Anm. Die hiezu gehoͤrige Karte des Peloponnes waͤhrend
des Peloponneſiſchen Kriegs, geſtochen von K.
Kolbe in Berlin, iſt bei dem Preiſe des Buches nicht
mit eingerechnet; ſie wird einzeln verkauft und koſtet
ſauber illuminirt 18 Gr.
[[II]]
Helleniſcher Staͤmme und Staͤdte
Die Dorier, erſte Abtheilung.
im Verlage von Joſef Max und Komp.
1824.
[[III]]
Erſtes und zweites Buch.
im Verlage von Joſef Max und Komp.
1824.
[[IV]][[V]]
Vorrede.
Das geſchichtliche Werk, das ich hiermit dem
Publicum und der Wiſſenſchaft uͤbergebe, verfolgt
eine Aufgabe, die durch ihre Groͤße und Schoͤn-
heit mich vor Beginn der Arbeit mit Begeiſterung
erfuͤllte, beim Fortgange derſelben zu immer neu
anwachſender Thaͤtigkeit ſtaͤrkte, am Schluſſe aber
faſt nur beſchaͤmt und niederdruͤckt: ſo wenig
darf ich hoffen ſie von allen Seiten befriedi-
gend geloͤst zu haben. Sie forderte, einen von
den Staͤmmen, welche die Hauptglieder in dem
Organismus des Helleniſchen Nationallebens bil-
den, herausgeſondert in ſeinen aͤußeren Zuſtaͤnden
und Verhaͤltniſſen, noch mehr aber in ſeinem gei-
ſtigen Weſen und Leben zu erkennen und darzu-
ſtellen. Die Statthaftigkeit einer ſolchen Auf-
gabe laͤugnet heutzutage Niemand, da man aufge-
geben, der Voͤlker Leben aus aͤußern Umſtaͤnden
und Conjuncturen einerſeits und ſchlauen Plaͤnen
[1*]
[VI] ausgezeichneter Maͤnner von der andern zu erklaͤ-
ren, da man einſieht, daß Nationen nur groͤßre
Individuen ſind, deren Charakter, von einer hoͤ-
hern Natur von Anfang an beſtimmt, durch die
Erziehung der Weltgeſchichte entwickelt wird, nach
Geſetzen, die eben ſo weit uͤber dem Cauſalnex der
einzelnen Momente als uͤber der ſubjektiven Frei-
heit der Individuen ſtehn. Auch herrſcht die letz-
tre Anſicht jetzt ſchon in den tiefern Studien der
Griechiſchen Geſchichte vor, und hat uns das bald
in Gegenſaͤtzen ſich entzweiende und wieder verei-
nigende, bald in organiſcher Metamorphoſe neue
Geſtalt gewinnende Leben der Hellenen in vielfa-
cher Hinſicht mit groͤßerer Klarheit erkennen laſſen;
welche Stelle aber in demſelben die Staͤmme ein-
nehmen, wie in ihnen die Helleniſche Nationalitaͤt
bis auf die tiefſte Wurzel ſich ſpaltet und ver-
zweigt, daher ſie in jeder Richtung des geiſtigen
Lebens auseinandertreten, und erſt vereint den
vollen Begriff des Griechenthums geben, haben
geiſtreiche Maͤnner ſchon einigemal nachzuweiſen
geſucht, mit einer unverabredeten Uebereinſtim-
mung, der nur wenige Unzuſammenhaͤngendes re-
dende Stimmen widerſprachen. Auch hat man
wohl ſchon den Geſammtbegriff des Hellenismus
aus denen der einzelnen Staͤmme, und die letztern
als nothwendig in jenem enthalten [andeutungs-
weiſe] zu conſtruiren unternommen; Bemuͤhungen,
die ich nicht zu tadeln wage, obgleich nur gar zu
[VII] leicht das geſchichtliche Leben durch den allgemei-
nen Begriff getoͤdtet wird, und es die Schranke
der hiſtoriſchen wie naturgeſchichtlichen Forſchung
zu ſein ſcheint, daß wir zwar den tiefen Zuſam-
menhang des faktiſch Erkannten einzuſehn, und ſo
zum Allgemeinen aufzuſteigen, aber nie vom
Allgemeinen ab das Beſondre, dem goͤttlichen Gei-
ſte gleichſam nachſchaffend, zu geſtalten vermoͤgen.
Meine Aufgabe ging auf keinerlei Conſtruction,
ſondern einzig darauf, aus genauer Betrachtung
des Doriſchen Lebens in allen ſeinen Kreiſen und
Richtungen das eigenthuͤmliche Weſen dieſes Stam-
mes, wie eines einzelnen Menſchen aus ſeinen
Handlungen und Reden, mit moͤglichſter Schaͤrfe
und Beſtimmtheit auszumitteln; welche Aufgabe
freilich an der ſcheinbar unaufloͤslichen Schwierig-
keit leidet, daß wir uns einerſeits ſchon einen Be-
griff von dem geiſtigen Weſen eines Volkes gebil-
det haben muͤſſen, ehe wir daſſelbe in dem aͤußern
Handeln der Einzelnen, in denen ſich die Sinnes-
art der Geſammtheit mehr oder minder darſtellt,
zu erkennen und nachzuweiſen vermoͤgen, und daß
uns andrerſeits doch nichts Anders als die unbe-
fangenſte Betrachtung des Letztern zur richtigen
Erkenntniß des Erſtern fuͤhren kann: aber dies
iſt keine unſrer Aufgabe eigenthuͤmliche Schwie-
rigkeit, ſondern der in jeder hiſtoriſchen Forſchung
mehr oder minder ſtattfindende Cirkel. Bedeu-
tender iſt die, daß die Maſſe und Vielartigkeit
[VIII] des zuſammenzutragenden Stoffs und der unterge-
ordneten Unterſuchungen einen lichtvollen Gang
der Geſammtdarſtellung ungemein erſchwert: um
ſo noͤthiger ſcheint es, den Plan des Ganzen hier
mit einigen Worten anzugeben.
Zuerſt mußte von der Exiſtenz, Verbreitung
und Stellung des Doriſchen Stammes gehandelt,
und die aͤußere Geſchichte deſſelben fuͤr ſich darge-
ſtellt werden, obgleich dies nie in ſo vollkommner
Sonderung geſchehn kann, daß nicht zugleich man-
che politiſche und Cultur-Ideen, welche auf die
Stellung nach außen beſtimmend einwirken, be-
ruͤhrt werden ſollten. Sonſt habe ich dieſe Dar-
ſtellung oͤrtlich dadurch beſchraͤnkt, daß ich von den
Staaten der Dorier außerhalb des Peloponnes
nur die Anlage behandle; in Hinſicht der Zeit
dadurch, daß ich die Erzaͤhlung nur bis zum An-
fange des Peloponneſiſchen Krieges fortfuͤhre, nach
dem die vorher ſchon mannigfach aufgeloͤste Stamm-
einheit allgemach ganz verſchwindet: dazu iſt die
Behandlung durch Auslaſſung alles Deſſen, was in
andern Werken, wie in Manſo’s Sparta, genuͤ-
gend eroͤrtert ſchien, — und deſſen war ungemein
viel, — fragmentariſch geworden; manche Luͤcken
auszufuͤllen, wird die chronologiſche Beilage und
die Karte dienen, die den Zuſtand des Peloponnes
waͤhrend des Krieges zu veranſchaulichen beſtimmt
iſt. Daß ich nun auf dieſen geſchichtlichen Abriß
Abhandlungen uͤber Religion, Staat, Sitte und
[IX] Kunſt folgen laſſe, und alles Dies unter dem Ti-
tel von Geſchichte, wird Niemand tadeln, der nicht
von Geſchichte uͤberhaupt ſehr enge und unleben-
dige Vorſtellungen hat. Die Religion, gebildet
in Zeiten, da Staat und Recht noch embryoniſch
in den Keimen lagen, und als dieſe ſich zu ge-
ſtalten anfingen, ſchon lange feſtgeſtellt, iſt ganz
eigentlich die aͤlteſte Geſchichtsurkunde des geiſti-
gen Lebens einer Nation, zumal wenn nachgewie-
ſen wird, was bei der Doriſchen des Apollon mit
genuͤgender Evidenz geſchehen zu ſein ſcheint: daß
ſie der Volkſtamm nicht durch aͤußerliche Ueber-
tragung erhalten, ſondern aus dem eignen reli-
gioͤſen Gefuͤhl zur beſtimmten Geſtalt erſchaffen
habe. Wie ſchwierig aber die Behandlung die-
ſes Gegenſtandes ſei, mag am beſten die Betrach-
tung lehren, daß uͤberhaupt keine Religion, mit
Ausnahme des Chriſtenthums, in einer geſchicht-
lichen Zeit neu entſtanden iſt, daß aller andern
Urſprung in einer voͤllig verhuͤllten Urzelt liegt,
welche ein ſpaͤter untergegangnes Vermoͤgen,
religioͤſe Gefuͤhle in beſtimmter Form feſtzuhalten
und dem Beduͤrfniß des Glaubens ſein Objekt zu
ſchaffen, beſeſſen haben muß. In einer ſolchen
Zeit ruhend ſtehen beim erſten daͤmmernden Beginn
der Geſchichte die Gottheiten und Culte aller Voͤlker
ſchon vor uns, den Sprachen aͤhnlich, die auch nie-
mals nachweisbar ein neues weſentliches Element,
ein Wurzelwort oder eine Flexion, erhalten haben;
[X] wie dieſe, moͤgen ſie ſich vermiſchen, degeneriren, von
außen umgeſtaltet werden; etwas voͤllig Neues
giebt es in ihnen nicht, und alle Religion iſt ihrem
Weſen nach traditionell und poſitiv. Das, glaub’
ich, lehrt alle Hiſtorie, die ſich bemuͤht die Epochen
des geſchichtlichen Lebens mit Unbefangenheit zu
erkennen. Dagegen iſt es vielleicht ein beſondres
Reſultat der hier mitgetheilten Unterſuchungen,
daß dieſer Zuſtand religioͤſer Produktivitaͤt doch
fuͤr Griechenland in eine Zeit geſetzt werden muß, in
der nicht die Nation blos, ſondern auch die einzel-
nen Staͤmme derſelben in beſtimmt ausgepraͤgter
Eigenthuͤmlichkeit daſtanden. Denn wenn ich er-
ſtens gezeigt habe, daß aller Apollocult von dem
Doriſchen Urlande um Tempe ausgegangen iſt, ſo
iſt auch zweitens anſchaulich gemacht worden, daß
die Grundideen deſſelben mit dem Geiſte des Do-
riſchen Volkſtammes in derjenigen Uebereinſtim-
mung ſtanden, die uͤberhaupt bei Vergleichung
fruͤherer und ſpaͤterer Epochen deſſelben Volks er-
wartet werden kann. Freilich haͤngt dies Reſul-
tat von dem Gelingen meines Bemuͤhens ab,
uͤberhaupt die religioͤſen Ideen dieſes Cultus aus
deſſen Symbolen, Mythen, Darſtellungen dem
Leſer zu vergegenwaͤrtigen; den ich dabei nur zu
erwaͤgen bitte, daß ich einerſeits aus Scheu durch
Raͤſonnement die aͤchte Farbe der Tradition zu ver-
wiſchen, andrerſeits auf weiteres Fortſinnen rech-
nend, die Stelle einzelner Saͤtze im allgemeinern
[XI] Zuſammenhange oft nur mit wenigen Worten be-
zeichnet habe. Juͤnger als die Bildung des Goͤt-
termythus iſt auf jeden Fall die des heroiſchen,
ſeine Tendenz ſchon mehr praktiſch, weniger ideal,
auf und ab ſchwankend von religioͤſer Anſchauung
zu geſchichtlicher Erinnerung. Bei den Doriern
concentrirte ſich der Schoͤpfergeiſt dieſer Mytho-
logie in der Einen Geſtalt des Herakles, die dem
Doriſchen Stamm in ihren Hauptzuͤgen zu vindi-
ciren und von dieſem Anfangspunkte aus zu ent-
wickeln, eine der Hauptabſichten dieſes Buches
war. Da in dieſer Claſſe von Mythen manche
der aͤlteſten politiſchen Ideen, wie Heiligkeit des
Koͤnigthums, Nothwendigkeit der Mordſuͤhne,
hell hervortreten: ſo ſchien es angemeſſen, unmit-
telbar die Darſtellung des Doriſchen Staates fol-
gen zu laſſen. Dem Doriſchen Stamme iſt vor
allen Griechiſchen ein eben ſo fruͤh gebildeter als
intenſiver Begriff von der Ordnung des oͤffent-
lichen Lebens eigen, ſo daß die noch in vielfacher
Hinſicht unbeſtimmten Verhaͤltniſſe der Homeriſchen
Achaͤer in einen auffallenden Gegenſatz treten mit
dem ſtreng geregelten und harmoniſch ausgebilde-
ten Staatsleben, wie es ſich ſchon ſo fruͤh in
Kreta, dann gleicherweiſe in Sparta, und, wie ich
glaube, auch ſehr zeitig in Delphi geſtaltete. Den
Begriff des Doriſchen Staates uͤberhaupt nach-
zuweiſen, ſeinen Organismus aus Kreta’s, Spar-
ta’s und einiger andern Staaten aͤlteren Inſtitu-
[XII] tionen zu entwickeln, war die Hauptabſicht des
dritten Buches, das indeſſen auch diejenigen
Staatseinrichtungen und ſolche Verfaſſungen der
Dorier nicht uͤbergeht, in denen von jenem politi-
ſchen Stammgeiſte eben Nichts oder Wenig ſicht-
bar iſt. Eine ſehr verwickelte Aufgabe fuͤr die ge-
ſchichtliche Forſchung iſt die Sitte, oder die Weiſe
des Familienlebens und der Geſelligkeit, die nicht
unmittelbar von der Einheit des Staates abhaͤngt,
weil an ihr die verſchiedenſten Zeitalter und oft
auch Individuen beſtaͤndig und unmerklich arbeiten,
ohne daß von ihrem Entſtehen und ihren Um-
wandlungen irgend beſtimmte Kunde auf die Nach-
welt kaͤme. Doch wird die Behandlung der Do-
riſchen Sitte erſtens dadurch erleichtert, daß ſie,
die Individuen faſt mit gleicher Strenge wie das
eigentliche Recht beherrſchend, eben darum mit
groͤßter Treue und Beharrlichkeit feſtgehalten wird,
daher wir oft in verſchiednen und entlegnen Dori-
ſchen Staaten weſentlich ganz dieſelben Herkom-
men finden, und in ihnen bei ſtrengem Gegenſatze
gegen ſpaͤter allgemeine Hellenenſitten doch Urſit-
ten der ganzen Nation, ja aller occidentaliſchen
Voͤlker erkennen: zweitens dadurch, daß uns hier,
ſo wie in der Kunſt, der Sprachgebrauch bedeu-
tend unterſtuͤtzt, indem er in beſtimmten Aus-
druͤcken von Doriſcher Kleidung, Speiſe, Lebens-
art, wie von Bauart und Tonart, redet, waͤhrend
von Doriſcher Ariſtokratie nur ſelten, von Dori-
[XIII] ſcher Religion — als deren Inkunabeln am ent-
fernteſten lagen — nie geſprochen wird. Die
Kunſt tritt eigentlich uͤberall ein, wo das Beſtre-
ben waltet, innerliches Leben in entſprechender
aͤußerlicher Form darzuſtellen, z. B. in jeder Cul-
tushandlung, aber auch in Gang, Kleidung und
andern Lebensſitten, in welchen ſich haͤufig ein
wahres Kunſtſtreben mit einer eben ſo realen
Richtung auf einen aͤußerlichen Zweck unzerreißlich
vereinigt. Und ſo ſind alle die einzelnen Kuͤnſte,
deren Darſtellung ich der Erziehung angereiht
habe, Gymnaſtik, Muſik, Orcheſtik, Dramatik,
Plaſtik, nur Seiten und Ausdruͤcke jener allge-
meineren das ganze Leben durchdringenden: wie
auch wohl dieſe geſchichtliche Darſtellung anſchau-
lich macht, bei der abſichtlich, was dem allgemei-
nen Nationalleben entſprungen, in den Vorgrund,
was mehr aus einzelnen Anregungen hervorgegan-
gen, in den Hintergrund geruͤckt iſt.
Daß dieſes Nationalleben, deſſen Hauptzuͤge
ich am Schluſſe zuſammenzuſtellen verſucht, aller-
dings noch weit lebendiger, anſchaulicher, be-
ſtimmter gezeichnet werden koͤnne als es hier ge-
ſchehn, iſt eine Ueberzeugung, die ſich mir nach
Vollendung des Werkes vielleicht lebhafter als
irgend einem Andern aufdraͤngt, ſo lebhaft daß
ich wuͤnſchen moͤchte, von dem gewonnenen Stand-
punkte noch einmal das Ganze neugeſtalten zu koͤn-
nen, um dann erſt Jegliches an ſeinen gehoͤrigſten
[XIV] Platz und in ſein eigenſtes Licht zu ſtellen. Nun
aber habe ich mich, mehr ein Lernender als ein
Lehrender, mit voͤlliger Unbefangenheit der Com-
bination des Stoffes uͤberlaſſen, oft mit dieſer
beſchaͤftigt den allgemeinen Faden eben nur noch
in Haͤnden behalten, oft allgemeinere Reſultate
faſt unerwartet aus der Behandlung des Gegeb-
nen hervorwachſen ſehn, oft aber auch nach einer
uͤbeln Sitte, der ich indeß ſchwerlich ſobald ent-
ſagen kann, die Forſchung auf ein beſtimmtes
Reſultat hinauszufuͤhren unterlaſſen, weil mir der
bornirende Schein der Sicherheit und Vollendung
weit gefaͤhrlicher duͤnkt als das Hinausſtellen des
Abſchluſſes in die ungewiſſe Zukunft. Wenn ſich
deſſenungeachtet hie und da ein gewiſſes Gefuͤhl
mit einiger Haͤrte ausſpricht, wie es wohl ein
wiſſenſchaftliches Verfahren zu begleiten pflegt,
das eine eigenthuͤmliche Unterſuchungsweiſe auf
eignes Studium der Quellen anwendet: ſo mag
ich verſichern, daß dieſes Gefuͤhl bei mir niemals
im Widerſpruch geſtanden hat mit der dankbaren
Anerkenntniß, durch Anderer Forſchungen vielfach
belehrt, geleitet, erweckt worden zu ſein, und mit
der groͤßten Bereitwilligkeit, dieſe Belehrung auf
unzaͤhligen einzelnen Stellen einzugeſtehn. So
werden Voß in der Darſtellung des Apollon-Phoͤ-
bos, Buttmann in der des menſchlichen Herakles
manche Idee als die ihrige wiedererkennen; wie
vielfachen Reiz der Forſchung ich einem andern
[XV] eminenten Mythologen verdanke, habe ich nie ver-
hehlen wollen. Von Boͤckh, kann ich gar nicht
mehr angeben, wie viel durch Unterricht und Mit-
theilung in meine Studien und namentlich in dies
Buch uͤbergegangen iſt, und kaum dafuͤr brauche ich
des trefflichen Gelehrten Verzeihung zu erbitten,
wenn ich Einiges unreif und voreilig ausgeſpro-
chen, woruͤber wir von ihm reiflichere Erwaͤgung
und gediegnere Eroͤrterung zu erwarten haben.
Wie er mich auch durch Mittheilung von In-
ſchriften und durch berichtigende Bemerkungen nach
Zuſendung der Bogen unterſtuͤtzt, habe ich einige-
mal anzumerken Gelegenheit gefunden. Weniger
konnte ich, ohne weitlaͤuftig zu werden, des ſtill-
fortwirkenden Einfluſſes gedenken, den Heerens
leitender Rath und Diſſens belehrendes Geſpraͤch
auf mein Buch geuͤbt haben, welche Gelehrte
uͤberdies durch den freundlichſten Antheil am Fort-
gange des Unternehmens den wankenden Muth
der Arbeit oftmals neu befeſtigten. Schließlich
bemerke ich noch, daß die Erwaͤhnungen der In-
ſchriften, die Fourmont nach Paris gebracht, ſo
wie derer, die der Engl. Conſul Sherard in Klein-
aſien ſammelte, und einiger andern in Paris und
London befindlichen Steine, dann auch des Reiſe-
journals Fourmonts des Neffen, mancher durch
Lord Elgin an das Brittiſche Muſeum gekomme-
nen Zeichnungen, mehrerer Griechiſchen Muͤnzen
in noch nicht herausgegebnen Sammlungen, wie
[XVI] bei Payne Knight, Lord Northwick, u. dgl. m.
ſich auf Autopſie gruͤnden, der eine nach England
und Frankreich auf huldvolle Veranſtaltung unſrer
Regierung unternommene Reiſe die Gelegenheit
gab.
[XVII]
Inhaltsverzeichniß.
- Einleitung. Ueber den Norden Griechenlands.
Graͤnzvoͤlker: Illyrier, von denen Makedonier und Theſ-
ſaler ſtammen, die alten Phryger, und Thraker. Von
den Nordſtaͤmmen der Griechiſchen Nation, den Helle-
nen, Achaͤern, Minyern, Joniern, Doriern, deren Ur-
vaterland in Hyllis geſucht wird, und dem Verhaͤltniß
derſelben zum Ganzen des uͤbrigen Volkes. S. 1. - Erſtes Buch.
Aeußere Geſchichte des Doriſchen Stammes.
1. Die Dorier in Theſſalien. Beſchreibung von Tem-
pe, den Olympospaͤſſen, Heſtiaͤotis. Von den Perrhaͤbern
und Lapithen, und der Dorier Verhaͤltniſſen zu dieſen.
Aegimios. Zug nach Kreta. S. 17. - 2. Die Dorier am Oeta und Parnaſſ. Beſchrei-
bung der Landſchaft, Bezeichnung der Doriſchen Orte.
Verhaͤltniß zu den Dryopern und deren Schickſale, zu
den Maliern, zu den einwandernden Aenianen. S. 35. - 3. Heraklidenzug. Daß die Herakliden von Urſprung
Dorier, nicht Argeier. Quellen der angeblichen Ge-
ſchichte des Zugs, abweichende Traditionen, Analyſe der
gewoͤhnlichen. S. 46. - 4. Der Peloponnes, die Akropole Griechenlands. Con-
ſtruktion ſeiner Gebirge, Naturbeſchaffenheit von Arka-
dien, Lakonika, Meſſenien, Argolis, Achaja, Elis. Ue-
ber die aͤlteſte Urbarmachung, und die Schickſale der
Ureinwohner. Wie die Doriſchen Einwandrer die Herr-
ſchaft gewannen. S. 66. - [2]
[XVIII] 5. Die Dorier im Peloponnes. In Argos, von da
in Sikyon, Phlius, Kleonaͤ, Epidauros, Aegina, Troͤzen.
Ueber die undoriſchen Orte von Argolis, den politiſchen
Verband dieſer Landſchaft, das Verhaͤltniß der Dryoper.
Gruͤndung von Korinth und Megara. Eroberung Lako-
nika’s und Verhaͤltniß der Dorier zu den Achaͤern; Meſ-
ſeniens Einnahme und innere Zuſtaͤnde. S. 78. - 6. Anlagen der Dorier außerhalb des Pelo-
ponnes. Von Argolis aus in Kleinaſien; Zuſammen-
ſtellung der hiſtoriſchen, und Wuͤrdigung der mythiſchen
Nachrichten. Von Korinth in Sicilien und dieſſeits des
Joniſchen Meeres. Von Megara in Thrakien und Sici-
lien. Von Sparta in Aſien und Italien. S. 102. - 7. Geſchichte des Peloponnes bis Olymp. 40.
- Ueber die aͤlteſten Denkmale und andre Quellen der Ge-
ſchichte. Lykurg und der Gottesfrieden. Die Meſſeni-
ſchen Kriege. Sparta’s Verhaͤltniſſe zu den Arkadern,
der Argeier zu den Umwohnern, Sparta’s und der Ar-
geier zu einander. Pheidon, und die nachfolgende
Zeit. S. 129. - 8. Zeit der Tyrannen, in Sikyon, Korinth, Epidau-
ros, Megara. Sparta’s Unternehmungen gegen dieſe
und andre. Kleomenes Thaten gegen Argos, und Argos
innere Umwaͤlzung. Megara’s Krieg mit Athen. S. 160. - 9. Zeit der Perſerkriege und bis zu dem Pelo-
ponneſiſchen. Von dem Peloponneſiſchen Bunde
und ſeinen innern Verhaͤltniſſen. Sparta’s Hegemonie.
Symmachie gegen die Perſer. Inwiefern Athen die He-
gemonie erhalten, und die Griechen Aſiens befreit habe.
Innere Kriege im Peloponnes, Krieg mit Athen. Ver-
anlaſſung und Bedeutung des Peloponneſiſchen. S. 178. - Zweites Buch.
Religion und Mythus des Doriſchen Stammes.
Apollon, Urſprung und Verbreitung des Dienſtes.
1. Apollon, keine Pelasgiſche, Orientaliſche, Italiſche, eine
aͤchthelleniſche, Doriſche Gottheit. Tempe die Wurzel
des Dienſtes von Pytho und Kreta. Bildung des Py-
[XIX] thiſchen Inſtituts durch die Kriſſaͤiſche Niederlaſſung;
innere und aͤußere Verhaͤltniſſe derſelben. S. 199. - 2. Kretiſche Apollokolonieen in Lykien und Troas (von dem
Cult der Aeneaden und der Sage von Aeneias in Itali-
en), in Thrakien, bei Milet und Kolophon, zu Troͤzen,
Taͤnaron, Megara, Thorikos (in Zuſammenhang mit dem
Leukadiſchen Dienſt; von dem Leukadiſchen Sprunge).
Der Pythiſche Dienſt in Boͤotien, und durch die Jonier
in Attika; von der Gruͤndung Apolliniſcher Feſte und
der politiſchen Bedeutung des Cultus in Athen. S. 215. - 3. Apollocult durch den Heraklidenzug im Peloponnes allge-
mein, mit den Olympien vereinigt, Helleniſcher Natio-
nalcult. Weitre Verbreitung durch Ausſendung von
Unterthanenvoͤlkern des Pythiſchen Gottes, die Amphikty-
onie, Kolonieen. S. 248. - 4. Die Hyperboreerſage, anſaͤſſig in Delphi, Delos, Olym-
pia. Ueber das urſpruͤngliche mythiſche Lokal des Vol-
kes, und warum es von Manchen nach Weſten verſetzt
worden. Der ethiſche und religioͤſe Begriff der Hyper-
boreer. S. 267. - Von dem Begriff und Weſen des Apollokults.
5. Daß der Apollocultus mit geringen Ausnahmen uͤber-
all nach Urſprung und Charakter derſelbe; daß er kein
Naturcult, Apoll nicht Sonnengott ſei. S. 280. - 6. Die Homeriſche Idee des raͤchenden und ſtrafenden Apoll
ausgefuͤhrt; ihr gegenuͤber die des helfenden und retten-
den geſtellt. Paͤan, Agyieus, Apollon. Im Mittelpunkt
der Begriff der Reinheit, des Lichts. Phoͤbos, Lykeios.
Der Cultus ein dualiſtiſch-ſupranaturaliſtiſcher. S. 292. - 7. Dieſelben Ideen nachgewieſen in der mythiſchen Geſchichte
des Gottes, ſeiner Geburt nach Deliſcher, ſeinem Kampf
mit Python nach Delphiſcher Sage. Mimiſche Darſtel-
lung des letztern und der Dienſtbarkeit des Gottes. S. 308. - 8. Dieſelben im Cultus. Von den unblutigen Opfern und
den Reinigungsgebraͤuchen deſſelben. Verhaͤltniß und
Ordnung der Suͤhn- und Reinigungsfeſte. Apollini-
ſche Mordſuͤhne, auch im Attiſchen Criminalrecht. Apol-
liniſche Weiſſagung und Muſik, Charakter und einzelne
Weiſen der letztern. Von Apollons Feſten und dem
abweichenden Charakter der Hyakinthien. Seine Geſtalt
[XX] in der bildenden Kunſt nach verſchiednen Epochen. Ein-
fluß des Cultus auf geiſtige Bildung und Philoſophie. S. 324. - Artemis.
9. Die Doriſche Artemis, Apollons Schweſter, geſchieden
von der Altpeloponneſiſchen Naturgoͤttin, an welche die
zu Ortygia in Sicilien, die Brauroniſche, die Orthia
oder Iphigeneia ſich anreihen, ſo wie von der aus Kap-
padokien ſtammenden Goͤttin von Epheſos. S. 367. - Andre Gottheiten.
10. Von den Geſtalten des Zeus- Hera- Athena- Deme-
ter- Poſeidon- Dionyſos- Aphroditen- Asklepios- Cha-
riten- Eros- Dioskuren-Cultus bei den Doriern, und
dem Charakter Doriſcher Religioſitaͤt im Allgemeinen. S. 394. - Herakles.
11. Von dem Doriſchen Herakles und ſeinen Thaten in
Theſſalien, Aetolien, Epeiros, Doris, deren aͤußerem Zu-
ſammenhange und idealer Bedeutung. Uebertragung der
Doriſchen Mythen auf Boͤotien, und von dem Attiſchen
Heraklesdienſt. S. 411. - 12. Von der Bildung der Peloponneſiſchen Heraklesfabel
aus alteinheimiſcher Sage und der Uebertragung Dori-
ſcher. Mythen von Herakles durch Colonieen und Umna-
mung andrer Daͤmonen entſtanden aus Koiſchem, Lydi-
ſchem, Bithyniſchem, Phrygiſchem, Phoͤnieiſchem Cultus.
Ueber die Idee dieſes Heroenmythus, und die komiſche
Seite der Fabel. S. 441. - Drittes Buch.
Staat der Dorier.
1. Einheit und Beſtaͤndigkeit Principe deſſelben. Stand-
punkt deſſelben in der allgemeinen Geſchichte des politi-
ſchen Lebens der Hellenen. Daß es wirklich einen Dori-
ſchen Staat gegeben. Wie derſelbe in der Verfaſſung Spar-
ta’s realiſirt ſei, unter Einfluß von Kreta und Delphi. S. 5. - 2. Unterthaͤnigkeitsverhaͤltniſſe. Von Sparta’s
Perioͤken, ihrer Eintheilung, politiſchen Rechten, und
[XXI] Geſchaͤften. Dabei von der Talthybiaden und andrer
Familien erblichen Aemtern. S. 21. - 3. Von den Heloten. Ueber die Benennung derſelben, ihr
ſtaatsrechtliches Verhaͤltniß, wie ſie behandelt wurden.
Kryptie. Wege zur Freiheit. Ueber die Zahl der Un-
terthanen Sparta’s, die Eintheilung des Lakoniſchen Ge-
biets, das Stadtgebiet und die Komen. S. 33. - 4. Von den unterthaͤnigen Staͤnden in Kreta, Argos, Epi-
dauros, Korinth, Sikyon, in den Kolonieen Syrakus,
Byzanz, Herakleia, Kyrene. Vergleichung der Peneſten
Theſſaliens, und Proſpelaten Arkadiens. Von dem Ge-
genfatze der πόλις zu den Demen in Arkadien und ſonſt,
und wie durch Aufhebung deſſelben Demokratieen ent-
ſtanden. S. 52. - 5. Von den freien Staatsbuͤrgern. Einthei-
lung derſelben in die Doriſchen Phylen und andre hin-
zutretende, dann in die ὠβαὶ, πἁτϱαι, τϱιακάδες.
Vom Unterſchied der Homoͤen und Hypomeionen. Ver-
theilung der Staatsgewalt. Von den Volksver-
ſammlungen in Sparta und Kreta. S. 75. - 6. Von der Geruſia zu Sparta, Kreta und Elis, und dem
Koͤnigthum in Sparta und andern Doriſchen Staa-
ten. S. 91. - 7. Von Sparta’s Ephoren, threm urſpruͤnglichen Amte und
deſſen allmaͤliger Ausdehnung, auch andern Magiſtraten
deſſelben Staats. S. 111. - 8. Ueber die Wuͤrden, die an die Stelle des Koͤnigthums
traten, die Kosmen Kreta’s und die Prytanen in Ko-
rinth und ſonſt. Vermuthungen uͤber die fruͤhere Bedeu-
tung der Attiſchen. Von den Artynen und Demiurgen
in andern Staͤdten. S. 130. - 9. Ueber die Umwandlungen der Verfaſſung in den Dori-
ſchen Staaten Argos, Epidauros, Aegina, Kos, Rhodos,
Korinth, Korkyra, Ambrakia, Leukadien, Epidamnos,
Apollonia, Syrakus, Gela, Akragas, Sikyon, Phlius,
Megara, Byzanz, Chalkedon, Herakleia Pontika, Knidos,
Melos, Thera, Kyrene, Taras, Herakleia Siritis, Kro-
ton, Delphi. Von der Tendenz der Spartiatiſchen Ver-
faſſung, und ihrer Bedeutung fuͤr das Holleniſche Ge-
ſammtleben. S. 142. - [XXII] 10. Von der Haushaltung der Doriſchen Staaten.
Vertheilung des Landbeſitzes. Syſſitien. Lakoniſche
Hauswirthſchaft. Gebrauch des Geldes. Von der Aegi-
netiſchen, und der Italiſch-Sieiliſchen Muͤnze. S. 189. - 11. Von der Gerichtsverfaſſung in Sparta, und den
entſprechenden Inſtitutionen des Zaleukos fuͤr die Epi-
zephyriſchen Lokrer. S. 218. - 12. Doriſche Kriegsverfaſſung. Von der Aushebung,
Gliederung, den Befehlshabern, Truppengattungen, der
Bewaffnung und Taktik des Spartiatiſchen Heeres. Von
dem Charakter Doriſcher Kampfweiſe, und der kuͤnſtleri-
ſchen und heitern Anſicht des Kriegs. S. 231. - Viertes Buch.
Sitte und Kunſt der Dorier.
1. Privatalterthuͤmer. Wohnung. Dabei von der Dori-
ſchen Tempelbaukunſt, und dem Charakter dieſer Archi-
tektur im Gegenſatz einer fruͤhern vordoriſchen. S. 253. - 2. Kleidung. Freiere der Jungfrauen als der Eheweiber.
Schlichte Einfachheit der Maͤnnerkleidung; Bedeutung
der Art des Umwurfs; Charakteriſtiſches der Tracht. S. 260. - 3. Sitten des Mahles. Syſſitien als Reſt alten Her-
kommens; von den Speiſen und der Weiſe des Trin-
kens; der geſellſchaftlichen Ordnung; dem Ton der Un-
terhaltung. S. 273. - 4. Perſoͤnliche Verhaͤltniſſe der Geſchlechter.
Knuͤpfung der Ehe durch Verlobung und Raub, Zeit
derſelben, Noͤthigung der Geſetze. Verhaͤltniß der Gat-
ten, und von der Bildung und Sitte Doriſcher Frauen
uͤberhaupt. Verhaͤltniſſe verſchiedner Alter.
Von der Knabenliebe, wie ſie faktiſch in Kreta und
Sparta beſtand, und ihrer urſpruͤnglichen Bedeutung. S. 280. - 5. Erziehung. Form derſelben, Eintheilung und Stufen-
ordnung der Knaben, Juͤnglinge, Maͤdchen in Sparta
und Kreta. Mittel derſelben. Gymnaſtik, Betrieb
dieſer Kunſt bei den Doriſchen Voͤlkerſchaften, Uebung
der Jugend in Ertragung und Entbehrung. Mu-
ſik. S. 299. - [XXIII] 6. Von der Doriſchen Tonart. Charakter der Muſik in
Sparta und andern Staaten, allgemeine Uebung und
Einfluß derſelben auf die Sitten, Betrieb in den ver-
ſchiednen Staͤdten des Stammes. Orcheſtik, zuerſt
gymnaſtiſche, dabei von den Embaterien und der Pyr-
rhiche; dann mimiſche. Deikelikten. Bukoliasmen. Komik
bei Bakchiſchen und Cerealiſchen Feſten. S. 316. - 7. Komoͤdie der Megarer, Mutter der Attiſchen, zuſammen-
haͤngend mit der Siciliſchen. Phormis, Epicharm. Ue-
ber das Italiſche Drama nach Vaſengemaͤlden. So-
phrons Mimen, deren rhythmiſcher Bau u. kuͤnſtleriſcher
Charakter. Rhinthons Phlyaken. Urſpruͤnge der Tra-
goͤdie in Sikyon, des Satyrſpiels in Phlius. Von der
orcheſtiſchen Poeſie als Doriſcher Lyrik. — Plaſtiſche
Kunſt bei dieſem Volkſtamme. S. 349. - 8. Ausbildung der Rede bei den Doriern. Gnomi-
ſcher und apophthegmatiſcher Charakter derſelben. Bra-
chylogie und Witz der Dorier. Griphen. Symbotiſche
Spruͤche der Pythagoreer, von Doriſchem Gepraͤge, wie
dieſe Philoſophie uͤberhaupt. S. 383. - 9. Ueber die Weiſe des taͤglichen Lebens u. die Behandlung
des Todes. — Grundlinien einer Darſtellung des Dori-
ſchen Charakters uͤberhaupt; dann von dem Eigen-
thuͤmlichen in der Sinnesart der Spartiaten, Kreter,
Argeier, Rhodier, Korinther, Syrakuſier, Sikyonier,
Phliaſier, Megarer, Byzantier, Aegineten, Kyrenaͤer,
Tarantiner, Meſſenier, Delpher. S. 397. - Beilagen.
1. Rechtfertigung der Karte des Peloponnes. Quel-
len. Mathematiſche Beſtimmungen, allgemeine Meſ-
ſungen und Routen bei den Alten. Achaia, Sikyon und
Korinth, Megara, Argolis, Arkadien, (uͤber deſſen politi-
ſche Eintheilung vor Erbauung von Megalopolis), Lako-
nika, Meſſenien, Elea und Triphylien. Ueber Ptolemaͤos
Angaben. S. 423. - 2. Herakleen. Herodor, die Logographen, Panyaſis,
Steſichoros, Peiſandros, Kinaͤthon, Heſiodiſche Ge-
dichte. S. 463. - [XXIV] 3. Chronologiſche Tafel bis Olymp. 87, 2. mit An-
merkungen. S. 483. - 4. Vom Doriſchen Dialekt. Von einer Griechiſchen
Urſprache; daß die Doris erſt durch Dorier und Aetoler
in den Peloponnes gekommen; von ihrem Charakter im
allgemeinen, und den beſondern Eigenthuͤmlichkeiten der
Doriſchen Volksmundarten. Ueberſicht der einzelnen. S. 511. - Nachtraͤge und Verbeſſerungen. S. 517.
Einleitung.
Ueber den Norden Griechenlands.
1.
Der Urſprung des Doriſchen Stammes liegt in
den Gegenden, wo gegen Norden die Griechiſche Nation
an ganz verſchiedene, weit verbreitete Staͤmme der Bar-
baren graͤnzt. Ueber dieſe Graͤnzen ſteigt zwar Men-
ſchengedenken nirgend hinauf, und hat von einem jen-
ſeits liegenden Urſprung auch nicht den leiſeſten Schim-
mer einer Ueberlieferung bewahrt. Aber an den Graͤnzen
ſelbſt entwickelten ſich viele der Bewegungen, welche
den Zuſtand des geſammten Volkes hinter einander ver-
aͤnderten, und wurden viele der Impulſe gegeben,
welche durch alle Glieder deſſelben und lange Zeiten
nachwirkten. Das Hauptgeſetz dieſer Bewegungen
war ein ſtetiges Vordringen der barbariſchen Staͤmme,
beſonders der Illyrier, gegen welches ſich auffallender
Weiſe Griechenland, obgleich dadurch fortwaͤhrend ge-
druͤckt, beſchraͤnkt und ſelbſt Theile ſeines Ganzen da-
durch verlierend, doch nie zu einmuͤthiger Gegenwehr
vereinigte: wohl deswegen, weil das Geſicht von Grie-
chenland durchaus nach Suͤden gekehrt, alles Augen-
merk dahin gerichtet war.
II. 1
[2]
2.
Um fuͤrs erſte eine Graͤnzbeſtimmung aufzuſtel-
len, die wir hernach genauer modificiren koͤnnen, ſo
nennen wir den Gebirgszug, der ſich vom Olymp gegen
Weſten bis an das Akrokerauniſche Gebirg erſtreckt,
die Kambuniſchen Berge und den Lakmon inbegreift, und
in der Mitte einen Knoten mit dem von Nord nach
Suͤd ſtreichenden Pindos bildet. Der weſtliche Theil
dieſer Kette trennt die letzten Griechenſtaͤmme von der
großen Illyriſchen Nation, die ruͤckwaͤrts bis an die
Kelten in Suͤddeutſchland reichte. Jeder Aufſchluß uͤber
den Zuſammenhang, die Eigenthuͤmlichkeit und den
Sprachſtamm dieſes Volkes wird uͤberaus willkommen
ſein, und die Dialekte der Albaneſen, beſonders in den
Gebirgen, wo ſich das Urſpruͤngliche unvermiſchter er-
halten, werden zur Forſchung Stoff geben 1. Bis zur
Ausmittlung des naͤhern Verhaͤltniſſes ſind ſie fuͤr uns
nur noͤrdliche Graͤnze des Griechenvolks, von dem ſie
an Sprache und Sitte nationell verſchieden waren.
3.
Makedonien hatte mit den Illyriſchen Staͤm-
men einen Theil der Sprache und die Tracht der Chlamys
ſowohl als des Haares gemein 2, woraus ganz deut-
lich erhellet, daß die Makedonier zur Illyriſchen Na-
tion gehoͤrten 3. Indeſſen iſt kein Zweifel, daß Grie-
chen hier Ureinwohner waren. Die Ebnen von Ema-
thien, der ſchoͤnſte Theil des Landes, waren Sitz der
Pelasger 4, die nach Herodot auch Kreſton oberhalb
Chalkidike inne hatten, wohin ſie aus Theſſaliotis ge-
[3] kommen waren 1. Daher war die Makedoniſche Spra-
che voll griechiſcher Stammwoͤrter. Und daß dieſe nicht
etwa durch die helleniſche oder helleniſirende Koͤnigsdy-
naſtie hineingekommen ſind: geht daraus hervor, daß
viele derſelben Bezeichnungen der einfachſten Begriffe
waren, die keine Sprache von einer fremden entlehnt,
und daraus, daß dieſe Worte nicht in ihrer griechiſchen
Form, ſondern nach einem innerlichen Organismus um-
gebildet erſcheinen 2. Man findet im Makedoniſchen
grammatiſche Formen, die gemeinhin aeoliſch genannt
werden 3, manches Arkadiſche 4 und Theſſaliſche 5; und
was vielleicht am meiſten Aufſchluß verheißt, mehrere
Worte, die aus dem Griechiſchen verſchwunden, ſich
noch im Latein erhalten haben 6. Zum Doriſchen Dia-
lekt zeigt ſich keine beſondre Verwandtſchaft; daher wir
Herodots, auch ſonſt wenig unterſtuͤtzte Annahme einer
urſpruͤnglichen Identitaͤt des Doriſchen und Makedniſchen
(Makedoniſchen) Volks auf ſich beruhen laſſen. Bei
Andern heißt Makednos Sohn des Arkadiſchen Voͤlkerva-
ters Lykaon 7, oder Makedon Bruder des Magnes, oder
Sohn des Aeolos, wie Heſiod und Hellanikos ange-
1 *
[4] ben 1: mannigfache Bemuͤhungen, den halbgriechiſchen
Volkſtamm mit der uͤbrigen Nation genealogiſch zu ver-
binden.
4.
So wie die Makedonier, ſo ſind wohl auch die
Theſſaler Illyrier, welche eine griechiſche Bevoͤlke-
rung unterworfen haben, nur daß hier die Zahl der Ein-
wandrer geringer, die Maſſe und Cultur der Ureinwoh-
ner uͤberwiegend war. So kam es, daß die Theſſaler
weit mehr zu Griechen wurden, als ihre noͤrdlicheren
Stammverwandten, daß namentlich die Sprache faſt
durchaus griechiſch, und zwar vielleicht der altepiſchen
aͤhnlicher war, als ein andrer Dialekt. Aber was wir
als des eingewanderten Volkes Eigenthuͤmlichkeit kennen,
iſt ungriechiſch. Die nationale Tracht 2, wozu der fla-
che und breite Hut Kauſia und die Chlamys gehoͤrte, die
den beiden Voͤlkern gemein, aber den Griechen Homers
und noch lange hernach unbekannt war 3, bis man ſie in
Athen als Ritterkleid annehmlich fand — iſt ein genuͤ-
gendes Beiſpiel. Auch den Gebrauch der Reiterei im
Kriege haben ohne Zweifel erſt die Theſſaler nach Grie-
chenland gebracht. Was aber vielleicht hoͤheres Gewicht
als die angefuͤhrten Aeußerlichkeiten hat, iſt einerſeits
der ungeſtuͤme und leidenſchaftliche Sinn, andrerſeits
die geiſtige Unbedeutendheit und Armuth derſelben —
denn die Liebe des reichen Skopadenhauſes zur Kunſt
beweiſt nicht mehr, als die eines Archelaos in Makedo-
[5] nien fuͤr das Geſammte. Hiedurch ſind ſie genugſam
von dem durch die Natur edelgeſchaffnen Stamme der
Griechen unterſchieden. Wir werden alſo anzunehmen
bewogen, daß dieſes Volk, welches kurz vor dem Hera-
klidenzuge aus Thesprotien, und zwar aus der Gegend
von Ephyra (Kichyros) in die Ebne des Peneios ein-
wanderte, vorher ſchon aus dem Gebiete der Illyrier
dahin hinabgekommen war. Dagegen koͤnnen freilich
manche [Uebereinſtimmungen] in den Sitten der Theſſaler
mit den Doriern angefuͤhrt werden. So daß ſie ebenfalls
jene eigenthuͤmlich Doriſche Maͤnnerliebe hatten, und den
Geliebten (wie die Spartaner) Ἀΐτας nannten 1, daß
ſie ferner die Frauen, gleich den Doriern, mit dem Na-
men Herrinnen (δέσποιναι) ehrten 2. Indeſſen war ein
freieres und allzufreies Verhaͤltniß des weiblichen Ge-
ſchlechts bei allen Illyriern herkoͤmmlich, die ſich darin
ſchon dem Norden naͤherten 3. Ueberhaupt aber ſind
durch dieſe Wanderungen noͤrdlicher Staͤmme nach Suͤden
Sitten, Einrichtungen, Verhaͤltniſſe unter den Griechen
verbreitet worden, die dem von Homer dargeſtellten
Griechenlande voͤllig fremd waren.
5.
Wie viel Land Illyriſche Voͤlker im Weſten uͤber
Griechenland gewannen: ſchließt man hieraus. Epeiros
war ehemals groͤßtentheils von Pelasgern bewohnt gewe-
ſen 4, die Umwohner von Dodona waren ſolche nach ſich-
rer Ueberlieferung, die geſammten Thesproter 5, die
Chaoner an den Akrokerauniſchen Gebuͤrgen ebenfalls 6,
wie gegenuͤber in Italien die Choner, Oenotrer und Peu-
[6] ketier 1. Auch find die alten Bauten, Inſtitute, Goͤt-
terdienſte der Epeiroten unverkennbar Pelasgiſch. Von
den Pelasgern aber ſetzen wir voraus, daß ſie Griechen
waren und Griechiſch redeten, welche Meinung wir hier
nur im Voruͤbergehen mit wenigen Gruͤnden unterſtuͤtzen
koͤnnen. Man bedenke, daß alle nachwandernden Staͤm-
me, Achaeer, Jonier, Dorier, wie wir beſonders von
dieſen wiſſen, nicht ſtark und zahlreich genug waren, um
eine barbariſche Bevoͤlkerung zu helleniſiren 2, daß man-
che Gegenden, wie Arkadien und Perrhaͤbien, fortwaͤh-
rend pelasgiſch blieben, ohne von Ungriechen bewohnt zu
ſein, daß die aͤlteſten Namen der Griechiſchen Orte und
Sagen zwar andern Epochen der Sprache, aber nicht
einer andern Sprache angehoͤren, daß endlich die Ueber-
einſtimmung des Lateiniſchen mit dem Griechiſchen nur
durch das Mittelglied des Pelasgiſchen erklaͤrt werden
kann. — Nun waren aber die Epeirotiſchen Voͤlker durch
Einfluͤſſe, die ſie nur von Illyrien erhalten haben konn-
ten, faſt ganz barbariſirt 3, und das Helleniſche Volk
fing in geſchichtlicher Zeit erſt am Ambrakiſchen Meer-
buſen an. In ſpaͤtern Zeiten war uͤber die Haͤlfte
[7] von Aetolien ungriechiſch, ohne Zweifel Illyriſch 1, von
da draͤngten ſich die Epeirotiſch-illyriſchen Athamanen
auch in Suͤdtheſſalien ein 2. Wanderungen und Raub-
zuͤge, wie ſie ſchon in mythiſcher Zeit die Encheleer
unternahmen, haben fort und fort Griechenlands aͤchte
Bevoͤlkerung eingeſchraͤnkt und verdraͤngt.
6.
An den Illyriſchen Stamm gegen Oſten graͤnzten
damals außer Pelasgern die Phryger und Thraker.
Die Phryger waren damals unmittelbare Nachbarn
der Makedonier in Lebaͤa, bei denen ſie Bryger hießen
(Βρύγες, Βϱύγοι, Βϱίγες) 3, ſie wohnten am ſchneeigen
Bermios, wo die fabelhaften Roſengaͤrten des Koͤnig Mi-
das lagen, in denen der weiſe Seilenos luſtwandelnd ge-
fangen wurde, wie die anmuthige Sage meldet. Auch
kaͤmpften ſie von hier, wie die Telegonie des Eugammon
erzaͤhlte 4, mit den Thesprotern von Epeiros. Nicht
weit entfernt ſaßen die Mygdoner, die [naͤchſten] Ver-
wandten der Phryger. Nach Xanthos wanderte dieſes
Volk erſt in den Troiſchen Zeiten nach Aſien hinuͤber 5.
Aber theils beginnt die Kretiſche Sage mit Goͤtterdien-
ſten und Mythen, die nach den aͤlteſten Zeugniſſen von
Phrygern aus Aſien abſtammten 6, und dann werden
die Armenier, entſchiedene Stammverwandte der Phry-
ger 7, als ein in ihren Sitzen uraltes Volk betrachtet.
Wir werden uns daher begnuͤgen, denſelben Menſchen-
[8] ſtamm in Armenien, Vorderaſien, am Bermios anzu-
erkennen, ohne den einen Zweig vom andern ableiten
zu wollen. Es haben ſich in dem Landſtriche zwiſchen
Illyrien und Aſien, einer wahren Heerſtraße alter
Voͤlkerwanderungen, verſchiedene Nationen von verſchie-
denen Seiten durcheinander gedraͤngt und ineinander
geſchoben, ſo daß fruͤhere Continuitaͤt leicht aufgehoben
werden konnte. Fuͤr den Zuſammenhang des Phrygi-
ſchen Volkes mit andern ſind die Spuren ſeiner Spra-
che die wichtigſte Urkunde. Es wußten aber die Sprach-
gelehrten zu Platons Zeit wohl, daß viele Stamm-
woͤrter des Griechiſchen ſich auch mit geringer Veraͤn-
derung im Phrygiſchen fanden, wie Πῦρ, Ὕδωρ,
Κύων 1; und wenn das Armeniſche noch jetzt im innern
Bau bedeutende Aehnlichkeit mit dem Griechiſchen zeigt,
muß dies auf dieſelbe Grundverwandtſchaft zuruͤck-
gefuͤhrt werden. Indeſſen haben ſich die Phryger in
Aſien ohne Zweifel mannigfach mit Syrern gemiſcht,
die nicht blos jenſeits des Halys, ſondern auch dieſſeits
in Lykaonien 2 und bis Lykien 3 ſaßen, und daher gar
[9] Manches in Sprache und Religion von dieſen angenom-
men 1. Das Enthuſiaſtiſche jedoch und Orgiaſtiſche des
Cultus hatten ſie ſicher von jeher; es war ihnen gemein
mit den naͤchſten Nachbarn, den Thrakern; den eigentli-
chen Altgriechen ſcheint es faſt ganz fremd geweſen zu
ſein.
7.
Die Thraker, welche in Pierien am Olympos
ſaßen, und von da an den Helikon hinabgekommen wa-
ren, ſind als Urheber der Dionyſos- und Muſenvereh-
rung, als Vaͤter der griechiſchen Poeſie, duͤrfen wir
ſagen 2, fuͤr die Culturgeſchichte ein hoͤchſt bedeutendes
Volk. Wir muͤſſen von dieſen vorausſetzen, daß ſie eine
der Griechiſchen ſehr aͤhnliche Sprache redeten, weil ſie
ſonſt ohne bedeutende Einwirkung geblieben waͤren.
Ihre Wurzel hatten ſie zwar wohl in dem ſpaͤter ſo ge-
nannten Thrakia, wo die Beſſer am Pangaeon das Ora-
kel des Dionyſos verwalteten. Aber ob mit ihnen der
ganze große Volkſtamm, Edonen, Odomanten, Odryſen,
Treren u. ſ. w., ohne weitere Frage als identiſch ange-
nommen werden duͤrfe, oder ob nicht vielmehr dieſe
durchaus barbariſchen Nationen 3 nur durch die Grie-
chen den allgemeinen und fruͤher ſchon bekannten Namen
erhalten haben, laſſen wir dahin geſtellt. Zwiſchen dieſe
Voͤlker aber hat ſich beſonders der Paeoniſche Stamm
eingeſchoben, welcher durch eine uralte Wanderung der
Teukrer mit den Myſern 4 heruͤbergekommen war; zu ihm
[10] gehoͤrten die Pelagonen am Axios, die auch nach Theſ-
ſalien vordrangen, wie unten naͤher nachgewieſen werden
wird. Von den Teukrern aber wiſſen wir ſonſt nichts,
als daß ſie mit (Pelasgiſchen) Dardanern zuſammen den
Troiſchen Staat bildeten, deſſen Sprache dem Griechi-
ſchen wohl verwandt, vom Phrygiſchen verſchieden war 1.
8.
Der oben bezeichnete Gebirgsbezirk iſt es nun
weiter, in welchem der Urſprung der Voͤlkerſtaͤmme zu
ſuchen iſt, die in der heroiſchen Mythologie als die herr-
ſchenden und gewaltigen, und uͤberall im Gegenſatze einer
fruͤheren Urbevoͤlkerung auftreten. Es ſind dies nach
meinem Dafuͤrhalten nichts als noͤrdlichere Zweige der
griechiſchen Nation, welche ſich uͤber die ſuͤdlicheren ge-
worfen und ſie unterjocht haben. Das aͤlteſte Vaterland
der eigentlichen Hellenen, die in der Mythologie nur
einen kleinen Stamm in Phthia bezeichnen 2, lag nach
Ariſtoteles in Epeiros um Dodona, deſſen Gott Achil-
leus als den urvaͤterlichen Schirmer ſeiner Familie an-
fleht. Wahrſcheinlich waren die Achaeer, das herr-
ſchende Volk ſowohl Theſſaliens als des Peloponnes in
mythiſcher Zeit, gleichen Stammes und Urſprungs mit
jenem. Die Minyer, Phlegyer, Lapithen, Aeoler zu
Korinth und Salmone wurzeln in den Gegenden oberhalb
Pierien an Makedoniens Graͤnzen, wo das aͤlteſte Orcho-
menos, Minya, Salmonia oder Halmopia liegen 3.
4
[11] Nicht mehr nachweisbar ſind die Jonier in ihren noͤrd-
licheren Wohnſitzen, ſondern erſcheinen urploͤtzlich wie
vom Himmel gefallen in Attika und Aegialea: indeſſen
ſind auch dieſe keineswegs mit den Urbewohnern dieſer
Gegenden identiſch, und moͤgen ſich von irgend einem
noͤrdlicheren, wahrſcheinlich achaeiſchen Stamme losge-
loͤst haben 1. Die Dorier endlich finden wir in alten
Sagen und Gedichten an dem einen Ende jener oben be-
zeichneten Gebirgskette, naͤmlich am Olympos, ſeßhaft;
aber es iſt wahrſcheinlich, daß ſie fruͤher am andern noͤrd-
licheren Ende, an der aͤußerſten Graͤnze der Griechiſchen
Welt, ſaßen.
9.
Wir richten unſern Blick auf die Hylleer
(ϓλλεῖς, ῾ϓλλοι), welche am bezeichneten Orte, an den
Akrokeraunien naͤmlich, unterhalb der Bulinen 2 und
Encheleer wohnten, und auch dem Hylliſchen Hafen von
Korkyra den Namen gegeben hatten 3. Ihr Land wird
als eine große Halbinſel mit 15 Staͤdten beſchrieben,
die wohl meiſt nur gefabelt ſind. Nun heißt aber der
erſte der drei Doriſchen Staͤmme uͤberall Hylleis, und
die Homonymie mit dem Volke laͤßt die Vermuthung des
[12] Urſprungs von da aufkommen. Dieſe gewinnt an Wahr-
ſcheinlichkeit durch die Behauptung der Alten: jene Hyl-
leer ſeien eigentlich Hellenen; welches den oben auf-
geſtellten Thatſachen voͤllig analog iſt. Sie wird faſt
zur Gewißheit dadurch, daß dieſe Hylleer ebenſo wie die
Doriſchen von einem Sohne des Herakles, den er mit
der Melite, Aegaeos Tochter, gezeugt habe 1, hergelei-
werden; auch herrſchte in dieſen Gegenden wirklich alter
Heraklesdienſt 2 — und dadurch, daß der den Doriern
nationale Cultus des Apollon auch bei den Hylleern ſich in
dunklen Spuren erhalten hatte, indem ſie nach der Sage
einen Dreifuß als Zeichen unverletzlicher Heiligkeit in
unterirdiſchem Gemache bargen. Ein ſolches Zuſammen-
treffen berechtigt uns zu dem Schluſſe, daß wenigſtens
ein Theil des Doriſchen Volkes von dieſen aͤußerſten der
Hellenen abſtammt: wie viel dadurch in den aͤlteſten
Mythen deſſelben ſich erklaͤrt, wird unten gezeigt
werden.
10.
Hier koͤnnten wir die oben angekuͤndigte Be-
trachtung ſchließen, wenn nicht die — freilich ſehr an-
ſpruchsvolle — Frage einige Antwort verdiente: wie
man ſich das nationale Verhaͤltniß jener noͤrdlicheren
Einwohner zu den Ureinwohnern, wie uͤberhaupt der
griechiſchen Voͤlkerſtaͤmme untereinander zu denken habe?
Das Nachdenken daruͤber koͤmmt immer wieder auf jene
[13] Pelasger zuruͤck, die wenn auch nicht uͤberall im alten
Griechenland — denn die Sage unterſcheidet viele Voͤl-
kerſtaͤmme ſo von ihnen, daß nie Verwechſelung Statt
findet 1 — doch faſt immer da erſcheinen, wo fruͤhe
Landescultur, uralte Niederlaſſungen, bedeutſame und
vorzuͤglich heilige Culte ſich finden. Und zwar muͤſſen
wir von den meiſten der alten Goͤtterdienſte Griechen-
lands ſagen, daß ſie dieſem Stamme ihren Urſprung
verdankten. Zeus und Dione von Dodona; Zeus und
Hera von Argos, Hephaeſtos und Athena, Demeter und
Kora, der Arkadiſche Hermes und die Artemis Arka-
diens, Kadmos und die Kabiren koͤnnen nach der Weiſe
geregelter Forſchung auf keinen andern zuruͤckgefuͤhrt
werden. Wir muͤſſen alſo jenem Volke eine produktive
Fuͤlle im Erzeugen und zugleich eine noch nicht erſtarrte
Lebendigkeit im Metamorphoſiren des religioͤſen Lebens
beiſchreiben, ſo daß ſich dieſelbe Grundbildung an ver-
ſchiednen Orten anders entwickelte, beſonders dadurch,
daß Theile des Ganzen einſeitig feſtgehalten wurden, an-
dre verloren gingen. Auch erkennen wir an vielen Stel-
len die durchgehende Einheit jener Goͤtterdienſte; es
aͤußert ſich in Symbolen, Namen, Gebraͤuchen, Sagen
uͤberall eine verwandte Empfindungsweiſe und Gefuͤhls-
richtung; das hineinwirkende Phrygiſche und Thrakiſche
wie im Kretiſchen Zeus und im Dionyſos ſondert ſich
leicht davon; die Phoenikiſche und beſonders Aegyptiſche
Religion liegen fern ab, faſt unbekannt, wo ſie ſie auch
[14] in ihrer Naͤhe hatten, in ihrem Kern unverſtaͤndlich,
wenn ſie ſie kannten, im Geiſte widerſtrebend, wenn ſie
ſie verſtanden. Im Ganzen zeigen ſich die Pelasgiſchen
Goͤtterdienſte als einer naiven Naturreligion angehoͤrig,
die ſich mit Leichtigkeit um die verſchiednen Geſtaltungen
der beſondern Natur legt, und an kraͤftigen und energi-
ſchen Bezeichnungen tiefer und lebendiger Gefuͤhle eine
uͤberſchwengliche Fuͤlle hat.
11.
Die Goͤtterdienſte der noͤrdlichen Staͤmme da-
gegen, die man als Hellenen den Pelasgern entgegen
ſetzt, haben ſehr fruͤhzeitig eine mehr ethiſche Wendung
genommen, wozu die aͤußern Verhaͤltniſſe derſelben foͤr-
derlich waren. Das heroiſche Leben, welches keine Fa-
bel, die Richtung auf Kraftaͤußerung und That, die
Abneigung gegen jene harmloſe Naturbeſchaͤftigung, wel-
che in dieſen Staͤmmen unverkennbar, mußte andre
Keime urſpruͤnglicher religioͤſer Empfindung aufziehn und
zeitigen. Daher der Zeus Hellanios des Aeakos, der
Laphyſtios des Athamas, endlich der Doriſche, deſſen
Sohn, Prophet, Kaͤmpfer Apollon iſt, bei weitem mehr
Darſtellungen geiſtiger Weltordnung in alterthuͤmlicher
Weiſe ſind, als irgend ſchaffende Naturgewalten. In-
deſſen wird damit nicht gelaͤugnet, daß ruͤckwaͤrts eine
Zeit liege, in der auch dieſe Richtungen noch ungetrennt
geweſen. So laͤßt es ſich ſelbſt darthun, daß der Apol-
lon Lykeios der Dorier ganz aͤhnliche Ideen ausſpricht
als der Zeus Lykaͤos der Arkader, obgleich beide ſich
ganz abgeſondert entwickelt haben. So ſind auch alt-
Arkadiſche und Doriſche Sitten in den Grundzuͤgen aͤhn-
lich. Das Gemeinſame iſt ſchon hier nur durch Verglei-
chung zu gewinnen; die Ueberlieferung giebt gleich im
erſten Anfange eine Unzahl voͤllig geſchiedner Individua-
litaͤten in jeder Gattung, ohne die Frage zu loͤſen, wie
dieſe ſich ſo geſondert. Denn erſt nach der Sonderung
[15] verbanden ſich dieſe Individualitaͤten wieder zu einem
Ganzen, indem im Cultus ſowohl als durch die Dichter
neue von den fruͤhern oft grundverſchiedne Verhaͤltniſſe
beſtimmt wurden.
12.
Die Sprache des griechiſchen Urſtamms (neben
der Religion die aͤlteſte Urkunde der Geſchichte) muß,
wenn man aus innerer Conſequenz, dialektiſchen Spu-
ren, und der Vergleichung des Lateiniſchen argumentirt,
einen hoͤchſt kunſtreichen Organismus ſtarken und bedeuten-
der Flexionen und Formationen gehabt haben, den die
ſpaͤtere griechiſche oft ſehr abſchliff; in der aͤlteſten Zeit
galt Schaͤrfe und Praͤciſion in Angabe der Stamm- wie
der Beugungslaute noch hoͤher als die Leichtigkeit der
Ausſprache. Wo ſich die alte Zunge erhalten hatte,
mochte ſie den Spaͤtern rauh und fremdtoͤnend vorkom-
men; deren Sprache auch gegen das Lateiniſche in vieler
Art verzaͤrtelt war. Aber die Eigenheiten des aͤcht Dori-
ſchen Dialekts, welche ſich wahrſcheinlich auch zum Theil
im Aetoliſchen zeigten, ſind da, wo ſie nicht bloß aus treuer
Bewahrung des Alterthuͤmlichen hervorgegangen ſind,
wirkliche Ausweichungen aus der Urſprache, und finden
ſich daher nicht im Latein, ſie tragen, wenn ich ſo ſa-
gen darf, einen noͤrdlichen Charakter 1. Es kann wohl
keinem andern Umſtand als Einwanderungen, und be-
ſonders der Doriſchen, beigeſchrieben werden, daß der
Artikel, deſſen das Latein und der epiſche Dialekt ent-
behrt, eintrat; die Einfuͤhrung deſſelben iſt faſt wie in
den romaniſchen Sprachen als Zeichen einer großen Um-
waͤlzung anzuſehen. Die Eigenthuͤmlichkeit des Doriſchen
Dialekts muß im Ganzen ſchon in den Jahrhunderten
[16] der Wanderungen ſtatt gefunden haben, weil es ſich
ſonſt nicht erklaͤren laͤßt, wie ganz eigenthuͤmliche For-
men des Dorismus Kreta mit Argos, Sparta gemein
ſind; ſo wie auch die Dialekte, die man als Unterab-
theilungen der Aeoliſchen Mundart zu betrachten gewohnt
iſt, damals ſchon exiſtirt haben muͤſſen, da die Lesbi-
ſche Mundart der Boeotiſchen aus keinem andern Grunde
am naͤchſten kommt, als weil damals Boeoter nach Les-
bos wanderten. Der Joniſche Dialekt dagegen wird in
ſeinen Beſonderheiten wohl nur als eine im weichen Kli-
ma Aſiens unter aſiatiſchen Einfluͤſſen gebildete Mund-
art anzuſehn ſein, als eine Verweichlichung und Entar-
tung 1 — da der zunaͤchſt verwandte Attiſche Stamm in
ſeiner Sprache nur geringe Spuren davon zeigt. Aber
die Entſtehung des Attiſchen Dialekts iſt uͤberhaupt ſehr
raͤthſelhaft, da nicht anzunehmen iſt, daß eine Gemeine
von funfzehntauſend Maͤnnern von Anfang an eine von
den uͤbrigen Griechen ſo ſehr verſchiedne Mundart ge-
redet; ohne Zweifel haͤngt ſeine Bildung weit mehr von
der Schrift ab, und es ſind Bewußtſein und Reflexion
und freie Wahl zwiſchen ſchon vorhandnen Formen im
Attiſchen Dialekt weit thaͤtiger geweſen, als in allen
uͤbrigen. Der Verfaſſer verheißt, genauere und ſpe-
ciellere Unterſuchungen der Art in der zweiten Beilage
anzuknuͤpfen. —
[[17]]
Erſtes Buch.
Aeußere Geſchichte des Doriſchen Stammes.
1.
1.
“Seit alten Zeiten waren Dorier und Jonier die
geſonderten Hauptſtaͤmme der Nation, dieſe Pelasgi-
ſchen, jene Helleniſchen Geſchlechts, dieſe ein urein-
wohnendes, jene ein vielgewandertes Volk. Denn un-
ter Deukalions Herrſchaft bewohnten ſie Phthiotis;
unter Doros Hellens Sohn das Land am Oſſa und
Olympos, ſo Heſtiaeotis heißt. Da ſie aber aus He-
ſtiaeotis von den Kadmeern vertrieben wurden, wohn-
ten ſie am Pindos und hießen das Makedniſche Volk.
Von da wanderten ſie wieder nach Dryopis, und da
ſie von Dryopis nach dem Peloponnes gezogen, wur-
den ſie der Doriſche Volkſtamm genannt” 1.
Niemand wird dieſe zuſamenhaͤngende Darſtellung
als unmittelbar aus alter Ueberlieferung fließend an-
ſehn: ſie kann uns nur gelten als ein eigner wiſſen-
II. 2
[18] ſchaftlicher Verſuch des Vaters der Geſchichte, ver-
ſchiedne Sagen und Ueberlieferungen aneinander zu rei-
hen und zn ordnen; auch iſt nicht ſchwer, die dieſer
Verbindung zum Grunde liegenden Schluͤſſe aufzufin-
den und zu pruͤfen. Die Dorier ſind die aͤchten Hel-
lenen, ſagt Herodot, weil ſie damals als ſplche wirk-
lich anerkannt wurden 1. Nun iſt aber Hellen Sohn
des Deukalion, welcher in Phthia herrſchte, und das
alte Hellas ſelbſt in Phthia; darum — ſchließt er —
wohnten die Dorier vor alten Tagen in dieſer Land-
ſchaft. Herodot uͤberſah, daß die mythiſchen Hellenen,
ein kleiner Volkſtamm in Phthia, ganz andre Helden-
ſagen und Stammverbindungen haben, als die Dorier,
und im heroiſchen Mythus ſich durchaus keine Spur
von naher Verwandtſchaft beider zeigt. Dies beſeitigt,
kommen wir zur zweiten Angabe, die ganz den Stem-
pel alter Tradition traͤgt: Doros habe am Olymp
und Oſſa gewohnt. Hier alſo knuͤpft ſich die
wirkliche Erinnerung wieder an, nachdem ſie uns in
ſehr dunkeln Worten wie unbewußt von den Urſitzen
der Dorier an den Akrokeraunien geſprochen hatte.
Das Olymposgebirge, die Scheide der Voͤlker, deſſen
in den Himmel ragende Kuppe noch jetzt die Umwoh-
ner das himmliſche Haus nennen, iſt auch der Punct,
auf welchem die Dorier zuerſt in Griechenland auf-
treten.
2.
Der Gebirgskeſſel, welcher ſpaͤter Theſſalien
hieß, wird gegen Abend vom Pindos, gegen Mittag
vom Othrys, nach Morgen vom Pelion und Oſſa, in
[19] Mitternacht vom Olymp eingefaßt, unter welchem Na-
men aͤltere Schriftſteller, wie Herodot, auch die Berg-
kette inbegreifen, die man ſpaͤter (wahrſcheinlich illy-
riſch) die Kambuniſche nannte. Die Rinne des Peneios
liegt ſo, daß ſie die ebnen Striche gegen Mittag, das
alte Argos Pelasgikon, von den bergigern gegen Mitter-
nacht ſondert; ſie durchbricht gegen Nordoſt den Kamm
der Hoͤhen, indem ſie Oſſa von Olympos trennt. Der
Fluß ſchneidet auch hier, nach einem Naturgeſetze, naͤher
an den maͤchtigeren Maſſen des Olymposgebirges hin 1.
ſo daß der Pfad an der Seite des lehneren und durch-
brochneren Oſſa geht. Dieſe Thalſchlucht hieß mit
einem alten Gattungsnamen Tempea, iſt oͤfter dichte-
riſch geſchildert, ſelten fuͤr die Volksgeſchichte genugſam
betrachtet 2.
Vor dem Eingange in den Paß durchwandert man
eine kleine runde Thalebene von anmuthiger Umgebung, an
deren Ende zur linken Seite, wo die Berge ſich von bei-
den Seiten naͤhern, die alte Feſte Gonnos (Gonnoi)
lag, hundert und ſechzig Stadien entfernt von Lariſſa,
der Hauptſtadt der Ebene 3). Von da ſchließen die
Berge immer mehr zuſammen, bis ſie in zwei hohen
Felſenmauern einander gegenuͤber treten und einen
Schlund bilden, in dem an manchen Stellen nur die
Kunſt einen Fahrweg laͤngs des Fluſſes gehauen hat. In
2 *
[20] der Mitte deſſelben liegt jetzt auf einem kuͤhnen Vorſprung
des Oſſa eine Feſtung von roͤmiſcher Konſtruction, Ho-
raͤo-Caſtro genannt, ſie deckt zugleich eine Seiten-
ſchlucht dieſes Gebirges; auf demſelben Flecke ſtand
wahrſcheinlich einſt das Bollwerk Gonnokondylon,
dem die Thalwende den Namen gegeben zu haben ſcheint 1.
Nicht weit davon iſt die engſte Stelle des Bergthors
kaum hundert Fuß breit, welche nach einer Inſchrift L.
Caſſius Longin, Proconſul unter Caeſar, verſchanzte;
aber ſchon vorher mochten hier wenige Bewaffnete einer
bedeutenden Schaar das Vordringen wehren. Dieſe
Gegend iſt nichts weniger als anmuthig und lieblich zu
nennen, vielmehr von einer furchtbaren Wildheit, die
ſenkrecht geſpaltenen Felſenmaſſen von gleicher Steinart
erſcheinen wie auseinander geſprengt, meiſt nackt und
kahl; die Schwaͤrze des Schattens in der Tiefe und der
dumpfe Wiederhall vermehren das Duͤſtre des Ein-
drucks; unten ſprudelt der weißlichgefaͤrbte (αργυρόδινος)
Peneios. Nicht weit von jener ſchmalen Stelle oͤffnet
ſich die Enge gegen das Meer, welchem Peneios ver-
ſumpfend zufließt, von hier uͤberſchaut man die lachende
Landſchaft Pierien an der oͤſtlichen und aͤußeren Seite
des Olymp, namentlich die Ebnen von Phila, Herakleion
und Leibethron, welche weiter in die untern Gegenden
Makedoniens fuͤhren.
3.
Dies iſt die einzige Verbindungsſtraße Theſſaliens
mit den Nordgegenden, welche uͤberall im Thale fort-
fuͤhrt; alle andern ſind Bergwege. So die andre Straße
nach Makedonien, der Olympiſche Paß (ἐσβολὴ Ὀλυμ-
πική) 2. Auch dieſe geht von der ſtarkverſchanzten Fe-
ſtung Gonnos aus, dem Schluͤſſel des Landes gegen
Norden, und zieht ſich dann an der innern Seite des
[21] Olympos bis zu den Staͤdten Azoron und Doliche.
Zwiſchen dieſen beiden Orten iſt ein Dreiweg 1. Die
Hauptſtraße ſteigt in noͤrdlicher Richtung uͤber die Hoͤhe
der Kambuniſchen Gebirge nach dem Makedoniſchen Hoch-
lande hinuͤber; Xerxes ließ hier die Waͤlder lichten, um
ſeinem Kriegsheere Durchzug zu ſchaffen, welches die
Griechen auf dem ebneren Wege durch Pierien und Tempe
erwartet hatten, oft zogen in den Roͤmerkriegen bedeu-
tende Heere den Weg 2. Aber von dem bezeichneten
Scheidepunkte rechtsab gingen zwei beſchwerliche Berg-
wege uͤber die Hoͤhen des Olymp zur Verbindung Nord-
theſſaliens mit Pierien. Durch den einen umging man
den Tempepaß; denn er fuͤhrte uͤber die Feſte Lapa-
thus im Norden dieſer Schlucht 3, und bei dem klei-
nen See Askurias vorbei, von wo man nach dem 96
Stadien entfernten Dion an der Meereskuͤſte hinab-
ſchaut, dann in die Pieriſche Ebne hinunter. Aber
wichtiger iſt uns der andre noͤrdlicher gerichtete und
uͤber den hohen Ruͤcken des Olympos gelegte Weg, wo
das Caſtell Petra und der Tempel des Pythiſchen
Apollon, gewoͤhnlich Pythion genannt, nebſt einem
gleichnamigen Staͤdtchen lagen 4, deſſen Hoͤhe Xenago-
ras nach geometriſcher Meſſung auf 6096 griech. Fuß
[22] beſtimmt hatte 1. Von dieſem Punkte ſtieg man nun
entweder einen Gebirgsſteig zur Kuͤſte nach Herakleion
und Phila in Pierien herab, oder man zog den Kamm
des Olympos entlang auf ſehr beſchwerlichen und ge-
faͤhrlichen Wegen in das obere Makedonien hinein 2.
Dieſe Bergewege und Schluchten hat kein neuerer
Reiſender betreten, aber ihre Lage aus den Alten zu
entraͤthſeln, war fuͤr unſern Gegenſtand nicht unwich-
tig. Nicht bloß Perſeus und Aemilius Paullus kaͤmpf-
ten hier um das Schickſal Makedoniens, ſondern auch
die althelleniſchen Heldenvoͤlker um den Beſitz des
fruchtbaren Theſſaliens. Es war eine Zeit, da durch
dieſe Pforten die Voͤlker hinabdraͤngten, denen die
ſchoͤnſten Theile Griechenlands zufallen ſollten; hier
mußte jeder Fortſchritt mit Muͤhe errungen werden,
in dieſem allerſchwerſten Kriege ſtaͤhlten ſich die Soͤhne
des Gebirgs. Von den unzaͤhligen Burgen, wel-
che in dieſen Gegenden jeden wichtigen Punkt decken,
moͤchten die meiſten wohl ſchon in ſehr alter Zeit erbaut
ſein. So vertheidigen drei 3 den Olympiſchen Bergpaß,
oder den Weg von Gonnos nach Azoron und Doliche,
welche beiden Orte nebſt dem dritten Pythion auf der
Hoͤhe unter dem Namen der Tripolis Pelagonia
inbegriffen werden 4.
4.
Aber wenn in den hoͤhern Gegenden im Vorlande
gegen Makedonien faſt alle Orte namenlos ſind, weil ſich
die Griechiſche Geſchichte von da fortgezogen, ſo hat ſich
dagegen in der Thalebne am Fluſſe aller Orten ſagenhaf-
tes und geſchichtliches Andenken niedergelaſſen. Denn
[23] obgleich auch die Nordgebirge reichlicher Waſſerquellen,
immer gruͤner Niederungen, fetter Viehtriften nicht ent-
behren: draͤngten die Staͤmme doch beſtaͤndig nach dem
reichen Ackerlande des Thales. Hier folgt auf Gonnos
und Elateia zunaͤchſt Mopſion auf der rechten,
Gyrton und Phalanna auf der linken des Fluſſes,
dann Lariſſa in der Mitte des offenen Feldes 1,
welches als Niederſchlag des einſt ſtagnirenden Fluſſes
ſtehen geblieben, und von ihm fortwaͤhrend geduͤngt, von
jeher einen ertragreichen Ackerbau anregte. Oberhalb
Lariſſa, wo die Ebne ſich wieder zuſammenzieht, und
die Huͤgel von der Nordſeite nahe an den Fluß traten,
lagen, vierzig Stadien weiter hinauf Argura2, eben
ſo weit davon das feſte Atrax; an der obern Seite
des Fluſſes die altberuͤhmte Stadt Pelinna3, und
das Caſtell Pharkadon4. Dann am linken Ufer des
Peneios, wo das Gebirge von der Nordſeite wieder zu-
ruͤcktritt und eine neue Ebne ſich ausdehnt, die alte
Stadt Trikka5. Zwiſchen Trikka und Pelinna iſt die
Mythen-Stadt Oechalia anzuſetzen, deren Truͤm-
mer vielleicht noch ein Reiſender in alten Felsmauern
entdeckt 6, wie ſie in dieſer Gegend Pouqueville nicht
ſelten ſah. Verfolgt man von Trikka aus den Peneios,
der von Nordweſten kommt, weiter hinauf, ſo tritt man
[24] ganz in das Hochland Heſtiaeotis ein. Gegen viertehalb
Stunden von Trikka 1 kommt man jetzt nach dem Kloſter
Meteora, deſſen Name die wunderbare Lage auf hohen
Felſenpfeilern, Saͤulen, Cylindern anzeigt 2; von wo
ein Weg am Strome weiter hinauf gegen Weſten nach
Epeiros, ein andrer Paß gegen Norden uͤber Stymphaea
nach Elymiotis in Makedonien fuͤhrt 3. Dies war die
Lokalitaͤt der alten Feſtung Gomphoi, die gegen den
Pindos und nicht ſehr weit von der Quelle des Fluſſes
lag 4; ja es iſt wahrſcheinlich, daß auch der Name
Γόμφοι die keilaͤhnliche Form jener Felſen anzeigt. Nach
Strabo bildeten Gomphoi (in NW), Trikka (in SW),
Pelinna (NO), und die neuere Stadt Metropolis (SO)
ein Viereck von feſten Punkten, in deſſen Mitte die
alte Ithome lag, die Homer von der ſteilen Lage die
klimmfelſige (κλωμακόεσσα oder κλιμακόεσσα) nennt 5.
Von Meteora verfolgt man in noͤrdlicher Richtung den
Peneios hinauf bis zu ſeiner Entſtehung aus zwei kleinen
Fluͤſſen, ſteigt alsdann weſtlich ſich wendend uͤber die
ſehr hohe Bergkette des Pindos, und gelangt ſo nach
dem jenſeits gelegnen Epeiros, die alte Verbindungsſtraße
beider Laͤnder, an welcher noch mehrere kyklopiſche
Mauern zum Zeugniß alter Voͤlkerkaͤmpfe ſtehen.
[25]
5.
Nun wohnte in der Thalebne ſeit uralten Zeiten
ein Pelasgiſches Volk, welches den Goͤttern fuͤr das
Geſchenk eines ſo fruchtbaren Ackerbodens in dem Feſte
der Pelorien dankte. Sein Leben war ohne Zweifel der
umgebenden Natur gemaͤß, welche noch jetzt die Anwoh-
ner des Fluſſes zu ſanften und friedlichen Menſchen bil-
det, die ihr Daſein gern an die Scholle knuͤpfen, waͤh-
rend die Gebirgsbewohner bei groͤßerer Kraft groͤßere
Freiheit erſtreben 1. Die alte Hauptſtadt dieſes Volks
war Lariſſa 2. Aber ſchon ſehr fruͤh war die Urbevoͤl-
kerung durch noͤrdlichere Volkſtaͤmme theils in Unterwuͤr-
figkeit verſetzt, theils aus der Ebne hinausgedraͤngt
worden 3. Eine gewiſſe Freiheit behielten jederzeit die-
jenigen Ureinwoher, welche ſich in das Gebirge hinauf-
gezogen hatten, die Perrhaͤber. Das Homeriſche
Voͤlkerverzeichniß kennt Perrhaͤber auf der Hoͤhe Kyphos
am Olymp und am ſchoͤnſtroͤmenden Titareſios, der am
weſtlichen Saum des Olymposgebirgs hinfließend ſich
durch ſein klares und deswegen dunkles Waſſer von dem
ſchlammfuͤhrenden und darum weißlichen Peneios ſon-
dert 4. Auch heutzutage zeichnen ſich die Bewohner
ſeiner Ufer durch geſunde Friſche aus, waͤhrend am Pe-
neios die gelbe Farbe der Menſchen eine kraͤnkliche Na-
tur bezeichnet 5. Aber die Alten dachten beim Titare-
ſios an den Styx und die Unterwelt: deswegen, weil
bei dieſen Perrhaͤbern eben ſo wie bei den Hellopiſchen
Pelasgern der Name und Cultus von Dodona ſich feſtge-
ſetzt hatte 6. Und ſo war auch hier wie dort ein Pſycho-
[26] pompeion oder Todtenorakel. Der Fuͤrſt dieſer Perrhaͤ-
ber heißt Guneus, deſſen Name (von γοῦνος, die Frucht-
ſcholle) ein Andenken iſt an die fetten Felder des fruͤher
bewohnten Thals. So viel wiſſen wir aus der Ho-
meriſchen Stelle. Nachmals in geſchichtlicher Zeit fin-
den wir die Perrhaͤber weiter ausgedehnt von den Kam-
buniſchen Gebirgen, dem Tempepaß und dem Peneios
eingefaßt und ſich nach Weſten noch uͤber Pindos hinaus-
erſtreckend 1. Gonnos, Atrax waren Perrhaͤbiſch 2,
wenn auch unter Andrer Herrſchaft. Aber im Gebirge
erhielten ſich die Perrhaͤber, auch als die Theſſaler
die Ebne beſaßen, zwar nicht unabhaͤngig, aber doch
als beſondres, und bis in die Makedoniſche Zeit als
amphiktyoniſches Volk.
6.
In der Flußebne herrſchte indeß das Sagenvolk
der Lapithen, welches, wie ich gezeigt habe, aus Al-
mopien in Makedonien ſtammt, und mit den Phlegyern
identiſch, mit den Minyern und Aeolern zu Ephyra we-
nigſtens ſehr nah verwandt war 3. Duͤrfen wir den
reinmythiſchen Namen Lapithae als Volksbenennung
brauchen, weil wir doch in ihnen ein perſoͤnlich auftre-
tendes und in nationalen Verhaͤltniſſen ſtehendes Volks-
ganze erkennen: ſo ſagen wir, daß Lapithiſch waren die
Staͤdte Elateia, Gyrton, Mopſion, Lariſſa, Atrax,
Oechalia, Ithome, Trikka. Denn an dieſe knuͤpfen ſich
zum Theil ſchon nach dem Namen als einheimiſch die
Sagen von den Heroen Elatos, Kaeneus, Mopſos, Ko-
ronos, Eurytos, Hippodameia; und in den beiden letzt-
genannten ſind die Aſklepiaden einheimiſch, welche in
genealogiſchen und andern Sagen ſtets mit jenen verbun-
den ſind. Bei Homer folgen die Einwohner von Trikka,
Ithome, Oechalia den Soͤhnen des Asklepios; die von
[27] Argiſſa, Gyrton, Orthe, Elone und der weißen Stadt
Olooſſon den Lapithen. Nach Strabons Unterſuchungen
ſoll Orthe die Burg von Phalanna, Argiſſa das ſpaͤtere
Argura ſein, beide am Fluſſe, Elone ein Staͤdtchen am
Olymp 1, ſo daß die mythiſche Ethnographie, die wir
den Homeriſchen Katalogos nennen, mit den uͤbrigen
Sagen hier voͤllig in Einklang treten wuͤrde.
7.
Soviel mußte vorausgeſchickt werden, um den
Ort und die Nachbarſchaft getreu anzugeben, in welcher
die Dorier zuerſt in der griechiſchen Sage erſcheinen.
Sie graͤnzten naͤmlich an die Lapithen, aber in andrer
Lage als dieſe. Denn nicht in der Ebne, ſondern in
dem hoͤhern Lande, Heſtiaeotis, wohnten ſie nach Hero-
dot 2. Doch laſſen die oben angezogenen Worte die-
ſes Schriftſtellers auch ſchließen, daß Tempe zu He-
ſtiaeotis gerechnet wurde und damals Doriſch war; wie
ſehr dies der Altar des Pythiſchen Apollon in dieſem
Thale beſtaͤtigt, werden wir unten ſehn. Wo es ſich auch
als wahrſcheinlich zeigen wird, daß ſie das erwaͤhnte
Pythion auf der Hoͤhe des Gebirgs angelegt. Darnach
duͤrfen wir wohl die ganze Tripolis fuͤr weiland Doriſch
achten, da auch Azoron nicht immer von Illyriſchen Pe-
lagonen bewohnt, ſondern ehemals Helleniſch war 3.
[28] Auch iſt wahrſcheinlich, daß der als Perrhaͤbiſch ge-
nannte Ort Kyphos unter Doriſcher Herrſchaft ſtand,
weil ſie in ihren zweiten Niederlaſſungen ein davon be-
nanntes Akyphas bewohnten 1. Es iſt auffallend, daß
ſich von keiner Doriſchen Stadt in dieſer Gegend eine
direkte und beſtimmte Angabe erhalten hat: der Grund
dieſes Mangels liegt in dem Verluſt des Heſiodiſchen
Epos Aegimios.
8.
Dieſes Epos im Heſiodiſchen Ton, wenn auch der
Verfaſſer etwa gegen Olymp. 30 in den letzten Zeiten des
epiſchen Geſanges lebte 2, beſang die aͤlteſten Begeben-
heiten des Doriſchen Stammes. Namentlich, wie Ae-
gimios, der Dorierfuͤrſt, im ſchweren und gefaͤhrlichen
Kriege mit den Lapithen den wandernden Herakles her-
beiruft, und durch das Verſprechen, den dritten Theil des
Gebiets ihm abzutreten, ſeine Bundesgenoſſenſchaft er-
wirbt, durch welche die Feinde geſchlagen, ihr Fuͤrſt
getoͤdtet, das ſtreitige Land erobert wird 3. Daß dies
der Hauptinhalt des Gedichts geweſen ſei, beſagt der
Name deſſelben 4. Wahrſcheinlich wurden auch die Hel-
den von Jolkos und die Phthioten als Bundesgenoſſen
der Lapithen vorgefuͤhrt, wenigſtens kamen Phrixos und
Achilleus Schickſale darin vor
5.
Das zweite Buch
[29] ſpielte in Euboea, welcher Inſel Name von der Kuh Jo
abgeleitet wurde 1; ich vermuthe, daß der Kampf des
Herakles gegen das Euboiſche Oechalia hineingenommen
war. Aegimios war indeſſen in Heſtiaeotis herrſchend
gedacht; weil nur da die Dorier Nachbarn der Lapithen
waren: doch wird er auch mit Leichtigkeit nach den zwei-
ten Wohnſitzen des Stammes, am Oeta, hinuͤbergezo-
gen 2. Er iſt uͤberhaupt mythiſcher Stammvater oder
Stammheld der Doriſchen Nation, daher Pindor auch
die Herkommen und Geſetze derſelben “Satzungen
des Aegimios” nannte. Indeß werden von ihm
nur zwei Staͤmme des Volks hergeleitet, die Dymanen
und die Pamphylen; der dritte und vornehmſte, die
Hylleer, hat den Hyllos zum Stammvater, Herakles
wirklichen und Aegimios Adoptiv-Sohn. Und weil
in den Doriſchen Staaten der Grundbeſitz unter dieſe
Staͤmme gleich getheilt war: erhaͤlt nun in der ange-
fuͤhrten Sage Herakles fuͤr ſeine Nachkommen das Drit-
tel des Landes, was den Hylleern gebuͤhrte. Von der
Landeseintheilung meldete der Dichter:
[30]
Daruͤber aber, daß der erſte Stamm von den beiden
uͤbrigen als verſchieden von Urſprung abgeſondert wird,
verweiſen wir auf die Bemerkungen im dritten Kapitel.
Ebenſo muͤſſen wir auf die Eroͤrterung des Apollo-
dienſtes und Heraklesmythos im zweiten Buche verweiſen,
welche erſt die innre Geſchichte des Doriſchen Stam-
mes in ſeiner aͤlteſten Periode geben kann; ſintemal in
jener Zeit die Religion alle Regungen des geiſtigen Le-
bens noch einſchließt und inbegreift.
9.
Eine Begebenheit, die auch, wenn ſie nicht durch
Tradition bezeugt waͤre, doch in ihren Wirkungen er-
kannt und darnach vorausgeſetzt werden muͤßte, iſt die
Wanderung von Doriern aus der Gegend des Olympos
nach Kreta. Freilich ein wunderbarer Zug von einem
Ende der Griechiſchen Welt zum andern, und eine ſehr
anomale Erſcheinung in der Geſchichte der alten Colo-
nien. Man muß annehmen, daß ſchon in jenen Urſitzen
die Dorier, als von der Ebne ausgeſchloſſen, durch
Noth und Thatluſt gedraͤngt, Piratenkaͤhne bauten, die
engen und ſchmalen Fahrzeuge mit ſelbſtrudernden Kaͤm-
pfern bemannten, und ſo aus Bergbewohnern zu See-
fahrern umgeſchaffen — die Normannen Griechenlands —
nach dem fernen Kreta ſeegelten. Das aͤlteſte Zeug-
niß davon iſt das der Odyſſee. “Mitten im Meere
liegt das Land Kreta, ein herrliches und geſegnetes Ei-
land. Viele, unzaͤhlbare Menſchen ſind darin und neun-
zig Staͤdte. Andere reden eine anders gemiſchte Spra-
che. Darin ſind Achaeer, hochherzige Eteokreten, Ky-
donen, dreigetheilte Dorier, und goͤttliche Pelasger.
Unter ihnen iſt die große Stadt Knoſſos” 1. Andron
giebt geographiſch genau an: dieſe Dorier ſeien aus He-
3
[31] ſtiaeotis, damals Doris, unter Tektaphos, Doros
Sohn, ſammt Achaeern und Pelasgern, ſo in Theſſalien
geblieben waren, nach Kreta gekommen 1. Weiter Dio-
dor: des Tektaphos (Tektamos) Sohn ſei Aſterios, Koͤ-
nig von Kreta, geweſen, der Adoptivvater Minos des
Geſetzgebers. Dieſe Nachrichten werden ihrem weſent-
lichen Inhalte nach durch zwei Proben gewiß. Erſtens
dadurch, daß der Apollonsdienſt nun in Kreta eben ſo
wie in Tempe und zwar ganz mit denſelben Gebraͤuchen
geuͤbt wird, und auch die Uebertragung damit verbund-
ner Sagen veranlaßt. Zweitens dadurch, daß die Do-
riſche Grundverfaſſung ſich in Kreta ſo ſehr fruͤh zu einer
Ordnung und Feſtigkeit ausbildete, welche hernach Mu-
ſter fuͤr die verwandten Staaten wurde. Dies giebt
uns das vollſte Recht, den Knoſſier Minos als Dorier
anzuſehn. Beſſer noch ſagen wir, daß der Name Mi-
nos eine Zeit bezeichnet, in welcher die Doriſchen Anlan-
der einen großen Theil der Inſel in einen Staat verei-
nigten, und indem ſie ſo erſtarkt ihre Macht uͤber die
Kykladen und viele Kuͤſtenſtriche ausbreiteten, nach He-
rodots, Thukydides und Ariſtoteles Ausdrucke, eine Art
Thalaſſokratie erwarben. Wir wuͤrden die einfache Loͤ-
ſung mehrerer Begebenheiten und Verhaͤltniſſe verſchmaͤhn,
wenn wir jene Doriſche Wanderung laͤugnen wollten. —
Damit ſollen aber mit nichten ſpaͤtere Wanderungen aus
dem ſchon Doriſchen Peloponnes gelaͤugnet werden 2;
[32] nur treffen dieſe in zu ſpaͤte Zeiten, um von ihnen abzu-
leiten, was der Ableitung bedarf. — Welche Gegenden
Kretas nahmen die Dorier in Beſitz? Staphylos 1 ſagt,
die Oſtkuͤſten. Genauer indeſſen nennt man die oͤſtliche
Seite der Nordkuͤſte. Denn hier liegt das Minoiſche
Knoſſos, welches man als den Hauptſitz der Doriſchen
Bevoͤlkerung anſehen muß, mit ſeinem Hafen Herakleion
und der Kolonie Apollonia. Indeſſen hat ſich von da
ſehr fruͤh Herrſchaft, Sitte und Cultus des Stammes
uͤber die andern von Eteokreten, Pelasgern, Kydonen
bewohnten Gegenden verbreitet; und die Inſel mit Hilfe
ſpaͤterer Nachwanderungen faſt ganz doriſirt 2. Wenn
zu Homers Zeit noch verſchiedne Miſchungen der Spra-
che nach den inwohnenden Staͤmmen ſtatt fanden (ἄλλη
δ᾿ἂλλων γλῶσσα μεμιγμένη): ſo erſcheint ſpaͤter der
Doriſche Dialekt als der allgemein angenommene.
10.
Wir folgen jetzt wieder dem oben gegebnen
Texte Herodots. “Als aber die Dorier von den Kad-
meern vertrieben waren, wohnten ſie am Pindos, und
hießen das Makedniſche Volk.” Damit ſpielt der
Schriftſteller auf das mythiſche Ereigniß an, da die
Kadmeer von Theben durch die Argeier vertrieben zu
den Illyriſchen Encheleern zogen, und dabei den Mag-
neſiſchen Berg Homole in der Naͤhe von Tempe be-
ruͤhrten. In jenen Magneſiſchen Wohnſitzen waren ſie
allerdings Nachbarn der Dorier geweſen. Aber es iſt
wohl zu bedenken, welche verworne Fabel wir vor uns
2
[33] haben 1. Der verwuͤſtende Raubzug der Encheleer
nach Phokis und Boeotien iſt wohl nicht anzuzweifeln;
die Tradition konnte ſchwerlich irgendwie entſtehen, als
durch ein wirkliches Faktum; es ſprach davon ein
ziemlich altes Delphiſches Orakel und die Sage der
Thebaeer; dieſelbe Horde mag bei ihrem Durchzuge
auch die Dorier in ihren Sitzen beunruhigt haben; aber
ſo wunderbar es iſt, daß fluͤchtige Thebaeer zu den
Encheleern nach Illyrien von freien Stuͤcken gezogen
ſein ſollen, ſo ſeltſam iſt es, daß dieſe die Dorier aus
ihren Wohnſitzen verdraͤngt haben ſollten. Das mag
wahr ſein, daß noͤrdliche Horden die Dorier vom
Olympos hinwegdraͤngten; denn wir finden ſpaͤter in
den alten Wohnſitzen dieſes Volks den Paeoniſchen (Teu-
kriſchen) Stamm der Pelagonen, welche vom Axios
herabgekommen waren 2, und ſich der Tripolis Azoron,
Doliche, Pythion bemaͤchtigt hatten.— Wenn nun aber
Herodot die Makedner oder alten Makedonier, welche
zu ſeiner Zeit die Landſchaft zwiſchen den Fluͤſſen Ha-
liakmon und Ludias vom Gebirge bis an die Kuͤſte be-
wohnten, von den Doriern in jenen Wohnſitzen ablei-
tet: ſo mag dies wohl eine Erzaͤhlung der Makedonier
ſein, die nicht bloß ihrem Argiviſchen Koͤnigsſtamme
II. 3
[34] Doriſchen Urſprung zuzuſichern bemuͤht waren; aber
geſchichtlichen Sinn hat ſie wohl nicht. Denn die Ma-
kedonier ſind zwar in der Grundlage, wie oben bemerkt,
Griechen, aber ſie fuͤr Dorier zu halten, giebt es in
Sprache und Sitte keinen Grund 1.
[35]
2.
1.
“Von da wanderte, erzaͤhlt Herodot weiter, der
Volkſtamm der Dorier nach Dryopis — in die Land-
ſchaft, welche ſeitdem Doris oder die Doriſche Tetrapo-
lis heißt”. Auch hier erfordert zuerſt das Geographi-
ſche einige Eroͤrterung, welche ſich von den Thermopy-
len, dem Punkte, wo das Oetegebirge das Meer be-
ruͤhrt, bis zu dem Knoten erſtrecken muß, wo es ſich
mit dem Parnaß und beide mit dem Pindosgebirge ver-
ſchlingen, und der letztere Hauptbergzug Griechenlands
ſich in verſchiednen Richtungen hin aufloͤßt und ver-
zweigt.
Wenn wir die Ebene von Phokis, welche zwiſchen
Oeta und Parnaſſos liegt, und vom Kephiſſos durchfloſ-
ſen wird, hinaufwaͤrts verfolgen: ſo treten nach und
nach die [Gebirge] von beiden Seiten naͤher zuſammen und
verengern das Thal des Fluſſes. Die letzten Phokiſchen
Staͤdte in dieſer Richtung ſind Amphikaea, Tithronion,
Drymaea, in Truͤmmern und Palaeokaſtro’s noch er-
kennbar 1. Wendet man ſich von da weſtlich nach den
hoͤhern Gegenden, ſo gelangt man bald zur Quelle des
Fluſſes, welche dadurch unverkennbar iſt, daß ſie ſo-
gleich einen ziemlich ſtarken Strom bildet. Und zwar
ſtroͤmt Kephiſſos aus dem Parnaß, nicht Oeta, und
3 *
[36] wendet ſich zuerſt nach Nordoſt, um darauf nach Suͤdoſt
umzubiegen 1. Die Lokalitaͤt iſt beſonders dadurch be-
zeichnet, daß ſich bei der Quelle auf einem ſteilen Vor-
ſprunge des Parnaſſos die alte Akropole einer Stadt
erhebt, welche als Lilaea anerkannt werden muß.
Die Landſchaft umher iſt großartig und kuͤhn geformt.
Zwanzig Stadien davon lag Charadra, wo ein Gebirgs-
bach in den Kephiſſos ſtroͤmte. Aber aus noch hoͤhern
Thaͤlern kommt der Fluß Pindos herab, welcher nicht
weit von Lilaea ſich mit Kephiſſos vereinigt. Dieſe Thaͤ-
ler, nordweſtlich gegen Lilaea gelegen 2, ſind die eigent-
liche Landſchaft Doris, von den Alten wenig im Ein-
zelnen beſchrieben, und von neuern Reiſenden erſt ſeit
Kurzem einigemal beſucht. Die ſteile Burg, welche an-
derthalb Stunden von Lilaea auf einem Vorſprunge des
Parnaſſes bei dem Dorfe Mariolatis liegt, iſt vielleicht
Boeon. Die alten Mauern im Thal gegen Weſten bei
Stagni, muß man fuͤr das feſte Kytinion anſehn 3.
Aber Erineos muß wohl an den Schluchten des Oeta,
den Quellen des genannten Fluſſes naͤher, geſucht wer-
den 4. Am Oeta lag Akyphas5, wahrſcheinlich ei-
[37] nerlei mit der oberhalb Erineos gelegenen, dem Fluſſe
gleichnamigen Stadt Pindos 1, beide Namen hatten die
Dorier aus den fruͤheren Wohnſitzen mitgebracht. — Die-
ſer Landwinkel an die Hauptgebirge Griechenlands zu-
naͤchſt angelehnt und oberhalb der Ebnen haͤngend, die
ſich von da ausbreiten, wird von den oberen Gegenden
Aetoliens, dem Lande der Ozoliſchen Lokrer, Phokis und
Suͤdtheſſalien umgeben 2. Von Kytinion fuͤhrte an der
Seite des Parnaß hin ein Bergpfad nach dem Lande der
Lokrer 3, welchen auch neuere Reiſende gewandert ſind; von
Delphi ein andrer Gebirgspfad, den ein alter Reiſender
auf 180 Stadien ſchaͤtzt 4, nach Lilaea hinuͤber, und wahr-
ſcheinlich bei Tithoraea vorbei. Nach Norden geht man
jetzt aus dem Thale des Pindos ebenfalls einen Bergſteig
durch Schluchten und Engen des Oeta in das jenſeitige
Flußthal des Spercheios, welcher gegenwaͤrtig Hellada
heißt 5; war dieſer ſchon im Alterthum gangbar, ſo ver-
band er Doris mit dem Lande der Malier.
2.
Das Gebirge Oeta ſtreift in weſtlicher Rich-
tung und in der Ausdehnung von zweihundert Stadien
gegen den Maliſchen Meerbuſen, den es bei den Ther-
mopylen erreicht. Es trennt Doris, Phokis und die
Epiknemidiſchen Lokrer von der Ebne am Spercheios. Ver-
[38] bindungswege ſind der zuletzt genannte Pfad; dann ein
andrer aus Phokis nach dem Felſenthal von Trachinien 1,
endlich die Thermopylen nebſt dem durch die Perſerſchlacht
bekannteu Nebenpfade. Dieſen Paß bildet der ſteile Ab-
fall des Gebirgs auf der einen Seite mit dem tiefen und
unzugaͤnglichen Seemarſch nach der andern, welche an
den engſten Stellen bis zur Naͤhe von 60 Schritt zuſam-
mentreten 2; in der Mitte entſpringen die heißen
Quellen von ſulphuriſchem Geruch, die der Schlucht
den Namen gegeben haben; bei ihnen liegt die kleine
Ebne von Anthela, zwei engere Stellen des Paſſes
unterbrechend. Am noͤrdlichen Eingange der Enge ſtehn
noch die Truͤmmer des Walles, durch welchen Theſſa-
ler, Perſer, Roͤmer abgehalten werden ſollten; nahe
dabei kommt das Fluͤßchen Aſopos aus den Klippen
des Gebirgs hervor. Am ſuͤdlichen Schluſſe des
Paſſes lag das Staͤdtchen Alpenos, — die ganze
Laͤnge deſſelben betraͤgt gegen eine geographiſche Meile.
Von den Thermopylen leitet die gepflaſterte und
erhoͤhete Heerſtraße noͤrdlich uͤber den Spercheios nach
Theſſalien, ſuͤdlich uͤber Alpenos, Skarpheia, Thro-
nion, und von da nach Elateia und weiter im Phoki-
ſchen Lande.
So unwirthlich auch durch die zerriſſene und klip-
penvolle Geſtalt der Thaͤler und Hoͤhen der Bergzug
des Oeta iſt: ſo gab es doch eine nicht geringe Anzahl
alter Orte, welche ſich von der Doriſchen Tetrapolis
nach dem Meere hinzogen. Amphanaea muß auf dem
Oeta, aber gegen Trachinien hin, gelegen haben, ſo
[39] daß man es auch zu Theſſalien im weiteren Sinne rech-
nen konnte 1. Rhoduntia und Teichius waren befeſtigte
Bergſpitzen an dem Wege uͤber den Oeta 2. Phri-
kion lag an den Thermopylen auf der Lokriſchen Seite;
es ſandte Einwohner nach dem Aeoliſchen Kyme und
Lariſſa Phrikonis 3). Jenſeits lag Trachis auf dem
Gebirgsabhang uͤber der Ebne der kleinen Fluͤſſe Me-
las und Dyras; Herakleia war 6 Stadien von der al-
ten “Rauhburg” angelegt 4. In der Naͤhe wahrſchein-
lich Aegoneia5.
3.
Nachdem ſo die Lokalitaͤt wenn nicht mit an-
ſchaulichen, doch moͤglichſt beſtimmten Zuͤgen bezeichnet
iſt, fragen wir nach den kleinen Volkskoͤrpern, welche
hier fruͤher und ſpaͤter Platz genommen, beſonders nach
den Doriern ſelbſt. Doris, im engern Sinne, heißt
das Thal des Fluͤßchens Pindos. Wer von einer Drei-
ſtadt ſpricht, meint Boeon, Kytinion und Erineos 6,
welcher Ort, als der bedeutendſte, auch Dorion ge-
heißen zu haben ſcheint 7: wer eine Tetrapolis kennt,
nimmt als vierte Stadt Akyphas (Pindos) hinzu 8.
Das iſt die Gegend, wo Doros Hellens Sohn gewohnt
und ſein Volk am Parnaß verſammelt haben ſoll 9, eine
Sage, die die aͤltern Wohnſitze bes Stammes ganz ver-
[40] gißt. Allein es ſcheint nicht, daß in der Zeit, als der
geſammte Volkſtamm hier beſchraͤnkt war, er ſich mit
dieſem engen Thale begnuͤgt habe; vielmehr hatte er noch
mehrere Orte am Oeta inne, zu welchen das genannte
Amphanaͤa gehoͤrt 1. Ein unbekannter Schriftſteller 2
nannte ſechs Doriſche Staͤdte: Erineos, Kytinion, Boeon,
Lilaeon, Karphaea, Dryope: von denen Lilaeon die
Stadt Lilaea, Karphaea ohne Zweifel Skarpheia an den
Thermopylen, Dryope das vormals Dryopiſche Land
bezeichnet. Es war alſo wohl einmal auch das Hoch-
land an den Quellen des Kephiß, und ein Strich laͤngs
des Oeta bis ans Meer im Beſitze dieſes Volks. Ja
dies war ſelbſt noch zum Theil im Perſerkriege der
Fall. Denn auch damals erſtreckte ſich Doris in ei-
nem dreißig Stadien breiten Zipfel zwiſchen dem Ma-
liſchen und Phokiſchen Lande hindurch bis an die Ther-
mopylen 3; auch Skylax nennt die Dorier als Anwoh-
ner des Meeres 4. Dieſer Strich am Oeta hin iſt es
aber, den ehemals das Dryopiſche Voͤlkchen bewohnte,
wie aus einer Stelle des Herodot hervorgeht 5, ehe es
von den Doriern, ſeinen Nachbarn in der Tetrapo-
lis, ganz verdraͤngt wurde. — So ſind wir durch
[41] dieſe geographiſche Eroͤrterung auf ein geſchichtliches
Ergebniß gekommen. Wir werden bewogen anzuneh-
men, daß die Dorier allmaͤlig von Heſtiaeotis
nach dem Oeta hinuͤberwanderten, hier zuerſt den
aͤußerſten Winkel des Bergthals beſetzten, und von da
ſich allmaͤlig weiter gegen die Kuͤſte auch uͤber Dryo-
pis ausdehnten. So pflegte es wohl zu geſchehen,
daß der Stamm nicht auf einmal, ſondern allgemach
nach den Gegenden vorruͤckte, welche einzelne Theile
deſſelben ſchon fruͤher eingenommen hatten 1.
4.
Die Dryoper, deren Geſchichtsfragmente wir
hier einweben, ſind ein ureinwohnendes Volk, welches
man Pelasgiſch nennen kann, Ariſtoteles und Andre
geben ihm einen Arkadiſchen Urſprung 2. Die Ver-
wandtſchaft mit den Arkadern wird durch den Dryopi-
ſchen Dienſt der Demeter Chthonia, Kora Meliboea
und des Hades Klymenos beſtaͤtigt, welcher dem von
Phigalia, Thelpuſa und andern in Arkadien ſehr nahe
ſteht 3. Sie wohnten als Nachbarn der Malier, ſo
daß ſie in die Ebene des Spercheios hineinreichten,
uͤber den Oeta hinuͤber, und auf der andern Seite bis
an den Parnaß hinan 4; nach Oſten erſtreckten ſich
[42] ihre Wohnſitze bis an die Thermopylen 1. Ihre Ver-
treibung wird darum ganz mythiſch erzaͤhlt, weil die
mit den Wanderungen der Dorier verbundene Verbrei-
tung des Apollodienſtes, und zugleich der Mythus von
Herakles hineintritt: aber wenn nur einmal das Ver-
ſtaͤndniß dieſer Erzaͤhlungsart gefunden iſt, ſo wird ſie
beinahe lehrreicher und bedeutungsvoller als die ge-
meine hiſtoriſche. Der Pythiſche Apollon iſt es, dem
die uͤberwundenen Dryoper als Frohnen zugeſandt wer-
den, und der ſie nach dem Peloponnes ſchickt 2; He-
rakles, der, in Verbindung mit den Trachiniern, ſie un-
terwirft und dem Apollon weihet, oder ihnen Wohn-
ſitze in Argolis anweiſt, ihr Land aber den Doriern
oder Maliern zutheilt 3.
Wir koͤnnten aus dieſer Sage vielleicht den
Schluß entnehmen, daß die Dryoper bei der Dori-
ſchen Wanderung in den Peloponnes mitgenommen und
hier angeſiedelt worden. Indeſſen macht die Lage der
Dryopiſchen Orte ſelbſt eine andre Anſicht noͤthig.
Denn dieſe liegen auf mehreren Kuͤſten und Inſeln ſo
[43] zerſtreut, daß ſie nicht durch eine Landwanderung, ſon-
dern nur durch einzelne Sendungen zur See dahin ge-
kommen ſein koͤnnen. Denn in Argolis haben ſie auf
auslaufenden Landzungen und Vorgebirgen die Orte
Hermione, Aſine und Eion (Halieis) erbaut; auf Eu-
boea gehoͤren ihnen Styra und Karyſtos 1; unter den
Inſeln Niederlaſſungen auf Kythnos 2 (und vielleicht
Mykonos), auch nach Jonien und Kypros waren ſie
verſprengt 3. Das aber iſt hiſtoriſch gewiß, daß
ſie dem Pythiſchen Apollon als Unterthanen geweiht
waren und lange Zeit als ſolche dienten, denn wir fin-
den noch in der dunkeln Geſchichte der Zerſtoͤrung Kriſ-
ſa’s (Olymp. 47) neben den Kriſſaeern Kraugalli-
den genannt 4; ſo hießen aber die Dryoper von einem
mythiſchen Stammvater. Von dem Verhaͤltniſſe der
Tempelunterthanen, und ſo auch dieſer Kraugalliden
wird im zweiten Buche ausfuͤhrlich gehandelt werden.
5.
So feindlich die Verhaͤltniſſe der Dorier zu den
Dryopern waren, ſo befreundet waren ſie mit den
Maliern. Dieſe wohnen am Flußthale des Sper-
cheios, von allen Seiten durch Felsgebirge eingeſchloſſen
und nur gegen die See offen, ſie theilen ſich in die
Meeranwohner, die heiligen, und die Trachiniſchen 5.
[44] Die zweiten wohnten vermuthlich dem amphiktroniſchen
Tempel in den Thermopylen zunaͤchſt, die dritten an
den Felſenhaͤngen des Oeta. Dieſe ſind es beſonders,
welche mit den Doriern in enge Verbindung traten, ſo
daß Diodor ſogar Trachis als Metropole von Lakedae-
mon nennt 1. Die Freundſchaft zwiſchen Keyx und
Herakles nebſt ſeinen Soͤhnen iſt der mythiſche Aus-
druck dieſer Verbindung. Die Malier waren fortdau-
ernd ein kriegeriſches Volk, wo nur die, welche als
Hopliten gedient, Antheil an der Staatsverwaltung
hatten 2. Beſonders waren aber Schleuderer und Wurf-
ſpießwerfer in ihrem Lande vorzuͤglich 3.
6.
Hernach draͤngte ſich in dieſe Sitze ein Volk
ein, welches die alten Sagen der Gegend nicht ken-
nen, die Helleniſchen Aenianen oder Oetaeer. Denn
der letzte Name iſt Ortsbezeichnung deſſelben Volks,
deſſen Stamm der erſte anzeigt 4, obgleich ich nicht
behaupte, daß die 14 Oetaeiſchen Gemeinden 5 das
ganze Aenianiſche Volk conſtituirten. Denn ſie wohnten
auch am Inachos, und am obern Laufe des Spercheios,
wo Hypata liegt 6. Fruͤher ſaßen ſie im innern Theſ-
ſalien, und erſt am Ende der mythiſchen Zeit ließen
ſie ſich in den Wohnſitzen nieder, aus denen ſie ſpaͤter
wieder von den Illyriſchen Athamanen vertrieben wur-
den 7. Obgleich ſie eine gewiſſe Abhaͤngigkeit vom
Delphiſchen Orakel nicht abwieſen, und die vor ihnen
in der Gegend ſeßhaften Mythen von Herakles zu
ihren Volkſagen machten 8: traten ſie doch ſchon
5
[45] durch die aͤußere Lage, in Gegenſatz und Feindſchaft
mit den Maliern und Doriern 1. Ja es iſt wahr-
ſcheinlich, daß mit der Einwanderung der Aenianen in
dieſe Gegend der Auszug der Doriſchen Voͤlker, die
den Peloponnes eroberten, irgend wie zuſammenhing.
Zwiſchen den Lakedaͤmoniern und Oetaͤern war alter
Haß2. Darum gruͤndete beſonders Sparta im Tra-
chiniſchen Lande die Stadt Herakleia, welche ſicher eine
bedeutende Doriſche Macht auf dieſem Punkte Grie-
chenlands neu gegruͤndet haͤtte, wenn nicht die Eifer-
ſucht der Theſſalier und Doloper und ſelbſt der Ma-
lier gleich bei ihrem Entſtehen rege geworden waͤre.
So viel uͤber die Voͤlkerſtellung der Dorier in den
Wohnſitzen am Oeta. Es iſt aber das Thema damit
noch nicht erſchoͤpft, denn es bleibt noch einerſeits
der große Einfluß auseinanderzuſetzen uͤbrig, welchen
die Niederlaſſung der Dorier auf dem Parnaß zu Ly-
koreia auf die Religion von Delphi gehabt hat, denn
daß Lykoreia Doriſch war, wird uns unten hoͤchſt
wahrſcheinlich werden; andrerſeits waͤre hier vom Am-
phiktyoniſchen Bunde zu reden, bei deſſen Gruͤndung
den Doriern gewiß ein großer Antheil gebuͤhrt: aber
beides verſchieben wir wieder auf das zweite Buch.
Von den Doriſchen Staͤdten am Parnaſſos aus iſt
Bulis an der Graͤnze von Phokis und Boeotien, am
Kriſſaeiſchen Meerbuſen, wahrſcheinlich in der Zeit der
Wanderung gegruͤndet worden 3.
[46]
3.
1.
Die bedeutendſte und folgereichſte unter allen
Wanderungen Helleniſcher Staͤmme, die durch die ganze
Geſchichte fortwirkende Urſache vieler Ereigniſſe, der
Zug der Dorier in den Peloponnes, iſt ſo durchaus in
Mythen gekleidet; und dieſe ſind ſchon fruͤh mit ſolcher
Conſequenz ausgebildet, daß es nichts hilft ſie einzeln
zu pruͤfen, wenn man nicht vorher den Verband des
Ganzen aufgeloͤst hat. Der ſagenhafte Name dieſes
Zuges iſt “die Ruͤckkehr der Enkel des Herakles” 1.
Herakles, der Sohn des Zeus, iſt (ſchon in der Ilias)
durch Geburt und Beſtimmung Erbfuͤrſt von Tiryns
und Mykenaͤ und Herr der umwohnenden Voͤlker 2.
Aber durch eine boͤſe Verwirrung erhaͤlt Euryſtheus
den Vorrang, und der Zeusſohn muß ihm dienſtbar
werden. Doch erbt er die Anſpruͤche auf die Herr-
ſchaft des Peloponnes auf ſeine Nachkommen fort, die
ſie hernach mit den Doriern vereint geltend machen:
indem Herakles auch fuͤr dieſe ſolche Thaten vollbracht
hat, daß ſeine Nachkommen ſtets das Drittel ihres
Landes beſitzen muͤſſen. So iſt nun Herakles Helden-
leben die mythiſche Rechtfertigung, wodurch die Do-
[47] rier nicht als ungerechte Eroberer, ſondern blos als
Wiedereroberer des ihren Fuͤrſten von Vaͤter-Zeiten her
Gehoͤrenden erſcheinen: ungefaͤhr ſo wie die Israeliten
durch die blutige Unterjochung Canaans nur das ge-
lobte Land, wo Abrahams Grabſtaͤtte war, wieder
gewannen. — Die Hauptlaͤnder des Doriſchen Stam-
mes, außer Argos, Lakedaemon und das Meſſeniſche
Pylos, ſoll daher Herakles einſt mit einem gewiſſen
Rechte bekriegt und unterworfen, das Nationalfeſt der
Olympien geſtiftet, ſelbſt zu den entfernteſten Colonien
ſoll er den Grund gelegt haben. Dieſe Eroberungen
und Stiftungen, dieſe mythiſche Vorgeſchichte der wirk-
lichen Geſchichte fuͤr faktiſch zu halten, iſt einer hellern
Anſicht dieſer Dinge unmoͤglich: und nur ſehr glaͤubi-
gen Leuten koͤnnen wir halb im Scherze die Frage vor-
legen, wie es in jener Zeit, wo Belagerungen ſo hoͤchſt
langwierig waren, dem einen Herakles gelang, ſo
viele mit unverwuͤſtlichen Mauern umgebene Feſten zu
erſtuͤrmen.
Eine ſtrengere Critik befiehlt, das Mythiſche in
ſeinen Mittelpunkt zu verfolgen, und die Frage nicht
ohne Antwort zu laſſen: War wirklich der Herrſcher-
ſtamm der Dorier von den fruͤhern Herrſchern zu My-
kenaͤ entſpungen? wie nicht blos die epiſche Erzaͤhlung,
ſondern auch die in Sparta ſelbſt ſanktionirte Sage
behauptet. Tyrtaeos ſang in der Eunomia:
[48]
Und ein noch wichtigerer Zeuge dafuͤr iſt der Koͤnig
Kleomenes bei Herodot, der von der Prieſterin auf der
Burg von Athen vom Eingang in den Tempel zuruͤck-
gewieſen, weil er ein Dorier ſei, auf die Abkunft von
Herakles ſich beziehend antwortete: ich bin kein Do-
rier, ſondern ein Achaeer1. Sonach haͤtte es
alſo eine Achaeiſche Phratria unter den Doriern gege-
ben, zu der die Koͤnige von Argos, Sparta und Meſ-
ſenien, und die Gruͤnder und Regenten von Korinth,
Sikyon, Epidauros, Aegina, Rhodos, Kos u. ſ. w.
gehoͤrt haͤtten; und dieſe haͤtte mit den Doriern vereint
nur angeſtammte Rechte wiedererkaͤmpft 2.
2.
Es iſt allerdings verwegen, ein ſo weitlaͤuftig
zuſammenhaͤngendes Syſtem der heroiſchen Sage um-
ſtoßen und eine Muthmaßung an die Stelle ſetzen zu
wollen, welche etwas ſchon von vorhiſtoriſchen Jahr-
hunderten anerkanntes und den aͤlteſten Dichtern beſun-
genes einer hiſtoriſchen Wahrſcheinlichkeitstheorie auf-
opfert. Indeſſen muͤſſen wir dagegen zu bedenken ge-
ben, daß Sagen faſt immer nur das Denken uͤber vor-
handene Zuſtaͤnde geben, deren wahrer Urſprung in
ihnen nur verſteckt und angedeutet liegt. Folgende
Bemerkungen, zum Theil Lehnſaͤtze aus unten gegebenen
Auseinanderſetzungen, werden auf den Gegenſatz des
faktiſchen und mythiſchen Verhaͤltniſſes fuͤhren.
[49]
Erſiens: Will man, die Sage unmittelbar als Hi-
ſtorie benutzend, die Herakliden fuͤr zugewanderte Achaͤer
halten: ſo muß man daſſelbe bei der ganzen erſten
Phyle der Hylleer thun. Denn Hyllos, der Repraͤ-
ſentant dieſer Phyle, heißt Sohn des Herakles; und
auf die Phyle bezieht es ſich, wenn Herakles Nach-
kommen der dritte Theil des Landbeſitzes gewaͤhrleiſtet
wird; daher auch Pindar die geſammten Dorier Nach-
kommen des Herakles und Aegimios nennt 1. Dann
bleiben alſo nur Pamphylen und Dymanen eigentliche
Dorier. Es iſt aber nicht wahrſcheinlich, daß in die-
ſem Falle, wenn der vornehmſte Theil der Doriſchen
Voͤlkerſchaft Achaeiſch geweſen waͤre, Sprache, Cultus,
Sitten ſo ſcharf und beſtimmt geſchieden ſein koͤnnten.
Zweitens: Alles, was von Herakles Thaten in
dem Norden Griechenlands erzaͤhlt wird, bezieht ſich
auf aͤußere und geiſtige Geſchichte der Dorier; und um-
gekehrt: alle Begebenheiten des Doriſchen Stammes
in den fruͤhern Wohnſitzen werden mythiſch unter der
Perſon des Herakles dargeſtellt: dies laͤßt ſich aber aus
einer momentanen Vereinigung des Helden mit dem
Stamme nicht erklaͤren.
Ferner: Man vergleiche nun die unten aufgeſtellten
Heraklesmythen, ſo viele ſich auf die Dorier beziehen,
mit den altargiviſchen, und wenn man in Gedanken
das Band, wodurch die epiſchen Saͤnger beide ſchein-
bar geſchichtlich verknuͤpft, loͤſet: ſo wird man zwi-
ſchen dieſem und jenem keine innere reale Aehnlichkeit
finden. Der Cultus des Apollon, der faſt uͤberall als
inneres Motiv der Thaten des erſtern nachgewieſen
II. 4
[50] werden kann, ſteht in gar keiner Beziehung auf den
letztern. Wenn alſo ein Achaͤiſcher Stamm mit der
Heraklesſage oder einem ſo benannten Helden zu den
Doriern gekommen iſt: ſo muͤßte ſich doch der Mythos
von ihm bei dieſen ganz anders gewandt und entwickelt
haben. Aber dann wuͤrde man immer annehmen muͤſ-
ſen, daß ſchon lange vor dem Einfall in den Pelopon-
nes jene Herakliden mit den Doriern ſo verwachſen
geweſen ſeien, daß deren Sagen ganz nach der Sin-
nesart der letztern gebildet worden waͤren, weil
wirklich Herakles in Theſſalien ganz und gar Do-
rier iſt. Dann kommt man aber doch wieder in Streit
mit der Mythe, welche die Herakliden kurze Zeit vor
dem Einfall in den Peloponnes zu den Doriern fluͤch-
ten laͤßt.
So wird man ſich immer in Widerſpruͤchen dre-
hen und keine klare Anſicht erhalten, wenn man nicht
dem Satze beipflichtet: Herakles iſt ſeit alter Zeit eben
ſo wohl Doriſcher, wie Altpeloponneſiſcher Held, be-
ſonders Held der Hylliſchen Phyle, die ſich wahr-
ſcheinlich ſchon in den Urſitzen an den Akrokeraunien
mit zwei andern kleinen Voͤlkerſchaften vereint hatte;
die Herakliden ſind die angeſtammten Fuͤrſten des
Stammes; daß ſie Nachkoͤmmlinge des Argiviſchen Hel-
den ſeien, der die Befehle des Euryſtheus vollbrachte,
bildete ſich erſt nach der Einnahme des Peloponnes in
der Sage aus.
3.
Es iſt kaum ein Punkt der griechiſchen Sagen-
geſchichte, deſſen eigentliche Quellen uns ſo unbe-
kannt waͤren, als der Heraklidenzug. Niemand kann
in ihm einen noch eben ſo mythiſchen Charakter verken-
nen als im Troerkrieg, und doch entbehren wir, was
die Behandlung des Mythus ſo lehrreich macht, den
durch alte Epopoeen reichlich zufließenden Sagenſtoff.
[51] Es lag dieſe Geſchichte doch ſchon außer dem Bereiche
der epiſchen Poeſie, ſo daß davon abhaͤngende Ereig-
niſſe, wenn ſie in ihr vorkamen, anders motivirt und
verflochten werden mußten. Keine Hauptklaſſe des
Epos behandelte dieſe Begebenheit ausfuͤhrlich, nicht
die Kykliker, nicht die Noſtoi; in den Heſiodiſchen Eoͤen
ſcheinen nur einige kuͤrzere Stellen geſtanden zu haben 1.
Indeſſen kannte Herodot 2 doch Dichter, welche von der
Einwanderung der Herakliden und Dorier in Lakonien
erzaͤhlten. Es koͤnnen dies erſtens ſolche Epiker gewe-
ſen ſein, welche die Mythen genealogiſch herabfuͤhrten,
wie Kinaethon der Lakone 3 und Aſios, der von He-
rakles Geſchlechte ſprach und nach dem Charakter ſeiner
Gedichte auch von ſeinen Nachkommen ſprechen konnte 4.
Oder es koͤnnen dies ποιηταὶ ἱστορικοὶ geweſen ſein,
nach Art des Korinthier Eumelos, obgleich die von He-
rodot gemeinten wenigſtens nicht wie dieſer Korinthiaka
ſchrieb, eigne Lakonika gedichtet haben koͤnnen, worin
ſie ſonſt der Spartaniſchen Stadtſage haͤtten folgen
muͤſſen; es wich aber dieſe in Betreff der erſten Hera-
klidenfuͤrſten von allen dieſem Schriftſteller bekannten
Dichtern ab, und war nicht die allgemein Helleniſche
4 *
[52] Sage 1. Es hatten ſich aber ohne Zweifel viel ſolche Lokal-
ſagen uͤber eine Begebenheit, die den Zuſtand des Pelo-
ponnes fuͤr lange Zeit beſtimmte, bei den einzelnen Voͤl-
kerſchaften erhalten. So erzaͤhlten die Tegeaten 2 ruͤh-
mend von dem Kampfe ihres Heerfuͤhrers Echemos mit
Hyllos. Ob die Logographen dieſe Sagen unmittelbar
ſammelten, oder ob ſie von jenen Dichtern abhingen, koͤn-
nen wir nicht ſagen, (doch iſt das Letztre mehr in ihrer
Art) weil wir uͤberhaupt nur zwei Fragmente, eines
von Hekataeos, das andre von Pherekydes uͤber die
Herakliden haben, welche ſich noch dazu unmittelbar
an Herakles Tod anſchließen, und darum keine fortgeſetzte
Erzaͤhlung des Zuges beweiſen. Eine reichere Ausfuͤh-
rung der aͤlteren Sage fuͤhrte das Attiſche Drama her-
bei, aber unvermeidlich unter ſehr einſeitigen Geſichts-
punkten. Aeſchylos Herakliden und Sophokles Jolaos
mochten wie Euripides Herakliden im Ganzen die Tendenz
haben, welche die Athener ſchon vor der Plataͤiſchen Schlacht
bei Herodot ausſprechen 3: die Verdienſte ihrer Stadt
um die Beherrſcher des Peloponnes zu erheben. Der
letzte der genannten Tragiker ging in ſeinen Temeniden,
im Archelaos und Kresphontes weiter in die Geſchichte
der Doriſchen Staaten ein und in hiſtoriſche Zeitraͤume
herab als ein Tragiker vor ihm, wozu ihn die Erſchoͤ-
pfung des aͤcht mythiſchen Stoffes bewegen mochte 4.
[53] Dieſe Attiſchen Tragiker liegen nun offenbar der Erzaͤh-
lung zu Grunde, welche Apollodor der Athener giebt,
was ſich im Einzelnen nachweiſen laſſen wird. Mehr
hielt ſich vielleicht Ephoros an die fruͤheren Dichter
und Logographen, ſo viel ihm davon zur Hand war, in-
deſſen koͤnnte ſeine Darſtellung, wenn wir ſie haͤtten,
eben ſo wenig als hervorgegangen aus kritiſcher Pruͤfung
gelten, weil er erſtens mit Verkennung des Sagencha-
rakters uͤberall hiſtoriſchen Zuſammenhang hineinzwaͤngte,
und dann die Luͤcken der Tradition durch Raͤſonnement
zu erſetzen ſtrebte, von deſſen Gehaltloſigkeit wir Be-
weiſe geben werden.
4.
Nach dem Geſagten erſparen wir die Rechtferti-
gung, daß wir keine Hiſtorie der Doriſchen Wanderung
zu geben verſuchen, ſondern nichts als Erwaͤgungen des
Urſprungs und der Bedeutung der dieſelbe betreffenden
Sagen. Und zwar moͤgen wir gleich einige recht wun-
derliche aber um deſto geeignetere vorausſtellen, Jeden
zu uͤberzeugen, auf was fuͤr Boden wir uns hier be-
finden.
In den Eoeen ſtand, daß Polykaon, Butes Sohn,
deſſen Name die aͤltere (Lelegiſche) Bevoͤlkerung von
Meſſene vorſtellt, geehlicht habe die Euaͤchme (Wohl-
lanze) Tochter des Hyllos, Enkelin des Herakles. So
einfach und anſpruchslos druͤckte die aͤltere Sage den
Gedanken aus, daß die Hylleer und Dorier durch die
Kraft der Lanze ſich Meſſeniens bemaͤchtigten und mit
den Ureinwohnern verbanden.
In dem Lakoniſchen Staͤdtchen Abia war ein Hera-
klestempel, deſſen Erbauung man der Abia Amme
des Hyllos zuſchrieb. Man ließ alſo Hyllos ſelbſt nach
Lakonien kommen. Pauſanias verſucht die lokale Tra-
dition mit der angenommenen Erzaͤhlungsweiſe in Ein-
klang zu bringen, und nimmt an, daß Abia nach Hyl-
[54] los Tode hieher geflohen ſei, woraus eine hoͤchſt ver-
worrne Geſchichte entſteht. Wir kommen jetzt zu der
herkoͤmmlichen Erzaͤhlung des Verfolgs der Dinge.
5.
Nach dieſer befinden ſich die Herakliden nach
dem Tode ihres Vaters in Trachis bei dem biedern Gaſt-
freunde Keyx, den indeß Euryſtheus Drohungen noͤthi-
gen, ihnen laͤngeres Bleiben zu verſagen; Keyx muß
ihnen, wie Hekataeos erzaͤhlte 1, ſagen: Ich bin
nicht im Stande euch zu helfen, darum zieht zu anderm
Volke: ſo wenden ſie ſich nach Attika. Davon erzaͤhl-
ten indeß die Logographen, welche Herakles als Koͤnig
in Myken ſterben ließen, ganz anders. Naͤmlich, daß
nach des Helden Tode Euryſtheus ſeine Soͤhne vertrie-
ben und ſich die Herrſchaft wieder angemaßt habe 2;
worauf ſie denn nach Attika geflohen waͤren.
In Athen ſetzen ſie ſich an den Altar des Mitleids,
erhalten Theſeus oder Demophons Schutz, wohnen in
der Tetrapolis 3, und kaͤmpfen mit den Athenern ver-
eint unter Hyllos und Jolaos, welchem die von ihm an-
gerufenen Goͤtter friſche Jugendkraft gegeben, am Ski-
roniſchen Paſſe gegen Euryſtheus, nachdem Makaria —
ein wahrſcheinlich ganz ſymboliſches Weſen, aber hier
Tochter des Herakles — ſich vorher als Suͤhnopfer hin-
gegeben hatte, und uͤberwinden in der Schlacht den Ar-
giviſchen Koͤnig, den Alkmene mit weibiſcher Rache
toͤdtet, und deſſen Grab die Athener vor dem Tempel
[55] der Palleniſchen Athena zeigten 1. Das iſt die von Tra-
gikern und Rednern ſo viel gefeierte Fabel, ein locus
communis, welchen die Athener ſelbſt in Pſephismen 2
nicht zu erwaͤhnen vergeſſen, noch irgendwo, wo es zu
zeigen gilt, wie ſchnoͤde ihnen die Peloponneſier alte Wohl-
thaten vergelten. Wir wiſſen freilich nicht, wie un-
glaͤubig ein Lakedaͤmonier zuhoͤren mochte; auch der
Thebaͤer Pindar weiß nichts von dieſen Thaten der Athe-
ner, bei dem Jolaos zu Theben fuͤr einen Augen-
blick Jugendkraft wiedergewinnt, um Euryſtheus zu
toͤdten, und darauf ſogleich ſelbſt ſtirbt, und von den
Thebaͤern in der Familiengruft des Amphitryon beigeſetzt
wird 3. Denn hier wird Euryſtheus in der Umgegend
von Theben und alſo auch von einen Thebaͤiſchen Heer
[56] uͤberwunden. Doch wollen wir darum nicht die Athe-
niſche Sage fuͤr voͤllig leer und abſichtlich erſonnen hal-
ten; auch ſie gruͤndete ſich vielmehr auf ein reales Ver-
haͤltniß, und bildete ſich daran aus. Der Anknuͤpfungs-
punkt waren unſtreitig die Heraklestempel in Attika, es
war natuͤrlich daß wenn die Athener den Heros verehr-
ten, ſie ſich auch um ſeine Nachkommen Verdienſte er-
worben haben wollten. Daher kommt es auch, daß zu
Marathon in der Tetrapolis die Soͤhne Herakles ge-
wohnt haben ſollten, wo das angeſehenſte Herakleion im
Lande war; in deſſen Naͤhe die Quelle Makaria fließt,
welche als Tochter des Helden mitſpielt. Die ganze
Tetrapolis wurde deswegen, ſagt man, von den Lake-
daͤmoniern im Kriege geſchont. Mehrere unten darzu-
legenden Umſtaͤnde laſſen wahrnehmen, daß zwiſchen
den Doriern des Peloponnes und einigen noͤrdlichen Ort-
ſchaften Attika’s eine Verwandtſchaft und ein Verkehr
beſtand, deſſen Grund in den Zeiten der Wanderung
gelegt zu ſein ſcheint. Allein dieſer Grund iſt wahr-
ſcheinlich ganz verloren, und die Fabeln, die wir haben,
ſind in entgegengeſetzter Richtung aus den beſtehenden
Verbindungen heraus entwickelt.
6.
