſe Auff ſicht neben dem Herꝛn Champigny bekommen/
griff er den Handel friſch an/ vnd bracht dem Koͤnig die biß dahin gepflogene Ren-
cken heyß fuͤr/ daß groſſer Zorn entſtund/ vnnd jhnen allen/ ohne vnderſcheyd die
Koͤpffe wackelten. Der Cardinal gab den Raht/ der Koͤnig ſolte auß allen Par-
lamenten die aller Gewiſſen haffteſte beſchreiben/ vnnd zu dieſem Ende neben etli-
chen auß der Rechenkammer/ vnnd von dem Supplications Ampt niederſetzen:
welche dann vber ſechs Monat beyſammen blieben/ vnd manchem ein Schweyß-
bad ohne Hitz zubereytet. Wie aber das Vngluͤck jhrer ſo gar viel ergriffe/ ließ
ſich der Cardinal bewegen/ daß er den Koͤnig zur Clementz beredet/ welcher auch
daran vergnuͤgt blieb/ daß ein einiger ſeinen Geitz mit dem Strick/ vnd etliche we-
nige neben jhm in der Copey (weil ſie das Original auß dem Land getragen) be-
zahlet/ alle andere aber an dem Beutel ſehr ſtarck zur Ader laſſen muͤſſen. Das
fürnembſte war/ daß der Cardinal die Verordnung that/ daß dieſe Kammer vber
die Finantzen ſolt jede zehen Jahr gehalten werden/ welches manchem ein Ruͤck-
dencken machen ſolte. Zum andern muͤſten die angezaͤpffte ſelbſtenden Vor-
ſchlag thun/ aber das euſſerſte zugewarten haben/ wie dieſem Vnheyl vorzukom-
men/ vnnd die Finantzterer im Zaum zuhalten weren/ daß kein Betrug nicht koͤn-
de vnvermerckt vorgehen. Etliche hielten dieſe Procedur vor vnguͤtlich/ als het-
te man Veſpaſiani Exempel hierin wollen folgen/ der einen duͤrꝛen Schwam an
ein feucht Orth legt/ vnnd wohl ließ Waſſer an ſich ziehen/ aber bald druckte/ daß er
wieder duͤrꝛ wie zuvor worden. Es muß ja in dieſen Haͤndeln ſeine ſonderliche
Rencken vnd gantz verborgene Gaͤnge haben/ weil Ariſtides wegen bekandter Ge-
rechtigkeit ein ſehr beruͤmbter Mann/ von ſeinen Amptsgenoſſen/ denen er das zu-
greiffen nicht wollen verſtatten/ wegen geraubten gemeinen Geldts angeklagt/
von dem Volck verdampt/ vnnd auff etliche Jahr der Statt verwieſen worden.
Als er nun wiederkam/ vnnd das vorige Ampt wieder bedienen ſolte/ weil man an-
fieng den Betrug zumercken/ blieb er zwar ſelbſt fromb/ ſahe aber ohne erinnern
vnd abmahnen durch die Finger in allen Stuͤcken/ vnnd wurd eben deßwegen bey
abgelegtem Ampt von ſeinen Geſellen zum allerhoͤchſten geprieſen: welches er dem
Volck zur Nachricht nicht verſchweigen wollen.


Das fünffte Muſter einer ſonderlichen Klugheit an dem Cardinal verſpuͤr-
te man darin/ daß er den Koͤnig zu Eroberung deß Veltlins gebracht. Nun iſt
zuwiſſen/ daß das Veltlin/ wie ein langer dieffer vnnd breyter Graben vnden am
Alpengebuͤrg gegen Jtalien ligt/ zwantzig Meilen lang/ vnd eine Meil breyt/ ſon-
ſten vnder der Graubuͤndner Hohen Obrigkeit. Franckreich wurd jhr Schutz-
herꝛ/ bey den Kriegsvbungen in Jtalien/ vnd ließ dieſelbe Gerechtigkeit vnder Lu-
dovico XII. vnd Henrico IV. ernewren. Wie aber die Religion auch deren En-
den von vielen wurd geaͤndert/ gab es Verbitterung/ Mord vnd Wuͤrgen/ daß man
C iijvon
[22]De Statu perturbato Franciæ.
von Anno 1617. biß 1621. neunmal ſie vnder vnd gegen einander ſelbſt in den grim-
migen Waffen geſehen/ da bald eine/ bald die andere Parthey die Oberhand be-
kommen/ vnd doch nicht lang erhalten/ aber die Haͤnd im Blut gewaſchen. End-
lich ſuchten die Catholiſchen Schutz vnnd Huͤlff bey dem Spaniſchen Guberna-
tor zu Mayland/ vnd bey Ertzhertzog Leopolden: die dann vngeſeumbt ſich der Ge-
legenheit bedient in das Thal eingefallen/ vnd das Voͤlcklein im Zaum vnd vnder
den Sporen zuhalten/ allenthalben Veſten vnnd Schantzen gebawt/ auch ſtarcke
Beſatzungen eingelegt. Welches ſie vmb ſo viel freyer thun wollen/ weil von
alters her/ diß Thal nach Meyland gehoͤrig geweſen: vnnd die Schweitzer neben
den Graubuͤndnern An. 1512. dem Frantzoſen entzogen/ vnd Hertzog Maximilian
zu Mayland eingeraumbt. Dann dieſer Hertzog gab den Schweitzern die Graff-
ſchafft Bellens, die Aempter Louuerſe, Lugarie, Mendruſe vnd Meyenfeld: den
Graubuͤndnern aber das Veltlin/ vnd die Graffſchafften Wone vnd Cleve/ zu e-
wigen Zeiten: darinnen aber die Voͤgte gemeiniglich ſehr vbel gehauſet/ vnd die
Veſtung Fuentes zubawen Vrſach geben.


Weil nun dieſes Laͤndlein der fuͤrnembſte Paß iſt zwiſchen Teutſchland
vnd Jtalien/ gedachte der Cardinal deß Spaniers Beginnen muͤßte mit der Zeit
der Kron Franckreich zu Schaden gereychen/ vnd verſchuff/ angeſehen der Koͤnig
damahlen mit den Hugonotten verwirret war/ vnd keine Verfaſſung vor fremb-
den Lande nicht wohl thun konde: zu deme auch allen Glimpff auff ſeine Seit zie-
hen wolte/ daß der Marſchalck Baſſampiere deßwegen ein extraordinari Bott-
ſchafft/ nach Spanien verꝛicht/ vnd die Tractaten zu Madrill mit groſſer Muͤhe ſo
weit gebracht/ daß den Catholiſchen im Veltlin mehr Freyheit gedeyhen/ die
Schweitzer aber dieſelben Tractaten Handzuhaben ſich verpflichten ſolten/ welches
ſie hernach Weitlaͤufftigkeit zuverhuͤten/ vnd newen Haͤndeln vorzukommen/ nit
leyſten wollen: alſo daß durch neben Tractaten dieſer Paß dem Spanier vnd dem
Hauß Oeſterꝛeich offen geblieben/ daruͤber Saphoyen/ Venedig/ vnnd alle andere
Staͤnde/ ſo an Oeſterꝛeich nicht hafften/ gewaltig geeyffert/ vnd bey dem Koͤnig in
Franckreich geklaget/ auch endlich einen Bund gemacht/ das Laͤndlein in vorigen
Stand wiederzubringen.


Wie nun Spanien in den Niederlanden beyde Haͤnd voll zuthun hatte/
vnd das teutſche Vnweſen noch gantz verworꝛen ſahe/ ſchlug er vor/ die new erbaw-
te Veſten dem Bapſt Gregorio XV. biß zu Außtrag dieſer Spaͤhn/ in Handen zu-
ſtellen: dazu Franck nich doch endlich verſtehen wollen. Vnder deſſen tractirten
auff Frantzoͤſiſcher Seiten der Commenthur von Sillery, vnnd auff Spaniſcher
Seiten der Hertzog von Paſtrana, in deme Vrbanus VIII. zum Biſtumb kommen/
da Sillery, vielleicht auß Verdruß/ daß ſein Bruder nit mehr Cantzlar ſeyn ſolte/
dieſes vberſehen/ daß er eingewilligt/ dieſer Paß ſolte dem Spanier nur allein zu
ſeinen Niederlaͤndiſchen Kriegen offen ſtehen: welches bey Hoff ſehr vbel auff-
genom-
[23]De Statu perturbato Franciæ.
genommen/ vnnd nicht behelligt/ er aber zu ruͤck beruffen/ vnnd an ſeine Stell der
Herꝛ von Bethume verordnet worden.


Der Bapſt hatte ſein Abſehen auff die Religion/ welche auch Spanien be-
ſtes fleiſſes wuſte vorzuſchuͤtzen: ſo beobachtet Franckreich die Religion/ vnnd die
Policey. Hie gab es mancherley Vorſchlaͤge/ welchen aber Franckreich jmmer-
zu begegnete/ auch dem Bapſt ſein gethane Speſen zuerſtatten/ ſo wohl als Spa-
nien thun koͤnde/ verwilligte: biß endlich der Marggraff von Cæuuares Ordre be-
kam/ in Schweitz Voͤlcker zuwerben/ vnnd die vertriebene Graubuͤndner an ſich
zuziehen/ wie dann mit Wunderpracticken er etliche tauſent auffgebracht/ vnnd v-
ber die verwaigerte Paͤßeintzelen oder mit Gewalt gefuͤhrt/ nach dem er hieden
Weg mit Kronen eben gemacht/ dort vnverſehens durchkommen/ an einem an-
dern Orth ſich ſchroͤcklich erzeyget: in dem die Kron Franckreich mit dem Hertzo-
gen in Saphoyen/ vnnd den Venetianern ſich verglichen/ vnnd einen Bund ge-
macht/ vnnd alſo in das Veltlin gefallen/ auch alles/ biß auff die Veſte Riua vber-
waͤltiget/ doch den Baͤpſtiſchen Fahnen allen Reſpect erwieſen. Die Spanier
lagen eben vor Breda in Niederland/ vnnd konden kein merckliche Huͤlff thun: ſo
achtet man deß Bapſts querulieren auff Frantzoͤſiſcher Seiten nicht/ vnd ließ ſein
Geſandten Bernardino Nary vnverꝛichter Sachen/ wie auch endlich den Cardi-
nal Barbarini wieder hienziehen/ weil die Tractaten zu Madrill nicht wolten voll-
zogen werden: dann der Bapſt/ als ein gemeiner Vatter/ ſich vnpartheyhiſch er-
zeygen/ vnd vnder dem Schein der Religion die Weltliche Hohe Obrigkeit nicht
ſchwaͤchen/ oder gar vmbſtoſſen ſolte: zumahl der Spanier vnder dem ſcheinbaren
Vorwand der Religion der Kron Franckreich ſehr nach theiliche Sachen vorneh-
me/ welche Sachen die Religion im geringſten nicht betreffen kondten. Doch
gab es ein Stillſtand auff etliche Monat/ ſo aber nach Vbergab der Veſten Chi [...]-
uenne
angefangen/ vnd der Veſten Riua zu gut kommen.


Spanien wolte hie nicht feyern/ bracht die vbrige Staͤnde in Jtalien zu ei-
nem Gegenbund/ machte groß Weſen von Vndertruckung der Catholiſchen/ vnd
Befoͤrderung der Ketzer/ ja von dem Frantzoͤſiſchen Joch vber gantz Jtalien/ ſampt
einer zukuͤnfftigen vbergroſſen Kriegsverfaſſung. Aber Franckreich achtet ſol-
ches alles nicht/ auſſerhalb daß Spanien die Hugonotten/ ſonderlich die Roſchel-
ler in jhrer Rebellion ſtaͤrckie. Zuverwundern/ daß der Cardinal/ als ein Seul
der Roͤmiſchen Kirchen/ der Religion vngeachtet/ wegen eines einigen Paß/ vnnd
etwan ſeines Koͤnigs eytele Reputation bey den Außlaͤndiſchen zuerhalten/ den
Ketzern vorgeſtanden/ da doch ſonſten vmb der Kirchen Nutzen willen aller andere
Reſpect faͤllt/ vnd wohl ein geleyſter Eyd vnbuͤndig wird. Doch moͤchte er etwan
im Conclaue zu Rom/ als im Cabinet zu Pariß reden wollen. Einmahl vor
all/ diß Veltliniſche Weſen gab genugſame Anzeigung/ daß Franckreich vmb ſich
greiffen/ vnnd den Spaniern mit der Zeit die Spitz biethen wuͤrde: darumb auch
Spa-
[24]De Statu perturbato Franciæ.
Spanien allenthalben maͤchtige Fuͤrſehung auff kuͤnfftige Faͤlle thun muͤſſen/ vnd
bey dem teutſchen Vnweſen ſich nicht allerding herauß laſſen doͤrffen.



Der 3. Diſcurß.


Von deß Graffen von Manßfeld Practicken: deß Her-
tzogen von Saphoyen Krieg wider Genua/ vnd Fried. Der Hollaͤnder Begehren
abgeſchlagen. Der Hugonotten Frieden beſtetigt. Von Vnwillen zu iſchen dem
Frantzoͤſiſchen vnd Engellaͤndiſchen Hoff. Wie Lothringen ein Manns Lehen ſey:
vnd Verdun beveſtigt worden. Wie der Cardinal den Proteſtirenden in Teutſch-
land Huͤlff gethan. Wie ein groſſe Conſpiration wider den Koͤnig entdecht/ vnnd
geſtrafft worden.


DEr Graff von Manßfeld gedachte ſich groß zuma-
chen/ ſahe aber das Boͤhmiſche Weſen auff Pfaͤltziſcher Seiten zu truͤm-
mern gehen/ vnnd vermeynte der Sachen zuhelffen/ wann er gantz Eu-
ropa wider das Hauß Oeſterꝛeich auffwickelte: darumb zog er auß Teutſchland/
nach Franckreich/ Dennmarck vnnd Engelland/ ſuchte Siebenbuͤrgen ins Spiel
zubringen/ vnnd Schweden auffzuwickeln: erlangt aber ſo viel/ daß der Cardinal
Riſcheliu ſein vorgeben/ von deß gantzen Hauſes Oeſterꝛeichs Erb Vereynigung/
vnd vorgenommener Monarchy gefaſſet/ deme nach gedacht/ vnnd zuwiderſtreben
angefangen. Ergedachte zwar die Proteſtanten/ als Engelland/ Dennmarck/
Schweden/ die Evangeliſchen in Teutſchland/ ſampt den Hollaͤndern vnder ei-
nen Hut zubringen/ aber vergeblich: weniger vermogt er den Koͤnig in Franck-
reich/ ſampt dem Hertzogen von Saphoyen vnd den Venetianern zu dieſem Bund
zubereden/ ob ſchon die Sach jhnen ſampt vnnd ſonders noͤhtig vnnd thunlich vor-
kam/ auch etlicher maſſen beſchloſſen wurd. Weil aber die Lutheraner vnd Cal-
viniſten vnzeitiger weiſe gegeneinander eyferten/ welches jhme der Kayſer wohl
wiſſen zu Nutz zumachen/ vnnd die obberuͤhrte Catholiſche Staͤnde ſich vor dem
Roͤmiſchen Stul foͤrchten mußten/ auch ein jeder ſein beſonder Abſehen hatte/ vn-
derhielte man zwar das gute Vertrawen/ macht aber nichts Werckſtellig: auſſer-
halb was droben von dem Bund zwiſchen Franckreich/ Saphoyen vnd Venedig/
wegen deß Veltlins vorgangen.


Nun vermerckte der Cardinal ſehr wohl/ daß es vbel ſtehen ſolte/ wann
Franckreich ohne wichtige Noth mit Spanien zubrechen kaͤhme: gieng derowe-
gen auff der Spaniſchen Fußſtappen/ welche nicht den Frantzoſen/ ſondern deſſen
Freun-
[25]De Statu perturbato Franciæ.
Freunde im Veltlin angegriffen/ vnnd demnach wieder den letzten Bund nichts
mißhandelt hetten: alſo gedachte er ſich an die Statt Genna zumachen/ damit er
im Veltlin nicht leichtlich koͤndt vberfallen werden/ wie er dem Spanier den Paß
nach Teutſchland verſperꝛete: die Gold grub allhie verderbete: vnd ſonderlich die
alte Gerechtigkeit deß Frantzoͤſiſchen Schutzes vber dieſe Statt ernewerte/ dem-
nach dieſen Exceß wie jhn Spanien nennen moͤchte/ gegen dem Veltlin hielte.
Dieweil aber Saphoyen vor allen andern den beſten Vorſchub/ vnd im widrigen
den groͤſten Schaden thun kondte/ beſonne man ſich/ denſelben Hertzogen ſolcher
geſtalt in dieſen Handel zuflechten/ daß er ſo leichtlich nicht zuruͤck gehen/ oder von
der Farb hette fallen ſollen. Zu ſolchem Endt machte man jhn zum General/ o-
der ließ jhn mit Huͤlff der Frantzoͤſiſchen Waffen/ ſein habendes Recht verfolgen:
wie er dann in einem Manifeſt ſich beklagte/ Genua haͤtte die Graͤntzen verꝛuckt
vnd jhme Abbruch gethan: das Lehen Zukarell eingezogen/ vnnd ſeinem Contra-
fait viel Vnehr angethan. Venedig wolt kein Theil am Fladen haben: aber al-
le andere Staͤnde/ ſonderlich Rom/ gerieth durch ſolche Kriegs Verfaſſung in
groſſen Schrecken/ biß man ſahe/ warauff es gemuͤntzet war. Doch ſchickte der
Bapſt ſein Nefen/ den Cardinal Barbarini nach Franckreich vnnd Spanien/ zu-
verhuͤten/ daß ſolche geringe Haͤndelkein Hauptweſen verurſachen koͤnden. Es
wurd aber hiemit wenig außgericht. Darumb fuhren die Feldoberſten/ als der
Hertzog vnnd der Printz von Saphoyen: wie nicht weniger der Conſtabel Leſdi-
quieres,
vnnd deſſen Tochterman der Marſchalck von Crequy forth/ eroberte das
nothveſte Schloß Gauy, ſchlugen den Neapolitaniſchen Secourß/ die Modenſer
vnd Parmeſaner bezwungen V nitimeilia, ſampt dem Caſtell. Es kamen aber
bald teutſche Voͤlcker/ dem Hertzog von Feria/ Gubernatorn in Mayland zu
Huͤlff/ ſo nahet ſich auch der Marggraff de Santa Croce mit ſeiner Floth/ vnd fiel
eine Seuch vnder die Frantzoſen: wie nun vber diß der Hertzog von Saphoyen nit
alles thet oder thun kondte/ was zu Vnderhaltung einer ſolchen Armee vnvmb-
gaͤnglich in frembden Landen wurd erfordert/ gieng ein Orth nach dem andern wie-
der verlohren: dazu dann der Eyfer zwiſchen dem Hertzogen vnnd dem Conſtabel
herfuͤr brande/ alſo daß der Duc de Feria gut machen hatte/ vnd ein Orth nach dem
andern wieder eroberte/ ja gar in Mont ferꝛat einfiel/ vnd das Landverderben dort-
hin zoge. Darbey man lernen koͤnte/ was Buͤndnuſſen gelten oder nutzen/ ja wie
man Krieg ferꝛn von vnſern Landen fuͤhren ſolte. Aber der Marggraff von
Vignolles fuͤhrte zwiſchen ſechs in ſieben tauſent Mann vber das Gebuͤrg. Dan-
noch lagen die beyden Armeen vor Verrue, einer kleinen Statt auff dem Po/ wel-
che ein ſehr veſtes Schloß auff einer hohen Spitzen deß Bergs beſchuͤtzte/ mehr
dann drey Monat lang/ weil die Vnirten tauſent Mann hienein gebracht hatten/
alſo daß die Spanier wohl ſechs Stuͤrm verlohren/ ſo wolten die Minen jhnen
auch nicht gluͤcken/ vnnd vberſchwemmete der Po ein Theil jhrer Lauffgraͤben/ daß
Ddas
[26]De Statu perturbato Franciæ.
das Geſchuͤtz im Koth ſtecken blieb. Darumb theten die Frantzoſen ein Treffen/
vnnd eroberten alle Schantzen: wie nun auch die Viures mangelten/ brach Don
Gonzales de Cordoua
naͤchtlicherweil in der Stille auff/ vnnd beklagte zum
hoͤchſten/ daß er vor einem ſolchem Schwalben Neſt ein Armee von viertzig tan-
ſent Mann vernichtet hette.


Jm Velilin ſtaͤrckten ſich die Spanier/ als der von Pappenheim ankom-
men: aber der Cardinal ließ Frantzoͤſiſche vnd Schweitzeriſche Regimenter dem
Marggraffen von Cœuures auch zuziehen/ welcher vnder andern auch Chau-
mont
eroberte/ vnd Morbeigne allein/ wegen vber groſſer Verwahrung ligen lieſ-
ſe. Vnder deſſen hette der Hertzog von Saphoyen tauſent Luft/ wegen deß Land-
verderbens ſich an den Spaniern zuraͤchen/ vnd in das Milaneſiſche einzufallen/
weil aber der Conſtabel nicht wolte/ vnnd ſich nach Grenoblen begab/ den Mar-
ſchalck von Crequy aber nach Hoffſchickte/ beſorgte der Hertzog von Saphoyen/
man moͤcht jhn in der Bruͤhe laſſen/ vnnd ließ durch ſeinen Sohn den Printzen es
ſo weit am Hoff treiben daß man den Krieg ſolte forthfuͤhren/ vnnd jhm das Ge-
neralat laſſen. Doch kahm der Herꝛ von Fargis darzwiſchen in Spanien/ daß
man ſich zu den Tractaten zu Mouſon verſtunde. Dieſelben hatte der Graff von
Oliuares angeſponnen/ vnnd eylfertig zu dieſen dreyen Hauptartickeln/ weil der
Baͤpſtiſche Gefandte nichts außrichten koͤnnen/ verglichen: daß die Spanier auff
die Paͤſſe im Veltlin gaͤntzlich verzeihen: das Veltlin den Granbuͤndnern abtret-
ten: vnd die Roͤmiſche Catholiſche Religion in freye Vbung ſetzen ſolten. Wie
nun dieſe Friedenstractaten alſo beſchloſſen vnd beſieglet dem Koͤnig zur Ratifi-
cation zukommen/ wundert er ſich/ daß ſein Geſandter ſolch Werck ohn expreſſli-
chen Befehl vnderfangen hette/ vnd er ſeiner Bundsgenoſſen vnbegruͤſſt vor an-
genehm halten ſolte.


Aber der Cardinal hatte ſein Abſehen auff die Practicken am Hoff/ vnd auff
die Hugonotten/ vñ darumb vermehrte man zum andernmahl dieſelben Puncten/
ſonderlich die Religion/ vnd Demolierung der Veſten betreffend/ vnnd beveſtigt
den Frieden/ ob ſchon der Printz von Bemont/ vnnd der Venetianiſche Geſandte
jhn verworffen vnnd nicht angenommen: darumb auch der Koͤnig abſonderliche
Geſandten zu jhnen verſchickt/ vnd dem Saphoyer vorgehalten/ daß er ſein begeh-
ren wegen deß Veltlins erlangt: daß wegen Genua er bey einem Stillſtand die be-
ſte Vermittelung thun/ vnnd bey dem Bapſt den Titull eines Koͤnigs in Cypern
vor jhn begehren wolte. Die Venetianer lieſſen ſich leicht bereden/ doch jhnen
der Fried nuͤtzlicher were/ vnnd daß die Veſten muͤßten geſchleyfft werden/ zu-
mahl ſie den Paß auff zehen Jahr im Veltlin haben ſolten. Aber die Graubuͤnd-
ner kondten ſich nicht darzu verſtehen/ daß die Veltliner jhnen ſelbſten moͤchten
Beampten waͤhlen/ vnd doch kein andere/ als Catholiſche nehmen koͤndten. Als
man aber jhren Geſandten darthaͤt/ daß ſie von den Aemptern bey der Wahl nicht
auß-
[27]De Statu perturbato Franciæ.
außgeſchloſſen weren/ vnnd jaͤhrlich 25000. Kronen ziehen ſolten/ ja daß ohne diß
man jhnen die hohr Obrigkeit vber die Veltliner/ ſo an dem Spanier einen Ruͤ-
cken haͤtten/ nicht wohl erhalten koͤnnen/ oder ſie in jmmer wehrenden Krieg ſte-
cken muͤſte/ lieſſen ſie es auch gut ſeyn: auff welche Meynung beyderley Religionen
Schweitzer auch gangen. Der Bapſt kondte ſeine Frewd wegen dieſes Friedes
nicht genugſamb bezeugen/ vnd bemuͤhete ſich ſehr/ allerhand Entſchuldigungen
vorzubringen/ warumber dem von Pappenheim wollen ſechstauſent Mann we-
gen der Veſten Riva zuſchicken/ nemblich die Spanier deſto ehe zum Frieden
zulencken. Alſo vergliche man ſich wegen der Abfuͤhrung der Voͤlcker/ vnd wurd
die Demolierung in 6. Tagen vollendet/ im Jahr 1626.


Wie die Hollaͤnder geſehen/ daß ſie der Spanier mit Macht angegriffen/
vnd Breda ſo ſtarck belaͤgert/ daß keine Muͤglichkeit erſchiene/ den Orth zuretten:
verhofften ſie noch ein mehrers vom Koͤnig in Franckreich/ als das vorgeſchoſ-
ſene Geldt: darumb fanden ſich jhre Geſandten zu Fontaineblau/ im Jahr 1625.
als eben der Cardinal Barbarini den Frieden zwiſchen den beyden Kronen zuſtiff-
ten/ an weſend war/ vnd begehrten/ der Koͤnig wolte nicht nur/ vermoͤg deß heuri-
gen Bundes/ jhnen mit Mannſchafft vnd Baarſchafft beyſpringen/ ſondern gar
vor einen Mann neben jhnen ſtehen/ vnd den Spanier ſelbſt angreiffen: Zumahl
der Kron Franckreich ſolches rühmlich vnd nuͤtzlich/ auch thunlich wehre: den all-
gemeinen Feind auff eygenem Grund vnd Boden anfallen/ vnd die Auſſenwerck
wohlverwahren. Weil aber die Haͤndel bey Hoff noch vnklar/ vnnd die Hugo-
notten vnruhig/ ja das Teutſche weſen als ein Krebs vmbſich fraſſe/ wurd vor diß-
mahl nichts drauß/ ob man ſchon vngern geſehen/ daß der Spanier ein ſo veſte
Statt bezwungen/ doch auch zuſehen wollen/ daß die Hollaͤnder vmb etwas her-
under kaͤmen/ vnnd die Frantzoͤſiſche Huͤlff vnnd Freundſchafft nur deſto hoͤher hal-
ten/ vnd thewrer zahlen ſolten.


Nichts thet dem Cardinal mehr wehe/ als daß er den Dorn von den Hugo-
notten im Fußhatte: dann ſolte er ſeinen Koͤnig in außlaͤndiſchen Krieg ſtecken/
ſo rumorten ſie zu Hauß/ vnnd hinderten der Kron Wohlfahrt: gab es dann gele-
genheit im Koͤnigreich/ ſo waren ſie gleich im Harniſch. Darumb mußte er ſich
an ſie machen/ vnnd verſuchen/ ob er ſie zu Chor bringen moͤchte. Die Vrſach
kahm daher/ daß man bey den letzten Friedenstractaten die Demolierung beyder-
ſeits/ wie auch die Reſtitution vnnd Religion/ einander verſprochen/ darumb be-
zeugten ſie in jhrer aller/ vnnd ſonderlich der Hertzogen von Rohan vnnd Soubiſe
nahmen dem Koͤnig allen muͤglichen Gehorſam: vberꝛeychten aber darneben jhre
Gravamina/ daß man vor andern die Roſcheller mit der Ludwigſchantz plagte/
vnnd jhnen in der Vbung jhrer Religion Eintrag thaͤte. Hie meynten etliche
Einfaͤltige/ weil die Statt Roſchelle ein ſo harten Stoß bekommen/ vnnd nun-
mehr die Jnſeln/ Kriegsvoͤlcker vnnd Schiffe verlohren/ koͤndte man ſie belaͤgern/
D ijvnd
[28]De Statu perturbato Franciæ.
vnd jnnerhalb ſechs Monaten vbermeiſtern/ auff daß der Koͤnig von allen ſeinen
Vnderthanen gleichen Reſpect erlangete: Zumahl kein andere Statt nach die-
ſer ſich wuͤrde empoͤren doͤrffen. Aber der Cardinal gedachte/ man koͤndte der
Statt Roſchellen auß der Ludwigsſchantz/ vnnd den nechſten Jnſein jederzeit zu-
kommen: nach deme die gantze Hugonottiſche Parthey auff den beyden Jnſeln
vor Roſchellen/ durch den Hertzog von Momorancy biß auffs Haupt erlegt/ ſo
bald nicht wieder in Poſtur kommen ſolte/ ſo lieſſen ſich die Ketzer nimmermehr
durch Gewalt bekehren/ vnnd waͤre der Gelegenheit gemaͤß/ jetziger Zeit auff das
Vnweſen im Veltlin zuſehen/ derentwegen ratificirte der Koͤnig zum Vberfluß
die Tractaten zu Nantes/ auſſerhalb daß er die Ludwigſchantz wegen der muthwil-
ligẽ Statt Roſchelle/ nit wollen demoliren laſſen. Alle andere Staͤtte vñ Gemein-
den der Hugonotten lieſſen ſich hiermit begnuͤgen/ ohne die vier Staͤtte Roſchel-
len/ Montauban, Caſtres vnd Milhaud, ſo beyde Hertzogen von Rohan vnnd Sou-
biſe
hatten angefeſſelt/ in deme jener vorgab/ er moͤchte dieſe Puncten nicht an-
nehmen/ ehe die Verſamblung in Obern vnnd Niedern Langnedoc auch drein ver-
williget. Suchte vnder dem Schein gemelte Verſamblung zubefoͤrdern/ ein
vnnd andern Orth in Languedoc zu vberꝛumpeln/ wie er dann wuͤrcklich im Land
Alby gethan: vnnd als er den Marſchalck von Themines mit der Koͤniglichen Ar-
meen jhm auff dem Halß ſahe/ verfuͤgt er ſich zu der Verſamblung zu Milhaud,
vnd verſchuffe/ daß man den obigen Frieden angenommen/ auß welchem aber der
Koͤnig die Statt Roſchellen wollen außgeſetzt haben: wohl wiſſend/ daß die gantze
Parthey der Hugonotten ſie entweder zuerhalten/ die euſſerſte Mittel anwenden/
vnd alſo zu einem rechten Krieg/ vnnd der Statt gruͤndlichen Verderben Vrſach
geben ſolten: oder da man ſie im Stich ließ/ jhre euſſerſte Zuflucht/ ja jhr rechter
Arm gebrochen wuͤrde.


Als nun die Hugonotten ins geſampt im Jahr 1626. dem Koͤnig durch jhre
Deputirten danckten/ wegen deß verliehenen Friedens/ vnd vmb Ratification deſ-
ſelben vnderthaͤnig anhielten/ fanden ſich auch die Roſcheller vnder jhnen/ doch
abgeſondert/ nicht eben auß Demuth/ ſondern auß Noth: Zumahl der Marſchalck
von Themines, ſo in deſſen von Pleſſis Stell war kommen/ jhnen ſo ſchwehr auff
dem Tach vnnd vor der Thuͤr lage/ daß ſie den Kopff weniger als ein Schiltkrott
doͤrffen herauß ſtrecken. Wie nun der Koͤnig gegen all ſeinen Vnderthanen/ die
Gehorſam erwieſen/ allerdings guͤtig/ vnd gegen denẽ ſo vom Vngehorſam lieſſẽ
allzeit gnaͤdig war/ alſo koſtet es keine ſonderliche Muͤhe/ auch den Roſchellern den
Frieden zuerlangen/ darbey dann der Cardinal noch ein ander weit Abſehen hatte/
weil er verſpuͤhret/ daß die heymliche Practicken bey Hoff auff die Hugonotten
zieleten/ dieſelben mit Verlockung mehrer Freyheiten auff deß Monſieurs, welcher
iſt der Hertzog von Orleans/ deß Koͤnigs einiger Bruder/ Seiten zubringen. Zu-
mahl der Ehrgeitz vnnd die Regierſucht/ ſo blind ſind/ daß ſie nicht ſehen/ woran ſie
ſich
[29]De Statu perturbato Franciæ.
ſich ſtewren/ oder welchen Werckzeug ſie zu jrem Vorhaben ergreiffen: auch wohl
gar die gehaͤſſige Nachbarn oder abgeſagte Feinde vmb Huͤlff anruffen. So wol-
te es ſich in Engelland auch betruͤben/ wie wir alſo bald andeuten werden: welches
Wetter durch dieſe Thuͤr in Franckreich einbrechen/ vnnd den gantzen Staat/ we-
gen der vhralten Spruͤchen anfeinden/ ja gar vmbſtuͤrtzen koͤndte/ wann die auß-
laͤndiſche Macht im Hauß ſelbſten bey vns allen Vorſchub wuͤrde finden. Doch
beflieſſe ſich der Cardinal/ daß die Friedenspuncten mit hoͤchſter deß Koͤnigs Re-
putation auff dieſe Weiſe abgefaſſet worden. Der Koͤnig gibt zu/ daß der Statt
Gubernament jhr verbleibe/ doch daß ſie keine außgeruͤſtete Orlog Schiff halte:
daß ſie den Commercien dem gemeinen Strich in Franckreich nachgehe/ daß ſie
den Geiſtlichen alle eingezogene Guͤter wider einraume/ daß ſie die Catholiſchen
bey der Vbung jhrer Catholiſchen Apoſtoliſchen Romaniſchen Religion/ vnnd
vollem Beſitz jhrer Guͤter vnbekuͤmmert laſſe. Daß ſie die newe Veſte Tadon
ſchleyffeten: vnd daß Jhre Majeſtaͤt eine Beſatzung in der Ludwigſchantz/ vnnd
auff den beyden Jnſeln vnnd Oleron nach Belieben legen moͤge/ mit dieſer
Verordnung/ daß die Roſcheller weder im Kauffhandel/ noch bey Nutzung der
Land guͤter dannenhero einige Vngelegenheit empfunden. Welche Artickel ſie
zu Anfang deß Hornungs eingegangen/ vnd alſo ein gantzes Jahr ſtill geblieben/
nach dem die Koͤnigliche Commiſſarien alle vnd jede Puncten/ mit der Roſcheller
gutem Gefallen werckſtellig gemacht hatten. Vnder deſſen hatte der Koͤnig Zeit/
die Meutinirer am Hoff zuzuͤchtigen/ ſeine Bundsverwandten in Teutſchland zu
vnderſtuͤtzen/ ſeine Vnderthanen zuerquicken/ vnnd ſeine Regierung/ nach jeder-
mans Wunſch herꝛlich zumachen.


Es iſt mit dem Menſchlichen Weſen alſo bewandt/ daß auch bey den aller-
beſten Vereynigungen/ gleich wie in einem Luſtgarten das Vnkrant/ jmmer zu
was Argwohn vnnd Eyfer/ Mißtrawens vnd Neids herfuͤr ſticht. Wie dann
zwiſchen Franckreich vnnd Engelland auch geſchehen/ nach deme die Koͤnigli-
che Princeſſin/ vermoͤg vollzogenen Heuratspuncten/ in Engelland war ankom-
men. Dann es ſchien/ als hette die Koͤnigin alſobald auß Eyſer der Religion/
vnnd antrieb jhrer Geiſtlichen/ der Sachen zuviel gethan/ vnnd den Koͤnig wegen
Anſehens ſeiner Landsſtaͤnde etwas entruͤſtet: wie dann das Frawenzimmer/
wann auß freyem vngeſchranckten Gewalt es niemand ſchewet/ nicht bald maß
haͤlt. Der Koͤnig in Franckreich bekam deſſen alſobald Verſtand/ vnd verordnet
den Herꝛn von Blaniuille zu einem extraordinari Geſandten nach Engelland/
welcher die Sach gar bald zu Recht brachte/ vnd den Fehler etlichen eyferigen Raͤ-
then zulegte. Diß war aber nicht das fuͤrnembſte Stuͤck ſeiner Verꝛichtung/
ſondern die Beyſorg/ es moͤchten ſich die Staͤnde/ oder der Koͤnig ſelbſt in das Hu-
gnottiſche Weſen eindringen: Zumahl der von Soubiſe, als er vom Hertzogen
von Momorancy biß auffs Haupt geſchlagen war/ ſich nach Engelland begeben/
D iijvnd
[30]De Statu perturbato Franciæ.
vnd das Koͤnigliche Schiff le petit Saint Iean, ſo er im Hafen vor Blawet weg ge-
nommen/ kuͤrtzlich nach Pleimouth gebracht: Auch hatten die Engellaͤnder einan-
der Schiff/ le marchand Royal genannt/ von zwoͤlffmal hundert tauſend Pfund/
nach Douures gezogen/ vnnd außgeladen: darumb die Frantzoͤſiſche Schiff/ auch
auff die Engellaͤnder gegriffen/ weil die Sach vor deß Koͤnigs Raht ſo ſchlaͤunig
nicht koͤnnen geoͤrtert werden. Alſo daß es ſchiene/ die Engellaͤnder hetten Luſt/
ſich an die Frantzoſen zureiben/ wie dann ohne zweiffel der Hertzog von Bouquin-
gan
ein Widerwillen gefaßt/ weil ſein Gemahlin/ Schweſter vnd Nichte nicht zu
Kammerdamen der Koͤnigin wollen angenommen werden/ zumahl ſolches wi-
der die Heurahts Verſchreibung/ wegen der Religion lieffe.


Vnd ob man ſchon ſeine Fraw Mutter/ ſo Catholiſcher Religion zugethan/
vnd ſeine Gemahlin/ ſo derſelben nicht gaͤntzlich zuwider/ an dieſe hohe Ehrenſtell
nehmen wolte/ ließ er ſich doch darmit nicht genuͤgen: zumahl Madame de Cheu-
reuſe,
ſo bey Hoff in Franckreich einigen Verdruß empfunden/ vnd in Engelland
ein Anhang gemacht hatte/ den Blaßbalg bey dieſem Fewr/ jr Muͤthlein zukuͤhlen/
e [...]nſtlich zoge. Zu dem kahme noch/ daß das Parlament mit etlichen Puncten in
der Heuraths Verſchreibung/ als der im Land vblichen Religion zuwider/ nicht zu-
frieden ſeyn wollen/ auch von etlichen groſſen Geldtſummen Rechnung forderte.
Darumb wolte der von Bouquingan dem Parlament/ deſſen Anſehen in Engel-
land ſehr groß iſt/ ein genuͤgen thun/ vnd ſich wider die Catholiſchen Hoffdiener ſe-
tzen. Welchen Eyfer der Koͤnig in Franckreich vermehrete/ als er vor vnange-
nehm hielte/ daß dieſer Hertzog von ſeiner Reyß nach Holland in Franckreich kaͤh-
me. Der Graff von Holland/ wegen verwaigerter Verwaltung vber der Koͤ-
nigin Guͤter/ ſteiffte den Bouquingan, alſo daß die Catholiſche Diener der Koͤ-
nigin im Augſt. deß Jahrs 1626. wieder nach Franckreich gefuͤhrt wurden. Die-
ſes Fewr gleich anfangs zu daͤmpfen/ ſchickte der Koͤnig den Marſchalck Baſſam-
piere,
der anſehnliche Freunde vnder den Wiederkommenden hatte/ aber vn-
freundlich vom Koͤnig empfangen ward/ weil der Koͤnig in Franckreich den Frey-
herꝛn von Montaigu auch nicht hoͤren wollen. Doch nahmen etliche Commiſſa-
rien die Sach vor: vnd wolte den Frantzoſen Schuld gegeben werden/ als hetten
ſie im Gubernament/ bey Hoff/ vnnd an der Koͤnigin Verwaltung Vnfug anzu-
ſtellen geſucht. Doch befand ſich/ daß man ein andern Weg vornehmen/ vnnd
wider die beaidigte Heurahtspuncten/ (welche die Engellaͤnder/ als dem Bapſt zu-
lieb geſehen/ nicht vermeynten zuhalten) der Koͤnigin keine Proteſtirende Diener
auffdringen ſollen. Da es nun die Zeiten nicht anderſt leiden wolten/ ſtund
man beyderſeits in Geduldt/ wie hernach weiter wird zuvernehmen
ſeyn.


Jetzt kommen die Lothringiſche Haͤndel/ weil Henry, Hertzog in Lothringen/
auß mangel der Soͤhne/ ſeiner elteſten Tochter Nicole das Hertzogthumb im Te-
ſtament
[31]De Statu perturbato Franciæ.
ſtament vermacht/ vnnd ſeines Bruders Sohn/ dem Hertzog Carlen/ jhren Ehe-
vogt/ darin erinnert/ ſolches alſo zuerkennen: aber deſſelben Vatter/ der Graff
von Vaudemont, deß verſtorbenen Hertzogen Bruder/ bracht ein anderalt Teſta-
ment/ vnder dem 25. May/ deß 1506. herfuͤr/ darinnen Renè II. Lothringen/ Bar/
Pontamouſſon vnnd Vaudemont vereynigte/ vnnd von der Kunckel/ auff die
Mannserben alleinig verwendet: welches Teſtament auch die Staͤnde nach ſei-
nem Todt im andern Jahr haͤtten bekraͤfftiget. Welcher geſtalt das gantze Land
dem Graffen von Vauudemont gebuͤhren wolte/ der es aber vmb beliebter Ruhe
willen/ ſeinem Sohn vberlaſſen. Vnnd hie ſagten etliche/ das Teſtament wehr
nichtig/ wegen deß vhralten Herkommens in Lothringen vnnd Bar: kondte
auch der Kron Franckreich wegen deß Hertzogthumbs Bar gar nicht præjudiei-
ren: dergleichen auch zwiſchen den Graffen von Montfort vnnd Ponthieu, auch
Hertzogen in Britannien/ Anno 1364. nicht gelten koͤnnen. Vber diß alles haͤt-
te man gemeltes Teſtament nie von einigen Wuͤrden im Hauß Lothringen gehal-
ten/ vnnd koͤnde deß Roͤmiſchen Reichs Gerechtigkeit ſo leichtlich nicht gebrochen
werden. Darwider aber andere auch das jhrige einzuwenden hatten: doch wolte
dem Koͤnig von ſeinem Lehen zuvrtheilen die Freyheit vnnd Oberhand blei-
ben.


Wie nun der junge Hertzog etwas Heroiſch war/ alſo ſpuͤhrete der Cardinal
gar bald/ daß er den Kopff nach dem Hauß Oeſtereich henckete/ vnd in Franckreich
Haͤndel anfangen wuͤrde. Darumb bewegt er den Koͤnig/ zu Verdun an der
Maß die Abtey S. Vannes abzutragen/ vnd ein Caſtel dahin zulegen/ die Statt/ den
Paß/ vnnd das Land im Zaum zuhalteu. Darwieder ſetzte ſich der Biſchoff/ deß
Hertzogen auß Lothringen nechſter Vetter/ vnnd warnt jederman durch ein Pla-
cat/ bey dem Bann/ von der Arbeit abzuſtehen: die Koͤnigliche Beampten ſetzten
ſich darwieder/ vnnd wolten den Biſchoff/ da er nicht wer nach Coͤlln entwichen/
gen Pariß lieffern: darumb er den Bann auffhube/ damit jhm ſeine Einkombſten
wieder gefolgt wuͤrden. Bald zog der Hertzog von Lothringen zu Anfang deß
Jahrs 1627. nach Pariß/ zum Koͤnig/ die Koͤnigliche Beampten wegen deß Bi-
ſchoffs zu Verdun hoͤchlich zuverklagen/ vnnd das Lehen vber das Hertzogthumb
Bar zugleich in eygenem Namen zuempfahen. Man begegnet jhm aber aller-
dings daß er vnverꝛichter Sachen/ vnnd voller Wiederwillen wieder naͤch Hauß
ritte/ mehrern Beweiß/ deß veranderten Lehens beyzubringen. Vnnd diß iſt der
Vrſprung deß Lothringiſchen Kriegs/ ob ſchon der Hertzog von Lothringen im
Jahr 1629. dem Koͤnig in Pariß zugeſagt/ wegen deß Hertzogthumbs Bar jhme
nach dem Zug in Jtalien Lehenpflicht zuleyſten.


Es wolte aber der Cardinal ſeinen Koͤnig gantz tieff in das Kriegs Weſen
hienein fuͤhren/ vnd wider Spanien voͤllig auffbringen. Darumb vnderließ er
nimmer/ dem Koͤnig bey gelegnen Zeiten die Ohren anzufüllen/ was das ge-
ſampte
[32]De Statu perturbato Franciæ.
ſampte Hauß Oeſterꝛeich vor Practicken brauchte/ gantz Eurapa vnder ſich zu
bringen: daß die geringere Staͤnde die Augen auff jhn hielten/ vnd kein andere
Rettung finden/ als bey der Kron Franckreich. Man reiſſe die Auſſenwerck dar-
nieder/ vnd vnderdrucke die Bundsverwandten/ biß man endlich die gelegene Zeit
erſehen/ das Garn vber Franckreich auch zuziehen. Darumb waͤr wohlgethan/
daß Jhre Majeſtaͤt den Hollaͤndern vnder die Armen gegriffen/ noch beſſer/ daß
Sie die Veltliner vom Spaniſchen Joch erꝛettet: Es mußten aber die Hugo-
notten auch gedaͤmpfft/ vnd dem Lothringer die Koͤnigliche Macht/ den Teutſchen
aber die Frantzoͤſiſche Huͤlff gezeigt werden/ zumahl der Spanier ein Werck nach
dem andern außfuͤhre/ vnd nur auß Noth Stillſtand oder Frieden mache. Der
Sachenaber deſto beſſer zurahten/ muſten die Graͤntzen/ ſonderlich Verdun vnnd
Metz zum beſten verwahrt ſeyn/ weil allem Auſehen nach der Lothringer auß
Teutſchland/ vnd den Spaniſchen Provintzen eine gewiſſe Macht auffbringen/
vnd das ſeinige behaupten/ auch ein mehres an ſich zuziehen ſich vnderſtehen wuͤr-
de. Neben den Veſtungen muͤßte man gute Corꝛeſpondentzen anſpinnen/ vnnd
dem Hauß Oeſterꝛeich allenthalben den Compaß verꝛuͤcken. Doch moͤchte
Franckreich noch nicht den offentlichen Krieg vornehmen/ ſondern vnder deſſen
dem Graffen von Manßfeld/ den der Koͤnig in Engelland/ ſeinem Schwager/ dem
Pfaltzgraffen zum beſten/ mit einer Armee in Teutſchland gehen laſſen/ ein par
tauſent Pferd/ vnd etliche Gelder zuverordnen: vnd die teutſche Fuͤrſten/ zu Ma-
nutenirung jhrer wohlhergebrachten Hoch- vnnd Freyheit/ an friſten/ damit ſie in
den Harniſch kriechen/ vnnd gewiſſer Huͤlff ſich getroͤſten koͤndten. Darauff zog
der Herꝛ de la Picardiere nach Dennmarck/ vnnd Niederſaͤchſiſchen/ auch zu den
Hanſeſtaͤtten/ verſprach Frantzoͤſiſch Geld vnnd Volck vnd ließ nicht nach/ biß der
Feldzug wuͤrcklich angangen. Dadurch die Tractaten zu Mouion befoͤrdert/ vnd
die Kayſerliche Macht vmb etwas getheilt worden/ weil in der Schampany fuͤnff-
zehen tauſent Mann lagen/ denen die Kayſeriſche im Elſaß auffpaſſen/ gleich wie
der Graff Tilly nach Niederſachſen ziehen muͤſſen. Die Staͤtte kahmen zwar
vngera zum Spiel/ wegen jhrer Commercien nach Spanien: erwogen aber/ was
Dennmarck/ Engelland vnnd Franckreich jhnen im widrigen vor Schaden oder
Vorſchub thun koͤnnen/ vnnd wagten die Schantz mit den Fuͤrſten. Der Vor-
wand war/ die vnderdruckte teutſche Freyheit zuerheben vnnd die entſetzte Fuͤrſten
wi[e]der ins Land zubringen/ vnnd geſchah doch mehrentheil alles auß Neid gegen
dem Hauß Oeſterꝛeich.


Vmb dieſe Zeit brach an Tag/ was man ſo lange Zeit vnder dem Huͤtlein
geſpielet/ nemblich ein heymlicher Bundt wider den Koͤnig vnnd den Cardinal/
auff daß einer vnnd der ander Frey/ ohne Zucht moͤchte leben. Den Koͤnig ſolte
man in ein Kloſter ſtecken/ vnd den Cardinal/ weil er in keine Vngnad zubringen
war/ von Hoff/ oder gar vom Brod thun. Die Sach wurd zwar ins Ohr geſagt/
kahm
[33]De Statu perturbato Franciæ.
kahm aber doch auß/ daß auch Bouquingan ſagen doͤrffen/ man koͤndte die Catholi-
ſchen wohl von der Koͤnigin Hoff abſchaffen/ vnnd jhr Proteſtanten geben/ weil
deß Hertzogen von Orleans Leuthe dem Koͤnig ſolche Haͤndel zurichteten/ daß En-
gelland ſich ſeiner nichts zubefahren haͤtte. Jm Land Bourbonnois geſchah Jn-
formation. Madame de Cheureſe trieb den Grand Prieur vnnd Chalais, ſo mit jhr
der Liebe ſpielten/ zur Execution. Der Marſchalck Ornano war noch nicht im
Gefaͤngnuß/ als Louuigny, auß Widerwillen gegen einer groſſen Damen dem
Cardinal den Handel entdeckt/ vnd deßwegen in deſſen von Chalais Schwehrvat-
ters Hauß nach Chaillior ſich begeben/ den grund beſſer zuerkundigen: wie nemb-
lich Ornanoder Stiffter waͤr/ vnd nicht leiden wolt/ daß ſein Herꝛ ſich verheurah-
tet/ demnach einer andern Perſon als jhm ſein Hertz vertrawte: er wolte dann das
Fraͤwlein von Bourbon, oder ſonſt ein Frembde nehmen/ die ſein Vorhaben koͤnde
fortſetzen: das Fraͤwlein aber von Monpenſier dem Graffen von Soiſſons ver-
maͤhlen/ damit die beyde Haͤuſer Bourbon vnnd Guyſe ſich vereinigten/ vnnd alle
von dem Koͤnig abfielen. Chalais hatte ſelbſt dem Cardinal etwas davon ent-
deckt/ vnd konnte ſehr groſſe Recompenß erwarten/ wañ er ſich nicht auff ein newes
verdieffen wollen. Vnd hie wurd der Ornano von deme droben/ gegriffen/ vnd
hieneingeſetzt: der Cardinal aber begehrt ſein Abſchied/ theils wegen ſeiner bloͤden
Geſundheit/ vnnd ſtaͤttiger Gefahr deß Lebens: kondte doch denſelben nicht erlan-
gen/ ſondern verwahrte ſich auff deß Koͤnigs Befehl mit einer Leib-
wacht.


Alſo bald griff man nach dem Grand Prieur, einem verſchlagenen Kopff/
vnnd nach dem Hertzog von Vandôme, ſeinem Bruder/ welcher das Volck vom
Koͤnig abwendig machte/ ſich ließ Monſieur le Duc nennen/ vnd in der Kirchen al-
ſo betten pro famulo tuo, Duce, Domino noſtro: dann den Commendanten in
Nantes mit Geld verſucht/ den Adel an ſich gezogen/ ob er Britannien jhm ſelbſt
zueyguen koͤndte. Jhn auß dem Gubernament zubringen/ handelte der Cardinal
mit dem Grand Prieur wegen der Admiralſchafft. Deme der Koͤnig/ allen Arg-
wohn zubenehmen/ zugeſprochen/ bringt jhn nur mit euch/ es ſoll jhm nicht mehr
leyds/ als euch ſelbſten begegnen/ wie ſie nun zu Bloys ankommen/ thaͤt jhnen der
Koͤnig alle muͤgliche Hoͤfflichkeiten: befahl aber Nachts vmb zwey Vhren/ daß
Hallier vnd Mouy, beyde Hauptmaͤnner ſeiner Guardy hiengiengen/ ſie in jhren
Schlaffkammern zugreiffen. Der von Vandôme ſagt/ wohl Bruder/ ſagte ichs
euch nicht/ man wuͤrde vns anhalten/ als wir noch in Britannien waren? der
Grand Prieur ſprach/ Jch wolt todt ſeyn/ daß jhr noch dort waͤret. Der von Van-
dôme,
Jch ſagts euch wohl/ das Schloß zu Bloys waͤr den Printzen gefaͤhrlich.
Vnnd hernach beklagten ſie/ daß ſie der Warnung/ ſo jhnen den Abend vor jhrem
verꝛeyſen zukommen/ kein Glauben zugeſtellet. Aber wen Gott ſtraffen will/
verblendet er/ oder laͤßt jhn in ſein eygen Garn rennen. Den andern Tag wur-
Eden
[34]De Statu perturbato Franciæ.
den ſie nach Amboiſe, vnnd bald nach Bois de Vincennes gefuͤhrt. Der Koͤnig
nahm ſich an/ als wißte er von niemand anders/ vnnd ließ dem Graffen von Soiſ-
ſons
befehlen/ daß er im Namen deß Koͤnigs in der Statt Pariß commendiren
ſolte/ allen Argwohn zubenehmen vnd zuverdecken: doch traut derſelb dem Wet-
ter nicht/ vnd thaͤt eine Spatzierꝛeyß nach Saphoyen vnd Jtalien. Der Koͤnig
zog nach Nantes/ ließ die Staͤnd zuſammen kommen/ gab die Aempter ſeinen
Getrewen/ vnd das Gubernament dem Marſchalck von Themines, ließ auch etli-
che Veſtungen/ ſo zum Auffſtand Anlaß geben kondten/ niederlegen.


Weil nun deß Hertzogen von Orleans Heuraht die groͤſte Vrſach dieſes
Vnheyls geweſen/ erwieſe man jhm/ daß ſolcher gar nicht nach ſeinem Belieben/
ſondern nach deß Reichs Herkommen geſchehen muͤſte/ darzu der Koͤnig ſein Wil-
len gabe/ nach dem der Cardinal nur auff beyde wege ſeine Meynung vorgelegt/
vnd dem Koͤnig die freye Wahl gelaſſen. Die alte Koͤnigin ſchlug alſo bald vor
die Princeſſin von Monpenſier, das reichſte Fraͤwlein in Franckreich/ welche An-
no 1608. mit dem verſtorbenen Hertzogen von Orleans, deß vorigen Koͤnigs zwey-
ten Sohn/ war verſprochen geweſen: darumb jhr auch die Zuſag geſchah/ den jeni-
gen/ ſo dieſen Namen nechſt fuͤhren wuͤrde/ jhr zuvermaͤhlen/ welches auch laͤngſt
vollzogen waͤr/ da die Printzen nicht lieber vngebunden in der Freyheit lebten: jetz-
under aber wegen der Kron Vngelegenheit vollzogen werden muͤſſen/ wie mit al-
lerſeits Belieben auch geſchehen. Alſo wurden alle Practicken/ wie ein Nebel
von der Sonnen/ durch deß Cardinals Klugheit vernichtet.


Jſt noch vbrig der vngluͤckliche Chalais: der war neben dem Koͤnig aufferzo-
gen von Kind auff/ vnd hatte ſeine Kleyder in Verwahrung/ ſo Ehrſüchtig/ daß er
offt geſagt/ er muͤßt ein andern Freygebigern Herꝛn ſuchen/ dieſen Hoffaͤrtigen
Sinn hatte auch die Liebe gegen der Fraw Chereuſe eingenommen/ vnnd in die
Partiten gezogen: alſo daß kein Warnen bey jhn nichts verfangen wollen/ auch
die zum andernmahl vom Koͤnig ertheylte Gnad nichts verbeſſern koͤnnen. Da
nun je laͤnger je mehr Kundſchafft einkahm/ ließ jhn der Koͤnig zu Nantes veſt ma-
chen: bey ſolchem Ernſt begehrt er mit dem Hertzogen von Bellegarde, dem Marg-
graffen d’Effiat vnnd dem Cardinal zuſprechen/ da er zum andernmahl loß gebro-
chen/ vnd viel wichtige Sachen entdeckt: wie nun ſolch es alles dem Hertzogen von
Orleans vorgelegt worden/ geſtund derſelbe/ bey Hoff haͤtte er den Graffen von
Doiſſons, Chalais thaͤt die Bottſchafften/ der jhme gerahten/ die Fraw von Villars,
durch Hülff deß Grand Prieurs, zugewinnen/ vnnd dem nach den Haure de Grace
auff einen Nothfall zugebrauchen: den Marggraffen von Cæuures das Guber-
nament vber Pont del’ Arche zuerwerben/ welcher dem Grand Prieur zugefallen
den Orth nicht vorenthalten wuͤrde: mit den Hugonotten auff ein Tumult zuley-
chen: den Louuiere an den Hertzogen de la Valette zuſenden/ vnnd ſich der Statt
Metz durch jhn zuverſichern: auch jhn geſchreckt/ als haͤtte der Koͤnig zehentauſent
Mann
[35]De Statu perturbato Franciæ.
Mann vmb Nantes/ damit er von Hoff nicht entkommen koͤndte. Hierauff ſetzt
der Koͤnig ein Gericht nieder/ vor welchem Chalais, was der Hertzog von Orleans
bereyt vor anſehnlichen Herꝛn offenbahret hatte/ nicht verlaͤugnen koͤnnen. Be-
kannte auch noch mehr/ daß er bey jhrem geheymen Raht vorbracht/ man ſolte den
Ornano mit Gewalt auß dem Gefaͤngnuß nehmen/ ſo wolte er den Cardinal er-
ſtechen/ vnnd ſich in Flandern machen/ auff daß man hernach alles vom Koͤnig er-
halten moͤchte. Es ergieng einſehr ſcharpffes Vrtheil wider jhn/ welches aber
der Koͤnig darbey bewenden ließ/ daß man jhm den Kopff wegſchluͤge/ vnd die Fol-
ter nur zeygte/ auff daß er die Mitgeſellen an Tag braͤchte/ die aber der Koͤnig nicht
ſtraffen/ ſondern die Fraw Cheureuſe allein nach Lothringen verweiſſen
wollen.



Der 4. Diſcurß.


Wie die Admiralſchafft gefallen/ vnd der Cardinal See-
Verwalter- vnnd ſonſt gute Anordnung gefaßt worden. Berahtſchlagung vber
Roſchellen/ vergeblicher Bundt wider diß Vorhaben. Mißverſtandt zu Bor-
deaux. Der Koͤnig wird kranck. Die Engellaͤnder kommen auff die Jnſel Rè/
vnnd muͤſſen wieder abziehen. Roſchell wird zu Waſſer vnnd Land geſchloſſen.
Der von Rohan rumort in Languedoc. Die Engellaͤnder kommen noch zweymal
vergeblich den Roſchellern zu Huͤlff. Die Statt muß ſich auff Gnad vnnd Vn-
gnad ergeben. Langnedoc muß auch Gehorſam leyſten. Ende deß Hugonotti-
ſchen Kriegs.


ESſagte/ jener Koͤnig recht/ zu ſeinem Soͤhnlein/ das
mit der Koͤniglichen Kron ſpielete/ liebes Kind/ wer wiſſen koͤndte/ was boͤ-
ſer Dorn hieran ſind/ wuͤrde jhrer nimmer begehren. Auch ſoll eben dieſer
Koͤnig in Franckreich bey Kindiſchen Jahren geſagt haben/ er begehre nicht Koͤ-
nig zu ſeyn/ weil man ſie vmbbringe. Wann dann ein ſolcher Monarch ein
trewen vnd klugen Diener hat/ der vor jhn wacht vnd ſorgt/ ſeine Perſon vor V-
berfall/ ſein Staad vor Zerꝛuͤttung/ ſein Scepter vor Ohnmachten weiß zuver-
ſichern/ vnnd mit ſcharpffem Geſicht den Mentmachern in die Karten ſihet/ den
haͤlt er billich hoch/ vnd gehet mit veſtem vnerſchrockenem Fuß auff dem Weg/ ſo
er jhm zeigt. Es bezeugen zwar die Hiſtorien/ wie manchmahl ſolche Favoriten
ſelbſt nach Scepter vnd Kron gegriffen: ja wir haben im Erſten Theil vnſer Diſ-
curſen erwieſen/ daß auch mancher vnd er dem Schein der Gottſeeligkeit vnd der
Religion ſich groß/ gewaltig vnnd zum Koͤnig gemacht. Haben aber bey dem
E ijCardi-
[36]De Statu perturbato Franciæ.
Cardinal ſolches gar nicht zubefahren/ wir ſehen gleich ſeine Würden/ oder bloͤden
ſchwachen Leib an/ oder betrachten gleich den Zuſtand deß Staads/ da die Prin-
tzen vom Koͤniglichen Gebluͤth ſampt vnd ſonders wachen/ vnnd jhr eygen Jnter-
eſſe/ ja jhrer Poſteritaͤt verhoffte Anwartung beobachten. Dieweil aber ein ſo
gar trewer Dienſt bey einem Monarchen viel Neid vnnd groß Gefahr/ doch nur
bey den vnruhigen vnnd ehrſuͤchtigen Gemuͤthern erwecket/ welche einen ſolchen
Geiſt/ der nach Homeri anzeige/ wie die Minerva dem Vlyſſi/ dem Monarchen
jmmer zu am Ohr iſt/ jhn von gefaͤhrlicher Vbereylung abzuhalten/ vor Gefahr
zuwarnen/ vnd zu allem Guten anzutreiben/ nicht wohl dulten koͤnnen/ vnnd gern
gedaͤmpfft ſehen/ damit ſie im Staad/ wie die Proci in Ulyſſis Hauß/ dominiren/
vnd wo nicht mit der Penelope, doch mit jhren Maͤgden Vnzucht treiben koͤnnen:
alſo iſt hochnoͤhtig/ daß der Monarch ſolchen Gewalt dieſem ſeinem Genio ein-
raume/ damit er neben jhm in Sicherheit ſeyn vnd bleiben moͤge. Darumb auch
der Koͤnig/ laͤngſt mit ſolchen Gedancken vmbgangen/ wie er den Cardinal groß
machen/ vnnd vor der Neider Gewalt beſchuͤtzen koͤndte. Wozu die Admiral-
ſchafft Anlaß gegeben. Dann dieſelbe koſtete Jahrs vber hundert tauſent Pfund
auß der Rentkammer/ vnnd nutzte vor nichts/ angeſehen die Barbaren manchen
Raub an Menſchen vnd Gut auff dem veſten Land gethan/ vnnd ſehr viel Schiff
zu Grund geſchoſſen/ oder hiengenommen. Deßwegen gedachte der Cardinal/
eine Societaͤt der Kauffleuth mit gewiſſen Privilegien auffzurichten/ da ſie den
Koſten thaͤten/ jhr eygene Commercien befoͤrderten/ vnnd zur noth dem Staad
auch bedient waͤren: Zumahl aber ſie von der Admiralſchafft nicht wolten com-
mandirt ſeyn/ vnnd ein jnſolenten Dominat/ vmb jhr eygen Geldt/ zu mehrem
Schaden/ vber ſich kauffen vnd ſetzen: wurd die Admiralſchafft auffgehoben/ vnd
der Hertzog von Monmorancy/ mit einer groſſen Summa Gelds/ auch andern
Ehrenaͤmptern/ ſolches Ampt zureſigniren vermoͤgt/ vnnd ein Groß Meiſter vber
die Com̃ercien beliebet/ der/ was dem Staad nuͤtzlich/ von der Admiralſchafft behal-
ten/ oder fahren lieſſe/ wie dann der Koͤnig jhm vorbehalten/ ſeine Kriegs Schiffe
wem er wolte/ anzubefehlen/ da ſonſten dem Admiral/ er waͤre tuͤchtig oder nicht/
ſolche Ehr gebuͤhrte. Der Cnrdinal ſolte dieſen Laſt auff ſich nehmen/ wolte a-
ber die Beſoldung nicht ziehen/ auch kein andern Titull/ als Jntendant deß Meers
oder See Verwalter tragen. Da er doch die Admiralſchafft ſampt allem Zuge-
hoͤrleichtlich annehmen koͤnnen.


Es wurd aber ein mehrers erfordert/ daß das Koͤnigreich zu vralter Herꝛ-
lich keit wieder gelangen moͤchte: darumb ließ der Koͤnig die fuͤrnembſten Staͤnde
zu ſich nach Pariß kommen/ jhres Rahts hierin zupflegen/ vnd durch den Siegel-
warter vortragen/ es gedachten Jhre Majeſtaͤt alle Vnordnung abzuſchaffen/ ein
Vorꝛaht zumachen/ damit dem Volck in der Noth auch kein newer Laſt auffge-
zegt werden muͤſte/ zu dem endewolte er etliche Beſatzungen abſchaffen/ ſeine
Hoff
[37]De Statu perturbato Franciæ.
Hoffhaltung einziehen/ den Kauffhandel mit ernſt auffrichten/ vnnd im Kriegs-
weſen gute Ordnung machen. Der Cardinal erhub dieſen Vortrag/ mit dieſem
Anhang/ man theilte manchmahl die beſten Guͤter mit dem Meer/ auff daß ein
Schiff erleichtert/ vnnd erhalten wuͤrde: welches ein jeder bey dieſen Zeiten auch
zuthun ſchuldig waͤre/ vnd auff das gemeine Weſen/ in welchem ſein eygene Wohl-
fahrt begriffen/ mit vnverꝛuͤcktem Auge ſehen/ der Schluß war/ zwo Armeen/ jede
von zwantzig tauſent Mann auff den Beynen zuhalten/ vnd darneben dem Land-
volck durch gute Ordnung zuſchonen: die zwey vnnd fuͤnfftzig Millionen Schul-
den auff dem Schatz abzuſtatten: die Penſionen oder Wart- vnd Gnadengelder
nicht vber zwo Millionen zuſetzen: auch wurd Jhre Majeſtaͤt erſucht/ die viele Ve-
ſtungen/ ſo nur zur Meuterey vnd Rebellion mitten im Land Vrſach geben/ nieder
zulegen/ vnd Mittel zufinden/ daß die fuͤrnembſte Herꝛn kein Auffſtand mehr vor-
nehmen.


Vnd alſo endete ſich dieſes ſechs vnnd zwantzigſte Jahr: aber das folgende
brachte weit andere Haͤndel. Die Hugenotten waren gedemüthigt/ aber die Ro-
ſcheller kondten nicht leiden/ daß jhre Schiffarten einigen Eintrag haͤtten/ vnnd
denandern gleich giengen: die Commiſſarien vber die Friedenspuncten waren jh-
nen vnertraͤglich: deß Koͤnigs Voͤlcker in der Ludwigſchantz/ vnd auff den Jnſeln
kondten ſie nicht ſehen/ vnnd wurden vngedultig/ als man jhnen hier auff antwor-
tet/ ſie waͤren Vnderthanen/ die Demolierung/ ſo zu Mompellier zugeſagt worden/
hetten ſie ſelbſt verſchertzt: die Klugſten vnder jhnen ſelbſt koͤndten ſich nicht an-
derſt wider deß Poͤbels Vngeſtuͤm erhalten: vnd haͤtten vber diß alles die voͤllige
Freyheit jhrer Religion/ wie andere Reichs Vnderthanen. Sie geben taͤglich
Vrſach/ daß man auff jhr thun vnnd laſſen/ mit einer Kriegsmacht Obſicht neh-
men muͤßte. Auß dieſen Vrſachen gieng das Spiel wieder an: dann der Her-
tzog von Rohan ſuchte die Burgermeiſter durch gantz Languedoc an ſich zubrin-
gen/ ſchickte nach Engelland/ dem Hertzogen von Bouquingan gar in Harniſch zu-
bringen: vnd bracht es dahin/ daß der Koͤnig in Engelland ein groſſe Floth zurich-
tet auch offentlich zuverſtehen gab/ er haͤtte ſich verobligirt/ ob dem Frieden zuhal-
ten/ vnnd den Hugonotten Schutz zuleyſten/ welches aber der Cardinal jhm gar
nicht geſtehen wollen. Endlich wurd beſchloſſen/ die Statt Roſchellen mit allem
Gewalt anzugreiffen/ vnd die Hugonottiſche Parthey gar nieder zulegen. Aber
der Cardinal vberlegte alle vnd jede Beſchwerlichkeiten/ welche die vorige Koͤnige
nicht haͤtten vberwinden koͤnnen: darumb muͤßte die Macht deß gantzen Koͤnig-
reichs angewand werden/ auff daß die Koͤnigliche Waffen bey vnverꝛichtem
Werck/ nicht jnn- vnnd auſſerhalb deß Koͤnigreichs veraͤchtlich wuͤrden. Nach
dem aber die Kron mit Teutſchland vnd Spanien Fried hatte/ moͤchte der Engel-
laͤnder allein zubeſorgen ſeyn/ deme doch auch koͤndte begegnet werden. Zur
Sach zuſchreitten/ muͤßte man die Hafen ſchlieſſen/ vnnd auff Hollaͤndiſch die
E iijStatt
[38]De Statu perturbato Franciæ.
Statt mit Schantzen vmblegen/ damit keine Proviant hienein fuͤhre. Es waͤ-
ren ſo viel Schiff auff den Frantzoͤſiſchen Cuſten/ daß man dem Engellaͤnder wohl
begegnen/ vnnd ſeine Hülff zuruͤck ſchlagen koͤndte/ wann man den Canal mit
Schantzen dicht aneinander verſehe/ vnnd die Schiff vnder dem Geſchuͤtz hielte.
Der Sachen deſto gewiſſer zu ſeyn/ hatte der Cardinal ein Abriß von den Pa-
ſteyen/ den Waͤllen vnd Graͤben: von der Tieffe/ Breyte vnd Beſchaffenheit deß
Lands: von dem gantzen Land herumb heymblich vberkommen/ den er mit dem
Marſchalck von Schomberg/ neben den beſten Jngenieurs offt betrachtet/ vnnd
demnach wegen Geſchuͤtz/ vnnd allerhand Ammunition auff das kuͤnffeige alle
Notturfft verordnete.


Wie nun ſolche Bereytſchafften vnvermerckt nicht kondten geſchehen/ alſo
zog der Koͤnig in Engelland vor andern alles zu Gemuͤthe/ daß/ da die Hugonet-
ten vnder die Banck muͤßten/ man in Franckreich nicht wohl Haͤndel erwecken
koͤndte: ja daß die Frantzoſen/ wie das Queckſilber/ oder wie der Hahn auff der
Kirchen/ nimmer ſtill waͤren/ vnnd auß Mangel jnheimiſcher Haͤndel die Nach-
barn angreiffen wuͤrden. Der Hertzog von Saphoyen/ etwas verdruͤſſig/ daß
man jhn tieff hienein laſſen rennen/ vnd hernach ſeiner vngeacht Fried geſchloſſen/
braucht den Abt von Scaglia, die Belaͤgerung der Statt Roſchellen zuhindern:
derſelb kondt die Hollaͤnder nicht auffbringen/ fand aber Engelland ruͤſtig: alſo
daß Milord Montaigu nach Saphoyen/ Lothringen/ vnnd zu dem Hertzogen von
Rohan verſchickt worden. Der Hertzog in Lothringen verſprache/ weil er ſich et-
licher Kayſeriſchen Kriegsvoͤlcker verſichert hielte/ zu rechter Zeit in Franckreich
zufallen: der Hertzog von Rohan ſolte als dann in Languedoc/ vnd der Hertzog von
Saphoyen in Dauphinè angreiffen. Der Cardinal hatte dem Montaigu vier
Monat lang laſſen nachſetzen/ biß er jhn zu Coiffy erdapt: welches der Hertzog in
Lothringen ſo hoch empfunden/ daß er die alte Koͤnigin zu Pariß wiſſen laſſen/
wann man ſich nicht in vier vnnd zwantzig Stunden reſolvierte/ jhn wieder auff
freyen Fuß zuſtellen/ haͤtte er Gewalt zuvben/ wie er dann Coiffy zur Stund/ auch
andere Graͤntzſtaͤtte belaͤgerte. Aber Montaigu mußte nach Pariß/ in die Ba-
ſtille,
Saphoyen ließ ab von Franckreich/ vnd vermeynt durch ein heymlichen Ver-
ſtand Genua zuvberꝛumpeln/ der Engellaͤnder bekahm Stoͤß/ vnd Lothringen ließ
ſich daran genuͤgen/ daß Montaigu biß an deß Koͤnigs zuruͤck kunfft im Schatten
bliebe. Wie nun der Koͤnig vmb die Weihenachten nach Pariß kommen/ ſtellt
ſich der Hertzog von Lothringen ein in Perſon/ vnnd meynt/ er haͤtte ein groſſes er-
halten/ daß man jhm den Montaigu ledig vberliefferte/ nicht ermeſſend/ daß der
Cardinal auß den Brieffen ſein Genuͤgen erſehen/ vnd der Perſon wenig achtete.
Da fande ſich der Anſchlag auff Toulon, Montpellier, Breſſon vnnd Valanſe,
neben vielen andern Heymlich keiten am Hoff/ ſo die Fraw von Cheureuſe hatte
eingefaͤdmet. Auch verſpuͤhrte man auß allerhand Diſcurſen/ daß den groſſen
Herꝛn
[39]De Statu perturbato Franciæ.
Herꝛn nicht lieb war/ da Roſchellen ſolte mit der Hugonottiſchen Parthey gar vn-
der den Fuͤſſen liegen/ zumahl man ſonſten kein Zuflucht/ den Koͤnig zupravieren/
vñ deſſen Gebott beyſeyt zulegen/ auch etwas mit Gewalt zuerpreſſen/ mehr an der
Handhaben wuͤrde.


Weil nun der Cardinal dem Koͤnig erwieſe/ wie der Marſchalck von Mont-
luc
angemercket/ daß eben darumb die Statt Roſchellen/ vnder dem Koͤnig Carolo
IX. nicht bezwungen worden/ weil die fürnehmbſte Herꝛn ſich Kaltſinnig erzeigten/
vnd auß oberwehnten Vrſachen den Wolff nicht recht beiſſen wolten: bracht bey
jedermaͤnniglich ein groſſen Schrecken/ als die Marggraffen von Rouillat, Bon-
niuet, Montpriſſon
vnnd Oy, bald Fancan, Milletiere vnnd andere geringere/ das
ſtillſchweigen vnd wohl reden in der Baſtille lernen muͤſſen.


Noch wolte es im Land Guyenne Hindernuß geben/ in deme der Hertzog
von Epernon, Gubernator/ den Frieden mit dẽ Hugonotten durch ein Geſchwor-
nen der Statt/ deß Parlaments zu Bordeaux vnbegruͤßt/ laſſen publicieren: dar-
ñber alles in Vnordnung gerahten/ biß der Engellaͤnder ſich in der See ſehen laſ-
ſen: darumb denſelben vom veſten Land abzuhalten/ der geheyme Raht Leon/ vnd
nach jhme der Cardinal von Sourdis, Ertzbiſchoff zu Bordeaux es vermittelt/ daß
der Hertzog in das Parlament kommen/ vnd die Hoͤfflichkeit ablegen/ das Parla-
ment jhme mit gleicher Hoͤfflichkeit begegnen ſolte/ darzu man viel Muͤht ge-
braucht/ doch endlich/ damit deß Koͤnigs Dienſt nicht gehindert/ den Hugnotten zu
newem Auffſtand kein Anlaß gegeben/ vnd dem Engellaͤnder/ außzuſteigen kein
Bruͤck gelegt wuͤrde/ beyderſeits verſtanden vnd kommen. Sogeringe Sachen
moͤgen jederweilen/ wie ein Lohnen oder Hefftnagel am Wagen/ die fuͤrnehmbſte
Geſchaͤfften in das Stecken bringen: koͤnnen aber durch Wachtſamkeit vnd Fleiß
erhoben werden.


Jn Summa/ Roſchell ſolte vnd mußte belaͤgert werden: darumb macht ſich
der Koͤnig auff die Reyß/ fiel aber den erſten Tag in eine Kranckheit zu Villeroy,
alſo daß bey zunehmender Vnpaͤßlichkeit die alte Koͤnigin/ fuͤrnemblich aber der
Cardinal ſich deß groſſen Wercks der Belaͤgerung muͤſſen annehmen/ gleich wie
Marillac die Juſtitz/ vnd D’Effiat die Finantzen hatten zuverwalten. Zu end deß
Julij lieſſen ſich zwantzig Engellaͤndiſche Segel vmb Olonne ſehen/ denen noch
mehr folgeten/ alſo daß ſie vnder jhrem Geſchuͤtz zehen tauſent Mann auff die Jn-
ſel brachten/ welche Thoiras, Commendant in der Veſtung S. Martin ange-
griffen/ aber wegen groſſen Schadens auß den Schiffen/ machen vnnd bleiben
laſſen. Der Hertzog von Angoulême fuͤhrt ein Armee nach Poitu, gab den De-
putirten auß Roſchellen die beſte Wort/ vnnd ließ jhnen die Ernd folgen/ damit ſie
ſich keiner Belaͤgerung verſehen ſolten/ vnnd macht auff dem Land Quartier auff
fuͤnff vnnd zwantzig tauſent Mann/ da er die Helfft doch nicht beyſammen hatte/
auff daß die Engellaͤnder/ wie ſie haͤtten thun koͤnnen/ nicht gar auff das veſte Land
kommen
[40]De Statu perturbato Franciæ.
kommen ſolten. Der Cardinal beſorgte ſich/ die Hollaͤnder moͤchten den Engel-
laͤndern Schiffe geben/ darumb kahm er vor/ ernewert den Bund/ vnd ſpart allhie
keines Gelds. Wie auch friſche Voͤlcker/ vnd Proviand in die Veſtung auff der
Jnſel zubringen. Die Engellaͤnder ſetzten hefftig an/ wurden aber vbel empfan-
gen/ alſo daß ſie nur ſuchten die Proviand abzuſchneiden: durch welches Mittel
viel auß der Veſtung vbergangen/ vnnd Thoiras zu capituliren angefangen/ biß
der Cardinal ſechs/ Pinaces oder Platteſchiff von Bayonne laſſen kommen/ mit
welchen der Graff von Grãdmont bey Nacht neben den Engellaͤndern/ auch vber
die verſenckte/ vnd an die Spitzen mit Ketten aneinander vermachte Schiff ohne
ſonderlichen Schaden gefahren/ vnnd Secours eingebracht: welchen Weg man
mit andern Pinnaſſen gebraucht/ aber die Helfft nur vberbringen koͤnnen. Der
Koͤnig wolte nicht nachlaſſen/ vnd ſchickte ſein Bruder/ den Hertzogen von Orle-
ans ins Laͤger/ der ſein beſtes thaͤt: wurd aber von ſeinem Leuthen verfuͤhrt/ wie-
der nach Pariß zukehren/ angeſehen es einem ſolchen Printzen ſchimpfflich waͤr/
daß der Cardinal ſolte das Obercommando fuͤhren/ welches nur lauter Mißtra-
wen vnd Widerwillen gebahren konde.


Vnder deſſen kahm der Koͤnig wieder zu ſeiner Geſundheit/ vnnd merckte
wohl/ daß ſeine Gegenwarth hochnoͤhtig war/ die Engellaͤnder vom veſten Land
abzuhalten/ vnnd auß der Jnſel zutreiben. Verordnet derowegen den Hertzog
von Elbœuf auff die Cuſten der Landſchafft Picardie, vnd den Hertzogen von Lon-
gueuille
nach Normandy: den Hertzogen von Guyſe zur Schiffarmee/ vnd nahm
an die Floth/ ſo jhm Spanien wider die Engellaͤnder angebotten/ damit ſie bey vn-
annemlicher Hoͤfflichkeit ſich nicht zum Feind ſchluͤge: vberließ der alten Koͤnigin
die Auffſicht der Landſchafften vmb Pariß/ vnnd begab ſich auff den Weg. Als
nun der Koͤnig ankommen/ ſahe man von allen Enden her Voͤlcker/ Schiff vnnd
Proviand bringen: da man auß gantzer Macht gefochten/ vnd alle muͤgliche Mit-
tel an die Hand genommen. Endlich gedachte Bouquingan ſein euſſerſtes an
der Veſtung S. Martin zuverſuchen/ deſſen Thoiras jnnen worden/ vnd den von
Canaples in der andern Veſtung de la Prée zum Secours zukommen beſcheyden:
welches auch bey dem erſten vnd andern Sturm ſo zeitlich geſchehen/ daß die En-
gellaͤnder jhre Todten vnnd Leytern hinderlaſſen/ auch zu einem endlichen Abzug
ſich reſolviren muͤſſen: ſonderlich da der Koͤnig den Marillac vnd Schomberg mit
vielem Volck vnd Munition abermahlen in die Jnſel außſteigen/ vnd den Engel-
laͤndern by dem Abzug das Cornet mit vier vnd vierzig Fahnen vnd vier Stuͤcken
abnehmen laſſen: alſo daß von ſiebentauſent Engellaͤndern nur 1800. wieder
nach Hauß kommen: zumahl deren viel im Moraß ſtecken blieben/ oder gefangen
worden.


Nach ſolcher groſſen Victori legte der Koͤnig all ſeine Gedancken auff die
Belaͤgerung der Statt Roſchellen/ welche wegen der Kauffmanſchafft war groß/
reich/
[41]De Statu perturbato Franciæ.
reich/ veſt/ vnd hochmuͤhtig worden/ daß ſie alle Begnadigungen der vorigen Koͤ-
nigen vor ein Vergleich hielte/ vnd ein abſonderlichen Stand fuͤhrete. Daß ſie
nun jederzeit der Hugonotten Zuflucht/ vnnd der Malcontenten Auffenthalt ge-
weſen/ auch die Koͤnigliche Befehl nie viel geachtet/ vnnd jetziger Zeit den Engel-
laͤnder an ſich gezogen/ auch allen Vorſchub jhme gethan/ vnd dreyhundert Mañ
zu Huͤlff geſandt/ vnnd das Hauß Rohan auffgenommen/ ja alle Hugonotten ge-
gen den Koͤnig verbittert vnnd auffgereytzt: darumb ließ der Koͤnig ſchon im Au-
guſtmonat nach der Statt graben/ Voͤlcker herumb legen/ vnnd die Veſte la
Moulinette
bawen. Dreyzehen Schantzen/ mit vielen Redouten/ machten ein
Reyff von dreyen Meilen herumb/ von Muß queten vnnd Falckonetten befreyt/
vnd beſchloſſen die Statt auff dem Land/ daß nichts ein/ noch auß kommen kondte.
Den Canal vberzog der Cardinal/ auß Angeben deß Pompeij Targon, der auch
vor Oſtenden ſich gebrauchet/ mit einer Ketten/ vnnd vielen Maſtbaͤumen/ derſelb
ließ auch Schloͤſſer auff Schiffe ſetzen/ die an einem Orthblieben/ oder fortgien-
gen/ das grobe Geſchuͤtz darauff zuſtellen: aberſchier alles vergeblich. Darumb
folgte der Cardinal ſeinem eygenen Sinn/ vnnd ließ ein Damm in den Canal/ da
er 740. Klafftern breyt war/ vnnd von der Statt bloͤßlich kond beſtrichen werden/
breyt vnden legen/ vnd vber die Wellen fuͤhren: Jn der mitten bliebet was offen/
wegen deß Zu- vnd Abfluß: welche Einfahrt mit Schiffen voller Steinen/ vnnd
mit Baͤumen verwahrt war/ daß den Belaͤgerten in wehrender Zeit vber fuͤnff
mittelmaͤſſige Schiffe nicht zukommen. Dieſer Damm war wunderſam anzu-
ſehen.


Vnder deſſen thaͤt der Hertzog von Rohan in Langnedoc ſein beſtes/ eine V-
nion zumachen/ vnd die Voͤlcker allenthalben in ein Auffſtand zubringen. Aber
der Cardinal ſchickte den Herꝛn Gailland, Koͤniglichen geheymen Raht an die
Staͤtte/ die er als ein Hugonott ſelbſt/ zu jhren Pflichten brachte/ bey denen ſie aber
nicht lang geblieben. Darumb der Printz von Condè ein Armee dahin fuͤhrte/
von deren er ein guten Theil dem Momorancy anbefohlen. Der Anſchlag auff
Monpelier koſtet den Hertzogen von Rohan ſein beſte Leuth. Dannoch fuhr er
jmmer forth/ mit Practicken/ vnnd mit Gewalt. Zu Anfang deß Jahrs 1628.
ſchickten die Roſcheller an den Koͤnig in Groß Britannien/ vnd begehrten Schutz:
welchen der Koͤnig wegen deß Parlaments vnd der noͤthigen Geldſteur/ nicht voͤl-
lig leyſten konde/ wie die Tractaten außwieſen: doch ruͤſtet man eine Floth auß-
Vnnd weil der Spanier dem Koͤnig in Franckreich eine Floth angebotten vnnd
verſprochen hatte/ kam dieſelbe dieſer Zeit an/ nach dem die Engellaͤnder laͤngſt auß
den beyden Jnſeln weichen muͤſſen/ vnnd mit ſo wenig Volck vnnd Proviand daß
man ſpuͤren konde/ daß Spanien nur ſuchte den Krieg zuverlaͤngern/ vnnd der
Statt Roſchellen nicht wehe zuthun: wie dann auch die gedachte Floth bald wie-
der nach Spanien abgelauffen. Hie kamen der Marggraff Spinola/ ſein Sohn
Fvnd
[42]De Statu perturbato Franciæ.
vnd Tochtermann Leganez, auß Flandern/ vber Pariß/ ins Laͤger/ verwunderten
ſich vber den Damm/ vnnd beſorgten die Frantzoſen thaͤten hie jhr Schulrecht/ da-
mit ſie den Spaniern mit der Zeitbegegnen koͤndten. Der Koͤnig muſte nach
Pariß/ die Landſchafften nach Pickardy/ Schampany vnd Brie vor einem Auff-
ſtand erhalten: darun baller Gewalt der Belaͤgerung dem Cardinal geblieben:
kahm aber bald wieder auff die Zeitung/ daß die Engellaͤndiſche Floth zu Segel
gienge.


Weil nun Marillac ſonderlich dem Cardinal mißguͤnſtig waren/ haͤtten ſie
den Koͤnig gern in Pariß behalten/ vnnd die Statt Roſchellen vnbezwungen ge-
ſehen/ nur damit die Ehrſolcher hohen That dem Cardinal nicht zukaͤhme. Der
Koͤnig fand in der Muſterung fuͤnff vnnd zwantzig tauſendt Mann zum fechten.
Den eylfften May lieſſen ſich die Engellaͤnder mit fuͤnfftzig Schiffen ſehen/ war-
teten acht Tage auff der Roſcheller Außfall/ verſuchten im Canal durchzubrechen/
vnnd kehrten wieder nach Engelland: daruͤber die gantze Statt zwiſtig worden.
Noch lieſſen die Engellaͤnder nicht nach/ ſondern kahmen zum drittenmahl/ aber
etwas langſamb/ weil Bouquingan vnder deſſen erſtochen ward. Den dritten
October geſchah ein Treffen/ vnd vber fuͤnfftauſent Canonſchuͤß. Den folgen-
den Tag gieng das Spiel abermahl an: vnnd weil die Engellaͤnder die Vnmuͤg-
lichkeit durch zukommen ſahen/ verſuchten ſie ein Vergleich/ vnnd den drey vnnd
zwantzigſten noch ein Treffen: wendeten ſich wieder nach Engelland/ vnnd lieſſen
die Roſcheller Gottes vnd deß Koͤnigs Gnaden. Weil nun hie nichts zuerheben
war/ vnnd der Cardinal weit außſehende Anſchlaͤg fuͤhrete/ wurd zwiſchen beyden
Cronen wieder ein Fried vnnd Bund geſtifftet/ der aber vber Jahrs friſt geſchloſ-
ſen vnd beaidigt worden. Die Roſcheller vermeynten zwar vor jhr gantze Par-
they/ vnnd vor jhr Privilegien zu capitulieren/ muſten ſich aber auff deß Koͤnigs
Diſcretion ergeben: welche jhnen in dieſem Puncten wurde vorgeleſen: der Koͤ-
nig nehme ſie zu Gnaden wieder an/ ſchone jhrer mit der Hoſtilitaͤt/ vergoͤnnet jh-
nen jhre Guͤter/ verſtattet jhnen die Vbung jhrer Religion in der Statt: vnnd be-
fahle/ daß alle Kriegsleuth dieſer Gnad genieſſen/ die Officirer vnd Edele mit den
Seiten wehren/ die gemeine Knecht mit einem weiſſen Secken abziehen moͤchten/
doch ſchweren nimmermehr wieder zudienen. Den 30. October zogen deß Koͤ-
nigs Voͤlcker hienein/ vnd beſetzten alle Poſten: der Cardinal folgte/ ließ alles ſaͤu-
bern: der Koͤnig thaͤt ſein Einritt auff Allerheiligen/ ließ den Erhungerten Pro-
viand zufuͤhren/ vnd eine Proceſſion anſtellen. Alſo kehrt er wieder nach Pariß/
vnnd zahltſein Geluͤbd vnſer lieben Frawen zu Ardilliers, deren er den Sieg auff
der Jnſel/ vnnd wieder die Statt zugeſchrieben. Hernach wurd der Meyer oder
Schultheiß/ mit den Schoͤffen abgeſchafft/ die Meutmacher außgewieſen/ die
Privilegien caſſirt vnd vernichtet/ auch verordnet/ daß alle Beveſtigung niederge-
legt/ die Graͤben gefuͤllet/ vnd nur drey Thuͤrn/ ſampt der Mawren gegen der See/
wegen
[43]De Statu perturbato Franciæ.
wegen der Seerauber ſtehen blieben: daß kein Außlaͤndiger ohne deß Koͤnigs Er-
laubnuß/ vnnd kein Ketzer von newem darin wohnen moͤcht. Zu Vollziehung
deſſen allen ſolte ein Vogt geſetzt werden. Vnnd befand ſich in den Regiſtern/
daß dieſe Belaͤgerung an 40. Millionen Pfund gekoſtet hatte.


Hiernechſt zog die Armee nach Languedoc/ ward Meiſter im Feld/ vnd ero-
bert Pamiers ſampt etlichen andern veſten Orthen. Dannoch ſuchten die Hugo-
notten-Huͤlff bey Engelland/ Spanien vnnd Holland: darumb gedachte der Koͤ-
nig/ ehe er in Jtalien vber das Gebuͤrg zoͤge/ es moͤcht ein newen Auffſtand geben/
wann er jhnen die Veſtungen ließ niederꝛeiſſen: vnnd befahl/ daß alle Ketzer die
Waffen niederlegten/ vnd allen Gehorſam vor den hohen Gerichtſtellen leyſteten/
wann ſie jhrer Guͤter vnd Privilegien genieſſen/ vnd im widrigen nicht als Rebel-
len auff das euſſerſte/ ohne Hoffnung einiger Gnad verfolgt werden wolten. Vnd
ſolcher geſtalt wurd die Hugonottiſche Parthey zu End deß Jahrs 1628. gantz vnd
gar gedaͤmpfft/ vnd zum Gehorſamb gebracht/ welches fuͤrnemlich durch deß Car-
dinals weiſe Vorſchlaͤge/ vnd deß Koͤnigs gute Gluͤck geſchehen. Vnnd wird in
allen Hiſtorien ſehr wunderſam ſtehen/ daß der Marggraff Spinola den 24. Au-
guſti im Jahr 1624. mit ſeinem Laͤger vor Breda ankommen/ den Orth ſolcher
geſtalt vmbfaſt/ daß Printz Moritz von Vranien kein Mittel gefunden/ noch ſein
Bruder nach jhm/ (zumahl er halb vor Bekuͤmmernuß geſtorben) den Spaniern
beyzukommen/ vnd den Orthzuretten/ welcher den 5. Junij 1625. nach vnſaͤglichem
Vnkoſten/ auß Mangel aller Lebensmittel vbergangen: gleich wie der Hunger
auch die Roſcheller bezwungen hat.


Nun mehr begunte der Cardinal ſeinen Koͤnig zu den außlaͤndiſchen Kriegs-
haͤndeln zuleyten/ darauff er jmmer zu das Aug gehalten/ wie geſchaͤfftig er auch
wegen der Hugonotten ſeyn moͤgen. Darumb nahm er vor/ beydes die Teutſche
vnd die Jtalianiſche Haͤndel: dann was Jtalien belangt/ waren zwar die Veltli-
ner auß der Spanier Haͤnden/ vnnd dieſelben Paͤſſe in den alten Stand geſetzet/
wie droben gemeldet. Jetzt aber gab es newe Haͤndel/ wegen deß Hertzogthumbs
Mantua/ ob das Hauß Oeſterꝛeich ein ſolches Land an ſich bringen/ vnnd ſeine
Macht in Jtalien vmb ein ſo groſſes vermehren ſolte/ aber ob Franckreich die
Haͤnd einſchlagen/ vnd ein veſten Fuß/ dem Oeſterꝛeichiſchen Dominat den Kopff
zubiethen/ in Jtalien ſetzen koͤndte: wormit dann der Cardinal fuͤrnemblich vmb-
gienge. Alſo verſuchte er auch/ in dem Teutſchen Vnweſen Theil zuhaben/
vnd weil jhm alles ſo gluͤcklich im Koͤnigreich abgangen/
auſſerhalb groſſr Thaten thun.



F ijDer
[44]De Statu perturbato Franciæ.

Der 5. Diſcurß.


Wie der Koͤnig in Franckreich Mantua auff ſeine Seit
gebracht. Deſſelben Hertzogen Todt: vnd deſſen von Neuers Succeſſion: deß
Koͤnigs Huͤlff. Der von Rohan accommodirt ſich. Der Hertzog von Orleans
wird vnwillig. Der Kayſer nimbt Cur vnd Meyenfeld ein/ vnd lockt den Fran-
tzoſen in Jtalien. Der auch in Teutſchland practiſirt. Der Hertzog von Sa-
phoyen bekriegt/ ſtirbt: Der Mantuaniſche Krieg wird vertragen.


DEr Koͤnig ſchickte den Marggraffen von S.Chau-
mont,
als ein extraordinari Geſanden/ nach Mantua/ an Hertzog Vin-
centzen/ weil derſelb den Koͤnig ſeines Bruders Ferdinandi/ deß regiren-
den Hertzogs Todt wiſſen laſſen/ mit bitt/ jhm zu Rom behuͤlfflich zu ſeyn/ damit
ſein Heuraht mit der Princeſſin von Boſſolo, ſo jhn begauckelt/ vnd keine Kinder
altershalben mehr tragen koͤnde/ getrennet werden moͤchte. Alſo klagte der von
Chaumont das Leyd/ wuͤnſchte jhm Gluͤck zur Regierung/ vnd erbotte ſeines Koͤ-
nigs Anſehen/ Mittel vnd Macht zu aller muͤglichen Willfaͤhrigkeit: mit djeſem
Anhang/ bey fuͤglicher Zeit nicht zuvergeſſen/ weil die Spanier jhm ſuchten ein
Fraͤwlein auß dem Hauß Oeſterꝛeich zugeben/ vnnd Mantua ſampt dem Mon-
ferꝛat anzufaͤſſeln/ zumahl Saphoyen vnd Meyland ein ſo veſtes vnd fruchtbares
Land wuͤrden anfallen/ weren ja kein ander Mittel zu ſubſiſtiren/ als daß er ſich/
wie ſein Vorfahr vnnd Bruder/ an Franckreich hielte/ oder doch auff keine Seit
gar lenckete: vnnd ſolcher geſtalt koͤnd er frey vnnd vngebunden ſeyn. Das fuͤr-
nembſte war/ daß die Princeſſin Maria/ ſeines verſtorbenen Bruders Tochter/
dem Hertzogen von Rethelois (deſſen von Neuers Sohn) vermaͤhlet/ vnd jhr von
jhm das Hertzogthumb durch teſtamentliche Verſchaffung beſcheiden wuͤrde: wel-
ches jhm dann ein groſſes Anſehen machen ſolte/ wann er ein beftimpten Nachfah-
ren vnd Erben benamete. Der Hertzog gab rund zuverſtehen/ er waͤr gut Fran-
tzoͤſiſch geſinnet/ gedaͤchte die Princeſſin ſelbſt zuheurahten/ vnd von jhr Leibserben
zuhaben: auß Mangel deren er den von Rethelois zum Succeſſorn haben wuͤrde.
Weil nun der Marggraff von Strigio entdeckt/ daß die Medici dem Hertzogen/
wegen ſtaͤter Vnpaͤßlichkeit/ ein kurtzes Leben gaben/ vermogt jhn Chaumont,
das beſte hierbey zuthun.


Auff der andern Reyß ſolte er Mantua mit Saphoyen vergleichen/ vndden
Heuraht fortſetzen. Wie nun der Bapſt vnverholen ſich vernehmen ließ/ der
Hertzog
[45]De Statu perturbato Franciæ.
Hertzog konde nicht geſcheiden werden/ bracht Chaumont vor/ in was groſſer Ge-
fahr er dann wegen Land/ Leuth/ Freyheit vnd Leben ſchwebete/ weil Meyland vnd
Saphoyen bereyt ſich wegen jhrer prætenſionen herauß lieſſen. Der Hertzog
von Saphoyen antwort/ Er haͤtte mit den Spaniern nichts zuthun/ der Frantzo-
ſe ſolte lieber ſehen/ daß er/ vor dem Spanier/ auß dem Monferꝛat einnehme vnd
beſeſſe/ was jhm daran gebuͤhrte: So haͤtte ja Franckreich/ jhm zum Exempel/
ſich ſelbſt der Spaniſchen Huͤlff vor Roſchellen bedient. Jn Summa/ er forder-
te fuͤnffzehen tauſent Kronen jaͤhrlicher Jntraden/ vnd zwantzig tauſent vor Scha-
den vnnd Vnkoſten/ weil der alte Hertzog das Wort nicht gehalten/ vnnd ſeinem
Sohn dem Cardinal die Tochter nicht gegeben. Darauß man leichtlich abneh-
men koͤnnen/ daß er mit Gewalt verfahren wollen. Darumb begab ſich Chau-
mont
wieder nach Mantua/ als eben Hertzog Vincentz den fuͤnfften Tag hernach
dieſe Welt geſegnet. Zuvor aber hatte Strigio jhn dahin gebracht/ daß er den
Hertzogen von Neuers in offentlichen Patenten/ zu ſeinem einigen vnd rechtmaͤſ-
ſigen Erben aller ſeiner Landen/ vnnd deſſelben Sohn/ den Hertzogen von Rethe-
lois
zu ſeinem General Leutenant laſſen außruffen/ auch verordnet/ daß derſelb
ſeine Nichtin die Princeſſin Maria/ noch vor ſeinem Ende heurahten ſolte. Wel-
cher geſtalt auch die Beampten vnnd Officirer auff den Hertzogen von Neners in
Pflicht genommen worden. Wie nun die Diſpenſation von Rom wenige
Stunden vor deß Hertzogen Todt ankommen/ trieb Strigio, daß ſie vmb neun
Vhr in der Chriſtnacht ſich vermaͤhleten/ Beylager hielten/ vnd gleich darauff deß
Hertzogen Todt vernahmen. Auff dieſe Zeitung verfuͤgte ſich der Hertzog von
Neuers nach Jtalien/ vnd thaͤt ſeinen Einritt zu Mantua bey Endt deß Jenners/
im Jahr 1628.


Hie machten Saphoyen vnd Gonſales de Cordoua, Gubernator zu Mey-
land/ ein Bund/ auff beyden Seiten in das Monferꝛat zufallen/ vnd den Marg-
graffen de Montenigro in das Mantuaniſche zuſenden. Der Kayſer ſchickte
Graff Johann von Naſſaw/ vneracht der Hertzog von Neuers durch den Ertzbi-
ſchoff zu Mantua vmb das Lehen vnderthaͤnig anſuchen laſſen/ als ein Commiſ-
farium/ das Land in Sequeſter zu nehmen/ vnnd alſo zufaſſen/ daß kein Jtaliani-
ſcher Fuͤrſt kein Fuß drinnen ſetzen koͤndte/ biß der Printz von Gaſtales ſein haben-
des Recht vorgebracht vnnd erhalten. Weil aber obgemeldte Liga vmb die Zeit/
da Hertzog Vincentz verſtorben/ bereyt war eingefallen/ vnnd etliche Orth erobert/
brachte der newe Hertzog von Mantua zwoͤlff tauſent Mann zu Fuß/ vnnd zwey
tauſent Reyſſigen ins Feld/ vnnd erſucht den Koͤnig in Franckreich vmb die zuge-
fagte Huͤlff/ dieweil aber der Koͤnig mit den Roſchellern vnnd Engellaͤndern eben
viel zuthun hatte/ erfolgt nichts weiters vor dißmahl/ als daß deß Hertzogen von
Neuers Freunden erlaubet war/ jhm zu zuziehen/ vnd in Franckreich Voͤlcker zu-
werben: alſo daß vnder dem Marggraffen von Beuuron ein gute Anzahl mit ma-
F iijnier
[46]De Statu perturbato Franciæ.
nier vber das Gebuͤrgnach Caſal kommen/ deme der Herꝛ von Guron im Namen
deß Koͤnigs gefolgt/ vnd nach dem im Außfall gebliebenen Beuuron commendirt/
biß der Secours vnder dem Marggraffen von Vxelles, in ſechszehen tauſent
Mann beſtehend/ ankaͤhme/ der aber auß Mangel aller Notturfft zwantzig Tag
auff dem Muſterplatz liegen blieben/ ja gar auß dem Gebuͤrg/ weil keine Victua-
lien erfolgten/ vnd der Hertzog von Saphoyen/ jhnen die Paͤſſe feindlich abſchluge/
nach dem Delphinat ſich lencken muͤſſen.


Vmb dieſe Zeit zweyten ſich auch die Graubuͤndner mit den Veltlinern/
vber den rechten Verſtand jhrer Friedenspuncten/ darinnen vnder anderm verſe-
hen war/ daß vber die kuͤnfftige Spaͤhn die beyde Kronen/ Franckreich vnd Spa-
nien/ zum Entſcheyd ſprechen ſolten. Weil nun Spanien die Sach auff die
lange Banck verſchobe/ ließ es auch der Koͤnig in Franckreich anſtehen/ biß er
ſelbſt in Perſon vber das Gebuͤrgekaͤme. Dannoch trieb der Eyffer den Koͤnig
zu Anfang deß Jahrs 1629. denſelben Zug vorzunehmen. Viel Sachen hin-
derten/ ſonderlich der Winter/ mit Eiß vnd Schnee im Gebuͤrge/ die Saphoyſche
Armee auff den Paͤſſen/ ſo viel veſte Orth vnder wegs/ vnnd dann fuͤnff oder ſechs
Tagreyſen auff deß Feindes Boden/ bey beſorglichem Mangel der Proviand auß
ferꝛn gelegenem Eygenthumb. Darumb kondten jhrer viel im Rath zu Pariß
nicht drein gehellen/ ſonderlich die jenige/ ſo ſich vor dem Spaniſchen Krieg ſcheue-
ten. Aber der Cardinal drang vor/ vnnd verſprach allen gluͤcklichen Fortgang/
weil wenig Spanier in Jtalien/ vnd die Spanier mit Geld nicht gefaßt/ auch die
Staͤnde in Jtalien zum Auffſtand geneygt waͤren. Alſo wurd der Zug beſchloſ-
ſen/ vnd nothwendige Ordre zum marſchieren/ auch wegen allerhand Am̃unition
gegeben. Zuvorderſt aber wurd die Verwaltung Pariß/ vnnd vmbliegender
Landſchafften der alten Koͤnigin anvertraut/ ob ſie ſchon ſich wider den Cardinal
hatte verleyten/ vnnd verbittern laſſen. Der Siegelwarter Marillac ſolte die alte
Ordinantzen von vierzehen Jahren her auffſchlagen/ vnd nach denſelben das Ju-
ſtitijweſen mit Huͤlff deß Parlaments reformieren. So wurden auch die vbrige
Hugonotten in Languedoc zum voͤlligen Gehorſam gebracht.


Deß Koͤnigs Reyß gieng durch Burgund vnd Schampanyen: zu Cha-
lons
fand ſich der Hertzog von Lothringen/ vnnd wolt das Hertzogthumb Bar in
ſeinem eygenen/ vnd nicht in der Gemahlin Namen empfangen: welches jhm ab-
geſchlagen/ vnnd biß zu deß Koͤnigs Widerkunfft verguͤnſtiget ward. Alſo zog
der Koͤnig Lyon vorbey/ wegen der Peſt/ vnd kahm nach Grenobel/ lag ſtill ein acht
Tage/ begehrt Paß an Saphoyen/ vermoͤg der letzten Tractaten/ Caſal zuentſe-
tzen. Der Koͤnig ließ ſich mit Worten nicht auff halten/ vnnd kahm mit groſſen
Tagreyſen ohn ferꝛn von Suſa/ bey dem Paß vnnd Graͤntzen an. Bey Chau-
mont
hatte der Printz von Bemont den Paß verſprochen/ kondt aber ſein Herꝛn
Vattern nicht darzu bereden. Drey Barricades hatte der Hertzog von Sa-
phoyen
[47]De Statu perturbato Franciæ.
phoyen ſetzen/ tieffe Graben ziehen/ vnnd mit Redouten/ der Veſten Gelaſſe auff
dem Felſen zugeſchweigen/ verwahren laſſen: aber Gewalt gieng vor. Dar-
umb nahm der Hertzog den angebottenen Frieden an/ vbergab dem Koͤnig das
Citadelle zu Suſe, vnd die Veſtung Gelaſſe, vnd verſprach allen Vorſchub zuthun.
Auff welche Zeitung Don Cordoua die Belaͤgerung auffgehoben/ vnd den Hun-
gerigen Lufft gemacht hat. Vnder deſſen gab es Haͤndel bey Hoff/ wegen deß
vermeynten Heurahts/ zwiſchen dem Hertzogen von Orleans/ dann ſeine Ge-
mahlin war im Kindelbett geſtorben/ vnnd der Princeſſin von Mantua/ oder ei-
nem Fraͤwlein von Florentz/ daß die alte Koͤnigin dieſe Princeſſin/ ſampt der
Wittwen von Longuenille anhalten/ vnnd au bois de Vincennes ſetzen laſſen/ dar-
uͤber der Hertzog von Orleans nicht wieder nach Hoff kommen/ ſondern nach Or-
leans gereyſet. Der Koͤnig ſchrieb jhm/ die alte Koͤnigin wuͤrde ſie auff ſein be-
gehren wieder auff freyen Fuß ſtellen: vnd der Koͤnigin/ Sie haͤtte wolgethan/
vnnd koͤnde ſie auff begehren wohl folgen laſſen. Wie nun im Monferꝛat alles
wohl beſtellt war/ verfuͤgt ſich der Koͤnig nach Languedoc/ weil der Hertzog von
Rohan eine Verſamblung zu Niſmes gehalten/ vnd ohne deß Engellaͤnders Be-
willigung keinen Frieden annehmen wolte. Der Koͤnig in Spanien ſolte jhm
ſechsmahl hundert tauſẽnt Ducaten/ vnd andern Vorſchub geben/ den Krieg in
Franckreich zuvnderhalten. Darumb ließ der Koͤnig ein Theil Kriegsvoͤlcker
zu vnd vmb Suſen/ vnd zog in Perſon auff Priuas im Land Viuaret: ließ ſtuͤrmen/
vnd das Schloß auß Schrecken vbergeben. An dieſem Orth kam Marillac, der
alten Koͤnigin Proceduren zuentſchuldigen/ vnnd auff jhr Recommendation den
Stab eines Marſchalcks zuerlangen: weil nun der Koͤnig ein abſchlaͤgige Ant-
wort gab/ verꝛeytzten die Neider die alte Koͤnigin/ warumb dem Cardinal nimmer
was abgeſchlagen wuͤrde. Darauff ſie in jhrem begehren fortfuhr/ vnnd jhren
Willen ohne ferꝛnere Widerꝛede gethan wolt haben: dazu auch der Cardinal
ſelbſt gerahten/ etwas aͤrgers bey ſo geſtalten Sachen zuverhüten. Von Priuas
gieng es auff Alets, vnnd andere Orth/ biß der Hertzog von Rohan ſich auch deß
Koͤnigs Willen vndergab/ etliche Jahr auß dem Koͤnigreich zu ſeyn: darneben
auch verſchaffte/ daß der Hugonotten Deputirten ſich auch einſtelleten/ vnnd alle
Gnad von dem Koͤnig erlangeten: darauff dann das Friedens Edict erfol-
get iſt.


Der Koͤnig hatte nun dieſe Landſchafften zu Ruhe gebracht/ vnnd kehrt ſich
wieder nach Pariß: in deme der Cardinal ſeinen Weg nach Montauban genom-
men. Zu Pariß verſuchte man den Cardinal auß dem Sattel zuheben/ warumb
er den Koͤnig im harten Winter vber das Gebuͤrg/ vnd in den Hundstagen/ zu ei-
ner mit Peſtilentz angeſteckten Armee gefuͤhret. Vnd wann der Cardinal was
hochverſtaͤndiges vorbrachte/ deme der Koͤnig nachgieng/ mußte er den Koͤnig
meiſtern: wann auch der Koͤnig nicht eben thaͤt/ was die alte Koͤnigin/ auß ein-
blaſen
[48]De Statu perturbato Franciæ.
blaſen der Neider/ jederweilen vnbefugt begehrte/ mußte der Cardinal jhr hohes
Anſehen vnder die Fuͤſſe tretten. Dem nach vnderließ er/ deme nichts verſchwie-
gen blieb/ im geringſten nicht/ ſein beſtes zuthun: ſchickt Guron, mit zween anſehn-
lichen Hugonotten auß Niſmes in die Statt Montauban/ vnnd bracht alles vnder
deß Koͤnigs Gehorſamb. Es mußte aber ſo groſſe Herꝛlichkeit mit etwas Bit-
terkeit verſaltzen werden: dann ſo bald der Koͤnig wieder nach Pariß kommen/ la-
ge jhm die alte Koͤnigin an/ er ſolte dem Hertzogen von Orleans verbieten/ vmb
die Princeſſin Maria zubulen/ vnd hien gegen machen/ daß er ein Florentiniſches
Fraͤwlein/ ſo der ſchoͤnſten keine war/ zur Ehe nehm. Welches aber ſolchen Ver-
druß gebracht/ daß der Hertzog ſich von Hoff machte/ vnnd nach Lothringen begabe/
vnnd ein Manifeſt außgehen ließ/ Er koͤnte nicht laͤnger zuſehen/ daß das Koͤnig-
reich ſo vbel regiert wuͤrde. Marillac ſolte jhn wieder zu recht bringen/ auß Ver-
ordnung deß Koͤnigs: macht aber ſchier vbel aͤrger/ alſo/ daß auff deß Cardinals
beyrahten der Koͤnig jhm zwar mehr einraumte/ als vor jhm ſeines gleichen nim-
mer gehabt hatte/ doch den Heuraht wegen der alten Koͤnigin an ſeinem Orth ge-
laſſen: vnd jhn ſolcher geſtalt/ doch nach deme der Cardinal vber das Gebuͤrg war
gezogen/ wieder nach Hoff brachte.


Es wolte nit nur die Spanier/ ſondern auch den Hertzogen von Saphoyen/
vnnd den Keyſer verdrieſſen/ daß der Frantzoß im Veltlin/ in Bemont/ im Mon-
ferꝛat vnnd Mantua den Meiſter ſpielete/ vnnd meyneten/ die Tractaten zu Suſa
waͤren abgenoͤthigt geweſen/ doch jhnen vmb ſo viel vortraͤglicher gefallen/ daß
vermoͤg derſelben/ der Koͤnig ſeine Voͤlcker auß Jtalien ſolte abführen/ welche
dann ſo bald nicht wiederkommen moͤchten/ vnnd demnach jhnen freye Handlung
laſſen muͤßten. Darumb fiel der Graff von Merode/ Kayſerlicher Kammer-
herꝛ/ vnverſehener weiſe/ in die Graubuͤndten/ faſſet die Paͤß/ vnnd Thor zwiſchen
Teutſchland vnd Jtalien/ legt ſich in Meyenfeld/ vnnd in die Haupſtatt Cur/ ſetzt
allenthalben Veſten/ ſeine Voͤlcker durch zubringen. Welche Haͤndel der Her-
tzog von Saphoyen angeſponnen/ als waͤre im Mantuaniſchen Weſen die Kay-
ſerliche Hoheit von dem Lehumann lædirt/ vnnd vor Caſal verſchimpfft worden:
ſonſten wacht ſich Spanien veraͤchtlich/ vnnd wuͤrde bald erfahren/ daß es auff
Meyland gemuͤntzt waͤr/ ja daß Genua ſich anderſt erklaͤren ſolte. Wann dann
dieſe beyde Thor/ zu Waſſer vnd Land/ Spanien entgiengen/ muͤßte gantz Naples
verlohren ſeyn. Hierauff nun begehrt gedachter Merode den Paß/ vnnd ließ die
Voͤlcker dem Briefftraͤger auff dem Fuß folgen/ ohne Ankuͤndigung einiger Feh-
de: ja ließ dem Frantzoͤſiſchen Abgeſandten Meſmin in Cur das Loſament mit
Soldaten vmbſtellen/ vnnd alle Schrifften abnehmen. Deßwegen ſchickte der
Koͤnig den Herꝛn von Sabran zu dem Kayſer/ ließ anbringen/ wie er ſeinen
Bundsverwandten in Jtalien nicht haͤtte laſſen koͤnnen/ als der Spanier ohne
einige Vrſach denſelben vberzogen: wie er auch ſich ſeines in Handen habenden
Vortheils
[49]De Statu perturbato Franciæ.
Vortheils nicht gebrauchen wollen/ ſondern ſeine Voͤlcker wieder abgefuͤhrt: al-
lein wolte der Kayſer dem Hertzogen von Neuers das Lehen/ darumb er bereyt vn-
derthaͤnig angeſucht haͤtte/ dermahl eins verleihen: mit einem ſondern Anhang/
daß deß Merode verfahren wieder der Voͤlcker Rechte/ ja wieder die vorige Ver-
traͤge lieffe. Aber der Kayſer wolte ſich verwundern/ daß ſich der Koͤnig in die
Reichshaͤndel einmiſchte/ da doch der Kayſer einem jeden ſein Recht wolte wieder-
fahren laſſen: zumahl der Koͤnig ſolcher geſtalt deß Hertzogen von Mantua euſſer-
ſtes Verderben foͤrderte. Der Koͤnig konde jhm dieſes alles leichtlich vorbilden:
darumb befahl er dem Hertzogen von Saphoyen anzukuͤnden/ daß hiermit wieder
die Tractaten zu Suſa gehandelt waͤr/ welche er mit Mund vnnd Feder zu Hand-
haben ſich verpflichtet haͤtte/ vnd demnach ſeine Waffen zu den Frantzoͤſifchen ſe-
tzen muͤſte: ſeiner runden vnnd endlichen Reſolution hieruͤber erwartend. Der
Hertzog thaͤt/ als wißte er der Kayſeriſchen Voͤlcker Jntent nicht/ antwort/ ſie
giengen Mantua nicht an: doch/ ſo die Frantzoſen abzoͤgen/ wie es Spanien be-
gehrte/ wolt er auch daran ſeyn/ daß die Kayſeriſche auch den Fuß zu ruͤck ziehen
ſolten/ ob ſchon der Kayſer hierin offendirt waͤr/ daß der Koͤnig ſich deß Hertzogen
von Mantua/ welcher deß Kayſers Lehenmann/ ſo eyfferig annemen wollen. Der
Koͤnig ließ antworten/ da der Kayſer den rechtmaͤſſigen Erben das Lehen ertheyl-
te/ wolte er ſeine Voͤlcker abfuͤhren/ haͤtte ſich auch der Mantuaniſchen Strittig-
keiten gegen Saphoyen nicht als ein Richter/ ſondern ein Mittelmann angenom-
men: muͤßte dannoch wiſſen/ ob Saphoyen die Suſiſche Tractaten halten/ vnnd
ſich zu jhm ſchlagen wolte. Darauff eine Antwort von der Neutralitaͤt vnd von
dem Stillſitzen erfolgte.


Als nun Spanien bey den Schweitzern jnſtaͤndig anhielte/ ſchickte der Koͤ-
nig den von Leon auch ins Land/ vnnd erhielt den fünfften Auguſti zu Solohurn/
daß ein gemeiner Schluß geſchah/ an den Kayſer zuſchreiben/ da er ſeine Voͤlcker
nicht abführen/ vnnd die Graubuͤnden nicht wieder frey machen wolte/ wuͤrden ſie
ſich alle zu dem Koͤnig in Franckreich ſchlagen. Aber der Spanier ſchickt den
Caſſale, vnnd braucht ſich ſo ſehr/ daß der Schluß geaͤndert/ vnnd dahin gemittelt
worden/ daß die Schweitzer etliche Kriegs Voͤlcker im Land hielten/ vnnd den
Kayſeriſchen ferꝛnern Einbruch verwehren ſolten. Alſo wird nun Cur vnnd
Meyenfeld ein Anfang zum Krieg/ vnd ein Loch/ durch welches derſelbe in Jtalien
eingebrochen/ vns zeygen: dann vnder dem Marggraffen Spinola zwo Armeen
hienein gezogen/ welcher in den Niederlanden alles ſtehen vnd gehen laſſen/ damit
er zuvorderſt Genua mit Spanien wieder veſt machte/ ſo er auch dem Spanier zũ
hoͤchſten Dienſt trewlich vnnd glücklich verꝛichtet: macht groſſen Vorꝛaht an Ge-
traid/ rufft Friede/ Friede/ biß ſeine Voͤlcker all heran kommen: da fiel er in den
Monferꝛat/ nahete ſich zu Caſal/ vnderfieng doch keine Belaͤgerung/ weil er ſich
deß Frantzoͤſiſchen Entſatzes befahrte/ nach dem die Hugonotten den Koͤnig nicht
Gmehr
[50]De Statu perturbato Franciæ.
mehr daheim behielten. Hoffete doch/ die Haͤndel bey Hoff/ vnnd die Zeit deß
Jahrs ſolten/ zumahl wann er Caſal vnnd Colalto mit den Teutſchen Voͤlckern
Mantua zugleich angriffen. Der Oberſt Durand kam in Mantua/ vnnd thaͤt
manchen Außfall/ ſonderlich da die Teutſchen die Vorſtatt einbekommen hatten.
Der Koͤnig konde ſo geſchwind nicht anziehen/ darumb verſchuff er/ daß die Vene-
tianer dem Hertzogen manchmahl/ Geldt/ Proviand/ vnnd etwas an Volck zuge-
ſand/ dieweil ſie eben vngern ſehen/ daß das Hauß Oeſterꝛeich in Jtalien ſo gar
maͤchtig wurde. Der Koͤnig in Franckreich hatte Luſt/ den Zug abermahl ſelbſt
zuthun/ weil aber die Hertzogen von Saphoyen vnd Lohringen/ neben andern/ den
Hertzogen von Orleans gern haͤtten mit einer maͤchtigen Armee ſehen in Franck-
reich fallen/ deßwegen auch der Cardinal nur in den letzeen Tagen deß Jahrs von
Pariß auffgebrochen/ war deß Koͤnigs Gegenwart im Land zum noͤhtigſten: der
dann auff deß Cardinals einreden/ alle Schuld deß außweichens auff die Diener/
vnnd Mißgoͤnner geworffen/ vnd ſolcher geſtalt den Hertzogen von Orleans aber-
mahl wieder nach Hoff gebracht: alſo daß der Cardinal deſto freyer/ vnd ohne ruͤck-
dencken vber das Gebuͤrg gehen koͤnnen.


Ehe die Jtalianiſche Haͤndel angiengen/ haͤtte der Cardinal ein wachendes
Auge auff Teutſchland/ vnd wolte ſehen/ wie das Hauß Oeſterꝛeich ſeine ſiegreiche
Waffen fuͤhren wuͤrde: welches aber mit Eroberung deß Koͤnigreichs Boͤhmen
nicht zufrieden war/ vnnd den Nieder Saͤchſiſchen Krayß angezapffet/ an welchem
Orth/ als ferꝛn von Franckreich gelegen/ dannoch die noͤhtige Vorſorg geſchehen.
Weil aber vnder dem Schein den Pfaltzgraffen zuverfolgen/ die Spanier in die
Vnder Pfaltz geniſtelt/ vnnd den Rheinſtrom gefaſſet: auch allem Anſehen nach/
die Kayſerliche Hoheit bey dem Hauß Oeſterꝛeich bleiben ſolte: gedachte der Car-
dinal/ es muͤßte der Koͤnig/ wegen deß Obern Elſaß/ deß Hertzogthumbs Lothrin-
gen/ der Vndern Pfaltz/ deß Luͤtzelburger/ vnd Guͤlchiſchen Lands/ auff dieſer Sei-
ten nichts verabſaumen/ ſondern ſo wohl den Staad verwahren/ als dem Spa-
nier Abbruch thun: zumahl die Strittig keit wegen Verdun/ vnd das diſputierli-
che Lehen wegen deß Hertzogthumbs Bar/ mit Gelegenheit was wichtiges abge-
ben kondten. Darumb wurd der Herꝛ von Marcheuille an beyde Churfuͤrſten/
Bayern vnd Trier geſand/ deſſen fuͤrnembſte Verꝛichtung ſeyn ſolte/ daß er ſie zu
Stifftung/ eines Friedens im Roͤmiſchen Reich vermahnte: ſonderlich aber ver-
nehme/ wie es mit deß Kayſers Vorhaben/ ſeinen Sohn/ den Koͤnig in Hungarn/
zum Roͤmiſchen Koͤnig zumachen/ ablauffen moͤchte: nicht/ ſolches offentlich zu-
verhindern/ ſondern nur dem Churfuͤrſten in Bayern von ſolcher wuͤrde Anreg-
ung zuthun/ welche bey einem geringern Hauß als Oeſterꝛeich/ beſſere Gleichheit
vnnd Sicherheit vnder den Staͤnden vnderhalten wuͤrde. Vnnd im fall dieſes
nicht angienge/ vnder der Hand erinnern/ deß Kayſers Perſon halben haͤtte man
nicht zueilen/ vnnd wuͤrde der Verzug jhnen auch bey dem Kayſer ſelbſt nur deſto
groͤſſer
[51]De Statu perturbato Franciæ.
groͤſſer Anſehen machen/ da ſie im vbrigen nicht viel ſolten geachtet werden. Jn
allem fall koͤnden ſie den ſo hochnoͤhtigen Frieden/ dadurch erhalten: vnd im widri-
gen den Krieg verlaͤngern. Den andern Puncten belangend/ ob ſolte der Koͤ-
nig den Pfaltzgraffen/ auff jhre Vnderhaltung/ in das Koͤnigreich nehmen/ darzu
koͤnd Jhre Majeſtaͤt nicht verſtehen/ weil es der Koͤniglichen Wuͤrde nachtheilig
ſeyn ſolt/ von einem auffgenommenen Fuͤrſten Koſtgeld nehmen: So koͤnde er
ſich auch ohne Noth eines ſolchen nicht geringen Laſtes nicht vnderfangen: darzu
dann auch die bloſſe Verheiſſungen nicht genugſam waͤren. Vnd da dieſer jnn-
ge Fuͤrſt in Franckreich ſich enthielte/ koͤndte der Koͤnig zu keinem Frieden in
Teutſchland auſſer ſeiner Reſtitution verſtehen. Der dritte Punct betraff Trier
allein/ vnnd wurd mit keinem Menſchen beredet/ aber mit guͤlden Ketten veſt ge-
macht/ damit ſich einer zu dem andern alles guts zuverſehen haͤtte. Der letzte
Punct betraff den Frieden/ oder ein Stillſtand/ weil die Waffen in Nieder Sach-
ſen was vngluͤcklich waren/ vnnd ſo wol die Catholiſchen/ als Proteſtirenden da-
durch geſchwaͤcht wurden/ daß Franckreich endlich ein Einſehen haben muͤſſen/
welches wegen der Hugonotten vnd deß Kriegs in Jtalien nicht wohl ſeyn kondte.
Zumahl ſolte er auff ein Churfuͤrſten Perſoͤnlichen Tag dringen/ weil die Raͤhte
mehrentheils von dem Hauß Oeſterꝛeich Jahrgelder haͤtten. Wann ſie nun
verſprechen wolten/ den Kayſer zum Frieden zuhalten/ vnnd ſelbſt darzu verſtuͤn-
den/ auch gleich ein Churfuͤrſten Tag hielten/ vnnd die vhralte Vereynigung mit
Franckreich vernewerten/ ſolte am Koͤnig auff dem Marck kein Mangel erſchet-
nen. Darauff erfolgt der Churfürſten Tag zu Muͤlhauſen/ vnnd gewiſſe Hoff-
nung eines Friedens auff das folgende Jahr/ welchen Oeſterꝛeich zuhindern
Mühe that.


Aber wieder auff den Cardinal von Riſcheliu zukommen/ berichten wir/ daß
er den Koͤnig wiſſen laſſen/ was vor vntrewe Haͤndel der Hertzog von Saphoyen
triebe: darumb der Koͤnig ſich nicht laͤnger halten ließ/ vnd nach dem er durch den
Marſchalck von Eſtree zu wegen gebracht/ daß die Venetianer zwoͤlff tauſent
Mann zu Fuß/ vnnd drey tauſent Pferdt/ dem Hertzogen von Mantua zum
beſten/ in das Feld geſtelt/ muſte er die alte Koͤnigin an der Seiten haben/ welche
den Cardinal/ vnnd den Hertzogen von Mantua jnniglich haſſete/ den Koͤnig von
jhnen abwendig zumachen. Der Hertzog von Saphoyen ſolte/ vermoͤg der
Tractaten zu Suſa/ ſeine Voͤlcker heran fuͤhren/ wolte aber nicht: ſondern be-
gehrt eine Vnderꝛedung/ ſo jhm abgeſchlagen wurde. Dennoch kondte er den
Paß nicht abſchlagen/ erlaubete aber ſuͤmpffichte Wege/ vnnd lieffert die Pro-
viand vierzehen Tag zulangſamb/ ob er ſchon das Geld zuvor gezogen/ mit aller-
hand vnguͤltigen Auffſchuͤben: neben verſchiedenen Vortraͤgen zu einem Frie-
den nur den Spaniſchen zum Vortheil. Der Cardinal ließ alles/ gleichſamb
vnvermerckt geſchehen/ biß Caſal gegen einer Belaͤgerung genugſamb verſehen
G ijwar
[52]De Statu perturbato Franciæ.
war. Der Printz von Bemont beſuchte den Cardinal etliche mahl/ vnnd konde
jhn doch nicht auß dem Buſch locken: dann er auch die Armee von Caſal abwerts/
dem Saphoyer vber den Halß zoge/ ob er ſeine Voͤlcker wolte zu dieſen ſtoſſen/ wie
er dann deſſen zum oͤfftern erinnert worden. Der Cardinal befand im Kriegs-
raht/ daß man jhn feindlich angreiffen ſolte. Alſo ſetzt die Armee den ſiebenzehen-
den Mertz 1630. vber den Fluß Doria, vnnd der Hertzog von Saphoyen fuͤhrt ſeine
Voͤlcker nach Thurin, der Cardinal zog ſich dahin/ vnnd macht/ daß Pignerol vn-
verwahrt ſtund: aber er wendet ſich vnverſehens/ vnd bracht die Statt nach dem
zwey vnnd zwantzigſten in ſein Gewalt: mußte das Schloß mit vnvberwindlicher
Macht beſchlieſſen/ das ſich doch bald ergeben. Perufe, Mireburg vnd Brickeras
folgten/ aber ein Realſchantz in eil auffgeworffen/ verſicherte den Paß nach dem
Delphinat/ vber etliche Thaͤler. Der Koͤnig vmbfing ſeinen Bruder zu Troyes/
vnd wolt jhn das eine Knie nicht laſſen auff den Boden ſetzen: befahl jhm die Ar-
mee in Schampanien/ vnnd das Gubernament vber Pariß/ vnnd nechſte Land-
ſchafften. Zog durch Dyon/ vnd Lyon/ empfing den Cardinal zu Grenobel/ vnd
verſtund/ daß der Hertzog von Saphoyen/ ſo man jhm Pignerol widergebe/ vom
Frieden tractieren wolte. Der Kriegsraht konde nicht darzu verſtehen/ darumb
kam der Koͤnig geſchwind vor Chambery/ vnd ſahe die Thor offen den achtzehendẽ
May/ Anneſy vnnd Romilly folgten/ ſampt etlichen Schloͤſſern. Der Printz
Thomas wiche zu ruͤck im Land Tarantaiſe, ob er ſchon ſich wohl in der enge auff-
halten koͤnnen. Hiedurch kond der Koͤnig vngehindert nach Genff reychen/ vnd
ſahe drey Laͤger zu gleich/ auß einem Gemach/ vor Momeillen/ Scharbonnieren
vnd Læuille: legt ein Veſtung zu Eingang deß Thals Moriennen/ vnd hielt gantz
Saphoyen in/ daß auch der Hertzog mit ſeinen Voͤlckern nicht hienein kommen
koͤnnen.


Bey ſo geſtalten Sachen kondte die alte Koͤnigin jhr Spaniſch Gemuͤth nit
laͤnger verbergen/ ließ jhr traͤumen/ die Spanier fielen in Franckreich/ vnd ſenge-
ten vnd brenneten/ wolt dem Koͤnig bang machen/ vnd zwang jhn gleichſam nach
Lyon zukommen/ ob ſchon ſeine Voͤlcker ſich ſehr verlieffen/ als ſolte er nicht wieder
zur Armee kommen: welches doch nach dreyen Tagen mit groͤſtem Vnwillen der
alten Koͤnigin/ vnd deß Siegelwarters Marillac geſchehen. Weil aber im Thal
Moriennen jhn ein Fieber anſtieß/ ließ er ſich bereden/ nach Lyon zuziehen. Der
Cardinal blieb bey den Voͤlckern/ deren/ die Peſt zwey dritte Theil hienriſſe: weil
nun Marillac jmmer zu Vrſach funden/ mit ſeiner Armee in Schampanien zublei-
ben/ als ob die Kayſeriſche Voͤlcker jetzt wuͤrden einbrechen/ da es doch darumb zu-
thun war/ daß er allein commandiren wolte: mußte der Cardinal nach Lyon/ zum
Koͤnig/ vnder deſſen ſtaͤrckt ſich Colalto auß Teutſchland/ vnnd ſchlug die Frantzo-
ſen vnd Venetianer/ erobert auch die Statt Mantua ſelbſt den acht zehenden Ju-
lij/ durch heymblichen Verſtand deß Gaſtalen/ der an das Hertzogthumb præten-
dirte.
[53]De Statu perturbato Franciæ.
dirte. Daran deß Gaſtalen corꝛeſpondentzen/ der Venetianer Saumigkeit/ vnd
deß Hertzogen vberſehen/ bey Erſetzung der Beſatzung Vrſach geweſen. Aber
Caſal wurd weit anderſt verwahrt/ was auch der Sinnreiche Spinola vor Ge-
walt vnd Kunſt brauchen koͤnnen. Der haͤtte in den Niederlanden zuthun/ weil
Franckreich den Hollaͤndern ſo gute Wort gegeben/ daß ſie weder Frieden noch
Stillſtand mit Spanien eingehen wollen/ ſondern jhren Bund auß gutachten deß
Cardinals ernewert. So war ſeine Reputation vor Caſal zu weit verpfaͤndet/
vnd durch deß Colalto Verꝛichtung an Mantua mehr dann zuviel erhitzet. Dar-
umb eilte der Cardinal/ daß friſche Voͤlcker vber das Gebuͤrg giengen/ vnnd zwar
vnder dem Commando deß Momorancy/ la Force vnnd D’Effiat, die mit dem O-
berncommando/ vnnd mit den dreyen Theilen der Armee wochentlich vmbwech-
ſelten/ allen Eyffer vnnd Neid zu meyden. Sie ſchlugen ſich durch den Paß bey
Veillane, vnnd eroberten Saluces, ſo Pignerol nicht viel vngleich war. Als nun
Veillane auch verlohren gieng/ gedachte der Hertzog von Saphoyen ſich zuvertra-
gen/ vnd wie eines nach dem andern dem Feind in die Haͤnde gerieth/ bekilmmert
er ſich/ daß er vber wenig Tag geſtorben. Der Printz von Bemont vnderfing
das gantze Weſen/ muſte aber leiden/ daß die Frantzoſen Villefranche, Pancallier,
vnnd die Bruͤck zu Carignan, demnach den Paß vber den Po/ nach Caſal einnah-
men/ ob ſchon Saphoyer/ Spanier vnd Teutſchen ihnen mit Macht widerſtunden.
Darumb er anfing/ nachzu ſinnen/ die Spanier wurden das Schloß zu Caſal nicht
niederꝛeiſſen/ ob ſie es gleich einbekaͤm̃en/ ſo waͤr mit einem Hertzogen von Man-
tuabeſſer außzukommen/ als mit den Spani ern: zumahl man ſich wegen ſeiner
Anforderung/ mit jhm vergleichen wolte/ vnd er der Frantzoͤſiſchen Macht gar nit
gewachſen ſeyn koͤnde.


Allhie brachte Mazarini, ſo von langer Hand her mit dem Frieden ſich bemuͤ-
het/ man ſolte Statt vnd Schloß Caſal dem Spinola/ damit er vnd die Spanier ja
etwas verꝛicht haͤtten/ einraumen/ vnd das Citadelle vor ſich ſelbſt laſſen: koͤnd es
in dreyſſig Tagen ſecourirt werden/ ſolt Spinola abziehen/ wo nicht das Citadel-
le
auch bekommen: welches der Cardinal nimmermehr ſolt eingangen haben.
Weil aber bey zerſchlagenen Tractaten der Hertzog von Saphoyen wollen auff die
Frantzoͤſiſche Seiten tretten/ Caſal nicht laͤnger halten konde/ vnd der Entſatz vber
alle maſſen ſchwehr fiel/ wird ſolches nothwendiger weiſe paſſieret. Vnder deſſen
wurd der Koͤnig gantz gefaͤhrlich kranck/ darumb man mit jhm nach Pariſleilete:
allda der Cardinal ſehen muͤſſen/ daß alle ſeine vnderthaͤnige Dienſte deratn
Koͤnigin vnannehmlich/ vnnd ſeine Perſon gantz verhaßt geweſen: alſo daß der
Koͤnig deß vielen ſtichelens vnd verleumb dens vber druͤſſig/ nach Verſailles ſpatzie-
ren fuhr. Weil er nun wußte/ daß alles von den beyden Marillac herꝛuͤhrete/
ließ er dem einen das Siegel nehmen/ vnd jhn nach Liſieux ſetzen: vnd den andern
in Jtalien greiffen/ vnd ins Schloß S. Menehoud gefangen legen/ damit ſie nicht
G iijdie
[54]De Statu perturbato Franciæ.
die alte Koͤnigin vnnd den Koͤnig endlich gar wider einander verhetzen moͤchten.
Bey wehrender Vnpaͤßlichkeit deß Koͤnigs/ vnnd verworꝛenen Hoffboſſen/ wie
das Mantuaniſche Weſen/ noch vor dem End deß obigen Stillſtands vertragen/
wie der Hertzog von Saphoyen/ Mazarini vnd Colalto auß Teutſchland Bericht
erhalten/ daß deß Koͤnigs Geſandter Leon den Frieden geſchloſſen/ den auch S. E-
ſtienne
den Generalen vberbrachte/ jnhaltend/ daß der Kayſer den Hertzogen mit
Mantua vnnd Monferꝛat belehnen wolte/ wann er jhm Statt/ Schloß vnnd Ci-
tadelle/ Caſal einraumete. Es ſolte aber die Belehnung in ſechs Wochen ge-
ſchehen/ vnnd deß Kayſers Volck vierzehen Tag hernach auß Mantua/ wie auch
die Spanier auß Caſal vnd den Orthen deß Monferꝛats ziehen. Welche Ver-
weilung wegen graſſirender Peſt/ vnnd Mangel an Proviand den Frantzoͤſiſchen
Generalen beſchwerlich fiel. Zumahl die Spanier nicht vnderſchrieben hatten/
vnnd ſolcher geſtalt Caſal vberꝛumpeln wuͤrden/ welches der Cardinal wohl von
ferꝛn geſehen/ aber dieſes ſtuͤcklein/ deß Kayſers Gemuͤth zupruͤffen/ mit fleiß wa-
gen wollen: das jhnen doch die Generalen nicht einbilden koͤnnen. Zogen alſo
auff Caſal/ machten eine Schlacht Ordnung/ vnd wolten den Angriff thun: wel-
chen Mazarini verhindert/ als er den Abzug der Spanier verſicherte/ wann nur
der Orth einem Kayſeriſchen Commiſſario abgetretten wuͤrde. Als nun die
Kayſeriſche vnd Spaniſche ſo langſam auß dem Monferꝛat abgezogen/ vnnd ſich
vmb Caſal legten/ machten ſich drey Regimenter Frantzoſen wieder hienein/ kei-
ner andern geſtalt/ als biß die Teutſche Voͤlcker gar auß dem Land waͤren.
Vnnd auff dieſe Weiſe hat ſich der Mamuaniſche Krieg
vor dißmahl geendet vnd ge-
ſchlichtet.



Der
[55]De Statu perturbato Franciæ.

Der 6. Diſcurß.


Der Schwed faͤllt in Teutſchland/ die alte Koͤnigin will
den Cardinal [r]uiniren: macht daß der Monſieur deßwegen von Hoff zieht. Wird
ſelbſt von Hoff gehalten: vnnd nach Bruͤſſell/ der Monſieur nach Burgund gewi-
chen. Klag vber den Cardinal vnd Koͤnig: Bund zwiſchen dem Koͤnig vnd Schwe-
den. Fried in Jtalien. Pignerol bleibt den Frantzoſen. Bund mit Bayern.
Execution wider die Meutmacher. Der Koͤnig kompt ins Biſtumb Metz/ macht
ein vnbeſtaͤndigen Frieden mit Lothringen. Deß Monſieurs Heuraht. Still-
ſtand vor die Liga. Trier gibt ſich in Frantzoͤſichen Schutz/ vnnd wird wieder ein-
geſetzt. Der Bapſt erzeigt ſich Frantzoͤſiſch.


NVn koͤnde der Koͤnig nicht Frieden haben: dann vnder
deſſen derſelbe mit den Hugonotten/ vnd in Jtalien ſeine Geſchaͤfften ge-
habt/ war das Hauß Oeſterꝛeich fortgefahren/ vnnd etliche Fuͤrſten in
Teutſchland verſtoſſen/ auch Staͤtte vnderdrucket. Darumb der Pfaltzgraff die
Hertzogen von Pommern vnd Mecklenburg/ der Marggraff von Brandenburg/
ſampt etlichen freyen Staͤtten/ den Koͤnig in Schweden vmb Huͤlff angeruffen:
welcher jhnen vmb ſo viel lieber willfahren wollen/ weil jhm der Kayſer ſeine
Schreiben auffgefangen/ geoͤffnet/ vnnd außgeziffert: ſeine Vnderthaͤnen auff
dem Balthiſchen Meer beraubt vnd gefangen/ auch jhnen den Handel verbotten:
den Vergleich mit Poln gehindert: gantze Armeen wider jhn in Preuſſen ge-
ſchickt: ſeine fried fertige Geſandten verhoͤnet vñ abgewieſen: ſeine Blutsfreunde
von Land vnd Leuthen vertrieben. Alſo laͤndet er im Junio in der Jnſel Ruͤgen/
erobert die Jnſel/ macht der Statt Stralſund Lufft/ weil er ſie vor zweyen Jah-
ren in Schutz genommen: vmb welche Zeit auff dem Reichstag zu Regenſpurg
beſchloſſen worden/ jhn alſo bald wieder vber See zuweiſen. Weil nun der
Schwed ſahe/ daß er die groſſe vnd ſiegreiche Macht deß Hauſes Oeſterꝛeich nicht
wuͤrde allein angreiffen vnd ſchwaͤchen koͤnnen/ ſchrieb er an den Koͤnig im Sep-
tember/ vnd erhielt durch ſeine Geſandten gute Antwort. Der Cardinal nahm
Zeit/ die Tractaten auffzuſetzen/ vnd gedachte vor allen Dingen die Catholiſche
Religion wohl zuverwahren.


Sein Geiſt wurd jmmerzu an loͤblichen Gedancken gehindert/ ſonderlich
wegen der Feindſchafft/ ſo die alte Koͤnigin auff jhn geworffen hatte: dannoch
bracht er zuwegen/ daß der Koͤnig dem Momorancy ein Marſchalck Stab geben/
vnd
[56]De Statu perturbato Franciæ.
vnd den Hertzogen von Vandôme wieder auff freyen Fuß geſtelt/ doch mit der
Bedingung/ daß er auff eine Zeitlang von Hoff bliebe/ vnud auſſerhalb deß Koͤ-
nigreichs ſich enthielte. Aber die alte Koͤnigin wolte in dieſem ein vnnd dreyſſig-
ſten Jahr den Cardinal ſtuͤrtzen: derſelb kondte wohl leiden/ daß man ſie nicht we-
niger als den Koͤnig ehrete: daß ſie mehr Einkommen zoͤge/ als die drey Koͤnigliche
Wittwen zuſampt: daß ſie den Luͤtzelburger Hoff dem Louure ſchier gleich bawe-
te: daß ſie bey allen vnd jeden Berahtſchlagungẽ ſich fande: daß der Koͤnig bey ſei-
nem verꝛeyſen jhr das Gubernament vber Pariß vnnd nechſte Landſchafften ließ:
daß die außlaͤndiſche Geſandten ſich bey jhr hielten/ vnnd deß Koͤnigs Will vnnd
Meynung auß jhrem Mund vernehmen. Aber die Ohrenblaͤſer verhetzten ſie/
daß ſie immerzu klagte/ weil nicht eben alles vnd jedes in Staad ſachen nach jhrem
Sinn gienge/ als ob der Cardinal/ der die Wolfahrt der Kron/ vnnd deß Koͤnigs
Sicherheit allem andern Reſpect vorzoge/ ſie in einem vnnd anderm hinderte.
Darumb gedachte ſie/ der Koͤnig wuͤrde endlich jhren Willen thun: vnd den Car-
dinal abſchaffen: ſo waͤr es jhrer Hoheit ein groſſer Schimpff/ da ein Diener mehr/
als eine Mutter gelten ſolte. Aber jhre Favoriten ſchuben am Karꝛn/ damit das
Vngluͤck vnnd die Rache nicht vber ſie kaͤme. Die Spaniſche Favoriten/ die
Princeſſin von Conty, die Hertzoginnen von Elbœuf vnd Ornano lagen der alten
Koͤnigin jmmer zu in den Ohren/ alſo daß kein ander Anbringen ſtatt finden koͤn-
nen. Auch blieb der Verdruß/ daß Mantua dem Hertzogen von Neuers wieder
ſolte zukommen: So wenig bedachten dieſe Damen deß Reichs Wohlfarth oder
Nachtheil. Deß Koͤnigs Beichtvatter/ Suffren, der Baͤpſtiſche Nuntius Bagny,
der Koͤnig ſelbſt thaͤten alle Muͤhe/ dieſen Mißverſtand beyzulegen/ weil die alte
Koͤnigin nicht mehr wolte in Raht kommen/ da der Cardinal ſitzend waͤr: endlich
geſchah ein Verſoͤhnung im Luͤtzelbergerhoff/ aber mit ſolchen Gebaͤrden/ Augen
vnd Worten/ daß man wohl ſpuͤhrte/ wie lang es dauren wuͤrde. Dann auch der
Marſchalck von Schomberg/ mit Erweiſung jhrer eygenen Gefahr/ im fall der
Koͤnig von jhr ablieſſe/ vnd den Saad zuvorderſt beobachten ſolte/ nichts verfan-
gen koͤnnen. Ja ſie wolte dem Cardinal nicht verzeihen/ als auch der Koͤnig in
deſſelben Namen Abbitt thaͤt/ vnnd in ſeinem Namen jnſtaͤndig darumb an-
hielte.


Solcher vnbewegliche Sinn mißfiele dem Hertzogen von Orleans ſelbſt/
bekennete/ die alte Koͤnigin waͤr zwar deß Koͤnigs Mutter/ doch auch Vnderthanin/
daß verdroß ſie ſo ſehr/ daß ſie es jhm hoͤchlich verwieſen vnd auffgeropfft/ aber auch
auff alle manieren getrachtet/ jhm ſolchen Sinn zunehmen/ vnd jhn auff jhr Seit
zubringen. Zu dem Ende bracht ſie Coigneux, Puis laurens vnnd Monſigot, de-
nen der Koͤnig eben deßwegen groſſe Gnaden vnnd Verehrungen gethan/ daß ſie
den Hertzogen von Orleans ſolten/ als ſeine geheymeſte/ bey guter Reſolution er-
halten/ durch ſonderliche Practicken an jhren Reyhen: der erſte ſolt an deß Car-
dinals
[57]De Statu perturbato Franciæ.
dinals Stelle kommen. Darumb er dem Cardinal alles Vnheyls Schuld gab/
vnd noch dichtet/ der Koͤnig wolte ſeinen Bruder au bois de Vincennes ſetzen laſ-
ſen/ daß er jhn nur vom Hoff/ in Widerwillen braͤchte. Der ander ſolte durch
deß Koͤnigs Verſchaffung/ ein Cardinals Stelle erlangen/ weil aber nach den
Romaniſchen Geſatzen kein zweymahl Verheurahter ſolche Wuͤrde tragen kond/
wurd der Handel verzogen/ vnd dem Cardinal Riſcheliu zugemeſſen. Der dritte
war von nichts zu etwas kommen/ vnnd hatte von nirgend her andere Promotion
zugewarten. Monſteur ſonſten genannt der Hertzog von Orleans/ oder deß Koͤ-
nigs einiger Bruder/ kam zum Cardinal/ kuͤndet jhm alle Freundſchafft auff/ vnd
wolte der alten Koͤnigin Parthey halten: ſtieg wieder in die Gutſch/ vnd fuhr ohn
Abſchied vom Koͤnig/ nach Orleans/ der Koͤnig kahm von der Jagt/ zum Cardi-
nal/ verſichert jhn aller Koͤniglichen Gnad vnd Verwahrung: bezeugte der alten
Koͤnigin alſo bald ſein groſſes Mißfallen/ vnnd daß ſie auch mit den Haͤndeln zu-
thun haͤtte/ welches ſie aber nach Muͤglichkeit/ doch vergeblich ablehnete. Doch
kam ſie nicht mehr in Raht/ ließ ſich bereden/ die halbe Welt wuͤrde dem Monſieur
zulauffen/ vnnd dem Koͤnig warm genug machen: welcher dann wohl verſtunde/
daß hiedurch ſeine Jtalianiſche Haͤndel in einſtecken geriethen: daß aber auch eine
Koͤnigin koͤnde zur Straff gezogen/ vnnd in einem boͤſen Vornehmen gehindert
werden. Man muͤſte dermahl eins die vnruhige Koͤpff von jhr thun/ vnnd ſie in
eine wohlverwahrte Statt/ weit von Hoffſetzen. Doch wolt er noch nicht zu ſol-
chen Extraͤmiteten kommen/ ſondern ſelbſt ſich abſentiren/ vnd eine zeitlang zu
Compiegne Hoff halten: aber die alte Koͤnigin wolt in Pariß nicht bleiben/ zog
dem Koͤnig nach/ vnnd bildet jhm ſtaͤttigs vor/ was groſſer Auffſtand ſich im gan-
tzen Koͤnigreich wider jhn erꝛegte. Der Koͤnig beſucht ſie gar offt/ mit allem Re-
ſpect/ bathe/ die Ohrenblaͤſer/ ſo auff eygnen Nutzen ſehen/ abzuſchaffen: er wolte
jhr zugefallen die beyde Marillac wieder begnadigen/ ſie ſolte nur deß Cardinals
Perſon belieben: ließ ſie durch Chaſteaureuf vnd Schamberg erſuchen/ wieder in
Raht zukommen/ vnnd von den Haͤndeln abzulaſſen. Sie antwortet aber/ Sie
waͤr aller Geſchaͤfften muͤde/ vnnd wolt mit dem Raht nichts mehr zuthun haben.
Der Koͤnig hielt Raht hieruͤber/ wie er dem gemeinen Weſen helffen/ vnd die alte
Koͤnigin von Hoff bringen ſolte. Als der Cardinal ſolches vermerckt/ begehrt er
ſeinen Abſchied/ ob dadurch die alte Koͤnigin zu frieden ſeyn/ vnnd der Staad zu
Ruh kommen koͤnde/ wann nur ſolches mit Koͤniglichen Gnaden geſchehe. Weil
nun jederman ſahe/ daß man der alten Koͤnigin allen genuͤgen thaͤte/ nahm ſich
der Koͤnig vor/ ſie zubitten/ daß ſie ein Zeitlang von Hoff bleiben wolte/ welches
auff dieſe Manier abgieng. Der Koͤnig nahm die Jagt vor/ erſucht die alte Koͤ-
nigin/ mit zuziehen/ befabl dem von Eſtree ſich nahe bey jhr zuhalten/ vnnd daß et-
liche Kriegsvoͤlcker allen vermuthlichen Tumult in Compiegne verhuͤteten. Ließ
noch/ ehe er zu Pferd ſaß/ den Herꝛn de la Villeaux Cleris jhr andeuten/ Er ver-
Hreyſe
[58]De Statu perturbato Franciæ.
reyſe ohne Abſchied/ damit ſie an ſeinem begehren kein Verdruß haͤtte: vnnd weil
jhr das Schloß de Moulins hiebeuor zu einem Wittum Sitz vor ſo vielen andern
gefallen/ moͤchte ſie mit jhrem gantzen Staad daſelbſt in aller Freyheit vnnd vollen
Ehren/ neben dem Gubernament vber die Landſchafft Bourbonnois eine Zeitlang
wohnen: der Beichtvatter Suffren ſolt jhr dergleichen vermelden. Wie nun
Eſtrée ſich anmeldet/ ſagt ſie alſo bald/ ſie ſehe jetzt jhr zweytes Gefaͤngnuß/ gab ſich
doch zu frieden/ als er jhr betheurte/ er kaͤme jhr nur auffzuwarten. Alſo bald
fuͤhrte man Baſſampiere, den Abt von Eoix, vnnd den Medicum Vautier nach der
Baſtille. Die Princeſſin von Conty, die Hertzoginnen d’Elbæuf, Ornano vnnd
Deſdiquieres muſten ſich in jhren eygenen Haͤuſern halten. Jm vbrigen waren
die Wachten bey Hoff/ alle Corꝛeſpondentzen zuverhindern/ wohl beſtellt. Sie
klagt/ man haͤtte jhr vertrauteſte Diener weggenommen/ vnnd begehrt ſonderlich
den Medicum, an deſſen Stell man jhr die Wahl vnder hundert andern zu Pariß
gab. Der Marſchalck von Eſtrée ſtellt jhr die Schlüſſel der Statt frey/ nahm
das Wort von jhr/ ließ ſie hien gehen/ wo ſie wolte/ and erinnerte ſie/ nach Chaſteau
de Moulins
zugehen/ mit ſonderlicher Verſicherung/ daß ſie ohne Wachten da-
ſelbſt leben ſolte. Dann an dieſem Orth war ſie der Statt Pariß zu nahe/ vnnd
moͤchte mitten im Koͤnigreich wohnen wo ſie nur wolte.


Jhr beliebt Neuers/ vnd wolt doch nicht hien: der Koͤnig erlaubt jhr das
Gubernament Anjou, mit Statt vnnd Schloß Angers, zur Wohnung: ſie wolt
aber auß Compiegne nicht/ darauß groſſer Verdacht erwachſen. Chaumont,
Schomberg vnnd Roiſſy, konden bey jhr nichts außrichten/ biß ſie jhr im Namen
deß Koͤnigs anzeigten/ derſelb haͤtte alle jhre Practicken in Kundſchafft bracht/
vnnd daß Monſieur auff jhr verꝛeytzen von Hoff vnnd auß dem Koͤnigreich waͤr.
Es wuͤrde kein Menſch dem Koͤnig vorzuſchreiben haben/ was er vor Raͤhte vnnd
Diener wehlen muͤſte/ zumahl jhm deſto frembder vorkommen/ daß ſie den Cardi-
nal/ ſo der Kron ſo gar nuͤtzliche Dienſte er wieſe/ ſo gar nicht leiden wolte. Die
H. Schrifft gebiete nicht/ daß die Kinder allzeit vnder der Eltern Zucht bleiben/
ſondern daß jederman dem Koͤnige/ als Gottes Statthalter/ gehorſam ſeyn ſolte.
Es gereyche zu groſſem Verdruß/ daß ſie auff vielfaltiges anſuchen/ von dieſem
Orth nicht weichen wolte: zumahl jhr alle Endſchuldigung benommen waͤren.
Mit dieſem anhang/ jhr Vngehorſam waͤr dem Staad vnertraͤglich/ vnd jhr Ge-
genwart bey Hoffſchaͤdlich/ dadurch der Koͤnig zu mehrer Geſtrengigkeit gezwun-
gen wuͤrde. Aber ſie verbitterte ſich nur deſto mehr hiedurch/ vnd gab denen Ge-
hoͤr/ die dem Koͤnig auß der Nativitaͤt ein kurtzes Leben ankuͤndigten/ vnnd ſie an
den Monſieur/ als an eine auffſteigende Sonn wieſen. Als nun der Koͤnig/ auff
jhr offt wiederholtes Wort/ auß dem Koͤnigreich nicht zuweichen/ die Beſatzung
abgefuͤhrt/ begehrt ſie mit dem Koͤnig ſelbſt zureden: vberꝛedet Vardes, daß er jhr
la Capelle vbergab/ deme aber der Koͤnig vorkommen/ alſo daß ſie vorbey/ nach
Auen-
[59]De Statu perturbato Franciæ.
Auennes, die nechſte Starꝛ im Hennegaw gezogen. Allenthalben thaͤt man jhr
groſſe Ehr an/ vnd wurd zu Bruxelles empfangen/ wie der Koͤnig in Spanien ſelbſt
haͤtte moͤgen empfangen werden. Die Jnfantin war guͤtig vnnd mitleidig/ die
Spaniſche Officierer aber verſchlagen/ vnd auff andere Vortheil/ ſo ſie durch die-
ſe fluͤchtige/ vnnd ergrimmete Koͤnigin vermeynten zuerhalten/ bedacht. Dann
die Jnfantin bezeugte dem Koͤnig/ ſie thaͤt alles Ehren halben/ durch Carondelet,
Dechant zu Chambray, der etliche mahl ab vnnd zu reyſete/ ohn einigen Nu-
tzen.


Vnder deſſen ſchickte der Cardinal de la Valette nach Orleans/ vnd erbot-
te ſich zu allem genuͤgen gegen ſeinem Bruder/ wann er wieder nach Hoff kom-
men wolte: jhm ſolte auch der Heurath mit der Princeſſin Maria von Mantua
verguͤnſtigt ſeyn. Aber die Ohrenblaͤſer hinderten deſſelben guten Sinn/ er waͤ-
re dennoch ſchuldig/ die Fraw Mutter von deß Cardinals Gewaltzuretten: ſeine
Perſon waͤr bey bey Hoff nicht ſicher: der Heurath ſchien Speck auff die Fall.
Darumb ſuchte man den Cogneux von jhm zuthun: welcher auch gewichen/ aber
keiner anderngeſtalt/ als ſich zum voͤlligen Krieg zuſchicken/ vnnd allenthalben
Anhang zumachen/ vnnd die Paͤß einzunemmen. Darumb gedachte der Koͤnig
im Mertz ſelbſt nach Orleans zu reyſen/ vnd ließ ſich deß Monſieurs gehorſambli-
ches erbitten nicht abwenden. Monſieurverfuͤgt ſich nach Burgund/ vnnd der
Koͤnig folgte auff dem Fuß/ aller Enden Vnheyl zuverhuͤren. Monſieur ſchrieb
auß Beſanzon an den Koͤnig/ vnnd klagt/ Er haͤtte die Fraw Mutter gefangen ge-
halten: ſeine Perſon waͤr nicht ſicher: der Cardinal regierte vbel. Brianſon bracht
das Schreiben/ vnnd wurd ins Gefaͤngnuß gewieſen/ beſſern Reſpect zulernen.
Durch deß Koͤnigs Manifeſt fielen Moret, Elbæuf, Bellegarde, Rouannés, Cog-
neux, Puylaurens, Monſigot, Chanteloupe
ins Laſter der verletzten Majeſtaͤt/
wann ſie in Monatsfriſt nicht Gnad ſuchten. Cogneux verwirꝛete alles im
Parlament zu Pariß/ daß das Manifeſt nicht publicirt wuͤrde: darumb das Par-
lament nach dem Louure zu Pariß beſcheiden/ weil jhnen nicht gebuͤrete/ vber der-
gleichen Staadſachen zuvrtheilen. Gayan, Barillon vnnd Leſnè muſten deßwe-
gen die Statt meiden/ kamen aber doch bald wieder zurecht. Aber Monſieur
verklagt den Cardinal vor dem Parlament/ vnd der Koͤnig nahm die Klagſchrifft
zu ſich/ vnd entſchuldigt den Cardinal in einem Manifeſt. Dergleichen thaͤt die
alte Koͤnigin. Das aͤrgſtewar/ daß ſie den Koͤnig ſelbſt angriffen/ als waͤr er
zum Regiment vntauglich/ der dem Cardinal allen Gewalt ließ/ vnd die beſte Ve-
ſtungen anvertrawte: welches aber die Zeiten vnd Laͤufften alſo erforderten. We-
gen ſeines Reichthumbs konde man auch mit Grund nicht viel ſagen/ weil er jhm
von ſeinen Præbenden/ vnd nicht von deß Volcks Beſchwerden kam/ auch ſo vber-
maͤſſig nicht war/ daß man auch bey geringern Leuthen nicht der gleichen funden
haͤtte. So hoͤrte zwar der Koͤnig deſſelben Raht/ vnd thaͤt drumb nicht jedemahl
H ijdar-
[60]De Statu perturbato Franciæ.
darnach. Auch war deß Volcks Laſt ſo gar ſchwer nicht/ vnd kam vom Cardinal
nicht her/ ſondern von der alten Gewonheit zuklagen/ vnnd den gefuͤhrten
Kriegen.


Es ließ aber wegen dieſer Laͤſterungen der Cardinal das Ruder nicht fah-
ren/ ſondern ſorgte ſo wohl jnn- als auſſer Lands. Wie er dann zu Eingang die-
ſes 1631. Jahrs die Tractaten mit dem Koͤnig in Schweden/ daruͤber man vier
Monat gearbeitet/ den Koͤnig nach dem Exempel ſeiner Vorfahren/ ſonderlich
Henrici II. welcher auff ſolche weiß Metz/ Tul vnd Verdun an die Kron gebracht/
vnd die Frantzoͤſiſche Graͤntzen erweitert vnd veſt gemacht/ der Catholiſchen Reli-
gion/ vnnd vertriebenen Fuͤrſten zum beſten vnderſchreiben laſſen. Die Oeſter-
reichiſche gaben auß/ der Bund gereychte etlichen Ketzeriſchen Fuͤrſten zu Nutz-
ſuchten aber die Religion zum Deckmantel jhres Dominats. Vnnd beſtuͤnde
zwiſchen einem Ketzer/ ſo der Kirchen Feind waͤr/ vnd jhr viel Gewalts anthaͤt:
vnnd vergaſſen/ daß ſie ſich mit den Mohren/ Jndianern/ Tuͤrcken vnnd Luthera-
nern ſelbſt verbunden: ſahen auch nicht/ daß ſolcher geſtalt die Catholiſche Reli-
gion an allen Enden gelaſſen/ vnnd an etlichen wieder eingefuͤhrt wuͤrde. Auch
haͤtte ſich Franckreich mit den Catholiſchen Staͤnden/ wieder die Ketzer/ ſollen
verbinden: vnnd wolten nicht wiſſen/ daß ſolches nicht begehrt worden/ ja daß die
abſonderliche Abſehen zu groß vnd viel geweſen.


Sonſten gieng es in Jtalien nach Gelegenheit wohl: dann als der Koͤnig
den Kayſer deren Enden geneygt fand/ war er willig/ da die Mantuaniſche Be-
lehnung geſchehe/ vnnd Saphoyen neben dem Spanier dem Hertzogen von Man-
tua daß ſeinige wieder einraumete/ auch zuweichen: aber die Spanier meynten/
ſie wolten dannoch hinder die Veſtung Caſal kommen/ wann nemlich der Kayſer
allein tractirte/ zumahl ſie vnder ſeinen Fahnen waͤren geſtanden/ vnd dannoch jh-
re Spruͤche noch vor ſich haͤtten. Doch ließ ſich der Kayſer berichten/ daß der
Hertzog von Mantua kein ander Schuld truͤge/ als daß er Frantzoͤſiſch/ vnnd nicht
Spaniſch geſinnet vnd gebohren waͤr: aber deß Schweden Einbruch/ vnnd deß
Frantzoſen Bund mit jhm befoͤrderten dieſen Frieden. Gleich wie Saphoyen
endlich wohl verſtund/ daß Spanien jhm groſſen Koſten/ vnnd kleinen Nutzen
braͤchte/ Franckreich aber ſein eygenen Vortheil nicht ſuchte/ vnnd deßwegen zum
Vergleich ſich geneygter erwieſe. Der Bapſt ſchickte deßwegen Mazarini an
den Koͤnig/ in deſſen Namen ſich Thoyras vnnd Seruient zu Queraſque, nach dem
Nuncio Panzirolo gefunden. Graff Gallas General/ erſchien im Namen deß
Kayſers/ vnnd eylete/ wegen der Zeitung von deß Schweden Einbruch. Bains
vertratt den Hertzogen von Saphoyen/ vnnd Guichardy den Hertzogen von Man-
tua/ wie auch Cauaccia die Republic zu Venedig/ vnnd der Graff de la Rocque die
Spaniſche Parthey. Zuvorderſt zweyte man ſich vmb die Stellen im ſitzen:
darnach wie der Regenſpurgiſche Schluß werckſtellig zumachen. Vermoͤge
deſſen
[61]De Statu perturbato Franciæ.
deſſen der Hertzog von Saphoyen/ auß dem Monferꝛat ſolte fuͤnffzehen tauſent
Kronen ziehen/ vnd deßwegen Trino zum Pfand behalten. Endlich wie Man-
tua vnd Monferꝛat zu reſtituiren/ vnnd von den newen Veſtungen/ ſonderlich in
den Grawbuͤnden/ zubefreyen.


Alles lieff wohl ab/ auſſerhalb/ daß Mantua wegen der Zahlung/ ſauer ſa-
he/ vnd der Graff de la Rocque den Krieg lieber hatte. Darumb macht er/ daß
der Kayſer dem Saphoyer vorhielte/ warumb Suſa vnd Auigiliana in der Schwei-
tzer Verwahrung bleiben ſolten: darumb tractirte man zum andern mahl/ biß an
den 19. Junij/ gab einander Geiſel/ zu Vollziehung der Tractaten: alſo zogen die
Frantzoſen auß Pignerol/ die Teutſchen auß Mantua/ vnnd ein jeder kam zu dem
ſeinigen. Doch wolten die Spanier nicht auß Jtalien/ ſondern hielten die Voͤl-
cker vmb Mayland/ als thaͤten ſie jhnen noth/ zu den Beſatzungen/ vnnd vor das
Koͤnigreich Naptes. Auch kame Kundſchafft/ daß Merode anlaß zur Ruptur
gebe/ daß die Spanier dieſen Frieden bey dem Kayſer vernichtet/ vnnd daß ſie den
Mißverſtand am Hoff in Franckreich ſuchten zu einem vnverſoͤhnlichen Haß zu-
zubringen/ vnnd noch mehr Voͤlcker wuͤrben. Darumb gedachte der Cardinal/
der Koͤnig werde zum driten Zug genoͤthiget werden/ vnd ließ Pignerol/ oder ein
ander wohlgelegenes Orth zu ſeinem Paß an den Hertzogen von Saphoyen auff
eine Zeitlang begehren. Welches bey den Tractaten zu Mirefleur, den 19. Octo-
ber verwilligt worden/ daruͤber der Gubernator zu Meyland ſehr groſſen Verdruß
bekommen. Es hieß zwar anfangs/ nur auff ſechs Monat/ den Bunds Ver-
wanden in Jtalien Schutz zuhalten: aber die Frantzoſen ſuchten eine vhralte Ge-
rechtigkeit herfuͤr/ als waͤr der gedachte Orth jhnen zugehoͤrig: oder als ob der
Hertzog gutwillig da von gelaſſen haͤtte/ ob man gleich von dem Eygenthumb ſich
nichts vernemen laͤſt/ waͤre alſo Pignerol der einige Nutzen/ der fuͤnffzig Millio-
nen/ ſo Franckreich vor dißmahl an Jtalien verwand hat.


Der Kayſer konde ohne Widerwillen nicht ſehen/ daß der Koͤnig in Franck.
reich nunmehr auch in Teutſchland ſich zu ſeinen Feinden ſchluͤge/ vnnd etliche
Orth vom Biſtumb Metz/ wie auch Metterich wieder an ſich reiſſen wolte: dar-
umb der Cardinal bey Zeiten erinnerte/ daß Franckreich mit Bayern vnd Trier/
vber welche beyde der Kayſer herein fallen koͤndte/ einen Bund machte/ ſich einan-
der mit Trewen zu meynen/ vnnd zubeſchuͤtzen/ auff acht Jahr lang: hiengegen
wolte der Koͤnig dem Churfürſten in Bayern ſtellen/ neun tauſent zu Fuß/ vnnd
zwey tauſent zu Pferd/ mit Geſchuͤtz vnd allem Zugehoͤr/ ſein erb- vnd newerwor-
bene Lande zubeſchuͤtzen: mit dieſer Wahl/ die Voͤlcker/ oder das Geld darvor an-
zunemen. Vnd dann ſolte Bayern dem Frantzoſen ſtellen drey tauſent zu Fuß/
vnnd ein tauſent zu Roß/ mit obigem Zugehoͤr/ auff gleiche Bedingung. Auch
ſolte keiner den andern/ einigerley Weiſe bekriegen. Alſo war Franckreich auff
dieſer Seiten verwahrt: aber inwendig ließ der Koͤnig ein Gericht niederſetzen/
H iijvnd
[62]De Statu perturbato Franciæ.
vnd die Partitenmacher exequiren/ jhre Guͤter confiſciren/ vnnd allem kuͤnfftigen
Vnheyl vorkommen. Dann ſie hatten jhre Practicken auff Calais, Ardres,
Verdun, Sedan
gerichtet/ außlaͤndiſche Voͤlcker in Franckreich zufuͤhren/ wie ſie
dann anſehnliche Leuthe nach Spanien/ Engelland/ Holland vnd an alle Benach-
barie Fuͤrſten geſand/ vnd hien vnd wieder Werbungen anſtelleten. Hiernechſt
machte der Koͤnig den Cardinal zu einem Duc vnnd Pair in Franckreich/ nemlich
nach Pflicht eines ſo hohen Ampts/ den Staad zuverwalten/ vnd die Armeen zu-
führen: der Aid wurd abgelegt den 5. September.


Jn Lothringen fanden ſich im Fruͤling zwoͤlff tauſent Mann beyſammen/
welche ſolten in Franckreich fallen/ vnnd wie die Regenbaͤcht zunehmen: aber der
Schwed machte dem Kayſer ſolche Haͤndel/ daß der Hertzog von Lothringen ver-
lockt durch den Titull eines Generaliſſimi, in Teutſchland zoge/ vnnd weil er vber
ſieben tauſent Mann gepreſtes Landvolck ſahe zu ruͤck gehen/ ehe er an beſtimpten
Orth gelangen koͤnnen/ da man von keinem Generalat wiſſen wollen/ kondie der
Monſieur vor diß mahl nichts ſchaffen/ darumb der Hertzog ein newe Armee zu-
richten ſich verpflicht gefunden. Weil er nun von 3. oder 4. Jahren her die Meut-
macher in Franckreich vnderhalten/ vnd dem Koͤnig allen Verdruß thaͤt/ wurd die
Reſolution gefaſt/ jhn zu vberziehẽ. Der Koͤnig gieng gemach/ nahm die Orth ein/
ſo er vnd ſeine Vorfahren der Kron hatten im Biſtumb abgezwackt/ vñ nament-
lich Metterich/ ſo er in wehrendem Jtalianiſchem Krieg den Kayſer laſſen einne-
men/ vnnd jhme vberlieffern/ auch zu ferꝛnerem Progreß beveſtigen laſſen: Wich
ergab ſich an den Koͤnig/ Metterich wiederſtund nicht lang/ weil der Hertzog in
Lothringen kein offentliche Huͤlff thaͤt. Wie er nun ſahe/ daß ſeine Macht allein
zugering waͤr/ vnnd weder Kayſer/ noch Spanier jhm heiffen konde/ auch wegen
Marſal ſich foͤrchtete/ weil es auch zum Biſtumb gehoͤrete: beſucht er den Koͤnig
zu Metz/ den 26. December/ vnd muſte hoͤren/ er waͤr am Frantzoͤſiſchen Hoff auff-
erzogen/ vnd haͤtte das Lehen Bar vber acht Jahr verweilet/ vnnd vnder deſſen ſich
aller loſen Haͤndel am Hoff theilhafftig gemacht. Darauff beklagte er ſich war-
umb jhn der Koͤnig vber ziehen wolte/ der jhm aber zuſagte/ er wolte jhn noch wohl
wider deß Schweden Sieghaffte Waffen/ die er herangezogen/ vnd vor der Thuͤr
ſehe/ beſchuͤtzen: doch ſolte er jhm Marſal zum Pfand ſeiner Trew vberlaſſen/ wel-
ches den 13. Jenner 1632. mit Vernichtigung aller andern Buͤndnuſſen/ vnd vol-
lem verſprechen auff das kuͤnfftige geſchehen: daruͤber auch der Monſieur auß
Nancy fortgezogen. Aber Montecuculi kam vom Kayſer/ vnd der Freyherꝛ von
Leide von Brüſſell/ die bildeten jhm ein/ der alten Koͤnigin Schreiben an das Par-
lament wider den Cardinal wuͤrde den Koͤnig wohl zuruͤcke ziehen/ vnnd jhm Lufft
machen/ alles wieder zuerobern. Der Schwed ließ von jhm ab/ auff deß Koͤnigs
in Franckreich begehren: vnnd der Hertzog von Lothringen verdiefſt ſich ein newes
in Nancy mit dem Montecuculi/ vnd erpracticirte noch einen Heurach mit ſeiner
Schwe-
[63]De Statu perturbato Franciæ.
Schweſter Margrethen: vnnd dem Monſieur: dazu jhm ſein aͤlteſte Schweſter/
Princeſſin von Pfaltzburg trewlich geholffen/ in deme ſie ſich mit Puylaurens zu-
vermaͤhlen angenommen/ wann jener Heurath fortgienge: welches auch die
Spanier/ die Kron Franckreich mit einheimiſchen Kriegen zuſchwaͤchen/ gern ſa-
hen. Gleichwohl hatte der Hertzog von Lothringen zu vnderſchiedlichen mahlen
mit einem Aidſchwur betheurt/ er haͤtte keine Gedancken darzu/ vnnd ließ dennoch
den Heurath gantz heymlich vollziehen/ ob ſchon Cogneux, auß Beyſorg/ Puylau-
rens
moͤcht jhm vorgehen/ ſich hart darwider legte.


Der Koͤnig hielte ſich zu Metz/ als die Catholiſche Fuͤrſten Schutz begehrten
wider den Schweden/ welcher jmmer fort fuhr/ vnnd den Rheinſtrom auch faſſete/
nach dem er deß Kayſers Waffen ſehr matt gemacht hatte. Der Biſchoff von
Wuͤrtzburg thaͤt den erſten Vortrag/ vnd ſuchto den Koͤnig wider den Schweden
auffzubringen: aber derſelb wolte auß dem Staadskrieg kein Religionskrieg
machen/ wohl wiſſend/ daß Schweden nur den Oeſterꝛeichiſchen Hochmuth daͤmpf-
fen wolte/ der Cardinal ſagt jnen/ der Schwed wuͤrde von jhnen nicht laſſen/ wann
ſie ſich nicht vom Hauſe Oeſterꝛeich gaͤntzlich abthaͤten. Darumb begehrten ſie/
der Koͤnig wolte jhnen die Neutralitaͤt zuwegen bringen. Hierzu wurd verord-
net der Marggraff von Bresè, der den Koͤnig in Schweden zu Maintz angetroffen/
vnnd im Namen ſeines Koͤnigs gebetten/ der Catholiſchen Liga die Neutralttaͤt
zuverguͤnſtigen/ weil ſolcher geſtalt dem Kayſer ein groſſer Abbruch/ vnnd ſeinem
Koͤnig ein groſſer Gefallen geſchehe. Der Schwed zeigt jhm alſo bald/ auß etli-
chen auffgefangenen Schreiben/ daß ſie was anders kocheten/ ja daß er jhnen vor-
laͤngſt entgegen getragen/ was ſie jetzunder ſuchten: ſonderlich der Churfuͤrſt in
Bayern/ welcher neben ſeinem proteſtiren Voͤlcker wuͤrbe/ vnd ſich zum beſten ruͤ-
ſtete. Weil aber Bresè auff das kuͤnfftige ein beſſers hoffen wolte/ verſtattet der
Koͤnig in Schweden der Kron Franckreich zu Ehren die begehrte vier zehen Tage
Stillſtand/ ja die voͤllige Neutralitaͤt/ wann ſie ſich vnd jhre Voͤlcker vom Kayſer
gaͤntzlich abthaͤten/ die Pfaltz reſtituirten/ die eingezogene Guͤter den Proteſtieren-
den wieder einraumeten/ nach auß weiß deß Jahrs 1618. dem Kayſer keine Wer-
bungen in jhren Landen geſtatteten/ vnnd etliche Orth jhm zur Verſicherung ein-
raumeten/ ſo wolte er ſie aller Hoſtilitaͤten befreyen/ auch aller Contributionen v-
berheben. Aber deß Koͤnigs Abgeſandten ſpuͤreten wohl/ daß dieſes der Ligiſten/
weil ſie ſo veſt an dem Hauß Oeſterꝛeich haffteten/ geringſte Meynung war: wel-
ches der Cardinal auch anfangs wohl gemercket/ zumahl ſie lieber die Kirch/ als
das Hauß Oeſterꝛeich vnder den Fuͤſſen geſehen. Wie kompt es aber/ daß
Bayern vnd Coͤlln auff deß Koͤnigs Vermittelung jhnen ſelbſten nicht geholffen/
vnd dannoch all jhr Vngemach jhme hernach wollen heym weiſen? Sie begehrten
zwar den Stillſtand zuerlaͤngern/ welches auch Bresè geſucht hat: aber der Schwed
konde nicht darzu verſtehen/ vnd fuhr forth mit ſeinen Waffen.


Der
[64]De Statu perturbato Franciæ.

Der Ertzbiſchoff zu Trier fand harte Wort bey dem Schweden wegen deß
Berghauſes Stolberg Eroberung/ vnd deß jungen Graffen von Solms/ mit
zweyen Dienern Mord. Darumb hielt er ſich an Frauckreich/ vnd brachte es ſo
weit/ daß der Koͤnig jhm verſprochen/ gegen Schweden die Verſoͤhnung zuerwer-
ben/ zumahl er etliche Veſtungen wolte vberlaſſen: welches dem Koͤnig vmb ſo
viel vortraͤglicher war/ daß er dieſen Churfürſten/ gleich wie der Schwed den
Sachſen vnd Brandenburger in jhrer Devotion hielten/ die Wahl eines Roͤmi-
ſchen Koͤnigs/ darnach der Koͤnig in Hungarn trachtete/ ſolcher geſtalt zu verhin-
dern. Aber bey Spanien vnnd Oeſterꝛeich wurd es zum aller vbelſten jhm auß-
gelegt/ da er doch von Natur forchtſam/ vnd die Schweden/ ohn andere Huͤlff vnd
Rettung vor der Thuͤr ſahe/ zumahl der Koͤnig in Schweden jhm ſagen laſſen/ Er
ſolte den Beutel wohl ſpicken/ ſeine Gaͤſte zuempfangen. So bald die Catholi-
ſche Liga wegen der new Tractaten handelte/ ließ der Koͤnig eine Armee von fuͤnff
vnd zwantzig tauſent Mann/ vnder den beyden Marſchalcken la Force vnd D’Ef-
fiat
nach Teutſchland gehen/ allen denen/ ſo ſeiner Huͤlffe beduͤrfften zum Troſt.
Vnnd weil Trier vnder deß Koͤnigs Schutz die Neutralitaͤt angenommen/ auch
auff deß Schweden Wort auſſer der Gefahr war/ wolte er die verſprochene Ve-
ſtungen gern ſelbſt haben behalten/ vbergab doch Hermenſtein auff dem Rhein/
vnnd haͤtte die Reſidentzſtatt auch eingeraumpt/ wann jhn nicht das Capittel mit
Huͤlff der Kayſeriſchen drauß geſtoſſen/ vnd den Graffen von Jſenburg mit einer
Spaniſchen Beſatzung eingenommen haͤtte. Der Hauptman in Philippsburg
ließ die Frantzoſen nicht ein/ vnd bewahrt den Orth vor den Kayſer. Die Spa-
nier ſorgten/ Coblentz moͤcht auch Frantzoͤſiſch werden/ darumb legten ſie eine Be-
ſatzung hienein. Noch wolte der Cardinal weder mit Spanien/ oder mit Oe-
ſterꝛeich brechen/ vnnd haͤtte doch die Spanier gern auß dem Trieriſchen Gebieth
geſehen. Behandelt derowegen den Schweden/ daß General Horn mitten im
Junio durch den Rheingraffen Coblentz einnahm/ vnd den Frantzoſen vberlifferte/
nach erlegten Vnkoſten. Die Statt Trier war wohl beſetzt/ vnd jüngſt befeſtigt:
die ſolte Deffiat einnehmen/ ſtarb aber zu Luͤtzelſtein/ alſo daß Eſtreè an ſeine Stell
kam/ welcher den Secours mit Proviand verhindert/ im recognoſciren ein hartes
Treffen vnvermuth angefangen/ zwey Cornet davon getragen/ vnd die Statt zur
Vbergab genoͤthiget: auch das gantze Ertzbiſtumb von den Spaniern befreyt/ vnd
in Ruhe geſetzt.


Dieſe Corꝛeſpondentz zwiſchen Franckreich vnnd Schweden bekuͤmmerte
den Kayſer hoͤchlich/ vnnd weil er mit den Waffen nicht viel außrichten kond/
nahm er ſeine Zuflucht nach Rom/ man ſolte das Creutz wider die Schweden vnd
Ketzer in Teutſchland predigen/ erzehlt was die Catholiſchen Staͤnde müſten lei-
den/ ſagt aber nicht/ daß es wegen deß Hauſes Oeſterꝛeich/ vnnd nicht wegen der
Reli-
[65]De Statu perturbato Franciæ.
Religion waͤr. Der Koͤnig in Schweden wuͤrde/ wie ein Attilas, die Kirch vnder
die Fuͤſſe tretten/ Rom einnemmen/ vnnd den Bapſt verjagen: derſelbe ſolt ein
Nuncium ſenden/ vnnd den Bund zwiſchen Franckreich vnnd Schweden laſſen
trennen. Deß Reichs/ vnd deß Spaniers Abgeſandten erhuben den Vortrag/
ſonderlich Borgia, wegen ſeines newen Biſtumbs Seuilien, der auch deß Bapſts
nicht ſchonete/ weil er das Hauß Oeſterꝛeich Huͤlffloß lieſſe. Weil nun jhrer
wenig der Sachen Grund hatten/ vnnd deßwegen der Spaniſchen Parthey bey-
fielen/ muſte jhnen allen der Bapſt erweiſen/ daß dieſer Teutſche Krieg die Reli-
gion nicht angienge. Darumb war diß die Antwort/ der Kayſer haͤtte jhm das
Spiel ſelbſt gemacht/ ſeine Voͤlcker in Jtalien laſſen pluͤndern vnd rauben/ auch
dem Roͤmiſchen Stul bang gemacht/ welche Mittel er zu dieſer Begebenheit haͤt-
te brauchen koͤnnen. Weil aber ſeine Erinnerungen nit wollen beobachtet wer-
den/ vnnd der Kayſer Teutſchland verabſaumpt/ den Schweden verachtet/ Jta-
lien angefallen/ vnnd dem R. Stuel/ S. Peters Erb zuerhalten/ zu groſſen Spe-
ſen gebracht/ moͤchte manden Bapſt zwar laͤſtern/ doch wuͤrde er der Kirchen
Wohlfarth wiſſen zu Gemuͤth zuziehen/ vnnd alle Notturfft bey erſchoͤpfftem
Schatz vnd geringen Mitteln vorzunehmen. Verordnet demnach hundert tau-
ſent Kronen vor den Kayſer/ vnd ertheilt ein allgemein Iubilæum, daß jederman
vor die Kirch in Teutſchland betten ſolte. Aber hier mit war der Sach vmb we-
nig geholffen/ dann der Cardinal hatte dem Bapſt zuerkennen geben/ daß Spa-
nien ſuchte in Jtalien den Meiſter zuſpielen/ vnnd die Baͤpſtiſche Bullen nach be-
lieben zurichten: alſo daß der Bapſt wohl verſtunde/ wie die Catholi-
ſchen in Teutſchland nur wegen deß Hauſes Oeſterꝛeich Noth
lidten/ vnnd daß der Koͤnig in Franckreich
jhnen allen Schutz
hielte.



JDer
[66]De Statu perturbato Franciæ.

Der 7. Diſcurß.


Der Cardinal vergleicht die Biſchoffe vnd Moͤnche. Der
Monſieur kompt nach Bruͤſſel. Deß Marſchalcks Marillac Thun vnnd Todt.
Der Monſieur macht daß der Koͤnig den Lothringer zum Frieden zwang: Wird
biß in Languedoc verfolgt. Momorancy faͤllt jhm zu/ wird geſchlagen vnnd ge-
fangen. Monſieur macht Frieden. Momorancy vird enthauptet/ darumb/
Monſieur abermahl nach Lothringen entweicht. Guyſe verſchertzt ſein Guber-
nament. Der Cardinal wird kranck. Hindert den Hollaͤndiſchen Treues.
Iequieres
macht Buͤndnuß mit Schweden/ vnd Oberteutſchland.


