Luxus-Fuhrwerk.
Schickhardt \& Ebner (Konrad Wittwer).
1898.
[[IV]]
Sämtliche Rechte vorbehalten.
Druck von A. Bonz’ Erben in Stuttgart.
Einleitung.
Es ist eine eigentümliche Erscheinung, dass der Sinn für
Luxus und der veredelte Geschmack, die den modernen Menschen
kennzeichnen, sich so wenig auf dem Gebiete des Fahrwesens
bemerkbar machen. Von einem zunehmenden Equipagenluxus
ist, besonders in Deutschland, kaum etwas wahrzunehmen. Wohl
aber liesse sich der Nachweis liefern, dass das Luxusfuhrwerk
unserer Tage, verglichen mit den Prachtkarrossen, die noch in
der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Inventarium jedes
vornehmen und reichen Hauses gehörten, bedeutend an Glanz
eingebüsst hat. Und doch sollte man meinen, dass gerade die
Anschaffung und Zusammenstellung einer fashionablen Equipage
den zahlreichen Millionären fin de siècle als ein erwünschtes
Mittel erscheinen müsste, Verständnis auch für solche Dinge an
den Tag zu legen, die mit dem Kurszettel nichts gemein haben.
Irre ich nicht sehr, so ist diese auffällige Vernachlässigung
des Fahrwesens in dem Umstande zu suchen, dass der Reichtum
allgemeiner geworden. Es klingt das wie ein Paradox; wenn
man aber bedenkt, in welch hohem Grade Familientraditionen,
Erziehung, Verkehr mit Kennern und Künstlern, und zum teil
auch Achtung vor den ungeschriebenen Gesetzen der guten Ge-
sellschaft, den Geschmack in Sachen des Luxus beeinflussen,
so wird man es begreiflich finden, dass die radikale Umgestaltung
[VI]Einleitung.
der Besitzverhältnisse, die von der französischen Revolution ein-
geleitet worden, nicht in jeder Beziehung von günstigem Einfluss
auf die in erster Reihe der Prachtliebe dienenden Gewerbe ge-
wesen ist.
Lernen kann man alles, auch die Kunst rasch und leicht
erworbenes Geld mit Verständnis auszugeben. Leider ist nicht
Jeder, der es von heut auf morgen zum Millionär gebracht, davon
zu überzeugen, dass es für ihn noch viel zu lernen giebt. Da
sind denn verhängnisvolle Missgriffe kaum zu vermeiden, wenn
der Betreffende einmal das Bedürfnis empfindet, seinen Namen
auch in der Welt des Schönen zur Geltung zu bringen.
Hierzu kommt nun noch, dass sachverständiger Beirat, sowie
mustergiltige Vorbilder, selbst für Geld nicht an jedem Orte zu
haben sind. Ganz besonders pflegen letztere im Equipagenwesen
zu den Seltenheiten zu zählen. Der immer mehr verarmende
Adel bedient sich mit wenigen Ausnahmen hauptsächlich des
Fiakers oder der Droschke; die kaiserlichen, königlichen und
fürstlichen Marställe huldigen im täglichen Dienste einem Stil,
der, da er die Mitte hält zwischen bürgerlicher Anspruchslosigkeit
und höfischem Glanz, für den Privatmann vollkommen unan-
wendbar ist, und die Finanzwelt erscheint in Equipagen, an denen
man in der Regel nur lernen kann, wie ein Luxusfuhrwerk nicht
aussehen darf. Ein den praktischen Bedürfnissen wie auch der
neuesten Geschmacksrichtung und den Vorschriften der Etikette
Rechnung tragendes „Handbuch für Equipagenbesitzer“,
dürfte daher in weiten Kreisen um so sicherer willkommen ge-
heissen werden, als die Zusammenstellung einer in jeder Einzel-
heit korrekten Equipage thatsächlich keine leichte Aufgabe ist.
Von dieser Voraussetzung ausgehend und weil es nun einmal
feststeht, dass auf dem Gebiete des Equipagenwesens die von
[VII]Einleitung.
den meisten Besitzern angestrebte Eleganz ohne Korrektheit im
Detail unerreichbar ist, habe ich es unternommen ein derartiges
Handbuch auszuarbeiten. Von der Galakarrosse angefangen, bis
herab zum Dog Cart, ist in diesem Büchlein jede zur Kategorie
„Luxusfuhrwerk“ gehörende Wagenart einer mit deutlichen
Illustrationen versehenen Besprechung unterzogen worden. Das-
selbe gilt mit Bezug auf die für die verschiedenen Equipagen-
gattungen vorgeschriebenen Pferde-Typen, Geschirre und Livreen.
In dem Kapitel „Praktische Winke“ wird dem Leser ausser-
dem das Wissenswerteste über Behandlung der Wagen und Ge-
schirre, über Stall- und Fahr-Etikette und die Obliegenheiten
des Personals mitgeteilt. Ich glaube daher hoffen zu dürfen,
dass derjenige, dem daran gelegen ist, sich über das moderne
Luxusfuhrwerk mit allem was dazu gehört, eingehender zu unter-
richten, meine anspruchslose Arbeit nicht ganz unbefriedigt aus
der Hand legen wird.
Schliesslich erfülle ich noch eine angenehme Pflicht, indem
ich das mehrfach von mir als Quelle benützte amerikanische
Prachtwerk „Driving for Pleasure“, by Francis T. Underhill,
der Aufmerksamkeit aller Freunde des Fahrsports bestens em-
pfehle. Mein schriftstellerischer Ehrgeiz wird vollkommen be-
friedigt sein, wenn es mir gelungen, der deutschen Fachlitteratur
ein würdiges Gegenstück zu diesem vortrefflichen Buche zu
liefern.
[][[1]]
Historisches.
Der freundliche Leser möge nicht erschrecken. Es ist
nicht unsere Absicht ihm ein mit allerlei gelehrten Floskeln aus-
geschmücktes Bild von der historischen Entwicklung des Luxus-
fuhrwerkes zu entrollen. Wir werden somit nicht von dem mit
goldenen und silbernen Zierraten geschmückten Wagen erzählen,
in welchem Darius III. anno 333 v. Chr. Geb. an der Schlacht
bei Issus teilnahm, und auch bei den prächtigen Caruccas der
römischen Kaiser wollen wir uns keinen Augenblick aufhalten.
Herrscht doch zwischen der Bauart dieser Wagen und derjenigen
unseres modernen Fuhrwerks ein so gewaltiger Unterschied, dass
es vollkommen genügt, wenn ihrer hier flüchtig Erwähnung ge-
than wird. Lassen wir aber das Altertum ganz aus dem Spiele,
so brauchen wir unsere historischen Studien erst beim 15. Jahr-
hundert zu beginnen. Eines so langen Zeitraums bedurfte es
nämlich, bis die Wagenbaukunst von ihren Uranfängen zu Formen
gelangte, die dem Wesen eines Luxusfuhrwerkes annähernd ent-
sprachen. Einer der allerersten Wagen dieser Gattung dürfte
die gedeckte Staatskutsche gewesen sein, in welcher Kaiser
Friedrich III. 1494 nach Frankreich kam. Anstoss zu rascherer
Entwicklung des Fahrsports scheint diese kaiserliche Karrosse
aber nicht gegeben zu haben, denn es vergingen noch nahezu
100 Jahre, bevor die vornehme Welt bei feierlichen Gelegen-
heiten sich des Staatswagens zu bedienen anfing. Bei der im
Jahre 1562 erfolgten Krönung des Kaisers Maximilian, soll
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 1
[2]Historisches.
sich der Kurfürst von Köln jedoch mit 14 Wagen einge-
funden haben. Um dieselbe Zeit, oder im Jahre 1568, wurde
auch eine wichtige Veränderung in der Konstruktion der Wagen
vorgenommen. Anstatt den Kasten wie bisher direkt auf den
Achsen ruhen zu lassen, begann man ihn mittelst lederner Riemen
ober dem Gestell zu befestigen. Merkwürdigerweise gelang es
dieser gewiss sehr einleuchtenden Verbesserung nur sehr langsam
grössere Verbreitung zu finden; wenigstens zeigte der Wagen,
in welchem Heinrich VII. anno 1610 in Paris ermordet wurde,
noch die ältere, Herz und Nieren prüfende Konstruktion.*) Das-
selbe gilt mit Bezug auf die erste in England gebaute Kutsche,
der vermutlich ein im Jahre 1555 vom Kontinent importierter,
gedeckter Wagen als Vorbild gedient hat, denn falls wir Stow’s
„Chronicle“ Glauben schenken dürfen, war dieser der erste
seiner Gattung, den die Engländer zu Gesicht bekommen haben.
Ein Blick auf nachstehende Zeichnung (Fig. 1) giebt zu erkennen,
welche Martern die „jungfräuliche Königin“ Elisabeth, wie auch
ihre zarten Hofdamen haben erleiden müssen, wenn sie genötigt
waren in diesen primitiven, wenn auch prunkvoll ausgestatteten
Kasten eine über das jeder Beschreibung spottende Strassen-
pflaster der Hauptstadt oder die noch elenderen Landwege
führende Fahrt zu unternehmen. Kein Wunder daher, dass noch
zur Zeit der Königin Elisabeth sowohl Männlein wie auch Fräulein
weit lieber den in sanft schaukelndem Passgang einherschreitenden
Zelter bestiegen, als sich in den Prachtkutschen ihrer Königin
alle Knochen durcheinander rütteln zu lassen. (Fig. 2.)
Populär waren diese ersten Kutschen in England überhaupt
nicht. Taylor, der sog. Wasserpoet, schreibt mit Bezug hierauf:
„In jenen Tagen war eine Kutsche ein ungeheuerliches Ding,
dessen Anblick Menschen und Pferde mit Schrecken erfüllte.
Während einige behaupteten es sei eine aus China stammende
[3]Historisches.
riesige Austernschale, meinten andere es müsse einer jener
heidnischen Tempel sein, in welchen die Kannibalen den Teufel
anzubeten pflegten.“ An einer anderen Stelle heisst es: „Werfet
gefälligst einen Blick in die Strassen und Wohnungen der Fleet-
Staatskutsche der Königin Elisabeth von England,
(nach einer alten Handzeichnung).
street oder des Strandviertels. Diese Gegend muss man jetzt wegen
der neuartigen Fuhrwerke geradezu meiden, besonders nach einem
bei Hofe stattgefundenen Maskenball oder Schauspiele. Die Erde
zittert, das Hausgeräte wird hin und her gerüttelt und das Getöse ist
Gewöhnliche Kutsche zur Zeit der Königin Elisabeth
von England, (nach einer alten Handzeichnung).
ein derartiges, dass man weder schlafen noch sprechen, hören,
schreiben oder mit Gemütsruhe seine Mahlzeiten einnehmen kann.“
Am erbittertsten aber waren die Wasser- und Lastträger, sowie
auch die Fuhrleute über die in immer grösserer Anzahl in den
Strassen der Hauptstadt verkehrenden Karrossen, zumal sich
[4]Historisches.
unter diesen auch Mietwagen befanden, durch die sie sich in
ihrem Erwerb bedroht fühlten. Es gehört daher auch keines-
wegs zu den Seltenheiten, dass letztere an besonders schmutzigen
Stellen der Strasse urplötzlich von mutwilligen Händen umge-
worfen wurden. Sogar die Regierung liess es nicht an Versuchen
fehlen, dem aufblühenden Fahrsport durch allerlei vexatorische
Bestimmungen den Garaus zu machen, und zwar unter dem
Vorwande, dass die Ohren des Königs, der Königin und des
Adels durch das Wagengerassel beleidigt würden! So wurde
z. B. in einem Erlasse angeordnet, dass in London, Westminster
und den Vorstädten nur derjenige sich einer Kutsche bedienen
dürfe, der vier kräftige Pferde zur Verfügung des Königs stelle.
Es verdient übrigens hervorgehoben zu werden, dass dieselbe
Regierung ein Edikt nach dem anderen zu dem Zwecke erliess,
die rapid zunehmende Entwicklung der Hauptstadt innerhalb eng
begrenzter Schranken zu halten. Doch ebenso gut hätte sie den
Meereswogen Einhalt gebieten können. Londons Umfang nahm
von Jahr zu Jahr gewaltigere Dimensionen an, und was die
Kutschwagen anbelangt, soll deren Anzahl anno 1636 in London
und Umgebung bereits 6000 Stück betragen haben.
Anfangs wurden diese Wagen nur von zwei Pferden gezogen.
Bald aber erhielt der Adel das Privilegium vierspännig zu fahren
und aus dem Viererzug machten die Grossen des Königs all-
mählich Sechser- und Achterzüge. Hierdurch erlitt der mit der
Entwicklung der Hauptstadt Schritt haltende Massenverkehr
selbstverständlich eine gewaltige Störung. Ausserdem erschien
es unvereinbar mit der aristokratischen Würde, dass eine Kutsche
in welcher vielleicht sechs Edelleute Platz genommen, von einem
mit ebenso vielen Bierfässern beladenen Lastwagen aufgehalten
werden konnte. Viele Mitglieder des hohen Adels begannen
daher den weniger Platz in Anspruch nehmenden Sänften (Fig. 3)
den Vorzug zu geben.
In Deutschland erschien die erste Karrosse mit Glasfenstern
im Jahre 1610. Diese war für zwei Personen berechnet und soll
[5]Historisches.
später von der Infantin Maria von Spanien bei ihrer Vermählung
mit Kaiser Ferdinand III. benützt worden sein.
Wie ungeheuer langsam sich der Fortschritt auf dem Ge-
biete des Wagenbaues vollzog, zeigt die Abbildung in Fig. 4, die
Sänfte aus dem Jahre 1735 nach einer im British Museum
befindlichen Abbildung.
eine Staatskutsche aus dem Jahre 1713 darstellt. Erst unter dem
prachtliebenden französischen Könige Ludwig XVI. (1774—1793)
sehen wir eine Wagenform entstehen, deren hochhängender
Staatswagen aus dem Jahre 1713.
Kasten, Glasfenster, wendbares Untergestell und — allerdings
nur aus Holz angefertigte — Federn, bereits die charakteristischen
Kennzeichen unserer heutigen Galawagen erkennen lassen (Fig. 5).
Etwas später wurden von Deutschland die sog. „Berlines“
[6]Historisches.
eingeführt, die auf S-Federn hingen. Indessen zeichneten sich
sowohl diese, wie alle anderen aus jener Zeit herstammenden
Wagen, durch die höchst unbequeme Konstruktion aus, dass
der Kasten himmelhoch über dem Untergestell hing und man
deshalb nur mit Beihilfe einer kleinen Leiter in das Innere des
Wagen König Ludwig XVI.
Wagens gelangen konnte. Der Kutscher sass so hoch, dass er
in die erste Etage der Häuser hineinsehen konnte. Wäre er
herabgefallen, hätte er den Hals gebrochen. Eine Folge dieser
Wagenkonstruktion war, dass man sich genötigt sah, die Ein-
C-Feder.
Druckfeder.
fahrten der Paläste bedeutend zu erweitern und zu erhöhen.
Nun konnten auch die 1786 erfundenen und von der Mode mit
Begeisterung aufgenommenen „Cabriolets“, die eine Höhe von
20 Fuss hatten, aus den Höfen heraus und wieder in dieselben
zurückgefahren werden.
Mit der zu Anfang unseres Jahrhunderts erfolgten Einführung
der C-Federn (Fig. 6) macht sich jedoch eine Abnahme der schwin-
[7]Historisches.
delnden Kastenhöhe bemerkbar, die durch die Erfindung der hori-
zontalen oder Druckfedern (Fig. 7) noch mehr verringert wurde.
Dass die Wagenbaukunst im 18. Jahrhundert bereits eine
sehr hohe Stufe erreicht haben muss, davon legen übrigens
mehrere aus jener Zeit stammende, heute noch im Gebrauch
stehende Staatswagen beredtes Zeugnis ab. Eine der schönsten
Karrossen dieser Gattung ist der Prunkwagen der Königin Viktoria
von England (Fig. 8). Bestellt wurde derselbe vom Könige
Georg III. im Jahre 1762. Es war das eine Anschaffung, die
Galawagen der Königin von England.
sich nur ein so reicher Hof wie es der englische ist, erlauben
konnte, denn der Wagen kostete ₤ 7900 (= 158000 Mk.), von
welchem Betrage nicht weniger als ₤ 2500 (= 50000 Mk.) auf
die Schnitzereien entfielen. Allerdings war bei der Arbeit nach
keiner Richtung hin gespart worden. Dies geht u. a. schon
daraus hervor, dass alle an dem Wagenkasten vorkommenden
Malereien dem Pinsel des berühmten Meisters Cypriani zu ver-
danken sind. Auf dem vorderen Felde ist die auf ihrem Throne
sitzende Britannia zu sehen, wie ihr von der Religion, der Ge-
rechtigkeit, der Weisheit, der Tapferkeit, der Grossmut, dem
[8]Historisches.
Handel, dem Reichtum und der Siegesgöttin eine Lorbeerguir-
lande dargereicht wird. Im Hintergrunde hat der Künstler eine
Ansicht von der Kirche St. Paul und der Themse angebracht.
Auf dem rechten Wagenschlage erblickt man die Industrie und
den Erfindungsgeist dem Genius von England huldigend. Die
beiden Seitenfelder werden von der Geschichte und dem Frie-
den eingenommen; erstere verzeichnet Ruhmesthaten auf ihren
ehernen Tafeln, letzterer verbrennt allerlei Kriegsgerät. Das
rückwärtige Feld stellt den Triumphzug Neptuns und der Amphi-
trite dar. Auf dem rechten Wagenschlage halten Mars, Minerva
und Merkur die Krone Grossbritanniens empor, während die bei-
den Seitenfelder den freien Künsten und der Wissenschaft ge-
widmet sind. Die unter dem Kutschbock angebrachten Figuren
blasen in grosse Muscheln um das Nahen des über den Ozean
herrschenden Monarchen zu verkünden. Zu beiden Seiten des
für die Diener bestimmten rückwärtigen Fussbrettes befinden
sich ebenfalls zwei Figuren; diese tragen von einem Dreizack
gekrönte Fasces. Die Deichsel ist aus Lanzenbündeln geformt.
Für die Räder lieferte der prunkreiche römische Triumphwagen
das Vorbild. Besonders wirkungsvoll ist auch die aus acht Pal-
men bestehende Umrahmung des Wagenkastens, dessen Dach
auf den Kronen dieser Bäume ruht. Mitten auf dem Dache
selbst stehen die Figuren dreier Knaben, welche die Genien
Englands, Schottlands und Irlands vorstellen und die Krone
Grossbritanniens auf ihren Schultern tragen. Diese Figuren sind
mit Lorbeerfestons geschmückt, die sich zu den vier Ecken
des Wagendaches hinziehen.
Ausserordentlich kostbar ist natürlich auch die innere Aus-
stattung des Wagens, die mit ihrer verschwenderischen Benützung
von scharlachrotem Sammet und Goldstickereien eine geradezu
blendende Wirkung erzielt.