Nach dieſer mit Huͤlfe der Athener gewonnenen
Schlacht ſollen denn die Herakliden — und wie ſollten
ſie nicht, da ihnen ja die Athener beiſtanden — den ge-
ſammten Peloponnes eingenommen und ein Jahr — oder
eine Periode — ungeſtoͤrt beherrſcht haben, nach Ver-
lauf deren eine Peſt — als tragiſches Hilfsmittel — ſie
wieder nach Attika zuruͤck treibt. — Die Mythogra-
phen benutzen dieſe Zeit, um Tlepolemos den Herakli-
den nach Rhodos gehn zu laſſen, damit er noch in vor-
trojaniſcher Zeit ankomme. Von alle dem konnte aber
Pherekydes noch nichts wiſſen, der den Hyllos nach
Ueberwindung des Euryſtheus, ohne den Peloponnes
[57] einzunehmen, nach Theben ziehen ließ 1, wo er mit den
uͤbrigen Herakliden eine Ortſchaft am Elektriſchen Thore
gruͤndet, von der ſpaͤter die Rede [ſein] wird. — Im
Peloponnes ſuccedirten indeß nach der ſynchroniſtiſch an-
geordneten Sage dem Euryſtheus die Pelopiden, welche
darnach ganz als Verdraͤnger der rechtmaͤßigen Herr-
ſcher vom Stamme des Perſeus erſcheinen 2; aber ob
den aͤlteren Dichtern ein ſolches Verhaͤltniß bekannt war,
iſt ſehr zu zweifeln; ſoviel iſt deutlich, daß wir es hier
nicht mit der Tradition, ſondern mit wiſſenſchaftlichen
Combinationen derſelben zu thun haben. Gegen dieſe
neuen Herrſcher richten ſich alsdann die Zuͤge der Hera-
kliden, deren gemeiniglich drei angegeben werden. Die
Erzaͤhlung von denſelben folgt dem Hauptgedanken einer
gaͤnzlichen Abhaͤngigkeit der Dorier vom Delphiſchen Ora-
kel 3: aber die Mißverſtaͤndniſſe dieſer Verkuͤndigungen,
welche hemmend und aufhaltend wirken, halten wir
wieder fuͤr Attiſche Erfindung. Das Orakel nennt
naͤmlich die dritte Frucht und die Waſſerenge als Zeit
und Weg der verheißenen Ruͤckkehr, welches jene falſch
fuͤr das dritte Jahr und den Iſthmos nehmen. Aber
bei Apollodor machen es noch die nicht ganz aufgeloͤſten
jambiſchen Rhythmen gewiß, daß er dieſe Orakelge-
ſchichte aus Tragoedien genommen 4, wie oben im all-
[58] gemeinen bemerkt wurde. — So getaͤuſcht dringt nun
Hyllos im dritten Jahre in den Peloponnes ein, und
findet am Iſthmos die Arkader, Joner, Achaeer der
Halbinſel ſchon verſammelt. Ein Zweikampf zwiſchen
ihm und Echemos, Aëropos Sohn, dem Fuͤrſten von
Tegea, entſcheidet gegen ihn; Hyllos bleibt und wird
in Megara beerdigt, die Herakliden verſprechen, 100
oder 50 Jahre hindurch den Verſuch nicht zu erneu-
ern 1. — Hier wird Jeder den Kampf des Tegeaten
mit dem Hylleer als alte Sage erkennen, in der An-
ordnung dagegen, durch welche man erreichte, daß die
Heraklidenzuͤge waͤhrend des Troerkriegs und der Ju-
gend Oreſts nicht ſtoͤrend eintraten, duͤrfen wir ſchon
die Hand alter Mythenordner argwohnen.
7.
Da man einmal Herakliden und Dorier als
verſchiednen Stammes geſondert hatte, und Hyllos nur
Adoptivſohn des Doriſchen Koͤnigs ſein ſollte: ſo mußte
man daruͤber ſchwanken, wenn man die letztern da-
zu kommen laſſen wollte. Bald vor dem erſten,
bald vor dem zweiten, bald vor dem dritten Zuge,
bald von Heſtiaeotis, bald vom Parnaß aus 2. Ge-
wiß hatte man zu keinem rechten Sagengrund: eben-
ſowenig wie dazu, die Namen Hyllos und ſinnver-
wandte an eine beſtimmte Epoche zu binden. Daher
iſt auch der Genannte bald Atreus, bald Oreſtes Zeit-
genoß 3, Pamphylos und Dymas leben von Herakles
4
[59] Zeit bis zur Eroberung des Peloponnes 1. Und haben
das vollſte Recht dazu, da ſie Collectivnamen der
Staͤmme ſind, die alle dieſe Zeit hindurch exiſtirten. Als
Hyllos Nachkommen aber werden nicht mehr Staͤmme,
ſondern wirklich, wie es ſcheint, Individuen genannt,
nemlich ſein Sohn Kleodaeos 2, und Enkel Ariſtoma-
chos. Dieſe Namen ſtanden an der Spitze der Herakli-
diſchen Genealogie, z. B. der Koͤnige von Sparta;
aus der Luft gegriffen ſind ſie ſchwerlich. Aus ihrer
Folge iſt wahrſcheinlich die beruͤhmte Epoche des Hera-
klidenzugs ausgerechnet, 80 Jahr nach Troja, welche
ohne Zweifel ſchon von den Logographen fixirt worden
war, da ſie Thukydides kennt. Die Alexandriner nah-
men ſie allgemein an, was wir von Eratoſthenes, Krates
und Apollodor ausdruͤcklich wiſſen 3. Aber was von den
Zuͤgen dieſer beiden Fuͤrſten erzaͤhlt wird, ſo mager
es eben auch iſt 4, konnten die wieder nicht anerken-
nen, die die Waffenruhe nach Hyllos Tode, auf 100
Jahre angaben, wie Herodotos und wohl die Aelte-
ren alle 5.
8.
Endlich oͤffnet Apollon ſelbſt den Herakliden die
Augen uͤber den Sinn jenes Orakels. Nicht uͤber den
Iſthmos, ſondern die Meerenge von Rhion ſollen ſie
gehn, und zwar jetzt nach verfloſſenem dritten Ge-
ſchlechte. So ſeegeln ſie denn von Naupaktos zuerſt
[60] nach dem Molykriſchen Vorgebirge (Antirrhion) und
dann auf dem kuͤrzeſten Wege nach dem 5 Stadien
entlegenen Rhion des Peloponneſes 1. — Daß die
Dorier wirklich von jener Seite in den Peloponnes ge-
kommen, iſt Thatſache: es ſtimmt damit uͤberein, daß
die Laͤnder am Iſthmos grade die letzten waren, die
ſie erreichten. Der Name Naupaktos deutet auf alten
Schiffbau 2, und die Tradition meldet, daß die Hera-
kliden in Floͤßen uͤberſetzten, dergleichen man hernach bei
einem Feſte oͤffentlich aufſtellte, und Στεμματιαῖα, mit
Binden umwundne, nannte. Das Feſt war ohne Zweifel
das Karneiſche, da man bei Sparta den Apollon Kar-
neios unter dem Namen Stemmatias verehrte 3. Nun
ſoll auch der Akarnaniſche Weiſſager Karnos, von dem eine
Sage dieſen Cultus ableitet, grade auf derſelben Ueber-
fahrt von Hippotes, Phylas Sohne, getoͤdtet worden ſein,
worauf ihm die Herakliden feierliche Suͤhnopfer brach-
ten 4. Man ſieht daraus, daß Gebraͤuche eines ſpe-
ciellen Apollocultus auf dieſer Ueberfahrt beobachtet
wurden, die meiſt zur Gattung der Suͤhnungen gehoͤ-
ren mochten. Nun haben wir aber im erſten Theile
dieſer Geſchichten gezeigt, und werden es unten von
Apollon handelnd noch befeſtigen, daß der Karneiſche
oder Hyakinthiſche Kult der Aegiden aus Theben ſtammt,
und vor den Doriern im Peloponnes, beſonders in
5)
[61] Amyklaͤ, beſtand. Was ſich daher um die Naupakti-
ſche Ueberfahrt dreht, moͤchte ein andrer, vermuthlich
Akarnaniſcher 1, Zweig der Apolloreligion ſein, der
ſich aber hernach mit den Karneen amalgamirte, woraus
ſich denn mehrere Ausſagen der Alten erkiaͤren wuͤrden.
Die alten Goͤtterdienſte und Feſte ſind oft in der That
ſo kombinirt und verſchlungen, daß man zu ihrer Her-
leitung mehrfache Anfaͤnge zuſammennehmen muß.
9.
Eine hoͤchſt ſeltſame, aber um deſto ſicherer
alte Einkleidung hat die Mythe der Verbindung der
Dorier mit den Aetolern gegeben. Dieſe Einigung,
welche zum Uebergange von Naupaktos durchaus noͤ-
thig war, da die hier ſich Einſchiffenden nahe an Ka-
lydon vorbeigezogen ſein mußten, liegt auch in andern
Sagen: wie es denn uͤberhaupt Charakter der Sage
iſt, daſſelbe auf mancherlei Weiſe zu ſagen. Dahin
gehoͤrt die Vermaͤhlung des Herakles mit der Deianei-
ra, der Tochter des Kalydonier Oeneus 2. Jetzt wird
den Dorien vom Orakel geboten, den Dreiaͤugigen als
Fuͤhrer zu ſuchen. Sie erkennen ihn in dem Aetoler
Oxylos, der entweder ſelbſt einaͤugig auf einem Pferde
ſitzt, oder nur auf einem einaͤugigen Mauleſel reitet.
So ſchwer es iſt, ſich bei dieſer Aufloͤſung des Orakels
zu beruhigen, weil ein ſo zufaͤlliger Umſtand ohne Be-
deutung fuͤr das Ganze iſt: ſo ſcheint es doch unmoͤg-
lich, die wahre Meinung des τριόφϑαλμος aufzufin-
den 3. Es war dieſe Bezeichnung des Aetolerſtamms
[62] vermuthlich allein im Mythus uͤberliefert, ſo daß man
die leidige Deutung erſt ſpaͤter zufuͤgte 1. Oxylos Ge-
ſchlecht wird von Kalydon hergeleitet, ſo daß von dort-
her beſonders die Aetoler gekommen zu ſein ſcheinen,
die ſpaͤter zu Elis herrſchten 2. Zwiſchen den Einwoh-
nern von Elis aber, den Epeiern, und den Aetolern jen-
ſeits des Meerbuſens war alte Verwandtſchaft und
Stammeinheit, Oxylos ſelbſt war nach der Sage aus
Elis urſpruͤnglich gebuͤrtig 3; daher auch kein eigentli-
cher Krieg zwiſchen beiden Statt gefunden zu haben
ſcheint, ſondern nur eine Einbuͤrgerung und Aufnahme
der letztern 4; bei welcher auch den Heroen und Heroi-
nen der Aetoler gleicher Cultus geſtattet wurde als den
eingebornen 5.
10.
Darauf erzaͤhlt die ſyſtematiſirte Sage weiter
von einer Schlacht der unter dem Agamemnoniden Tiſa-
menos vereinigten Macht des Peloponnes gegen die
Soͤhne des Ariſtomachos, worin dieſe ſiegen und der
Peloponnes ihnen zufaͤllt. Je nachdem es paßt, laͤßt
man die Schlacht zu Lande und Waſſer bei der Ueber-
fahrt 6, oder nach dem Durchgange durch Arkadien ge-
ſchehen. Es iſt wahrſcheinlich, daß ſie blos nach Pro-
babilitaͤt angenommen war, Tiſamenos mußte ſie lie-
fern, den man als Fuͤrſt der Achaeer bei der Einnahme
[63] Aegialeias durch die Sage kannte 1. Darin ſtimmen
mehrere Traditionen uͤberein, daß die Herakliden damals
durch Arkadien ihren Weg genommen; Oxylos ſoll ſie ſo
gefuͤhrt haben, um ſie nicht durch ſein fettes Land Elis
neidiſch zu machen 2; Kresphontes ſoll dabei des Arka-
diſchen Koͤnigs, Kypſelos, Eidam geworden ſein, der
in Baſilis am Alpheios im Parrhaſiſchen Lande herrſchte 3.
11.
Weiter folgt die Theilung des Peloponnes un-
ter die drei Bruͤder Temenos, Kresphontes und Ariſto-
damos oder deſſen Soͤhne. Die Ausbildung dieſer Fabel
verdanken wir ganz den Tragikern 4: daß ſie wenig oder
keine Geſchichte enthaͤlt, iſt ſehr klar; nur Thoren thei-
len, was ſich nicht im Ganzen haben: es dauerte aber
noch lange, ehe die Dorier die Hauptmaſſe des Pelopon-
nes beſaßen. — Dabei wird erzaͤhlt, wie auf den Al-
taͤren, worauf die Bruͤder dem Ahnherrn Zeus geopfert,
fuͤr Argos eine Kroͤte, fuͤr Sparta eine Schlange, fuͤr
Meſſenien ein Fuchs ſich fand. Es iſt wahrſcheinlich,
daß dies nichts als Bilder ſind, wodurch — vielleicht
[64] nicht einmal die Peloponneſier — ſondern etwa die Athe-
ner — faſt gehaͤſſig — den Charakter der Voͤlker zn be-
zeichnen ſuchten. Denn daß man ſich darunter etwa
Stadtwappen zu denken habe, laͤßt ſonſt nichts vermu-
then. Man muͤßte denn auf Fourmonts angebliche Ent-
deckung bauen wollen, der im Tempel des Amyklaͤiſchen
Apoll einen Schild mit der Inſchrift des Taleklos als
βαγος mit einer Schlange in der Mitte, und einen an-
dern des Anaxidamos mit einer Schlange und zwei
Fuͤchſen gefunden haben will 1. Allein ſo abentheuerlich
er die Form jener Schilde — mit ſpitzen Enden und an
den Seiten eingeſchnitten — vorſtellt: ſo offenbar liegt
hier der Betrug zu Tage, deſſen Vorausſetzung, daß die
Schlange Spartaniſches Schildzeichen geweſen, ganz
unbegruͤndet bleibt 2.
12.
Obgleich wir die großen Veraͤnderungen, wel-
che das Eindringen der Dorier in allen Verhaͤltniſſen
der Peloponneſiſchen und aller Griechiſchen Staͤmme her-
vorbrachte 3, hier nicht vollſtaͤndig darſtellen koͤnnen,
muß doch bemerkt werden, daß eine Hauptmaſſe der
Achaeer, die urſpruͤnglich aus Phthia ſtammten, ſich
nun die auf Nordkuͤſte wirft, und die Jonier zwingt, nach
Attika hinuͤberzugehen. Die Eroberung der Hauptfeſte
[65] dieſes Landes, der Poſeidoniſchen Helike, wird ſelbſt dem
Tiſamenos beigeſchrieben; und daß wirklich Helike Sitz
der angeſehenſten Geſchlechter des Achaeiſchen Volkes
wurde, zeigt die Tradition, nach welcher der Aetoler Oxy-
los auf Befehl des Orakels die Herrſchaft mit einem Pelo-
piden Agorios theilte, der von Penthilos Oreſtes Sohne
ſtammte u. zu Helike wohnte 1. Die chronologiſche Schwie-
rigkeit, daß Oxylos Zeitgenoß eines Enkels von Penthilos
heißt, bedeutet nicht viel. Auch hatte man zu Helike das
Grab des Tiſamenos, deſſen vorgebliche Aſche die Sparta-
ner, ohne Zweifel in der kindlichen Idee, dadurch das Un-
recht der Vertreibung gut zu machen, nachmals nach
ihrer Stadt brachten, wie ſie daſſelbe mit dem Leich-
name des Oreſtes zu Tegea thaten 2. Aber außerdem
folgt eine Reihe Auswanderungen nach der ſpaͤtern Aeo-
lis in Aſien, bei denen Achaͤer den Hauptſtamm bildeten.
Wenn Oreſtes als Fuͤhrer der erſten genannt wird 3, ſo
ſteht er wohl nur fuͤr ſeine Nachkommen; auch Penthilos
kann ſchwerlich ſelbſt gezogen ſein, da er ſonſt nicht Nach-
kommen in der Heimat hinterlaſſen haben wuͤrde, Pen-
thiliden aber gab es auf Lesbos, ſo wie Nachkommen
eines Lakoniſchen Achaͤers Peiſandros auf Tenedos.
II. 5
[66]
4.
1.
Griechenland iſt auf eine wunderbare Weiſe von
der Natur phyſiſch ſo organiſirt, daß jeder ſeiner Theile
eine eigenthuͤmliche Beſtimmung und einen beſondern
Charakter erhalten hat, es iſt wie ein Koͤrper mit ver-
ſchiedenartigen aber nothwendig verbundenen Gliedern.
Die noͤrdlichen Gegenden bis nach Theſſalien hinein
ſind die naͤhrenden Organe, welche von Zeit zu Zeit
neue kraͤftige Subſtanzen herbeifuͤhrten; das Leben wird
ausgebildeter, individueller geſtaltet, je weiter nach
Suͤden; Attika und die Inſeln ſind die beweglichen nach
außen wirkenden Extremitaͤten; der Peloponnes da-
gegen iſt fuͤr ein in ſich beſchloſſenes, abgerundetes, con-
centrirtes Leben gemacht, mehr intenſiv und geſammelt,
als ſich ausdehnend und verbreitend. Weil nichts mehr
vor ihm liegt, hat gewiſſermaßen das Streben hier
ſein Ziel, und es tritt in ihm ein ſtetiger, feſter, ab-
ſchließender Zuſtand an die Stelle. Mit Recht galt
er den Griechen als das Innerſte, und als die Akropole
Griechenlands, und die ihn beſitzen, waren nach alter
Uebereinſtimmung die anerkannten Erſten Griechenlands.
2.
Dieſes Weſen des Peloponnes wird beſonders
deutlich, wenn man die Gebirgszuͤge betrachtet. Denn
obgleich der Iſthmos die Halbinſel mit dem Feſtlande
[...]Die Groͤße des Peloponnes betraͤgt nach meiner Karte 385
□Meilen, ohne die Inſeln.
[67] durch eine Landſtrecke verbindet, ſo geht doch kein
fortgeſetzter Gebirgszug hinuͤber, ſondern die Oeneiſchen
Berge ſind von den Peloponneſiſchen ganz getrennt 1.
Es bilden aber die Hauptberge des Peloponnes einen
faſt geſchloſſenen Kreis, deſſen Linie man uͤber die Hoͤ-
he des Berges Pholoe, Lampe, Aroanios, Kyllene,
Artemiſion, Parthenion, Parnon, dann uͤber Boreion
und von da nach dem noͤrdlichen Anfang des Taygetos
hinuͤber, und dann am Lykaͤon laͤngs des Alpheios hin-
leiten muß. Am hoͤchſteu ſcheint der Theil von Kyllene
nach dem Parnon; Kyllene maß nach der genaueſten
Angabe 9 Stadien weniger 80 Fuß 2, 5320 helleniſche
Fuß: eine ſehr bedeutende Hoͤhe in Betracht, daß das
Meer ſo nahe, und der Peloponnes der letzte Schlnß
der Kette iſt. Aber auch die oͤſtlichen Ebenen, wie die
von Tegea, liegen ſehr hoch uͤber dem Meere, und
haben oft lange im Fruͤhlinge noch Schnee 3. Von
der bezeichneten Linie entſpringen alle irgend bedeuten-
den Fluͤſſe, und gehen alle Gebirge aus, die die Ecken
und Spitzen des Peloponnes bilden. Das innere Land
aber hat nur eine Oeffnung gegen das weſtliche Meer
hin, durch welche alle ſeine im Alpheios vereinigten
Gewaͤſſer ausſtroͤmen. Dies Land erhaͤlt aber ſeine
beſondere Natur noch dadurch, daß einige niedrigere
und ſecundaͤre Hoͤhenzuͤge ſich mitten hindurchſtrecken,
welche die Gewaͤſſer der Thaͤler zunaͤchſt an jenem
Hauptgebirge noͤthigen, Seen zu bilden, oder unterir-
diſche Abzuͤge zu ſuchen. Daher das im oͤſtlichen hoͤ-
5 *
[68] heren Theile des Landes haͤufige Verſchwinden und
Wiederauftauchen von Fluͤſſen. Dies iſt Arkadien,
ein Land, aus Gebirgsruͤcken und Hochebenen, aus
verſchloſſenen tiefen Thaͤlern, und zwiſchen Felſen zu-
ſammengedraͤngten Flußufern beſtehend, und von der
Natur ſo deutlich von dem uͤbrigen Peloponnes ge-
ſchieden, daß, obgleich ohne politiſche Einheit, es
durch die ganze Geſchichte als ein Ganzes fuͤr ſich be-
ſtehend anerkannt wird. Das Klima des Landes war
vorzuͤglich kalt, die Luft dick, namentlich an der noͤrd-
lichen Gebirgskette 1; wie dies auf die Sinne und das
Gemuͤth des Volkes wirkte, hat ein Arkadier, Poly-
bios, meiſterhaft beſchrieben.
3.
Lakonika iſt durch zwei von Arkadien gradaus-
laufende Gebirgszuͤge gebildet, die den Eurotas einfaſ-
ſen, deſſen Quelle von der eines Arkadiſchen Fluſſes
nur durch eine geringe Abdachung geſchieden iſt. Eu-
rotas iſt bis unterhalb Sparta ein ſchnellſtroͤmender
Gebirgsfluß, dann wird er nach einer Kaskade auf
einer Ebene verſumpfend, weiter hin auf wenig ge-
ſenktem Boden ruhig und grade hinſtroͤmend 2. In
der Gegend Sparta’s ſtehen Felſen und Huͤgel von
beiden Seiten nah zuſammen, und ſchließen ſowohl
oberhalb als unterhalb faſt zu 3, dieſe eingeſchloſſene
Ebene iſt ohne Zweifel die hohle Lakedaͤmon Ho-
mers 4. Hier bewirkte die Enge des Thales und die
Hoͤhe des wie hohe Mauerzinnen ragenden Taygetos,
[69] daß die Hitze des Sommers durch die wie in einen
Fokus zuſammenfallenden Sonnenſtrahlen ſehr erhoͤht,
und durch kuͤhlende Seewinde nie gemildert 1, im Win-
ter dagegen die Kaͤlte doppelt heftig war. Dieſelben
Umſtaͤnde veranlaſſen ſtarke Regenguͤſſe, und die Menge
der Gebirgswaͤſſer bringt in den engen Thaͤlern
leicht Ueberſchwemmungen hervor 2. Die Gebirge,
obgleich in zuſammenhaͤngenden Ketten, ſind doch viel
durchbrochen, ihre zerkluͤftete und geborſtene Geſtalt
leitete man von Erdbeben ab 3, deren eins Sparta
vor dem Helotenkriege ſo ſchrecklich verheerte. Aber
auch die Ebenen des Landes ſind nicht unbetraͤchtlich,
zu den ſchoͤnſten Griechenlands gehoͤrt die am untern
Laufe des Eurotas, welche ſich gegen Suͤden auseinan-
der zieht und vor den Nordwinden durch Gebirge ge-
ſchuͤtzt iſt; auch der von Felſen umzaͤunte Kuͤſtenſtrich
von Malea nach Epidauros Limera (Malvaſia) iſt
ungemein fruchtbar 4, nicht minder die Thaͤler an
der Graͤnze Meſſeniens; nur gegen das Vorgebirge Taͤ-
naron hin wird das Land immer duͤrrer, haͤrter und
ferruginoͤſer. Wie ſehr man aber irrt, [wenn] man ſich
dies Land als eine halbe Wuͤſte denkt, zeigt die ſehr
große Menge Lakoniſcher Fruͤchte, welche Theophraſt
und Andere erwaͤhnen; die edlen Weinarten preiſen
Alkman und Theognis; bis zu den Gipfeln des Tay-
getos hinan wurden Reben gepflanzt, und aus Quel-
len in Platanenwaͤldern muͤhſam bewaͤſſert 5; das
[70] Land war auch darin ſich ſelbſt genug. Aber das werth-
vollſte Erzeugniß war in der Schaͤtzung der neuen Ein-
wohner gewiß das Eiſen der Gebirge 1. Noch gluͤcklicher
war die Lage des Landes fuͤr die Vertheidigung, da
das innere Lakonien von Arkadien, Argolis und Meſ-
ſenien her nur durch Paͤſſe und Gebirgswege zugaͤng-
lich iſt, und grade der beſte Theil deſſelben den Ein-
faͤllen der Feinde aus dieſen Gegenden abliegt. Wohl
richtig im Ganzen faßte Eurivides 2 die Eigenthuͤm-
lichkeit des Landes auf:
und ſtellt Meſſenien gegenuͤber als ein Land
Denn eine ausnehmend ſchoͤne Ebene ſtreckt ſich am
Pamiſos, der, obgleich von kurzem Laufe, doch einer
der breiteſten Fluͤſſe des Peloponnes iſt, nach dem Meſ-
ſeniſchen Buſen hinab, mit Recht Makaria genannt
und der Liſt werth, durch welche ſie Kresphontes ſich
zugeeignet haben ſoll. Noͤrdlicher, mehr gegen Arka-
dien, oͤffnet ſich die von Huͤgeln und Bergen umgebene
Ebene von Stenyklaros. Der Weſten des Landes iſt
mehr gebirgig, doch ohne ſo ſteile Gipfel, wie Tay-
getos; gegen die Neda hin, an der Graͤnze Arkadiens,
nimmt die Gegend den hoͤchſten Charakter wilder und
romantiſcher Scenerie an.
4.
Argolis wird gebildet durch einen Gebirgs-
zug, der vom Arkadiſchen Kyllene und Parthenion ab-
[71] haͤngt, und damit durch einen vielfach durchbrochenen
und deswegen an Schluchten und Hoͤhlen reichen
Bergſtrich (daher Τρητὸν) 1 verbunden iſt, durch
welchen die beruͤhmte wie zwiſchen Felſenmauern ge-
bahnte Straße Kontoporia geht 2, die Argos mit Ko-
rinth verbindet. Durch aͤhnliche Paͤſſe haͤngen Kleonaͤ,
Nemea, Phlius, ſuͤdlicher Mykenaͤ und Tiryns, oͤſtlich
Epidauros unter einander zuſammen; und dieſe natuͤr-
liche Trennung vieler kleinen Landſchaften hat Argolis
politiſche Geſchichte vornweg zum Theil beſtimmt.
Gegen Mittag von jenem Gebirgszuge oͤffnet ſich die
Ebene, an deren Anfange jenem Paſſe zunaͤchſt My-
kenaͤ und in deren Ausbreitung Argos liegt. Hoͤchſt
merkwuͤrdig iſt die Natur dieſer alten Kulturebene, wel-
che offenbar erſt nach und nach von den Gebirgsfluͤſſen
gebildet worden iſt, die den Buſen zwiſchen den Bergen
mehr und mehr ausfuͤllten; daher ſie urſpruͤnglich ſum-
pfig und moraſtig war 3. Inachos, der Strom, und
Melia, die feuchte Niederung, ſind die Eltern der alten
Argiver. Und wenn Argos in alten Sagen das durſtige
heißt: ſo bezog ſich dies nur auf den Mangel des Quell-
waſſers in der Naͤhe. — So gebirgig das uͤbrige Ar-
golis iſt, ſo oͤffnen ſich doch hie und da im Innern und an
Meerbuſen kleine Ebenen, welche durch die Guͤte des Bo-
dens den Ackerbau beguͤnſtigen und anregen; die Suͤdoſt-
kuͤſte ſenkt ſich niedrig und flach dem Meere zu. Beſonders
erſtreckt ſich noͤrdlich von jenem Bergſtriche vom Iſthmos
bis an einen engen Paß an den Grenzen Achaias eine ſchoͤne
[72] und im Alterthum viel geprieſene Ebene, in der Ko-
rinth und Sikyon liegen 1. — Fuͤr den Gang der Ar-
giviſchen Cultur iſt es noch wichtig zu wiſſen, daß die
Berge zwiſchen Argos und Korinth Kupfer enthalten 2,
daher auch in jener Stadt ſehr fruͤh Erzbereitung ſtatt
gefunden zu haben ſcheint, daher der alte Ruhm der
Argiviſchen Schilde. Dagegen haben ſich nirgend im
Peloponnes edle Metalle gezeigt, und auch dieſer
Mangel war eine Vorſchrift der Natur fuͤr die Thaͤtig-
keit der Menſchen.
5.
Das ſpaͤtere Achaia iſt nur der ſchmale Kuͤſten-
ſtrich laͤngs der Abdachung des noͤrdlichen Bergzugs von
Arkadien. Die meiſten Staͤdte des Landes liegen daher
auf Huͤgeln uͤber dem Meer, wenige in eingeſchloſſenen
Thaͤlern. Die Quellen der zahlreichen Fluͤſſe, die das
Land bewaͤſſern, gehoͤren faſt alle noch zu Arkadien,
welches hier uͤber die Waſſerſcheide hinausreicht.
Aber die niedrigſte Abdachung des Peloponnes und die
allmaͤligſte Senkung zum Meere iſt gegen Weſten, daher
auch hier ſich die groͤßte Flaͤche der Halbinſel ausbreitet,
welche von den vorlaufenden Gebirgszuͤgen Skollis und
Pholoe eingefaßt, darum die Hohle Elis heißt. Es
war eine guͤnſtige Fuͤgung, daß grade dieſe weite Ebene
das Vorrecht eines ſelten geſtoͤrten Friedens genoß. Ge-
gen die Kuͤſte hin wird das Land ſandig; eine breite
Sandſtrecke zieht ſich laͤngs des Meeres bis nahe dem
Triphyliſchen Pylos herab, welches darum ſo oft bei
Homer das ſandige heißt 3. Und weil das Land ſich
wenig uͤber das Meer erhebt, fuͤllt dieſes eine Anzahl
Seen oder Lagunen, die an dem groͤßten Theile des Ge-
[73] ſtades fortlaufen, und theils unter ſich, theils mit dem
Meere in Verbindung ſtehn. Der Strom Alpheios
fließt bei dieſer Beſchaffenheit des Landes ziemlich lang-
ſam zwiſchen Huͤgelketten und kleinen Ebenen ins Meer.
Gegen Suͤden wird das Land gebirgiger, und ſchließt
ſich in ſeiner Natur naͤher an Arkadien an.
6.
Wenn man ſich nun dies eigenthuͤmliche Land
vor der Urbarmachung und Cultur vorſtellen will: ſo
giebt es einen ſonderbaren Anblick. Die Waͤſſer Arka-
diens ſind offenbar mehr geeignet, die hohlen Niederun-
gen zu fuͤllen, oder unregelmaͤßig zu uͤberſchwemmen,
als im ruhigen Laufe zu befruchten. Die Thaͤler von
Stymphalos, Pheneos, Orchomenos, Kaphyaͤ in Arka-
dien bedurften Canaͤle, Daͤmme u. dgl., um nur dem
Ackerbaue dienen zu koͤnnen. Einen Theil der Argivi-
ſchen Ebene mußte man durch Sorgfalt trocken erhalten,
damit er nicht zum Lernaͤiſchen Sumpfe wuͤrde. Der
untere Lauf des Eurotas forderte eine kuͤnſtliche Rege-
lung; daß ſie ihm im Laufe der Zeit zu Theil geworden,
zeigen noch 1 die Reſte von Kay’s, die den Fluß zu ei-
nem Canal machen. Das alte Neſtoriſche Pylos lag
an einem Fluͤßchen (Anigros), welches jetzt, da es ver-
ſumpft, die Gegend zu einem ſehr ungeſunden Aufent-
halte macht; bei Lerna darf kein Reiſender ohne Gefahr
eine Nacht zubringen. So war es nicht blos, um den
Boden zu benutzen, ſondern um die Exiſtenz zu ſichern,
an vielen Stellen des Peloponnes von Anfang an noͤthig,
die Natur durch Kunſt zu regeln. Jetzt ſind bei der
Traͤgheit, die die unmittelbare Folge der Unterdruͤckung
[74] iſt, Gegenden von ſolcher Luftbeſchaffenheit, daß ein
ſieches Geſchlecht in ihnen beſtaͤndig hinſtirbt: die ehe-
mals die Muͤtter der kraͤftigſten und geſuͤndeſten Staͤm-
me waren. Und daß eine ſolche Urbarmachung von den
aͤlteſten Zeiten anfing, geht daraus hervor, daß wir
grade in den Thaͤlern, die ihrer am meiſten bedurften,
die Spuren primitiver Staͤdte entdecken 1. Die Tradi-
tionen unterſtuͤtzen dieſe Induktion. Die ſparſamen
Nachrichten uͤber Lakonika’s fruͤheſte Zeiten ſagen, daß
Myles, der Sohn des Erdgebornen Lelex, Muͤhlen
baute, und in Aleſiaͤ Korn mahlte. Sein Sohn aber ſei
Eurotas, der das im Blach-Felde ſtockende Waſſer
durch einen Canal ins Meer gefuͤhrt, den man hernach
Eurotas genannt habe 2. Selbſt die Anlage Sparta’s
ſetzt wohl Ableitung des ſtehenden Waſſers voraus 3.
Ja man konnte noch ſpaͤter, indem man den Lauf des
Fluſſes hemmte, die Gegend zwiſchen Sparta und den
gegenuͤberliegenden Hoͤhen einigermaßen unter Waſſer
ſetzen 4.
7.
Die Erwaͤgung dieſer natuͤrlichen Umſtaͤnde und
Traditionen noͤthigt zur Annahme, daß die Staͤmme,
welche als die Urbewohner des Peloponnes galten, die
Pelasger im Oſten und Norden, die Leleger im Suͤden
und Weſten, zugleich die Landescultur, welche nachmals
durch ganz Griechenland herrſchte, begruͤndet haben.
Und eigentlich ſind es auch nur dieſe ureinwohnenden
Staͤmme, welchen fortwaͤhrend Ackerbau, Viehzucht
und Alles, was die Benutzung der Natur betrifft, ob-
lag. Denn theils waren die Einwanderungen der Achaͤer,
Joner, ſo wie nachmals der Dorier, an Zahl gering in
[75] Vergleich mit der Volksmenge des ganzen Peloponnes;
und dann eroberten dieſe Staͤmme mit dem Lande auch
die Leute, und gruͤndeten auf den Beſitz beider eine un-
abhaͤngige Exiſtenz: ſo daß eigentlich bei allem Wechſel
der Beherrſcher die Maſſe des Volks im Alterthum die-
ſelbe geblieben iſt. Durch dieſe Uſurpationen aber trat
der ackerbauende und viehzuchttreibende Stand in eine
beſtaͤndige Abhaͤngigkeit und darum in Dunkelheit zuruͤck,
ſo daß auch von dem, was ſein Geſchaͤft war, der
Landescultur, nur ſelten die Rede iſt. Indeſſen wurde
der Ackerbau ſtets mit großem Eifer betrieben. Denn
ſo bevoͤlkert der Peloponnes auch in der Zeit des Pelo-
ponneſiſchen Krieges war, ſo brachte er doch mehr Korn
hervor als er bedurfte, und es ging von Lakonien und
Arkadien eine beſtaͤndige Ausfuhr nach der Kuͤſte von
Korinth hinab 1.
8.
Wie groß eigentlich die Anzahl der Dorier war,
welche in den Peloponnes einwanderte, iſt etwa ſo zu
beſtimmen. In der bluͤhenden Zeit der Doriſchen Macht
gegen die Zeit des Perſerkriegs hatte Sparta, welches
Meſſenien ſich angeeignet, 8000 Familien, Argos uͤber
6000, in Sikyon, Korinth, Phlius, Epidauros, Aegi-
na waren die Dorier ſparſamer, bei mehr oligarchiſchen
Verhaͤltniſſen; und wenn in den Colonieen bei hinlaͤng-
lichem Raum zur Ausbreitung und durch die Strenge der
Geſetze minder beſchraͤnkt, die Zahl der Einwohner ſich
ſchnell vermehrte, ſo war doch die Zahl der urſpruͤngli-
chen Coloniegruͤnder, ſo viel davon Dorier, ſehr klein.
Da nun aber auch wieder in den ſchon geordneten Staa-
ten des Peloponnes die Zahl der Einwohner, beſonders
der Doriſchen, aus manchen Gruͤuden nie bedeutend zu-
nahm, ſo duͤrfen wir auch ſchon zur Zeit der Einwan-
[76] derung die geſammte Zahl des Volkes auf etwa 20,000
Maͤnner ſchaͤtzen 1. — Auch die fruͤheren Einwanderungen
der Achaͤer und Jonier waren nicht bedeutender. Denn die
Jonier erſcheinen ja, wie aus den Stammſagen klar iſt,
als Kriegerſtamm in Attika, und bildeten wahrſchein-
lich, noch dazu mit vielen fremden Geſchlechtern ge-
miſcht, nur eine und ſicher die kleinſte von vier Phylen.
Die Ankunft der Achaͤer ſtellt die alte Sage hoͤchſt ein-
fach ſo dar: Achaͤos Soͤhne, Archander und Architeles,
kamen, aus Phthiotis vertrieben, nach Argos und La-
kedaͤmon. Die Namen beſagen den herrſchenden Mann
und den Verwalter der Obrigkeitſtellen. Sicher kamen
die Achaͤer nicht, um das Land zu bauen, wie auch
daraus hervorgeht, daß, als ſie, von den Doriern ver-
trieben und auf die Nordkuͤſte geworfen, Patraͤ einnah-
men, ſie auch hier nur die Stadt bewohnten und ſich
nicht in die kleineren Ortſchaften zerſtreuten 2.
Daß die Dorier mit Frau und Kind wanderten, iſt
wohl gewiß. Frauen aus fremden Staͤmmen haͤtte der
Spartiat nicht ſo ungemeine Achtung erwieſen, wie er
that, und es muͤßte ſich dann das ganze Doriſche Fami-
lienverhaͤltniß anders geſtaltet haben, als es ſich geſtal-
tete. Das unterſcheidet dieſe Wanderung ſehr von der
der Jonier, welche, nach Herodot, ohne Frauen aus
Attika auswandernd, eingeborne Karerinnen zu Frauen
oder vielmehr zu Sklavinnen nahmen, die den helleni-
ſchen Mann nicht bei ſeinem Namen, ſondern nur
“Herrn” nennen durften, — und wohl von allen
aͤltern Niederlaſſungen uͤber Meer, da die Geſtalt
der altgriechiſchen Ruderſchiffe ſchwerlich irgend das
Mitnehmen der Frauen geſtattete.
[77]
9.
Wie aber, durch welche Ueberlegenheit, die Do-
rier den Peloponnes eroberten, waͤre minder ſchwer
zu erklaͤren, wenn es blos auf offne Feldſchlacht an-
kaͤme. Denn da anzunehmen iſt, daß uns Homer die
Kampfweiſe darſtellt, welche die alten Achaͤer geuͤbt
und vermuthlich noch als Aeoler in Aſien beibehalten
hatten, ſo muß der Kampf ganzer vollgeruͤſteter Linien
in geſchloſſener Ordnung erſt durch die Dorier in den
Peloponnes gekommen ſein, bei welchen ihn ſchon Tyr-
taͤos ſchildert. Nun aber mußten die Wagen und Wurf-
lanzen Homeriſcher Helden der ſtetig vordringenden Ge-
walt hochgeſtellter Glieder mit Stoßlanzen gegenuͤber
auf jeden Fall ſieglos werden. Allein ſchwerer kann
man begreifen, wie die Dorier jene unerſteiglichen
Mauerwerke ſtuͤrmten, mit denen der Peloponnes an-
gefuͤllt war, beſonders, da Belagerungen nie Sache
dieſes Volkes, und offne Kraft dagegen nichts half.
Wie erſtuͤrmten ſie Akrokorinth, dies Gibraltar des
Peloponnes 1, wie die Argiviſche Lariſſa und aͤhnliche
Feſten? Hieruͤber haben ſich einige Nachrichten erhal-
ten, auf die Eroberung von Argos und Korinth be-
zuͤglich, die in ihrer Uebereinſtimmung untereinander
und mit den Lokalumſtaͤnden als gute hiſtoriſche Erin-
nerungen gelten muͤſſen. Sie lehren uns, daß die
Dorier ſich bemuͤhten, einen Punkt in ziemlicher Naͤhe
der alten Feſtung zu befeſtigen, und von da aus in
beſtaͤndigen Streifzuͤgen das Land verwuͤſteten und die
Vertheidiger ſo lange umlauerten, bis ſie ſich zum
Kampfe ſtellten oder [nachgaben]. So zeigte man noch
ſpaͤter die Punkte, von denen aus Temenos und Aletes
einen ſolchen Kampf mit Erfolg gefuͤhrt.
[78]
5.
1.
Vor den Doriern war ohne Zweifel Mykenaͤ, im
hoͤhern Theile der Ebene am Ausgange des Gebirgs
gelegen, der bedeutendſte und angeſehenſte Ort in Ar-
golis, und Argos, obgleich der Sitz der aͤlteſten Lan-
descultur, war davon abhaͤngig und untergeordnet.
Zu Mykenaͤ war Euryſtheus kyklopiſche Vorhalle 1;
Agamemnons goldreiches Haus; und wenn die befeſtigte
Stadt auch klein war, wie Thukydides mit Recht ſagt,
ſo war ſie doch — wie wir jetzt belehrt ſind — voll
von großartigen und reichgeſchmuͤckten Monumenten,
die in ihrer halbbarbariſchen aber doch kunſtreichen
Pracht von der Einfachheit und Ungeſchmuͤcktheit deſ-
ſen, was nachmals die Doriſche Zeit hervorbrachte,
ungemein abſtachen 2. Die Doriſche Eroberung fing da-
gegen nicht bei jenen durch Natur und Menſchenhand
gleich geſicherten Burgen an, ſondern ſchritt auf dem
umgekehrten Wege von der Seekuͤſte aus vorwaͤrts.
Denn am Meere zwiſchen Lerna und Nauplia, an der
Muͤndung des Phrixos 3, lag ein befeſtigter Ort, Te-
menion, von welchem aus Temenos, Ariſtomachos Sohn,
mit den Doriern den Tiſamenos und die Achaͤer be-
[79] kriegte, und wahrſcheinlich durch beſtaͤndige Streifzuͤge
ſo lange ermuͤdete, bis ſie eine offene Schlacht annah-
men. — Von da bemaͤchtigten ſich die Dorier nach
muͤhevollem Kampfe der Stadt Argos 1)1. Eine ver-
bindungsloſe Sage erzaͤhlt, daß ein Nachkomme des
Diomed Ergiaͤos das Palladion, welches ſein Vorfahr
von Ilion nach Argos gebracht, entwendet und dem
Temenos uͤberliefert habe: worauf die Eroberung der
Stadt erfolgt ſei 2. Dieſe ſchrieb die Sage alſo dem
Temenos ſelbſt zu.
2.
Aber die weitere Verbreitung der Doriſchen
Herrſchaft wird erſt ſeinen Soͤhnen beigemeſſen, als
welche die Doriſche Sage Keiſos, Kerynes, Phalkes,
Agraͤos nennt 3. Von dieſen laͤßt ſie Keiſos zu Argos
herrſchen, und Phalkes nach Sikyon gehen. Die
uralte Mekone oder Sikyon war fruͤher in den Haͤnden
der Jonier geweſen, und hernach den Achaͤern von Ar-
gos unterthan geworden. Die ſehr reiche Mythe der
alten Stadt enthaͤlt die verſchiedenſten, ſymboliſchen
und hiſtoriſchen, Elemente: wir beruͤhren nur das
naͤchſt vorhergehende. Schon vorher ſoll ein Herakles-
Sohn, Phaͤſtos, hier geherrſcht haben, und als die-
ſer nach Kreta geht und dort die Stadt ſeines Na-
mens gruͤndet 4, ſeine Nachkommen Rhopalos, Hippo-
[80] lytos, Lakeſtades ihm gefolgt ſein, von denen der letzte
ſich mit Phalkes vertraͤgt. Zwiſchen ihnen wird aber
ein Sohn Apollons und der Nymphe Hyllis 1, Zeu-
xippos, eingeſchoben. Man erkennt hier Erinnerungen
einer Verbindung mit dem Kretiſchen Phaͤſtos und der
Einfuͤhrung des Apollon- und Heraklesdienſtes; aber zu
chronologiſchen Schluͤſſen kann dieſe Tradition nicht be-
rechtigen.
3.
Ob Phlius in einem ſchoͤnen Hochthale, aus
dem die vier Quellen des Aſopos ſtroͤmen 2, an der
Ecke Arkadiens gelegen, von Sikyon oder Argos
gegruͤndet ſei, ſtritten die Bewohner der beiden Staͤdte.
Dieſe nannten hoͤchſt einfach Phlias Sohn des Keiſos 3.
Aber Phlias iſt nichts als der zur Perſon geſtempelte
Name der Gegend, die von φλέω, φλιδάω die von Feuch-
tigkeit uͤberſchwellende heißt, welchen Namen die Ge-
ſtalt derſelben noch rechtfertigt. Daher Phlias weit
beſſer Sohn des Dionyſos (Φλεὺς, Φλεὼν) heißt, der
in ſolchen Thaͤlern mit Vorliebe wohnt. Sonach wer-
den wir den Sikyoniern lieber Recht geben, die den
Sohn des Phalkes, Rhegnidas, als Gruͤnder der Dori-
ſchen Herrſchaft angaben 4, da man noch dazu nach Phlia-
ſia leichter von Sikyon aus laͤngs des Aſopos, als von
Argos her vordringt. Wenn Pythagoras, der Samier,
ſein Geſchlecht von einem Hippaſos ableitete, der da-
mals Phlius verlaſſen habe, und ferner Klazomenaͤ, die
Ioniſche Stadt, zum Theil von Kleonaͤern und Phlia-
ſiern, die von den Doriern vertrieben, gegruͤndet ſein
ſoll 5, ſo geht daraus wohl die Verwandtſchaft der
fruͤhern Einwohner dieſer Orte mit den Joniern hervor.
[81]Kleonaͤ, in einem engen Thale, wo die Berge ſich ge-
gen Korinth oͤffnen, gelegen, und an Phlius graͤnzend,
ſcheint nach dieſer Nachricht mit der genannten Stadt
zugleich, doch wahrſcheinlich von Argos aus, bevoͤlkert
worden zu ſein. Denn wir finden dort (doch blos nach
einer Conjectur) 1 daſſelbe Heraklidiſche Haus herr-
ſchend, von dem ein Zweig von Argos nach Epidauros
ging.
4.
Die Akte, wie man vorzugsweiſe die Nord-
kuͤſte von Argolis, Attika gegenuͤber, nannte 2, nahmen
nach Ephoros Erzaͤhlung Deiphontes und Agaͤos 3
ein. Der erſte, welcher ein Nachkomme des Kteſippos
nnd Schwiegerſohn des Temenos genannt wird, und
deſſen Schickſale eine tragiſche Behandlung geſtatteten,
bemaͤchtigte ſich der Stadt Epidauros, und ver-
draͤngte von da die Jonier, die unter einem Koͤnige,
Pityreus, nach Attika hinuͤber zogen, von wo deſſen Sohn,
Prokles, alsdann bei der allgemeinen Wanderung nach
Samos ging 4. Von den Epidauriſchen Doriern aber
zog ein Theil unter der Anfuͤhrung Triakon’s nach
II. 6
[82]Aegina hinuͤber 1, woſelbſt fruͤher Theſſaliſche Helle-
nen geherrſcht hatten, und verband die Inſel zu einem
Gemeinweſen mit der Mutterſtadt, mit gleichen Rech-
ten und unter denſelben Obrigkeiten. Da nun außer
Epidauros nur noch Troezen zur Akte gehoͤrt,
und außer Deiphontes noch Agaͤos als Doriſcher Be-
voͤlkerer dieſes Kuͤſtenlandes genannt wird: ſo muß es
wohl Agaͤos geweſen ſein, der Troezen zur Doriſchen
Stadt machte 2. Er muß auch hier Jonier angetroffen
haben, da die mythiſchen Genealogieen ſowohl als die
Goͤtterdienſte des alten Troezen eine nahe Verwandt-
ſchaft der fruͤheren Einwohner zu den Athenern bewei-
ſen. Denn Troezen theilte ſogar mit den Joniſchen
Staͤdten den eigenthuͤmlichen Cultus der Athena Apa-
turias als Goͤttinn der Phratrien und Geſchlechter 3,
und den des Poſeidon und ſeines Sohnes Theſeus.
5.
Die gegebenen Nachrichten zeigen, daß Sikyon,
Phlius, Kleonaͤ, Epidauros, Troezen, Aegina von Ar-
gos aus unmittelbar oder mittelbar ihren Antheil an
Doriſcher Bevoͤlkerung erhielten. Wir muͤſſen bedauern,
daß uns von Mykenaͤ und Tiryns beſtimmte Nachrich-
ten fehlen, deren Eroberung beſonders ſchwierig aber
auch fuͤr den Sieg der Dorier entſcheidend ſein mußte.
Pindar 4 betrachtet die Vertreibung der Achaͤiſchen
Danaer aus dem Argiviſchen Buſen und Mykenaͤ als
identiſch mit dem Heraklidenzug; und Strabon 5 giebt
[83] an, daß es die Argiver mit ſich vereinigt haͤtten. In-
daß finden wir doch im Perſiſchen Kriege Mykenaͤ und
Tiryns als fuͤr ſich beſtehende Staͤdte, und es wird
zweifelhaft, ob ſie je Argos vorher dauernd angehoͤrt.
— Daß wenigſtens in den Gebirgen oberhalb Argos
noch alte Einwohner ſich erhielten, zeigen die Ornea-
ten. Die Einwohner von Orneaͤ in den Graͤnzgebir-
gen von Mantinea, lange den Doriern feindlich und
mit denen von Sikyon im Kriege 1 wurden endlich von
Argos uͤberwunden und zu einer Art Perioͤken herab-
geſetzt 2. Dies konnte doch wohl nach Doriſchem Voͤl-
kerrechte nur gegen Leute eines fremden Stammes ge-
ſchehen; ſo erhellt, daß die Orneaten bis dahin Achaͤer
oder Arkader waren.
3.
Obgleich es nach den gegebenen Nachrichten
ſcheint, daß Argos die von da aus den Doriern unter-
worfenen Staͤdte meiſt ganz aus ſeiner Gewalt verlo-
ren habe, beſtanden doch in fruͤhern Zeiten gewiß Ver-
bindlichkeiten dieſer gegen jenes, die aber ſpaͤter mehr
bloße Formen wurden. Es gab in Argos auf der La-
riſſa einen Tempel des Apollon Pythaeus, welcher wahr-
ſcheinlich bald nach der Einwanderung von den Doriern
als ein Heiligthum des Nationalgottes, der ſie in das
Land gefuͤhrt, errichtet worden war. Es war ein
gemeinſames Heiligthum der Umgegend, doch den Ar-
geiern beſonders eigen 3. Die Epidaurier waren ver-
pflichtet, zu beſtimmten Zeiten Opfer dahin zu ſen-
den 4. Die Dryoper, ehemals, und noch ſpaͤter als
Kraugalliden, Unterthanen des Delphiſchen Gottes, hat-
6 *
[84] ten in Aſine und Hermione Tempel des Apollon Py-
thaeus errichtet, zum Bekenntniß einer aͤhnlichen Ab-
haͤngigkeit; jenen ließen die Argiver bei der Zerſtoͤrung
der Stadt allein ſtehen 1.
7.
Die erhaltenen Bruchſtuͤcke aus der aͤltern Ge-
ſchichte der Dryoper ſind oben zuſammengeſtellt; hier
bemerken wir nur, daß ſie einen bedeutenden Strich,
den ſuͤdlichſten, in Argolis beſaßen, deſſen Graͤnzen,
ſo lange ſie ihnen ungeſchmaͤlert blieben, durch zwei
Punkte, den Tempel der Demeter Thermeſia an der
Graͤnze zwiſchen Hermione und Troezen, 80 Stadien
vom Kap Skyllaͤon, und einen Huͤgel zwiſchen Aſine,
Epidauros und Troezen 2, beſtimmt waren und ſich
noch ziemlich genau beſtimmen laſſen. Herakles, der
nach Doriſcher Sage das Volk hieher gefuͤhrt, hatte
ihnen auch genau dieſe Graͤnzen angewieſen. Indeſſen
wird berichtet, daß ſie ſich auch außer dieſen Graͤnzen in
Nemea, dem Argoliſchen, niedergelaſſen hatten 3, —
welches indeß, ſo wenig wie Olympia, ein fuͤr ſich
beſtehender Ort, ſondern nur der Name eines Thals
und beſonders des Heiligthums des Zeus darin war.
8.
Korinthos Gruͤndungsgeſchichte iſt ſehr wun-
derbar und dunkel: indeſſen enthaͤlt ſie merkwuͤrdige hi-
ſtoriſche Andeutungen. Erſtens wird gemeldet, daß
dieſe Stadt nicht von Argos aus ihre Bewohner er-
hielt. Die Sage lautet ſo: Als Hippotes bei dem Ue-
bergange von Naupaktos den Weiſſager erſchlagen, wurde
er, nach Apollodor 4 auf 10 Jahre, vertrieben, waͤhrend
deren er ein herumziehendes, ja raͤuberiſches Leben
fuͤhrte 5: wovon ſein Sohn Ἀλήτης, der Unſtaͤtſchwei-
[85] fende, heißt 1. Eine halb verlorne Tradition erzaͤhlt 2,
daß Hippotes, uͤber den Meliſchen Meerbuſen ſchiffend,
gegen die, welche zuruͤckbleiben wollten, die Verwuͤn-
ſchung ausſprach: ihre Fahrzeuge ſollten durchloͤchert
ſein, und ſie Sklaven ihrer Frauen. So ſchweift Aletes
auch im Gebiet der damaligen Ephyra umher, wo er
aus Hohn eine Erdſcholle empfaͤngt 3, die in alter Ora-
kelſprache Symbol der Landesherrſchaft war 4. Wir
koͤnnen faſt ſchon aus dieſen Sagen errathen, daß die
Doriſchen Krieger die fruͤheren Ephyraͤer durch Verwuͤ-
ſtung der Aecker und beſtaͤndiges Beunruhigen ermuͤde-
ten und zuletzt unterwarfen. Dies wird durch die ſehr
geſchichtliche Nachricht des Thukydides beſtaͤtigt 5. Es
gab im Gebirge, etwa 60 Stadien von Korinth und 12
vom Saroniſchen Meer, einen Huͤgel, Solygios, den
die Dorier einſt in Beſitz genommen hatten, um die Aeo-
liſchen Einwohner von Korinth zu bekriegen. Der Huͤ-
gel war indeß, wenigſtens zu Thukydides Zeit, ohne
Befeſtigungswerke. Wir erkennen hierin ganz dieſelbe
Art Krieg zu fuͤhren, wie in jener Geſchichte von Teme-
nos, eine Weiſe, die im Peloponneſiſchen Kriege durch
die Beſetzung Dekeleias von den Spartanern wieder er-
neuert wurde. Weiter erzaͤhlt eine Sage, die ſich an
das Hellotiſche Feſt anſchließt, daß die Dorier bei der
Eroberung Korinths die Stadt angezuͤndet, und ſelbſt
an den Tempel der Athena, worin ſich die Frauen ge-
[86] fluͤchtet, Feuer angelegt haͤtten 1. Eine andere giebt
an, daß Aletes, da ihm das Orakel geweiſſagt: er ſolle
am kranzreichen Tage die Stadt angreifen, ſie waͤhrend
eines großen Leichenfeſtes durch Verrath der juͤngſten
Tochter des Kreon eingenommen: doch ſind dies zum
Theil nur ſcheinbar hiſtoriſche Deutungen von alten Feſt-
gebraͤuchen. Weil Aletes, der Genealogie zufolge, ein
Menſchenalter nach den Eroberern des Peloponnes lebt:
ſetzte man die Einnahme von Korinth 30 Jahre nach dem
Heraklidenzuge 2, und verfiel dann auch wohl in den
Irrthum, fruͤhere Dorier in Korinth anzunehmen, weil
ja doch die Herakliden den Peloponnes mit einem Schla-
ge eingenommen haben ſollten. Jetzt erſt ſcheint die
Stadt den Namen Korinth erhalten zu haben, da ſie
bis dahin Ephyra hieß 3; und zwar ſcheint es, daß ſie
die Dorier mit einer gewiſſen Vorliebe “des Zeus Ko-
rinth” nannten, ohne daß es den Bemuͤhungen alter
Erklaͤrer gelungen iſt, den Namen befriedigend zu er-
klaͤren.
9.
Die fruͤheren Bewohner Korinths waren nach
Thukydides Ausdruck Aeoler geweſen, und ihre Sa-
gen und Culte zeigen, daß ſie in naher Verwandtſchaft
mit den Minyern von Jolkos und Orchomenos ſtanden 4.
Ihre Koͤnige ſind die Siſyphiden, deren Genealogie mit
Hyantidas und Doridas ſchließt. Wir finden in dem
letzten Namen dieſelbe Verwirrung, die ich unter andern
in der Sage von Theſſalos, Jaſons Sohn, nachgewieſen
habe 5; wodurch ein neu eintretender Volkſtamm genea-
[87] logiſch an die Heroen des fruͤher herrſchenden angeknuͤpft
wird. So wird Doridas, d. i. der Dorer in patrony-
miſcher Form, Nachkomme des Siſyphos. Von nun
an herrſchen die Dorier; ohne indeſſen doch, wie Pau-
ſanias vorgiebt 1, die fruͤhere Bevoͤlkerung ganz zu ver-
treiben, da die Zahl der Einwanderer nur den Adel des
neuen Staates bildete. Nur poetiſch nennen Pindar
und Kallimachos das geſammte Korinthiſche Volk Aleti-
den 2; genealogiſch leitete ſich von Aletes nur die Herr-
ſcherfamilie, die Bakchiaden ab, die lange der Stadt Koͤ-
nige und Prytanen, und allen Kolonien Korinths An-
fuͤhrer gab. Doch gab es auch angeſehene Familien an-
derer Abkunft. Die Familie des Kypſelos, welche ſpaͤ,
ter ſich der Tyrannis bemaͤchtigte, war nach Herodot
Lapithiſch und ſtammte von Kaͤneus 3. Sie kam nach
Pauſanias 4 von Gonuſa bei Sikyon den Doriern gegen
Korinth zu Huͤlfe; indeß nahm ſie Aletes, durch ein
Orakel gewarnt, zuerſt nicht auf; ſpaͤter aber zog er ſie,
daſſelbe vernachlaͤſſigend, in die Stadt, wo ſie nach-
mals ſeine eigenen Nachkommen ſtuͤrzte. Wir laſſen die
aus der Tyrannis ruͤckwaͤrts gebildete Erzaͤhlung auf
ſich beruhen, blos bemerkend, daß jene Kaͤniden mehr
Anlaß hatten, den alten Aeolern als den Doriern zu hel-
fen, und entnehmen daraus nur die Exiſtenz nichtdori-
ſcher Familien von Anſehn in Korinth.
10.
Indem wir mehr einer lokalen Anordnung, als
der genauen Chronologie folgen, ſchließen wir die Gruͤn-
[88] dung von Megara an 1. Die alte Tradition knuͤpft
dieſelbe ganz an den Zug des Peloponnes gegen Athen 2,
und zwar mit Recht, da Megara vor dieſer Epoche mit
Attika eng verbunden und in Jonien inbegriffen war.
An dieſem Zuge nahmen, nach den meiſten Erzaͤhlern, die
ſaͤmmtlichen Peloponneſier Theil; doch nennen Andere
die Korinthier als die eigentlichen Unternehmer und Ale-
tes als den Anfuͤhrer, dem man indeß Althaͤmenes, Kei-
ſos Sohn, von Argos beigeſellt. Wie der Doriſche Ein-
fall durch den freiwilligen Heldentod des Kodros abge-
wehrt worden, haben Dichter und Redner vielfach aus-
geſchmuͤckt 3. Uns genuͤgt hier, der vielgefeierten Sage
die ſehr dunkle entgegenzuſtellen, nach der Athener, die
Lykophron Kodroi nennt, Antheil nehmen an dem Zuge
der Herakliden 4. Wie nun immer auch hier an der
Graͤnze Jonier und Dorier ſich begegnet ſein moͤgen: ſo
iſt doch gewiß, daß Megara durch dieſe Unternehmung
eine Doriſche Stadt, und zwar zunaͤchſt eine Korinthiſche
Colonie wurde 5. Lange blieb es auch noch ganz in der-
ſelben Abhaͤngigkeit, wie Aegina von Epidauros; als
Zeugniß derſelben wird angefuͤhrt, daß die Einwohner
des Landes gehalten waren, jeden Todten aus der Familie
der Bakchiaden zu Korinth zu betrauern 6. Als es aber im
[89] Innern erſtarkt war, wagte er ſich loszureißen, und Zeus
Korinthos zum Trotz, die Korinther aus dem Felde zu ſchla-
gen 1. Wahrſcheinlich iſt es dies Ereigniß, von
dem Pauſanias geleſen hatte, daß es vor Anfang der
Olympiaden, da in Athen Phorbas lebenslaͤnglicher
Archont war, vorgefallen; aber ich glaube, daß er
es unrecht auf einen Theſauros zu Olympia anwand-
te, der mit Bildern des Lakedaͤmonier Dontas (Ol.
60) ausgeſchmuͤckt war, und deſſen Inſchrift ganz un-
beſtimmt von einem Siege der Megarer und Argeier
uͤber die Korinthier ſprach 2. Graͤnzkriege der Megarer
und Korinthier dauerten immerfort 3. Erſt nach der
Befreiung ſcheint ſich Megara als herrſchende Stadt er-
hoben zu haben, da es fruͤher zu einer von den fuͤnf
Orten (κῶμαι) gezaͤhlt wird, in die das Land getheilt
war: Heraͤer, Piraͤer, Megarer, Kynoſurer, Tripo-
diskier 4. Dieſe fuͤhrten untereinander auch Krieg, aber
mit ungemeiner Milde, wovon uns faſt maͤhrchenhafte
Erzaͤhlungen erhalten ſind; der Sieger fuͤhrte ſeinen
6
[90] Gefangenen nach Haus, behandelte ihn als Gaſtfreund
und Tiſchgenoß; ſolche hießen hernach δοϱύξενοι, im
Gegenſatz von δορυάλωτοι.
11.
Wir wenden uns nach Lakonika, welches
nach jener Theilungsſage dem Ariſtodemos oder deſſen
Soͤhnen zum Erbtheile zugefallen war. Nach der ge-
meinen Sage naͤmlich, die von epiſchen Dichtern auf-
genommen war 1, waren es die Zwillingsbruͤder Eury-
ſthenes und Prokles (Πϱοκλέας doriſch) 2, die
nach dem Tode ihres Vaters Sparta einnahmen; die
Spartaniſche Landestradition ließ dagegen, wie Hero-
dot berichtet, Ariſtodemos ſelbſt einziehn 3, und erſt
nach deſſen Tode die Doppelherrſchaft ſeiner Kinder an-
geordnet werden, doch ſo, daß der Erſtgeborne gewiſ-
ſer Vorzuͤge genießen ſollte 4. Dem widerſpraͤche zwar
wieder Thukydides 5, der als Lakoniſche Sage anfuͤhrt,
daß die Koͤnige, welche zuerſt Lakedaͤmon einnahmen,
er meint Euryſthenes und Prokles, mit Choͤren und Op-
fern eingefuͤhrt wurden, welche Ehre auf Gebot des Del-
phiſchen Orakels nachmals dem Pleiſtoanax bei ſeiner
Wiedereinſetzung wiederfuhr. Indeſſen liegt dieſe Ab-
weichung vielleicht nur in einer verzeihlichen Nachlaͤſ-
ſigkeit des Schriftſtellers.
12.
Aber weit ſchwieriger iſt es, eine Anſicht von
dem Zuſtande Lakonikas unmittelbar nach der Einwande-
rung zu gewinnen. Denn daß die Geſchichte, wie ſie
[91] Ephoros angeordnet hat, und wie ſie daraus in andere
Schriftſteller uͤbergegangen iſt, im Widerſpruche mit
vielen abgeſonderten aber um deſto bedeutendern Tradi-
tionen ſteht, halten wir fuͤr deutlich. Wir faſſen kurz
zuſammen, was wir im erſten Theile dieſer Unterſu-
chungen (v. S. 313 an) bemerkt haben. Die Stadt
Amyklaͤ, eine der aͤlteſten und bedeutendſten des Pelo-
ponnes, von der noch jetzt eine Burg auf einem Felſen an
der Lehne des Taygetos exiſtirt, war nichts weniger als
von den Spartiaten ſogleich unterworfen, ſondern erſt
unter Taleklos, kurz vor dem erſten Meſſeniſchen Kriege,
nach langwierigem Kampfe, der bei der Naͤhe der Staͤdte
um ſo gefaͤhrlicher ſein mußte, erobert worden 1: nicht
als wenn die Jahrhunderte vorher, Amyklaͤ und Spar-
ta, die nur 20 Stadien von einander entfernt, ſich nie
Ruhe gelaſſen, denn wie haͤtten ſie dann nebeneinander
beſtehn moͤgen; indeſſen mochte doch auch Friede und
Waffenruhe oft durch ploͤtzliche Ueberfaͤlle unterbrochen
werden. Zum Gebiete Amyklaͤ’s aber gehoͤrte damals
die bedeutende Gegend am Taygetos hin, und alles dies
Land war noch im Beſitz der Achaͤer, mit denen ſich Mi-
nyer, von Lemnos her, und Kadmeiſche Griechen, Ae-
giden genannt, vereinigt hatten. Dieſe Gegend iſt es,
wie ich dort gezeigt habe, von der die Colonien von
Thera, Melos, Gortyna ausgingen; ſo wie Pindar zu-
folge Amyklaͤ auch der Ausgangspunkt der erſten Aeoli-
ſchen Colonie nach Lesbos und Tenedos, und nach an-
dern Anzeigen zu ſchließen, ebenſo der Achaͤer, welche
Patraͤ einnahmen, war 2.
Sparta dagegen muß vor der Doriſchen Einwan-
derung minder bedeutend geweſen ſein; und ſich erſt
[92] durch dieſelbe zur Herrin aller Umwohner erhoben ha-
ben. Denn erſtens iſt die Anlage dieſer Stadt gar nicht
in der Art und Weiſe, wie Mykenaͤ, Tiryns und andere
vordoriſche Fuͤrſtenſtaͤdte gebaut waren; die Akropolis
iſt ein ziemlich niedriger und leicht zu erſteigender Huͤgel,
ohne Spur alter Befeſtigungswerke und Mauern. Dann
iſt Sparta auffallend arm an Monumenten und Lokal-
erinnerungen aus den Zeiten der Pelopiden und anderer
mythiſcher Fuͤrſten, ſo ſehr auch die Spartiaten ſonſt an
Traditionen und Denkmalen der Art hingen. Dagegen
ſind Amyklaͤ und Therapne an ſolchen um deſto reicher.
Amyklaͤ, in einer ſehr ſchoͤnen und baumreichen Ge-
gend 1, war Sitz des Tyndareus und ſeines Geſchlechts;
hier waren Denkmale der Caſſandra und des Agamemnon,
der nach einheimiſcher Sage, welche Steſichoros und
Simonides aufgenommen, hier geherrſcht hatte 2, da-
her ging von hier Oreſtes Zug aus 3. Therapne lag
nicht weit davon. Das wohlumthuͤrmte The-
rapne nennt es Alkman 4; den hoch gelegenen Sitz
Therapnas Pindar 5; beide deuten dadurch eine Tiryn-
thiſche Anlage und Bauart an. Der letztere nennt es
als alten Hauptſitz der Achaͤer, unter denen die Dios-
kuren lebten; hier waren unterirdiſche vielleicht nach
alter Weiſe gewoͤlbte Graͤber des Kaſtor und Polydeu-
kes 6, hier auch Tempel der Bruͤder und der Helena
im Phoͤbaͤon und viele Reſte alten ſymboliſchen Cultus 7.
[93] Wie merkwuͤrdig iſt es endlich, daß am Eurotas, in der
Gegend zwiſchen Therapne und Amyklaͤ, ein Gebaͤude
entdeckt worden iſt 1, welches dem bekannten Mykenaͤi-
ſchen Theſauros aͤhnlich und ein ſicheres Denkmal iſt,
daß in dieſer Gegend die Herrſchaft der Pelopiden ihren
Sitz hatte.
Aber auf die Frage: welche Stadt denn Homer
Lakedaͤmon heiße, iſt nicht leicht zu antworten.
Denn bald ſcheint er es von Sparta genau zu tren-
nen 2, bald fuͤr einerlei zu halten 3. Auch muß
man geſtehen, daß das Beiwort “die hohle Lakedaͤmon”
das oben beſchriebene Thal von Sparta vortrefflich be-
zeichnet, nicht ſo die Gegend von Amyklaͤ, welche ſich
breiter gegen das Meer oͤffnet 4. Ich meine, wir wer-
den uns dabei beruhigen muͤſſen, daß Homer nur eine
unbeſtimmte und dunkle Kunde dieſer damals dem Frem-
den ſehr unzugaͤnglichen Gegend hatte 5.
13.
Wie von Amyklaͤ’s, ſo haben ſich auch von an-
drer Achaͤiſcher Orte ſpaͤterer Eroberung Zeugniſſe erhal-
ten. Aegys an der Arkadiſchen Graͤnze ſollen Arche-
laos und Charilaos kurz vor Lykurg, Pharis nebſt
Geronthraͤ, erſt der genannte Taleklos 6, Helos end-
lich in den Niederungen am untern Eurotas Taleklos
Sohn, Alkamenes, von den Achaͤern erobert haben 7. So
7
[94] lange aber dieſe Orte Achaͤiſch, war Sparta vom Meere
ausgeſchloſſen, und von allen Seiten von Beſitzungen
eines fremden Volkſtammes umringt. Es ſcheint indeß,
daß auch die Dorier außer Sparta noch andre Punkte
beſetzten, um die Beſitznahme des Ganzen vorzubereiten,
wie Boͤaͤ in der Naͤhe von Malea 1, und vielleicht auch
Abia an der Meſſeniſchen Graͤnze 2. Aber von allen
den Kaͤmpfen, an denen dieſe Zeit gewiß vorzuͤglich reich
war, iſt uns, weil ſie dieſſeits der Mythologie, jenſeits
der Geſchichte liegen, wenig Kunde geblieben.
Soviel aber duͤrfen wir ſagen, daß Ephoros offen-
bar irrt, wenn er von einer Eintheilung Lakoniens er-
zaͤhlt, die die Dorier gleich nach der Einnahme zu be-
quemerer Beherrſchung des Landes gemacht 3. Sparta
haͤtten ſie als Sitz der Herrſchaft fuͤr ſich behalten;
Amyklaͤ 4 dem Philonomos, der ihnen das Land durch
Verrath in die Haͤnde gegeben, uͤberlaſſen, und in die
andern vier Theile Unterkoͤnige geſandt. Die Hauptorte
dieſer vier Theile ſeien Las, Epidauros Limera
(oder Gytheion), Aegys und Pharis geweſen,
von denen das erſte als die feſte Burg Lakonikas 5, das
andre als ein guter Hafen, das dritte als gelegener Waf-
7
[95] fenplatz fuͤr die Arkadiſchen Kriege, das vierte als ein
innerer Vereinigungspunkt gedient habe. In dieſen haͤt-
ten die Perioͤken gewohnt und den Spartiaten ohne Ver-
luſt der Freiheit gehorcht.” Dieſe Erzaͤhlung paßte ohne
Zweifel ſehr wohl in die pragmatiſirte Geſchichte des
Ephoros, aber ſie ſtimmt wenig mit jenen vereinzelten
aber aͤchteren Traditionen uͤberein. Die [Eintheilung] in
ſechs Provinzen halten wir zwar fuͤr faktiſch, nur daß
ſie weit ſpaͤter erſt ins Werk geſetzt wurde. Von dieſen
umfaßte etwa die erſte das Weichbild der Stadt, die
zweite das Gebirge Taygetos nebſt der Weſtkuͤſte, die
dritte den Lakoniſchen Golf, die vierte vielleicht das
jetzige Zakonia jenſeits des Eurotas, die fuͤnfte den
noͤrdlicheren Theil des Landes, die ſechste den untern
Lauf des Eurotas. Das Faktiſche einer ſolchen Einthei-
lung wird auch dadurch beſtaͤtigt, daß wir eine ent-
ſprechende in Meſſenien finden, von welcher außer
Ephoros auch Andere reden 1. Denn auch hier ſoll
Kresphones das Land ſo eingetheilt haben, daß Ste-
nyklaros der Sitz der Dorier und ihres Koͤnigs
wurde, und dieſen die Meſſeniſchen Orte Pylos,
Rhion, Meſola und Hyamia untergeordnet wur-
den. Pylos ſcheint wahrſcheinlich die ganze Weſtkuͤſte
[96] zu begreifen, Rhion iſt das Vorgebirge von Methone
und die benachbarte Suͤdkuͤſte, Hyamia moͤchte ich fuͤr
das Geſtade des Meſſeniſchen Buſens zunaͤchſt an der
Graͤnze Lakoniens halten, Meſola bedeutet das Mit-
telland 1 am Pamiſos, Stenyklaros die noͤrdlichere
Ebene Meſſeniens. —
14.
Ganz nahe liegt ein anderes Beiſpiel, auf
welche willkuͤhrliche Weiſe ſich Ephoros die Geſchichte
zuſammenraͤſonnirte. Er geht davon aus, daß Eury-
ſthenes und Prokles, obgleich Gruͤnder Sparta’s,
doch nicht als ſolche (als ἀϱχηγέται) verehrt wuͤrden,
keiner goͤttlichen Ehre genoͤſſen, keinem Stamme den
Namen gegeben haͤtten u. ſ. w. — Hier iſt nun ſchon
der Anfang falſch, da Euryſthenes und Prokles nach
aͤchter Landesſage gar nicht die Gruͤnder waren, wie
eben gezeigt wurde. — Daraus ſchließt nun aber der
Hiſtoriker, daß ſie die Dorier muͤſſen beleidigt haben,
und findet dieſe Beleidigung in der Aufnahme fremder
Buͤrger, durch deren Huͤlfe ſie ihre Herrſchaft ausge-
dehnt haͤtten. — Solches Verfahren entſchuldigt hin-
laͤnglich, wenn wir auf allen Wegen Ephoros Behand-
lung aufheben und ſeine Reſultate umſtoßen muͤſſen.
Uebrigens muß es im Alterthum uͤber Prokles und
Euryſthenes viele Sagen gegeben haben, die uns nicht
zugekommen ſind. Allgemein verbreitet war die Sage
von ihrer beſtaͤndigen Uneinigkeit, und wir wiſſen, daß
man viel von Prokles, wenig von Euryſthenes Helden-
thaten erzaͤhlte 2. Merkwuͤrdig aber iſt beſonders, was
Cicero gelegentlich anfuͤhrt, daß Prokles ein Jahr vor
[97] Euryſthenes geſtorben ſei. Gab es Aufzeichnungen aus
ſo fruͤher Zeit; oder konnte die Tradition ſo genaue
Data enthalten? Auch das iſt eine ſehr beachtungs-
werthe Notiz, daß die Frauen der beiden Koͤnige eben-
falls Zwillingsſchweſtern waren, Lathria und Anaxan-
dra mit Namen, Toͤchter des Therſandros, Koͤnigs der
Kleonaͤer, wie wir oben vermutheten 1. Auch von
Prokles Sohne, Soos2, (dem Stuͤrmiſchen), ruͤhmte
man in Sparta große Heldenthaten 3. Ja man ließ
ihn ſchon mit den Kleitoriern Krieg fuͤhren und erzaͤhl-
te: wie in dem engen Thale von Kleitor, rings von
Feinden umgeben und von Durſt uͤbermaͤßig gequaͤlt,
er alle Eroberungen aufzugeben verſprochen, wenn man
ihm mit ſeinem Heere vergoͤnne, aus der Quelle zu
trinken. Darauf habe er dem die Krone angeboten,
der nicht trinken wuͤrde, da aber keiner ſie um den
Preis gewollt, habe er ſich mit Waſſer aus der Quelle
benetzt, aber ſei, ohne zu trinken, davon gegangen 4.
— Aber noch weit ſpaͤter wuͤrde ſchwerlich ein Spar-
taniſcher Koͤnig gewagt haben, durch das feindliche
Arkadien nach dem verhaͤltnißmaͤßig weit entlegenen
Kleitor zu ziehen, und ſo viel Hohlwege, Schluchten
und Berge hinter ſich zu laſſen.
15.
In der Gegend, welche von dieſer Zeit an,
wir wiſſen eigentlich nicht woher, den Namen Meſſe-
nien erhielt 5, war vor der Doriſchen Einwanderung
Pylos die bedeutendſte Stadt, wohin ſich die Familie
II. 7
[98] der Neliden aus dem Triphyliſchen gezogen hatte 1.
Die Dorier unter Kresphontes 2 ſchlugen nun zwar im
entgegengeſetzten Theile des Landes, zu Stenyklaros
im innern Lande, ihren Sitz auf; indeſſen mußten ſie
doch ſchon bald ſo auf Pylos draͤngen, daß ein Theil
der Einwohner zur Auswanderung bewogen wurde.
Denn daß mehrere der adligen Geſchlechter in Athen
ſowohl als dem Joniſchen Aſien von Pylos ſtammten,
iſt durch [ein] Zuſammenſtimmen vieler Stadt- und Fa-
milientraditionen uͤber allen Zweifel erhoben; und eben
ſo gewiß iſt, daß ſie nicht lange vor der Joniſchen
Wanderung den Peloponnes verließen. Der aͤlteſte
Zeuge, Mimnermos, ſagt, daß die Gruͤnder ſeiner Va-
terſtadt Kolophon vom Neleiſchen Pylos gekommen 3,
wo es faſt ſcheint, als denke ſich der Dichter eine un-
mittelbare Wanderung dahin. Indeſſen blieb Pylos —
obgleich man es ſich gewoͤhnlich als Doriſch von dieſem
Zeitpunkte an denkt — wohl noch lange als unabhaͤn-
gige Stadt, wenn auch in beſchraͤnktem Gebiete, ſte-
hen, ja noch uͤber die Meſſeniſchen Kriege hinaus, da
es noch im zweiten hier Neſtoriden als Bundesgenoſſen
der Meſſenier gab 4, und nach der Ueberwindung
letzterer die Pylier und die Methonaͤer ſie eine Zeit-
lang bei ſich aufnehmen konnten 5.
[99]
16.
Von Meſſeniens innern Verhaͤltniſſen koͤnnen
wir noch weniger wiſſen, als von denen Lakonikas, da
nach dem Aufhoͤren der politiſchen Exiſtenz auch die
Monumente, ja ſelbſt die Menſchen untergingen, an
denen und durch die ſich die Kunde haͤtte fortpflanzen
koͤnnen. Indeſſen geben doch, Ephoros Nachrichten bei
Seite geſetzt, einige ſehr einfache Umſtaͤnde einen Be-
griff von dem Zuſtande des Landes. Man erzaͤhlt, daß
als Kresphontes durch Verrath umgekommen, die Ar-
kader, vereinigt mit den Koͤnigen Sparta’s und Keiſos
von Argos, ſeinen Sohn Aepytos wieder eingeſetzt
haͤtten 1, der bei dem Vater ſeiner Mutter Merope,
dem Arkader Kypſelos, erzogen worden war 2, und
durch ſeine Thaten ſo viel Ruhm erwarb, daß alle
ſeine Nachfolger Aepytiden genannt wurden. Aepy-
tos Name haͤngt offenbar zuſammen mit Aepytis, wel-
che Gegend auf den Graͤnzen von Arkadien und Meſ-
ſenien beim uralten Andania, dem aͤlteſten Culturſitze
des Landes, lag. Die Namen ſeiner Nachfolger,
Glaukos, Iſthmios, Dotadas, Sybotas (Sauhirt),
Phintas (der Liebreiche) ſtehn im merkwuͤrdigen Ge-
genſatze gegen die der Lakoniſchen Koͤnige, wie Eury-
ſthenes (Weitſtark), Prokleas (Vorruhm), Agis (Heer-
7 *
[100] zog), Soos (Kriegsſturm), Echeſtratos (Diet-reich),
Eurypon (Weitreich), Labotas (Volkshirt), und ſo fort.
Waͤhrend dieſe von gewaltigen Kriegsfuͤrſten reden;
toͤnt in jenen etwas friedliches, idylliſches, arkadi-
ſches. Was Panſanias von ihnen angiebt, betrifft
faſt einzig die Einſetzung von Feſten, und auch die
Goͤtter, denen ſie geweiht werden, ſtimmen mit jenem
allgemeinen Character uͤberein. Glaukos und Iſthmios
gruͤnden oder befoͤrdern den Asklepiadencultus in Gere-
nia und Pharae, Sybotas fuͤgt an den alten Cult
der großen Goͤtter zu Andania die Leichenopfer des
von dem Theſſaliſchen nach dem Meſſeniſchen Oechalia
uͤbergetragenen Heros Eurytos u. a. dgl. Ueberhaupt
war es dieſer Kabiriſche Demeter-Cult von An-
dania, mit dem in Attika zu Eleuſis und Phlya
herrſchenden verwandt, einer der aͤlteſten des Pelopon-
nes, der damals in Meſſenien bluͤhte 1, da doch
nach Herodot die Doriſche Herrſchaft der alten Feier
der Goͤttin ſonſt uͤberall feindlich war 2. Daher auch
die myſtiſche Weihe von Andania, ſo lange die Spar-
tiaten Meſſenien beherrſchten, unterblieb und in Ver-
geſſenheit gerieth, bis Jahrhunderte ſpaͤter Epameinon-
das ſie, ob nach bloßer Erinnerung der Landeseinwoh-
ner — oder haͤtte man wirklich auf Ithome eine alte
Zinnplatte in eherner Urne mit dunkeln Worten aus
alter Religion gefunden? — wieder feierlich in ihre
Ehre einſetzte.
Jene Einſetzung des Aepytos aber laͤßt ſich ablei-
ten aus dem dreifachen Buͤndniſſe, ſowohl der
Fuͤrſten als der Voͤlker von Argos, Sparta und Meſſe-
ne, wodurch ſie ihre gegenſeitigen Rechte gewaͤhrleiſteten,
[101] von welchem Buͤndniſſe Platon eine zweifelsohne vor-
handene, wenn auch ſchwache Sagenſpur, im Geiſte
politiſcher Philoſophie ausgebildet hat 1.
Von den Anlagen der Dorier im Peloponnes
wenden wir uns zu denen außerhalb der Halb-
inſel.
[102]
6.
1.
Der Reichthum des Stoffes noͤthigt uns hier ganz
beſonders mit Vorausſetzung andrer Unterſuchungen und
Nachweiſungen das Ganze kuͤrzer zuſammen zu faſſen,
außer wo etwa die Hoffnung, neue Bahn zu oͤffnen,
weitlaͤuftigere Vorkehrung veranlaßt.
Wir ordnen die Colonien nach den Metropolen
zuſammen, weil dieſe mit groͤßerer Sicherheit gegeben
ſind, als die Zeit der Gruͤndung; und werden dabei
zugleich die zuſammenliegenden und unter ſich verbun-
denen Niederlaſſungen zuſammenzuſtellen ſuchen. Zu-
erſt die Kolonien von Argos, Epidauros,
Troͤzen. Wir behandeln dieſe verbunden, weil ſie
alle in einer Richtung gehen, und oft auch, indem
die andern Staͤdte mehr oder minder die Suprematie
von Argos anerkannten, gemeinſam gefuͤhrt wurden.
Sie gehen nach dem ſuͤdlichen Ende Kleinaſiens hin-
uͤber.
Die Dorier an der Suͤdweſtkuͤſte Klein-
aſiens ſtammten nach Herodot vom Peloponnes 1.
Und zwar betrachtete man ſie im Allgemeinen als eine
[103] Argiviſche Colonie 1, von der Strabon Rhodos, Ha-
likarnaſſos, Knidos, Kos ableitet, gefuͤhrt von Hera-
klidiſchen Fuͤrſten, von denen die edlen Familien auf
Rhodos, namentlich die Eratiden oder Diagoriden zu
Jalyſos, ihr Geſchlecht herleiteten 2. Man hielt dieſe
Wanderung fuͤr gleichzeitig und ſetzte ſie in Verbindung
mit dem Zuge des Althaͤmenes, Sohnes des Keiſos,
von Argos nach Kreta 3. — Nun wiſſen wir aber
durch Herodot 4, daß die Koer, Kalydnier und
Niſyrier von Epidauros gekommen waren, wo-
durch aber aus ſchon angedeuteten Gruͤnden keine von
jener verſchiedene Coloniſation [angegeben] wird. Eben-
ſo hieß Aegina Colonie von Argos wie von Epidauros.
Beſtaͤtigt wird die Angabe des Geſchichtſchreibers durch
die Uebereinſtimmung des Koiſchen und des Epidauri-
ſchen Asklepiosdienſtes, die ſo groß war, daß ſie Co-
lonialverbindung erweiſt 5. Auch haben wir eine Sage
von heiligen Sendungen zwiſchen Kos und Epidauros;
ein Schiff von der letztern Stadt will eine Asklepios-
Schlange der erſtern zufuͤhren 6. Aus dieſem Verhaͤlt-
niſſe muͤſſen wir freilich, ſobald wir es als faktiſch be-
trachten, mehr folgern als gewoͤhnlich geſchieht. Naͤm-
lich daß die Doriſche Colonie von Kos u. ſ. w. erſt
[104] eine Zeitlang in Epidauros gewohnt, und den dort
fruͤher beſtehenden Asklepiosdienſt ſich angeeignet hatte,
ehe ſie nach Aſien uͤberging. Und da wir ferner in Knidos
und in Rhodos den Asklepiosdienſt ebenfalls herrſchend
finden 1, ſo werden wir auch von dieſen vorausſetzen,
daß ihre Bevoͤlkerung zum Theil uͤber Epidauros ge-
kommen. Welches von Rhodos noch dazu der Redner
Ariſteides aus der Landestradition angiebt, “von Alters
ſeid ihr Dorier und habt Herakliden und Asklepiaden
zu Fuͤrſten gehabt” 2. So exiſtirten auch in Kos
Asklepiadiſche und Heraklidiſche Familien, und Hippo-
krates gehoͤrte von Vaterſeite zu den erſten, von muͤt-
terlichem Geſchlecht zu den andern 3. — Gleichzeitig
mit dieſer Argiviſch-Epidauriſchen Wanderung war
die Argiviſch-Troezeniſche4, die Halikarnaſ-
ſos, die Meerburg (ἁλι-κάρηνον), gruͤndete, welches
auch hier die Verwandtſchaft der Religionen beſtaͤtigt 5.
Und zwar ſcheint es, daß es nur eine Doriſche Phyle,
die Dymanen, war, welche dieſe Stadt bevoͤlkerte 6,
die erſt durch Anſichziehn der fruͤheren Einwohner, Le-
leger und Karer, bedeutend wurde 7.
[105]
2.
Es waren es aber nur die genannten Orte, naͤm-
lich die Doriſche Tripolis von Rhodos, die wahrſchein-
lich auch aus der Phyleneintheilung hervorgegangen war,
nebſt Knidos, Kos und Halikarnaſſos, welche den ei-
gentlichen Doriſchen Bund bildeten, der vor der
Ausſchließung von Halikarnaß die Hexapolis, nachmals
die Pentapolis hieß, auf dem Triopiſchen Vorgebirge
einen mit uralter Demeterreligion verbundenen Apollo-
kult in gemeinſamen nationalen Feſten feierte 1, aber
ſeinen Einfluß wohl wenig auf politiſche Verhaͤltniſſe
erſtreckte 2. Aber außer den genannten waren noch
mehrere Orte und Inſeln der Gegend Doriſch 3. Das
Inſelchen Telos vor Triopion war vermuthlich von
Lindos abhaͤngig 4; Niſyros und Kalydna ſind
ſchon genannt; die Einwohner waren Epidauriſche Do-
rier, die zur Koiſchen Colonie gehoͤrten 5, auch Kar-
pathos und Kaſos hatten Argiviſche Coloniſten inne,
die letztre ſoll Joklos, Demoleons Sohn, ein Argeier
von Herkunft, eingenommen haben 6; Syme iſt von
Knidos aus beſetzt worden, von welcher Stadt noch
unter den Lakoniſchen Anlagen die Rede ſein wird;
Aſtypalaͤas Bewohner waren zum Theil von Mega-
ra gekommen 7; den Doriſchen Urſprung beurkundet
der Dialekt noch uͤbriger Dekrete 8, derſelbe Grund
laͤßt uns Anaphe als Doriſche Colonie erkennen 9,
[106] welches ſich weiter an die ebenfalls Doriſchen Eilande
Thera, Pholegandros 1 und Melos anſchließt, die alle
zuſammen eine Kette uͤber den ſuͤdlichen Theil des Ae-
gaͤiſchen Meers bilden, und durch ihre Lage ſchon Zu-
ſammenhang und Conſequenz in der Anlegung erweiſen.
Auf dem feſten Lande aber hatte Myndos gleiche
Einwohner mit Halikarnaß erhalten 2, vielleicht hat
auch Mylaſa einige Verbindung mit Doriern gehabt 3.
Kryaſſa in Karien war von Meliern, von der Dori-
ſchen Inſel, coloniſirt 4. Selbſt im innern Lande, in
Phrygien, waren Synnada und Norikon Doriſch 5,
von denen freilich bei dieſem ſelbſt die Lage, bei jenem
wenigſtens die Weiſe, wie Dorier hingelangen konnten,
gaͤnzlich unbekannt iſt. — Ich habe hier, zum Theil
dem Gange dieſer Auseinanderſetzung vorgreifend, ziem-
lich alle bekannten Staͤdte dieſer Gegend, die von Do-
riern des Peloponnes gegruͤndet, aufgezaͤhlt; fuͤgt man
noch dazu die Kolonien von Rhodos auf der gegenuͤber
liegenden Kuͤſte, und die von Kreta angelegten, ohne
Zweifel Doriſch redenden, Staͤdte Lykiens: ſo erhaͤlt
man den Ueberblick einer ſehr ausgedehnten Reihe von
Kolonien dieſes Stammes. Einige derſelben waren
9
[107] wohl von den groͤßern adhaͤngig; viele dagegen ſtan-
den ganz allein; fruͤhere Uneinigkeiten ſcheinen ſie von
jenem Bunde der Sechsſtaͤdte getrennt und entfremdet
zu haben 1. Die Kalymnier wandten ſich daher auch
ſpaͤter, bei Gelegenheit ſchwieriger Proceſſe, nicht an
die groͤßern ſtammverwandten Staͤdte, ſondern an die
zwar fruͤher auch von Argos her Doriſchen, aber her-
nach durch die Mileſier ganz ioniſirten 2 Jaſier, die
ihnen fuͤnf Richter ſandten: welches indeſſen auch in
der temporaͤren Aehnlichkeit der Verfaſſungen ſeinen
Grund haben konnte 3.
3.
Nachdem ich uͤber die Anlegung dieſer Doriſchen
Staͤdte die einfachſten hiſtoriſchen Nachrichten und
faktiſchen Relationen zuſammengeſtellt habe, iſt noch
uͤbrig, die mythiſchen Erzaͤhlungen zu pruͤfen, die
ſich daran angeſponnen haben, indem man dieſelben
Colonien nur durch andere Namen darſtellte, und in
entferntere Zeiten zuruͤckſchob. Daß es ſich ſo verhalte,
iſt ſehr klar von dem Mythiſchen, was ſich an die
Troezeniſche Colonie anknuͤpft. “Uralte Fuͤrſten der Troͤ-
zenier, Anthes und ſein Sohn Aëtios, haͤtten in Vor-
zeiten Halikarnaß gegruͤndet” 4. Die Sage widerlegt
ſich gleich ſelbſt durch den Beiſatz bei Kallimachos 5:
Anthes habe Dymanen mit ſich gefuͤhrt, welche eine
[108] durchaus nur Doriſche Volksabtheilung waren. Und
ſo werden wir Pauſanias Erzaͤhlungsweiſe bei weitem
vorziehn 1, nach welcher die Nachkommen des Aetios
lange nach ihm nach Halikarnaß und Myndos uͤber-
gingen. Darum darf man indeß dieſe nicht eben als Fuͤh-
rer der Colonie anſehn, welches nothwendig Doriſche
Herakliden waren. Sondern es war vermuthlich ein
Geſchlecht, welches den Poſeidonsdienſt mit Vorzuͤglich-
keit uͤbte, (daher Anthes Sohn des Gottes,) und ihn
nun auch nach der Colonie mitbrachte. Daß aber ein
ſolches Geſchlecht und mit ihm Sage und Name des
Anthes wirklich in Halikarnaß bluͤhte: erſieht man auch
aus dem dichteriſchen Namen der Halikarnaſſier: An-
theaden2.
Aehnlich iſt ferner das Verhaͤltniß des Tlepole-
mos zu der Rhodiſchen Coloniegeſchichte. Auch hier
kommt der mythiſche Held von Argos 3, wie die ge-
ſchichtliche Colonie, nur fruͤher. Allein, kann man
einwenden, letztere koͤmmt zunaͤchſt von Epidauros; der
Held keinesweges. Dagegen iſt noch eine deutliche
Spur, daß man in den Rhodiſchen Genealogieen Tle-
polemos zunaͤchſt mit den Epidauriſchen Herakliden fuͤr
verwandt hielt. Pindar preiſ’t naͤmlich die Diagoriden
als von Vaterſeite von Zeus, muͤtterlich von Amyntor
abſtammend, weil dieſe beiden die Großaͤltern des Tle-
polemos ſeien 4. Nun war aber auch Deiphontes zu
[109] Epidauros nach der muͤtterlichen Abſtammung Amyn-
toride, und daher beſonders nah dem Tlepolemos ver-
wandt. Wahrſcheinlich iſt auch hier anzunehmen, daß
es ein Geſchlecht bei jener Argiviſch-Epidauriſchen Colo-
nie gab, welches ſich von einem Heraklesſohn Tlepole-
mos herleitete, und hernach die Sagen von demſelben
in Verbindung mit dem Zuge brachte 1. Man be-
merkt uͤbrigens dieſelbe Inconſequenz, die wir eben
beobachteten, in der Angabe, daß Tlepolemos Colonie
ſich dreifach ſondert nach den Staͤmmen des Volks 2,
woraus ſehr deutlich hervorgeht, daß man ihn ſich
immer als Doriſchen Fuͤrſten dachte.
Drittens hat auch die Colonie von Kos, Niſyros,
Karpathos und Kaſos Archegeten oder Gruͤndungshe-
roen, die von der Zeit der Colonie getrennt und ruͤck-
waͤrts geſchoben ſind, naͤmlich Pheidippos und An-
tiphos, Soͤhne des Herakliden Theſſalos oder des
Herakles ſelbſt. Deren Urſprung leitet die Fabel von
dem Einfalle des Herakles in Kos her, wobei er die
Tochter des Eurypylos geſchwaͤngert habe, und laͤßt
beide alsdann nach Ephyra in Thesprotien zuruͤckwan-
dern, und ihre Nachkommen von da nach Theſſalien
ziehn, wo ſich die Aleuaden von ihnen herleiteten 3.
Wir geben hier wieder zu, daß Heraklidiſche Geſchlech-
ter zu Kos ſich von den genannten beiden Heroen ab-
[110] leiteten; ſo kam auch der Name des Theſſalos in die
Asklepiadenfamilie des Hippokrates — aber da nun
beide Heroen auch in Ephyra gelebt haben ſollten, und
die Heraklesfabel, die ſich um Ephyra dreht, auf den
aͤlteſten und aͤchteſten Erinnerungen des Stammes be-
ruht, wie ſich unten zeigen wird: ſo verſchwindet da-
gegen ihre Anweſenheit in Kos. In den Fabeln und
Dichtwerken uͤber die Ruͤckfahrten der Helden von Troja
ſuchte man freilich beides zu vereinigen; aber wer fin-
det Schifffahrten von Kos nach Ephyra hinauf in dieſer
Zeit in der Ordnung?
4.
Die guͤnſtige Lage dieſer Doriſchen Staͤdte auf
Inſeln und Landzungen, die bequeme Rheden und Ha-
fen fuͤr Schifffahrt und Seeverkehr boten, zog bald
eine bedeutende Anzahl Colonien nach ſich. Von den
Rhodiern mag man ſich wundern, daß ſie faſt we-
niger und minder bedeutende Colonien an der Kuͤſte
Kleinaſiens gruͤndeten, als in den Weſtlaͤndern; denn
die von der Inſel ſpaͤter abhaͤngige Peraͤa ausgenom-
men finden wir hier nur Gagaͤ1 und Korydal-
la2 in Lykien, Phaſelis3 an der Graͤnze Lykiens
und Pamphyliens, und Soloi in Kilikien 4 als Rho-
diſche Staͤdte. Dagegen gruͤndeten ſie, Ol. 22, 2. nach
Thukyd., zur ſelben Zeit da ſie Phaſelis bauten, in
Sicilien die herrliche Stadt Gela, die Mutterſtadt
von Akragas. Dieſe Niederlaſſung ging von Lindos
[111] aus, welches den Aufuͤhrer Antiphemos (oder Deino-
menes) gab 1. Es geſellten ſich Einwohner der kleinen
Inſel Telos 2 hinzu; zugleich verbanden ſich Kretiſche
Auswanderer damit; daß indeſſen die erſten vorherrſch-
ten, zeigt der anfaͤngliche Name der Gruͤndung —
Λίνδιοι — und die Goͤtterdienſte der Stadt. Dori-
ſche Inſtitute (νόμιμα Δωρικὰ) waren allen genannten
Gruͤndern gemein, und wurden daher auch in der Nie-
derlaſſung feſtgeſtellt 3. Der Zuſammenhang und Ver-
kehr mit jenen Inſeln dauerte fort; darum fand auch
ſpaͤter Phalaris Geſchlecht, von Aſtypalaͤa kommend,
in Agrigent Aufnahme 4; und die Emmenidenfamilie,
welche Phalaris ſtuͤrzte, war aus derſelben Gegend,
von Thera gekommen 5. Ferner ſind Parthenope unter
[den] Oskern und Elpiaͤ oder Salapiaͤ im Lande der
Daunier, an deſſen Stiftung die Koer Antheil hatten,
unbeſtrittene Anlagen der Rhodier; ja ſie kamen auch
nach Iberien in ziemlich fruͤhen Zeiten, und gruͤndeten
daſelbſt Rhode, ſo wie man auch an der Rhone-Muͤn-
dung Spuren ihres Daſeins hatte 6. Daher mag
auch, was von Tlepolemos Fahrt nach den Baleari-
ſchen Inſeln erzaͤhlt wird, und wenn man ihm die
Gruͤndung von Sybaris zuſchreibt, nur als mythiſcher
[112] Ausdruck der Schifffahrten unternehmender Rhodier im
weſtlichen Meere zu verſtehen ſein.
5.
Aber faſt noch ſchwieriger iſt es, das wahre
geſchichtliche Verhaͤltniß einer Anzahl kleinaſiatiſcher
Staͤdte zu beſtimmen, welche die Sage Colonieen von
Argos, und zwar meiſt uralte Colonien nennt. Aber
nur hiſtoriſcher Aberglaube kann es glaublich finden,
daß Tarſos von der Jo oder Perſeus dem Argeier
geſtiftet ſei 1, den man dort nebſt ſeinem Nachkommen
Herakles als Tutelargottheit verehrte 2, daß Mallos,
Mopſueſtia, Mopſukrene, Phaſelis Argiviſche
Weiſſager um die Zeit des Troerkrieges gegruͤndet haͤt-
ten 3. Dazu kommen noch Aspendos bei Pamphylien,
Kurion in Kypros, ja ſelbſt Jone bei Antiochia in
Syrien 4, deren Anlegung den Argeiern beigemeſſen wird.
Abgeſehen von der Zeit, in der die alten Peloponneſier
ſo ausgedehnte — damals unmoͤgliche — Schifffahrten
um die Chelidonien unternommen haben ſollen, ſo iſt
es uͤberhaupt hoͤchſt ſeltſam, daß Argos, welches in
keiner Periode unter den ſeefahrenden Voͤlkern Griechen-
lands erwaͤhnt wird, grade an jenem Kuͤſtenſtriche eine
ſo zuſammenhaͤngende — und doch fuͤr Argos voͤllig
nutzloſe — Reihe von Colonien angepflanzt habe. Wir
wagen, eine Anſicht anzuſprechen, zu der vielleicht
keine vollſtaͤndigen Beweiſe, aber doch genug leitende
Spuren vorhanden: daß alle dieſe Staͤdte Colonien der
Rhodier, aber nach einer haͤufig vorkommenden Form
der Colonienfuͤhrung, im Namen der Metropolis Ar-
[113] gos, und unter den Auſpicien Argiviſcher Goͤtter und
Heroen gefuͤhrt ſeien 1. Erſtens werden Argeier und
Rhodier als Gruͤnder zuſammen genannt, wie bei Soloi,
welches die letztern doch ſelbſt vor dem Roͤmiſchen Se-
nate nur als Schweſterſtadt vertheidigten 2. Wie man
aber Heroen zu Gruͤndern nahm, davon iſt gleich die
genannte Stadt ein klares Beiſpiel. Denn hier ſollte
der Argeiiſche Weiſſager Amphilochos hingekommen ſein,
und ſchon in Heſiodiſchen Gedichten war von ihm er-
zaͤhlt, daß ihn Apollon zu Soloi getoͤdtet habe 3. Wei-
ter fuͤhrt folgendes Beiſpiel. Phaſelis bauten die Rho-
dier zu derſelben Zeit wie Gela; der Gruͤnder wird
Lakios genannt, den das Delphiſche Orakel nach Mor-
gen, wie den Antiphemos nach Abend, geſandt habe 4.
Nun iſt aber in einem andern Abſchnitte bemerkt 5,
daß Lakios eine kretiſche Form iſt fuͤr Rhakios, und
ſo der Mann der Manto, Vater des Mopſos, der
alte mythiſche Prophet des Klariſchen Tempels, heißt.
Damit wir nicht zweifeln, daß dieſer gemeint iſt, ſagt
die Sage auch, daß Mopſos, der Sohn des Rhakios,
Phaſelis gegruͤndet 6; ſie nennt Pamphylia ſelbſt Toch-
ter des Rhakios und der Manto 7; ſie behandelt end-
lich Lakios voͤllig conſequent als Zeitgenoſſen und Mit-
gruͤnder des Mopſos, den mit dieſem zugleich die
II. 8
[114] Manto ausgeſandt 1. Was folgt daraus? Daß es
kein Lakios war, der perſoͤnlich die Lindier nach Pha-
ſelis fuͤhrte, ſondern ein ideales Weſen, und wahr-
ſcheinlich eine Perſonificirung des Klariſchen Orakels,
welches dabei mitwirken mochte 2. Daß auch der ge-
genuͤberſtehende Αντιόφημος nichts anders ſei, werden
gewandte Mythenerklaͤrer daraus leicht abnehmen. Um
nun aber auch der Mutterſtadt Argos an den Pam-
phyliſchen Colonien mythiſchen Antheil zu geben, muß
Amphilochos, der zur Amythaonidenfamilie gehoͤrt, nebſt
Kalchas an ihnen uͤberall Antheil nehmen; und vielleicht,
daß wirklich auch Argiviſche Weiſſager, die ſich zur
Familie dieſes Weiſſager-Heros rechneten, von den
Rhodiern zugezogen wurden.
6.
Nun werden wir etwas tiefer in die dunkeln
Sagen der Kilikiſchen Staͤdte Mallos, Mopſueſtia,
Mopſukrene blicken koͤnnen. In deren Gruͤndungsfabeln
ſtehn immer Amphilochos und Mopſos zuſammen; zu-
gleich wird der Argiviſche Urſprung ſehr hervorgehoben;
Cicero nennt beide Weiſſager Koͤnige von Argos 3.
Auch hier duͤrfen wir alſo annehmen, daß Weiſſager
der Metropolis herbeigeholt wurden, man kann die
Propheten des Amphilochiſchen Orakels von Mallos ſich
wirklich von da entſproſſen denken, obgleich auch im-
mer wieder, wie unten gezeigt werden wird 4, Klariſcher
Dienſt hineinwirkt, aber die Vermittler, die eigentli-
chen Anpflanzer, konnten nur ein ſeefahrendes Volk,
die Rhodier, ſein. Weil aber dieſe Anpflanzungen in
eine verhaͤltnißmaͤßig fruͤhe Zeit trafen, in der die Co-
[115] lonien noch gaͤnzlich von den Orakeln abhingen, und
der Propheten nicht entbehren konnten, und zugleich
noch eine ſchoͤpferiſche Mythendichtung lebendig war:
ſo hat ſich ein dichtes Gewebe von Mythologie um die
Geſchichte derſelben gezogen, welches wir aufzuziehen
wenigſtens angefangen haben.
7.
Wir gehen ſogleich zu den Korinthiſchen
Colonieen uͤber, deren geographiſche Lage ſchon ein
bemerkenswerthes Reſultat uͤber die Geſchichte der See-
fahrten ihrer Metropole giebt. Denn obgleich dieſelbe
zwei Haͤfen, Lechaͤon nach dem Kriſſaͤiſchen, Kenchreaͤ
nach dem Saroniſchen Buſen, hatte, ſo muͤſſen doch
alle Colonieſendungen nur aus jenem ausgefahren ſein.
Faſt alle ſiedelten ſich an den Kuͤſten des Joniſchen
Meers an, an deſſen Ausfahrt die Korinther vielleicht
ſchon fruͤhzeitig Molykreion beſetzt hatten 1. Indeſſen
wagte es doch ſchon grade die aͤlteſte Korinthiſche Co-
lonie, deren Zeit wir ziemlich beſtimmt kennen (Olymp.
V.) 2, uͤber das Joniſche Meer hinaus im ſchoͤnſten
Theile Siciliens die weltberuͤhmte Stadt Syrakuſaͤ
zu gruͤnden. Der Gruͤnder war Archias, ein Heraklide,
und wahrſcheinlich ein Bakchiade 3, ihm folgten Ko-
rinther, beſonders aus dem Demos Tenea 4; unter-
wegs ſchloſſen ſich Dorier von Megara an ihn an 5,
8 *
[116] und als Weiſſager begleitete den Zug einer aus dem
Prophetengeſchlechte von Olympia — den Jamiden —
deſſen Familie zu Pindars Zeit in Syrakus bluͤhete 1.
Es ſcheint aber, daß Syrakus manche religioͤſen In-
ſtitute gleich damals von Olympia entlehnte, auf wel-
ches der Dienſt der Arethuſa, der Artemis Ortygia,
des Olympiſchen Zeus hinweiſt. — Dieſe urſpruͤngli-
chen Gruͤnder baueten nun eine Stadt auf der Inſel
Ortygia, deren Name nur aus dem Cultus der ge-
nannten Goͤttin erklaͤrt werden kann; das den einhei-
miſchen Sikulern abgenommene Land theilten ſie in
Looſe, κλῆϱοι, nach der Zahl der Theilnehmer an der
Colonie. Denn dies war uͤberall die Weiſe der Anlage
dieſer Colonien, daß die Theilnehmer gleich im voraus
das Verſprechen eines Landantheils erhielten; und auch
dies heißt κλῆρος. Einen ſolchen ſoll bei dieſer Nie-
derlaſſung Aethiops, ein Korinthiſcher Schlemmer, um
einen Honigkuchen an einen Tiſchgenoſſen verkauft ha-
ben 2. Auch der Bakchiade Eumelos, der beruͤhmte
Dichter Korinths, war bei dieſer Colonie 3. Ob nun
gleich der Demos meiſt aus mannigfachem Volke, was
ſich zu dieſer Colonie gewendet, beſtanden haben
mag, und zugleich Siciliſche Leibeigene das Land um-
her fuͤllten: ſo blieb Syrakus doch an Sprache und
lange wohl auch an Sitten eine aͤcht-doriſche Stadt,
wie die Frauen bei Theokrit fagen 4:
[117]
daher ſie ſpaͤter noch ein Lukaniſcher Geſandter ſonder-
lich erfreute, der Doriſch zu reden gelernt hatte, um
vor ihnen aufzutreten 1. Syrakus nahm ſo ſchnell an
Bevoͤlkerung und Macht zu, daß es ſchon 70 Jahre
nach der Gruͤndung Kasmenaͤ und zugleich Enna
im Mittelpunkt der Inſel, 90 Jahre Akraͤ, 135 Ka-
marina coloniſiren konnte. Auch ſollen 2 Syrakuſiſche
Fluͤchtlinge, Myletidaͤ genannt, mit Chalkidiern von
Zankle Himera gegruͤndet haben, daher daſelbſt die
Sprache aus Doriſch und Chalkidiſch gemiſcht war;
die Sitten (νόμιμα) jedoch ganz Chalkidiſch.
8.
Die andern Korinthiſchen Kolonien liegen, wie
ſchon bemerkt, alle diesſeits des Joniſchen Meers. Zu-
naͤchft Solion in Akarnanien 3; weiterhin war Am-
brakia ſchon fruͤhe von Korinth beſetzt 4, und her-
nach unter der Herrſchaft eines Bruders von Perian-
ger 5; von da wurde Argos Amphilochikon helle-
niſirt 6. Anaktorion gruͤndeten die Korinther unter
Periander gemeinſam mit den Korkyraͤern. Leukas
[118] nahmen ſie zur ſelben Zeit und mit denſelben verbun-
den ein 1; worauf aber, da Korkyra damals Korinth
unterworfen war, kein Anrecht der letztern Stadt auf
die Kolonie begruͤndet werden konnte; Themiſtokles hatte
Unrecht, ihr ein ſolches beizulegen 2, und die Leuka-
dier hielten ſich mit Recht fortwaͤhrend an die eigent-
liche Metropolis. Weiter folgt Korkyra ſelbſt, deſ-
ſen Pflanzung durch den Bakchiaden 3 Cherſikrates als
ein Nebenzweig der Kolonie nach Syrakus vorgeſtellt
wird 4: aber ſehr fruͤhzeitig hatte es ſich ſchon der
Mutterſtadt als Nebenbuhlerin im Joniſchen Meere ent-
gegengeſtellt; ja wahrſcheinlich ſchon vor den Perſerkrie-
gen deren alte Macht gebrochen. Noch jenſeits liegt
Epidamnos, das zwar meiſt von Korkyraͤern, aber
unter Anfuͤhrung eines Korinthiſchen Herakliden, Pha-
lios, Eratokleides Sohn, den jene mit einigen ſeiner
Landsleute nach altem Kolonialrechte zugezogen hatten,
(Ol. 38, 2. nach Euſeb.) gegruͤndet, und nachmals
noch durch Einwohner von Dyspontion in Piſatis ver-
ſtaͤrkt worden war. Apollonia endlich legte ein Ko-
rinther, Gylax, noch unter Periander mit 200 ſeiner
Landsleute und einer groͤßeren Anzahl Korkyraͤer an.
[119] Dann hoͤrt die Reihe der Korinthiſchen Kolonien auf,
welche indeß auch ſo ein feſtes und anſchließendes Band
um die Laͤnder zog, durch welches ſelbſt die Barbaren
des Binnenlandes, namentlich die Epeiroten Thespro-
tiens, in dauernde Verbindung mit Korinth traten 1;
daher auch die Koͤnige der Lynkeſten in Makedonien
eine Ehre darin fanden, ſich vom Bakchiadenſtamme
herzuleiten 2. Hoͤher hinauf war noch die Inſel Iſſa
Syrakuſiſch 3; Korkyra aber beſaß vielleicht noch Orte
bis in den Flanatiſchen Meerbuſen 4. — So viel er-
hellt, daß es eine Zeit gegeben hat, wo die Stadt
Korinth in dieſen Meeren mit der Macht eines ausge-
dehnten Staates herrſchte, und vermittelſt Korkyra’s,
Ambrakia’s und andrer Staͤdte Voͤlker von Barbaren
leitete. Aber die gewaltſame Losreißung Korkyra’s,
welches ſchon vor Periander, Olymp. 27.5, mit der
Mutterſtadt Krieg gefuͤhrt hatte, aber hernach durch
die entſchiedenen Kypſeliden wieder zum Gehor-
ſam gebracht war, worauf es ſich zum zweitenmal
losriß, war eine unheilbare Wunde fuͤr die Mutter-
ſtadt. Indeſſen zeigten die andern Colonien dafuͤr eine
beſondere Anhaͤnglichkeit an dieſelbe 6. Erſt nach
Verluſt der Seeherrſchaft in dieſen Gegenden — doch
ſchon vor den Perſerkriegen — ſcheint Korinth nach
der entgegengeſetzten Seite hin in Chalkidike Potidaͤa
gegruͤndet zu haben, welches es durch ſtaͤrkeres Ein-
greifen in deſſen innere Verwaltung — es ſandte jaͤhr-
lich Epidemiurgen 7 — in ſeiner Gewalt zu halten
ſuchte.
[120]
9.
Dagegen war Megara durch ſeine Lage ver-
anlaßt, ſeine Colonien von Anfang an nach der entge-
gengeſetzten Seite, an die Thrakiſche Kuͤſte, zu ſenden.
So ſchon Ol. 17, 3. Aſtakos in Bithynien 1; dann
Chalkedon am Eingange des Boſporos 2 im zweiten
Jahre der 26. Olympiade nach Euſeb.; und 17 Jahre
ſpaͤter (30, 3.) gegenuͤber an einer vortheilhaftern
Stelle 3Byzanz. An der Gruͤndung dieſer Stadt
nahmen auch Argeier Antheil, in welchem Punkte wir
der allgemeinen Verſicherung des Heſychius Mileſius
trauen duͤrfen, daß ſeine weitlaͤuftige und fabelhafte
Urgeſchichte der Stadt aus alten Dichtern und Ge-
ſchichtſchreibern geſchoͤpft ſei. Denn die Uebertragung
des Cultus der Hera, der auch hier die Burg occu-
pirte, und der Sagen von Jo, der Argiviſchen Hera
Dienerin, beſtaͤtigen auf eine ſehr unzweideutige Weiſe
die Annahme Argiviſcher Koloniſten. Jo ſoll hier von
Zeus eine Tochter, Keroeſſa, geboren haben, (das iſt
ſie aber wieder ſelbſt), die, von der Landesnymphe Se-
meſtra geſaͤugt, hernach den Byzas gebar 5. Daher
auch hier die Fabel von der meerſchwimmenden Kuh
lokal wurde 6. Sonſt entſpricht die Verbindung von
Goͤtterdienſten, wie ſie in Byzanz ſtatt fand, faſt ganz
der in Megara gegebenen. Ja ſo ſehr hingen die von
der Mutterſtadt weit getrennten Byzantier an den hei-
mathlichen Erinnerungen, daß ſie auch die Namen der
4)
[121] Gegenden mit uͤbertrugen. Wir finden an der Kuͤſte
hin einen Tempel Poſeidons, deſſen Sohn Byzas ſelbſt
hieß, dann der Demeter und Kora, weiter die Skiro-
niſchen Felſen, ein Iſthmiſches Vorgebirge mit dem
Grabe eines Megariſchen Heros Hippoſthenes, auf dem
hohen Vorgebirge Metopon den Tempel Apollons, dann
einen Altar eines angeblichen Heros Saron, der ſich
auf den Saroniſchen Meerbuſen bezog 1. — So ent-
fremdete ſich uͤberhaupt Byzanz nie ſeinen Peloponneſi-
ſchen Vorfahren, wenn es auch eine große Anzahl Nach-
coloniſten (ἐποίκους) aufnahm 2, und uͤber Thrakiſche
Unterthanen gebot. Auch der herrſchende Dialekt, der
in Volksbeſchluͤſſen ſich noch findet, blieb ſehr lange der
Doriſche 3. — Die Byzantier gruͤndeten mit Chalke-
don zuſammen, in der Zeit der Expedition des Dareios
gegen die Skythen, oder des Xerxes gegen Griechen-
land, Meſambria am Pontos 4, welches Andere
als eine Colonie der Megarer ſelbſt betrachten; die
auch ſchon vor der Anlegung von Byzanz Selym-
bria gegruͤndet hatten 5, und wahrſcheinlich von dort
aus mit den Samiern zu Perinthos Krieg fuͤhrten 6, als
[122] dieſe Inſel noch von den Geomoren regiert wurde, vor
den Zeiten des Polykrates. — Noch hatte Megara
in dieſen Meeren bedeutenden Antheil an der Gruͤn-
dung von Herakleia Pontike, an welcher ſonſt
auch Tanagraͤer aus Boͤotien Theil nahmen; doch
herrſchten die erſteren in der Miſchung ſo vor, daß die
Stadt im allgemeinen fuͤr eine Doriſche galt 1.
10.
Aber Megara gruͤndete zugleich ſehr bedeuten-
de Colonien nach Weſten, in Sicilien. Wir begnuͤgen
uns hier mit der allgemeinen Angabe, daß die Sicili-
ſche Hybla um Olymp. 13. eine Megariſche Colonie,
und ſelbſt Megara genannt ward 2. Sie blieb wahr-
ſcheinlich in ſtetem Verkehr mit der Mutterſtadt, da
Theognis, in Sicilien geboren, doch lange in der
Nachbarſtadt Athens wohnte, auf die ſich viele ſeiner
Gedichte beziehn 3. — Die Gruͤndung der kleinen
[123] Stadt Trogilos, der bedeutenderen Thapſos, gin-
gen der Erbauung von Megara voraus; Einwohner
Megara’s gruͤndeten 100 Jahre ſpaͤter Selinus, in
der Naͤhe des Theils der Inſel, den fruͤher Phoͤnikier,
ſpaͤter Karthager beſetzt hielten.
11.
Noch ſind die Colonien Sparta’s uͤbrig,
zahlreicher, als man von einer vom Meere ſo abge-
kehrten Stadt erwarten ſollte. In die Geſchichte der
Herakliden-Wanderung ſelbſt ſind die Colonien von
Thera, Melos, Gortyna, Kyrene verflochten, welche,
wenn auch Sparta Ehrenthalber als Metropole aner-
kennend, doch eigentlich von Achaͤern, Minyern und
Aegiden, die damals in einem Diſtrikt Lakoniens ziem-
lich unabhaͤngig wohnten, gegruͤndet worden ſind 1.
Indeſſen hielten doch alle dieſe Staͤdte am Doriſchen
Namen, und Kyrene, wenn auch die Gruͤnder ſelbſt
einheimiſche Libyerinnen geheirathet 2, bewahrte doch
moͤglichſt Einrichtungen, Sitten, Sprache des Mut-
terlandes 3. — Auch die Gruͤndung von Knidos
liegt in fruͤher Zeit zuruͤck; ſie wurde allgemein den
Lakedaͤmoniern beigeſchrieben 4. Der Anfuͤhrer derſel-
3
[124] ben war nach Diodor ein Hippotes 1. Von Knidos
wurde damals auch Syme bevoͤlkert 2. Der Haupt-
kultus der Stadt, der der Aphrodite 3, die hier drei-
fach verehrt wurde, iſt ohne Zweifel der Kytheriſche,
den die Lakedaͤmoniſche Niederlaſſung mit ſich brachte.
Die herrliche Stadt Knidos, nach Oſten von einer
Akropole gedeckt, deren kyklopiſches Bauwerk 4 außer
den Mythen eine vor-doriſche Exiſtenz darthut, liegt
um eine Landenge von zwei Haͤfen umgeben, von de-
nen einer zu den groͤßten in Griechenland gehoͤrt. So
zum Handel von Natur geeignet gruͤndete auch Knidos
wieder Colonieen, unter denen Lipara auf einer der
vulcaniſchen Inſeln des Aeolos unter Anfuͤhrung von
Hippotaden 5 (Olymp. 50.) erbaut, von dieſer Inſel-
gruppe aus die Etrusker in mehreren Kriegen uͤber-
wand und Delphi mit Siegesgeſchenken ſchmuͤckte 6.
Eine andere Colonie von Knidos, mehr durch ihre
Entfernung vom Mutterlande als andere Umſtaͤnde
merkwuͤrdig, iſt Schwarz-Korkyra an der Illyri-
ſchen Kuͤſte. — Lakedaͤmon aber ſoll ſelbſt Colonien
nach Phrygien, Piſidien und Kypros gefuͤhrt haben.
Dort gruͤndete ein Spartiat, Peiſiſtratos, Norikon
bei Kelaͤnaͤ am Marſyasfluß 7. In Piſidien wird Selge
[125] von den Alten allgemein als Lakoniſche Colonie aner-
kannt, auf Kaiſermuͤnzen liest man oͤfter ΣΕΛΓΕΩΝ
ΛΑΚΕΔΑΙΜΟΝΙΩΝ ΟΜΟΝΟΙΑ; der Repraͤſentant
der Stadt iſt Herakles der Doriſche Held; auch der
Freiſinn, die Tapferkeit, die guten Geſetze der Selgaͤer
— obgleich man ihnen auch das umgekehrte beilegt —
werden von der Mutterſtadt hergeleitet 1. Die rin-
genden Juͤnglinge, im Begriff ſich zu faſſen (ἀκϱο-
χειϱιζόμενοι), auf ihren Muͤnzen vorgeſtellt, bezeugen
die Liebe zur Gymnaſtik. Indeſſen iſt hier zu erwaͤ-
gen, daß die Gruͤnder dieſer Colonie nach genauerer
Angabe Amyklaͤer waren 2, bedraͤngte Perioͤken, welche
vielleicht uͤber Knidos in dieſe Gegenden kamen. Es
ſcheint, daß Selge Sagalaſſos gruͤndete, welche
Stadt auf ihren Muͤnzen ſich eben ſo die Lakedaͤmoni-
ſche nennt. Vielleicht zur ſelben Zeit ging Praxandros
aus dem Lakoniſchen Therapne mit Kephas aus Ole-
nos, beide von Urſprung Achaͤer, nach Kypros, wo
ſie Lapathos und Keronia gruͤndeten 4.
12.
Aber die beruͤhmteſte aller Lakedaͤmoniſchen
Colonieen, welche auch wirklich von Sparta ausging,
war Taras. Die Geſchichte des Urſprungs liegt fa-
belhaft eingekleidet in den Erzaͤhlungen vom erſten
Meſſeniſchen Kriege darin, die begleitenden Umſtaͤnde wer-
den wir unten erwaͤhnen. Der Fuͤhrer derſelben war
Phalanth, Aratos Sohn, ein Heraklide 5, Taras da-
3)
[126] gegen heißt Sohn Poſeidons, weil dieſe Colonie den
Taͤnariſchen Cultus mit nach Italien nahm. So tru-
gen ſie auch andere Goͤtterdienſte uͤber, wie den des
Hyakinth 1; auch viele Namen der vaterlaͤndiſchen Ge-
gend, wie den des Eurotas auf den Galaͤſos 2. Aber
der fruchtbare und uͤppige Landſtrich der neuen Be-
ſitzung, das weiche wolluͤſtige Klima, der Handel end-
lich, fuͤr den Tarent wohl gelegen 3 und ſtets geoͤffnet
war — wenn es ihn auch nicht aktiv fuͤhrte — halfen
die Weichlichkeit der Sitten erzeugen, deren Ruf ruͤck-
waͤrts zur Entſtehung der Fabel von den Jungfernſoͤhnen
mitwirkte. Doch blieb Tarent, bei aller Entartung,
der Mntterſtadt anhaͤnglich; zur Gruͤndung von He-
rakleia holte es einen Spartiaten, Kleandridas,
herbei 4; auch die Freundſchaft der Knidier mit den
Tarentinern 5 wie mit den Kyrenaͤern beruht auf
der Anerkennung gemeinſamen Urſprungs. Die Co-
lonie von Kroton (Ol. 19, 2. nach Euſeb.) beſtand
zwar aus Achaͤern, die zum Theil aus Rhypaͤ der
Kuͤſtenſtadt 6, zum Theil aus Lakonien 7 kamen,
aber ſie muß unter der Auktoritaͤt des Doriſchen
Staates Sparta gegruͤndet ſein, weil Apollon und
Herakles, der Doriſche Gott und Heros, darin aus-
gezeichnete Ehre genoſſen 8, auch die aͤltere Ver-
faſſung Doriſch war; ſo wenig Treue ſonſt von Ovid
3)
[127] zu erwarten ſteht, ſo iſt ihm doch zu glauben, daß der
Gruͤnder, Myskellos, ein Heraklide war 1. Eben ſo
muͤſſen die Lokrer, welche (Ol. 24, 2.) Lokri gruͤn-
deten, Spartiaten zu Fuͤhrern genommen haben 2, da
ſie, wie ihre Muͤnzen zeigen, vorzuͤglich die Dioskuren
verehrten, deren Bilder ihnen auch Sparte, als Ver-
wandten, in Kriegsnoth ſandte 3; auch noch im Pelo-
ponneſiſchen Kriege zeigten ſie Anhaͤnglichkeit an dieſe
Stadt 4. Von anderer Art waren die fluͤchtigen und
voruͤbergehenden Niederlaſſungen des Dorieus, Sohnes
des Koͤnigs Anaxandrides von Sparta, die dieſer rit-
terliche Abentheurer in Sicilien und Libyen gruͤndete,
als er, einem unwuͤrdigen Bruder zu gehorchen ver-
ſchmaͤhend, auf die Kraft und das Angedenken alter
Heldenzeit vertrauend, ſich in fernem Lande ein Reich
erkaͤmpfen wollte 5. — Endlich nannten ſich die Kreti-
ſchen Lyktier und andere Orte der Inſel Coloniſten
Sparta’s; wahrſcheinlich wurden mehrere der altdori-
ſchen Staͤdte des Landes von Sparta erneuert, welches
auf Kreta’s innere Angelegenheiten unter Alkamenes,
um Anfang der Olympiaden 6 und ſchon zu Lykurgos
Zeit, den groͤßten Einfluß uͤbte 7.
[128]
Wir kehren von dieſer Ueberſicht der Doriſchen
Gruͤndungen außer dem Peloponnes zu der Geſchichte der
Halbinſel zuruͤck, die wir in zwei Perioden, vor und
nach Olymp. 40., theilen.
[129]
7.
1.
Ehe wir die Erinnerungen und Nachrichten aus
der fruͤhern Periode zuſammenſtellen, iſt die Beantwor-
tung der ſchon oben angeregten Frage unumgaͤnglich:
woher, aus welchen Quellen, durch welche Mittel
wir uͤberhaupt erfahren haben, was wir uͤber dieſe
Zeit zu wiſſen ſcheinen. Denn wenn uͤber die mythi-
ſchen Jahrhunderte die epiſche Poeſie die Sage durch
lange Zeiteu ohne Unterbrechung fortgeleitet und da-
durch einen Schimmer verbreitet hat, der an vielen
Stellen zu einem erfreulichen und milden Lichte con-
denſirt werden mag: ſo beruͤhrt dagegen dieſelbige nur
wenige Punkte der angegebenen Periode. Andererſeits
kam zwar in dieſer die Schrift durch Aſiatiſchen Ver-
kehr zu den Griechen, aber wie ſpaͤt und langſam ſie
ſich unter ihnen entwickelte, zeigt die bei ſonſt ſchon
ſo hoch geſtiegener Kunſtbildung faſt befremdende Un-
vollkommenheit der ſchriftlichen Aufzeichnungen, die
uns etwa noch aus der Zeit vor der 6oſten Olympiade
uͤbrig ſein moͤgen. Daher auch die Schrift als etwas
Griechenland Fremdes noch lange, wie in den Teiſchen
Fluͤchen, als Phoͤnikiſche Zeichen bezeichnet werden
konnte. Deſſen ungeachtet ſind dieſe wenigen und wort-
kargen Aufzeichnungen doch die erſten stamina der ei-
gentlichen Geſchichte und der Chronologie. Bekannt
geworden ſind uns aus dem Peloponnes als ſolche
folgende.
II. 9
[130]
2.
Der Diskos des Iphitos, auf welchem
im Kreiſe herum die Ankuͤndigungsformel des Eleiſchen
Gottesfriedens geſchrieben, und Iphitos und Lykurgos
als die Gruͤnder genannt waren 1. Man hat keinen
Grund, an der von Ariſtoteles anerkannten Aechtheit
zu zweifeln, und das Alterthum betrachtete darum die
Begebenheit ſelbſt als Thatſache 2. — Zweitens die von
Koroͤbos anfangenden ununterbrochenen 3Aufzeichnun-
gen der Olympiſchen Sieger, welche immer we-
nigſtens den Sieger im Lauf, aber wohl meiſt auch
die andern nannten 4. Urſpruͤnglich waren ſie wohl
auf einzelne Saͤulen geſchrieben, dann aber unter Auf-
ſicht der Hellanodiken geſammelt worden 5. — Solche
Aufzeichnungen von Siegern in Spielen waren wohl
ziemlich haͤufig, auch außer den vier großen, meiſt
aber nur auf abgeſonderte Stelen, die dem Geſchichts-
forſcher wenig Licht gewaͤhren konnten 6. Zuſammen-
haͤngend waren die Namen der Sieger in den Kar-
neen zu Sparta verzeichnet, ſo daß Hellanikos dar-
aus ein Werk Καρνεονῖκαι zuſammenſetzen konnte. —
Die ἀναγϱαφὴ zu Sikyon nannte die Prieſterin-
nen der Hera zu Argos, und die Dichter und Muſiker
der Spiele 7. Nur war auch fabelhaftes darin auf-
genommen, wie von Amphions Erfindung der Kitha-
[131] rodie. Auch die Kataloge der Hera-Prieſterinnen,
die man wahrſcheinlich in Argos ſelbſt hatte, ſchloſſen
die Fabel nicht aus.
3.
Es gab Lakoniſche oͤffentlich verfaßte ἀναγρα-
φαὶ, in denen Plutarch die Toͤchter des Ageſilaos 1,
und in den aͤlteſten auch das Pythiſche Orakel uͤber
Lykurg fand 2 — daſſelbe, welches Herodot im erſten
Buche anfuͤhrt. In dieſen ſtanden ohne Zweifel die
Namen aller Koͤnige, und wahrſcheinlich auch die
Jahre und zwar bis Prokles hinauf angegeben, der
nach einer oben gegebenen Notiz ein Jahr juͤnger als
ſein Bruder Euryſthenes 3 ſtarb, was ſchwerlich aus
einer andern Quelle fließen konnte, als einheimiſcher,
wenn es auch in die ſchriftlichen Aufzeichnungen ſelbſt
erſt wieder aus der Sage kam; wobei es freilich ſehr
raͤthſelhaft bleibt, wie die Sage gegen ihren ſonſtigen
Charakter Jahreszahlen aufbewahrte. Aus dieſen Auf-
zeichnungen bildete ohne Zweifel Charon von Lampſakos
vor Herodot ſein Werk: “die Prytanen oder Herrſcher
von Lakedaͤmon” 4, woſelbſt er auch Weihgeſchenke und
Denkmaͤler alter Zeiten bemerkte 5. Von Timaͤos
chronologiſcher Arbeit aber ſagt Polybios 6: “Dieſer
Schriftſteller verglich von Anfang an die Ephoren mit
den Koͤnigen in Lakedaͤmon, und die Archonten in
Athen und Prieſterinnen in Argos mit den Olympioni-
ken, und bemerkte die Irrthuͤmer der Staͤdte in den
Aufzeichnungen derſelben, wenn ſie auch nur um drei
9 *
[132] Monate abwichen”. Eratoſthenes und Apollodoros
bauten die Zeitrechnung, beſonders vor den Olympia-
den, auf dieſelben Liſten der Koͤnige 1; beide rechneten
faſt uͤbereinſtimmend von dem Heraklidenzuge bis Olymp.
I. 327 oder 328 Jahre 2, welche Rechnung ohne An-
gaben der Regierungslaͤnge aller Koͤnige nicht moͤglich
war 3. Den Lykurg aber ſetzte Erotoſthenes 108 Jahre
vor die erſte Olympiade 4, wobei er ſicher auf den
Diskos des Iphitos baut; damit ſtimmt ziemlich Apol-
lodors Angabe, daß Homer, 148 Jahre vor der 1ſten
Olymp. bluͤhend, des jungen Lykurgs Zeitgenoß gewe-
ſey 5. Es ſcheint indeſſen Lykurg in keiner ἀναγϱαφὴ
der Koͤnige geſtanden zu haben, weil es dann unmoͤg-
lich haͤtte geſchehen koͤnnen, daß ihn Herodot den Vor-
mund ſeines Neffen Labotas, des Euryſtheniden nennt 6,
Simonides — der doch viel mit dem Koͤnige Pauſa-
nias umgegangen war 7 — Sohn des Prokliden Pry-
tanis, Andre des Eunomos und Vormund ſeines Nef-
fen Charilaos 8, — wenn es eine hinlaͤnglich beglau-
[133] bigte Genealogie des Mannes gegeben haͤtte. Dage-
gen ſind die Abweichungen in der Aufzaͤhlung der Koͤ-
nige ſelbſt unbedeutend; ſie beſchraͤnken ſich darauf, daß
in der Reihe der Prokliden Herodot (oder die Abſchrei-
ber) den allgemein anerkannten Soos auslaͤßt, und
Eunomos und Polydektes gegen Pauſanias umſtellt.
Wie von dieſen Koͤnigen, ſo muͤſſen auch von den Re-
genten Korinths und der Bakchiadenfamilie Aufzeich-
nungen der Namen und Jahre exiſtirt haben, da auch
dieſe Niemand zu erdichten verwegen genug ſein konn-
te 1. Ueberhaupt gab es viele, namentlich Heraklidi-
ſche Stammbaͤume, wie bei Kyrenaͤiſchen Familien 2,
bei den Ptolemaͤern 3, denen aber oft wenig Auktori-
taͤt zukommen konnte; in den letztgenannten iſt die fre-
che Hand Alexandriniſchen Schmeichler unverkennbar.
Die Eleiſchen γράμματα ἀρχαῖα, die Pauſanias ſah,
ſcheinen vollſtaͤndige Geſchlechtsregiſter von Oxylos bis
Iphitos herab gegeben zu haben 4, obgleich die Nach-
kommen des erſtern nicht mehr Koͤnige waren. Sie
nannten den Vater des Iphitos auch Iphitos im Wi-
derſpruche mit der allgemeinen Annahme 5.
[134]
3.
Alle dieſe Aufzeichnungen gaben ſchwerlich et-
was mehr als Namen von Siegern — die nur ſelten
in Beziehung auf Geſchichte — und Fuͤrſten nebſt den
Jahren ihrer Regierung; daneben allenfalls dies und
jenes Orakel, wie die aus der Lakoniſchen Geſchichte
bei Herodot, welche auch ohne Zweifel ſchon fruͤh
in Schrift von den Pythiern nach Sparta gebracht
wurden. Dazu kann man vielleicht noch manche alte
Rhetra fuͤgen, wohin das Doriſche Alterthum alle
politiſche Urkunden, Geſetze und Buͤndniſſe rechnete 1.
Von der letzten Art iſt die Ϝρατρα τοιρ Ϝαλειοις, die
Gell gefunden, das aͤlteſte Beiſpiel, deren Schrift ſo
ungemein unfoͤrmlich, daß man uͤber die niedrige Stufe
der Schreibkunſt, auf der ſie verfaßt, erſtaunen muß.