DEr Cardinal vnderfieng dieſer Zeit einen Vergleich
zwiſchen den Biſchoffen vnnd Ordensleuthen/ welche wegen deß Predi-
gens vnnd Beichthoͤrens in groſſe Verbitterung waren gerahten: zu-
mal ſolcher Streitetliche 100. Jahr gewaͤhrt/ vñ auff dem groſſen Concilio zu Tri-
ent nit allerdings koͤnnen vergliechen werden. Aber der Cardinal erwieſe auß den
alten Geſchichten/ woher die Moͤnchsorden entſtanden: es waͤren alle Moͤnch von
den Biſchoffen geweyhet vnnd angenommen/ weil die Biſchoffe/ ſo der Apoſteln
Stell bedienten/ von dem Sohn Gottes hiezu verordnet/ daß man die Guͤter zu jh-
ren Fuͤſſen/ vnnd die Evangeliſche Geluͤbte bey jhnen ablegte. Man muͤſte die
Baͤpſtiſche Privilegien nicht ſolcher geſtalt außdoͤhnen/ daß ſie wider die erſte Ein-
ſatzung lieffen/ oder den Ketzern Aergernuß geben. So haͤtten die Ordensleuth
kein groͤſſer Ehr/ als durch die Beſcheidenheit. Er wolte die Ordensleuth der
Biſchofflichen Juriſdiction keines wegs vnderwerffen/ meynte doch/ wann die
Biſchoffe jhnen in dem Moͤnchsweſen voͤllige Freyheit lieſſen/ koͤndten ſie im pre-
digen/ vnnd was die Buß belangt/ den Biſchoffen wohl nachgeben. Hieruͤber
wurd ein Decret abgefaſt/ daß die Moͤnch/ ohne Erlaubnuß vnnd Gutachten der
Biſchoffen/ auch ohn jhr Examen nicht moͤchten predigen oder Beichthoͤren: ja
daß die gegebene Macht bey bekandter Vnfaͤhigkeit/ vnd offenem Aergernuß koͤn-
de von den Biſchoffen eingezogen werden. Welches Decret beyde Partheyen
vnderſchrieben vnnd beſiegelt/ auch in das gantze Koͤnigreich außge-
ſchrieben.


Jn gemeinem Weſen gieng es vom argen zum aͤrgſten: dann der Mon-
ſieur begab ſich nach Bruͤſſell verſtieß Cogneux vnnd Monſigot, auß antrieb deß
Puylaurens, wurd den 28. Jenner herꝛlich empfangen vnnd biß an den 17. May/ die
Zeit
[67]De Statu perturbato Franciæ.
Zeit vber ſeines Auffenthalts/ frey gehalten. Die Jnfantin verehrt jhm eine
geſtickte vnd mit ambregris bereytete lederne Kiſt/ mit guͤldenen Schloͤſſern kuͤnſt-
lich nach Farben gemacht/ darin zwey Kleyder. Ein andere Kiſt von rothem
geſticktem Sammet/ mit koͤſtlichem Leinwad. Ein dritte mit allerhand Con-
fect. Vnd dann zwey gebutzte Pferdt mit Piſtolen. Seine fuͤrnembſte Die-
ner trugen auch vnderſchiedliche Præſenten davon. Don Conſales de Cordoua
wahr ohnlaͤngſt auß Spanien kommen/ ſolte bey Franckreich ſuchen das Teut-
ſche Weſen zuvertragen/ dem Schweden in der Vndernpfaltz widerſtehen/ vnnd
ferꝛnere Ordre von der Ertzhertzogin nehmen. Weil er nun zu Pariß verſtanden/
daß das Teutſche Weſen die Religion nicht betreffe/ kehrt er kurtz vmb/ vnnd wolt
ein Degen/ ſampt Gehenck/ auff zehen tauſent Kronen geſchaͤtzt/ vom Koͤnig nicht
annehmen/ wie doch ſonſten gebraͤuchlich: zog nach Trier/ erwartet der Graffen
Merode vnd von Embden/ empfing den Monſieur ſehr praͤchtig/ vnnd wolt jhme
zugefallen den Einfall in Franckreich noch nicht thun. Dann der Cardinal hat-
te die Hollaͤnder beredt/ Maſtrich mit gantzer Macht zubelaͤgern/ dahin Cordoua
ſich wenden/ wiewohl vergeblich/ muͤſſen. Doch gab er dem Monſieur/ welcher
den Marggraffen von Fargis vmb groͤſſern Secours nach Spanien geſandt/ etli-
che Troupen/ nach Lothringen zugehen.


Vnder deſſen ergieng ein Vrtheil vber den Marſchalck Marillac, der bey
dem vorigen Koͤnig ſehr wenig golten/ aber wegen ſeiner Gemahlin vom Hauß
Medices, auff derlincken Seiten her/ bey der alten Koͤnigin Regierung eben deß-
wegen herfuͤr gekrochen. Daß jhn nun der Koͤnig wegen der Fraw Mutter auch
erheben wollen/ befrembdet jedermaͤnniglich/ wegen ſeiner geringen Tugenden.
Dann in Schampanien verwaltet er die Proviand vbel: als ein Gubernator zu
Verdun macht er viel raubens bey dem Baw vnnd der Beſatzung: zwang das
Land zu ſeiner Vnderhaltung: vor Roſchellen hielt er ſich ſo manlich/ daß der
Commanthur von Valancè jhn ein Poltron gegen dem Koͤnig genannt. Bey
der Armee in Schampanien ſteckt er den dritten/ bald den vierden oder fuͤnfften
Theil am Commißbrod/ als ein General in ſeinen Beutel: hielt ſeine Armee im
Land/ wolt nicht nach Jtalien/ vnnd verurſacht Verlaͤngerung deſſelben Kriegs/
daß auch vber zehen tauſent Frantzoſen an Mangel vnnd Peſt deßwegen verſtor-
ben. Sonderlich miſcht er ſich in die Haͤndel bey Hoff/ ſo wohl was die alte Koͤ-
nigin/ als was den Monſteur belangte: darumb vber gab jhn der Koͤnig der Ju-
ſtitz. Zwey vnnd zwantzig Richter ſprachen das Vrtheil vber jhn/ daß er die Koͤ-
nigliche Gelder verwand/ das Land verderbt/ geſchaͤtzt/ auß geſogen/ faͤlſchlich ge-
handelt/ falſche Quittungen vorgelegt/ vnnd deß Koͤnigs Vnderthanen vnder-
drückt: alſo wurd jhm den achten May à la Greue zu Pariß der Kopff herunder
geſchlagen/ wie vmb weit geringer Verbrechen vor Zeiten viel andern mehr ge-
ſchehen.


J ijDer
[68]De Statu perturbato Franciæ.

Der Hertzog in Lothringen hatte auß Noth mit dem Koͤnig in Franckreich
Frieden gemacht/ vnnd wartet nur auff gute Geleegenheit: darumb ließ er durch
ſein Herꝛn Vatter/ vnnd dann durch die Princeſſin von Pfaltzburg den Monſieur
erſuchen/ ſein beſtes in acht zunehmen/ vnnd nach der Koͤniglichen Kron zugreif-
fen: ſtellete newe Werbungen an/ vnnd beveſtigte etliche Orth in ſeinem Land.
Weil nun auß etlichen auffgefangenen Schreiben/ auch andern Kundſchafften
der Handel klar war/ wolte doch der Koͤnig den Guron an jhn zuvorderſt ſchicken/
vnnd der Sachen eygentlichen Grund erfahren. Derſelb hielt jhm vor die Frie-
denstractaten/ die Werbungen mit dem Monſieur/ vnnd die geſuchte Huͤlff bey
Spanien vnd dem Kayſer/ in Franckreich einzubrechen. Als nun die Entſchul-
digungen kalt vnnd kahl fielen/ wurd er der Koͤniglichen Clementz erinnert/ vnnd
dann der Koͤniglichen Macht/ welche den Engellaͤnder abgetrieben/ die Hugonot-
ten gedaͤmpfft/ vnnd den Jtalianiſchen Frieden erzwungen/ demnach ſeiner Macht
auch wuͤrde gewachſen ſeyn. Aber die Antwort vnnd endliche Erklaͤrung wurd
auff deß Monſieurs Ankunfft von Bruͤſſel vnd Trier verſchoben: darumb befahl
der Koͤnig daß d’Effiat mit ſeiner Armee nach Lothringen gienge/ vnnd er ſelbſt
macht ſich auff/ ließ die Voͤlcker auff die Graͤntzen anziehen/ vnd ſeiner erwarten/
biß er den Commanthur von Valancè auß Calais braͤchte/ vnd den alten Rambu-
[...]s
hienein legte/ damit die Engellaͤnder oder Spanier durch daſſelbe Loch/ dem
Monſieur zu Dienſt nicht einbrechen koͤnden/ wie im Werck war. Die Reyß
gieng zu anfang deß Mayen ſchleunig an/ vnnd gluͤcklich forth/ alſo daß der Koͤnig
ſich bald wieder wandte/ vnnd zu Laon vernahm/ daß der Monſieur ſich mit Loth-
ringen conjungirt/ eine Compagny Carabiner dem d’ Effiat nieder gemacht/ vnnd
in Franckreich eingebrochen.


Jm halben Junio hatte der Koͤnig ein ſtarcke Armee bey ſich/ derentwegen
der Hertzog in Lothringen noch an ſich gehalten. Deffiat eilt auff Pontà Mouſ-
ſon,
vnd kam hienein/ darumb der Hertzog abermahl Fried vnd Gnad ſuchte. A-
ber der Koͤnig ließ den Lenoncour mit ſeinem Regiment zu Pferdt ſchlagen/ vnd
dem Herꝛn von C [...]re den Muſterplatz vernichten: zog jmmer forth/ erobert
Bar le Duc, vnnd S. Michel/ ſetzt ein newes Gericht an/ weil die vorigen keine
Pflicht thun wolten. Dieſes hereinbrechende Wetter abermahls abzuwenden/
ſchickte der Hertzog den Courtriſſon an den Koͤnig/ welcher nicht vnderließ den 23.
Junij auff Nancy zumarſchiren/ vnd wieſe Ville vnd Ianin zu dem Cardinal/ weil
er beſſere Verſicherung auff das kuͤnfftige muͤſte ſehen. Zu Liuerdun wurd deß-
wegen geſchloſſen/ der Hertzog ſolte in 6. Tagen Statt vnnd Schloß Stenay, vnnd
vber drey Tag hernach Statt vnnd Schloß Iamets mit aller Zugehoͤr/ auff vier
Jahr dem Koͤnig einraumen: auch muͤſte Statt vnnd Veſtung Clermont in deß
Koͤnigs Handen bleiben/ biß zu auß trag deß Proceß/ ob der Orth der Kron/ oder
dem Hertzogen zuſtuͤnde/ gegen Abtrag einer erkantlichen Summa Gelds. Jn
Jahrs
[69]De Statu perturbato Franciæ.
Jahrs friſt/ ſolte der Hertzog die Pflicht wegen deß Hertzogthumbs Bar leyſten/
die Artickel zu Wich halten/ dem Koͤnig den Paß vergoͤnnen/ vnnd ſich von den
Feinden deß Koͤnigs abthun. Hiengegen die eingenommene Orth wieder er-
halten/ vnd von der Kron Franckreich maͤchtigen Schutz wieder jedermaͤnniglich
gewaͤrtig ſeyn. Welcher geſtalt der zweyte Lothringiſche Fried den 26. Junij zu
Liuerdun beſchloſſen vnnd beſiegelt worden: darauff der Hertzog den Koͤnig zu Se-
cheprè
beſucht/ vnd alle Trew verſprochen.


Dieſer Handel verꝛuckte dem Monſieur den Compaß/ daß er von Franck-
reich muͤſſen abweichen/ vnnd ſich nach Burgund ziehen. Er ließ aber allhie ein
auffruͤhriſches Manifeſt außgehen/ was er thaͤt/ geſchehe dem Koͤnig zu Dienſt/
vnd wider den Cardinal/ vnd fiel mit zwey tauſent Pferdten/ von Luͤckern/ Wallo-
nen vnd Teutſchen/ vnder dem Commando deß Trieriſchen Dumherꝛn Metter-
nich/ vnnd deß Luͤckers des Granges, in Burgund/ empfing Schreiben von dem
Momorancy, daß die Sachen in Languedoc ſich biß dahin/ noch nicht ſchicken
wolten. Dijon wolte jhm zu Vnderhaltung ſeiner Voͤlcker nicht willfahren/ ſon-
dern gab Fewr auff ſie/ wegen angezuͤndeter Vorſtatt. Weil auch la Force mit
zehen tauſent zu Fuß/ vnd zwey tauſent Pferden jhm nachzoge: vnnd der von
Schomberg mit einer außerleſenen Reuterey/ vnnd etlichen Drachonern derglei-
chen thaͤt/ muſte er jmmerzu forth/ vnnd fand wegen ſehr vbeln verhaltens ſeiner
rauberiſchen Voͤlcker/ allenthalben Widerſtand. Alſo wendet er ſich nach
Languedoc/ allda Momorancy auß Vnwillen/ daß jhm die gewoͤhnliche Brocken
bey den newen Jmpoſten waren entzogen/ vnd jederweilen ein hundert tauſent
Pfund trugen/ jhme die gantze Landſchafft wolte anhaͤngig machen. Dieſen
Vnwillen hatte vermehret/ daß er nicht General Feldmarſchalck/ das iſt ſchier
nahe gar Conſtabel/ welches Ampt ſeine Voreltern etwan getragen/ werden koͤn-
nen/ zumahl man jhr vor einen beſſern Hauptman zum fechten/ als vor einen fuͤr-
ſichtigen General preiſen wollen. Darbey dann die alte Koͤnigin eyferig geholf-
fen. Der Koͤnig ließ jhm durch den Ertzbiſchoff von Arles, vnnd durch den
Herꝛn Emery, die Vrſachen ſeines Mißtrawens andeuten/ die Landſchafft muͤſte
nicht eben nach deß Gubernators belieben verwaltet worden: durch ein Auffſtand
wuͤrde er ſein Gluͤck nicht erheben: er ſolte ſeiner Voreltern Trew vnnd Dienſte
nicht beſchmitzen. Weil er nun gar nichts geſtehen wollen/ ſchickte der Konig
noch zum vberfluß den von Sondeuil, ſeinen vertrawteſten Freund an jhn. Aber
man ſahe/ daß die ſieben Courier/ ſo er auff einander/ ſeine Trew zubezeugen/ nach
Hoff laſſen ablauffen/ falſche brieff brachten/ als der Monſieur ſich in ſeinen Pa-
teuten/ General Leutenant deß Koͤnigs/ wieder deß Staads Verwaltung nenne-
te/ vnnd etliche Staͤtte/ auch Schloͤſſer jhme beyfielen. Bey Narbonna lieſſen
ſich fuͤnff tauſent Neapolitaner ſehen: die gantze Landſchafft erklaͤrt ſich vor den
Monſieur/ wider den Cardinal/ vnd hengt ſich an den Momorancy/ derſelb belegt
J iijdas
[70]De Statu perturbato Franciæ.
das Volck/ ſucht den Marggraffen von Foſſen, Gubernatorn in Mompellier/ zu-
gewinnen: wurbe Voͤlcker/ begehrt Secours auß Spanien: aber das Parlament
zu Thouloſe widerſetzte ſich nach allem vermoͤgen.


Bey ſo bewandten Sachen machte ſich der Koͤnig auff/ vnnd befahl dem
Printzen von Condè, Koͤniglichen Gebluͤts/ Niuernois, Berry, Bourbonnois,
Touraine, Poitou, Aunis, Xaintonge, haute \& baſſe Marche, Limoſin
vnnd Au-
uergne,
mit ſehr groſſem Gewalt/ daß ſich ſchier jedermaͤnniglich daruͤber verwun-
derte. Vnder deſſen nahm der Monſieur Alby ein/ gieng auff Carcaſſonne ver-
geblich/ ließ Beſiers beveſtigen/ vnd vernahm vngern/ daß all ſein vorhaben im Land
Narbonne zu ruͤck gangen/ vnnd jhm dieſe Thuͤr verſperꝛt worden. Hiengegen
ließ der Koͤnig ein Manifeſt wieder deß Monſieurs Anhang/ zu Gnad vnnd Vn-
gnaden/ im Parlament zu Pariß außgehen/ vnnd brach auff den eylfften Auguſt.
Jhm kam zum beſten/ daß Puylaurens vnd Momorancy gegen einander eyferten:
ſo wolte d’ Elbœuf mehr ſeyn/ als ſie beyde/ vnnd General Leutenant deß Mon-
ſieurs/ wieder deß Momorancy Danck heiſſen: alſo daß ſie ſich von einan der mit
den Voͤlckern ſcheydeten. Wie nun die Spanier/ auß antrieb der alten Koͤnigin/
vber die Niederlaͤndiſche Graͤntzen ſetzen moͤgen/ ließ jhm der Koͤnig nicht zuwider
ſeyn/ daß der Graff von Soiſſons, auch Koͤniglichen Gebluͤts/ das Gubernament
vber Pariß vnnd die nechſte Landſchafften/ auch vber die Armee in Pickardy in ſei-
nem abweſen erhielte/ vnnd nach Beſchaffenheit denſelben Niederlaͤndiſchen
Staͤnden/ ſo das Spaniſche Joch ſuchten abzuwerffen/ zu Huͤlff vnd Troſt kaͤme.
Deßwegen auch die Spanier jhre Voͤlcker in die Laͤnder Hennegaw vnnd Artois
theilen muͤſſen/ ob ſie ſchon derſelben zum Entſatz der Statt Maſtrich wohl benoͤ-
thigt waren: welcher geſtalt auch die Hollaͤnder der Frantzoͤſiſchen Armee vnder
dem von Eſtrée an der Moſel entrahten koͤnnen. Là Force vnnd Schomberg zo-
gen dem Monſieur auff dem Fuß nach/ biß in Languedoc/ vnnd fanden noch etliche
Staͤtte vnnd Herꝛn in deß Koͤnigs Devotion/ beriethen ſich/ den Vicomte d’ E-
ſtranges
in ſeinem Laͤger/ ohnferꝛn Priuas anzugreiffen/ den ſie in dreyen Stun-
den vberwaͤltigt vnd gefangen/ auch bald hernach/ andern zu einem Schrecken/ in
Eſtrange enthaupten laſſen. Der Monſieur war in das Schloß Beaucaire kom-
men/ aber die Statt hielts mit dem Koͤnig/ darumb koſtet es Mühe/ biß die Koͤ-
nigiſche Voͤlcker jhnen die Proviand abgeſchnitten/ vnd ſie den ſechſten Septem-
ber zur Vbergab gezwungen. Welche Vbergab der obige Eyfer verurſacht/ auſ-
ſer deme die Statt auß dem Schloß haͤtte moͤgen bezwungen werden. Vnder
deſſen verlohr der Monſieur auch das Schloß an der Statt S. Felix, durch Vber-
gab/ vnnd wurd von Momorancy getrieben/ den von Schomberg anzugreiffen/
welches auch bey Caſtelnaudary geſchehen/ da deß Monſieurs Voͤlcker den kuͤr-
tzern zogen/ vnd der Momorancy verwund/ auch halb raſend gegen den Koͤnigiſchen/
mit dem Pferd gefallen vnd gefangen worden.


Der
[71]De Statu perturbato Franciæ.

Der Koͤnig erhub ſich von Lyon/ nach Languedoc/ ſchickte den von Aiguebon-
ne
an ſeinen Bruder/ ließ jhm alle Gnad vnd vorige Stell antragen/ wann er nur
ſich frembder Haͤndel entſchlüge: ſo moͤcht er auch wohl auſſerhalb deß Koͤnig-
reichs/ an einem nicht verdaͤchtigen Orth ſich halten/ vnnd hiemit vor alle ſeine
Hoffdiener/ auch den von Elbœuf Pardon annehmen. Es war aber Chaude-
bonne
bereyt zum Koͤnig abgefertigt/ allen Gehorſamb zubezeugen/ vnnd darne-
ben wichtige Sachen zubegehren/ daß nemblich/ Momorancy wieder zu ſeinen
Wuͤrden kaͤme/ wie auch Beaucaire, vnnd alle andere/ ſo dem Monſieur vnnd der
alten Koͤnigin anhaͤngig geweſen: daß Monſieur ein ſichern Orth haͤtte: daß die
alte Koͤnigin wieder nach Hoff kaͤme/ daß dem Hertzogen in Lothringen ſeine Ve-
ſtungen wieder zukaͤmen: daß der Koͤnig jhm ein Million Pfund ließ erlegen/ die
bey Lothringen vnd Spanien gemachte Schulden zuzahlen: vnd daß der Proceß
wieder die Fraw von Fargis auffgehoben wuͤrde. Vmb dieſe Gnaden hielte
Monfieur bey dem Aiguebonne inſtaͤndig an/ ſonderlich vmb deß Momorancy
Perſon. Aber der Koͤnig ließ es bey dem erſten erbieten bewenden/ angeſehen
deß Monſieurs begehren/ der Koͤniglichen Hoheit/ deß Staads Wolfahrt vnnd
ſeinem eygenen beſten vnziemllch waͤre. Befahl darneben/ ſeinen Hoffſtaden in
Beſiers ein zunehmen/ vnd jhm alle muͤgliche Ehr zuerweiſen. Buillon vnd Foſ-
ſez
wurden nochmahln zu jhm geſandt/ mit der Erinnerung der Koͤnig capitu-
lierte nicht/ wuͤrde dennoch ſeiner Clementz ohne nachtheil deß Staads/ jeder-
maͤnniglich genieſſen laſſen/ muͤſte aber darneben die Rebellion/ andern zu einem
Exempel/ ſtraffen. Puylaurens ſahe kein ander Thuͤr offen/ ſich ſelbſt zuretten:
vnnd alſo wurd verglichen/ daß der Monſieur vmb Gnad bathe/ vnnd von allen
Practicken abließ: daß er Hoff hielte/ wo der Koͤnig es wuͤrde beſcheyden: daß er
ſich ſeines Anhangs nicht annehme: daß er an ſeinem Hoff die erledigte Stellen
mit annehmlichen Leuthen erſetzte/ vnnd die gehaͤſſige abſchaffte: daß Puylaurens
alle Geheimnuſſen offenbahrte. Alſo wurd Fried gemacht/ vnnd Monſieur zog
nach Champigny bey Tours, vnnd bezeugte in einem Schreiben an den Cardinal
nicht nur ſein wolgefallen vnnd genuͤgen/ ſondern auch vnverꝛuckte Trew auff das
kuͤnfftige.


Die Staͤtte in Languedoc ſuchten auch Gnad bey dem Koͤnig/ welcher zur
Verſicherung derſelben Landſchafft etliche Veſtungen mitten im Land ließ ſchleif-
fen/ vnnd etliche Partiſanen abſtraffen. Beſchrieb die Staͤnde nach Beſiers,
verwieß jhnen die Rebellion/ vnd erzeigt Gnad/ auff deß Ertzbiſchoffen von Nar-
bonne Abbitt/ ſo wohl bey Abſchaffung der Jmpoſten Meiſter/ als bey gutem An-
ſtalt/ wegen kuͤnfftiger Contributionen. Momorancy wurd nach Thoulouſe
gefuͤhrt/ jhm folgte der Koͤnig/ vnnd befahl dem Parlament vber jhn zuvrtheilen.
Die Princeſſin von Condè, ſeine Schweſter/ der Cardinal de la Valette, die Her-
tzogen von Epernon vnnd Cheureuſe thaͤten jhr euſſerſtes/ Lauanpot im Namen
deß
[72]De Statu perturbato Franciæ.
deß Monſieurs auch mit einem Fußfall/ vnnd endlich der Marſchalck Chaſtillon
mit vielem flehen/ vnd konden jhm das Leben nicht erhalten. Jhm wurd erlaubt/
ſein Teſtament zumachen/ in welchem er dem Cardinal ein Taffel von S. Seba-
ſtian/ als ein ſehr rares ſtuͤcklein vermachte/ vnnd alſo wurd jhm der Kopff im
Statthauß abgeſchlagen. Zuvor wolte die alte Koͤnigin/ auß Raht deß Chan-
teloupe Madame Combalet,
deß Cardinals Nichte vnd nechſte Blutsfreundin/
auß Pariß laſſen nehmen/ dem Momorancy ſeine Freyheit dadurch zuerzwingen:
aber die Thaͤter waren ohne deren von Combalet Vorbitt alle vmb die Haͤlſe
kommen.


Noch konde Franckreich keine Ruhe erhalten: dann Puylaurens repræſen-
tirte dem Monſieur/ da ſein vielfaltiges anhalten einem ſolchen Herꝛn das Leben
nicht moͤgen erhalten/ haͤtte er bey erſter geſuchter Gelegenheit nichts beſſers zuge-
warten: ſo gereichte auch ſolcher Abſchlag bey allen außlaͤndiſchen Potentaten/ der
Frantzoſen zugeſchweigen/ jhm zu einem ewigẽ Spott/ vñ Verachtung. Darumb
ſolte er ſich nach Lothringen machen/ vnnd die Princeſſin Margarethen beſuchen.
Andere hielten zwar vor rahtſam/ dz er ſich auß Franckreich erhuͤbe: meynten aber/
der Hertzog waͤr viel zuſchwach/ ſie lang zuſchuͤtzen/ vnd ob man gleich von Nancy
leichtlich nach Bruͤſſell kommen koͤnde/ thaͤten doch die Spanier nicht viel mehr
zur Sach/ als complimentiren: vnnd alſo ſolte kein ſicherer Orth ſeyn/ als Caſal/
da jhn der Thoyras ſchoͤn wuͤrde empfangen. Die Reyß nach Lothringen im
November wurd hiemit beſchoͤnt/ daß Monſieur zu keinem andern ende ſich gede-
muͤtiget/ als den Momorancy bey Leben zuerhalten/ vnnd ſeine Freyheit zugewin-
nen. Weiler aber jehnen todt/ vnnd ſich in euſſerſter Verachtung ſehe/ koͤnd er
nicht laͤnger in Franckreich bleiben. Er hoffete aber/ die Biſchoffe in Languedoc
wuͤrden noch veſt an jhm halten: doch vergeblich/ nach dem der Bapſt etlichen an-
dern Biſchoffen befohlen/ dieſelben zuverurtheilen/ vnnd abzuſetzen/ welches der
Koͤnig durch ſein eygene Richter wohl haͤtte thun laſſen koͤnnen/ zumahl Chriſtus/
vnnd die zween fuͤrnembſten Apoſteln ſich den Layenrichtern darzuſtellen kein be-
dencken getragen.


Auß Languedoc muͤſſen wir nach Provantz gehen/ allda der Hertzog von
Guyſe mit dem Momorancy gleichen Sinn ſuͤhrete/ welches der Cardinal ge-
merckt/ vnnd deßwegen dem Koͤnig gerahten/ jhm das Gubernament gegen an-
dern Recompenſen abzuhandeln: das Guyſe aber nicht verſtehen wollen. Vnd
als der Koͤnig jhn nach Hoff erforderte/ ließ er zween oder drey Monatzeit begeh-
ren/ nach Lauretto vnnd Rom zuziehen/ vnnd erlangts ſo ferꝛn/ daß er ſich alſo bald
hernach einſtellete. Er ſchickte aber alsdann den Grandprè zum Koͤnig nach
Wich/ vnd ſuchte Dienſt im Jtalianiſchen Krieg/ ſo jhme der Koͤnig abſchlug/ mit
wiederholtem Befehl/ ſich einzuſtellen/ vnnd wegen etlicher Beſchuldigungen zu-
verantworten. D[a]rumb ſahe man/ daß er die vhralten Spruͤche deß Hauſes
Loth-
[73]De Statu perturbato Franciæ.
Lothringen an dieſe Landſchafft wuͤrde her für ſuchen/ zumahl er wider die Geſatz
auſſerhalb deß Koͤnigreichs ſich enthielte/ vnnd allerhand Practicken anſtellete.
Alſo wurd das Gubernament jhme genommen/ vnnd dem Marſchalck von Vitry
gegeben/ welcher auff den Tag den Eyd abgelegt/ als der Monſieur den Frieden
angenommen. Der Koͤnig eilte im October nach Pariß/ vnnd ließ den Cardi-
nal ſehr kranck zu Bordeaux: deßwegen Chaſteauneuf Siegelwarter ſich ſeines
tods erfrewete/ vnd anfieng den Meiſter zuſpielen/ als ob er ſchon am Brett waͤr.
Aber der Cardinal kam wieder zur Geſundheit/ vnnd wurd vom Koͤnig beſucht/
vnd 2. Stunden allein vnderhalten/ zu Rochefort.


Alſo gieng das 1633. Jahr an/ mit andern vielfaltigen Geſchaͤfften. Dann
es ſchien/ als wolten die Hollaͤnder mit den Spanier ein Stillſtand der Waffen/
wie im Jahr 1609. wiederumb machen: vnnd alsdann koͤnde derſelb ſeine Macht
den beyden Hertzogen von Orleans vnd Lothringen vberlaſſen/ vnnd den Krieg in
Franckreich ziehen/ auch dem Kayſer beſſer vnnder die Arm greiffen/ nach dem das
Gluͤck jhn wiederumb anblickete. Charnacè wurd/ ſolchen Streich abzuwenden/
nach Holland verordnet/ der bracht an/ deß Spaniers eifferiges begehren ſolte
billich verdaͤchtig ſeyn/ vnnd von ſeinen Ohnkraͤfften zeugen/ darumb ſolte man
jhm deſto weniger Zeit laſſen/ ſich zuerholen. Auch wuͤrde er nimmermehr zu ei-
nem beſtaͤndigen Frieden verſtehen wollen. Wie er dann Anno 1621. nach geen-
detem Stillſtand durch den Cantzler in Braband Becken/ ſie erinnert/ ſich wieder
vnder das Joch jhres natuͤrlichen Herꝛn zubegeben. So ſolten ſie auch beden-
cken/ daß die Provintzen zu keiner Zeit beſſer/ als vnder wehrendem Krieg florirt
haͤtten. Sie ſolten nicht gedencken/ daß die Spaniſche Provintzen vnder lan-
gem Stillſtand oder Frieden das kriegen vergeſſen/ oder die Schweden dz Hauß
Oeſterꝛeich abmatten wuͤrden: dann der Spanier wuͤrde ſie nicht laſſen verꝛoſten/
ſondern in Teutſchland gebrauchen/ vnnd hernach deſto maͤchtiger die Hollaͤnder
vberziehen. Auch wuͤrde der Spanier jhme die beyde Jndien vorbehalten/ vnd
den Handel ſperꝛen. Wie ſie nun mit den Waffen jhre Republick angefangen/
alſo muͤſten ſie auch dieſelbe vnderhalten/ deren Fundament der Spanier bey
letztem Stillſtand ſchier zu Hauff geworffen haͤtte/ das er bey Kriegszeiten jhm
nicht traumen laſſen koͤnnen. Vnd wann ſie kein abſehen auff jhre Bunds ver-
wandten haͤtten/ thaͤten ſie jhnen ſelbſt zu kurtz/ vnnd geben Vrſach zu ſagen/ was
von Hanibal/ vnd Pompeio etwan geſagt worden/ Sie verſtuͤnden nemlich nicht/
einigen Nutzen auß dem Sieg zuziehen.


Dieweil der Koͤnig den Ertzbiſchoffen zu Trier in ſeinen Schutz genom-
men/ befahl er dem S. Chaumont, jhm auch die beyde Orth Fumay vnnd Reueing
auff der Maaſe/ ſo die Spanier eingenommen vnd beveſtigten/ wieder zulieffern.
Die Spanier zogen in der Stille ab: kamen aber in ſeinem abweſen wieder/ alſo
daß er bald hernach Freydenburg muſte bezwingen: der Ertzbiſchoff hielt ſein Re-
Kſidentz
[74]De Statu perturbato Franciæ.
ſidentz wieder zu Trier/ vnd kond auß Forcht der Spanier die Frantzoſen/ nicht von
ſich laſſen. Vnnd vmb ſo vielmehr/ daß der Koͤnig auß Schweden in einem
Treffen war geblieben/ dannenhero das Hauß Oeſterꝛeich deſto weiter vmb ſich
greiffen wuͤrde. Auß eben dieſer Vrſachen wurd Fequieres nach Teutſchland
geſand/ an deß verſtorbenen Koͤnigs Tochter Chriſtinæ Cantzlern Ochſenſtiern/
vnd alle Proteſtirende Fuͤrſten der Leipziger Vnion/ Erſtlich das Leyd zuklagen/
vnd ſein Begierd nach jhrer Wolfahrt zubezeugen. Darnach ſie zu einer newen
Vereinigung in vorigem Thun zuvermoͤgen. Drittens/ jhre Armeen ſolcher
geſtalt zubeſtellen/ daß kein Mangel erſcheine. Vnnd weil eine Verſamblung
nach Hailbrun am Necker auff das außgehende Jahr gelegt war/ ſahe der Cardi-
nal vor rahtſam an/ daß Fequieres zuvor ſich bey etlichen Fuͤrſten anmelden/ vnd
dannoch vnder den erſten an gemeldtem Orth finden ſolte. Er wuſte zuerzehlen/
wie gut es ſein Koͤnig mit dem gemeinen Weſen meynte/ was er auch bißher dar-
bey gethan haͤtte/ thun koͤnde vnd thun wuͤrde: nemblich den Schweden vnd Hol-
laͤndern mit Geldt Vorſchub gethan: gewaltige Diverſionen in Lothringen vnd
Jtalien gemacht: ſtarcke Armeen auff den Beinen gehalten/ vnnd ſehr viel auff
Geſandſchafften verwendet. Da ſie ſich nun trennen ſolten/ wuͤrde alles vorige
vmbſonſt ſeyn: hielten ſie aber zuſam/ waͤren ſie dem Hauß Oeſterꝛeich vber legen/
vñ koͤnden die Vertriebene wieder einſetzen/ die vorige Freyheiterlangen/ vnd den
Frieden veſt machen.


Wie jhm nun alle vnnd jede Fuͤrſten muͤſſen Beyfall geben/ tractirt er fer-
ner von einem Bund zwiſchen ſeinem Koͤnig vnnd der Cron Franckreich auff ei-
ner/ vnd dannzwiſchen der Koͤnigin Chriſtina/ vnd der Cron Schweden auff der
andern Seit/ deſſen Zweck vnnd Vrſach waͤre/ die gemeine Freunde zubeſchuͤtzen:
die offene See vnnd das Balthiſche Meer ſicher zuhaben: vnnd ein beſtaͤndigen
Frieden im Roͤmiſchen Reich zumachen/ auff daß ein jedweder zu dem ſeinigen
kaͤme. Hierzu ſolte die Koͤnigin in Schweden dreyſſig tauſent Mann zu Fuß/
vnnd ſechs tauſent Pferd halten/ vnnd der Koͤnig jedes Jahr ein Million Pfund
zum Kriegskoſten erlegen: daß die Bundsgenoſſen einer in deß andern Landen
moͤchte Voͤlcker werben: daß die bruͤchige vnnd fluͤchtige jhrem Oberherꝛn zur
Straff gelieffert wuͤrden: daß die Koͤnigin in Schweden die Catholiſche Reli-
gion in den eingenommenen Orthen/ wie ſie es gefunden/ frey laſſen ſolte: daß der
Churfuͤrſt in Bayern/ ſampt den Ligiſtiſchen Fuͤrſten vmb die Neutralitaͤt moͤch-
ten tractieren/ ob ſie wolten: daß alle andere Fürſten vnnd Staͤnde erſucht wuͤr-
den/ in den Bund zutretten: dz man hienfuͤro mit Raht der ſamptlichen Bunds-
genoſſen tractieren ſolte: daß dieſer Bund biß zu dem auffgerichten Frieden in
Teutſchland waͤhren ſolte: vnd da die Friedenstractaten nicht vollzogen wuͤrden/
die Bundsgenoſſen wieder zu den Waffen greiffen/ vnnd einander beyſpringen
ſolten.


Noch
[75]De Statu perturbato Franciæ.

Noch war eines andern Bunds mit dem Oberteutſchland von noͤthen/ dar-
umb bemühete ſich Fequieres auch denſelben zuſchlieſſen: daß nemblich ein veſte
vnd beſtaͤndige Verbündnuß waͤr/ zwiſchen dem Koͤnigreich Schweden/ vnnd den
Proteſtirenden Chur-Fuͤrſten vnnd Staͤnden deß Obern Teutſchlandes Krafft
deren ſie jhre Macht zuſammen ſetzen/ vnnd einander helffen ſolten/ biß Teutſch-
land ſein erſte Freyheit erlangt haͤtte: daß die Reichs Abſchied wieder in ſchwang
kaͤmen: daß die Fuͤrſten wieder zu jhren Wuͤrden vnnd Landen gelangten: daß
man der Cron Schweden die Kriegskoſten vergnügete: vnnd daß man ein guten
vnd verſicherten Frieden erwuͤrbe. Vber diß ſolte der Cantzeler Ochſenſtiern dz Re-
giment fuͤhren/ vnd einen Raht von etlichen Schwediſchen Officirern/ auch ei-
nen Deputirten auß jedem Krayß bey ſich haben: dz kein Bunds Verwander ohn
der andern Bewilligung abſonderlich Frieden tractieren koͤnde/ oder im widrigen
vor Feind erklaͤrt wuͤrde: daß die Bunds Verwandten der vier Kreyß die Armeen
mit Proviand/ Amunition vnd Geſchuͤtz ſolten verſehen: daß die Armeen den Eyd
der Kron Schweden/ vnd den Bunds Verwanden thun ſolten: daß der Director
neben ſeinem beywohnenden Raht alle muͤglichkeit vornehme/ das Kriegs We-
ſen in guter Ordnung zuhalten/ vnnd den Kauffhandel zubefuͤrdern: daß alle
Staͤnd vnnd Fuͤrſten im Bund ſchuldig waͤren/ die Kron Schweden bey jhren
Conqueſten in Teutſchland/ biß zu geendetem Krieg zu mantenieren/ auch biß jhr
vnnd den Bunds Verwandten gebuͤhrliche Abſtattung alles Vnkoſtens vnnd
Schadens geſchehe. Jn dieſen Bund gehoͤrten die vier obere Krayß/ nemblich
Schwaben/ Francken/ ober vnnd vnder Rhein: den Tractaten wohneten bey Am-
ſtrudel Engellaͤndiſcher/ Cantzler Ochſenſtiern vnd Ritter Raches Schwe-
diſcher/ Pan Hollaͤndiſcher Abgeſander/ auch viel Herꝛn auß
Teutſchland/ denen auch ein Deputirter in deß
Cantzlers Raht verſtattet
worden.



K ijDer
[76]De Statu perturbato Franciæ.

Der 8. Diſcurß.


WasCrequybey dem Bapſt im Namen deß Frantzoſen
angebracht. Reformation bey Hoff. Deß Lothringers Feindlichkeit. Das
Hertzogthumb Bar eingezogen. Vergebliche Tractaten wegen Lothringen.
Nancy belaͤgert/ die Princeſſin Margreth entwiſcht. Andere Tractaten. B-
bergab der Statt Nancy: welche Altringer vnnd Feria vergeblich ſuchen zuentſe-
tzen. Wie der Monſieur wieder nach Hoff kompt. Schreiben deß Cardinals
an die alte Koͤnigin: Jhr vnnd deß Cardinals/ auch Hertzogen in Saphoyen
todt.


ES ſahe der Cardinal gar wohl/ daß Franckreich mit
Spanien wuͤrde endlich zubrechen kommen/ nach deme es biß dahin nur
vmb die Bunds genoſſen zuthun geweſen. Darumb vermoͤgt er den Koͤ-
nig/ eine Geſandtſchafft an den Bapſt zuſchicken/ damit derſelb nicht von der farb
fiele/ vnnd etwan in Jtalien Haͤndel anfienge. Hier zu ſchien Crequy, wegen ſei-
ner groſſen baaren Mittel/ vnd der Jtalianiſchen Fuͤrſten Kundſchafft/ auß buͤn-
dig/ weil er auch zu Ehren vnnd Kurtzweil nichts pflegte zuſparen. Seine Be-
reitſchafft hielt jhn bey Hoff biß zu Eingang deß Meyen. Er ſaß zu Schiff/ kam
zu Rom an/ mit fuͤnffhundert Dienern/ in ſolchem Pracht/ als niemahlen geſe-
hen worden: ebenmaͤſſig wurd er auch empfangen/ vnnd zur Audientz gefuͤhrt.
der Vortrag war/ der Koͤnig haͤtte ſo lang verzogen/ jhme zu Eingang der Baͤpſti-
ſchen Wuͤrden Gluͤck zuwuͤnſchen/ vnnd den Gehorſamb zubezeugen/ biß er den
Raub den Kirchen feinden abgenommen vnd zu ſeinen Fuͤſſen legen koͤnne. Dar-
nach wie wegen vieler geleyſteten Dienſten/ ſeine Voreltern ein ruͤhmlichen Na-
men erworben/ vnnd wie er auch geſinnet waͤr/ ſeine Macht dem Bapſt zu Dienſt
anzuwenden: wie er jhn dann vor Chriſti Statthalter/ Petri Succeſſorn/ vnnd
Verwalter deß Himmelreichs hielte/ vnnd deßwegen ſich zu ſeinen Fuͤſſen legte/
mit ſonderlicher Beyſorg/ daß jhm kein Wort entfuͤhr/ darauß man ſpuͤren ſolte/
ob die Cron Franckreich vom Roͤm. Stul dependirte. Das fuͤrnembſte Stuͤck
aber der Geſandſchafft war/ daß Franckreich ſich erbotte/ dem Bapſt in allen Be-
gebenheiten zu dienen/ vnnd den Streit mit den Venetianern zuſchlichten: wel-
cher wegen der Graͤntzen in der Herꝛſchafft Gorre, vnd wegen etlicher kleinen Jn-
ſeln war entſtanden/ biß ſie in Ferꝛar einander geſchlagen/ welches dann zu einer
voͤlligen Ruptur gelangen moͤgen. Weil nun deß Bapſts anſehen im Fried
weit
[77]De Statu perturbato Franciæ.
weit herꝛlicher iſt/ hielt er vorgenehm/ daß Crequy ſich nach Venedig erhub/ vnnd
neben dem Abgeſandten de la Tuillerie, zum Vergleich brachte. Vor ſeinem
abreyſen bildet er dem Bapſt tieff ein/ der Teutſche Krieg betreffe die Religion
nicht/ ſondern die Freyheit etlicher Fuͤrſten in jhrem Land/ daß nun etliche Catho-
liſche Staͤnde viel daruͤber gelitten/ waͤr zwar den Koͤniglichen Tractaten zuwi-
der/ auch nicht ſo grewlich als mans machte/ doch auch auß eygener Schuld ge-
ſchehen/ weil ſie die Neutralitaͤt nicht wollen annemen: zumahl ſolcher Schad gar
leicht zuerheben waͤr. Vnd alsdann wuſte er deß Hauſes Oeſterꝛeich vorhaben
vber Jtalien/ nemlich den H. Stuel zuſtuͤrtzen/ vnd die Geiſtliche Freyheit zu mei-
ſtern/ artlich herauß zuſtreichen. Darumb ſein Koͤnig allen muͤglichen Schutz
ihme thaͤt anbieten. Aber zu einer Verbuͤndnuß/ den Fuͤrſten in Jtalien vnnd
Geiſtlichen zu Schutz wieder Spanien wolte ſich der Bapſt nit verſtehen/ als ein
gemeiner Vatter.


Bey Hoff gab es allerhand Veraͤnderungen/ Seguyer ward Siegelwarter:
Cogneux, Londes vnd Monſigot jhrer Aempter entſetzt/ weil ſie ſich nicht einſtelle-
ten. Die Gubernatorn zu Caſal/ Pignerol/ vnnd ſchier in gantz Franckreich/
giengen ab/ oder muſten wechſeln. Auch hielt der Koͤnig Capitel vber den Or-
den deß H. Geiſtes/ vnnd erſetzt alles. Vnnd legt ein Parlament in die Statt
Metz/ wegen der Landſchafften/ ſo er nunmehr auß deß Hertzogen von Lothringen
Haͤnden gezogen/ vnnd der Cron wieder einverleibet hatte. Hie geſchahe eine
Execution an Alpheſton, der ſich von Chanteloupe der alten Koͤnigin Beicht-
vatter/ hatte beſtellen laſſen/ den Cardinal in Chalons zuerſchieſſen. Dieſem
folgte Chauagnac, der mit einem vergiffteten Brieff vnder dem leſen jhm ſolte das
Leben verkuͤrtzen: alſo wurden dieſe zween lebendig geraͤdert. Aber in Lothrin-
gen wolte man nicht ſtill ſitzen: dann der Hertzog hatte zwar ſeine Voͤlcker/ ver-
moͤg der letzen Friedens Tractaten zu D’ Effiat geſtoſſen/ aber auch auß Befehl
laſſen verlauffen/ damit ſie Montbaillon vor den Kayſer wieder zuſammen braͤch-
te. Guerquoy blieb mit ſeinem Regiment bey den Frantzoſen/ weil man jhm von
dem Geheymnuß nichts geſagt/ vnnd muſte ſehen/ daß Veruaire jhm die Schuh
außtratt/ als haͤtte er muthwillig peccirt/ vnnd in das Elſaß anzoge/ da jhn die
Schweden Capott gemacht. Jn Lothringen ſolten keine Werbungen geſche-
hen/ vnd Ajax der Jtalianer ließ die Trommel ruͤhren vor Breyſach. Der Her-
tzog ſolte den Bundts Verwandten deß Koͤnigs kein Abbruch thun/ wie er auch
dem General Horn zugeſagt/ vnd danckt ſeine Voͤlcker ſolcher geſtalt ab/ daß ſie der
Graff von Salm auff der Stund annahm/ vnnd Hagenaw (darauß man wegen
folcher Sicherheit fuͤnffhundert Mann gezogen hatte) vberꝛumpelte: alſo wurben
Montecuculi, Bentiuoglio vnd Naſſaw in Lothringen/ danckten dann ab auff den
Graͤntzen/ vnnd vberliefferten durch ſolche Practicken die Voͤlcker an deß Schwe-
den Feinde. Sonderlich hielte ſich Naſſaw grewlich wieder alles Frantzoß oder
K iijwas
[78]De Statu perturbato Franciæ.
was Frantzoͤſiſche Minen machte/ ſo wol offentlich als heimlich. Endlich ließ er im
Laͤger außblaſen/ daß man ſeine Voͤlcker die Kayſerliche Armee nennen ſolte: wel-
cher geſtalt er auch die Schweden vor Gerbaden auffgeſchlagen/ mit den Kayſeri-
ſchen Oberſten corꝛeſpondirt/ vnnd von dem Marggraffen von Celade Sold zu
ſeiner Armee genommen/ ſampt etlichen Truppen vom Wallenſtein. Darbey
jhm der Kayſer aller deren confiſcirte Guͤter/ ſo zu Hailbruñ geweſen/ verehrete.
Alſo vergliche er ſich/ daß jhm die zehen Staͤtte der Kayſerlichen Vogtey/ mit
Schlettſtatt vnd Colmar ſolten eingeraumpt werden. Vnd ließ noch darneben
die Schweden durch den Marggraffen de Ville in der ſtille wiſſen/ er thaͤt nichts
ohne deß Koͤnigs vorwiſſen vnd belieben/ ſchickte alſo bald zehen tauſent Mann/
die Belaͤgerung Hagenaw auffzuheben/ die jhm aber gelohnt/ vnnd nach dem
Treffen das Geſchuͤtz/ ſampt Bagage abgenommen. Alſo wolte er die Pflicht/
wegen deß Barꝛiſchen Lehens auch nicht ablegen. Gleich wohl ſchickte er Com-
miſſarien wegen Clermont, vnnd lieſſe durch derſelben vnziemliches verfahren
wol ſehen/ daß er nur Vrſach ſuchte zubrechen. Auch vnder lieſſe er die Corꝛe-
ſpondentz nach Bruͤſſel gar nicht/ weil man jhm vom Hollaͤndiſchen Stillſtand
gewiſſe Hoffnung gemacht/ deme zu Folg/ Spanien vnd Oeſterꝛeich in Franckreich
fallen/ vnd den Koͤnig nach belieben noͤthigen wuͤrden.


Hie hielte der Koͤnig gewaltiglich an ſich/ ſchickte Guron an die Schweden/
vnd deutet jhnen an/ Lothringen waͤr in ſeiner Protection/ ſie ſolten nicht einbre-
chen/ er wolte daran ſeyn/ daß jhnen dieſer Seiten kein Verdruß vnnd Schaden
mehr ſolte begegnen: mehr auß Eyfer/ daß dietriumphirende Schweden jhme
nicht zu nahe kaͤmen/ als dem Hertzogen zu Dienſte. Guron ſuchte jhn in Loth-
ringen/ vnd kond ſeiner keine Gewißheit haben/ biß er endlich von Metz nach Lune-
ville zuruͤck beſcheyden ward: allda man die Verbitterung wohl mercken kondte/
aber auch mit Augen ſahe/ daß Nancy nicht vergeblich ſich beveſtigte/ vnnd in
Kundſchafft brachte/ was vor ſtarcke Werbungen angeſtellt waͤren/ auff kuͤnffti-
gen Julium bey S. Michel zumuſtern/ vnd mit Spanien vnnd Oeſterꝛeich frew-
dig in Franckreich zufallen. Hierauff wurd der Hertzog nach Pariß vertagt/
vnd als er/ wie ein Lehen mann nicht erſchienen/ das Lehen Bar jhm abgeſprochen/
vnd der Cron wieder einverleibt/ auch dem Herꝛn de la Nauue aller Gewalt gege-
ben/ gedachtes Lehen einzuziehen. Couuonges, Gubernator im Land Bar/ be-
ſucht jhn/ begehrt im Namen deß Hertzogen Copey ſeiner Commiſſion/ ließ jhm
auch allen Gehorſamb leyſten. Die Antwort war/ er muͤſte ſein Commiſſion of-
fentlich ablegen/ jhm gebühre nicht/ den Gehorſamb zuerlauben. Den folgenden
Tag verfügt er ſich in den Pallaſt/ vnd befahl/ in deß Koͤnigs Namen alles zuver-
walten/ nach deme der Hertzog in zehen Jahren ſeine Pflicht nicht wollen leyſten.
Alſo nahm er den Ayd von den Beampten/ hielt ſelbſt Gericht/ vnnd befahl den
Geiſtlichen/ in dem gewoͤhnlichen Kirchengebet den Koͤnig/ vnnd das Koͤnigliche
Hauß
[79]De Statu perturbato Franciæ.
Hauß zunennen/ mit ſonderlichem Verbott an den Adel/ dem Hertzogen im Krieg
zudienen.


Der Koͤnig begab ſich nach Chaſteauthierry, vnd ließ die Armee auß dem
Trieriſchen auff Nancy ziehen. Der Cardinal in Lothringen verfuͤgt ſich zum
Koͤnig/ bezeugt/ daß er ein Mißfallen truͤge an ſeines Bruders boͤſem Vorneh-
men/ begehrt Schutz/ vnnd daß er moͤcht in Franckreich ſich auffhalten. Wegen
einiges Vergleichs wurd er zum Cardinal Riſcheliu gewieſen/ geſtunde den Heu-
rath mit der Princeſſin Margrethen/ den wolte er vernichten/ vnnd ſie ſelbſt in
Franckreich lieffern/ auch machen/ dz der Hertzog ſein Bruder das Lehen Bar im
Namen ſeiner Gemahlin ſolte empfangen. Die Antwort war/ den Heurath zuver-
nichtẽ ſtuͤnde nit bey Lothringen/ die letzte 3. Tractaten waͤren ſo vbel gehalten wor-
den/ daß beſſere Verſicherung da ſeyn muͤſte. Der Koͤnig wolte der Sachẽ ein End
ſehẽ/ vñ ſolche ſehr nach theilige Verwirꝛungen am Hoff/ auch ſehr nachtheilige An-
ſchlaͤge mit dem Feind nit laͤnger dulten. Dz einige Mittel der Verſicherung waͤr
Nancy/ welcher Orth den vbrigen mit der Zeit folgen muͤſte/ wann der Hertzog im
Feld nit ſtehen koͤnde/ vnd vom Land nichts mehr genieſſen ſolte. So waͤr auch die
Hoffnung/ daß ſich das Wetter eheſt wenden wuͤrde/ bey ſolchem Alter/ deß Koͤ-
nigs/ vnd ſiegreichen Waffen/ gantz vergeblich. Der Cardinal auß Lothringen
meynt/ es koͤnde ja ſeinem Herꝛn Bruder nichts aͤrgers wiederfahren: der Koͤnig
moͤcht Vrſach ſuchen/ Nancy zubehalten: der Kayſer wuͤrde es auch nicht zuge-
ben/ ſo koͤnde der Frantzoͤſiſche Schutz/ wegen anderer zufaͤlligen Haͤndel vnfrucht-
bar werden. Riſcheliu antwortet/ die Oeſterꝛeicher haͤtten ja den Hertzogen ſte-
cken laſſen: er ſolte ſich gegen Franckreich vnnd dem Kayſerthumb nach gebuͤhr
verhalten/ vnd den Koͤnig auff dieſe vnd jene Weiſe nicht belaidigt haben: moͤch-
te nun ſelbſt waͤhlen/ was er wolte. Hie meynen die Frantzoſen/ die Souveraini-
taͤt vber Lothringen ſtehe jhnen zu/ vnnd haͤtten jhr Gerechtigkeit wider deß Teut-
ſchen Reichs vnbilligen Beſitz biß dahin nicht ſuchen koͤnnen. Der Koͤnig ruͤck-
te fort/ vnnd wolte gegen dem Cardinal auß Lothringen/ der zu S. Diſter wieder
war ankommen die Veſtung Motte zur Verſicherung nicht belieben/ weil ſolches
Band nit ſtarck genug waͤr/ den Hertzogen zuhalten. Hie wurd dieſer Renck er-
funden/ daß der Hertzog ſeinem Bruder dem Cardinal die voͤllige Landen/ (doch
daß er ſie jhm mit der Zeit wieder einranmen ſolte) abtrette. Zu Pontamouſſon
verwieſe der Koͤnig dieſen Vortrag an den Cardinal Riſcheliu: der ſolte dem
Cardinal in Lothringen ſeine Nichte Combalet zur Ehe geben/ vnnd alle Spaͤhn
zwiſchen Franckreich vnnd Lothringen darmit auffheben. Riſcheliu wolte ſein
eygen Nutzen in das gemeine Weſen nicht gemengt haben/ vnd ſagt rund herauß/
die vermeynte Ceſſion koͤnde den Schaden nicht auß dem Grund heilen/ weil der
Hertzog ſich eines andern beſinnen/ vnnd mit Gewalt oder heymlichem Verſtand
wieder ins Land kommen koͤnde. Alſo wurd nichts auß dieſen Tractaten.


Der
[80]De Statu perturbato Franciæ.

Der Koͤnig fuhr forth/ nahm ein S. Michel/ Pontamouſſon, Eſpinal, Char-
mes, Luneuille, Haton du Chaſtel, Condè Chauſſee, Trangnon, Malatour, Parg-
ny
vnd Boucouuille, vnnd ließ durch den von Chaumont die Statt Nancy gantz
ſchlieſſen/ daß nichts ein/ noch auß konde. Das Regiment Floriuille wolt durch
das Gewaͤld herbey nahen/ vnnd hienein ſchleichen/ wurd aber getrennt: dann der
Graff de la Suſe hielte das flache Feld mit ſieben Faͤhnlein Reutern. La Force
verfolgte den Hertzogen mit ſechs tauſent zu Fuß/ vnnd fuͤnffzehen hundert Pfer-
den/ ſampt ſechs Stuͤcken. Das Laͤger wurd in fuͤnff Tagen verwahrt/ vnnd
vier Meilen rund vmb die Statt/ mit vielen Schantzen vnnd Redouten geſchloſ-
ſen. Die Princeſſin Margretha verkleidet ſich als ein Edelman/ ſetzt mit Daui-
durch die Schildwachten/ gab ſich vor deß Herꝛn von Chaumont Diener auß:
muſt ſich wegen einer Schwediſchen Parthey im Boſch verkriechen/ vnnd kam
endlich gen Diedenhoffen/ da ſie mit Noth wurd eingelaſſen/ vnd von deß Guber-
nators la Ville Weib andere Kleider vberkommen. Sie eilt nach Namur/ vnnd
wurd nach Bruͤſſel eingeholt. Vnder deſſen ließ der Hertzog auß Lothringen/
dem Koͤnig die newe Statt Nancy aneragen/ vnd endlich jhm vnd dem Cardinal
die Tractaten vbergeben/ welche dahin giengen/ daß der Hertzog allen Buͤndnuſ-
ſen/ ſo Franckreich zuwider waͤren/ auff ein newes abſagte. Daß er ſich verpflich-
te/ dem Koͤnig gegen vnd wieder jedermaͤnniglich zudienen. Daß er bey ſchwe-
bendem Teutſchen Vnweſen/ ohne deß Koͤnigs Verwilligung/ kein Werbungen
thaͤt: daß er alſo bald abdancke/ wann der Koͤnig vom Cantzler Ochſenſtiern das
Wort erhalten/ vnnd die Schweden abzoͤgen: daß er in dreyen Tagen dem Koͤnig
die alte vnnd newe Statt Nancy vbergebe in Verwahrung/ biß man ſehe/ wie er
ſich verhalte/ wie das Teutſche Weſen ablauffe/ vnd der Heurath mit der Princeſ-
ſin Margrethen vernichtet/ vnnd ſie beyde verglichen waͤren jedem ſein Recht vor-
behalten: daß gedachte Princeſſin in vierzehen Tagen gelieffert wuͤrde/ oder doch
jhr außweichen an den Tractaten nichts hinderte: daß das Hertzogthumb Bar
alſo bliebe/ biß dem Koͤnig wegen deß Lehens ein Genuͤgen geſchehen: daß der
Hertzog die Jntraden deß Lands in aller Freyheit genieſſe: daß der Frantzoͤſiſche
Commendant in Nancy nichts mehr/ als das Wort vom anweſenden Cardinal
empfinge/ ohn ferꝛnere Maßgebung: vnd daß die Beſatzung den Jnwohnern kein
Betrangnuß anthue.


Vnd dieſe Artickel wurden beliebet: als aber die drey Tag voruͤber/ zog der
Cardinal an ſich/ ſein Bruder haͤtte wiedrige Ordre geſchickt/ darumb Riſcheliu
jhm zum vberfluß ein Erinnerung thaͤt. Endlich begehrt der Hertzog ſich mit
dem Cardinal zuvnderꝛeden/ welches zu Charmes den achtzehenden geſchehen
ſollen/ allda der Cardinal Morgens fruͤh/ der Hertzog ſchier mitten in der Nacht
ankommen. Zum allerletzten wurd er behandelt/ die Tractaten zuhalten/ vnnd/
ſo er gewolt/ wie ſein Bruder der Cardinal/ in Nancy ſich zuſetzen: alſo macht man
ſich
[81]De Statu perturbato Franciæ.
ſich auff den Weg/ nach dem Koͤnig/ welcher ſie wohl empfieng/ vnnd alles lieſſe
gut ſeyn. Als man nun ſolte ſehen/ auff welche Weiß der Koͤnig ſein Einritt
naͤme/ wolte der Hund abermahl bincken: vnd weil der Hertzog kommen war/ die
Tractaten zuvoll ziehen/ jetzt aber ſich ſperꝛete/ haͤtte man jhn wohl greiffen/ vnnd
ſich ſeiner Perſon verſichern moͤgen/ wie er ſelbſten wohl ſahe daß man fleiſſig jhme
auffwartete. Darumb ließ er die Verordnung thun/ daß den 24. Sept. ſeine
2300 Mann zu Fuß/ mit 230. Pferden außzogen/ vnnd der Koͤnig den folgen den
Tag den Einritt thaͤte. Darnach kam die Koͤnigin/ der Hertzog vnnd Cardinal
auß Lothringen/ auch die Princeſſin von Pfaltzburg/ dem Koͤnig die Haͤnde zukuͤſ-
ſen. Alſo wurd dieſe Statt/ ſo zum wenigſten 2. gantzer Jahr ſich haͤtte halten koͤn-
nen/ dem Koͤnig in vierzehen Tagen vberlieffert/ die er mit acht tauſendt auſſerle-
ſener Mannſchafft vnder dem Braſſac beſetzt/ mit aller Notturfft auff das kuͤnffti-
ge/ auch mit einem Citadelle, da die Bruͤck zwiſchen den Staͤtten liegt/ verwahren
ließ/ in dem er wieder nach Pariß abzoge.


Ehe dieſe Haͤndel zu End lieffen/ ſolten Altringer auß Teutſchland/ vnnd
Feria auß Jtalien bey Coſtnitz zuſammen ſtoſſen/ vnd durch das Elſaß in Lothrin-
gen durchbrechen/ darumb auch der Hertzog nach den Niederlanden gedachte/ ob
in ſechs oder acht Wochen der Winter ſchaͤrpffer wuͤrde/ vnd ſein Secours heran
kaͤme. Das hatte der Cardinal Riſcheliu zuvor geſehen/ vnnd deßwegen die
Schweden nach dem Elſaß vermoͤcht/ den la Force mit zwantzig tauſendt Mann
in Lothringen laſſend/ auff daß er den Hertzogen allenthalben hinderte/ auch den
Schweden genugſame Huͤlff zum Wiederſtand ſchickete. General Horn legt
ſich dem Feria in Weg/ vnnd wolte Coſtnitz einnemen/ muſte aber ablaſſen/ vnnd
die Conjunction verſtatten. Doch legt ſich Hertzog Bernhard von Weimar vor
Regenſpurg/ vnnd eroberts/ ſampt andern Orthen/ welches den Oeſterꝛeichiſchen
Zug nicht abwenden wollen. Alſo ſetzten ſie bey Baſel vber den Rhein/ vnnd
Horn vnnd Birckenfeld bogen jhnen vor bey Colmar/ vnnd hatten la Forco am
Ruͤcken. Darumb geſchah kein Treffen/ vnd muſte Feria nach Schwaben wie-
der gehen/ da jhm ſeine Voͤlcker zu nicht gemacht worden/ vnnd er ſelbſt geſtorben.
Auch nam der Koͤnig in ſeinen Schutz den Hertzogen von Wirtemberg/ vnnd den
Graffen von Hanaw Liechtenberg/ legt Voͤlcker in Mompelgard vnnd Bußwei-
ler vnd demuͤtigt den Hertzogen von Lothringen.


Die alte Koͤnigin hatte die zwey vorige Jahr dem Koͤnig allen Verdruß ge-
than: dannoch ſchickte jhr der Koͤnig/ als ſie kranck worden/ die zween beſten Me-
dicos
in Pariß/ Rioland vnd Pietre, vnd ließ jmmer zu einen vom Adel ablauffen/
von jhrem Zuſtand Bericht zuhaben. Sie bezeugte jhr verlangen nach Pariß/
meldet aber/ ſie koͤnde den Chanteloupe nicht von ſich laſſen. Doch war dem
Koͤnig nicht zuwieder/ daß D’ Eibene ab vnd zu ritte: aber Puylaurens hindert alle
friedfertige Vorſchlaͤge: der Monſieur kond in Franckreich nicht ſicher ſeyn/ man
Lwuͤrde
[82]De Statu perturbato Franciæ.
wuͤrde jhm alſo bald Kundſchaffter an die beyde Seiten ſetzen/ wo er nicht gar nach
Bois de Vincennes muͤſte/ der Koͤnig begehrt ſeiner auß Forcht der Spanier: vnnd
tractiert mit dem Koͤnig/ als feines gleichen. Bald ſchickte der Koͤnig in Spa-
nien ein extraordinari Geſandten nach Franckreich/ vnnd begehrt/ Jhre Majeſtaͤt
wolten der alten Koͤnigin jhre vorige Stell vnnd Wuͤrde wieder einraumen: deß
Hertzogen von Orleans Heurath vor genehm halten: den Hertzogen von Loth-
ringen wieder einſetzen: vnnd ſich deß Teutſchen Weſens enthalten. Die Ant-
wort war/ daß der alten Koͤnigin Thuͤr vnnd Thor offen ſtuͤnden/ da ſie nur den
Staad nicht ferꝛner verwirꝛen wolte: der gemeldte Heurath gehoͤrte vor die Geiſt-
lichen/ vnd ſonderlich vor den Pabſt: die Reſtitution Lothringen koͤndte neben die
Navarꝛiſche geſetzt werden/ vnd ſo lang anſtehen: das Teutſche Weſen erforderte
den Schutz der Bunds Verwandten. Es wurd aber Monſieur endlich vber-
druͤſſig/ daß er ſolte warten/ biß nach Eroberung Philippsburg vnnd Trier/ auch
einiger gluͤcklichen Feldſchlacht/ das Kriegs Weſen den Hertzogen in Lothringen
wieder in ſein Land vnd Veſten ſetzte/ vnnd dann der Krieg in Franckreich gefuͤhrt
wuͤrde. Zu deme ſahe er wohl/ daß neben den Complimenten nichts wuͤrcklichs
erfolgte/ vnnd wie das Spaniſche Weſen nach abgemeſſenem Schritt hertrabete/
alſo daß er ein geringes anſehen haben ſolte/ vnd jhnen zum Schein dienete/ jhren
Nutzen zuthun. Darumb nahm er ſich einer Jagt an/ vnd kam zum Koͤnig/ der
jhn mit ſondern Frewden wieder auff vnd angenommen. Vber Zeit muſte Puy-
laurens
ſeiner Boßheit Belohnung auch darvon tragen/ ſonderlich da er ſich in
die loſe Haͤndel deß Graffen von Soiſſon eingemiſcht.


Wie hoch dem Cardinal ſey angelegen geweſen/ daß die alte Koͤnigin jhm
feind worden/ bezeugt dieſes Schreiben an Sie: Madame, Mir iſt bekand/ daß
meine/ oder viel mehr deß Staadsfeinde ſich darmit nicht vergnuͤgen laſſen/
wann ſie bey ewrer Majeſtaͤt mich verkleinern/ ſondern wollen mein Auffenthalt
bey dem Koͤnig auch verdaͤchtig machen/ als wann ich nim̃er zu jhm kaͤme/ dann
euch von jhm zuhalten/ vnd was Gott vnd die Natur zuſam gefuͤgt haben/ zutren-
nen. Nun hoffe ich zu der Guͤte GOttes/ jhre Boßheit werde dermahl eins of-
fenbar werden/ daß mein thun vnnd laſſen vber kurtz ſich ſelbſt rechtfertige/ vnnd
daß meine Vnſchuld vber die Verleumbdung eriumphire. Nicht daß ich mich
deßwegen nicht vor vngluͤcklich/ ja ſelbſt vor ſtraͤfflich halte/ weilich ewrer Maje-
ſtaͤt nicht laͤnger mag gefallen: nicht daß ich mein eygen Leben nicht ſolt in dieſem
Stand haſſen/ da ich ewrer Gunſten vnnd Gnaden/ vnnd der jenigen Wuͤrde be-
raubt bin/ die ich weit hoͤher liebte/ dann alle Hoheiten der Welt/ welche ich alle
von ewrer miltreichen Hand empfangen/ vnnd hiemit zu ewren Fuͤſſen demuͤtig
erniedrige. Entſchuldigt ſelbſt/ Madame, ewer Werck vnd Creatur: alles was
von ewrem Koͤniglichen Humor herkompt/ werd ich ohne murꝛen annemen/ vnd
mit tauſent Segen thun vnnd halten: aber Madame, ſchonet doch auß Gnaden/
durch
[83]De Statu perturbato Franciæ.
durch die jenige Pietaͤt/ ſo euch angebohren iſt/ dieſes purpern Kirchenrocks/ mit
welchem jhr mich bekleidet habt: dann derſelb wird ſein Glantz vnnd Herꝛlichkeit
verlieren/ wann ewre Majeſtaͤt ein ſo ſchwartzen Flecken darauff druckt. Wie
kan es zugehen/ daß die allerhoͤchſte Pflicht zur Vndanckbarkeit werde: daß mein
Gewiſſen/ mein eygener Nutzen/ vnnd mein allererſte Zuneygung mich an ewren
Dienſt binden/ vnnd daß ich zu keinem andern Vortheil mich davon reiſſe/ als daß
ich den Namen erlange/ ich hab mein allerbeſte/ vnnd die allergroͤſte Konigin auff
dem Erdboden verachtet? dieſes wohlbetrachtet/ Madame, ſolte mich alles La-
ſters vnnd Argwohns vor ewrem Gericht ledig zehlen/ der ich ſchier ehe verurtheilt/
als gehoͤrt worden. Dannoch appellireich nicht darvon/ dieweil ich mich zum
euſſerſten an allen ewren Willen verbunden. Darumb vnderſchreib ich mein
eygen Vngluͤck/ vnd begehr mit meiner gnaͤdigen Frawen nicht ein Wort zuver-
lieren/ noch auch jhres Thuns Vrſach zubegehren. Auch dencke ich eben wenig
an meinem Herꝛn vnd Koͤnig/ oder an deſſen Offteirern ein Rücken zuhaben/ noch
mich wieder den Strom ewrer Vnguad auff das zu ruͤck dencken/ meiner vorigen
Dienſten zuſteiffen. Dann ſolche Gedancken waͤren criminal/ vnnd dem jeni-
gen Humor gantz zuwieder/ den ich jederzeit ſehen laſſen/ daß ich nemblich in der
Trew meine Ehr ſuche. Noch weniger begehrich mein erbaͤrmliches Gluͤck in
Franckreich biß ans End zuſchleppen/ oder nach Rom zutragen/ damit ich daſelbſt
noch mehrelendigern Fall ſehe/ als den meinen. Dann ich werde allenthalben/
wo ewre Majeſtaͤt nicht iſt/ vberdruͤſſig ſeyn/ vnd wann mir nicht vergoͤnt wird/ ſie
anzuſchawen/ hab ich kein verlangen/ als nach dem Todt. Doch moͤcht ich/ vmb
meiner Reputation willen/ vnd wegen meiner Stell im Hauſe Gottes/ wünſchen/
daß zu vor meine Vnſchuld erkand wuͤrde/ vnnd wann es nicht zuviel Vermeſſen-
heit iſt/ daß ich zuvor ewer Gunſt vnnd Gnad wieder erwürbe. Wann ich dieſes
erlange/ will ich mich nicht klagen/ vom Hoff/ ja auß der Welt zugehen: auch ſterb
ich eauſent mahl deß Tags/ von der Zeit an/ daß ewre Majeſtaͤt ſich ſtellet/ als waͤr
ich nicht mehr wer ich bin/ nemblich Madame, ewrer Majeſtaͤt Vnderthaͤnigſter/
Getreweſter vnd Gehorſambſter Diener Armand Cardinal von Riſcheliu.


Wie gut es der Cardinal mit dem Staad gemeynt/ erwieſe er vor Roſchel-
len/ da er ſein Geſchmeid/ biß an den Biſchoffsring/ zu deß Koͤnigs Dienſten ver-
ſetzet. Als der Koͤnig zu Lyon Todkranck war/ gab er zum Jtalianiſchen Krieg
alles was er an Baarſchafft hatte/ nemlich zwey mahl hundert tauſent Kronen/
vnd nahm noch mehr auff Jntereſſe/ in ſeinem Namen. Wie fleiſſig wachte er/
als der Graff von Soiſſons mit dem Hertzogen von Bovillon den Staad anfie-
len/ daß auch Aire daruͤber vergeblich wurdeingenommen/ der Hertzog von Bo-
villon aber/ nach deſſen von Soiſſons Todt gewonnen/ vnd Sedan zu einem veſten
Graͤntzhauß gemacht? Alſo legt er Kriegsvoͤlcker vmb den Staad/ daß eine Ar-
mee die andere eilend bereychen koͤnnen: alſo wurd Leucate erobert/ die Jnſeln
L ijS. Ho-
[84]De Statu perturbato Franciæ.
S. Honorat vnd S. Margrethen gewonnen/ ob es ſchon vnmuͤgliche Dieng ſchie-
nen. Bey Genua erhielten wenig Frantzoſen das Treffen zur See/ gegen vielen
Spaniern. Mit Huͤlff der Frantzoſen wurd Piccolhouminigeſchlagen/ Hertzog
Bernhard von Weimar gewann ſo viel Schlachten/ lieffert ſo viel gefangene Ge-
nerals Perſonen/ vbermeiſtert ſo manche Statt vnnd nothveſtes Schloß/ ſonder-
lich Rheinfelden vnnd Breyſach/ daß ſein fruͤhzeitiger Todt die groſſe Monarchy
vor endlichem Vndergang hat befreyet. Der Hertzog von Longueville griff jhm
redlich vnder die Arm. Heſdin muſt ſich ergeben/ vnnd Arꝛas den Reimen vber
dem Statt Thor mit ſchanden auß loͤſchen. Bajame hielt nur 10. Tag.


Wie aber vnder deſſen der Hertzog von Saphoyen geſtorben/ wolt Spanien
die Verwaltung an ſich ziehen/ vnnd nahm etliche Orth ein/ ſo wohl mit Gewalt/
als mit Willen. Darumb befand der Cardinal rahtſam/ daß der Koͤnig ſeiner
Schweſter/ deß jungen Hertzogen vnd Erben Mutter zu Huͤlff kaͤme. Alſo wurd
der Graff von Harcourt mit einer Armee vber das Gebuͤrg commandirt/ der er-
hielt alſo bald das flache Feld: wurd bey Caſal dreymahl zu ruͤck geſchlagen/ vnnd
drang zu letzt durch: belaͤgert die Statt Turino weil das Schloß noch hielte/ vnnd
bezwang ſie/ wie auch Seue vnnd Cony, welcher geſtalt der Feind von auſſen wurd
abgehalten/ vnd der Auffſtand von jenen verhindert. Wie auch die Catalannier
der Caſtillianer Joch abgeworffen/ vnnd mit dem Cardinal im Namen deß Koͤ-
nigs tractirt vnd geſchloſſen hatten/ zog der Koͤnig in die Graffſchafft Rouſſillon,
jhnen bey der erworbenen Freyheit Huͤlff zuleyſten: vnd da der Marſchalck Meil-
leray Colieure eingenommen hatte/ legt ſich der Koͤnig vor Perpignan, ein vnuͤ-
berwindliche Veſtung/ vnnd er oberts in kurtzer Zeit/ darvor Franciſcus I. muͤſſen
abziehen. Als la Motthe-Haudancourt bey Pauare in Catalaunien/ vnd Gue-
brian bey Coͤln in Teutſchland ob geſieget erlangten ſie beyde/ durch deß Cardinals
gutachten/ den Marſchalckſtab. Auch ſchlug Bresè die Spaniſche Floth bey Bar-
cellona/ vnd abermahl bey Cadis. Vnder wehrender Belaͤgerung gab es abermahl
Anſchlaͤge auff deß Koͤnigs Perſon/ vnd auff den Staad/ welche der Cardinal zu
nicht gemacht/ der Koͤnig aber mit dem Leben an etlichen geſtrafft hatt. Wie nun
der alten Koͤnigin Practicken durch deß Cardinals Wachtſambkeit alle zu nicht
wurden/ auch der Monſieur/ wegen deß jungen Dauphins ſtill zuwerden/ wolte
die alte Koͤnigin nicht laͤnger zu Bruͤſſel bleiben/ macht ſich nach Engelland/ hatte
daſelbſt wenig belieben/ kam durch Holland/ vnnd wurd mit vbergroſſen Ehren al-
lenthalben empfangen/ ſetzt ſich nach Coͤlln/ vnnd ſtarb halb von Vnmuth/ daß ſie
ſich haͤtte wieder den Koͤnig verleyten vnd zur Beyſorg einiger Vergifftung bere-
den laſſen. Als der Cardinal die Zeitung bekam/ erholt er eben ſich ein wenig von
ſeiner Kranckheit zu Taraſcon, ließ jhr ein Seelmeß thun/ vnnd wohnt derſelben
ſelbſt andaͤchtig bey.


Jn Teutſchland wolte das Gluͤck den Schweden den Ruͤcken kehren/ alſo
daß
[85]De Statu perturbato Franciæ.
daß hernach die gantze Laſt waͤr auff Franckreich gefallen. Darumb thaͤt der
Cardinal ſein euſſerſtes/ daß er nach deß Generaliſſimi Banners todt den Tor-
ſtenſohn ins Ampt brachte/ welcher die Kayſeriſchen ſchier an dem Orth/ da Tilly
das Haupt Treffen gegen dem Koͤnig auß Schweden verlohren/ auff das Haupt
geſchlagen/ vnnd mit dieſem Streich die Parthey wieder erhoben. Dann weil
das Hauß Oeſterꝛeich ſeine Macht nur in Teutſchland hatt/ gedachte der Cardi-
nal/ jhm ein Feind auff Teutſchem Boden zu vnderhalten/ auff daß die Frantzoſen
jhr Pferd an deß Nachbarn Zann binden koͤndten: ja man muͤſte dem Außlaͤndi-
ſchen keinen Fuß geſtatten/ ſondern jhn vber Kopff vnnd Halß wieder außjagen:
welches Gallas zum erſten mag mit den Schweden/ nach deſſelben Koͤnigs Tod
vberſehen haben. Endlich ſolte dieſer groſſe Politicus dieſe Welt geſegnen/ ver-
nahm doch ſiegreiche Zeitungen von allen Enden her/ vnnd war zwar wieder nach
Pariß kommen/ ſchlug aber wieder zu Ruͤck/ vnd verſtarb ſehr ſanfft in vollen Eh-
ren/ auch allen Gnaden ſeines Herꝛn vnd Koͤnigs/ welches derſelb mit etlichen ver-
goſſenen Thraͤnen genugſam bezeugete/ im 58. Jahr ſeines Alters/ Anno 1642. den
4. Decemb. Man begrub jhn im Cloſter der Sorbonna/ da er laͤngſt ſein Grab
laſſen auffrichten. Der Koͤnig ließ allen ſeinen Anverwanden ſeinen Schutz an-
melden/ behielt in Dienſten/ wen er darzu befoͤrdert hatte/ ſonderlich den Cardinal
Mazarini/ von deſſen Herkommen vnnd Dienſten wir zumelden haben/ wann die
Zeit ſeines außweichens vns darzu beſſere Gelegenheit wird geben. Wenden vns
derowegen auß Franckreich wieder auff Teutſchland/ vnnd erinnern allein dieſes/
daß man zwar gemeynt/ wann ein/ oder zwey paar Augen in Franckreich zugien-
gen/ wie dann der Koͤnig nach dem Cardinal von Riſcheliu nicht lang gelebt hat/
würde es vbergroſſe Veraͤnderungen abgeben: der Cardinal Mazarini aber den
vorigen Strich ſolcher geſtalt gehalten/ vnd daß Ruder alſo gefuͤhret/ daß al-
le vorige Buͤndnuſſen beſtaͤndig blieben/ vnd endlich zum Frie-
den in Jtalien vnd Teutſchland außgeſchla-
gen ſind.



L iijDer
[86]De Statu perturbato Franciæ.

Der 9. Diſcurß.


Demnach in vorigen Diſcurſen vermeldet/ welcher maſ-
ſen ſich die geheime Conſilia vnnd Verꝛichtungen der beyden Cardinaͤlen Riſcheliu/
vnnd Mazarini/ in der Koͤniglichen Regierung in Franckreich verhalten/ dieweil
dann dadurch/ groſſer Mißverſtand/ zwiſchen dem Koͤnig vnd Parlament cau-
ſirt worden/ ja auch zu letzt alles zu ein m gemeinen Auffſtand/ in gantz Franckreich
ſich ſehen laſſen/ welches dann/ dieweil es durch die vorgenommene Verhafftung
deß Ducde Conde vnd Longeville ein ſonderliches Incrementum bekommen/ als ha-
ben wir zu beſſer Nachricht der gantzen Sachen/ deß Koͤnigs Außſchreiben vund
Deduction/ warumb ſolches vorgangen ſey/ vnnd was das Parlament/ dargegen
gehandelt/ anher zum Beſchluß ſetzen woller.


Deß Koͤnigs in Franckreich Außſchreiben
an das Parlament zu Pariß/ warumb die Fuͤrſten von

Conde, Conty, vnd Longuevillein Verhafft
genommen worden.


LJebe Getrewe: Die Reſolution/ ſo wir durch Erin-
nerung der Regierenden Koͤnigin/ vnſer hochgeehrten Fraw vnnd Mut-
ter/ ſind zufaſſen genoͤthiget worden/ vns vnſerer Bettern/ der Printzen
von Condè, Conty vnd Longueville Perſonen zuverſichern/ iſt zu Fortſetzung vn-
ſer Regierung ſo gar wichtig/ daß ob wir ſchon vielmahl anders/ als dem hoͤchſten
Gott allein vmb vnſer Thun vnnd Regierung Rechenſchafft zuthun ſchuldig/ wir
gleichwohl fuͤr gut angeſehen/ es koͤnne euch vnnd dem gemeinen Weſen nichts
zu fruͤhzeitig kund gethan werden/ damit alle vuſere Vnderthanen/ wann ſie we-
gen der jenigen hoͤchſten Noth/ in welcher durch gedachter 2. Printzen vnd deß Her-
tzogen beginnen wir vns befunden/ Bericht eingenommen/ da wir/ viel vner-
ſchoͤpffliches Vnheil/ ſo dieſen Koͤnigreich dannenher bevorſtunde/ vorzubeugen
ſo weit ſind gegangen: jhren Eyffer deſto hefftiger bezeugen/ vnnd ſampt vnd ſon-
ders jhre Vorſorg vnnd Vermoͤgen/ zu dem Ziel einer beſtaͤndigen Ruhe im Koͤ-
nigreich/ ſo wir vns vornehmen/ herbey tragen: nach dem wir durch die Erfah-
rung erlernet/ daß kein ander Mittel nicht iſt/ vnſere offene Feinde/ zur Beſcheiden-
heit zubringen/ welche dann ſich bey dem Friedenſchluß nicht anders ſperꝛen/ als in
der
[87]De Statu perturbato Franciæ.
der Hoffnung/ es moͤchten die jenige Trennungen/ ſo dieſem Stand ein geraume
Zeit hero hart zugeſetzet/ denſelben endlich gar vber ein Hauffen werffen/ davon
wir durch Goͤttlichen Beyſtand jhn verhoffen zu verwahren. Wir verſichern
vns/ es werde die gantze Chriſtenheit vnſer Gelindigkeit vnnd ſanfftes Fuͤrhaben/
ſo wir von der Zeit/ als wir zur Cron kommen/ vor Augen gehabt (welche dahin
gangen/ daß man etwan einer Bloͤdigkeit zu regieren/ beygemeſſen/ was lauter
Guͤte/ oder auch Vorſichtigkeit auß andern mehr erheblichern Nachdencken/ vn-
ſer Seits geweſſen) vnvergeſſen ſeyn/ vnnd einem jeden leichtlich vorbilden/ daß
wir das letzte Mittel nicht anders ergriffen/ als weil wir befunden/ daß kein an-
ders nicht wuͤrcken koͤnne.


Vnd frey herauß zubekennen/ als man vber dem Arꝛeſt/ eines Printzen vn-
ſers Gebluͤts/ den wir allzeit jnniglich geliebet/ der auch ſonſten wegen vieler ho-
hen Tugenden/ ſo jhm eigentlich gebuͤhren/ zubeobachten/ eines Printzen/ der ſo
manchen Sieg wieder vnſer offene Feind erhalten/ vnd dabey/ ſein Mannheit her-
fuͤr laſſen leuchten/ Raht hielte: Jſt gewiß/ daß ob derſelb ſchon der jenigen beſon-
dern Herꝛlichkeit/ zu deren Preiß wir jhm Mittel in die Haͤnd geſtellt/ anfangs
mißbraucht/ vnnd daß ſein Beginnen bey vnderſchiedlichen Vorhaben/ ſo er ver-
richtet/ vns jederzeit in rechtmaͤſſiges Mißtrawen geſetzt: Haben wir nichſto we-
niger/ nicht ohn euſſerſtes Wiederſtreben/ zu ſeinem Arꝛeſt vns verſtehen koͤnnen:
haͤtten auch ferꝛner alles/ was in ſeinem Thun vor boͤſes vnderlaufft/ vngeandet
laſſen hingehen/ wann nicht die Gefahr vor Augen ſchwebete/ ob wir dieſes Koͤ-
nigreich wolten zerꝛeiſſen ſehen: wann wir nicht gleichſamb mit dem Finger be-
rührt/ daß auff dem jenigen Wege/ ſo dieſer Printz bißher betretten/ vnd auff wel-
chem er taͤglich weit fortgienge/ eines oder das ander Vnheil vnvermeidlich waͤr/
daß nemlich er ſich ohne erholen ſtuͤrtzte/ oder daß hieſes Koͤnigreich/ neben gaͤntzli-
cher Vernichtigung vnſers Anſehens/ an deren Erhaltung dannoch fuͤrnemlich
die Ruhe vnnd Wolfahrth deren vns von Gott vndergebenen gehorſamen Voͤl-
ckern hafftet/ zu truͤmmern fíele.


Nun iſt allen vnd jeden Menſchen faſt angebohren/ daß ſie jhr eygene Wer-
cke lieben/ vnd daß ſie ſo viel muͤglich/ deſſelben Stand vnd Wuͤrden ſuchen zuver-
wahren/ dannenhero niemand zweiffels ohn wird erachten koͤnnen/ daß wir/ nach
dem wir vnſerm erwehntem Vettern Anlaß geben/ ſich in Kriegshaͤndeln/ ſo wir
jhm vnvertrawt/ beruͤhmt zumachen/ auch ſein Hauß vnnd ſein Perſon mit aller-
hand Wolthaten vberhaͤuffet/ vns ohn ein euſſerſte Nothwendigkeit nicht haͤtten
bewegen koͤnnen laſſen/ die Frucht aller ſolchen Gnaden zuverlieren/ vnnd vnſers
gedachten Vettern Dienſten/ die er vns ferꝛners haͤtte leyſten moͤgen/ wie dann
auch ſeines Rahts vnnd Verꝛichtens/ bey dieſen ſchweren Laͤufften/ die gemeinig/
lich bey langer Minderjaͤhrigkeit ſich begeben/ Vns ſelbſt zuberauben/ wann er
ſich nicht ſo gar weit/ wie er gethan/ auß dem Wege ſeiner Schuldigkeit haͤttege-
laſſen/
[88]De Statu perturbato Franciæ.
laſſen/ ſondern ſeinen Ehrgeitz einziehen/ vnnd ſich begnuͤgen koͤnnen/ als der aller-
reichſte Vnderthan in der Chriſtenheit heut zu Tag befindlich/ zuleben.


Vnnd fuͤrwahr/ wann man die hohe Staffeln/ ſo in ſeinem Hauß ſind/ ſo
wohl an Aemptern/ als Verwaltungen etlicher Provintzen/ Feſtungen/ oder auch
Landguͤtern/ Baarſchafft/ vnd Kirchen Einkommungen/ will erwegen/ wird man
geſtehen/ daß niemahlen noch in ſo kurtzer Zeit auff einiges Hauß weder ſo viel/
noch ſo anſehnliche Gnaden zum Vberfluß ſind vergeben/ wie wir von Anfang
vnſer Regierung gedachtem vnſerm Vettern gethan haben/ noch nicht zurechnen
alles was wir ſeinen Anverwandten vnd Freunden/ vmb ſeinet willen/ vnd wegen
ſeiner Bitte wiederfahren laſſen.


Als kan er in keiner Abred ſeyn/ daß er von vnſer einigen Freygebigkeit beſl-
tze/ was er vor Aempter vnd Guber namamenter inhat/ weil durch zeitlichen Hin-
trit vnſers Weilandliebſten Vettern/ deß Printzen von Conde ſeines Vatters
alles war ledig worden/ vnnd damahln es in vnſer vollen Freyheit ſtunde/ ſolche an-
dern Perſonen/ die wir damit haͤtten wollen begaben/ vnnd jhm vorziehen/ zuver-
leyhen.


Damit wir aber die Sach etwas hoͤher anführen/ kan ſich jedermaͤnniglich
erinnern/ daß ſo bald die regirende Koͤnigin/ Vnſer hochgeehrte Fraw vnnd Mut-
ter/ das Vngluͤck erſehen/ welches der Himmel vber Franckreich durch den Ver-
luſt deß vorigen Koͤnigs/ vnſers hochgeehrten Herꝛn vnnd Vattern/ wolte zur
Straff fuͤhren/ man auch nichts weiters von Wiederbringung ſeiner/ dem Koͤ-
nigreich ſo koͤſtlichen Geſundheit hoffete/ dieſelbe ſich ſonderlich bequemt/ vnſerer
gedachten Vettern Affection zugewinnen/ darauff alſo bald die Verordnung ge-
than/ daß Sie zu einer Regentin in deß Koͤnigs Sinn gegen denen beſtimpt wuͤr-
de/ denen dieſer groſſe Fuͤrſt am mehreſten trawete/ daß ſie vmb jhn waͤren/ auff
daß ſiejhn bewegte/ dem gantzen Hauß verſchiedene Gnaden zuerwei-
ſen.


Jhr Anſtalt ward ſo gluͤcklich zu Werck gericht/ daß/ vneracht der Koͤnig
darfuͤr hielte/ er haͤtte bereit viel vmb jhret willen gethan/ in dem er kurtz verwiche-
ner Zeit zuvor dem Hertzogen von Anguien ſeine fuͤrnembſte Armeen vnderge-
ben: da dann Anfangs ſo viel wiederſtrebens er gefunden/ daß er auch beſchloſſen
hatte/ jhn nach Burgund abziehen zulaſſen: doch vnderließ man nicht/ jhn noch
zubereden/ daß erwehntem/ vnſerm geweſenen Vettern/ dem Printzen von Con-
einige Ehr gethan/ die derſelb jederzeit zum allerhoͤchſten gewůnſcht hatte/ daß
er nemblich zu Raht gezogen wuͤrde/ ja als das Haupt die oberſte Stell vertrette.
Etliche Tag hernach verſahe man jn mit dem Ampt deß Grand Maiſtre in Franck-
reich/ ob ſchon der Koͤnig/ wie jederman weiß/ das Ampt geſint war gaͤntzlich auff-
[z]uheben.


Zu Folg deſſen hat die Koͤnigin/ von den erſten Tagen jhrer Regierung
jhm
[89]De Statu perturbato Franciæ.
jhm in vnſerm Namen die Schloͤſſer Chantilli vnnd Dampmartia verehret/ dan-
nenhero jederman/ ſo Chantilli geſehen/ Vrſach zuſagen genommen/ ſolches
waͤr die ſchoͤnſte Verehrung/ ſo jemahls ein Koͤnig einer einigen Perſon gethan
haͤtte.


Man verſtattet jhm vber deß vnſers geweſenen Vettern/ deß Hertzogs von
Bellegarde Herꝛſchafft zukauffen/ in welcher das Schloß Bellegarde begriffen
ſich fande/ vnnd wegen eygener Beſchaffenheit/ auch in Anſehen der Guberna-
menten vnſers gedachten Vettern/ auß vnſerm gantzen Koͤnigreich jhm am
fuͤglichſten gelegen/ daruach er auch jederzeit das groͤſte Verlangen getra-
gen.


Vnd ob ſchon ſo viel vnd hohe Begnadigungen/ die auch zumahl auſſer der
Ordnung/ ſeinem Vatter wiederfahren/ dem Sohn nicht weniger vortraͤglich
waren/ als der allen Nutzen davon gezogen/ iſt doch die Koͤnigin ſo guͤtig geweſen/
daß ſie deß Hertzogen von Anguien eigener Perſon noch ſehr hoch anſehnliche an-
dere wollen ertheilen. Alſo zahlt man auff vnſern Koſten vnſerm Vettern dem
Marſchalck von Hoſpital zur Wiederlag deß Gubernament vber Champagne:
vnnd damit noch einiges Schloß darzuckam/ vergnuͤgt man dem Herꝛn von Thi-
bault
das Gubernament vber Statt vnnd Veſtung Stenay, daß nur dieſes vnd je-
nes auff einmahl er dachtem Hertzogen heimgienge.


Nach dem Todt vnſers geweſenen Vettern/ deß Printzen von Conde vber-
gaben wir auff einem einigen Tag ſeinem Hauß das Ampt Grand Maiſtre in
Franckreich/ die Gubernament vber dieſe drey Landſchafften/ Burgund/ Breſſe
vnnd Berry, neben der vorigen vber Champagne, ſo ſie ſchon hatten ſampt dreyen
Veſtungen dem Schloß zu Dijon, S. Ioan de Laune, vnnd Bourges, neben Belle-
garde
vnd Stenay, in deren Beſitz ſie waren.


Mehr dann zu viel Vrſach hatten wir zuglauben/ es wůrde keine Begierd
etwas zubeſitzen oder ſich zuerhoͤhen vnerſaͤttlich ſeyn/ die durch ein ſo groſſen
Außfluß allerhand Wolthaten ſich nicht ſolte voͤllig abſpeiſen laſſen: auch gab
vns erwehnter vnſer Vetter da zumahln außfuͤhrliche Verſicherung/ ins kuͤnffti-
ge nimmer nichts mehr zuſuchen/ in dem erſelbſt geſtande vnd vnverholen offent-
lich ſagte/ was er vor Dienſt haͤtte erwieſen/ oder der Kron noch erweiſen moͤchte/
deß wegen allen koͤndte er mit Beſcheidenheit nichts weiter b[e]gehren/ als was wir
bereyt jhm zum beſten gethan haͤtten.


Gleichwohl vergieng wenig Zeit/ da er andere hohe Forderungen ſo er auff
weit geſuchte vnd vnrechtmaͤſſige Fuͤß ſetzte/ angebracht/ vnd ernewerte deſto beſ-
ſer ſeinen Zweck zugelangen/ ſein Wiederwillen/ deſſen er ſich im Jar zuvor hatte
vermercken laſſen/ daß wir nemblich die Koͤnigin vnſere hochgeehrte Fraw vnnd
Mutter verſehen haͤtten mit dem Ampt deß Grand Maiſtre in Franckreich/ als
welcher das Haupt vnnd General Auffſeher iſt zur See/ der Seglung vnd Kauff-
Mman-
[90]De Statu perturbato Franciæ.
manſchafft in Franckreich/ ſo durch den Todt vnſers Vettern/ deß Hertzogen von
Brezè, ſeines Schwagern/ ledig worden/ eben als wann er ein beſonderes Recht
gehabt haͤtte/ alle Aempter/ ſo ſeine Anverwanten bey jhrem Leben befeſſen/ erblich
auff ſein Hauß zubringen. Vnnd wolte ſich auch nicht erinnern laſſen/ daß er
ſich wuͤrcklich begeben vnd verziehen/ vns wegen beruͤhrten Ampts nicht weiter an-
zulangen/ als wir jhn mit ſo vielen andern begnadigten/ die nicht weniger anſehn-
lich durch ſeines Vatters Ableiben waren/ welcher dem Hertzogen von Brezc kurtz
gefolgt.


Vber diß alles hatten wir vns den letzten Verſuch/ jhn zubefriedigen/ vor-
genommen/ in dieſer Hoffnung/ es wuͤrde das zunemende Alter ſein außſchweyf-
fen/ vnnd ſein vnmaͤſſigen Eyferſich zuerheben/ vmb etwas abkuͤhlen: darumb
wolten wir jhme einmahl vor alle/ alle Gelegenheit anders mehr zubegehren/ durch
einige groſſe Begnadigung benehmen/ gaben jhm das Maß allerdings voll/ vnnd
bewilligten jhm/ auff das jenige Verſprechen/ ſo er vns wieder holte/ nimmermehr
nichts zufordern/ ein newe Gutthat/ welche etlicher maſſen die vorige alle vbertrof-
fen/ daß wir jhm vber alle Orth in Burgund vnnd Berꝛy/ ſo er ſchon jnnen hatte/
neben Stenay auch Clermont als eine Verehrung/ zum Eygenthumb/ vberlaſ-
ſen/ ſampt allem Einkommen/ wie auch die zu Stenay vnnd Jametz/ ſo gar nahe
hundert tauſend Pfund jaͤhrlicher Renten ertragen. Nach dieſem haben wir vn-
ſerm Vettern dem Printzen von Conty im zwantzigten Jahr feines Alters geſtat-
tet/ in vnſere Rathſtellen zutretten/ ob ſchon ſein Bruder vnnd Schwager bereyt
drinnen waren/ neben hundert tauſent Pfund Jahrgeld/ der Veſtung Danuil-
lers,
ſo man den Herꝛn Danevoux, weil er damit verſehen war/ anderwertlich muͤſ-
ſen vernuͤgen! auch vnder ſeinem Namen vnderſchtedliche Hauffen an Reuterey
vnd Fußvolck auffgerichtet.


Wir melden keines wegs ſo viel andere vnderſchiedliche Begnadigungen/
die Wir vnauffhoͤrlich vnſerm Vettern dem Printzen von Conde ertheylt/ vnnd
allein genugſam waͤren/ einen andern Geiſt/ ſo wenig der auch nach der Schnur
gienge zubegnuͤgen/ als da ſind die merckliche Summen an Baarſchafft/ die wir
jhm alle Jahr gegeben/ vnd alle Steigerung der Jahr gelder vor jhn oder ſein Ge-
ſchlecht/ ja auch vor ſeine Anverwanten/ wann er ſie begehrt hat.


Wir melden nicht/ daß wir allzeit ſeine Bitt beobachtet/ auch nicht ſeine Pa-
tenten wegen deß Hertzoglichen Stands/ die Befoͤrderungen zum Marſchalck-
ampt in Franckreich/ ſeine manche Kriegszug darbey wir jhn gebraucht/ ſeine ſo
viel vnnd manche Kriegs- vnnd andere Aempter allerley Gattung/ ſeine Apteyen
vnd Biſtummer/ verſchiedene Gubernament/ ſo man vber gewiſſe Feſtungen auff
ſein befoͤrdern ſolchen Perſonen geben/ die ſich an jhn hielten. Endlich ruffen
wir Gott zum Zeugen an/ daß kein Fleiß zuerdencken/ den wir nicht ins Werck
gericht/ ſo wohl gegen jhm/ als den jenigen/ ſo etwan vertrawlich bey jhm waren/
ſeinen
[91]De Statu perturbato Franciæ.
ſeinen Geiſt auffzuhalten vnd zuvergnůgen. Vnd ſind in dieſem Paß ſchuldig/
zubezeugen/ daß vnſer wertheſter vnnd liebſter Vetter der Hertzog von Orleans/
weil er der Kronen Ruh/ vnd vnſere Dinſte allem andern Intereſſe vnd beſonderm
Bedencken vorzieht/ Vns ſelbſt in ſolchen Gedancken allzeit erhalten/ auch ſol-
cher geſtalt gemeltem Printzen vnd deſſelben Vergnuͤgungen viel geholffen. Es
iſt aber alles/ ohne Frucht geweſſen/ weil keine Begnadigung/ keine Verleihung/
kein Vertrawen ſeinem außgelauffenen Ehrgeitz einige Schraucken ſetzen koͤn-
nen.


Die Beſchaffenheit vnderſchiedlicher Foͤrderungen/ ſo er nach vnnd nach
vorgebracht/ deren man ſich auch mit Lindigkeit vnd Prudens geſucht zuentſchuͤt-
ten/ kan von ſeinen Gedancken/ vnnd außſchweiffendem Geiſt vrtheilen laſſen.
Bald hielt er juſtaͤndig an/ vmb eine Armeen/ die Graffſchafft Burgund einzu-
nehmen/ mit der Bedingungung/ daß er dieſelbe hernach frey vnnd ſouverani beſi-
tzen moͤchte: bald begehrt er/ wir ſoltẽ jm Grevelingen/ Duͤnkirchen/ vnd alles was
Vnſere Waffen in Flandern gegen der offenen See/ in vielen Jaren erobert/ ein-
raumen/ ſolche auch frey vnd ſouverani zubeſitzen.


Mitten in dem letzten Feldzug/ da eben vnſere Armee in Flandern weit war
hienein geruͤcket/ vnnd man ſie nicht ſchwaͤchen konde/ man haͤtte ſie dann in Ge-
fahr einiger harten Schlappen wollen ſetzen/ ſucht er/ man ſolte all ander Abſehen
der Feindẽ ein Abbruch zuthun fahren laſſen/ ja auch vnſere Graͤntzẽ vñ vnſere feſte
Orth in die Noth jhres An- vnd Vberfalls ſtecken/ vnd ein groſſen Hauffen Reu-
terey von gemelder vnſer Armee abziehen/ vnd auff Luͤck gehen laſſen deß Printzen
von Conty ſeines Bruders Vorhaben wegen der Coadjutori deſſelben Biſtumbs
zu vnderſtuͤtzen/ dadurch die Feſtungen/ ſo er auff der Maaß hatt/ vñ das Guberna-
ment vber Champagne deſto anſehnlicher zumachen? neben einem groſſen
Staad den er ſelbiger Enden gedachte auffzurichten/ wie wir hernach melden
ſollen.


Dieſes alles giebt durch viel denckwuͤrdige Vmbſtaͤndklaͤrlich zuverſtehen/
wie hoch jhm die Souverianitaͤt im Kopff geſtocken: welche Gedancken in einem
gantz hitzig fewrigen Geiſt wie der ſeinige iſt/ deſto mehr gefaͤhrlicher find/ weil wir
anderwertlich wohl berichtet worden/ daß er/ wann er bey ſeinen Vertrawten ſich
befunden/ dieſe ſehr ſchaͤdliche Regel offt im Mund gefuͤhrt/ Man moͤge alles thun
vmb ein Koͤnigreich.


Ob ſchon in einem Koͤnigreich/ welches auff ſo veſten Gruͤnden ſtehet/ als
diß vnſerige/ vnd zwar fuͤrnemlich auff der Lieb/ vnd auff der vnbeweglichen Trew/
ſo alle Frantzoſen vor das Recht vnnd vor die Perſon jhrer Koͤnige von Natur ha-
ben/ ein ſo vergreifflicher Gedanck/ als dieſer/ ſchier allzeit die Sraff oder den Vn-
dergang deren ſo damit vmbgangen/ nach ſich gezogen: wuͤrden wir gleich wohl
hindan ſetzen/ was wir ſo wohl vns ſelbſten/ als vnſern trewen Vnderthanen
M ijſchul-
[92]De Statu perturbato Franciæ.
ſchuldig ſind/ wann wir dieſem allen/ ſo mit der Zeit die Mittel zu Verꝛicheung ei-
nes ſo gar vngerechten Vorhabens koͤndte beſchleinigen/ nicht vorbeugen
ſolten.


Dann wann gleich die Wort/ ſo er hieruͤber laſſen lauffen was er im Her-
tzen hat/ nicht entdecketen/ iſt doch gewiß/ daß bey ſcharpffer Beleuchtung alles ſei-
nes Thuns/ nach deme wir zur Kronkommen/ niemand in Abred ſeyn wird/ daß
er einen gantz gefaſten Vorſatz gehabt/ an der Vnheil in dem Koͤnigreich anzurich-
ten/ welches kein geringer Gegenmittel/ als wir jetzund gebraucht/ erfordert/ ſinta-
mahl er offentlich nach einem ſolchen Gewalt getrachtet/ dafuͤr wir vns znfoͤrchten
haͤtten: daß ſein Vorhaben geweſen/ die Koͤnigliche Hoheit dergeſtalt zuſchmaͤh-
lern vnnd zu erniedrigen/ daß/ wann er ſich durch vnderſchiedliche Mittel der fuͤr-
nembſten Orth deß Koͤnigreichs bemaͤchtigt oder verſichert/ vnd durch Schuldig-
keit/ Forcht oder Nutzen die jenige/ ſo in Anſehen waͤren/ oder einige gute Qualitaͤ-
ten haͤtten/ jhme verknuͤpfft/ er hernach zu allen Zeiten ſich allen offentlich koͤndte
wiederſetzen/ was vnſer Will ſeyn moͤchte/ nur wann derſelb mit dem ſeinigen nicht
vbereinſtimmete/ ohne Forcht/ Verwirꝛung vnnd Krieg/ nach ſeinem Nutzen oder
eigenem Sinn/ im Koͤnigreich erwecken/ aller Begebenheiten/ die fuͤr ſielen/ ſich mit
Nutzen zu mehrer Erweiterung ſeines Gluͤcks zubedienen/ vnd endlich/ alles wol
zufaſſen/ damit er bey vnſer Minder jaͤhrigkeit vns in ſolchen Standt koͤndt ſe-
tzen/ daß wir bey Antrettung der Regierung nicht mehr haͤtten/ als den Namen
vnnd den Schein eines Koͤnigs/ er aber in der That allen Gewalt vnd Anſehen er-
hielte.


Diß iſt fuͤr wahr die aller gelindeſte Außlegung/ die man vber ſein biß her ge-
fuͤhrtes Thun machen koͤndt/ ſuͤrnemblich von der Zeit an/ da jhm der hoͤchſte Ge-
walt/ ſo wir jhm vber vnſere Armeen hatten anvertrawet/ jhm Anlaß zu groſſem
Anſehen gegeben/ da er ſehr viel newgebacken Leuth erhoben/ als er ſonſt ſich in
Poſſeß anſehnlicher hohen Stellen befunden/ die wir jhm nach vnnd nach heimge-
wieſen/ damit wir jhn zur Danckbarkeit vermoͤchten/ daß er kein andere Gedan-
cken hatte/ als vns wohl zu dienen. Es war aber von derſelben Erkaͤntlichkeit/
die wir vns hatten eingebildet/ ſehr weit gefehlet/ dann damals hatt er angefangen
die Larv abzuziehen/ vnnd vor [a]llen Dingenſein groſſen Credit wollen ſehen laſ-
ſen/ damit niemand anders wohin ſeinen Gang nehme/ als zu jhm/ wann einig
begnadigen bey vns zuerlangen/ oder Beſtraffung einigs Verbrechens abzuwen-
den kam/ in welchem Paß die verborgene Practicken/ die er zuvor gemacht hatte/
nemblich alle Officirer vnſerer Kriegsvoͤlcker/ vnnd zuvorderſt die Frembde/ die
vns dienen zu ſeinem Willen zuhaben (darauff er dann ein gantz abſonderlichen
Fleiß gelegthatte) zu offentlichen Haͤndeln auß gebrochen/ damit er ſie gewinne/
vnd jhm gantz vnd gar anhaͤngig machte: damals ließ er klaͤrlich ſehen/ daß vnſere
Dienſte in ſeinem Vorſatz allzeit den geringſten Theil bey ſeinen Kriegsgeſchaͤff-
ten/
[93]De Statu perturbato Franciæ.
ten/ ſo er vnderfangen/ behalten: die weil er bey der hoͤchſten Noth/ als vnſere Ar-
meen jmmer ſolches Haupts benoͤthigt/ das ſeinem Stand vnnd Anſehen gemaͤß
waͤr/ vnderſchiedliche Maͤngel/ die von vnſerm letzten Vnweſen noch herꝛuͤhreten/
zuerſetzen! er ſich deß Commendo vber vnſere Armeen entzogen/ welches er doch
ſonſten mit ſo groſſem Eyfer pflegte zuſuchen/ nur damit er ſich gantz vnnd gar dem
Hoffweſen/ vnnd ſeinen Trewhertzigen ergeben koͤnde/ weil er vermeynet/ jetzt waͤr
die Zeit kommen/ die verhoffte Fruͤchten einzuſamblen/ wann er in allen Feldzuͤ-
gen ein Haupt Treffen auff dieſe Regel/ die man jhn offt hoͤren außlegen/ wagte/ ſo
er das Feld erhielte/ mehrte er ſein Anſehen/ vnd haͤtte ſcheinbare Vrſachen etwas
mehrer Belohnung zubegehren: im fall er aber vnden laͤge/ vnnd demnach vnſere
Sachen in Vnordnung geriethen/ man ſeiner deſto hoͤher wuͤrde achten/ angeſe-
hen man ſeiner als dann am beſten noͤthig ſeyn ſolte.


Dazumahl fieng er an jederman zu liebelen/ mehr als ſonſten/ auch alle Gu-
bernatorn der feſten Orth vnauffhoͤrlich zuerſuchen/ wie auch alle andere/ ſo einig
Ampt/ daran was gelegen/ beſitzen: oder die wegen deß vorigen Abſterben/ oder
durch ander Mittel herfuͤr zukommen verſichert waren/ in dem er ſich ſelbſt ver-
pflicht/ daß er vns keine Ruhe wolle laſſen/ was einer oder der ander ohne vnder-
ſcheid/ wer ſich nur bey jhm angemeldet/ begehren ſolte/ vnnd gar nicht bedacht ob
ſolches dem Koͤnigreich vor- oder nachtraͤglich ſeyn wůrde: alle Malcontenten vn-
derhalten: derſelben Klagen geſchmeichelt/ vnnd jhnen Beyſtand verſprochen:
ſich vnderſtanden alle die jenige/ ſo auß danckbarem Gemuͤth oder guter Zuney-
gung ſich an vns hielten/ vnd jhre Schuldigkeit thaͤten/ abzuwenden/ in dem er den
Preiß der von vns ertheilten Begnadigungen verꝛingert/ oder jederman wollen
bereden/ man koͤnde ins kuͤnfftige durch niemand anders/ als durch jhn etwas er-
halten.


Dazumahl hat er denen/ die bey jhme Dienſt ſuchten/ Ayd vnnd Pflicht/
aufferlegt/ blindlingen hiengegen vnd wieder jederman/ ohne Vorbehalt der Per-
ſonen oder Qualitaͤten/ zuverfahren/ auch offentlich auff vnderſchiedliche weiß al-
le die jenige verfolgt/ die neben jhm dieſe Pflicht nicht wollen eintretten. Dazu-
mahl hatte ein jeder/ der ſich zu jhm that/ ſo viel Verdienſt vnd Tugend/ daß er oh-
ne Noth allen andern in gleichem begehren wurde vorgezogen! wer bey ſeiner
Schuldigkeit blieb/ vnd kein ander Abſehen hatte/ als vns wohl zudienen/ war jm-
mer zu feyg vnd nichts guͤtlich: aber in einem Augenblick zu einem groſſen Mann/
auch wuͤrdig zu allerhand Verꝛichtungen/ vnd guter Belohnung/ ſo bald er zu ſei-
nem Vorhaben ſich euſſerſt verlobte. Welches ein gewiſſer ſicherer Weg war/ wie
einer von nichts zu Tugenden/ vnd von Vngeſchicklichkeit zum Verſtand moͤchte
gelangen.


Wie dann nichts gewiſſers war/ daß einer ſeine Freundſchafft vnnd Schutz
erlangte/ ſo bald er nur vnſere Gnad verſchertzte. Dazumahl hat er ſich ohnzalbar
M iijviel
[94]De Statu perturbato Franciæ.
viel bemuͤhet/ wie er moͤchte alle/ ſo in vnſerm Hoffe oder in vnſer Leibguardt
Dienſt haben/ an ſich ziehen/ alle Verbrecher offentlich in Schutz genommen/
wann ſie ſich nur an jhn hangeten/ ob ſie gleich zu vor ander wertlich verbunden ge-
weſen/ ſeinen Hoff bekantlich zu einer Freyheit vor alle Laſter/ ſo vorgiengen/ ge-
macht.


Dazumahl hat er angefangen vberhaupt zubegehren/ alles was leer wuͤrd/
es waͤre gleich beſchaffen wie es wolte/ in allen Begebenheiten/ ſo wohl kiemen als
groſſen/ den Kauff in die Hand geſetzt/ vnd gedrohet/ alles ſtehen zulaſſen/ ſein We-
ſen allein zutreiben/ vnnd ſich vorn an die Spitze der jenigen ſtellen ſo wieder vns
waͤren: Jn Summa dazumahl hat er/ ſeine Macht vnnd Beſtaͤndigkeit vor die je-
nige/ ſo ſich zu ſeiner Parthey begeben/ ſehen zulaſſen/ ſich nicht vergnuͤgt/ daß er
Beguadigungen auß gebracht/ ſondern lieber gewolt/ daß die Welt glaube/ er er-
zwinge dieſelben mit Gewalt von vns: wolches das Gubernament zu Pont del
Arche
bezeugt/ ſo er mit Gewalt wollen erhalten/ vnnd zwar auff einen beſtimpten
Tag: vnd im wiedrigen gaber vns zuverſtehen/ wie er hingieng ein newes Fewr
im Koͤnigreich anzuſtecken: die weil er aber wohl erkante/ daß ſein Begehren wegen
gedachten Orthsſehr verhaßt/ vnnd ins gemein in der Welt verunglimpfft waͤr/
macht er anfangs ein Geſchrey/ er treibe die Sach nicht anders/ als weil er ſich ge-
gen dem Hertzogen von Longueville mit Worten verpflicht haͤtte/ den Orth zu we-
gen zubringen: mit dieſer ferꝛnern Erklaͤrung/ daß er nicht zuentſchuldigen waͤr/
wann er/ der mit ſo mancherley Guthaten von vns/ der auch ſeine Sachen hoͤher
gebracht/ als kein Printz in Franckreich von Anbegin der Monarchy nie gehabt/
weder vor ſich/ noch die Seinigen/ nach Vollendung deſſelben Weſens/ ſolte for-
dern: derowegen ſchloſſen wir noch bey ſo geſtalten Sachen/ ſeine Vngeſtümmig-
keit zuſtillen/ vneracht derjenigen Weiſe/ ſo er gebrauchet/ vnd benahmen jhm al-
len Vorwand newe Haͤndel anzufangen.


Aber ob ſchon der Verglich deſſelben Handels durch vnſers liebſten Vet-
tern deß Hertzogen von Orleans Haͤnde war gangen/ weil derſelb der Mittels-
mann ſeyn wollen die gemeine Ruhe zuerhalten/ befand ſich den folgenden Tag/
daß man nichts verꝛichtet/ daß es auch nicht eben der Mann war/ der den Abend
zuvor ein gaͤntzlich Genuͤgen vnſerm erwehnten Vettern dem Hertzogen von Or-
leans bezeugt/ vnnd das Wort/ hinfuͤhro wohl zudienen/ von ſich gegeben
hatte.


Den folgenden Tag ließ er ſeine alte Kaltſinnigkeit ſpuͤhren/ daß man ſeine
Zuneygung/ was aͤrgers anzuſtellen wohl merckte/ damit er ein newen Vortheyl
von vns erpreſſete/ in deme er ſich ſeiner Erklaͤrung/ nicht wollen erinnern/ ſo er
hochbetheurlich hatte ernewert/ nach dem man jhm Pont de l’Arche zugeſagt/ nim-
mermehr nichts zu fordern.


Weil nun die Koͤnigin ſo oͤfftern abſpringens muͤde/ vnd die Wurtzel alles
Miß-
[95]De Statu perturbato Franciæ.
Mißverſtands auff einmahl/ wo muͤglich/ abhawen wolte/ ließ ſie mit ernſt an jhn
ſetzen/ daß er ſich rund erklaͤren ſolte/ was er dann begehre/ in Ruh vnnd ſeiner
Schuldigkeit zuleben: darauff erklaͤrt er ſich/ er haͤtte wegen etlicher Heurathen/
Argwohn gefaſt (vber welche er gleichwohl nicht nur die erſte Tag vber/ als davon
Red geſchahe/ ſeinen Beyfall hatte gegeben/ ſondern auch ein halb Jahr er zuvor
ſelbſt dar zu gerahten/ weil er ſie gar vortraͤglich hielte) weil er auch darneben ver-
mercken laſſen/ wie er wuͤnſche/ daß die Koͤnigin jhm ein auffrichtige vnd gaͤntzliche
Affection verhieſſe/ wie auch/ daß ſie die jenige wohl ſolte beobachten/ ſo er jhr jeder-
weilen wuͤrde anbefehlen! vnd jhm endlich theil laſſen vberhaupt in allem/ was
man von einigerley Sachen beſchlieſſen wuͤrde/ war die Koͤnigin zuvorderſt ſo
guͤtig gegen jhm/ damit ſie jhm allen Vorwand deß Verdruß vnnd Mißtrawens
benehme/ vnd verſprache ihm/ daß in erwehnten Heurahten/ ohne ſeinen Gefal-
len nichts ſolte geſchloſſen werden/ wegen der zween andern Puncten aber gab ſie
jhm das Wort deſto freyer/ weil ſie ſich nicht zubeſinnen wuſte/ daß ſie darumb je-
mahls an jhr haͤtte jchtwas erwinden laſſen/ hielte auch darfür/ es waͤre auff jhrer
ſeit zu viel geſchehen/ als vergeſſen worden.


Man ſpuͤhrte aber alſo bald auß ſeinem Thun/ zu welchem End er ſo vnnoͤ-
thiges verſprechen erfordert hatte/ vnd daß er darumb kein anderer Zweck geſteckt/
als nur damit er ein newen Schein haͤtte/ ſolche Verſprechen breyt zumachen/
vnd auff daſſelbe nur eines vnnd das andre kuͤhnlichen zubegehren/ vnnd mit deſto
groͤſſerem Hochmuth in das Werck zurichten/ was jhm nur in Sinn fiele/ vnnd
hierzu dienen moͤchte/ wie er deß Koͤnigreichs gantze Macht in ſein voͤlligen Ge-
walt braͤchte: wie dann vier Tage hernach er angefangen der Koͤnigin ſo freyer
Corꝛeſpondentz/ die ſie jhm mit allen durch jhn begehrten Vmbſtaͤnden vnnd Ver-
ſicherungen hatte zugeſagt/ zubegegnen/ in dem er nicht ſchlecht hin die jenige in ſei-
nen Schutz auffgenommen/ ſo es wieder ſie begehrten/ ſondern vnderſchiedlichen
Leuthen/ die vnſere Vngnad/ entweder vorlaͤngſt/ oder durch juͤngſtes Verbrechen
auff ſich hatten gezogen/ angetragen.


Vnſer Vetter/ der Marſchalck von Schomberg gerieth bald hierauff in
Leib vnb Lebensgefahr/ auff welchen Zufall man anfangs vnder den Verwanten
gedachtes Printzen zu gangen/ vnnd beſchloſſen/ er ſolte das Guber nament vber
Statt vnd Landſchafft Metz vor den Printzen von Conty, der ſonſten ſich vmb das
Biſtumb Metz bewurbe/ begehren/ vnd auff alle Wege erhalten.


Die Koͤnigin vnſer hochgeehrte Fraw vnd Mutter wuͤrde durch dieſes Doll-
hirns Vnſcheydenheit vnvmbgaͤnglich vervrſacht/ jhn nicht mehr vor ſich kom-
men zulaſſen/ da erwehnter Printz alſo bald denſelben vnverhohlen in Schutz ge-
nommen/ gehindert/ daß er ſich nicht abweſend gemacht/ vnnd wolt die Koͤnigin
noch zwingen/ wieder vor ſich kommen zulaſſen/ verlieff ſich auch durch ein vner-
traͤglichen Fehler ſeiner ſchuldigen Ehrerbietung/ den kein Frantzoß ohn euſſer-
ſten
[96]De Statu perturbato Franciæ.
ſten Vnmuth nicht kan erzehlen hoͤren/ ſo weit/ daß er gedrohet/ er wolte gedachten
Dollhirn in ſeinen Hoff nehmen/ vnd alle Tagder Koͤnigin vor das Geſicht fuͤh-
ren/ da man auch nicht auß erheblichen Nachdencken vor gut angeſehen haͤtte/ vnd
jhme Hoffnung gemacht/ es würde die Sach ſich mit der Zeit wohl machen/ vnnd
er ſelbſt nicht beſorgt/ ſolches moͤcht jhm an andern guten Foͤrderungen/ ſo er eben
zur ſelben Zeit triebe/ hinderlich fallen/ waͤr man in Gefahr geſtanden/ vnd Vnſer
hochgeehrte Fraw vnd Mutter da hinein gethan geſehen/ daß ſie entweder ein ſol-
che Schmach von jhm haͤtte leiden/ oder alles euſſerſtes ſolche von ſich abzuwen-
den/ ergreiffen muͤſſen.


Vnd wer hat die verſcheydene Partheilichkeiten/ die dem Koͤnigreich vnnd
vnſern Willen ſo hoch nachtheylich geweſen/ vnnd er bey dem letzten Vnweſen/ in
Provence vnd Guyenne bezeugt/ nicht entdeckt vnd geſehen! da er in zweyen Stuͤ-
cken/ ſo gleiches Weſens/ an einem Orth deß Gubernators Anſehen/ zu deß Par-
laments Vnderdruckung geſucht zuerheben/ vnnd an dem andern ſchnur ſtracks
das Widrige gethan/ da er gleichwol kein ander Vrſach eines ſo wieder wertigen
Verfahren gehabt/ als daß der eine vnder den Gubernatorn jhm verwand/ vnnd
er dem andern abguͤnſtig war/ nur damit durch dergleichen hochleuchtende Exem-
pel wie viel an ſeiner Gunſt gelegen/ vnnd was ſein Schutz vermoͤchte/ jedermaͤn-
niglich erkennen koͤnde/ vnnd einig vnnd allein trachtete/ alle andere Freundſchafft
vnnd Gewogenheit fahren zulaſſen/ vnnd ſich jhm ohn Vorbehalt anhaͤngig zu
maͤchen.


Vnd wer haͤtte ein ſolche Gedult haben koͤnnen als eben die Koͤnigin/ die
verſtattet/ daß offt erwehnter Printz im Rath/ ſo in vnſer gegenwarth gehalten
worden/ doͤrffen drohen/ er wolte die Deputirten vnſers Parlaments auß Proven-
ce
in Pariß auff den Todt laſſen pruͤgeln/ weil ſie ſich erkuͤhnt/ vnnd im Namen jh-
rer Verſamblung vber das vbele Verfahren geklagt/ das jhnen vnſer Vetter der
Graff von Alais, jhrem vorgeben nach/ wieder die Puncten der jenigen Befriedi-
gũg/ ſo wir gedachter Landſchafft ertheylt hatten/ anthaͤte? wie iſt es muͤglich/ daß
man jhm laͤnger zuſehe/ daß er gewaltſamer Weiß/ wie er angefangen/ die Frey-
heit vnſer Rathſtellen/ durch ſein vngeſtuͤmmes Verfahren gegen vnſere Die-
nern/ ſo die Ehr haben ſich darbey zufinden/ vnderdruͤcke/ die er ſchier nahe alle ab-
ſonderlich bedrohet/ oder offentlich vnd in vnſer Gegenwarth ſelbſt affrontiert/
wann jhr Gewiſſen vnnd jhr Schuldigkeit ſie dahin vermoͤchte/ daß ſie eine oder
ander Meynung/ ſo mit gedachten Printzen Einfaͤllen nicht vberein kam/ er-
griffen?


Nicht mehr beſcheydener hat er ſich an den Gubernamenten/ ſo wir jhm an-
vertraut/ bezeigt: jhm war nicht gnug/ daß er alles/ was eine groſſe Landſchafft/
dergleichen Burgund iſt/ mit ſo groſſem Eyfer vnnd Richtigkeit zu vnſerm Vor-
rath einlifferte/ durch ſich ſelbſt/ vnnd durch die Seinigen verſchlungen/ wann er
nicht
[97]De Statu perturbato Franciæ.
nicht vber diß ein ſolchen Gewalt angelegt/ daß jederman abſonderlich vnder ſei-
nem Laſt geſeufftzet/ vnd jhrer viel gedrungen worden/ ſich deſſelben bey vns in ge-
heym zubeklagen/ vnd vns zuerinnern/ es fehle nicht mehr/ als daß er ſich den Her-
tzogen vnd Souverani laſſen nennen. Vnſer Landſchafft Champagne ward von
ſeinem Bruder nicht beſſer gehalten/ da alle Flecken vnnd Doͤrffer/ auch der meh-
rertheil Staͤtte der geſtalt den Kriegsvoͤlckern/ ſo ſeinen Namen fuͤhren/ zum
Raub/ oder doch den Geldſuͤchtigen/ ſo ſich ſeiner Gunſt bemaͤchtigt/ verſtattet wor-
den/ wann ſie die Einquartierungen auffzuheben geſucht/ daß ein groſſe Anzahl
Jnwohner mit Weib vnnd Kind jhre Stell vnd Wohnung verlaſſen/ vnd ſich in
frembde benachbarte Orth allenthalben hinbegeben.


Endlich wiſſen wir nicht/ mit was Worten wir den Handel mit dem Haure
ſollen erzehlen/ wie auch die hoch vergreiffliche Mittel/ die er gefuͤhrt/ ſich deſſelben
Orths zubemaͤchtigen/ derwegen ſeiner Gelegenheit der fuͤrnembſte einer deß Koͤ-
nigreichs/ vnnd ohn Widerꝛed der aller feſteſte iſt: Nach dem er vnderſchiedliche
Practicken verſucht/ vuſern jungen Vettern/ den Hertzogen von Richelien zuver-
fuͤhren/ damit er heymlich ein ſoches Weib zur Ehe nehme/ die vmb vnderſchiedli-
cher Vrſachen willen gaͤntzlich jhm anhangt/ nicht zufrieden/ daß er vns empfind-
lich offendirt/ in dem er neben dem Printzen von Conty, vnnd der Hertzogin von
Longueville ſeiner Schweſter den Heurath eines Hertzogen vnnd Pair befoͤrdert/
mit einem der fuͤrnembſten Aempter der Kron/ ohn vnſer Wiſſen vnnd ohn vnſer
Erlaubnuß verſehen! vnnd ſich noch vnderſtanden/ durch jhr Gegenwarth/ ein
Verſchreibung dieſer Gattung/ ſo durch die Geſetz dieſes Koͤnigreichs verbotten/
zubeſtaͤttigen/ als wann es nicht genug waͤre/ daß ſie durch dieſen vnzulaͤſſigen
Weg ſich der Perſon eines jungen Manns bemaͤchtigt/ verſchaffter/ daß derſelb
die Nacht ſeiner Hochzeit verꝛeyſt/ gibt jhm zu/ als einen Rath vnnd Hoffmeiſter/
den jenigen von ſeinen Leuthen/ der ſich ſchon jhn zuverfuͤhren/ hatte gebrauchen
laſſen/ vnd machte daß er in eylgen Haure kompt/ auff daß er auch dieſen Orth/ der
am Außfluß der Seyne liegt/ in ſein Gewalt braͤchte/ Rouen vnd Paris darauß zu-
bezwingen/ den gantzen Kauffhandel dieſer zwo groſſen Staͤtte in Handen zuhal-
ten/ außlaͤndiſche Huͤlffe auff den Nothfall auffzunehmen/ vnnd jhre Macht zube-
ſtimpter Zeit in das Koͤnigreich zufuͤhren/ wann er wegen ſeiner beſonderen Vr-
ſachen die Kron wuͤrde wollen beunruhigen.


Vnnd dieweil er leicht erachtete/ es wuͤrden viel Courꝛier angedachten
Hertzogen von Richelieu/ jhm vnſer vnnd ſein Jntereſſe bey ſo geſtalten Sa-
chen/ zuentdecken/ ablauffen: fertiget er viel andere ab zur ſtund/ ſo die andern ſol-
ten vnder wegs auffhalten/ worin er den Reſpect/ die Trew vnd den Gehorſam/ ſo
vns gebuͤhrt/ ſo hoͤchlich/ als man bedencken kan/ gewaltſamer Weiß gebrochen.


Hierauff/ als die Koͤnigin ſelbſt ein eygenen Mann an den Sanito More, der
im Haure das Commando hatte/ laſſen abgehen/ der jhm bey ſoch nach dencklichem
NZuſtand
[98]De Statu perturbato Franciæ.
Zuſtand Ordrebraͤchte/ vnnd zu Gemuͤth führte/ wie hoch er verpflicht waͤre/ vns
gemelden Orth zuverwahren/ vnd keine Veraͤnderung darin zugeſtatten/ hat er/
durch groͤſſere Vermeſſenheit/ ſo bald er deſſen Kundſchafft bekommen/ ein andern
Courꝛier laſſen ablauffen/ vnd befohlen/ man ſolte den jenigen Mann/ der mit der
Koͤnigin Ordre daſelbſt wuͤrde anlangen/ in das Meer mit einem Stein an Halß
werffen/ vnd dieſes mit ſolcher Vermeſſenheit/ vnd ſo groſſer Verachtung vnſers
Anſehens/ daß er am erſten ſich deſſen doͤrffen offentlich beruͤhmen.


Endlich damit er durch vnderſchiedliche Mittel die gantze Beſtellung dieſes
Orths benehme/ macht er/ daß die Dame ſelbſt/ die er durch den Heurath jhm ſo
kuͤrtzlich verpflicht hatte/ in eyl verꝛeyſet/ gibt jhr Geld/ deß jungen Hertzogen Ge-
muͤth deſto mehr zugewinnen/ verſchickt noch durch andere Wege die Beſatzung zu
zahlen/ damit er die Officierer vnd Soldaten darin an ſich braͤchte: Vnd damit er
vber diß alles/ andere Leuth/ ſo mehr nach ſeinem Belieben/ darinnen haͤtte/ die jhm
auch bekant waͤren/ lieſe er die gedachte Dame mit einer guten Anzahl Reuter/
die alſo hinein kommen/ begleyten/ vnder dem gemachten Geſchrey/ man wolte ſie
vnderwegs entfuͤhren.


So mancher Anſchlag auff die Koͤnigliche Macht/ vnder welchen dieſer letz-
te auff den Haure allein ein ſcharpffe Straff verdienet/ hat vns kein Platz mehr
von vnſers gedachten Vettern ſchaͤdlichen Vorhaben zu zweifflen gelaſſen/ wie
dann auch an der Verwegenheit/ die er gehabt haͤtt/ ſolches zu voll ziehen/ da wir
nicht bey rechter Zeit ein proportionirte Gegenwehr ergriffen haͤtten. Vnder deſ-
ſen damit jhr auch wiſſet/ mit was vor newen Mitteln er vmbgangen/ ſein Vorha-
ben forth zuſetzen/ vnd vns nur deſto mehr Muͤhe vnd Verdruß zumachen/ welches
wir aber durch ſein Arꝛeſt vorkommen/ ſo vernehmet/ daß dieſes das letzte ſtuͤcklein
im Spiel geweſen.


Er handelte mit dem Abgeſanden von Mantua/ die Statt vnnd Fuͤrſten-
thumb Charleville zu kauffen/ nit nur ohn vnſer Verguͤnſtigung/ ſondern auch
wieder vnſer auß fuͤhrliche Verwaigerung/ die wir jhm jederzeit deßwegen gethan:
Vnd dieweil wir wegen deß Preiß vnder jhnen hatten liſtiglich etliche Beſchwer-
den erweckt/ hatte Herꝛ Perault kurtz hernach erwehnte Abgeſandten angedeutet/
ſein Herꝛ wuͤrde in wenig Tagen zu Mantua ein eyentlichen Mann verordnen/
das Werck mit dem Hertzogen ſelbſt zuſchlieſſen.


Wegen etlicher Wiederwertigkeit/ ſo wegen der Renten zu Clermont/ vnd
benach barten Enden ſich erhaben/ (ob ſolche ſchon leichtlich zuvberwinden/ wie
bald darauff geſehen) hatte erwehnter Printz ſich bereits laſſen vernehmen/ da man
jhm daſelbſt Eintrag thaͤte/ muͤſte man jhm Sedan ſampt allem Zugehoͤr/ wel-
chen Orth wir vnſerm Vettern dem Hertzogen von Bovillon mit vielen Millio-
nen abgetragen haben/ einraumen.


Gewiſſe Leuth/ ſo jhm anhaͤngig/ hatten gegenwertig mit dem Herꝛn von
Aigue-
[99]De Statu perturbato Franciæ.
Aiguebere ein Gewerb angeſtelt/ das Gubernament deß Mont-Olimpe zukauf-
fen/ daß er jhm vorgenommen von ſeinem eygen baarem Geldzuzahlen/ vnnd ei-
nem der ſeinigen in Handen zuſtellen/ auff daß in gantz Burgund kein Orth auſ-
ſer Chalons nicht mehr vbrig waͤr/ der jhm nicht zuſtuͤnde. Erlag vns an/ wir ſol-
ten dem Herꝛn von Pleſſis Bezanzon das Gubernament vber Statt vnnd Ve-
ſtung Anxone auff vnſern Koſten abkauffen/ vor einen der ſeinigen/ den er groß
machte: Er hatte auch noch kuͤrtzlich ſein Fleiß/ ſo er allzeit angewand/ den Heu-
rath zwiſchen dem Marggraffen von der Monſſaye mit deß Herꝛn Erlachs/ Gu-
bernatorn zu Breyſach Tochter/ zuvollziehen verdoppelt/ damit er noch dieſen hoch
anſehnlichen Orth zu ſeinem Willen haͤtte/ ob wir ſchon darin/ wie in allen an-
dern Sachen gnugſame Vrſach haben/ gedachtes Herꝛn Erlachs Thun vnnd
Trewe zuruͤhmen.


Auch hat man vns gewarnt/ von vnderſchiedlichen Orthen/ wie er etliche an-
dere Heurathen ließ anſpinnen/ durch ſolch Mittel die fuͤrnembſte Orth deß Koͤ-
nigreichs/ vnnd ein gute Anzahl hoch importirender Plaͤtz anhaͤngig zuma-
chen.


Er hatte/ vngeacht ſeiner Vngelegenheit/ vnſern Vettern den Marſchalck
von Breze laſſen an den Hoff kommen/ daß er ſich mit/ jhm vereynigte/ das Ampt
vber die See/ als Haupt vnd Auffſeher daruͤber zubegehren/ wegen welches Ampt
gleichwohl/ ob ſchon weder einer noch der ander/ auch keinen erdencklichen Schat-
ten einigen Rechtens darzu haben kan/ gedachter Printz ſchon zum zweytenmahl
reeompenſirt iſt/ wie wir droben erzehlt haben/ vnd erwehnter Marſchalck nach in
dieſer Betrachtung nach ſeines Sohns Ableiben mit 33. Pfund/ jaͤhrlich auff der
Gerechtigkeit von Ancrage, als dem aller gewiſſeſten Geld erwaͤhnten Ampts/ zu-
erheben begnadiget worden.


Vber diß/ ob ſchon beruͤhrter Marſchalck von etlichen Monaten her/ durch
vnſer Gnad vnd Erlaubnuß hundert tauſent Kronen wegen abgetretten Guber-
nament von Anjon gezogen/ vnnd alle muͤgliche Verſicherung vorgenommen
worden/ daß gedachte Summ nach ſeinem Tod auff vnſern Vettern den Hertzo-
gen von Anguien komme/ hatten doch erwehnte Printz vnd Marſchalck jhnen noch
ferꝛner vorgenommen/ beyde vns dahin zu treiben/ daß wir gedachtem Hertzogen
von Anguien die Suruiuance oder Anwartung deß Gubernaments von Soumur
ſolten verſchaffen: Vnnd wann ſolches gleich verwilligt/ wiſſen wir doch/ daß ge-
dachter Printz/ damit er ſich in ſeinen Gubernamenten vnnd Aemptern jmmer zu
deſto heꝛrlicher mache/ bey ſich beſchloſſen hatte/ zum allerletzten bey vns anzuhal-
ten/ daß wir auff einmahl alles das jenige vberall was wir zu vnderſchtedlichen Zei-
ten weiland ſeinem Vatter/ vnd jhm ſelbſt zugefallen geweſen/ ſeinem Sohn/ der
nur 6. Jahr alt iſt/ muͤſten beſcheyden.


Wann vns ſo nachtheyliges vnd gefaͤhrliches Thun/ wie wir droben erzehlt/
N ijdaß
[100]De Statu perturbato Franciæ.
das vber vns ſchwebete/ nicht waͤr zu Hertzen gangen/ zu welchem wir nach viel an-
ders ſetzen koͤnden/ ſo wegen gewiſſer Vrſachen vnd Vmbſtaͤnden vnnoͤthig jeder
man kund zuthun/ hat ſich doch befunden/ daß alle vnſere trewe Diener in vnd auſ-
ſerhalb vnſers Rahts/ vns zu einer Zeit vorgehalten/ da wir laͤnger wuͤrden anſte-
hen/ ſolte nicht mehr zuſtewren ſeyn/ vnd das iſt das einige Mittel/ vnſere Kron/ e-
ben ſo wohl als vnſere Perſon/ zuerhalten/ wann wir offterwehnte vnſere Vettern
lieſſen arꝛeſtieren/ als welche alle Tag der wett in jhrem Geſchlecht Rath hielten/
wie ſie ein ſolchen Gewalt/ den ſie vns entgegen zuſetzen gedachten/ moͤchten auff-
richten/ vnd ſich nicht ſchaͤmeten/ vnder die Mittel zu ſolchem Gewalt zugelangen/
neben den hohen Aemptern vnnd den Gubernamenten der Landſchafften/ die ent-
weder jhr ſind/ oder doch jhnen anhangen/ auch dieſes zuzehlen/ daß ſie bereyt auff
allen groſſen Waſſern deß Koͤnigreichs Meiſter waͤren/ vermittelſt vnderſchied-
licher Orth/ ſo ſie in jhrem Gewalt/ oder ſo ſie zu jhrem Belieben verhofften zu-
haben/ nemblich auff der Seyne, Maaß/ Saohne, Roſne, Loire, Garonne vnd Dor-
doigne.


Jn Summa/ damit das Exempel der vhralten Hoheit/ welche hiebevorn et-
liche Bediente auß dem ſondern Stand an die Kron gebracht/ in dieſen Zeiten/
wann man nur gekoͤnd haͤtte/ erfriſcht wuͤrde: vnd damit das Anſehen/ ſo gedach-
ter Printz bereyt erjagt hat/ noch mercklich ſehr wuͤchſe/ wann es ſich auff ein recht-
maͤſſigen Gewalt/ den wir ertheylten/ ſtewren koͤndte haben ſie jnſtaͤndig vmb deß
Conſtabels Schwerdt angehalten/ (ob ſchon das Ampt laͤngſt auffgehoben) ſol-
ches neben deß Grand Maiſtre Stab/ ſampt der Admiralitaͤt zufuͤhren/ nach deme
zutrachten er vmb etwas abgelaſſen/ biß daß er Conſtabel waͤr worden/ ſo haͤtte er
dann wegen deß einen/ vnſern Hoff vnnd alle vnſere Anhoͤrige/ vnder ſeinem Ge-
walt gehabt: Wegen deß andern/ das Generalat vber alle Kriegsvoͤlcker vnſers
Koͤnigreichs: vnd wegen deß dritten/ eine vmbſchriebene Macht vber die See/ vnd
vber die Meerkuͤſten erhalten.


Vnd wie wir jhm lieſſen andeuten/ daß wegen deß Conſtabels Schwerdt
vnſer liebſter Vetter/ der Hertzog von Orleans groſſe Vrſach eines Verdruß ha-
ben wuͤrde/ weil jhm/ als dem General Leutenant in allen vnſern Armeen vnnd
Landſchafften/ viel hieran gelegen: begehrte er alſo bald/ wir ſolten die Verordnung
ohn Vorwiſſen vnſers erwehnten Vettern laſſen verfertigen/ auff daß mans in
geheym hielte/ biß man jhn zur Genehmhaltung vermoͤcht haͤtte/ oder viel mehr/
biß ſein Vorſatz/ damit er vmbgieng/ jhm Raum gebe/ den Handel mit Gewalt/
durch zubringen/ was auch vor Vnordnung darauß entſtehen koͤnde.


Mittler weil begehrte er/ vns nur deſto baß in allen Dingen zuvergwalti-
gen/ eben zu der Zeit/ als er ſolch extraordinari Sachen ſuchte/ vnnd vnder dieſem
vnd jenem Schein/ vielfaltig anhielte/ daß die jenige Kriegsvoͤlcker/ ſo ſeinen Na-
men fuͤhrten/ oder jhm anhaͤngig waren/ vnd allein baſtant ſind/ ein Armee zuma-
chen
[101]De Statu perturbato Franciæ.
chen/ zu eben dieſen Quartieren ſollen ziehen/ ohn angeſehen/ der groͤſſere Theil dar-
under in vnſern Dienſten würcklich begriffen/ vnnd zu Beſchuͤtzung der Kron an
vnderſchiedlichen Orthen ſehr weit entlegen ſind: Welchen Vmbſtand wir groſ-
fen Beobachtens wuͤrdig achten/ wie dann auch/ daß er Stenay vnnd Clermont, al-
da man ohn vnderlaß auff ſeinen Koſten bawt/ befeſtigen laſſen: Deßgleichen/ daß
er vmb zweymahl hundert tauſendt Francken Bellegarde zubefeſtigen angedingt
hat: Sintemahl nicht wohl zuvermuthen/ daß zum wenigſten/ weiln er gantz extra-
ordinart Gedancken vnnd Anſchlaͤge hat/ er ſein eygen Geld/ an die jenige Orth
verbawen wolte/ die ſchon vor ſich ſelbſt in gutem Stand ſich befinden/ denen auch
kein Feind nachtrachtet.


Wir haben auß vieler Vrſachen vnſern rechmaͤſſigen Wiederwillen biß zu
ſolchen Extraͤmitaͤten/ verdeckt gehalten/ daß wir verſichert ſind/ die gantze Welt
werde vrtheylen/ wir haben durch vnſere Gedult nur zuviel gewagt.


War iſt es/ wir hoffeten jmmerzu/ es wuͤrde die Prudentz/ ſo vnſer erwehnter
Vetter mit zunehmendem Alter erlangen koͤnde/ ein ſo groſſen Eyfer abkuͤhlen/ o-
der moͤchten ſo viel Gutthaten ohn Exempel/ mit denen wir jhn vberſchuͤttet/ jhn
dahin weiſen/ daß er auß Danckbarkeit in den Schranckeu ſeiner Schuldigkeit
bliebe: haben aber hingegen geſehen/ daß alles in ſolchen Stand gerathen/ daß
man ſich reſolviren muͤſſen/ entweder alles jhme zuverſtatten (auff welche Weiß
wir gar bald waͤren auß geſogen vnd entbloͤſt worden) oder zuverſagen (ſo haͤtten
wir jhn bald ſehen muͤſſen mit den Waffen in Handen wieder vns ſelbſt) vnnd an-
derwertlich geſpuͤhrt/ daß vnſerer Begnadigungen Vnmaͤſſigkeit zu nichts an-
ders mehr diente/ als daß er alle Tag was newes forderte: daß durch mehr Ver-
weilung vnd Gedult vnſerer Kron ein vnaußbleiblicher Verderben heym wuͤchſe/
wann man nicht erſt Mittel fuͤnde/ dieſes angeloffenen Waſſers vngeſtuͤmmen
Lauff auff zuhalten/ weil es keinen Damm mehr hatte/ den es nicht durchbreche/
vmb alles zuvberſchwemmen: Wie wir nun endlich/ eine Zeit hero gemerckt/ daß
die Nachricht/ die wir von einem guten Orth vberhaupt/ ja auch wohl auß gar
frembden Landen bekommen/ alle in deme vbereinſtimmeten/ die warhafftigſte
Vrſach warumb die Spanier zum Friedenſchluß ſo wenig geneygt/ waͤr dieſe/ weil
ſie zuvor gern ſehen wolten/ wo deß Printzen von Condè Vorhaben vnnd Thun
hinauß lieffe als welcher (meldeten ſie) alle Tag die fuͤrnembſte ſtuͤck der Kron vnd
deß Anſehens an ſich bringt/ welches dann nicht anders/ als entweder einen jnner-
lichen Krieg in dieſem Koͤnigreich/ mit der Zeit nach ſich ziehen/ oder dieſe Monar-
chy ſtuͤrtzen muß.


Darumb haben wir darfuͤr gehalten/ wir ſolten vns an Gott/ der vns dieſe
Kron anvertrawt/ verſuͤndigen/ vns an vns ſelbſten/ vnnd an vnſer Vnderthanen
Wohlfahrt vnnd Ruhe vergreiffen/ wann wir/ ohn ferꝛnern Auffſchub/ zu einem
folchen Vnheil/ welches nach vnd nach ſo hefftig worden/ daß man nicht Raht ge-
N iijſucht
[102]De Statu perturbato Franciæ.
ſucht haͤtte/ dieſer Kron ein toͤdlichen Streich verſetzen ſollen/ einige Huͤlff nicht
gebraucht haͤtten.


Haben derwegen/ mit Beyrathen der regierenden Koͤnigin/ vnſer hochge-
ehrten Frawen vnnd Mutter entſchloſſen/ vns der Perſon vnſers offt erwehnten
Vettern/ deß Printzen von Condé zu verſichern: wie auch der Perſon vnſers Vet-
tern deß Printzen von Conty, welcher gegenwertiglich an allem Vorhaben ſeines
Bruders Theil hat: der auch/ nach dem wir vns wieder nach Pariß begeben/ jm-
merzu durch ſein thun vnd laſſen auff eben deſſelben Zweck geſehen vnd zeziehlet
hat.


Was vnſern Vettern/ den Hertzogen von Longueville belangt/ hatten wir
ſicherlich verhofft/ die groſſe Anzahl der Begnadigungen/ ſo wir jhm verwilligt ge-
habt/ ſo wohl an Einraumung fürnehmer Orth/ als Ehren Aemptern oder Guͤ-
tern/ die wir auch vmb ein groſſes nach vnſer letzten Erklaͤrung wegen deß Friedens/
ſelbſt vermehret/ wuͤrden jhn nach Jnhalt ſeines Verſprechens vnd ſeiner Schul-
digkeit/ dahin anweiſen/ daß er auß gantzem ſeinem Vermoͤgen/ die Ruhe deren
Landſchafſt/ die wir jhm vertrawt hatten/ vnnd vnſern Wohlgefallen im vbrigen
bey der Kron/ verſchaffen ſolte: Haben wir aber von ſelbiger Zeit alſo verſpuͤhrt/
daß er an Vnordnung vnnd Vngerechtigkeit nichts vnderlaſſen/ damit er in ſei-
nem Gubernament ein ſolch Anſehen erlangte/ dafuͤr ſich jederman zufoͤrchten
haͤtte: daß er damit nicht zu frieden geweſſen/ ob er gleich deren Enden vnderſchied-
liche anſehnliche Orth beſeſſen/ deren das eine letzlich vns iſt durch ſolche Kuͤnſte/
die jedermaͤnniglich geſehen/ mit Gewalt entriſſen worden/ vnd ſchier nahe alle an-
dere Orth/ eben als die fůrnembſte Aempter in der Landſchafft/ in ſeines Anhangs
Haͤnden geſehen: daß er damit nicht zufrieden geweſſen/ ob er ſchon zu dem Ampt
deß Oberſten Gubernatorn/ auch dieſe andre/ eines Bailly von Roven vnnd von
Caën angehengt/ damit er nur ein ſcheinbarlich rechtmaͤſſigen Vorwand haͤtte/
vnſere ordentliche Richter in jhrer Ampts Verweſung zuhin dern/ vnd auff ſolche
weiß eines newen Anſehens ſo wohl bey den Gerichtsſtellen/ als bey dem Kriegs-
Weſen/ ſich anzumaſſen: Vnnd endlich/ daß er damit nicht zufrieden geweſſen/ ob
er ſchon durch ſeine Außgeſandte ſich offentlich bemuͤhet vnſer getrewen Vnder-
thanen Gemuͤther zuverkehren/ vnnd alle die jenige jhm anhaͤngig zumachen/ die
ſich eines Eyfers zu vnſerm Wohlgefallen vernehmen laſſen/ da er jhm kein Ge-
wiſſen gemacht/ demſelbigen ein endliches Verderben an zudrohen/ wann ſie ſich
noch laͤnger ſperꝛen wolten/ ſeine Parthey vnnd Paſſion blindlingen anzu-
nehmen.


Ja auch/ daß er Theyl gehabt/ an vnſer offt erwehnten Vettern/ der Prin-
tzen von Condè vnd von Conty Raht vnnd fuͤrnembſten Beginnen/ vnnd daß er
ſchier allzeit/ wann jhr Geſchlecht wegen jhrer gemeinen Hoheit/ Auffnehmen vnd
Befeſtigung auch von einer ſolchen Macht/ die der vnſern ſo vns von Gott in vn-
ſerm
[103]De Statu perturbato Franciæ.
ſerm Koͤnigreich verliehen/ nicht vnbillich verdaͤchtig war/ Rath gehalten/ darbey
vnd zugegen geweſſen.


Vnnd daß anderwertlich die ſeinigen in ſeinem Hoff bereyt vnd vngebuͤh-
rendes Muthwillens ſagten/ wann dieſes letzte Jahr er mit dem Haure vor ſich al-
lein nicht zu Streich kaͤme/ würden ſie endlich alle ſampt ſich daran verſuchen
muͤſſen.


Darumb ſolte man jhn hinfuͤhro den Hertzog von Normandien nennen/ die-
weil jhm gar nicht ſo viel weges/ zu der Souveranitaͤt zugelangen/ vbrig blieb/ als
er bereyt/ den vbermachten Gewalt vnnd die Macht die er in beſagter Landſchafft
erlangt/ zuruck gelegt haͤtte: zumahl wir im Werck ſahen/ wie er vnderſchiedliche
Haͤndel ſolcher verhofften Souverainitaͤt/ durch beſcheydene Vbertrettung vnſer
Ordre/ anfing zuvben/ welches vnder anderm bezeugt/ daß er vor wenig Tagen zu
Pont de l’ Arche die Compagnien Reuter/ vnnd leichte Pferd von vnſer Guatdy
abgewieſen/ ob ſchon wir nur wenige Tag zuvor jm erwehnten Orth eingeraumpt
hatten/ vnnd auß fuͤhrliche Ordre/ von vns vnderzeychnet/ einkomme/ gedachte
Voͤlcker in das Orth einzuquartieren. Darumb ſind wir auch gemuͤſſigt worden
vns der Perſon vnſers gedachten Vettern/ deß Hertzogen von Longueville zuver-
ſichern.


Wollen euch in deſſen nicht bergen/ daß ob ſchon all dieſe Gefahr/ die vnſerm
Koͤnigreich bevorgeſtanden/ ſo groß vnd ſo hochnoͤthig geweſſen/ daß es ſchier vor
einen guten Koͤnig zu wenig war/ gleich die nothwendige Mittel bißher verſchoben
worden/ jedoch hat die Lieb/ ſo wir gegen der Juſtitz tragen/ vnd die Beyſorg/ als ob
wir derſelben Lauff vmb anderer Vrſachen willen wolten hemmen/ vns alle Sa-
chen auffzuziehen gerathen/ auch wohl mit nicht geringer Schantz/ damit jhr ge-
raume Zeit haͤttet/ den jenigen Proceß/ ſo jhr bereits/ auff vnſern Befelch vnnd
auff vnſers General Procurators Anſuchen wieder alle die jenige hattet angefan-
gen/ ſo an der letzten Auff[r]uhr/ geſchehen den eylfften letzt verwichenen Decemb. o-
der auch an dem Anfall auff gedachtes Printzen Perſon/ Schuld haͤtten: wollen
auch/ daß derſelb von euch ohn vnderbrochen/ nach der Strenge vnſerer Geſetzen
fortgefuͤhrt werde.


Nach dem wir aber einer Seits in Erfahrung kommen/ wie gedachter Printz
viel vom Adel/ ſeines Anhangs/ Officirer ſeiner Voͤlcker/ zu ſich kommen laſſen/
vnd wie ſeine Geheymeſte ſich vernehmen laſſen/ er haͤtte was wichtiges vor/ wel-
ches dann nicht anders als zum Nachtheil vnſers Anſehens/ vnnd vnſer Vnder-
thanen Ruhe ſeyn konde/ dieweil ſie vns deſſen im geringſten nicht verſtaͤndigten:
vnd noch vber das anderwertlich gewiſſe Nachricht einkommen/ daß er ſich ſchick-
te/ in eyl ohn vnſer Erlaubnuß zu ſeinem Gubernament zureiſſen/ ſo bald er wuͤr-
de ſpühren/ daß der Handel nicht nach ſeiner Begierd vnder euch ſolte ablauffen/
damit
[104]De Statu perturbato Franciæ.
damit er daſelbſt mit mehrer Sicherheit die von langer Hand her in ſeinem Sinn
geſchmiedete Sachen koͤnde gebaͤhren.


Vnd daß die gedachte Printzen von Conty vnd Hertzog von Longueville ne-
ben jhm/ der Abred gemaͤß/ ſich auch zu einer Zeit in jhre Gubernament verfuͤgen
ſolten: ſtunde es nicht mehr in vnſer Macht/ laͤnger jnzuhalten/ wuͤrdem demnach
wegen der Ruhe vnſer Kron gezwungen/ all ander Bedencken beyſeits zuſetzen/
vnd vns jhrer Perſonen/ ohn ferꝛnern Auffſchub zu verſichern.


Vnd weil jhre Partiſanen/ neben den jenigen/ die jmmer dar hin vnnd wie-
derlauffen/ nur Gelegenheit zu loſen Haͤndeln zu ſuchen/ ſich koͤndten vnderſtehen/
eine ſo gerechte/ vnnd vor die Ruhe vnnd Wolfahrt der Kron/ die wir nach Schul-
digkeit allen andern Sachen billich vorziehen/ hochnoͤthige Reſolution vbel auß-
zulegen: So fuͤgen wir hiemit offentlich zu wiſſen/ daß wir gar keinen Vorſatz ha-
ben/ das geringſte wieder vnſere Declaration vnder dem 21. October 1648. noch
auch wieder die andere/ vom Mertz 1649. wie auch wieder die vbrigen/ die wir her-
nacher/ den vorher gegangenem Auffſtand zuſtillen/ ſo wohl wegen vnſer lieben
Statt Pariß/ vnd wegen der Normandey/ als auch wegen Provence, vnd Guye-
ne
haben außgelaſſen/ vor zunehmen: wollen auch/ vnd meynen/ daß dieſelben in
jhrer Krafft vnd Tugend/ nach allen darin begriffenen Puncten ſollen verbleiben.
Dann diß iſt vnſer endlicher Will vnd Meynung. Geben zu Pariß/ den 15. Tag
Jenner/ 1650.


Vnderſchrieben/ LOVYS: Vnd ein wenig drunder im Namen Koͤ-
nigs/ vnd der regirenden Koͤnigin/ ſeiner Mutter/
ſo zugegen.
von GVENEGAVD den 21. Jenner 1650.



Der
[105]De Statu perturbato Franciæ.

Der 10. Diſcurß.


Supplication deß Parlaments an den Koͤnig vnnd die
Koͤnigin Regentin wegen deß De Conde Verhafftung.


ALlergnaͤdigſter Koͤnig/ ꝛc. Ewer beaͤngſtigtes vnnd von
den Waffen bedruͤcktes Pariſiſches Parlament/ fertigt ab dieſe vnderthaͤ-
nigſte Supplication. Allergnaͤdigſter Koͤnig/ wie die vnerſchoͤpffte Verſe-
hung GOttes die Kron ſetzte/ bey denen annoch zahrten Jahren hat gantz Franck-
reich einhellig vnd wohlbedacht dahin geſtimmet/ daß der Fraw Mutter die Ver-
waltung vber Ewre Perſon anvertrawet wurde/ (Krafft Muͤtterlichem Hertzen)
deſſen am beſten warten/ auch nicht zugeben/ daß ein eintziger Particulier/ zur v-
bermaͤſſigen Gewalt/ (der Koͤniglichen Hoheit zum Nachtheil) ſich erhůbe. Vnd
das deſto mehr/ weil Ewre Fraw Mutter/ bey wehrender Ehe an zweyen merckli-
chen Exempeln/ nemblich deß Marſchalcken D. Ancre, vnnd deß Cardinals von
Richeliu geſehen/ wie vbel es ſtehe/ wann ein Vnderthan zu vbermaͤſſigem Anſe-
hen gelangete/ ja wie dadurch alles vmbgekehret vnd Recht vnnd Gerechtigkeit zur
Erden verſtoſſen werde. Diß Bedencken war vns/ Gnaͤdige Fraw ein ſicheres
Pfand/ daß wir vnder ewer Regierung in dergleichen Vnweſen nicht koͤndten ge-
rathen. Wie es aber allen frommen Hertzen ergehet/ daß ſie ſich vor den Tů-
cken vnd ſchaͤdlich- ſuͤſſen Giffts der Boßhafftigen nicht koͤnnen genugſam vorſe-
hen: Alſo iſt es vns auch mit den freffelen Thaten vnd Vornehmen deß Cardinal
Mazarini ergangen. Welcher gantz boßhafftig/ (nachfolgend den Fußſtapffen
ſeines Vorgaͤngers vnnd Vnderweiſers deß Cardinals Richeliu) ſein gantzes
Thun dahin geſtellet/ wie er das allerhoͤchſte Anſehen gewaltſamer weiß nicht oh-
nen Schaden deß gantzen Lands ſich gebrauchen moͤchte.


Dann die der Majeſtaͤt einen Eingriff thun/ die hemmen den Nutzen deß
Oberhaupts/ wie dann ſolches ſich bey dem Cardinal Mazarini auch befunden/
welcher eine frembde vnnd dem gantzen Reich entgegen ſtehende Policey/ auff die
Bahn gebracht/ den wahren Nutzen deß Staats in den Wind geſchlagen/ die
Kriege fortgeſetzet/ den Frieden weit verlegt/ ꝛc. vnd alles im gantzen Reich verkeh-
ret/ wie die vor Lerida/ Cremana/ Courtrick beſchehene Haͤndel gnug bezeugen.
Ja man kan auß ſeinem Verfahren von ſtuͤck zu ſtuͤck ſchlieſſen/ daß er gedachtes
Franckreich mit Spaniern zu theilen/ Vorhabens iſt.


ODer
[106]De Statu perturbato Franciæ.

Der einige vnermeßliche Schatz/ den er zur See durch gebracht/ vnd nie kei-
ne Rechnung daruͤber gethan/ vberzeuget jhn mehr/ dann zuviel ſeiner Vntrew.
Man ſehe an die Anzahl ſeiner Beampten/ welche rechte Blutjgel ſeyn. Mehr
dann 80. Millionen hat er deß Jahres gehoben vnnd 150. Millionen Schulden
auff vns gemacht. Die veruͤbte Gewaltſambkeiten an dem Hertzog Beaufort.
Wie auch an den Marſchalck von der Motten Haudankurt vnnd vnderſchiedenen
mehr Beampten deß groſſen Rahts vnnd Huͤlff Hoffs/ freffentlich vollenzogen/
ruffen mit vollem Halſe ſein tuͤckiſches vnd buͤbiſches Vorhaben auß.


Wollen aber vnderthaͤnig gebeten haben/ Allergnaͤdigſter Koͤnig/ daß jhr
in acht nehmen/ wie ewer Parlament die dickſte vnd ſicherſte Mawr iſt/ ewer An-
ſehen zubeſchuͤtzen/ vnnd wie man darnach ziehlete/ daß die Ordnung der Succeſ-
ſion bey der Cron moͤchte geendert werden/ hat ſich dieſes Parlament/ darwieder
mit groſſem Ernſt gelegt. Aber der Cardinal Mazarin hat Ewer May. gnaͤdige
Fraw boß hafftig vberꝛedet/ daß ſie wie der jhre angebohrne Mildigkeit/ ſchmaͤhli-
cher weiſe mit der ench allzeit trew vnnd hold geweſenen Geſellſchafft/ verfahren.
Daß der Præſident Bavillion gefaͤnglich eingezogen/ auff eine Veſtung anſſer-
halb dem Koͤnigreich gefuͤhret vnnd bald darauff todes verblichen/ iſt ein Zeichen
einer groſſen Gewaltſambkeit/ vnd eine der allergrewlichſten Thaten. Aber hie-
durch iſt dieſe loͤbliche Geſellſchafft/ nicht geſchrecket/ ſondern vielmehr bewogen
worden/ nach den Vrſachen/ ſolcher Gewaltuͤbungen vnd andere Vnordnung zu
forſchen/ vnd auff Mittel zudencken/ wie man ſolches moͤchte ſperꝛen vnnd endern.
Jſt auch beſchehen/ dann der Dienſt/ den wir Ewer Koͤniglichen Mayeſtaͤt gethan
haben/ Allergnaͤdigſter Koͤnig/ in dem wir Ewre Vnderthanen erleichtert/ vnnd
euch in den Beſitz Ewers Einkommens wieder eingeſetzt/ iſt demſelben Vnheil
vorgekommen/ hat aber den Haß bey dem Cardinal Mazarin/ wieder Ewer Par-
lament angezuͤndet/ weil Er ſpuͤhret daß daſſelbe ſeiner Tyranney im Wege ſtuͤn-
de. Dahero hat man ſo vnbillich vnnd gewaltſamb mit dieſem Parlament gehan-
delt: man het viele Rechts Verwandten in Bann gethan/ zweene der Vornemb-
ſten/ hat man an dem Tag/ welcher wegen verliehen Gluͤcks im Felde zur Frewde
beſtimmet war/ gefaͤnglich einziehen laſſen. Welches man billich haͤlt vor ein
verdampliches/ grawſames vnd Blindliches beginnen. Ob nun gleich dieſes bald
vnderbrochen/ ſo hat er doch ſeinen einmahl gefaſten Zorn hingelegt/ ſondern heff-
tiger/ wie wohl verdeckter weiſe/ fortgeſetzet/ vnd darnach getrachtet/ daß er Pariß/
das Haupt anderer Staͤtten vnd Parlamentern deß gantzen Koͤnigreichs moͤchte
zu Boden legen. Daß er ſich mit den Frembden vnd Feinden ſchon verglichen iſt
ſcheinbar. Weil er die Beſatzung/ von den Graͤntzen eben zu der Zeit/ da die Fein-
de ingewaltiger Kriegs Verfaſſungen ſtehen/ an ſich ziehet/ vnnd die Vnruh im
Koͤnigreich verſchafft/ welches die Spanier jederzeit zum hoͤchſten begehrt haben.
Ewer Mayeſtaͤt hat Er weggefuͤher durch Vbereilung/ die Haupt Leuthe vber
ewre
[107]De Statu perturbato Franciæ.
ewre Leibquardi/ die doch redliche Leuthe ſind/ von euch gethan. Zwey Schrei-
ben hat er in das Statthauß vberſand vnnd darein befohlen/ man ſoll mit vns/ als
mit Beſchuldigten der verletzten Mayeſtaͤt vmbgehen/ welches auffs wenigſte da-
hin ziehlete/ daß vns das Volck ſolte in Stuͤcke zerꝛeiſſen/ oder ein allgemein
Blutbad vnd Metzgen in der Statt Pariß vervrſachten.


Da ſihet man ja offenbahr ſeine Barbariſche vnd verderbliche Rahtſchluͤſ-
ſe. Allergnaͤdigſter Koͤnig/ wir beruffen alle vnd jede rechtſchaffene Frantzoͤſiſche
Gemuͤther/ daß ſie vnſer Meynung vnd vnſer Thun/ (den Vrheber alles dieſes
Vbels ſchleunig zuſtuͤrtzen/ ewer Perſon auß ſeinen Haͤnden zu erꝛetten/ vnnd
ewern Staad vor endlichem Vndergang abzuwenden) beyfall geben/ ꝛc. dann ge-
ſchicht das nicht ſo iſts mit Franckreich verlohren.


Darauß ewer Mayeſtaͤt vrtheilen kan/ zu welchen Extremitaͤten der Car-
dinal euch gebracht habe: Wir befinden vns in mitten in dieſer gefaͤhrlichen Vn-
ruhe/ verpflicht/ daß wir vor ewer Mayeſtaͤt vnd gantz Franckreich vnſer verſahren
rechtfertigen/ koͤnnen auch der Gerechtigkeit hierein ein Genuͤgen thun/ den Vn-
derthanen eine Erleichterung zuſchaffen/ hat vns bewogen Hand anzulegen/ vnd
dem Auffſtand vorzubawen. Die Tyranney deß Cardinals Mazarini abzu-
ſtraffen ſeyn alle Geſetze viel zu ſchwach/ zu zweyen mahlen/ haben wir vns durch
Goͤttliche Gnadenhand von ſolchen toͤdtlichen Kranckheiten entlediget geſehen/
haͤtten auch dißmal gleiche Huͤlffe erwartet vnd nichts wieder den Cardinal Ma-
zarini vorgenommen/ wann wir zu vnſer eygenen Vertheidigung/ vnnd zu ewer
Dienſten hierzu nicht weren genoͤthiget worden.


Wir haben/ dieſem Vngluͤck vorzubawen/ alſobald verordnet an ewre beyde
Mayeſtaͤten/ die General Advocaten vnd Procuratorn/ als betagte/ redliche vnnd
taugliche Perſonen/ welche befehlicht waren/ die Sache auff eine Linderung zu-
bringen: Aberjhre zuruͤck Kunfft/ wieſe auß daß der Mazarini ſeinen alten Groll
nicht hatte hingelegt/ in dem er die Deputierte mit harten Worten angefahren/
mitten in der Nacht dieſelben abgefertiget/ da ſie wieder ankommen/ vns berich-
teten wie die Statt mit Kriegs Voͤlckern vmbleget waͤre/ konde ewer Parlament
nicht anders/ als vnder zweyen eins faſſen: entweder die Gewalt ſamkeit mit Ge-
dult ertragen/ oder/ zu gemeiner Erhaltung/ die Waffen zuergreiffen. Da war
nun noͤthig/ daß man den Cardinal Mazarini vor Ewer Mayeſtaͤt vnd deß gemei-
nen Weſens Feind erkande damit/ (wir kaͤmen vmb oder wir ſtelleten vns zur Ge-
genwehr) die gantze Welt mochte wiſſen/ daß was zubeſchuͤtzen beſchehe: wir vns
wehren ſolten/ es gleicher Geſtalt kund wer/ daß wir es wieder ein Tyrannen/ vnd
gar nicht wider vnſern Herꝛn/ vnder deſſen Namen wir auff den Knien ſitzen/ vnd
vor welchen wir kein andere Gedancken/ als deß Gehorſambs haben/ zu thun
ſey.


Ohne dieſe Erklaͤrung ſolte entweder vnſer Verderben/ die Reputation
O ijEwer
[108]De Statu perturbato Franciæ.
Ewer Mayeſtaͤt vervnehret/ oder vnſer Gegenwehr vns zu ewigen Tagen mit ei-
nem laſterhafften Schandflecken bedeckt haben. Wann wir aber keine ander
Empfindlichkeit/ als den Verluſt vnſers Vermoͤgens vnnd vnſers Lebens gehabt
haͤtten/ welchem wir durch vnſere Zuneigungen leichtlich dahin gebracht/ daß wir
die Parthey deß Leydeus angenommen/ vnnd alles das vnſerige/ wie auch der vn-
ſern Mit Burger/ gern den Reſpect/ den wir gegen Ewrem Namen/ vnnd gegen
Ewrem Arm/ der den Streich that/ vnnd nicht betrachtete/ wer das Verbrechen
thaͤte/ auff geopffert vnnd gegeben hatten/ wie ſchroͤcklich er ſeyn moͤcht/ koͤndte mit
ſeinem Geplarꝛ/ vnnd allergrewlichſten Bereitſchafft vns nicht ſo viel Forcht ein-
jagen/ als der geringſte Fehler alles das jenige zubeobachten/ vnnd gehorſamblich
zuverꝛichten/ was E. Hoheit mitbringt. Vnnd ob ſchon das Geſetz der Natur/
das viel aͤlter vnnd weit vnvmbſchriebener iſt als alle andere/ vns alle recht maͤſſige
Mittel zur Erhaltnng deſſen/ daß ſie vns reichlich gegeben/ an die Hand legt: Wir
auch deßwegen/ ein ſolche Marter vor vnverſchuld erachtet haͤtten/ die weder Ew-
ren noch deß Staads Vndergang vnvermeyden tlicher Weiß nach ſich zoͤge: wol-
ten wir lieber den Todt erleyden/ als der Statur Privilegium zu vnſer Gegenwehr
wider die Waffen/ ſo vnder dem Namen vnſers Allerhoͤchſten Herꝛn gefuͤhrt wer-
den/ gebrauchen.


Allergnaͤdigſter Koͤnig/ deß Koͤnigreichs Wohlfahrt iſt die einige Vrſach
vnſer gegenwehr/ vnnd vnſers Spruchs/ welcher verordnet/ daß die Statt Pariß
die Waffen ergreiffe: Vnd gar nicht vnſer abſonderliche Wolfahrt das fuͤrnemb-
ſie abſehen bey dieſer Begebenheit/ weil wir dieſelbe nicht anderſt/ als ein noth-
wendiges Mittel der Ewern betrachten. Dahin richten wir/ Allergnaͤdigſter Koͤ-
nig/ vnſern beſten Wunſch/ dahin gelangen vnſere Waffen/ vnd wollen auſſerhalb
deſſen nimmermehr kein andere Euch zuwiderſtehen/ als bitten vnd flehen/ welches
die einige rechtmaͤſſige/ aber doch ſehr maͤchtige Waffen/ der Vnderthanen/ die
Koͤnige auff Erden zubewegen/ vnd jhm ſelbſt biß in dem Himmel droben Gewalt
anzulegen/ von Gott verliehen ſind/ es iſt auch dran gelegen/ daß Ewer Voͤlcker
wiſſen/ wie wir keine Haͤnd haben/ vns Ewer May zu widerſetzen/ vnnd daß dieſel-
ben die jhrige vber vns nimmer/ als zu Gutthaten außſtreckt/ alſo daß man jhr nit
mehr Theil am grewlichen vorhaben/ daß man außſtreckt/ alſo daß man jhr nicht
mehr Theil am grewlichen vorhaben/ das man wider vns will vollziehen/ kan
zulegen/ als man ohne Laſter an ſeinen Thaten der Gnad vnnd Guͤte nicht finden
kan.


Nehmt derwegen/ wann es Euch gefaͤlt/ vnſern Vorſatz an/ daß wir zu den
Waffen greiffen/ nicht als ein Werck der Rebellton/ ſondern als ein Nachtruck
vnſer Schuldigkeit. Wir ſolten vns in dieſer Extremjtaͤt nicht wehren/ wann
wir es ohne Nachred vnderlaſſen/ vnnd damit der Nachred vor GOtt vnnd den
Menſchen/ als die wir vnſern Koͤnig verzagter Weiſe durch ein falſchen Eyfer vol-
ler
[109]De Statu perturbato Franciæ.
ler Vnwiſſenheit verlaſſen/ vberhaben ſeyn koͤnden: darumb daß der jenige/ der
vns vnderdruckt/ Ewer Mayeſtaͤt hernach zuverderben/ ſich in dero Namen vnnd
Anſehen verkleidet. Aber gnaͤdigſter Koͤnig/ nach dem wir Ewer Mayeſtaͤt auß
was Vrſachen wir ſolche Reſolution gefaſt/ vnd ein ſolchen Spruch ergehen laſ-
ſen/ welcher kein andern Zweck/ als Ewer Mayſt. Wolfahrt hat/ dieſe Rechnung
vnd Verantwortung gethan haben/ iſt nichts vbrig/ als daß wir Ewer beyde Ma-
yeſt. zum aller vnderthaͤnigſten bitten/ daß es jhnen beliebe: ſolche durch Jhr Gut-
heiſſen zubekraͤfftigen/ vnnd dadurch den vngleichen Rathſchluß deß Cardinals
Mazarin verdammen: weil er ſich auch von Ewerm Hoff nit gethan hat/ jhu der
Juſtitz zuvberlieffern/ damit ein mercklich Exempel/ ſo auff die Poſterltaͤt bleibe/
an jhm/ vnſere Koͤnige zu ewigen Zeiten vor ein ſocher Vergewaltigung/ deren er
ſchuldig iſt/ zuverwahren/ ſtatuirt werde.


Alſo werden Ewer beyde Mayeſtaͤt den Staad in Ruh jhre Perſonen/ vnnd
die gemeine Wohlfahrt in Sicherheit/ Franckreich anſſer ſichtbarlicher Gefahr ei-
nes Vberfalls oder Vertheilung vnder dieſem Hauß feind/ vnd den Frembden ſe-
tzen/ ſo werden alle Frantzoſen mit einmuͤthigen Geiſt ſich widerzuſammen thun/
vnd Spanien dahin zwingen/ daß es zu dem/ von der gantzen Chriſtenheit hoͤchſt
gewuͤnſchten Fried/ der auch dem guten Gluͤck Ewern Voͤlckern ſo noͤthig iſt/ ver-
ſtehe. Gnaͤdige Fraw/ wann Jhr nach dieſer Erinnerung/ vnd vnderthaͤntgſten
Supplication/ ſo mit Beſtimmung aller trewen Frantzoſen vnderſtuͤtzt iſt/ den
Cardinal Mazarin laͤnger auffhaltet: So erlaubt vns Ewer Mayſt. zuſagen/ daß
ſie vor Gott vnd vor den Menſchen haben/ daß deß Koͤnigs Perſon/ ſo vnverwege-
ner Weiß verfuͤhret worden/ vnd wegen deß Staads/ welchen Franckreich Euch
zu trewen Haͤnden hat vberlieffert/ werden zuverantworten haben. Auch koͤnnen
wir kein Mißtrawen hoffen/ daß wir nicht Meinem Herꝛn/ dem Hertzog von Or-
leans/ vnd Meinem Herꝛn/ dem Printzen von Conde vngleich thaͤten/ als wann ſie
Euch zu ſolcher Reſolution braͤchten/ oder auch vrtheilen/ als haͤtten bey gegenwaͤr-
tiger Gelegenheit einigen andern Sinn/ dann Ewerm Befelch ein blinden Ge-
horſamb zuleyſten/ die nicht mehr Kundſchafft von dem Vrheber/ noch von den
Vrſachen deß gegebenen Rathſchluſſes/ als von den erdichten Zeitungen/ die ab-
ſchewliche Verlaͤumbdung wider die Beampten deß Parlaments anzuſtellen/ be-
kommen haben: Ja wir ſolten jhnen ein vngleiches Vrtheil faſſen/ wann wir nicht
meynten/ daß gedachte Printzen Ewer beyden Mayeſt. mehr ſie wider deß Cardi-
nals Mazarin/ als deſſelben Grund verderbliches Vorhaben zubefoͤrdern/ gefol-
get haͤtten: Welches nicht weniger jhrem Herkommen vngemaͤß vnd verkleiner-
lich/ als vnſer Einbildung von deren Zuneigung zuwider waͤre.


Wie wir aber nicht zweiffeln: Es werde E. beyde Mayeſt. der Juſtitz/ deren
warhafften Nutzen/ deß Staads Beſchaffenheit/ vnd ſo viel Thraͤnen/ die der elen-
den ruffende Stimmen ſind/ was wir/ durch vnſere vnderthaͤnigſte Supplicatio-
O iijnen
[110]De Statu perturbato Franciæ.
nen ſo jnſtaͤndig begehren/ widerfahren laſſen: So verſichern wir Sie im Namen
aller redlichen Hertzen/ daß auff ein ſolch Werck lauter Frewdengehell/ gemeines
Gluͤckwuͤnſchen/ vnd Segen von Gott erfolgen werde. Vnd wir bezeugen hie-
mit/ Allergnaͤdigſter Koͤnig/ daß alſo bald Ewer Parlament/ alle Hoͤffe Geſell-
ſchafften/ vnnd die trewe Statt Pariß zu Ewren Füſſen/ das Geluͤbd eines voll-
kommenen Gehorſambs bey Euch auff ein newes abzulegen/ niederfallen
werden.


Alſo geb Gott/ daß jhr vnſere gnaͤdige Fraw das groſſe Werck der Erhal-
tung dieſes maͤchtigen Koͤnigreichs das Gott euch in die Hand geſtellt/ wuͤrdiglich
vollfuͤhren: auch dem Franckreich die Ruhe ſampt allem erſprießlichen Erfolg/
deß ſeligen Friedens verſchaffen moͤget: vnd die Regierung der guten vnd tugend-
ſamen Muͤttern in Ewigkeit loben koͤnne. Dieſes wuͤndſchet Allergnaͤdigſter
Koͤnig/ alles was in Franckreich Euch getrew iſt/ neben dem vnderthaͤnigſten
Vortrag der Beampten deß Parlaments: Welche dann nicht koͤnnen anderſt
ſeyn/ als Ewre vnderthaͤnigſte/ gehorſambſte vnnd getreweſte Vnderthanen vnnd
Diener. Zu Pariß im Parlament den 21. Jenner. 1649.



Der 11. Diſcurß.
Deß Parlaments Außſchreiben.
An
Die andere Parlament deß Koͤnigreichs vnder
dem 5. oder 15. Jan. 1649.


BVnſtige Herꝛn/


Wir erachten wohl/ daß jhr durch das gemeine Geſchrey werdet ven
ſtanden haben/ daß die nachkommende Zeiten ſchwerlich glauben koͤnnen
daß nemblich zu der Zeit/ als man gute Hoffnung hatte/ daß auff die Erklaͤrung
die wir zuwegen gebracht/ einiger gute Nachtruck erfolgeu ſolte/ die Ordnung i[m]
Staad wider auffzurichten/ vnnd der Voͤlcker Elend abzuhelffen: Der Cardinal
Mazarin den Koͤnig zu zwey Vhren Nachmitternacht hat weggenommen/ vnnd
nunmehr die Statt laͤſt feindlich angreiffen: welches dann bey den Gemuͤthern
aller frommen Leuth eine Beſtuͤrtzung vnd Forcht vervrſacht. Eine ſo wunderſa-
me That
[111]De Statu perturbato Franciæ.
me That zu beſcheinen hat er an den Rumormeiſter der Kauffleuth/ vnnd die
Schoͤffen der Statt Pariß laſſen ein Schreiben abgehen/ in welchem er vns be-
ſchuldigt/ wir haͤtten Verſtand mit den Frembden/ vnnd wolten deß Koͤnigs Per-
ſon denſelben vberlieffern: welches ein Verleumbdung iſt/ die genugſamb von
jhr ſelbſt verſchwind/ derentwegen wir auch nit Noth haben vns zu entſchuldigen/
ſondern ſollen euch berichten/ daß gemelder Cardinal Mazarin kein andern Zweck
geſteckt/ als das Parlament der Statt Pariß zuvnderdrucken vnd zuvernichten/
auff daß er durch ein gemein Vnderdruckung die andere Parlament deß Koͤnig-
reichs jhm koͤnne vnderwerffen/ vnd ſeine Tyranney auffrichten/ wann er ſich zum
Herꝛn vber das Alleranſehnlichſte in dem Staad gemacht haͤtte. Welches dann
ſo gar vnrecht/ den Fundamentalgeſetzen dieſer Monarchy/ vnd dem Koͤnigl. An-
ſehen zuwider iſt/ daß wir vns verſichern/ jhr werdet euch nach ewrem gantzen Ver-
moͤgen/ ein ſo verderbliches Vorhaben/ zuhindern gebrauchen. Wir haben vn-
ſer Schuldigkeit ein genuͤgen zuthun/ ein Spruch laſſen ergehen/ durch welchen
der Cardinal Mazarin vor ein Zerſtoͤrer der gemeinen Ruhe/ vor ein Feind deß
Koͤnigs/ vnnd deſſen Staad offentlich erkant iſt/ die Voͤlcker vor falſch zubewah-
ren/ die ſich koͤndten durch Befelch/ ſo er vnder deß Koͤnigs Namen/ deſſen er viel
Jahr her mißbrauchet/ laͤſt ertheilen laſſen. Die Statt Pariß hat Kriegs Volck
angenommen/ vnd vnſer Herꝛ der Printz von Conty/ mit vielen andern Printzen/
Hertzogen vnd Pairs/ bemelten der Cron/ vnnd andere anſehnliche Perſonen ſind
vor das Parlament kommen/ vnd ſich erklaͤrt/ dem Koͤnig neben vns in dieſer Be-
gebenheit zu dienen/ vnd den Lauff deß Vorhabens gedachten Cardinals Maza-
rin zuhindern. Wir berichten euch/ was wir bißher gethan/ vnd wie der Handel
ſteht/ daß wir alle auch kein ander Abſehen haben/ als deß Koͤnigs Dienſt: Vnnd
hoffen/ es werde Ewer vnnd vnſer Verfahren ſich der geſtalt gleich finden/ daß es
erſchiene/ wie wir alle nur einen Sinn haben: vnnd wie wir ſchon zu Abwendung
einer ſolchen Vndertruckung die Mittel vorbereit/ zweiffeln wir gar nit/ jhr wer-
det nach ewrem beywohnenden klugen Verſtand auff das foͤrderlichſte zu vnſer
vnd ewer Erhaltung/ Vorſicht zuthun nicht vnderlaſſen. Wann wir dann alle zu
gleich auß einer Meynung das Werck treiben/ werden wir den Staad veſt ma-
chen/ vnnd einem Buͤrgerlichen Krieg auß keiner andern Vrſach/ als eines
Frembdlings Ehrgeitz entſteheu ſolte vorkommen. Wir geden-
cken auch eine vollkommene Verſtaͤndnuß mit euch
zu vnderhalten/ vnd ver-
bleiben.


Vnderzeichnet von Tilliet.


Der
[112]De Statu perturbato Franciæ.

Der 12. Diſcurß.
Der Fuͤrſten vnnd groſſen Herꝛn
Vereinigung/

Wider
Den Cardinal Mazarin.


NAch dem wir kein andern Vorſatz als den Staad/ ne-
ben dem Koͤniglichen Anſehen in ſeiner Hoheit vnnd Glantz/ ſo alle trewe
Vnderthanen zu Handhaben ſchuldig ſind/ zuerhalten gehabt: vnnd er-
kannt/ daß deß Cardinals Mazarin Verwaltung/ ſo ſich durch vnendlich viel
Gottloſe vnd gewaltſame Haͤndel beſchmitzt gemacht/ welche auſſer allem Zweif-
fel den Vndergang vnd Zerꝛuͤttung/ auch Ernidrigung gedachtes Staads ver-
vrſacht haͤtte/ fuͤrnemblich bey der Vnderdruckung/ ſo bekandtlich wider die Aller-
hoͤchſte Gerichts-Stellen/ vnd Wuͤrde der Geſatzen/ die von ſo langer Zeit her in
dieſem Koͤnigreich auffgericht geweſen/ angefangen war: Haben wir verſprochen
vnnd auff das H. Evangelion mit einer gemeinen Einhaͤlligkeit geſchworen/ daß
wir vnſer Gut vnd Blut zu Erhaltung deſſelben frey vnnd frewdig wollen anwen-
den/ vnd wollen wir alle vnder vns/ die dem ſo hoͤchlich gegebenen Wort vnd Ver-
ſprechen zu wider thun ſolten/ vor glaubloſe Leuth gehalten werden/ wann es ge-
ſchehe/ daß vberhaupt/ oder beſonders jemand ſich ließ betretten/ der zu ruͤck gieng/
vnd einigen Vortrag oder Gelegenheit annehme/ ohn einigen Vorbehalt/ biß der
Cardinal Mazarin auß dem Koͤnigreich verjagt/ vnd zum Zerſtoͤrer der gemeinen
Ruhe/ wie bereyt durch deß Parlaments Schluß vnder dem 8. Jenner 1649. ge-
ſchehen/ offentlich erklaͤrt/ vnnd ein jeder vnder vns in ſeine eigene Güter/ Aempter
vnd Ehren wider eingeſetzt/ vnd alle Vnderthanen deß Koͤnigs wider die bey weh-
renden ſeinem Dienſt verübte Gewaltſambkeiten verſichert/ ſeinen in Erwegung
deß Staads Hoheit/ vnd Jhrer Mayeſtaͤt Dienſt/ wie es dann erfordert wird/ vnd
die Schuldigkeit vnſers Herkommens vns darzu verbind. Verſprechen vns auch
einer dem andern bey dieſem Vorhaben/ welches ſonderlich/ als auff ſo recht-
maͤſſigem Grund geſetzt/ ſoll bekraͤfftigt werden/ daß auß keiner Vrſach Beden-
cken
[113]De Statu perturbato Franciæ.
cken oder Vorwand es ſeyn moͤcht wegen einiges Abſehen oder Vortheils/ wann
dermahl eins der Handel bey gelegt wuͤrde/ daß wir vns nimmermehr/ einer von
dem andern trennen/ noch abſonderlich/ ſondern alle zugleich handeln wollen. Zur
Bekraͤfftigung deſſelben haben wir reſpectivè dieſe Schrifft vnderſchrieben/ vnd
bezeugen/ daß wir nit abweichen/ ſondern alles was darin verfaſt/ vnverbrüchlich
halten wollen. Vnd im Fall der Cardinal Mazarin auß dem Koͤnigreich ſich
thaͤte/ nit mehr darein zukom̃en/ oder in der Straff ſo ſeine Laſter verdienen/ fieh-
le: Verbinden wir vns zu allem den Gehorſamb/ ſo trewe Vnderthanen ſchuldig/
vnd was ſie an Ehr vnd Gewiſſen von dem jhrigen/ den frembden Feinden deß
Staads herbey zu tragen verpflicht ſind/ damit man zu einem Fried/ welcher Koͤ-
niglicher Mayeſtaͤt herꝛlich/ vnd Franckreich vortraͤglich ſey/ gelangen moͤge/ vnd
verſprechen/ daß Vollſtreckung der obigen Bedingungen/ wir vnſer Abſehen/ vnd
vnſer Vermeynen zuſammen ſetzen/ vnd von nun an vns gantz vnd gar nach der
Parlaments. Herꝛn Gutachten richten werden.