Dass eine solche Karrosse nicht leicht sein kann, liegt auf
der Hand. Ihr Gewicht beträgt 3 tons (= 3048 Kilo), ihre
Länge 24 Fuss, ihre Breite 8 Fuss 3 Zoll, ihre Höhe 12 Fuss
[9]Historisches.
und die Länge der Deichsel 12 Fuss 4 Zoll. Kein Wunder
daher, dass sie eine Bespannung von 8 Pferden fordert. Be-
kanntlich werden zu diesem Dienst stets die „cream-coloured
horses“ (Falben) hannoverscher Abkunft verwendet, die eine
Spezialität des königlich englischen Marstalles bilden und deren
Falbhaar vortrefflich zu dem reichvergoldeten, mit blauen Schleifen
aufgeputzten Geschirr aus rotem Maroquin passt.
Sicher noch kostspieliger als der hier beschriebene Wagen
Österreichischer Krönungswagen.
ist der Krönungswagen des kaiserlichen Hofes zu Wien (Fig. 9).
Den wertvollsten Schmuck dieser schwer vergoldeten Pracht-
karrosse, deren Bau bis auf den Kaiser Ferdinand II. (1578—1637)
zurückgeführt wird und die schon in einem Buche aus der Zeit
Karls VI. (1685—1740) abgebildet erscheint, bilden nämlich alle-
gorische Malereien von Peter Paul Rubens. Im Vergleiche mit
solchem Schmuck verblasst selbst das kostbarste Material, das
die Meister der Wagenbaukunst älterer und neuerer Zeit ver-
wendet haben um die Prachtliebe ihrer Auftraggeber zu be-
friedigen. Beim Gebrauche wird dieser Wagen auf spanische
[10]Historisches.
Art mit sechs Schimmeln bespannt. Auf dem hinteren Sattel-
pferde reitet der Leibkutscher in spanischer Tracht, eine kurze
Peitsche in der Hand; die mittleren Pferde hält auf jeder Seite
ein Reitknecht an einem Handzügel, eine Reitgerte in der Hand,
ebenfalls in spanischer Tracht gekleidet; der Vorreiter im spa-
nischen Anzuge sitzt auf dem vorderen Sattelpferde.
Die Art und Weise der Bespannung und Begleitung ist zur
Erinnerung an Kaiser Karl VI. bis auf den heutigen Tag dieselbe
geblieben. Gelegentlich des feierlichen Einzuges der Braut des
verewigten Kronprinzen Rudolf, der Prinzessin Stephanie von
Belgien, in Wien, im Mai des Jahres 1881, war der Krönungs-
wagen zuletzt im Gebrauch.
Wie aber eine Schwalbe keinen Sommer zu machen ver-
mag, so gelang es auch den leicht gezählten Prachtkarrossen
unserer Vorfahren nicht, in weiteren Kreisen belehrend auf das
Equipagenwesen und den Fahrsport einzuwirken. Obwohl als
Schaustück viel bewundert, war so ein schwerfälliger, vergoldeter
Kasten doch wenig geeignet das grosse Publikum von seiner Be-
deutung für das praktische Leben zu überzeugen. Dagegen lässt
sich nicht in Abrede stellen, dass das bescheidene Mietfuhrwerk
viel zur rascheren Entwicklung des Wagenbaues beigetragen hat.
Nachdem die wohlhabenderen Klassen, dank dem Mietwagen,
einmal Geschmack am Fahren gefunden hatten, war auch die
Axt an das Equipagen-Privilegium der Edelleute gelegt.
In Paris gab es anno 1650 schon einen Lohnkutscher, der
dem Publikum Wagen und Pferde mietweise überliess. Dieser
Mann, dessen Namen, Nicolas Sauvage, die Nachwelt in dank-
barer Erinnerung bewahrt hat, soll seinen Stall mit dem Bilde
des heiligen Fiacre’s geschmückt haben. Seitdem werden alle
Pariser Droschken Fiacres genannt. Ungefähr gleichzeitig mit
Sauvage eröffnete ein alter Seeoffizier in London ein Mietwagen-
Geschäft. Seine Wagen erhielten den Namen „Hackneys“.
Der gute Mann scheint indessen nicht lange allein und ungestört
die Früchte seiner so überaus praktischen Idee genossen zu
[11]Historisches.
haben, denn wenige Jahre nachdem er diese zur Ausführung ge-
bracht, zählte man nur in der City von London schon 1900
„hackney coaches“. Mit der Beschaffenheit dieser Uranfänge
der heutigen „Cabs“ war es allerdings nicht weit her. Elende
schmutzige Karren und noch elendere Bespannung. Letztere
bestand, wie ein Schriftsteller der damaligen Zeit mitteilt, aus
„gemeinen halbverhungerten Schindern, die einer so hochanstän-
digen Stadt zur Schande gereichten und die unwürdig waren
einen Standplatz in der Nähe des Königsschlosses zu erhalten.“
Aller Wahrscheinlichkeit nach, bewog gerade die Armselig-
keit jener öffentlichen Fuhrwerke manchen reichen Bürgersmann
sich eine eigene Equipage anzuschaffen. Blieb ihm doch kaum
etwas anderes übrig, wenn er auch fernerhin fahren und nicht
wieder in die unbequeme Sänfte oder in den noch unbequemeren
Sattel steigen wollte. Trotzdem machte die Fabrikation von
Luxuswagen sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer
Beziehung nur sehr langsame Fortschritte. Ja, von einem wirk-
lichen und allgemeinen Aufblühen dieses Industriezweiges kann
eigentlich erst in unseren Tagen gesprochen werden. Sogar in
England und Frankreich war der Wagenbau eines der letzten
Gebiete, die dem von Jahr zu Jahr zunehmenden Luxusbedürf-
nisse der höheren Gesellschaftsklassen einen epochemachenden
Aufschwung zu verdanken gehabt. Was England anbelangt,
ist dies sehr erklärlich. Denn dort wurden in der Zeitperiode
der grossen kontinentalen Kriege bis zum Jahre 1843 alle täg-
lichen Bedarfsartikel, besonders aber jeder Luxusgegenstand, mit
so hohen Steuern belegt, dass nur sehr reiche Leute sich eine
stilvolle Equipage halten konnten. So betrug die Steuer für den
Besitz von sechs vierrädrigen Wagen ₤ 6 per Stück, für acht
derartige Wagen musste aber schon ₤ 8 16 sh bezahlt werden.
Zweirädrige Wagen waren je nach ihrer Beschaffenheit mit einer
Steuer von ₤ 3, 5 sh bis ₤ 4, 10 sh belegt. Die für ein Pferd
festgesetzte Steuer von ₤ 1, 8 sh stieg im Verhältnis zur An-
zahl der in dem betreffenden Stalle gehaltenen Pferde, bis jedes
[12]Historisches.
derselben ₤ 3, 3 sh 6 d kostete. Männliche Diener wurden nach
denselben Grundsätzen besteuert, nur musste der Junggeselle,
der sich einen Bedienten halten wollte, die höchste Steuer, ₤ 1,
für diesen zahlen.
Unter solchen Umständen ist es nicht zu verwundern, dass
selbst in dem reichen England die Anschaffung einer Equipage
als ein nur sehr wenigen Personen zugänglicher Luxus betrachtet
wurde. Eine Wendung zum Besseren in dieser Beziehung trat
erst ein, als von 1842 bis 1870 eine progressive Ermässigung der
drückenden Equipagensteuer zur Durchführung gelangte. Gegen-
wärtig wird diese Steuer wie folgt berechnet:
Luxuswagen, ob zwei- oder vierrädrig, im Gewichte
- von über 200 Kilo ₤ 2, 2 0
- dto. dto. von unter 200 Kilo ₤ 0, 15 0
- Pferde per Stück . . . . . . . . . . ₤ 0, 10 6
- Diener per Kopf . . . . . . . . . . ₤ 0, 10 6
In Frankreich waren es die Nachwirkungen der Revolutions-
und Kriegsjahre, die bis in die dreissiger Jahre unseres Jahr-
hunderts keinen nennenswerten Equipagenluxus aufkommen
liessen. Unter den Orléans begann jedoch Longchamps das
Rendezvous der eleganten Pariser Welt zu werden und dort
entfaltete sich denn auch bald ein lebhafter Korso, der viel dazu
beigetragen hat den französischen Wagenfabrikanten Kunden aus
aller Herren Länder zuzuführen. Noch glänzender gestaltete sich
diese Sachlage unter dem zweiten Kaiserreich. Paris war damals
in Wahrheit der Mittelpunkt Europas. Ein prachtliebender Hof,
glänzende politische und materielle Verhältnisse, ein bisher un-
erhörter Zuzug von begüterten Fremden, lebhafter Wettkampf
auf allen Gebieten des menschlichen Schaffens, grossartige
staatliche und private Unternehmungen verschiedenster Gattung
und noch andere Umstände bewirkten, dass zu jener Zeit in
Paris das Geld sozusagen auf der Strasse lag. Es wimmelte
dort förmlich von Millionären, die das „Leben und leben lassen“
[13]Historisches.
zu ihrem Wahlspruch erhoben hatten. Legt man nun hierzu
noch, dass das unter dem Zauberstab des Seinepräfekten, Baron
Haussmann, zu feenhafter Schönheit emporblühende Paris mit
seinen breiten Boulevards und seinem reizenden „Bois“ ein
wahres El Dorado für den Liebhaber des Fahrsports geworden
war, dass ferner die kaiserlichen Equipagen als Musterbilder
vornehmer, korrekter Eleganz gelten konnten und Napoleon III.,
der selbst ein scharfes Auge für solche Dinge besass, die Leitung
seines herrlichen Marstalls einem der hervorragendsten Fach-
männer Europas, dem General Fleury, anvertraut hatte, so wird
man es begreiflich finden, dass Paris unter dem zweiten Kaiser-
reich auch auf dem Gebiete des Equipagenwesens alle anderen
Hauptstädte Europas weit überflügeln konnte. Leider dauerte
diese Herrlichkeit nicht gar lange. Sie zerstob wie Spreu vor
dem Sturmwinde, als die Débâcle mit ihren Schrecknissen
hereinbrach, und obwohl heute mehr als ein Vierteljahrhundert
seit den Tagen der Kommune dahingegangen ist, hat Paris seinen
alten Rang noch nicht wieder eingenommen. Es fehlt eben der
tonangebende Mittelpunkt um den sich die vornehme oder vor-
nehm sein wollende Welt scharen könnte. Was man in dem
Paris der Republik „die Gesellschaft“ nennt, ist nichts als eine
Sammlung von Cliquen und Coterien, die sich einander fremd,
wenn nicht gar feindlich gegenüber stehen und die vereinzelt
weder das Ansehen noch die Mittel besitzen, eine führende
Rolle in der Weltstadt zu spielen. Im Elysée aber thront ein für
sieben Jahre gewählter Präsident, dem es schon aus politischen
Gründen untersagt ist, grossen Luxus zu treiben. So war es
denn auch nicht die Schuld des Monsieur Faure, dass die im
vorigen Jahre ängstlich diskutierte Frage, ob er wohl im stand
sein würde, dem russischen Kaiserpaare bei dessen Besuch in
Paris einige anständige Equipagen zur Verfügung zu stellen, sich
beinahe zu einer Staatsaffaire zuspitzte. Nichts kennzeichnet
den Niedergang des Pariser Equipagenwesens besser als diese
allbekannte Thatsache. Zur Zeit des Kaiserreiches hätte es dem
[14]Historisches.
General Fleury nicht die geringste Verlegenheit bereitet gleich
ein halbes Dutzend Kaiser und Könige zu empfangen.
In Wien dürfte die Kongresszeit (1814—1815) als der Anfang
einer glänzenderen Aera für das Luxusfuhrwerk zu bezeichnen
sein. So vielen gekrönten „Häuptern“ wie damals, haben die
herrlichen Alleen und Auen des Praters wohl nie mehr Schatten
und Erquickung gespendet, doch sorgten später die zahlreichen
Mitglieder des Kaiserhauses, sowie die Angehörigen der reich-
begüterten österreichischen, ungarischen und böhmischen Aris-
tokratie dafür, dass die Praterfahrten nichts von ihrem Glanz
einbüssten. Zu jener Zeit hatte eben das bekannte „Es giebt
nur a Kaiserstadt, es giebt nur a Wien“ noch seine volle Be-
rechtigung. Heute aber residiert der ungarische Adel in Budapest,
der böhmische in Prag und dank der wüsten Hetzereien der sich
gegenseitig in die Hände arbeitenden Antisemiten und Sozial-
demokraten, wagt in Wien kaum jemand mehr durch Equipagen-
luxus Aufsehen zu erregen. Wäre nicht die Fürstin Metternich,
die nach dem Zusammenbruch des zweiten Kaiserreiches den
Schauplatz ihrer rastlosen Thätigkeit auf dem Gebiete der Fashion
von Paris nach Wien verlegt hat — die seit Urgrossvaters Zeiten
traditionelle Praterfahrt am 1. Mai hätte wohl schon lange wegen
Mangel an Teilnehmern eingestellt werden müssen. So fest ge-
wurzelt aber ist in den Ländern der österreichisch-ungarischen
Monarchie der Sinn für vornehmes Fuhrwerk und schneidiges
Fahren, dass Wiener Wagen, Wiener Geschirre und Wiener
Jucker noch immer das Auge des Kenners erfreuen. Nur die-
jenigen Wagentypen, die zu ihrer Bespannung des Karrossiers
bedürfen, werden von Jahr zu Jahr seltener und dürften wohl
bald, bis auf einige vom kaiserlichen Hofe und von den fremden
Botschaftern benützte Exemplare, gänzlich von der Bildfläche
verschwinden.
Dieser Rückschritt in der Beschaffenheit und den Zahlen-
verhältnissen des Wiener Luxusfuhrwerks ist, wie wir soeben
bemerkt haben, hauptsächlich auf die Trübung der sozialen und
[15]Historisches.
geschäftlichen Lage in der früher so glänzenden Kaiserstadt
zurückzuführen. Indessen hat auch die ausserordentliche Beliebt-
heit, welcher sich der über jedes Lob erhabene Wiener Fiaker
mit Recht erfreut, nicht wenig dazu beigetragen, dass eine
elegante Privatequipage nach der anderen abgeschafft worden
ist. Sogar viele Mitglieder der Aristokratie halten sich heut-
zutage lieber ihren „Unnumerierten“, der Tag und Nacht zu
ihrer Verfügung steht, als dass sie sich die mit dem Besitz
einer eigenen Equipage verknüpften Sorgen aufbürden. Der
Fiaker ist immer da; er selbst, sein Wagen, seine Pferde und
Geschirre entsprechen mit Bezug auf Eleganz und Sauberkeit
stets den höchsten Anforderungen; von Schonung des ganzen
„Werkls“ ist nie die Rede; im Gegenteil, je schärfer er seinen
„Gavlier“ fahren darf, desto stolzer fühlt sich der Mann auf
dem Bocke. Wird ihm ein Pferd lahm, so stellt er ein anderes ein,
und „ob schön, ob Regen“, den übernommenen Verpflichtungen
mit unwandelbarer Treue und nie versagender guter Laune bis
auf das Tüpfelchen über dem i nachzukommen, betrachtet er
als eine Ehrensache, denn ihm ist sein oft schwerer Beruf nicht
lästiger Herrendienst, sondern fescher, fröhlicher Sport.
Das sind allerdings Vorzüge, die, wenn sie den vielen
Plackereien, denen der Besitzer einer Privatequipage ausgesetzt
ist, entgegengestellt werden, sehr schwer in die Wagschale
fallen. Noch dazu gilt es als sehr „chic“ sich einen „Unnume-
rierten“ zu halten. Man wird es daher dem Wiener kaum übel
nehmen können, dass er seinem unübertrefflichen Fiaker, der
zweifellos zur Klasse der Luxusfuhrwerke gehört, den Vorzug
vor der eigenen Equipage einräumt. Dem Publikum der Prater-
fahrten wie auch den Wagenfabrikanten mag dies bedauerlich
erscheinen, praktisch ist es jedenfalls.
Ähnliche Verhältnisse haben sich übrigens auch in London
herausgebildet, nur stellen die dortigen sog. „Jobmasters“
ihren Kunden keine Cabs, sondern herrschaftliche Wagen mit
korrekt adjustierten Kutschern zur Verfügung. Das vom „Job-
[16]Historisches.
master“ gemietete Fuhrwerk soll also auch mit Bezug auf die
äussere Erscheinung und Ausstattung vollständigen Ersatz für
die eigene Equipage bieten, wohingegen dem Wiener Fiaker
nichts ferner liegt als seine von ihm selbst und seinen Patronen
hoch geschätzte Eigenart zu verleugnen. In ihrer Einwirkung
auf das private Fuhrwerk aber gleichen sich der „Jobmaster“
und der Fiaker vollständig: sie gehen beide darauf aus, die im
herrschaftlichen Besitz stehende Equigage gänzlich zu verdrängen.
Das deutsche Luxusfuhrwerk steht leider noch auf einer so
niedrigen Stufe, dass wir es am liebsten ganz mit Stillschweigen
übergehen möchten. In neuester Zeit sind allerdings in Berlin
Versuche gemacht worden durch „Concours hippiques“,
Korsofahrten u. dgl. belebend und reformierend auf das arg
zurückgebliebene Equipagenwesen einzuwirken, doch sind diese
viel zu jungen Datums als dass sie schon greifbare Resultate
hätten zu Tage fördern können. In der Millionenstadt — oder
sagen wir in der Stadt der Millionäre — lassen sich die in jeder
Beziehung tadellos zusammengestellten Equipagen an den Fingern
abzählen. Wenn wir annehmen, dass deren Zahl das Dutzend
erreicht, so übertreiben wir sicher nach der günstigen Seite hin.
An guten und leistungsfähigen Wagenfabriken herrscht ja in
Deutschland durchaus kein Mangel. Was hilft aber der schönste
und modernste Wagen, wenn bei der Zusammenstellung der Ge-
samt-Equipage die gröbsten Schnitzer begangen werden? Und das
ist bei uns, Gott sei’s geklagt, die Regel, nicht wie es sein sollte
die sofort erkannte, scharf und sachgemäss kritisierte Ausnahme.
Von dem deutschen Mietfuhrwerk wollen wir gar nicht reden.
Das Schönste was dieses zu leisten vermag, ist der himmelblaue
Brautwagen, bei dessen Anblick man nicht weiss, was man mehr
be—wundern soll: die überall angebrachten versilberten Tauben,
den bärtigen, ebenfalls himmelblauen Kutscher, die wunderbaren
Geschirre oder die der Feier zu Ehren thunlichst herausgeputzten
Ex-Carrossiers, denen die erhebende Aufgabe zu teil geworden
„Cäsar und sein Glück“ zum Standesamt zu befördern.
[17]Historisches.
Nun, wenn es auf dem Gebiete des Equipagenwesens nichts
zu bessern und zu lernen gäbe, so hätten wir nicht zur Feder
gegriffen. Anstatt weiter zu kritisiren, wollen wir daher lieber
die vorstehenden geschichtlichen Betrachtungen in dem Wunsche
ausklingen lassen, dass alles was wir hier getadelt oder noch
tadeln könnten, in nicht zu ferner Zukunft jede Aktualität ver-
lieren und von dem freundlichen Leser berechtigter Weise als
historische Curiosa belächelt werden möge.
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 2
[[18]]
Die Gala-Equipage.