Wie aber die Spartaniſchen ῥῆτραι des Lykurg abge-
faßt waren, iſt ſehr zweifelhaft. Es wird oft ange-
nommen, daß ſie von Anfang an metriſch verfaßt und
von der Jugend geſungen worden ſeien 2; allein dem
widerſpricht das unverwerfliche Zeugniß 3, daß erſt
Terpandros von Antiſſa, den die Spartaner ſo hoch
ſchaͤtzten, dieſe Geſetze in lyriſche Maaßen geſetzt habe
(ἐμελοποίησε); Terpandros aber lebte nach der Pari-
ſchen Chronik (die vielleicht hierin auf die Cataloge der
Karneoniken baſirt) erſt gegen Olymp. 26. Die Rhe-
tra aber, die Plutarch als die eigentliche Verfaſſungs-
urkunde erhalten, traͤgt einerſeits einen wahrhaft alter-
thuͤmlichen Charakter, indem ſie ein Gebot des Pythi-
ſchen Apoll an den Geſetzgeber im Infinitiv enthaͤlt —
grade ſo wie die Geſetze der Israeliten als von Jeho-
va zu Moſe geſprochen gedacht werden — und laͤßt
[135] ſich doch nicht in Verſe faſſen. Ich ſehe nicht ein,
warum ſie nicht eben ſo wohl als jene gleichzeitige
Ekecheiria und jenes alte Orakel aufgeſchrieben ſein
konnte, da ſich ſonſt die Fortpflanzung der Worte nicht
wohl denken laͤßt. Indeſſen waren der urſpruͤnglichen
Rhetren ſehr wenige; nur der Kern der Geſetzge-
bung wurde gegeben, mehr als ein Denkmal der Er-
innerung, denn als ein vollſtaͤndiges Ganze: darum
konnten die Alten mit Recht ſagen, daß Lykurgos keine,
und Zaleukos zuerſt Geſetze geſchrieben. Die drei Rhe-
tren, die man außer jener noch hatte, ſind faſt nur
Symbola einer Geſetzgebung, und nichts weniger als
Geſetze, ſie hatten die Form der Orakel, wie ebenfalls
vom Pythiſchen Gotte gekommen 1, aber waren durch-
aus in Proſa abgefaßt 2. — Daran ſchließt ſich eine
andere Art oͤffentlicher Urkunden, die ὄροι oder Ab-
markungen der Gebiete. Es iſt bekannt, daß wir aus
ſpaͤtern Zeiten ſolche von dem heiligen Gebiete, wo
fruͤhere determinationes hieromnemonum und alte In-
ſchriften auf Bruͤcken angefuͤhrt werden, von Kretiſchen
Staͤdten, von Samos und Priene (in denen die Prie-
neer alte im Tempel der Athena aufbewahrte Beſtim-
mungen aus Bias Zeit anfuͤhren) haben; auch wurden
hiſtoriſche Werke daraus gemacht: dergleichen muß es
[136] auch im Peloponnes gegeben haben; nur ſind freilich
die monumenta saxis sculpta et aere prisco, durch die die
Meſſenier den Roͤmern die urſpruͤnglichen Graͤnzen ge-
gen Lakonien nachweiſen wollten, ſicher erſt nach der
Ruͤckkehr gemacht 1.
4.
Dieſe Monumente wuͤrden, wenn wir ſie haͤt-
ten, eine unveraͤchtliche Grundlage der Geſchichte in
den drei Jahrhunderten vor dem Anfange der Hiſtorie
geben, aber immer nur ein Gerippe. Alles Fleiſch
und Leben der Geſchichte muͤßten wir doch noch immer
von andern Quellen entnehmen. Und zwar theils von
den lyriſchen Dichtern, die damals gebluͤht, und
die Zeit mehr als die Epiker mit in ihre Geſaͤnge auf-
genommen, wie Eumelos, wie Thaletas, Tyrtaͤos, Alk-
man, Terpandros 2, deren Leben ſich groͤßtentheils um
Sparta drehte; und die beiden mittlern lehren in der
That in ihren Bruchſtuͤcken noch am Meiſten von dem,
was wir vorzuͤglich zu wiſſen wuͤnſchen; dann die
muͤndliche Tradition, die zwar in Namen und
Zahlen rechts und links irrend, doch immer etwas
Weſentliches ausſagt: endlich die in ſpaͤtern Zeiten
fortbeſtehenden, politiſchen, Inſtitute, die ihren Ur-
ſprung in dieſer Periode genommen.
Dieſe und keine andere Mittel konnten diejenigen
benutzen, welche in dem Jahrhundert der erwachenden
Geſchichte auch uͤber Lakonien ſchrieben, wie Hellani-
kos, Charon und Herodot, und auf dieſelben mittelbar
oder unmittelbar mußten auch die bauen, die in
den Zeiten der Griechiſchen Gelehrſamkeit Lykurgos
Zeiten behandelten. Aber wie wenig erkennt man doch
[137] die alterthuͤmliche Einfachheit und Naivetaͤt, die der
Reflexion unbeduͤrftige Sicherheit und Nothwendigkeit
des Thuns, welche alle aͤchten Ueberlieferungen aus
jener Zeit darſtellen, in Ephoros, Hermippos 1 und
ihrer Nachfolger Darſtellungsweiſe. Dieſe hatten die
Tendenz, das Andenken des Alterthums moͤglichſt der
Zeitgeſchichte zu aſſimiliren, und das Beſtreben, jede
Thatſache aus irgend einer einzelnen Ueberlegung, aus
einem Raͤſonnement, wie es ihrer Zeit gemaͤß war,
hervorgehen zu laſſen; ſie haben wahrhaft ſchonungs-
los den edlen Roſt der alten Tradition abgerieben, und,
die bewegenden Grundideen jener Zeit verkennend, die
erhaltenen Thatſachen in einen modern-pragmatiſchen
Zuſammenhang hineingezwungen. Es iſt nicht zu ſa-
gen, mit wie ungluͤcklichem Eifer auch Plutarch dem
altem Geſetzgeber uͤberall, wo er eben nur den politi-
ſchen Sinn ſeines Stammes und Volkes ausſprach,
beſondere, meiſt ungenuͤgende, oft alberne Abſichten
und Plaͤne unterlegt.
5.
Wenn man nach ſolchen Grundſaͤtzen Lykurgs
Geſchichte pruͤft, ſo wird man finden, daß eigentlich
uͤber ihn, als Einzelperſon, ſo gut wie gar keine
Nachrichten exiſtiren. Die Sagen ſetzten ihn ganz
richtig in innige Verbindung mit Delphi, von wo da-
mals der Doriſche Stamm, beſonders Sparta, noch
ganz und gar geleitet wurde, und mit Kreta, dem zu-
erſt ausgebildeten Theile des Doriſchen Volks. Dieſe
Verbindung geſtaltete ſich gewoͤhnlich als Reiſe nach
beiden Orten; auch zeigte man ſein Grab zu Kirrha,
[138] und zu Pergamia in Kreta. Es ließ ſich leicht anneh-
men, daß Lykurgs Reformationen Widerſtand fanden
und Unruhen erregten. Aber die von Alkandros er-
zaͤhlte Geſchichte, wie er dem Lykurg ein Auge aus-
ſtoͤßt, (wohl eine Volksſage) beruht auf einer falſchen
Erklaͤrung des Beinamens der Pallas Optiletis 1. Daß
er Vormund (πρόδικος) eines Spartaniſchen Koͤnigs
geweſen, lag in alter Sage; aber es hat, wie bemerkt,
nicht viel Grund, daß man dieſen gewoͤhnlich Chari-
laos nennt, deſſen Milde in alter Tradition gefeiert
wurde 2: um mit der Vormundſchaft die Reiſen zu
verbinden, ließ man ihn jene, um Argwohn zu ent-
gehn, aufgeben. Nimmt man hinweg, was auf dieſe
Weiſe faſt im Geiſte eines pſychologiſchen Romans zu-
gedichtet iſt, ſo behaͤlt man nur geringen Sagenſtoff; von
der Geſetzgebung werden wir unten handeln 3.
6.
Sehr auffallend iſt es, daß die Hiſtoriker grade
von der Thaͤtigkeit Lykurgs, die naͤchſt der genannten
die wichtigſte iſt, ſehr wenig geſprochen 4. Ich meine
die ſchon beruͤhrte Theilnahme an der Gruͤndung des
Olympiſchen Gottesfriedens und der Spiele,
— welche ohne Zweifel der Anfang eines ruhigeren
Zuſtandes der Dinge im Peloponnes war. Lykurg, als
der Repraͤſentant des Doriſchen Stammes, Iphitos
fuͤr den Aetoliſch-Eleiſchen, und vielleicht noch mehrere
Andere ſtellten das Grundgeſetz der Peloponneſiſchen
[139] ἐκεχειρία auf. Dieſe enthielt Zweierley. Er-
ſtens, daß das ganze Gebiet der Eleer (als Agonothe-
ten nach Verdraͤngung der Piſaten) beſtaͤndig von Ein-
faͤllen und Verwuͤſtungen frei bleiben ſolle, ſo daß auch
gewaffnete Heere nur nach Abgabe der Waffen durch-
ziehen durften 1; zweitens, daß waͤhrend der Feſtzeit
die Waffen auch im uͤbrigen Peloponnes ruhen ſollten.
Weil aber in den Kalendern der einzelnen Voͤlkerſchaf-
ten geringe Uebereinſtimmung ſtatt fand, und nur eben
die Eleer die Regel, nach der das vierjaͤhrige Feſt
wiederkehren mußte, kannten, auch vielleicht, um das
Gebot des Gottes um deſto eindruͤcklicher zu machen,
ſandten die Eleer jedesmal Fetialen, “der Zeiten He-
rolde, des Zeus Kronides Eleiſche Friedensbringer
(σπονδοφόροι)” 2, welche zufoͤrderſt ihnen ſelbſt, dann
den uͤbrigen Peloponneſiern die Ολυμπιακὰς σπονδὰς
anſagten, von welchem Zeitpunkte an kein Heer in
fremdes Land fallen durfte 3. Die Strafe, welche
im Peloponneſiſchen Kriege die Spartiaten treffen ſollte,
weil ſie nachher noch Krieger ausgeſandt, war fuͤr jeden
Hopliten 2 Minen, gerade ſo viel, als nach Ueberein-
kunft der Peloponneſier fuͤr Ausloͤſung von Kriegsge-
fangenen bezahlt wurde, woraus erhellt, daß eigentlich
die Uebertreter des Friedens dem Gotte als Knechte
zufielen und von ihm ausgeloͤst werden mußten. Den
Ausſpruch that ein Eleiſches Tempelgericht nach dem
[140] “Olympiſchen Geſetze”. Das Strafgeld kam dort zum
Theil an die Eleer, zum Theil an den Olympiſchen
Tempelſchatz. Dieſem wurden auch ſonſt Bußen in
Buͤndniſſen verſprochen 1, ja es waren ſelbſt bisweilen
Staͤdte dem Gotte einen beſtimmten jaͤhrlichen Tribut
ſchuldig. — Durch dieſe und aͤhnliche Geſetze war die
Ekecheiria geſichert, welche ohne Zweifel in der Idee
nicht blos die heitere Feier der Spiele vor Stoͤrung
bewahren, ſondern uͤberhaupt eine friedliche Vereini-
gung der Peloponneſier bewirken, und zur Ausgleichung
von Streitigkeiten, Schließung von Buͤndniſſen Veran-
laſſung geben ſollte. Es iſt bekannt, daß noch im Pe-
loponneſiſchen Kriege oͤffentliche Angelegenheiten hier ver-
handelt wurden 3. — Beſonders aber und zunaͤchſt
ſcheint eine freundſchaftlichere Naͤherung zwiſchen dem
Aetoliſchen und Doriſchen Stamme durch die Olympi-
ſche Feſtfeier bewirkt worden zu ſein. Denn dies lehrt
ſehr deutlich die Tradition, daß Iphitos in Elis den
Dienſt des Herakles eingefuͤhrt, der alſo vorher nur
bei den Doriern ſtatt fand 4; auch wurde jetzt der
Doriſche Apollon als Schuͤtzer des Olympiſchen Got-
tesfriedens angeſehen, wie wir unten zeigen werden.
7.
Wir gehen unmittelbar zu den Meſſeniſchen
Kriegen uͤber, weil zwiſchen dem Beginn derſelben
und Iphitos Zeit kaum irgend eine ſelbſtſtaͤndige That-
ſache aufzufinden iſt. Dieſe aber ſind geſchichtlich,
weil wir von dem einen beinahe, von dem andern
durch Tyrtaͤos wirklich gleichzeitige Nachrichten haben.
2)
[141] Die Bruchſtuͤcke und Anfuͤhrungen aus ſeinen Liedern
koͤnnen uns allein zu einer richtigen Kunde helfen. Und
ſchon in dieſen allein erſcheint mancher Umſtand in ei-
nem andern Lichte, als in dem Roman des Pauſanias.
In dieſem ſind nur die Spartiaten die Angreifenden,
nur die Meſſenier die Angegriffenen, aber auch jene
fuͤhrten den Krieg fuͤr den Beſitz der eigenen Heimat:
Aber da auch das Alterthum nicht ſehr viel von Tyr-
taͤos beſaß, und des Geſchichtlichen darin kaum viel
mehr geweſen zu ſein ſcheint, als wir noch daraus
haben: woher nun die ganze Fuͤlle der Erzaͤhlung, [die]
Pauſanias vor uns ausſchuͤttet? Aus alten epiſchen
Gedichten? Allein von dieſen iſt keine Meldung; und
uͤberhaupt lag der geſchichtliche Stoff, wenn man ihn
nicht ganz mythiſch umbilden konnte, wie manche Gruͤn-
dungsgeſchichten, durchaus außer dem Bereich der aͤl-
teren Poëſie. Wir moͤgen wohl zugeben, daß in den
Naupaktien, die fuͤr die Mythengeſchichte des Landes
erwaͤhnt werden 2, auch beilaͤufig geſchichtliche Andeu-
tungen gegeben ſein konnten; vielleicht auch in Kinaͤthon,
Eumelos: aber die Alten, die ſehr aus ganzem Holz
zu ſchneiden liebten, muͤhten ſich wohl kaum derglei-
chen heraus zu finden. Dagegen gab es eine Reihe tra-
ditioneller Sagen, deren Charakter ein hohes Alter
verbuͤrgt. So die Meſſeniſche, daß Ariſtomenes drei
Hekatomphonien oder Opfer fuͤr hundert erſchlagene
Feinde dargebracht 3; ob dabei Menſchenopfer verrich-
[142] tet, iſt dunkel 1. Mit ihm opferte Theoklos, der
ein Eleer heißt, weil er zu einer, zwar in Meſſenien
[anſaͤſſigen], Jamidenfamilie gehoͤrte, die Jamiden aber,
wenn auch uͤberall zerſtreuet, doch ſtets ihre Rechte in
Olympia behielten 2. Dem entſpricht ſehr ſchoͤn die
Sage von einer dreimaligen Todesgefahr. Das er-
ſtemal, da er in den Keadas geworfen, rettete ihn der
Fuchs — das Symbol Meſſeniens —: das andere-
mal ſchliefen ſeine Waͤchter, der Held waͤlzte ſich ans
Feuer, und brannte ſich die Riemen am Leibe ent-
zwei 3 — eine Geſchichte, die unendlich aͤchtere Sage
darſtellt, als das Liebesabentheuer, wodurch ſie bei
Pauſanias erſetzt wird; als ihn aber die Feinde zum
drittenmal fingen, ſchnitten ſie ihm die Bruſt auf, und
fanden ein zottiges Herz (λάσιον κῆρ) 4.
8.
Solche Traditionen mochten verſchiedener Art
theils bei den ſiegreichen Lakonen 5, theils bei den ver-
triebenen Meſſeniern in Italien und Naupaktos, theils
[143] bei den unterworfenen an Ort und Stelle, theils bei
den uͤbrigen Peloponneſiern umgehn, als ſie durch die
von Epameinondas veranſtaltete Wiedereinſetzung neues
Leben erhielten. Die Boͤoter hatten ſchon vor der
Leuktriſchen Schlacht nach einem Orakel den Schild des
Ariſtomenes (auf dem ein Adler mit ausgebreiteten
Schwingen war) 1 zur Trophaͤe ausgeſchmuͤckt 2: und
als Epameinondas die Meſſeniſchen Fluͤchtlinge aus Ita-
lien, Sicilien, ja ſelbſt Libyen zuruͤckberufen, und
ſammt vielen Heloten und zuſammen gelaufenem Volke
zu einem neuen Staate verbunden hatte 3: wurde vor
der Gruͤndung der Stadt beſonders Ariſtomenes haͤufig
angerufen 4. So konnten nun die alten Volksſagen
von neuem feſten Fuß faſſen und ſich zuſammenhaͤngend
ausbilden. Mehrere Schriftſteller ergriffen bald den
intereſſant gewordenen Stoff, unter denen Rhianos der
Dichter, und Myron der Proſaiker uns bekannt gewor-
den 5. Myron erzaͤhlte den erſten Krieg bis zu Ariſto-
demos Tode, nach Pauſanias Urtheil “unbeſorgt, ob
er Luͤge und Unglaubliches erzaͤhle” wie er denn ge-
gen alle Sage auch Ariſtomenes, den Helden des zwei-
ten Krieges, ſchon im erſten hatte auftreten laſſen —
und mit unverkennbarer Tendenz gegen Sparta 6.
Rhianos aber, aus Benna in Kreta, pries Ariſtome-
nes Thaten im zweiten Kriege von der Schlacht am
[144] Ebergrabe bis zum Auszuge, wie Homer die des Achil-
leus, und obgleich Pauſanias ihn in einzelnen Angaben
aus Thrtaͤos widerlegt 1: ſo iſt er ihm doch ſehr viel,
beſonders in der poetiſchen Ausſchmuͤckung der Gemaͤlde,
gefolgt 2. Hiſtoriker, wie Ephoros, Theopompos, An-
tiochos, Kalliſthenes 3 nennt er nicht. Rhianos aber,
wenn er auch nicht uͤberall einſeitig der Meſſeniſchen
Sage folgte 4, hat um deſto mehr, ſo viel wir nach
Pauſanias urtheilen koͤnnen, einer freien Dichtung Raum
gelaſſen, und viele Verhaͤltniſſe und Dinge der ſpaͤtern
Zeit in die alte Sage gemiſcht 5. — Wir wollen den
[145] Leſer daher weder durch fortlaufende Erzaͤhlung dieſer
Dichtungen auf Koſten der Wahrheit ergoͤtzen — noch
durch eine ins Einzelne gefuͤhrte Critik ermuͤden, ſon-
dern nur die wirklich geſchichtlichen Hauptpunkte her-
vorheben.
9.
Die Dauer des erſten Krieges ſteht durch Tyr-
taͤos feſt 1.
Auch die Entfernung des erſten Krieges vom zweiten
giebt er an, ſo daß den erſten die Großvaͤter, den
zweiten die Enkel fuͤhrten 2; die Zeit des erſten wird
dadurch geſichert, daß Polychares, der als Urheber
genannt wird 3, Sieger der vierten Olympiade im Lauf
war 4, womit ſehr wohl uͤbereinſtimmt, daß Eumelos,
der Olymp. 5. nach Syrakus gieng, noch ein Lied fuͤr
das freie Meſſenien dichtete. Pauſanias ſetzt den
Anfang, wir wiſſen nicht nach welcher Berechnung,
Olymp. 9, 2, das Ende, neunzehn Jahr ſpaͤter, 14, 1.
Als Zwiſchenraum giebt er, wir wiſſen wieder nicht
woher, und nicht eben mit Tyrtaͤos ſtimmend, 39 Jahr
an 5; ſo daß der zweite von 23, 4 bis 28, 1. dau-
5
II. 10
[146] ert 1. Wir werden aber unten finden, daß dieſer einige
Olympiaden herabgeruͤckt werden kann. — Auch iſt uns
der Spartaniſche Koͤnig bekannt, der die Unterwerfung
Meſſeniens vollbracht, durch Tyrtaͤos:
Was nun den Urſprung des Krieges betrifft: ſo iſt er
erſtens darin zu ſuchen, daß Sparta durch Taleklos
vor Anfang der Olympiaden bedeutend erſtarkt war,
indem es dieſem Koͤnige gelang, endlich das Tropaͤon
des Sieges uͤber das nahe Amyklaͤ aufzuſtellen, und
mehrere andere Achaͤiſche Staͤdte des Landes zu Peri-
oͤken Spartas zu machen. Ja, wenn einer einzelnen,
halbverlornen Nachricht zu trauen 3, zerſtoͤrte Taleklos
ſchon Nedon, welches an der Eraͤnze Meſſeniens und
Lakoniens lag 4, und verſetzte die Einwohner nach Poͤ-
eſſa, Echeiaͤ und Tragis. Hierdurch entſtanden Eraͤnz-
ſtreitigkeiten der Dorier zu Sparta und zu Stenyklaros.
[147] Das Heiligthum der Limnatiſchen Artemis 1, deſſen Feſt
beiden Voͤlkern gemein, aber deſſen Beſitz zwiſchen ih-
nen ſtreitig war — indem noch unter Tiber die Lake-
daͤmonier es nach alten Annalen und Orakeln (annali-
um memoria vatumque carminibus) als ihr Eigen-
thum vindicirten, die Meſſenier dagegen eine ſchon an-
gefuͤhrte Urkunde vorbrachten, nach der es ihnen mit
dem ganzen Dentheleatiſchen Gebiete, in dem es lag,
gehoͤre 2, — gab auf die eine oder die andere Weiſe,
wie aus dem Roman des Pauſanias entnommen wer-
den kann 3, den naͤheren Anlaß zum Streite. Spal-
tungen in Meſſenien muͤſſen den Ausbruch des Kriegs
beſchleunigt haben, da es als geſchichtliche Thatſache
gelten muß, daß Hyamia, eine der fuͤnf Landſchaf-
ten Meſſeniens, den Androkliden, einem Zweige der
Aepytiden, von den Spartiaten gegeben wurde 4. —
Die Geſchichte des erſten Krieges ſelbſt enthaͤlt Zuͤge
großartiger Sage: wie Ariſtodamos, obgleich bereit,
den Zorn der Goͤtter 5 durch das Blut ſeiner Tochter
zu verſoͤhnen, doch es nicht zu Ende bringen kann, die
Tochter umſonſt mordet, und darauf der Goͤtter Wil-
len erkennend, daß Meſſenien fallen ſolle, und durch
duͤſtre Zeichen erſchrekt, ſich uͤber dem Grabe der Ge-
ſchlachteten ſelbſt opfert 6. — Der Kampf dreht ſich
aber meiſtentheils um Ithome, welche Feſte in der
Mitte des Landes gelegen zugleich die Stenyklariſche
Ebne und die am Pamiſos beherrſchte. Mit der Er-
10 *
[148] oberung derſelben war die Unterwerfung des Landes ge-
geben, und die Meſſenier verlaſſen zum Theil ihre Hei-
mat. Daran knuͤpft ſich die Doriſche Colonie von Rhe-
gion. Heraklides Pontikos 1 erzaͤhlt ganz unbeſtimmt
davon, daß den (von Delphi ausgeſandten) Chalkidi-
ſchen Gruͤndern dieſer Stadt ſich Meſſenier anſchloſſen,
die damals grade zu Makiſtos in Triphylien waren
wegen der Schaͤndung der Spartiatiſchen Jungfraun;
er verſteht wahrſcheinlich die darunter, welche den Spar-
tiaten dafuͤr Genugthuung geben wollten, und deswe-
gen von ihren Landsleuten vertrieben wurden 2. Aber
nach Pauſanias 3 erhielten eben dieſe, wie angegeben
iſt, Hyamia, und die Meſſenier zogen erſt nach der
Einnahme Ithome’s unter Alkidamidas, und dann wie-
der nach dem zweiten Kriege unter Gorgos und Man-
tiklos, Theoklos Sohn, dem Jamiden 4, nach Rhegion.
Von ihnen leitete nachmals der Tyrann Anaxilas (nach
Olymp. 70.) ſein Geſchlecht ab 5: ſie bildeten uͤber-
haupt den erſten Adel der Stadt 6.
Auch die Gruͤndung Tarents iſt bekanntlich mit
der Geſchichte des erſten Meſſeniſchen Kriegs ver-
webt, aber in ſo wunderliche Fabeln gekleidet, an de-
nen beſonders die Unkunde Lakoniſcher Einrichtungen
ſchuld ſein mochte, daß wir kaum etwas daraus ab-
nehmen koͤnnen, als daß Tarent von Sparta aus in
damaliger Zeit gegruͤndet wurde 7. —
[149]
10.
Vom Zuſtand der unterworfenen Meſſenier nach
dem erſten Kriege giebt ein Fragment des Tyrtaͤos
einige ſehr deutliche und ſprechende Zuͤge, welche wir
unten einzeln in Betracht ziehen wollen. Was aber
die Entſtehung des zweiten Krieges anbetrifft: ſo gieng
dieſer ſehr deutlich von dem nordoͤſtlichſten Punkte des
Landes, den Graͤnzgebirgen gegen Arkadien (Aepytis)
aus, wo die alten Staͤdte Andania und Oechalia lagen.
Vermuthlich war dieſe Gegend vorher nie von den Spar-
tiaten unterworfen. Von Andania war der Held die-
ſes Krieges, Ariſtomenes 1, gebuͤrtig, und befehdete
von da die Spartiaten durch Ueberfaͤlle und Streifzuͤge.
Er dringt im erſten Zuge bis in das Gefilde von Ste-
nyklaros, wovon der alte Vers ſagte:
aber kehrt nach dem Siege bei dem Ebergrabe nach
Andania zuruͤck. Aber ſehr bedeutend wurde dieſer Ver-
ſuch die Freiheit wieder zu erobern durch die Theilnah-
me der meiſten Peloponneſiſchen Staaten. Denn den
Tyrtaͤos anfuͤhrend berichtet Strabon 2, daß an die-
ſem Kriege fuͤr Meſſenien Theil genommen die Eleer,
[150]Argeier, Arkader und Piſaten1. Die Piſaten
fuͤhrte Pantaleon, Omphalions Sohn, von dem wir
wiſſen, daß er die 34ſte Olympiade anſtatt der Eleer
feierte 2; wodurch wir eine genaue Zeitangabe gewin-
nen; die Arkader aber Ariſtokrates, den Pauſanias
Sohn des Hiketas, einen Trapezuntier nennt, und
von ſeinem Verrath in der Schlacht am Graben erzaͤhlt,
nach deſſen weit ſpaͤterer Entdeckung die Arkader ſei-
nem Geſchlechte die Herrſchaft Arkadiens genommen 3.
So erzaͤhlt auch Kalliſthenes 4, und Beide fuͤhren die
Inſchrift einer Stele an, welche beim Bergaltare des
Lykaͤiſchen Zeus aufgerichtet war:
Dagegen wiſſen wir nun aus guten Zeugniſſen 5, daß
Ariſtokrates eigentlich nur Koͤnig von Orchomenos in
Arkadien war 6, und keineswegs ſein Geſchlecht die
Herrſchaft verlor, indem noch ſein Sohn Ariſtodamos
von da uͤber einen großen Theil Arkadiens herrſchte. —
Die Zeit des Ariſtokrates aber werden wir nach einer
unten aufzuſtellenden Genealogie bis etwa uͤber
Olymp. 30 hinaufſchieben koͤnnen. — So waren alſo
die Lakedaͤmonier in dieſem Kriege wirklich von einem
2
[151] uͤbermuͤthigen Feinde bedraͤngt, und Tyrtaͤos konnte
mit Recht ſagen:
Indeſſen hatte auch Sparta die Korinthier1, viel-
leicht die Lepreaten2, ja ſelbſt Samiſche Schiffe 3,
zu Bundesgenoſſen; vor allen den Aphidnaͤer Tyrtaͤos,
den eine laͤcherlich entſtellte Fabel zu einem lahmen Athe-
niſchen Schulmeiſter gemacht hat. Daß es nicht ohne
Grund war, daß Sparta einen Kriegsſaͤnger grade
von Aphidnaͤ holte, iſt oben ſchon angedeutet, ob Aphi-
dnaͤ damals ſchon zu Athen gehoͤrte, laſſen wir unge-
wiß. Es iſt zu bedauern, daß uns ſehr Wenig uͤber
den Krieg Sparta’s mit dem uͤbrigen Peloponnes be-
kannt geworden 4; die Meſſenier zogen ſich ſpaͤter von
Andania gegen Eira, welche Bergfeſte an dem Arkadi-
ſchen Graͤnzfluſſe Neda, in der Naͤhe des Meeres,
liegt. Und als ſie auch von da weichen mußten, nah-
men ſie zuerſt die Arkader, ihre alten und treuen Bunds-
genoſſen, auf und gaben ihnen nach der Sage ihre
Toͤchter zur Ehe 5; weiter wandten ſich die Vertrie-
henen zu ihren Verwandten nach Rhegion; Ariſtomenes
ſelbſt ſoll in Rhodos im Hauſe der edlen Familie der
[152] Diagoriden geſtorben ſein 1, — wenn ihn die Spar-
tiaten nicht getoͤdtet hatten.
11.
Außer Meſſeniens Beſitz war fuͤr die Macht
der Spartiaten nichts von ſolcher Wichtigkeit als der Ein-
fluß, welchen ſie auf die Orte Arkadiens uͤbten. Wie
ſie dieſen indeß gewonnen, iſt ſehr wenig bekannt 2.
Im Meſſeniſchen Kriege ſtand Arkadien ganz auf der
andern Seite. Daher auch die Spartiaten im zwei-
ten Jahre der 30 Olymp. die Stadt Phigalia im Win-
kel Meſſeniens und Triphyliens ploͤtzlich uͤberfielen, ein-
nahmen, aber bald von den benachbarten Oreſthaſiern
genoͤthigt ſie wieder verlaſſen mußten 3. Aber Sparta
beſonders furchtbar, theils als einer der bedeutendſten
Cantons Arkadiens, dann beſonders weil es am Haupt-
eingange zu Lakonien lag, war Tegea. Die Tegea-
ten ſollen ſchon Charilaos durch den Maͤnnermuth ihrer
Frauen zu einem ſchimpflichen Vertrage genoͤthigt ha-
ben 4. Auch ſpaͤter noch bis unter die Euryſtheniden
Eurykrates und Leon litt Lakedaͤmon durch dieſelben 5,
in welche Zeit wohl das Orakel gehoͤrt, das den Spar-
tiaten truͤgeriſch verhieß:
[153] bis ſie endlich unter deren Nachfolger Anaxandridas
das Uebergewicht gewannen. Es war es aber nicht
etwa blos die Geſchicklichkeit eines Bergvolks in Ver-
theidigung und Deckung ſeiner Schluchten, welche den
Spartiaten den Sieg ſo erſchwerte; obgleich auch der
Paß, welcher Tegea von Lakonien trennt, und noch
Spuren von Vertheidigungsmauern zeigt, mannigfach
zur Abwehr des Feindes benutzt wurde 1: ſondern Tegea
war auch im offenen Kampfe durch ein geordnetes Hopli-
tenheer ſtark, welches nachmals ſtets die zweite Stelle
im Peloponneſiſchen Bundesheere behauptete.
12.
Argos hat nie zu einer ſolchen Herrſchaft in
Argolis gelangen koͤnnen, als Sparta in Lakonien, weil
dort von Anfang an mehrere alte und bedeutende Staͤdte
die Dorier einluden ſich zu theilen, Dorier aber der
Autonomie zu berauben, gegen die Grundſaͤtze des Stam-
mes war. Argos mußte alſo ſich begnuͤgen einen Bund
zu gruͤnden und zu leiten, der die Kraͤfte des Landes
zu gemeinſamer Abwehr vereinigen, und die inneren
Verhaͤltniſſe regeln ſollte. Eine ſolche Verbindung be-
ſtand, wenn ſie auch nie ihren Zweck ganz erreichte.
Sie knuͤpfte ſich vermuthlich an das Heiligthum des
Apollon Pythaeus, das, wie oben bemerkt wurde, als
ein gemeinſames auch von Epidauriern und Dryopern
angeſehen wurde. Eine Argiviſche Amphiktyonie wird
in der Erzaͤhlung des Meſſeniſchen Krieges erwaͤhnt 2,
und iſt ſicher nicht erfunden, wenn auch falſch ange-
bracht. Daß ſie noch Olymp. 66 beſtand, erhellet dar-
6
[154] aus, daß als [die] Sikyonier und Aegineten dem Koͤnig
Kleomenes Schiffe gegen Argos gegeben, jede Stadt
in eine Geldſtrafe von 500 Talenten verurtheilt wurde 1.
Dies konnten die Argeier nicht als einzelne Stadt,
ſondern nur im Namen einer Verbindung, die dadurch
gekraͤnkt und verletzt war. Sonſt finden wir nur, daß
die Eleer fuͤr den Olympiſchen Zeus dergleichen Bußen
auflegen konnten [2]. Aber der angefuͤhrte Fall ſelbſt
zeigt, wie widerſpenſtig die Mitglieder dieſes Bundes
ſich den Verfuͤgungen des Hauptes erwieſen.
13.
Zu dieſer innern Uneinigkeit kam der beſtaͤn-
dige Zwiſt mit Lakedaͤmon. Herodot giebt an, daß
den Argeiern in alter Zeit, (d. h. vor Olymp. 50 etwa,)
die ganze Weſtkuͤſte des Peloponnes bis Malea (welche
die Orte Praſiaͤ, Kyphanta, Epidauros Limera, Epi-
delion enthielt) ſamt der Inſel Kythera und den uͤbri-
gen Inſeln gehoͤrte [3]. Nach Pauſanias Nachrichten
war die Landſchaft Kynuria, ein Gebirgsthal zwiſchen
auslaufenden Bergreihen an der Graͤnze von Lakonien
und Argos, von einem einheimiſchen altpeloponneſiſchen
Volke bewohnt, ſchon ſeit uralter Zeit Zankapfel bei-
der Staaten. Schon unter Echeſtratos und Eurypon
unterwarfen die Lakedaͤmonier dies Laͤndchen [4], unter
Labotas und Prytanis beſchweren ſie ſich uͤber Verſuche
der Argeier, ihnen ihre Perioͤken in Kynuria ab-
[155] wendig zu machen; Angaben, die wir, ungewiß, wo-
her ſie entnommen ſind, auf ſich beruhen laſſen. Un-
ter Charilaos verwuͤſten ſchon die Lakedaͤmonier das
Gebiet von Argos 1. Deſſen Sohn Nikandros verbin-
det ſich mit den Dryopern von Aſine gegen Argos.
Darum vertreibt dieſe wieder der Argiviſche Koͤnig Era-
tos aus ihrer Stadt 2; ſie fliehen zu ihren Verbuͤn-
deten in Lakonien, und erhalten von dieſen, nach Ende
des erſten Meſſeniſchen Krieges, einen Kuͤſtenſtrich, wo
ſie ein neues Aſine bauen, und noch lange fuͤr ſich in
ihrer nationalen Weiſe 3, und in Zuſammenhang und
in Verbindung mit den alten Goͤtterdienſten ihrer Ver-
wandten zu Hermione blieben 4.
14.
Ein hellerer Punkt der Argiviſchen und Pelo-
ponneſiſchen Geſchichte uͤberhaupt iſt die Herrſchaft des
Pheidon. Da ich die Nachrichten uͤber ihn ander-
waͤrts geſammelt und gepruͤft habe, iſt es hier nur
noͤthig, das Ergebniß zu wiederholen 5. Pheidon, Ari-
ſtodamidas Sohn, der Argeier, war aus dem Koͤnigs-
hauſe des Temenos, welches zwar ſeit Medon, Keiſos
Sohn, in ſeiner Macht ſehr geſchmaͤlert und einge-
ſchraͤnkt war, aber doch noch lange fortbeſtand. Die
hemmenden Schranken durchbrach Pheidon und heißt
darum, aber gegen den alten Sprachgebrauch, Ty-
rannos. Seine Abſichten waren zuvoͤrderſt darauf ge-
richtet, die unabhaͤngigen Staͤdte von Argolis zu Un-
terthanen von Argos zu machen. Er unternahm einen
Krieg gegen Korinth, und eroberte es ſpaͤter wirklich;
[156] ihm gehoͤrte wahrſcheinlich Epidauros, gewiß Aegina;
keine der andern Staͤdte der Umgegend wird dem kuͤh-
nen und entſchloſſenen Eroberer haben widerſtehen koͤn-
nen 1. Die Vollendung ſeiner Thaten iſt offenbar die
Feier der Olympiſchen Spiele, die er nach Verdraͤn-
gung der Aetoliſch-Eleiſchen Hellanodiken, als Nach-
komme und Nachfolger des Herakles, des erſten Olym-
pioniken — wie damals ſchon die Sage ihn nannte.—
mit den Einwohnern der Pelopiſchen Piſa anordnete.
Dieſe giebt zugleich ein unzweideutiges Zeugniß uͤber
die Zeit ſeiner Herrſchaft, da in den Eleiſchen Ver-
zeichniſſen die achte Olympias als von ihm gefeiert
bemerkt war. Aber eben dieſe Anmaßung war es, die
die Eleer und Lakedaͤmoaier gegen ihu vereinte, und
dadurch ſeinen Sturz herbei fuͤhrte. Dieweil Pheidons
Unternehmungen auf dieſe Weiſe fuͤr die Nachkommen er-
folglos blieben, hat ihn die Stimme darauf folgender
Geſchlechter fuͤr den uͤbermuͤthigſten der Tyrannen in
Griechenland erklaͤrt; man wuͤrde ihn neben Lykurgos
ehren, wenn es ihm gelungen waͤre, einen bleibenden
Zuſtand zu begruͤnden. Indeſſen ſind doch auch ſo In-
[157] ſtitute von ihm auf die Folgezeit gekommen, die ſein
Andenken zieren. Er gab dem Peloponnes gleiches Maaß
und Gewicht, welches vor ihm bei der verſchiedenen
Abkunft der Peloponneſiſchen Voͤlkerſchaften nicht ſtatt
fand; er ſchlug zuerſt Muͤnzen. Beides konnte er mit
groͤßerem Erfolge unternehmen, da die beiden einzigen
Handelsſtaͤdte des Peloponnes in damaliger Zeit in ſei-
ner Herrſchaft lagen, naͤmlich Korinth (darum heißt er
auch Korinthier) und Aegina. Genauere Nachrichten
beſagen, daß er zuerſt in Aegina, wo damals ohne
Zweifel ſchon Metallarbeit gemacht wurde, Silbermuͤn-
zen 1 praͤgen ließ, und nach Einfuͤhrung derſelben die
alten, jetzt abgeſchafften Staͤbe (ὀβελίσκους) der Hera
von Argos weihte, wo man deren vermuthlich ſpaͤter
noch dem Fremden zeigte 2. Manche von den uraͤlte-
ſten der Aeginetiſchen Schildkroͤten-Drachmen koͤnnen
wohl bis in dieſe Zeit hinaufreichen, da die griechiſchen
Muͤnzen, welche vor den Zeiten des Peloponeſiſchen
Krieges geſchlagen ſind, Fortſchritte von mehrern Jahr-
hunderten in der Kunſt des Stempelſchneidens und Praͤ-
gens darzulegen ſcheinen. Das aber beweiſen auch noch
die vorhandenen, daß im alten Peloponnes gleicher
Muͤnzfuß herrſchte 3, und erſt nach dem Peloponneſi-
ſchen Kriege in Maaß, Gewicht und Muͤnzfuß Ver-
ſchiedenheit hinein kam, die dann zum zweitenmal auf
einige Zeit durch die allgemeine Herrſchaft des Achaͤi-
ſchen Bundes aufgehoben, und Gleichmaͤßigkeit herge-
ſtellt wurde 4.
[158]
15.
Nach Pheidons Falle dauerte der alte Zwiſt
mit Lakedaͤmon fort 1. Olymp. 15. begann der Krieg
um das Kynuriſche Graͤnzland aufs neue 2; die Argeier
behaupteten es jetzt lange Zeit 3, und ſicherten den
Beſitz der Landſchaft beſonders durch den Sieg bei Hyſiaͤ
in derſelben, Ol. 27, 4. 4: ſie verloren ihn erſt in der
Zeit des Kroͤſos (Ol. 58.) durch die beruͤhmte Helden-
ſchlacht der Dreihunderte, in der der wundenmatte Othry-
adas die Trophaͤe des Sieges fuͤr Sparta aufrichtete 5:
eine um ſo fabelhaftere Geſchichte, da ſie ſelbſt durch
Feſtgeſaͤnge an den Gymnopaͤdien verherrlicht wurde 6.
So unbedeutend die Landſchaft, die ein Alter eine
Linſe nannte, an Umfang war, fuͤr die ſo ta-
pferes Blut floß; ſo entſcheidend war ihr Beſitz
fuͤr die Herrſchaft in Peloponnes. Nur ſeitdem konnte
Kleomenes — zu deſſen Zeit der Eraſinos die Graͤnze
[159] machte — mit ſolchen Gluͤcke Argos angreifen, wie er
wirklich that.
Die Ausdehnung der Argiviſchen Macht in der
Umgegend war ſehr unſicher und ſchwankend. Gegen
Ende des zweiten Meſſeniſchen Krieges hatten ſie das
nahe Nauplia uͤberwunden; den vertriebenen Ein-
wohnern gaben die Lakedaͤmonier Methone in Meſſe-
nien 1. Das Heiligthum von Nemea in den Gebuͤr-
gen gegen Korinth gelegen gehoͤrte ſeiner Lage nach der
unabhaͤngigen Doriſchen Stadt Kleonaͤ an; indeſſen
entriſſen es dieſer die Argiver vor Ol. 53, 1. 2, und
feierten von dieſem Zeitpunkte die Spiele des Zeus.
Doch verloren ſie es wieder, und einige Zeit vor Ol.
80, aber wohl nicht lange uͤber dieſen Zeitpunkt hin-
aus, verwalteten die Kleonaͤer wieder die Feier 3.
Es iſt wahrſcheinlich, daß um dieſelbe Zeit, um Ol.
50, Orneaͤ zwiſchen Argos und Sikyon, welches fruͤ-
her mit der letzteren Stadt Kriege gefuͤhrt hatte, der
erſteren unterthan wurde, wovon die Argiviſchen Pe-
rioͤken den allgemeinen Namen “Orneaten” erhielten,
zu deren Claſſe auch die Kynurier vor der Schlacht
von Thyrea gehoͤrten 4. Doch dieſe Ereigniſſe gehoͤren
eigentlich ſchon in die Periode, zu deren Darſtellung
wir jetzt kommen, und die wir im Allgemeinen als
“die Zeit der Tyrannen” bezeichnen.
[160]
8.
1.
Das Thema dieſes Kapitels finden wir am beſten
in Thukydides Worten ausgedruͤckt 1: “die Tyrannen
des geſammten Hellas, die in Sikelien ausgenommen,
wurden durch die Lakedaͤmonier geſtuͤrzt, deren Stadt
niemals Tyrannen litt, und durch die fruͤh geordnete
Verfaſſung maͤchtig, auch die Verhaͤltniſſe in andern
Staaten regelte.” Es iſt ein merkwuͤrdiges Ereigniß
in der Griechiſchen Geſchichte, daß zur ſelben Zeit
uͤberall in Doriſchen, Joniſchen, Aeoliſchen Staͤdten
ſich Tyrannen der hoͤchſten Gewalt bemaͤchtigen, ein
Beweis, daß bei verſchiedener Volksthuͤmlichkeit der
Staͤmme doch zugleich ein gemeinſamer Entwickelungs-
gang des politiſchen Lebens auf derſelben Stufe uͤberall
dieſelbe Erſcheinung hervorbrachte. Nur die Staͤdte
des reinen Dorismus, Sparta und Argos, widerſte-
hen dem Einfluß; uͤberhaupt werden wir das Grund-
geſetz finden, daß es ſtets eine Verdraͤngung des Do-
riſchen Princips war, durch welches ſich die Tyrannen
[161] hoben. Dies wird durch eine Betrachtung der Gewalt-
herrſchaften in den Doriſchen Staͤdten des Peloponnes
deutlich werden.
2.
Sikyon ſcheint ſchon in alter Zeit durch eine
gewiſſe Lebendigkeit und Regſamkeit des Geiſtes ſich
von anderen Doriern unterſchieden, und durch eine
Gewandtheit des Lebens ausgezeichnet zu haben, die
die Sikyonier fruͤhzeitig ſelbſt auf ihren mythiſchen He-
ros Adraſtos “deſſen Zunge ſanftuͤberredend” 1 uͤber-
trugen. Aber eben dieſe oͤffnete der Tyrannis in da-
maligen Verhaͤltniſſen das Feld. — Der Tyrann war
auch hier der Kopf der unteren aufſtrebenden Staͤnde
im Kampf gegen den Adel. Als ſolcher trat ohne Zwei-
fel Orthagoras auf, welchen die Ariſtokratie, weil
er nicht aus alter Familie ſtammte, einen Koch nannte 2.
Nichtsdeſtoweniger behielt ſein Haus die Herrſchaft
laͤnger als irgend ein anderes, ein Jahrhundert nach
Ariſtoteles 3, weil ſie die Buͤrger nicht mißhandelten,
und die Geſetze im Ganzen achteten. Ihre Reihe iſt:
Orthagoras — Andreus — Myron — Ariſtonymos —
Kleiſthenes 4, von denen aber der zweite und vierte gar
nicht oder nur kurze Zeit herrſchten. Myron hatte
Olymp. 33 mit dem Wagen zu Olympia geſiegt, und
erbaute darauf ein Schatzhaus, in dem zwei Gemaͤ-
cher mit Tarteſſiſchen Erz ausgelegt, und mit Joni-
ſchen und Doriſchen Saͤulen geſchmuͤckt waren 5. So-
wohl die angewandte Saͤulenordnung, als das Tarteſ-
II. 11
[162] ſiſche Erz, welches damals eben die Phokaͤer vom
gaſtlichen Koͤnige Arganthonios in reichem Maaße nach
Griechenland gebracht hatten, bezeugen den lebhaften
Verkehr des Myron mit den Aſiaten; wir werden den-
ſelben bei mehreren andern Tyrannen als nicht unwich-
tig fuͤr ihre Plaͤne wiederfinden. Kleiſthenes ſcheint
nicht ohne Gewalt die Herrſchaft gewonnen zu haben 1;
er hielt ſie feſt, indem er einerſeits durch Kriegsruhm
und Waffenglanz die Scheu, andrerſeits durch Demo-
kratiſirung der Verfaſſung den Beifall des Volks er-
warb. Was das letztere betrift: werden die wunder-
lichen Veraͤnderungen, die er mit den Sikyoniſchen
Staͤmmen vornahm, im dritten Buch erlaͤutert werden.
Hieher gehoͤrt, daß Kleiſthenes, der Orthagoride, ſelbſt
dem unterworfenen, undoriſchen Stamme angehoͤrte,
und indem er dieſen zu erheben, zugleich die Doriſchen
herabzuwuͤrdigen, ja zu beſchimpfen ſuchte, ſo daß er
alle Verhaͤltniſſe fruͤherer Zeit gradezu umkehrte und
auf den Kopf ſtellte. Darum lag auch Kleiſthenes mit
Argos, der Doriſchen Hauptſtadt in dieſer Gegend, in
Streit und Krieg 2, aus demſelben Grunde verbann-
te er den Heroendienſt des Argiviſchen Adraſtos, und
beguͤnſtigte dafuͤr den Cultus des Dionyſos, welcher
dem Dorismus fremd und minder zutraͤglich war; end-
lich unterſagte er den Homeriſchen Rhapſoden den Zu-
tritt, weil Homer Argos feiert — und die Ariſtokratie.
Dieſe in ſich wohl zuſammenhaͤngenden Zuͤge eines kek-
ken, durchgreifenden Sinnes treten aus der naiven Er-
[163] zaͤhlung Herodots hervor. Dieſelbe politiſche Tendenz
vererbte ſich auf ſeinen Schwiegerſohn Megakles, den
Gemahl der ſchoͤnen Agariſte, um deren Hand in der
heitern Fuͤrſtenhalle des Kleiſthenes, wie weiland um
Helena, viel aufſtrebende Juͤnglinge von allen Enden
von Hellas geworben hatten 1, und trat alsdann be-
ſonders im Attiſchen Kleiſthenes hervor, um die Um-
waͤlzung der Atheniſchen Verfaſſung durch Aufhebung
der letzten Spuren geſonderter Staͤnde herbeizufuͤhren. —
Was nun aber die kriegeriſche Thaͤtigkeit des Sikyo-
niers betrifft: ſo mußte dieſe ſchon ſehr beruͤhmt ſein,
als er im Kriege der Amphiktyonen gegen Kirrha — ob-
gleich ihn die Pythia einen Raͤuber geſcholten hatte 2 —
den Oberbefehl uͤber die Armee mit den Theſſaliſchen
Herakliden Eurylochos theilte, und die belagerte Stadt
beſonders von der Seeſeite angriff und erobern half 3.
Dies geſchah im dritten Jahre der 47ſten Olymp. 4.
Von der Beute des Kriegs baute Kleiſthenes eine Saͤu-
lenhalle zur Verſchoͤnerung Sikyons 5; auch ſiegte er
in der zweiten Pythiade, Ol. 49, 3. mit dem Vierge-
ſpann 6. Ich weiß nicht, ob man wagen darf aus
den einzelnen Nachrichten uͤber den Mann einen Be-
griff von ſeinem Charakter zu bilden. Sicher war
Kleiſthenes ein ſolcher, der das damals in reicherer
Entfaltung aufbluͤhende Helleniſche Leben — der ruhi-
gen Geſchloſſenheit des Dorismus gegenuͤber — mit
empfaͤnglichem Sinne auffaßte, und mit der Liebe zum
Glanz und Pomp Muth und Klugheit verbindend Vie-
11 *
[164] les bisher mit Scheu Verehrte als altes Vorurtheil
verlachte, und ſeinem Umwaͤlzungs-Geiſte keine Schran-
ken geſteckt glaubte. Indeſſen muß er doch gegen ſei-
ne Erwartung, nach Thukydides allgemeinem Zeugniſſe,
von Sparta geſtuͤrzt worden ſein, wohl bald nach Ol.
50. 1, der alte Zuſtand der Dinge trat indeſſen in
Sikyon erſt 60 Jahre ſpaͤter wieder ein 2, in welchem
Zeitraume noch ein Tyrann Aeſchines, aber einer an-
dern Familie angehoͤrig herrſchte.
3.
Sehr befreundet mit den Sikyoniſchen Tyrannen
waren die Korinthiſchen3, da auch dieſe zum Do-
riſchen Adel nicht gehoͤrend ſich in derſelben Stellung
gegen ihn befanden. Hier herrſchte vor dieſen das aus-
gedehnte 4 Heraklidiſche Geſchlecht der Bakchiaden,
welche die urſpruͤngliche Verfaſſung zur Oligarchie um-
gewandelt hatten, indem ſie ſich kaſtenmaͤßig von den
uͤbrigen Geſchlechtern geſondert hielten, und allein der
Stadt die leitenden Magiſtrate — jaͤhrliche Prytanen —
gaben. Aber Kypſelos, Aetions Sohn, Echekrates
Enkel aus einem Korinthiſchen Demos Petra 5, undo-
riſcher Abkunft, doch zugleich durch ſeine Mutter mit
den Bakchiaden verknuͤpft, verdraͤngte, wieder mit
Huͤlfe der unteren Staͤnde 6, die durch Luxus 7 und
Uebermuth verhaßten Oligarchen, welche, ungewiß ob
gezwungen oder freiwillig, zum groͤßten Theil Korinth
verließen 8, und ward nun gegen Ol. 30. 9, bei der
[165] Ungeſchicklichkeit des Volkskoͤrpers ſich ſelbſtſtaͤndig zu
leiten, Tyrannos. Wie leidenſchaftlich ihn auch als
ſolchen der Korinthiſche Redner bei Herodot anklagt:
urtheilt doch das Alterthum im Ganzen anders. Er
war friedlich geſinnt, herrſchte ohne Leibwache 1, und
eingedenk, woher ſeine Gewalt gekommen, als Dema-
gog. Auch unternahm er ſchon Bauwerke, aus Kunſt-
ſinn, oder um das Volk zu beſchaͤftigen. Das Schatz-
haus zu Delphi mit der Platane war ſein Werk 2. —
Ihm folgte ſein Sohn Periandros, zuerſt mit glei-
cher oder groͤßerer Milde als der Vater 3. Bald ward
er zuſehens gewaltthaͤtiger, nach Herodot durch den
Umgang mit dem Mileſiſchen Tyrannen Thraſybulos an-
geſpornt, der ihm rieth, den Adel der Stadt auf alle
Weiſe zu ſchwaͤchen, ja zu vertilgen 4. Vielen ſeiner
Beſtrebungen lag die deutliche Abſicht zu Grunde, die
Doriſche Eigenthuͤmlichkeit in der Wurzel auszurotten.
Darum hob er die Gemeinmahle auf, darum verbot er
die alte Erziehung 5. Dem Volke imponirte er durch
kriegeriſchen Glanz, in beiden Meeren hatte er Trie-
ren ſtehn 6. Seine Perſon ſchuͤtzte er durch dreihun-
dert Leibwaͤchter 7. Die Stadt in Ruhe zu erhalten,
heftige Bewegungen zu vermeiden, war ein Grundſatz,
auf deſſen Befolgung die Sicherheit ſeiner eignen Herr-
ſchaft beruhte; und aus dem ſich ein ganzes Syſtem
9
[166] von Anordnungen ergab. Er ſetzte darum ein peinli-
ches Gericht 1 gegen Vergeuder des vaͤterlichen Ver-
moͤgens nieder, weil dieſe leicht zu Neuerern umſchla-
gen; er unterſagte maaßloſen Luxus und zu große
Sklavenmenge. Muͤſſiggang daͤuchte ihm beſonders ge-
faͤhrlich. So wenig blieb er den demokratiſchen Grund-
ſaͤtzen ſeines Vater treu, daß er das Volk aus der
Stadt trieb 2, und um es feſter an Land- und Hand-
Arbeit zu gewoͤhnen, ihm nur Bauerntracht geſtattete 3.
Er ſelbſt verſchwendete nicht, daher er keine andere
Steuern bedurfte, als Hafenzoͤlle und Marktabgaben.
Auch vermied er — wo ſeine Abſichten es nicht heiſch-
ten — Gewaltthaͤtigkeit und offenbares Unrecht; ja
mitunter machte er einen ſo ſtrengen Sittenrichter, daß
er die zahlreichen Kupplerinnen der uͤppigen Korin-
thos — die gaſtfreundlichen Maͤdchen der Aphrodite
ſelbſt ſchuͤtzte Religion — erſaͤufen ließ 4. Wie ſeinem
Vater, war auch ihm Aufſtellung glaͤnzender Kunſt-
denkmaͤler 5 ein Mittel, das Vermoͤgen der Reichen
zu beſchatzen, und die Maſſe zu beſchaͤftigen, wiewohl
ſich auch ſein eigner gebildeter Sinn daran erfreute.
Aber im Allgemeinen enthaͤlt, vom Standpunkte der
Geſchmacks- und Geiſtesbildung, der Landeskultur und
des Verkehrs betrachtet, die Zeit der Tyrannen einen
ungemeinen Fortſchritt fuͤr Hellas. Der ſtarre Sinn,
alter Sitte und alten Brauchs ſtrenger Bewahrer,
wurde hier zuerſt gebeugt, und eine freiere, weitere
Weltanſicht herrſchend. Die Tyrannen ſtehen haͤufig in
enger Verbindung mit den Kleinaſiaten, die Sparta
[167] ihrer Ueppigkeit und Unmaͤnnlichkeit wegen verachtete;
vom Lydiſchen Sultan im Harem zu Sarden wand ſich
nun durch die Fuͤrſtenhaͤuſer von Milet und Samos eine
mannigfachen Einfluß leitende Kette bis in die Naͤhe
Sparta’s. Periandros verkehrte nicht blos mit Thra-
ſybul, ſondern mit dem Lyderfuͤrſten Halyattes, und
ſandte dieſem noch vor ſeinem Tode Korkyraͤiſche Kna-
ben, um ſie nach orientaliſcher Weiſe zu verſchneiden 1.
Die Namen ſeiner Verwandten Pſammetichos und Eor-
dias, dieſer Phrygiſch, jener Aegyptiſch, zeugen fuͤr
gaſtfreundliche Verbindung mit dieſen Laͤndern. Auf
der andern Seite fuhr die Politik der Kypſeliden fort,
die Kuͤſten des Joniſchen Meer’s bis Illyrien zu be-
ſetzen, und befreundete ſich mit den barbariſchen Voͤl-
kern des Binnenlandes 2. Ein hochſtrebender und
weitausſehender Geiſt war Periandros in der That,
wie wohl wenige ſeiner Zeitgenoſſen, tapfer im Kriege,
klug im Staate, obgleich durch beſtaͤndiges Mißtrauen
zu niedrigen Maaßregeln verleitet, und die eigne Ty-
rannis zu ſehr dem Wohle des Staates uͤberordnend,
der Kuͤnſte Freund, von aufgeklaͤrtem Sinne, — aber
derſelbe durch Leidenſchaft in ſich und ſeinem Hauſe zer-
ruͤttet, ohne innere Ruhe des Gewiſſens, und ohne
Scheu vor dem Heiligen doch bisweilen duͤſterem Aber-
glauben unterthan. — Nach Perianders Tode herrſchte
Pſammetichos3, Gordias Sohn, aus demſelben
[168] Hauſe, doch nur drei Jahre; ohne Zweifel ſtuͤrzten ihn
Ol. 49, 3. die Spartiaten1.
4.
Periandros hatte zur Frau die ſchoͤne Meliſſa,
die ihm gefallen hatte, als er ſie im Hauſe ihres Va-
ters, des Tyrannen Prokles, in leichtem Doriſchen Ge-
wande den Arbeitern Wein ſchenken ſah 2. Prokles
[169] herrſchte uͤber Epidauros und die damit noch innig ver-
bundene Inſel Aegina; er ſelbſt war mit den Orchome-
niſchen Fuͤrſten verſchwaͤgert, und ſcheint demnach und
nach ſeiner Verbindung mit Kypſelos Hauſe ebenfalls
in die Reihe der Tyrannen zu gehoͤren, welche, der
Doriſchen Ariſtokratie feindlich, durch die untern Staͤnde
herrſchten.
Und wenn nun auch noch Theagenes zu Me-
gara, der Schwager des Atheniſchen Kylon 1, (der ſchon
Ol. 42. nach der Tyrannis ſtrebte,) in ſeiner Hand-
lungsweiſe ganz den vorhergehenden glich, indem er
ebenfalls dadurch zur Herrſchaft gelangt war, daß er
die reichen Grundbeſitzer angegriffen, und ihre Heerden
auf den Weiden des Fluſſes abgeſchlachtet hatte 2, und
wie die andern dem Volke durch Verſchoͤnerung der
Stadt, z. B. durch Anlegung einer Waſſerleitung und
ſchoͤnen Fontaͤne (der Enneakrunos der Peiſiſtratiden
aͤhnlich) zu gefallen ſuchte 3: ſo ſehen wir in den Ty-
rannenhaͤuſern von Sikyon, Korinth, Epidauros, Me-
gara eine furchtbare Coalition gegen das Principat der
Dorier, und die alten Grundſaͤtze des Stammes, eine
um ſo furchtbarere, je mehr ſie ſich einer neuen An-
ſicht und Bildung zu bemeiſtern und zu ihren Zwecken
zu bedienen wußte. Und ſchon dann erſtaunen wir,
wie es Sparta gelang, dieſer Verbindung obzuſiegen.
5.
Wenn man aber dazu nimmt, daß zugleich die
Joniſchen und nicht minder die Aeoliſchen und Dori-
[170] ſchen 1 Inſeln und Staͤdte in Aſien, hernach auch das
Attiſche Athen, dann Phokis, Theſſalien, die Colonien
in Sikelien und Italien alle ebenfalls in den Haͤn-
den von Tyrannen waren, die ſich ohne Zweifel wech-
ſelſeitig beiſtanden, und ihr gemeinſames Intereſſe er-
kannten, und daß Sparta allein allen dieſen, meiſten-
theils vom Delphiſchen Orakel aufgefordert, einen be-
ſtaͤndigen Krieg erklaͤrte, und ſie auch wirklich, mit
Ausnahme der Sikeliſchen, entſetzte: ſo geſtehen wir,
daß es in jener Periode der griechiſchen Geſchichte kei-
nen großartigeren, und durch ſeine Ausdehnung ſowohl
als durch ſeine innere Bedeutung fuͤr politiſches und
ſittliches Leben wichtigeren Kampf gegeben hat. Alte
Hiſtoriker geben an 2, daß die Spartiaten folgende Ty-
rannen entſetzten: Die Kypſeliden von Korinth und
[171] Ambrakia, jene Olymp. 49, 3., dieſe vermuthlich we-
nig ſpaͤter; die mit den Theſſalern verbuͤndeten Peiſi-
ſtratiden von Athen Ol. 67, 2. 1; deren Anhaͤnger, Lyg-
damis von Naxos 2, wohl um dieſelbe Zeit; den Aeſchi-
nes von Sikyon, gegen Ol. 65. 3; den Symmachos aus
Thaſos; den Aulis aus Phokis; den Ariſtogenes aus Mi-
let 4 — die meiſten unter den Koͤnigen Anaxandridas und
Ariſton, Kleomenes und Demarat. Zum Theil vertrieben
ſie dieſelben mit Heeresmacht, wie die Peiſiſtratiden —
oft aber ſtuͤrzten ſie, wie Plutarch ſagt, die Gewalt-
herrſchaft, ohne einen Schild zu ruͤhren, durch Sen-
dung eines Herolds, dem alle augenblicklich Folge leiſte-
ten, wie die Bienen, wenn die Koͤnigin erſcheint, ſich
ordnen und anſchaaren 5. Auch gegen den Polykrates
von Samos ſandte Sparta (gegen Ol. 63.) mit Korinth
und andern Bundesgenoſſen einen großen Zug, — die
erſte Doriſche Unternehmung gegen Aſien — wohl eben
nicht aus den Gruͤnden, die der gute Herodot an-
gegeben: ſondern jenem allgemeinen Grundſatze auch
hierin Folge leiſtend 6; aber die Belagerung der feſten
und am Meere gelegenen Stadt in ſolcher Ferne war
uͤber die Kraͤfte des Peloponnes. Der letzte Zug
Sparta’s gegen die Zwingherren trifft nach dem Per-
ſerkriege, als die Stadt den Koͤnig Leutychidas, den
Sieger bei Mykale, ausſandte, um die Aleuaden Theſ-
ſaliens, die das Land den Perſern uͤberantwortet hat-
[172] ten, zu vertreiben, Ol. 77, 3. oder wenig ſpaͤter.
Ariſtomedes und Angelos wurden wirklich entſetzt, aber
von Andern ließ ſich der Koͤnig beſtechen, und die Un-
ternehmung gelang nicht vollkommen 1.
Wir moͤgen nun denken, mit welchem Stolze der
Geſandte Sparta’s dem Syrakuſiſchen Tyrannen Gelon,
ſo glaͤnzend und buͤrgerfreundlich im Ganzen ſeine Herr-
ſchaft immer war, als er die Hegemonie im Meder-
kriege forderte, antwortete: Wahrlich, Wehe ſchreien
wuͤrde ja der Pelopide Agamemnon, wenn er hoͤrte,
daß den Spartiaten die Hegemonie genommen ſei von
Gelon und den Syrakuſiern! —
6.
An dieſe Hauptbeſtrebungen in der politiſchen
Geſchichte jener Zeit reihen wir nun die nebengeordne-
ten Begebenheiten im Innern des Peloponnes. — Ge-
gen Argos hatte Sparta durch Kynuria’s Eroberung
den Schluͤſſel in die Hand bekommen. Bald darauf
gelangte Kleomenes zur Herrſchaft, der aͤlteſte Sohn
des Euryſtheniden Anaxandridas, ein Mann von un-
gemeiner Kuͤhnheit und ungebaͤndigter Kraft des Gei-
ſtes, muthig, unternehmend, klug, nach der Weiſe ſei-
nes Zeitalters und Landes gewandt in kurzer nach-
druͤcklicher Rede, doch viel zu ſehr von Stolz, theils der
Familie, theils eigenem erfuͤllt, und in Geiſtesrich-
tung ſeinen Zeitgenoſſen, den Tyrannen, aͤhnlicher,
als einem Koͤnige Sparta’s geziemte. Die erſte Un-
ternehmung dieſes Fuͤrſten 2 war der Heereszug gegen
[173] Argos. Er landete auf Sikyoniſchen und Aeginetiſchen
Schiffen an der Kuͤſte von Tiryns, ſchlug die Argeier
beim Hain des Argos 1 aufs Haupt, toͤdtete den groͤß-
ten Theil der waffenfaͤhigen Mannſchaft von Argos,
und haͤtte Argos einnehmen koͤnnen — wenn er nicht
aus unbegreiflichem Aberglauben, ohne den Sieg wei-
ter zu benutzen, das Bundesheer entlaſſen und ſich be-
gnuͤgt haͤtte, im Heraͤon zu opfern 2. — Indeſſen blieb
Argos durch dieſe Niederlage auf lange Zeit wie ge-
laͤhmt, ja es mußte eine gaͤnzliche Veraͤnderung der
Verhaͤltniſſe im Innern des Staates eintreten, um das
Siechthum und die Ermattung, in der die Stadt zu
verſinken ſchien, durch neues und friſches Leben aufzu-
heben.
7.
Denn nachdem eine Zeitlang die Leibeigenen
oder Gymneſier 3 von Argos die der Freien entbloͤßte
[174] Stadt beherrſcht und verwaltet hatten, bis die indeß
herangewachſene Jugend ſie vertrieb und uͤberwand:
ſahen ſich die Argeier, wie Ariſtoteles erzaͤhlt 1, genoͤ-
thigt, um die zuſammengeſchmolzene Buͤrgerſchaft zu
ergaͤnzen, die umwohnenden Unterthanen der Stadt,
die Perioͤken, an ſich zu ziehn, und in die naͤchſte Um-
gegend zu vertheilen 2. Es faͤllt die Ausfuͤhrung die-
ſes Plans ein Menſchenalter nach jener Mordſchlacht,
in die Zeiten der Perſiſchen Kriege, an denen Argos,
einzig auf innere Verſtaͤrkung bedacht, keinen Antheil
nahm. Damals hoben die Argeier uͤberhaupt, um ihre
Volksmenge zu vermehren, nach Pauſanias 3, faſt alle
bedeutenden Staͤdte in der Umgegend auf, und ver-
pflanzten die Einwohner nach Argos, namentlich Ti-
ryns, Mykenaͤ, Hyſiaͤ, Orneaͤ, Midea 4. Tiryns
und Mykenaͤ waren noch zur Zeit der Perſerkriege
freie, ja unabhaͤngige Gemeinden, die ſich ohne die
Beiſtimmung von Argos der Hegemonie Sparta’s an-
ſchloſſen; die letztere ſtritt ſogar mit Argos uͤber die
Rechte beim Tempel der Hera, und die Agonotheſie
der Nemeiſchen Spiele 5; die Zerſtoͤrung derſelben,
welche die Argeier mit den Kleonaͤern und Tegeaten
vereint unternahmen 6, gelang dieſen Olymp. 79, 1.:
aber es folgten von den Mykenaͤern nur wenige den Ar-
givern, da ſich die Meiſten lieber nach Kleonaͤ — wel-
ches damals unabhaͤngig war, und den Nemeiſchen
Agon verwaltete 7 — nach Keryneia in Achaia, ſelbſt
[175] nach Makedonien zerſtreuten 1. Auch die Tirynthier
flohen zum Theil nach Epidauros, zum Theil nach dem
Dryopiſchen Orte Halieis, wohin auch die bedraͤngten
Hermioneer ſich fluͤchteten 2. Denn auch Hermione, wel-
ches Herodot im Perſerkriege noch als Dryoper-Stadt
betrachtet 3, wurde nachher von Argeiern eingenom-
men 4. Die andern genannten Staͤdte dagegen waren,
wie wir von Orneaͤ und auch Hyſiaͤ wiſſen, vorher
ſchon Perioͤken, Unterthanen von Argos, geweſen, und
wurden jetzt nur zur Vergroͤßerung der Hauptſtadt her-
angezogen (σύνοικοι) 5. Die Argeier gewannen durch
dieſe gewaltſamen Verpflanzungen erſtens Sicherung
ſowohl gegen auswaͤrtige Feinde, als auch gegen die
vorher ſo uͤbermuͤthigen Leibeigenen, und zugleich eine
große Anzahl arbeitſamer und induſtrioͤſer Einwoh-
ner, welche bei fortdauerndem Frieden bald Wohl-
ſtand und Reichthum in Argos einfuͤhrte 6. Sehr
[176] treffend bezeichnete das Orakel die Grundſaͤtze, welche
damals Argos befolgen mußte 1:
Zugleich aber wurde durch dieſe Umſtaͤnde eine voͤllige
Umwaͤlzung der Verfaſſung herbeigefuͤhrt, und Argos
verlor uͤberhaupt allgemach den eigentlich Doriſchen
Charakter, wie wir unten ſehen werden.
Die andern Thaten des Kleomenes, von denen
wir wiſſen, beziehen ſich auf die politiſchen Umwaͤlzun-
gen Athens, und koͤnnen nur in der Attiſchen Staatsge-
ſchichte im Zuſammenhange dargeſtellt werden, oder auf
die Begebniſſe Aegina’s, die wir anderswo erzaͤhlt haben.
8.
Auffallend iſt es, daß in dieſer ganzen Zeit, in
welcher Sparta ſein Principat gruͤndet, von keinem
ernſthaften Kampfe zwiſchen Doriern und Joniern die
Rede iſt. Denn wenn auch die Graͤnzvoͤlker, Megara
und Aegina, dies ſeit ſeinem Abfall von Epidauros,
fortgeſetzte Kriege mit Athen fuͤhrten: ſo nahm ſich
doch deren nichtsweniger als der ganze Stamm an,
und Sparta ſelbſt gab einen unpartheiiſchen Richter
zwiſchen Athen und Megara ab. Schon vor Solons
Zeit kaͤmpften Athener und Megarer im Gebiet von
Eleuſis 2. Beſonders drehte ſich der Krieg um Sa-
lamis, das Solon durch die bekannte Kriegsliſt gewon-
nen haben ſoll 3, welche Geſchichte indeß Daimachos
von Plataͤaͤ laͤugnete 4. Nach Megariſcher Erzaͤhlung
[177] verriethen Vertriebene aus ihrer eigenen Stadt, Δορύ-
κλειοι genannt, die Inſel den Athenern 1. Das iſt
gewiß, daß fuͤnf Spartiaten (Kritolaidas, Amompha-
retos, Hypſechidas, Anaxilas, Kleomenes) als Schieds-
richter, alten Traditionen und Mythen folgend, den
Beſitz der Inſel den Athenern zuerkannten. Doch ver-
loren dieſe wiederum in den Unruhen nach der Ver-
bannung des Megakles die Inſel, wie den ſchon er-
oberten Hafen Niſaͤa 2. Die erſtere gewannen ſie in-
deß bald wieder, und Megara ſcheint ſie von da an
ganz aufgegeben zu haben, indem in dieſen Zeiten Athen
ſo reißend ſchnell heranwuchs, daß Megara an die
Erneuerung alter Kaͤmpfe nicht mehr denken konnte.
Da es unſere Abſicht nicht iſt, eine fortlaufende
und ſich gleichmaͤßig verbreitende Geſchichtserzaͤhlung
zu geben, ſondern nur das hervorzuheben, was fuͤr
den Zuſtand des Doriſchen Stammes Aufſchluß ver-
ſpricht — die Geſchichte der außerpeloponneſiſchen Do-
rier fortzufuͤhreu unterlaſſen wir ganz, weil deren lo-
kale Verflechtung uns ſehr weit in andere Gegenden
abfuͤhren wuͤrde —: ſo werden wir aus den Begeben-
heiten der Perſerkriege kaum einen und den anderen
Moment beruͤhren, und nur von den inneren Verhaͤlt-
niſſen des Peloponnes in damaliger Zeit handeln, un-
ter denen die Hegemonie Sparta’s am meiſten und
auffallendſten hervortritt.
II. 12
[178]
9.
1.
Sparta hatte durch die Ueberwindung Meſſeniens
und Tegea’s das erſte Anſehn im Peloponnes gewonnen,
und durch die Vertreibung der Tyrannen und den Sturz
von Argos befeſtigt. Es handelte ungefaͤhr ſeit Ol. 50
als anerkannter Hegemon des Peloponnes nicht allein,
ſondern des geſammten Griechiſchen Namens. Die
eigentliche Bundesgenoſſenſchaft bildeten indeſſen
nur die Bewohner der Halbinſel nach feſtgeſetzten und
geregelten Verhaͤltniſſen, die Griechen außerhalb ſchloſ-
ſen ſich nur zufaͤllig an. Die Ordnung der Bundes-
glieder moͤgen wir ungefaͤhr aus der Inſchrift von dem
Fußgeſtelle des nach dem Perſerkriege nach Olympia
geweihten Zeus bildesentnehmen, nach Auslaſſung der nur
temporaͤr verbundenen Jonier 1: Lakedaͤmon, Korinth,
Sikyon, Aegina, Megara, Epidauros 2, Tegea, Orchome-
nos, Phlius, Troͤzen, Hermione, Tiryns, Mykenaͤ, Le-
preon, Elis, welches ſich mit der letzten Stelle be-
gnuͤgt wegen des geringen Antheils, den es am Kriege
genommen. Die Vertheidiger des Iſthmos werden in
dieſer Folge [aufgezaͤhlt]3: Lakedaͤmonier, Arkader, Ele-
er, Korinthier, Sikyonier, Epidaurier, Phliaſier,
[179] Troͤzenier, Hermioneer — in ziemlicher Uebereinſtim-
mung mit jener Reihenfolge, nur daß die Arkader als
Ganzes und eben ſo die Eleer weiter vorantreten, und
die Megarer und Aegineten als antheillos ausgelaſſen
ſind. Schon dieſe genau beſtimmte Ordnung beweiſt
einen feſten Verband. Die Tegeaten hatten, ſeit ſie
Lakedaͤmon beigetreten waren, mehrere Ehrenrechte,
und beſonders den Ehrenplatz am linken Fluͤgel der
Schlachtordnung 1. Ausgeſchloſſen blieb von Pelopon-
neſiſchen Voͤlkern Argos, welches ſich nie unter Spar-
ta’s Fahnen ſtellen mochte; die voͤllig indifferenten Achaͤer
hielten ſich nur momentan zum Bunde 2; die Manti-
neer aber folgten meiſt der Argiviſchen Politik 3, und
ruhten daher auch waͤhrend der Schlacht von Plataͤaͤ,
obgleich ſie unter den geſammten Arkadern den Iſthmos
hatten vertheidigen helfen 4.
2.
Die Oberleitung Sparta’s 5 aͤußerte ſich theils
bei gemeinſamen Kriegszuͤgen, (κοιναῖς ἐξόδοις) theils
bei Verhandlungen derſelben Art. In den erſtern war
ein Spartaniſcher Koͤnig — ſeit man es fuͤr gut gefun-
den nie beide zuſammen zu ſenden — der geborne Heer-
fuͤhrer, in deſſen Vollmacht noch mancher Ueberreſt
war von alter, Homeriſcher Fuͤrſtengewalt. Indeß
durfte Sparta auch andern Feldherrn Bundesheere an-
vertrauen, beſonders zur See, wie dem Eurybiadas
die Salaminiſche Flotte. Stand nun ein Auszug bevor,
ſo ſandte der Vorort in den Bundesſtaͤdten umher 6:
12 *
[180] man ſolle Mannſchaft und Vorraͤthe bereit halten 1.
Das Contingent war ſchon im voraus beſtimmt, naͤm-
lich das hoͤchſte Maaß, und es durfte nur die Quote
angeſagt werden, die davon diesmal noͤthig war 2.
Gleicherweiſe waren die Leiſtungen an Geld und Zu-
fuhr im Allgemeinen feſtgeſetzt 3, ſo daß ein Heer mit
allem Zubehoͤr durch einfaches Aufgebot haͤtte zuſam-
mengebracht werden koͤnnen. Aber Landarbeiten, Feſte,
auch die natuͤrliche Bedaͤchtigkeit des Doriſchen Stam-
mes, verzoͤgerten oft die Verſammlung dieſes Reichs-
heers uͤber die Maaßen. Die Beitraͤge, beſonders
wohl freiwillige, von Staͤdten ſowohl als Einzelnen,
wurden aufgezeichnet; wir beſitzen noch zu Tegea ge-
fundene Urkunden, in denen die Kriegsbeitraͤge der
Epheſier, Melier u. Aa. theils in Geld theils Getreide,
bemerkt ſind 4. Dagegen ſetzten die Lakedaͤmonier nie-
mals der Peloponneſiſchen Symmachie einen fortlaufen-
den jaͤhrlichen von den Umſtaͤnden unabhaͤngigen Bei-
trag, der nicht anders als zum Zins werden konnte;
als Jemand dem Koͤnige Archidamos 5 einen ſolchen
vorſchlug, antwortete er mit Grund: der Krieg ver-
zehre nicht nach der Regel. Perikles aber rechnet es
den Peloponneſiern mit eben ſolchem Recht zum Nach-
[181] theil, daß ſie keine Soldtruppen halten koͤnnen, und
weder im Ganzen noch in den einzelnen Staͤdten einen
Schatz geſammelt haben 1. — Das Ziel einer Unter-
nehmung wurde gemeiniglich angegeben; bisweilen in-
deß, wo Heimlichkeit noͤthig war, wußten es weder
die Staͤdte noch auch das Heer 2. Auch konnten die
einzelnen Bundesſtaͤdte, wenn es Noth that, das Heer
der andern unmittelbar herbeirufen 3, doch iſt es nicht
deutlich, wie ſtreng alsdann die Verpflichtung zu er-
ſcheinen war. — Die Spartaniſche Kriegsverfaſſung,
die wir unten auseinanderſetzen werden, galt auch im
Ganzen fuͤr das Bundesheer, doch war ſie wohl auf
mannigfache Art mit der Kriegsweiſe der einzelnen Voͤl-
ker combinirt 4. Zum Kriegsrath, der indeß nur be-
rieth und nicht entſchied, wurden vom Spartaniſchen
Koͤnige die Anfuͤhrer aus den einzelnen Staͤdten, auch
andere Befehlshaber und uͤberhaupt die Angeſehenſten
zuſammenberufen 5.
3.
Was aber die berathenden Verſammlungen des
Bundes betrifft: ſo mußten dieſe von Rechtswegen je-
der gemeinſamen Thaͤtigkeit, Kriegserklaͤrungen, Frie-
densſchluͤſſen, Buͤndniſſen, vorhergehen. Da es aber
keine regelmaͤßigen und ſtehenden gab, ſo mußten dazu
Geſandte der Staͤdte (ἄγγελοι), den Repraͤſentanten
(προβούλοις) der Jonier aͤhnlich, zuſammenkommen,
die meiſt nur kurze Zeit bei einander blieben 6. Die
ſaͤmmtlichen Glieder hatten rechtlich gleiche Stimme
(ἰσόψηφοι) 7, die Mehrzahl entſchied [nach] gegen be-
[182] deutenden Widerſpruch 1, oft wurde Sparta uͤberſtimmt,
beſonders bildete Korinth gern Oppoſition 2. Indeſſen
ſind uns die Verhaͤltniſſe doch ſehr unklar, im Gan-
zen galt wohl nach dem ariſtokratiſchen Sinne der Pe-
loponneſier Auktoritaͤt mehr als Zahl, und zu großen
Unternehmungen, wie zum Peloponneſiſchen Kriege, ge-
hoͤrte bei uͤbereinſtimmendem Willen der andern Bun-
desglieder nothwendig des Hauptes Beitritt 3. Wenn
die Verſammlung nach Sparta berufen war, ſo ver-
handelten die entbotenen Vertreter oft mit einer Spar-
taniſchen Volksverſammlung (ἔκκλητοι) 4, obgleich ſie
beim Abſtimmen natuͤrlich geſchieden werden mußten.
Von einzelnen Geſandten iſt uns außer dem Korinther
Soſikles noch Chileos von Tegea bekannt, der die
Ephoren vermochte, nach langem Zoͤgern das Heer nach
Plataͤaͤ auszuſenden, und der Viel zur Ausgleichung
der Zwiſtigkeiten unter den Staͤdten des damals aus-
gedehnteren Bundes that 5.
4.
Aber auf die innern Verhaͤltniſſe, Verfaſſungen,
Geſetze, Inſtitute der Bundesſtaͤdte hatte der Bund von
Rechtswegen keinen Einfluß. Es war Grundgeſetz, daß
jeder Staat (πόλις) nach altem Herkommen (καττὰ
πάτρια) unabhaͤngig und ſouveraͤn ſein ſollte (αὐτόνο-
μος καὶ αὐτόπολις) 6: und man muß es Sparta zum
[183] Ruhme rechnen, daß es, ſo lange der Bund beſtand,
nie, auch bei guͤnſtigen Anlaͤſſen nicht, einen Pelopon-
neſiſchen Staat dieſer Autonomie beraubt hat. — Auch
Streitigkeiten der Staͤdte kamen nicht vor die Bun-
desverſammlung, weil dies ſehr leicht bei Sparta’s
Anſehn die Freiheit gefaͤhrdet haͤtte, ſondern eher vor
das Delphiſche Orakel oder gemeinſchaftlich erwaͤhlte
Schiedsrichter 1. Als Elis von Lepreon einen alten
Tribut forderte, machten beide Sparta nur durch Zu-
wendung (ἐπιτϱοπὴ) zum entſcheidenden Schiedsrichter.
Als ſolcher loͤste es Lepreon als autonomes Bundes-
glied von dem Zins, und Elis that Unrecht, daß es
vom Vertrage abſpringen wollte, weil es das Urtel
nicht erwartet hatte 2. Fuͤr Streitigkeiten der Buͤrger
von verſchiedenen Staͤdten fand voͤllig gleicher Rechts-
verkehr ſtatt (commercium iuris dandi repetendique) 3.
Die Rechtsverfaſſung der Staͤdte ſelbſt hing vom Her-
kommen in denſelben ab; ſie waren auch darin voͤllig
frei (αὐτόδικοι) 4. — Dies ſind die Grundzuͤge der
Peloponneſiſchen Bundesverfaſſung, der einzigen in
den Zeiten der Bluͤthe Griechenlands, die mit Recht-
lichkeit und Freiheit eine freilich nicht ungehemmte
Thatkraft vereinigte.
5.
Als Haupt dieſer Verbindung war Sparta nicht
durch Vertrag, noch weniger durch Anmaßung, ſondern
durch ſtillſchweigende Anerkennung, auch der Hege-
mon der geſammten Nation geworden, und trat als
ſolcher ſeit Ol. 50. in allen aͤußern Verhaͤltniſſen auf.
[184] Schon Kroͤſos bewarb ſich um ſeine Bundesgenoſſen-
ſchaft; die Jonier wandten ſich, von Kyros bedraͤngt,
an denſelben Staat, und dieſer, mit einer naiven Un-
kunde der Dinge jenſeits des Meers, glaubte den
Perſermonarchen durch Androhung einer Fehde zu
ſchrecken. Am merkwuͤrdigſten iſt, daß ſich damals
ſelbſt Skythiſche Geſandten in Sparta aufhielten, mit
denen ein großer Operationsplan gegen den Perſer ver-
abredet worden ſein ſoll 1 — was ſchwer zu glauben.
Ol. 65, 1. gaben ſich die Plataͤer in Kleomenes Schutz 2,
der ſie an Athen wies; ein Herold von Sparta trieb
die Alkmaͤoniden aus ihrer Stadt 3; darauf ſuchte
Ariſtagoras beim Vorſtande von Hellas 4 Hilfe gegen
den Nationalfeind; als dieſem die Aegineten Erde und
Waſſer gegeben, klagten ſie die Athener bei demſelben
des Landesverraths an — im Perſerkriege endlich fand
das freiſinnige Griechenland blos in dem Anſehn dieſes
Staats den Mittelpunkt der nothwendigſten Vereini-
gung 5.
6.
In dieſem Kriege bildete ſich eine neue, uͤber
den Peloponnes hinaus erweiterte Symmachie, indem
Gemeinſchaft der Gefahr und des Sieges außer einem
momentanen Aneinanderſchließen auch einen zur Dauer
beſtimmten Verein hervorbrachte. Die Verſammlung
deſſelben — ein ſtehendes Synedrion zu Korinth waͤh-
rend und zu Sparta nach dem Kriege 6 — war es,
die jene inneren Fehden beilegte, die Argos, Korkyra,
[185] den Gelon zum Beitritt einlud 1, und hernach den
Themiſtokles zur Verantwortung zog 2. Soviel wirkte
ſie fuͤr die Gegenwart. Zugleich aber vermochte Pau-
ſanias, der Regent von Sparta, nach dem großen
Siege von Plataͤaͤ, wo nach Aeſchylos Perſiens Macht
vor Doriſcher Lanze ſank 3, die Verbuͤndeten zur Ab-
ſchließung eines weiteren Vertrags (αἱ παλαιαὶ Παυσα-
νίου μετὰ τὸν Μῆδον σπονδαί). Unter dem Walten
der Bundesgoͤtter, namentlich des Eleutheriſchen (Hel-
leniſchen) Zeus, gelobten ſie ſich damals wechſelſeitige
Erhaltung der Autonomie aller Staͤdte, und manches
Andere, wovon die Kunde verloren gegangen. Den
Plataͤern wurde insbeſondere Sicherheit von Gefaͤhrde
zugeſagt 4. In die Symmachie wurden, nach der Schlacht
von Mykale, auch die Jonier mit aufgenommen 5.
7.
Die wundervollen Siege uͤber den Orient hat-
ten Sparta, welches ſeiner Lage und Natur nach zu
einem intenſiven, geſammelten und in ſich beruhigten
Leben ſtrebte, fuͤr einige Zeit aus ſeinem Kreiſe geriſſen,
und der Koͤnig Pauſanias hatte um Aſiatiſchen Fuͤr-
ſtenglanz das Vaterland verrathen wollen. Da er-
kannte dieſe Stadt ihr wahres Heil, und ſandte keinen
Heerfuͤhrer mehr nach Aſien, “damit ihre Feldherren
nicht ſchlechter wuͤrden”, auch um den weitern Krieg
mit dem Meder zu vermeiden, und weil ſie Athen fuͤr
tauglicher zur Fortſetzung hielt 6. Haͤtten wir die
Rede, in der der Heraklide Hetoemaridas den Geron-
ten zeigte, wie es Sparta nicht angemeſſen ſei, nach
[186] der Seeherrſchaft zu ſtreben 1, ſo wuͤrden wir gewiß eine
ſehr tiefbegruͤndete Anſicht der Dinge von Spartani-
ſcher Seite erhalten, die wir jetzt gewohnt ſind, ganz
mit Atheniſchem Auge anzuſehn. So exiſtirte auch der
der Begriff eines Ueberganges der Hegenomie an Athen
nur fuͤr Athen. Denn Sparta behielt ja fortwaͤhrend
ſein Anſehen und Recht im Peloponnes, fortwaͤhrend
ſchloſſen ſich die meiſten Voͤlker des Mutterlandes an
daſſelbe an; nur die vorher den Perſern unterthaͤnigen,
jetzt theilweiſe befreiten Griechen Aſiens und der
Inſeln, die Sparta faſt zuſehr verachtete, folgten
Athen 2.
8.
Eine voͤllige Befreiung aber des Griechiſchen
Vorlandes vom Perſiſchen Joch, die man meiſt auf die
Liſte der Großthaten Athens ſetzt, hat nie ſtatt gefun-
den. Ohne die Unterſuchung uͤber den problematiſchen
Friedensſchluß des Kimon aufnehmen zu wollen 3, moͤ-
gen wir nur durch einige Zuͤge den faktiſchen Zu-
ſtand dieſer Gegend bezeichnen. Herodot erzaͤhlt, daß
Artaphernes, Satrap zu Sarden unter Dareios, den
Joniern die Tribute ſetzte, welche von da an bis auf
die Zeit des Schriftſtellers, d. h. bis gegen Ende des
Peloponneſiſchen Krieges, ſo fortbeſtanden haͤtten 4.
Daß hier nur Tribute an den Großkoͤnig verſtanden
werden koͤnnen, zweifelt kein Verſtaͤndiger; die Atheni-
ſchen Eintreibungen richteten ſich wahrhaftig nach kei-
nem Perſiſchen Kadaſter. Weiter: im neunzehnten
[187] Jahre dieſes Krieges ſuchte der Satrap deswegen Hilfe
gegen Athen, weil er dem Koͤnige den Tribut der Hel-
leniſchen Kuͤſtenſtaͤdte einliefern ſollte, den er doch we-
gen dieſer Stadt nicht hatte eintreiben koͤnnen 1. Man
ſieht daraus, wie es der Schah von Suſa in voͤlliger
Ruhe ignorirte, daß die Mehrzahl jener Orte nun ſchon
uͤber ſechzig Jahre den Athenern zahlte und nicht ihm,
und die Ruͤckſtaͤnde nur auf Nachlaͤſſigkeit der Statt-
halter ſchob. Die Mehrzahl, ſage ich, keinesweges
alle: da die Athener des großen Kimon ruhmvolles
Werk nichts weniger als vollendet hatten, und ſeit die
Kriegsbeiſteuer zum druͤckendſten Tribut geworden war,
die Staͤdte ſelbſt ſich nicht eben ſehnen mochten, den
Tyrannen zu vertauſchen. Daher beſaß Themiſtokles,
als Perſiſcher Vaſall, noch beim Regierungsantritt des
Artaxerxes ungeſtoͤrt die ſchoͤnen Orte: Magneſia am
Maͤandros, Lampſakos, Myus, Perkote und Alt-
Skepſis 2. Noch ſpaͤter herrſchten die Nachkommen des
Koͤnigs Demarat, Euryſthenes und Prokles, in dem-
ſelben Verhaͤltniſſe uͤber Haliſarna in Myſien 3. Die
benachbarten Orte Gambrion, Palaͤgambrion, Myrina
und Grynion hatte Dareios dem Gongylos geſchenkt,
und ſeine Nachkommen wohnten noch da nach dem Pe-
loponneſiſchen Kriege 4. Als Athen ungerechter Weiſe
die Delier aus ihrer Inſel vertrieb, fanden ſie eine
Zuflucht zu Adramytteion an der Kuͤſte von Aeolis, die
[188] ihnen der Satrap Pharnakes bewilligte 1. So wohl
vertrug ſich hier die Atheniſche Herrſchaft mit den Un-
terthanen und Vaſallen des Koͤnigs. Wir brauchen
nicht tiefer einzugehen, um die gewoͤhnliche Darſtellung
Attiſcher Prunkredner gaͤnzlich ſchief zu finden.
9.
Der Peloponnes kuͤmmerte ſich um dieſe Ange-
legenheiten um deſto weniger, da er ſelbſt in ſich, wir
wiſſen nicht wodurch, in ungluͤckſeligen Zwieſpalt ge-
rathen war, der zum offenen Kriege zwiſchen Sparta
und Arkadien fuͤhrte. Uns iſt nur bekannt geworden,
daß zwiſchen der Schlacht von Plataͤaͤ, wo Tegea, wie
auch noch ſpaͤter, große Treue und Anhaͤnglichkeit an
das Bundeshaupt zeigte, und dem Helotenkriege (zw.
Ol. 75, 2. und 78, 4.), die Lakedaͤmonier zwei große
Schlachten, die eine gegen die Tegeaten und Argeier
zu Tegea, die andere gegen alle Arkader mit Ausnah-
me Mantineas zu Dipaͤa (ἐν Διπαιεῦσιν) — im Lande
der Maͤnalier — ſchlugen. Beim Spartaniſchen Heere
war in beiden Tiſamenos, der Eleiſche Jamide; in
beiden ſiegte Sparta 2. Doch ruͤhmt ein Sinngedicht
des Simonides des Heldenmuth der Tegeaten, die fal-
lend ihre Stadt vor Verwuͤſtung bewahrt 3, wahr-
ſcheinlich nach dem Verluſt der erſten Schlacht. Dar-
aus, daß wir Argos an dieſem Kriege Theil nehmen
ſehn 4, moͤgen wir abnehmen, daß die Abſicht deſſelben
gegen Sparta’s Hegemonie gerichtet war, vielleicht auch,
daß die Unabhaͤngigkeit der Maenalier, Parrhaſier u.
Aa., wie oͤfter, von den groͤßern [Staͤdten] Arkadiens
[189] gefaͤhrdet und von dem Bundeshaupte vertheidiget
wurde.
10.
Noch war dieſer Krieg nicht beendigt, als
Ol. 78, 4., unter Archidamos 1 und Pleiſtonax, ein
furchtbares Erdbeben — von Anaximandros vorherge-
ſagt 2 — Sparta zerſtoͤrte, und eine ploͤtzliche Nacht
am heitern und glanzvollen Tage das Haupt des Hel-
leniſchen Namens zu vernichten drohte. Denn von der
Hoffnung, die herrſchende Macht vollends aufzureiben,
aufgeweckt, fielen viele Heloten, (vielleicht durch den
eben vorhergegangenen Frevel gegen die Fluͤchtlinge zum
Taͤnariſchen Gotte doppelt gereizt 3), beſonders die alten
Einwohner Meſſeniens, und von den Perioͤken zwei
Staͤdte ab, welche man alle zuſammen Meſſenier,
den Krieg den dritten Meſſeniſchen nannte 4. Die Er-
eigniſſe dieſes furchtbaren Krieges ſind uns faſt unbe-
kannt, wir ſtellen nur die wenigen Bruchſtuͤcke von
Nachrichten zuſammen. Der Spartiat Aeimneſtos, der
den Mardonios erſchlagen, ein Heros wie aus fabel-
hafter Zeit, kaͤmpfte mit dreihundert Maͤnnern bei
Stenyklaros gegen alle Meſſenier, und fiel mit ſeiner
ganzen Heerſchaar 5. Darauf folgte eine große Schlacht
gegen die Meſſenier bei Ithome 6, in der die Spar-
tiaten ſiegten. Die Mehrzahl der Ueberwundenen ver-
[190] ſchanzte ſich nun auf dieſer ſteilen Bergſpitze, die auch
damals noch dem Zeus Ithomatas heilig war; wahr-
ſcheinlich ſtellten ſie die vor alter Zeit gebrochene Feſte wie-
der her. Nun erſt riefen die Lakedaͤmonier, eine lang-
wierige Belagerung vorausſehend, ein Bundesheer zu-
ſammen, bei dem unter Andern die Aegineten 1, die
Plataͤer 2, und viertauſend Atheniſche Hopliten waren,
die der Geſandte Perikleidas erbeten 3, und Kimon,
Sparta’s edler Freund, ihnen zugefuͤhrt hatte, ſie aber
noch vor der Eroberung der Feſtung, in der die er-
fahrneren Athener ihnen beiſtehn ſollten, nicht ohne den
Verdacht vor Attiſchem Neuerungsgeiſte merken zu laſ-
ſen, heimſandten 4. Erſt im zehnten Jahre, Ol. 81,
2., wurde Ithome durch Vertrag uͤbergeben; und die
Meſſenier verließen mit Weib und Kind den Pelopon-
nes, mit dem Verſprechen, ihn nie wieder zu betreten.
Es ſcheint, daß zur ſelben Zeit der Krieg der Arkader
mit den Lakedaͤmoniern durch Vertraͤge zur Ruhe ge-
bracht wurde, in denen unter andern bedungen war:
daß um der Lakoniſchen Parthei in Tegea willen Nie-
mand getoͤdtet werden ſolle, und ferner: daß Sparta
die Meſſenier zwar aus dem Lande treiben, aber nicht
umbringen duͤrfe: woruͤber eine Stele am Alpheios
ſtand 5. Den Fluͤchtigen aber gaben die Athener die
kurz vorher eroberte Stadt Naupaktos, recht gelegen,
um ſie zu Verwuͤſtungen des Peloponnes gegen ihr Wort
[191] zu verleiten. Noch im Peloponneſiſchen Kriege zeich-
neten ſie ſich von den Umwohnern durch Doriſche Spra-
che aus 1.
11,
Gleich nach jener Zuruͤckſendung des Heers von
Ithome hatte der beleidigte Demos von Athen die
Verbindung mit Sparta vom Mederkriege her aufge-
hoben 2, mit den Feinden deſſelben, den Argeiern, auch
mit den Theſſalern einen Bund geſchloſſen, und ſelbſt
das merkantiliſch-abhaͤngige Megara an ſich gezogen.
Darauf folgte der Krieg mit den Argoliſchen Seeſtaͤd-
ten, in welchem es Athen nach mehreren Unfaͤllen zu-
letzt gelang, Aegina’s Flotte zu vernichten, und die
Inſel zu unterwerfen (Ol. 80, 4.) 3. Sparta mußte
der ſchnoͤden Unterjochung eines wichtigen Bundesglie-
des zuſehen, da ihm noch immer die Belagerung von
Ithome auf den Haͤnden lag, und zugleich die Pietaͤt
des Stammes es im ſelben Jahre vermocht hatte, ei-
nen Zug zur Befreiung der Doriſchen Metropolis vom
Joche der Phokeer zu unternehmen. Als ſie aber nach
deſſen Vollendung in den Peloponnes zuruͤckeilten, muß-
ten ſie ſich erſt durch den Sieg von Tanagra, den ſie,
mit den Thebaͤern verbuͤndet, uͤber ein Atheniſch-Joniſch-
Argiviſch-Theſſaliſches Heer davon trugen, freien
Durchgang verſchaffen. Mit dieſer Bundesgenoſſen-
ſchaft war ein Vertrag verbunden, daß Sparta den
Thebaͤern das verlorene Principat Boͤotiens wieder zu
gewinnen helfen ſollte 4. Indeſſen ſchloß doch Sparta
nach einem ſo entſcheidenden Siege fuͤrs erſte einen
viermonatlichen Waffenſtillſtand mit Athen, waͤhrend
[192] deſſen dieſer Staat die Thebaͤer bei Oenophyta ſchlug,
die Belagerung von Aegina beendete, Boͤotien, mit
Ausnahme Thebens, und Phokis einnahm, und ſeine
demokratiſche Verfaſſung, der nach der Schlacht von
Tanagra faſt der Untergang drohete 1, ſelbſt uͤber
Theben ausdehnte. Die antheilloſe Ruhe Sparta’s bei
ſolchen Fortſchritten des Feindes — denn als ſie den
Waffenſtillſtand ſchloſſen, mußten ſie dies vorausſehen
— ſcheint ein Beweis, daß Sparta ganz damit be-
ſchaͤftigt war, Ithome endlich einzunehmen und die Ar-
kadiſchen Verhaͤltniſſe zu ordnen 2. Daß aber der erneuerte
Krieg dem ganzen Bunde galt, zeigen Tolmides zuſam-
menhaͤngende Angriffe auf Gytheion, Sikyon, Korinth,
auch der Zug des Perikles. Der fuͤnfjaͤhrige Friede
Ol. 81, 3. war nur ein Waffenſtillſtand zwiſchen Athen und
der Peloponneſiſchen Symmachie, die es Boͤotien ſelbſt
uͤberließ, durch eigene Anſtrengung das Joch Athens
abzuſchuͤtteln. In dieſe Jahre trifft aber der ſog. hei-
lige Krieg, in welchem ein Spartaniſches und ein Athe-
niſches Heer, dies hinter jenem kommend, das erſte die
Verwaltung des Heiligthums den Delphern, das zweite
— gegen alles alte Recht 3 — den Phokeern uͤbergab.
Am Ende der fuͤnf Jahre erfolgte der Abfall Megara’s
von dem Nachbarſtaate, und ein Einfall der Peloponne-
ſier in Attika, der zwar kein unmittelbares Reſultat, aber
doch bald den dreißigjaͤhrigen Frieden nach ſich zog, in
welchem Athen ſeine Eroberungen in Megaris u. dem Pelo-
ponnes 4 zuruͤckgab, und auf dem Feſtlande in ſeine alten
[193] Graͤnzen zuruͤckkehrte, aber innerhalb ſeiner Symmachie
freie Hand behielt. Denn als die Athener bald dar-
auf das abgefallene Samos bekriegten, fragten ſich
zwar die Peloponneſier, ob ſie es ſchuͤtzen ſollten, aber
Korinths Vortrag bewirkte, daß man Athen mit ſei-
nen Bundesgenoſſen nach Gutduͤnken ſchalten ließ 1.
12.
Faßt man die eilig angedeuteten Ereigniſſe zu-
ſammen, ſo findet man voͤllig durchherrſchend bei den
Lakedaͤmoniern ein durchaus nur abwehrendes, herſtel-
lendes, erhaltendes, bei den Athenern dagegen ein
ſtets angreifendes, umwerfendes, neugeſtaltendes Ver-
fahren. Wenn jene in dieſer Periode auch nach den
groͤßten Siegen keinen Fußbreit Land eroberten, keine
autonome Stadt unterwarfen, kein beſtehendes Ver-
haͤltniß loͤsten, unterwarfen ſich jene, fuͤr kurze oder
laͤngere Zeit, bedeutende Laͤnderſtrecken, dehnten ihre ſog.
Symmachie nach allen Seiten aus, und achteten keine
durch Natur, Stammeinheit, Alterthum gegebene Ver-
bindung im Conflikt mit ihren Herrſchaftsplaͤnen. Aber
durch die ſtaunenswerthe Energie des Attiſchen Volkes,
welches auf eine fruͤher unerhoͤrte Weiſe von einem
Punkte aus das ganze Griechenland in ſteter Vibra-
tion erhielt, war Sparta wie paralyſirt; ſeine natuͤr-
liche Schwerfaͤlligkeit trat durch die paſſive Stellung
noch mehr ans Licht; wie in eine ganz fremdartige
Umgebung mit Gewalt verſetzt, lernte es erſt nach
und nach Athens Plaͤne verſtehen.
II. 13
[194]
Als aber Athen den Peloponneſiſchen Bund nun
wieder hergeſtellt ſah, und des Friedens wegen nicht
gradezu angreifen konnte, mußte das ſchwankende mehr
auf angeerbtem Gefuͤhl als Satzung beruhende Coloni-
alrecht ihm Gelegenheit zu indirektem Angriffe geben.
Ein ſolcher lag offenbar in dem Schutzbuͤndniſſe (ἐπι-
μαχία) mit Korkyra, welche Stadt mit der Mutter-
ſtadt Korinth in einem nach altgriechiſchen Grundſaͤtzen
durchaus ungerechten Kriege lag. Aber auch abgeſe-
hen davon war es immer ein Bruch des dreißigjaͤhri-
gen Friedens 1. Und dieſelben Grundſaͤtze ſprachen
ſich aus in der Forderung, daß Potidaͤa um der Athe-
niſchen Symmachie willen das urſpruͤngliche Colonial-
verhaͤltniß mit Korinth aufgeben ſolle. So ward in
beidem der direkte Gegenſatz offenbar, in welchem ſich
die Maximen der Politik Athens mit dem allgemeinen
Rechtsgefuͤhle der Hellenen, inſonderheit mit der Ehr-
furcht vor alten Pietaͤtsverhaͤltniſſen befand, und die-
ſer innerliche Gegenſatz iſt die wahre Quelle des Pelo-
ponneſiſchen Kriegs.
13.
Da uns hier nicht erlaubt iſt, die geſchicht-
liche Bedeutung dieſes Krieges fuͤr das buͤrgerliche und
ſittliche Leben Griechenlands in voller Breite zu ent-
wickeln: ſo muͤſſen wir uns begnuͤgen, auf ſie durch
folgende leicht aufgefaßte Gegenſaͤtze hinzudeuten. Es
ſtehen gegenuͤber Dorier gegen Jonier, daher das
Orakel den Krieg auch den Doriſchen nannte 2. Die
[195] einzelnen Ausnahmen ſind faſt nur ſcheinbar 1; auch
als die Athener Sicilien angriffen, ſtanden hier alle
Doriſchen Staͤdte gegen ſie 2. Bei Athen ſind alle
Jonier, Europa’s, der Inſeln, Aſiens, zwar nicht
eben freiwillig, aber auch nicht widerſpenſtig. — Die
Uebereinſtimmung der freien Griechen ge-
gen den kekken Willen einer Stadt. Beim
Anfange des Kriegs hatte Sparta die allgemeine Stim-
me fuͤr ſich 3, (deren Mund auch der Delphiſche Gott
war, als er ihm ſeinen Beiſtand verhieß 4), auch
zwang es keine Stadt zur Theilnahme. Athens Bun-
desgenoſſen, vormals ſaͤmmtlich Perſiſche Unterthanen,
waren an Folgeleiſtung gewoͤhnt, und jetzt dazu ge-
zwungen; die Volksverſammlung der Pnyx war der
einzige Willen in einer ſo umfaſſenden Verbindung. —
Die Landmacht gegen die Seemacht. Denn
im Hoplitenkampf mochte der Peloponnes nach Perikles
Rede das ganze uͤbrige Griechenland beſtehen, und Athen
wich ihm darin mit ungemeiner Vorſicht aus. Die
Flotte der Peloponneſier dagegen war im Anfange des
Krieges ſehr unbedeutend 5. So dauerte es lange,
ehe die Schlaͤge der Partheien nur auf einander fielen.
Das Land war der Zuſammenhang der einen, die See
die Straße des andern, daher die Freunde Athens
auch ſogleich Hafenmauern (μακρὰ τείχη) bauen muß-
ten, wie Megara vor, und Argos und Patraͤ im
Kriege 6. — Reichthum an kampfgeuͤbten Maͤn-
13 *
[196]nern gegen Geldreichthum. Denn der Pelopon-
nes fuͤhrte den Krieg nur mit eignem Blute, Athen
dagegen ſchlug ſeine Ruder, — die Hebel ſeiner Macht —
großentheils mit geworbenem Volke (ξένοις ναυβάταις);
ſo daß der Korinther nicht mit Unrecht ſagen konnte:
Athens Macht iſt mehr gekauft als einheimiſch 1. —
Langſame und zaudernde Ueberlegung gegen
entſchloſſene Verwegenheit. Dieſer Gegenſatz
ergiebt ſich theils aus der verſchiedenen Einrichtung der
Symmachieen, zugleich aber auch aus dem Stamm-
charakter beider Partheien. Wohl mit Grund forderte
das Orakel Sparta zu entſchiedener, nachdruͤcklicher
Kriegsfuͤhrung auf, denn es war ſtets vor dem Kriege
beſorgt, und zum Frieden uͤberall bereit 2. — An-
haͤnglichkeit an das Alte dem Streben zum
Neuen gegenuͤber. Jene iſt Hauptzug des Dori-
ſchen Sinnes, des Joniſchen Neoterismus. Jene woll-
ten alte Ehre und Macht wie Sitte und religioͤſes
Herkommen bewahren, dieſe meiſtentheils etwas Neues,
oft wie in der Siciliſchen Expedition nur dunkel ge-
dachtes, erjagen. — National-Stamm-Ge-
ſchlechterverbindung gegen willkuͤrlich ge-
ſchloſſene. Wie gezeigt, gab dieſer Widerſpruch
den Anlaß des Krieges, auch im Verlauf deſſelben
erkannte Athen faſt nie eine Verpflichtung zur Pietaͤt
unter Verwandten an. Wie haͤtte es ſonſt Melos ſo
grauſam ſtrafen koͤnnen, weil es ſich mehr erinnerte,
ein Kind Sparta’s als ein Eiland zu ſein? So gal-
ten auch im Innern der Staaten den Athenern politi-
ſche Vereine (ἑταιρίαι) mehr, den Spartiaten Verwandt-
[197] ſchaft 1. — Ariſtokratie gegen Demokratie2.
Dieſer Gegenſatz aͤußerte ſich indeß in der erſten Haͤlfte
des Krieges nur ſo, daß Athen umſchuf, Sparta her-
ſtellte, denn eigentlich blieb es auch hier wieder auf
eine erhaltende Thaͤtigkeit beſchraͤnkt, da ein Adel ſich
zwar ausrotten aber nicht eben augenblicklich bilden laͤßt.
14.
Wir bleiben bei dieſen, freilich mehr aͤußer-
lich als innerlich gefaßten, Bezeichnungen des Gegen-
ſatzes ſtehen, da ſie das Reſultat abzuleiten genuͤgen,
auf das wir hinaus wollen. Es iſt naͤmlich ſehr klar,
daß bei den Verhaͤltniſſen, der Richtung, dem Geiſte
der Zeit in dieſem Gegenſatze das zweite Moment uͤber-
all das erſte aͤußerlich uͤberwinden mußte. Der ſchwer-
faͤllige, ungeſchickte, langſame Koͤrper der Spartani-
ſchen Symmachie mußte unter den Schlaͤgen der ge-
wandten, vordringenden, raſchen Kriegsgymnaſtik des
Gegners das Doppelte leiden. Die, nach Thukydides,
damals herrſchenden Maximen 3, wonach Verwegen-
heit Muth in der Sache der Freunde, vorſichtiges Zau-
dern eine verſtellte Feigheit, Maͤßigung Vorwand der
Unmaͤnnlichkeit hieß, und Alles zu uͤberlegen dem Nichts-
thun gleich galt u. ſ. w. — mußten die gute Wirkung
der Handlungen der erſten Parthei laͤhmen und ſchwaͤ-
chen. Jenes “Aufrichtige und Edelgeartete” der Dori-
ſchen Natur, jene ſchoͤne Einfalt der altgriechiſchen
Zeit mußte in dieſem Kriegsdrange verſchwinden. Wir
ſehen daher Sparta und die Peloponneſier wie umge-
wandelt aus dem Kampfe hervorgehen, und ſchon zur
[198] Beendigung deſſelben eine Handlungsweiſe und einen
Charakter entwickeln, von dem vorher vermuthlich nur
der Keim in ihnen gelegen hatte.
Wie in der zweiten Haͤlfte dieſes Krieges die Spar-
tiaten die großen Heereszuͤge zu Lande aufgeben, und
dagegen Flotten mit gedungenem Volke auszuruͤſten ſich
angelegen ſein laſſen; wie ſie nun das Geld als den
Nerv der Kriegsfuͤhrung kennen lernen und es vor den
Thuͤren der Perſer ſuchen; wie ſie minder ihre Stamm-
und Bundesgenoſſen zu ſchuͤtzen als Athens Symmachie
aufzuloͤſen ſuchen; wie ſie auch ihrerſeits uͤberwundene
Staͤdte durch aufgedrungene Oligarchen und eigene
Harmoſten ſich zu ſichern lernen, und geheime Leitung
der Hetaͤrieen zweckdienlicher finden als offne Verhand-
lung mit den Staͤdten: entwickelt ſich einerſeits eine
große Thatkraft und Gewandheit, die bei ihnen zuerſt
in den Unternehmungen des großen Braſidas hervor-
trat, auf der andern eine Weltklugheit, wie ſie ſchon
Gylippos und dann beſonders Lyſandros darſtellen,
als die Enkel des Herakles das Loͤwenfell abzulegen
und das Fuchsfell umzunehmen raͤthlich fanden 1. Und
da die im fruͤheren Sinne ausgefuͤhrten Unternehmun-
gen mißgluͤckten oder unfruchtbar blieben, ſo fuͤhrte dieſe
neue Zeit nach der Ironie des Schickſals bei innerem
Verfall zuerſt aͤußeren Erfolg und Sieg mit ſich 2.
[199]
Zweites Buch.
Religion und Mythus des Doriſchen Stammes.
Apollon.
1.
1.
Indem wir uns von der Darſtellung der aͤußeren
Begegniſſe, Verhaͤltniſſe, Bezuͤge zur Geſchichte des
mehr innerlichen Lebens und Seins wenden, haben wir
als erſte Seite deſſelben die Religion zu betrachten, die
wir — da das im Mittelpunkt lebende religioͤſe Gefuͤhl
nur allzuſehr unſern Blikken entflieht — in die einzel-
nen geſchichtlich entſtandenen und gegebenen Culte auf-
loͤſen muͤſſen. Als den Hauptcultus der Dorier nennen
wir den des Apollon und der Artemis, weil in allen
Niederlaſſungen des Volksſtammes die Verehrung die-
ſer Goͤtter vorherrſchend gefunden wird, und umge-
kehrt bei allen bedeutenden Inſtituten des Apol-
locultus der Doriſche Urſprung naͤher oder entfernter
nachgewieſen werden kann; ſo daß eine mit der Ver-
[200] breitung jenes Stamms zugleich fortſchreitende Ver-
pflanzung dieſer Religion aus den aͤlteſten Zeugniſſen
der Mythen dargethan werden kann. Doch moͤge man
das Zuſammentreffen des Stammes und Cultus nicht
ſo verſtehn, als ſetzte das Daſein des letztern an einem
Orte ſtets die ehemalige oder fortdauernde materielle
Exiſtenz des erſtern an demſelben voraus. Vielmehr
muß gleich zugegeben werden, daß die Goͤtterdienſte
auch im Alterthum nicht immer blos koͤrperlich durch
Wanderung der Staͤmme, ſondern auch geiſtig durch
die Macht der in ihnen lebenden Idee ſich ausgebreitet
und Verehrer gewonnen haben. — Um den Apollocult
dem Doriſchen Stamm mit groͤßerer Sicherheit zu vin-
diciren, iſt noͤthig, Meinungen hier gleich direkt zu
widerſprechen, die ihn andern Volksſtaͤmmen zueignen.
Erſtens: Apollon war kein einheimiſcher Gott der in
Griechenland ureinwohnenden Pelasgiſchen Natio-
nen 1. Denn waͤre er es, ſo muͤßte er ſicher in de-
nen Laͤndern, welche dieſen ungeſchmaͤlert bleiben, z.
B. in Arkadien, beſonders haͤufige und ausgezeichnete
Verehrung genießen. Nun findet ſich aber, daß Apollon
wenig Tempel in Arkadien hat, und die Gruͤndung des
groͤßten Theils derſelben uͤberdies mit auslaͤndiſchen
Heroen in Beziehung gebracht oder ſonſt von fremder
Einwirkung abgeleitet wird 2. Was aber zweitens die
[201] Ableitung aus dem Orient betrifft, die ſich beſonders
auf den Lykiſchen Wohnſitz des Cultus gruͤndet: ſo
wird ſich dieſer ſelbſt ſehr bald als ſecundaͤr und abge-
leitet ergeben. Wir fuͤgen hinzu, daß auch bei den
halbgriechiſchen Voͤlkerſchaften der Leleger, Karer, Ae-
toler, der Phryger und Thraker die Verehrung dieſes
Gottes nicht als urſpruͤnglich-einheimiſch nachgewie-
ſen werden kann. Daſſelbe behaupten wir von den
Italiſchen Voͤlkern. Apollon kommt nirgends in alt-
etruskiſcher Religion vor; Rom wußte lange nichts von
ihm, bis die Sibylliniſchen Orakel ſeinen Cultus nach-
zogen; da erhielt er einen Platz auf den Flaminiſchen
Wieſen, und der dort (im Jahr 324) gebaute Tempel
war noch zu Cicero’s Zeiten der einzige in Rom 1. Ja,
daß ihn die Italier ganz als fremden Gott annahmen,
geht auch daraus hervor, daß ſie ihn nicht, wie den grie-
chiſchen Zeus, Hermes u. ſ. w., mit einem einheimi-
ſchen Jupiter, Mercurius etc. verbanden, ſondern ganz
fuͤr ſich ſtehn ließen. Und ſo fuͤhren uns ſchon dieſe
negativen Behauptungen zur Poſition, daß Apollon
eine aͤchthelleniſche — eine urſpruͤnglich Doriſche
Gottheit ſei, zu deren naͤherem Erweis wir nun ver-
2
[202] pflichtet ſind. Vorlaͤufig bemerken wir nur, daß da-
von die mythiſche Genealogie, welche Doros Sohn
Apollons neunt 1, ein einfacher Ausdruck iſt.
2.
Als die aͤlteſten Sitze des Doriſchen Volks,
deren geſchichtliche Erinnerung erwaͤhnt, beſtimmten
wir oben die Gegenden am Olymp und Oſſa um das
Thal Tempe. In derſelben Gegend tragen zwei Hei-
ligthuͤmer den Charakter des hoͤchſten Alterthums, das
Pythion auf der Hoͤhe des Olymp, mehr als 6000
Fuß uͤber der Meeresflaͤche, am ſteilen Gebirgsweg
nach Makedonien; und der Altar in der Schlucht des
Peneios 2, von der der Gott ſelbſt Τεμπείτας heißt,
wie auf einer Inſchrift, die nicht fern davon zwiſchen
Tempe und Lariſſa am Fluſſe gefunden iſt ΑΠΛΟϒΝΙ
ΤΕΜΠΕΙΤΑ geleſen wird 3. Aus einem andern in die-
ſer Gegend gefundenen Denkmal entnehmen wir einhei-
miſche Feſte Theſſaliens mit Umtragung von Lorbeer-
zweigen, die ohne Zweifel aus den Hainen des Tem-
pethals gebrochen waren, zu denen auch die Delpher
alle acht Jahre nach Umlauf der heiligen Periode die
Pythiſche Theorie ſandten, welche, nach einem Opfer,
von dem heiligen Lorbeerbaume 4 den ſuͤhnenden Zweig
[203] brach. Man wird darin das Zeugniß der Delpher
ſelbſt achten muͤſſen, daß von hier aus der Dienſt zu
ihnen gekommen, und das Bekenntniß implicirt finden,
daß den Lorbeerbaͤumen von Tempe groͤßere Heiligkeit und
Suͤhnkraft zukomme als ihren eigenen. Nach der al-
ten Sage, daß Apollon ſelbſt nach Toͤdtung des Py-
thon zum Altar von Tempe geflohen ſei, um gereinigt
und geſuͤhnt zu werden, zog nun beim Wiederkehren
des Zeitpunkts der heilige Knabe als Ebenhild des
Gottes auf einem beſtimmten Wege 1 ebendahin, um
unter den Freudengeſaͤngen des Jungfraunchors als Daph-
nephoros heimzukehren. Die religioͤſen Gedanken die-
ſes Feſtgebrauches verfolgen wir weiter unten: hier
wollen wir den Weg der Theorie genauer beachten.
Er fuͤhrte durch Theſſalia und Pelasgia (d. h. durch die
Ebene des Peneios, die ſich ſuͤdlich bis Pheraͤ erſtreckt),
dann durch das Land der Malier und Aenianen, uͤber
den Oeta, durch Doris und das weſtliche Lokris 2, —
und vermied ſonach merkwuͤrdiger Weiſe die ſowohl
kuͤrzere als gebahntere Straße, welche aus Theſſalien
durch die Thermopylen uͤber Phokis und durch die En-
gen von Panopeus und Daulis nach Delphi fuͤhrt.
Der Grund davon kann einerſeits in einem Widerſtand
liegen, den ehemals feindliche Voͤlkerhaufen von der
Oſtſeite Delphis dem ruhigen Anlangen heiliger Sen-
dungen entgegenſetzten; andererſeits darin, daß die
Theorie auf ihrem Wege die zweiten Wohnſitze der Do-
rier zwiſchen Oeta und Parnaß beruͤhren ſollte, wo
ohne Zweifel ebenfalls der Apolliniſche Cultus herrſchte 3.
[204]
3.
Aber die erſte Haͤlfte dieſer Pythiſchen Straße,
welche durch Theſſalien geht, wird durch ein Zuſam-
mentreffen von Zeugniſſen ſehr genau beſtimmt. Zuerſt
gieng ſie von Tempe nach Lariſſa. In der Naͤhe war
ein Dorf Deipnias, wo der Knabe, der den Lorbeer-
zweig einbrachte, wie einſt nach der Sage Apollon,
nach langem Bußfaſten ein Mahl nahm 1. Daß der
Ort den Namen davon traͤgt, beweist fuͤr das Alter
dieſer Gewohnheit. Weiter nahm die Theorie ihren
Weg auf Pheraͤ, wo der Knabe auf dem Hinwege vor
der Reinigung die Dienſtbarkeit des fluͤchtigen Gottes
bei Admetos darſtellte. Dieſe Knechtſchaft als Vorbe-
reitung der Suͤhnung iſt ohne Zweifel eine uralte Sa-
ge, wie ſie denn ſehr zeitig in das Bereich der epiſchen
Poeſie hineingezogen wurde, wo die Roſſe des Eume-
los, Sohnes von Admet, aus der Pheraͤiſchen Zucht
des Apollon ihre Trefflichkeit ableiten 2. — Der Ha-
fen von Pheraͤ was Pagaſaͤ am inneren Winkel des
Meerbuſens mit einem beruͤhmten Altar des Apollon
Pagaſites in einem ausgedehnten Haine 3. Dies Hei-
ligthum iſt der merkwuͤrdige Schauplatz der Heſiodiſchen
Rhapſodie vom Schilde des Herakles; in der Naͤhe
[205] fließt das Fluͤßchen Anauros ins Meer 1, welches den
Grabhuͤgel des erſchlagenen Marsſohnes Kyknos von
Regenguͤſſen uͤberſtroͤmend aufwuͤhlt und zerſtoͤrt, “denn
ſo wollte es Apollon der Letoide, weil Kyknos die
ruhmvollen Hekatomben, die die Voͤlker nach Pytho
fuͤhrten, raubte.” Hieraus iſt deutlich, daß das Paga-
ſaͤiſche Heiligthum an jener durch die Theorieen von
und nach Delphi geweihten Straße lag, und wir ha-
ben zugleich in dieſen Worten die Andeutung eines in
aͤltern Geſaͤngen wahrſcheinlich ausgefuͤhrteren Mythus,
nach welchem die Entheiligung des Tempels die Urſache
von Kyknos Untergang war 2.
4.
So gelangen wir nach Delphi, zum zweiten
Mittelpunkt des Apolliniſchen Dienſtes, und ſo zu ſa-
gen, einem Hauptknoten, in dem viele Faͤden des Gewe-
bes ſeiner Coloniſirung zuſammen und davon auslau-
fen. Mag hier auch vielleicht ſeit uralten Zeiten die
eigenthuͤmliche Natur der Kluͤfte und Thaͤler — Erde,
Waſſer und Nacht als die alten Inhaber des Orakels —
das Gefuͤhl exſtaſirt und im Schauer dunkle Ahnung
erzeugt haben; ſo haͤngt doch die Gruͤndung eines fe-
ſten Inſtituts mit ſeinen heiligen Ordnungen und Rech-
ten mit der Einfuͤhrung des Apollodienſtes zuſammen.
[206] — Wann aber derſelbe hier Fuß gefaßt? Wahrſchein-
lich als der Doriſche Stamm von Heſtiaͤotis an den
Parnaß kam, und ſich oberhalb Delphi niederließ,
welches Ereigniß in ſehr fruͤhe Zeiten zuruͤckfaͤllt. Dieſe
Annahme, auf die die bisherige Unterſuchung hinfuͤhrt,
ſtreitet nicht mit der herrſchenden Tradition, daß Kre-
tiſche Schiffer in Minoiſcher Zeit an dieſer Kuͤſte ge-
landet ſeien und den Cultus des Gottes eingeſetzt haͤt-
ten. Um beide zu vereinigen, muͤſſen wir fuͤrs erſte
auf den Kretiſchen Apollodienſt zuruͤckgehen.
5.
Wie Kreta ſchon in fruͤhen Zeiten eine ſehr
gemiſchte Bevoͤlkerung hatte: ſo fanden ſich auch hier
mannigfaltige Goͤtterdienſte beiſammen, die ſich zum
Theil noch dem Volkſtamme, von dem ſie einzeln aus-
gingen, zuweiſen laſſen. Unter dieſen brachten die Dorier,
deren Hauptſitz an der Nordoſtkuͤſte um Knoſos war,
von wo ſie ſich aber fruͤhe ſchon uͤber andere Theile der
Inſel ausdehnten, aus ihrer Heimat am Olymp die
Verehrung des Apollon mit. Von dem Minoiſchen
Knoſos ging ja nach der Tradition des Homeriſchen
Hymnus das Schiff aus, welches Apollon als Delphin
nach Delphi leitete; der Haupttempel der Stadt ge-
hoͤrte dem Apollon Delphinios 1; im Gebiete derſelben
lag ein Apollonia, und der merkwuͤrdige Ort Amniſos
mit dem Gekluͤft der Eileithyia, wo die einheimiſche
Sage dieſe Geburtshelferin des Deliſchen Gottes ſelbſt
geboren werden ließ 2. An derſelben Nordkuͤſte hin
[207] liegen Miletos, deſſen Apollokult unten erwaͤhnt wird,
und Lato (Kamara), deſſen Name an die Goͤttin er-
innert. In der altdoriſchen Stadt Lyktos, im innern
Lande, darf man mit Gewißheit denſelben Dieuſt vor-
ausſetzen 1. Der Suͤdkuͤſte naͤher lag Gortyna, wel-
ches, wenn auch von anderer Gruͤndung, doch nach-
mals die Herrſchaft und den Dienſt deſſelben Volkſtam-
mes, wie Knoſſos, anerkannte. Der mittelſte Platz der
Stadt hieß Pythion 2. Unmittelbar graͤnzt Phaͤſtos, Epi-
menides Vaterſtadt, welches in der Sage von einem Si-
kyoniſchen Herakliden Urſprung und Namen ableitet 3;
hier wurden nebſt Herakles beſonders Apollon und Leto
verehrt 4. Weiter gegen Weſten in den Bergen Tar-
rha, ſicher eins der aͤlteſten und bedeutendſten Heilig-
thuͤmer des Gottes 5. Denn hier laͤßt die Kretiſche
Sage den Karmanor wohnen, den Vater des Saͤngers
Chryſothemis, einen Suͤhnprieſter, der den Gott ſelbſt
vom Blute des Python gereinigt haben ſoll: welche
Tradition, verglichen mit der Nachricht von der Suͤh-
nung am Altar in Tempe, zeigt, wie mit dem Cultus
vom Olymp nach Kreta auch die daran haͤngenden Sa-
gen wanderten und ſich neu anſiedelten. An den Auf-
enthalt des fluͤchtigen Gottes im Hauſe Karmanors
knuͤpft ſich eine Erzaͤhlung von der Liebe deſſelben zur
6)
[208] Akakallis, mit der er den Naxos zeugte 1, oder den
Miletos 2, oder den Phylandros und die Phylakis, die
ein Weihgeſchenk der Elyrier zu Delphen an den Zitzen
einer Ziege ſaugend vorſtellte 3. Dieſes Elyros liegt,
wie die aͤlteren Staͤdte Kreta’s meiſt, im innern Ge-
birgslande, und wahrſcheinlich in der Naͤhe Tarrhas 4.
Wenn uns auch freilich nicht Angaben genug er-
halten ſind zu einem vollſtaͤndigen Schluſſe, ſo fuͤhren
doch auch ſchon die angefuͤhrten auf das Reſultat, daß
nicht etwa die Ureinwohner des Idaͤiſchen Gebirges,
oder ſupponirte Ankoͤmmlinge von Phoͤnizien, ſondern
die Doriſchen Anlander Kreta zu einer Metropole der
Apolliniſchen Religion machten. Sonach werden wir
behaupten, daß dieſelbe urſpruͤnglich auf Kreta in kei-
ner Verbindung ſteht mit dem enthuſiaſtiſchen, wahr-
ſcheinlich Phrygiſchen, Dienſte des Idaͤiſchen Zeus,
der Korybanten u. ſ. w. Indeſſen entſtanden doch
leicht durch die gemeinſame oder benachbarte Lokalitaͤt
Vermiſchungen, die z. B. veranlaßten, daß Epimeni-
des der juͤngſte der Kureten heißt, deſſen religioͤſe Thaͤ-
[209] tigkeit ſich ſonſt zunaͤchſt um den Dienſt des Kretiſch-
Deliſchen Apollon dreht, daß man ſpaͤter die Kureten
Soͤhne des Apoll nannte 1 — (wobei der Begriff mu-
ſikaliſcher Goͤtter mitwirkte) — oder dem Apollon Ko-
rybas zum Vater gab, und ihn mit Zeus um die Ober-
herrſchaft des Landes ſtreiten ließ 2.
6.
Von Kreta aus werfen wir zunaͤchſt einen Blick
auf Delos, deſſen Verbindung mit dem groͤßern Ei-
lande ſchon die Grotte der Eileithyia bei Amniſos an-
zeigte. Kreter nennt Virgil aus alter Tradition als
Diener an den Deliſchen Altaͤren 3. Theſeus Fahrt
von Knoſſos nach Delos hat in demſelben Connex ih-
ren Grund, wie ſich weiter unten noch mehr aufklaͤ,
ren wird. Indeſſen muß man nicht zu ſchnell zu dem
Schluſſe eilen, daß Delos etwa in Minoiſcher Zeit
durch eine Colonie 4 von Kreta aus den Apollodienſt
erhalten habe. Es iſt wahrſcheinlicher, daß jener alt-
doriſche Zug nach Kreta, der doch ſchwerlich ſeine weite
Bahn durchlaufen konnte, ohne Spuren ſeiner Exiſtenz
zuruͤckzulaſſen, unmittelbar das Heiligthum auf Delos
gegruͤndet habe: weil ſich die ohne Zweifel alten Sa-
gen von der Ueberſendung heiliger Gaben aus dem
Hyperboreerlande nach Delos dann am einfachſten als
Erinnerung einer lange unterhaltenen Theorieen-Ver-
bindung mit der noͤrdlichen Heimat faſſen laſſen.
7.
Was nun aber die Ankunft von Kretern zu
Delphi anbetrifft, ſo finden wir darin das Streben
der ans Ende der Eriechiſchen Welt hinausgeworfenen
II. 14
[210] Inſulaner nach reciproker Einwirkung auf die aͤltern
Sitze des Stammes und Cultus. Der Homeriſche
Hymnus erzaͤhlt davon, daß Apoll, vom Olymp her-
abkommend, ſich ſelbſt ſein heiliges Haus zu Pytho
gruͤndet, und darauf kundige Prieſter, Saͤnger und
Propheten 1 aus Knoſos holt, indem er ein Kretiſches
Schiff in der Geſtalt eines Delphins nach Kriſſa fuͤhrt.
Kriſſa oder Kirrha, denn daß beide Namen denſelben
Ort bezeichnen, halte ich fuͤr evident 2, eine feſte Stadt
am innerſten Winkel des Meerbuſens gelegen, hatte
weiland außer dem Uferaltar des Delphinios einen
Haupttempel des Gottes 3, in dem noch Pauſanias die
großen Standbilder der Leto, Artemis und Apolls und
eine kleine Statue der Adraſteia ſah 4. Hier waren
nach dem Hymnus die Kreter angeſiedelt, welche den
Dienſt uͤbten, und dem Gotte den Jepaian auffuͤhrten:
daher im Homeriſchen Voͤlkerverzeichniſſe neben dem
ſteinigen Pytho das hochheilige Kriſſa erwaͤhnt wird,
und Roͤmiſche Dichter aus alter Tradition das Pythi-
ſche Heiligthum Crissaea templa nennen. Sie muͤſſen
dies aus Dichtern geſchoͤpft haben, die vor dem Unter-
gange Kirrha’s Ol. 47. dichteten, als dieſe Stadt noch
nicht durch Erpreſſungen und Bedruͤckungen der Pilger
den Zorn des amphiktyoniſchen Griechenlands verdient,
und vermuthlich zuerſt allen Antheil an der Verwal-
tung des Heiligthums, dann ſelbſt Boden und Freiheit
verloren hatte, welche Begebenheit fuͤr uns faſt die
Kunde fruͤherer Verhaͤltniſſe vertilat hat. Der offene
Ort Delphi, welcher ſeit jenem Kriege nebſt den Am-
[211] phiktyonen allein die Beſorgung und Aufſicht des Hei-
ligthums hat, war vielleicht fruͤher nicht bedeutend,
wenigſtens wird er nicht eher genannt, als in einem
der juͤngſten Homeriſchen Hymnen und von Herakleitos
von Epheſos 1.
8.
Wenn nun alſo in alten Zeiten Kreter wie in
Delos ſo in Delphi den Dienſt des Heiligthums verſa-
hen: ſo machten dieſe doch nicht die ganze Bevoͤlkerung
des Landes aus. Denn erſtens mußte das ausgedehnte
Gebiet des Tempels von einem ihm angehoͤrigen Volke
bebaut werden — von deſſen Zuſammenſetzung und Ver-
haͤltniſſe ich unten reden werde — und dann gab es
einen einheimiſchen Adel von großer Gewalt und Macht
uͤber das Heiligthum. Auf dieſen deutet der Homeri-
ſche Hymnus in den dunkeln Worten, die Apollon an
die Kretiſchen Ankoͤmmlinge richtet:
Das ſind offenbar dieſelben, welche nach Euripides
“dem Dreifuß nahe ſitzen, der Delpher Edle, (Δελ-
φῶν ἀριστεῖς) die das Loos erwaͤhlt” 3, auch die Del-
phiſchen Herren und Fuͤrſten (Πυϑικοὶ κοίρανοι, Δελ-
φῶν τ̕ ἄνακτες) genannt, und einen peinlichen Gerichts-
hof bildend, der allen Frevel gegen den Tempel durch
Pythiſchen Spruch (Πυϑίῳ ψήφῳ) mit Sturz vom
Felſen beſtrafte 4. Dieſelben hatten ohne Zweifel auch
die alten Rechte der Suͤhnung in ihren Haͤnden, und
ihnen ſtand, wie dem Samothrakiſchen Prieſtergerichts-
hof, die Erkenntniß zu, ob ein Mord ſuͤhnbar oder
nicht. Ihre Einwirkung auf das Orakel war ſo be-
14 *
[212] deutend, daß ſie als Leitung betrachtet werden kann:
ihren ariſtokratiſchen Sinn moͤgen wir daraus abneh-
men, daß Timaſitheos der Delpher ſich unter der Adels-
parthei des Iſagoras zu Athen durch Kuͤhnheit und
Entſchloſſenheit auszeichnete 1. Wir duͤrfen annehmen,
daß dies beſonders Doriſche Geſchlechter waren, wie
auch die Sprache in Delphi ein Doriſcher Dialekt war 2.
Die Hauptprieſter des Gottes, die fuͤnf Ὅσιοι, wur-
den durch das Loos aus einer Anzahl Familien gewaͤhlt,
die ſich von Deukalion ableiteten 3: ſie wollten dadurch
wahrſcheinlich ihre Herkunft von Lykoreia auf der
Hoͤhe des Parnaß beurkunden, der angeblichen Gruͤn-
dung des Hellenenvaters Deukalion 4, von wo wir
wiſſen daß ein großer Theil der Bevoͤlkerung von Delphi
herabgekommen war 5. Dieſer Ort, deſſen Spur noch
in einem Dorfe Liacura beſteht, welches indeſſen jetzt
nur noch im Sommer von Berghirten bewohnt wird 6,
war aber nach aller Wahrſcheinlichkeit Doriſch, da
er den Uebergang von der Tetrapolis nach Delphi bil-
det; die Verehrung Apollons als Lykios (Lykoreus) 7
ſcheint ihm den Namen gegeben zu haben.
Alſo Bergdorier von den Hoͤhen des Parnaß und
Kretiſche Ankoͤmmlinge an der Kaͤſte des Meerbuſens
treffen — nach einer ganz unſichern Schaͤtzung etwa
[213] zwei Jahrhunderte vor der Wanderung in den Pelo-
ponnes — hier zuſammen, um den Delphiſchen Cultus
zu gruͤnden. Die durch die letzteren gegruͤndete Ver-
bindung muß nach vielen Sagen und geſchichtlichen
Spuren lange fortbeſtanden haben 1. Die alte Zelt-
huͤtte aus Fluͤgeln; eine uralte aus einem Stamm ge-
wachſene Bildſaͤule des Gottes — vielleicht eines der
aͤlteſten Werke roher Schnitzarbeit — waren nach Sage
und Ueberlieferung von Kreta gekommen. Die fabelhaf-
te Reihe der Delphiſchen Hymnoden beginnt mit Chry-
ſothemis, dem Sohne des obengenannten Suͤhnprieſters
Karmanor zu Tarrha 2. Und nicht blos Daͤdaliſche
Schnitzwerke und Hymnen, auch Menſchen ſandte Kreta
von Zeit zu Zeit zum Dienſte des Pythiſchen Gottes
(ἀνϑρώπων ἀπαϱχήν) 3.