Der 13. Diſcurß:


Demnach auß vorgeſetztenDiſcurſen,inmateria ſtatus
der in der Cron Franckreich geweſſener Zuſtandt kuͤrtzlich angedeutet worden/ dar-
auß dann ſo viel zuvernehmen iſt/ daß die geheime gefuͤrte Conſilia deß Cardinal
Richlieu vnnd Mazarini ein gemeine refulta durch die gantze Cron/ leichtlich cau-
ſirn moͤchten. Wie dann die jetzige Proceduren/ ein anders nicht vor Augen ſtel-
len/ in dem nicht allein der Koͤnig vor ſich/ ſondern auch etliche Principes ſanguinis
alß der Duc de Conte vnd andere/ in offene armatur vnd feindtſeligkeit gegen
einander begriffen ſeyn. Dieweil dann dergleichen gefehrliche Attentata ſich
zwiſchen dem Roͤmiſchen Keyſer vnnd dem Hertzogen von Friedlandt auch ohn
lengſt vorgenommen worden/ vnd dannenhero die geheymen Conſilia deß Friedt-
laͤnders dermaſſen offenbaret/ daß er auch ſeinen verdienten Lohn darauff bekom-
men/ welches in Franckreich/ ob ſich ſchon der Cardinal Riſchlieu durch toͤtlichen
Hintrit darvon ſalvirt/ auch leichtlich gegẽ die Friedens Zerſtoͤrer/ beſchehen koͤnde/
vnd gleiche executiones ex fato vorgenom̃en werden/ alß haben wir dero poſteri-
tat
vnd jedermaͤnniglich zum beſten/ den gantzen Verlauff der Friedlaͤndiſchen Ver-
handlung vnd Machination mit folgender Execution/ zum Beſchluß dieſſes tra-
ctats ann ectiren
wollen.
Wie der Hertzog in Friedlandt/ ſeine Verraͤterey/ heimlich fovirt, waß vor Obriſten
darin conſentirt, vnd wie alles vorgangen.


WJe wolbey denen/ der Roͤm. Kayſ. May. Vnſern
Allergnaͤdigſten Herrn (wie jederman bekandt) abgenoͤttigten/ nun-
mehr in das ſibenzehende Jahr hero/ ſo wol im Heil: Roͤmiſchen
PReich
[114]De Statu perturbato Franciæ.
Reich/ als deroſelben angehoͤrigen Erbkoͤnigreichen/ vnd Landen/ geführten
ſchweren Kriegen/ ſich vil Redliche Tapffere Helden/ vnd Rittersleuth herfuͤr-
gethan/ welche nach Ehren getrachtet/ fuͤr der Keyſ. May. vnd des Heil. Roͤ-
miſchen Reichs Hochheit/ vnd deß geliebten Vatterlands Heil/ vnd Wolſtandt/
zu Erhalt: vnd Conſervirung Kayſerlicher Cron/ vnnd Scepters/ Ritterlich
geſtritten/ vnd alſo/ durch Jhre dapffere Heroiſche Thaten/ Jhre zu Gott/ vnd jh-
ren von Gott vorgeſetzten hoͤchſten Haupt/ dem Roͤm. Keyſ. jederzeit getragene Al-
lervnderthaͤnigſt beſtendig: vnd pflichtſchuloigſte Trew/ vnd devotion zu bezeu-
gen/ vnd der Welt erkennen zu geben/ vor dieſelbe/ zu Jhrem jmmerwehrenden/
vnd vnaußloͤſchlichem Ruhm vnd Lob/ Jhr Edles Blut vergoſſen/ auch dardurch
jhren Fuͤrſtl. Graf: Herr: vnd Ritterlichen Geſchlechtern/ bey der wehrten
vnd lieben Poſteritet, einen ewigen/ vnſterblichen guten Nahmen erworben/
vnd hinderlaſſen: So haben ſich doch auch darunder etliche boͤſe Machiavelliſche
Monſtra, vnd Subiecta befunden/ welche jhres Lehrmeiſters boͤſer liſtigen art/
vnd Natur nach/ aller Teutſchen Erbarkeit/ ja ſo gar jhrer hoch vnnd thewer ge-
leiſter Pflichten/ vnd Aydts/ allerdings vnd gentzlich vergeſſen/ ſich bloß auß
Antrieb/ einer bey Menſchen zuvor nie erhoͤrter Ambition/ vnd Ehrengeitzes/ ſo
weit verleyten laſſen/ daß Sie ſich von geraumer zeit hero/ allerhand boͤſer/ arg-
liſtiger/ vnd hochgefaͤhrlicher heimlicher machinationen/ vnd Practicken be-
fliſſen/ vnd Jhnen dahero nichts mehrers angelegen ſeyn laſſen/ als ſich perfas \&
nefas
ſelbſten/ wie ſie nur gekoͤndt/ groß zumachen/ vnd darunter/ weder Jhres
Allergnaͤdigſten Keyſer vnd Herꝛens/ noch auch des Aller vnſchuldigſten/ auch
Edleſten Bluts nicht zu verſchonen/ bedacht geweiſt ſeyn. Als ſich dann wider
aller Me[n]ſchen Vernunfft/ vnd Gedancken/ zuvordereſt aber wider allerhoͤchſt-
gedachter Jhrer Kayſ. May. gnaͤdigſte Zuverſicht/ vnd gehabt es hoͤchſtes Kayſ-
vertrawen/ zu getragen/ vnd erfolgt/ daß dero geweſt[e]r Feldthaubtman/ Al-
brecht Wentzl Euſebius von Walnſtein/ ꝛc. Nach dem Jhre Kayſ. May. den-
ſelben/ mit vnd neben ſeinen Conſpiranten/ vorhero mit vielen groſſen Kayſer-
lichen Gnaden begabt/ auch alle vnd jede/ von angeborner Kayſerlicher guͤte
wegen/ auß geringern/ in hoͤhern/ als reſpect: Graffen/ Herrn/ vnd Fuͤrſten-
ſtandt erhebt/ dieſelbe mit vnder ſchiedlichen Herꝛ-Graffſchafften/ Fuͤrſten-
thumb/ vnd Landen/ wuͤrcklich vnd dergeſtalt liberaliter begnadet/ daß bey vorigen
Teutſchen Keyſern/ wenig dergleichen exempel zufinden/ daß einigen getrewen
hohen Officierern/ oder Dienern/ ſo groſſe Gnaden jemahln widerfahren waͤren/
deſſen allen aber doch gantz vngeachet/ das Haupt ſo wohl/ als ſeine Ayde ver-
geſſen Adhaͤrenten/ die Boßheit/ vnzeittige Rach/ Vbermuth/ vnnd leidige
Hoffarth/ ſo weit allerdings ergrieffen/ vnnd eingenommen/ Daß Sie ſich
auch geluͤſten laſſen/ vnd vnterſtehen doͤrffen/ der Keyſ. May. Jhrem Allergnaͤ-
digſten Kayſer vnd Herꝛn/ von dem Sie ſo viel groſſe Gnaden empfangen/ mit
dero ei-
[115]De Statu perturbato Franciæ.
dero eignem Keyſerlichen Schwerdt/ vnd Kriegsmacht/ nach dero Cron/ vnd
Scepter/ Koͤnigreich/ vnd Landen zuſtreben/ vnd (welches nach dem Vntre-
wen Phoca nie gehoͤrt worden/ noch dergleichen in Hiſtoriis zufinden) dero von
vielen Sæculis hero/ loͤblich vnd milt regierendes Ertzhauß (wann es der/ liebe
GOtt nicht wunderbarlich verhuͤttet hette) zu vertilgen/ ſich/ wie verlauten
laſſen/ alſo auch ins Werck zurichten/ vnderſtehen woͤllen.


Nach dem nun/ durch ſonderbare Schickung Gottes/ jetzt angedeutet/
deß von Walnſtein/ oder Fridtlaͤnders gefaſter boͤſer Vorſatz/ vnd aͤrgere/ als
Catiliniſche Conſpiration/ vnd Anſchlag/ wunderbahrlicher weiß entdecket/
vnd dahero/ dieſem allem vor augen geſchwebten zu vor gleichſamb gegenwerti-
gem groſſen Jammer/ vnd Elend vorzukommen/ wider dieſen Hauptverꝛaͤther/
vnd ſeine vndanckbare Adhærenten/ mit der zu Eger/ durch die daſelbſten Com-
mandirende Obriſten vnd Befelchshaber/ jhren Aydten vnnd Pflichten nach/
vor genommener vnd volſtreckter Execution/ auff maß vnd weiſe/ wie in dieſem
Diſcurs an ſeinem orth weiter außgeführt/ vnd verfahren worden/ Geſtalt
dann alle vernuͤnfftige Rechten/ zuvorderiſt aber auch deß H. Roͤm. Reichs Sa-
tzungen/ in der gleichen Criminrbus Proditionis, Perduellionis, \& læſę Majeſtatis
notoriis, actu permanentibus,
wie dieſe vnwiderſprechlich geweſen/ vnd wo die Rei
zum Stand Rechtens nit leichtlich zubringen/ oder ſonſten wegen deß Verzugs/
das allgemeine Weſen in gefahr ſtehen muͤſte/ einigen andern Proceß, oder Sen-
tenz,
als allein die Execution ſelbſten/ quæ hic inſtar Sontentiæ eſt, nicht erfor-
dern/ einem jedwedern auch dißfals erlaubt/ eontra publicum Hoſtem Patriæ.
vornemblich aber geſchwornen Kriegs Officirern/ Oberſten vnd Commandan-
ten/ die Execution vorzunehmen bey dieſem allem aber/ zuvorderſt Jhrer Key.
May. vnd jederman ſeithero vernemmen muͤſſen/ daß der alſo/ wider ſolche
Verꝛaͤther vnd Conjuranten/ ergangener geſchwindter Execntion halber/ vnder-
ſchiedliche vngleiche/ vnd vnwarhaffte Diſcurs, aller orthen fuͤr gehen/ ja gantz
boßhafftige Judicia hierunter temerè gefuͤhrt/ wol auch hochverbottene famos
Gedicht/ in offenem Druck ſpargiret vnd ohne ſchew herumb getragen werden/ als
ob das Haupt/ dieſer ſchaͤndlichen Canſpiration/ ſambt deſſen Adhaͤrenten/ mit
ſo geſchwinder Execution uͤbereylet/ Ja ſo gar ein Gewalt angethan/ vnd groß
vnrecht geſchehen/ Darneben auch Jhrer Kay. May./ vnd dero Hauß einer vn-
erhoͤrten/ barbariſchen/ Vndanckbarkeit zubeſchuldigen/ kein abſchewen
tragen.


Derenthalben vnd damit Jedermaͤnniglich/ Hohen: oder Niedern Standts/
den eigentlichen Grundt/ vnd warhaffte Vrſachen erfahren vnd wiſſen moͤge/
warumb nemblich in flagrantißimo Perduellionis, Proditionis, et Læſæ Majeſtatis crimi-
ne,
mit dieſen Meineydigen Conſpiranten dergeſtalt verfahren/ Alſo haben mehr
allerhoͤchſt gedachte Jhre Kaͤyſ. May. ein ſonderbahre hohe/ laͤnger vnvmbgaͤngliche
P ijNot-
[116]De Statu perturbato Franciæ.
Notthurfft zu ſeyn ermeſſen/ auch endtlich befehlen muͤſſen/ daß der gantze Ver-
lauff/ mit Warheits grundt/ auß denen einkommenen glaub wuͤrdigen/ vnd vn-
widerſprechlichen Documenten, hieruͤber gefuͤhrter vnd examinirter Zeugen/ auch
bey der Sach/ ſelbſt Jntereſſierter/ ſo ſchrifft: als muͤndlich gethanen gutwilligen
Anßſagen/ intercipirten/ vnd andern/ ſo wol bey dem Haupt ſolcher Conſpiration/
als deſſen Complicibus gefundenen Schreiben/ fideliter herauß gezogen/ vnd zu Je-
dermans eigentlichen Wiſſenſchafft/ auch zu handthabung Jrer Kaͤyſ. ergange-
nen Juſtitz/ in offenen Druck gegeben werden ſolle/ damit ſich auch ein jeder hiebey
ſelbſt in acht nemmen/ vnd vor denen bißhero gefuͤhrten boßhafftigen/ ſchaͤdlichen
Diſcuſren/ vnd ohne das hochverbottenen ſtraff maͤſſigen Gedichten/ vnd Famos
Schrifften zu huͤten wiſſe.


Wie nun dergleichen Machinationes nicht ſo geſchwind/ vnd in der eyl/ zu
werck gerichtet werden moͤgen/ ſondern meiſtentheils lang zuvor vorbedacht/ vnd
præpariert zuwerden pflegen/ alſo befindet ſich auch/ daß mit dieſer hochgefaͤhrli-
chen Prodition/ gedachter Fridlaͤnder/ ſchon lang vnd viel Jahr ſchwanger ge-
gangen/ Dann nach dem die Roͤmiſche Kaͤyſerliche Majeſtaͤt das Heilige Roͤ-
miſche Reich/ vnd deroſelben getrewe Chur-Fuͤrſten- vnd Staͤnde/ der geweſte Koͤ-
nig in Schweden/ Guſtavus Adolphus, feindlichen bezogen vnd angefallen/ demſel-
ben aber/ noch vor ſeinem Außzug/ von etlichen ſeinen Adhærenten/ in denen/ vber
ſolche Impreſa gehaltenen Berathſchlagungen/ die Gefahr ſeines Vorhabens/
ſonderlich aber die Kaͤyſerliche Macht/ vnd damahlen aller Orthen florirende Waf-
fen/ welche ſelbiger Zeit gantz Pommern/ Meckelburg/ Hollſtein/ vnd die mehri-
ſten Baltiſchen Seeporten innen gehabt/ vmbſtaͤndiglichen remonſtrirt worden/
So iſt er doch ſchon dazumahln/ als auß einem glaubwuͤrdigen Teſtimonio, einer
Fuͤrſtlichen Perſon bey gebracht/ vnd durch allerhandt gehabte heimliche Ver-
ſtandt/ vnd vnter geloffene Tractaten/ von dem geweſten Kaͤyſerlichen Generaln
vnd Feldt Hauptman/ dem von Fridtlandt/ der geſtalt verſichert geweſen/ daß er
ſich daher/ nicht allein nichts zubefahren/ ſondern noch wol aller Befuͤrderung/
vnd Aſſiſtentz zugetroͤſten gehabt/ alſo/ daß/ wan dieſes nicht geweſen/ Er ſich
etwa nimmermehr vnderſtanden/ eine ſolche Impreſa fuͤr zunehmen/ oder aber
deß Reichs Boden anzufallen/ Jnmaſſen ſolches nachmahlen/ auch die darauff
gefolgte Effectus ſelbſten bezeugt/ in deme er Fridtlaͤnder/ nicht allein die Pomme-
riſchen Jnſulen/ vnd Meerhafen/ ſehr ſchlecht providirt verlaſſen/ ſondern auch
ſich ſelbſt/ weit von denen oͤrthtern in Schwaben/ ob man zwar von deß gemelten
Koͤnigs in Schweden Bereitſchafft/ vnd Kriegs Verfaſſung/ damahln allbereit
gewiſſe Nachrichtung gehabt/ begeben/ dahero dann erfolgt/ daß nicht allein die
Rügiſche/ vnd Vſedomiſche Jnſulen/ ohne eynigen Widerſtand als baldt verloh-
ren/ ſondern bald anfangs der Koͤnig in Schweden/ der veſten Stadt Stettin
in Pom-
[117]De Statu perturbato Franciæ.
in Pommern/ vnd anderer vornehmen Orth mehr/ ohne allen Widerſtand be-
maͤchtiget.


Demnach aber auffſtarckes anſuchen der Churfůrſten/ er Friedtlandt an
dem Churfuͤrſti. Collegialtag zu Regenſpurg/ deß Generalats entlaſſen/ hat er
alſobaldt darauff/ argliſtige boͤſe Anſchlaͤg fuͤr: vnd an die hand genommen/ an
Jhre K. M. vnd dero Hauß von Oeſterreich/ wie auch etliche Chur: vnd Fuͤrſten
ſich zu rechnen/ derethalben alsbald mit dem proſcribirten alten Heinrich Mat-
theſen der ſich Graff von Thurn genent/ muͤndt: vnnd ſchrifftlich nacher Berlin
correſpondirt, ſeine geleiſte Dienſt vnd Merita, auff das allerhoͤchſt exaggeriert
vnd herentgegen der Kayſerl. May. vnd dero Hauß die groͤſte Vndanckbarkeit zu-
gemeſſen/ daß auch jhme von Thurn/ in mehr weg zuviel geſchehen/ vnd Er zu alle
dem/ was Er fuͤrgenommen verurſacht worden waͤre mit dieſem anhang/ daß die-
ſe ſeine deß Generals ſchmaͤhliche Abdanckung/ dem Koͤnig von Schweden nur
zum beſten gereiche/ in deme Er durch dieſe Occaſion, demſelben ſeine Dienſt/ dar-
zu Er vor lengſt begierig/ erweiſen koͤndte: Endlich auch durch diß mittel deß von
Thurn (welcher ſich dann hieruntur fleiſſig gebrauchen laſſen/) mit dem Koͤnig
ſelbſten/ der geſtalt in vertrewliches vernehmen gerathen/ daß demſelben Er ange-
tragen/ wie Er reſolvirt ſeye/ jhme vnter die Armb zugreiffen/ vnd ſein Vorhaben
exequiren, zuhelffen/ Wann der Koͤnig jhme wolte fuͤnffzehen Tauſentmann/ als
zehen tauſent zu Fuß/ vnd fuͤnff tauſent zu Roß/ neben einer anſehenlichen Artille-
ria
vnd Munition, auch daruͤber einen Generaln von der Artilleria, vnd den von
Thurn zum General Leutenant zugeben; So wolte er die andern hohe Officirer
ſelbſten beſtellen/ vnnd noch funffzehen tauſent Mann darzu/ auff ſeine eigne ſpe-
ſam,
auff den fuß bringen/ da mit Boͤheimb/ vnd Maͤhren einehmen/ vnd ſo dann
den Kayſer ſelbſten in Wien belaͤgern/ doch ſolts der Koͤnig dahin gegen ſich gegẽ
jhme Fridtland verreverſiren/ daß jhme der Titul/ Hertzog zu Meckelburg/ zu ſei-
nen Lebtagen verbleiben/ auch an ſeinen Guͤtern in Boͤheimb/ nichts gemindert/
vnd was Er ferner erobern wuͤrde/ Jhme gelaſſen werden/ vnd Er damit zu diſpo-
niren
macht vnd gewalt haben ſolte: Als nun von dem Koͤnig/ Er Friedtlandt nit
allein deſſen alles gnugſam verſichert/ ſondern noch diß darzu verſprochengewe-
ſen/ wann Er jhne gar zu einem Koͤnig machen koͤndte/ daß Er der Koͤnig an al-
ler ſeiner muͤglichkeit/ nichts wolte er winden laſſen/ vnnd mmittels die Leiptziger
Schlacht eingefallen/ der Koͤnig darauff/ in anſehung dieſer Impreſa auff die Kay-
ſerliche Erblaͤnder/ in das Reich/ das Saͤchiſche Volck aber gegen der Obern Lauß-
nitz gangen/ vnd alle Artilleria vnd Munition, von Stettin/ die Oder herauff com-
mandirt,
alles Volck zu Roß vnnd Fuß/ vnder ſeine gewiſſe Regime nter/ vnnd
Commendanten, außgetheilt/ vnd alles in bereitſchafft geweſen/ hat Friedtlandt
gewolt/ der damalige Saͤchiſche Feldtmarſchalck Arnheim/ ſolte auff die Kayſer-
liche Armadam gehen/ auff ſelbige treffen/ vnd trennen/ damit Er ſo dann/ das
P iijfluͤchtige
[118]De Statu perturbato Franciæ.
fluͤchtige Volck/ nach dem alles zu ſeinen dienſten/ bekommen moͤchte: Zu dieſer
Imprela, haben noch andere zehen tauſent mann/ in Maͤhren ſollen geworben wer-
den/ inmaſſen die Patenta, vnd Muſterplaͤtz auch bereit auß getheilt geweſen. Als
aber Arnheimb/ etwan dem Gluͤck nicht trawen woͤllen/ ſondern gegen Boͤheimb/
alldorten die Winterquatier zunehmen/ vnd ſein Volck zuerfriſchen/ ſich gewen-
det/ hat Jhme Friedtlandt ſelbſten/ auff einem Schreibtaffelblat/ nacher Prag/
dahin Er ſonſten wol nicht kommen were/ beruffen/ vnd alſo verſichert/ daß Er der
Statt/ ohne verluſt einiges Manns/ ſolte maͤchtig werden/ wie ſolches nachmah-
len auch beſchehen.


Nach dieſem/ hat Er auff den Tertzkiſchen Schloß Kawnitz/ viel Meil wegs
von Prag/ ein Zuſammenkunfft/ vnter dem ſchein/ vom Friedẽ mit dem Arnheimb
zu handlen/ angeſtelt/ vnd daß vorbemelte alte von Thurn/ den Schweden ver-
moͤgen ſolte/ daß er ſich auch darzu bewegen lieſſe/ Jn der warheit aber hat hierun-
der die vorgemelter Impreſa abgeredt/ vnnd zu werck gerichtet werden ſollen/ wie
dann Fridtlandt noch allzeit dieſer Meinung geweſen/ Arnheimb ſolte auff die
Kayſerliche/ welche damahlen vmb Limburg gelegen/ treffen/ vnd zu ſolchem En-
de/ den Kayſerlichen Herꝛn Feldtmarſchalcken von Tieffenbach/ ꝛc. auff alle weiß
zu perſuadirn, ſich bemühet/ ſein vnterhabendes Volck/ in die Winter Quartier
zuverſchicken/ vnd auß zutheilen/ deme wann Er gefolget/ der Feind als bald vnver-
ſehens darauff gerucket/ alles leichtlich hette trennen/ vnd zugleich auch die Quar-
tier occupirn, vnd weiter fuͤrtringen koͤnnen: Als aber Arnheimb auch dahin kom-
men/ vnd in die vier ſtund allein mit Jhme geredt/ hat Er denſelben/ zu einer gantz
andern Intention, vnd dahin perſuadirt, das Er Fridtlandt/ auff alle weiß dahin
trachten ſolle/ damit Jhme die Kayſerliche Armada wider vntergeben werde/ dann
Er als dann die beſte Gelegenheit hette/ nicht allein ſich zu rechnen/ ſondern auch
ſeine Fortunam mit mehrerer Sicherheit (weiln dem Koͤnig von Schweden nicht
zuvertrawen) auff den hoͤchſten grad zubringen/ welchem Rathſchlag der Fried-
laͤnder gefolgt/ die Schwediſche Correſpondentz/ vnter dem vorwandt/ daß die zeit
albereit verſaumet/ auch ſeine Intentiones entdeckt zuſeyn/ im argwohn begriffen/
fuͤr daſſelbige mahl ploͤtzlich auff geſtoſſen/ darauff Jhme bald hernach daß Gene-
ralat/ mit groͤſſerer Vollmacht/ als er zuvor gehabt/ weiln er ſich anderere geſtalt nit
ein laſſen woͤllen/ widerumb anvertrawt worden.


Was Er nun darauff/ in denen Kaͤyſerlichen Erblanden/ fuͤr eine anſehen-
liche Armadam, mit allerhandt Nothwendigkeiten/ vnd Zugehoͤrungen zwar nicht
mit geringer Beſchwerung Jhrer Kaͤyſ. May. Erb Koͤnigreich/ vnd Laͤnder/ auff
den Fuß damahln gebracht/ iſt jedermaͤnniglich gnugſam bekandt/ Deßgleichen
wie ſelbige nachmahlen aller Orthen dirigiert, vnd gebraucht worden/ alſo/ daß es
nunmehr bey maͤnniglichen/ der auß oberzeltem/ deß Fridtlaͤnders boßhaffte In-
tention
vermerckt nicht vnbillich das Anſehen gewinnet/ daß auch dieſe ſo ſtarcke
Werbun
[119]De Statu perturbato Franciæ.
Werbungen/ vnd andere Kriegs præparationes, allein zu gaͤntzlicher Außmerg-
lung/ vnd Abmattung deß Hochloͤblichen Hauſes von Oeſterꝛeich/ den nothleiden-
den Catholiſchen Staͤnden aber/ zu einer eytlen/ vergeblichen Hoffnungmachung/
nach langem erwarten aber/ zu gewiſſer Deſperations vervrſachung/ gemeint
geweſen.


Anfaͤnglich/ als im Martio/ Sechzehenhundert/ zwey vnd dreyſigſten Jahrs/
Weylandt Herꝛ Graff von Tylli Seel: den Schwediſchen Feldt Marſchalck
Horn/ bey Bamberg geſchlagen/ darauff der Koͤnig in Schweden/ ſich mit gan-
tzer Macht/ von dem Rhein/ vnd Maynſtromb herauff/ in Francken/ vnnd gegen
Bayern gewendet/ haben Jhre Churf. Durchl. in Beyern/ demſelben zubege-
gnen/ vnd der Orthen ab: vnd widerumb zuruck zutreiben/ mit welchem
auch der gantze Thonawſtrom waͤre verſichert worden/ durch viel vnterſchiedliche
Abſchickungen/ vnd bewegliche Schreiben/ einen Succurs begert/ welcher zwar
von dem Friedlandt auch vielfaͤltig verſprochen/ mit bald anfangs gethanem Er-
bieten/ wie daß er ſchon/ fuͤnff tauſent Reuter effective/ zum Fortzug com-
mandiert hette: Es iſt aber nachmahlen das allerwenigſte/ vnd ſo vbel beſtelt er/
auch ſo ſpat erfolgt/ daß man ſich deß wenigen/ ſo hinauß kom̃en/ nichts/ oder doch
gar wenig bedien en koͤnnen/ Jnmittelſt hat der Koͤnig/ vber den Lech in Bayern/
durch getrungen/ Augſpurg/ Muͤnchen/ vnd andere vornehme Paͤß/ vnnd Orht
mehr/ weg genommen/ vnd ſo weit fortgebrochen/ daß er auch Jngolſtatt atta-
quirt,
vnd gar herunter/ gegen Regenſpurg geſetzt/ in Meinung/ dieſe Statt
in der furia auch weg zunehmen/ vnd dardurch Jhre Churfuͤrſtl. Durchleuch-
tigkeit vnd das damahln bey ſich gehabte Volck/ bey Jngolſtatt/ dahin Jhre
Churf. Durchl. in Hoffnung deß jmmerzu erwartenden Succurs, mit demſelben
deſto leichter zu coniungiren/ ſich retiriren muͤſſen/ Feinzuſchlieſſen: Endlich aber
iſt dieſer Succurs gantz vnd gar abgeſchlagen/ vnd noch darzu der Graff von Al-
dringen/ mit dem herauſſen geweſten Kayſ. Volck/ in Boheim erfordert
worden/ mit dem fuͤrwandt/ Er Friedtland woͤlle zuvor die Saͤchſiſche Armada
vertilgen/ als dann hinauß ins Reich kommen/ oder zum wenigſten/ den Koͤnig
in Schweden dardurch widerumb in Sachſen zuruͤck ziehen; Darauff doch an-
derſt nichts erfolgt/ als daß Er mit dem Saͤchſiſchen Feldt Marſchalck Arnheimb
alsbaldt zu ſeiner Antrettung/ wie derumb vergebliche Tractatus angefangen/
vnd nachmahlen fort vnd fort continuiret/ entzwiſchen das Volck/ darvon Er
doch/ in Anſehung der Tractationen, deſto leichter einen guten Theil entrathen
koͤnnen/ auff einen hauffen bey ſich behalten/ vnd nach mahlen Prag widerumb
occupiret, Alda/ ob er ſchon Occaſion gehabt/ alles deß Feinds darinnen gele-
genes Volck weg zunemmen/ ſo hat Ers doch dem Feind zu einer Corteſia/ Jhrer
Kaͤyſ. May. vnd dem gantzen gemeinen Weſen zum hoͤchſten Schaden/ wie
ſolches nachmalen der Außgang bezeugt/ fortgehen laſſen/ Ja ob woln vorhero
ſchon
[120]De Statu perturbato Franciæ.
ſchon accordirt geweſen/ daß es ohne Woͤhr/ auch Sack vnd Pack abziehen ſollen/
ſo hat er doch hernach ſelbſten/ zu Bezeigung ſeiner ſondern Gnad/ nicht allein
dieſes alles/ ſondern auch noch darzu/ das jenige/ was der Burgerſchafft/ vnnd
denen Staͤtten abgenomen vnd abgetrungen worden/ wie auch die Kirchenſchaͤtz/
wider der Geiſtlichen/ vnd Burgerſchafft ſtarckes lamentiren mit zunemen be-
willigt/ auch die jenigen Soldaten/ welche zuvor auff der Kaͤyſerlichen ſeyten ge-
dienet/ ob ſie wol ſelbſten wider vmb zutretten willens geweſen nicht annemmen
wollen/ Alſo dem Feind nichts ſchwaͤcher gemacht vnnd immittels herauſſen in
dem Heil. Reich alles verlohren gangen.


Als er nun der geſtalt den gantzen Früling/ vnd guten theil deß Sommers/
in Boͤheim zugebracht/ Endtlich auch von den Saͤchſiſchen bey Leutmeritz/ gantz
vnd gar/ vnuerſehen ab gelaſſen/ da er doch vielmals die Gelegenheiten gehabt/
ſelbige auffs Haupt zuſchlagen/ vnd daruͤber im Julio hinauß in das Reich gan-
gen/ ware erſtlich/ bey der mit Jhrer Churfuͤrſt. Durchl. in Beyern/ er folgten
conjunction, dieſe reſolution/ als baldt coniunctis viribus, auff den Feinde zugehen/
vnd denſelben zum ſchlagen zu neceſſitiren/ wie dan damalen die Kaͤyſerliche Ar-
mada/ vber viertzig tauſent Mann effectivè, deß ſchoͤnſten/ beſten Volcks/ ſo man
erwuͤnſchen/ vnd mit Augen ſehen ſollen/ ſich erſtreckt. Es hat ſich aber der Friedt-
landt/ bey ſo gut erzeigter occaſion/ als baldt geaͤndert/ vnd ſeine Meinung dahin
geſtellt/ man ſolle ſich gegen dem Feindt/ mit dieſer gantzen Macht logiern, dar-
durch koͤndte er eingeſchloſſen/ vnd deſſen Cavalleria/ mit benemmung der Furage
in kurtzer zeit ruinirt werden. Vngeacht nun jhme gnugſamb remonſtrirt wor-
den/ daß nicht vonnoͤthen/ dißſeits viel Volcks/ gegen deß Koͤnigs ſchwachere
Armadam zuhalten/ weil man dardurch nur die Zeit/ occaſion/ vnnd das Volck
verlieren/ entzwiſchen aber der Feind im Elſaß/ vnd anderer Orthen/ durch vn-
terſchiedliche Corpora progrediren würdt; Daß auch bey ſolchem ſtilligen/ diſſeis/
fuͤr ein ſo maͤchtige Anzahl Volcks/ mit Prouiant/ vnd Foutrage/ eben ſo
ſchwaͤr forth zukommen ſeyn/ Vnd alſo/ wo man vermeint den Feindt zu conſu-
miren/ die Conſumption guten theils/ vnſers ſelbſt eignen Volcks/ erfolgen
werde/ So iſt er doch nichts deſto weniger/ auff diſer ſeiner opinion verharꝛet/
vnd darauff in die Eilff Wochen/ mit der Armada ſtill gelegen. Auß welchem
erfolgt/ daß die Armada mercklich/ vnd zwar vmb viel Tauſent Mann/ abgenom-
men/ der Feindt aber zeit vnd lufft bekommen/ ſein Volck aller Orthen herbey/
vnd zuſammen zubringen/ vnd ſich zuſtaͤrcken/ welches man doch auch gar wol
verhuͤten/ vnd manches mahl/ aller Officier/ vnd General Perſonen/ Meinung
nach/ ein guten Streich thun koͤnnen.


Dieweil dann dergeſtalt dem Feindt/ ohne eynige Verhinderung zugelaſſen
geweſen/ ſich in angeſicht dieſer Armadæ, ſo ſtarck zu machen/ als er nur gekoͤndt/
vnd gewolt/ Als hat er letztlich/ vnſer Laͤger ſelbſten angefallen/ doch aber/ durch
Goͤtt-
[121]De Statu perturbato Franciæ.
Goͤttlichen Beyſtandt/ mit groſſem Verluſt/ abgetreiben worden/ vnnd ſein
retirada in groſſer Confuſion/ vnd Vnordnungen/ nemmen muͤſſen. Darbey/
obwoln alle vnd hohe Officirer fuͤr gut befunden/ ſich dieſer occaſion zubedienen/
vnd bey ſolcher/ deß Feindts Vnordnung/ darauff zuſetzen/ Jnmaſſen dann auch
alle/ von dem Feindt bekommene Gefangne/ außgeſagt/ daß man den Feindt
damalen auffs Haupt hette erlegen koͤnnen/ So iſt doch gleich wol gantz nichts be-
ſchehen. Ob aber ſolches auß Prodition/ vnd boͤſem Vorſatz/ oder auß ſolchen
Vrſachen beſchehen/ daß der Friedtlaͤnder à dolo purgirt werden koͤndte/ Jnmaſ-
ſen dann etliche wol der Meinung geweſen/ daß wegen mangel Proviants/ es
nicht wol thunlich geweſen/ den Feindt zu verfolgen/ laͤſt man/ ſo viel dieſe Ge-
ſchicht anlangt/ an ſeinem Orth geſteltſeyn. Als ſich auch darauff der Koͤnig
bey Fürth logirt/ vnd man geſehen/ daß ſeine Cavalleria/ allda groſſen mangel
leidet auch ſich hernach deß Feindts Armada/ albereit mit groſſer Forcht/ zu
retiriren angefangen/ iſt abermahlen die ſchoͤnſte gelegenheit geweſen/ jhme vnter
ſein retiradam zukommen? Mann hat ſich aber dieſer occaſion, gantz nichts præ-
valirt,
vngeacht doch Friedtlandt zuvor ſelbſten offt fuͤrgewendt/ welcher Theil
von Nuͤrnberg erſtlich einen Fuß weiche/ der ſeye verlohren.


Nach dieſem marchirt der Koͤnig auff Windtsheim/ vnd die Keyſerliche
Armada auff Koburg/ bald hernach wendet ſich der Koͤnig von Windtsheimb/ wi-
der zuruck nach Bayren/ vnd recuperiert daſelbſten Rhein/ nichts deſtoweniger
hat Friedtlandt vermeint/ Jhre Chur fuͤrſtl. Durchl. ſolten mit Jme in Meich-
ſen gehen/ dardurch inmittels der Koͤnig dero Landts/ vnd deß volligen Thonaw-
ſtrombs/ ſich deſto leichter/ ohne Widerſtandt bemaͤchtigen/ vñ auch gar einen Fuß
in das Landt Ob der Enß/ bey damahliger vorgeweſter Bawren Rebellion/ hette
ſetzen koͤnnen. Dieweilen aber Jhre Churfuͤrſtl: Durchl. dero Landt/ vnd Leuth/
nicht laſſen wollen/ vnd der Feldtmarſchalck/ Herꝛ Graff von Pappenheimb
Seel: gleich damahlen mit Zwoͤlff Tauſent Mann/ auß Nider Sachſen im An-
zug geweſen? Als hat man ſich verglichen/ daß der Herꝛ Graff von Aldringen/ ne-
ben Jhrer Churfuͤrſt: Durchl: mit ſeinem vnterhabendem Volck in Baͤyrn ge-
hen vnd alda dem Feindt wiederumb begegnen/ Entgegen aber der Herꝛ Graff
von Pappenheim/ immediate von Jhme Friedtlandt dependiren ſolle. Als man
ſich hierauff getheilt/ vnd das Volck in die Ober Pfaltz angelangt/ iſt dem Herꝛn
Graffen von Aldringen alsbalden ein Ordinantz zukommen/ mit dem Kaͤyſ.
Volck/ nicht vber die Thonaw zugehn/ Jnmaſſen Erdann auch jenſeits damit
ligen blieben; Dahero gegen dem von Pirckenfeldt/ welchen der Koͤnig mit einem
Corpo in Beyrn hinderlaſſen/ nichts koͤnnen fuͤrgenommen werden. Nach malen/
bekompt der Herꝛ Graff von Aldringen ein andere Ordinantz/ weiln Friedlandt
deß Herꝛn Graffen von Pappenheimbs nunmehr verſichert/ als moͤchten ſich
Jhre Churf. Durchl. auch deß Herꝛn Graffen von Aldringen/ nach Jhrem ſelbſt
Qbelieben/
[122]De Statu perturbato Franciæ.
belieben/ bedienen/ vnd gebrauchen; Kaum aber/ daß ſich Jhre Churfuͤrſt. Durchl-
mit Jhm Herꝛn Graffen von Aldringen/ zu Newſtatt vnderꝛedet/ wie das Volck
zuſammen/ vnd an Feindt zu fuͤhren ſeyn moͤchte/ kompt die Ordinantz/ durch wel-
che der Herꝛ Graff von Aldringen/ ſambt dem Kayſ. Volck gegen Eger comman-
diert
wirdt/ darauff Er ſich als baldt ſeparirt, vnd zu Jngolſtatt wider vber die
Thonaw gangen: Baldt darauff aͤndert es ſich widerumb/ vnd wird Herꝛ Graff
von Aldringen wie derumb an Jhre Churfuͤrſtl. Durchl. gewieſen/ Dahero Er
ſein Volck zu Newburg wieder vbergehn laſſen/ ſich mit Jhrer Durchl. conjungiert,
vnd darauff fuͤr Rhain gangen/ folgendts auch Thonawerth in attaquieren, Jn-
maſſen ſolches vorhero fuͤr gut beſunden/ vnd abgeredt geweſen/ Als nun der Fried-
laͤnder/ von dem Koͤnig auß Schweden/ gantz außgeſetezt/ vnd ſich mit der Haupt
Armada in Meichſen begeben/ auch daſelbſten ſein Winter Quartier/ nunmehr
fein ruhig zu haben vermeint/ iſt der Koͤnig Jhme baldt ſtarck nachgezogen/ vnnd
ſich zu Naumburg logirt, aldar/ ob zwar der Friedtlaͤnder gute gelegenheit gehabt/
mit: vnnd neben dem Pappenheimiſchen/ vnd Gallaſſiſchen Volck/ den Feind
ſelbſt an zugreiffen/ hat doch Friedtlandt vermeint/ es muͤſſ ſich auch der Feind/
nach ſeinem Kopff richten/ vnd gleichsfals mit Jhme/ einen ſtillſtandt halten/ al-
ſo/ daß/ wie jhme der Feind am allernaͤchſten zugeruckt/ Er den Herꝛn Graffen von
Pappenheimb welchen Er kurtz zuvor/ ſo ſtarck citirt, vnd mit groſſer vngelegenheit
deſſen Volcks/ auch nit weniger Gefahr/ der Vntern Laͤnder/ an der Weſer/ her-
auff erfordert/ von ſich gelaſſen. Warauff dann der Koͤnig/ welcher ſolche deß
Friedtlaͤnders ſicherheit/ fuͤr einen Deſpect ſeiner Armaden gehalten/ Jhme nacher
Lutzen vnter die Augen gezogen/ vnd weil Friedlaͤnder einige Kundſchafft/ damah-
len nicht beſtellt/ alſo vnverſeheus auff den Halß kommen/ daß es an einem weni-
gen gehafft/ daß nicht die gantze Keyſerliche Armada, vom Koͤnig vberfallen/ vnd
auffs Haupt vertilgt worden: Ob nun zwar Friedtlaͤnder daſelbſt ſtandt gehal-
ten/ auch durch Dapfferkeit der Keyſ. Armada, welche zwar deß Feinds ſeiner/ nicht
zuvergleichen geweſen/ das Schwediſche Volck/ mit groſſem Verluſt/ auch Jhres
eignen Koͤnigs/ das Feldt quittiert/ ſo hat doch Friedlaͤnder ſich deſſen nicht ge-
braucht/ ſondern das Feldt/ vnd durch deß Feinds Abzug erhaltene Walſtadt/ ſelbſt
auff geben/ ſeine eigene/ vnd die vom Feind gewunnene anſehenliche Artilleria, im
ſtich gelaſſen/ vnd gantz vnnerſehener weiſe/ die Flucht genommen/ vñ den gantzen
Laſt/ der Winter Quartier/ dem Koͤnigreich Boͤheim/ vnnd andern Jhre May.
Laͤndern/ wiederumb vber den Halß geſchuͤttet. Welches Er dann zwar mit dieſem
vermeint zubeſchoͤnigen/ daß deß Feindts Armada auch nach dem Treffen/ der ſeini-
gen zu ſtarck geweſen/ Er ſich auch beſorgen muͤſſen/ daß jhme nicht etwa der Paß/
vnd Retirada in Boheimb/ von dem Feind abgeſchnitten wuͤrde/ welches aber zu der
verſtaͤndigen Soldaten/ ſo dieſer Schlacht ſelbſt beygewohnt/ judicio heim ge-
ſtelt wird.


Nach
[123]De Statu perturbato Franciæ.

Nach dem man ſich nun/ wie obgemelt/ fuͤr Rhain gelegt/ mit dem aprochiren na-
hent hinan kommen/ Batterien gemacht/ Schiffbrucken geſchlagen/ vnd alle præpara-
toria
verfertiget/ war durch man dieſen orth hiernegſt wegnehmẽ/ den Feind der en,
den entweder ſchlagen/ oder vertreiben/ auch dem damahln hochbetrangten Elſaß/
vnd darinnen ligenden vornehmen Plaͤtzen/ als Peenfeldt/ vnd andern/ lufft ma-
chen koͤnnen/ da kompt nach vorgangener Schlacht bey Lutzen/ vom Friedtlandt/
durch Schreiben/ deß Herꝛn Graff Gallaſſen Ordinantz/ der Herꝛ Graff von Al-
dringen ſolle alſo bald/ ohne einigen geringſten Auffhalt/ mit dem Kayſerlichen
Volck nacher Boͤhaim rucken/ Alſo hat man/ die allbereit an ein kleines gebrachte
Belaͤgerung Rain/ mit Spott vnd Schand auffheben/ vnd abziehen muͤſſen/ da
doch der Friedland/ damahln gantzkein Noth gehabt/ Sintemahlen der Feind/
nach bemelter Schlacht bey Lutzen/ nicht allein ſchon das Feldt quittiert gehabt/
ſondern noch ſelbigen Abendt/ der General Wachmeiſter Reinach/ mit fuͤnff-
tauſent Mann friſchen Volcks/ nicht weniger bald darauff der Herꝛ Graff Gallas/
ſo damahln mit einem Corpo zu Khemnitz gelegen/ zu Jhme Friedtlandt hette ſtoſ-
ſen koͤnnen/ Weiln Er auch volgends/ allein denen Winterquartirn in Boͤhaim
zugezogen/ vnd nicht gedacht geweſt/ dem Feind dißmahl weiter Teſta zumachen/ ſo
hat Er bey ſolcher geſtalt/ deß Aldringiſchen Volcks/ vmb ſo viel weniger/ vnnd
zwar gar nicht vonnoͤten gehabt/ Jnmaſſen ſolches hernach lange zeit vmb Eger/
ohne einige frucht/ ſtill gelegen.



Der 12. Diſcurß.


Was ſich ferner von Anno 33. zu Prag mit den Friedtlaͤn-
der zugetragen.


ANno Sechzehenhundert drey vnnd dreiſſig/ Als Er zu
Prag/ mit Auffrichtung einer newen Armada wiederumb vmbgangen/ vnd
derentwegen alles Volck abermahlen beyſamen behalten/ hat ſich Jmmit-
tels Horn vnd Panier conjungirt, vnd ins geſambt/ auff den Herꝛn Graffen von
Aldringen (deme allein/ fuͤr ſein Perſon/ mit dem jenigen wenigen Volck/ welches
der Herꝛ Graff Montecuculi, auß Schwaben herunter gebracht/ bey Jhrer Chur-
fuͤrſtl. Durchl. in Bayern/ zuverbleiben erlaubt geweſen) zugangen/ obwohlen
vnderſchiedlich vmb Succurs beweglich geſchrieben/ ſonderlich weiln der Friedland
ſich nun mehr/ deß Pappenheimiſchen Volcks/ gantz vnd gar gebraucht/ So hat
Q ijErdoch
[124]De Statu perturbato Franciæ.
Er doch nur etliche wenig/ gar ſchwache Regimenter geſchickt/ vnd ſich darbey ex-
preſſe
vernehmen laſſen/ daß Er ſolches darumben thue/ damit jhre Churfuͤrſtliche
Durchl. kein rechtes Corpus mehr/ zu Jhrer ſelbſt Diſpoſition bekommen/ ſondern
Jhme allein die Direction verbleibe/ wie er dann dem Herꝛn Graffen von Aldrin-
gen/ vnd ſeinem vnterhabenden Volck/ die Hand allzeit alſo gebunden/ daß Er
nichts fuͤrnehmen doͤrffen; Deßgleichen hat auch Hertzog Bernhard von Wey-
mar vnder deſſen in Francken ein Newes Corpus, welches gar leichtlich verhindert/
vnd anfangs zertrent werden koͤnnen/ geſamblet/ vnd damit auch ſich nacher
Bayren begeben zum Horn geſtoſſen/ vnd alſo mit geſambter hand/ den Herꝛn
Graffen von Aldringen/ herein an die Yſer getrieben/ darauff Er zwar wiederumb
etliche Regiment er geſchickt/ doch aber dabey expreßè Ordinantz geben/ nichts ge-
gen dem Feind vorzunehmen ſondern nur defenſivè zugehen/ dann Er inner vierze-
hen tagen/ den Feindin Schleſien ſchlagen/ oder jagen woͤlle; An ſtatt deſſen aber/
daß der Feind geſchlagen/ oder gejagt werden ſollen/ vngeacht mit der ſchoͤnſten
Armada Er dahin angezogen/ iſt nichts anders erfolgt/ als das langwirige Stilli-
gen bey Schweinitz/ ein Anſtand vber den andern/ vnd die abermahlen vergebent-
liche Friedens Tractaten, den gantzen Sommer hindurch/ darunter/ obwohln Er vn-
terſchiedlich/ auff daß beweglichiſt erſucht worden/ dem Herꝛn Graffen von Al-
dringen herauſſen doch die Haͤnd zueroͤffnen/ damit der Orthen/ dem Feind waß
moͤchte begegnet werden/ ſo hat Er ſich doch darzu keines wegs verſtehn woͤllen/
daß nachmahl gar Jhre Kay. May. ſelbſten/ den Obriſten St. Iulian, derentwegen
zu jhme abgeſchickt/ bey deme Er zwar/ Jhre Keyſ. M. geantwortet/ daß Er den
Herꝛn von Aldringen/ ſchonan Jhre Churf. Durchl. gewieſen/ Er hat aber als-
bald deß andern tags/ nach deme der Obriſt St. Iulian, von jhme hinweg gereiſt/ jh-
me Herꝛn Graffen von Aldringen durch den Herꝛn Graff Gallaſſen, auffs new an-
derſt ſchreiben vnd inhibiren, auch vorhero muͤndtlich/ durch den Feldmarſchalck
Leutenanten von Schafftenberg/ andeuten laſſen/ Er ſolle ſeiner Ordinantz nach-
kommen/ dann im gegenſpiel/ woͤlle Er jhne nicht perdoniren, wann jhne ſchon der
Roͤm. Keyſ. perdonire: Deß gleichen/ hat Jhrer Kayſ. May. Er auch durch dero
Hoff Kriegs Raths Præſidenten, Herꝛn Graff Schlicken/ ſagen laſſen/ der von Al-
dringen habe ſchon allen Gewalt/ welches Jhre Keyſ. May. auch alſo/ Jhrer Chur.
Durchl. verſichert/ nichts deſto weniger aber/ hat Er demſelben gantz andere/ vnd
wiedrige Ordinantzen ertheilt/ vnd dardurch Jhrer Kay. May. Kayſerliches Wort
verſchimpfft vnd eludirt; Ja ſich verlauten laſſen/ wann bemelter Præſident, nur noch
etlich wenig ſtund gelieben waͤre/ daß Er Jhne hab woͤllen auff ſtuͤcken hawen laſ-
ſen: Derowegen das gantze werck/ der geſtalt beſtelt geweſen/ wo ſonſten ein Corpus
gelegen/ welches anderer Orthen/ gegen dem Feind/ was hette tentiren moͤgen/ hat
Er demſelben die Haͤnd gebunden/ daß es nichts fuͤrnehmẽ doͤrffen/ Er aber allzeit
daß meiſte Volck/ bey ſich behalten/ vnnd gegen Jhrer Mayſ. Feinden/ nur allein
mit
[125]De Statu perturbato Franciæ.
mit den Saͤchſiſchen Stillſtandt/ vnd Tractaten gemacht/ durch welches die Saͤch-
ſiſchen ſelbſten/ wie auch ſonſten der Feind/ aller anderer Orthen/ welcher im wie-
drigen/ denen Saͤchſiſchen nothwendig ſuccuriren muͤſſen/ geſichert vnd Jhme lufft
gelaſſen worden/ in ander weg ſeine ſtattliche Progreſſus zuthun/ vnd ſich eines vnnd
andern Orths/ daran Jhme gelegen/ zubemaͤchtigen. Auß welchem erfolgt/ daß
erſtlichen Bayren/ vnnd die Pfaltz/ mit dem langwirigen/ den gantzen Sommer
continuirenden Stilligen/ wiederumb auffs euſſeriſt ruinirt, drey veſte/ viel impor-
tirende Heuſer/ Aichſtaͤtt/ Pappenheim/ vnd Liecht enaw/ wie auch die Stadt New-
marck/ (welche orth alle/ ſich vorhero gegen dem Koͤnig/ vnnd deſſen gehabter/ viel
ſterckerer Macht erhalten) auß mangel deß von Friedtlands verbottenen Entſa-
tzes/ verlohren gangen: Hingegen der Feind im Elſaß/ einen Orth nach dem an-
dern/ weg genommen/ Preyſach beaͤngſtiget/ gar biß nacher Lindaw vnd Coſtnitz
gangen/ vnd ſich deß gantzen Schwaͤbiſchen Crayſes bemaͤchtiget: Alſo hat man
auch/ die Entſetzung mit Hammeln/ weiln kein anders Mittel geweſt/
mit Gefahr verſuchen müſſen/ Daruͤber Herꝛ Graff von Gronßfeld ge-
ſchlagen worden/ deme man doch wol zeitlich lufft machen/ vnd den Feind in Nider
Sachſen divertiren koͤnnen/ wann man nur etwas diverſion in Francken angeſtelt
hette/ zu welchem end der Holcka/ gar zu nechſt an der Hand geweſẽ/ welcher gleich-
fals faſt den gantzen Sommer/ ohne verꝛichtung/ bey Eger ſtill liegen muͤſſen/ vnd
dannoch von Francken auß/ auff jeden fall/ ſich zeitlich/ an Orth vnd End/ wieder
hette wenden koͤnnen/ wohin es die notturfft erfordert: Als der Feind die Stadt
Newmarck belaͤgert/ vnd eingenommen/ hat ſich der Holcka zwar/ mit dem Herꝛn
Graffen von Aldringen in der Pfaltz conjungirt, vnd weiln der Feind mit/ groſſer
Confuſion abgezogen/ haben beede ſelbſt fuͤr gut/ vnd Practicierlich befunden/ dieſe
Statt wieder zu recuperiren, Es hat ſich aber der Holcka/ mit dieſem entſchuldiget/
daß Er ſich auß Ordinantzen deß Friedlands/ lenger von den Boͤhmiſchen Graͤ-
nitzen/ nicht abweſent befinden doͤrffe/ als Er in dreyen Tagen/ hin/ vnnd wieder
marchiren koͤnde/ wie er dann auch alſobald/ vnverꝛicht wieder zuruck gezogen.


Als nun hierauff der Hertzog von Feria, mit dem Spaniſchen Volck/ wieder all
deß Friedlands vermeinen/ vnd Iniention, (ſintemahlen Er noch vorhero/ den O-
briſten Deodati zu Jhrer Durchleucht. den Herꝛn Cardinaln Infante, nacher May-
landt abgeſchickt/ ſelbigen auff alleweiß zu diſponiren/ daß Er dieſes Volck nit
herauß ziehen laſſen wolte/ oder aber/ da Er je dieſes nit erhalten koͤndte/ auff daß
aller ſtaͤrckeſte dagegen zu proteſtiren/ mit fuͤr geben/ weilen ſonſten im Teutſch-
landt kein Friedt/ welchen Erbereit in ſeinen handen hab/ zu erlangen) auß Jta-
lia ankommen/ haben Jhre Keyſ. May. dem Herꝛn Graffen von Aldringen Or-
dinanz geben/ mit ſeinem Volck/ darzu auch Jhre Churf. Durchl. faſt dero
gantze Caualleriam/ ſampt etlichen Regimentern zu Fuß/ vnd der Artilleria/ her-
geben/ demſelben entgegen zugehen/ vnd zu coniungieren/ vnd ſo dann ins ge-
Q iijſambt/
[126]De Statu perturbato Franciæ.
ſambt/ Coſtnitz zu liberiren/ vnd Preyſach zu entſetzen/ welches auch beſchehen:
Die weiln dann hierdurch Beyern/ vnd der Thonawſtromb/ entbloͤſt worden/ Als
hat der Feindt darauff/ als baldt ein ſtarcke diverſion vorgenommen/ in deme
Er nemblich/ von Thonawerth/ ohne eynigen widerſtandt/ gar nacher Regenſpurg
herunder gangen. Nun haben Jhre Churfuͤrſtl. Durchl. die vor hin ſo ſtarck
vertroͤſte/ vnd verſicherte Huͤlff/ zeitlich gnug durch Schreiben/ vnd Abſchickun-
gen erſucht vnd mehrers nicht/ dann nur Dreytauſent zu Fuß/ vnd Zweytanſent
zu Pferdt gebetten/ Jhre Kaͤyſ. May. auch ſelbſten/ Jme Friedtland beweglich ge-
ſchrieben/ vnd durch ſieben abgeſchickte vnterſchiedliche Currir begert/ Er ſolle
den Herꝛn Graff Gallaſſen zum Succurs herauß ſchicken/ Es iſt aber/ vngeacht deß
in Schleſien/ nach denen zerſchlagenen Tractaten erfolgten gluͤcklichen Succes
bey deme der gleichen Succurus gnugſamb/ vnnd gar zeitlich hette erfolgen koͤnnen/
gantz nicht zuerhalten geweſen/ mit fuͤrwenden/ Er kondte keinen Mann entra-
then/ der von Aldringen ſolle ſuccurrirn, der doch wie jhme ſchon zuuor remonſtrirt,
zu rechter zeit nicht kommen koͤnnen/ auch damahlen ſelbſt von dem Feind/ mehr
als zu viel impegnirt geweſen/ Vnd ob zwar endtlich/ der Herꝛ Graff Gallas an-
deuttung gethan/ daß Er mit Zwoͤlfftauſent Mann/ zu Roß vnd Fuß/ daruͤber Er
auch gar ein ſpecificirte Liſtam eingeſchickt/ herauß zukommen/ erlaubnuß habe/
vnd daß er derentwegen/ ſeinen Zug ſo viel Menſchlich muͤglich/ befuͤrderen woͤlle/
So iſt doch abermahlen nicht darauß/ ſondern Er/ Herꝛ Graff Gallas contra-
mandirt worden/ Dahero auß mangel deß hoͤchſtnothwendigen Succurs, iſt vnter
denen Regenſpurg/ Straubing/ Chamb vnd andere Orth/ auch faſt der gantze
Waldt/ in deß Feindts Haͤnden gerahten.


Endtlich hat er ſich zwar/ auff Jhrer Keyſ. May. oͤffters erholte Befelch/ er-
klaͤrt/ in der Perſon eylfertig her auß zukommen/ mit verſicherung/ daß Er den
Feind/ wo Er jhne antreffe/ ſchlagen wolte/ wor uͤber ſich doch auch/ in die vier-
tzehen tag verzogen/ biß Er an die Bayriſche Graͤnitz/ nacher Fuerth ankommen/
von daſelbſt Er zwar Chamb berennen laſſen/ Jn maſſen auch hohe Officierer/
der meinung geweſt/ daß man ſolchen Orth/ mit gewalt angreiffen ſoll/ weiln der-
ſelb nicht prouiandirt/ die Guarniſonen mehrentheils von Reutterey/ alſo ſich
baldt ergeben/ oder von dem Feindt entſetzt werden muͤſte/ vnterſtehe ſich dann
der Feind ſolchen Entſatz zuthun/ habe man occaſion/ mit jhme zuſchlagen/ wie
dann hinnach ſich bezeigt/ daß der von Weinmar bereit zu vorhabender Entſa-
tzung Chamb/ zu Straubing vber die Thonaw geweſt/ vnd jhme Fridtlandt ſelb-
ſten in die handt gangen waͤre/ Er hat aber wider aller Kriegs verſtaͤndigen
Gutachten/ nicht warten woͤllen/ ſondern ſich von Fuerth auß/ in allereyl/ wider
zuruck/ in Boͤhaim/ nacher Pilſen begeben/ vnerwart einiger antwort/ oder Be-
felch von Jhrer Keyſ. May. mit vorwandt/ daß Arnheimb gegen Schleſien anzie-
he. Vnd ob Er auch wol dazumahln/ den Herꝛn Graffen Strozzi/ mit vier vnd
zwentzig
[127]De Statu perturbato Franciæ.
zwantzig Compagnien Reuttern/ an die Boͤmiſche Graͤntz/ gegen Beyern com-
mandirt/ welcher zum wenigſten etwas verhindern koͤnnen/ biß der mehrere Suc-
curs
hernach kommen/ So iſt doch auch derſelbe/ vber vielfeltiges abſchicken/ nicht
zuerlangen geweſt: Dann ob woln Friedtland ſelbſten geſchrieben/ auch durch
den Herꝛn Graff Gallaſſen ſchreiben laſſen/ daß er ſchon alle Ordinantz/ ſich mit
Jhrer Churfuͤrſt. Durchl. in Bayern Volck/ zu coniungiren/ ſo hat er doch heim-
lich dieſe Ordinantzen geben/ daß er Strozzi/ bey Leib vnd Lebens ſtraff/ nicht v-
ber die Boͤmiſchen Graͤnitzen gehen ſoll/ biß erſt gar letztlich/ als Fridtlandt ſelb-
ſten ſchon herauſſen zu Pilſen geweſt/ zwar nicht ſo wol zu einem Succurs, als der
Jntention/ die Winter Quartir nach malen in Bayern zunehmen/ Jnmaſſen
ſolches die gemachte Winter Quartir Verzeichnuß/ klaͤrlich vnd in ſpecie bezeugt.
Ob auch wol der Herꝛ Feldt Marſchalck/ Graff von Aldringen befelch gehabt/ mit
der Armada daroben in Preyßgaw vnd ſelbiger enden zubleiben/ vnd die Winter
Quartier/ ſo viel muͤglich in das Marggraffen: vnd Wuͤrtembergiſche zu exten-
diren; So doch Friedtlandt gantz andere Ordinantzen ertheilt/ vnd Jhme Herꝛn
Graffen von Aldringen zugemeſſen/ befohlen daß er Wuͤrtemberg gantz verſcho-
nen ſolle/ Dannenhero erfolgt/ weilen die Armada droben/ ohne beziehung Wuͤr-
tem berg/ ſich nicht erhalten koͤnnen/ daß Sie wieder herab werths/ gegen Schwa-
ben ziehen muͤſſen/ welchen Zug Friedtland/ mit dieſem noch ferners befuͤrdert/ in
deme Er/ dem Graffen von Aldringen andeuten laſſen/ er ſolle ſich auff einer ſey-
ten herab/ gegen dem Feind avanciren/ ſo woͤlle er Friedland auff der andern ſeitẽ
auffwarts/ auff den Feind gehen/ damit mandenſelben einſchlieſſen koͤnne/ ehe
aber Graff von Aldringen herab kommen/ iſt Friedland ſchon wiederumb zuruck
in Boͤheimb geweſt: Auß welchem ferners dieſes kommen/ daß die Aldringiſche
vnd Spaniſche Armada/ wegen langen vnnoͤthigen hin: vnd herziehens/ vnd ſtar-
cken travaglirens, in einen ſehr vblen ſtand gerathen/ Jnmaſſen allein/ von denen
Spaniſchen/ etlich tauſent Mann zu grund gangen. Nicht weniger vngeacht
Jhre Kayſ. May. ſelbſten/ fuͤr hoͤchſt noͤtig befundendaß dem von Weinmar/ oh-
ne weiters verlengern/ ernſter wiederſtand gethan werde/ vnd derentwegen Jhme
gemeſſene Ordinantz ertheilt/ alſo balden auff den Weinmar zu zuziehen/ ſich auch
darbey lauter erklaͤrt/ daß dieſes jhr endlicher zuverlaͤßlicher Willen ſeye: So hat
doch er Friedland/ ſolches im geringſten nicht in acht genommen/ ſonder juſt das
Wiederſpiel gethan/ das Volck ohne alles Jhrer May. vorwiſſen/ vnnd von
deroſelben vnterwarth einiger diſpoſition, oder verordnung/ nur gleichfuͤr ſich ſelbſt/
eignes gefallens/ in die Quartier geſchickt/ vnnd in die Laͤnder/ propria Authoritate
außgetheilt.


Als er auch vernommen/ daß Jhre Kayſ. May. dero geheimen Rhat/ dem
Herꝛn Graffen von Trautmanſtorff befelch geben/ derentwegen Jhme zuzuſpre-
chen/ hat er alſo bald dieſes zu eludiren, vnd damit er fuͤr zuwenden hab/ wie ſolches
nunmehr
[128]De Statu perturbato Franciæ.
nun mehr zu ſpat/ alle Stuck von den Redern legen laſſen/ vnnd die Regimenter
ſchon hin vnd wieder verſchickt gehabt. Deßgleichen/ als ſich auch vnter deſſen ein
occaſion præſentirt/ allein mit Hilff/ der/ in das Land ob der Enß/ ankommenen
Regimentern/ den Feind an der Thonaw zuruck zutreiben/ vnd zuſchlagen vnnd
darumben/ Jhre Kay. May. auch ſelbſten/ durch Schreiben/ vnd Schickungen/
dem Commandanten, ſelbiger Regimenter/ Baronde Suys gemeſſene Ordinantz gege-
ben/ ſich mit denſelben/ gegen dem Feind zu avanciren/ vnd ſich daran Niemands
hindern oder jrꝛen zulaſſen/ inmaſſener zu ſolchẽ ende ſchon zu Paſſaw angelangt/
So ſeyn doch demſelben alda/ von dem Friedland/ alsbald zween Curier zukom-
mẽ/ mit Ordinantz/ daß er Baron de Suys, alſo bald wiederumb in die Winter Quar-
tier rucken ſolle/ beynebens auch andeuten laſſen/ daß Er jhme den Kopff fuͤr die
Füß legen laſſen wolle/ wann er deß Kayſers/ vnd nicht ſeinen Ordinantzen pariren
werde/ dannenhero ſelbige dieſem auch alſo nachkommen/ vnd dardurch auch dieſe
occaſion zuruck geſtelt worden/ Friedland aber/ hat hernach Jhme de Suys, wiede-
rumb geſchrieben/ es gereiche Jhme dieſes/ daß Er nemblichen mehrers ſeine/ als
Jhrer Kayſ. May. Ordinantz in acht genommen/ zuſonderm gefallen/ vnd woͤlle es
vmb Jhne zu erkennen nicht vnterlaſſen.


Welcher geſtalt die/ den gantzen Sommer durch/ gewehrte Friedens Tra-
ctaten/ in Schleſien abgeloffen/ vnd was dabey fuͤr anſehenliche Occaſiones/ dem
Feind/ ſo auch durch die ſtarcke graßirende Infection, vnd Hungers noth/ faſt fuͤr ſich
ſelbſt conſumirt geweſen/ gaͤntzlich ſeine Armada auff zuſchlagen/ vnd zuvertilgen
(deſſen Jhre Kaͤy. May. Er auch vielmalen durch Schreiben vertroͤſtet/ aber nach-
malen nicht gethan) mit fleiß auß handen gelaſſen/ das iſt auch nunmehr menni-
glich bekandt. Darbey diß ſonderlich zumercken/ daß Er vorhero durch Schreibẽ/
vnd muͤndliche Werbungen/ bey Jhrer Kaͤyſ. May. nichts mehrers geſucht/ noch
gebetten/ als man ſolte doch nur keinen Anſtand/ oder Suſpenſionem Armorum, von
Hoff auß bewilligen/ deme aber zuwieder/ hat Er nach nach malen ſelbſten anders
nichts gethan/ als einen Stillſtand vber den andern gemacht/ vnd zwar/ nicht allein
ohne Jhrer Kaͤyſ. May. Bewilligung/ ſondern auch gar ohne alles deroſelbſten
Vorwiſſen/ vngeacht auch eynige Friedens Puncten niemahlen verglichen gewe-
ſen/ ſo hat Er doch jederzeit/ nur auff die Conjunctur der Waffen vnnd derſelben
Directorium getrungen/ ſich derſelben nach ſeinem belieben zu gebrauchen/ vnd vn-
ter dem ſchein/ vnd titul deß Friedens/ nach main ſeine boͤſe falſche Intentiones hin-
durch zutreiben/ vnd zu ſtabiliren, wie dann dieſes albereit im vorhaben geweſen/
auff die erfolgte Conjunctur, vnter dem prætext/ alle außwendige Nationes, von deß
Reichs Boden abzutreiben/ zum aller erſten die Spaniſchen/ vnd das Lothrin-
giſche Volck/ vnd was ſonſten Jhrer Kayſ. May. etwan fuͤr hůlffen haben koͤnnen/
mit gutem/ oder aber mit gewalt/ abziehen zumachen/ vnd zu ſolchem ende/ conjun-
ctis viribus
auff Sie zugehen.


Nach
[129]De Statu perturbato Franciæ.

Nach deme auch Jhre Kaͤyſ. May. dero vornehme Commiſſarios in Schle-
ſien abgeordnet/ hat Er denen ſelben/ von ſeinen vorgehabten Tractaten/ nichts
eygentliches communicirt/ wie Er dann Jhrer Kaͤyſ. May. ſelbſten/ nur lauter ge-
neralia/ vnd daß bey der vorgehabten handlung nichts anders/ als wegen zuſam-
menſtoſſung der beyden Armaden/ ohne eynige andere verbuͤndtliche condition/
tractiert worden ſey/ vnd dieſes zwar auch/ erſt vber vier gantzer Monat notificiert/
Vnter welcher ſimulirten Friedens Tractation/ Er dann vnzahlbare Paͤß/ vnnd
Repæß außgefertiget/ dardurch faſtmenniglich von dem Feind/ zu der Kaͤyſ. Arma-
da/ herüber kommen/ ſelbige außkundt ſchafften/ vnd allerhand negotyren koͤnnen/
Durch welches commercium dann auch/ die gifftige Infection, in das Kayſ. Laͤger ge-
bracht/ welche viel von der Keyſ. Soldadeſca hingerichtet/ vnd die herꝛliche Armada/
nicht wenig geſchwechet. Vnd ob ſich woln endlich/ dieſe Tractatus euſſerlich zer-
ſchlagen/ vnd Er darauff in die Laußnitz/ vnd in die Marck geruckt/ ſo hat er doch ei-
nen weg als den andern/ jmmerzu ſeine Practicam continuirt, auch zu ſolchem ende/
den Haupt Rebellen/ aber doch ſeinen alten vornembſten Confidenten, den bey der
Steinaw gefangenen alten von Thurn/ als welcher ſeine ſachen/ bey denẽ Schwe-
diſchen negotijrt, ohne welche Er letztlich geſehen/ daß ſich die Conjunctur nicht pra-
cticiren
werde/ (den Er auch im mittels gar wol tractiert, vielmals mit jhme in ſei-
ner Gutſchen herumb gefuͤrt/ vnd ſonder zweiffel/ alles mit jhme abgered/ vnnd be-
ſchloſſen) ſamptvielandern mehr/ vnd noch darzu mit einer verehrung/ wiederumb
loß gelaſſen.


Dieweil nun Jhre Keyſ. May. auß etlichen der jetzterzelten particular Vrſa-
chen (dann von denen/ mit Schweden/ heimlich gepflogenen Corꝛeſpondentzen/
als auch zu Khemnitz/ mit dem Arnheim gemachten Anſchlaͤgen/ bey Lebzeiten deß
Friedlaͤnders/ Jhre Kayſ. May. das geringſte nicht vernehmen koͤnnen) bewegt
worden/ auff ſeine Actiones ein wachendes Aug zuhaben/ ſonderlich aber/ wegen
der abermahligen Winterquartier/ die wiederumb in Boͤheim/ vnnd denen Erb-
laͤndern genommen werden woͤllen/ wie auch deß zuruckzugs/ vnnd deroſelben an
den Thonawſtrom/ zum hefftigſten zutringenden gefahr halber/ ſorgfaͤltig zu ſeyn/
vnd aber eben vmb dieſelbige zeit/ Er Friedland/ Jhrer Kayſ. May. Hoff Kriegs
Rath/ Herꝛen Gerharden von Queſtenberg/ Freyherꝛn/ ꝛc. eben der Winterquar-
tier halber/ zu ſich erfordert/ wie nicht weniger bald darauff Jhrer Kay. May. ſeine
vrſachen/ vnd bewegnuſſen/ warumben er ſich wiederumb zuruck nacher Boͤheim
gewendet/ vberſchrieben/ Als haben hoͤchſtgedachte Jhre Kay. May. vorgedachten
Herꝛn von Queſtenberg Freyherꝛn/ ꝛc. mit gewiſſer Inſtruction, zu Jhme abgefer-
tigt/ vnnd dem ſelben remonſtriren laſſen/ wie ſchwerlich es bißhero/ mit ſolchen
Winterquartiern/ in dero Erblaͤnder hergangen/ wie dieſelben/ auff ſein/ deß Fried-
lands/ ſelbſt eygene vnder ſchiedliche/ vnd erſt gar newlich gegebene vertroͤſtungen/
daß Sie dieſes Laſts vberhoben werden moͤchten/ dahin bewogen worden/ daß ſie
RSich
[130]De Statu perturbato Franciæ.
Sich deſto ſtaͤrcker/ in dem Seckel angegriffen hetten/ dannenhero vnd weilen es
allerhand nachdencken vervrſachen moͤchte/ wann Sie an jetzo/ wie der die beſchehe-
hene Aßecuration, vnd Kaͤyſerliches Wort/ belegt werden ſolten/ als hetten Sie
ſelbſten auff andere mittel/ da die Exercitus vberwintern/ vnd Jhren vnterhalt mit
deß Feinds mercklichen Abbruch/ herentgegen dieſer Landen reſpirierung, vnd laͤn-
ger erſparung/ auff den euſſeriſten Nothfall/ moͤchten haben koͤnnen/ gedacht/ vnd
dem ſelben daruͤber ein gewiſſe verzeichnus mit vberſchickt/ doch aber alles/ zu ſei-
ner ſelbſt eygenen diſcretion, vnd mehrerm Nachdencken/ etwan darauff/ oder aber
ſonſten auff eynige andere ertraͤgliche manier/ wie das Werck zurichtẽ ſeyn moͤch-
te/ nach zudencken/ demſelben anheimb geſtellt/ beynebens aber/ auff den fall/ da
Er ja auff ſeiner Intention, die Erb Laͤnder mit Quartiern zu onerirn, verharꝛen wol-
te/ andeuten laſſen/ daß Er der Quartier halber/ in mehrbemelte Erbland/ keine
Ordinantzen außgeben ſolle/ ehender Jhrer Kaͤyſ. May. Er nicht vorhero ſeine
habende Intentiones, klar: vnnd außfuͤhrlich notificiers habe/ damit nach erſorderter
nothwendigkeit/ die ſachen berathſchlagt/ vnd alles mit rechter Ordnung tractiert
moͤge werden/ Vnd koͤndten Jhre Kaͤyſ. May. Jhro dießfals/ dero hohe Authoritet,
vnd Haͤnd keines wegs ſperꝛen laſſen/ bevorab/ weiln Jhre wie auch dero Ertzhau-
ſes eygnes Intereſſe, hierunter zum allermeiſten behaffte/ vnd derſelben/ wie auch
dero Landen/ nicht ſo viel ſchaden beſchehen wurde/ da allerſeits die Feind/ mit dero
Volck angegriffen/ vnd daſelb verluſt leiden ſolte/ als wann die Erbland derge-
ſtalt ruiniert ſolten werden.


Als nun Jhme Friedland dieſes alſo fuͤr getragen/ beynebens auch/ noch ein
anders Schreiben zukommen/ darinnen anbefohlen geweſen/ vngehindert ſeiner
eingeſchickten vnd Motiven, genommenen zuruck Zugs/ nacher Boͤheim (welchen
Er mit andern/ in der Marck Brandenburg fuͤrgefallene Diverſionen, vnd beſor-
gendẽ Einbruch deß Kniphauſſen in Boͤheim beſchoͤnigt) die Armadam alſobalden
wiederũb gegen Paſſaw/ vnd dẽ Feind zuwenden/ ſelbige zu ruck zutreiben/ vnd zu-
verfolgẽ/ wie nit weniger/ fuͤr Jhre Durchl. den Herꝛn Cardinaln Infante, ſelbigen
nacher Niederlãd zu conducirn, durch die Spaniſche/ Sechs Tauſent Pferd begehrt
worden/ Welches Jhre Kayſ. May. doch zu ſeiner ſelbſt eignen diſcretion, vnd wann
es wohl ſeyn kan/ geſtellt/ hat Erdahero Vrſach/ vnd Gelegenheit genommen/
mit ſeinem lengſt zuvor gefaſten boͤſen Conſilien, vnnd vorgehabten Machinationen
außzubrechen/ vnd weiln Jhme an der Armada/ vnnd gewinnung derſelben vor-
nembſten Commandanten, am aller meiſten gelegen geweſen/ derentwegen Er noch
bißhero/ ſeine boßhafftige Anſchlaͤg/ nicht zuwerck ſtellen koͤnnen/ Als iſt Er dahin
be muͤhet geweſen/ vber die jenigen/ die Er Jhme durch allerhand Mittel voran-
hengig gemacht/ noch mehrere/ vnd vornemblich/ die aller vornembſten/ auff ſeine
ſeiten/ zubringen/ vnter anderm ſonderlich dem Herꝛn Graffen Picolomini, ſeine
Intentiones dahin entdeckt/ weilen man an dem Kaͤyſerlichen Hoff/ gegen der
Solda-
[131]De Statu perturbato Franciæ.
Soldadeſca, ſo gar vndanckbar/ vnd Tyranniſch verfahre/ dieſelbe ohne einige ge-
dancken der Bezahlung/ allein zu ruinirn gemeint ſeye/ Er auch fuͤr ſeine Perſon/
auff allerley weiß mortificirt wurde/ vnnd aber mahlem in ſorgen ſtehen muͤſte/ mit
Deſpect abgedanckt zu werden/ Auff daß Er nun/ an ſeiner Ehr/ vnd Reputation, nicht
etwan weiter ein Verkleinerung leide/ waͤre Er entſchloſſen/ ſein Heyl vnd Gluͤck
zuverſuchen/ zu ſolchem ende/ mit denen vornembſten/ vnd auß dem gantzen Exerci-
tu
auſſer weltiſten Troppen/ mit dem Feind ſich zu conjuugirn, vnd ſo dann ins ge-
ſambt die Oeſterꝛeichiſche Erblaͤnder zubekriegen/ biß Er ſelbige/ wie auch Jhrer
Kay. May. ſelbſt eigene Perſon/ in ſein Macht vnd Gewalt gebracht/ vnd das gan-
tze Hauß von Oeſterꝛeich/ nicht allein im Teutſchland/ ſondern auch aller anderer
orthen/ wohin deſſen Monarchia, vnd Herꝛſchung/ ſich bißhero erſtreckt/ voͤllig/ vnd
von der Wurtzel vertilgt/ vnd außgerottet habe/ dannenhero/ vnd damit Jhme be-
ſagter Picolomini, auch beypflichte/ hat Er Jhme vnterſchiedliche Digniteten, auch
vornehme Herꝛſchafften vorgetragen/ vnnd verheiſſen/ vnd ob Jhme zwar dage-
gen/ vom Herꝛn Graffen Picolomini opponirt, vnd zu Gemuͤth gefuͤhrt worden/ wie
dieſes ein ſehr ſchwaͤres/ vnd weit auſſehendes Werck/ daß auch die Kaͤyſerliche/
vnd deß Hauß Oeſterꝛeichs Macht/ ſonderlich in Spanien/ vnnd andern orthen/
nicht ſo gar gering zuſchaͤtzen/ vnd ſich ſo leicht nicht wurde vber gewaͤltigen laſſen.
So iſt Er doch nichts deſto weniger/ auff ſeinem Vorhaben halßſtarꝛig verblieben/
Mit vorbilden/ wie daß in wichtigen ſachen/ nur der Anfang/ vnnd erſte Hoffnung
ſchwaͤr/ vnd daß bey der gleichen Anſchlaͤgen/ ſo allein auff gut wagen beruhen/ vnd
da am verzug/ die groͤſte gefahr hafftet/ dergleichen difficulteten, gar nicht zu beob-
achten/ Seine ſachen auch nunmehr dahin kommen waͤren/ daß Er ſich noth-
wendig/ dem Gluͤck vertrawen muͤſte. Dannenhero/ zu noch mehrerer Erhoͤhung/
ſeiner Condition, vnd Stands/ bey ſo erwuͤnſchter/ in handen habender occaſion, vnd
gewiſſen/ auß dem Geſtirn erſcheinenden Himliſchen Warzeichen/ Er eygentlich
entſchloſſen/ Da er anderſt nicht koͤnde/ auch all ein mit Tauſent Pferden/ ſein heil
zuverſuchen/ vñ wohin Jhne das Gluͤck ſelbſten fuͤhren/ vnd leiten thaͤte/ die hand
zuſtrecken/ welchen Muth/ vnd hoͤwenhertz/ Jhme dann ſeine Aſtrologi gemacht/
welche Jhme eingebildet/ daß ſolche directiones, vnnd poſitiones verhanden/ daß für
Jhne der Him̃el voller Geigen hienge/ vnd Jhne gleichſame die Planeten ſelſten/
auff den Koͤniglichen Thron zuſitzen/ anreitzeten.


Vnd damit er bey der Militia, auch einen anhang habe/ vnd ſein Authoritet, bey
vnderſchiedlichen deſto mehrers gruͤnden moͤge/ Als hat Er/ dem Adam Erdman
Tertzka/ ſeinem Schwagern/ das Generalat/ von der Cavalleria auff getragen/
vnd zu vnderſchiedlichen mahlen/ etliche vnderſchiedliche Regim enter vnter ge-
ben/ wie dann derſelbe/ eben vmb dieſe zeit/ fuͤnff Regimenter Kuͤriſſer/ zwey zu
Fuß/ vnd eins von Tragon eern commandiert, auff welche Er Friedland/ ſich am al-
lermehriſten verlaſſen/ vnd darauff ſein gantze Hoffnung/ bey dieſer ſeiner Rebellion,
R ijgebawet/
[132]De Statu perturbato Franciæ.
gebawet/ So iſt er/ in dem vnerſaͤttlichen Ehrgeitz/ vnd darauß er wachſenden boß-
hafftigen vorhaben/ ſo weit vertiefft geweſen/ daß Er auch gar keine gedancken
mehr/ von einem zweifelhafftigen Außſchlag/ ſich in den ſinn weit er kommen laſ-
ſen/ Ja der blinden begierlichkeit/ ſich endlich alſo ergeben/ daß Er ſich auch deß
arbitrij, gleichſamb der gantzen Europa, anmaſſen doͤrffen/ Jhrer Paͤbſtlichen Hei-
ligkeit Nepoti einem/ hat Er das Koͤnigreich Neapoli, in ſeiner Einbildung aßignirt,
dem Hertzogen von Saphoien, gab Er neben dem Koͤniglichen Titul/ Monferrat, Al-
ſo auch dem Groß Hertzogen von Florentz/ mit gleich maͤſſigen Koͤniglichen Titul/
die Rempublicam Lucenſem mit allen Meerporten/ vnnd zugehoͤrungen/ welche von
dem Statu Senenſi die Spaniſchen Jhnen vorbehalten/ vnd auff dieſe weiß/ hat Er
auch andere Herꝛſchafften/ vnd Status, welche biß hero/ entweder vnter der Spani-
ſchen Tyranney/ (wie Ers titulirt) oder Protection geweſen/ auff andere Herꝛn
transferirt, Allein wegen deß Status von Mayland/ ware Er noch zweiffentlich/ was
damit fuͤr ein diſpoſition zumachen/ in Betrachtung/ ſolte Er dem ſelben/ dem Her-
tzogen von Saphoja, oder aber der Venediger Herꝛſchafft zueignen/ Er ſich beſorgt/
es moͤcht eines/ oder deß andern Macht zu groß werden. Dem Hertzogen von
Mantua aber/ hat Er zur recompens, fuͤr Montferat, Cremona deſignirt, vnd dieſes iſt Er
vorhabens geweſen/ alles zugleich zu diſponiren, damit zu beſtimpter zeit/ vnd gege-
benen Loß/ die Spaniſchen/ auff einmal/ auß gantz Jtalien verjagt/ auch keine
Mittel mehr zu reſiſtiern, vbrig ſeyn ſolten. Jn welchem allem zwar/ Er Jhme von
ſolchen hohen Cronen vnd Potentaten/ eine eytele/ vnd ſeinen vnmuͤſſigen begier-
lichkeiten gleichfoͤrmige Einbildung gemacht/ alles wann ſolche Haͤupter/ auff
eines Verꝛaͤthers/ gar nit vermutlichen gluͤcklichen Außgang/ dergleichen hoch-
wichtige Veraͤnderungen zubawen/ vnd ins Werck zurichten/ ſich wurden vber-
reden/ vnd perſuadirn laſſen.


Als dagegen auch opponirt, daß dieſes/ wieder die Catholiſche Religion ſey/
vnd weiln gleich wol der ſelben/ die mehriſten vnd vornembſten Capita beyder Ar-
mada/ zugethan/ daß zuwieder/ vnnd gegen Jhrem Gewiſſen/ dieſelben Jhme
Friedland hierinnen/ nicht leichtlich beypflichten wurden/ hat Er/ die Catholiſchen
in ruhe/ vnd bey gutem willen zuerhalten/ die Hoffnung gemacht/ wie er entſchloſ-
ſen/ denen vorigen/ vnnd alten Poſſeſſoribus, die Geiſtlichen Guͤtter/
welche die Vncatholiſchen bißhero innen gehabt/ vnd
uſurpirt, wiederumb zu reſtituirn.



Der
[133]De Statu perturbato Franciæ.

Der 13. Diſcurß:


Wie der Fridtlaͤnder den Koͤnig in Schweden vnd Franck-
reich etliche Reichslaͤnder berauben wollen/ vnnd was er ferner ſtraff barlich
darbey veruͤbt.


NAch dieſem ſind ſeine Gedancken geweſen/ dem Koͤnig
in Franckreich/ Burgundt/ vñ Luͤtzenburg zuvberlaſſen/ doch der Geſtalt/
daß ſelbiger dargegen/ die in Elſaß occupirte Orth/ widerumb einraumen
ſolte/ die andern Niderlaͤndiſchen Provincien aber/ haben in jhre freye Libertet
geſetzt werden/ vnd dabey verbleiben ſollen/ Damit Er Jhme auch/ die nechſtge-
legene Koͤnig/ vnd Potentaten verbuͤndig machte/ Jſt Er vorhabens geweſen/
der Koͤnigl. May. zu Polen/ ſelbige auch auff ſein ſeiten zuziehen/ ein guten theil
von Schleſien zu offerirn/ da Sie aber darein nicht willigen wolten/ wider Sie
die Calviniſten auffzuwicklen/ vnd ſolche diſſidia zu erwecken/ vnd zu foviren/ daß
von dannen/ wider Jhme/ einigen Huͤlff ſich nicht zubefuͤrchten. Was dann
die Commandanten/ bey der Soldadeſca anbelangt/ hat Er ſeinen Schwagern/
Adam Erdtman Tertzky/ mit dem Marggraffthumb Maͤhren/ den General
Leutenant/ Herꝛn Graff Gallaſſen/ mit dem Hertzogthumb Glogaw/ vnd Sa-
gan/ ſampt allen deß Hertzogen von Eggenberg Guͤttern/ den Feldtmarſchal-
cken/ Herꝛ Graff Coloredo/ mit der Graff ſchafft Goͤrtz zubelehnen/ vorgeſchlagen/
dem Herrn Graffen Picolomini/ die Graffſchafft Glatz/ mit allen deß Graffen
Schlawata Guͤttern/ wuͤrcklich attribuirt/ bereit auch Befehl gegeben/ weiln
ſeine Compagnien/ ohne das/ der Orthen/ in denen Winter Quartieren gelegen/
ſelbige zu occupiren/ vnd in poſſes zunehmen/ deß gleichen auch ſchon verordnet/
daß alle Miniſtri vnd Officirer/ in dem Glogawiſchen/ an den Herꝛn Graffen
Gaͤllaſſen/ welcher dazumahlen in Schleſien commandirt/ angewieſen vñ hinfuͤro
alle Einkommen/ zu ſeinen/ deß Graffen Gallaſſen handen/ geliffert werden ſol-
len/ auff dieſe weiß/ hat Er auch alle andere Capiteinen/ vnd Befelchshaber/ auß
denen Erblanden/ vnd Jhrer Kaͤyſ. May. vnd Miniſtrorum Guͤter/ zu remune-
rirn verſprochen. Jmmittels aber/ vnd weiln Er mit dieſen gedancken/ vnd Vor-
haben vinbgangen/ vnd eben vmb dieſelbige zeit/ bey Jhrer Kay. May. Hertzog
Frantz Julius zu Sachſen Lawenburg/ newe Friedenshandlungen geworben:
vnd dieſe reſolution erlangt/ daß Jhrer Kay. May. nit zuwider/ die Friedens Tra-
ctation wider an die handt zunemmen/ vnd daß derohalben/ dem Churfuͤrſten zu
Sachſen/ bevorſtehe/ Jhre Abgeordnete/ entweder an den Kayſerlichen Hoff/ mit
R iijJhrer
[134]De Statu perturbato Franciæ.
Jhrer Kay. May. ſelbſten/ oder nacher Prag/ vnd mit dero Feldthaubtman zu
tractiren/ abzuſchicken/ hat Er alſo balden zu Dreßden/ Wie auch bey denen
Schwediſchen/ (da Er doch dergleichen General/ Friedens Tractation anzufan-
gen/ einigen Gewalt niemahlen gehabt) mit hoͤchſter Verſchimpff: vnd Verklei-
nerung/ Jhrer Keyſ. Mey. dahin negotijrt/ daß mit deroſelbigen ſelbſten/ Sie nit
tractirn ſolten/ mit offenem vorgeben/ daß der Kaͤyſ. May. nicht zutrawen/ ſeite-
maln Sie gar zu Pfaͤffiſch/ von denen Jeſuitern/ vnd Spanniern regiert/ vnd
was Sie zuſagten/ nicht halten wuͤrden/ noch koͤndten/ Solten vielmehrers mit
Jhme tractiren/ als welcher die Macht/ vnd Waffen/ in ſeinen Haͤnden/ vnd ent-
ſchloſſen ſey/ mit denen ſelben/ einen Frieden/ deſſen Sie ſich zuerfrewen haben
wurden/ einzugehen/ vnter dieſem aber/ nichts anders geſucht/ als wie Er/ vnter
dem ſchein deß Fridens/ die vornemſten Capita/ von Jhrer Kay. May. Feinden/ zu
ſich nacher Pilſen vermoͤgen/ ſeine gefaſte boͤſe Vorhaben/ mit Jhnen communi-
ciren/ die voͤllige Coniunction/ beyder Theil Waffen/ wider Jhre Kay. May. ver-
gleichen/ vnd volgends gar zu Werck richten moͤchte/ vnd Jhme darunter/ das
voͤllige/ vnd abſolutum arbitrium Pacis et Belli aſſumiert, Wie dann vnter diſer zeit/
vnterſchiedliche/ von denen Emigranten/ auß dem Koͤnigreich Boͤheim/ vnter al-
lerhand particular Fuͤrwandt/ deß gleichen/ Hertzog Frantz Albrecht zu Sachſen
Lawenburg/ deme auch der Sachſiſche General Leutenandt Arnheim (darzu die
Paß vnd Repas bereit vberſchickt geweſen) volgen ſollen/ vnter deim ſchein/ der
Friedeshandlungen/ zu Pilſen ankommen/ vnd hat der Wilhelm Khinßky/ dieſe
vertroͤſtung allbereit mit ſich gebracht/ wie daß der Schwediſche Cantzler Ochſen-
ſtern/ neben andern Confoederirten, zu aller hilff/ vnd Befuͤrderung ſich erklaͤrt/ vnd
offerirt hetten. Welcher nachmahlen auch/ die gantze Zeit zu Pilſen verblieben/ alle
Frantzoͤſiſche/ vnd Schwediſche Correſpondẽtzen gefuͤhrt/ mit dem Friedland/ al-
lesin hoͤchſten vertrawen/ berathſchlagt/ vnd dem ſelben/ auch nach deſſen wiſſent-
lichen Exautoration, vnd genommener Flucht/ nacher Eger/ vnd biß zu dem Todt
beharꝛlich adharirt.


Demnach aber Jhrer Kayſ. May. beuelch/ daß der Churfuͤrſtl. Durchl.
in Bayern/ theil das in Oeſterreich/ Ob der Enß/ einquartirtes Volck/ deßglei-
chen auch theils auß Boͤheim zuhilff ziehen ſollen/ vnd dann die/ für Jhr Durchl.
Herrn Cardinaln Jnfante/ von den Spaniſchen/ begerte ſechs tauſent Pferdt/
bey dem Friedtlaͤnder/ allerhandt widrige gedancken erweckt/ vnd in dieſe ſorg ge-
ſtelt/ daß dergeſtalt/ Jhme alle Kraͤfften benommen/ vnd Er alsdann deſto leichter/
von ſeinem Chargo widerumb abgeſetzt werden moͤchte/ hat Er ſich vnd ſeine ſa-
chen deſto mehrers zuuerſichern/ vnter dem ſchein/ vnd praͤtext/ eines feindtlichen
Einfals/ die hin/ vnd wider/ in die Winter Quartier gezogene Regimenter/ wider-
umb zuruck gefordert/ vnd die Oberſten vnd Commandanten/ auff den Elfften
Januarij/ diß Sechtzehen hundert vier vnd dreyſſigiſten Jahrs/ abermahlen/ ohne
alles
[135]De Statu perturbato Franciæ.
alles Jhrer Kaͤyſ. May. Vorwiſſen/ oder Erinnern/ zu ſich/ nacher Pilſen beſchri-
ben/ entzwiſchen aber rumores ſpargiren laſſen/ als wann Er das Generalat
reſignirt, vnd ſich ſelbſtern retirirn wolte/ allein zu dieſem endt/ damit Jhne her-
nach/ die General Perſonen/ vnd Officirer/ deren Er ſchon etliche zur handt ge-
habt/ widerumb erbitten/ vnd Er der geſtalt vrſach gewinne/ in Sie zuſetzen/ daß
Sy ſich gegen Jhme/ bey demſelben zuſtehen/ verbinden folten. Vnd weiln etliche/
noch vor dem außgeſchribenen Tag/ dahin ankommen/ die andern Confidenten/
denen Er diß Werck verhero ſchon alles vertrawt gehabt/ auch vorhero allda ge-
weſen/ Als hat Er/ durch den Jhlo/ vnd Tertzky/ als ſeine vornembſte Jnſtrumen-
ta/ vorhero deliberirn, vnd negotijrn laſſen/ was denen andern Commandanten/
auff den beſtimpten Tag/ offentlich zu proponirn/ vnd vnter was fuͤr prætext, die-
ſelbe zu ſeinem willen/ vnd Jntent zuuermoͤgen ſeyn moͤchten/ damit Er derge-
ſtalt/ vollends der gantzen Armada/ auff welche alle ſein Hoffnung principaliter
geſtellt geweſen/ verſichert ſeyn moͤchte.


Nicht weniger iſt auch/ mit etlichen vornembſten Commendanten/ an de-
nen daß meiſte gelegen geweſen/ abſonderlich tractirt worden/ ſelbige wider Jhre
Kaͤyſ. May. anzureitzen/ vnnd dagegeu Jhme Friedtlandt anhaͤngig zumachen/
ſonderlich aber/ mit dem Herꝛn Graffen Jſolani/ deme dieſes fuͤrgemahlen/ daß
Jhre Kaͤyſ. May. dem Herꝛn Palfi/ die newe Werbungen in Hungarn/ derge-
ſtalt auffgetragen/ daß ſelbiger nachmahlen/ vber alle leichte Pferdt/ vnd auch die
Croaten commandirn, vnd alſo Er Iſolani, von ſeinem bißhero gehabten Commando,
entſetzt werden ſolle/ allein wolle Er Friedland darein keines wegs bewilligen/ vnd
habe derentwegen albereit/ mit dem Herꝛn von Queſtenberg geredt/ auch Jhrer
Kayſ. May. ſelbſten geſchrieben/ daß/ wann Er Herꝛ Graff Iſolani, ſeines Charigo
privirt werden ſolte/ Er Friedland auch weiter niche verbleiben wolte/ vnd damit
dieſem allem deſto mehr ſchein geben wurde/ ſeynd gar Schreiben fuͤrgebracht vnd
wie daß/ noch in ſelbiger Nacht/ derentwegen ein eigner Curier ankommen waͤre/
fuͤr getragen worden/ da doch in der Warheit/ vnnd an jhme ſelbſten nicht das ge-
ringſte geweſen. Nachmahlen/ hat man Jhme auch ein Gut/ von hundert tauſent
Thalern offerirt/ vnd weilen ſo gleich/ von denen Confiſcierten/ derentwegen Er
an den Cantzler Eltzeu/ als welcher die Confiſcationes dirigirt/ verwieſen worden/
keines verhanden geweſen/ hat Jhme der Tertzka/ eines auß den ſeinigen/ nach ſei-
nem ſelbſt eigenen belieben/ zuerwoͤhlen anerbotten.


Als nun auff den beſtimbten Tag/ den Eylfften Januarij/ die Comman-
danten/ vnd Obriſten/ zu Pilſen zuſammen kommen/ hat Er Jhnen durch den Illo,
in ſeinem Quartier/ anfaͤnglich die Queſtenbergiſche Inſtruction, wie auch obver-
meltes Kaͤyſerliches Schreiben/ vnnd dann/ daß ſechs Tauſent Pferd/ für Jhre
Durchl. den Herꝛn Cardinaln Infante, von denen Spaniſchen begert wurden/ gantz
verkehrt/ vnd mit ſonderm Liſt/ zu ſeinem Intent, fuͤrtragen/ vnd proponirn laſſen/ zu
conſul-
[136]De Statu perturbato Franciæ.
conſultiren/ Ob moͤglich/ Die Winter Quartier/ auſſer der Erblaͤnder zunehmen/
Jtem die Stadt Regenſpurg/ bey damahliger Winterszeit/ wieder zu recuperirn/
vnd dann/ ob thunlich/ vnd rathſamb/ die ſechs Tauſent Pferd/ von der Armada
weg zulaſſen: Dieweil nun/ die fůrnembſte [...]ota, was man gern geſchloſſen haben
woͤllen/ ſchon vorhero vnterbawt/ die Propoſition auch/ darnach formirt geweſen.
Als iſt das Concluſum/ vmb ſo viel deſto leichter erfolgt/ daß weder eins/ noch an-
ders thunlich/ vnd dieſes ſolche ſachen/ die allein zu Ruinirung der Armada ange-
ſehen waͤren/ Welches Illo, alsbalden dem Friedland refenrt/ vnd als Er wiede-
rumb zuruck kommen/ darauß die Occaſion genommen/ die zum ſchein vorgehaͤbte
reſignationem/ offentlich vorbringen zulaſſen/ mit ſonderbahrer boßhafftiger
Außfuͤhrung/ die Commandanten/ wieder Jhre Kayſ. May zuverhetzen/ mit die-
ſem Eingang: Ingratis ſervirenefas, die Commandanten/ vnd Obriſten/ ſollen auß
ſolchen/ Jhme Generaln beſchehenen Zumutungen abnehmen/ wie von dem Kaͤy-
ſerlichen Hoff/ vnmuͤgliche ding Jhme auff getragen/ vnd wann Er nicht gleich
alsbald pariere/ ſo ſuche man Jhne zu verfolgen/ wie dann die Spaniſchen/ Jhme
bereit mit Gifft bey kommen wollen/ welche/ nach deme Sienunmehr/ die Kaͤy-
ſerliche Raͤth/ vnd Miniſtros, auff Jhre Seyten gebracht/ mit allen kraͤfften dahin
trachten/ wie Sie mit dem nechſten/ den Koͤnigin das Feld bringen/ ſelbigen nach-
mahlen Jhres gefallens herumb fuͤhren/ Sie aber/ die voͤllige diſpoſitionem der
Waffen/ vnter ſich bringen moͤgen/ durch welches Sie nichts anders vor hetten/
als hierunter/ die rechte Fundamenta/ Jhrer Monarchiæ/ in dieſen Laͤndern zube-
feſtigen/ die Teutſche Freyheit auffzuheben/ vnd das H. Roͤmiſche Reich/ wieder
die alten Privilegia/ Jhnen Erblich zumachen/ Dannenhero dieſe Jhre gedan-
cken/ vnd vorhaben hin durch zubringen/ vnd Jhne Friedlanden zu enervirn/ hettẽ
Jhre Kayſ. May. vnter ſcheinbaren prætexten/ befohlen/ den mehrern theils der
Armadæ/ in Bayern zuſchicken/ vngeachtet der vorhandenen harten Winters-
zeit/ vnd das wiſſentlich/ wie hart vnd vbel/ ſelbiger Churfuͤrſt/ die Soldateſca zu tra-
ctirn pflege/ daß auch allein eben zu dieſem end/ die ſechs tauſent Pferd/ für Jhre
Durchl. den Herꝛn Cardinaln Infante, ſelbigen von Mayland/ biß nacher Nider-
land/ einen ſo weiten weg/ zu convoiren/ begert worden/ So ſey in denen Kaͤſerlichẽ
Erb Landen/ weder Volck/ noch Geld mehr zubekommen/ der Kaͤyſer ſey nur ein
Raub der Jeſuiter/ welche durche gewohnliche betrug/ vnter dem ſchein/ der Reli-
gion/ alles Geld/ ſo auffbracht wurde/ verſchlucken/ So waͤren auch der Kaͤyſerli-
chen Raͤth/ vnd Miniſtrorum Gedancken/ allein dahin gerichtet/ wie Sie/ Jhrer
Kaͤyſ. May. Gemuͤth/ vnd Hertz/ auff andere ſachen wenden/ auff daß ſich die Min[i]-
ſtri,
Jmmittels deß abſoluti Imperij gebrauchen moͤgen/ ſteckten beynebens vol deß
Geitz/ vnd aller boͤſer begierlichkeiten/ wie Sie dann/ alle contributiones/ auß denen
Laͤndern/ welche fuͤr die Soldateſca bewilliget/ an ſich ziehen/ vnnd alſo/ der armen
Soldaten ſawren Schweiß/ zu Jhrer Hoffarth anwendeten/ An jetzo ſuchten Sie
noch
[137]De Statu perturbato Franciæ.
noch darzu/ Mittel vnd Gelegenheit/ wie jhnen ſolten die Haͤls gebrochen werden/
Wo Sie die Soldaten hinkommen/ oder Quartier begeren/ wolte mans nicht
haben/ thaͤten als wans Tuͤrcken/ Teuffel/ oder Tartarn waͤren/ daß alſo nirgends
nichts zuholffen/ vnd wann mangleich viel verſpreche/ ſo wolte mans doch nicht
halten. Dieweiln dann Er Friedland/ dieſes alles wol wuͤſte/ vnd dabey ſein Ehr
vnd Reputation/ welche Er/ mit ſeinen acht vnnd zwentzig Jaͤhrigen Kriegsdien-
ſten erobert/ hoch pericltrirte/ Er auch der Soldateſca, in dem was Er vielmals ver-
ſprochen/ nicht mehr zu halten koͤnte/ weiln Jhme entgegen nicht zugehalten/ vnd
an dem Keyſerlichen Hoff/ auch mit denen Confiſoationibus, welche vorhero Jhme/
dardurch die redlichen Soldaten/ Jhrer dapffern Dienſt zu recompenſiten/ einge-
raumt worden/ in andere weg diſponirt wurden/ Als ſey Er entſchloſſen/ zu reſi-
gniren/ vnd die Armadam zu quittirn/ ſeiner Geſundheit deſto beſſer abzuwarten/
ehe Daß Er/ mit ſchimpff wiederumb/ (als Jhme dann albereit ein ſolches ſpiel/
durch den Neld/ vnd Vndanckbarkeit angerichtet) von newem abgeſetzt/ vnd ver-
ſtoſſen werde/ doch habe Er dieſes Jhnen Commandanten/ vnd Obriſten/ vorhero
fuͤrtragen laſſen wollen/ hiervber auch dero Wolmeinen/ vnd trewhertziges Mit-
leiden zuvernehmen/ dabey dann er Illo, ſein bedencken alſo bald angehefftet/ Sie
Commandanten/ ſolten gleichwol bey ſich ſelbſten bedencken/ was Jhnen von deß
Hertzogs Abzug/ fuͤr gefahr vnd ſchaden zuſtuͤnde/ Sie hetten die Regimenter/
vnd Compagnien/ meiſtentheils/ auff ſeyn deß Friediands zuſprechen/ auß Jhrem
eignen Seckel gerichtet der geſtalt wurden Sie/ nicht allein darfuͤr nichts/ ſondern
auch fuͤr Jhre/ ſo gar getrewe Dienſt/ einige Bezahlung/ oder recompens nicht
zuhoffen haben/ vnd nichts anders/ alls ruinirte Cavallieri ſeyn/ derowegen ja der
beſte Rath ſey/ bey dem Generaln vmb Continuirung ſeines Generalats/ mit al-
lem fleiß/ anzuhalteu/ Worauff alſobald ein gemeines geſchrey worden/ daß man
den Hertzogen nicht laſſen/ ſondern denſelben/ lenger bey Jhnen zuverharꝛen/ er-
bitten ſolle/ Jnmaſſen ſtracks/ von einer Abordnung tractirt/ auch bald zu Werck
gerichtet/ die weilen Er Friedland/ auff ſeiner vorigen ſimulation verblieben/ vnd
noch weiter gebetten ſeyn woͤllen/ die Abgeordnete aber entzwiſchen/ alles wiede-
rumb zuruck gebracht/ ſeyn Sie zu andern mahl zu Jhme abgeſchickt/ darauff Er
ſich dann erſt erklaͤrt/ noch ferners bey der Armada zuverbleiben/ vmbzuſehen was
deroſelben hinfuͤro/ fuͤr ein Vnderhalt/ vnnd Bezahlung wuͤrde verſchafft
werden.


Als nun Illo neben den anderen Abgeordneten/ dieſe Reſolution wiederumb
zuruck gebracht/ vnd theils der Commandanten darauff weg gangen/ hat Erin
bey ſeyn der vbrigen ferners proponirt/ Weiln Friedland/ auff ſo ſtarckes erſuchen/
vnd bitten/ nur Jhnen den Commandanten zum beſten/ ſich reſolvirt/ noch lenger
bey der Armada zuverbleiben/ ſo ſeye ſein begehren/ welches auch aller billigkeit ge-
maͤß/ daß man ſich hingegen auch/ gegen Jhme verobligire/ drauff die Formulam
Sſolcher
[138]De Statu perturbato Franciæ.
ſolchen Obligation/ vnnd Verbundnuß/ welche vorhero von dem Nieman ſchom
gerichtet/ vnd zu Papier geſetzt geweſen/ vnd nachmahlen vnterm dato deß zwoͤlff-
ten Januarij verfertigt worden/ her fuͤr gebracht vnd abgeleſen/ wie nemlichen Er
Friedland/ wegen viel faͤltig empfangener diſgusti, zugezogener hoch ſchmertzlicher
Injurien, vnd wieder Jhne angeſtelter gefaͤhrlicher Machinationen, ſo wol verweiger-
ter/ noth wendiger vnentberlicher Vnerhaltung der Armada/ die Waͤffen zu quit-
tirn/ vnnd ſich zu retirirn/ gentzlich entſchloſſen geweſen/ doch aber/ auff der Com-
mandanten/ durch den Illo, vnnd andere vier Obriſte/ beſchehenes erſuchen/ vnnd
bitten/ ſolche ſeine/ zu der reſignation eingefuͤhrte/ bewoͤgliche motiva, ſo weit zuruck
geſetzt/ daß Er ſich noch ein zeitlang/ bey der Armada zuverbleiben/ vnd ohne Jhr/
der Commandanten außtruckliches Vorwiſſen vnd willen/ von denſelben/ vnd der
Armada/ ſich nit zubegeben/ reſolvirt/ Daß Sie ſich hingegen ſamentlich/ vnd ein
Jeder Jnſonderheit/ am kraͤfftigſten/ an ſtatt eines Corperlichtn Ayds verpflich-
ten/ vnd verbuͤnden/ bey dem ſelben erbar vnd getrew zuhalten/ auff keinerley weiß/
von dem ſelben ſich zuſeparirn/ vnd zutreunen/ noch trennen zulaſſen beſondern al-
les das/ was zu ſeiner/ vnd der Armada conſervation gereicht/ neben Jhme euſſer-
ſter moͤglichkeit zubefuͤrdern/ vnd beynebens/ vnd fuͤr denſelben/ alles das Jhrige/
biß den letzten Blutstropffen/ vngeſpart auffzuſetzen/ Wie Sie dann auch/ im
fall einer/ oder der ander/ jhres Mittels/ dieſem zu wieder handlen/ vnd ſich abſon-
dern wolte/ ſambtlich/ vnd ein jeder Jnſonderheit/ den/ oder dieſelben/ wie Trew-
loſe/ Ayds ver geſſene Leuth zuverfolgen/ vnnd an deſſen Haab vnd Guͤtern/ Leib
vnd Leben/ ſich zu rechnen/ ſchuldig vnd verbunden ſeyn ſollen/ vnd wollen. Da-
rinnen aber auch/ ſonderlich dieſe Clauſula begriffen geweſen/ ſo lang Er Fried-
land/ in Jhrer Keyſ. May. Dienſten/ verbleiben/ vnd zu Befuͤrderung deroſelben
Dienſten/ Sie gebrauchẽwuͤrde/ Es iſt aber dieſes alles mit fleiß/ auff einem Vor-
mittag/ gleich vor dem Eſſen tractirt worden/ damit Jmmittels die zeit gewunnen/
vnd Er Illo darauff alle Commandanten/ bey dem vorhero zugerichten Pancket/
bey ſich behalten/ da dann der vorhero abgelefene Schluß/ wiederumb vmbge-
ſchrieben/ die vorbemelte ſubſtantial Clauſula außgelaſſen/ vnd nach auff gehobener
Tafel/ da die mehriſten/ mit dem Wein zim lich beladen geweſen/ zum vnterſchrei-
ben fuͤrbracht/ daruͤber ſich zwar anfangs/ ſonderlich wegen der außgelaſſenen/
obvermelten Clanſul/ ein Wiederwillen/ vnd Tumult erhebt/ Doch aber alsbald/
durch deß Illo zuſprechen/ welcher es mit dieſem entſchuldigt/ daß ohne das/ in dem
Eingang/ der Kaͤyſerlichen Dienſt gedacht/ vnnd an einem paar wort/ nicht ſo viel
gelegen waͤre/ vnnd dann deß Tertzky Jnſolentz/ vnnd Vermeſſenheit/ welcher die
Jenigen ſo es mit dem Friedland nicht halten woͤllen/ fuͤr Meineydige Schelmen/
vnd anders außgeruffen/ weiln die getrewen Commandanten geſehen/ daß alda/
weder zeit/ noch orth/ viel zuwieder reden/ oder zu difficultirn, wiederumb geſtilt/ vnd
alſo ſelbiger Schluß/ nach deß Illo, vnd Tertzky Exempel/ vnd der andern General
Comman-
[139]De Statu perturbato Franciæ.
Commandanten/ auch von den andern anweſenden Officirn/ weil ſolches/ vnder
gewaffneter Hand/ vnnd entbloͤßtem Degen/ nicht wol zuverweigeren geweſen/
vnterſchrieben worden. Demnach aber Friedland/ dieſen Wiederwillen/ vnd
Verweigerung vernommen/ hat Er deß andern Morgens/ alle Commandanten/
wiederumb fuͤr ſich erfordert/ vnnd Jhnen ſelbſten/ die Vrſachen ſeiner geſchoͤpff-
ten Reſolution/ von der Armada abzuziehen/ mit einer empfindlichen Oration
fuͤrgetragen/ auch alles das Jenige/ was den vorigen Tag/ der Illo proponirt, mit
viel mehrerm Eyffer/ vnnd noch beweglicher repetirt, ſonderlich aber/ daß das Je-
nige/ was von Hoff auß begert/ fuͤrnehmlich wegen Jhrer Durchl. deß Herꝛn
Cardinal Infante, ſolche Sachen waͤren/ wanns ein Schuler Jung begehrte/ es
werth ſeye/ daß man denſelben darumb mit Ruthen ſtraffen ſolte/ vnnd ob Er ſich
zwar/ deß vorigen tags/ auff Jhre erſuchen/ vnd anlangen reſolvirt/ noch lenger bey
Jhnen zuverbleiben/ So habe er doch/ an jetzo mehr Vrſachen/ als vor niemahln/
auff ſeiner erſten Reſolution zuverharꝛen/ all die weiln Er vernehmen muͤſſen/ daß
allerhand difficulteten/ bey Vnterſchreibung deß Jenigen/ welches Er allein/ zu
ſeiner eignen Sicherheit/ begehrt/ movirt worden.


Auff welches die Commandanten ab/ vnd in der Ante Camera, wiederumb zu-
fammen getretten/ Jhne noch malen erſucht/ vnnd gebetten/ wolte das jenige/ wel-
ches den vorigentag/ von etlich wenigen/ in einem erunck fuͤrgangen/ nicht ſo hoch
beobachten/ alldieweiln Sie anjetzo/ allein dernuͤchtern deß einhelligẽ willens/ ſol-
chen Schluß zu approbirn/ vnd zu ratificiern/ Worauff wiederumb etliche Exem-
plaria,
weiln in dẽ erſten/ theils deß Weins halben/ theils aber mit fleiß/ die Namen
alſo geſchrieben geweſen/ daß mans faſt nicht erkennen koͤnnen/ vnterſchrieben/
vnd dergeſtalt auß getheilt worden/ daß ein Exemplar, bey dem Eltiſten Comman-
ten/ deß Fußvolcks/ das andere bey dem Eltiſten/ der Reutterey/ vnd das dritte bey
denen Croaten verbleiben ſollen.


Dieweiln auch die Commandanten/ von der Aldringiſchen Armada/ deß-
gleichen auch von den jenigem Corpore/ welches noch in Schleſien verbliebẽ/ Jhrer
viel nit zůr ſtell geweſen/ Als iſt ein Exemplar dem von Schafftenberg (deme zu-
gleich/ eben denſelbigen tag/ das General Commando/ vber die Cavalleria/ vnd
das Aldringiſche Volck in Oeſterreich auffgetragen) vnd dann/ dem Hanß Vl-
rich Schaffgotſchen/ gleichsfals Generaln/ von der Cavalleria (deme das voͤllige
Commando in Schleſien vbergeben) auch eines angehendigt worden/ mit befelch
ſelbige Armaden/ vnd Volck/ gleichfalls zu dieſem Schluß zu perſuadirn/ vnd ſel-
bigen vnterſchreiben/ vnd approbirt zumachen.


Ob nun wol in dieſem Schluß/ argliſtiger weiß/ vieler empfangener diſgu-
ſten,
vnd zugefuͤgter Jniurien/ ingenere meldung beſchicht/ So iſt doch der Vn-
grund/ vnd das lautere wider ſpiel/ der gantzen Welt bekandt/ vnd meniglich wiſ-
ſent (mit was allerhandt gutthaten/ Gnaden/ Freyheiten/ Hochheit/ dignitaͤten/ als
S ijnicht
[140]De Statu perturbato Franciæ.
nicht baldt einem Menſchen/ deſſen Standts beſchehen/ von Jhrer Kayſ. May.
Er von Fridtlandt begabt worden/ was auch fuͤr anſehenliche Summen Gelts/
zu vnterhaltung der Armada/ dem ſelbem vbermacht/ vnd Er ſonſten auß denen
Contributionen zuſammen gebracht/ das ſeind die Erblaͤnder/ vnnd das gantze
Roͤmiſch Reich Zeugen/ deme auch/ in einnemung der contributionen/ oder auch
abwendung dermahl vbergebenen Confiſcationen/ ſo wenig einiger Eintrag be-
ſchehen/ daß auch die Kayſ. Cammer/ den wenigſten Heller/ dem Fridtlaͤnder nit
entziehen/ noch wann Sie gleich gewolt/ anderſthin wenden koͤnnen/ weil er allein/
die mittel zur Execution in haͤnden gehabt/ zugeſchweigen/ einiger Keyſ. Miniſter,
ſich in gedancken ziehen koͤnnen/ von ſolchen contributionen/ vnd confiſcationen/
ohne conſens des Fridtlaͤnders/ ſich zubereichen/ Dannenhero dieſes alles nichts
anders/ als falſche erdichte vnd betruͤgliche Einbildungen geweſen zu Jhrer Kayſ.
May. hoͤchſten verkleinerung/ einig vnd allein dahin an geſehen/ von deroſelben/
die getrewen Generaln/ Oberſten/ vnd Officirer/ verhaſt vnd abwendig/ vnd da-
gegen Jhme anhengig zumachen/ ſich Jhrer vnd der gantzen Armada/ zu ſeinem
gefaſten boßhafftigen Jntent/ zugebrauchen/ vnter dem ſchein/ vnd Titul des Fri-
dens/ ſich mit allen offenen Feinden zu coniungirn/ vnd vnter dem ſchein vnd Ti-
tul/ der nothwendigen vnderhaltung/ vnd hinder ſtelligen bezahlung/ ſich der Erb-
Koͤnigreich/ vnd Landen/ wie auch aller getrewer Raͤth/ vnd Diener Güter/ zu
impatroniren, vnd der geſtalt Jhre Keyſ. May. von Landt vnnd Leuthen zuver-
treiben/ Cron/ vnd Scepter/ Aidtbruͤchiger weiß/ Jhme ſelbſten zuzueignen/ vnd
dero gantzes Hauß gaͤntzlich auß zurotten.


Als Er nun der geſtalt/ mit denen Commandanten, ſein Intent erlangt zu ha-
ben ver meint/ vnd aber/ die fuͤrnembſten Capita, als der General Leutenant/ Herꝛ
Graff Gallas/ der Feldtmarſchalck/ Herr Graff von Aldringen/ auch der Feldt-
marſchalck Graff Coloredo, an welchen allein/ Jhme allermeiſten gelegen/ nicht
zur ſtell geweſen/ als hat er dieſelben auch nacher Pilſen erfordert/ Sie gleichfals
zu ſeinem Vorhaben zu diſponiren/ oder ſich/ auff den wiedrigen fall/ Jhrer Perſo-
nen zubemaͤchtigen/ vnd damit inmittels/ andern Confidenten/ der Orthen/ ſeine
ſachen/ vnd allbereit gehabte befelch/ deſto beſſer negotijrn moͤchten/ Dahinge-
gen hat Er die Generaln von der Cavalleria/ den von Schafftenberg/ mit voͤlli-
gem Commando zu der Aldringiſchen Armada/ in Oeſterꝛeich vnter der Ennß/
den Schaffgotſchen/ in Schleſien mit gleichmaͤſſigem General Commando/ vnd
das Volck zu ſeinem anhang zu diſponiren/ vnd alles in guter bereitſchafft zuhal-
ten/ den Herꝛn Graffen Picolomini aber/ in das Land ob der Enß/ abgefertigt/
mit befelch/ Erſtlich alle Paͤß/ vnd orth gegen Saltzburg zu occupirn/ damit keine
huͤlffen/ auß Jtalia/ mehr herdurch kommen koͤndten/ weiln all andere orth/
dan [...]" nhero Jhre Keyſerl. Mayeſtaͤt/ etwas Volck zukommen moͤgen/ allbereit
von dem Feindt occupirt geweſen/ Deßgleichen/ wann die zeit ſein wuͤrd/ mit
dieſer
[141]De Statu perturbato Franciæ.
dieſer conjuration/ aller orthen offentlich außzubrechen/ den Herꝛn Graffen von
Aldringen/ auff alle weeg/ bem Kopff zunemmen/ entzwiſchen alles Volck/ von
Jhme abwendig zumachen/ vnd/ wo muͤglich/ auch das Spaniſche/ mit gutem/
auff ſein ſeitten zu bringen/ oder/ da Er ſolches nicht erlangen moͤcht/ Sie mit
offener macht zuuͤberfallen/ zu welchem endt/ vnd damit Er Graff Picolomini/
dieſes alles deſto leichter effectniren kondte/ hat Er Jhme verſprochen/ allezeit
mehr Volck/ vnd ſo viel vonnoͤthen ſeyn wurde/ nach zu commandiren/ wie dann
eben darzu/ der Schafftenberger/ mit dem Volck/ in vnter Oeſterꝛeich/ Jhme
patirn ſollen/ darzu Er Jhme Grafen Picolomini auch allen Gewalt/ vnd Voll-
macht eingeraumbt/ einen jeden Obriſten/ welcher Jhme/ fuͤr den Friedtlandt ſuſ-
pect
fuͤrkommen moͤchte/ zu caſſirn vnnd die befelch/ vnd Regimenter andern zu
vbergeben. Weiter hat Er Jhme anbefohlen Paſſaw/ Lintz/ Krembs/ ſeinem gut
beduncken nach zubeſetzen/ vnd alſo die zunechſt an der Thonaw gelegene Orth in
guter ſicherheit zubehalten/ vnnd vollents ſich mit aller macht/ gegen Jhr Kaͤyſ.
Mayeſtaͤt/ zuwenden/ ſelbige zufangen/ vnd nach occupirter Stadt Wien/ aller
orth vnd enden zuverfolgen. Jn Schleſien/ hat Schaffgotſch im befelch gehabt/
nicht allein daſſelbe Volck/ zu gleichmaͤſſigen Abfall zu diſponirn/ ſondern ſich auch
aller vornembſten orth/ als Troppaw/ Glatz/ Neuß/ ſambt der Artilleria/ zu
Grotz Glogaw/ zubemaͤchtigen/ das Volck alles in guter bereitſchafft/ vnnd zu
dem fortzug/ wohin das Commando gehen wuͤrde/ fertig zuhalten/ ſonderlich aber
auff die Hungariſche newe Werbungen/ (ſeytemahlen Friedtlandt/ zu Pilſen
ſchon gewuſt/ daß dieſelben damahlen ſtarck im Werck geweſen) wol achtung zu
geben/ vnd da was auß Hungarn/ oder Maͤhren kommen ſolte/ auff daſſelbige zu-
gehen/ vnd zuſchlagen/ ſonderlich aber/ iſt aller obbenenten General Officirer be-
felch geweſen/ nicht allein fuͤr ſich ſelbſten/ dieſem allem/ ſo jetzo angezeigt/ fleiſig
nach zu kommen/ ſondern auch dieſes Jhren vntergebenen Commandanten/ vnd
Obriſten zubefehlẽ/ keiner eignen Ordinantz/ vom Keyſerlichẽ Hoff auß/ zuparirn.


Entzwiſchen iſt Er Friedtlandt vor habens geweſen/ den Keyſerlichen Hoff/
mit allerhandt Liſten/ vnd vornemblich vnter dem Deckmantel/ weiterer Fridens-
handlungen/ mit guter Hoffnung/ die Er auch fuͤr gewiß außgeben/ daß Er ſeinen
Kopff/ wann ſolche nit gluͤcklich fortgehen ſolten/ verlohren haben wolte/ zu inter-
teniren,
vnnd zuſpeiſen/ Wie er dann zumehrerm ſchein auch wiederumb einen
Keyſerlichen Rath/ zu Jhme fuͤrderlich/ ſolcher tractation halber zuſchicken/
inſtendig begehrt/ deſſen aſſiſtentz er ſich bey der Handlung gebrauchen
moͤchte/ bey nebens aber/ vier mahl hundert tauſent thaler in Abſchlag
ſeiner ſchuldt/ jhme alſo baar zuverlegen/ zubegeren/ weiter auch inſten-
dig an zuhalten/ den Soldaten/ die wuͤrckliche Bezahlung zu leiſten/ vnnd Jh-
me ſelbſten/ fuͤr das Hertzogthumb Meckelburg/ welches er/ fuͤr ſeine an-
gewendte Vnkoſten/ bey dieſem Krieg/ hie vormahls angenommen/ darvber
S iijauch
[142]De Statu perturbato Franciæ.
auch inueſtirt worden/ Statisfaction zuleiſten/ damit Er alſo/ weil Er wol ge-
wuſt/ daß ſolches/ in kurtzem nit koͤndte præſtirt werden/ Er ſeine vorhabende de-
fection/ hier durch deſtomehr außſchmucken/ die zeit gewinnen/ vnter dieſem aber/
mit den feinden/ das gantze Werck vergleichen moͤchte/ darauff er als dann vmb
den Fruͤling/ wann es zeit zu Feldt zu ziehen/ mit ſeinen machinationibus/ vnnd boͤ-
ſen Anſchlaͤgen/ offentlich herfuͤr brechen/ vnd Jhre Keyſ. Maͤy. vnd dero Hauß/
aperto Marte/ verfolgen/ vnd wider dieſelbe graſſiren wollen.


Als Er auch/ vmb dieſelbe zeit/ von Lintz auß/ von ſeinen Correſpondenten
einem/ aviſirt worden/ wie Jhre Keyſ. May. in das Land Ob der Ennß/ zu Com-
miſſarien/ Jhre Fuͤrſtlichen Gnaden/ den Herꝛn Biſchoffen zu Wien/ den
Herꝛn Grafen Kevenhuͤllern/ vnd den Herꝛen Grafen von Loſenſtein/ deputirt/
vnd daß ſolches vnder dem ſchein/ alda dem Landtag bey zuwohnen/ in der war heit
dahin angeſehen waͤre mit dem Churfuͤrſten in Bayern/ vnd dem Spaniſchen
Volck zu correſpondiren/ vnd vermittels deſſelben/ Paſſaw/ Lintz/ vnd andere ort/
an dem Thonawſtromb/ zuverſichern/ wie auch das gemeine geſchrey gehe/ daß
die zu Hungarn/ vnd Boͤhem Koͤn. May. ſelbſten/ mit dem negſten folgen wur-
den/ (Ob zwar ſolches lautereytele diſcurs/ vnd muthmaſſungen geweſen) So
hat Er doch als baldt auß boͤſem verdacht/ vnd ver wundem Gewiſſen/ dahin be-
felch geben/ vorbemelte Herꝛn Commiſſarios? Ja auch Jhre Koͤn. May. ſelbſten/
wann ſie daſelbſt ankommen moͤchten/ in gefaͤngliche Verhaͤfftung zunemmen/
vnd damit zu ſtatuirn/ was die occaſion/ vnd ſeine Dienſt erfordern wurden.


Deßgleichen iſt auch/ der/ immittels nacher Dreß den/ zu dem Churfürſten
von Sachſen/ der Friedens Tractaten halber/ auff deß Kinßky vorſchlag/ vnd
zumuthen/ abgeſchickte Antonius Schlieff/ zu Pilſen widerumb angelangt/ vnd
als ſelbiger/ ſeine verꝛichtung/ bemeltem Kinßky/ aller erſt referiert/ hat dieſer
Jhme lauter angedeut/ wie daß die ſachen/ in ſeinem abweſen/ ſich weit veraͤndert/
vnd nunmehr in gantz andern terminis begriffen/ Friedland habe ſchon ein andere
reſolution gefaſt/ die gantze Kaͤyſerliche Armada/ waͤre nun mehr in ſeiner Hand/
erwarte nur deß Arnheimbs ankunfft/ wolte den Frieden ſchlieſſen/ der Kaͤyſer
Confirmire denſelben/ oder nicht/ Ja man werde den Kaͤyſer/ da Er den geſchloſſe-
nen Frieden nicht confirmiren wolte/ von Land vnnd Leuten vertreiben/ vnd als
Jhme/ von dem Schlieffen dagegen opponirt/ daß Chur Sachſen/ ſo leicht nicht
glauben/ noch dem Friedland allein trawen/ vnd Jhre Kaͤyſ. May. beyſeits ſetzen
wurden/ hat Er ferners ſo weit herauß gebrochen/ Chur Sachſen werde fol-
ches in der That erfahren/ oder aber deß Reichs Freyheiten beſſer bedencken
muͤſſen/ vnnd werde ſich auff die letzt Friedland/ mit Franckreich/ vnnd Schwe-
den conjungiren/ vnnd Sie als dann nach Chur-Sachſen nicht viel mehr
fragen.


Dieweilen dann Jhme Friedland/ die andern General Perſonen/ denen
Er ſich
[143]De Statu perturbato Franciæ.
Er ſich offenbahrt/ vnd alles vertrawt/ vnnd daruntur fuͤrnehmlich der Herꝛ Ge-
neral Leute nandt/ Graff Gallas/ wie auch der Herꝛ Feldmar ſchalck/ Graff Pico-
lomini/ von dieſem ſeinem Boßhafftigen vorhaben/ vnnd mehr als Barbariſchen
Tyranney/ keines wegs abwenden koͤnnen/ vngeachtet Sie Jhme mannigfaͤltig/
ſeine hohe dignitaͤten/ vnnd Wuͤrden/ darinnen Er ſich befunden/ vnnd hergegen
die boͤſe Belohnung/ welche den Jenigen/ ſo an Jhrem Herꝛn Meineydig/ vnnd
Aydbruͤchig worden/ ſo wol bey Freunden/ als Feinden/ faſt jeder zeit wiederfahren
remonſtriert/ vnd zu Gemuͤth gefuͤhrt/ vnnd daß Er ſich ſelbſten/ in der Jenigen
Haͤnd/ nicht præcipitirn ſolle/ deren Trew Er noch nicht verſichert/ beynebens
aber bey ſich ſelbſten betrachtet/ wie ſtarck Sie/ mit jhrer Ehr/ vnd reputation hie-
bey intereſſiert/ vnd mit was hohen Aydspflichten/ Der Kaͤy. Mayeſt. Sie ver-
bunden/ Als haben Sie zwar anfangs/ vnter ſich ſelbſten/ allerhand Conſilia com-
municirt/ wie die ſem vnweſen fuͤrzukommen/ vnd zu remediern ſeyn moͤchte/ all-
die weilen Sie bey ſich ſelbſten/ ſo wol Jhrer eignen Perſon/ als auch der gantzen
Armada/ vnd deß gem einen Weſens halber/ welches dardurch gar leichtlich in ein
groſſe gefahr/ vnnd confuſion hette koͤnnen geſetzt werden/ noch dazumahlen nicht
fuͤr rathſam befunden/ mit dergleichen wichtigen ſachen/ etwann vnzeittig außzu-
ſprengen/ zumahlen Jhnen wol bewuſt/ in was hohem credit/ der Friedlaͤnder/ bey
der Kaͤyſ. May. waͤre/ welche Jhme auch/ vber ſo viel Muthmaſſungen/ vnnd
Vrthel/ vber deſſen actionen, Jhme jedoch/ ein ſolche vndanckbare/ Aydsvergeſſene
Verꝛaͤtherey/ nicht leicht zumeſſen wurden/ Doch aber nochmahln/ damit nicht
etwan auß dem verzug/ groͤſſere gefahr entſtuͤnde/ vnd wol gar die Medicin, zu ſpath
gereicht wuͤrde/ haben Sie alles in der hoͤchſten ſtill/ an Jhre Kay. May. vmbſten-
dig berichtet/ welche/ nach empfangenen vnterſchiedlichen/ gleichfoͤrmigen Re-
lationen/ mit denen/ aller Orthen/ die facta vberein geſtimbt/ vnnd daruͤber gehab-
ten geheimen conſultationen/ demnach Sie/ deß Friedlaͤnders oberzeltes vor-
haben/ vnd theils albereit zu werck geſetzt er Verfaſſung halber/ keinen zweiffel ſich
mehr machen koͤnnen/ in Anmerckung/ Jhrer ſelbſt eignen Perſon/ vnd dero gan-
tzen Hauſes euſſeriſten gefahr/ vnnd deß gantzen gemeinen Weſens/ hoͤchſten præ-
judicij/ auch fuͤr Augen ſchwebenden Verluſts/ vnnd ruin, dero angehoͤrigen
Erbkoͤnigreich/ vnd Laͤnder/ ſich dahin/ reſolvirt/ vnderſchiedlichen dero vornehmen
Kriegs Commandanten/ befelch auffgetragen/ daß Sie/ auff alle thunliche weiß
vnd weg/ Jhne Friedlanden/ wie auch ſeine fuͤrnembſte zween Adhærenten/ den
Illo, vnd Tertzka/ in gefaͤngliche Verhafftung/ vnnd an ein ſolches ſicheres ort
bringen ſolten/ alda Er gehoͤrt werden/ vnnd ſich/ vber alles dieſes/ gnugſamb de-
fer diren/ vnnd purgiren moͤge/ oder doch/ ſich ſeiner Lebendig/ oder Tod zubemaͤch-
tigen/ dieß wichtige werck auch dextrè, vnnd mit ſolcher fuͤrſichtigkeit moderiern/
vnd anſtellen/ damit Jhrer Kaͤyſ. May. Intention, erꝛeicht/ das gemeine Weſen/
wie auch die Reichs Conſtitutiones, dero Kayſerliche authoritaͤt/ vnnd Jhr Hauß/
für dem
[144]De Statu perturbato Franciæ.
fuͤr dem machinirten vntergang/ conſerviert wuͤrden. Vnd damit dieſes nicht
etwan/ bey der Armada/ vnnd denen Landern/ newe motus ecweckte/ haben Sie dem
Herꝛn General Leutenanden/ Graff Gallaſſen/ beynebens ein offenes Patent/ vn-
term dato/ deß vier vnnd zwentzigſten Januarij/ an alle General Befelchshaber/
Obriſte Lentenand/ ꝛc. Vnd andere hohe/ vnd Niedere Officier/ zu Roß/ vnd Fuß/
mit vberſchickt/ denſelben die/ mit dem Friedland/ als geweſten General Feld haub-
man/ auß hochwichtigen/ vnd tringenden Vrſachen fuͤr genommene Veraͤnde-
rung/ notificiert/ vnnd Sie/ auß Kaͤyſerlicher Macht/ aller obligation/ mit welcher
Sie gedachtem Friedland/ als Generaln/ verbunden geweſen erlaſſen/ hingegen
geordnet/ daß Jhme dem General Feld Leutenand/ Herꝛn Graffen Gallaſſen
entzwiſchen vnd ſo lang/ biß ſolches Generalat wiederumb beſtelt/ allen gebüren-
den reſpect/ folg/ vnnd gehorſamb leiſten ſollen/ ohne einige Verweigerung/ oder
Hinderung/ ſo lieb jedwederm die ſchwere vngnad/ vnd dabey in Rechten außge-
tzet ſtraff vnd Poͤn zuentfliehen. Ob Sie zwar auch vernommen/ daß etliche
Kriegs Obriſte/ vnd Officier/ bey der/ am Eylfften Januarij/ zu Pilſen/ angeſtel-
ten Verſamblung/ etwas weit gegangen/ vnd mehr/ als von rechtswegen gebuͤrt/
ſich eingelaſſen/ Jedoch aber/ weiln Sie benebens auch befunden/ daß Jhnen ein
anders eingebildet/ vnd vortelhafftiger Weiß vorgehalten/ als es billich/ bey der/
mit Ayd vnd Pflichten/ deroſelben ſo hoch verbundenen Soldateſca/ geſchehen
ſollen/ Als hetten Sie/ damit deßwegen niemand/ zu vnverantwortlichen ver-
zweiffleten Conſilijs/ ſich verleiten lieſſe/ ſich dahin gnaͤdigſt erklaͤrt/ alles/ was
dieß fals vorgangen/ nach zuſehen/ vnd gantz zuver geſſen/ auſſerhalb daß auß ſol-
chem Perdon/ neben dem geweſenen Generaln/ noch zwo andere Perſonen außge-
ſchloſſen/ Als welche ſich zu dieſem werck/ als Raͤdlsfuͤhrer/ vor andern gebrau-
chen/ Dabey alle hohe/ vnnd Niedere Befelchshaber/ vnnd anbere Soldaten ver-
ſichert/ wie Sie bißhero/ der Kaͤyſerlichen Gnaden vnd Danckbarkeit/ gegen alle
die Jenigen/ ſo deroſelben trewlich gedient/ der gantzen Welt bekandt gemacht/
Sie auch ins kuͤnfftig dahin aller gnedigſt geſinnet waͤren/ ſo viel immer muͤglich/
vnd erſchwinglich feyn wird/ an derſelben nichts ermanglen/ Wie Sie auch ohne
das beflieſſen/ daß an nothwendigem Proviant/ vnnd Vnterhaltung/ dero getre-
wen Krieghoͤrs/ nichts ermanglen/ ſondern mit Nothwendigkeit verſehen wer-
den ſolle.


Es hat ſich aber damaln/ wegen allerhand erheblicher/ vnd wichtiger be-
dencken/ theils/ daß man der gantzen Armadæ/ in gefahr geſtanden/ vnnd man
nicht gewuͤſt/ wohin ein/ oder anderer Obriſter/ inclinirt ſeyn moͤchte/ theils auch/
daß die getrewen Kaͤyſ. Commandanten/ noch keinen einigen ſichern orth gehabt/
da Sie ſich colligirn/ vnnd im nothfall retirirn koͤndten/ vnnd vmb anderer vrſa-
chen mehr/ ſich ſo gleich nicht thun laſſen woͤllen/ dieſe/ Jhre May. gefaſte reſolu-
tion/ alſobalden zur Execution zu ſtellen/ vnnd zu publiciern; Dannenhero/ vnnd
damit
[145]De Statu perturbato Franciæ.
damit hierdurch der Herꝛ General Leutenandt/ Graff Gallas/ mehr zeit/ vnnd
Gelegenheit erlangen/ Jnmittels auch alles/ bey dem Volck hin vnd wieder/ noth-
wendig diſponirn/ vnnd mehrere Commandanten an ſich gewinnen moͤchte/ hat
Er den Friedland dahin perſuadirt/ weilen bey der vorigen zuſammen kunfft/ der
auffgeſetzte Schluß/ in ſeyn/ deß Herꝛn Graffen Gallaſſen/ abweſen/ mit zimbli-
cher Vnordnung/ vnd etlicher wiederwillen/ vnterſchrieben worden/ daß dahero
nicht viel auff denſelben zubawen/ es ſey dann/ daß Er in ſeinem beyſeyn/ in einer
voͤlligen Verſamblung/ von allen wiederumb ratificirt werde/ derhalben/ auff den
neunden Februarij/ wiederumb ein newe zuſammenkunfft/ aller Commandanten/
auß geſchrieben worden; bey derſelben/ iſt Friedland willens geweſen/ die Officier
vnd Soldateſcam deſto mehr wieder Jhr Kaͤyſ. May. vnd dero Hoff verbittert zu-
machen/ annotirn zulaſſen/ was mann einem jedwedern Regiment/ Jnſonderheit
von zeit an/ da Er der Armada wiederumb vorgeſtanden/ noch reſtire; Vnd dar-
auff ſolches alles nacher Wien zuſchicken/ vnd die baare Bezahlung zu urgirn, hier-
durch eine offene meutination, vnter der Soldateſca zuerwecken/ vnd dieſelbe deſto
ehender zu dem Abfall zuvermoͤgen.


So hat Er auch auff das allerargiſte exaggerirt, wie von Jhrer Kaͤyſ. May.
die Land Contributiones, vnd Confiſcationes, Jhme entzogen/ vnnd dieſelbe vnter die
Hoff Officirer/ vnd Raͤthe (welche Er/ vnnuͤtzer gedancken Miniſtrostitulirt) auß-
getheilt wurden/ Dahero Er entſchloſſen/ als balden die Obriſten/ wuͤrcklich in die
Poſſeß, der fuͤrnembſten Kaͤyſerlichen Raͤthen/ vnnd Diener Guͤter/ zu immittirn,
mit welchem Er allein dahin geſehen/ dardurch der Commandanten gemuͤter/
deſto mehr zugewinnen/ vnd ſeine vorhabende Anſchlaͤg zu ſtabilirn, Jhme affectio-
nirt,
vnd anhaͤngig zumachen.


Als nun hierauff der Herꝛ Graff von Aldringen/ ſeiner ſelbſt eigenen/ darbey
verſirenden gefahr halben/ nacher Pilſen nicht kommen/ ſondern mit allerhand
Entſchuldigungen/ von einer zeit zur andern cunctirt, vnd der Herꝛ Graff Gallas
abgenohmen/ daß auß dieſem auſſen bleiben/ Friedland was ſuſpicirn moͤchte/ hat
Er daher/ die jenige vrſach/ welche ſich gleich ſelbſt præſentirt, in deme nemblichen/
Jhme der Friedland ſelbſten angemuthet/ ſich zu dem Graffen von Aldringen zu-
erheben/ vnd ſelbigen/ als ſeinen Schwagern/ nacher Pilſen zuvermoͤgen darzu
Er ſeine eigne Carotzen dargeliehen/ arripiert, vnd dergeſtalt von Pilſen hinweg/
nacher Frawenburg/ gleichſamb dem Herꝛn Graffen von Aldringen entgegen/ ab-
gereiſt; Als Er aber dahin kommen/ vnd ſich erſtlich mit dem Don Balthaſar de Ma-
radas,
nachmalen aber/ in dem nechſt abgelegenen Dorff/ mit dem Herꝛn Graffen
von Aldringen vnterꝛed/ alles mit einander conferirt, vnnd conſultirt, vnnd darauff
vom Volck/ ſo viel Sie nur gekoͤnnet/ zu Jhrem willen gebracht/ Budweiß/ vnnd
Thabor fuͤr Jhr Kaͤyſ. May. beſetzt/ vnnd in Krafft deß vberſchickten Patents/ die
Ordinantzen/ darin Er alle Obriſte von dem gehorſamb/ mit deme Sie biß dahin
Tan den
[146]De Statu perturbato Franciæ.
an den Friedland gewieſen/ liberirt, hin vnd wieder außgetheilt/ hat Er ſich gar na-
cher Lintz begeben/ ſelbiger orthen/ auch alles in Ordnung geſtelt/ Paſſaw/ vnd an-
dere orth verſichert/ vnd die Obriſten/ der verdaͤchtigen Regimenter/ ſo lang vmb-
vnd bey ſich behalten/ biß Er ſelbige/ nacher Wien zuſchiecken ſich alda zu purgirn,
befelch bekommen.


Eben auß dieſer occaſion, daß der Herꝛ Graff von Aldringen/ nicht allein nicht
kommen/ ſondern auch der Herꝛ Graff Gallas außgeblieben/ hat Herꝛ Graff Pi-
colomini/ welcher vorher wegen deß new außgeſchriebenen Tags ſchon wieder-
umb zu Pilſen angelangt/ ein vrſach genommen/ ſich darvon zumachẽ/ dem Fried-
land dieſen ſcrupulum movirt, weilen Herꝛn Graff von Aldringen/ ſich nunmehr
außtruͤcklich wieder ſetzig vnd vbel affectionirt erzeige/ ſo ſer zubeſorgen/ daß Er dem
Herꝛn Graff Gallaſſen/ weil ſelbiger auch nicht wieder komme/ nicht etwa nach
dem Leben ſtrebe: Dahero Friedland Jhme durch den Tertzkabefelch geben/ daß
Er ſich alsbald nach Lintz verfuͤgen/ vnd alldorten alles Volck zu ſeinen Dienſten/
zuſammen fuͤhren ſolle/ auff welches Er auch/ mit deß Friedlands eignen Gut-
ſchen von Pilſen hinweg/ vnd folgends wiederumb zu dem Herꝛn Graff Gallaſſe
nacher Lintz kommen/ der Jhne dann alsbald/ mit drey Tauſent Pferd/ vnd dem
Bredawiſchen Regiment/ wiederumb gegen Pilſen zu commandirt/ damit Er ey-
lends/ vnd der Baron de Suys, (welcher von dem Herꝛn General Leutenant Gallaſ-
ſen befelch gehabt/ ſich alsbald nacher Prag zuwenden/ die darumb gelegene Regi-
menter/ wie auch ſelbe Stadt fuͤr Jhr Kayſ. May. zuverſichern) bey Frawenburg/
wiederumb angelangt.


Die weiln dann auß dem/ daß nicht allein der Herꝛ Graff von Aldringen/
ſondern auch der General Leutenand/ vnnd der Herꝛ Graff Picolomini/ auß-
geblieben/ Jmmittels auch der Spaniſche Reſident, Doctor Auguſtinus Navarra,
wie nicht weniger der Obriſte Deodati, welcher ſein Volck/ gegen dem Feind
liegen gehabt/ zu Pilſen heimblich durchgangen/ ſein Regiment auß den Quar-
tiren zuſammen gefuͤrt/ vnnd ſeinen Zug ohne alle Friedlaͤndiſche Ordinantz
angefangen/ den nachmalen der Herꝛ Graff Picolomini/ mit dem Volck
ſchon vmb Horaſchowitz/ in der Bereitſchafft angetroffen/ vnnd vielen an-
dern ſachen mehr/ der Friedland gemerckt/ daß ſeine Machinationes außgebro-
chen/ vnnd etwas gegen Jhme/ obhanden ſeyn müſſe/ hat er als bald Ordi-
nantz geben laſſen/ weder deß General Leut enands/ Graff Gallaſſen/ noch Graffen
von Aldringens/ noch deß Don Balthaſars/ noch Picolomini/ wie auch ſonſten kei-
ner eigenen Ordinantz/ auſſer ſeiner ſelbſt eigenen/ deß Jllo/ vnd Tertzka zu parirn/
zu gleich auch/ zu den nechſt gelegenen verwarten Orthen/ Budweiß/ Thabor/ ꝛc.
geſchickt/ ſelbige/ ſampt dem darin gelegnen Volck/ (deme aber bereit die Befelch
Jhrer Kayſ. May. ein wenigs zuvor/ vorkommen) in ſeyn Sicherheit zubringen/
vnd dann all Regimenter/ in eyl/ vnder dem ſchein/ als wann der Feind auff das
Koͤnigreich Boͤheim zuziehen/ vnnd einbrechen wolte/ nacher Prag commandirt/
[147]De Statu perturbato Franciæ.
allda alles Volck/ tlaͤngſt auff den drey vnnd zwantzigſten Februarij/ zuſammen
gefuͤhrt werden ſollen/ dahin Er auch ſelbſten/ in eigner Perſon kommen woͤllen/
mit demſelben/ vnnd ins geſambt/ von Jhrer Kayſ. May. zu einem ſchein/ die Be-
zahlung zubegehren/ darauff ſeine biß anhero gehabte Anſchlaͤg/ zuentdecken/ vnnd
ſo dann/ die total meutination, fuͤr ſich zu werck zurichten/ oder aber/ da dieſes Jhme
nicht angehn ſolte/ wie Er dann ſelbſten darob gezweiffelt/ (alldieweiln Er ſchon
gemerckt/ daß der General Leutenand bereit vorkommen/ vnd ſchon alles/ fuͤr Jhre
Kayſ. May. wieder Jhne/ diſponirt habe (ſich nacher Sittaw zu wenden/ allda Er/
wegen ſeiner ſelbſt eignen/ nahent gelegener Laͤnder/ vnd Guͤter/ vnd daß der Arn-
heimb nahe an der hand/ ſich mehrers ſicher zuſeyn vermeint/ wie Er ſich dann auch
gaͤntzlich auff das Volck in Schleſien/ als wurde daſſelbegar gewiß alles zu ſeinen
Dienſten vnd bereit zuſammen gefuͤhrt ſeyn/ verlaſſen.


Deßgleichen/ iſt den achtzehenden Februarij/ in der Nacht/ Hertzog Frantz
Albrecht zu Sachſen Lawenburg/ mit Friedlaͤndiſchen Paß/ nacher Regenſpurg/
zu Hertzog Bernhardten von Weinmar abgereiſt/ ſelbigen/ mit Fürweiſung deß/
mit der Soldateſca den zwoͤlfften Januarij/ verfertigten Schluß/ dahin zu diſ-
ponirn/ als bald ſein Volck/ an die Boͤhmiſchen Graͤntzen/ zuſammen zufuͤhren/
vnd ſich mit den Friedtlaͤndiſchen Troppen zu conjungirn/ wie nicht weniger/ die
vbrigen Schwediſchen auch dahin zuvermoͤgen/ daß ſie ſich gleichfals/ zu dieſem
vorhaben/ vnd Coniunctur/ vnder dem ſchein eines Friedens verſtehen ſollen. Es
hat aber der von Weinmar ſolcher Legation nicht trawen woͤllen/ vermeinent/ daß
der Hertzog Frantz Albrecht/ von dem Friedtlaͤnder ſelbſt betrogen waͤre/ weil er
ſich nicht einbilden koͤndte/ daß ein gantze Armada/ vnd ſo viel anſehenliche Cava-
glieri/ dermaſſen an jhrem Herꝛen Aydtbruͤchig werden koͤndten/ mit dieſem Elo-
gio deß Friedtlaͤnders./ daß denen jenigen/ ſo an Gottnit glauben/ auch kein
Menſch trawen koͤndte.


Jtem/ Jſt auch eben ſelbiges tag/ als Hertzog Frantz Albrecht von Pilſen
verꝛeiſet/ ein Boͤhmiſcher vom Adel/ Wentzel Rabenhaupt/ nacher Franckfurt/
zu den Schwediſchen Cantzler Oxenſtern/ vnd alda reſidirenden Frantzoͤſiſchen
Ambaſciatorn/ Monſ. Frequiern/ mit Brieffen von dem Kinßky/ vnnd einem
Friedtlaͤndiſchen Paß/ fuͤr ermeltem Frequiern/ eintweder ſelbſten in eigener
Perſon/ oder doch durch Abgeordnete/ nacher Prag zukommen abgefertigt/ Vnd
dann der Antonius Schlieff/ den neunzehenden Februarij in die Schleſien/ zu
dem Schaff gotſchen verſchickt worden/ mit einem Schreiben an den Feldmar-
ſchalcken Herꝛn Graffen von Colloredo/ vnd offenem Patent/ daß die/ in der
Marck Brandenburg/ vnd Marggraffſchafft Laußnitz gelegene Reuterey vndert
dem ſchein/ einer elargirung/ vnd refriſchirung in die Winter Quartier in Schle-
ſien gefürt/ vnd deß Schaff gotſchen voͤlliger diſpoſition vnder geben worden/ Sie
auch in allen ſeinen Ordinantzen hinfuͤro pariren ſollen/ jtem mit einem Creditiv/
T ijvon
[148]De Statu perturbato Franciæ.
von dem von Friedtlandt/ an den Schaffgotſchen/ dem ſelben ſeine hierunden ha-
bende Jntention/ mit mehrerm zuentdecken/ dem der Hertzog Frantz Albrecht/
noch vor ſeinem Abreiſen/ auch einen Paß/ vnd dann drey verſchloſſene Ordinan-
tzen/ an die Schleſien/ als auff dem Thumb zu Preßlaw/ zu Brieg/ vnd Oppeln/
gelegene Commandanten von dato an/ mit dem Generaln von der Cavalleria/
den Schaffgotſchen/ weiln derſelbe das Commando in Schleſien abſolute bekom-
men wuͤrde/ zu correſpondiren/ vnd einer/ vnd der andern notturfft wegen/ ſonder-
lich aber/ gegen den Jenigen ſo ſein Schaffgotſchens befelchen/ vnd der Friedens
Tractat en zuwider ſeyn wolten: oder was ſich ſonſt dergleichen ereignen moͤchte
mit Jhme zu communicirn/ vnd demſelben ſo weit/ doch ſeiues Herꝛn dienſt ohne
ſchaden zu aſſiſtirn/ mit gegeben mit welchem allem/ Er Schlieff vnderwegs zu
Prag angehalten vnd in Arreſt genommen worden. Vngeachtet nun/ dieſes
alles alſo fuͤrgangen/ vnd beſtellt geweſen/ So hat doch nichts deſto weniger/ die
zu der anderu zuſammenkunfft/ welche ſich inmittelſt biß auff den zwantzigſten
Februarij verzogen/ beſchribene Officirer/ vnnd Commendanten/ ſo viel deren in
Pilſen anweſendt geweſen/ Er widerumb fuͤr ſich erfordern laſſen/ vnnd Jhnen
ſelbſten fürgetragen/ wuſten ſich zu erinnern welcher geſtalt vor dieſem auff Jhr
bitten vnd anſuchen/ Er ſich erklaͤrt/ vnangeſehen ſeiner vielfaͤltig empfangener
diſguſten/ vndwieder Jhne angeſtelter machinationen/ vnd dahero vor gehabt er
reſignation/ noch laͤnger bey Jhnen/ vnd der Armada/ zu verbleiben/ Sie auch
dahin ermahnet vnd bewogen/ daß Sie die Recurten vnd Armaturn/ inmittelſt
auß dem Jhrigen verlegen/ vnnd zu werck richten ſollten/ darfuͤr Er ſolches auß
dem ſeinigen wieder zu erſtatten/ Buͤrg worden. Nun ſeye entzwiſchen eine Ver-
aͤnderung fuͤrgangen/ in deme der Graff von Aldringen/ mit ſeinem Volck auß
dem Reich in Oeſterꝛeich gezogen/ dahero nun mehr einige Contributionen nicht
zu hoffen/ So blieben die Steiriſchenauch dahin den/ Dieweiln er dann nicht gern
mit ſeinem verſprechen/ ſtecken bleiben wolte/ Als habe er Sie erfordert/ ſich mit
dem Feldtmarſchalcken Jllo/ zu vnterꝛeden/ was fuͤr mittel an die handt zuneh-
men/ damit diß fals ein Jeder/ das ſeinige haben moͤchte/ habe zwar auch/ den
Graffen Aldringer darzu bernffen/ der ſeye aber nur biß nacher Frawenburg
kommen/ vnd entſchuldige ſich/ mit ſeiner Kranckheit/ vnd ob Er auch wol/ den
Graff Gallaſſen/ nach Jhme geſchickt/ ſo bleibe doch derſelbe weiſſe nicht/ auß was
vrſachen/ auch auß/ verhoffte doch/ Sie werden ſich noch einſtellen: Für eins: So
hoͤre Er/ fuͤr das Ander/ auch ſpargirn/ daß der Obriſte Deodati/ mit ſeinem Re-
giment auff gebrochen/ wieſſe nicht wohin/ vnnd daß Jhrer viel/ in denen gedan-
cken begriffen/ den juͤngſt gemachten Schluß auch dahin außdeuten/ als wolle
wieder Jhre Kayſ. May. dero Hochheit/ vnd die Catholiſche Religion/ Er etwas
anfangen/ darzu ſeye er aber nunmehr zu alt worden/ allein werden zu Hoff viel
ſachen begere/ die von dem Roͤm. Reich nicht koͤndten conſentirt/ noch gut gehei-
ſen
[149]De Statu perturbato Franciæ.
ſen werden/ dahero ſeye Er nur/ dem gemeinen Weeſen zu beſten/ willens/ einen
Frieden zu machen/ vnd/ damit auch Sie darumb wůſten/ werde jhnen der Feldt-
Marſchalck Jllo/ die Tractations Puncten fuͤrhalten/ vnnd wolle allzeit etliche
Oberſten dabey haben/ verhoffe aber beynebens/ Sie werden bey Jhme halten/ wie
Er bey Jhnen zuverbleiben/ auff jhre ſo ſtarckes anhalten/ ſich bewegen laſſen/ wol-
le Jedtwedern ſein Contentamento geben/ dann ſolte Er ſich Jhrer annemmen/
vnd darvon einen ſpott zugewarten haben/ waͤre Er zu alt darzu/ vnnd wurde von
Jhnen nicht weniger/ dann von Hoff/ vbel recompenſirt/ Auff welches Er vnter
bemeltem dato/ deß zwantzigſten Februarij/ zu einem euſſerlichen ſchein/ ein an-
dere formulam/ einer obligation/ den anweſenden Obriſten vorhalten/ vnnd von
denſelbigen außfertigen laſſen/ darinnen dieſe proteſtation begrieffen/ daß wider
Jhre Keyſ. May. dero Hochheit/ vnd Catholiſche Religion/ deren Sie/ die
Oberſten/ ſelbſt mehren theils zugethan waͤren/ das geringſte zuverſtatten/
weniger ſelbſten zu practiciren/ Jhme niemahln in die gedancken oder Hertz kow-
men/ Jm werck aber/ daran dann dem Friedtlaͤnder am meiſten gelegen/ ha-
ben Sie ſich de novo wieder verbuͤnden muͤſſen/ mit jhme/ vnd beyſammen/
biß auff den letzten Blutstropffen/ zuhalten/ allem dem/ was vorhin verſchriben/
mit darſtreckung Leib/ Ehr/ Gut/ vnd Bluts wuͤrcklich/ vnnd ohne einige wieder-
redt/ vnd behelff/ nachzukommen/ dahero/ wann Er die Soldadeſca/
entweder/ wegen ſo bald nicht erfolgter Bezahlung/ oder von der Key. May. auß
geſchlagenen Friedens/ (wie Er dann/ auff dieſe Fundamenta/ vornemblich ſeine
Rebellion gegruͤndet) erſtlich zu einer Defection gebracht/ die Außlegung bey Jhme
ſelbſt wurde geſtanden ſeyn/ vnd bey ſeinen Adhærenten, was gegen der Kay. May.
dero Hochheit/ wit nicht weniger die Religion ſeye/ oder nicht/ daß alſo dieſer an-
derer Revers, zu nichts anders/ von dem Friedland angeſehen/ als die vorige/ dar-
durch etwas zu gloßiren, ob zwar ſolche Gloſſa/ bey verſtaͤndigen/ Jhne nur weiter
ſuſpect gemacht/ daß ſie ſeiner Jnnerlichen Intention gar nicht gemaͤß/ weil Er eben
dieſelbe Clauſulam/ in welcher/ Jhrer Kay. May. vnd deß Hauß von Oſterꝛeich
dienſt/ wie obvermelt/ reſervirt worden/ in der vorigen obligation/ vnd Verbuͤnd-
nuß/ gar nicht leiden wollen/ die præmiſſæ auch ſo wol erſter/ als anderr Verſchrei-
bung/ als auch der muͤndliche vortrag/ ſo bey den Reverſen beſchehen/ vnnd mit
hoͤchſter Verunglipffung der Kay. May. vnnd vnerweißlichen Calumnijs er fuͤllet
geweſen/ einige Jhrer May. dienſt/ gemeſſene Concluſion nicht inferiren koͤnnen/
ſondern grad daß Contrarium/ als meineydigen Abfall/ vnd offene Rebellio/ zu-
mahlen/ da ſolche Verbuͤndnuß/ der Soldateſca/ Jhrer Kay. May. vnd dem all-
gemeinen Weſen zu gutem vermeint/ es derſelben im wenigſten nichts beduͤrfft/
ſondern die Armada/ ſich ohne dieſelbe Jhrer Ayd/ Pflicht vnd ſchuldigkeit ohne
das zuverhalten/ wurden gewuſt/ auch fuͤr eine groſſe vnleidenliche injuri billich
angezogen haben/ daß Sie vnverſchulter weiß/ in verdacht der Infideliter, vnnd
T iijJhme
[150]De Statu perturbato Franciæ.
Jhme deß wegen/ gleichſamb ein newer Ayd vnd Obligation ſolte auff getrungen
werden/ Demnach aber hierauff/ alsbald vnterſchiedliche Commandanten/ nacher
Prag/ voran gereiſt/ vnnd vnter denſelben/ ſonderlich auch der Tertzka ſeine/ Jen-
ſeits der Moldaw gelegene Compagnien, gegen Pilſen zuſammen zufuͤhren/ nach
Rokhazan kommen/ vnnd allda Brieff gefunden/ darinnen Er berichtet worden/
wie daß jm mit tels/ der Baron de Suys das vmb Prag gelegene Volck/ allbereit auff
Jhrer Kaͤy. May. ſeyten gebracht/ ſelbige Stadt innenhabe/ vnd daß Jhre Kayſ.
May. Patenta/ vnterm dato deß Achtzehenden Februarij/ darinnen/ der/ den
zwoͤlfften Januarij/ gemachte Schluß als ipſo jure nichtig/ vnnd null caßirt, der
Friedland ex autorirt, vnd fuͤr einen Meineydigen Rebellen declarirt, allda bereit
offentlich publicirt, vnd daß auch Leutmeritz ſchon in Jhrer Key. May. devotion ſey/
hat Er ſich alſo bald wiederumb zuruck/ nacher Pilſen gewendet/ vnd deſſen allen
den Friedlandt berichtet/ welcher bey ſolcher confuſion, vnd vnverſehener Verande-
rung/ ſein voriges Propoſitum, ſich nacher Prag zubegeben/ auch nothwendig ein-
ſtellen muͤſſen/ vnnd dargegen die Stadt Eger erwoͤlet/ welche Stadt/ von einem
Tertzkiſchen Regiment/ von Außlaͤndern præſidiert, deren Er/ vornemblich auch/
auß perſuaſion deß Tertzka/ Jhres Obriſten/ am allermeiſten verſichert zuſeyn ver-
meint/ weil dieſelbe im Reich am wenigſten zuverliehren/ noch auff die Kayſ. May.
auſſer Ehr/ Redlichkeit/ vnnd geleiſter Pflichten/ welche aber auch/ die geborne
Vnterthanen/ offt hindan ſetzen/ zuſehen gehabt/ vnd derentwegen alsbaldt/ an
alle Regimenter/ Ordinantzen ergehen laſſen/ vngehindert der vorigen ſich als
balden/ vnd in Angeſicht nacher Eger zuwenden/ vnd darauff ſelbſten/ den zwey
vnd zwentzigſten Februarii/ (nach deme Er/ vorhero die Stadt Pilſen/ dem Bern-
hard Haͤmerl/ Obriſten Leuten ant/ vnter dem Alt Saͤchſiſchen Regiment/ befoh-
len/ vnd durch den Jllo Ordinantz ertheilen laſſen/ daß Er ſeines Obriſten gan-
tzes Regiment/ zu ſich hinein/ in Pilſen nehmen/ auſſer deß Friedlands/ oder
ſein deß Jllo/ auß truͤckenlicher Ordinantz/ wieder Herꝛn Don Balthaſars/ Ge-
neral Leutenand Gallaſſens/ noch Graff Picolomini/ Ordinantzen/ keines wegs
pariren/ vnd ſo lieb Jhme ſein Ehr dahin bedacht ſeyn ſolle/ den Platz euſſeriſt zu
manutenire wie man Jhne dann/ da Er feindtlichen angegriffen werden ſolte/ oh-
ne Succurs mit laſſen wurde) wie ein fluͤchtiger/ nur mit der Hoffſtadt/ vnd etlichen
ſeinen vornembſten Adhærenten/ vnd mit deß Hertzog Julij Heinrichens zu
Sachſen Lawenburg/ fuͤnff: wie auch ſo viel deß Tertzka Compagnien, deß Obriſten
Buttlers Tragonern/ vnd zwey hundert Mußquetirern/ auch von deß Hertzog
Julij Heinrichens Regiment/ zu ſeiner Convoy/ von Pilſen ſich begeben/ vnd
ſelbigen Abend zu Mieß angelangt/ von dannen auß/ der Jllo/ feinen auffbruch/
alſobald in das Land Ob der Enß/ ſeiner Meinung nach/ einem deß Friedlands
Confidenten aviſirt, mit dieſem andeuten/ wann ſelbige Regimenter/ durch Boͤ-
heim/ biß nacher Eger durchzukommen/ ſich nicht mehr getrawen/ ſo habe man
ſich al-
[151]De Statu perturbato Franciæ.
ſich allbereit ſo weit mit Hertzog Bernharden von Weimar verglichen/ daß wañ
Sie die Thonaw hinauff paßiren wolten ſolcher Paß verſtattet werden ſolte/
oder aber vermeinten Sie der orthen eine diuerſion, mit huͤlff der Bawrn zuma-
chen/ werde ſolches zu ſeinem belieben geſtelt.


Demnach auch die gantze Artilleria, mit aller Munition vnd Pagagi zu Pilſen/
in ſolcher eyl verbleiben muͤſſen/ Als hat Er auch den General Zeugmeiſter
Spaar/ welcher mit dem Hertzog Julio Heinrichen/ von der Prager Reiß auch
wiederumb zu Jhme zuruck kommen/ alsbald mit Ordinantzen geſchickt/ dieſelbe
hinnach zubringen/ Es hat aber der Herꝛ General Leutenand Gallas/ auch in die-
ſem allbereit die Fuͤr ſehung gethan/ daß alle Pferd/ vmb Pilſen/ nacher Prag weg-
genommen worden/ dahero/ wie auch/ weiln die zu der Artilleria gehoͤrige Officier
vnd Perſonen/ ſonderlich aber der Obriſte Leutenand Veit. Kuͤtzing/ bereit heim-
lich dieſen Verſtand gehabt/ nichts mehr koͤnnen/ fortgebracht werden/ biß als-
bald darauff/ der Obriſt Davigni/ mit etlichen Regimentern/ vnnd der Obriſt
Deodati mit dem ſeinigen/ vnnd dann letztlich auch der Graff Picolomini allda an-
gelangt/ vnd die Stadt/ ſampt aller Artilleriæ, Munition, vnd hinderbliebenen Pagagi,
in Jhren Gewalt gebracht. Alſo hat Er auch/ noch zuvor/ den Achtzehenden
Februarij/ durch ſchrifftlichen Befelch/ den Obriſten Leuten anden Cordon/ von
Eger/ nacher Pilſen beruffen/ vnnd weiln Er deß Volcks/ in der Laußnitz deme
der Obriſte von der Goltz commandirt/ nicht allerdings verſichert geweſen/ als bald
Er ankommen/ mit vielen Complementen/ deß verſtorbenen Obriſten Boͤheims
Regiment/ welches zur Sittaw gelegen/ geben/ mit dem befelch/ alsbalde dahin
zuziehen/ vnd alldorten/ alle die Jenigen/ die bereit da ſeyn/ oder noch hinkommen
werden/ zu commandiren/ Als aber Er Cordon/ den zwey vnd zwentzigſten Fe-
bruarij/ wiederumb zu Eger ankommen/ in Meinung allda abzudancken/ vnnd
alsbald nach der Sittaw zureiſen/ hat Er/ den drey vnd Zwantzigiſten hernach/ in
der Nacht/ drey vnterſchiedliche Ordinantzen empfangen/ daß Er von Eger nicht
auffbrechen/ ſondern allda verbleiben/ commandiren/ vnd keiner Ordinantz pari-
ren ſolle/ ſie ſeye vom wem da wolle/ als ſein deß Friedlands/ vnnd Marſchalcken
Jllo/ oder deß Tertzka/ deßgleichen/ daß Er auch den Obriſten Wachtmeiſter Leß-
le/ dem Friedland/ zwiſchen Mieß/ vnnd Eger/ entgegen ſchicken ſoll/ welches den
andern Tag hernach beſchehen/ vnnd hat Er Leßle/ dem Friedland/ den vier vnnd
zwantzigſten/ bey Plan begegnet/ dahin Er/ den drey vnd zwantzigſten Abend/ vnd
folgends den vier vnd zwantzigſten/ zu Eger angelangt.


Vnter wegs/ hat Er Friedland wieder ſeinen vorigen brauch/ vnnd mit
mehr Cæremonien/ als Er ſonſten gepflegt/ in einem langen diſcurs, Jhme Leßle/
alles das jenige erzehlet/ was zu Pilſen fuͤrgangen/ wie Er ſich retirirn wollen/
aber von denen Commandanten wiederumb erbetten/ in den gemachten Schluß/
nur denenſelben zu gutem/ vnnd weil man viel gefaͤhrliche Sachen/ bey Hoff/
wieder
[152]De Statu perturbato Franciæ.
wieder Jhne machinirt/ ſich ſelbſten damit in Sicherheit zuſtellen/ eingewilli-
get/ derentwegen anjetzo/ ein Confuſion/ vnter der Armada entſtanden/ dabey
Jhre Koͤnigliche May. vnnd anders theils die Spaniſche faction/ die Haupter
waͤren/ endlich damit concludirt/ wann Jhr Kaͤyſ. Mayeſt. Jhne Friedland/
ferner fuͤr Jhren Diener/ vnnd General nicht haben wollen/ ſo begehre Er
Sie auch ferners/ fuͤr keinen Herꝛn zuhaben/ vnnd es werde Jhme/ an ei-
nem Herꝛn nicht manglen/ aber begehre keinen zuhaben/ ſondern werde hin-
fuͤro ſelbſt Herꝛ ſeyn/ hab Geld vnnd andere Mittel genug/ ein Armada/ auff
den Fuß zubringen/ Vnd da er auch keines hette/ ſeyn andere gute Leut/ die Jhne
nicht verlaſſen werden/ viel Obriſte/ vnder Jhrer Mayeſt. Armaden/ werden
ſich/ ein zeitlang gut Kaͤyſeriſch erzeigen/ aber mit erſter Gelegenheit/ ſampt
den Regimentern/ zu Jhme ſtoſſen/ Arnheimb/ vnnd Frantz Albrecht/ ſampt
Jhrem Volck/ ſeyn zu ſeiner devotion/ werde jnnerhalb vier Wochen/ mit ei-
ner ſolchen Armada/ dergleichen Er/ noch niemahln gehabt/ nach Oeſter-
ꝛeich rucken/ vnnd Jhrer Mayeſt. ſelbſten zuwiſſen machen/ daß Sie Jhme
vnrecht gethan/ Jn deme Sie den Spaniern/ vnnd Jhren Confoederanten
mehrers/ als Jhme/ geglaubt/ vnnd daß Sie nur ſelbſten vrſach ſeyn/ daß Er
gegen Sie/ endlich die Waffen ergreiffen muͤſſen/ verhoffe vnfehlbarlich/ gar
in kurtzer zeit/ ſeltzame Zeitungen auß Oeſterꝛeich zuhoͤren/ Interim
wolle Er/ ſich nacher Eger begeben/ biß ſeine gute
Freund ſich verſamblet.



Der
[153]De Statu perturbato Franciæ.

Der 14 Diſcurß.


Wie der Friedtlaͤnder zu Eger ankommen/ vnd dieexecu-
tion gegen jhn darauff vorgenommen worden.


NAch dem Er nun den vier vnd zwantzigſten Februarij/ zu Eger angelangt/
hat Er als baldt/ auß dem Jochimsthal vnd dero Orthen/ die Beſatzun-
gen abzufuͤhren anbefohlen/ damit deß Feindes Troppen/ deſto freyer
vnd ſicherer/ nacher Eger/ durch gehen moͤge/ mit denen Er ſich alsbaldt
conjungirn wollen/ Dahero als ſolches von dem ankommenden Volck/ der Ober-
ſte Butler/ Oberſte Leutenant Cordon/ vnd Oberſt-Wachtmeiſter Leßle verſtan-
den/ haben Sie mit einander berathſchlagt/ was Jhnen bey dieſer vorſtehenden
gefahr zuthun/ vnd erſtlich vermeint/ das ſicherſte zu ſeyn/ den Fridtlandt in Ar-
reſt zunemmen/ vnd ſolches alsbaldt Jhrer Kayſ. Mayeſt. zu dero fernern Ver-
ordnung/ vnderthaͤnigſt zuberichten/ Jm mittels/ vnd als in ſelbiger nacht vmb
eilff vhr ein Curier von Prag an kommen/ hat Er Friedtlaͤnder den Oberſten
Wachtmeiſter Leßle/ zu ſich beruffen/ vnd demſelben die Statt Pforten zu eroͤff-
nen anbefohlen/ vnd als Er von demſelben die Brieff empfangen/ vnd die darin-
nen eingeſchloſſene Kayſ. Patenta/ welche der Herꝛ General Gallas aller orthen
außgeſchickt/ geſehen/ hat Er als baldt bemelten Leßle zu ſich/ in ſein Zimmer kom-
men laſſen/ vnd ſeinem bereit formirten Concept nach/ deſſen Er ſich auch zuvor
zum oͤfftern gebraucht/ zum allerhoͤchſten/ wieder Jhre Kayſ. Mayeſt vnd deroſel-
ben vndanckbarkeit/ beklagt/ in deme er aller orthen/ fuͤr einen Rebellen/ declarirt
werde/ ſich auch ferners entdeckt/ weiln nunmehr kein mittel/ einiger verſoͤhnũg/
vnd derwegen kein zeit zu verlieren/ Als erfordere die hoͤchſte notturfft/ ſeine ſa-
chen zu ſtabilirn/ daß er deß Feinds Volck/ mit dem allerehiſten/ in Boͤhmen/ ein-
laſſe/ vnd zu dem Pfaltzgraffen von Pirckenfeldt/ als nechſtgeſeſſenem/ ſchicke/
Jhme mit zwey tauſent Pferden/ vnd ein tauſent zu Fuß/ zu ſuccurirn/ vnd dem-
ſelben/ die Paͤß deß Koͤnigreichs/ Eger/ vnd Elnbogen/ einraumen/ Jtem daß Er
auch alsbaldt den Jllo abfertige/ Cronach/ vnnd Forchheimb in ſein gewalt zu-
bringen/ wie nit weniger dahin zu tractirn/ damit Jhme die Veſte Blaſſenburg/
zu einer ſichern retirada moͤchte vergunt werden/ Alſo hat Er auch erzehlet/ wie
Jhme Friedlandt/ der Schaffgotſch/ auß Schleſien/ beſchrieben/ daß Er zwey
tauſent zu Fuß/ vnd 4000. Pferd zu ſeinen dienſten habe/ die Stadt Lignitz ein zu-
Vnehmen/
[154]De Statu perturbato Franciæ.
nemmen/ vnd den Coloredo/ ſein Friedlands befelch nach/ beym Kopff bekommen
werde.


So ſeyn auch eben dieſe Nacht/ nemblichen den 24. Febraij von dem Her-
tzog Frantz Albrechten/ Schreiben einkommen/ daß Hertzog Bernhard von Wein-
mar/ in alles eingewilliget/ was Friedland begehrt/ doch werde Er noch ſelbſtẽ/ mit
Jhme/ wegen der Conjunction der Waffen reden/ Deßgleichen iſt auch der
Cantzler/ Johann Eberhardt Sohn zu Eltz/ eben daſelbſt/ zu dem Marggraf-
fen von Culmbach abgefertigt worden/ den Er/ nach Erinnerung ſeiner berait be-
ſchehenen exauctoration/ dahin erſucht? Erſtlichen/ Jhme Friedland/ zuvertrew-
lichen Conferentz zeit vnd orth zubenennen/ an welchem Er ſich ſicher/ mit weni-
gẽ Comitat/ begeben koͤndte. Andern/ daß Er Margg. einen gewiſſẽ Abgeſandẽ/ dar-
zu vor andern/ den Oberſten Muffel/ benant) nacher Eger abfertigen wolte/ deme
Er Friedtlandt erbietig/ weiln auch der Churſaͤchſiſche General Leutenandt Arn-
heim/ dahin kommen wuͤrde/ vnd man Hertzog Bernhards von Weymar/ zu
deme Hertzog Frantz Albrecht verꝛeyſet/ ebenmaͤſſig gewaͤrtig/ was vorgehen
wurde/ vnd dieſer ſachen weitere vmbſtaͤndt/ zu communicirn/ vnd gegendem
Abgeſandten/ in mehrerm/ ſich zu expectorirn/ Beynebens auch fuͤr das dritte/
wann Er Friedtlandt bey gedachten Marggraffen geweſen/ waͤre Er bedacht/ ſich
folgendts zu dẽ Schwediſchen Reichs Cantzlern/ wie auch zu dem Frantzoͤſiſchen
Ambaſciatoren zu erheben/ vnnd ſich mit Jhnen/ dieſer ſachen halber/ zu be-
ſprechen.


Dieweilen dann/ auß dieſem/ der Leßle geſehen/ wie Friedlandt/ alles zu
pracipitirn, varhabens/ vnd daß bey ſolcher augenſcheinlicher gefahr/ ſtill zu ſitzen/
Jhnen nicht verantworlich ſeyn moͤchte/ hat Er ſich als baldt in das Schloß/ zu
dem Obriſten Buttlern/ vnd Cordon verfuͤgt/ vnd Jhnen eines vnnd anders
referirt/ da dann der Buttler dem Leßle/ das Kaͤyſerl. Patent/ vnd die von dem
Herꝛn General Leutenanden Galaſſen/ immittels daruͤber empfangene Ordi-
nanz/ fuͤrgewieſen/ darauff alle drey ſich entſchloſſen/ die Rebellen/ als welche jn-
nerhalb zween taͤgen mit dem Feindt/ der auch ſchon gar nahendt an der Handt
geweſen/ ſich zu conjungiren/ reſoluirt/ ſolches auch zuverhinderen/ kein anders
ſicheres Mittel waͤre/ als gegen ſolche offene/ vnd durch obgedachte/ von jhnen ge-
fuͤhrte Verꝛaͤderiſche Anſchlaͤg/ noch viel mehr aber daſelbſt zu Eger/ gemachte
Anſtellungen/ entdeckte Verꝛaͤther vnd Belaidiger der hoͤchſten Maieſtaͤt/ handt
an zulegen/ vnd vom Leben zum Todt/ hinzurichten/ ſich auch mit einem Cor-
perlichen jurament/ zuſammen verbunden/ ehender Leib vnd Leben/ bey dieſer
euſſerſten gefahr/ in Jhrer Keyſerl. May. Dienſten/ zulaſſen/ als von dieſer Jhrer
reſolution abzuweichen.


Deß andern tags darauff/ als den fuͤnff vnnd zwantzigſten Februarij hat
Friedlandt/ Vormittag mit dem Jllo/ Tertzky vnd Kintzky Rath gehalten/
ohnge-
[155]De Statu perturbato Franciæ.
ohngefehr vmb zehen Vhr aber/ hat der Jllo/ die vorbenenten drey/ als den
Oberſten Buttler/ Cordon/ vnd Leßle/ zu ſich erfordert/ vnd Jhnen/ außbefelch
deß Friedlandts/ fürgehalten/ was geſtalt/ deß Hauß Oeſterꝛeichs gebrauch
were/ Jhre getrewe Diener/ etwa mit einem verguͤlten Schluͤſſel/ oder einem
ſchoͤnen Degen/ etwo mit einem krumpen Roß/ zu recompenſirn/ vnd im fall/ da
Sie jemanden eine Herꝛſchafft/ oder etwas mehrers/ geben/ ſeye es ein Zeichen/
daß Er nit lang mehr zu leben habe/ dann darnach werden Sie Jhme vergeben
oder vrſach ſuchen/ vmb den Kopff zu bringen; Er/ der General/ habe all-
weil mittel geſucht/ die Armada/ welche ſo wol gedient/ zu contentirn/
welches die Vrſach/ ſeiner Vngnad/ zu Hoffe ſeye. Verſpreche aber Jh-
nen allen dreyen/ dafern Sie bey Jhme halten/ vnnd einen Ayd thun werden/
deß Keyſers Befelch nicht mehr zu parirn/ ſonderen mit Jhme/ in gutem
vnnd boͤſem/ beſtaͤndig zuverharꝛen/ daß Er Jhnen nicht allein das jenige/
was Jhre Mayeſt. Jhnen ſchuldig/ bezahlen/ ſonderen mit ſeinen eigenen
Guͤtern/ vnnd groͤſſern Commandamenten/ im Kriegsweſen remuneriren
wolle.


Darauff Sie Jhme geantwortet/ daß Sie zwar Soldaten von der For-
tuna weren/ vnnd thaͤten dieſelbe annehmen/ woher Sie auch kaͤme/ allein
ſtunde Jhnen gleichwol noch im weg Jhr Juramentum/ welches Sie Jhrer
Keyſerl. Mayeſt. geleiſt hetten/ vnnd nicht ſo liederlich/ als Ehrliche Leuth/
hindan ſetzen koͤnden/ damit nun Jllo/ Jhnen dieſen Scrupulum/ benehmen
moͤchte/ hat Er jhnen ferners fuͤrgemahlet/ wie das Friedland Jhr General ſey/
vnnd weilen Er Sie/ von dem Jurament/ welches Sie anſtehend machte/ ab-
ſolvir/ als weren Sie damit/ auch Jhrer Kayſerlichen Mayeſtet/ weyter nicht
mehr verbunden/ Auff welches dieſe drey/ einen Verzug begehrt/ ob vielleicht
Jhre Kayſerl. Mayeſt. vnnd der General ſich vnter deſſen miteinander verglei-
chen moͤchten/ Dagegen Jllo wiederumb replicirt/ die Sachen waͤren nun-
mehr ſo weit kommen/ daß kein accommodation mehr geſchehen koͤnne/ vnnd
daß der General gantz vnnd gar reſolvirt ſeye/ keinen Herꝛen mehr zu haben/
vber welches Sie/ biß den nechſten Tag/ damit Sie ſich hierinnen reſolviren
moͤchten/ vmb Auffſchub gebetten/ ſo Jhnen auch ertheilt worden/ Entzwi-
ſchen hat Er Friedlandt auch Befelch geben/ deß anderen Tags hernach
alle Buͤrger zu Eger/ auff das Rath Hauß zu erforderen/ vnnd ſel-
bige mit Betroͤhung Spiſſens/ Henckens/ Pruͤglens/ vnnd anderen ſeinen
gewoͤhnlichen anerbieten/ zu compellirn/ wieder Jhre Kayſ. Mayeſt. Jhme zu
ſchwoͤren.


Als nun vorbenante drey Obriſten/ vnnd Commandanten/ dieſes
abermahlen geſehen/ ſeynd Sie wiederumb zu Rath gangen/ was geſtalt Sie
Jhre hievor geſchoͤpffte Reſolution zur Execution bringen moͤchten/ vnnd weilen
V ijdabey
[156]De Statu perturbato Franciæ.
dabey gar leichtlich ein Meutination zubeſorgen geweſen/ Als haben Sie für das
beſte Mittel befunden/ daß der Obriſt Leutenand Cordon/ den Jllo/ Tertzka/
Kintzky/ vnnd den Ritmeiſter Nyeman (welcher in dieſem gantzen Tradiment/
das Cantzler Ampt vertretten/ vnnd deß Tertzkain Sachen/ dahin ſich ſei[n] inge-
nium nicht erſtreckt/ Conſiliorum Director geweſen) zu ſich in die Burg/ auff
den Abend zu Gaſt geladen/ Gegen den Abend/ vngefehr vmb fuͤnff Vhr haben
Sie/ jhr Vorhaben/ auch deß Buttlers Obriſten Wachtmeiſter Geraldin offen-
bahret/ der ſelbiges nicht allein alſobald approbirt/ vnnd ſich darzu mit einem
gleichmaͤſſigen Jurament verbunden/ ſonderen auch offerirt/ Sechs Tapffere
Soldaten zu ordnen/ welche die Execution verꝛichten ſollen/ Deßgleichen ha-
ben Sie es vber ein ſtund hernach/ noch anderen drey Hauptleuten/ Jrꝛlaͤn-
deren/ von deme Buttleriſchen Regiment/ vnd einem von dem Tertzkiſchen/ Pe-
ſtalutzen genand/ vmb mehrerer Sicherheit wegen/ entdeckt/ die ſich alle mit
Jhrem Coͤrperlichen Jurament/ dar zu obligirt/ vnnd dieſelbe Nacht in der Burg
die Wacht gehabt.


Nach deme nun/ dieſes alles alſo beſtellt geweſen/ vnd die vier ein gelade-
nen/ vmb ſechs Vhr/ in die Burg kommen/ vnnd man zu Tiſch geſeſſen/ ſeyn auch
30. Buttleriſche Soldaten hinein gefuͤhrt/ darunter die Sechs/ welche die
Execution thun ſollen/ mit dem Obriſten Wachtmeiſter Geraldino/ zu negſt in
eine Cammer/ die vbrigen aber/ fuͤr die zwo Thuͤren deß Zimmers/ darinnen die
Mahlzeit geweſen/ damit ſich nicht etwa/ der Rebellen Diener/ opponirn moͤch-
ten/ geſtellt worden/ bey welcher Mahlzeit ſich dann/ die Rebellen noch mehrers
herauß gelaſſen/ ſonderlich aber Jhren Trunck/ auff deß Friedlaͤnders gute Jn-
tention/ deß Friedlands/ vnnd ſeiner Confoederirten/ vnnd dann ſein deß Fried-
lands/ als nunmehr ſelbſt Herꝛeus/ vnnd nicht mehr Generaln/ oder Dieners/
Geſundheit angeſtelt.