Wir brauchen wohl kaum hervorzuheben, dass wir für
die Besitzer von Privat-Equipagen und nicht für die Leiter
kaiserlicher, königlicher oder fürstlicher Marställe schreiben. Es
versteht sich daher von selbst, dass wir uns in dem vorstehen-
den Kapitel nur mit der Gala-Equipage solcher Herrschaften be-
schäftigen werden, denen amtliche Würde oder hoher Rang die
Verpflichtung auferlegt, sich bei feierlichen Auffahrten eines
Staatswagens zu bedienen.
Zunächst haben wir da zu bemerken, dass auch die Wagen
dieser Gattung nicht eine einzige Klasse bilden, sondern in ihrer
Bauart und Ausstattung den bald grösseren bald geringeren
Ansprüchen der betreffenden Würdenträger angepasst werden
können. Die vornehmste, deshalb aber auch nur in wenigen
Exemplaren vorhandene Wagenart der hier in Rede stehenden
Kategorie, ist die dem Krönungswagen nachgebildete Gala-Glas-
kutsche (Fig. 10). Derartige Karrossen, deren Anschaffung, stil-
gerechte Bespannung und sonstige Ausstattung natürlich mit
ausserordentlich hohen Kosten verbunden ist, kommen nur bei
besonders feierlichen Gelegenheiten, wie z. B. Krönungen, zum
Vorschein. Häufiger sind sie in London zu sehen, wo sie bei
den alljährlich stattfindenden Auffahrten des Lord Major’s nie
fehlen dürfen.
Der in Fig. 10 abgebildete Wagen wurde im Jahre 1887 von
der Londoner Wagenbau-Firma Offord and Sons, Limited, 67
[19]Die Gala-Equipage.
George Street, Portman Square, für den damaligen Lord Major,
Sir Polydore de Keyser, erbaut. Mit Recht von allen Kennern
als das Schönste bezeichnet, was die moderne Wagenbaukunst
hervorgebracht, bildete diese Prachtkarrosse die Hauptsehens-
würdigkeit der jüngsten im Londoner Crystal-Palace stattge-
fundenen Wagen-Ausstellung. Der Kasten ruht auf C- und
Druckfedern und hat einen mit Schwanenhals versehenen dop-
pelten Langbaum aus Stahl, der selbst in den engsten Strassen
der City ein fliessendes Wenden gestattet. Die Verzierungen
Gala-Glaskutsche.
des Kastens, alle aus vergoldeter Bronce angefertigt, zeichnen
sich ebenso sehr durch solide Ausführung als durch den künst-
lerischen Geschmack aus, der in der ganzen Anlage zu Tage
tritt. Dasselbe gilt mit Bezug auf die vier prachtvollen Laternen.
Zu der inneren Bekleidung des Wagens ist mit Gold durch-
webter blauer Atlas verwendet worden.
Eine derartige Kutsche kann sowohl vier- wie auch zwei-
spännig gefahren werden. In der Regel ist letzteres der Fall;
stets aber muss die Bespannung aus Karrossiers der grössten und
edelsten Sorte bestehen. Unter 168 cm dürfen diese keinenfalls
messen. Je mehr Adel sie mit der unentbehrlichen Mächtigkeit
der Formen vereinigen, umso besser werden sie sich ausnehmen.
[20]Die Gala-Equipage.
Langschweife sind zwar von der Etikette für die Bespannung
aller Karrossen antiker Form vorgeschrieben, gehören aber nicht
vor den modernen Galawagen. Hier genügt es vollkommen,
wenn der Schweif bis zu dem Winkel zwischen Ober- und Unter-
schenkel herabreicht. Kurz gestutzt oder gar coupiert darf
er allerdings unter keiner Bedingung sein; das wäre ein arger
Verstoss gegen die Etikette. Was die Haarfarbe anbelangt, ist
Braun in allen Schattierungen, mit schwarzen Extremitäten die
beliebteste, jedoch gelangen auch vielfach Rappen und Schimmel
zur Verwendung. Füchse dagegen sind nicht zu empfehlen;
ebenso eignen sich Pferde mit grösseren Abzeichen nicht für
das Galagespann. Kleinere Abzeichen lassen sich ja heutzutage
leicht mit etwas Haarfarbe unsichtbar machen. Dieses Mittel
wird auch stets anzuwenden sein, wenn man ein im übrigen gut
zusammengestelltes Gespann nicht wegen einer kleinen Blässe oder
eines weissen Fessels auseinanderreissen will. Dass die Pferde
unbedingt in Farbe und Grösse genau zu einander passen müssen,
braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden. Kaum
weniger wichtig aber ist es, dass sie sich durch ein ruhiges
Temperament, vollendete Dressur, stolze Haltung und hohe Knie-
aktion auszeichnen. Ein Karrossier der nicht treten kann, ist
eben kein echter Karrossier, sondern nur ein grosses Zugpferd,
das seinen Hafer durch bescheidenere Dienstleistungen wird ver-
dienen müssen. Vor dem Galawagen ist sein Platz jedenfalls
nicht. Schlechte Schweifträger reiht man bekanntlich auch nicht
gerne in ein vornehmes Gespann ein. Dieser Fehler ist jedoch
durch die subkutane Myotomie des Schweifes ziemlich leicht und
sicher zu beseitigen. Ein sonst vorzüglich für das Galafuhrwerk
geeignetes Pferd sollte daher wegen Niedrig- oder Schieftragen
des Schweifes nicht ohne weiteres verworfen werden.
Den Pferdetypus, den wir mit vorstehender Beschreibung
im Auge gehabt, findet der Leser in Fig. 11 wiedergegeben.
Dieses Pferd ist auch mit dem bei höchster Gala obligatorischen
Mähnenschmuck versehen und trägt stilgerechtes Paradegeschirr.
[21]Die Gala-Equipage.
Grosser Karrossier mit Pracht-Galageschirr.
[[22]][23]Die Gala-Equipage.
Charakteristisch für letzteres sind der reiche und kunstvolle Be-
schlag, das schwere Kandarengebiss, die mit Metall eingefassten
Scheuleder, das umfangreiche Hinterzeug, die kleinen galonier-
ten Decken unter den Kammdeckeln und die bunten Zeugleinen.
Alfred Wight, Leibkutscher des Lord Major’s in London.
Sielengeschirr, obwohl für alle nach historischem Vorbilde zu-
sammengestellten Galafuhrwerke das einzig richtige, passt nicht
zu dem Staatswagen moderner Bauart. Das auf unserem Bild
dargestellte Pferd trägt daher auch ein schwer beschlagenes
Kummet.
[24]Die Gala-Equipage.
Bei der Wahl des Beschlages wird natürlich die Frage ob
silberplattiert oder vergoldete Bronze, nur bei genauer Berück-
sichtigung der Wappenfarben des Besitzers eine richtige Lösung
finden können. Wer es aber irgend kann, der wähle gelbes
Metall, denn dieses verleiht dem Geschirr ein weit reicheres,
aristokratischeres Aussehen als das silberplattierte.
Die Livree der Bedienung besteht in gepuderter Perücke,
Dreispitz mit breiter Goldtresse und Straussenfedern, galo-
niertem Leibrock mit rundgeschnittenen Schössen und Fang-
schnüren (in England wird die Galalivree vielfach auch mit
Viersitzige Staats-Kalesche.
Epauletten geschmückt), langer, galonierter Weste, Kniehosen
aus Sammet oder Plüsch, seidenen Strümpfen und lackierten
Schnallenschuhen. Im Winter erhält die Bedienung reiches Pelz-
werk.
Wie sich eine solche Livree ausnimmt, zeigt das neben-
stehende Portrait des Mr. Alfred Wight, Leibkutschers des
Lord Major’s von London (Fig. 12).
Zu den Galafuhrwerken gehören auch die viersitzige Staats-
kalesche (Fig. 13) und das zweisitzige „Chariot“ (Fig. 14),
obwohl sie nur als eine bescheidenere Unterabteilung derselben
zu betrachten sind. Wagen dieser Gattung werden z. B. die
fremden Botschafter bei den häufig vorkommenden Auffahrten
zu Gala-Couren, und anderen grösseren Hoffestlichkeiten be-
[25]Die Gala-Equipage.
nützen, wohingegen Prachtkarrossen der in Fig. 10 abgebildeten
Art nur bei den verhältnismässig seltenen Gelegenheiten zur Ver-
wendung gelangen, welche die Entfaltung des grösstmöglichen
Pomps rechtfertigen.
Diesem veränderten Zwecke entsprechend, zeigen auch die
zu den Galawagen modernen Schlages benützten Geschirre eine
etwas einfachere Form und Ausführung. Sie sind allerdings noch
immer reich beschlagen, aber doch von einem leichteren Modell
Chariot.
als das weiter oben beschriebene Prachtgalageschirr. Ferner
fehlen der Mähnenschmuck, die Scheuledereinfassung von Metall
und die bunten Zeugleinen, welch letztere durch Fahrzügel von
gelbem Leder ersetzt worden sind. Mit der Livree verhält
es sich ähnlich; sie verrät deutlich das Bestreben sich dem
modernen Geschmacke anzupassen. Der Dreispitz ist nicht mehr
obligatorisch; die Perücke auch nicht; doch wird man immerhin
gut thun, diese altväterischen Toilettenstücke für alle festlichen
Auffahrten beizubehalten, denn dass hierdurch der ganzen Equi-
page ein besonders vornehmes Gepräge verliehen wird, lässt
[26]Die Gala-Equipage.
sich nicht in Abrede stellen. Solch ein Dreispitz zweiter Gar-
nitur darf aber nicht so umfangreich wie derjenige sein, der
das Haupt des würdigen Mr. Wight ziert, auch trägt er keinen
Federnschmuck, sondern genügt eine Einfassung mit goldener
oder silberner Borte. Weitere zulässige Vereinfachungen der
Livree bestehen darin, dass Fangschnüre und eine geschmack-
volle nicht überreiche Galonierung die einzigen Verzierungen
des Leibrockes bilden und die seidenen Strümpfe lichten Tuch-
gamaschen weichen, oder wenigstens weichen dürfen.*) Weisse
Barouche.
Handschuhe sind jedoch auch zu dieser Livree de rigueur.
Von der Livree zu dem Träger derselben, dem Kutscher
überzugehen, liegt nahe zur Hand. Es lässt sich dies ausserdem
kaum vermeiden, denn eine leicht zu übersehende Nebenfigur
ist der hoch oben auf seiner gestickten Bockdecke thronende
Lenker einer Galaequipage jedenfalls nicht. Wenn unser Auge
auf einen Vertreter dieser Berufsklasse fällt, gedenken wir immer
unwillkürlich des bekannten Ausspruches Brillat-Savarin’s: „On
se fait cuisinier, on nait rôtisseur.“ Leibkutscher kann
[27]Die Gala-Equipage.
nämlich auch nur
derjenige Rosselen-
ker werden, der das
Zeug dazu mit auf
die Welt gebracht.
Das bisschen Fah-
ren lernt wohl bald
Einer, dem es ernst-
lich darum zu thun
ist; doch was hilft
ihm alle Fahrkunst,
wenn er nicht auch
ein feistes, glänzen-
des Vollmondsge-
sicht, ein stattliches
Bäuchlein, stramme
Waden und eine
Höhe von minde-
stens 5 Fuss 9 Zoll
aufzuweisen ver-
mag? Er ist dann
nicht zum Leibkut-
scher geboren und
weder der Dreispitz
noch die Perücke
werden ihm je aufs
Haupt gestülpt wer-
den. Das mag ihm
und anderen als eine
schreiende Unge-
rechtigkeit, als ein
auf frivole Mode-
narrheit zurückzu-
führender Eingriff
Anspannung à la Daumont.
[28]Die Gala-Equipage.
in die heiligsten Menschenrechte erscheinen, aber es ist nun
einmal so und wird wohl auch noch recht lange so bleiben.
Kutscher, die von dem Ehrgeize beseelt sind, die höchste
Sprosse ihrer Berufsleiter zu erklimmen, werden daher das
Ziel ihrer Wünsche nur dann erreichen, wenn sie grosse
Vorsicht bei der Wahl ihrer Eltern entwickelt haben. Die
Etikette geht überhaupt ziemlich rücksichtslos mit den Her-
ren Rosselenkern um; ist ihnen doch der Bartschmuck nur
bei solchen Herrschaften gestattet, die sich mit souveräner Gleich-
gültigkeit über alle Erlässe jener strengen Dame hinwegsetzen.
Es lässt sich eben nicht in Abrede stellen, dass der Kutscher
einen sehr wichtigen Bestandteil der, zumal bei Gala- und Korso-
fahrten, in erster Reihe als Mode- und Schaustück zu betrach-
tenden Equipage bildet; wer es haarsträubend findet, dass der
Eine seinem Johann das Rasiermesser in die Hand drückt oder
der Andere eine gewisse Leibesfülle von ihm verlangt, wird
somit konsequenter Weise jede der Mode und den wechselnden
Schönheitsbegriffen gemachte Konzession verdammen müssen.
Und das kann ihn weit führen.
Zur offenen Gala eignet sich vorzugsweise die hochvornehme
„Barouche“ (Fig. 15) mit vierspänniger Anspannung à la
Daumont (Fig. 16). Diese Anspannung besteht darin, dass
der dasselbe bildende Viererzug von zwei auf den Sattelpferden
reitenden Vorreitern geleitet wird. Die Sattelpferde erhalten
hierbei mit Wegfall der Aufsatzzügel gewöhnliche Trensen- und
Kandarenzügel, wohingegen die Handpferde ihre Aufsatzzügel
beibehalten und zur rechten Hand mit Stell-, zur Linken mit
Führzügel für den Reiter versehen werden. Die Verbindung
zwischen den Vorder- und Stangenpferden wird bei der An-
spannung à la Daumont nicht vermittelst einer Vorlege-
wage zuwege gebracht, sondern man pflegt die Stränge der
Vorderpferde an die Strangschnallen der Stangenpferde-
geschirre zu befestigen. Da kein Kutscher beim Fahren
à la Daumont benötigt wird, fehlt selbstverständlich auch
[29]Die Gala-Equipage.
Equipage à la demi Daumont.
[[30]][31]Die Gala-Equipage.
der Kutschbock auf dem zu solcher Anspannung benützten
Wagen.
Die Vorreiter, in England „Outriders“ genannt, müssen
kleine, leichte Leute sein, die das Englischtraben gründ-
lich erlernt haben. Mit Bezug auf ihre Kleidung gilt
die Vorschrift, dass dieselbe aus einer reich betressten
samtenen Jockeymütze, gepuderter Perücke, samtener,
reich galonierter Jacke, enganliegenden weissen Leder-
hosen, Stulpenstiefeln und Anschnallsporen zu bestehen
habe.
Zwischen ganzem und halbem (demi) Daumont
herrscht kein anderer Unterschied, als dass letzterer
nur mit zwei Pferden gefahren wird. Im übrigen ist die
Anspannung dieselbe (Fig. 17). Es sei jedoch sogleich
bemerkt, dass die Equipage à la demi Daumont,
obwohl ausserordentlich elegant und vornehm, nicht
eigentlich zur Klasse des Galafuhrwerkes gehört, son-
dern ihre richtige Verwendung hauptsächlich bei Korso-
promenaden festlicher Natur, Fahrten zu den klassischen
Rennen, Truppenrevuen und ähnlichen Gelegenheiten
findet.
Galazüge zu 6 oder 8 Pferden bekommt man
heutzutage selbst bei den feierlichsten Anlässen und an
den reichsten Höfen nur ganz ausnahmsweise noch zu
sehen. Wir glauben daher diese Anspannungsarten
um so eher mit Stillschweigen übergehen zu können,
als auch der höchste Würdenträger — vom Privatmann
gar nicht zu reden — sich ihrer für seine Galaequipage
Peitsche für
Gala-
Fuhrwerke.
niemals bedienen wird. Dagegen halten wir es nicht für über-
flüssig, die Besitzer von Galaequipagen auf den, weil anschei-
nend bedeutungslos, vielfach übersehenen Umstand aufmerksam
zu machen, dass kein zur Ausstattung derartiger Equipagen ge-
hörender Gegenstand, also auch die Peitsche nicht, durch
Unscheinbarkeit oder Stillosigkeit, den vornehmen Eindruck
[32]Die Gala-Equipage.
des Gesamtbildes beeinträchtigen darf. Dem Lenker einer Staats-
karrosse wird daher kein Sachverständiger eine Peitsche in die
Hand geben, die den Stempel eines vulgären Dutzendfabrikates
an sich trägt. Das Handstück der Galapeitsche muss mit
einem künstlerisch ausgeführten, ziselierten Griff (in Silber zu
weissem, vergoldet zu gelbem Geschirrbeschlag) versehen sein und
einen Stock von der feinsten Qualität aufweisen (Fig. 18). Eine
solche Peitsche, wenn von den weltberühmten Firmen Swaine
\& Adeney, Piccadilly, London, und W. \& G. Ashford, Essex
und Kent Streets, Birmingham, bezogen, kostet allerdings
mindestens 50 Mark, doch wer wird vor dieser Ausgabe zurück-
schrecken, wenn es gilt Ehre mit einer Galaequipage einzulegen.
Prunk und Sparsinn — das giebt eine Mischung wie Tokayer und
Fliederthee. Normal veranlagten Menschen pflegt diese nicht
zu munden.
[[33]]
Vierspännige Luxus-Equipagen.
Unter den zu dieser Klasse gehörenden Fuhrwerken ver-
dienen die Coach, der Char-à-bancs, der Break und der
Kutschierwagen, in erster Reihe genannt zu werden.
Die Coach (Fig. 19 und 21), auch Mail-Coach und Drag ge-
nannt*), ist englischen Ursprungs, doch soll ihre Entstehung auf
den Unternehmungsgeist eines Deutschen und zwar eines biederen
Pommern zurückgeführt werden können, der im Jahre 1610 mit
hoher obrigkeitlicher Bewilligung einen regelmässigen Postwagen-
verkehr zwischen Edinburgh und Leith eröffnete. Diese ersten
Diligencen besassen allerdings nur sehr geringe Ähnlichkeit mit
den eleganten und komfortablen Mail-Coaches unserer Tage. Wie
aus einem 1616 in Antwerpen erschienenen Bilde von Vischer
entnommen werden kann, waren es ausserordentlich schwere und
unbequeme Wagen ohne Federn, in welchen etwa 6—8 Personen
Platz hatten. Aus diesen primitiven Anfängen hat sich aber
dennoch der gewaltige Verkehr entwickelt, der gegenwärtig trotz
der zahllosen Eisenbahnlinien in England von öffentlichen und
privaten Coaches besorgt wird. Ohne Unterbrechung ist jene
Entwickelung indessen nicht vor sich gegangen. Vom Jahre 1862
bis 1866 war sogar keine einzige Coach in London zu sehen.
Seither aber hat sich die Zahl der englischen Coaches stetig
vermehrt. Dies ist zum grossen Teil der Thätigkeit der in
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 3
[34]Vierspännige Luxus-Equipagen.
London bestehenden Fahrklubs zu verdanken, die es sich zur
Aufgabe gemacht, das Vierspännigfahren in Flor zu bringen.