9.
Ich weiß nicht, ob dieſe Data genuͤgen, ein
bedeutſames Bild einer Zeit zu geben, da der Cultus
des Apollon am Olymp, Parnaß und in dem fernen
Eiland Kreta feſtgegruͤndet und einen gewiſſen Verkehr
dieſer Punkte vermittelnd doch noch vom ſuͤdlichen Grie-
chenland, jenſeits des Oeta- und Parnaſſosgebirgs, aus-
geſchloſſen war. Es iſt unverkennbar, daß der weitere
Fortſchritt deſſelben dahin lange Widerſtand fand; Apol-
lon ſelbſt tritt als Schuͤtzer ſeines Heiligthums in alten
Sagen auf, worauf ſich das poëtiſche Orakel bezieht 4:
[214]
Beſonders abgeneigt finden wir dem Dienſte von Delphi
die Minyeiſchen Phlegyer gegen Oſten, die Pleuroniſchen
Aetoler gegen Weſten. Es beweiſt ein nationales Wi-
derſtreben gegen dieſen: wie die Phlegyer die feſte Burg
Panopeus im Engpaſſe nach Boͤotien beſetzen, ihr Fuͤh-
rer Phorbas dort mit Apollon ringt, Phlegyas den Tem-
pel niederbrennt, der Gott endlich das ganze Geſchlecht
durch Blitz und Donner vertilgt 1. Derſelbe Stamm
befehdet hier den Doriſchen Gott, der als Lapithen in
Theſſalien die Dorier ſelbſt zuruͤckhaͤlt. Nach der ande-
ren Himmelsgegend hin kaͤmpft Apollon mit den Lokriſchen
Kureten vereint gegen die Aetoler und toͤdtet ihren Fuͤr-
ſten Meleagros; wie die Eoͤen und die Minyas erzaͤhl-
ten 2; zu deſſen Geſchlechte gehoͤrte Marpeſſa, welche
von Apollon geraubt ihm doch den Geliebten Idas vor-
zieht, der ſie mit den Waffen aus dem Tempel zu be-
freien kommt 3.
[215]
2.
1.
Dagegen geſtatteten von Kreta aus das Meer
und die nahen Kuͤſten und Inſeln der Verpflanzung des
Cultus den freieſten Spielraum: wodurch die merkwuͤr-
dige Thatſache motivirt wird, daß im ſuͤdlichen Grie-
chenland die aͤlteſten Apollotempel an Kuͤſtenſtrichen, auf
Vorgebirgen und Landesenden zu finden ſind. Dieſe Ver-
pflanzung gewaͤhrt in der That einen merkwuͤrdigen An-
blick. Wie Radien aus einem Mittelpuncte, gehen
Apolliniſche Kolonieen von der Nordkuͤſte Kretas nach
allen Richtungen aus, und bringen uͤberallhin die Suͤhn-
gebraͤuche und Orakel des Cultus (Κρητίδαι μάντεις) 1.
Die wunderbare Regelmaͤßigkeit in dieſen Anlagen moͤge
man indeſſen ja nicht etwa als Werk eines ſyſtematiſchen
Miſſionenſyſtems, und vielleicht zugleich der Politik des
Minos 2 anſehen: ſie erklaͤrt ſich aus dem inſtinktmaͤßi-
gen Beduͤrfniſſe des alten Volkes, auf ſeinen Zuͤgen an
den Kuͤſten des Aegaͤiſchen Meeres uͤberall Altaͤre des
Gottes aufzubauen, deſſen Verehrung ihm geiſtige
Natur war. Wir betrachten hier zuerſt die Radien,
die auf die Kuͤſte Kreta’s treffen, nach Lykien, Mi-
let, Klaros und Troas, von welchen Niederlaſ.
[216] ſungen die erſte und letzte die aͤlteren, die anderen
vielleicht ein Jahrhundert juͤnger ſein moͤchten 1.
2.
Wenn Herodot den Sarpedon von Kreta
nach Lykien oder Milyas mit barbariſchen Voͤl-
kern ziehen laͤßt 2: ſo beruht dieſe eigne und beſon-
dere Meinung des Hiſtorikers wahrſcheinlich nicht auf
der Tradition: denn dieſe nannte ihn Bruder des
Knoſiſchen Minos, den ſie als Doriſchen Herrſcher
karakteriſirt. Und wie durch dieſe Coloniſirung die Kre-
tiſchen Geſetze, d. h. die Doriſchen Herkommen, die
in Kreta zuerſt ausgebildet worden waren, uͤber Lykien
verbreitet wurden 3: eben ſo der Gottesdienſt dieſes
Stammes, der des Apollon. Denn daß derſelbe in
Lykien nicht etwa aus den Binnenlaͤndern des inneren
Aſiens, ſondern uͤber das Meer nach der Kuͤſte gekom-
men iſt, zeigt die Lage der Haupttempel ſelbſt. Eine
Kretiſche Niederlaſſung iſt Xanthos am gleichnami-
gen Fluſſe, durch alten Ruhm und beiſpielloſen Hel-
denmuth beruͤhmt 4; hier war ein Sarpedoneion 5,
wie es ſcheint, dem juͤngern, Homeriſchen, Sarpedon
geweiht, deſſen Stammgott Apollon ihn als Todten
den Griechen entriſſen und zur Heimat gebracht hatte 6.
Auch wurde ein Sarpedoniſcher Apollon verehrt 7.
Sechzig Stadien unterhalb der Stadt und zehen von
der Muͤndung des Fluſſes Xanthos lag ein Hain der
Leto, nahe ein uralter Tempel des Lykiſchen Apollon 8;
[217] Woͤlfe hatten die irrende Goͤttin hieher gefuͤhrt, und
ſie hatte die Kinder nach der Geburt im Fluſſe geba-
det 1; eine alte Frau hatte ſie in die aͤrmliche Huͤtte
aufgenommen 2. Dies ſind die wenigen erhaltenen
Worte der einheimiſchen Sage, die im Ganzen nur
ein anderer Zweig der Deliſchen geweſen ſein mag.
Aber der Haupttempel war der zu Patara an der
Suͤdſpitze des Landes 3, des Gottes Winter-Wohnung,
da er auch durch den Mund einer Promantis Orakel
gab 4. Die Pataraͤiſchen Oblationen von Kuchen in
der Form von Leier, Bogen und Pfeil erinnern an
aͤhnliche Gebraͤuche zu Delos, und beſtaͤtigen das ver-
ſchwiſterte Verhaͤltniß dieſer Cultuslaͤnder 5. Weiter
oͤſtlich lag das Orakel des Apollon Thyrxeus bei den
Kyaneen 6, weſtlich Telmiſſos mit ſeinen Traumdeu-
tern, die von dem Gotte abzuſtammen meinten 7; aber
nicht blos die genannten, ſondern faſt jede Lykiſche
Kuͤſtenſtadt huldigte dem Gotte, der dem Lande ſelbſt
den Namen gegeben hatte 8. Zur Reihe dieſer Anla-
[218] gen gehoͤrt aber wahrſcheinlich noch in Kilikien das
Korykiſche Vorgebirge, da wir unmittelbar dabei
den Tempel des Zeus Sarpedon finden. Den Apollon-
dienſt daſelbſt bezeugt ſchon der Name des Orts; noch
mehr die Sage, daß von da Hirſche nach dem Kypri-
ſchen Orte Kurion hinuͤbergeſchwommen; hier aber war
ein ſehr heiliger Altar des Gottes, Niemand durfte
ihn beruͤhren, that es wer, wurde er vom Felſen des
nahen Vorgebirgs geſtoßen. Wir werden ſpaͤter hierin
eine Form der den Cultus uͤberall begleitenden Suͤhn-
opfer erkennen 1.
3.
Nirgends finden wir der Heiligthuͤmer Apol-
lons ſo viele auf ſo kleinem Raume zuſammen, als auf
der Troiſchen Kuͤſte: Killa in der Bucht des Adra-
mytteniſchen Buſens, Chryſe im Gebiete des Hypo-
plakiſchen Theben 2, das nahgelegene Smintheion 3,
die Inſel Tenedos, deren Dienſt durch wunderbare Ver-
pflanzung nach Korinth und Syrakus kam 4, nen-
nen wenige Verſe der Ilias zuſammen. Nicht minder
bekannt iſt Thymbra am Zuſammenfluſſe des Thym-
brios und Skamandros, wo Kaſſandra im Tempel des
Gottes erzogen die Weiſſagung erlernt haben ſollte 5.
[219] Auf der Iliſchen Burg Pergamos ſelbſt ſtand ein Tem-
pel des Apollon mit Schweſter und Mutter, daher bei
Homer alle drei die ſinkende Stadt beſchuͤtzen 1. Be-
ſonderes Gewicht aber muß auf den Umſtand gelegt
werden, daß Zeleia am noͤrdlichen Fuße des Ida, die
Vaterſtadt des Bogenſchuͤtzen Pandaros, Sohnes von
Lykaon, die Verehrung des Apollon Lykios oder Lyke-
genes hatte, und darum auch Lykia hieß. Denn hier-
aus geht doch wohl aufs deutlichſte hervor, daß es
der Cultus war, der dieſer Trojaniſchen Gegend, wie
dem Lande der Solymer, den Namen gab. Auch in
Chryſe hieß Apollon Lykaͤos 3. Den Urſprung dieſes
Cultus nun wird man weder dem einheimiſchen Teukrer-
und Dardanerſtamme, noch auch den ſpaͤtern Aeolern
zuſchreiben, obgleich dieſe ihn meiſt aufnahmen 4.
Sondern auch hier iſt eine Kretiſche Coloniſation durch
alte Ueberlieferung voͤllig gewiß; von der der alte Ele-
giker Kallinos geſprochen hatte, obgleich wir nicht
genau wiſſen, was er von ihr erzaͤhlte 5. Die herr-
ſchende Tradition leitet von Kretern den Apollon Smin-
theios, und auch wohl ſelbſt, obwohl widerſinnig, die
5
2)
[220] ganze Teukriſche Nation her. Fuͤr das letztere koͤnnte
der alte Schriftſteller Kephalon aus der Teukriſchen
Stadt Gergis angefuͤhrt werden 1, wenn ſeine Troika
nicht das Werk eines Alexandriner Hegeſianax geweſen
waͤren 2. Aber die Kreter in der Gegend von Troja
kamen oft genug in alten Sagen vor, ſo daß ſelbſt von
ihrer ſtrengen Rechtspflege daſelbſt eine ſeltſame Ge-
ſchichte uͤbrig iſt 3. Wenn wir mehr von den lokalen
Cultus-Sagen wuͤßten, als durch den taͤuſchenden
Spiegel der Dichter: wuͤrden wir auch darin manche
Uebertragungen entdecken, die jene hiſtoriſche Spuren
beſtaͤtigten. Auch ſo iſt einzuſehen, daß Apollons
Dienſtbarkeit bei Laomedon 4 derſelbe Mythos iſt, nur
anders lokaliſirt, der ſonſt in Pheraͤ bei Admetos ſpielt.
4.
Man entdeckt eine uͤberraſchende Conſequenz
der alten Tradition, wenn man auf Homers Erwaͤh-
nungen des Apollocultus in den Trojaniſchen Familien
merkt. Erſtens eignet er ihn beſonders den Panthoi-
den zn. Panthus (nach dem eine Phyle in Neu-Ilion
den Namen Πανϑωΐς fuͤhrte) 5, iſt Prieſter des Got-
tes 6, und ſeine Soͤhne werden daher im Kampfe von
Apollon auf alle Weiſe behuͤtet 7. Das iſt nun auch
der Grund, warum der Panthoide Euphorbos gewaͤhlt
wird um Patroklos zu toͤdten, der ſo wie alle Aeaki-
den in der heroiſchen Mythologie dem Apollon feindlich
[221] und verhaßt iſt 1. Auch gewinnen wir dadurch Licht
uͤber die wunderliche und raͤthſelhafte Geſchichte, wie
Pythagoras im Heraͤon zu Argos den Schild des Eu-
phorbos als ſeinen erkennt und ſich dadurch als dieſen
Heros in fruͤherem Leben erweiſt. Denn den Euphor-
bos waͤhlte er aus keinem andern Grunde, als weil
er ihn, wie ſich ſelbſt, als Apolloprieſter betrachtete.
Wir koͤnnen uns wohl uͤberzeugt halten, daß die alte
Pythagoriſche Schule noch Epopoͤen kannte, in denen
mancher bedeutende Zug alter Mythen erhalten war,
der im Homer faſt gaͤnzlich verwiſcht iſt 2. Das an-
dere Haus, welches die Homeriſche Poëſie in eigene
Verbindung mit Apollon ſetzt, iſt das des Aeneas,
welchen der Gott ſelbſt, als ihn Achilleus verwundet
hat, in ſeinen Tempel auf der Burg Pergamos traͤgt
und der aͤrzlichen Pflege der Leto und Artemis uͤber-
giebt 3. Auch fahren dieſen Helden ja Roſſe aus der
Zucht Apollons. Daß der Dichter aber dies Verhaͤlt-
niß nicht willkuͤhrlich erfunden hat: laͤßt ſich beſtimmt
erweiſen. Wir wiſſen, daß als Trojas Zinnen laͤngſt
gefallen, ſich noch ein Reſt von Teukrern in den Ge-
buͤrgen der Gegend hielt, und zu Herodots Zeit als
ein abgeſonderter Staat in den Schluchten des Ida
in der feſten Stadt Gergis beſtand 4, ja noch nach
[222] dem Peloponneſiſchen Kriege hier und in Skepſis Dar-
daniſche Dynaſten herrſchten 1. Wir glauben bewei-
ſen zu koͤnnen, daß ſich die Homeriſche Weiſſagung 2
von der kuͤnftigen Herrſchaft der Aeneaden uͤber die
Ueberreſte des Troiſchen Volks auf dieſes Gergis be-
zieht und auf nichts weiter Entlegenes. Nun war aber
der Haupttempel von Gergis dem Apollon geweiht 3,
und ein altes Sibyllen-Orakel dabei, welches unter
dem Namen des Helleſpontiſchen oder auch Mermeſſi-
ſchen bekannt iſt. Jeder ſieht nun leicht, wie der
Saͤnger, der von den Aeneaden zu Gergis und ihren
Feſten und Opfern ſehr wohl wußte, im Geiſte des
Mythus Apollon als Schuͤtzer dieſer Familie ſeit alter
Zeit darzuſtellen ſich gedrungen fuͤhlte.
Wir koͤnnen nicht umhin, mit einigen Worten die
Folgerungen anzudeuten, die ſich aus den angegebenen
Umſtaͤnden zur Erklaͤrung des Mythus von Aeneas zie-
hen laſſen. Es iſt naͤmlich vornweg anzunehmen, daß
jene Orakel der Teukriſchen Gergithier von einem Wie-
deraufbluͤhen der Nation unter der Herrſchaft der Ae-
neaden verkuͤndeten. Nun wohnten Gergithier im Ge-
biet der Aeoliſchen Kyme 4, wo Apollon auch einen
angeſehenen Tempel hatte 5, und wenn jene Orakel
den Kymaͤern bekannt geworden waren, ſo kamen ſie
nun mit Leichtigkeit zu deren nahen Verwandten, den
Kumaͤern Campaniens, hinuͤber. Hier war auf der
4
[223] Hoͤhe des Felſens der Tempel des Gottes, einer der
aͤlteſten der Niederlaſſung, angeblich Daͤdaliſcher Bau 1;
unten die Grotte der Sibylle; auch hier ſollte Aeneas
gelandet ſein (und Steſichoros ließ ihn vermuthlich nur
in dieſe Gegend gehen 2). Es war ja nichts natuͤrli-
cher, als daß jene Orakel uͤberall lokal angewandt,
und ſomit das neue Troja hier und dort gefunden wurde.
So geſchah es denn nun auch, als die Griechiſchen
Sibyllinenorakel in Verbindung mit Apollocultus in
Rom Staatsorakel wurden, daß was darin fuͤr die
Gegenden am Helleſpont und benachbarte geweiſſagt
war, ohne viel Umſtaͤnde, obgleich nicht ohne Kunſt-
griffe der Dollmetſcher und Ausleger, auf Rom ge-
deutet wurde. Es iſt deutlich, wie ſich auf dieſe ein-
fache Weiſe der Urſprung der ſeltſamen Fabel von Ae-
neas, Romulus Vater, und was man weiter hinzu-
erfand, faſt von ſelbſt erklaͤrt.
5.
Auch der aͤlteſte Tempel Apollons in Thrakien
gehoͤrt zu den Kretiſchen Anlagen, das Heiligthum zu
Iſmaros oder Maroneia, deſſen Prieſter bei Homer dem
Odyſſeus den trefflichen Wein ſchenkt 3; Maron aber iſt
der Tradition zufolge ein Kretiſcher Ankoͤmmling 4. Da-
mit haͤngt wohl der alte Orakeltempel Apollons zu De-
raͤa bei Abdera zuſammen 5, auf den ſich der Muͤnz-
typus der Abderiten bezieht: Apollon mit dem Pfeil
auf der Hand auf einer, der Greif auf der andern
Seite, welchen wieder die Teier, da ſie eine Zeitlang
in ihrer Colonie Abdera wohnten, daher angenommen
zu haben ſcheinen.
[224]
6.
Bedeutendere Inſtitute ließ das Schickſal die
Kretiſchen Apollodiener an der Ioniſchen Kuͤſte gruͤn-
den. Vor allen das Mileſiſche Didymaͤon. Wir
wiſſen, daß vor dem Ioniſchen Volkszuge, in damals
Kariſchem Lande, eine Kretiſche Burg, Milet, unmit-
telbar an der Kuͤſte ſtand 1. Die Divergenz der Sa-
gen von Sarpedon oder Miletos dem Kreter als Gruͤn-
dern beſtaͤtigt mehr als ſie zweifelhaft macht; beide
Traditionen ſagen wieder auf verſchiedene Weiſe daſ-
ſelbe. Mit der Gruͤndung dieſer Burg war die An-
lage eines Heiligthums verbunden, die einem Delphi-
ſchen Suͤhnprieſter (καϑαρτὴς) Branchos, dem Heiſe-
ren, beigeſchrieben wird 2, deſſen Name patronymiſch
geformt die Prieſterreihe 3, das Inſtitut, ſelbſt den
Ort bezeichnet, der ſonſt auch Didyma heißt. So tref-
fen auch hier wieder Delpher und Kreter zuſammen,
die eigentlich fuͤr damals faſt identiſch, wo die ver-
ſchiedenen Niederlaſſungen des Stammes ſich noch we-
nig geſondert hatten. Der Cultus von Didyma iſt
ganz der Delphiſch-Kretiſche; Suͤhngebraͤuche und Weiſ-
ſagung vereinigt, dieſe auch ziemlich mit denſelben Ge-
braͤuchen, wie beim Pythiſchen Orakel; Apollon hieß
hier Phileſios und Delphinios, welchen Namen von
hier andere Jonier annahmen 4; neben ihm ſtand Zeus,
beide zuſammen Didyma’s Ahnherren, wie Kalli-
machos ſagt, auch Artemis, mit der zuſammen den
Apollon ein alter Hymnus, den man dem mythiſchen
Branchos beiſchrieb, als Hekaergos und Hekaerga an-
[225] rief 1. Den Ruhm und Glanz dieſes in Aſien hoch-
geehrten Tempels verkuͤnden noch die Ruinen. Vom
Tempelorte zum Hafen 2, der den Namen Panormos
nicht ohne Grund fuͤhrte, geht eine breite Straße, ein
heiliger Weg, auf beiden Seiten mit mehr als ſechzig
Statuen ſehr alten Styls geſchmuͤckt, unter denen ein
ganz Aegyptiſcher Loͤwe fuͤr ein Denkmal der Verbin-
dung des Koͤnigs Necho mit dem Orakel gelten kann 3.
Die Jonier von Milet aber, wie dieſer Stamm uͤber-
haupt gern ſich Apolliniſche Inſtitute aneignete, erkann-
ten den Branchidiſchen Gott als den vorzuͤglichſten ih-
rer Stadt an, und fuͤhrten ihn ſo auch mit Vorliebe
in ihre unzaͤhligen Colonien, von Naukratis 4 bis nach
Kyzikos 5, Parion 6, Apollonia Pontike 7, und dem
entfernten Taurien, wo die Inſchriften und Muͤnzen
einſtimmend ihn als Vorſteher (προστάτης) darſtellen 8;
wenn man auch auf dem Monument der Koͤnigin Ko-
moſarya die, wie es ſcheint, Syriſchen Goͤtternamen,
Anerges und Aſtara, die leicht durch Kappadokien
heruͤberkommen konnten, nicht mit einem franzoͤſiſchen
II. 15
[226] Gelehrten in Beinamen des Apollon und der Artemis
umzuaͤndern ſuchen muß.
7.
Der wahre Zwillingsbruder des Didymaͤiſchen
iſt der Klariſche Gott, an Urſprung ſowohl als an
Charakter des Cultus. Die einzelnen Umſtaͤnde der
Gruͤndungsſage moͤgen ſo ſehr in der Fabel darinſtehn,
als man will: ſo war es doch in alten Zeiten unmoͤg-
lich, ein religioͤſes Colonialverhaͤltniß zu erfinden, wo
es nicht ſtatt fand, weil bei der Wichtigkeit dieſes
Verbandes das wahre eben ſo wenig aus der Erinne-
rung ſchwinden, als ein falſches untergeſchoben werden
konnte. Hier druͤcken offenbar die Sagen eine doppelte
Abhaͤngigkeit und Pietaͤt aus, die das Inſtitut von
Klaros gegen Delphi und Kreta bekannte. Die Toch-
ter des Thebaͤiſchen Weiſſagers Teireſias, Manto,
wird, nach der epiſchen Fabel, von den Epigonen nach
der Eroberung Thebens dem Delphiſchen Gotte ge-
weiht 1, und von dieſem als Colonie ausgeſandt wird
ſie in der Gegend, wo hernach die Jonier Kolophon
bauten, Frau des Kreter Rhakios, der, als Gegenſtuͤck
des Heiſern, der Zerlumpte heißt 2: uralte und
ſeltſame Prophetennamen. Das Grab ihres Vaters
Teireſias, welches man ſonſt auch in Boͤotien zeigte,
erwaͤhnt der Kykliſche Dichter Augias zu Kolophon 3.
Der Sohn jener Ehe iſt Mopſos, von dem ſich wahr-
ſcheinlich die Familie ableitete, aus welcher noch in
Roͤmiſcher Zeit die Prieſter des Orakels genommen
wurden 4. Die Formen der Weiſſagung ſind auch hier
den Delphiſchen analog.
[227]
Die uͤbrigen Apollotempel an der Kleinaſiatiſchen
Kuͤſte haͤngen meiſt nachweislich mit einem der vier
gegebenen Punkte zuſammen. Den heiligen Tempel
von Leukaͤ, zwiſchen Smyrna und Phokaͤa, wo die Ky-
maͤer ein Feſt feierten 1), muß man zur Troiſchen Fa-
milie rechnen; zu derſelben ſcheint der Gryneiſche
Apollon zu gehoͤren, im Gebiet von Myrina neben
Kyme, der auch ein Orakel beſaß 2; der Apollon Mal-
loeis, im Gebiete der Mitylenaͤer auf Lesbos iſt ein
Abſenker des Klariſchen 3; auf denſelben Zweig wird
das Apolliniſche Orakel von Mallos in Kilikien zu-
ruͤckgefuͤhrt 4. Denn Mopſos, der Manto Sohn, ſoll
es gegruͤndet haben, mit dem nach einer Sage Lakios
kam, der, wie oben ſchon bemerkt, Rhakios, ein Col-
lektiv des Klariſchen Orakels, iſt. Und wie man in
Klaros von einem Wettſtreit des Mopſos und Kalchas
erzaͤhlte 5; ſo zeigte man in Mallos die einander wun-
derbar feindlichen Graͤber der Weiſſager Mopſos und
Amphiloches, welchen letztern, weil er als Melampo-
4
15 *
[228] dide eigentlich dem Apollondienſte fremd war, der Gott
Apoll, nach Heſiodeiſchen Gedichten, ſelbſt in Soloi
getoͤdtet haben ſollte 1.
8.
Andere Strahlen treffen auf mehrere Punkte
des Europaͤiſchen Griechenlands; Kretiſche Anlander
pflanzten auch hier auf Vorgebirge und Landesenden
den Zweig des Lorbeers, namentlich in Troͤzen, Taͤ-
naron, Megara und Thorikos.
Troͤzen theilt, wie oben bemerkt 2, mit Athen zum
Theil die aͤltere Geſchichte und die Goͤtterdienſte; ſo
auch die Verbindungen, die zwiſchen Athen und Kreta
eintraten, und deren Bedeutung wir unten zeigen wer-
den 3. Daher man kaum an der Kretiſchen Abſtam-
mung der neun Familien zweifeln kann, welche
noch ſpaͤter zu Troͤzen beſtanden, und in fruͤheren Zei-
ten Suͤhnungen und Reinigungen, nach der Sage zuerſt
am Oreſtes, verwaltet und geuͤbt hatten bei einem
Lorbeerbaume hinter dem Tempel Apollons 4.
Auch die Suͤhnungsanſtalt auf dem Vorgeb. Taͤ-
naron5 nannte einen Kreter Tettix als Gruͤnder 6,
der nichts als ein perſonificirtes Symbol iſt, wie Ly-
kos, Korax, Kyknos anderer Orten: Kallondas ſoll
des ermordeten Archilochos Seele an dieſer Pforte der
Unterwelt verſoͤhnt haben. Nimmt man zuſammen,
daß ſehr nahe das Lakoniſche Delion 7, und dies un-
[229] weit der kleinen Inſel Minoa liegt: ſo gewinnt die
Tradition uͤber den Urſprung des genannten Inſtituts
noch an Zuſammenhange.
Auch vor dem Hafen von Megara liegt eine
Inſel Minoa; und hier hat ſich dazu ein reicher Sa-
genkreis erhalten, in dem freilich die Kreter des Minos
— doch wohl nur durch Entſtellung der urſpruͤnglichen
Sage — als Feinde und Verwuͤſter auftreten. Mega-
ra hatte zwei Akropolen, eine Kariſche mit dem Me-
garon der Demeter, nach oben, und eine juͤngere, ge-
gen das Meer, mit Tempeln des Apollon. Dieſe ſoll
Alkathoos, Pelops Sohn, gebaut haben, der Gott
ſpielte zur Kithar dabei; wo er ſie aufgeſtellt, zeigte
man einen klingenden Stein 1. Theognis der Mega-
rer ſingt 2:
Hier ſind Dienſt und Heiligthuͤmer offenbar aͤlter als
die Doriſche Einwanderung, und ſicher aus Kreta.
Es ſtand naͤmlich auf jener Burg eine Bildſaͤule des
Apollon Dekatephoros 3, des Zehntenempfaͤngers,
deſſen Name durch die Sage erlaͤutert wird, daß einſt-
mals Alkathoos Tochter, gleich den Attiſchen Maͤdchen
und Juͤnglingen, als Tribut nach Kreta geſchickt wor-
[230] den ſei. Es gilt alſo auch fuͤr Megara, was bald bei
Athen nachgewieſen werden wird, daß dieſe Sendun-
gen einen heiligen Zehnten bedeuteten 1.
9.
Wir ſind indeß den Attiſchen Mythen nahe ge-
kommen, und ſehen uns bald genoͤthigt, die Entwicke-
lung des verworrenen Sagenconvoluts zu unternehmen,
welches vor allen hier die Goͤtterdienſte und ſo auch
den des Apollon umgiebt. Wir machen mit den My-
then den Anfang, die ſich an das Heiligthum von
Thorikos anſchließen.
Thorikos, an der Suͤdoſtkuͤſte Attika’s gelegen,
war unter den alten Zwoͤlfſtaͤdten des Landes, und blieb
ſtets eine der erſten Ortſchaften deſſelben. Noch jetzt
ſtehen in der Ringmauer Truͤmmer eines Apollontem-
pels von bedeutendem Alter 2. Die guͤnſtige Lage be-
wirkte fruͤhzeitigen Seeverkehr, und Kretiſche Schiffer
pflegten in alter Zeit hier anzulegen 3. Es wohnte
aber hier, nach Erzaͤhlung alter Dichter 4, Kephalos,
Sohn Deions, ein Phthiotiſcher Achaͤer. Aber die Fa-
bel von ihm unb ſeiner Gattin Prokris ſpielt groͤßten-
theils in Kreta bei Minos 5; die Verbindung mit
dieſem Lande iſt unter mancher dichteriſchen Erfindung
ohne Zweifel ein aͤchter Zug der Sage. Auf dieſem
Wege kamen die Sacra Apollinaria heruͤber und Sym-
[231] bole des Apollon und der Artemis blicken auch in der
Geſchichte des Heros, in dem nie fehlenden Speer
und dem alles ereilenden Hunde, durch 1. Wir wiſ-
ſen aber geſchichtlich, daß die Kephaliden, deren
Geſchlecht noch ſpaͤter in Attika beſtand 2, erbliche
Gentilſakra des Apollon hatten. Denn als im zehnten
Geſchlecht die Nachkommen des Heros, Chalkinos und
Daͤtos, in das Land heimkehrten, welches ihr Vorfahr
wegen Blutſchuld verlaſſen hatte: bauen auch dieſe ſo-
gleich demſelbigen Gotte einen Tempel am Eleuſiniſchen
Wege 3.
10.
Aber die Mythen von Kephalos drehen ſich
noch um ein anderes Heiligthum Apollons, welches
am Weſtende Griechenlands von den Kalkfelſen des
Vorgebirges Leukatas herab das Joniſche Meer uͤber-
ſchaute. Auch von dieſem Hauptheiligthume ſind noch
Truͤmmer 4. Kephalos, als Streitgenoß des Amphi-
tryon im Teleboerkriege, ſoll es gegruͤndet haben 5.
Dieſe Angabe fuͤr ſich koͤnnte erfunden ſcheinen, zur
Erklaͤrung des Namens der benachbarten Kephallenia:
allein die nachgewieſene Verbindung der Kephaliden
mit dem Apolloncult, und noch andere Umſtaͤnde ſchuͤtzen
ſie gegen dieſen Verdacht. Es iſt naͤmlich klar, daß
[232] die Sacra der Kephaliden zum Theil auch aus Suͤhn-
gebraͤuchen beſtanden, die den Attiſchen Thargelien
aͤhnlich oder damit identiſch waren. Denn wie man
an dieſem Feſte Verbrecher als Opfer bekraͤnzt auf ei-
nen Felſen fuͤhrte und davon herabſtieß: ſo that man
daſſelbe zu beſtimmten Zeiten auf Leukatas 1. Hier er-
leichterte man dem Herabgeſtuͤrzten den Fall, indem
man Federn und ganze Voͤgel ihm unterband, unten
wurde er aufgefangen und alsdann weit hinweggefuͤhrt,
um alle Schuld mit ſich zu nehmen. Zuerſt ſoll Ke-
phalos den Sprung ſelbſt gemacht haben, ganz der
aͤchten Religionsſage gemaͤß. Mit dem Blute der ge-
toͤdteten Prokris befleckt und fluͤchtig, bietet er ſich dem
erzuͤrnten Familiengotte als das erſte Opfer dar 2.
Spaͤter erhielt dieſer Sprung freilich eine ganz
andere Anwendung und Deutung. Gemuͤther, welche
die Liebe aufrieb, hofften von der Lebensgefahr und
dem Seebade ſtaͤrkende Kuͤhlung; wie Sappho und die
Kalyke und Harpalyke des Steſichoros 3. Dieſe eigne
Anwendung des alten Gebrauches gab nun ruͤckwaͤrts
auch dem daran haͤngenden Mythus einen romanhafte-
ren Anſtrich. Auch Kephalos und Prokris wurden nun
von Liebe und Eiferſucht gequaͤlt. Daß die Fabel noch
verwickelter wurde, bewirkte ihre Aufnahme in den
Kypriſchen Sagenkreis (was vermuthlich von den Atti-
ſchen Salaminiern ausging, wo vielleicht erſt die Rolle
der Eos hinzukam) 4. Ohne Alles aufloͤſen zu wollen,
[233] kehren wir nur auf die Behauptung zuruͤck: daß Ke-
phalos Sprung vom Leukadiſchen Felſen dem Apollini-
ſchen Suͤhn-Cultus angehoͤrt 1.
Dieſe Betrachtungen knuͤpften ſich an den Kreti-
ſchen Dienſt von Thorikos. In Athen ſelbſt fließen
Einwirkungen von Kreta und Delphi zuſammen, die
es noͤthig machen, zuerſt auf das letztere zuruͤckzugehn,
u. den Pythiſchen Dienſt durch Boͤotien durchzufuͤhren.
11.
Hier iſt freilich weder die Zeit noch die Art
und Weiſe, wie der Pythiſche Dienſt, ungeachtet des
Widerſtrebens feindlicher Staͤmme, durch die Paͤſſe
des Parnaß die Wege der Theorien gebahnt, geſchicht-
lich beſtimmbar, aber das Ergebniß ſolcher Begeben-
heiten liegt vor Augen: eine faſt ununterbrochne Kette
von Heiligthuͤmern, Tempeln und Orakeln, deren Glie-
der — Thurion, Tilphoſſion, das Heiligthum des Ga-
laxios, das Orakel von Eutreſis, das Ismenion, Te-
nerion, Ptoon, Tegyra — alle einzeln durch Sagen
und Gebraͤuche auf Delphi hinweiſen. Nur Delion an
der Oſtkuͤſte iſt wohl von Delos aus gegruͤndet. Pin-
dar ſtellte in einem wahrſcheinlich daphnephoriſchen
Liede die Gruͤndung mehrerer dieſer Tempel unter der
Form einer Wanderung des Gottes ſelbſt dar 2:
Unter den einzelnen Punkten begnuͤge ich mich wenige
hervorzuheben 3.
[234]
Erſtens, das Orakel an der Quelle Tilphoſſa
am Helikon, mit dem Grabe des Teireſias und Denk-
male des Rhadamanthys, der hier mit Herakles Mut-
ter, Alkmena, zuſammengewohnt haben ſoll. Merk-
wuͤrdig die auch hier einheimiſche Sage von Kretiſchen
Verbreitern des Cultus, die gleichſam einen Neben-
zweig der Kirrhaͤiſchen Anpflanzung bilden. Offenbar
haͤngt damit die Tradition zuſammen, die gelegentlich
Homer erwaͤhnt 1, wonach Phaͤaken den Rhadamanth
zur Schau des Tityos nach Euboͤa bringen: gewiß
nicht des Lebenden, ſondern des von Apollons Pfeilen
erlegten Ungethuͤms, weil der Minoiſche Kreter ſich
uͤber den Sieg dieſes Gottes vor andern zu freuen hat.
So kennt alſo Homer Sagen, die ſich auf dieſes Cul-
tusverhaͤltniß beziehn, wenn er auch Tityos von Del-
phi nach Euboͤa zu verſetzen ſcheint.
Alsdann iſt fuͤr die Boͤotiſche Sage beſonders Te-
gyra wichtig als Geburtsort Apollon’s, daher auch
alle Cultusnamen hier an Huͤgel und Quellen geknuͤpft
vorkommen. Das Delphiſche Orakel war dieſer Sage
guͤnſtiger als der Deliſchen; auch Pindar ließ den ju-
gendlichen Gott aus Tegyra zur Beſitznahme von Py-
tho kommen 3, nicht aus Delos, wie die Attiſchen
Dichter.
12.
Die Einheit des Cultus mit dem Delphiſchen
tritt vorzuͤglich deutlich hervor bei dem Ismenion zu
3
2)
[235] Theben. Wie dort alle acht Jahre der Python von
neuem getoͤdtet und der Lorbeer von neuem gebrochen wur-
de; daher die alten Feſte und Agonen ennaëteriſch wa-
ren: ſo wurde auch hier in denſelben Perioden eine
daphnephoriſche Proceſſion angeſtellt, deren Beziehung
auf Zeitmeſſung am Tage liegt 1. Auch iſt hier, wie
in Delphi, Athena die Pronaos 2. Die Heiligkeit
der Dreifuͤße iſt beiden Tempeln gemein, wenn ſie auch
in dem letztern nicht zum Weiſſagen gebraucht wurden.
Spaͤter begnuͤgte man ſich hier mit Deutungen aus der
Opferflamme und Opferaſche 3; wie ſie ebenfalls die
Πυρκόοι von Delphi gaben 4: obgleich in fruͤherer Zeit
auch hier die aus dem Gemuͤth ſtammende Weiſſagung
vorherrſchte. So erſcheint wenigſtens Teireſias, den
wir als Propheten des Ismenions betrachten duͤrfen 5,
bei Homer und den Tragikern nicht als Empyro-
mantis.
Daß aber der geſammte Cultus des Apollon zu
Theben fuͤr dieſe Stadt unter die juͤngern gehoͤrt, iſt
daraus deutlich. In den alt-kadmeiſchen Mythen, in
welchen Demeter, Kora, Kadmos, dann Bakchos re-
gieren, iſt Apollon nicht thaͤtig. Denn einzelne Zuſaͤtze
der Poëten ſcheiden ſich leicht als ſpaͤter aus. Als
eine dichteriſche Uebertragung iſt es auch zu betrachten,
daß Kadmos nach der Toͤdtung des Drachen acht
[236] Jahre als Knecht dienen muß, wie Apollon 1; denn
urſpruͤnglich haben Kadmos und Apollon nichts Entſpre-
chendes. Am beſten zeigt das Lokal die gaͤnzliche Dif-
ferenz dieſer Culte in Theben. Denn jene uralten
Stadtgoͤtter haben ihre Tempel auf der Burg Kadmeia,
Apollon aber wird nicht nur nicht in der Burg, ſon-
dern ſogar außerhalb der Thore im Ismeniſchen Heilig-
thume verehrt 2, welchem nach Pauſanias das Hera-
kleion nebſt dem Hauſe des Amphitryon gegenuͤber ge-
legen haben muß. Wir werden dieſe Nachbarſchaft des
Heros und Gottes, wie alle andere Beziehung, die
in Theben zwiſchen beiden eintritt, bei der Eroͤrterung
der Herakleiſchen Mythen zu weitern Schluͤſſen be-
nutzen.
Wann die Boͤotiſchen Heiligthuͤmer Apollons ge-
gruͤndet ſind, kann man aus den Sagen von Teireſias
und Herakles ſchwerlich beſtimmen, da jene vollkom-
men zeitlos ſind 3, dieſe einen von der uͤbrigen Thebaͤi-
ſchen Mythologie ganz abgeſonderten Cyklus bilden. Eine
Tradition von der Gruͤndung des daphnephoriſchen Feſtes
ſetzt dieſelbe in die Zeit der Aeoliſchen Wanderung 4, und
man koͤnnte auf dieſe die Meinung bauen, daß erſt dieſer
Voͤlkerzug die Doriſche Gottheit in Boͤotien verbreitet
habe. Indeß wuͤrde dieſe in mannigfache Widerſpruͤche
verwickeln, und es bleibt wahrſcheinlich, daß ſolches
bald nach der Kirrhaͤiſchen Niederlaſſung, in allmaͤligem
[237] Fortſchritte, geſchah: um dieſelbe Zeit, in welcher in
Athen der Apolliniſche Cultus zu Anſehn gelangte.
13.
In Attika faͤllt naͤmlich die Einfuͤhrung die-
ſes Cultus mit der Einwanderung der Jonier zuſam-
men. Denn wenn in den Sagen der alt-attiſchen He-
roen, Kekrovs, Erichthonios, Erechtheus, nur Athena
als Ackergoͤttin mit den verwandten Burg goͤttern auf-
tritt: ſo ſchreitet mit Jon ſogleich ein neuer Charakter
in Cultus und Mythen ein1. Dieſe Divergenz duͤnkt
mir eine hinlaͤngliche Widerlegung derer, welche nach
Herodot die Jonier fuͤr einerlei mit dem ureinwohnen-
den Volkſtamme der Pelasger halten. Vielmehr iſt es
deutlich, daß eben ſo, wie die Jonier als Kriegervolk
(Xuthos und Jon πολέμαρχοι) ſich von dem acker-
bauenden und viehzuchttreibenden Urvolke ſonderten,
ſo ſie auch ihren Helleniſchen Kultus gradezu dem alt-
einheimiſchen entgegenſtellten. Es redet zwar Ariſtote-
les von dem vaͤterlichen Apollon (Απ. πατρῷος)
der Athener als einem Sohne der Athena und des He-
phaͤſtos2: aber wir koͤnnen darin wieder nur das my-
thologiſche Streben [finden], die Goͤtter einer Stadt in
Familienzuſammenhang zu bringen. Denn wo ſind die
Tempel, welche Athena und Apollon gemein haben,
wo die Gebraͤuche und Opfer, welche ſie theilen, wo
die Sagen, in welchen ſie verbunden auftreten? So
lange dieſe nicht nachgewieſen werden, muß man Athena
als alt-einheimiſche und Apollon als juͤngere Gnttheit
genau ſondern. Denn Alles, was von den Joniſchen
Fuͤrſten, zu denen auch Aegeus3 und Theſeus gehoͤren,
[238] in Bezug auf religioͤſe Einrichtungen erzaͤhlt wird, be-
trifft niemals die Athena und den Hephaͤſtos, ſondern
ſehr conſequent entweder die Feſtſtellung des Poſei-
doncults, der in den Staͤdten der Jonier und an
ihren Bundesoͤrtern herrſcht, oder die Anknuͤpfung und
Unterhaltung eines Verkehrs mit den Apolliniſchen
Heiligthuͤmern zu Delos, Delphi und Knoſos. Behal-
ten wir dieſen ariadneiſchen Faden an der Hand: ſo
lichtet ſich die Attiſche Fabel zu auffallender Klarheit.
Erſtens: Theſeus iſt ein Poſeidoniſcher Heros,
wie er ſelbſt Sohn Poſeidons heißt — von dem wahr-
ſcheinlich Aegeus, der menſchliche Vater, urſpruͤnglich
nicht verſchieden iſt1: — er erhielt mit dem Gotte, ſei-
nem Vater, am achten Monatstage, beſonders des
Pyanepſion, Opfer (Ὀγδόδιον)2: er war es darum
auch, der die — vorher von den Korinthiſchen Aeolern
dem myſtiſchen Daͤmon Melikertes begangenen3 —
Iſthmiſchen Feſte dem Poſeidon weihte; und deswegen
hatten noch in der Doriſchen Zeit die Athener den erſten
Platz in dieſen Agonen, die ſie beſonders fleißig be-
ſuchten, ſo viel als ſie mit dem Seegel des heiligen
Schiffs bedecken konnten. Und wie geeignet war der
Iſthmos zu Joniſchen Nationalfeſten. Denn wenn man
die damaligen Wohnſitze der Jonier in Attika, Mega-
ris, zu Epidauros und Troͤzen, an der Nordkuͤſte des
Peloponnes, und zu Theſpiaͤ in Boͤotien4 uͤberſchaut:
ſo ſieht man, daß grade nur hier das rege Kuͤſtenvolk
ſich leicht und ſchnell in einem Mittelpunkte vereinigen
[239] konnte. Und was iſt nun das Heidenleben des The-
ſeus zum Theil anders, als eine Sicherung dieſes
Mittelpunkts durch die Erlegung des Periphetes, Skiron,
Kerkyon, Sinnis, Pityokampes, Prokruſtes1, auf
daß nun die Poſeidoniſchen Opferſtiere von Troͤzen wie
von Athen frei und ungefaͤhrdet zum Feſtmahle des
Iſthmos ziehen moͤgen. Dies iſt der wahre großartige
Zuſammenhang der aͤlteſten Theſeiden.
14.
Zweitens aber betreffen die Fabeln der ge-
nannten Helden eben ſo den Cultus des Apollon. So
liegt in ihnen der Urſprung der Pythiſchen Theo-
rieen enthalten. Jon iſt ſelbſt Sohn oder Zoͤgling
des Pythiſchen Gottes, und wahrſcheinlich iſt zwiſchen
ſeinen beiden Vaͤtern, Apollon und Xuthos, eben ſo
wenig urſpruͤngliche Differenz, als zwiſchen Aegeus
und Poſeidon2. Theſeus hatte demſelben Gotte ſein
Haar geweiht; ein Platz bei Delphi hieß Theſeia3.
Auch wird nicht ohne Abſicht von Aegeus erzaͤhlt, daß
deſſen die Ebene von Attika umfaſſende Herrſchaft ſich
ſich bis zum Pythion erſtreckte, wo ſie an Megaris
graͤnzte4. Dieſes Pythion lag in der “heiligen
Denoe”5, einem feſten Demos der Phyle Hippo-
thoontis, auf den Marken von Megaris, Boͤotien,
Attika6, oberhalb des Eleuſiniſchen Feldes, in einer
beſonders fruchtbaren Gegend7. Es war aber dieſer
[240] Grenztempel offenbar erbaut, um einen Zwiſchenort fuͤr
die Theorie abzugeben, welche gegen Fruͤhlingsanfang
von Athen nach Pytho abging. Denn wenn man in
der Stadt ſelbſt guͤnſtige Zeichen beobachtet hatte, und
im Begriff ſtand, die Theorie abzuſenden: ſtellte noch
der Mantis im Pythion zu Oenoë alle Tage Opfer-
ſchau an, um ihr auch fernerhin gluͤckliche Fahrt zu
verſchaffen; eben ſo wie die Theorie nach Delos durch
Opferbeobachtungen im Delion zu Marathon geleitet
wurde1. Die Geſchlechter, denen die Vorbereitungen
zur Abſendung der Pompa aufgetragen waren, wahr-
ſcheinlich alt-Joniſchen Stammes, hießen Pythaiſten
und Deliaſten2. Jene Zeichen waren die Pythiſchen
Blitze (Πύϑιαι ἀστραπαί), eine ſonſt in Hellas ſehr
ſeltene Art der Weiſſagung. Die Pythaiſten nahmen
ihren Platz in der Stadt bei dem Erdaltar des Zeus
Aſtrapaͤos, zwiſchen Olympieion und Pythion, welche
beide zu den aͤltern Heiligthuͤmern gehoͤren, wenn ſie
auch erſt Peiſiſtratos herrlich ausbaute3. Von hier
aus ſchauten ſie in naͤchtlicher Weile nach einem hoch-
7
[241] gelegenen und weit ſichtbaren Punkte des Gebirges
Parnes1, Harma genannt, drei Monate hindurch in
jedem neun Naͤchte, und nur wenn die erwuͤnſchten
Blitze gluͤckverheißend uͤber die Hoͤhe heruͤberleuchteten,
durfte die Geſandtſchaft den Pythiſchen Weg antreten.
Dieſer Weg geht von Athen aus bei dem Korydalos
vorbei, an welchem auch ein Tempel Apollons lag2,
durch die Eleuſiniſche Ebene auf Denoë, von da durch
den Paß von Dryoskephalaͤ nach Boͤotien, wo er ent-
weder Theſpiaͤ oder Theben, dann Lebadeia und Chaͤ-
roneia beruͤhrte, und ſich weiter uͤber Panopeus und
Daulis durch die Bergſchlucht zwiſchen Parnaß und
Kirphis nach Delphi hinzog — eine Gebirgſtraße, wel-
che die Athener ſelbſt gebahnt und gebaut zu haben
behaupteten4. Es war dies auch die heilige Straße
fuͤr die Peloponneſier, wenn man den Theil derſelben
ausnimmt, welcher Attika durchſchneidet3.
Noch iſt aber eine Merkwuͤrdigkeit von Oenoë un-
erwaͤhnt geblieben, welche uns zugleich auf eine wun-
derbare Weiſe zum Verſtaͤndniß der ſo verſchlungenen
Fabel von Theſeus Fahrt nach Kreta helfen wird.
In Oenoë war naͤmlich auch ein Grab des Androgeos,
des Sohnes von Minos, den die Einheimiſchen getoͤd-
tet hatten, als er hier auf dem Pythiſchen Wege ein-
II. 16
[242] herging1. Alſo auf der heiligen Straße des Kreti-
ſchen Cultus lag der Kreter erſchlagen; den verletzten
Gottesfrieden zn ahnden, kam Minos, und darum
muß Athen nach Knoſos Tribut ſenden. Von welcher
Art aber dieſer Tribut geweſen, erkennen wir aus
einer von Ariſtoteles2 aufbewahrten Sage, wonach
die Knaben, welche die Athener nach Kreta geſchickt
hatten, hier als Frohnknechte lebten, und als die Kre-
ter, ein altes Geluͤbde zu loͤſen, einen Zehnten von
Menſchen nach Delphi ſandten, die Nachkommen jener
mit ihnen hinzogen, und hernach von da weiter ge-
ſchickt wurden. Es ſcheint hienach, daß die Athener
genoͤthigt waren, heilige Knechte an den Haupttempel
zu Knoſos, den des Apollon, zu ſenden. Darum wa-
ren die Sendungen auch achtjaͤhrig (δι̛ ἐννέα ἐτῶν)3,
naͤmlich zu jeder Ennaeteris der Kretiſch-Delphiſchen
Feſte; darum beſtanden ſie aus ſieben Juͤnglingen und
Maͤdchen, weil dieſe Zahl dem Gotte beſonders heilig war.
— Jeder weiß, wie ſehr die Athener, zuerſt vermuth-
lich in der Volksſage, dann die Dichter dieſen Mythen-
kreis entſtellt, wie gehaͤſſig ſie ihn verdreht, und ganz
Fremdartiges eingemiſcht haben, ſo daß man ſich jetzt
die Aufgabe zu hoch ſtellen wuͤrde, wenn man Alles
bis aufs Einzelne zerlegen wollte. — Urſpruͤnglich
aber, ſagen wir mit voller Gewißheit, hatte die Fahrt
des Theſeus nach Kreta keine andere Bedeutung, als
die damit verbundenen Landungen in Naxos und De-
los: eine Anknuͤpfung des Kultus. Denn auch die
Landung in Naxos bezieht ſich eigentlich auf Uebertra-
[243] gung dortigen Dionyſos- und Ariadne-Dienſtes, der
ſich im Feſte der Oſchophorien, aber mit Apolliniſchen
Daphnephorien-Gebraͤuchen vermiſcht, erhalten hatte.
Die Landung in Delos aber iſt ein mythiſches Vorbild
der Theorien, welche die Athener, wie alle Joniſchen
Inſeln, ſeit alten Zeiten nach dieſer Inſel ſandten1;
wie auch das Schiff, worin der Held heimgekehrt war,
als Theorenſchiff fortbeſtehend gedacht wurde. Man
ſandte es am Feſte der Thargelien ab, nachdem der
Prieſter am ſechſten Thargelion den Hinterbord deſſel-
ben bekraͤnzt hatte; daraus iſt deutlich, was man auch
ſonſt weiß, daß der Thargeliengott der Deliſch-Kreti-
ſche iſt; es gab daruͤber in dem Daphnephoreion zu
Phyle in Attika eine alte Schrift2. Mit andern De-
liſchen Gebraͤuchen kam auch der Dienſt der Eileithyia
damals heruͤber, er wird auch auf Kreta zuruͤckbezo-
gen3, wo bei Amniſos die alte Hoͤhle der Goͤttin
ſchon oben erwaͤhnt wurde. Ein Uebergangspunkt von
Attika nach der Inſel war der Demos und Hafen
Praſiaͤ an der Oſtkuͤſte, wo neben einem Tempel Apol-
lons das Grab des Deliſch-Attiſchen Heroen Eryſich-
thon, und die Sage war, daß die Geſchenke der Hy-
perboreer von hier nach der heiligen Inſel hinuͤberge-
bracht worden ſeien4. — — Endlich iſt noch die Her-
kunft des Delphiniſchen Suͤhnfeſtes von Delphi
und Kreta eben ſo deutlich, wie deſſen Einfuͤhrung durch
die Joniſchen Fuͤrſten. Denn Aegeus wohnt im Del-
phinion und liegt daſelbſt begraben; auch wird ihm
die Errichtung des Delphiniſchen Gerichts zugeſchrie-
16 *
[244] ben; Theſeus legt hier vor dem Zuge nach Kreta den
mit Wolle umwundenen Oelzweig nieder, am ſechſten
Munychion1, und loͤſet eben da die Blutſchuld des
Mordes der Pallantiden2.
15.
In Athen fordert noch die politiſche Stellung
des Apollodienſtes unſere Aufmerkſamkeit. Es iſt durch
das Geſagte hinlaͤnglich deutlich, daß ihn eigentlich
die Jonier angenommen hatten. Daher Jon ſelbſt als
Sohn des Pythiſchen Gottes erſcheint: kein anderer
als der Pythiſche Apollon war Athens Patroos, wie
Demoſthenes ſagt3. Folglich muß man ſtreng behaup-
ten, daß eigentlich nur den Joniern der Apollon Ge-
ſchlechtergott war, daß nur ſie im vollen Sinn γενῆ-
ται Ἀπόλλωνος πατρῴου heißen koͤnnen. Und wenn
alſo die Archonten bei der Dokimaſie den Schwur lei-
ſteten, daß ſie außer dem Haus-Laren Zeus Herkeios
auch den Apollon Patroos verehrten4: ſo ſtammte dies
aus jener Zeit, in welcher blos die Eupatriden, d. h.
die Joniſchen und Helleniſchen Adelsgeſchlechter, die
Archontenwuͤrde erhielten, und erſt als zunaͤchſt durch
die Soloniſche Timokratie und die Ariſtideiſche Demo-
[245] kratie die Archontenwuͤrde auf alle Reicheren und das
ganze Volk uͤbertragen wurde, ſcheint es, daß der
Apollon πατρῷος als allen Familien gemeinſam ange-
ſehen wurde1. Auch die demokratiſchen Richter Athens
ſchwuren nun jaͤhrlich im Ardettos bei Apollon Patroos2,
was urſpruͤnglich wohl nur die ariſtokratiſchen Blutrich-
ter, die Epheten, thaten. Es iſt aber klar, daß ur-
ſpruͤnglich die Apolloreligion nur fuͤr die Kriegerkaſte,
die alten Hopleten, paßt. Iſt er doch kein Handwerker-
und Ackerbauer- ſondern ein Kriegsgott. Darum ſetzt
ihm auch Jon oder Xuthos als Atheniſcher Kriegsfuͤrſt
(πολέμαρχος) das Feſt der Boedromien ein3, wel-
ches von dem Hervorſtuͤrzen bewaffneter Schaaren zum
Kampfe den Namen hat.
Weil nur die Eupatriden urſpruͤnglich die Re-
ligion des Apollon haben, ſo haben auch dieſe nur die
κάθαϱσις, welche hier wie ſonſt mit den Gebraͤuchen
des Kretiſchen Dienſtes verflochten iſt. Jon hatte nach
Plutarch4 die Athener in der Religion [unterrichtet],
worunter nur die genannte zu verſtehen iſt; und The-
ſeus ſetzte nach demſelben5 die Eupatriden zu Verwal-
tern des Staats, Richtern, und Ἐξηγηταῖς ὁσίων
[246] καὶ ίερῶν ein. D. h. ſie ſollten uͤber alles Auskunft
geben, was das Jus sacrum betraͤfe, wozu im Alter-
thum beſonders die Suͤhnung und der Blutbann gehoͤrt.
Die Gebraͤuche der Reinigung waren alſo gaͤnzlich in
den Haͤnden der Eupatriden und gehoͤrten zu ihren erb-
lichen Rechten (πατρίοις)1, und dies iſt der Grund,
warum den Edlen die Gerichte uͤber Todſchlag ehemals
alle, und auch ſpaͤter noch die uͤber unvorſaͤtzlichen
Mord zuſtanden, deren Zuſammenhang mit der Apol-
loreligion ich unten darthun werde.
Ich habe dieſe Saͤtze abſichtlich moͤglichſt ſtark her-
vorgehoben, weil ſie durch die ſpaͤtere demokratiſche
Tendenz der Attiſchen Dichtung verdunkelt und verdeckt
worden ſind, welche alle Spuren der gewaltſamen Be-
ſitznahme Attika’s und der fremden Abſtammung der
Eupatridengeſchlechter zu verwiſchen ſtrebte. Darum
wurde die Luͤcke zwiſchen den Erechthiden und Aegiden
durch notoriſche Einſchiebſel ausgefuͤllt, darum der My-
thos von Jon ſo mannigfach variirt. Dieſe Tendenz
erkennt man auch in Euripides Tragoͤdie Jon, deren
kuͤnſtliche und ſinnvolle Anlage nicht genug bewundert
werden kann. Die alte Sage nannte Jon Sohn des
Helden Xuthos und des Pythiſchen Apoll, ohne darin
einen Widerſpruch zu ſehen, und gab ihm auch wohl
ſchon eine Landestochter, Kreuſa, zur Mutter, wo-
durch ſie recht gut die neugewonnene Heimat bezeich-
nete. Euripides loͤst dagegen den Jon ganz von Xu-
thos, der immer etwas derb und rauh, ſelbſt tyran-
niſch2, geſchildert wird, und wendet Alles ſo, daß er
nicht als Eindringling, ſondern als einziger Sproß
des Erechthidenſtamms weiblicher Linie erſcheint. Da-
[247] durch wird die Autochthonie der Athener gerettet, auf
welche der Demos ſich ſo viel einbildete1, und der
widerſtrebende Mythos auf eine erwuͤnſchte Weiſe beſei-
tigt. Jon ſelbſt aͤußert ſehr demotiſche und volksge-
faͤllige Grundſaͤtze. Und von der ehemals ſo feſt ge-
gruͤndeten Adelsherrſchaft verhallt faſt ſchon die letzte
dunkle Erinnerung2.
[248]
3,
1.
Wir kommen nun ſchon zur dritten Periode der
Coloniſirung des Apollodienſtes. Die erſte umfaßte die
Urwanderungen des Doriſchen Volks, wodurch von Tempe
aus die Hauptheiligthuͤmer zu Delphi, Knoſos, De-
los gegruͤndet wurden; die zweite Periode iſt die der
ſogenannten Minoiſchen Thalaſſokratie, welche die Kuͤſten
Aſiens und Griechenlands mit Hainen und Suͤhnaltaͤ-
ren des Gottes bevoͤlkerte; die dritte die der Dori-
ſchen und der durch dieſe veranlaßten Wanderungen.
Durch dieſe wurde Apollon der herrſchende Gott im
Peloponnes, wo man ihn fruͤher nur in wenigen Spu-
ren findet. Daß Apollon Karneios und der Nomios
der Arkader keine Ausnahmen machen, wird aus dem
unten darzulegenden Weſen und Urſprunge dieſer Kulte
erhellen.
Dem Apollon wurden nach der Einnahme der Pe-
loponneſiſchen Landſchaften uͤberall die Haupttempel ge-
weiht. Von dem Argiviſchen Bundesheiligthum des
Apollon Pythaeus iſt oben ſchon geſprochen 1, eben ſo
beruͤhmt war der Tempel des Apollon Lykeios auf dem
[249] Markt 1. Unter jenem Namen verehrten ihn auch die
Spartiaten 2, unter dieſem dieſelben und die Sikyo-
nier 3. So treffen wir uͤberall die bekannten Namen
wieder. Hekatos hieß angeblich ein Weiſſager, der
mit den Soͤhnen des Ariſtodem nach Sparta kam, und
deſſen Nachkomme im zweiten Meſſeniſchen Kriege 4.
In Sparta war der Dionſt des Apollon Staatsgottes-
dienſt, die Koͤnige opferten ihm alle Erſten und Sie-
benten der Monate 5; die Macht der Hauptſtadt hatte
ihn auch uͤberall in die Landſtaͤdte verbreitet 6. Korinth 7,
Epidauros 8, Aegina 9, Troͤzen 10 ſtanden nicht nach.
[250] Am innigſten war die Verbindung der Peloponneſiſchen
Staaten mit dem Delphiſchen Gotte, deſſen Anſehn
jetzt die allgemeine Anerkennung erlangte, die er lange
behauptete: er hatte ja die Einwanderung und Erobe-
rung der herrlichen Halbinſel ſelbſt geleitet, und hieß
den Doriern darum Heerfuͤhrer und Haͤuſerbauer (ἀρ-
χηγἐτης, δωματίτης, οἰκιστής 1); denn ſtets erfreut
ſich Apollon ſiehet er Staͤdte erbauen, wie Kallimachos
ſagt 2. Mit dem Deliſchen Heiligthum, das jetzt ſchon
ioniſirt wurde, knuͤpften erſt ſpaͤter die Meſſeniſchen
Koͤnige eine Verbindung an, welche uͤberhaupt die Do-
riſche Art minder ſtreng wie Sparta feſthielten. Gegen
Olymp. 5 dichtete Eumelos eine Proſodion, fuͤr einem
Meſſeniſchen Chor nach der heiligen Inſel 3. — Da-
gegen lag den Doriern, namentlich den Spartiaten
weſentlich daran, daß das Pythiſche Heiligthun auto-
nom, in den Haͤnden der Delpher, bliebe; es darin
zu erhalten, gehoͤrte zu ihren πατϱίοις 4, und ſie
ſchuͤtzten es mehrmals, beſonders gegen die Athmer.
2.
Mit dem Principat der Dorier im ganzen Pe-
loponnes war auch nothwendig ein Ueberwiegen ihrer
Religionsinſtitute gegeben; indeſſen finden ſich die Tem-
pel des Apollon bei Achaͤern und Arkadern nur enzeln
und nicht als die erſten Heiligthuͤmer der Staͤdte 5.
Bedeutend war der Cultus in der durch die Vebin-
dung mit Sparta faſt ganz doriſirten Stadt Tgea,
10
[251] wo auch eine Phyle Apolloneatis hieß 1. Auch mußte
dies Land von den Straßen nach Olympia und Delphi
— wohin der Peloponnes mit Anbruche des Fruͤhjahrs
ſeine Hekatomben ſchickte 2 — mehrfach durchſchnitten,
ſchon dadurch Veranlaſſung zur Anlegung von Tempeln
erhalten, von denen der Onkaͤiſche des Apollon ein
Beiſpiel ſcheint.
Es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Hauptgott
des Doriſchen Namens jetzt auch bald eine vorzuͤgliche
Stelle in dem Nationalfeſte erhielt, welches allen Pe-
loponneſiern gleich heilig war, in den Olympien.
Die Gruͤndung dieſes Feſtes iſt wahrſcheinlich fruͤher,
und gehoͤrt in die Achaͤiſche Zeit, in welcher die Herr-
ſchaft der Pelopiden von Piſa und Olympia ausgehend
ſich uͤber die ganze Halbinſel ausbreitete; daher die
Eleiſchen Aetoler, als ſie ſich die Agonotheſie dieſer
Spiele anmaßten, zugleich auf Befehl des Orakels
einen Pelopiden aus der Achaͤiſchen Helike zu ihrem
Fuͤrſten machen mußten. Auch kann der alte Streit
zwiſchen dem Olympiſchen und Iſthmiſchen Dienſte,
welcher das Verbot veranlaßte, daß kein Eleer auf
dem Iſthmos kaͤmpfen duͤrfe 4, ſchwerlich in irgend
einer andern Zeit entſtanden ſein, als da vor der Do-
riſchen Uſurpation der Olympiſche Zeus Hauptgott der
Achaͤer 5, der Iſthmiſche Poſeidon der Joner war.
Aber erſt als die Dorier, um nicht blos unter
ſich, ſondern auch mit den uͤbrigen Peloponneſtern we-
nigſtens alle vier Jahre in friedlichem Vereine unter
dem Schutze des Gottes zuſammen zu treten, das
3)
[252] Olympiſche Heiligthum auch zu dem ihrigen gemacht,
und Iphitos der Aetoler und Lykurgos der Dorer die
Wettkaͤmpfe erneuert oder zu groͤßerem Anſehn gebracht
hatten: ſeit dieſer Zeit tritt Apollon neben Zeus, und
kaͤmpft ſelbſt mit in den Bahnen von Olympia. Ja
da der Olympiſche Gottesfrieden mit einheimiſchem
Namen Therma hieß 1, ſo erhielt Apollon als Schutz
und Hort deſſelben den Beinamen Thermios, und
wurde als ſolcher im Haine Altis verehrt 2. Jetzt
holt auch Herakles, deſſen fruͤher in Elis ganz unbe-
kannte Verehrung erſt jener Iphitos einfuͤhrte 3, den
wilden Oelbaum von den Hyperboreern nach dem Al-
pheios, und bepflanzt damit den heiligen Altis 4.
Durch die, uͤberhaupt bedeutende, Einwirkung des
Delphiſchen Orakels auf die Olympiſchen Spiele ge-
ſchah es auch, daß deren Feier nach der Pythiſchen
Ennaeteris geregelt wurde, wie Boͤckh kuͤrzlich erwie-
ſen hat 5. Denn da der ganze achtjaͤhrige Eniautos
aus 99 Mondenmonaten beſteht, nach deren Verlauf
Mond und Sonne wieder ziemlich in daſſelbe Verhaͤlt-
[253] niß treten: ſo theilte man zu Olympia dieſe Periode
in zwei ungleiche von 50 und 49 Monaten, ſo daß das
Feſt auch in verſchiedene Monate, einmal in den Apol-
lonios, das anderemal in den Parthenios, traf. Nicht
minder mußte der eingefuͤhrte Dienſt des Apollon auf
die Weiſſagerfamilien wirken, welche die Opferaltaͤre
der Olympiſchen Goͤtter verwalteten. Es waren dies
die Klytiaden, Jamiden und Telliaden1, von
denen uns aber nur die beiden erſten naͤher bekannt
ſind. Die Klytiaden betrachteten ſich als Abkoͤmm-
linge des Amythaon und Melampus 2, worauf ſich
mehrere Mythen beziehn, z. B. daß Amythaon einſt
die Olympiſche Feſtfeier verwaltet, daß Melampus am
Alpheios die Weiſſagung von Apollon empfangen habe 3:
daher er auch in den Eoͤen uͤberhaupt Freund Apol-
lons hieß 4. Sonſt findet man indeß in den zahlrei-
chen Mythen, die ſich auf die Opfer- und Voͤgelſchauer
des hochberuͤhmten Melampodidengeſchlechts beziehn, das
die Eoͤen, die Melampodie und die Odyſſee 5 ſelbſt feier-
ten, und das man noch geſchichtlich in den Klytiaden
und Akarnaniſchen Weiſſagern 6 fortbeſtehend glaubte,
keine Spuren der Symbole und Gebraͤuche des Apollo-
cults. — Was aber die Abſtammung der Jamiden be-
trifft, ſo iſt dieſe eben ſo dunkel, als dies Weiſſager-
geſchlecht unter den Doriern und andern Peloponneſiern
erlaucht und herrlich war. Denn die Pindariſche Fa-
bel, welche Apollon als ihren Ahn nennt, ſcheint nicht
eben alt; auch giebt ſie außerdem faſt nichts als einen
aͤltern Wohnort des Geſchlechts an, der kaum erdich-
[254] tet ſein kann, naͤmlich Phaͤſana am Alpheios in Aepytis
oder Suͤd-Arkadien 1.
3.
Auf die Doriſche Wanderung folgten bald andere
durch jene veranlaßte, welche auch den Apollodienſt
weiter ausbreiteten: und zwar jetzt nicht mehr als ei-
nes Doriſch-kretiſchen Stammgottes, ſondern im wei-
term Sinne als Helleniſcher Nationalgottheit.
Dies bewirkte beſonders das Anſehn Delphi’s, welches
jene Wanderung ungemein gehoben haben muß. Es
tritt in der That ſeit dieſer Zeit mit einer wahrhaft
imponirenden Kraft auf, wie kaum ein Inſtitut nach
ihm. Der Gott ſchaltet mit den Voͤlkern nach ſeinem
Willen, ſendet ſie in die Naͤhe und in die Ferne, noͤ-
thigt ſie, ungeachtet ihres Widerſtrebens, zu weiten
Zuͤgen, weist ihnen mit beſtimmten Worten ihre Wohn-
ſitze an. Um dieſe wunderbare Erſcheinung naͤher ken-
nen zu lernen, muß hier der fuͤr das aͤltere Voͤlkerrecht
ſehr wichtige Zuſtand der unmittelbaren Unterthanen
des Pythiſchen Tempels naͤher beleuchtet werden.
Als das Gebiet der Kretiſchen Kirrhaͤer durch den
Amphiktyonenkrieg dem Tempel zugefallen war, gehoͤrte
ihm eine bedeutende Landſchaft. Zwei Inſchriften be-
lehren uns aus den Determinationen der Hieromnemo-
nes uͤber die Marken derſelben, die eine uͤber die ge-
gen Antikirrha in Oſten, die andere wie es ſcheint
gegen Amphiſſa in Weſten 2: vielleicht daß man ſie
einſt bei genauer Lokalvergleichung im Ganzen wieder
ausmittelt. Nun ſcheint es freilich, daß fruͤher, als
Kirrha ſtand, dem Tempel nichts davon gehoͤrt, und
er folglich ſo gut wie ohne Land geweſen ſei. Allein
[255] obgleich die gewoͤhnlichen Erzaͤhlungen von jenem
Amphiktyonenkrieg eine andere Anſicht darlegen: ſo
muß doch aus mehreren Gruͤnden behauptet werden,
daß fruͤher Kirrha und der Tempel mit ſeinen Angehoͤ-
rigen einen Staat bildeten 3. Das bezeichnete Gebiet
beſtand nun zwar groͤßtentheils aus Fels und Berg,
und engen Felsſchluchten 1, indeſſen hatte es doch ge-
gen Mittag die bedeutende Kriſſaͤiſche Ebene, und hoͤ-
her hinauf gedieh wenigſtens die treffliche Rebe des
Parnaß. Wer bebaute es nun? Von den obenge-
nannten Staͤmmen der Bevoͤlkerung gewiß keiner, die
Doriſchen Herren ſo wenig als die Kretiſchen Anlan-
der, welche im Homeriſchen Hymnus der Gott ver-
lacht, da ſie an die Arbeiten des Ackerbaus denken,
und ſie immer nur mit den Opfermeſſer in der Rechten
Schaafe zu ſchlachten auffordert. — Es iſt alſo wohl
deutlich, daß es Unterthanen des Tempels gab, wel-
chen außer dem niedern Dienſt der Anbau des Ackers,
die Huͤtung der Tempelheerden u. ſ. w. oblag. Dies
ſind die oft vorkommenden Tempelknechte 2. Auch in
Kreta gab es dergleichen, wie wir oben aus der Fa-
bel von den Atheniſchen Tributſendungen nachwieſen;
und Kreta ſandte nun wieder, wie Eretria, Magneſia 3,
ſolche “Erſtlinge von Menſchen” zu dem verwandten
Heiligthume Pytho. Auch iſt von einer Hierodulen-
ſtadt von tauſend Menſchen in Kreta die Rede 4. Eben
[256] ſo habe ich in den goldenen Dreifuͤßen, welche die The-
bageneis in den Iſmeniſchen Apollotempel zu beſtimm-
ter Zeit bringen mußten, ein aͤhnliches Verhaͤltniß ver-
muthet 1. Die Delphiſchen Knechte konnten auf ver-
ſchiedene Weiſe erworben werden, durch Schenkung einer
Stadt oder eines Einzelnen, oder durch eigene Ueber-
gabe, oder durch Verkauf 2; das letzte war in aͤlte-
rer Zeit wohl ſelten. Es giebt noch jetzt eine bedeu-
tende Anzahl von Delphiſchen Urkunden, in welchen
Privatleute ihre Sklaven, denen ſie wohlthun wollen,
dem Gott ſchenken, oder verkaufen 3. Das Verhaͤlt-
niß dieſer Frohne entſpricht dem der Doriſchen Leibei-
genſchaft; obwohl vermuthlich gemildert: da bei den
heiligen Knechten es ſtets beſonders hervorgehoben wird,
daß ſie unverletzlich und ſicher leben unter dem Schutze
des Gottes, obgleich ſie wenigſtens fruͤher unbedingt
von dem Rathe des Tempels abhaͤngen mochten. In
aͤlterer Zeit war ein großer Theil dieſer Unterthanen
Kriegsbeute. Es iſt aus alten Thebaiden geſchoͤpft,
wenn Manto Teireſias Tochter nach dem Epigonenkrieg
dem Pythiſchen Gott als Beuteantheil (ἀκροϑίνιον)
zugeſchickt wird 4: eine Perſon ſteht nach mythiſcher
4
[257] Redeweiſe fuͤr viele. Auch die Gephyraͤer ſollen da-
mals, gezehntet, von Theben nach Delphi geſchickt
und ſo nach Athen gekommen ſein 1. Nach den Per-
ſiſchen Kriegen war lebhaft die Rede davon, dieſen
mythiſchen Proceß mit den Thebaͤern zn wiederholen,
und ihre Feinde ſahen ſie noch ſpaͤter als gleichſam dem
Gotte ſchon gezehntet und geknechtet an 2.
Wollte nun aber oder konnte auch der Pythiſche
Gott die Menſchenmenge, welche er auf dieſe Weiſe
bekommen hatte, nicht mehr in ſeinem Gebiete behal-
ten: ſo ſandte er ſie als Coloniſten aus, ohne doch
ſeine Rechte auf ſie dadurch ganz zu verlieren. Die
Anfaͤnge der Griechiſchen Geſchichte geben mehrere Bei-
ſpiele davon; das erſte eine Doriſche Sage von den
Dryopern; (ſie ſelbſt erzaͤhlten etwas verſchieden):
Herakles, welcher hier als Doriſcher Heros erſcheint,
habe das Dryopervolk uͤberwunden, und als Anathem
dem Apollon nach Delphi gefuͤhrt, der ihm geboten
habe, ihnen die Suͤdkuͤſte von Argolis zu Wohnſitzen
einzuraͤumen 3. Daß dies, wahrſcheinlich Pelasgiſche,
Volk fruͤher den Doriſchen Gott nicht verehrte, iſt aus
der Sage klar, nach welcher Leogoras der Dryoper das
Heiligthum deſſelben entehrte und ſchmaͤhte 4: aber
eben ſo klar iſt, daß ſie ihm jetzt vor allen andern
Goͤttern dienen mußten, beſonders dem Pythaeus von
Argos 5. Ein Theil derſelben aber blieb bei Delphi
II. 17
[258] zuruͤck, und kommt viel ſpaͤter noch unter dem Namen
Kraugalliden in Verbindung mit den Kirrhaͤern als
dem Heiligthum feindlich vor 1: woraus wohl hervor-
geht, daß die Hauptmaſſe dieſer Kirrhaͤer aus Tem-
pelunterthanen, die ſich losgeriſſen und empoͤrt hatten,
beſtand.
4.
Der geſchichtlichen Zeit etwas naͤher ſteht die
Wanderung der Magneten. Dieſer am Pelion woh-
nende Volkſtamm ſah ſich um die Zeit der Theſſaliſchen
Einwanderung ſo gedruͤckt und beſchraͤnkt, daß er ſich
an das Orakel wandte und nach deſſen Vorſchrift
zehnten, d. h. den zehnten Theil der jungen Mann-
ſchaft ausheben ließ, welcher nun, wie ein ver sacrum
in Italien im aͤltern Sinne, der Heimat entſagte 2.
Dieſe jungen Coloniſten ſandte der Gott zuvoͤrderſt zu
ſeinen Freunden und Verwandten in Kreta: wo ſie eine
Stadt Magneſia gruͤndeten, die Platon als einen un-
tergegangenen Ort kennt, und als eine Vorkolonie ſeines
idealen Staates betrachtet, weil auch dieſe den Gott
zum alleinigen Geſetzgeber hatte 3. Aber bald brachte
der Verkehr der Inſel mit der Kleinaſiatiſchen Kuͤſte
5
[259] die Fremdlinge an den Maͤandros und Lethaͤos hinuͤber,
an deren Zuſammenfluß ſie ſich einige Zeit vor der Jo-
niſchen Wanderung anſiedelten 1: die erſten Hellenen
in Kleinaſien, wie es ihnen ſpaͤter ein amphiktyoniſches
Dekret beſtaͤtigte 2. So weit vom Mutterlande abge-
trennt blieben ſie als heilige Coloniſten (ἱεροὶ ἄποικοι)
in ſteter Verbindung mit Delphi; auch waren ſie in
alter Zeit verpflichtet, allen Reiſenden Dach und Fach
und die erſten Lebensbeduͤrfniſſe zu gewaͤhren 3. Glei-
che Aufnahme hatten wenigſtens die Delpher in Delos
zu erwarten 4, und die Knuͤpfung gaſtlicher Verbin-
dungen gehoͤrte uͤberhaupt zu den Abſichten und Ideen
dieſes Cultus. — Von dem ſehr angeſehenen Dienſte
des Apollon zu Magneſia 5 erzaͤhlt Pauſanias 6: Bei
[einem] Orte Hylaͤ 7 im Lande der Magneſier iſt dem
Gotte eine Hoͤle geweiht nicht eben von auffallender
Groͤße, aber das Bild darin iſt von hohem Alter, und
druͤckt in der ganzen Geſtalt Staͤrke aus. Und ihm
zu Ehren ſpringen heilige Maͤnner von ſteilen Abhaͤn-
gen und Felſen, und reißen uͤbergroße Baumſtaͤmme aus
17 *
[260] den Wurzeln, und gehen auf den ſteilſten Fußſteigen
mit dieſen Laſten. In dem Felſenſprunge erkennt man
leicht die Feſtgebraͤuche der Thargelien und des Apollon
Leukatas wieder; das Andre bezieht ſich auf den Be-
griff des ſtarken Gottes, den ich unten ausfuͤhren werde.
Wir wuͤrden die Verbindung Magneſiens mit Kreta und
Delphi noch genauer verfolgen koͤnnen, wenn nicht die
Ueberwindung der gluͤcklichen und uͤbermuͤthigen Stadt
durch die Epheſier und ihre voͤllige Zerſtoͤrung durch
die Kimmeriſchen Treres zu Gyges Zeit nothwendig
den Faden zum Theil abgeriſſen haͤtte 1.
Einige andre gleichartige Begebenheiten kann ich
hier nur andeuten. So die Schickſale der Aenianen,
welche um dieſelbe Zeit und aus aͤhnlichen Gruͤnden,
wie die Magneten, zum Orakel kamen, eine zeitlang
in der Kirrhaͤa wohnten, und dann an den Inachos
in Suͤdtheſſalien geſchickt wurden 2. Ein hiſtoriſches
Beiſpiel geben die Chalkidier in Euboͤa, deren aus-
gehobene Jugend Apollon nach Rhegion in Italien
ſandte 3; daher auch dieſe Stadt den Dienſt deſſelben
auf eine vorzuͤgliche Weiſe mit Suͤhngebraͤuchen 4 und
feierlichen Feſten beging, zu denen auch die Meſſanier
Siciliens Choͤre von 35 Knaben uͤber die Meerenge
ſchickten 5.
[261]
5.
Dieſe Ereigniſſe, deren Zuſammenhang den Ge-
danken von Erdichtung ausſchließt, geben einen Begriff
von der ausgedehnten und voͤlkergebietenden Gewalt des
Delphiſchen Inſtituts, welche Macht wahrſcheinlich
ſchon im Zeitalter der auf die Doriſche folgenden Wan-
derungen ihren hoͤchſten Grad erreicht hatte. In der-
ſelben Zeit war daher auch die Thaͤtigkeit der Pylaͤi-
ſchen Amphiktyonie am regſten und bedeutendſten 1),
welche Verbindung Theſſaliſcher und aus Theſſalien ab-
ſtammender Voͤlker die Sorge um das Doriſche Heilig-
thum von Pytho mit der Pflege des Demetertempels
in den Thermopylen verband, ſo daß zu einem rein-
helleniſchen Heiligthum ein altpelasgiſches 2 gefuͤgt war —
wahrſcheinlich nicht ohne die Abſicht innigerer Verknuͤ-
pfung der verſchiedenen Griechenſtaͤmme. Die Fruͤh-
lingsverſammlung in Delphi hatte vielleicht ein Vor-
bild an den Zuſammenkuͤnften der umwohnenden Staͤdte
bei dem Fruͤhlingsfeſte in Tempe; auch an dieſe knuͤpf-
ten ſich bisweilen Berathſchlagungen politiſcher Art 3.
Politiſch im eigentlichen Sinne war indeß die Thaͤtig-
keit der Pylaͤiſchen Amphiktyonen zu keiner Zeit; alle
ihre Anordnungen und Unternehmungen, mit wenigen
Ausnahmen, bezogen ſich auf den Schutz der beiden
Heiligthuͤmer in ihren Rechten und Beſitzungen, auch
auf die Verhaͤltniſſe anderer Tempel in Griechenland,
und auf die Aufrechthaltung einiger aus religioͤſen Ideen
hervorgegangenen voͤlkerrechtlichen Grundſaͤtze (νόμοι
Ἀμφικτυονικοί).
6.
Unter den Colonien erkor erſtens die Dori-
ſche nach Kleinaſien den Stammgott Apollon zum
[262] Vorſtand ihrer National- und Bundesfeſte auf dem
Triopiſchen Vorgebirge 1, wo ſie ſeinen Cultus wahr-
ſcheinlich erſt anpflanzte, ohne jedoch den aͤltern, ur-
griechiſchen, der Demeter und der unterirdiſchen Goͤt-
ter darum von da auszuſchließen, der vielmehr nun
mit dem Apolliniſchen, obgleich heterogen, zuſammen die
Triopiſchen Sakra bildet 2. Eben ſo feierten die Zwoͤlf-
ſtaͤdte der Aeoler, denen Apollon nicht auf gleiche
Weiſe angeſtammt war, ihm doch wegen des allgemei-
nen Anſehns des Cultus, ihre Bundesfeſte im Haine
Gryneion bei Myrina. Und als die Jonier von
Athen nach Aſien hinuͤberzogen, blieben ſie zwar auf
dem Feſtlande dem ihnen eigenthuͤmlichen Cultus des
Poſeidon treu, indem ſie ihm die nationale Feier auf
Mykale weihten, und bauten auch auf den Inſeln zu
Tenos ein ſehr angeſehenes Heiligthum des Poſeidon
und der Amphitrite, wo ebenfalls panegyriſche Feſte
waren, zu denen die Jonier umher heilige Geſandſchaf-
ten ſchickten 3. Indeſſen uͤberwog zur Zeit der Joni-
ſchen Beſitznahme der Kretiſche Dienſt auf Delos
ſchon in ſolchem Grade, und hatte auch in der Stadt,
von deren Prytaneion ſie ausgingen, bereits ſolches An-
ſehn erlangt, daß dies Eiland von ſelbſt zum religioͤſen
[263] Mittelpunkt aller Kykladen (ἱστίη Κυκλάδων) 1 wur-
de, zu deſſen Feſten und Kampfſpielen das heitere Volk
der Inſulaner ſich ſchon in alten Zeiten mit Weib und
Kind alle Fruͤhjahre zuſammen fand 2: woraus natuͤr-
lich wieder Heiligthuͤmer der herrſchenden Gottheit auf
andern Kykladen hervorgingen, wie zu Kythnos 3, auf
Siphnos 4, Keos 5, Naxos 6 u. aa.
7.
In Italien ſind außer Rhegion beſonders Kro-
ton und Metapont zu nennen. Jenes war eine
Achaͤiſch-Lakoniſche Kolonie, an deren Anlegung das
Orakel nach der Sage einen bedeutenden Antheil
nahm 7, der durch die Tempel des Apollon Pythios,
[264] Hyperboreios 1 und Halios 2 in und bei der Stadt
verewigt wurde; uͤberhaupt war Kroton eine ganz Apol-
liniſche Stadt, und die Einfluͤſſe dieſes Cultus trugen
zur Ausbildung des Charakters und der individuellen
Sinnesart der Krotoniaten ungemein viel bei. Meta-
ponts Gruͤndungsgeſchichte iſt ſehr dunkel; es rechnete
ſich im Allgemeinen zur Achaͤiſchen Nation, doch hat
ſich durch Ephoros eine merkwuͤrdige, ob zwar verwor-
rene Tradition erhalten: Daulios, Tyrann von Kriſſa,
ſei der Gruͤnder des Ortes 3. Alſo Einwohner von
Daulis im Engthal des Parnaß, und Kriſſaͤer von der
Kuͤſte kamen in fruͤher Zeit heruͤber. Als ehemalige
Unterthanen des Gottes ſandten ihm die Metapontiner
das χρυσοῦν ϑέρος, goldne Aehren fuͤr den Zehnten
der wirklichen Erndte; auf ihren Muͤnzen ſieht man
noch die volle Gerſten-Aehre des Tributs, und auf
der andern Seite den Gott ſelbſt mit Helm, Pfeil und
Bogen als Sieger, und mit einem Lorbeerzweige als
Daphnephoros — nach Delphiſcher Tempelſymbolik 4.
So ſtimmen Traditionen und fortdauernde Gebraͤuche
zu einem Reſultat zuſammen 5.
In dieſen Zeiten war es beſonders die Leitung der
Colonien durch das Delphiſche Orakel, welche den Dienſt
an die Kuͤſten des Mittelmeers verbreitete. Ihm zu
[265] danken bauten die Chalkidiſchen Naxier, die erſten An-
lander in Sicilien (Ol. V, 2.), an der Kuͤſte einen
Altar des Apollon Archagetas, auf dem die Sici-
liſchen Theoren jedesmal vor der Abfahrt opferten 1. —
Eben ſo wurde Apollonia, die Koriathiſche Niederlaſ-
ſung am Joniſchen Meere, als eine Gruͤndung des
Phoͤbos betrachtet 2; daher auch hier die ebenerwaͤhnte
Sitte, “den goldnen Sommer” nach Delphi zu ſchik-
ken 3. Von dem Cultus in Thera und Kyrene iſt
im erſten Theile ausfuͤhrlich gezeigt worden, daß er
dem Gott der Thebaͤiſchen Aegiden, dem Karneios
gehoͤrte, der aber ſchon zur Zeit der Colonie, Ol. 37.,
fuͤr identiſch mit dem Doriſchen Gotte galt, daher die
Quelle Apollons bei Kyrene, die Tochtercolonie Apollo-
nia u. a. m. Der Antheil des Orakels an dieſer Nie-
derlaſſung veranlaßte den ſchoͤnen Mythus: wie Apoll
die loͤwenkraͤftige Jungfrau aus der aͤlteſten Heimat,
Theſſalien, raubt, und mit ſeinen Schwaͤnen nach Li-
byen hinuͤberfuͤhrt: welches Liebesabentheuer der Gott
auch mit einer andern Colonie, Sinope, ſpielt 4.
[266]
Weiter wollen wir die Coloniſirung dieſer Religion
nicht hinabfuͤhren, da mit der folgenden Zeit das le-
bendige Princip der Geſtaltung ſeine Kraft verliert und
ſtatt einer gewiſſen Nothwendigkeit auch hierin Abſicht
und Willkuͤhr eintritt.
[267]
4.
1.
Wenn es einigermaßen zerſtreut und ermuͤdet, dem
weitverbreiteten Geaͤſte und Gezweige der Verbreitung
Apolliniſcher Heiligthuͤmer bis in die Spitzen uͤberall
nachzufolgen: ſo iſt der Mythus von den Hyperbo-
reern ganz geeignet, durch Ruͤckfuͤhrung aller Einzel-
heiten auf eine Wurzel den Blick zu beruhigen und zu
fixiren.
Zu dem Ende vindiciren wir ihn erſtens dem Cul-
tus, kaum befuͤrchtend, daß ihn Jemand fuͤr eine poë-
tiſche Ausgeburt nachhomeriſcher Zeit halten koͤnne,
weil ihn Ilias und Odyſſee nicht erwaͤhnen; denn wo
ſollten ſie es: auch war ſchon in dem Epigonengedicht und
bei Heſiod die Rede von ihnen 1. Und mag auch da-
mals die Sage erſt in das Bereich der poëtiſchen My-
thologie gezogen worden ſein: als lokale Tradition muß
ſie ſich in einer Zeit gebildet haben, da die primitive,
aber ſpaͤter zerriſſene Verbindung der Heiligthuͤmer von
Tempe, Delphi und Delos noch voͤllig beſtand.
2.
Nach einem Doriſchen Hymnus einer Delpherin
Boeo, welchen Pauſanias anfuͤhrt 2, errichteten Pa-
gaſos und der goͤttliche Agyieus, die Soͤhne der Hy-
[268] perboreer, das beruͤhmte Orakel. Agyieus iſt nur der
Name des Gottes ſelbſt; Pagaſos ſpielt auf den Pa-
gaſaͤiſchen Tempel an der heiligen Straße an. Mit
ihnen kam jener Dichterin zufolge Olen, “der als der
erſte Prophet des Phoͤbos zuerſt alter Worte Geſang
zimmerte.” Zwei andere Hyperboreiſche Heroen halfen
in den Thalſchlachten von Delphi die Gallier ſchlagen,
Hyperochos und Laodikos 1, Hort und Volkrecht; und
aͤhnlichen Sagen folgend nannte Mnaſeas von Patara
gar die geſammten Delpher Hyperboreer von Urſprung.
Alkaͤos ſchilderte in einem Paͤan auf Apollon 2,
wie den neugebornen Gott Zeus mit goldner Mitra und
Lyra ſchmuͤckt, und ihn auf einem Geſpann Schwaͤne
nach Delphi ſendet, um Recht und Geſetz den Hel-
lenen zu verkuͤnden. Apollon aber gebietet den Schwaͤ-
nen, vorerſt zu den Hyperboreern zu fliegen. Als es
die Delpher vernehmen, ordnen ſie einen Paͤan und Ge-
ſang, ſtellen Choͤre von Juͤnglingen um den Dreifuß,
und rufen den Gott von den Hyperboreern zu kom-
men. Der Gott waltet ein ganzes Jahr bei jenen, und
als die beſtimmte Zeit kam, daß auch die Delphiſchen
Dreifuͤße toͤnen ſollten, gebot er wiederum den Schwaͤ-
nen, von den Hyperboreern hinwegzufliegen. Es iſt
gerade Sommermitte, in welcher Apollon ankoͤmmt;
es ſingen Nachtigallen, Schwalben, Cicaden zur Ehre
[269] des Gottes, und ſelbſt Kaſtalia und Kephiſſos 1 heben
die Wogen ihn zu begruͤßen.
Wenn Alkaͤos dieſen Paͤan, wie Pindar den ſei-
nigen, dem Delphiſchen Gotte zur Darſtellung weihte:
ſo durfte er ſchwerlich mehr als die oͤrtlichen Sagen
ſchmuͤcken und ausbilden; war dies aber auch nicht der
Fall, ſo hat er doch die Hauptſache, Apollons Ankunft
von den Hyperboreern, nicht aus freier Dichtung, ſon-
dern aus anerkanntem Mythus entnommen. Alles dar-
in iſt bedeutſam und aus der Tiefe des Cultus ge-
ſchoͤpft, auch die Zeit. Denn nach Delphiſcher Sage
beſuchte der Gott jedesmal nach Umlauf der großen
Periode ſein geliebtes Hyperboreervolk, um mit ihnen
von der Fruͤhlingsnachtgleiche bis zum Fruͤhaufgange
der Pleiaden zu tanzen und zu ſpielen; dann, wenn
in Griechenland das erſte Korn geſchnitten wird, kehrt er
mit der vollen reifen Aehre nach Delphi zuruͤck 2. —
Nicht einmal das Schwanengeſpann hat er hinzuge-
than. Denn was hier der Lesbier zur Aeoliſchen Lyra,
das ſtellen am entgegengeſetzten Ende Griechiſcher Welt
unteritaliſche Vaſengemaͤlde ſo dar, daß man zwar
nicht den Alkaͤos, aber die zum Grunde liegende
Sage darin erkennt, wie ſie in Kuma 3, Metapont,
Kroton erzaͤhlt werden mochte. Der Knabe Apollon,
den Scepter nebſt einer Schale in der einen, und volle
Gerſtenaͤhren in der andern Hand, welche die Opfergaben
der Hyperboreer und “den goldnen Sommer” andeu-
ten, ſitzt in ruhiger Stellung und mit milder Geberde
auf einem Wagen, deſſen Achſen mit Schwanfluͤgeln
[270] beſchwingt ſind; Hyperboreiſche Jungfrauen mit Fackeln
und Kannen zur Opferſpende geleiten ihn 1. Es mag
wahr ſein 2, daß die Schwaͤne erſt zwiſchen Homer
und Heſiod zur Ehre der Singvoͤgel aufſtiegen, aber
eben das geſchah ihnen als langjaͤhrigen Begleitern des
Apolls. Den Schwan ſetzt ſchon die Sage von dem
weißen Kyknos, Vater des Tennes, in Verbindung
mit Apollon zu Tenedos; und wenn ein anderer Kyknos
von Herakles im Heiligthum Apolls erſchlagen wird,
ſo ſehen wir darin eine ſehr alte Verwirrung des My-
thus 3. Beſonders gehoͤren ſie nothwendig zur Hyper-
boreiſchen Sage. Der aͤlteſte Tempel von Delphi, ſo
erzaͤhlten die Kuͤſter und Diener des Heiligthums, war
eine niedere Huͤtte von den Zweigen des heiligen Lor-
beers zu Tempe; der zweite ein Zelt, das die Hyper-
boreer oder Pteras von Kreta aus Schwanenfedern
und Wachs gebildet 4. Am Altar von Tempe fließt
Peneios vorbei, deſſen ſingende Schwaͤne ein kleiner
Homeriden-Hymnus erwaͤhnt 5: und wenn zu glauben
iſt, daß hier dies Gefluͤgel beſonders haͤufig, ſo ſieht
ein Jeder leicht, wie es fruͤh in dem Cultus und der
Bildnerei von Delphi eine Bedeutung erlangen konnte:
da es ſich durch glaͤnzende Farbe und ruhige Haltung
ſo ſchoͤn eignete zum Symbol des Apolliniſchen Weſens.
[271]
3.
In Delos finden wir mit lokalen Veraͤnderun-
gen denſelben Grundzug der Sage 1. Hieher ſollte
erſtens Leto von den Hyperboreern als Woͤlfin gekom-
men ſein, nachdem ſie, von der Hera verfolgt, den
Weg in 12 Tagen und Naͤchten vollendet hatte 2.
Dann kamen die Jungfrauen Arge und Opis mit den
goͤttlichen Geſchwiſtern ſelbſt; ſie hatten zu Delos ein
hohes Grab aus Opferaſche; ihre Erſcheinung feierte
ein alter — Oleniſcher — Hymnus 3. Darauf ſandten
die Hyperboreer zwei andere Jungfrauen, Hyperoche
und Laodike, (dieſelben Namen hatten wir ſchon oben)
und mit ihnen fuͤnf Muͤnner, welche Perpherees, auch
Amallophoroi, Ulophoroi 4, heißen, weil ſie in Wai-
zenſtroh gewickelte Heiligthuͤmer brachten, die im We-
ſentlichen nichts anders bedeuten, als das χυσοῦν ϑέ-
ρος der Delpher. Die Perpherees hatten in Delos
große Ehren, und auf die Graͤber der geſtorbenen
Jungfrauen legten die Deliſchen Maͤdchen vor der Hei-
rath eine Spindel, die Juͤnglinge einen jungen Zweig,
beide mit Haarlocken umflochten. Was aber die Hy-
perboreerinnen brachten, war eigentlich ein Tribut zur
Loͤſung eines Geluͤbdes fuͤr die Geburt der Goͤtter an
Eleithyia. Dieſe Sendungen dauerten nun nach Deli-
ſcher Sage fort. Die Hyperboreer uͤbergaͤben ſie den
[272] naͤchſtanwohnenden Skythen, und von dieſen wanderten
ſie durch eine Kette benachbarter Voͤlker an das adria-
tiſche Meer, uͤber Dodona 1, durch Theſſalien, Euboͤa,
uͤber Tenos und kaͤmen mit Floͤten, Syringen, Kitharn
begleitet 2 nach Delos 3. Unmoͤglich iſt alles dies
bodenloſe Dichtung; ohne Zweifel liegt ein ehemals
wohl durch Opferſendungen bethaͤtigter Zuſammenhang
mit den Urſitzen des Cultus im Norden Theſſaliens
zum Grunde 4. Wie in Delphi, erzaͤhlte man auch
hier wohl von Beſuchen des Gottes bei den Hyperbo-
reern, an deren Stelle indeß gemeinhin Lykien geſetzt
wurde 5. Auf einem Vaſengemaͤlde ſieht man den
Gott mit der Kithar in der Hand neben der beruͤhmten
Palme herabſchweben; eine Jungfrau — als Darſtel-
lung eines ganzen Chors — empfaͤngt ihn mit Geſang
zum Saitenſpiel 6.
Als das Peloponneſiſche Heiligthum zu Olympia
in Verbindung mit Delphi trat: fanden ſich auch hier
Sagen von dem Hyperboreerlande, als der Heimat
des wilden Oelbaums im Haine des Zeus ein, deren
Zuſammenhang wir unten beſſer bei Herakles eroͤrtern.
[273]
4.
Soviel uͤber das Lokal, wo die Hyperboreerfabel
wirklich exiſtirte und ſich erhalten hat; wir kommen
nun zu dem, in welches Sage und Dichtung das hei-
lige Volk ſelbſt hinaufſchiebt. Der Name an ſich iſt
die Hauptquelle. Er bezeichnet erſtens ein noͤrdli-
ches Volk: weil vom Norden der Dienſt des Gottes
herabkam. Man kann dabei an die Gegend von Tempe
denken, was der alten einfachen Beſchraͤnktheit der
Sage am angemeſſenſten: will man kuͤhnerer Vermu-
thung Raum geben, ſo erinnere ich an die Illyriſchen
Hylleer, deren Verwandtſchaft mit den Doriern und dem
Apollodienſt ich oben nachgewieſen 1. Sonſt laſſe man
ſich das ideale Bild genuͤgen, womit Sophokles 2 uns
entfuͤhrt. — Aber die Hyperboreer wohnen zweitens
uͤber dem Boreas, damit das gluͤckſelige Volk der
kalte Nordwind nicht treffe, ſo wie nach Homer das
Haupt des Olympos, weil es uͤber den Schneewolken
ſich erhebt, nie Schnee umſtoͤbert, ſondern ewig milde
Heitre umgiebt.
5.
Mehr gehoͤrt kaum zur urſpruͤnglichen Vorſtellung
des Fabelvolks; aber damit unbegnuͤgt wetteiferten Dich-
ter und Erdbeſchreiber, dem ideellen Volke in der Reihen-
folge der Nationen ein beſtimmteres Lokal auszumitteln.
Und dies zwar auf doppelte Weiſe, entweder in den
Weſtgegenden oder am Nordrande der Erde.
Pindaros, der doch weder zu Schiffe noch zu
Fuße den wunderbaren Weg zu ihnen aufzufinden moͤg-
II. 18
[274] lich haͤlt 1, laͤßt indeß den Perſeus ihnen auf dem We-
ge von Griechenland nach Libyen im Abend Europa’s
begegnen 2, und den Herakles dieſelben an den ſchat-
tigen Quellen des Iſtros beſuchen, der nach alter Vor-
ſtellung ganz Europa von Abend nach Morgen durch-
ſtroͤmt. — Wie kamen ſie, muß man fragen, in eine
Gegend, die dem Namen und folglich der urſpruͤngli-
chen Idee derſelben widerſpricht? Hatten etwa Phokaͤi-
ſche Schiffer in Suͤd-Spanien Voͤlker gefunden, wel-
che Hyperboreiſcher Gluͤckſeligkeit und Apolliniſcher Hei-
terkeit theilhaft ſchienen? wie wirklich Skymnos die
Gaſtlichkeit und Muſikliebe der Kelten mit ſonſt von
den Hyperboreern geltenden Ausdruͤcken preist 3. Oder
zogen die Schwaͤne, deren Trauer- und Todesgeſang
am Heſperiſchen Eridanos und in Ligyen vielleicht ſchon
ein Heſiodiſches Gedicht erwaͤhnte 4, auch die verwand-
ten Verehrer des Gottes in dieſelben Gegenden nach
ſich? 5.
Vielleicht, oder vielmehr wahrſcheinlich nicht.
Denn haͤtte ein Schiffer ein Geruͤcht nach Griechenland
zuruͤckgebracht, daß er das heilige und fromme Volk
des Nordens geſehn, der Eindruck davon waͤre uns
ohne Zweifel zugekommen. Auch ſetzt es ja Niemand
in befahrne und bereiste Gegend; die eben angefuͤhrten
Stellen ſprechen deutlich gegen eine ſolche Vorſtellung. —
Vielmehr ſcheint die Veranlaſſung dieſer Lokaliſirung
in Weſten einzig in den Herakleen zu liegen. Dieſe ver-
banden die Olympiſche Sage von der Wanderung des
[275] Herakles in die Heimat des Apollon und des Oleaſter
mit deſſen Abentheuern in Erytheia und bei den Heſpe-
riden, die ſchon in Abend fixirt waren, Herakles ſollte
alles zuſammen auf einem Wege vollenden, ſo kamen
die Hyperboreer in dieſelbe Himmelsgegend 1. Und
ſo geſchah es, daß man ſie auch nach Italien oder in
die Umgegend verſetzte 2.
6.
Aber aͤlter iſt gewiß die andere Lokaliſirung der
Hyperboreer oberhalb Skythien. Herodot fand ſie in
dem Gedichte Arimaspeia des Prokonneſier Ariſteas,
in welchem Ideen des Cultus mit dunkeln Nachrichten
vom Norden der Erde vermiſcht waren 3. Er kam
vom Anhauch des Apollon gefuͤhrt (φοιβόλαμπτος)
durch Skythien zu den Iſſedonen 4, den einaͤugigen
Arimaſpen, den goldbewachenden Greifen, und ſo zu-
letzt zu den Hyperboreern, die ans jenſeitige Meer,
den alten Okeanos, reichten. Die Sagen von jenen
Wanderungen hatte der Dichter auf keinem andern
Wege erhalten koͤnnen, als woher ſie Herodot hat;
nemlich von den Hellenen am Pontos und Boryſthenes
und durch dieſe von den Skythen; was haͤtten wir fuͤr
Grund, das Skythiſche Etymon von ἂριμα σποῦ,
Einauge, zu laͤugnen; die Delier in Cherſoneſos Tau-
rike 5 und die Mileſiſchen Colonieen, denen der Didy-
maͤiſche Dienſt vaͤterlich war, die Phanagorier, Bory-
18 *
[276] ſtheniten, Pantikapaͤer 1, moͤgen ſie zuerſt ausgebildet
haben; von ihnen kamen ſie zu den ebenfalls Mileſi-
ſchen Prokonneſiern in der Propontis. Die Greifen
wurden als wunderbare Fabelweſen ſchon in Heſiodi-
ſchen Gedichten genannt 2, aber ihre aus Adler und
Loͤwen zuſammengeſetzte Geſtalt moͤgen ſie doch erſt
durch die ſpaͤter eintretende Bekanntſchaft mit dem
innern Orient erhalten haben. Wir ſehen an den Sei-
tenpfoſten der Pforten von Perſepolis den alten Achaͤ-
menes, wenn man will, im Kampfe mit einem Loͤwen-
adler, der dem Greife ſehr nahe kommt: Perſiſche und
Babyloniſche Tapeten mit dieſer und aͤhnlichen Arabes-
ken kamen uͤber Milet fruͤh in alle Gegenden Griechen-
lands; ſo verſchmolz das Orientaliſche Gebilde mit der
nordiſchen Phantaſie. — Mit den Arimaspeen ſtimmt
in der Anordnung der fabelhaften Nordvoͤlker der alte
Damaſtes uͤberein 3: Ueber den Skythen die Iſſedo-
nen, dann die Arimaspen, dann die Rhipaͤengebirge,
von denen Boreas blaͤſt, und jenſeits am andern Meere
die Hyperboreer 4. Ohne Zweifel dachte er ſich die
Iſſedonen mit den daran haͤngenden Gegenden noͤrdlich
vom Pont Euxin, und eher etwas oͤſtlich von Griechen-
[277] land 1. Und zwar konnten weder Iſſedonen noch Ari-
maſpen noch Greife nach Weſten verſetzt werden, weil
ſie durch die Skythiſche Sage im Norden feſtgehalten
wurden 2. Ganz etwas anderes iſt es mit den Hy-
perboreern und den Rhipaͤen. Von jenen wußten
die Skythen nichts zu ſagen3, und auch dieſe
ſind reingriechiſche Dichtung, da ſie von den aus einer
Hoͤle hervorſtroͤmenden Orkanen (ῥιπαῖς) den Namen
haben, die ſie den Hyperboreern abwehren, den ſuͤdli-
cheren Anwohnern zuſenden. Daher konnten die Rhi-
paͤen ſehr gut, von den Arimaspen losgeriſſen, mit
den Hyperboreern nach Weſten wandern, wohin ſie
zwar ſchwerlich ſchon eine alte Heraklee, aber doch
Poſidonios, Protarchos 4 und die Orphiſche Argonau-
tik ſetzen, ſo daß ſie bald mit Alpen, bald Pyrenaͤen
in ein Bild zuſammenfließen. — Was zuletzt noch die
Frage betrifft, wo die irrende Jo in Aeſchylos Prome-
theus
ſo kann hier, da eine Analyſe der Stelle dem Gegen-
ſtande zu fern abliegt 5, bloß die Ueberzeugung geaͤu-
ßert werden, daß in dieſer Stelle nur an den entfern-
[278] ten Oſten gedacht werden kann: vielleicht daß der Dich-
ter hierin ſchon Ruͤckſicht nahm auf Perſiſche Fabeln,
wie ſie ſpaͤter Kteſias aufzeichnete, von aͤhnlichen Un-
geheuern, die in den Gebirgen Hochaſiens das Gold
der Kluͤfte bewachen und vertheidigen.
7.
So willkuͤhrlich hierin der Dichtung zu ſpielen ver-
goͤnnt war: mit ſolcher Uebereinſtimmung wird allge-
mein der ethiſch religioͤſe Begriff der Hyperboreer feſt-
gehalten. Sie werden vorgeſtellt als ein gerechtes
Volk, das ſich der Thierſpeiſe enthaͤlt, und in ſteter
Heiterkeit dem Dienſte des Gottes ein tauſendjaͤhriges
Leben lebt 1.
Von ihren Feſten, die man ſich unter freiem Himmel
dachte 3, erzaͤhlte Hekataͤos von Abdera, daß dieſelben
drei rieſengroße Boreaden feierten, in deren Saiten-
ſpiel und Chorgeſang unendliche Zuͤge von Schwaͤnen
einſtimmten 4. Aber das ſeltſamſte davon berichtet
[279] Pindar, daß dem Gotte dabei ganze Hekatomben von
Eſeln geopfert wurden 1; es iſt wahrſcheinlich, daß
hiebei die oͤfter vorkommende Anſicht des Opfers zu
Grunde liegt, wonach feindliche, den Goͤttern verhaßte
Thiere an ihren Altaͤren bluten muͤſſen. Sehr lebhaft
erinnert endlich an die Thargelien-Gebraͤuche und den
Leukadiſchen Sprung, was von dem Lebensende der
Hyperboreer erzaͤhlt wird: wie ſie, von langem Leben
geſaͤttigt, mit Kraͤnzen umwunden ſich von einem Fel-
ſen in das Meer ſtuͤrzen 2.
[280]
5.
1.
Dieſe Sagen leiten uns durch ſich ſelbſt zu dem
Verſuch, die Bedeutung und den Charakter des Cultus
aufzufaſſen.
Zuvoͤrderſt wiederholen wir ein Reſultat, welches
die vorhergehende Unterſuchung mit voͤlliger Evidenz
gewaͤhrte. Naͤmlich daß der Apollon von Tempe, Py-
tho, Delos, Kreta, Lykien, Troja, Athen, dem Pe-
loponnes ein und derſelbe Gott iſt, nicht eine Com-
bination mehrerer in einem Namen, wie ſie die Ge-
ſchichte des griechiſchen Cultus ſonſt oͤfter darbietet.
Wir erkannten dies eben ſo an geſchichtlichen Nachrich-
ten von der Gruͤndung der einzelnen Heiligthuͤmer, als
an Merkmalen anderer Art, wiederkehrenden Namen,
Symbolen, Gebraͤuchen. Ueberall fanden ſich unge-
ſucht die Namen Lykios und Lykia, Delphinios und
Pythios, die Orakel und Sibyllen, die Reinigungen
und Suͤhnungen, der Sprung vom Felſen, die Men-
ſchenzehnten, der goldene Sommer und die frommen
Oblationen, der Lorbeer, die Hyperboreerſage und die
Ennaeteris mit einer einleuchtenden Nothwendigkeit
wieder. Darum ſind Cicero’s ſondernde Theologen 1 zu
tadeln, welche den Atheniſchen, Kretiſchen und Hyper-
boreiſchen Apollon zu ſcheiden ſuchten, wie uͤberhaupt
[281] die Principe ihres Verfahrens im Ganzen auf Will-
kuͤhrlichkeit beruhten.
2.
Dagegen hatten ſie gute Gruͤnde, wenn ſie vier-
tens den Arkadiſchen Apollon Nomios abſonderten,
obgleich ſie deſſen Namen von den Geſetzen ableitend 1
nicht den aͤlteſten Quellen folgten. Denn die richtige,
Anſicht giebt ohne Zweifel Pindar 2, indem er den
Ariſtaͤos zugleich Zeus und heiligen Apollon, einen
Schirmer der Heerden, Jaͤger und der Weidungen Hort
nennt. Von Ariſtaͤos aber habe ich im erſten Bande 3
gelehrt, daß er nebſt ſeinem Sohne Aktaͤon eine alte
Gottheit der Urbewohner Griechenlands war, welche,
den ſegnenden Kraͤften der Natur vorſtehend, Ackerbau
und Weide beguͤnſtigt, ſengender Hitze wehrt, milde
Eteſien herbeibeſchwoͤrt, Jagd und Bienenzucht liebt.
Seine Hauptſitze ſind die Ebene am Pelion und bei
Jolkos, von wo ihn Kyrene empfing, das fruchtbare
Thal von Theben, Parrhaſia in Arkadien 4 und die
Parrhaſiſche Inſel Keos, wo ſein Cultus mit alten
Beobachtungen des Sirius verbunden war, aus denen
fuͤr die Temperatur des kommenden Jahrs geſchloſſen
wurde 5. Seine Genealogieen richten ſich nach dem
[282] Orte der Verehrung 1. Ein Sohn der Erde vom Ura-
nos oder des Paͤon konnte er uͤberall mit Fug heißen,
Cheiron nannte man ſeinen Vater am Pelion, Kary-
ſtos auf Keos 2, Apollon und Kyrene hießen ſeine El-
tern in der gleichnamigen Stadt 3. Zum Apollon wurde
er durch das Ueberwiegen des Helleniſchen Cultus in
Arkadien; man erinnerte ſich dabei, daß auch der Del-
phiſche Gott bei Admet die Heerden geweidet, wenn
nicht ſchon auf die Ausbildung dieſer Mythe die bei
Pheraͤ einheimiſche Verehrung des Ariſtaͤos fruͤher ein-
gewirkt hatte 4. Solche Goͤtter, welche fruͤhe in den
Schatten getreten und zuruͤckgedraͤngt waren, ſchmie-
gen ſich den herrſchenden Dynaſtieen auf mannigfaltige
Weiſe an; und das zertruͤmmerte Ganze ſucht ein neues
Leben zu gewinnen, indem es auf verſchiedenen Wegen
in bluͤhende Staͤmme uͤbergeht. So machte man auch
den alten Naturgott, den man Apollon Nomios ge-
nannt hatte, wenig auf Conſequenz bedacht, zum Sohne
des alten Silen 5, weil er den Bakchiſchen Weſen ver-
[283] wandt ſchien. Pythagoras Familie hatte nach einer
nicht unwahrſcheinlichen Nachricht Sakra des Apollon
Nomios; welchen der Philoſoph ſelbſt, mit Umdeutung
der urſpruͤnglichen Bedeutung, zu Kroton als den groͤß-
ten Philanthropen, den Geſetzgeber von Hellas, den
Gott der Humanitaͤt empfahl 1: daß er aber zu Del-
phi eine Inſchrift auf ein Grab “Apollons, Sohnes
des Silen”, geſetzt habe, iſt eine verwirrte und fabel-
hafte Erzaͤhlung Spaͤterer 2.
Von dem Verhaͤltniß des Karneiſchen Apoll werde
ich weiter unten zu reden Gelegenheit nehmen.
3.
Noch darf nicht unbemerkt bleiben, daß auch
in die Mythenreihe des Asklepios Apollon eingetra-
gen wurde, aber wohl nur durch die Dichtung, die
auf die Congruenz der Begriffe beider Gottheiten ge-
ſtuͤtzt, ſie mit einander ziemlich fruͤhzeitig, — denn ſchon
die Eoͤen nannten Asklepios einen Sohn Apollons —
nahe zu verbinden ſuchte. Aber der Cultus zeigt nir-
gends, weder in Trikka, noch Lebadeia, noch Epi-
dauros, noch Kos, Apollon Paͤan und Asklepios in
ſolcher Naͤhe. Nirgends finden wir beiden zuſam-
men geweihte Altaͤre, Feſte, Opfer, außer etwa in
einem Tempel des neuen Megalopolis. Auch folgte
dies nothwendig aus der Geſchichte beider Culte. Denn
der Stammvater des Asklepios, Phlegyas, und die
Soͤhne des Heros bei Homer gehoͤren Volksſtaͤmmen an,
die den Doriern ſowohl als dem Pythiſchen Tempel
feindlich waren, und die Verbreitung der Asklepiaden-
ſchulen durch Griechenland hat nichts gemein mit der
Verpflanzung der Apolliniſchen Heiligthuͤmer.
[284]
4.
Nach dieſen Abſonderungen kehren wir wieder auf
den gewonnenen Hauptſatz zuruͤck, daß es der Doriſche
Stamm war, bei dem die Apolliniſche Religion die aͤl-
teſte, angeſehenſte, eigentlich nationale war. Schon
dieſer Punkt erlaubt uͤber den Charakter derſelben von
vorn herein zu muthmaßen.
Wenn die Dorier ein thatkraͤftiger, heroiſch geſinnter
Hellenenſtamm waren, ſo mußte wohl die ihnen eigen-
thuͤmliche religioͤſe Empfindung eine aͤhnliche Farbe
tragen. Wie ihr Leben ſtets eine gewiſſe Abneigung
vor Ackerbau und harmloſer Naturbeſchaͤftigung uͤber-
haupt, und dagegen ein Hinneigen zur Darſtellung
eigener Kraft zeigt, ſo wird auch ihr Gott im Gegen-
ſatze ſtehn gegen die Naturgottheiten ackerbauender
Staͤmme, in denen die innige Beziehung des menſchli-
chen Lebens zum ſegenſprießenden Acker auf eine tiefe
und ergreifende Weiſe gefaßt iſt.
So wuͤrden wir ſchon von dieſem Geſichtspunkte
aus der Meinung widerſprechen, daß Apoll ein Natur-
gott, und zwar beſtimmter ein Sonnengott ſei.
Widerlegen aber koͤnnen wir dieſelbe nicht, ohne die
allerdings nicht unveraͤchtlichen Gruͤnde dafuͤr — was
noch nirgends geſchehen iſt — mit moͤglichſter Unbe-
fangenheit darzulegen. Doch uͤbergehen wir mit weni-
gen Worten die Deutung der Pfeile auf Strahlen 1;
denn wie toͤdtet der Gott mit ſolchen den Python und
Tityos? und wie waͤre die erwaͤrmende und belebende
Kraft durch ein ſo einſeitiges Bild zu bezeichnen? Aber
wenn wir uns das oben ausfuͤhrlich dargeſtellte Bild
des von den Hyperboreern mit der reifen Kornaͤhre zu-
ruͤckkehrenden Gottes vergegenwaͤrtigen, dem auch gol-
[285] dene Aehren als Tribut geſandt wurden: ſo fuͤhrt uns
dies allerdings auf den Begriff eines Schuͤtzers des
Ackerbaues 1. Auf den Muͤnzen von Metapont ſehen
wir dieſe Aehre ſehr haͤufig zuſammen mit einer Heu-
ſchrecke, bisweilen mit einer Maus, die beide auf dem
Nebenblatte wie herankriechend erſcheinen. Fuͤr beide
iſt dieſelbe Deutung anzuwenden. Sowohl Maus als
Heuſchrecke — denn an die ſangreiche Cicade iſt dabei
nicht zu denken — ſind dem Korne ſchaͤdliche Thiere,
um deren Abwehrung und Verminderung der Gott ge-
beten wird. Die letztere vertrieb er nach Sage und
Glauben aus Attika und aus Seleukia in Kilikien 2,
er hieß davon bei den Aeolern Πορνόπιος, die ſogar
darnach einen Monat Πορνοπίων nannten. Gleicher-
weiſe war der Kretiſche Apollon Smintheios ohne
Zweifel ein Vertilger der Feldmaͤuſe (σμίνθοι)3, wie
ihn denn auch ſein Standbild den Fuß auf eine Maus
ſetzend zeigte 4; auch vor dieſen ſchuͤtzt er die frucht-
ſtrotzende Kornaͤhre. Noch mehr: in Rhodos hieß er
Ἐρυϑίβιος, der Abwender des Kornbrandes 5, in wel-
[286] cher Qualitaͤt er beſonders gut in den Kreis der Trio-
piſchen Gottheiten des Landes paßte, unter denen die
den Eryſichthon vernichtende Deo iſt. Dies erklaͤrt ge-
nugſam, warum Apollon um den Fruͤhaufgang der Pleia-
den, wenn ſchon die Erndte in Griechenland beginnt,
die von ihm bewahrte Aehre bringend gedacht wurde 1;
dann feierte man in Griechenland das Feſt der Thar-
gelien, deſſen Namen vielleicht ſelbſt die Sonnenhitze
bezeichnet 2; wenigſtens hatte auch Helios daran An-
theil 3. Gleichzeitig mit dieſen ſind die Daphnepho-
rien, die beſonders zu Theben eine offenbar aſtronomi-
ſche Bedeutung hatten; ſie erinnerten an das genaue
Maaß des Jahrs und den Umlauf des achtjaͤhrigen
Cyclus, den wir als mit allen Apolliniſchen Hauptin-
ſtituten verbunden denken duͤrfen. Gewiß aller Auf-
merkſamkeit werthe Gruͤnde fuͤr eine urſpruͤngliche Iden-
titaͤt des Φοῖβος Ἀπόλλων und des leuchtenden Son-
nengottes.
5.
Deſſen ungeachtet ſind auch dieſe Gruͤnde nur
Scheingruͤnde. Denn was erſtens den Bezug des Got-
tes zum Ackerbau betrifft: ſo iſt dieſer kein anderer als
zu andern Kreiſen des Natur- und Menſchenlebens,
naͤmlich ein abwehrender und ſchuͤtzender. Ganz
etwas anderes waͤre es, wenn Apollon als die Saat
aus der Erde hervorrufend, zeitigend u. ſ. w. gedacht
wuͤrde, aber davon keine Spur. So ſubſumirt ſich
jener Bezug unter einen allgemeinern Begriff, wodurch
der Schluß auf die Sonne aufgehoben wird. Was
aber ferner die großen Feſtperioden angeht, ſo iſt de-
ren Entſtehung aus dem Streben nach feſter und ſteti-
ger Ordnung erklaͤrlich; ſie ergaben ſich durch Verglei-
[287] chung des Wiederkehrens der Mondphaſen mit den Auf-
und Untergaͤngen einiger Hauptſterne, namentlich der
Pleiaden; der Sonnenſtand konnte ohne mathematiſche
Vorkenntniſſe dabei nicht einmal zur Berechnung die-
nen. Auch ſind die Feſte des Cultus gar nicht an be-
ſtimmte auffallende Epochen des Sonnenlaufs geknuͤpft;
weit mehr an die Phaſen des Mondes. Denn erſtens
iſt der Neumond dem Apollon heilig, und er hieß da-
von ſelbſt Νεομήνιος 1; dann wieder das erſte Viertel
oder der ſiebente Tag, endlich auch der Vollmond
(διχομηνία), dieſer namentlich in Zakynthos 2. Dar-
um wird aber Niemand behaupten wollen: Apollon
ſei ein Mondgott. — Bei alledem laͤugnen wir indeß
nicht, daß die Begriffe Apollons und des Sonnengottes
in einzelnen Verzweigungen eine Vergleichung und Pa-
rallele zulaſſen; die Quelle des aͤußern Lichts konnte
Symbol des “hellen Gottes” ſein, deſſen Mutter Lato,
die Verborgene, aͤußerlich als Nacht gefaßt werden
mochte 3, etwa wie Neuplatoniker, nur zu ſublim
ſagten: “wie ſich die Sonne zum Auge verhalte, in
welchem ſie die Kraft zu ſehen zur Wirkſamkeit bringe,
ſo Apollon zum Geiſte des Menſchen” und “der an-
ſchaubare Helios habe die Menſchen von der Erkennt-
niß Apollons entfernt” 4. Doch iſt auch ein ſolches
Verhaͤltniß durchaus ungeſchichtlich. Ein Symbol des
Cultus muß aͤußerlich hervortreten, und wo waͤre dies
hier der Fall? Der Sonnendienſt beſtand in Griechen-
land fortwaͤhrend auf der Korinthiſchen Akropole, zu
Rhodos, in Athen, wie fruͤher auch zu Kalauria und
[288] auf Taͤnaron, allein die Geſchichte deſſelben iſt von der
des Apollocultus durchaus geſondert und ohne Zuſam-
menhang mit dieſer 1.
6.
Wie waͤre es uͤberhaupt aber erklaͤrlich, daß eine
urſpruͤngliche Verbindung der Begriffe von Apollon und
Sonne, wenn ſie beſtand, lange Jahrhunderte ſo ganz
vergeſſen wurde? war denn das leuchtende Geſtirn des
Tages ein der Betrachtung ſo leicht entſchwindender
Gegenſtand? Und wie kommt es, daß die Meinung
der Identitaͤt beider erſt in Zeiten aufkam, da die
Griechiſche Mythologie in Glauben und Gefuͤhl fortzu-
leben aufgehoͤrt hatte? Selbſt noch, als die Aegypti-
ſchen Dollmetſcher den Horus zum Apollon deuteten,
folgten ſie wahrſcheinlich nur der Aehnlichkeit des Er-
legers des Python mit dem Baͤndiger des Baby (Ty-
phon in griechiſcher Umnamung) 2. Wenn aber die
Perſiſchen Mager im Apolliniſchen Dienſte Verwandtes
mit ihrer Religion fanden, und Xerxes darum dem
Eilande, wo die zwei Goͤtter geboren waren, Aſylie
zuſicherte 3: ſo iſt dies allerdings als ein Reſultat
einer nicht oberflaͤchlichen Vergleichung zu ſchaͤtzen, das
wir weiter unten auch in mancher Hinſicht zu beſtaͤti-
gen Anlaß finden werden; doch dachten ſie wahrſchein-
lich bei Φοῖβος an Ormuzd, nicht eben an die Sonne.
Erſt als die phyſiſchen Philoſophen die Goͤtter des Glau-
bens zu Praͤdicaten des Νοῦς oder zu materiellen
Kraͤften und Gegenſtaͤnden deuteten, ſprach man den
Satz aus: Apollon ſei die Sonne. Euripides nahm
[289] es von ihnen auf, derſelbe, der den Zeus als Aether,
Heſtia als Erde betrachtete. Im Phaethon dieſes Dich-
ters klagte die Mutter des Ungluͤcklichen gegen deſſen
Vater Helios: “mit Recht nennt dich Apollon (Verder-
ber), wer die geheimen Namen der Goͤtter kennt” 1,
ohne Zweifel nicht etwa auf Myſterientradition, ſondern
auf philoſophiſche Deutung ſich beziehend. Allgemeiner
war die Meinung unter Alexandriniſchen Gelehrten ge-
worden, und Kallimachos tadelt die mit Heftigkeit:
Bald legte man dieſe Meinung auch fruͤheren Zeiten
bei, und der Verfaſſer der ſog. Eratoſtheniſchen Kata-
ſterismen 3 erzaͤhlt: daß Orpheus der Thraker bei Ta-
gesanbruch von den Gebirgshoͤhen die Sonne als den
groͤßten der Goͤtter, den er auch Apollon genannt, an-
gebetet habe 4; was doch nicht zu dem Schluſſe be-
rechtigt, daß die alten Orphiker vor Herodot Apollon
und Helios ſchon identificirt haͤtten. Denn deren Sy-
ſtem religioͤſer Spekulation drehte ſich hauptſaͤchlich um
Bakchos, und in allen einigermaßen alten Orphiſchen
Fragmenten iſt von Apollon uͤberhaupt ſo gut wie gar
nicht die Rede 5.
II. 19
[290]
7.
Und ſo war Apollon wohl in keiner Ruͤckſicht eine
Naturgottheit, in welcher die ſchoͤpferiſche Kraft der
Natur als Weſen der Gottheit dargeſtellt wird. Alle
charakteriſtiſchen Kennzeichen des Naturdienſtes laſſen
ſich bei ihm nicht nachweiſen. Weit entfernt als zeu-
gender und producirender Gott zu erſcheinen 1, bleibt
er unvermaͤhlt und Juͤngling, denn daß die dichteriſchen
Liebſchaften mit der Nymphe des Lorbeerbaums und
ſeine poetiſchen und prophetiſchen Soͤhne die Cultus-
idee nichts angehen, iſt leicht einzuſehn 2. In den
Gebraͤuchen und Symbolen deſſelben iſt dagegen keine
Spur von jener Verehrung der zeugenden Kraͤfte, wie
ſie auf eine naive Weiſe im altarkadiſchen Cultus des
Hermes, den Argiviſchen Mythen von Hera, den At-
tiſchen von Hephaͤſtos und Athena hervortritt. Noch
weiter bleibt von ihm der gluͤhende und ſich ſelbſt ver-
zehrende Orgiasmus, in welchem choleriſche Voͤlker von
einer Naturanſicht bewegt, die den Naturgott bald
leidend und zerfleiſcht, bald ſiegend und ſtrahlend er-
blickte, in taumelnder Luſt und ausgelaſſenem Toben
den Jubel auszuſprechen und die Wehmuth zu erſticken
ſtrebten: welche Geſtalt religioͤſer Empfindung fuͤr
Griechenland die Thrakiſche Verehrung des Dionyſos
darſtellt. Obgleich dieſe am Helikon und Parnaß ganz
in der Naͤhe des Pythiſchen Heiligthums bluͤhte, und
5
[291] das Lokal beider Religionen mannigfach ineinander
greift 1: ſo blieben die Culte ſelbſt in genauer Sonde-
rung, wenn auch wieder auf der andern Seite die An-
nahme von Religionskriegen durchaus unbegruͤndet
ſcheint.
Dieſe Saͤtze haben blos den Zweck, den Leſer un-
befangen und empfaͤnglich zu ſtimmen fuͤr die nachfol-
gende Unterſuchung: in der wir, mit voͤlliger Anerken-
nung der Prioritaͤt des Cultus, deſſen ungeachtet von
der anſchaulichern und verſtaͤndlichern Darſtellung des
Dichters ausgehen wollen.
19 *
[292]
6.
1.
Homer kennt, wie wir geſehen haben, theils durch
Anſchauung, theils von Hoͤrenſagen, recht genau den
Kretiſchen Dienſt in Smintheion, Pergamon, in Ly-
kien am Ida und Kragos, das reiche Pytho und den
Deliſchen Palmbaum. Aber ſeine Darſtellung wird
dadurch nicht wenig bedingt, daß der Gott als Freund
der Troer und Feind der Achaͤer auftritt, obgleich auch
dieſe ihn darum nicht minder mit Opfern und Paͤanen
verehren. Doch zeigt er ſich ihnen mehr von der fin-
ſtern als hellen Seite. Scheuet den Sohn des Zeus,
ruft der Prieſter von Chryſe den Griechen zu. Wie
Nachtgrauen wandelt er her, von den Schultern raſſeln
die ſicher und toͤdtlich treffenden Pfeile. Er ſtraft durch
ploͤtzliche Krankheit und ſchnellhinraffende Seuche und
uͤberhaupt ſolchen Tod, deſſen Urſache und Anlaß nicht
deutlich am Tage liegt: doch ſendet er auch bisweilen
den Tod als Segnung 1. Seine Pfeile treffen aus
der Ferne, weil unvorhergeſehn und unerwartet: er iſt
der Ferne, Fernwirkende, Ferntreffende (Ἕκατος, Ἑκάερ-
γος, Ἑκηβόλος, Ἑκατηβελέτης, Ἀφήτωρ); ſeiner goͤtt-
[293] lichen Rache iſt nichts unerreichbar. Er iſt ein furcht-
barer Gott, wie er von den Zinnen der Burg herab
die Troer mit lautem Schlachtgeſchrei zum Kampfe
treibt 1, und ihnen als λαοσσόος, eine Wolke um die
Schultern und die Aegis in der Hand, vorſchreitet 2,
an Kriegsgewalt Ares 3, obgleich uͤber deſſen ſtuͤrmi-
ſchen Trotz hoch erhaben. Den verderblichſten Gott
nennt ihn Achilleus, dem er freilich beſonders feindlich
iſt. Selbſt wenn er unter den Goͤttern erſcheint, zit-
tern Alle im Hauſe des Zeus vor ihm und fah-
ren von den Sitzen; nur Leto freut ſich, daß ſie einen
ſtarken und bogentragenden Gott geboren hat 4.
Es iſt auffallend, mit welchem ſtrengen Ernſt Ho-
mer, der doch ſonſt die Gottheiten und beſonders die
Freunde der Troer mit parodiſcher Leichtfertigkeit dar-
ſtellt, den Charakter des Apollon auffaßt. Nie zeigt
er ihn von blinder Leidenſchaft ergriffen. Auch die
Griechen feindet er nicht grundlos und nach Willkuͤhr
an, ſondern nur, wenn ſie das heilige Recht des Prie-
ſters und Flehenden verletzen, oder in ſchrankenloſem
Uebermuth uͤber alles Maaß hinausgehn. Aber als
die Goͤtter ſich ſelbſt entzweien und in Kampf treten:
vermeidet er, von Leidenſchaft unbewegt, den Streit,
und redet von der Vergaͤnglichkeit der ſchnell aufbluͤ-
henden und bald hinwelkenden Menſchengeſchlechter in
einem Tone, der den Pythiſchen Orakelgott bezeichnet 5.
Ein aͤhnlicher Geiſt wehet in den Worten, mit denen
er den tollkuͤhnen Diomedes zuruͤckſcheucht, “nicht gleich
ſei der unſterblichen Goͤtter Geſchlecht und der niedrig
wandelnden Menſchen.” So verwaltet Apollon hier
[294] den Dienſt der den Uebermuth niederbeugenden Neme-
ſis. In demſelben Sinne verderbt er die ſtolze Mutter
Niobe 1, die unbaͤndigen Aloiden 2, die Goͤtterfeinde
Python und Tityos. Beſondere Gruͤnde hiſtoriſcher
Art veranlaſſen ſeinen Kampf mit Eurytos von Oecha-
lia, und mit Phorbas dem Phlegyer, dort naͤmlich die
Feindſchaft der Dorier und Oechalier, hier des Pythi-
ſchen Heiligthums und der Phlegyer. Den letztern uͤber-
windet er im Fauſtkampfe, den erſtern im Bogenſchuſſe,
zu dem Eurytos alle Goͤtter herausgefordert hatte 3.
So verleihet er uͤberhaupt den Fauſtkaͤmpfern Gluͤck 4,
und iſt beſonders bei den jagdliebenden Doriern ein Vor-
ſtand der Bogenſchuͤtzen und Jaͤger (Ἀγϱεὺς, Ἀγραῖος,
Ἀγρεύτας, Θηρείτας) 5, weil der kaͤmpfende Gott
auch gymnaſtiſch und kriegeriſch ausgebildet ſein muß
— nicht etwa umgekehrt.
2.
Wir wollen die Idee des raͤchenden und
ſtrafenden Apollon, wie ſie Homer anregt, noch bei
andern Dichtern und in Cultusmythen nachweiſen. Sehr
ausdrucksvoll ſagt Archilochos:
und mit einer deutenden Anſpielung auf den Namen
Aeſchylos: Ἀπόλλων ἀπώλεσας 7, die indeß ſchwerlich
zur Meinung berechtigen kann, der Name Apollon
[295] komme wirklich von ἀπολεῖν her 1. Denn dann wuͤrde,
in einem Falle, die Hauptſache, das was er vernich-
tet, fehlen: oder wollte man, im andern, den Begriff
des Vernichters abſolut faſſen: ſo iſt dieſer voͤllig un-
geeignet, die Natur eines goͤttlichen Weſens, von wel-
cher Art immer, zu bezeichnen. Apollon toͤdtet und
ſchlaͤgt, indem er ſtraft. Zu Megara ſah man das
Grabmal des Koroͤbos, welcher die Poine getoͤdtet
hatte, die der Gott nach dieſer Stadt geſandt, um
eine Schuld der Eltern durch Tod der Kinder zu ſtra-
fen 2. Nach dieſer That mußte Koroͤbos einen Drei-
fuß von Pytho holen, und ihn ſo lange tragen, bis er
nieder fiel; da ſtand Tripodiskos mit einem Tempel
des Gottes. Aus dieſer Idee erklaͤrt ſich der Gebrauch,
daß manche Strafgelder (ἱεραὶ ϛημίαι) zu Korinth,
Patara, Amphipolis 3 in die Tempel Apollons einge-
liefert werden mußten, welcher dadurch gewiſſermaßen
ſelbſt als Vollſtrecker des Urtheils erſcheint. Auf ſein
Amt der Blutrache deutet Aeſchylos 4, wo er Apollon,
Pan und Zeus als Goͤtter nennt, die die Erinnys ſen-
den: Zeus als Weltherrſcher, Pan als geiſtesverwir-
reuden Daͤmon, Apollon als Strafgott. Darum hat-
ten die Roͤmer nicht ganz Unrecht, die in einem Bilde
des Gottes Vejovis, das mit Pfeilen ausgeruͤſtet war,
den Apollon dargeſtellt glaubten 5; verwandt iſt wenig-
ſtens der Apollon καταιβάσιος — der im Blitze nie-
derſteigende — dem die Theſſaler alljaͤhrlich eine Heka-
[296] tombe Maͤnner gelobten 1. Bei den Doriern zu Argos
opferten nach jedem Todesfalle die Verwandten ſogleich
dem Apollon als einem Todesgotte; der Prieſter des-
ſelben (Amphipolos) brachte es dar, zur Verbrennung
der Opferſtuͤcke mußte neues Feuer angezuͤndet werden.
Dreißig Tage darauf wurde dem Hermes geopfert als
Seelenfuͤhrer 2.
3.
Wenn wir ſo unſere Aufmerkſamkeit eine Zeit-
lang der finſtern Natur des Apollon zugewandt haben:
ſo wollten wir doch, wie geſagt, keineswegs auf die
Idee eines vernichtenden Weſens hinleiten. Dieſe ab-
zuwehren, erinnern wir nur an Pindars Ausſage:
“Beſtimmt iſt er den Menſchen zum freundlichſten Gotte” 3,
und an die im Cultus haͤufigen Namen, Akeſios zu
Elis 4, Epikurios zu Phigalia 5, Alexikakos6,
Proſtaterios, Apotropaͤos in Athen und Ora-
keln 7. Wenn auch ein und der andere Name erſt
im Peloponneſiſchen Kriege aufkam, und uͤberhaupt der
beſtimmte Bezug auf koͤrperliche Uebel ſich erſt bei Pin-
dar und den Tragikern findet 8: ſo muß doch die Grund-
[297] idee, die abwehrende und dadurch heilbringende Kraft
des Gottes, als weit aͤlter vorausgeſetzt werden. In
allen dieſen Namen wird er nicht ſowohl als Geber
eines poſitiven Guts, ſondern als Schuͤtzer und Ab-
wehrer gefaßt, und in dieſer Beziehung auch nach dem
Orakel um Geſundheit und gutes Gluͤck angefleht 1.