Nach auffgehobenen Speiſen/ vnnd als man das Confect auffgeſetzt/
hat der Obriſt Wachtmeiſter Leßle/ das Zeichen geben/ die auffzug Bruͤcken
zuſperꝛen/ alle Schluͤſſel zu den Thoren/ zu ſich ſelbſt genommen/ vnd durch einen
Jungen/ dem Geraldin ſagen laſſen/ daß nunmehr kein zeit zuverlieren. Dar-
auff die ſechs Soldaten/ durch die Thuͤr/ zu nechſt deß Tiſch/ Jn das Zimmer
hinein getretten vnnd geruffen/ Vivat FERDINANDVS, Auff welches die
vorgemelden alle drey/ als bald Jhre Degen gezuckt/ vnnd die Rebellen/ alle vier/
nieder gemacht worden/ Auff dieſe vollbrachte Execution/ ſo ohngefehr/ zwiſchen
ſieben/ vnnd acht Vhr/ beſchehen/ hat ſich der Leßle alsbald herauß/ in die Stadt/
auff den Platz/ verfuͤgt/ vmb zuvernehmen/ ob/ vnnd was derentwegen/ allbereit
allda/ für Reden/ vnnd rumores waͤren/ vnnd wie ſolche Execution auffgenom-
men werde/ Vnnd weiln Er befunden/ daß die Wachten/ zu denen Woͤhren ge-
loffen/ wegen zweyer Mußketen ſchuͤß/ ſo auff Jhnen Leßle ſelbſten/ in der Burg/
von
[157]De Statu perturbato Franciæ.
von der Wacht allda bey dem Thor/ beſchehen/ die vermeint/ daß Er auch einer/
von den Rebellen waͤre/ als hat Er Jhnen/ die vorgeweſte Friedlaͤndiſche prodi-
tion/ vnnd was derentwegen allbereit/ in der Burg/ fuͤr gangen/ auch was noch/
mit deß Friedlands Perſon/ fuͤr zunehmen/ entdeckt/ vnnd begert/ Jhrer Kaͤy-
ſerl. Mayeſt. nochmahlen zu ſchwoͤren/ vnnd mit Jhnen in dieſer Sachen/
zu halten/ zu leben/ vnnd zu ſterben/ Darein Sie alle alsbald conſentirt/ dar-
auff Er/ Obriſt Wachtmeiſter/ die Stadt Thor eroͤffnet/ vnnd hundert Tra-
goner/ vom Buttler/ hinein gelaſſen/ hin vnnd wieder/ in der Stadt zu reitten/
damit die Rebellen Adhærenten/ vnnd Diener/ nichts wieder die Soldateſca/
attentirn moͤchten. Welches Leßle dann nach mahlen/ daß nemblich alles in
guter Ordnung/ vnnd kein Meutination zu befoͤrchten/ dem Obriſten Buttler/
vnnd Cordon/ in das Schloß aviſirt/ darüber Er Buttler/ mit ſeinem Obriſten
Wachtmeiſt er Gerald in/ her auß kommen/ vnd alsbald/ das vordere Thor/ gegen
dem Platz/ bey deß Friedlands Quartier/ occupirt/ vnd das hindere/ mit andern 15.
Soldaten/ beſetzt.


Doch iſt noch mahlen conſultirt/ vnnd diſputirt worden/ welches beſſer/
den Friedland gefangen zu nehmen/ oder aber vmbbringen zu laſſen/ Die weilen
aber/ der Jllo/ vber dem Eſſen/ vermeld/ daß der General/ jnner dreyen Tagen/
ein ſolche Armadam/ werde zuſammen bringen/ dergleichen Er niemaln gehabt:
Vnnd der Nyeman geſagt/ Weiln Jhre Keyſerl. Mayeſt. die Teutſche Freyheit/
alſo vndertrucken zulaſſen/ begehren/ ſo verhoffe Er/ fuͤr ſeinen theil/ noch ſolche
revange zu haben/ daß Er ehiſtes/ ſeine Haͤnd/ in der Herꝛen von Oeſterꝛeich
Blut/ waſchen woͤlle: Als iſt es bey voriger reſolution/ denſelben vmbzubringen
noch mahlen verblieben/ bevorab/ weiln auch der Feind/ mit ſeinem Volck ſchon
ſo gar nahend an der hand geweſen/ Auff welches dann/ ein Jrꝛlaͤndiſcher Ca-
pitein/ Nahmens Deveroix/ neben andern ſechs Hellepartherern/ hinauff/ in deß
Friedlands Loſament/ ſich begeben/ vnnd deſſen Zimmer zugeeylet/ vnnd weylen
durch die anie Cameram, der Astrologus, herauß gangen/ iſt Er Hauptman/
ſampt ſeinen Mitgeſellen/ ohngefaͤhr zwiſchen neun vnnd zehen Vhr/ zu Jhme/
in das Zimmer/ hin ein getretten/ den Friedlaͤnder vom Bett/ weil Er wegen deß
gehoͤrten Tumults/ der Wacht zuruffen wollen/ auff geſtanden/ vnnd nahent bey
dem Fenſter/ in bloſſem Hemmet/ gefunden/ dene Er/ mit dieſen Worten/ an-
geſchriehen/ Biſtu der Schelm/ der das Keyſerl. Volck/ zu dem Feind vber-
fuͤhren/ vnnd Jhrer Kayſerl. Mayeſt. die Cron von dem Haupt/ herunter reiſſen
wollen/ derowegen/ muſt du anjetzo ſterben/ Doch aber noch was wenig zuruck
gehalten/ ob Er vielleicht noch was reden werde/ Darauff Er Friedland/ kein
einiges Wort gemeld/ ſondern nur die Armb außgeſpannt/ den ſtoß von dem
Capitein/ mit der Parteſanen/ vorn in die Bruſt/ empfangen/ zu boden gefalln/
vnd in ſeinem ſelbſt eigenem Blut verſtorben. Vnnd dieſes iſt das end/ welcher
V iijdieſes
[158]De Statu perturbato Franciæ.
dieſer Friedland/ fuͤr ſein vnerhoͤrte/ Barbariſche vndanckbar- vnnd trewloſig-
keit/ die Er/ an ſeinem Herꝛen/ der Jhne alſo hoch erhebt/ vnnd ſo greß gemacht/
erwieſen/ Iuſto Deijudicio, genommen/ an welchen billich alle/ ſo dem Ehrgeitz
dermaſſen ergeben/ daß Sie keine Schand/ Vngerechtigkeit vnd Meinerd/ nichts
achten/ ſondern/ in Jhrer begierlichkeit/ ſtockblind hindurch gehen/ ein Exem-
pel nehmen/ vnnd das diſcite justitiam moniti, et non temnere divos, fleiſſig be-
hertzigen/ nicht weniger auch/ die Jenigen/ ſich ſpieglen ſollen/ welcher der/ in
Goͤttlichem Wort/ verbottener Aſtrologiæ, ſich ergeben/ vnnd Gluͤck/ vnnd Vn-
gluͤck/ nicht der Goͤttlichen Providentz/ ſondern/ gantz Heidniſcher/ Gottloſer
weiß/ den Himmeln/ vnnd Geſtirn/ zumeſſen/ Jnmaſſen Er Friedlaͤnder/ neben
dem/ quod ſua cuique Deus est, dira libido, auff ſolche Aſtrologiſche Eytelkeit/ ſo viel
gebawet/ daß Er/ nicht allein alle ſeine Actiones, darnach angeſtellt/ ſonderen auch/
Koͤnigreich/ vnnd Seepter/ nunmehr in haͤuden zu haben/ vermeynt/ darbey aber
nichts/ als einen ewigen Schandfleck/ ſo alle ſeine/ ſo muͤheſeelig/ erhaltene gran-
detza/ auff einmahl/ zu boden geſtuͤrtz/ vnnd Jhme allein dahin gedient/ damit ſein
vntrew es/ falſches Gemuͤth/ deſto mehrer in der gantzen Welt bekand werde/ in
ſeine gruben gebracht.


Nach vollbrachter Execution/ haben/ der Buttler/ Cordon/ vnnd Leßle/ als-
bald die Cantzley verſperꝛt/ die Schlüſſel zu ſich genommen/ vnnd den toden
Coͤrper in ſein Leßle/ Gutſch legen/ vnnd zu denen andern/ in das Schloß fuͤh-
ren/ wie auch alle ſeine bey ſich gehabte Mobilien/ vnd Gezeuch/ dahin in verwah-
rung bringen laſſen/ der Buttler/ vnnd Cordon aber haben dieſes/ was fuͤrgan-
gen/ wie auch die vrſachen/ warumben Sie ſolches fürnehmen muͤſſen/ als bald
in die nechſt herumb gelegene Ouartier aviſirt/ vnnd derſelben Commandanten
vermahnt/ daß Sie auff ſich woll Achtung geben ſollen/ damit Sie nicht etwo
von dem Feind/ auff die noch vorhero von dem Friedlaͤnder gemachte Anſchlaͤg
vberfallen wuͤrden/ Deßgleichen habeu Sie auch alsbald deß andern Tags den
Obriſten Wachtmeiſter Leßle/ zu dem General Leutenand Galaſſen/ abgefertiget/
demſelben alles zu referirn/ von deme Er hernach gar nacher Wien/ abgeſchickt
worden.


Jmmittels/ vnnd nach dieſem Verlauff/ iſt Hertzog Frantz Albrecht zu
Saren Lawenburg/ wie derumb an der zuruck Reiß/ von Regenſpurg geweſen/
vorher aber den von Jllo auß Pilſen/ zu Jhme nacher Regenſpurg/ geſchick-
ten vom Adel/ Gerharden Molck/ durch den Er alles deß Jenigen/ was nach
ſeinem abreiſen allda fuͤrgeloffen/ vnnd wie Jhre Sachen ſtehen/ ſchrifftlich be-
richtet worden/ wiederumb mit zweyen Schreiben/ einem offenen/ vnnd einem
heimlichen zuruck zu dem Jllo/ nacher Egergeſchickt/ vnd den ſelben deß Weima-
riſchen Succurs/ wie auch daß alles ſelbiges Volck bereit im Anzug ſeyn/ vertroͤ-
ſtet/ vnd weilen Er Jhme einen Trompeter nacher Pfriembt entgegen zuſchicken
begert/
[159]De Statu perturbato Franciæ.
begert/ als iſt ſolches von dem Buttler/ vnnd Cordon/ beſchehen/ die Jhme in
Friedlands/ vnd ſeiner Adhærenten Nahmen/ mit dem allerehiſten nacher Eger
zu koͤmmen/ angemahnt/ beynebens aber alsbald einen Rittmeiſter/ damehlen
Leutenanden/ Nahmens Moſer/ mit etlichen Pferden entgegen commandiert/
Jhne dergeſtalt einzuholen. Welcher/ biß nacher Tuͤerſchenreuͤth gangen/ allda
Er verſtaͤnden/ wie bereit die Quartiermeiſter allda geweſen/ vnd daß deß andern
Tags etliche Regimenter von dem Feind/ alldorten ankommen ſollen. Jn deme
Er nun vmb dieſelbe Gegend ein Zeitlang gehalten/ vnnd endlich/ von weytem/
ein Partheygehen ſehen/ hat Er auff dieſelbe zugeſetzt/ vnnd weilen gedaͤchter
Hertzog Frantz Albrecht darbey geweſen/ hat Er ſich ſelbſten alsbald zu erken-
nen geben vnnd wie daß Er Freund ſeye/ dem Rittmeiſter/ damahlen Leute-
nand/ zugeſprochen/ darauff/ vmb willen dieſer/ Jhne alsbald anzuhalten/ vnnd
ſein Vorhaben zu entdecken/ ſich zu ſchwach befunden/ vnnd von allen Orthen
ein ſtaͤrckere Troppen vom Feind beſorgen muͤſſen/ die Waffen niederzulegen/
ſeinen Reuttern befohlen/ vber welches der Hertzog gefragt/ wer Jhme mit
dieſer Parthey Commandirt/ Jtem ob der von Friedland/ Jllo/ Tertzka zu E-
ger ankommen/ auch wie viel Regimenter Sie bey ſich hetten/ Vnnd als
Jhme der Leutenambt geantwortet/ daß der Tertzky Jhnen commandiret/ der
Friedtlandt aber/ mit acht Regimentern/ denen noch vier folgen ſollen/ ankom-
men waͤre/ hat Er ſolches mit Frewden vernommen/ vnnd ferners vermelt/
nun waͤre alles gut/ der Friedtlaͤnder were ſich zweiffels ohne mit Landſperg/
Franckfurt an der Oder/ Großglogaw/ Troppaw/ vnnd Pilſen wol aſſe-
curirt vnd verſichert haben/ Nun werden Sie ſich mit einander Conjungiern/
weiln allbereit ſechs Tauſent Pferdt/ vom Hertzog Bernharden von Weinmar/
vnd vier Tauſent von Chur Sachſen/ im Anzug/ welche alle/ wohin Sie der von
Friedtlandt commandieren wirdt/ pariren werden/ damit wollen Sie dem Key.
ſer/ vnd denen Paffenknechten/ als dem Gallaſſen/ vnd Picolomini ſchon be-
gegnen/ Vnter wehren dem vortreitten/ hat Er noch ferners erzehlt/ was vor
anſehenliche Kriegs præparationen/ als von dem Frantzoſen/ vnd anderer Orthen/
wieder Jhre Kayſerliche Mayeſtaͤt gemacht weren was vor anſehenliches Volck
auß Niederlandt/ im Anzug ſeye/ nunmehr hetten Sie/ die Reichs Staͤtt auch
in jhren Haͤnden/ vnd mit denen Kayſeriſchen/ werde man in erachtung aller
Vmbſtaͤndt/ gar baldt zu recht kommen/ Als Sie nun der geſtalt/ zu nechſt
Waldt Sachſen forth paſſirt/ vnd Er Leutenandt vermeint/ zeit zu ſeyn/ daß
Er deß Hertzogen koͤnne maͤchtig/ vnd verſichert ſeyn/ hat Er ſich ein wenig zu
ruͤck gehalten/ ſeinen Reutteren befohlen/ auff Jhne wohl achtung zu geben/
Wann Er ſeine Piſtolen gegen den Fuͤrſten/ rucken wurde/ Sie dergleichen thun
ſollen vnd darauff alsbaldt fuͤr den Hertzog/ wiederumb fuͤr paſſiert/ vnd ſich mit
ſeiner Piſtolen gegen Jhme præſentiert/ befragendt/ Ob Er ſich in gutem gefan-
gen ge-
[160]De Statu perturbato Franciæ.
gen geben wolle/ oder nit/ weiln Er ſich ſelbſten/ in denen bißhero gefuͤhrten
Diſcurſen/ gnugſamb Jhrer Kaͤyſerl. Mayeſt. Feind erklaͤrt/ Auff welches der
Fuͤrſt Jhne alsbald ermahnet/ ſolle jnnen halten/ mit vermelden/ daß Er ſolches
weder bey ſeinem Obriſten/ vielweniger/ bey dem von Friedland/ werde verant-
worten koͤnnen/ Als Er aber darauff vernommen/ daß Friedland/ Jllo/
Tertzka/ vnnd alle die jenigen Rebellen/ ſo wieder Jhre Aydspflicht/ gegen
Jhre Kaͤyſerl. Mayeſt. ſich vergrieffen/ in Eger/ allbereit nider gemacht worden/
iſt Er/ vber ſolche Relation ſehr erſchrocken/ vnnd vmb Quartier gebetten:
Doch aber nochmahlen im forthreiten/ ſich ſehr bemuͤhet/ wie Er dieſen Leu-
tenand auff ſeine ſeyten bringen/ oder durch allerhand cunctirn, ſich wieder loß ma-
chen moͤchte/ mit verſprechen/ bey ſeinem Fuͤrſtlichen Glauben/ nicht allein zehen
tauſent Ducaten/ als bald zur Rantzion zuerlegen/ ſondern auch ein Gut ſo Jhme
vnlengſt/ von Chur Sachſen/ verehrt worden/ einzuraumen/ vnnd Jhne bey
Jhrer Armada/ alſo zu avanciren/ daß Er/ die zeit ſeines Lebens/ gnugſamb ver-
ſehen vnd accommodirt ſeyn ſolte. Dieweiln aber/ dieſes alles nichts verfan-
gen/ vnnd Er geſehen daß es anders nicht ſeyn koͤnne/ hat er ſich endlich darein er-
geben/ vnd vermeldet/ Er ſey einmahl deß Kaͤyſers Feind/ vnnd daruͤber allein
gebetten Er Leutenand/ wolle Jhne nicht nacher Eger/ dann Er ſich befuͤrch-
tet/ moͤchte allda/ wie die andern/ tractirt werden/ ſondern in ſein Quartier/ vnnd
folgends/ zu dem General Leutenand/ Herꝛn Graffen Gallaſſen/ ſelbſten fuͤh-
ren. Vngeacht aber deſſen/ weiln Er Leutenand auß Eger/ von vorbemelten
dreyen/ commandirt geweſen/ hat Er denſelben dahin vberlifert/ Geſtalt dann
auch dieſes Hertzogen gute Neigung/ auff deß Friedlanders ſeyten/ auß ſeinem/
an den Jllo/ auß Regenſpurg/ vnterm dato, den vier vnnd zwantzigſten Februarij/
abgangenen eigenen Handbrieff/ nach folgenden Jnhalts/ mit mehrerm zuver-
nehmen.


Wolgeborner Herꝛ/ ꝛc. Sein ſchreiben habe Jch empfangen/ hoͤre vngern/
daß die Sachen nicht alſo gehen/ wie Jch wol gehoffet/ hat aber nichts zubedeuten/
Wir wollen/ wils Gott/ den Meineydigen Voͤglen/ ſtattlich die Haͤlſe brechen/
Jhre Lieb/ Hertzog Bernhard/ laſſen dero gantze Armada/ an den Granitzen/ zu-
ſammen kommen/ kompt auch noch ſonſten ein groſſes Volck auß Duͤringen/ vnd
der Orthen/ ſo habe Jch auch an den Churfuͤrſten/ vnnd Herꝛn General Leute-
nand geſchrieben/ eylends das Volck an den Granitzen zu ſammen zufuͤhrn/ wel-
ches alles in wenig Tagen geſchehen kan/ alſo/ daß Wir den Voͤgeln genug ge-
wachſen ſeyn werden/ Wegen Pilſen/ bitte ich gar hoch/ ſich deſſen wol zuver-
ſichen/ noch zu dẽ Haͤmerle/ einen zulegen/ der von keinem/ als võ Hertzogen depen-
dirt/ ſo wol Franckfurt/ Landsberg/ vnd die Oerther in der Laußnitz/ weil ſich die
Voͤgel ſolches mit Prag vnterſtehen doͤrffen/ fuͤrchte Jch/ Sie werden nit feyren/
an alle Oerther dergleichen zuſchreiben/ hoffe aber nicht/ daß Sie alle vom Hertzo-
gen auſſetzen
[161]De Statu perturbato Franciæ.
gen außſetzen ſollen/ Jch will meinen Weg gegen Eger zunemmen/ vnnd jm-
fall der Hertzog/ oder von denen/ die mit Jhme halten/ da ſeyn/ auch hinkom-
men/ bitte aber mir auff Pfruͤmbt mit einen Trompetter zu zuſchicken/ damit Jch
ſicher gehe/ vnd nit ertappet werde.


Deß gleichen iſt auch in Wien/ den Achtzehenden/ der Schafftenberg/ vnd
in der Schleſien/ den 24. Februarij/ der Schaffgotſch in Verhafftung genom-
men worden/ Vnd hat dieſer alsbaldt/ nach dem zu Pilſen auff gerichteten
Schluß/ auff den fall der Conjunction der Armaden/ die hernach geſetzten pun-
cta/ vnd Memorial/ vber das Landt Schleſien/ was fuͤr eine forma Regiminis/
in demſelben angeſtellt werden ſollen/ von eygner Hand auff geſetzt/ Nemb-
lichen.


  • Was denen von Preßlaw vor zutragen.
  • Was jhnen zubewilligen.
  • Was von Jhnen zu begehren.
  • Wie es mit Jhrem Volck gehalten werden ſoll.
  • Welcher geſtalt die Handlungen ins künfftig zu verſichern ſeyn.
  • Wie es mit den Kayſeriſchen Gefaͤllen ſoll gehalten werden.
  • Wer die Cammer verwalten ſoll.
  • Was bey den Fuͤrſten von Lignitz/ vnd Brieg/ wie auch Oelß vnd Bernſtatt an-
    bringen.
  • Was von jhnen zubegehren.
  • Wie Jhre Orth ſollen beſetzt werden.
  • Ob Jhr Volck Sie behalten ſollen.
  • Wie das Ober Ampt zu beſtellen.
  • Wie ein guter Vorꝛath an Geldt gemacht werden moͤchte.
  • Wie die Anlagen zu machen.
  • Wie ſelbige zu Continuiren.
  • Ob Volck im Landt wirdt bleiben muͤſſen.
  • Wie viel/ vnd an welchen Orthen.
  • Mit was vor manir das Land/ wegen der ſtreiffenden Partheyen/ vnd der Gart-
    bruͤder/ in Sicherheit zuerhalten.
  • Wie die Compactata mit Polen zu verenderen/ vnd zuſchlieſſen.

Vnd gleich den tag zuvor/ als Er gefangen worden/ nemlich den drey vnd
zwantzigſten Februarij/ vmb 5. vhr nachmittag/ nachfolgendes ſchreiben/ an den
Tertzka auß Ohla/ uacher Pilſen/ in Ziffern abgehen laſſen.


Hochgeehrter Herr Bruder/ ſeine drey ſchreiben/ hab ich wol empfangen/
eines geſchrieben ohne datum/ die andere zwey mit Charactern, eines vom Acht-
zehenden/ das andere vom Achtzehenden/ vmb 5. vhr/ das Schreiben an die Guar-
niſonen/ muß vergeſſen worden ſeyn/ habs nit bekommen/ was mir der General
XLeutenant
[162]De Statu perturbato Franciæ.
Leutenant Gallas ſchreibet/ iſt bey ligent/ darauß der Herꝛ Bruder/ vrtheilen kan/
daß ohne Jhrer Fuͤrſtl. Gn. abſonderlichen vnd ſchrifftlichen befelch/ daß Sie
wider an ſich gewiſen werden Jch jetzo bey dem Volck nicht ſonders viel außrich-
ten kan/ Vor dem/ ſeind Sie wol alle gut/ auff vnſer ſeiten geweſen/ jedoch hoffe
ich/ Sie ſollen auch wol wieder dar zu zubringen ſeyn/ Ob nun wol geſtalten Sachẽ
nach/ mit manier/ Jch ſelber jetzo dahin nicht kan/ nichts deſtominder wil ich alle
anſtellung machen/ damit auch alſo ſo viel muͤglich/ Jhrer Fuͤrſtl. Gn. wille voll-
bracht werden moͤge. Mein Volck habich gewiß/ alles in guter Devotion biß
dato/ hoffe Sie auch wol alſo zu erhalten: Das Landt wirdt auch alles thun/ was
man begehren wirdt/ wann man nur mit manier/ mit jhnen vmbgehen thut: Biß
dato hab ich/ eben der vrſachen halben/ mit denen von Preßlaw/ durch die finger
geſehen/ wie Er dann auß meiner Antwort/ an den Colloredo ſehen wirdt/ Was ich
gut gemacht hat deß Coloredo procedere/ wieder verderbt/ Jetzo nach dem ich deß
Herrn General Leutenants ſchreiben empfangen/ ſo hiebey/ laſſe ich zwar nichts
paſſieren/ Jedoch laſſe ich gegen Jhren Burgern nichts ſonderliches vornehmen/
bitt/ was weiters Jhr Fuͤrſtl. Gn. wille/ mich zu berichten/ wie auch/ wie weit Jhre
Fuͤrſtliche Gn. wollen/ daß mein Commando/ gehen ſolle/ Glatz habe ich ſtercker
beſetzen wollen/ was der Oberſt Leutenant an mich ſchreibt/ vnnd was ich
weiters verordnet/ iſt bey gefuͤgt/ Neuß vnd Troppa iſt beſetzt/ will mich auch
ſchon weiter deren Orthen verſichern/ Der Herꝛ Bruder ſchreibe von Opplen/
halt es ſoll Troppa ſein/ das Volck in Lignitz/ kan ich nit machen abziehen/ der Collo-
redo ſey dann weg/ weil Er hoͤhere Charge/ als ich bedienet/ ſo bald erauffgebrochen/
will Jch Jhnen Order ſchicken/ vmb Glogaw/ vnnd die Artilleria aldort/ hab ich
die groͤſte ſorg/ weil deß Colloredo Regiment darinnen ligt/ die Regimenter wil
ich ſchon inder verfaſſung halten daß man auff den Fall deren bedienen kan/ wie
vnſere ſachen jetzo ſtehen bitte ich Nachrichtung/ inſonderheit wie die Tractaten/
mit dem Churfuͤrſten/ vnd den Schweden ſtehen/ dann ſeyn wir da richtig/ hat
es mit den andern keine noth/ Sehr gut were es/ daß ich es bald wiſſen koͤndt
vnd muſte es auch bald deß Feinds Guarniſonen/ von den Jhren notificirt
werden/ damit deſto ſicherer man gehen/ vnd dem was etwan auſt Maͤhren/ oder
Hungarn komen wolt/ begegnen moͤchte/ Jch bitt der Herꝛ Bruder verliere kein
zeit/ wann was vorgehet/ vnd aviſire mich/ vnd mit eignem Currier/ diß Orths
ſoll gewiß kein fleiß/ Muͤhe vnd arbeit geſpart werden. \&c.


P. S. Daß der Diodati ſo fort iſt/ macht mir viel gedancken/ Er hat es vor
ſich allein nicht gethan/ Jſt zeit die Augen auffzumachen/ vnd nicht zu feyern/
was man thun will/ warumb der Arnheim ſo lang außblieben/ bitt ich nachricht/
wie ingleichem/ wo der Marche hingehen wirdt.


Es iſt aber/ allererſt nach dieſem/ eins theils effectus, dieſes vorgeweſen
Tradiments/ fuͤrnemlich zu Troppaw/ außgebrochen/ allda das Schaffgotſiſche
Regi-
[163]De Statu perturbato Franciæ.
Regiment/ vnter dem Oberſten Leutenandt Albrecht Freybergern/ gelegen/ vnd
in dem Werck/ der geweſte Commiſſarus/ Samuel von Lilienfeldt/ ſonſten
Schneider genandt/ das Directorium/ gefuͤhrt. Dann Erſtlichen/ die
vmbgeſeſſenen Staͤndt/ vnnd fuͤrnembſten Landtſaſſen/ Er Schneider/ mit
ſcharpffen außgeſchickten Patenten/ vnd betrohungen/ als wann Jhrer Kayſerl.
Mayeſtaͤt Dienſt/ es erforderten/ in reiveritate aber/ zu vorhabender Machina-
tion/ ein ſtarcke Summam Gelts/ von jhnen herauß zupreſſen/ vnd Sie in al-
lem/ zu Jhrer Jntention/ zunoͤtigen/ hinein/ in die Statt/ citirt/ vnd als ſelbi-
ge theils erſchienen theils aber nach vnd nach mit Gewalt eingehalten worden/
hat der Freyberger/ das Volck/ den andern Martij/ an dem platz/ zuſammen
gefuͤhrt/ vnd Jhnen offentlich fuͤrgetragen/ Er hab dem Roͤmiſchen Kayſer/
nunmehr achzehen Jahr gedient/ anjetzo da Ervermeint/ Gnad/ vnnd recom-
pens/ zuhaben/ ſolte Er mit dem Strick/ belohnet werden/ Ey ſo woͤll Er nicht
mehr/ dem Roͤmiſchen Kaͤyſer/ dienen/ vnd ſeine Soldaten/ werden Jhne dem-
nach/ vor einen Oberſten annemmen vnd wie in einem/ alſo im andern/ gebuͤhr-
lich gehorchen/ darauff den Degen gezuckt/ vnd geſagt/ Nun Jhr Soldaten/ Vi-
va Friedlandt/ bey dem will ich leben vnd ſterben? Vnd Jhme ſelbige alle/ wie
auch das Boͤmiſche Regiment Dragoner/ vnd deſſen Oberſten Leutenandt En-
gelhard/ von newem ſchweren laſſen/ ſich darauff der Statt/ vnd aller plaͤtz/ ver-
ſichert/ vnd zu fernern/ feindlichen Thaten/ fertig gemacht/ deſſen auch/ deß
Feinds Commandanten/ zu Oppeln/ vnd folgends ander orthen mehr/ vmb/ als-
baldt Jhnen zu aſſiſtirn/ vnd ſich mit zuconjungirn/ erinnert worden/ wie dann
bereit zwiſchen Jhnen/ verglichen geweſen/ daß der Schwediſche Commandant/
Dubaldt ſelbſten/ mit fuͤnffzehen hundert Pferden/ zu Jhme ſtoſſen/ vnd ſo dann
alsbaldt/ auff das Kayſerl. Volck/ vnter dem Oberſten Goͤtzen/ gehen/ ſelbiges
trennen/ vnd gar auß Schleſien verjagen wollen. Zu dieſem/ iſt den vierdten
Martij/ die Burgerſchafft/ in das Schloß/ erfordert/ vnnd Erſtlichen dem
Rath/ alles ernſts/ eingebunden/ Jhren Eydtzuaͤndern/ vnd daß Sie nun-
mehr/ dem newen erwoͤlten Roͤmiſchen Keyſer/ ſonſten Koͤnig in Franckreich/
dem von Friedlandt/ als erwoͤhlten Koͤnig in Boͤhmen/ den Koͤniglicheu Schwe-
diſchen Erben/ beyden Churfuͤrſten zu Sachſen/ vnd Brandenburg/ auch denen
Confoͤderirten Staͤnden/ vnd Staͤnden deß Reichs/ ſchwoͤren ſolten/ welches
Jurament hernach/ auch denen Landſtaͤnden/ zu gemutet vnd durch arꝛeſt/ harte
Gefaͤngnuß/ betrohung deß henckens vnd anderer erſchrecklichen Marter mehr/
herauß genoͤtiget werden wollen.


Damie diß werck auch/ vmb ſo viel deſto mehr/ auß gebreitet/ vnnd auch
andern/ nechſtgelegenen oͤrther/ vnd Laͤndern/ ſonderlich aber Maͤhren/ dar-
ein moͤchte gezogen werden/ iſt ein auffruͤhriſch/ abſchewliches Patent/ darinnen
die gantze Jntention/ die ſer boßhafftigen Rebellion/ begrieffen/ verfaſt worden/
X ijwelches
[164]De Statu perturbato Franciæ.
welches mit der Troppawiſchen/ Ratiboriſchen/ vnd Jaͤgendorffiſchen fuͤrnemb-
ſten Staͤnden/ Namen/ als waͤreſolches/ von Jhnen anſtatt der geſambten
Staͤndt/ in Ober Schleſien auffgerichtet/ vnderſchrieben/ mit der Stadt Trop-
paw Jnſigel/ als wann ein wahres Original verhanden/ (welch es doch nie mah-
len geweſen) vidimirt/ ſo weiter aller orthen publicirt/ werden ſollen: Jn maſſen
auch das Schreiben an die Stadt Olltzmuͤtz/ ſambt denen/ dahin gemachten Or-
dinanten/ von Jhme/ Schneidern/ bereit verfertiget geweſen. Vnnd ſeyn
Sie/ in dieſem Jhrem vorhaben auch nach deß Friedlandts todt/ noch ſo lang
verharꝛet/ biß der Feldt Marſchalck Leutenandt Goͤtz/ mit einer zimblicher anzahl/
Keyſerl. Volcks/ fuͤr die Statt geruckt/ vnd die Rebellen ſich endtlich mit Accord/
in Jhrer Kayſ. May./ devotion/ wie der er geben/ Vnd iſt vorgemelten Patents/
diß der Jnnhalt.


Demnach nunmehr notoriſch/ vnd Weltkuͤndig/ daß die Roͤm. Keyſerl.
Mayeſt./ Klar vnd ſchnurgleich/ den Hoch verpoͤenten vnd beſchwornen Reichs
Abſchieden zuwider/ die Evangeliſche Religion/ gantz vnd gar außzurotten/ vnd
eintzig allein/ die Catholiſche paſſirn zu laſſen geſonnen/ auch wegen der Evan-
geliſchen Guͤtter/ vor lengſt Jhrer Fürſtl. Gn. Herꝛn Generaliſſimo/ Hertzogen
von Friedtlandt/ die Confiſcation anbefohlen/ darauff auch das hetlige Sacra-
ment empfangen/ ſolches zum wuͤrcklichen effect zuſetzen/ vnd keines wegs dar-
von abzuſtehen.


Wann dann/ wegen ſolchen thaͤtlichen gewalts/ vnnd vnrechten Beginnen/
das gantze H. Roͤmiſche Reich/ neben allen Churfuͤrſten/ ſich zu oͤfftern daruͤber
beſchwaͤrt/ vnd vmb remedirung/ bey der Roͤm. Kaͤyſ. May. Vnterthaͤnigſt an-
gehalten haben ſie doch daſſelbe/ welches jhnen Gott der hoͤchſte ſelbſt gegeben/ nit
erhalten/ oder erlangen moͤgen/ Derohalben alle die Evangeliſche/ als zum theil/
auch etliche Catholiſche Churfuͤrſten notringentlich vervrſacht/ die in Gott ruhen-
de Koͤnigl. Maytſtaͤt von Schweden/ vmb Schutz Jhrer Religion/ vnd erhal-
tung der Vralten Privilegien/ vnd Teutſchen Freyheit anzuruffen/ vnd mit dero
in Verbuͤndnuß ein zu laſſen/ Ob nun zwar maͤnniglich vermeinet/ Jhre Kayſerl.
May eſtaͤt wuͤrden dermahln eins den erbaͤrmlichen/ vnnd gantz ellen den Zuſtand
im Roͤmiſchen Reich behertzigen/ vnd von derovnbillichen Jntention/ genaͤdigſt
abſtehen/ geſtalt Jhre Fuͤrſtliche Gnaden/ der Herꝛ Generaliſſimus, Hertzog von
Friedland/ eintzig vnd allein dahin gezihlet/ das Roͤmiſch Reich/ wieder in den
Standt zuſetzen/ vnd bey Jhrer Religion vnd Priuilegien zuerhalten/ So erwei-
ſets doch der augenſcheinliche/ vnd jelenger je mehr/ betrůbte Zuſtandt/ daß durch
flehenliches/ vnd erbaͤrmliches Vnderthaͤniges bitten/ nit das geringſte zuerhal-
ten geweſen/ Derohalben Hochtruͤngentlich/ das H. Roͤm. Reich/ nebens denen
Churfuͤrſten/ vervrſacht/ ſich in jhrer Koͤn. May. von Franckreich/ Großmaͤch-
tigen Herꝛn Staden/ der vereinigten Niederlaͤndiſchen Provintzen/ vnd Schwe-
diſchen Armeen/ zu Confoͤderiren/ zu welchen Jhre Fuͤrſtl. Gn. ꝛc. der Herꝛ
[165]De Statu perturbato Franciæ.
Generaliſſimus, Hertzog von Friedlandt auß hochwichtigen/ vnd erheblichen Vr-
ſachen/ ſelbſt geſtoſſen/ als auch das gantze Koͤnigreich Boͤhaim/ vnnd andere
mehr Erblaͤnder/ ꝛc.


Wann vns dann gleichfals gebuͤhren/ vnd obligen will/ zu manutenirung
deß Heiligen Roͤm. Reichs Abſchiede/ als Erhaltung Vnſerer Privilegien/ welche
Vnſere Vorfahren/ mit jhrem Blut/ Ritterlich erworben/ gleichfals den Letzten
Blutstropffen daran zuſetzen/ Vnnd nun mehr die ſambtlichen Staͤndt/ im
gantzen Hertzogthumb Schleſien/ ſich dahin verglichen/ damit einmahl/ der offt
gewuͤnſchte/ vnd geſuchte Friedt moͤchte wieder reſtabilirt werden. Als erſuchen
vnd ermahnen wir vnderſchriebene/ an ſtatt der ſaͤmbtlichen Ober Schleſien
Staͤnde/ alle Hohe vnnd Niedrige/ Graffen/ Freyherꝛn/ Edellenten/ Prælaten
Staͤnde L. L. hiemit/ weil fuͤnff gemeſſene Keyſerliche Regimenter/ als Schaff-
gotſiſch/ Tertzkiſch/ Moraziniſch/ Boͤhmiſch/ vnd Wallenſteiniſch/ alhier zuſamen
geſtoſſen/ welchen noch ſechs Regimenter/ neben Breßlawiſchen/ Briegiſchen
vnd Oppeliſchen Succurs, inner wenig tagen/ anhero folgen/ vnd gleichsfals/ der
Churfuͤr ſtlich/ Saͤchſiſche General Leutenandt von Arnheimb/ mit einer ſtarcken
Armada/ wie auch der Schwediſche General Duwaldt/ mit einer gleichmaͤſigen
ſtarcken Armee/ von Franckfurt/ anhero/ zu vns marchirt/ daß maͤnniglich/ von
den Herꝛn Staͤnden in Schleſien/ von dato au/ denen ſo ſich Kayſerlich nennen/
mehr das geringſte/ es ſey an Profiant/ oder Quartiern zu willen ſeyn./ ſondern
dieſelben/ mit Fewer vnd Schwerdt/ als vnſere aͤrgiſte Feinde zuverfolgen/ Her-
gegen den Friedlaͤndiſchen/ vnd deſſen Confoͤderirten allen guten willen/ als be-
forderung zu erweiſen/ vnd daß die ſaͤmbtlichen Herꝛen Staͤnde/ von der Ritter-
ſchafft/ in Ober Schleſien anhero zu vns ſtoſſen/ ſo viel reiſige Pferdt/ vnnd be-
werte Knecht/ als jmmer muͤglichen/ mit zubringen/ auch Proviant hero zuver-
ſchaffen/ vnd neben vns zuſtehen/ hergegen ſollen Sie hin wieder in gebuͤrlichen
Schutz genommen werden wo fern aber einer oder der ander Standt in Schleſi-
en/ ſolches nicht thun ſolte/ von den Guͤttern verlauffen/ oder mit dem wenigen
Reſt deß Kayſerlichen Kriegs Volck halten/ vnd ſolchen den geringſten Provi-
ant/ es ſey auff Koſſel/ Ratibor/ oder Neyß ſchickenwuͤrdt/ der ſoll mit Fewer
vnd Schwerdt/ von vns verfolgt werden/ vnd erfordert die ſonderbare Notturfft/
daß auffs ſchleunigſt/ die Statt Troppaw/ mit Profiant/ verſehen werden
muß/ Als wollen die negſte Herꝛn Staͤndt/ ſo viel Mehl/ Saltz/ Korn/ vnd Viech/
als jmmer muͤglich anhero verſchaffen/ damit die angetrohete execution/ gegen
ſolchen nicht moͤchte effectuirt werden/ Die Kayſerliche Herꝛn Officier aber zu
Roß vnd Fuß/ wie auch gemeine Reuter vnd Knecht/ werden hiemit gleichsfals/
von vns gebuͤhrlichen erinnert vnd gebetten/ nach erfahrung deſſen/ ſich zu vns
anhero zubegeben/ ſolle jedem ſein Anrit: vnd Lauffgelt/ da hierzu Sechzig Tau-
ſent Reichsthaler parat beyhanden/ gegeben werden/ Gleichsfals ſoll es mit der
X iijRitter-
[166]De Statu perturbato Franciæ.
Ritterſchafft (ſo beliebet wuͤrcklich zudienen/ gehalten werden/ wird alſo jedes
ehrliebendes Gemuͤth/ ſolchem nach zuleben/ vnd vorſchaden zu huͤten wiſſen da-
mit ſich aber mit begeben dem fahl/ niemandt der Vnwiſſenheit zuentſchuͤldigen/
haben wir diß offene Patent/ durch zwantzig gleichmeſſige vidimerte model publi-
ciern,
vnnd vnter Vnſerer Handt vnnd Jnſigel/ außfertigen laſſen/
Geſchehen den dritten Tag Martij/ Anno Sechzehenhundert vier
vnd dreyſſig.


Das Schreiben aber an die Statt Ollmuͤtz/ nach folgender geſtalt geſtelt/
vnd von dem Schneider vnterſchrieben geweſen.


Was im heiligen Roͤmiſchen Reich/ zuerhaltung Vnſerer alten Privi-
legien/ als reſtabilierung/ deß Edlen lengſt gewuͤnſchten Friedens/ fuͤr ein muta-
tion ſich ereignet/ vnd weſſen ſich die Herꝛn Staͤnde/ in Ober Schleſien/ reſol-
virt/ daſſelbe geruhen dieſelben/ auß der Beylag/ mit mehrerm zuerſehen.
Wann dann ein Regiment Dragoner/ neben zweyhundert Pferdten/ vnnd
dreyhundert Mann zu Fuß/ auff Ollmütz marchirn ſollen/ die Statt/ zu Jhrem
ſelbſt eigenem beſten von Jhrer Fuͤrſil. Gn. dem Hertzogen von Friedlandt/ als
deſſen Confœderirten zubeſetzen vnd zu manuteniren/ Als erſuche ich die Herꝛn
gantz dienſt freundlich/ obſpecificirt Soldateſca/ nit allein gutwillig einzulaſſen/
ſondern jhnen alle befuͤrderſame aſſiſtents zuleiſten/ Jmfall aber ſich die Herꝛn
widrig erweiſen ſollen/ haben Sie anders nichts/ als Fewer vnd Schwerdt/ von
vns zuerwarten/ Welches Jch denſelben in Nahmen Jhrer Fuͤrſtliche Gnaden/
deß Herꝛn Generaliſſimi/ Hertzogen von Friedtlandt/ vnd deſſen Confœderir-
ten,
hiermit anmelten ſollen.


Vnd iſt dieſes kuͤrtzlich der Verlauff dieſer hochgefaͤhrlichen/ vnd faſt vn-
erhoͤrter prodition/ welche viel mehr auß Goͤttlicher Vorſehung/ ſo dann dißfals
zu handhabung Jhres geſalbten vornemblich gewachet/ als durch Menſchliche
Vernunfft/ nach dem die Conſpiranten/ albereith allein vortheil fuͤr ſich gehabt/
diverirt vnd verhindert worden vmb welche Gnadt auch der Goͤttlichen May.
billich alle/ deß Hochloͤblichen Hauß von Oeſterꝛeich/ getrewe Vnterthanen/
vornemblich/ dann auch allgehorſame Reichs Staͤnde/ inniglichen danck zu ſa-
gen/ deren dann vnterſchiedliche/ auch außwendige Fuͤrſten/ vnd Potentaten/
Jhrer Kayſerlichen Mayeſtaͤt/ guthertzig gratulirt/ bey welchem man einem/
jedwedern/ der nit gaͤntzlich in Haß/ vnnd Neidt gegen mehrhoͤchſtgedachter
Kaͤyſ. Mayeſtaͤt/ vnd dero Hauß erſoffen/ wie auch der werten poſteritaͤt/
das Vrthel fellen laͤſt/ ob bey ſo beſchaffener bewandnuß/ vnd fuͤr Augen ſtehen-
der euſſerſten gefahr/ Jhre Kayſerl. Mayeſtaͤt anders als beſchehen/ verfahren/
ſich auch vnd die reliquias, deß Roͤmiſchen Reichs/ vnd Jhres Glorwuͤrdigen
Ertzhaußes/ welchem die letzte mina allbereit gegraben geweſen/ vnnd gleich jetzo
ſpillen ſollen/ conſerviren koͤnnen oder moͤgen/ Vnd ob nicht die Jenige/ Jhre
boßhaffte
[167]De Statu perturbato Franciæ.
boßhaffte gifftige affectus, al zu ſehr an Tag geben/ welche bey ſo offenbarer per-
duellion,
vnd verꝛaͤtherey/ die Kayſerl. May./ einer Jnjuſtitz/ die Ehrliche Obri-
ſten vnd Cavallier aber/ ſo zurechtmeſſiger execution/ wieder dieſe rebellen/ Jh-
re Ritterliche Handt dargeſtreckt/ vnd Jhren Aydten/ vnnd Pflichten nach kom-
men/ eines Meuchelmordts zubeſchuldigen/ ſich nicht entferben. Daß aber ſol-
ches/ auß lauter boͤſer paſſion herflieſſe/ vnd alſo bey vernuͤnfftigen/ vnnd zu der
Gerechtigkeit geneigten Gemuͤthern/ keines beyfals/ auff ſolche fraͤvendtliche
judicia ſich zu beſorgen/ erhellet auch vornemblich daher/ daß eben dieſer Friedt-
laͤnder ſo lang Er in Kayſerlicher devotion verharꝛet/ vnd ſeinem Generalat/ mit
trewen vorgeſtanden/ fuͤr das groͤſte monſtrum naturæ/ vor gemahlet/ wird. Er
aber durch Eydtbruͤchtigen vndanckbarn abfall/ von ſeinem rechten Herꝛen/ die
Canonication/ verdienet/ deme auch gantz Teutſchland parentirn ſolle/ welche zwar
ſich zum wenigſten/ deß hochvernunftigen Heyden dicti/ erinnern ſollen/ Amo pro-
ditionem, non proditorem
wann Sie ja Jhre Feindtliche Intentiones, gegen die-
ſem Hochloͤblichen- von dem Heyl. Reich/ in die vierthalb hundert Jahr ſo hoch
meritirtẽn Hauß/ noch nicht gaͤntzlich auff ein ſeiten ſetzen koͤnnen. Der guther-
tzige Leſer/ hat ohne zweiffel in dieſer Relation zu finden/ was Er etwo
bißhero geſucht. Den gifftigen Spinnen/ iſt keine
Roſe ſo Edel/ vnnd Tugenthafft/ daß ſie
nicht darauß ein Gifft machet.


ERDE.



[][1]

Der 1. Diſcurß.


Wie die Naturkuͤndiger den Himmel abmeſſen; deß Monds
Beſchaffenheit berichten; was Mathuſalem vor ein Geſpraͤch mit dem Schoͤpf-
fer gehalten; welchem Exempel Riſchelius vnd Friedland/ auch der Koͤnig auß
Schweden folgen/ vnd aller Vnruh uͤberhaben ſeyn moͤgen.


Eingang.


DJe Naturkuͤndiger/ ſo an der blawen Buͤhn deß gewoͤlbten Oberbaws
dieſer Welt doͤrffen herumb ſpatziren/ erzehlen vns wunderſeltzame
Sachen/ von allerhand Gethiers/ das droben ſchwebe. Dann ſie
finden Hunde/ Jaͤger/ Pferde/ Raben/ Adler/ Schlangen/ Waſſer-
ſtroͤme/ Schiffe/ Koͤnigliche Cronen/ Altaͤr/ vnd vielleicht mehr denn ſie in Ob-
acht nehmen moͤgen/ noch den Vnwiſſenden vnd beſtuͤrtzten Erdmaͤnnlein refe-
rie
ren. Sonderlich iſt kuͤnſtlich/ daß ſie den allgreiffenden Zirckel in dreyhundert
vnd ſechtzig Stuck abtheilen/ eine Lini von dem einen Weltangel ziehen/ durch den
Mittelpuncten der Erden/ zu dem Gegenfußnern biß an den andern Weltangel/
dadurch dieſe runde Scheibe in zwey gleiche Theil zerfaͤllet/ alſo daß es gibt/ ein
obere/ vñ ein vntere Welt/ wie ſolches die liebe Sonne am allerbeſten weiß/ vñ allen
Tag beſichtiget. Eben leicht ziehen dieſe Weltverſtaͤndige eine Querlini/ vnd
thun einen andern Schnit oder Strich/ durch obgemeldte beyde Theil der Welt/
damit ſie in vier gleiche Stuͤck zerfalle.


Vnd hie haͤtte ein jedes Quart vnd Viertheil neuntzig Grad/ deren jedem ſie
fuͤnff zehen teutſche wolgemeſſene Meilen zulegen: Wann aber die Erd- vnd
Waſſerkugel ſehr geringſchaͤtzig/ ja nur einem Mittelpuncten im Cirkelkreiß
gleich iſt/ gegen dem ſehr hohen vnd breiten Himmel/ erfolgt/ daß die Meilen dro-
ben vngleich/ laͤnger ſind/ als hievnden: Welches die liebe Sonne ſo faſt befindet/
daß ſie wie ein Poſtreuter/ muß außſpannen/ hinter die Berge ſich verkriechen/
vnd die abgemattete Pferde/ wie beym Ovidio außfuͤhrlich zu erlernen/ in dem
wilden Meer abkuͤhlen/ damit ſie nach der Morgenroͤhte wieder herfuͤrbreche/ vnd
vns beſcheine.


A aOb
[2]De Statu perturbato Franciæ.

Ob es nun droben auch Berg vnd tieffe Thal gebe/ haben vns dieſe Himmels-
Poſtilionen noch nicht allerdings berichten wollen/ oder auch wir glauben koͤnnen:
auſſerhalb daß vns Galilæus vnd Keplerus, anderer zu geſchweigen/ (zumahl dieſe
weit hellere Brillen auß Holland oder Venedig gebraucht/ als andere/ vnd der
wanckende Erdmann/ oder Himmelveſte Copernicus neben das Ziel getroffen/
auch vielleicht als Tycho Brahe in ſeiner Klufft/ vnd tieffen Hoͤle/ den Himmel
drunten beſſer zu beſchawen/ als droben) eines newen Weltbaws in dem Mond
weiß machen; mit finſtern Thaͤlen/ als Flecken vor den Augen der Vnverſtaͤndi-
gen/ mit breiten Seen vnd Stroͤmen/ nicht von Waſſer/ ſondern von Liecht vnd
Heiterkeit/ mit hohen Bergen/ deren Schatten wol gar vber den Mondkreiß hin-
auß falle: alſo daß/ wer hieunten auff Erden muͤde waͤr zu leben/ dorthin koͤndte
ziehen zu wohnen/ als in das erſte Dorff/ gegen der Vorſtadt/ ſo in der Sonnen
dieſer Rechnung nach/ (welche David vielleicht in ſeinen Pſalmen/ da jeder
Paß recht gegeben iſt/ auch verſtanden) liegen muß/ biß deß Himmels Pallaſt ſich
oͤffnete/ vnd jhn auffnehme.


Dann es wird Mathuſalem mit einem Tag/ welchen die Gotts gelehrten vff
tauſend Jahr/ nach der Goͤttlichen Rechnung anſetzen/ hieunten auff Erden vor-
lieb nehmen/ vnd den Verluſt etlicher dreiſſig Sonnen-Jahren/ die jhme an dem
millenario gemangelt/ ſo hoch nicht achten/ wann er ſechs Tage/ oder ſechstauſend
Jahr in dem Mond wird zu hauſen vnd zu wohnen haben/ biß er nach vollendeter
ſelber Arbeitswochen/ einen Sprung thut in den Sabbath/ von welchem ohne das
Moſes nur den Anfang meldet/ aber den Schluß verſchweiget/ vns anzudeuten/
daß wir nur nach dem Anfang deſſelben ſiebenden vnd Ruhetages trachten/ ſo
werde es hernach in Ewigkeit mit vns keine Noht haben.


Vnd eben dahin zielete der alte Mathuſalem/ als er mit dem Schoͤpffer in ein
Geſpraͤch gerahten/ vnd ein andere Herberg dann diß muͤhſame Leben/ begehrte zu
finden. Dann wie die Leute/ ſelbiger Zeit/ von einem Ende der Welt zum an-
dern zogen/ ſich vnd die jhrigen ſambt dem Viehe durchzubringen/ vnd zu ernehren/
weil jhnen das Land offen ſtunde/ vnd noch nicht ſo enge war worden/ als zu den
Zeiten Abrahams vnd Loths/ die ſich voneinander ſcheiden muͤſſen/ vmb beſſern
Raum zu haben: alſo funden ſie doch nirgends/ als Erde vnter jhren Fuͤſſen/ Ar-
beit vnd Muͤhe in jhren Haͤnden/ vnd Bekuͤmmenuß vnd Schrecken bey jhren
Heerden/ darumb waͤren ſie gerne auß der Welt gegangen/ wann ſie eine Bruͤcke
oder Leiter zu der andern wiſſen/ finden vnd ergreiffen koͤnnen.


Jhnen nun einen Muht zu machen bey ſo langer Wallfaht/ erlaubte der
Schoͤpffer das Eingeweid der Erden/ als Edelgeſtein/ Gold/ Silber/ Eiſen/ an
welchen Dingen die Erdſuͤchtige jhre Kurtzweil haͤtten/ den Verdruß der uͤbrigen
Muͤhe vnd Arbeit zu leichtern: Darzu dann auch der edle Rebenſafft/ das Hertz
zu erfrewen/ kommen iſt/ wiewol vns etliche bereden wollen/ ob haͤtte der Schoͤpffer
dieſes Gewaͤchs der erſten Welt verſagt/ vnd dem Ertzvatter der andern Welt
geſpahrt
[3]\& Germaniæ Continuatio.
geſpahrt vnd vorbehalten/ als ob etwas newes haͤtte moͤgen erſchaffen werden/ da
doch Moſes mit den erſten ſechs Tagen alle Werck der Erſchaffung beſchlieſſet.
Aber den Himmelgierigen gab der Schoͤpffer ein andere Lehr/ nemblich ſie ſolten
ſich an ſolchem Puppenwerck nicht vergaffen/ ſondern an das vnvergaͤngliche mit
veſtem Ancker der Hoffnung halten. Wann ſie nun auch anfingen den andern
ſich gleich zuſtellen/ vnd in dem Bauch der Erden zu wuͤhlen/ oder jhrer Augen Luſt
vff ſolche Sachen/ die vnter jhren Fuͤſſen von Natur liegen/ zu ſchlagen/ wurden
obgemeldte Kinderboſſen jhnen entzogen/ oder ſie durch den Weg alles Fleiſches
mit Gewalt davon geriſſen/ vnd an jhren rechten Ort/ zu jhren Vaͤttern/ ja zu
dem ewigen Vatter/ in die ewige Huͤtten verſetzet.


Zu dem Ende gieng der Schoͤpffer mit jhnen freundlich vmb/ legte ſeine Ma-
jeſtaͤt ab/ hielt Geſpraͤch/ pflegte alles Vnterrichtes/ gemeiniglich mit dieſem
Beſchluß: Alles was ſichtbar waͤre/ muͤſte dermaleins in der allgemeinen Refor-
mation,
die uͤber Erde vnd Himmel gehen wuͤrde/ vergehen/ vnd zerſchmeltzen.
Darum koͤndte keine beſtaͤndige Hoffnung darauff geſtellet werden/ doch moͤchte
vnd muͤſte der Menſch zu ſeiner nohtwendigen Vnterhaltung/ ſich aller vnd jeden
Geſchoͤpffen/ ſo jhm zu Lehen vffgetragen/ bedienen vnd gebrauchen/ dieſelben Guͤ-
ter aber nicht vmbbringen/ auff daß er in der Schluß-Rechnung ſeines zeitlichen
Lebens beſtehen/ vnd bey der endlichen Zahlung oder Wiervergeltung ledig vnd
loß/ aller hinterſtelligen Schulden vnd receſlen frey vnd queit gezehlt werden
moͤchte.


Dieſe Lehr hatte zuforderſt Seth/ vnd folgends Mathuſalem ſo wol gefaſſet/
daß er/ wo nicht auß der Welt/ ob es ſo frühzeitig thunlich waͤre/ ehe er ſeinen Lauff
haͤtte vollendet/ doch in ein Kloſter oder Einſidel gehen moͤgen/ da ſelbiger Zeit der
oͤde Erdkreiß nicht ein anders erfordert haͤtte. Vnd ob er ſchon/ gleich andern/
Soͤhne vnd Toͤchter zeugete/ fuͤhrte er doch ein abſonderliches Leben/ wolte in kei-
nem verſchloſſenen Ort wohnen/ als ob er ſich foͤrchtete/ vnd deß Schoͤpffers
Schutz/ oder die Salvaguardia der lieben Engel jhm nicht genugſam waͤre/ weniger
aber ein Neſt auff die hohen Spitzen der Felſen legen/ ſich vorſaͤtzlicher Weiſe aller
Bequemlichkeiten zu berauben/ vnd gefaͤnglich einzuſchlieſſen/ noch auch einen
tieffen Waſſergraben vmb ſich ziehen/ den reinen Lufft ſtinckend vnd ſchwer zu
machen.


Vnd wie er dem geſundeſten Lufft/ dem geſegneſten Lande nachzoge/ alſo belude
er ſich nicht mit vielen mobilien, er trancke nicht auß Porſellan oder Chryſtall/ wo-
bey ſo groſſe Sorgfaͤltigkeit ſeyn muß/ daß ſie nicht verbrechen/ vnd Zorn erre-
gen/ ſondern auß ſeinen beyden Haͤnden/ wie Diogenes, oder nam ein breites Blat
von dem Erdgewaͤchs/ eine Rinde von einem Baum/ ein holes Rohr/ darauff er
ſich etwan auch ſtewren kondte. Sein Ruheſtatt war der Schirm hinter einem
Felſen/ oder vnter einem Baum/ da er die Aeſte zuſammen geflochten/ zur leben-
digen Tapezerey gebrauchte. Sonderlich aber hatte er ein inbruͤnſtige Vorſorg
A ijvor ſein
[4]De Statu perturbato Franciæ
vor ſein Ehegatten/ vnd vor die kleine Kinder/ damit der Tracht vnd hohem Lei
be/ auch der Geburt vnd zarten Natur der Saͤuglingen kein Vnheil begegnen
moͤchte.


Zu ſolchem End zimmerte er einen Karn/ oder Wagen/ den deckte er mit gruͤ-
nen Aeſten von den Baͤumen/ den zieret er mit wolriechenden Blumen vnd Ge-
waͤchſen/ dahinein legt er/ was jung/ beſchwert/ matt vnd muͤde war/ vnd wann
das Vieh wegen der Weide einen Ort muſte verlaſſen/ vnd einen andern ſuchen/
ſpannte er ſich ſelbſten an dieſen Wagen/ jederweilen ſeine Greth neben ſich/ da-
hero vnd von keinem andern Vrſprung die Ehe bey den Lateinern genandt wird
conjugium, ein gekoppeltes Paar/ ſo an einem Karn ziehen; Vnd haͤtte keinen
Verdruß an dieſer lieben Arbeit/ die jhme auch keinen ſonderlichen Schweiß auß-
truckete/ zumal ſelbiger Zeit die Menſchen ſo gar ſtarck/ groß vnd kraͤfftig gewe-
ſen/ als hernach die Rieſen vnd Helden ſeyn moͤgen: Wie dann in der Heſſiſchen
Chronick zu finden/ daß ein Landgraff Abends mit ſeiner Fraw Mutter ſpatziren
gangen/ vnd einen geladenen Wagen mit Wein in dem Wege/ ohne Pferd/ ſte-
hend funden/ denſelben/ der Fraw Mutter Raum zu machen/ mit einer Hand er-
griffen/ vnd beyſeit gezogen; Da jhn nun die Fraw Mutter erinnerte/ es ſolte
ein junger Mann ſeine Staͤrcke nicht miß brauchen/ oder zu ſeinem ſelbſt eigenen/
vnd jederweilen vnverhofften Schaden anwenden/ wolte er bezeugen/ daß es jhme
kein ſonderliche Muͤhe waͤre/ ergrieff den gemeldten Wagen abermals/ vnd fuͤhrt
jhn wieder an die vorige Stell.


Doch begab ſichs einsmals/ daß vnſer Mathuſalem ſtecken blieb im Gebürg
Armenien/ oder Ararath/ oder daß er ſich eines Vmbfalls vnd Schadens beſorgte/
vnd ſeine Kraͤfften zu ſchwach befande. Darumb ruffte er zu ſeinem Schoͤpffer
vmb Huͤlff/ wie dann derſelbe die Frommen bald erhoͤrt/ vnd nimmermehr verlaͤſt/
noch verabſaumbt. Derſelb ließ ſich zur Stund ſehen/ halff jhm auß Noht/ vnd
gieng deß Wegs ein Stuck mit jhm. Vnter anderm fiel auch dieſes Geſpraͤch ein:
Ob nicht einem Himmelgierigen ſolte erlaubt ſeyn/ eine beſtaͤndige Wohnung
auff Erden zu wehlen/ ein Neſt zu machen/ vnd darinnen zu veralten? Da es
dann Rede vnd Wiederrede genugſam gab/ mit dem endlichen Schluß/ daß den
Frommen zum beſten die Welt nicht nur erſchaffen/ ſondern auch erhalten wuͤr-
de/ zumal ſie nicht Knechte/ ſondern Kinder vnd Erben jhres Schoͤpffers waͤren/
der jhnen alles haͤtte vnterthaͤnig gemacht/ vnd zum Gebrauch uͤberlaſſen vnd ein-
ger aumbt/ doch mit Vorbehalt/ daß ſie deſſen nicht ſolten mißbrauchen/ oder jhr
Vertrawen hierauff ſetzen/ vnd von dem Allmaͤchtigen Schoͤpffer abziehen: we-
niger aber ſich einbilden/ daß jhr Neſt jhnen vnzerſtoͤrt müſte bleiben/ biß an das
Ende jhres Lebens; angeſehen der Schoͤpffer die Frommen auß gutem Vorſatz
von einem Ort in das andere führet vnd leitet/ auch manchmal laͤſſet Mangel lei-
den/ auff daß die weltliche Frewd die ewige Hoffnung nicht erſticke/ vnd etwan das
vergaͤngliche zum hoͤchſten Nach theil Leihes vnd der Seelen/ vor das vnvergaͤng-
liche
[5]\& Germaniæ Continuatio.
liche vnd immerwaͤrende beliebet/ angenommen vnd gebrauchet/ ja verſchwen
det werde.


Solcher Geſtalt moͤchte dann Mathuſalem einen luſtigen geſunden Ort/ bey
flieſſendem Strom vnd rauſchenden Baͤchlein ſuchen vnnd erwehlen/ derglei-
chen Tamerlanes/ nachdem er einen groſſen Theil der bekandten Welt Creutz-
weiß mit Heersmacht durchſtrichen/ im Land Perſien jhme endlich beliebet/ daſelbſt
moͤchte er einen Pallaſt bawen/ alle Raritaͤten der Welt/ ſo hin vnd wieder/ nach
eines jeden Landes Art/ vnd Himmels Einfluß zerſtrewet vnd eintzeln zu finden/
zuſammen tragen/ vnd darauß Vrſach nehmen/ die Weißheit vnd Guͤte deß
Schoͤpffers zu ermeſſen vnd zu preiſen. Ob nun ſchon dieſe Meinung nicht al-
lerdings vnannehmlich/ ſonderlich dem Fleiſche war/ erinnerte ſich doch Mathuſa-
lem ſeiner Hoffnung/ vnd deß Himmels Burger-Rechts/ antwortet demnach/
es waͤre nicht ohn/ niemand ſolte den Schoͤpffer verſuchen/ noch die an Handen
gelegene Mittel verachten/ wann Schutz vonnoͤhten thaͤt. Gleichwol waͤr
menſchliche Bloͤdigkeit ſo gar groß/ daß es ſchier vnmuͤglich fiele/ den vnſichtbaren
Schutz deß Schoͤpffers zugleich mit dem ſichtbaren/ ohne Anſtoß deß Glaubens
zu vergleichen. Welcher Geſtalt auch das Aug ſich nimmer ſatt ſehe/ vnd immer-
dar nach der Eitelkeit abweichen wolte/ was vor einen Bund man auch mit jhm
machen koͤndte. Darumb man ſich wol vor allem Anlaß/ ſich in dem irꝛdiſchen
zu vertieffen/ haͤtte zu huͤtten. Auch waͤre Gold vnd Silber nit nutz zum zeitlichen/
ja ſehr hinderlich zum ewigen Leben/ zumal der geringſte Biſſen Brod/ das klei-
neſte Thawtroͤpfflin Kraͤfft vnd Safft haͤtten/ ſo demſelben Koht/ oder gelaͤuter-
tem Erdenſchweiß dennoch verſagt waͤre.


Mit Dorn vnd Diſteln koͤndte man ſchwerlich ohne Verletzung vmbgehen:
ſolcher Angſt/ Gefahr/ vnd Beyſorg gedaͤchte er ſich ſelbſt zu vbrigen. Vnd weil
er jede Fußtritt zu ſeinem Ende nahete/ ſolte es nicht wol ſtehen/ wann er nun-
mehr ein vierhundertjaͤhriger Mann/ vnd druͤber/ bey verſtaͤndigem Sinn/ ein irꝛ-
diſches Hauß bawete/ das er vielleicht nicht verfertigen/ noch bewohnen/ auch ein
anderer nach jhme nicht achten/ oder gar niederreiſſen wuͤrde.


Als nun der Schoͤpffer ſahe/ daß der fromme Mathuſalem in dieſem examen
bißher wol beſtanden/ vnd die reine Lehr von der Eitelkeit dieſer Welt/ neben der
Hoffnung zu dem ewigen Leben zu genuͤgen gefaſſet/ auch wol im Werck bezeuge-
te/ vnd noch ferner zu bezeugen gedachte/ ließ er jhm gefallen/ noch einen Verſuch
zu thun/ ob auch Beſtand bey dem Vorſatz waͤre/ oder nicht/ nach Beſchaffenheit
fernern Vnterricht beyzubringen. Sagte derowegen/ es waͤre noch nicht an dem/
daß Mathuſalem ſeine Wallfahrt vollendet haͤtte/ er wolte jhn verſichern/ daß er
jhm gedaͤchte noch fuͤnffhundert Jahr zuzulegen/ nicht nur fuͤnffzehen/ wie dem
Koͤnig Hiskias/ welcher Termin wol eines Hauſes werth waͤre. Aber Mathu-
ſalem hielt Farb/ vnd antwortete: Ob er gleich ein voͤlligen Gottestag der tauſend
Jahr/ ja wol die gantze Wochen uͤber der muͤhſamen ſechstauſenden ſoltel eben/
A iijwaͤre
[6]De Statu perturbato Franciæ
waͤre gleichwol ein Ende zu gewarten/ vnd ein anders zu hoffen: er hielte fuͤnffhun-
dert Jahr zeitlichen Lebens gar nit werth/ daß er deßwegen auff Erden einwurtzeln
ſolte/ er gedaͤchte bey der einmalgefaſſten reſolution, nach dem ewigen zu ſtreben
vnd zu verlangen/ zu bleiben: das koͤndte jhm nicht fehlen. Der Schoͤpffer hatte
ein ſonderliches Wolgefallen hieran/ vnd nam einen freundlichen Abſchied von
jhm/ mit dieſen Worten: Mein lieber Mathuſalem/ wandele vor mir/ vnd ſey
fromm/ ich bin der Allmaͤchtige Gott/ der dich nicht verlaſſen/ noch verſaͤmen will/
ich bin dein Schild vnd ſehr groſſer Lohn.


Ob nun ſchon der guͤtige Schoͤpffer ſich bey den vngerechten boßhafften Men-
ſchen/ ſonderlich dieſer Zeit nicht mag ſichtbarlicher Weiſe finden laſſen/ daß er
mit jhnen von Angeſicht zu Angeſicht/ wie ein Freund mit dem andern/ rede/ ſo ha-
ben wir doch keinen Mangel an allerhand Lehr vnd Vnterricht/ beydes in den
Exempeln frommer Leute/ vnd dann auch in den Schrifften der hocherleuchteten
Maͤnner vnd Gottsgelehrten. Vnd gewißlich/ da der Cardinal von Riſchelien
dieſes haͤtte erwegen wollen/ waͤre viel Vnruhe dahinten vnd vnerweckt geblie-
ben/ in dem er allenthalben das Waſſer truͤb gemacht/ wie wir bereit vernommen.
Er iſt zwar in dem Sattel ſitzen blieben/ vnd in der hoͤchſten Herꝛlichkeit eines na-
gelveſten Gluͤcks von hinnen gefahren/ an ſeinen Ort: Aber der Ehrgeitzige
Friedlaͤnder iſt vbel zukurtz kommen/ vnd hat ein Wolcke fuͤr ein Juno vmbfaſſet.
Darumb dencken wir abermal zuruck/ an vnſere Himmelsmeſſer/ mit der langen
Meßruhten/ vnd ſagen jhnen ins Ohr/ ob ſie ſchon droben am blawen Gewoͤlbe/
gleich als auff einer Ebene ſpatzieren/ vnd keine Huͤgel noch Thaͤler/ keine Berge
noch Gruͤnde finden/ vnd alſo immer fortmeſſen/ daß es vns demnach allzuſchwer
fallen will/ wann ſie vns fünffzehen Meilen vor einen Grad darmeſſen/ als waͤre
die Erde ohne Hocker/ vnd einem ebenen Gefuͤlde gleich.


Dann wann die Lini uͤber das Schweitzer-Gebuͤrg/ uͤber die Hoͤhe zwiſchen
Spanien vnd Franckreich/ auch zwiſchen Schweden vnd Nordwegen wird gezo-
gen/ gibt es wenig Meilen/ nach den Himmels-Graden: Solte aber ein ſolcher
Kuͤnſtler muͤſſen Bottenweiß gehen/ vnd die Meilen belohnt nehmen/ wuͤrde er
erfahren/ daß mehr dann zwo Tagreiſen zu einem Grad erfordert werden/ vnd ſol-
ches wegen der Vmbwege der entlegenen Paͤſſen/ der durchbrochenen Straſſen/
der ſehr hohen Alpen: vnd demnach ein ander Augenmaß/ ein andere Meßruhte
nehmen/ ohngefehr von einem Baw/ der ſeine Breite hat nach dem Bezirck deß
Fundament vnd der Haubtmauren/ wer aber von einer Seit zu der andern/ über
den Baw wolte klettern vnd ſteigen/ haͤtte weit mehr zu thun/ als der durch die vor-
dere Thuͤr ſtrackes Wegs zu der hindern wider außgienge. Welcher Geſtalt das
Gebuͤrg einen vffgerichten Triangel macht/ deſſen zwo Seiten vngleichlingen
mehr Platz faſſen/ als die Grundlini. Vnd iſt noch dieſes zu mercken/ daß im
Gebuͤrge noch viel verborgene Vmbwege liegen/ die dem Auge nicht offen ſtehen/
biß man zur Stelle kombt/ alſo/ daß ein lauffender Bott ſeine Rechnung gar nicht
nach
[7]\& Germaniæ Continuatio.
nach der Grundlini macht/ ſondern nach der Erfahrung/ zumal er manche Zeit
muß zubringen/ vmb einen Berg oder Schloß zu gehen/ biß er dahin gelange/
nachdem die Natur ſich nicht zwingen laͤſſet/ gegen Berg zn gehen/ oder mit den
Voͤgeln hinuͤber zu fliegen.


Vnd eben hierin hat der hochfliegende Hertzog von Friedland ſich verſehen/
daß er den Nativitetſtellern zu viel Glauben gegeben/ die Erde vnd jrꝛdiſche Ber-
ge nach dem Himmels-Maasſtab abgemeſſen/ vnd in dem Gebuͤrge ſich verirret
hat/ daß er den reiſſenden Thieren zutheil worden/ vnd ſeinen hohen Geiſt in einer
andern Welt zu hohen dignitaͤten gebrauchen mag. Ebenviel koͤndte man von
dem Koͤnig in Schweden vermelden/ der jenſeit deß Waſſers haͤtte ruhig wohnen
ſollen/ wann jhn nicht der linde Lufft deß teutſchen Bodens haͤtte getrieben/ vnd zu
ſo uͤbergroſſem Vnweſen verreitzt haͤtte.


Von den gifftigen Thieren ſchreiben die Naturkuͤndiger/ ſie laſſen kein Gifft
mehr von ſich/ ſo bald jhnen das Leben benommen waͤre/ ſondern nur einen Ge-
ſtanck/ gleich andern faulenden Coͤrpern: Alſo hat man zwar hoffen wollen/ die
blutduͤrſtige Menſchen wuͤrden nach jhrem Tod keine Wuͤrckung mehr thun/ vnd
das Gifft der Feindſeligkeit mitſich in das Grab nehmen. Es wolte aber weder
vff deß Friedlaͤndern/ noch vff deß Cardinals/ noch vff deß Koͤnigs in Schweden/
noch vff deß Kaͤyſers Ableiben daſſelbe Gifft ſeine Krafft verlieren/ ſondern ſteckte
noch andere damit an/ daß das letzte aͤrger ward/ als das erſte. Vnd ſcheinet/ daß
wir elende Menſchen nicht mehr Ruhe ſollen haben/ als der Lufft von den Win-
den/ vnd die Elementen von jhrer Vmbwechslung. Darumb freilich mit dem
alten Mathuſalem ein andere Rechnung zu machen waͤre. Vnd vmb ſo viel
mehr/ weil vnſer Leben ſo gareng geſpannet iſt/ ja den zehenden nicht erreicht/ vnd
an ſtatt der fuͤnffhundert Jahr Zuſchuſſes/ nicht fuͤnffzig erhaͤlt. Sintemal
zwantzig vnd mehr Jahr mit der Kindheit vnd Jugend dahinrauſchen/ ohne ſon-
derliche Thaten/ vnd dem tauſenteſten die funfftzig zu den Geſchaͤfften nicht gebuͤh-
ren/ damit er mit ſeinem gantzen Ablauff dieſes Lebens die ſiebentzig oder achtzig be-
ſtreiche. Vnd wie Hippocrates ſagt/ ſo iſt die Kunſt lang/ das Leben aber kurtz:
Dagegen aber wolten wir ſprechen/ vnſere Anſchlaͤge ſind lang/ vnd ſpannen ſich
uͤber Berg vnd Thal/ in die Ferne/ obgleich das Leben kurtz vnd kaum einer Hand
breit iſt. Wir werden dennoch nicht ablaſſen/ dem guͤnſtigen Leſer allen
fernern Nachdruck neben etlichen Erinnerungen/ zu
Gemuͤt zu fuͤhren.


Der
[8]De Statu perturbato Franciæ

Der 2. Diſcurß:


Wie es mit dem Kriegsweſen im Roͤmiſchen Reich biß vff
Ferdinandi II. Ableiben ſich verlauffen. Was dieſer Kayſer vor ſonderliches
Gluͤck vnd Vngluͤck gehabt. Von eines Naſſawiſchen Graven Zug in Braſilien.
Von der Stadt Breda Eroberung: vnd Vbergab der Veſtung Breyſach. Von
deß Pfaltzgraven vergeblicher Kriegsverfaſſung.


NVn haben wir Muͤhe/ zu dem Ende deß teutſchen Kriegs zu gelangen/
vnd muͤſſen jhn allererſt auff ein newes wiederumb anfangen: Worin-
nen ſich deß Sachſen Gegentheil gar nicht betrogen funden. Weil nun
die Schweden vff deß Churfuͤrſten zu Sachſen/ ſowol ſuͤſſe/ als herbe Wort/ von
deß Reichs Boden nicht weichen wolten/ zeigt jhnen der Churfürſt die Spitz/ vnd
belaͤgert Magdeburg/ vnd trieb ſie biß in Pommern. Doch geſchahen vnter-
ſchiedliche Treffen mit der Schweden Vortheil/ alſo/ daß dem Land zu Sachſen
angſt vnd bang war. Der Graff von Hatzfeld meinte den Bannier bey Witt-
ſtock/ weil er ſchon zum dritten mal vor jhme in die Flucht gerahten/ gar vff zurei-
ben: Verlohr aber ein anſehnliche Schlacht/ indem er ſich wollen auß dem Ge-
ſuͤmpff nach Halberſtatt ziehen/ welches Banner vor eine Flucht gehalten/ vnd
nur deſto hertzhaffter heran gehawen/ auch die Schantz Werben noch durch Vber-
gab weggenommen. Boͤninghauſen uͤbte ſich in Weſtphalen vnd Heſſen/ daß der
Landgrave auß dem Land/ ob ſchon ſein General Leutenant Melander ſein Beſtes
gethan/ biß nach Frießland muͤſſen außraumen/ daſelbſt er ein Teſtament ge-
macht/ vnd ſeinen jungen Herꝛn dem Koͤnig in Franckreich/ den Staaden der
vereinigten Niederlanden/ vnd dem Koͤnig in Groß Britannien/ als Vormuͤn-
dern vnd Beſchuͤtzern/ anbefohlen. Hertzog Bernhard zu Sachſen Weimar
verlieſſe ſich auff die Frantzoͤſiſche Huͤlff/ ſo vnter Feuquier vnd Turrainen nach
Maintz gienge/ in deme Gallas uͤber den zugefrornen Rhein bey Speier geſetzt/
inwillens/ den Frantzoͤſiſchen ſecours mit den Weimariſchen in Sack zu ſchieben.
Aber Hertzog Bernhard ließ ſich vmb Franckenthal ſehen/ zog den Fuß zuruck/ be-
ſetzt Kayſers lautern vnd Zweybruͤcken/ vnd war gantz zweiffelhafftig/ ob er ſich der
Kayſerlichen Gnad ſolt ergeben/ oder vff den endlichen Schluß deß Frantzoſen
warten/ welcher Philipsburg zur recompens ſeiner geleiſteten Huͤlffe begehrte.
Jndeß wurd Kayſerslautern mit Sturm erobert vnd in das Blut geſetzt/ vnd
Zweybruͤcken zur Vbergab genoͤhtiget/ vnd durch die conjunction der Frantzoſen
vor dieſes mal errettet/ daß Gallas ſich gar nicht haͤtte ſtellen koͤnnen/ wann der
Seckingen ſein Wort gehalten/ vnd ſein veſtes Schloß Landſtuhl vor den liſtigen
Kayſeri-
[9]\& Germaniæ Continuatio.
Kayſeriſchen verwahrt gehabt. Vnd alſo verzoge ſich das gantze Wetter nach
Maintz vnd Franckfurt/ biß Hertzog Bernhard nachmahlen die ſeinigen mit Ge-
walt auß Sachſenhauſen vertrieben/ Maintz vnd Franckenthal zur Vbergabge-
trungen geſehen/ vnd nach Lothringen vnd Metz ſich gleichſam flüchtig reteriren
muͤſſen/ weil kein Mittel war/ weder in Heſſen/ noch in Francken/ oder Sachſen
durchzubrechen.


Vnd weil der Krieg zwiſchen Franckreich vnd Spanien berit in hoher Lohe
brandte/ gedachte der Kayſer den Frantzoſen heimzuſuchen/ ſchlug ſich zu den Spa-
niern/ vnd fiel jhm ins Land/ genandt die Schampanien: Gallas uͤbet allen ge-
wohnlichen Vbermut im Hertzogthumb Burgund/ achtet der zehentauſend frey-
willigen Pollacken nicht/ die vff Pariß zuſtreifften/ welche mit den eingenomme-
nen Stoͤſſen/ weil kein Nachtruck folgte/ ſich wieder nach Hauß/ durch Freund
vnd Feind durchſchlugen vnd kehret wieder nach Teutſchland: Alſo ſtund es auch
ſchlecht vmb Hertzog Bernharden in Lothringen vnd im Elſaß. Die Hertzogen
von Meckelnburg bemuͤheten ſich euſſerſten Fleiſſes/ die Schweden mit dem Kay-
ſer zu vertragen/ aber alles vmbſonſt/ weil der Prager Friedenſchluß zu Stockholm
ſo gar vbel vffgenommen vnd auff dem Reichstag/ den Krieg fort zu fuͤhren/ be-
ſchloſſen worden. Es gieng zwar den Schweden hart an das Leder/ da ſie Bern-
burg vnd Regensburg verlohren/ vnd Preßlaw auff Kayſeriſcher Seiten/ auch
vor Magdeburg keine Rettung geſehen/ vnd noch foͤrchten muͤſſen/ es wuͤrde der
Landgrav zu Heſſen die Farb nicht lang halten koͤnnen/ wie man dann vff man-
cherley Weiſe ſelbiger Zeit/ jhn von der Parthey abzufuͤhren/ an jhn ſetzen thaͤte/
vnd in dieſem Fall Fall dem Hertzogen zu Wuͤrtenberg nachfolgen. Doch ſchlug
er ſich zu den Schwediſchen/ die Belaͤgerung Hanaw vffzuheben/ vnd hernach zu
den Weinmariſchen/ vnd hielte den Schwarm ſo fern von ſich/ als er vermochte/
halff Hagenaw entſetzen/ vnd in Lothringen Quartier machen. Der Papſt zu
Rom bemuͤhete ſich dieſer Zeit durch Geſandſchafften/ die hohen Haͤupter in der
Chriſtenheit zur Eintraͤchtigkeit zu bringen: erlangte aber ſo viel als nichts/ weil
je einer dem andern die Vrſach deß Landverderbens vfflude. Den Kayſeriſchen
wolte das Gluͤck faſt wol/ ſie eroberten Stargarden/ Homberg in Heſſen/ vnd Pa-
derborn/ Saltzkoten/ den Hamm/ vnd andere Ort hin vnd wieder. Allein daß ſich
Banner uͤber die Elbe in Thuͤringen gemacht/ Erfurt/ die Naumburg vnd Tor-
gaw erobert/ Leipzig wiewol vergeblich belagert/ zuletzt ſich zu Torgaw beſchlieſſen/
vnd von fuͤnff vnd neuntzigtauſend Mann belaͤgern laſſen/ Als Kayſer Ferdinan-
dus II.
den Reichstag zu Regenſpurg gehalten/ ſeinen Sohn den Koͤnig in Hun-
garn vnd Boͤheim/ Ferdinandum III. den 22. Decembr. Anno 1636. zum Roͤmi-
ſchen Koͤnig wehlen laſſen/ vnd ſelbſt den 25. Tag Februarii nechſtfolgenden Jahrs
dieſe Welt geſegnet.


Dieſer Fuͤrſt vnd Kayſer hat viel Vngluͤck muͤſſen außſtehen: Dann erſt-
lich verlohr er ſeinen Vatter/ Ertzhertzog Carlen/ im zwoͤlfften Jahr ſeines Alters/
B bvnd
[10]De Statu perturbato Franciæ
vnd muſte ſich von andern ſelbſt regieren laſſen. Darnach hatte er manchen harten
Strauß mit ſeinen eigenen Vnterthanen/ den Steyermaͤrckern/ Kaͤrntern vnd
Krainern/ wegen der Religion/ alſo/ daß er euſſerſten Gewalt/ vnd militariſche
execution, wiewol ohne ſonderlich Blutvergieſſen/ anwenden müſſen. Drittens
machten jhm die Venetianer newe Haͤndel/ wegen Gradiſca, da es zu offentlichem
Krieg außgebrochen/ vnd ſeinen ohne das ſchwuͤrigen Vnterthanen zu einem
Vffſtand/ da ſie nur einige Huͤlffe haͤtten hoffen moͤgen/ Anlaß geben. Viertens
koſtete es ſehr viel vnd uͤbergroſſe muͤhe/ daß Kayſer Matthias jhn zu einem Sohn
vnd Erben angenommen/ ſowol wegen ſeiner Bruͤder/ als auch deß Hauſſes
Spanien. Fuͤnfftens/ daß er die grauſame Haͤndel in Boͤhmen geſehen/ da
man jhm die Cron vom Haupt/ vnd den Scepter auß der Fauſt geriſſen. Sech-
ſtens/ daß er gegen Bayrn ſehr harte conditiones muͤſſen eingehen/ vnd auch wol
Huͤlff bey einem Ketzer in Sachſen ſuchen. Siebendens/ daß er zu Franckfurt
ſchier neben dem Kayſerthumb hingangen. Achtens/ daß der Niederſaͤchſi-
ſche Creyß gegen jhm auffgeſtanden. Neundtens/ daß die Bawrn im Laͤndlein
ob der Ens etlich mal zu den Waffen gegriffen/ wie dann auch in Hungarn geſche-
hen. Zehendens/ daß der Durlacher/ von Thurn vnd Jaͤgerndorff/ Manßfelder
vnd Halberſtaͤtter nicht wollen ruhen. Eilfftens/ daß er dem Koͤnig in Denne-
marck alles reſtituirt, vnd nichts behalten. Zwoͤlfftens/ daß er deß Koͤnigs in
Schweden ſieghaffte Waffen durch gantz Teutſchland geſehen. Dreyzehendens/
daß er muͤſſen erfahren/ wie alle Proteſtirende zu Leipzig von jhme abgefallen vnd
zu den Waffen gegriffen. Vierzehendens/ daß die von jhme vertriebene Hertzo-
gen zu Mecklenburg vnd Neuers wieder ſeinen Willen wieder eingeſetzet worden.
Fuͤnffzehendens/ daß er das Haupt-Treffen bey Leipzig verlohren. Sechsze-
hendens/ daß er dem Friedlaͤnder muͤſſen gleichſam allen Willen erfüllen/ vnd
noch darzu ſuppliciren. Siebenzehendens/ daß er das andere Haupt-Treffen
bey Luͤtzen auch verlohren/ vnd ſeinen Feind ohne Haupt/ dennoch nicht daͤmpffen
koͤnnen. Achtzehendens/ daß er an dem Friedlaͤnder einen vngetrewen Diener
gehabt. Neunzehendens/ daß er genoͤhtigt worden/ etlichen hohen Staͤnden in
Boͤhmen/ etlichen hohen Kriegs-Officierern/ die Koͤpffe abzuſchlagen/ vnd den
Friedlaͤnder ſelbſt/ jhme vorzukommen/ niedermachen zu laſſen. Zwantzigſtens/
daß er von Spanien vnd Rom die Regierung/ aber von Bayrn manchen Schre-
cken eingenommen.


Hingegen aber mag man vor ein ſonderliches Gluͤck rechnen/ daß dieſer
Fuͤrſt erſtlich in ſeinen Minderjahren ſo trewe Raͤhte vñ Verwalter gehact. Dar-
nach daß jhn beyde Kayſer/ Rudolphus vnd Matthias/ zu den Reichsgeſchaͤfften
gezogen. Zum dritten/ das er bey dem Haupt der Chriſtenheit zu Rom in ſon-
derlichen vaͤtterlichen Gnaden geſtanden. Zum vierdten/ daß er vnter allen an-
dern Ertzhertzogen allein zu den Cronen gelangt. Zum fůnfften/ daß er den
Aber-Koͤnig in Boͤhmen vberwunden vnd vertrieben. Zum ſechſten/ daß er all
ſeine
[11]\& Germaniæ Continuatio.
ſeine Rebellen gedaͤmfft/ vnd endlich obgeſieget. Zum ſiebenden/ daß er einen
Feind nach dem andern bekommen vnd abgefertigt/ zumal er jhnen allen/ oder den
mehrern nicht haͤtte gewachſen ſeyn koͤnnen. Zum achten/ daß er mit einem er-
ſten Haupt-Treffen auff dem weiſſen Berge/ das gantze Koͤnigreich Boͤhem/ vnd
mit dem andern bey Noͤrdlingen das gantze Kayſerthumb erhalten. Zum neund-
ten/ daß ſo viel andere verlohrne Treffen jhn nicht zu Boden geworffen. Zum
zehenden/ daß er die Macht gehabt/ dem Spanier in Holland/ dem Koͤnig in Po-
len wieder den Schweden in Preuſſen/ vnd dem Reich in Jtalien beyzuſtehen.
Eilfftens/ daß er immerzu trewe Diener gefunden/ ſo der wenigen Vntrewen
Stellen wol vertretten. Zwoͤlfftens/ daß er ſeinen aͤltern Printzen zu einem Roͤ-
miſchen Koͤnig/ vnd kuͤnfftigen Kaͤyſer nach ſeinem Tode/ machen koͤnnen


Jndeſſen nun das Hauptweſen ſolcher Geſtalt durch Teutſchland ſich ver-
wickelte/ wolten die Hollaͤnder nicht muͤſſig ſitzen/ ſchickten Graff Johann Mori-
tzen von Naſſaw Siegen nach Weſt-Jndien/ den Spaniſchen vnd Portugieſen
das Haupt zu biethen/ wie dañ auch derſelbe ſich mannlich gebraucht/ vnd manechn
Sieg davon getragen. Die erſte Fahrt geſchah Anno 1623. vnter Jacob Willcken/
nach Braſilien/ welcher die Stadt S. Salvator im Allerheiligen Buſen ohn ſonder-
liche Muͤhe einbekommen/ aber durch der ſeinigen liederlich Verhalten vnd Wol-
luͤſtelen bald wieder verlohren. Die andere Fahrt von den Gewinnhabern (wel-
che Geſellſchafft die Herꝛen Staaden vff 24. Jahr privilegirt hatten) wurd dem
Balwein Heinrichen anvertrawt/ Anno 1625. vnd nach ſeinem Abſterben dem
Peter Hayn/ welcher wegen Vngeſtuͤmmigkeit deß Meers zum Streit gezwun-
gen/ die gantze vnd uͤberaußreiche Flott anß New Spanien uͤberweltiget/ vnd groſ-
ſen Reichthumb erworben. Jhm folgte Peter Lonck/ vnd bezwang die Haupt-
ſtadt Olinda in der Landſchafft Pernambuco: Hadrian Pater ſchlug mit der groſ-
ſen Flott/ blieb vorn an der Spitz/ vnd hinterließ den ſeinigen/ die jhn verlaſſen
hatten/ den zweiffelhafften Sieg. Es iſt aber gantz Braſilien abgetheilet in vier-
zehen Landſchafften oder Fuͤrſtenthumb/ welche die Spanier vnd Hollaͤnder nicht
wolten friedlich/ ſondern durch Schwertſtreich vertheilen. Was dieſer verwe-
gene Handel nur vff der Niederlaͤnder Seiten gekoſtet/ findet ſich in der Rech-
nung/ nemblich von Anfang/ biß ins Jahr 1636. fuͤnff vnd viertzig Millionen Gul-
den vff mehr dann achthundert Schiff verwandt: Fuͤnffhundert vnd ſieben vnd
viertzig Schiff dem Spanier abgenommen/ zu ſechs Millionen gerechnet: Von
dem Raub in gemeinen Seckel gelieffert über die dreiſſig Millionen: Auff dem
Land dem Spanier uͤber ſieben Millionen Schaden zugefuͤgt/ vnd acht vnd zwan-
tzig Millionen Vnkoſten/ oder Hindernuß der Intraden verurſacht. Graff Jo-
hann Moritz von Naſſaw gieng zu Segelden 26. Octobr. Anno 1637. ſchlug die
Braſilianer/ Nigriten vnd Portugieſen anfangs in die Flucht/ vnd bezwang ein
Caſtell/ legt ſich an S. Franciſci Fluß/ hielt den Raht vff den Reciff, bawt die Ve-
ſtung Naſſaw/ ſchifft uͤber in Africam/ bemaͤchtiget ſich der Veſtung Mina, vnd
B ijbringt
[12]De Statu perturbato Franciæ
bringt die Fuͤrſten im Land zur Vnterthaͤnigkeit. Alſo machte er es im Land Sia-
ra, Tamarica,
vmb den groſſen Fluß/ Hafen Calvi genandt/ vnd Sarayba: Muſte
aber vor Allheiligen vnverrichter Sach abziehen. Er bawte einen Pallaſt Frey-
burg genandt/ am Fluß Bibaribi, mit einem Stall zu vier vnd zweintzig Pferden.
Die Kuchen-Kraut-Blumen vnd Graasgaͤrten behegte er mit Citron- vnd Limo-
nen-Baͤumen/ zierte ſie mit Weinreben vnd Granaten-Thoren/ beſetzte ſie mit
Pomerantzen/ Limonen vnd Citronen/ auch Feigen vnd andern fruchtbarn Baͤu-
men/ mit ſchoͤnen Spatziergaͤngen. Da mangelte es nicht an dem Huͤnerhoff/ an
Fiſchweyhern/ Caninichenhuͤgeln/ Schwanenſtaͤllen/ Daubenſchlaͤgen/ Waſſer-
brunnen vnd Bleichgaͤrten/ ſambt wolangeordneten Wohnungen vor die Ver-
walter. Er ließ die Stadt Olinda niederlegen/ vnd bawte auß dem Gezeug die
Moritzſtadt/ haͤngt das Reciff mit einer Bruͤcken an die Jnſul/ vnd die Jnſul
Vatz an das feſte Land. Er ſchlug ſich Anno 1640. im Jenner vier mal mit den
Spaniern zur See/ vnd hatte groß Gluͤck an gutem Wind/ daß die Spaniſche mit
Schaden muͤſſen von jhme laſſen. Hiernechſt bezwang er S. Thomas Jnſul/
vnd andere Ort mehr/ vnd vereinigte ſich mit den Portugieſen/ als dieſelbe von
den Spaniern abgefallen/ vnd jhnen ſelbſt einen Koͤnig auffgeworffen. Es iſt
aber dieſe Weſt-Jndiſche Gewinnhabers Compagnie in den Krebsgang gerah-
ten/ fuͤrnemblich durch der Portugieſen Argliſtigkeit vnd Feindſchafft/ als welche
meineten/ alle Ort/ ſo die Hollaͤnder den Spaniern abgetrungen/ ſtuͤnden jhnen
zu/ von vhraltem Recht her der allererſten Eroberung. Durch ſolche Haͤndel iſt
es abgeloffen/ daß ein Capital von hundert/ vff viertzig vnd zumal dreiſſig herun-
ter kam. Ob nun die General Staaden ſolche Compagnie wieder werden vff-
richten/ vnd deß wegen mit den Portugieſen einen newen Krieg anfangen/ ſtehet
zu erwarten. Vnd ſcheinet nicht mehr dann billich/ angeſehen in vorigen Jah-
ren/ als es vmb die Velaw vnd Bettaw ſehr vbel ſtuude/ die gedachte Compagnie
jhre in Bereitſchafft liegende Voͤlcker dem gemeinen Weſen zum beſten/ im Land
gelaſſen/ auch anſehnliche Gelder hergeliehen.


Jn den Niederlanden wuͤrffelt es ſich auch ſeltzamer Weiſe/ durch Eroberung
der Stadt Breda/ einer ſehr namhafften Veſtung in Braband/ ſo der Marggraff
Ambroſius Spinola vor 12. Jahren den Staaden abgetrungen. Dieſer Ort
liegt in 15. Bollwercken/ hat zwo hohe Schantzen/ in das Feld zu ſpielen/ drey niedre
Vorwerck an der Mawr/ ein lebendigen Haag: Die Graͤben ſind irgend 70. ir-
gend 120. Schuh breit/ mit 14. Paſteien/ die Contreſcarpe iſt 5. Schuh hoch/ mit
5. Hornwercken/ vnd etlichen halben Monden/ neben einem andern Graben vnd
Auſſenwerck. Das Schloß hat ſtarcke Mawren/ hohe Waͤlle/ ſein Bruͤcken/ ein
wolverſehen Zeughauß/ vnd einen dopelten Waſſergraben/ mit vielem groben
Geſchůtz allenthalben zum beſten verſehen. Dieſe Belaͤgerung/ ſo Printz Friede-
rich Henrich vorgenommen/ war gantz anderſt/ als von Marggraff Spinola/ wel-
cher am Gewalt gezweiffelt/ vnd den Ort auß gehungert/ davor dißmal alles mit
euſſerſtem
[13]\& Germaniæ Continuatio.
euſſerſtem Gewalt ſich fortſetzte. Spinola ſchonte ſeinem Volck/ mit ſehr groſ-
ſem Koſten/ vnd achtet deß Verzugs nicht/ weil weder er noch ſein Feind gegen
dem Winter nichts anders vornehmen kondte/ vnd weil er alle Notdurfft von fer-
ne muͤſſen herbeybringen/ bedient er ſich der Kayſeriſchen Voͤlcker auß dem Ober-
land zu ſeiner Verſicherung. Aber der Printz von Vranien ſchonte der Voͤlcker
wenig/ eilete zur Vbergab/ weil er ein ſtarcke Armee vff den Beinen hatte/ vnd bey
Sommerlicher Zeit anderswo einfallen kondte. Vnd war ſich zu verwundern/
daß der Cardinal Jnfant Koͤniglicher Gubernator in den Niederlanden/ ſonſten in
Kriegshaͤndeln wol beruͤhmt/ mit ſeinem wolbeſtellten Heer vff die Belaͤgerung
angangen/ als die defenſions. Werck noch nicht verfertiget waren/ aber nichts
wuͤrcklicht tentirt, noch auch die Belaͤgerung mit vielem Einfallen verzogen/ vnd
inmittelſt Venlo vnd Ruͤrmund an der Maes/ zu Troſt dieſes Schadens/ ein-
nehmen wollen/ da doch anfaͤnglich an dem Lager/ vnd hernach mit Abkuͤrtzung der
Proviand/ etwas namhafftiges haͤtte moͤgen ins Werck geſetzet werden. Die vo-
rige Belaͤgerung erforderte 11. Monat/ dieſe nur 7. Wochen: vnd alſo befreyten
die Hollaͤnder jhr Holland/ Geldern vnd Seeland/ Maes/ Wahl vnd Scheld-
ſtrom/ Hertzogenbuſch vnd Bergen ob Som/ zu groſſem Nutzen deß Handels vnd
der erſpahrten ſo vielen Beſatzungen/ die ſie wieder dieſen Ort zuvor halten muͤſ-
ſen. Es wolte jhnen aber in dem folgenden Jahr das Gluͤck auch einen Duck er-
weiſen/ vnd ließ ſie mit groſſem Verluſt bey Antorff vnden liegen/ auch Geldern
vergeblich belaͤgern/ damit jhr Gewalt nicht zu hoch auff einmal ſich erhuͤbe.


Die Spanier giengen behutſam/ wegen deß Frantzoſen/ der in den Graw-
buͤnten ſich uͤbte/ aber vor Fantarabien ſchlagen lieſſe/ ob er ſchon was beſſer Gluͤck
in dem Treffen zur See/ bey Genua verſpuͤhret. Der Frantzos thaͤt den Wein-
mariſchen Oberſten groſſen Vorſchub/ mit Geld vnd Volck/ damit nur der Lo-
thringer den Meiſter nicht ſpielen moͤchte/ vnd muſte es geſchehen laſſen/ daß Fer-
dinandus III.
Roͤmiſcher Kayſer worden. Sonſten ſtund es mit dem Schwedi-
ſchen Weſen bald ſo/ bald ſonſt. Hanaw wurd uͤberliſtet/ als Ramſay darinnen ge-
fangen/ vnd der Ort ſeinem rechten Herꝛn wieder eingeraumbt. Jn Luͤttich gab
es zwo ſtarcke Partheyen/ eine vor den Frantzoſen/ die andre vor den Spanier/ vnd
wurd Burgermeiſter Ruell uͤber der Mahl zeiterſchlagen/ der Thaͤter aber/ Graff
von Warfuſee/ vom gemeinen Mann in Stuͤcken zerhawen. Zu Aachen kondte
der Marggraff von Grana den Meiſter nicht ſpielen. Man handelte eiverig mit
dem Landgraven von Heſſen Caſſel/ ſonderlich Maintz/ jhn auff deß Kayſers Sei-
ten zu wenden/ aber endlich gantz vmbſonſt. Wrangel hauſete in der Marck/ vnd
gegen der Schleſi/ indeme Banner von Leipzig ablies/ vnd ſich nach Torgaw ge-
legt/ die Schantz vor der Wittenberger Bruͤcken erobert/ Meiſſen uͤberliſtet/ den
Arnheim gefangen nach Schweden geſchickt: endlich die gemeldte Schantz/ Eu-
lenburg vnd Torgaw verlaſſen/ vnd neben Wrangeln nach der See verruckt/ auch
auff empfangengenen Stoß vom Hatzfeld auff die Seit nach der Schleſi gangen/
B iijbiß der
[14]De Statu perturbato Franciæ
biß der Schwediſche ſecours auß Schweden in Pommern angelangt/ vnd er her-
nach Malchin/ Bernaw/ das Schloß Wolgaſt vnd andere Ort mehr wieder über-
meiſtert. Auch wolte der Churfuͤrſt zu Brandenburg auff die Schweden gehen/
darumb ſie auß dem Streich biß nach dem Luͤneburgiſchen Land entwichen. Der
Kayſer ſuchte die Staͤnd an ſich zu ziehen/ vermocht den Churfuͤrſten zu Sachſen/
daß er mit ſeinen Printzen zu jhm nach Leutmaritz ſich erhoben: Darauff dann
bald Printz Auguſt jhm das Ertzſtifft Magdeburg laſſen huldigen.


Aber im Elſaß gieng es rund vnd bund/ indeme Hertzog Bernhard die Ve-
ſtung Breyſach/ dergleichen in gantz Europa nicht wol ſeyn wag/ belaͤgert. Es
hatt: zwar Anfangs das Anſehen/ als wuͤrde der Frantzoß daſelbſt vergeblich an-
klopffen/ vnd ſeine Macht conſumiren/ vnd Hertzog Bernhard/ der mehr fertiger/
ſich im flachen Feld zu ſchlagen/ als einen vngeheuren groſſen Berg hinauß zu
lauffen/ ſein credit vnd das Leben daruͤber einbuͤſſen. Dann mit Gewalt kondte
man dem Ort nicht zukom̃en/ vnd war zu hoffen/ es wuͤrde die lauffende Zeit etwas
bringen. Auff Kayſeriſcher Seiten war ſehr weit gefehlt/ daß die Veſtung
an Proviand entbloͤſſet/ den Vorraht den Kayſeriſchen Voͤlckern im Elſaß vnd
am Rheinſtrom mitgetheilet hatte/ in Hoffnung einer guten Ernde. Ob nun
auch der ſanctus Denarius erſchienen/ vnd von den erhungerten Armeen gegen
Getraid in die Veſtung gewichen/ wie etwan vor Gülich geſchehen/ da die Spa-
nier deß Geldes nicht geſchonet/ den Vorraht an ſich zu bringen/ werden die Leute
ſelbſten wiſſen. Der ander Fehler war/ daß man den Frantzoſen nicht durch eine
diverſion mit Gewalt anderſtwohin gezogen/ vnd die Voͤlcker hie oder da gebrau-
chet/ einander die Hand zu biethen. Alſo zog Tilly vor Nuͤrnberg/ vnd verurſacht
dardurch/ daß der Schwed einen ſolchen fuͤrnehmen Ort zu retten/ den Rhein-
ſtrom verlaſſen/ vnd die zu Coͤlln nicht uͤberziehen muͤſſen. Alſo thaͤt der Fried-
laͤnder auch/ vnd ruinirt dem Schweden vor gedachtem Nuͤrnberg uͤber die Helfft
ſeiner Voͤlcker. Haͤtte demnach der Kayſeriſche General moͤgen vor dißmal
Straßburg/ oder Franckfurt/ Vlm oder Caſſel in Heſſen angreiffen vnd belaͤgern/
ſo waͤre kein Ruh geweſen/ Hertzog Bernhard haͤtte muͤſſen dort ablaſſen/ vnd den
Nohtleidenden Rettung thun. Drittens war es ein ſonderliches Vngluͤck/ daß
die Kayſeriſche Armeen nicht vff eine Zeit vnd Stund angegriffen/ ſondern einan-
der verfehlet/ daß Hertzog Bernhard den einen Hauffen koͤnnen ſchlagen/ vnd zu-
ruck weiſen/ ehe der ander heran gekommen/ vnd demnach ſeine Macht jederzeit
beyſammen gehalten. Es mag auch das Vnthier Jaluſy mit vntergeloffen ſeyn/
gleichwie in dem Haupttreffen bey Neuport/ vnd noch juͤngſt vor Maſtrich/ ja eh-
geſtern vor Torgaw geſchehen/ da die Nationen/ der Oberſten zu geſchweigen/ ge-
geneinander geeifert/ vnd den Feind das Loch laſſen treffen/ oder ſich ſelbſt zu ſchla-
gen dargebotten.


Hertzog Bernhard aber hatte dieſes Abſehen/ daß er durch Vorſchub deß
Oberſten Erlachers/ als eines Schweitzers/ auß der Schweitz alle Notdurfft uͤber-
kam/
[15]\& Germaniæ Continuatio.
kam/ hingegen aber der Veſtung alle Proviand verſperret. Dann was etwan
eine vnd andere Cavalcade hinein gebracht/ kondte nichts erklecken. Darnach
hatte Banner deſtomehr Lufft in Sachſen/ weil die Kayſeriſche Voͤlcker den
Schluͤſſel zum Rhein zu erhalten ſich bemuͤheten: Vnd vmb ſo viel mehr/ daß der
Frantzoß die Philipsburg gegen Speyer uͤber/ vnd dann auch vor Ehrenbretſtein
bey Coblentz einbekom̃en/ in Meinung den gantzen Rheinſtrom zu faſſen/ vnd das
Hauß Oeſterreich darvon gaͤntzlich abzuhalten. Vnd wann ſchon einige Macht
vff Hertzog Bernharden ſolte ſtoſſen/ haͤtte er die Schweitz/ das Hertzogthumb
Burgund/ Lothringen vnd Franckreich an der Hand/ ſein Vorhaben fortzuſetzen.
Noch wolte jhn das Gluͤck croͤnen/ vnd den Fehler bey Noͤrdlingen gantz vnd gar
laſſen außwiſchen. Dann er erhielt bey Rheinfelden vnd bey Wittenweyr zwey
ſehr anſehnliche Treffen/ überkam die hohen Officirer gefangen/ vnd bemaͤchtigte
ſich deßwegen Rheinfelden vnd Freyburg in Breißgaw/ ſchlug den Hertzogen auß
Lothringen in Burgund vnd bey Tan/ haͤtte jhm auch den Garauß gemacht/ da er
nicht muͤſſen ablaſſen vnd zuruck gehen/ dem General Goͤtzen zu begegnen. Noch
gieng es jhm etliche mal an die Bindriemen/ ſonderlich da er Huren vnd Buben/
Troß/ Vffwarter/ Weib vnd Kind/ mit Spieß vnd Stangen muͤſſen bewehren/
vnd in die Schantzen ſtellen/ dem feindlichen Vberfall zu ſtewren/ indeme er mit
ſeinem wenigen Hauffen im Felde ſich getummelt: Die Jrren vnd Schotten
ſtunden damals wie eine Mawr/ vnd lieſſen ſich hawen/ ſtechen vnd ſchieſſen/ als
wie in einen dicken Strauch/ daß auch jhrer wenig uͤberblieben/ den andern die Zei-
tung von jhrer Bruͤder martialiſchem Tod zu überbringen. Endlich fand ſich
kein Mittel mehr/ weder Proviand in die Veſtung zu bringen/ noch die Belaͤge-
rung vffzuſchlagen/ darumb muſte ſich die Veſtung/ in welcher nicht wenig vor
ſchwartzem Hunger geſtorben/ vnd Kinder/ auch gewachſene Leut zur Schlacht-
banck heimlich hingeriſſen worden/ zu End deß Jahrs 1638. ergeben: welches
dann den Staad deß gantzen Kriegsweſens mercklich veraͤndert.


Dennoch wolte das Gluͤck die Kayſeriſche Parthey nicht gar verlaſſen/ ſon-
dern mit etwas Suͤſſigkeit das bittere temperiren: Jndeme der aͤltere Printz deß
Pfaltzgraven/ geweſenen Koͤnigs in Boͤhmen/ [a]ngefangen Voͤlcker zu werben.
Dann erbrachte die Stadt Meppen an ſich/ verlohr aber dieſelbe durch deß Horne-
ckers Vberſehen/ vnd hatte von den Herrn Staaden mehr Hindernuß/ als Foͤr-
derung/ ſeine newe Armee auffzurichten/ welches dem General Hatzfeld nicht ver-
borgen ſeyn koͤnnen/ darumb dann derſelbe die Pfaͤltziſchen Voͤlcker zrm ſchlagen
genoͤhtigt/ vnd in die Flucht gebracht/ den einen Printzen gefangen nach dem
Kayſerlichen Hoff geſandt/ vnd den Churprintzen/ mit Verluſt der gantzen Armee/
auch aller Bagage/ durch das Waſſer gejagt. Vff dieſen erhaltenen Sieg mu-
ſten ſich Cloppenburg vnd die Vecht ergeben. Es war aber dieſes Weſen nicht
ſo gar gering anzuſehen/ dieweil man leichtlich die Rechnung moͤgen machen/ bey-
de Koͤnige in Engelland vnd Dennemarck armirten nicht vergebens/ vnd wuͤrden
jhren
[16]De Statu perturbato Franciæ
jhren Vettern mit Gewalt wieder einſetzen/ nachdeme die bittliche Erſuchungen
kein ſtatt gefunden. Ja es wuͤrden die reiche Graven in Engelland jhre Mittel
hergeben/ ſich groß zu machen: ſo waͤren die Hollaͤnder vnd Heſſen auff beyden
Seiten/ allen Vorſchub zu thun/ damit der Weſtphaͤliſche Crayß vnd Nieder-
Sachſen dem Kayſer gar nichts nutzen/ vnd hingegen eine gantze voͤllige Armee
abfordern koͤndten. Solcher Vorſorge kondte man geuͤbrigt ſeyn/ als der Koͤnig
in Engelland zu Hauß verworren Garn fand/ vnd der Dennemaͤrcker ſein alt vnd
new Recht an Hamburg vnd vff der Elb ſuchte zu behaupten/ auch der Schweden
Thun vnd Laſſen mit einem Politiſchen Aug betrachtet/ vnd deß Kayſers Gunſt
hoch hielte/ ja vnter den tractaten einer interpoſition, vnd Hinderung fernern
Blutvergieſſens alte oder newe Gedancken faſſete.



Der 3. Diſcurß.


Warumb der Frantzos dem Spanier newe Haͤndel gemacht.
Von groſſen inſolentzien der Kriegsvoͤlcker in Catalonien; deß Lands Freyheiten;
vnd jhrem Abfall. Von dem Koͤnigreich Portugal; von der Succeſſion; von
Verbitterung gegen den Caſtilianern/ vnd jhrem Abfall. Von Hertzog Bern-
hards Tod; deß Pfatzgraven Arreſt in Franckreich/ vnd Kriegslaͤufften in Jtalien/
Catalonien/ auch Niederlanden. Wie die Schweden proſperirt/ vnd den Krieg
in Boͤhmen gezogen.


DJewel der Frantzos wol verſtunde/ im Fall das Hauß Oeſterreich gantz
Teutſchland vnter ſich braͤchte/ er nicht beſtehen koͤndte/ ſondern auch an
den Reyhen vnter die Spaniſche Monarchy ſich begeben muͤſte/ thaͤt er
ſein euſſerſtes bey den Herꝛn Staaden der vereinigten Niederlanden/ bey der Cron
Schweden/ bey Hertzog Bernhard von Weinmar/ bey dem Landgraven von Heſ-
ſen/ bey den Grawbuͤnten vnd bey dem Hauß Saphoyen/ grieff in Artoiß/ Hen-
negaw vnd allenthalben vmb ſich/ vermerckte aber auch darneben/ daß ſeine Macht
in die Harre matt muͤrde/ in Erwegung der uͤberauß groſſen Jntraden/ ſo Spa-
nien hatte/ vnd der kernhafften Voͤlcker/ ſo das Hauß Oeſterreich auß Teutſch-
land vnd ſeinen eigenen Provintzen/ als auß einem vnerſchoͤpfflichen Brunnen/
wieder Franckreich gebrauchen koͤndte. Darumb gedachte er die Spaniſche
Macht ſo wol durch Gewalt der Waffen/ als durch Liſt der inheimiſchen Brunſt
vnd Verwirrung zu trennen/ vnd von ſich ſelbſt abzuhalten. Er wuſte/ daß die
Vnterthanen nit bald ohne Klag vnd Wiederwillen leben/ darzu etwan die Herꝛ-
ſchafft ſelbſt/ oder die Beampten/ vielleicht die Begierd nach newen Haͤndeln/ ne-
ben dem Verdruß deß gegenwaͤrtigen Stands/ groſſe Anlaß vnd Vrſachen geben.
So
[17]\& Germaniæ Continuatio.
So pflegt auch die Regierſucht manchen zu ergreiffen/ als ob ſeine Qualitaͤten
nichts geachtet/ vnd Vnwuͤrdige jhm vorgezogen wuͤrden: Dergleichen Exempel
keine Hiſtori voͤller ſeyn mag/ als eben die Frantzoͤſiſche/ wie dann hiebevor Spa-
nien in Franckreich auch gethan. Auff ſolche Weiß werden wir nagelnewe Haͤn-
del in Catalonien vnd Portugal vor dißmal ſehen/ biß wir weiter ſchiffen koͤnnen/
vnd das Neapolitaniſche Vnweſen/ neben der groſſen Veraͤnderung in Engel-
land auch betrachten.


Es ruͤhmen ſich die Catalonier daß jr Gravſchaft ſonderlich die Stadt Barcel-
lonna,
von vielen Jahren her/ in ſehr groſſem reſpect bey den Koͤnigen durch gantz
Spanien geweſen: ſo fern/ daß auch Ferdinand. I. vnd nach jhme die Koͤnigin Vio-
lant,
den Stadt-Raht zu Vormundern jhrer Kinder/ vnd Executorn jhres letzten
Willens verordnet. Vnd weil der Frantzos vmb Leucate vñ Salſes, an vnd auf jren
Graͤntzen den Krieg angeſponnen/ muſten ſie ſehr viel von jhnen leiden/ ſowol vom
Freund/ als vom Feind/ wie es dann bey ſolcher Begebenhiten nicht anderſt ſeyn
kan. Sie hielten jhrem Koͤnig vor/ was vor Dienſten ſie jederzeit erwieſen/ ja
im Jahr 1599. als der Frantzos die Veſtung Perpignan belaͤgerte/ ein Million vnd
100000. Cronen/ vff einmal beygetragen/ vnd jhre Voͤlcker jederzeit ſelbſt auß-
ſtaffiert vnd beſoldet/ ſo lang der Koͤnig jhrer Dienſten gebrauchen wollen: Waͤ-
ren aber zu vnverhofftem Danck/ von langer vnd kurtzer Zeit hero ſehr vbel gehal-
ten worden/ vnd viel vbeler/ als vnter den Maranen zuvor/ an welche ſie ſich mit
gutem accord, der jhnen auch vnverfaͤlſcht gehalten/ ergeben muͤſſen. Der Kriegs-
Laſt/ vnd die vielfaltige Einquartierunge von vierzehen Jahren her/ machte die-
ſe Leut vngedultig/ fuͤrnemlich/ als der Graff Fuenclara die contributionen mit
Gewalt/ neben Mord vnd Schaͤndung etlicher Jnwohner/ erpreſſete. Als Don
Leonardo Molas
mit ſeinen Neapolitanern zu Panades ſelbſt Quartier genommen
vnd außgetheilet/ vnd niemand ohne Geld ein-noch außgelaſſen. Als der Frey-
herr Liſaga in den beyden Graffſchafften Roſſilion vnd Cerdanien etliche Haͤuſer
in Brand geſteckt/ die Fruͤchten auff dem Feld abgeſchnitten/ etliche Staͤdtlein ge-
pluͤndert/ vñ die mobilien offentlich verkauft. Als S. Eſteuan mit Voͤlckern über-
legt worden/ daß die Jnwohner gar entweichen muͤſſen/ weil zween Soldaten ſich
an dem Ort geraufft vnd erſtochen/ als jhrer zehen/ zwoͤlff vnd mehr/ in jedem
Hauß gelegen: Vnd ſolches nicht nur an dieſem/ ſondern auch an vielen andern
Orten. Der Hertzog von Cardona haͤtte es gern beſſer geſehen/ kondte aber nicht
anderſt helffen/ dann daß er ſeinen Vnwillen bezeugete. Catalonien ſtellete vnd
zahlte jhrem Koͤnig/ wegen deß Einfalls zu Salſen 12500. Knecht/ die Stadt
Barcellonna 1000. die Generalitaͤt 1650. Pferde/ ohne vielfaltige recrouten.


Als in waͤrenden ſieben Monaten deſſelben Zugs Don Anton de Fluvia, ein
Cataloniſcher Edelmann/ ſich vff ſeinem Schloß enthielte/ kamen drey Compa-
nien/ daſſelbe zu ſtuͤrmen/ weil das Landvolck jhr wenige Sachen dahin zur Ver-
wahrung im Nohtfall zuſammengetragen: Das Fewer oͤffnet das Thor/ vnd in
C cder
[18]De Statu perturbato Franciæ
der Kirch wurd dieſer vom Adel mit dreyen Dienern/ ſeinem Weib vnd einem
Toͤchterlein von zweyen Jahren/ erſchlagen vnd Mutternackend außgezogen.
Zu Gava, in einem Dorff/ verwundet ein Soldat ſeinen Wirth biß vff den Tod-
vnd verunehrt jhm das Weib vor ſeinen Augen. Die Leute mit den Armen hin-
terwerts auffzuhencken/ die Kinder in die Backoͤfen zu werffen/ vnd andere der-
gleichen Haͤndel ſolten das vergrabene Geld an deß Tages Liecht bringen. Der
Prieſter zu Cardaden ſalvirte ſich in die Kirch/ vnd haͤtte hencken muͤſſen/ wann
nicht ein ander Regiment waͤre vorbey gezogen/ vnd das Werck verhindert haͤtte.
Zu Guariga hatte man mit 1500. Cronen erkaufft/ das Quartier zu verrucken/ es
wurden aber bey dem Vffbruch alle Kirchen vnd Capellen rein außgepluͤndert.
Zwiſchen Ceret vnd Arles wagt ſich ein Soldat uͤber das Waſſer eine junge Toch-
ter zu entfuͤhren/ deren Vatter von 60. Jahren er mit zween Stichen erlegt/ vnd
die Schweſter mit zween Streichen verwundet/ als ſie Rettung thun wollen/ der
Tochter maͤchtig zu werden: vnd halff keine Klag wieder den Thaͤter. Zu Caſtillo
de Monegre
wohnte ein Mann mit ſeinem Weib/ fuͤnff Toͤchtern vnd einer
Schwaͤgerin: Die Soldaten wolten das Weibsvolck mit Gewalt die erſte Nacht
bey ſich haben/ der Mann aber ließ ſie durch ein Fenſter mit einem Seil hinun-
ter/ ſprang hernach/ vnd kam vnter den Piſtolen-Kugeln vnbeſchaͤdigt in einen
Wald. Zu S. Caloma de Farnes legt ſich Don Leonardo Molas, wegen eines
laͤngſt vorgangenen Gezaͤncks zwiſchen den Bawren vnd Soldaten: Man thaͤt
die beſte Sachen in die Kirch/ welches der Vnter-Officirer nicht leiden/ oder die
Haͤuſer in die Aſchen legen wollen. Es entſtund daruͤber ein Schlagens/ daß
vier Mann auff dem Platz geblieben/ vnd mehr dann 12. verwundet worden. Der
Sergeant ſalvirte ſich in ein Hauß/ vnd weil etliche Frembde/ der Noht zu entrin-
nen/ ein ander Hauß in Brand geſteckt/ wurd der Sergeant bey lauffendem Fewer
gebratten/ vnd zu Aſchen. Die Soldaten verbrandten Rio de Arenas vor deß
Molas Augen/ mit Kirchen vnd Kirchen-Ornat/ was ſie nicht zuvor geraubet:
Alſo verbrandten ſie deß Viſconten von Joc Staͤdtlein mit 122. Haͤuſern/ vner-
achtet was er gegen ſolche uͤbereilte execution ein wenden vnd bitten koͤnnen. Zu
Balaguer gieng es ſehr vbel her/ aber zu Gerona, wurden Jean de Arce vnd Leo-
nardo Molas
zu Mitternacht abgetrieben vnd in die Flucht gebracht. Alſo thaͤten
die zu S. Salvator, vnd S. Saloni: Jn der Graffſchafft Roſſilion wurde nichts ver-
ſchonet/ vmb Roſas muſten vier Mann/ vnd uͤber tauſend Oelbaͤume herhalten/
bey Caloma kuppelten ſie 20. Bawren zuſamm/ vnd arkebuſirten dieſelben.


Als man den Fronleichnams. Tag begieng/ vnterſtund Monrodons deß Ser-
geanten
geweſener Diener/ einem Bawrn/ auß der Ernde/ die Saͤcke zu be-
ſuchen/ daruͤber der Bawr/ dieſes Dings biß dahin vngewohnt/ wegen deß
Wiederſtands eine Wunde in den Kopff bekommen. Seine Geſellen lieffen her-
bey/ man ſchoß vnter ſie/ daß einer tod geblieben: darauff ſie Fewer vnd Reiſig
zum Pallaſt getragen/ weil der Leutenant keinem Vnheil ſtewrete/ ſondern an
allem
[19]\& Germaniæ Continuatio.
allem ſein Wolgefallenhatte. Die Deputirten vnnd Burgermeiſter lieffen
auß der Kirch/ ſtilleten die Bawren/ vnd hielten dem Leutenant Schutz/ vnd
verſchuffen jhm ſichern Abzug/ wie er begehrte. Aber er war voller Argwohn/
machte ſich zu Fuß davon/ mit einem einigen Diener/ durch ein Loch an der Maur/
befand ſich in einem ſteinichten Abweg/ fiel vnd erſtickte. Man fand jhn tod mit
zweyen Wunden/ als haͤtten jhn die Einwohner hingerichtet/ die ſich aber entſchul-
digten mit dem/ daß die Stich nicht geblutet/ auch ſo gar toͤdlich nicht geweſen/ vnd
demnach von dem Diener/ zu jhrem Schaden vnd Verderben/ nach ſeinem Tod
erſt gethan waͤren. Vnd eben deßwegen wurden 10000. Cronen vff deß Thaͤters
Kopff geſetzet. Hiernechſt zogen die Voͤlcker auff Perpignan, vnd begehrten/ vn-
erachtet der Privilegien/ darin zu quartiren/ thaͤten 250. Schuß auß groben Stu-
cken wieder S. Franciſci Kirch/ pluͤnderten die Carmeliten/ vnd vnſer Frawen
Kirch/ darinn uͤber 200. Kiſten mit Burgers-Kleidern ſtunden/ legten noch
Fewer drein. Der Biſchoff faſſte das H. Sacrament/ gieng mit ſeinen Geiſtli-
chen zu den hohen Officiren nach dem Schloß/ erhielt aber nichts bey dem Marg-
graven von der Rena. Darauff rieſſen die Soldaten allen Gewalt an ſich/ ſchloſ-
ſen die Thor/ ſetzten Wachten/ vnd tratten alle Privilegien mit Fuͤſſen.


Alſo wolten die Catalonier ſchier verſpuͤhren/ daß dieſes ein angelegtes
Werck waͤre/ ſie in Harniſch zubringen/ vnd hernach zu uͤberziehen/ ja aller Frey-
heiten verluſtigt zu machen. Dann Anno 1632. wolte man diſputiren/ es gebuͤhrte
keinem Burgermeiſter vor jhrer Majeſtaͤt mit bedecktem Haupt zu ſtehen/ auch
wurde jhnen die Audientz benommen in jhrem Rahthauß. Gleichwol hatte Ca-
rolus V.
den Titul Graff zu Barcellonna ſehr hoch/ vnd vor dem Hertzogen Titul
gehalten: Wie dann auch Graff Ramon Berenger ſich geſchrieben/ Graff zu
Barcellonna, vnd Printz zu Arragon: zumal Roſſilion vnd Cerdagne davon ab-
kommen. Dieſe Voͤlcker liegen in einem Dreyangel/ mit der offenen See/ vnd
dem Gebürg vmbgeben/ vnd fuͤhren noch einẽ Gothiſchen freyen Sinn/ zumal die
Gothen ſich dahiu geſetzt/ die Alanen vertrieben/ vnd das Koͤnigliche Gebluͤt fort-
gepflantzet. Ferrand. I. erzogen in Caſtilien/ kondte jhre Privilegien nit vertra-
gen/ ſonderlich daß er/ als jhr Koͤnig/ auch ſolte Zoll vnd andere Aufflagen bezahlen.
Johann Fivaller war Burgermeiſter/ machte ſein Teſtament/ vnd gieng/ als in
den Tod/ zum Koͤnig: Die Wacht wolte jhn zum dritten mal nicht hinein laſſen/
ob er ſchon allein/ vnd ſich den Burgermeiſter nennete/ biß es der Koͤnig befohlen.
Er kuͤſſete dem Koͤnig die Hand/ vnd hoͤrte auß zornigem Gemuͤt dieſe Wort:
Warumb ſtelleſt du dich ſo demuͤtig vor mir/ da du mich doch als deinen Vnter-
thanen zum Zoll zwingeſt? Jch bin nicht Koͤnig/ jhr Herꝛn ſeyds/ vnd meiſtert
den Koͤnig. Jſt das nicht ein Abenthwer/ daß ein Koͤnig ſeinen Vnterthanen
Zoll gebe? Sire, antwortet er/ ich hab nur ein Wort/ doch von hohem Nachden-
cken zu antworten: E. M. wiſſen/ was ſie vns mit Eyd verſprochen/ vns die Pri-
vilegien zu erhalten/ welches alle vorige Koͤnig gethan haben vnd geleiſtet. Weil
C ijwir
[20]De Statu perturbato Franciæ
wir dann ſehen/ daß E. M. ſolches gar nicht achten/ ſind wir ſorgfaͤltig vor E. M.
geweſen vnd vnſere Freyheit. Die Zoͤll ſind der Republic, vnd nicht E. M. Jch
vnd meine Amptsgeſellen werden lieber das Leben einbuͤſſen/ als die Schmaͤhle-
rung vnſerer Freyheiten geſtatten/ in welchem Fall wir die hoͤchſte Ehr vff Erden/
vnd im Himmel die Marter-Cron zu gewarten haben. Darum wolte E. Maj.
nichts wieder dieſe vnſchuldige Stadt vornehmen. Deß Koͤnigs Zorn war groß/
aber durch drey Raͤhte geſtillet/ daß er den Burgermeiſter mit vollem Genuͤgen
von ſich ließ.


Die Gothiſche Regierung iſt mit Koͤnig Rodrigo verloſchen/ als die Ma-
ranen oder Sarazenen das gantze Land einbekommen: Aber die Barcellonner
trieben ſie auß/ vnd waren bald deß Frantzoͤſiſchen/ bald deß Saraceniſchen Ge-
walts Vnterthanen/ ſagt Aimoinus: nachdeme Carolus Magnus vnd Ludwig
ſein Sohn/ jhnen Huͤlff vnd Beyſtand leiſteten/ biß ſie endlich gantz frey wieder
worden. Kayſer Ludwig gab jhnen Bara, einen Gothiſchen Herꝛn zum Guber-
nator/ welcher aber vor ſich ſelbſt wollen regieren/ vnd deßwegen von den Catalo-
niern ſelbſt iſt verſtoſſen worden (dahero ein Verraͤhter noch auff dem heutigen
Tag wird Bara genennet) Jhre Privilegien von dẽ Frantzoͤſiſchen Koͤnigen ſagen/
Nachdem ſie das Sarazeniſche Joch abgeworffen/ haͤtten ſie ſich vnter jhren Ge-
walt/ auß freyem vnd guten Willen begeben: darumb wolten ſie auch/ daß jeder-
man wiſſe/ wie ſie beſchloſſen/ dieſes Volck bey jhrer Freyheit/ vnter jhrem Schutz
vnd Schirm zu handhaben. Sie ſolten/ wie andere frey zu Feld ziehen/ vnd ne-
ben jhnen Wachten vnd Poſten beſetzen: ſie ſollen alles nach jhren Rechten vnd
Gewonheiten richten/ auſſerhalb Mord/ Entfuͤhrung vnd Brand/ ſo dem Graven
vorbehalten: auch ſolten die Præſenten/ ſo ſie thun moͤchten/ gar nicht Schatzung
oder Tribut genennet/ vnd das Land mit keiner Einquartierung/ als wann ſie ſelbſt
zu Feld ziehen/ beſchweret werden. Alſo behielten ſie jhre Gothiſche Geſaͤtz/ die ſie
nimmer laſſen wieder jhren Willen aͤndern: Da auch ichtwas darwieder ſolte vor-
genommen oder eingefuͤhret werden/ ſolte es von keinen Würden noch Kraͤfften
ſeyn. Dieweil nun dieſe Voͤlcker ſich jhrer vralten Freyheit erinnerten/ erſuch-
ten ſie den Frantzoſen vmb Huͤlff/ vnd erlangten dieſelbe/ daß der Spanier ſehr
groſſen Schaden vnd Koſten an dieſem Ort empfunden/ auch in Gefahr geſtan-
den/ daß nicht nur Catalonien/ ſondern auch Arragonien von jhme abgefallen/
vnd die vralte Freyheiten herfuͤr geſucht/ auch den Caſtilianiſchen Gewalt von ſich
gewieſen haͤtten. Dieſes Weſen in Catalonien ſolte zu Gedaͤchtniß gezogen ha-
ben/ daß das Koͤnigreich Granaten noch nicht allerdings feſt ſtehe/ vnd Gehorſam
leiſte/ ja daß das Koͤnigreich Boͤhem vnd die Niederlanden/ wegen Schmaͤhlerung
jhrer Privilegien/ darzu dann die Veraͤnderung der Religion auch kommen/ in
Vffſtand gerahten/ vnd daß die Kriegsvoͤlcker bey jhrem Wuͤten vnd Raſen kein
Vnterſcheid der Religionen wiſſen zu halten. Wie nun der Frantzos diß Fewr wo
nicht angezuͤndet/ doch trewlich vnterhalten/ vnd alſo den Brand in ſeines Nach-
barn
[21]\& Germaniæ Continuatio.
barn Dach geworffen/ alſo gieng auch ein newes Fewr eben dieſer Zeit auff in
Portugall.


Es iſt aber zu wiſſen/ daß Portugal ein Stuck iſt an Spanien/ an der offe-
nen See gelegen/ inhaltend vier groſſe Laͤnder/ als Tranſtagana, darin das Reich
Algarben/ Ciſtagana, zwiſchen Duero vnd Mignò, vnd dann Transmontana, vnter
ſechſthalben Grad von Nord zu Suden/ faͤngt an bey Cap S. Vincent, zu 37. Gr.
endet ſchier in 42. vnd ein halben Grad/ ohnfern von Bayonna de Vigo. Von
Sud Sudweſt/ gegen Nort Nortweſt/ ein jeden Grad zu 19. vnd ein halbe Portu-
geſiſche Meilen/ den Teutſchen nicht gar vngleich/ gerechnet. Die Breite be-
laufft ſich/ doch jederweilen weniger oder mehr/ vff viertzig Meilen. Ein ſo Volck-
reiches Land/ daß Koͤnig Sebaſtian/ biß in zweyhundert vñ viertzigtauſend Mann
zu Fuß in das Feld gebracht. Der Krieg in Portugal entſtunde wegen der ſuc-
ceſſion,
welchem das Koͤnigreich ſolte gebuͤhren. Dann Koͤnig Sebaſtian An-
no 1557. erhielt zwar das Erb von ſeinem Großvatter/ wurd aber ohne Hinterlaſ-
ſung einiger Leibs-Erben in Barbarey erſchlagen: Darumb wurde Koͤnig ſeines
Großvatters Bruder/ Cardinal Henrich/ vnd ſtarb auch ohne Leibs-Erben. Nun
war die Frag/ wer die Regierung anzutretten haͤtte/ dieweil der letzte Koͤnig Hen-
rich zwo Schweſtern vnd zween Bruͤder/ oder deroſelben Kinder nach ſich gelaſſen.
Eliſabeth war vermaͤhlt mit Carolo V. dem Kayſer/ vnd hatte gezeugt Philippum
II.
Koͤnig in Caſtilien/ ꝛc. welcher dann auch deß letztverſtorbenen Koͤnigs Teſta-
ment hatte anzuziehen. Beatrix/ deß Hertzogen von Saphoyen Ehgemahlin/
hatte hier gegen einem ſolchen maͤchtigen Potentaten nichts zu hoffen. Aloyſius
hatte zwar einen Sohn/ Don Antonio, von einem Kebsweib/ wie ſehr man ſich
auch bemuͤhete/ denſelben Beyſchlaff zu legitimiren/ hinterlaſſen/ der ſich auch deß
Koͤnigreichs mit Gewalt angenommen. Odoard war ſchon laͤngſt verſtorben/
hinterlaſſend zwo Toͤchter/ dern die aͤlteſte/ Namens Catharinen/ Printz Johanſen
von Bragança zu Ehe gehabt: Die andere/ Maria genandt/ den Hertzogen von
Parma. Caſtilien war Don Antonio vberlegen/ ſchlug jhn auß dem Land/ vnd
auß den Jnſuln/ daß er ſich nach Franckreich vnd Holland muͤſſen begeben/ vnd
im Elend ſein Leben enden/ ob er ſchon zween Soͤhne vnd etliche Toͤchter hinter-
laſſen. Der Hertzog von Alba war Feldherꝛ/ vnd verurſachte einen bittern Haß
zwiſchen den Portugieſen vnd Caſtilianern: Vnd von dieſer Stund an/ daß
Philippus diß groſſe Koͤnigreich an ſich gebracht/ ſchrieb er ſich Koͤnig in Spanien.
Die Hertzogen von Bragantz vnd Parma/ auch Saphoyen ſtillet er mit vielem
Verſprechen/ ſonderlich daß jederzeit eine Perſon von Potugieſiſchem Koͤnigli-
chen Gebluͤt ſein Statthalter im Land ſeyn ſolte. Die Portugieſen wolten An-
fangs ſich nicht bereden laſſen/ daß jhr Koͤnig Sebaſtian tod waͤre/ weil eben kein
vmbſtaͤndlicher Bericht von ſeinem Tod zu vernehmen war: Vnd als uͤber viel
Jahr hernach ſich einer zu Venedig vor denſelben außgab/ auch viel particular-
Sachen wuſte zu erzehlen/ machten ſich jhrer viel zu jhm/ vnd wendeten groſſen
C iijKoſten
[22]De Statu perturbato Franciæ
Koſten an: Welche Hoffnung der Betrieger jhnen endlich muͤſſen verderben vnd
abſchneiden.


Der Haß vnd die Vbertrettung zwiſchen den Caſtilianern vnd Portugie-
ſen iſt immer zu ſo groß geweſen/ daß Anno 1596. ein Portugieſiſcher Prieſter diß
Gebott/ Du ſolt deinen Nechſten lieben als dich ſelbſt/ ſolcher Geſtalt außgelegt/
wie Gott durch dieſes Gebott vns befehle nicht nur Vatter vnd Mutter/ Kinder/
Bruͤder/ Verwandten/ Freunde vnd Landsleute/ ſondern auch die Frembdlinge/
Ketzer/ Juden/ Heyden/ Mohren vnd Tuͤrcken/ auch wol die Caſtilianer zu lieben:
geſchehen zu S. Magdalenen in Lißbonn. Als von Madrit ein Koͤniglicher
Befehl außgangen/ daß die Portugieſen den Koͤnig Philippum mit ſeinem Na-
men in jhrem offentlichen Kirchengebet ſolten nennen/ dieweil ſie vnter dem Na-
men Koͤnig/ nicht Philippum/ ſondern Antonium meineten/ vnd der Ertzbiſchoff
zu Lißbonn den erſten Tag im Jahr 1582. ſolches verkuͤndigt; geſchahes auff den
H. Drey Koͤnigtag/ daß ein Prieſter mit groſſem Gepraͤng ſeine Meß geſungen/
vnd bey groſſer Verſamblung auff dieſe Wort in dem Gloria kommen, Et famu-
lum tuum Regem noſtrum;
hielt er ſtill/ ſtutzte/ wandte ſich zu den Diaconen/ vnd
fragte ſie mit heller Stimm/ ſagt an/ ſagt an/ wie heiſſt derſelbe Teuffel? Als ſie
nun geantwortet Philippum/ nennet er jhn auch/ vnd fuhr fort biß zu End ſeines
Gottesdienſtes. Eben vmb dieſelbe Zeit thaͤt ein Dominicaner Moͤnch das ge-
meine Gebet/ vnd vnterließ deß Koͤnigs Tauffnamen: ſprach aber bey Wieder-
holung derſelben Wort/ damit er nicht in die Straff deß gebrochenen heiligen
Gehorſams/ vff ſeines Prælaten hoͤchliches Erinnern fallen moͤchte: Vnd deinen
Diener/ vnſern Koͤnig Philippum/ den Hertzogen von Alba, Sanctium von Auila,
vnd Rodericum Sapata, vnd alle andere Teuffel. Ein ſo ſchroͤcklicher Haß iſt ver-
borgen blieben/ biß vff dieſe Zeit.


Vnd iſt zu wiſſen/ daß der gantze Portugeſiſche Stamm vnd Nam deß Koͤ-
nigreichs von ſechshundert Jahren nicht anderſt iſt vnterbrochen worden/ wann
man es je alſo nennen darff/ als nur einmal/ bey Johanne I. Nun ſind von Hen-
rico dem Burgundiſchen Fuͤrſten vnd Vrheber zehen Koͤnige nacheinander/ biß
vff Beatrix Johannis I. zu Caſtilien Gemahlin/ deren aber obgedachter Joannes I.
auß Portugall als ein vnehlicher Bruder/ dennoch iſt vorgezogen worden. Jo-
hannes I.
der zehende Koͤnig in der Ordnung/ hatte zween Soͤhn/ Odoarden vnd
Alfonſen/ Hertzogen zu Brakaitz. (der vnehlich ſoll gebohren ſeyn) Nach Odoardo
ward Koͤnig Alfonſus IV. vnd dann Johannes II. dieſem folgte Emanuel, Ferdi-
nandi
Sohn/ vnd Odoardi Enckel. Emanuels erſter Sohn war Johannes III.
deß Sebaſtiani Großvatter (dann Johannes vermeintlich der vierdte/ ſtarb vor dem
Vatter) Henrici, Aloyſii, Odoardi, Eliſabethæ vnd Beatricis Bruder. Dieweil
nun in der Brakantiſchen Lini Alfonſus, Ferdinandus I. Ferdinand. II. Gemmius,
Theodoſius I.
vnd Johannes I. auffeinander gefolgt ſeynd/ dieſer Brakantiſche
Johannes I. aber deß Odoardi, vnd vngezweiffelten Erben deß Koͤnigreichs/ da
er den
[23]\& Germaniæ Continuatio.
er den Fall erleben koͤnnen/ aͤlteſte Tochter Catharinen geheyratet/ mit derſelben
vier Soͤhn erzeugt/ vnd zwar auß Theodoſio II. Johannem II. der ſich in der Zahl
der Koͤnige den IV. nennet/ ſambt dem Printzen Odoard; iſt hie Frag vnd Streit/
wem das Koͤnigreich gebuͤhre. Koͤnig Philippus ſpricht/ ein vnehliches Kind
moͤge nicht erben/ das aͤlteſte Kind gehe vor/ als ſeine Mutter: Odoard waͤr laͤngſt
geſtorben/ vnd wann derſelbe je ſolte ſeiner Mutter vorgehen/ ſo ſey doch er/ deſſel-
ben Toͤchtern vorzuziehen: Koͤnigs Henrici diſpoſition vnd letzter Wille muͤſte
gelten. Hingegen ſagt der Hertzog von Brakantz/ es waͤre ja Johannes I. ſelbſten
vnehlicher Weiß erzeugt geweſen/ vnd dennoch der Erbin vnd einigen Tochter
vorgezogen worden. Philippus kaͤme von weiblichem Stamm/ aber Catharina
vom mannlichen/ der den Namen vnd das Wappen truͤge/ deſſen Leibes-Erben
nicht koͤnten mit Recht verſtoſſen werden. Vberdiß fuͤhrte Catharina den Na-
men/ vnd mit demſelben das Erbe/ Philippus aber nicht. So iſt auch Catharina
eine Portugieſin/ im Koͤnigreich gebohren vñ erzogen/ welches von Philippo nicht
kan geſagt werden. Vnd eben dieſes Geſetz ſey vff dem Reichstag zu Lameco,
vnter Johanne I. im Jahr 1383. beliebet vnd beſchloſſen worden. Letzlichen ſo re-
præſentirt
die Princeſſin Catharin jhren Vatter vnd deſſelben Recht. Daß aber
Printz Johann IV. ſeiner Groß mutter Recht/ vnd deſſen Vatter Theodoſius II.
eben derſelbigen ſeiner Mutter Recht nicht geſucht/ war kein Mangel an gutem
Willen/ ſondern an erſprießlichen Mitteln. Nun aber Franckreich die Spani-
ſche Macht zu hintertreiben angefangen/ haͤtte man billich das vralte Recht wieder
herfuͤr geſucht/ welches auch der Papſt zu Rom ſo fern gelten laſſen/ vnd den Por-
tugieſiſchen Geſandten den andern Koͤniglichen gleich gehalten/ auch ein Kirchen-
G[e]ſatz gemacht/ daß welcher Jahr vnd Tag ein Koͤniglichen Thron beſeſſen/ auch
in der Kirchen vor einen Koͤnig ſoll erkant werden. Der erſte Auffſtand geſchah
Anno 1640. den 1. Decembr. in der Stadt Lißbon/ nachdeme die Caſtilianer das
Koͤnigreich 64. Jahr beſeſſen hatten. Nach dem erſten Tumult ſuchte der newe
Koͤnig bey Franckreich/ Engelland vnd den unirten Niederlanden Hülff vnd Ei-
nigung/ erwieſe ſein Recht/ vnd machte mit den Hollaͤndern wegen der Jndien ſon-
derlich/ ein Stillſtand vff 10. Jahr/ mit gewiſſen Bedingungen/ Anno 1641. den
erſten May.


Vnd dieſe Haͤndel diſtrahirten die Spaniſche Macht/ weil er in den Jndien/
vnd gegen Portugal/ in Catalonien vnd gegen Franckreich/ in Saphoyen vnd ge-
gen die Hollaͤnder/ in den Grawbuͤnten vnd gegen die Weinmariſchen in Kriegs-
verfaſſungen ſtehen müſſen: darumb auch der Kayſer deſtoweniger Huͤlff von jhme
haben koͤnnen. Dann Hertzog Bernhard thaͤt in der Graffſchafft Burgund was er
wolte/ erfriſchte ſeine erhungerte Soldaten/ vnd ließ dem Elſaß vmb etwas Ruhe.
Vnd ob ſchon der Hertzog von Lothringen ſein euſſerſtes thaͤt/ war es doch mit gantz
vngleicher Macht/ vnd nahm dz Land verderben/ belaͤgern/ verſtoͤren nur uͤberhand/
biß Hertzog Bernhard die fuͤrnembſten Ort beſetzt gelaſſen/ vnd ſeine Voͤlcker nach
dem Rhein gefuͤhrt/ in Francken/ oder ſonſten etwas namhafftiges vorzunehmen.
Er
[24]De Statu perturbato Franciæ
Er fiel aber in eine ſchwere Kranckheit/ vnd geſegnete dieſe Welt. Etliche mein-
ten/ es waͤre jhm in Franckreich vergeben worden/ weil er jhm einen ſo groſſen Na-
men gemacht/ vnd vor dem Koͤnig mit bedecktem Haupt war geſtanden/ welches
daſelbſt niemand gebuͤhrt/ als den Fuͤrſten von Koͤniglichem Gebluͤt/ vnd den Ab-
geſandten der hohen Potentaten; das er aber großmuͤtig mit ſeinem Churfuͤrſtli-
chen Herkommen entſchuldigt. Andere meinen/ es haͤtte ein Burgundiſche Da-
me/ auß Rach wegen jhres zerſtoͤrten Schloſſes/ jhm den Biſſen zugerichtet. Er
verfaſſt ſeinen letzten Willen/ verordnet vier Directorn ſeiner Voͤlcker/ einen Gra-
ven von Naſſaw/ Oberſt Roſen/ Erlachern vnd Ohemen/ mit ſonderlicher inſtru-
ction
gegen den Frantzoſen vnd Schweden. Aber der Frantzos feyrte nicht/ da-
mit er Breyſach beym Kopff greiffen/ vnd dieſe Voͤlcker am Schnuͤrlein fuͤh-
ren koͤndte/ ſchickt nach Colmar/ vnd tractirt mit jhnen/ vnd ſchonet keines
Geldes.


Darumb kam der Pfaltzgraff/ der ſich wieder in Engelland/ nach ſeinem vn-
gluͤcklichen Krieg in Weſtphalen hatte begeben/ zu ſpaht/ die Weinmariſche Ar-
mee an ſich zu ziehen. Dann ſeine Reiß war in Franckreich ſchon ruchtbar/ vnd
konte vnbekandter Weiß nicht herauß/ fuͤrnemlich aber durch Franckreich reiſen/
daß ſie jhn nicht in Arreſt genommen/ vnd auff einem ſehr ſchlechten Wagen vnd
Gezeug in Vincennen Forſt gefuͤhret/ wohin man etwan die hohen Perſonen ge-
faͤnglich ſetzet. Der Frantzos wolte weiſen/ daß er mit ſich nicht ſchertzen ließ/ vnd
kein andere faction in Teutſchland leiden koͤnte: Zumal Pfaltz von Anfang ſeines
Vngluͤcks die angebottene Frantzoͤſiſche Huͤlff nicht geachtet/ vnd nur an Engel-
land gehangen: Welches Bayrn jhm wol wiſſen zu Nutz zu machen. Aber vn-
beſonen war es/ daß man vermeint/ eines ſolchen Potentaten vnbegruͤſt eine Ar-
mee/ darauff derſelbe ſo viel gewandt/ an ſich zu bringen: Noch vnbeſonnener/ zu
gedencken/ daß keine Auffmercker zu Londen ſich finden ſolten: Vnd dann ſol-
cher Geſtalt durch ein frembd Koͤnigreich/ bey ſolchen Zeiten reiſen wollen. Dar-
vmb ſchickt der Frantzos groß Geld nach Baſel/ vnd macht ſeine Sachen feſt/ wel-
ches er auch wegen deß Hertzogen auß Lothringen thun muͤſſen. Schier eben al-
ſo ergieng es dem Printzen auß Poln/ welchen der Spanier in Portugall brau-
chen wollen/ dem Abfall zu ſtewren/ als er in Franckreich erkand ward auff ſeiner
Durchreiß/ dieweil er dem Feind geſinnet war zu dienen/ oder eines feindlichen
Einfalls gewaͤrtig ſeyn.


Jn Jtalien gab es Stoͤß/ auch jederweilen gute Beuthen/ wie zu Trino vor
die Spanier. Vnd war ein groſſes/ daß ſich die Grawbuͤnder mit dem Spanier
zu Meyland verglichen vnd verbunden: welches die Ort in Schweitz verdroſſen/
daß ſie eben deßwegen zu Baden eine Zuſammenkunfft angeſtellet. Salſen er-
oberten zwar die Frantzoſen in Catolonien/ lieſſens ſichs aber durch eine harte Be-
laͤgerung wieder abnehmen. Heſdin ergab ſich nach dem ſiebenden Sturm an
die Frantzoſen/ vnd war hoch Zeit/ daß ſie daſelbſten Ernſt gebraucht/ weil vnter-
deſſen
[25]\& Germaniæ Continuatio.
deſſen ſie vor Diedenhofen auff der Moſel wurden ſtillſchweigend von dem Pic-
colomini vffgeſchlagen/ vnd zu beſorgen ſtund/ es moͤchte drunten ebenmaͤſſig er-
gehen.


Die Spanier vnd Hollaͤnder ſchlugen ſich dieſes 1639. Jahrs vier mal zur
See: Vnud verrichtete nichts ſonderliches/ als daß den Maſtrichern ein we-
nig bang vor einer Belaͤgerung worden. Aber Banner/ Torſtenſohn/ Wran-
gel vnd Koͤnigsmarck vbten ſich tapffer/ eroberten Zwickaw vnd Chemnitz/ ver-
ſuchten ſich an Freyberg zum dritten mal vergeblich. Damin ergab ſich jhnen/
deßgleichen Hornburg vnd Moritzburg: Sonderlich aber erhielten ſie eine herꝛ-
che Victori/ mit Geſchuͤtz vnd Troß bey Chemnitz/ darauff das veſte Schloß
Manßfeld auch gefolgt/ deßwegen Fuͤrſtenberger ſich wieder zuruck in Boͤhmen
gezogen/ deme ſie vff dem Fuß gefolgt/ Leutmaritz vnd Tetſchin uͤbermeiſtert/
Melnick vnd Brandeiß eingenommen/ Prag geſchreckt/ vor Pirnaw zum dritten
mal nichts gerichtet/ aber den Ort ohne Rettung endlich eingeaͤſchert/ die Bran-
denburgiſche Voͤlcker vmbzingelt/ das Eiſchfeld vnd Duderſtatt belegt/ Franck-
furt an der Oder/ Berlin vnd Coͤlln an der Sprew uͤberzogen/ Hertzog Georgen
von Lünenburg/ damit er das Stifft Hildesheim nicht abtretten muͤſte/ den
Rucken gehalten/ vnd inſonderheit in Boͤhmen/ nach Eroberung Bautzen/ ein
veſten Fuß geſetzt. Jndeme die Weinmariſche Voͤlcker ſich nach dem Rhein
hinunder gezogen/ vnd im Rheingaw vier Regiment verlohren; hingegen
aber zwiſchen Baſel vnd Rhein/ von Trier biß nach Oppen-
heim vnd Bingen jhre Quartier gemacht: Damit
ſich dann das 1639. Jahr endet.



D dDer
[26]De Statu perturbato Franciæ

Der 4. Diſcurß.


Wie Engelland vnd Schottland vom Roͤmiſchen Stuhl
abgefallen. Von den Schottlaͤndiſchen Kirchenordnungen/ vnd der Biſchoffen
Verſtand mit dem Koͤniglichen Hof. Wie der Anfang dieſes Kriegs ſich wegen
Beſchreibung deß National-Synodi angeſponnen. Von den Perthenſiſchen Ar-
tickeln/ vnd Confiſcationen/ auch Tumult wegen der Liturgia, vnd Schottiſchem
Bund. Von dem Synodo zu Glaſgua, vnd angehendem Krieg/ wie derſelb geſtillet/
wieder angangen vnd geendet worden. Die Vrſach ſoll ſeyn Laud der Ertzbi-
ſchoff/ der den Koͤnig abſolut, die Biſchoff groſſe Herꝛn/ vnd Groß-Britannien
Paͤpſtiſch machen wollen.


DJeweil von Erſchaffung der Welt/ biß auff dieſe vnſere Zeiten/ kein einig
Exempel ſich findet/ daß einiger Potentat von ſeinen eigenen Vntertha-
nen waͤre als Male fitziant vff freyem Platz/ vnd erhobenem Geruͤſt/ zu je-
dermaͤnniglichs Schewſal/ mit dem Schwert oder Beihel vom Leben zum Tod/
verurtheilet vnd hingerichtet worden/ vnd die Jnſul Groß-Britannien mit einem
ſolchen Grewel die jetzige vnd kuͤnfftige Hiſtorien erſchroͤcklicher Weiſe beflecket/
wollen wir deß gantzen Weſens Anfang vnd Ende nach muͤglichſter Kuͤrtze anhe-
roſetzen.


Der allererſte Abfall vom Roͤmiſchen Stuhl in Engelland geſchah vnter
Koͤnig Henrico VIII. aber nicht ſonderlich ſtarck/ ſondern vielmehr dem Papſt zu
trutz/ wegen Eheſachen/ wie anderſtwo zu leſen. Dann Cromwell ſahe mehr auff
das weltliche Regiment/ als auff das Kirchenweſen/ vnd beredt den Koͤnig/ wann
er ja ſein Koͤnigreich von deß Papſts Contributionen befreyen wolte/ daß er den
Peters-Groſchen vnd andere Kirchen-Rechte vor ſich ſelbſt behalten/ vnd die
Moͤncherey gantz vnd gar abgeſchaffet. Ob er ſchon wieder die Lutheraner vnd
Zwinglianer/ nicht weniger als wieder deß Papſts Vorfechter wuͤtete. Koͤnig
Eduard VI. Henrici Sohn vnd Nachfahr/ ließ ſich durch Cranmerum, Ridle-
ium, Knoxum, Hooperum, Martyrem
vnd Bucerum lencken vñ fuͤhren/ vnd grieff
das Papſtthumb hart an. Wie jhn ſein Vetter vnd Regent/ der Hertzog von
Sommetſet angefuͤhret hatte. Jndeſſen trieben Knox/ Willoeck/ vnd Winram
im Koͤnigreich Schottland den gemeinen Mann/ zu dem Abfall/ darumb es hie
viel Tumult gegeben/ dort aber ſtill geblieben/ auſſerhalb daß auff dem Reichstag
die Paͤpſtiſche Lehr abgeſchaffet/ das euſſerliche Weſen vnd Kirchengepraͤng gelaſ-
ſen worden. Dannenhero deß Cranmeri Vorhaben/ nach Calvint vnd anderer
anſehnlichen Leut Gutachten/ das Papſtumb mit der Wurtzel außzurotten/ mit
Eduardi VI. fruͤzeitigen Tod auch vergangen/ zumal die nachfolgende Regierung
vnter
[27]\& Germaniæ Continuatio.
vnter Koͤnigin Maria das Papſtumb wieder voͤllig eingefuͤhret/ vnd die Abtruͤn-
nige ernſtlich verfolget hat. Da nun Eliſabeth das Regiment angetretten/ hat
ſie alles wieder auff Koͤnigs Eduardi VI. Schlag gerichtet/ vnd den Gottesdienſt
in frembder Sprach nicht laſſen geſchehen/ hingegen das Meßopffer/ das Fegfewr
vnd die uͤbereintzige Werck abgeſchafft: Damit dann das Volck wol zufrieden ge-
weſen/ vnd ſich/ auſſerhalb etlicher weniger Eifferer/ begnuͤgen laſſen. Dann die
Biſchoffe lieſſen jhnen jhre Macht uͤber die Cleriſey vnd den gemeinen Mann im
geringſten nicht ſchmaͤlern: alſo/ daß von ſelbiger Zeit an niemand den Biſchoffen
wiederſprechen duͤrffen. Aber in Schottland war dem Waſſer ein andrer Weg
geweiſet/ indeme etliche wenige Herꝛn dem Poͤbel beyfall gaben/ vnd die Cardinaͤl
vnd Biſchoffe uͤberſtimmeten: Zumal/ als Jacobus V. die Schuld der Natur be-
zahlet/ vnd das Regiment/ der jungen vnmündigen Koͤnigin vff etlichen Herꝛen
beſtunde/ die im Abweſen derſelben (dann ſie in Franckreich ſich befande) dem Pap-
ſtumb den Garauß/ vnd den Biſchoffen den Rock/ mit Beſchneidung jhres Ge-
walts/ kuͤrtzer machten; dem Volck/ vnd nicht dem Biſchoff den Beruff der Predi-
ger/ ſambt Pruͤfung jhres Lebens heimſtelleten/ die Elteſten Ordnung auffrichte-
ten/ vnd nichts mehr als den Titul lieſſen/ auch alle Pomp auß den Kirchen ab-
ſchaffeten. So fern/ daß ſie auch Anno 1617. als Jacob. VI. in Schottland reiſen/
die Kirchen vff Engellaͤndiſch anſtellen/ vnd den Biſchoffen groͤſſern Gewalt vnd
Einkommen einraumen wollen/ das Volck es im geringſten nicht gelidten/ ſon-
dern ſolte/ gleich wie zur erſten Reformation/ daruͤber zun Waffen gegriffen/ vnd
zum Blutvergieſſen außgeſchlagen haben.


Dann die Schottlaͤndiſche Kirchen wurden regiert durch einen Biſchoff
oder Prediger/ etliche Elteſten vnd etliche Armendiener: alſo daß die benachbarte
Kirchen ſich vereinigen/ vnd eine Claſs machen/ nach begebener Nohtwendigkeit
ſich zu verſamblen/ vnd die Einigkeit fortzupflantzen. Bey welcher Verſamb-
lung ſie einen auß jhrem Mittel zum Præſidenten auffwerffen/ oder daſſelbe Ambt
herumb gehen laſſen. Wie nun eine Anzahl Kirchen die Claſs, alſo machen etli-
che Claſſen den Synodum in einem jeden Land/ biß etwan die gantze Nation in we-
nig oder viel Jahren zuſammen komme. Vnd koſtete viel Muͤhe/ biß ſie es da-
hin gebracht/ weil die Geiſtliche Guͤter diſtrahirt, vnd die Prediger nicht an der
Hand waren/ biß daß alles Anno 1592. beſchloſſen worden. Dann Anno 1560.
wurden 12. oberſte Vffſeher verordnet/ die das Ambt nur vff ein gewiſſe Zeit truͤ-
gen/ vnd ſich keiner weltlichen Geſchaͤfften annehmen dorfften. Die Schweitze-
riſche Reformation/ ſo das Biſtumb vor einen Menſchentand verwirfft/ wurd be-
liebet. Vnd weil dieſe Biſchoffe ohne Biſchofflichen Gewalt etwas vnruhig
waren/ geſchah Anno 1580. zu Taodun auff der Verſamblung/ daß man das Bi-
ſtumb vor ein Antichriſtiſche Tyranney verruffen/ ſowol im geiſt-als im weltlichen.
Vnd hie gab es Liſt vnd Hinderliſt/ da nemblich eben die jenige/ ſo die Biſtummer
wollen auffheben/ ſich an die Hoͤfflinge gehenckt/ damit jhnen von dem zerſtoͤrten
D ijBiſtumb
[28]De Statu perturbato Franciæ
Biſtumb groͤſſere Brocken/ als von einem ſchmahlen Pfarꝛdienſt abfielen. Sie
konten aber nichts außrichten/ biß der Koͤnig mit den National Synoden in Zwi-
ſpalt gerahten/ vnd jhnen ſolche Leut/ die doch mit dem Papſtumb ſchwanger gien-
gen/ aufftringen wollen. Als nun bey Verweigerung deſſen die Hoͤfflinge dem
Koͤnig einblieſſen/ er koͤnte das Volck zu keinem Gehorſamb bringen/ ſo lang die
aͤlteſte Ordnung im Schwang gienge/ vnd zuriethen/ der Koͤnig in Stottland ſolte
bey ſolchem Kirchendienſt den Engellaͤndiſchen Prieſtern vnd Herꝛn nur deſto an-
genehmer werden/ vnd der Cron was naͤher ſich machen: wurd zu ſolchem Ende
beſchloſſen Anno 1596. der Koͤnig müſte ſacht vnd langſam hierin verfahren/ vnd
die Gemuͤter durch Hoffnung vnd Gaben an ſich ziehen/ vnd dieſen Weltgeiſtli-
chen/ oder Geiſtweltlichen auch jhre Stimm bey den Reichs-Verſamblungen ge-
ſtatten: Sie wuͤrden aber in gewiſſe Schrancken eingeſpannet/ daß ſie ſich der
Cenſur vnterwürffen/ vnd uͤber jhre Collegas nicht erhůben. Wie man dann auch
hefftig gezanckt ob ſolchen Deputirten der Biſchoffliche Nam/ vnd zwar die Zeit
jhres Lebens gebuͤhrete. Sie vnterſchriebens zwar vnnd beeydigtens/ wol-
ten aber daran nicht gebunden ſeyn/ wegen der cenſur, vnd machten/ daß der
Koͤnig auff dem Reichstag Anno 1592. beſchlieſſen vnd verordnen laſſen/ daß
die Verſamblung der Nation nicht bey der Kirchen/ ſondern bey dem Koͤnig ſte-
hen ſolte.


Deme zu Folg hielt man Synodum Nationalem, im Jahr 1602. zu Eden-
burg/ vnd beſtimbt ein andern zu Abredonien; welchen Tag der Koͤnig durch ein
Mandat auff einen andern gewiſſen Tag verlegt/ vnd bald ohne Benamung ei-
niger Zeit verſchoben; darauß man vermercken koͤnnen/ daß er entweder kein Na-
tionalem
mehr/ oder zu ſeiner Zeit/ wann er die mehrere Stimmen zu ſeinem Vor-
theil in Handen haͤtte/ halten wollen. Weil aber die Eiferer den vom Koͤnig erſt-
lich beſtimbten Tag hielten/ vnd ſich daſelbſt verſambleten/ wurden ſie deß Lands
verwieſen/ nemlich die beyde Melvini, Forbeſius, Duncanus, Duræus vnd andere.
Nicht beſſer gieng es den uͤbrigen/ ſo wieder dieſen Strom gedachten zu ſchwim-
men. Weil dann etliche auß dem Land/ etliche im Gefaͤngniß/ andere hinter dem
Ofen verbrand ſaſſen/ hatte es keine Noht mehr auff der Zuſammenkunfft zu Lim-
nuch
im Jahr 1606. daß die Biſtumbs-Begierige nicht nach Belieben verfah-
ren/ vnd den Claſſen jhre vom Koͤnig verordnete Deputirten vor Biſchoffe/ oder vor
immerwaͤrende Verwalter auffdringen. Vnd weil die Bruͤder ſolches nunmehr
ſolten eingehen/ erhielten ſie bey dem Koͤnig die jurisdiction vber dieſelben/ im
Jahr 1610. mit dem Titul Celſæ Commiſſionis, die Prediger abzuſetzen/ im Ambt
zu hindern/ in Bann zu thun/ zu zwingen/ zu ſtraffen/ zu incarceriren/ vnd als Re-
bellen zu verfolgen. Welches Statut ſie auff dem Synodo zu Glaſgua, aber bey den
verpenſionirten Verwalterng/ leichſam bekraͤfftiget: Daß nemblich kein Predi-
ger gelten ſolte ohne deß Biſchoffs Confirmation: daß kein Prediger in Bann
fiele/ ohn deß Biſchoffs Gutachten; daß die Biſchoffe in Perſon/ oder durch jhre
Subſti-
[29]\& Germaniæ Continuatio.
Subſtituten, Præſidenten, vnd Biſchoff waͤren/ oder immerwaͤrende Verwalter/
denen die Pfarr Viſitation zuſtuͤnde. Vnd ſolches alles mit dem Verſtand/ daß
nichts ohne den Biſchoff/ vielmehr alles ohne die Elteſten vorgehe: auß Goͤttli-
chem Rechte/ vnd nicht nach menſchlicher Wahl/ da doch die H. Schrifft vnter ei-
nem Elteſten vnd Biſchoffe keinen Vnterſcheid machet. Abermal brauchten die
Biſchoffe Liſt vnd Rencken/ indeme ſie begehrten/ dem Koͤnig in dieſen 5. Puncten
zu willfahren: die Knie zu beugen bey dem H. Abendmal; die fuͤnff hohe Feſte zu
halten; den Tauff im Hauß; wie auch das H. Abendmal zu adminiſtriren; vnd die
Engellaͤndiſche Confirmation: Welche Stuck Anno 1618. zu Pertha von vielen/
vmb Friedlebens willen/ wiezuvor auch die Biſchoffliche Wuͤrden mit Maaß vnd
Ziel angenom̃en worden; fůrnemblich als man ſincerirte/ der Koͤnig begehrte die
uͤbrige Ceremonien gar nicht einzufuͤhren. Da ſich aber etliche/ auß Forcht ei-
ner mehrern Belaͤſtigung/ vnd wegen Gewiſſens-Zwang/ daß ſolche Ding keine
Mittel-Ding waͤren/ feſt wiederſetzten/ er folgte die ſchroͤckliche Trennung. Wel-
cher nun herfurkriechen/ vnd zu einigem geiſtlichem Ambt gelangen wolte/ that
was die Celſa Commiſſio vorſchriebe/ oder muſte den grewlichen Eyd/ den Hen-
ricus IV
wieder die Lollarden/ ſich ſelbſt anzuklagen/ eingefuͤhret/ ſchwehren.


Jndeſſen man nun uͤber den Perthenſiſchen fuͤnff Artickuln ſich zweyget/
ſtirbt Koͤnig Jacobus/ deme ſuccedirt ſein Sohn Carolus. Dem liegen die
newe Biſchoffe an/ die vereuſſerte geiſtliche Guͤter jhnen wieder einzuraumen/
vnd auff dem Reichstag Anno 1633. vorzutragen/ daß dem Koͤnig ſolte frey ſtehen/
eine Kleider-Ordnung den Geiſt- vnd Weltlichen vorzuſchreiben/ als ein Stuͤck
der Koͤniglichen Hoheit. Darumb auch die Wiederſpenſtige vor Meutmacher
vom Koͤnig mit eigener Hand auffgezeichnet/ vnd hart angefahren worden. Wie
nun dieſe ſich ſchrifftlich entſchuldigen wollen/ vnd keinen guten Wind bey Hoff
verſpuͤhrten/ erfiſchten die Biſchoffe jhre Schrifft ingeheim/ vnd bildeten dem Koͤ-
nig ein/ die Sach waͤre capital/ Anno 1634. vnd wendeten die Willigen von dem
ſchuldigen Gehorſamb: Solche Leute wolten auch die Papiſten nicht mehr an
jhren Richterſtellen dulten Wie nun der Celſæ Commiſſioni die execution an-
befohlen/ begab ſich Wilhelm Haig/ Koͤniglicher Verwalter/ ſo die Schrifft auß
guter Meinung abgefaſſet/ in Sicherheit/ vnd ſahe all ſein Haab vnd Guͤter con-
fiſcirt,
wie auch etliche vom Adel in gleicher Forcht. Hierauff ſchmieden die Bi-
ſchoff ein new Ritual, vnd lieſſens auß Koͤniglicher Hoheit anbefehlen/ welches aber
von den Provincial Synoden verworffen worden/ dieweil gleich vornen ſtunde:
Bey Straff deß Banns nichts in Zweiffel zu ziehen/ ob ſchon ein mehrers/ als in
Engelland uͤblich/ darinnen begriffen; vnter andern die Ohrenbeicht/ die Noht-
wendigkeit der guten Werck/ die Vnvollkommenheit der Reformation; daß Cal-
vinus ein wahnſinniger Puritaner/ den Papſt doͤrffen den Antichriſt/ die Roͤmi-
ſche Kirch eine Goͤtzendienerin nennen/ vnd ſich Biſchofflichen Gewalts vnter-
fangen; daß Auguſtinus wieder die Semipelagianer/ die Genffer wieder Caſtalion,
D d iijvnd
[30]De Statu perturbato Franciæ
vnd Dortrecht wieder die Remonſtranten, vnrecht verfahren; daß der Handel
uͤber den Bildern/ dem Creutzmachen/ dem Kniebeugen vor dem Altar/ als gerin-
ge Sachen/ leicht haͤtten moͤgen verglichen werden/ da nur etliche wenige Purita-
ner nicht ſo voller Eifer waͤren; daß kein Prieſter ohne Kind ein guͤltig Teſtament
machen ſolte/ er haͤtte dann der Kirchen ein groſſen Theil ſeiner Guͤtter verſchafft.
Der gemeine Mann zog die Sachen reifflich an/ vnd erwoge/ daß eines jeden Gut/
Ehr vnd Glimpff in hoher Gefahr ſchwebete/ wegen deß Banns/ vnd daranhan-
genden Confiſcation: Wie dañ der Biſchoff zu Gallouidia ſeinen Eifer ſehen laſ-
ſen/ daß er die Burger zu Kirchkudbrich vor Gericht geladen/ weil ſie jhren 80. jaͤh-
rigen Pfarrer/ vneracht ſeiner Entſetzung/ wegẽ der Perthenſiſchen Puncten hoͤren
predigen. Deß Predigers Sohn/ Burgermeiſter deß Orts/ muſte zu Loch/ daß
er den Vatter nicht geſtellet: Ein fuͤrnehmer von Adel gab groß Geld/ vnd war
noch froh/ daß man jhn ferne von ſeinem Hauß verbannet. Als nun das Gebet-
buch oder Liturgia, Anno 1637. den Kirchen auff Oſtern einzuführen kam/ vnd
durch ein ſonderbar Koͤniglich Mandat zu Edenburg geſchahe/ ſtuͤrmt das Volck
zur Kirch hinauß/ daß der Biſchoff ſchier von den Weibern waͤre zerriſſen wor-
den/ wann man jhn nicht in einem verdeckten Wagen davon gebracht haͤtte. Da
gab es viel ſupplicirens an die Koͤnigliche Raͤhte/ biß der Koͤnig die Sach vor ſich
gezogen/ vnd ſinceriret/ weder in der Religion/ noch wegen deß Landes Freyheiten
nichts zu aͤndern.


Jndeſſen ereichte man das Jahr 1638. vnd blieb der Koͤnig bey ſeiner gefaſſ-
ten reſolution, darumb der Schotten proteſtationen nichts gegolten/ vnd jhnen
Anlaß gegeben/ deß Koͤniglichen Hauſes Bekantnuß wieder herfuͤrzuſuchen/ ſo
Anno 1580. 1581. 1590. von deß Koͤnigs eigener/ wie auch der Staͤnden Hand vn-
terſchrieben worden/ vnd ſich auff ein newes darauff zu verbinden/ fuͤrnemlich wie-
der das Papſtumb. Die Papiſten wolten nicht in den Bund tretten/ weil ſie den
Geſaͤtzen gehorſam leiſten/ kein Verbuͤndnuß ohne deß Koͤnigs Willen eingehen/
noch andern Nohtleidenden beyzuſpringen ſich nicht verbinden wolten. Der Koͤ-
nigliche Raht war in Aengſten/ vnd vermocht den Koͤnig endlich dahin/ daß er dem
ſchwührigen Volck/ ehe es zu einem Synodo kaͤme/ all jhr Begehren verwilligte/
vnd bey der Verſamblung zu Glaſgua verſtattet/ daß die Paͤpſtiſche vnd Arminia-
niſche Prieſter/ auch Biſchofe/ wie vor Zeiten/ vor Gericht erſchienen. Der Synodus
gieng an den 21. Novembr. vnd hatte viel Gezaͤncks vber deß Koͤnigs/ vnd der Kir-
chen Recht/ auch uͤber der Biſchoffen biß dahin gepflogenen Handlungen/ ſon-
derlich ob dieſe Verſamblung ein rechtmaͤſſiger Synodus, oder nicht waͤre: Dar-
uͤber der Koͤnigliche Commiſſarius den Synodum vffgehoben/ die Verſamblung
aber fortgeſchritten/ vnd viel Prieſter abgeſetzt/ auch die newe Kirchen bißher
ſcharff cenſurirt, vnd die alten wieder ernewert/ vnd eine viſitation in dem gantzen
Koͤnigreich angeſtellet worden. Wie nun dieſer Synodus ſich geendet/ thaͤten ſie
allen Bericht an dẽ Koͤnig/ vnd an die Engellaͤnder/ jhre Vrſachen gut zu machen.
Aber
[31]\& Germaniæ Continuatio.
Aber der Koͤnig ließ ein Patent wieder ſie außgehen/ daß ſie wol mercketen/ was
die Glock geſchlagen: Darumb kamen die fuͤrnembſten zu Edenburg zuſamm/
verordneten Faſt- vnd Bet-Taͤge/ Schutzſchrifften vnd Kriegsbereitſchafft/ befe-
ſtigten die nohtwendigſte Ort mit groſſem Ernſt/ den erſten Tag May 1639. ließ
ſich die Engellaͤndiſche Flott von 28. Schiffen bey Fortha ſehen/ vnd ſchickt dem
Commendanten zu Edenburg deß Koͤnigs Will vnd Meinung ſchrifftlich; deme
aber die Verſambleten geantwortet/ vnd den Lesle zum General gemacht. Der
dann gute Verſehung gethan/ vnd den Engellaͤndern an die Graͤntzen entgegen ge-
zogen: allda es mancherley Friedens-Tractaten gebẽ/ biß den 20. Jun. die Schot-
ten wieder nach Hauß gezogen/ als ſie vermeinten nunmehr in Frieden zu leben.
Da ſie aber ſahen/ daß die Engellaͤnder nicht abzogen/ jhre Graͤntzhaͤuſer vnd dann
Edenburg ſelbſt zum allerbeſten verſorgten/ vnd in dem außgeſchriebenen Synodo
nach Edenburg der Koͤnig der Ertz- vnd Biſchoffe gedacht/ war alles voller Arg-
wohn: Doch gieng der Synodus zu End/ mit jedermans Wolgefallen. Hierauff
erfolgt alſobald das verſprochene Parlament/ bey welchem der Koͤnigliche Præſi-
dent wieder der Staͤnde Willen ein End gemacht/ vnd dennoch jhre Deputirten
zum Koͤnig laſſen abreiſen.


Weil aber indeſſen das Schloß zu Edenburg ſehr befeſtigt wurde/ vnd die
Schottlaͤndiſche Abgeſandten/ ſo den 20. Febr. vor den Koͤnig kommen/ in Ge-
faͤngnuß vnd Arreſt lagen/ auch der Graff von Northumberland zum Feldherꝛn
vom Koͤnig erkohren/ ſchrieben ſie an die benachbarte Potentaten von jhrem Zu-
ſtand. Weil nun der Koͤnig auff den andern Tag Junii zu Eroͤffnung deß Par-
laments in Edenburg niemand verordnet/ kamen die Staͤnde daſelbſt zuſamm/
Lesle war Feldherꝛ/ erobert etliche veſte Schloͤſſer/ weil ſie mit Ammunition nicht
zum beſten verſehen/ thaͤt gute Vorſorg gegen dem Vice Rè in Jrꝛland/ zog in En-
gelland uͤber die Graͤntzen/ vnd ließ ein Manifeſt/ daß er nichts anders/ als Frie-
den ſuchte/ außgehen. Er fuͤhrte biß in 28000. zu Fuß/ vnd 4000. zu Pferd/ in
dreyen Hauffen: ſchlug die Engellaͤnder den 28. Auguſt. vnd ließ alle gefangene
gemeine Soldaten ohn Entgelt lauffen/ Legt ein Beſatzung in New Caſtell/ das
ſich ſelbſt ergeben/ ſambt andern benachbarten Staͤtten. Eh er aber auff Jorck/
da ſich der Koͤnig hielte/ zoge/ ſupplicirt er vmb Frieden/ vnd neben jhm etliche En-
gellaͤndiſche Herꝛn/ auch die Statt Londen/ vnd brachten es endlich zu einem Frie-
denſchluß/ ob ſchon vor denen verſambleten Staͤnden ein Theil zum Krieg/ das
andre zum Frieden ſtarck gerahten.


Dieſes Vnweſens Schuld ward dem Ertzbiſchoff von Cantorbery zugemeſ-
ſen/ welcher das Papſtumb wiederumb wollen einfuͤhren/ vnd ein Buch/ daran er
20. Jahr gearbeitet/ an Tag geben/ von ſeiner diſputation wieder den Jeſuiter
Piſcator: Darin nimbt er die H. Schrifft nicht zum Richter der ſtrittigen Pun-
cten/ erhebt die Kirchenſatzungen uͤber das Goͤttliche Geſetz/ uͤbergibt den letzten
Außſchlag der Strittigkeit der Kirchen; geſteht/ daß die Engellaͤndiſche Kirch mit
der
[32]De Statu perturbato Franciæ
der Roͤmiſchen in den Fundamental-Puncten deß Glaubens uͤbereinſtimmen/
vnd in den nicht Fundamental-Puncten zwyſtig ſey. Ja er darff Calvinum ei-
nen Schelmen nennen. Daß nun der Ertzbiſchoff es gar wol mit dem Pap-
ſtumb gemeint/ erſcheinet darauß/ daß Schelfooidas einen Tractat laſſen außge-
hen/ der Papſt koͤnne ſo wenig der Antichriſt genennet werden/ als Luther oder
Calvinus. Er ſelbſt hatte dieſe Wort/ der Antichriſtiſchen Sect mit eigener
Hand in dem Kirchenbuch außgeſtrichen/ vnd die Babyloniſche dahin geſetzt. Er
referirt, die Roͤm. Kirch/ als Petri Stuhl/ ſoll das hoͤchſte Fuͤrſtenthumb uͤber alle
fuͤhren. Vnd Montacutius, Bey dieſem Stuhl ſey deß allerhoͤchſten Prieſters
Hoheit/ vnd deß Prieſterthumbs Quelle. Vnd Poklington, Es ſolte gar uͤbel mit
dem Ertzbiſchoff zu Cantorbery ſtehen/ wann er ſeine ſucceſſion nicht koͤnte vom
Papſther erweiſen. Vnd anderſtwo/ vnd eben darumb vnterwerffen wir vns
jhm. Montacutius/ Es iſt Puritaniſch/ wann man dem Papſt zu Rom den Titul
Seiner Heiligkeit nicht gibt/ ob ſchon derſelbe ein Wunder Schandbub waͤre:
Dann dieſen vnd dergleichen Titul tadeln nur die Wahnſinnige: Zumal auch et-
liche eyferige Kayſer von den Pferden abgeſtiegen/ jhm demuͤtige Ehr anzuthun.
Ja ſie haben dieſelben angebetet. Dann jhnen als Nachbildern Chriſti/ als Got-
tes vnd der Menſchen Mittlern gebuͤhrt ſolche ſonderliche Ehr. Deß Papſts Ge-
walt iſt den Koͤnigen in Franckreich vnd Spanien ſehr nutzlich. Vnd wann der
Koͤnig in Engelland ſeinen Vnterthanen thaͤt befehlen/ daß nichts in geiſtlichen
Sachen ohne deß Papſts Hoheit ſie in ſeinen Koͤnigreichen vornehmen/ vnd daß
alles was deß Apoſtoliſchen Geſetzes Hoheit vor oder nachbeſchloſſen/ eines Geſaͤ-
tzes Macht haͤtte/ waͤre jederman ſchuldig ſolches zu halten. Montacutius kan
Baronium den Cardinal/ vnd Poklington den D. Borromæum nicht genugſam
preiſen. Der Ertzbiſchoff von Cantorbery ſetzt/ die Kirch der Proteſtirenden
ſey nicht von der Paͤpſtiſchen/ welche alle zur Seeligkeit noͤhtige Stuͤck/ vnd was
zu dem Weſen einer Kirchen nohtwendig erfordert werde/ annoch behalte/ abge-
wichen. Lutheri Thun ſey ein erbaͤrmliche Spaltung: Die Strittigkeiten vn-
ter jhnen/ hindern die Seeligkeit nicht/ weil ſie das Fundament nicht betreffen.
Potterus, So jemand ſich weiter herfuͤr gethan/ vnd dieſelbe Kirch was ſchaͤrffer
angegriffen/ geſchah etwan durch einen Eiferer ohne Verſtand vnd Liebe. Heilens,
Vnd ob gleich die Jrꝛthumb der Paͤpſtiſchen Kirchen das Fundament betref-
fen ſolten/ ſo haͤtte doch die uͤbrige Warheit/ die jhro geblieben/ ſolche Krafft/
daß ſie/ als ein Gegengifft/ das beygefügte Gifft vnkraͤfftig mache. Potterus.
Zu dieſen Zeiten koͤnne man/ von allem/ ſo auß Einfalt jhres Hertzens verfuͤh-
ret/ vnd nun den Roͤmiſchen Glauben bekennen/ auch darinnen ſterben/ etwas gu-
tes hoffen.


Wegen der Abgoͤtterey hat der Ertzbiſchoff von Cantorbery auß dem Kir-
chenbuch außgeſtrichen/ was ſonſten allzeit geſtanden/ daß nemblich vnſere Vor-
Eltern waͤren vnter der Roͤmiſchen Kirchen in der Abgoͤtterey verſuncken gelegen.
Vnd
[33]\& Germaniæ Continuatio.
Vnd meint Dovvus, darin thaͤten ſie der Sach nur zu viel/ vnd gar nicht zu wenig.
Montacutius, Sie ſeyen von der Spaltung vnd der Ketzerey vor GOtt befreyet/
weil ſie die Jrꝛthumb/ da ſie je einige vnterhielten/ nicht ſelbſt erfunden noch er-
dacht. Vnd ſagt der Ertzbiſchoff/ Scaligerum, Pareum, vnd andere Eygendeuteler/
welche der Voreltern Einhelligkeit verachtet/ vnd jhre wahnſinnige Meinungen
andern vfftringen/ ſolle man eh der Spaltung beſchuldigen. Derowegen will
Montacutius, es hindere nichts/ daß nicht der Papiſten Kirch vnd die Proteſtiren-
den zuſammentretten/ wann nicht die Vnſinnigeit etlicher Eiferer (der Jeſuiten
vnd Puritaner) es vffhielten/ die doch jhre Phariſeiſche Ordnungen dem Chriſten-
thumb angekleibet. Darumb ſie der Gottſeeligkeit Eyterbeulen/ deß Chriſten-
thumbs Schandflecken/ deß Friedens vnd der Einigkeit abgeſagte Feind vnd
Verderben billich zu nennen. Caſſander aber war welcher die Seel der Froͤm-
migkeit vnd Beſcheidenheit/ vnd beklagt/ daß jhn Calvinus/ der vngeſtuͤmme Cen-
ſor,
ſo uͤbel behandelt. Auch wil der Ertzbiſchoff von Cantorbery/ man ſoll dem
Altar Ehr anthun/ wegen der perſoͤnlichen Gegenwart Gottes/ welcher daſelbſt/
als in ſeinem Thron reſidirt, ſagt Poklington. Weil im Kirchenbuch ſtunde/
Die Paͤpſtiſche Anbetung/ thaͤt der Ertzbiſchoff das Woͤrtlein Paͤpſtiſch auß.
Montacutius ſagt/ wer die Bilder zerſtoͤre/ ſey raſend/ als ein eiferiger Schelm:
Die Vnehr/ ſo man denſelben thue/ gereiche an das erſte Bild/ nemblich Chri-
ſtum vnd die Heiligen/ vnd wuͤndſchet den Bildſchaͤndern ein beſſern Sinn/ die
doch der Straffe nicht entgehen koͤndten. Dann ſie braͤchten den Kirchen ein euſ-
ſerliche Zierd/ vnd ſeyen der Layen Buͤcher: Darumb waͤre der Papiſten vnd
Proteſtirenden Streit nur vom Schatten. Jch fuͤrwar/ ſagt er/ will mit dem
groſſen Conſtantino die Reliquien in Windeln wickeln/ in Gold einfaſſen/ zum
vmbtragen/ zu dem Mund halten vnd kuͤſſen/ an dem Halß fuͤhren/ mit Haͤnden
vnd Augen immerzu verhandeln/ oder in Schachteln verſchlieſſen/ vnd zu meinen
allerkoͤſtlichſten Kleynodien hinlegen. Auch ſolte man die Wallfahrten nach den
Heiligen Stellen nicht verwerffen/ dann man ſtreite hie uͤber Geißwoll vnd Eſels-
Schatten. Jtem die Heiligen waͤren deß Gebets vnd der Vorbitt Mittler bey
GOtt/ darumb halte er auch der Heiligen Feſte/ damit er jhrer Vorbitt genieſſen
moͤge. Ach werde vnſchuldiger Weiß einer Abgoͤtterey oder Aberglaubens be-
ſchuldigt/ der alſo bete: Heiliger Schutz-Engel/ bitt vor mich. Die H. Jungfraw
Maria will Stafford ohn alle Suͤnde haben; nennet ſie die Koͤnigin/ Gottes
Tochter/ Mutter vnd Geſpons: Es ſey ein vnbetruͤgliche Warheit/ daß ſie gen
Himmel gefahren/ wie ſie es dann ſelbſt verdient gehabt. Vor jhr liegen der Ge-
rechten Seelen: Jhr ſey alles auff Erden auß dem Spiegel der Dreyeinigkeit be-
kand: Es ſey Puritaniſch/ wenn man den Engliſchen Gruß jhr nicht ſprechen
wolle: vnd wann wir nicht gut Marianiſch/ ſeyen wir keine gute Chriſten. Der
Moͤnchen/ Nonnen/ Fuͤrſten vnd Herꝛn Gottſeeligkeit/ daß ſie ſich in jhre Geſell-
ſchafften einſchreiben laſſen/ ſey loͤblich vnd zu folgen. Montacutius will/ ſie ſey
E enicht
[34]De Statu perturbato Franciæ
nicht wie andere Weibsbilder auß Mutterleib kommen: habe ohne wirckliche
Suͤnd gelebt: beherꝛſche alle Creaturen: Gott haͤtte die Welt vnd den Himmel
groͤſſer koͤnnen machen/ Aber ſie/ die Mutter Gottes koͤnne GOTT nicht
groͤſſer machen/ dann ſie iſt. Vnd eben dannenhero habe ſie einige vnendliche
Würde.