Der exklusivste dieser Klubs ist der „Four-in-Hand Driving-
Club“, der sein jährliches Meeting am Mittwoch vor dem Derby
beim Pulvermagazin im Hyde Park abzuhalten pflegt. Der jüngere
und nicht ganz so aristokratische „Coaching-Club“ dagegen,
thut es nicht unter zwei Meetings, von welchen in der Regel
das erste am Samstag vor dem Derby und das zweite kurz
Mail-Coach.
nach den Ascotrennen auf dem Paradeplatz der Horse-Guards
stattfindet. Welch grossartiges Schauspiel diese Auffahrten ge-
währen, wird am besten durch die Thatsache beleuchtet, dass
der Coaching-Club bei seinem vorjährigen Meeting mit 38
Drags am Rendezvousplatze erschien! Legt man nun zu dieser
Anzahl noch die 18—20 Coaches des Four-in-Hand-Club, so wird
man, auch wenn man die Regimentskutschen der Garderegimenter
ganz ausser Rechnung lässt, die Gesamtzahl der Londoner
Privatfuhrwerke hier in Rede stehender Gattung auf nicht
weniger als 60 Stück schätzen können. Von den Offizierskorps
[35]Vierspännige Luxus-Equipagen.
der verschiedenen englischen Reiter- und Artillerieregimenter
werden in Summa ca. 40 Drags gehalten. Ausserdem verkehren
noch zahlreiche öffentliche Mail-Coaches von London nach Brigh-
ton, Hampton Court, Reigate, Esher, Oatlands Park und anderen
Plätzen. Es kann daher nicht überraschen, dass die berühmte
Londoner Wagenbaufirma Holland and Holland im vorigen Jahre
nur in London durch 36 Coaches vertreten war. Andere, eben-
falls bei den Klubs in hohem Ansehen stehende Firmen sind:
Peters \& Co., Hooper \& Co., F. \& R. Shanks, Hy. Whitlock
und Barker \& Co.
Coaching-Clubs gehören indessen nicht mehr zu den spezifisch
englischen Institutionen, sondern haben sich solche Vereine auch
in Paris und New-York gebildet. Die Amerikaner schmeicheln
sich sogar, dass ihre Drags die europäischen Vorbilder in jeder
Beziehung überflügelt haben. Wie es sich hiermit in Wirklichkeit
verhält, vermögen wir leider nicht auf Grund eigener Beobach-
tungen anzugeben. Wir können nur konstatieren, dass dem
sportlustigen „Bruder Jonathan“ die Konkurrenz mit den „Turn-
outs“ der Pariser „Société des Guides“ nicht allzu schwer
fallen dürfte. Diese Gesellschaft hält alljährlich ein Meeting auf
der Rennbahn zu Auteuil ab, wo dann der Wettkampf um den
„Prix des Drags“ stattfindet. Der Sammelplatz zu dieser
Ausfahrt ist „la Place de la Concorde“. Diese Coach-
parade wird als eine besonders festliche Programmnummer der
Pariser Saison angesehen. Im Vorjahre konkurrierten 21 Drags
um den ausgesetzten Preis. Gewiss eine stattliche Zahl. Doch
leider liess die Qualität sehr viel zu wünschen übrig. Nicht mit
Unrecht bemerkte ein anwesender Fachmann, dass nichts den
Verfall des französischen Luxusfuhrwerks schärfer beleuchten
könne, als jene mit grossem Pomp in Scene gesetzten Fahr-
paraden. Thatsächlich waren mehrere der zur Stelle gekommenen
Viererzüge sehr mangelhaft zusammengestellt und nur wenige
Pferde zeigten den richtigen Coachertypus. Auch an den Wagen,
Geschirren und Livreen vermisste man vielfach die bei einer
[36]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Equipage so anspruchsvoller Natur doppelt notwendige Eleganz
und Harmonie. So sah man z. B. auf einem der Wagen anstatt
der zwei Grooms, die auf jede Privatcoach gehören, einen baum-
langen, wie der Kondukteur einer öffentlichen Mail-Stage-Coach
gekleideten Kerl, der mit seinem bis über die Kniee reichenden
drabfarbigen Uberrock und seinem weissen Filzhut allgemeines,
wenn auch nicht gerade schmeichelhaftes Aufsehen erregte. Ty-
pisch und originell ist nur der französische Postzug (Fig. 20) mit
Französischer Postzug.
seinen brillant tretenden Percherons und den in altfranzösischer
Uniform gekleideten Postillonen. Seit dem Zusammenbruch des
Kaiserreiches ist derselbe aber nahezu gänzlich von der Bild-
fläche verschwunden, und auch die höchste Aristokratie bedient
sich bei Jagdfahrten nicht mehr wie ehedem der reizenden
nationalen Anspannung „à la poste“, sondern hält sich mit
mehr oder weniger Geschick an das englische Vorbild.
Übrigens zählen recht bedenkliche Verstösse gegen die
für den Coachingsport geltende Etikette auch in London keines-
wegs zu den Seltenheiten. Speziell ist es uns aufgefallen, dass
dort häufig die Stränge der Vorderpferde mindestens um ein
[37]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Loch zu lang und die Kreuzzügel unrichtig geschnallt werden.
Angenehm fahren lässt sich ein Viererzug mit einer solchen
Anspannung natürlich nicht. Kritische Beobachter werden ferner
die Bemerkung machen, dass besonders die jüngere Generation
der englischen Herrenfahrer sich nicht recht klar über die
beim Vierspännigfahren vorgeschriebene Haltung zu sein scheint.
Bekommt man doch im Hyde Park oft genug Fahrer zu sehen,
die mit ihrem krummen Rücken, den übermässig gebogenen
Knieen und den weit vorgestreckten Händen lebhaft an eine
melkende Kuhmagd erinnern. Fahrkünstler, wie es z. B. Lord
Londesborough einer ist, bilden eben in London wie an allen
anderen Orten nicht die Regel, sondern die Ausnahme.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen gehen wir zu den
Eigenschaften über, die von einer eleganten und korrekt gebauten
Coach gefordert werden müssen. Wer sich in der angenehmen
Lage befindet, seine Wagen von den besten Londoner oder
Pariser Firmen beziehen zu können, dem brauchen diese Detail-
fragen allerdings nicht viel Kopfzerbrechen zu verursachen. Sich
blind auf die Solidität und den Geschmack seiner Lieferanten
zu verlassen, ist aber nicht jedermanns Sache. Es dürfte daher
so manchem Anhänger des Fahrsports wünschenswert erscheinen,
näheres über die Punkte zu erfahren, auf welche der Liebhaber
bei der Auswahl einer Coach vor allem zu achten hat.
Zunächst empfehlen wir den Wagen auf einem ebenen Platz
aufstellen zu lassen. Hiermit wird der Zweck verfolgt, kon-
statieren zu können, ob, wenn die Achsen vollkommen parallel zu
einander stehen, dasselbe bei den Rädern der Fall ist. Diese
Lage der Vorder- und Hinterachsen ist gewährleistet, wenn die
Entfernung von dem Mittelpunkt der Vorderachse bis zum Mittel-
punkt der Hinterachse auf beiden Teilen des Wagens genau die
gleiche ist. Nachdem dies festgestellt worden, wird nachgemessen,
ob die Deichsel im rechten Winkel zu den Achsen und im Mittel-
punkt des Vorderwagens steht. Nicht minder wichtig ist es,
sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die Vorder- und
[38]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Hinterräder parallel zu einander laufen und auf jeder Seite die-
selbe Spurweite zeigen. Voraussichtlich wird mancher Leser
meinen, dass dies Einzelheiten seien, die man getrost dem Wagen-
bauer überlassen könne. Der Fachmann jedoch dürfte wie wir
der Ansicht huldigen, dass die beste Garantie gegen mehr oder
weniger grobe Fehler in der Konstruktion solcher Wagen, die
nicht aus den Werkstätten der allerersten Firmen hervorgegangen,
in der eigenen Sachkenntnis liegt.
Bei der weiteren Untersuchung versäume man nie jedes
einzelne Rad heben und in Drehung versetzen zu lassen. Sollten
Fehler in der Form der Stellung oder den einzelnen Bestand-
teilen des Rades ein korrektes Funktionieren desselben behindern,
so wird dies hierbei sicher zu Tage treten.
Der Vorderwagen muss natürlich ebenfalls einer kritischen
Besichtigung unterzogen werden. Besonderes Gewicht ist auf
tadellose Wendbarkeit zu legen. Mit Bezug hierauf sei aus-
drücklich hervorgehoben, dass das an alten, stümperhaft gebauten
Wagen beim Wenden zu beobachtende Schleudern der Deichsel
mit Recht als ein höchst bedenklicher Fehler gilt. Widersetz-
lichkeit und stütziges Verhalten der Stangenpferde hat sehr oft
keine andere Ursache. Man halte sich überdies wohl vor Augen,
dass jede geringe Unvollkommenheit, die sich an wichtigen Be-
standteilen des Wagens nachweisen lässt, unter dem Einfluss der
beim Fahren unvermeidlichen, rüttelnden und stossenden Bewe-
gung schnell beunruhigende Dimensionen anzunehmen pflegt.
Die Deichsel soll vollkommen gerade sein und genau in ihre
Öse passen. Ausserdem muss sie eine gewisse, aber beileibe
nicht übergrosse Elastizität besitzen. Es genügt vollkommen,
wenn sie der von den Stangenpferden beim Zurückhalten ent-
wickelten Kraft um ein Geringes nachgiebt, sonst aber von der
Bewegung der Coach unbeeinflusst bleibt. Selbstverständlich
aber ist bei einem so schweren Wagen auch dafür zu sorgen,
dass die Aufhalter der Stangenpferde nicht zu straff geschnallt
werden, denn nur in diesem Falle lässt sich die, besonders beim
[39]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Bergabfahren und Passieren von unebenen Stellen, auch bei
meisterhaft gebauten Coaches zu Tage tretende Neigung der
Deichsel eine wippende Bewegung anzunehmen, mit Erfolg
bekämpfen. Sachverständiges, weder zu festes noch zu loses
Schnallen der Aufhalter ist übrigens beim Coaching geradezu
ein Gebot der Menschlichkeit. Man bedenke nur, mit welcher
Wucht das bedeutende Gewicht einer Coachdeichsel den Wider-
rist und das Vorderpedale der Stangenpferde treffen muss, wenn
diese gar keine Bewegungsfreiheit haben. Ebenso klar aber ist,
dass wenn umgekehrt die Aufhalter zu lose geschnallt sind, es
den armen Tieren selbst bei verdoppelter Anstrengung kaum zu
bewältigende Schwierigkeiten bereiten muss, die Coach zurück-
zuhalten oder in gerader Linie fortzubewegen. Eine ruhige Lage
der Deichsel ist somit unter allen Umständen anzustreben. Sollte
der Fahrer bemerken, dass seine Deichsel heftig auf- und nieder-
schlägt, so kann er versichert sein, dass irgend etwas am Unter-
gestell des Vorderwagens nicht in Ordnung ist.
Ein endgiltiges Urteil über die Beschaffenheit der von uns be-
sichtigten Coach, werden wir jedoch erst abgeben können, nach-
dem wir untersucht haben, wie sich die einzelnen Bestandteile
derselben unter der Einwirkung einer vollen Last verhalten.
Die Erfahrung lehrt nämlich, dass Manches, wie z. B. das Öffnen
und Schliessen der Thüren, sowie auch das Funktionieren der
Bremse, was vielleicht beim leeren Wagen keinerlei Anlass zu
Ausstellungen gegeben, vieles zu wünschen übrig lässt, sobald
die betreffenden Teile dem Drucke der Last ausgesetzt werden.
Nicht zum mindesten gilt dies mit Bezug auf die Federn, von
denen wir mit Recht eine vollständig gleichartige Beschaffen-
heit verlangen. Dies ist jedoch eine Eigenschaft, die man sich
vorsichtigerweise stets vom Wagenfabrikanten garantieren lassen
sollte, denn auch bei den besten Federn kann es vorkommen,
dass sich dieselben ungleichmässig abnützen.
Was schliesslich die Lackierung einer Coach anbelangt, so
muss sich diese ausser durch richtige Zusammenstellung der
[40]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Farben*) durch hohen, spiegelnden Glanz auszeichnen. Ist letz-
teres der Fall, so wird sie auch jahrelang halten. Allerdings
zählt gerade die tadellose Lackierung eines Wagens zu jenen
Arbeiten, die nur von den allerersten Firmen geleistet werden
können. Leichter lässt sich eine gefällige und dauerhafte Gar-
nierung des Wagens erreichen; denn Sattler, die mit den ein-
fachen Stoffen (Leder und dunkles Tuch), die zu der Garnierung
einer Coach verwendet werden, umzugehen wissen, sind auch
in bescheideneren Werkstätten anzutreffen.
Wir haben nun die Aufmerksamkeit des Laien auf die-
jenigen Punkte gelenkt, die, obwohl von entscheidendem Einfluss
auf die Brauchbarkeit einer Coach, höchst wahrscheinlich von
ihm übersehen worden wären. Unsere nächste Aufgabe ist, dem
Leser das typische Coachpferd vorzuführen.
Um jedem Missverständnis vorzubeugen, bemerken wir so-
gleich, dass die Pferde eines eleganten Drags und diejenigen
einer öffentlichen Mail-Stage-Coach zwei ganz verschiedene Typen
darstellen. Es ist dies eine natürliche Folge der zwischen diesen
beiden Wagenarten herrschenden Unterschiede. Bei der Be-
spannung der schweren Stage-Coach muss naturgemäss darauf
gesehen werden, dass die Pferde bei aller Gängigkeit eine ge-
wisse Masse besitzen; vor der leichter und eleganter gebauten
Privatcoach dagegen, nehmen sich starkknochige, gut fundamen-
tierte Blutpferde mit viel Aktion und Schnitt am besten aus.
Ein Blick auf unsere Vollbilder (Fig. 21, 22 und 23) wird den
Leser besser als unsere Worte es vermögen darüber aufklären,
dass die Verschiedenartigkeit der hier genannten beiden Pferde-
typen thatsächlich eine ziemlich bedeutende ist. Der praktische
[41]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Drag auf der Fahrt zum Meet des Coaching-Clubs.
[[42]][43]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Viererzug einer Mail-Stage-Coach.
[[44]][[45]]
Viererzug einer Privat-Coach.
[[46]][47]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Wert dieser Abbildungen liegt darin, dass sie keine Phantasie-
bilder, sondern getreue Reproduktionen von nach dem Leben
ausgeführten Photographien sind.
Wie aus Fig. 21 zu ersehen ist, gehören auch die Pferde des
dort dargestellten Drags nicht zur Kategorie der sog. Blutkrüppel,
sondern könnte jedes einzelne derselben als Karrossier leichteren
Schlages bezeichnet werden. Bei dem in Fig. 22 abgebildeten
Zuge dagegen, ist die Masse vorherrschend und nur die Vorder-
pferde zeigen etwas weniger schwere Formen (vergl. auch Fig. 23).
Was nun das Grössenmass der Coachpferde anbelangt, so
wird in Deutschland vielfach der irrigen Ansicht gehuldigt, dass
dasselbe für die Stangenpferde nicht unter 1,68 m und für die
Vorderpferde nicht unter 1,65 m Stockmass betragen dürfe.
Auf Grund genauer Kenntnis der diesbezüglichen Ansichten
englischer und französischer Fachmänner und mit Berufung auf
unsere eigene langjährige Erfahrung, raten wir jedoch dem An-
hänger des edlen Fahrsports, sich für den hier in Rede stehenden
Zweck etwas kleinerer Pferde zu bedienen. Solche sind nicht
nur weit gängiger und leistungsfähiger, sondern auch bedeutend
angenehmer zu fahren als die grossen Karrossiers, deren Lebens-
aufgabe hauptsächlich darin besteht, in langsamer, stolzer Gang-
art vor dem Gala- und Stadtwagen einherzuschreiten. Mit Recht
empfiehlt daher der Herzog von Beaufort in seiner „Badminton
Library“ mittelgrosse, kurzbeinige und gedrungene Pferde in der
Höhe von 1,63 m als die geeignetsten für den Coachdienst.
Die Frage, ob sämtliche Pferde des Viererzuges gleich gross
sein sollen oder ob es wünschenswert erscheine, dass die Vor-
derpferde etwas grösser als die Hinterpferde seien, wird in den
englischen und französischen Fachkreisen sehr verschiedenartig
beantwortet. Man kann es auch getrost dem Geschmack jedes
einzelnen überlassen, wie er es damit halten will, denn auf die
Annehmlichkeit oder Sicherheit des Fahrens übt der Unterschied
von einigen Centimetern in der Grösse der Vorder- und Hinter-
pferde keinen Einfluss aus. Dass wir es hübscher finden, wenn
[48]Vierspännige Luxus-Equipagen.
die Spitzenpferde etwas leichter und grösser sind, möge daher
nur als eine Äusserung unseres persönlichen Geschmacks zur
Kenntnis genommen werden.
Die beliebteste Farbe für Coachpferde ist gegenwärtig Braun
mit schwarzen Extremitäten, doch finden auch Schwarzbraune
Kondukteur einer Mail-Coach.
und Goldfüchse starke Nachfrage;
ja, sogar Schecken und gemischte
Züge sind nicht verpönt, wenn
nur jeder einzelne Gaul den rech-
ten Typus und die richtige Aktion
zeigt.
Die auf dem Rücksitz des
Drags Platz nehmende Diener-
schaft, von welcher einer das
lange silberne Signalhorn führt,
hat die einfache englische Livree
zu tragen, die im Verlaufe dieser
Arbeit wiederholt zur Abbildung
gelangen wird. Auf der Stage-
Coach dagegen, fährt zur Bedie-
nung der Fahrgäste nur ein, ge-
wöhnlich in scharlachrotem galo-
niertem Rock, weissem Filzhut
und drabfarbigen Gamaschenhosen
gekleideter, „Guard“ oder Kon-
dukteur mit (Fig. 24).
Schliesslich sei noch bemerkt, dass es nicht als „chic“ gilt
bei Tage Laternen auf der Coach zu führen.
Die lange Reihe der offenen vierspännigen Luxuswagen
eröffnen wir mit dem Char-à-Bancs, der unter den hierher
gehörenden Fuhrwerken der Coach unbedingt am nächsten steht.
Da die Figuren 25, 26 und 27 mit Bezug auf Deutlichkeit nichts
zu wünschen übrig lassen, bedürfen dieselben wohl keiner längeren
Erklärungen. Einige kurze Andeutungen werden genügen.
[49]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Dass der Char-à-Bancs für Pic-nics, Landpartieen und
Jagdausflüge als eine vorzüglich geeignete Wagenart bezeichnet
werden muss, lässt sich schon aus den Zeichnungen entnehmen.
Char-à-Bancs.
Char-à-Bancs mit Langbaum und Mail-Federn.
Seine Hauptvorzüge sind, dass er mit 4 Pferden leicht zu fahren
ist, mindestens acht Personen bequemen Platz bietet und im
Innern seines Kastens so viele Provisionen flüssiger und fester
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 4
[50]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Gattung, Gewehre, Gepäckstücke und dergl. aufnehmen kann,
als den Fahrgästen nur irgend wünschenswert erscheinen mag.
Für Kasten und Gestell des Char-à-Bancs sind dieselben Farben-
zusammenstellungen wie für die Coach gebräuchlich und ebenso
Char-à-Bancs.