An dieſe Reihe ſchließt ſich der Dienſt des Apollon
Ulios und der Artemis Ulia, denen Theſeus von
Kreta kommend opferte, und die ſonſt in Delos und
Milet verehrt wurden 2. Ohne Zweifel heißen ſie ſo
als Heilgoͤtter, vom dem alten Stammworte, das im
Gruße “οὖλε” uͤbrig geblieben 3. Doch lag auch merk-
wuͤrdiger Weiſe der entgegengeſetzte Sinn “die Ver-
derblichen” ſehr nah, und daß man dieſen Doppelſinn
nicht vermied, ſcheint mir ein Beweis, daß man ihn
wollte und ſuchte.
4.
Ob es ſich nicht vielleicht gerade eben ſo mit
Paean (Homer. Παιήων) verhaͤlt? Denn einerſeits
bezeichnet dieſer Name offenbar einen Heilgott, und
wenn dieſen Homer auch als eine beſondere, freilich
ziemlich charakterloſe, Perſon, als den Arzt in der
Olympiſchen Haushaltung, behandelt 4: ſo ging dieſe
Abſonderung wahrſcheinlich blos von den Dichtern,
8
[298] nicht vom Cultus aus, da in dieſem, beſonders beim
Pythiſchen Heiligthume 1, ſeit uralten Zeiten der Paͤan
als Geſang zur Ehre Apollons fixirt war 2. Der
Geſang hat aber ſeinen Namen vom Gotte, wie an-
dre Arten von Hymnen; Paͤon oder Jepaͤon heißt der
Gott, dann der Geſang, endlich auch die denſelben
darſtellenden und auffuͤhrenden Saͤnger 3. Nun wiſſen
wir, daß der Paͤan urſpruͤnglich bei Nachlaß einer
Seuche, ſo wie bei gluͤcklichem Ende eines Kampfes,
uͤberhaupt wenn irgend ein Unheil abgewandt war,
gleichſam als Reinigung von der Befleckung damit ge-
ſungen wurde 4: ein helles freudiges Lied, vor dem
alle Klagtoͤne (αἴλινα) verſtummen mußten 5, weil es
den Sieg des rettenden, heilenden Apollon feierte.
Doch ſang man im Kriege außer den Paͤanen nach der
Schlacht an Apollon 6 auch andere waͤhrend derſelben
an Ares 7; und dem Apollon ſelbſt ſoll nach der Sage
beim Kampfe mit dem Python der Chor der Delphi-
ſchen Jungfrauen das Je ie Paͤan zugerufen haben 8.
[299] Der Schlachtpaͤonismus war bei den Griechen nach
den Staͤmmen verſchieden; alle Dorier, Spartiaten,
Argeier, Korinther, Syrakuſer hatten denſelben 1. —
So leuchtet ein, wie auch der Begriff des Paͤan ſich
nach zwei verſchiedenen Seiten kehrt, und eben ſo den
ſchlagenden Gott (nach der Etymologie von παίω) als
den ſchuͤtzenden und heilenden anzeigt, der von jeder
Sorge und allem Leid loͤſet 2: ſo daß die Tragiker
durch eine ſentimentale Anwendung des Begriffs auch
den Tod, von dem beides gilt, Paͤan nannten 3. Und
gerade dieſes doppelte Weſen des Gottes, vermoͤge
deſſen er gleich furchtbar als Feind und heilbringend
als Kampfgenoß iſt 4, ſollte der Name mit erwuͤnſch-
ter Ambiguitaͤt ausdruͤcken.
5.
Von einfacher Bedeutung dagegen iſt der Name
des Agyieus, Agyiates (Θυραῖος) 5. Dieſe Geſtalt
des Gottes iſt den Doriern eigenthuͤmlich 6, und daher
in Delphi uralt 7, von wo ſie indeß fruͤhzeitig, zum Theil
durch beſtimmte Orakelgebote, nach Athen uͤbergetra-
gen wurde 8. Er ſteht in Vorhoͤfen und an Thuͤren,
8
[300] wo das Oeffentliche an das Privateigenthum graͤnzt,
um Gutes einzulaſſen und Boͤſes abzuwehren; man
betet zu ihm um gutes Gluͤck (περὶ τύχας ἀγαϑᾶς).
Sein Zeichen oder Bild war hoͤchſt einfach; ein koni-
ſcher Cippus (κίων κωνοειδής); die Alten wiſſen nicht,
ob ſie es als Altar oder als Bildſaͤule betrachten ſol-
len 1. Der Dienſt beſtand aus einer fortdauernden
Beſorgung (Ἀγυιάτιδες ϑεραπεῖαι) 2; man zuͤndete
vor dieſen Spitzſaͤulen Weihrauch an 3, ſchmuͤckte ſie
mit Myrthenkraͤnzen, hing Taͤnien daran u. ſ. w.
Dies genuͤgte den alten Doriern, und ſie beſtaͤndig an
die ſchuͤtzende Gegenwart der Eottheit zu erinnern und
derſelben zu verſichern. Die Athener wandten auf eine
aͤhnliche Weiſe den Hermes an, der, obgleich vom Apol-
lon grundverſchieden, doch hier gleiches Amt mit ihm
verſieht: denn wenn der Cultus des erſtern in der
That idealiſtiſch genannt werden kann, ſo iſt dage-
gen im letztern die Zeugkraft der Natur auf derbſinn-
liche Weiſe gefaßt. Aber der Ausdruck derſelben ſchien
gleicherweiſe geeignet, an Hallen und auf Straßen,
an Thuͤren und Thoren als allgemeines Zeichen des
goͤttlichen Segens aufgeſtellt zu werden. Und erſt da-
durch wurde Hermes allmaͤlig Gott der Herolde.
[301]
6.
An denſelben Faden reihet ſich vielleicht der
Name Apollon ſelbſt. Daß er einzig in der Griechi-
ſchen Sprache ſeine Erlaͤuterung finden koͤnne, ergiebt
ſich aus dem Vorigen als ſichere Ueberzeugung. Doch
werden wir ihn nicht von dem Namen der Sonne,
ΑϜΕΛΙΟΣ 1, herleiten koͤnnen, da das Digamma wohl
ſchwerlich irgend in den ΠLaut uͤbergeht. Die Ablei-
tung von ΟΛΩ haben wir als eine einſeitige Beziehung
zu ſtark hervorhebend verworfen 2. Wir bemerken da-
gegen, daß die alte, doriſch-aͤoliſche Form des Na-
mens Ἀπέλλων war 3, die auch die alten Lateiner
angenommen 4, und wovon der Makedoniſche und Do-
riſche Monat Apellaͤos vielleicht den Namen hat. Das
Theſſaliſche Ἀπλοῦν und etruskiſche Aplu ſind Zuſam-
menziehungen davon. Ἀπέλλων iſt nun aber ganz ein-
fach der hinwegtreibende, abwendende Gott 5; ſo
ſchließt ſich der Name an die Reihe von Alexikakos,
Apotropaͤos u. ſ. w.
7.
Alle dieſe Cultusbenennungen bezeichnen indeſſen
nur die Thaͤtigkeit und Wirkung der Gottheit; ihrem
innern Weſen dagegen fuͤhrt der Name Φοῖβος naͤ-
her. Von der Grundbedeutung “hell, klar, ſtrahlend”
(ΦΟϜΩΣ, Φοῖβος) leitet ſich die andere “rein, unbe-
fleckt” von ſelbſt ab 6, daher φοιβάζειν, verwandt mit
dem Lateiniſchen februare, ſuͤhnen. Phoͤbos iſt alſo
[302] der reine, fleckenloſe Gott, der oft auch mit Nachdruck
ἁγνὸς ϑεός genannt wird 1. Beſonders heißt er ſo,
wenn er geſuͤhnt von Tempe zuruͤckkehrt 2. In derſel-
ben Beziehung iſt er ξανϑός, das auch rein, hell be-
deutet 3, daher die Fluͤſſe bei Heiligthuͤmern des Got-
tes in Troia und Lykien Xanthos heißen 4, und bei
den Makedoniern das Suͤhnfeſt des Heeres Ξανϑικά 5.
Der von ewiger Klarheit umgebene Gott iſt frei von
Verdunkelung durch irdiſches Leid; darum verbietet
Aeſchylos mehrmals ihn bei der Trauer zu nennen 6.
Die Wogen des Kokytos ſind ihm ein Graͤuel 7, und
der Nachen Charons heißt bei dem Dichter, mit ſinn-
reicher Anſpielung auf die Deliſche Theoris, ein
Daher auch die Erklaͤrung einiger Grammatiker “Apol-
lon trage deswegen langes Haar (ἀκερσεκόμης), weil
er von Trauer frei ſei”, nicht geradezu verworfen wer-
den kann 9.
8.
Wir kommen jetzt zu dem raͤthſelhaften Namen
des Gottes “Lykeios”. Es gehoͤrt zu den unbeſtreit-
baren Verdienſten Creuzers, dieſen Namen zuerſt zum
Gegenſtande eindringender Unterſuchungen gemacht zu
[303] haben. Wir trafen ihn oben zu Lykoreia auf dem Par-
naß, in Lykien am Kragos, in Lykia am Ida, zu
Athen, Argos, Sparta, Sikyon; er muß aͤlter ſein
als die Kretiſchen Colonien in Kleinaſien, da er ſich
mit dieſen verpflanzte, Homer kennt ihn wohl. Ueber-
all finden wir Sagen von Woͤlfen zur Erlaͤuterung.
Dem Wolfsgebruͤll folgend bauen die den Regenguͤſſen
entronnenen Deukalioniden Lykoreia auf der Hoͤhe des
Parnaß; als Woͤlfin kommt Leto von den Hyperboreern
nach Delos, Woͤlfe fuͤhren ſie an den Strom Xanthos,
Woͤlfe vertheidigen des Gottes Schaͤtze, ein Wolf von
Erz lag mit alten Inſchriften bei dem großen Altare
zu Delphi 1, und daß ein Wolf in eine Stierheerde
faͤllt, veranlaßt die Verehrung des Apollon Lykeios in
Argos, wo man auf dem Markte die Gruppe in Erz
dargeſtellt ſah 2. Minder alt iſt ſicher die Sikyoniſche
Sage von dem die Woͤlfe abhaltenden Apollon, und
das Epitheton Λυκοκτόνος (Lupercus) bei Sophokles
und Andern 3.
Nun koͤnnte man ſich an den Begriff des reiſſenden
Thieres halten, mit welchem eine naive und kindliche
Anſicht den ſchrecklichen Gott verglichen haͤtte, und eine
treffliche Parallele wuͤrde es geben, daß bei Homer
Phoͤbos die Geſtalt des taubenwuͤrgenden Habichts
(ἴρηξ) annimmt, des ſchnellſten Gefluͤgels 4, und eine
im Fluge kreiſende Falkenart, κίρκος, ſein ſchneller
Bote heißt 5; ja die Parallele iſt um ſo vollſtaͤndiger,
[304] da auch eine Gattung des Wolfs den letztern Namen
fuͤhrt 1. Und ſo brauchen denn auch wirklich die Tra-
giker oͤfter den Namen Lykeios, um an die furchtbare
und verderbliche Seite des Apollon zu erinnern, wie
Aeſchylos ſagt: o Koͤnig Wolfgott, ſei ein Wolfgott
fuͤr der Feinde Heer 2 — Nun iſt aber doch nicht
zu glauben, daß man eben dieſe Seite im Cultus ſo
ſehr hervorgehoben habe, daß man nicht bloß unzaͤhlige
Heiligthuͤmer, ſondern ganze Laͤnder darnach benannte;
man muͤßte denn — gegen alle Geſchichte und Analo-
gie — einen Zuſtand großer Roheit und furchtſamen
Aberglaubens als den primitiven dieſer Religion ſetzen.
Dagegen iſt wahrſcheinlich, daß der Name Lykeios zu-
gleich zuſammenhaͤngt mit der alten Sprachwurzel lux,
Licht, λευκὸς. Das Griechiſche Λύκη, Licht, iſt am
klarſten in Λυκάβας 3 erhalten, dem Laufe des Lichts;
und wenn Homer den Apollon, mit einem alten Hym-
nennamen wahrſcheinlich, Λυκηγενής nennt 4, werden
wir ſprachrichtiger einen Lichtgebornen, als einen Gott
aus Lykien, darunter verſtehn. Daß Licht und Glanz
in Cultusſymbolen und Dichterbildern mannigfach zur
Bezeichnung des Weſens von Apollon gebraucht wird,
kann niemand laͤugnen 5; hier werden wir ſpeciell dar-
an erinnert, dadurch, daß man auf dem Altar des
Lykeios zu Argos Feuer brennend glaubte von dem, was
urſpruͤnglich vom Himmel gefallen 6; und ſo reiht ſich
[305] denn Lykeios in dieſem Sinne ſehr natuͤrlich an Aegle-
tes, Phoͤbos und Xanthos an 1. Was nun den Wolf
betrifft, ſo iſt nicht glaublich, daß er ſeine Stelle als
Symbol des Apollon blos einer zufaͤlligen Namens-
gleichheit zu verdanken hat, und etwa als ein Beiſpiel
der ſogenannten Paronomaſie in der Griechiſchen Sym-
bolik zu betrachten iſt; ſondern es muß der lebhaft
auffaſſende und combinirende Sinn des alten Volkes
wirklich irgend eine Beziehung und Analogie zwiſchen
Wolf und Licht gefunden haben. Spaͤter ſuchte man
das Symbol dadurch zu erklaͤren, daß alle Woͤlfe in
12 Tagen des Jahrs gebaͤren, ſo viele Leto als Woͤlfin
von den Hyperboreern nach Delos gewandert 2; —
ſicherlich brachte aber erſt der Mythus dies phyſiſche
Dogma hervor, nicht umgekehrt. Eher kann das
ſcharfe Geſicht des Wolfs zur Erklaͤrung dienen, wenn
die Alten davon Wahres erzaͤhlen 3, oder die helle
Farbe 4. —
9.
Fuͤr die Verbindung aber von Licht und Wolf
bietet ſich im altgriechiſchen Cultus noch ein anderes,
hoͤchſt merkwuͤrdiges Beiſpiel. Auf der hohen Koppe
des Arkadiſchen Lykaͤon, uͤber der alten Lykoſura, ſtand
der “hochaufſteigende, herrſchende Altar (wie Pindar
ſagt) des Zeus Lykaͤos”, an den ſich alle Sagen
II. 20
[306] von Lykaon knuͤpfen, der dem Gotte ſein Kind opfern
will, und daruͤber zum Wolfe wird. Alſo auch hier
dies Wolfsſymbol 1. Aber eben ſo wenig fehlt der Be-
zug auf Licht. Ebenda war ein Abaton des Gottes,
das als unzugaͤnglich gedacht wurde; wer hineintrete,
werfe keinen Schatten, war einheimiſche Volksſage;
dann flieht er, um nicht geopfert zu werden, als Ἔλα-
φος oder Hirſch, wobei der verfolgende Gott natuͤrlich
als Wolf der Phantaſie vorſchwebte 2. Man ſieht, daß
man dem Abaton das Licht inwohnend glaubte. So
finden wir hier in dieſem uraͤlteſten Cultus der Arka-
diſchen Parrhaſier, der uͤbrigens mit dem Doriſchen
des Apollon wenig Gemeinſames hat, doch ganz die-
ſelbe Combination von Idee und Symbol wie in die-
ſem, und muͤſſen dieſe als ein Fragment einer uralten
den Griechen eigenthuͤmlichen und gemeinſamen Sym-
bolik betrachten.
10.
Bis zu dieſem Punkte gelangt wollen wir ver-
ſuchen, das bereits Dargelegte im Begriffe zu vereini-
gen und zuſammenzufaſſen. Von der ganz perſoͤnlichen
Darſtellung Apollons bei Homer ausgehend, fanden
wir ihn als ein verderbendes, raͤchendes und zugleich
als ein rettendes, ſchuͤtzendes Weſen. Daß beide in
verſchiedenen Richtungen wirkende Thaͤtigkeiten in der
Natur und dem Weſen der Gottheit ihr Princip und
ihre Einheit haben muͤſſen, liegt am Tage. Aber wie
jene Thaͤtigkeiten ſtets einen Gegenſatz vorausſetzen,
[307] eben ſo wird das innere Weſen der Gottheit im Ge-
genſatze beſtimmt, als Reinheit, Helle, Klarheit, wo-
bei ſtets ein Theil der Weſenwelt als dunkel und un-
rein zuruͤckgeſtellt wird. Wir werden, um dieſes Ge-
genſatzes willen, den Cultus des Apollon einen dua-
liſtiſchen nennen, der die Gottheit nicht als das
ganze Sein erfuͤllend, ſondern als im Widerſtreit wir-
kend vorſtellt. Zugleich nennen wir das in ihm ſich
ausſprechende Gefuͤhl des goͤttlichen Weſens im Gegen-
ſatze der Naturreligionen ein ſupranaturaliſtiſches,
indem es ihm eine vom Leben der Natur verſchiedene
und außerhalb ſtehende Thaͤtigkeit zuſchreibt, aͤhnlich
dem, aus welchem die Religion Abrahams hervorge-
gangen iſt. Wir werden dieſe Idee, welche nach un-
ſerer Meinung in den aͤlteſten Epitheten und Symbolen
ſo wie in den Dichterbildern bis gegen die Zeiten des
Euripides hinab mit ziemlicher Beſtimmtheit ausge-
ſprochen iſt, von hier an erſtens in der mythiſchen
Geſchichte des Gottes verfolgen, und zweitens nach-
zuweiſen ſuchen, wie ſie den Cultus bedingt und be-
ſtimmt.
20 *
[308]
7.
1.
Zu dem Zwecke werden wir von vorn herein auf-
gefordert, uns in eine Zeit zuruͤckzuverſetzen, in welcher
die Stammreligion der Dorier noch nicht mit andern
Culten vermiſcht, ſondern in ſich geſchloſſen in urſpruͤng-
licher Energie und eigenem Zuſammenhange beſtand.
Damals hatte dies Volk nur zwei maͤnnliche Haupt-
goͤtter, Zeus und Apollon. Denn der letztere ſetzt den
erſtern uͤberall voraus, und in Kreta, Delphi und
ſonſt waren beide eng verbunden, nur daß dieſer Do-
riſche Zeus wenig im Cultus hervortrat. Zu Delphi
waren im Tempel Zeus und Apollon als Moͤragetaͤ
mit zwei Moͤren vorgeſtellt 1. Vielleicht moͤchte auch
der Eloos (Ἐλωός), den Heſych als Doriſchen Hephaͤ-
ſtos nennt 2, der wahre Zeus ſein, welches dadurch be-
ſtaͤtigt wird, daß das Heiligthum des Zeus in Dodona
und bei den Lakonen Ἑλλά hieß 3. — Dieſer hoͤchſte
Gott wurde aber in dieſem Zuſammenhange weder auf
Erden geboren, noch erſcheinend, und vielleicht uͤber-
[309] haupt nicht unmittelbar auf die Welt einwirkend ge-
dacht. Sondern fuͤr das Menſchenleben iſt Apollon,
der oft mit Nachdruck Zeus Sohn genannt wird 1,
ſein Stellvertreter, Geſandter und Prophet 2. Waͤh-
rend jener als im Aether wohnend nur unbeſtimmt und
in weiter Ferne erſchien; mußte Apollon in beſtimmter
Darſtellung mit klarer Perſoͤnlichkeit als goͤttlicher He-
ros auftreten, um dem Boͤſen und Ungeheuren zu weh-
ren, Suͤhnungen einzuſetzen, und die Ordnungen des
Geſchicks zu verkuͤnden. Wir wollen dieſe Gedanken
einzeln im Deliſchen und Delphiſchen Mythus nach-
weiſen.
2.
Freilich wurde die Sage von der Geburt Apol-
lons auf Delos zwar von den Joniern und Athenern,
aber weder von den Delphern noch den Boͤotern noch
auch den Peloponneſiern anerkannt. Denn wie waͤren
dieſe dann ſo gleichguͤltig gegen das Heiligthum gewe-
ſen, als ſie ſich wirklich zeigen. Indeß hatten die
Delier doch nur die urſpruͤnglich Kretiſchen Sagen bei
ſich lokaliſirt und ausgebildet, die wieder aus Grund-
gedanken des Cultus hervorgegangen waren.
Mit der Zeit wurde Apollon geboren, ſagt Pin-
dar 4, auf die vielen Hinderniſſe und Verzoͤge-
rungen der Geburt deutend. Ein feindliches Weſen
ſtellte ſich ihr entgegen: daſſelbe, welches aus den Tie-
fen des Tartaros heraus den Typhaon erzeugt und der
3)
[310] Pythiſchen Delphyne zur Erziehung uͤbergiebt 1, eine
naͤchtliche Herrſcherin der wuͤſten und ungeordneten Na-
tur, welche der dichteriſche Mythus Hera nannte.
Dieſe verſagt ihr weites Reich der Geburtsſtaͤtte des
Apollon, und zwingt Leto, in peinigender Geburtsangſt
lange uͤber Erd und Meer zu irren, bis ſie auf der
ſteinigen Inſel Delos anlangt.
Was nun Leto ſelbſt betrifft: ſo iſt wohl nicht zu
zweifeln, daß ſie die Dunkele und Verborgene ſei, nicht
eben als phyſiſche Nacht, wie Manche erklaͤren 2, ſon-
dern als noch ruhende und unſichtbare Gottheit, aus
welcher die ſichtbare mit energiſcher Klarheit hervor-
tritt. Davon uͤberzeugt ſowohl die Etymologie (von
λαϑεῖν, latere) als die Heſiodiſche Theogonie, welche
beſonders im Reiche der Titanen zwar Vieles erſt
durch freie Dichtung ergaͤnzt und verbunden, aber An-
deres auch wieder aus ſchon vorhandenen Cultus-Sa-
gen geſchoͤpft hat, namentlich die Genealogie der Ti-
tanen Koͤos und Phoͤbe ſicher aus Delphiſchen und
Deliſchen Lokalmythen. Phoͤbe und Koͤos zeugen die
Leto im dunkeln Peplos (κυανόπεπλον). die ſtets
milde, den Menſchen und den unſterblichen Goͤttern
ſanfte Goͤttin, die Mutter der lieblichſten Kinder un-
ter allen Uranionen, und alsdann die wohlnamige
Aſterie, die der Titan Perſes in ſein Gemach fuͤhrt,
und mit ihr die Hekate zeugt. Phoͤbe iſt die helle und
reine, Koͤos der brennende und leuchtende 3, Aſteria
[311] ein Geſtirn 1, und auch Perſes kann nichts als der
Strahlende heißen. Alle dieſe Weſen ſtehen alſo der
Leto entgegen, und ihr Verhaͤltniß kann nichts an-
deres als ein Heraustreten aus Finſterniß in Licht und
ein Zuruͤckgehen aus dieſem in jene bedeuten, welches
die genealogiſche Sage mit einer gewiſſen Breite aus-
fuͤhrte. Wie endlich durch die Geburt des Apollon und
der Artemis die perſoͤnliche Gottheit eintritt: ſo bleibt
auf der andern Seite Hekate, die Tochter der Aſteria
von Perſes oder Zeus, als ein Reſt der titaniſchen Na-
turwelt, ſtehn, welche ebenfalls im Deliſchen Cultus
vorkam, da ein Inſelchen in der Naͤhe Hekatesneſos
hieß 2.
3.
Das Eiland Delos ſelbſt ward in den Kreis
ſymboliſcher Darſtellung gezogen. Pindar nannte in
einem Proſodion auf Delos die Inſel “des Meeres
Tochter, des breiten Landes unerſchuͤttertes Wunder,
welche die Sterblichen Dalos nennen, die Seligen aber
im Olymp das weitberuͤhmte Geſtirn der dunkeln Erde”,
und ſang ausfuͤhrlich, wie das von Wogen und Win-
den getriebene Eiland, als Lato es betrat, durch vier
erzfuͤßige Saͤulen an die Wurzeln der Erde feſtgebun-
den wurde. Der Mythus von dem Umherſchwimmen
der Inſel — der indeß juͤnger iſt als der Hymnus des
blinden Saͤngers von Chios 3 — ſoll wohl nur den
unruhigen und unſteten Zuſtand bezeichnen, welcher der
Ordnung und Klarheit zuvorging, die das Erſcheinen
des Gottes bewirkte. Von da an ſteht Delos feſt und
unerſchuͤttert, und kein Erdbeben kann ſie bewegen, da-
her ganz Griechenland erſchrak, als ſie vor dem Per-
[312] ſiſchen Kriege wirklich erbebte 1. Alles dies be-
ruhte indeß keineswegs auf Naturbeobachtungen, ſon-
dern wurde durch religioͤſe Ideen als nothwendig po-
ſtulirt. Durch “das Geſtirn der dunkeln Erde” aber
deutet Pindar trefflich auf die Ideenreihe, in welcher
Delos, (das ſelbſt davon den Namen traͤgt,) die reine,
helle, ſtrahlende Inſel iſt, die darum ja auch von
aller Befleckung gereinigt, und von allen Leichen frei-
gehalten werden muß, deren Anblick dem Gotte durch-
aus verhaßt iſt. Dieſer Gedanke brachte auch die
Sage hervor, daß Aſteria, die Titanin, ſich ins Meer
geſtuͤrzt habe und zur Inſel verſteinert ſei.
4.
Die Geburt des Apollon war als der Wende-
punkt des idealen Mythenkreiſes ohne Zweifel ſchon in
alten Hymnen beſungen, die durch ernſte Einfachheit
ſich von der heiteren Blume des Homeridiſchen Geſan-
ges ſehr unterſcheiden mochten. Ein ſolcher Hymnus,
den man dem Olen beiſchrieb, war an Eileithyia ge-
richtet, deren Verehrung ſammt dem uͤbrigen Cult,
als integrirender Theil deſſelben, von Knoſſos, wie
oben bemerkt, nach Delos und von da weiter nach
Athen heruͤberkam 2. Olen nannte ſie die Wohlſpin-
nende (εὔλινος), womit er wahrſcheinlich, denn ein bloß
[313] ſchmuͤckendes Beiwort fand ſicherlich in ſo alten Hym-
nen keine Stelle, auf Wachsthum des embryoniſchen
Menſchen zielte: wie die alten Orphiker in ihren Do-
riſchen Hymnen den Menſchenſamen μίτος nannten,
und die Entſtehung des Kindes dem Knuͤpfen eines
Netzes verglichen 1. — Wenn aber Olen die Eileithyia
auch Mutter des Eros nannte: ſo trat ſeine Dichtung
einen Schritt uͤber den eigentlichen Kreis des Apollon-
dienſtes hinaus, und identificirte wahrſcheinlich die
Ἀφϱοδίτη ἀρχαία, deren Altar Theſeus auf Delos ge-
baut haben ſoll 2, mit jener Geburtsgoͤttin. Auf jeden
Fall erklaͤrt die Verpflanzung dieſes altattiſchen Cultus
auf die heilige Inſel und der Connex, in welchen er
mit dem Deliſchen Dienſte trat, die Erwaͤhnung des
Eros in jenem alten Hymnus.
Neun Tage und neun Naͤchte rang Leto in hoff-
nungsloſen Geburtswehen; es umſtanden ſie huͤlfreich
die Titaniden Dione, Rhea, Themis und Amphitrite,
die endlich auch nach dem Homeridenhymnus die Eilei-
thyia durch das Verſprechen einer neunellenlangen,
an goldne Faden gereihten Halsſchnur herbeiziehen.
Da faſſen Leto die Wehen, ſie wirft die Arme um die
Palme und geneſet des goͤttlichen Sohnes. — So
ſcherzhaft der Dichter das Motiv der Huͤlfe behandelt,
die Eileithyia leiſtet: ſo ſind doch die davon verſuch-
ten “kosmiſchen” Erklaͤrungen allzu kuͤnſtlich und ge-
ſchraubt. Wahrſcheinlich weihten in Delos ſchwangere
Frauen der Eileithyia Halsbaͤnder (die fuͤr dieſen Zu-
ſtand einige Bedeutung hatten); wie die Woͤchnerinnen
in Athen ihre Bilder (ſo ſcheint es nach Pauſanias)
von oben bis unten mit Binden umwickelten.
[314]
5.
Die Lokalitaͤten dieſer Geburt waren in Delos
ſehr genau beſtimmt, da man von einem ſo wichtigen
Ereigniß gern die kleinſten Umſtaͤnde wiſſen mochte.
Man muß ſie an der Stelle ſuchen, wo das im Som-
mer anſchwellende Fluͤßchen Inopos aus dem Berge
Kynthos hervorſtroͤmt 1. Hier lag ein kreisfoͤrmiger
baſſinartiger Teich (die λίμνη τροχόεσσα), deſſen Ge-
ſtalt oft mit Bedeutſamkeit erwaͤhnt wird 2. Dabei
wuchſen zwei heilige Baͤume, die Palme und die Olive,
welche ſonſt eben nicht zu den heiligen Baͤumen Apol-
lons gezaͤhlt werden, da die erſtere faſt gar nicht, und
die zweite nur durch Pflege im eigentlichen Griechen-
lande gedeiht. Es konnte ſich auch nur das Deliſche
Heiligthum der Palme ruͤhmen, und die Tegyraͤer in
Boͤotien mußten, um ein aͤhnliches Andenken bei ſich
zu haben, ſehr willkuͤhrlich eine Quelle Phoͤnix nennen:
dagegen von Delos der Gebrauch des Palmzweiges bei
Agonen ausging 3.
Durch des Gottes Geburt ſah ſich das Eiland fuͤr
ſo geheiligt an, daß auch ferner kein lebendes Weſen
daſelbſt ſo wenig geboren werden als ſterben durfte 4.
Jede ſchwangere Mutter mußte nach dem nahen Rhe-
neia hinuͤbergeſchafft werden. So zeigt der Gott ſeine
Abneigung vor der gebaͤrenden Fuͤlle der Natur, die
mit gleicher Luſt am Produciren Wuͤſtes und Unreines,
wie Reines und Schoͤnes ſchafft, und wendet ſich vor
[315] ihr als etwas Befleckendem ab. Das Verbot, Hunde
zu halten, hat denſelben Grund 1.
Im Ganzen iſt ſchon bemerkt, daß wir die Deli-
ſchen Sagen keineswegs alle fuͤr beſonders alt und
treubewahrt halten, und zur Hauptquelle fuͤr die Er-
kenntniß der Idee des Apollon kaum machen moͤchten.
Es ſind in ihnen wenige Begriffe faſt zu ſtark ausge-
fuͤhrt, das Meiſte dreht ſich in engem Kreiſe um die
Verherrlichung der Inſel ſelbſt, manche Erfindungen,
wie die der ſchwimmenden Inſel, ſcheinen aus Joniſchem
Leichtſinne hervorgegangen zu ſein, ſintemal dieſer
Volkſtamm auch in der Sage das Ueberlieferte minder
ſtreng feſt hielt als der Doriſche. Doch ſind ſie die
einzigen uͤber die Geburt des Gottes uͤbrigen; den wir
nun weiter geleiten wollen.
6.
Nach Delphi gelangt Apollon, der Attiſchen
Sage zufolge, von Delos uͤber Attika und Boͤotien,
im Homeriſchen Hymnus aber von den noͤrdlichen Ge-
genden, doch ebenfalls uͤber Boͤotien; in andern Sa-
genkreiſen von den Hyperboreern aus. Bald trug Leto
die beiden Kinder, Apoll und Artemis, noch auf dem
Arme, als ſie der Drache Python anfiel 2, und die
Mutter rettet ſich auf einen heiligen Stein bei der
Platane zu Delphi 3; bald iſt Apollon bei dieſer That
ein Knabe,
[316]
Noch im leichten Gewand, noch geringelter Locken ſich freuend 1;
und dem gemaͤß ſtellte ein Delphiſcher Knabe, deſſen
Vater und Mutter lebten, die Begebenheiten des Got-
tes am großen Feſte deſſelben dar. Immer aber war
die Erlegung des Python das Hauptereigniß des hei-
ligen Mythus, der entſcheidende Moment, wenn auch
der Ferntreffer an ihm zuerſt die Bogenkunſt uͤbte 2.
Der Gott bemaͤchtigte ſich dadurch der Orakelkluft,
aus welcher fruͤher Gaͤa ſelbſt in dunkeln Toͤnen ge-
ſprochen hatte. Nicht gutwillig aber weicht ſie den An-
ſpruͤchen des jungen Gottes, den ſie nach Pindar ſelbſt in
den Tartaros zu ſtoßen ſuchte 3. Der Waͤchter des
alten Erdorakels 4 und ein Kind der Erde ſelbſt, ent-
ſtanden aus dem erwaͤrmten Schlamme, der von der
allgemeinen Fluth zuruͤckgeblieben, iſt die Schlange Py-
thon, in einer dunkeln Thalſchlucht bei dem Born Ka-
ſtalia hauſend 5, wo ſie auch ein anderes Ungeheuer
ernaͤhrt hatte, den Sohn der zornigen Hera, Typhaon.
Der Gegenſatz, welcher den Kampf hervorbringt, iſt
wohl deutlich. Die Schlange gilt hier wie oft als tel-
luriſches Weſen, und repraͤſentirt jede rohe und maaß-
loſe Ausgeburt der Natur; deren prolifike Kraft auch
im Namen des Python, Delphyne 6, bezeichnet ſcheint,
den man am natuͤrlichſten von δελφὺς, δελφύα, Baͤr-
mutter, ableitet. Davon hat auch das fruchtbare und
ſich ſchnell vermehrende Schwein den Namen δέλφαξ;
[317] deſſen ſaftvolle und erdwuͤhlende Natur in dem agra-
riſchen Dienſte von Eleuſis geeignet ſchien, bei myſte-
rioͤſen Feierlichkeiten und namentlich beim Kathodos die
Perſephone vorzuſtellen. Gleicherweiſe wird von δελ-
φὺς auch δελφὶν hergeleitet, den die deutſche Sprache
nach derſelben Analogie Meerſchwein nennt 1, darnach
ſollte auch dieſes Thier zu denjenigen gehoͤren, welche
Apollon verabſcheut. Es muß daher befremden, wenn
wir das Entgegengeſetzte finden, wenn der Gott ſelbſt,
um ſeine Kreter nach Kriſſa zu geleiten, die Geſtalt
eines Delphins annimmt, wenn Delphine den Saͤn-
gern ihren Ruͤcken als Nachen bieten, und, modern ge-
ſagt 2, uͤberhaupt als Symbole der Humanitaͤt im Ab-
grunde des Meers erſcheinen 3. Vielleicht loͤst ſich dieſe
ſcheinbare Inconſequenz der alten Symbolik — die die
Delphyne dem Apollon feindlich, den Delphin befreun-
det ſetzt, — ſo. Auch die Delphine wurden urſpruͤng-
lich ihrer Geſtalt wegen als die ſeltſamſten Ungethuͤme
und Scheuſale angeſehn, die aus dem Abgrund der
Feuchte hervorgequollen (πέλωρ μέγα τε δεινόν τε im
Homer. Hymnus). Doch auch ſolche muͤſſen der Kraft
u. Ruhe des ordnenden Gottes weichen, u. gezaͤhmt ſei-
nen Winken folgen, zu deren Ausfuͤhrung ſie als die
ſchnellſten Thiere des Meers nach der Meinung der
Alten beſonders geeignet ſchienen 4. Nun ſpielen die
Graͤuel der Tiefe harmlos auf der beruhigten und hei-
tern Oberflaͤche, und bilden um den Gott ſelbſt oder
ſeine Saͤnger einen Chorreigen; auch ſchoͤnen Knaben
[318] ſind ſie freundlich zugethan, wie in der Kunſt gern dem
Lieblichen und Zarten das Groteske und Ungefuͤge bei-
geordnet wird. — So blieb ja auch ſelbſt der orakel-
bewachende Drache, obgleich bezwungen, doch noch als
eine Erinnerung des alten Streits und des Sieges des
Gottes uͤber, und lag bei dem Erdſpalte an den Fuͤ-
ßen des Dreifußes im innern Adyton 1.
7.
Nach Vollendung des Kampfes mit dem Py-
thon 2 bricht Apollon den Lorbeer ſich ſelbſt zum Sie-
gerkranze 3: auch ſtimmt er wohl nach alter Sage
hier zuerſt den Paͤan als Triumphlied an. In der
dramatiſchen Weiſe, wie die Delpher die Schickſale des
Gottes darſtellten, trat hier der Νόμος Πύϑιος ein,
der ſich aus alten und einfachen Anfaͤngen zu hoher
Kuͤnſtlichkeit entwickelte und durch Timoſthenes zu einer
großen muſikaliſchen Compoſition wurde 4, die man,
[319] dem alten Brauch entgegen, ohne Geſang mit Floͤten,
Kitharn, Trompeten ausfuͤhrte. Damals war die Dar-
ſtellung deſſelben ein Meiſterſtuͤck von Virtuoſen und
ein Kunſtwerk fuͤr ſich: ehemals wohl nur ein noth-
wendiger Theil des Ganzen, ſo daß der Delphiſche
Knabe, welchem die Rolle des Apollon bei dem Kampfe
mit Python uͤbertragen war, auch den einheimiſchen
Chor beim Paͤan und Triumphtanze anfuͤhrte. — Von
dieſen Feſtdarſtellungen haben wir ziemlich ausfuͤhrliche
Nachrichten, aber leider zu ſpaͤte, als daß ſie uns
die aͤltere und aͤchtere Weiſe derſelben uͤberliefern koͤnn-
ten. Zu Plutarchs 1 Zeit wurde bei jeder achtjaͤhri-
gen cycliſchen Feier 2 auf einem Hofe (ἅλως) nicht ein
hoͤhlenartiges Schlangenlager, ſondern eine Nachbildung
eines fuͤrſtlichen Hauſes errichtet (καλιάς). Durch ei-
nen heimlichen Weg (Δολωνεία) fuͤhrten darauf Frauen
eines Delphiſchen Geſchlechts 3 einen Knaben, dem weder
Vater noch Mutter geſtorben, mit angezuͤndeten Fackeln
hinein, und flohen dann, den Tiſch umwerfend und
das Haus anſteckend, durch die Thuͤre davon.
8.
Obgleich nun die Erlegung des Python als
Triumph der hoͤhern und goͤttlichen Kraft erſcheint: ſo
wird doch der erlegende Gott als befleckt von dem Blute
des Ungethuͤms gedacht, und muß eine Reihe von
Truͤbſalen und Leiden durchwandern. Die Cultusſage
ließ ihn gleich nach der That den heiligen Weg nach
[320] Tempe ziehn, auf dem fortwaͤhrend der den Apollon
darſtellende Knabe als Fuͤhrer einer Theorie einherzog;
die Richtung deſſelben haben wir oben moͤglichſt genau
angegeben 1. Die Hauptbegebenheit auf dieſer Wan-
derung war die Knechtſchaft (ϑήτευσις) bei Admetos
dem Pheraͤer, der ſich der Gott, um die Schuld abzu-
buͤßen, unterzog; auch dieſe ſtellte der Knabe mimiſch
dar, und ahmte wahrſcheinlich nach, wie der Gott als
Hirt und Sklave in den niedrigſten Geſchaͤften ge-
dient 2. Admetos kann der Froͤmmigkeit wegen, die
die Sage an ihm ruͤhmte, zur Ehre gekommen ſein,
einen ſolchen Knecht zu beſitzen; doch muͤſſen wir zwei-
feln, ob uͤberhaupt unter dieſem Namen urſpruͤnglich
irgend ein menſchlicher Heros, und nicht vielmehr, dem
Geiſte des alten Mythus gemaͤß, ein ideelles Weſen
zu verſtehen ſei. Ἄδμητος iſt ein gebraͤuchlicher Bei-
name des Gottes der Unterwelt; ein ſolcher mochte
wie Hekate (ϑεὰ Φεραία) zu Pheraͤ in Theſſalien ſeit
alten Zeiten verehrt werden, dieſem wurde, nach ur-
ſpruͤnglicher Idee, Apollon dienſtbar. Liegt nicht noch
in dem Mythos von der Errettung der Alkeſtis aus
der Unterwelt durch Apollon 3 und Herakles die Hin-
weiſung, daß die Fabel von Admet ſich auf einen Cul-
tus unterirdiſcher Goͤtter bezieht? Man ſang in Grie-
chenland eine alte Naͤnie, Admetos-Geſang genannt,
angeblich zuerſt von Admet beim Tode ſeiner Gattin
geſungen, urſpruͤnglich vielleicht an Ἅδης ἄδμητος ge-
richtet 4. Wie wohl es in den großartigen Zuſammen-
[321] hang der religioͤſen Dichtung, die wir hier behandeln,
paßt, daß der Gott, deſſen innere Klarheit durch den
Kampf mit der unreinen Natur ſelbſt befleckt und ge-
truͤbt iſt, zur Erfuͤllung ſeiner Leiden in das ihm verhaßte
Dunkel der Unterwelt hinabſteigen muß, ſieht Jeder
ein. Nachdem aber die beſtimmte Zeit der Dienſtbarkeit,
die achtjaͤhrige Periode, voruͤber: wandert der Gott zu
dem uralten Altar von Tempe, wo Beſprengungen mit
Lorbeerzweigen und andere Suͤhngebraͤuche die Reinheit
ſymboliſch herſtellen 1. Noch fortwaͤhrend faſtend kehrt
der Geſuͤhnte denſelben Weg zuruͤck bis Deipnias bei
Lariſſa, wo ihn das erſte Mahl erquickt.
9.
Wenig Mythen haben bei ſo vielfachen Um-
wandlungen der Helleniſchen Mythologie die urſpruͤng-
liche Hoheit der Idee und die entſprechende Kraft des
Ausdrucks in ſo unverkennbaren Zuͤgen bewahrt, als
dieſer ſehr alte. Es bedarf keines Scharfſinns zum
Verſtaͤndniß, er ſpricht ſich ſelbſt offen aus, ſobald wir
Sinn fuͤr eigenthuͤmliche, obſchon fremdartige, Geiſtes-
entwickelung genug hinzubringen. Was wir oben aus
alten Beinamen und dem fortwaͤhrend im Helleniſchen
Geiſte lebenden Begriffe als Charakter Apollons ent-
nahmen: iſt hier in energiſche That zuſammengedraͤngt,
die in wenigen großen Momenten, wie Akten eines er-
habenen Drama’s, ſich entwickelt und vollendet.
Schon in fruͤhen Zeiten ging dieſe Delphiſche Cul-
tusſage in die epiſche Poëſie uͤber, wo aber Apollons
Dienſtbarkeit anders motivirt, und als von Zeus uͤber
ihn verhaͤngte Strafe betrachtet wurde, weil er die
II. 21
[322] Kyklopen erſchoſſen, die die Blitze geſchmiedet, mit de-
nen Zeus ſeinen Sohn Asklepios erſchlagen, als dieſer ſich
nicht begnuͤgte, Kranken die Geſundheit wiederzugeben,
ſondern ſelbſt Todte ins Leben zuruͤckrief 1. Doch nen-
nen auch die Dichter zum Theil Pheraͤ als Ort der
Frohne, und deuten dadurch auf die Pythiſche Straße
— und einen großen Eniautos als Zeit derſelben 2,
womit ſie die Delphiſche Periode bezeichnen. Spaͤtere
ſcherzten mit den Ueberlieferungen der ernſthaften Vor-
welt ſo frei, daß ſie den Gott aus bloßer Liebe zum
ſchoͤnen Knaben Admet den Hirtenſtab ergreifen ließen.
Dagegen es vielleicht eine Spur aͤlterer Tradition iſt,
wenn der Bernſtein als eine verſteinerte Thraͤne be-
trachtet wird, die Apoll in der Zeit ſeiner Dienſtbar-
keit in ſeiner alten Heimat bei den Hyperboreern, im
Keltenlande, geweint habe 3.
Dem Kampfe mit Python in der Idee verwandt
iſt der mit Tityos. Dies erdentſproſſene Ungeheuer,
in der den Delphern feindlichen Stadt Panopeus am
heiligen Wege gelagert, taſtet die voruͤbergehende Leto
[323] an: aber ihre Kinder werfen es bald zu Boden und
in den Tartaros hinab, wo ein Geier ihm die ſtets
von neuem wachſende Leber 1, den Sitz gieriger Luſt,
unaufhoͤrlich abfrißt.
10.
Da nun auf dieſe Weiſe die feindliche Seite
der Natur gebaͤndigt liegt, und geordnete Ruhe den
Sieg davon getragen: beginnt Apollon das andere Amt
zu verwalten, um deſſentwillen er auf der Erde gebo-
ren. Er beſteigt den Dreifuß des Pythiſchen Orakels,
um nicht mehr die dunkeln Ahnungen der geheimniß-
vollen Erde, ſondern “Zeus fehlloſen Rathſchluß” 2
und die Geſetze einer hoͤhern Weltordnung den Men-
ſchen zu verkuͤnden. Denn es iſt klar, daß in dieſem
Kreiſe religioͤſer Ideen das Schickſal als Zeus Wille
(Διὸς νόος, Διὸς αἶσα) erſchien, der darum Μοιραγέ-
της hieß: waͤhrend die Epiſche Poëſie, weil ſie die
Goͤtter voͤllig individualiſirte, in den meiſten Stellen
— denn bisweilen ſchimmert jene hoͤhere Anſicht durch
— Zeus dem Schickſal eben ſo unterordnet, wie alle
anderen Einzelweſen. Ueber die Apolliniſche Mantik
aber kann erſt weiter unten geſprochen werden.
21 *
[324]
8.
1.
Vorher wollen wir zeigen, wie mit den Grund-
gedanken dieſer Religion außer dem Mythus auch die
Cultushandlungen in jener Uebereinſtimmung und Har-
monie ſtehen, die das beſte Zeugniß einer organiſchen
Entwickelung und Ausbildung abgiebt; wir wollen ver-
ſuchen, dieſe Uebereinſtimmung moͤglichſt in Begriffen
darzulegen, obgleich freilich anerkannt werden muß,
daß wir eigentlich nur dann, wenn wir ein religioͤſes
Gefuͤhl in uns zu reproduciren im Stande ſind, deſſen
Aeußerungen voͤllig verſtehen koͤnnen.
Was den Opfercult des Apollon betrifft: ſo iſt zu
bemerken, daß in vielen Haupttempeln deſſelben un-
blutigen Darbringungen eine beſondere Heiligkeit und
Wichtigkeit beigelegt wurde. In Delphi weihete man
Kuchen und Weihrauch in heiligen Koͤrben 1, zu Pa-
tara Kuchen in Form von Bogen, Pfeil und Leier, (um
zugleich an den zuͤrnenden wie an den beſaͤnftigenden
Gott zu erinnern) 2; auf Delos ſtand hinter dem
Hornaltare der ſog. Altar der Frommen, dem Apollon
Genetor heilig, auf den man nur Waizen- und Ger-
ſtenkuchen legte: der einzige nach der Sage, an wel-
[325] chem Pythagoras opferte 1. Hier war es auch, wo
man an Feſten Malven und Aehren, die einfachſten
Nahrungsmittel, in den Tempel trug 2: zur Erinne-
rung an primitive Einfachheit und Nuͤchternheit, wie
ſie Epimenides von Phaͤſtos, der Apolliniſche καϑαρτής,
erſtrebte. In Delphi ſollen die Parnaſſiſchen Jung-
frauen dem Apollon, gleich nach der Erlegung des
Python, Erſtlinge der Jahresfrucht dargebracht ha-
ben 3; nichts anders ſind die frommen Gaben der Hy-
perboreer, wie oben bemerkt wurde. Und vielleicht
koͤnnte man den Gebrauch des Attiſchen Herbſtfeſtes
der Pyanepſien damit in Verbindung bringen, einen
mit Wolle umwundenen Oliven- oder Lorbeerſtab, Eire-
ſione genannt, mit Trauben, Fruͤchten und kleinen Ge-
faͤßen voll Honig und Oel zu behaͤngen, und an die
Thuͤre eines Tempels des Apollon zu tragen 4, wenn
nicht hier die Beziehung auf Bakchos, Helios und die
Horen naͤher laͤge 5, die die Ehre dieſes Feſtes mit
Apollon theilten.
2.
Jene Gaben bezeichnen ohne Zweifel den Zu-
ſtand eines reinen und kindlichen Verhaͤltniſſes, wie
das, in welchem die Hyperboreer zum Gotte gedacht
werden, wo es nur eines beſtaͤndigen Anerkennens be-
[326] darf, wie milde und huldvoll uns die Gottheit beſchuͤtzt
und ſchirmet. — Wie aber der reine Gott ſelbſt ſich
mit Blut beflecken muß: ſo fuͤhrt es auch das menſch-
liche Leben theils durch die Einwirkung der Natur, theils
durch den Ausbruch unbewachter Leidenſchaft gar oft-
mals herbei, daß die innere Ruhe und Klarheit getruͤbt
und verdunkelt wird. Wenn eine daͤmoniſche und ſinn-
verwirrende Gewalt (Ἄτη) das Gemuͤth zu wilder
That fortreißt, und aus der Bahn des ſichern und ge-
ordneten Thuns auf wuͤſte Abwege treibt: ſo ſehnt ſich
der Menſch, durch einen beſtimmten einzelnen Akt die-
ſem Zuſtande ein Ende gemacht, und ſich von der
ſchmerzlichen Zerriſſenheit des Gemuͤths befreit zu ſehn.
Dies wirkt die feierliche Suͤhne und Reinigung in die-
ſer Religion. Dieſe tritt theils nach einzelnen Hand-
lungen jener Art ein, und gehoͤrt ſo ganz zum alten
Jus sacrum. Dann bedarf ihrer aber auch das gewoͤhn-
liche Leben von Zeit zu Zeit, und darum ſind mit dem
oͤffentlichen Cultus des Gottes Suͤhnfeſte verbunden,
in denen nicht blos der Einzelne, ſondern die ganze
Stadt gereinigt und geſuͤhnt wird. Am paſſendſten
werden dieſe Feſte in den Fruͤhling gelegt, wenn die
Schauer des Winters verſchwunden ſind, und das Leben
von neuem begonnen. Hier aber genuͤgen nicht mehr jene
frommen Oblationen, auch Thieropfer nicht, das Be-
duͤrfniß der Suͤhne ſcheint dem ſchmerzlich bewegten
Gemuͤthe ein groͤßeres Opfer zu fordern. In Athen
wurden an den Thargelien zwei Maͤnner (oder ein
Mann und eine Frau,) mit Blumen und Fruͤchten ge-
ſchmuͤckt, mit duftenden Kraͤutern eingerieben, feier-
lichſt wie Opferthiere vor das Thor gefuͤhrt, unter Ver-
wuͤnſchungen vom Felſen geſtuͤrzt, unten aber wahrſcheinlich
aufgefangen und uͤber die Eraͤnze gebracht. Man nahm
zu dieſen Suͤhnopfern (φαϱμακοί) uͤberwieſene Verbre-
[327] cher, die die Stadt beſonders dazu aufbewahrte und
naͤhrte 1. Das Feſt war allen Joniern gemein,
es kommt ſpeciell in Milet 2 und in Paros 3 vor; die
beſchriebenen Suͤhngebraͤuche beſtanden nach alter Weiſe
auch in der Phokaͤiſchen Colonie Maſſalia 4. Man
ſchlug in Jonien die Suͤhnopfer mit Feigenſtaͤben und
Meerzwiebeln, und ſpielte dazu einen aulodiſchen No-
mos, der von jenen Κραδίης hieß, u. nach Hipponax
Zeugniß von Mimnermos in elegiſchem Maaße behan-
delt wurde 5. Auch in Athen behing man ſie mit Fei-
genſchnuͤren; wahrſcheinlich ſind Feigen und Feigenſtoͤcke
hier Symbol der Untauglichkeit und Nichtswuͤrdigkeit
(σύκινος ἀνήρ). — Wie uralt aber dies ganze Ver-
fahren der Suͤhnung in Griechenland war, haben wir
oben durch die Bemerkungen uͤber den Leukadiſchen und
Magneſiſchen Cult dargethan.
3.
Von den Καϑαρμοῖς, in denen Apollon die
Reinheit und Ruhe wiederherſtellend gedacht wird, ſind
die Ἱλασμοὶ wohl zu unterſcheiden, durch die er ſelbſt
erſt beſaͤnftigt und ſein Zorn abgewandt werden ſoll.
In Sikyon, wo der Dienſt ſehr fruͤh bluͤhte, erzaͤhlte
man, daß Apollon und Artemis nach Pythons Toͤdtung
hier gereinigt zu werden verlangt haͤtten. Aber ein
Schreckbild habe ſie vertrieben, wovon noch ſpaͤter ein
Platz Φόβος hieß, und ſie zogen weiter. Nun befiel
[328] die Einwohner eine Seuche, und die Weiſſager geboten
die Goͤtter zu verſoͤhnen. Sieben Knaben und ſieben
Maͤdchen gehen nun an den Fluß Sythas, mit deſſen
Waſſer ſie ſich benetzen, und fuͤhren darauf die Bild-
ſaͤulen der Goͤtter in den Tempel der Peitho, und
dann in das Heiligthum des Apoll zuruͤck 1. Dieſelbe
Bedeutung hat offenbar das Attiſche Feſt der Del-
phinien (6 Munychion), an welchem ſieben Knaben
und Maͤdchen die ἱκετηρία, den Olivenſtab mit weißen
Wollenbinden, mit demuͤthiger Geberde in das Delphi-
nion trugen 2. Dies geſchah gerade einen Monat
vor den Thargelien: und wahrſcheinlich war dies ka-
lendariſche Verhaͤltniß der Ἱλασμοὶ und Καϑαρμοὶ dem
ganzen alten Griechenlande gemein.
4.
Vereinigen wir naͤmlich die zerſtreuten Notizen
uͤber die Zeit der Feſte, welche unter dieſe beiden
Claſſen gehoͤren, zu einem Ganzen: ſo erhalten wir
folgenden ſehr klaren und einfachen Ueberblick. Voraus
iſt zu bemerken, daß zu Delphi die neun Monate des
Fruͤhlings, Sommers und Herbſtes im Ganzen dem
Apollon heilig waren, und ſo lange der Paͤan die Opfer
begleitete: dagegen die drei Wintermonde der Bakchi-
ſchen Religion geweiht waren, daher in ihnen der Di-
thyramb zu allen Opfern ertoͤnte 3, und daß uͤberein-
ſtimmend damit auch in Athen die Dionyſosfeſte vom
Poſeideon bis Elaphebolion, die Apolliniſchen in andern
Monaten des Jahres lagen.
Im Anfang des Apolliniſchen Jahres alſo, im
erſten Fruͤhlingsmonate, Byſios (d. i. Πύϑιος) zu Delphi,
Munychion zu Athen, kommt Apollon durch die Schlucht
[329] des Parnaß nach Delphi, und beginnt den Kampf mit
der Delphyne. Dann iſt er ein zorniger Gott, und
muß verſoͤhnt werden, daher am 6ten des Monats
das Suͤhnfeſt Delphinia zu Athen, und wahrſcheinlich
auch zu Milet und Maſſalia; auch iſt wahrſcheinlich,
daß es derſelbe Monat war, der in Knoſſos, Aegina
und Tlera Delphinios hieß 1. Den ſiebenten erlegt
Apoll den Feind 2. Der Paͤan wird geſungen. An
dieſem Tage ſprach das Orakel ſeit alter Zeit; ſpaͤter
hielt man ihn auch in Delphi fuͤr den Geburtstag des
Gottes 3. Von dieſem Tage an wandert die Delphi-
ſche Theorie auf Tempe zu; zugleich wurden an ihm
ehemals die Menſchenzehnten nach Kreta abgeſandt 4.
Im zweiten Fruͤhlingsmonate, der Joniſch Thar-
gelion heßt, wird Phoͤbos am Altare zu Tempe ge-
reinigt, und zwar wahrſcheinlich am ſiebenten. Denn
den ſechsten und ſiebenten wird in Athen das große
Reinigung feſt der beiden Goͤtter gefeiert, und zu glei-
cher Zeit Delos luſtrirt, worauf dort ein Freudenfeſt
des Lichtgttes folgt. Nach Deliſcher Sage wurden
Artemis ud Apollon (ἑβδομαγέτης) 5 den 6ten und 7ten
[330] dieſes Monats geboren 1. An demſelben Tage aber,
an welchem der Delphiſche Knabe den Lorbeer bricht,
und ſich zur Heimkehr wendet, trug man aller Wahr-
ſcheinlichkeit nach auch in Boͤotien — und wohl ſonſt
in Griechenland 2 — die luſtrirenden Lorbeerbaͤume
umher, die dem Feſte der Daphnephorien den Namen
gaben 3. — Bald darauf trifft der Fruͤhaufgang der
Pleiaden (pr. id. Maias nach Eudoxos Angabe)4, wor-
auf nach Heſiod die Erndte beginnt; dann verlaͤßt
Apoll, wie oben nach Diodor und Bildwerken bemerkt
wurde 5, mit den erſten Aehren beſchenkt, die Hy-
perboreer, und erſcheint in milder und heiterer Geſtalt
zu Delphi.
Sollte der Tag des Fruͤhaufgangs der Pleiaden
in ein regelmaͤßiges Verhaͤltniß treten zu den vorher-
gegangenen Feſte: ſo konnte dies nur durch Cyclen be-
werkſtelligt werden, die Monden- und Stenenjahr in
Uebereinſtimmung brachten. Nun lag die Benerkung nah,
daß immer nach 99 Mondenmonaten jener Fuͤhaufgang
ziemlich genau mit derſelben Phaſe des Mondes coin-
cidire; darnath bildete man die ennaeteiſche Pe-
[331]riode, und ordnete nach ihr die großen Apollo-Feſte
von Delphi, Kreta, Theben ſeit uralter Zeit an 1.
5.
Die bis hieher gegebenen Data uͤberzeugen von
einem ungemein conſequenten Zuſammenhange und einer
ſinnvollen Ordnung der Apolliniſchen Suͤhnfeſte, ſie ge-
ben Fragmente eines Feſtkalenders, der ehemals gewiß
noch in ſich geſchloſſener war, aber durch die mannig-
fache Combination des Griechiſchen Cultus auseinander
geriſſen und zerſtuͤckelt wurde. Beſonders iſt in den
Attiſchen Feſten Alles ſehr durcheinander geworfen,
auch iſt oft daſſelbe Feſt gleichſam verdoppelt, und fin-
det ſich in verſchiedenen Abſchnitten des Jahres. Ein
merkwuͤrdiges Beiſpiel bietet ſich gleich hier dar. Wie
Munychion und Thargelion in der zweiten Jahreshaͤlfte
nebeneinander ſtehen, ſo Boedromion und Pyanepſion
in der erſten. Der ſechste Boedromion iſt nun der Ar-
temis Agrotera, der ſiebente ohne Zweifel dem Apollon
Boedromios heilig, dem ſtreitbaren, kampfruͤſtigen Gotte,
der alſo in der Idee dem Delphinios, das Feſt den
Delphinien entſpricht. Die Pyanepſien aber ſind den
Thargelien ſehr aͤhnlich; die an ihnen umgetragene Ei-
reſione 2 erinnert an Daphnephorien, nur dae, wie
oben ſchon bemerkt, Dionyſos-Religion von Naxos her-
uͤber — denn Theſeus ſoll ſie nach der Heimkehr von
den Inſeln geſtiftet haben — hineingemiſcht iſt, die fuͤr
ſich in den damit verbundenen Oſchophorien hervortritt.
So entſprechen ſich denn alſo dieſe vier ἑβδόμαι des
Jahrs auf dieſe Weiſe:
[332]
- 7 Munychion — 7 Boedromion.
- 7 Thargelion — 7 Pyanepſion.
6.
Wir wenden uns von dieſen allgemeinen Suͤhn-
feſten zu den Suͤhnungen, welche der Apolliniſche Cul-
tus jedem Blutbefleckten beſonders bot 1. Wir be-
merkten ſchon oben ſolche Anſtalten mit den Heiligthuͤ-
mern Taͤnaron, Troͤzen, der Branchiden verbunden; und
eine gleiche war auch zu Deiphi, von der uns beſon-
ders der Mythus des Oreſtes Nachricht giebt, wie
ihn Aeſchylos behandelt, wo Apoll als Leiter der Blut-
rache und als Suͤhner derſelben zugleich erſcheint. Der
Muttermoͤrder nimmt unmittelbar nach der That einen
Oelzweig mit Wollenbinden (ἱκετηϱία) 2, und flieht
wie ein geſcheuchtes Wild 3 nach Delphi, wo der Gott
ſelbſt ſeine mit Blut befleckten Haͤnde durch Schweine-
opfer und Ablutionen reinigt 4, und dadurch die Erin-
nyen von ihm entfernt; zu deren Abwehr er ihm auch,
[333] nach Steſichoros, Bogen und Pfeil gegeben hatte 1.
Die Reinigung wird auch nach dem uralten Tempel
des Apollon bei Troͤzen verlegt 2, hinter dem man ein
Haus zeigte, σκηνὴ Ὀρέστου genannt, wo er, von
aller Welt abgeſondert, einem Miſelſuͤchtigen zu ver-
gleichen, lange Zeit gelebt habe (ἐνιαυτίζειν), bis ihn
die Kretiſchen Prieſter endlich ſuͤhnten (ἀφαγνίζειν).
Aus den in der Naͤhe vergrabenen Mitteln der Reini-
gung (λύματα) wuchs nach der Sage des Orts
ein Lorbeer auf. — Dann erſt laſſen die Attiſchen
Dichter ihn nach Athen gehen, und ſich unter Anwald-
ſchaft des Gottes vor den Areopag ſtellen, vor dem
auch Kephalos in aͤhnlicher Lage geſtanden 3. — In
Athen waren, wie oben angedeutet, ebenfalls Suͤhn-
gebraͤuche des Apolliniſchen Cultus mit den Blutge-
richten verknuͤpft, und die ariſtokratiſchen Epheten hat-
ten beides, die Gebraͤuche der Katharſis und das Richt-
amt, in Haͤnden. Es waren 51 Maͤnner aus edlen
Familien 4, welche ehemals in fuͤnf Gerichtshoͤfen, alſo
auch ἐν Ἀρειοπάγῳ, uͤber alle Art von Todtſchlag rich-
teten 5; Solon trennte wahrſcheinlich erſt den Areopag
davon, als timokratiſches Gericht uͤber beabſichtigten
Mord, und gab ihm große politiſche Macht, aber ohne
religioͤſe Bedeutung, die er nicht geben konnte: die
[334] Epheten behielten nun blos noch das Richtamt uͤber
unvorſaͤtzlichen oder rechtmaͤßigen Todtſchlag, und andere
unbedeutendere Faͤlle; ſo blieben ſie als ein Ueberreſt
alter Rechtsformen in veraͤnderten Umgebungen ſtehn.
In Betreff der Suͤhnung aber iſt der Vorgang der
Sache kuͤrzlich der. Gleich vornweg muß man voͤllig
den vorſaͤtzlichen Moͤrder, der entweder auf immer das
Vaterland meidet und Recht und Habe darin verliert,
oder den Geſetzen anheim faͤllt, ſondern von dem, der
ohne Vorſatz oder mit irgend einem Rechte getoͤdtet,
was durch ein Urtheil der Epheten ausgeſprochen wer-
den muß. Ein ſolcher verließ darauf auf einem be-
ſtimmten Wege und fuͤr eine beſtimmte Zeit das Vater-
land, in welcher er auch von oͤffentlichen Nationalorten
fern bleibt (ἀπενιαυτισμός) 1. Nachher fand Verſoͤh-
nung mit den Verwandten oder gewaͤhlten Phratoren
ſtatt, doch nur dann wenn dieſe wollten 2, und immer
nur bei Todtſchlag der zweiten Art 3; der Ausdruck
dafuͤr iſt αἰδέσασϑαι, weil ein ſolcher Moͤrder ein Un-
gluͤcklicher und darum nach althelleniſcher Anſicht Ehr-
wuͤrdiger iſt. Dann loͤsten Opfer und Suͤhngebraͤuche
den Thaͤter von allem Flecken; er iſt ἁγνισϑείς, und
[335] das μῦσος abgewandt. In aͤlterer Zeit fand die Rei-
nigung wohl immer außerhalb der Heimat, oft in den
aͤlteren Sitzen des Geſchlechts ſtatt; in Athen nach der
Ruͤckkehr. Hier waren natuͤrlich die Faͤlle ſuͤhnbaren
Mordes weit ſeltener als in altheroiſcher Zeit, da bei
weniger geordneten Staatsverhaͤltniſſen und engeren
Familienbanden weit mehr Veranlaſſungen und Ent-
ſchuldigungen des Todtſchlages waren. Damals muß-
ten daher Inſtitute von doppelter Wichtigkeit ſein, wel-
che die furchtbaren Wirkungen einer ungluͤcklichen That
zu hemmen, den innerlich Zerruͤtteten ſelbſt zu beruhi-
gen, und der nie raſtenden Blutrache Graͤnzen zu ſetzen
beſtimmt waren 1.
Durch dieſe alte Verbindung der religioͤſen Expia-
tionen und der Eriminal-Gerichtsbarkeit erklaͤrt ſich,
wie Apoll in Athen allgemeiner Gerichtsvorſtand ſein
konnte, daher vor jedem Gerichtshofe die Statue eines
Wolfes 2. Und eben deswegen ſtellte man ihn in Te-
nedos mit dem Doppelbeil bewaffnet dar, mit dem auf
dieſer Inſel Ehebrecher gerichtet wurden 3.
7.
Ich beruͤhre eine dritte Claſſe von Reinigungen
mit wenig Worten, die ganz lokalen von Haͤuſern, Or-
ten oder Gegenden, denen ebenfalls Apollon vorſtehend
geglaubt wurde 4, daher ſie auch Teireſias, der Pro-
phet des Ismenions zu Theben, verſieht 5, wie ſpaͤter
[336] noch Epimenides als Kretiſcher Apollodiener Athen (nach
Ol. 46, 1.) und Delos (noch fruͤher) 1 reinigen mußte.
Von Delos iſt dies die erſte bekannte Reinigung, die
zweite iſt die von Peiſiſtratos veranſtaltete (gegen Ol.
60.), die dritte die von Athen fuͤr die ganze Inſel
vorgenommene (Ol. 88, 3.), bei dieſer wurde die In-
ſel ganz von den dem Gotte verhaßten Leichen be-
freit 2.
Bei allen dieſen Gebraͤuchen kommt haͤufige An-
wendung des Lorbeers (der δάφνη Ἀπολλωνιάς) 3
vor, dem bei Beſprengungen ſowohl als Umtragungen
eine averruncirende Kraft beigemeſſen wurde 4. Zu-
gleich aber diente dieſer Baum [nach] mannigfach bei der
Weiſſagung; ein Zweig davon bezeichnete in alter Zeit
den Propheten 5 und den Gott ſelbſt als ſolchen 6, dem
daher auch von Einigen die Κορυϑάλεια 7, der Lor-
beer ſelbſt, nebſt der Ἀλήϑεια, der Erfuͤllung 8, zu
Ammen gegeben werden. Warum dem Lorbeer dieſe
Kraft und Wirkung zugetheilt wurde, iſt ſo dunkel als
die Urſpruͤnge der alten Symbolik uͤberhaupt. Ob es
der Anblick des immergruͤnen Baums in ſeiner ſchlan-
[337] ken gradaufſtrebenden Geſtalt mit den metallglaͤnzenden
Blaͤttern allein war, der an den Gott heiterer Kraft
erinnerte? Das Lokal von Tempe, wo auch jetzt die
Pflanze noch reichlich wuchert, trug gewiß viel zur
religioͤſen Sanction des Symbols bei 1: daher auch
die Liebe des Gottes zur Daphne oft an den Peneios
geſetzt wird 2. Ueberhaupt aber liebt Apollon Haine,
beſonders aus wildwachſenden Baͤumen, Lorbeer, Olea-
ſter u. aa.; die friſche Kuͤhle und das heilige Schwei-
gen ſchien eine paſſende Vorbereitung zum Eintritt in
das Heiligthum 3.
8.
Warum Apollon Weiſſagegott iſt, und wie dies
Amt mit ſeinen uͤbrigen zuſammenhaͤngt, iſt Vielen
raͤthſelhaft geweſen, und man hat ſich oft begnuͤgt,
eine zufaͤllige Vereinigung der Kithariſtik, Mantik,
Bogenkunde anzunehmen, ſtatt daß man das Princip
derſelben nachgewieſen haͤtte. Dies verheißen wir zwar
auch nicht zu leiſten, aber denken doch, durch Entfer-
nung ſtoͤrender und verwirrender Begriffe, der urſpruͤng-
lichen Idee Apolliniſcher Weiſſagung naͤher zu kommen.
Weiſſagung iſt Angabe des Geſchicks, welches nach der
religioͤſen Anſicht Zeus verhaͤngt. Das Geſchick aber
iſt die Gewalt, welche jeglichem Dinge ſeine Natur,
ſeinen Stand, ſein beſtimmtes und umſchriebenes Sein
anweist. Eine Thaͤtigkeit, welche dieſer Natur, die-
ſem Daſein angemeſſen iſt, nennt der alte Grieche eine
II. 22
[338] gute, die umgekehrte eine boͤſe. Dies laͤßt ſich am
ſicherſten aus dem Sprachgebrauche von Μοῖρα und
Αἶσα ſelbſt erkennen. Nach Homer iſt es ſelbſt moͤg-
lich, daß Jemand gegen das Geſchick handle: da fuͤr
das einfache Gefuͤhl allerdings der rechte Lauf der
Dinge durch Willkuͤhr unterbrochen werden zu koͤnnen
ſcheint. Dieſen rechten Lauf der Dinge nun, nach dem
erfuͤllet wird, was in der Natur der Sache liegt, ver-
kuͤnden die alten Orakel, und nur ſo erklaͤrt ſich der
Sprachgebrauch, warum die Spruͤche Apollons Θέμι-
στες, Ordnungen, heißen 1. Apollon giebt an,
was in jeglichem Bezuge ϑέμις ſei. Nun muß es frei-
lich wunderbar ſcheinen, daß man nicht zu ſolchem
Endzwecke eine ruhige Ueberlegung fuͤr das beſte Mit-
tel befand, und das Orakel von einer Frau im Zu-
ſtande der Ekſtaſe ausgeſprochen werden mußte. Aber
erſcheint nicht auch in den aͤlteren Zeiten der Griechi-
ſchen Philoſophie jede neue und tiefe Erkenntniß als
ein Werk ploͤtzlicher Erleuchtung und Ekſtaſe; oft von
wunderbaren Umſtaͤnden begleitet? und mußte nicht
das Gemuͤth jener Zeitalter von ſelbſt in dieſen Zuſtand
verſetzt werden, wenn es ſich der individuellen Be-
ſchraͤnkung zu entziehn, und in dem Geſchehenen das
Walten der Goͤtter zu erkennen ſtrebte? Die Mittel,
um dieſe Begeiſterung zu befoͤrdern, der Hauch der
Kluft, das Kaͤuen des Lorbeers, das Trinken des
Quellwaſſers, ſind von hoͤchſt unſchuldiger Art. Indeſ-
ſen ſtehn wir nicht in Abrede, daß fruͤh die aͤußere
Form ein bedeutungloſes Spiel wurde, waͤhrend poli-
[339] tiſcher Verſtand das Orakel zu leiten fortfuhr. Daß
eine Frau der Mund des Gottes werden mußte, hat
erſtens in der den Doriern eigenthuͤmlichen Schaͤtzung
der Frauen, dann in der von den Alten oͤfter bemerk-
ten Neigung des weiblichen Geſchlechts zu ekſtatiſchen
Zuſtaͤnden ſeinen Grund. Auch ſonſt ſind mit Apollon-
tempeln haͤufig Prophetinnen verbunden, wie ſchon in
mythiſcher Zeit Manto bei dem Ismeniſchen und Kla-
riſchen, und Kaſſandra bei dem Thymbraͤiſchen Heilig-
thume, mit denen die Sibyllen zunaͤchſt verwandt ſind,
in deren Spruͤchen — nach einzelnen Andeutungen zu
ſchließen — ein ſtrenger Geiſt geweht zu haben ſcheint,
der das Ueberwallen des freudigen Muthes durch An-
kuͤndigung der goͤttlichen Gerichte baͤndigte und be-
ſchraͤnkte. Sehr bezeichnend ſagt der alte Herakleitos
von Epheſos: mit raſendem Munde kuͤndet die Sibylla
freudeloſe, ungezierte und ungeſalbte Reden, aber des
Gottes voll 1. Derſelbe ſagt von der Weiſſagung zu
Pytho: der Gott, daß das Orakel iſt zu Delphen,
ſagt weder noch verbirgt er, ſondern er zeigt an 2, wo-
mit wenigſtens der haͤufigen Vorſtellung von einer ge-
ſuchten Ambiguitaͤt dieſer Orakel widerſprochen wird.
Ueberhaupt aber mußte dieſes Inſtitut ſehr an
Wuͤrde des Charakters verlieren, als es ſich herabließ,
die verfaͤnglichen Fragen, mit denen Kroͤſos die Grie-
chiſchen Orakel verſuchte, auf Schleichwegen zu loͤſen,
um der reichen Geſchenke und Spenden willen, mit de-
nen der Lydermonarch Tempel und Stadt bedachte.
Ein Grieche haͤtte es in fruͤherer Zeit nicht gewagt,
22 *
[340] dem Heiligthume anders als mit dem groͤßten Zutrauen
zu nahen, das faſt den ganzen politiſchen Zuſtand des
Landes geordnet, die Colonien geleitet, die Gottesfrie-
den geſtiftet, Lykurgs Geſetzordnung eingefuͤhrt u. ſ. w.
Da hatte der Gott meiſtentheils nicht zu ſagen, was
geſchehen wuͤrde, ſondern was geſchehen ſollte, und
verkuͤndete oft ein nicht von ihm unabhaͤngiges, ſondern
durch ſeine Spruͤche ſelbſt herbeigezogenes Schickſal.
Inſonderheit waren alle Dorier in einem gewiſſen Un-
terthanenverhaͤltniß zum Pythiſchen Tempel; und ſo
lange dieſer Stamm das Principat von Hellas hatte,
galt die μεσόμϕαλος ἑστία mit dem ewigen Feuer 1
zu Pytho in der That fuͤr das Prytaneion und den
religioͤſen Mittelpunkt des ganzen Hellenenvolkes 2.
9.
Uebrigens wurde im alten Griechenlande keines-
wegs alle Weiſſagung von Apollon abgeleitet, ſondern
nur ſolche, die aus einer Seelenerleuchtung und See-
lenerhebung hervorgeht, welche das in hohem Sinn Ge-
dachte auch aͤußerlich als nothwendig poſtulirt. Jener
ſchwaͤrmeriſche Seelenzuſtand, in den kuͤhle Grotten
mit ihren rinnenden Waͤſſern, toͤnendem Wiederhall, rau-
ſchendem Luftzuge das empfindſame Gemuͤth der Vor-
welt verſetzten, wurde dagegen von den Nymphen ab-
geleitet, und die Bakiden, welche als ντμϕόληπτοι
erſcheinen, haben ſo wenig mit Apollon gemein, als
die Σεληνιακοί, unter denen Muſaͤos genannt wird 3.
Von der Divination aus Beobachtung werden nur
hie und da einzelne Zweige, mehr zufaͤllig als nach
[341] einer beſtimmten Regel, auf ihn bezogen 1, wie die
Blitzdeutung 2, die Vogelſchau 3, die Opferweiſſa-
gung 4, die Deutung aus Looſen, die indeß als eine
untergeordnete Gattung auch wieder von ihm verſchmaͤht
und zuruͤckgeſetzt, oder dem Hermes verliehen wird 5.
Verbinden wir den gewonnenen Begriff von Apol-
lons Weiſſagung mit dem Vorigen: ſo finden wir aller-
dings eine leichte und einfache Anreihung deſſelben.
Apollon unterwirft als goͤttlicher Heros jegliches Wi-
derſtrebende einer goͤttlichen Ordnung und einem hoͤhern
Geſetze; hoͤhere Ordnungen und Geſetze ſind es auch,
die er als Prophet des Zeus ausſpricht. Auch durch
dieſe ſoll uͤberall Ruhe, Klarheit, Harmonie bewirkt
und hergeſtellt, und das Hindernde und Stoͤrende ent-
fernt werden. Der Elaube an eine Geſetzmaͤßigkeit,
deren Vollſtrecker Apollon ſei, lag aller Weiſſagung bei
dieſem Cult zu Grunde.
[342]
10.
Hieran knuͤpft ſich eine verwandte Frage:
warum und inwieweit auch die Muſik zu den Ehren-
aͤmtern (τιμαῖς) des Apollon gehoͤre. Aus den Dich-
tern muß man nicht zu viel ſchließen. Bei den Aeltern
bildet er auf der Kithar (Phorminx) ſpielend oft den
Mittelpunkt eines ſingenden und tanzenden Muſen-
Chors 1, an deren Stelle im Hymnus auf den Pythi-
ſchen Gott zehn Goͤtterfrauen geſetzt ſind, unter denen
Ares und Hermes wie die Kretiſchen κυβιστητῆρες um-
herſpringen, waͤhrend Phoͤbos in ſchoͤngewebtem Ge-
wande zugleich ſpielt und mit ſchnellem Schwunge der
Fuͤße tanzt: denn auch als Taͤnzer wird der Gott ge-
dacht, wie bei Pindar:
Aber aus dieſer dichteriſchen Zuſammenſtellung darf
man keinesweges auf Einheit oder Verbindung der
Muſen und des Apollon im Cultus ſchließen, welche
durchaus nicht nachweisbar iſt: vielmehr hat der Dienſt
der erſtern eine ganz andere Geſchichte 3 und andere
Lokale als der letztere. Auch iſt der Gott bei den aͤl-
teren gar nicht, wie es die Muſen ſind, Vorſtand der
Dichter, und wird nie angerufen, um dichteriſche Be-
geiſterung zu verleihn: nur die Kithariſten ſind unter
ſeiner Obhut. Die Kithar war ſein Attribut auf vie-
len alten Standbildern 4, wie auch auf Delphiſchen
Muͤnzen, ſie iſt ſein altes Eigenthum; die dumpfer toͤ-
nende Lyra mit dem gewoͤlbten Schallboden hat er erſt
[343] von dem erfinderiſchen Hermes erhalten 1, und ſie iſt
ein minder gewoͤhnliches Inſtrument in ſeinen Haͤnden.
11.
Warum aber Apollon die Kithar ſchlaͤgt? Sicher
aus keinem andern Grunde, als weil Kitharmuſik ſeit
uralter Zeit mit ſeinem Dienſte verbunden war: und
dies war ſie wieder, weil ſie ruhige und einfache Har-
monie auszudruͤcken am geeignetſten ſchien; denn eine
feierliche Ruhe und Stille der Seele ſucht, wie wir
vielfach bemerken, der Apolliniſche Cultus uͤberall her-
vorzubringen. Am ſchoͤnſten redet Pindar von dem
Gotte, der die Kitharis erfand, und die Muſe ertheilt
wem er will, um friedliches Geſetz in das
Herz einzufuͤhren2. Darauf deuten auch die
goldenen Keledonen, die nach deſſelben Dichters 3 Er-
zaͤhlung vom Dache des ehernen Tempels zu Delphi
herabhingen; ſie ſollen ohne Zweifel die den Sinn be-
zaͤhmende und beſaͤnftigende Gewalt des Gottes anzei-
gen. Beſonders mußte dies die Abſicht der Muſik ſein,
wenn ſie bei καθαϱμοῖς und wenn ſie als ἐπῳδὴ ge-
braucht wurde, wo Leidenſchaften zu beſchwichtigen und
Schmerzen zu ſtillen waren; und grade dies war eine
der wichtigſten Anwendungen derſelben in alter Zeit 4.
Chryſothemis, ein alter Pythiſcher Saͤnger im My-
thus, heißt darum Sohn des Tarrhaͤiſchen Suͤhnprie-
ſters Karmanor 5; wie auch der Kretiſche Dichter Tha-
[344] letas durch Muſik das von Krankheit heimgeſuchte
Sparta reinigte und beruhigte 1. So wandten ferner
die Pythagoreer, die den Apollon mit beſonderer Vor-
liebe verehrten, die Muſik an: als ἐπῳδὴ zur Beſaͤnf-
tigung der Leidenſchaft, als Stimmung des Geiſtes
zur Harmonie, als Arznei des Koͤrpers und Gemuͤths.
Darum zogen ſie die Kithar bei weitem der Floͤte vor 2,
in deren Ton nach griechiſchen Begriffen etwas Aufre-
gendes, Wildes und zugleich Duͤſteres lag, und eben
dies iſt der Grund, warum Apoll die Floͤtenmuſik ſeit
alten Zeiten haßt und verſchmaͤht 3: worauf ſich ſein
Streit mit Marſyas, dem Phrygiſchen Silen und Floͤ-
tenſpieler bezieht, deſſen ſchlauchaͤhnliche Haut, die ihm
der ſtrenge Sieger abgezogen, ſich immer noch zu Ke-
laͤnaͤ nach Sage der Einwohner beim Floͤtentone ſanft
und freundlich bewegte 4. Die Floͤte iſt aber uͤber-
haupt kein altes Inſtrument unter den Hellenen; Ho-
mer kennt ſie blos bei den Troern 5; hernach begleitete
ſie in Griechenland zwar den Komos, den ſchwaͤrmen-
den Feſtzug 6, aber die Kithar behielt lange allein die
Leitung des Chors; noch im Jahrhundert des Alkman
kamen die Floͤtenſpieler meiſt aus Kleinaſien, und ihre
Namen (Sambas, Adon, Telos) 7 hatten daher oft
[345] etwas Barbariſches und Sklaviſches. Am meiſten ge-
fiel dieſe Muſik in den Orten der Dionyſos-Verehrung,
daher beſonders in Boͤotien; noch weſentlicher gehoͤrt
ſie zum Cultus der großen Goͤttin und des Phrygiſchen
Pan 1, daher Pindar, der das Floͤtenſpiel erblich uͤbte,
ein Sacellum der Goͤttermutter und des Pan weihte 2.
— Als ſie nun aber in Griechenland allgemein gewor-
den war, konnte ſie doch auch von einem ſo beruͤhmten
Sitze der Muſik, als Delphi war, nicht ausgeſchloſſen
bleiben, und Apollons Ohren wurden minder faſtidios
gegen ſie. Zwar Alkman und Korinna ſind fuͤr die
Kunſt zu eingenommen, jener als Lyder, dieſe als
Boͤoterin, wenn ſie den Gott ſelbſt Floͤte blaſen laſſen 3.
Indeß war doch damals wirklich das Floͤtenſpiel ſelbſt
in heilige Darſtellungen des Delphiſchen Dienſtes auf-
genommen; man hatte unter dem Namen des Olympos,
eines Phrygiſchen Tonkuͤnſtlers (zur Zeit Terpanders),
eine Trauermuſik auf Pythons Tod zur Floͤte in Lydi-
ſcher Tonart 4, die wahrſcheinlich einen Theil jener
dramatiſchen Auffuͤhrung bildete; auch bei dem Zuge
nach Tempe, zu Proſodien, und zum Pentathlon bei
den gymniſchen Spielen ertoͤnte dies Inſtrument 5;
eine eigne Gattung der Floͤte erhielt von dem Gebrauch
7
[346] bei Paͤanen den Namen der Pythiſchen 1. Doch wur-
den wieder aulodiſche Auffuͤhrungen in lyriſchen und
elegiſchen Maaßen, nachdem man ſie ein einziges mal
angehoͤrt hatte, von den Pythien ausgeſchloſſen, weil
ſie einen zu duͤſtern Eindruck gemacht 2. Denn uͤber-
haupt iſt das Duͤſtere, Traurige, weichlich Klagende,
wie dem Dienſte des Gottes uͤberhaupt, ſo ſeiner Tem-
pelmuſik fremd und zuwider, die in ernſten und maͤnn-
lichen Toͤnen eine heitere Ruhe und Ordnung uͤber den
Geiſt auszubreiten ſtrebt.
12.
Aus dieſem Geſichtspunkte werden wir auch
die wunderliche Nachricht von dem Wettſtreite Apollons
mit Linos, und wie er dieſen als Ueberwinder toͤdtet 3,
verſtehen lernen. Was Linos eigentlich ſei: muß ich
mir erlauben mit wenig Worten anzudeuten, ohne den
Gang der Forſchung ausfuͤhrlich darzulegen. Der Ge-
genſtand des Geſanges Λίνος iſt urſpruͤnglich ein Gott
jener Naturreligionen, die den ſteten Tod alles bluͤ-
henden Lebens ſo ergreifend darſtellen, dem Narkiſſos
(dem Erſtarrten) nahe verwandt: man zeigte zu The-
ben und zu Argos ſein Grab, und an letzterem Orte
beklagten ihn Frauen und Jungfrauen im Monat Ar-
neios als einen unter Laͤmmern erzogenen und von Hun-
den zerriſſenen Knaben 4, womit ein Feſt Arnis oder
Kynophontis zuſammenhing, an dem man eine Menge
von Hunden oͤffentlich todt ſchlug 5; offenbar bedeutet
[347] der Hund, wie oͤfter in alter Mythologie, den Sirius,
und uͤberhaupt die Gluthitze des Sommers, die aller Vege-
tation u. allem zarteren Leben der Natur ein Ende macht.
Der Geſang aber, der den fruͤhen Tod des vielgelieb-
ten 1 Kindes beklagte, wurde mit leiſer gedaͤmpfter
Stimme zur Kithar geſungen, und in Homeriſcher und
Heſiodiſcher Zeit gern gehoͤrt 2, obgleich damals ſchon
mit ermaͤßigter Trauer und vielleicht blos als ein ſanf-
tes Adagio; doch muß er auch nachher noch einen vor-
herrſchend traurigen Charakter gehabt haben, wie die
Namen Αἴλινος und Οἰτόλινος beweiſen 3; beſonders
ſangen ihn die Landbauer (gewoͤhnlich Ureinwohner) gern
und oft 4. Das alte Griechenland kam in dieſer Hin-
ſicht mit dem Kleinaſiatiſchen Orient uͤberein, wo
ſolche religioͤſe Klaglieder nach den Landſchaften ver-
ſchieden, aber uͤberall mit demſelben Grundtone ſich
wiederfinden 5: der Klageſang der Dolionen 6; der
Hylas an den Quellen im Lande der Myſer und Bi-
thyner 7, (ziemlich einerlei mit dem Myſion) 8; der
ſchoͤne Bormos, deſſen Waſſertod die Landleute der
Mariandynen um Sommersmitte zur einheimiſchen Lan-
desfloͤte ſangen 9; der Lityerſes, den die Phryger zu
Kelaͤnaͤ, in Marſyas Heimat, jaͤhrlich zur Erndtezeit
beklagten 10; das ſchwermuͤthige Karikon auf Phrygi-
[348] ſchen Floͤten geſpielt 1; weiterhin der Gingras oder
Adonisgeſang, und das Peluſiotiſche Ackerlied Mane-
ros, das ſchon Herodot mit dem Linos verglichen hat 2.
Ja in Kypros erneuert ſich gewiſſermaßen der Kampf
der entgegengeſetzten Sangweiſen, nach der Sage, daß
Kinyras, der Aphroditenprieſter und Erfinder klagen-
der Adoniasmen, gleich Marſyas und Linos, im Wett-
ſtreit von Apoll uͤberwunden und erſchlagen worden
ſei 3.
So ſehen wir alſo den Gott, der ein Vorſtand iſt
einer ſtrengen, einfachen, ruhigen Helleniſchen Muſik,
im Kampfe mit dem leidenſchaftlichen, bald unruhig
bewegten, bald erſchlafften Geiſte, den eine entgegen-
geſetzte Naturreligion, die das menſchliche Gemuͤth vom
Schwindel orgiaſtiſcher Freude in die Tiefen aufgeloͤsten
Schmerzes zu ſtuͤrzen liebt, auch in den Anfaͤngen der
Muſik darlegt, und finden auch hier eine voͤllige Har-
monie aller einzelnen Erſcheinungen mit den Haupt-
prinzipien. — Wenn wir dadurch ſchon auf den Cha-
rakter des muſiſchen Cultus in den Tempeln Apollons
im Allgemeinen hingewieſen haben, ſo werden wir eine
genauere Kenntniß davon durch Unterſcheidung der ein-
zelnen Arten deſſelben gewinnen.
13.
Eine uralte Art des Geſanges, mit der nach
der Sage ſchon Chryſothemis der Kreter und Philam-
mon wettſtreitend zu Delphi auftraten, war ein
10
[349]Hymnus an Apollon 1, den man fich in altdoriſchem
Dialekt abgefaßt und einfach zur Kithar geſungen den-
ken muß. In Betreff der muſiſchen Auffuͤhrung heißt
derſelbe zugleich Kitharodiſcher Nomos2, deſſen Er-
findung, weil er dem Cultus beſonders eigenthuͤmlich
war, auf den Gott ſelbſt zuruͤckgefuͤhrt wurde 3. Auch
in Delos hatte man Nomen, die man von einem an-
dern Repraͤſentanten alter Hymnendichtung, dem Olen,
ableitete, die zum kykliſchen Chortanze geſungen wur-
den 4. Der gemeinſame Charakter aller war Ruhe
und Gemeſſenheit 5, das Versmaaß ehemals nach be-
ſtimmtem Zeugniſſe durchaus hexametriſch 6; womit
ſehr wohl uͤbereinſtimmt, daß man den Urſprung des
Hexameters uͤberhaupt von Pytho ableitete 7. In der
Nachricht, daß der alte Hymnod Philammon Jungfrauen-
Choͤre um den Altar geſtellt habe, die die Geburt der
Leto und ihrer Kinder in lyriſchen Maaßen (ἐν μέλεσι)
beſangen 8, ſcheinen die von Terpandros, dem Lesbi-
ſchen Lyriker, ausgebildeten und variirten Philammo-
niſchen Nomen 9 mit den urſpruͤnglichen verwechſelt,
da jene wahrſcheinlich nach der Weiſe der aͤlteſten Me-
[350] lopoͤen mit kuͤrzeren Verſen gemiſchte Hexameter ent-
hielten 1, dieſe aber nichts als Hexameter. — Die
in dieſen Nachrichten genannten alten Cultusdichter,
Chryſothemis, Philammon und Olen, ſind uͤbrigens
mit eben der Gewißheit fuͤr Dorier zu achten, wie es
die Gruͤnder der Heiligthuͤmer von Tarrha, Delphi
und Patara waren, denen ſie beſonders angehoͤren 2;
und ſo wird auch der Dialekt der ihnen zugeſchriebenen
Geſaͤnge kein anderer als der Doriſche geweſen ſein —
wenn auch freilich eine vorhiſtoriſche Ausbildung deſſel-
ben zur Poeſie mit den eben herrſchenden — aber nicht
ſonderlich tief begruͤndeten — Begriffen von der Ent-
wickelung der Helleniſchen Dichtkunſt nicht uͤbereinſtim-
men will. —
14.
Von der Bedeutung des Paͤan als eines
Dankliedes fuͤr Rettung und Befreiung iſt oben das
Hauptſaͤchlichſte bemerkt. Was aber die Art der Auf-
fuͤhrung deſſelben betrifft: ſo iſt erſtens aus Homer
ſchon bekannt, daß er nach dem Opfermahl geſungen
wird 3, wenn die Becher nach der feierlichen Libation
herumgegeben werden, und ſo geſchah es eben auch in
Sparta und in Athen 4. Meiſt fand man es bequem,
ihn ſitzend zu ſingen, doch fuͤhrt ihn im Pythiſchen
Hymnus Apollon mit den Kretern im Taktſchritte wan-
delnd auf 5; in Sparta wurde er auch in Choͤren ge-
[351] tanzt 1. Im Ganzen erforderte auch er immer eine
gemaͤßigte und wohlgeordnete Muſik 2, wenn ſie auch
lebhafter ſein durfte als bei dem Nomos, und dem
zur Libation geſungenen, hoͤchſt feierlichen, Σπονδεια-
κόν 3.
Aber die lebhafteſte und leichteſte Bewegung fand
unter allen Geſaͤngen des Apolliniſchen Cultus im Hyp-
orchem ſtatt 4, deſſen Begriff kuͤrzlich der iſt, daß
außer dem ſingenden Chor, der ſich im gewoͤhnlichen
Reigentanz um das brennende Opfer auf dem Altare
dreht, mehrere Perſonen dazu beſtellt waren, die Hand-
lung des Gedichts mit darſtellenden Bewegungen und
naiver Mimik zu begleiten (ὑπορχεῖσϑαι). Von dem
Urſprunge dieſer Tanzweiſe aus Kreta zeugt uns ſelbſt
Homer, indem jener Knoſiſche Tanz, den Daͤdalos
fuͤr die Ariadne in Bildwerk nachgeahmt, der Be-
ſchreibung nach nichts als eine Art Hyporchem iſt 5;
und eben darum hießen alle hyporchematiſchen Geſaͤnge
zugleich Kretiſche 6. Von da kamen ſie in alter Zeit
nach Delos, wo noch zu Lukians Zeit das Umherirren
der Goͤttin und Inſel, und das endliche Raſten und
Feſtſtehn beider hyporchematiſch dargeſtellt wurde 7.
[352] Ich meine auch, daß dabei vorkam, was im Hymnus
auf den Deliſchen Apoll zur Bezeichnung eines Jung-
frauengeſangs der Inſel angefuͤhrt wird, daß ſie aller
Menſchen Stimmen und Taktſchlagen (κρεμβαλιαστὺν)
vorſtellten; man flocht vermuthlich eigenthuͤmliche Tanz-
weiſen mannigfaltiger Voͤlker ein, zu denen die krei-
ßende Leto auf ihrer Wanderung gekommen. Auch je-
ner poſſenhafte und zugleich verwickelte Tanz Γέρανος,
den Theſeus zuerſt mit ſeinen Schiffern um den Horn-
altar zu Delos getanzt haben ſoll 1, hatte vermuthlich
einiges Hyporchematiſche. — Was den Rhythmus
dieſer Darſtellungen betrifft: ſo kann nur ſoviel mit
Gewißheit geſagt werden, daß der Hexameter von je-
her gaͤnzlich ungeeignet war, ihren leichten und froͤhli-
chen Charakter 2 zu bezeichnen. Aber die beſtimmtere
und kunſtgemaͤßere Ausbildung verdanken Hyporchem
und Paͤan wohl erſt den Doriſchen Muſikern, Xenodam
von Sparta und Thaletas von Elyros in Kreta 3; und
durch dieſe kam auch das Metrum Creticum sive
Paeonicum bei dieſen Gattungen in allgemeineu Ge-
brauch, deſſen Name das Ausgehn von Kreta und die
Anwendung beim Paͤan unwiderſprechlich bezeugt 4.
Die Kretiker ſind ein incitates, kraͤftiges, feuriges
[353] und dabei doch gefaͤlliges und keinesweges arrhythmiſches
Maaß (ἁβρόν τι μέλος bei Bakchylides), welches ſich
fuͤr raſche Bewegung beſonders eignet. So ließ man
alſo an Apolliniſchen Feſten neben jener ernſten und
feierlichen Muſa auch eine froͤhliche und ſpielende zu:
obgleich man ohne Zweifel das Weichliche und Matte
mancher Joniſchen und Aſiatiſchen Rhythmen und Sang-
weiſen ſtandhaft verſchmaͤhte.
So umſpielte die Apolliniſchen Feſte uͤberhaupt,
abgeſehn von jenen Beſaͤnftigungs-Caͤremonien, ein hei-
terer Glanz und eine geſellige Freude, und es uͤberwog
die Idee des ſiegreichen, verſoͤhnten und huldreichen
Gottes jede andere. Darum trug der Gott auch in
alten Standbildern zu Delphi 1 und Delos 2 die Cha-
riten auf der Hand, die ja beſonders oͤffentlichen Fe-
ſten durch Tanz, Muſik und Mahlesfreuden Glanz
und Reiz verleihn 3.
15.
Wir haben bis jetzt die Erwaͤhnung zweier
großen Nationalfeſte vermieden, die Sparta dem
Hauptgotte des Stammes zu Amyklaͤ feierte 4, der
II. 23
[354]Hyakinthien und Karneen: aus dem Grunde, weil
ſie uns nicht eigentlich Apolliniſch ſcheinen. Daß der
Cult des Apollon Karneios, an den ſich beide anſchlie-
ßen, aus Theben ſtammt, von wo er durch die Aegi-
den nach Amyklaͤ verpflanzt wurde, haben wir ſchon
fruͤher aus hiſtoriſchen Nachrichten dargethan 1: hier
wollen wir aus den Symbolen und Gebraͤuchen deſſel-
ben deutlich zu machen ſuchen, wie er auch ſeinem Cha-
rakter nach mehr in altgriechiſcher Demeterreligion als
in der Apolliniſchen wurzelt. Der Juͤngling Hyakin-
thos, den Apollon Karneios 2 unvorſichtiger Weiſe mit
dem Diskus auf das Haupt trifft, hat ſeinen Namen
ohne Zweifel von der Blume, (einer dunkelfarbigen Iris-
art), die auf mannigfache Weiſe in alter Symbolik
zur Andeutung von Tod und Untergang dient; und der
Mythus von ſeinem Tode giebt ſich ſonach deutlich als
ein Fragment alter Naturreligion. Nun iſt es aber
beſonders der Demetercult, in dem die Blume Hya-
kinthos in dieſem Sinne vorkommt; wie ſie z. B. unter
dem Namen Κοσμοσάνδαλος der Chthonia zu Hermione
heilig war 3. Weiter fuͤhren die alten Bildwerke, mit
denen das zugleich als Altar betrachtete Grab des
Hyakinth geſchmuͤckt war, und deren Verfertiger noch
die voͤllige Kenntniß der Cultusidee inne gehabt zu
haben ſcheinen. Man ſah hier Demeter, Kora, Ha-
des, und die Kadmeer Dionyſos, Semele, Ino; den
Hyakinthos ſelbſt aber mit ſeiner Schweſter Polyboͤa als
Juͤngling und Jungfrau zuſammen dargeſtellt 4. Po-
lyboͤa iſt ſicher von der Kora wenig oder gar nicht ver-
[355] ſchieden 1, die der Hermioneer Laſos Meliboͤa nannte.
Dazu kommen nun noch das Todtenopfer und [die] Trauer-
gebraͤuche des erſten Tages 2, die ſonſt Apolliniſchen
Feſten fremd ſind, naͤchtliche Feſtzuͤge 3 und manche
andere vereinzelte Spuren Cerealiſcher und Dionyſi-
ſcher Symbole 4, die ſich bei aufmerkſamer Betrach-
tung leicht von den Apolliniſchen unterſcheiden laſſen.
Auch die Zeit des Feſtes iſt abweichend. Es trifft nach
dem laͤngſten Tage in den Spartaniſchen Hekatombeus,
der mit dem Attiſchen Hekatombaͤon gleichzeitig iſt 5,
in die Zeit, wenn man auf Bithyniens Bergen den
Hylas ruft, und jedes zarte Leben das ſchmachtende
Haupt ſenkt.
Auf die Hyakinthien folgten im naͤchſten Monat,
wie es ſcheint, die Karneen, die ebenfalls dem Amy-
klaͤiſchen Gotte galten. Allein in dieſen ſcheint gerade
Doriſche Religion das Uebergewicht erhalten, und die
Naturſymbolik, die im Hyakinthienfeſte am Tage liegt,
verdraͤngt zu haben. Die Karneen waren, nach Allem
was wir wiſſen, durchaus ein Kriegerfeſt, und in der
Bedeutung den Attiſchen Boedromien vergleichbar. Auf
Naturleben deutet nichts darin, wenn nicht dunklere
Ceremonien des Agetes und der Karneaten 6. Dies
23 *
[356] fuͤhrt uns zu der Annahme, daß bei der Vereinigung
des Amyklaͤiſchen Aegidencults mit dem Doriſchen Apol-
lodienſt zu Sparta die Hyakinthien mehr von dem Ei-
genthuͤmlichen des erſtern behalten, die Karneen mehr
von dem Charakteriſtiſchen des letztern angenommen
haben, obgleich die Gottheit beider voͤllig vereinigt
war. Dabei laͤugnen wir nicht, daß gerade Goͤtter-
dienſte von ſo verwickelter Bildungsgeſchichte uͤberaus
ſchwer auf einfache Grundideen zuruͤckzufuͤhren ſind,
und finden nur darin eine Entſchuldigung dafuͤr, daß
in den obigen Auseinanderſetzungen von den beiden Feſten
ſo wenig Rechenſchaft gegeben worden iſt.
16.
Zuletzt kann auch aus den Darſtellungen des
Apollon in der bildenden Kunſt, namentlich den
aͤlteren, unſere Kenntniß der dem Cultus zum Grunde
liegenden Ideen und Empfindungen ergaͤnzt und begruͤn-
det werden; und nur in ſofern, nicht als Produkten
kuͤnſtleriſcher Thaͤtigkeit, widmen wir denſelben eine
fluͤchtige Betrachtung. — Apollon war vornweg recht
eigentlich fuͤr bildende Kunſt erſchaffen. Weil er wenig
Beziehung auf Naturleben und in ſeinem Weſen nichts
Myſtiſches hat: konnte die Kunſt fruͤhzeitig im Aus-
druck ſeines Charakters eine gewiſſe Beſtimmtheit er-
reichen, und ſich ſelbſt ein Genuͤge thun. Denn nicht
blos in der poëtiſchen Ausbildung, ſondern auch in
den ſich zunaͤchſt an den Cultus anſchließenden Mythen
iſt Apollon ein vorzugsweiſe menſchlicher Gott, und in
ſeinem Thun und Leiden mehr als ein anderer mit den
Heroen verwandt. So iſt nicht unwahrſcheinlich, daß
das Ideal der beiden Letoiden, in denen ſich ruͤſtige
Kraft mit muſiſcher Ausbildung zur wahren Kalokaga-
thie vereinte, der Doriſchen Erziehung des Juͤnglings
und Maͤdchens vor Augen ſchwebte; und ſo konnte der
Kuͤnſtler den Gott wieder nach der Aehnlichkeit des im
[357] Schlachtreigen wie Chortanze gleich gewandten Ephe-
ben 1 darſtellen. Ehe indeß die Kunſt dies Ideal, wel-
ches ſie lange im Innern trug, aͤußerlich darzuſtellen
die Mittel fand und das Vermoͤgen errang: halfen ihr
zur Aufſtellung charakteriſtiſcher Tempelbilder die vor
allen andern klaren, beſtimmten und bedeutſamen Sym-
bole und Attribute dieſer Gottheit, die ſich ſchon in
in der fruͤheſten Zeit typiſch feſtgeſtellt hatten, wie
Bogen, Kithar, Lorbeerzweig u. a. m. Vertrauend
auf den offenen Sinn des Volkes, das an der Leiter
dieſer Attribute ſchnell zu der energiſchen Idee des
Gottes hinanſtieg, konnte auch die noch rohe Kunſt es
wagen, in geraden, ſtarren, unregſamen Holz- und
Steinbildern doch die Kraft und Eigenthuͤmlichkeit
Apollons einigermaßen darzuſtellen.
17.
Der einfache Cippus des Apollon Agyieus
bezeichnet noch nichts Beſtimmtes, ſondern erinnert
blos an die gegenwaͤrtige Thaͤtigkeit des ſchutzreichen
Gottes 2. Suchte man mehr Individualiſirung, ſo
lag der Ausdruck der Kraft und Gewalt am naͤchſten.
Gewiß wurde die furchtbare Seite fruͤher dargeſtellt
als die huldreiche, wenn auch beide im Mittelpunkte
eins waren: aber es mußte lange dauern, ehe die —
ſchon in der Theogonie geprieſene — reizende Schoͤn-
heit des Gottes Vorwurf der Bildnerei ſein konnte.
Nach Pauſanias zeigte das alte Bild zu Magneſia in
ſeiner ganzen Geſtalt Kraft an. Dieſe und zugleich
[358] die alles vernehmende Kunde wollten auch die alten
Lakedaͤmonier in ihrem vierhaͤndigen und vierohrigen
Apollon zu Amyklaͤ bezeichnen 1. Aber das Hauptbild
am genannten Orte war ein Saͤulenpfeiler, der außer
dem Bogen noch Helm und Lanze trug; und von der-
ſelben Art war die Statue auf dem Berge Thornax,
der die Lakedaͤmonier das Angeſicht vergoldet hatten 2.
Einen lanzenbewaffneten Apoll weiheten auch die Me-
garer nach Delphi 3, und zu Tenedos ſah man ihn
mit der allergewaltigſten Waffe, dem Doppelbeil, ge-
ruͤſtet 4, wie den Labrandeniſchen Zeus der Karer.
Letzteren nannte man Χρυσαορεύς 5, und ſo wird denn
auch das Beiwort χρυσάωρ (χρυσάορος) bei Apoll
urſpruͤnglich, und noch in der Ilias 6 auf die goldene
Bewaffnung gehn, wenn auch Pindar damit die gold-
geſchmuͤckte Kithar andeutet; ein Bakidiſches Orakel
aber, das der Artemis denſelben Beinamen giebt, wie-
derum die wehrhafte Goͤttin 7. — Die Kithar zeigt indeß
in der Hand des Gottes auch ſchon ein ſehr altes Re-
lief, was Dodwell an einer Brunnenmuͤndung zu Ko-
rinth entdeckt hat, und von dem ſpaͤter noch die Rede
[359] ſein wird 1; Apoll erſcheint hier, wie in allen aͤltern
Darſtellungen, ſtaͤmmiger, gedrungener, maͤnnlicher,
als man ihn ſich zu denken gewohnt iſt.
18.
Fragen wir nach den einzelnen Kuͤnſtlern, die
als Schoͤpfer der fruͤhern typiſchen Apollobildungen zu
betrachten ſind: ſo finden wir daß es Kreter waren,
die als die aͤlteſten Bildner — wie Muſiker — fuͤr
den Cultus auftraten. Von Kreta kam ein altes Holz-
bild des Gottes — an dem die Kunſt moͤglichſt wenig
gethan — nach Delphi 2; ebendaher (gegen Ol. 50.)
die Daͤdaliden Dipoͤnos und Skyllis, die fuͤr die Si-
kyonier Bildſaͤulen des Apoll, der Artemis, des He-
rakles und der Athena arbeiteten, von deren Gruppi-
rung unten die Rede ſein wird. Das Pythiſche Ora-
kel nahm an ihren Beſtrebungen ungemeinen Antheil,
denn als ſie die Eiferſucht der einheimiſchen Kuͤnſtler-
zunft von Sikyon vertrieben hatte, noͤthigte es die Si-
kyonier, ſie zuruͤckzurufen. — Ueberhaupt zeigt dies
Inſtitut fruͤhzeitig ein großes Gefallen an Werken der
bildenden Kunſt, namentlich der Erzarbeit. Der un-
terirdiſche Tempel zu Pytho, deſſen Exiſtenz mir ge-
ſchichtlich ſcheint, war mit Erz bekleidet, wie mehrere
Theſauren der alten Fuͤrſten von Griechenland; eine
Menge von Tripoden fuͤllte Tempel und Vorhoͤfe; Keſ-
ſel, Schalen, Becken von Erz waren wie eherne Waf-
fen aus alter Zeit uͤbereinander geſchichtet; Δελφικὴ
μάχαιρα war Name eines eigenthuͤmlichen ſehr kuͤnſt-
[360] lichen Opfermeſſers 1; auch die bei Pindar vom Dache
ſingenden goldenen Keledonen des Erzhauſes halte ich
nicht ganz fuͤr Erdichtung. —
Aber aus der Schule jener Sikyoniſchen Marmor-
arbeiter gingen Tektaͤos und Angelion hervor, welche
die beruͤhmte, wahrſcheinlich coloſſale, Bildſaͤule des
Gottes zu Delos aufſtellten, die auf einer Hand, wie
oben erwaͤhnt wurde, die Chariten, in der andern
einen Bogen trug. Und mit derſelben ſteht auch in
einiger, wenn auch entfernteren, Verbindung Kanachos
von Sikyon, der einen beruͤhmten Apollokoloß, in Erz
gegen Ol. 73. fuͤr das Didymaͤon 2, in Holz fuͤr das
Ismenion arbeitete. Wir koͤnnen uns aus den Nach-
richten und mannigfaltigen Nachbildungen dieſes Werks
folgenden Begriff davon zuſammenſetzen. Der Gott
erſchien in maͤnnlicher Geſtalt, mit breiter und ſtarkge-
gewoͤlbter Bruſt, viereckig an Koͤrperbau, von toroͤſen
Muskeln, die Beine faſt ſaͤulenaͤhnlich und von feſtem
Stande, das linke wenig vorgeſtellt. Die geſcheitelten
Haare umwindet ein Band, vorn liegen ſie in kleinen
drathfoͤrmigen Loͤckchen uͤber der Stirn; auf jeder Schul-
ter drei geflochtene Zoͤpfe; hinten fallen ſie in einem
breiten Buſche uͤber den Ruͤcken. Das Geſicht zeigte
einen den Aeginetiſchen verwandten Typus. Die rechte,
gerade vorgeſtreckte Hand trug ein Hirſchkalb, (ein
dunkles Symbol, das wir hier noch uneroͤrtert laſſen),
die linke mehr geſenkte einen Bogen. Der Eindruck
des Ganzen konnte kaum anders als ernſt und ſtreng
ſein, und mußte mehr Hoheit und Wuͤrde als Anmuth
[361] und Lieblichkeit wiedergeben 1. Nicht viel verſchieden
dem Style nach duͤrfen wir uns den großen Apollo-
koloß denken, den der um mehrere Olympiaden juͤngere
Kalamis fuͤr die Pontiſchen Apolloniaten ohne Zweifel
in Erz arbeitete, und ſpaͤter Lucull nach Rom brach-
te 2; und den Apollon Alexikakos, den derſelbe Meiſter
im Anfange des Peloponneſiſchen Kriegs in Athen auf-
ſtellte 3; auf keinen Fall duͤrfen wir, wie ein namhaf-
ter Archaͤolog gethan 4, bei ſolchen Tempelbildern an
lebhafte Bewegung und die ſchlanken Verhaͤltniſſe der
ſpaͤtern Kunſt denken. Auch der Apoll, den Kalamis
Zeitgenoß, Onatas von Aegina, fuͤr die Pergamener
ſchuf, war ein koloſſales Bild, von wunderbarer Schoͤn-
heit in der Koͤrperform, und wie es ſcheint, jugendlicher
an Wuchs und Geſtalt als nach dem damals herr-
ſchenden Typus 5. — Aber was wir Apolliniſche Bil-
dung zu nennen gewohnt ſind, iſt auch nicht ein Pro-
dukt der naͤchſtfolgenden Polykletiſchen oder Myroniſchen
Schule 6, ſondern ſicher erſt ein Geſchoͤpf der ſpaͤtern
Zeit, indem ſowohl die Muͤnzen, die den Zeiten vor
Alexander angehoͤren 7, als auch einzelne Koͤpfe, die
auf dieſelbe Kunſtepoche zuruͤckgefuͤhrt werden muͤſſen 8
[362] — nicht zwar mehr jene dem Werke des Kanachos
zugeſchriebenen Zuͤge, aber doch ganz andere als die
beruͤhmteſten der erhaltenen Statuen, breitere Wangen,
eine kuͤrzere und ſtaͤrkere Naſe, uͤberhaupt ſolche Formen,
die die Alten quadrat nennen, darlegen. Erſt in den
Zeiten der Skopas, Leochares, Praxiteles, Timarchi-
des, iſt jener Apoll entſtanden, den man einen Zwil-
lingsbruder der Venus nennen kann, zu ſo taͤuſchender
Naͤhe kommen ſich bisweilen die Zuͤge beider Gotthei-
ten; auch der Ausdruck von Begeiſterung und Ekſtaſe,
den mehrere der trefflichſten Bilder zeigen, kann wohl
erſt aus der Schule des erſtgenannten Meiſters abge-
leitet werden, da die fruͤheren mehr ruhige und wan-
delloſe Seelenzuſtaͤnde als voruͤbergehende Gemuͤthsbe-
wegungen zum Vorwurf ihrer Kunſt machten. Aber
der feine Sinn und das richtige Gefuͤhl, womit dieſe
Kuͤnſtler den Ausdruck einer Seelenerhebung ohne Be-
rauſchung und der Begeiſterung ohne Ueberſpannung
auszudruͤcken wußten, iſt der hoͤchſten Bewunderung
werth. Ohne in die einzelnen Schoͤpfungen dieſer und
der folgenden Kuͤnſtler einzugehn, worauf wir oben
ſchon verzichteten, geben wir nur im Allgemeinen an,
wie ſich die vorhandenen Werke am beſten in Claſſen
ordnen. Fuͤr ſich allein ſteht der Kallinikos von Bel-
vedere, in dem Siegerſtolz vorherrſcht 1; dann folgt
der vom Kampfe ausruhende, der den rechten Arm
uͤber das Haupt ſchmiegt, den linken auf eine Saͤule
ſtuͤtzt, und darin den ſo entſcheidend gebrauchten Bogen
oder die Kithar haͤlt, alſo ein Anapauomenos, den
[363] man aber, weil wirklich eine ſolche Statue im Lykeion
zu Athen ſtand 1, “Apollon Lycien” zu nennen ge-
wohnt iſt; dann der Kitharode, entweder nackt in ver-
ſchiedenen Stellungen, oder in der Pythiſchen Stola
und einer faſt theatraliſchen Bewegung 2. Mehr uͤber
dieſe Claſſen und einzelne davon abgehende Darſtellun-
gen, wie des Sauroktonos, Nomios, gehoͤrt nicht
hieher.
19.
Wenn ſich zuletzt unſere Darſtellung noch ſo
in die Breite verliert, daß ſie die Einwirkung des
beſagten Cultus auf die geiſtige Entwickelung der Hel-
lenen uͤberhaupt zum Thema macht: ſo verſteht ſich,
daß dieſe eben ſo ſchwere als weitgreifende Aufgabe —
beſonders weil jene Einwirkung, wie die organiſche Aus-
bildung des Cultus ſelbſt, groͤßtentheils jenſeits der Hi-
ſtorie liegt — hier nichts weniger als eigentlich geloͤst,
ſondern blos auf eine aphoriſtiſche Weiſe beruͤhrt wer-
den kann. — Wir ſummiren nur aus dem bisher Ge-
ſagten die mit Apolliniſchen Feſten verbundene Waffen-
[364] ruhe, den Gottesfrieden heiliger Orte und Straßen —
den die Blutrache maͤßigenden Einfluß der Suͤhnungen
— und die Idee des ſtrafenden und raͤchenden Gottes
auf der andern Seite — die entſcheidende Wirkung der
Orakel in der Anordnung der oͤffentlichen Verhaͤltniſſe:
um auf den heilſamen Einfluß dieſer Religion auf das
politiſche Leben der Hellenen aufmerkſam zu machen 1.
Und wie der Cultus durch ſeine Feierlichkeit, durch die
Wuͤrde und Strenge der Muſik, durch alle ſeine Sym-
bole und Gebraͤuche dem Gemuͤthe des Einzelnen jene
der innern Kraft vertrauende Ruhe und Klarheit ein-
zufloͤßen ſuchte, mit der indeß ein beſonderer Auf-
ſchwung und eine eigene Ekſtaſe ſich wohl vertrug, iſt
auch ſchon mehrmals bemerkt worden. Wie dieſe Ek-
ſtaſe der Dichtung der Arimaspeen von Ariſteas zu
Grunde lag 2, der ſelbſt als ἐκστατικὸς ein Gegen-
ſtand mannigfacher Fabeln wurde 3: ſo druͤcken die
Maͤhrchen von dem Hyperboreer Abaris, dem αἰϑρο-
βάτης, der auf einem Pfeil die Welt umreitet, dieſelbe
auf eine ungemein naive Weiſe aus. Auf welchem
Wege uͤbrigens ſich dieſe Maͤhrchen gebildet, und zu-
gleich eine ſo hiſtoriſche Geſtalt angenommen, daß ſchon
Pindar den Abaris als Zeitgenoſſen des Kroͤſos behan-
delt 4, iſt unbekannt und ſchwer zu errathen: es ſcheint,
man hatte bei mehrern Tempeln des Gottes Orakel-
ſpruͤche und Beſaͤnftigungslieder, die man alter Heilig-
[365] keit wegen einem Hyperboreer, einem Vertrauten des
Gottes, der zuerſt ihre Wunderkraft dargethan, zu-
ſchrieb 1; doch loͤst ſich ſo keineswegs der ganze My-
thus auf.
20.
Endlich ſteht der Apollodienſt auch mit einem
Zweige Griechiſcher Philoſophie in einem ſolchen Ver-
haͤltniß, daß dieſe in mancher Hinſicht wiſſenſchaftlich
begruͤndet und ausfuͤhrt, was jener nur fuͤr das
Gefuͤhl andeutete, naͤmlich mit dem Pythagoreis-
mus. Pythagoras hatte erbliche Sacra des Apollon;
er zog nach Kroton, wo dieſer Gott ſo vielfach verehrt
wurde 2; er lebte meiſt unter Doriern, die dieſem
Dienſte uͤberall anhingen; unter ſeinen Anhaͤngern wird
ſelbſt eine Delphiſche Prieſterin, Ariſtokleia, genannt 3.
Man hat die Pythagoriſche Philoſophie in neuern Zei-
ten mit Recht als die Doriſche zu betrachten angefan-
gen: ſo folgte ſie auch in der Politik Doriſchen Grund-
ſaͤtzen, ſo knuͤpfte ſie ſich aͤußerlich wie innerlich an
Doriſche Religion an: und eben das Beſtreben, na-
tionale Ideen und Prinzipe zu verwirklichen und herr-
ſchend zu machen, erklaͤrt vielleicht das wunderbare
Phaͤnomen der ſo ſchnell anwachſenden Macht des
Pythagoriſchen Bundes. Im Innern dieſer Philoſo-
phie ruht immer die Grundanſicht: das Weſen der Dinge
liege in dem Maaße, dem Verhaͤltniſſe, der geregelten
Form; alles beſtehe einzig durch Harmonie und Sym-
metrie; die Welt ſelbſt ſei eine Einheit aller dieſer
Verhaͤltniſſe, ein κόσμος; dabei beachtet ſie das die
Form erfuͤllende, Stoffartige eigentlich wenig, das
[366] grade der entgegengeſetzten Schule, der Joniſchen, als
das eigentlich Reale erſchien. Dieſe Abſtraktion von
dem Materiellen hat aber eben die Apolliniſche Re-
ligion auch, auch dieſe hebt den Begriff der Ordnung,
Uebereinſtimmung, Geſetzmaͤßigkeit uͤberall hervor, und
ſetzt in dieſe das Weſen und Wirken der Gottheit.
Die Muſik war darum ein Hauptbeſtandtheil jener
Philoſophie, wie ein Hauptelement dieſes Cultus, weil
ſie die Harmonie, die allem Sein zum Grunde liegt,
am deutlichſten ausſpricht; in beiden wurde durch ſie
beſonders Beſaͤnftigung und Beruhigung der Leidenſchaft
bezweckt und bewirkt, um dem Gemuͤthe zugleich Ruhe
und Staͤrke zu verleihn. Die Produktivitaͤt der Na-
tur wie die ins Unendliche hinausſtrebende innere Kraft
ſchien in beiden an ſich werthlos und nichtig, und je-
des Sein nur durch das richtige Verhaͤltniß zu allen
andern ſeine Beſtimmung erfuͤllend u. ſ. w. Denn eine
eigentliche Ergruͤndung dieſes Thema’s muͤſſen wir ganz
und gar tieferen Kennern der genannten Philoſophie
uͤberlaſſen.
[367]
Artemis.
9.
1.
Es iſt uns hier nicht vergoͤnnt, die Religion und
Mythologie der Artemis mit derſelben Ausfuͤhrlichkeit
zu behandeln, die wir dem Apollon widmeten. Auch
erlaubt unſer Zweck uns hier groͤßere Kuͤrze, da der
Cultus der Artemis nicht wie Apollons in einem ei-
nigen Zuſammenhange ſteht, noch uͤberall dieſelben
Grundideen zeigt, alſo auch nicht in allen ſeinen An-
faͤngen von Doriſcher Religion abgeleitet werden kann.
Sondern wie die Helleniſche Mythologie uͤberhaupt die
mannigfachſten und widerſtreitendſten religioͤſen Anſchau-
ungen und Ideen in ſich aufgenommen hat: ſo fließen
auch im Namen der einen Artemis faſt entgegengeſetzte
Reihen alten Goͤtterdienſtes zuſammen, die wir ſondern
muͤſſen. Damit man aber nicht etwa meine, daß ein
Mangel des Vermoͤgens der Ideenaſſociation uns hin-
dere, “die mannigfachen Geſtaltungen jener großen Goͤt-
tin, die, vom innern Aſien ſtammend, in Griechenland
einwanderte, und als Mond, Waldgoͤttin, Jaͤgerin,
Hebamme und Amme der ganzen Natur im Reigen
[368] Karyatiſcher Jungfrauen wie in den Tempeltaͤnzen zu
Epheſos verehrt wurde”, in ihrer Einheit zu faſſen:
iſt es noͤthig, ein feſtes hiſtoriſch gegebenes Kri-
terion aufzuſtellen, wornach ein Artemisdienſt vom an-
dern zu ſcheiden ſein wird, und das außer den Sym-
bolen und Ideen des Cultus liegen muß, weil deren
moͤgliche oder nicht moͤgliche Verknuͤpfung ja eben pro-
blematiſch iſt.
2.
Als ein ſolches giebt ſich ſogleich der einfache
Satz: Nur die mit Apollon verbundene Arte-
mis gehoͤrt demſelben Syſteme religioͤſer Ideen an —
alſo nicht die Epheſiſche Goͤttin, nicht die Orthiſche
Artemis; nicht die Tauropolos, als in deren Dienſten
nie Apollon als Brudergott vorkommt. Doch davon
ſpaͤter. Hier zuerſt davon, daß in allen Haupttem-
peln Apollons Artemis als ſeine Schweſter, als Theil-
haberin ſeines Weſens und ſeiner Thaͤtigkeit, als eine
andere Seite des Gottes angebetet wurde. So ſind
beide Kinder der Lato 1 “der hohen Pytho gleichwal-
tende Beherrſcher”, der Sieg uͤber Python, die Flucht,
die Suͤhnung betrifft beide 2; beide verehrte man auch
zu Sikyon in den Pythien nebſt der Mutter 3; auf
Kreta 4, Delos, Lesbos 5, zu Karthaͤa 6, im Didy-
maͤon 7, auf der Troiſchen Burg 8, im Lykiſchen Dien-
[369] ſte 1 wie in dem von Metapont 2. Und wie Apollons
Verehrung nach der Cultusſage von den Hyperboreern
ſtammt, ſo auch die der Artemis 3; Hyperboreiſche
Jungfrauen bringen ihre Sacra nach Delos, deren Na-
men, Arge, Opis, und nach anderen Hekaerge und
Loxo 4, nur Epitheta der Goͤttin ſind. Arge iſt wohl
die Schnelle, Opis (Ὦπις, Joniſch Οὖπις, verlaͤngert
von ὄπις) ein ungemein charakteriſtiſcher Ausdruck des
Geiſtes dieſer Religion. Es iſt damit die beſtaͤndige
Aufſicht und Wacht der Gottheit uͤber das menſchliche
Thun bezeichnet 5, die den Menſchen wieder Scheu
und Ehrfurcht davor gebietet 6, (und zwar heißt auch
dieſe als Reciprocum jener ὂπις). So hieß die Goͤt-
tin auch bei den Doriern von Sparta 7, Tempelgeſaͤnge
— wahrſcheinlich beſaͤnftigende — davon Upingen 8.
So kommen faſt alle einzelnen Eigenſchaften und Thaͤ-
tigkeiten des Gottes auch der Goͤttin zu. Sie iſt auch
II. 24
[370] Todesgottheit, ſchnell und unverſehens toͤdtend 1; dar-
um bewaffnet, und zwar nicht blos mit Pfeil und Bo-
gen, ſondern auch in Doriſchen Landen mit ſchwerer
Ruͤſtung 2. Ihre Pfeile aber ſendet ſie bei den aͤlteſten
Dichtern nicht eben nach wilden Beſtien, ſondern nach
Frevlern, wie ihr Bruder 3. So toͤdtet ſie mit ihm
den Tityos, und fuͤr ſich allein die unbaͤndigen Aloi-
den 4, und den goͤttergleichen Orion, der die Aehren-
bringende Upis auf Delos anzutaſten gewagt 5. Dar-
um muß ſie verſoͤhnt und beſaͤnftiget werden, und hat
gleichen Antheil an Thargelien und aͤhnlichen Feſten 6.
Daher war auch der Lorbeer der Artemis heilig 7.
Die Beſaͤnftigungsſtaͤbe (ἱκεσίαι, ἱκετηρίαι) im Cultus
der Artemis, waren mit Kraͤnzen (von Oellaub) und
friſchen Wollenflocken (μαλλοῖς) umwunden; darum
durfte ihr kein Schaaf geopfert werden, weil die Wolle
heilig 8. Ihr toͤnt auch der Paͤan 9. Sie iſt Lykeia 10
und zugleich Ulia 11. Ja der Name Artemis, (Doriſch
Ἄρταμις, ιτος) 12 entſpricht dem des Abwender Apol-
[371] lon ſehr deutlich, indem er die Geſunde, Heile und
darnach die Heil und Kraft verbreitende bezeichnet 1.
Ob Apollon ſich die Muſik allein vorbehalten, iſt nicht
deutlich, wenigſtens feierten die Lakonen der Goͤttin
einen Agon ΚαλαϜοίδια, Schoͤngeſang 2; und wenn
ſie auch ſelten ſingend und nie kitharſpielend erſcheint,
ſo fuͤhrt ſie dafuͤr den Reigen der Goͤttinen im Olymp,
und ſterblicher Frauen hier 3. Reliefs, welche die
Ehre Pythiſcher Sieger in muſiſchen Wettkaͤmpfen dar-
ſtellen, zeigen ſtets bei dem Gotte auch Schweſter und
Mutter 4. Selbſt an der Prophetie hatte Artemis
einigen Antheil, wenn es eine alte Sage iſt, wonach
ſie als Sibylle auftritt 5. Wie Apollon unvermaͤhlt,
ſo iſt ſie durchaus Jungfrau, und darum nicht Natur-
goͤttin: am wenigſten von Anfang an der Mond, ob-
gleich wir nicht laͤugnen, daß der Mondcultus andern
Reihen des Artemisdienſtes ſehr nahe lag.
Aber, wird man fragen, wenn nun dieſe Artemis
durchaus dieſelben Charakterzuͤge zeigt, die am Apol-
lon nachgewieſen wurden, und nichts beſonderes und
eigenes hat: wozu denn uͤberhaupt zwei Goͤtter, um
eine Idee auszudruͤcken? wozu eine maͤnnliche und eine
weibliche, wenn ſich beide nicht zu einander verhalten,
wie die Geſchlechter? Befriedigend hierauf zu antwor-
ten, moͤchte ſchwer fallen. Indeſſen kann die Erwaͤgung
dazu beitragen, daß, ſobald einmal Apollon als irdiſcher
Gott, als Ideal menſchlicher Kraft gedacht wurde,
12
24 *
[372] damit er es fuͤr alle ſein koͤnne, nothwendig ein weib-
liches Weſen dazu gehoͤrte. Daß dieſe aber ſo ganz
maͤnnerartig neben ihn tritt: davon mag der Grund
in dem Verhaͤltniſſe Doriſcher Frauen liegen, die weit
mehr als unabhaͤngige und fuͤr ſich beſtehende Weſen
gedacht wurden, die zu allem, was den Mann ziert,
ebenfalls Ausbildungsfaͤhigkeit beſaͤßen.
3.
Nun bleibt uns der ſchwerere Theil der Auf-
gabe zu loͤſen uͤbrig: zu zeigen, welcher Artemisdienſt
nicht von gleichem Urſprung und gleicher Natur mit
dem Apolliniſchen geweſen. Wir bezeichnen als ſolchen
zuvoͤrderſt den Arkadiſchen. Nirgends hat die Goͤt-
tin ſo viele Heiligthuͤmer als in Arkadien beſeſſen. Sie
iſt hier Nationalgottheit, die beſonders unter dem Na-
men Hymnia, Hochzeitliche, ſeit alter Zeit von allen
Staͤmmen des Volks geehrt 1, und als Kalliſto ſelbſt den
Stammgenealogieen eingetragen und Tochter des Ly-
kaon 2, d. h. des Lykaͤiſchen Jupiters, und Mutter des
Arkas, d. h. des Volkes, genannt wurde. Denn daß
Kalliſto nur der wenig umgewandelte Name der Arte-
mis Kalliſte iſt, geht daraus hervor, daß der Heroine
Grab im Tempel der Goͤttin gezeigt wurde 3, und
daraus daß Kalliſto in eine Baͤrin verwandelt ſein ſollte,
die Symbol der Arkadiſchen Artemis war 4. Es iſt
leicht zu begreifen, daß, wie man Apollon Lykeios zu
[373] Delphi in der Geſtalt eines Wolfes darſtellte: ſo Ar-
temis unter den Arkadern als Baͤrin ſymboliſirt wurde;
hernach aber ſollte es blos durch den Zorn der Goͤttin
geſchehen ſein, daß ihre geliebte Nymphe dieſe Geſtalt
annehmen mußte. Auch eine andere Darſtellung der
Arkadiſchen Goͤttin, die Nymphe Atalante, war in einer
Quellengrotte von einer Baͤrin geſaͤugt worden 1. — Daß
nun aber dieſe altarkadiſche Gottheit nicht die Doriſche
Artemis ſei, entſcheidet ſchon das aufgeſtellte Kriterion,
daß ſie ganz außer Verbindung mit Apollon ſteht.
Aber noch deutlicher ſpricht ein anderer Umſtand. Denn
wenn Apollon und die mit ihm verbundene Schweſier
ſelten ſtehende. Beinamen erhalten, die vom Orte
der Verehrung herkommen 2: ſo geben dagegen dieſer
Goͤttin faſt alle Berge, Hoͤhen, Quellen, Waͤſſer Ar-
kadiens und des uͤbrigen Peloponneſes ſpecielle Be-
nennungen, die faſt unzaͤhlig. Daher ſchon Alkman
bemerkt, daß die Goͤttin von zehntauſend Bergen,
Staͤdten, Fluͤſſen Namen trage 3. Sie iſt Lyko-
atis auf Maͤnalon 4, Knateatis 5 bei Tegea, zu
Orchomenos Kedreatis 6, zu Stymphalos Stympha-
lia 7, Skiaditis zu Skia bei Megalopolis 8, Kna-
kaleſia und Kondyleatis bei Kaphya 9, Nemidia
zu Teuthea 10. In Lakonika Derrhiatis 11, Kary-
[374] atis 1, Iſſoria bei Pitana 2, Oenoatis bei Ar-
gos 3, Saronis bei Troͤzen 4, Koryphaͤa zu Epidau-
ros 5, Alpheiaͤa zu Letrinoi 6, Kokkoka zu Olympia 7,
Triklaria zu Patraͤ 8, Aktaͤa zu Pellene 9 u. ſ. w. Es
muß darnach etwas im Weſen dieſer Gottheit gegeben
ſein, welches dieſe vielfachen Lokalnamen hervorbrachte;
man muß ſie ſich ſtets innerlich verbunden und zuſam-
menhaͤngend mit der Gegend gedacht haben, die ſie be-
wohnte. Dies fuͤhrt auf den Begriff einer Naturgoͤt-
tin von aͤhnlichem nur allgemeinerem Weſen, als die
Nymphen der Berge, Fluͤſſe, Baͤche, daher ein ein-
ſichtsvoller Gelehrter die Idee der Goͤttin von dem
Glauben an Nymphen abgeleitet hat 10. Vor allem
ſteht dieſe altpeloponneſiſche Artemis in innerem Con-
[375] nex mit Seen, Quellen, Fluͤſſen. Als Limnatis ehrte
man ſie zu Tegea 1, Epidauros Limera 2, zu Pitana
bei Sparta 3, zu Korinth 4, beſonders in dem be-
ruͤhmten Limnaͤon an der Graͤnze Lakoniens und Meſ-
ſeniens 5, als Heleia in Meſſene 6, und zu Alorion an
der Graͤnze Arkadiens 7. Quellen finden ſich haͤufig
in Artemistempeln, zu Korinth, Marios, Mothone 8,
und bei der Derrhiatis in Lakonien 9; ganz beſonderer
Verehrung genoß ſie an der Klitoriſchen Quelle Luſoi 10.
Unter den Fluͤſſen aber ſind es Kladeos und beſonders
Alpheios, mit denen ſie als ποταμία verbunden vor-
kommt 11. Die feuchte und waſſerreiche Gegend, durch
welche dieſer Strom alle Waͤſſer des innern Landes
ins Meer fuͤhrt, war angefuͤllt mit Nymphaͤen, Aphro-
diſien und Artemiſien, unter denen das Heiligthum der
Artemis Alpheionia (Alpheiuſa, Alpheiaͤa) 12 beſonders
merkwuͤrdig iſt. Man ſah hier Gemaͤlde der Korinther
Kleanth und Aregon, die zum Theil in naͤherer Bezie-
[376] hung auf den Cultus ſtanden, wie die Darſtellung des
dem gebaͤrenden Zeus einen Thunfiſch darreichenden Po-
ſeidon 1. Ganz von ſelbſt ſetzt ſich aus allem dieſen
die Idee einer aus der Feuchte producirenden und Le-
benſchaffenden Naturgoͤttin zuſammen, und wir wollen
daher auch den Volksglauben der Phigalier nicht durch-
aus verwerfen, nach welchem Eurynome, die Fiſchgoͤt-
tin, die ſelbſt als Halbfiſch vorgeſtellt wurde, eine Ar-
temis war 2.
4.
Aber Alpheios fuͤhrt unſern Blick nach Sicilien
hinuͤber, indem er die behende Quelle Arethuſa zu ha-
ſchen, die ihm in Elis entſchluͤpft iſt, ſie unter dem
Meere verfolgt, und erſt in der Syrakuſiſchen Inſel
Ortygia erreicht 3. Die Fabel iſt nicht ſchwer zu ver-
ſtehen, wenn erwogen wird, daß Ortygia “Sitz der
Flußgoͤttin Artemis” war 4, die auch nach Eleiſcher
Sage den Alpheios liebte 5, und der auf Ortygia be-
ſonders der Quell Arethuſa heilig war. Man wollte
bei der — durch Orakel veranlaßten 6 — Uebertragung
dieſes Artemiscults von Olympia nach Syrakus auch
das der Goͤttin ſo befreundete Waſſer des Alpheios
uͤbertragen; ſo bildete ſich die ſchoͤne Fabel 7. — Nun
haͤngt aber mit der Frage nach der Herkunft des Arte-
misdienſtes auf Ortygia die weitergehende Unterſuchung
zuſammen, woher dieſer mit dem Cultus, wie wir wiſ-
[377] ſen, eng verbundene Name ſtammt und herkommt.