Deß Ertzbiſchoffs von Cantorbery Anhang haͤlt neben jhm die H. Schrifft
vor vnvollkommen; dann man muͤſſe endlich nur in dem Verſtand der Schrifft
ſich vergnuͤgen/ welcher durch die Satzungen vnd der Vaͤtter conſens im Anſe-
hen iſt. Die Kertze der Schrifft iſt nicht eh ein Liecht/ biß es von den Kirchen-
ſatzungen angezuͤndet worden. Jſt auch vor ſich ſelbſt nicht hell genug/ vnd mag
jhm ſelbſt kein genugſam Zeugnuß geben. Vnd wann die Patres ſich auff die
Schrifft beruffen/ ſchlieſſen ſie die Satzungen nicht auß/ dieweil die Schrifft ver-
borgen vnd tunckel iſt/ auch in verſcheidene Außlegung moͤge gezogen werden/ dar-
umb auch niemand ſich auff ſeine eigene Kraͤfften/ ohne die Kirch ſoll verlaſſen.
Koͤnig Henricus VIII. habe Gottslaͤſterlich mit dem Himmel gekriegt/ vnd ein
abſchewlich Laſter begangen/ daß er die Cloͤſter zerſtoͤret. Diß Leben habe ſeinen
Vrſprung von Elia/ Eliſæo/ vnd Johanne dem Teuffer Der Evangeliſt Mar-
cus haͤtte die enge Regeln abgefaſſt. Vnd wer darwieder rede/ als wieder ſelbſt-
erwehlten Gottesdienſt oder Aberglauben/ der bezuͤchtige dieſes Laſters Eliam/
Eliſæum/ Danielem vnd Marcum. Die heutige Carthaͤuſer/ Franciſcaner
vnd andere Moͤnche/ ſeyen Gottſeelige/ fromme vnd andaͤchtige Leut in jhrem Or-
den. Die Jungfraw Maria haͤtte ein Nonnen-Leben gefuͤhrt. Die barfuͤſſige
Gottes-Trachten uͤber die Gaſſen/ der Moͤnchen Horas, vigilias, naͤchtliche Be-
ſuchungen der Kirchen koͤnne man keines Wegs tadeln. Die vor Chriſto abge-
ſtorbene Heiligen waͤren nicht im Himmel geweſen/ ſondern in der Hoͤlle/ vnd
durch Chriſti Hoͤllenfahrt erloͤſet worden. So koͤnne man auch Gottſeeliglich
glauben/ daß Chriſtus bey ſeiner Hoͤllenfahrt die tugendſame Heyden/ als Socra-
tem, Ariſtotelem, Herculem, Epaminondam, Plutarchum
vnd andere/ erloͤſet
habe. Vnd ob gleich die Schrifft nur zwo Stellen nach dem Tod nenne/ vnd ei-
nes dirtten Orts kein einig Anzeige in der Schrifft ſich befinde; Folge darumb
nicht/ daß kein dritte Stell ſeyn muͤſſe/ weil viel Ding in der Schrifft nicht ſtehen.
Alſo werde auch die Vorbitt vor die Verſtorbene auß den Kirchenlehrern erwieſen
vnd behauptet: Daß alle vnd jede getauffte Kinder bey der Tauff warhafftig wie-
dergebohren/ gerecht vnd heilig werden/ alſo/ daß man an derſelben Seeligkeit gar
nicht zweiffeln moͤge/ wann ſie vor den wircklichen Suͤnden dieſe Welt verlaſ-
ſen. Dann der Tauff ſey zur Seeligkeit noͤhtig; wieder der Reformirten Lehrer
Außlegung/ die zur Verachtung Gottes/ vnd der Seelen Verdamnuß gereichen.
Es ſeyen auch die von Menſchen erfundene vnd dem Tauff beygefuͤgte Ceremo-
nien deß weiſſen Kleids/ Oels/ Saltzes/ Chriſams vnd der Milch/ dem Tauff ein
Zierd/ dem Sinn aber eine Vbung/ ſich durch empfindliche Ding vnd Bedeutung
zu dem
[35]\& Germaniæ Continuatio.
zu dem Gottesdienſt vnd Gott ſelbſten zu erheben: ſolten auch nicht abgeſchaffet/
ſondern wieder eingefuͤhret werden. So waͤre es nur ein Wortgezaͤnck wegen
der fuͤnff verwerfflichen Sacramenten. Dann die Firmung durch die Bi-
ſchoffe gethan/ mache voͤllige vnd vollkommene Chriſten. So ſey die Frag von
der Anzahl der Orden nichtig/ weil es bey den Reformirten nur an Leuten erman-
gele. Daß auß Goͤttlichem Recht dem Biſchoff allein gebühre/ die Orden auß-
zutheilen. Die Eheſachen muſten nach dem Paͤpſtiſchen Recht ſich entſcheiden.
Die Ohrenbeicht habe ſehr viel Nutzen/ vnd muͤſſe derowegen vor dem H. Abend-
mal hergehen. Keine Suͤnde ſolte man verſchweigen bey der Beicht/ wann der
Prieſter an GOttes ſtatt ſitze/ dieweil kein ander Mittel/ die Vergebung der
Suͤnden zu erlangen. Auch ſolte man die vralte Gewonheit von einem Beicht-
vatter in jeder Kirchen wieder anrichten/ damit er auff dem Aſchermitwoch jeder-
man Beicht hoͤrete/ das Haubt mit Aſchen beſtrewete/ die Faſtenbuß vfflegte/
vnd dann nach voͤlliger Verrichtung vor Oſtern abſolvirte/ welche Kirchenzucht
das newe Kirchenbuch wieder erfordere: Sintemal Gott wegen der begangenen
Suͤnden durch dieſe Buſſe warhafftiglich Genuͤgen geſchehe/ gleichwie mit dem
Gebet vor die vnterlaſſene gute Wercke. Der Glaub ſey nur ein bloſſer Beyfall/
vnd erfordere kein perſoͤnliche Zueigenung/ welche ein lautere Einbildung vnd
Gedicht waͤre. Das beſte Mittel Chriſtum zu ergreiffen/ ſey die Lieb. Der Apo-
ſtel meſſe zwar die Rechtfertigung dem Glauben zu/ verſtehe es aber nur vom An-
fang. Die Liebe ſey deß Glaubens Geſtalt/ vnd durch dieſelbe werden die Men-
ſchen gerechtfertiget vor Gott. Das Geſetz Gottes koͤnne man/ vnd zwar leicht-
lich in dieſem Leben erfuͤllen/ weil Gott gerecht vnd kein Tyrann waͤre/ vnmoͤgliche
Ding zu befehlen. Diß ſey die euſſerſte Gottslaͤſterung/ wann man vorgebe/ daß
die allerbeſte Werck der Heiligen etwas ſuͤndliches mit ſich fuͤhrten. Dann es
hielten derſelben etliche das Geſetz nicht nur vollkommentlich in dieſem Leben/ ſon-
dern etliche thaͤten uͤbergenug/ wann ſie den Raht der Vollkom̃enheit/ als Keuſch-
heit/ Armut vnd Gehorſamb leiſteten. Die gute Werck verdienen warhaffti-
glich vnd eigentlich das ewige Leben: ſeyen die warhafften vnd wirckenden Vrſa-
chen der Seeligkeit/ gleichwie die boͤſe Werck Verdamnuß verdieneten.


Vom Creutz machen ſagt Montacutius: Dann was ſolte mich hindern/ daß
ich mich mit dem Zeichen deß Creutzes nicht ſolte an jedem Theil meines Leibs/ zu
jeden Zeiten/ vnd bey jedem Thun bezeichnen/ da doch in der alten Kirchen ſolches
geſchehen; darumb koͤnnen wir annoch ohne Ergernuß vnd Aberglauben dieſelbe
Ceremonien auch gebrauchen. Das Gebet nach dem Roſenkrantz nennet er ein
heilige Rechnung. Die Faſten vor Oſtern/ vnd auff jeden Freytag/ auch auff den
Mittwoch/ komme von Apoſtoliſcher Einſaͤtzung/ ja Goͤttlicher Verordnung. Es
muͤſſe nohtwendig der Biſchoff den Ort der Begraͤbnuß weihen/ vnd zwar nach
Jnhalt der vralten Kirchen-Regeln; auch werde der geweihete Ort verunreinigt/
wann andere Sachen darauff vorgehen/ ein Ketzer/ Rottierer oder Verbannter
E e ijbegra-
[36]De Statu perturbato Franciæ
begraben werde. Alſo muͤſten auch die Kirchen jhre ſonderliche Weihe haben/
dadurch ſie geheiliget werden/ werden aber entheiliget/ wann man den Hut dar-
innen vffbehalte. Die Altaͤr ſolte man mit Gegittern vmbfaſſen/ darin die Prie-
ſter allein gehen/ doch auch jederweilen die Koͤnige/ wann ſie dem Schoͤpffer Ge-
ſchenck bringen: Zu dem Ende haͤtten ſie jhre eigene Weihe/ vnd Feſte. Der
Prieſter ſolt drey mal vor dem Altar niederfallen/ weil der Ort vnd die Menſch-
heit Chriſti ſo eng miteinander vereiniget waͤren. Die Apoſteln haͤtten befoh-
len/ das Angeſicht vnter dem Gebet nach der Sonnen Auffgang zu wenden. Man
ſolte knien beyden zehen Gebotten/ vnd ſtehen bey dem Glauben vnd Evangelion/
auch bey der Predigt den Hut vom Haupt halten: Zu dem Namen JEſu die
Knie beugen: Es lauffe wider das fuͤnffte Gebott/ wann man vnſer Frawen
Feſte nicht begehe; dieſelben werden auch durch Handwercke entheiliget/ nicht aber
der Sontag wann es die Obrigkeit verſtatte.


Vnnd damit das Volck nicht den Juden nacharten moͤchte/ werde er-
laubt/ nach gehaltener Predigt zu ſpielen. Das Predigampt ſolte man etli-
chen wenigen extraordinari vnd fuͤrtrefflichen Maͤnnern befehlen/ daſſelbe bey
Verbeſſerung etlicher Fehler/ oder Einfuͤhrung newer Ordnungen zu gebrau-
chen/ weil eines Pfarrers fuͤrnembſtes Ambt ſey/ die Kirchen agenda verſtaͤnd-
vnd deutlich vorzuleſen/ welches dann ein kraͤfftige Predigt ſey. Auch waͤr nicht
Noht/ daß man die Huͤlffe deß heiligen Geiſtes vor der Predigt/ oder zu End der-
ſelben/ das Wort in Vbung zu bringen/ begehre. Auch ſey nicht rahtſam/ daß
wol die allergelehrteſte Pfarrer andere Gebetlein als die vorgeſchriebene/ in
jhren Studierſtuͤblein gebrauchen/ wann ſie GOttes Majeſtaͤt nicht wolten fre-
ventlicher Weiß verachten. Den Sontag ſolte nur zum hoͤchſten einmal ge-
prediget werden/ Nachmittag ſey es ein Vberfluß/ wie auch mit dem Abendgebet/
oder Veſper. Die vielfaltigte Predigten hindern die Gottſeeligkeit mehr/ als ſie
foͤrderten/ auch wuͤrden die Leut mehr heiliger bey wenigen Predigten leben/ die-
weil darauß alle Rotten vnd Ketzereyen/ Ergernuß vnd Laſter entſtehen/ weil
ſolchen ſuͤchtigen Predigern alles was jhnen in Sinn kompt/ plaudern/ auß der
Kirchen eine Barbierſtub machen/ vnd wie die Hunde bellen. Mit der Meß ſind
ſie nicht uͤbel zufrieden/ wann nur die Verwandlung davon bleibe; wollen dem-
nach auch uͤber dem Wort kein Streit erwecken/ vnd halten ſchier alle Ceremo-
nien der Roͤm. Kirchen fuͤr gut vnd practizierlich. Was die Biſchoffe ſetzen/ müſ-
ſe gehalten werden/ als von Gott gebotten.


Der Koͤnige Gewalt ſey vnvmbſchrieben/ dann weil ſie Gottes Deputirte,
koͤnnen ſie niemand in die Schrancken thun: Vnd weil ſie die Geſaͤtz ſelbſt ma-
chen vnd ſtifften/ ſeyen ſie uͤber dieſelben/ darumb auch dem Fuͤrſten kein Geſaͤtz ge-
geben/ weil er ein abſolut Hoheit fuͤhre. Vnd wer ſich vnterſtehen wolte/ was
der Koͤnig moͤge/ oder nicht moͤge zu beſchreiben/ der ſey ein Atheiſt/ vnd diſputi-
re/ was Gott koͤnne/ oder nicht koͤnne: alſo/ daß keiner Begebenheit/ wie die auch
ſy n
[37]\& Germaniæ Continuatio.
ſeyn moͤchte/ den Vnterthanen erlaubt ſey/ dem jenigen Fuͤrſten ſich zu wieder-
ſetzen/ wieder welchen die natuͤrliche Beſchuͤtzung deß Rechtens/ oder Hindertrei-
bung deß Gewalts allen vnd jeden benommen. Vnter allen Biſchoffen in En-
gelland wolte man diſſeits deß Meers nur vor rechtſchaffen Reformirt halten
Thomam Mortonum, Johannem Wilhelmum, Johannem Davenantium, vnd
Joſephum Hallum, der doch ſeine Feder jederweilen zu viel haͤtte lauffen laſſen. Es
erweiſet auch Robert Bailius, Paſtor zu Hillwinn in einem Buch/ daß die faction,
deren Haupt der Ertzbiſchoff zu Cantorbery/ Wilhelm Laud/ mit Recht beſchul-
digt wuͤrde der Paͤpſtiſchen vnd Arminianiſchen Lehr/ auch der geiſt- vnd weltlichen
Tyranney. Vnd alſo ſetzte man auch die vralte Biſchoffe von Anfang deß Ab-
falls/ gegen die heutigen/ den Vnterſcheid deſto beſſer an Tag zu legen. Dieweil
ſich nun die alten Kirchendiener wiederſetzten/ vnd das Maul zu weit auffthaͤten/
verlohr mancher ſein Ambt/ Naſe oder Ohren/ fand ſeine Wohnung im Schat-
ten/ oder ſucht ſie in der newen Welt.



Der 5. Diſcurß.


Von dem Kriegsweſen in Engelland/ Dennemarck/ Hol-
land/ Jtalien vnd Heſſen/ dahin ſich Banner ziehen muͤſſen/ in Bayrn gangen/
durch Boͤhmen wieder herauß kommen/ vnd geſtorben. Wolffenbuͤttel belaͤgert.
Von Catalonien vnd Flandern/ Engelland vnd dem Reichtstag. Vom Vrſprung
deß Vnweſens in Engelland/ wegen der Reformation uͤber Schottland. Wie
die Biſchoffe gefaͤnglich eingezogen: Was der Vice Re beſchuldigt/ vnd wie er
gekoͤpfft worden. Vrtheil hievon.


JN dieſem 1640. Jahr hatte Engelland armirt, vnd wuſte niemand/ worauff
es angeſehen war/ biß die Haͤndel in Schottland außgebrochen/ aber vbel
abgeloffen: Vnd ſchiene/ als haͤtte der Spanier von ſchleuniger Huͤlffe
Verſprechnuß gethan. Zumal die Spaniſche Flott/ ſich vff die Engellaͤndiſche
Cuſten/ wegen Vngeſtuͤmme der See/ vnd groſſer Kriegsmacht der Hollaͤnder/ in
Sicherheit begeben/ vnd daſelbſt von der Engellaͤndiſchen Schiff-Armada be-
deckt/ vnd wieder Hollaͤndiſchen muͤglichen Gewalt verwahrt worden. Die con-
ſilia
giengen bey Hof wiedereinander/ nachdeme das Schottlaͤndiſche Vnweſen
nicht wollen nach Wunſch außſchlagen/ kein Geld zum Sold erſchiene/ vnd jener
Klugheit vnd Gluͤck den Engellaͤndern ſelbſt die Augen oͤffnete. Wie nun die
Ochſen vnten am Berge ſtunden/ vnd niemand Hand anlegen/ oder mit der
Schulter ſchalten wolte/ fordert der Koͤnig den Vice Rè auß Jrꝛland/ Thomam
Wentvvort,
Graven zu Staffort/ zu ſich/ vnd berahtſchlagt ſich mit jhm uͤber die-
ſen Handel: Der aber den Kopff dabey vffgeſetzt/ vnd im Stich gelaſſen. Dieſer
E e iijwuſte/
[38]De Statu perturbato Franciæ
wuſte/ daß der Printz von Vranien Friederich Henrich einen groſſen Schatz an
Baarſchafft hatte; darumb ſtifftet er ein Heurath zwiſchen deß Koͤnigs in Engel-
land Tochter/ vnd dem jungen Printzen/ Wilhelm von Vranien/ nicht nur ein
Rucken an deſſen eigener/ vnd dann auch der Niederlaͤnder Macht/ zu haben/ ſon-
dern auch baare Gelder vor die Kriegsvoͤlcker zu erlangen. Der Koͤnig in Den-
nemarck haͤtte ſich gern mit einer Armee ſehen laſſen/ vnd verbott vor diß mal den
See- vnd Hollaͤndern die enge Fahrt im Sund/ wegen deß verſagten newen Zolls:
ließ es doch bey dem nechſten bleiben. Die Hollaͤnder aber hatten was wichtiges
vor/ fielen in Flandern/ vnd verſuchten ſich an B [...]ugges, aber vergeblich. Der
Frantzoß belaͤgert vnd erobert die dreyfache Statt Arras: erlegt die Spanier bey
Caſal/ vnd erobert noch derſelbẽ Lager/ ſchlug ſie abermalvnfern vom Poo/ noͤtiget
Turino zur Vbergab/ thaͤt den abgefallenẽ Cataloniern alle Huͤlff vnd Vorſchub/
vnd ſchickt den Hertzog von Logavilla mit Volck zu den Weinmariſchen. Die-
ſelben verlegten ſie in die Wetteraw/ druckten den Landgraven von Darmſtadt/
erlegten den Bredaw/ ohnfern von Ziegenhayn/ vnd uͤberkamen Graff Gallen
bey Franckfurt am Mayn mit groſſem Geld/ verlohren aber Bingen vnd andere
Ort am Rhein. Der Landgrav zu Caſſel muſte bey dem Hauptweſen ſich finden/
vnd ließ Hoͤxter mit Gewalt fahren/ erobert aber hingegen Calcar, vnd ſahe ſein
Land in ſehr groſſer Noht.


Die Schweden erhielten Wohlaw mit Sturm/ vnd Koͤnigen Graͤtz durch
Accord/ ſchlugen den Saradeſſky/ uͤberſahen es aber bey Zwickaw/ lieſſen feine
Voͤlcker ſitzen/ vnd verlohren den Ort. Darumb reterirten ſie ſich auff Luͤnen-
burg zu/ ſtaͤrckten ſich mit derſelben/ vnd der Heſſiſchen Armee/ vnd ſetzten ſich bey
Salfeld: Von dannen erhub ſich Banner/ vnd ob ſchon Stalhans in der Schleſt
etliche mal die Oberhand im Treffen behielt/ wurden doch Wrangel vnd Schlang
geſchlagen/ (gleichwie auch die Kayſeriſchen bey Hohendwiel) daß der gantze Braſt
vnd Laſt abermals auff Heſſen ſiel: Zumal die Kayſeriſche Homburg vnd die
Amænenburg/ eingenommen/ vnd ſich veſt gelegt/ biß daß Banner wieder hinden
herauß gebrochen/ vnd auff Erfurt zugangen/ eben zu Außgang deß Jahrs. So
bemühete ſich auch der Kayſer/ eine beſondere Macht wiederauffzubringen; hielt
deßwegen einen Tag zu Nürnberg mit den Churfuͤrſten/ vnd ein vollen Reichstag
zu Regenſpurg/ begehrt/ die Staͤnde ſolten helffen vnd rahten/ daß man den lieben
Frieden erlangen/ oder im Fall ſolches nicht ſeyn wolte/ erſprießliche Mittel den
Krieg fortzuſetzen/ an der Hand haben/ vnd endlich das erlegene Juſtitzweſen wie-
der auffrichten koͤnte. Es wurde aber nicht viel außgerichtet/ weil Banner in
Bayrn einfiel/ zur Weyden/ vnd bey Vilſeck obſiegete/ auch viel Kleider vnd an-
dere Notdurfft/ ſo zur Kayſeriſchen Armee ſolten gehen/ vor ſich vnd ſeine Voͤlcker
erhaſchete/ fuͤrnemblich zu Eingang deß 1641. Jahrs. Wie nun den Staͤnden
zu Regenſpurg bang ward/ vermahnt ſie der Kayſer/ bey jhme zu verharren/ vnd
deß Reichs Notdurfft zu beobachten. Ob ſich ſchon Banner nahete/ Cham hin-
nahm/
[39]\& Germaniæ Continuatio.
nahm/ vnd Stalhans in der Marck loſe Haͤndel machte/ nachdem der Churfůrſt
zu Brandenburg juͤngſt war Todes verblichen. Der Kayſer thaͤt gute Gegen-
verfaſſung/ vnd liß den Piccolhuomini in der Stille das Volck in Bereitſchafft
halten/ gieng looß/ nicht vff das Hauptquartier/ ſondern vff Schlangen in New-
burg vor dem Wald/ vnd macht jhn kappott/ aber wegen vnglaublicher Gegen-
wehr/ nicht ſo geſchwind/ daß Banner ſich nicht auffmachen koͤnnen/ vnd auß
Bayrn in Boͤhmen geſchwungen. Wie er dann als ein Fuchs vor dem Garn
ſich gewendet/ vnd ein halben Mond gezogen/ biß er Cham/ vnd endlich Zwi-
ckaw in Meiſſen erreicht/ aber die Kayſeriſchen mit groſſem reyſen vnd vielem
fechten gantz abgemattet/ daß ſie jhm in dieſer Flucht/ oder Loͤwen retirada nicht
viel mehr uͤber die Bagage moͤgen angewinnen. Vnd weil die Weinamriſche Ar-
mee/ ſo in dem Stifft Bamberg ſich erquicket/ vnd reich gemachet/ mit den Fran-
tzoſen nach dem Voitland gieng/ fand er ſich bald wieder in Poſtur/ ſeinem Feind
vnter Augen zu gehen. Es ſchiene/ als haͤtte er dieſen affront zu Hertzen gezo-
gen/ darumb er zwar den Kayſeriſchen an der Saal etwas Wiederſtand thaͤt/ doch
matt vnd kranck nach Halberſtatt zog/ vnd daſelbſten ſturbe/ noch im May. Vnd
weil die Kayſer einen Ort nach dem andern einnahmen/ auch kein rechter Anſtalt
oder Gehorſam bey den Schweden mehr ſchiene/ machten Schweden/ Heſſen
vnd Luͤnenburg einen Bund/ (darumb auch dieſer bey den Geſandten zu Regen-
ſpurg abgewieſen worden) vnd belaͤgerten Wolffenbuͤttel/ welches die Kayſeriſche
ſuchten zu entſetzen/ vnd in einem harten Treffen den Graven von Naſſaw/ der
vier Directorn einen uͤber die Weinmariſch Armee erlegten. Hatzfeld nam ſein
Schantz in acht/ legt ſich vor Dorſten/ in der weil die Heſſiſch Macht bey den Schwe-
den hielte/ vnd bezwang zur Vbergab. Wie nun der Graff Broy auff Kayſeri-
ſcher Seiten vbel eingebuͤſſet hatte bey den Furagierern/ vnd jhrer ſtarcken Con-
voy,
auch alle Lebensmittel beyderſeits zerronen/ vnd einige Verraͤhterey durch den
von Seckendorff ſich angeſponnen/ zudeme auch der Hertzog von Luͤnenburg ſein
Land im euſſerſten Verderben/ vnter ſo vielen Voͤlckern ſahe/ vnwiſſend/ ob vnd
wem zum beſten der Ort wuͤrde uͤbergehen/ auch bey dem Kayſer etwas zu erhalten
hoffete/ hube ſich die Belaͤgerung von ſich ſelbſt auff. Die Kayſeriſchen erober-
ten Einbeck/ die Heſſen plagten das Stifft Coͤlln/ lieſſen ſich aber bey Cleve ſchla-
gen/ vnd die Schweden erwarteten jhres newen Generals/ deß Torſtenſohn/ der
vnter jhrem Koͤnig Artillerymeiſter geweſen/ vnd ohne Geld vnd Volck zu dieſen
Voͤlckern bey ſo gefaͤhrlichem Zuſtand/ nicht ankommen wollen. Welches aber
noch im November geſchehen.


Sonſten hatte ſich der Hertzog auß Lothringen mit dem Frantzoſen vertra-
gen/ vnd befand ſich zu Pariß/ hielt aber nicht lang. Die Catalonier ſchlugen
mit Huͤlff der Frantzoſen die Spanier zwey mal vor Barſellonna/ befreundeten
ſich mit den Portugieſen/ bekamen den Haudencourt zu Vice Rè auß Franckreich:
konten aber Tarragona nicht uͤbermeiſtern/ weil die Flotta vnter dem Ertzbiſchoff
von
[40]De Statu perturbato Franciæ
von Burſches die Spaniſche Schiff nicht koͤnnen beſtehn/ ſondern abweichen müſ-
ſen. Den Frantzoſen ſchiene die Sonn nicht eben wol in Jtalien/ (daſelbſt der
Papſt ein newen Krieg wieder den Hertzogen von Parma/ wegen Caſtro/ einem
veſten Schloß vnd guten Lande/ angefangen/ daß er zwar Caſtro erobert/ vnd darne-
neben den Hertzogen in den Bann gethan) wie in Flandern: Dañ ſie eroberten den
veſten Ort Arien/ oder Air/ haͤtten jhn auch gar behauptet wann nicht deß Graven
von Soiſſons Wiederwill/ vnd Verein mit Spanien/ ja feindlicher Einfall bey Se-
dan,
ſie haͤtte genoͤtiget/ demſelben Einbruch zu ſtewren: Wie dann dz Treffen zwar
verlohren/ aber der Graff erſchoſſen/ vnd dem ſelben Krieg ein End gemacht ward.
Darumb waren die Frantzoſen nur vier Monat vnd etliche Tag in Arien. Es hau-
ſeten aber die Frantzoſen in Flandern vnſaͤglich uͤbel/ vnd eroberten Baſſee, vnd
Bapamen, an veſten Plaͤtzen. Bey den Spvniern war alles voller Trawren/ daß
der Cardinal Jnfant/ Ferdinand Ertzhertzog zu Oeſterreich/ Gubernator der ge-
horſamen Niederlanden/ vnterdeſſen Todes verblichen. Die Staaden uͤbten ſich
nicht ſonderlich/ nachdem ſie eine groſſe Macht auff den Beinen hatten/ belaͤgerten
Gennepp/ ſonſten genant das Haͤußlein/ einen ſehr veſten Ort/ ſo hiebevor der Ertz-
biſchoff zu Coͤlln ſequeſters weiß innen gehabt/ vnd zogen nach deſſen Orts Erobe-
rung wieder nach Hauß/ in jhre Winterquartier. Aber in Engelland gab es
grobe Haͤndel/ zwiſchen dem Parlament vnd dem Koͤnig/ wegen deß Vice Ré in
Jrꝛland/ der vor dem Parlament ſolte gerichtlich erſcheinen/ vmb zu vertheidi-
gen/ was jhn auch die Schottlaͤnder beſchuldigten. Der Ritter Roo reyſete
nach Regenſpurg zu dem Reichstag/ die Pfaͤltziſche Erblanden mit Ernſt wieder
zu begehren/ wurd aber ſchlecht abgewieſen/ weil man das duͤrre Reiſig zu einem
groſſen Brand in Engelland beyſam uͤber einem Hauffen ſahe. Der Kayſer ließ
jhm mehr angelegen ſeyn/ wie er die Cron Schweden vnd Franckreich mit Tracta-
ten entweder zu ſeinem Vortheil vnd Gluͤck auffhalten/ oder zum Frieden brin-
gen moͤchte: Zumal man dann wegen Hamburg vnd Coͤlln am Rhein handelte/
wo die Zuſammenkunfften am fuͤglichſten anzuſtellen waͤren. Darumb ward
nichts drauß/ als der Koͤnig in Engelland vff ſolch abſchlaͤgige Abfertigung deß ge-
meldten Ritters ein Manifeſt liß außgehen/ vnd zwar mit Belieben ſeiner beyder
Parlamenter in Engell vnd Schottland/ den Pfaltzgraven mit voller Macht wie-
der in ſein Erblanden einzuſetzen. Dann weil das Parlament zu Londen die Sei-
ten hoch ſpannete/ vnd ſcharff fuͤhrete/ die eingeriſſene Kirchen-Ceremonien/ nach
dem Exempel der Schottlaͤnder/ abſchaffete/ die Marienbilder niederrieſſe/ auch
eine ſchwere Conſpiration wieder deß Koͤnigs Perſon vñ die fuͤrnembſte Herꝛn in
Schottland entdeckte/ vnd dem Vice Ré auß Jrꝛland nach dem Halß graſete/ hat-
te es keine Noht/ daß ein Wetter auß Groß Britannien uͤber Meer ſolte ziehen/
vnd in Teutſchland/ oder am Rheinſtrom/ oder im Boͤhemer Wald einſchlagen.


Wann wir nun das Engellaͤndiſche Vnweſen uͤberſchlagen finden wir/ daß
zur Zeit der erſten Reformation oder Abfall von der Roͤm. Kirchen/ das gantze
Papſtumb
[41]\& Germaniæ Continuatio.
Bapſtumb iſt geblieben/ auſſerhalb deß Hauptes/ welches die Engellaͤnder nicht
zu Rom/ ſondern in der Jnſul ſelbſt finden wollen vnd jhren Koͤnig/ als den Papſt
vor das Haupt jhrer Kirchen erkennen. Welches ſonderlich hierauß abzuneh-
men/ daß/ als der Papſt die Koͤnigin Eliſabeth in Bann wollen thun/ Frantz
Walſingham zween Paͤpſtiſche Kundſchaffer gleichſam heimlich in Engelland
kommen laſſen/ vnd verſchafft/ daß ſie den Gottesdienſt zu Cantorbery vnd Lon-
den in Paͤpſtiſchem Schmuck vnd Gepraͤng ſehen leſen vnd ſingen. Daruͤber ſie
ſich verwundert/ daß der Papſt ein ſolch Koͤnigreich/ welches vff Roͤmiſche Ma-
nier ſehr eiferig waͤre/ wolte in Bann thun; Wegen jhrer Relation hinterblieb
dieſelbe Bull ſambt der Excommunication deß Banns. Auch meldet Carleton,
Papſt Pius IV. waͤre geſinnet geweſen/ den Engellaͤndern die beyderley Geſtalten/
vnd den Gottesdienſt deß Gebets in jhrer Mutterſprach zu verſtatten/ wann ſie jhn
nur vor das Oberhaupt der Kirchen erkenneten. Nun bezeugt die gantze Hiſtori/
daß die Biſchoffe jederzeit dem Parlament/ vnd das Parlament den Biſchoffen
entgegen geweſen/ weil eines uͤber das andre ſeyn wollen. Die Koͤnigin Eliſa-
beth wolte die Biſchoff in etwas ringern/ muſte aber alſobald hoͤren/ Alsdann wuͤr-
de ein jeder Dorffprieſter die Koͤnigliche Majeſtaͤt excommuniciren. Jacobus
hielt es veſt mit den Biſchoffen/ geſtattet aber keines Wegs jhnen einig Goͤttlich
Recht: biß vnter Carolo der Biſchoff zu Elien/ wie Baſtvvic bezeugt/ ſein Biſchoffs-
Kapp verwetten wollen/ wann er nicht erweiſe/ daß die Biſchoffliche Hoheit auß
Goͤttlichem Recht herruͤhre/ vnd dem Koͤnig nicht vnterwuͤrffig ſey. Darumb
ſagte der von Cantorbery/ die Biſchoffe waͤren aͤlter als die Koͤnige. Sie mach-
ten zu jhrem Vortheil etliche Geſaͤtz zu Eingang Jacobi VI. nur deſto groͤſſern
Gewalt zu tragen/ vnd ſtopfften das Maul/ oder ſuſpendirten/ oder verſtieſſen da-
mals uͤber 400. Prediger/ die jhnen wiederſprochen/ vnd lieſſen jhre Bücher einen
jeden vnterſchreiben/ daß nichts dem Wort GOttes zuwieder in denſelben waͤre
enthalten: Vnd damaln gabe es zwo Partheyen/ die Biſchoffe vnd die Purita-
ner. Die Puritaner/ ſchreibt Broock/ waren Conformiſtæ, ſo die Jrꝛthumb wie-
derlegten/ vnd die alte Ceremonien doch lieſſen ſtreichen: Non-conformiſtæ, die
eine oder andere Ceremonien hielten oder verworffen: Separatiſtæ waren rigidi
oder Brovvniſtæ, vnd Hemi oder Robinſoriani, ſo hernach Independentes ſeyn
wollen. Aber vnter Carolo gab es alte vnd newe Puritaner/ zumal die newen in
dieſem von den alten zu vnterſcheiden/ daß ſie mit gutem Gewiſſen gar keine Cere-
monien dulten koͤnten. Letzlich iſt es dahinauß gelauffen/ als man ſich uͤber dem
Kirchen-Regiment gezweygt/ daß dieſe zwo Partheyen/ Presbyteriani vnd Inde-
pendentes
ſich vernehmen laſſen. Die erſten haltens ſchier mit den uͤbrigen Re-
formirten/ vnd vnterwerffen die Kirch den Elteſten/ den Claſſen/ vnd den Syno-
den. Die andern aber wollen jede Kirch vngebunden vnd die Freyheit deß Ge-
wiſſens vnd Glaubens haben: Sind aber Rechtglaubige/ nur in dieſem von den
Puritanern vnterſcheiden/ daß ſie keine Elteſten/ ſondern das gantze Volck er-
F fkennen/
[42]De Statu perturbato Franciæ
kennen/ vnd die Wanſinnige/ deren tauſenderley Gattungẽ zu finden/ die fuͤrnem-
ſten aber ſind die Wiedertaͤuffer/ die Suchenden/ ſo nichts gewiſſes ſetzẽ oder glau-
ben/ die Antinomi, ſo das Geſetz nicht annehmen/ Libertini, Sociniani, Millenarii,
Enthuſiaſtæ, \&c.
alle nach der Freyheit deß Gewiſſens/ vnd wieder die Presbyte-
rianos,
vnd Papiſten ſtrebende. Es meldet ein geſchriebene Hiſtori/ man habe
Anno 1634. offentlich Raht gehalten das Papſtumb wieder einzufuͤhren/ als Land
dem Abott im Ertz-Prieſterthumb gefolget/ deme auch der Cardinals-Hut zum
oͤfftern angebotten worden. Gleich hab der Papſt ſeine Nuncios nach Groß
Brittannien/ vnd der Koͤnig/ auch die Koͤnigin jhre Abgeſandten nach Rom ge-
ſchickt/ vnd dem Cardinal Barbarini die protection uͤber Schott vnd Engelland
vffgetragen. Dannenhero das Bapſtumb verdeckter Weiß wieder einge fuͤhret
vnd die Wiederſpenſtige vnterdruckt worden.


Der Anfang deß Gewalts traff die Schottlaͤnder/ als Laud an deß Koͤnigs
Capell anfieng zu Edenburg/ damit alle andere deſto ehe zu folgen haͤtten. Da ſetzt
er hin ein Biſchoff/ ſo auch vnter dem Papſtumb nicht geweſen; Altar/ Orgeln/
vnd andern Zierath vnd Ceremonien. Befahl alles/ ohne deſſelben Parlaments
vnd deß Sinody Vorwiſſen oder Bewilligunng/ ließ Burtono, Prynnio vnd Baſt-
vvico,
in der dreyen Faculteten Doctorn/ andern zum Schrecken/ die Ohren ab-
ſchneiden/ vnd ſie deß Lands verweiſen: Welches Stuck dem Volck in Augen
vnd Hertzen weh gethan/ daß es hernach bey Einfuͤhrung der Liturgia Tumult an-
gefangen. Weil aber hierdurch ſein Anſehen geſchmaͤhlert/ vnd dem Vorhaben
der Lauff gebrochen ward/ vorſchuff er/ vnd der Vice Ré, angeſehen die Engellaͤn-
der etwas mehr mit den Puritanern leicheten/ daß die Jrꝛlaͤnder in Schottland
fallen/ vnd die Wiederſpenſtigen zum Gehorſamb bringen ſolten. Die Schott-
laͤnder erhielten durch jhre geführte Waffen/ daß der Koͤnig jhnen den geiſtlichen
Gewalt erließ/ vnd nicht ferner ſuchte auffzutringen. Die Engellaͤnder faſſeten
diß zum Exempel/ vnd fiengen an/ ein gleiches zu gedencken/ vnd zu begehren:
Vnd iſt wunderſam/ daß eben die jenige Soldaten/ ſo wegen der Biſchoffen die
Schottlaͤnder ſolten uͤberziehen/ ein frechen verwegenen Anfang zu der Reforma-
tion in Engelland gemacht haben. Dann ſie plagten die Biſchoffe ſambt der
gantzen Cleriſey/ nicht anderſt/ als vor Zeiten die Teutſchen den Papſt zu Rom/
vnter Carolo V. thaͤten ihnen alle Schmach an/ vbten Schimpff vnd Schertz/
Schlaͤge vnd Ernſt/ ohne daß jemand ſie im Zaum hielte. Darauff gieng es an
Altar/ Crucifix vnd Bilder ſtürmen/ auch newe Buͤcher vnd Agenden zureiſſen.
Vnd ob ſchon das Parlament vnterdeſſen angieng/ graſſirt doch der Poͤbel zu
Weſtmuͤnſter vnd zu Lambeth hefftig/ biß das zweyte Parlament den 3. Novemb.
Anno 1640. angefangen/ wehren ſoll/ ſo lang Engelland ſteht vnd wehret. Als
nun das Voͤlcklein zuſammenlieff/ die Gadendiener vnd Buͤrger von deß Ertz-
biſchoffs Anhang angefochten wurden/ ſonderlich wegen Weſtmuͤnſter/ verſahen
ſie ſich den folgenden Tag beſſer/ vnd weil man jhnen mit Schmaͤhworten vnd
Rumoren
[43]\& Germaniæ Continuatio.
Rumoren begegnet/ fielen ſie an die Biſchoffe: Dieſelbe trawten dem Landfrie-
den nicht/ vnd fuhren die Zemß hinab zum Parlament: Wurden aber vnter dem
Außſteigen alſo begrůſſet/ daß ſie vnter groſſem Geſpoͤtt wieder auffwerts gefah-
ren vnd gerndert. Dieſe That gab den Biſchoffen Anlaß zu einer proteſtation,
das Parlament dardurch zu diſſolviren: Schrieben derowegen an den Koͤnig vnd
an die Staͤnde neben der proteſtation, bezeugten/ ſie ſeyen fern vom Papſtumb/
vnd haltens mit keiner ſchaͤdlichen Parthey: Kommen auß Befehl deß Koͤnigs/
jhr Gutachten zu der Wolfahrt deß Koͤnigreichs beyzutragen: vnd waͤren vnter
wegs mit Gefahr deß Lebens etliche mal angegriffen worden. Haͤtten/ nachdem
ſie das Parlament vergeblich angeruffen/ jhr Recht vorbehalten/ vnd doͤrfften/ biß
ein andere erwuͤnſchte Zeit kaͤme/ weil ſie an jhrem Ort ſich ſicher nicht finden lieſ-
ſen. Daß ſie nun abweſend/ deſſen haͤtten ſie rechtmaͤſſige vnd nohttringende Vr-
ſachen. Was nun inmittels geſetzt vnd beſchloſſen moͤcht werden/ wieder daſſel-
be/ als vnkraͤfftig vnd von keinen Wuͤrden/ thaͤten ſie jetzunder vor dem Koͤnig vnd
den Staͤnden proteſtiren: Vnterſchrieben von zwoͤlff Biſchoffen. Dieſe pro-
teſtatio
ſchickt der Koͤnig in das Oberhauß/ dieſelben Staͤnde uͤbergabens dem
Vnterhauß/ als eine hochwichtige Sach. Das Vnterhauß ſchloſſe/ Man ſolte
dieſe zwoͤlff Biſchoffe der verletzten Majeſtaͤt anklagen/ als welche ſich vnterſtuͤn-
den/ deß Koͤnigreichs vnd der Parlamenten Fundamental-Geſaͤtze vmbzuwerffen.
Hierauff wurden dieſe zwoͤlff bey eiteler Nacht vor das Parlament geſchlept/ vnd
hin vnnd wieder in die Gefaͤngnuß verſteckt. Vnd dieſes Decret deß Parla-
ments beſtettigt der Koͤnig zu Cantorbery/ in S. Auguſtini Abtey/ als er die Koͤ-
nigin naher Douer begleitet. Hie ſtund ein weit Feld offen/ die Biſchoffe anzu-
klagen/ wie dann auß allen Ecken deß Koͤnigreichs/ auch auß Schottland geſche-
hen/ welche es ſonderlich mit dem Land zu thun hatten/ den ſie auch ins Gefaͤngnuß
gebracht.


Vnd eben dieſes beeraff auch den Vice Rè, der wurd angeklagt 1. Was die
viertzigtauſend Pfund Sterling belangt/ ſey noch nichts eigentlichs erwieſen/ daß
die Zeugen noch nicht zur Stelle waͤren: muͤſten doch mit dem gerichtlichen Pro-
ceß fortfahren/ zumal man ſie jmmer der Langwuͤrigkeit beſchuldige. 2. Der
Graff von Staffort/ hiebevor Vice Ré in Jrꝛland/ hab die Manier gewuſt/ vor ſich
vnd andere Edele Mandaten außzubringen/ oder conceſſionen zu erhalten/ krafft
deren es jhnen erlaubt war/ die Zeugen auſſerhalb deß Gerichts zu befragen.
Wann er dann den Proceß/ ſo wieder das Geſetz ſtreitet/ gebrauchte/ pflegte er zu
den Edelen Beyſitzern deß offentlichen Gerichts zu ſprechen: Jhnen moͤchte kein
ander Ding/ als das geruckte Recht ein Genuͤgen thun. Doch wuͤrden ſie mehr
Gewalt vnd Staͤrcke in dem kleinſten Finger deß Koͤnigs/ als in dem gantzen Cor-
pus Juris
finden. 3. Daß er offentlich bey der allergroͤſten Verſamblung deß
Koͤnigreichs ſagen doͤrffen/ die Jrꝛlaͤnder waͤren durch Krieg uͤberwunden/ vnd
eben deßwegen haͤtten jhre Privilegien gantz keine Krafft mehr. Ja darumb
F f ijſtuͤnden
[44]De Statu perturbato Franciæ
ſtuͤnden ſie mit all jhrem Vermoͤgen in deß Koͤnigs Willen vnd Macht. 4. Daß
er den Graven von Corck nach vnd wieder ſeinen Willen gezwungen/ von einem
Proceß abzuſtehen/ noch jhme verſtattet/ von ſeinem Anſehen vnd Ampt zu reden/
mit ſolchen Worten/ er wolte jhn lehren/ daß einer Regierung oder eines Staads
Acta mehr gelten als die Geſaͤtz vnd Gerichte. 5. Daß er Sachen/ ſo die gemei-
ne Guͤter betreffen/ in offentlichen Druck kommen laſſen/ vnd in offentlichem
Mandat befohlen/ daß niemand eines offentlichen Decrets Macht vnd Krafft in
Zweiffel ziehe/ oder einiges Vngehorſambs ſich vermercken lieſſe. 6. Daß deß
Herꝛn von Mourt Norrit Proceß ohn einig Fundament deß Rechten oder deß
Gerichts verglichen worden. 7. Daß bey Verluſt der gemeinen Guͤttern der
Herꝛ von Villen vnd andere/ auß jhrem poſſeſs vnd andern Guͤtern zu jhrem
groſſen Schaden verſtoſſen ſeyen. 8. Daß er ſchuldig über deß Herꝛn Cantzlers
Proceß/ Gefaͤngnuß vnd Banden Red vnd Antwort zu geben. 9. Deßglei-
chen auch/ warumb der Graff von Hildaer in Banden kommen/ dieweil er ſein
Vermoͤgen vnd poſſeſs nicht wollen herauß geben. 10. Wie auch der von Hau-
bets/ vnd vnterſchiedliche andere Perſonen/ welche man ſo lang gefaͤnglich ange-
halten/ biß ſie jhre Guͤter dargebotten. 11. Daß er gemacht/ daß ein Mandat
außgangen/ darin befohlen/ die gemeine arme Leut/ ſo ſeinem Spruch nicht gehor-
chen/ zu greiffen/ vnd in Stock zu legen. 12. Daß er die Zoͤlle beſtanden/ vnd
nach ſeinem Belieben beſchwert; dahero geſchehen/ daß er ſein Privat-Reich-
thumb mit groſſem Jaͤhrlichen Einkommen vermehrt/ vnd den dritten/ auch den
vierdten Theil der Gütter an ſich gezogen. 13. Daß man keine deß Jrꝛlands
eigene Waaren ohn ſeine Bewilligung moͤgen verfuͤhren. 14. Daß er Rech-
nung thun muͤſſe von dem groſſen Gewinn/ den er vom Taback/ vom Meel/ vom
Flachs/ eiſern Haͤfen/ vnd Tabackpfeiffen empfangen/ den er auch durch Verzei-
hung der Guͤter vnd offentliche Mandaten immer erpreſſet. 15. Daß er die
Schiff-Patronen/ vnd den andern fuͤrnembſten Beambten deß Schiffs/ einen
Eid/ wie auch nicht weniger den Bootsgeſellen abgenoͤhtiget/ den Vorgeſetzten
vnd andern ſeinen Dienern/ die Verzeichnuß der Waaren vnd Guͤter/ im Schiff
zu uͤberliefern.


16. Daß er die Jnwohner in Jrꝛland vnter ſeine Herꝛſchafft zu bringen bey-
des vorgenommen vnd angefangen/ vnd wer vmb dieſer Vrſachen willen das
Joch nicht wollen annehmen/ noch Gehorſamb leiſten/ mit Soldaten uͤberlegt.
17. Daß er den allergroͤſten Staͤtten Zoll vnd Zinſen/ ſo vnterſchiedliche vnd
groſſe Summen Gelds belauffen/ aufferlegt/ vnd mit gewapneter Macht außge-
preſſet/ mehr dann hundert Haͤuſer vertrieben/ weil ſie jhre Guͤtter nicht wollen
vorzeigen. 18. Damit er aber die Klagen/ ſo hieruͤber kommen moͤchten/ verhin-
derte/ den Edeln vnd andern anbefohlen/ ohn ſein Erlaubnuß auß dem Koͤnigreich
an keinen andern Ort zu ziehen. 19. Er hat geſtanden/ daß der Koͤnig im Sinn
gehabt/ das Heer in Jrꝛland zu ſolchem Stand vnd Geſtalt zu bringen/ damit es
ſenen
[45]\& Germaniæ Continuatio.
ſeinen dreyen Koͤnigreichen zum Exempel ſey. 20. Daß er dem newen Heer/ ſo
acht tauſend/ oder mehr Knecht hielte/ der Sold alſobald erlegt/ vnd die Vbung
der Religion verſtattet worden. 21. Daß er/ ein tapffern vnd fertigen Sinn nur
zu uͤben/ mit den Vnwilligen vmb ein geringe Summ zu zahlen ſich verglichen.
22. Daß er ſie mit abgefaſſtem Eid dahin gehalten/ ſich zu verloben/ daß ſie allen
Koͤniglichen Befehlen wolten gebürenden Gehorſamb leiſten: Daß er die ange-
horſame vnd Wiederſprechende gefangen geſetzt/ vnd mit Geld geſtrafft/ vnd zwar
ſo hoch/ daß er auß etlichen fuͤnfftauſend Pfund erpreſſet: daß er auch mit ei-
nem Eid bethewrt/ er wolle die Halßſtarrigen auch mit Blutvergieſſen ſtraffen.
23. Daß er dem Koͤnig den Raht geben/ den getroffenen Frieden zu brechen/
vnd die Schottlaͤnder/ die er Rebellen vnd Verraͤhter nennete/ anzugreiffen.
24. Daß er dem Koͤnig gerahten/ mit Gewalt Geld zu machen. 25. Daß [e]r die
Jrꝛlaͤnder bey offentlichem Parlament verſamblet/ den Schottlaͤndern den Krieg
anzukuͤnden verreitzt. 26. Er ſolle geſagt haben/ der Koͤnig ſolt von Gott vnd
den Menſchen ſehr hoch gehalten werden/ wann er ſeines Rahts/ Geld zu ma-
chen/ ſich bedienen wolte/ nachdeme das Parlament in Engelland jhme die be-
gehrte Geldhuͤlff zu leiſten ſich geweigert. 27. Dem Koͤnig rahtet er/ zwoͤlff
Geldſtewren zu begehren/ damit der Schiff-Zoll abnehme: Vnd da jhm ſein
Wunſch nicht geriehte/ vnd ein abſchlaͤgige Antwort erhielte/ gab er jhm an die
Hand/ das Parlament in Engelland voneinander zu laſſen/ wie auch geſchehen.
28. Zu dem Koͤnig hatte er geſagt/ er moͤge/ was ſeine Regierung/ vnd anders ſo
deme anhaͤngig/ wie auch die Geldmittel/ nach Belieben/ wie er nur wolte/ ſetzen/
nachdem jhme vom Parlament dieſes verſagt waͤre; mit dieſem Zuſatz/ er haͤtte in
Jrꝛland ein Kriegsheer auff den Beinen/ mit welchem er dieſes Koͤnigreich zum
gebuͤhrenden Gehorſamb wieder bringen koͤnte. 29. Dem Koͤnig hat er gerah-
ten/ den Schiffzoll durch rauhe vnd ſtrenge Mittel zu fordern vnd zu erpreſſen.
30. Daß er mit ſeinem Rahtgeben dem Koͤnig eingeblaſen/ hundert tauſend
Pfund von der Statt Londen zu entlehnen/ vnd daß er geſagt/ deß Koͤnigs Be-
gehren waͤre kein Genuͤgen geſchehen/ darumb muͤſten die Buͤrger jhr Leben mit
jhrem eigenen Gut wieder kauffen/ es werde auch nimmermehr beſſer gehen koͤn-
nen/ wann nicht etliche vnterden Burgermeiſtern an Galgen vffgehenckt/ vnd an-
dere ins gefaͤngnuß geworffen wuͤrden. 31. Daß er die ſilberne Zaͤhnen/ hun-
dert vnd dreiſſigtauſend Pfund werth/ auß der Muͤntz genommen/ vnd zu einem
gefaͤhlichen Stuͤck bißher hinterhalten: indeſſen aber dem Koͤnig gerahten/ kupfern
Muͤntz ſchlagen zu laſſen. 32. Er hat offentlich geſagt/ der Koͤnig in Franckreich
erforſche durch der Kuraſſierer Fleiß eines jeden Vnterthanen Vermoͤgen/ ſol-
ches zu ſeinem Nutzen nach Belieben einzuziehen/ mit dieſem Vermelden/ Herꝛ
Cottington halte dieſe Sach vor ſchwer vnd uͤber die Maſſen nachdencklich. 33. Er
hat durch deß Heers vnd der Soldaten Betrohungen ſich zwingen laſſen/ vor ei-
nem Jahr in Nort-Engelland Geld außzutheilen. 34. Er allein hat Anlaß
F f iijgeben
[6[46]]De Statu perturbato Franciæ
geben zu dem Verluſt/ ſo das Koͤnigreich Engelland an der Vbergab New Caſtell
gehabt.


Dieſe Vfflagen entſchuldigte der Vice Ré ſo gut er vermocht/ theils mit deß
Koͤnigs Befehl vnd ordre, theils mit der vnvmbgaͤnglichen Nohtwendigkeit deß
gemeinen Nutzens/ konte aber dem Parlament/ vnd der Execution nicht entge-
hen/ ob ſchon der Koͤnig ſich verobligirt gehabt/ ſolche nicht zu erſtatten/ das er den-
noch endlich thun muͤſſen. Alſo thoͤt der Vice Ré vor dem Parlament ein ſchoͤ-
ne Philoſophiſche Rede/ nachdem er zum Tod verdambt worden/ von der Eitelkeit
der zeitlichen Hoheit/ vnd bezeuget/ daß er der Paͤpſtiſchen Religion nimmer zu-
gethan geweſen: Doch meinten die Puritaner/ er haͤtte etwas kernhafftig von der
Seeligkeit/ vnd auß einẽ andern Sack ſollen ſprechen. Man führt jhn zum Eſchaf-
ffaut Tourhill,
da redet er Uſſerum, (der Primas Hyberniæ, vñ Biſchoff zu Armach
war/ vnd neben andern Predigern jhm folgete) an/ bekennet ſich einen Sohn der
Engellaͤndiſchen Kirchen/ wendet ſich zu dem Vmbſtand/ betet laut vnd heimlich/
zog ſeine obere Kleider ab/ als wann er (wie er ſagt) ſonſten ſchlaffen wolt liegen/
ſtreicht das lange Haar zuruck/ vnd ſetzt jhm ſelbſt ein weiſſe Haube auff/ fragt/ wo
iſt dann der Mann/ der mir dieſen letzten Dienſt thun ſoll? rufft jhm zu mir.
Verziehe jhm vnd allen Menſchen/ ſiel vor dem Ploch auff die Knie/ betet abermal
mit zweyen Predigern/ verſucht ſich erſt auff das Bloch zu legen/ vnd gab zum an-
dern mal ein Zeichen mit den außgereckten Haͤnden; da wurd in einem Streich
der Kopff vom Rumff/ vnd die Seel vom Leib geſchmiſſen: Den Kopff faſſt der
Scharffrichter/ zeigt jhn dem Volck/ vnd ruffte mit lauter Stimm/ Gott bewah-
re den Koͤnig. Man wolte insgemein dafuͤr halten/ das Parlament haͤte ſein jus
gladii
allein ſolenniſiren/ vnd wieder in den Schwang bringen wollen/ war aber
weit gefehlt/ wie das 45. vnd 49. Jahr bezeugen werden.


Vnd was iſt diß fuͤr ein wunderſeltzamer Handel/ daß ein ſo fuͤrtrefflicher
Kopff/ als der Vice Ré, der Jrꝛland/ das zuvor koſtbar geweſen/ nutzbar gemacht/
nicht vmb ſeiner eigenen Ehre/ ſondern vmb deß Koͤnigs Hoheit willen/ Ehr vnd
Leben verlohren? Das Vnthier Raiſon d’ Eſtat vntertruckt alle geiſt- vnd welt-
liche Geſaͤtz/ achtet weder GOtt noch der Welt. Wer den Potentaten von der
Vnterthanen Privilegien viel beybringt/ kan jhr Ohr nicht lang behalten; wer
aber vom Nutzen vnd von der abſoluten Hoheit was verſteht/ wann es nur ins Aug
kombt/ vnd vmb etwas die Fauſt fuͤllet/ es gereiche gleich zu doppeltem Schaden
hernach/ oder endlichem Verderben/ der iſt der beſte Hahn im Korbe. Es verſte-
hen ja die Schulerjungen auß den Niederlaͤndiſchen Hiſtorien/ daß deß Duca de
Alba
Goldquelle eines Armens dick gantz verſiegen/ vnd den Koͤnig ſo viel Millio-
nen auß andern Landen gekoſtet/ auch arm gemacht/ vnd in Schulden geſtuͤrtzet.
Vnd wolernt man die Regierkunſt? weder auß den Buͤchern/ das doch billich
ſeyn ſolte/ noch auß der Weiſen Geſpraͤch/ nur allein auß eigenem Hirn vnd phan-
taſtiſchem Vorſatz/ dahin alle newe vnd alte Politiſche Schrifften ſich reimen/
oder
[47]\& Germaniæ Continuatio.
oder hingegen ſtraffbar ſeyn müſſen. Bekant/ daß die Fuͤrſten liberal ſeynd/ Pri-
vilegien zu ertheilen/ wann ſie was noͤhtig/ aber gantz begierig/ jhrer Voreltern
vnd eigene vergebene Freyheiten zu ſchmaͤhlern vnd vffzuheben/ nicht eben vmb ei-
gnen Nutzens willen/ welchen jhre Raͤhte ſuchen/ ſondern von einer eingebildeten
Hoheit wegen/ daß alles nach jhrem Wunſch vnd Wincken gehen ſolle/ ohn eini-
ges Wiederſprechen: Solten ſie auch gleich wieder die bekantliche Erbarkeit/ wie-
der jhr eigen Gewiſſen handeln: wie die Gefchicht bey Q Curtio bezeuget. Wann
es dann einmal heiſſt/ quod libet, licet, deß Koͤnigs Will iſt das hoͤchſte Geſaͤtz.
So muß in das grauſame Laſter der beleidigten Majeſtaͤt fallen/ wer nur den
Mund auffthut/ vnd der vralten Geſaͤtz gedencket. Sejanus vnter Tiberio kan
manche ſchoͤne lection geben: Haͤtte Biron an jhn gedacht/ waͤre er ſeiner ſelbſt
nicht vergeſſen. Der gantze Handel lieff in Engelland wiedereinander/ dieweil
ſich viel wiederwaͤrtige Abſehen verborgen hielten. Der Koͤnig ließ ſich einbil-
den/ er koͤnte die Biſchoffe dem Parlament an den Halß werffen/ vnd vnter dieſer
Partheyen Gezaͤnck eine abſolute Hoheit erhalten. Dann kein Biſchoff jhm wuͤr-
de abfallen/ zumal er ſolche Wuͤrde nach Belieben vergab/ vnd viel newe Creatu-
ren auß nichts machte/ dergleichen Laud ſelbſten geweſen/ Wohlgaw/ wie man
außgeben will/ ein Stallbub in der Herberg. So hoffeten die Biſchoffe/ den Koͤ-
nig zwar groß/ ſich aber noch groͤſſer zu machen/ nach dem Exempel Sylveſtri I. vnd
Hildebrandi. Das Parlament aber gedachte die vralte Freyheiten beydes zu er-
halten/ vnd die Briefe vnverloͤchert zu bewahren/ vñ auch ein mehres zu erlangen:
Sonderlich aber den Koͤnig wieder in die Schrancken zu bringen. Wie es aber
allenthalben gefehlet/ vnd wiederſinniſch abgeloffen/ werden wir bey
deß Ertzbiſchoffs von Canterobery/ wie auch deß Koͤnigs
ſchmaͤhlichen Tod zu vernehmen
haben.



Der
[48]De Statu perturbato Franciæ

Der 6. Diſcurß.


Warumb der FrantzoßPerpignanerobert. Wie der Car-
dinal Richelieu geſtorben. Von der Stadt Roſchell/ vnd der Vnruhe bey Hoff
in Franckreich. Von dem Parlament in Engelland. Von Lamboy vnd Wilden-
ſtein. Wie Torſtenſohn zwey Treffen erhalten/ vnd Olmuͤtz einbekommen: Die
alte Koͤnigin in Franckreich geſtorben. Treffen bey Rocroy: Diedenhoven. Graff
Guebrian vnd Duͤttlingen. Freyberg vnd Bruͤnn. Der Spanier Verluſt in
Braband.


GLeichwie ein Schiff-Patron auff dem weiten Meer/ bey einfallendem
Sturmwetter/ ſeine Segel niederlegt/ vnd ſich dem Gluͤck uͤbergibt/
auch vor keinen Klippen befahret; aber die groͤſſte Noht an dem Land
ſiehet/ vnd deßwegen alle Witz vnd Kunſt alsdenn allererſt muß blicken laſſen:
Alſo gehts vns bey dieſem Kriegsweſen/ ehe wir zu Fried vnd Ruhe gelangen/ ſon-
derlich in dieſem 1642. Jahr. Dann es hatten die Frantzoſen ſehr gluͤcklichen
Fortgang in Catalonien/ eroberten Colieure, Argilliere, vnd endlich die Haupt-
Veſtung Perpignana, vor welcher ſie 99. Jahr verfloſſen vnd vnverrichter Sa-
chen abziehen muͤſſen/ vnd erhielten zu Land ein Treffen/ wieder deß Hertzogen von
Cordona Sohn/ ob ſie gleich nicht viel zur See gewonnen bey Barcellonna. Hie
war ſich zu verwundern/ daß der Koͤnig in Franckreich perſoͤnlich der Belaͤgerung
Perpignan beygewohnet; daſelbſt einen Anſchlag vff das Laͤger vnd vff ſeine Per-
ſon zwar nicht angangen/ aber ſolche Monarchen vnterrichtet/ auff das Hauptwe-
ſen zu ſehen/ vnd das Centrum zu beſitzen/ auß welchem man gleichlingen an alle
Ende deß Vmbkreiſſes kan gelangen. Dann im Kriegweſen iſt aller Betrug
erlaubt/ auch vor die hoͤchſte Klugheit geachtet. Darumb auch die Spartaner
einen Ochſen/ wann ſie etwas durch Liſt erhalten/ vnd nur einen Hahn opfferten/
wann Gewalt vorgangen. Vnd warumb ſolten die Athenienſer eine Nachteul
in jhrem Stattwappen führen wollen/ als nur dadurch anzudeuten/ daß die Fuͤr-
ſichtigkeit jhr Regiment vnd Statt bewahret/ auch der Feind verdeckte Anſchlaͤge
ergruͤndet. Eins aber ſchiene zumal frembd/ daß Spanien ein ſolche Macht
diſſeit deß Gebuͤrgs geſehen/ die Belaͤgerung einer ſo namhafften/ ja vnvergleich-
lichen Veſtung (ſowol als Breyſach am Rhein) nicht vffgeſchlagen/ vnd ſich ein ſo
boͤſen Dorn tieff in den Fuß laſſen einſchlagen. Es hatten ja auß allen vnd je-
den Provintzen/ Landen vnd Koͤnigreichen nicht Kriegsvoͤlcker/ ſondern Armeen
ſollen herbeyfliegen/ wie die Staaren vnd Rettung thun. Aber die Portugieſen
verurſachten/ daß die Spaniſche Macht ſich trennete; die Hollaͤnder griffen vmb
ſich; die
[49]\& Germaniæ Continuatio.
ſich; die andere Laͤnder waren erſchoͤpfft vnd ſchwuͤrig; die Gelder konte man nicht
auffbringen/ ſo mangelte es auch an Mannſchafft/ die mehrern Theil nach den Jn-
dien auß Luſt oder Hoffnung deß Gewinns/ auch viel durch Zwang/ gezogen wa-
ren. Vnd hie triumphirte Richelieu/ daß er ſeinem Feind zu Hauß ſolches/ Fewr
angezuͤndet haͤtte/ das nun leicht in ſeiner Flamm waͤre zu vnterhalten.


Jn Jtalien gab es nichts ſonderliches/ als daß der Hertzog von Bullion in Ar-
reſt genommen worden/ wegen ſeiner Correſpondentzen mit Spanien/ vnd dem
gebliebenen Graven von Soiſſons: welcher aber mit der Zeit zu allem Genuͤgen
wird außſchlagen/ viel beſſer/ als bey beyden Herꝛn von S. Marck vnd von Thon/
die jhre Koͤpff zu Lion vff einem Geruͤſte muͤſſen laſſen. Der Papſt konte den
Hertzog von Parma nicht zum Vergleich bringen/ vnd beveſtigt Rom zum aller-
muͤglichſten/ als Tortona, vnd andere Ort mehr in der Frantzoſen Haͤnde uͤber-
gangen: beſorgte ſich auch eines newen Vnweſens/ weil alle Waſſer vnd Stroͤ-
me/ ſonderlich der Poo/ vnglaͤublich angeloffen/ alles uͤberſchwemmet/ vnd vnſaͤg-
lichen Schaden/ auch in groſſen Staͤtten vnd veſten Platzen gethan. Derglei-
chen ſchaͤdliche Gewaͤſſer es auch zu Anfang deß folgenden Jahrs in Teutſchland
allenthalben geben. Doch ſolte dem Frantzoſen das gute Gluͤck nicht immer la-
chen/ noch die Sonne ohn Wolcken ſcheinen. Dann ob ſchon die Spanier an
Eſcluſe ein ſchaͤdlichen Verſuch gethan/ eroberten ſie doch Baſſee, vnd ſchlugen die
Frautzoſen bey Caſtelet, vnd theilten an der Maſe gute Stoͤß auß/ wiewol nicht
ohn ein blawes Aug. So gieng der Krieg auff Hollendiſcher Seiten etwas
ſchlaͤfferig daher/ weil man lieber den abgematteten Spanier zum Nachbarn/ als
den hochtrabenden Frantzoſen/ oder vielmehr jenen/ als eine Stang zwiſchen zwey
vnruhigen Pferden leiden wollen: Zumal auch Spanien groſſe Hoffnung hatte/
es würde das Engellaͤndiſche Vnweſen die Hollaͤndiſche Macht entweder uͤber
Meer ziehen/ oder doch ſpalten: Wie dann Brederod dem Beuerwerth deßwe-
gen ein ſchweren Backenſtreich angezogen/ als deß Printzen von Vranien Par-
they dahin inclinirte. Doch war immerzu groſſer Gewinn bey Franckreich/ dar-
umb auch die Koͤnigin ein Engelbild von dichtem Silber/ zwoͤlffhundert Pfund/
vnd ein Jeſusbild von drithalb hundert Pfund purem Goldes/ nach Loretto ver-
ordnet vnd geſandt. Allein muſte der Cardinal Richelieu/ ſo alle dieſe Haͤndel/
in welchen Franckreich nun etliche Jahr ſich eingeflochten/ entweder vnterhalten/
oder angeſponnen/ die Schuld der Natur bezahlen. Deſſen Geſchlecht findet ſich
in Poictou, ſchon vor fuͤnffthalb hundert Jahren/ auch mit Koͤniglich. Heurahten
gezieret. Sein Großvatter lebte nicht lang/ wie deſſelben beyde Bruͤder/ deren
der eine in Bemond blieben/ der ander zu Tours Koͤniglicher Verwalter geweſen.
Sein Vatter hielt veſt bey Henrico III. vnd befand ſich ſtets vmb Henric. IV. wie
er dañ auch in der Belaͤgerung Pariß geſtorben. Dieſer wurd gebohren Anno 1585.
erlangt den Cardinalshut vor der Zeit/ nemblich Anno 1607. Er thaͤt auff dem
Staͤnd-Tag Anno 1614. den Vortrag/ vnd bewegt den Koͤnig dahin/ daß er
G gAnno
[50]De Statu perturbato Franciæ
Anno 1620. die Verſicherungs-Staͤtte den Hugonotten wieder abforderte/ vnd
deßwegen ein ſchweren Krieg anfienge/ innerhalb zweyer Jahren uͤber anderthalb
hundert Staͤtte/ vnd mehr dann ſechshundert Voͤlcker bezwungen/ daß den Hu-
gonotten nichts als Montauoban vnd Roſchell uͤbrig geblieben: trennete jhre
Haͤupter/ welche waren der von Rohan vnd von Buillion/ vnd hinterhielt beydes
die Hollaͤnder vnd den Koͤnig in Engelland/ jhnen gar keine/ oder doch ſchwache
vnd ſchaͤdliche Huͤlffe zu leiſten. Woher aber ſolcher Krieg entſtanden/ iſt leicht
zu erachten/ wann man gedenckt/ wie die Abtruͤnnige in Franckreich durch eigene
vnd frembde Mittel den regierenden Koͤnigen die Freyheit jhrer Religion/ vnd
dann etliche fuͤrnehme Plaͤtz zu derſelben Verſicherung abgetrungen; hernach
uͤbermuͤtig worden/ vnd ſich ſchier gar außhalfftern wollen: Sonderlich die
Handelſtatt Roſchell an der See/ wegen jhrer Trew vnnd erhaltenen Privi-
legien.


Dann als ſie Anno 1372. ſich von der Cron Franckreich durch die geſchehene
Tractaten/ deß gefangenen Koͤnigs Freyheit wieder zu erlangen/ nicht wollen ab-
reiſſen/ noch den Engellaͤndern einraumen laſſen/ wurd ſie von den Koͤnigen nur
deſtomehr geliebet. Anno 1542. erzeugte ſich Franciſcus I. jhr ein guͤtiger Vatter/
vnd uͤberſahe dem geuͤbten Muhtwillen. Anno 1568. fiel ſie vom Roͤmiſchen
Stuhl/ vnd ehrete den Koͤnig von der Zeit an/ mit ſelbſtgeſetzter Maß: Darumb
Carolus IX. Anno 1572. eine Kriegsmacht darfuͤr gefuͤhrt/ welche aber Henrico
III.
zu der Polniſchen Cron zu helffen/ ſie in jhrem Thun gelaſſen: biß Henricus
IV.
Anno 1599. vbergroſſe Freyheiten jhr verſtattet/ dardurch Anno 1620. der Re-
ligions-Krieg in Franckreich ſich angeſponnen/ in welchem der Koͤnig in der Reli-
gion nichts geaͤndert/ ſondern nur den gebuͤhrlichen Gehorſamb geſucht. Darumb
auch der Hugonotten Gemuͤter gantz getrennt geweſen/ indeme etliche meinten/
man muͤſte ſich als Vnterthanen gegen dem Koͤnig bezeugen/ zumal derſelbe die
Religion nicht anfechtete/ vnd den Außgang Gott befehlen: Andere aber vorga-
ben/ das waͤre Gott verſucht/ wann man die ſo thewr erworbene Verſicherungen
vnd Staͤtte ohne Noht ließ fahren. Dieweil nun Roſchell der Hugonotten euſ-
ſerſte Nohtflucht war/ vnd alſo gelegen/ daß frembde Huͤlff wol moͤgen beykom-
men/ bracht es Richelieu dahin/ daß die Statt zu Land hart belaͤgert/ vnd der Ha-
fen kuͤnſtlicher Weiſe/ mit einer eiſern Ketten/ auch auff beyden Seiten mit ſtar-
cken Schantzen vnd Bollwercken beſchloſſen worden/ biß der bittere Hunger die
Waffen auß den Haͤnden/ vnd den Hochmut auß dem Hertzen geriſſen/ auch dem
Koͤnig die Schluͤſſel Anno 1628. entgegen gebracht hat. Hierauff ergab ſich
Montauban ohn groſſe Muͤhe/ vnd verſchwand dieſe ſtarcke Parthey der Hugo-
notten im Koͤnigreich/ nicht zwar die Religion/ ſondern die Empoͤrungen belan-
gend. Dann weil Richelieu/ als ein tieffſinniger Politicus/ wol geſehen/ daß die
Gemuͤter nimmer ruhen wuͤrden/ ſie haͤtten dann die Freyheit deß Gewiſ-
ſens/
[51]\& Germaniæ Continuatio.
ſens/ hielt er nicht vor rahtſam/ ſein Vatterland in eine Niederlaͤndiſche ewige
Zerruͤttung zu ſetzen; Zumal auch ſonſten alle ſeine Anſchlaͤge von auſſen ſolten
verſchwunden ſeyn. Der Hertzog von Rohan gieng auß dem Trauff vnd Re-
gen/ ſetzt ſich zu Venedig/ kam wieder zu Genaden/ vnd dienet dem Koͤnig in der
Schweitz- vnd Grawbuͤnten/ auſſerhalb deß Koͤnigreichs/ entweder etwas ruͤhm-
liches zu gewinnen/ oder ſein Leben/ vnd zugleich ſeine vorgefuͤhrte Anſchlaͤge zu
ſchlieſſen. Der Hertzog von Buillion/ der ſich bey Hoff vnd bey den Hugonotten
ſuchte groß zu machen/ vnd deßwegen auff beyden Achſeln truge/ hielt es endlich
gar mit dem Koͤnig/ wie auch alle andere Hugonotten/ die einen ſonderlichen Ei-
fer zu deſſelben Dienſten ſehen lieſſen/ nachdeme die Freyheit jhres Gewiſſens/
vnd auch die Predigt zu Charenton bey Pariß jhnen zugeſagt vnd wůrcklich er-
halten worden. Vnd dieſer Streich/ ein ſo ſtarcke Parthey in dem Koͤnigreich zu
daͤmpffen/ auch den Malcontenten ſolche zu benehmen/ gefiel zwar der Cleriſey gar
vbel/ verurſacht aber innerliche Ruhe.


Dieweil nun die Frantzoſen hitziges Gebluͤts/ vnd Mercurialiſcher Natur
ſind/ die nimmer ruhen koͤnnen/ ergrieff Richelieu das Mantuaniſche Weſen/
dem Hertzogen von Niuers zum beſten/ wieder das Hauß Oeſterreich vnd den Sa-
phoyer: daran ſich dann die Grawbuͤnteriſche Vnruhe anhaͤngig befunden. Zog
ſelbſt uͤber das Gebuͤrg/ vnd erwieſe/ daß er vff beyde Saͤttel gerecht waͤre/ die Kirch
zu regieren/ vnd eine Kriegsmacht zu fuͤhren. Vnd weil die Koͤnigliche Fraw
Mutter verſpuͤhrte/ daß der regierende Koͤnig durch den Richelieu/ jhren geweſe-
nen Diener/ den ſie auch ſo fern befoͤrdert/ von jhr ſein Gemuͤht abgewendet/ vnd ei-
genes Sinnes regieren wollen; gedachte ſie den Hertzogen von Orleans/ jhren
zweyten Sohn/ vmb etwas herfuͤr zu ziehen/ zu Bruͤſſel vnd Nancy einig Huͤlff zu
machen/ damit ſie im Fall der Noht wiſſete wohinauß/ oder den regierenden Koͤnig
wieder zu jhr zu lencken. Bey welchen Hof-Boſſen Richelieu den erfahrnen Po-
liticum geſpielet/ vñ bey beyden Partheyen Gunſt erhalten/ indeme er das verwor-
rene wiſſen außeinander zu leſen; die hitzige Haͤpter manchmal laſſen wieder ein
Poſten lauffen/ vnd hernach denſelben auß dem Wege geraumet/ vnd gewißlich
der Koͤniglichen Gemuͤter Zuneigungen/ wie ein kollerendes Pferd/ bald mit lan-
gem/ bald mit kurtzem Zaum regieret/ daß auch der Mißgunſt ſelbſt jhme nicht moͤ-
gen beykommen. Alſo bracht er den Hertzog von Orleans jedesmal wieder bey dem
Koͤnig zu Gnaden; wird aber bey der Poſteritaͤt ſchwerlich verantworten koͤnnen/
daß er das vralte Geſchlecht der Momorancy durch Henckers-Schwert vff einem
Geruͤſte/ in dem letzten Mannsbild vnd Stamm/ mit einem Streich vertilget/ vnd
von Grund vmbgehawen/ dieweil derſelbe letzte Herꝛ es mit dem Hertzogen von
Orleans pflegte zu halten; Wie dann nichts gemeiners iſt/ als daß ein jeder ein
Apoſtel bey Hoff ſucht/ an den er ſich mit Gut vn Blut hange/ vnd in deſſen Schiff
er Heil vnd Vnheil/ Wolfahrt vnd Vntergang ſetze. Noch hatte er das Gluͤck/
G g ijdaß
[52]De Statu perturbato Franciæ
daß der Koͤnig das Hertzogthumb Lothringen ſo ſchleunig einbekommen/ vnd zum
Gehorſamb gebracht/ ſeinem Koͤnigreich dardurch ein Vormaur/ vnd Spanien
mit Vnterbrechung der Correſpondentz-Lini/ vnd Abfuͤhrung der Voͤlcker/ ein
mercklich Hindernuß gelegt. Vnd weil die Ammiralſchafft einen groſſen Ge-
walt/ der zu newen Haͤndeln zuvor Anlaß gegeben/ mit ſich fuͤhrete/ hat Richelieu
daſſelbige Ambt vffheben laſſen/ vnd hingegen die Anfahrten wol verwahrt/ auch
den obigen Gewalt/ wie ein ſtarcken Strom in viel kleine Waſſer/ vnter viel Per-
ſonen zertheilt.


Aber hierin beſtehet ein groſſe Frag/ ob er ſeinem Koͤnig nach dem Gewiſſen/
oder noch dem Nutzen wollen rahten. Dann wann das erſte vorſtreicht/ haͤtte er
das Hauß Oeſterreich nicht ſollen hindern/ die Ketzer zu daͤmpffen/ vnd wieder zu
dem Schooß der Roͤmiſchen Kirchen zu bringen; demnach kein Buͤndnuß mit
den Hellaͤndern oder Schweden machen. Wann aber der Nutzen obenan ſteht/
haͤtte er wol gethan/ daß er den Krieg auff frembden Boden verſetzt/ ſeine Graͤntzen
erweitert/ vnd allenthalben einen groſſen Nahmen erworben. Es werden dieſe
Zeiten ein ſonderlich Gemerck von Richelieu in die Chronicken bringen/ daß
nemblich der Neid nicht allemal uͤber die Vorſichtigkeit herꝛſchet/ vnd mit dieſem
Exempel erweiſen/ daß eines Monarchen Mignon wol kan einen andern Auß-
gang erlangen/ als Sejanus vnter Tiberio. Doch erweiſet ſich dieſes Cardinals
Trew gegen dem Vatterland euch bey vnd nach ſeinem Abſterben. Dann als
der Koͤnig jhn zum allerletzten beſuchte/ befahl er jhm den Cardinal Mazarini/
Chauigny vnd Noyers: Starb im 56. Jahr ſeines Alters/ hinterließ 60. Millio-
nen Baarſchafft/ Frantzoͤſiſcher Muͤntz/ ſo er in 20. Jahren zuſammen geſpahret.
Krafft ſeines Teſtaments erhielt der Marggraff von Pontecurlay das Hertzog-
thumb Richelieu/ mit dem Gubernament Brouage: Der von Brezé das Her-
tzogthumb Fronſac, mit hundert tauſend Pfund jaͤhrlichen Einkommens: Die
Princeſſin von Eſquillone das herꝛliche Schloß Ruelliane, mit 50000. Pfund
Einkommens: Der von Pleſſis Chinee 20000. Cronen jaͤhrlichen. Der Koͤ-
nig erhielt den Pallaſt/ ſeine Cantzley/ Silbergeſchirꝛ/ ein ſehr groſſen Demant/
vff zweymal hundert tauſend Francken geſchaͤtzt/ neben fuͤnffhundert tauſend
Cronen Baarſchafft: Der aͤltere Koͤnigliche Printz/ die Bibliotheck/ vff fuͤnff-
tzig tauſend Cronen geſchaͤtzt: Jeder Soldat ſeiner Guardie zwo Cronen: vnd
alle ſeine Aembter vnd beneficia in deß Koͤnigs freyer diſpoſition: mit weit an-
derm Außgang/ als in Engelland bey dem Vice Ré auß Jrꝛland. So wunderſam
iſt das Gluͤck in ſeinem Lauff vnd Auffenthalt.


Dann in Engelland hielt ſich das Parlament veſt beyſammen/ vnd begehrt
an den Koͤnig/ daß er im Land bliebe/ vnd nicht zu den Jrren zoͤge: Da jhr Erin-
nern nichts helffen wollen/ ließ man den Koͤnig nicht mehr in die veſte Ort/ na-
mentlich in Hull: Darumb auch die Verbitterung nur deſto groͤſſer worden/
alſo/
[53]\& Germaniæ Continuatio.
alſo/ daß der Koͤnig deß Parlaments Geſandten zu Jorck rauh angefahren/ vnd
auß der Statt verwieſen/ vnd ein new/ oder neben Parlament niedergeſetzt. Wel-
ches zu Londen man ſo hoch empfunden/ ſonderlich als kundbar worden/ wie die Koͤ-
nigin deß Lands Kleynodien vmb zweymal hundert tauſend Pfund Sterling ver-
ſetzt/ daß ſie nachmaln die Reyſe nach Jrꝛland beweglich wiederrahten/ Hull beve-
veſtigt/ ein new Siegel gemacht/ Voͤlcker zu Feld gefuͤhrt/ vnd dem Koͤnig ein
Schlacht geliefert/ in welcher ſie obgeſieget/ weil die Koͤnigiſchen nach erſterhalte-
nem Sieg in die Bagages gefallen/ vnd zum Streit verſtreuet waren. Jnzwi-
ſchen verſuchte man einigen Vergleich zu treffen; aber alles vmbſonſt/ weil der
Koͤnig nicht wolte mit ſeinen Soͤhnen nach Londen kommen/ noch auch die be-
klagte Raͤhte dem Parlament zu verurtheilen ſtellen/ maſſen an jhn ernſtlich be-
gehrt worden.


Aber in Ober-Teutſchland wuͤrffelte es ſich/ wie ſchier jede Jahr/ wunderlich
uͤbereinander. Die Weinmariſche vnd Heſſiſche Voͤlcker hatten die Wetteraw
außgezehrt/ giengen mit Vorſchub der Hollaͤnder bey Weſel über den Rhein/ thaͤ-
ten ohnfern Coͤlln ein hartes Treffen mit Lamboy vnd Merci/ welche beyde Gene-
len ſie gefangen bekom̃en; eroberten Neuß/ Kempen vnd andere Ort/ verurſachten
groſſes Flehen im Land/ vnd jagten der Beſatzung zu Kalkar ein ſchoͤnes Wild ins
Garn an ſolchen Guͤttern; zogen aber vor Lechnick den kuͤrtzern/ als Hatzfeld vnd
die Bayriſche Voͤlcker vff ſie angeſtrichen kamen/ vnd ein vnd ander Ort/ ſonder-
lich Deuren wieder eroberten. Jndeſſen ſpatzirte Koͤnigsmarck herumb/ wie ein
Raubvogel vnd entſetzt das veſte Hauß Manßfeld. Aber mit Wildenſtein ſpiel-
te das Glück/ vmb zu weiſen/ daß ein jeder fleiſſig wachen/ vnd ſeiner Schantz war-
nehmen ſolle. Bekant/ daß daſſelbe Schloß vff ſolcher Klippe liegt/ daß vnmenſch-
lich hineinzukommen/ wann die Fallbruͤcke uͤber eine vngeheure Tieffe vff gezogen/
vnd ſonſten mit Maulfutter der Ort verwahrt iſt. Darumb auch ein vnglaubli-
cher Schatz von Kirchen-Ornat vnd Particular-Guͤtern ſich darin befunden/
als legen ſie dort einem Heiligen im Schoß. Fuͤnff Waghaͤlſe auß Hohentwiel
legten ſich in den Miſt/ daß man jhrer nicht kont gewahr werven/ nachdem ſie ein
wenig Brandwein bey dem alten Muͤtterlein getruncken/ vnd von jhr gewiſſe
Kundſchafft vnvermerckt vernom̃en/ daß der Commendant pflegt herunter in die
Meß zu gehen/ vnd die auffziehende Bruͤck deß Pfoͤrtners Weib zu vertrawen;
Alſo eroberten ſie den Ort/ vnd beſetzten jhn. Weil aber keine Huͤlff von Hohen-
twiel bey Zeiten ankommen moͤgen/ vnd der eingelegte Commendant Mangel am
Hertzen/ wegen vffſtoſſender Trohworten empfunden/ muſte der Ort wieder über-
gehen/ vnd konte keines wegs extentirt werden. Alſo hat mancher ein Traum/ er
eſſe ſich ſatt/ vnd iſt doch hungerig/ wann er auffwachet.


Das Schwediſche Hauptweſen begunte ſich nach der Schleſi zu ziehen/ in-
deme der Hertzog von Sachſen Lawenburg den Stalhanſen in die Enge thaͤt/
G g iijdarumb
[54]De Statu perturbato Franciæ
darumb Torſtenſohn durch Sachſen vnd die Laußnitz ſich dahin zoge/ vbele War-
zeichen ſeines Durchreyſens hinterlaſſend. Er uͤbermeiſtert Groß Glogaw/
vnd ſchlug den von Lawenburg auff das Haupt/ (allda er toͤdlich verwundet vnd
gefangen worden/ auch endlich in groſſer Vngedult geſtorben) vnd erobert Neuß:
trang durch/ ſchreckt Olmuͤtz in Maͤhren zur Vbergab/ verſucht ſich vergeb-
lich an Brieg/ macht die Kayſeriſchen jrꝛ/ wo er den Kopff hinſtrecken wuͤr-
de/ nahm die Sittaw ein/ gieng nach der Elbe/ legt ſich vor Leipzig/ thaͤt
ein hartes Treffen mit den Kayſeriſchen/ ſieng die zween Generalen/ den Gra-
ven von Soys, vnnd den Freyherꝛn von Fernemont/ erlegt den Freyherꝛn
von Soys, buͤſſt ein zween Generaln/ Lili Hoeck vnnd Schlangen/ ruckt
wieder vor Leipzig/ vnd hatte Muͤhe Statt vnd Schloß zu gewinnen; Darnach
gieng er in Meixen. Diß Treffen koſtet den Oberſt Madlo zu Wien ſeinen De-
gen vnd Ehr/ vnd muſte ſein Regiment zum Galgen ſehen zehen den/ weil er kein
Kriegs devor gethan/ auch endlich mit du Four zu Prag Kopffs kuͤrtzer worden.
Ein Ding kam dem Kayſerlichen Hof hiebey zu gut/ daß ein zwantzigjaͤhriger
Fried mit den Tuͤrcken zu Griechiſch Weiſſenburg geſchloſſen ward. Jm uͤbri-
gen/ wurden Jean de Werth vnd Guſtavus Horn gegeneinander außgewechſelt/
vnd jeder wieder auff freyen Fuß geſtellet. Jn Schweden verlohr de la Garde,
Ammiral/ ſein Geſicht; darumb gab er das Ambt auff/ vnd machte dem Kag
Platz.


Jm folgenden 1643. Jahr iſt nachdencklich/ daß die Koͤnigin in Engelland
mit Kriegsruͤſtung auß den Niederlanden iſt uͤberkommen/ deß Parlaments Ge-
neral/ Graff von Eſſex/ die Koͤnigiſchen geſchlagen/ die Capuciner auß der Jnſul
verbannt/ vnd nach Franckreich geführt/ Zu Londen der Schottiſche Bund/ die
Religion/ die Fundamental-Gefaͤtz/ deß Koͤnigs vnd ſeiner Kinder Perſonen vnd
Hoheit wieder die Papiſten zu verfechten/ offentlich angenommen vnd beſchwo-
ren worden. Jn Jtalien ſchlugen die Florentiner die Paͤpſtiſche Voͤlcker/ vnd
wurden bald mit gleicher Muͤntz vnnd rohten Kappen bezahlt: Doch erobert
der Frantzoß Trino vnd Ponteſtura, vnd der Spanier Tortona. Jn Spanien
gab es vngluͤckliche Verraͤhtereyen/ als zu Lißbonna/ da der Secretarius Frantz
von Lucena, ſiebentzig Jahr alt/ den Kopff verlohren: Wie es dann denen zu
Tarragona, die ſich dem Frantzoſen wollen ergeben; auch nicht denen zu Barcel-
lonna/ ſo derſelben muͤde waren/ nicht hat wollen gelingen/ auſſerhalb daß Mon-
ſon
den Frantzoſen abgieng/ ob ſie ſchon zu Waſſer mit fechten/ ſtreiffen/ beuten
vnd einfallen gut Gluͤck hatten. Aber in Franckreich ſelbſt erwartet man einer
groſſen Veraͤnderung/ als Ludovicus XIII. den 14. May dieſe Welt geſegnete/
eben deß Monats/ deß Tags vnd der Stunden/ als vor 33. Jahren ſein Herꝛ
Vatter Henricus IV. von Frantz Ravalliack war in der Gutſch erſtochen worden.
Jm Teſtament hatte er verordnet/ zu ſeines Daulphins oder aͤlteſten Printzen
Vor-
[55]\& Germaniæ Continuatio.
Vormuͤndern/ vnd deß Koͤnigreichs Verwaltern die Koͤnigin/ vnd den Hertzogen
von Orleans ſeinen Bruder; zu Beyſitzern vnd Raͤhten den Printzen von Con-
dé,
den Cardinal Mazarini/ den Cantzlar/ den Schatzmeiſter Butler/ vnd den
Herꝛn von Chauigny. Dieweil nun der Hertzog von Orleans zum fuͤnfften
mal von dem Koͤniglichen Hof außgeſetzet/ vnd fuͤnff mal wieder Verſoͤhnung
erlangt hatte/ verwundert ſich einer vnd der ander/ warumb jhme der hoͤchſte Ge-
walt waͤre beygelegt. Es verſpuͤhrten aber die Klugen/ daß der Koͤnig Seel. ſei-
nen Bruder mit ſolchem Laſt wollen belegen/ den er vmb ſeines eigenen intereſſe
willen vffrichtig tragen ſolte/ oder ſich alles ſeines habenden Rechtens zu der Cron
verluſtigt machen koͤnte. Gleichwol gab es keine Enderung/ wie etwan allent-
halben/ vnd mehr dann nirgends bey den Frantzoſen zu geſchehen pflegt/ ob ſchon
der fürnembſte Director, vnd der Koͤnig ſelbſt/ mit Tod abgangen. Dann als die
Spanier mit groſſer Macht uͤber die Graͤntzen zogen/ lieff jederman dem Hertzo-
gen von Anguien, deß Printzen von Conde Sohn/ zu: der erhielt ein zumal an-
ſehnliches Treffen bey Rocroy, vnd ſchwaͤchet die Spaniſche Macht uͤber die maſ-
ſen/ belaͤgert vnd erobert durch vnſaͤglichen Ernſt die Veſtung Diedenhoven an
der Moſel/ ließ ſich bey der Weinmariſchen Armee ſehen/ vnd vernahm ſehr gern/
daß Franckreich vnd Schweden ſich biß auff wiederbrachten guten Frieden mit-
einander verbunden. Welcher Geſtalt dann Franckreich bey der vorigen Tabla-
tur blieb/ auſſerhalb daß man im Land mit deß Mazarini als eines Sicilianers
vnd frembden Regierung nicht wollen zufrieden ſeyn/ vnd jhn geſucht heimlich
auß dem Mittel zu raumen.


Der Graff Guebrian fůrte die Weinmariſche Armee/ ſo von Frantzoſen
verſtaͤrckt war/ vnd ſucht die gute Quartier in Francken/ allda jhm Jean de Werth
immer auff den Dienſt thaͤt warten: Wie dann auch endlich bey Tuͤbingen ge-
ſchehen/ darumb er ſich in die Marggravſchafft Baden gelegt/ vnd die Heſſen von
ſich gelaſſen/ die ohnfern von Heydelberg deß Hertzogen von Lothringen Bagage
erhaſcht/ vnd zu jhrer Haupt-Armee gangen/ den von Luttersheim in Weſtphalen
zu daͤmpffen. Dadurch ſie abermal Lufft bekommen/ in das Coͤllniſche zu gehen.
Aber Guebrian macht ſich an Rohtweil mit Schaden/ empfieng eine toͤdliche
Wund an den Elnbogen/ vnd verurſacht/ daß der Hertzog von Anguien newen
ſecours heran bracht/ auch bald mit ſeinem Comitat wieder nach Franckreich ge-
zogen. Die allzugroſſe Sicherheit der Weinmariſchen verſpielt jhnen erſtlich 4.
Regimenter/ darnach die Statt Rohtweil/ vñ endlich jhre beſte Voͤlcker vnd hoͤch-
ſte Officirer/ ſambt allem Geſchuͤtz/ zu Duͤtlingen an der Donaw/ als Kayſeriſche/
Bayriſche vnd Lothringiſche Voͤlcker in Stille zuſammen gezogen/ bey Schnee-
lufft vnd Dufft uͤber ein zumal engen Paß gangen/ vnd die Eyer mit dem Neſt
auffgerafft. Dergleichen Vberſehens nicht bald in einiger Hiſtori zu finden.
Koͤnigsmarck handelt weit fuͤrſichtiger/ uͤberrumpelt Halberſtatt durch Liſt/ be-
zwang
[56]De Statu perturbato Franciæ
zwang Oſterwick/ vnd fuͤgt ſich nach der Schleſi. Dann Dorſtenſohn hatte im
hoͤchſten Winter alle Mühe vor Freyburg in Meixen vergeblich gethan/ zur re-
compens
den General Broye geſchlagen/ vnd den Oberſten Hungarn mit ſehr vie-
lem Schatz vnd edler Mannſchafft gefangen bekommen/ etliche Walachen an ſich
gezogen/ biß in Maͤhrn durchgebrochen/ vnd Olmitz entſetzt/ auch deren Enden
ſehr uͤbel gehauſet/ biß jhm drey Regimenter im Stich geblieben/ deren Oberſten
er zwar außloͤſen/ aber andern zum Schrecken/ enthaupten laſſen: Vnd weil
Gallas vnd Cracou in der Schleſi ſehr uͤbel hauſeten/ hieß er dennoch die Belaͤ-
gerung Damitz fortſetzen/ biß es ſich ergab/ verordnet Koͤnigsmarcken nach der
Schleſi/ vnd verlohr ſein beſtes Fußvolck vor Bruͤnn: ließ darvon ab/ bemeiſtert
Eulenberg/ vnd zog auch nach der Schleſi/ ſahe gleichſam zu/ ohn ſonderliche Ge-
genwehr/ obſchon Gallas wegen ſeiner Kranckheit Graff Goͤtzen ließ commendi-
ren/ weil er/ nach ernewertem Bund zwiſchen Franckreich vnd Schweden/ ein an-
dere impreſſa vff Holſtein im Sinn hatte. Sonſten geſchah denckwuͤrdig/ daß
Wiederhold vff Hohentwiel die Statt Vberlingen mit Gewalt eingenommen;
daß der Koͤnig in Dennemarck wegen ſeiner Zoͤlle vnd Rechten vff der Elbe etli-
che Schrifften außgelaſſen/ daß Ragotzy/ Fuͤrſt in Siebenbuͤrgen/ die verſchloſſene
Evangeliſche Kirchen in Ober Hungarn wieder eroͤffnet haben wollen/ daß die
Spanier bey Antorff von den Staaden gefangen vñ geſchlagen/ vor die Reuterey
16070. vnd vor das Fußvolck 22280. Gulden muͤſſen zum Loͤßgeld erlegen; daß der
Kayſer Wolffenbuͤttel vnd Einbeck dem Hertzogen von Luͤneburg wieder abge-
tretten vnd eingeraumbt/ vnd daß die Schweden das Hertz gehabt/ nach Holſtein
vnd Dennemarck jhre mehrere Voͤlcker von deß Reichs Boden zu fuͤhren; Ja
daß der Kayſer/ vneracht der General Friedens-Tractaten zu Hamburg/ ei-
nen Deputations-Tag nach Franckfurt am Mayn gelegt/
die Nohtdurfft deß Roͤmiſchen Reichs zu
beobachten.



Der
[57]\& Germaniæ Continuatio.

Der 7. Diſcurß.


Mißverſtand zwiſchen Dennemarck vnd Schweden. Tor-
ſtenſohn faͤllt ein in Holſtein: kombt wieder in Behmen mit Sieg. Wie Den-
nemarck vnten gelegen. Hertzog von Anguien ſiegt am Rhein. Ragoczi kla-
get. Saß von Gent/ Grevelingen/ Lerida. Fried in Jtalien: Deß Papſts
Tod. Warumb der Ertzbiſchoff in Engelland den Kopff verlohren. Vrſach
der Vnruhe daſelbſt: Von der Independenten Vrſprung vnd Thun.


GLeichwie die Medici dem Hertz vor allen Dingen/ mit Aderlaſſen/ oder
durch andere Abwege Lufft machen/ vnd hernach die kraͤfftige erquickende
Sachen gebrauchen; Alſo will ſich das Kriegsweſen von Teutſchland
wenden/ wann es nur nicht ſo gar tieff eingewurtzelt waͤre/ daß es weichen koͤnte/
vnd nicht jedemal wieder duͤrꝛ Holtz vnd trucken Stroh fuͤnde/ den Brand laͤnger
zuvnterhalten. Man konte leichtlich gedencken/ daß Torſtenſohn was wichtigs
vor haͤtte/ weil er den Kayſeriſchen in der Schleſi nicht mit allem Ernſt wieder-
ſtunde/ als ob er ſeines Volck ſchonete: Aber er laurete auff etwas anders/ wie er
nemblich dem Koͤnig in Dennemarck eines koͤnte verſetzen. Vnter Nachbarn
gibt es gemeiniglich Spaͤn vnd Spalt/ ſonderlich wann eine Nation uͤber die an-
dere zu ſeyn vermeint. Alſo haſſen vnd neiden ſich Spanier vnd Frantzoſen ſo
hefftig/ daß man im Sprichwort ſagt/ Wann ein Frantzoß vnd Spanier zugleich
Adern ſchluͤgen/ vnd Blut in ein Becken lieſſen/ daſſelbe ſich nicht vermengen
ſolte: Alſo iſt Wiederwillen zwiſchen Schott- vnd Jrꝛlaͤndern/ ſo lang die Chro-
nicken vns zuruck weiſen: Alſo iſt Eifer/ Mißgunſt vnd Zwiſtung zwiſchen den
Daͤnen vnd Schweden. Dann ob gleich der gantze Septentrion manchmal vn-
ter einem Haupt geſtanden/ hat doch Schweden ſein Werck allein wollen haben/
vnd ſich frey gemacht nach müglichkeit/ wie noch von hundert Jahren her zu ver-
nehmen. Zu dieſer Zeit waren die Daͤnen vom Tilly vnd Friedlaͤnder geputzt/
daß ſie an jhren Wunden annoch zu lecken funden; Vnd ſahen der Schweden
Vffnehmen an mit einem neydiſchen Aug/ wie ſie ſich herfuͤrthaͤten/ vnd dem Kay-
ſer mit einer andern Manier begegneten. Dieſe beyde Nationen hatten zwar vr-
alte vnd newe Vertraͤge wegen der Schifffahrten durch die Enge deß Balthiſchen
Meers/ vnd klagten immerzu/ daß ſolche uͤberſchritten wurden. Einmal miß-
brauchten die Schweden/ vñ ſonderlich bey ſo geſtalten Sachen jhre Gerechtigkeit/
H hvnd
[58]De Statu perturbato Franciæ
vnd fuͤhrten frembde Guͤtter vnter jhrem Namen/ vnd in jhren Schiffen; ander-
mal waren die Daͤnen zu ſcharff mit Areſten/ Viſitiren/ vnd Steigerungen. Vnd
weil die Manufacturen/ Handwercker vnd Kuͤnſtler in Schweden anfiengen ſich
zu ſetzen/ bracht man jhre Waaren auch durch den Sund herauß/ da man auch
diſputirte, ob eben ſolche newe Sachen/ vnd namentlich die Metalline Stuͤck in
den Vertraͤgen gemeint waͤren. Vnd ſchiene/ als wolten die Daͤnen den Schwe-
den newe Haͤndel in die Haar bringen/ indeme deß Koͤnigs natuͤrlicher Sohn/
Graff Woldemar/ nach der Moſcaw verreyſet/ vnd vmb deß Großfuͤrſten Tochter
vnd Erbin angehalten/ die jhme auch Anfangs gleichſam verſprochen/ vnd mit der
ſucceſſion zugeſagt geweſen. Weil nun dieſes muthigen Herꝛn Sinn wieder
Schweden bekant war/ hatte man ſich vff ſelbiger Seit eines Wetters zu befah-
ren. Auch regten ſich die alte prætenſionen vff einige Eylaͤnder vnd Jnſuln zwi-
ſchen den beyden Nationen: Das fuͤrnembſte war/ daß die Daͤnen ſich bey den
Hertzogen von Mecklenburg vmb die Veſtung Damitz vnd andere Ort/ ſo die krie-
gende Partheyen innen hielten/ bewarben/ ſolche wegen einer groſſen Schuld/ an
Zahlung zu erobern/ vnd die Kayſeriſche/ ſo zu jhrer ſubſiſtentz keine Lini hatten/ mit
Manier darauß zu bringen/ damit ſie den Schweden nicht zu Theil wůrden; wel-
che aber dieſen Dorn in jhrem Fuß nicht leiden wollen/ ſondern mit vnverſehener
Macht ſich an Damitz gemacht/ vnd derſelben bemaͤchtigt. Auch wolte man vor-
geben/ die Daͤnen haͤtten dem Ob[e]rſt Krakow/ der auß der Schleſi biß in Pom-
mern durchgerauſcht/ vnd eine ſehr ſtarcke diverſion an dem Ort gemacht/ da man
es am wenigſten/ als auff dem verhofften Eigenthumb/ leiden konte/ mit Geld vnd
Volck alle Befoͤrderung gethan. Die groͤſſte Vrſach der außbrechenden Feind-
ſeeligkeit waren die Friedens-Tractaten/ ſo der Koͤnig in Dennemarck vnterfan-
gen hatte/ aber der Schweden Meinung nach/ partheilich vnd einſeitig/ zu jhrem
Nachtheil fuͤhrete.


Wie nun auff dem Reichstag zu Stockholm beſchloſſen/ daß fuͤnff Vnter-
thanen einen Mann ſtellen ſolten/ damit der Krieg in Teutſchland fort- vnd auß-
gefuͤhrt moͤgt werden/ auch der Bund mit Franckreich ernewret/ vnd biß zum ver-
hofften Frieden außgeſetzt war/ bekam Torſtenſohn Befehl/ das teutſche Weſen
vmb etwas einzuſtellen/ vnd mit der beſten Macht nach Holſtein vnd den Daͤni-
ſchen Landen zu ziehen. Welches er auch in ſolcher Stille vnd Geſchwindigkeit
gethan/ daß ein reitender oder lauffender Bott jhme nicht wol haͤtte vorkommen
moͤgen. Er ſelbſt erobert den Kiel/ Mortagni legt ſich in Ditmarſchen/ Landgraff
Friederich in die Gravſchafft Pinneburg/ Dug laß in Hadersleben/ Hecking in
Trittaw vnd Reinbeck/ Hertzog Frantz Henrichs Regiment in Segenberg/ vnd
Oberſt Erichhanſon in das Ambt Neindurff. Bald hernach gewann er Chri-
ſtianpreiß/ Renßburg/ Jtzoho/ Flenßburg/ vnd Bredenburg durch Liſt. Duglaß
ruckt in Jüdland/ vnd Wrangel zerſtrewet die zuſammengeloffene Landvoͤlcker/
oder brachte ſie zu Dienſten/ da der Reichsmarſchalck das Feldlaͤger muͤſſen ver-
laſſen
[59]\& Germaniæ Continuatio.
laſſen vnd einnehmen ſehen/ neben fuͤnffthalb tauſend Fußgaͤngern/ ſo Schwedi-
ſchen Dienſt angenommen. Vnd weil die Schweden zu ſicher waren/ bekamen
ſie offtmals Stoͤß/ wie jhnen dann bald zwey/ bald vier Regimenter auff einmal/
vberfallen vnd zu nicht gemacht worden: Dann auch Koͤnigsmarck/ der mit drey-
zehen Regimentern ſpatzieren gieng/ vnd an der Elb/ im Stifft Hildesheim vnd
Bremen/ Schaden gelitten/ vnd Wohlau in der Schleſi nicht laͤnger koͤnnen hal-
ten/ Schweinitz vnd Vberlingen/ Chemnitz vnd Eulenburg auch fahren laſſen
muͤſſen/ vnd Gallas mit dembeſten Volck dem Koͤnig in Dennemarck zu Huͤlff
zoge; kehret Torſtenſohn mit den beſten Voͤlckern wieder vmb/ nachdem er gegen
den Daͤnen gute Verordnung geſtellt/ vnd ſetzt ſich zu Bernburg/ ſchlug der Kay-
ſeriſchen Furagierer/ zwang den Gallas auß Magdeburg vnd fuͤrter zu gehen/
wann er je nicht wollen auß Mangel verderben/ ſetzt jhm nach/ eh er die Hatzfeldi-
ſchen Truppen erreichen koͤnnen/ ſchlug die hinderſten/ vnd erlangt viel herꝛliche
Gefangenen/ erobert Pegau mit grewlichem Schieſſen vnd Feurwerffen/ vnd er-
reicht das Koͤnigreich Boͤhmen zu End dieſes 44. Jahrs. Jn Schweden aber
geſchah der rechte Angriff auff Dennemarck/ als Guſtav Horn ſechzehen tauſend
zu Fuß vnd vier tauſend zu Pferd in Randien führte/ Landskron/ Londan/ Elſing-
burg/ Malmy vnd Chriſtianſtatt erobert. Blecking vnd Halland vnter Contri-
bution ſetzte. General Flemming Gonderland uͤberfiel/ vnd den Paß in Nord-
wegen einnahm/ Schweden vff derſelben Seiten zu bewahren/ vnd im Mittelge-
buͤrg Meiſter zu ſeyn. Dieweil nun die Schweden mit groſſem Ruhm zur See
erhalten/ verwendet der Koͤnig in Dennemarck ſein groͤſſte Macht dahin/ thaͤt ein
halb gluͤckliches Treffen mit dem Schwediſchen Ammiral Thyß: verlohr das
zweyte/ buͤſſt ein zum dritten/ ob ſchon Flemming damals geblieben/ vnd verlohr
ein ſehr groſſes vnter Laland in dem vierdten/ da zwey Schiff verſuncken/ zwey ver-
brunnen/ vnd zehen mit zweyhundert vnd achtzig drey Stucken von dreiſſig vnd
viertzig Pfunden den Schweden in die Haͤnde gerahten/ vnd ein geringe Anzahl
jhme uͤbrig geblieben.


Zu verwundern war es/ daß die Kayſeriſche Voͤlcker ſo ſchlaͤfferig verfahren/
vnd keinen groͤſſern Ernſt vor Olmuͤtz gebraucht/ angeſehen damaln kein Schwe-
diſche Armee mehr im Feld ſtunde/ ſondern die veſte Ort bewahrten. Dann Koͤ-
nigsmarck allhie nicht viel thun koͤnnen/ als dem Torſtenſohn vff zuwarten/ wo er
auff dem Hinterhalt jhm beyſpringen muͤſſen. Dennemarck beklagte ſich/ daß
der Kayſer nicht alſobald den Torſtenſohn mit der Haupt-Armee verfolgt haͤtte/
bedachte aber nicht/ daß der Kayſer ſeinen Voͤlckern auch gern etwas Ruhe gegoͤn-
net/ vnd indeſſen ſich hoch bemuͤhete/ damit auff dem Deputations-Tag zu Franck-
furt am Mayn/ im Namen deß gantzen Roͤmiſchen Reichs derſelbe Zug vorgien-
ge/ darein aber Brandenburg vnd die Staͤtte nicht gehellen wollen/ dieweil ſie ohne
Noht keinen newen Krieg gedachten zu belieben. Jm Werck ſelbſten befand es
ſich/ in was groſſer Gefahr das Roͤmiſche Reich ſtuͤnde/ welches/ wann ſchon die
H h ijSchwe-
[60]De Statu perturbato Franciæ
Schweden auß dem Feld geſchlagen/ vnd gantz zertrennet waͤren/ jhre veſte Plaͤ-
tze in vielen Jahren mit vnerſchwinglichem Koſten vnd Blutvergieſſen nicht ſol-
te wieder erobern. So dann war deß Kayſers Macht zerſtrewt/ konte den Rhein-
ſtrom vnd Coͤlln nicht gar in der Heſſen Gewalt laſſen/ wie es dann vmb Neuß et-
liche mal Stoͤß geregnet. Da das fuͤrnembſte/ daß der kuͤhne Hertzog von An-
guien
mit zehen tauſend Mann die ſehr ſchwache Weinmariſche Armee verſtaͤr-
cket/ Freyburg im Brißgaw zwar/ vnd Vberlingen am Bodenſee nicht koͤnnen
von Bayriſcher Gewalt erretten/ aber die Bayriſchen mit vnglaublicher Furi in
jhrem vortheilhafftigen Laͤger angegriffen/ vnd genoͤtigt zuruck zu weichen. Dann
es bleibt bey deme/ was Tacitus vor anderthalb tauſen Jahren von den Gallis ge-
ſchrieben/ ſie waͤren im erſten Angriff wie die Loͤwen/ vnd erwieſen ſich wie
die Weiber/ wann man jhren Degen die Spitzen abgebiſſen. Welches erſte ſie
dann mit vielem jhrem Blut dißmal bezeuget. Doch lohnte der Außgang jhrer
Arbeit: Dann ſie Philipsburg mit gleichem Ernſt/ vnd Gandſaͤcken/ die Graͤ-
ben außzufüllen/ auch erobert/ zu Germersheim/ Speier/ Wormbs vnd Mayntz
einen ſolchen Schrecken erweckt/ daß man jhrer ſehr ſchwachen Armee Thuͤr vnd
Thor geoͤffnet. Die Kayſeriſche vnd Bayriſche machten ſich heran/ aber all zu
ſpaͤht/ trieben die Heſſen auß Hoͤchſt/ darein ſie vor wenig Monaten durch Liſt
geniſtet/ vnd nahmen die Bergſtraß ohne ſonderlichen Wiederſtand vnd Muͤ-
he ein.


Noch hatte der Kayſer andere Haͤndel in Ober Hungarn/ welche die Schwe-
den auſſer allem Zweiffel jhme erwecket: Dann Ragoczi kam auß Siebenbuͤr-
gen mit einer ſtarcken Armee/ bey welcher viel Tuͤrcken ſich befanden/ klagt
in offentlichem Patent/ Man haͤtte von Anno 1619. geſucht/ das Koͤnigreich
Hungarn erblich zu machen: den Geiſtlichen verſtattet/ in das Regiment
zu greiffen: Guͤter vnnd Herꝛſchafften an ſich zu bringen: die Evangeli-
ſchen auß den Aembtern geſtoſſen: die gravamina vneroͤrtert gelaſſen: vnnd
wieder der Staͤnde Willen die Jeſuiter auffgenommen. Jhm wurde der Graff
von Buchheim entgegen gelegt/ mit ſonderm Befehl/ guͤtliche Tractaten vor-
zunehmen/ biß die Zeit im Jahr den Kriegsmann ins Quartier ziehe/ vnd der
Tuͤrcken nach aller Muͤglichkeit zu ſchonen/ fernere Verbitterung zu verhuͤten.
Darumb auch ein friſche Bottſchafft mit ſtattlichen Præſenten nach Conſtanti-
nopel gangen/ damit dem Siebenbuͤrger keine Huͤlffe mehr geſchehe/ oder das
kriegen verwehrt wuͤrde: Zumal auch die Tuͤrcken vmb Gomorra ſich mercken
laſſen. Einen Vortheil erhielt der Kayſer bey all dieſem Weſen/ daß jhm
der Churfuͤrſt in Sachſen ſeine Kriegsvoͤlcker uͤbergab/ vnd ſich der Ruhe be-
flieſſe.


Sonſten vollzoge Printz Wilhelm von Vranien im achtzehenden Jahr ſei-
nes Alters den Heurath mit der Koͤniglichen Princeſſin auß Engelland/ ſo eben
zwoͤlff
[61]\& Germaniæ Continuatio.
zwoͤlff Jahr alt war: Vnd waͤre ſchier in der See ertruncken/ dahin jhn ſein
muhtiges Pferd mit Vngeſtuͤmm vom Vfer geſtuͤrtzet. Die Hollaͤnder hatten
die Gelegenheit erſehen den Saß von Gend einzunehmen/ indeſſen der Frantzoß
Grevelingen mit aller erdencklicher Macht angegriffen/ vnd in der Furi uͤber-
rumpelt. Aber Spanien ſchlug den Frantzoſen bey Lerida, continuirt die Be-
laͤgerung/ vnd gewan den Ort/ welcher ein Schluͤſſel zu Arragonien/ an ei-
nem namhafften Fluß Ebero: Alſo muſten die Portugieſen auch herhalten/ die
aber ſich bald wieder gerochen. Vnd weil den Frantzoſen nicht alles gegluͤcket/
kam Haudancourt daruͤber in Vngenad vnd Arreſt/ da es jhme doch an Mitteln
gefehlet/ welche nach dem Rhein/ vnd auff Grevelingen ſich verwenden lieſſen.
Jn Engelland wolte dem Koͤnig kein guter Stern leuchten/ als er vor Jorck ge-
ſchlagen/ vnd der Ort ſich an das Parlament zu ergeben gezwungen ward. Noch
erhielten die Parlamentiſche Voͤlcker bey außgehendem Jahr einen andern
Sieg/ vnd wiechen in den Friedens-Tractaten gar nicht. Vmb eben dieſe Zeit
vnterfieng ſich die Koͤnigin in Schweden der Regierung ſelbſt. Aber zu An-
fang deß Jahrs fielen die Tartarn in Poln/ vnd wurden mit blutigen Koͤpffen
wieder nach Hauß geſandt. Jn Jtalien ward der Papſt deß Kriegs muͤde/ weil
ſchier alle Fuͤrſten wieder jhn ſich verbunden/ reſtituirt Caſtro, hub auff das Edict
wegen Parma vnd Placentz/ caſſirt den Kirchen-Bann wieder den Hertzogen
von Parma/ verſchuff daß alle newe Veſtungen/ auſſerhalb etlicher wenigen/
geſchleifft muͤſſen werden/ vnd ein jeder wieder zu dem ſeinigen kommen: alles
auff Vorbitt vnd durch Vnterhandlung deß Koͤnigs in Franckreich. Doch
thaͤt er dem Spanier einen Verdruß/ daß er den Koͤnig in Portugall andern
Potentaten in der Perſon ſeines Abgeſandten gleich gehalten/ vnd jhme erlaubt/
die ledige geiſtliche Stellen ſelbſt zu verſehen/ welches letzte viel Muͤhe gekoſtet/
vnd ſchier einen Patriarchen im ſelben Koͤnigreich verurſacht haͤtte. Als aber
Papſt Vrbangeſtorben/ befanden ſich vier factionen vnter den Cardinaͤlen/ die
Spaniſche/ Frantzoͤſiſche/ Romaniſche vnd Barbariniſche. Wie nun dieſe letzte
geſehen/ daß das Gluͤck ſich auff die Spaniſche lenckte/ fiele ſie der Romaniſchen
bey/ alſo/ daß Pamphilius auff den Stuhl kommen/ ſich Innocentium X. nennen
laſſen/ alſobald vorgeben/ keiner Partheiligkeit ſich anzumaſſen/ vnd den lieben
Frieden in der Chriſtenheit zu ſtifften. Jn Bemont eroberten die Spanier Aſta,
vnd die Frantzoſen S. Jà, ohne ſonderlichen Vortheil. Vnd da die Beſatzung
in Breyſach einen Kauffmann haͤtte funden/ war ſie fertig/ deß Marggraven von
Oiſonville Vbermuht zu raͤchen/ weil derſelbe den Koͤniglichen Sold verſpielet/
vnd hernach ſubtile Griff brauchen wolte/ die Soldaten oben hin zu contentiren;
Aber der Oberſt Erlach bracht die Teutſchen zuforderſt auff ſeine Seiten/ vnd
zahlt/ oder ſprach gut vor alle die Reſtanten. So leichtfertig haͤtte ein vnuͤber-
windlicher Ort/ der ſo manchen ſtoltzen Mann/ ſo manchen ſchoͤnen Pfenning ge-
koſtet/ koͤnnen einen andern Hern bekommen.


H h iijEhe
[62]De Statu perturbato Franciæ

Ehe wir nun vns weiter im teutſchen Kriegsweſen vertieffen/ tretten wir in
das 1645. Jahr/ vnd beſehen/ was Engelland ferner vor eine hohe execution laſſen
ergehen. Ein Vice Rè kan ſich ſeinem Koͤnig zum beſten in der Regierung ver-
jrren/ vnd bey der Gegenpart verdaͤchtig/ ſchwartz/ verhaſſt machen/ ja gar vmb
den Kopff bringen: Daß aber das Haupt im Tempel zu ſolchem ſchmaͤhligen Tod
eines Geruͤſtes verdambt/ vnd durch Henckershand abgeſchlagen werde/ das muß
hochwichtige Vrſachen haben. Wilhelm Laud/ Ertzbiſchoff zu Cantorbery/ das
Haupt deß geiſtlichen Stands in Engelland/ nach dem Koͤnig/ wurd offt ange-
klagt/ vnd lang vffgehalten/ biß die Artickel/ die Verurtheilung/ vnd die execution
Anno 1645 den 10. Jan. erfolgt. 1. Daß er verraͤhterlich getrachtet/ die Funda-
mental-Geſaͤtz vnd Regierung deß Koͤnigreichs Engellands vmbzuſtoſſen/ vnd
an dero ſtatt ein willkuͤhrig vnd tyranniſch Regiment wieder die Geſaͤtz ein zu
fuͤhren: Vnd daß er zu ſolchem Ende boͤß- vnd verraͤhterlich ſeiner Majeſtaͤt ge-
rahten/ der Koͤnig moͤchte nach ſeinem Willen vnd Gutduͤncken/ ohne Mitbewil-
ligung deß Parlaments/ von ſeinen Vnterthanen fordern vnd einnehmen/ was er
wolte/ als ob ſolches auß dem Geſaͤtz Gottes wol koͤnt erwieſen werden. Hierauff
antwortet er/ daß er/ als deß Koͤnigs geheimer Raht/ wol geſagt/ deß Lands Geſaͤtze
moͤgt man wol veraͤndern/ das Volck deſto beſſer durch Burgerliche Geſaͤtz vnd
Ordnungen zu regieren. Daß demnach der Koͤnig ſolches auch thun moͤchte/ die-
weil die Koͤnige nechſt Gott/ Regenten ſind auff Erden/ vnd moͤgen/ da es die Noht
erfordert/ die gemachte Geſaͤtz/ auß ſonderbaren Vrſachen/ wieder brechen. 2. Zu
beſſerer Außfuͤhrung dieſes ſeines verraͤhterlichen Vorſchlags/ hat er vnterſchied-
liche Predigten vnd Diſcurſen gefuͤhrt/ vnd in Druck befoͤrdert: Darbey deß
Parlaments Gewalt vnd die Geſaͤtz/ dieſes Koͤnigreichs Macht verlaͤugnet/ vnd
eine vollkommene vnbezirckelte Macht uͤber die Perſonen vnd Guͤter der Reichs-
Vnterthanen/ nicht allein an dem Koͤnig/ ſondern an jhm ſelber/ vnd andern Bi-
ſchoffs-Hoͤfen wieder die Geſaͤtze geſchuͤtzet vnd vertheidigen wollen: Wie er
dann die Außbreiter ſolcher falſchen vnd ſchaͤdlichen Meinung gewaltig befoͤr-
dert vnd vertretten. Antwortet/ daß bewuſt/ was vngemeſſene Macht in Kir-
chenſachen die Oberbiſchoffen gehabt/ welche auch in dieſem Koͤnigreich die hoͤchſte
Glieder geweſen: So koͤnne das Oberhauß die Macht deß Parlaments keines
Weges vermindern. Was die Jnſicht der Buͤcher belangt/ die zu deß Kirchen-
ſtands Vortheil herauß kommen/ die hab er nicht ohne Vrſach vertheidigt/ nemb-
lich den Paßquillanten zu ſtewren. 3. Er hat durch vnterſchiedliche Mittel bey
den Richtern den Lauff der Gerechtigkeit vntergraben/ vnd viel Leut verkuͤrtzt/ vnd
vnter ſeinen Tyranniſchen Willen gezwungen. Antwortet/ daß er ſich deſſen
nicht bewuſt/ auſſerhalb was das Schiffgeld betreffe/ welches ein Koͤniglich Jn-
kombſt/ das er nicht vffgetrungen. 4. Er hat vnter dem Vorwand ſeiner geiſt-
lichen Bottmaͤſſigkeit/ vnd hoͤchſten Commiſſariats/ die Gerechtigkeit verkaufft/
vnd Gaben genommen/ vnd andere dergleichen zu thun bewegt. Antwortet/ das
muͤſte
[63]\& Germaniæ Continuatio.
muͤſte erwieſen werden. 5. Er hat ein geiſtlich Geſaͤtz oder Canon ohn gewohn-
lichen Befehl vnd Gewalt/ wieder deß Koͤnigs Vorzug/ die Fundamental-Geſaͤtz/
deß Parlaments Freyheit/ vnd Eigenthumb der Vnterthanen verfaſſt/ vnd durch
Forcht vnd Zwang laſſen vnterſchreiben: vnd vermittelſt eines Eyds den Kir-
chen-Perſonen/ auch etlichen Layen vffgetrungen. Antwortet/ daß er die geiſt-
liche Juris diction wieder vffgerichtet/ welche fuͤrnemblich darinnen beſtehet/ daß
man die Kirchendiener verordne/ die Claſſes ordinire/ die Prediger nach Belieben
ſetze/ Prælaturen begebe/ vnd Ordnung in Kirchenſatzungen mache/ gebuͤhrete jhm
Ambts wegen/ vnd nach den Geſaͤtzen deß Koͤnigreichs/ waͤre auch mit Raht der
Biſchoffen vnd Claſſen geſchehen. 6. Daß er eine Paͤpſtiſche vnd Tyraniſche
Macht/ zu groſſem Nachtheil deß Koͤniglichen Gewalts in Kirchenſachen an ſich
geriſſen/ vnd zu vieler Leut Verderben eingefuͤhret. Antwortet/ Er haͤtte nichts
gethan/ als nach gewoͤhulicher Ordnung deß hohen Commiſſionshofes. 7. Daß
er die Religion wollen aͤndern/ Paͤpſtiſchen Aberglauben vnd Abgoͤtterey ein-
fuͤhren/ vnd zu ſolchem End vnterſchiedliche Buͤcher laſſen außgehen: aber-
glaubige Ceremonien auff getrungen/ die Wiederſprecher grauſam mit Gefaͤng-
nuß/ vnd am Leib geſtraffet/ vnd in Kirchen-Bann gethan/ oder entſetzet. Antwor-
tet/ Er wolte drauff ſterben/ daß er es auff keinen Paͤpſtiſchen Aberglauben gethan/
ſondern Gottſeelige Ceremonien eingefuͤhret/ den gemeinen Mann zu groͤſſerer
Andacht zu bringen. 8. Daß er andern Beambten vorgegriffen/ vnd bey dem
Koͤnig Papiſten/ oder in der Lehr vnd im Leben vnreine Perſonen bey dem Koͤnig
befoͤrdert/ zu ſeinem Zweck zu kommen. Antwortet/ er haͤtte taugliche Perſonen/
vermoͤg ſeines Ambts/ vnd keine Paßquillanten noch vntuͤchtige/ wie er ſie befun-
den/ eingeſetzt. 9. Daß er geſucht/ die Kirch in Engelland mit der Roͤmiſchen
zu vereinigen/ deß wegen mit Prieſtern vnd Jeſuiten/ auch mit dem Papſt ſelbſt
heimlichen Verſtand gepflogen: vnd verſtattet/ daß die Paͤpſtiſche Cleriſey ein
Kirchen-Regiment in dem Koͤnigreich auffgerichtet/ das Papſtumb wieder ein-
zuführen. Antwortet/ Er haͤtte immerzu getrachtet/ bey der wahren Reformir-
ten Religion zu leben vnd zu ſterben/ haͤtte auch mit dem Paͤpſtiſchen Nuncio von
beyden Religionen Geſpraͤch gehalten/ aber nur Diſcursweiſe. 10. Daß er der
Reformirten Religion gehaͤſſige Jrꝛgiſter/ vnd vnrichtige Leut herfuͤr gezogen/
auch ſolchen die Freyheit zu trucken anbefohlen. Antwortet/ ſolches waͤre keiner
Antwort wůrdig. 11. Daß er ſelbſt/ vnd durch andere/ die reinen Lehrer heiſſen
ſchweigen/ degradirt vnd vertrieben/ vnd alſo die Predigt deß Worts verhindert/
die wahre Religion allgemach durch die Vnwiſſenheit zu aͤndern. Antwortet/
die Vertriebene haͤtten die Gemeinden vnruhig gemacht/ wieder jhn geſchrieben/
wieder ſein Stand vnd Ordnung gepredigt/ vnd demnach ein offentliches Vr-
theil erlitten. 12. Daß er die frembde privilegirte Kirchen in Engelland vnter-
drucket/ einigen Zwieſpalt zu erwecken/ zu vollem Vortheil der Papiſten. Ant-
wortet/ daß ſolches zu erweiſen ſtuͤnde. 13. Daß er beyde Koͤnigreich geſucht in
Vnei-
[64]De Statu perturbato Franciæ
Vneinigkeit zu ſetzen/ deßwegen bey den Schotten allerhand Newerungen im
geiſt- vnd weltlichen Regiment/ nach Paͤpſtiſchen Aberglauben/ eingefuͤhrt. Vnd
als man ſich jhme wiederſetzt/ den Koͤnig zum Krieg verreitzt/ auch Contributio-
nen zu demſelben auß eigener Macht/ wol von den Geiſtlichen erpreſſet: Vnd als
der Koͤnig der Friedenshandlung gepflogen ſolche vernichtet. Antwortet/ er habe
nie zum Blutvergieſſen Luſt gehabt/ ſondern habnewe Kirchen-Ordnungen/ nach
ſeinem Vorſatz zum beſten/ wollen auffrichten. 14. Daß er von dem Parlament
ohn Vnterſucht zu bleiben/ die Vnterthanen auch von dem Koͤnig abgewandt.
Antwortet/ daß er hieran vnſchuldig/ ſondern etlichen vnbillichen Proceſſen wie-
ſtanden/ vnd die Richterſtellen vertheidiget/ daß man vor jhnen ſowol/ als vor dem
Parlament moͤge Recht erhalten.


Vber dieſe Puncten wurd der Ertzbiſchoff auch beſchuldigt/ er haͤtte im drit-
ten vnd vierten Jahr der Regierung/ deß jetzigen Koͤnigs/ das Parlament nach
Weſtmuͤnſter beſchrieben vnd vnfruchtbar gemacht/ dem Buckingham boͤſe Vor-
ſchlaͤge geben/ als hielte das Parlament den Koͤnig vor vnmuͤndig/ ſolche waͤren
Puritaner/ die Papiſten aber fuͤr fromme vnd friedſame Vnterthanen gehalten.
2. Daß er den Koͤnig wollen uͤber alle Geſaͤtz erheben/ vnd vor ſechs Jahren/ als
er zum geheimen Raht gezogen worden/ geſagt/ ſie ſolten wiſſen/ daß alle Raht-
ſchluß/ bey welchen er ſich befinden wuͤrde/ ſolche Krafft vnd Macht/ als einig Ge-
ſaͤtz deß Parlaments/ haben muͤſten. 3. Daß er das Kirchenrecht uͤber alle Ge-
ſaͤtz erhoben/ vnd von den Richterſtellen die Proceß an den gieſtlichẽ Hof gezogen.
4. Daß er die Vollziehung deß Vrtheils wieder Burley, einen ruchloſen Pfarrer/
verhindert. 5. Daß er den Landrichter John Corbet/ weil er ſich vff das Recht
beruffen/ vnd ſelbiges laſſen vorleſen/ ein halb Jahr ins gefaͤngnuß gelegt/ vnd we-
gen alienirter Kirchenguͤter groſſe Vneinigkeit vnd ſchwere Proceß verurſachet.
6. Daß er den Papiſtiſchen Prieſtern/ Jeſuiten vnd Franciſcanern Vnterſchleiff
vnd Vnterhalt verſchafft. 7. Daß er geſagt/ die Kirche muͤſte noch einen harten
Streich außſtehen/ ehe ſie zur Verein gelange. 8. Daß er Synoden gehalten/
vnd ein newen Eyd verfaſſt/ dem Landrecht zuwider/ auch die Wiederſprecher mit
Gefaͤngnuß gezwungen. 9. Daß er den Koͤnig von aller obligation gegen dem
Parlament frey geſprochen/ als welcher numehr auß der Ordnung ſchreitten koͤn-
te/ vnd jede Mittel/ Geld zu machen/ mit gutem Gewiſſen ergreiffen/ weil das Par-
lament jhme die Stimme verſagt haͤtte. Auff dieſe Articul iſt der Ertzbiſchoff
zum Tod verurtheilet worden: thaͤt jhm ſelbſt eine Leichpredigt auff dem Geruͤſte/
mehr zum Pracht/ nach der Wolredenheit/ als auß Eyfer: thaͤt zwey vnterſchied-
liche Gebet/ nachdem er zuforderſt Raum laſſen machen/ ſich zu entkleiden. Als
er nun durch die Riß am Boden das Volck vnter jhm ſahe/ ſprach er/ Man haͤtte
wol koͤnnen verhuͤten/ daß das Volck von ſeinem Blut vnbeſprengt bliebe. Als
erſich nun niederlegte/ vnd nach Art der groſſen Herꝛn den Schleyer vnter dem
Kin fande/ warff er jhn von ſich/ ſprach/ Herꝛ nimb meine Seel an/ welches Wahr-
zeichen
[65]\& Germaniæ Continuatio.
zeichen er dem Scharpffrichter neben einem ſtuͤck Gelds gegeben hat/ vnnd als der
Scharpffrichter ſein Ampt thaͤt/ ſtarb er ſehr wohlgemuth.


Vnd was ſoll von dieſem Mann/ oder ſeinen Worten vnd Thaten zuvrthei-
len ſeyn? der Ehrgeitz/ die Biſchoffe vber alles/ auch vber den Koͤnig zuerheben/
machte jhn blind/ vnd wird Muͤhe koſten/ daß die Poſteritaͤt/ vnerachtet ſeiner viel-
faltigen Proteſtationen/ jhn wegen deß Bapſtumbs ledig zehle: zumahl die Koͤ-
nigin jhm mit allen Gnaden gewogen geweſen/ vnd er/ als Paßquillanten verfolgt
hatt/ alle ſo jhm widerſprochen. Er ſchuͤtzte deß Koͤnigs Hohheit fuͤr/ vnd wolte
dieſelbe vber das Parlament: aber ſein eygen Anſehen vber deß Koͤnigs Hohheit
erheben/ das Volck vnd den Koͤnig miteinander fechten laſſen/ ſelbſt nur zu ſehen/
vnd das Kraͤntzlein darvon tragen. Da er je Willens geweſen/ das Bapſtumb
verdeckter weiß einzufuͤhren/ haͤtte er mit den widerſpenſtigen alten Pfarꝛherꝛn
anderſt ſollen verfahren/ vnnd ſich an jhnen nicht vergreiffen/ ſondern nur ſeine
Creaturen an die Ewre Stellen befoͤrdern/ ſo waͤren die alte Staͤmme von ſich
ſelbſt abgangen. Der Anfang mit den Schulen war kluͤglich/ aber das tantzen
auff die Sontaͤge an ſtatt der Predigten/ naͤrꝛiſch erſonnen. Hat er nun das
Bapſtumb gehaſſet/ vnnd auß der Jnſul wollen behalten: werden jhn die Ceremo-
nien/ die er ringern vnd nicht vermehren ſollen/ wenig helffen: zumahl Platina vnd
Baronius Genugſamb von der Einfalt der erſten Kirchen/ vnd wie das gepraͤng
nach vnd nach eingefuͤhrt worden/ bezeugen. Noch finden ſich keine Knoden all-
hie/ wie auch nicht bey deß Vicere Todt/ auffzuloͤſen/ was der Koͤnig/ was das
Volck vnd das Parlament thun ſolle/ zu ſeiner Wolfahrt. Vnnd ſcheinet/ als
haben die beyde mehr auff deß Koͤnigs Perſon/ als auff deß Vatterlands Heil
vnd Ruhe geſehen. Nun haben wir noch vor vns die dritte vnd allergrewlichſte
Execution an deß Koͤnigs Perſon ſo zu ſeiner Zeit auch kommen ſoll.


Warumb aber die Biſchoffe eygentlich vom Parlament ſeyen abgeſchafft
worden/ remonſtriren die Staͤnde dem Koͤnige in Hamtoukurt: die Vrſach all vn-
ſers Elends entſteht von den Jeſuiten/ Papiſten/ Biſchoffen/ Raͤthen vnd Hoff-
dienern/ ſo durch Frembde ſich beſtechen laſſen. Dann dieſe haben gekuͤnſtelt/
daß jmmerzu zwiſchen dem Volck vnnd dem Koͤnig/ vber dem Vorzug vnnd der
Freyheit es Spaͤhn gegeben/ dadurch die reine Lehr verfaͤlſcht/ vnnd die Eyferer
derſelben vnderdruckt worden. Dannenhero man die Arminianer/ wie ſie in etli-
chen Puncten es mit den Papiſten halten/ trewlich vnderhalten/ vnnd die Strit-
tigkeiten gegen den Proteſtanten vergroͤſſert/ ſolche Ceremonien eingefuͤhrt/ daß
die Gemuͤther ſich dem Bapſtumb nach vnd nach geoͤffnet. Dannhero man die
Wiſſenſchafft mit der Gottſeligkeit fahren laſſen/ der Papiſten/ Arminianer/ Li-
bertiner in einem Hauffen ſich zum Vortheil zugebrauchen. Die groͤſte Klag iſt/
daß der Biſchoffen Gerichtsſtellen die Gewiſſen vnnd Seelen nach Arth der Ro-
maniſchen Jnquiſition plagt. Curia ſupremæ Commiſſionis waͤr gantz außder
J iArth
[96[66]]De Statu perturbato Franciæ
Arth geſchlagen/ weil ſie Anfangs wider die Papiſten vnnd Jeſuiter angeordnet/
nunmehr derſelben nicht achte/ vnnd nur die Fromme vnnd Gottſelige
vnderdruͤcke: daſelbſt ſitzen die allerlaſterhafftigſte Veraͤchter der Gottſeligkeit in
Religionsſachen/ vnnd vrtheilen vber der rechten Bekenner Gewiſſen. Wer nun
jhren Newerungen/ Aberglauben/ Tyranney ſich nicht vnderwuͤrfft/ der wird in-
carcerirt/ auffgezogen vnnd in Bann gethan/ endlich ad Cameram ſtellatam, der
Vngerechtigkeit Thron/ zum euſſerſten Leiden hiengewieſen: Dannenher ſo viel
tauſend Menſchen ins Elend/ theil in New Engelland vnd andere Americaniſche
Laͤnder/ theil in Holland geflohen. Dann wer in Kirchendienſten wolt voran-
kommen/ muſte nur voller Aberglauben ſtecken. Der Koͤnig hoͤrte nichts anders
in ſeinen Predigten/ als von ſeiner Hoheit vber alle Geſatz: ſampt vielen Laͤſte-
rungen/ wider der Religion/ der Freyheit vnnd deß Koͤnigreichs Vertretter.
Man ſuchte das Bapſtumb durch eine verſchlagene vnd Gottloſe Vereyn mit der
Proteſtanten Gottesdienſt zuvermiſchen. Die Puritaner (vnd er welchem Na-
men alles was Geſatz vnnd Religion in jhrem Schwang ſuchte zuerhalten begrif-
fen) wurden mit Gewalt vnd Schrecken vertrieben. Den Schottlaͤndern band
man auff das Baͤpſtiſche Joch/ newe Kirchen Ordnungen vnnd Legenden: vnnd
als ſie ſich wieder ſetzten/ vberzog man ſie mit Kriegsmacht/ ſo von der Biſchoffen
vnnd Papiſtengeldt geworben war. Der Ertzbiſchoff hielt ein Provincialem Sy-
nodum,
vnd macht viel vnerhoͤrte Satzungen/ ſo deß Koͤnigs Vorzug/ deß Reichs
Parlaments Fundamentalgeſatzen zuwider/ ſein eygenen vnvmbſchriebenen Ge-
walt vnd Aberglauben/ ſo er ohn Exempel eingefuͤhret/ zubeſtaͤttigen. Mann noͤ-
thiget die Vnderthanen zu einem newen Aydt/ der Biſchoffen Tyranney zuver-
fechten. Man ſtellt ein Gebet wieder die Schotten/ vnd verfluchte ſie zum grew-
lichſten/ als Rebellen. An dieſen Satzungen hienge Suſpenſion/ Excommuni-
cation/ vnnd Gefaͤngnuß/ wodurch auſſer allem zweiffel man geſucht/ alle trewe
Kirchendiener vnnd Vnderthanen auß dem Land zuſchaffen/ vnnd ſich mit dem
Bapſt wieder zuvereinigen. Die Papiſten hatten ſich keiner Straff zubefahren/
vnnd wurden zu jhres Hertzen Wohlgefallen geduldet/ wohl wiſſend/ daß es jhnen
an Gunſt bey Hoff nicht mangelte. Der Leyt Hammel vnnd das vbergewiſſe O-
raculum
war der Baͤpſtiſche Nuncius. Jn Jrꝛland gieng der Krieg an/ vnder
dem ſchein die Proteſtanten zuretten/ darumb auch groſſer zulauff geweſen/ biß ein
jeder geſehen/ wo das Waſſer den Lauff hiennehmen ſolte. Vnder deß ſuchte
das Parlament/ den Koͤnig an ſich zuziehen/ vnnd durch die beſchriebene vnnd nie-
dergeſetzte Kirchendiener das Geiſtliche Weſen in einem Synodo zureformieren.
Die Schotten meldeten ſich an/ zu Mittelmaͤnnern/ aber alles vmbſonſt. Der
Eingang im Kirchen Weſen geſchah durch den eingefuͤhrten Arminianiſmum,
welcher die Roͤmiſche Kirch vor die wahre ſichtbare Kirch haͤlt/ vnnd den Bapſt
keines wegs den Antichriſt nennet. Darumb muſten Anfangs die Puritan er/ ſo
auch
[97[67]]\& Germaniæ Continuatio.
auch die alten Ceremonien verworffen/ weichen. Den Conformiſten/ ſo an den-
ſelben Ceremonien kein Abſchewen trugen/ thaͤt wehe das Buch von den Son-
taͤglichen Kurtzweilen/ bey eingeſtellten Nachpredigten: der dritte Anſtoß waren
die newe Ceremonien vnd das vngewohnliche anbetten: der vierdte Streych gieng
wieder die Schotten in offentlichem Gebet vnd Manifeſten. Der Beſchluß vnd
das Siegel befand ſich/ bey dem Ayd/ der Prælaten Hoheit zubeſtaͤttigen.


Der Jndependenten Vrſprung ruͤhrther von den Wiedertauffern/ vnnd
namentlich von Morellio in Franckreich/ den doch Beza vnnd Sadeel verdrucket:
von Arminio/ vnd nach jhm von Hugone Grotio: vnd von Brovvnio, der auß Hol-
land in Engelland kommen/ vnnd dieſen edelen Samen/ von Vernichtung der
Claſſen vnnd Einfuͤhrung der Kirchen Freyheit außgeworffen: darzu dann die
Separiſten/ oder Abſonderliche kommen/ deren Haupt geweſen Bolton/ vnd nach
jhme Brown droben gemeldet/ der auß Engelland nach Middelburg in Seeland/
vnd von dannen wieder nach Engelland kommen: Nach jhm kam Barrouius wel-
chen die Koͤnigin Eliſabeth hencken laſſen: vnnd dann Iohnſonus, der zu Amſter-
dam ein abſonderliche Kirch verſamblet/ mit Vatter vnnd Bruder vneinig wor-
den/ vnnd ſich nach Embden geſetzt/ gleich wie Ainſworth nach Jrꝛland gezogen.
Hernach folgten Cannius vnd Smythius, der zum Wiedertauffer worden/ von jh-
nen dennoch abgeſprungen/ ſich ſelbſt wieder getaufft/ vnnd alſo die Sect der Se-
baptiſten gemacht/ endlich zum Perfectiſten worden/ als welcher ſein eygene Ge-
rechtigkeit ruͤhmete. Wie nun dieſer Wahn ſchier verloſchen/ vnd erſtuͤtzt jhn
Robinſon/ Prediger zu Leiden/ den Ameſius vnnd Paker zum ſemiſeparatiſmo ge-
bracht. Von dieſem Robinſon kommen alle heutige Jndependenten/ in alt vnd
new Engelland: dieſe verwerffen vnder dem Namen der Browniſten/ die Bi-
ſchoffliche Hoheit/ auch die presbyteria: verordnen ſieben Perſonen zu einer Par-
ticular Kirch/ ſondern ſich ab/ wann das geringſte nicht mit dem Bann geſtrafft
wird/ achten weder der Obrigkeit noch der Kirchendiener/ ſondern ſchweren zu dem
Evangelio würdiglich zuwandeln/ vnd waͤhlen ſelbſt den Prediger/ vnd mag doch
ein jeder ſelbſt predigen. Die Ehe weiſen ſie auß der Kirch den Eltern vnnd der
Obrigkeit heym/ geſtatten den Eheleuthen ſich ſelbſt zuſcheyden. Sie vnderwerf-
fen ſich keinem Menſchen/ keiner Ordnung/ vnd hangen allein an Chriſto. Sie
wollen die Baͤpſtiſche Kirchen niedergeriſſen/ die Glocken vertilgt/ die Todten auff
dem Feld begraben/ die Prediger ohne Gewiſſe Beſoldung/ vnd ſchier gar eine ge-
meinſchafft der Guͤter haben. Die Kirchen ſoll man nicht nach den verſtorbenen
Menſchen/ die Monat nicht nach den Goͤtzen/ die Tage nicht nach den Planeten/
die Jahr nicht nach der Geburt Chriſti (ſondern nach der Zahl der letzten Gedult
der Heiligen) nennen. Sie verwerffen gewiſſe Zeit vnnd Stunden zu ſingen
vnd zubetten/ nehmen das Abendmahl allen Sontag/ aber mit bedecktem Haupt/
achten keines Catechiſmen/ auch nicht der Apoſtoliſchen Glaubens Artickeln.
J i ijWann
[98[68]]De Statu perturbato Franciæ
Wann die Predigt/ ſo ein jeder thun mag/ auß iſt/ weiſſagen drey oder vier/ darauff
wird diſputirt/ vnnd die Zucht vorgenommen. Die Obrigkeit hat bey jhnen kei-
nen Vorzug/ mag kein Geſatz machen/ ſoll die Vertretter der erſten vnd andern
Taffel/ nach dem Geſetz Moſis an dem Leben ſtraffen/ doch ſey es vnrecht/ ein Dieb
auffhencken. Goͤtzendiener ſind jhnen Papiſten/ vnnd Proteſtanten/ die hohen
Schulen aͤrger als die Moͤnchs Cloͤſter/ vernichten Heydniſche vñ Chriſtenbuͤcher/
halten ſich allein an die Bibel. Wie nun Robinſon nach New Engelland ge-
zogen/ fielen jhm bey die vertriebene Engellaͤnder: vnnd ſonderlich Cotton, ein
ſehr beredter Mann/ der dieſe Sect zum hoͤchſten polirt vnnd vollendet/ vmb das
Jahr 1635. das kluge Weib Hutchinſon bracht vnder dem ſchein/ der widerholten
Predigten/ ſo Cotton thaͤt/ vielerley Jrꝛthumb vnder das Volck. Das Geſaͤtz
fuͤhre nicht zu Chriſto: der Menſch ſey mit Chriſto/ ohn den Glauben/ von Ewig-
keit hervereynigt: muͤſſe ein vertrawen auff Chriſtum ſetzen/ welches auß dem
Zeugnuß deß Geyſtes herꝛuͤhre/ ohne zweiffelen/ ſo fern/ daß auch Mord vnd Ehe-
bruch nichts daran hindere: der Heiligen vnd Heuchler Gnad ſey eins: Chriſtus
glaube vnnd liebe in vns/ ſey die newe Creatur: GOtt liebe den Menſchen vmb
Suͤnd vnnd Tugend willen nichts deſto mehr oder weniger: die Suͤnd betruͤbe
kein Chriſten: der Chriſt muͤſſe nit betten/ als wann jhn der Geiſt darzu treibt: auch
ſoll man kein Chriſten zur Gottſeligkeit anmahnen. Die Seel vergehe mit dem
Leib: Chriſti Menſchheit ſey die Kirch auff Erden. Vnnd dieſe Leuth waren die
Heyligkeit ſelbſten/ redeten von nichts ſchier/ als von der freygegebenen Gnad/
vnd von der Herꝛlichkeit deß Evangeliſchen Menſchen/ den bloſſen Chriſtum auff
ſeinen Thron zuſetzen. Hutchniſona gebahr dreyſſig Mißgeburten auff einmal:
vnnd jhre Freundin Deir ein vber allemaſſen abſchewliche Geburt: aber die hohe
Obrigkeit vertrieb dieſe vberzwerche Lehrer.


Als nun das Parlament die Reformation der Kirchen vorgenommen/
wurde dannoch kein Kirchenordnung gemacht/ darumb thaͤt ein jeder/ was jhn
recht dauchte vor ſeinen Augen/ wie zur Zeit/ da kein Koͤnig noch Richter in Jſrael
war. Die Bilder der Dreyeinigkeit Chriſti/ Marien vnnd der Apoſteln waren
niedergeriſſen/ vnd nun verlaͤſtert man dieſe Perſonen ſelbſt. Das Creutz vnnd
Kniebeugen wurd bey dem Sacrament verbotten/ nun verlaͤugnet man die Sa-
cramenten gar. Die Feſt Tage ſind auffgehoben/ nun verlacht man den Son-
tag/ die Biſchoffliche Hohheit iſt verſchwunden/ vnd nun ſihet man gar kein Regi-
ment. Der Koͤnig wird geſchmaͤhet/ daß er die Papiſten geduldet/ vnd das Par-
lament leidet alle Grewel/ ſo ferꝛn/ daß in einer einigen Pfarꝛ zu Londen eylff ver-
ſcheydene Secten ſich befunden. Dann wie die Biſchoffe gedaͤmpfft waren/ ka-
men die Jndependenten Hauffenweiß auß New Engelland vnd Holland wieder
nach Engelland/ vnd nenneten/ weil ſie aller Freyheit gewohnt/ die Presbyteria ein
new Orth von Biſchoffen: dannenhero groſſe Verbitterung entſtanden/ endlich
auch
[99[69]]\& Germaniæ Continuatio.
auch der Krieg/ vnd deß Koͤnigs Todt. Die Jndependenten/ oder newe Purktaner
ſind zweyerley Gattung/ dann etliche halten es mit den Reformierten/ auſſerhalb
deß Kirchenregiments/ vnd nennen ſich zum vnderſcheyd Congregationales: die
andere ſind von allen Secten/ wie ein truͤb Waſſer auß vielen Lachen zuſammen
gefloſſen/ rühmen ſich deß Geiſtes/ als das Heilige Volck Gottes/ das Reich
Chriſti wider die Biſchoffe vnd Preßbyterianer zuverfechten: ſo gar vnbeſtaͤndig
in der Lehr/ daß was ſie Geſtern veſt glaubten/ heut verwerffen/ vnd Morgen doch
einanders waͤhlen. Dieſe trachten nach Reichthumb/ weil die Heiligen das
Land beſitzen vnd beherꝛſchen ſollen: kleyden ſich praͤchtig/ vnnd ziehen die Reichen
an ſich/ haſſen aber alle andere zum euſſerſten. Dieſe hielten es anfangs ſteiff
mit dem Parlament/ verlaͤſterten aber/ weil man ſie zu Dienſten nicht ziehen wol-
len/ die Schotten/ machten ſie verdaͤchtig vnd verhaßt/ ſchrien Verfolgung/ wann
mans nicht mit jhnen hielte/ predigten die Freyheit zuglauben/ nenneten die Preß-
byterianer/ Chriſti Feinde/ Verfolger der Glaubigen/ vnd Teuffelskinder/ denen
ſie ehe alles Vngemach anthun/ als jhrer Tyranney pariren: lieber ſterben/ als
vnder jhnen leben/ vnnd die Waffen nicht ehe niederlegen wolten/ biß die Freyheit
deß Gewiſſens erhalten waͤre: die Biſchoffe waͤren noch ertraͤglicher geweſen dar-
umb ſie auch lieber zu den Koͤnigiſchen tretten wolten. Etliche verwerffen die H.
Schrifft gantz vnd gar: etliche ſagen/ es ſey keine Kirch auff Erden/ die Exſpectan-
ten genannt: vnnd meynen/ der Apoſtel Johannes ſey noch auff Erden/ ja gar in
Siebenbuͤrgen/ vnd werde eheſt kommen/ die Kirch zureformieren: andere/ als die
Jnquiſitorn/ ſuchen die Kirch in der Wuͤſten: andere haben ſo grewliche Mey-
nungen/ daß einem die Haar auff dem Haupt zu Berge ſtehen/ wann er ſie nur
hoͤrt erzehlen. Die Koͤnigiſchen vermeynten einen Vortheil bey jhnen zufin-
den/ vnd vnderhielten die Trennung/ aber das Parlament beſorgt ſich eines groſ-
ſen Vngluͤcks von jhnen. Weil dieſe den Synodum nicht koͤnnen hindern/ oder
auffheben/ haben ſie ſich dem Pailamento vnd Synodo wiederſpenſtig erzeigt/ vnd
jhre Erklaͤrungen nimmer vor voll vbergeben/ vnd halten die Reformierten ſchier
gar wie die Heyden. Sie ſetzen in der Jndependentz den anfang deß Reichs
Chriſt [...]hieunden auff Erden/ ſie vnderweiſen die Jugend nicht/ ſind gantz ſtill bey
dem Abendmahl/ vnd halten viel kleine Verſamblungen in den Haͤuſern/ andere
zuverfuͤhren/ vnd glauben bald dieſes/ bald jenes/ vnnd endlich ſehr wenig von der
Obrigkeit. Es ſind aber die Jndependenten ohngefehr der ſechſte Theil in
deß Parlaments Heer/ vnnd den Cronwell zum Vorſteher haben/ deme ſie auch
alle gute Verꝛichtungen zuſchreiben.


Die Vrſachen ſo vielerley Sectirer ſind. 1. Die Freyheit zu predigen/
dadurch ſich ein jeder erkuͤhnet/ vnnd vor ein groſſen Doctorn ſelbſt haͤlt/ wann er
einigen Zulauff bekompt. 2. Die Freyheit eines vnnd anders zuglauben/ oder
J i iijzuver-
[100[70]]De Statu perturbato Franciæ.
zuverwerffen. 3. Die Freyheit den Kirchendienern jhre von der Obrigkeit
verordnete Beſoldungen zuentziehen. 4. Die Freyheit/ ein willkuͤhriges
Recht zuſetzen. 5. Die Freyheit zuſuͤndigen/ weil Gott die Suͤnder vnd An-
ruffer gleichlingen liebe: darumb niemand wegen ſeiner begangenen Suͤnden zu
ſorgen. 6. Die Freyheit in den tanſend Jahren/ der Regierung Chriſti hie-
unden auff Erden. 7. Aber die Freyheit der Politicorum mag wohl ein Vr-
ſach aller Vrſachen ſeyn: hergenommen von Eraſto dem Schweitzeriſchen Medi-
co,
zu Heydelberg/ vnd Adamo Neuſero, (der endlich zum Arianer vnnd Tuͤrcken
worden) dem Prediger/ wie auch Chriſtophoro Probo dem Cantzler/ welche Ole-
uiano
widerſtunden/ als man den Kirchenbann wollen einfuͤhren. Dann Col-
mann/ Prediger zu Londen/ vbergab das Kirchen Regiment der Weltlichen O-
brigkeit/ vnd ſtuͤrtzte/ ſo viel an jhm war/ die Kirch in ein ſehr elende Dienſtbarkeit:
darauß die hohe Commiſſionen/ davon droben/ entſtanden. Dieſe ſehen eben vn-
gern/ daß der Bund/ den die Schotten wegen der Reformation auffgericht/ vnnd
die Engellaͤnder angenommen/ gehalten werde. Wie auch nicht weniger/ daß
die Statt Londen/ das Parlament vnd der Synodus einig bleiben/ vnnd hiernechſt
ſie im Zaum halten: zumahl ſie dieſe Wort/ wir werden allen Fleiß anwenden/
daß die Kirch nachdem Wort Gottes vnd den Exempeln/ der beſt Reformirten
Kirchen/ verbeſſert werde/ nicht dulten oder hoͤren koͤnnen/ ſondern jmmer-
zu vom Geiſt/ vnnd newem Reich Chriſti
ſchwaͤtzen.



Der
[101[71]]\& Germaniæ Continuatio.

Der 8. Diſcurß.


Wie vngluͤcklich der Koͤnig in Engelland zu Feld geweſen/
wie der Frantzoß Roſes/ vnd Balaquier: dann Mardeick erobert/ vnnd die Bar-
barini in Schutz genommen. Von deß Tuͤrcken Einfall in Candien/ vnnd deß
Ragoczy in Vngarn. Was Vrangel/ Koͤnigsmarck/ Heſſen vnnd Weinmari-
ſche verꝛichtet: vnnd bey Allerßheim getroffen/ auch den Sachſen zum Stillſtand
vermoͤgt: wie Gallas vnnd Torſtenſohn nach Boͤhmen gehen/ der Keyſer mit An-
dacht vnd Macht den Schweden begegnet/ bey Janckaw geſchlagen/ vnd viel ver-
lohren. Worin Torſtenſohn gefehlet. Was vor veraͤnderung erfolgt: wie es
mit den Friedens Tractaten hergangen/ vnd wie die Calviniſten in den Religions-
frieden auffgenommen worden.


ES wolte aber das Volck ſich noch nicht zu Ruhe bege-
ben/ vnd ob man ſchon etliche mahl/ wegen Wiederbringung deß lieben
Friedens/ ſich bemuͤhete/ war doch auff keiner Seit viel Ernſt zuverſpuͤh-
ren. Dann das Parlament eyferte vber das Kriegsweſen/ vnnd wolte ſolchen
Gewalt nicht in deß Koͤnigshaͤnden laſſen/ damit nicht etwan einige außlaͤndiſche
Macht ſie vnder das Joch bringen moͤchte. So waren zum andern/ die Bi-
ſchoffe zwar gedaͤmpfft/ aber keine newe Ordnungen verfaſſet/ oder dem Volck
vorgetragen: vnd gedachte der Koͤnig/ vnder dem Schein/ daß alles vorige Ver-
brechen muͤſte in alten Stand kommen/ die Biſchoffliche Hoheit wieder zuerhe-
ben. Das dritte belangt Jrꝛland/ daſſelbe der einen/ oder der andern Parthey
vnderwuͤrffig vnd anhaͤngig zumachen. Sehr nachdencklich/ daß der Koͤnig je-
derzeit hierin gehellet/ das Bapſtumb abzuſchaffen/ welchem aber die Parlamen-
tiſten auß eygenen Thaten das Gegentheil erwieſen. Der Koͤnig bezwang zwar
etliche Orth/ namentlich Leuceſter: verlohr es aber wieder/ nach dem ſeine Voͤl-
cker im Feldt die Oberhand erhalten/ bald wegen geſuchten Raubs mit groſſem
Verluſt vnden gelegen/ vnnd zwar zum andernmahl/ da er ſelbſt an Arm verwun-
det worden. Jn Summa/ das Gluͤck der Waffen ſtund jhm auch im dritten
Treffen bey Briſtol entgegen: ſo thaͤt Leßle in Schottland was er wolte. Das
euſſerſt Abſehen war auff Jrꝛland: darumb macht er Fried am ſelben Orth/ ver-
bittert aber das Parlament nur deſtomehr darmit/ vnnd verlohr auch das vierdte
Treffen/ daß er ſich halb Fluͤchtig/ von einem Orth zum andern begeben
muͤſſen.


Es konde hiebey der Bapſt kein voͤllige Huͤlff leyſten: So hatte der Spa-
nier
[102[72]]De Statu perturbato Franciæ
nier nicht Vrſach ſeine Macht zutheilen/ vnd in Jrꝛland/ wie gern er auch gewolt/
Poſten zufaſſen. Dann Leganes hatte ſich an die Portugieſen gehenckt/ vnnd
zauſet ſich mit jhnen. Auch ſtund es in Catalonien ſehr vbel/ in deme die Fran-
tzoſen die Hauptfeſtung Roſes durch ſcharpffe Belaͤgerung zur Vbergab noͤthig-
ten/ auch ein Haupt Treffen bey Balaquier erhielten: darauff allenthalben Geld-
preſſuren/ vnd Tumult entſtanden/ daß der Spanier zu Saragoſſa/ zu Corduba/
auch zu Palermo in Sicilien vbele Haͤndel ſahe. Wie nun kein Vngluͤck allein
kompt/ alſo wurd die Convoy nach Balaquier geſchlagen/ vnnd alle Amunition
verlohren/ der Orth ſelbſt den Frantzoſen vbergeben: alſo daß Leganes von den
Portugieſen ablaſſen/ vnnd Arꝛagonien von ferꝛnerem feindlichen Vberfall ver-
wahren muͤſſen. Franckreich beſchwerte ſeine Vnderthanen nicht weniger/ vnd
vervrſachte zu Mompelier/ wie dann an etlichen andern Orthen/ vnverſehnen
Auffſtand/ ſo aber durch ſcharpffe Execution/ vnnd an der Hand liegende Kriegs-
macht/ bald ſich ſtillete. Thaͤt demnach ein ſtarcken Feldzug in Flandern/ erobert
Mardick/ Linck/ Borburg vnnd andere Orth/ mit einer vnſaͤglichen Landsverhee-
rung: vnnd vmb ſo viel leichter weil die Staaden die Veſtung Huͤlſt belaͤgerten/
vnnd ohne Rettung/ neben etlichen andern Nothveſten Schantzen einnahmen.
Darauß dann die Spaniſche Macht zuermeſſen/ welche ſo vielen Feinden/ zu einer
Zeit muͤſſen gewachſen ſeyn. Jtalien belangend/ gieng es langſamb daher/ weil
Printz Thomaſo keine ſonderliche Macht auff den Beinen hatte/ bald den Vor-
theil erhielte/ bald Schaden empfunde. Am Roͤmiſchen Hoff geriethen die
Spaniſche vnnd Portugeſiſche Geſandten an einander/ daß dieſem etliche ſeine
Diener auff offentlicher Gaß Todt geblieben: darob der Bapſt groß Mißfallen
truge. Die Barbarini/ deß juͤngſt verſtorbenen Bapſts Vettern/ ſolten Rech-
nung thun vber den verſchwenden Kirchenſchatz: nahmen aber jhre Zuflucht nach
Pariß/ vnd wickelten ſich endlich auß aller Noth.


Das alleraͤrgſte war/ daß der Tuͤrck eine groſſe Macht auffgebracht/ vnder
dem Schein/ die Malteſer/ wegen jhres ſtreyffens vnd raubens zuſtraffen: es war
aber auff die Jnſul Candien angeſehen/ dahin der Einfall geſchehen/ da auch die
Hauptſtatt Canea verlohren gangen. Darumb allenthalben in Jtalien groſſer
Schrecken eingefallen/ daß man auch den Kirchenſchatz zu Loretto nach Rom ſal-
vieret. Man ſolte meynen/ der Tuͤrck doͤrffte ſich nicht an die mundere Europæ-
er reiben/ angeſehen dieſelben ein geraume Zeit im Krieg geſchwebet/ vnnd der mi-
litariſchen Exercitien gepflogen/ daß auch ein geringer Soldat nun mehr verſte-
hen ſolte/ als Vorzeiten ein geweſener Hauptman. Man meldete aber auch ei-
ne andere Vrſach dieſes Kriegs: daß nemblich die Maltheſer juͤngſt ein Schiff
mit dreyfachen Rudern beſtritten/ vnd in demſelben deß Sultansſoͤhne einen ero-
bert/ der nach Mecha zu der Beſchneidung fahren ſollen. Als nun der Sultan
ſein Muphti oder Prieſter gefragt/ ob er den Gefangenen mit Geldt loͤſen moͤchte/
vnd
[103[73]]\& Germaniæ Continuatio.
vnd vernommen/ daß er Gewalt gegen Gewalt muͤſte fuͤhren: nahm er dieſe Ex-
pedition vor/ welche dem Patriarchen in Armenien den Kopff gekoſtet/ darumb
daß er der Sachen ein boͤſen Außſchlag verkuͤndigen thaͤte. Anderwertlich moͤch-
te man erachten/ daß der Türck vnſere verbitterte Gemüther von ein paar hundert
Jahren her wohl erkundiget/ vnd nicht zweiffeln koͤnnen/ es ſolte kein einiger Po-
tentat den eygenen Vortheil auß Handen laſſen/ vnnd ſich vmb die Venetianer
hochbekuͤmmern. Vnnd eben deßwegen haͤtte die Segnoria deſto mehr Vrſach/
jhres beſten zugedencken/ vnd dem vberauß maͤchtigen Tuͤrcken nach zugeben. Ja
es haͤtte derſelbe Krieg wohl moͤgen vermitten bleiben/ wann die Venetianiſche
Befelchshabere vnnd Gubernatorn an jhren Meerhaͤfen den Raub nicht einge-
kaufft/ vnnd den Raubern nicht Vnderſchleyff vnnd Schutz gehalten. Es mag
aber zu Venedig ergehen/ wie anderſtwo/ da man vnderſchiedliche Ketten ſchmie-
det/ vnnd einander bey der Hand haͤlt/ damit keiner vmbfalle. Oder wie jener
Baur ſeinem Nachbar Hanſen vber den Graben halffe/ weil er an einem andern
Paß ſeines Steckens auch bedorffte. Ein jeder hat vber die Obrigkeit zuklagen/
wie alles ſo parthellich hergehe/ biß man ein ſolchen Hohnſprecher nur zu dem En-
de auch laͤſt heran ſitzen/ vnnd ein wenig Honig mit lecken/ damit jhm der Mund
nicht gefriere/ vnnd wie Gallerey geſtehe: oder wann er jhm auffgehet/ nicht ge-
nugſamb ruͤhmen koͤnne/ daß es ſo redlich/ wie er biß dahin nicht glauben koͤnnen/
biß ers ſelbſt geſehen/ zugehe. Darneben ließ jhme auch der Tuͤrck nicht zuwie-
der ſeyn/ daß Ragoczy/ Fuͤrſt in Siebenbuͤrgen/ ſich wieder das Hauß Oeſterꝛeich
regte/ vnnd wegen der Religion abermahl Haͤndel in Ober Hungarn anrichtete.
Der Verſtand mit Torſtenſohn war beſchloſſen/ vnnd ſolte der Paß durch Ga-
baluncken vnd Bergſtaͤtte/ nach Schleſien vnnd Oeſterꝛeich ſich eheſt mit Gewalt
oͤffnen: weil nun der Graff von Buchheym nicht viel/ auch nicht die beſte Voͤlcker
nach ſich ziehen kondte/ war es dem Siebenbuͤrger leicht/ jhn zuwenden/ vnnd zum
Krebsgang zuweiſen. Doch verſchaffte die Ambaſſade nach Conſtantinopel/
daß jhm ein groſſes vorzunehmen kein Mittel an die Hand gelegt/ vielmehr gebot-
ten worden/ jnnen zuhalten: darumb er auch/ nach etlichen Puncten/ ſo jhm ver-
guͤnſtigt vnd willfahrt worden/ wieder nach Hauß/ wie ein Dachs nach ſeiner Hoͤ-
le/ mit Frieden gezogen.


Wie nun Torſtenſohn auß Holſteyn wieder nach der Elbe/ vnnd auff Boͤh-
men zugegangen/ hinderließ er den Vrangel vnnd den Koͤnigsmarck/ die eroberte
Orth zuerhalten/ vnnd die Daͤnen nach der Art zuplagen. Vrangelfuͤtterte ſich
auß zu Hamburg/ macht ſich an Renßburg/ wiewohl mit vergeblicher Belaͤge-
rung/ vnnd ſchlug den Buchwald: machte dadurch den Schweden ſolchen Lufft/
daß ſie das Eyeland Bornholm bezwingen/ vnnd zu jhrem groſſen Vortheil er-
halten koͤnnen. Koͤnigsmarck ruͤckt in das Stifft Bremen: erobert Roten-
burg/ Otterßberg/ Staden/ Buxtehuden vnnd Bremerwerth/ welches letzte jhm
K kdurch
[104[74]]De Statu perturbato Franciæ
durch Liſt wieder entgangen vnnd durchgeſtrichen. Bey ſo geſtalten Sachen
vermeynten die Staden auch im truͤben Waſſer zufiſchen/ giengen mit trotz durch
den Sund/ vnnd wolten friſch dran/ wann ſie nicht der Printz von Vranien vmb
etwas abgewendet/ vnnd wider den Spanier weiter verꝛeytzt haͤtte. Gleichwohl
bracht ſolch vbermuͤthiges Beginnen den Koͤnig in Dennmarck zu friedfertigen
Gedancken/ bevorab da ſeine Staͤnde den Kriegslaſt nicht laͤnger tragen wolten
noch konten. Darumb beſchloß er den Frieden/ nach langem tractiren/ mit den
Schweden/ darzu Engelland vnnd Franckreich geholffen: hinderließ etliche
Schwingfedern/ vnnd noch etliche Veſtungen zum Pfand vnnd zur Sicherheit/
biß auff dreyſſig Jahr hienauß. Solcher geſtalt hatte Koͤnigsmarck andere Ar-
beit zuſuchen/ die er auch im Oberland gefunden: dann Erlach vnd Moſer brauch-
ten ſich zwar im Elſaß beſtes fleiſſes: weil aber die Weinmariſche Frantzoſen nur
auff der Bratwurſtherumb zogen/ vnnd gute Quartier ſuchten/ vberfiel ſie Jean
de Werth in Francken/ bey Mergentheym/ vnnd jagt ſie biß nach Heſſen: Jn wel-
chem ritt er auch die Ammelburg der Belaͤgerung freygemacht/ an welchem Orth
den Heſſen nicht wenig gelegen war/ auff daß es darmit nicht ergienge/ wie mit
Heldrungen/ da die Heſſen jhre Klawen/ ohne Rettung eingeſchlagen. Der
Schad bey der Weinmariſchen Armee war ſehr groß/ weil anderthalb tauſendt ge-
meine Knecht ſich gefangen gaben/ neben 76. vnder Officirern/ 23. Fendrichen/ 28.
Leutenanten vnd 25. Hauptmannen oder Rittmeiſtern/ 4. Generals Perſonen/ vñ
4. Majoren. Darauff erfolgt Gernßheim/ Vmbſtatt/ vnnd endlich der Marſch
nach Heſſen. Alſo fuͤgt ſich Koͤnigsmarck zu den geſchlagenen Weinmariſchen
vnnd Heſſen/ dadurch ein ſolche Armee erwachſen/ daß die Bayriſchen wieder zu-
ruͤck gehen muͤſſen/ vnd ſich bey Allerßheim in Schwaben geſetzt/ an welchem Orth
er von jhnen gangen/ kurtz vor dem Treffen. Dann als der newe Secours auß
Franckreich ankommen/ gab es bey Allerßheim harte Stoͤß/ daß der General Mer-
ey geblieben/ vnnd damit den Bayriſchen der Muth gefallen: vnder dem Hertzog
von Anguien wurden zwey Pferd erſchoſſen/ vnnd das dritte verwundet/ vier tau-
ſendt Bayriſchen biſſen in das Graß/ zwey tauſend/ mit dem Kayſeriſchen Gene-
neral Geleen gaben ſich gefangen: vnd ſchier auß dieſem Jrꝛthumb/ weil der Con-
federirten rechter Fluͤgel in die Flucht gieng/ jhr lincker Fluͤgel aber die Bayriſchen
vor ſich im rechten Fluͤgel zertreñet/ vnd hernach der Obſiegenden auch wider Mei-
ſter ward. Jn deſſen ſetzt ſich Koͤnigsmarck dem Churfuͤrſten ſo gar hart auff den
Nacken/ daß er ein Stillſtand von ſechs Monaten/ als ein Vorbotten der Neu-
tralitaͤt/ angenommen. An dieſem Stillſtand war den Schwediſchen Gene-
ralen mercklich viel gelegen/ ein ſolchen Fuͤrſten vom Hauß Oeſterꝛeich abzuzie-
hen/ der bey den Proteſtierenden das Haupt/ vnd ohne Zweiffel mit ſeinem Exem-
pel viel andere nach ſich ziehen/ auch endlich zu einer Neutralitaͤt/ oder Friedens-
handlung verſtehen wuͤrde.


Das
[105[75]]\& Germaniæ Continuatio.

Das Hauptweſen aber im Feld/ vnd der Gewalt der Waffen/ ließ ſich durch
Torſtenſohn treiben/ wie man etwan ein Wild im Haag vnnd auff freyer Heyden
jagt. Dieſer hatte dem Koͤnig in Dennmarck ein harten Backenſtreych gege-
ben/ vnd jhn lehren ſimulieren/ oder ſynceriren/ wohlwiſſend/ daß der erſte Streych/
zumahl da er vnvorſehen iſt/ zween gilt. Mann konde nicht eygentlich wiſſen/
was die Daͤnen vnder dem Schild vnnd Huͤtlein ſpielten/ ob es wegen der alten
Gerechtigkeit auff dem Elbſtrom oder wegen deß newen Zolls/ oder wegen der
Statt Hamburg geſchehe: zubeſorgen/ da die Schweden/ ein groſſe Niederlag
leiden wuͤrden/ er das groͤſſere ſtuͤck vom Pfannkuchen ergreiffen ſolte: wie dann
ſeine Kriegs Voͤlcker/ eben mehren Theil gegen den Schwediſchen Graͤntzen/ in
Halland ſich befunden/ dadurch Holſtein entbloͤſſet geſtanden. Welches Tor-
ſtenſohn ſehr wohl in acht genommen/ vnnd wie ein Raubvogel auff die Rephuͤner
geſtoſſen. Als nun das Fewer in hoher Lohe branndte/ haͤtte die groſſe Begierd
ſolchen Schimpff zu raͤchen gern alle Kayſeriſche Voͤlcker an ſich gezogen: ja der
Kayſer ſolte auch das Wetter lieber in Holſtein vnd Juͤtland geſehen/ als laͤnger
auff ſeinem Dach gelitten haben: aber es war das Hembd naͤher dann der Rock/
man gedachte die hien vnnd wiederliegende Schwediſche Beſatzungen außzuhe-
ben/ vnnd das Land von ſolchem vmb ſich freſſenden Wolff zuheylen/ bey gewiſſer
Hoffnung/ da Gallaß nach der erſten Furj mit einer halb groſſen Armee zum Spiel
kaͤme/ er der Sachen ein gewiſſen Außſchlag geben koͤnde. Es war aber verꝛech-
net/ weil Gallaß viel außrichten/ wenig ſchlagen/ vnnd den Kern behalten ſolte:
dann wann man offt ſchlaͤgt/ gibts viel Kappen vnd Spaͤhne. Einmahl vor all/
Torſtenſohn gieng mit dem Gallaß vmb/ daß die Kayſeriſche Armee den Paß
nach Boͤhmen wieder zugehen/ nicht nur nicht verlegen koͤnnen/ ſondern auch die-
ſen ſchlůpfferigen Feind bald vor ſich/ bald hinder ſich/ bald auff den ſeiten/ vnd am
Halß hatte: derſolche Rencken ſpielete/ daß gemeldte Kayſeriſche Armee vbel
durch Hunger zugerichtet/ etliche mahl geſchlagen/ in gar geringer Anzahl die Oe-
ſterꝛeichiſche Landen erꝛeychen moͤgen. Vnnd hier war das aͤrgſte/ daß Torſten-
ſohn mitten im Winter jederzeit mehr thaͤte/ als im Sommer/ wie er dann zu Ein-
gang dieſes Jahrs vmb Zeitz zwar etwas wenig geraſtet. Weil nun der Kayſer
ſahe/ daß die Dennmaͤrckiſche Haͤndel vbel abgelauffen/ vnnd nothwendig zum
Frieden gelangen muſten/ auch die Schweden bald ſtaͤrcker wieder jhn heran kaͤ-
men/ dann ſie von jhm gelaſſen haͤtten/ namentlich daß dieſer grimmige Loͤw oder
Leopard jetzt ein Sprung thun/ vnd ohne zweiffel das nothleidende Olmuͤtz wuͤrde
zuentſetzen ſuchen: thaͤt er ſein euſſerſtes/ ein newe Armee wieder zurichten/ als
auch in Boͤhmen geſchehen/ da ſich dann die jaͤmmerliche Gallaſſiſche Voͤlcker
auch befunden Weil aber am Segen vom Himmel alles gelegen/ wendet ſich
Kayſerliche Mayeſtaͤt zur Devotion/ ließ Bettage/ Kirchgaͤnge vnd Gottestrach-
ten anſtellen/ erſchien ſelbſt mit hohem Exempel/ ſonderlich bey der Devotion zu
K k ijvnſer
[106[76]]De Statu perturbato Franciæ
vnſerlieben Frawen/ ſo vor dieſem zu Brandeiß von den Schwediſchen geraubt/
vnd vmb zwoͤlff tauſend Florin war auß geloͤſet/ vnd zur vorigen Devotion wieder
auffgeſtellet worden. Nach dem Exempel jhres Herꝛn Vattern/ ſeeligſten Anden-
ckens/ der dem jenigen Kammer Herꝛn/ ſo jhne von der Gottestracht den zweyten
Tag wollen ahhalten/ weil den erſten Tag das Gewicht der Kertzen ſo ſchwer ge-
weſen/ daß die rechte Hand daruͤber geſchwollen/ zur Antwort geben: hab ich ja
von Gottes Guͤte zwo Haͤnde/ auff daß wo die eine erlahmet/ ich jhme mit der an-
dern dienen ſolle.


Es wolt aber das ſtarcke Wetter ſich nicht beſchweren laſſen/ weil der Him-
mel noch ferꝛnere Straffen vber die Oeſterꝛeichiſche Provintzen vnnd vber gantz
Teutſchland beſchloſſen hatte. Dann Torſtenſohn brach auff bey Zeitz/ zoge ſich
durch den Jochimsthal nach Pilſen/ vnd Glattaw/ achtet keines Schnees/ vnnd
braucht das Eyß zu ſeinem Vortheil. Es ſchien/ als waͤr ſein Sinn geweſen/
nur durchzubrechen/ vnd Olmuͤtz zuentſetzen/ oder einige Siebenbuͤrgiſche Huͤlff/
weil damahlen noch kein Fried beſchloſſen/ an ſich zuziehen. Ein wunderliche
Reſolution/ ſich in deß Feindes Land hienein wagen/ vnnd in ein Maußfall gehen:
dann der Boͤhmiſche Wald war vmb jhn auff den Seiten verhawen/ daß er zur
Seiten nach Oeſterꝛeich nicht haͤtte außſetzen koͤnnen: ſo war der Sachs/ ehe jhn
Koͤnigsmarck zum Stillſtand vermoͤgt/ hinder jhm her/ vnd verwahrte die Thuͤr/
ſo hauffte ſich die Kayſeriſche Macht auff der andern Seiten/ alſo daß vor der
Stirn ein vnpaͤßliches Gebuͤrg vnd Gewaͤlde jhm das Geſicht/ den Verſtand vnd
Hoffnung haͤtten nehmen koͤnnen/ zumahl alles feindſelig vnnd jhn zuverſchlin-
gem ja mit Haut vnd Haar auffzufreſſen bereyt war. Bey welchem Spiel auch
Chur Bayern Theil haben wollen/ vnd etliche gute Regimenter dahin verordnet.
Salluſtius meldet/ Caij Marij vermeſſene That/ ein nothfeſtes Caſtell in der Wuͤ-
ſten zuvberꝛumpeln/ ſey jhm zu groſſem Ruhm bey dem gemeinen Volck gediehen:
in deme verſtaͤndige Leuth ſolches gar nicht loben wollen/ weil dardurch der Kern
ſeiner Kriegs Voͤlcker/ ohne Schwerdtſtreich/ nur auß Mangel Waſſers haͤtten
verſchmachten koͤnnen. Doch wem das Gluͤck ein guͤldene Kron auffſetzt/ der
traͤgt ſie/ er heiſſe Cuntz oder Claß/ ſeye geſcheit oder geſchellet/ trage Witz oder
Wanſt. Der Keyſer hielt ſich zu Prag/ dieſem Weſenauß der Muͤhe beyzu-
wohnen/ vnnd befahl einmahl vorall/ man ſolte den fluͤchtigen oder deſperaten
Feind zum ſtand vnnd ſchlagen bringen/ auß dieſer vernuͤnfftigen Conſideration/
man moͤchte etwan mit gleichen Kappen von einander kommen/ ſo haͤtte dannoch
der Feind weniger Mittel ſich wieder in voͤllige Poſtur zuſetzen: wolte dann das
Gluͤck ſich guͤnſtig erweiſen/ ſo waͤr hiermit dieſem Vnthier ein Kropffſtoß gege-
ben/ der jhm den Garauß machen/ oder doch ſolche Vnkraͤfften vervrſachen muͤſte/
daß viel gutes hernach erfolgen wuͤrde: vnd alles zum aͤrgſten genommen/ ſo wuͤr-
de eine abgemattete Armee/ (dann dieſer ſeit Voͤlcker auch Kraut vnnd Loth fuͤhr-
ten/
[107[77]]\& Germaniæ Continuatio.
ten/ Faͤuſte vnd Parthen truͤgen/ auch das Leder thewr verkauffen) wenige Feſtun-
gen vberwaͤltigen koͤnnen/ oder doch bey der erſten andern/ oder dritten/ ſolchen
Widerſtand finden/ biß man in deſſen wieder zukraͤfften gelangete.


Es war ein vber alle maſſen erbaͤrmlicher Zuſtand vmb beyde feindliche Ar-
meen/ die einander vor- vnd nach/ wieder an den Seiten giengen/ vnnd zw[ar] mit
groſſen Tagreyſen/ als waͤre es Sommerszeit/ nur einander abzumatten/ vnnd im
Vortheil zuvberſtreichen/ biß ſie ohn ferꝛn Thabor/ bey dem Flecken Jankaw den
23. Febr. 1645. in einander gefallen/ vnnd wie die wuͤtende reiſſende Thier ſich ſelb-
ſten auffgerieben. Auff Kayſeriſcher Seiten geſchah das erſte Vngluͤck/ daß
Goͤtz/ der einen Huͤgel vmbgeben/ vnnd hinden einfallen wollen/ zu grund geſchla-
gen ward/ ehe man ſich deſſen verſehen/ ob er ſchon gleich anfangs was gluͤcklich
fortgeruͤckt. Das andere war/ daß man zufruͤhe Victory geſchrien/ vnnd in deß
Feinds Bagage gefallen/ bey welcher Begebenheit Torſtenſohn das Geſchütz in-
vnd vber die Bagage mit ſolcher Vngeheur ſpielen laſſen/ daß ſeine Truppen wie-
der zu rechtem ſtand kommen. Das dritte aber verderbte das gantze Spiel/ als
die fuͤrnembſte Kayſerliche Brigaden den Hügel herunder gieng/ vnd dem Feind
dadurch allen Vortheil einraumete/ von der Hoͤhe herunder zufallen/ vnd alles in
Vnordnung/ ja gar in die Flucht zubringen. Bey dieſem Treffen ſind Gene-
neralsperſonen geblieben vnnd gefangen worden/ zu endlichem Vndergang der
Kayſerlichen Armee. Torſtenſohn ließ ſich den veſten Orth Thabor/ da die beſte
Bagage vnnd Ammunition ſtunden/ noch nit jrꝛen/ ſondern erobert Newhauſen
Jglau/ Znaym: ſchlug die Kayſeriſchen abermahl auff jhrem Sammelplatz bey
Sintzendorff/ vervrſacht ein ſolche Forcht zu Wien/ daß die Gutſchen mit hun-
derten auff Graͤtz vnnd nach dem Stifft Saltzburg ins Gebuͤrge eyleten. Die
Belaͤgerung Olmütz hub ſich auff/ wegen ſolcher vngluͤcklichen Zeitung/ es traff
aber das Wetter an dem Donawſtrom. Dann die Schweden befanden ſich
verſtaͤrckt/ von den Gefangenen Voͤlckern/ vnnd ob ſie ſchon hierbey kein Seiden
geſponnen/ leckten vnnd heyleten ſie doch jhre Wunden gar bald. Sie vberwaͤl-
tigten Steyn/ Krembs/ Dürſten/ Creutzenſtein/ Cornewburg/ vñ gar die Schantz/
ſampt der Wolffsbruͤck vor Wien.