Char-à-Bancs Guiet.
wie diese wird ein derartiger Wagen in der Regel nicht von einem
Kutscher, sondern von dem Besitzer oder einem anderen Herrn ge-
fahren. Kutscher und Diener nehmen auf dem Rücksitze Platz.
Das allerneueste auf dem hierher gehörenden Gebiete hat
der bekannte Pariser Wagenfabrikant Guiet geschaffen. Es ist
[51]Vierspännige Luxus-Equipagen.
das ein dem irländischen „Jaunting Car“ nachgebildeter Char-
à-Bancs, der bequem 12 Personen fasst (Fig. 28 und 29) und als
dessen Bespannung bei voller Last der Erfinder sich 4 à la Daumont
Derselbe Wagen mit zurückgeschlagenen
Seiten- und Rücksitzen.
Break.
gefahrene Pferde gedacht hat. Sobald die Fahrgäste ausgestiegen
sind, können die Seiten- und Rücksitze dieses originellen aber
höchst bequemen Wagens, behufs leichterer Unterbringung und
Aufstellung desselben, zurückgeschlagen werden. Für Jagd-
[52]Vierspännige Luxus-Equipagen.
fahrten und Landpartien, bei welchen nicht immer auf geräumige
Wagenschuppen am Bestimmungsorte gezählt werden kann, sicher
kein gering anzuschlagender Vorzug. Und ausserdem, wie über-
aus bequem gestaltet sich nicht in einem derartigen Wagen das
Ungarische
Jucker-
peitsche.
gerade bei solchen Fahrten so häufig vorkommende
Aus- und Einsteigen! Wir glauben daher dem „Char-
à-Bancs Guiet“ eine grosse Zukunft prophezeien zu
können.
Nahe verwandt mit dem Char-à-Bancs, jedoch
für Luxuszwecke nicht ganz so geeignet wie dieser,
ist der Break (Fig. 30). Dass der typische Break
keinen gesonderten Platz für die mitfahrende Diener-
schaft hat, wird bei Gesellschaftsfahrten stets als ein
grosser Übelstand empfunden werden. Denn fährt der
Herr selbst, so kann er nur einen Diener neben sich
am Bock mitnehmen (unter Umständen — z. B. wenn
der Viererzug unterwegs ausgespannt und abgerieben
werden soll — eine höchst bedenkliche Sache) und lässt
er den Kutscher fahren, so geht ihm ein Platz für Gäste
oder Familienmitglieder verloren. Abzuhelfen ist dem
nur, wenn man den Kasten des Breaks für vis-à-vis
Sitze einrichtet und rückwärts einen erhöhten Diener-
sitz anbringt. Dann hat man aber auch keinen Break
mehr sondern einen Char-à-Bancs. Alles in allem ge-
nommen, wird man daher den typischen Break nur
mit Vorbehalt als ein Luxusfuhrwerk gelten lassen
können. Seine eigentliche Bestimmung ist in grösseren
Etablissements beim Einfahren und Bewegen der Pferde, sowie
bei der Beförderung des Gepäcks Verwendung zu finden.
Für sämtliche bisher unter der Rubrik „Vierspännige Luxus-
equipagen“ erwähnten Wagenarten gelten mit Bezug auf Bespan-
nung, Geschirr und Livree diejenigen Vorschriften, die wir bei
der Schilderung der Coach eingehender besprochen haben. Ein
ganz anderes Bild jedoch entrollt sich vor unseren Augen, wenn
[53]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Ungarischer Viererzug.
[[54]][55]Vierspännige Luxus-Equipagen.
wir uns nun dem Juckergespann zuwenden. Das ernste und
solide, etwas schwerfällige Gepräge verschwindet, und schneidige,
jugendliche Eleganz verbunden mit einem von überschäumender
Lebenslust zeugenden Trieb nach vorwärts treten an dessen
Stelle.
Diesem Charakter der Juckerequipage entsprechend, wird
für die Zusammenstellung derselben in der Regel das ungarische
Vorbild gewählt. Also mächtig ausgreifende, ungarische Blut-
pferde, ungarisches Sielengeschirr, ungarische Juckerpeitsche
(Fig. 31) und leichter Kutschierwagen ungarischer oder auch eng-
lischer Form. Das ungarische Csikóskostüm für den Kutscher ist
dagegen nicht obligatorisch, sondern kann, zumal in den nicht zur
Stefanskrone gehörenden Ländern, durch die gewöhnliche eng-
lische Livree ersetzt werden. Zur magyarischen Nationaltracht
gehört ja auch ein ungarisches Gesicht und mit einem solchen
aufzuwarten dürfte unseren Jochens, Krischans und Hinrichs um
so schwerer fallen, als ihnen bekanntlich der Bartschmuck für
gewöhnlich versagt ist, oder wenigstens versagt sein sollte. Den
keck hinaufgewichsten Schnurrbart müssten sie sich also jeden-
falls beim nächsten Bartkünstler bestellen.
Der Jucker ist in allen Formen zu haben, und wenn er
nur ordentlich „treten“ kann, auch in kleinerer Ausgabe hoch
geschätzt. Über mangelnde Auswahl lässt sich jedenfalls nicht
klagen. Vom Lippizaner bis hinauf zum Sprössling des besten
englischen Blutes bewegen sich die Grössenmasse zwischen 150
und 170 cm. Kaum weniger verschiedenartig sind die Typen.
Eines aber haben alle Pferde, die den Namen „Jucker“ verdienen,
gemeinsam — bedeutende Schnelligkeit und Ausdauer in der
Schnelligkeit. Mehr wie 3 Minuten per Kilometer darf der
echte Jucker auf einer Strecke von 50 Kilometer nicht benö-
tigen. Jucker der allerersten Klasse leisten aber weit mehr.
So wurden z. B. gelegentlich des am 13. Juni 1890 stattgefun-
denen Wettfahrens mit ungarischen Viererzügen von Pressburg
nach Wien, die 65 Kilometer der Distanz von den Juckern des
[56]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Baron Miklós Wesselényi in einer durchschnittlichen Schnelligkeit
von 2 Minuten 30 Sekunden per Kilometer zurückgelegt. Wir
glauben keinen Widerspruch befürchten zu müssen, wenn wir
behaupten, dass es dem vielgepriesenen amerikanischen Traber
schwer fallen dürfte, ein Gegenstück zu dieser Leistung zu wege
Hochveredelter ungarischer Jucker.
zu bringen, geschweige denn dieselbe zu übertreffen. Dem lym-
phatischen Russen aber, würde schon der blosse Versuch ver-
hängnisvoll werden.
Der Typus des hochveredelten ungarischen Juckers ist in
Fig. 33 vortrefflich wiedergegeben. Das betreffende Pferd ist
eine im Gestüte der Herren Josef v. Döry zu Dombovár ge-
zogene Stute, vom Vollbluthengste Cambusier aus einer Stute
[57]Vierspännige Luxus-Equipagen.
vom Vollbluthengste Duke. Jucker dieses Schlages haben eine
Grösse von ca. 164 cm. Dass sie nicht so billig sein können,
wie Leute, die das ungarische Pferd für ein Produkt halbwilder
Steppenzucht halten, wohl anzunehmen pflegen, ist eine natür-
liche Folge ihrer hochedlen Abstammung und ihrer phänomenalen
Leistungsfähigkeit. Ein Jucker guter Klasse ist nicht unter
1000 fl. österr. Währ. (= ca. 1700 Mark) zu haben; für Vierer-
züge, die hervorragende Leistungen aufzuweisen hatten, ist aber
schon wiederholt der hohe Preis von 8000—10000 fl. österr.
Währ. bezahlt worden. Wer für einigermassen billiges Geld in
den Besitz eines schneidigen ungarischen Viererzuges gelangen
will, wird daher die Mühe und das Risiko auf sich nehmen müssen,
sich denselben bei bewährten Züchtern aus rohem Material selbst
zusammen zu stellen, oder durch einen vertrauenswürdigen Sach-
verständigen zusammenstellen zu lassen.*) Doch auch dann mag
er sich glücklich schätzen, wenn er mit 600 fl. österr. Währ.
per Pferd sein Auslangen findet.
Die besten ungarischen Geschirre liefert der k. und k. Hof-
riemer und Sattler Anton Dulcz, Budapest, Egyetem-utcza 2.
Wie bereits erwähnt, werden Jucker nur mit Sielengeschirr ge-
fahren. Soll dieses stilgerecht in ungarischem Geschmack sein,
so dürfen die sog. Chalanken von geflochtenem, mit blanken
Metallscheiben und roten Tuchstücken geschmückten Leder nicht
fehlen. Leichter Beschlag, plattierte Schnallen, eine Krone auf
dem Scheuleder und farbige Stirnbänder sind gestattet. Als
Gebiss werden nur Juckertrensen mit doppelten, breiten und
flachen Ringen verwendet. Man vergesse ja nicht, dass Kan-
daren und Aufsatzzügel beim ungarischen Gespann zu den strenge
verpönten Artikeln zählen. Im übrigen sei bemerkt, dass das
Juckergeschirr grosse Leichtigkeit mit aussergewöhnlicher Halt-
barkeit verbinden muss.
[58]Vierspännige Luxus-Equipagen.
Was den geeignetsten Wagen für vierspännig Fahren mit
Juckern anbelangt, verweisen wir auf das in Fig. 32 abgebildete
Modell, das sich auch in Ungarn grosser Beliebtheit erfreut.
Leicht, elegant und praktisch, entspricht dasselbe allen An-
forderungen, die wir mit Recht an den Wagen einer Jungen-
Herren-Equipage stellen.
Das Ganze soll einen überaus lebendigen Eindruck hervor-
rufen. Dies gilt natürlich nicht zum mindesten mit Bezug auf das
Gespann. Ein im schläfrigen Tempo dahinbummelnder Jucker-
zug ist jedem Kenner ein Greuel. Die Gäule müssen gehen
was die Riemen halten. Und dann noch Eines. Je bunter das
Gespann, desto besser. Im ungarischen Viererzug nehmen sich
daher Schecken sehr gut aus, doch passen auch „quatre cou-
leurs“ vortrefflich. Die Hauptsache aber ist Leben, Schneid.
Damit haben wir das von den vierspännigen Luxusequi-
pagen handelnde Kapitel zu Ende gebracht und werden wir
nun das zweispännige Fuhrwerk dieser Gattung in Augenschein
nehmen.
Bevor wir dieses Kapitel zum Abschluss bringen, wollen wir
aber den Leser noch mit den Regeln bekannt machen, die der
Coaching-Club für die Beurteilung von Drags und Coaches
bei Preisbewerbungen aufgestellt hat.
| Der Drag. | Die Coach. |
| Der Drag muss mit einem Langbaum ver- sehen und leichter gebaut als die Coach sein, zugleich aber im ganzen wie im einzelnen sich durch grössere Eleganz und feinere Ausführung hervorthun. Am Wagenschlag können Wappen oder Monogramme angebracht werden. | Die Coach muss stärker gebaut sein wie der Drag, besonders was das Untergestell und die Achsen anbelangt; letztere dürfen nicht weniger als 5 cm im Diameter messen. |
| Mailpatent- oder Collingachsen sind unent- behrlich (keine Nachahmung). | Mailpatent- oder Collingachsen sind unent- behrlich (keine Nachahmung). |
| Der Rücksitz ruht auf geschwungenen eiser- nen Stützen, hat keine Rückenlehne und bietet Platz für zwei Diener. | Der Rücksitz ruht gewöhnlich auf starken hölzernen Streben, die von einer hölzernen Verschalung verdeckt werden. Dieselben können aber auch wie beim Drag aus gebogenem Eisen angefertigt sein. In letzterem Falle tritt Leder an die Stelle der hölzernen Verschalung. Der |
| Sitz muss breit genug sein, um zwei Personen ausser dem Kondukteur Platz zu gewähren. Dieser, für welchen auf der linken Seite ein extra Sitzkissen angebracht ist, hält sich an einem ledernen Riemen, wenn er ins Horn bläst. | |
| Die Rückenlehnen der Decksitze werden niedergeklappt, wenn nicht benötigt. | Die Rückenlehnen der Decksitze sind nicht zum Niederklappen eingerichtet. |
| Die untere Seite des Fussbrettes und dessen Stützen haben dieselbe Farbe wie das Gestell. | Die untere Seite des Fussbrettes, wie auch die Stützen des Kutschbockes und des Rück- sitzes, haben dieselbe Farbe wie das Gestell. |
| Der Wagenkasten und die Tafel des rück- wärtigen Koffers müssen in der Farbe überein- stimmen. Die Thürbänder dieses Koffers sind an dem unteren Rande angebracht, so dass die Thür, wenn geöffnet, wie ein Tisch verwendet werden kann. | Der Wagenkasten und die Tafel des rück- wärtigen Koffers stimmen ebenfalls in der Farbe überein. Die Thürbänder des rückwärtigen Koffers befinden sich auf der rechten Seite, so dass der Kondukteur die Thür während der Fahrt von dem linken hinteren Tritt aus zu öffnen vermag. |
| Der Hemmschuh und der Sicherheitshaken erhalten, wenn sie überhaupt mitgeführt werden, ihren Platz auf der rechten Seite. | Der Hemmschuh und der Sicherheitshaken müssen in allen Ländern, wo die rechte Seite der Strasse eingehalten wird, auf dieser Seite hängen; der Hemmschuh wird nämlich stets an dem äusseren Rade angelegt, weil der Wagen sonst nach dem Strassengraben hin schleifen würde. |
| Es ist gebräuchlich, die äusseren Sitze ent- weder mit Schweinsleder oder mit Tuch, das Innere des Drags aber mit Maroquin oder Tuch zu garnieren. | Die Garnierung der Aussensitze wird aus Rips oder irgend einem anderen passenden Stoff, jedoch nicht aus Leder bestehen. Das Innere der Coach wird gewöhnlich mit hartem Holz oder Leder ausgestattet. |
| Die Fahrdecke des Kutschers wird, wenn nicht im Gebrauch, die äussere Seite nach aussen, zusammengefaltet und über das Sitzkissen gelegt. Sollten Decken für die Fahrgäste mitgenommen werden, so legt man sie zusammengefaltet im Innern des Wagens auf den vorderen Sitz. | Die Fahrdecke des Kutschers ist, wenn nicht benötigt, die äussere Seite nach aussen, zusammengefaltet auf das Sitzkissen zu legen. |
| Eine Uhr im Etui ist nicht unentbehrlich. Das Gleiche gilt mit Bezug auf die Tasche im Sitzkissen des Kutschers. | Eine Uhr im Etui ist auf dem Fussbrett des Kutschbocks anzubringen. Das Sitzkissen des Kutschers muss auf der linken Seite mit einer Tasche versehen sein. |
| Zwischen den Decksitzen dürfen keine Schutz- stangen oder Riemen für Gepäck angebracht sein. | Die Eisenstangen zwischen den vorderen und hinteren Decksitzen sind mit einem aus ledernen Riemchen bestehenden Netze versehen, so dass kleinere auf dem Verdecke unterge- brachte Gepäckstücke, Überzieher, Decken u. s. w. nicht herunterfallen können. |
| Im Innern des Drags befinden sich: Hut- riemen an der Decke, Taschen an den Thüren; Raum ober den Vorder- oder Rücksitzen, wo die Laternen aufgehängt werden können, wenn sie nicht im Gebrauch sind; eine zusammen- legbare Reservepeitsche. | Im Innern der Coach befinden sich: an der Decke befestigte Hutriemen, Ledertaschen an den Seiten oder Thüren, eine zusammenlegbare Reservepeitsche. |
| Der Korb für Schirme und Stöcke wird, wenn mitgeführt, an der linken Seite des Wagens aufgehängt. | Der Korb hängt an der linken Seite vor dem Sitze des Kondukteurs. Das Horn wird mit aufgesetztem Mundstück in dem Korb versorgt. |
| Keine Laterne sichtbar; dieselben sind wie bereits erwähnt im Innern des Wagens unter- gebracht. | Die Seitenlaternen hängen fertig zum Ge- brauch auf ihren Plätzen. |
| Ein Reservevorlegewagebalken und ein dito Ortscheit werden rückwärts mit Riemen an dem hinteren Sitze befestigt und zwar der Wage- balken zu oberst. | Ein Reservevorlegewagebalken und ein dito Ortscheit werden rückwärts mit Riemen an dem hinteren Sitze befestigt und zwar der Wage- balken zu oberst. |
| Sowohl der Wagebalken wie das Ortscheit werden mit den Ösen nach oben befestigt. | Sowohl der Wagebalken wie das Ortscheit werden mit den Ösen nach oben befestigt. |
| Folgende Gegenstände werden wohl geordnet in dem vorderen Koffer verpackt: verschiedene Werkzeuge; ein Reservevorder- und -hinter- strang; ein kurzer Riemen von derselben Breite wie die Stränge mit einer Schnalle an jedem Ende oder auch zwei Doppelschnallen von ver- schiedener Grösse; Reservekummetbügelriemen. Decken für die Pferde und die erforderlichen wasserdichten Fahrdecken werden an einem passenden leicht zugänglichen Platz verwahrt. | Folgende Gegenstände werden wohl geordnet an einem passenden Platz verstaut: Eine Rad- wippe; ein Kettenstrang; Reservekummetbügel- riemen; ein Aufsatzzügel; ein kurzer Riemen von derselben Breite wie die Stränge, mit einer Schnalle an jedem Ende, oder auch zwei Doppelschnallen von verschiedener Grösse; ein Schraubenschlüssel, ein Hammer, ein Bund Stahldraht, ein Bohrer, ein Hufräumer und ein Messer; zwei Reserve- ringe grosser Gattung für die Kummetbügel; eine Reservekandare. |
| Es ist üblich, den Drag mit Frühstücks- körben, Flaschenständer und dergl. zu versehen. Auf dem Verdeck wird ausserdem ein Koffer angebracht. Dieser darf jedoch nur dann mit- geführt werden, wenn unterwegs gefrühstückt werden soll. | Der Kondukteur muss korrekt gekleidet sein und eine Tasche für die Billete umgehängt tragen. An der einen Seite dieser Tasche ist eine Uhr anzubringen, ausserdem muss erstere ein Fach für den Kofferschlüssel enthalten. |
| Parkgeschirr. | Reisegeschirr. |
| Die Aufhalterketten sind plattiert und haben Federhaken. Die Ketten müssen so lang sein, dass beide Haken in den Deichselring einge- hakt werden können. Sollten sie zu kurz sein, so muss das eine Ende in den Deichselring und das andere in ein Kettenglied eingehakt werden. Sind sie dagegen zu kurz, so wird das eine Ende in den Deichselring eingehakt, das andere aber durch diesen Ring (von aussen nach ein- wärts) gezogen und sodann in ein Kettenglied eingehängt. | Die Aufhalterketten können plattiert oder schwarz sein, nur müssen sie stets mit der Bekleidung der Deichselspitze übereinstimmen. Die Haken haben Gummiringe; Federhaken dürfen nicht benützt werden. Ketten mit einem Ringe werden von innen nach aussen an der Deichselspitze befestigt, dann durch das Ketten- glied des Kummetschliessers gezogen und in eines der Glieder der Aufhalterkette eingehakt. |
| Schwanzriemen mit Schnallen auf allen Pferden. | Schwanzriemen mit oder ohne Schnallen, auf den Hinterpferden, aber nicht notwendig für die Spitzenpferde, wenn nicht Aufsatzzügel verwendet werden. Strangträger von dem oberen Ringe der Kummetbügel bis zu der Schnalle der Seitenblätter sind erlaubt. |
| Rückenriemen und Strangträger sind erlaubt. | Keine Rückenriemen. |
| Stirnstücke. | Stirnstücke (wenn gewünscht). |
| Die Martingale um die Kummete der | Die Martingale um die Kummete der |
| Hinterpferde herum und nicht nur durch die Kummetschliessergelenke durchgezogen. | Hinterpferde herum und nicht nur durch die Kummetschliessergelenke durchgezogen. |
| Martingale an allen Pferden. | Keine Martingale an den Vorderpferden. Diese tragen Ringe an den Kummetschliessern. |
| Keine Ringe an den Kreuzzügeln. | |
| Die Beschläge an den Wagen und Ge- schirren und die Knöpfe an der Livree der Dienerschaft müssen von demselben Metall sein. | Die Beschläge am liebsten aus Messing, jedoch unter allen Umständen durchweg aus demselben Metall. |
| Die Stränge der Hinterpferde haben Metall- schlaufen an den Enden, keine Ketten. | Die Stränge der Hinterpferde mit franzö- sischen Schlaufen oder Ketten an den Enden. Die Ketten werden an den Doggen derart be- festigt, dass die Kette nach aussen und der Ring nach innen zu liegen kommt. |
| Die inneren Stränge der Hinterpferde kürzer wie die äusseren, falls nicht, um denselben Zweck zu erzielen, das innere Ortscheit grösser gemacht worden. | Die inneren Stränge der Hinterpferde kürzer wie die äusseren, falls nicht, um denselben Zweck zu erreichen, das innere Ortscheit grösser gemacht worden. |
| Die inneren Stränge der Vorderpferde, ge- rade oder mittelst einer Schlaufe miteinander verbunden, nicht gekreuzt. | Die inneren Stränge der Vorderpferde durch eine Schlaufe miteinander verbunden oder ge- kreuzt. |
| Kummetschliesser, welche die Kettengelenke aufnehmen. | Haken an den Kummetbügeln. |
| Einfache Gelenke. Keine Kummetschliesser- ringe an den Vorderpferden. | Kette und kurze Kummetschliessergelenke oder durchweg Kette. |
| Solide Zugösen, auch Stützen genannt, an den Kummetbügeln. | Zugösen an den Kummetbügeln. |
| Vollständige Aufsatzzügel mit Kandare und Trense. Buxtonkandare bevorzugt. | Ein oder mehrere Aufsatzzügel erlaubt. |
| Stirnbänder aus Metall oder Seide. Wenn aus Seide, muss die Farbe mit derjenigen der Livreeweste übereinstimmen. | Stirnbänder aus Metall oder Leder; wenn aus Leder, muss die Farbe mit derjenigen der Coach übereinstimmen. |
| Das Wappen oder Monogramm muss an den Rosetten, Stirnstücken, Scheuledern, Kamm- deckeln und Martingalen angebracht sein. Seidene Bandschleifen oder farbige Rosetten sind verpönt. | Wappen oder Monogramme sind nicht ge- bräuchlich, statt dessen kann man einen aus gelbem Metall angefertigten Wagebalken oder irgend eine Spezialmarke auf den Scheuledern und Rosetten anbringen. |
| Die Riemen der Kummetbügel werden mit der Zunge nach innen befestigt, d. h. nach rechts auf dem links und nach links auf dem rechts gehenden Pferde. | Die Riemen der Kummetbügel werden mit der Zunge nach innen befestigt, d. h. nach rechts auf dem links und nach links auf dem rechts gehenden Pferde. |
| Zügel aus einfachem braunem Leder. | Zügel aus einfachem braunem Leder. |
| Die Kummete aus lackiertem schwarzem Leder und genau passend. | Die Kummete können aus lackiertem, ge- wöhnlichem schwarzen oder braunem Leder ge- macht sein; gerade Form, dick und gut gepolstert. |
| Die Kummetbügel ebenfalls genau passend. | Die Kummetbügel genau passend. |
| Schwarzes Geschirr. | Das Geschirr schwarz oder braun. |
| Wenn der Besitzer oder sein Vertreter fährt, werden die Jalousien in den Windtafeln herunter- gelassen, sonst nie. |
Einige Hornsignale.
Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Die Leute, die vierspännig fahren, sind verhältnismässig
leicht gezählt. Anders verhält es sich mit den viel beneideten
Sterblichen, die es sich leisten können, in zweispänniger Equi-
page durch die Strassen zu fahren. Will man von diesen reden,
so passt die abgedroschene Redensart „Die oberen Zehntausend“
schon längst nicht mehr. Da muss man zu weit imposanteren
Zahlen greifen. Um so bedauerlicher ist es, dass so wenige
jener Fuhrwerke dem Strassenbilde zur Zierde gereichen. Mit
einem Hinweis auf die leidige Geldfrage lässt sich diese That-
sache wohl nur ganz ausnahmsweise erklären. Denn erstens
sind Geschmacklosigkeit und Billigkeit nicht synonyme Begriffe,
und zweitens hat manche zum Davonlaufen hässliche Equipage
ihrem Besitzer ein Heidengeld gekostet. Da man aber nun von
keinem vernünftigen Menschen voraussetzen darf, dass es ihm
Spass machen könne, das Gegenteil von dem zu erreichen, was
er mit einer bedeutenden Ausgabe angestrebt, so würde man
auch fehlgreifen, wenn man jeden, der für schöne Bankscheine
eine in ihrem Gesamtbilde wie in ihren Einzelnheiten misslungene
Equipage eingetauscht, ohne weiteres des bewussten Frevels
gegen den guten Geschmack beschuldigen wollte. Die Mehrzahl
dieser Missethäter sündigt ahnungslos, und verschwindend klein
ist das Häuflein derjenigen Fuhrwerkbesitzer, denen es voll-
kommen gleichgültig, ob ihre Wagen, Pferde und Livreen den
Beifall des Kenners finden, oder nicht. Trotz der heutzutage
[64]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
in jeder Grossstadt wahrzunehmenden Equipagenmisère, halten
wir es daher für eine dankbare Aufgabe nach Kräften dazu
beizutragen, dass ein sicherer Blick für das Schöne und für das
Hässliche auf dem hier in Rede stehenden Gebiete Gemeingut
aller Freunde des Fahrsports werde. Gerade die Besprechung
des zweispännigen Luxusfuhrwerks bietet uns hierzu eine beson-
ders günstige Gelegenheit. Muss doch diesem in dem gewaltigen
Verkehr, den uns das tägliche Leben vor Augen führt, nicht nur
eine dekorative, sondern auch — und zwar in erster Reihe —
eine eminent praktische Bedeutung zuerkannt werden.
Gewissermassen noch zur Galaabteilung gehören unter den
zweispännig zu verwendenden Wagen die Kalesche (Barouche),
das Chariot, die Victoria à huit ressorts, das Coupé à
huit ressorts und der Landauer.
Die Kalesche (s. Fig. 15) wird nur bei solchen Gelegen-
heiten benützt, die eine Entfaltung von aussergewöhnlichem
Luxus gerechtfertigt erscheinen lassen. Grelle Farben sind für
einen solchen hochvornehmen Wagen selbstverständlich nicht
geeignet. Der moderne Geschmack bevorzugt dunkelblau und
dunkelbraun mit um eine Schattierung hellere Atlasgarnierung.
Die Pferde müssen 165—168 cm messen, sehr egal sein, viel
Adel zeigen und sich durch eine glänzende Aktion auszeichnen.
Die Schweife dürfen nicht koupiert sein, sondern werden so
geschnitten, dass sie in einem elegantem Bogen bis zum Unter-
schenkelbein herabhängen. Den Typus eines solchen „Grand
Carrossier“ findet der Leser in Fig. 34 getreu dargestellt.
Das Geschirr wird natürlich mit Bezug auf Schnitt und
Ausstattung dem Charakter des ganzen Fuhrwerkes entsprechen
müssen. Trotzdem empfehlen wir dringend allen unnötigen
Tand zu vermeiden. Der Beschlag sei solid und von vornehmer
Einfachheit. Stirnbänder aus Metall oder Seide mit ebensolchen
Kokarden, die Stirnstücke, Scheuleder, Kammdeckel und unteren
Enden der Rückenriemen mit Wappen oder Kronen verziert —
weiterer Schmuck ist nicht erforderlich. Hinterzeug darf nicht
[65]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
fehlen. Als Gebiss wähle man die für alle Equipagen pompöseren
Stils vorgeschriebene Buxtonkandare (Fig. 35). Der Vollständig-
keit wegen sei auch bemerkt, dass die Etikette für Geschirre
der hier in Rede stehenden Gattung nur flaschenförmig ge-
schnittene Kammdeckel (Fig. 36) als korrekt erscheinen lässt.
Karrossier französischer Zucht.
Und da wir gerade von der Etikette reden, werden wir
wohl nochmals in Erinnerung bringen müssen, dass dieselbe,
wie in dem vom Galafuhrwerk handelnden Kapitel bereits er-
wähnt worden, von dem auf dem Bocke einer Staatsequipage
thronenden Kutscher eine zur Korpulenz neigende körperliche
Hülle stattlicher Grösse verlangt. Das gleiche gilt mit Bezug
auf die Lenker der weiter oben angeführten fünf Wagenarten,
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 5
[66]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
unter welchen die Kalesche den ersten Platz einnimmt. Ja, noch
mehr, wer bei der Zusammenstellung einer derartigen Equipage
sicher gehen will, der Kritik keinen noch so geringfügigen An-
lass zu abfälligen Bemerkungen zu geben, wird auch dafür sorgen
müssen, dass die Figur des mitfahrenden Bedienten Gnade vor
den Augen der gestrengen Dame Etikette finde. Zu erreichen
ist dies aber nur dann, wenn der Diener einen guten Flügel-
mann bei der preussischen Garde abgeben würde, denn „hoch
aufgeschossen und schlank“, so hätte die Personalbeschreibung
für ihn in kurzen Worten zu lauten. Dass der hierdurch ge-
Buxton-Kandare.
Kammdeckel.
schaffene Kontrast zwischen den weithin sichtbaren Gestalten
auf dem Bock sowohl vom rein ästhetischen wie vom techni-
schen Standpunkt gesehen, nicht anders als günstig wirken kann,
liegt auf der Hand.
Die für Fahrten mit der Kalesche zu verwendende Livree
wird nicht bei jeder Gelegenheit dieselbe sein. Bei einer ge-
wöhnlichen Korsofahrt z. B., tragen Kutscher und Diener die
ebenso elegante wie einfache englische Livree. Indessen ist es
durchaus korrekt, wenn der Diener, sobald seine Gebieterin
allein ausfährt, in der Livree des Hauses erscheint. Letztere
ist selbstverständlich an Galatagen auch für den Kutscher vor-
geschrieben. Regenröcke sind dagegen streng verpönt und sogar
die zur Livree gehörenden Überröcke werden auf der Kalesche
[67]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
nicht gerne gesehen. Sollte es die Witterung unbedingt ver-
langen, so kann mit Bezug auf letztere wohl eine Ausnahme
von dieser Regel gemacht werden, das ist aber auch der einzige
Fall wo dies statthaft erscheint.
Von der alten Vorschrift, dass der Kutscher bedeutend höher
sitzen soll als der mitfahrende Diener, will die heutige Mode
nichts mehr wissen. Im Ganzen genommen, kann dies nur ge-
billigt werden. Muss doch die Harmonie des Gesamtbildes durch
gebrochene Linien eine Störung erleiden.
Das Chariot (Fig. 14) ist ebenfalls ein Wagen so vor-
nehmer Klasse, dass es für bürgerliche Verhältnisse wenig oder
gar nicht in Betracht kommt. Umso besser passt es für Fürst-
lichkeiten, hohe Staatsbeamte, Botschafter und ähnliche Herr-
schaften, ja diese können sich bei Staatsvisiten und feierlichen
Auffahrten gar keines geeigneteren Wagens bedienen. Sollte
indessen ein Mitglied der Finanzaristokratie oder irgend einer
unserer vielen Millionäre bürgerlichen Standes das Verlangen
empfinden, es im Equipagenluxus den Spitzen der Gesellschaft
gleich zu thun, so möge er sich nur ruhig ein Chariot anschaffen.
Den Fluch der Lächerlichkeit wird er dadurch nicht auf sich
laden, zumal wenn er bei der Benützung des imposanten Ge-
fährtes korrekt vorgeht, d. h. dasselbe nur zu offiziellen Be-
suchen und zur Teilnahme an den herbstlichen oder winterlichen
Spazierfahrten der eleganten Welt in Gebrauch nimmt.
Alles was wir weiter oben über die Ausstattung der Kalesche
geäussert, gilt auch für das Chariot und für den Landauer
à huit ressorts, welch letzterer, wenn ohne Kutschbock, sich
vortrefflich für die Anspannung à la Daumont eignet, mit
Kutschbock aber den besten Familienwagen für Stadt- und
Parkgebrauch abgiebt. Der grosse Vorzug des Landauers ist,
dass er „ob schön, ob Regen“ mit gleichem praktischen Nutzen
verwendet werden kann. Man braucht nur beim ersten Regen-
tropfen das Verdeck vorn und hinten aufzuschlagen, und der
offene Wagen ist in einen gedeckten umgewandelt. Dieses Auf-
[68]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
schlagen des Verdeckes wird ungemein erleichtert, wenn der
Wagen mit einer der neuartigen, automatisch wirkenden Verdeck-
federeinrichtungen ausgestattet worden ist (Fig. 37 A und B).
Wie dem Leser bekannt sein dürfte, giebt es Landauer
Automatische Verdeckfedern.
Seftonlandauer.
mit runden und solche mit geraden Linien; erstere werden nach
ihrem Erfinder, dem Earl of Sefton, Seftonlandauer (Fig. 38)
letztere nach dem Earl of Shelbourne, Shelbournelandauer
(Fig. 39) genannt. Für die Daumontanspannung gilt nur die runde
Form als korrekt, doch muss der Wagen dann auf C-Federn
ruhen und nicht nur mit Langbaum, sondern auch mit einer
[69]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Schwanenhalsdeichsel versehen sein. Der kleinere Familienlan-
dauer dagegen, wird in jeder Beziehung einfacher gehalten. Die
Lackierung ist dunkelblau, -grün oder -braun, der Kasten mit
Shelbournelandauer.
Victoria à huit ressorts.
einem lichteren Streifen eingefasst, die Räder schwarz beschnitten.
Die innere Garnierung besteht aus nahezu weissem, drabfarbigem
oder hellgrauem Tuch und die 155—160 cm hohen Pferde tragen
gewöhnliches Coupégeschirr.
Weit eleganter und vornehmer wie der Landauer, ist die
[70]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Victoria à huit ressorts (Fig. 40). Allerdings zählt diese
nicht zu den Familienwagen, sondern zu derselben Klasse wie
die Kalesche und das Chariot, so dass alles was wir bei der
Beschreibung letztgenannter Equipagen über die Bespannung,
Ausstattung, Livreen u. s. w. geäussert, auch für die obgenannte
Victoria zu gelten hat.
Ähnlich verhält es sich mit dem Coupé à huit ressorts
(Fig. 41), das wie alle mit C-Federn und Langbaum versehenen
Luxusfuhrwerke einen zu anspruchsvollen Charakter hat, um für
Coupé à huit ressorts.
den gewöhnlichen Stadtgebrauch geeignet zu erscheinen, wohl
aber bei offiziellen Auffahrten, für welche nicht grosse Gala
vorgeschrieben worden, das Chariot zu ersetzen vermag.
Ein Stadtwagen par excellence dagegen, ist das auf
Druckfedern ruhende Coupé, das nach seinem Erfinder, dem
Lord-Kanzler Brougham, speziell in England und Amerika viel-
fach auch Brougham genannt wird. Das erste Coupé soll im
Jahre 1838 gebaut worden sein. Ursprünglich nur für zwei
Personen berechnet, hat das Coupé in späteren Jahren eine Um-
wandlung erfahren, die vier Personen Platz bereitet, doch ist
die zweisitzige Form (Fig. 42) heute wieder die beliebteste, was vom
Schönheitsstandpunkte aus nur gebilligt werden kann. Da aber
[71]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
das sog. Dreiviertel-Coupé (Fig. 43), besonders für solche Fa-
milien, in welchen kleine Kinder sind, einen nicht in Abrede zu
stellenden praktischen Wert besitzt, wollen wir nicht unterlassen
dasselbe hier ebenfalls aufzunehmen.
Zweisitziges Coupé.
Dreiviertel-Coupé mit Gummirädern.
Die Grundlinien des modernen Coupés weichen nur wenig
von dem Originalentwurfe ab. Die hauptsächlichste Verände-
rung, welcher dieses Fuhrwerk in neuester Zeit unterworfen
worden ist, besteht in der geschweiften Form, die der untere
Teil des Kastens erhalten hat. Ausserdem sei bemerkt, dass
[72]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
ein Coupé, welches der neuesten Mode entsprechen soll, nicht zu
niedrig sein darf. Das Journal „La Carrosserie Française“,
Jahrgang 1896, schreibt denn auch mit Bezug hierauf: „Un
peu de hauteur dans un coupé est loin de nuire à
son élégance“ „und“ — möchten wir hinzufügen — „den
Trägern von Cylinderhüten kann sie nur willkommen sein.“ Die
Kastenhöhe wird an den Seiten 1 m 70 betragen müssen.
Höchst unangenehm ist das teils durch Vibrierung, teils
durch lose, nicht genau passende Teile hervorgerufene Geräusch,
das während des Fahrens in vielen Coupés entsteht. Solches
Geräusch zu beseitigen, gelingt nur in den seltensten Fällen,
denn es hält zumeist sehr schwer, die Ursachen desselben fest-
zustellen. Selbst bei sorgfältigster Konstruktion und Zusammen-
fügung aller Bestandteile des Wagens kann z. B. das Brummen
oder Vibrieren nicht immer mit Sicherheit verhütet werden.
Ein ziemlich zuverlässiges Schutzmittel ist jedoch, dem Coupé-
dache eine kleine Wölbung zu geben. Die Erfahrung lehrt
nämlich, dass derartig konstruierte Coupés weniger „musika-
lisch“ sind, wie die mit ganz flachem Dach.
Von der inneren Ausstattung eines Coupés verlangt der
moderne Geschmack den höchsten Komfort verbunden mit vor-
nehmer Eleganz. Die Garnierung wird zumeist aus dunklem
Tuch oder Maroquin bestehen, doch sieht man vielfach auch
Atlas hierzu verwendet. Hochmodern und ganz dem neuesten
Pariser Geschmack entsprechend ist es, den zur Garnierung be-
stimmten Stoff glattgespannt und nicht abgeheftet (capitonné)
anzubringen. Allerdings erfordert diese Methode geschicktere
Arbeiter, denn so mancher Fehler, der in den Falten des capi-
tonnierten Ausschlages verschwinden würde, tritt auf der glatten
Fläche mit brutaler Deutlichkeit zu Tage.