Und dieſe koͤnnen wir ſchwerlich loͤſen, ohne von den
Ortygien uͤberhaupt zu reden.
In der Odyſſee toͤdtet Artemis den Orion iu Or-
tygia 1, dieſe That haͤngt aber genau mit der Deli-
ſchen Mythologie zuſammen, alſo iſt hier Ortygia De-
los. Ein Vers in demſelben Gedicht nennt Ortygia
neben Syros unter den Kykladen, und meint alſo die-
ſelbe Inſel 2. Dagegen wird im Hymnus auf den
Deliſchen Apoll die Geburt dieſes Gottes nach De-
los, der Artemis nach Ortygia geſetzt; alſo iſt hier
Ortygia nicht Delos. Die Siciliſche Ortygia nun kam
bei Heſiodos vor 3 — naͤmlich in einem juͤngern Ge-
dicht als Olymp. 5, vor welcher Zeit die Inſel ohne
Bedeutung fuͤr die Hellenen war; Pindar nennt die-
ſelbe der Artemis Lager, Delos Schweſter 4. Ein an-
deres Ortygia lag auf dem Aetoliſchen Berge Chalkis,
und von dieſem war, nach Nikandros in ſeinen Aeto-
ſchen Geſchichten und nach Phanodikos uͤber Delos,
der Name nach Delos und auf alle andern Orty-
gien uͤbertragen 5. Jener ſtellte es als eine Wande-
[378] rung vor, die vom Titeniſchen Ortygia ausgehend
Epheſos, Delos und Syrakus erreicht habe. Denn
auch bei Epheſos hieß ſo ein vom Fluſſe Kenchrios be-
waͤſſerter Hain der Goͤttin 1. — So viel iſt klar, daß
der Name ſchon zeitig in enge Verbindung mit der
Verehrung der Artemis geſetzt, und darum Orten bei-
gelegt wurde, die eben ſonſt in keinem nachweislichem Zu-
ſammenhange ſtanden: und daß er nicht einen innern Con-
nex der Culte bezeichnet, da in der That die Dienſte
von Epheſos, Delos und Aetolien wohl nichts gemein
haben als den Namen der Goͤttin Artemis. Daher
wir jene Annahme einer Wanderung ganz verwerfen,
und uns begnuͤgen feſtzuſetzen, daß die Sikeliſche In-
ſel erſt dann den Namen Ortygia erhielt, als ſie der
Artemis (Alpheioa) als vorzuͤglich heilig geweiht wor-
den war. — Wir kehren wieder zur Peloponneſiſchen Goͤt-
tin zuruͤck, und knuͤpfen an den angegebenen Hauptbe-
griff derſelben die davon abhaͤngigen. Sie ſtand zu
Megalopolis neben der Demeter, mit der Hirſchhaut
bekleidet, den Koͤcher auf dem Ruͤcken, in der einen
Hand eine Fackel, in der andern zwei Schlangen; neben
ſich einen Hund 2. Die Verbindung mit der Arkadi-
ſchen Demeter und Deſpoena — mit der ſie Aeſchylos
identificirte, indem er ſie Tochter der Demeter nannte,
— iſt wohl aͤlter als das Bild; das heilige Thier,
die Hirſchkuh, iſt beiden jugendlichen Goͤttinnen ge-
5
[379] mein 1. Eben ſo ſteht ſie Dionyſos nahe, und wird
in feuchten Niederungen haͤufig mit ihm verehrt 2
(Liber et Libera); ja ſie hat, wie dieſer, phalliſche Fe-
ſte 3. Dieſe ſegensreiche Quellgoͤttin nun iſt es wohl
auch, welche zunaͤchſt die Pflege des ſonſt ungepflegten
und doch ſo wohl gedeihenden Wildes uͤbernahm, und
darnach Vorſteherin der Jagd wurde — obgleich dies
letztere im Cultus gar kein ſo wichtiger Punkt war
als in der nachhomeriſchen Poëſie. Die Folge von
Ideen zeigt die Stelle des Aeſchylos 4: “Wohl will die
Schoͤne den zarten Sproſſen reißender Leun und aller
Thiere im Gefild bruſtliebenden Jungen.” Nicht alſo
urſpruͤnglich als Feindin und Verheererin, ſondern als
Saͤugamme und Naͤhrerin der Wildbrut dachte man die
Eoͤttin 5. Auch war ihr wohl in gleichem Sinne Pfer-
dezucht anvertraut 6, und endlich die gedeihliche Auf-
naͤhrung des jungen Menſchenkindes ſelbſt, in welcher
Funktion ſie Korythallia 7, Kurotrophos, Philomeirax
[380] heißt 1. Es haͤngt dieſer Fortſchritt noch ganz wohl
mit dem altarkadiſcher Naturreligion angehoͤrenden
Grundbegriff zuſammen; man kann ſagen, daß er ſei-
nen Schluß findet in der Steigerung zum allgemeinen
Begriff der Σώτειρα, der aber eben ſo conſequent aus
dem Idealismus der Doriſchen Religion abgeleitet wer-
den kann: ſo daß ſich beide Ideenreihen hier in einer
Spitze beruͤhren.
5.
Wir blicken wieder auf das mythiſche Sym-
bol der Artemis Kalliſto, auf die Baͤrin, um den
Attiſchen Dienſt daran zu knuͤpfen. Denn in dieſem
hießen ja die jungen Maͤdchen zwiſchen 5 und 10 Jah-
ren, welche der Munychiſchen und Brauroniſchen Ar-
temis geweihet wurden, Baͤrinnen3, und die Goͤt-
tin ſelbſt tritt in wunderlichen Sagen als eine Men-
ſchenblut fordernde Baͤrin auf 4. Die Brauroniſche
2)
[381] fuͤhrte auch den Namen “Brandgeſicht” Αἰϑοπἰα 1, der
aus alter Symbolik zu deuten iſt; Kallimachos zog ihn
auf den Mond. Mit der Brauroniſchen Kuͤſte aber
ſtanden die Inſeln Lemnos und Samothrake in engem
Connex, daher beide Αἰϑιοπία heißen 2. — Als die
Jonier von Athen nach Aſien zogen, brachten ſie die
Verehrung der Munychiſchen Goͤttin nach Milet und
Kyzikos 3, und nach der erſtern Stadt den damit ver-
wandten Cult der Artemis Chitone als Geburtsgoͤttin,
deren Holzbilder aus fruchtreichen Hoͤlzern beſtanden 4.
6.
Aber die Betrachtung der Attiſchen Artemi-
ſien fuͤhrt uns wieder auf eine andere Variation oder
Abart der unter dem Namen Artemis begriffenen Culte,
naͤmlich auf die Orthoſia, Orthia oder auch Iphi-
geneia genannte Goͤttin. Alles, was dieſe betrifft,
iſt in ein ſeltſames Dunkel myſtiſcher Fabeln gehuͤllt,
aber um deſto lehrreicher zur Kenntniß der Geneſis der
Mythologie uͤberhaupt. Wir geben zuerſt die Sagen
und Thatſachen, wie wir ſie finden. In Attika war
Iphigeneia, von Taurien kommend, zu Brauron und
dem benachbarten Halae Araphenides gelandet, und
hatte das alte Schnitzbild der Goͤttin zuruͤckgelaſſen 5.
[382] Sie wurde auch hier ohne viele Umſtaͤnde der heroi-
ſchen Genealogie eingewebt, und Tochter des Theſeus
genannt 1. In Sparta war ein Tempel der Artemis
Ορϑία im Bruͤhl der Stadt (Limnaͤon), wo man eben-
falls ein von Taurien gekommenes Holzbild zeigte 2.
Die Goͤttin hieß auch Λυγοδέσμα, die mit Keuſchlamm
gebundene, oder Φακελίτις, die im Reisbunde bewahrte,
welches auf eigene bildliche Vorſtellungen zielt. Von
der Einfuͤhrung des Dienſtes erzaͤhlte man, daß Aſtra-
bakos und Alopekos (Eſel und Fuchs), die Soͤhne des
Irbos, Nachkommen des Agis im vierten Geſchlecht,
(etwa 900 vor Chr.) das Bild in einem Strauch ge-
funden haͤtten, und bei Anſchauung deſſelben wahnſin-
nig geworden waͤren. Darauf haͤtten ihr die Limna-
ten und andern Komen Spartas geopfert, wobei ſie
in Streit gerathen und Mord und Todſchlag entſtan-
den. Es fallen viel Menſchen am Altare; die Goͤttin
fordert Opfer, wofuͤr ſpaͤter die Geißelung der Kna-
ben am Feſte der Orthia, uͤber deren Strenge die
Prieſterin wacht 3. Bemerkenswerth, daß gleich
darauf eine πομπὴ Λυδῶν, ein Lydiſcher Aufzug, folg-
te 4. — Es geht aus dieſer Erzaͤhlung hervor, daß
man die Geißelung als Entſchaͤdigung fuͤr blutige Opfer
betrachtete, und dann auch, daß man den Cultus fuͤr
[383] fremd und eingebracht hielt. Deſſen ungeachtet iſt er
ganz in die Lakoniſchen Mythen eingewachſen. — Denn
es laͤßt ſich ſehr evident zeigen, daß die angebliche
Tochter Agamemnons, Iphigeneia, nichts als jene
Tauriſche Goͤttin iſt; wie man dieſe wirklich in mehre-
ren Staͤdten Griechenlands unter dem Namen ἸΦιγέ-
νεια verehrte. Als Heroine freilich iſt ſie ſtatt der
nach Menſchenblut duͤrſtenden Goͤttin erſtens die ihr
geopferte Jungfrau, zweitens die ihr opfernde
Prieſterin geworden. Schon nach den Kypriſchen Ge-
dichten 1, denn Homer weiß nichts von ihr, wurde
Iphigeneia der Artemis geſchlachtet, aber von ihr nach
den Taurern hinuͤbergefuͤhrt und unſterblich gemacht,
und an ihrer Stelle eine Hirſchkuh (nach Phanodem
eine Baͤrin, nach Nikandros ein Stier) gelaſſen 2. Als
unſterblich fortlebend, als Hekate, ſtellte ſie
auch ſchon Heſiodos dar 3. Das Opfer wurde nach
Aulis geſetzt, weil daſelbſt am Hafen ein Tempel der
Artemis, wahrſcheinlich der Orthoſiſchen, ſtand, der
beim Uebergange geopfert wurde 4. — Nach Lakonien
[384] aber kam dieſer Cultus wahrſcheinlich von Lemnos 1,
einem Hauptſitze deſſelben. Ich habe ſchon anderwaͤrts
die Vermuthung geaͤußert: daß Lemnos in fruͤherer
Sage Taurien war, daß es vom Stierſymbol der
Goͤttin dieſen poëtiſchen Namen erhielt, wie Lykien
den ſpaͤter geographiſch gewordenen vom Symbol des
Wolfes. Auch hier in Lemnos wurde eine große Goͤt-
tin mit Jungfrauenopfern ehemals verehrt, hier hatte
Thoas geherrſcht, der nach Taurien hinuͤbergeſchwom-
men ſein ſoll; nach Lemnos ſoll das Holzbild von Brau-
ron gebracht ſein 2. Noch evidenter wird dieſe An-
ſicht durch die Parallele des Dienſtes der Chryſe. Aga-
memnon ſoll mit der Troiſchen Chryſeis außer der
Iphigeneia auch die Chryſe erzeugt haben 3. Nach
andern auch einen Chryſes, der mit Oreſt nach Tau-
rien ging 4. Nun wiſſen wir aber ſicher, daß Chryſe
eine zu Lemnos, wie auch zu Samothrake, ſeit alter
Zeit verehrte Gottheit war. Schon die Argonauten
unter Herakles und Jaſon ſollen ihr geopfert haben;
und man ſieht ihr altvaͤteriſches Holzbild uͤber einem
Heerde aus rohen Feldſteinen errichtet noch auf alten
Vaſengemaͤlden 5, Philoktetes ſoll bei der Wiederauf-
findung dieſes Altars 6 von der Schlange gebiſſen wor-
den ſein 7. Wahrſcheinlich war dieſe Chryſe, die auch
Athena genannt wird, nur eine andere Form ihrer
Schweſter Iphigeneia; zur Erklaͤrung des Namens
[385] liegt der Mond am naͤchſten. Von Lemnos aus ver-
breitete ſich der Cult beider Goͤttinnen nach andern
Punkten im Norden des Aegaͤiſchen Meers; an der
Kuͤſte von Byzanz ſtand der Altar der Artemis Ortho-
ſia 1, gegenuͤber lag Chryſopolis mit dem Grabe des
Chryſes, Sohnes des Agamemnon, der, die Iphigeneia
ſuchend, hier geſtorben ſein ſoll 2. Jeder ſieht nun,
wie dieſes weitlaͤuftige Cultusgewebe mit allen Namen
in die Lakedaͤmoniſche Koͤnigsgenealogie uͤbertragen, und
mit den Troiſchen Mythen wunderbar verwebt wurde.
Taurien lernten die Griechen erſt durch die Mileſiſchen
Fahrten kennen, und gaben ihm ſelbſt den in ihren
Mythen ſchon beruͤhmten Namen; ſie fanden hier einen
blutigen Dienſt einer Goͤttin, welche ſie, halb und halb
den Namen graͤciſirend, Oreiloche nannten 3; ſie fanden
Menſchenopfer, von denen ſie muthmaßten, daß ſie der
Iphigeneia gebracht wurden 4; ihr dieſer geweihte Dienſt
ſelbſt enthielt ſo viel Erinnerungen alter Barbarei, daß
ſie nun gern die Baſchkiren des Nordens als die Ur-
heber deſſelben anſehen mochten. Doch hatten ſie
geſchichtlich die Stiergoͤttin (Ταυρικὴ) Artemis ſo we-
nig von den Taurern, als die mit dem Brandgeſicht
(Αἰϑοπία) von den Aethiopiern, als den blutigen
(Φοῖνιξ) Kadmilos von den Phoͤnikiern u. ſ. w. Auch
in Kleinaſien gab es Culte 5, welche die Griechen mit
II. 25
[386] der Orthiſchen Artemis verglichen und uͤber deren Ver-
wandtſchaft wir bald reden werden.
7.
Bis hieher habe ich die Erzaͤhlungen der Al-
ten faſt nur zuſammengeſtellt, und nur die ſich von
ſelbſt ergebende Verbindung derſelben angezeigt. Zu
einem etwas peremtoriſchen Verfahren genoͤthigt ziehn
wir nun kurz die Reſultate. Erſtens fuͤr den Sinn
und Charakter des ſicher ſehr myſtiſchen 1 Dienſtes.
Wir haben eine mit Orgiasmus, Geiſtesverwirrung,
Wuth angebetete Goͤttin; Erſcheinungen, die auf einer
gewiſſen Stufe des Naturdienſtes faſt regelmaͤßig her-
vortreten, wo der Menſch vom ſinnlichen Leben der
Natur ergriffen ſich ſeines Bewußtſeins an dieſelbe zu
entaͤußern ſucht. Dazu kommen blutige Opfer, die der
helleniſche Sinn nur zu maͤßigen und veredlen ſuchte:
welche ebenfalls dieſer Stufe eigen zu ſein pflegen.
Jenes berauſchenden Wahnſinns wegen kann man den
Dienſt mit dem des Dionyſos zuſammen ſtellen; wie
dieſer Orthos hieß, ſo jene Orthia; es iſt nicht un-
wahrſcheinlich, daß beides auf phalliſchen Dienſt ſich
bezieht 2. Die ὀρϑία ὕβρις der Eſel bei Pindar er-
klaͤrt 3, warum Aſtrabakos, der Eſelmann, der auch
in der Herodotiſchen Erzaͤhlung als zeugungskraͤftig
vorgeſtellt wird, das Bild der Goͤttin gefunden haben
ſoll. Es iſt ſicher, daß dieſe Eigenſchaften auch ſonſt
am Monddienſte bemerkt werden, und auf den Mond
beziehn ſich auch die Namen Αἰϑοπία und Χρύση.
Nur iſt wohl der Mond ſelbſt nur Symbol dieſer Na-
turgottheit. Wie in Aſien die Maͤdchen ihre Jung-
frauſchaft aͤhnlichen Gottheiten opferten: ſo dienten
[387] dieſer Attika’s Toͤchter in Brauron wenigſtens als Vor-
bereitung und Einweihung zur Ehe. — Was aber
zweitens das Vaterland dieſes Dienſtes betrifft: ſo
glaube ich, daß er urſpruͤnglich mit dem Arkadiſchen
der Kalliſto einerlei war, aber auf Lemnos durch die
Naͤhe Aſiatiſcher Culte eine mehr orgiaſtiſche und aus-
ſchweifende Geſtalt gewann, in welcher er nach Attika
und Lakonien zuruͤckgebracht wurde. — Daß mit der
Tauriſchen Goͤttin (Ταυρικὴ, Ταυρὼ, Ταυϱιώνη, Ταυ-
ρωπός) die Tauropolos naͤchſtverwandt iſt, darf
man wohl nicht bezweifeln. Dieſer Name der Gott-
heit hatte ſich feſtgeſetzt auf Samos (wo man ihr an
feierlichen Feſten Seſam- und Honigkuchen darbrach-
te) 1, auf der nahen Ikaros 2 und zu Amphipolis 3.
Die Weiſe der Verehrung war ohne Zweifel orgiaſtiſch,
weil man ſich die Gottheit ſelbſt als ſinnverwirrend
dachte 4, und blutig, weil man den Dienſt von Aricia
damit verwandt fand 5. Wie man ſie auf den Muͤn-
zen noch auf dem laufenden Stier ſitzend ſieht, erklaͤrte
ſie Apollodor fuͤr die allumkreiſende Gottheit — mit
Beziehung auf den Mond 6.
8.
Daran ſchließen ſich nun diejenigen Heilig-
thuͤmer der Goͤttin, deren Urſprung im eigentlichen
Sinne Aſiatiſch und ungriechiſch iſt, und die ſich mit
25 *
[388] voͤlliger Entſchiedenheit von der Doriſchen, aber auch
der Arkadiſchen Artemis-Verehrung ſondern.
Die Epheſiſche Artemis fanden die Jonier ohne
Zweifel ſchon in ihrem Heiligthume 1, im ſumpfigen
— dem Meer entſtiegenen — Thale 2 des Kayſtros vor,
als ſie an der Kuͤſte ſich anſiedelten. Sie nannten ſie
nach Analogieen mit der Munychiſchen Goͤttin Artemis
— ſo wie ſie nachmals eine große Anzahl der weibli-
chen Naturgottheiten im Pontos, in Galatien, Arme-
nien, Kolchis, Medien u. ſ. w. Artemis benamten —
ohne damit viel uͤber ihr Weſen auszuſagen; unter-
ſchieden ſie jedoch, wohin ſie den Cultus ſonſt ver-
pflanzten, immer von andern durch den Beiſatz “die
Epheſiſche” 3. Alles was vom Cultus dieſer Gottheit
erzaͤhlt wird, iſt ſingulaͤr und dem Helleniſchen fremd.
Ihr beſtaͤndiges Symbol iſt die Biene, die ſonſt Arte-
mis wohl nirgends hat; die andern Attribute, welche
die ſpaͤtern Bildſaͤulen ſchmuͤckten, ſind zu ſehr zuſam-
mengeſucht, um Schluͤſſe zu erlauben. Die Biene aber
iſt wohl urſpruͤnglich nur Symbol der Nahrung; der
Begriff der Reinheit kann hinzugetreten ſein 4. Der
Oberprieſter ſelbſt hieß Εσσὴν oder Bienenkoͤnig. Andere
Prieſternamen ſind ungriechiſch, Megabyzoi hießen die
prieſterlichen Caſtraten daſelbſt zu Strabons Zeit; auch
Μύξος war ein Prieſtername 5. Der Goͤtterkreis, welcher
[389] ohne Zweifel dieſe große Goͤttin, dieſe Πρωτοϑρονίη 1,
umgab, muß von einer eigenthuͤmlichen Natur geweſen
ſein. Die Mutter war von Anfang ſchwerlich Leto 2,
Apollon kommt nie neben ihr vor 3, ihre Amme ſcheint
Ammas geheißen zu haben 4; Herakles ſoll ihre Ge-
burt vom Berge Kerykeion verkuͤndet haben 5. Unter
dieſem Herakles wird man ſich einen einheimiſchen Daͤ-
mon, vielleicht einen der Idaͤiſchen Daktylen, zu den-
ken haben, deren Namen nach Einigen in den Epheſi-
ſchen Zauberworten enthalten waren, die, man weiß
freilich nicht ſeit wann, an den Fuͤßen der Bildſaͤule
angeſchrieben waren 6.
9.
So viel genuͤge hier zur Andeutung des Cha-
rakters dieſes Cultus, der gleichſam als ein weit vor-
geworfener Punkt einer nach Weſten hin iſolirten Reihe
erſcheint. Ueber ſeinen Urſprung iſt die allgemeine
Sage des Alterthums, daß ihn die Amazonen gegruͤn-
det. Schon Pindar hatte dieſe behandelt 7; vermuth-
lich war aber ſchon in aͤlteren Theſeiden und Herakleen
5
[390] davon die Rede; wie ſie am Orte ſelbſt lokal war, geht
aus dem beruͤhmten Wettkampfe der Kuͤnſtler Pheidias,
Polykleitos u. Aa. hervor, in dem ſie fuͤr den Epheſi-
ſchen Tempel Amazonen arbeiteten; noch neuerlich hat
man einen Sarkophag mit Amazonenkaͤmpfen bei Ephe-
ſos gefunden 1. Die Gruͤndungsſagen der Staͤdte
Smyrna, Kyme, Myrlea, Myrina Aeolis, Priene,
Mitylene, Pitane reden uͤberall auch von Amazonen 2;
und die vielſpringende Myrina nach Goͤtterbenen-
nung bei Homer iſt ſicher als Amazone gedacht. Was
die Bedeutung der Amazonen betrifft: ſo ſchließe ich
mich der 3 Anſicht an, daß die Dichtung von denſelben
entſtanden ſei durch den Anblick der ungeheuern Heer-
den von Tempeldienerinnern, Hierodulen, wie ſie in
Aſiatiſchen Tempeln ſich vorfanden. Heilige Taͤnze zur
Syrinx fuͤhrten auch nach Kallimachos die Amazonen
um das an dem Stamme einer Ulme neuerrichtete
Bild auf. Ja es wird als geſchichtliches Faktum ge-
geben, daß noch in Joniſcher Zeit Frauen um den
Tempel wohnten, vom Geſchlecht der Amazonen 4; ob-
gleich nur Jungfrauen in den Tempel ſelbſt einzu-
gehen geſtattet wurde 5. Um aber zugleich die
Mythen von den Kaͤmpfen und Kriegen dieſes Weiber-
heers zu erklaͤren, muͤſſen wir als Goͤttin ihres Cultus
eine ſolche ſetzen, die nicht blos Fruchtſpendend und
[391] Nahrungertheilend, ſondern zugleich zerſtoͤrend und verhee
rend vorgeſtellt wurde — obgleich dieſe letztere Seite im
Epheſiſchen Cult verloſchen ſcheint — eine Goͤttin, die zu-
gleich Naturmutter und Enyo. — Fragen wir weiter nach
dem Vaterlande der Amazonen als Gruͤnderinnen die-
ſes Cultus: ſo kann es Phrygien nicht wohl geweſen
ſein, da ſie ſchon bei Homer von jenſeits des Sanga-
rios kommend mit den Phrygern ſtreiten 1. An dieſen
Volkſtamm graͤnzt der Syriſche: und wenn nun Pindar
ſagt, daß die Amazonen das Syriſche mit breiten Lan-
zen geruͤſtete Heer leiteten 2, ſo ſtimmt er darin voͤllig
uͤberein mit denen, die ihren Urſprung an den Ther-
modon, Chadeſios, Lykaſtos laͤngs der Kuͤſte von The-
miskyra ſetzten 3. Die auffallende Uebereinſtimmung
Mehrerer in dieſer Anſetzung, ſo wie die ungewoͤhn-
liche Beſtimmtheit derſelben machen ſie doppelt wichtig.
Und welches Lokal duͤrfte eher als Vaterland der Ar-
temis Epheſia ſowohl als der kriegeriſchen Hierodulen
gelten, als Kappadokien. Wo ſich ausgebreitete Hie-
rarchien mit unzaͤhligen maͤnnlichen und weiblichen Hie-
rodulen in die geſchichtliche Zeit hinein erhalten hatten,
ein ſchamaniſch-orgiaſtiſcher Naturcultus bluͤhte, und
die Hauptgottheit zugleich Enyo und Magna mater
war. Wenn wir ſo den in Frage ſtehenden Cultus an
das naͤchſte Glied angeknuͤpft haben: ſo laͤugnen wir mit
[392] nichten, daß ſo weit ſich der Syriſch-aramaͤiſche Stamm
erſtreckte, faſt alle Erſcheinungen — die ſich zu Ephe-
ſos nur gemildert zeigen — oft ausnehmend grell und
widerlich hervortreten 1.
Es hatte ſich uͤbrigens derſelbe Aſiatiſche Goͤtter-
dienſt auch an andern Stellen bei den Griechen des
Landes eingedraͤngt, oder war von ihnen vorgefunden,
und aus jener Toleranz, die ſich religioͤſe Inſtitute
leicht anzueignen weiß, angenommen worden. Dahin
gehoͤren: die Leukophryne, die in Phrygien an einem
ſuͤßen und warmen Teiche 2, und von da beſonders in
Magneſien am Maͤandros, daher auch von Themiſto-
kles, verehrt 3, und der Epheſiſchen aͤhnlich gebildet
wurde 4. Zum heiligen Thiere hatte ſie den Buͤf-
fel 5. Die Artemis auf Sipylos, gefeiert mit aus-
gelaſſenen, unzuͤchtigen Taͤnzen, von denen ſie auch zu
Olympia, nach Pauſanias, Kordaka hieß 6. Die Per-
gaͤiſche, weit und breit bekannt in Griechenland durch
ihre herumwandernden Bettelprieſter 7, von aͤhnlicher
Bildung wie die Leukophryne 8, u. a. m. 9. Ganz im
[393] Geiſte dieſer Religionen nannte der Muſiker Timotheos
die Goͤttin “die ſtuͤrmende, ſchaͤumende, wuͤthende, ra-
ſende” 1, und der Tragiker Diogenes 2 redete in einer
ſchoͤnen, obgleich nicht eben geographiſch genauen Stelle
ſeiner Semele, von den Lydiſchen und Baktriſchen Jung-
frauen, die laͤngs des Halys die Tmoliſche Artemis
mit weichlich toſender Muſik feiern.
Soviel ſchien noͤthig zur Rechtfertigung der oben
aufgeſtellten Sonderung, aber wir machen kein Hehl
daraus, daß in dieſer ſummariſchen Darſtellung manche
ſchwierige Aufgabe noch ganz unberuͤhrt geblieben iſt,
zu deren Loͤſung weitlaͤuftigere Voranſtalten gehoͤren.
[394]
Andere Gottheiten.
10.
1.
Nachdem wir die Religionen, die ihren Impuls
ganz oder zum Theil von den Doriern erhalten, be-
trachtet haben: finden wir noͤthig, um vom Zuſtande
des Goͤtterdienſtes bei dieſem Stamme voͤllige Rechen-
ſchaft zu geben, auch die Culte nachzuweiſen, die ſie,
in verſchiedenen Staͤdten verſchiedene, angenommen und
geuͤbt haben. — Dieſe Forſchung wird, außer dem
eigenthuͤmlichen und unmittelbaren Reſultate, welches
ſie gewaͤhrt, noch nach zwei Seiten ſchon organiſirten
Stoff der Forſchung fuͤhren; naͤmlich zur Coloniſirungs-
geſchichte des Stammes, welche daraus Beſtaͤtigung
und Ergaͤnzung erhaͤlt, und zur Geſchichte des Doriſchen
Lebens, auf welches die geuͤbten Goͤtterdienſte den groͤß-
ten Einfluß aͤußerten. Weil aber die Maſſe des Stof-
fes hier ganz unendlich — denn uͤber Nichts im Al-
terthume giebt es ſo reiche Notizen, als uͤber die loka-
len Culte — muͤſſen wir jedes Streben nach Vollſtaͤn-
digkeit aufgeben, das uns viel zu weit abfuͤhren wuͤrde.
Um bei Zeus zu beginnen, ſo iſt auffallender
Weiſe kein Hauptinſtitut dieſes Cultus fuͤr ſich in Do-
riſchen Landen (außer dem Phrygiſchen Dienſt auf
Kreta) namhaft zu machen, ſondern faſt uͤberall, wo
er vorkommt, erhaͤlt er erſt durch eine andere mit ihm
[395] verbundene und aͤußerlich mehr hervortretende Gottheit
ſeine naͤhere Beſtimmung. Den Dienſt von Olympia 1
halte ich fuͤr eine Stiftung der Achaͤer, die auch ſonſt
— wie in Aegion — dem Gotte allein Haupttempel
weihten; den Hellanios auf Aegina haben Theſſaliſche
Hellenes (im engern Sinne) dort angepflanzt. — Aber
ganz Argolis nebſt Korinth ſteht ſeit alten Zeiten unter
dem Schutze der Hera, die mit Zeus zuſammenge-
dacht, aber im Cultus mehr hervorgehoben wurde, als
der Gott. Das Hauptheiligthum lag zwoͤlf Stadien
von Mykenaͤ, vierzig von Argos, uͤber der Gegend
Proſymna 2; von den angeſehenſten Prieſterinnen ge-
pflegt und durch die erſten Feſte und Agonen gefeiert,
wurde es ſelbſt eine der aͤlteſten Wiegen der plaſtiſchen
Kunſt. Auch ſcheint es, daß Argos faſt allein die
Wurzel des Dienſtes ſei, und er hier ſeine eigenthuͤm-
liche Geſtalt und ſein eigenes Gepraͤge erſt erhalten
habe. Denn die Dienſte von Samos, ſo wie von
Sparta 3 werden in Sagen, welche die Uebereinſtim-
[396] mung der Gebraͤuche beglaubigt, von Argos hergeleitet;
und daſſelbe gilt von dem Epidauriſchen 9, Aeginetiſchen,
Byzantiſchen Cult. Die Goͤttin herrſcht in den aͤltern
Mythen von Argos; die Traditionen von Jo, ſoviel davon
wirklich einheimiſch, ſind nur mythiſche Darſtellungen
der Ideen und Gefuͤhle dieſer Verehrung; ſo wie die
Korinthiſchen Mythen von Medeia in ihrem aͤlteſten
Theile ſich ebenfalls auf die dort einheimiſche Religion
der Hera Akraͤa beziehn 1. Daher die Korinther nach
ihrer Colonie Korkyra mit dem Heradienſt 2 auch die
Mythen und den Cultus der Medeia brachten 3. —
Man wird daher das Eigenthuͤmliche und Beſondere
dieſer Religionsart theils aus den ſymboliſchen Tradi-
tionen uͤber Jo und Medeia und andern dergleichen,
theils aus den Gebraͤuchen, beſonders des Samiſchen
Feſtes, zuſammenſtellen muͤſſen. Eine naive Natur-
religion lag gewiß zum Grunde; welche die Sage, wie
Zeus, auf Berg Thornax in Suͤd-Argolis als Kukkuk
(deſſen Ruf in Griechenland die Naͤhe eines gedeihli-
chen Saatregens verkuͤndet) die Hera verfuͤhrt, ſehr
hehllos ausſpricht; der ἱερὸς γάμος ſpielte eine Haupt-
rolle 4. In Samos erzaͤhlte man, daß das Bild einſt
mit Ruthen von Keuſchlamm ganz umwunden geweſen
ſei, und ſtellte dies, wie es ſcheint, auch in Feſtge-
braͤuchen dar 5: daſſelbe bedeutete das Argiviſche Feſt
Λέχερνα, Zweigbett6.
[397]
2.
Sehr alt und beinah gleicher Ehre theilhaft war
in Argolis der Cultus der Athena, die auf der Hoͤhe
der Lariſſa einen Tempel hatte; die Goͤttin, die zu
Sparta im ehernen Hauſe angebetet wurde, hatte ſicher
denſelben Charakter und Urſprung 1. An beiden Orten
nannte man ſie faſt auf dieſelbe Weiſe, dort Ὀπτιλέ-
τις 2, Augengoͤttin, hier Oxyderkes, Scharfſehende 3;
und wenn man auch an beiden Orten den Namen von
hiſtoriſchen Begebenheiten erklaͤrte: ſo wird er doch
richtiger mit dem Cultusnamen zu Athen und Sigeion:
Γλαυκῶπις, und aͤhnlichen verglichen. In Argos ſchließt
ſich ein großer Theil der heroiſchen Mythologie an
die Ideen der Pallas-Verehrung. Denn in ihrem
Tempel auf der Burg lag Akriſios nach der Sage be-
graben 4; und da die Goͤttin ſelbſt Ἀκρία heißt 5, ſo
glaube ich auf dieſe Weiſe den Namen Ἀκϱίσιος ſelbſt
befriedigend erklaͤren zu koͤnnen: beſonders da eine Ana-
lyſe des Mythus von Akriſios, Perſeus, den Gorgo-
nen lehrt: daß in ihm alles von Symbolen der Pal-
las abhaͤngt. Auch Korinth nahm an dieſem Mythen-
kreiſe Antheil, wie die Typen des Pegaſus, des Meduſen-
kopfes und der Goͤttin ſelbſt auf den Muͤnzen dieſer
Stadt und ihrer Kolonien — Leukas, Anaktorion, Argos
Amphilochikon — deutlich zeigen 6.
[398]
Es giebt noch einen andern Zweig des Pallas-
dienſtes bei den Doriſchen Voͤlkern, der ſich von Lin-
dos auf Rhodos nach dem Siciliſchen Gela und von
da nach Akragas und Kamarina verbreitet 1. In al-
len dieſen Orten iſt Pallas die Burgſchirmerin und
Stadtgoͤttin, und dem Zeus Polieus (auch Atabyrios)
zugeſellt 2. Von der Eigenthuͤmlichkeit ihrer Vereh-
rung wiſſen wir nur aus Pindar, daß man ihr in
Rhodos, wie den alten Naturgoͤttern, feuerloſe Opfer
brachte, und daß die dort einheimiſche alte Kunſt ſich
an ihren Cultus ſchloß. Denſelben von dem Argiviſchen
ableiten zu wollen, waͤre willkuͤhrlich, da auch die oben
bezeichneten beſonderen Symbole des letztern in Rho-
dos und deſſen Colonien nicht vorzukommen ſcheinen.
Aehnlicher war ihm der Kretiſche von Hierapytna,
(welche Stadt auf ihren Muͤnzen die Attiſchen Sym-
bole der Pallas hat,) wenn die Praͤſiſchen Geſandten
zu Rhodos mit Recht angaben, daß man die Koryban-
ten (zu Hierapytna,) fuͤr Kinder des Helios und der
Athena halte 3.
3.
Mehr als die beiden genannten Goͤtterdienſte,
obgleich auch dieſe und beſonders Hera vor der Doriſchen
Uſurpation wohl noch allgemeiner herrſchten, wurde die
6
[399] Religion der Demeter in den Schatten gedraͤngt:
wie Herodot von einer Weihe der Demeter Thesmopho-
ros, welche angeblich die Toͤchter des Danaos geſtiftet
hatten, ſagt: daß, als die Peloponneſier von den Do-
riern vertrieben wurden, die Weihe unterging, und
nur die uͤbriggebliebenen Peloponneſier und die nicht
vertriebenen Arkader ſie fortſetzten” 1. Daher finden
wir wenig Demetercult in den Hauptſtaͤdten Doriſchen
Namens 2. So ſcheint es in Argos, als waͤren die
Gebraͤuche zu Ehren der Goͤttin auf der einen Seite
in die Lernaͤiſchen Suͤmpfe hinein, auf der andern
nach dem von den Dryopern bewohnten Oſtende der
Halbinſel hinausgedraͤngt worden. Dort beſtand fort-
waͤhrend eine myſtiſche Weihe, die aber lange ſehr ob-
ſcur blieb: hier hatte man einen deutungsvollen Cul-
tus der Chthoniſchen Goͤtter an die Spitze aller andern
geſtellt. Die von Fourmont zu Hermione gefundenen
Inſchriften, die unter andern Namen neben Demeter
und Kora den Klymenos erwaͤhnen 3, ſtimmen ſehr
wohl mit dem Anfang des Hymnus, den Laſos der
Hermioneer auf die Gottheiten ſeiner Vaterſtadt dich-
tete: “Damater ſinge ich und Kora des Klymenos Ge-
mahlin Meliboͤa, der Hymnen Aeoliſche Harmonie, die
[400] tieftoͤnende, herauffuͤhrend” 1. Und wie man das Hei-
ligthum der Chthoniſchen Demeter — am Eingange zur
Unterwelt — als das erſte der Stadt anerkannte, er-
hellt noch aus der Pietaͤt, mit welcher die in Meſſe-
nien wohnenden Aſinaͤer von da der alten Stammgoͤttin
zu Hermione Opfer und Theorieen ſenden 2.
In alten Zeiten hatte in Argos auch ein Cul-
tus gebluͤht, den wir mit dem Namen der Triopi-
ſchen Demeter bezeichnen 3. Es beziehen ſich naͤmlich
die Mythen von Triopas und deſſen Sohn Eryſichthon
(Kornbrand), wo ſie ſich immer finden, auf eine Acker-
religion, die zugleich Cultus der Unterwelt iſt. Die
alten Sitze derſelben ſind das Phthiotiſche Feld Dotion,
Argos, auch Attika 4; und von dem erſtgenannten Orte
iſt ſie durch uralten Voͤlkerzuſammenhang, den die Er-
zaͤhlung von einer Dotiſchen Colonie nach Knidos,
Rhodos und Syme andeutet 5, an die Suͤdweſtkuͤſte von
Kleinaſien gekommen: wo ſie die Grundlage der Trio-
piſchen Goͤtterverehrung bildete, an die ſich die Bun-
desfeſte der Doriſchen Sechsſtaͤdte knuͤpften. Vor Trio-
pion liegt die kleine Inſel Telos, von da folgte eine
Familie der Lindiſchen Colonie, die Gela in Sicilien
gruͤndete, und brachte die sacra Triopia mit ſich; einer
dieſes Geſchlechts, Telines genannt, wußte dieſem Gen-
tilcultus der unterirdiſchen Goͤtter ſo viel Anſehn zu
verſchaffen, daß er als Hierophant denſelben als oͤf-
[401] fentlichen verwalten durfte; von dieſem ſtammt Hieron
der Syrakuſier 1.
4.
Durch dieſe ſehr beglaubigte und in ſich wohl
zuſammenhaͤngende Coloniegeſchichte haben wir den Ur-
ſprung eines der Zweige Cerealiſcher Religion in Sici-
lien gewonnen. Einen andern Zweig brachte wohl die
Familie der Emmeniden mit 2, welche, urſpruͤnglich
aus Theben ſtammend, mit der Geloiſchen Colonie
nach Sicilien gekommen war. Denn es wird vermuth-
lich den dieſer Familie eigenen Sagen verdankt, wenn
Akragas, ſo wie das alte Theben, “ein Geſchenk des
Zeus an Perſephone am Feſte der Schleierluͤftung”
heißt 3. Allein von keiner von beiden Familien kann
der große und vielgefeierte Dienſt der Goͤttin in Sy-
rakuſaͤ und deſſen Colonie Enna — welcher Sicilien in
den Augen der Einwohner und der Roͤmer zum Vater-
lande der Ceres gemacht hat — abgeleitet werden, da
er in ſeiner Eigenthuͤmlichkeit wieder von beiden
bezeichneten abweicht 4. Aus ſeinem Anſehn kann man
ſchließen, daß er zu den aͤlteſten, gleich bei der Gruͤn-
dung geſtifteten, Culten von Syrakus gehoͤrt; und da
dieſe theils von Olympia 5, meiſt aber von Korinth
ſtammen, und ihn aus dem erſteren Orte abzuleiten
II. 26
[402] kein Grund da iſt: ſo muß er aus der Gegend der
Metropolis gekommen ſein. Hier gab es nun zwar
auch einen Tempel der Demeter und Kora, deren Prie-
ſterinnen zugleich Prophetinnen durch Traͤume waren 1;
allein dieſer Dienſt iſt lange nicht ſo bedeutend, wie der
Siciliſche wurde: deſſen großes Anſehen man indeß
vielleicht durch die Fruchtbarkeit Siciliens erklaͤren
koͤnnte — des Waizenlandes — welche wohl die (Ger-
ſte eſſenden) Griechen zu ganz beſonderer Verehrung der
Segensgoͤttin auffordern mochte. Ueberlegt man aber,
daß außer Korinth auch noch Megara, die Nachbar-
ſtadt, an der Gruͤndung von Syrakus ſtarken Antheil
nahm: ſo wird man kaum zweifeln, daß die letztre Stadt
die wahre Metropolis dieſes Cultus war, da hier De-
meter uralte Landesgoͤttin iſt, und in ihrem Megaron
auf der alten Burg Karia auch von den erobernden
Doriern ungefaͤhrdet blieb 2.
Auch noch in Lakonien hatte ſich von alten Zeiten
Demeter behauptet, obgleich ſchwerlich von den Do-
riern zu Sparta ſehr geehrt. Denn die dort vorkom-
menden Eleuſinien wurden beſonders von den Einwoh-
nern der alten Stadt Helos begangen, welche an be-
ſtimmten Tagen ein Holzbild der Kora nach dem Eleu-
ſinion auf der Hoͤhe des Targetos fuͤhrten 3. Die
Goͤttin als Chthonia zu verehren, hatten die Lakonen nach
[403] Pauſanias von den Hermioneern, deren Verwandte ſich
in Meſſenien angeſiedelt, empfangen 1.
5.
Poſeidon war urſpruͤnglich kein Gott der
Dorier, ſondern mehr der Natur Joniſcher Voͤlker an-
gemeſſen, die als Anwohner des Meers auch deſſen
unruhige Bewegtheit in ihr Gemuͤth aufgenommen hat-
ten. Er findet ſich daher nur hie und da, wie auf
Taenaron 2 (von wo er nach Tarent uͤberging), in
Kyrene 3, auf Aegina 4, beſonders auf dem Iſthmos,
und zu Troͤzen nebſt Kalauria, von welchen letztern
Orten oben ſchon nachgewieſen iſt, daß ſie zu den alt-
ioniſchen Stiftungen um den Saroniſchen Meerbuſen
her gehoͤren 5, auf die ſich beſonders die Mythen von
Theſeus beziehn 6. Von Troͤzen aber wurden die Po-
ſeidonien nach Poſeidonia in Großgriechenland, und,
beſonders durch eine Familie der Antheaden, nach Ha-
likarnaß uͤbertragen.
6.
Der Dienſt des Dionyſos war nicht bei allen
Doriern gleich angeſehn. Zwar war der Gott auch
nach Sparta gekommen, und hatte auch die Lakedaͤmo-
niſchen Frauen mit ſeiner Wuth erfuͤllt 7; und das
Delphiſche Orakel ſelbſt hatte geboten, ihm einen Wett-
lauf Dionyſiſcher Jungfrauen zu veranſtalten 8. Aber
von praͤchtigen Feſten oder einer ausgezeichnet ſorgſa-
26 *
[404] men Verehrung des Gottes wiſſen wir nichts, und
koͤnnen vorausſetzen, daß der ſtrenge und nuͤchterne
Sinn Sparta’s ſich ihm im Ganzen abhold zeigte.
Wohl ziemlich daſſelbe gilt von Argos, das ſich in
alter Zeit lange gegen den Cultus gewehrt, aber her-
nach dem Gotte ein Feſt τύρβη (turba) gewidmet
hatte 1. Ganz anders verhalten ſich Sikyon und Ko-
rinth in dieſem Bezuge. Dort hin war aus Phlius 2
der Dion. Bakcheios, d. i. der zur Raſerei Entzuͤn-
dende, der Lyſios oder Beſaͤnftigende und Beruhigende
aber von Theben — nach der Sage zur Zeit der Do-
riſchen Eroberung — gekommen 3, und hatte Feſte
erhalten, von deren Auffuͤhrungen und Darſtellungen
uns Mancherlei berichtet wird 4. Fruͤhzeitig hatten
ſich aus den dithyrambiſchen Choͤren 5 dabei Anfaͤnge
von Tragoͤdien entwickelt, wie die Sage von Epigenes
beweiſt, wenn auch darum noch nicht an eigentliche
Dramen gedacht werden kann; man hatte auch Heroen,
wie Adraſt, ſchon vor der Tyrannis des Kleiſthenes
zum Gegenſtande ſolcher Chorgeſaͤnge gemacht 6. Eben
ſo hatte der Dienſt des Gottes ein einheimiſches Spott-
ſpiel, die Phallophoren, hervorgebracht 7. — Die
[405] genannte Nachbarſtadt aber theilt ganz denſelben feier-
lichen, die Muſik belebenden und zur Darſtellung anre-
genden Dienſt 1: daher hier nach Pindar der Dithyramb
— wenn auch unter Leitung eines Auslaͤnders — zuerſt
aufgeſtellt wurde 2. In den Doriſchen Colonieen Groß-
griechenlands nahm der Cultus, dem Charakter derſel-
ben gemaͤß, eine ausſchweifendere und wildere Geſtalt
an; ganz Tarent war, wie Platon ſagt, am Feſte des
Gottes betrunken; von den ſchwaͤrmenden Zuͤgen und
Maskeraden dieſes antiken Carnevals geben uns die
Vaſengemaͤlde die trefflichſte Anſchauung.
7.
Korinth aber und Sikyon waren nicht blos des
Bakchos ſondern auch der Aphrodite geheiligte Wohnſitze.
Von dem Cult dieſer Gottheit hegen wir die Meinung, daß
er zwar auch aus einheimiſchen, altgriechiſchen Anfaͤn-
gen hervorgegangen, aber durch Phoͤnikiſche Stiftungen
in einigen Kuͤſten- und Hafenſtaͤdten Griechenlands er-
weitert und umgeſtaltet worden ſei. Das Inſtitut der
gaſtlichen Maͤdchen, der Peitho Dienerinnen in der
reichen Korinthos, denen die Gottheit, ihre Herrin,
ſelbſt gebot dem Fremden zu Willen zu ſein 3, war
ſicher Aſiatiſcher Abkunft, und althelleniſcher Sitte
fremd 4. Sikyon aber ſcheint von da den Cultus uͤber-
kommen zu haben; auf ſeinen Muͤnzen ſieht man ge-
woͤhnlich die Taube 5, und oft auch einen Venuskopf
[406] von altvaͤteriſchem Typus; die einheimiſche Dichterin
Praxilla (Olymp. 82.) beſang Aphrodite als Mutter
des Dionyſos 1, und die Leiden und Freuden des Phoͤ-
nikiſchen Adonis 2. Wenn hier wiederum dieſe Dori-
ſchen Kuͤſtenſtaͤdte eine gewiſſe Empfaͤnglichkeit, Bieg-
ſamkeit und Weichheit des Charakters bewaͤhren: ſo
ſpricht Sparta die entgegengeſetzte Sinnesart aus.
Auch hier kamen die Dorier in Connex mit einer Phoͤ-
nikiſchen Anpflanzung des Cultus auf Kythera; aber
ſie bildeten ihn ganz nach ihrer Weiſe um, indem ſie
ihre geharniſchte Aphrodite und die gefeſſelte und ver-
huͤllte Goͤttin der Ehe daraus ſchufen 3. — Von Ky-
thera heruͤber kam ihnen auch Adonis unter dem Na-
men Kiris 4. — Zu mehr Anſehen gelangte die Goͤt-
tin in der Spartiatiſchen Colonie Knidos, von wo ſie
als Akraͤa nach Halikarnaß, und von da nach der Mut-
terſtadt Troͤzen zuruͤckkam 5. — Der Dienſt von Se-
linus im weſtlichen Sicilien 6 ſtammte ohne Zweifel
vom nahen Eryx und war ſonach auch Phoͤnikiſch, der
Tempel gehoͤrte wahrſcheinlich zu den reichſten der ehe-
mals ſo bluͤhenden Stadt 7.
Hermes genoß keiner vorzuͤglichen Verehrung in
Doriſchen Staͤdten; in einer Hinſicht vertrat ihn Apol-
lon Agyieus. Auch Hephaͤſtos und Ares kommen
hier nicht ſonderlich in Betracht; den letztern ehrten die
[407] Spartiaten als Theritas und Enyalios. Von dem
Dienſt des Asklepios iſt ſchon oben bemerkt 1, daß
ihn Kos, Knidos und Rhodos von Epidauros her er-
hielten, welche Stadt ihn vor alter Zeit durch die
Phlegyer, von Trikka her, empfangen hatte 2. Von
Epidauros ſtammte nach Pauſanias auch der Sikyoni-
ſche Cult 3; und der Kyrenaͤiſche zu Balagraͤ 4, an
den ſich, wie zu Kos, eine alte Schule von Aerzten
anſchloß 5.
8.
Mit wenigen Worten beruͤhren wir den in
Kreta und Sparta einheimiſchen Dienſt der Chariten,
erſtens als einen neuen Beweis der alten Cultusverbin-
dung beider Laͤnder 6, und als ein Zeichen jener edlen
Heiterkeit, die der Helleniſchen Religion ſchoͤnſte Seite
iſt. Die Spartaniſchen hießen Kleta und Phaenna, ihr
Tempel ſtand am Wege von der Stadt nach Amyklaͤ,
am Fluſſe Tiaſa 7. Verwandter Art iſt der Dienſt
des Eros, wie ihn die Spartiaten und Kreter nah-
men, bei denen vor jeder Schlacht die Schoͤnſten zu-
ſammentretend dem Eros opferten 8 — nicht als dem
großen Einiger Himmels und der Erde, ſondern als
dem Erwecker wechſelſeitiger Zuneigung, aus der Scham
vor den Freunden und aus dieſer als der edelſten Trieb-
feder die Tapferkeit hervorgeht 9.
Am ſchwierigſten unter allen iſt vielleicht der
Dienſt der Dioskuren zu entwickeln, und je mehr es
[408] einer nach irgend einer Anſicht oder Hypotheſe verſucht,
um deſto deutlicher wird ihm nur die Schwierigkeit des
Unternehmens. Zweierlei ſcheint verſchmolzen — die
heroiſche Ehre menſchlicher Tyndariden 1, und der
altpeloponneſiſche Cultus der großen Goͤtter, und zwar
ſo, daß durch Sage und Dichtung ſucceſſiv immer mehr
von dieſen auf jene uͤbertragen wurde — der Name der
Zeusſoͤhne — die Eigeburt und Eihuͤte — der Wechſel
von Leben und Tod — die Herrſchaft uͤber Fluth und
Wind. Aus der Spartaniſchen Religion erwaͤhne ich
jene uralten Bilder, δόκανα genannt, zwei aufgerichtete
Balken mit zwei queruͤbergelegten 2, welche doch das
hohe Alter einer mehr als heroiſchen Verehrung zu be-
weiſen ſcheinen — die Sitte, bei Kriegsauszuͤgen ſtets
die Bildſaͤule eines derſelben oder beider, wenn beide
Koͤnige auszogen, mitzunehmen 3, welche die Tyndari-
den als eigentliche Kriegshelden darſtellt — den Glau-
ben, daß ſie oft als hilfreiche Horte oder auch ohne
beſondere Noth blos als freundliche Gaͤſte erſchienen 4,
[409] die ſie wieder von den meiſten Heroen unterſchei-
det. Im Ganzen wiſſen wir ſo viel: Die Dorier
fanden Religion und Mythus der Tyndariden ſchon in
Amyklaͤ, Therapne, Pephnos und andern Orten an-
ſaͤſſig vor; ſie eigneten ſie ſich an, Manches in ihrem
Sinne ummodelnd und wenig um den Zuſammenhang
und die Einheit der Idee bekuͤmmert, immer blieb die-
ſen ein gewiſſer Schimmer einer wunderbaren und goͤtt-
lichen Natur, der die Veranlaſſung gab, die Religion
der Großen Goͤtter an ſie anzuknuͤpfen.
9.
Ehe wir von hier zur eigentlichen heroiſchen My-
thologie der Dorier, die ſich ganz um Herakles dreht,
fortſchreiten: verſuchen wir vorher, den allgemeinen
Charakter Doriſcher Religioſitaͤt, hauptſaͤchlich
aus den gegebenen einzelnen Culten, zuſammenzufaſſen.
Sowohl in der Ausbildung der dieſem Volke eigen-
thuͤmlichen, als in der Annahme und Umbildung an-
derer Goͤtterdienſte zeigt ſich durchgehends eine ideali-
ſtiſche Geiſtesrichtung, die die Gottheit weniger in Be-
zug auf das Leben der Natur, als auf menſchliche freie
Thaͤtigkeit faßt, und ihr Weſen und Sein ſich mehr nach
der Analogie der letztern als des erſtern vorſtellt. Dar-
um wird alles Myſtiſche in den Hintergrund gedraͤngt,
welches im religioͤſen Gefuͤhl aus der Erkenntniß der
abſoluten Differenz des Goͤttlichen hervorgeht, und da-
her in Naturculten vorwiegt; dagegen wird die Gott-
heit menſchlicher, heroiſcher gedacht, wenn auch dies
noch nicht ſo ſehr als in der epiſchen Poëſie. Sonach
hatte die Froͤmmigkeit bei dieſem Stamme etwas be-
ſonders Energiſches, weil die Vorſtellung von den Goͤt-
tern klar, beſtimmt, perſoͤnlich war, und beſtand wohl
mit einer gewiſſen heitern Freiſinnigkeit zuſammen,
weil das Niederdruͤckende uͤberſchwenglicher, ſo wie das
Duͤſtre aufloͤſender Gefuͤhle ziemlich entfernt blieb.
[410] Denn Trauerfeſte mit Todtengebraͤuchen und zerfließen-
der Wehmuth, wie das Naturſchwelgen des Orgias-
mus, ſind eigentlich nicht im Charakter der Dorier,
wenn auch die Ehrfurcht vor altherkoͤmmlichen und an
einem Orte anſaͤſſigen Culten ſie oftmals zur Annahme
auch ſolcher bewog. Dagegen zeigt ſich in ihren Feſten
und Religionsgebraͤuchen im Ganzen eine Heiterkeit,
die es fuͤr den ſchoͤnſten Dienſt der Goͤtter achtet, ſich
zu freuen vor ihrem Angeſicht, und Darſtellung des
zu wuͤrdiger Schoͤnheit ausgebildeten Volkes fuͤr die
wohlgefaͤlligſte Schau. Zugleich traͤgt ihr Gottesdienſt
das Gepraͤge der ſchlichten Einfachheit bei großer
Waͤrme des Herzens. Die Spartiaten beteten: “die
Goͤtter moͤchten ihnen das Schoͤne zu dem Guten ge-
ben” 1, und obgleich ſie keine prunkvollen Pompen auf-
fuͤhrten, und ſelbſt mangelhafte Opferthiere darzubrin-
gen beſchuldigt wurden: erklaͤrte doch Zeus Ammon:
die Euphemia der Spartiaten ſei ihm lieber als alle
Opfer der Hellenen” 2. Dazu hatten ſie die treueſte
Anhaͤnglichkeit an die von den Vaͤtern ererbten Gebraͤu-
che und Sitten, und deswegen auch geringe Empfaͤng-
lichkeit fuͤr Aufnahme auslaͤndiſcher Sacra 3, die da-
gegen in Handelsſtaͤdten, aus Ruͤckſicht fuͤr die Frem-
den anderer Staͤmme und Nationen, ziemlich willkom-
menen Empfang fanden, z. B. in Korinth 4.
[411]
Herakles.
11.
1.
Bei dieſem Verſuche, die combinirte Mythologie
des Herakles zu entwickeln, beginnen wir mit denjeni-
gen Mythen, in welchen der Held deutlich als Stamm-
vater der Doriſchen Herakliden 1, als Repraͤſentant der
Helden Hylleiſchen Stammes, erſcheint. Wir richten zu
dem Zwecke unſern Blick zuerſt wieder auf das im
erſten Kap. des erſten Buchs beſchriebene Lokal, das
alte Vaterland der Dorier im gebirgigſten Theile Theſ-
ſaliens, wo dieſelben in beſtaͤndigem Kriege lagen mit
ihren naͤchſten Nachbarn den Lapithen. In dieſem
Kriege tritt Herakles als Held des Hylleiſchen Stam-
mes auf, nach der Sage des Heſiodiſchen Epos Aegi-
mios, und erwirbt fuͤr dieſen ein Drittel des er-
oberten Landes; und mit demſelben haͤngt nach mei-
ner Meinung auch die beruͤhmte Eroberung Oe-
chalia’s zuſammen, der Gegenſtand eines eige-
nen Epos Οἰχαλίας ἅλωσις, welches man dem Ho-
mer oder Kreophylos beiſchrieb 2. Hier wurde erzaͤhlt,
wie Eurytos von Oechalia, der treffliche Bogenſchuͤtz,
[412] der nach alten Sagen den Herakles ſelbſt darin unter-
wies, und mit Apollon den Kampf wagte 1, ſeine
Tochter Jole dem als Preis verſprochen, der ihn und
ſeine Soͤhne im Bogenſchießen uͤberwinden wuͤrde; als
aber Herakles der Forderung Genuͤge geleiſtet, ihm
das Verſprechen nicht halten gewollt, worauf Herakles
ein Heer ſammelt, Oechalia erobert, Eurytos nebſt
ſeinen Soͤhnen erſchlaͤgt, Jole gefangen hinwegfuͤhrt,
und ſie ſeinem Sohne Hyllos zur Ehe giebt 2. Jole’s
Mutter iſt bei Heſiodos Antiope Tochter des Nauboli-
ſchen Pylon; ihre Bruͤder Deion, Klytios, Toxeus und
Iphitos der Zoͤgling des Ares 3.
Wo dieſes “hochumthuͤrmte” 4 Oechalia liege, iſt
ein alter Streit. Es gab drei Oechalien. Das eine
am Theſſaliſchen Peneios im alten Lande der Lapithen,
zwiſchen Pelinna in Oſten und Trikka und Ithome in
Weſten 5. Das andere in Euboͤa in der Eretriſchen
Landſchaft 6. Das dritte das ſpaͤtere Karnaſion in
Meſſenien, an den Graͤnzen Arkadiens 7; in welcher
[413] Gegend auch ein Ithome und nach alten Angaben ein
Trikka lag, ſo daß eine Urverwandtſchaft der Einwoh-
ner mit Staͤmmen am obern Peneios angenommen wer-
den zu muͤſſen ſcheint. Nun laͤßt ſich vorausſetzen, daß
jede dieſer drei Oechalien von den Umwohnern als die
ſagenberuͤhmte Stadt des großen Eurytos geprieſen
wurde: wodurch in die Poëſie fruͤhzeitig ein Schwanken
uͤber dieſen Gegenſtand hineinkam. Denn die Meſſeni-
ſche wird als ſolche anerkannt in einer Stelle des Ho-
meriſchen Voͤlkerverzeichniſſes 1, und der Odyſſee 2,
denen der Logograph Pherekydes folgte 3; die Euboͤi-
ſche in dem Epos, die Eroberung von Oechalia 4, und
— nach einer obigen Vermuthung — auch im Aegi-
mios 5, darnach von Hekataͤos dem Mileſier 6; die
Theſſaliſche in einer andern, wie es ſcheint ziemlich al-
ten, Stelle des Verzeichniſſes 7. So wenig alſo dieſe
Frage nach Auktoritaͤten entſchieden werden kann: ſo
entſchieden, glauben wir, beweist der innere Connex
der Sage dafuͤr, daß nur die letztgenannte Oechalia
in der urſpruͤnglichen Ausbildung derſelben gemeint ſein
konnte. Der Kampf um dieſe Stadt iſt offenbar mit
dem Lapithenkriege zunaͤchſt verwandt; Eurytos iſt dem
Apollon verhaßt, wie dieſes Volk; wenn Oechalia am
7
[414] Peneios liegt, ſchließt ſich die Eroberung an jene Hel-
denſage ſehr natuͤrlich an; wenn nicht, ſteht ſie ganz
einſam und fuͤr ſich. Ferner: Herakles erobert nach
allen Sagen die Jole fuͤr ſeinen Sohn Hyllos; Hyllos
kommt aber in der Mythologie nie außer Verbin-
dung mit den Doriern vor; folglich muß das Lokal
des Kampfes in die Nachbarſchaft der Doriſchen
Stammſitze treffen.
Schon vor der Zeit dieſes Krieges (nach der ge-
woͤhnlichen Erzaͤhlung) war Herakles in Beruͤhrung mit
den Oechaliern gekommen; indem er den Sohn des Eu-
rytos, Iphitos, erſchlagen hatte, der ihm geraubte
Rinder oder Roſſe abforderte. Hier uͤberwog in der
gewoͤhnlichen Erzaͤhlung ganz das Peloponneſiſche Lokal:
von den Tirynthiſchen Felſenmauern ſollte er ihn ge-
ſtuͤrzt haben 1. Aber dieſer Mord und die Verletzung
des Gaſtrechts zog die Dienſtbarkeit des Heros nach
ſich, der, um ſich von der Blutſchuld zu loͤſen, dem
Vater den Kaufpreis ſeiner ſelbſt zahlen mußte.
2.
Dieſe Dienſtbarkeit gewinnt ihre rechte Be-
deutung erſt dann, wenn wir auf das merkwuͤrdige
Uebereintreffen der Sagen von Herakles mit dem Dien-
ſte des Apollon achten, das wir gleich hier, wenn auch
nur in einigen aͤußern Umſtaͤnden, darlegen wollen,
weil Manches in der folgenden Erzaͤhlung dadurch in
ein neues Licht geſetzt wird. Wie den Eurytos bald
Apollon, bald Herakles erſchlaͤgt, ſo ſtraft der Letztere
in der oben erklaͤrten Sage des Heſiodiſchen Schildes
den Kyknos als Entheiliger des Pagaſaͤiſchen Heilig-
[415] thums; ſo erſchlaͤgt er in einer andern die Dryoper-
fuͤrſten Phylas und Laogoras, weil ſie gegen Delphi
oder andere Heiligthuͤmer des Gottes freveln 1, und
weiht das geſammte Volk dem Pythiſchen Gotte 2.
Auch glaube ich nicht, daß Euripides die Sage von
der Errettung der Pheraͤiſchen Alkeſtis und Bekaͤmpfung
des Todes durch Herakles erfunden habe; und wenn
er es that, ſo hat er ſicher ſehr paſſend den Herakles
zum Vollfuͤhrer des Willens des Apollon gewaͤhlt 3.
Ohne indeß darauf beſonderes Gewicht zu legen, be-
weiſen jene epiſchen Sagen, daß Herakles in alten
Mythen als Vertheidiger nicht blos des Doriſchen
Stammes, ſondern auch des Doriſchen Cultus gedacht
wurde, als ein erzgewappneter Held, der mit dem
Schwerdte die heiligen Straßen ſchirmt, und die in
Engpaͤſſen und Bergſchluchten den Opferzuͤgen auflauern-
den Marsſoͤhne, wilder und ſtoͤrriſcher Art, danieder-
wirft.
Dieſer Gedankenreihe ſchließt ſich nun unmittelbar
das Verkaufen und Dienen der Helden an, ein Haupt-
moment in allen Variationen der Herakleiſchen Sage,
hier motivirt durch den Mord des Iphitos. Denn
auch hierin iſt die Parallele mit Apollons Knechtes-
dienſt zu Pheraͤ unverkennbar. Gott und Heros muß-
ten beide als Beiſpiele aufgeſtellt werden, um die Hei-
ligkeit und Nothwendigkeit der Mordſuͤhne dem Gemuͤ-
the des alten Volkes recht tief einzupraͤgen 4. Zu weſ-
ſen Dienſt Herakles verkauft wurde, davon iſt uns die
[416] einheimiſche nordtheſſaliſche Sage wohl verloren; ſpaͤter
wurde Omphale ſeine Herrin, die ihn (nach Pherek.) 1
fuͤr drei Talente in ihre Gewalt bekam.
3.
Wir gehen unmittelbar nach dem zweiten
Stammſitze der Dorier uͤber, wozu die Staͤdte zwiſchen
Parnaß und Oeta, Erineos, Kytinion, Boͤon und Pin-
dos gehoͤren. Nach Erineos ſetzt eine durch eine ſelt-
ſame Inſchrift 2 bezeugte Sage den Kampf des He-
rakles und Kalchas-Mopſos, den er mit der Fauſt
erſchlaͤgt; vielleicht erhaͤlt dieſe einiges Licht durch die
Bemerkung, daß auch Mopſos nach alter Sage ein
Lapith war von Titaron oder Oechalia.
Aber die Nachbarn der Dorier in dieſen Wohn-
ſitzen waren, wie oben angegeben, die Dryoper, die
Trachiniſchen Melier, und außerdem die Aetoler. Er-
ſtere waren den Doriern feindlich, die andern beiden
meiſtentheils befreundet. Dies druͤcken nun wieder
die Mythen von Herakles mit viel Deutlichkeit aus.
Von dem Verhaͤltniſſe zu den Dryopern, und wie
ſich dies in den Mythen von Herakles ausſpricht, iſt
ſchon oben Rechenſchaft gegeben 3. Keyx, der Trachi-
nier, iſt ein warmer Freund des Helden und ſeiner
Nachkommen; eine Nachricht nennt ihn ſelbſt Bruder-
ſohn des Herakles 4, der ihm ſein Trachis gegruͤndet
[417] haben ſollte 1. Hier zeigte man ein Grab der Deia-
neira 2, Oeneus Tochter, deren Vermaͤhlung mit dem
Helden offenbar den Bund anzeigt, in den die Aeto-
liſche und Doriſche Voͤlkerſchaft vor dem Einfalle in
den Peloponnes traten 3. Denn Deianeira iſt eine
Kalydonierin 4; Kalydonier aber waren die Theilneh-
mer dieſes Zugs. Vielleicht iſt auch in der Kuͤhnheit
dieſer Frau, die als Kampfgenoſſin des Helden auch
Wunden nicht ſcheut 5, und ihrer Leidenſchaftlichkeit,
die ſich ſo furchtbar gegen das Liebſte richtet, mit
Abſicht ein Aetoliſcher Charakter ausgedruͤckt. An dieſe
Vermaͤhlung aber reiht ſich eine Anzahl zuſammenhaͤn-
gender und in der Behandlung wohl von jeher verbun-
dener, Aetoliſcher, Heraklesmythen. Denn das iſt eine
Eigenthuͤmlichkeit dieſer Sagen, daß ſie ziemlich leicht
von einem Volkſtamme zum andern uͤbergingen, und
uͤberall, wo ſie Wurzel faßten, auch zu einer ganzen
Mythologie aufwucherten. Zu dieſen gehoͤrt die Ueberwin-
dung des Stieres Acheloos 6, und das Abentheuer an
der Furth des Euenos 7, das hernach den Tod des
Helden herbeifuͤhrt. Auch iſt wahrſcheinlich, daß mit
den Aetoliſchen Abentheuern Herakles Aufenthalt in
Olenos bei Dexamenos in Verbindung ſtand, wenn auch
ſchon Heſiod nicht die Aetoliſche, ſondern die Achaͤiſche
Stadt des Namens am breitſtroͤmenden Peiros darun-
II. 27
[418] ter verſtand 1. Aber Dexamenos wird mit der Kaly-
doniſchen Familie des Oeneus in mannigfache Verbin-
dung geſetzt 2, Oeneus Frau iſt von Olenos und aus
demſelben Geſchlecht. Die alte Sage pries ihn als
gaſtfreundlichen Wirth, was auch ſein Name beſagt;
dafuͤr befreit ihn Herakles von den ſchlimmen Gaͤſten,
den beſtialen Kentauren 3: woran ſich wohl die aͤlteſte
Kentauromachie der Herakleiſchen Mythologie an-
knuͤpfte. — Endlich ſoll Herakles mit den Aetolern
gegen die Thesproter von Ephyra gezogen ſein.
Dieſer Zug mag in alten Liedern eben ſo gefeiert wor-
den ſein, wie der Krieg von Oechalia. Das Ephyra,
von dem hier die Rede iſt, iſt eine uralte Hauptſtadt
Thesprotiens 4, gelegen wo durch den Fluß Selleeis
(Acheron) der Acheruſiſche See ins Meer ausſtroͤmt.
Spaͤter hieß die Stadt Kichyros; aber noch ſtehn, aller
Wahrſcheinlichkeit nach, Truͤmmer der urſpruͤnglichen
Bauart 5. Die ganze Gegend iſt mythiſch als Aidoneus
Wohnung beruͤhmt; als Sitz eines Todtenorakels ſchau-
ten die Umwohnenden nur mit Grauen dahin, das durch
die Meinung dort einheimiſcher Giftbereitung erhoͤht wur-
de 6. Alſo gegen dieſe Stadt ſoll Herakles zu Felde gezogen
[419] ſein als Bundesgenoß der Aetoler: woraus mir die
Wahrſcheinlichkeit hervor geht, daß wir hier auf den Punkt
gekommen ſind, an den ſich zuerſt der Kampf mit Ha-
des und die Abentheuer des Helden in der Unterwelt,
die Heraufholung des Kerberos, die Befreiung ande-
rer Heroen u. ſ. w. anſchließen, welche auch hernach
zum Theil in den Krieg mit Pylos hineingenommen,
zum Theil, wie das Heraufholen des Kerberos, nach
Taͤnaron und Herakleia Pontike uͤbertragen wurden 1.
Nicht daß wir nach der Erklaͤrungsweiſe des Euheme-
ros meinten, hier habe weiland wirklich ein Koͤnig
Aidoneus regiert, der einen Hund, oder etwa gar ei-
nen Feldmarſchall Kerberos beſeſſen, und dieſem habe
Herakles eine Schlacht abgewonnen u. ſ. w. Sondern
etwa ſo denken wir uns die Geneſis des Mythus.
Die duͤſteren Religionsgebraͤuche am Acheron, die
von jeher die Blicke der benachbarten Voͤlker mehr
abgeſchreckt als angezogen, traten fruͤh in Ge-
genſatz mit dem freien, thatkraͤftigen Leben heroiſch
geſinnter Volkſtaͤmme; die ſcheue und bleiche Anbetung
der untern Welt mit der kuͤhnen Freude an der gegen-
waͤrtigen Fuͤlle des Daſeins. Kamen nun noch die
Staͤmme ſelbſt in feindſelige Beruͤhrung, ſo mußten es
27 *
[420] nothwendig auch die Goͤtter: woraus aber nichts we-
niger als ein eigentlicher Religionskrieg folgt. Auf der
andern Seite iſt der Mythus auch nicht rein ſymbo-
liſch zu faſſen, ſo daß Herakles etwa blos als Tod-
bezwinger, als ein die Schrecken der Unterwelt mil-
dernder und loͤſender Daͤmon im Cultus neben Hades
geſtanden haͤtte. Dann muͤßte wirkliche Rebeneinander-
ſtellung, gemeinſame Verehrung nachgewieſen werden:
und wie kommt dann die Eroberung von Ephyra da-
mit zuſammen? Sondern dieſer Mythus hat, wie
faſt alle aͤlteſten, nicht blos ein geiſtiges Weſen, ſondern
auch Fleiſch und Bein, Beziehung auf wirklich vorhan-
dene Gegenſtaͤnde, eine warme Lokalfarbe, ein vollſtaͤn-
diges Leben. — Als ein Zeichen jenes Sieges, das
Herakles vom Acheron oder aus der Unterwelt zuruͤck-
gebracht, ſah man den Kranz der weißen Pappel an 1
— die auch Homer als am Acheron einheimiſch und
in den Hainen der Perſephone wachſend erwaͤhnt 2,
und Herakles verpflanzte — nach Sage der Aetoliſchen
Eleer — den Baum von da auch nach Olympia, wo
die Sieger einen Zweig davon zu tragen pflegten.
4.
Dieſen halbſymboliſchen Charakter verliert die
Mythe gaͤnzlich, indem ſie von der Eroberung von Ephy-
ra die Geburt mehrerer Doriſchen Helden ableitet, die,
wenn auch außerhalb der Geſchichte, doch nichts weni-
ger als Symbole oder Ideen ſind. Erſtens zeugt He-
rakles den Tlepolemos mit der Aſtyocheia, die er
nach Homer von Ephyra am Selleeis gefuͤhrt, nach-
dem er viele Staͤdte gottgenaͤhrter Maͤnner verwuͤſtet 3.
[421] Dagegen nannten freilich ſchon Heſiodos, Pindar und
ein alter Genealog 1 die Mutter des Tlepolemos Aſty-
dameia und Tochter des Amyntor von Ormenion in
Magneſten, welche Stadt Herakles ebenfalls mit dem
Schwerdt erobert: denn es wollte die alte Heldenpoëſie
uͤberhaupt oft nur die Doriſchen Herakkidengeſchlechter von
Soͤhnen des Heros mit Jungfrauen bezwungener Staͤdte
(Ἀστυδαμεία) ableiten, und dadurch das Gedaͤchtniß
jener alten Heldenthaten verewigen, aber ſie ſcheute
nicht ſonderlich eine Verwechſelung der einen mit der
andern. — Ferner ließ man auch von Ephyra in Thes-
protien ausgehn die Soͤhne des Theſſalos, Enkel des
Herakles, Antiphos und Pheidippos, von denen
die angeſehenſten Geſchlechter Theſſaliens ſowohl als
auch die Herakliden zu Kos ihren Urſprung herleiteten 2;
obgleich die letztern nach einer andern aber gewiß ſpaͤ-
tern (wenn auch fruͤher bezeugten) Sagenwendung aus
einer von Herakles auf Kos ſelbſt geſchloſſenen Verbin-
dung abſtammten 3. So viel ich durch dieſe Verwir-
rung der Mythen ſehe, war die Bildung der Fabel
die. Schon im aͤltern Vaterlande der Dorier gab es
edle Geſchlechter, die ihren Urſprung an die Eroberung
Ephyra’s anknuͤpften, bezeichnet durch Tlepolemos und
Antiphos nebſt Pheidippos; dieſe zogen mit den uͤbri-
gen in den Peloponnes hinab, und kamen uͤber Argos
[422] und Epidauros nach Rhodos und Kos, wo ſie ihre
Stammſagen zum Theil neu lokaliſirten und umbilde-
ten. Ferner war anerkanntermaßen der Theſſaliſche
Volkſtamm ebenfalls von Ephyra in Thesprotien ge-
kommen; indem er ſich nun unter die Hellenen einbuͤr-
gerte, und Antheil an der Helleniſchen Sage ſuchte;
mußte es ganz von ſelbſt kommen, daß er Herakles,
den Eroberer von Ephyra, an die Spitze auch ſeiner
Genealogieen ſtellte.
5.
Nun knuͤpfen wir aber auch noch einen andern
bedeutenden Sagenkreis, die Geryonie, an den
Kampf des Herakles mit dem Hades zu Ephyra an,
indem wir uns auf folgende Spuren ſtuͤtzen. Die Rin-
der des Geryoneus weiden zuſammen mit denen des
Hades; beide auf der Inſel Erytheia 1; ſie gehoͤren
aber der Sonne 2 und ſind darum von ſtrahlendrother
Farbe. Es lag aber wirklich Erytheia in der aͤltern
Sage in der Naͤhe jenes Reichs des Hades. Denn daß
Hekataͤos Erytheia und den Geryoneus nach Epeiros
und der Gegend von Ambrakien ſetzt 3: iſt gewiß nicht
aus dem kluͤgelnden Beſtreben, die Mythen wahrſchein-
licher zu machen, hervorgegangen — wenigſtens wuͤrde
ſich daraus nicht erklaͤren, warum er gerade Epeiros
gewaͤhlt — ſondern er benutzte eine wirklich vorhandene
Sagenſpur. Auf keinen Fall haͤtte Skylax das Ge-
fild von Erytheia, aus der Erfindung eines Logographen,
als geographiſchen Punkt in ſeine Kuͤſtenbeſchreibung
eintragen koͤnnen 4. Bei ihm liegt es zwiſchen den
[423] Atintanen und Kerauniſchen Gebirgen im Norden von
Epeiros, an der Graͤnze der griechiſchen Welt, nahe
dem uraͤlteſten Vaterlande der Dorier. Wie merkwuͤr-
dig nun, daß fortwaͤhrend auch in hiſtoriſcher Zeit in
derſelben Gegend, naͤmlich am Aoosfluß, der vom Ge-
birge Lakmon ſtroͤmt, Sonnenheerden weideten, die
des Tages uͤber am Strome gehuͤtet wurden, Nachts
aber in einer Hoͤle im Gebirge, unter dem Schutze von
Maͤnnern, welchen die Einwohner der Griechiſchen Stadt
Apollonia dies Amt als eine vorzuͤgliche Ehre uͤberga-
ben 1. Es iſt nicht wahrſcheinlich, daß erſt die Ko-
rinthiſchen Griechen, Gruͤnder von Apollonia, dieſen
Cultus dahin verpflanzten; obgleich in ihrer Heimat
auch Spuren alter Sonnenverehrung vorkommen: ſon-
dern ſie ſcheinen, was ſie vorfanden, beibehalten und
nach alter Weiſe fortgeuͤbt zu haben. Unter dieſer Vor-
ausſetzung wird alles klar. Es graͤnzte zunaͤchſt an
jenes Schattenreich auf der Erdoberflaͤche eine Gegend
des Sonnencultus, von zahlloſen Stierheerden ange-
fuͤllt, die unter der Obhut des Gottes ſtanden: aber
4
[424] der Helleniſche Heros hatte wenig bekuͤmmert um ihre
Heiligkeit ſie davon getrieben und ſeinen Goͤttern ge-
weiht. Fortwaͤhrend zeichnete ſich Epeiros durch eine
Race trefflicher Stiere (λαϱινοὶ βόες) aus, die man
von den Heerden des Geryoneus herleitete, welche He-
rakles dem Dodonaͤiſchen Zeus dargebracht 1.
Urſpruͤnglich alſo moͤchte dieſe Fabel ſich an die
große Dichtung des Kampfes um Ephyra angeknuͤpft
haben. Nach und nach aber wurde ſie davon getrennt 2,
und in einem eignen, wunderbaren Charakter ausgebil-
det: in einer Zeit, in der die ſtreitbare Kuͤhnheit im
engeren Kreiſe die Zuhoͤrer nicht mehr ſo anzog und
feſſelte, als weite Wunderfahrten in die Eldorado’s der
Weſtwelt.
6.
Schon in Heſiods Theogonie 3 wird der drei-
koͤpfige Geryoneus, Sohn Goldſchwerdts (Χρυσάωρ)
und der Schoͤnſtroͤmenden (Καλλιϱόη) nach der umſtroͤm-
ten Erytheia jenſeits des Okeanos geſetzt, und ihm Or-
thos zum Hund und Eurytion zum Waͤchter des dun-
keln Weideplatzes beigegeben. — Peiſandros 4 um
Olymp. 40. ließ demgemaͤß den Helden in einem Be-
cher uͤber den Okeanos ſchiffen, welcher Helios gehoͤrte,
aber ihm von Okeanos gegeben wurde. Steſichoros
folgte dieſer Sage, und nahm noch mehr fabelhafte
Kunde von jenen Weſtlaͤndern hinein. Er erwaͤhnte
die Quellen des Fluſſes Tarteſſos in der Schlucht der
Silberberge Erytheia gegenuͤber 5. Er erzaͤhlte, wie
[425] “nachdem Herakles mit dem Tage die Fahrt voll-
bracht, und den beſagten Becher abgegeben, Aelios der
Hyperionide hinein ſtieg, um uͤber den Okeanos zu
ſchiffen und zu den Tiefen der heiligen dunkeln Nacht
zu gelangen zur Mutter und Ehegemahlin und den lie-
ben Kindern. Zeus Sohn aber wandelte in den von
Lorbeern beſchatteten Hain” 1. Herakles iſt hier naͤm-
lich zuruͤckgekehrt, und wieder auf dem Feſtlande, wo
er, wie ich glaube, in den Hain der Hyperboreer
tritt 2; Helios ſchifft nun auf gewohnte Weiſe zu den
jenſeits liegenden Geſtaden der Nacht, dagegen die In-
ſel Erytheia nur als vom Okeanos rings umſtroͤmt ge-
dacht wurde 3. — Panyaſis ſchmuͤckte die Fabel noch
bunter aus; Nereus giebt dem Heros die Sonnenſchale,
nachdem dieſer nach der Sonne gezielt 4; die Rinder
nannte er noch Sonnenrinder 5. Der Logograph
Pherekydes band in ſeiner Erzaͤhlung die ſchon
[426] vorhandenen Zuͤge, beſonders vermuthlich aus Steſi-
choros, zuſammen, ihm folgt Apollodor.
Ueber den Urſprung der Idee dieſes Bechers wei-
ter zu forſchen, iſt hier unſre Sache nicht; Herakles
hat ihn ja blos erborgt, und er gehoͤrt der Sonne an.
Die Meinung Heynes, daß die Anſicht Aegyptiſcher
Sculpturen das Bild nach Griechenland gebracht habe,
hat viel Empfehlendes; indeß iſt die Fabel wohl aͤlter,
als eine ſolche moͤglich war. Zuerſt kam dieſer Son-
nenkahn als Keſſel in einer Titanomachie (des Arktinos
oder Eumelos) vor 1; erſt von da wurde er in die
Herakleen aufgenommen.
Da man aber einmal in der Wanderung nach
Erytheia, Tarteſſos gegenuͤber, einen Faden hatte, an
den ſich mehrere Abentheuer des Helden bequem anrei-
hen ließen: ſo verband man viele auf einzelnen Punkten
und durch ganz verſchiedene Anlaͤſſe entſtandene Sagen
oder Umdeutungen von Sagen 2 damit, deren Lokal
Sizilien, Italien, Ligyen, nach Herodot 3 auch Sky-
thien war; und wie man Erytheia ſelbſt bei Gadeira
in Iberien fixirte 4, ſo ſuchte man dem Ganzen geo-
graphiſchen Zuſammenhang zu geben. Wo Phoͤnikiſche
Sagen eingewirkt, wollen wir ſpaͤter noch genauer zu
beſtimmen ſuchen.
7.
Auf dieſe Betrachtungen fuͤhrte uns die Aeto-
liſche Heraklesſage, von der wir jetzt wieder auf die
Dorier zuruͤckkehren, die den Bergſtrich laͤngs des Oeta
bis gegen die Thermopylen inne hatten. Vielleicht war
in ganz Griechenland keine Landſchaft reicher an lokalen
Heraklesmythen, wie die bezeichnete. In dem Paſſe
[427] der Pylen fing er die ſeltſamen Unholde, die Kerko-
pen 1; hier ließ ihm Athena die heißen Quellen aus
dem Boden ſprudeln 2; auf der Hoͤhe des Gebirgs,
auf dem Phrygiſchen Felſen 3, wurde der verhaͤngniß-
volle Scheiterhaufen errichtet, den der Bach Dyras
umſonſt zu loͤſchen ſuchte 4, und viele umliegende Staͤdte
ſetzten ſich irgend wie durch Namendeutung oder ſonſt
mit den Thaten des Heros in Verbindung 5; auch die
ſpaͤter eingedrungenen Aenianen ſuchten ſich die Sage
auf alle Weiſe anzueignen 6, wie ſelbſt das nachmals
gegruͤndete Herakleia Trachinia und die umwohnenden
Kylikranen mythiſch von Herakles hergeleitet wurden 7.
Es verſteht ſich, daß ſo lokale Sagen auch von dem
Volkſtamme des Orts ausgingen. Was haͤtten wohl
die Einwohner von Argos fuͤr Intereſſe gehabt, den
Tod des vergoͤttlichten Helden in eine ihnen fremde
Umgebung zu ſetzen, wenn ſie die Bildner dieſer Dich-
tung uͤberhaupt waren? Es ſchloß alſo ohne Zweifel
der Lebenslauf des Doriſchen Helden damit; es voll-
[428] endete ſich ſo ein nationales Sagenepos, wovon wir
nur einzelne Fragmente haben. Denn es iſt kein Zwei-
fel, daß die in u. um Theſſalien lokalen Abentheuer des
Heros, welche auch noch in der gewoͤhnlichen Erzaͤhlung
faſt ganz zuſammengeblieben ſind, einen eignen Cyclus
bildeten, der in ſich abgeſchloſſener und gerundeter war,
als die Heraklesfabel jetzt erſcheint. Wenigſtens muß
man aber noch annehmen, daß die Wanderung zu den
Hyperboreern, die jetzt durch die Anlegung des Haines
von Olympia motivirt wird, einſt in dieſem Sagen-
kreiſe ihre Wurzel hatte, in dem ſo viel Beziehung auf
Apollodienſt iſt. So geben dann die bis hieher eroͤr-
terten Mythen, ohne alle fremdartige Zuthat, den kla-
ren und beſtimmten Sinn: Der nationale Held bahnt
dem Volkſtamme und deſſen Cultus uͤberall den Weg,
und ſchuͤtzt und verficht den letztern gegen fremde Staͤm-
me. Er bahnt die Straßen der Verbindung zwiſchen
Tempe und Delphi, zwiſchen den mythiſchen Uranbe-
tern des Gottes, den Hyperboreern, und ſeinen zeitigen
Verehrern. Zugleich iſt ſeine Perſon ſelbſt eine Dar-
ſtellung dieſes Cultus nach außen hin; er genuͤgt den
Forderungen deſſelben in Hinſicht auf Blutſuͤhne, er iſt
Vollfuͤhrer und Vollbringer zugleich. Er iſt ſeines
Volkes Alexikakos, wie Apollon, und macht deſſen Ei-
genthuͤmlichkeit gegen fremdartiges Weſen und Leben
geltend. Sein muͤhevoll durchgerungenes Heldenleben
ſchließt er ruͤckkehrend zum Olympiſchen Zeus, das ir-
diſche Truͤbſal auslaͤuternd und die ſtarke Seele zu ewig
unverduͤſterter Heiterkeit verklaͤrend. So fuͤhrt er
gleichſam die heroiſche Menſchenkraft, die er darſtellte,
in den Kreis der Gottheit ein; und in ihm apotheo-
ſirt ſich die alte Menſchheit ſelbſt.
[429]
An die bisher dargeſtellten Mythen ſchließen ſich
dem Inhalt und Charakter nach zunaͤchſt die Boͤoti-
ſchen an.
8.
Zur leichten Ueberſicht der nachfolgenden Er-
oͤrterung ſtellen wir das Reſultat, auf das wir hinaus
wollen, ſogleich voraus.
Herakles in Theben iſt nicht als Kadme-
one anzuſehen, da er nichts mit den alten Goͤttern
und Sagen der Kadmeer zu thun hat; er iſt theils
durch Doriſche Herakliden, theils von Delphi
aus mit dem Cultus des Apollon nach Boͤotien
gekommen, und ſeine Mythen beziehen ſich zum großen
Theil auf dieſen Cultus; die darin ausgedruͤckten
Ideen ſind mit einzelnen Modificationen dieſelben, wel-
che dem Doriſchen Heraklesmythus unterliegen.
Zum Beweis, daß Herakles mit den Kadmeiſchen
Goͤttern, Tempeln, Fuͤrſten in keiner Verbindung ſteht,
duͤrfte man nur eine Geſchlechtstafel der Thebaͤiſchen
Mythologie und einen nach Pauſanias entworfenen
Plan von Theben vor ſich legen. Aus jener ſaͤhe man
dann, daß die Mythe den Herakles, deſſen Vater ſie
als Fluͤchtling von Mykenaͤ dort ankommen laͤßt, in
gar keine Verwandtſchaft und Verſchwaͤgerung mit den
Kadmeern treten laͤßt; denn Kreon, der angebliche
Schwiegervater des Helden, iſt eine blos Luͤcken aus-
fuͤllende Perſon der Dichtung 1: — aus dieſem, daß
Herakles Heiligthuͤmer nicht blos nicht auf der Burg,
wie die des Kadmos, der Harmonia, Semele, ſondern
auch nicht in den Ringmauern der Stadt, daß ſie ſelbſt
außerhalb der Thore ſtanden. Dieſe Betrachtung iſt ohne
[430] Zweifel oft fuͤr das Alter von Goͤtterdienſten in einer
Stadt ſehr entſcheidend. Die uralteinheimiſchen Goͤt-
ter und Gruͤnder der Stadt beſaßen die Burg als erb-
liches und vaͤterliches Eigenthum; erſt ſpaͤter eingebuͤr-
gerte mußten ſich in den unten liegenden Gegenden an-
ſiedeln. Nun wiſſen wir aber genauer, daß Amphi-
tryons Haus (Ἡϱακλέος ὀλβία αὐλὰ nach Pindar)
und das Herakleiſche Gymnaſion vor dem Elektriſchen
Thore dem Ismenion gegen uͤber [lagen]1: und damit ver-
binden wir die Nachricht des Pherekydes 2 von einer
Ortſchaft an eben dem Elektriſchen Thore, die die He-
rakliden vor dem Einfalle in den Peloponnes angelegt,
und wo auch Herakles auf dem Markte ſtand. Was
kann klarer ſein, als daß es dieſe Herakliden waren,
die den Dienſt des Heros — wenigſtens zum Theil —
in Theben angepflanzt? Daß aber zugleich in derſelben
Gegend das Ismeniſche Heiligthum des Apollon lag,
iſt ein weſentlicher Umſtand fuͤr die Entwickelung des
Mythus. Dem Tempel des Gottes gegenuͤber war der
Knabe Herakles erzogen worden; er hatte, nach der
Sage beim Feſte des Gottes, als Daphnephoros, dem
Jungfrauenchore den Lorbeer vorausgetragen, und dar-
auf einen Dreifuß in den Tempel geweiht, wie es auch
ſpaͤter allgemeine Sitte war. Dieſen Dreifuß ſieht
man auf dem bekannten Relief, welches die Argiviſche
Apotheoſe des Herakles darſtellt 3, mit der Inſchrift:
[431] ΑΜΦΙΤΡϒΟΝ ϒΠΕΡ ΑΛΚΑΙΟϒ ΤΡΙΠΟΔ ΑΠΟΛ-
ΛΩΝΙ 1. Hiermit haͤngt offenbar die Geſchichte von
dem Raube des Delphiſchen Dreifußes zuſam-
men, wovon die gewoͤhnliche Dichterfabel ſo erzaͤhlt:
Herakles ſei zur Strafe fuͤr den Mord des Iphi-
tos von einer ſchweren Krankheit heimgeſucht wor-
den, und habe ſich darum nach Delphi gewandt, und
da die Pythia dem Blutbeſudelten nicht antworten
wollen, den Tempel zu pluͤndern gedroht und den Drei-
fuß weggetragen. Apollon verfolgt ihn, bis Zeus den
Kampf ſeiner beiden Soͤhne durch den Blitz trennt 2.
Eine weitere Ausfuͤhrung des Mythus erzaͤhlte von der
erneuerten Conſecration des Delphiſchen Tripus, und
von der Verſoͤhnung des Gottes und Heros; aber von
beidem ſind nur Kunſtdarſtellungen auf uns gekommen,
obgleich von ziemlich hohem Alter 3. — Aber es iſt
wohl leicht einzuſehen, daß wir hier nicht die aͤchte,
alte, religioſe Sage vor uns haben. Wie ſollte der
Held ploͤtzlich Tempelraͤuber werden, der ſonſt ganz von
[432] den Geboten des Orakels abhaͤngt, und ſo vielfach
Apolliniſchen Cultus ſchuͤtzt und foͤrdert 1? Dies Tra-
gen des Tripus bedeutet nach andern ſichern Sagen
nichts als eine Verpflanzung des Apollodienſtes 2. Wo-
hin traͤgt aber Herakles den Dreifuß? Nach Erzaͤh-
lung der Arkader brachte er ihn nach Pheneos, wurde
aber genoͤthigt, ihn dem Gotte bald wieder zuzuſtellen 3.
Da ſollte nemlich der Heros auf dem Zuge nach Elis
dem Apollon Pythios einen Tempel erbaut haben 4, der
indeß ſchwerlich aͤlter war als die Doriſche Wanderung.
Die Gruͤndung dieſes Heiligthums, als von Pytho ab-
haͤngig, druͤckte alſo die Sage unter dem Bilde eines
uͤberbrachten Tripus aus; der Ueberbringer war He-
rakles. — Aber wichtiger iſt es hier, daß nach Boͤo-
tiſcher Erzaͤhlung — die man freilich nur aus Muͤnzen
erraͤth 5 — Herakles den Dreifuß nach Theben — und
wohin ſonſt als in das Ismenion? — brachte. An
das Ismenion ſchließen ſich ja ſo viele Dreifuß-Sagen
und Gebraͤuche an, indem die Ureinwohner des Lan-
des, die Thebageneis, deren als Tribut ſandten, von
Zeit zu Zeit einer von da nach Dodona gebracht wer-
den mußte u. ſ. w. So wird denn auch dieſe Mythe
urſpruͤnglich das Verwandtſchaftsverhaͤltniß des Is-
menions zum Tempel von Pytho bezeichnen: und als
dieſes Verhaͤltniſſes Vermittler Herakles aufſtellen.
[433]
9.
An die ſo gedeutete Sage knuͤpfen ſich von ſelbſt
mehrere andere Traditionen des Landes an. Die Kre-
tiſche Niederlaſſung, die von Kirrha aus das Tilphoſ-
ſiſche Heiligthum bei Okalea in Boͤotien gruͤndete, ſtellte
die Sage unter der Perſon des Rhadamanthys vor 1.
Rhadamanthys ſoll hier mit der Alkmene zuſammenge-
wohnt; er ſoll den jungen Helden die in Kreta einhei-
miſche Bogenkunſt gelehrt haben 2. Darum entzog auch
Zeus die geſtorbene Alkmene dem Begraͤbniſſe, und
fuͤhrte ſie nach den ſeligen Inſeln als Gattin des Rha-
damanth. Ein Stein war an ihrer Stelle zuruͤckge-
blieben, und wurde in ihrem Hain zu Theben aufge-
ſtellt 3. — Wie ganz andere Gedankenreihen draͤngen
ſich uns auf, wenn wir Herakles als Zoͤgling des Rha-
damanth denken, als wenn wir den gewoͤhnlichen Er-
zaͤhlungen folgen von dem derbkraͤftigen Boͤotiſchen
Athleten. Aber auf demſelben Tilphoſſion, welchem
Rhadamanth anwohnte, war auch das Grab des Tei-
reſias, der ebenfalls auf Herakles Schickſale bedeu-
tenden Einfluß uͤbte 4, und ſchon zu ſeiner Geburt be-
hilflich war. Teireſias iſt aber der alte (ſieben Men-
ſchenalter lebende) Prophet des Ismeniſchen Tempels.
Noch mit einem dritten Weiſſagergeſchlechte brachte die
alte Sage den Heros in nahe Relation, wenn
wir als ſolche die Darſtellung des Epiker Aſios anneh-
men duͤrfen, nach der Alkmene Tochter des Amphiaraos
und der Eriphyle war 5. Dadurch wird ſie Schweſter
II. 28
[434] des Alkmaͤon, womit ihr Name Alkmana ſehr vortreff-
lich uͤbereinſtimmt. — Auf jeden Fall wird durch die
Beachtung dieſer Sagen der Zuſammenhang der ge-
woͤhnlichen Fabel zerriſſen, und auf einen tiefern, groß-
artigern aufmerkſam gemacht, den wir freilich nicht
mehr in ſeiner Integritaͤt herſtellen koͤnnen.
Wenn nun darnach Herakles als Vermittler zwi-
ſchen dem Heiligthume zu Delphi und dem Thebaͤiſchen
Ismenion erſcheint: ſo folgt, daß auch die Lokaliſirung
ſeiner Sage mit der Stiftung dieſer Heiligthuͤmer von
Delphi aus zuſammenhaͤngt, alſo dieſe zum Theile we-
nigſtens von da gekommen iſt.
10.
Die Thebaͤiſchen Heraklesſagen ſind nicht alle
gleich bedeutungsvoll; ſie haben zum Theil, wie die
angegebenen, religioͤſe Beziehung, zum Theil politi-
ſche 1, zum Theil bezeichnen ſie auch nur die Koͤr-
perkraft des Heros der Athletik. Sie bilden einen
eigenen Zuſammenhang, und wurden wohl auch ein-
mal in beſondern Liedern dargeſtellt. Die Erzie-
hung des Helden wird mythiſchen Perſonen anver-
traut, die meiſt in Boͤotien lokal ſind 2. Sein
merkwuͤrdigſter Lehrmeiſter iſt der traurige Saͤnger Li-
nos, den er — wie ich glaube, auch hierin Vollſtrecker
des Willens von Apollon, nach der gewoͤhnlichen Er-
zaͤhlung von ihm geſchlagen — erſchlaͤgt, und ſich durch
das Geſetz des Rhadamanth rechtfertigt 3. — Die
[435] Erlegung des Kithaͤroniſchen Loͤwen iſt ein Nachbild der
unten zu behandelnden Sage von Nemea. Bei dieſem
Abentheuer kommt er nach Thespiaͤ zu Theſtios, und
befruchtet hier in einer oder ſieben oder funfzig Naͤch-
ten die funfzig Toͤchter ſeines Wirths. Ob man blos
darin die Zeugkraft des gewaltigen Recken darſtellen
wollte? Boͤckh hat gezeigt 1, daß zu Elis Selene mit
Endymion funfzig Soͤhne zeugt, deswegen, weil die
Olympiade funfzig Mondenmonate enthaͤlt. So liegt
denn ſicher derſelbe Sinn in der angefuͤhrten Fabel,
die ſich entweder auf die Periode der Thespiſchen Ero-
tidien — oder lieber auf die Nemeen bezieht und dann
nur uͤbergetragen iſt. Hier gebe ich ſcheinbar denen
freies Feld, die den Herakles fuͤr die Sonne erklaͤren,
welche nun den Mond gleichſam funfzigmal beſchlaͤft,
und darnach funfzig cykliſche Mondenmonate zeugt.
Doch ſcheint es mir rathſamer, zu erklaͤren: Sobald
man Herakles einmal als Gruͤnder des Feſtes anſah,
maß man ihm auch die Einrichtung der alten Jahres-
periode bei, und ſtellte dieſe in Redensarten alter
Symbolik — vielleicht ſchon halb ſcherzend — dar 2.
— Was den wunderbaren Mythus anlangt von den
Kindern der Megara, die ihr wahnſinniger Vater in
das Feuer geworfen haben ſoll 3: ſo ſcheint allerdings
ein myſtiſcher Sinn darin zu liegen, und es iſt wahr-
ſcheinlich, daß aus alter Kadmeerſage etwas hineinge-
tragen worden iſt. Aber abgeſehn von der Art, wie
Herakles ſeine Wuth auslaͤßt, ſo gehoͤrt dieſe Wuth
ſelbſt zu den Grundzuͤgen, die die Thebaͤer aus dem
28 *
[436] Doriſchen Cyklus mit heruͤber erhielten, und iſt durch-
aus ethiſch zu faſſen 1. Wen ergreift nicht der Gedanke,
wie der edle Zeusſohn, der die inwohnende Fuͤlle der
Kraft mit ſo unverwuͤſtlicher Ausdauer zum Edlen,
Großen, Schoͤnen lenkt, ſo unendliche Muͤhſale fuͤr das
Wohl Anderer durchringt, doch unter der Gewalt einer
ihm von der Gottheit verhaͤngten Ate ſteht, die im
unbewachten Augenblicke das Kraftgefuͤhl zum Ueber-
muthe, den edlen Zorn zur Wuth anfacht; worauf der
Held dann, das innere Herz niederbaͤndigend, und den
Stolz der Natur zum Staube beugend, ſelbſt jegliches
Leid und Truͤbſal uͤber ſich nehmen muß. In der Boͤo-
tiſchen Sage nun war es ein duͤſterer Wahnſinn, in
dem Herakles, ſelbſt das Liebſte nicht kennend, ſeine
Kinder mordete und ſogar ſeinen Vater toͤdten wollte 2,
der die lange Kuechtſchaft nach ſich zog. Der von tie-
fer Schwermuth niedergedruͤckte Held wendet ſich nun
an den ſuͤhnenden Gott Apollon, und zwar entweder
an den einheimiſchen des Ismenions, (wo man unter
dem Altar einen Beſaͤnftigungsſtein, λίϑος σωφρονι-
στὴρ, zeigte, der ihm die Beſinnung wiedergegeben) 3
oder an den Pythiſchen 4. Der Gott befiehlt ihm als
Knecht zu dienen, wie er ſelbſt nach Pythons Ermor-
dung gedient hatte. Hieran knuͤpften nun die Dichter,
die einen Zuſammenhang in die verſchiedenen Sagen-
kreiſe zu bringen ſuchten, die Knechtſchaft bei Eury-
ſtheus, wie ſie auf den Mord des Iphitos eine Lydi-
[437] ſche Heraklee folgen ließen. Aber davon weiß z. B.
Homer nichts, welcher die Dienſtbarkeit des Herakles
aus dem uͤbereilten Verſprechen des Zeus vor der Ge-
burt deſſelben ableitet, daß der Erſtgeborene Herr des
Nachgeborenen ſein ſolle. Aus einer genauern Ueberle-
gung ergiebt ſich auch leicht die Inconſequenz, mit der
ein Verhaͤltniß, das nur in Argiviſchen Mythen be-
gruͤndet ſein kann, aus einem in Theben begangenen
Verbrechen abgeleitet wird. Merkwuͤrdiger Weiſe hat
ſich aber doch in Apollodors abgeriſſener Erzaͤhlung
eine Spur erhalten, wie lange die Knechtſchaft in der
Boͤotiſchen Sage dauerte, nemlich acht Jahre und einen
Monat 1. Doch wahrlich keine zufaͤllig entſtandene
Zahl. Sondern es ſoll damit wieder die Ennaëteris
bezeichnet werden, welche acht Jahre und drei Schalt-
monate faßt, wovon hier nur der letzte Schlußmonat
erwaͤhnt wird, weil die beiden in der Mitte eingeſcho-
benen minder in die Augen fallen. Alſo einen ἀΐδιος
ἐνιαυτὸς dient Herakles, wie Apollon zu Pheraͤ 2, was
die Thebaͤer auch auf ihren Kadmos uͤbertrugen — der-
ſelbe Held, der am Daphnephorienfeſte, welches ganz
in demſelben Cyklus wiederkehrt, den Aufzug angefuͤhrt
hatte. Ich ſchließe dieſe Betrachtung mit vier Verſen
aus der Heraklee des Panyaſis, die ich mir dem Hel-
den als Troſt fuͤr den Zwang der Dienſtbarkeit zuge-
ſprochen denke:
[438]
11.
Hieran knuͤpfen wir einige Bemerkungen uͤber
den Attiſchen Heraklesdienſt, der beſonders zu Ma-
rathon in der Tetrapolis 1, in den drei Ortſchaften
Melite, Diomeia und Kollytos 2, die benachbart und
wohl im Norden von Attika lagen, in Acharnaͤ 3 und
Hephaͤſtia 4; dann bei Athen im Kynoſarges 5, in der
Stadt ſelbſt, und von da gegen das Meer hin in den
ſog. Vierflecken oder Tetrakomen geuͤbt und gefeiert
wurde 6. Daß die unter dieſen Tempeln, welche nicht
in der Naͤhe der Stadt liegen, ſich ſaͤmmtlich im noͤrd-
lichen Theile Aitika’s finden, beweist wohl eine Her-
kunft des Dienſtes von den noͤrdlichen Graͤnzen, die
die Mythe durch die Anweſenheit der Herakliden in
Attika motivirt, welche aber, wie oben bemerkt 7, nur
in der Specialſage der Athener exiſtirte. Es iſt indeß
wahrſcheinlich, daß irgend einmal in Vorzeiten ein Hau-
fen des Doriſchen Volks Attika durchzogen, und dieſen
Cult gegruͤndet habe, der durch das Principat des Do-
riſchen Stammes und allerlei Verbindungen mit dem-
3
[439] ſelben an Anſehn und Bedeutung gewann. Wenn die
Lakedaͤmonier wirklich im Peloponneſiſchen Kriege die
Tetrapolis verſchonten 1, ſo muß dies ihnen als Re-
ſpekt fuͤr ihren Heros ausgelegt werden. Merkwuͤrdig
iſt die Sage: Theſeus habe alle ihm ſelbſt fruͤher ge-
weihten Tempel, vier ausgenommen, dem Herakles ge-
heiligt 2; woraus man wohl die Uebertragung des Cul-
tus in irgend einer Zeit (nur nicht der des Theſeus
ſelbſt) als hiſtoriſch entnehmen darf; und daß man
fortwaͤhrend dem Dienſte nur gleichſam halbes Buͤrger-
recht zugeſtand, ſcheint in der Sitte zu liegen, die Pa-
raſiten des Heros zu Kynoſarges ſtets aus halbbuͤrti-
gen Athenern zu waͤhlen.
Verwandter Art und zur Erlaͤuterung anzufuͤhren
ſind die ebenfalls im Norden Attika’s in den zuſam-
menliegenden Demen Aphidna, Dekeleia, Titakidaͤ loka-
len Sagen von dem Zuge der Tyndariden, auf dem
ſie den erſtgenannten feſten Ort mit Hilfe des Dekelos
und Titakos erobert haben ſollen 3. Von der Beute
ſollte, nach der Spartaniſchen Sage, der (aͤlteſte)
Tempel der Chalkioͤkos zu Sparta erbaut ſein. Auch
hier nimmt die Geſchichte auf die Sage Ruͤckſicht; die
Lakedaͤmonier waren fortwaͤhrend in einer gewiſſen
freundſchaftlichen Verbindung mit Dekeleia; und es
[440] war ſicher nicht ohne beſondern Grund, daß ſie im
Meſſeniſchen Kriege auf Orakelgebot den Mann von
Aphidna, Tyrtaͤos, kommen ließen. Da aber die
Tyndariden, d. h. ihre Bilder, wie oben erwaͤhnt, ein
jedes Spartaniſche Heer auf Auszuͤgen begleiteten: ſo
wird man auch hier vielleicht irgend einen Doriſchen
Zug nach den noͤrdlichen Theilen Attika’s annehmen duͤr-
fen, der dieſe bleibenden Folgen hinterlaſſen.
[441]
12.
1.
Ruhige und unbefangene Leſer, die der bisher ge-
gebenen Entwickelung vielleicht mit ziemlicher Beiſtim-
mung gefolgt ſind, werden von hier an, wo wir die
Peloponneſiſche Heraklesfabel behandeln, Anſtand neh-
men ſo fortzufahren, entweder weil ſie ſich zuſehr allen
hiſtoriſchen Boden unter den Fuͤßen weggezogen glau-
ben, oder weil ſie eine ſo durchgreifende Critik uͤber
Entſtehung und Bildung der Mythen, wie eben darge-
boten wird, zu kuͤhn und anmaßlich finden. Und doch
zwingt der Connex der Unterſuchung uns unumgaͤnglich
zu der Behauptung: der Peloponneſiſche Heraklesmy-
thus habe ſich zum großen Theil erſt nach der Ein-
wanderung der Dorier in dieſe Halbinſel durch das
Beſtreben derſelben gebildet, das Anrecht ihrer Fuͤrſten
auf den Beſitz dieſer Landſchaft in der Sage darzu-
thun, und in Herakles Thaten ihre eigenen Eroberun-
gen vorzubilden und zu rechtfertigen 1. Sie muͤſſen
allerdings in der Argiviſchen Fabel unter den Perſiden
ſchon einen, vielleicht ſelbſt gleichnamigen, Helden, vorge-
funden haben, der ſich eignete, mit dem Vater des
Doriſchen Hyllos in eine Perſon zuſammenzuwachſen,
und wir werden den Toͤdter des Nemeiſchen Loͤwen als
[442] einen wirklich altargiviſchen Heros bezeichnen; aber
ſchon das Verhaͤltniß des Helden als unrechtmaͤßig
zuruͤckgeſetzt gegen Euryſtheus, und darum zu Muͤhe
und Noth verdammt, gehoͤrt augenſcheinlich der Dori-
ſchen Sagenbildung an, und was damit zuſammen-
haͤngt, die Feindſchaft der Hera gegen den Helden, die
theils aus Apolliniſchen Mythen uͤbertragen ſein, theils
den Gegenſatz des alten Landcultus und des eindrin-
genden Stammes bezeichnen kann.
Nach dieſer Vorerinnerung moͤgen wir uͤber die
einzelnen Heraklesſagen dieſes Cyklus zu urtheilen wa-
gen, die gleich fuͤr den erſten Anblick in zwei ganz
verſchiedene Claſſen zerfallen, in Waffenthaten und
Thierkaͤmpfe. Wir wollen von den letztern zuerſt han-
deln 1.
Nemea lag nur durch einen Bergruͤcken und eine
lange Felſenſchlucht von dem Argiviſchen Heraͤon, dem
alten Haupttempel der Gegend, getrennt. Daß in die-
ſem Cultus der Mond ſehr bedeutend vorkam, iſt un-
laͤugbar, wenn auch Hera als eigentliche Mondgoͤttin
zu betrachten voreilig waͤre. So heißt nun auch Nemea
Tochter des Mondes 2, und der Loͤwe daſelbſt gleicher-
weiſe eine Geburt der Selene: eine Fabel, fuͤr deren
Alter daraus geſchloſſen werden kann, daß Anaxagoras
ſie als allgemein beglaubigt fuͤr das phyſiſche Dogma
der Antichthon benutzte 3. Ohne Zweifel haͤngt damit
[443] die Heſiodiſche Sage zuſammen, daß die Gottheit Hera
ſelbſt den Loͤwen erzogen: was ſie dort zwar nur als
Feindin des Herakles, fruͤher aber wohl in einem an-
dern Sinne that. — Hiedurch zeigt ſich allerdings ein
ſymboliſches Colorit der Sage, und ſie naͤhert ſich im
Charakter der von Perſeus und der Gorgo u. ſ. w.:
obgleich wir freilich eine vollſtaͤndige Deutung derſelben
in dieſem Sinne kaum mehr verſuchen koͤnnen. — Auch
der Kampf mit der Lernaͤiſchen Hyder moͤchte auf aͤhn-
liche Weiſe zu faſſen ſein; Herakles braucht dabei nach
alten Kunſtdarſtellungen 1 die Harpe, mit der Perſeus
die Gorgo enthauptete. — Wie man aber dieſe Kaͤmpfe
auch faſſe, ob ſymboliſch oder als Erinnerungen aus
einer Urzeit, in der Griechenland von Lindwuͤrmern
und wilden Beſtien zu reinigen des Helden erſtes Ge-
ſchaͤft war, ſo iſt doch klar, daß ſie eben ſo wenig
hineinpaſſen in ihre angebliche Zeit, kurz vor den Pe-
lopiden, als in den Charakter der uͤbrigen Fabel. Man
beachte nur das Coſtuͤm. Es iſt ausgemacht, daß
der Herakles der aͤltern Dichter ein entweder mit Speer
und Schild, wie im Heſiodiſchen Gedichte, oder mit
Bogen und Wehrgehenk, wie in der Homeriſchen Ne-
kyia 2, ausgeruͤſteter Held war 3; die letztere Dar-
ſtellung kam beſonders in den — verhaͤltnißmaͤßig ſpaͤ-
3
[444] ten — Gigantomachieen in Anwendung; die erſte liegt in
allen den Sagen, wo Herakles als Vorkaͤmpfer und
Eroberer gefaßt wird. Aber den halbnakten Wilden,
mit dem Loͤwenfell um die Lenden und deſſen Rachen
als Helm uͤber den Kopf, und nichts als die Keule in
der Fauſt, brachten erſt Peiſandros und Steſichoros
auf 1, und Strabon ſah noch alte Holzbilder, die dieſe
Tracht nicht zeigten. Peiſandros war es aber zugleich,
der die Thierkaͤmpfe des Herakles, ſo viel wir wiſſen,
nach den abgeriſſenen Erwaͤhnungen der Theogonie, zu-
erſt ausfuͤhrlich darſtellte, und uͤberhaupt die ἂϑλους
componirte, wozu er denn allerlei Peloponneſiſche Ein-
zelſagen benutzt haben mag.
2.
Wir kommen zweitens zu den Kriegsthaten
des Helden, von denen wir behauptet haben, daß ſie
die Eroberungen der Dorier ſelbſt im Peloponneſe vor-
bilden. Man darf nur uͤberſchauen: wie Herakles,
ſelbſt am Ende ſeines Lebens Fuͤrſt von Myken 2, zu-
gleich Sparta den Hippokontiden entreißt und dem Tyn-
dareos anvertraut, und Pylos von Neleus erobert und
dem Neſtor uͤberlaͤßt 3, um das entſprechende der Sa-
ge und Geſchichte einzuſehen. Welche Momente zur
Ausbildung dieſer Sagen mitgewirkt, laͤßt ſich am deut-
lichſten bei dem Kampfe um Pylos nachweiſen. Denn
Hades Antheil daran, wobei der Gott ſelbſt von dem
kuͤhnen Zeusſohne verwundet wird 4, iſt nach dem oben
[445] dargelegten Zuſammenhange als von Ephyra uͤbertra-
gen anzuſehen, wo der Gott groͤßere Veranlaſſung zum
Schutze der bedraͤngten Stadt hatte, als bei Pylos 1.
Pylos aber ſoll Herakles zerſtoͤrt haben, weil Neleus
ihn fuͤr Iphitos Mord nicht reinigen und ſuͤhnen ge-
wollt 2 — was hernach Deiphobos beim Apollontem-
pel zu Amyklaͤ gethan 3 — wobei vorausgeſetzt wird,
daß Oechalia, Iphitos Vaterſtadt, in Meſſenien liege,
was, wie oben gezeigt, nicht die urſpruͤngliche Sa-
ge iſt.
3.
Am deutlichſten iſt die Ruͤckwirkung des hi-
ſtoriſch Geſchehenen auf die Mythe in der Sage zu er-
kennen: wie Herakles die Olympiſchen Spiele geſtiftet,
da er als Sieger (Καλλίνικος) vom Heereszuge gegen
Augeas von Elis zuruͤckkehrte. Die ausfuͤhrlichſte Er-
zaͤhlung davon giebt Pindar, und ſeinen Ausdruͤcken
nach “die ſichere Kunde hat der weiterſchreitende Kro-
nos verkuͤndet” auch eine beſonders authentiſche; viel-
leicht ſchoͤpft er, da er das Anſehn epiſcher Dichter
nicht ſo hoch anzuſchlagen pflegt, aus Liedern, die zu
Olympia lokal waren 4. Darnach feiert Herakles dieſe
erſte Olympiade gleich als ein panegyriſches Feſt des
4
[446] ganzen Peloponnes mit vielfachen Preiskaͤmpfen, in de-
nen Helden aus Tiryns, Tegea, Mantineia, Spar-
ta 1 ſiegen; auch iſt er es, der die fuͤnfjaͤhrige Periode
fixirt und den Gottesfrieden einrichtet 2, Thaͤtigkeiten,
an die er ſich ſchon im nordhelleniſchen Mythus ge-
woͤhnt hatte. Auch daß er den wilden Oelbaum, mit
dem ſpaͤter die Altis bepflanzt war, von den Hyper-
boreern holt: iſt wohl aus dieſen noͤrdlichen Sagen
uͤbergetragen 3, in denen Herakles zum Apollon in
weit naͤherem Verhaͤltniſſe ſtand, als in der Pelopon-
neſiſchen Gemeinſage. Doch iſt zu bemerken, daß He-
rakles auch auf dem Zuge gegen Elis mehrere Apollo-
heiligthuͤmer, zu Pheneos und bei Thelpuſa, gegruͤndet
oder beſucht haben ſoll 4; beide an der Straße,
die den Iſthmos und das noͤrdliche Griechenland mit
Olympia verband 5. — Nun wuͤrde man aber auf
bedeutende Schwierigkeiten ſtoßen, wenn man die Aus-
bildung der Sage von Herakles, als Gruͤnder der
Olympien, erſt in die Zeit nach der Olympiade des
Iphitos ſetzte; denn da ſeit dieſer Zeit die Eleer die
Feier leiteten, und deswegen auch dem Herakles be-
ſondere Verehrung erwieſen: ſo konnte ſchwerlich ein
Krieg gegen Elis als Veranlaſſung der Stiftung an-
[447] geſehen werden, wenn dies nicht ſchon in fruͤherer Sa-
ge feſt ſtand. Aber es iſt auch ſonſt wahrſcheinlich,
daß ſchon vor dieſer Zeit Piſa die Leitung des freilich
noch nicht ſo angeſehenen Feſtes hatte — weil die Pi-
ſaten ſpaͤter ſie beſtaͤndig als ein altes Recht zuruͤck
fordern — und daß damals ſchon dem Herakles, der zu
Piſa ein uraltes Schnitzbild hatte 1, die Gruͤndung
beigemeſſen wurde, die ſich dann freilich ſehr vortreff-
lich an einen Krieg gegen Elis anſchloß. In den
Kampf mit Augeas dem Sonnenſohne um die Rinder
ſcheint mir viel aus einer Epirotiſchen Geryonis jener
aͤltern, oben angedeuteten, Form heruͤber genommen
worden zu ſein.
4.
Wenn wir ſo einige der Momente bemerklich
gemacht haben, unter denen ſich die Peloponneſiſche
Heraklesfabel bildete, ſo vermeinen wir doch keines-
weges, damit eine voͤllige Entwickelung derſelben zu
geben, die theils unmoͤglich iſt ohne Eingehen in man-
nigfache anderweitige Verhaͤltniſſe, theils an ſich ſchwer.
Denn da die Sagenbildung ſtets eine unbewußte
Thaͤtigkeit iſt, weil abſichtliche und vorſaͤtzliche Erfin-
dung das religioͤſe Gemuͤth des alten Volks auf das
aͤrgſte empoͤrt haͤtte: ſo wird in ihr immer mit einem
ſchon Vorhandenen ein Neuhinzutretendes ſo allmaͤlig
verſchmolzen, und Jenes mit Dieſem ſo nach und nach
durchdrungen, daß die Fugen und Suturen der Ver-
bindung faſt nicht mehr nachweisbar, ſondern die Ver-
ſchiedenartigkeit nur an den entgegengeſetzten Ecken und
Enden bemerkbar zu machen iſt. Aber auch durch den
dargelegten Verſuch ſchon wird deutlich, wie Grundge-
danken und Hauptfakta jener altdoriſchen Sage hier
unter andern lokalen Verhaͤltniſſen, und vermiſcht mit
[448] einheimiſchen Sagenkreiſen ſich wiederfinden, ſo daß
man an der Einwirkung der einen Sagenreihe auf die an-
dere nicht zweifeln kann. Wollte jemand aber vielleicht
die Peloponneſiſche Sage jederzeit fuͤr die vorhergehende,
die noͤrdliche fuͤr die abgeleitete, z. B. die Thaten des
Herakles am Epeirotiſchen Acheron fuͤr juͤnger als den
Kampf um Pylos, erklaͤren, weil wirklich die letztere
von epiſchen Dichtern theilweiſe fruͤher und ausfuͤhrli-
cher erwaͤhnt wird: ſo iſt dagegen ein fuͤr allemal zu
ſagen, daß — wenn es irgend eine wiſſenſchaftliche
Mythenkritik geben ſoll — dieſe einem hoͤhern Geſetze
als dem Alter der zufaͤllig erhaltenen Dichterſtellen
folgen muͤſſe, und dann gewiß keinem andern, als
dem auszumittelnden organiſchen und ſonach urſpruͤng-
lichen Zuſammenhange eines Mythenkreiſes, aus deſſen
Bildungsprinzip erſt Geneſis und Geſchichte der einzel-
nen Mythen begriffen und beſtimmt werden kann.
Weit leichter iſt die Aufgabe ſolcher Deduktionen
bei Mythen, welche in Colonien oder denen Laͤndern
ſpielen, mit welchen die Griechen erſt ſpaͤter bekannt
geworden ſind, weil die auf die Mythenbildung einwir-
kenden Umſtaͤnde hier mehr innerhalb des Geſichtskrei-
ſes unſerer geſchichtlichen Kenntniſſe liegen. Zugleich
aber erlaubt die hier beſtimmt nachweisliche Art der
Entſtehung durch Analogie ruͤckwaͤrts zu ſchließen auf
die Geneſis ſolcher, die außerhalb dieſes Kreiſes liegen.
5.
Von Sparta, wo Herakles ganz vorzuͤglich
verehrt wurde, hatte ſich das Anſehn des Dienſtes
nach den Kolonien, namentlich Tarent1 und Kroton
verbreitet. In der letztern Stadt genoß Herakles ſelbſt die
Ehren eines Gruͤnders 2; es ſcheint, daß man ihn auf
[449] dem Ruͤckwege von Erytheia den erſten Grund derſel-
ben legen ließ 1. Dann trug man auch die im Lakoni-
ſchen Amyklaͤ ſchon lokaliſirte Sage von der Reinigung
und Suͤhnung des Heros auf Kroton uͤber, wozu der
hier ſo angeſehene Apolloncult mitwirkte. Daher ſieht
man auf Muͤnzen der Stadt den noch jugendlichen Hel-
den, Bogen, Koͤcher, Keule neben ſich, vor einem Al-
tar mit brennendem Feuer ſitzen, und einen Lorbeer
daruͤber ſengen 2. Es haͤngt damit irgendwie zuſam-
men, daß Philoktet die Herakleiſchen Geſchoſſe im Tem-
pel des Apollon Alaͤos bei Kroton niedergelegt haben
ſollte, und die Krotoniaten ſie in das Apolloneion in-
nerhalb der Stadt brachten 3. — Auf jenen Muͤnzen
ſieht man ſonſt auch noch den Helden oͤfter mit einem
Weinbecher in der Hand entweder liegend oder ſtehend
und ſich vorbeugend; dazu giebt die Legende die Er-
klaͤrung: Herakles, der immer durſtige, habe vor ei-
nem Hauſe in Kroton nach Wein verlangt, aber die
Frau haͤtte dem Manne abgerathen, das Faß des
Fremdlings wegen zu oͤffnen, darum traͤnken die Wei-
ber der Gegend niemals Wein 4.
6.
Den Koiſchen Heraklesmythus, wie ihn ſchon
Homer erzaͤhlt, ſetzen wir als bekannt voraus. Ein-
wirkende Momente auf die Entſtehung deſſelben ſind,
erſtens das Vorhandenſein Heraklidiſcher Herrſcherfa-
milien auf Kos, die in primitiver Sage, wie aus dem
innern Connex nachgewieſen, ihren Urſprung an die Er-
oberung von Ephyra knuͤpften, in abgeleiteter aber an
einen angeblichen Aufenthalt des Heros auf der Inſel
II. 29
[450] ſelbſt, wo er mit der Tochter des Meroperkoͤnigs den
Stammvater jener Haͤuſer gezeugt. Die Sage von
dieſem Aufenthalt aber iſt wieder veranlaßt worden
durch einen ſeit alten Zeiten auf Kos einheimiſchen
Cultus, deſſen Gegenſtand nach Helleniſcher Anſicht
Herakles war, nach geſchichtlicher indeß ſchwerlich.
Denn die Eigenthuͤmlichkeit dieſes Cult — der Prieſter
zog bei dem Feſte deſſelben, Ἀντιμαχία, im Fruͤhjahre
ein Weiberkleid an, weil der Held bei einem Kampfe
ſich ſelbſt in die Kleider eines Weibes verſteckt habe 1
— weist auf Urſprung aus dem nahen Aſien; welches
auch ſchon Mythologen des Alterthums veranlaßte, den
Koiſchen Herakles fuͤr den Idaͤiſchen Daktylen zu er-
klaͤren 2. Die Frauen ſcheinen bei demſelben Feſte Kuͤhe
vorgeſtellt zu haben 3. Jene Verkleidung aber kam
wahrſcheinlich auch vor im Lydiſchen Cultus des
(von den Griechen Herakles genannten Heros) San-
don 4: denn Omphale ſoll dem weibiſchen Helden ein
durchſichtiges und mit Sandyx hellroth gefaͤrbtes Ge-
wand umgethan haben; eine Mythe, der augenſchein-
lich ein Feſtgebrauch die Entſtehung gab. Der Mann
in der Knechtſchaft des wolluͤſtigen Weibes war hier
ſymboliſcher Ausdruck einer weichlichen Naturreligion;
die Griechen dachten dabei an den Heros im Dienſte
des Faineant Euryſtheus; die Sagen von Herakles
Dienſtbarkeit gaben bequeme Anknuͤpfung: oder auch
die Alles vermittelnde und vereinigende Argonautenfahrt.
Dieſer Mythus kommt zuerſt bei Pherekydes, bei Hella-
nikos dem Lesbier, der ſich auf Sagen der Stadt Ake-
[451] le bezieht 1, und bei Herodot vor, deſſen Genealogie der
aͤltern Lydiſchen Koͤnige: Herakles — Alkaͤos (aus Hel-
leniſchem Mythus) — Belos (Babylon) — Ninos (Ni-
nive) — Agron u. ſ. w. eine recht treffende Parallele iſt
zu Danaos Geſchlechtsfolge und andern der Art.
7.
Sehr verwandten Urſprungs iſt die Fabel von
Hylas. Hylas wurde lange ſchon von den Ureinwoh-
nern Bithyniens an den Quellen um Sommersmitte ge-
rufen 2, ehe die Griechen dort ihr Kios gruͤndeten;
dieſe aber eigneten ſich den Mythus von dem ins Waſ-
ſer gefallenen Knaben an, und verwebten ihn, da ſie
Herakles als κτίστης verehrten 3, mit der Fabel dieſes
Heros, die ſchon wenigſtens einen ſolchen geliebten
Knaben des Helden kannte, den Hellanikos Theiomenes,
Sohn Theiodamas des Dryoperkoͤnigs, nennt 4.
In Phrygien war Lityerſes Tod Gegenſtand eines
alten Geſanges, und wer hatte ihn nun nach Griechi-
ſcher Sage erſchlagen, als der, der uͤberall im Barba-
renlande ſo furchtbar gehaust 5? So Fremdartiges
arbeiteten die Griechen ohne ſonderliche Muͤhe in ihre
Mythologie hinein. Herakles war ſchon in den Ur-
ſitzen ſeines Mythus ein nach außen thaͤtiger Held, ein
Grenzwart und Markgraf ſo zu ſagen; jetzt als Eigen-
thum aller Helleniſchen Staͤmme uͤbernahm er den
Schutz fuͤr jede Erweiterung des Helleniſchen Namens,
und je kuͤhner ein einzelner Punkt der Nation in das
Barbarenland vorgeworfen war, um deſto mehr be-
durfte er dieſes Hortes, und um deſto mehr Dichtun-
29 *
[452] gen feierten ihn. So kaͤmpfte er um den Beſitz des Lan-
des, das die Boͤotiſch-Megariſche Herakleia am
Pontos gewonnen, gegen die ureinwohnenden Bebryker,
ſo fuͤr Kyrene gegen die einheimiſchen Libyer. Denn
es iſt mir nicht zweifelhaft, daß der Ringkampf
mit dem durch die Beruͤhrung der Erde ſtets neuerkraͤf-
tigten Erdenſohn Antaͤos 1 nichts anders als den Streit
Helleniſcher Anſiedler mit den oft uͤberwundenen aber
aus der Wuͤſte immer in vermehrter Anzahl hervor-
ſtuͤrmenden Horden Libyens bedeutet. So verdankt die
Fabel von Herakles und Buſiris ihre Entſtehung den
Zeiten, wo die Griechen eben erſt in Aegypten bekannt
wurden, und noch ſehr dunkle und duͤſtere Vorſtellun-
gen von dem Lande hatten; daher ſie Herodot ſchon als
thoͤrigte Erfindung der Jonier darſtellt. Buſiris duͤnkt
mir der mit dem Artikel verſehene Name des Haupt-
gottes, der hier als grimmiger Tyrann gefaßt wird;
er laͤßt den Helden zum Menſchenopfer abfuͤhren, bis
dieſer ſich ploͤtzlich ermannt, und den Tyrannen ſammt
der feigen Rotte erſchlaͤgt.
8.
Bei dieſem Beſtreben der Ausbreitung und
Verarbeitung des Mannigfaltigſten zu einer großen
Maſſe, war es natuͤrlich, daß, als die Griechen beim
Phoͤnikiſchen Gott Melkart, Sohn des Bal und
der Aſtarte (Ἀστερία), einige verwandte Zuͤge fanden,
ſie auch dieſe hineinzogen. Der Tempel dieſes Gottes
zu Gadeira bewirkte, daß das Endziel der Geryoni-
ſchen Fahrt, die in ihrem Urſprunge uns freilich ganz
Griechiſch ſcheint, hier feſtgeſtellt wurde; und die be-
nachbarten Herakles- oder Briareos-Saͤulen 2 ſind
[453] auch wohl urſpruͤnglich als Werke des Melkart gedacht.
Der Herakles der Karthager 1 war auch wandernd,
erobernd, unterwerfend gefaßt, ſeine Provinz war die
Inſel Sardo 2, die ebenfalls in den Griechiſchen My-
thus hineingezogen wurde; er hatte auch Hispanien
durchzogen 3. Derſelbige iſt der Purpurerfinder in Ty-
riſcher Sage 4; ihm war die Wachtel heilig, deren
Geruch ihn einſt vom Tode aufgeweckt haben ſollte 5.
Doch greift das Phoͤnikiſche Element nirgends ſo tief
in den Kern des Herakleiſchen Mythus ein, daß es
nicht mit Leichtigkeit geſchieden und abgeſondert werden
koͤnnte, ohne im Geringſten die Integritaͤt des Mythus
dadurch zu verletzen; denn wenn auch der Dienſt von
Thaſos und Jalyſos Phoͤnikiſch, wie der zu Erythraͤ
etwa Aegyptiſch iſt 6: ſo iſt doch die Eigenthuͤmlichkeit
beider ſo fruͤh verdraͤngt und vom Helleniſchen Mythus
verſchlungen worden, daß wir keinen einzelnen Zug der-
ſelben dort nachweiſen koͤnnen. Die erſte nachweisliche
Vermiſchung des Doriſchen und Phoͤnikiſchen Heros
liegt vielleicht darin, daß der Spartaniſche Koͤnigſohn
Dorieus (Ol. 65.) ſich deswegen am Berge Eryx ein
Reich gruͤnden wollte, weil Herakles dieſe Gegend wei-
2
[454] land erobert 1; auf Eryx aber lebte Dienſt und Name
der Phoͤnikiſchen Aphrodite (Aſtarte) und ſo wohl auch
ihres Sohnes des Melkart.
Unter den Idaͤiſchen Daktylen, uralten Daͤmonen
Phrygiſch-Kretiſcher Religion, nannte wenigſtens ſchon
der Orphiker Onomakritos 2 umdeutend einen Herakles;
auf den auch hie und da im ausgebildeten Mythus
Bezug genommen wird 3.
9.
So peremtoriſch der Zweck dieſer Auseinan-
derſetzung und der fuͤr dieſelbe beſtimmte Raum uns
zwang die uͤber die urſpruͤnglichen Graͤnzen hinausge-
hende Erweiterung des Herakles-Mythus zu behandeln:
ſo wenig machen die folgenden Saͤtze uͤber das Weſen
und die Grundidee deſſelben Anſpruch auf Allſeitigkeit,
Ergruͤndung und allgemeine Befriedigung. Doch koͤn-
nen wir uns darauf als ziemlich geſichert beziehn, daß,
was in dieſer Heldenfabel aus Naturreligionen ſtammt,
erſt von außen hinzugetreten iſt und nicht den Lebens-
kern ausmacht. Dieſer iſt vielmehr der Grundgedanke
aller heroiſchen Mythologie: ein ſtolzes Bewußtſein der
dem Menſchen inwohnenden eigenen Kraft, durch die
er ſich, nicht durch Vergunſt eines milden huldreichen
Geſchicks, ſondern grade durch Muͤhen, Drangſale und
Kaͤmpfe, ſelbſt den Goͤttern gleichzuſtellen vermag.
Dem Herakles wird das hoͤchſte Maas menſchlicher
Kraft im Wagen und Ertragen gegeben, und dabei ein
ſo edles Streben als es jene Zeit kannte; aber er wird
[455] keineswegs als ein von den Schlacken der Menſchheit
freies Weſen vorgeſtellt; vielmehr geht jene Kraft oft
ins Schrankenloſe, und wird convulſiviſch durch Ueber-
fuͤlle 1, und der edle Zorn und Unmuth des Vieldulden-
den ſchlaͤgt in furchtbare Wuth aus. Aber fuͤr jegli-
chen Frevel buͤßt er durch neues Leid, und keines beugt
den unverwuͤſtlichen Muth, bis er verklaͤrt und gelaͤu-
tert zum Olymp aufſteigt, und die ewige Jugend in
die Arme ſchließt, waͤhrend ſein Eidolon im Hades noch
immer mit ausgeſpanntem Bogen droht. Wie in Apol-
lon die Gottheit in die Kreiſe menſchlichen Lebens her-
abtritt, ſo ſtrebt in Herakles eine rein menſchliche Kraft
zu den Eoͤttern empor. Dieſem entſpricht Herakles
auch in ſeiner goͤttlichen Funktion als Ἀλεξίκακος
und Σωτὴρ 2, welche die Oetaͤer ſo weit ausdehnten,
daß ſie ihn als Heuſchreckenvertilger (Κορνοπίων), wie
die Erythraͤer als Rebenwurmtoͤdter (Ἰποκτόνος) ver-
ehrten 3. Was aber uͤberhaupt die Gottheit des
Heros anbetrifft, ſo kann dieſe wohl nicht, wie ſchon
Herodotos wollte, aus einer Vermiſchung des Phoͤniki-
[456] ſchen oder Idaͤiſchen Gottes und des Helden von Theben
abgeleitet werden, da Herakles auch an ſolchen Orten goͤtt-
liche Ehre genießt (z. B. zu Meſſene u. Marathon) 1, wo
an eine ſolche Vermiſchung ſchwerlich zu denken. Son-
dern er iſt Gott als das Ziel menſchlicher Kraft dar-
ſtellend, wo ſie nach Griechiſchen Begriffen an die Gott-
heit anſtreift, als hoͤchſte Potenz des heroiſchen Weſens.
Sein Leben und Wirken hienieden aber iſt in den aͤltern
Mythen ganz menſchlich, da diejenigen Fabeln, die ihn
daruͤber hinausheben, wie z. B. alle ſich um die Gi-
gantomachie drehenden 2, durch ſich ſelbſt ſpaͤtern Ur-
ſprung verrathen. In dieſem Beſtreben gingen beſon-
ders die Alexandriner und Spaͤteren, z. B. die Erfin-
der Orphiſcher Kosmogonieen 3, ſehr weit, welche letz-
tern ihn ganz als Symbol kosmiſcher Schoͤpfungskraft
brauchten.
10.