Vnd hie mag Torſtenſohn drey Fehler begangen haben: den eſten/ daß er
damahls ſeinem Gluͤck den Segel eingezogen/ vnnd das erſchrockene/ ja bebende/
vnnd verlaſſene Wien nicht weg genommen/ zumahl die Kayſeriſche geſchlagene
Voͤlcker zerſtrewt/ vnd gantz vnwillig/ auch zu keiner Diſciplin annoch zubringen
waren. Den andern/ daß er dem Kayſer alle gefangene Officierer vmb eine
leidliche Ranzon außzuloͤſen angebotten/ auch auff Parole vnnd Glauben/ frey
gelaſſen: welcher geſtalt die obigeſchwuͤrige Voͤlcker wieder in Ordnung gebracht/
vnnd zu einer newen Armee ein guten Anſtalt gemacht worden. Den dritten/
daß er ſich vor Bruͤn vnnd den Spiegelberg gelegt/ daſelbſten ſein beſtes Fußvolck
K k iijeinge-
[108[78]]De Statu perturbato Franciæ
eingebuͤßt/ vnnd dannoch vnverꝛichter Sachen abziehen muͤſſen. Es mag aber
Torſtenſohn den erſten Fehler darmit beſchoͤnen/ daß er ſein Gluͤck nicht vbertrei-
ben/ vnd zu dem gewoͤhnlichen Türcken nicht verꝛeytzen wollen/ auch wohl wiſſend/
daß Wien vor hundert vnd mehr Jahren/ dem Tuͤrcken dreymahl hunderttauſent
Mann abgeſchlagen/ vnnd jhn ſelbſt zum Abzug gebracht. Auch trawte er der
andern Seite deß Stroms/ da die Bayriſche Macht heran ſtreichen wuͤrde/ gar
nicht: vnd hatte keine Bereytſchafft die viele Bruͤcken vber den Strom biß an die
Statt ſelbſt/ zubezwingen: wolte demnach auff ſeiner Seit deß Stroms etwas
nutzliches verꝛichten/ wie er auch gethan. Daß er nun die gefangene Officirer
ledig zehlen wollen/ mag wohl die Begierd zum Seckelſamen/ vnnd dadurch ſein
Gegenparthey zuſchwaͤchen/ auch darneben ſein Heroiſch vnd Loͤwengemuͤth den
ſtehenden anzugreiffen/ dem liegenden zuverſchonen/ vervrſacht haben. Vnnd
ſteht ſehr ſchoͤn in der Chronick daß Menſchen gegen Menſchen Menſchlich/ nicht
aber Viehiſch vnd Hundiſch verfahren. Darumb alle hohe vnd niedere Kriegs-
Leuthe ſelbſten Beſtien ſind/ wann ſie jhren gefangenen Feind vbel halten/ Hun-
den vnd cujoniren: dadurch ſie jhren groben Vnverſtand an Tag legen/ als welche
Handwercks Gebrauch weniger wiſſen/ dann die Zuͤnfftige Schuſter vnd Schnei-
dersgeſellen. Vnd wie offt iſt es geſchehen/ daß gleiches mit gleichem ſich berech-
net/ vnd ein ſolcher Beſtialiſcher Obſieger ein gleiches/ ja groͤbers was/ von ſeines
gleichen/ von geringern/ ja gar von den Bawren muß einnehmen/ vnd etwan nach
groͤſſer Qual das Leben darbey laſſen. Fuͤhrte man gleich den Krieg wieder den
Tuͤrcken/ ſolte man doch ſeiner ſelbſt eygenen Menſchlichen Arth nicht vergeſſen/
zugeſchweigen/ daß wir vns deß Chriſtlichen Glaubens ruͤhmen/ auch gar wegen
der Religion/ welche mit vnderꝛichten/ vnd ſanfftmuͤtigem Geiſt will fortgepflan-
tzet werden. Daß er aber eine Haupt Belaͤgerung vorgenommen/ thaͤt er/ ſeine
Voͤlcker in jmmerwehrender Vbung zuhalten/ vnd ſeinen Feind zu einem ferꝛne-
rem Streich zubringen. Doch ſolte er den Voͤlckern mehr geſchonet/ vnd etwas
Ruhe gegeben haben/ vnvergeſſen/ daß jhm Freyberg in den ſechs Staͤtten ſeine
im Feld erhaltene Victory ſehr verdunckelt/ vnnd mit ſchimpfflichem Abzug be-
ſchmeiſſet hatte.


So viel aber hatte dieſes Haupt Treffen Veraͤnderung gebracht/ daß im
Namen deß Bapſts zu Rom vnd Jrer Kayſerlichen Mayeſtaͤt der Churfuͤrſt von
Trier aller Anklagen befreyt/ vnnd mit ſondern Gnaden zu ſeinem Ertz Stifft iſt
gelaſſen worden. Daß der Siebenbuͤrgiſche Vergleich ſchleunig fortgangen/
vnnd Buchheym mit ſeinen Voͤlckern wieder herauß gezogen: ja daß auch Denn-
marck nur deſto ehe mit dem Schweden/ damit Torſtenſohn nicht wieder kaͤme/
geſchloſſen: vnnd daß Sachſen den Stillſtand angenommen: daß auch Traut-
manßdorff deſto ſchleuniger nach Muͤnſter zu den General Friedens Tractaten
geeylet. Jn deſſen pagirte Torſtenſohn durch Boͤhmen/ Maͤhren vnnd Schle-
ſien:
[109[79]]\& Germaniæ Continuatio.
ſien: ſo hatten zwar die Weinmariſche Frantzoſen ein blutigen Sieg bey Allerß-
heim erhalten/ vnnd jhren rechten Fluͤgel/ ſampt dem Feldherꝛn Gramont (den
Bayern mit groſſen Verehrungen ohn entgelt/ ledig gezehlt: welches nicht wenig
nachdencken einiger corꝛeſpondentzen vervrſacht) eingebuͤßt/ aber keinen Nutzen
davon getragen/ als daß ſie hernach von der Belaͤgerung Hailbrun/ wegen deß
Bayriſchen Anzugs/ muͤſſen ablaſſen/ vnnd ſich mit noth nach Philippsburg rete-
riren/ die Heſſen/ ſo das beſte bey obigem Treffen gethan/ giengen nach Hauß/ leg-
ten ſich ohn groſſen Wiederſtand in die Statt Marpurg vnnd belaͤgerten daſſelbe
Schloß. Jhr geweſener General Melander ließ ſich von dem Weſtphaͤliſchen
Krayß/ an deß General Geleen Stell/ der dem Kayſer dienen ſolte/ beſtatten.
Bey ſo gefaͤhrlichem Zuſtand deß Roͤmiſchen Reichs vnnd der Oeſterꝛeichiſchen
Erblanden/ gab es vielerley Deliberationes: Anfangs zweyte man ſich/ den De-
putations Tag zu Franckfurt auffzuheben/ oder gar zu einem General Tractaten-
Tag zumachen: nachmahls/ als mit groſſer Muͤhe vnd langer Weil/ man Muͤn-
ſter vnd Oßnabruck darzu beliebet/ welcher geſtalt die Staͤnde daſelbſt erſcheinen
ſolten/ alle vnnd jede/ oder nach Gewonheit der Reichs Verſamblungen. Ein
feiner Grund zu einem vnbeſtaͤndigen Frieden/ vnd gewiſſem newen Krieg wird
gelegt/ als der Frantzoß deß Hertzogen von Lothringen Abgeſandten nicht wollen
zulaſſen: gleichſamb haͤtte ſelbiger Fuͤrſt ſich in das Teutſche Weſen gar nicht ein-
geflochten/ vnnd wuͤrde die Frantzoͤſiſche Haͤndel deß Reichs vnbegruͤſt abhaſpeln
laſſen: welches dann alle die jenige heymlich gern ſahen/ denen der Krieg mehr be-
liebte/ als der Friede. Vnd hatte Kayſerliche Mayeſtaͤt groß Recht/ die Staͤn-
de von jhrem Eyfer abzumahnen/ daß man deß Reichs Heymlichkeit/ Wunden
vnnd Schame nicht ſo gar frey den außlaͤndiſchen Potentaten entdecken/ ſondern
den Frieden vberhaupt beſchlieſſen/ die geringere Sachen aber/ dem Herkommen
gemaͤß/ auff Reichs- vnd Deputations Taͤgen/ vertragen ſolte. Es wolte aber
dieſe trewe Erinnerung nicht ſtatt finden/ der Eyfer in der Religion/ der eygen
Nutze/ die Privat Rache/ vnnd ſonderlich der Hochmuth der gluͤcklichen Waffen
jeder Parthey/ ſo auch wie ſich das Wetter aͤnderte/ drange fuͤr alles/ ſo ferꝛn/ daß
ein jeder vom Adel ſeine Spaͤhn herzutruge/ vnd bald gern ein newes Fewer dar-
mit angezuͤndet haͤtte.


Eines war zuverwundern/ daß der Kayſer/ vnd die Catholiſche Parthey
den Calviniſten ſo guͤtig geweſen/ vnnd ſelbe zu den Tractaten nicht nur zugelaſ-
ſen/ ſondern auch vnder die Augſpurgiſche Confeſſions Verwanden/ da es die Lu-
theraner leiden moͤchten/ zehlen wollen: da ſie doch ſchon auß der Laußnitz vnder
Rudolpho II. vertrieben/ vnnd jetziger Zeit/ als Vrheber deß Boͤhmiſchen Vnwe-
ſens verꝛucht geweſen. Auff Schwediſcher Seiten hieſſe es gar nicht/ wie hie-
bevor/ man ſolte der Calviniſten wegen/ an dem Frieden ſich nicht hindern laſſen/
vnnd jhrentwegen kein Pferdt ſatteln/ auch kein Strohalm auffheben. Dann
Schwe-
[110[80]]De Statu perturbato Franciæ
Schweden erachtete/ was Heſſen Caſſel bey dieſem Weſen gethan hatte/ vnnd was
Brandenburg noch ferꝛner thun koͤnde: neben dieſem zuruck dencken/ wo die Cal-
viniſten ein ſondere Parthey machen/ die Staden vnnd Engelland/ ſampt den
Schweitzern an ſich ziehen/ ja gar der Catholiſchen Huͤlff ſich bedienen ſolten:
wuͤrde es vmb das Lutherthum vbel ſtehen: zumal nichts newes/ daß man bey der-
gleichen Zufaͤllen Huͤlffe ſucht/ biß man ſein Zweck erꝛeychet. Alſo
haͤtten ſich der Hugonotten in Franckreich bald die Malcontenten/ bald
die Koͤnigin ſelbſt/ bald der Koͤnig bedienet/ vnnd zwar zu jhrem
Vortheil/ aber auch zu jhrer Subſiſtentz. So ſtuͤnde ja noch die Verbuͤndnuß
der Lutheraner ſelbſt mit den Frantzoſen auff Schwediſcher Seiten: vnnd dann
auch der Hollaͤnder oder Calviniſten mit gedachtem Frantzoſen. Darumb wol-
te man auff Lutheriſcher Seiten mehr auff den gemeinen Nutzen/ als auff deß
Darmbſtatters privat Strittigkeiten wegen deß Fürſtenthumbs Marpurg/ oder
auff der Saͤchſiſchen Prediger hitzigen Eyfer ſehen: zuvorderſt als die Calviniſten
ſich deß Herkommens vom Paſſawiſchen Vertrags an geruͤhmet/ vnd zu allen guͤ-
tigen Mitteln erbotten. Was aber auff Catholiſcher Seiten ſolchen Favor ver-
urſacht habe/ moͤcht noch im Cabinet verſchloſſen/ vnd vnder den dunckelen Brief-
fen zufinden ſeyn. Doch kan jemand gedencken/ Kayſerliche Mayeſtaͤt haͤtte obi-
ges Abſehen auch haben koͤnnen/ die Calviniſten/ wegen deß Pfaltzgraffen jhnen
gleiche Rechnung machten/ vnnd ſehr weit von dem Hauß Oeſterꝛeich alienirt
worden/ ſolcher geſtalt vmb etwas wiederumb zubegnuͤgen/ vnd zu ſeinem Willen
zulencken. Weil aber die Catholiſchen jederzeit beſſere Zuneygung zu den Lu-
theraner/ vnnd dieſe zu jhnen/ als beyde Theil zu den Calviniſten getragen/ zumahl
die Calviniſten alle Kirchen Ceremonien vber einen Hauffen von ſich geworffen:
wolte bedencklich fallen/ woher ſolch vnverhoffte Gunſt erwachſen/ als nur die Lu-
theraner vmb etwas zuſchrecken/ daß man nemblich ſie wohl fahren laſſen/ vnd an-
dere jhres gleichen von der Kirchen Abtruͤnnige annehmen koͤndte: ein mehres ſol-
cher geſtalt wegen deß Eyfers zuerlangen. Andere meynten/ wann es den Lu-
rheranern wuͤrde heymgeſtellt/ die Calviniſten in den Religionsfrieden zubegreif-
fen oder nicht: ſolte ſich ein groß Vngeſtuͤm erheben/ dieſe beyde Partheyen hart
an einander zuhetzen: da dieſe die Oberhand vnnd Begnadigung/ jene die Gleich-
heit vnd Berechtigung fuͤrwenden moͤchten. Dieweil aber die Schweden mehr
auff jhren Weltlichen Nutzen ſahen/ ſegelten ſie darmit durch/ vnnd nahmen die
bißher ſehr verachtete Calviniſten mit ſich ins Schiff: ob ſelbe ſich aber
wieder werden außladen laſſen/ gibt
die Zeit.


Der
[111[81]]\& Germaniæ Continuatio.

Der 9. Diſcurß.


Der Tuͤrck leidet Verluſt. Die Staͤnd in Poln wollen
nicht kriegen. Was die Frantzoſen in Jtalien vnnd Spanien verꝛichtet. Der
Koͤnig in Engelland kompt in Jrꝛthumb. Niederlaͤndiſcher Krieg. Das Haupt-
Weſen ziehet ſich nach Heſſen: was da vberſehen worden. Gehet wieder nach
Beyern vnd dem Bodenſee. Von dem Stillſtand/ was in deſſen gegen den Kay-
ſeriſchen vorgangen. Wie Holtzapffel ſein Generalat angetretten/ die Schwe-
diſchen biß in den Niederſaͤchſiſchen Krayß getrieben/ vnnd Marpurg belaͤgert.
Spaniſche vnd Tuͤrckiſche Haͤndel.


ES hatte die Chriſtenheit nicht Arbeit genug vnder ſich
ſelbſt/ wann der Tuͤrck/ der abgeſagte Feind Chriſtlichen Namens/ nicht
auch durch vnſere loſe Haͤndel waͤr munder worden/ den Weg nach Jtalien
zu oͤffnen. Die Venetianer thaͤten jhr beſtes/ vnnd hatten ein ſonderlich Vn-
gluͤck mit jhrem Arſenal oder Zeughauß/ bey Eingang dieſes 1646. Jahrs/ welches
nicht wie man den Frantzoſen wollen Schuld geben/ vnnd die Tuͤrcken ſpargieren
doͤrffen/ durch angelegtes Fewr/ ſondern durch Verwahrloſung der Zimmerleuth
in ſchrecklichen Brand gerahten: vnnd zwar zur Vnzeit/ da eben alles voller Arg-
wohn geſtocken. Dann in Dalmatien beſorgte man ſich ſehr von deß Tuͤrcken
Vberfall/ wie er dann Novigrad ohn ſonderlichen Schaden einbekommen/ alſo
daß ſich Zara zubefoͤrchten hatte. Doch verlohr er ein tapfferes Treffen zur
See/ welches er ſo gar hoch nicht achtet/ wegen groſſer Menge ſeiner Voͤlcker: im
andern Treffen ließ er ſechs tauſent/ vnnd die Venetianer vier tauſent: dadurch
jhm der Sieg geblieben/ daß er die Statt Retimo/ ohn das Schloß/ einbekom-
men.


Der Koͤnig in Poln thaͤt groſſe Ruͤſtung/ vnd wolte den Tuͤrcken/ zugleich
den Tartarn angreiffen: aber die Staͤnde hieltens vor ein vnnoͤthig Beginnen/
vnnd beſorgten ſich noch darneben/ es moͤchte auff ſie angeſehen ſeyn/ jhre Privile-
gien zuvernichten/ vnnd newe Beſchwerden auffzudringen/ wie etwan in Engel-
land vor Augen waͤre. Darumb wurd der Krieg allenthalben gehindert/ auch
mit offentlicher Widerſpenſtigkeit der fuͤrnembſten Provintzen/ ſonderlich da die
Vn Catholiſche die Oberhand hatten/ biß endlich auff einem Reichstag alles ein-
geſtellt worden. Viel meynten/ der Eyfer zu der Religion haͤtte dieſen Sinn
erweckt/ vnnd ſolte dem Hauß Oeſterꝛeich zum beſten gereychen: andere ſorgten
vor die Schweden/ ob ſie bey ſo ſchwerem Teutſchen Krieg nun deſto geſchwinder
L lzuvber-
[112[82]]De Statu perturbato Franciæ
zuvberwaͤltigen ſeyn ſolten. Andere erachteten/ weil die Hungariſche Staͤnde
die Jeſuiter außgetrieben/ vnd ſolches fuͤrnemblich auff deß Ragoczy Anſtifftung/
es moͤchte dorthienein gelten.


Die fuͤrnembſte Haͤndel in Jtalien waren/ daß Vincentius Caraffa zum Ge-
neral deß Jeſuitiſchen Ordens worden: daß die Frantzoſen Orbitello vergeblich
belaͤgert: ein ſtarckes Treffen zur See gethan/ vnd jhren General Brezé darbey ver-
lohren/ doch Telamona vnd S. Stephans Haffen erhalten vnnd beſchuͤtzt: aber
Portolongone vnnd Plumbino erobert. Jn Spanien hiengegen thaͤt der Fran-
tzoß viel Muͤhe vor Lerida, vnnd muſte doch vnverꝛichter Sachen abziehen. Jn
ſelben Landen war vberauß groß trauren/ vber deß einigen Printzen vnd Jnfanten
fruͤhzeitiges Ableiben. Bey den Engellaͤndern wolte ſich deß Koͤnigs Gluͤck zur
naige ſchicken/ ſonderlich als ſein General Hompton von dem Fairfax geſchlagen
ward: alſo daß der Koͤnig geſinnet/ ſich auff deß Parlaments jnſtaͤndiges begeh-
ren nach Londen zuverfuͤgen: davon jhn aber ſeine geheyme Raͤhte abgeſchreckt/ in
dem ſie jhm vormahleten/ wie das Parlament aller Enden/ da der Koͤnig durch-
ziehen ſolte/ den Voͤlckern in die Gewehr/ vnnd noch auß deß Koͤnigs Comitat die
jenige zugreiffen/ ſo kein Paß von dem Parlament/ befohlen haͤtte. Dadurch
dann abermahl die Tractaten vnfruchtbar/ vnnd die Statt Oxonia vom Parla-
ment bezwungen worden. Hie war es Zeit/ deß Volcks Vnmuth zuſtillen/ vnd
in Perſon zuerſcheinen/ ob es ſchon/ wie etwan in Franckreich bey den Maltotis,
rund vnd bund gehen moͤgen. Dann wann der Strom angebrochen/ wird alles
trübe: ſetzet ſich aber bald wieder/ vnnd wird nochmahln hell vnd klar. Aber die
Ohrenblaͤſer foͤrchteten mehr jhrer eygenen Haut/ als deß Koͤnigs Wohlfahrt.
So gehet es vmb einander: der Koͤnig laͤſt den Viceré vnnd Ertzbiſchoff vberlief-
fern/ jetzt wird er ſelbſt/ nicht zwar vberlieffert/ aber in ſolchen Stand geſetzt/ daß er
alles verlieren muß. Jn den Niederlanden erobert der Frantzoß Courtray, vnd
ſieget ob bey Cuerne, gewinnt Winoxberg/ vnnd das ohnlaͤngſt verlohren Mar-
deick/ das Duͤnkercken deſto hefftiger zu aͤngſten/ vnnd zur Vbergab zuzwingen.
Wie dann durch Huͤlff der Hollaͤnder geſchehen: die aber im vbrigen ſchlaͤfferig
genug giengen/ vnnd vnverꝛichter Sach auß Braband/ endlich nach Venlo ver-
geblich vnd zuſpath im Jahr geruͤcket: doch den angebottenen Stillſtand/ ſonder-
lich durch deß Frantzoſen Eyfer/ außgeſchlagen. Bey welchem gantzen Thun die
Spanier nur Menenen dem Frantzoſen abgedrungen.


Aber in Teutſchland brannte das Fewr je laͤnger je weiter vmb ſich: dann die
Caſſeliſche eroberten das Schloß Marpurg/ deßwegen der Commendant Wil-
lich ſeinen grawen Kopff verlohren: Darmbſtatt vberwaͤltiget Butzbach/ vnnd
wartet mit ſchmertzen/ daß die Kayſeriſche vnd Bayriſche Voͤlcker ſein Spiel gut
machten. Jn deme nun Koͤnigsmarck Bremerwerd wieder erobert/ vnnd ſich
nach dem Stifft Paderborn gezogen/ auch Torſtenſohn auß Tuͤringen auffgebro-
chen/
[113[83]]\& Germaniæ Continuatio.
chen/ vnnd Hoͤxter eingenommen/ eyleten die Kayſeriſche nicht eben viel/ weil jh-
nen der Feind vom Halß kam/ vnnd ſie mit Recuperirung Crembß/ Corneuburg/
(welcher Orth in zehen Wochen groſſe Mannheit erwieſen/ vnnd mehr dann
zwoͤlff hundert Mann auffgerieben/ etwan vierhundert ſelbſt eingebuͤſſet) vnnd
ander Orthen geſchaͤfftig waren: denen endlich auch die Bayriſche gefolget/ aber
vmb ſo viel zu ſpath/ daß Coͤlln ſich in zwiſchen muͤſſen zur Neutralitaͤt verſtehen/
Statt Bergen mit groſſer vngeſtüm vberwaͤltigt/ vnnd die Amelburg eingenom-
men worden/ auff welchen Huͤgel ſich die Schwediſche vnnd Heſſen gelegt/ biß die
Weinmariſche vnder deß Viconte Turaine Commando, nach langer/ vnnd ver-
daͤchtiger weile zu jhnen geſtoſſen. Welcher geſtalt die Kayſeriſche vnd Bayri-
ſche/ weil ſie den andern die Proviand nicht koͤnnen abſchneiden vnd ſelbſt in Man-
gel ſtunden/ vmb etwas zuruͤck welchen muͤſſen/ denen aber Vrangel/ der nun-
mehr an ſtatt deß Podagriſchen Torſtenſohn den Generalat fuͤhrte/ nachgangen/
vund wundergeſchwinder Weiſe den Paß vber die Nied/ ein kleines/ doch ſtaden-
tieffes Waſſer abgelauffen/ alſo ſeinem Feind den Maynſtrom/ vnnd den Ruͤcken
abgetrungen/ als man eben im Laͤger vber Ferdinandi IV. Croͤnung zum Boͤhe-
miſchen Koͤnig frolockte. Solcher geſtalt ſtund der Darmbſtatter abermahl
Huͤlffloß/ erobert zwar den Kirchhayn/ vnd verſetzt den Caſſeliſchen Stoͤß/ verlohr
aber Schmalkalden vnnd Alßfeld. Die Caſſeliſche belaͤgerten Zonß bey Coͤlln
vergeblich/ vnd lieſſen ſich ſchlagen. Aber ſonſten brachte der verſehne Vortheil
an der Nied mancherley Gedancken. Die Schweden konden in Heſſen nicht
laͤnger ſubſiſtieren/ vnnd hatten drey Wege/ entweder zuruͤck/ nach dem Weſer-
ſtrom/ oder beſeits nach Coͤlln/ oder vor ſich/ welches das fürtraͤglichſte/ da nicht
ſonderbahre Einbildungen es wiederꝛahten. Dann oben auß lagen die Feindli-
che Voͤlcker vnder Wege/ vnd fiel beſorglich vnder Franckfurt vber den Mayn/ vnd
in das Wirtembergerland zu durchſetzen. Die feinte war/ entweder das Kay-
ſeriſche Laͤger anzugreiffen/ oder bey Hoͤchſt durch zurauſchen. Koͤnigsmarck ſtellt
ſich breyt vorm Laͤger/ vnd ließ die Regimenter hinderſich ab[z]iehen/ allda Vrangel
ein Hacken geſchlagen/ die Nied mit einem ſelbſt gemachten Schrecken vom Feind
paſſirt/ vnnd die Hoͤhe lauffend erſtiegen/ auch Franckfurt/ Hanaw vnnd Aſchen-
burg den andern abgeſchnitten/ vnnd zu ſeinem Vortheil bereycht. Es war ein ge-
wagtes ſtuͤck/ daß die Regimenter eintzelen daheran zogen/ vnd keines keinen rech-
ten Stand faſſen/ noch das ander ſecundiren koͤnnen. Dann ſolten die Kayſeri-
ſchen damahls in ſie gefallen ſeyn/ waͤre fliehen die beſte Kunſt geweſen. Wie a-
ber die Kayſeriſche allhie die Bruͤllen nicht recht auffgeſetzt/ als achteten die Schwe-
diſchen jhres Gluͤcks auch gar nicht/ vnd waren froh/ daß ſie auß den Klippen ent-
kommen/ allenthalben vollen Halß finden ſolten. Haͤtten ſie aber nach Erobe-
rung Windecken den Kayſeriſchen wollen nachſetzen/ ſolte bey ſolchem Schrecken
alles ſeyn zu truͤmmern gangen. Aber der volle Marſch gieng auff Hailbrun/
L l ijwelches
[114[84]]De Statu perturbato Franciæ
welches ſie doch nicht auffgehalten: die Frantzoſen eroberten Schorndorff/ vnnd
die Schweden Noͤrdlingen. Schmidberg vnd Roſa/ ſo bey Mergentheim ge-
fangen worden/ muſten auß Jngolſtatt/ nach Waſſerburg vnd Braunaw ſich laſ-
ſen zu beſſerer Verwahrung ſchleppen. Kamen aber bald hernach/ vnder dem
getroffenen Stillſtand/ nach erlegter Ranzion ledig vnd loß. Rayn koſtet Muͤhe
zubezwingen/ aber Augſpurg thaͤt vbergroſſe Gegenwehr/ vnd wurd nicht Schwe-
diſch. Jn mittels hatten die Kayſeriſche im Kambergergrund biß nach Her-
manſtein zu/ etwas Lufft geſchoͤpfft/ vnnd nahmen ein ſehr weiten vmbſchweyff/
wieder nach der Donaw zukommen: darumb auch den Schweden deren Enden
die gute Quartier nicht laͤnger ſchmaͤcken wollen/ vnnd weil die Heſſen von jhnen
gangen/ auch jhre Kraͤfften/ etwas abgenommen/ ſuchten ſie jhre Winter quartier
vnder dem Schweitzergebuͤrg/ am Bodenſee/ vberſtiegen Berge vnnd Felſen/ daß
ſie Bregentz mit groſſem Schatz in jhren Gewalt bekommen/ vnd ſolches bey auß-
gehendem Jahr/ daruͤber ſich niemand genug verwundern koͤnnen. Was Ge-
neral Wittemberg in der Schleſi/ vnd in Boͤhmen thaͤte/ machte zwar groß Vn-
gelegenheit/ war aber von keiner ſonderlichen Jmportantz. Vnnd hie gab es
mancherley Gedancken/ ob der Churfuͤrſt in Bayern den Krieg in ſeinem Land
ſolte außſtehen/ oder was anders vornehmen: vnnd wie bey den General Friedens
Tractaten der Sachen zuhelffen.


Die Schweden hatten ſich an den Bodenſee gezogen/ Langenarch/ vnnd die
Jnſul Menaw eingenommen/ gleich wie ſich die Frantzoſen in Tuͤbingen geleget.
Die Schweitzer ſahen dieſe Gaͤſte in dieſem 1647. Jahr nicht gern vor jhrer Thuͤr/
vnnd bewarben ſich bey den Schwediſchen Kriegs Oberſten vmb gute Nachbar-
ſchafft/ ſo jhnen auch zugeſagt/ vnd nach Militariſcher Manier gehalten worden.
Jn deſſen machten ſich die Chur Bayriſchen an Weiſſenberg/ im Nortgaw thaͤten
viel Muͤhe/ biß ſie es eroberten. Als aber die Schweden beyde Schluͤſſel zum
Land Bayern/ nemblich Rain vnd Bregentz gefunden/ gedachte Chur Bayern/
ein alter vnd kluger Herꝛ ohne ſeines gleichen/ gegen dem Feind muſte die Loͤwen-
haut gelten/ vnd da ſelbe zu kurtz vnnd ſchmahl/ konde der Fuchsbalg ſolchen Man-
gel erſetzen. Darumb brachte er es zuvorderſt durch ſeine Geiſt- vnd Welt- vnd
Kriegsbediente bey den Frantzoſen/ mit welchen er jmmerzu durch ſeinen Agen-
ten zu Pariß lieſſe tractieren/ daß er das Seyl nimmer auß der Hand ließ/ endlich
dahin/ daß ſie ſelbſt zu einem Stillſtand verſtunden/ vnnd auch die Schwediſchen
auff ſolche Meynung brachten.


Alſo wurd zu Muͤnſter in Weſtphalen ein Stillſtand der Waffen auff etliche
Monat beliebet/ damit die General Friedens Tractaten/ welche durch erwünſchtes
oder verkehrtes Glück der Waffen/ im Felde ſo manchmahl in ein ſtecken gefal-
len/ auch ſich auff ein andere Seit gelencket/ deſto ſchleuniger/ vnd vnvnterbrochen
zum Ende lauffen moͤchten: doch mit dieſer Bedingung/ daß die Feld Oberſten/
die
[115[85]]\& Germaniæ Continuatio.
die ſich Schwediſcher Seiten nicht ſo gar nach der Tablatur auß der Cantzley zu-
richten wuſten/ auch jhren Willen darein geben/ wie dann endlich zu Vlm aller-
dings deßwegen iſt geſchloſſen/ vnd Geiſel gegeneinander gegeben worden. Bey
welchem Stillſtand der Waffen dieſe drey ſtuͤck zumercken/ erſtlich daß der Kayſer
im geringſten nicht darzu verſtehen wollen/ weil hierdurch ſein erſtes Geluͤbd/
ſein gute Jntention/ ſein ſo offt wieder blinckendes Gluͤck gehemmet/ vnnd den
Vn Catholiſchen der Sieg in die Hand gegeben waͤre/ als welche jhre hochtraben-
de Forderungen nur deſto hoͤher/ vnnd auff Catholiſcher Seiten vnertraͤglicher
ſpannen vnd auffziehen wuͤrden. Das andere/ daß Chur Bayern ſelbigen mahls/
wie etwan gegen dem Koͤnig in Schweden/ zu Conſervirung ſeiner Erblanden/
auch Vnderſtuͤtzung deß gemeinen Catholiſchen Weſens/ nur Zeit zugewinnen
geſucht/ vnnd ſelbiger Zeit kein ander Mittel/ ſich vorden Schweden zubedecken
(gleich wieder Churfuͤrſt zu Trier andermahl bey vngeſtuͤmmem Wetter ein Ob-
dach bey Franckreich gefunden) erſinnen koͤnnen: in dieſer Hoffnung/ es moͤchten
die angriffige vnd krummenfingerige Soldaten den Accord ſo wenig/ als deß Koͤ-
nigs Salomons Katz das Liecht bey der Taffel halten/ oder das mauſen laſſen koͤn-
nen: dardurch dann die Waffen rechtmaͤſſiger Weiſe man wiederumb ergreiffen
muͤſte. Vnd in verbleiben deſſen/ welches das ander iſt/ wurde Zeit erfordert/
biß dieſer Schluß nach Pariß vnd Stockholm vbertragen/ berahtſchlaget/ beliebet/
vnd mit der Ratification wieder zuruͤck gebracht waͤre.


Gleichwohl verhielten ſich die Schwediſche vnd Frantzoͤſiſche Voͤlcker zuͤch-
tig/ wie die Cloſterfrawen mit groſſer noth. Vnd weil der Kayſer hierzu nit gehel-
len wollen/ vberꝛaſcht Vrangel-Schwein (Schweden) furt am Mayn/ vñ macht
gute Winterquartier in Francken. Koͤnigsmarck gieng nach Heſſen/ erobert
Kirchhayn/ vnd befand ſich nicht vbel in Weſtphalen/ ſonderlich als ſich die Vecht/
Faſtenaw/ vnd Weidenbruck jhm muͤſſen ſubmittiren. Doch bekam er ſtumpffe
Zaͤhn vor Warendorff/ vnnd ein blaw Auge. Die Weinmar Frantzoͤſiſche Ar-
mee vnder dem Viconte de Turaine ſtriech nach der Bergſtraß/ vnd erobert Hoͤchſt
am Mayn. Die Heſſen fuhren forth/ impatronirten ſich Niedeck/ vnnd vbten
ſich ſo baß ſie kondten/ wieder alle Orth/ ſo Bayern vnnd Coͤlln/ die allein im Sill-
ſtand begriffen/ nicht beſetzt hatten. Vnd weil deß General Geiſen Kriegsver-
waltung nicht jederman in Heſſen gefallen wollen/ bewarb ſich die Landgraͤffin
zu Heſſen vmb den Mortagny, vnnd erhielt von den Schweden/ daß ſie jhn vber-
lieſſen. Derſelb reformiert das Kriegs Weſen alſobald/ erobert Friedberg/
Reiffenberg/ Blanckenſtein/ Steiffenberg/ Hohenſtein/ Caub/ die Katz/ die Pfaltz/
vnnd zwang Rheinfelß zur vbergab/ wurd aber an ein Schenckel geſchoſſen/ vnnd
durch die Weingruͤne Barbierer verſaumbt/ daß er dieſe Welt geſegnen müſſen.
Doch erfolgte ein Vergleich/ oder vielmehr ein Stillſtand/ vnnd anlaß zum Ver-
gleich/ zwiſchen den beyden Haͤuſern Heſſen. Ebenergeſtalt hauſete Wittem-
L l iijberg
[116[86]]De Statu perturbato Franciæ
berg in der Schleſi/ ſchlug den Montecuculi/ muſte aber nachlaſſen/ als der Koͤnig
in Poln die beyde Furſtenthumb Oppeln vnd Ratibor/ ſeine angegebene Pfand-
ſchillinge/ eingenommen vnnd beſetzet/ wie er nun zuruͤcke gieng/ durchſtriche er die
Laußnitz vnd das Land zu Meiſſen/ die zumahl abgemattete Haupt Armee vmb ſo
viel zuverſtaͤrcken. Nicht weniger Haͤndel begaben ſich auch am Bodenſee zwi-
ſchen dem Kayſeriſchen General Enckenfurt/ vnnd den Schwediſchen. Daß a-
ber Chur Bayern/ neben Chur Coͤlln/ dieſen Stillſtand mit den Schwediſchen ge-
troffen/ wurd am Kayſerlichen Hoff ſehr vbel auffgenommen/ darumb an alle
Bayeriſche Officirer geſonnen worden/ ſich in Kayſeriſche Dienſten zubegeben:
welches Jean de Werth vnd Sporck gethan: darüber ſich Chur Bayern ſo heff-
tig alterirt/ daß er groſſe Summen Gelds auff der Vberlaͤuffer Koͤpff geſetzet/
vnd jhr Gedaͤchtnuß zu Vnehren offentlich verdampt: ohne zweiffel/ damit man
ſpuͤren ſolte/ wie er die Puncten deß Stillſtands auffrichtig zuhalten gedaͤchte.
Als nun Chur Coͤlln den Heſſen den Stillſtand/ wegen einiges Vbertrettens/
auffgekuͤndet/ vnnd Chur Bayern die Schwediſche Ratification nicht angenom-
men/ ſondern eben darumb die Waffen wieder feindſelig zufuͤhren angefangen/
weil vnder wehrendem Stillſtand der vermeynte Frieden nicht erfolgt wehre: ver-
trug ſich der Kayſer mit Bayern/ hub die obige Veracht auff (ob ſchon andere Of-
ficirer neben Werth vnnd Sporck gar nicht dienen wollen) vereinigt die Kriegs-
voͤlcker/ vnnd lieſſe ſich hierin harte Puncten vorſchreiben vnd binden. Ein drit-
tes Abſehen führte Bayern bey obigem Stillſtand/ ob nicht ſolcher geſtalt ein
Trennung zwiſchen Franckreich vnd Schweden/ vnnd ein Loch in jhre Verbuͤnd-
nuß zumachen waͤre/ bevorab/ weil die eyferige Geiſtliche in Franckreich mit den
Politicis eben deßwegen ſehr vbel zufrieden waren/ daß den Vn Catholiſchen Huͤlff
vnd Beyſtand/ ja Rettung geſchehe. Als aber die Koͤnigin in Schweden darun-
der nach Pariß geſchrieben/ vnnd man leichtlich erachten kondte/ die Schweden
wuͤrden ſich mit dem Hauß Oeſterꝛeich ſetzen vnd vergleichen/ vnnd hernacher mit
hellem Hauffen in Franckreich fallen/ verblieb es bey den Artickeln deß Bundes:
doch hielten die Frantzoſen in folgenden Zuͤgen etwas an ſich/ daß man wohl mer-
cken koͤnnen/ wie ſanfft jhre Feindſeligkeit gegen Bayern eyfferte.


Am Kayſeriſchen Hoff gab es allerhand Widerwertigkeiten/ nicht nur we-
gen deß gemeldten Stillſtands/ ſondern auch/ daß Ertzhertzog Leopold Wilhelm
das Gubernament/ der gehorſamen Niederlanden/ im Namen deß Koͤnigs in
Spanien angetretten/ vnnd daß Gallas di[e]ſe Welt geſegnet/ deme Graff Holtz-
apffel/ ſonſten in Heſſen Caſſeliſchen/ auch deß Weſtphaliſchen Krayßdienſten vn-
der dem Namen Melander bekannt/ der Calviniſchen Religion zugethan/ im Ge-
neralat gefolget. Dieſe Perſon hatte ſich in den Friauliſchen Kriegen dapffer
gehalten/ vnd die Maͤngel der Kayſeriſchen Waffen im Feld zu Regenſpurg vnd
Wien deutlich vor Augen geſtellet/ auch bey demhochſchaͤdlichen Verſehen in der
Wetter-
[117[87]]\& Germaniæ Continuatio.
Wetteraw ſolchen Einſchlag geben/ vnd der Schweden Vorhaben gemerckt/ daß/
da man jhme damahls folgen wollen/ es auff Schwediſcher Seiten ſehr vbel ſolte
abgelauffen ſeyn/ wo nicht gar der gantze Braſt/ wie ohnlaͤngſt vnder Gallas/ auff
Franckreick vnnd Lothringen ſich waltzen muͤſſen. Er war aber ſelbigenmahls
noch ohne Dienſt/ vnnd bey den Generalen ſo wohl/ als bey den Voͤlckern wegen
der Religion ein Eckel: welche Vngewogenheit ſehr vermehrt worden/ als er nach
deß Ertzherhertzogen abreyſen nach den Niderlanden/ die Regimenter vnnd Com-
pagnien auff gewiſſe Anzahl ſetzte/ die viel Officirer/ als deß Landsverderben/ wie
auch der dienenden Hoffſtaden beſchnitte/ auch den Troß vnnd Bagage nicht je-
dem/ auch nicht ohne Maßgebung frey lieſſe: welches dann der Kayſer in Perſon/
oder ein Oeſterꝛeichiſcher Printz/ zum wenigſten ein alter wohlverdienter Feldherꝛ/
vnd kein new ankommender haͤtte thun moͤgen. Gleichwohl erwieſe er nicht we-
nig Erfahrenheit/ daß er zuvorderſt den Voͤlckern etliche Monat Sold erlegte/
Prag Pilſen/ vnd Wien zum beſten befeſtigte/ vnd an ſeinem fleiß gar nichts er-
mangeln lieſſe. Wie dann auch der Kayſer ſelbſt ſich zur Devotion gewand/ ſei-
ne Kriegs Voͤlcker/ Land vnd Leuth/ ſampt allem Vermoͤgen/ der H. Jungfrawen
Marien in Schutz vbergeben vnnd anbefohlen: darneben die Vorſorg getragen/
daß Ferdinandus IV. Koͤnig in Boͤhmen/ auch von den Staͤnden in Hungarn
zum Koͤnig erwehlet vnd gekroͤnet worden. Bey ſo geſtalten Sachen vnnd zer-
ſchlagenem Stillſtand fuͤhrte Vrangel ſeine Macht zuſam/ gieng auß dem Fran-
ckenland nach dem Koͤnigreich Boͤhmen/ nahm etliche Orth ein/ vnnd bezwang
Eger zur Vbergab mit groſſem Ernſt/ in deſſen Holtzapffel ſich auffmachte/ aber
wegen deß Entſatzes zulangſamb kommen/ weil er im Anzug ein Vmbſcheyff bey
den Schlickiſchen Herꝛſchafften nehmen muͤſſen. Gleich alſo legten ſich beyds
Heer gegeneinander/ vnd ruͤckten ſich herumb. Der Kayſer ſelbſt befand ſich im
Laͤger vnd bey den Voͤlckern/ damit man nicht weit nach ſeiner Reſolution zuſchi-
cken haͤtte. Es geſchah aber ſchier nahe ein groſſes Vngluͤck/ da die Schwedi-
ſche Regimenter bey Nacht in das Kayſerliche Feldlaͤger gefallen/ vnnd biß an deß
Kayſers Quartier mit vielem Blutvergieſſen/ durchgedrungen: darauß vber-
groſſer Schrecken entſtanden/ daß auch der Kayſer nach Prag ſich bald hernach re-
teriret/ dieſem gefaͤhrlichen Spiel nicht laͤnger in Perſon beyzuwohnen. Ein ſol-
chen Außfall thate der Spartaner Koͤnig Leonidas, auß dem engen Paß genannt
Thermopyllen/ wider den groſſen Monarchen Xerxes/ vnd wuͤrget alles im Laͤger/
biß der Tag angebrochen/ vnnd er mit allen den Seinigen/ als raſende Loͤwen/ mit
Pfeilen von allen Enden her/ erlegt worden. Aber hie geſchah kein ſonderlich
Blutvergieſſen/ ſondern eine formliche Retirada. Wie nun beyde Haupt Ar-
meen jhre Proviand hinderſich hatten/ daß ſolche keinem Theil abzuſchneiden
muͤglich/ gab es zwar etliche Treffen/ ſonderlich bey Tribell/ doch nichts Hauptſaͤch-
lichs. Allein wolte Vrangel verſpuͤhren/ daß jhm der Laſt zuſchwehr fallen ſolte
darumb
[118[88]]De Statu perturbato Franciæ
darumb muſte Koͤnigsmarck nicht nur von Warendorff abziehen/ ſondern auch
von Lamboy ablaſſen/ der in Weſtphalen war außgelauffen/ ein ſtarcke Diverſion
zumachen/ den doch Raubenhaupt/ ein Heſſſiſcher Oberſter den Weg/ nach der
Haupt Armee zugehen/ verlegt. Es muſte aber Vrangel endlich weichen/ vnnd
durch Erfurth/ nach Hoͤxter/ ja gar nach Hildeßheim/ Minden/ vnnd in die Fuͤr-
ſtenthumb Braunſchweig vnnd Lunenburg auß dem Wurff gehen. Hie haͤtte
Holtzapffel ſollen jhm in den Eiſen bleiben/ vnd nicht von jhm ablaſſen/ ſo waͤr das
Haupt Weſen gefallen. Aber Landgraff Georg von Darmbſtatt war ſo gar be-
gierig/ das Fuͤrſtenthumb Marpurg wieder zuerlangen/ daß Holtzapffel ſich da-
ſelbſthin wenden/ vnnd vertieffen muͤſſen: mittlerweil die vbrige Kayſeriſche Jg-
law vnd Memmingen/ die Bayriſche aber Noͤrdlingen mit bitterem Schaden v-
berwaͤltiget.


Der newe Gubernator in den Niederlanden belaͤgert vnd eroberte Armen-
tiers
mit groſſem Vorꝛaht/ vnd Comenes: auch Landreſchy, vnnd thaͤte die Fran-
tzoſen an manchem Orth ein: auſſerhalb daß Gaſſion la Baſſeé vnnd Dixmude
hienahm/ aber vor Neuport vbel anlieffe: alſo wurd in Jtalien Nicia Pagliana ver-
lohren/ vnnd vor Lerida in Spanien nichts außgerichtet/ ob ſchon Harcourt vmb
ſo viel ſein euſſerſtes darfuͤr verſucht/ weil er dieſelbe Belaͤgerung ohn deß Koͤ-
nigs ſondern Befehl/ auß freyem Muth angefangen/ vnnd wegen gefehlter Hoff-
nung dem Printzen von Condé muͤſſen Platz machen. Dieſer reformierte das
gantze Kriegs Weſen/ vnnd berichtet den Koͤnig von allem damaligen Zuſtand/
mit Bitt jhm mehr Mittel an die Hand zulegen/ oder durch vnmuͤgliche Sachen
ſein Ampt vnnd Perſon nicht zuverkleynern. Mit den Tuͤrcken aber ſtunde es in
dieſem Jahr etwas ſchlecht/ weil ſie etliche mahl eingebuͤſt/ das Land ſehen vber-
fallen vnnd pluͤndern/ Novigrad vnnd das Schloß Corino verlohren/ Nadinum
ſelbſt verlaſſen/ auß Cliſſa vngluͤcklich außgefallen/ vnd Dalmatien ſchier quittie-
ren muͤſſen: zweymahl in der See vnden gelegen/ ja das drittemahl den Reſt mit
heymlicher Flucht ſalviert: vber welche Zeitung der Sultan ſchroͤcklich ergrim-
met/ auch befohlen/ alle frembde Schiff anzuhalten/ vnd in ſeinen Kriegsdienſten
bey ſolchem Nothfall zugebrauchen. Man wolte dennoch außgeben/ als haͤtten
die Engellaͤnder/ auch etliche Hollaͤnder jhre Schiff vmb Sold hergegeben/ vnnd
zum ſchein ſich zwingen laſſen. Welches bey den Republicken/ wie Vorzeiten
der Statt Genua/ ſehr ſchimpfflich ſeyn ſolte/ wann ſie es nicht auff die Particula-
ren ſchieben/ vnnd an jhnen ſtraffen koͤnnen. Vnnd hie thaͤt der Bapſt zu Rom
ſein beſtes/ liß ſeine Floth zu den Maltheſern ſtoſſen/ vnnd befeſtiget den Hafen Ci-
nita Vecchia
mit einer Eiſern Ketten ſo achtzehen tauſent Kronen gekoſtet. Dieweil
nun in dieſem 1647. Jahr ſich eine vnglaubliche Reuolte in Sicilien/ vnd Naples
erhoben/ ſchlieſſen wir hie dieſen Diſcurß/ vnnd behalten auff dieſelbe reuolte den
nechſtfolgenden.


Der
[89]\& Germaniæ Continuatio.

Der 10. Diſcurß.


Von dem wunderſamen Auffſtand zu Naples/ da ein ar-
mer Fiſcher das Statt Regiment an ſich gezogen/ vnnd mit vnglaublichem Gehor-
ſamb geherꝛſchet/ in deme jhm hundert vnnd fuͤnffzig tauſent/ vnnd mehr/ zu Gebott
geſtanden. Wie derſelb den Adel verfolgt/ vnnd endlich Wahnſinnig worden/
auch vmbkommen: dadurch die Statt der vbermaͤſſigen Zoͤllen befreyt/ vmb etwas
zu Ruhe gelanget.


WAnn wir den Vrſprung deß Auffſtands zu Palermo
vnnd Naples ſuchen/ finden wir denſelben in der vbergroſſen Freyheit
deß Volcks/ vnd in der Armuth oder Verſchwendung deß Oberherꝛn.
Doch mag die Vngeſtuͤmmigkeit der Beampten auch mitwuͤrcken/ vnnd das
Fewer auffblaſen. Wie nun dieſer Zeiten Koͤnig Philippus an vielen Orthen
ſeinen Feinden zubegegnen/ vnnd ſeinen Freunden zuhelffen hatte/ alſo bemuͤhete
ſich jeder Gubernator/ die Bereytſchafften zum Krieg zuvorderſt aber die baare
Geldmittel auffzubringen vnd beyzutragen/ ſo wohl ſeine Pflicht vnd Trew eyfe-
rig zuerweiſen/ als Gunſt vnd Gnad/ Befoͤrderung vnd Nutzen dannenher zuer-
werben. Darumb begab es ſich/ daß man die Jmpoſten/ Acciſen/ Zoͤlle/ Pfoͤch-
ten/ Zinſen/ Beeden/ Stewren/ Huͤlffen/ vnd andere Mittel dieſer Natur auffge-
bracht/ vnd den Vnderthanen auffgetrungen. Groſſer Herꝛn Einkombſten be-
ſtehen auff jhren eygenen Guͤtern/ auff Mayeſtaͤtiſchen oder hohen Obrigkeitli-
chen Jntraden/ auff Verwilligungen vnnd Donationen. Es geſchicht aber ge-
meiniglich/ daß die Beampten viel Geſchwaͤtz machen von der Hohenobrigkeit
Fleiß vnnd Vorſorge vor das Volck/ von nothwendiger/ auch vnverſehner Spe-
ſen/ vnnd dann von der Voͤlcker ſchuldiger Danckbarkeit gegen den Obern: vnnd
ſolche Beampten ſind wie die Spürhunde/ ſo das Wild auß dem Lager treiben/
vnnd den Jaͤgern in die Garn vnnd Spieſſe bringen: ſie rühren aber ſolchen Laſt
nicht mit dem kleinen Finger an/ ſondern machen ſich noch reich darbey/ auch mit
deß Oberherꝛn Schaden vnnd Armuth. Vnnd wann das arme Voͤlcklein ſol-
ches jnnen wird/ bleibt es zwar noch eine Zeitlang in den Schrancken deß vnge-
dultigen Gehorſambs: bricht aber loß/ vnnd vmbſiehet ſich nach einem andern
Herꝛn/ wann Herꝛ vnnd Beampter ſich verſtehen/ vnnd alle Hoffnung der Linde-
rung abhawen. Alſo geſchah es zu Palermo in Sicilien/ daß die fuͤrnembſten
wegen vnertraͤglichen Laſtes vnnd Geldpreſſuren/ nach Franckreich geſand/ vnnd
nach dem Exempel der Catalonier (die doch auß dem Regen in die Bach gerah-
M mten)
[90]De Statu perturbato Franciæ
ten) Schutz vnd Schirm geſucht. Der Gubernator vermeynte mit der ſchaͤrpff
dem Vnheyl abzuhelffen/ ſahe aber/ daß er nur Oelins Fewer gegoſſen/ als er etli-
che Kopffs kuͤrtzer gemacht. Darumb vnderfing er ein andern Weg/ vnnd fuhr
gelinde/ gab nach/ pardonierte/ verſchafft Leichterung/ vnnd hatte dannoch Muͤhe/
das Vnweſen zuſtillen: ſintemahl auch in andern Staͤtten Herꝛ Omnis einen
Muth faſſete.


Was aber das Koͤnigreich Naples belangt/ iſt zuwiſſen/ daß daſſelbe jeder-
zeit frey geweſen/ vnnd jhren Oberherꝛn jederweilen ein gewiſſe Stewr/ zugewiſ-
ſen Nothfaͤllen/ oder auch ein ewige Huͤlfferlegt/ vnd vber ſolches alles/ den Eyfer
vnd willigen Gehorſamb zubezeugen/ ein freye Verehrung oder Donatif gethan.
Alſo wurd Alfonſo I. ein ewige Stewr durch das gantze Koͤnigreich/ nemblich von
jeder Fewerſtatt ſechs Batzen verwilligt: welche vnder Ferdinando biß an vier
teutſche Guͤlden geſteygert worden/ vnnd nach vnnd nach/ biß an fuͤnff Guͤlden ge-
ſtiegen/ vnd ertragen Jahrs vber drey Millionen Golds. Neben dieſer gewiſ-
ſen Stewer ertrugen die Donationen ſehr viel/ wie dann Carolus V. in zehen Do-
nativen fuͤnff Millionen erhoben/ Philippus II. aber vber dreiſſig Millionen: vnd
befinden ſich von Anno 1628. biß dato/ vber vierhundert Millionen/ ſo vnder die-
ſem Namen von dem Volck haben muͤſſen erzwungen werden/ vnnd zwar mit ſol-
cher ſchaͤrpff/ daß man der Eßbaren Waaren auch nicht verſchonen koͤnnen. Wie
nun im vorigen 1646. Jahr ein ſtarckes Donatif ſollen geſchehen/ legte man Zoll
auff gruͤne vnnd důrꝛe Fruͤchten vnnd Obſt/ biß an die Maulbeern: wie nun ſolche
Aufflag ein halbes Jahr gewaͤhret/ fing das Volck an/ von Abſchaffung ſolcher
Beſchwerden zu handeln/ vnd den Mangel an der taͤglichen Notturfft zuempfin-
den. Der Vice Ré Duca d’ Argos kondt aber weder durch deß Volcks geſchrey
vnd heulen/ noch durch deß Ertzbiſchoffs Philomarini remonſtrationen vnd bittli-
ches erinnern/ nachzugeben bewogen werden: biß er vnder ſeinem Kirchgang al-
lerhand bedrohliche reden von dem Poͤbel hoͤren muͤſſen: darumb er auch verbot-
ten/ das Johannes Feſt/ damit kein groſſe Zuſammenkunfft geſchehe/ nach ge-
woͤhnlicher Hoheit zuhalten/ vnd verſprache/ den newen Zoll abzuthun: vnnd da
ſolches nicht erfolgte/ ſteckte das Volck die Zollhuͤtten auff dem Marck bey Naͤcht-
licher Weil in Brand: welches dann zum drittenmahl ſeyn muͤſſen. Die Paß-
quillen dienten zum Handel/ vnnd ſonderlich die Zeitung auß Sicilien/ da der
Marggraff von Velez dieſes Edict/ durch die Waffen bezwungen/ außgelaſſen:
Seine Excellentz ſchaffet hiemit/ vnnd in krafft dieſes gegenwertigen Edicts/ ſo e-
wig waͤren/ vnd nimmermehr caſſirt werden ſoll/ ab/ alle vnd jede Zoͤll/ ſo auff das
Meel/ Wein/ Oel/ Fleiſch vnd Kaͤß in der Statt Palermo/ vnd deren bezirck/ jnn-
vnnd auſſerhalb gelegt worden: vnnd ſollen hiemit die Burgermeiſter/ ſo vber die
Zuͤnffte geſetzet/ Macht haben/ von dato an/ vnnd allzeit/ zween beeydigte von dem
Volck zuordnen/ deß Volcks vnd der Statt Wohlfarth zubeobachtẽ. Den 21. May
1647.
[91]\& Germaniæ Continuatio.
1647. in einem andern Edict wird voller Pardon alles Verbrechens ertheilet.
Solches alles machte den Neapolitanern/ die ſich jederzeit viel edeler gehalten/
als andere Benachbarte Voͤlcker/ ein groſſen Muth. Der Vice Ré haͤtte ſich
weiſſen laſſen/ wann nicht die ſechs Geſellſchafften jhn verhalßſtarꝛet/ vmb jhres
eygnen Nutzens willen: dann der Zoll von den Fruͤchten diß Jahr vmb ſechsmal-
hundert tauſent Kronen erkauffet worden. Aber der Lerm gieng allererſt an/ als
Tomaſo Anello von Amalfi, ſonſten genannt Maſ Aniello, ein armer Fiſcher von
zwantzig vier Jahren/ ohne Schuh vnnd in armer Geſtalt/ weil er auff dem Marck
in einem Hauß wohnete/ da Carolt V. Bildnuß vnder dem Fenſter ſtunde: auch e-
ben vorhundert Jahren die verdrießliche Jnquiſition mit Gewalt hindertrieben
worden/ von einem Statt Capitain dieſes Namens Maſaniello: ſich dieſer Sa-
chen bedienet/ vnnd zween Banditen in einer Kirchauff ſeine Seit gebracht/ auff
dem Marck den Kraͤmern im vorbeygehen jmmer zugeſprochen/ ohne Zoll/ ohne
Zoll. Maſaniello fuͤhrt anfangs fuͤnffhundert/ endlich zwey tauſent von achtze-
hen Jahren/ die er auch endlich mit weiſſen Stecken oder Rohren bewehrt ge-
macht/ fuͤhrt auch viel Kinder zu Hauff/ vnnd lehrt ſie/ den preiß von allen Eßbarn
Waaren ſprechen: ein Maß Griechiſchen Wein/ vier Batzen: Landwein/ zween
Batzen: das Pfund Feiſch/ Oel/ Kaͤß vnnd anders à l’ aduenant, welches die Kin-
der hernach in der gantzen Statt außgebreytet. Er lehrt ſie auch ſprechen/ Gluͤck/
Heyl vnnd Wohlfahrt/ Gott/ der H. Jungfrawen/ dem Bapſt/ dem Koͤnig/ vnnd
dem Regenten von wolfeylen Zeiten: die andern hole der Teuffel. Man hielt
jhn deßwegen nur vor ein Haſenkopff/ aber er ließ ſich nicht jrꝛen. Auff einer
Kirchweyhe/ Sontags den 7. Julij/ ſolte man nach Gewonheit ein hoͤltzern Caſtel
mit hoͤltzern Degen vnnd faulem Obß ſtuͤrmen: weil aber dißmahl kein Obß an-
kommen/ vnd weder Kauffer noch Verkauffer den Zoll zahlen wollen/ vnd als der
Obßſchaͤtzer den Frembden/ fuͤrnemlich Puznlanern ſehr hart zugeſprochen/ nahm
deren einer/ deß Maſaniello Schwager ſein Obß/ vnnd ſchuͤttets in die Rappuß/
weil er je mehr Zoll vnnd Fuhrlohn zahlen ſolte/ als man jhme darvor gebotten.
Maſaniello rieff zubeſtimpter Zeit/ ohne Zoll/ ohne Zoll: daruͤber der Obßmeiſter
ſein Leben mit der Flucht retten muͤſſen. Der Vnwill vnder dem Poͤbel wuchſe/
die Buben wurffen die weiſe Stecken hien/ vnd ergriffen Pruͤgel vnnd Stangen:
jhr Oberſt Maſauiello ſprang auff einen Zoll Tiſch/ rieff/ mit vielen bewegli-
chen Worten/ man ſolte nur friſch dran ſeyn/ Er/ als der ander Moſes/
oder der ander Petrus vnnd Fiſcher/ wolte mit Verluſt ſeines Lebens/ das gantze
Koͤnigreich in die Freyheit ſetzen. Das gab dem Poͤbel ein Muth/ die Zoll Huͤtte
auff dem Marck/ ſampt allen Schrifften in Brand zuſtecken/ wie auch bey an-
wachſendem Tumult aller andern Orthen geſchehen/ daß alles zu Aſchen worden/
vnnd dannoch niemand ſich geluͤſten laſſen/ eines Hellerswerth zuſich zunehmen/
weil es das allerfeineſte von jhrem Blut waͤre. Dieſes Geſindleins ward end-
M m ijlich
[92]De Statu perturbato Franciæ
lich in zehentauſent erbrochen die Gefaͤngnuſſen/ vnnd ruͤckten dem Koͤniglichen
Statthalter vor die Reſidentz/ ſchrien vbermaͤſſig/ den Obß- vnnd Meelzoll abzu-
thun: drungen gar hinein/ daß die Teutſche vnnd Spaniſche Wachten vor vnd
nach abgetrungener Gewehr/ weichen muͤſſen/ auch vor dem groſſen Saal vnnd
vor der erſten Kammer. Der Vicerè war weder im Cabinet/ noch ſonſten im
Pallaſt ſicher/ richtet nichts auß/ daß er durch das Fenſter viel verſprache vnd Zet-
tel von ſeiner Hand/ mit dem Koͤniglichen Wapen vnder den Poͤbel warffe/ vnnd
weil ſeine Gemahlin die Bruͤck am Caſtell auffgezogen/ macht er auß Noth Tu-
gend/ gieng herunder zum Poͤbel/ ſetzt ſich in ſein Gutſch/ ſahe bald zween mit bloſ-
ſen Degen auch darinnen/ vmb die Zoͤlle abzuſchaffen: vnd dann eine vngeſtům-
me Wolcke/ die jhn wieder herauß zwang. Hie war guter Raht thewr: etliche
hundert Ducaten warff er vnder den Hauffen/ vnnd entwiſcht alſo in S. Ludwigs
Kirch/ die er ſampt dem Kloſter wohl verbolwercken vud verſchantzen laſſen. A-
ber das euſſerſte Thor wurd vmbgeriſſen/ vnnd arbeitet man am andern/ als der
Ertzbiſchoff Philomarini kam/ vnd allen Genuͤgen zuverſchaffen/ auff ſich genom-
men. Der Vicerè ſchickte jhm den Reverß: welcher aber nur auff den Obßzoll/
vnd halben Meelzoll gerichtet/ den Tumult allererſt groͤſſer machte/ ſonderlich vor
gemelter Kirche/ daß der Vicerè ſich in das Caſtel S. Elmo auff einem ſchlechten
Stuel verfuͤgt/ vnnd vernehmen muͤſſen/ wie der Poͤbel all die Wachten auff den
groſſen Plaͤtzen mit Gewalt Wehrloß gemacht/ daß Fuͤrſt Caraffa mit vielem
Verſprechen vnd durch angemaſte Willfaͤhrigkeit nichts außrichten moͤgen/ auch
endlich Gottgedanckt/ daß er mit gantzer Haut/ vnnd lebendigem Leibe dieſem ra-
ſenden Thier/ wiewohl nicht ohne Liſt/ entgehen muͤſſen/ daß es in der Vorſtatt
Chiagia eben vbel hergienge/ vnd nunmehr fuͤnfftzig tauſent Mann ſich verſamlet
hatten/ vnd die Meelwag mit groſſem Eyfer in die Aſchen gelegt worden. Weil
nun das Volck ſahe/ daß auch Fuͤrſt Caraffa ſich außgehalfftert/ berieffen Ma-
ſaniello,
der mit ſeinem Buben Regiment gleichſam auff der Wacht gehalten/ zu
einem Haupt/ macht beſondere Heer vnd Truppen/ bewehrt ſich zum beſten/ vnnd
ſteckt in Brand was ſich widerſetzte.


Hie giengen Montags den 8. Julij gantz fruͤhe Trummeln vnd Trompetten/
vnd blincket vnd knallet alles von Wehr vnnd Waffen. Ja die Bauren kamen
vom Land mit groſſer Menge/ mit baͤwerlichen Waffen/ ſampt dem Weibervolck.
Die Geiſtliche hielten etliche Proceſſionen/ ſetzten in etlichen Kirchen das H. Sa-
crament auff/ auch truge man vmb das Haupt vnd wunderthaͤtige Blut deß Mar-
tirers Gennatij, damit der Eyfer zur Abbitt deß bevorſtehenden Verderbens nur
deſto mehr entbrennen/ vnnd die Bitterkeit gegen den Zoll Verwanten nur deſto
ehe verleſchen ſolte. Vnnd war dem Vicerè nur vmb den Thurn S. Lorentz zu-
thun/ darin neben ſechzehen ſtück Geſchuͤtz alle Kriegs Bereytſchafft hinderlegt
war. Wie auch vmb den groſſen Koͤniglichen Thurn auſſerhalb der Statt/ da er
das
[93]\& Germaniæ Continuatio.
das Pulver in das Waſſer verſencken laſſen. Doch wurd das Brod vmb den
viertentheil ſchwerer/ vnd verſprochen/ dem Poͤbel gleich viel Stimmen auff dem
Platz als dem Adel zuverſtatten: neben der Auffſicht auff die Waaren/ vnder ei-
nem willkührigen Haupt auß jhrem Mittel. Es war aber im geringſten nichts
zuerhalten/ als daß man der Statt das Privilegium Koͤnigs Ferdinandi halten
ſolte/ welches nachgehends vom Kayſer Carolo V. waͤre confirmiret worden: der
dann der Statt/ mit einem leiblichen Eyd verſprochen hatte/ als er von Bapſt
Clemens dem VII. mit der Statt vnnd dem Koͤnigreich belehnet worden/ daß we-
der Er/ noch ſeine Sueceſſores, in der Statt/ noch im gantzen Koͤnigreich/ einigen
Zoll aufflegen wolten/ ohne deß Stuls zu Rom Wiſſen vnnd Willen. Welche
nun auff ſolche weiß waͤre angelegt worden/ mit denen haͤtte es keinen Streit. Jm
widrigen Fall hatte die Statt gut Fug/ Macht vnnd Recht/ ſolch Privilegium mit
gewehrter Hand zuverfechten/ konde auch deßwegen keiner Rebellion beſchuldigt
werden. Dem nach aber alle Zoͤll/ etliche wenige vnd geringe/ ohne deß Bapſts
Conſens auffgeſetzt worden/ muͤſſen alle ſolche Zoͤll wieder abgeſchafft/ vnnd das
Original Privilegium zu jhren Handen gelieffert werden. Der Prior zu S.
Lorentz nahm ſich deß Poͤbels deßwegen an/ bracht ein Pergament herfuͤr/ vnnd
wurd deßwegen mit ſeinem Pferd ſchier empor getragen/ in dem Eifer deß Volcks.
Weil er aber merckte/ daß man ſein Pergament zu den Conſulenten trug/ ent-
wiſcht er in einem Gaͤßlein/ damit er nicht als ein Betruͤger/ der doch alles ſo trew-
lich meynete/ wurd angeſehen vnd gezauſet. Der Fuͤrſt von Roccella/ in welchen
der Poͤbel auch groſſe Confidentz geſetzt hatte/ kam vom Vicerè mit einer beglaub-
ten Copey vom Privilegio/ weil das Original in der eyl nicht waͤr zufinden ge-
weſen: dadurch der Prior gantz verdaͤchtig/ vnd dieſer/ weil das Pergament in vie-
len Puncten mangelhafftig befunden/ ſchier vmb das Leben waͤre gebracht wor-
den. Dann der Verdacht vnnd die Verbitterung nahm zu daß der gantze Adel
in hoͤchſter Gefahr ſtunde. Maſaniello hatte zween Staadsraͤhte/ den Bandi-
ten Perꝛone/ vnnd Genouino, ein alten/ vnd ſehr klugen man in Lands Rechten/
ſo er auß Verhafftung eben deßwegen gezogen. Dieſe vbergaben dem Volck
eine Liſta von ſechtzig vnnd mehr Haͤuſern/ ſo den Spaniſchen Miniſtris, oder de-
nen zuſtunden/ die entweder Theil an den Zoͤllen gehabt/ oder ſich ſonſten der Spa-
niſchen Rahtſchlaͤgen vnnd auffgelegten Beſchwerungen theilhafftig gemacht
hatten/ vnd alſo von der Vnderthanen Schweiß vnd Blut bereichet: damit ſelbi-
ge den Nachkoͤmlingen zum ewigen Exempel/ auff den Grund hienweg gebrandt
wurden/ wie dann auch mit ſolcher Ordnung/ Auffrichtigkeit vnd reiner Hand ge-
ſchehen/ daß keiner ſich doͤrffen gelüſten laſſen/ das allergeringſte in ſeinen eyge-
nen Nutzen zuverwenden. Maſſen dann einer/ ſo nur ein Tiſchtuch verwendet/
alſo bald niedergemacht worden/ einander/ ſo einen Pferdskaͤß genommen/ fuͤnff-
zig Streich vber die Achſel bekommen: einander wegen eines ſilbern Handbeckens/
M m iijvnd
[94]De Statu perturbato Franciæ
vnd dann einander wegen eines Gemaͤhlds mit einer ſilbern Ram an Galgen ge-
henckt worden. Niemand durffte ſich im geringſten vermercken laſſen/ daß er
Mitleiden mit den jenigen haͤtte/ denen die Haͤuſer alſo gepluͤndert vnnd einge-
aͤſchert wurden: wie ſolches einer jnnen worden/ ſo außlauter Vnbedachtſamkeit
vnnd natuͤrlichem Antrieb/ wegen deß Hertzogs von Caivano Behauſung/ nur al-
lein ſagte/ O der ſchoͤnen Sachen im Brand. Die Procedur war/ daß man Wel-
len/ Reiſſig vnnd ander duͤrꝛ Holtz zu einem ſolchen Hauß truge/ in den Zimmern
alles zuſammen bunde/ auff die Straß herauß wurffe/ zu Hauff truge/ vnnd mit
Fewer anzündete/ biß alles zu Aſchen gefallen: darbey continuirlich rieffe/ diß al-
les iſt vnſer Fleiſch vnnd Blut: alſo ſolten die Seelen dieſer Bluthunde in dem
Hoͤlliſchenfewer brennen. Geronimo Fetitia am Meel Zoll: Felice Daſile: (ein
armer geweſener Beck) Antonius de Angelis, geweſener Vorſteher deß Volcks:
(deſſen Biblioteck/ Barſchafft/ Caroſſen/ Pferd vnnd Mauleſel den Hauffen zier-
ten) Antonio Mit aballo, Ritter: Andre Anaclery, waren die erſten am Reygen/
die dem Poͤbel mit jhrem Pracht ein Frewden Fewer geben muͤſſen. Der Viceré
verſamlet ſeine Fuß Voͤlcker/ ließ ein Amneſty trucken/ ſchafft die Zoͤlle wuͤrcklich
ab: ſchickt zween Advocaten auß dem Poͤbel vnder das Volck/ ließ das ſo eyferig
begehrte Privilegium in S. Lorentz Kirchen ſuchen: in deme Maſaniello den Adel
ließ diſſarmiren/ vnnd die gantze Burgerſchafft in Bereytſchafft kommen/ auch
neunzehen Stuͤck grob Geſchuͤtz bey einem Kauff man fand/ ſo jhm von der Regie-
rung verpfaͤndet waren: vnd noch andere ſieben einer Galeeren abgetrungen/ ſei-
ne Poſten beſter maſſen darmit zubeſetzen.


Dienſtag den Neunden Julij/ Morgens fruͤh/ gieng die execution anß
den haͤuſern wieder an/ Valenzano Hauß wardas erſte/ weil jhn der Meer Zoll
ſehr reich gemacht hatte/ zwey faͤßlein mit Hungariſchen Ducaten ließ man in den
Koͤniglichen Bauco tragen/ Hertzog Caivano war der zweyte/ deſſen Gemaͤhlde/
waß Geiſtlich/ trug man in die Kirchen/ ohne die Ramen. Hier-
auff folgeten/ Bartemy de Aquino, der Jung Hertzog von Caiuano, Bozzaca-
rino, Bonavoglia,
die Præfidenten Genmamo vnd Cacciottolo, Loprano, Zava-
glios,
ſo auß einem Schreiber nun Hertzog zu Oſtani in Apulia mit 60000.
Kronen jaͤhrlichẽ Einkommens/ Palluvicino, Nocatella, Capano, de Iulijs, Frezza,
de Florijs, Belzamo, de Bellis,
vnd viel andere/ ſo gleiches Gluͤck auff ſtunden/
noch froh/ daß ſie auß dieſer Loͤwen Klawen mit dem Leben entkommen. Maſaniello
ließ den Ordensleuthen andeuten/ alles herauß zu geben/ was man zu jhren ſalui-
ren wollen/ vnnd macht ein new Fewer darauß/ hierauff belaͤgert/ ſtuͤrmet vnd
erobert das Volck das Cloſter vnd den Thum S. Lorentz/ ſampt aller Kriegs-
munition vnd der Sturmglock: Beſetzten vie Haupt wachten in der Statt/ die
Weiber kamen auffgezogen in rechter Kriegsordnung/ wol bewoͤrth/ vnd die
kleine Maͤgdlein von fuͤnff jahren in einer ander Ordnung/ mit weiſſen Staͤblein/
das
[95]\& Germaniæ Continuatio.
dz Landvolck wolt nit dahinden bleibẽ noch die Baurers-Weiber/ welche aber Ma-
ſaniello nach gehaltener Muſterung/ wieder nach hauß wieſe/ daſelbſt allem Feind-
lichen Einfall zu vor kommen. Ja deſſen hatten die Deputirten Ferdinandi vnd
Caroli Privilegium funden/ welches der Vicerè/ weil er an fing mangel an victu-
alien zuhaben/ dem Ertzbiſchoff Philomarino, mit einem revers von eygener
Hand/ veſt darob zu haltẽ/ vberlieffert/ dẽ Volck vor zu leſen/ daruͤber der Ertzbi-
ſchoff/ auß vorigem Verdacht/ ſchier in Lebens Gefahrwer kommen/ wann
Maſaniello jhm nicht ſchutz gehalten/ vnnd den alten Genouino deputirt hette/
das Priuilegium zu beſchen vnd zu pruͤfen. Vnder deſſen ſtund man an die 36.
Haͤuſer/ ſo noch vbrig waren zu ruiniren/ an zugreiffen: ernewert aber den Tu-
mult alß in Ableſung deß Reuers zwar die Abſchaffung der Zoͤlle/ aber nit im
gantzen Koͤnigreich gelobet/ auch nicht deß Roͤmiſchen Stuls conſens bey gefuͤgt
war/ vnd noch von vergeß gegenwertiger Rebellion meldung geſchahe/ welches
letzte Wort jhnen die Ohrengegen allem erbiten verſtopffete/ vnd das Hertz mit
argwohn anfuͤllete daß ſie mit den Waffen nun mehr durch zudringen gedachten/
Maſaniello vberkam den hoͤchſten Gewalt/ hatte zu ſeinem wincken vnnd willen
vber 150. tauſent bewehrte Mann ohn Weiber vnd Kinder// ließ ein Geruͤſt auff
dem Marck auff ſchlagen/ ſaſſe zu Gericht/ vnd zur Audientz/ in ſeinem weiſſen
leinen Fiſcher Kleyd/ vnnd erwieſe ein ſehr hohen Verſtandt in allem ſeinem
thun.


Mittwochs den 10. Julij befahl Maſaniello gleich mit der Sonnen Auff-
gang ſeiner Leib Guardij ſo in ſieben oder achtauſent Mann beſtunde/ deß andern
Hertzogs von Caiuano Pallaſt auff den grund zu legen/ vnnd Saltz darauff zu
ſaͤen: bey Stuͤrmnung deß Mataloni Pallaſt wurdẽ ſie abgetriben/ d’ Vicerè vber-
ſand dem Ertzbiſchoff die Confirmation deß ewigen Priuilegij/ aller maſſen vn-
der ſchrieben vnd authoriſiret/ darin er dem getrewen Volck/ der getrewen Statt
Naples alles verſprochen/ darauff tractirete man in einer Kirch/ aber der Ban-
dit Peronne verderbte den handel/ in dem er 500. Banditen ankommen laſſen/ die
er auß heymlichẽ Verſtandt den Maſaniello vmbzubringen/ zu Pferd/ vnd bey-
ſamen in einem Quartir haben wolte/ welche dem Maſaniello verdaͤchtig wor-
den/ vnd anderſt zu ordnen anlaß gegeben/ daruͤber er ſchier in der Kirch von den
Banditen erſchoſſen worden/ Aber die loſe Geſellen in der furi/ vnnd durch
Haͤnckers Hand geſtrafft vnd den Peronne in die Eyſen geſchloſſen/ endlich ent-
hauptet/ nach voͤlliger Kundſchafft/ daß der Marck vnnd die Kirch vndergraben/
in die Lufft ſpringen ſolten/ dabey mehr dan 150. tauſend Seelen hetten muͤſſen
verderben/ auch waren die Waſſerroͤhren vergifftet/ vnd ſturben dochnur zwen
Knaben darvon/ ehe mans innen worden/ die Banditen ſuchte man/ jhnen ſchlug-
die Koͤpff ab/ vnd ſteckt ſolche zu den andern/ Joſeph Caraffa entran in Capuei-
ner Kleydung/ zu einer Huren/ ſteckt ſich vnder jhr Bett/ wurd aber mit vier
Dienern
[96]De Statu perturbato Franciæ
Dienern dem Volck verꝛahten/ vnnd ohngeacht ſeiner angebottenen 12000. Kro-
nen/ von jhn gemetzigt/ welches dem gantzen Adel ein groſſen Schrecken machte/
ſonderlich da Maſaniello nichts mehr ließ ins Caſtel kommen/ vnnd die Waſſer-
roͤhren abhawen. Darumb der Viceré ſich ſchrifftlich wegen gemelder Verꝛaͤh-
terey entſchuldigte/ welches etwas doch nicht viel gelten wollen. Gegen Abend
wurden alle Gaſſen/ oben vnnd vnden verſchantzt/ daß nur ein Mann mit Noth
moͤgen auß vnnd einkommen: auch muſte jederman/ niemand außgenommen/
Fewr vor der Thuͤr/ vnnd Fackeln vor den Fenſtern haben/ der Banditen Vber-
fall zuhindern. Das letzte dieſes Tags war/ daß 30. biß in 40. tauſent Kronen
auff deß Mataloni Kopff geſetzt/ vnnd vnderſchiedliche Truppen/ jhn zugreiffen/
außgeſandt: auch jedermaͤnniglich/ bey dem Sturmſchlag in der Gewehr zuer-
ſcheinen anbefohlen worden.


Donnerſtag den 11. Julij/ ließ Maſaniello bey Lebens Straff gebieten/ daß
jederman in Hoſen vnd Wambß/ ohne Rock/ ꝛc. gehen ſolte/ welches Welt- vnnd
Geiſtliche/ hohe vnd niedere thun muͤſſen: auch legten die Weiber jhre weite Roͤck
ab/ vnnd ſchuͤrtzten ſich hoch auff/ allen Verdacht der heymlichen Waffen zubeneh-
men. Die Standsperſonen muſten alles Gewehr heraußgeben/ vnd jhre vbri-
ge Diener auff die Wachten ſchicken. Aber die Eßbare Waaren kamen auff
leidlichen Preiß. Der Viceré vbergab dem Ertzbiſchoff allen Gewalt zutractie-
ren: darumb fuͤgt ſich Maſaniello beneben Genouino Arpaia zu jhm/ ſchloſſen/
vnd lieſſens durch den Viceré vnderſchreiben/ auch dem Volck vorleſen. Maſa-
niello ſaß zu Pferd in einem gantz Silbern Stuͤck/ vnnd erhub ſich zum Viceré, in
das new Caſtel/ bey vnglaublichem Zulauff deß Volcks/ vnnd Zierd aller Gaſſen/
da er durchreyſete. Er danckte Gott gegen dem Volck/ daß er dieſes erlangt haͤt-
te/ wolte auch bald ſeinen Fiſcherhabit wieder anlegen: Sie ſolten in den Waffen
bleiben/ biß die Confirmation/ vnd wuͤrckliche Vollziehung deß Verſprechens auß
Spanien waͤre ankommen: dabey dann dem Adel gar nicht zutrawen. Vnnd
da er nicht Morgenfruͤhe wieder zu jhnen kaͤme/ ſolten ſie die gantze Statt in
Brand ſtecken. Hinfuͤro wuͤrde Philippus IV. recht Koͤnig ſeyn/ vnd der voͤlli-
gen Jntraden ſelbſt genieſen. Hierauff ritt Maſaniello vor deß Ertzbiſchoffs
Gutſche in das new Caſtel/ ſtieg ab vom Pferd/ thaͤt dem Viceré ein Fußfall/ vnnd
küſſet jhm die Knie im Namen deß Volcks: erbotee ſeine Perſon zu allem Guten
vnnd Boͤſen: welches der Viceré hoͤfflich ableynete. Der Ertzbiſchoff/ Viceré
vnd Maſaniello verfügten ſich in ein beſonder Gemach allein/ ſich vom Staads-
Weſen zuvnderꝛeden. Bald kam ein murmeln vnder das Volck/ als haͤtte man
jhn in Arꝛeſt genommen: darumb zeygt er ſich jhnen/ vnd befahl Frieden zuhalten.
Er rieff Gluͤck zu dem Koͤnig/ dem Cardinal Ertzbiſchoff/ vnnd dem Viceré: welche
Wort das Volck eyferig wiederholte: Er rieff ſtill/ vnnd legt den Finger auff den
Mund/ da hoͤrte man kein Wort: Er rieff/ weg/ nach Hauß: da verlohr ſich dieſe
groſſe
[97]\& Germaniæ Continuatio.
groſſe Menge. Der Schluß jhrer Conferentz war/ daß man den Accord zum
Druck befertigen/ von allen Spaniſchen Bedienten beeydigen/ vnnd vom Koͤnig
bekraͤfftigen ſolte loſſen. Der Abſchied war ſehr freundlich/ mit Verehrung er-
ner groſſen gülden Ketten/ vnd voller Macht/ im Namen deß Koͤnigs zuherꝛſchen:
beneben einem ehrerbietigen vnderthaͤnigen Fußfall vnnd Knie kuͤſſen. Sie be-
gaben ſich alſo vnder dem Glockenklang/ durch die helle Gaſſen/ mit vielen Wind-
liechtern in deß Ertzbiſchoffs Pallaſt: pflegten eines nicht langen Geſpraͤchs/
vnnd weil der Marggraff von S. Ermo mit etlichen Reutern wieder zur Statt
kam von ſeinen Guͤtern wuͤrde er als der Banditen einer/ ſchier erſchlagen worden/
darumb Maſaniello ſich nach Hauß verfuͤget/ Sturm geſchlagen/ vnnd an allen
Enden die Wacht wohl beſtellet hat.


Freytags den 12. tag Julij ſuchte man die Banditen jhn vnnd außerhalb der
Statt/ vnd ſteckt bey die hundert Koͤpffe derſelben auff Spieſe auff den Marck zu
den andern/ denen noch vier Geſellſchafft hielten/ ſo Mataloni mit Brieffen
zu Waſſer geſandt hatte/ vnd weil der Generalat/ ſo das Volck dem Maſani-
ello auff getragen/ auch vom Vicerè offemlich war confirmirt worden/ ließt er
nocheine Richtſtell auffſchlagen/ vier Banditen wegen der Kleydung den Kopff
abſchlagen. Er nam ſein Fiſcher Habi/ wieder/ ertheilt Andientz in ſeinem
Hauß/ von einem Fenſter/ hielt ein geſpantes Rohr in der Handt/ vnnd ließ viel
Mandata anſchlagen/ denen auch voͤlligen Ghorſamb das Volck erwieſe/ vnder
anderm/ muſte man die lang Haar ablegen/ vnd die newgeſchorne Blatten jhm
zeygen/ auch vber die Nachtglock oder die Eilff-Vhr auff der gaſſen ſich nicht fin-
den/ vnd die Wachten wolbeſtellen. Die fluͤchtige vnd verkrochene Damen vnd
Nonnen wurden wieder zu jhren ſtellen getrieben. Er hilt ſcharpffe Juſtitz/ vnd
Execution/ zwang die Moͤnch vnd Pfaffen deß Mataloni ſachen ſo er von deſſen
Schlaven einem erfahren hatte/ alle herauß zugeben: vnd wurden aͤſtimirt auff
500. tauſend Kronen/ ſampt 400. tauſend Kronen Barſchafft/ vom Gelt Be-
zahlt man die Soldaten/ den Reſt trug man auff den Marck


Jn einem Nonnen Kloſter waren Zouaglias Sachen/ auch wol vermauret
vnd verſenckt/ doch kamen die Findlaͤnder drüber/ vnnd vergaſſen nichts/ vnder
den Aſchen vnnd Einfaͤllen wieder zu durch ſuchen. Jn deß Caivano vnnd
Mataloni verderbten Pallaͤſten hielt Maſaniello Mahlzeit mit groſſer Verhoͤ-
nung derſelben Fuͤrſten/ ſchickte dem Vicerè auff Erſuchen alle Notturfft an Vi-
ctualien. Alſo erlaubt er auch bē General Doria mit dreytzehen Galeren/ alle No-
turfft/ doch daß er ſich alſo bald auß dem Haſſen in die See reterirte/ vnd nit
in die Statt kaͤme/ der Cardinal Trivultio/ hatte jhn noch nicht beſucht/ vnd
weil er ſolches bey dem Vicerè geandet wurd gemelter Cardinal dahin vermoͤgt/ der
jhm den Tittel jhrer Durchleuchten gab. Der Vicerè ließ ſich wegen vber-
ſchickter Victualien bedancken/ vnnd wieſe alles Statt weſen von ſich/ an jhne/
ſeine Gemahlin begabete mit einem ſtattlichen Kleynodt/ vnd andern Gaben/ die
NnFraw
[98]De Statu perturbato Franciæ.
Fraw Maſaniellin/ mit allen hoͤfflichen Worten. So wunderſam ſpielt das
Gluͤck vnder den Menſchen/ offtmals einem Traum/ oder einem Comedien-
ſpiel nicht vngleich: Oder wil Gott beweiſen/ wie Er eine hohe Macht ſo leicht-
lich kan vmbkehren vnd ſtuͤrtzen: hingegen einen armen Geſellen erheben vnnd
groß machen.


Sonabends den 13. Julij ließ Maſaniello ſtarcke executiones ergehen wie-
der etliche Nacht Diebe vnd Banditen. Der accord ſolte volzogen werden/ dar-
umb braucht Maſaniello das vber ſchickte Roß/ holet den Vicerè auß dem Ca-
ſtel/ fuͤhret jhn zu deß Ertzbiſchoffs Pallaſt/ vnd in die Kirch zum hohen Altar/
ließ bey Ableſung des accordts dar von vnd dar zu thun/ auch den rechten Ver-
ſtandt anmercken/ ohn jemands Wiederꝛedt. Alſo verwilligt der Vicerè in
alles vnd jedes begehren (wie vngereumbt es auch ſeyn moͤgen/ biß alles/ auch
die Muſick/ vollendet worden. Da fieng Maſaniello an zu reden/ von der
Wohlfahrt deß Volcks/ von deß Koͤnigs vntrewen Dienern/ von ſeinem vor-
haben/ in den Fiſcherſtandt wieder zu tretten/ deßwegen er auch ſein ſilbern
Stück zerꝛieſſen/ vnd doch endtlich daran gehindert/ wieder in ſein Loſament
mit gutem Abſchied heimgezogen.


Deß andern Sontags/ den 14. Junij war alles Frewden vnd Lobens voll/
daß die Zoͤlle abgeſchafft/ vnd die Wolfeyle wieder eingefuͤhrt/ die Blutegeln auß-
gerott/ vnd der Koͤnig nun recht Koͤnig were/ zu groſſem Lob deß Maſaniello
vnd deß Ertzbiſchoffs. Doch blieben die Wachten beſetzt/ Er befahl bey ſtraff
anzuzeygen/ wo die Aechter jhre Sachen verſteckt hetten/ vnd fand derer nicht
wenig. Die Jeſuiter wieder ſetzten ſich/ vnd halff nichts mehr/ als daß den
Hauptleuten/ ſo in einem Nonen Cloſter etwas vnbeſonnen verfahren/ die
Koͤpff verlohren. Der Ertzbiſchoff zu S. Severin/ kam/ nach Jnhalt der Edicten/
in Hoſen vñ Wambs/ erlaubt auß der Statt in Geiſtlichen geſchefften zureyſen/
dem wolt er 400. Mann zur Convoy zu Waſſer oder zu Land auffdringen/ noͤthigt
jhn doch letztlich 15. hundert Spaniſche Duplonen zu ſeiner Reyß anzunehmen.
Einem vom Adel er theilt er zwar ein Paß/ ſtieß jhn aber mit einem Fuß in die
Wampen: ließ einer Beckerin das Hauß anſtecken/ weil ſie das Brodt zuleicht
gemacht: ein Apt vnd drey andere Geiſtlichen macht er Kopffs kuͤrtzer/ weil ſie deß
Matoloni Freunde waren. Er drang in die Jeſuiten vnnd andere Ordensleuth
auch reiche Jnwohner/ groſſe Summen herzuſchieſſen/ damit er dem Koͤnig
das verſprochene Donativum von ſechs Millionen reychen konte/ vnd doͤrffte ſich
niemand mehr auff Frantzſoͤſiſch kleyden. Der groͤſte Fehler war/ daß Maſaniello
dem Vicerè das Commando vbergab/ die Wachten ab zuſtellen/ Er ſelbſt er-
zeiget ſich was raſend/ in Beſtellung der Aempter/ im baden vnd rennen/ im
niederſtoſſen/ vnd einkerckern/ im laͤſtern vnnd drohen wieder den Adel/ die Spa-
niſche Beampten/ vnnd den Vicerè ſelbſt. Gegenabendt gieng er zu Fuß/ in
zerꝛieſſe-
[99]\& Germaniæ Continuatio,
zerꝛiſſenem Kleyt zum Vicerè, wolte jhn zum ſpatziren in der See vermoͤgen/ ſetzt
ſich in deſſelben Schiefflein/ vnd ſahe viertzig Schieff jhn begleyten. Er aß viel
Meerſpeiß/ vnd tranck deß beſten Weins vnvermiſcht zwoͤlff Napolitaniſcher
Maß/ ſo weniger nicht/ als drey gute teutſche Kanden oder Maſſen machten.
Warff Duplonen in das Meer/ vñ wañ ſie die Schieffleuth wiederbrachten/ ver-
ehrt er ſie jhnen/ wie auch nach dieſem Spatziergang einem jeden in den 40. ge-
leyts Schiffen ein Sack Korn. Deß Maſaniello gemahlln aber zog in einer Gut-
ſchen von acht tauſend Kronen zu deß Vicerè Gemahlin/ wurd mit jhren Fiſchers
Damen/ ſo alle herꝛlich gekleidet/ in Seſſeln hienein getragen/ wol empfangen/
vnd mit koͤſtlichen Gaben verehrt/ zu Abend ließ Maſaniello den Fonſeca/
Grabſchrifftenbeſteller kommen/ befahl jhm/ ein groſſe Anzahl Marmelſtein zu
verfertigen/ vnd drauff zugraben Maſaniello von Amalfi/ General der trewen
Napolitaner/ geberth/ daß man von nun an nicht jhne/ ſondern dem Hertzog von
Arcos gehorſame/ ſolche Schrifft allenthalben in der Statt auff zu ſetzen.


Deß andern Montags/ den 15. Julij tobete Maſaniello noch mehr/ wolt
das Regiment nicht fahren laſſen/ entweder von einem bey gebrachten Trunck
verjrꝛet/ oder wegen vielwachens vnd ſpintiſie rens Wanſinnig/ ritte durch
die Gaſſen mit bloſſem Schwerdt/ verwundet viel Leuth ohne Vrſach/ ſchlug ein
Hauptman/ weil er ſchrifftlich Befehl begehrt/ mit der Spießruth zwey mahl
vber die Ohren/ ließ ein Ehebrecher raͤdern/ vñ die Ehebrecherin hencken/ ein Ver-
raͤther ſeines Nechſten koͤpffen/ Er ließ die beſte Pferd auß dem Koͤniglichen
Marſtall ziehen/ vnd ſeinen Freunden geben/ beſann ſich aber gleich beſſer/ vnd
befahl ſolche wieder hien zu fuͤhren. Vnd weil Caracciolo vnd Caſtel Sangro im
Vorbeyfahren jhm geringe Ehr erwieſen/ befahl er nach der Mittag mahlzeit/ daß
ſie jhme die Fuͤß kuͤſſen ſolten/ auff offentlichem Marck/ dieſe erbotten ſich zu allem
Gehorſam/ packten aber auff/ vnd fuͤgten ſich zum Vicerè, Schutz vnd Ret-
tung zufinden. Hier zu kamen Genouino, der die Spießruth/ vnd Arpaja/ der die
Maulſchell muͤſſen einnemmen/ mit groſſem klagen. Darauff wurd beſchloſſen/
weil der Vicerè die Privilegien vermoͤg deß Accords halten wolte/ die Stadt Ca-
pitein zugewinnen/ vnd den Maſaniello in der Auguſtiner Kirch in Ketten zule-
gen. Welches auch geſchehen/ alß er von der See Luſt wieder ankommen/ vnd
ſehr gedroht/ mit den Kleydern ins Waſſer zu ſpringen/ hernach mit der Foch-
tel in den Hafen gehawen/ vnd geſtochen.


Den andern Dinſtag oder 16. Julij/ wolte dieſe Tragedy ſich enden: Dann
in deme Maſaniello in Verhafftung lage/ kam ſein Secretarius, Marco Vitale,
aller Sachen vnwiſſend/ auß dem Caſtell/ vnd drohete den bewehrten Burgern/
die jhm dann ſeinen reſt gaben. Maſaniello hatte ſich loß gemacht vnd ſuͤgt ſich in
die Kirche B. Virginis, ſagt zum Ertzbiſchoff/ das Volck were an jhm zum
Verꝛaͤther worden/ begert eine Gavalcada zu Chren deß Feſtes/ vnnd ließ ein
N n ijBrieff-
[100]De Statu perturbato Franciæ.
Briefflein dem Vicerè vberlieffern/ flieg auff den Predigſtul/ [...]faſſet ein Cruci-
fix/ erzehlet ſeine heroiſche Thaten/ vnd vberſtandene Gefahr/ fabulirt/ klagt
ſein ruchloſſes Weſen an/ vermahnet zur Buß/ vnnd Beicht. Mit Muͤhe
brachte man jhn herunder/ vnd in der Moͤnchen Schlaffkammer/ ſich weiß an zu-
thun/ vnd etwas zuruhen/ Er begehrt das Commando nachmahlen dem
Vicerè zu reſigniren/ verfügt ſich in ein groſſen Saal gegen dem Meer/ vmb
freyen Lufft zu ſchoͤpffen/ vnd wurd daſelbſt von vier Edelleuten vberfallen/ de-
nen er als er ſeinen Nahmen hoͤrt nennen/ mit dieſen Worten entgegen gieng/
ſuchet jhr mich; hie bin ich jhr Bruͤder. Sie traffen alle vier auff jhn mit
wolgeladenen Mußqueten/ daß er ſincket/ vnd dieſe letzte Wort ſpricht/ O jhr
Verꝛaͤther/ vnd vndanckbare Leuth. Ein Metzger hieb jhm den Kopff ab/ ſteckt
jhn auff ein Stange/ zeiget jhn in der Kirch vnd auff dem Marck: andere
ſchleifften ſeinen Leib/ vnd muckete kein Hund wegen dieſer That. Die Edele
krochen herfuͤr/ der Vicerè befahl wiederumb/ vnd leſt ſich in der Statt ſehen/
ſtellete aber wieder auff freyen Fuß/ wen er von deß Maſaniello Anhang einge-
zogen gehabt/ verlaß auff freyem Marck/ die Privilegia Caroli V. vnd wie-
derholte den letzten Accord/ maſſen er confirmirt vnnd beſchworen war worden:
darauß groſſe Frewdt entſtuͤnden/ vnd Kraͤme vnd Laͤden jhre vorige Geſtalt wie-
der gewonnen. Sehr nach dencklich iſt/ daß Mafaniello auff den ſpringenden
Brunnen auff dem Marck geſtiegen/ vnd dem Volck zugeruffen/ alles was ich
thue/ das thue ich meinem Vatterlaudt vnd dieſer Statt zum beſten. Jch
weiß zwarwol/ wann ich alles zu recht werd bracht haben/ ſo wird man mich ehe
der Tag vergeht/ ermorden/ vnd durch die Stattſchleiffen. Derowegen ſolt
jhr alsdann an mich gedencken. Worauff das Volck jhm ins geſampt zur Ant-
wort geben/ wir wollen alle mit dir ſterben.


Weil nun die Edlen bey dieſem Weſen ſehr eingebuͤſſet/ lagen ſie dem
Vicerè in den Ohren/ nichts von allem deme/ was verſprochen vor zuhalten/
vnd weil das Volck abermahl zu den Waffen grieffe/ erthaͤdigt man den 7.
Sept. die Confirmation deß obigen Accords auff ein newes/ im S. Barbaren
Kirch/ mit angehengtem leiblichen Aide. Es kam aber in deſſen Don loan di
Auſtria
mit einer Kriegsmacht zu Waſſer/ vnd wolte nicht außſteigen/ die Bur-
ger hetten dann jhre Waffen zu vor nieder gelegt: welches ſie ſo fern gethan/ daß
die Waffen demnach in jhren Haͤuſſern geblieben: Alſo daß biß an den 5. Octob.
alles ſtill vnd friedlich war. Einsmals aber vmb den Mittag vberfielen die Spa-
nier die Statt/ hauſeten vbel/ beſchoſſen ſie auß den drey Veſtungen vnd auß
viertzig Galeren/ nit mehr dann drey tauſent Schuͤſſen.


Hie ware weitlaͤufftg zubedencken wz die vberſchwere Belaſtigungen endlich
fuͤr ein End gewinnen/ vnnd was vor Gewiſſen die Bluteygeln haben moͤgen/
wann ſie das Silber vnder ſich verganden/ vnnd der Herꝛſchafft nicht wol den
Schaum
[101]\& Germaniæ Continuatio.
Schaum geben. Vnd was vor ein Geiſt muß dieſē Maſaniello getrieben haben;
oder wie hat ſich ſolcher Geiſt bey jhme ſo wunderſam verkehrt? Wann aber
Regenten es mit einem ſchwuͤrigen Volck zu thun haben/ ſihet man jhren Ver-
ſtandt/ wie ſie ſich auff das gelindeſte moͤgen herauß wicklen/ einem ſchewen
Pferdt den Zaum laſſen ſchieſſen/ daß ſie es allgemach wieder nach jhrem willen
lencken/ vnd das Ruder wieder ergreiffen. Was hatt es aber vor ein Gele-
genheit/ mit Betheurung/ vnd Aidſchwuren bey der gleichen Faͤllen/ die man
nicht begert zu halten/ vnd die man weiß dem Souerain vnannemlich


Solte ein Dienerſeine Seele eben muthwillig vor ein andern verdammen/
alß er ſeinen Leib in die Schantze ſchlaͤgt? Mag er auch wol ſeinem Herꝛen trew/
jhme aber ſelbſten vntrew ſeyn? Es ſubalterniren alle Staͤndt/ vnd greiffen in
ein ander/ wie die Ring in einer Ketten machen einen langen Strick zur Vnge-
rechtigkeit/ dz/ der daran iſt/ auch etwan wieder ſeinen willen fort muß/ als wann
er in einem Schieff ſaͤß/ darauß er nicht kommen koͤnte/ ob es ſchon geradt wieder
ſein vorhaben lieffe/ er wolte dann in das Meer ſpringen/ vnnd den Fiſchen eine
Mahlzeit bereyten. Alſo macht man ſich frembder Suͤnden theilhafftig/ vnnd
beſndelt die Seel mit dem erpreſten Blut/ biß endlich der hoͤchſte Monarch die
Seufftzen der Betrangten hoͤret vnd erhoͤret/ die Regenden Stuͤle vmbſtürtzet/
vnd was newes angehen laͤſt/ darvber Jederman die Ohrẽ gellen. Wo iſt Pharao,
Prolomæus Lagi
die Mamelucken? Wo iſt Ninus, Xerxes vnd Darius. Wo iſt Alex-
ander Magnus vnd Cæſar? Wie harſich der Septentrion ſo offt ergoſſen/ vnnd
gantz Europam/ auch ein theil Africæ vnd Aſiævberſchwemmet/ die Potentaten/
vnd deren Dienern/ oder Bluteygeln zuſtraffen/ vnd newe Koͤnigreiche anzu-
richten; Wie macht es Carolus Magnus vorach thundert Jahren? wie mag;
vnd kan/ ja wie wil es noch ergehen; deſſen ſoll das Napolitaniſche
Weſen/ der Cathalonier zu geſchweigen/
ein Fuͤrbild ſeyn.



N n 33Der
[102]De Statu perturbato Franciæ.

Der II. Diſcurß:


Holtzapfelbegiebt ſich auß Heſſen zuruͤck/ Lamboy folget
jhm nach. Die Armeen gehen vber die Donaw vnd Lech/ Holtzapffel felt in ei-
nem Treffen/ warumb ſolches verlohren worden/ Lamboy vbet ſich am Rhein.
Prag wird wieder eingenommen. Ein Generaliſſimus auß Schweden kompt an
vor Prag. Die Schweden weichen auß Bayern. Der Spanier Niederlag in
Flandern/ vnd in Jtalien. Der Venetianer Verluſt. Guyſe wird im Koͤnigreich
Neapolis gefangen. Die Polen werden vffs Haupt geſchlagen/ wehlen ein newen
Koͤnig. Die Schotten werden geſchlagen/ vnd der Koͤnig wird nach Londen ge-
bracht. Friedtzwieſchen Spanien vnd Holland/ auch in Heſſen/ vnd Hungarn.
Tumult zu Pariß.


WJr haben den Kaͤyſeriſchen General Graff Holtz-
apffel/ in der Statt Marpurg/ vor demſelben Schloß im Winterquar-
tier gelaſſen/ dem gab aber der Commendant vff gedachtem Schloß/
Stauffgenant/ eines Apotheckers Sohn von Keyſerslautern/ ein ſchlechten Ab-
ſchiedt: Dann er hatte vnvermerckt von einem Tambour/ ſo freyen Abzug auß
der Statt vor etliche Damen begehrt/ erforſcht/ in welchem Hauß der Gene-
ral Taffel hielt/ deß nahm er in acht/ richtet all ſeine Stuͤck/ vmb Eſſens zeit/ alß
die Predig geendet/ vnd die Taffel gedeckt war/ auff gedachtes Hauß/ vnnd thet
kein ſonderlichen Schaden/ alß daß der Schiltwacht das Hiern an die Mauer ge-
ſchmettert/ vnd dem General ſelbſt ein Spruͤſſel von einem Balcken eine Ader am
Halß entzwey geſchlagen/ davon er/ weil das Blut lang nicht zuſtillen war/ in eu-
ſerſte Noth gerahten/ alſo ſeinen Abſchied von dannen genommen/ auch den ze-
henden Jenner dieſes 1648. Jahrs ſich zu Fuld in der Abtey gefunden. Dann
es hatten ſich die Schwediſchen in den Stiefftern Hildeßheim vnd Muͤnden/
auch bey den Hertzogen zu Braunſchweig vnd Luͤnenburg gewaͤrmbt/ vnd mun-
tirt/ zu mahl ſie vber vierzehen tauſent Pferdt kaufft/ erpreſt vnnd auß dem Land
genommen. Wie ſie nun im Vffbruch begrieffen/ konte Holtzapffel dem Heſſi-
ſchen Weſen nicht abwarten/ ſondern muſte die Oeſterꝛeichiſche vnnd Beyeriſche
Laͤnder ſuchen zubedecken. Wie dann die Kayſeriſche vff Bamberg vnnd forter
nach Forchheim/ die Beyerſche vff Kitzingen vnnd Windsheym gezogen. Die
Schwediſche aber vber Caſſel nach Neuſtatt an der Saal gangen/ nach denen
der Frantzoͤſiſche Secours/ von ſiben tauſent Mann zu jhnnen geſtoſſen/ alſo daß
jhre gantze Macht in 1500. Pferden vnd 8000. Fußgenger/ mit 160. Stuͤck/
ſambt 200. Wagen beſtunde. Der Keyſer verſtunde ſehr wol/ daß die
Schweden vff jhn wuͤrden friſch angehen/ darumb fordert er den Lamboy zu dem
Haupt-
[103]\& Germaniæ Continuatio.
Hauptweſen/ den aber der Churfuͤrſt zu Coͤllen nicht folgen laſſen/ ſondern nach
Weſtphalen commandirt/ nach dem er wieder Windeck/ Duͤren vnd Caſtor ein-
genommen gehabt. Deß Keyſers intent war/ daß Lamboy heran eylete/ vnd
die zwantzig ſtuͤck Geſchuͤtz von vier Pfunden/ mit neun andern/ ſampt allem Zu-
gehoͤr/ ſo zu Homburg in Heſſen ſtehen blieben: Vnnd dann die andern neun
Stuͤck zu Forchheim/ mit ſich nehme: Welche aber theils der Heſſiſche Ge-
neral Raubenhaupt mit Gewalt/ theils die Schweden durch Bedrohung deß
brennens erhalten. Alß nun Wittenberger/ vnd andere Schwediſche Offici-
anten,
in Schleſien dominirten/ verordnet der Kayſer ſieben tauſent Mann
vnder dem Graffen von Buchheim vnd Sporcken da hindie/ aber im harten
Winter vmb Preßlaw nichts außrichten koͤnnen. Wittenberger nahm Jaurn
ein/ Dewagen jagt derſelben Leutenant Muͤller: es war mehr raubens als fech-
tens/ biß Koͤniusmarck ein theil Prag ein genommen/ vnnd den Wittenberger
zu ſchleuniger Huͤlff mit 6000. man an ſich gezogeu.


Das Haupt Weſen aberbelangend/ bezogen ſich die Kayſeriſche vnd Beyeri-
ſche an die Donaw vmb Jngolſtatt/ Altmul/ vnd Regenßburg/ ſetzten vber/ vnd
ſuchten den Lechſtrom zu verwahren in deme das Land-volck an die Jſer ſich legte/
vnd Buchheim mit ſiebenttauſent Fuß-volck heranzoge/ vnd eben dieſes klagte
Holtzapffel/ daß die recrouen ſo langſam hergingen/ vnd nicht ehe erfolgten/ biß
der Feind wieder vor der Thuͤr waͤr/ da man jhn doch leichtlich fern abhalten/ vnd
den Kriegsbraſt andern Landen auff den Halßziehen koͤne. Alſo muſte er Wemb-
dingen/ Donawerth/ Hochſtat/ Gunldelfingen/ vnd andere orth ledigſtellen/ vnd
die Beſatzungen an ſich ziehen/ damit nur Lauingen/ Landsberg vnd Freiſingen
wohl beſetzt blieben/ vnnd das Hauptlaͤger die Statt Augſpurg verwahren/
auch ſich/ den andern Lufft zu machen/ die Oberpfaltz nach Amberg vnd Neu-
marck wenden koͤnte. Er legt ſich zu Guͤntzburg/ vnder deſſen folgten die Schwedi-
ſchen vnd Frantzoſen/ namen Windsheim ein/ gingen auff Dinckelſpiel vnd
Wenhtwangen/ bezwungen das Schloß Wallerſtein wie auch Noͤrdlingen/
Donawerth/ Wemdingen/ vnd ſtelten ſich/ alß wolten ſie ſich an Weiſſenburg
reiben/ hie ſtieſſen zu jhnen Landgraff Friederich/ der Pfaltzgraff von Sultzbach/
vnd etlich Oberſten vom Loͤwenhaupt/ ſampt dem jungen Wrangel. Die Fran-
tzoſen vbten Raach mit brennen vñ morden. Die Hauptarmee ſetzt zu Guntzen-
hauſen vber die Altmul/ wegen der Fuͤterung/ die Schweden zu Goͤppingẽ vnd die
Frantzoſen zu Reutlingen/ fandẽ ſich entlich zu Langenaw/ zwo Meil vnder Vlm/
vnd kahmen zu Lauingen vber die Donaw/ was auch die Keyſer- vnnd Beyeri-
ſche vor Gegen wehr Thatẽ/ dieſelbe zogen ſich hinab/ nach Kinßburg/ denen aber
Koͤnigßmarck vnnd Landgraff Friederich nach gehawen/ eingefallen/ vnnd
groſſen Schaden gethan/ daß auch der General Holtzapffel druͤber gefallen/ ſechs
Stuͤck Geſchuͤtz/ vnd viel Officirer gefangen im ſtich blieben. Koͤnigsmarck
ſpacir-
[104]De Statu perturbato Franciæ
ſpacirt auff vnd ab/ macht den zu Eger lufft/ ſetzt die gantze Pfaltz in Contribu-
tion,
bracht groſſen Vorꝛath an Gedreyd zuſammen/ befeſtiget die Weide/ den
Hoff/ Newmarck/ vnd etliche ander Orth/ thut ein ſtarcken Streiff durch den
Boͤhmer Waldt/ zog etliche Voͤlcker auß denen Beſatzungen in Leipzig/ Erfurt
vnd Halberſtatt/ auch Geſchuͤtz auß Eger an ſich. Petſchat wole er nicht verder-
ben/ wie auch Franckenberg/ ſondern beſetzt beyde Qrth. Nun war es vmb den
Lech zu thun/ wie man hinuͤber kommen moͤgt/ vnd wurd eben der Orth gefunden/
da der Koͤnig in Schweden vbergeſetzt/ vnd dem Tilly ſeinen reſt gegeben hatte.
Nach dem Lech ſtritte man vmb die Jſer/ aber die Jnß lieff an/ ſo wehret ſich
die Waſſerburg zum beſten.


Gleich wie nun in Heſſen geſchehen/ daß dieſelbe Land-Graͤffin das offene
Land den Keyſer- vnnd Beyeriſchen müſſen frey laſſen/ weil die Schweden im
Feldt nit ſtehen konten/ vnd nur die Haupt Veſtungen zum allerbeſten verwahrt/
biß daß der Hunger den Mann vnd das Pferdt ſelbſt auß gejagt/ aber der Lands-
man in den engen Paͤſſen/ der Waͤldt vnd Thaͤler jhn eyntzelen ſchlaffen gelegt/
vnd dem Hauptweſen Abbruch gethan/ alſo verordnet der Churfuͤrſt in Bayern/
daß ſein Fußvolck die Veſtungen beſetzte/ in deme die Bauren von ſich ſelbſt
auff die rauberiſche Soldaten verbittert Rach vbeten/ vnnd die Compagnien
duͤnn machten/ die Reuterey ſchwebete im Land/ vnd hielten ſich bey den Key-
ſeriſchen/ die er aber auch auß dem Land wieſe/ damit ſie nicht das Korn mit dem
Halm/ ja mit der Wurtzel verzehrten. Dem General Boͤninghauſen wird
ſchuldt gegeben/ weil er dem Herꝛn General Holtzapffel nicht pariren/ noch
ſeinen Poſten verlaſſen wollen/ waͤr ſolcher Einbruch vnd Schade erfolgt. Es
ſcheinet aber/ die Vrſach muͤſſe hoͤher geſucht werden. Ob gar kein Gehorſam
vnder einem Ketzeriſchen Haupt geweſen/ vnd Beyern ſeinem General abſon-
derliche Order gegeben/ nicht ſo gar eyferig den Kayſeriſchen bey zuſpringen/
da mit ſolche Huͤlff deſto groͤſſer Anſehen hette/ vnd ſich ſelbſt wol zu conſumiren,
auff daß der Feindt in Baͤyern nicht ein brechen koͤnte. Vnd dieſe Gedancken faſ-
ſeten etliche/ weil bekandt/ daß Beyern ſeine conſilia allzeit abſonderlich gefuͤhrt/
vnd nimmer mit Oeſtereich abſolute geſtimmet/ ſondern ſein eygenen Nutzen be-
truchtet. Deßwegen auch mit Franckreich gute Corꝛeſpondentz gehalten/ vnd nach
dem Treffen vor Leipzig den Tilly an ſich gezogen/ auch dem Ertzhertzogen zum
Einbruch in Heſſen die Huͤlff ſehrlangſam nach geſandt. Alſo hette er vordiß mahl
bey feinem Bruder/ dem Churfürſten zu Coͤllen vervrſacht/ daß Lamboy zum
Haupt weſen nicht kommen/ ſondern in Weſtphalen den Heſſen/ die doch zur ſel-
ben zeit nichts merckliches vnderſtanden/ weil jhre Voͤlcker dem Hauptwe-
ſen gefo lget/ abbruch zu thun.


Wie dann derſelb nach der Lippſtatt ſich gelencket/ vnd den Heſſiſchen
General Geiſſen in Geiſeck beſchloſſen vnd belaͤgert/ denen aber Landgraff Ernſt
Lufft
[105]\& Germaniæ Continuatio.
Lufft gemacht/ vnd auch daruͤber gefangen worden. Lambey verlohr fuͤnff hun-
dert Mann/ zog ab/ vnd macht ſich nach Bonn/ Geiß aber nach Neuß/ konte
doch Breydenbruch nicht erꝛetten. Jm Junio gab es ein hartes Treffen bey Graͤ-
fenbruch/ die Heſſen lagen vnden/ ermanten ſich aber wieder/ vnd brachten die
Lamboyſchen in die Flucht/ metzelten vber Tauſent/ vnnd bekamen ſehr viel ge-
fangen/ buͤſten doch ein vberanderthalb hundert Mann/ vnd hatten das Gluͤck/
daß ſie jhre Gefangene wieder loß bekamen/ Lamboy reterirt ſich nach Zonß/
empfing Gelt vom Ertzhertzogen zu der Artillerey/ bracht auß Meppe/ Ham/
Warendorff/ Paderborn/ vnd andern Beſatzungen/ wieder eine Armeen zuſam-
men/ vnd legt ſich bey Neuß in ein veſt Laͤger/ wurd aber von den Heſſiſchen
biß an ein Stundt von Coͤllen gezogen. Die Staͤnde machten mit Gelt/ daß der
Kriegsbraſt von jhnen wiche: aber Duͤren muſten ſich den Heſſen ergeben/ ſonder-
lich da Landgraff Friederich von den Schweden gelaſſen/ vnd zu der Heſſiſchen
Armee geſtoſſen war/ zu mahl auch etliche Lothringiſche Voͤlcker auff deß Ertzher-
tzogen Verordnung zu dem Lamboy gangen. Die Heſſen legten ſich eilend vor
Paderborn/ Lamboy folgt/ bracht Voͤlcker hinein/ vnd ſchlug ſie auff/ von inen
vnd von auſſen/ daß ſie muͤſſen etliche Stuͤck/ Vieh vnd Pagage dahinden laſſen/
da ſie aber Schwediſchen Secours an ſich gezogen/ haben ſie vmb Brackeln vnnd
Hoͤxter ſich wieder ſehen laſſen/ biß der Friede zu Muͤnſter geſchloſſen vnd put-
blicirt worden.


Zu dieſem Frieden mag nicht wenig geholffen haben/ daß Koͤnigsmarck den
Retſchin vnd die eine Statt Prag gantz vnverſehener Weiſe einbekommen.
Dann als er bey außgehendem Julio in den Pilßen Kreyß einefallen/ vnd
Brixen zu ſeinem Hinderhalt beveſtigen laſſen/ thaͤt er groſſẽ Schaden/ mit Rau-
ben vnd Brandtſchaͤtzen/ vnd hielt ſich eins mahls in einem Thal/ ohn fern Prag/
die Ab- vnd Zureiſende zupluͤcken/ wie er dañ der fuͤhrnembſten Herꝛn ein gute An-
zahl mit jhren beſten Guͤttern auff den Waͤgen mit ſeinem Garn vber zogen/ vnd
ein reichen Zug darmit gethan/ welchen Anſchlag Ottowalßky/ ein geweſener
Oberſter vnderden Keyſeriſchen/ ſchlechten Herkommens auß dem Odenwald/
wegen Verluſt aller ſeiner Guͤtter/ ohne einige Recompenß/ auß groſſẽ Diſguſto
angeſponnen/ vnnd dieſer geſtalt werckſtellig gemacht. Der Graff Coloredo
lag im Koͤniglichen Prager Schloß/ ſchickt zwey hundert Mann auß/ von dem
Feindt Kundſchafft zunehmen/ vnd newe Huͤlff heran zu fuͤhren. Dieſe vmb-
ringt Koͤnigsmarck bey Nacht/ daß nicht ein einiger entkommen/ zwingt jhnen
das Wort ab/ commandirt auß ſeinen Voͤlckern/ drey hundert die beſten/ denen
er von den gefangenen Keyſeriſchen etliche zugab. Dieſe melden ſich denſelben
Sontag/ war der 16. oder 26. Julij/ an/ geben das Wort/ werden auch an der
Stim̃ erkandt/ vnd ziehen ein/ machen die Wacht nieder/ vnd haben den Koͤnigs-
[m]arck mit dem hellen Hauffen auff den Ferſen/ eroberen den Retſchin/ als die
Q oKoͤnigliche
[106]De Statu perturbato Franciæ.
Koͤnigliche Reſidentz/ mit dem Zeughauß/ ſampt der kleinen Seyten zumahl
Prag in die alte/ vnd newe Statt/ vñin die kleine Seyte/ abgetheilt iſt/ darinnẽ die
fůrnehmſte Herꝛen wohnen: Deren wurden vber zweyhundert gefangen/ vnd
von fuͤnfftzig tauſent Gulden/ biß vff fuͤnff tauſendt herunder/ nach Stands Ge-
legenheit geſchaͤtzet. Dannoch wurd vber dreyen Pallaͤſten mit dem pluͤndern
nicht verſchonet. Vnd an vielen Orthen der Schatz mit Millionen vnd Tonnen
gefunden: daruͤber mancher mehr gelacht als geweynet/ weil zum gemeinen
Weſen/ vnd deß Keyſers Dienſten/ Niemand kein Geldt hatte/ vnder deſſen der
Schweden Caſſirer vnd Schoͤſſer war worden/ wie es dann gemeiniglich pflegt/
daß die particularen auß dieſer Vrſach mit dem groſſen Schiff vnder gehen/ weil
ſie die kleine Loͤcher nicht wollen helffen ſtopffen.


Coloredo entran ſchwerlich in ſeinen Wachtkleydern/ Buchheim
kam zu ſpat mit ſeinen vierzehen hundert Mannen/ legt ſich doch in die alte
Statt/ vnd ließ in die kleine Statt an der Bruͤcken mit dem groben Geſchuͤtz
ſpielen/ deme Koͤnigsmarck dergleichen geantwortet/ Wittenberger/ aber be-
ſchoß die alte Statt vom 30. Julij an mit fuͤnffzehen Stuͤcken/ zogab/ wegen groſ-
ſer Gegen wehr/ erobert Konopitſch dem Graffen Michna zugehoͤrig/ wie auch
Thabor/ mit groſſer Beuth/ daß des Meuters Gemahlin allein fuͤnffzehen tau-
ſend Reichsthaler verluſt/ geklagt.


Vnder deſſen hatten die Schweden nit ohne Vrſach einen Zweiffel in die
Frantzoſen geſetzt/ weil ſie ſo ſchlaͤfferig mit allen Sachen vmbgiengen/ vnd den
Karn nach Vermoͤgen anhielten/ oder jederweilen gar zuruͤck zogen. Dann
ſie verſpuͤrten/ wie die Cleriſey eine Trennung zwiſchen jhnen zu Muͤnſter nit vn-
verhohlẽ geſucht/ auch bey dem Beyeriſchẽ Stillſtand ſich gar verdaͤchtig gemacht:
darumb beſchloſſen ſie zu Stockholm/ den Krieg mit ernſt fort zu ſetzen/ damit
nicht alle Muͤhe vnd Arbeit/ angewendes Gut vnd Blut endtlich gar vergeblich
außſchlage: Oder da Franckreich hand abziehen ſolte/ ja gar ſich Feindlich er-
klaͤren/ ſie in allem Weg gefaſt weren.


Alſo wurd der Pfaltzgraff Carolus Guſtavus/ auß der Zweybruͤckiſchen
Linj/ deß verſtorbenen Koͤnigs Guſtavi Adolphi/ ein halb Schweſter Sohn/ zu
einem Generaliſſimo benampt/ vnd mit friſchem Volck nach Tentſchland ver-
ordnet. Dieſer kam nun ſelbiger Zeit in Pommern/ wechſelt die Beſatzungen/
vnd nam ſeinen Zug ſtracksauff Boͤhmen/ nach der Statt Prag/ dem Koͤnigs-
marck Lufft zu machen/ vnd die Alte-Statt mit allem ernſt anzugreiffen.


Die auß Eger eroberten das veſte Schloß Tetſchen. Wittenberger zog
auff den Mißling/ nam Cromaw ein/ ſtieß bey Bud weiß auff Buchheym/ der
ſich mit Mißling wolte conjungieren/ ſchlug den Vortrab in die Flucht/ vmb-
ringt die vbrigen/ vnd bekam den von Buchheim/ Meutern/ Naaſen vnnd
Ranzay/ ſamptandern Herren/ Edelen vnd Officierern/ ſo ſich auß Prag mit
jhrne.
[107]\& Germaniæ Continuatio.
jhren beſten Sachen wollen in Sicherheit begeben/ mit dẽ Pagage vor drey Regi-
menter gefangen/ vnd zur Außbeuth/ daß der einige Oberſt Garnier mit weni-
gen Pferden nach Budweiß entrunnen. Hierauff machte ſich der Generaliſſimus,
vnd ſtelt ſich den 24. Sept. auff ein Sontag/ auff den Weiſſen Berg/ wurd einge-
holt/ vnd vom Koͤnigsmarck auch Wittenberger herꝛlich begleydet/ den folgenden
Tag/ gieng die Belaͤgerung der Alten Statt mit allem ernſt an/ der Generaliſſi-
mus
zog auff das Retſchin/ beſahe die Kunſtkammer/ vnd den Saal/ auß welchem
Anno 1618. die Kayſerliche Beampten/ den Sprung zum Fenſter hinauß gethan.
Mehr Geſchuͤtz wurd ins Laͤger gefuͤhrt/ vñ biß auff den Graben gebracht/ vnd
in dreyen Tagen auff die beyde Staͤtte 3286. mahl auß groben Stuͤcken gedon-
nert/ auch etliche Minen geſprengt/ die auſſen Werck gewonnen/ vnnd in die
newe Statt eingebrochen. Es war aber die Gegenwehr von Soldaten/
Burgern vnd Studentẽ ſehr ſtarck vnd eyferig/ deß Abſchneidens vnd Vergrabẽs
ſo viel/ auch der Secours von neun Tauſend Mann/ vnder fuͤnff nahmhafften O-
berſten/ in die Statt zukommen bereyt/ daß es noch wol manchen ſtoltzen Kopff
beyder ſeyts haͤtte koſten muͤſſen. Aber wie die Courirer von Muͤnſter den
geſchloſſenen Frieden ankündigten/ zog der Generaliſſimus auff den Retſchin/
vnd Wittenberger an den Paß Koͤnigsſaal/ den 24. October/ biß der Stillſtand
zwiſchen beyden feidlichen Partheyen zu Kuttenberg verglichen/ vnnd den 19.
oder 29. Nouemb. allerdings befeſtigt/ auch die Quartieren auß getheilet
worden.


Vnder dieſem Verlauff hatten die Schweden vnd Frantzoſen ſich auch vber
die Jſer in Bayern gemacht/ vnd wolten auch vber den Jnn ſetzen/ kunden aber
an Waſſerburg/ in vierzehen Tagen nichts gewinnen/ vnd weil die Keyſer- vnd
Bayriſche Armee vnderhalb Regenſpurg/ zwiſchen der Jſer vnnd Amber nun
mehr lagen/ bezogen ſie die Schwediſchen vnd Frantzoͤſtſchen von Dingelfingen
mit jhren Hauptweſen nach Landshut vnd alſo nach Moßburg. Die andern leg-
ten ſich zwiſchen Waſſerburg/ Muͤnchen vnd Freyſingen/ bey welcher ſo
nahẽ Anweſenheit vnder andern die Schweden/ Schaden am lincken Fluͤgel ge-
litten/ darauff ſie ſich nach dem Lech vnnd Land zu Schwaben wenden wollen:
doch bey einem Einfall dem Jan de Werth dreyhundert mañ nieder gemacht/ vnd
jhn ſelbſt biß vnder das Geſchuͤtz vor Augſpurg getrieben/ nach Donawerth/ Lauin-
gen/ vnd Hochſtatt gewichen/ biß endlich der beſchloſſene Fried von Muͤnſter bey-
den Theilen zukom̃en/ die Statt Augſpurg ſiner ſchweren Belaͤgerung befreyt/
vnd die Voͤlcker nach den Winterquartiren gangen.


Ehe wir aber von dieſem Frieden/ vnd Vollziehung deſſelben handlen/ muͤſ-
ſen wir die Außlaͤndiſche Kriegshaͤndel auch vmb etwas berühren. Jn
Flandern hatte der Ertzhertzog Leopold Wilhelm ſechs hundert Spanier/ vnnd
groſſe Gelder zur See empfangen/ vnd ſtelt Dornick vnd Cordrick achtzehentau-
O o ijſend
[108]De Statu perturbato Franciæ
ſend Mann/ neben Neun tauſend Lothringern ins Feld/ erobert Cortrick/ vnd
konte dadurch den Printzen von Conde vor Ypern nicht abziehen/ biß gemelter
Orth ſich ergeben muͤſſen. Ranzaw bekam Stoͤß/ als er Oſtenden verſucht ein zu-
nehmen. Die Spanier theten ein ſtarcken Einfall in die Pickardy/ vmb S.
Quintin/ darumb die Frantzoſen Bann vnnd Affterbann auffgebotten jhnen zu-
begegnen/ auch die Haupt Armee etwas zu ruͤck gezogen/ auff daß ſie allem ferꝛne-
ren Schaden vorkommen moͤchten/ biß den 10. 20. Augſt ſich ein ſehr hartes Tref-
fen zwiſchen Arꝛas vnd Labaſſee zugetragen/ da die Frantzoſen anfangs gewi-
chen/ vnd durch deß General Erlachs Teutſchen Secours vnderſtuͤtzt/ ein vberauß
groſſe Victory erhalten/ vnnd ſehr viel groſſe Herꝛn gefangen bekommen/ neben
6200. gemeinen Soldaten/ viertzig Stuͤck Geſchuͤtz/ neunhundert Wagen/ vnnd
vber hundert Fahnen. Durch welchen Streich die Spaniſche Macht ſehr ge-
ſchwaͤcht worden/ daß der Fried etwan auch deſto ehe koͤnnen erfolgen. Auch hat-
te der Viceré Frantzoͤſiſcher Feldherꝛ/ Schomberg in Catalonien gleich aufangs
das Gluͤck/ daß Tortoſa ſich jhm mit 840. gemeinen Knechten den 12. Julij erge-
ben muͤſſen. Jn Jtalien hatte der Hertzog von Modena ſich Frantzoͤſiſch erklaͤrt/
vnd eine Armee von den Florentiniſchen abgedanckten Voͤlckern nach dem Del-
phinat gefuͤhrt/ darumb Carazena/ Gubernator zu Meyland/ die Jnſel im Po/
eingenommen/ den Frantzoſen den Paß nach Caſal zuverſperꝛen. Aber das
Kriegs Weſen bezoge ſich in das Gebiet der Statt Cremona: alda die Spanier
im Feldlaͤger geſchlagen wurden/ 1300. Mann auff dem Planlieſſen/ 1500. ge-
fangen gaben/ die Bagage vnnd drey Stuͤck Geſchuͤtz verlohren: ſtaͤrckten ſich a-
ber wieder. Die Frantzoſen kondten vor Cremona nichts gewinnen/ ſondern
muſten die drey Monatliche Belaͤgerung von ſich ſelbſt auffheben/ befeſtigten
doch Pomponaſco/ vnd ſuchten Winterquartier.


Der Venetianiſche Krieg hatte dieſen Lauff/ daß Foſcoli etliche Orth in
Dalmatien den Tuͤrcken abgenommen/ Cliſſa belaͤgert/ den Secours vnder dem
Baſſa von Boſna geſchlagen/ vnnd erobert/ deme Seſino gefolgt. Die Mor-
lucci
thaͤten jhr beſtes/ vnnd machten reiche Beuthen/ bekamen aber etwan Stoͤß/
vnnd buͤßten ein jhren Oberſten Soricio, mit vierhundert Mann. Jn der Jnſel
Candia hatten die Venetianer Mirabelly erobert/ vnnd der Statt Candia etwas
Freyheit gemacht/ zumahl ſich Grimmani mit ſeinen Schiffen vor die Veſten
Dardanelli legte/ aber durch Vngewitter 1600. Mann/ auch das Leben ſelbſt ver-
lohren/ welcher Schaden/ auff vier Millionen Golds geſchaͤtzet worden. Deſſen
vnerꝛacht ſtaͤrckten ſich die Venetianer/ vnnd brachten dreyſſig Orlogſchieff vnd
fuͤnff Galeatzen/ wieder ſechtzig Tuͤrckiſche Schieff zuſammen/ vnnd fuͤhrten
damit Proviant in Candia. Hie gieng es allenthalben ſcharpff zu/ daß eine
Schantz bald dieſer/ vnd bald der andern Parthey muͤſſen Gehorſam leyſten/ vnd
als die Chriſten/ bald die Tuͤrcken ins Graß gebiſſen/ weil nun die Venetianer Ja
ſo gar
[109]\& Germaniæ Continuatio.
ſo gar groſſen Koſten trugen/ vnd in die laͤnge ſich eines groſſen Vngluͤcks befoͤrch-
teten/ trieben ſie deſto eyfriger auff den Frieden zu Muͤnſter in Weſt-
phalen.


Franckreich zog das Jtalianiſche Weſen allerſeits zu Gemuͤth/ konte aber die
Sicilianer nicht in Schutz nehmen/ zumahl ſehr viel zu einem ſolchen Haupt-
weſen erfordert wurde: So wolte der Monſieur lieber in Franckreich ſeines
Gluͤcks erwarten/ als mit euſſerſter Gefahr/ einen Schatten auſſerhalb nachlauf-
fen: Gleichwohl fandt man vor rathſam/ daß der Hertzog von Guyſe mit
einiger Macht nach dem Koͤnigreich Neaples abfuhre/ Er kont aber die nechſt
gelegene Jnſel nicht faſſen/ weil jhm der Gubernator Ognata war bereyt vor-
kommen. Guyſe hielt ſich in der Statt/ wurd aber vom Ognata bey
Naͤchtlicher weil außgetrieben/ vnd in der Flucht gefangen. Alſo verſchwand
der Vffſtandt nach vnd nach/ ſonderlich da etliche gꝛoſſe Herꝛn vnd Edle die Koͤpff
verlohren.


Jm Koͤnigreich Poln ſchickte ſich alles zum Auffſtandt/ ſonderlich wegen
der Rebelliſchen Caſſacken/ auch noch vor deß Koͤnigs obſterben/ darumb erinner-
te der Kronen Groß-Cantzlar den Koͤnig/ ſeine Geſchaͤfften zu Vilnaw in der
Littaw zubeſchleunigen/ vnd nach Warſaw zukommen// die weil das Geſchrey
je ſtaͤrcker gieng/ von der Tartarn Anzug vber den Fluß Boriſthenem. Bey
jhrer Conjunction verderbten ſie dz Land mit Rauben vnd Todtſchlagen. Darumb
hielten die Polen ein Reichstag/ verſchoben die Wahl/ weil der Koͤnig den 20.
May in der Littaw/ zu Meneczy geſtorben/ in dem October/ ſagten ein ander die
Freyheit deß Gewiſſens zu. Vnder deſſen wurd jhr Feldherꝛ geſchlagen/ weil aber
die Coſſacken vnd Tartarn vber der Beuth vneynig worden/ vnd der Tuͤrck dieſe
wieder den Perſianer begehrte/ machten jene Frieden/ da man jhnen die Kirchen
wieder ein raumete/ die Tyranniſche Waywoden abnehmen/ vnnd als freyen
Staͤnden nichts vngebuͤhrlichs auffbuͤrdte. Der newe Koͤnig ſolte ſelbſt alles
ſchlichten/ wann ſie nur vnderdeſſen ſtill ſaͤſſen: Aber ſie nahmen Namarat
vnd Tuletznya ein/ vnd fanden groſſen Raub drinnen. Bey dieſem Auffſtandt
ſind vber zehen tauſend Juden/ vnd ſonſten 213000. Menſchen Jung vnd Alt/
von den Coſſacken vnd Tartarn erſchlagen word en. Johannes Caſimirus wurd
Koͤnig/ den 17. Nouember zu Warſchaw/ ließ Vlatiſlaum ſein Bruder/ den
verſtorbenen Koͤnig begraben/ vnd ſich zu Cracaw den 7. oder 17. Jenner folgen-
des Jahrs kroͤnen. Vnd dieſes ſchiene das beſte Mittel zuſeyn/ dardurch Poln
wie der auff die Beine kommen moͤchte: Dann im vorigen September waren
die Feldt Herꝛn Wieſnewick vnd Dominicus zwiſtig worden/ vnd hatten darvber
Geſchuͤtz/ Volck/ Geld/ Pagage/ vnd alles ein gebuͤſt/ dochſchicke Chmielnſky/ der
Coſſacken Oberſter/ den Molerſky auff den Reichs- vnd Wahltag/ nach
Cracaw.


O o iij
[110]De Statu perturbato Franciæ.

Jn Groß Britannien gieng es rund vnd bund vbereinander/ dz Parlament
gab vor/ es ſucht den beſtaͤndigen Frieden/ vnnd die Reformation der Kirchen/
fuhr aber einen weit andern Weg. Die Schotten hielten jhr Parlament zu Eden-
burg/ vnd kuͤndigten dem Parlament zu Londen/ dẽ Koͤnig zumbeſten/ den Krieg
an/ im Mertz Hamilton ſolte Feldherr/ Leſlè der nechſte nach jhm ſeyn. Die Hand-
wercksburſch vnnd Kramdiener rotteten ſich in Londen/ biß in ſieben Tauſent zu
ſammen/ ſtelleten Wachten/ ſtuͤrmeten mit einem Stuͤck dem Burgermeiſterdas
Hauß im April/ vnd wann die Bootsgeſellen mit den Fiſchern ſich zu jhnen hetten
geſchlagen/ waͤrkein Rettung mehr geweſen/ dergleichen Auffſtandt mannauch in
andern Staͤtten erfahren. Jn Jrꝛlandttratt Jnchiquin/ deß Parlamẽts Feldherꝛ
zu den Koͤnigiſchẽ. Das Parlament in Engelland hielt dẽ Koͤnig im Caſtel Car-
riſbroke auff der Jnſel Vecta gefangen/ der Printz von Walliß/ vnd der Hertzog
von Yorck ſein Bruder verkleydetenſich/ vnd entkamen in Franckreich. Das
Schottiſche Preſybterium ließ ein Schrifft außgehen/ mann ſolte mit dem
Koͤnig ſanfftmuͤthig verfahren. Die Graffſchafft Eſſex præſentirt ein ſuplica-
tion/ von 30000. Mann vnderſchrieben/ daß man mit den Friedens Tractaten
wolte fort fahren/ dergleichen thet die Graffſchafft Surꝛila [...] vnnd die gantze
Statt Londen nicht weniger. Darauff erlaubt das Parlament/ daß der Koͤnig
auff zehen Meil Wegs/ oder vier Stund nahe zu der Statt kaͤhm: doch ſolte War-
trick ſeine Floth/ gegen den Schotten vnnd auß Hollandt kommenden Secours
zuruͤſten. Vnder deſſen zogen beyde Feldtherren Fairfaix vnd Cromwell auff die
Schotten an/ erſchlugen 2500. bekamen 4000. mit dem General Hamilton ge-
fangen/ vnd hatten noch vor dem Treffen Gloceſter einbekommen: Die Tractaten
auff der Jnſel geſchahen den 12. oder 22. September/ vnd waͤhre alles zum er-
wünſchten End außgeſchlagen/ da deß Parlaments Feldherꝛn nicht was an-
ders im Sinn gehabt. Dann ſie vbergaben dem Parlament eine Schrifft/
vnd befahlen daſſelbe ſolte den Koͤnig vor Gericht ziehen/ er waͤhr vnduͤchtig zu
regiren/ damit er wegen ſeiner Regierung/ auch alles biß dahin vergoſſene [...]
Bluts/ Red vnd Antwort gebe. Der Printz von Walliß/ vnd der Hertzog go [...]
Yorck/ ſo ſich in Holland hielten/ ſolten erſcheinen/ oder vor Feinde deß Vat-
terlands erklaͤrt werden. Jn dieſem Vorhaben ruckten der Kriegsrath/ vnd alle
Parlaments Truppen/ den 6. oder 16. December nach Londen/ nahmen ein das
Weſtmuͤnſter vnd den Pallaſt Withall/ wie auch S. Pauli Kirch/ ergrieffen
all gemeines Geld/ legten die Hand an mehr dann viertzig Parlamentsherꝛn
im vnder Hauß/ entſetzten deren eben ſo viel alß ob ſie in dieſem wichtigen Han-
del parteyiſch waͤren. Hie ließ Fairfaix/ ohne Wiſſen deß Parlaments/ den
Koͤnig auß der Jnſel Vecta holen/ vnd in das Caſtell Horſt ſetzen/ bald nach
Windſor ſechs Meiln von Londen/ vnd den 20. oder 30. Januarij folgends
nach Londen in die Statt fuͤhren.


Sonſten
[111]\& Germaniæ Continuatio.

Sonſten iſt dieſes 1648. Jahr wohl ein Wunder-Jahr auch in dieſen/ daß
Philippus VI. Koͤnig in Spanien/ den ewigen Frieden mit den Staaden/ der
vereynigten/ Niderlanden geſucht/ vnd den 5. oder 15. May durch ſeine gevoll-
maͤchtigſte zu Münſter in Weſtphalen geſchloſſen vnd beeidigen laſſen. Dieſen
Frieden wolte Franckreich nach aller Muͤglichkeit gehindert haben/ damit jhme
der Laſt nicht kaͤme allein zu tragen: ſo meinten die Schweden/ es ſolte bey bloſem
Degen der Spanier auch den Teutſchen Frieden angenommen haben/ wann die
Hollaͤnder nicht ſo ſehr geeilet hetten. Dieſelben hatten aber jhre beſondere Vr-
ſachen/ vnd konten nit auß dem Schulden Laſt kommen: ſie beſorgten ſich Franck-
reich moͤgt vnder einem Jungen Koͤnig gar vnden liegen/ oder mit ſich ſelbſt zu-
thun finden/ ja wann es zu maͤchtig waͤr/ die Niederlaͤndiſche Prouintzen vnder
das Joch ſuchen zubringen/ zu mahl die alten Kriege vnd Spruͤche von dem zu-
kuͤnfftigen vrtheiln koͤnnen. Sie ſahen auch/ daß jhr Feldherr/ deme von wegen
der trewen Dienſten ſeines Vatters vnd Groß-Vattern vber groſſer Gewalt
gebuͤhrte/ der groſſe Macht in ſeinem eygenen vnd wegen deß Kriegs-Weſens
koͤnte auffbringen/ vnd der Leuthe Gemuͤther an ſich ziehen/ den Tittel Jhrer
Durchleuchten truͤgen mit Churfuͤrſtlichen vnd Koͤniglichen Haͤuſern verwand
waͤr/ in der Herrlichkeit aufferzogen/ von keiner Demuth vnnd Leuthſeligkeit
wiſſete/ demnach die Republick mit der Zeit vnderdrucken wuͤrde. Spanien
hette hiebevor nicht gaͤntzlich auff dieſe Provintzen verziehen/ vnd mit jhnen/ alß
freyen Voͤlckern (nemblich was dieſelben Tractaten belangen moͤgen/ vnnd
Gleichnußweiß darauß kein Realitaͤth zu ſchlieſſen/ gleich wie der Heylandt võ ſich
ſelber ſagt/ Er werde kommen wie ein Dieb in der Nacht) tractirt/ ließ aber nun vnd
in Ewigkeit alle Spruͤche ſchwinden/ vñ hielt ſie wie die Venetianer oder Schwei-
tzer. Nicht ohn/ wann Franckreich den Belgiſchen Loͤwen an einem/ vnd die Hol-
laͤnder denſelben am andern Ohr hielten/ wuͤrde er matt niderſincken: wann die-
ſer Hercules an beyden Ohren beſtricket waͤr/ ſolte jhm der Kolben auß der Fauſt
fallen: Darumb gedachte er auch die eine Hand vnd den einen Arm frey zuhaben/
was es noch koſten moͤgte/ ſo wuͤrde der Strick am andern nicht lang mehr veſt
bleiben/ vnd iſt nicht ohn/ es verwundert ſich jederman/ daß Spanien gleichſam
carta bianca darbothe/ vnd den Hollaͤndern allen genuͤgen zuthun bereyt war. Sie
aber bekamen nichts weiters durch die Tractaten/ als was ſie durch recht der Waf-
fen ſchon ein hatten/ alſo daß Spanien kein fernern Anſpruch an ſie haben koͤnte:
vnd gedachter/ es waͤr Spanien mit ſeinem Schaden witziger worden/ die Nie-
derlaͤnder zu bezwingen/ vnd alſo die Hoͤrner nicht wieder auffſetzen: Dienete aber
ſehr wohl zwiſchen jhnen vnd Franckreich alß einer Stang zwiſchen zweyẽ muth-
willigen Pferden/ daß ſie nicht konten zuſam̃en ſchlagen/ noch Vrſach aneinander
finden/ die Pfaͤltzer klagten vor vnd nach vber dieſen Frieden/ daß jhrer ſo gar nicht
waͤre darbey gedacht worden/ auch nicht der vnder Pfaltz/ angeſehen/ das Hauß
Pfaltz
[112]De Statu perturbato Franciæ
Pfaltz ſich bey Oeſterꝛeich jhrentwegen ſtinckend gemacht/ vnd bey allen Reichs-
Verſamblungen jrer am beſten gedacht/ auch mit Rath vnd That nim̃er vergeſſen.
Daß ſie aber dz offentliche oder priuat Exercitium der Religion den Spaniſchen
Prouintzen/ alß Flandern vnd Brabandt/ nit wollen zu wegen bringen hatten ſie
dieſes Bedencken/ es moͤgte das Volck ſich von jhnen/ in dieſelbe herꝛliche Landt-
ſchafften vnd Manufactur Staͤtte begeben/ vñ jre Niederlanden oed laſſen: Dañ
bekandt/ nur võ der Statt Antorff zu reden/ dz der Lufft/ die Wohnungen/ der Str õ
vnd alles wz zũ Handel gehoͤrt/ auch ein Orth in Auffnehmen bringen kan/ daſelbſt
weit beſſer/ dann zu Ambſterdã/ zumahl auch Ambſterdam ſich in wenig Jahren ſo
weit außgebreyt/ vnd ſonſtẽ ein kleinen/ nit viel bewohnten Bezirck inhielte/ biß die
Engellaͤnder den Koͤniglichen Woll vnd Farbhandel dahin gelegt haben. Dz aber
die Hollaͤnder bey wehrendem Frieden in Factionem zerfallen/ oder ſchlaͤfferig
werden ſolte/ wie Lipſius vorzeiten gerahten wollen ſie nicht fõrchten/ was ſo lang
das Hollaͤndiſche Maͤnnlein die Pfeil in der Hand beyſam behaͤlt/ vnd ſie nit eyn-
tzelen auß dem Buͤſchlein/ ziehet. Meynen auch/ es werde jm̃erzu in der Nachtbar-
ſchafft/ vnd ſolt es gleich jenſeyt der Liny vnd in Jndien ſeyn/ ſolche Haͤndel abge-
ben/ daß/ wer luſt hette/ jhm das Leder koͤnte gerben laſſen/ vnd auſſerhalb deß Vat-
terlands ſein Schulrecht thun damit er demſelben zur Zeit der Noth/ mit Nutzen
vnd Ruhm dienen moͤgte.


Wir melden nur im vorbeygehen/ daß Hertzog Ernſt von Sachſen Weimar/
die beyde Landgraͤffiſche Haͤuſer in Heſſen/ Caſſel vnd Darmſtatt/ auß dem Grund
verglichen/ nachdem dieſelben einander biß in den grund verderbt/ vnd bald vndẽ
bald oben gelegen/ vber der Succeſſion deß Fuͤrſtenthumbs Marpurg weil Darm-
ſtatt die Theilung in die Koͤpff/ vnd alſo drey Vierteltheil vor ſich; Caſſel aber ſie
in die Staͤm̃e/ nach der Helfft wollen getheilt haben/ vnd deßwegen dz Hauß Oeſte-
reich vnd Franckreich mit ins Spiel gebracht/ auch mit gelitten oder triumphirt/
nach dẽ die Hauptarmeen geſtanden/ gangen/ oder gelegen. Zu Kopenhagen war
den 28. Febr. Chriſtianus IV. geſtorben/ vnd muſte den empfangenen Schimpff
den Schweden ſchencken. Hertzog Friederich/ biß dahin/ Ertzbiſchoff zu Bremen/
ſuccedirt dem Vatter durch ordentliche Wahl der Staͤnde/ den 19. April/ vnd ließ
ſich huldigen/ den 6. Julij. Ein Tuͤrckiſcher Chiaus kam mit ſechzehen Pferden
nach Wien/ den Frieden in Hungarn vnnd Dalmatien zuvnderhalten/ vnd das
Streyffen vff den Graͤntzẽ abzuſchaffen. Jn Franckreich wurd dz gemeine Volck
ſchwuͤrig/ wegen vielfaltiger Preſſuren/ vñ trieb dz Parlament/ ein Einſehens zu
haben: alſo ward Emery/ Oberſter-Schatzmeiſter abgeſetzt. Der Koͤnig kam ſelbſt
ins Parlament/ erließ ein dritten Theil von den Aufflagen/ verurſacht aber ein
newen Tumult/ alß er etliche/ ſo dem Vlock das Wort eiferig gethan hatten/ von
der Gaſſen hinfahren ins Gefaͤngnuß/ den er aber wieder frey müſſen laſſen/ alß
das Volck die Bruͤcken einnahm/ die Gaſſen ſchloſſe/ vnnd ſich in Verfaſſung
wieder
[113]\& Germaniæ Continuatio.
wieder die Hauptguardy ſetzte. Mitten im Sept. zog der Koͤnig heimlich vnd
zornig auß der Statt/ nach S. Germain: das Parlament erſucht die Koͤnigin/ dz
berdoch moͤgte wieder kom̃en/ vnd mit den Fürſten deß Vatterlands Wohlfahrt
beobachten/ welches auch bey außgehendem October geſchehen/ vnd zwar auff eben
den Tag/ als die Zeitung vom Frieden zu Muͤnſter in Weſtphalen ankom̃en. Wie
lang aber dieſer Vergleich gewehret/ werden wir alſo bald vernehmen.



Der 12. Diſcurß.


Wie alle Staͤnd in Europa/ nach dem Frieden getrachtet/
auſſerhalb Spanien. Was der Frantzoͤſiche Fried erhalten. Was die Weltli-
che Churfuͤrſten/ auch die Schweden vberſehen. Wer Vortheil davon getragen.
Auffſtandt zu Pariß wieder den Cardinal Mazarini: Was die vorige Koͤnige vor
Gluͤck vnd Vngluͤck gehabt. Was vnder deß Cardinals Verwaltung vor Nutzen/
ſonderlich auß dem Teutſchen Frieden der Kron Franckreich zukommen.


WAnn man nun alle vnd jede Staͤnde in Europa be-
trachtet/ findet ſich alles zu dem Frieden geneygt/ oder genoͤthigt. Der
Koͤnig in Engelland hette vnder dem Teutſchen Frieden etwas Hůlff
hoffen koͤnnen/ Dennenmarck war erſt an das Regiment kom̃en/ vnd muſte noch
an der vorigen Wunden/ ſo er in Holſteln/ Jutland vnd zur See empfangen/ le-
cken/ dieſelbe in der Ruhe zu heylen. Schweden hatte zwar allen Vortheil inder
Fauſt/ gedachte doch ſeinem Gluͤck ein veſten Nagel zuſchlagen/ weil die Junge
Manſchafft im Land vor gieng/ vnd wenig Nutzen/ ja vielmehr groſſer Vnkoſten/
auff dieſe newe Herꝛlichkeit erfolgte. Poln hatte den Tuͤrcken/ die Tartarn/ vnd die
eygene Vnterthanen in Walachey vnd der Littaw/ zufoͤrchten. Franckreich war
erſchoͤpfft/ vnd wolte dermahl eins die Ernde von ſo vielem Gut vnd Blut ſehen/
ſonſten/ wie dz Meer/ durch jedẽ Wind in Vnruh vnd Vffſtand leichtlich zubrin-
gen. Venedig ſeufftzet vnder dem ſchwaͤren Laſt/ vnd ſahe ſich Huͤlffloß. Neapeles
vñ Sicilien wurden ſchwuͤrig. Saphoyen ſuchte ſich auß den Klippen zubringen/
vnd muſte zwiſchen beyden Monarchen lauiren. Der Bapſt befandt ſich bey dem
ſo gemeinen Kriegsweſen ohnkraͤfftig/ ſo fern/ daß man jm in Franckreich ſein An-
ſehen gar wollen entziehen/ vnd vnder der Verwaltung eines Kirchen-Haupts
oder Patriarchen jhm nur in Glaubensſachen anhangen/ wann er ſich zu weit
auff die ander ſeyt gelegt haͤtte. Vnd nicht vielbeſſers hatte er auß Spanien zuge-
warten/ welche er auff allen ſeyten vmb ſich vnd ſeinen Staad ſahe/ in Erwegung
der Geſchichten vor hundert Jahren. Aber zu der Vernichtung vnd Vereuſſerung
der Geiſtlichen Guͤttern vmb derentwillen der Krieg war fürnehmlich fort geſetzt
worden/ konte er gar nit verſtehen/ ſondern muſte noth halber darwieder proteſti-
ren. Der Koͤnig in Spanien wolte von ſeiner eygenen Parthey nicht verſchimpfft
ſeyn/ wohl wieſſend: wie er mit dem Hauſe Oeſterreichſtuͤnde/ vnd daß er ſein recht
P pjeder-
[124[114]]De Statu perturbato Franciæ
iederzeit muͤſte vorhehalten/ den Dantz bey guter gelegenheit wieder an zufahen
Doch hetten die Ligiſten/ denen er von Anfang deß K[r]iegs ins gemein/ vnd abſon-
derlich ſo groſſe Dienſt gethan/ ſeiner auch beſſer gedencken ſollen/ vnd einige Be-
lohnung oder erkandtnuß erwieſen. Darumb konte er in dieſen Fried nit gehellen/
nicht daß er was Feindlichs wieder Teutſchland im Sinn hette/ ſondern ſeyn ey-
genthumb (die Vnderpfaltz/ ſo jhm der vorige Kaͤyſer Erblich vnd Eygenthum-
lich vbergeben) vnd ſeiner Blutsfreund/ ſo noch Minderjaͤhrig/ Recht zuerhalten.


Wz aber dẽ Kaͤyſer zu dieſem Frieden getriben/ war/ dz d’ Reichs Cantzlar/ oder
Ertzbiſchoff zu Maͤyntz geſtorbẽ/ deme Johann Philips võ Schoͤnborn/ zuvor Bi-
ſchoff zu Wuͤrtzburg vnnd Hertzog in Francken/ ſuccedirt, vnd den Friedẽ eyferig
eyfferig ſuchte. Als nun der Churfuͤrſt in Bayern den Feind in
ſeinem Land/ vnd den einen Fuß im Grab ſahe/ fiel er jm bey vnd hettẽ ſonſten die-
ſe beyde Churfuͤrſten/ denen. Coͤllen vnnd Trier anhaͤngig/ beicht eine Trenung
machen/ auch ſich von dem Hauß Oeſterꝛeich/ welches Schweden vnnd
Franckreich jederzeit geſucht/ abziehen koͤnnen: Zumahl die Spaniſche Macht
anderwertlich viel zu thun fand/ vnnd keine genugſame Huͤlff dieſer Zeit leyſten
mogte/ Auch ſahen die vbrige Catholiſche Staͤnde/ Saltzburg ſelbſt/ der ſich jeder-
zeit wollen in der ſtille halten/ wie ſchroͤcklich ſie mit genommen wordẽ/ vnd lieſſen
vmb jres eygenen beſten willen den Eyfer wegen der Religion vmb ein mercklichs
abkuͤhlen. Dennoch blieb Oeſterꝛeich bey ſeinem erſten Geluͤbd/ vnd ließ ſich ſein
eygen Schaden nit anfechten/ ob ſchõ der Feind die Erblaͤnder abfaͤllig gemacht/
durchſtreifft vnd ein feſten Fuß/ drein geſetzt/ auch vor Regenſpurg/ vff dẽ Reichs-
tag/ vnd vor der Reſidentz-Statt-Wien/ Prag zugeſchweigen/ ſeine bravaden ge-
ſpielet. Gedachte aber vmb dieſer vnd andern Vrſachen willen ſich auß dẽ Strom
zu machen. Die Proteſtirende aber ſahen/ daß ſie dem Eſopiſchen Pferd nicht vn-
gleich gethan/ welches dem Hirſch die Waid nicht moͤgen goͤnnen/ vnd deßwegen
ſich dem Jaͤger vnder Sattel vnd Sporn in den Zaum gegeben: Der zwar den
Hirſch erlegt/ aber im Sattel ſitzen bleiben/ vnnd das Pferd Zaumrecht gemacht.
Dann die Schweden hatten das gantze Roͤmiſche Reich mit Veſtungen vnd Be-
ſatzungen/ von einem vnd zum andern gefaſt/ durch deren Gewalt ſie Gelder vnd
Frondienſten nach belieben erpreſſen konten. Es war jhnen nit genug/ daß ſie dem
Moſcowiter vnnd Poln groſſe Landſchafften diſſeits jhrer See abgenoͤthigt: ſie
hielten Pommern/ alß die Thuͤr nach Teutſchland zu jrem willen offen. Das wei-
te breyte Land Brandenburg hatten ſie gleichſam vmbgeben/ vnd wie ein Wild
vmbſtelt: Sachſen vnd Schleſien waren gefaſt. Die Liny gieng von
Wißmar vnnd der See ja von Wollin vnnd Colberg auff Großglogaw/ nach
Olmuͤtz; Von dañen auff Tabor/ Prag/ Eger/ vnnd neben zu auff Regenſpurg/
Luwingen/ vnnd biß gegen Bregentz am Gebuͤrg: auch fern herumb/
nach Benfeld vnd auß der Oberpfaltz/ von Neumarck vnd der Weyden/ vber Er-
furt nach Leiptzig/ biß garhienunder nach Weſtphalen/ zu der Vecht/ vnd de[m]
Ertz-
[115]\& Germaniæ Continuatio.
Ertzſtifft Bremen. Wie ſie ſich dann verlauten laſſen/ ſie hetten vber ſechtzig Ve-
ſtungen in Teutſchland innen/ deren ein jede nicht anderſt/ alß durch ein voͤllige
Armee zubezwingen waͤr. Auß dieſer Beyſorg erinnerten ſich die Proteſtirenden/
Es hette zwar der Schweden Koͤnig hochbetheuret/ dz er keines Fuſſes breyt Land
begehrte/ nun aber ſo grobe Brocken ſolten abfallen: Der Appetit koͤnte bey den
Schweden zunehmen/ vnd das vbrige auch gar verſchlingen-Darumb wolten ſie
deren mit Glimpff ledig werden/ zumahl dz Hauß Oeſterꝛeich bey dieſem Vnwe-
ſen ſo gar herunder kommen/ daß bey dem Holſteyniſchen Zug man nit ein einige
Haupt Veſtung jhnen koͤnnen abnehmen/ vnd Olmütz vergeblich belaͤgert gewe-
ſen. Auch ſolten die Schweden/ bevorab da ſie ein Mitglied deß Roͤmiſchen
Reichs wegen Pommern wuͤrden/ bald wieder in Harniſch kriechen/ vnd gleiche
Belohnung erwarten/ im fall die Cleriſey wegen der Geiſtlichen Gütern newe
Haͤndel anfinge. Vnd eben darumb gab es die mehrſte difficulteten bey dem
Kaͤyſer ob er auch Gewiſſenshalben die Geiſtliche Guͤter begeben/ vnd den Vn-
catholiſchen zu Kammer- oder Taffel Guͤtern verſtatten koͤnte. Da freylich der
Schrifftgelehrten Meinungen different gefallen/ die weil wie laͤngſt in vnſern diſ-
curſen erwieſen/ dieſelbe nicht in Kaͤyſer- oder Weltlichen Haͤnden ſtehen/ ſondern
der Cleriſey/ vnd demnach dem Roͤm. Pabſt/ als jhrem Haupt/ vnderwuͤrffig ſind/
auch Carolus V. auß eben dieſer Vrſachen bey dem Roͤm. Stul geringen Danck
verdienet haͤtte/ die andere aber hetten einzuwenden/ eben deßwegen koͤnte der
Papſt darwieder proteſtiren/ vnd ſolch vbel begebens Recht zu ſeiner Zeit ſuchẽ/
oder muͤſte Geld vnd Volck hergeben/ vnd die Frantzoſen zu einem andern Siñ
lencken/ damit man dem Kaͤtzern koͤnte gewachſen ſeyn. Oeſterꝛeich aber ſein Pa-
trimonium ins ſpiel zuſetzen nicht gezwungen waͤr. Fuͤrnemlich aber war es zu
thun vmb die jenigen Geiſtlichen Gewiſſen/ die am Frieden ſchmieden od’ hindern
ſolten/ ob ſie nicht jhres Beruffs vnd Eyds/ welche die Hoheit der Kirchen zum
hoͤchſten vnd einigen Abſehen ſtaͤrcken/ bey der Vnderſchreibung vergeſſen/ vnd
dem Vncatholiſchen weder Fried noch Schutz zuſagen noch halten ſolten/ endlich
drang die Noth vnd gemeine Gefahr vor/ daß man dieſer ſeit daß Axioma, die Ca-
tholiſche Kirch muͤſte allzeit jhren Feinden obſiegen/ hindan ſtelt vnd ſich in die
Fuͤrſehung Gottes ſchickte.


Wie nun Franckreich die Lothringiſche Haͤndel nicht wollen bey der allgemel-
nen Verſamlung abhandlen laſſen/ vnd eben deßwegen die Catholiſche Abgeſan-
den abgewieſen/ alſo blieben auch bey dem Frieden Schluß dieſelben außgeſetzt.
Der Frantzoß ließ den Churfuͤrſten vnd Ertzbiſchoff zu Trier voͤllig wieder einſetzẽ:
Die Veſtung Hermenſtein auff die Execution der Tractaten verſchieben/ den
Pfaltzgraffen/ dem Churfuͤrſten in Bayern zum beſten/ doch wohl beropfft/ reſtitu-
iren/ wie auch dẽ Marggraffen võ Baden/ Eduardiſcher Lini/ zu Land vnd Leuthen
kommen. Er beſtaͤttigt den Frieden zwiſchen den beyden Heſſiſchen Haͤuſern/
vnd nahm das Caſſ [...]liſche intereſſe wohl in acht. Auch geſchah den Schweitzern
P p ijgroſſer
[116]De Statu perturbato Franciæ
groſſer Vorſchub/ daß ſie von Anſpruch deß Kaͤyſerlichẽ Kammergerichts frey ge-
zehlt worden. Der Zoͤlle vnd deß Kauffhandels/ ſonderlich der ſatisfaction wurd
gar nicht vergeſſen: Alſo erhielt Franckreich die drey Biſtumb Metz/ Tull vnd
Verdun eygenthuͤmlich/ wie auch Breyſach/ vnd das obere Elſaß: hette zwar die
Land vogtey Hagenaw/ ſampt den zehen Reichsſtaͤtten/ ſo darein gehoͤren/ gern
mit genommen/ vergnuͤgte ſich doch entlich mit dieſen Conqueſten/ vnnd mit der
Meiſterſchafft vber den Moſel vnd Rheinſtrom. Die Schweden ſpanneten die
Seyten ſehr hoch/ wolten viel Gelt/ vnd Laͤnder haben/ dachten/ ſie hetten das Hefft
in der Fanſt/ ſprachen wie Curio/ Hic faciet. Sie nahmen Stell auff allen Reichs-
taͤgen/ wechſelten mit dem Brandenburger wegen ein Theil Pommern/ vnd gaben
jhm Magdeburg vnd Minden: Theten jhren Religionsverwandten/ den Luthe-
ranern allen vortheil/ wo ſie nur kondten/ lieſſen doch die Caluiniſten vor Kauff-
mans Gut paſſiren/ vnd in dem Prophan vnd Religions Frieden einkom̃en wel-
ches die Catholiſche Staͤnde jhnen frey geſtellt/ zumahl jhnen/ einer ſo viel gielt/
als der ander. Bey der Reſtituirung hielt es anfangs hart/ ob der Zeit/ vnd Anfang
derſelben: Dann etliche nahmen das Jahr 1618. vnd wolten die reſtitution erzwin-
gen/ dz alles in den Stand ſelbiger Zeit/ wie es vor dẽ Boͤhmiſchen-Vnweſen war/
wieder gebracht wuͤrde. Aber Baͤyrn bracht es bey Franckreich dahien/ dz Schwe-
den in dz jahr 1624. gehellen muͤſſen/ welches auch der Kayſer/ wegen Vbergab der
Obern Pfaltz/ vnd alle Geiſtliche gern geſehen/ vnd Sachſen/ auch Brandenburg
geſchehen laſſen. Die Pfaͤltzer ſeufftzeten hierüber/ vnd meynten/ die Proteſtierende
zween andern Churfuͤrſten weren blind geweſen/ daß ſie ſich hinfuͤhro vberſtim̃en
lieſſen/ vnd das Churfuͤrſtliche Collegium nicht mehr in der gleichen Wage halten
koͤnten. Der Kaͤyſer hette ja in offentlichem Patent geſtanden/ er hette den vorge-
ſchriebenen Proceß/ wegen der ergangenem Acht wieder den Pfaltzgraffen nicht
koͤnnen halten: ſo hetten die ſaͤmptliche Churfuͤrſten bey der newen Capitulation
ſolche Wort hienein geſchoben/ die genugſam̃ anzeygten/ daß einem Churfuͤrſten
mit ſolcher Procedur vngleich geſchehe/ zugeſchweigen deß Kaͤyſerlichen Reuers,
daß derſelbe actus keinem Churfürſten ſolte ins kuͤnfftig præjudicirlich ſeyn. Aber
ins gemein wurden die ſaͤmptliche Proteſtirende getadelt/ daß ſie der Oeſterꝛeich-
iſchen Landen/ vnd deß Koͤnigreichs Boͤhmen/ ſampt incorporirten Prouintzien
Privilegien/ ſo gar nit beobachtet/ vnd die Religion laſſen vnderdrucken. Waͤren
auch mit der Vnmuͤglichkeit nit zuentſchuldigen/ wann ſie nur die Gerichts Acta
von hundert Jahren her vber ſehen moͤgten/ darinnen befindlich/ dz jhre Voreltern/
mit Darſetzung jhres euſſerſten Vermoͤgens/ die Religion nicht nur geſucht zuer-
halten/ wo ſie ein mahl einkommen/ ſondern auch allen Catholiſchen Staͤnden vnd
Landen die Thuͤr geoͤffnet/ auff jhre ſeit zutretten/ vnd eben die Außdeutung deß
Paſſawiſchen Vertrags/ ſo fern ſie ſolcher Freyheit zu wieder iſt/ nimmermehr gut
wollen heyſſen. Alſo dz er ſcheine/ wann nur die Proteſtirende ſich keiner Anſpruch
mehr
[117]\& Germaniæ Continuatio.
mehr zubefahren/ ob ſie die eingezogene Geiſtliche Guͤtter ad pios vſus, den Stieff-
tungen gemaͤß/ wie es zu Anfang der Reformation gelautet/ oder zum Hoffleben/
zum Jagen/ zum Praſſen/ vnd ſonſten verſpielen oder verwenden/ haben ſie nie-
mandt mehr deßwegen Red vnd Antwort zu geben/ hetten auch vielleicht dieſes ge-
heyme Nachdencken darbey/ daß ſie jhren Geiſtlichen von dato die Beſoldungen
von dem eygenen reychten/ vnd da ſie den Mund zu weit auff thaͤten/ ſolcher Ge-
ſtalt beſchneiden koͤnten/ biß der Vogel nach dem Brod lernete ſingen. Bey die-
ſen gantzen Tractaten hatten die Proteſtirenden jhr Abſehen auff Schweden/ vnd
die Catholiſchen auff den Koͤnig in Spanien: beyde Parteyen lieſſen den Frantzo-
ſen mit machen/ ober gleich weder kalt noch warm war/ vnd auff beyden Achſeln
truge/ vnnd wegen der Religion der Cleriſey geneygt war.


Es wurd aber dieſer Fried nur auß dem Rauhen gehawen/ vnd hatte noch
keine Handhab/ zumahl dz Mißtrawen wegen deß Bayeriſchen Armiſtitij allent-
halben vorginge. Darumb ſolte der Kayſer vnnd der Churfuͤrſt in Bay-
ern jhre Voͤlcker moͤgen auff den Beynen behalten/ aber in jhren eygenen
Landen verpflegen: die Schwediſche vnnd Frantzſoͤſiſche Truppen durch dz Reich
ſich außtheillen. Da abermahl beyder ſeyts ein kleines Abſehen vorgangen/ in
deme die Schwediſche vielieber zu Fuß mitten im Reich/ ohn fern von ein ander
lagen/ die Reuterey aber ringsvmb/ gleichſam auff der Schiltwacht hielten/ vnd
alſo die gantze Macht in wenig Tagen ſich ins Feld ſtellen/ auch hin vnd her wenden
koͤnnen/ vnd wie ein Jgel die Stacheln auß werffen. Aber es mag Oeſterꝛeich die
Vollziehung der Tractaten vielleicht auch deßwegen nit vngern verzogen geſehen
haben/ damit den Standen die Erlegung der Friedens-Gelder/ vnd darneben die
Verpflegung der Soldadeſca ſo dieſelbe Summ erreychen/ vnnd endlich weit v-
bertreffen wuͤrde/ zumahl ſchwer/ vnd vnertraͤglich fiele/ da durch die Gemuͤther
auch der Proteſtirenden ſich von jhnen lencken/ vnd wieder zu dem Hauß Oeſter-
reich wenden moͤgten. Jn Summa/ es hatte ein jeder ſein eygen Abſehen/ vnd wol-
te/ wie er ſeine Mittel bey dem Vnweſſen ein gebuͤſt/ auch deren Ergetzlichkeit ge-
waͤrtig ſeyn. Vberhaupt aber erhielten die Schweden ſehr viel/ vnnd Franck-
reich nicht weniger. Sachſen trug die Ober vnd Nieder Laußnitz/ ſampt
vier Aemptern/ vnd dem Ertzbiſchoff Magdeburg davon: Brandenburg erober-
te beſſere Jntraden/ begab aber etwas von ſeiner Macht: Heſſen ließ ſich auß Mar-
purg nit weiſen/ vnd hatte/ wie Quevedo ſagt/ dz Becken gehalten/ alß der Schwed
den Teutſchen ſchrepffie vnd Aderließ/ ſeinen Balg wohl verwahrt/ vnnd den
Beutiel geſpickt. Aber der arme Bawers man/ hatte ſich deß Friedens wenig zu-
erfrewen/ weil er aller erſt muſte Blut ſchwitzen/ vnd dz vbrige noch herauß geben.
Der Kauffman war zwar wieder hoͤher mit ſeinem Gewerb/ fand aber kein Abzug
mehr/ weder auff dem Land/ auß mangel der Jnwohner/ noch bey den Soldaten/
die dann anfiengen haͤußlich zu leben/ vnd den Pfenning in der Hand zu halten/
P p iijweil
[118]De Statu perturbato Franciæ
weil er ſo bald nicht wieder zu finden/ vnd mit der Handarbeit wolte geſucht wer-
den. Der Burgersman hatte ſich biß dahin her auß gerieſſen/ vnd mogt die Arbeit
nit mehr an den Mann bringen/ ſondern ſeufftzete/ daß die newe Aufflagen an den
Zoͤllen immerzu beharꝛlich blieben/ vnd die Obern von vielen Schuldẽ ſagten/ die
ſie zu Erhaltung deß Staads vnvmbgaͤnglich machẽ muͤſſẽ. Doch gab es auch Ey-
ferer/ die etwan jhre geweſene Mit-Buͤrger vnd Zunfft Geſellen in ſchlechtem Zu-
ſtandt geſehen/ aber ſo bald ſelbe in den Rath gezogen worden/ praͤchtig vnd reich
vernahmen/ ob ſie ſchon zuvor vber den Rath zu klagen pflegten/ nun aber beken-
neten/ ſie hettens nimmer gemeynt/ daß es ſo redlich zugienge/ nach dem ſie new-
lich angefangen mit zulecken vnd die Suͤſſigkeit deß Honigs gekoſtet. So laſſen
wir dann die geſampte Friedens macher von Muͤnſter vnd Oßnabruͤck auß Weſt-
phalen nach der weit beruͤhmten Statt Nuͤrmberg ziehen/ vnd geben jhnen die
Friedens Verſtoͤhrer/ oder Kriegsmaͤnner zu/ dz ſie den Schweyß vnd Staub mit
dem kuͤhlen Wein abwaſchen/ vnnd die Federn Bette bey den Damen vor dem
vbelrichenden Stroh in der Compagne belieben.


Jn Franckreich wolte der Tumult ſich nit ſo ſchlechter Diengen ſtillen laſſen.
Der Koͤnig/ ſampt der Koͤnigin/ dem Cardinal/ Hertzogen von Orleans vnnd an-
dern Printzen/ weil die Feindſchafft zwiſchen dem Hoffrath vnd Parlament im̃er
zu nahme/ machten ſich heymlich auß Pariß nach S. Germain: Darauff alles
was den folgenden Tag dem Hoff folgen wollen/ vom Poͤbel gepluͤndert worden:
die Burger beſetzten die Thor/ vnnd Maͤrckte/ vnd begehrten zu wieſſen/ weil
Schreiben an das Parlament ein kommen/ der Koͤnig waͤr nit zu dem End auß-
gezogen/ daß er der Statt einigen Schaden der Vnfug begehrt an zu thun/ ſon-
dern ſeine Perſon von etlicher Leuth grewlichen Fuͤrhaben zu verwahren wer dañ
dieſelben waͤren/ auff daß ſie der Gebuͤhr nach geſtrafft wuͤrden. Zwey Decret
kamen an Tag/ die Statt zu verwahren/ vnd die vmbliegende Orth zubeſetzen/ da-
mit die Zufuhren vngehindert blieben. Dz dritte war/ weil der Cardinal Mazari-
ni an dieſem Vnheyl die fuͤrnehmſte Schuld truͤge/ ſolte er in vier vnnd zwantzig
Stunden võ Hooff vñ in acht Tagen auß dẽ Koͤnigreich ſich machen. Die Koͤnigin
ſandte den Printzen von Conty vnd den Hertzogen von Longueuille an das Par-
lament/ ein Frieden zu mitteln: daſſelbe aber ließ die Drommel ruͤhren/ vnd alles
zum Krieg anſtellen. Die Hertzogen D’Elbœuff vnd Boullion, auch Beaufort mit
ſeinen eingebrachten acht hundert Mannen/ waren die Oberſten/ vnd der Printz
das Haupt: gegen Condè Harcourt Melleraye vnd Grammont, ſo deß Koͤnigs
Voͤlcker wieder die Statt fuͤhreten/ das Parlament bezwang die Baſtille, vnd ſetzt
den Bruſſelles hienein zum Commendanten: erklaͤrten den Beaufort vor vnſchul-
tig/ ob er ſchon juͤngſt das Koͤnigreich muͤſſen raumen: ſchrieb an alle andere Par-
lamenten vnd fuͤrnehme Staͤtte im Koͤnigreich/ daß ſie die Waffen wegen gemei-
ner Freyheit ergrieffen/ vnd weil es ein gemeine Sach waͤr/ ſo ſie ſelbſten vnd ein je-
den
[119]\& Germaniæ Continuatio.
den betreffe/ ſolten ſie mit Volck vnd Proviand jhnen in der Noth beyſpringen.
Sie muſterten die Koͤnigs Voͤlcker zu Roß vnd Fuß/ fuͤhrten in jhren Fahnen
dieſe Wort/ Regem noſtrum quærimus, wir ſuchen vnſern Koͤnig: weil es dann
nun vmb dẽ Cardinal Mazarini/ wie vor wenig Zeiten vmb den Cardinal Riche-
lieu
zu thun war/ wollen wir ſeyn Thun vnd Laſſen vmb et was nach beleuchten/ vnd
ſehen ob ſeine Verwaltung dem Koͤnigreich ſo gar ſchaͤdlich geweſen/ oder nicht.


Die Perſon dieſes Cardinals war verhaßt/ weil zu ſeiner Zeit die Kron Franck-
reich etliche mahl groſſen Schaden vnd Abbruch erlitten: kan jhm aber nicht eben
zugemeſſen werden/ weil das Gluͤck der Waffen/ vnd die Regierung deß Erdkreyſ-
ſes in hoͤher Hand ſtehet Franciſcus I. erhilt zwo Haupt Schlachten/ eine bey Me-
rignan,
die andere bey Ceriſoles: entſetzt Landreſchy, verwahrt die Provanſe/ hatte
Gluͤck in Jtalien/ Piccardy/ Schampanyen vnnd den Niederlanden: verlohr
aber ein Hauptreffen/ ja ſeine eygene Freyheit/ mit nahmhafften Staͤtten vnnd
Landen/ trug doch den Nahm deß Groſſen/ welchen jhm das wiederſpenſtige Glück
nit benehmen koͤnnen Henry II. lieff Carolo V. allen Vortheil ab/ aber Philippus II.
hatte gantz ander Gluͤck wieder jhn/ nach dem Henry auß Pauli IV. Gntachten vnd
der Guyſen Raht den Treues gebrochen/ den Anſchlag auf Neapolis ließ zu Waſ-
ſer werden/ das Treffen bey S. Quantin/ vnd ein andere bey Graͤuelingen ver-
lohren/ vnd bey dem Frieden Schluß zu Chaſteau Cambreſis mehr begab/ als
man in dreiſſig Jahren wieder erobern moͤgen/ zugeſchweigen/ daß er den inheymi-
ſchen Kriegen damahls Thuͤr vnd Thor auffgeſperret. Der Hertzog von Anjou,
ſein Sohn/ erweckte groſſe Hoffnung bey jedermaͤnniglich alß er die Schlacht bey
larenac, vnd die ander bey Moncontour erhalten/ fuͤhrte aber bey ſeiner Koͤniglt-
chen Regierung/ vnder dem Nahmen deß Henry III. ein ſo ſchoͤnen Baw v-
belauß. Henry IV. gewann drey Haupt-Schlachten/ fand ſich in fünff
vnd dreyſſig Treffen/ hatt ſelbſt hundert vnd viertzig mahl gefochten/ vnd drey hun-
dert Orth belaͤgert. Muſte dennoch vor Pariß/ vnd vor Rouen vnverꝛichter Sa-
chen abziehen/ vnd etliche Staͤtte vor ſeinen Augen ſehen vom Feind einnehmen.
Er hette im flachen Feld bey Aumalen ſchier dz Leben/ oder die Freyheit ein gebuͤſſt:
verlohr die Schlacht bey Dourlan/ mit vielem Adel: Cambray, Calais vnnd Arles,
Montulin, Catelet
vnnd die Capelle: biß endlich Hernant Teillo mit Nuſſen die
maͤchtige Statt Amiens jme entzogen. Dennoch bleibt jm der Nahm deß Groſſen.
Louys XIII. muſte die Belaͤgerung vor Montauban/ S. Omer, Dolen, Tortoſa
vnd Tarragonna auffheben: verlohr durch Kriegsliſt Philipsburg vnnd Trier:
richtet nichts auß mit der Liga zu Auignon/ noch auch mit den Waffen gegen Ge-
noua:
legt vor Fontarabie, die den Haven Sedan vnd Hennocour groſſen
Schimpff ein: ſahe die Graubuͤnder vnnd Veltliener abfallen/ vnnd die
Spanierwie eine Sündfluth die Piccardy vberſchwem̃en/ die Capelle, Catelet,
vnd Corbie wegnehmen: Baſſee vnd Aire wieder erobern. Vnd dieſes alles hat
ſein groſſes Lob nicht verdunckelt/ daß er die Jnſell Rè, vnd die Statt Roſchellen
bezwun-
[120]De Statu pertrbato Franciæ.
bezwungen: auch alle Hugenotten zum Gehorſam gebracht: dz er den Paß zu Suſa
mit Gewalt in Winters Zeit eroͤffnet/ Pignerol vor den Augen dreyer Feindlichen
Armeen/ vnd vier erfahrner Feldt Oberſten eingenommen/ Sophoyen vber mei-
ſtert/ Caſal drey mahl entſetzt: Lothringen vnd Roußilon/ ſampt ſo vielen Or-
then/ dem Spanier entzogen/ Jtalien/ Flandern/ Teutſchland/ vnd den Graͤntzen
Languedoc ſo manche Schlacht erhalten/ wie auch zur See obgeſiget/ die her ein-
brechende Oeſterꝛeichiſche Macht zu ruͤck geſchlagen/ vnd der gantzen Welt kund
gethan/ daß das Hauß Oeſterꝛeich nicht vnvberwindlich iſt.


Vber diß alles hat Franckreich nach deß vorigen Koͤnigs Tod in allen
Buͤndnuſſen wollen ſtehen bleiben/ vnd nicht aͤndern: hierauff wurd Diedenho-
ven erobert/ vnd die Haupt Schlacht bey Rocroy erhalten/ aber mit dem Vberfall
zu Duͤtlingen verſaltzet. Vnd da die Schweden nach Holſtein zogen/ dennoch
den Frantzoſen den gantzen Laſt/ der Feindlichen Armeen/ auff dem Halß lieſſen/
ſeeundirt der Hertzog von Anguien den Turrenne, ſchlug die Bayriſche auß dem
Feld/ vnd erobert Philipsburg/ Speyer/ Wormbß/ Germerßheim/ Landaw/ Bin-
gen/ Kreutzenach vnd Maͤyntz. Hierauff kam der ander vngluͤckliche Vberfall bey
Marienthal in Francken/ welchen der Hertzog von Anguien in Allerßheim wieder
erſetzt. Endlich vergliche man ſich mit Schweden vnd Heſſen/ geſampter Hand
zugehen/ damit das Wetter nicht auff einem Theil allein fallen koͤnt/ biß bey dem
Armiſtitio Haylbrunn/ den Frantzoſen geblieben. Wie nundie Feindſeeligkeit auff
ein newes wieder angieng/ hetten die Schweden ohne die Frantzoͤſiſche Huͤlff/
vnd die Frantzoſen nach jhnen/ den kuͤrtzern muͤſſen ziehen/ darumb durch deß Ca-
dinals Verordnung die Conjunction abermahl geſchehen/ vnd der Teutſche Friedẽ
erlangt worden. Der groſſe Nutz en vor Franckreich iſt dieſer/ daß dadurch dem
Hauß Oeſterꝛeich die Mittel in Franckreich ein zufallen genommen/ vnd die Con-
queſten in Jtalien/ Flandern vnd Catalonien verſichert ſind. Darnach dz Franck-
reich nur geringẽ verluſt an dem Gewinn kan leyden/ weil es die Teutſche Voͤlcker
haben mag/ vnd der Kayſer dem Spanier keine Huͤlff zu ſchicken ſoll. Drittens
hat Franckreich das Ober vnd Vnder Elſas/ mit der Veſtung Breyſach vnd dem
Rheinſtrom/ dadurch Bayern/ Tyrol/ vnd Schweitz/ auch Lothringen bezaumbt
werden. Viertens haͤlt Philipßburg die Statt Straßburg/ vnd den Pfaltzgraffen
in vnſer Devotion, vnd die drey Ertzbiſchoffe am Rhein in gutem Schutz. Fuͤnff-
tens wird hiedurch die Liny auß Jtalien nach Flandern/ dem Spanier vnderbro-
chen. Sechſtens bleibt Metz/ Tull vnd Verdun der Kron Franckreich gaͤntzlich ein-
verliebt dz ſie nit mehr nach Speier appellieren doͤrffen/ alſo dz deß Wallenſteins
hie genom̃ene Vrſach in Franckreich zufallen/ nit mehr guͤltig iſt. Zum 7. iſt das
Hauß Oeſterꝛeich in ſolche Schranckẽ geſchloſſẽ/ daß es zu keiner Vngebuͤhr mehr
greiffen/ oder Teutſchland vnder das Joch zubringen ſuchen wird. Dann auch
die Catholiſchen Staͤnde nit mehr ſo gar an dẽ Hauß Oeſterꝛeich hafften/ ſondern
Franckreich auch etwas gelten laſſen werden.


Der
[121]\& Germaniæ Continuatio,

Der 13. Diſcurß.


Mazarini Jugend: Verrichtung wegẽ Caſal/ Pignerol,
Sedan/ Monaco/ der Schweden/ deß Duc d Anguien, Diedenhoven/ Dutlingen/
Marienthal: Flandern/ Graͤvelingen/ Hulft/ Coutrray, Mardick/ Duinkirchẽ.
Warumb der Frantzoß Flandern angegriffen. Eyffer der Hollaͤnder gegen den
Frantzoſen. Eroberung Tortoſa, Saphoyen/ Tortona: Vigeuano: Piombino,
la M othe, Roſe.
Baͤpſtiſcher/ vnd Daͤniſcher Krieg. Mazarini entſchuldigt.


DEr Cardinal Riſcheliu hatte weit groͤſſeren vortheil
bey dem vorigen Koͤnig/ als der Cardinal Mazarini bey dem jetzigen.
Dann ein andere Regierung vnder einem dapffern Koͤnig/ vnd aber ein
andere vnder einem gantz jungen vnd Muͤnderjaͤhrigen/ ja auch vnder einer Koͤ-
nigin pflegt zu ſeyn. Es war aber dieſer Cardinal ein außerwehlter Ruͤſtzeug/
der Kron Franckreich ſehr wichtige Haͤndel zu vnderfangen/ vnd wohl zufůhren/
dann in der Jugend hielt er ſich an das Studieren/ braucht ſich bald im Kriegs-
Weſen/ hielt nicht lang darbey/ vnd ergriff die gemeine Geſchaͤfften/ zu welchen jhn
Bapſt Vrbanus anfing zu gebrauchen/ hette jhn auch hocherhaben/ da jhn ſeiner
Vettern einer auß Forcht einiger offenſion bey den Spaniern nit vermahnt vmb-
etwas an ſich zuhalten. Dennoch wurd er gebraucht im ein vnd zwantzigſten Jahr
ſeines Alters/ wie Eſteè vnd Feria bezeugen koͤnnen/ als die Spanier im Veltlin
rumoreten. Wie nun Saphoyen vñ Spanien von dẽ Hertzogthumb Mantua jed’
ſein Theil in der Einbildung weg hatte/ weil der Frantzoß vor Roſchellẽ ſich ver-
dieffet [...]d von Neuers geringe Mittel vor ſich ſelbſt beſaſſe/ den newẽ Vnderthanen
vnbekandt war/ auch keinen Nachbarn fand/ der jhm mehr als Complimenten
gabe/ nahm ſich dennoch der Frantzoß ſeiner an/ brach ein durch den Paß Suſa/ vnd
hub die Belaͤgerung vor Caſal auff/ vnd vervrſacht/ daß Saphoyen vnd Spaniẽ
den Kayſer hienein verwicklet. Hie ließ Mazarini ſehen/ das er der Kron Franck-
reich/ zu Reſtabilierung deß Friedens in Jtalien/ nach deß Bapſt eigenem Jntent/
zumahl geneygt wolte ſeyn. vnd da Caſal zum andern mahl belaͤgert war/ auch nit
laͤnger halten konte/ vermittelt er/ als Baͤpſtiſcher Agent/ ein Stillſtandt auff
gewiſſe Zeit/ bey welchem dem Citadelle alle Notturfft zukommen/ daß es ſich
biß zum Entſatz/ den der Spanier auff Frantzoͤſiſcher ſeyten vor vnmuͤglich hielte/
ohne Noth befunden/ vnd dennoch den Frantzoſen geblieben iſt. Noch hatte Maza-
rini in deme vorgebogen/ daß er dem Thoyras die Tractaten zu Regenſpurg zu ge-
ſandt/ vermoͤg deren er an der Generalen gemachten Schluß nit gebunden war/
im fall ſie von den Spaniern zuruͤck getrieben/ vnd vom Secours deß Citadells ab-
Q qgehalten
[122]De Statu perturbato Franciæ
gehalten wurden. Doch that es nicht Noth/ weil ſie der Frantzoſen Angrieff nicht
erwartet. Nun hatten ſie groſſen Vortheil/ nemlich gute Abſchnit/ mit vielem Ge-
ſchuͤtz vnnd Fewer-Werck beſetzt/ darbey Jtalianer/ Spanier vnnd ſieghaffte
Teutſchen/ ohn weit entlegene Retirade/ in viel groͤſſer Anzahl auffpaſſeten. Wie
nun die Frantzoſen in dieſe harte Nuß beiſſen wolten/ vnd bereyt das Spiel anfin-
gen/ kam Mazarini zwiſchen beyde Armeen/ vneracht der Kugeln/ ſo vber jhn ſau-
ſeten/ vnd hielt diẽ Frantzoſen ab von jhrem gruͤndlichen Verderben/ ja von dem
vnmuͤglichen Entſatz/ ſie ſoltenden Spaniern obige Puncten vorhalten/ ſo würde
S. Croce/ den er darzu vermoͤgt hatte/ ſie ein willigen. Vnd geſetzt/ die Spanier
hetten die Frantzoſen laſſen durchziehen/ vnd in das Citadelle einkommen/ ſo
trugen ſie doch der Proviant ſehr wenig/ vnd hetten deſto eher ſich ergeben müſ-
ſen. Noch iſt wunderſam daß Mazarini die Vollziehung deß Vergleichs erhalten/
ehe derſelb vnderſchrieben ward: Da dann ein Augenblick verſeumbt den Schar-
muͤtzel dẽ Anfang machen/ vnnd wohl den Mittelmann in der Furi auffopfern
koͤnnen. Vber diß warnt er die Frantzoͤſiſche Officirer/ daß ſie in guter Ordnung
abgezogen/ dadurch der Spanier Einfall verhindert worden.