Was die weitere, zeitgemässe Ausstattung des Coupés an-
belangt, dürfte wohl der patentierte Signalapparat (Fig. 44 A
und B), der die Insassen des Wagens in Stand setzt, dem
Kutscher, ohne die Fenster zu öffnen, ihre Befehle zu übermitteln,
[73]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
in erster Reihe unter denjenigen Gegenständen zu nennen sein,
die wesentlich zum Komfort der Fahrgäste beitragen. Dieser
Apparat besteht aus zwei mit beweglichen Zeigern versehenen
Platten, auf welchen die Kommandoworte „Vorwärts“, „Rechts“,
„Links“, „Langsam“, „Schneller“, „Halt“, „Kehrt“ und „Nach
Hause“ zu lesen sind. Die Platte A wird vor dem Sitz des
Kutschers am Kotschirm befestigt. Von dieser Platte führt eine
Signalapparat für Coupé.
Schnur oder Kette zu der zweiten Platte (B), die einen passenden
Platz im Innern des Wagens erhalten hat. Will sich nun der
Fahrgast mit dem Kutscher in Verbindung setzen, so stellt er
den Zeiger auf das mit seinen Wünschen übereinstimmende
Kommandowort. In demselben Augenblick ertönt die Glocke
des äusseren Apparates und gleichzeitig bewegt sich der dortige
Zeiger bis zu dem Punkt, der vom Fahrgaste mittelst des auf
der Platte B angebrachten Zeigers angegeben worden ist. Da
der Apparat eine sehr zierliche, wenig Platz in Anspruch neh-
mende Form erhalten hat, kann derselbe auch in dem kleinsten
[74]Die zweispännigen Luxus Equipagen.
Wagen bequem untergebracht werden; ausserdem ist er so sorg-
fältig und akkurat gearbeitet, dass ein Versagen des höchst ein-
fachen Mechanismus nahezu ausgeschlossen erscheint.
Wie sehr der hier geschilderte Signalapparat, von seinem
englischen Erfinder „The Route Indicator“ genannt, dem
bisher verwendeten Sprachrohre überlegen ist, braucht nach
dem obigen wohl kaum besonders hervorgehoben zu werden.
Nicht genötigt zu sein sich von seinem Sitze zu erheben und
mit schreiender Stimme Befehle zu erteilen, die trotzdem im
Strassengetümmel der Grossstadt leicht vom Kutscher überhört
werden können, ist doch gewiss ein Vorteil, der jedem Equi-
Alarm-Glocke für den Kutscher.
pagenbesitzer auf den ersten
Blick einleuchten wird.
Will man dagegen dem
Kutscher ein Mittel an die
Hand geben sich stets freie
Bahn zu sichern, was ja,
besonders mit auf Gummi-
rädern laufenden Wagen und
in grossen Städten unbedingt
zu empfehlen ist, so schaffe man sich die in Fig. 45 abgebildete
Alarmglocke an. Diese wird am Fussbrette des Kutschbockes
angebracht, so dass der Kutscher sie jeden Augenblick mit dem
Fusse in Thätigkeit setzen kann. Man braucht nicht zu befürchten,
dass der Wagen durch diesen Apparat verunstaltet wird, denn
wie aus unserer Abbildung eines Dreiviertel-Coupés (Fig. 43) zu
ersehen ist, nimmt derselbe nur einen sehr geringen Platz ein.
Sehr angenehm für den Fahrgast ist es auch, während der
vielleicht mehrstündigen Fahrt nicht jene zahlreichen kleinen
Gegenstände entbehren zu müssen, die eine praktisch einge-
richtete Reisehandtasche zu enthalten pflegt, wie z. B. Uhr,
Cigarrenetui, Notizbuch, Tintenzeug, Spiegel, diverse Toilette-
artikel u. s. w. Ein Nécessaire der in Fig. 46 abgebildeten
Form sollte daher ebenfalls in keinem eleganten Coupé fehlen.
[75]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Fensterrahmen aus Gummi (Colcloughs Patent) werden in
neuester Zeit beim Wagenbau vielfach benützt. Auch diese
tragen insofern zum Komfort der Fahrgäste bei, als sie das so
störende Klirren und Klappern der Fenster gänzlich beseitigen.
Dass sie ausserdem weder schwellen noch zusammenschrumpfen
und das Einsetzen neuer Glasscheiben in keiner Weise er-
schweren, sind weitere Vorteile, die ihre zunehmende Beliebt-
heit wohl erklären.
Dunkle Farben, zumal Braun, sind für das Coupé noch
immer die modernsten, doch beginnt man in Paris bereits damit
hie und da ein schönes Rot für das Gestell zu verwenden. Ob
Nécessaire mit Uhr für Coupé.
hierin eine flüchtige Laune der Fashion, Sucht nach etwas
Apartem oder das erste Anzeichen einer kommenden Mode zu
erblicken ist, wird die nächste Zukunft lehren.
Das zweispännige Coupégeschirr muss mit dem Charakter
der ganzen Equipage harmonieren, also den Stempel vornehmer
aber einfacher Eleganz zur Schau tragen. Dies wird der Fall
sein, wenn man bei der Zusammenstellung desselben folgendes
beobachtet: Das Kopfgeschirr erhält Stirnband und Seitenme-
daillons aus Metall, Stirnstück, viereckige, mit kleiner Krone
geschmückte Scheuleder, Buxtonkandare mit Unterlegtrense und
Aufsatzzügel; das leichte Kummet hat plattierten Kummetbügel
und ebensolche Zügelringe; auf den ebenfalls leichten und plat-
tierten Kammdeckeln ist dieselbe Krone wie auf dem Scheuleder
[76]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
angebracht; Schwanzriemen und, am Mittelstück wie an der
Endschlaufe mit Krone verzierte Rückenriemen dürfen nicht
fehlen; alle Schnallen sind plattiert und haben die viereckige
Form; am Bauchgurt ist ein bis zum Kummet führender Sprung-
riemen eingeschnallt; die Aufhalter sind aus Leder; zu den Leit-
seilen bezw. deren Handstücken wird braunes Leder genommen.
Die Pferde, die ein solches Geschirr mit Anstand tragen
sollen, werden eine Höhe von 155—160 cm, viel Schnitt und
eine steppende Aktion haben müssen. Die beliebtesten Farben
für Coupépferde sind Braun und Fuchs.
Für Herrschaften, die sich in der angenehmen Lage befinden,
mit ihren Equipagen die höchste Eleganz anzustreben, wollen
wir schliesslich noch hinzufügen, dass wenn sich eine Dame im
Coupé befindet, stets auch ein Groom neben dem Kutscher
Platz zu nehmen hat. Dass diese Leute nicht sehr gross und
schwer sein dürfen, ist, wenn man die zierliche Form des
Wagens berücksichtigt, leicht einzusehen. Streng genommen
sollte der Groom sogar immer etwas kleiner als der Kutscher
sein. So wenigstens will es die Etikette haben, wenn ihr un-
beschränkte Gewalt zugestanden wird. Unter allen Umständen
aber ist darauf zu achten, dass der Diener oder Groom um ein
geringes tiefer als der Kutscher sitze, denn überragt ersterer
seinen Genossen, so nimmt sich dies auffallend schlecht aus.
Die einzige korrekte Livree zum Coupé ist die englische. Da
dieselbe bisher noch nicht näher von uns beschrieben worden
ist, möge es uns gestattet werden, ihr hier eine kurze Be-
sprechung zu widmen.
Was dieser Livree eine so allgemeine Verbreitung verschafft
hat, ist ihre geschmackvolle, ungemein vornehm wirkende Ein-
fachheit. Sehen wir uns zuerst den Kutscher an (Fig. 47 A).
Der Rock ist aus schwarzem oder dunkelblauem Tuch; der ein-
zige Schmuck desselben besteht in einem einfachen, schwarzen
Sammetkragen und Livreeknöpfen aus Metall. Letztere sind in
der Weise verteilt, dass der Rock vorne sechs, hinten vier (und
[77]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
zwar auf jeder Seite zwei von der Mitte abwärts) und an den
Ärmeln je 2 (kleinere) Knöpfe hat. Die Schösse sind an den
Seiten mit Patten versehen und auch etwas länger als die am
Rocke des Dieners. Unter dem Rocke wird eine gestreifte Weste
in den Wappenfarben getragen. Diese ragt ungefähr einen halben
cm über den Rockkragen hervor.
Vielfach wird auch zur Vermeidung
von faltigem Sitz nur ein Streifen
von dem Stoff der Weste in den
Rock eingenäht. Um den Hals
trägt der Kutscher einen tadellos
geschnittenen, ziemlich hohen Steh-
kragen, der von einer schnee-
weissen flachen Kravatte, einem
sog. Plastron, umschlossen wird.
Tuchnadeln, Umlegekragen oder
gar gebundener Schlips sind strenge
verpönt. Dasselbe gilt mit Bezug
auf Achselstücke, farbige Rock-
kragen und Ärmelaufschläge. Auch
die in der Farbe der Weste ge-
haltenen, als Einfassung des Rock-
kragens benützten Litzen, lasse
man lieber fort. Die weissen Leder-
hosen müssen vorzüglich sitzen,
was nur dann zu erreichen ist,
wenn sie von einem Spezialisten
A. Kutscher in englischer Livree.
bester Klasse bezogen werden. Falten dürfen sie nicht werfen;
drücken aber auch nicht, und darin liegt eben die Schwierig-
keit; denn sobald die Hosen gekollert werden, laufen sie immer
etwas ein. Der Schneider wird also nicht von vorneherein
auf vollkommen faltenlosen Sitz hinarbeiten dürfen, sondern
sozusagen eine Zukunftshose erzeugen müssen. Dass dies nicht
der erste beste Kleiderkünstler fertig bringt, ist nicht zu ver-
[78]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
wundern. Mit Bezug auf die Hosen wäre schliesslich auch noch
zu erwähnen, dass die vom Knie abwärts angebrachten Perl-
mutterknöpfe nur dann korrekt sitzen, wenn die obersten der-
selben ihren Platz an der äusseren Seite des Wadenbeines un-
mittelbar unter der Kniescheibe erhalten haben.
B. Kutscher im Paletot.
Die Stiefel des korrekt ge-
kleideten Kutschers stammen eben-
falls aus einer renommierten Werk-
statt. Man sieht dies schon an
der hocheleganten Form der Stul-
pen und Röhren. Erstere haben
die richtige Farbe (hell und rauh),
sind weder zu lang noch zu kurz
und schmiegen sich wie ein Blatt
Papier um die glänzenden Röhren.
Letztere sinken nicht wie eine Zieh-
harmonika in sich selbst zusammen,
sondern zeigen stets eine glatte,
faltenlose Oberfläche. Die Form
des Fusses und der Absätze ist
die von der elegantesten Mode
vorgeschriebene, und was Material
und Ausführung anbelangt, könnte
der Stiefel ebenso gut für den Fuss
eines verwöhnten Gentlemans be-
stimmt sein. Auch der stets funkel-
nagelneue Hut des Kutschers unter-
scheidet sich durch nichts von dem eleganten Cylinder seines
Herrn. Eine unmoderne abgenützte Angströhre auf dem Haupte
des Rosselenkers giebt immer zu der Vermutung Anlass, dass
der Mann die abgelegte Garderobe seines Gebieters spazieren
fährt. Tressen am Hut verträgt die englische Livree selbst-
verständlich nicht, aber auch die Kokarde kann nur dann als
ein korrekter und stilgerechter Hutschmuck angesehen werden,
[79]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
wenn sie die Wappenfarben des Equipagenbesitzers wiedergiebt.
Wo ein Wappen nicht vorhanden, hat demnach die Kokarde
keinen Sinn.
Der Kutscherpaletot hat zwei Knopfreihen, jede zu sieben
A. Groom in englischer Livree.
Vorderansicht.
B. Groom in englischer Livree.
Rückenansicht.
Knöpfen und ist mit Patten besetzt. Die richtige Länge hat
er, wenn er knapp bis über den oberen Rand der Stulpen
reicht (Fig. 47 B).
Die Handschuhe sind von rotbrauner Farbe und aus Hunde-
leder („Dogskins“); weisse waschlederne werden nie zur eng-
lischen Livree getragen.
[80]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Die Kleidung des mitfahrenden Dieners oder Grooms ist
bis auf einige wenig in die Augen fallende Details ganz dieselbe
wie die des Kutschers. Zu beachten bleibt nur, dass der Rock
des Dieners (Fig. 48 A) keine Patten, kürzere Schösse, vorne
C. Groom im Paletot.
Stallmann im Interimsanzug.
um einen Knopf weniger und hinten von der Taille abwärts auf
jeder Seite drei Knöpfe erhält (Fig. 48 B). Ferner machen wir
darauf aufmerksam, dass der Diener, der ja durch seine dienst-
lichen Obliegenheiten häufig genötigt wird, vom Bock herab und
wieder hinauf zu voltigieren, aus praktischen Gründen auch mit
einem kürzeren Paletot versehen werden muss. Dieser sollte stets
[81]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
so geschnitten sein, dass er die weiter oben erwähnten Perl-
mutterknöpfe der Lederhose frei lässt. Jede grössere Länge
ist von Übel und ausserdem gegen die Vorschrift. Ein weiterer
Unterschied zwischen dem Paletot des Dieners und dem des
Kutschers besteht darin, dass auf
ersterem wie auch auf dem Rocke die
Patten fehlen.
Wie sich der Interimsanzug der
Stallleute ausnimmt, zeigt Fig. 49.
Dieser wird in der Regel aus lichtem,
drapfarbigem Tuch oder auch aus Man-
chester angefertigt. Sorgfältig ist darauf
zu achten, dass die Breeches und Ga-
maschen den richtigen, englischen
Schnitt erhalten, denn einen ebenso
komischen, wie hässlichen Eindruck
machen diese Kleidungsstücke, wenn
sie aus der Werktstatt eines Pfuschers
hervorgegangen. Wir erlauben uns
daher auf Fig. 50 hinzuweisen, welche
die Form moderner Breeches deutlich
zur Anschauung bringt. Auch zum
Interimsanzug trägt der Kutscher die
für die Livree vorgeschriebenen Steh-
kragen, Kravatten und Handschuhe.
Der Hut dagegen zeigt die bekannte
niedrige Form. In vielen aristokrati-
schen Etablissements wird jedoch zur
Breeches modernster Form.
Kutscherhut.
„petite tenue“ auch der in Fig. 51 abgebildete Kutscherhut
benützt. Eine Mütze aber, gleichviel welcher Form und Ausstat-
tung, ausserhalb des Stallhofes zu tragen, ist dem Stallpersonal
streng verboten. Möchte doch diese Bemerkung dazu beitragen,
jener schauderhaften Kopfbedeckung den Garaus zu machen,
die aus einer betressten, mit einer Nationalkokarde geschmückten
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 6
[82]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Schirmmütze besteht. Tressen und das höchste Négligé! Wes-
halb nicht auch Ordensbänder am Nachthemd?
Im Dienst wird der Interimsanzug zum Bewegen der Pferde
und zu Fahrten über Land mit Fuhrwerk rein sportlicher
Gattung benützt. Soll derselbe aber stets einen sauberen und
eleganten Eindruck machen, so wird man dem Personal noch
einen besonderen Stallanzug bewilligen müssen. Dieser besteht
Stallanzug.
in vornehmen Etablissements aus einem
Ärmelleibel in den Livreefarben, Bree-
ches aus Manchester und braunleder-
nen Gamaschen (Fig. 52).
Da wir nun schon von unserem
eigentlichen Thema, der Beschreibung
verschiedener zweispänniger Equipa-
gen, abgewichen sind, wollen wir gleich
die Gelegenheit wahrnehmen und auch
klarstellen, welchen Standpunkt wir zu
der alten Streitfrage von der Schädlich-
keit bezw. Unentbehrlichkeit des Auf-
satzzügels einnehmen. Kommen wir
doch bei der Besprechung der für den
Stadtgebrauch bestimmten Geschirre
oft genug in die Lage, genannten Zügel
zu erwähnen.
Um keine Verschwendung mit dem
Raum zu treiben, den wir für derartige Betrachtungen erübrigen
können, erklären wir sofort, dass wir unbedingte Anhänger eines
vernünftigen Gebrauches des Aufsatzzügels sind. Wir befinden
uns hierbei in erfreulicher Übereinstimmung mit allen Fachmän-
nern, die langjährige Erfahrung im Fahren schneidiger Blutpferde
erworben haben. Die Vertreter der Ansicht, dass der Aufsatz-
zügel ein Torturinstrument für das Pferd sei, dürften dies kaum
von sich sagen können. Es ist daher nicht zu verwundern, dass
trotz der Ströme von Tinte, die vergossen worden sind um jenes
[83]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
„Torturinstrument“ aus der Welt zu schaffen, alles beim alten
geblieben.
Wir sprachen soeben von einem vernünftigen Gebrauch des
Aufsatzzügels. Ein solcher ist allerdings vollkommen ausge-
schlossen, wenn man sich der in Fig. 53 abgebildeten, ver-
schärften Form dieses Zügels bedient. Hier haben wir es näm-
lich mit einer hebenden Kraft zu thun, die doppelt so gross,
als die der Aufsatzzügel älterer Gattung. Der Schmerz, der
dem Pferde dadurch verursacht wird, muss ein sehr intensiver
sein. Jede Bewegung der Nacken- und
Halsmuskeln ist behindert, und sollte
das Pferd einen Fehltritt machen, so
kann von einer Wiedergewinnung des
Gleichgewichtes keine Rede sein. Eine
natürliche Folge hiervon ist, dass das
gemarterte Tier unruhig und wider-
spenstig wird. Man braucht dasselbe
jedoch nur anzusehen, um die Über-
zeugung zu gewinnen, dass die Ursache
dieser Gemütsstimmung nicht Bosheit,
sondern unleidlicher Schmerz ist. Hier-
zu kommt ausserdem noch, dass ein
solcher Aufsatzzügel nicht losgehakt
Zu scharf wirkender
Aufsatzzügel.
werden kann, ohne dass die Trense dem Pferde aus dem Maul
fällt. Das beklagenswerte Tier muss deshalb die Zwangsjacke
auch während längerem Stillstehen oder beim Erklimmen steiler
Anhöhen anbehalten.
Ganz anders aber verhält es sich mit dem Aufsatzzügel der
gewöhnlichen altbewährten Form. Dieser kann sogar unter ge-
wissen Umständen von grossem praktischem Nutzen, ja voll-
kommen unentbehrlich sein.