Wie wenig die alte Mythe den Herakles von
irgend einer Menſchlichkeit entkleiden wollte, ſieht
man aus manchen gemuͤthlichen, mitunter derben Zuͤ-
gen ſeines Bildes. Herakles iſt geladen oder ungela-
den ein jovialer Gaſt, und im Genuſſe nicht eben karg;
woran ſich manche Fabel vom Stierfreſſer (Βουθοίνας)
und Saͤufer Herakles, von Herakleiſchen Bechern und
Ruhebetten, anknuͤpfte. Aber der Grundgedanke liegt
ſchon in den alten und fruͤhbearbeiteten Fabeln, von
[457] ſeinem Aufenthalte bey Keyx 1 und Dexamenos; und
ſelbſt in Gebraͤuchen ſeines Cultus und ſeiner Feſte 2;
die Doriſchen 3 wie die Attiſchen Komiker und Satyr-
dichter haben den Stoff nur aufgenommen und mit hei-
terer Luſt ausgefuͤhrt: die letztern auch noch Spott
uͤber die Vieleſſerei ihrer Boͤotiſchen Nachbarn damit
verbunden 4. — Vor allen Heroen iſt es ferner auch
Herakles, den die Mythe in komiſche Situationen
zu bringen ſuchte, und gewiſſermaßen ſelbſt neckte. So
in der ſchon in einem Homeriſchen Scherzepos 5 behan-
delten Fabel von den Kerkopen, jenen ſchlauen und poſ-
ſierlichen Kobolden, die durch Spaͤße und Muthwillen
[458] den Helden bald erfreuen bald belaͤſtigen, bis er ſie
uͤber ſeinen Ruͤcken ſchwingt und mit ſich forttraͤgt,
aber ſie doch hernach um des Witzes willen uͤber den
Melampygos wieder laufen laͤßt 1. In Kunſtdarſtel-
lungen ſind ſie oͤfter als Satyrn behandelt, die dem
Helden Koͤcher, Bogen, Keule wegnehmen 2; wie auch
der ſchon apotheoſirte Herakles ſich beſonders im Thia-
ſos der niedern und laͤndlichen Goͤtter gefaͤllt. Auch
ſcheint es, daß Spaßhaftigkeit und Skurrilitaͤt oͤfter
mit Herakleiſchen Feſtgebraͤuchen verbunden war; ſo
gab es in Athen eine Genoſſenſchaft von 60 Maͤnnern,
die an den Diomeiſchen Heraklesfeſten ſich ein Ge-
ſchaͤft daraus machten, ſich und Andere durch Witz
zu necken und zu ergoͤtzen 3. Es wird vielleicht in
der Folge klar werden, wie dieſe in Mythe und Cultus
nachgewieſenen Vorſtellungen aus der Neigung des Do-
riſchen Stammes zu burlesker Komik hervorgingen.
[][][]
Vgl. Thunmanns Geſch. der Europ. Voͤlker S. 250.
7, 327. a.
Silenen in Maked. δευάδαι illyriſch. δϱάμις Brodt Maked. δϱά-
μικες bei den Athamanen. Band 1. S. 254. vgl. Heſych. βα-
τἀϱα. S. die fleißige Sammlung bei Sturz de dial. Mace-
donica.
z. B. δαίνειν toͤdten, δάνος Tod mit ϑανεῖν, ϑάνατος; ἐέλδω
(ἐέλδωϱ Homer) mit ἐϑέλω, ἀδϱαία fuͤr αἰϑϱία, worin ϑ eben
ſo ſeine Aſpiration verliert wie φ in κεβαλὴ (Haubet) ἀβϱοῦτις fuͤr
ὀφϱὺς (Braue), Βίλιππος, Βεϱενίκη, βαλακϱός u. a. Auch faͤllt
oͤfter der Spiritus asper weg. ἐνδομενία oder ἐνδυμενία Hausrath
(Polyb.) mit Verwechſelung von ο und υ.
native ἵπποτα u. ſ. w. die ſonſt Aeoliſch-boeotiſch, Doriſch, auch
Theſſaliſch genannt werden. Sturz a. O. S. 28.
ζέϱεϑϱα fuͤr βάϱαϑϱα.
des Tagos, wie in Theſſalien; ματτύα Leckerſpeiſe, Theſſaliſch, Ma-
kedoniſch und auch Spartaniſch.
hirtus, γάϱκαν (Gerte) virgam, ἴλεξ ilex. Auch der Mangel an
Aſpiration bildet einen Vergleichungspunkt.
Hell. S. 79. Die Stelle des Heſiod iſt wohl aus den Eoͤen, und
kein Grund vorhanden, ſie fuͤr falſch zu halten. Man muß im
zweiten Verſe υἷε δύω Μάγνητα Μάκεδνόν ϑ̕ ἱππιοχάϱμην leſen.
Theſſaliſchen.
kogr. mit Didymos bei Ammonios χλαμύς. Weiter davon im 4.
Buch.
ſych. δεσποίνας. vgl. Buch 4.
Frauen in Illyrien bei Gaſtmaͤhlern und Weingelagen; Herod. 5.
18. das Gegentheil von den Makedoniern.
bei Steph. Byz. Χαονία.
Jenſeits vieler Namen, wie Kaulonia (Pouquev. fand Muͤnzen
ΚΑϒΛΟΝΙΑΤΑΝ in Epiros) Pandoſia (Juſtin. 12, 2.), Ache-
ron, Acherontia u. a.
lier ehemalige Πελασγοὺς, weil ſie dieſe in ſich aufgenommen, er
muß aber ein μεταμαϑεῖν τὴν γλῶσσαν annehmen, weil die Spra-
che der bei Kreſton und bei Plakia wohnenden Pelasger, vermuthlich
nur ein alterthuͤmlicher Dialekt, ihm barbariſch ſchien. Aeſchylos
haͤlt ſie im Gegenſatz der καϱβάνοι fuͤr Griechen, Ἱκετ. 911.
die Chaoner nach Thuk. 2, 80. — Altgriechiſch ſind im Epirot.
Dialekt z. B. γδοῦπος fuͤr δοῦπος (Maittaire S. 141.) γνώσκω,
nosco Orion 42, 17. Ἄσπετος Achill. Plut. Pyrrh. 1. (α–ἕπομαι).
Die Nachricht bei Str. 7, 327., daß einige Gegenden zwei Spra-
chen redeten, geht gewiß auf ein Nebeneinanderbeſtehen illyriſcher
und griechiſcher Dialekete.
ſych iſt Βϱέκυς (Βεϱεκύντιος) daſſelbe Wort wie Βϱύξ. Bruges
ſagte auch Ennius und, wie es ſcheint, M. Brutus (Plutarch
Brut. 45).
der Gegend von Dyrrhachion. Appian Buͤrgerkr. 2, 59.
Creuzer Fragm. histor. S. 171. Strabo 14, 608. vgl. Konon
bei Phot. 1.
der gewoͤhnlichen Meinung Koloniſten derſelben. Herod. 7, 73. Eu-
doxos bei Steph. Ἀϱμενία. vgl. Heeren de linguarum Asiat. in
Persarum imp. cognatione. Commentat. Gotting. 13.
auch im Deutſchen ſind. Πῦϱ iſt nach den Grundſaͤtzen des Ueber-
gangs (ſ. Grimms vortreffliche Grammatik S. 584. zweite Ausg.)
althochdeutſch Viuri, plattd. Fuͤr. Κὐων canis Hund (die Zufuͤgung
des d iſt wie in Μὴν, Μὰν — phrygiſch der Mond, vgl. Heſych
ναὶ Μὴν — und Mahnd, Mond). Ὕδωρ, althochd. wazar, plattd.
water; das Digamma iſt noch in der aͤchten phrygiſchen Form
βέδυ, welches zugleich wegen alter Nachbarſchaft makedoniſch und
orphiſch, (ſ. Neanth. Kyziken. bei Klem. Alex. Strom. 5. S. 673.
Jablonsky de lingua Phrygia S. 76.) u. bald Waſſer, bald Luft
uͤberſetzt wird. Endlich zeigt die Phrygiſche Inſchrift bei Walpole,
beſonders die Worte ΜΙΛΑΙ ΛΑϜΑΓΤΑΕΙ ϜΑΝΑΚΤΕΙ,
uͤberraſchende Aehnlichkeit in Flexion und Wurzeln mit dem Grie-
chiſchen.
119.
von Lykiſchen Solymern ſprach.
Dagon; der Name Adon (Athen. 14, 624), βαλλὴν Koͤnig (Hef.
Euſt. Od. 19. S. 680 Baſ.) von Baal, Herr u. ſ. w.
Band 1. S. 379—390.
Griechiſchen entfernt, wie das haͤufig vorkommende βϱία, βϱέα,
Stadt, ζίλα Wein, πιτῦγις Schatz. Schol. Apoll. 1, 933 u. a. m.
ἐφ̕ ούνῦν Μακεδόνες καλοῦνται μόνοι μετὰ Μυσῶν τότε οἰ-
vgl. noch Phavorin Ἀχαιοὺς ἄϱξωσιν S. 144. Sie lagen wahr-
ſcheinlich ſpaͤter noch in den Moloſſern, die fuͤr Griechen galten.
Herod. 6, 127.
Buttmann uͤber die Minyae (Berl. Akad. 1820. S. 13.) die Exi-
ſtenz dieſer Orte, allein unter den von mir angefuͤhrten Stellen
ſind mehrere ganz entſcheidende.
(wie die Thyner u. Andre) aus Thrake nach Aſien gekommen, nach
Str. und Plin. 5, 32, 41.
(davon Achaeos und Jon) Aeolos; Tzetz. Lyk. 284. Die Genealo-
gie bei Eurip. Jon 1608., Xuthos als Vater von Jon, Doros,
Achaeos, iſt ſchon durch Atheniſche Eigenliebe entſtellt. Jene Stelle
der Eoͤen aber, wenn auch im poetiſchen Gewand, giebt immer ein
unbefangneres Zeugniß, als Herodot, der die Jonier als Ureinwoh-
ner betrachtet.
Buliones von ϓλλὶς u. ſ. w. weſentlich verſchieden iſt, zweifle ich.
zu V. 1125. 1149. beſonders Stephan. Byz. ϓλλεὶς aus Apollo-
dor (Heyne S. 434) Skylax a. O. Skymnos Ch. 404. aus Ti-
maeos (Frgm. 121 Goͤller) und Eratoſthenes. Euſt. zu Dion. P.
V. 386. Etymol. M. 776, 39. wo ſie ἔϑνος Κελτικόν heißen.
vgl. Schoenemann Geogr. Argon. p. 53.
Hyllos geſprochen zu haben, dem Sohn der Melite und dem der
Deianeira. vgl. Schol. Soph. Trachin. 54. Valeſ. zu Harpokr.
S. 126. Nicht ganz unwahrſcheinlich hat Raoul-Rochette 2. S.
280 bei Schol. Pind. P. 1. v. 120. ῾ϓλλος, ὃς ἐβασίλευσε τῶν πεϱ [...]
τὴν Ιταλίαν οἰκησάντων — Ἰλλυϱίαν (Hemſterhuis Οἰχαλίαν) vor-
geſchlagen.
39. Chriſtodor. in Anal. Brunk. 2. S. 472.
tolern — Epeern — Lokrern (von deren Verwandtſchaft ſ. Boeckh
zu Pind. O. 9, 61. S. 191.) — Lelegern (Heſiod. bei Str. 7.
S. 322.) und wenn dieſe, wie mehrere ſagen, mit der Kariſchen
Nation eins ſind, zu der wieder die Lyder und ein Theil der My-
ſer gehoͤrt: ſo wuͤrden wir einen ſehr ausgedehnten Volksſtamm
darin ſehen.
Spir. aſper zwiſchen Vokalen mitten im Stammwort ſich gerade
auch im Deutſchen finden.
το τῆς διαλέκτου τὸ πάτϱιον. Hephaeſtion Gaisf. S. 234.
p. 276. und in der Hist. de l’Ac. des Insc. T. 25. p. 11—28.
Vgl. 8, 43. ἐόντες Δωϱικόν τε καὶ Μακεδνὸν ἔϑνος ἐξ Ἐϱινεοῦ
τε καὶ Πίνδου καὶ τῆς Δϱυοπίδος ὕστατα ὁϱμηϑέντες.
ϱιεὺς λαός, wie ich glaube, nur um ſie als Hellenen andern Staͤm-
men entgegen zu ſetzen.
Oſſa nach Dodw. gegen 5000.
thelemy beſchreiben das Thal Bartholdy, Bruchſt. zur Kentniß Gr.
S. 112. Clarke Trav. P. 2. sct. 3. p. 273. Hawkins in Wal-
pole’s Memoirs p. 528. Holland Albania p. 291. Dodwell Trav.
T. 1. p. 103. Pouqueville T. 3. c. 73. — Von den Alten be-
ſchrieb Theopomp Φιλιππ. ϑ. Tempe genau, ſ. Theon Soph. Pro-
gymn. 2. S. 19. Frommel in Creuzers Meletem. 3. S. 141, 6.
an der Seite des Olymp (S. 20.) Meletios nennt hier ein Goniga.
λιχῆς.
νος ἱεϱὸν, τὸ Πύθιον καὶ τὴν Πέτϱαν. Plut. Aem. 15. Pythoum
(Πυϑῷον) et Petra Liv. 44, 2. 32. 35. 42, 53. Daß es nur ein
Pythion in dieſer Gegend gab, lehrt die genaue Analyſe der Maͤr-
ſche. Mannert hat 7 S. 520. 563. Pythion an den Paß durch die Kam-
buniſchen Gebirge (jetzt uͤber Aleſſon und Sarvitza) geſetzt, von dem
es ganz rechtsab liegt. Seine Meinung widerlegen Liv. 44, 2.
und Plut. a. O. Vgl. Steph. d. v. Πύθιον, Πυθιεῖς οἱ τὸ Πύ-
θιον οἰκοῦντες, ἐν ᾧ Ἀπόλλωνος ἱεϱόν ἐστι, und ſ. v. Βάλλα.
und 44, 7. vgl. Polyb. 28, 11.
42, 2. 33. 67.
Stelle des Liv. 42, 35. uͤber die Tripolis fehlt leider das Griechi-
ſche Original.
902. Salmaſ. ad Solin. p. 687. Weſſeling ad Diodor. 18, 11.
Boeckh Comment. ad Pind. P. 10. p. 335.
Diod. 18, 56. Bei Polyaen 4, 2, 18. ſchreibe: Φίλιππος ἐπο-
λιόϱκει Φαϱκηδόνα πόλιν Θδσσαλικήν.
(Trikala 123∫4 Lieuen von Lariſſa, Pouqv.) Mannert S. 569. und
noch dazu Euſt. 2. S. 250. Baſ. Tzetz. Chil. 9, 28.
Il. 2, 370. mit Schol. und Euſt. Pelinnos ein Sohn des Oecha-
lieus, Steph. Byz. Πἐλιννα.
5. 1. S. 504.
31, 41. 32, 15. 38, 2. Vergl. Caeſ. B. C. 3, 80.
So einzutheilen: Tempe 40, bis Lariſſa 160, bis Trikka etwa 240,
bis Gomphoi 60.
Meteora kann Ithome nicht ſein: eher die Ruine von Kaſtraki.
Aber die Stelle von Kuralios und dem Tempel der Itoniſchen
Athena in dieſer Gegend iſt eine arge Verwechſelung des nicht im-
mer genauen Geographen. Anders de la Porte du Theil Eclairc.
sur str. I, 76. p. 248.
auch Akriſios von Argos. Daß es dieſes Lariſſa iſt, ſicht man aus
Schol. 1, 40. Vgl. Hellanikos Fragm. 116. Pauſ. 2. 16. Tzetz.
Lyk. 836.
die Alten verſtanden Homer oft falſch. Spaͤter Eurotas, oder Eu-
ropos, wie die Exe. Strab. haben, d. i. der dunkle.
Liv. 32, 15.
ſtraße von Lariſſa nach Makedonien iſt — nach der Meinung des
Erzbiſchofs von Theſſalonich zur Il. 2. S. 333. Rom. δοκεῖ δὲ
φυλάσσειν καὶ νῦν τὴν κλῆσιν παϱαφϑειϱομένην βαϱβαϱικῶς. ἴσως
γὰϱ αὕτη ἐστὶν ἡ ἄϱτ [...] λεγομένη Ἐλασσών.
Strabo 10, 475 e. τῆς Δωϱίδος πϱότεϱον, νῦν δὲ Ἑστιαιώτιδος
λεγομένης. In Heſtiaeotis weſtlich vom Pindos, wohnten ſie auch
nach Charax bei Steph. Δὠϱιον. Nach Perrhaͤbien ſetzt die Do-
rier der Schol. Pind. P. 1, 124. und zu Ariſtoph. Plutus 385 nach
der richtigen Verbeſſerung von Hemſterhuis S. 115. Perrhaͤbien
aber coincidirt ziemlich mit Heſtiaͤotis.
Bd. 1. S. 161.
δός ἐστιν ἢ Κέϱκωψ ὁ Μιλήσιος. Ihn geradezu Kerkops zu nen-
nen, moͤchte vielleicht unkritiſcher ſein, als den weitſchichtigen Na-
men Heſiod zu reſpektiren.
3, 584 — 4, 816. Groddek Bibliothek der alten Litter. u. Kunſt
Th. 2. S. 89. ſchließt wohl zu ſchnell, daß der Argonautenzug
darin enthalten geweſen, wie Weichert uͤber Apollonios S. 139.
n. 176. mit Recht bemerkt. — Daß im Aegimios der Zug der
Dorier und ihre Colonien bis auf Kyrene erzaͤhlt worden waͤren,
Αἰγιμίου δευτέϱῳ πεϱὶ Ἰοῦς-νήσῳ δ᾿ἐν Ἀβαντίδι δίῃ,
τὴν πϱὶν Ἀβαντίδα κίκλησκον ϑεοὶ ἀιὲν ἐόντες
τήν ποτ᾿ ἐπώνυμον Εὔβοιαν βοὸς ὠνόμασεν Ζεύς.
Hieran ſchließen ſich die vier Verſe von Argos und Fo bei den
Schol. Eurip. Phoͤniſſ. 1151. Apollodor 2, 1, 3. meint dieſe Stelle.
Auch gehoͤrt zu den Euboiſchen Mythen, was er 2, 1, 4. daraus
erwaͤhnt. — Vgl. Fabric. Biblioth. 1. S. 592. Harles.
Ephoros bei Steph. Byz. Δυμᾶνες (S. 96 Marx), aus ihm Str.
9, S. 654 a.
Ησίοδος διά τὸ τϱιχῇ αὐτοὺς (τοὺς Δωϱιᾶς) οἰκῆσαι ι οἷον Παν-
chronologiſch angereihte Geſchichte enthaͤlt.
(ſchr. πάτϱῃς oder πάτϱαις) ἐδάσαντο. Was folgt, iſt falſch.
Andron ſchoͤpft wohl Diodor 5, 80. Vgl. 4, 60.
derlaſſungen, welche hier in Betracht kommen, ſind 1. die Einwan-
derung nach Minos Tode (im dritten Geſchlecht vor Troja) von al-
lerlei Staͤmmen, beſonders Hellenen, bei Herod. 7, 170., dieſe iſt
bloße Sage von Polichna und Praͤſos und nicht ſehr glaubwuͤrdig.
2. Colonie des Althaemenes nach dem Heraklidenzug von Argos und
Megara aus, und in Verbindung mit Rhodos. 3. Dorier aus
ten im allgemeinen fuͤr Doriſch. Menander de encom. 32, 1. S.
81. Heeren, u. And.
von Sparta, Pharaͤ Colonie der Meſſenier; Gortyna von Amy-
klaͤern, (Minyern), Phaeſtos von Sikyon, andre von Argos (Skylax
S. 18. Diodor 5, 80.) 4. Aegineten in Kydonia.
kommen ſie gleich von Heſtiaeotis an den Parnaß. Nach Diodor
4, 67. vertreiben die Kadmeer die Dorier, die aber dann nach
Doris (Erineos, Kytinion, Boeon) zuruͤckkehren. Fuͤr Hero-
dot koͤnnte Lykophron 1388 ſprechen, der die Dorier Λακμωνίους
nennt (Λάκμων ὄϱος Πε᾽ϱ῾ϱαιβίας, ἔνϑα ᾤκουν Δ.), da Lakmon der
Knoten des Pindos und der Kambuniſchen Berge heißt. Aber Ly-
kophron will nur ihre Wohnſitze in Heſtiaeotis andeuten.
2, 849. 21, 159. Darauf zielt Herodot (ſ. Einleitung), daß die
Teukrer, zu denen er die Paeoner rechnet, bis an den Peneios
vorgedrungen waͤren.
Them. 2, 4. S. 1453. Meurſ. λέγεται δὲ καὶ Μακεδονίας μοῖϱα
Μακέτα, ὡς Μαϱσύας ἐν πϱώτῳ Μακεδονιακῶν. καὶ τὴν Ηϱέ-
στειαν δὲ Μακέταν λέγουσιν, will Raoul-Rochette 2. S. 70.
Εστιαιῶτιν corrigiren; allein Ὀϱεστίαν liegt ja weit naͤher.
Clarke a. O. S. 227. Gell Itinerary S. 210.
Band 1. S. 41. Pouqueville iſt ganz im Irrthum. Er laͤßt den
Kephiß 1 1 ∫4 St. von Arotina, das er fuͤr Erineos haͤlt, NO ent-
ſpringen, und von N. in den Pindos fließen, der wieder in den
Korinthiſchen Meerbuſen geht, was ganz gegen die Alten iſt. Er
iſt gar nicht in Doris geweſen.
ganz falſch. Mit der Karte zum erſten Bande ſtimmt in der Haupt-
ſache Gells Karte zum Itinerary. Nach Str. liegt die Tetra-
polis meiſt oͤſtlich vom Parnaß, doch zieht ſie ſich auch weſtlich
herum. 9, 417. — Fl. Pindos nach Dodwell Aniani.
den Grund S. 57. N. 3.
unterſcheidet Strabo Erineos in Phthiotis, 9, 434. Etymol. M.
373, 56. ὁ Ἐϱινεὸς iſt die rechte Form. Erineum indeß Mela
und die unten angef. Schol. Pindar und Ariſtoph.
427. b. 434. Steph. Byz. Ἀκύφας μία τῆς Δωϱικῆς τετϱαπόλεως.
τίνιον ἀϱχαιοτάτας ἔχουσι Πίνδον τ᾽ ἐχομένην. Vgl. Konon a. O.
Gegen die, welche Pindos in dieſer Tetrapolis laͤugnen, genuͤgt He-
rod. 8, 43. anzufuͤhren. Vgl. du Theil Eclairc. sur str. 9.
T. 3. p. 118. Raoul-Roch. T. 2. p. 252. 4. p. 392.
9, 427. c. ordnet die Reihe ſo: Aetoler, Lokroi Hesp., Dorier,
Aenianen, Lokroi Epikn. vgl. 425. 430 b.
102. Es iſt die Kakiskala zwiſchen Stagni und Salona. Dodwell
und Gell S. 206.
uͤber Kamara, Palaeochori, Neuropoli, beſchreiben Dodwell 2. S.
126. Gell S. 241.
383. vgl. Dodw. S. 74. Er iſt auch gemeint bei Procop de ae-
dif. 4, 2.
S. 486. Clarke ch. 8. S. 240. Holland ch. 18. S. 375. Gell
Itin. S. 239.
Herakles 386.
Kallim. auf Artemis. 159. Φϱικίῃ ὑπὸ δϱυϊ γυῖα ϑεωϑείς.
π. παϱαπϱ. 286, 2. τὸν ἥκοντα ἐκ Δωϱίου καὶ Κυτινίου. (43,
24.)
bei Apolld. 1, 7, 3., daß Doros Hellens τὴν πέϱαν χώϱαν Πε-
λοποννήσου ἔλαβεν. Anders wieder Vitruv. 4, 1. Achaia Pe-
loponnesoque tota Dorus Hellenis et Orseidos (der Bergbe-
wohnerin) nymphae filius regnavit.
121., in denen indeß einige Verwechſelung und Verwirrung iſt.
(Eine Stadt Pindos in Perrhaͤbien iſt ſonſt nicht nachweisbar). Bei
Pindar geht Πινδόϑεν allgemein auf die fruͤheren Wohnſitze; denn
Heſtiaeotis und auch Doris lehnen ſich an Pindos. Vgl. Boeckh.
Expl. S. 235. Aus dieſen Schol. ſchoͤpfen wahrſcheinlich die zu
Ariſtoph. Plut. 385 und Tzetz. Lyk. V. 980. vergl. 741., daher
ſie auch die Fehler derſelben uͤbertragen haben.
31. Vgl. Plut. Themiſt. 9.
rod. 8, 31. und 43. ἐόντες οὗτοι Δωϱικὸν καὶ Μακεδνὸν ἔϑνος
ἑξ Ἐϱινεοῦ τε καὶ Πίνδου καὶ τῆς Δϱυοπίδος ϋστατα ὁϱμηϑέν-
τες. Es koͤnnen alſo nach dieſer Stelle auch Kytinion und Boeon
Dryopiſch geweſen ſein.
Doriſche.
eine Genealogie: Lykaon—Dia—Dryops. Daraus Tzetz. Lyk. 480.
und Etymol. M. 288, 32. Anders indeß Pherekydes bei den
Schol.
Myrmidoniſchen Achaeer, Pherekyd. bei Schol. Ap. 1, 1283. S
93. 107. Sturz. Ariſtot. a. O. An dem Parnaß, Ariſtot. und
Pauſ. 4, 34, 6. Λυκωϱείταις ὅμοϱοι. Die μετοίκησις vom
Spercheios nach Trachis iſt blos eine Verwirrung in den Schol.
Apoll. Kallimachos hatte nur von der Wanderung nach dem Pelo-
ponnes geredet, Schol. Paris. Claviers (zu Apollod. S. 323.)
Critik iſt ſehr unkritiſch. Dryops, Spercheios Sohn, am Oeta,
nach Antonin. Lib. 32.
παϱὰ τὰ λουτϱὰ τὰ Ἡϱακλέους. In dieſer wunderlichen Erzaͤh-
lung nimmt Melaneus, Sohn Apolls, Koͤnig der Dryoper, Epei-
ros nebſt Ambrakia ein. Sie gehoͤrt zuſammen mit der Wanderung
der Aenianen und des Neoptolemos nach Moloſſis. Aeginet. S. 18.
Diod. 4, 37. Pauſ. 4, 34, 6. Serv. zur Aen. 4, 146. Πϱάξ.
Ἡϱακλ. S. 152. Marini ville Albani. vgl. Aeginet. p. 33.
HeyneExc. ad Aen. 4, 2. p. 610. Raoul-Roch. 1. p. 434. —
Herod. 8, 43. οἱ δὲ Ἑϱμιονέες εἰσὶ Δϱύοπες ὑπὸ Ἡϱακλέος τε
καὶ Μηλιέων ἐκ τῆς νῦν Δωϱίδος καλεομένης χώϱης ἐξαναστάν-
τες. Eine eigne Wendung der Sage bei Suides Δϱύοπες, Κά-
πϱος. Der Vers des Kallimachos bei Etymol. M. 154, 7. ſcheint
zu ſchreiben: Δειλαίοις Αοινεῦσιν ἐπιτϱιπτῆϱας ὀπόσσας;
die Erklaͤrung giebt das Etym. ſelbſt. vgl. S. 41. N. 4.
die Styreer indeß fuͤr Jonier.
Der mythiſche Krieg des Amphitryon gegen Kythnos haͤngt wohl
damit zuſammen.
Kypros. Steph. Byz. Auch in Kyzikos nach St. 13, 586.
Band 1. S. 496. Bei Aeſchines g. Kteſiphon 68, 40. iſt nach Di-
dymos und Xenagoras bei Harpokration Κϱαυγαλλίδαι zu emendiren.
71. Ich bemerke noch, daß Skylax und Diodor 18, 11. Melier und
Malier zu unterſcheiden ſcheinen, allein bei beiden iſt ΛΑΜΙΕΙΣ
fuͤr Μαλιεῖς, Μαλεῖς zu ſchreiben. Weſſelings Meinung uͤber die
4, 100.
Diodor ſpricht nicht ganz genau.
Herakleia ſpricht auch Steph. Byz. ſ. v. Δώϱιον nach der Luͤcke.
Behandlung von Raoul-Roch. 2. S. 249.
ϱιεῖς ξὺν Ἡϱακλείδαις. Iſokr. Archidam 6. ſpricht von einem
Orakel: ἐπὶ τὴν πατϱῴαι ἰέναι χώϱαν.
net die Tetrapolis. Strabo 8. p. 362. hat dieſe Verſe ganz miß-
verſtanden; richtiger Brunk Lectt. ad Anal. T. 3. p. 8. Manſo
ein Aegypter.
p. 682. Die Dorier ſeien eigentlich Achaeer, nach dem trojaniſchen
Kriege aus ihrer Heimath vertrieben, und hernach von einem Do-
rieus geſammelt und zuruͤckgefuͤhrt.
gen macht mit vielen Worten Frank Callinus p. 147. Conſt nennt
er die Dorier im Ganzen Ἡϱακλῆος γένος, woraus Plutarch de
nobil. 2. S. 388.
des Pamphylos und der Herakliden mit Auslaſſung Domans. Vgl.
Skol. auf Aegina, ῞ϒλλου στϱατὸς Δωϱιεύς.
die zum Heraklidenzug gehoͤren, Schol. Apoll. 1, 824.
Θεσσάμενος γενεὴν Κλεαδαίου κυδαλίμοιο.
deren Zuſammenhang ſehr dunkel iſt, und bei Schol. Pind. O. 11,
79 e cod. Vratisl.
Τιμάνδϱην Ἔχεμος ϑαλεϱὴν ποιήσατ̕ ἄκοιτιν.
Aus dieſer ſchoͤpfen Apollod. 3, 10, 6. Pauſ. 8, 5, 1. Indeſſen
konnte das auch bei Herakles Thaten, namentlich bei der erſten
Olympien-Feier vorkommen, wie man aus Pindar ſieht.
52.
Valcken. Diatr. Eurip. p. 58 sqq.
Sie heißt: die Lakedaemonier erzaͤhlen abweichend von allen Dich-
tern, welche naͤmlich Prokles und Euryſthenes erſt nach Sparta
kommen ließen. Die zweite ſaßt Schweigh. nicht ganz genau. Der
Sinn iſt: So weit iſt es Specialſage ber Lakedaemonier, das Fol-
gende berichte ich nach der Griechiſchen Gemeinſage.
9, 26.
thus immer mehr herunter.
erzaͤhlt faſt ſo, als waͤren die Herakliden bei Euryſtheus geweſen,
was doch mit dem vorhergehenden nicht ſtimmt. Eurip. Herakl. V.
13. 195. laͤßt ſie von Argos nach Trachis und dem Theſſ. Achaja
fliehen, dann nach Athen.
33. Sturz Fragm. 50. S. 196. verſteht die Stelle nicht voͤllig.
4, 57. Vgl 12, 45.
die Ausfuͤhrung Eurip. Herakliden, auf deſſen Behandlung
auch die Zeitumſtaͤnde wirkten. (Boeckh. trag. Gr. princ.
p. 190.) Pamphilos Herakliden (Ariſtoph. Plut. 385. Schol. S.
112. Hemſt.) waren wohl auch eine Tragoedie, da an den beruͤhm-
ten Mahler zu denken, wie auch ein Schol. bemerkt, die Chrono-
logie ſchwerlich erlaubt. Auch Winkelmann iſt darnach zu berichti-
gen. — Vgl. uͤber die Schlacht Elmsley zu Herakl. 860. uͤber Eu-
ryſtheus Tod Weſſel. zu Diod. 4, 57. Staveren Misc. Obss. Vol.
10. T. 3. p. 383. Pallene liegt zwiſchen Marathon und Athen;
nach Str. 8. S. 377. war das Grab bei Gargettos an der Weſt-
kuͤſte, nach Pauſ. 1, 40. in Megaris. Ueber die Makaria, Pauſ.
1, 32. Schol. Ariſtoph. Ritter 1148. Zenob. 2, 61; und andre
Proverbienſammler und Lexicogr. u. βάλλ᾿ εἰς Μακαϱίαν. Eine
ganz andere Sage hat Duris bei Schol. Plat. S. 134. Ruhnk. Ob bei
Str. a. O. etwa zu ſchreiben iſt τὴν δὲ κεφαλὴν χωϱὶς ἐν ΤΡΙ-
ΚΟΡϒΘΩΙ, ἀποκόψαντος αὐτὴν Ἰολάου πεϱὶ τὴν κϱήνην τὴν
Μακαϱίαν?
der Stelle P. 9, 12. nicht, daß Jolaos vom Tode wieder aufgelebt
habe, was doch irgendwie haͤtte angedeutet werden muͤſſen. Ich
folge dem zweiten Scholion. ηὔξατο δὲ τῷ Διῒ ἐπὶ μίαν ὥϱαν
ἡβῆσαι κ. τ. λ. vgl. Ovid. Met. 9, 408.
genform bei Apoſtol. Spruͤchw. 18, 7.
Platon Geſetze 3. S. 686. Bei Schol. Eurip. Oreſt. 5. ſchreibe
αὐτοὺς μὲν (die Atriden) ἀποστῆναι Λακεδαίμονος, τοὺς δὲ Πεϱ-
σείδας βασιλεῦσαι. Nur Polyaen 1, 10. nennt Euryſthiden in
Sparta zur Zeit der Einwanderung.
a. O.
Ev. 5, 20. Man muß naͤmlich ſo anordnen:
Diod. 4, 58. Schol. Pind. O. 10, 80. Van Staveren Misc.
Obs. 10, 3. p. 385.
4, 58. Str. 4, 427. c. Iſokr. an Archidam. 6. τελευτήσαντος
Εὐϱυσϑέως
τϱίτος καϱπὸς vgl. Schol. Thuk. 1, 12. Schol. Ariſtid. Th. 2.
S. 214. Jebb.
des Deiphontes von Epidauros, Orſobia, Frau des Pamphylos.
gie hat Tzetzes zu Lyk. 804., wonach Kleodaeus Sohn des Hyllos,
Bruder des Lichas und Keyx, Gemahl einer Peridea, Vater des
Temenos iſt.
Oxf. Intpp. ad Vellej. 1, 1.
Praep. Ev. 5, 20. und uͤber den zweiten Apolld. 2, 8, 2. Pauſ.
2, 7.
zu Apollod. S. 208.
S. 105. vgl. Stephan. Suid. u. Ναύπακτος.
Graeca Bekker 1. p. 305. vgl. Heſych. στεμματιαῖον. δίκηλόν
τι ἐν ἑοϱτῇ πομπέων δαίμονος (die letzten Worte ſind dunkel).
Etymol. ſ. v. Ἀλήτης· εἴϱηται, ὅτι ὁ Ἱππότης διὰ τὸν Κάϱνιδος
(Κάϱνου) θάνατον ὑπὸ τῶν Ἡϱακλειδῶν ἐκβληϑεὶς καὶ λη-
στεύων ἔσχεν αὐτόν.
Herod. 8, 221. bei Peiſiſtratos, und ſonſt.
mit der Xanthippe des Doros, Apolld. 1, 7, 7., obgleich auch
Aetolos den Apolloſohn Doros toͤdtet, 1, 7, 6.
etwa die Aetoler ſeit alten Zeiten den Ζεὺς τϱιόφϑαλμος, den
Sthenelos der Aetoler von Ilion brachte nach Pauſ. 2, 24, 5.?
ſchaftsbuͤndniß geſchloſſen haͤtten (Steph. Byz.), iſt wohl blos aus
dem Namen abgeleitet.
Str. 10, 463. — vgl. Il. 23, 630.
vor, 5, 4, 1. ἐπὶ ἀναδασμῷ τῆς χώϱας.
— Ueber die begleitenden Tyrrhener ſ. Band 1. S. 443. N. 3.
nebſt Pauſ. 2, 31, 3. Von den Thebaͤern, die ſich unter Aute-
ſion ſollen hinzugeſellt haben, iſt eben da ausfuͤhrlich geredet.
Apollodor offenbar.
entſpricht dem Euryſakes, Sohn von Ajax, Telemachos und Ptoli-
porthos von Odyſſeus, Aſtyanax von Hektor, Gorgophone Tochter des
Perfeus, Archanders Sohn Metanaſtes, Aletes des Hippotes,
aber man kann nicht daraus auf bloße Dichtung ſchlie-
ßen, da dieſe Namengebung auch hiſtoriſch ſtatt fand (Polyaͤn
6, 1, 6.) ſelbſt noch in den Makedoniſchen Koͤnigsgenealogieen.
Kypſelos Polyaͤn 1, 7. Vielleicht iſt Kypſela mit Baſilis einer-
lei, ein Caſtell in Parrhaſien gegen die Lakoniſche Skiritis, Thuk.
5, 33. Doch kann man von Baſilis nur ungenau ſagen, daß es
ἐπὶ τῇ Σκιϱίτιδι liege.
bei Str. 8, 366. Sophokles Ajax 1287. (vgl. Suid. u. δϱαπέτης).
Heſych s. v. ἀνανομὴν, καταβολή. — Platon Geſetze 3, 68 e.
Apolld. Polyaͤn 1, 6. Das Vaſengemaͤlde bei Tiſchbein 1, 7. ſtellt
einen ἀγὼν ὑδϱοφοϱικὸς dar, nicht dieſe Loſung, wie Italinsky will.
Paris. vgl. Hist. de l’Acad. des I. T. 16. p. 105.
Plut. de Pyth. orac. 24. p. 289. ein Orakel, wo die Spartaner
ὀφιοβόϱοι heißen. Im Orakel ſtand ſicher ὀφιόδειϱοι
(ὀπφιοδ.) wie Ariſtot. Mirab. Ausc. 23. hat, was man aber ſo
erklaͤren konnte. Zeichen der Spartanifchen Koͤnige war ſonſt der
Loͤwe (Herod. 7, 225), daher ihn ruͤckwaͤrts auch Menelaos in ei-
nem Vaſengemaͤlde auf dem Schilde fuͤhrt. — Die Kroͤte bezeich-
net die Argeier als niemals aus dem Loche kriechend. Vgl. Kap. 8.
τοὺς μὲν ἡττηϑέντας ἔκ τε τῶν πόλεων καὶ τῆς χώϱας ἐξέβαλον,
hernach modificirt er es ſehr.
Zeitgenoß in Theokr. 25, 165. vor: ein groͤßerer Verſtoß gegen die
angenommene Zeitordnung als ſich ſonſt Dichter erlauben.
7, 1.
ketten durch das Oeneiſche Vorgeb. und das weſtlich von Sikyon
ſtark hervortretende und von Kyllene abhaͤngende Gebirge zuſammen.
1951, 15.
mittelbar dabei lag die kalte Quelle Λοῦσοι oder Λοῦσσα, und
Sprengel (Theophr. uͤberſ. 2. S. 383) corrigirt trefflich bei Th. 9,
15, 8. τὸ δὲ κώνειον ἄϱιστον πεϱὶ Λοῦσα καὶ ἐν τοῖς ψυχϱοτά-
τοις τόποις.
kende Hitze entſtanden war. Jamblich Leben Pythag. 19. vgl.
Apollon. Dysk. hist. mirab. c. 4. p. 9. ed. Meurs.
phraſt nennt Lakonika ῥοώδηϛ, ἔπομβϱος καὶ ἕλειος (de caus. pl.
3, 3, 4.)
10. 1478, 43. Rom.
Bruyn Vog. T. 5. p. 465.
καὶ κοιλαίνεται. Str. 8, p. 381.
ſie etwa WSW. von Korinth. vgl. Athen. 2, 43 e. Pind. O.
11, 30. meint dieſelbe.
und Ariſteid. Aegypt. Th. 2, S. 351. Jebb.
20. Liv. 27, 31. Schol. Ariſt. Voͤg. 969. Zenob. 3, 57.
haupt iſt eine χώϱα ῦπαμμος nach Theophr. Pflanzeng. 1, 6.
gern Fourmont, der auch eiſerne Ringe an den Steinquadern ge-
ſehen haben will.
626. vgl. Manſo’s Sparta 1. S. 11.
2000 Dorier zu Sparta geweſen ſein, aber ich moͤchte darauf [keine]
Rechnung bauen.
ſuͤdlich von Lerna zu erkennen, aber es muß noͤrdlich liegen.
τοῖς μὲν ἀϱισκυδὴς εὐνις ἀνῆκε Διὸς Ἄϱγος ἔχειν ἴδιόν πεϱ ἐὸν
λάχος. ἀλλὰ γενέθλῃ Ζηνὸς ὅπως σκοτίῃ τϱηχὺς
ἄεϑλος ἔοι. Vgl. uͤber die Einnahme von Argos Polyaͤn 2, 12.
giebt: Agelaos, Eurypylos, Kallias, ſind wahrſcheinlich aus Euri-
pides Temenidaͤ, wie ich Aeginet. p. 40. vermuthet. Manche dort
gegebene Nachweiſung laſſe ich hier aus. Von Keiſos ſpricht noch
Hygin Fb. 124. (wo Cisus Temeni f. zu leſen) aber ſehr ver-
wirrt.
Byz. ſagt: Φαῖστος Ῥοπάλου, Ἡϱακλέους παιδός.
monts Journal enthaͤlt eine ausfuͤhrliche und genaue Beſchreibung
deſſelben.
δασμῷ γῆς.
λεύοντος μὲν Κλεεστωναίων, τετάϱτου δὲ ἀπογόνου Κτη-
σίππου τοῦ Ἡϱακλέους. Da eine Doriſche Stadt hier genannt
ſein muß, ſo ſcheint ΚΛΕΩΝΑΙΩΝ das probabelſte.
phokles Akriſios bei Heſych. ἀκτίης. Skymn. Ch. 526. aus Epho-
ros, Polyb. 5, 91, 8. Konon 7. Diod. 12, 43. 15, 32. 18, 11.
Str. 8, 389. Aelian 6, 1. Plutarch Demetr. 25. Pauſ. 2, 8, 4.
Ἐπιδαύϱιοι καὶ Τϱοιζήνιοι, οἱ τὴν Ἀϱγολίδα ἀκτὴν ἔχοντες.
Unterſchieden davon wird der Ἀϱγολικὸς κόλπος, die Suͤdkuͤſte.
40. Der Name kommt ſpaͤter in Makedonien vor. ſ. Harpokr.
Ἀϱγαῖος.
Epidauriſche Colonie in Samos. Ariſtot. bei Str. 8, 374. laͤßt
die Jonier erſt mit den Herakliden von der Attiſchen Tetrapolis
nach Epidauros kommen. Jenes iſt unbedenklich vorzuziehn.
die Vergleichung mit Raoul-Roch 2. S. 218. aushalten.
2, 30, 9.
Guͤrtel nieder, wenn ſie heiratheten, d. i. in eine andere πάτϱα
uͤbergingen. Ein raͤſonnabler Mytholog kann nicht zweifeln, daß
Απατούϱια von ἀ(σὺν) und πάτοϱες i. q. γεννῆται herkommt.
Vom Tempel der Athena vgl. Hygin fab. 37.
Buch 3, 4.
τατοι τοῦ ἱεϱοῦ ἠσαν Ἀϱγεῖοι.
waren die Lakedaͤmonier zu Opferſendungen an Apollon Pythaeus
(Πύϑιος) verpflichtet: aber Diod. iſt confus.
2, 28, 2. 34, 6.
nach dem Zuſammenhange Ἀϱγολίδος zu ſchreiben iſt.
Μηλιακὸν πλοῖον. vgl. Apoſtol. 19, 89. und Suid. 10, 2. Dio-
genian. 7, 31. erklaͤrt anders.
S. Duris bei Plut. Prov. 48. S. 593. Zenob. 3, 22. Heſych.
δέχεται, Schol. Pind. N. 7, 155. Vielleicht gehoͤrt die Stelle
Suid. ἀδηλώσας zu dieſer Erzaͤhlung.
vgl. noch die Geſchichte bei Plut. Qu. Gr. 13.
vgl. Polyaͤn 1, 39.
13, 17. Konon a. O. vgl. Diodor bei Euſeb. Chron. p. 35.
(Fragm. 6. S. 635 Weſſ.) Ephoros bei Str. 8, 389 d. und
Skymn. 526.
S. 140. Nach Konon a. O. fand Aletes Siſyphiden und mit ih-
nen Jonier.
tar S. 213. Kallim. bei Plut. Symp. Qu. 5, 3. p. 213. Ἀλη-
τιάδαι παϱ̕ Αἰγαιῶνι ϑεῷ Θήσουσιν νίκης σύμβολον Ἰσϑμιάδος Ζή-
λῳ τῶν Νεμέηϑε.
vielleicht die alte Verwandtſchaft der Kypſeliden und Philaiden, (nach
Herod. 6, 128.) mit Vergleichung der Tafel, Orchom. S. 465.
Mem. de l’Ac. des Inscr. T. 16. p. 121.
Lykurg. g. Leokr. S. 196. Str. 9, 293. 14, 653. Konon 26.
Stymn. Ch. 503.
merkwuͤrdige Stelle Pauſ. 7, 25, 1. zuzufuͤgen iſt, wonach die La-
kedaͤmonier ſchon zum Theil Athen eingenommen hatten. Es gab
ein Delphiſches Geſchlecht Kleomantiden in Athen, deren Ahnherr
den Athenern den Spruch uͤber den Tod des Koͤnigs mitgetheilt
haben ſollte. Lykurg gegen Leokr. 196.
Tzetzes.
V. 440. Pauſ. 1, 39, 4.
worts erzaͤhlt. S. Schol. Pind. a. O. Schol. Plat. Euthyd. S.
97. R. S. 24. Siebenk. und zu Ariſtoph. Froͤſchen 440. (aus De-
mon.) vgl. Ekkleſiaz. 823. Zenob. 3, 21. Vatic. Prov. 3, 13.
Apoſtol. 7, 17. 14, 97. Suid. Heſych. Diſſen zu Pind. a. O.
1. nach Euſeb.
17. Vermuthlich war es in einem ſolchen, wo Orſippos von
Megara, Sieger von Olymp. 32. nach Etym. S. 242. (die
Schol. Ven. Il. 23, 683. ſind darnach zu corrig.), das Gebiet
ſeiner Vaterſtadt vergroͤßerte. Pauſ. 1, 44, 1. und das Epigramm
Anthol. Pal. 2. App. 272. Vgl. Siebelis zu Pauf.
Nachricht bei Plutarch Qu. Gr. 17. S. 387.
Koͤnigs Klytios und des Korinther Bakchios dort betrauern mußten.
lyaͤn 1, 10. eroberten Prokles und Temenos zuſammen Lakedaͤ-
mon.
ſtand wohl μᾶλλον δὲ γεϱαίτεϱον ἔστι γεϱαίϱειν.
folgt Plutarch Ageſ. 19.
683. antwortet der Spartaner Megillos auf die Frage: καὶ βασιλεὺς
μὲν — Λακεδαίμονος Πϱοκλῆς καὶ Εὐϱυσϑένης; πῶς γὰϱ οὐ;
gegen ſeine Landesſage.
7, 6, 2. wo Preugenes, der Anfuͤhrer derſelben, von Amyklas her-
geleitet wird.
Simon. Fr. 177. Gaisf.
ben und geſuͤhnt worden ſein ſoll, Amyklaͤ iſt in Bezug auf Kar-
neen? Schol. Soph. Koͤn. Oed. 40.
Die δόκανα waren nach Einigen ſolche Graͤber.
Commentar zu Pind. a. O. S. 471. — vgl. uͤber Helena zu The-
rapne Eurip. Helena 211. und Tryphiod. V. 520. Schol.
459. 13, 412. 414.
anderswo daruͤber Geſagte zu modificiren.
Θεϱάπναις (Μενελάῳ καὶ Ἑλένῃ) ϑυσίας ἁγίους καὶ πατϱίους
ἐπιτελοῦσιν οὐχ ὡς ἥϱωσιν ἀλλ̕ ὡς ϑεοῖς. Von den Menelaien
vgl. Athenag. Leg. 14. a. Θεϱαπναῖος Απόλλων Apoll. Rh. 2, 162.
Therapne nach Ein. ἐν Σπάϱτῃ Sch. Apoll. a. O. zu Pind. J.
a. O., nach Aa. bei Steph. Byz. Sparta ſelbſt. Beide irren.
Licht dadurch, daß es gelungen, das Fragment des Ephoros bei
Str. 8, 364. d. zu ergaͤnzen und anzuordnen: Χϱῆσϑαι δε ΛΑΙ
ΜΕΝ ὀ[χυϱώματι, Ἐπιδαύϱῳ (od. Γυϑείῳ) δὲ ἐμποϱίῳ διὰ
τὸ] εὐλίμενον, ΑΙΓϒΙ δε πϱὸς τοὺς πολεμίους [ἐπιτειχισμῷ,
ταύτην] γὰϱ ὁμοϱεῖν τοῖς κύκλῳ [πολεμίοις] ΦΑΡΙΔΙ δὲ [εἰς
συνόδους] ἀπὸ τῶν ἐντὸς ἀσφάλειαν ἐχούσῃ. Αἰγῦτις nennt als
Graͤnzdiſtrikt von Sparta Polyb. 2, 54, 3., wo nichts zu corrigi-
ren iſt.
von abgeleitet.
Damaſe. Fragm.
Pauſ. 4, 14, 3. Μεσόλα πόλις Μεσσήνης μία τῶν πέντε.
Νικόλαος τετάϱτῳ. Steph. Darnach ergaͤnzen wir nun Ephoros
bei Str. 8, 361 c. ſo: ὥστε τὴν Στενύκλαϱον μὲν ἐν τῷ μέσῳ
τῆς χώϱας ταύτης κειμένην ἀποδεῖξαι βασίλειον αὑτῷ τῆς βασι-
λείας, πέμψαι δὲ ἐς Πύλον τε καὶ ῾Ρίον [καὶ Μεσόλαν καὶ]
ϒϒαμῖτιν ποιήσοντας ἰσονόμους πάντας τοῖς Δωϱιεῦσι τοὺς Μεσ-
σηνίους. In dem Texte ſteht jetzt eine von Cafaubonus gemachte
Lesart, nach der R. Rochette 3. p. 13. bona fide von einem Ge-
ſandten des Kresphontes, Jamites, ſpricht. Vgl. Μεσόλα καθή-
κουσα εἰς τὸν μεταξὺ κόλπον τοῦ Ταϋγέτου καὶ τῆς Μεσσηνίας.
Str. 8, 360. ῾Ρίον ἀπεναντίον Ταινάϱου. Ebd.
Pauſ. 3, 25, 6. Steph. Byz. und das alte Ethnikon von Argos
Αϱγό-λας.
2, 43.
S. 266.
S. 234.
Katalogs, deſſen Lage aber ganz unbeſtimmt, da die Stadt
Meſſene damit nicht zuſammen haͤngt.
nach der Sage Pauſ. 4, 15, 4. bis nach Kapruſema bei Stenykla-
ros erſtreckt.
ſpaͤter in Meſſenien. Inscr. Reines. cl. 5. n. 52. Walpole 2.
p. 555.
die ſich in Smyrna niedergelaſſen hatten.
4, 3, 3. u. Aa ſprechen dann zu allgemein von der Vertreibung
der Neſtoriden.
nimmt es nicht ſo genau — Λακεδαίμονι ἐν Ἄϱγει τε καὶ ζαϑἐᾳ
Πὐλῳ ἔνασσεν ἀλϰᾶντας Ἡϱακλέος ἐκγόνους Αἰγιμιοῦ τε (Ἀπόλ-
λων).
Iſokrates Archidam c. 7. laͤßt von der Zeit an die Lakedaͤmonier
Meſſenien beherrſchen, das ihnen die Soͤhne des Kresphontes gege-
ben. — Euripides in der Merope erzaͤhlte ſo: Polyphontes hatte
den Kresphontes getoͤdtet und ſich ſeiner Gemahlin Merope und
der Herrſchaft bemaͤchtigt. Der Sohn Telephon, den Merope zu
einem Gaſtfreund in Aetolien geſandt, kommt zuruͤck, und toͤdtet
durch Liſt und nach allerlei tragiſchen Scenen den Thronraͤuber.
S. Fragmente und Hygin f. 137. die Fortſ. in 184. Apollodors
Erzaͤhlung iſt mehr mit der Landesſage in Uebereinſtimmung ge-
bracht.
Merope — Aepytos — Aepytidaͤ.
fangend, ſetze ich doch voraus, was Aeginetica p. 42 ſteht. —
Auf dieſe Wanderung bezog man den alten Ausdruck Λιμοδωϱιεῖς.
S. Heſych, Plut. Prov. 34. S. 590. Doch Didymos bei Heſ.
nennt Λιμοδ. die am Oeta. Vgl. S. 40. N. 4.
den deuten auf Argos, nach der Bemerkung von Boͤckh. Explic.
ad. Pind. O. 7. p. 165.
die 100 Staͤdte Kreta’s in der Ilias mit den 90 der Odyſſee zu
vereinigen, wie man aus Schol. Ven. Catal. 156. ſicht. Ephoros
laͤßt den Althaͤmenes flugs 10 Staͤdte in Kreta gruͤnden, ſo daß
deren zur Zeit des Odyſſeus noch 90, zu Homers Zeit 100 geweſen
waͤren. Str. 10, 479. So ſchrieb Ephoros Geſchichte. Wohl nur
eine Corruption des Namens iſt “Pylaͤmenes der Lakedaͤmonier”
Schol. Ven. — Von Althaͤmenes leitet die Tripolis ab Konon 47.
der Votivtafeln u. ſ. w.
beſonders Theopomp. bei Phot. 176.
Troezene coloniam communem eo loco induxerunt, barba-
ros Caras et Lelegas ejecerunt. — Tacitus 1200 Jahre von
der Gruͤndung bis Tiberius Zeit, muß man als runde Zahl nehmen.
vollſtaͤndig ableiten. Georgoneion, Pallaskopf, Trident, Poſeidonsk.
gehn auf Troͤzeniſch-Attiſchen Pallas- und Poſeidonkult; Dreifuß,
Lyra, Apollon- und Demeterkopf auf die sacsa Triopia. In Kos
herrſchen Inſignien des Asklepios, daneben des Herakles als Va-
ters des Pheidippos.
vgl. Aegin. p. 140.
ihm wahrſcheinlich davon zu viel zu.
12, 91.
thaͤmenes.
φιλ]θενευς επεστατει γνωμα πϱυ[τανιων] u. ſ. w. aus Villoiſons
Papieren.
l’Ac. des Inscr. T. 47. p. 287. Eine Inſchrift unter ſeinen Pa-
2, 30, 8. Daß Karyanda Doriſch geweſen, ſagt Skylax nicht,
wie Raoul-Roch. angiebt.
Ἰβανώλιος, ἀνὴϱ Μυλασεὺς als Anfuͤhrer von Karern.
tarch Ἀϱ. γυν. S. 271. 4. Polyaͤn. 8, 56. — Nach Lykophron
V. 1388. beſetzte die Doriſche Kolonie auch Thingros und Satnion,
Orte in Karien nach Tzetz., bei dem zweimal Καϱίας fuͤr Ἰκαϱίας
zu corrigiren iſt.
Muͤnzen ΣϒΝΝΑΔΕΩΝ ΔΩΡΙΕΩΝ, aber auch ΣϒΝΝ. ΙΩΝΩΝ
und beides zuſammen. Vgl. noch Καστολοῦ πεδίον Δωϱιέων. Die
Dorier bei den Lydern alle Καστωλοὶ genannt. Stephan. Byz.
ſelbſt. Der letzte Cult ſcheint Lakoniſche Anlage zu beweiſen.
ſchen Sywe und Knidos Athen. 6, 262 f.) νῆσοι τϱεῖς οὕτω λε-
γομένασ διὰ τὰς ἀϱὰς, ἃς Δωϱιεῖς ἐποιήσαντο πϱὸς τοὺς Πεντα-
πολίτας, ὡς Αϱιστείδης. Nach Dieuchidas bei Athen. iſt der Fluch
aus Triopas und Phorbas Zeit.
das Dekret der Jaſier, welches das doriſchgeſchriebene der Kalym-
nier einſchließt, bei Chandler Inscr. P. 1, 58.
374. ſucht der Sage noch dadurch hiſtoriſches Colorit zu geben,
daß Pelops den Anthes verjagt habe. vgl. 14, 656. Apollodor bei
Steph. Ἁλικ.
chette 3. S. 31 ein.
kannt, daß auch Poſidonia in Unteritalien von einer Troͤzeni-
ſchen Colonie dieſen Cultus, und mit demſelben den Namen er-
hielt.
kles ſelbſt da wohnte; daß er waͤhrend der erſten Heraklidenwande-
rung ausgezogen, iſt erſt Meinung ſpaͤterer Mythographen.
7, 24. vgl. uͤber Tlepolemos Mutter noch das 24. Ariſtotel.
Epigram.
Tlepolemos von Rhodos komme, (da ſonſt in der Ilias gar kein
Held der Achaͤer aus einer Kolonie ſtammt); der ſpaͤter gedichtete
Catalog der Rhodier giebt keinen Grund dazu.
Wenn Strabon 14, 653. auseinander ſetzt: Tlepolemos habe nicht
Dorier, ſondern Aeolier und Boͤoter (als Heraklide von Theben)
gefuͤhrt, ſo that er dies nicht nach einer Tradition, ſondern nach
dem chronol. Syſtem. Die Vorfahren des Theron auf Rhodos
(Schol. Pind. O. 2, 14.) haben damit nichts zu thun: und Raoul-
Roch. 2. S. 272. vermengt Verſchiedenes.
p. 157.
gut aus Herod. und Ariſtaͤnetos πεϱὶ Φασηλίδος bei Steph. Byz.
Γέλα u. Aa. zeigt.
p. 671 d. Ροδίων καὶ Αχαιῶν, welches R. Roch. 3. p. 379. auf
Achaͤa in Rhodos beziehn und καὶ auslaſſen moͤchte, aber davon
kann das Ethnikon ſchwerlich Αχαῖος, ſondern muß etwa Ἀχαιείς
heißen.
Die Muͤnzen von Telos haben das Jupitershaupt und die Krabbe,
wie die von Akragas; das letzte Symbol iſt auch auf denen von
Kos und Lindos.
fen, woruͤber Bentlei an mehrern Stellen der Phalaridea richtig
(doch ohne den hiſtoriſchen Zufammenhang zu merken) und Lennep
in den Anm. hanbelt.
cl. philol. p. 40 sqq. Daß Lyon eine Rhodiſche Colonie ſei, hat
nach dem Pater Colonia kuͤrzlich wieder der Graf Wlgrin de Tail-
lefer Antiquités dp Vesone behauptet, aber ganz ohne Grund.
ſeus uͤber Sardanapal glaubt.
Tarſiſche Rede 33. S. 394. 406. 408. Herakles hieß ἀϱχηγὸς, und
ihm wurde an ſeinem Feſte ein Rogus gebaut. vgl. Athen. 5,
215 b. von dem Stephanephoros des Herakles zu Tarſos.
S. 403 ff.
niern auf die Anlage von Elpiaͤ beziehen. Er kommt mit Do-
riern. Antonin. Lib. 37.
Liv. 37, 56.
Γέλα. vgl. Athen. 7, 297. aus Heropythos ὮΩϱοι Κολοφωνίων und
Philoſtephanos π. τῶν ἐν Ἀσίᾳ πόλεων.
Str. 14, 668. τοὺς λαοὺς μετὰ Μόψου τὸν Ταῦϱον ὑπεϱϑέντας
τοὺς μἑν ἐν Παμφυλίᾳ μεῖναι, τοὺς δ̛ἐν Κιλικίᾳ μεϱισϑῆναι καὶ
Συϱίᾳ, μέχϱι καὶ Φοινίκης. Vgl. noch uͤber Mopſos in Pamphy-
lien Klem. Strom. 1. S. 334.
ſicher eine Rhodiſche Colonie, und Mopſos (Theopomp bei Photios
cod. 176.) nur Gruͤnder im obigen Sinn. Eben ſo wohl Lyrneſ-
ſos. vgl. Raoul-Roch. 2. S. 404 ff., der indeß von Alledem nichts
entdeckt hat.
Erotik. und Diod. Exc. 2, 228. p. 548 Weſſ. von der Vertreibung
des Archias erzaͤhlen, giebt der Schol. Apoll. 4, 1211. von der Fa-
milie der Bakchiaden an. Jene leiten von dem unvorſaͤtzlichen
Morde des Sohnes des Meliſſos die Gruͤndung von Syrakus, dieſer
von Korkyra her. Doch widerſpricht Marm. Par. L. 47. Archias δεκατος
απο Τημενου, da die Bakchiaden ſich von Aletes, nicht Temenos ab-
leiteten. Heraklide iſt er auf jeden Fall. S. Boeckh. Explic. Pind.
O. 6. p. 153. Vgl. Goͤller de situ Syracusarum p. 5 sq.
Demetr. Skepſ. Archilochos erwaͤhnte dieſen Aethiops; (Liebel
Fragm. p. 233)
πϱοσόδιον war vor den Meſſeniſchen Kriegen gedichtet, um dieſelbe
Zeit; wornach Band 1. S. 274 zu berichtigen, doch ſind die Κο-
ϱινϑιακὰ vermuthlich juͤnger.
ὅτι οὐκ Ἴωνες τάδε εἰσὶν, — ἀλλὰ Δωϱιεῖς, ἐλεύθεϱοι ἀπ̕ αὺ-
τονόμου τῆς Πελοποννήσου τὴν Σικελίαν οἰκοῦντες.
gen Raoul-Roch. 3. S. 319.
von Alyzia moͤchte ich nicht als genuͤgendes Zeugniß des Korinthi-
ſchen Urſprungs gelten laſſen, da oft auch Barbarenſtaͤdte die Typen
benachbarter Helleniſcher annahmen. Pale als Korinthiſch anzuneh-
men, giebt Herod. 9, 31. keinen Grund.
weil Herakliden, d. h. Bakchiaden, nach Anton. Lib. 4. es gruͤnde-
ten, daher auch Herakleskult daſelbſt. Vgl. noch zu andern Stellen
uͤber Ambrakia’s Doriſche Einw. das Epigr. von Damagetos in der
Palat. Anthol. 7, 231.
Formen, bei Plut. Conv. 7. [Sap. p. 160. Str. 10. S. 452. 7.
S. 325. Skymn. Ch. 427. Antonin. Lib. 1, 4. S. 23. Teuch.
der ihn allein als Bruder des Kypſelos betrachtet.
di Leucadia theilt eine angeblich fehr alte Inſchrift mit, die
Boeckh ſo liest: παιϱ ὁ του Μενεσικϱατους του Κοϱειτιου (Κο-
ϱινϑίου) και ουκ Ακαϱειν (Ἀκαϱνάν) ἱεϱον τ̕ Απολλωνος και
πολειν ομωνοματειν ματηϱος κειτισα ταν εν τῳ Λευκατῳ, aber
auch zugleich den groͤßten Zweifel an der Aechtheit des ſeltſamen
Monuments aͤußert.
ſchichte iſt ſchief dargeſtellt.
aus Timaͤos zu V. 1216.
Cherſikrates 600 Jahr nach dem Troerkriege, dieſen aber nach Cen-
ſorin de d. nat. 21. 417 Jahre vor Ol. 1. folglich jenen Ol. 46, 3.
in die Kypſelidenzeit. — vgl. Muſtoxidi Illustrazioni Corciresi
1, 5. S. 65.
da Dionys Liſſos gruͤndete, angelegt.
rinther bei Thuk. 1, 38. vgl. 1, 26.,
Heſych Mileſ. de Constant. p. 48. hieß der κτίστης Dineos.
aus trefflich geſchildert bei Polyb. 4, 44.
außer andern Palat. Anthol. 7, 169. — Warum nimmt Raoul-
Roch. nicht auch hier, wie ſonſt, eine uralte Colonie unter An-
fuͤhrung der Argiviſchen Princeß Jo an?
de Thracio Bosdoro bei Hudſon Geogr. min. T. 3. Man
opferte ihr am erſten Tage des Jahres.
Athena Ekbaſia — Artemis Diktynna (auch Lucifera in piscinis)
Ajax Telamonios nebſt Achill — Rhea — Hekate u. Tyche — Dios-
kuren — Amphiaraos ἐν συκαῖς, Aphrodite die Ruhige und Pande-
mos.
Them. 1. S. 1452. in Meursii Opp.
Μεσαμβϱιανων auf Muͤnzen.
daß Perinth damals auch Doriſche Einw. erhielt, weil es von den
Byzantiern (Demoſth. vom Kranze S. 255.) eine verwandte Stadt
genannt wird, und Herakleskultus dort herrſchte. Vgl. Panofka
res Samiorum S. 22., wo indeß mehrere Stellen falſch bezogen
ſind.
Heracleot. p. 115. R. Rochette ſetzt ſie bis Ol. 30. hinauf, aber
ſie trifft in Kyros Zeit nach Skymnos Chios V. 231.
gara gegruͤndet im ſelben Jahre mit Naxos, Ol. XI, 3. nach
Ephoros (bei Strab. und Skymnos), nach dem genaueren
Thukyd. 6, 4. in einiger Zeit nachher, 245 vor der Zerſtoͤrung
durch Gelon. Gelon herrſchte von Ol. 72, 2. in Gela, von 73,
4. bis 75, 3. zu Syrakus (Boeckh ad Pind. O. 1. Explic. p. 100).
Nach Herod. 7, 156. ſcheint es, daß er Megara etwa LXXIV, 2.
eroberte, dann traͤfe die Erbauung XIII, 1. Dann muß aber die
Ankunſt des Megarer Lamis nach Thuk. Erzaͤhlung eine Reihe Jahre
vorausgehn; dieſe iſt der Gruͤndung von Leontini gleichzeitig, die
5 Jahre auf die von Syrakus folgte; damit iſt alſo Euſebios unver-
traͤglich, der deſſen Erbauung Ol. XI, 4. (Hieron. Scal.) ſetzt;
und beſſer ſtimmt die Angabe des Marm. Par. V, 3. R. Rochette
3. S. 214. rechnet nach falſchen Annahmen. Vgl. Heyne Opuscc.
Acc. T. 2. p 259 sq.
Welcker zu Alkm. S. 85. noch die Schol. Platon. S. 220. Ruhnk.
fuͤgt. — In der Litteraturgeſchichte ſind Beiſpiele ſehr haͤufig, daß
dieſelben Perſonen Buͤrger der Metropolis und Colonie hießen. Ar-
chilochos ein Parier und Thaſier, Protagoras und der juͤngere Heka-
ge’s Historia Cyrenes 1. p. 36., wo indeß der Sinn der mythi-
ſchen Erzaͤhlungen nicht entziffert iſt. Ueber eine Heraklidenfamilie
ſ. die intereſſanten Stellen Syneſios Καταστ. (S. 10. Morell.)
Theodor. Metochita bei dem Supplem. ad Nicol. Damasc. Orelli.
Die Nachrichten des letztern ſind ſehr verworren.
Boeckh Explic. p. 325.
daͤmoniſchen Colonie in dieſer Gegend.
tien und zugleich Lesbier, Mimnermos Kolophonier und Smyr-
naͤer, u. a. m.
της, aber ich glaube kaum, daß er mit dem Ahnherrn der Korin-
thiſchen Herakliden derſelbe iſt.
Niſyros nach den Muͤnzen.
ſchoͤnen Zeichnungen von Herrn Huyot, unter denen ein Plan von
Knidos; einen genauen Plan des Hafens ſah ich bei Capitaln
Beaufort. Vgl. indeſſen Clarke P. 2. sct. 1. Tf. 13.
durch klaͤrt ſich auf, warum Aeolos ſelbſt Sohn des Hippotes heißt.
demſelben Diod. 5, 9.
Dion. P. 321.
Roch. 2. p. 427. mit dem ich nicht durchaus uͤbereinſtimme.
Adde Nikeph. Blemmidas ed. Spohn. S. 13.
860. vgl. Euſtath.
δαίμων ἐν Κύπϱῳ Euſt. Homer 293, 45. Rom. Golgoi in Ky-
pros war von Sikyoniern gegruͤndet (Steph. Byz. Γόλγσι),
die ſonſt keine Colonie haben.
vus ab Hercule. Schol. vetus Hor. Carm. 2, 6, 12. vgl.
S. 428.
8, 30, 2.
6, 264. aus Antiochos.
8, 387 c.
auf dieſe Kallimachos in Schol. ined. ad Dionys. Perieg. (Spohn
Opuscc. Niceph. Blemm. 29.) πάντες ἀφ̛ Ἡϱακλῆος ἐτήτυμον
ἔστε Λάκωνες (nach Goͤttlings Conjectur).
ſtin. 20, 2.
ſie von Doriern her, die am Cap Zephyrion ſchon fruͤher ſaßen:
allein wenn deren noch da waren, ſo waren es Megarer.
Sage von den angeblichen Lakedaͤmoniern bei den Sabinern und
Samniten zu erklaͤren, wuͤrde uns zu ſehr abfuͤhren. Merkwuͤrdig,
daß auch dieſe nach Silius Ital. von Amyklaͤ und Therapne, den
alten Achaͤerſitzen, kommen. — Auch die Kretiſchen Kolonien uͤber-
gehe ich hier, aus mancherlei Gruͤnden.
moͤglich. (Pauſ. 2, 21. 3, 11.) — Vellej. Paterc. 1, 4., Lace-
tiz uͤber die Theilnahme von Spartiaten an dieſer Kretiſchen Colo-
nie, uͤber die Buch 2, 3. gehandelt wird.
κοῦϱγος ὑπὸ πάντων συμφώνως ἱστοϱεῖται μετὰ τοῦ Ἰφί-
του τοῦ Ἠλείου τὴν πϱώτην ἀϱιϑμηϑεῖσαν τῶν Ολυμπίων ϑέ-
σιν διαϑεῖναι. Athen. 14, 635 f.
γὰϱ τὸ συνεχὲς ταῖς μνήμαις ἐπὶ ταῖς Ολυμπιάσιν ἐστὶ —
2, 1.
Goͤller de situ Syrac. S. 198.
ϱοισίν τ̛ οὐχ ἕτεϱον λιϑίνα ψᾶφος ἔχει λόγον. vgl. Boͤckh.
Explic.
μόνιοι τὸν πεϱὶ Λυκούϱγου χϱησμὸν ἐν ταῖς παλαιοτάταις ἀνα-
γϱαφαῖς ἔχοντες. Ueber dies Orakel vgl. Theodoret Graec. affect.
9. 10. Max. Tyr. diss. 13, 1. Das Orakel bei Oenomaos (Eu-
ſeb. Praep. Ev. 5. p. 113.) iſt ſicher ſpaͤtere Erfindung.
fer regierte nach Euſeb 42 Jahre.
11, 475. uͤber das καϱχήσιον.
ein παϱάπηγμα nennt. Euſebios ſagt, daß mit Anfang der Olymp.
Lacedaemoniorum reges defecerunt, welcher Irrthum daher
entſtanden, daß die Liſten hier endeten, die zur Berechnung der
vorhergehenden Periode gemacht waren.
a. O. Eratoſth. bei Klem. Alex. Strom. 1. S. 336. ed. Colon.
vgl. Tatian adv. Graecos p. 174. Cenſorin de die nat. 21.
Euſeb. Skal. S. 23.
wahrſcheinlich Dieuchidas den Lykurg (ἕκτον ἀπὸ Πϱοκλέους bei
Plut. Lyk. 2. vgl. Solin 16. Str. 10, 481.) 290 Jahre nach
Troja, nemlich 8 x 33 1∫3 + 24 (dies fuͤr Lykurgs ἀκμή). Klem. a. O.
411. Fragm. ed. Heyne, aus Tatian und Klem. 1. S. 327. vgl.
S. 309. Pauſ. 3, 2, 4. Euſebios Citat des Apollodor beim 18ten
Jahre des Alkamenes iſt falſch, wie man auch aus Plut. Lyk. 1.
ſieht.
driniſchen Chronologen, Diodor Fragm. 6. S. 635., wo man mit
Weſſel. nach Didymos 30 Jahre von der κάθοδος bis zur Herr-
ſchaft des Aletes annehmen muß, damit die Rechnung herauskom-
me. Euſebios hat dies verſehen, da er Aletes dem Euryſthenes
gleichzeitig ſetzt.
17, 27.
Eine Inſchrift in Olympia (vgl. Brunk Anal. 2. p. 193.) (nannte
ihn des Haͤmon, die gemeine Sage Praxonides Sohn. Schreibe
bei Euſeb. (Hieronym.) Iphitus Praxonidis vel Aemonis f.
nicht viel vor 800 a. C. Timaͤos wußte ſich nicht zu helfen, als
durch Annahme von zwei Lykurgen. Am meiſten weicht Xenophon
ab (Staat der Laked. 10, citirt Plut. 1.), wo Lyk. κατὰ τοὺς
Ἠϱακλείδας lebte, d. h. κ. τὴν Ἡϱ. κάϑοδον.
p. 289.
Klem. Alex. Strom. 1. S. 308.
Geſetze gab Lykurg nicht, ſondern ſanktionirte blos die Sitten.”
Aber die ϱ῾ῆτϱαι ſind offenbar nicht bloße ἤϑη, ſondern in be-
ſtimmte Worte gefaßte orakelaͤhnliche Spruͤche, die ſich aus alter
Zeit erhalten. Plut. Ageſil. 26. nennt die hier angedeuteten αἱ
καλούμεναι τϱεῖς ϱ῾ῆτϱαι, eben ſo de esu carn. 2, 1. ὁ ϑεῖος Λυ-
κοῦϱγος ἐν ταῖς τϱισὶ ϱ῾ήτϱαις; alſo waren dieſe gewiſſermaßen
eine geſchloſſene Anzahl. Das μὴ χϱῆσϑαι νόμοις ἐγγϱάφοις war
ſelbſt darunter.
δι̕ ὧν ἐκόσμησε τὴν Λακεδαιμονίων πολιτείαν Λυκοῦϱγος, ἐδό-
θησαν αὐτῷ καταλογάδην.
Lyriker im modernen Sinne, wegen ſeines ᾆσμα πϱοσόδιον fuͤr die
Meſſeniſche Theorie nach Delos. Pauſ. 4, 4, 1.
Erfundenes auf, wenn er 20 Helfer und Freunde des Lykurg ein-
zeln nannte. Plutarch Lyk. 5.
Dagegen Herakl. Pont. 2. καὶ τὸν Χάϱιλλον (ΧΑΡΙΛΑΟΝ) τυ-
ϱαννικῶς ἄϱχοντα μετέστησε.
Vater und des Eukosmos ols Sohn Lykurgs (Pauſ. 3, 16, 5.) ge-
hoͤren in die S. 68. N. 1. angefuͤhrte Claſſe.
tarch Lyk. 23. und Herakl. Pont. 2. καὶ κοινὸν ἀγαϑὸν τὰς ἐκε-
χειϱίας, (wohl auch die Pythiſche gemeint) κατέστησε. — Was
Hermipp erzaͤhlt, iſt zum Theil ſicher erſunden.
Polyb. 4, 73., der das ruhige Leben der Eleer in fruͤherer Zeit ei-
nen ἱεϱὸς βίος nennt. Str. 8, 357. Diod. Exc. p. 547. Weſ-
ſel., wo den Lakedaͤmoniern laͤcherliche Triebfedern untergelegt wer-
den.
kon und zu Xen. Hell. 4, 7, 2.
zweideutig. S. Thuk. 5, 49. ἐπαγγέλλειν iſt das voc. proprium
davon.
ΤΟΙΣ ΕϒϜΑΟΙΟΙΣ — αι δε μα συνεαν ταλαντον κ̛ αϱγυϱω
αποτινοιαν τωι Λι Ολυνπιωι τοι κα δαλεμενοι λατϱειομενον.
ments bei Lykurg, aber hoͤchſt grundlos.
16. Polyaͤn 2, 31, 2. Plinius H. N. 11, 70.
enim centum hostes interfecisset, Marti de homine sacrifi-
cabat apud insulam Lemnum, quod sacrificatum est a duo-
bus, Aristomene Gortynensi et Theoclo Eleo, sicut Sosicra-
tes scribit. Apollod. bei Porphyr. de abst. 2, 55. p. 396. H.
(vgl. Meurſ. Misc. Lac. 2, 14.) ſagt, daß auch die Lakedaͤmonier
dem Ares einen Menſchen geopfert.
im Herodot ſteht nichts davon. Steph. aber nimmt es aus Plut.
de Herod. mal. 2. S. 291. wo aber fuͤr φησὶν αὐτὸς wohl φασὶν
αὐτὸν zu ſchreiben.
an den Mord des Kresphontes an, und erzaͤhlt, daß das Orakel
die Spartaner darin mannigfach ſekundirt habe (Archidam. 11.);
offenbar hatte die Erzaͤhlung damals noch gar nicht die ſpaͤtere Ge-
ſtalt. Doch kennt er, aus Tyrtaͤos, die 20jaͤhrige Belagerung.
c. 24.
S. 155. vgl. Iſokr. a. O. 10.
los von Alexandreia dichtete Meſſeniaka. Athen. 13, 599 e.
nis, aus dem erſten Kriege, und Ariſtomenes zuſammen kaͤmpfen
laͤßt. Fragm. 10. p. 637. Weſſel. 15, 66. meint er ihn unter den
ἔνιοι. Boivin und Weſſeling muͤhen ſich umſonſt, die Widerſpruͤ-
che wegzuſchaffen.
auctorum der Anthologie.
war es Meſſeniſche Erzaͤhlung, der Myron folgte (Pauſ. 4, 6, 2.),
daß Ariſtomenes den Koͤnig Theopomp getoͤdtet, (gegen Tyrtaͤos)
wie man erſieht aus Plutarch Agis 21.
hier gleich einige Punkte moderner Dichtung in Pauſanias Erzaͤh-
lung bezeichnen. Die Geſchichte von Polychares und Euaͤphnes
ſetzt eine Gewalt des Areopagos voraus, die nie exiſtirte; auch die
Argiviſche Amphiktyonie ging die Streitigkeit nichts an. Außer
Pauſ. ſ. Diodor Exc. p. 547. der meiſt dieſelben Quellen hat. Die
Kretiſchen Bogenſchuͤtzen hat Rhianos aus ſeiner Heimat hineinge-
bracht; es gab gewiß da ſo fruͤh keine Soͤldlinge. Wie kamen Korin-
ther nach Lakonien, ohne durch feindliches Gebiet zu gehen, nnd
wer haͤtte ſie durchgelaſſen? Die Flucht der Eingeweihten nach
Eleuſis iſt ganz ungeſchichtlich gedacht; noch mehr, daß ſie im
zweiten Kriege ruhig zuſehen. Pauſ. 4, 16, 1. Kaͤmpften doch in
Athen ſelbſt Daduchen in Reihe und Glied! Das Streiten der
ψιλοὶ in abgeſonderten Haufen (4, 7, 2.) iſt gegen Tyrtaͤos und
alten Gebrauch. vgl. 4, 8, 4. Οἱ Μεσσήνιοι δϱόμῳ ἐς τοὺς
Λακεδαιμονίους ἐχϱῶντο (4, 18, 1.) iſt gegen Herodot (6, 112.).
Vieles iſt ſehr ſchlecht motivirt, z. B. das Verlaſſen der feſten
Staͤdte (4, 9, 1.) aus Geldmangel. Die Unterwerfung iſt gar nicht
motivirt. Daß die Argiver privatim und nicht vom Staate geſendet
kommen, ſcheint aus Herodot 6, 92. Das Orakel 4, 9, 2. in
Jamben iſt aus ſpaͤter Zeit, aber doch aͤlter als das entſprechende
hexametriſche bei Euſeb. Praep. Ev. 5, 27. p. 130. ed. Steph. —
vit. p. 540.
80 Jahre.
geht auf die Liſt des Kresphontes bei der Theilung. In dem Orakel
4, 12, 3. Euſeb. a. O. iſt zu ſchreiben: ἦ γὰϱ ῎Αϱης κείνων
εὐήϱεα τείχη, Καὶ τειχέων στεφάνωμα πικϱοὺς οἰκήτοϱας ἕξει.
Woher die Orakel ſind, iſt dunkel, auch das Urtheil uͤber das Alter
ſolcher einzelnen Stuͤcke ſchwer.
Aber Pauſ. 4, 15, 1. beweiſt blos aus Tyrtaͤos, daß
Rhianos ſich geirrt hatte, wenn er Leotychides als Zeitgenoſſen des
zweiten Krieges nannte; folglich mußten die Zahlen nicht viel
Auktoritaͤt haben. Pauſ. hatte indeß allerlei Mittel zu urtheilen;
ſo fand ſich nach der Vertreibung und Unterjochung kein Meſſenier
mehr in den Olympioniken. Pauſ. 6, 2, 5. Die Schriftſteller va-
riiren indeß merkwuͤrdig. Dinarch g. Demoſth. 99, 29. fetzt die
Unterwerfung 400 Jahre vor der Befreiung, Lykurg g. Leokr. 155.
gar 500, Iſokr. Archidam 9. nur 300 (und doch ſchiebt er die Un-
terwerfung ſo hoch hinauf), Plut. reg. apophth. S. 126. 230
Jahre vor Leonidas Tod, alſo 17, 2. Euſebios 12, 1. Den Be-
ginn des zweiten Krieges ſetzt Euſeb. 35, 3. den Tyrtaͤos 36, 3.
kuͤhrlich Πολυδώϱῳ vorſtellt. vgl. Polyaͤn 1, 15.
360.
noch in den ̕Ἀϑηνᾶ Νεδουσία uͤbergeblieben.
hat ungefaͤhr dieſelbe Erzaͤhlung, wie die Lakedaͤmonier bei
Pauf., und ſo auch ſchon Herakl. Pont. eben ſo Juſtin. 3, 4.
von einem Opfer an Artemis Orthia (Iphigeneia), uͤber die B. 2, 10.
nachzuſehen.
ben 7, p. 71 H.
her Cult des Herakles Mantiklos zu Meſſana, Pauſ. 4, 23, 5.
26, 3.
Rheginer betrachteten die ſog. Meſſenier zu Naupaktos als Ver-
wandte, P. 4, 26. Den ſo oft (zuletzt von Jakobs, Amalthea
1. S. 199. wo Bentlei vergeſſen iſt) geruͤgten Irrthum des Pauſ.
in Bezug auf Anarilas uͤbergehn wir.
Blemm.S. 7. Spohn. Τάϱας, ἥντινα ἐπόϱϑησαν Ἀμυκλαῖοι.
Die Worte οὕτω γὰϱ καὶ ἡ Μεσσήνη ᾽Ανδανία ἐκαλεῖτο, ἣν οἰκί-
σαι φασί τινας τῶν μετὰ Κϱεσφόντου καὶ οὕτω καλέσαι etc. ent-
halten zwei Irrthuͤmer. — vgl. Pauſ. 4, 26, 5.
deutlich, daß dies alles aus Tyrtaͤos iſt 8, 362. τὴν μὲν πϱώτην
κατακτ. φησὶ Τυϱταῖος — γενέσϑαι. τὴν δὲ δευτέϱαν, καθ᾽ ἣν
ἑλόμενοι συμμάχους ᾽Ηλείους καὶ ᾽Αϱγείους [καὶ ᾽Αϱκάδας adden-
dum] καὶ Πισάτας ἀπέστησαν, ᾽Αϱκάδων μὴν ᾽Αϱιστοκϱάτην
τὸν ᾽Οϱχομενοῦ βασιλέα παϱεχομένων στϱατηγὸν, Πισατῶν δἐ
Πανταλέοντα τὸν ᾽Ομφαλίωνος. Str. 355 c. ſteht, daß bei der
ἐσχάτη κατάλυσις τῶν Μεσσηνίων die Eleer den Spartiaten hal-
fen. Sie muͤßten dann zu dieſen aus Haß gegen Piſa uͤbergeſprun-
gen ſein. Daß Sparta nach Ol. 34. Pantaleons Anſpruͤche auf die
Kriege uͤber 20 Jahre Laͤnge giebt.
Kriege Koͤnige hatte, Plutarch Parallel 32. S. 430. H.
Λὐγείας p. 134. ſteht: daß den Piſaten, weil ſie fuͤr Meſſene ge-
fochten, die Laked. die Agonotheſie genommen, und den Eleern,
die ihnen beigeſtanden, gegeben haͤtten.
damit nicht wohl, was 4, 24, 1.
die Laked. bei Beginn des zweiten Krieges ein 12 Fuß hohes Zeus-
bild nach Olympia weihten, mit der Inſchr. bei Pauſ. 5, 24, 1.,
beruht wohl blos auf [Vermuthung] der Exegeten.
einer Niederlage der Spartaner durch Argiver, § 13.
ſthenes bei Polyb. 4, 33, 2. Ariſtomenes ſoll, nach Pauſ. 4, 24,
ſeine Schweſter und Toͤchter nach Phigaleia, Lepreon, Heraͤa ver-
heirathet haben. Davon iſt der Vers aus B. 5. des Rhianos
uͤber, bei Steph. Φιγαλ. Τὴν μὲν ἀνήγετ᾽ ἄκοιτιν ὲπὶ κϱαναὴν
Φιγάλειαν, nemlich Tharyx.
byron in Rhodos vorkam. Steph. Byz. ᾽Αταβ.
6, 8. ſpricht von Kriegen gegen Argos, Arkadien, Meſſenien vor
Lykurg; aber wohl irrig. Nach Polyaͤn 8, 34. nahmen die Tegea-
ten ſchon den Koͤnig Theopomp, (wenn dort der Koͤnig gemeint
iſt,) gefangen. Nach demſ. 2, 13. haͤtte ſchon Eurypon Mantineia
eingenommen.
̓̍Αϱης Γυναικοθοίας, vgl. 3, 7, 3.
3, 5. vgl. Dio Chryſoſt. Rede 17. S. 251 c. die Rede der Tegea-
ten Herod. 9, 26. Polyaͤn 1, 11.
Polyaͤn 1, 8.
Thyrea richtnd, Plut. Parallel. hist. Gr. et Rom. 3.
Διαμετϱήσοσϑαι aber bezeichnet den Zuſtand eines Heloten, Klaro-
ten, der en abgemeſſenes Stuͤck Land zur Bebauung empfaͤngt.
Gouvern. feder. S. 100., der indeß mit gewohntem Leichtſinn
davon handelt, und z. B. in der Inſchr. bei Fourmont von Plata-
niſtus bei Argos — και αγωνοϑετησαντα πϱωτον Πυϑιων μετα
το ανασωσαι αυτον το δικαιον της αμφικτυονειας τῃ τατϱιδι και
αγωνοϑετην ἡϱαιων — dieſe gemeint wiſſen will. Bgl. die In-
ſchrift aus Maffei bei Murat. 561
beſtimmte Behauptungen, wie Aegin. p. 54.
p. 133. Steph.
ſind bei Herodot Dryopiſch Hermione und Aſine ἡ πϱὸς Καϱδαμύλῃ
τῇ Λακωνικῇ, welches damals wohl die naͤchſte bedeutende Stadt
war. vgl. Theopomp bei Str. 373.
Donius Cl. 4. p. 137. Caſtelli p. 89 Aa.
ſo ſcheint mir das Verhaͤltniß dieſer Erzaͤhlung zu der bei Herod.
8, 137. diefes. Beide bezeichnen daſſelbe Ereigniß, aber die letztere
iſt rohe Makedoniſche Landesſage, unter einem Volke gebildet, das
wenig geſchichtliche Erinnerung hatte; die erſte beruht auf Argivi-
ſcher Sage, und iſt, wenn auch ebenfalls nicht ganz hiſtoriſch, doch
auf eine weit wahrſcheinlichere [Weiſe] verknuͤpft. Κάϱανος iſt viel-
leicht nur eine andere Form von Κοίϱανος. vgl. Heſych Κόϱαννος
Eurip. Erzaͤhlung, daß Archelaos, Temenos Sohn, Aegaͤ in Ma-
kedonien [eingenommen], wohin er als Ziegenhirt in großer Armuth
kam, (Hygin Fb. 219. Dio Chryſ. S. 70. die Fragmente) iſt die un-
begruͤndetſte. Ob Iſokrates an Philipp 45. S. 152 L. die Sage
von Karanos kennt, oder der Herodotiſchen folgt, iſt nicht klar.
Abweichend auch Konſtant. Porphyr. Them. 1. S. 1453.
Silber, (nicht τό τε ἄλλο καὶ τὸ ἀϱγυϱοῦν wie Strabon) da
Kupfer bedeutend ſpaͤter, und Gold zuerſt in Aſien gepraͤgt
wurde. — Sehr verkehrt fagt das Etym. Gud. 549, 58., Pheidon
habe die Maaße verkleinert.
alten Makedoniſchen Muͤnzen ſind nach demſelben Fuß geſchlagen.
ϱεἀτιδος ἀγῶνα ans Ende der Regierung Theopomps, in dieſelbe
Zeit; Solin K. 13. in das 17. Jahr des Romulus.
koͤnnte Herodot nicht von den Kynuriern ſagen: ἐκδεδωϱίευνταε
ὑπό τε Ἀϱγείων ἀϱχόμενοι καὶ τοῦ χϱόνου. vgl. Aegin. p. 47.
Epigr. des Simonides 7, 431. Dioskorides 7, 430. Damaget 432.
Nikandros 526. Chaͤremon 720. Gaͤtulikus 244. Anthol. Palat.
Nach Iſokr. Archid. 42. ſchlugen 300 Spart. alle Argeier. Eine
merkwuͤrdige Fortſetzung der Sage iſt, daß Perilaos, Sohn des zu
zeitig fortgegangenen Alkenor (Her. 1, 82.), ein Nemeonike, den
Othryadas toͤdtete. Pauſ. 2, 20, 6. — Die Weihgeſchenke der Ar-
geier fuͤr den Kampf bei Thyrea, wie die der Tegeaten wegen
eines Sieges uͤber Sparta, zu Delphi, (Pauſ. 10, 9, 3. 6.) koͤnnen,
wegen der dabei genannten Kuͤnſtler, erſt gegen Ol. 100. gearbeitet
ſein.
von abgeleitet wird. S. Athen. 14, 631. Ruhnken zu Timaͤos S.
54. Heſych Θυϱεατικοὶ στέφανοι. Apoſtol. 6, 56. — vgl. Manſo
1, 2. S. 211.
vgl. Corſini Dissert. Agon. p. 51.
Pind. Nem. 4. S. 381.
klaͤrt Aegin. p. 47., wo indeß die σύνοικοι nach dem Perſerkriege
von den fruͤhern Perioͤken nicht unterſchieden ſind.
λάσσοντες δεινότατα τοῦτο ἐν τῇ Σπάϱτῃ μὴ γενέσϑαι. Der
Korinther Soſikles ſagt zu den Spart.: Erde und Himmel wird
ſich umdrehen, wenn ihr, die ἰσοκϱατίας aufhebend, τυϱαννίδας
einfuͤhren wollt. Vgl. Dionys Hal. uͤber Lyſias 30. S. 523. Au-
ßer den Laked. ſtuͤrzten auch die Syrakuſer viele Tyrannen, ehe ſie
ſelbſt deren hatten. Ariſt. Pol. 5, 3, 18.
S. 251. Reiske.
nicht voͤllig ſicher, da Herod. 6, 126. blos bis Andreus hinaufgeht,
Ariſtot. unbeſtimmt Ὀϱϑαγόϱου παῖδες καὶ ἀυτὸς Ὀϱϑαγόϱας ſagt,
und Plutarch de sera num. vind. 7. (vgl. Wyttenb. S. 44.)
Ὀϱϑαγόϱας καὶ μετ̕ ἐκεῖνον οἱ πεϱὶ Μὐϱωνα καὶ Κλεισϑένην.
λεμήσας. Vielleicht iſt aus dieſem Kriege der von den Argeiern
nach Olympia geweihte, von Morrit im Alpheios gefundene Helm
(mitgetheilt Classic. Journ. T. 1. p. 328. und Walpole Trav. S.
588. n. 53. vgl. Boͤckh zu Pind. Explic. p. 226.) ΤΑΡΓ (ει)
ΟΙ ΑΝΕΘΕΝ ΤΟΙ ΔΙϜΙ ΤΟΝ ΦΟDΙΝΘΟΘΕΝ.
37, 4. Schol. Pind. N. 9, 2. Polyaͤn 3, 5. — Merkwuͤrdig,
daß Sparta in dieſem Kriege ganz unthaͤtig blieb.
Boͤckh Explic. Pind. O. 12, S. 206.
etwa von Ol. 26—51.
Herod. 6, 128.
dor bei Synkell. Chronogr. S. 178. Par.
einem Strategem des Kypſelos dabei ſ. Polyaͤn 5, 31, 1. Daß
dabei ein Bakchiade, Demarat, nach Italien ging, iſt ſehr glaub-
lich; aber die Abſtammung der Tarquinier von dieſem erfunden.
Niebuhr R. G. 1. S. 215.
Qu. 8, 4, 4. p. 361.
ſchr.) Apoſtol. 20, 47.
9, 2.
Herakl. Pont. 5. Nik. Dam.
auf Kypſelos ſtimmen. Es iſt nicht deutlich, wie Str. rechnet,
der 8, 378. die Herrſchaft der Bakchiaden auf 200 Jahre angiebt;
Prytanen waren ſie nach Diod. nur 90 J.
ταγωγὶδες Siciliens) zu ſchreiben?
Anatheme der Kypſeliden ſ. Ariſt. 5, 9, 2. Theophr. bei Phot. Ler.
S. 143. Ephor. bei Diog. L. 1, 74. Pauſ. 5, 2, 4.
malign. Herod. 22. p. 302.
gos herſchte in Ambrakia auch ein Periandros, Ariſtot. Pol. 5, 8,
9. Plutarch Erotik. 23. S. 60.; vielleicht Sohn des Gorgos.
Steſichoros, (Str. 8, 347.) die ſchoͤne Rhadina von Samos als
Braut zugeſandt, aber aus Eiferſucht getoͤdtet. Daß es das Jo-
niſche Samos ſei, beweiſt gegen Strabo die Stelle Pauſ.
7, 5, 6.
gebe zuerſt eine Stammtafel.
unbeſtimmt iſt. S. Aeginet. p. 64 sqq. Periandros herrſchte
Ol. 38, 1. (Euſeb.) — 48, 4. (Soſikr. bei Diog. L. 1, 74.) 44
Jahre (Ariſtot.) Dem widerſpricht nicht, daß er nach Herod. 5,
95. und Apollod. (S. 411. H. Diog. L.) vgl. Timaͤos bei Str. 13,
896 a. zwiſchen Athen und Mitylene uͤber Sigeion entſchied, da
ſchon Phrynon von Athen (Sieger Ol. 36. Afric.) daruͤber gegen
Pittakos geſtritten hatte, Ol. 43, 1. Euſeb. vor Peiſiſtr. Zeit. vgl.
Polyaͤn 1, 25. Schol. Aeſch. Eum. 401. Herodots Erzaͤhlung iſt
nicht ganz chronologiſch geordnet. Per. regierte aber auch nach
Her. 1, 20. ſchon im 5ten J. des Halyattes (Ol. 41.) und ſandte
noch vor ſeinem Tode Korkyr. Knaben an ihn — im 3ten Geſchlecht
(d. h. 16. Olymp.) vor der Lakedaͤm. Belagerung von Samos
(Ol. 63.), wie nach Plut. de malign. Her. 22. Panofka res
Samior. p. 30. in Herod. 3, 48. (γ γενεῇ πϱότεϱον) richtig emen-
dirt hat. Kypſelos herrſchte 30 Jahr nach Herodot, und begann
alſo 30, 3.; die Kypſeliden im Ganzen 76 J. 6 Mon. (nach mei-
ner Verbeſſerung bei Ariſt. 5, 9, 22.); Prokles herrſchte etwa von
Ol. 35—49. Ariſtokrates kommt bis 25 hinauf.
p. 64.
tor. 1, 2, 19. Pol. 5, 4, 4.
Theogn. 894. ὠς κυψελλῖζον Ζεὺς ὀλέσειε γένος kann wohl nicht
auf eine factio Cypselidarum gehen, befonders wenn das vorige,
den Perſiſchen Krieg betreffende, dazu gehoͤrt; ſondern κυψελλίζειν
heißt verſtopft, taub ſein.
Kleobulos zu Lindos, der dem Periandros aͤhnlich war, Plut.
EI 3. S. 118. vgl. Klem. Strom. 4. S. 523 b. (die Diagoriden
beſtanden indeß zu Jalyſos fort). Kadmos zu Kos, deſſen Ge-
ſchichte nach Herodot 6, 23. 7, 173. die ſein muß. Skythes,
Tyrann von Zankle, ging, von den Samiern vertrieben, (Ol. 70, 4)
zum Großkoͤnig und blieb meiſt bei ihm. Deſſen Sohne, Kadmos,
gab wahrſcheinlich der Großk. Kos. Spaͤter aber vor Ol. 75. kehrte
er, nach einem Vertrage mit den Samiern, in ſein altes Vatex-
land zuruͤck. Ihm folgte Epicharmos, der komiſche Dichter. Suid.
Επίχαϱμος. Von Kos abgehend gab er der Stadt die Freiheit,
und richtete eine βουλὴ ein. Er war Zeitgenoß des Asklepiaden
Hippolochos, und muͤtterlicher Ahn des Theſſalos, S. den 7. Hip,
pokrat. Brief. — In Sicilien herrſchen Kleandros und das
Haus des Hippokrates, Gelon, Hieron zu Gela und dann
zu Syrakus; Phalaris, dann Theron, Thraſydaͤos zu
Akragas; Anaxilas zu Rhegion und Zankle, Panaͤtios (Ol.
41, 3. Euſeb.) zu Leontini. S. Ariſt. Pol. 5, 8, 1. 10, 4. Viel-
leicht war auch Ariſtophilidas von Tarent (Herod. 3, 136.)
Tyrann.
1, 2. S. 308.
πϱεσβύτεϱα ἐποιοῦντο ἢ τὰ τῶν ἀνδϱῶν. Herod. 5, 63, 90. Thuk.
6, 53. Ariſtoph. Lyſ. 1150 Aa.
1. und πολ. Ναξίων bei Athen. 8. S. 348. Nach Herod. 1, 61.
64. hatte ihn Peiſiſtr. etwa Ol. 60. eingeſetzt. vgl. Heyne Nov.
Comtr. Gotting. 2. cl. phil. p. 65.
gab Sikyon dem Kleomenes Schiffe.
Pauſ. 3, 7, 8.
denn damals herrſchte Kleomenes ſchon, wie aus Vergl. von Herod.
6, 108. Thuk. 3, 68. hervorgeht. Er war in dem Jahre in der
Naͤhe von Plataͤaͤ. Nach Plut. Lacon. Apophth. p. 212. war
Kleomenes ſchon Ol. 63. Regent, da ſich die Samier an Sp. wand-
ten; dann wuͤrde aber die, nach Her. kurze, Herrſchaft deſſelben
gar zu lang — von Ol. 63—72, 2. — ausgedehnt werden.
lag. Apoſtol. 4, 27. ſetzt die Schlacht an den ῎Αϱγους λόφος. Die
Kriegsliſt des Kleomenes erzaͤhlt nach Herod. Polyaͤn 1, 14.
zuſammenhaͤngend, daß ſie die beiden erſten Verſe des Orakels ἀλλ̕
ὅταν ἡ ϑήλεια nicht erklaͤrt, die doch ſich auf eine Begebenheit be-
ziehen mußten. Oder bezieht Herod. die ϑήλεια auf die Hera?
Pauſ. 2, 20. zweifelt, ob Herodot es verſteht. Aber die Geſchichte
der Teleſilla bei Pauſ., Plut. Ἀϱεταὶ γυν. 5. p. 269. und Polyaͤn
8, 33. iſt ſehr fabelhaft. Das Feſt ῾ϒβϱιστικὰ hat gewiß nicht
dieſe hiſtoriſche [Entſtehung], ſondern gehoͤrt einem Naturcultus an.
Die angebliche Bildſaͤule der Teleſilla bei Pauſ. 2, 20, 7. war eine
ſich bewaffnende auf den Helm ſchauende Aphrodite. Die Zahl der
erſchlagenen Argeier geben Plutarch und Polyaͤn 8, 33. nach einer
Sage auf 7777 an; Aa. 6000. Es iſt dies die Schlacht ἐν τῇ
ἑβδόμῃ ἱσταμένου, wir wiſſen nicht welches Monats. Ariſtot. Pol.
5, 2, 8. Plut. Qu. Gr. a. O. Andere ſetzten ſie an die νουμηνία
des 4ten Monats, ehemals Hermaͤos, aber blos, weil dann die
Hybriſtika gefeiert wurden. Vgl. Klem. Alex. Strom. 4. S. 522.
Sylb. Suidas Τελέσιλλα.
Argos.
ned κώμη τῆς Ἀϱγείας von der Stadt gegen Sikyon, ſo wie
ebenda eine κώμη Aſine. 373 b.
377. Doch kommt Kleonaͤ aleich wieder als Freundesſtadt vor.
Plut. Kimon 17.
ſchnell Myken den Athenern in Vergeſſenheit gerieth. Aeſchylos
nennt es nie; die folgenden verwechſeln es ſtets mit Argos. In
Sophokles Elektra herrſcht von vorn herein das konfuſeſte Bild der
Lokalitaͤt. vgl. Elmsley zu Eurip. Herakl. V. 188. — uͤber die
Zerſtoͤrung Brunk Anal. T. 2. p. 105. n. 248.
25, 7. vgl. 2, 17, 5. 8, 46, 2. uͤber die Auswanderung Str. 8.
S. 373 b. und Epboros 6. bei Steph. s. v. Ἁλιεῖς. ὅτι οὗτοι Τι-
ϱύνϑιοί εἰσιν κ. τ. λ. Bei Steph. s. v. Τίϱυνς iſt, wie bei Str.
a. O., von Hermioneern in Halieis die Rede. Das Orakel: ποῖ
τὺ λαβὼν καὶ ποῖ τὺ καθίξω καὶ ποῖ τὺ οἴκησιν ἔχων ἀλιέα τε
κεκλῆσϑαι, hat viel ſeltſames.
noch ſpaͤter ſetzten die Hermioneer die alten Verbindungen fort. S.
155.
rung von Aſine, die ja aber weit fruͤher trifft. Die Angabe Str.
373 d., daß die Mykenaͤer Eiones zu ihrem ναύσταϑμον gemacht
haͤtten, muß ſich, wenn ſie richtig iſt, auf die Zeit vor Ol. 75.
beziehn.
νες die Megarer, nicht die Eleuſinier ſind, wie Lobeck Progr.
de bello Eleusinio verſteht.
271. Herod. L. Homers 23. Polyaͤn Strateg. 1, 20, 1. 2. Diog.
L. 1. 48. Quinctil. 5, 11.
Publ. 4.
Aelian 7, 19. In Delphi war ein lanzenbewaffneter Apoll als
Anathem der Megarer nach einem Siege uͤber Athen. Plut. Pyth.
or. 16. S. 273.
Ordnung: Korinth, Sikyon, Megara, Epidauros findet ſich noch
ſpaͤter, nach Aegina’s Zerſtoͤrung.
die Treue von Phlius gegen Sp. vgl. Theodor. Graec. aff. 9,
16.
γεῖσϑαι, ἡγεμονεύειν. Thuk. 1, 71. die Korinther an Sp. τὴν
Πελοπόννησον πειϱᾶσϑε μὴ ἐλάσσω ἐξηγεῖσϑαι (ad finem) ἢ οἱ
πατέϱες ὑμῖν παϱέδοσαν.
τὴν Πελοπόννησον.
Expeditionen außerhalb des Pelop. τὰ δύο μέϱη, 2∫3 des Ganzen,
ſcheint das gewoͤhnliche Maaß dafuͤr. 3, 15.
Th. 2, 7.
daraus: εδον τοι μαλιοι τοις λακεδαιμονιοις αϱγυϱιω Ϝικα-
τι μνας. εδωκε μολοκϱος (ob — κεν ὁ λοκϱος) τοις λακεδαιμο-
νιοις .. ταλαντα αϱγυϱιω. In andern Stellen ausdruͤcklich ποτ-
τον πολεμον. Aus Fourmonts Papieren.
να σιτεῖται πόλεμος. Plut. Kleom. 27., wo der erſte Archidam
genannt wird; beſſer paßt der zweite. Reg. Apophth. p. 126 H.
vgl. Pl. Demoſth. 17.
nes, Her. 5, 74. aber das Heer trennt ſich bald.
hend, verhaͤlt ſich doch in mancher Hinſicht wie ein Bundesheer,
und wird durch Spartaniſche Kriegszucht geleitet.
10.
εῖναι ὅτι ἂν τὸ πλῆϑος τῶν ξυμμάχων ψηφίσηται ἠν μή τι
ϑεῶν ἢ ἡϱώων κώλυμα ἠ. 5, 17. werden Megarer, Eleer, Ko-
rinther, Boͤoter uͤberſtimmt. Aber 1, 40. 41. hindert die Stimme
der Korinthier allein (wenn der Redner nicht luͤgt) die Pelop. den
Samiern zu helfen.
S. 459, 15.
2, 11. 20.
terſchieden wird. vgl. Plut. de malign. Her. 41. Polyaͤn. 5, 30,
1. — Plut. Themiſt. 6.
καττὰ πἀτϱια δίκας διδόναι τὰς ἴσας καὶ ὁμοίας. Die Redens-
art καττὰ π. bezieht ſich keineswegs auf alte Vertraͤge der Dorier.
Die πατϱῷοι σπονδαὶ Pauſ. 3, 5, 8. gehen wohl auf die S. 100.
angefuͤhrte Sage.
δικἀζεσϑαι.
auch die Sieiliſchen Staͤdte bei Leonidas um Huͤlfe gegen Karthago.
— Wie allgemein die Verehrung Sparta’s damals in Griechenland
geweſen ſei, bezeugen mehrere Stellen Pindars, die dadurch erſt
das rechte Licht bekommen, z. B. P. 5, 73.
τοὐτων σύμμαχοι.
1, 67. 3, 58. 68.
auch die ξυνϑῆκαι, nach denen die Athener bei Beginn des Krie-
ges δίκας δοῦναι wollten. Th. 1, 144. 145.
dieſen hat nach Eichſtaͤdt zu Midfort und Moſche de eo quod in
Cornelii vit. faciendum restat. Francof. 1802. zuletzt mit gro-
ßer Klarheit und Gruͤndlichkeit Dahlmann gehandelt: “Forſchungen
auf dem Gebiet der Geſch.” 1, 1 — 148. Einige Momente habe
ich hier noch beigefuͤgt.
Schrift von Fr. Kortuͤm, Goͤtting. Anz. 1822. S. 117.
eine oͤfter vorkommende officielle Redensart.
29. Th. 1, 138. Diod. 11, 57. Auch noch ſeine Soͤhne, ſcheint
es nach Pauſ. 1, 26, 4.
ſem Geſchlechte gehoͤrt auch Prokles, der die Tochter des Ariſtoteles
heirathete (da dieſer zu Atarneus war), und mit ihr Prokles und
Demarat zeugte. Sext. Empir. adv. mathem. 51 b. ed. Col.
ging auch Leotychides Ol. 78, 1. nach Tegea ins Exil. Her. 6, 72.
Derſ. 9, 37. ſpricht von einem Zwiſt mit Tegea vor den Perſerkrie-
gen.
gos gegen Mykend bei. K. 8.
ton Geſetze 3. S. 692. hat eine falſche Vorſtellung von der Zeit
des Krieges, den Diod. 11, 64. uͤberhaupt ganz ſchief und falſch
darſtellt.
ϱιον. S. Th. 1, 128. Aelian 6, 7. Suid. Ταιν. κακόν. Apo-
ſtol. 18, 92. Prov. Vat. 4, 12.
σήνιοι ἐκλήϑησαν οἱ πάντες.
bei Her. 9, 35. die Aenderung πϱὸς Ἰϑώμῃ wagen darf. Pauſ.
Ausdruck, 3, 11. πϱὸς τοὺς ἐξ Ἰσϑμοῦ Ἰϑώμην ἀποστήσαντας
iſt zuſammen gegoſſen aus der ſchon damals corrupten Stelle Here-
dots, und Th. 1, 101. οἱ Είλωτες — ἐς Ἰϑώμην ἀπέστησαν.
ſiſtr. 1138.
ihnen damals ſchon wegen Thaſos zuͤrnen.
dieſe συνϑήκας auf dieſe Zeit mit Sicherheit beziehn zu koͤnnen,
aus denen Ariſtet. bei Plut. Qu. Rom. 52. S. 343. und Gr. 5.
S. 380. die obigen Stellen citirt, um des Ausdrucks χϱηστὸν
ποιεῖν fuͤr “toͤdten” willen. Daß die Arkader fuͤr die Heloten ge-
wiſſermaßen Krieg fuͤhrten, liegt auch in Zenob. Prov. 1, 59.
μενοι.
noch guͤltig, (die ξυνϑῆκαι K. 144.)
jetzt Boͤckh zu Pind. P. 8. Diſſen zu N. 8, 15.
daruͤber Boͤckhs treffliche Auseinanderſetzung zu Pind. J. 6. S. 532.
wahrſcheinlichen Theilnahme Kimons handelt gruͤndlich Meier hist.
iuris Attici de bonis damn. p. 4. n. 11.
τὸ δέ τι καὶ πολέμοις οἰκείοις ἐξειϱγόμενοι,
Boͤckh Staatsh. 2. S. 146.
Ἀχαΐαν καὶ Πηγὰς καὶ Τϱοιζῆνα. Achaia ſcheint nach der Stel-
lung des Andok. vom Frieden und die daraus entlehnte des Aeſchi-
nes. — In dieſen σπονδαῖς ſtanden die beiderſeitigen Bundesge-
noſſen; die Symmachieen waren als Corpora conſtituirt, denen
außerhalb Anſchiießung geſtattet, wo ſie wollten. Th. 1, 31. 35.
1, 35. kann nur der ſein: Staͤdte außerhalb der Symmachieen
koͤnnen ſich anſchließen, wo ſie wollen, dadurch treten ſie den
σπονδαῖς bei, und die Symmachie garantirt fuͤr ſie. Aber wenn
eine Stadt, die ſchon gegen eine ἔνσπονδος im Kriege iſt, auf-
genommen wird, ſo gilt ein ſolcher Krieg einem gleich, den die
aufnehmende Symmachie unternommen.
dos in der Perſon des edlen Dorieus Dorismus gegen Athen auf.
Spart. waren im Seekriege anfangs wirklich erbaͤrmlich, beſonders
mangelte es Alkidas an allem Talent. Th. 3, 30. 31. sq.
103. 5, 82.
τῆς Ἑλλάδος τοὺς ἀϱγοτάτους — πληϱοῦντες τούτων τὰς τϱιήϱεις.
terer Kaͤlte, die Grundſaͤtze der Atheniſchen Politik in dem Dialog
mit den Meliern dargeſtellt.
ἰσονομία πολιτικὴ und ἀϱιστοκϱατἰα σὠφϱων ὀνόματα εὐπϱεπῆ
wie ſie es auch damals wirklich waren, nicht aber τὸ καττὰ πά-
τϱια πολιτεύεσϑαι
ich, daß den Beſitzſtand der Peloponn. Staͤdte in dieſem Kriege,
den ſie ſich bei Anfang deſſelben garantirt hatten und Lakedaͤmon
aufrechthielt, Th. 5, 31., vgl. 5, 29., die beigegebene Karte dar-
ſtellen ſoll.
wahrſcheinlich taͤuſchen ließ durch eine bloße Ausdeutung eines Ka-
biren als Apollon (Bd. 1. S. 455.).
in Verbindung mit Herakles. Pauſ. 8, 25, 3. Antimach. S. 65.
Schellenb. Die einheimiſchen Goͤtter ſind hier Demeter Erinnys
und Poſeidon. Noͤrdlich von Pheneos Ap. Pythios und Artemis:
die Tempel ſoll Herakles nach der Eroberung von Elis erbaut ha-
ben. Pauſ. 8, 15, 2. vgl. Ariſtot. mirab. ausc. 59. und unten
§. 19. In Tegea Ap. Agyieus, im Zuſammenhange mit Kreta.
S. 150. Cren. Die Sacra der Falisker auf Soracte ſind, wie an-
dere dieſer Stadt, halbgriechiſch. Virg. 11, 785. Plin. H. N. 7, 2.
vgl. Spangenberg de rel. Lat. p. 38. Die Saliaren nannten
Apollo nicht. Arnob. adv. gent. 2, 73. Aplu auf Etruskiſchen Pa-
teren (Demſter Etr. reg. tb. 3. 4. Gori 2. p. 93.) iſt der Theſſa-
liſche Name.
Anfange des Peloponneſiſchen Krieges gebaut. 8, 41, 5. Der Py-
thios oder Parrhaſios am Lykaͤon, 38, 6., (der T. Pythion Pauſ.
38, 6. Πύτιον in einer Arkad. Inſchrift bei Fourmont) iſt wohl
eigentlich Ariſtaͤos. Ap. Kereatas in Aepytis bei Karnion wol aus
Meſſenien. 34, 3.
lim. auf Del. 152. Horaz C. 1, 21, 9. — Von Makedoniens
Graͤnzen ſcheint auch Meliſſeus in dem Geſchichtswerke Delphika
den Cult hergeleitet zu haben, wie das Fragment bei Tzetz. zu
Heſiod Ἔϱγα 1. p. 29. Gaisf. vermuthen laͤßt. — Durch die
Naͤhe dieſes Hauptheiligthums iſt der Cult des Apollon ſehr in
Makedonien verbreitet worden, wo die Muͤnzen ſeine Inſignien
ſehr haͤufig zeigen.
beim alten Atrax (Turnowo) geſundene, heißt im gewoͤhnl. Dialekt.
(vgl. Boͤckh Expl. Pind. p. 336. Ἀπόλλωνι Κεϱδ. … Σωσί-
πατϱος Πολεμαϱχιδαῖος ὁ ϑύτης ἀνέϑηκε ἱεϱομνημονήσας καὶ
ἀϱχιδαφνηφοϱήσας.
τὸ δὲ αὐτὸ καὶ Δηλία. Heſych p. 1040. Alb. Laurus Penei f.
Fulgent. 13.
genden.
10, 33, 2.
chos. Von der Verbindung Lariſſa’s mit Delphi zeugt das aͤlteſte
Anathem bei Pauſ. 10, 16, 4. — Es iſt unbekannt, ob Phyllos
mit dem Tempel des Ap. Phyllaͤos, und Ichne mit dem Heilig-
thume der Themis, beide in Theſſaliotis, an der Straße lagen.
Str. 9, 435.
genannt, was die Scholien, Stephan. Byz. und Heſych als einen
Ort Theſſaliens anfuͤhren, aber wohl nur aus dieſer Stelle. Die
Orph. Argon. ſetzen die Weiden an den Amphryſſ., der bei Pheraͤ.
ἐν Παγασαῖς καὶ παϱὰ Θεσσαλοῖς, Heſych. Bei Apollon. Rh. 1,
404. 411. bauen die Argonauten in Pagaſaͤ einen Tempel des Ap.
Aktios und Embaſios.
— ̓Εν παϱόδῳ τῆς ϑαλασσίας wohnt Kyknos nach Steſichoros
Schol. Pind. O. 10, 19. (p. 36. Suchf.) — Schol. Il. ψ, 346.
aus den Kyklikern: ἐν τῷ τοῦ Παγασαίου Ἀπόλλωνος ἱεϱῷ, ὅ
ἐστι πϱὸς Τϱοιζῆνι (corr. mit Heinrich Τϱαχῖνι, vgl. Schild
469.) Pauſanias verſetzt den Kampf an den Peneios, 1, 27, 7.
Vgl. ſonſt Schellenb. Antim. p. 67.
Dichtung des Steſichoros geſtattet werden, den Mythus ſo zu ver-
aͤndern, das Kyknos dem Apollon einen Tempel von Leichenſchaͤdeln
baut, und es iſt nicht noͤthig, mit Heyne a. O. τῷ Ἄϱει fuͤr
τῷ Ἀπόλλωνι zu ſchreiben. — Vgl. noch Sturz zu Hellanik.
121. S. 137.
Knoſiſchen Muͤnzen. — Das Omphaliſche Gefild bei Knoſos
(Kallim. auf Z. 45.) haͤngt zwar mit dem Omphalos-Stein von
Delphi zuſammen, aber Beides gehoͤrt in den Zeuscult.
ſee 19, 138. Pauſ. 1, 18, 5. Str. 10, 476. vgl. Boͤttigers Ilithyia
S. 18. Einatos, wovon Ilithyia Einatine, iſt wohl in der Naͤhe.
Steph. Byz.
Orte beruht zum Theil auf den Unterſuchungen in Hoͤck’s Kreta.
S. 79.
nin. Lib. 17. Auch der Wolf auf den Muͤnzen bezieht ſich auf
Apoll.
2. Ein Orakel (bei Oenomaos, Euſeb. Praep. Ev. p. 133. Steph.)
fordert die Einw. von Phaͤſtos, Tarrha und Polyrrhon auf, dem
Pythiſchen Phoͤbos καϑαϱμοὺς darzubringen.
10, 16, 3. vgl. Tibull. 4, 1, 8.
Pauſ. 8, 53, 2.
10, 16, 3. Daher auf Muͤnzen von Elyros die Ziege. Auch auf
den Muͤnzen von Kydonia eine Woͤlfin, die den kleinen Kydon
ſaͤugt.
zen darum den Apollon oder eine Kithar haben; vielleicht gab der
Cultus dem Orte das Jus asyli. Spanheim de praest. num.
p. 342. — Andere Spuren des Dienſtes auf Kreta: Der Tem-
pel von Allaria, Chiſhull p. 137. Oaxos, Sohn Apollons, Serv.
zu Virg. Ecl. 1, 66. Eleutherna hat auf alten Muͤnzen den Gott
in der R. eine Kugel (einen Apfel, μῆλα ἰεϱὰ τοῦ ϑεοῦ Lukian
Anach. 9.) in der L. einen Bogen haltend. Eben ſo die von Rhi-
tymna. Auf denen von Tyliſſos iſt der Juͤngling mit dem Ziegen-
kopf in der R. Bogen in der L. gewiß auch Apoll. Auch die von
Praͤſos, Aptera, Cherſoneſos, Rhaukos haben ihn.
S. 473. von der Rhytia (geht auf die Stadt Rhytion am Ida).
Prieſter Apolls, iſt angeblicher Statthalter des Rhadamanth auf De-
los. Diod. 5, 62. 79. Vgl. Pherekyd. 74. S. 223. St.
Ἱεϱά τε ῥέζουσι καὶ ἀγγελέουσι ϑέμιστας.
im Adyton zu Kriſa ſ. den 8. Brief des Hippokratiker. vgl. Hym-
nus auf Apoll. P. 443.
Ilgen erklaͤrt die Verſe von den Amphiktyonen: allein deren Ver-
haͤltniß iſt nicht das bezeichnete.
1236. 1265. vgl. 1126. ἀϱχαὶ αἱ ᾽πιχώϱιοι.
ἂνδϱα ἐν Δελφοῖσι δυναστεύοντα μέγιστον. Δυναστεύειν ſagt der
Schriftſteller auch von den Attiſchen Eupatriden (6, 35.) vgl. 7, 141.
zeigt, daß die Delpher mit den Lakonen die Veraͤnderung von ϑ in
σ gemein, und fuͤr ſich beſonders, wie auch ſonſt erwaͤhnt wird, den
Gebrauch des β fuͤr π hatten. S. Maittaire p. 140. Weiter ſ.
Beil. 2.
der Anthologie, Suidas.
Aegin. p. 154. Raoul-Roch. T. 2. p. 164. Auch Koretas, der
angebliche Entdecker des Orakels, traͤgt einen Kretiſchen Namen
(κώϱης fuͤr κούϱης dor.) Plut. de def. or. 21. 46.
10, 7, 2.
Pauſ. 10, 31, 2.
zwei alten Verſen bei Pauſ. 5, 18, 1. — Eine Sage wie vom
Ritter und der Nonne.
Werk indeß fuͤr dieſe Unterſuchung Treffliches darbietet. (Hist. de
l’etabl. 2. p. 137—173.
Aen. 3, 102,
Europa nach Lykien (4, 45.) — naͤmlich die Sage.
vgl. Boͤckh ad Platon. Min. p. 55. Herakl. Pont. 15.
rod. 1, 176. Steph. Byz. aus Hekataͤos.
gerkr. 4, 78.
Zoſimos 1, 57.
dieſem Diod. 5, 56.
σα καλύβη τις ἐν Λυκίᾳ ἀπὸ Συέσσης γϱαός τινος ὑποδεξαμένης
τὴν Λητώ. Steph. Byz.
von einem S. Apollons (Hekataͤos bei Steph. B. vgl. Euſt. zu
Dion. Per. V. 129. Tzetz. Lyk. 920.) und von πατάϱα κιστίς wei-
ſen auf den Cultus hin,
Herodot unbeſtimmt: ἐπεὰν γένηται 1, 182. vgl. Serv. zur Aen.
4, 143.
uͤber den Tempel die Inſchr. Walpole Travels p. 541. Beau-
forts Karamania.
Apoſtol. 18, 25. aus Dionyſios ἐν κτίσεσιν. Herodian bei Euſt. ad
Dion. 860.
Kydna, Kragos, Apollonia, Korydalla, Limyra, Olympos haben
Apollos Haupt, Dreifuß, Lyra, den Hirſch und aͤhnl. Zeichen. vgl.
Steph. Byz. Δάφνη ἐν Λυκίᾳ. Heſych: Εϱεθύμιος Apoll bei den
Lykiern.
ter. Von den heil. Hirſchen des Ap. zu Kurion Ael. N. A. 11, 7.
ſych Πυϑίων ἀνακτόϱων.
Es gab nach Str. 13, 604. Smintheia bei Hamaxitos in Aeolis,
bei Parion, zu Lindos auf Rhodos und ſonſt.
bei Korinth ſollten von Agamemnon aus Tenedos verpflanzt ſein.
Daß ſie Apollon wirklich auf dieſelbe Weiſe verehrten, bezeugt
Ariſtot. bei Str. 380. Pauſ. 2, 5, 3. Von Tenea aber kam der
Dienſt durch Archias nach Syrakus. Str. ebenda.
591. Heſych s. v. Θύμβϱα — Schol. Il. 10, 430. Serv. Aen.
3, 85. vgl. Choiſeul Gouff. Voy. pitt. T. 3. zu pl. 25. Walpole
Apollon an dieſer Kuͤſte noch ſehr haͤuflg, Str. 13, 618; in Pria-
pos Schol. Lyk. 29.; der Πασπάϱιος in Parion und Pergamon (He-
ſych), auf den Muͤnzen von Gargara, Germe, Lampſakos, Atar-
neus, Neandria, Abydos, Neu-Ilion.
einen Tempel des Killaͤiſchen Apollon in Kolonaͤ. Str. 13, 613.
aus Daes von Kolonaͤ.
Κϱήτης ἀφιγμένοις Τεύκϱοις, οὓς πϱῶτος παϱέδωκε Καλλῖνος etc.
Ich glaube nicht, daß man dies, wie Frank Kallinus S. 31., blos
von der Erwaͤhnung des Namens der Teukrer verſtehen koͤnne.
und Lehrer Apollons in der Weiſſagung (Apollod. 1, 4, 1.) gehoͤrt
hieher.
mit den Schol. min.
phron V. 1302. nennt Teukros, Skamandros und Arisbe Kreter.
Einklang. Heſiod in den Her. Geneal. bei Schol. Lyk. 393. Ety-
mol. Gud. 277, 40. vgl. Ruhnken epist. crit. Hellanikos bei
Schol. Il. 20, 145. S. 145. St. Koluthos V. 309.
in Walpole Memoirs p. 104.
los in der Pſychoſtaſia (vgl. Heyne zu Il. 22, 359. Tychſen zu Qu.
Comment. p. 61.); Neoptolem wird zu Pytho erſchlagen. Achill toͤdtet
deswegen auch den Apolloſohn (Tzetz. Lyk. 232.) Tennes, in deſſen
Tempel der Name des Phthiers nicht ausgeſprochen werden durfte. Plut.
Qu. Gr. 28. S. 933.
Aus demſelben Grunde wollte Pythagoras Aethalides geweſen ſein;
und ein Kreter Pytrhos (Schol. Apoll. 1, 644.).
13, 589.) im Ida (Athen. 6, 256 c.) Dardanos gegenuͤber (Herod.);
Schlegels geiſtreiche Gedanken in der bekannten Recenſion Niebuhr’s
S. 874.
nimmt man aus dem verwirrten Bericht des Klearch von Soli ἐν
Γεϱγιϑίῳ ab, bei Athen. 6, 256. vgl. 12, 524 a. Str. 13,
589 d.
10, 12, 2.) war eine κώμη Γεϱγιϑία. Suidas.
(Lykophr. 1278.) wie das Vorgeb. in Attika mit dem Apollotempel.
5, 79. vgl. Raoul-Rochette 2. p. 160.
Tzetz. Lyk. 445.
bei Clem. Alex. Strom. 5. p. 570. Str. 9, 421. Konon 33. 44.
Lutat. Stat. Theb. 8, 198 e. — Gesner Comment. Soc. Gott.
4. p. 121. Ionian antiquities T. 2. (beſonders in der neuen
Ausg.)
da, Konon 44.
Chariton. p. 349. und Qu. Smyrn. 1, 283.
2, 159.
Marc. 23, 6.
im Didymaͤon. Chishull. A. As. p. 67. Als Ekbaſios hat er
auf Muͤnzen den Fuß auf einem Fiſche.
Parion bei Mr. Allier de Hauteroche zeigt die Bildſaͤule des Got-
tes am Meere, Umſchr. ΑΠΟΑΛΩΝΟΣ ΑΚΤΑΙΟϒ ΠΑΡΙΑ-
ΝΩΝ, uͤbereinſtimmend mit Str. 13, 588.
— Auch Apollon Eoos auf der Inſel Thynias (Apollonia, Daphnu-
ſa) Apoll. Rh. 2, 686. Schol. Plin. 6, 12. iſt wohl Mileſiſch;
eben ſo Φιλήσιος zu Trapezus am P. Euxin. Arrian. Peripl. S. 2.
phore Cimérien. pl. 5. 7. 8.
3, 7, 4. Diod. 4, 66. Pauſ. 7, 3. 9, 33.
ſowohl Ῥάκιος als Αάκιος, weil im Kretiſchen die ῥάκη λάκη.
Schneider zu Nik. Alexiph. V. 11. S. 83.
Procli.
Γϱῦνοι. Str. 13, 622. Hermeias von Methymna ſchrieb uͤber
Apollon Gryneios. Athen. 4, 149 e. Daher der Apollotempel, die
Sibylla und der Apollon Daphnephoros auf Muͤnzen von Myrina,
welche Stadt auch χϱυσᾶ ϑέϱη nach Delphi ſandte. Plut. de
Pyth. orac. 16. p. 273.
nikos Λεσβικὰ bei Steph. Μαλλόεις, p. 90. St. Thuk. 3, 3.
Sonſt in Lesbos Ap. Ναπαῖος (Hellanik. bei Steph. Νάπη, vgl.
Str. 9, 426. Suid. Ναπαῖος, Makrob. Sat. 1, 17.; Muͤnze von
Nape mit Ap. bei Mionnet) Λεπετύμνιος Antig. Kar. 17. Γοννο-
παῖος Sch. Ariſt. Wolk. 144. und Εϱέσιος Ἀπ. Heſych.
14, 675 c. Arrian 2, 5. Von da vielleicht der Dienſt in Tarſos
(Inſchr[.] des Britt. Muſ.)
vgl. Kallinos bei Str. 14, 668. Konon 6.
S. 128. Peerlkamp.
2, 32, 2. Artemis Soteira von Kreta nach Troͤzen gebracht, Pauſ.
2, 31, 1.
zu Troͤzen nach Pauſ. 31, 9. der aͤlteſte in Griechenland. Ap. mit
Leukothea zuſammen, Aelian V. G. 1, 18.
genannt, wie die Inſtitute in Thesprotien, zu Phigalia und Hera-
kleia Pontike.
Heſych. Τέττιγος ἕδϱανον.
δήλιον.
An. Br. Meziriac Ov. Ep. T. 1. p. 448. Auch Megareus S. Apol-
lons bei Steph. Byz. vgl. Dieuchidas von Megara Schol. Apoll.
1, 517.
Pauſ. 1, 42, 1. 5. vgl. eine Fourmontſche Inſch. von Argos ΔΕΞΙ-
ΣΤΡΑΤΟΣ ΑΡΧΙΠΠ. . ΑΠΟΛΛΩΝΙ . ΔΕΚΑΤ — Sonſt
Ap. zu Megara Pythios (Pythia, Schol. Pind. N. 5, 84. Philoſtr.
V. Soph. 1, 24, 3.) Archagetas, Proſtaterios, Karnios, Agraͤos.
Auf den Muͤnzen der Tripus und die Delphine. vgl. Pouquev.
T. 4. p. 131. gegen Clarke Tr. p. 2. sct. 2. p. 768.
und das Orakel (Dionyſ. Byz. S. 23.); nahe dabei Demoneſos,
ein Ap. von Demoneſiſchem Erz b. Ariſtot. Mirab. 59. Jungerm. zu
Pollux. 5, 5, 39 Eben daher Byzanz, wo ein Apollotempel auf
dem Vorgeb. Metopon nach Dionyſius de Bosp. Thracio.
ſthenes ἐν Ἠϱιγόνῃ bei Steph. ἄστυ, wo wohl zu ſchr.: ἄστυ τε
δὴ Θοϱικοῦ καλὸν ἵκανεν ἕδος.
Dem. 126.
320. S. 122. St. Apollod. 2, 4, 7.
lod. S. 333.
5, 5, 39.) S. 230. N. 1. Nach Etymol. 359, 1. fuͤhrt Apoll die
Kreter als Delphin nach Attika.
νῃσιν Heſych.
Thuk. 3, 94. Properz. 3, 9 fin. Serv. Aen. 3, 271. vgl. Dod-
well 1. S. 53. Hughes 1. S. 402. hat eine Leukadiſche Inſchrift
— Απολλωνιαται ωικιδομησαν. S. oben die Inſchr. S. 118.
N. 1. Ap. hieß hier Aktios, Ael. N. A. 11, 8. Der Aktiſche
Apoll von Akarnanien ſtammt gewiß daher, vgl. uͤber ihn was Boiſ-
ſonade citirt Class. Journ. 17. p. 371.
Ithaka b. Etym. M. Ἀϱκείσιος, Herakl. Pont. 27. Koͤhler. Heyne
zu Apolld. 2, 4, 7.
1. Nach dem alten Charon von Lampſakos bei Plut. virt. mul.
p. 289. machte Phobos von Phokaͤa zuerſt den Sprung.
Athen. 14. S. 619. Steſich. p. 36. Suchf. — Hardion sur le sault
de Leucade. Mem. de l’Ac. d. I. 7. p. 245.
wurde auch Eosphoros vielleicht in Thorikos verehrt. Konon 7.
Zuerſt kommt Eos dabei auf ziemlich alten Vaſengemaͤlden vor.
(Tiſchbein 4, 12. Millin 2. pl. 34. Millingen Div. pl. 14.
die Sonne den Griechen hinter den Bergen der weſtlichen Inſel
Leukadia nieder.”
Παϱϑένικ S. 595.
Inſchr. v. Chaͤronea, Walpole Trav. p. 565. n. 33. Απολλωνος Δαφνα-
der Emend. ἐκ Τεγύϱας fuͤr Τανάγϱας. Fragm. inc. 14 Boͤckh.
Koropaͤiſche Apoll verehrt wurde. Nikand. Ther. 614. Stephanos
von Byzanz bringt ungehoͤrig Oropos und Orobiaͤ dazu. vgl. Plut.
Komment. Nik. Fragm. 2. S. 326 H. mit Wyttenb. Note. Hiero-
dulen des Apollon Neſiotes zu Chalia in der Inſchr. Chandler
Marm. Oxon. 2, 29, 2.
Boͤckh im Anhange zur Abhandlung uͤber die Midiana. Adhandl.
der Berliner Akad. 1818. S. 39.
vgl. Stanley zu Aeſch. Eum. 21.
Oed. T. 21. μαντείᾳ σποδῷ, Philochor. bei Schol. (S. 101. Sieb.)
demſelben, φϱυκτὸς Δελφοῖς κλῆϱος. Vgl. Boͤckh Explic. Pind.
O. 8, 2. und Plut. de frat. am. 21. Darauf gehen Φοίβου ἐσχά-
ϱαι Eurip. Phoͤn. 292.
pel. Pauſ. 9, 10. μαντίων ϑῶκος Pind. P. 11, 6.
Δελφίνιος genannt. S. Creuzer ad Nonni narr. in Meletemm.
T. 1. p. 93.
Thore. Pauſ. 9, 12, 1. Ob auch Ap. Boedromios, weiß man nicht
recht. Auch in dem Dorfe Kalydna bei Theben genoß er Verehrung.
Androtion bei Steph. Κάλυδνα.
1. S. 393.
folgenden gegeben ſind.
599. 614. Creuzer. Lydus de menss. p. 105. Darauf baut Baͤhr
de Apolline Patricio et Minerva Primigenia.
δὲν πϱοσήκων Ἐϱεχϑείδαις. Plutarch Theſ. 13.
wurde auch mit Poſeidon zugleich geopfert. S. Plut. Theſ. 36.
vgl. 23. gegen Ende, wo wahrſcheinlich zu ſchreiben iſt: ἐξῃϱέϑη
δὲ ϰαὶ τεμένη ΑΙΓΕΙ, wenn nichts ausgefallen iſt. — vgl. Har-
pokr. Αἰγεῖον. Hygin. Fb. 37.
1. S. 176.
der helle, ſtrahlende Gott, eine andere Form von ξανϑός. S. un-
ten K. 5.
und Philoch. (S. 28. Siebel.) vgl. Schol. Ariſt. Lyſiſtr. 58. Wesp.
1218. zu Eur. Hippolyt. 35.
Oed. Kol. 1102.
Orte eroberte. — Vgl. Barbie du Bocage histoire de la
bourgade d’Oenoë la sacrée hinter Stanhope’s Plan of Platäa.
nicht verſtandene Stelle des Philochoros a. O. iſt ſo zu ſchreiben:
ὅταν δὲ σημεῖα γένηται παϱαδεδομένα ἐν τοῖς ἱεϱοῖς, τότε ἀπο-
στέλλουσι τὴν ϑεωϱίαν οἱ ἐκ τοῦ γένους Πυϑιάδα καὶ Δηλιά-
δα, ὁποτέϱα ἂν καϑήκῃ αὐτοῖς, ϑύει δὲ ὁ μάντις, ὅταν μὲν
τὰ εἰς Δελφοὺς πόμπιμα γένηται (die Zeichen zur Sendung nach
Delph) καὶ ϑεωϱία πέμπηται (si in eo est ut mittatur), ἐν
Οἰνόῃ καϑ̛ ἑκάστην ἡμέϱαν ἐν τῷ Πυϑίῳ, εἰ δὲ εἰς Δῆλον ἀπο-
στέλλοιτο ἡ ϑεωϱία, κατὰ τὰ πϱοειϱημένα ϑύει ὁ μάντις εἰς τὸ
ἐν Μαϱαϑῶνι Δήλιον κ. τ. λ.
den Soloniſchen Geſetzen vor, Athen. 6, 234 e. Pythaiſten bei
Steph. Πυϑώ.
das Pythion Thuk. 2, 15. 6, 54. Iſaͤos R. 4. S. 113. R. 6. S.
187. Suid. Πύθιον. Suid. Heſych, Prov. ἐν Πυθίῳ.
thoontiſche Oenoë.
499. Heſych ἀστϱάπτει. Prov. ὅταν δἰ ῞Αϱματος.
Dodwell 2. S. 170.
δὲ οἱ Δόλογκοι τὴν ἱϱὴν ὁδὸν διὰ Φωκέων τε καὶ Βοιωτῶν
ἤϊσαν. καί σφεας ὡς οὐδεὶς ἐκάλεε, ἐκτ ϱάπονται ἐπ̛ Ἀϑη-
νέων.
τὸν καὶ σεβίζουσιν μέγα κελευθοποιοὶ παῖδες Ἡφαίστοε. vgl.