Nach dieſem Handel gab es vielfaltige Tractaten in Jtalien/ biß der Fried zu
Kairaſque, wegen deß Koͤnigs in Schwedẽ Einbruch vf deß Reichsbodẽ beſchloſ-
fen worden: bey welchem Mazarini ein gemeiner Freund war/ ſonderlich deß Sa-
phoyers Caroli Emanuelis vnd deſſen Sohns Victoris Amedei Gunſt vnd heym-
liche Abſehen/ auch durch ſie aller andrer Fuͤrſten Gedancken gleichſam erforſchet.
Hier nechſt macht er/ daß Victor die Statt Pignerol vmbgroſſes Geld dẽ Frantzo-
ſen vberlaſſen/ dadurch dem gantzen Jtalien das Thor zu dem Frantzoͤſiſchen Suc-
curs
offen bleibt. Riſchelieuͤ hielt dieſen Streich vor vnmeglich/ ſonderlich da die
Spaniſche hie von den geringſten Wind hetten haben ſollen. Die Spanier merck-
ten/ was Mazarintvor ein Geyſt war/ darumb ſuchten ſie jhn an ſich zubringen/
vnd dem Kayſer zu einem geheymſten Rath zu geben. Als er nun nicht wolte/ the-
ten ſie jhm dieſen Verdruß/ dz der Bapſt ein Vnwillen auff jhn warffe/ wie viel er
auch zuvor var jhm gehalten. Solcher Geſtalt zog jn der Koͤnig in Franckreich an
ſich/ ob ſchon Perretti jhm hart zu wieder war/ nante jhn auch ſein Plenipotentiarn
zu dem allgemeinen Frieden/ bracht jhm den Cardinals Hut zu wegen/ vnnd ſetzt
jhn neben den Cardinal Riſchelin. Er bracht das Hauß-Saphoyen zur Verey-
nigung/ vnd zur Buͤndnuß mit Franckreich/ als es war abgetretten. Bald thet
er die Reyß mit dem Riſchelin bracht aber bey deſſelben wehrender Kranckheit/ die
Statt Sedã in deß Koͤnigs Gewalt/ vñ ſetzte d’ Statt Tortonna im Meylaͤndiſchẽ
ſo hart zu/ daß ſie ſich ergeben muͤſſen/ welche Zeitung 4. Tag vor deß Riſchelius
Tod nach Hooff kommen: Ob ſchon das ſehr rauhe eingefallene Wetter nit leiden
wollen/ daß der Orth waͤr erhalten worden. Alſo hat er die Practicken mit dem
Fuͤrſten Manaco angeſponnen/ vnd endlich vollfuͤhret/ daſſelbige Veſtung vnd
Anfurth
[123]\& Germaniæ Continuatio.
Anfurth den Spaniern entgãgen/ dem Frantzoſen aber zukommen iſt. Alſo iſt der
Cardinal Mazarini den Spaniern/ die jhm den Cardinals Hut mißgoͤnnet/ ge-
haͤſſig/ vnd den Frantzoſen dienſtlichworden:


Sein erſtes Thun war nach deß Riſchelius Tod/ daß er die Kron Franck-
reich vnd deroſelben Bunds-genoſſen vor Trennung verwarthe/ dañ alß Schwe-
den die Verenderungen/ ſo vf Henrici IV. Tod gefolgt ſind/ zu Gemuͤth zoge/ hette
der Vergleich mit dem Hauß Oeſterꝛeich leichtlich moͤgen geſchehen/ zumahl als
der Koͤnig etwas lawlicht an ſie ſchriebe/ biß der Cardinal ſie verſichert/ vnd deſſen
Vrſachen anzeygte/ warumb Franckreich in vorigem Gelaiß zu bleiben haͤtte.
Auch ſchrieb der Cantzler Ochſenſtern/ es haͤtte Riſcheliu auff ſeinem Todbett dem
Koͤniggerahten/ ſeines Staadts-Verwaltung dieſem Mazarini auff zutragen.
Auff gleichen Verſtandt ſchrieb Mazarini an die vbrigen Bundsgenoſſen/ vnd
als der Koͤnig geſtorben war/ auch nach Portugall vnd an die Catalonier: dadurch
er die Teutſche Voͤlcker auß Franckreich gehalten/ vnd die Oeſterreichiſche Practi-
cken geſtuͤrtzt hat. Noch hatte er groſſe Muͤhe/ daß die Koͤnigin ſich nicht ließ ab-
wendig machen/ alß man derſelben jhre nahe Freundſchafft mit Spanien/ vnd
dann den Gewiſſens Zwang vorhielte/ vnd die Beſchaffenheit der Sachen ver-
barge. Dannenhero aber auff Frantzoͤſiſcher ſeiten alle vnd jede Tractaten zum
fleiſſigſten ſind gehalten/ vnnd den Bundts-verwanten zum beſten/ ohn ygnen
vnd offt angebottenen Nutzen/ gefuͤhrt worden/ ob es gleich viel ſtichelens etwan
gegeben/ vnd etliche gar außgetretten.


Das ander Werck/ ſo der Cardinal von Anfang vorgenommen war/ daß er
die jnheimiſchen Verwirꝛungen nicht lieſſe außbrechen: Wie dann Riſchelin den
vnruhigen Koͤpffen/ auſſerhalb deß Reichs Arbeit gegeben/ damit man jnnerhalb
koͤnte in Ruhe ſeyn. So lang man hierin ſich weiſen laſſen/ hat Fꝛanckreich jelenger/
je mehr/ vnd vber die Hoffnung der vorigen Zeit proſperirt. Dann der Cardinal
erhielt/ daß man dem Duc d’ Anguien, deme ſonſten der Koͤnig keine Kriegs
Macht anvertrawen wolte/ das Commando vbergab/ da er bey Rocroy den ſehr
herꝛlichen Sieg davon getragen. Vnd als der Cardinal die Belaͤgerung Die-
denhoven jhme auch ließ anbefehlen/ meynten etliche/ es waͤr nur vf ein Schimpff
angeſehen/ oder der Cardinal wolte jedermaͤnniglich zuverſtehen geben/ daß ſeine
Verwaltung nicht nur ein außlauffend Werck vom vorigem Koͤnig waͤr/ ſondern
ſeinen Nachdruck hette. Wie nun die Dornen mit den Roſen wachſen/ alſo ge-
ſchah ein groſſes Vngluͤck in Dutlingen/ da die Frantzoͤſiſche Armee nicht ge-
ſchlagen/ ſondern gefangen vnd vberfallen ward/ vnd Graff Guebrian, der Ge-
neral an einer Wunden ſtarb/ auch die Schweden ein newen Feind in Holſteyn
ſuchten/ vnd jhr Hauptarmee dorthin fuͤhrten: Dannenhero Franckreich vnnd
Heſſen die Kayſer- vnd Bayeriſchen auff dem Halß gehabt/ wie dann der Anfang
ſich mit Freyburg machte/ die Veſtung Breyſach von fern zubeſchlieſſen. Der von
Q q ijTurane
[124]De Statu perturbato Franciæ
Turaine begehrt nur vier Tauſend Man/ Freyburg zuerhalten/ oder bald wieder zu
erobern. Die Koͤnigin ſchrieb an den Hertzog von Anguien, daß er mit ſeiner
vnderhabenden Armee der Kron dieſen Dienſt thete/ welches er auch ſo herꝛlich
verrichtet/ dz Philipßburg vnd Mayntz/ ſampt andern Orten dem Sieg gefolget.
Vnd wie bey Marienthal ſchier ein gleiches Vnglück gefolgt/ wurd es aber mahl
durch gleiche Vorſorg geſetzt vnd verbeſſert/ allein daß die Armee/ dergleichen
Faͤlle zu verhuͤtten/ ſich nach Lothringen vnd Franckreich in die Winter-Quartier
beziehen muͤſſen/ merckte der Cardinal daß die Kayſer- vnd Bayeriſche Armee
nimmer ſo weit von einander gingen/ daß ſie zur Noth nicht wieder ſich bereychen
koͤnnen/ vnd daß Riſcheliu eben deßwegen vnderſchiedliche fliegende Armeen
verordnet gehabt: Darumb ließ er bey Torſtenſohn ein ſolche Conjunction ver-
gleichen vnd beſchlieſſen/ die aber nur vnder dem Vrangel zu recht kom̃en/ darauff
auch Bayern zum Armiſtitio/ ja endlich der Kayſer ſelbſt zum Frieden kom̃en iſt.


Die weil auch der Hertzog von Orleans hette moͤgen im Koͤnigreich Haͤndel
anfangen/ verſchuff der Cardinal jhm das Commando vber das Hauptweſen in
Flandern. Derſelb macht ſich an Graͤvelingen/ welches auch auff deß Printzen von
Vranien anmahnen der Cardinal Riſchelin vor vnmuͤglich gehalten. Die Hol-
laͤnder ſchwebten mit jhren Schieffen darfuͤr/ vnnd eroberten Saß von Gent/
alß den erſten veſten Fuß/ den ſie jemahlen in Flandern haben koͤnnen/ in deme
Piccolomini nach Graͤvelingen zog. Nach Vbergab der Statt Graͤvelingen/ be-
gab ſich der Hertzog von Orleans wieder nach Hoff/ kam das ander Jahr wieder/
ließ etliche Truppen zwo Meil wegs durchs verdrunckene Land/ die Kleyder vnnd
Waffen auff den Koͤpffen/ gehen/ vnd den Paß vber die Colme oͤffnen/ nahm
vnderſchiedliche Orth ein/ vnnd ließ dem Printzen von Vranien vber
den Canal helffen/ welches von dem Gaſſion ein verwegenes Stuͤck im
hien vnnd herziehen geweſen/ daß er Hulſt belaͤgert vnnd eingenom-
men. Jm nechſten Feldzug wolt Anguien den Feind auß dem Feld ſchlagen/
Ranzag Douay belaͤgern/ aber Gaſſion ſtimt auff Courtray/ welcher Orth ſich er
geben muͤſſen: da die Spaniſche Armee/ wegen Eyfer vnder ſo vielen Generalen/
nichts Namhaffts verſuchen doͤrffen. Hie begerten die Hollaͤnder ſechs Tauſend
Pferdt/ ſo man jhnen vnder Grammont vberlaſſen/ als ob ſie was wichtiges/ ſon-
derlich Antorff/ vor haͤtten: es ſchien aber/ daß ſie die Frantzoſen vm̃ ſo viel ſchwaͤ-
chen wollen/ vnd nicht leyden koͤnnen/ daß der erſte vergleich/ Gent/ vnnd Antorff/
eins nach dem andern/ geſampter Handt ein zunehm̃en/ vnd beyderley Beſatz-
ung hienein zulegen/ jhnen zu wieder worden/ vnd deſſen erwuͤnſchten Außgang
nicht ſehen moͤgen. Doch mag der alte von Vranien ſeinem Sohn die ſtelle nicht
gegoͤnnet haben/ gleich wie Louys XI. ſich nicht wollen außziehen/ biß er muͤſſen
ſchlaffen gehen. Die Frantzoſen nahmen ſich an/ als wolten ſie weiter in Flandern
einbrechen/ wondeten ſich aber ſtumpff gegen der See/ vnd belaͤgerten vnd erober-
ten
[125]\& Germaniæ Continuatio.
ten mit Favor der Hollaͤndiſchen Schieffen/ Mardick/ welcher Orth jhnen war
auß Vnvorſichtigkeit entzogẽ/ vnd mit drey tauſend Man beſetzt worden. Der von
Anguien blieb bey der Armee/ bracht Proviand in Cortrich/ erobert Furnen/ vnd
die auſſen Werck vor Duinkichren/ das folgende Jahr wurd wenig außgericht/
ob ſchon der Cardinal die Fuͤrſehung vor 20. tauſend Man gethan hatte/ vnd ſol-
ches verurſachte der Mißverſtand zwiſchen Gaſſion vnd Ranzau: dergleichen vn-
zeitiger eyfer zwiſchen dieſen beyden dem Spaniern wohl bekommen/ daß ſie vor
Landtreſchy auff geſchlagen wurden: vnd denn zwiſchen Chaſtillon vnd La Force,
daß die Frantzoſen vor S. Omer weichen muͤſſen. Lens wurd erobert/ vnd Gaſſion
dar vor erſchoſſen.


Mann redete vbel/ daß Franckreich ein ſo groſſe Macht auff Flandern wen-
dete/ aber deß Cardinals Abſehen war/ hie durch den Spanier zu einem allgemei-
nen Frieden zu zwingen/ welcher auch auſſer allem zweiffel erfolgt waͤr/ da die loſe
Haͤndel bey Hoff das Kriegsweſen nicht gehindert hetten/ vnd dann auch die Hol-
laͤnder nicht von der Farb abgefallen waͤren. Noch war ein ander Bedencken zube-
obachten/ daß nemlich Pariß auff dieſer ſeyte was mehr Land/ vnd Vormauren
vmb ſich hette/ den Spaniern den Einbruch zu verlegen: zu mahln Henricus VIII.
auß Engelland/ vnd Carolus V. vorzeiten/ vnd letzlich Piccolomini vnd Jann de
Werth/ ja juͤngſt der Spanier Anzug auff Rocroy, wann ſie nicht waͤren ge-
ſchlagen worden/ der Statt Pariß den kalten Angſtſchweyß außgetrieben. Vnd
hie moͤgt jemand fragen/ warumb Franckreich biß dahin ſich ſo Gewiſſenhafftig
gehuͤtet/ den Frieden mit Spanien zubrechen/ vnnd demnach endlich gebrochen.
Die fuͤr nehmſte Vrſach war/ daß die Spanier den Ertzbiſchoff zu Trier in ſeiner
Reſidentz vberfallen/ vnd dem Kayſer nach Wien gelieffert hatten/ auß keiner
andern Vrſach/ als daß der ſelb bey ſolcher Zeit/ da weder Spanien noch Oeſter-
ꝛeich dem Schweden wiederſtehen koͤnnen/ ſich in Frantzoͤſiſchen Schutz begeben/
nicht wegen Spanien oder Oeſterꝛeich/ weil er kein ander Mittel ſahe/ den Spa-
niſchen Waffen zuentgehen. Die Hollaͤnder trieben an dem Koͤnigvnnd an dem
Riſcheliu zum hefftigſten zu dieſer Ruptur/ vnd erhielten/ wz ſie vnd jhre Eltern
vnnachlaͤſſig biß dahin geſucht hatten/ doch nicht ehe als nach eingeholtem Raht
von den fuͤrnehmbſten Schrifftgelaͤhrten der Kron/ das Gewiſſendeſto ruhiger
zu behalten/ Riſcheliu aber ſahe noch weiter in das flache Feld/ wie der Krieg koͤnt
continuirt/ vnd mit Reputation geendet werden/ ja da die Hollaͤnder ſolten ein
zweyten langen Treues muͤſſen ergreiffen/ was Franckreich als dann zu erwarten
haͤtte. Pater Joſeph vnd Charnaſſe/ ſchuben auch maͤchtig an dieſem Karn/ biß ſi:
jhn jn gang gebracht/ vnd machten den Hollaͤndern ſo guten kauff/ dz Franckreich
kein Geld von jhnen genommen/ ſondern jhnen noch gegeben/ ja verwilligt/ daß die
Frantzoͤſiſchen Generalen vnder dem Printzen von Vranien ſtehen ſolten.


Was aber hier auß erfolgt ſahe man gleich nach der Schlacht/ ſo die Fran-
Q q iijtzoſen
[126]De Statu perturbato Franciæ
tzoſen bey Auin erhielten/ alda Chaſtillon ſich deß Siegs bedienen/ vnd auff Na-
mur
gehen wollen/ welches aber Breſè, der in das Cabinet geguckt gehabt/ verhin-
dert/ vnd deß Printzen von Vranien der die Frantzoͤſiſche Voͤlcker zu ſich erfor-
derte/ Ordre zufolgen/ vor ſicherer hielte. Alſo ſchlaͤppete man die Voͤlcker auf vnd
ab/ vnd nahm nichts wichtigs vor die Hand/ biß ſie ſich ſelbſten conſumirten/
vnd die Spanier vnder deſſen ein ſolche Macht auß Teutſchland gezogen/ daß
Franckreich vf ſich ſelbſt ſehen muͤſſen. Doch kehrten die Spaniſche Voͤlcker in die
Bettaw vnd eroberten Schencken Schantz/ darvber Vranien alle ſeine Witz/
vnd Spanien groſſe Macht angewant. Der Cardinal wolt nit gleichs mit gleichē
vergelten/ ſondern macht/ daß der Koͤnig dem Brelè befahl/ bey den Hollaͤndern biß
zu wieder Eroberung deß Orths/ mit ſeiner vnderhabender Armee zuverharren.


Was nun Catalonien belangt/ hatte Franckreich wegen der Jnwohner
freyen Humor/ vnd jres vorigen Herꝛn vielfaltige Practticken ſehr behutſam zu
gehen/ dannoch erobert der von Schomberg die maͤchtige Statt Tortoſa/ Tarra-
gona hette muͤſſen Frantzoͤſiſch werden/ wie auch Lerida, Fragues vnd Monſon,
Jn Jtalien wolte der Hertzog von Saphoyen die Gegenwag ſolcher geſtalt hal-
ten/ daß Spanien nich gar hienunder/ vnd er als dann bey den Frantzoſen vmb
ſein Reſpect kaͤme/ die Frantzoſen aber nit gaͤntzlich außgetrieben würden/ vnd er
allen Hinderhalt verliehre/ biß Printz Thomaſo nach Flandern gezogen/ wie er
hieruͤber geſtorben/ ſchickten die Spanier den Printzen Thomaſo wieder vber das
Gebuͤrg/ vnd lieſſen durch jhn vnd Leganez alles biß auff Caſal vnd dz Citadelle
Turino
einnehmen/ dieſem Vnheil vorzubeugen/ zog der Graff von Harcourt
vber das Gebuͤrg/ vnd er zwang in vier Tagen die Jnſel S. Margrethen vnd S.
Honorat den Spaniern auß den Haͤnden. Er proviantirt Caſal/ vnnd ſchlug ſich
mit zwoen Armeen/ die in der Nacht/ jhn fornen vnnd hinden anfielen/ zu ſeinem
ewigen Ruhm. Leganez hatte zuvor Bremen gewonnen/ als Crequy drin geſtor-
ben/ Verceil dem Cardinal La Vallette vor den Augen abgenommen/ vnd die
Graubuͤndner von Franckreich ab vnd zu dem Hauß Oeſterꝛeich gewandt/ dar-
umb dachte er dieſen Schimpff zu rechen vñ belaͤgert in allermuͤglichſten Stille
Caſal. Harcourt macht ſich auff mit ſeinem Succurs auß Pignerol, vnnd zog
auff Caſal/ ſchlug die Spanier auß jhren Wercken/ ob er ſchon nicht mehr als die
Helfft gegen jnen an Volck fuͤhrte/ gieng alſo bald auff Turino/ vnd bracht alles
vnder ſeinen Gewalt/ vnder andern auch Con. Nach Harcuort commandirte Bo-
nillon,
aber nicht lang/ weil er wegen der Haͤndel zu Hoff/ in deß Koͤnigs Vnge-
nadt gefallen. Jhme ſuccedirt Longueuille, welcher mit Printz Thomaſo ſeinen
Schwager/ der ſich wieder Frantzoͤſiſch erklaͤrt/ Tortona eingenommen/ aber die
gantze Armee verderbt/ vnd im Abzug bey grewlichem Vnwetter/ bloͤßlich die
Manſchafft ſaluirt: Darumb die Spanier wieder darvon gezogen/ vnd ſie ohne
Schwerdtſtreych zur Vbergab/ kurtz vor deß Koͤnigs Ableiben/ genoͤthiget.


Printz Thomaſo commandirte dieſem nach allein/ erobert Aſt, Trino vnd
Pon-
[127]\& Germaniæ Continuatio.
Pondeſtura, wagt ein Schaͤntzlein/ vnd gewann Vigeuano, als ein Schluͤſſel zum
Meylaͤndiſchen Staado: verlohre es aber bald wieder als Milan vor allen Din-
gen dieſen Frantzoͤſiſchen Pfoͤrtner wollen abgeſchafft haben/ vnd deßwegen alle
Notturfft heraußgabe: was vor ſonderlichen Fleiß Mazarini auf das Jtalianiſche
Weſen gelegt/ erſcheinet auch herauß/ daß er den Cardinal von Eſt zum Patron
der Kron Franckreich nehmen ließ/ welcher dann ſeinen Bruder/ den Hertzogen
von Modena auff die Frantzoͤſiſche Partey gezogen bey deren er auch geblieben/
biß jhn die Noth zur Neutralitaͤt gezogen. Darauß die Frantzoſen dieſen Vortheil
erhalten/ daß jhre Voͤlcker im Caſal Major/ einem Dorff proviantirt vnd Cara-
cena mit ſeinen Spaniern darvor auff geſchlagen/ aber die Belaͤgerung vor Cre-
mona/ auß Mangel der Geldmittel/ ſo auß dem truͤben Hoffweſen kommen/ auff
gehoben worden. Dieſen Fehler zu erſetzen/ vnd den Frieden zubefoͤrdern/ gedacht
der Cardinal/ er wolte den Spaniern an einem andern gar empfindlichen Orth
laſſen angreiffen: macht mit Printz Thomaſo ein Anſchlag auff das Koͤnigreich
Neaples/ zumahl derſelb ſchon gute Correſpondentzen von langer Hand hienein
gehabt/ nach dem Muſter/ ſo Henry IV. kurtz vor ſeinem End abreiſſen wollen. Der
erſte Paß ſolte ſeyn Montargentare, auff welchem Orbitello liegt. Aber man bracht
lange Zeit zu vber den Graben zu ſetzen vnnd Breſè ſtarb/ vnd Guyſe wolte von
Franckreich nicht dependieren/ auch war Wind vnd Meerꝛ den Frantzoſen zu wie-
der. Die Spanier konten den Zweck nit erſehen/ ſondern meyenten/ ſolche Bereit-
ſchafften zielten auff Final oder Tarragona, wie es aber zu Waſſer vnd zu Land feh-
lete, verordnet der Koͤnig eylfertige Hülff vnd ließ Piombino vnd Portolongono
einnehmen/ da durch der groſſe Hertzog zu Florentz von Spanien abgelaſſen/ vnd
eine reputirliche Neuteralitaͤt angenommen. Auch ſpante der Bapſt den Bogen
wieder die Barbarini nit mehr ſo hart/ vnd muſten die Spanier võ Genova nach
Neapeles ein weitẽ Vmbſchweiff nehmen/ darumb ſie vber 6. Millionen Pfund/
zu wieder Eroberung gemelter bey dem Orth verwendet/ vnd alſo zu erkennen ge-
ben/ dz Mazarini wohl verſtuͤnde/ an welchem Glied ſie zum empfindtlichſten waͤ-
ren. Noch ſetzt er an einem andern Orth an/ nemlich La Mothe vnnd Roſe weg zu
nehmen/ auff welche Zeitung der Printz von Vranien mit Verwunderung geruf-
fen/ dz waͤrẽ 2. rechte Meiſterſtreych vñ war la Mothe in Lothringẽ/ nebẽ Momeillan
in Saphoyen/ der beſten Veſtungẽ eine in Europa/ vnd wurd dẽ Villeroy vber lief-
fert. Pleſſis Praſlin zwang Roſe zurvber gab/ vnd befreyte alſo den Paß zu Land auß
Franckreich vnd Cathalonien vñ Rouſſillon gleich wie la Mothe wol 1800. Fleckẽ
vñ Doͤrffer/ vnder der Contributiõ hielte. Vnd iſt wol zumerckẽ/ dz dieſe beyde Be-
laͤgerungen die Armeen im Feld nit vmb ein Man geſchwaͤcht haben. Der Bapſt
Vrbanus fuͤhrte Krieg wieder den Hertzogen von Parma/ der Venedig vnd Flo-
rentz an ſich gehengt hatte/ die allerkluͤgeſten Koͤpff zu Rom/ Venedig vñ Florentz
bra chten beyderley Vrſachẽ vnd Beweiß zum Rechten vor: die Partheyen verbit-
terten ſich hoͤchlich/ wegen der Vnkoſten/ die Reputation wolt erhalten ſeyn/ hie
wurd
[128]De Statu perturbato Franciæ
wurd der H. Stul beyſeit geſetzt/ vnd die Vettern angezogen/ vnnd aller Voͤlcker
Recht vorgeſchuͤtzt/ Oeſterꝛeich vñ Spanien hatten die Vermittelung vergeblich
geſucht. Aber Lyonne macht den Anfang/ vnd der Cardinal Bichy das End/ auß
Mazarini angeben/ auß welchem Krieg Franckreich keine Nnutzen zu ſuchen/ ſon-
dern der Jtalianer Fuͤrſten Genuͤgen zu würcken begehrt hat.


Alß auch Schweden ein newen Krieg mit Dennenmarck anfieng/ hette ſich
Polen vor andern leichtlich drein ſchlagen/ vnd den Abzug der Schweden vom
Teutſchen Boden verurſachen koͤnnen/ welcher Geſtalt die Proteſtirende Staͤndẽ
vnd nach jhnen auch die Catholiſchen dem Hauß Oeſterꝛeich gehorſam̃en muͤſſen.
Dieſem vorzukommen/ wehlt Mazarini die rechte Zeit nach dẽ der Koͤnig in Den-
nenmarck etliche Schlappen bekom̃en/ vnd die Schweden nit lehr auß gegangen/
alſo die erſte vnd groͤſte Furi vor vber war. Hiengegen wurd der Handel beſchleu-
nigt durch die Heurahts Tractaten/ zwiſchen dem Koͤnig in Poln/ vnd der Prin-
ceſſin von Neuers, vermittelſt deren Herr Bregy den Poln von deß Dennenmaͤr-
ckers begehren/ vnd von deß Kayſers Antreiben/ mit Schweden zubrechen/ oder zũ
wenigſten einem guten Freund Huͤlff zu leyſten/ abgewandt/ vnd zum Stillſitzen
vermoͤgt. Auch verblieb der Zug wieder den Siebenbuͤrger/ der mit im Bund
war/ vnnd zwar nicht lang drinen geblieben/ dannoch ein voͤllige Oeſterꝛeichiſche
Armee nach ſich gezogen/ vnd den Schweden vmb ſo viel Lufft gemacht. Durch
dieſen Heyrath erlangte Franckreich die Kriegs-Werbungen ſo dẽ Kayſer waren
abgeſchagen/ zu geſchweigen der guten Corꝛeſpondentz/ die mit der Zeit ein voll-
ſtaͤndigen Bund moͤgte gebehren. Jetztmahls war es noch mit den Heſſen/ deren
Armee ſonſten ſchwehrlich hette ſtehen koͤnnen/ der Graff ward von Darmſtatt
verreytz/ das ſeinige wieder zubegehren: ſeines Sohns Heyrath mit einer Prin-
ceſſin von Vranien macht in keck/ vnd Heſſen ſahe auff die Schwediſchen. Dar-
umb verlaͤngert Mazarini dieſe Quartier vnd Beſatzungen von Jahren zu Jahrẽ
biß zum Frieden Schluß/ vnd mit allen offerten vnd beſcheidenen Worten/ daß
der Graff es alſo hien geſchehen laſſen. Solte aber es zu offentlicher Feindthaͤtlich-
keit kommen ſeyn/ haͤtte gantz Heſſen/ vnd der Schweden beſte Zuflucht koͤnnen
zu grund gehen.


Auß welchem allem Sonnenklar/ daß Mazarini deß Riſchelius Fußtappen
nach gangen. Ob auch der Cardinal deßwegen den Krieg in Jtalien fortgeſetzt/
damit er anſehenliche ſumma Gelts ohne Argwohn koͤnt vber dz Gebuͤrg bringẽ/
iſt nit glaublich: daß er aber zu Rom ein ſo gar herꝛlichen Pallaſt erkaufft/ vnd re-
parirt ſcheinet groß in die Augen/ kan aber ſeiner Trewe nichts benehmen/ daß er
kein gebohrner Frantzoß/ ſondern ein Jtalianer/ oder gar ein Sicilianer/ hat viel
Exempel/ wie das Hauß Schomberg auß Teutſchland/ vnd Guyſe auß Lothringen
in Franckreich/ La Garde auß Franckreich nach Schweden kom̃en/ vnd bey den
Roͤmern aller Welt beruͤhmte Leuth zu Burgern angenom̃en worden/ doch hat ſich
ein frembter deſto mehr vor Jrthumb vnd Verſehens zu huͤtten/ weil er keinẽ Ruͤ-
cken weiß/ hiengegen aber iederman zum Neyder vnd Auffſeher hat.


Der
[129]\& Germaniæ Continuatio.

Der 14. Diſcurß.


Deß Koͤnigs in Engelland Herkommen vnd Leben: deß
Parlaments Execution vber etliche Koͤnigiſche Diener/ vnnd Kriegs Verfaſſung.
Der Koͤnig wurd fluͤchtig/ vnd gelieffert: angeklagt/ vnd vervrtheilt/ auch gekoͤpfft.
Deß Parlaments Schutzrede. Vrtheil hievon.


WAn will zwar von einem ſehr weiſen Koͤnig außge-
ben/ als haͤtte er bey vngewoͤhnlichen Faͤllen/ wann ſich die Leuthe daruͤ-
ber beſtůrtzten/ zufragen pflegen: geſchicht auch etwas/ davon man ſagen
moͤcht: Sihe/ das iſt new? vnnd haͤtte dann allerhand Exempel auß friſcher Ge-
daͤchtnuß vorgelegt/ vnd alſo geſchloſſen: gewißlich es iſt vor auch geſchehen in vo-
rigen Zeiten/ die vor vns geweſen ſind/ was deß Himmels Lauff belangt/ aͤndert
derſelbe nicht/ ſo haͤlt die Erd jhr Gewaͤchs/ vnd das Waſſer ſeinen Gang. Die
Menſchen werden geboren/ vnd ſterben: ſteigen hoch/ vnd kommen nieder: ruͤhmen
ſich der Staͤrcke/ vnnd beklagen jhre Mattigkeit: prallen daher/ vnnd hencken die
Koͤpff: Eſſen vnd Trincken/ Schlaffen vnnd Wachen/ Lieben vnnd Neiden/ Mor-
den vnd Erꝛetten/ Rauben vnd Kleyden/ Bawen vnd Brechen/ Lachen vnd Wey-
nen/ Sorgen vnd Frolocken/ Herꝛſchen vnd Dienen/ vnnd was dergleichen mehr
im taͤglichen Schwang gehet. Wann wir aber auß Teutſchland/ oder Franck-
reich nach Groß Britannien ſchiffen/ werden wir erfahren/ hoͤren vnnd ſehen/ was
die Sonn biß auff denſelben Tag/ ſo lang ſie den Erdboden vmbloffen vnnd be-
ſchienen/ noch nicht geſehen hat. Dann die Engellaͤnder haben jhren Koͤnig vor
Gericht gezogen/ vnnd zum Beihel verdampt/ jhm auch auff einem Geruͤſte den
Kopff vor allem Volck offentlich abgeſchlagen: darumb wollen wir ſein Leben vnd
End kurtzlich faſſen.


Carolus deß Namens der Erſte/ Koͤnig in Groß Britannien Franckreich
vnnd Jrꝛland/ Jacobi VI. Sohn/ wurd auff dieſe Welt geboren im Jahr 1600.
den 19. November: gekroͤnt im Jahr 1625. vnd auch vermaͤhlet. Anno 1639. er-
hub ſich der Krieg in Schottland/ vnd wurd noch ſelbigen Jahr ohn Blutvergieſ-
ſen hiengelegt. Anno 1640. den 3. Aprill/ wurd das Parlament mit deß Koͤnigs
Bewilligung zu Londen gehalten/ aber bald auff gehoben/ darumb daß es deß Koͤ-
nigs Privilegia vnd Freyheit berahmen wolte. Weil nun die Staͤnde jmmerzu
anhielten/ daß es der Koͤnig nochmahlen belieben moͤchte/ vnnd groß Verſprechen
thaͤten/ deß Koͤnigs Hoheit nach allen moͤglichen Mitteln zubeobachten/ wurd das
R rPar-
[130]De Statu perturbato Franciæ
Parlament noch dieſes Jahr auff den 3. November angeſchrieben: da dann gleich
Anfangs der Viceré in Jrꝛland/ der Ertzbiſchoff von Cantelberg/ vnd etliche Be-
ampten/ als haͤtten ſie ſich an der Majeſtaͤt vergriffen angeklagt/ vnd in den Thurn
zu Londen gefuͤhrt worden. Der Viceré Thomas Wentwort/ Graff zu Straf-
ford/ wurd mit deß Koͤnigs erzwungenem Willen/ auff dem Schloßberg/ den 22.
May/ Anno 1641. enthauptet/ darauff im October der Jrꝛen Rebellion herfuͤr ge-
brochen. Als nun Anno 1642. zu Londen/ im Hornung/ ein Tumult entſtund/
begab ſich der Koͤnig nach Worceſter/ vnnd folgends nach Yorck. Zu Hull wolt
jhn der Ritter Hotham nicht einlaſſen/ welches das erſte Fewer in den Zunder deß
leydigen Kriegs geworffen. Dann das Parlament macht den Graffen von
Eſſex zum Feldherꝛn im Land/ vnd den Graffen von Warwick zur See. Anno
1643. geſchah der Couenant oder Bund durch die drey Koͤnigreich der Jnſel/ deß
Koͤnigs vnd ſeiner Succeſſorn Perſonen/ Gerechtigkeiten vnnd Privilegien/ ne-
ben der Religion/ vnd deß Lands Freyheyten zuverfechten: gemeldem Hotham/
vnnd ſeinem Sohn/ auch dem Ritter Carew wurden auff dem Schloßberg die
Koͤpff herunder geſchlagen. Anno 1644. den 10. Febr. geſchah dergleichen am Ertz-
biſchoff von Cantelberg/ genannt Wilhelm Land. Anno 1645. wurd Thomas
Fairfax General/ vnd Olivier Cromwell der nechſt nach jhm.


Anno 1646. wurd der Koͤnig geſchlagen/ vnd nahm ſeine Zuflucht zu den
Schotten. Anno 1647. vberliefferten die Schotten den Koͤnig dem Parlament/
in die Haͤnde deß Fairfaxen/ welcher das Heilige Abendmahl darauff genommen/
als auch das Parlament ein Ald gethan/ ſie wolten den Koͤnig mit allem ſchuldi-
gen Reſpect vnd Ehererbietung auff den Koͤniglichen Thron ſetzen/ vnd die Kron
jhm vnnd ſeinen Nachkoͤmlingen beſtaͤttigen. Alſo fuͤhrt man den Koͤnig zum
Hauß Hollenby/ vnd dann nach Hamptoncourt. Anno 1648. wurd er auß Hin-
derliſtigkeit der Kriegs Voͤlcker/ vnnd der Jndependenten/ auff die Jnſel Wicht
gebracht/ vnnd ein gute weil im Caſtel Karißbrock/ vom Oberſten Hammondy/
als ein Gefangener verwahre. Solcher Handel kam dem gemeinen Volck wi-
derſpenſtig vor/ vnnd rufft nach einem Vergleich/ welchen man im Augſt eyferig
getrieben/ vnnd biß auff den letzten Puncten gebracht hattt/ auch bald ſchlieſſen
wollen: wann nicht die Kriegs Voͤlcker Hindernuß eingeworffen/ vnd dem Par-
lament erwieſen haͤtten/ die Tractaten gefielen jhnen gar nicht: das Parlament
muͤſte den Koͤnig vor Gericht ſtellen/ vnd ſein gantz Geſchlecht vertilgen. Weil
nun das Parlament mit dem Koͤnig ſchier alles abgehandelt vnnd verglichen hat-
te/ wolt es auff gemelte Remonſtration nicht antworten: darauff ſich die Kriegs-
Voͤlcker ergrimt/ vnd den Koͤnig/ der damahls zu Neuport in ſeiner Freyheit leb-
te/ eylend nach Horſt/ da ſonſten die Maleficianten pflegten zuſitzen/ geſchleppet.
Ein ander Hauffen von den Kriegs Voͤlckern eylt nach Londen/ legt Hand an
drey hundert redliche Parlamentsherꝛn/ vnnd ſtieß ſie auß der Verſamblung/
bracht
[131]\& Germaniæ Continuatio.
bracht aber auß jhren Creaturen ſechshunderthienein. Fairfax vnd Cromwell
fuͤhrten den Koͤnig im December/ mit hoͤchſter Schmach nach Winſor: dieſer
Zeit hielt der Kriegsrath vnd die vbrige Parlamentsherꝛn viel Zuſammenkunff-
ten/ biß ſie ein Gericht/ von abgeſagten Feinden der Monarchy/ Verſchwendern/
vnd bey dieſem Vnweſen Hochgeſtiegenen/ niedergeſetzt. Hie entzog man dem
Koͤnig alle Koͤnigliche Diener/ vnd ließ jhn zwiſchen Fairfax vnd Cromwell nach
Londen reitten. Wie nun die Predicanten ſahen/ wo das Spiel hienauß wolte/
ſchrieben jhrer ſieben vnnd vierzig an den Kriegsraht/ vnnd erinnerten denſelben
deß Bunds/ deß ſchuldigen Gehorſambs/ vnnd der Goͤttlichen Raache: lieſſen
auch eine Verantwortung außgehen/ weil man ſie vnſchuldiger weiſe beſchuldig-
te/ als haͤtten ſie bey jhrer letzten Verꝛichtung vor dem Parlament die Sach ver-
bittert/ vnd den Koͤnig in die Gefahr deß Lebens gebracht: mit angehengter Ver-
mahnung an jhre Gemeinden/ daß ſie jhren Aid betrachten/ vnd bey dem Bund be-
ſtaͤndig bleiben ſolten.


Endlich wurd das Gericht mit beyden Generalen/ dem Commiſſario/
vnd Major/ vnd dann mit 22. Rittern/ ein vnd viertzig Oberſten/ drey Freyherꝛn/
54. Schildknechten/ fuͤnff Rahtsherꝛn/ drey Serganten/ fuͤnffzehen anſehnlichen
Maͤnnern/ einem Præſidentent/ vnnd vier Rechtsgelehrten/ den Koͤnig anzukla-
gen/ niedergeſetzt/ mit dieſen Worten: Nach dem Kundbar/ daß Carolus Stu-
art/ gegenwaͤrtiger Koͤnig in Engelland/ ſich nicht benuͤgen laſſen/ wie ſeine Vor-
fahren die Rechte vnnd Freyheiten dieſes Volcks auff mancherley Weiſe anzuta-
ſten/ ſonder ſich geluͤſtet/ die vhralte Fundamental Geſatz vnnd Freyheiten dieſer
loͤblichen Nation gantz vmbzukehren/ vnnd ein will kuͤhriges tyranniſches Regi-
ment/ einzufuͤhren/ vnnd mit Fewer vnd Schwerd/ durch Jnheymiſchen Krieg
wlder das Parlament vnnd Koͤnigreich/ zu deß Lands Eroͤdung/ deß Schatzes
Verſchwendung/ deß Handels Vernichtigung/ vnnd vieler tauſent Menſchen-
Tod fortgeſetzet: vmb welcher Laſter willen/ gemelter Carolus Stuartſchon vor-
laͤngſt haͤtte koͤnnen zur Exemplariſchen Straff gezogen werden: das Parla-
lament aber gehoffet/ ſein Gefaͤngnuß ſolte jhn zu einem Beſſern angewieſen ha-
ben: vnnd nun mit Bekuͤmmernuß ſpuͤren vnnd ſehen muͤſſen/ daß ſolche Lindig-
keit jhm vnnd ſeinem Anhang nur deſto groͤſſern Muth macht/ die vorgenommene
Practicken/ Auffruhr vnd Gewaltigung zuvollziehen: auff daß nun ferꝛner Vn-
gelegenheit vorkommen/ vnd dergleichen verꝛaͤhteriſche boͤſe Thaten von der Eng-
liſchen Nation abgewendet werden: Als iſt von der Gemeinde deß Parlaments
in voller Verſamlung beſchloſſen vnd verordnet/ daß Thomas Lord/ Fairfax/ Oli-
vier/ Cromwell/ vnnd die andere benahmbte/ zur Verhoͤr vnnd Vervrtheilung deß
gedachten Carls Stuarts niedergeſetzt ſind: zu welchem Ende deren zwantzig o-
der mehr/ zum Außſchuß erkohren werden/ das Hohe Hoffericht zupræſentieren/
die Richtſtelle an beliebigen Orthen vnd Zeiten zuverordnen/ vnd deß Beklagten
R r ijVer-
[132]De Statu perturbato Franciæ
Verantwortung zuvernehmen: oder in Mangel derſelben/ zu dem Endvrtheil/
der Gerecktigkeit vnd Verwuͤrckung allerdings ein Genuͤgen zuthun/ zuſchreit-
ten. Welcher geſtalt diß Gericht jhre Notturfft zubeſtellen: vnnd auch Thomas
Lord Fairfax die Vollziehung zuverſchaffen/ hiemit beſter maſſen gevollmaͤchtigt
wird.


Als nun das Hoffgericht beſagter maſſen ſich den 20. Jenner deß Jahrs
1649. geſetzt hatte/ befahl der Præſident eine Stille. Ein jeder Hoffs Raht ant-
wort auff ſein verleſenen Namen. Der Koͤnig tratt herein mit bedecktem Haupt/
der Sergant mit dem Stab gieng jhm vor/ Oberſt Hacker/ ſampt dreyſſig Edlen
nach. Der Præſident ſprach: Carl Stuart/ Koͤnig in Engelland/ das Parla-
ment hat ſich zubeſchweren deß zugefuͤgten Vnheyls/ vnd deß vergoſſenen Bluts/
ſo man euch Schuld gibt. Solches nun zuſtraffen/ iſt dieſes Hoffgericht/ auß
Pflicht gegen Gott/ der Nation/ vnnd jhnen ſelbſt verordnet/ auff daß jhr ewre Be-
ſchuldigung anhoͤret/ vnd den Spruch darauff erwartet. Erſtlich hat Carl Stuart
ſeiner Kroͤnungspflicht gegen dem Land vergeſſen/ vnd ſein tyranniſch Regiment
auffzurichten/ ein Krieg angefangen/ in welchem an dieſem vnd jenem Orth ſo viel
tauſent geblieben. Er hat im vorigen Jahr den Krieg zu Waſſer vnd zu Land
ernewert/ etliche auß dem Parlament hindergangen/ vnnd demſelben/ zu hoͤchſtem
Verderben/ deß Staads/ feindlich wiederſtrebet. Ferꝛner durch ſeinen Sohn/
durch den von Ormund/ vnnd andere Rebellen/ durch Einfaͤlle Schaden gethan.
Wird derowegen als ein Tyrann/ Verꝛaͤthter/ Moͤrder/ vnnd offentlicher vnver-
ſoͤhnlicher Feind der Gemeind angeklagt: deſſen er ſich zuverantworten. Der
Koͤnig beſchwert ſich/ daß er bey Schluß der vorgangenen Tractaten waͤr anhero
gefuͤhrt worden/ vnd wolte wiſſen/ auß was vor rechtmaͤſſigem Gewalt ſolches ge-
ſchehen/ zumahl das Volck es nicht thun moͤge/ weil das Koͤnigreich von mehr
dann tauſent Jahren ein Erb Koͤnigreich waͤr: vnnd eben deßwegen ſtuͤnde er vor
die Freyheit der Nation/ mehr dann jhrer keiner. Gleich Anfangs fiel der Knopff
von ſeinem Stecken: vnd weil niemand kam/ jhn auffzuheben/ buͤckt er ſich ſelbſt.
Er ſahe das Schwerdt da liegen/ vnnd ſprach/ das foͤrchte ich nicht. Als er die
Stieg hienundergieng/ rieffen etliche/ Gott bewahr den Koͤnig: vnnd ein groſſer
Hauff/ Juſtitz/ Juſtitz. Den 22. Jenner kam der Koͤnig zur zweyten Verhoͤr:
die Anklag geſchah/ der Koͤnig ſolte ſich verantworten/ oder das Gericht ſein Still-
ſchweigen vor bekand annehmen. Der Præſident vermeldet/ man wuͤrde ſolche
alſo bald gegen jhm beweiſen: das Volck mache die Geſatz/ nach denen ein Koͤnig
zu regieren haͤtte/ vnnd vor deſſen Gerichtſtellen ſey ein Koͤnig Rechenſchafft zu-
thun ſchuldig: welches der Koͤnig verlaugnete. Ja es waͤr in Engelland nie
kein Hoffgericht geweſen/ vnd fordert deſſen ein Exempel. Er haͤtte die Waffen
nicht anderſt/ als fuͤr die Geſatze/ vnd deß Volcks Freyheit gefuͤhret. Die dritte
Verhoͤr geſchah den 23. Jenner/ da wurd der Koͤnig abermahl beſchuldigt/ Jhm
lege
[133]\& Germaniæ Continuatio.
lege ob/ die Geſatz zu Handhaben/ haͤtte deßwegen ein Aid gethan/ vnd Schatzung
empfangen: wolte aber/ an ſtatt deß Parlaments Freyheiten vnnd Vollmachten
zubeſchuͤtzen/ ein tyranniſch Regiment einfuͤhren/ diſputierte nur vergeblich/ vnnd
erforderten die Rechten/ daß ſolches vor ein Bejahung paſſtren ſolte/ wie dann
auch die Zeugen jhn zuvberweiſen/ bey der Hand waͤrẽ. Nun ſolte er ſagen/ ober
ſchuldig waͤr/ oder nicht/ der Koͤnig beharꝛete auff dem vorigen/ achtet der Ankla-
gen wegen ſeiner ſelbſt nicht eines Strohalmens/ ſprach/ er koͤnde ſich wohl verant-
worten/ daß er wider ſein Ampt nichts vorgenommen/ vnnd ſehe allein auff die
Freyheit deß Volcks.


Den 24. Jenner wurden viel Zeugen abgehoͤrt. Den 25. kam ein Schreiben
von den Predicanten im Land Oxfort/ in welchem deß Generals Vorhaben wi-
derꝛahten/ vnd hart auff den Bund getrungen ward. Jhnen wurd geantwort/
wer wider den Bund thaͤt/ haͤtte ſich deſſelben Jnhalts nicht zuerfrewen: der Ehe-
ſtand bezeugte die Verbuͤndnuß zwiſchen Chriſto vnnd ſeiner Gemein/ zum Zeug-
nuß/ daß kein feſter Band zufinden: da aber Mann oder Weib Ehebruch begien-
ge/ ließ ſich das andere ſcheyden/ vnnd erhielte ſeine Freyheit: es giengen aber die
Geſaͤtze der Laͤnder noch weiter. Der Printz von Walliß ſchrieb auch/ man haͤtte
bey zu endlauffenden Tractaten ſein Herꝛn Vatter hiengenommen/ der nun auff
das Leben angeklagt waͤr: die Armee haͤtten die beſte Gelegenheit in Handen/ das
Koͤnigreich in glücklichen Wohlſtand zubringen/ da ſie jhn wieder einſetzen wol-
ten: vnnd darzu waͤr er vor ſein Perſon bereyt allen moͤglichen Fleiß anzuwenden/
wohl wiſſend/ daß gedachter ſein Herꝛ Vatter ſich wuͤrde behandeln laſſen. Vnd
ſolten gedencken/ wie vbel es bey allen Staͤnden der Welt erſchallen werde/ da ſie
jhm das Leben benehmen. Den 27. Jenner ſetzt ſich das Hoffgericht zum letzten/
darumb auch der Præſident ein Scharlacken Rock angezogen/ vnd wie das ande-
re mahl drey vnd ſiebenzig Richter auff jhre Namen Antwort gaben/ alſo mangel-
ten jetzunder zehen an gemeldter Anzahl: wie der Koͤnig in ſeinem gewohnlichen
Habit/ mit bedecktem Haupt in den Saal tratt/ erhub ſich ein Geſchrey vmb Ge-
richt vnd Vollziehung der Gerechtigkeit. Der Præſident ſagt zum Vmbſtand/
das gantze Volck in Engelland (ſein Weib fiel jhm in die Rede/ nicht die Helffte:
vnnd muſte ſchweigen) haͤtte den Koͤnig angeklagt/ der diſputierte die Vollmacht
deß Hoffs/ vnd deß niedergeſetzten Gerichts: welches man zubedencken gezogen/
vnd im Vrtheil fortzufahren beſchloſſen: weil er aber begehrt gehoͤrt zu werden/ ſo
mag er ſeine Entſchuldigungen auff die Anklagen vorzubringen/ aber vber der
Vollmacht deß Hoffs nicht gehoͤret werden. Der Koͤnig ſagt/ Er haͤtte nichts
mehr vbrig/ als ſein gut Gewiſſen vnd Ehr: ſorgte vor deß Koͤnigreichs Fried vnd
Wohlfahrt/ begehrt man ſolt jhn in der gemahlten Kammer hoͤren/ vnd den Vmb-
ſtand von ſeinem Vortrag vrtheilen laſſen. Vnd erhielt ſo viel/ daß das Ge-
richt abgetretten/ vnnd er ſelbſt abgefuͤhrt ward: nahmen aber nach einer halben
R r iijStund
[134]De Statu perturbato Franciæ
Stund jhre vorige Stellen wieder ein. Der Præſident ſprach/ der Koͤnig ſuch-
te nur Schein vnd Auffſchub: das Gericht waͤr bereyt vber die Gebuͤhr auffgehal-
ten worden/ darumb wolte es der Gerechtigkeit jhren Lauff laſſen: welches der Koͤ-
nig durch Abmahung von vbereiltem Vrtheil/ vnd Einladung auff den Juͤngſten
Tag nicht ferꝛner verhindern koͤnnen.


Alſo redet der Præſident zum Vmbſtand/ es waͤr die Frag/ wer das Geſetz
ſolte außlegen/ nemblich das Parlament/ ſo das Geſetz machte. Der Koͤnig haͤt-
te ſeines gleichen nicht im Koͤnigreich/ gegen einem jeden zurechnen/ waͤr aber ge-
ringer als das Volck. Es haͤtten die Koͤnige jederzeit den Freyherꝛn muͤſſen
Rechenſchafft jhrer Regierung thun: wann nun dieſelbe jhr Gebuͤhr nicht thaͤten/
muͤſte die Gemein jhre Verſicherung beobachten. Vnnd eben deßwegen ver-
moͤgte die vralte Ordnung/ daß das Parlament jedes Jahrs zweymahl zuſam-
men kaͤme/ welches aber dieſer Koͤnig fuͤrnemblich zertrennet vnnd auff gehoben/
weil daſſelbe ſeinen vnnoͤthigen Krieg gegen Schottland nicht billigen wollen.
Jn Franckreich/ Spanien vnnd Teutſchland wůrden die Regenten zur Rechen-
ſchafft angehalten: Jn Arꝛagonien haͤtte ein gewiſſer Mann die Ober Stell vber
den Koͤnig gefuͤhrt/ vnnd die Privilegien deß Volcks beſchuͤtzt/ gleich wie bey den
Roͤmern die Zunfftmeiſter/ vnnd bey den Spartanern die Ephori. Jn Schott-
land ſelbſten waͤren von den hundert vnd neun Koͤnigen nicht wenig in Verhafft/
in Bann/ in Gefaͤngnuß/ vnnd gar in Todt kommen. Deßgleichen Exempel
auch in Engelland an Edward II. vnnd Reichart II. deren Verbrechen weit gerin-
ger als ſeine/ zuſehen. Beſchloſſe endlich die niedergeſetzte Richter waͤren nicht
da/ das Recht zugeben/ ſondern zuſprechen. Ließ nach wiederholter gantzer Pro-
cedur das Vrtheil ableſen/ daß Carl Stuart als ein Tyrann/ Verꝛaͤhter/ Moͤrder/
vnd offentlicher Feind/ vom Hoffgericht zum Todt vervrtheilt/ vnnd daß jhm der
Kopff vom Leib zuſcheyden. Hie ſtunden die Richter auff/ der Koͤnig wolt nicht
weiter gehoͤrt werden/ vnnd ſagt mit lachendem Mund/ als das Volck zur Execu-
tion ſchrey. O der armen Kinder: ſie ſolten vmb ein halben Schilling wieder jhre
Beampten nicht weniger ſprechen. Man begehrt zuwiſſen/ wie ferꝛn er an ſeines
Vatters Todt/ vnnd dann an der letzten Auffruhr in Jrꝛland ſchuldig waͤr: ant-
wort aber/ Erhaͤtte vmb keine Vergebung zubitten. Was den Vortrag be-
langt/ ſo der Koͤnig zuthun geſinnet war/ befand ſich/ daß er auß dem Prediger Sa-
lomon am 8. Cap. vnd vierden verſicul wollen erweiſen/ daß deß Koͤnigs Wort ein
groſſen Nachdruck habe/ vnd daß niemand ſagen doͤrffte: was machſtu? Solchem
gemaͤß pflegte man zuſagen/ der Koͤnig koͤnne nicht Vnrecht thun: das Parla-
ment waͤr ſelbſt kein Hoffgericht/ vnd koͤnde dannenhero auch kein Hoffgericht be-
ſetzen. Vber ſolchem Geſetz muͤſte man auch den geringſten Baurn fragen/
vermoͤg der wohlhergebrachten Freyheit deß Landes. Das Obere Hauß waͤr
von jhnen verachtet/ vnd in dem Vndern/ der mehrertheil abweſend. Auch ſolte
die
[135]\& Germaniæ Continuatio.
die Gemeine jhnen geringen Danck wiſſen/ der veraͤnderten Regierung. Der
Koͤnig begehrt den Doctor Juxon/ geweſenen Biſchoff zu Londen/ der predigte den
28. Jenner in der Koͤniglichen Betkammer zu Withall. Den 29. bekam der
Koͤnig ein Schreiben vom Printzen/ vnnd weil er es offentlich ſolte verleſen/ ver-
brante er daſſelbe geſchwind. Sein Sohn vnd Tochter kamen auff ein viertheil
Stund zu jhm: Er ſegnet ſie/ vnnd gab der Tochter ein par Diamanten zur Ge-
daͤchtnuß. Er ließ niemand mehr zuſich kommen/ ſein Andacht vnzerſtoͤrt zube-
halten.


Hie ſagte man jhm an/ die Execution ſolte den folgenden Tag ergehen. Er
fand ſich darzu bereyt/ gieng zu Betth/ ſchlieff vier Stund/ vnd redet hernach mit
dem Biſchoff vnnd Herꝛn Herbert: den 30. Jenner wurd er hienbegleyt/ gieng in
ſein Cabinet/ betet/ wolt nicht zu Mittag eſſen/ weil er das H. Abendmahl denſel-
ben Morgen empfangen hatte. Vmb zwoͤlffe nahm er ein Glaͤßlein Wein/ mit
eim Kroͤſtlein Brod/ vnd ließ ſich auff das Geruͤſte fuͤhren. Da ſelbſt ſprach Er/
Er wolte ſich der gantzen Welt/ für ein ehrlichen Mann/ ein guten Koͤnig vnd gu-
ten Chriſten/ darſtellen. Sie waͤren auff jrꝛigem Wege/ vnnd haͤtten kein Gluͤck
zugewarten/ biß ſie ſeine Nachkommene wieder ins Regiment einſetzeten. Er
ſterbe im Glauben der Reformierten Kirchen in Engelland: der Scharpffrichter
ſolte jhm nicht viel Pein anthun: vnd wann er das Zeichen mit den Haͤnden gebe/
zuhawen. Setzt die Schlaffhaub auff/ ſtrich das Haar hienein/ ſchickt vnnd ver-
ſchenckt was er bey ſich hatte/ zog das Wambs ſelbſt ab/ legt den Mantel wieder
an/ ſahe gen Himmel/ vnd dann auff das Block/ kniet nieder/ betet/ vnd verlohr den
Kopff/ nach gegebenem Zeichen. Den Kopff zeigte man dem Volck/ derſelb
wurd zum Rumpff gefuͤgt/ in ein Kiſte mit Sammet vberzogen gelegt/ vnd nach
Withall gefuͤhrt/ auch dem Volck vmb ein par Kreutzer gezeigt. Den 20. Hor-
nung ſetzt man jhn bey zu Henrico VIII. mit dieſer Grabſchrifft: Koͤnig Carolus
1649. vnd in zweyen Zeilen: Carl/ der drey Kronen trug/ enthaupt/ Jſt aller Ma-
jeſtaͤt beraubt.


Die weil nun der Koͤnig ſich jederzeit beklagt/ die Tractaten waͤren auff
dem Eyland Wicht auß boßhafftigem Eyfer vernichtet worden/ ließ das Parla-
ment deſſen dieſe Vrſachen in offentlichen Druck außgehen. Es haͤtte das Par-
lament von acht Jahren her muͤſſen vor die gemeine Wolfahrt deß Koͤnigreichs
wachen/ vnd dem einreiſſenden Bapſtthumb/ auch der graſſirenden Tyranney wi-
derſtreben. Hiengegen haͤtte der Koͤnig zwar eine Armee wider die Schotten ge-
worben/ aber die Armee vnd Schotten wider das Parlament vnnd Statt Londen
brauchen wollen. Sich hernach von dem Anzug wieder die Schotten nicht laſ-
ſen abwenden. Jn der Landſchafft Vlſter in Jrꝛland/ in acht Wochen vber hun-
dert vnd vierzig tauſend Proteſtirenden laſſen grewlichſter weiſe ermorden/ oder
vielleicht gar befohlen: endlich vom Parlament gar abgewichen/ vnnd daſſelbe
feind-
[136]De Statu perturbato Franciæ
feindlich angegriffen/ daruͤber viel tauſend Engellaͤnder vmbkommen: Nun haͤt-
te in dem vier jaͤhrigen Krieg/ Gott jhnen die Veſten vnnd den Koͤnig ſelbſt in die
Haͤnde gegeben: es haͤtten aber etliche von jhnen außgeſetzt/ vnnd dem Koͤnige aͤr-
gern Vorſchub gethan/ als kein Feind/ vnnd erpracticirt/ daß man die Helfft der
Kriegs Voͤlcker nach Jꝛꝛland ſenden/ vnnd den Schotten die drey Landſchafften/
neben den Feſtungen ſolte einraumen/ der Statt Londen allen Braſt anzuthun.
Vnder deſſen waͤr der Koͤnig zu keiner Erkandnuß ſeiner Miſſethaten kom̃en/ ob
man ſchon ſieben Werbungen bey jhm abgelegt. Vnnd darbey waͤr es auch ge-
blieben/ daß man zu einer newen Verfaſſung der Regierung haͤtte gelangen koͤn-
nen/ da nicht etliche auß jhrem Mittel vnnd den Landſchafften alles gehindert/ vnd
zu ferꝛneren Tractaten verleytet haͤtten/ daß das Parlament ſchier in euſſerſte
Noth waͤr gefallen/ auß deren aber jhm Gott durch wunderlichen Sieg verholffen/
als gieng das Vrtheil wider den Koͤnig vom Himmel. Zumahl er ſelbſten vor
den Kriegs Voͤlckern im freyen Feld/ Gott angeruffen/ ſeinen Waffen kein Gluͤck
noch Sieg zugeben/ da er ſchuldig waͤre. Solchem nach hat eben dieſelbe Par-
they mit dem Koͤnig auff dem Eyland tractirt/ als waͤr es in der Gemeinde Na-
men/ das doch nicht war/ vnnd ſteckten dadurch die gantze Engellaͤndiſche Nation
in ewige Schlanerey/ in dem ſie derſelben das Recht/ einige Geſatze zumachen be-
nommen. Darumb der Ruff gienge/ man ſteckte ſie/ nach ſo manchem herꝛli-
chen erhaltenen Sieg nur deſto tieffer in das Elend/ vnd vnder das Joch. Dar-
iñen ſie vmb ſo viel mehr fug hatten/ daß noch bey deß Koͤnigs ſchwebender Macht/
die beyde Haͤuſer/ wie auch das Parlament in Schottland/ ſolcher Vergleich zu
einem wohlgegruͤndeten Frieden vntanglich/ ja ſchaͤdlich erachtet. Vnd geſetzt/
dieſelben Tractaten waͤren zum Schluß kommen/ ſo haͤtte ſie der Koͤnig doch nicht
gehalten/ weil er ſelbſten in ſeinem Schreiben an das Parlament eine vollkom-
mene Freyheit begehrt: vnnd der Printz den Graffen von Warwick erinnert/ den
Koͤnig auß der vnziemlichen Gefaͤngnuß zuretten: wann auch der Koͤnig ſein Zu-
ſag in hoͤchſter Freyheit ſo offt gebrochen/ wurde erden erzwungenen Ald/ nach vie-
ler Gelehrten Meynung/ weniger halten. Wie dann alte vnd newe/ ſonderlich
der Kron Naples gantz friſches Exempel bezeugen/ daß die Obere den Aid gegen
den Vndern nicht laͤnger halten/ als ſie gezwungen ſind: darumb ſeine Pflicht bey
Annehmung der Kron/ ſeine manigfaltige Proteſtationen vnnd Verbuͤndnuſſen
auff Koͤnigliches vnnd Adeliches Wort biß dahin ſo wenig golten. Wann
dann das Parlament die Kriegs Voͤlcker haͤtte abgedanckt/ vnnd der Koͤ-
nig mit einer newen Macht waͤr herein gebrochen/ ſolte das Parlament durch ein
newe Gegenverfaſſung Gott verſucht/ vnd das verliehene Heyl verſchertzt haben.
Zumahl auch der Koͤnig die Biſchoffe nicht wollen abſchaffen/ noch gut heiſſen/
daß das Parlament derſelben Geiſtliche Güter verkaufft hatte/ damit der Bi-
ſchoffliche Gewalt nur Wurtzel behielte/ vnd mit der Zeit herbe Fruͤchten braͤchte.
Eben
[137]\& Germaniæ Continuatio.
Eben alſo verhielt es ſich mit David Jenkins Beſtraffung/ der vom Koͤnig ledig
gezehlt wurd. Wie nun dieſelbe Parthey dem Koͤnig dieſes vnd ein mehres ein-
raumete/ ſahen die auffrichtige Gemuͤther/ daß es wider den erſten Schluß/ vnnd
wider die Haupt Vrſachen der ergriffenen Waffen/ zu einer groͤſſern Dienſtbar-
keit hienauß lauffen wolte: angeſehen die geringſte Niederlag auff deß Parla-
ments Seiten alles in Grund verderben koͤnnen. Hat demnach das Parla-
ment ſeine rechte Sach/ ſo Gott mit Sieg gekroͤnet/ nit verleugnen/ ſeine Freun-
de nicht verꝛahten/ vnnd ein einigen Mann der gantzen Nation Wohlfahrt nicht
vorziehen/ noch ſich auff deß Koͤnigs/ als eines vnverſuͤhnlichen Feindes Frieden
verlaſſen/ noch jhre Freyheit/ Ehr vnnd Vermoͤgen gegen deß Koͤnigs Nichts in
die Wagſchale legen ſollen. Vnd das Blut ſo vieler redlich geſtorbenen Kriegs-
leuth beobachten/ die vorgeſagte Parthey wiederꝛuffen/ vnd deß Parlaments Ho-
heit beſchuͤtzen muͤſſen: in dem gewiſſen Vorhaben/ das Koͤnigreich in weit beſſer
Auffnehmen zubringen/ als es vnder keinem Koͤnig bißdahin nimmer geweſen
ſeyn mag.


Hie theilet ſich nicht nur Engelland/ ſondern die gantze Welt in zween
Hauffen: der eine ſagt/ man hab an dem Koͤnig die allergrewlichſte Mordthat be-
gangen/ ſo jemahs geſchehen koͤnnen. Der ander meynt/ es waͤre zwar viel/ ei-
nen Koͤnig mit dem Beihel oder Schwerdt richten: doch koͤndte derſelb ſich durch
ſeine Diener der geſtalt zum Nachtheil der Vnderthanen/ vnd Vergewaltigung
der Gewiſſen verleyten laſſen/ daß er bey beharꝛlichem Vorſatz fortzufahren/ nach
Beſchaffenheit koͤndt entſetzt/ vnnd biß an ſein Endt gefangen gehalten werden.
Vielleicht ziehen etliche ſich von dieſem beyden Hauffen allgemach ab/ vnnd ma-
chen den dritten/ nach dem Exempel der Fuͤrſten/ die zur Bündnuß verſtehen/
wann ſie ſehen/ daß ein Werck fortgeht: deſſen wir Exempel genug an den
Schweitzern vnd Hollaͤndern haben/ die das Joch jhrer Obern abgehalfftert/ vnd
Republicken/ andern Koͤnigen vnd Fuͤrſten nit vngleich worden ſind. Man moͤch-
te das Exempel von Kayſer Mauritio anziehen/ welcher vmb ſeines Geitzes wil-
len die gefangene Chriſten nicht wollen loͤſen/ vnd deß wegen von einem ſeiner O-
berſten/ genannt Phocas/ mit ſeinem gantzen Hauß vertilget/ vnnd mit dem
Schwerd offentlich gerichtet wurd. Wollen nun die Parlamentiſten vorgeben/
jhr Weſen waͤr etwas beſſer/ als deß Phocæ, weil derſelb nach dem Regiment ge-
trachtet vnd ſich auff ſeines enthaupten Kayſers Thron geſetzt hat/ Sie aber das
Regiment geaͤndert/ vnnd in ſolche Form gebracht/ da keiner Vbelthat vberſehen
wuͤrde/ vnd der Hoͤchſte ſo wohl als der Vnderſte den Geſetzen gemaͤß leben muͤſte:
magichs wohl leiden/ vnd laſſe den Salmaſium vnnd den Miltonum die Federn ge-
gen einander ſpitzen/ ob der Koͤnig den Geſatzen vnderworffen ſey/ oder ob er allein
von Gott ſolle gevrtheilt vnnd geſtrafft werden. Es ſolte der weiten Welt viel
anmnthiger ſeyn/ wann dieſer beyden Scribenten Dinten nicht mit Gall geſetzt/
S svnd
[138]De Statu perturbato Franciæ
vnd jhre Federn nicht mit vergifftem Meſſerlein geſchnitten/ vnd jhr Papier nicht
mit Schlangen Samen geleymet waͤre. Das Gott die Koͤnige ſetze/ iſt gewiß:
daß er aber auch der Regenten Stüle vmbſtoſſe/ wird niemand laͤugnen. Wann
der Koͤnig ein Geſetzbuch ſoll allzeit leſen/ mag er nach eygenem Sinn nicht regie-
ren/ ſondern laͤſt den Joab an den Hoͤrnern deß Altars vmbbringen: wer aber die
Hand an den Geſalbten deß Herꝛn legt/ wie kan der ohne Schuld ſeyn.


Jch hoͤrte dieſer Tagen einen Exorbitanten Politicum ſagen/ die Biſchoffe
in Engelland haͤtten dem Koͤnig dem Kopff abgeſchlagen/ darumb daß ſie denſel-
ben mit dieſer Lehr/ von ſeinem vnvmbſchriebenen Gewalt/ von ſeiner Hoheit vber
alle Geſatz/ von ſeiner vnberahmten Freyheit/ in ein Haß wider ſeine Vndertha-
nen/ vnnd in ein vngebogne Halßſtarꝛigkeit gebracht haͤtten/ damit ſie zu nicht viel
geringern Wuͤrden neben jhm ſtunden/ vnnd ein Geiſtlich Haupt neben jhn ſetze-
ten. Achitophel haͤtte nicht weniger Schuld an Abſaloms todt gehaht/ als Joab:
vnnd vielleicht weniger/ weil dieſer einen Mord/ der ander etliche tauſend bey der
Schlacht gethan. Das Koͤnigreich fuͤhrt ein Harpff: wann aber die Seyten ab-
lauffen/ vnd nicht recht auffgezogen ſind/ gibt es kein liebliche Harmoney. Dar-
umb ſoll ein Koͤnig ein guter Spielman ſeyn/ nicht wie Nero/ vor dem Volck zu-
ſpielen/ vnnd das Lob mit Gewalt/ ja Forcht deß Todes zuerpreſſen/ ſondern wie
David/ der das Geſatz hoch vber alle Schaͤtze hielte: deme es auch ſehr vbel bekom-
men/ daß er ſeines Vnderthanen Weib beſchlieff/ ohne zweiffel/ auß der Einbil-
dung/ er waͤr keinem Geſetz/ vnnd keiner Straff vnderworffen. Dannoch ſtieſſe
ſich Salomon auch an dieſen Stein/ vnd glaubte veſtiglich nach dem jhn Gott mit
vnvergleicher Weißheit begabet haͤtte/ das Special Verbott/ daß ein Koͤnig nicht
viel Weiber nehmen/ nicht viel Pferde halten/ nicht viel Schatzes ſamblen ſolte/
gieng jhn nicht an/ erkoͤndte vnverletztes Buſems dieſe glüende Kohlen an bloſer
Haut tragen: fand aber endlich/ daß die Weiber jhn zur Abgoͤtterey/ vnnd Belie-
bung/ deß frembden Gottesdienſtes: die Pferde ſein Hertz zu Hochmuth/ vnd das
viele bawen vnnd koͤſtliche Hoffhalten ſeine Regierung in ein Tyranney verwan-
delt haben. Dann es muß ein Koͤnig erſtlich Buͤrgerliche Tugenden haben/
nemlich Gott foͤrchten vnnd dienen/ Erbarkeit lieben vnnd treiben/ niemand vn-
recht thun noch betriegen/ vnd einem jeden ſein Gebuͤhr zuweiſen: aber Agamem-
non ſagte/ wann ein Koͤnig durch die Finger andern zugefallen ſehe/ vnnd dem V-
bel nicht nach vermoͤgen ſtewre/ gelte es eben viel/ als haͤtte er ein ſolch Vbelſelbſt
befohlen. Das Schwerd/ vnd der Gewalt deſſelben ſoll die Boͤſen ſtraffen/ vnd
die Frommen ſchuͤtzen: wird aber ſehr vbel gebraucht/ wann eigennuͤtzige/ auffge-
blaſene Juͤnglinge nach deß Koͤnigs geneygten Sinn reden/ vnd der alten/ weiſen/
greiſen/ abgeſchliffenen Raͤhte Zutritt/ anſchawen vnnd Wort abweiſen/ vnnd
wie ein Ballen außſchlagen: wann die Staadsſachen von einem allein geſchaͤff-
tet/
[139]\& Germaniæ Continuatio.
tet/ geladen vnnd gerichtet werden/ vnnd die lange Erfahrenheit/ ſo auß den Ge-
ſchichten der gantzen Welt ein Muſter auff ſich gezogen/ muß vnden an ſtehen/
vnnd mit ſtillſchweigen abtretten. Juͤngſt zerꝛiß ein Loͤw ſeinen Herꝛn/ der nur
ein ander Kleid/ dem vorigen nicht viel vngleich/ angelegt hatte/ deme er doch zu-
vor allen Gehorſamb geleyſtet: alſo wird ein Koͤnig ſeinem Mignon oder Meiſter/
dervielleicht nichts anders verſteht/ als mit dem Falcken/ oder mit dem Windſpiel/
oder mit den Pferden vmbzugehen/ deme nicht mehr von der Welt bekant iſt/ als
jhm ſeine Saͤugmutt er/ vnnd die Orbilij vorgefabelt/ folgen/ weil derſelb jmmer
vmb jhn iſt: vnd da ein andere Geſtalt/ ein ander Diſcurß/ ein ander Vortrag ge-
ſchicht/ dann er gewohnt iſt/ ergrimmen/ vnd ein ſolchen von ſich jagen. Alphon-
ſus Koͤnig in Arꝛagonien fand kein beſſern Raht/ als bey den Verſtorbenen/ nicht
daß er mit Koͤnig Sanl den Propheten Samuel auß dem Grab herfuͤr braͤchte:
ſondern daß er die Bůcher der Verſtorbenen laſe/ welche kein Schew mehr vor
ſeiner Kron/ keine Forcht mehr vor ſeinem Schwerdt/ keine Roͤthe mehr vor ſeiner
Schand/ keine Hoffnung mehr zu ſeiner Gnad/ kein Begierd mehr zu ſeinen
Dienſten/ keine Vorſorg zu jhrem eygenen Leben trugen.



Der 15. Diſcurß.


Von dreyen Haupt Fragen vber dem Engellaͤndiſchen
Vnweſen. Ob der Biſchoffen/ oder Elteſten Regierung beſſer? wie weit jrer beyder
Hoheit ſich erſtrecke? daß das Volck an den Koͤnig nicht moͤge Hand anlegen:
auß H. Schrifft/ vnnd Bibliſchen Exempeln: auch Spaniſchem Kirchen Geſatz.
Entſchuldigt die Preßbiterianer/ daß ſie in deß Koͤnigs Todt nie verwilli-
get.


BVnſtiger Herꝛ vnnd Freund/ ſchreibt Samuel Bo-
ſchart/ ein Frantzoß/ an Dr. Morley, deß Koͤnigs in Engelland Cap-
lan: So bald ich ewre Schreiben empfing/ fand ich mich in den Klippen
ohne Außgang. Dann ich mag nicht ſchweigen/ weil mich ein ſo hochgeehrter
Herꝛ von ſo ſehr wichtigen Sachen befragt/ vnnd kan doch auch die Warheit ohne
vieler Leuth Eckel vnnd Anſtoß nicht ſagen: will aber darumb derſelben kein Ab-
bruch thun. Jch hatte vom Herꝛn zuwiſſen begehrt/ warumb ewre Leuth/ die
vmb der Koͤniglichen Parthey willen zu vns in Franckreich kommen/ gemeinig-
lich von der Communion mit vnſern Kirchen ſich enthalten. Der Herꝛ antwort/
wir ſeyen denſelben ins gemein nicht ohne Vrſach verdaͤchtig/ als fuͤhrten wir mit
S s ijden
[140]De Statu perturbato Franciæ
den Preßbiterianern in Engelland einen Sinn. Deren fuͤrnembſte Puncten
dieſe drey waͤren: 1. Das Biſchoffliche Ampt ſolt man/ als ein tyranniſch/
vnnd gantz Antichriſtiſch Joch verwerffen. Hiengegen die Ordnung der Elte-
ſten/ als auß Goͤttlichem Recht beſtaͤttigt/ allenthalben auffnehmen. 2. Die
Elteſte haben in allem deme/ was einigerley weiſe die Kirch betrifft/ den hoͤchſten
Gewalt: auch moͤge man von jhrer hoͤchſten Verſamblung keines wegs prouocie-
ren. 3. Die Koͤnige koͤnnen mit Gewalt vnd Waffen von den Vnderthanen
zur Gebuͤhr bracht: vnnd da ſie ſich widerſpenſtig erzeigten/ von dem Thron ge-
ſtuͤrtzt/ in das Gefaͤngnuß gelegt/ vor Recht gezogen/ ja durch den Scharpffrichter
enthauptet werden. Welche drey Puncten mit dem Blut ewers zumahl from-
men Koͤnigs waͤren beſtaͤttiget worden. Vnnd wann wir hierin beyfall geben/
meynt jhr/ koͤnden die ewrige billich ſich von vns thun: wo nicht/ ſolte die Sach ich
erklaͤren vnd ewre Kirchen vom Jrꝛthumb/ vnſere Leuth aber vom Ergernuß mit
meinem Vnderꝛicht abwenden. Vnd gehet diß begehren dahin/ daß ich einfaͤl-
tiger Menſch mich zu einem Richter vnd Schiedsmann zwiſchen der Koͤnigiſchen
Parthey vnd den Parlamentiſten auffwerffe/ vnnd ein lang getriebenen Streit/
ſo ewre vorzeiten dem Paradeiß nicht vngleiche Jnſel manches Jahr gequelet/
vnd nunmehr elendiglich zerꝛiſſen hat/ entſcheyde: vnnd eine oder die andere/ viel-
leicht beyde Partheyen nur an den Halßziehe/ wann ich etwan erweiſen werde/
daß hie vnd da verſtoſſen ſeye. Jedoch/ wann es mir nur nicht zum Vnglimpff
wird gedeutet/ da ich jrgend leiſe in einem gefaͤhrlichen Handel trette/ vnd vber die
fewrige Aſchen eyle/ will ich auff alles vnnd jedes zuantworten mich verſuchen:
theils damit ich dem Herꝛn ein Genuͤgen thue/ vnnd durch ſtillſchweigen vnſerer
Kirchen Sach nicht verachte/ zumahl die ewrige ſie mit vnbillichen Argwohn be-
ſchmitzen.


Die erſte Frag kompt mir zum allerleichſten vor: vnd dunckt mich/ der hier-
uͤber entſtandene Streit koͤnd ohne Muͤhe ſich legen/ wann man den Eyfer ſincken
ließ: zumahl derſelb in ewrer Jnſel viel Leuth ſo vberzwerg treibt/ daß ſie mit ſehr
verhitzten Gemuͤthern vber dieſem einigen Punct zancken/ als waͤr hierin der Re-
ligion Anfang/ Mittel vnnd End gelegen. Wir aber halten darfuͤr/ es betreffe
wenig/ ob die Kirch durch Elteſten oder Biſchoffe regiert werde/ wann es nur fleiſ-
ſig vnd trewlich geſchicht. Hie bezieht er ſich auff Hieronymum/ vnd will beyde
Gattungen gleich alt vnnd ohne vnderſcheyd haben/ nach dem das Land vnnd die
Leuthe ein belieben darzu tragen. Den Mißbrauch koͤnde man beſchneiden: an
einem Biſchoff ſey das Elteſten Ampt/ nach der Schrifft: die Hoheit vber andere/
nach Gewonheit der alten Kirchen: vnd die Herꝛſchafft/ ſo ſich mancher ſelbſt ge-
be/ vnd kein Recht habe. Deß erſten moͤge die Kirch nicht entpehrn: das andere/
erdulten: das dritte/ gaͤntzlich abſchaffen. Doch müſte wegen deß Mißbrauchs/
es waͤr dann alle Hoffnung zur Beſſerung verlohren/ der rechte Brauch nicht eben
auff-
[141]\& Germaniæ Continuatio.
auffgehaben ſeyn. Die Klag vber die Biſchoffe waͤr ſehr alt/ vnd von jhrer Ab-
ſchaffung nichts befindlich: darumb auch Aërius vor ein Ketzer gehalten worden/
weil er ſich von denen gethan/ ſo ein Vnderſcheyd zwiſchen dem Biſchoff vnd Elte-
ſten zumachen angefangen. Hie ſolte man nicht zu hitzig gehen: wie dann die
Frantzoſen ſo in Engelland zoͤgen/ ſo wohl bey dieſem/ als bey jenem communi-
cierten.


Die andere Frag/ daß man auch in Sachen/ ſo indirectè die Kirch betref-
fen/ nicht ſolt vor ein glaubige Obrigkeit appellieren/ betrifft Engelland vnd Hol-
land/ da man dennoch zwiſtig iſt. Hie macht er viel vnderſcheyds/ was lauter Geiſt-
lich/ oder mit Weltlichem vermiſcht iſt: da bey dem erſten ein Dieng zu dem jn-
nerlichen Regiment deß Gewiſſens/ ein anders zu der euſſerlichen Verwaltung
der Kirchen gereyche. Bey dem obigen thut der Geiſtliche Richter zuviel/ wann
er mit Gefaͤngnuß verfuͤhre: darauß rechtmaͤſſige Vrſachen zur Application ent-
ſtuͤnden. Will doch der Weltlichen Obrigkeit allen Geiſtlichen Gewalt nicht
gaͤntzlich abſprechen/ ſondern nennt ſie poteſtatem objectiuam, die mit Kirchlichen
Sachen vnd Perſonen/ zum Schutz vnd auffmuntern/ auch zum Zwang vmbge-
he. Ein anders aber ſey die Manier in der Kirchen ſelbſt/ das Wort/ die Sacra-
menta/ die Cenſur/ vnnd gute Ordnung zufuͤhren: mit ſehr groſſem vnderſcheyd/
ſich auff die Frantzoͤſiſche Kirchen Ordnungen beruffen/ in welchen der hohen O-
brigkeit zu Ehren viel Ding verbotten/ oder gehalten wurden.


Bey der dritten Frag bekuͤmmert er ſich vber das Exempel in Engelland/
zumahl Bellarminus zweiffelt/ ob die Wiedertauffer mit jhrem ſchmaͤhen/ oder
die Lutheraner mit jhrem ſchmeychlen groͤſſern Schaden thun. Vnd Stapletonus,
Sie geben der Obrigkeit nicht nur was der Obrigkeit ſey/ ſondern auch was Got-
tes iſt/ weil ſie die Cleriſey derſelben vnderwerffen/ vnd keines wegs geſtatten/ daß
man einigerley Weiſe jhnen nach dem Leben ſtehe. Wie die Engellaͤnder ſelbſt/
in vielen Schrifften dieſen Puncten jederzeit kernhafftig verfochten. Darnach
beweiſt er ſolches auß dem Spruch/ die Geſalbten nicht anzuruͤhren/ den David
gegen Saul practiciert haͤtte: Jtem den Goͤttern nicht zufluchen/ welches Abiſai/
Job vnnd Salomon vom Koͤnig verſtunden. Jtem vom Geſalbten deß Herꝛn
zukuͤſſen. Jtem auß dem Weiſen/ der abmahnt von Geſellſchafft der Rebellen:
den Koͤnig beſchreibt/ daß jhm niemand widerſtehe: vnnd ſolches vmb deß Aids/
vnnd ſeiner vnvmbſchriebenen Macht willen (welchen Spruch der Koͤnig pflegte
anzuziehen.) Jtem auß dem Propheten Jeremia/ der zum Gehorſamb/ vnnd
Gebett vor die Babylonier vermahne. Vnnd damit jhm keiner eine Weltliche
Freyheit vnder Chriſto einbilde/ fuͤhrt er Chriſti Wort vnnd Exempel herbey/ de-
me Petrus vnd Judas/ vnnd Paulus gleichfoͤrmig lehren: ſo ferꝛn/ daß man auch
den vngerechten Koͤnigen zugehorſamen ſchuldig ſey/ nach dem Exempel deß
Volcks Gottes/ welches den Befehl Gottes erwartet/ vnd die boͤſe Regenten vor
S s iijein
[142]De Statu perturbato Franciæ
ein ſonderliche Straff erkannt haͤtte. Vnd helffe gar nichts/ daß man die Staͤn-
de vorſchuͤtze vnnd außnehme/ weil geſchrieben ſtuͤnde/ einjede Seele ſolt vnder-
wuͤrffig ſeyn: vnd wuͤrde der Menſchen Hochmuth durch viel Sprüche vnnd Ex-
empel Heiliger Schrifft nicht vergeblich zur Vnderthaͤnigkeit gelencket: welches
auch die Heyden auß dem Liecht der Natur erkennet. Dann ſagt er/ Petri Spruch
von der Menſchlichen Ordnung ziehle dahin nicht/ als ob die Koͤnige nur von den
Menſchen waͤren/ ſondern daß die Menſchen durch ſie regieret werden. Dar-
umb ſie auch ein hoͤheres Recht fuͤhreten/ als von Menſchen: vnd wann die Vn-
derthanen jhr Recht vnnd Macht jhnen vbergeben/ ſtuͤnde daſſelbe hernach nicht
mehr bey dem Volck/ nach dem Spruch Valentiniani: daß jhr mich zum Kayſer-
thumb erhoben/ ſtunde bey euch: daß ich aber auff ewer begehren ein Mitregenten
waͤhle/ ſteht nicht bey euch/ ſondern bey mir: euch geziempt/ als Vnderthanen/ fried-
lich zuleben: ich als der Kayſer werde ſchon ſehen/ was zuthun ſey. Darbey die
Koͤnige in Engelland noch dieſen Vorzug haͤtten/ daß ſie ſich ſchrieben von Got-
tes Gnaden. Er treibt den Aid hoch/ der auch am Koͤnig Saul vnd Zedekias ge-
ſtrafft worden/ daß Jeruſalem daruͤber müſſen zerſtoͤrt werden. Chriſtus ſage
wohl von Hand vnnd Fuß abhawen: das Haupt aber werde jederzeit verwahrt.
Der Koͤnig ſey Vatter/ darumb auch GOtt bey dem Abfall/ nur das Weib die
Bruͤder vnd Kinder befohlen zuermorden. David erkenne ſich Sauls Kuecht/
vnnd den Saul vor ſeinen Herꝛn: ſo wolle Petrus/ man ſolle auch den wunderli-
chen Herꝛn vnderthaͤnig ſeyn. Ein Chriſt muͤſſe vngerechter Weiſe leiden/ vnd
vergreiffe ſich an dem Herꝛn aller Herꝛn/ wann er deſſelben Geſalbten berühre.
Vnnd ob ſchon die Juͤdaiſche Salbung hie nicht gelte/ ſo gelte doch das Ampt/ zu
mahl Cyrus der Geſalbte deß Herꝛn von dem Propheten Eſaia genannt werde/
nicht wegen der euſſerlichen Salbung/ die jhme nicht wiederfahren/ ſondern we-
gen deß Beruffs von Gott/ vnnd tragenden Ampts/ ſo er mit allen Koͤnigen ge-
mein haͤtte. Auß welchem Bedencken Gott ſelbſt: vnd auch die vernuͤnfftige Hey-
den die Regenten Goͤtter nenneten/ als Gottes Ebenbild/ deſſen Verletzung er mit
Rach verfolge.


Er treibt hoch/ was Samuel dem Volck Jſrael von deß Koͤnigs Recht vor-
gehalten/ nicht daß Davids Ehebruch vnnd Mordthat/ oder Ahabs falſches Vr-
theil vnd tyranniſche Confiſcation vor Gott gebillicht wuͤrden/ ſondern daß die Koͤ-
nige dergleichen vngeſtrafft thaͤten/ vnnd das Volck in ſolcher Noth kein Huͤlff
auff Erden finde/ vnd allein vmb Rettung zu Gottſchreyen muſte. David haͤt-
te ſolches erkannt/ wann er beichte/ Gott/ an der allein hab ich geſuͤndigt/ vnnd ſein
Jrꝛthumb bekenne/ ob jhm alles zuthun erlaubt waͤre: zumahl alte vnnd newe Kir-
chenlehrer es dahin deuten/ daß er gemeynt/ er haͤtte vnder ſeinem Volck kein O-
bern/ der jhn vrtheilen koͤnde: welches er mit deß Rabinen Kimchi Spruch beſtaͤt-
tigt. Wann auch niemand das Schwerd zufuͤhren Macht habe/ als der Koͤnig/
vnd
[143]\& Germaniæ Continuatio.
vnd wem es der Koͤnig anbefehle/ koͤnd daſſelb wider den Koͤnig nicht gefuͤhrt wer-
den: zumahl Trajani Spruch dahin nicht gangen/ weil ſolches auch wider der Ra-
biner Lehr lauffe/ ein Koͤnig koͤnne ſeiner Wuͤrden nicht erlaſſen werden: gleich
wie Pharao jmmerzu hoͤher geweſen als Joſeph/ ſein Statthalter. Die Schrifft
bezeuge vielfaltig/ was vor Gutthaten die Vnderthanen vom Koͤnig erhalten/
vnnd wie derſelb/ ſo viel als zehen tauſend gelte/ darumb man auch zu Gott fuͤr jhn
bitten muͤſte: der aber auch gefoͤrchtet werde wegen der Vbelthat. Sonderlich
ſtraffe Gott die Rebellion/ als auch Suetonius ein Heyd bezeuge/ daß deren/ ſo Iu-
lium Cæſarem
vmbgebracht/ keiner vber drey Jahr hernach gelebt/ odereines Bur-
gerlichen Tods geſtorben ſey. So melde Joſephus/ es waͤren die jenige/ ſo den
Sanherib erſchlagen/ deßwegen von der Succeſſion ins Elend verſtoſſen/ bey den
Armenianern geſtorben: zu geſchweigen deren Exempel/ ſo die H. Schrifft an die
Hand legte: ſonderlich vom Achitophel/ Abſalom/ Seba vnnd Simei: Abner/
Joab vnnd Abjathar. Jm Koͤnigreich Juda waͤren nur drey Koͤnige/ Joas/ A-
maſias vnnd Amon vmbkommen: aber von halb Judiſch gebornen/ die doch zur
Straff waͤren gezogen worden. Vnd da bey den Minderjahren deß Koͤnigs die
Thaͤter vngeſtrafft durch kommen/ ſchreibe doch der Prophet Micha/ die Satt La-
chis werde daruͤber leiden muͤſſen. Jn dem Koͤnigreich Jſrael haͤtte es ſolcher
loſen Exempel viel gegeben/ darbey aber die Straff nimmer auſſen blieben/ alſo
daß die Gottloſe Koͤnigin Jeſabel den gemeinen Spruch iſts Zimry wohl ergan-
gen/ daß er ſeinen Herꝛn vmbgebracht? zu jhrer Verwahrung vorgeſchuͤtzt haͤtte.
Er weiſet auch auß dem End der Cronickbuͤcher/ vnnd von den Koͤnigen/ auch dem
Propheten Hoſea/ daß eben wegen deſſelben Abfalls ſo viel Vngluͤck im Land ge-
weſen/ vnd das Volck vom Angeſicht deß Herꝛn ſey verworffen worden. Vnnd
helffe nicht/ daß allhie Gottes Raht vnnd Wille vorgeſchuͤtzt werde/ wann derſelbe
eine Suͤnd durch die andere ſtraffe/ in deme Salomon zwar geſuͤndigt/ Jeroboam
aber die Rebellion angefangen/ vnd das Volck ſich vom Hauſe David abgeriſſen
haͤtte. Alſo ſehe man/ daß das Koͤnigreich Juda ſchier doppele Zeit gegen dem
Jſraelitiſchen geſtanden/ vnnd nicht ſo viel Koͤnige gehabt/ welche viele Veraͤnde-
rungen Salomon der Suͤnden deß Volcks zulege. Vmb ſolcher Trew willen
auch Juda auß der Babyloniſchen Gefaͤngnuß wieder nach Hauß/ vnd zum Re-
giment kommen/ da Jſrael die Religion geaͤndert/ in ſeinem Blut ſo offt gebadet/
in ewige Dienſtbarkeit gerahten/ vnd an dem Meſſiæ/ auch nach der fuͤlle der Hey-
den/ kein Theil habe/ zumahl Paulus durch das Wort Jſrael die Juden vnd rech-
te Bekenner verſtehe.


Er meynt/ Saul waͤr zweymahl vngehorſam geweſen/ haͤtte die Prie-
ſterſtatt zu Nob mit dem Schwerdt wieder die Gerechtigkeit zerſtoͤrt: dem
David ſein Eheweib genommen/ vnnd einem andern geben/ vnnd jhn
ſelbſt mit Krieg verfolgt. Aber David/ voll deß H. Geiſtes/ haͤttejhn nie vor Ge-
richt
[144]De Statu perturbato Franciæ
richt geladen/ deſſen er/ oder kein ander/ als der verordnete vnd geſalbte Koͤnig/ nach
der Engellaͤnder Meynung/ den rechten Fug gehabt: darvon er aber ſo ferꝛn ge-
weſen/ daß er den Tyrannen in ſeiner Hand gehabt/ vnnd mit jhm verfahren koͤn-
nen/ wie Macrinus mit Caracalla, auch ſich erinnern moͤgen/ daß Gott jhm ver-
heiſſen/ Er wolte jhm ſeine Feinde in die Haͤnde geben/ darzu jhn auch ſeine
Kriegsoberſten verꝛeytzten/ die Hand nicht wollen an den Geſalbten deß Herꝛn le-
gen ſondern die Rache Gott laſſen. Vnd gelte hie nicht/ ob David/ als ein gu-
ter Politicus, hiedurch ſein eygen Leben wollen ſeinen Vnderthanen deſto thewrer
machen: weil er von dem Herꝛn vnd hochſten Gott/ auch ſeinem Gewiſſen redet:
zumahl auch die Talmudiſten meynen/ David haͤtte eben deßwegen in ſeinen ey-
genen Kleydern bey hohem Alter nicht koͤnnen warm werden/ zur Straff daß er den
Zipffel von deß Koͤnigs Rock/ wiewohl zum Zeugnuß ſeines vnderthaͤnigen Ge-
muͤths allein abgeſchnitten/ vnnd dadurch den Koͤnig verſchimpfft haͤtte. Alſo
haͤtte er den Amalekiter geſtrafft/ daß er/ nach eygener Außſag/ ſein Hand an den
Koͤnig doͤrffen legen/ der jhn doch darzu gebetten vnnd genoͤthigt gehabt: wie dann
David wegen Nabals geſchwinden End ſich gefrewt/ aber vber deß Koͤnigs
Sauls todt leyd getragen/ vnnd denen zu Jabes wegen der Trew an deß Koͤnigs
Coͤrper erwieſen/ Privilegium zugeſagt. David haͤtte ſich zwar groͤblich ver-
ſuͤndigt an deß Vriæ Weib vnnd Leben: Salomon waͤr in den fleiſchlichen Luͤſten
jmmer fortgefahren/ weil er im Hohen Lied (welches Buch er im geſtandenen Al-
ter geſchrieben/ vnnd nicht ſo gar lang vor ſeinem End/ wie er ſelbſten darinnen ge-
nugſamb andeutet) nur von ſechzig Koͤniginen/ vnnd von achzig Kebs Weibern
Meldung thaͤte/ da doch bey ſeinem Ende von ſiebenhundert Kebs-Weibern zu-
leſen. Joram haͤtte ſeine Bruͤder/ vnnd die fuͤrnembſten am Hoff hiengerichtet:
Joas den Prieſter Zachariam/ der wider die Abgoͤtterey geprediget/ zu todt ſteini-
gen: vnnd Joachin den Propheten Vrian auß Egypten bringen/ vnnd enthaup-
ten: vnnd Ozias ſich vom opffern nicht abmahnen laſſen. Achas ſeine Soͤhne
dem Moloch geopffert/ vnd allenthalben Heydniſche Altar gebawet. Manaſſe die
ſtumme Suͤnden vnnd Weychlinge in den Tempel geſetzt/ die Wahrſager vmb
ſich gehabt/ die gantze Statt mit Blut angefuͤllet/ den Propheten Eſaiam mit ei-
ner Seeg in zwey geſchnitten: vnd in Summa alle Koͤnige vom Geſchlecht Da-
vid/ fuͤnffe außgenommen/ waͤren Goͤtzendiener geweſen: gleich wie die Koͤnige
Jſrael alle ohne vnderſcheyd den gülden Kaͤlbern zu Dan vnd Bethel geraͤuchert/
den Teuffelsprieſtern angehangen/ dem Belo von Tyr ein Capell in Samariẽ ge-
bawt/ demſelben 450. Prieſter gehalten/ vnd die Propheten verfolgt/ den Beelze-
bub Rahts gefragt/ die Schwangere Weiber geſpalten/ vnnd das Koͤnigreich mit
Vngerechtigkeit vnnd Blutvergieſſen angetretten vnnd verwaltet. Dannoch
haͤtte der groſſe Raht ſie nicht vervrtheilt/ ſo finden ſich auch keine Propheten/ die
auß Gottes Befehl denſelben Richtern jhre Saumſeligkeit oder vnzeitige Forcht
vor-
[145]\& Germaniæ Continuatio.
vorgehalten/ oder ſie/ die Koͤnige abzuſetzen/ vnnd zuenthaupten angetrieben haͤt-
ten: da ſie hiengegen den Mord an den allergottloſeſten Koͤnigen begangen nicht
vngeſtrafft gelaſſen.


Hie will er die Zeit mit der Meynung der alten Kirchen Lehrer nicht zubrin-
gen/ ſondern erzehlt ein Kirchengeſatz/ in Anno 633. auff dem vierden Concilio zu
Toledo in Spanien gemacht/ mit der Gelegenheit/ alſo: Vnder den Gothen in
Spanien/ als einem vngezaumten vnnd Arꝛianiſchen Volck/ war es ſelbiger Zeit
vblich/ die Koͤnige abzuſetzen vnnd vmbzubringen. Wie dann Anno 416 Koͤnig
Ataulff zu Barcellona vnder kurtzweiligem Geſpraͤch/ von Wernulffen erſchla-
gen/ vnnd deſſen Nachfahr Siegreich von ſeinen Hoffdienern ermordet worden.
Alſo vberfielen Anno 452. den krancken Thorißmunden vnder der Aderlaß ſeine
Bruͤder Dieterich vnd Friederich: die jhn/ wie faſt er ſich mit dem freyen Arm/ mit
deß Barbierers ergriffenen Flithen eingute weil gewehret/ durch viel Wunden
auff den Boden gelegt. Eurich erſchlug ſeinen Bruder Dieterich/ Anno 466.
vnd macht ſich ſelbſt zum Koͤnig. Als Geſelich Anno 510. eine Schlacht wieder
Gundbalden/ der Burgunder Koͤnig verlohren/ nahm jhm Dieterich das Regi-
ment/ vnd deſſelben Oberſt Ebban nach zweyen Jahren das Leben. Wie es auch
Koͤnig Amaltichen Anno 521. [...]ergangen/ als er von den Francken bey Narbon-
na geſchlagen/ nach Barcellona ſich ſalvieren wolte. Einer/ ſo ſich Sinnloß ſtel-
lete/ gab Koͤnig Theudis Anno 542. ein toͤdliche Wund/ vnd wurd nicht geſtrafft/
weil der Koͤnig jhm das ſelbſt Leben ſchenckete/ vñ erinnerte/ das haͤtte er an ſeinem
Fuͤrſten laͤngſt verſchuldet. Deſſen Sohn Theudiſclum ſtrangulierten die
Reichs Fuͤrſten Anno 544. Als Anno 553. Athanagild nach der Kron ſtund/ vnnd
den Koͤnig Agilaw bey Sevilien geſchlagen hatte/ damals forchteten die Gothen
der Roͤmer Einfall/ ſchlugen den Agilaw bey Meridia la grande todt/ vnnd mach-
ten den Athanagild zum Koͤnig. Anno 604. vertrieb Witterich Liuben/ Recare-
di
Sohn/ ein feinen jungen Fuͤrſten/ ſtuͤmmelt jhm die rechte Hand/ biß er jhn end-
lich gar vmbbrachte: wurd aber nach ſechs Jahren bey einem Banquet auch er-
ſchlagen. Anno 624. wurd dem fuͤrtrefflichen Koͤnig Siſebuth vergeben: wie nun
ſein Sohn Recared im ſiebenden Monat hernach verſtorben/ folgt jhm Suintil-
la im Regiment. Weil ſich nun die Gothen ſeiner ſchaͤmeten/ lieſſen ſie geſche-
hen/ daß Koͤnig Dagobert der Franck/ jhn abgeſetzt/ vnnd Siſenanden auff den
Thron brachte. Jm dritten Jahr dieſes Koͤnigs Siſenand wurd zu Toledo ein
Concilium/ von ſiebenzig Biſchoffen/ auß gantz Spanien/ vnnd dem Narbonni-
ſchen Gallien/ vnder Jſidori von Sevilien Direction gehalten/ vnd die Gothiſche
Wahnſinnigkeit zubezaͤumen dieſes Kirchengeſatz gemacht/ deſſen Eingang alſo
lautet:


Nach abgefaſter Ordnung wegen der Geiſtlichen Perſonen/ vnnd etlicher
Leuthe Zucht/ haben wir Prieſter alle vns vorgenommen/ das letzte Biſchoffliche
T tDecret
[146]De Statu perturbato Franciæ
Decret vnder Gottes Gericht/ vnſere Koͤnige zuſtaͤrcken/ vnnd die Gothiſche Na-
tion zuſtabiliren/ auß zulaſſen. Dann viel Voͤlcker/ wie man ſagt/ ſo gar Meyn-
aidig ſind/ daß ſie die Trew/ ſo ſie durch aidliche Pflicht jhrem Koͤnig gelobet/ zu-
halten vergeſſen/ vnnd mit dem Mund ſich deß gethanen Aids annehmen/ in dem
ſie im Sinn den Gottloſen Meynaid hinderhalten. Dann ſie ſchweren jhren
Koͤnigen/ vnd brechen die Pflicht/ ſo ſie gelobet: vnnd ſchewen ſich nicht vor Got-
tesbuch/ in welchem der Fluch/ vnd viel angedrohete ſtraffen vber die jenige gefuͤh-
ret werden/ welche im Namen Gottes luͤgenhafftig ſchweren. Was werden a-
ber ſolche Voͤlcker vor Hoffnung wider jhre Feinde zuſtreiten haben? was wer-
den jhn andere Voͤlcker zum Frieden glauben koͤnnen? was vor Buͤndnuß wer-
den ſie nicht brechen? was werden ſie den Feinden vor Glauben halten/ wann ſie
auch jhren eygenen Koͤnigen die geleyſtete Pflicht nicht thun? dann wer iſt ſo vn-
ſinnig/ daß er jhm mit eygener Fauſt den Kopff abſchneide? Solche Leuth/ wie be-
kannt/ vergeſſen jhrer eygenen Seeligkeit/ nehmen jhnen mit eygener Hand das
Leben/ wann ſie jhren Gewalt wider ſich ſelbſt vnd jhre Koͤnige fuͤhren. Wann
nun der Herꝛ ſelbſt ſpricht/ ruͤhret meine Geſalbten nicht an/ vnd David ſagt/ wer
wolte ſeine Hand wider den Geſalbten deß Herꝛn außſtrecken/ vnnd vnſchuldig
ſeyn? foͤrchten ſie ſich nicht ein Meynaid zubegehen/ vnd die Koͤnige zuermorden.
Den Feinden pflegt man ſonſten etwas zu zuſagen/ vnnd zuhalten: ſo dann nun
Trew im Krieg gültig iſt/ wie viel mehr ſoll man dann Trew bey den ſeinigen ley-
ſten? dann es iſt ein Gottslaͤſterung/ wann die Voͤlcker jhrer Koͤnigen Wort
ſchwaͤchen/ weil das Verbrechen nicht nur ſie/ ſondern auch Gott beruͤhrt/ in deſſen
Namen die Zuſag geſchehen. Dannenhero auch kommen/ daß Gottes Zorn ſo
viel Koͤnigreiche verkehrt/ auff daß deß einen Gottloſe Trew vnd Sitten durch das
andere geſtrafft werde.


Vnnd bald hernach: wann wir dann dem Zorn Gottes entgehen wollen/
vnnd ſeinen Eyfer zur Guͤte zubewegen begehren/ muͤſſen wir den Gottesdienſt
vnd ſeine Forcht beobachten/ vnnd vnſern Fuͤrſten Trew vnd Pflicht halten. Es
ſoll vnder vns ſich nicht finden: wie bey andern Voͤlckern/ ein Gottloſe Spitzfin-
digkeit zur Vntrew/ kein Meynaid eines tuͤckiſchen Sinnes/ kein Grewel der ge-
brochenen Pflicht/ vnd kein abſchewliche Verbuͤndnuß zur Rebellion. Niemand
ſoll vnder vns vermeſſener Weiſe das Koͤnigreich anfallen/ keiner ſoll die Buͤrger
gegen einander auffruͤtſchen/ keinem ſoll deß Koͤnigs todt in Sinn kommen/ ꝛc.
Vnd wann dieſe Vermahnung vnſern Sinn nicht beſſert/ vnd vnſer Hertz nicht
zur gemeinen Wolfahrt lencket/ ſo laß dir dieſen vnſern Spruch ankuͤndigen:
wer nun vnder vns/ oder einigen Voͤlckern in gantz Spanien/ durch einigerley
Meuterey oder Eyfer/ den Aid ſeiner Pflicht/ welchen er vor das Vatterland/ vnd
der Gothiſchen Nation Regiment/ oder Erhaltung der Koͤniglichen Wohlfarth
gelobet/ brechen/ oder dem Koͤnig den Todtanthun/ oder jhn deß Koͤniglichen Ge-
walts
[147]\& Germaniæ Continuatio.
walts entſetzen/ oder auß tyranniſcher Vermeſſenheit die Koͤnigliche Hoheit ſelbſt
an ſich reiſſen wuͤrde/ der ſey ein Fluch/ vor dem Angeſicht Gottes/ vnd der Engeln/
vnd hiemit von der Catholiſchen Kirchen/ die er durch Meynaid verunehret/ auß-
geſchloſſen/ vnd von allen Chriſtlichen Verſamblungen entfrembdet: kein Theil
habe er mit den Gerechten/ ſondern ſey mit dem Teuffel vnnd ſeinen Engeln/ zu e-
wiger Pein mit allen denen/ ſo gleiche Meuterey treiben/ verdampt. Da ſie nun
dieſen Fluch vor der gantzen Cleriſey/ vnnd allem Volck zum dritten mahl mit er-
hobener Stim verkuͤndigt/ hat die gantze Cleriſey/ vnnd alles Volck geantwort:
wer wider dieſe ewre Verordnung wird thun doͤrffen/ ſey Anathema Maranatha,
das iſt/ verflucht bey der Zukunfft deß Herꝛn/ vnnd habe ſein Theil neben ſeinem
Anhang mit Juda dem Verꝛaͤhter/ Amen. Vnd iſt dieſe Kirchen Ordnung bey
allen Gothiſchen Voͤlckern in Spanien folgender Zeit ſo ſteiff gehalten worden/
daß ſie keinen Koͤnig mehr abgeſetzt/ weniger vmbbracht haben/ auſſerhalb deß ei-
nigen Vnmenſchen Wititzen.


Nach dieſen gefuͤhrten Gruͤnden gibt er ferꝛnern Raht/ ob gleich dem Volck
dieſer Gewalt gebuͤhrte/ waͤre doch ein ſolches Mittel/ wider ein boͤſen Koͤnig viel-
leicht ſchaͤdlicher: zumahl Chriſtus befohlen/ man ſolte das Vnkraut mit dem
Waitzen laſſen auffwachſen/ wie auch David auß Forcht eines Auffſtands dem
Joab ſchonen wollen/ damit viel vnſchuldig Blut vnvergoſſen bliebe. Hie wolt
er von deß Koͤnigs Perſon ſprechen/ daß derſelb biß dahin vnſtraͤfflich gelebt/ bey
erworbenem Sieg ſich gemaͤſſigt/ als ein guter Chriſt mit Anruffung Gottes/ vnd
nach gethaner Vorbit vor ſeine Feinde geſtorben/ auch ſeine letzte Gedancken ſehr
beweglich abgefaſt vnnd hinderlaſſen: befihlt es aber andern/ dem die Engellaͤndi-
ſche Haͤndel beſſer bekannt waͤren/ vnnd ſucht die Preßbiterianer ſchoͤn zumachen:
dieſelben moͤchten nun nicht allerdings ohne Suͤnd hierbey ſeyn: haͤtten dannoch
dem Koͤnig nie nach dem Leben getrachtet/ ſondern dieſem gewaltigen Strom nach
vermoͤgen widerſtanden: in deme das Kriegs Volck einen vnnd andern auß dem
Parlament geſchafft/ an der Zahl/ vber anderthalb hundert: ſo gar/ daß auch kein
einiger Preßbiterianer vnder denſelben Blutsrichtern zufinden. Welches die
Antwort an Cooke/ die ein Koͤnigiſcher geſtelt/ ſelbſt bekennet mit dieſen Worten:
Dz ich von den Preßbiterianern nichts ſage/ deren wenig/ wann je einer auß jhnen/
in deß Koͤnigstodt conſpirieret: ſind die vbrige nicht Widertaͤuffer/ Jndependen-
ten vnnd Sectierer geweſen? Alſo daß Prynn auß ſeiner Verhafftung an das
Parlament nach folgende wichtige Gruͤnde geſchrieben/ vnd ſie dadurch erinnert/
von jhrem vnbillichen Vorhaben abzuſtehen. 1. Weil vermoͤg der Land Ge-
ſatz/ die Majeſtaͤt verletze/ wer nur gedencke den Koͤnig/ oder deſſen aͤltern Sohn
abzuſetzen. 2. Weil ſie vor Antrettung deß Parlaments den Aid gethan/ daß
ſie dieſen Carln vor den rechtmaͤſſigen Koͤnig in Engelland erkennen/ den auch
niemand abſetzen moͤge. 3. Weil ſie bey fitzendem Parlament wohl hundert
T t ijmahl
[148]De Statu perturbato Franciæ
mahl geſchworen/ ſie wolten jhm Trew ſeyn/ vnnd vor ſeine Majeſtaͤt Gut vnnd
Blut/ das Leben ſelbſt anwenden. 4. Weil ſie nimmermehr geſtehen wollen/
daß jhr Armee zu ſolchem end fechte/ das jhnen nimmer waͤr in Sinn kommen.
Zumahl dieſelbe zur Beſchuͤtzung der Koͤniglichen Perſon dienete. 5. Weil
ſie ſich jhrer Majeſtaͤt Perſon zuverthaͤidigen/ bey dem Bund der dreyen Koͤnig-
reichen/ zu Verluſt jhres Lebens vnnd aller Wohlfahrt ſo hoͤchlich verpflichtet haͤt-
ten. 6. Weil in beyden Koͤnigreichen Juda vnnd Jſrael kein Exempel zufin-
den/ daß der groſſe Raht oder das Volck einigen abgeſetzt/ weniger getoͤdet haͤtte:
Zumahl auch den Jſraeliten jhr Abfall vom Hauß David ſehr vbel gelungen:
deßwegen im alten vnd newen Teſtament die Pflicht vnnd der Gehorſamb gegen
den Koͤnigen ſo hoch werde anbefohlen. 7. Weil das Parlament vnder dem
Gewalt der Waffen vndertruckt/ vnnd geſtimmelt/ kein recht Parlament iſt/ vnnd
demnach von ſo hochwichtigen Sachen nicht vrtheilen koͤnnen. 8. Weil da-
durch die reformirte Religion/ die biß dahin ſich mit Abſetzung oder Mord einiges
Fuͤrſten/ weniger einiges Proteſtierenden Koͤnigs/ als dieſer waͤre/ eines maͤſſigen
eingezogenen Lebens/ vnnd zur Tyranney nicht geneygten Gemuͤths/ nimmer be-
ſudelt/ geſchaͤndet wurde. 9. Weil Schottland vnd Jrꝛland nicht weniger
recht an dem Koͤnig haͤtten/ als Engelland: die Schotten jhn auch mit dieſer Be-
dingung vbergeben haͤtten/ daß ſeiner Perſon kein Gewalt geſchehe. 10. Weil
in den Geſchichten deß Koͤnigreichs kein Exempel dergleichen zufinden.


Dergleichen Schrifft haͤtte Dr. Granden auch laſſen vortragen/ mit Er-
innerung/ deß Koͤnigs ſchmaͤhliche Verhafftung koͤndt wohl vor eine Buß auff-
genommen werden. Vnnd nicht nur dieſer Doctor vor ſich allein/ ſondern noch
vierzig ſieben Preßbiterianer Prediger auß der Claß Londen/ welche das Kriegs-
Volck hart anfahren/ daß es dem Koͤnig vnd dem Parlament Gewalt anlege/ wel-
ches wider Gott vnnd jhren offt wiederholten Aid lieffe/ mit Ankuͤndung der Ge-
richten Gottes/ im Namen aller Rechtglaubigen Lehrer. Sie ſolten ſich deß er-
haltenen Siegs nicht vberheben/ wann Gott jhnen wider ſein Wort zuthun nach-
gebe. Vnnd dieſe Lehr haͤtten ſie auß Gottes Wort gefaſt/ wuͤrden ſich auch
durch keine Bedrohung darvon laſſen abwenden. Es haͤtten die Hollaͤndiſche
Geſandten/ vnd die Schottiſche Abgeordnete jhr beſtes gethan/ mit vielfaltigem
erinnern vnnd abmahnen: da aber nichts helffen wollen/ waͤren die Hollaͤnder ab-
gezogen/ damit jhre Gegenwart ein ſolche Mißhandlung nicht billichte: die Schot-
ten aber den newen Koͤnig ſchrifftlich begruͤſt/ vnnd jhm allen Gehorſam angebot-
ten. Welches jhre Schreiben auß dem Parlament/ vnnd auß dem National
Synodo bezeugeten. Auch haͤtten die fuͤrnembſte Pfarꝛer in Franckreich diß
Vbel auff den Cantzeln/ vnd in Schrifften einmüthiglich/ als dem Wort Gottes
zuwider/ verworffen/ vnnd von jhren Gemeinden ferꝛn gethan: deren einer dieſe
Wort gebrauchet/ es waͤr nach dem Todt Chriſti am Creutz auff der gantzen Welt
kein
[149]\& Germaniæ Continuatio.
kein grewlicher Laſter begangen: der gantze Erdkreiß erzittere daruͤber/ vnnd alle
Frommen wuͤrden Leyd daruͤber biß an das End der Welt zutragen beweget.
Von Genff auß/ vnnd von allen Enden/ haͤtte man geſucht dieſen grewlichen
Streich abzuwenden. Alſo daß man den Reformierten in Franckreich derglei-
chen beyzumeſſen noch nie keine Vrſach/ auch nicht zum Argwohn/ finden moͤgen:
mit Wunſch vnnd Beſchluß/ daß Gott die Jnſel wieder zu recht bringe. Son-
ſten pflegt jederman einem vngluͤcklichen Menſchen die vhralte vnd newe Schul-
den auffzubuͤrden: wie auch allhie geſchehen/ daß man zuruͤck gedacht/ ob Jacobus
VI. eben Henrici Stuarti von Darley: oder vielleicht deß Muſicanten Davids
Rieſen: oder Graff Jacob Hepturn von Botweil Sohn waͤre/ weil die Kinder
in Schottland von der Koͤnigin Maria in Schottland vnreinem Leben zuſingen
vnd zuſagen haͤtten: vnd Gott allhie wollen heymſuchen vnd ſtraffen.



Der 16. Diſcurß.


Wie der Fluch auff alle Koͤnige in Engelland kommen/
auch gewuͤrcket. Wie Engelland wieder vereynigt/ aber Koͤnigin Maria Stuart
gekoͤpfft worden. Was Plato von Fluͤchen/ ſo durch Eltern geſchehen halte. Von
dem Geſicht im Spiegel: von einem alten Verß/ vnnd den letzten Koͤnigen in En-
gelland: auch einem Frantzoͤſiſchem Geſichte. Von noch dreyen Executionen in
Engelland.


DEr Menſchen Gedancken ſind wunderlich verkehrt
nach jhrem Verſtand vnd nach den herꝛſchenden Paſſionen: alſo meyne
jener/ die Teutſche Fürſten/ ſo von der Catholiſchen Religionabgefallen/
haͤtten zwar gemeynt/ durch die eingezogene Guͤter ſich zubereichen/ waͤren a-
ber von ſelbiger Zeit gantz verarmet. Ein ander meynte/ der Hollaͤnder Abfall
vom Hauß Spanien haͤtte ſie viel Bluts gekoſtet/ vnnd waͤren alle die den Abfall
befoͤrdert/ oder ein belieben daran gehabt/ in ſtaͤter Forcht geſtorben/ auch vnder
dem Kriegsbraſt vergangen/ als haͤtten ſie nur vor jhre Nachkoͤmlinge gearbeitet:
gleich wie die ſechsmahl hundert tauſendt ſtreitbare Mann deß Volcks Jſrael/ ſo
auß Egypten giengen/ ſich in der Wuͤſten an dem Herꝛn jhrem Erloͤſer verſuͤn-
digt/ daß deren vber ein par in das gelobte Land nicht moͤgen eingehen/ als Joſua
vnnd Caleb: zumahl auch Aaron vnd Moſes nicht hienein kommen. Darumb
erinnern wir vns/ was Eſtienne Paſquier en ſes recherches de la France, im ſechs-
T t iijzehen-
[150]De Statu perturbato Franciæ
zehenden Buch/ am vier vnnd zwantzigſten Capitel/ von dem Engellaͤndiſchen
Vnweſen vorlaͤngſt geſchrieben/ vnnd ſetzen es dem guͤnſtigen Leſer von Wort zu
Wort allhero: Ob ich ſchon durch den Diſcurß/ ſo ich hie zuthun vermeine/ vber
die Graͤntzen auß Franckreich lauffe: ſo befihlt mir doch das Exempel/ ſo ich dro-
ben erzehlt/ daß ich erweiſe/ wie Gott dem Koͤnig Henrico/ deſſen ich erſt Meldung
gethan/ wegen ſeiner Gottſeligkeit gegen ſeinem Vatter/ ein lange Anzahl vnnd
Nachfolge an Succeſſorn von ſeinem Leib bey dem Koͤnigreich Engelland verlie-
hen: auch hiengegen gewolt hat/ daß wegen deß Fehlers/ ſo er bey ſeinem Heuraht
begangen/ ſeine Nachkoͤmlinge vnnd Erben mit jmmerwehrender Vneinigkeit
vnd vielem Vngluͤck wieder einander geplagt wuͤrden. Darumb ſoll dieſes nur
ein kurtzer Außzug ſeyn auß der groſſen Engellaͤndiſchen Hiſtori/ nach Henrico I.
Wilhelmen deß Baſtarts Sohn/ biß auff der jetzigen Koͤnigin Eliſabeth Regie-
rung/ welches doch Franckreich auch vmb etwas betreffen wird.


Nun dieſe Geſchichten von Anfang biß zum End zubringen/ muͤſſen wir
vernehmen/ daß Henricus I. ſeinem Bruder Robert/ der ſolbiger Zeit ſich im ge-
lobten Land/ die Statt Jeruſalem zuerobern/ enthielte/ das Koͤnigreich Engel-
land abgewonnen: vnd an Mechteln/ Koͤnigs Edgarn in Schottland Schweſter/
ſo laͤngſt zuvor in ein Cloſter gegangen/ vnd ein geſchleyerte Nonn war/ zuheurah-
ten Luſt bekommen/ deſſen er ſie verſtaͤndigen/ vnnd zum oͤfftern/ ohne nachlaſſen/
erſuchen thaͤte. Wie aber dieſe andaͤchtige Princeſſin in veſtem Vorſatz jhres
Geluͤbds verharꝛete/ konde er ſein Begehren gar nicht erlangen/ biß daß Koͤnig
Edgar/ auß Forcht ſeiner Vngeſtimmigkeit/ ſich genoͤthigt befunden/ ſeine Schwe-
ſter zu deſſelben Willen zubereden: weil ſie nun ſahe/ daß ſie gezwungen ward/
thaͤt ſie ein Gebett zu Gott/ daß die Poſteritaͤt/ ſo von jhnen beyden kommen moͤcht/
in ewigem Zanck lebete. Daß nun der Eltern Fluch jhren nach druck haben/ lehrt
vns gegenwertiges Exempel/ zumahl die Verfluchung dieſer Mechteln nicht nur
biß auff das dritte vnnd vierdte Glied/ ſondern biß auff vnſere Zeiten/ ſich erſtreckt
hat: alſo daß folgender Zeit kein Koͤnig in Engelland regiert/ der vmb ſicherer
Regierung willen nicht gezwungen oder vervrſacht waͤre worden/ entweder ſeine
Bruͤder/ oder nechſte Blutsfreund vmbzubringen/ zum wenigſten auff eine Zeit-
lang inheymiſche Empoͤrungen verſucht haͤtte. Welche Haͤndel ich mir zuerzeh-
len belieben laſſe/ ob ſchon mehr Grauſen vnnd Schrecken/ als Wohlgefallen dar-
bey zugewarten.


So iſt nun zum allererſten gewiß/ daß durch Koͤnigs Henrici I. todt/ das
Koͤnigreich ſeiner einigen Tochter Mechteln/ welche Graff Gottfried von Anjon
zur Ehe hatte genommen/ anheim gefallen. Dannoch vnderfing ſich Graff
Stephan von Boulogne, weil er deß Graffen von Bloys/ vnnd Adelen (deren
Vatter vnder mehr Kindern Wilhelm der Baſtart vnd Henrici I. Vatter gewe-
ſen) Sohn war/ der Kron/ vnnd nahm das Land mit Gewalt ein. Dieſelben
Kriege
[151]\& Germaniæ Continuatio.
Kriege/ ſo zwiſchen Anjou vnd Engelland deß wegen gefuͤhrt worden/ nach der laͤn-
ge zuerzehlen/ erfordert ein weitern Zettel vnnd Vmbſchweiff/ als ich mir vor diß-
mahl nicht vorgenommen. So viel wurd endlich verglichen/ daß Stephan/ ſo
lang er lebte/ Koͤnig vber gantz Engelland erkannt wurde: deſſen Nutzbarkeit vnd
Eygenthumb nach ſeinem abſterben in der Perſon Henrici II. der Mechteln
Sohn beveſtigte. Vnnd ſchiene das Gluͤck wolte dieſem jungen Printzen aller-
dingswohl/ weil er von ſeiner Fraw Mutter das groſſe Koͤnigreich Engelland/ zu-
gleich auch das Hertzogthumb Normandey vom Vatter her/ die Landſchafften/
Maine, Anjou vnnd Touraine; von ſeinem Weib her/ gantz Guyenne vnnd Poitu
beſeſſen. Dannoch gedachte das Gluͤck zu ruͤck an den Fluch ſeiner Großmut-
ter/ der erſten Mechteln/ vnd wolt jhn nicht im Frieden laſſen/ ſondern erweckt ſein
eygene Kinder wider jhn/ alſo daß der erſtgeborne Henricus/ noch bey ſeinem Le-
ben zum Koͤnig gekroͤnt ward/ vnnd dannenhero dem Vatter die Kron gar zuneh-
men gedachte/ vnder dieſem Vorwand/ als haͤtte der Vatter bey derletzten Kroͤ-
nung ſich aller Verwaltung vber das Koͤnigreich gegen jhm begeben. Es brach
zu einem Krieg auß/ welcher nicht ehe verloſchen/ biß gedachter junge Koͤnig Hen-
rich verſtorben: welcher geſtalt Reichart/ nach ſeines Vattern vnnd aͤltern Bru-
ders todt/ zu der Kron iſt kommen: wie er nun meynte/ ſeine Laͤnder ſtuͤnden in gu-
ter Verſicherung/ macht er ſich mit Koͤnig Philippo auß Franckreich/ zugenannt
der Mehrer deß Reichs auff die Fahrt nach Jeruſalem/ vnnd wurd in der wider-
kehr von einem Hertzogen in Oeſterꝛeich ein lange Zeit gefaͤnglich angehalten/
Dannenher ſein Bruder Johan anlaß genommen jhm tauſenderley Haͤndel zu-
machen/ vnnd viel Verdruß anzuthun. Darumb dann Koͤnig Reichart nach
ſeiner Anheymkunfft/ kurtz vor ſeinem Ende/ Hertzog Arturum in Britannien/ zu
einem voͤlligen Erben aller ſeiner Guͤter vnnd Verlaſſenſchafft eingeſetzt/ darauß
ſehr groſſer Streit erwachſen. Dann als die Engellaͤnder den Printzen Johan
zum Koͤnig machten/ vnnd hiengegen die im Land Anjou, Touraine vnnd Maine
dem Arturo anhiengen/ hatte Koͤnig Johan tauſend Haͤndel/ welche auch ſo bald
nicht waͤren verloſchen/ wann nicht Arturus in ein elendig Vngluͤck gefallen/ vnd
in einem Treffen gefangen/ ja durch Koͤnig Johannſen Verꝛaͤhterey waͤr vmb-
kommen. Neben dieſen Strittigkeiten/ kan ich auch nach einander andeuten/
daß viel Fuͤrſten vnd Herꝛn/ bey abnehmender Regierung Koͤnig Johannſen/ von
jhm abgefallen/ vnnd Koͤnig Ludwigen in Franckreich/ deß Ludovici IX. oder deß
Heiligen Vatter/ vmb Hülffangeruffen/ daß er das voͤllige Recht vber das Koͤ-
nigreich moͤcht einnehmen.


Vnnd ob ſchon daſſelbe Vorhaben nicht werckſtellig gemacht worden/ weil der
elendige Koͤnig Johan bald vnnd vnverſehens geſtorben: kondte auch ſein Sohn
Henricus III. das Volck ohn Auffſtand nicht regieren/ welches den Reichart zum
Haupt auffgeworffen/ vnnd nach Leotin gezogen/ etliche Zeit hernach entſtund ein
ander
[152]De Statu perturbato Franciæ
ander Auffruhr/ da wurd er mit ſeinem Sohn Edwart gefangen. Wahr/ daß dieſer
Edwart hernach zur Regierung kommen/ vnnd ſein Leben ziemlich glücklich ge-
führet: aber hiengegen wurd Edwart II. ſein Sohn mit vnendlicher Muͤhſeligkeit
geplagt/ derentwegen er vielen ſeiner nechſten Blutsfreunden/ namentlich Graff
Thomaſen von Lanklaſter/ der Æmondi/ ſeines Vatters Edwarts I. Bruders
Sohn war/ die Koͤpff herunder ſchlagen. Empfand aber mit der Zeit ſo wieder-
wertigen Wind/ daß ſein eygen Gemahlin/ Jſabell auß Franckreich/ vnd Edwart
III. ſein Sohn jhn vom Koͤnigreich ſtieſſen/ vnd all ſeine geheymbſte an den liech-
ten Galgen knipffeten/ jhn aber in ein enges Gefaͤngnuß ſetzeten/ in welchem er
durch angeſtellte Leuth ſein Leben elendiglich geendet. Zwar/ dieſer Edwart III.
fuͤhrte die Verwaltung ſeines Koͤnigreich/ als deß Gluͤcks werther Freund/ nach
ſolcher Zeit weißlich genug: konde ſich dannoch nicht enthalten/ ſeine Haͤnde mit
gedachtem Aimonds/ ſeines Groß Vettern Blut zubefudeln/ nach dem erjhm
durch ſchlechten Beweiß Schuld geben/ als haͤtte er wider jhn/ ſeinem juͤngern
Bruder Edwart zum beſten/ ein heymlichen Bund gemacht. Vnnd ob ſchon
wegen ſeiner Kriegstugenden/ das Gluͤck jhm bey Leben keine Auffruhr vnder den
Vnderthanen/ oder durch die Printzen ſeines Gebluͤts erweckt/ ſondern hienge-
gen in allen Dingen Gunſt erwieſen: ſo vnderließ es doch nicht/ nach ſeinem Ab-
ſterben bey ſeinen Succeſſorn/ den gewaltſamen Tod beydes ſeines Vatters/ vnd
ſeines Vettern/ als Vatters Bruͤdern/ theur genug zuſchaͤtzen/ vnnd bezahlt zu-
nehmen: darumb daß bey dieſes Edwards Kindern die Spaltung deß Hauſes
Lanklaſter vnnd Yorck/ vnder den Wapen vnnd Fahnen der rothen Roſen/ ſo dem
Hauß Yorck zugelegt ward/ ſich begeben. Jch ſage von dieſer Spaltung/ weil ſie
ſchier nahe den gaͤntzlichen vnnd allgemeinen Vndergang deß Koͤnigreichs En-
gelland hat vervrſacht/ wie bey denen zuſehen iſt/ welche dieſe Hiſtorien zu dem
rechten Werck jhrer Feder erkohren haben.


Auff daß ich aber dennoch von meinem Reichart nicht außſetze/ ſo iſt zuwiſ-
ſen/ daß/ nach dem er dem Vatter Edwart in dem Regiment nachfolgt/ er vber
tauſenderley vnertraͤglichen Schimpff von ſeinem Volck/ wegen ſeiner geůbten
Preſſuren/ erlitten: aber auch hiemit nicht vergnuͤgt/ damit er ja nicht auß der Art
ſchluͤge/ ſeines Vattern Bruder/ Hertzog Thomaſen von Gloceſter/ fangen/ vnnd
hernach im Gefaͤngnus hencken: Graff Henrichen von Erby/ Graff Johannſen
von Lanklaſter/ ſeines Vatters Brudern Sohn/ auß dem Land verbannen laſ-
ſen: welcher ſich auß noth muͤſſen nach Franckreich begeben/ vnnd etliche Jahr da-
ſelbſt zubringen/ biß er heymlicher Weiſe von den Buͤrgern zu Londen wieder be-
ruffen wurd: der auch zu ſeiner Ankunfft nach ſeinem Bruder/ dem Koͤnig Reich-
arten laſſen greiffen: darbey jhn gezwungen die Kron abzutretten/ welches bey vol-
ler Verſamblung der Staͤnden geſchehen: noch war es jhm nicht genug/ ſondern
ließ jhn endlich im Gefaͤngnuß gar vmbbringen. Dieſem Henrich folgte in der
Regie-
[153]\& Germaniæ Continuatio.
Regierung Henricus V. ſein Sohn/ welcher/ ob er ſchon gleich wie Edwart III.
ſein Ruff vnnd Lob tieff in Franckreich laſſen erſchallen/ dennoch muͤſſen die Ver-
raͤhterey von Graff Reichart von Kantelberg vberſtehen: vnnd ob ſchon
dieſelbe damahls jhren Fortgang nicht erꝛeychte/ weil er gedachten Graffen an-
dern zum Exempel geſtrafft hatte/ iſt ſie dennoch vnder ſeinem Sohn Henrico VI.
zur voͤlligen Execution kommen. Dann es ſchiene/ als ſehe derſelbe gantz auff
einmahl beyde Kronen/ Engelland vnnd Franckreich in der Hand: verlohr aber
erſtlich durch der Frantzoſen Mannheit vnder Carolo VII. die Kron Franckreich/
vnd hernach die Kron Engelland/ durch Graff Reicharts von Warwick Anſtalt
vnnd Macht: alſo daß der gantze Staad/ nach etlichen zweiffelhafften Schlachten
den Edwart IV. auß dem Hauß Yorck entſproſſen/ in die Haͤnde fiel. Aber nach
zehen Jahren ließ ſich gedachter Graff von Warwick auß Widerwillen dahin an-
treiben/ daß er gemeldten Koͤnig Edwarten IV. wieder verſtieß/ vnnd Henricum
VI. wieder auff den Thron bracht: der aber vber ſechs Monat wieder wurd vom
Koͤnig Edwart IV. vberwaͤltigt/ daß er beydes ſein Koͤnigreich/ vnd alle Hoffnung
wieder empor zukommen/ verlohren.


Edwart IV. regiert ohngefehr zwey vnd zwantzig Jahr/ vnnd hatte zween
Bruͤder/ Georgen/ den er zum Hertzogen von Klarentz: vnnd Reicharten/ den er
zum Hertzogen zu Gloceſter machte. Sovngluͤcklich war er/ daß er auff Wahr-
ſagerey ſahe/ wie jhm dann derſelben Kuͤnſtler einer angezeigt/ ſeines Nachfahrn
Nam ſolte mit dem Buchſtaben G. anfangen: auß welcher Vrſach er ſonderlich
an ſein Bruder Georgen geſetzt/ vnnd als er das Vrtheil zum Todt vber jhn ſpre-
chen ließ/ erlaubt er jhm ſein Leben in einem Faß voll Malvaſier zuenden: welches
ein newe Manier iſt/ ſuͤſſiglich zuſterben. Dieſer Koͤnig hinderließ vier Kinder/
nemlich zween Soͤhn/ Edwarten den aͤltern/ vnd Reicharten den jüngern/ ſampt
zwo Toͤchtern/ Margrethen vnnd Eliſabethen/ ſo er ſeinem Bruder/ dem Hertzo-
gen von Gloceſter anbefohlen. Derſelb thaͤt den Aid der Pflicht/ in Koͤnig Ed-
warts V. ſeines juͤngern Vettern Hand: ließ jhn dannoch vber etliche Zeit mit
ſeinem Bruder Reicharten vmbbringen/ vnd vor voller Verſamblung die Toͤch-
ter vor vnehlich erkennen/ vnd ſich ſelbſten/ weil er die Macht in Haͤnden hielte/ ein
Koͤnig in Engelland außruffen/ zu aller ehrlichen frommen Hertzen groſſem ver-
druß. Vnd vmb ſo viel wurd deß Wahrſagers Rede etlicher maſſen richtig be-
funden/ darumb daß dieſer Koͤnig vor den erſten Buchſtaben/ wo nicht in ſeinem
Namen/ zum wenigſten in dem Wort ſeiner Herꝛſchafft fuͤhrete. Vnd ſolcher
geſtalt ſpotten die boßhafftigen Geiſter vnſer Thorheit. Nun haͤtte jedermaͤn-
niglich moͤgen gedencken/ er hielte das Koͤnigreich mit den vier Zipffeln/ es koͤndt
jhm nicht wieder entwiſchen: zumahl auch von dem gantzen Hauß Lanklaſter nicht
mehr dann ein einiger Printz vbrig war/ nemblich Hertzog Heurich von Riſche-
mont/ den der Hertzog in Britannien an ſeinem Hoff gleichſam ehrlich gefangen
V uhiel-
[154]De Statu perturbato Franciæ
hielte. Aber das Volck zu Londen kondt vber zwey Jahr hernach/ daß Reichart
die Kron an ſich geriſſen/ ſolch ſein boßhafftiges Thun nicht laͤnger ertragen: er-
fordert dieſen Graffen heimlich/ welcher dann zu Segel gieng/ vnnd mit Huͤlff der
Frantzoſen vnnd Britannier in gar kurtzer Zeit den Staad einbekam/ den andern
gefangen/ vnd getoͤdet/ vnnd alſo von den Seinen Koͤnig Henricus VII. genannt
worden. So bald er in das Koͤnigreich außgeſtiegen/ folgt er weiſem Raht/ den
Zwiſpalt derbeyden Haͤuſer auffzuheben/ vnnd nahm Princeſſin Eliſabeth vom
Hauß Yorck zur Ehe: mit welcher er drey Kinder gezeuget/ Artur/ Henrich vnnd
Margrethen. Artur vermaͤhlt ſich mit Princeſſin Maria/ deß Kayſers Caroli
V. Mutter Schweſter/ vnd ſtarb bald nach vollzogenem Heuraht: damit man nun
die Freund- vnd Schwaͤgerſchafft mit dieſem groſſen Kayſer erhielte/ fand man
vor thunlich/ daß Henricus VIII. deß verſtorbenen Arturt Bruder gedachte Prin-
ceſſin geheuraht: ſonderlich auß dieſem Abſehen/ auff daß der gemeine Fried vn-
derhalten wuͤrde/ (vnnd man die vbergroſſe Summ deß Heurahtguts nicht muͤſte
herauß/ vnnd vielleicht der Kronen Feinde geben) zumahl zuvor gar kein fleiſchli-
che Vermiſchung war vorgegangen/ wie man vorgabe. Auß dieſem Heuraht iſt
entſproſſen die Princeſſin Maria.


Hie muͤſſen wir der Princeſſin Margrethen/ deß Henrici VII. Tochter/
vnd dieſes Koͤnigs Henrici VIII. Schweſter nicht vergeſſen/ daß dieſelbe mit Ja-
cobus Koͤnig in Schottland/ der Maria Stuart Groß Vatter vermaͤhlt worden:
vnd halte mich darmit nicht auff/ daß Edwart/ nach jhm die jetzt gedachte Princeſ-
ſin Maria/ vnnd endlich die Princeſſin Eliſabeth/ alle drey Kinder Henrici VIII.
wiewohl von vnderſchiedlichen Muͤttern/ nach deſſelben Ableiben/ nach einander
ſind zur Kron Engelland kommen. Will auch die trawrige Faͤlle/ vnd grewliche
Spiel/ ſo auff vnderſchiedliche Weiſe/ ſo wohl im Weltlichen Regiment/ als im
Geiſtlichen Weſen/ ſich begeben/ ſtillſchweigend vmb beliebter kürtze willen vorbey
gehen/ vnnd zu meinem ſelbſt eygenen Genuͤgen nur dieſes einige vermelden/ daß
durch den Heuraht zwiſchen Henrico VII. vnnd Princeſſin Eliſabeth von Yorck/
die beyde Roſen/ weiß vnd roth/ wieder ſeyen zuſammen gewachſen/ vnd vereynigt
worden/ die Spaltungen der beyden Partheyen zu ewigen Tagen zuvergraben
vnd auffzuheben: dannoch hat das Koͤnigreich ſich deß erſten Fluchs/ den Mechtel/
Henrici I. Gemahlin vber jhre Poſteritaͤt geſprochen/ nicht allerdings koͤnnen ent-
brechen/ noch befreyen/ wie gleich ſoll berichtet werden. Dann Koͤnigin Eliſa-
beth hat im Jahr 1578. die Koͤnigin in Schottland Maria Stuart/ jhre nechſte
Baaß/ vnd Groß Vatters Schweſter Tochter/ offentlich enthaupten laſſen/ nach
dem ſie dieſelbe biß in das acht zehende Jahr im Gefaͤngnuß gehalten. Vnnd
was wird hienfuͤro vor ein Fortgang bey dem Engellaͤndiſchen Weſen ſeyn? aber
dieſes iſt ein Anhang dieſes gegenwertigen Capittels/ ſo ich dem jenigen vberlaſſe/
ſo mich vberleben werden. So weit Stephanus Paſchaſius, regiarum rationum
Patro-
[155]\& Germaniæ Continuatio.
Patronus, in dieſem Capitel: welcher in der Vorꝛed ſeines Buchs meldet/ er haͤtte
Anno 1560. den erſten Theil/ Anno 1565. den andern/ vnd hernach zwey vnd dreyſ-
ſig Jahr hieran gearbeitet. Wann dieſer Paſquier jetzund noch leben ſolte/ wuͤr-
de er die Muͤhe ſelbſten nehmen/ vnd das obige Capitel continuiren.


Hie erinnern wir vns/ was Plato im eylfften Buch von den Geſatzen
ſchreibt: Oedipus ward von ſeinen Soͤhne verachtet/ darumb legt er ein Fluch
auff ſie/ welchen Gott erhoͤret/ vnnd wie jederman bekannt iſt/ vollzogen. Auch
ſagt man/ Amyntor hab ſich vber ſein Sohn Phœnix ergrimt/ vnnd jhm geflucht:
wie auch Theſeus dem Hippolyto, vnd ſehr viel andere: dadurch man mehr dann
offenbarlich geſehen/ daß Gott der Eltern Gebet wider die Kinder erhoͤre. Dann
es kan einem Sohn kein groͤſſer Vnheil noch Gewalt/ als deß Vatters Fluch
wiederfahren: zumahl ſich niemand einbilden ſoll/ daß/ wann man Vatter vnnd
Mutter verachtet/ als dann das Gebet allein von Gott erhoͤret werde/ ſondern
auch wann man ſie ehret: darumb/ wann ſie jhren Kindern alles guts von Gott
bitten/ ſollen wir glauben/ daß er ſie erhoͤre/ vnd dergleichen auch im fluchen: vnnd
daß vns dannenhero die gebuͤhr gedeyhe. Sonſten waͤr Gott bey Außtheylung
ſeiner Gnaden vnbillich: welches von Gott ſehr ferꝛn ſeyn muß/ ꝛc. Auff daß a-
ber wir hie nichts vergeſſen/ iſt den obigen Worten Platonis liecht zugeben/ zube-
richten ſummariſcher Weiß/ daß Laius, Koͤnig zu Theben/ ſeiner Gemahlin Ioca-
ſtæ,
deß Fuͤrſten Creontis Tochter/ bey ſchwangerem Leib anbefohlen/ dieweil jhm
das Oraculum den Todt von derſelben Geburt Hand angekuͤndet/ die Frucht alſo
bald hienzurichten. Weil es aber ein wohlgeſtalter Sohn war/ befahl ſie die
Execution einem Hoffdiener/ der das Kind mit einer Weide am Fuß an ein
Baum im Wald auffgehenckt. Daſſelb nahm Phorbas, Ploybij deß Koͤnigs zu
Corinthen Forſtmeiſter ohngefehr herunder/ vnnd verehrt jhn der vnfruchtbaren
Koͤnigin/ die jhn Oedipus oder Dickfuß genannt/ vnd an Kindsſtatt aufferzogen.
Als er nun Mannlich worden/ erſchlug er ſeinen Vatter in offentlichem Krieg vn-
wiſſend/ vnd nahm ſeine leibliche Mutter auch vnwiſſend zur Ehe: welches er we-
gen entſtandener Thewrung vom Oraculo verſtanden/ vnnd auß Hertzenleyd ins
Elend gangen. Von ſeiner Mutter Iocaſta zeugte er eine Tochter/ genannt An-
tigone/ die nicht von jhm wiche/ vnnd zween Soͤhne/ Eteotecles vnnd Polynices,
welche ſich verglichen/ Jaͤhrlich mit der Regierung abzuwechſeln: vnnd da Eteo-
cles
den Vergleich nicht gehalten/ entſtund ein Krieg/ in welchem die beyde Bruͤ-
der einander ſelbſt vmbgebracht/ in ſolcher Bitterkeit/ daß auch jhre Coͤrper auff
einem Holtzhauffen nicht mit zuſamſchlagender/ ſondern geſpaltener Flam zu A-
ſchen worden. Welches alles auß der Mutter Fluch herkommen. Phœnix
wurd von ſeinem Vatter Amyntor verflucht/ weil er auß der Mutter Verꝛeytzung/
ſeines Vatters Kebsweib beſchlaffen/ vnd hatte ſein gantzes Leben vber viel Vn-
gluͤck/ vnd keinen gewiſſen Auffenthalt. Theſeus verfluchte ſein Sohn Hippo-
V u 2lytum,
[156]De Statu perturbato Franciæ
lytum, daß jhn/ wiewohl vnſchuldig/ die Pferd zerꝛiſſen im rennen/ als ob er ſeiner
Stieffmutter Phædræ Vnzucht haͤtte zugemuthet/ welches Spiel ſie jhm auß
Rach vnnd Wahnſinnigkeit zugerichtet/ als er jhres Willens nicht ſeyn wollen.
Wann ein Brand jrgend einen ſchoͤnen Baw in die Aſchen gelegt hat/ pflegt
man gemeiniglich nachzuforſchen/ wie derſelbe entſtanden/ oder ob nicht einige
Muthmaſſungen/ Warnungen/ vnnd dergleichen vorgegangen. Alſo moͤcht
man dieſes Orths auch fragen/ weil Cominæus ſonderlich von den Engellaͤndern
meldet/ ſie gehen ſehr auff Weiſſagungen/ was bey ſolcher groſſen Veraͤnderung
die Alten angemerckt/ vnd der Poſteritaͤt nachzuſinnen hinderlaſſen haben. Vnd
hie findet ſich zuvorderſt bey der Vereynigung der beyden Haͤuſer Lanklaſter vnnd
Yorck/ da Henricus VII. die Princeſſin vnnd Erbin Eliſabeth zur Ehe genom-
men/ daß jedermaͤnniglich darbey ein beſtaͤndigen Frieden/ vnnd alle Wohlfarth
vor das Koͤnigreich ſich eingebildet. Wie es nun vorwitzige Leuthe gibt/ die weit
hienauß in das kuͤnfftige wollen ſehen/ alſo geſchah dem Engellaͤndiſchen Abge-
ſandten zu Rom ſelbiger zeit/ da er gern wiſſen wollen/ was die Koͤnigliche Regie-
rung fürters vor eine geſtalt moͤcht gewinnen. Vnder wehrendem Diſcurß mit
einem Cardinal erlernte er/ daß an einem gewiſſen Orth ſich ein Kuͤnſtler enthiel-
te/ der in einem Spiegel koͤnde zeygen/ was man von geſchehenen/ ferꝛnen/ vnd na-
hen/ auch zukuͤnfftigen Sachen zuwiſſen begehrte. Dieſer Spiegel nun haͤtte
von den folgenden Koͤnigen gantz deutlich gewieſen/ daß Henricus VIII. ein
Bapſt zauſete/ ſchluͤge/ zu Boden wuͤrffe/ vnd mit Fuͤſſen trette. Auff dieſen waͤr
ein Kind kommen/ vnnd haͤtte nicht viel Weſens gemacht. Folgends waͤr eine
Dam erſchienen/ vnnd in einem Zettel als langen abhangendem Wuͤſchtuͤchlein/
dieſe Wort gefuͤhrt ad priſtina tendo, aber nicht lang herumb gegangen: vnnd ei-
ner andern ſehr anſehnlichen Damen Platz gemacht/ welche in dieſem Krayß ge-
ſtanden/ inuidioſa triumpho. Nach dem nun dieſe auch abgetretten/ waͤre auff
der andern Seiten ein anſehnlicher Herꝛ hienein kom̃en/ vñ vff ſeiner Bruſt dieſe
Wort infelix pacis amator getragen/ vnnd bey ſeinem Abtritt einem frewdigen
Mann/ an deſſen Hut geſchrieben geſtanden vltimus Anglorum Imperator Raum
gegeben.


Wann wir nun dieſe Spruͤche vnnd Perſonen betrachtet/ finden wir frey-
lich/ daß Henricus VIII. viel mit den Baͤpſten zuthun gehabt/ jhnen den Gehor-
ſamb auffgeſagt/ vnnd ſich ſelbſt zum Haupt der Engellaͤndiſchen Kirchen einge-
drungen/ auch alle Befelchshaber deß Bapſts gleichſamb mit Fuͤſſen getretten.
Edwart ſein Sohn war noch jung/ vnd ſtarb gar bald/ alſo daß die Princeſſin Ma-
ria ſeine halbe Schweſter Henrici VIII. Tochter auß einem andern Ehebette/
zur Koͤniglichen Regierung getretten: dieſelbe haͤngt ſich an Spanien/ vnnd ſtelt
die angefangene Reformation nicht nur ein/ ſondern bracht das Bapſtumb wie-
derumb in Schwang/ mit Verfolgung der Proteſtierenden. Jhr Thun wolte
nicht
[157]\& Germaniæ Continuatio.
nicht jederman nach Wunſch außſchlagen/ weil ſie keine Leibs Erben vberkahm/
vnnd dieſe Welt bald muͤſte geſegnen: darumb erlangt die Princeſſin Eliſabeth/
Henrici VIII. andere Tochter/ von einer ander Gemahlin/ vnnd ſo wohl Koͤnig
Edwarts/ als dieſer Koͤnigin Marien halbe Schweſter/ die Kron: die ſie ein ge-
raume Zeit getragen/ vnnd wieder heymlichen Neid/ auch offentliche bekandte
Freundſchafft erhalten/ vnd manlich verfochten.


Daß nun die Engellaͤndiſche Kron dem Schottiſchen Koͤnig Jacobo VI.
zukommen/ bedeutet die andere Seit deß Spiegels/ als eine frembde Lini/ ſo von
ferꝛn das Koͤnigliche Gebluͤt in Engelland beruͤhret. Vnnd wie die alte vnnd
newe Hiſtorien beweiſen/ haben dieſe beyde Nationen einander jmmerzu in den
Haren gelegen/ vnnd außlaͤndiſche Huͤlff an ſich gezogen: da nun Lanklaſter vnnd
Yorck/ wie gemeld wieder zuſammen verwachſen/ daß Engelland von keinem jn-
heymiſchen Vnweſen mehr wiſſen ſollen. Alſo auch Engeland vnd Schottland
vnder ein Haupt gerahten: gedachte dieſer Koͤnig/ wann nicht die Vereyn mit der
Zeit geſchehe/ vnd die Nationen durch einander ſich vermiſcheten/ wie der Stam
vnd dz Sprißlein im propffen koͤnte leichtlich ein Abſall dieſer oder jener Nation:
oder etlicher namhafften Provincen entſtehen/ vnnd jhn ſeiner Koͤniglichen
Wuͤrden entſetzen: welcher geſtalt er den Wolff bey den Ohren gehalten/ vnd die
Biſchoffe zu Vnderſtuͤtzung ſeiner Hoheit wider das Parlament geſteifft: das
Parlament aber geſucht zuenervieren/ weil daſſelbe auß Landſtaͤnden beſtehend/
vnd nicht auß Koͤniglichen newgebackenen Dignitaͤten herflieſſend/ auff deß Koͤ-
nigreichs Wohlfarth ſonderlichen geſehen. Ja man will nunmehr ſpargieren/
als haͤtte er ſelbſt das Parlament wollen im Rauch gen Himmel ſchicken/ vnnd
deßwegen die Koͤnigliche Perſonen in die ferꝛne bey vorſtehendem Schlag gethan:
daruͤber etliche Papiſten vnnd Jeſuiter zukurtz kommen. Die Waffen waͤren
jhm allzeit verdaͤchtig geweſen/ nicht nur wegen jhrer wandelbaren Eygenſchafft/
fondern auch wegen ſeiner Vnderthanen: ſo ferꝛn/ daß er die Spaniſche entrepri-
ſe
Anno 1588 geſchehen/ nicht mit damahliger Macht/ ſondern mit einem Accom-
modement/ vnd Heuraht zwiſchen dem Printzen von Walliß vnd einer Jnfantin
auß Spanien/ wollen hindertreiben vnd ablaynen/ da er doch zwifache Macht ge-
gen der Koͤnigin Eliſabeth zurechnen/ auffbringen koͤnnen. Nicht weniger ver-
gaſſe er aller Sprüche/ ſo Engelland an Britannien/ Guyenne vnnd Normandy/
ja an die Kron Franckreich/ vermoͤg Wapens vnd Titels/ jmmerzu gefuͤhret/ vnnd
foͤrchtet ſich einiges Vberfalls/ oder heymlichen Verſtands. Die Chur Pfaͤl-
tziſche Sach/ ſo ſeiner leiblichen Tochter Kinder/ ja ſie ſelbſt anginge/ ließ er ſitzen/
nur auß der Beyſorg/ es moͤchten die funcken vnnd rieſeln auß dem Boͤhmiſchen
Wald biß in Engelland/ wie deß Bergs Ætnæ, vnd Veſuuij Aſchen durch den
Wind in Egypten/ getrieben werden. Vnnd halffe der Politicorum anfriſchten
nichts/ von deß Spaniers geſuchter Monarchy/ von den vergeblichen Tractaten/
V u iijvon
[158]De Statu perturbato Franciæ
von dem Vuthier Raiſon d’ Eſtat, von heroiſchen Thaten deß Septentrions/ da
Koͤnigin Margretha Schweden/ Nordwegen vnd Dennmarck beherꝛſchet: vnnd
ſeine nechſte Vorfahrinne Eliſabeth jhre huͤlffreiche Waffen vber die Seegeſetzt/
von der erwuͤnſchten Gelegenheit/ Ehr vnd Ruhm/ Land vnd Freunde wie Schwe-
den gluͤcklich begegnet/ auff Teutſchem Boden zuerwerben/ vnnd eben durch diß
Mittel dem Koͤnigreich Engelland/ wie Franckreich mit groſſem Nutzen gethan/
vmb das Hertz mit offt wiederholten Aderlaſſen/ wann bey frembden Heerzuͤgen
das muͤſſige auffruͤhriſche Geſindlein wird fortgeſchafft/ Lufft zumachen/ damit es
nicht in vber vielem Gebluͤt vnd Fett erſticken moͤchte. Aber die Ruhe ging vor/
damit man deß ſorgens vnnd Kopffbrechens vberhaben bliebe: welches der Spa-
niſche Abgeſandte Ognata wohl verſtunde/ als er deß Koͤnigs Waffentraͤger den
Koͤniglichen Seitendegen abnahm/ vnd in die Scheyde mit Spaniſchem Wachs/
wie vor alten Zeiten Scipio vnd Pompeius jhren vnderhabenden Kriegs Voͤlckern/
auß Feldoberſten Macht/ verſieglet: dem Friedliebenden Koͤnig anzudeuten/ daß
ein klein wenig Spaniſches Wachs an einem Briefflein jhm den Degen wohl
koͤnd in der Scheyde behalten/ daß er weder Holland/ noch Franckreich/ weder
Kinder/ noch Pfaltz achten ſolte/ zumahl er eben ſelbiger Zeit wolte wegen der
Pfaͤltziſchen Tractaten einmahl vngedultig werden. Wie dieſer nun kondte mit
fug primus Magnæ Britanniæ imperator, ein Herꝛ der dreyen Jnſulariſchen Koͤ-
nigreichen/ vber Engelland/ Schotiland vnnd Jrꝛland genannt werden/ alſo
ſcheint es/ ſein Sohn Carolus werde der letzte ſeyn.


Was nun dieſes Geſichte in dem Spiegel belangt/ wie auch/ daß Jaco-
bus ſeiner Tochter/ der Koͤnigin in Boͤhmen die Kron vom Kopff fallen geſehen/
darumb er auch von Anfang denſelben Krieg wiederꝛahten/ vnd daß ſeinem Sohn
Carolo der Kopff mit einem Beihel abgeſchlagen worden/ mit dem Lauff gegen-
wertiger Zeit in Engelland vberein kompt: alſo erinnern wir vns der jenigen La-
teiniſchen Verſen/ ſo vor zwantzig Jahren noch zu Cantelberg auff alt Pergamen/
mit alten Buchſtaben/ von den Koͤnigen in Engelland/ an dem Nordmaͤnniſchen
Fuͤrſten Wilhelm dem Sieger oder Conqueſtor anhebend/ zuleſen geweſen/ da der
letzte Verß dieſer iſt 1. Mars, 2. Puer, 3. Alecto, 4. Virgo, 5. Vul-
pes, 6. Leo, 7. Nullus.
Durch welche Wort man 1. Henricum VIII. als
einen dapffern ſtreitbaren Koͤnig vorgedeutet findet/ der/ was ſeine Vorfahrn
dem Roͤm. Stuel auß Noth oder Eyfer geſtattet/ wieder abgenommen/ vnd ſeine
Vnderthanen im Geiſt- vnnd Weltlichen zu ſeinem Willen gebracht. Wer
2. der puer ſey/ weiſte die Regierung vnder Koͤnig Edwart/ ſeinem Sohn vnnd
Nachfahrn. Daß aber 3. Koͤnigin Maria/ einer Hoͤlliſchen/ vnnd zwar vnder
dreyen Furien vnnd Vnbolden der fuͤrnembſten Nam tragen ſolt/ werden die Ro-
maniſten/ denen ſie allen Vorſchub gethan nicht geſtehen: aber die Proteſtieren
den/ wie in gleichem fall jhrer Verfolgung in Franckreich von Koͤnigin Catharl-
nen
[159]\& Germaniæ Continuatio.
nen die Hugonotten/ eyferig bekennen. Ob aber 4. Koͤnigin Eliſabeth eine
Jungfraw jhres Ruffs vnnd Leibs geblieben ſey/ vnd ob die Regierſucht/ wie bey
der Agrippina im Tacito, alle andere gewohnliche Frawenzimmer Mißtritt ver-
ſchlungen/ wollen wir ſolcher vbergroſſen Hoheit beylegen/ oder als ein peccaciolo
dem ſchweigenden receptaculo nicht vorwerffen/ ſondern bey dem Zeichen vnnd
nachfolgenden Namen es bewenden laſſen/ daß nemblich der gruͤne Krantz guten
Wein/ oder die Jungfrawſchafft hien deutet. Dann auch nicht eben jedemahl
zuglauben/ was eine Kammermagd/ ſo vmb jhrer Vnvergnuͤglichkeit abgeſchafft
worden/ oder auch ein Kammerdiener in propria turpitudine, heymlich außbrey-
tet/ welches/ niemand vor wahr annimpt/ als waͤr ſeiner eygenen Zuneigung ge-
maͤß ſich ſelbſten bey der Naſen/ ich ſag/ bey der intention greifft. Jſt nun dieſe
Koͤnigin keine Jungfraw geblieben/ ſo traͤgt ſie doch den Nam einer Jungfra-
wen/ vnd einer vnvermaͤhlten Princeſſin (ob ſchon jhrer nicht wenige/ vnd ſonder-
lich der Duc d’ Alenzon auß Franckreich vmb ſie hitzig vnd auffbruͤſtig geworben)
vnnd wird hierin nicht weniger Recht erlangen/ als deß Schultheiſſen zu Wei-
thenthal/ vnnd deß Vogts zu Langenloßheym Toͤchter/ die jhren Krantz garofft
wieder auffgerafft/ vnd vnvermerckt wiederauffgeſetzt hatten.


Es kompt aber 5. ein Fuchß ins Garn/ Koͤnig Jacobus VI. auß Sottland.
Seine Auffmercker wollen nicht nur die Geſchichte vom vnderlegten Pulffer/
davon hieoben/ ſondern auch von ſeiner Gefahr im Schloß zu Perth in Schott-
land/ wegen deß eingebildeten Schatzes/ vor eine geſtudierte Comedi bald außge-
ben: auch in zweiffel ziehen/ ob er das baſilicon doron, die Antwort an den Jeſui-
ten/ vnnd jchtwas auß denen ſtuͤcken opera regia genannt/ einmahl bedacht/ weni-
ger ſelbſt abgefaſt habe/ als deſſen gantzer Sinn auß deß Saluſtij Catilinam gerich-
tet geweſen/ von deme diß honorabel Zeugnuß ſtehet/ daß er ſimulator \& diſſimu-
lator,
(das iſt ein guter Politicus vnd Abgeſandter/ Raiſon d’ Eſtatiſt vnd Machia-
uelliſt) omnium rerum
geweſen. Doch will nicht jederman ſo viel dexteritaͤt vn-
der einem/ mit Jubelen beſchwerten Hut ſuchen. Zum ſechſten be-
frembdet mich abermahl/ gleich wie bey der Koͤnigin Maria/ daß Carolus
einem Loͤwen ſoll verglichen werden/ da er doch das Jrꝛlaͤndiſche Blutbad nicht
ſelbſt gefuͤhret/ vnd die Engellaͤnder bey lindem Fewer gebrathen. Dannenhe-
ro ich in die Gedancken gerahte/ es muͤſte ein Proteſtirender/ auß Haß gegen der
Romaniſchen Religion/ dieſe Sachen geſchmiedet haben/ da nit das Alter (dann
beſagte verſe den Anfang machẽan Wilhelmo Conqueſtor genannt/ dem erſten
Nortmannniſchen Koͤnig) ſolcher Geſchichten mir abermahl den voͤlligen beyfall
zweiffelhafftig machte: dann allerdings bekandt iſt/ wie Jacobus VI. ſelbſt mit
Spanien vnnd Franckreich/ wegen deß verꝛuchten Heurahts geleychet: vnwie
der eine ſo wohl als derander ſich aidlich verlobet/ den Romaniſten alle Freyheiten
jhrer Religion zuverſtatten: ſonderlich daß der Ertzbiſchoff Laud mit den Jeſui-
tern
[160]De Statu perturbato Franciæ
tern gute Corꝛeſpondentz gehabt/ vnnd deren etliche ſub priuilegio ſpecialiſſimo
Apoſtolicæ Sedis
auch zu Cantelberg ſelbſt mit groſſen Speſen vnderhalten/ da-
mit eine Einigkeit in der Occidentaliſchen Kirchen getroffen wuͤrde. Ob nun
zum ſiebenden/ ſeines Stams kein Koͤnig mehr ſeyn werde/ wird die Zeit vns leh-
ren. Die Frantzoſen werden ſich alle zuerinnern wiſſen/ was Baſina fuͤr Geſich-
ter geſehen/ als ſie die erſte Nacht dem Koͤnig Childeric, vor eine Koͤnigin beyge-
legt worden/ ob ſchon jhr Herꝛ vnd Koͤnig in Thůringen/ den ſie verlaſſen/ vnd mit
dem gemeltem Gaſt darvon gezogen/ noch lebete: wie nemblich die Hund/ Woͤlffe
vnd Katzen einander zerbiſſen vnnd zerꝛiſſen: dadurch die drey Staͤmme der Koͤ-
niglichen Regierung/ neben jhren Beſchaffenheiten abgebildet: daß Ludovicus
XIII. in ſeiner Kindheit wohl ſagen moͤgen. Er begehr nicht Koͤnig zu ſeyn/
weil man die Koͤnige pflegte vmbzubringen/ welches ſeinen zween letzten vnd nech-
ſten Vorfahren waͤre begegnet.


Wie nun/ wann ein groſſer Baum vmbfaͤllt/ viel kleine auch zu Boden ge-
ſchlagen werden: alſo blieb es in Engelland bey deß Koͤnigs Todt gar nicht/ ſon-
dern es muſten ſeine Geheymbſte/ ſo viel deren moͤgen in Verhafft gebracht wer-
den/ jhrem Herꝛn vnnd Koͤnige auch folgen. Dann den 19. Mertz dieſes Jahrs
wurd Graff Jacob von Cambridge/ Hertzog oder Marggraff zu Hamilton/ auff
dem Geruͤſt mit dem Beihel gerichtet/ nach dem er betheurt er haͤtte Vrſach ge-
habt/ es mit dem Koͤnig zuhalten/ weil er mit demſelben waͤre aufferzogen worden:
ſeine Glaubens Bekantnuß waͤr der Engellaͤndiſchen gemaͤß/ vnd ſein Thun gar
nicht zum Verderben der Nation gerichtet geweſen. Eben denſelben Tag/ wurd
der Graff von Holland auch gerichtet/ welcher von ſeiner Religion/ vnnd von ſei-
ner Zuneygung gegen dem Vatterland viel bezeugete. Herꝛ von Capel muſte
jhm noch vor der Sonnen Vndergang folgen. Jm Aprill erging das Vrtheil vber
Poyer/ den General Major Langhorne/ vnd den Oberſten Powel: als aber ſtarcke
Fuͤrbitten geſchahen/ wurd die Execution auffgehalten/ biß endlich Fairfax an
den General Marſchalck der Armee/ genannt Capitain Lorentz/ dieſes Vrtheil er-
theylet: demnach der General Langhoͤrne/ vnnd die Oberſten Powel vnd Poyer/
durch meinen Kriegs Raht verdampt ſind/ daß ſie nach den Rechten vnd Gebraͤu-
chen deß Kriegs ſollen geharquibuſirt werden/ als ſolches jhr Vrtheil klaͤrlich
mit bringt: So iſt das/ auß ſonderlichen Vrſachen/ die mich darzu bewegen/ daß
ich euch gebiete/ drey Briefflein zumachen/ in deren zweyen geſchrieben ſtehe/ das
Leben geſchenckt vmb Gottes Willen/ aber das dritte weiß bleibe. Wem nun
das weiſſe wird zukommen/ der ſoll nach laut deß Vrtheils gerichtet werden. Die
andern zween ſolt jhr in feſter Gefaͤngnuß halten/ biß ich ferꝛnere Ordnung thue.
Vnd zur Vollziehung deß obigen/ verordne ich/ daß die Oberſten Siroop/ Ham-
mond/ vnd Barckſtend/ aber zween derſelben gegenwertig ſeyen/ wann die Brieff-
lein ſollen gezogen werden. Wie es ſich nun nicht ſchicken wolte/ daß die drey
verur-
[161]\& Germaniæ Continuatio.
verurtheilte zu gleich/ oder einer vnder jhnen/ die jhnen die Briefflein moͤchten zie-
hen/ wurd ein Kind darzu gebraucht/ vnd das Loß deß Todes dem Oberſten Poyer
gegeben: deſſen Vrtheil den 4. May auch vollzogen worden. Dann wie die erſte
reyhe der Mußquetierer herfuͤr tratte/ ſchoſſen jhrer Drey auff jhn: vnd da ſie nicht
gleich toͤdlich getroffen haͤtten/ warẽ in der zweyten Reyhe noch Drey andere zu ſol-
chem Dienſt verordnet. Es hatten aber zwo Kngeln das Hertz getroffen/ vnnd
gleichſamb ein Loch geriſſen. Was nun ferꝛner in dieſem betruͤbten Koͤnigreich
vorgangen/ daß nemblich die Freyherꝛn vnnd Graffen außgewichen/ oder ſtillge-
ſeſſen/ die gemeine Leuth im Parlament laſſen toben/ den Reichthumb vnd Guͤter
an ſich reiſſen/ mancher fetten Ganß den Kragen abgeſtoſſen/ newe Geſatz zuma-
chen/ eine Reformation der Kirchen vorzunehmen/ auch gar Buͤndnuſſen zuſtiff-
ten/ vnnd mit der Kriegsmacht/ ſonderlich durch heymliche außgeſandte Kund-
ſchaffter alles in Gefahr/ Verdacht vnnd Zagen zuſetzen/ das verbleibet/ biß etwan
derjunge Koͤnig Carolus II. vns wird Anlaß geben/ von dieſem Koͤnigreich aber-
mahl zureden. Dann es haben jhn die Schotten alſo bald zu jhrem Koͤnig erfor-
dert mit gebuͤhrender Vnderthaͤnigkeit: denen auch die Jrꝛlaͤnder gefolgt. Dar-
auff er ſich bey frembden Potentaten vmb Huͤlffe beworben. Aber das Vnder-
hauß/ das iſt/ die Gemeinde/ ſetzt das Oberhauß/ oder den Herꝛnſtand ab: vnnd
macht ein Republick/ mit newer Muͤntz/ mit dieſer Schrifft vnnd das Gepreche:
die Staaden von Engelland: vnd dann/ Gott mit vns. Die Koͤnigliche Gůter
wurden zu Gelt gebracht/ vnnd dem Cromwell den Krieg auff drey Jahr wider die
Jrꝛen zufuͤhren/ hundert vnnd fuͤnffzig tauſend Pfund Sterling (jedes zu vier
Spaniſchen Thlaern) dargezehlt. Fairfax aber blieb Generaliſſimus,
vnd ſchickt kleine Armeen hien vnd wieder in die Laͤn-
der/ dieſelben im Zaum zuhalten.



X xDer
[162]De Statu perturbato Franciæ

Der 17. Diſcurß.


Die Tractaten zu Nuͤrnberg bekommen allerhand Ha-
cken/ wegen Hungarn/ Niederland/ Trier/ Luͤbeck/ Jtalien/ Poln. Der Co[ſ]aken
Fried/ der Hungarn Muth zum Tuͤrckenkrieg. Das Temperament wegen Fran-
ckenthal. Warumb ſolches dem Pfaltzgraffen vnannehmlich: was Spanien
vor erhebliche Vrſachen hab/ auß Franckenthal nicht zuweichen.


NAch dem wir nun den Cardinal Riſcheliu genugſamb
beſchawt/ vnd den betruͤbten Zuſtand deß Koͤnigreichs Engelland betrach-
tet/ kehren wir wieder nach Teutſchland/ vnd ſehen/ ob der in Weſtphalen
geſchloſſene Fried auch vollzogen werde/ vnd was vor Hacken noch eingeſchlagen
worden. Dann man hatte Donnerſtag den 8. 18. Febr. 1649. mit groſſem Ge-
praͤng den Friedenſchluß/ vnd was die Abdanckung der Voͤlcker/ auch Abrettung
vnnd Evacuation der jnhabenden Orth/ gegen einander/ wie er von Kayſerlicher
Majeſtaͤt/ vnd den Reichs Staͤnden vnd den Confederirten Cronen war ratificirt/
außgewechſelt/ vnnd kamen die Schwediſche Officirer nach Minden/ ſich der
Quartier/ vnnd deß außſtehenden Soldes zuvergleichen/ dahin dann der Cron
Schweden Generaliſſimus mit vielen Herꝛn auß Boͤhmen/ vber Leipzig vnd Caſ-
ſel auch ankommen. Aber der Orth ſchiene zu enge/ vnnd entlegen/ daß auch die
Kayſeriſche/ Bayriſche/ Frantzoͤſiſche vnnd Heſſiſche ſolten neben ſo vielen Abge-
ſandten ſich daſelbſt einfinden: darumb wurd Nuͤrnberg beliebet. Hertzog Carl-
Guſtaff auß Schweden/ General Wrangel vnd Ersken Kriegsraht wegen der
Cron Schweden: Jm Namen Kayſerl. Majeſtaͤt/ Hertzog Amalphi/ ſonſten ge-
nannt Piccolomini: der Freyherꝛ von Blumenthal vnd Doctor Lindenſpur: im
Namen der Kron Franckreich/ der Herꝛ von Vaudort/ vnd der Freyherꝛ von A-
uantcourt/ vnd aller vnd jeder Reichs Staͤnden Abgeſandte erſchienen nach vnnd
nach. Vnnd hie gab es manchen Vorſchlag/ daß Franckenthal/ Hermenſtein/
Landſtul vnd Homburg/ darinnen Spaniſche vnnd Lothringiſche Voͤlcker lagen/
derſelben auch entledigtwuͤrden. Weil aber ſo wohl Lothringen/ als Spanien
mit dem Friedenſchluß nichts zuthun hatten/ wolte alles ſehr ſchwer fallen/ alſo
daß man zuletzt dieſe Poſten auff den letzten Termin außſetzte. Die groͤſte Frag
war/ wegen der Ordnung/ ob man die Voͤlcker zuvorderſt abfuͤhren/ vnd hernach e-
vacuiren: oder dieſes vor jenem thun ſolte. Die Schweden meynten/ die
Tractaten wuͤrden nicht vollzogen/ wann man die Voͤlcker ehiſt abdancket: ſo
klag-
[163]\& Germaniæ Continuatio.
klagten die Staͤnde/ ſie koͤndten die Verpflegungen nicht erſchwingen/ noch die
Friedens gelder zur Abdanckung der Kriegs Voͤlcker zuſam bringen: die Frantzo-
ſen achtetens nicht hoch: die Spaniſchen wolten nichts dahinden laſſen/ weil ſie auſ-
ſer demſelben wenigen doch gar nichts zur Recompenß darvon truͤgen: die Kay-
ſeriſchen brachten die Staͤnd allgemach von den beyden Kronen ab/ daß auch der
Schwediſche Generaliſſimus eine boͤſe Einbildung von denen Proteſtirenden Ab-
geſandten gefaſſet. Dann die Staͤnde wolten vnnd ſolten der Einquartierun-
gen ledig ſeyn: ſo muſten die Schweden ſich beſorgen/ der Anſchlag/ ſo Graff
Gallaß auß vnderſchiedlicher Staͤtte an der See Gutachten geſchoͤpfft/ Schwedẽ
hinden anzugreiffen/ durch eine Schiffart/ vnd alſo von Teutſchem Boden abzu-
ziehen/ moͤchte Werckſtellig werden. Doch haͤtten die Generals perſonen den
Tantz wieder gern angefangen.


Mit der Reſtitution wolte keiner gern der erſte ſeyn/ ſonderlich die Geiſt-
liche/ weil ſie nicht gewohnt/ etwas wieder zugeben. Die Abdanckungen geſcha-
hen nach vnd nach/ gegeneinander. Dieweil aber kein Theil dem andern trawe-
te/ gab es jedmahl ein ſcheel Geſicht vnd Auffſehens/ da jchtwas in Jtalien oder
den Niederlanden Namhafftes vorgienge. Der Kayſer begab ſich nach Preß-
burg auff den Reichstag in Hungarn/ macht den Palfy zum Palatino/ oder
Statthalter/ vnnd verzog etliche Wochen/ wegen der Gravamina: welches vn-
gleich zu Nuͤrnberg außgedeutet wollen werden/ da doch der Tuͤrcken wiederholter
Streyff/ weil ſie Graff Forgatſch auff Neuheuſel vbel geputzt/ vnnd hohe Officie-
rer gefangen bekommen/ deſſelben Gegenwart erforderte. Vnder deſſen be-
zwungen die Spanier S. Venant vnnd Ypern: ſchlugen die Frantzoſen vor Ka-
merich ab/ vnnd muſten dennoch in Valenſienne weichen: zumahl der Argwohn
hielte/ der Kayſer wartet nur/ biß den Spaniern ein Streich auff die Frantzoſen
gerahten moͤchte/ newe Huͤlff von jhnen zuerhalten. Noch beſorgt man ſich ei-
nes newen Fewers zu Trier/ das vielleicht mit Fleiß eben damahls haͤtte brennen
ſollen: als der Ertzbiſchoff zu Trier den Freyherꝛn von Reiffenberg/ ſo lang am
Frantzoͤſiſchen Hoff geweſen/ zum Coadjutor vnd kuͤnfftigen Succeſſor erklaͤrte:
das Capittel aber Graff Kratzen benahmte. Dann etliche Spaniſche vnnd
Kayſeriſche Voͤlcker vbermanten den vbelverwahrten Ertzbiſchoff/ daß er ſich in
ſeinem Schloß verwacht/ vnnd ſeine Geheymſte nach Hermenſtein gefuͤhrt ſahe.
Nicht weniger nach dencklich fiele/ daß der Ertzbiſchoff zu Coͤlln dergleichen Haͤn-
del mit den Luͤckern bekommen/ die aber anderſt/ als droben abgelauffen. Dann
die Wahl der newen Burgermeiſter/ vnd die Verordnung eines Coadjutors den
vnruhigen hitzigen Koͤpffen/ die gern ein abſonderlichen/ vielleicht gar ein Frantzoͤ-
ſiſchen Biſchoff haben moͤgen/ zum Tumult anlaß gegeben/ welchen der Ertzbi-
ſchoff nicht anderſt/ als durch eine Belaͤgerung vnd Eroberung der Statt/ ſo ſeine
Parthey befoͤrderte/ koͤnnen hienlegen.


X x ijBald
[164]De Statu perturbato Franciæ

Bald wolte man foͤrchten/ weil der Frantzoß ſich auß Pomporaſco treiben
laſſen/ vnnd der Hertzog von Modena ſich wiederumb auff die Spaniſche Seiten
wenden můſſen/ auch Piombino vnd Portolongono nicht laͤnger erhalten koͤndte:
(da er doch vnverſehens in Braband eingefallen/ Condè, dreyzehen Meilen von
Brüſſell/ erobert/ vber die Scheld gangen/ vnd groſſe Forcht/ Flucht vnd Schaden
vervrſacht: dergleichen der Marggraff Sfondrata im Schampanien auch gethan)
vnd der Bapſt mit dem Hertzogen von Parma/ wegen deß Hertzogthumbs Caſtro
in die Waffen gerahten/ (dann der Venetianer achtete man nichts/ ob ſie ſchonin
Candien die Tuͤrcken auß einer Schantz geſchlagen/ in Dalmatien die Oberhand/
vnd groſſen Raub an Viehe bekommen: auch ein groſſen Sieg zur See erhalten/
vnd den Tuͤrcken zwey vnd ſiebenzig Galeren/ achtzehen Orlogsſchiff vnd ſechzig
gemeine Schiff verſenckt/ verbrannt oder zerꝛiſſen) ſolches alles waͤren gruͤne Vr-
ſachen von einem duͤrꝛen Zaun gebrochen/ die Voͤlcker nur an der Hand zuhalten/
vnd den exarmirten Schweden vber den Halß zufuͤhren. Jnſonderheit war den
Schweden verdaͤchtig/ daß Johannes Caſimirus/ deß verſtorbenen Vladißlai
IV. Bruder/ Koͤnig in Poln worden/ vnnd das Regiment vber eine Armee wider
jede Feinde/ im Feld bekommen/ auch ſeines gedachten Bruders ſeeligen Wittib
geheurahtet/ vnd auff die Coſacken vnd Tartarn angezogen: dann ſie meyneten/
der newe Koͤnig moͤchte ſein altes Recht an jhnen ſuchen. Es mißrieth aber der
Feldzug/ weil ſich der Koͤnig vmbringt/ vnd zu dieſen zwoͤlff Puncten genoͤthigt be-
fand: daß Chmielinßky in der Kron Poln Dienſten jmmerdar ſolte vierzig tau-
ſend Coſacken fuͤhren. Daß der Griechiſche Glaub durch gantz Poln auch in
Crackaw gedultet wuͤrde. Daß der Waywod oder Fuͤrſt zu Kiow der Reuſſiſchen
Religion zugethan waͤr. Daß der Koͤnig den Griechiſchen Prieſtern alle Not-
turfft verſchaffen ſolte. Daß alles vorige vergeſſen wuͤrde. Daß keiner auch an
ſeinen Vnderthanen/ nichts raͤchen moͤchte. Daß die Jeſuiter deß Reichs verwie-
ſen wuͤrden. Daß die Juͤden auch muͤſten außweichen. Daß deß Chmielinßky An-
hang vnangefochten bliebe. Daß jeder Coſack Erlaubnuß haͤtte/ die Notturfft an
Brantenwein ſelbſt zubrennen. Auch fiel gar verdaͤchtig/ daß der Kayſer den
Hungariſchen Staͤnden den Krieg mit dem Türcken/ wegen deß vielfaltigen rau-
bens/ als ſchewete er ſich/ auff einmahl zween Kriege zu fuͤhren/ vnd ſeine Macht zu-
theylen/ anzufangen groß Bedencken truge/ vnnd daſſelbe Vnweſen lieber durch
Tractaten/ vnnd Gegenpræſenten beylegen wollen. Dann er beſorgte/ der Sie-
benbuͤrger moͤchte die Schweden/ auß Pommern/ durch die Schleſi/ an ſich zie-
hen/ vnd ſelbſt nach der Kron Hungarn greiffen. Alſo wurd/ alles obigen vngeach-
tet/ dermahl eins der Jnterims Receß vnderſchrieben/ vnnd der Fried mit ſehr
praͤchtigen Banqueten/ auch Frewdenfewern celebriret.


Carl Ludwig Pfaltzgraff/ deß geweſenen Koͤnigs in Boͤhmen/ Fiederici
V. aͤlteſter Sohn erhielt nach vielen Tractaten die Vndere Pfaltz/ vnnd die achte
Chur-
[165]\& Germaniæ Continuatio.
Churſtell/ mit groſſer Muͤhe/ wegen der Renunciationen/ etlicher Orth in der O-
bern Pfaltz/ der Guͤlchiſchen Lehen/ vnd deß Churfürſtlichen Titells vnd Wapens.
Aber das Franckenthal wolte den Handelſchier gar verderben/ daß jhrer viel ſich
beſorgten es moͤcht ein Nagelnewer Krieg darauß entſtehen. Die Staͤnde
meynten der Kayſer waͤr ſchuldig/ ſolches bey Spanien außzuwuͤrcken: ſo ant-
wort der Kayſer/ er wolte neben den Churfuͤrſten/ das beſte darbey thun. Dar-
umb erfand man ein Temperament/ welchen terminum ſonſten die Apotecker
brauchen/ wann ſie auß Verordnung der Medicorum einig ingrediens, ſo zu hi-
tzig/ oder zu kalt iſt/ durch einen Zuſatz brechen: gleich wie man die Badſtub mit
temperirtem Fewer einhitzt/ vnnd das allzuheyſſe ſiedende Waſſer mit kaltem nutz-
lich abkuͤhlet. Auch wiſſen die Wundaͤrtzt jhre Pflaſter zu miltern vnnd zuver-
ſtaͤrcken/ daß ſie mehr oder weniger ziehen/ nach dem es deß Patienten Humor/ o-
der Leibs Beſchaffenheit mag ertragen. Dann gewißlich nicht wenig an dem
Humor gelegen/ welcher dem Medico manchmahl befoͤrderlich/ oder hinderlich iſt:
nach dem Exempel jenes Schweitzers/ vnnd Koͤniglichen Helbartierers in der
Statt Metz/ der kein Potion wollen einnehmen/ ſie ſchmaͤckte dann wie Wein/ vn-
geacht einer hohen oder hellen/ dicken oder duͤnnen Farb. Als jhm nun ein Eva-
cuation hochnoͤtig ſchiene/ verordnet der Medicus, zumahl die obere Thůr ſich nicht
oͤffnen wollen/ ein Cliſtier/ vnd diſponierte den Patienten (ſelbiges recht applicie-
ren zulaſſen. Aber der Apotecker Geſell muſte es wieder alles erinnern/ auff das
Haupt ergieſſen/ vnd dem Patienten glauben/ wo der Mangel vnnd Schmertz be-
findlich/ muͤſte die Artzney wuͤrcken/ einer Lauge/ oder einem Hauptbalſam nicht
vngleich. Dannoch wurd der Patient geſund/ vnnd ruͤhmete das Haupt Cli-
ſtier vber alle maſſen. Solcher geſtalt fand man dieſer Zeit ein Recept/ oder
Temperament/ das Spanien nicht zuwider/ vnnd Pfaltz annehmlich ſeyn koͤnde/
nemblich Pfaltz ſolte die Reichs Statt Hailbrun an ſtatt Franckenthal mit einer
Beſatzung belegen vnd poſſedieren/ auch zu Vnderhaltung gedachter Beſatzung
auß dem Schwaͤbiſchen vnd Fraͤnckiſchen Kraiß Monatlich acht tauſend Reichs-
thaler/ vnnd wegen ſeiner Kammer Jntraden auß Franckenthal Monatlich auß
der Reichs Caſſa ziehen drey tauſendt Reichstahler/ biß zu voͤlliger Evacuation
vnnd Reſtitution. Hiengegen wolte der Kayſer die Spaniſche Beſatzung in
Franckenthal durch jhre Obern dahin vermoͤgen/ daß ſie mit der gewohnlichen
Contribution auß dem Rheiniſchen Krayß zufrieden waͤren/ vnnd die Straſſen
vnd den Kauffhandel vngehindert lieſſen.