Ephoros bei Str. 9, 422 d. Ariſtid. Panath. Th. 1. S. 329. Vgl. Bd. 1.
S. 36. 188.
Serv. zur Aen. 6, 14. Die Leichenſpiele des Laïos haben erſt die
Dichter der Reiſe als Zweck untergeſchoben.
τιαίων bei Plut. Theſ. 16. Vgl. Qu. Gr. 35. Konon 25.
Th. 15. Diod. 4, 61. Ovid. 8, 171.
Eryſichthon ſollte das ξόανον mit Theorien nach Delos geſchickt
haben, Plut. Fragm. 10. S. 291 H.
10, 424 f.
Κϱητικά.
Theſeus Ap. und Artemis als Οὐλίοις. Pherekyd. bei Macrob, Sat.
1, 17. (59. S. 212 St.) vgl. Spanh. zu Kallim. Apoll. 40. 46.
Kranz 274. vgl. Ariſtot. bei Harpokr. Ἀπ. πατϱ. — Die Athener
hatten πατϱῴους ϑυσίας zu Delphi. Dem. Briefe S. 1481. Vgl.
uͤber Ap. Patroos Platner Beitr. S. 88. Baͤhr de Ap. Patricio
et Min. Primigenia. — Πατϱῷος wird erklaͤrt als πατὴϱ des
Jon; moͤglich daß er aber ſo heißt als Gott der πάτϱαι der Jo-
nier. — Ap. hieß auch Λεσχηνόϱιος (Plut. Εἰ 2. S. 217. Sui-
das) vielleicht als Vorſteher der 360 Leſchae der 360 Geſchlechter zu
Athen. Prokl. zu Heſiod Tage u. W. S. 116 Heinſ.
νῆται Ἀπ. πατϱ. καὶ Διὸς έϱκείου Dem. g. Eubulid. S. 1315,
15. Pollux 8, 85.
S. 404.
Schol. und Spanh. Harpokr. Βοηδϱόμια, Suid. Etym. M. βοη-
δϱομεῖν. — Darum ſprach der Polemarch im Lykeion, dem Hei-
ligthume des Ap. Lykeios, bei der Statue eines Wolfes Recht
Suid. ἄϱχων. Bekker Anecd. 1. S. 449. Heſych. ἐπιλύκιον (vgl.
Hudtwalcker Diaͤteten S. 14. Schoͤmann de sort. p. 42.) Λυ-
καμβὶς ἀϱχὴ des Polemarchen nach Kratinos, Heſych. — Ueber-
haupt aber waren alle Gerichtshoͤfe in Athen unter der Tutel des
λύκος, Apollon. Eratoſth. bei Harpkr. δεκάζων; Lexika und Paroͤ-
miogr. Λύκου δέκας, Etym. M. δεκάσαι.
τϱιος ἐξηγητής.
ΤΡΙΔΩΝ (ſonſt las man ϑυγατϱιδῶν) πατρίοις von der ἱκετῶν
κάθαϱσις handelte.
iſt noch hinzuzufuͤgen. Ein Nikias, S. des Nikeratos, holt den
Kretiſchen Epimenides nach Athen (Plut. Sol. 12. Diog. L. 1, 10,
3.), der juͤngere de Namens fuͤhrt die beruͤhmte Proceſſion nach
Delos, woraus vielleicht auf sacra patria des Ap. zu ſchließen. Die
Kynidaͤ verehrten den Ap. Kynios, Heſ. Etym. vgl. Suid. (auch
in Temnos, Polyb. 32, 25, 12. und vielleicht Korinth. Inſchr. bei
Pouquev. 4. S. 26. ΑΠΟΛΛΩΝΟΣ ΚϒΝΝΕΙ ....). Auf
das Lykeion bezieht ſich Lykos, Bruder des Aegeus, der auch Pro-
phet. Pauſ. 1, 19, 4. 10, 12, 6. vgl. Kallim. Fragm. 141. Bentl.
Tempel des Ap. auf Vgb. Zoſter (Ζωστὴϱ Απ. Bekk. Anecd. 1. p.
261. vgl. oben S. 223.), zu Acharnd, zu Diomeia Ap. Meta-
geitnios (Meurſ. Att. Lect. 1, 10.), Marathon (Suid. Μαϱ.), zu
Phlya Ap. Dionyſodotos, eine wunderliche Compoſition, Ἀπολλώ-
νεια zu Kikynna (Sch. Ariſt. Wolk. 134.), zu Phyle gegen Boͤo-
tien ein Daphnephorion §. 14. Ap. Daphnephoros zu Athen. Plut.
Themiſt. 15.
της. Auch Mantik dabei. Telefilla bei Pauſ. 2, 35, 2. 36, 5. Πυ-
ϑαεὺς und Κϱηταεὺς ſind Doriſche Formen; der Heros Pythaeus
iſt vom Gott nicht verſchieden. — Stadtgottheiten von Argos wa-
ren Zeus, Apollon, Herakles. Liv. 32, 23.
Sophokls, Heſych. Die Argiviſchen Muͤnzen mit dem Wolf gehen
darauf. vgl. Pauſ. 8, 40, 3. Auch hier ein Orakel, Plut. Pyrrh.
31. scr. ἡ τοῦ Λυκείου πϱοφῆτις Ἀπόλλωνος. Zu Argos auch
Ζ ωτεάτας Ἀπ. Heſych, Tempel der Leto. Pauſ. 2, 21.
man Fran. 35. 36. Herod. 1, 69. vgl. Baſt zu Gregor. Korinth.
S. 187 Zu Laked. nach Heſych Λυκιάδες κόϱαι τὸν ἀϱιϑμὸν
τϱιάκονα αἱ τὸ ὕδωϱ κομὶζουσαι εἰς τὸ Λύκειον (eine Art Hy-
drophore).
daſelbſt und eine Erzſtatue ſ. Pſ. Ariſtot. mirab. auscult. p. 59.
Pauſ. 2, 11, 2. Polyb. 17, 16, 2. Die Gruͤndungsſage von
Epopas hat nicht viel zu bedeuten. Die Pythien gruͤndete erſt
Kleiſtenes, Schol. Pind. N. 9, 49. 76. vgl. Boͤckh und Diſſen
Explc. p. 451. Ap. hatte dort eine ἱεϱὰ χώϱα, Polyb. a. O.
Liv. 32, 40.
pakts hatten ein Apollonion (Thuk. 2, 91.), und die Muͤnzen der
Siei. Meſſenier beweiſen denſelben Cult. Vgl. uͤber den alten
Temel zu Aepeia 4, 34, 4.
Akreas, P. 3, 12, 7. auf Thornax Pythaeus, 3, 11, 2. Heſych.
Θόϱκξ, vgl. Θοϱάτης. Ap. Maleates P. 3, 12, 8. gemeint Thuk.
7, 2. derſelbe Λιθήσιος Steph. Byz. Suid. s. v. vgl. P. 2, 27,
8.
Ζωτειστής.
Askl. Chandler Inscr. p. 82. Clarke p. 2. sct. 2. p. 604. Der
Tempel des Ap. Aegyptios iſt aus der Zeit des Antonine.
ein Pythion mit dem Thearion (ſ. Diſſen zu Pind. Nem. 3. S. 376.),
4, 4, 1. 33, 3. vgl. 5, 25, 1.
den Achaͤern zu Patraͤ, P. 7, 21, 4. Aegira 7, 26, 3. Vl. die
Sage von Bolina 7, 23, 3.
der Hydrophorien, Aeginet. p. 150. vgl. 135. 10) vgl. oben.
Die Pythia, nach Pauſ. 2, 32, 2. von Diomed gegruͤndet ſind
wahrſcheinlich ſpaͤter.
Megara V. 755.
ſatz, auf den ſich viele Mythen beziehn, vgl. P. 5, 2, 4. 6, 16, 2.
tempel zu Aegion und ſonſt.
μὲν δὴ παϱὰ Ἠλεἰοις Θέϱμιον καὶ αὐτῶ μοι παϱίστατο εἰκά-
ζειν, ὡς κατὰ Λτϑίδα γλῶσσαν εἴη Θέϱμιον. Ob. σπονδεῖος oder
ἐκεχείϱιος hier geſtanden? Auch der Ort der Panaͤtolien, Therma,
hat von dieſem, wahrſcheinlich Aetoliſch-Eleiſchen, Worte den Namen.
Ap. daſelbſt, Pol. 11, 4, 2.
Verbindung mit Kreta entſtand, auf die ſich der Name des Ἰδαῖον
ἄντϱον bei Olympia (Pind. O. 5, 42. Demetr. νεῶν διακόσμῳ in
den Schol. Boͤckh zu den Schol. und Explic. p. 150.) und die
Sage bezieht, daß Klymenos, ein Nachkomme des Idaͤiſchen He-
rakles, bald nach der Deukal. Fluth nach Piſa gekommen ſei und
dort Tempel gegruͤndet habe, Pauſ. 5, 8, 1. 6, 21, 5. 5, 14, 6.
Schol. P. O. 3, 39. ſpricht Tzetz. Lykophr. 41. — Vgl. auch
Wurm de ponderum etc. §. 90. p. 174.
de div. 1, 41. Ueber die Telliaden Herod. 9, 37. 8, 27.
6, 17, 4.
242. vgl. Pherek. bei den Schol.
vgl. noch Xenoph. Anab. Fabric. Biblioth. ed. Harles p. 137.
Alles aufs ſchoͤnſte zuſammengeſtellt.
Dodwell 2. p. 510. n. 5. vgl. Bd. 1. S. 496.
dem Homeriſchen Hymnus.
Aeſops Geſchichte und das Spruͤchwort: Δελφὸς ἀνὴϱ στέφανον
μὲν ἔχει, δίψει δ᾽ἀπὀλωλεν.
Andr. 1092.
Theſſaler verſprachen wenigſtens jedes Jahr dem Ap. Καταιβάτης
eine Hekatembe Maͤnner, Schol. Eur. Phoͤn. 1416. Zenob. Θεττα-
λῶν σόφισμα.
S. 1026. Apoſtol. 7, 37. Prov. Vatic. App. 3, 91. und Steph.
Boͤotien hatte Hierodulen. Marm. Oxon. 29, 2. — Eben ſo ſind
die Deliſchen Ἑκατηβελέταο ϑεϱάπναι (Hymn. V. 157.) derglei-
chen, wie der Chor der Phoͤniſſen. Beim Didymaͤon (Inſchr. in
Walpole Trav. p. 582.) kommen vor: οἱ πεϱι το μαντειον παν-
τες και οἱ το ἱεϱον κατοικουντες και οἱ πϱοσχωϱοι. Knaben als
Beute hingeſandt, Konon 44.
1299. ἱεϱὸν τὸ σῶμα τῷ ϑεῷ δίδωμ᾽ ἔχειν.
4, 66. Pauſ. 7, 3, 1. vgl. K. 2. §. 7.
de iſt.
Suidas δόϱυ κηϱυκεῖον. Bd. 1. S. 118.
Xenoph. Hell. 6, 3. u. 5. ἐλπὶς δεκατευϑῆναι τὸ πάλαι λεγόμε-
νον Θηβαίους. Nicht etwa die Guͤter, ſondern ſie ſelbſt.
oben S. 42. N. 2. Etym. M. 154, 7.
vgl. Diod. 4, 37.
Πλατανίστιος. Vgl. uͤber Dryoper als Apollsdiener Pauſ. 4, 34, 6.
Tz. Lyk. 480. Proh. Virg. G. 3, 7. Anton. Lih. 32. Etym. M.
lung des Parthen. Erot. 5. ſind dieſe δεκατευϑέντες ἐκ Φεϱῶν ὑπ̕
Ἀδμήτου, und haben zum Anfuͤhrer einen Lykier Leukippos. Str.
14, 647. dreht die Sache um: Δελφῶν ἀπόγονοι, τῶν ἐποικησάν-
των τὰ Δίδυμα ὄϱη (bei Pheraͤ, Orchom. S. 192.) ἐν Θετταλίᾳ.
Das nach Platons Dichtung erneuerte Magneſia weihet dem Ap.
und Helios κατὰ τὸν παλαιὸν νόμον drei Maͤnner als ἀκϱοϑί-
νιον. 12, 945. S. ſonſt Apollod. Fragm. S. 386. Konon 29.
Varro 3. rer. hum. bei Prob. zu Virg. Ecl. 6. Kreter im Aſiat.
Magneſia Str. 14, 636. Sch. Apollon. 1, 584.
in den Meſſeniſchen Wohnſitzen nach Pauſ. — Nach Konon 29
ſandten ſie nach der Ruͤckkehr von Troja eine δεκάτη.
ſia.
ληνων ὁτι οἱ πϱος τῳ Μαιανδϱῳ ποταμῳ αποικοι απο των εν
Θεσσαλιᾳ πϱωτοι Ἑλληνων εκπεμφϑεντες εις την Ασιαν και κα-
τοικησαντες συν αγαϑῃ τυχῃ και πολλακις Ιωσι και Δωϱιευσι και
τοις .... Αιολευσι τιμηϑεντες κ. τ. λ. vgl. beſonders Konon
a. O.
Deliaka ebd.
Ap. 1., auch die Muͤnztypen (Apollo supra Maeandrum stans).
Apollonia bei Magneſia.
tes Lykophr. 447. wo Tzetz. verworren. Ap. Hylates zu Amamaſſos
auf Cypern. Steph. B. s. v. Bei Athen. 15, 672 e. muß
man fuͤr ῞ϒβλα ῞ϒΛΑΙ corrigiren. Iſt Hiera Kome, Liv. 38, 12.
13., derſelbe Ort? — Auch Magneſia am Sipylos verehrte den
Apoll, τὸν ἐν Πάνδοις Marm. Oxon. 26. 85.
202. — Ueber die Gruͤndung von Magneſia noch Ruhnk. zu Vel-
lej. 1, 4. Kanne zu Konon 29. Raoul-Roch. 2. S. 387.
260 c. Antig. Karyſt. 1): ἱεϱοὺς εἶναι τοῦ ϑεοῦ τοὺς πϱογό-
νους αὐτοῦ, καὶ τὴν ἀποικίαν ἐνϑένδε ἐστάλθαι. vgl. 6, 257 d.
Creuzer Frgm. Xanth. S. 373. cf. p. 178.
lutionen in den 7 Fluͤſſen, dem heil. Lorbeer u. ſ. w. Varro bei
Prob. Praef. ad Virg. Ecl. vgl. Hermanns inhaltreiches Pro-
gramm de Aeschyli Glaucis.
von Rhegion haben Apollok., Lyra, Tripus, Cortina.
Epigr. 41, 2. gegruͤndet von Akriſios dem Pelasger, von dem darum
auch die Amphiktyonie ſelbſt abgeleitet wird.
3, 1. Liv. 39, 24. vgl. Plut. def. orac. 14.
die Agonen dabei Herod. 1, 144.
Nymphen gehoͤren zu den Triopiſchen Goͤttern. Schol. Theokr. 17,
69. Vgl. Boͤckh zu Schol. Pind. P. 2, 27. S. 314. Ueber Ap.
Cult zu Halikarnaß ſ. die Inſchr. bei L. Guilford (Walpole Trav.
p. 576.) Ap. Telchinios zu Lindos (ſ. Meurs. Rhod.) zu Kamei-
ros ἀειγεννήτης und ἐπιμήλιος, Macr. Sat. 1, 17., auf Anaphe
Ap. Aegletes, Aeginet. p. 170 n. a. vgl. oben S. 105, 9.
die Panegyris, und in einer Teniſchen Inſchr. (Britt. Muſ. 15,
231. Dodwell 2. S. 518.) wird ein Buͤrger geruͤhmt, daß er eine
θεαϱοδοκία fuͤr die Delier hatte hauen laſſen.
Ilithyia S. 29.
wie von Delos; auch der Name erinnert an den B. Kynthos
(Hemſterh. zu Ariſt. Plut. p. 311.).
B. Vgl. die Muͤnzen.
1, 6. Athen. 10, 456 e. Wahrſcheinlich ein Δήλιον nach Diſſen
Explic. p. 484. Πύθια daſelbſt, Anton. Lib. 1. Von den Feſt-
choͤren dieſes Cultus wird Broͤndſtedts Keos durch Inſchr. Auſſchluß
geben (Ἐϱμῆς λόγιος 1819. p. 48.). Smintheion bei Koreſſia, und
Poͤeſſa, Str. 10, 486.
Ποίμνιος Makr. S. 1, 17. Δήλιον auf Naxos. Ariſtot. bei Plut.
Virt. mul. p. 289. H. Parthen. Erot. 9. vgl. Obss. Misc. Bat.
V. 7. p. 24. Andere Joniſche Tempel des Ap. Der Pythaeus
auf Samos, Pauſ. 2, 31. Athenag. leg. 15. Diod. 1, 98.
Jambl. Pyth. 2., ſtammt von Argos, wie andere Samiſche Sacra.
Vgl. Phanaͤ auf Chios Str. 14, 645. Steph. Byz. Achaͤos Om-
phale bei Heſych. Plut. de Ei 2, 21. vgl. Cic. Verr. 5, 72. Auf
Euboͤa: der T. zu Tamynaͤ bei Eretria angeblich von dem Phe-
raͤer Admetos gegruͤndet, Str. 10, 447. Simonides der Lyriker
bei Harpkr. Ταμ. Photios S. 418. aus Euboicis. Ap. Salganeus
Steph. B. s. v. Μαντεῖον des Ap. Selinuntios zu Orobiaͤ, Thuk.
3, 89. Str. 445. Μαϱμάϱινος bei Karyſtos, Str. 446. zu Chal-
kis Delphinios, Plut. Flamin. 16. die Muͤnzen.
S. 126. und Jambl. Pythag. 10.
178. mit Creuzer Symb. 2. S. 200. Der Vogel auf den Muͤnzen
iſt kein Adler, ſondern ein Rabe, (Mionnet Descr. pl. 60.) den
comes tripodum.
Ausc. 1098 e. Juſtin. 20, 1. Etymol. M. Ἀλαῖος.
Str. 6, 265 c.
auf dem Markt von Metap. neben dem Bilde Apollons Herod. 4,
15. einen ehernen Lorbeer ebend. Athen. 13, 605 c. T. Apolls,
Plut. de Ei 8.
Dienſt merkwuͤrdig, deſſen alte Muͤnzen (vgl. S. 6. N. 1.) den
Ap. Daphnephoros, oder als Bogenſchuͤtz, nebſt dem Hirſch zeigen.
von Tauromenium u. Enna. (Vgl. uͤber Ap. Archag. Aegin. p.
150. Auch zu Hierapolis in Kleinaſien in einer Inſchr. des Cod.
Sherard.) Sonſt in Sicilien: T. des Ap. Temenites Pythios
zu Syrakus, Cic. Verr. 4, 53. Steph. Συϱακ. vgl. Ael. V. G.
1, 18. Letronne Topogr. de Syrac. p. 26. Goͤller de Syrac.
p. 59. — zu Gela Coloß des Ap. vor der Stadt, Timaͤos bei
Diod. 13, 107. — Sacra der Erbitaͤer und ihrer Colonie Alaͤſa,
Diod. 14, 16. Auf Lilybaͤon nach Muͤnzen, Ap. Libyſtios bei Pachy-
num, Macr. Sat. 1, 17. Monat Dalios in Sicil. Caſtelli Proll.
73.
de Pyth. or. 6. p. 273. Auch in Myrina in Aeolis.
ſteph. Schol. Apoll. 2, 953. Diod. 4, 71.
δόκος, 10, 23, 3. wegen Herodots Λαοδίκη. Her. 8, 39. nennt bei
einem aͤhnlichen Kampfe die einheimiſchen Heroen Phylakosund
Autonoos.
Or. 14, 10. damit ſtimmt Cicero N. D. 3, 23. vgl. Heindorf.
Auf daſſelbe Gedicht bezieht ſich vielleicht Plut. de mus. 14. δῆλον
ἐκ τῶν χοϱῶν καὶ τῶν ϑυσιῶν, ἃς πϱοσῆγον μετ̕ αὐλῶν τῷ
ϑεῷ, καϑάπεϱ ἄλλοι τε καὶ Ἀλκαῖος ἔν τινι τῶν ὕμνων ἱστοϱεῖ.
ἐς Ἀπόλλωνα citirt, daß Kaſtalia ein Geſchenk des Kephiſſos ſei.
kaërge von den Hyperboreern in Achaia und Delos, P. 5, 7, 4.
Boͤttigers ſinnreiche Deutung auf Triptolemos, unterſtuͤtzt durch
Vergleichung der Poniatowskyfchen Vaſe, wird widerlegt durch
Tiſchb. 4, 8. vgl. 9. und Hancarville T. 3. pl. 128. Die Vaſe
bei Millin 1, 46. zeigt Ap. Daphnephoros von einem Hyperboreer
im Arimaspen-Coſtuͤm begleitet.
ſchen Briefen B. 2. Br. 11. 12. 13. gelehrt wird, auf welche im
Folgenden manche Bezuͤge vorkommen.
Apollons Kyknos bei Anton. Lib. 12.
aus einem angeblichen Orakel einer Weiſſagerin Aſteria, daß von
den Hyperboreern die Bewohner und Prieſter von Delos gekommen
ſeien.
Karyſt. 61. S. 111. Veckm. Schol. Apoll. 2, 124.
4, 35. Opis und Hekaergos nach Pſ. Platon Axioch. 371 a. Serv.
Aen. 11, 858. — Daß die ϑήκη dieſer Jungfrauen πϱὸς ἠῶ τε-
τϱαμμένη war, zeigt daß ſie aus Kretiſcher Zeit iſt, da die Dorier
ihre Todten gegen O., die Jonier gegen W. legten.
Porphyr. de abstin. 2, 19. vgl. Rhoer zur Stelle und Spanh.
Kallim. Del. 283.
vgl. Plin. H. N. 4, 26. Mela 3, 5. — Salmaſ. haͤlt die Gaben
fuͤr ϑυμάτων ἀπαϱχαὶ, prosiciae hostiarum, nach Mela, aber
es ſind ohne Zweifel primitiae frugum, Excerc. Plin. p. 147.
2. einen ganz andern nennt, der Attika beruͤhrt, wo auch Ge-
braͤuche oder Heiligthuͤmer, τὰ ἐξ ᾽ϒπεϱβοϱέων waren. Chryſoſt.
Epist. ad Tit. Rom. 3. T. XI. p. 744 e. Montfaucon. S. unten
§. 6.
kommt er im Fruͤhjahr.
von Chalkedon bei Vaillant und Theupoli. Den Commentar giebt
Kallim. Apoll v. Auf.
Petrop. T. 11. p. 334., der uͤberhaupt die noͤrdlichen Griechen am
Pontos und Adriat. Meer darunter verſteht; die Etrusker von Spi-
na Voß mit Beziehung auf Dion. Hal. Arch. 1, 18.
O. 8, 47. ſcheint die Vorſtellung etwas anders.
Hygin 154. Vielleicht aber auch erſt Pherekydes.
zu Virg. Landbau 2. S. 381. Weltkunde (Jenaer LZ. Quartal 2.
S. 20. 29 ff.); uͤber die Greiſe (ebd. Qu. 4.), deſſen Meinungen
Uckert Geogr. 2. S. 237. gaͤnzlich beitritt.
beerwald der Inſel Erytheia gegenuͤber, wahrſcheinlich traf He-
takles da die Hyperb. vgl. Apollod. 2, 5, 11.
mythol. Br. 2. S. 151. Die heilige Alpenſtraße bei Ariſtot. Mi-
rab. Ausc. p. 706. Caſaub. iſt eine daraus abgeleitete Dichtung.
δονες. Steph. B. s. v. Ἰσσηδ. Er erwaͤhnt auch ſchon die Rhi-
paͤen, Schol. Soph. Oed. Kol. 1312.
78. p. 47. Hudſ.
tend (χϱυσ. ϑέϱος) mit einem Pfeil im Schnabel (vgl. die Fabel
von Abaris).
ſo viel wir wiſſen, in der Kunſt vor, an dem Keſſel, den die Samier
Ol. 38. in ihr Heraͤon weihten; dann in dem Hofe des Skythiſchen
Koͤnigs, Her. 4, 79. — Vgl. uͤber die Kunſtdarſtellungen beſon-
ders Millin Mon. ined. T. 2. p. 129. Boͤttiger im N. Teutſchen
Merkur 1792. T. 2. N. 6. S. 143. Rhode’s Anſicht: “die heil.
Sage der Perſer”, S. 226. ſcheint mir nicht ganz vom rechten
Standpunkte gefaßt.
Damaſtes S. 48.
Hellanikos bei Klem. Al. Str. 1. S. 305. Sturz S. 132. Spaͤtere
Zeugen fuͤr daſſelbe uͤbergehe ich.
len geben den Beweis. Des Antimachos S. 111. Schellenb. und
vielleicht des Pherenikos von Herakleia (Sch. Pind. O. 3, 28. vgl.
Sch. Kall. Del. 291.) Identificirung der Hyperboreer und Arimas-
pen iſt kein Gegenbeweis.
πέϱι ἀνϑϱώπων οὔτέ τι Σκύϑαι λέγουσι — ὡς πεϱὶ μουνοφϑάλ-
μων λέγουσι.
bemerke ich, daß Voß, auch von Uckert angenommene, Conjectur,
Κυνήτης fuͤr Κισϑήνης, genugſam widerlegt wird durch den Vers
des Kratinos bei Harpokr. Κισϑήνη
p. 1038 b. Aeſchyl. Choeph. 371.
ϱέων κομιζόμενα, ὡς ἀεὶ ἐν ὑπαίθϱῳ τιϑέμενα. vgl. Kratinos
bei Heſych. Lex. Bekk. p. 355. vgl. Classical Journ. N. 12.
p. 369.
frgm. p. 85. Dieſer Hekataͤos glaubte noch an die geographiſche
Exiſtenz der Hyperboreer, Sch. Apoll. 2, 675. Steph. B. Καϱαμ-
βύκαι.
̓ν Ἀπόλλωνο bei Anton. Lib. 20. Tzetz. Chil. 7, 144. V. 677.
(vgl. Brunk Anal. T. 2. p. 525.) Gesner Comt. Soc. Gotting.
T. 2. p. 33.
ſik Schol. Pind. N. 5, 42. Prokl. Chreſtom. (p. 382, 13. bei
Gaisfords Hephaͤſtion).
vgl. Schol. Apoll. 2, 500. Athenag. depr. 14. wo fuͤr Χῖοι Κεῖοι
zu ſchr.
(Pauſ. 8, 38, 2.) iſt urſpruͤnglich der Nomios.
1, 57, 130. aus Herakl. Pont. — Auf den Muͤnzen von Keos u.
der St. Karthaͤa daſ. ſieht man den baͤrtigen Kopf des Ariſtaͤos,
und ein großes Geſtirn, entw. allein oder die Protome eines Hun-
des umgebend, offenbar den Sirius. Wie kann nun aber Payne
Knight Symbol. lang. §. 124. (und mit ihm Creuzer 2. S. 134.)
hierin ein Symbol des Ap. Lykios ſehn? Soll etwa Apoll zugleich
ein Sirius ſein?
Pherek. Sturz 32. S. 159.
13, 7. emd. Orchom. S. 347, 1. Ueber Ap. Agreus ſ. Aeſchyl. bei
Plut. Erot. 14. vgl. Pauſ. 1, 41.; er iſt Ariſtaͤos; Apollod. (bei
Heſych Ἀγϱεύς) erklaͤrt ihn fuͤr einen Attiſchen Pan. vgl. Liebe
Gotha num. p. 309. Ἔναγϱος Ἀπ. ἐν Σίφνῳ Heſych.
Ap. 2, 514. vgl. Schol. Il. 2, 766. — Nach dem Hom. Hymn.
auf Hermes weidete einſt Ap. mit dem ῥάβδος τϱιπέτηλος (vgl.
Euſt. zu Il. 24, 343.) die Goͤtterheerden, aber gab die βουκολίας
an Hermes ab. Wie dieſer epiſche Hymnus ſich zu dem μέλος des
Alkaͤos uͤber Hermes Geburt und Rinderraub (Pauſ. 7, 20, 2. Me-
nand. de encom. 7. p. 48. Horaz Carm. 1, 10.) verhaͤlt, iſt
noch nicht deutlich. Den letztern erzaͤhlten auch die Eoͤen (Anton.
Lib. 23.).
thag. §. 16. Cyrill gegen Julian S. 342. Creuzer in den Studien
Bd. 2, S. 277.
mios iſt nach dem Theokr. Gedichte 25, 20. der Oleaſter heilig,
und man hielt ihn fuͤr Urheber einer Art Epilepſie. Hippokr. de
morbo sacro p. 303.
von Ap. Aegletes ſagen.
Daktyliothek 1. S. 62. N. 145. — Bisweilen findet ſich auf
Muͤnzen auch nur ein Getreidekorn bei Apolliniſchen Inſignien.
S. Hephaͤſtia, Abdera.
Zoſim. 1, 57.
A. 12, 15.
a. O. Tzetz. Lyk. V. 1302. Auf der Hand traͤgt Ap. die Maus auf
einer Muͤnze Hadrians von Alex. Troas, Mionn. 2. p. 644. Das
Vaſengemaͤlde Tiſchb. 2, 17. bezieht ſich wohl auf die heiligen Maͤuſe
eines Smintheions, von denen Heraklid. Pont. bei Str. — Nach
Pollux 9, 6, 84. hatten die Argeier eine Maus auf den Muͤnzen
(als Inſigne Apolls); Eckhel hat keine der Art, aber das Kabinet
Payne Knights eine ſehr kleine alte Goldmuͤnze mit dem Typus.
In Allier de Hauteroche’s Cabinet zeigt ein Nicolo transparent den
auf einer Kithar ſitzenden Raben des Apoll, der im Schnabel eine
Maus beim Schwanze haͤlt.
Schwencks etym. mythol. Andeutungen S. 341.
Ariſt. ̔ππ. 725. vgl. oben S. 258.
258.
Fragm. 4. 5. S. 288. 89. H.
de Pyth. or. 12. Symp. Qu. 3, 10.
46, 2.) iſt ſchwerlich ein Ἥλιος.
(Pauſ. 2, 30, 6.) iſt wohl ein Jahresgott und dann die Sonne,
aber ὥϱα und der Aegyptiſche Horus ſind wohl ſchwerlich von dem-
ſelben Sprachſtamme!
371 a. vgl. Aeſchyl. Perſ. 206.
jetzt in ihrem Zuſammenhange in dem aus dem Pariſer Mſpt. her-
ausgegebenen Fragment.
Lehre folgten Apollodor (Makr. 1, 17.) und Philochoros, nach dem
unter den Tritopatoren ein Helios-Apollon war. Fragm. S. 11,
auch Strab. 14, 655.
blos die folgende Erzaͤhlung. vgl. Timotheos π. κοσμοποιίας bei
Euſeb. Scalig. S. 4.
wirklich vorhandenen Sonnendienſt der Thraker. Sophokles Tereus
bei Schol. Il. 15, 705.
nengott behandeln, ein Fragm. bei Jo. Diaconus und ein Hymnus,
gehoͤren zum Spaͤteſten. Das Sihylliniſche Orakel bei Zoſim. 2,
uns dunkelen Bezuge, wie der πατϱῷος, den die Orphiker bei
Macr. 1, 17. auch progenitor im Allgemeinen deuteten.
wuͤrdig iſt Sophokles Ausdruck, Oedip. Tyr. 1103., ἤ τις ϑυγάτηϱ
Αοξίου.
ſpaͤt der ſeltſame Hymnus, Brunk Anal. 2. p. 518. Auch
ſind die Muͤnzen, wo Ap. Radien um das Haupt hat, ſo viel ich
finde, alle erſt aus der Kaiſerzeit.
man. p. 89. Creuzer Symb. 3. S. 166.
toͤdtet Artemis fuͤr ihn, wie bei Pind. P. 3, 10. Vgl. uͤber Ap.
und Art. als Todesgoͤtter Naſt Opuscc. lat. P. 2. 11. 12. p. 293 sqq.
Pind. P. 4, 86.
21, 464. vgl. 24, 40. ᾥ οὕτ̕ ἄϱ φϱένες εἰσὶν ἐναίσιμοι.
pia. Auch zu Delphi als πύκτης, zu Sparta und in Kreta δϱο-
μαῖος. Plut. Qu. Symp. 8, 4. p. 362.
Sophokl. Oed. Kol. 1091. Daher zaͤhmt Ap. die Kaſtoriſchen
Hunde, Pollux 5, 5, 39. Daß Ap. Agreus auch mit Ariſtaͤos
zuſammenfaͤllt, ſ. S. 282.
17.
Kratyl. 405. und Eurip. Phaeth. a. O.
1, 43, 7. Anthol. Palat. 7, 154. Auf einer Muͤnze von Pruſia
hat Ap. eine [Peitſche] in der Hand, (Mionnet Descr. 2. p. 482.)
des Cod. Sherard. heißen dieſe Strafgelder ἱεϱαὶ δϱαχμαί.
suav. 23. p. 124. Vielleicht gehoͤrt auch der Phileſios hieher.
30, 2. 41, 5.
conti Pio-Clement. 1. p. 27.
ſchr. bei Walpole Trav. p. 547. n. 38. Stuart Antiq. of Ath.
T. 1. p. 25. Πϱοστάτης in den Pont. Colonieen, oben S. 225.
Vgl. Soph. Trach. 208. und Hermanns Anm. S. 45. Als πϱο-
στατήϱιος wird er um Abwendung naͤchtlicher δείματα gebeten,
Elektra 638. Im Ajax 187. wendet er Geiſtesverwirrung, bei Eu-
rip. Herc. fur. 821. die Furie ab. — Πύϑιοι καὶ Σωτήϱιοι
ϑεοί Delph. Inſchr. Cyriac. 196. p. 27. Murat. p. 589.
Pind. P. 5, 63. vgl. 4, 270. Ariſtoph. Plut. 8. Soph. Oed.
Tyr. 149. Kallim. Apoll. 72. vgl. indeß Il. 16, 527. Λοίμιος
Milet bei Macr. 1, 17. vgl. Spanh. zu Call. Apoll. 40. 46. Str.
14, 635,
401. 899. mit Schol. Villoiſ. vgl. Od. 4, 232. Ariſtarch hielt
Ap. und Paͤon auch bei Homer fuͤr identiſch, doch unterſcheidet noch
Heſiod in dem Frgm. bei Euſt. Od. 4, 282. p. 1493. Schol. min.
ad l. l. vgl. Hemſterh. bei Gaisf. Poëtae Gr. min. p. 551., und
vielleicht noch Solon bei Brunk Anal. 1. p. 67. — Paͤon wuchs ſo
mit Asklepios zuſammen, vgl. die Sage Bd. 1. S. 201. N. 3.
̓Ιατϱὸς Tz. Lyk. 1206. S. uͤber dies Thema beſonders Millin
Mon. ined. T. 2. p. 90. auch Sprengel Seſch. der Medicin 1, 164.
dars Paͤan in den Frgm.
τῷ Ἀπ. κ. τῇ Ἀϱτέμιδι.
dem Paͤan verwandtes Chorlied angekuͤndigt: Φοῖβος — σωτήϱ
ϑ̕ἵκοιτο καὶ νόσου παυστήϱιος. vgl. Schol. zu V. 174. und
Suid. ἰηΐων.
Gegenſatze, Eurip. Iph. T. 183. Der Thanatos erhaͤlt keinen
Paͤan, Aeſchyl. Niobe Frgm. 5. Paͤanen des Hades, der Erinnyen
u. f. w. ſind ein Oxymoron. S. Monk zu Eur. Alkeſtis 436.
Thermopylen-Schlacht. Etym. M. 243, 4. Ap. und Artemis Sie-
gesgottheiten, Sophokl. Trach. 207.
Iliad. 10, 391.
Athen. 14, 701 c. Duris bei Erym. M. Ἰήἳε. Ἰἡ iſt uͤbrigens
gewiß nur ὀλολυγμὸς; (Schol. Soph. Oed. T. 154.) Ap. heißt
bei der Sponde vor, Plut. Theſ. 22. wo σπένδοντες zu ſchr.
Stob. Serm. 121. vgl. Hermann uͤber das Weſen d. M. S. 108.
das Megarika bei Schol. Ariſt. Wesp. 810. Harpokr. In Tegea
von Sparta aus, Pauſ. 8, 53, 1. 2.
Hor. Carm. 4, 6, 28. ex responso sui (Pythii) oraculi in viis
publicis urbis suae Athenienses statutis altaribus sacrificare
Apollodor bei Macr. Sat. 1, 17., nach Aa. vom Heilen oder Sen-
den,) wovon ἤϊος (Il. 15, 365. 20, 152. Hymn. 1, 120.) vielleicht
nuv eine Synekphoneſis iſt, da auch ἰή beim Kallim. und Theokr.
einſilbig vorkommt. Vgl. uͤbrigens Ilgen ad Hymn. Hom. p. 230.
Phoͤn. 634. Harpokr. Heſych. Helladios bei Phot. C. 279. p. 1596. Plaut.
Mercat. 4, 1, 9. Steph. B. s. v. ἀγυιά. ſonſt Everh. Otto de
diis vialibus und Zoëga de obeliscis p. 210. — Der Agyieus
kommt ſehr oft auf Muͤnzen anſtatt anderer Apollin. Inſignien vor,
ohne daß ihn die Numismatiker bis jetzt erkannt haben; ich finde
ihn auf denen von Apollonia in Epeiros, Aptera in Kreta, Megara,
Byzanz, Orikos, Ambrakia, wo er mit Taͤnien umwunden iſt.
O. und den Engliſchen Stephanus 1, 6. p. 1048.
186. (worauf ſich Euſt. Il. p. 166. Rom. bezieht).
ſterh. zu Heſych. Θάβακον. Koen zu Gregor. Korinth. S. 354. Sch.
βέλα ἥλιος καὶ αὐγή bei den Lakonen nach Heſych.
ſcherzhafte Etymologie Platons von πολεῖν, und die alberne von ἀ-
πολύς bei Cic. N. D. 2, 27. Plut. Ei 9. S. 228. (weil Ap. τὸ
ἓν ſei, de Iside 76. p. 207.) vgl. Macr. Sat. 1, 17. und andere
beim Etym. M. erlaͤßt man uns zu wuͤrdigen.
S. 152. 264.
S. 12.
243. de exilio 17. S. 386. Apollo sanctus, Cic. Tusc. 4, 34.
Montfaucon. T. 1. pl. 52. 11. 10. — Φοιβονομεῖσϑαι ſagte
man von den Theſſal. Weiſſagern, wenn ſie an den ἀποφϱάδες
ἡμέϱαι einzeln lebten, Plut. Ei 20. S. 243.
def. or. 21.
ὕδωϱ Apollon. Lex. Lykophr. 1009.
ced.
V. 696.
λοιβαὶ νεκύων φϑιμένων ἀοιδαὶ ἃς ὁ χϱυσοκόμας Ἀπόλλων οὐκ
ἐνδέχεται, was Hermann in Eurip. Suppl. 999. aufgenommen.
Plut. Perikl. 21.
S. 245, 3. Ueber die Heiligkeit des Wolfs daſelbſt Schol. Apoll. 2,
124.
de sol. 9. p. 155 H. Heſych λυκοκτόνος. — Pauſ. 2, 9, 7.
Ap. Ἱυπαιεύς, Geiergott, Konon 35.
1266. und Sophokl. Oed. T. 203. Λύκει̕ ἄναξ τὰ σὰ βέλεα. In
milderem Sinne Aeſch. Ἰκετ. 694. Soph. Oed. T. 920. u. Elektra
656., in welcher Tragoͤdie er uͤberhaupt als der durchweg waltende
Gott auf die erhabenſte und ergreifendſte Weiſe erſcheint. S. be-
ſonders V. 1379.
Creuzer Comment. Herodot. 1, 417 ff.
vgl. Heyne.
die Erkl. Auch, daß mehrere Tempel des Ap. auf Vorgeb. Leukaͤ,
Leukatas liegen.
A. 4, 4. Apoſtol. 12, 18. vgl. oben S. 271, 2.
21.
lic. lang. §. 124. Gail Philologue T. 1. p. 300. (vgl. Boiſſonade
in Millins Magazin encyclop. T. 118. p. 346.), wo Λοξίας mit
Λυκεῖος in Verbindung gebracht iſt. Ich glaube, daß Λοξίας zu-
erſt die ſchraͤge Stellung des Bogenſchuͤtzen, der ſtets λοξὰ ὄμμα-
τα hat, bezeichnet.
Pandaros im Idaͤiſchen Lykien.
16, 12, 7. Plut. Qu. Gr. 39. S. 398. H. Pauſ. 8, 38, 5
Ueber das Abaton vergl. Amphis bei Hygin Poet. Astr. 2, 1. p.
35. vgl. 4. p. 362 M. Auf Sonnendienſt deuten die beiden Saͤu-
len nach Aufgang bei Pauſ. Den Lykaͤiſchen Zeus nennt Achaͤos in
den Azanen (Schol. Eurip. Or. 383.) ἀστεϱωπός.
Delphi, Xenoph. Anab. 5, 9, 22. Ζ. εὔυπνος daſelbſt, Heſych.
nicht die Moͤglichkeit, daß dieſer Eloos mit dem El oder Eloha
des Volkes Iſraël urſpruͤnglich eins ſei, aber wir verlieren uns da-
durch in ein Gebiet der dunkelſten Ahnung.
Soph. Oed. K. 791. Sophokl. El. 660.
p. 383. Potter.
nahme der Meſſenier ſ. oben S. 136, 2. Von der Geburtsſtaͤtte zu Te-
gyra S. 234. Auch zu Amphigeneia in Triphylien ſollte Ap. ge-
beren ſein, Steph. B. Tempel der Leto daſelbſt. Str. 8, 349.
Antimach. 78. S. 111. Schell.
tarch bei Euſeb. Pr. Ev. 3, 1. Euſt. zu Il. 1. S. 22. Od. 20.
S. 722. Baſ. Aber Sophokl. Trach. 95. beweist nichts.
κείω Kanne Mythol. (Κοῖος und Ἠλέκτϱα Fluͤſſe nebeneinander,
Pauſ. 4, 33, 6.). Die Ableitungen von κοέω ſ. v. a. νοέω, und
κοῖος, Makedon. Zahl, paſſen weniger. — Latona Poli f. Hygin.
1. 140.
τοι τὴν Τένεδον κατοικἠσαντες.
645. Hrpkr.
dem Erdbeben Ol. 72, 3. (Herod. 6, 98.) geſchrieben ſein: dadurch
beſtaͤtigt ſich die Behauptung Diſſens, daß es Iſthm. 1, 4. nicht
gemeint ſei, da dies Gedicht, wie derſelbe Kritiker zeigt, nach Ol.
80, 3. geſchrieben iſt. Herodot aber hat wieder von dem Erdbeben
bei Ausbruch des Pelop. Krieges (Thuk. 2, 8.) keine Kunde mehr;
und Thuk. a. O. hatte von dem erſtern, aͤlteren als er ſelbſt, nichts
gehoͤrt, und den Herodot nicht geleſen. Sonſt vgl. Mucian bei
Plin. 4, 12. Ariſtid. Or. 6. p. 77, 78. Spanheim a. O. zu
V. 11. u. Aa.
Herod. 4, 2. Daß Olen die Eileithyia zur Pepromene machen, iſt
nur Schluß des Pauſ.
gener. anim. 2, 1. aus Orphikern: ὁμοίως τὸ ζῶον τῆ τοῦ δικτύου
πλοκῆ γίγνεται.
der Inſel bei Choiſeul Gouff. Voy. pittor. T. 1. pl. 31.
Aeſchylos Eum. 9. vgl. Schuͤtz. Theognis V. 7. Herod. 2, 170.
Eurip. Jon. 169. Iphig. T. 1105. Kallim. auf Ap. 59. auf
Delos 261.
Eurip. Jon 932. Aelian V. H. 5, 4. Hygin. f. 53. 140. Ca-
tull 34, 8. Die Palme zur Bezeichnung des Lokals von Delos auf
Vaſengemaͤlden. S. Tiſchbein 1, 24. 2, 12.
Hygin fb. 247.
Eurip. Iph. Taur. 1252. Macrob. Sat. 1, 17.
von Soli bei Athen. 15, 701 c. Duris beim Etym. M. Ἰήϊε,
wo ἥλιον fuͤr Ἀπόλλωνα durch Abbreviatur verſchrieben iſt, vgl.
Baſt zu Gregor. Kor. S. 834. und die Anfuͤhrungen von Weichert
uͤber Apollon. S. 50. — Dieſer Sage folgt das Vaſengemaͤlde
Tiſchbein 3, 4. Die Platane kommt noch b. Theophr. H. Pl. 4, 13.
Plin. H. N. 16, 44. und in einem Relief der Villa Albani (Zoëga
de Obeliscis p. 212.) vor.
ἑκατηβόλος.
fb. 140.
Τοξὶου βοῦνος, ein Grabhuͤgel des Python in einer Schlucht bei
Delphi, der auch nach Sikyon verſetzt wurde. Pauſ. 2, 7, 7.
P. 441. Tz. Lok. 208. Eine ἡμίϑηϱ κόϱη nach Spaͤtern bei Apolld.
1, 6, 3.
auch Delphi Βέλφοι, Etym. 196, 54., wahrſcheinlich alſo auch
δελφὺς — βελφύς. (Anders Lennep Etymol. p. 172).
zer 2. S. 602.
In Bezug auf ihn ſind auch Delphine auf Muͤnzen von Delphi.
Boſſet Essai sur les medailles de Cephal. et d’Ithaque pl. 5.
gend iſt das Symbol des Bocks oder der Ziege, da Αἲξ ein Kind
des Python heißt (Plutarch Qu. Gr. 12.) womit wieder
ein Fl. Αἰγᾶς und das πεδίον Αἰγαῖον bei Delph (Heſiod. bei
Steph. B.) und der Ὀμφαλὸς Αἰγαῖος, Heſych, in Verbindung
ſtehn. vgl. Pauſ. 10, 11, 4. und Diod. S. 15, 26. Auch auf
Kreta zu Elyros (ſ. oben S. 208.) und Tyliſſos (wo Ap. mit einem
Ziegenkopf in der Hand auf Muͤnzen) war daſſelbe Thier dem Gotte
heilig. In Delos war der Altar Κεϱατὼν oder Κεϱάτινος aus
rechten Hoͤrnern eines Bocks vom Knaben Apoll geflochten, vgl.
Plut. Theſ. 21. de sol. an. 35. p. 201. Kall. Ap. 51. Daſſelbe
wird von dem Κεϱαιστὴς τόπος zu Milet erzaͤhlt (Kallim. bei
Etym. M. 584, 10.), wo ſeltſamer Weiſe eine Sage von einem
gemelkten Bocke war. Urſpruͤnglich gehoͤrt gewiß auch der Bock zu
den unreinen Thieren dieſer Religion.
monides (bei Euſt. Il. 1. p. 52, 39.) mit hundert Pfeilen erlegt
(Deutung des Ἑκατηβελέτης). — Dargeſtellt ſieht man den Kampf
auf einer Muͤnze von Kroton, z. B. Eckhel Num. Anecd. Tb. I. n. 13.
de metr. Pind. 3, 4. p. 182. Pollux 4, 10, 81. nennt die Dar-
ſtellung ἄχοϱον αὔλημα Πύϑιον.
ἐνναετηϱὶδες κατὰ τὸ ἑξῆς nicht 24 Jahre bedeuten ſollen, ſon-
dern drei alle acht Jahr unmittelbar hintereinander gefeierte Feſte,
wie die Stellen ſelbſt beweiſen.
14. ἔφοδος ΗΙ ΑΙ ΟΛΕΙΛΙ (und eben ſo bei Heſych αἰόδα) τὸν
ἀμφιϑαλῆ κόϱον — ἄγουσι; ſo daß dann die Frauen denſelben
Namen hatten wie die Orchomeniſchen, Bd. 1. S. 166.
207.
οὑμός δ̛ἀλέκτωϱ αὐτὸν ἦγε πϱὸς μύλην.
Aeſchyl. Eumen. 726. Eurip. Alk. 10. Apolld. 1, 9.
Schol. Ariſt. Weſp. 1231. (aber das Skolion, Ἀδμήτου λόγον,
hat damit nichts zu thun) und Zenob Spruͤchw. Ἀδμήτου μέλος.
eine Chalkedoniſche bei Mionnet n. 88., eine Perinthiſche (Perinth
hat das Neokorat fuͤr ſeine Pythien) bei Mionn. n. 329. vgl. auch
die von Alexandria Troas bei Mionn. 11. 109. 115. 116.
vgl. denſelben bei Schol. Pind. P. 3, 96.), der aus Heſiod (bei
Athenag. Leg. p. 134. und Schol. Eur. a. O.) ſchoͤpfte. Vergl.
Apolld. 3, 10, 4. und 1, 9, 15. Diod. 4, 71. Eclog. p. 546.
Weſſ. Orph. Argon. 176. auch Eurip. Alkeſtis, und Asklepiades bei
den Schol. — Die Cultusſage geben Anaxandridas der Delpher
bei Schol. Eur. a. O. (πεϱὶ τῶν συληϑέντων ἐν Δελφοῖς ἀναϑη-
μάτων. Vatic. Prov. 1, 5.) und Plutarch, vielleicht aus demſelben.
— Von einer Empoͤrung gegen Zeus leiteten die die Verbannung ab,
welche Il. 1, 399. καὶ Φοῖβος Ἀπόλλων ſchrieben. Vgl. noch
Aeſchyl. bei Plut. de ex. 17. p. 386.
τεύσαμεν εἰς ἐνιαυτόν. So auch Pherek. und die Aa. Klem.
Alex. Str. 1. S. 323. μέγαν εἰς ἐνιαυτόν, aus einem Epiker.
ung, Eratoſth. Kataft. 29. mit Schaubachs Anm. S. 110.
(vom Amyklaͤiſchen Throne) 10, 11, 1. Pind. P. 4, 90. u. Aa.
an Hermes 471. 533.
und Heſych ἔνϑϱυπτα. Suid. ἔνϑϱυπτος Ἀπόλλων. vgl. Hemſterh.
zu Lukian 2. S. 411. Bip.
Cenſorin de die nat. 2. (Goͤller 62.) vgl. Macr. S. 3, 6. Klem.
Alex. Str. 7. p. 717. Porphyr. de abstin. 2, 28. vgl. Rhoer
p. 153. Jambl. Pyth. 5. 7. Kyrill g. Jul. 9. S. 307 b.
man die Erſtlinge des Jahrs umher. Heſych Θαϱγήλια.
Pind. P. Argum. p. 298. Bh.
Ariſt. Ritt. 725. Suid. εἰϱεσιώνη. Menekles bei demſ. διακόνιον.
(wo auch Leierkuchen an der Eireſione vorkommen). Vgl. s. v.
πϱοηϱόσια. Plut. Theſ. 22. Apoſtol. 21, 24.
χύτϱα ἀϑάϱης καὶ ἔτνους, die an dieſem Feſte des Bohnenkochens
hingeſetzt wurde, betrifft mehr die eigentlichen Ackergoͤtter.
Eine hiſtoriſche Sage uͤber den erſten φαϱμακὸς aus Iſtros πεϱὶ
τῶν Ἀπ. ἐπιφανειῶν bei Harpokr. u. Etym. M. s. v.
then. Erot. 9. Heſych Θαϱγήλια am Ende, wo Hemſterh. Aende-
rung gemißbilligt wird von Welcker zu Schwencks Etymol. myth.
And. S. 341.
vius zu Aen. 3, 57, aus Petronius. Ap. Delphinios daſ. Str. 4,
179 b.
und deſſen Zeugniß bei Plut. de mus. 8. vgl. Heſych u. κϱαδίης.
Python in Sikyon ſelbſt getoͤdtet. S. oben S. 316, 5.
Theſ. 18. Die Zahl folgt aus dem Zuſammenhange.
Ei 9. p. 229.
mentum Ejctetae, wie Boͤckh erweiſen wird, vgl. indeß Cata-
logue de la Collection de Choiseul par Dubois p. 80.
Pind. P. Atum.
dridas (den oben angefuͤhrten) bei Plut. Qu. Gr. 9. Die Amphik-
tyon. Πυλα war ſchon fruͤher, gegen den 25 Elaphebolion, zu-
ſammengekomen, wie Thuk. 5, 1., vgl. 18. 24., beweist. Die
erſte Stellevird oft mißverſtanden (Manſo Sp. 3, 2. S. 193.),
ſie heißt: der jaͤhrige Waffenſtillſtand blieb aufgehoben, es war wie-
der Krieg, bis zu den Pythien.
Fabel von Teſeus, oben S. 244.
p. 342. E 17. p. 238. Proklos zu Heſ. Ἔϱγα 767. Dionyſ.
Hal. ars rlt. 3. p. 243 R. vgl. Valcken. de Aristob. Jud. §.
37. p. 13.
Es iſt wohl nur Dichtung, daß an jenem Tage er maieutiſche
Sokrates, an dieſem Platon geboren ſei.
ren nach Prokl. a. O. die ἑβδόμη als Ἀπολλωνιακὴ αφνηφοϱοῦν-
τες καὶ τὸ κανοῦν ἀποστϱέφοντες (ἐπιστέφοντες Scalig.) καὶ
ὑμνοῦντες τὸν ϑεόν.
bei Phot. p. 987.) hat einige Aehnlichkeit mit der ireſione, die
auch an den Thargelien umgetragen wurde, Suid., und auch eine
ἱκετηϱία genannt wird. Schol. Ariſt. Ritt. 725.
dera Antiqq. p. 208. Nach Scaliger Emend. tempp. 1. p. 54.
war dies ein alter Jahresanfang; dagegen Petav Doctr. tempp.
1, 34. p. 42. vgl. Dodwell de cycl. 5, 12. p. 256
S. 269.
alten ennaëteriſchen Pythiſchen Spiele Demetr. von Phaleron bei
Euſt. Od. 3. p. 1466. Rom. Schol. Od. 3, 267. Mai.
dieſe trug ſtets ein παῖς ἀμφιϑαλὴς, wie den Lorbeer. Auch das
Kochen von Frchten iſt den Thargellen und Pyanepſien gemein.
178. ῞Ηκομεν οἱ κτείναντες, ἀπότϱεπε λοιγὸν, ῎Απολλον.
δοκλῆς.
Expiation kommt auf mehrern Vaſengemaͤlden vor, bei Tiſchb. 2, 16.
ausgefuͤhrter bei Millin Vases 2, 68. Monum. ined. 1, 29., wo die
genaue Erklaͤrung zu vgl. Oreſt ſitzt auf den untergelegten Fuͤßen
uͤber einer mit dem Netze, das ſonſt oft auf der Cortina liegt, be-
deckten Eſtrade; zur Seite Pallas, die Furien; neben dem Dreifuß
der heilige Lorbeer mit Taͤnien und Votivtafeln; dabei Ap. ſtehend
mit Lorbeerkranz und zuruͤckgeſchlagenem Prachtgewand; Klytaͤmne-
ſtras Geiſt und Pylades im Hintergrunde. Auf einer Vaſe des
Britt. Muſeums (n. 102.) kniet Oreſt, das Schwert in der Hand,
den Reiſehut vom Kopf zuruͤckgeſchlagen, auf einem Altare, von
einem Arm fallen ihm kettenfoͤrmig geflochtene Wollenbinden; Ap.
mit Lorbeerzweige und Patere in der Hand, ſteht bei ihm, und haͤlt
in der andern, wie es ſcheint, eine Scheere, womit er ihm ein
Buͤſchel Haare abzuſchneiden im Begriff iſt. (vgl. noch Pio Clem.
5. pl. 22.)
vgl. 1, 22, 2. oben S. 228. Auch nach Rhegion. S. die Stellen
S. 260, 4. Der ἐνιαυτισμὺς in Parrhaſien nach Schol. Eurip.
Oreſt 1678.
g. Makart. 1069, 7. ἀϱιστίνδην αἱϱεϑέντες Pollux 8, 125. Phi-
lochoros (bei Maximus Prooem. ad S. Dionys. Areop., p. 19.
Sieb.) giebt die naͤmliche Zahl der (vorſoloniſchen) Areopagiten an.
alt ſein, (Ariſtot. Pol. 2, 8, 2. u. Aa.) und doch von Drakon nie
erwaͤhnt werden konnte, der immer nur von Epheten ſprach. Plut.
Solon 19.
Hippol. 35. vgl. Barneſ. Die Periode der Flucht heißt immer
ἐνιαυτός (Apolld. 2, 8, 3. vgl. 3, 4, 2.) und war ehemals meiſt
eine Ennaeteris (S. unten bei Herakles), in Athen wohl unbe-
ſtimmt.
οἰ πεντήκοντα καὶ είς ἄκοντα κτεῖναι. vgl. geg. Pantaͤnet. 983,
15. Nauſim. 991, 3., wo Reiske mit Unrecht aͤndert. Sonſt ſ. be-
ſonders die ϑεσμοὺς bei Dem. g. Ariſtokr. Auch Plato ſtatuirt
Verſoͤhnung und Reinigung nur beim φόνος ἀκούσιος, Geſetze 9.
S. 869. Daß man ſich in der Stille mit einem vorſaͤtzlichen Moͤr-
der abfand (g. Theokr. 1330.), war gegen allen Grundſatz; ſo wie
auch, was Il. 9, 632. ſteht, als Ausnahme angegeben wird, wo-
gegen Apolld. 2, 7, 6. zu vergl.
ren. Hier bemerken wir nur gegen Lobecks (de praec. myst. 2.
p. 6.) Behauptung: alle Expiationen in der heroiſchen Mytholo-
gie ſeien ab historicis ficta, daß ſchon nach Arktinos Erzaͤhlung
(Aethiopis bei Procl. Chreſt. vgl. Tychſen de Quinto p. 61.)
Achill nach Therſites Mord nach Lesbos flieht, u. dort nach Opfern
an Ap. u. Artemis von Odyſſeus expiirt wird.
S. 245, 3.
den unaͤchten Briefen d. Aeſchines 1. S. 658 R.
s. v.
her die Manto auch Daphne heißt, und einer der Priamiden, ein
Weiſſager, αἴσακος, Lorbeerſtab. Apolld. 3, 12, 5. vgl. Heſych s. v.
3, 9, 2. p. 148 H. Schol. Od. 19, 86. διὰ τὸ κουϱοτϱόφον τοῦ
Απ. vgl. Euſt. p. 683, 40, Baſ. Heſych s. v. κοϱυϑαλία, wo
auch die Eireſione ſo heißt. Vgl. Creuzer Symb. 2. S. 161.
gang; wie Antiphon πεϱὶ τῆς Ἀληϑείας ſchrieb, d. i. uͤber die
Erfuͤllung von Orakeln. Ap. ἀληϑής, Tryphiodor V. 641. mit der
Note von Wernicke. Die Weiſſager ſpartaniſch καταλαϑισταί, Hem-
ſterhuis zu Timaͤos p. 113.
5, 3. und Schneider T. 5. p. 341.
fb. 203. vgl. Muncker. Sonſt nach Amyklaͤ, Klaros, auch an den
Ladon verſetzt, dies wegen Ap. Onkaͤos. — Auf mehrern Muͤnzen
von Metapont, z. B. auf zwei des Pariſ. Cabinets, ſtellt oder
pflanzt Ap. den Lorbeer auf einen niedrigen Altar; den Lorbeer in
der Hand haltend, auch mit Wollenbinden, ſieht man ihn oft auf
Muͤnzen.
Aelian V. G. 3, 43. 44. Diod. 5, 67. Harpokr. θεμιστεύειν Aa.
Themis mit Apollon verehrt zu Delphi (wie auch die verdorbene Gloſſe
des Heſych s. v. θέμις zu ſagen ſcheint) und im Didymaͤon, Chis-
dull Antt. Ass. p. 67.
im Muſeum der Alterthumsw. S. 332.
282. S. 333. Schleierm. Einfachheit ſcheint auch Herod. 7, 111.
an den Delphiſchen Orakeln einigermaßen zu ruͤhmen, wie Philoſtr.
V. Apoll. 6, 11.
474. Plut. Numa 9.
6. p. 428, 12. Bekk.
(Iphig. T. 1264.) der Weiſſagung Ap. entgegen, und deutet dar-
auf den Kampf von Gaͤa und Phoͤbos.
1, 43, 3.
544. Sophokl. Oed. T. 965. Alexander Δελφικὰ bei Steph. B.
Παϱν. Pauſ. 10, 6, 1. vgl. Plin. 7, 57.
beim Opfer, Eurip. Andr. 1107. 1116. vgl. oben S. 235. 253.
455, 51. Anecd. Bekker p. 265. Zenob. 5, 75. Steph. B. Θϱία,
vgl. Heſych in der dunkeln Gloſſe Θϱιώ, und das Vaſenge-
maͤlde bei Millingen Div. peint. 29. Κλήϱους zu Delphi erwaͤhnt
auch Plut. Εἰ 16. — Von Lobecks Abhandl. de thriis Delph.
kenne ich nur den Titel. Auch ἀλευϱόμαντις Ἀπ. Heſych. —
Nur als Curioſitaͤt iſt die Genealogie anzufuͤhren, wonach The-
miſto, Tochter des Hyperboreer-K. Zabios, von Ap. den Galeos
gebiert, bei Steph. B. Γαλεῶται. Die Galeoten ſind Doriſche
Zeichendeuter Siciliens (Philiſtos bei Cic. de div. 1, 20. Aelian V.
G. 12, 46. Klem. Alex. Str. 1. p. 334. Sylb. Heſych), die von
den Eidechſen den Namen haben, die auch die Jamiden bei der
Weiſſagung anwandten. Pauſ. 6, 7, 14.
auf dem Kaſten des Kypſelos mit den Verſen bei Pauſ. 5, 18, 1.
und bei Pind. N. 5, 24.
ſieht den Knaben Ap. ſelbſt um den Dreifuß tanzend auf einer
Muͤnze von Kos (Mionnet 3. S. 401.)
des Ap. Apolld. Fr. S. 395. H.
(die ſiebenſaitig V. 64. alſo nach Terpandros) oͤfter verwechſelt wird.
Vgl. Apolld. 3, 10, 2. wo Ap. von Hermes auch die Syrinx er-
haͤlt, Eratoſth. Kataſt. 24. Die Aeoliſchen Λυϱικοὶ liebten den
Mythus, daher oͤfter bei Horaz.
Paͤan. 2. Boͤckh.
Medicin der aͤlteſten Zeit iſt gewiß nicht blos Aberglaube; ſo hat
Ap. als Kithariſt und als ἰατϱόμαντις (Aeſch. Ἱκετ. 261. Eumen.
62.) nah verwandte Aemter.
Pind. P. Argum. 3. iſt er ſelbſt der καϑαϱτής.
Pyth. 26 Ua.
des Ap. Sohns Tennes kein Floͤtenſpieler eintreten, Diod. 5, 83.
beziehn, ſind bekannt. S. beſonders Boͤttiger in Wielands Att.
Muſeum 1. S. 285. Visconti Mus. Pio Cl. 5, 4. Millin Vases
1. pl. 6. Die Darſtellung bei Tiſchb. 4, 6. zeigt Phrygiſches, die
1, 33. und bei Millingen 6. Delphiſches Lokal.
Die Stelle 18, 495. kann nicht fuͤr gleich alt gelten. Vgl. Euſt. und
Schol. Villoiſ.
S. 624. b. Welcker zu Alkman S. 6. fr. 86. — Die Troͤzenier
nannten die Muſen Ἀϱδαλίδες und einen Hephaͤſtos - Sohn
zu Pind. Fr. p. 292.
mus. 14.
ponirte auch den νόμος πολυκέφαλος zu Ehren des Ap. Plut. 7.
Boͤckh Expl. ad. Pind. P. 12. p. 345.
14. — Pauſ. 5, 7, 4. 17, 4. τὸ Πύθιον, Athen. 12, 538 f.
31, 4. Plut. de mus. 5. VII. Sap. 4. Steph. Byz. Ἁϱδαλ. He-
ſych s. v.): dies iſt wahrſcheinlich der Gott der Solymer Ἄϱσαλος
(Plut. def. or. 21.) der aus der Troͤzen. Colonie Halikarnaß (S.
104.) mit andern Dienſten (Pauſ. 2, 32, 6.) heruͤber kam.
1163, 57 Rom.
im Tempel Ap.) vgl. Properz 2, 10, 8. ϑϱῆνος Ἀϱγεῖος. Ariſtid.
Eleuſ. S. 259. Apoll iſt nur ſein poëtiſcher Bater (Apolld. 1, 3,
2. Theokrit, Euſt.), aber die Mutter Pſamathe und der Bruder
Pſamathos muͤſſen etwas bedeuten.
3, 99 f.
Athen. 14, 619 c.
Der eigentliche Name war vielleicht οἶτος Λίνου, der Anfang αἲ
Λίνε.
ſche Αἴλινοι bei Eurip. Or. 1402.
Trauermelodie zu einem klaͤglichen Chorgeſange iſt) Schol. Euſt.
zu Dion. P. 791.
Pollux 4, 7, 54.
Heſych, der s. v. Μαϱιανδ. ϑϱῆνος den Lityerſes mit dieſem ver-
Pollux a. O.
iſt griechiſch zur Aehnlichkeit von κινυϱὸς umgemodelt. Daß ihn
Ap. liebt, (Pind. P. 2, 16. vgl. Schol. Theokr. 1, 109.) bezeichnet
ihn blos als muſikliebend.
dynos.
Delphi Plut. Sympoſ. 2, 4, 1. p. 83. Demetr. Phaler. (oben
S. 331, 1.) Philoſtr. Ap. Tyan. 6, 10.
Χϱυσόϑεμις ὁ Κϱὴς πϱῶτος στολῇ χϱησάμενος ἐκπϱεπεῖ καὶ κι-
θάϱαν ἀναλαβὼν εἰς μίμησιν τοῦ Ἀπόλλωνος μόνος ᾖσε νόμον.
Rhod. 1, 537.
aus Timotheos.
210 Harl. Auch versus Deliacus, wenn bei Atil. Fortunat. p.
2690. Putſch nicht zu corrigiren. Auch zu Milet hatte man alte
hexametriſche Hymnen, angeblich von Branchos, auf Ap. und Zeus,
Terent. de metr. 5. 165. vgl. Klem. Alex. Strom. p. 674.
Chronogr. S. 162. Fabric. 1. S. 214 Harl.
pandriſche Nomen in Hexametern.
Thraker Sohn des Philammon heißt, Pauſ. 4, 33.: ſo iſt wohl der
Grund davon nur die lokale Nachbarſchaft der Delpher und Par-
naſſiſchen Thraker.
ton Symp. 4. Philochor. bei Athen. 14, 630 f. vgl. 4, 179. 11,
503 e. aus Antiphanes. Xenoph. Symp. 2, 1. Darum τελεσίε-
ϱος Heſych.
Altaͤre gehend, Eurip. Herc. fur. 690.
hoͤrt nach der richtigen Lesart nicht hierher. — Immer kommt
ein ἐξάϱχων dabei vor, der das Lied mit dem Inſtrumente an-
ſtimmte u. leitete. So Archiloch. 44. S. 128. Liebel. αὐτὸς ἐξάϱχων
πϱὸς αὐλὸν Λἐσβιον παιήονα (nach Terpander), V. Sophocl.
μετὰ λύϱας τοῖς παιανίζουσιν ἐξῆϱχε. Vgl. die Verſe von der
Lade des Kypſelos. S. 342. N. 1.
Pythag. 25.
P. 2, 127. und Simonides bei Athen. 5, 181 b. Plut. Sympof.
9, 15, behandelt von Boͤckh zu Pind. Fragm. S. 597.
salt. 16.
Der Anführer γεϱανουλκὸς Heſych; es kamen dabei Schlaͤge vor,
daher der Δήλου κακὸς βωμὸς Heſych; παϱαλλάξεις καὶ ἀνελίξεις,
Dikaͤarch bei Plut.; in einfacher Stellung war es ein Halbkreis
mit Hegemonen an beiden Fluͤgeln, Pollux 4, 4, 101.
14, 630. vgl. die erhaltenen Fragmente Pindariſcher.
de mus. 9. 10. Schol. Pind. P. 2, 127. — Daß Hyporchemen
in Sparta einheimiſch waren, ſieht man aus Pind. Frgm. 8. p.
603 Bh.
ῥυϑμὸν wohl ΠΑΙΩΝΑ zu ſchr. — Ich folge uͤbrigens hier der
von Boͤckh aufgeſtellten, auch geſchichtlich ſich beſtaͤtigenden, Theorie
uͤber das Genus Paeonicum.
Bild nach Plut. de mus. 14., welches Tektaͤos und Angelion nach-
gebildet zu haben ſcheinen, (Pauſ. 9, 35, 1. zu emendiren aus
Philoſtr.) von deren Werk vielleicht die Gemme bei Millin Galérie
mythol. p. 33, 474. ein Bild giebt. Vgl. Marrob. Sat. 1, 17.
Die Chariten hatten Kithar, Floͤte und Syrinx in Haͤnden. —
Ein andres altes ξόανον zu Delos leitete man von Eryſichthon ab.
Plut. Frgm. 10. p. 291. H.
Bemerkung, daß die T. der Chariten oft auf Maͤrkten ſtehn, noch
Ariſtot. Eth. Nic. 5, 5. mit der Anm. von Zell zuzufuͤgen iſt. Vgl.
auch Panyaſis Frgm. 1, 14. 18. bei Brunck.
Hyakinthien im Amyklaͤon, Str. 6, 278. Hyak. S. des Amyklas und
der Diomede T. des Lapithas (vom nahen Lapithaͤon genannt),
Apolld. 3, 10, 2. Den Amyklas nennt ſtatt des Hyakinth Sim-
mias v. d. Monaten bei Steph. Ἀμυκλ.
Hyakinthios (Caſtelli Proll. 12. p. 74.) nach Sicilien.
ſelbſt Καϱνεῖος bei Koluth. V. 237.
auch den Attiſchen πάϱϑενοι ῾ϒακινϑίδες geweiht.
Helena 1490.
bei Macr. S. 1, 18. Daher vielleicht der Κισσεὺς Ἀπ. des
Aeſchyl. bei Macr. 1, 18. vgl. Classic. Journ. 19. p. 111.
treten, deſſen Gruͤnde auch mich uͤberzeugen.
φυλοδϱόμοι τινὲς τῶν Καϱνεατῶν παϱοϱμῶντες τοὺς ἐπὶ
τϱύγῃ. Abweichend das Lex. Rhet. p. 205. Bekker. — Ob die
ἄλυϱοι ὕμνοι auf Alkeſtis (Eurip. Alk. 462.) einen Bezug auf Re-
ligion (oben S. 320.) hatten, oder blos muſiſches Agonisma wa-
ren, laſſe ich unentſchieden.
Sidon. in der Anthol. Palat. 7, 743. vgl. oben S. 336, 7. Daher
ihm Epheben oft das Haar weihten.
auch zu Pytho als einen κίων ὑψηλὸς vorgeſtellt, entnimmt Klem.
Alex. Strom 1. p. 349. aus zwei Verſen der alten Europia, die
aber gar nichts beweiſen; die hohe Saͤule, an die man Waffen-
beute hing, war ſicher nicht der Gott ſelbſt.
Spruͤchw. 1, 54. Apoſtol. 2, 54.
die feſtſtehende Geſtalt des Ap. Karneios (Pauſ. 3, 26, 5.) war?
Pyth. or. 12. p. 266. Apoſtol. 18, 28. und die Muͤnzen von Te-
nedos, (Mionnet 2. p. 671.) die von Pitana Aeol. (2. p. 627 n.
722.) von Jaſos (3. p. 352.) beſonders die von Thyateira (Buonar.
Med. ant. 9, 9.), wo Ap. und Beil mannigfach verbunden vor-
kommen.
hange der Stelle, 5, 509. vgl. Heyne und zu Apolld. p. 274.
zu Hom. Hymn. auf Demet. 4. Boͤckh Expl. Pind. p. 293.
cia, Roma 1812. Der Ap. auf dem Capitoliniſchen Puteal ſcheint
eine, aber weit weniger alterthuͤmliche, Copie deſſelben Originals.
Die gedrungenere Geſtalt hat Ap. auch auf den Reliefs des Drei-
fußraubes.
Kreter, zeigte man zu Tegea eineu vergoldeten Apoll. vgl. Thierſch
uͤber die Kunſtepochen 2. S. 25.
der Δελφ. μαχ. als Meiſterſtuͤck der χαλκοτύποι, Ariſtot. Pol. 1,
1, 5. und bei Heſych s. v. Auch zu Tarſos hat man eine heil.,
in Kydnoswaſſer geſtaͤhlte, μάχαιϱα. Plut. def. or. 41. p. 368.
Hieraus beſtaͤtigt ſich auch Viscontis Conjectur, daß das Basrel.
PioCl. 5, 23. den dem Didymaͤiſchen Ap. die Waffen des Euphorb
weihenden Menelaos vorſtelle; denn der Gott auf der Saͤule hat
faſt ganz die angegebene Geſtalt. Zu den Nachahmungen dieſes
Ap. waͤren jetzt noch mehrere hinzuzufuͤgen.
vgl. Plin. 13, 27. 34, 18.
PioCl. T. 1. p. 26. 7. p. 93.
noch uͤber aͤltere Apollſtatuen Winckelm. Kunſtgeſch. Th. 1. p. 191.
Anm. Th. 3. S. 548.
Verr. 2. l. 4, 43.
von Philippos I.
Clarac.
Stellung und Bildung erwaͤhnt Pouquev. Voy. T. 4. p. 161.
Koͤpfe von großer Aehnlichkeit mit dem des Belved. Ap. kommen
in mehrern Sammlungen vor, einer und der andere zeigt ſelbſt
noch großartigere Formen.
man Ap. Pythios in dieſer Stellung, und zugleich dem Lorbeer in
der R., Kithar neben ſich, Bogen zu Fuͤßen (Mionn. N. 396.),
aͤhnlich auf denen von Germe, Apollonia Myſiaͤ, Chalkedon, Kos.
tis Hypotheſe Copie des Palatinus von Scopas, Plin. 36, 4, 7.
Am meiſten liebte man dieſe Bildung des Muſageten in Nero’s
Zeit. — Eine merkwuͤrdige Statue iſt die von Raffei ricerche
sopra un Apolline della villa Albani beſchriebene und abgebil-
dete. Ap. ſitzt, halbbekleidet, auf einem mit einem Fell bedeckten
Tripus, und legt die R. auf den Schooß (zum Kuͤſſen, wie bei
Tempelbildern oft), in der L. haͤlt er eine Schlange, die Fuͤße ſtellt
er auf die ebenfalls mit dem Fell verhuͤllte Cortina; neben dieſer
liegt ein Loͤwenkopf; die Haare ſind mit Lorbeer umflochten und
fallen in einem breiten Buſch auf den Ruͤcken. Der Styl iſt we-
der ſehr alt noch auch vorzuͤglich; aber die Darſtellung ſingulaͤr in
Vielem.
S. 153) uͤber dies Thema.
ſtellte ſich offenbar dar als einen von Phoͤbeiſcher Begeiſterung Er-
griffenen, und darin die Urſitze ſeines Cultus, die Lieblingswohnung
des Gottes, Suchenden.
inc. 91. Bh. Ueber ſeine Statue zu Metapont S. 264, 4., wo-
hin er den Gott ſelbſt als Rabe begleitet haben wollte.
inc. 90. In Ol. 53. ſetzt ihn Suidas nach dem Cod. Paris.
dokia Viol. p. 20. u. Nonnus ad Gregor. in Creuzer Meletem.
P. 1. p. 76.
Harl. vgl. Apoſtol. 17, 86. — Manches dahin einſchlagende in
Zinſerlings ſeltſamem aber intereſſanten Pythagoras-Apollon.
ἀϱὰ Ἀμφικτυόνων bei Aeſchin. geg. Kteſiph. 70, 36. Απολλωνος
του Πυθιου και τας Λατος και τας Αϱταμι[τος] (sic) in der
großen Delphiſchen Inſchr. der Choiſeul. Samml. Auch im T. zu
Kirrha war die ganze Familie, Pauſ. 10, 36, 7.
S. 315.
Leto u. Art. zuſammen, Pauſ. 3, 11.
p. 133. Die Art. Knagia zu Sparta aus Kreta nach Pauſ. 3, 18.
3. Amniſiſche Nymphen der Art. Kallim. 15. vgl. oben S. 206.
Walpole Trav. p. 578. ὑδϱοφοϱος αϱτεμιδος πυθιης.
fb. 186. Ob die Art. zu Rhegion (Thuk. 6, 44.) von Pytho
ſtammt (S. 260.) oder aus Euboͤa (wo man ſie als Πϱοσηώα auf
Artemiſion, als Amarynthia bei Eretria, auf dem B. Kotylaͤon,
am ganzen Euripos hin, Kallim 188. verehrte), iſt ungewiß.
kerinnen und Paͤonerinnen zugeſchrieben wird. vgl. Tz. Lyk. 936.
Der Oleniſche Hymnus, Pauſ. 5, 7, 4., ließ die Αχαιΐα aus dem
Hyperboreerlande nach Delos kommen, aber Demeter Achaͤa kann
nicht gemeint ſein; ich ſchr. ΑΦΑΙΑ, wie Art. auf Aegina hieß.—
Die ἀποδημίαι der Art. in der Argiviſchen Sage (Menander de
encom. 4. p. 38. Heeren) gingen vielleicht dahin zuruͤck.
Kallim. Del. 292. Melanopos von Kyme bei Pauſ. a. O. vgl. 1,
43, 4. Etym. M. 641, 56. Ueber Upis vgl. den Engl. Stepha-
nus 1, 4. S. 551.
wie in der Inſchr. des Herodes Attikus.
Apoſtol. 6, 44.
verehrt wurde, Schol. Ap. 1, 972.
Ariadne toͤdtet, (Od. 11, 324.) erkl. Pherekydes bei den Schol. Αέων
γυναιξὶ (Il. 21, 483.) wohl auch nur als Todesgoͤttin, nicht wie
es Pauſ. 4, 30, 3. und Euſt. erkl. Ἃ γυναικῶν μέγ̛ ἔχει κϱάτος
im Attiſchen Skolion iſt doppeldeutig.
einem ſpeciellen Cult ̓̍Ασπαλις Ἀμειλήτη Ἑκαέϱγη, Antonin
Lib. 13.
Olympia, Str. 8, 343.
Soph. Trach. 210. nach Seidlers Interpunktion, oben S. 298, 2.
πϱολυϱαία, πϱοπυλαία, Spanh. zu Kallim. Art. 38
M. 356, 10. Gudian. 17, 23. vgl. S. 368, 1., Alkman ſagte Ἀϱ-
τέμιτος, Euſt. p. 1618, 29. Monat Ἀϱταμίτιος in Kreta, Chis-
hull Ant. Asiatt. p. 126.; in Sicilien, S. Caſtelli Proll. ad
10, 12, 1.
μίτια in Kyrene, Thrige hist. Cyr. p. 218.
Mantineia und Orchomenos, 12, 3. Aus Polyaͤn 8, 34. ſieht man,
daß die Tegeaten zur Artemis von Pheneos Feſtzuͤge ſandten.
ab.
Aeginet. p. 31. Art. heißt, κατ̕ ἐξοχὴν, ἁ καλά. Feder in Aga-
memn. Aeschyl. p. 9.
die Kalliſto ſchon Heſiod, Hygin Poët. Astr. 1. S. 356. M.
Lactant. 6.
vielleicht Ap. Kereatas in Aepytis, Pauſ. 8, 34, 3.
de enc. 3. p. 33.
von einer Ceder, auf der das Bild ſteht.
Il. 2. p. 228. Bas.
8, 342.
nus der Art. Derrhiatis oder Δεϱεᾶτις hieß κάλαβις; auch war
dabei ein eigner unanſtaͤndiger Tanz, Eupolis b. Athen. 14, 619.
Heſych.
liche Taͤnze; ſ. Manſo Sp. 1, 2. p. 220. dazu Caryatides sal-
tantes, Plin. 36, 4. Plut. Artax. 18.; ſie ſcheinen (nach Lynkeus
bei Athen. 6, 241 d.) die linken Arme dabei emporgehalten zu ha-
ben, etwa wie die Taͤnzerinnen des Reliefs, Zoëgg Bassir. 1, 20. Als
ſtuͤtzende Bildſaͤulen kennt ſie erſt Vitruv. Vgl. die trefflichen Be-
merkungen Meinecke’s zu Euphorion Fr. 42. der ſie (nach Pratinas
bei Athen. 10, 392.) mit den Δυμαίναις fuͤr einerlei nimmt, die
als laͤndliche Bakchaͤ beſchrieben werden. Vitruvs Geſchichte von
der Knechtſchaft der Karyaten halte ich fuͤr rein erfunden, obgleich
auch ein Relief mit Inſchr. ſie eben ſo darſtellt im Muſeum des
Koͤnigs von Neapel. Mazois Pompejana p. 24.
2. Polyaͤn 2, 1, 14. Kallim. Art. 172. Plut. Ageſ. 32. Heſych.
Nach Pauſ. war die Iſſoria oder Limnaͤa eigentlich nicht Art., ſon-
dern Britomartis.
2. Steph. B. Κοϱυφαῖον. Clarke, Trav. 2, 2. p. 603., hat
nach einer Inſchr. die wahrſcheinlichen Ruinen des T. auf B.
Koryphaͤon gefunden.
Arat 32.
gr. Sommer 1821.
μναὶα. 2, 7, 6.
nach Str. p. 362. das Limnaͤon in Lakonien. — Zu Troezen δέ-
σποινα λίμνης und der Hippodrome, Eurip. Hippol. 230.
ſych Ἐλεία, wahrſch. Ἑλεία.
wohl Ἑλείας zu ſchr.
Darum oͤffnet Atalante (S. 273.) eine Quelle zu Kyphanta. 3, 24,
2.
Sturz p. 132. Kallim. Art. 235. Polyaͤn 9, 34, 9. Ueber die
Quelle Kallim. Frgm. 75, 11. Ariſtot. Mir. ausc. 1102 b.
Dianae Luciferae et Veneris Placidae, Dionyſ. de Thr. Bos-
poro. Auch in Samos iſt Art. Χησιάς, Ἰμβϱασίη, Kallim. Art.
228. amnium domina, Catull. 34. 12. Horaz C. 1, 21, 5.
Auch νηοσσόος Apollon 1, 569. λιμένεσσιν ἐπίσκοπος, Kall. 39.
10. Diſſen zu N. 1, p. 350. — Ein anderes Artemiſion der Ge-
gend bei Polyb. 4, 73, 4.
vgl. Demetr. Skepſ. bei Athen. 8, 334 b.
p. 196. Boͤckh Expl. Pind. p. 243. Wie in Arkadien Art.
Εὑϱίππα, ſo war es wohl auch dieſe Art. vgl. S. 379. N. 6. —
Die ſchoͤnen Frauenkoͤpfe auf den Syrakuſ. Tetradrachmen mit
ſchilfdurchflochtenem Haar, von 4 Fiſchen umgeben, duͤrften Art.
Potamia vorſtellen.
Von den Wachteln, Athen. 9, 392 d. aus Phanodemos; von einer
Verwandlung der Leto (Schol. Pind. P. Arg. p. 297. Bh. Ta-
tian in Gr. p. 149.) oder der Aſteria. Hygin fb. 53. Aa.
402. vgl. Orchom. S. 326.
die Religion der Goͤttin mit Delos theilt. S. Diſſens Auseinan-
derſetzung a. O. — Daß Delos von Sicilien losgeriſſen, ſagen erſt
Spaͤtere, wie Lukian Dial. mar. 10.
419. vgl. Apollod. 1, 7. 9. Heyne. Dieſe Aetol. Artemis (Αἰτωλη
zu Naupaktos, Pauſ. 10, 38, 6. Αἰτωλὶς bei den Henetern, Str-
5, 215.) iſt wohl eins mit der Laphria, deren Cult von Kalydon
(Plut. de fluv. Acheloos) auch nach Patraͤ, Pharaͤ, Meſſenien ver-
ſetzt wurde. S. Pauſ. 4, 31, 6. 7, 18, 6. Muͤnzen von Patraͤ u
Pharaͤ. Auch zu Delphi kommt ſie vor (P. 7, 18, 6. Schol. Eu-
rip. Or. 1100.), daher Λαφϱιάδαι φϱατϱία ἐν Δελφοῖς, Heſych.
115. Suid. s. v. Λαφϱία. Dieſe Aetol. Art. iſt eine Getreidegoͤt-
tin, und erſcheint daher im Zorn als im Getreide hauſender Eber.
Il. 9, 533. Apolld. 1, 8, 2. Anton. Lib. 2. Ovid. M. 8, 273. Ich
bemerke noch, daß Hermann ad Soph. Trach. 212. die Αἰτωλὴ
anders als geographiſch erklaͤren will.
in Elis Pauſ. 6, 22, 5. Davon die Ἐλαφηβόλια (Anecd. Bekk.
1. p. 249.) ein ſehr weit verbreitet Feſt (z. B. Plut. Virt. mul.
p. 267.). — Das Symbol des Hirſches ging aber ziemlich auf alle
Artemisculte uͤber; ſo hat Payne Knight eine alte Muͤnze, wo die
Goͤttin ſelbſt ein Hirſchgeweih traͤgt, die er Delos zuſchreibt.
Dionyſos-Aeſymnetes Cult aufgehoben, zu Patraͤ, Pauſ. 7, 19, 1.
Menſchenopfer der Artemis unfern Megalopolis, Tatian adv. Grae-
cos 1, 165 a.
σαι ἀπὸ τῆς κατὰ τὴν παιδιὰν σκευῆς. οἱ γὰϱ φάλητες οὕτω
καλοῦνται. Heſych.
Pauſ. 5, 19, 2. Θϱέμματα der Art. von Luſoi Polyb. 4, 18, 10.
vgl. Boͤckh Expl. P. 2, 8. p. 244. Daher oͤfter Art. (χϱυσήνιος)
auf Vaſengemaͤlden zu Wagen mit Pferden; bei Kall. Art. 110.
und in den Bsrliefs von Phigalia mit Hirſchen.
Tiaſſa bei Sparta, neben der Kleta. Athen. 4, p. 139.
36, 8. vgl. Spanh. zu Kall. Art. 6. — Dieſe Namen laſſen ſich
indeß auch aus der Religion des Ap. ableiten. Oben S. 336.
ſtoph. Lemnierinnen bei Hrpokr. ἀϱκτεῦσαι. Vgl. Orchomenos p.
309. wo zuzufuͤgen, daß ſowohl das Brauroniſche Dionyſosfeſt
(Ariſtoph. Frieden 870.) als das der Artemis pentaëteriſch, und
vermuthlich beide verbunden waren. Die alten Culte der Kolaͤnis
zu Myrrhinus, u. Amaryſia bei den Athmoneern waren wohl aͤhn-
licher Natur, ſicher nicht Doriſch.
19. — Sonſt am 16. Munychion mit ἀμφιφῶντες, Kuchen mit
Lichtern umher, verſoͤhnt, Apolld. Frgm. p. 402 H. Pollux 6,
11, 75 als Phosphoros, deren Dienſt mit Unrecht erſt vom Zug
des Thraſybul abgeleitet wird. Klem. Al. Str. 1. p. 348. — Es
iſt nicht ganz klar, wie die Munychia Art. ſich zur ebenda verehr-
ten Art. Pheraͤa, auch Hekate genannt, verhaͤlt. S. Pauſ. 2,
23, 5. vgl. 10, 6. Orph. Argon. 938. Schol. Theokr. 2, 36.
wo Hekate Tochter der Pheraͤa. Μουνυχίη λιμενοσκόπε Φεϱαίη,
Kall. Art. 259.
Pellene 7, 27, 1. Phigalia 8, 39, 3. Syrakus auf Muͤnzen. vgl.
D’Orville sicula p. 327 sq.
Steph. B. Αἰϑοπ. Heſych Αἰϑιοπαῖδα.
Plin. 5, 39. Auch in Euboͤa war ein Aethiopion. Steph. B. zu ſchr.
χωϱίον Λυδίας παϱὰ ῞ϒλλῳ καὶ πλησίον τοῦ Εὐϱίπου. vergl.
Hrpokr. Suid.
Dort auch ein Artemisfeſt Νηληΐς, Plut. mul. virt. p. 287 H. Sie
hatte auch einen Tempel zu Pygela bei Epheſos, den Agamemnon
gebaut haben ſollte. Str. 14, 639. Dort auf den Muͤnzen, Mion-
net Dscr. T. 3. p. 186.
Kall. an Z. 77, Χιτώνη Ἀϱτ. Steph. B., Joniſch κιθωνέα (wohl
ἐη) Ἀϱτ. Heſych. Χιτωνέα in Syrakus, Athen. 14, 619.
1, 23, 9. 33, 1. vgl. 3, 17, 6. Eurip. T. 1462 ff. Kallim. Art.
173. Euphorion ſetzte, und nicht ohne Anlaß, auch das Opfer der
Iph. nach Brauron, Frgm. 81. Meinecke.
7. Antonin. Lib. 27. Tz. Lyk. 183.
vgl. Creuzers Comment. Herod. p. 244. Aus dieſem T. Helena
geraubt nach Plut. Theſ. 31. vgl. Hygin 79. deren Namen an die
Ἐλενηφοϱοῦντας der Art. Brauronia erinnert.
μαστίγωσις geht voraus die Φούαξιϱ, ἡ ἐπὶ τῆς χώϱας σωμασκία
τῶν μελλόντων μαστιγοῦοϑαι, Heſych. vgl. Hemſterh. und Valck.
Adoniaz. p. 277. Auch andere Spiele dabei. S. die Lakon. In-
ſchr. Cyriac. p. 40. Murat. p. 654. emd. von Ruhnken. bei Koen
ad Gregor. p. 306 Sch. επι Αλκιππου νικαξας το παιδικον κε-
λητι Αϱτεμιδι Οϱϑιαι.
88. Plut. Ageſ. 6. Etym. M. p. 747. Tz. Lyk. 183. Siebelis zu
Phanod. p. 6. u. 9. — Andere hier einſchlagende Culte ſind: Tem-
pel der Art. von Agam. erbaut zu Megara, P. 1, 43, 1. Dienſt
der Ὀϱϑωσία daſelbſt (Inſchr. im Museum Worsleyanum und
Mem. de l’Ac. d. I. 47. S. 335.), ebenda Heroon der Iphigeneia.
— Soph. hatte in der Iphig. die Art. ἀκϱουχής, ἀκϱία von Ar-
gos ermaͤhnt, Heſych ἄκϱον ὄϱος. Art. Orthia auf Lykone bei Ar-
gos p. 2, 24, 6. — Art. Orthoſia in Arkadien, Tz. Lyk. 936.
1331. Schol. Pind. O. 3, 54. Iphig. daſ. P. 1, 43, 1. — Zu
Aegeira altes Bild der Iphig. im T. der Art. 7, 26, 3. Art. Or-
thoſia zu Elis, Sch. Pind. a. O. zu Athen im Kerameikos, ebda.
vgl. Heſych Ἰφιγένεια Ἄϱτ. Ὀϱϑία Αϱτ. — Palaͤphatos 32.
Identificirung der Iphig. und Upis iſt blos Verwirrung, wie wenn
Alexand. Aetol. bei Macr. S. 5, 22. Upis fuͤr die Epheſ. Goͤttin braucht.
21. Polyaͤn 7, 49.
815, 59.
den, Schriften der Berl. Akad. 1815. Phil. Cl. S. 63. Millingen
Divers. peint. pl. 51. Welcker bei Diſſen Expl. Pind. p. 512.
vgl. Buttmann zum Philokt. ad Arg. metr. p. 57.
Gemaͤlde bei Philoſtr. Ikon. 17. Dio Chryſoſt. R. 59, 577, 21.
Bosporo Thracio, Hudſ. 3. p. 22. Heſych. Mileſ. de Constan-
tinopoli.
Ael. V. H. 2, 25. Hemſterh. Poll. 9, 12. p. 982.
4, 103. vgl. Skymn. Ch. 88. Str. 7, 308. 12, 535. Mannert
Geogr. 4. p. 279. (1820.)
Kaikos, Plut. fluv.; der Taurike in Tmolia am Paktolos, ib.; in Kap-
padokien Art. Orthia, P. 3, 16, 6.; Iphigeneia zu Komana, Dio
K. 35, 11. vgl. Steph. B. Ἄμανον. Plut. fluv. Ganges. be-
ſonders Str. 12, 537. von der Art. Peraſia zu Kaſtabala.
breitet. Euſtrat. ad Aristot. Ethic. Nic. 3, 1. vgl. S. 378.
ὀϱϑὸς, Lakon. ὀϱσός, bei Ariſtoph. Lyſiſtr. 944.
φάγος hieß ſie dort, Heſych s. v. vgl. Panofka res samior. p. 63.
Ikaria im Perſiſchen Meerbuſen (wo auch Ap. Tauropolos) iſt wohl
eine Uebertragung der Zeit nach Alexander. Aelian N. A. 11, 9.
Dionyſ. P. 611.
Naͤhe von Magneſia am Sipyl. Marm. Oxon. 26. l. 60.
402 Heyne. vgl. Etym. Ταυϱοπόλον, Apoſtol. 18, 23. — vgl.
noch Spanh. zu Kall. Art. 174. 187.
p. 87. vgl. Caylus Mem. de l’Ac. T. 20. p. 428-441. Choi-
ſeul Gouff. Voy. pitt. T. 1. p. 191.
ſucht den Sohn des Kayſtros. Kallim. Frgm. 102 Bentl.
Korinth Pauſ. 2, 2, 5. Alea 8, 23, 1. Epheſion zu Maſſilia
Str. 4. p. 179. 184. eine Prieſterin Ariſtarche (vgl. das Ariſtarcheion
der Art. zu Elis, Plut. Qu. Gr. 47.) bei der Gruͤndung.
in Daͤtis zu Epheſos. Etym. M. Δαιτίς.
B. s. v.) in der Epheſia geboren haben.
ſtellungen des Apoll von Kolophon, der Artemis Epheſia, der Ne-
meſes von Smyrna unter einander auf Kaiſermuͤnzen der Staͤdte
ſind nur wechſelſeitige Complimente. In der Rede der Epheſier bei
Tac. Ann. 3, 61. iſt offenbare Windbeutelei. Der Ἀπ. Ἀμαζόνιος
bei Pauſ. 3, 25, 2. iſt eine ſingulaͤre Curioſitaͤt.
ἡ τϱόφος Αϱτέμιδος. καὶ ἡ μἠτηϱ καὶ ἡ Ῥέα καὶ ἠΔημήτηϱ, Heſ.
Jdaeis Dactylis.
Boͤckh. vgl. Kallimachos Art. 240 ff. Pauſ. 4, 31, 6. Steph. B.
Ἔφεσος cf. Σίσυϱβα. Κύννα. Etym. M. Ἔφ. Plut. Qu. Gr. 56.
p. 407. H. Hygin. 223. 225. Das Gegentheil Euſeb. Chr. n.
870. Ἀμαζόνες τὸ ἐν Ἐφέσῳ ἱεϱὸν ἐνέπϱησαν.
ϱιέϱης, nach Plut. an seni 24. p. 130 H.
Αμαζ. Nach Herakl. Pont. 33. ſaßen ſie von Mykale bis Pitane.
Diod. 3, 55. aus Dionys v. Samos. Ephoros bei Str. 12, 550.
vgl. 13, 623. u. Aa. Steph. s. v. Ἀναία von einem Orte Anaͤa
Samos gegenuͤber, wo eine Amazone des Namens begraben. Die
Einw. Αναΐται. Ob hier an Artemis Anaitis zu denken iſt?
Boͤckh, Hierodulen S. 55., gebilligten —
p. 645 Bh.
Apoll. 2, 370. Herod. 4, 110. Arrian Peripl. p. 16. Skymn.
Ch. 229. Creuzer Vett. hist. p. 80. Nach Pherekyd. bei Schol.
Apoll. a. O. (vgl. 990.) gab es im πεδίον Δοίαντος in Phrygien
(in der Naͤhe des Thermodon) drei Amazoniſche Staͤdte, nahe lag
Alkmonia (Akmonia Steph. Byz.), wo Harmonia mit Ares die
Amazonen gebar.
ſo reiche Litteratur da, daß Einzelnes anzufuͤhren wenig hilft.
Pauſ. 1, 26, 4. 3, 18, 6.
vgl. Paclaudi Monum. Pelop. 2. p. 13.
Mionn. 3. S. 137.
ten der Art. beſonders das weichliche Jonikon, Poll. 4, 14, 104.
Verr. 1, 20. 3, 21. Heſych, Suidas, Photios u. Aa. Πεϱγαία
ϑεός. Apoſtol. 9, 91., wo παναγαῖα fuͤr ΠΕΡΓΑΙΑ ſteht. Zu
Perge verehrt man auch den Syriſchen Adonis als Aboba. Heſych
Αβ.
die Κινδυὰς von Bargyliaͤ, Polyb. 16, 12, 3., die Ἑστιάς von
Jaſſos, ebd. ΑΣΤΙΑΣ die Inſchr. Chandl. p. 19. n. 57., die
Goͤttin von ἱεϱὰ κώμη bei Thyateira, Ὀϱεῖτις genannt, Polyb. 32,
25, 11. Inſchr. bei Walpole Trav. p. 575., die Myſiſche, Pauſ.
9. p. 75.
606. 613. die Boritine Lydiens, Eckhel D. N. 3. S. 121., die Art.
Adraſteia in Kleinphrygien, Harp. Ἀδϱαστ. Aa.
116.) deſſen Prieſter, ἀμφίπολος, die erſte Jahreswuͤrde war. Thuk.
7, 65. 70. Diod. 16, 70. Exc. virt. et vit. p. 558.
Cic. Verr. 2, 51.
̔̍Ηϱας Πϱοσυμναίας ἱεϱὸν Pſ. Plut. de fluv. Str. p. 373.
unterſcheidet wol mit Unrecht das Heraͤon in Proſymna von dem
beruͤhmten. Der Name Proſymna, Proſymnos findet ſich auch bei
Lerna und im Arkadiſchen Gortyna. Inſchr. von Gortyna bei Four-
mont: ἁπατϱα των πϱοσυμναιων νικομαχην αϱιστοϑεμιτος δᾳ-
δουχησασαν.
Vgl. beſonders Heyne zu Ilias 4, 52. Eurydike, Akriſios Tochter,
ſollte den Tempel gebaut haben. Gegen Pauſ. 3, 15, 7. μόνοις δὲ
Ἑλλήνων Λακεδαιμονίοις καϑέστηκεν Ἤϱαν ἐπονομάζειν αἰγοφά-
γον καὶ αἶγας τῇ ϑεῷ ϑύειν (vgl. Heſych Αἰγοφάγος Χήϱα ἐν
Σπάϱτῃ, mit Welcker zu Schwenks etymol. Andeut. S. 294.) iſt
einzuwenden, daß daſſelbe in Korinth [geſchehen]. Photios Lex. p.
50. ἡ αἲξ τὴν μάχαιϱαν. Zenob. Prov. 1, 27. Diogen. Pr. 1, 52.
Haupttempel. Thuk. 1, 24. 3, 75. 79. Auch in Syrakus, Aelian
V. G. 6, 11. u. Aa.
Goͤttlichkeit der Medeia wird vollkommen erwieſen durch Athenag.
legat. p. 14. Zeugniß, daß Heſiod. und Alkman ſie Goͤttin ge-
nannt.
Euſtath. ad Hom. p. 1156.
Weiter ſehe man Creuzers Symbolik, deren Abſchnitt uͤber Hera
Athena Alea. Xenoph. Hell. 6, 5, 27.
Plut. Lyk. 11.
Sylb.
dite, Heſych, cf. s. v. Ακϱέα. — Ob Creuzer dagegen ſeinen
“Dunkeln” und Hermann den “Inseparantius” und Schwenck den
“Goldloſen” aufgeben wird, weiß ich nicht.
Beziehung auf den Bellerophon. Vom Pegaſos dort Hippia, Pind. O.
13, 97. deren Altar beſonders durch die Incubation merkwuͤrdig.
und beſonders Welcker zu Schwenck von S. 268.
beſonders Polyb. 9, 27, 7. mit Timaͤos bei Steph. Byz. Ἀτάβυϱον.
Die Polias von Troͤzen iſt durch die Jonier hingekommen, wie die
andern Culte der Stadt zeigen.
auch in Stadt Rhodos die “Lindiſche”. S. Meurſ. Rhod. 1, 6.
vgl. Apoſtol. 17, 17.
δαίμονές τινες, Ἀϑηνᾶς καὶ Ἡλἰσυ παῖδες. Anders darf man
nach der Stellung der Worte nicht interpungiren.
Lichtgoͤttin, wie die Ἀλέα. — Auch Syrakus hat Minerven-
dienſt. Diod. virt. et vit. p. 549 Weſſ.
von Andania zu einer Hauptgoͤttin des Staats: ſ. davon oben S.
100.
zuſammen: α πολις των Εϱμιονεων Νικιαν Ανδϱωνιδα Δαματϱι
Κλυμενῳ Κοϱᾳ Θεοδωϱος Ποϱου Αϱγειος εποιησε. — Εϱμαιχον
Λουκιου τον ιεϱεα του Κλυμενου. — Δαματϱι χϑονιᾳ Διι αϱγι-
λαπιῳ (ob ΑΣΚΛΑΠΙΩΙ, vgl. Bd. 1. S. 153.). Δημητϱα την
κϑονιαν und die δέσποινα erwaͤhnen Andere. Vgl. damit Pauſ. 2,
35, 3. Vielleicht war auch der Name von Hermione aus dem
Cultus. Ἑϱμιόνη Demeter und Kora zu Syrakus. Heſych.
von Korkyra, Hephaͤſt. p. 53 Gaisf.
Cl. 4. p. 137. n. 9.
ἐπίκλησιν Πελασγίδος ἀπὸ τοῦ ἱδϱυσαμένου Πελασγοῦ τοῦ Τϱιό-
πα.
bei Steph. s. v. Τϱιόπιον. Kallimach. an Demet. 24. Inscr. Herod.
Attici. vgl. die treffliche Auseinanderſetzung von Boͤckh ad Schol.
Pind. P. 2, 27. p. 315.
Expl. Pind. O. 2. p. 123. Κόϱης παϱὰ Σικελιώταις Θεογάμια
καὶ Ἀνϑεςφόϱια, Pollux 1, 37. Die Θεογάμια ſind mit dem Feſte
ἀνακαλυπτήϱια (Schol. rec. Ol. 6, 160.) wohl zuſammenhaͤngend;
und dies Feſt ſtammt aus Theben. Auch Kyzikos von Tyrrheniſchen
Pelasgern (aus Boͤotien) gegruͤndet wurde als ein ἐμπϱοίκιον des
Zeus fuͤr Kora betrachtet. Appian. Mithrid. 75. vgl. Steph. B.
Βέσβικος.
647 a. Θεσμοφόϱιον ἱεϱὸν, Plut. Dio 56. Monat Thesmophorios,
ſ. Caſtelli) Κούϱεια Plut. a. O. vgl. beſonders Diod. 5, 4 ff.
rinth, Heſych.
Cult der Damia und Auxeſia zu Epidauros und Troͤzen, wie
auch noch der Schol. msc. bei Mitſcherlich ad H. in Cerer. 122. ſagt.
Δημ. Αζησία (Sophokl. bei Heſych s. v. cf. Valcken. Adoniaz. p. 292)
und ΛΑμαία (Suid.) ſind mit den genannten Gottheiten nicht zu
verwechſeln.
ἀγὼν ϑυμελικὸς ἀγόμενος ΔήμητϱΔ παϱὰ Λἁκωσι.
Prieſter wahrſcheinlich hießen Ταιναϱισταί, ſ. Heſych ſ. v. Ταινα-
ϱίας.
Pind. P. 4. p. 268. auch Πελλάνιος Heſych.
adde Plut. Sympoſ. 9, 6. p. 410 H.
heilige Monat Geraͤſtios zu Troͤzen (Athen. 14, 639.) der nach Eu-
boͤa hinweist.
zwiſchen den Iſthmiſchen und Olympiſchen Agonen geſagt worden
iſt.
1071.
8, 363. Vgl. oben S. 374. von den Dymaͤnen.
S. 80. Phlius ward dieſes Dienſtes wegen Vaterſtadt der σατυ-
ϱικοὶ ποιηταί Ariſteas und Pratinas.
Διον. χοιϱοψάλης daſelbſt, Klem. Al. Protr. p. 25.
den Kranz ἰάκχα Athen. 15, 678. vgl. Heſych s. v. λιακχὰ und
ἰάκχα.
14, 629 a. zu betreffen.
χοϱοὶ urſpruͤnglich dem Dionyſos galten, beweist das ἀπέδωκε.
Vielleicht ſchloſſen ſich die Adraſteen an die Dionyſien an.
14, 621. 622. Darauf geht das Epigr. Onestae 2. Vgl. Her-
mann zu Ariſtot. Poët. 3. p. 104.
13, 18. vgl. Voͤckh. Expl.
Pindar Skol. Frgm. 1. — Das Meiſte uͤber dieſe Hierodulen iſt
bekannt, ich fuͤge hinzu, daß einzelne κατἀκλειστοι hießen (He-
ſych s. v. Alberti), in einzelne Zelten eingeſperrt, warum, iſt
dunkel.
τις (ebd.) in Syrakus, vgl. Klem. Al. p. 25.
auf denen, die man ſonſt faͤlſchlich den Siphniern u. Seriphiern
(ΣΕ od. ΣΙ) beimaß, aber in großer Menge auf dem Boden Si-
kyons findet.
Diogen. 5, 21.
Lac. p. 253. Tzetz. Lyk. 449. Indeß auch in Korinth bewaffnet,
P. 2, 4, 7.
Κίϱ̓ϱ̔ις blos Kypriſch. vgl. Meurſ. Misc. Lac. 1, 3.
2, 32, 6. vgl. ſonſt uͤber den Troͤzeniſchen Dienſt der Goͤttin Val-
cken. ad Eur. Hipp. 32. — Von den Sauopfern der Aphr. zu
Argos an den Hyſterien Athen. 3, 96 a. Kallim. Fr. 102 B.
Aphr. πεϱιβασίη daſelbſt, Klem. Al. Protr. p. 24. Sylb.
Timaͤos bei Zenob. Prov. 1, 31.
da kommt nach Pauſ. wieder der T. des Askl. zu Leben in Kreta.
p. 288.
3, 18, 4. 9, 35. vgl. oben S. 379, 7.
tidaͤa (sic) als Feſte Sparta’s vor.
inne ſtehn, die nicht blos Heroen, wie die beim Phoͤbaͤon (oben S.
92.) goͤttlich verehrte Helena, wie Phoͤbe u. Hilaira, die Leukippiden,
die vielleicht in den Cult des Amyklaͤiſchen Apoll gehoͤren (wie man
aus Pauſ. 3, 16, 1. ſchließen koͤnnte).
frat. 1. p. 36. vgl. Zoëga de Obel. p. 225. vgl. oben S. 92, 6.
In Argos hatte man alte Dioskurenbilder von Dipoͤnos u. Skyllis,
Pauſ. Klem. Al. Protr. p. 31 a.
So ſchickten wohl auch die Laked. den Lokrern die Tyndariden (τἀ
ἐπἰ Σάγϱᾳ), wie die Aegineten nach Salamis die Aeakiden. Aegin.
p. 163. Der Κάστωϱ Μιξαϱχαγέτας der Argeier (Plut. Qu. Gr.
23. p. 391.) iſt ſehr dunkel.
Phormion, Pauſ. 3, 16, 3. bei einem Azanen von Pagupolis, He-
rod. 6, 127. Daber auch die Θεοξένια der Diosk. zu Akragas,
Boͤckh Expl. Pind. O. 3. p. 135. Woher der Dioskurendienſt von
Kyrene und Akragas ſtammt, ſ. Bd. 1. S. 339.
ſicht des Delph. Orakels, Porphyr. de abstin. 2, 15.
Ausnahme macht Ammon, der beſonders durch Lyſandros in Sp.
in Anſehen kam, Bd. 1. S. 359.
ſche Kotytto, Eupolis bei Heſych s. v. Suid. Θιασώτης, Κότυς.
madv. ad Anthol. Gr. 1, 2. p. 286. Weichert uͤber Apollon. S.
246. ῾Ηϱακλεία heißt das Gedicht bei Pauſ. 4, 2, 2.
4, 11.
der Jole, giebt im Allgemeinen Kallimachos Epigr. (Str. 14, 638.).
Die Ausfuͤhrung Apolld. 2, 6, 1. 7, 7., der mit Herodor uͤberein-
ſtimmt bei Sch. Eur. Hippol. 550., wo auch Lyſimachos Θηβ. πα-
ϱάδοξα citirt wird, Sophokl. Trach. 205. Schol. 358., die aus
Pherekydes (vgl. Beil. 2.) und Menekrates ſchoͤpfen, Diod. 4, 31.
37. Schol. Il. 5, 392., wo fuͤr Βοιωτίας — Εὐβοίας zu ſchr. iſt.
vgl. Skythinos bei Athen. 11, 461 f. Hygin. fb. 29. 35. Plut.
def. or. 13. p. 322.
lei’s Emdt. Kreophylos, ebd. citirt, kannte nur zwei. Bei Diodor
Toxeus, Molion und (nach Weſſel.) Κλύτιος.
Trach. 354. 858. vgl. Hermann zu 326.
Str. 10, 448.
nach Arkadien ſetzt. ἐν Θοὑλῃ Αϱκαδίας; ob ἐν ΘΩΜΗΙ i. q.
Ἰϑώμῃ? Demetr. Skepſ. bei Str. 8, 339. identificirt Oechalia
Landesſage folgt. 4, 33, 5. vgl. 27, 4.
O.
a. O., Sophokles, Apolld. Nach Schol. Apoll. 1, 87. und Ven.
ad Cat. 103. die νεώτεϱοι uͤberhaupt. Dieſe ſetzten vermuthlich
die That alle nach den Abentheuern in Trachinien und unmittelbar
vor den Tod. vgl. Tz. Lyk. 50.
S. 368, 3. vgl. Steph. B. Οἰχαλία, Euſt. zu Il. p. 330. Od.
1899 Rom. und die N. 6. angefuͤhrten. vgl. die Landesſage bei Pauſ.
4, 2, 2.
ein Oechalia in Trachinien, ein anderes in Aetolien. vgl. Euſt.
Il. p. 298 Rom.
Odyſſee hat aber uͤberhaupt eine ganz veraͤnderte Sage, wonach der
Tod des Eurytos (und zwar ein friedlicher, ἐν δώμασιν 21, 33.,
aber durch Apoll, 8, 227.) dem Morde des Iphitos vorausgeht.
leicht war ſchon der Ἡϱακλῆς Ἠπιάλητα (den Alp) πνίγων des
Sophron (Euſt. Il. 5. S. 571 Rom.) eine Parodie dieſes Mythus.
kauft das Joch ſelbſt getragen haben.” Vgl. unten §. 8.
quev. Voy. T. 3. p. 249. zu Arotina (vgl. oben S. 36.) gefunden:
Καλχαντα Μοψον Αλκαιος Ηϱακλης χλευμενος (χολουμενος)
πεϱι εϱινεου πληξας αυτον τῳ κολαφῳ και αποκτεινας εθαψεν
εν Εϱινεῳ (mit einigen nothw. Verbeſſerungen). Nach Tz. Lyk.
980. zankt Herakles mit Kalchas auch wegen eines Feigenbaums,
und erſchlaͤgt ihn (wie ſonſt den Mundſchenken Eunomos) κονδύ-
λῳ, und begraͤbt ihn πεϱὶ τὸν Εϱινεόν. Nach Heſiod war der
Streit zwiſchen den zwei Weiſſagern, Kalchas und Mopſos. Str.
14, 642.
Heyne ad Apollod. p. 191.
eine Pleuronierin.
Pherekydes.
Ven. Il. 21, 237.
Die Scene iſt, ungemein roh auf einem alten Vaſengemaͤlde (Han-
carv. 4, 31.) vorgeſtellt mit der Umſchr. ΔΑΙΑΝΕΙΡΑ ΝΕΜΜΟΣ
wie man leſen muß.
deß wahrſcheinlich in den Zuſammenhang der Erzaͤhlung bei Apolld.
1, 8, 4. gehoͤrt.
des Dexamenos. Die Schol. Kall. auf Del. 102. nennen Dexame-
nos ſelbſt als Kentauren, und ſo ſieht man auf einem Vaſengem.
der beſten Zeit Herakles mit ihm um die Deianeira ringen, mit den
Umſchr.: ΟΙΝΕϒΣ ΔΕΞΑΜΕΝΟΣ ΔΑΙΑΝΕΙΡΑ von der L.
zur R. Millingen Div. peint. 33.
Od. 21, 295. mit Buttmanns Anm.
219.
und der Sage von Herakles Ephyra in Elis zu verſtehen ſei (7,
328. 8, 338.) wird durch die Stellen des Dichters ſelbſt widerlegt.
vgl. die Muͤnze der Stadt N. 160. bei Mionnet, wo Her. den
Kerberos zur Statue der Dem. bringt. Den heraufkommenden He-
rakles nannten die Boͤoter tiefſinnig Charops, den Freudigen, Pauſ.
9, 34, 4. — Vielleicht hatte Eugammon von Kyrene (61, 1. nach
Euſeb) in den Thesprotien von dem Kampfe mit Hades gehandelt,
da er nach Klem. Alex. Str. 6. p. 628. Sylb. (vgl. Euſeb. Praep.
Evg. 10, 1.) Anſchuldigung dabei den Muſaͤos beſtahl, fuͤr welchen
poëtiſchen Charakter ganz Εὐβούλου τε καὶ Ἡϱακλέος πεϱίφημος
ἄμυξις (Orph. Argon. 24. nach Hermanns Emdt.) als Gegenſtand
paßt. Die Thesprotia waren wohl nur eine Epiſode der Telegonie,
wie Prokl. Chreſtom. vermuthen laͤßt.
Schol. Theokr. 2, 121. Aa.
Schol. zur erſtern Stelle. — Daß in Homers Nekyia mehrmals
Epirotiſches Lokal hineinſpielt, iſt keinem Zweifel unterworfen.
d. Schol. nennt als Vater Phylas, einen Dryoper K., die Tochter
Aſtygeneia. Apolld. 2, 7, 6. folgt zum Theil der Ilias, zum Theil
dem Pherek.
1, 3, 2. Schol. Ap. Rh. 3, 1089. vgl. beſonders Boͤckh Expl.
Pind. P. 10. p. 332. Auch die Koͤnige der Moloſſer leiteten ihr
Geſchlecht von einer Lanaſſa, T. des Kleodaͤos Hylliſchen Stammes,
her. Plut. Pyrrh. 1. Juſtin 17, 3.
oben S. 109.
fruͤherer Sage ſteht.
in Erytheia bei Apollod. ſind wahrſcheinlich auch aus dieſem Lokal.
Wenigſtens wohnten Abanten gerade wo Erytheia geſetzt wird,
am Aoos bei Orikon. Nach Ariſtot. Mirab. 145. lag Erytheia
Strafe des Blendens, weil jemand den Sonnencult vernachlaͤſ-
ſigt; ferner, daß die Griechiſchen Goͤtter ſelbſt die Woͤlfe gegen die
Heerden geſchickt hatten. — Homers Sonnenheerden ſind keine an-
dern, als die von Taͤnaron und Epeiros in groͤßere Ferne verſetzt;
er giebt auch einen mythiſchen Grund der νηφάλιοι ϑυσίαι des
Helios an, wie ſie in mehreren Staͤdten Griechenlands uͤblich waren.
Odyſſ. 12, 363.
ſephaſſa. Vgl. Antonin. Lib. 4. πολεμήσαντας γὰϱ αὐτῷ Κελτοὺς
(dicſe ſind aus einer Geryonis, vgl. Diod. 5, 24. Etym. M. 502,
50. hereingekommen, und nicht zu aͤndern) καὶ Χάονας καὶ Θε-
σπϱώτους καὶ σύμπαντας Ἠπειϱώτας ὑπ᾽ αὐτοῦ κϱατηϑῆναι,
ὅτι τὰς Γηϱυόνου βοῦς συνελϑόντες (ἤϑελον) ἀφελέσϑαι. vgl. Ap-
pian Buͤrgerkr. 2, 29.
Vgl. Lykos von ʹRhegion ebenda. Aelian N. A. 12, 11. 3, 33.
der den Herakles durch den Zwang fuͤr den Raub entſchuldigte.
Frgm. inc. 48 Boͤckh.
11, 469 d.
tution bei Friedemann Comment. in Strab. p. 638.
an, wenn er Helios nicht uͤber den Okeanes gehen, ſondern erſt
bis zum Oſtrande herumſchiffen laͤßt. Dies findet nur bei Mimner-
mos ſtatt, wo Helios in der Nacht ſchlafend nach Oſten herum-
ſchifft, wo er dann aufgeht, (nicht blos ein vorlaͤufiges Schluͤmmer-
chen genießend, denn dies widerſpricht wieder dem klaren Sinn
der Stelle,) nnd bei Pherekydes (Athen. 470): δέπας, ὅ αὐτὸν
ἐφόϱει σὺν ταῖς ἵπποις, ἐπὴν δύνῃ, διὰ τοῦ ὠκεανοῦ τὴν
νύκτα πϱὸς ἕω, ἵνα ἀνίσχει ὁ ἥλιος. Aeſchylos (Ἡλιάδες) bei
Athen. a. O. folgt dagegen wohl der Weiſe des Steſichoros, da
διαβἁλλων πόϱον blos eine Ueberfahrt bedeuten kann. Euſt. Od.
9, 1632, 21.
von Heyne ad Apolld. p. 161.
413 Buttm.: Μεμψόδωϱος ὁ τὴν Σικελίαν πεϱιηγησἁμενος καὶ
Πολύαινος καὶ Πανύασις φύλακα τῶν Ἡλίου βοῶν Φυλάκιόν
φησι γενέσϑαι, ὃν Φιλοστέφανος Αἰολιδοὗν εἶναί φησι, καὶ ἔχειν
ἐν Μύλαις ἡϱῷον.
Uckert Geogr. 2. S. 240 u. ſonſt.
Wolken 1047. τῷ δ̛ ἐν Θεϱμοπύλῃσι ϑεὰ γλαυκῶπις Ἀϑήνη
Ποίει ϑεϱμὰ λοετϱὰ παϱὰ ϱ̔ηγμῖνι ϑαλάσσης, welche Verſe Ze-
nob Prov. 6, 49. (vgl. Ruhnken bei Heyne ad Aen. 2. Exc. 1.
p. 287.) beruͤckſichtigt. Val. Weſſel. zu Diod. 4, 23. — Herod.
7, 176. Phileas bei Harpokr. Θεϱμ. Die Sage wurde auf die
Thermen bei Himera in Sicilien uͤbergetragen. S. Boͤckh Expl.
Pind. O. 12. p. 210.
bei Euſt. zu Dion. P. p. 107. Zu unterſcheiden iſt das Φϱίκιον ὄ-
ϱος der Gegend, wo Her. einen Kentauren erſchlug. Steph. B.
Φϱίκιον.
στος. Die ἀσέληνα ὄϱη von Trachis kamen im 14. B. von Rhia-
nos Heraklee vor.
zen bei Eckhel N. Anecd. fb. 6. p. 89. Dodw. Trav. p. 76.
Clarke Tr. 4. p. 197.
11, 461.
culis Thebani facta et fata ad Thebanas historias accommo-
dare difficile est.
S. Pauſ. Pind. J. 3, 79. und Chryſipp bei den Schol. Amphi-
tryons, Jolaos u. Alkmenas Grab und das Gymnaſion fuͤr die Jo-
laiſchen oder Herakleiſchen Wettſpiele war vor dem Proetidenthore.
Pind. P. 9, 82. N. 4, 20. Schol. u. Diſſen Expl. p. 382., wo
der Gegenſtand ſehr lichtvoll auseinandergeſetzt iſt.
ton. Lib. 33.
gers Amalthea Bd. 1. S. 130.
υπεϱ Ηϱακλ]εους [δαφνη] φοϱησαντος.
Nachrichten geben Cic. N. D. 3, 16., wo Creuzer zu vgl. u. Pauſ.
10, 13, 4. Sonſt ſ. man Visconti Mus. PioCl. 2, 5. Zoëga Bas-
sir. 2. p. 98.
delaberſuße. Die Verſoͤhnung auf dem Korinthiſchen Puteal aͤcht-
alten Styls, das Dodwell in der Reiſe und: Alcuni bassirilievi.
Roma 1820. herausgegeben hat (jetzt bei L. Guilſord). Hier kom-
men ſich entgegen Apollon, Artemis, Leto — Pallas, Herakles, Alk-
mena oder eine andere Frau; es folgen die Chariten. Ich ver-
muthe hier eine Copie der Sikyoniſchen Gruppe von Dipoͤnos und
Skyllis (Plin. 36, 4.), wenn dieſe nicht etwa auch den Streit dar-
ſtellte, wie die bei Pauſ. a. O. — Aehnlich iſt das Vaſengemaͤlde
bei Millingen, Vases de Coghill pl. 11. Ap. Daphnephoros beim
Tripus ſitzend nebſt Artemis und Leto empfaͤngt Herakles; eine
Goͤttin mit Scepter (Veſta nach Zoëga a. O.) und Hermes ſtehn
dabei. Herakles iſt auch dabei immer als Juͤngling dargeſtellt.
pels, Eurip. Jon 196. 239.
Pauſ. 1, 43, 7. vgl. oben S. 12. Amalthea S. 131.
de sera num. vind. 12. p. 245.
Bildſaͤulen von Demoneſiſchem Orichalk. S. die Stellen oben S.
200, 2. 230, 1. vgl. Kallim. Frgm. 75, 5 B.
PioCl. T. 7. iv. b. n. 11. Mionnet Descr. T. 2. p. 109. n. 94.
und Planches 53, 4. Pouquev. Voy. T. 4. p. 208. Auch bei
Lord Northwick ſah ich eine ſolche Muͤnze.
Fragm. 1.
Anton. Lib. 32. (50. p. 196 St.), Viseonti ad Her. Att. Inscr.
Triop. fin.
Theokr. 24, 64. Pauſ. 9, 11, 2.
iſt merkwuͤrdig, was derſ. 5, 13, 6. ſagt: daß ein Altar im Mi-
leſiſchen Didymaͤon vom Thebaͤiſchen Herakles gebaut ſei.
Sage Plut. Parall. p. 416 H. — Ich bemerke beilaͤufig, daß ſich
auch Boͤotiſche Familien, wie es ſcheint, die Αυκοϱμαῖοι u. Σατι-
λαῖοι, von Her. herleiteten. Plut. de sera num. 13. p. 248.
100., wo aber manche Alexandrin. Erfindung bemerkt wird.
Aa. ſ. Alkidamas Rhetor auf Palamedes S. 75, 33 R., wo fuͤr
Τέννος ΛΙΝΟΣ zu ſchr.
Aelian V. G. 4, 5.; offenbar auf das Jahr von 360 Tagen be-
bezuͤglich.
Pind. p. 509.
Proklos Auszug, aber wurde dort, wenn ich den Zuſammenhang
recht faſſe, durch eine Liebe und Entfuͤhrung des Heros motivirt.
wo Her. uͤber den Parnaß zur Kaſtalia kommt.
Soph. Trach. 257. dient Her. ſpaͤter einen ἐνιαυτὸν von drei Jah-
ren; und ſo auch Apollod. 2, 6, 2. vgl. oben S. 416, 1.
oben S. 322.
Schol. Pind. O. 9, 92. 13, 184. vgl. Boͤckh Expl. p. 193.
Elmsley ad Eurip. Heracl. 32. p. 51.
504. Schol. zur Stelle u. zu 664. Schol. Apoll. Rh. 1, 1209.
Hrpokr. Μελίτη, Heſych ἐκ Μελίτης, Μήλων, Διομεία. Suid. Διομεία.
Tzetz. Chil. 8, 192. Vgl. Corſini F. A. 2. p. 335., wo indeß
nicht Alles richtig iſt.
41.
3. Die Erwaͤhnungen dieſes Heiligthums ſind ſehr zahlreich.
Tanz Tetrakomos den Namen. Pollux 4, 14, 99. 105. Athen. 14,
618. Heſych Τετϱἁκωμος. Ein Herakleion, auch nicht weit davon,
an der Faͤhre nach Salamis. Plut. Themiſt. 13.
Alex. Protr. p. 22 Sylb. Heyne ad Apollod. 2, 7, 3. p. 188.
ſcheint ſie nicht richtig anzuwenden.
Theſ. 35. Eurip. Raſender Her. 1333.
bei Schol. Il. 3, 242. u. Ven. p. 98. Herod. 9, 73. Pauſ. 1,
41, 4. 3, 18, 3. Iſokr. Enkom. Helen. 10. Plut. Theſ. 32. Steph.
u. Harpkr. Τιτακίδαι. Darauf geht auch der Vers des Kallim.
Fr. 234. ἄνδϱ̕ ελαιοι (ſchr. ἜΛΑΟΝ) Δεκελειόϑεν ἁμπϱεύοντες,
naͤmlich als Wegweiſer gegen Aphidna. Nach Alkman (Frgm. 3
Welck. und dem Epigr. des Kaſtens des Kypſelos (Pauſ. 5, 19, 1.)
eroberten ſie ſelbſt Athen. Wie damit die wahrſcheinlich Alkmani-
ſche Gloſſe: Ασαναίων πόλιν τὰς Αφίδνας, bei Heſych zuſammen-
haͤngt, iſt dunkel.
Dio Chryſoſt. Or. 47, 523 b. c. hervor. Ueber die Alexandriniſche
Erfindung der zwoͤlf Kaͤmpfe hat ſchon Zoëga (Bassiril. 2. p. 46.)
genuͤgend gehandelt; hernach Ouwaroff Exam. critique de la
fable d’Hercule.
Auch weidete dort Argos nach der Sage die heiligen Hera-Kuͤhe.
Auch ein Epimenideiſches Fragment bei Aelian N. A. 12, 7. erwaͤhnt
dieſen Mythus, dann Herodor bei Tatian 1. p. 164. (bei Juſtin.
Beſchreibung der Delphiſchen Tempelmetopen bei Eurip. Jon 196.
Mit Pfeilen toͤdtet er ſie indeß auf dem Kaſten des Kypſelos.
Scut. p. 69. Diſſen Expl. Pind. I. 5. p. 525. Buttmann zu
Soph. Philokt. 726. Auf dem angef. K. des Kypſ. ſah man Her.
mit Pfeilen u. auch mit dem Schwerdt. αἰχματὰς in Archilochos μέλος.
phorion Fr. 47. p. 111 Meinecke. Zu den dort geſammelten Stel-
len fuͤge noch Plut. de facie Lunae 24. de fluv. 18, 4. Steph.
B. Ἀπέσας. vgl. Hygin fb. 30.
Suid. Πείσανδϱος. vgl. Schol. Apoll. 3, 1197. uͤber die eherne
Keule des Her. bei Peiſandros.
Iſokr. Archidam. 6. Marm. Farnes. p. 152. bei Marini, u. Aa.
6, 25, 3. Apolld. 2, 7, 3. Die Verwundung des Hades erzaͤhlte
auch Panyaſis, Arnob. adv. gent. 4, 25. Nach demſelben (bei
Klem. Protr. p. 23 Sylb.) wurde auch Hera bei Pylos (die Il. 5,
des Hades auf B. Minthe.
336. p. 65. aus Heſiods Καταλόγοις. Diod. 4, 31.
2, 6, 2. Schol. Ven. Il. 2, 88. Marm. Farnes. p. 151.
γϱαφαῖς, die auch auf das Mythiſche zuruͤckzugehen pflegten, wie
die der Heraprieſterinnen zu Argos. Mit V. 59. vgl. Etym. M.
Δαιτήϱιον ἐν Ἰλιάδι, corr. ΗΛΕΙΑΙ, der Ort, wo Her. die
Beute des Eleiſchen Krieges vertheilt.
11, 689. Lykophr. 39. mit Tzetz. Die Verwundung des Ares knuͤpft
ſchon der Heſiod. Schild V. 368. daran, den Kampf mit Phoͤhos
und Poſeidon Pindar O. 9, 33. Boͤckh Expl. p. 189.
O. 3, 14. Den Zuſammenhang der Erzaͤhlung daſelbſt faſſe ich ſo.
Her., die Hindin der Artemis jagend, kommt dabei bis zu den Hy-
perboreern, an den Quellen des Iſtros, und erblickt dort die herr-
lichen Oelbaͤume. Nachher, da er die Olympien gruͤnden will, er-
innert er ſich deſſen, und holt zur Bepflanzung der kahlen und
ſonnigen Ebene junge Staͤmme von da herbei. — Ueber den κό-
τινος von Olympia iſt jetzt Schneider Index Theophr. T. 5. P.
424. zu vgl.
rakleia.
16. Eckhel N. Anecd. tb. 1. n. 13., von deſſen Erklaͤrung die
meinige einiges abweicht.
menss. p. 93.
man aus Ovid M. 7, 364. erraͤth. Vielleicht hing das Feſt des
Her. mit dem der Hera zuſammen, uͤber das Athen. 6, 262.
die Muͤnzen.
iſt hernach auch auf Hylas uͤbergetragen worden. In der Sparta-
niſchen Fabel war Elakatos (Soſibios bei Heſych Ἠλακάτια) Her.
παιδικά.
tierſes mit Eichſtaͤdts Anmerkungen, und oben S. 347.
die des Pherekyd. Pindar u. Apolld. vorzugsweiſe zu beruͤckſichtigen.
lumnis Herc. Opusc. 2. p. 205. Peringer de templo Herc.
Phoͤnikiſche Διωδᾶς nach Euſeb. Scal. p. 26. im Griech. Text. In-
ſeln des Her. bei Neu-Karthago in Spanien, Athen. 3, 121 a.
Neben dem Her. zu Karthago auch ein Jolaos, Polyb. 7, 9, 2.
Eudoxos bei Athen. 9, 392 d.
luſt. Jug. 21. wo auch von ſeinem Tode in Hiſpanien geſprochen
wird. vgl. Str. 17, 828.
doxos a. O. Euſt. zur Il. 1702, 50. Zenob. ὄϱτυξ ἔσωσεν. —
vgl. zu alle dem die geiſtreiche Behandlung dieſes Mythus in Hee-
rens Ideen Bd. 1, 2. S. 129.
Bd. 1, S. 121.
ἄλλος Ἡϱ.
Pauſ. 6, 21, 5. vgl. 23, 1., der den Phoͤnikiſchen damit verwech-
ſelt, 9, 27, 5. Vielleicht iſt auch der die Kinder ins Feuer wer-
fende der Idaͤos, weil ein S. deſſelben Klymenos heißt (Pherek.
Sch. Pind. J. 4, 104.), und Klymenos auch Nachkomme des Her.
Idaͤos, Pauſ. 6, 21, 5.
terworfen geweſen.
da das Delph. Orakel bei Demoſth. Mid. 15. den Athenern gebeut
πεϱὶ ὑγιείας dem hoͤchſten Zeus, Herakles und Ap. Proſtaterios zu
opfern. Ueber Her. Alexikakos Libanios Ep. 12. Dio Chryſoſt. Or.
1. p. 17. Schol. Ariſt. Wolken 1375. und zu Apoll. Rh. 1, 1218.
vgl. Marini Ville Alb. p. 141. n. 152. An dieſen iſt gewoͤhnlich
bei dem Ausruf Ἥϱακλες, me Hercules, zu denken. Als ſol-
cher erhielt er Schafe aber nur nachgemachte zum Opfer (ſonſt hat
Her. Schweine) und hieß Μήλων zu Theben, Pollux 1, 1, 27. 30.
und zu Melite in Attika. S. Apollod. bei Zenob. 5, 12. Heſych
s. v. Μήλων. Schol. Ariſt. Frieden 421. vgl. 740. Suid. Μή-
λιος.
Helleniſche. Oben S. 453. Auch Ἡϱ. ἀπόμυιος zu Rom nach
Klem. Alex. Protr. 1. p. 24. Sylb. wie Zeus zu Olympia.
Her. vorkommen. Der goͤttliche Dienſt zu Sikyon (2, 10, 1.) kann
indeß vielleicht dem Idaͤos Daktylos gelten, da dieſe Stadt in alter
Verbindung mit Phaͤſtos ſtand.
90. laͤßt Her. dieſen Kampf mit den Goͤttern u. wohl kurz vor ſeiner
Vergoͤtterung kaͤmpfen. Zuerſt kommt Her. Γιγαντοφόνος auf dem
Throne des Amykl. Ap. Pauſ. 3, 18, 7. und einigen recht alten
Vafengemaͤlden vor.
nachzuſehen “uͤber den uranfaͤnglichen Gott der Orphiker.”
(Frgm. 32. bei Neue) wo Her., auf die Schwelle des Hauſes von
Keyx tretend, wo eben ein großes Mahl geruͤſtet wird, ſagt: Ge-
rechte Maͤnner kommen auch ungeladen zum Gaſtgelage Edler, ſind
vermuthlich dem Stoffe nach aus Heſiods γάμος Κήϋκος (vgl. Beil.
2.)
cher, Athen. 12, 512 e. Die μέλλοντες ἐφηβεύειν brachten ihm
ein Maaß Wein. Heſych Οἰνιστήϱια.
Buſiris und Ἥβας γάμος (oͤfter b. Athen.) und Rhinton im He-
rakles, ſ. Athen. 11, 500 f., wo wenigſten Oſanns (Anal. poesis
scaen. p. 71.) Aenderung das Metrum nicht beſſert.
Eubulos bei Athen. 10, 417.
Harl. wo das Lokal Oechalia in Euboͤa geweſen zu ſein ſcheint,
nach der Zuſammenſtellung Οἰχαλίαν, Κέϱκωπας in den Verſen des
Jo. Tzetz. bei Bentlei ad Mill. p. 505 Lips. Darnach nannte
die Kerk. Diotimos ἄϑλοις Ἡϱακλ. Oechalieer, naͤmlich in Eu-
boͤa, von wo ſie Boͤotien verwuͤſteten, (Suid. Ευϱύβατος, Apo-
ſtol. 9, 33. Schol. Lukian Alex. 4. 71.); nach Lydien verſetzte
ſie wahrſcheinlich zuerſt Aeſchrion von Sardis in der Epheſis (ſ. Lo-
becks treffliche Abhandlung de Cercop. et Cobalis p. 7.); nach
den Pithekuſen Xenagoras (πεϱὶ νήσων wie es ſcheint, bei Har-
pokr. Laktant. fb. 14, 3. Zenob. Apoſtol. 11, 24.). Unter den At-
tiſchen Komikern haben Hermippos und Platon die Fabel behandelt,
aber eine unteritaliſche Farce von Skurren dargeſtellt ſehe ich bei
Hancarville 3, 88. wo Her. zwei affenartige Kerk. in Netzen oder
Gebauern dem auf einem Throne ſitzenden Euryſiheus uͤberbringt.
(oben S. 427.); das Spruͤchwort ΜΗ ΤΕϒ μελαμπύγου τύχῃς
hatte ſchon Archilochos, wo es aber die Schol. Ven. Il. 24, 315.
p. 524. anders zu faſſen ſuchen.
Tiſchbein 3, 37. vgl. Tz. Lyk. 691.
Hegeſandros, 14, 614 d. aus Telephanes. Vielleicht hatte Her.
Paraſiten hier wie in Kynoſarges.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 3. Die Dorier. Die Dorier. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bp9z.0