Dieſes Temperament wurd vngleich außgedeut: dann die Krayſe/ ſo zu
beyden Orthen contribuiren muͤſſen/ vermeynten ſemel pro ſęmper eine Anlag
zuthun/ vnd ſich einer ſo langwehrenden/ vielleicht ewigen Contribution nicht zu-
vnderwerffen: konden aber diß Joch nicht abwerffen. Die Reichs Staͤtte be-
ſchwerten ſich/ daß ſo ein nobles Glied jhnen ſolte entgehen/ vnd vielleicht wie Do-
X x iijnawerth/
[166]De Statu perturbato Franciæ
nawerth/ auff ewige Zeiten entfrembdet werden. Der Pfaltzgraff fand auch kein
ſondern Genuͤgen darbey/ weil der Neid vnnd Haß auff jhn fiele/ als muſten die
benachbarte Krayſe jhm contribuiren: ja als haͤtte er keine eyl/ zumahl die Mo-
natliche drey tauſend Thaler jhm bey der newen koſtbaren Regierung/ in verderb-
tem Land/ ſehr guͤtlich thaͤten/ vnd auß Franckenthal ſonſten nimmermehr zuerhe-
ben waͤren. Der Pfaltzgraff aber wolte erweiſen/ daß es nicht allein vmb die
Statt Franckenthal zuthun waͤre/ ſondern vmb das gantze Land: ſo muͤſte man
Statt vnnd Land nicht anſehen/ nach gegenwertigem Stand/ ſondern nach jhrer
friedlichen Vermoͤglichkeit. Dann man ſolte erwehnen/ daß Franckenthal ein
gar engen Bezirck in der Termeney haͤtte/ welche an ſich ſelbſt Sandigt/ vnd dan-
noch der Schaffnerey von jedem Morgen ſo viel rentirirte: welches dannoch das
allergeringſte/ zumahl bey angehendem Kriegs Weſen zwoͤlff hundert Burger ſich
darinnen befunden/ die in alle Land gehandelt/ vnd wegen der Manufacturen viel
Arbeiter gehalten/ daß auch kein Raum mehr ledig geſtanden/ ſondern alles vber-
filbert geweſen/ vnnd Zuvergroͤſſerung der Statt gewiſſen Anlaß gegeben. Ge-
wiß/ daß allein vber achzig Goldſchmiede/ mit vielen Geſellen ſich darinnen ent-
halten/ anderer Wuͤllen-Sarſchen-Sayen-Bombaſin-Caffa-ja Tapiſſerey-
Webern zugeſchweigen: welche alle dem Landvolck vmb den baaren Pfenning al-
les Gewaͤchs der Erden abkaufft vnd wohlbezahlet: darneben mit Ab- vnnd Zu-
fuhr die Zoͤlle mercklich verbeſſert. Gegenwertiger Zeit aber ſtunde das Land oͤ-
de/ daß die entwichene Lands Kinder nicht wieder heran kaͤmen/ noch vermoͤgliche
Leuthe ein Fuß darin zuſetzen gedaͤchten/ ja daß auch die gewohnliche Straſſen
von den Kauffleuthen gemitten wuͤrden: darumb dann Kauffleuthe/ ſo dem
Lands Fuͤrſten vnder die Arm greiffen/ vnnd ein gantzes Ampt eintzelen vnderhal-
ten/ auffbringen/ vnnd reich machen koͤndten/ ſich nicht ferꝛner anmeldeten/ deren
doch bekantlich bey dem betruͤbten Zuſtand in Engelland/ vnd bey dem verkuͤrtzten
Kauffhandel in Holland/ nicht wenige geweſen. Was nun der Kauff Handel
vor ein Auffnehmen braͤchte/ moͤchte Antorff vnd Amſterdam bezeugen/ ja die
Statt Wienſelbſten ſo in jhren Mauren kein groͤſſern Bezirck haͤtte/ vnd der Nie-
derlag groſſe Freyheit geſtatte/ vmb gemeldten Nutzens willen. So haͤtten ja
alle Staͤnde deß Roͤ. Reichs bey den General Friedens Tractaten auff die Com-
mercien geſehen/ vnnd dieſelben zuerheben gute Verſchaffung gethan: wohl wiſ-
ſend/ daß ohne dieſelben ſo vermaͤngte Staͤnde/ auch nicht das Ober Haupt/ ſich
ſtabilieren/ vnnd in noͤthige Verfaſſung ſetzen koͤnnen. Darumb dann Pfaltz
den Rhein Strom nicht weniger zu beobachten haͤtte/ als Bayern vnd Oeſterꝛeich
die Donaw. So moͤchten die Schweitzer/ Elſaſſer/ vnd drey Geiſtliche Churfuͤr-
ſten jhr Jntereſſe hierbey zum wenigſten in jhren Zoll Kaſten vermercken/ daß ein
ſolches Land/ da eine Kriegeriſche Nation/ ſo im General Frieden nicht begriffen
ſeyn wollen/ ein veſten Fuß geſetzt/ vnd weit vmb ſich greiffen kan/ auch kein ander
Recht/
[167]\& Germaniæ Continuatio.
Recht/ als Militariſchen Schein gebraucht/ wegen allerhand geſuchten/ vnd vnge-
ſuchten Vngelegenheiten nicht bewohnt wird/ vnd daß kein verſtaͤndiger Menſch
hien ein begehren kan.


Neben dieſem allen meynten zwar die Chur/ vnnd Fuͤrſten deß Roͤm-
Reichs/ es ſolte Spanien jhnen zugefallen abtretten/ vnd den Rheinſtrom vnbe-
kuͤmmert laſſen: der aber jederzeit hoͤfflich geantwort/ vnnd ſich alles guten Ver-
nehmens beflieſſen/ dieſe Sachen auff die lange Banck zuſchieben/ vñ mit der Zeit
ſeinen Nutzen zuſchaffen. Es haͤtten aber die Staͤnde deß Roͤm. Reichs beden-
cken ſollen/ daß Ferdinandus II. dem Hauß Spanien die Vnder Pfaltz erblich vnd
aigenthumblich abgetretten/ welches ein Kayſer gegen einem Aberaͤchter zuthun
befugt geweſen/ als die Churfuͤrſten ſelbſt auff dem Tage zu Muͤlhauſen erkant:
auch hernach ſonders vnd ſampt den Hertzogen in Bayern/ zu einem Mit Chur-
fuͤrſten angenommen. Auch iſts es kein Donation ſine onere, die weil Spanien
bey dem Boͤhmiſchen erſten Vnweſen ſehrviel gethan/ die Schlacht auff dem
Weiſſen Berge durch den Oberſten Verdugo fuͤrnemblich erhalten/ groſſe Spe-
ſen allenthalben angewand vnnd ſich ſelbſt entbloͤſt. Welches dann die ſamptli-
che Geiſtliche in Teutſchland/ vnnd vor allen andern die drey Geiſtliche Churfuͤr-
ſten am Rhein erkennen ſolten/ denen die Vnion die Roͤcke wohl außgezogen/ vnd
die Laͤnder abgenommen haͤtte/ da nicht Spanien den Marggraff Spinola mit ei-
ner anſehnlichen Armee haͤtte den Rhein herauff gehen/ vnnd jhnen Schutz halten
laſſen: die Liga waͤr mit keinem andern Ruͤcken verſehen geweſen/ wann ſie nur
nicht auff Frantzoͤſiſche Seite zum Theil abſpringen wollen. Genug waͤre es
darmit nicht/ daß die Geiſtliche das Hauß Oeſterꝛeich ſo tieff hie nein verwicklet/
zum Spruch vber die Geiſtliche Guͤter vermoͤcht/ vnd ohne Einſatz kegeln/ oder jh-
ren Heller bey ſorglichem Spiel wieder herauß nehmen wolten/ da ſie ſich nun bey
dem vbereilten Frieden vertiefft/ vnd die Waffen niedergelegt: darbey aber jhrer
Prieſterlichen Pflicht zu der Roͤm. Catholiſchen Kirchen in vielen ſtuͤcken vergeſ-
ſen: ſolten ſie dannoch dem Aller Catholichſten Koͤnig nicht zuwiderleben/ vnnd
ein ſo geringe Recompenß/ die mit der Zeit zu jhrem hoͤchſten Nutzen gedeyhen
wuͤrde/ entziehen helffen.


Es moͤchten die Proteſtierende Staͤnde/ auch Confederirte Kronen hierbey
jhr belieben vorbringen/ ſo moͤchten ſie dannoch die offentliche Proteſtation wider
den vermeynten Friedenſchluß gelten laſſen: zumahl Spanien wegen deß Bur-
gundiſchen Krayſes/ auch ohneracht ſeiner/ dem Haupt vnnd fuͤrnembſten Glie-
dern erzeygten Huͤlffe/ nicht ſollen/ noch koͤnnen vnverantwortlicher Weiſe vor-
beygegangen werden. Franckreich haͤtte keine Prætenſion an Jtalien/ als den
ſcheinbaren Vorwand der Bundsgenoſſen vnd Freunden: weniger Anſpruch an
Pignerola: vnnd haͤtte dannoch ſich daſelbſt feſt geſetzt/ ſo ferꝛn daß er die Thuͤr in
Haͤnden behielte/ vnd andern vnſchuldigen Staͤnden auff dem Nacken ſaͤſſe: aber
Spa-
[168]De Statu perturbato Franciæ
Spanien haͤtte ſein Eygenthumb/ vnnd vbel abgewogene Recompenß zubehaup-
ten/ nicht eben zu eygenem Nutzen/ der noch vberſchieſſende Speſen erforderte/
ſondern den Ertzhertzogiſchen depoſſedierten Pupillen wieder zu dem jhrigen zu-
verhelffen: zumahl weder Kayſer/ noch Staͤnde ſie zum Loͤßgeld deß Friedens nit
geben moͤgen. Was dann Schweden vor andere Vrſach gehabt/ das Roͤm.
Reich mit feindſeeligen Waffen anzufallen/ als daß ſeine Vettern/ die Hertzogen
von Mecklenburg jhrer Laͤnder/ wegen Colluſion vnnd wuͤrcklicher Huͤlffe zu dem
Feinde/ entſetzt waren. Dergleichen Vrſach Franckreich auch an Lothringenge-
ſucht: derentwegen Spanien deſto weniger zuverdencken. Vnnd da auch kein
andere Vrſach zuermeſſen kaͤme/ müſte doch Raiſon d’ Eſtat gelten/ die dem Fran-
tzoſen gerahten/ die Renunciation bey beyden Heurahten/ ſonderlich ſeiner Ge-
mahlin/ als aͤlteſter Jnfantin auß Spanien/ zuvernichten/ Pignerola zubehalten/
dem Hertzogthumb Lothringen wohlerworbene Orth wieder abzuzwacken/ vnd ſich
gar in das Teutſche Weſen einzuflechten. Vnd vmb ſo viel mehr/ weil Franck-
reich hiebevor den Eugellaͤndern die Statt Roſchellen/ verſprochener vnnd verab-
ſcheydeter maſſen nicht eingeraumpt/ weil ſie inalienabel waͤr/ vnnd von der Kron
nicht koͤnde enteuſſert werden. Auß welchem Bedencken Spanien nimmer-
mehr geſtatten kan/ daß das Elſaß einigem andern/ als Oeſterꝛeichiſchem Fuͤr-
ſten/ weniger einem Außlaͤndiſchen/ zumahl feindſeeligen Potentaten vbergeben
werde/ vnd erblich bleibe: ſintemahl das Stamhauß der Graffſchafft Habſpurg/
mit deren Oeſterꝛeichiſchen Vorlaͤndern vnnd Landvogteyen/ ſolcher geſtalt ver-
knuͤpfft vnd verwachſen/ daß ſie zu ewigen Zeiten ohne voͤlligen vnd rechtmaͤſſigen
Conſens aller vnnd jeden Oeſterꝛeichiſchen Jntereſſenten/ ſonderlich aber deß
Hauſes Spanien/ als deß erſten Aſtes im ſelbigen Stamme/ nicht moͤgen abge-
ſchnitten werden.


Wunderſam/ daß man eben vber Spanien Barꝛabas rufft/ wann er ei-
nigen vortheil/ der ſchweren Speſen vnd Vngelegenheiten ſucht/ da doch Bayern
nicht ein Kreutzer dahinden gelaſſen/ ſondern vberzahlt werden muͤſſen. So hat
Sachſen/ vneracht deß weit mehr vergreifflichen Schluſſes zu Leipzig/ als der
Pfaltzgraff in Boͤhmen verwuͤrckt/ ſeiner nicht vergeſſen/ vnd die Laußnitz/ ſampt
den vier Aemptern auß dem Stifft Magdeburg davon getragen. Vnnd war-
umb ſollen die Schweden ſo herꝛliche Reichs Lehen erhalten/ vnd deß Hauſes Oe-
ſterꝛeichs Zuchtmeiſter werden: auch mit Franckreich Staͤnde deß Reichs ma-
chen: ja der Landgraff in Heſſen das feindliche Beginnen ſeiner Fraw Mutter mit
ſo groſſem vortheil durchdringen/ in deme die wohlverdiente Spanier/ als Mit-
ſtaͤnde/ zu Vndanck abgewieſen werden. Kurtz davon zuſagen: Franckreich hat
vor hundert Jahren Metz/ Tull vnd Verdun/ vnder dem Titel deß Beſchirmers
teutſcher Freyheit/ nemblich der Proteſtirenden/ weg genommen vnnd behalten:
dar-
[169]\& Germaniæ Continuatio.
darumb Spanien vnder dem Titel deß Beſchirmers der Catholiſchen Religion
vnd Staͤnden in Teutſchland/ die Vnder Pfaltz wohl/ vnnd beſſermag beſitzen.
Es gehe aber einer in das wette Feld/ vnd nehme auff der Frantzoſen thun vnd laſ-
ſen acht/ wie ſie jhr lang geſuchtes regnum Auſtraſiæ, Weſtreich wieder anfangen
auffzurichten/ vnnd eben deßwegen das Hertzogthumb Barꝛ eingezogen/ gantz
Lothringen vberwaͤltigt/ vnnd das Elſaß auch an ſich geriſſen: endlich werden ſie
gar nach der Kayſerlichen Kron/ vnd der teutſchen Freyheit greiffen/ wie ſie dann
vnverholen/ gegen Caroli V. Wahl gethan/ vnd jetzt Ferdinandum III. euſſerſten
vermoͤgens gehindert haben/ deß heymlichen Verſtands mit Trier vnnd Bayern
zugeſchweigen.


Vnd hie ſolte Spanien ſtillſchweigend/ die Haͤnde im Schooß zu-
ſehen/ daß Franckreich die Maaß beſitzt/ die Moſell bezwingt/ vnnd den Rhein
auffzaumet: darneben in allem ſeinem Thun den Ketzern Schutz haͤlt/ vnnd allen
Vorſchub leyſtet: als muͤſte den Rechten gemaͤß ſeyn/ daß Franckreich den Her-
tzogen auß Lothringen ohne erhebliche Vrſachen vertrieben/ den Hertzogen zu Mo-
naco vberliſtet vnd hindergangen/ die Catalonier vnnd Hollaͤnder in jhrer Rebel-
lion geſtaͤrckt/ die Napolitaner vnd Portugieſen verꝛeytzt/ vnnd der General Re-
formation in Teutſchland wiederſtanden: Spanten aber allein das Waſſer be-
truͤbt/ wann er die Roͤmiſche/ Catholiſche/ Apoſtoliſche Religion befoͤrdert/ vnnd
ſein eygen Spruͤche/ an das Elſaß/ die Vndere Pfaltz/ das Koͤnigreich Boͤhmen
vnnd andere Oeſterꝛeichiſche Laͤnder verfolgt/ oder den verſtoſſenen Pupillen/ als
Blutsfreunden/ Schutz haͤlt.


Vnd moͤgen allhie keine Tractaten nicht gelten/ welche dem Hauß Oeſter-
reich bey wiederwertigem Lauff deß Gluͤcks vnnd der Waffen ſo ferꝛn ſind abgenoͤ-
thiget worden/ daß keine Rettung zuerdencken geweſen/ den damahligen Feind
auß dem Neſt zubringen/ man haͤtte dañ alles ins Spiel ſetzen/ vnd in die Schantz
ſchlagen wollen.


Darumb dann eines dritten Recht/ vnnd zumahl eines Pupillen
Wohlfarth hierin im geringſten nicht periclitieren kan/ wie der geringſte
Bawren Schultheiß muß bekennen.


Es werden auch die Staͤnde deß Roͤmiſchen Reichs/ ſo hierin auß
Noth vnnd Forcht gehellen muͤſſen/ ſelbſt bekennen/ daß ein ſo maͤchtiger
vnnd vnruhiger Nachbar/ der mit jhrem Oberhaupt leichtlich in Streit
gerahten kan/ jhnen jhre Wohlfarth gantz zweiffelhafftig macht: dann die Prote-
ſtierende koͤnnen abnehmen/ wie die Frantzoſen gegen jhnen geſinnet ſeyen/ wann
ſie/ den Hugonotten allen Vorſchub vnnd Huͤlff abzuſchneiden/ den Pfaltzgraffen
ſo ſchimpfflich in Arꝛeſt genommen/ vnd dem Bayerfuͤrſten alle Befoͤrderung ge-
than.


Y yDar-
[170]De Statu perturbato Franciæ

Darneben werden die Catholiſche Staͤnde ſich deß Frantzoſen gar nicht
zugetroͤſten haben/ weil er wohl gute Catholiſche Wort gibt/ aber ſein Gewalt den
Ketzern darbieth/ vnd wegen deß Geiſtlichen Vorbehalts/ nimmermehr wird auff-
ſetzen/ was das Hauß Oeſterꝛeich biß dahin ſo trewlich vnnd vnermeſſen ge-
than hat.


Jn ſolcher/ vnd mehrer andern Betrachtung ſolten die Catholiſche Staͤn-
de in Teutſchland nicht ſuchen den Spanier von dem Rheinſtrom zutreiben/ ſon-
dern vielmehr die Lini auß dem Lützelburgerland wiederumb zuziehen/ auff daß/
wann Oeſterꝛeich wegen geſchloſſener Friedens Tractaten je muͤſte ſtillſitzen/ dan-
noch Spanien die Haͤnde vngebunden haͤtte/ vnd die Catholiſche Parthey wieder
erheben koͤndte.


Vnder deſſen moͤchte man die Tractaten verlaͤngern/ vnnd die Vrſach
deß Verzugs auff andere/ ſonderlich auff Chur Pfaltz abwaltzen. Man
hatte Vorzeiten nicht gern geſehen/ daß Manheim an den Außfluß deß Neckers/
auff den Rhein gelegt/ vnnd beveſtigt worden: deßwegen man dann das Vden-
heim/ nunmehr Philippsburg/ dargegen gebawt/ vnnd den Strom auſſer Obacht
nicht laſſen wollen: weniger koͤndte dieſer Zeit Franckenthal auß Handen gehen/
nach dem der Frantzoß noch die Veſtung Breyſach/ auch Philippsburg jñen haͤtte.
Bekandt auch/ wie die Staaden oder Hollaͤnder ein vnd andern Orth vberzogen
vnd beſetzt/ nicht eben eygenthumblich zubehalten/ ſondern jhren Vortheil/ zu deß
Feinds Schaden/ darauß zuſuchen.


Endlich haͤtte Spanien ſich vor Gewalt nicht zubefahren/ weil ſo viel
Staͤnde vber einen Leyſt ſich nicht Schuhen lieſſen/ vnnd auß wiederwertigen
Sinnen die Trennung erfolgen muͤſte. Vnd geſetzt/ es wuͤrde eine Belaͤgerung
vorgenommen/ ſo koͤndte doch dieſelbe auß dem Luͤtzelburgerland/ leichter als die
vor Diedenhoffen vnder dem Fequieres vom Piccolomini/ auffgeſchlagen
werden.


Geſetzt/ Spanien můſte accordieren/ vnd abziehen: das ſolte ein erwuͤnſch-
te Gelegenheit ſeyn/ die vier Obere Krayß gar zuvberwaͤltigen/ welches nach Be-
gebenheit/ wann Schweden von Poln vnnd Dennmarck auff beyden Seiten ge-
zauſet/ vnnd Franckreich in ſich ſelbſt verworꝛen ſeyn wird/ wann man meynt/ der
Schnee haͤtte den Schimpff bedeckt/ vnnd das Graßwaͤr jenen Fruͤling daruͤber
gewachſen/ die Vberſchwemme deß außlauffenden Rheins haͤtte Schleim
vnnd Sand darauff gefuͤhrt/ in der Auff- vnnd Abrechnung zufinden
ſeyn ſolte.


Daß nun Pfaltz klagte/ das Land blieb wegen der Beſatzung in
Franckenthal vnbewohnt/ vnnd vngebraucht/ weil keine vermoͤgliche
Leuthe auß der Frembde/ jhre Mittel dahin verſtecken würden: das
moͤchte
[171]\& Germaniæ Continuatio.
moͤchte Spanien zu ſeinem Vortheil vmbkehren/ vnnd erinnern/ daß
ſeine angeborne Vnderthanen auß Braband vnnd Flandren eben dieſen
Orth/ der den Kayſeriſchen vnnd Spaniſchen Waffen ſo viel zuſchaffen
gemacht/ erbawt haͤtten: vnnd daß/ im fall/ die Spaniſche Macht
auß der Vndern Pfaltz weichen muͤſte/ der heymlichen Ketzer ſehr viel auß denſel-
ben Landen ſich erheben/ vnnd an den Rheinſtrom ſetzen ſolten: darumb jhnen die-
ſer Luſt billich zubenehmen waͤre.


Auß dieſen erzehlten Vrſachen iſt ſchwerlich zuglauben/ daß die
dreyzehen Roͤmer Monat/ ſo der Kayſer von den verwilligten ein hunder-
ten zur Außzahlung der Beſatzung in gemeldtem Orth/ will verwen-
den/ wie ſchwer ſie auch von den Staͤnden zugewinnen/ den Außzug wenig befoͤr-
dern ſollen/ weil niemand dem Kayſer vorſchreiben kan/ was er mit ſeinen Gel-
dern zuthun habe.


Doch ſcheinets/ als wolte Chur-Mayntz nicht nachlaſſen/ biß
der Sachen ein End komme. Solten nun Kay-
ſeriſche Voͤlcker hien ein gelegt werden/
moͤchte es beſſer oder boͤſer
werden.



Y y ijDer
[172]De Statu perturbato Franciæ

Der 18. Diſcurß.


Drey Printzen in Franckreich kommen in Verhafft/ vnnd
werden wieder loß: aber der Cardinal Mazarini muß auß dem Koͤnigreich wei-
chen. Was die Tuͤrckiſche Bottſchafft zu Madrit geworben. Warumb Plum-
bino eingenommen/ vnnd wieder erobert worden. Wie Franckreich vnnd Portu-
gall wollen eygene Patriarchen ſetzen. Wie die Venetianer zwey Mittel ergrif-
fen. Die Engellaͤnder fahren fort: Schweden hat Haͤndel mit den Reuſſen.
China will zum Chriſten werden. Holland ſtutzt: Genua iſt in Gefahr: Schweitz
behauptet jhre Freyheit.


JN Franckreich wolte es verworꝛne Haͤndel geben/ in
deme jederman vber den Cardinal Mazarini klagte/ daß er ſich bereichte/
die Laͤnder biß auff den grad verderbete/ vnd die Reichshaͤndel vngebühren-
der Weiß fuͤhrete. Es ſchien aber alles ein geſuchter Fund zuſeyn/ die Koͤnigin
vom Regiment/ vnnd den Koͤnig vnder etlicher wenigen Gewalt zubringen.
Der Printz von Condè brauchte ſich im Feld mannlich/ vnd kondt im Winter bey
Hoff nicht ruhig ſeyn/ begehrte vber ſeine Gubernamenter/ vnnd Veſten noch alle
nahmhaffte Orth in Flanderen/ als wolte er die Veſtungen/ ſampt der anſehnli-
chen Herꝛn Gemuͤther alle an ſich ziehen/ vnnd ohne Maßgebung dominieren.
Der Cardinal hatte jhm lang zugeſehen/ vnd die Koͤnigin beredt all ſein Begehrn
zuerfuͤllen/ vnnd jhn ſolcher geſtalt ſicher zumachen. Er wurd aber zu Eingang
Dieſes 1650. Jahrs mit ſeinem Bruder vnd Schwager/ den Hertzogen von Con-
ty vnnd Longueville angehalten/ vnnd au bois de Vincennes in Verwahrung ge-
fuͤhrt/ auch bald alle drey von einander gethan. Hiemit war es aber nicht genug:
dann der Koͤnig wuſte deß Printzen ſehr groſſen Anhang/ wegen ſeines Herkom-
mens vnd Geſchlechts/ auch hohen Aempter/ vnd fuͤrtrefflichen Kriegstugenden:
darumb ordnet er alles wohl an in Pariß/ zog auß mit Heers Macht/ bracht wie-
der in Gehorſamb/ was wanckete/ oder jhn nicht mehr erkennen wolte: contentirt
die Schweitzer mit Geldt/ Kleinodien/ Brieffen vnd Verſprechen. Aber der
Feldmarſchalck Turaine machte ſich ein groſſen Anhang vnnd der Gefangenen
Printzen Parthey/ vermoͤcht den Ertzhertzogen zu Bruͤſſel/ zu einem Einfall in
Franckreich/ mit deme Fuͤrſatz/ nicht nachzulaſſen/ biß die Printzen wieder auff
freyem Fuß ſtünden/ der Hertzog in Lothringen ſein Land wieder bekaͤme/ vnd Se-
dan
[173]\& Germaniæ Continuatio.
dan dem Hertzogen von Bullion wieder eingeraumbt wuͤrde. Vnder deſſen
ſolte Spanien groſſe Summen Gelder/ vnnd benahmpte Notturfft zur Armee
vñ etlichen Beſatzungen darꝛeychen/ welches d’ Marſchalck ſelbſt an den Koͤnig ge
ſchrieben/ vnd allen Gehorſamb zugeſagt/ zumahl er nur die boͤſe Rahtgeber mey-
nete. Weil nun bald hernach die Hertzogin von Orleans ein jungen Printzen
zur Welt gebracht/ wolten etliche hoffen/ es wuͤrden die Printzen vom Koͤnigli-
chem Gebluͤt nicht ferꝛner rumoren wollen/ nach deme wegen der Succeſſion nicht
viel mehr zuhoffen. Dann deß Koͤnigs Perſon war jung/ vnd haͤtte leichtlich die
Augen moͤgen zuthun: ſo ſchiene deß vorigen Koͤnigs Bruder/ erwehnter Hertzog
von Orleans/ etwas krafftloß: dannenhero dem Printzen von Condè das Koͤ-
nigreich/ oder zum wenigſten die fuͤrnembſte Verwaltung deſſelben gebühren
wollen: nun aber fiel ſolche Hoffnung. Vnder deſſen gingen die Spanier vnnd
auffruͤhriſche Frantzoſen/ ſo es mit den Gefangenen Printzen hielten/ in Franck-
reich/ nahmen etliche Orth ein/ theylten ſich in drey Hauffen/ verderbten allenthal-
ben die Ernd/ ſchlugen dem Gubernator in Peronne ſechs Regimenter/ vnnd er-
weckten groſſe Forcht. Doch ſchrieb vnder deſſen der Ertzhertzog an den Hertzo-
gen von Orleans/ es haͤtte der Koͤnig in Spanien jhm befohlen/ demſelben/ oder
wer die Verwaltung in Franckreich fuͤhrete/ den Frieden/ oder newen Krieg anzu-
kuͤnden: gedachte aber der Gefangenen Printzen nicht mit einem Wort. Nach
deme nun dieſer Vortrag mit dem Parlament zu Pariß war vberlegt worden/
begehrt man Zeit vnd Orth/ zu den Tractaten zubenahmen. Es wurd aber nichts
geſchloſſen/ weil die Frantzoſen ſpuͤren wolten/ deß Ertzhertzogen Vollmacht waͤre
etwas lahm. Darumb fuhr der Lothringer forth/ vberfiel den Oberſten Ruſ-
wurm/ daß von zwoͤlff hundert Mann wenig darvon kommen/ erobert ein vnd an-
der Orth/ vnd thaͤt herꝛlichen Progreß an der Maaſe/ wurd aber vom Gubernator
in Nancey auch geputzt. Der Ertzhertzog bezwang die Veſtung Mouſon. A-
ber der Koͤnig in Franckreich zog mit voller Macht auff die Spanier/ erobert Re-
thel/ vnd erlegt die Spanier/ Turainiſchen vñ Lothringer/ die den Orth kamen zu-
entſetzẽ/ biß auff dz Haupt. Hiernechſt nahm der Koͤnig die mehrſte Voͤlcker/ vnnd
gieng auff Bourdeaus/ bracht den Orth zu ſeiner Devotion/ verſprach jhnen
Freyheit von der Contribution biß ins ſechs Jahr. Dannoch wolte es allent-
halben in Franckreich krachen/ weil das Volck den Kriegslaſt nicht mehr ertragen
konde/ vnd ſich einbildete/ der Printz von Condè ſolte mit dem Spanier ein guten
Frieden treffen/ vnd das Koͤnigreich wieder zu Ruhe bringen. Es giengen aber
alle Baarſchafften/ Kriegs-Verfaſſungen vnd Werbungen auff dieſen Nothfall/
zumahl die Statt Pariß ein wunderſames Lied haͤttelernen muͤſſen/ da die Spa-
nier obſiegen koͤnnen. Auff dieſe weiß war in Jtalien groſſe Klag/ vnnd gieng
ein Orth nach dem andern wieder verlohren: nicht weniger Vnordnung ſpuͤhrte
Y y iijman
[174]De Statu perturbato Franciæ
man in Catalonien: doch dachte der Cardinal/ wann dieſes Sturm wetter voruͤ-
ber waͤr/ koͤnde man auſſerhalb/ da nichts als vom Gewinn etwas verſpielt wuͤrde/
wohl Raht vnnd Huͤlff ſchaffen. Die Reden deß gemeinen Volcks kamen von
den groſſen Herꝛn: vnd die Parlament ſelbſt nahmen deß Volcks Geſpraͤch vnnd
Begehren in Obacht/ ſo ferꝛn/ daß der Koͤnig/ die Koͤnigin vnd der Cardinal ſelbſt
vor das allerbeſte befanden/ daß man die Gefangene Printzen wieder auff freyen
Fußſtellete/ damit man dieſe Parthey von den Spaniern koͤnd abziehen: wie
dann der Marſchalck Turaine zu Pariß ſehr Willkom geweſen/ vnnd mit ſeinem
Bruder/ dem Hertzogen von Bovillon/ ſich an deß Koͤnigs Parthey veſt verbun-
den: ob es ſchon anfangs in Mißtrawen geſchehen. Es hat aber dieſe erlangte
Freyheit die heroiſche Gemuͤther nur vmb etwas zuruͤck gehalten/ biß der Wider-
willen gegen dem Cardinal wieder vorgedrungen/ vnnd es bey dem gemeinen
Volck/ auch im Pariament zu Pariß ſo weit gebracht/ daß der Cardinal/ wegen
eines Decrets auß dem Koͤnigreich entwichen/ vnnd ſich in deß Churfuͤrſten zu
Coͤln Bottmaͤſſigkeit begeben/ von dannen er die Vnruh in Franckreich/ als von
einem hohen Thurn ſpeculiert/ vnd deß Printzen nachmahlige Haͤndel cenſurirt/
biß man jhn/ bey dieſer angehenden Regierung deß nunmehr Muͤndigen Koͤnigs
vielleicht moͤcht wieder erfordern/ darwieder ſich der Printz von Condè mit Haͤn-
den vnd Fuͤſſen wird ſetzen/ vnnd allzeit das Exempel deß Marquis d’ Ancre vor-
ſchuͤtzen.


Es wolten dieſes Jahr Spanien vnnd Franckreich einander gar zu hart
zauſen: drey Armeen ſtellete der Spanier zu Feld/ eine in Hennegaw/ die andere
im Lutzelburgerland/ die dritte in Flandern/ zu welcher der Printzen Anhang ſtieſſe/
zwar eines vnnd anders eroberte/ aber auch wieder verlohre/ nach dem die Frantzo-
ſen mit gleicher Macht jhnen begegneten. Aber in Catalonien gieng es anderſt/
weil der Frantzoͤſiſche Vicerè Mercæur ſich vor Caſtelleon lieſſe ſchlagen/ vnnd ge-
waͤrtig muſte ſeyn/ daß das gantze Land wieder abfiel/ zumahl er die Veſtung Flix/
ſo gleichwohl mit 900. Frantzoſen beſetzt war/ vor dem Spaniſchem Gewalt nicht
koͤnderetten. Bey allem dieſem Weſen fuhr niemand beſſer/ dann der Hertzog
von Lothringen/ der zwar den Spaniſchen jederweilen ein Reuterdienſt leyſtete/
aber mit baarem Geldt/ oder einem ſtuͤck Lands/ zur Verſicherung/ wohlbezahlt
nahm. Zumahl denckwuͤrdig kompt vor/ daß ein Tuͤrckiſcher Baſſa in Spa-
nien zu Madrit angelanget/ weil Spanien niemahls einige Freundſchafft/ als gar
newlich/ mit dem Tuͤrcken geſucht zumachen/ vnd ſolche jmmerzu an den Frantzo-
ſen getadelt hat. Vnd ſcheinet/ als ſey der vhralte Schrecken wegen der Fran-
tzoͤſiſchen Waffen in Orientlaͤngſt verſchwunden/ auch wolle der Tuͤrck ſich mehr
auff die Spaniſche Seite legen/ weil er ohne zweiffel gruͤndlichen Bericht einge-
nommen/ von deß Hauſes Oeſterꝛeich engerem Bund/ vnnd daß dermahl eins
ein
[175]\& Germaniæ Continuatio.
ein guter Theil Teutſcheslandes/ neben den Koͤnigreichẽ Boͤhmen/ Vngarn/ Croa-
ten/ vnnd gantz Schlanonien/ demſelben groſſen Hauffen werde zuwachſen. So
haͤtte er dann ſich zu befahren/ daß ein ſo vbermaͤchtiger Potentat jhm nicht etwan
einfiele/ wann er mit dem Perſianer ſich vertiefft haͤtte. Dann gleich wie der
Perſianer zwiſchen dem Tartariſchen Hauffen/ Jndianiſchen Monarchen/ vnd
dem Tuͤrckiſchen Kayſer liegt/ alſo ligt der Tuͤrck zwiſchen dem Tartern/ Perſia-
ner vnd den Chriſten/ pflegt auch nimmermehr mit zweyen Feinden zu einer Zeit
zukriegen/ auff daß er ſeine Macht nicht trennen muͤſſe.


Dieweil nun dem Tuͤrckiſchen Geſandten deß Koͤnigs in Spanien Ma-
jeſtaͤt auch ſolte kund werden/ vnnd in die Augen ſtechen/ wurd er durch vierzehen
wohl geputzte Saal/ zur Andientz gefuͤhrt/ da der Koͤnig auff einem hohen Thron
ſaſſe/ vnd die Grandes in groſſer Zahl jhm auffwarteten. Sein Credentz Schrei-
ben war von Aly Soliman/ dem Herꝛn der gantzen Welt: er beklagt der verſtorbe-
nen Koͤnigin Todt/ wuͤnſchte Gluͤck wegen der jungen Koͤnigin/ vnd begehrte ge-
heyme Audientz/ ſo jhm auch gegeben worden. Sein Anbringen beſtunde fuͤr-
nemblich in dieſen vier Puncten/ neben ſehr herꝛlichen Præſenten/ die weil die
Chriſten auff das Heilige Grab/ vnd auff die Statt Jeruſalem ſo gar viel hielten/
daß ſie auch auß den euſſerſten Landen dahin Wallfahrten kaͤmen/ wolte der Tuͤr-
ckiſche Kayſer/ ſeinen geneygten willen zubezugen/ daſſelbe Jhrer Koͤniglichen
Majeſtaͤt gutwillig/ vnnd ohne entgelt vberlaſſen. Wann dann auch die Enro-
pheiſche vnnd Jndianiſche Kauffhaͤndel ein guten Theil der Welt vmbfaſſeten/
moͤchten die Tuͤrcken nichts liebers ſehen/ als einen freyen Kauffhandel zugeben
vnd zunehmen. Vnd damit derſelbe zu beſſerem vernehmen Anlaß geben koͤnde/
waͤr eine Sultanin deß Kayſers Schweſter/ hiebevor von den Maltheſern gefan-
gen geweſen/ vnd in dem Chriſten Glauben vnderwieſen/ auch getauffet worden:
ſolche koͤndte dem Don Ioan di Auſtria, deſſen Tugend durch die gantze Welt er-
ſchollen/ vermaͤhlet/ vnd mit einem Koͤnigreich in Africa gegeben werden. Wann
auch beyderſeits viel Gefangene vnnd Sclaven ſich befinden/ wolte die newe
Freundſchafft eine gleiche Loßzehlung erfordern.


Solche Sachen konden den Frantzoſen den Flog in das Ohr ſetzen: vnd iſt
kein wunder/ daß der Tuͤrck dergleichen Sachen allhie laͤſt vortragen. Dann
jhm wohl bekand iſt/ daß Spanien ſeine Laͤnder von Mannſchafft entbloͤſſet/ we-
gen der Jndien ſonderlich/ vnd deren jmmerwehrenden Kriegen/ alſo deß gelobten
Landes nicht hoch achten wuͤrde/ als nur zum Heyligthumb/ gleich wie Türcken
jhre Wallfahrten nach Mecha. Der Nutzen iſt auch nicht mehr ſo groß vmb
Jernſalem/ wegen deß Abfalls von der Roͤmiſchen Kirchen/ vnnd der andern
Wallfahrten nach S. Jacob/ vnnd nach Loretto: derowegen der Tuͤrck mit einem
Ding/ das bald von ſich ſelbſt verſchwinden moͤcht/ noch Danck zuverdienen ſu-
chet.
[176]De Statu perturbato Franciæ
chet. Vnnd weil Spanien zu jeden Zeiten ſo gar eyferig ſich in der Roͤmiſchen
Religion erzeigt/ auch dadurch die Gemuͤther gewaltiglich an ſich gezogen/ ſoll es
billich dieſe Gelegenheit nicht auß Handen laſſen/ ſondern auß Raht deß Concla-
ue
ſolche Offerten annehmen/ aber auch ſehen/ welcher geſtalt ein freyer Paß dahin
zueroͤffnen/ vnnd zuerhalten waͤre. Nicht meyne ich/ daß man/ wie vor Zeiten/ die
Creutzbruͤder wieder auffmuntere/ vnnd hienfuͤhre/ ſondern daß man die Laͤnder
ſuche aneinander zuknuͤpffen.


Wann aber der Tuͤrck/ was er in Vngarn hat/ nicht wird ver-
geben wollen/ muͤſten einige andere Mittel vnnd Wege an die Hand genom-
men werden: So kan auch das Conclaue eben wenig/ als der Muphti den
Kauffhandel gut heiſſen: vnnd lieffe wieder der Tuͤrcken Geſatz: es waͤre dann
Sach/ das doch nicht zuvermuthen/ daß die Tuͤrcken ſich nach dem Chriſten Glau-
ben ſehneten/ wie dann durch die Sultaninnen/ deren Schoͤne dem Tuͤrckiſchen
Kayſer macht wohlgefallen/ etwas wincketen: zumahl die Nachtigallen/ ſo auff
dem Hauptkuͤſſen ſitzen/ lieblich ſingen vnnd ſchlagen. Mit heurahten aber ſich
einzulaſſen iſt zumahl vnglimpfflich/ ſo wohl an einem als an dem andern Orth.
Wie es dem Daͤniſchen Graffen Vollmar in der Moßkaw deßwegen ergangen/
iſt bekand: wie der Cardinal Richelieu in Franckreich mit dem heurahten ein Koͤ-
niglich Gewerb getrieben/ iſt vnvergeſſen: was Carolus/ der letzte Hertzog in Bur-
gund/ mit ſeiner einigen Tochter vnd Erbin vor ein langen Jahrmarck gehalten/
iſt zuleſen.


Vnd eben dieſes ſolte der Spaniſchen Monarchey ein harten Stoß geben/
wann die Maranen/ im Koͤnigreich Granaten ein ſolchen Anlaß zum Auffſtand
vnnd Abfall/ oder auch Don Iean di Auſtria einen Ruͤcken/ ein ſchaͤntzlein zutra-
gen haben koͤndten. Spanien iſt mehr kluͤger/ als daß es den rechtmaͤſſigen
Bruͤdern oder auch Soͤhnen ſolchen Gewalt ließ einraumen. Jm Traum
ſey es geſagt: viel beſſer/ hie oder da ein Fraͤwlein genommen/ ſonderlich zu Man-
tua/ damit ein Spruch fruͤh oder ſpath erwachſe/ den man eben ſo wohl in Obacht
nehme/ als der Frantzoß ſeine Prætenſion auff Mayland/ aber auch beſſer durch-
treibe/ vnnd behaupte. Jn Summa/ weil Spanien laͤngſt eine Geſandſchafft
nach Conſtantinopel abgefertigt/ daruͤber gleichwohl der Gewiſſens Raht lang
Bedenckens getragen/ hat man dergleichen nicht vnbillich zugewarten gehabt:
nach deme ſich in dieſen Zeiten alles verkehret.


Dann ob ſchon die Frantzoͤſiſche Macht den Spanier an einem ſehr em-
pfindlichen Orth angegriffen/ vnnd Plumbino/ auch Portalongono/ nach deme es
mit Orbitello fehl geſchlagen/ in Jtalien jhm entzogen/ dadurch eine Bruͤck nach
dem Koͤnigreich Naples zulegen/ in welchem die Vngedult wegen der vbergroſ-
ſen Aufflagen/ vnder dem gemeinen Mann ſehr groß/ vnnd der Vnmuth bey den
groſ-
[177]\& Germaniæ Continuatio.
groſſen wegen ſchwaͤrer Dienſtbarkeit vnd verringerter eygener Hoheit nit ge-
ringer. Auch die vhralte Gerechtigkeit vnnd zwar verloſchene Bundnuſſen mit
den Caraffa/ vnd andern hohen Haͤuſſern bißher vergraben gleichſam gelegen/ ſo
dachte doch der Cardinal Mazarini alhie ein rechten Meyſterſtreich zu thun/ vnd
zum wenigſten eine ſtarcke Die verſion zumachen: Deßwegen dann Don Iean
Auſtria
eine Schieff Armee zu gerichtet/ vnd zwoͤlff Tauſend Mann drein geſetzt/
vnd dieſen Dorn auß dem Fuß gezogen/ zu welchem geringen Schaden/ wie es
anfaͤnglich geſchienen/ der kalte Brand vber Nacht zu geſchlagen/ vnd den gantzen
Schenckel/ auch groſſen Leib verderben/ oder abloͤſen koͤnnen/ zumahl bereyt deß-
wegen ein ſtarckes Fieber jhn ergrieffen. Dieſer Zug konte von den Fran-
tzoſen/ weil ſie innerliche Vnruhe erweckt/ nicht gehindert werden/ koſtet aber den
Spanier vierzehen mahl hundert Tanſend Kronen an Barſchafft/ vnd vber
Zehentauſend Mañſchafft/ aber auch vier fuͤrnehme Herrn zu Palermo in Sicili-
en/ vnder welchen auch der gute Apt von Cartano geweſen/ jhre Koͤpffe die ſich
nach Franckreich/ vnd zu einer Rebellion neygeten. So ſchwer fiel dieſe Eur/
konte auch nicht anderſt gefuͤhrt werden/ weil die Belaͤgerte noch wohl vor zwey
Jahr Proviand genugſam hatten.


Daß nun Spanien hierbey wercklichen gehindert worden/ etwas newes
anzufallen/ oder das alte fort zuſetzen/ mag der Frantzoß jhm wohl glauben/ deme
dergleichẽ taͤglich wieder faͤhrt. So geſchefftig nun Franckreich geweſen/ die Huge-
notten zu daͤmpffen/ ſo ſtreng muſte ſich auch Spanien wieder ſeine auffruͤhriſche
Vnderthanen erwieſe/ alſo daß/ wegen deß Haupt weſens/ man den Geiſtlichen
jederweilen auch muͤſſen ein greiffen/ welches der gute Apt droben erfahren muͤſſen/
auch die Carmeliten vnd Franciſcaner zu Naples leiden/ da jehnen jhre beyde
Cloͤſter zu S. Martin vnd S. Lueien/ dieſen aber der ſchoͤne Baw zur H. Drey-
faltigkeit/ vom Vicerè ſolcher Geſtalt iſt entzogen worden/ da mit man Caſtelen
darauß machen koͤnte/ nicht den Koͤniglichen Pallaſt zubeſchaͤdigen/ ſondern alß
Vor vnnd Bollwercke zu verthaͤdigen/ gleich wie Verdun auff der Maaß auch
wehmuthig zugeben muͤſſen daß die Kirch vnnd die Muͤnche auff dem Huͤgel der
Befeſtigung weichen/ vnd dem Citadell ein verleibet worden/ vnd hie felt auß bey/
von der art/ nach welcher die Roͤmiſchen Kirch/ alle jhre Gebaͤw hat wollen anord-
nen/ alſo daß es auch in der Arctitectur ein ſonderliches vnnd nicht geringes Ca-
ſtell macht. Nicht nur daß der Chor eben gerade nach der Sonnen Auffgang
ſich richte/ weil Chriſtus die Sonn der Gerechtigkeit iſt/ vnnd an jenem groſſen
Tage vieleicht von dannen wird erſcheinen/ auch alle Thier ſich nach demſel-
ben theil deß Himm̃els ſehnen// vnnd dannenhero weit beſſer/ vnnd geſun-
der Lufft ſchoͤpffen/ ſondern vnder dieſem ſcheinbaren Vorwand/ daruff der Poͤbel
Z zvnd
[178]De Statu perturbato Franciæ
vnd Andacht zu mehrerm ſiehet/ einen veſten Baw ſetzen/ in welchem man
wieder der Vnglaubigen vñ Ketzer Vberfall ſich verwahren/ auch der Glaubigen
Geaͤthte/ in einem Aſylo vnd ſtarcken Zuflucht erretten koͤnte: wie zun Zeiten
Attilæ, vnnd anderer Zerſtoͤrer die Erfahrung bezeuget hat.


Es mag aber bey einfallenden begebenheiten alles dem gemeinen Weſen
nutzen vnd dienen/ gleich wie David zur Zeit der Noth die Schawbrod/ wel-
ches den Prieſtern allein zu eſſen gebuͤhret/ hat doͤrffen angreiffen vnnd ge-
nieſſen.


Vnd dieſer Noth hat der Roͤmiſche Bapſt jederzeit weichen wollen/ wie
er dann auch dieſer Zeit ſo wohl/ alß vnder Calolo V. gewichen. Dann es zielete
der Cardinal Richelieu auff etliche vermeynte vhralte Gerechtigkeiten der Galli-
kaniſchen Kirchen/ trutzte den Roͤmiſchen Stul feyn hoͤfflich/ ſuchte die prag-
maticam ſanctionem
wieder herfuͤr/ vnnd betrohete den Bapſt/ wann er
zu viel Spaniſch/ vnd zu wenig Frantzoͤſiſch ſeyn wolte/ mit einem Patriarchat/
in Franckreich nemblich ein vnder Bapſt zu ſetzen (daß er ſelbſten ohne zweiffel
der nechſte in der Wahl ſolte geweſſen ſeyn) der zwar in dem Religions Weſen
nichts aͤnderte/ aber die Guͤldene Fluͤßlein/ ſo nach Rom ſich ergieſſen/ verſtopfft/
vnnd fuͤr ſich behielte/ oder wie es heyſſen wolte/ dem Koͤnigreich zum beſten ver-
wendete. Der newe Koͤnig in Portugal wolte dieſen politiſchen Grieff auch faſ-
ſen/ ſchickte den Biſchoff von Lamego nach Rom/ vnnd wurd zwar/ weil in
Spanien innerhalb eines Jahrs nicht dempffen moͤgen/ vor ein Koͤnig erkant/
welcher Geſtalt auch ſeine Bottſchafften/ vor guͤltig paſſirten/ hielte aber dar-
neben eben daß er moͤgte ſelbſt die hohe/ mittele/ vnd niedere Prabenden auß-
theilen/ weil er verhoffe dadurch trewe Leuthe zu machen vnd zu erhalten/ die alle
jhre Wohlfahrt jhme allein hetten zudancken/ vnd ſolches nach dem Exempel der
Caſtilianer/ welche bey Eroberung deß Koͤnigreichs Portugal jhr eygene/ geiſt-
liche/ vnd Beampte/ biß auff die Schulmeiſter hatten eingefuͤhrt/ dergleichen der
Roͤmiſche Stul jederzeit gethan/ vnd eben deßwegen den Gottesdinſt in Lateini-
ſcher/ das iſt Roͤmiſcher Sprach wollen verrichten laſſen/ auff daß alle Geiſtliche
jhr Abſehen nach Rom hetten.


Dieweil aber hie durch dem Roͤmiſchen Seulan Jntraden vnd Reſpect ein
merckliches abgienge/ truge man im Conclaue groß bedencken/ dem Koͤnig hier-
ein zu willfahren/ der aber alſo bald von einem Patriarchen wollen ſprechen/ wel-
cher dem Bapſt zwar vnderwuͤrffig/ doch nur communicatiuè waͤr: weil nun
die reſolution nicht erfolgen wollen/ damit der Bapſt zu Rom nicht etwan gar ad
suburbi carias
eingeraumet wuͤrde/ zoge der Geſand mit Vnwillen/ vnd vnver-
richter Sachen wieder nach Hauß. So gar vnbeſtendig iſt alles hie vnden auf Er-
den/
[179]\& Germaniæ Continuatio.
den/ alſo das manches mahl die groͤſte Gefahr entſtehet von Orten vnnd Enden
da man ſichs am wenigſten verſiehet.


Jn der vbrigen weiten Welt ſtunde eben wohl alles auff wanckenden Bey-
nen. Die Venetianer lagen bald vnden/ bald oben/ theten doch einigen
Progreß/ vielleicht in deme etwas zuverzagt/ daß ſie jhrem General Riua nicht
geſtatten wollen/ in das ſchwartze Meer zulauffen/ vnnd die Satt Conſtantino-
pel mit Abſcheidung der Lebens Mittel zu einem Frieden zunoͤthigen/ gleich wie
Agathocles die Carthaginenſer vor Syracuſem ließ liegen/ weil ſio jhm zu ſtarck
waren vnd in Africa hienuͤber ſetzte jhnen ein ſolch Schweyßband zurichtete/ daß
ſie von ſeiner Hauptſtatt ablaſſen/ vnd jhr eygene Hauptſtatt beſchuͤtzen muͤſſen/
wann es gluͤcket/ iſt es Klugheit/ fehlets aber/ ſo muß es Dollkuͤnheit heyſſen.
zu verwundern/ daß die Republick zu Venedig allein/ die doch nur ein Dorff
iſt zu rechnen/ vnd ein Nichts gegen deß Tuͤrcken vielen Koͤnigreichen/ in Candia/
vnd Dalmatia dieſen ſchweren Krieg hat außſtehen koͤnnen/ bey welchem ſie
hundert vnnd achtzig Tauſend Ducaten muß Monatlich auff jhre Schieff wen-
den/ der andren neben Speſen zugeſchweigen/ wie ſie nun biß her ein rechte Spar-
buͤchs vnnd Schatz Kammer iſt geweſen der jenigen hohen Haͤupter vnnd rei-
chen Leuthen/ die weil in gantz Europa bey dieſem vmb ſich freſſenden Kriegs-
Weſen/ kein ſicherer Orth zu finden/ jhre Baarſchafft verwahren wollen/ vnnd
ſelbige hinderlegte Gelder/ neben dem groſſen gemeinen Schaden angreiffen
müſſen/ alſo hat ſie auch ein recht Politiſche vnd auch Kauffmaͤnniſches Stuͤck-
lein ergrieffen/ gewieſſe Geldmittel zur Hand zubringen. Dañ bey den Potentatẽ
der Chriſtenheit lehnen/ vnnd ſich verpfaͤnden/ iſt einer ſeyts vergeblich/ vnd
andern Theils verdrießlich/ ja nachtheylig.


Das erſte Mittel iſt/ daß ſie in den Adel oder in den Herꝛnſtand auffneh-
men/ wer ein ſehr groſſe Summa Geldes erlegt: welches dann manchen Beu-
tel auffgezogen: Vnd was liegt dieſer rothe Koth auffeinander/ wann er nicht
geruͤhret wird? Eben viel/ als lege er noch im Bauch der Erden/ welche eben dem
Bawern ſein Brod/ vnd dem Wild ſein Gras traͤgt. Alſo mag ein ſolcher vber-
fluß nicht beſſer angelegt werden: vnnd zwar nach dem Exempel der vhralten
Roͤmer/ welche das Vermoͤgen jhrer Buͤrger ſchetzeten/ vnd nach ſolcher Schatz-
ung die Staͤnde vnderſchiedeten/ daß der Reicheſte einen Zutritt zu dem Rath
hette/ der Mittlere vnder den Ritterſtandt gerechnet wuͤrde/ der Vndere aber
vmb Sold dienete.


Welcher Geſtalt Henricus Auceps die freye Ritterſchafft/ ſo man we-
gen jhrer ſchuldigen Dienſten nennete/ die Edele Knechte/ auff dem Lande/
die Patricios in den Staͤtten neben vnnd vber den Burger- vnnd Bawern
Z z ijStand
[180]De Statu perturbato Franciæ
ſtand geſetzt hat: nicht aber wie die Egyptier es hielten/ daß die Handwercker/
vnd zwarjedes bey dem ſeinen bleiben muͤſſen/ vnnd Kriegsleute von Kriegs-
Leuten gebohren wurden (welches bey den Leuiten/ ſo Gott jhm ſelbſt abgeſon-
dert vnd erkohren. vnder den Jſraliten/ biß auff Chriſtum ſeyn ſolten/ ſondern
daß die Tugend herfür braͤche/ wie Marius auß dem Poͤbel zu dẽ hoͤchſten Ehren
empor kommen/ darbey dann die vom Hauſe Medices zu Florentz jhm Anfang
ſolcher Hoheit nicht jhrer Mann- vnd Dapferkeit/ ſondern jhren groſſen Geld-
Mitteln freilich zuzuſchreiben haben/ dann ein groſſe Republick bedarff viel
Leuth/ vnnd mancherley Mittel/ vnd warumb ſolte Neſtor, oder Vlyſſes/ als
kluge verſchlagene Koͤpffe nicht eben ſo wohl Edel ſeyn/ als die beyde dollkuͤhne
Helden Aiax vnnd Prythus. Es tragen ja dieſe Kriegs Fahnen die Federn
auff dem Hut/ zubezeugen/ daß die Federn oben ſchwebet. Pyrrhus Koͤnig in
Epiro/ muſte ſeinen Raht Carneades das Lob geben/ daß der ſelbs mit ſeiner
klugen Wohlredenheit jhme mehr Staͤtte hette vnterthaͤnig gemacht/ als er
mit ſeinen Waffen bezwingen moͤgen. Welcher Geſtalt einem ſolchen Man
der Adel wohl beſſer geziemen ſoll/ als einem/ der nur metziget/ vnnd mit der
Fauſt drein ſchlaͤgt/ darumb auch Agamemnon ſagte/ er hette nur zu viel Ober-
ſten/ vnd mangelte/ jhm anklugen Leuthen/ wie Neſtor waͤre/ wolte auch die
Statt Troia laͤngſt vberwunden haben/ da er ſeines gleichen nur noch etliche
haben moͤgte.


Wie nun Klugheit vnd Staͤrcke nichts vermoͤgen/ es fuͤgen ſich dann die Ner-
ven recht zuſammen/ es ſeyen dann erkleckliche Geld-Mittel an der Hand/ wel-
che als die Seel dem Leib treiben vnd in Gewerb erhalten/ oder als das Brod
die Nahrung vnd Staͤrcke geben/ alſo thut mancher mit ſeinen Geld-Mittel dem
gemeinen Weſen mehr groͤſſer Dienſt/ alß man nicht verſtehen kan. Das
Gloͤcklein im Vhrwerck ſchallet/ der Hammer ſchlaͤgt/ die Raͤder lauffen/ vnd
greiffen ineinander/ ſo lang das Gewicht geht/ vnd treibt/ welches doch ſo gar vn-
ſcheinbar vnnd veraͤchtlich iſt/ wann dann Kayſer Maximilian deßwegen den
Sfortzen vnd jhren Nachkommenden Meyland zum Lehen gegeben/ jhren Stand
erhaben/ vnd ſonſten ein Geſchlecht abgehet/ das ander wieder auffkommet
ſo iſt es bey den Venetianern recht loͤblich/ daß ſie bey bevorſtehender Noth/ die-
ſes Politiſche ſtuͤcklein ergreiffen vnd brauchen wollen.


Das ander iſt nicht weniger klug ob es ſchon in den Kauffhandel etwas
greiffet/ welcher vmb Gewinnes willen alles waget. Sie richten ein Gluͤckha-
fen auff/ mit ſehr hohen Gaben/ welche theils in Geld/ theils in Jubelen/
theils in andern nutzbaren ſtuͤcken beſtehen/ vnd zwar das Geld Jaͤhrlich zuver-
penſioniren.


Bey
[181]\& Germaniæ Continuatio.

Bey dergleichen Faͤllen wird das Capital vberſchlagen vnnd geſetzt in eine
Hauptſum: Den Gewinn vnd Verluſt rechnet ſich auß nach den gemeinen Erb-
zienſen/ wie es in jedem Land herkommen/ viertzig oder fuͤnfftzig vor eines/ wel-
cher Geſtalt eine Erbzinß/ die Jaͤhrlich einen Gulden traͤgt/ mit viertzigen/ oder
fuͤnfftzigen/ nach Gelegenheit deß Landes/ wird abgeloͤſet/ vnnd abgekauffet: alſo
daß ein Million muß viertzig oder fuͤnfftzig Millionen blinde/ vnnd lere Zettelein
mit ſich fuͤhren


Der Principal kan nichts verlieren/ weil er alle ſeinen Gaben/ boͤſe vnnd
gute/ groſſe vnd kleine/ die gemeinigleich hoch werden angeſchlagen/ auff ein-
mahl alle zu baarem Geld machet/ vnd zwar viertzig oder fuͤnfftzig mahl bezahlt
bekompt-Vordißmahl zahlte ſich ein jedes Zettlein mit zwoͤlff Reichs Thaler vnd
wañ die Venetianer einen Thaler ein ſetzten/ koͤnte derſelbe nicht anderſt dann mit
40. oder 50. mahl 12. Thalern erhoben/ oder gewunnen werden: worauß dan leicht-
lich abzunehmen/ wz vnermeßliche Sum̃endieſer Geſtalt zur Hand bringen koͤn-
nen. Fiſch- oder Geldzug haben ſie gethan an allen Enden/ da ſie bekant ſeyn/
vnd da jhr Gewerb hienreichet/ alſo daß ſie den Kauffleuthen/ vnd groſſen Herꝛn
vber den Geldkaſten vnvermerckter Weiſe kommen/ vnd jhre Nothturfft darauß
genommen/ welches doch zu keinem Schaden den Particularn gereichen kan/ weil
es jhr eygener Will vnd Luſt iſt/ da zu ſie immer/ auſſer der Hoffnung deß
Gewinnens waͤren zubereden geweſen.


Es wolten etliche ein drittes Mittel vorſchlagen/ vnnd einem jeden der ſich
zu Venedig/ vnd in der Republick Gebieth begerthe zuſetzen/ die Freyheit deß Ge-
wiſſens goͤnnen/ vnnd den gewaͤhrlichen Gottes-Dienſt einer jeden Nation ver-
ſtatten. Welches dann nicht wenig gemurmel in der ſtille gab. Die fürnehmſte
vrſachen wolte man von der triumphierenden Statt-Rom nehmen/ welche die
Vberwundene Nationen deſto ſanffter zu regieren vnnd zu beherꝛſchen nicht
nur jeden Gottesdienſt in jeder Provintz gelaſſen/ ſondern auch gar in jhre Statt
gezogen; welcher Geſtalt auch das Pantheum ſie geſtifftet. Dann ſie glaub-
ten veſtiglich/ daß alle vnd jede Außlaͤndiſche/ ſo bey jhnen zu Rath vnnd Authori-
thaͤt kommen wolten/ ſich zu dem Burgerlichen Gottesdienſt wuͤrden bequemen/
bevorab wann ſie ſo viel anſehnliche Fuͤrſten vnd Rathsherꝛn zu Vorgaͤnger
haͤtten.


Wann denn die Romaniſche Cleriſey ſich ſelbiger Zeit gantz gewiß
auff jhren Gottesdienſt verlaſſen/ krafft deſſen die Republick hoͤher geſtiegen/ alß
durch gewalt der Waffen/ wie jhre allerkluͤgeſte Scribenten ſelbſten bekennen;
ſo hetten ſie keinen Abfall foͤrchten doͤrffen/ oder auch daß einige Ketzereyentſtehen
moͤgte.


Z z iijWann
[182]De Statu perturbato Franciæ

Wann dann die Catholiſche Religion den Preiß von Anfang deß
Chriſt enthumbs erhalten/ vnnd nicht nur das dunckele Finſternuß deß Heyden-
thumbs vertreiben/ ſondern auch alle newe Religionen vnd neben Glauben ge-
daͤmpffet; ſo wuͤrdeniemand derſelben zuwieder ſeyn wollen.


Es wurde auch erinnert/ daß der Tuͤrck ſein Regiment von Anfang biß
auff den heutigen Tag ruͤhmlich fuͤhret/ vnd ohne einigen Auffſtand der Chriſten/
deren doch ſo viel tauſend vnder jme wehren; mit dieſer ſonderlichen Beyſorg/ daß
er jhnen die Waffen nicht vertrawet/ vnd den Zutritt zu den Ehrenaͤmbtern ver-
legt: Demnach der Chriſten Dienſten ſich gebrauchet. Welcher geſtalt alle
frembde Religionen auch billich ſeyn ſollen. Was von dem Exempel der Ga-
baoniten angezogen ward/ vnd wie dieſelben zu Holtzhaͤwern vnd Waſſertraͤgern
bey dem Tempel worden/ wolte man nicht eben auff die frembde Religionen
ziehen/ welche zu keiner Dienſtbarkeit zubewegen waͤren/ vnnd dennoch in der
groͤſten Schlauerey leben/ wann ſie dem lieben Gewinn zu folge vber Waſſer vnd
See/ Berg vnnd Thal/ bey Regen vnnd Schnee/ Hitz vnnd Froſt dem Gewerbe
nacheilen/ welches doch nicht jedemahl fruchtet: Mann verwundert ſich etwan
daß ein Bawr nit will auß ſeiner Arbeit gehen/ einem Reyſenden vmb dreyfachen
Lohn ein Gang zuthun/ da doch ſeine bevorſtehende Arbeit nicht einfach außtraͤgt:
Es mag aber der Kauffman ſich vber niemand mehr/ alß vber ſich ſelbſt ver-
wundern/ wann er jhm ſelbſt die Noth aufflegt/ in gewiſſer Zeit an dem beſtimbten
Orth ſich zufinden/ vnnd ſolt er gleich zehen Pferd daruͤber zu Fall reiten/ auch
ſein eygene Geſundheit ſchwaͤchen vnd verliehren. Dann da man jhm
manchmahl ein hundert Ducaten hinlegte/ ſich ſolcher Geſtalt zuwagen/ wuͤrde
er es wol bleiben laſſen. Alſo daß man ſagen kan/ dieſelbſt gemachte Noth/
oder Hafftung deß Gewinns treibe den Handelsman mehr hefftiger/ dann der
Haubtman mit einem bloſſen Schwerdt ſeine Kriegsknechte zum Sturm/ vnnd
vnfehlbaren Tode.


Kein ſtarcker Beweiß wolte ſich finden/ alß das Exempel der Republick
ſelbſt/ welche die Specereyen hiebevor auß Alepo vnnd Alhair empfangen fol-
gends vber Augſpurg in dieſe Welt nach Mitternaͤchtigen Landen verfuͤhret.
Wann aber nun mehr die Holl vnd Engellaͤnder einen ſehr weiten Vmbſchweiff
vber die See/ durch die Liny gefunden/ vnnd den Spaniern die Farth abgelernet/
waͤr der Specerey Handel zu Venedig vergangen/ vnnd hette ſich nach Am-
ſterdam gezogen: Da aber Holl- vnd Engellaͤnder bey dieſer Conjunctur deß
allgemeinen Weſens jhre Freyheit deß Gewiſſens zu Venedig ſolten ſinden/
koͤnte der eingeriſſene Schad bey verwandem Specerey- Handel wol wieder zu
kommen.


Es wolte
[183]\& Germaniæ Continuatio.

Es wolte/ aber dieſe ragioni nicht gelten/ auff daß die Republick nicht gar
vor Vncatholiſch gehalten wuͤrde/ nach deme ſie bereyt ein boͤſen Nahmen vor
fünffzig Jahren bekommen; vnnd zumahl es noch mehr Hertzogen geben moͤgte/
die in jhrer Ordnung/ auff dem Regenten Saal/ ſich ſolten laſſen abſchiltern/
wie jehner/ der ſeine Augen nicht empor zu dem Marien Bild/ ſondern vnder ſich/
auff das Buch/ ſo der Loͤw vor ſich hat liegen/ geſchlagen/ nach Art der Vncatho-
liſchen/ ſo immerzu von der Bibel ſprechen.


So konte man auch nicht glauben/ daß weder Holl: noch Engellaͤnder
mit den Venetianern wuͤrden groſſe Gemeinſchafft fuͤhren/ oder auch den Handel
zuverſetzen begehren. Alſo gedachte man ſich aller Weitlenfftigkeit zuenthalten/
vnd in jeden Schrancken zubleiben.


Demnach verwunderte man ſich/ ob die Venetlaner etwan keine Huͤlff
ſucheten/ vnnd warumb: oder ob kein einiger Potentat jhnen wolte noch koͤnte
beyſpringen. Etliche meineten/ ein groſſe Huͤlff wer zwar erſprießlich/ aber
zumahl nachdencklich vnd ſchaͤdlich/ wie ſie ſelbſten nicht nur ein mahl erfah-
ren hetten/ alwo die Potentaten jhr eygen Abſehen vnnd Vortheil in Obacht neh-
men/ oder das Regiment fuͤhren wollen/ vnd den Bedrangten ſelbſt gar vnder
die Füß legen: Ja den Vnkoſten ſchwerbezahlt nehmen vnnd wie der Loͤw vom
Raub die drey Viertel gar/ das letzte aber vber die Helfft hiennehme/ daß aber nie-
mand helffen koͤnne/ waͤr dem gantzen Chriſtlichen Nahmen ein groſſe Schand
zu mahl nicht alles ſo auff den letzten Grad bey vns außgeſogen/ daß alle Krafft
verſchwinde-angeſehen wie ſtarcke Schieffarmaden nach Oſt vnnd Weſt-Jn-
dien/ auch nach Norden außſtaffieren/ vnd vmb Catalonien/ Lißbon/ Plei-
muth/ Duͤnkirchen/ Amſterdam/ Copenhagen/ Dantzig/ vnnd Stockholm
Schieff genug finden/ vns ſelbſten zuſchwaͤchen.


So liegt es nur an dem willen/ vnnd mag ſeyn/ daß Spanien nicht will/
weil man jhn auff beyden ſeyten/ zu Orbitello vnnd Neapolis/ ja allenth alben
angreifft: daß aber Franckreich nicht mag/ damit er nach dem Exempel/ ſei-
ner Vorfahren deß Tuͤrcken Freundſchafft nicht verſchertze. Vnd kan die
Holl- vnd Engellaͤnder hier von nichts abhalten/ als das Gewerb vnd der Han-
del/ ſo ſie nach Griechenland vnnd in Tuͤrckey treiben.


Die es zum aller gelindeſten anmercken/ vnnd auff die beſte ſey te gen/
gebenfuͤr/ ein jedes Land vnd Meer hab ſein gewiſſe Baͤwe vnd fahren/ dannen-
hero koͤnne nicht jedes Schieff in jedem Meer ſtreichen vnnd fechten. Wann
wir aber an die vhralten Roͤmer gedencken/ ſinden wir/ daß jhre Schieff auff
dem Spa niſchen Frantzoͤſiſchen/ Engellaͤndiſchen/ Belgiſchen/ Jtaliaͤniſchen
Griechiſchen/ Afrik aniſchen/ vnd Aſiatiſchen Meer allenthalben gefahren/
vnd groſſe Thaten gethan haben.


Dann
[184]De Statu perturbato Franciæ.

Dann deß Menſchen Witz vnd Verſtandt weiß nachzugeben/ gleich wie
vor der Roͤmer zeiten man in Engelland vnnd Arabien in Koͤrben oder gefloch-
tenen Ruthen/ ſo mit Leder vberzogen waren/ ſich beholffen/ hernach die Tri-
remes
erfunden/ vnnd jetziger Zeit die vngehewre Caſtel auff das Meer ſetzet/
nemlich die Galleren alßwaͤren es Jnſeln/ Landſchafften/ Schloͤſſer vnnd
Staͤtte.


Vnd hiebey ſoll ſich niemand verwundern/ wann er zuruͤcke denckt/ an
Fraw raiſon d’ Estat, davon man etliche mahl erinnert hat. Dieſe
Macht daß die Venetianer auch auff andere Mittel/ auſſerhalb gedencken/ vnd
zuvorderſt ein inheymiſches Fewr in Tuͤrckey/ wo nicht anzuͤnden/ doch zu vnder-
halten ſuchen/ zum wenigſten aber druͤber lachen/ zumahl die Janitſcharen vnd
Spachy/ ſo wegen der Kriegstugend vnd Ehr jmmerdar auff einander neydiſch
ſind/ jetziger Zeit einander in die Haar gefallen/ nachdeme die alte Soldaten/
weil nicht alles nach jhrem Sinn geht/ etliche Kriegshauͤbter abſetzen/ vnnd
ſtrangulieren laſſen/ daruͤber ſie gleich wohl ſelbſt das Leben in hoͤchſtem Tu-
mult eingebuͤſſet.


Nun waͤr dieſes Fewer leicht zuſtillen/ wann nicht der Baſſa in Caramanien
ſich auffgeworffen/ vnd einen groſſen Anhang gemacht/ auch die ſehr reiche vnnd
maͤchtige Statt Alepo zu ſeiner devotion gebracht haͤtte: Darumb dann die be-
ſte Voͤlcker von Conſtantinopel dort hin im Anzug/ zu Damaßko/ vnnd anderſt
wo deſto groͤſſere Forcht machen/ weil eben ein ander Vngluͤck dem Tuͤrckiſchen
Reich auff der andern Seyten auß Arabien will zuerwachſen. Dann weil die
Tuͤrcken hiebevor die allerfürnehmſte Statt deren Enden vberliſtet/ vnnd den
Fuͤrſten derſelben Verraͤhteriſcher weiſe in das Hauptſchieff gelocket/ auch an den
Maſtbaum gehencket/ vnd ſonſten ſehr Tyranniſch gehauſet/ als haben ſich biß in
70 000 zuſammen geſchlagen/ vnd in der Perſianer Schutz begeben. Weil nun
ſolches ein offenſion vervrſachet/ als iſt gantz Orient in den Waffen.


Vnd ſihet man alhie/ wie wunderlicher weiſe GOtt/ der genant wird
Zebaoth/ das iſt/ der Heerſcharen/ hůlff thut/ oder Straff erweiſet/ daman ſich
deſſen am allerwenigſten verſiehet. Dann wer hette die Engellaͤnder doͤrffen An-
greiffen/ noch deme die ſchreckliche groſſe Spaniſche Floth vor 64. Jahren zu-
ſcheytern gangen/ vnd dennoch fallen ſie in jhre eygene Schwerter. Alſo wird
alhie/ wieder aller Menſchen Gedancken vnd hoffen/ den Venetianern Lufft ge-
macht/ ſo fern daß man in dem groſſen Divan vnd Kriegsraht zu Conſtantino-
pel eiferig nach Frieden/ oder zum wenigſten nach einem Stillſtand der Waffen
mit den Venetianern trachtet/ biß der junge Sultan zu ſeinen voͤlligen Jahren
der Regirung gelange.


Ehe wir
[185]\& Germaniæ Continuatio.

Ehe wir gar zu vnſerm endlichen Teutſchen Weſen gelangen/ thun wir ein
vmbſchweiff gleich wie die Storcken/ vnd finden/ daß die Engellaͤnder/ deren fuͤr-
nehmſtes Haupt Cromwel iſt/ jmmer fortfahren/ den gekoͤpfften Koͤnig vor ein
Tyrannen auß zu ruffen/ wie ſie auch ſein Bild auff dem Marck zu Londen nieder-
geriſſen/ hier mit nicht zu frieden ſind/ ſondern Jrꝛ-vnd Schottland auch ſuchten
mit Gewalt vnder ſich zubringen. Jn Dennenmarck geht die Wahl vnd Kroͤ-
nung fort. Jn Schweden gibt es wichtige Haͤndel: dann die Koͤnigin gekroͤnet/
vnd der Pfaltzgraff Carolus Guſtaffus/ ſo den Teutſchen Frieden helffen ſchlieſ-
ſen/ zum Erbprintzen angenommen worden. Die hohe Schul zu Vpſal wird herꝛ-
lich gemacht/ die Manufacturen im Koͤnigreich nehmen zu/ die Gaſſen plaſtern
ſich/ die Leimen Haͤuſſer werden niedergeriſſen/ vnd von Steinen auffgebawt/
oder muͤſſen ſich den Reichen/ ſo zu ſolchem Baw Mittel haben/ vnd geneygt ſind/
verkauffen. Jn Summa/ wie Jtalien hiebevor nach Franckreich ſich verſetzet/
vnnd Franckreich mit der Hoͤfflichkeit nach Teutſchland gezogen/ alſo ſihet man
nunmehr Teutſchland nach Schweden wandern: So gluͤcklich haben die
Schweden gekrieget/ ſo reichen Fiſchzug gethan/ doch waren ſie nit klug genug/
oder vmb etwas zu eyferig das Jngermansland/ ſo ſie den Reuſſen abgewunnen/
vnd abgehandelt/ in guter devotion zuhalten. Dann als ſie die Lutheriſche
Lehre daſelbſt wolten einfuͤhren vnnd zu ſolchem Ende Lutheriſche Lehr-
er eingeſetzt/ erholten ſich die Jnwohner Raths/ bey jhren Oberſten Ho-
henprieſtern vnd Weyhbiſchoffen/ ſo der Zaar oder Cæſar in der Moßkaw hatt/
was ſie thun ſolten/ der gab jhnen dieſen Rath/ ſie ſolten jhr Gewiſſen mehr lieben
als das Land/ vnd gehen/ ſo weit der Himmel blaw waͤr/ ſolche Freyheit zuerhal-
ten/ der Groß Fürſt haͤtte viel Landſchafften/ die nicht alle bewohnet waͤren/ der
wuͤrde jhnen Lands genug geben/ als ſeinen geweſſenen Vnterthanen/ ſich zu er-
nehren/ vnd von frembder Lehr zu verwahren. Dieſe ſonſt Barbariſche Leuthe fol-
gen ſolchem Rath/ vnd verlaſſen auff einmahl das gantze Land/ welcher Eyfer ſehr
groß/ vnd denen wohl mag zur Vnderricht dienen/ die ſonderlich in Teutſchland
jhre Religion aͤndern/ nach deme die Herrſchafft glaubet/ oder nicht glaubet.


Auß dieſer vnd andern mehr Vrſachen kan ein praͤchtige Bottſchafft auß
Reuſſen nach Stockholm/ in 300. Man beſtehend/ beydes Gluͤck zu wuͤnſchen/
den Frieden zu continuiren/ dieſe entwichene Leuth zu entſchuldigen (bey welchen
wir vns erinnern/ was etwan in Spanien bey Außſchaffung der Maranen hiebe-
vor geſchehen) vnnd die Graͤntzen zubefeſtigen/ etwas laͤcherlich aber kam fuͤr/
als die Schwediſche drey Raͤthe der Geſandſchafft auff gewartet/ vnnd weil es
die Reuſſen/ wie billich/ in frembdem Landen/ vergeſſen/ auff der Koͤnigin Geſund-
heit ein Trunck angebotten/ da die Reuſſen mit Gewalt wollen haben/ es muͤſte
zuvorderſt auff jhres juͤngſt gebohrnen Printzen Geſundheit eben derſelbe Trunck
geſchehen/ als es dann ein Gezanck vnd Wiederwillen/ auch vnordentlichen Ab-
ſchied gegeben. Wie nun die Reuſſen ſich hierin offendirt befunden/ vnnd deßwe-
Aaagen
[186]De Statu perturbato Franciæ.
gen bey der Koͤnigin geklag et/ hat dieſelbe jhnen ſolcher Geſtalt zubegegnen wiſ-
ſen/ daß ſie hoͤchlich vmb Verzeihung gebetten/ vnd ſich gefoͤrchtet/ es moͤchte vor
den Zaar kommen/ zu mahl die Koͤnigin jhnen rund angedeutet/ wegen ſolcher
Vnhoͤfflichkeit ſolte hienfuͤhro den Ruſſiſchen Geſandten nimmermehr von den
Raͤthen/ ſondern von geringern Hoffdienern auffgewartet werden.


Sonſten will verlauten/ es hette die Koͤnigin in China den Chriſten Glau-
ben angenommen/ vnd ſich tauffen laſſen/ deßwegen dann nunmehr das Chri-
ſtenthumb offentlich im Land getrieben/ vnd die Lehr gepredigt werde/ vnd iſt zu-
vermuthen/ daß/ nach deme die Orient aliſche Sprachen nunmehr ſtarck in Eu-
ropa getrieben werden/ auch die Geſandſchafften/ ſambt dem Gewerbe folgen/ es
werde in kurtzer Zeit das Evangelium durch die gantze Welterſchallen/ zumahl
kein Ecke da Leuthe wohnen/ vnerfunden bleibet. Darzu dañ auch helffen moͤgte/
daß der Groß Fuͤrſt in der Moß kaw mit Poln ein ewigen Frieden geſchloſſen. Die
Tartarn werden zu jhrer Zeit auch kommen/ vnd vermittels der Coſacken zube-
wegen ſeyn/ zumahl die Hollaͤndiſche Kauffleuth allenthalben ſich außbreyten/
vnd hien fuͤhro noch mehr thun werden/ nach deme der Printz von Vranien ge-
ſtorben/ der wohl etwas wollen anfangen/ ſo zu jhrem nicht allerbeſten gereichen
koͤnnen. Amſterdam mach ſich zu hoch/ die andern Printzen wollens nicht
leyden/ geben dem Printzen Ordre/ ſie zu vberziehen/ vnd den Burger Meiſter
abzuſetzen. Der behaͤlt 6. Abgeordnete im Gravenhaag/ nimbt die Kriegs Voͤl-
cker/ zieht auff Amſterdam/ wird durch ein reyfenden Botten ohnge fehr verkund-
ſchafft/ vnd muß/ weil die Amſterdammer das Land vnder Waſſer geſetzt/ zuruͤck
weichen/ macht doch einige Enderung in Amſterdam: Stirbt aber allzufruͤhzei-
tig/ vnnd hinderlaͤſt ſeine Gemahlin/ deß Koͤnigs in Engelland Tochter
ſchwanger/ die gebiert ein Sohn/ die General Staaden verſamblen ſich/ er-
newern jhre Buͤndnuͤſſen vnd Gerechtigkeiten/ wollen kein gemeines Haupt
mehr haben/ welches hiebevor die Noth erforderte/ vnnd in ſolchem Stand 27.
Jahr/ wie müglich/ verharꝛen/ damit niemand vnder deß Jungen Printzen Nah-
men auff ſich nehme/ vnzeitige Haͤndel anzufangen/ vnd derſelbe dennoch ſeiner
Voreltern Dienſten nit gar beraubet werde. Wie nun die Hollaͤnder gegen Ori-
ent groß Gewerbe trieben/ alſo folgen jhnen hier in/ ja haben es jhnen laͤngſt vor-
gethan/ die Jtalianer vnd Portugieſen/ vnd ſonderlich die Genueſar/ die Jhre
ahralte Herꝛlichkeit/ ſo es den Venetianer immer weit fuͤrgethan/ wieder ſu-
chen zu erheben: Maſſen ſie dann mit dem Koͤniglichen Ti [...]tul angefangen: Sie
moͤgen aber dem Stephano Raggy, vnnd ſeines gleichen achtung auff die Garn
vnd Haͤnde geben/ daß er nicht falſche Schluͤſſel laſſe machen/ vnnd in Wachs
trucken/ dergleichen der Schottiſche Ramſoy in Hanaw am Mayn vberrumpelt
worden/ vnd dieſer Stephano/ auch practiſiren wollen/ auff daß nicht die Fran-
tzoſen/ oder die Spanier vielleicht auch ein Particulier dz Regiment an ſich reiſſe/
wie
[187]\& Germaniæ Continuatio.
wie den Florentinern iſt begegenet/ vnd die Frantzoſen dẽ Saphoyſchen Printzen
Thomaſo das Koͤnigreich Neapolis gern zu Lehen hetten auffgetragen/ wann jhr
Anſchlag auff Orbitello, vnd fuͤrters waͤre von ſtatten gangen.


Die Schweitzer aber machen es auff gut alt Teutſch/ vnd vertrewlich/ ſehen
auch die Religion nicht an/ wann es an der Nation Freyheit geht. Dann es wur-
den die Baſeler vbel gehalten von dem Speyeriſchen Kammergericht/ vnd die-
ſer Vrſachen halben. Erſtlich waren ſie noch Kammertax ſchudig/ vmb denen
Zeiten alß ſie noch vnder das Reich gehoͤreten. Zum andern hatte Florian Waͤch-
ter von Schlettſtatt wegen etlicher Weinen zu Baſel einen Proceß verlohren/ ſo
er auff viertzig Tauſend Gulden ſchaͤtzete/ appellirte nach Speyer/ erhielt ſein
Sach/ vnd laͤſt die Baſeler Guͤtter/ ſo von Franckfurt kamen/ oder dorthin
fuͤhren/ hemmen/ abladen/ vnd theils verſilbern. Drittens erhielt der Oberſt
Klug eben ſo wol ein Vrtheil wieder die Statt Baſel. Die Schweitzer werden
angegrieffen/ ſie verſamlen ſich/ ſchlieſſen geſambter Hand jhre wohl hergebrach-
te Freyheit/ die noch juͤngſt bey dem allgemeinen Friedenſchluß: war befeſtiget
worden in Weſtphalen/ mit dem Schwerdt zuverthaͤdigen/ vnnd die Guͤtter
mit Gewalt wieder zuerobern/ wie dann jedes Orth ſeine Manſchafft in Bereyt-
ſchafft hielte. Allein wurde Vorꝛathſam gehalten/ der gantzen Sachen Beſchaf-
fenheit an jhre Kayſerliche Majeſtaͤt zubringen/ vnd den Gewalt ſo lang inn zu-
halten/ als auch geſchehen: welcher Geſtalt nun ſolches Fewer/ das/ wie
in Boͤhmen/ weit vmb ſich hette freſſen koͤnnen/ gleich ein
Anfang/ vnd bey dem erſten glimmen ge-
dempfft verbleiben.



A a a ijDerXVIII.
[188]De Statu perturbato Franciæ

Der 19. Diſcurß.


Der Schwediſche vnnd Frantzoͤſiſche Fried werden
geſchloſſen. Die Abdanckung geht ohne Auffruhr ab. Die Evacuation erfolgt/
biß auff gewiſſe Orth: Das Temperament mit Franckenthal/ wegen der Loth-
ringer vnd Francken thaler kommen die Ober Rheiniſche Geſandten nach
Franckfurt am Mayn/ vnd koͤnnen ſich mit der andern Kreiſſen Geſandten nicht
vergleichen. Der Keyſer ſetzt ein Andachts-Seul/ vnnd reformirt. Chur-
Sachſen nimbt die Boͤhmen auff.


DAs verderbliche Kriegs-Weſen hatte dem armen
Teutſchland ein wenig Lufft gemacht/ ein wenig ſpreche ich/ weil die
Verpflegung der Schwediſchen Soltadeſca den Bawersman ſehr hart
druckete/ darzu dann noch die Satisfactions Gelder kamen. So konte man ſich
zu Nuͤrmberg nicht aller dings vergleichen/ nicht nur wegen all zu dieff eingewur-
tzelten Mißtrawens/ ſondern auch wegen deß Priuat Nutzens den ein jeder
Stand vnd Raht ſuchete/ alſo daß man ſich einer newen ruptur befahren muͤſſen/
darzu dann die Kriegs Voͤlcker allenthalben in Bereytſchafft lagen/ das Schwe-
diſche Fußvolck in einem Bezirck rund beyſamen/ vnd die Reuterey herumb am
ranff [...] Endlich wurde der Schwediſche Fried den 25. Junij vmb 9. Vhr
Abends/ vnd der Frantzoͤſiſche den 2. Junij newen Calenders zwiſchen 11. vnd 12.
Vhren wenig vor Mitter-Nacht vnderſchrieben vnnd beſigelt. Wegen der Ab-
danckung der Voͤlcker hatte es kein ſonder Noth/ vnnd war daran ſchon weit ge-
kom̃en: Da dann der Schweden Klugheit oder Gluͤck wohl iſt zubetrachten/ daß
ſie nemlich ein ſo groſſe Anzahl Voͤlcker koͤnnen ohne Tumult vnnd Aufflauff
beyſammen erhalten vnnd auch abdancken. Es wolten zwar die Fußgaͤnger zu
Schweinfurt einsmahls etwas rumoren/ nach deme ſie von jhrem geringen
Geld vernommen/ muſten aber die Pfeiffen bald wieder einziehen/ vnnd etliche
Raͤdelsfuͤhrer zur Buß laſſen auffopffern.


Was ſonſten die frembte Kriegs Voͤlcker/ als dieſe vnder den Schweden
waren/ vor Muͤhe koſten/ hat Hannibal wohl erfahren/ der gleichwohl in allen
Hiſtorien dieſes Lob darvon traͤgt/ daß er in Jtalien/ bey ſo vielen Voͤlckern/ von
vnder ſchiedlichen Sprachen vnd Sitten/ nie keinen Auffſtand erfahren/ daß ſei-
ne Kriegs Leuthe wieder ein ander ſelbſt/ oder wieder jhn ſich auffgelehnet het-
ten: da doch der frewdige/ junge Held Scipio in Spanien bey Eroberung der
Statt Carthago noua, ſo Aſdrubal erbawet/ vnd nun mehr Cartagena genant
wird/ ſich einer ſchweren Auffruhr vnder ſeinen Roͤmern/ vnnd Jtalianern be-
foͤrchten muͤſſen/ weil das gantze Heer ſich trennete/ vnd ein Theil dieſem/ das an-
dere dem andern anhienge/ welcher am erſten die Stattmauer vberſtiegen/ vnnd
demnach
[189]\& Germaniæ Continuatio.
demnach das Maur-oder Sturm kraͤntzlein erworben hette. Waͤre auch alles ſehr
vbel außgeloffen/ da die Klugheit nicht ins Mittel getretten/ vnd einem jeden den
Preiß zu geſchrieben hette/ als waͤre deſſen vnverwerfflich kundſchafft einkom̃en.


Chur Branden burg vermeynte/ es nehme ſich ſeiner beſchwerden gar niemand
an/ da er doch mit den Schweden vber einem ſtrich in Pommern von viertzig
Meilen nicht zu recht kommen koͤnte/ was er auch bey dem Reichs directorio da-
von anbraͤchte/ warumb dann ein ſo geringer Orthdas gantze Weſen hem̃en ſolte?
Endlich wurd es dahin vermittelt vnnd verglichen/ daß der Churfürſt Pfaltzgraff
zu Heydelberg ſolte Hailbrun inhaben vnnd nutzen/ biß Franckenthal mit der Zeit
ſich auch bequemete. Die Beſatzungenſolten die Benachtbarten vnderhalten/
aber vnder deſſen die Straſſen vnbekuͤm̃ert haben. Wie es aber auch an Landſtul/
Homburg vnnd Hammerſtein kom̃en/ welche vnder andern gegen Leipzig geſetzet
ſtunden/ wolt aber der Hund auf dem Hindern ruͤtſchen. Der Churfürſt in Sach-
ſen war froh/ daß er ſein Leipzig wieder vberkommen/ aber die Benachbarten der
obigen dreyen Orthen ſeufftzeten/ daß dz Heyl jhnen nit wie andern bluͤhen wollen.


Bey dem letzten Termin ſcheinet/ haben die Schweden mit fleiß wollen
auß zu raumen ſetzen/ waß jhnen wohl gelegen/ vnd ſie beſtreichen moͤgen. Dann
ob ſchon Keyſeriſcher ſeyten alles voͤllig euacuirt worden/ was dieſer termin (die
zwen Erſten außgenommen) mit ſich bracht/ haben zwar die Schwediſche auch
Schweinfurt am Mayn quittirt/ aber die Vechte in Weſtphalen behalten/ biß
am Rheinſtrom/ ſagten ſie/ die voͤllige Euacation geſchehe. Es druckte aber den
Rheinſtrom vnnd das Weſtrich der Laſt von den Lothringiſchen Voͤlckern ſehr
hart/ alſo daß ſie ſich deß Friedens wenig zufrewen hatten. Dann weil der Hertzog
von Lothringen bald nach ſeinem Land/ bald auff vnd abzoge/ vnd am Rheinſtrom
vermeynte/ wegen der alten ingehabten Quartier einigen Außſtand zufordern/
war die beyſorg wegen der Durch zuͤge noch groͤſſer.


Vnd nachdeme die Lothringiſche Voͤlcker/ wann jhre beſtimbte Zeiten der
Spaniſchen Dienſten vor uͤber/ ſich gemeiniglich an die Luͤcker rieben/ oder in die
Eyfel ruͤckete folgends in das Trieriſche ſich legten/ vnd gar vber die Moſel gien-
gen/ auff dem Hundsruͤck/ im Weſtrich/ am Rheinſtrom/ im vndern Elſas/ vnd
wo ſie kunten/ jhren Vnderhalt nahmen/ ob vnder deſſen es einige Gelegenheit in
Lothringen geben koͤnte/ ein veſten Fuß drinnen zu ſetzen: Darumb wurden die
Kreiß außſchreibende Fuͤrſten genoͤthiget/ dieſelben Staͤnde zubeſchreiben/ vnd
dem vielen klagen abzuhelffen. Die Geſandten kahmen nach Franckfurt zuſam-
men vnd meynten anfangs wunder zu thun/ alß muͤſte der Wind wehen/ wie ſie
die Segel ſpanneten: Da doch weder zu Oſnabruck noch zu Nuͤrmburg dieſer
Steyn ſich wollen heben noch ruͤcken laſſen.


Jhre Meinung war/ mann ſolte 6000. Kriegs Knechte annehmen/ vnnd
die Frembde Beſatznngen außtreiben/ oder ſie verhungern laſſen/ da aber dieſes
Aaa iijdie
[190]De Statu perturbato Franciæ
die manier gar nicht ſchiene dem Spanier vnnd dem Lothringer gaͤntzlich vor die
Koͤpffe zu ſtoſſen/ vnd auch der Außgang ſehr zweiffelhafftig fallen moͤgte/ weil
eine Caualcada auß den Niederlanden/ oder Luͤtzelburgtſchem Gebieth den gantzen
Handel leichtlich vmbſtoſſen ſolten/ beſonnen ſie ſich eines andern/ vnnd wolten
etwas geworben Volck/ neben dem Außſchuß an die Moſel legen/ vor welchem
ſich die Lothringiſche Voͤlcker fuͤrchten ſolten/ vnd in der Eyfel bleiben. Es laͤſt
ſich aber die Moſel mehr dann an einem Ort vberziehen/ ſo ſind die Lothringer
auch nicht ſo bloͤd/ daß ſie ſich vor dem Landvolck foͤrchten ſolten/ wie ſie ſich den-
noch ſtelleten/ ſondern gedachten/ es waͤr deren Enden wenig zuſuchen oder zufin-
den vnd wuͤrde ein einig außgepluͤndert Staͤttlein jhnen allen wenig dienen/ nit
lang genug ſeyn/ aber ein groſſen Lermen machen.


Der Glaub wuchs den Geſandten vnder der Hand/ zumahl ſie auch ge-
warnet worden/ durch jhre Vnbeſonnenheit dem gantzen H. Roͤm. Reich keinen
offentlichen Feind vber den Halß zuziehen/ vnd gleichwohl brauchte jhr vnzeiti-
ges Beginnen allenthalben Nachdencken/ weil ſich niemand einbilden koͤnnen/
daß ſolches ohne ruͤcken vnd verreytzen geſchehe zumahl der Schwediſche Gene-
raliſſimus auß dem Weſterich buͤrtig/ ein Pfaltzgraff nemlich auß dem Hauſe
Zweybruͤcken/ der vielleicht/ ohne Abbruch der General Friedens Tractaten/
oder viel mehr zu folge derſelben/ ſeinen Stam/ vnnd ſeine Vettern beobachten
wuͤrde/ vnd newe Haͤndelanfangen. Aber die Forcht war vergeblich/ vnd konte
der Haaß wol bey der Trommel ſtehen/ weil die Klippel noch nit gemacht waren/
vnd der Trommelſchlaͤger noch nicht außgelernet hatte.


Ein beſſern Raht ergrieffen ſie/ alß der Franckiſche vnd Schwaͤbiſche Kreyß
auch anfingen vber die Haylbruñer Beſatzung vnd Vnderhaltung zuklagen/ dañ
ſie hatten das Temperament alſo verſtanden/ man ſolte nur Semelpro ſemper
etlich viertzig Tauſend Reichs-Tahler erlegen/ vnd damit alles Braſtes vberhaben
ſeyn/ darumb ſie auch nach derſelbigen Abſtattung nichts mehr vermeynten ſchul-
dig zu ſeyn/ vnd contribuirten nimmer. Wann aber der Soldat von der Lufft
nicht leben kan/ alſo nahmen die Heylbrunner die Execution fuͤr/ vnnd machten
ſich ſelbſt bezahlt/ halff auch kein ſagen/ noch klagen/ wieder die nothwendige Vn-
derhaltung. Hierauß kunten die Ober Rheiniſche Geſandten wohl an den fuͤnff
Fingern zehlen/ daß ſie/ wann beyde Kreyſe/ der Fraͤnckiſche vnd Schwaͤbiſche/
den Churfuͤrſten Pfaltzgraffen/ als einen Mitſtand deß Reichs/ nicht doͤrfften
angreiffen/ oder an ſeine Beſatzung Hand anlegen/ weit weniger einen Hertzogen/
der dem Reich nur in gewiſſer maß anhaͤngig/ vnd eine ſtarcke Armee auff den
Beynen hat/ auch gewaltige Huͤlff haben koͤnte/ ſolte beleydigen: vnnd zu mahl
den Spanier gar nicht/ der nichts liebers ſehen wuͤrde/ alß offentliche Feind-
ſchafft/ ſo zu bequemer Zeit wohl koͤnte in das Nebenregiſter geſetzt ſeyn.


Die Weſtphaͤlinger waren mit denen Schwediſchen in der Vechte auch
vbel
[191]\& Germaniæ Continuatio.
vbel zu frieden/ vnd muſten ſich gedulten/ biß es entweder wiederumb ein newen
Krieg gebe/ oder der endliche Abzug erfolgete. Alſo wurden dieſe drey Tauſendzu
dem Ober Rheiniſchen geladen/ den gemeinen Beſchwerden abzuhelffen/ zu mahl
die Staͤtte zu keiner Kriegs Verfaſſung verſtehen wollen/ weil ſie auß dem wilden
Meer entkommen/ vnd in einem geringen Regenbaͤchlein zu ertrincken nicht ge-
dachten/ wohl wieſſend/ daß man bey jhnen Kraut vnd Loth/ Geld vnnd Stuͤck
ſuchen wuͤrde/ vnd ohne jhren Nutzen/ zu groſſem jhrem bevorſtehenden Schaden/
den Krieg anfangen/ fuͤhren/ vnd endenſolte.


Hie galt es abermahl vmb die Ehre/ wer oben anſitzen ſolte/ die Eingeladene/
als Gaͤſte/ vnd erſuchte Nothhelffer/ oder die Betrangte: etliche Monaten gien-
gen vber dieſem Geſandten Gezaͤnck voruͤber/ biß man die Stuͤhl recht ſtellen
koͤnnen/ der beruͤhmte Koͤnig Artus in Engelland/ hatte viel wunderſame Koͤpff
an ſeinem Hoff/ vnd muſte mit vielen Benachtbarten zu thun haben/ auch deren
Geſandten annehmen. Alß man nun einesmahls laͤnger vber dem ſitzen zanckete/
alß zu Nanzey vber dem Waſſer nehmen/ da der Hertzog von Vaudemont ſeinem
Sohn/ dem jetzigen Hertzog in Lothringen/ das Land vnnd die Regierung abge-
tretten/ ließ er jhm den folgenden Tag ein Runde Taffel machen/ vnnd ſchriebe
vmb den Fuß (Bey der Taffel tunden/ ſietzt niemandt oben noch vnden) vnd
alſo konte er ſein Supp/ Kraut vnd Fleiſch warm eſſen/ ohne Zeit verliehren.


Weil nun auch die Abdanckungen der Kriegs Voͤlckern nach vnnd nach
geſchehen/ behielt der Keyſer zu ſeiner Nothturfft zehen Tauſend Man zu Fuß/
vnd fuͤnff Tauſend zu Pferde/ welches die Schweden nicht allerdings wohl ver-
ſtehen wollen/ vnd eben deßwegen jhre Officirer an der Hand hielten/ auch Wart-
gelter macheten/ in veſtem Vertrawen/ da man das Kalbfell wieder ſolte ruffen
machen/ ſie groſſen Zulauff bekommen ſolten/ nach deme ſie jhre Knechte ſo wohl
außgemaſtet/ vnd außzahlt hetten/ von den abgedanckten Voͤlckern bekam der
Spanter guten Theil/ vnder andern auch ein Hertzogen von Wuͤrtenberg/ mit
deme ſich machte/ wie auch mit den Werbern ſo ſich allenthalben auffhielten/
viel lieber Kriegs Vngelegenheit leiden/ als arbeiten wollen.


Es hatte der Churfuͤrſt auß Bayern laͤngſt eine Saͤul vnd Marienbild zu
Muͤnchen auff dem Marck auff richten/ vnnd mit ſonderlicher Andacht verehren
laſſen/ wie er ſich dann/ vnd ſein Land in der H. Jungfrawen Schutz vnd Schirm
begeben/ auch nach dem Exempel ſeines Anherrn/ Hertzog Albrechten/ der vor
hundert Jahren dergleichen Goldguͤlden geſchlagen/ Ducaten Muͤntzen laſſen/
mit dieſer Vberſchrifft/ O Maria/ bitte vor mich. Weil dann hierin der Koͤnig in
Spanien gefolgt/ wie auch endlich der Kayſer/ vnnd all jhre Wohlfahrt dem tre-
wen Schutz der H. Jungfrawen Marien heym geſchrieben/ ſonderlich nach dem
Sieg auff dem Weiſſen-Berge vor Prag/ vnd jetzt abermahl/ da der Feind nicht
moͤgen in die alte Statt Prag ein brechen/ holt man das Muſter zu Muͤnchen/
vnd
[192]De Statu perturbato Franciæ
vnd macht ein gleiches Marien Bild zu Prag/ mitten auff dem Marck. Vnder
deſſen wurde das Reformations Weſen in den Kayſeriſchen Landen von den
Geiſtlichen eyferig fortgeſetzt/ gleichſam ſolches der groͤſte Gottesdienſt waͤr/ vnd
ob ſchon Chur Sachſen nach wie vor ſich zum hefftigſten hier in bemuͤhete/ muſte
er doch hoͤren/ Jhre Kayſerliche Mayeſtaͤt koͤnte nicht enger eingethan vnnd ge-
ſpannet werden als ein Reichs Graff/ der nach belieben die Religion im Lande
aͤnderte/ vnd ſeine Vnderthanen nach ſich zoͤge. Weil dann nun hierbey kein an-
der Mittel noch Rath zu finden/ erlaubte der Churfuͤrſt den Boͤhmiſchen außge-
wichenen eine Kirch vor ſeiner Reſiedentz Statt Dreßden zu bawen/ vnnd jhren
Gottesdienſt in jhrer Mutter Sprach zu treiben/ doch muſten ſie zuvor auff die
Augſpurgiſche Confeſſion bekennen vnd ſchwren. Dann die Boͤhmen in vieler-
ley Secten jederzeit verfallen geweſen/ alſo daß ſie dem Sprichwort Vrſach gege-
ben/ ein Schwab ein Schwetzer/ ein Boͤhm ein Ketzer.


Die Schwediſche vertrauten jhr Waffen vnd Veſtungen nicht bald den
Teutſchen/ ſondern jhren eygenen angebohrnen Landsleuthen/ dar mit ſie auch
deſto beſſer die Abdanckung verꝛichten koͤnnen. Der aller ſchwehreſte Punct be-
ſtund auff der euacation, oder abtrettung der eingenommenen Oerther/ vnd wur-
den nach vielen thaydigen drey termin gemacht/ jeder einhalben Monat nach dem
andern/ vom viertzehenden Juli newen Calenders/ jmmer forthin. Es wolte aber
gleich im erſten termin ein Hacken mit Ehrenbrechtsſteyn/ auf dem Rhein/ gegen
Coblentz ſich einſchlageu/ da doch Olmuͤtz vnder andern auch in Maͤhrn/
von den Schweden leer gelaſſen worden: Derentwegen man immer
an dieſem Karn/ der bald wmbfallen/ bald biß an die Achſen verſuncken/
bald gegen Berg nicht gehen wollen/ zu ſchalten/ vnnd zu ſchieben hatte.
Jm andern termin ſtunden Franckenthal vnnd Haylbrun gegen einander:
Vnnd hie fand ſich der rechte Eckſtein/ wie auch/ der Orth ein
Eckſtein im Wapen fuͤhret/ hie ſtieſſe man ſich hefftig/ wie
droben etlicher maſſen angedeutet worden



DerXX.
[193]\& Germaniæ Continuatio.

Der 20. Diſcurß.


Die Schweitzer erhalten jhre Sach bey dem Kayſer.
Ob der Cardinal hab koͤnnen vom Parlament vervrtheilet werden. Turaine
macht ſich wieder Koͤnigiſch. Die Vnruh ſtillet ſich dannoch nicht. Jn Cata-
lonien ſtehen der Frantzoſen Sachenſchlecht. Der Koͤnig wird Volljaͤhrig er-
klaͤrt. Der Mazarini wird wieder beruffen/ vnd hat ein klugen Kopff. Die Engel-
laͤnder vnd Hollaͤnder tractiren miteinander. Wie der Cleuiſche Krieg entſtan-
den vnd geſchlichtet worden.


ES geht vns mit vnſerm Teutſchen Krieg/ wie mit ei-
nem groſſen Brand/ der viel Gebaͤw zuboden gelegt hat/ vnd an verſchie-
denen Orthen glimmet/ auch auff ein newes ſich erheben ſolte/ wann man
nicht Wachtſam darbey iſt. Dann vnſere Schweitzer waren im Harniſch/ vnnd
vermeynten/ wie der Rhein vom Schnee Waſſer hochanlaufft/ vnd ohn Wieder-
ſtand alles vberſchwemmet/ alſo von dem Gebuͤrg herunder in das Elſaß zufallen/
vnd allen Wiederſtandt mit jhren Schlachtſchwertern vmb zuhawen/ denen auch
wohl die Juriſtiſche Buͤcher zu Speyr/ auch nit die Protocol hette moͤgen die De-
gen ſtumpff machen. Gleich wohl war es Schimpff vnd Ernſt: Darumb ließ der
Kayſer vor dißmahl alles geſchehen/ vnd fertigt ſie mit Kayſerlichen Verehrun-
gen noch ab. Dann faſt zubeſorgen geweſen/ dieſe Nation hette den Frantzoſen
gar an ſich gehenckt/ vnd ein newes Vnweſen angerichtet.


Jn Franckreich beklagte ſich die gantze Cleriſey/ daß das Parlament vber
den Cardinal Mazarini doͤrffen vrtheiln/ vnnd denſelben verbannen/ das Par-
lament aber erwieſe dieſe Macht mit Exempeln/ vnd ſonderlich/ daß der vorige
Bapſt ein Geſetz gemacht hette/ die Cardinaͤl/ ſolten ſich deß Hoffweſſens nicht
annehmen ſondern zu Rom bey dem Bapſt jhre ſtell/ mit Verwaltung der Chri-
ſtenheit vertretten/ nicht ohne daß der Bapſtetlichen Theologis befohlen/ eben
dieſen caſum reifflich zuvber legen/ welche auch funden vnd geſchloſſen/ daß hier-
in die Kirche gar nicht verletzt waͤr/ da es nur im vbrigen wohl ſtuͤnde. Es ver-
meynte zwar die Spaniſche Miniſtri der Cardinal Mazarini wuͤrde zu gewinnen
ſeyn/ vnd auß Rach vnd Haß gegen die Frantzoſen ſich zu jhnen ſchlagen: derent-
wegen ſie jhm aller enden entgegen/ ſeine Verſoͤhnung bey deme Bapſt befoͤrder-
ten/ vnd alle offerten theten: aber alles vmbſonſt/ weil er/ als ein Jtalianer/ ſeiner
Nation Sprichwort/ ſehr wohl verſtunde/ daß man ſich vor einem verſoͤhnten
B b bFeinde
[164[194]]De Statu perturbato Franciæ
Feinde huͤtten/ vnd jhm nimmermehr trawen ſolte. Er thet ſich beſeit/ vnder deß
Churfuͤrſten von Coͤlln Schutz/ wie es die Koͤnigin begehrt hatte. Vnder deſ-
ſen wurde der Adel ſchwuͤrig in Franckreich/ hatte ein Mißfallen an dem Vnor-
dentlichen Hoffleben/ vnd konte der Printzen vorhaben auch nicht allerdings billi-
gen/ oder gut heyſſen: ſie kamen mit hunderten in Pariß zuſammen/ wolten die
new gebackene vom Adel/ ſo von viertzig Jahren/ her eingeſchlichen/ nicht erken-
nen/ noch in der Matrikul dulden: drungen ſtarck auff ejne allgemeine Verſam-
lung der Staͤnden/ welche aller Vnordnung/ wie mehr geſchehen/ wohl abhelffen
ſolte. Die Cleriſey ſchlug ſich auch zu jhnen. Das Parlament wolte nach der
Strenge wieder ſie verfahren/ wann der Hertzog von Orleans nit waͤr ins Mit-
tel kommen/ welcher neben dem Printzen von Condè der Koͤnigin die bevorſte-
hende Gefahr genugſam angedeutet. Darumb ſie wieder jhren willen zu dem
Staͤnd Tag verſtehen müſſen. Vnd hie will man Frieden mit Spanien
tractiren/ oder zum wenigſten einen Stillſtand der Waffen auff etliche Monat
treffen/ darbey ſich wegen der Vollmachten vnnd andern Bereytſchafften etwas
Zeit verloffen/ welche der Hertzog von Turaine wohl in acht genommen/ ſeine
Voͤlcker von den Spaniſchen abgezogen/ vnd nach Franckreich gefuͤhret/ ober
ſchon ſolchen Abzug mit etlichen ſcharmuͤtzeln muͤſſen durch brechen. Er erhielt ſei-
nen pardon leichtlich/ vnd hatte ſeines veruͤbten Kriegsweſens von beyden Par-
theyen groſſen danck: doch gieng er behutſam/ der Koͤnig in Portugal war ſehr
bekuͤmmert vber die Zeitung von einigen Friedens Tractaten/ dadurch die gantze
Spaniſche Macht jhn moͤgt vberziehen/ darumb erbothe er ſich gegen Franckreich
jedes Jahr ein Million Golds darzu fchieſſen ohn einigen entgelt/ wann nur
Franckreich den Krieg wolte fortſetzen.


Die Koͤnigin fuhr den Printzen von Condè hart an/ wegen deß Adels/ vnd
ſetzt dẽ warter Siegelwarter ab/ was ſie befohlen/ vor vnbillig erkante/ vnd nicht
ſiegeln wollen. Einsmahls kam Wahrunng vnder der Hand/ es waͤr beſtelt/
den Printzen von Condè zugreiffen/ vnd wieder hien zu fuͤhren: darumb macht
er ſich eylens darvon/ vnd kam in ſein new Gubernament nach Bordeaux, wurd
auch mit ſehr groſſen ehren empfangen/ den der Hertzog von Eſpernon hatte jhm
den Ertzbiſchoff/ vnd das Parlament/ ſonderlich den Poͤbel ſo gar abguͤnſtig ge-
macht/ weil er was hoch intonirt vnd eygenſinnig/ daß/ wann je ein Auffruhr zu-
vermeiden geweſen/ er ſich deß Gubernaments begeben müſſen. Hernach gieng
es an den Feldzug/ da der Printz von Condè durch Verguͤnſtigung deß Hertzogen
von Orleans/ ſeine vorige Truppen wieder eommandirt hat. Vnd ob ſie ſchon
zwey vnd zwantztg Tauſend Mann bey Arras gemuſtert/ wurde doch weing außge-
richtet/ daß ſie ſich wegen deß Hungers wieder nach Artois muͤſſen ziehen.


Sonſten machte ſich der Adel neben den Bawern an die frembde/ vnnd ſehr
muthwillige Teutſche Voͤlcker/ ſo bey dem innerlichen Vnweſen waͤren vber die
Graͤntzen
[165[195]]\& Germaniæ Continuatio.
Graͤntzen kommen/ vnnd eiliche Ort inne hielten. Der Lothringiſche General
Grott vberfiel fuͤnffzehen Compagnien zu Fuß Frantzoſen in zweyen Hoͤffen mit
neuntzig Mann/ macht nieder vnd verbrand ſie alle/ biß auff einen. Jederweilen
theylte General Roſen auch Stoͤß auß/ vnd war lauter Land-verderben/ vnnd
Vberfallen.


Jn Catalonien gieng es dem Frantzoſen vbel/ Arbos bey Lerida wurd vber-
meyſtert/ vnd zwey hundert drinnen niedergemacht: Megrain/ Commendant
in Roſes/ zog auß wieder eine Parthey Spanier/ die jhme zu nahet kahmen/ vnd
ſand in der wiederkehr ein hoͤltzern Augeſicht/ auff daß er lernete/ was vnderſcheyd
ſey zwiſchen einem Commen danten/ vnd Partheyen Reuter. Alſo gieng Arbec
vnd Praͤda auch verlohren/ vnd ſonderlich/ da der Vicerè Marcin mit ſeinen Voͤl-
ckern den Printzen zum beſten nach Franckreich gezogen/ welcher Geſtalt Barcel-
lona
hart belaͤgert worden. Jn Jtalien wurde zwar nichts verlohren auff Fran-
tzoͤſiſcher ſeiten im Monferat/ aber auch nichts gewonnen/ weil man nur ſuchte
Caſal/ vnd andern Orth zubehaupten. Aber allem Vnheyl ab zuhelffen/ ließ ſich
der Koͤnig Volljaͤhrig/ vnd der Regierung faͤhig erklaͤren/ welcher Geſtalt er auch
eiues vnd anders bey bracht/ vnd ſonſten andere/ auch den Printzen von Condè
vor vnſchuldig ließ allenthalben erkennen/ mit Verwerffung deß Cardinals.


Demnach brachte es die Koͤnigin dahien/ daß gemelter Cardinal vom Koͤ-
nig ſelbſt wieder beruffen/ worden/ welcher dann mit zehen Tauſend mann angezo-
gen kommen/ vnd dem gantzen Weſen ein groſſe Enderung gebracht. Jetzt
ziehen ſie gegen einander/ vnd werden das nechſtkuͤnfftige Jahr vielleicht das
Spiel außmachen. Zuverwundern iſt es/ daß der Cardinal Riſchelieu auff
ſeinem Todtbett dieſen Cardinal Mazarini ſoll dem Koͤnig anbefohlen haben/
alß ein klugen Kopff der die hohe Concilia wuͤrde glücklich hinauß fuͤhren/ da er-
doch wohl ermeſſen koͤnnen/ wie vbel er ſelbſt geneydet vnd gehaſſet worden/ der
doch ein geborner Frantzoß/ vnd von gutem Herkommen/ auch wegen vieler tre-
wen Dienſten nit vnbillich zu ſolchem Anſehen geſtiegen/ vnd dennoch den Fuͤr-
ſten/ Hertzogen vnd Herren allenthalben ſchatten gemacht hatte/ was moͤgte dann
einem Frembden wieder fahren/ der im Land keinen Ruͤcken/ vnnd weil er vnder
dem Feinde gebohren/ nur deſto verdaͤchtiger ſeyn muſte. Darauß dann dem Vat-
terland/ vor deſſen Ruhe vnnd Wohlfahrt ein ſterbender Regent vor allen
Diengen billich ſorgen ſoll/ nichts anders/ als Auffruhr/ vnd allerhand Vngele-
genheit zuwachſen muß/ neben mercklicher Verhinderung deren ſo ſchwehren
außlaͤndiſchen Haͤndeln/ die nicht nur in ein Stecken/ ſondern gar in ein vmb-
ſchlag gerahten ſolten/ vnnd den gantzen Laſt hinderwertlich auff Franckreich
werffen.


Noch mehr aber verwundereich mich/ daß der Cardinal Mazarini ſolchen
Laſt wollen auff ſich nehmen/ vnnd mit ſo ſchweren Nagelnewen Haͤndeln ferner
B b b ijbeſchweren
[196]De Statu perturbato Franciæ
beſchwehren. Bey Spanien gedachte er ſchwehrlich empor zukommen/
dieweil der Concurꝛenten ſo gar viel/ aber auch der Auffſeher nicht weniger/ vnd
dann die Vngenade gantzgewiß/ ohn einigen nachlaß: Darumb muß er ſich ge-
waltiglich auff ſeinen hohen Verſtand verlaſſen/ vnnd weil er alles das Wetter/ ſo
jhn vberziehen moͤgte nach ſeiner Klugheit zuvor ſehen koͤnnen/ wird er auch wieſ-
ſen neben der Gedult die vbrige Mittel zuergreiffen.


Wir befehlen jhm aber ſeine eygene Sach/ vnd halten vnß auch nicht auff/
wie der Koͤnjg in Schottland auff das Haupt geſchlagen worden/ vnd mit Noth
auß der Jnſell entkommen/ wie die Parlamentiſten Schott- vnd Jrꝛland gar
vnder ſich bringen/ vnd erinnern vns nur der Strittigkeiten/ ſo ſich zwiſchen den
Engellaͤndern erhoben/ welche beruhet fuͤrnehmlich auff dieſen vier Puncten/
Erſtlich die Jnſul Angola in Oſt Jndien/ darnach den Heringsfang/ drittens/
den Scheldſtrom/ viertens/ das Haupt vber Holland. Die Engellaͤnder geben
vor/ es haͤtten die Hollaͤnder ſie außgeſtoſſen vnnd die Jnſul bißher wieder Recht
vnd Billigkeit genutzet/ darumb ſolte gedachte Jnſul jhnen wieder zu kommen/
vnd wegen der Nutzung dreyſſig Millionen zahlt werden/ den Heringsfang
ſolten die Hollaͤnder jhnen abpachten/ vnd ein Jaͤhrliches tribut darvon erlegen/
oder deſſen muͤſſig gehen.


Weil dann auch jhre Gelegenheit waͤr/ nach Antorff zu ſeglen/ vnnd der
Spanier jhnen ſolche Freyheit geſtattete/ ſolten die Hollaͤnder ſie ohn gehemmet
paſſiren laſſen. Nach deme auch das Stuartiſche Geſchlecht bey jhnen
gaͤntzlich vertilgt waͤre/ ſolten die Hollaͤnder keinen Regenten auß dem
ſelbigen Stamm ſetzen.


Jhnen begegnen die Hollaͤnder wiederumb/ die Jnſeln in Oſt Jndien
waͤren offen/ vnd ſtuͤnden jedem frey/ es hette das Kriegs Weſen daſelbſt eine
weit andere Gelegenheit/ dann in Europa/ wegen deß Heringfangs/ koͤnte
man ſich vmb ein ſtuͤck Gelts vergleichen/ oder den Zehenden folgen laſſen/ aber
einigen Tribut zufordern/ waͤre jhrer ſo thewer erworbenen Hochheit gantz
ſchmaͤhlich/ nach deme ſie dem Spanier/ einem ſo groſſen Monarchen/ nichts
mehr zu willen wiſſeten. Der Scheldſtrom hette ſie ſo viel Blut vnnd Gut
gekoſtet/ daß ſie es ſchwoͤhrlich berechnen koͤnten. Der Spanier koͤnte einem
andern ſeine Gerechtigkeit gar nicht vberlaſſen/ zu jhrem Nachtheil/ ſonſten
wolten ſie die Friedens Puncten/ weit anders clauſilirt haben. Vnnd wann
die Engellaͤnder den Hollaͤndern den Themßſtrom nicht wolten geſtatten/ ſo waͤre
zumahl vngereumbt/ den Scheldſtrom jhnen zuverſtatten.


Vnd dann waͤre es gantz vngereumbt/ daß man jhnen wolte vorſchreiben/
was ſie vor Regenten moͤgten wehlen/ oder nicht wehlen/ zu mahl der Junge
Printz doch nur von einem Weib entſproſſen/ vnnd demnach den Stuartiſchen
Namen
[197]\& Germaniæ Continuatio.
Namen nicht fuͤhrete. Sie werden ſich aber beyderſeyts muͤſſen vergleichen/
oder verdetben.


Daß nun die Juden auß Dennenmarck bey Straff 1000. Reichs Thaler ver-
bannet/ vnd ein Weib etwas von Giefft/ ſo man dem Koͤnig beybringen wollen/
entdeckt/ vnd eben deß wegen der Großhoffmeiſter entwichen: daß die Poln vnnd
Schweden zu Luͤbeck tractirn: daß die Schwediſche Bottſchafft die Lehen am
Keyſerlichen Hooff ſoll empfangen: daß die Bauern in Boͤhmen wegen der Re-
ligion ſich rottieren/ vnd die Hungariſche Graͤntz Haͤuſer wieder beſter maſſen be-
ſetzt werden/ laſſen wir vor dißmahl auß vnſerm Bedencken/ vnd eylen nach dem
Guͤlchiſchen Lande/ wie auch nach Franckenthal.


Jn den Guͤlchiſchen Landen wolte es newe Haͤndel/ zwiſchen dem Churfur-
ſten zu Brañdenburg/ vnd dem Pfaltzgraffen zu Newburg abgeben. Dann der
Churfuͤrſt zu Brandenburg hat im April vorigen Jahrs den Churfuͤrſten zu
Sachſen auff dem Schloß Lichtenberg/ drey Meil von Torgaw gelegen/ beſucht/
vnd bey ſechs Tagen mit freundlichem Vnderꝛeden auffgehalten/ ohne daß man
einigen Vorſatz mercken konte/ auſſer daß Chur Brandenburg etliche Voͤlcker
werben laſſen/ vnd die Beſatzungen/ entbloͤſt/ aber ſolcher Geſtalt ein Corpo
zuſammen gebracht/ welches dem Churfuͤrſten auff gegebene ordre nach-
gezogen.


Die Vrſach dieſes Zugs erhellet auß einem Manifeſt/ in welchem Chur-
Brandenburg vermeldet/ man hette ſich gleich nach angetrettener gemeiner/ vnd
abgeſchiedener Regierung zu Dortmund den 31. May. verglichen vnnd reverſirt/
die Catholiſche vnnd andere Religionen mit offentlichem Brauch vnnd
Vbung zulaſſen/ welcher Vertrag im Jahr 1614. alß Pfaltz Newburg zur Catho-
liſchen Religion vbergangen/ den 14. Junij in Duͤſſeldorff wiederholt/ vnnd
ſelbigen Jahrs bey den Xantiſchen Tractaten/ den 12. Nov. befeſtiget worden/
mit Zuziehung der Kronnen Franckreich vnd Groß Britannien/ auch der Herꝛn
General Staaden.


Nun hette aber Pfaltz Newburg das offentliche vnnd heymliche exercitium
Religionis Evangelicæ
gehemmet/ die Prediger verjagt/ die Kirchen geſperꝛet/
die Renten eingezogen/ die Evangeliſchen gefreuelt/ vnd das Burgerꝛecht ver-
weigert/ die Ehrenaͤmpter entzogen/ vnd hiengegen mit pruͤgeln vnnd ſchwehren
Buſſen fuͤr dem Sacrament nieder zufallen genoͤthiget/ vnnd ſonſten auff alle
wege belaͤſtiget. Ferner ſo waͤren noch andere Vertraͤge vorgangen/ welche alle
vnd jede ſich auff die Beſchaffenheit entweder deß Jahrs 1609. oder 1612. refe-
rierten.


Es wolle aber Pfaltz-Newburg alles auff das Jahr 1624. wie im H. Roͤm.
Reich reſtituirt wiſſen nach deme in Anno 1647. der allgemeine Fried abgehan-
delt/ vnd in dem folgendem Jahr voͤllig beſchloſſen worden. Da doch Pfaltz-
B b b iijNewburg
[168[198]]De Statu perturbato Franciæ
Newburg denſelben damahls nicht vnderſchrieben/ vnnd das Guͤlchiſche
Weſen gantz abgeſondert blieben iſt.


Auß dieſen Vrſachen ließ Chur Brandenburg vnder dem General Sparꝛ/
im anfang Junij ſeine 1400. Pferd/ vnd 3000. zu Fuß auff Angermont im Ber-
giſchen gehen/ vnd richtet nichts auß. Er vbereylet aber das veſte Schloß Har-
ſeshoffen bey Duͤſſeldorff mit Lieſt/ wie auch Rattungen. Die Newburgiſchen
aber/ ſo obiges Manifeſt wiederlegten/ eroberten das veſte Hauß Reith im
Guͤlchiſchen/ vnd bekahmen bey Zulpich etliche Lothringiſche Voͤlcker zu huͤlff/
welche der Hertzog von Lothringen erſtlich abgeſchlagen/ ſich doch durch dem jun-
gen Hertzogen vmb 4000. Man bereden laſſen. Alſo eroberten ſie auch Forſt
vnd Horſt/ zwey Nothveſte Haͤuſer: Jn deme die Brandenburgiſchen mit
voller Macht zum andern mahl vor Angermund kommen/ vnnd den Orth zur
Vbergab gezwungen. Vmb Rattungen vnnd Duͤſſeldorff fuͤhrten beyde Par-
thyen jhre Voͤlcker ins Feldt/ Chur-Brandenburg begehrt eine Conferentz vn-
der dem freyen Himmel/ welche zwiſchen Angermund vnnd Kaͤyſerswerth mit
wenig Pferden geſchehen. Die Wort waren anfangs hart/ aber die Herꝛn
Staaden Deputirte/ vnd deß Graffen von Waldeck Abgeſandte/ vermittel-
ten es dahien/ daß es bey den Reuerſalien deß Jahrs 1609. verbleiben ſolte/ biß
deßwegen ein Reichs-ſpruch ergienge. Die beyde Armeen ſolte die Ruhr ſchey-
den/ biß zu voͤlliger Vnderſchreibung/ weil aber die Landſtaͤnde kein Gelt zur
Abzahlung der geworbenen Voͤlcker hergeben wollen/ auch andere Hacken einfie-
len/ wurde der Vergleich nicht vollzogen.


Hiernechſt kahm man wieder in Eſſen zuſammen/ dabey auch Chur-Coͤlni-
ſche vnd Staadiſche Geſandten ſich eingefunden/ da es dann abermahl ſehr hart
hergegangen. Doch zogen die Voͤlcker ab/ vnd hauſeten ſehr vbel: das Armiſti-
tium
wurde noch vmb drey Tag verlaͤngert/ vnnd verfügten ſich die Mediatores
nach Neuß: dahin dann auch General Hatzfeld/ alß Kayſerlicher Abgeſandter
kommen/ vnder deſſen hatte der Junge Pfaltzgraff von Neuburg mit etlichen
Officierern bey dem Graffen Brock Mahlzeit gehalten/ vnd kahm gleichſam auff
der Jagt mit 200. Pferden gegen Duißburg biß vnder das Geſchuͤtz/ darvmb der
Commendant darauff geſchoſſen/ vnd etliche erlegt/ welches er auß Kriegsbrauch
gethan/ vnd ſich deßwegen die Tractaten/ uoch das Armiſtitium gar nicht jrꝛen
laſſen.


Der zweyte Octobris ſahe vmb den Mittag zu Cleue den Frieden zwi-
ſchen Jhrer Churfuͤrſtlichen Durchleuchtigkeit von Brandenburg vnd Pfaltz
Newbnrg geſchloſſen/ vnd gienge derſelbe Fried dahin/ daß der Puncten/ die
Kirchen vnd Religion betreffent/ innerhalb Monatsfriſt durch ein Compro-
miß eroͤrtert/ vnnd auff ſeyten der Kayſerlichen Mayeſtaͤt der Hertzog von
Braunſchweig vnd Biſchoff von Muͤnden/ auff ſeyten Chur-Brandenburg
aber
[169[199]]\& Germaniæ Continuatio.
aber der Fuͤrſt von Anhalt/ der Graff von Naſſaw Dillenburg/ wegen Pfaltz-
Newburg aber/ die Biſchoffe von Oßnabruͤck vnnd Paderborn hierzu gebrau-
chet worden/ in politicis/ es biß Außtrag der Haupt-Sache ſeinen Vertrag haben
ſolte/ wie es vor dieſem geweſen.


Alſo zogen die Voͤlcker beyder ſeyts auff/ vnd wurden zum Theil abgedanckt/
die Lothringiſche forderten zur recompens 50000. Reichsthaler/ zu welchem
Ende dem Darleyher die beyde Aempter Planckenberg vnd Windeck ſolten ver-
ſchrieben werden. Sie loſierten ſich vmb Duͤren/ vnd hatten das Hauptquartier
zu Muͤlheimb/ der Oberſte Spielberg kam mit ſeinen New-geworbenen
Voͤlckern den Mayn herunder in das Guͤlchiſche/ vnd hohlet Ordere zu Duͤſſel-
dorff/ wurd aber auch abgedancket. Die Lothringiſche ſetzten vber den Rhein zu
Andernach bey dem Weiſſen Thurn/ nahmen die 12. Regimenter/ ſo auß Lothrin-
gen kommen/ zu ſich/ vnd machten ſich ſtarck vber 7000. Man/ lagen ſtille in der
Eyfel/ erwarteten von Luͤtzelburgetliche ſchwere Stuͤck/ vnd wurden in Abweſen
deß Generals La Fauge, vom General Wachtmeiſter Feldberger commandiret/
Endlich giengen ſie auffwarts/ in das Trieriſche/ lieſſen ſich das Landvolck
auff der andern ſeyten der Moſell nicht hindern/ welches ſie jenſeit/ deß Fluſſes
behalten wolte/ ſetzten heruͤber/ doch ohne Gewalt/ theylten ſich in das Land/
übten zwar keinen ſonderlichen Muthwillen im Weſterych/ verzehrten doch das
wenige/ ſo im Land noch vbrig war/ zogen ſich nach dem Rhein/ vnnd folgens zu
End deß Jahrs in das Elſaß/ da wir ſie wollen/ ſieden vnnd braten laſſen/
was ſie finden.


Wir beſinnen vns aber/ daß dieſer Guͤlchiſche Krieg/ der ohne Geld-
Mittel/ ſo auff beyden ſeyden manglete/ nicht lang fortgehen koͤnte/ bey jeder-
maͤnniglich ein tieffes Nachdencken vervrſachte/ ſonderlich wegen deß Jahrs
1620. Da ſich der Frantzoß drein gemiſchet/ es ſchiene/ es muͤſten andere Poten-
taten mit im Spielſeyn/ die wuͤrden ſich eheſt entdecken/ bevorab weil der
Teutſche Fried/ wie dann zugeſchehen pflegt/ nicht jederman gefallen wollen:
So hette dann Kayſerliche Mayeſtaͤt deß Roͤmiſchen Reichs Hoheit muͤſſen be-
obachten/ vnd Hand anſchlagen.


Es haͤtte auch nicht gefehlet an groben Haͤndelen/ wann Chur-Bran-
denburg ſo wohl ein Ruͤcken an Schweden hette gehabt/ alß Pfaltz-Newburg
an Spanien.


Nun war Brandenburg eyferig wieder die Schweden wegen der Graͤn-
tzen vnnd andern Spaͤhnen in Pommern. So wolten ſich die Herꝛn Staa-
den deß Handels auch nicht annehmen/ ſondern verwareten nur die Orth/
ſoſie Pfandſchillings-weiße auß den Cleuiſchen Landen jnnen hatten/ vnnd
gewißlich/ diß kleine Fewr wurff ein weit groͤſſern Rauch/ als das Boͤhmi-
ſche Vnweſen anfaͤnglich nicht gethan/ welches doch gantz Teutſchland/ ja ſchier
gantz
[200]De Statu perturbato Franciæ
gantz Europam in Brand geſtecket. Dann der Bapſt zu Rom hatte wieder den
Weſtphaͤliſchen Frieden proteſtieren laſſen vnd denſelben vor null vnnd nichtig
erklaͤret/ darauß dann folgen muͤſſen/ daß alle Catholiſche Staͤnde dem Hertzo-
gen von Newburg ſolten beyſtehen/ zumahl es eb enſo wohl/ vnd mehr die Religi-
on angieng alß in dem Koͤnigreich Boͤhmen.


Aber Jhrer Kayſerlichen Mayeſtaͤt Vorſichtigkeit ließ das gruͤne Holtz foͤr-
derlich/ ehe es duͤrꝛ vnnd flammicht werden koͤnnen/ auß dem Herd zuruͤck ziehen/
alſo daß wir nur den groſſen wallenden Dampff darvon geſehen/ vnnd ein vergeb-
liche Forcht gefaſſet haben.


Der 21. Diſcurß.


Die Ober Rheiniſche Staͤnde ſuchen eindefenſion
Weſen/ wegen der Spanier vnd Lothtringer anzuſtellen. Conditiones wie
Franckenthal zu euacuiren. Chur Pfaltz kompt ein mit ſeinen Beſchwerden.
Chur Bayern vnd Chur Pfaltz zweyen ſich vber das Churweſen/ vnd Tittel. Der
Kayſerliche Abgeſandte treibt ſelbſt auff die Euacuations Gelder.


SO werden wir dann endlich den letzten Sawerteyg
deß abgehandelten Kriegs/ vnd abgehaſpelten verwornen Vnweſens
gar außfeygen/ wann wir je zu Ruhe kommen ſollen. Die Staͤnde/ ſo zwi-
ſchen Moſell vnd Rhein liegen vñ den ſchweren Laſt der Beſatzungen auch Durch-
zuͤgen auff dem Halß hatten/ berufften ſich auff den allgemeinen Friedenſchluß/
welcher den Gewalt erlaubete/ wann die Guͤte nichts verfangen ſolte/ einem
jeden das ſeinige wieder ein zuraumen.


Die erſte Hitz war gebrochen/ darumb ruffen ſie die Nachbarn vmb Huͤlff/
vnd Rettung an/ vnd die funden ſich auch dem Weſen zu ſchwach. Endlich
felt man auff den Puncten der Guarantie, daß nemlich die beyde Kronen ob dem
Frieden ſolten halten/ welche dann ſolches zu leyſten ſich nicht nur ſchuldig er-
kenneten/ ſondern auch Willfaͤhrig erzeygeten/ dieweil ſie bey dem Spiel wohl-
gewunnen vnd ſich bereichet hatten. So wolte auch auff Schwediſcher ſeyten
der Seckel-Saamen ſchier nahe bey allen Ofſicierern etwas dünne werden/ vnd
kahm einer nach dem andern allgemach wieder herunder zu ſeinem erſten Capi-
tal deß runden Ringlens/ vor welchem keine Zahl ſtehet/ in der mitten aber zufin-
den iſt/ was einem die Apothecker vor die Augen geben/ vnnd Poſſevinus ſehr
artlich beſchrieben hat.


Dann alß auff Schwediſcher ſeyten kein mangel an gutem willen war/ alſo
berichteten
[201]\& Germaniæ Continuatio.
berichteten die Ober-Rheiniſche Abgeſanden ſolches an den Fraͤnckiſchen Kreyß/
welcher jhme geantwortet. Nach deme es ein Defenſions-Weſen geben ſolte/
wuͤrden die Fraͤnckiſche Staͤndejhre Deputirte eheſt zu jhnen abfertigen/ vnd jhre
Reſolution in einem ſo hochwichtigen Handel vbertragen. Es waͤren zwar die
drey Ober-Kreyß zu zeiten Hertzog Bernhards von Weinmar in einem Bund
geſtanden/ aber nur einſeitig/ vnd zwar durch der Frantzoſen huͤlff/ nun haͤtten
ſich die Zeiten geaͤndert/ daß auch die Catholiſche ſich zu jhnen theten/ weil ſie in
einem Schiff/ mit einem Wetter beladen/ waͤre doch nicht rathſam/ den Frantzo-
ſen wieder herein zubringen/ derohne das zu weit in das Reich geniſtelt.


Der Staͤttiſche Conuent zu Eßlingen erꝛeychte auch ſeine Endſchafft/ dar-
bey neben andern deliberiret vnd einhelliglich beſchloſſen worden/ jederzeit dahin
zu trachten/ damit die vhralte Staͤtttaͤge vnnd Staͤttiſche Corꝛeſpondentzen/ wel-
che bey dieſem letzten Vnweſen/ zu jhrem allgemeinen groſſen Schaden verhindert
worden/ moͤgten wieder reaſſumirt werden/ jedoch vor rathſam befunden/ daß
man mit Anſtellung einer ſolchen allgemeinen Staͤttverſamblung noch in etwas
anſtehe/ biß dem Jnſtrumento Pacis/ vnd Nuͤrmbergiſchen Haubt receß, noch
vor dem Reichstag/ vmb deſſen Beſchleunigung die Staͤnde ins geſambt in-
ſtaͤndig vnd eyferig anſuchten/ ein Genuͤgen geſchehe. Was den Punct wegen
der Catholiſchen Reichs Staͤtten belangt/ ob dieſelben auch zubeſchreiben/ in Cõ-
ſiliiscommunicatis
mit jhnen zu ſchlieſſen/ wurd einhellig dahin geſchloſſen/ weil
dieſelbẽ in politicis juribus neben dẽ Evangeliſchen Reichs Staͤnden concurrier-
ten/ ſie die Catholiſchen waͤren gar nicht außzuſchlieſſen: Doch muͤſten die Reli-
gions Puncten abſonderlich vnnd ohne zuthun der Catholiſchen abgehandelt
werden.


Dieſe Zuſammenkunfften machten zu Wien vnd zu Madrit allerhand Ge-
dancken/ bevorab in Erwegung/ daß Chur Mayntz/ als Reichs Cantzlar vnnd Di-
rector/ den Handel eyferig triebe. Darumb wurden nachfolgende Conditionen
nach Wuͤrtzburg in deß Kayſers Nahmen angebracht. Erſtlich ſolte dem
Koͤnig in Spanien die Reichsſtatt Beſantzon in Burgund/ mit aller Juriſ-
diction erblich vñ eygenthumblich eingeraumbt vnd cedirt werden/ welche Ceſſion
von allen Staͤnden auff nechſtkuͤnfftigen Reichstag zu confirmiren. Zum
andern/ daß das Roͤmiſch Reich dem Koͤnig in Spanien eine gleichfoͤrmige Ver-
ſicherung vnd Guarantie/ wie dem Koͤnig in Franckreich wegen deß Elſaß ertheilt.


Zum dritten daß der Kron Spanien 500000. Reichs Thaler an Geld er-
legt werden/ die helfft bey Außzug der Beſatzung/ den Reſt in zween Termin jeden
von ſechs Wochen. Vierdtens/ daß die befindliche Stuͤck groben Geſchuͤtz
der Kron Spanien bleiben.


Dieſen Vertrag hielten etliche vor vnmuͤglich/ andere vor gefaͤhrlich/ die
dritten vor rahtſamb vnd thunlich. Dann vor allen Dingen wuͤrde Beſantzon
C ccſich
[202]De Statu perturbato Franciæ
ſich nicht wollen vom Reich laſſen trennen/ vnd ehe den Frantzoſen zum Schutz-
herrn annehmen/ der dann nichts froͤhers ſeyn ſolte. So waͤre auch Spa-
nien nicht viel daran gelegen/ weil ſie Mitten in ſeinem Land gelegen/ vnnd heut
oder morgen Vrſach geben koͤnte/ ſie gleich wie Donawerth das Hauß Bayern/
an ſich zu bringen. So waͤre auch Teutſchland erſchoͤpfft/ vnnd das Geld
nicht auff zubringen/ zumahl die noch ſubſiſtirende jhren Antheil mit Muͤhe her-
bey trügen/ vnd vor die Vnvermoͤgende gar nichts leyſten wuͤrden. Die Gua-
rantie
aber waͤren ſolch weit außſehendes Dieng/ welches dann die andere
Meynung faſſeten/ daran deß Roͤmiſchen Reichs Vndergang hienge. Auch
koͤnte der Reichstag verſchoben/ vnd vnverꝛichter Sach verſtoben werden/ auff
welchem Schweden vnd Franckreich gefaͤhrliche Haͤndel wuͤrden her fuͤr ſuchen.
Vnd geſetzt/ daß man mit den erſten Geldern koͤnte auff kommen/ ſo verblieb
doch die lautere Vnmuͤglichkeit in den andern terminen ſtecken/ welcher Geſtalt
die Spaniſche Voͤlcker wieder kaͤmen/ wie ſie auß den Niederlanden auß Jta-
lien vnd Burgund zuruͤckgangen/ welcher Geſtalt niemand den Koͤnig in Spa-
nien an ſeinem Rechten hindern koͤnte/ noch auch/ man wolte dann das gantze
Roͤmiſche Reich in newe Feindſchafft vnd Kriege ſtecken/ abtreiben doͤrffte/ doch
lieſſe ſich auch die dritte Meynung vernehmen/ ein ſolche Statt/ wie Beſantzon/
waͤr Spanien vortraͤglich vnd ſehr nutzlich/ gantz Burgund darauß zu verſt-
chern. So wuͤrde auch der Frantzoß/ dem gantzen Roͤmiſchen Reich zuwieder
nichts wollen vornehmen/ vnnd koͤnte man auch die Gelder dahien rechnen/ alß
jetzund/ vnd inweniger Zeit die Beſatzungen koſteten: zu deme moͤgten auch die
Termin ſich noch weiter hienauß ſetzen laſſen/ vnd Spanien jhme nicht ſo leicht-
lich das gantze Roͤmiſche Reich zu Feinde machen wollen.


Ja es wurde die Roͤmiſche Kayſerliche Mayeſtaͤt von denen hundert ver-
ſprochenen Roͤmerzuͤgen/ drey zehen alhero zuverwenden ſich allergnaͤdigſt beli-
ben laſſen. Die letzte Meynung/ alß voller Wunſch vnd Hoffnung drunge
vor/ darumb lieſſen die außſchreibende Fuͤrſten deß Ober-Rheiniſchen Kreißes
wegen der reduction Gelder pro euacuatione der Veſtung Franckenthal/ jhre
inſinuations Schreiben an die Staͤnde abgehen/ damit man mit den Geldern
innerhalb drey Wochen koͤnte gefaſt ſeyn welches/ weil es nicht allerſeyts geſche-
hen koͤnnen/ das Werck verzogen hat. Vnder deſſen verſambleten ſich/ die Fraͤnck-
Schwaͤb: vnd Ober Reiniſche Ritterſchafft zu Mergentheimb/ wo da die Fran-
ckiſche der Schwaͤbiſchen das Directorium/ welches alle drey Jahr vmbgehet/
vbergeben/ auch die Elſaſſiſche in das Ober-Rheiniſche Corpo auff vnd ange-
nommen/ das fůrnembſte war/ wie die Ritterſchafft bey jhren Privilegiis ge-
handhabet werden moͤgte.


Es machten aber ſolche Zuſammenkunfften dennoch Nachdencken/ vnnd
weil es ſich wunderlich wegen Franckenthal wolte anlaſſen/ kahmen nach Franck-
furt
[203]\& Germaniæ Continuatio.
furt am Mayn/ deꝛ Frantzoͤſiſche/ bald die Chur-Mayntziſche/ Trier vnnd
Pfaͤltziſche/ endliche/ auch Schwediſche Geſandten.


Vnder deſſen gab es ein andern Hacken/ den der Churfuͤrſt zu Heydelberg
einſchluge/ alß er nachfolgende Beſchwernuß Puncten/ ohn gefehr dieſes Jn-
halts laſſen vortragen.


I. Jhre Churfürſtl. Durchl. waͤren zwar durch die Kayſerl. Commiſſion
in die vnder-Pfaͤltziſche Landen ins gemeyn immitirt worden/ allein bey wuͤrck-
licher Ergreiffung der poſſeſſion hetten ſie befunden/ daß jhr von dem jenigen/
ſo dero Vorfahren Año 1618. in Beſitz gehabt/ kein gering Stuͤck vnd gerechtſame
voranhalten worden/ alß haͤtte Franckenthal mit den Archiuen, Stuͤcken vnd
Munition/ wie in gleichem denen Orthen/ welche die Spaniſche ſonſten in der
Vnder-Pfaltz beſetzt/ als Simmern/ Lautern.


II. Hette Chur Pfaltz von vndencklichen Jahren/ vnnd biß auff das Jahr
1618. vermoͤg ſtattlichen Priuilegien/ vom Kayſer zu Kayſern beſtettigt/ vnnd
darauff erfolgte Vertraͤge/ viel leibeygene in dem Stiefft Speyer/ vnnd andern
benachtbarten Orthen herbracht/ welche man jetzt Jhrer Churfuͤrſtl. Durchl.
enthielte.


III. Die Graffſchafft Leiningen hette/ vermoͤg verſchiedener Lehen reuer-
ſen/ von laͤnger alß hundert/ Jahren her/ vnnd biß auffs Jahr 1618. von den
Churfuͤrſten der Pfaltz bey Rhein zur Lehen geruͤhret: die weil aber vnder weren-
dem Krieg Kayſer Ferdinandus II. dem Graffen zu Leiningen ſolche Graff-
ſchafft/ als ein Reichs Lehen verliehen/ ſuchet der jetzige Jnhaber ſelbige bey
Jhrer Kayſerl. Mayeſtaͤt zu Jhrer Churf. Durchl. Præjuditz: angeſehen in dem
Frieden Schluß alle die in der Vnder Pfaltz/ Zeit waͤrendem Krieg vorgenom-
men Veraͤnderungen/ außtruͤckllchen caſſiret waͤren.


IV. Vngeachtet die gantze Graffſchafft Saͤyn/ vermoͤg der Lehenreverſa-
lien/ vor lenger als drey hundert Jahren/ vnd biß Anno 1618. von dem jetzigen
Graffen jederzeit von Chur Pfaltz zum Lehen empfangen worden/ ſo hetten den-
noch Chur-Coͤllen vnnd Chur Trier ſich vnderwaͤrenden Krieg vnderſtanden/
das Ambt Hohenberg/ vnnd vier Kirchſpiel in dem Ampt Grußberg/ vn-
der dem Prætext/ daß die Lehen Herꝛn ſich im Kriege vertiefft/ mit der That ein-
genommen/ vnnd verweygerten ſich Jhre Churfuͤrſtl. Durchl. das directum
dominium
wiederumb einzuraumen. Vber dieſes vnderſtunde ſich die Witt-
we etliche Stuͤck beruͤhrter Graffſchafft/ theils: zum Erb-vnd Lehen/ theils auch
gar zum Eygenthumb zumachen.


V. Chur Trier vor enthielte Chur Pfaltz das directum dominium deren/
den Scheuckherꝛn im Frieden-Schluß gegebenen Fleckenſteiniſchen Doͤrffern/
welche der Probſt zu Weiſſenburg vnder waͤrendem Krieg eingezogen/ Chur-
Pfaltz aber dieſelben jeder Zeit/ vnnd biß auffs Jahr 1618. von Chur Trier zu
C c c ijLehen
[204]De Statu perturbato Franciæ
Lehen ruͤhren/ zubelehnen/ ſondern beruffen ſich auff die Frantzoͤſiſche Protection/
wie der Speyriſchen Regierung Antwort außweiſe.


VI. Chur Pfaltz hatt Anno 1618. vnd von vielen vndencklichen Jahren her/
zu Hanßbach/ Sultzbach vnd Lauterbach die hohe Obrigkeit vnſtreitig gehabt:
als aber ſelbige Vnterthanen dem vhralten Herkommen gemaͤß/ zu Leyſtung der
Entſchuldigung citiret worden/ hetten die Biſchofflichen Wormbſiſchen Be-
ampten jhnen zuerſcheinen verbotten/ vnd wolte vber dieſes/ daß Jhrer Churf-
Durchl. Vorfahren ſelbige Anno 1618. gehabt/ geſtritten werden.


VII. Jm Ampt Vmbſtatt/ welches Chur Pfaltz/ vnnd das Hauß Heſſen
gemeyn haben/ waͤren Jhr. Churf. Durchl. Vorfahren Anno 1618 in poſſeſſionę
exercitij religionis
der Kirchen vnd Schulen/ ſambt denen dazu gewiedmeten
Gefaͤllen geweſen/ aber Jhre Gnaden/ Herꝛ Landgraff Georg hetten Jhr
Churf. Durchl. darinnen noch nicht vollig reſtituirt.


VIII. Waͤre der Chur-Bayeriſche Leben-Brieff vber die Vnder-Pfaltz
noch in Chur-Bayeriſchen Haͤnden/ vnnd muͤſte billich zuvor caſſiret/ auch das
newe Lehen vergliechen werden.


IX. Dieweil auch Jhrer Koͤn. Mayeſtaͤt in Spanien Geſandter zu Muͤnſter/
in ſeiner daſelbſt in Truch gegebenen Proteſtation außdruͤcklich meldet/ daß
Jhro die Kay. Mayeſtaͤt. die Vnder-Pfaltz geſchencket. So waͤre billich/ daß
Jhre Churf. Durchl. deßwegen auch verſichert werden moͤchten.


X. Jhre Churf. Durchl. waͤhren noch nicht immittirt in die Aempter
Bergſtein vnd Begſtein in der Ober-Pfaltz/ welche Chur-Bayern niemahlen
innen gehabt/ in dem Frieden-Schluß auch verſehen/ daß Jhre Churf. Durchl.
in Bayern die Ober-Pfaltz allein ſolcher Geſtalt wie ſelbige bißhero beſeſſen/ ein-
behalten ſollen/ vnd gedachte Aempter an Pfaltz-Neuburg nur biß zum Außtrag
der Pfaͤltziſchen Sachen/ adminiſtratorio nomine ein zuhaben eingeraumet
worden. Dannenhero Chur-Pfaltz/ nachdeine die Pfaͤltziſche Sachen durch den
Frieden-Schluß verglichen/ erwehnte Aempter ex capite Amneſtiæ \& Grauami-
num,
zu reſtituiren vnd abzutretten.


XI. Dero Fraw-Mutter/ Herꝛn Bruͤdern vnd der Princeſſin Henriette
Deputat vnd Heyrath-Geld/ weiln ſolches zu Jhrer Churf. Durchl. Sublevation
verſprochen/ vnd alſo pars reſtitutionis iſt.


XII. Jn dem Frieden-Schluß waͤre verordnet ſi quæ feuda Iuliacenſia a-
perta eſſe, competenti via Iuris euictum fuerit, ea Palatinis euacuentur.
Nun
hetten Jhre Churf. Durchl. durch dero Abgeſandten am Kayſerlichen Hoff zu-
verſchiedenen mahlen vmb Erkandtnuß einer Kayſerlichen Commiſſion/ damit
dieſe ſich dem Frieden-Schluß gemaͤß/ moͤchte eroͤrtert werden/ anhalten laſſen/
aber biß dato noch nicht erlangen koͤnnen.


Dieſe Puncten alle/ auſſerhalb was Chur-Bayern belangt/ meynten etliche/
ſolten
[205]\& Germaniæ Continuatio.
ſolten auff dem Reichstag/ oder an dem Kayſerlichen Hoff vertragen vnnd abge-
handelt werden/ koͤnten auch den Abzug der Spaniſchen auß der Vndern-Pfaltz
garnicht hindern. Ja etliche hielten es Chur-Pfaltz vor vnglimpfflich/ daß er alles
nach der Schaͤrpffe ſuchte/ da er doch mit einem geringern/ oder wie es anfangs
lautete/ parte non contemnendâ, hette moͤgen abgeſpeiſet werden.


Hier zu kaͤhme dann auch/ daß Chur-Bayern jhm den Reichs-Apffel in dem
Chur-Pfaͤltziſchen Wapen diſputirte/ vnd gar nicht paſſiren wolte laſſen/ alß ein
Zeychen deß Ertztruckſaͤſſen Ampts.


Es wolte aber Chur-Pfaltz wegen Renunciation deß Tittels vnd Wapens
ſich gantz nicht einlaſſen/ ob man jhn ſchon/ alß einem Churfuͤrſten/ der ohne
Ampt vnd Verwaltung im H. Roͤmiſchen Reich nit ſeyn koͤnte/ das Ober Jaͤger-
Meiſterampt/ vnd endlich das Ertzſchatzmeiſter Ampt/ mit dem Schluͤſſel hienge-
gen wollen aufftragen/ weil er ex diuerſis autoribus probieret/ daß der in deſſen
Wapen inſerierte Reichsapffel nicht zur Chur-Dignitaͤt gehoͤrig/ ſondern hiebe-
vor Friderico II. Pfaltzgraffen am Rhein ex ſpeciali conceſſo Priuilegio von
Carolo IV. wegen geleiſteter ſtattlichen Dienſten ertheylet/ nachmahls aber
erſt Dignitate Electorali begnadet worden/ daher er ſolches Inſigne anß ſeinem
new ertheilten Wapen/ auß zu laſſen keines wegs befugt vnnd gemeinet/ weß-
wegen an Kayſerl. Mayeſtaͤt Jhrer Churf. Durchl. Herr Johann Ludwig Mieg
abgeſand worden/ der aber dieſes zum Beſcheyd bekommen: Der Roͤmiſchen
Kayſerl. Mayeſtaͤt vnſerm allergnaͤdigſten Herrn/ waͤre in Vnderthaͤnigkeit
referiret vnd vorgetragen worden/ was die Churf. Durchl. in der Pfaltz nicht al-
lein ſelbſt vor Exceptiones vnd Einreden/ warumb ſie zu Annehmung deß Ertz-
Schatzmeiſters Ampts/ vnd davon dependierenden Vmbfertigung dero Renun-
ciation
vnd Ratification, ſich nicht ſchuldig erachten/ eingewendet/ Sondern
auch wohlgedachter Chur-Pfaͤltziſcher Abgeordnete deſſen wegen vor Rationes
vnd Vrſachen weiter fuͤrgebracht/ vnd dargegen vmb Fortſtellung der Belehnũg
angehalten/ Aller maſſen nunmehr Kayſerl. Mayeſtaͤt alle dieſe eingebrachte
exceptiones, motiven vnnd Vrſachen von deren Erheblichkeit nicht gefunden/
daß ſie von der/ Jhm Herrn Abgeordneten ertheilten allergnaͤdigſten Reſolution
in einige Wege/ abweichen ſolten/ geſtalt ſie es auch nach mahlen allerdings dar-
bey verbleiben laſſen/ vnd ſich gnaͤdigſt vnd endlich verſehend/ es wuͤrden ſolchem
Seine Churfuͤrſtliche Durchleuchtigkeit ohn [...]einig tergiuerſiren ohnverlaͤngt
nachleben.


Jn Erwegung/ daß es mit der Evacuation der Veſtung Franckenthal/ Sim-
mern vnd Lautern/ durch Jhrer Kayſerlichen Mayeſtaͤt treweyferige Bemühung
ſo weit gekommen/ daß an derſelben gantz vnnd gar kein zweiffel vbrig/ ſondern
ſolche gegen erlangung der verſprochenen Geld Summen/ alſo bald wuͤrcklich
koͤnte ins Werck geſtellet werden. Jhre Kayſerl. Mayeſtaͤt auch Sein. Churf.
C c c iijDurchl.
[206]De Statu perturbato Franciæ.
Durchl an ſtatt deß Ertztruchſeſſen Tittels vnd Wapens/ ein ander Ertz-vnnd
Chur Ampt mit behoͤrigen Jnſignijs vnd Tittel/ allerdings auff Maß vnd Weiſe/
wie Churfuͤrſten vnd Staͤnde ſolchs ein gerahten/ vnnd fuͤr genugſam erkanten/
neben der Belehnung vber die Chur/ vnd alles das/ was jhr nach Jnhalt deß Frie-
den-Schluſſes gebuͤhret realiter \& effectiue offeriret/ Jhre Churf. Durchl. aber
ſelbſten in morâ acceptandi ſeyn/ vnd theils gantz vnzeitig/ vnd vnnothwendige
theils vnerhebliche/ hievber gantz nicht gehoͤrige difficultaͤten darwieder einwen-
den theten.


Alſo werden Jhre Churf. Durchl. wegen allen dieſen Verzug entſtehenden
Vnheils die ſchwere Verantwortung zutragen haben/ vnd Jhre Kayſerl. May-
vmb einiger in dem Franckenthaliſchen euacuations Werck hierauß entſtehen-
der Verzoͤgerung vnnd Weitlaͤuffigkeit willen/ bey maͤnniglichen entſchuldi-
get ſeyn.


Solcher geſtalt wurde Chur Pfaltz zur Gedult gewieſen: Vnd weil es dann
an den Geldern fuͤrnehmlich er manglen wolte/ theten die zu Franckfurt verſam-
lete Krayßſtaͤnde an alle Kreyß auß ſchreibende Fuͤrſten nochmahls ein beweg-
liches Schreiben/ mit Bitt/ wie die Güte nichts verfangen ſolte/ per modum
executionis,
die ſaͤumige hier zu anzutreiben/ vnnd zugleich mit eheſtem eine
ſpecificirte Liſta, deren bereyts in jhren Kreyſen parat ſtehenden Gelder ein zu-
ſchicken/ damit man ſehen koͤnte/ wie nahe man bey der Summa der 250000.
Reichs Thaler waͤre/ vnd wie viel daran noch ermanglen thete/ weil der Spani-
ſche Dominicaner Muͤnch F. Serria/ die Außzahlung der Gelder inſtaͤndig
ſolicitierte. Vnder deſſen haben zu Maͤyntz die beyde Churfuͤrſtliche Deputirte
wegen deß newen Tituli vnd der Renunciation nach immerhien diſputiret/ ſeind
aber von Jhrer Churf. Gn. zu Mayntz auff kuͤnfftigen Reichstag verwieſen
worden.


Es hat auch Herr Graff Ochſenſtirn deßwegen zum zweyten mahl an Jhr
Excellentz Herrn Volmar geſchrieben/ daß die Veſtung Franckenthal/ deren
zwiſchen Chur-Bayern vnd Chur Pfaltz ſtrittig-Vmbfertig-vnd Außliefferung
der Ratification deß Frieden. Schluſſes vnd Renuntiation auff die Ober Pfaltz
vngehindert/ nunmehr wircklich abgetragen werden koͤnte: deme aber gedachte
Jhre Excellentz Herr Vollmar contradiciret/ vnd darfuͤr gehalten/ daß/ ſo lang
Jhre Chur. Durchl. zu Heydelberg dem jenigen/ worzu ſie im Jnſtrumento Pa-
cis gehalten waͤren/ nicht ein ſattſam genuͤgen theten/ Jhro auch hiengegen/
waß ſie darauß zu fordern hetten/ nicht gegeben/ noch die Veſtung Francken-
thal reſtituirt werden koͤnte: Angeſehen eines von dem andern Dependierte/ vnd
ſich nicht abſondern lieſſe.


Nach deme nun Chur Pfaltz auch an dieſem Orth weichen muͤſſen/ wuͤrd die
Hoffnung zur euacuation Franckenthals abermahls ſtaͤrcker/ in deme Jhr Excel-
lentz
[207]\& Germaniæ Continuatio.
lentz Herr Vollmar von Mayntz auß/ an die Churf. Durchl. zu Heydelberg per
expreſſum
geſchrieben/ jhres orths dahin bedacht zu ſeyn/ damit zu Abfuͤhrung
der Franckenthaliſchen Beſatzung vnd Pagage ſelbige mit noͤthigen Schieffen
moͤchten verſehen werden. Deme dann auch zufolge alſo balden/ vnnd ja keine
Zeit hierin zuverabſaͤumen/ Jhre Churf. Durchl. in dereyl/ bey 26. Schieff auff
dem Neckar zuſammen gebracht vnd angehalten/ auch darmit auff warten laſſen.
Zu End deß Octobris ließ der Kayſerliche plenipotentiarius Herr Volmar die
beyde zu Franckfurt am Mayn noch anweſende Ober Rheiniſche Kreiß Depu-
tierte Herꝛn Doctor Schlaun/ vnd Herꝛn Frieſeln zu ſich fordern/ denen er vorge-
halten/ daß er ſehr vngern vernehme/ wie in Herbeybringung der Franckenthali-
ſchen euacuations Gelder theils Staͤnde biß dato ſo ſeumig/ vnnd ſonderlich
die im Ober Rheiniſchen Kreyß waͤren/ denen doch die Gefahr vñ der Laſt am naͤch-
ſten vnd ſchwereſten/ dahero ſie billig der bißhero fuͤr andern getragenen ſchwe-
ren Contributionbuͤrden ſich zuentſchlagen die erſten ſyen/ vnd deßwegen jhr euſ-
ſerſtes dißmahl beytragen ſolten/ auff daß/ was juͤngſt zu Wuͤrtzburg zwiſchen
jhnen/ Jhrer Churf. Gn. zu Mayntz/ nomine Statuum, vnnd à parte Spanien/
allen Staͤnden zum beſten hierin geſchloſſen/ bevorab der Winter je mehr je laͤn-
ger einbreche/ dermahleins wuͤrcklich vollzogen werden moͤchte: Solten nocheinſt
an alle ſaͤumige Stande/ vmb mit jhrer quota einzukommen/ nomine Circuli
vnd zwar in etwas ſcharpff der Geſtalt ſchreiben/ daß wenn bey Verbleibung der
bißher guͤtlichen verſuchten Mittel/ die Guͤte nichts verfangen wolte/ man die
Execution vor die Hand nehmen muͤſte. Die Statt Wormbs wie auch Speyer/
waͤren zwar wegen viel/ vor andern in dieſem verderblichen Kriegstrublen erlitte-
nen Schadens/ vmb ſich dardurch zu eximiren/ eingekommen/ erhette aberſelbige
ab, vnd vielmehr ad auertendum commune hoc Patriæ malum, zur Zahlung
jhrer aſſignirten quota angewieſen. Das Stiefft/ vnnd die Statt Straß-
burg/ wie nicht weniger auch Franckfurt/ waͤren auch mit dem jhrigen
parat/ vnd zweiffele er gleichfals gar nicht/ der Schwaͤbiſche Kreyß ſich eben-
maͤſſig damit bald einfinden wurde.


Nachdem nun gemelte beyde Herꝛn Abgeſandten dieſes gebuͤhrend ange-
hoͤret/ vnnd ſummariter recapituliret/ haben ſie ſich gegen Jhrer Excellentz
Herꝛn Volmarn deß wohlmeinenden Vorſchlags dienſtlich bedancket/ vnd die
Schreiben auff zu ſetzen erbotten/ welche auch alſo bald außgefertiget/ vnnd an
alle noch ruͤckſtaͤndige Staͤnde/ mutatis mutandis, mit der Ordinari abge-
gangen.


Vnder deſſen iſt biß zu ſolcher Euacuation/ alles in ſuſpenſo verblieben/ vnd
die geringſte Conferentz vnder den Staͤnden/ auſſer den Viſiten/ nichts vorge-
gangen.


Es gab
[208]De Statu perturbato Franciæ

Es gab aber einen Nagelnewen Lermen/ als die Lothringiſche Voͤlcker
ſich in drey Hauffen theilten/ einen in Lothringen lieſſen/ mit dem andern vber
die Moſel ins Weſtrich ſetzten/ vnd den dritten nach ſich zogen. Etliche meyn-
ten/ ſie zoͤgen in Burgund/ andere hielten/ ſie giengen in Franckreich entweder
dem Koͤnig/ der den Cardinal Mazarin wieder hette beſchrieben/ vnd in voriges
Anſehen/ ſampt allem Anhang geſetzet/ oder dem Hertzogen von Orleans zu
Dienſten/ oder dem Printzen von Condè zu lieb/ oder dem Koͤnig in Spanien
ein Reuterdienſt zu thun/ oder jhr eygen Werck in Lothringen zuverrichten.
Jhr intent moͤgen ſie wiſſen/ allzeit wurden die Staͤnde/ ſo ohne das wegen Vn-
derhaltung der Beſatzungen in Franckenthal/ Landſtul vnnd Homburg ſehr
beſchwert waren/ an Zuſammenklaubung der euacuations Gel-
der mercklich gehindert: Welcher Geſtalt ſich das ein
vnd fünfftzigſte Jahr endete/ vnder Laſt vnd
Braſt/ bey Hoffen vnd Harren/ neben
Handel vnd Wandeln.



DerXXII.
[209]\& Germaniæ Continuatio.

Der 22. Diſcurß.


Alle andere Koͤnigreiche in Europa werden hie vorbey ge-
gangen: vnd nur auff den Hertzogen von Lothringen geſehen/ daß er keine [neu]e
Vnruhe erwecke: vnd dann auff die Spanier. Wie vnd wann Franckenthal vnnd
Hailbrunn ſollen evaucuirt werden. Der Author will ſich jnn-oder vmb Fran-
ckenthal ſetzen. Entſchuldigt ſich/ wegen deß gantzen Tractats/ vnd ſchlieſſet.


VOn dieſem Ein tauſend ſechshundert/ zwey vnd fuͤnff-
zigſten Jahr/ haben die Sternkuͤndiger vorlaͤngſt ſehr gute Gedancken ge-
faſſet/ ob ſolte der juͤngſt abgehandelte Fried ſein voͤlligen Zweck/ vnd er-
frewliche Ruhe erlangen/ zum wenigſten bey vns in Teutſchland. Darumb laſſen
wir auch jetzt den Tuͤrcken/ der vielleicht auß Orient moͤcht ſchwere Haͤndel bekom-
men/ ſich gegen den Venetianern in der Jnſel Candia/ vnnd in Dalmatien muͤde
arbeiten. Wir wollen auch hoffen/ es werden die Poln/ weil ſie der jnnerlichen Auff-
ruhr ſelbſt vberdruͤſſig/ mit den Schweden nicht ferꝛner ſuchen zu kriegen. So
wird Dennmarck ſeinen Staat ſuchen veſt zumachen/ vnd ſich vor Weitlaͤufftig-
keit hüten. Die Engellaͤnder werden ja in jhrer Dollkuͤhnheit nicht fortfahren/
vnd die gantze Welt trutzen wollen/ ob ſie ſchon bißhero wunderſam geſieget/ vnnd
nunmehr das Koͤnigreich Schottland/ zu einer Provintz vnder der Republic ge-
machet/ vor welchem ſie ſich jederzeit haben foͤrchten muͤſſen. Sie werden in der
Jnſul noch Arbeit genug finden vnder den Catholiſchen/ Preßbyterianern vnnd
Jndependenten. Die gefaſte Meynungen vnder dem Volck von der beſten Arth
zuregieren/ ob ſolche dem Monarchen/ vnd einem einigen Haupt: den Staatsraͤ-
then vnd klügeſten im Land: oder dem Volck ins geſampt gezieme/ halten ſich zwar
eine vor der andern verborgen/ auß Zwang: werden aber mit vngeſtuͤm herfuͤr
brechen: zumahl die zwey vnd viertzig Tyrannen nicht zuerſaͤttigen/ ſo wenig als
die Decemuiri zu Rom/ vnd die dreyſſig Regenten zu Athen.


Die Hollaͤnder raſten vnd ruhen auff vnſanfftem Bette/ vnd moͤchten bald
erfahren/ was groſſen Fehler ſie mit jhrem beſondern Frieden erlangt/ wie ſie dann
bereyts die jenige herfuͤr ſuchen/ die auß der guͤldenen Feldſchlangen getroffen
worden. Jhre viele Schiffe werden ſie nicht eben retten/ wann ein Vngewitter
oder wiedriges Treffen ſie ſolte ſtuͤrtzen. Zumahl ſie Anno 88. deſſen ein ſchreckli-
ches Spectackel gehabt. Es kommen verſchiedene Lyſten ein/ eine von 200. die an
dere von 300. die dritte von 600. Schiffen/ da das geringſte ſoll 30. ſtuͤck groben
Geſchuͤtzes fuͤhren/ die ſie jnnerhalb dreyen Wochen ſolten in die See/ gantz wohl
D d dmun-
[210]De Statu perturbato Franciæ
muntirt laſſen gehen Jch bekenne/ diß Papier kan noch mehr leiden/ ob man gleich
noch etliche Nullen darbey ſetzte/ ob aber nach dieſer Tablatur geſpielet werde/
moͤchte man die vorlaͤngſt wohlgefaſte/ vnd vbel abgeloffene Vnion fragen. The-
miſtocles ſagte/ ſein Soͤhnlein regierte gantz Griechenland/ vnnd als man Muͤhe
hatte/ ſolches zu glauben/ bewieſe er es ſolcher geſtalt: mein Weib laͤſt ſich von mei-
nem Soͤhnlein regieren: vnd ich muß thun was mein Weib will. Die Athenien-
ſer folgen meiner Meynung/ vnd ſie beherꝛſchen gantz Griechenland. Welches
endlich zum jungen Soͤhnlein heim faͤllt. Holland regiert die andern ſechs Pro-
vintzen: Ambſterdam bezwingt das Holland: Pickert/ die Statt Abmſterdam: vnd
wer lencket den Pickert? da rahte einer.


Die Spanier werden zuvorderſt jhr Catalaunien wieder erobern/ vnd Bar-
cellona bezwingen muͤſſen/ ehe ſie ſich an die Portugieſen mit Ernſt reiben. Die-
ſelben ſehen aber auch zu/ daß ſie/ wegen der beyden Jndien nicht Huͤlffloß gelaſ-
ſen werden. Den Frantzoſen halte es doch niemand vor vbel/ wann ſie bey jhrem
hergebrachten Sinne bleiben/ vnd muthwilliger Weiſe wieder verliehren/ was ſie
mit ſo ſchwerem Koſten vnd vielem Blut erworben: davon nicht nur Jeruſalem/
Edeſſa vnd Conſtantinopel/ ſondern auch Naples/ Sicilien/ Cypern/ vnnd Mey-
land: endlich Trier/ Philippsburg/ Courtray/ Arien vnd Veldlin zuſagen wiſſen:
da auch das ſchroͤckliche Treffen bey Allerßheim nicht ein Batzen genutzet/ vnnd
hernach ſchier Geſchuͤtz vnnd Mannſchafft/ mit einer ſchlechten retirada gekoſtet
haͤtte. Die jnnerliche Hitz deß Gebluͤts ſtaͤrcket ſie an/ daß jhnen Lung vnnd Lebern
faulet/ das Miltzraget/ vnd das Hertz pochet. Laſſen ſie die frembde Nationen/ fuͤr-
nemblich Engellaͤnder vnd Spanier/ zu denen ſich die Teutſche/ vmb alte Schuld
zuraͤchen/ ſchlagen koͤnden) zu tieff hienein/ werden ſie/ aber zu ſpath/ jhre Thorheit
erkennen.


Allein wollen wir vnſern eygenen Schaden/ vnd Vnvorſichtigkeit beklagen/
daß wir zwar in Teutſchland Frieden gemacht/ aber den Spanier vnnd Lothringer
außgeſchloſſen/ ehe wir ſie vom teutſchen Boden außgeſchaffet. Dann werkan ei-
nem dritten ſein Recht kraͤncken/ oder begeben? warumb ſollen ſie weichen/ ohne
Satisfaction? haben ſie nicht eben ſo wohl/ als andere gefochten/ vnd die Parthey
geſtaͤrcket? oder iſt es ohne jhren Vnkoſten/ Verſaumbnuß vnnd Schaden geſche-
hen? vnd wann die Spaniſche Beſatzungen auß der Vnder Pfaltz weichen/ ſo wer-
den die Lothringer jhre beyde Orth darumb nicht verlaſſen/ ob ſie gleich/ wie verlau-
ten will/ 20000. Reichsthaler vor den Abzug fordern. Landſtul wird ein Kauff
muͤſſen leiden/ vnnd Homburg wegen der Graffſchafft Sarwerden dahinden blei-
ben/ biß vber fuͤnffzig Jahr der Proceß/ ſo bereyt einmahl dem Hertzogen von Loth-
ringen iſt nach Wunſch außgeſchlagen/ abermahl ein End gewinne. Vnd wo blei-
ben jnmittels die Vnkoſten? die kan man rechnen/ wie wegen Donawerth/ vnd der
Obern Pfaltz/ ja wie Kayſer Maximilian vor anderthalb hundert Jahren/ auff
dem
[211]\& Germaniæ Continuatio.
dem Naͤgelein. Es moͤchte ſich dann ein ander Spiel erheben/ wann dieſer Her-
tzog die Schuld der Natur bezahlete/ vnnd ſein Herꝛ Bruder (oder deſſen junge
Herꝛſchafften/) den jungen Hertzogen/ wegen diſputierten Heurahts außgeſchloſ-
ſen/ ſich deß Lands annehmen wuͤrde: zu welcher Zeit man wunder Haͤndel wird zu-
erfahren haben/ daß wohl nie aͤrger vber das Hertzogthumb Meyland geſtritten
worden.


Vor dißmahl aber wird grauſame Klage gehoͤrt/ wie die Lothringer im El-
ſaß hauſen. Dann ſie theils mit Liſt/ theils mit Macht ſich durch gebracht/ vnd ins
Ober Elſaß fortgerückt: warten ſie/ wegen der Evacuation Franckenthal oder jh-
re inhabende Orth zubeſetzen vnnd zuverwahren/ ſo werden wir was newes hoͤren:
gehen ſie in Franckreich/ einer oder der andern Parthey zu Huͤlff/ vñ verſtaͤrcken
ſich biß auff zwoͤlff tauſent Mann/ wie ſie außgeben/ ſo moͤchten die Tractaten
ſchleuniger von ſtatten gehen. Es ſollen aber die Staͤnde/ ſo von jhnen im Weſt-
reich beſchwert werden/ ſich ſorgfaͤltiglich huͤten/ daß ſie nach der Spanier Abzug/
wann er je geſchicht/ dieſe Gaͤſte nicht verachten/ oder verwegener Weiſe angreif-
fen/ auß den 2. Neſtern zutreiben/ auff daß ſie die Finger nicht verbrennen/ vnnd
ein ſolchen Kriegeriſchen Martialiſchen Herꝛn nicht zum offenen Feinde machen/
der die Spanier an der Hand hat/ vnd derſelben Huͤlff in 24. Stunden haben mag.
Jſt es aber vmb ein ſtuͤck Gelds zuthun/ ſo ſpare man ſo viel an Eſſen vnnd Trin-
cken/ an Kleydung vnd Pracht/ an Beſuchungen vnd Feſten/ auff daß dieſer Laſt
dem gantzen Land/ allerſeits mit Willen/ vnnd ohne Feindſchafft abgenommen
werde.


Wie nun von Eingang dieſes Jahrs/ man jmmerzu ſehr eiferig an dieſem
Werck der Evacuation gehandelt/ alſo/ hat jederman/ nach ſeiner Zuneygung/ bald
dem Churfuͤrſten in Bayern/ bald dem Churfuͤrſten zu Heydelberg/ bald den
Spaniſchen Practicken/ bald einem Oeſtrꝛeichiſchen heimlichen Verſtand/ bald
einem Ligiſtiſchen Anſchlag zum newen Krieg/ dieſe Verzoͤgerung zugeſchreiben.
Vnnd ob es gleich verlauten wollen/ ob haͤtte Spanten dem Kayſer das gantze
Werck heymgewieſen vnnd vbergeben/ ſo befrembdet es dannoch nicht wenige
tieffſinnige Koͤpffe/ warumb dann der Spaniſche Abgeſandte/ vnd ſonderlich ein
Geiſtlicher/ bey dieſem Handel ſeyn muͤſte. Alles vnerachtet/ wurden dieſem groſ-
ſen Baum/ der ſich wolte verſetzen laſſen/ alle Wurtzeln/ mit welchen er ſo gar tieff
eingewurtzelt ſtunde/ auff allen Seiten/ eine nach der andern/ abgeloͤſet vnnd abge-
hawen/ auff daß er dermahl eins vmbfiele/ vnd niemand mehr Schatten machete.
Das Werck wurd mit gantzem Ernſt angegriffen/ vnd den 4. oder 14. Mertz nach-
folgender geſtalt verabſcheydet.


Weil die Churfuͤrſtliche/ Fraͤnckiſche/ Schwaͤbiſche vnnd Ober Rheiniſche
Deputierten/ welche ſo lange Zeit/ wegen der Evacuation Franckenthal/ an deren
die Hailbrunniſche hanget/ in Franck furt am Mayn ſich auffgehalten/ vnnd ſo vn-
D d d ijnach-
[212]De Statu perturbato Franciæ
nachlaͤſſig deßwegen getrieben hatten/ zumahl jhren Herꝛſchafften vnd Obern/ ja
dem gantzen Land/ ſo mercklich viel daran gelegen: konden dannoch die Staͤnde
mit denen/ hierzu verwilligten dreyzehen Monaten Roͤmerzugs/ in jhren erſchoͤpff-
ten Landen entweder gar nicht auffkommen/ oder wolten die Paratengelder nicht
ſchieſſen/ ſie waͤren dann der Sachen gaͤntzlich gewiß/ vnd verſichert/ nach deme
die Kriegsvoͤlcker den Meiſter ſpielen/ vnnd nach der Feder in der Cantzley nichts
fragen: als thaͤt ein jeder Stand ſein euſſerſtes/ vnnd vbermachte ſein gebuͤhrende
Sum̃ zu ſichern Haͤnden: oder thaͤte ſolche Anweiſung/ daß man in keinem zweif-
fel deßwegen ſtehen koͤnnen. Darumb verſuchen ſich Jhr Excellentz Herꝛ Voll-
mar/ der Roͤ. Kay. Kay. Gevollmaͤchtigſter: der Hochwuͤrdige Herꝛ F. Thomas de
Serria,
der Koͤnigl. May. in Spanien Abgeordneter: vnd dann der Ober Rheint-
ſchen/ Fraͤnckiſchen/ Schwaͤbiſchen vnd Nieder Rheiniſchen Krayſen Herꝛn Ge-
deputierte/ welcher geſtalt beyde Beſatzungen auß Franckenthal vnnd Hailbrun
ſolten abgefuͤhret werden/ in nach folgenden 3. Puncten.


Erſtlich hatte der Reichs Pfenningmeiſter H. Hubert Bleyman laͤngſt zu-
vor ein Vberſchlag vnnd Außwurff gemacht/ wie viel einem jeden Krayß vnnd
Stand in demſelbigen/ nach der Reichs Matricul zuerlegen gebuͤhren wolte. Weil
nun daſſelbe Project von niemand koͤnnen getadelt/ oder geaͤndert werden/ hat
man darbey bleiben wollen: maſſen die obgemelte Deputierte ſich darzu bekennet:
auch verſprochen vnnd gelobet/ bey jhren Principalen die beſtimpte Summen zu
verſchaffen/ vnnd in Franckfurt am Mayn an baarem Geld zuerlegen/ auff Zeit/
Tag vnd Stunde/ wann die Evacuation wuͤrde geſchehen. Dieſelbe Gelderſolte
empfangen Jh. Ex. Herꝛ Vollmar/ oder/ im fall Er wegen andern Geſchefften
zur Stelle nicht ſeyn koͤndte/ derjenige/ ſo von gedachter Jhrer Excellentz hierzu
Gevollmaͤchtigt/ vnnd von dem Herꝛn Reichs Pfenningmeiſter mit genugſamen
Vhrkunden verſehen waͤre. Vnd hie ſolte keine Entſchuldigung/ wie die auch ſon-
ſten Namen vnd Krafft haben koͤnde: auch keine Verweilung/ auß waſerley Vr-
ſachen ſie herkaͤme/ nicht gelten noch angenommen werden.


Zum andern/ wolten auch die Staͤnde ein gewiſſen Termin wiſſen/ die Gel-
der zuſam̃en zutragen: angeſehen noch etliche wenige bißhero ſaͤumſelig geblieben
waren: vnd wann die beyde Evacuationen jhren richtigen fortgang haben ſolten.
Wuͤrde ſolchem noch beliebet vnd verglichen der 16. vnd 26. April nechſt kuͤnfftig.
Auff daß es aber kein Mißtrawen/ noch vnzeitiges Rückdencken gebe/ ſolte auff
denſelben Tag dem Gubernator zu Franckenthal/ mit allen ſeinen Kriegs Voͤl-
ckern/ zu Roß vnd Fuß/ mit Plunder vnnd Bagage/ vnd was jhme nur rechtmaͤſ-
ſiger Weiſe zuſtuͤnde/ außziehen/ den Orth verlaſſen/ vnd im Namen J. Ka. Ma.
Jhrer C. D. zu Hey delberg abtretten vnd einraumen. Auff eben ſolche Weiſe vnd
Zeit ſolten auch die andere Orth/ Simmern vnd Lautern evacuirt werden.


Zum dritten/ ſolte hiengegen auff gemelte Zeit Jh. C. D. zu Heydelberg/
dero
[213]\& Germaniæ Continuatio.
dero Beſatzung ebenmaͤſſig auß Hailbrun abzufuͤhren/ vnd hierbey keine Præten-
ſion/ Vorwand oder Verzug einlegen: damit gemelte Reichsſtatt in vorigen vhr-
alten Stand der vnmittelbaren Condition wieder gebracht werde: welcher geſtalt
auch jhr Verhafftung/ ſo auß dem getroffenen Temperament erwachſen/ hiemit
gaͤntzlich auffgehoben ſeyn vnd bleiben ſolte. Vnnd weil beruͤhrter Beſatzung nach
noch einiger Sold/ ſo jhnen/ vermoͤg deß Nuͤrnbergiſchenreceſſes gebuͤhret/ moͤch-
te außſtehen/ ſoll derſelb jhnen vnverweigerlich auch gereychet werden.


Zu mehrer Verſicherung dieſer obgeſetzten dreyen Puncten/ iſt verglichen/
daß der Gubernator in Franckenthal einen qualificirten/ vnnd vnverwuͤrfflichen
Oberſt Leutenant nach Heydelberg an Geyſelſtatt liffere/ vnd zwar 6. Tag vor dem
beſtimpten Termin der Evacuation/ nemlich auff den 10. vnnd 20. nechſtkommen-
den Aprils: auff welchen Tag Jh. C. D. ebenmaͤſſiger Weiß ein ſolchen Oberſt-
Leutenant auß der Beſatzung zu Hailbrun J. F. G. dem Hertzogen von Wuͤrten-
berg auch ſoll vberlieffern. Vnd wann nun alles allerſeits richtig vnd vollnzogen/
vnd jederman ſo ferꝛn Klagloß gehalten iſt/ ſollen obgemelte Geyſeln ein jeder an
ſeinen Orth wieder zukehren erlaubet ſeyn.


Vnd hie wurd auff einer Seite geſetzt/ was auff der andern nicht guͤltig/
welchen dann den ſorgfaͤltigen Gemuͤthern ein Floh ins Obr ſetzte/ als ob man
nur ſuche/ dem Churfuͤrſten Pfaltzgraffen das Hailbrun auß der Hand zuſpielen.
Dann es iſt hernach geſetzt/ im fall Jh. C. D. jhre Beſatzung gegen dem Nürnber-
giſchen gemeinen Receß nicht ſolten auß Hailbrun abfuͤhren: wiederholten Jh.
Kay. Mayſt. dero Reſolution vnder dem 9. Jan. juͤngſt verwichen/ daß auff ſolchen
fall die Fraͤnckiſche vnd Schwaͤbiſche Staͤnde von allem Laſt derſelben Contribu-
tion frey vnnd ledig waͤren. Ja es wolten alsdann/ nach jnhalt deß allgemeinen
Friedenſchluſſes J. Kay. May. neben deß H. Roͤ. Reichs Churfuͤrſten/ vnd Staͤn-
den/ erwehnte Statt Hailbrun wider alles vngleiche beginnen/ ſuchen vnnd verge-
waltigen ſchuͤtzen vnd ſchirmen. Wir wollen aber Jh. C. D. ein beſſers zutrawen/
vnd vns auff dieſen ſo wohlbedachten Receß kecklich verlaſſen.


Jch vor mein Perſon/ da nur die Herꝛn Jeſuiter oder Capuciner in Fran-
ckenthal zubleiben haͤtten/ worauff ich/ ein Aug geworffen/ fange von dieſer Stund
an/ meine wenige Gelder auff zukuͤnden vnd einzuziehen/ damit ich in offerwehntem
Franckenthal ein leeren Platz vmb ein geringes erkauffe/ ſo laß ich Holtz/ Stein
vnnd Ziegeln den Neckar herunder kommen/ bawe nach meiner ſelbſt eygenen Ar-
chitectur/ vnd erkauffe/ ſo ich Geld genug habe/ eine kleine Herꝛlichkeit daherumb/
zu Heuchelheym/ Gruͤnſtatt oder am Gebuͤrg bey Leiningen/ da ich mich im Som-
mer halte/ vnnd im Winter hinder den Wail krieche: gleich wie die Storcken jhr
Sommer-vnd Winterneſter haben: ſuche gute Freund vnd Patronen/ daß ich in
die Matricul der Ritterſchafft einkomme/ nimb dann ein Hochwohlgeborne arme
vom Adel/ ich reicher/ nenne alle meine Soͤhne Reichart/ vnnd laß hernach den
D d d iijRhein
[214]De Statu perturbato Franc. \& Germ. Cont.
Rhein nechſt Philippsburg/ bey Mannheim herunderlauffen/ genieſe deß herꝛli-
chen hoch Wildpraͤts/ vnd ſuche das ſchwartze am Durſtberg/ mit luſt vnnd gerin-
gem Koſten/ lade mein Nachbarn auff ein Jagt vnd zum Trunck/ halte freye Ta-
fel/ wie Koͤnig Artus, vnd genieſſe deß guten Wohl Lebens/ ſo lang Gott will/ vnnd
der Beutel ſich erſtrecket. Wem das nicht ſchmaͤcket/ der ziehe alle Jahr einmahl
nach Schwalbach/ vnd ſchwencke den Mund vnd reinige den Magen/ mit demſel-
ben Sawrbrunnen/ hüte ſich aber vor den Rechts Gelehrten/ die einem den Kopff
verwirꝛen/ vnnd vor den Apoteckern/ ſo wird er ſeiner Graͤthen lang gefallen/ vnnd
nicht viel grawer Haar/ als im Alter vberkommen. Nun wohlan/ ich wage ein du-
tzent Reichsthaler daran/ vnd laß mein Roͤßlein beſchlagen/ daß ich bey dem Abzug
ſeyn moͤge.


Vnder deſſen aber/ wolleſtu/ wohlgeneygter Leſer/ dich nicht jrꝛen/ wann du
etwan hie lieſeſt/ oder hoͤreſt/ von alten vnd newen Geſchichten/ was dir nicht anſte-
het/ oder du beſſer vermeyneſt zuwiſſen. Es gibt mancherley Koͤche/ ein jeder meynt/
er ſey der beſte/ vnd mag wohl der ſchlimſte ſeyn. Allzeit verſichere ich dich/ daß mir
nie in Sinn kommen/ weder Hohen/ noch Niedern zu nahe zutretten/ ob ſchon die
Satyrici jederzeit groſſe Freyheit doͤrffen brauchen/ vnd ich vnder den Eccleſiaſtico
Politicis
nur zuſammen keere/ was ſie in jhren Verſamblungen etwan vnder den
Tiſch laſſen fallen. Jm fall du auch vielleicht ein actionem injuriarum gedaͤchteſt
anzuſtellen/ ſo wiſſe/ daß ſolches alles mich nicht angehet/ ſondern vielmehr deren
Scribenten Sach iſt/ die jhre Relationen in die Welt außgeſtrewet: darumb wol-
leſt nicht mit deinem eygenen Schatten fechten: ich gehe auß dem Streich vnnd
Streit/ biß wir wieder ein Nagelnewen Krieg bekommen/ dann die Welt kan
doch nicht ruhig ſeyn/ ſo wolte ich/ als ein geheymer/ vnd Staats Secretari/ meine
Feder fleiſſiger gebrauchen. Vnder deſſen gehab dich wohl/ vnd verbeſſere
du ſelbſt/ was allhie vnrecht vnd vngereumbt ſeyn moͤgt:
\& eris mihi magnas Apelles.


ENDE.

[]

License
CC-BY-4.0
Link to license

Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2025). Wartmann, Sigismund Friedrich. De Statv Pertvrbato Germaniae et Franciae Vnpartheyischer wolmeynender Theologo-Politicorum Discvrssvvm, Vierter vnd letzter Theil. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bpfk.0