Erfahrene Fachmänner — wir nennen nur den Herzog von
Beaufort, Major Dixon, Colonel Hugh Smith Baillie, Lord Al-
gernon St. Maur, Lord William Pitt Lennox, Captain Malet, die
[84]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
bekannten Sporting-Schriftsteller Nimrod, Harry Hieover, Fried-
rich Hamelmann u. v. a. Meister der Fahrkunst — empfehlen da-
her auch einstimmig eine vernünftige Anwendung des Aufsatz-
zügels. Der Herzog von Beaufort z. B. schreibt: „Wo ist der
Mann, der mehrere Stunden nacheinander vier kräftige Pferde
halten könnte? Wie richtig es auch sein möge, Rücksicht auf
das Wohlbefinden der Pferde zu nehmen, fordert also die Sorge
für unsere eigene Sicherheit, dass wir uns beim Vierspännig-
fahren des Aufsatzzügels bedienen. Dies ist um so notwendiger,
als ein Pferd, das den Kopf nach Belieben bewegen kann,
jeden Augenblick imstande ist, das Kopfgeschirr an dem Ge-
nossen oder der Deichsel abzustreifen und ein Unglück dann
kaum zu vermeiden sein dürfte.“ Harry Hieover äussert sich
folgendermassen: „Die Equipage ohne Rucke und Stösse an
einer Menge anderer Wagen vorbei zu lotsen, ist eine Aufgabe,
die den Kutscher auf dem „qui vive“ erhält, und soll er dies
leisten können, so müssen auch die Pferde auf den „qui vive“
sein. Das ist’s eben, was wir mit dem Aufsatzzügel erreichen
wollen.“ Altmeister Friedrich Hamelmann hält es ebenfalls
nicht mit den Theoretikern. In seinem vortrefflichen Werkchen
„Die Fahrkunst“ kommen nämlich Seite 31 und 32 folgende
Zeilen vor: „Der Aufsatzzügel spielt beim Fahren eine wesent-
liche Rolle. — — Ist das Pferd auf seinem Vorderteil schwach
und die hintere Partie stark gebaut, so hat man den Aufsatz-
zügel kräftig wirken zu lassen, damit die eigene Last des
Pferdes dadurch mehr auf das stärkere Hinterteil verlegt werde,
ist es aber auf seinem Hinterteil schwach, so soll so wenig
als möglich aufgesetzt werden; auch ist auf die Bauart des
Halses und des Kopfes hierbei Rücksicht zu nehmen. Ver-
möge des Aufsatzzügels sind wir imstande, das Pferd in ein
natürliches Gleichgewicht zu setzen und in Schwächen und Ge-
brechen zu unterstützen — — Ausser den eben besprochenen
Vorteilen, welche das Aufsetzen gewährt, erhöht es auch noch
um ein bedeutendes das Ansehen des Pferdes, welches dadurch
[85]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
ein recht stattliches wird. Manche Herren ziehen es vor, ihre
Pferde ohne Aufsatzzügel zu fahren. Dies ist jedoch nur bei
leichten Pferden (Jucker) von regem, feurigem Temperament
zulässig. Bei schweren Pferden, sog. Karrossiers, darf
das Aufsetzen niemals unterlassen werden.“
Sollten wirklich alle diese alten Praktiker, die dem Fahren
ihr ganzes Leben hindurch mit Passion obgelegen sind, den von
den Theoretikern als „Torturinstrument“ bezeichneten Hilfszügel
ohne jeden reellen Grund so warm empfohlen haben? Das wird
sich doch gewiss niemand einreden lassen. Missbraucht können
freilich auch die nützlichsten Dinge werden. Weniger nützlich
sind sie aber darum doch nicht.
Der Zweck der Aufsatzzügel ist, wie bereits erwähnt, ein
doppelter. Zuerst sollen sie verhindern, dass das Pferd bei
zweispänniger Anspannung das Gebiss an die Deichsel festhakt
und sich dann das Kopfgeschirr abstreift. Dies ist nun allerdings
kaum zu befürchten, wenn die Fahrt ohne Aufenthalt bis ans
Ziel fortgesetzt wird; beim Stadtdienst und wenn die Fahrenden
Besuche machen oder Einkäufe besorgen, kann es aber sehr
leicht vorkommen. Die Pferde schwitzen unter dem Geschirr,
und ganz besonders wird man unter dem Kopfgestell stets eine
bedeutende Schweissbildung wahrnehmen können. Dies giebt
nun Anlass zu einem mehr oder weniger irritierenden Hautjucken,
auch lockt der Schweiss die Fliegen herbei; es ist daher nicht
zu verwundern, dass das Tier ein Verlangen darnach spürt, sich
an irgend einem festen Gegenstand zu scheuern und da die
Deichsel ihm am nächsten liegt, wird sie auch in erster Reihe
hierzu benützt werden. Der Aufsatzzügel setzt diesem an und
für sich ganz natürlichen, aber mit grossen Gefahren verknüpften
Begehren bestimmte Grenzen. Ferner verleiht er dem Kutscher
grössere Macht über hartmäulige, scharf ins Zeug gehende Pferde.
Die direkte Wirkung dieses Zügels ist nämlich, dem Pferde den
Kopf höher zu stellen. Dadurch wird aber auch der Gang des
Tieres verkürzt, mehr versammelt, und das Durchgehen er-
[86]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
schwert. In grösseren Städten, wo scharfe und plötzliche Pa-
raden jeden Augenblick notwendig werden können, ist es deshalb
immer anzuraten, sich einer Vorrichtung zu bedienen, die der
Gehlust eines stark gefütterten, wenig beschäftigten Tieres einen
heilsamen Dämpfer aufsetzt. Schliesslich ist es denn doch
besser, dass der Gaul auf den Aufsatzzügel als auf die Hand
des Kutschers bohrt.
Dieser viel verlästerte Hilfszügel hat aber noch eine andere
äusserst wohlthätige Wirkung. Er erleichtert dem ermüdenden
Pferde die Zugarbeit. Dass dies keine leere Behauptung, er-
giebt sich aus folgenden Thatsachen.
Das Bewegungszentrum liegt, ob sich das Tier nun bewegt
oder im Zustande der Ruhe befindet, im Mittelpunkt des Rückens,
ungefähr dort, wo eine perpendikuläre Linie den 14. Rücken-
wirbel treffen würde. Der Schwerpunkt dagegen liegt etwas
weiter vorwärts und zwar je nach der Bauart verschiedener
Pferde zwischen dem 10. und 13. Rückenwirbel.
Für das Pferd ist es selbstverständlich am vorteilhaftesten,
wenn diese beiden Punkte einander möglichst nahe gebracht
werden.
Die Lage des Schwerpunkts vor dem Bewegungszentrum
wird durch die langgestreckte, geradlinige Form des Pferdehalses
bedingt. Diese hat nämlich zur Folge, dass der Kopf seinen
Platz weit ausserhalb der Basis des Körpers erhält. Hierdurch
gestaltet sich der an einem Ende mit dem Schädel belastete
Hals zu einem kräftigen Hebel, der den Schwerpunkt nach vor-
wärts, vor den Mittelpunkt des Pferdekörpers schiebt.
Wenn wir nun ein Pferd zum Gebrauch abrichten, so werden
diese beiden Punkte, dem hierbei aufgewendeten grösseren oder
geringeren Verständnis entsprechend, mehr oder weniger zu-
sammengeschoben. Denn dadurch, dass wir den vom Pferde-
halse gebildeten Bogen verkürzen und den Kopf näher an den
Rumpf heranbringen, verlegen wir auch den Schwerpunkt weiter
nach rückwärts. Durch das Zusammenfallen jener beiden Punkte
[87]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
aber wird das Gleichgewicht geschaffen und dass ein in Gleich-
gewicht gebrachtes Pferd sich in jedem Dienste als das leistungs-
fähigste erweisen muss, bezweifelt sogar der Laie nicht.
Eine sehr naheliegende Frage ist daher, wie wir das Wagen-
pferd, das ja nicht wie das Reitpferd durch den Sitz und die
Schenkel des Reiters beeinflusst werden kann, im Gleichgewicht
erhalten sollen? Aussergewöhnlich geschickte Fahrer vermögen
dies wohl, zumal bei Pferden besonders günstiger Bauart, auch
ohne Aufsatzzügel zu erreichen. Solche Fahrer werden jedoch
unter den Berufskutschern immer und überall zu den grössten
Seltenheiten gehören. Das ist denn auch der Grund, weshalb
der Aufsatzzügel nie ganz zu entbehren sein wird.
Wer einige Erfahrung im Fahren besitzt, weiss, dass das
Pferd, sobald es die Müdigkeit zu spüren beginnt, den Hals
vorstreckt und den Kopf sinken lässt. Eine unzweckmässigere
Haltung lässt sich aber kaum denken, denn durch sie wird der
Schwerpunkt so weit — über den 10. Rückenwirbel hinaus —
nach vorwärts verlegt, dass er nahe bei der Schulter zu liegen
kommt. Selbstverständlich genügt dann ein geringer Fehltritt,
um das gänzlich aus dem Gleichgewicht geratene Pferd zu Fall
zu bringen. Ausserdem aber verliert der mit vorgestrecktem
Hals und Kopf dahintrottende Gaul einen grossen Teil seiner
Schubkraft. Kann er doch die Muskeln des Rückens und der
hinteren Extremitäten nicht entfernt mit demselben Nachdruck
gebrauchen, als wenn der Schwerpunkt und das Bewegungs-
zentrum näher beieinander liegen. Wird er dann genötigt, seine
Last bergauf zu ziehen, so sieht man ihn die grössten An-
strengungen machen, die Hinterbeine ordentlich unter den Leib
zu setzen, aber je mehr er sich anstrengt, desto mehr bleiben
diese hinten ab; mit anderen Worten: er zieht sich selbst in
Stücke.
Wir erinnern uns aus unserer eigenen Praxis eines Falles,
der als Beweis für die Richtigkeit vorstehender Betrachtungen
hier angeführt werden mag. Um einem Freunde gefällig zu
[88]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
sein, hatten wir es übernommen, vier sehr mittelmässige Pferde
zwei Tage nacheinander zu einem kleinen Renn-Meeting zu
fahren. Der Weg führte über gebirgiges Terrain. Am ersten
Tage gingen die Pferde auf ausdrücklichen Wunsch ihres Be-
sitzers ohne Aufsatzzügel. Es war eine traurige Fahrt. Berg-
auf konnten die Gäule den Break kaum im Schritt von der
Stelle bringen und als wir endlich den Stall erreichten, schienen
sie völlig ausgepumpt zu sein. Dies veranlasste uns, ihnen
Omnibus.
am folgenden Tage Aufsatzzügel aufzulegen, und siehe da, nun
trabten sie ganz lustig die Anhöhe hinan, ohne dabei ausser
Atem und Kraft zu kommen. Das hatte der Aufsatzzügel be-
wirkt. Dank demselben blieben sie im Gleichgewicht, was sie
wiederum in Stand setzte, ihre Muskeln und hinteren Extremi-
täten zweckentsprechend zu gebrauchen.
Wie straff die Aufsatzzügel geschnallt werden sollen, hängt
natürlich von dem Zweck ab, den wir mit denselben verfolgen.
Als Vorbeugungsmittel gegen das Abstreifen des Kopfgestelles
können sie ziemlich lang gelassen werden; sollen sie aber dem
[89]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Effekt vollwichtigen Hafers und andauernden Nichtsthuns ent-
gegenwirken, so müssen wir sie verkürzen. Dass die Aufsatz-
zügel das Gebiss nicht in die Lefzenwinkel hinaufziehen dürfen,
ist selbstverständlich. Richtig geschnallte Aufsatzzügel lassen
augenblicklich bedeutend nach, wenn das Pferd beim Antraben
den Kopf in die Höhe giebt.
Und nun wollen wir wieder zu unseren zweispännigen
Equipagen zurückkehren.
Um bei der die Übersicht erleichternden Einteilung: gedeckte,
halbgedeckte und offene Fuhrwerke zu bleiben, werden wir zu-
nächst noch einen gedeckten Wagen und zwar den
für Luxuszwecke bestimmten Omnibus (Fig. 54) in
Augenschein nehmen.
Ein solcher Omnibus ist wegen seiner vielseitigen
Verwendbarkeit in einem grösseren Etablissement
kaum zu entbehren. Will man z. B. in grösserer
Gesellschaft von oder nach der Bahn fahren, einen
ländlichen Ausflug unternehmen, oder den Insassen
der Kinderstube die Teilnahme an einem Pic-nic ge-
statten, so kann man hierzu keinen passenderen
Wagen als den Omnibus benützen. Für Gepäck,
Proviantkörbe und dergl. ist reichlicher Raum auf
Liverpool-
kandare.
dem Verdeck vorhanden, der durch Entfernung des dortigen
Sitzes noch bedeutend erweitert werden kann. Ausserdem
fährt sich dieser Wagen infolge seiner Bauart ungemein leicht,
so dass auf guten Wegen auch bei starker Belastung zwei Pferde
vollkommen für denselben genügen.
Zu der inneren Garnierung des Omnibus wird stets Leder
oder Tuch genommen. Die Lackierung darf, ja soll, lebhafte
Farben zeigen, z. B. Kasten: schwarz, Gestell: gelb oder rot,
schwarz beschnitten; Kasten: schwarz und gelb, Gestell: grün;
Kasten: schwarz und hellblau, Gestell: hellblau, schwarz be-
schnitten und ähnliche Farbenzusammenstellungen.
Die Pferde, die nicht zu leicht sein dürfen und eine Höhe
[90]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
von 158—160 cm haben müssen, erhalten einfaches Coupégeschirr
mit Liverpoolkandare, (Fig. 55) aber ohne Rückenriemen. Ein-
fachheit ist überhaupt bei der Herstellung dieser Equipage
dringend geboten, wesshalb auch die Dienerschaft nur wenn der
Omnibus nachmittags von den Damen des Hauses und deren
Gästen zu Ausfahrten benützt wird, volle Livree tragen darf.
Sobald aber die Mitnahme von Gepäck auf dem Programm steht
oder die Beobachtung strengerer Formen aus anderen Gründen
überflüssig erscheint, haben Kutscher und Groom im Interims-
anzug zu erscheinen.
Gepäck-Victoria.
Ein originelles Gefährt, das sich ebenfalls vortrefflich zu
Bahnhofsfahrten und Jagdausflügen eignet, ist die französische
Gepäck-Victoria (Fig. 56). Eine ausführliche Beschreibung
dieses Wagens brachte das Septemberheft 1896 des mustergiltig
redigierten französischen Fachjournals „La Carrosserie Fran-
çaise“, dem wir auch die vorstehende Zeichnung entnommen
haben. Wie aus derselben hervorgeht, befindet sich unter dem
Kutschbock eine Plattform zur Aufnahme des Gepäcks. Diese
kann aber auch vermittelst eines zum Anschnallen eingerich-
teten Polsters in einen Sitzplatz für zwei Personen verwandelt
werden. Ferner bleibt zu bemerken, dass das Gepäck, wenn
erforderlich, zwischen den eisernen Stützen des Kutschbockes
[91]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
bis zum Kotschirm vorgeschoben werden kann. Gegen den von
den Vorderrädern aufgeworfenen Strassenkot würde ein zu beiden
Seiten der Plattform mit Leichtigkeit anzubringender kleiner
Kotflügel ausreichenden Schutz gewähren.
Die innere Garnierung besteht aus Tuch; für die Lackierung
bringt das französische Blatt strohgelben Kasten und gelbes,
schwarz beschnittenes Gestell in Vorschlag. Die Plattform er-
hält gefirnissten Naturholzanstrich und wird zur grösseren Sicher-
heit mit Streifen aus Eisenblech beschlagen.
Der sauber ausgeführte Planriss einer solchen Gepäck-
Zweispännige Victoria.
Victoria ist zum Preise von 40 Francs von Mons. L. Lagard,
22 rue des Acacias, Paris, zu beziehen.
Ein einziger Blick auf die für den gewöhnlichen Stadt- und
Parkgebrauch bestimmte Victoria (Fig. 57) lehrt, dass dieselbe
zu einer weit vornehmeren Klasse gehört, als der soeben be-
schriebene Wagen. Zur höchsten Eleganz fehlen ihr allerdings
die „huit ressorts“, doch das ist eher ein Vorteil zu nennen,
denn für den alltäglichen Gebrauch passt kein Fuhrwerk, das
durch seinen pompösen Stil sofort die allgemeine Aufmerksamkeit
auf sich lenkt.
Bis vor kurzem war die erst vor einigen Jahren zur Herr-
schaft gelangte Mode der tiefen, bauchigen Kasten — die sog.
Bateau-Form — obligatorisch für alle Victorias. In neuester
[92]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Zeit macht sich jedoch, besonders in Paris, die Tendenz geltend,
wieder zu der früheren leichteren Bauart zurückzukehren. Man
will eben immer etwas Neues haben. Die Wagenmoden wechseln
aber aus nahe zur Hand liegenden Gründen nicht so schnell
und häufig wie die Kleiderschnitte. Die runden, tiefen Kasten
(vergl. Fig. 60) dürften daher noch geraume Zeit hindurch das
Feld behaupten. Dass bereits eine, vorläufig allerdings nur
schüchterne, Opposition gegen dieselben wahrgenommen werden
kann, steht jedoch fest und ist freudig zu begrüssen.
Die elegantesten, wie auch die extravagantesten Victorias
sieht man gegenwärtig in New-York, Boston und Chicago. Das
kommt daher, dass es dort zahlreiche Öl-, Schmalz- und sonstige
„Könige“ giebt, die hauptsächlich ihren Frauen zu Liebe, sich
ehrliche Mühe geben, Staunenswertes auf dem Gebiete des
Luxus zu leisten. „Vor allem teurer und schöner wie in London,
Paris oder Wien!“ heisst es in jenen Kreisen, sobald etwas
Neues für die Damen des Hauses angeschafft werden soll. Selbst-
verständlich kommt dies auch dem Fahrsport zu gute. Und da
nun die amerikanischen Wagenfabrikanten über ein vorzügliches
Material und sehr geschickte Arbeiter verfügen, werden wir
wohl demnächst unsere Equipagenmoden aus New-York beziehen
müssen, demselben New-York, das noch vor zehn Jahren kaum
ein einziges wirklich elegantes, nicht zur Kategorie der Buggies
gehörendes Fuhrwerk aufzuweisen vermochte.
Besonders mit der Garnierung eleganter Wagen wird in
Amerika ein unerhörter Luxus getrieben. So fuhr dort die auch
in Europa bekannt gewordene Miss Pullman in einer Victoria,
deren Garnierung aus Silberbrokat bestand. Wer sich das nicht
leisten kann, nimmt schwarzen Atlas, falls ihm nicht violett
besser zu Gesicht steht. Immer aber passt die Toilette der
Insassin bis auf die Handschuhe zur Garnierung des Wagens.
Dazu kommen dann noch möglichst viele, ebenfalls mit genauer
Berücksichtigung der Farben gewählte Blumen auf dem Schosse
der Dame und im rückwärtigen Teil des Wagens. Manche der
[93]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
über die Boulevards von New-York und Paris rollenden Victorias
gleichen einem auf Rädern gestellten Blumenbeete. Wer dann
noch ein übriges thun will, versieht das Verdeck der Victoria
mit seinem in Gold oder Silber ausgeführten Monogramm.
Die Idee mit den Blumen ist jedenfalls sehr hübsch und
verdient auch in Deutschland Eingang zu finden. Amerika steht
überhaupt im Begriff, die führende Rolle auf dem Gebiete des
Fahrsports zu übernehmen. Geschmacklosigkeiten gehören je-
doch im Lande des Dollars keineswegs zu den Seltenheiten und
Victoria österreichisch-ungarischer Form.
darum wird man wohlthun, sich mit Bezug auf die amerikanischen
Moden von dem bekannten Spruch: „Prüfet alles und behaltet
das Beste“ leiten zu lassen.
Für unsere Verhältnisse passt unzweifelhaft eine aus Tuch
oder Maroquin bestehende Garnierung am besten. Dass diese
in eleganteren Wagen glattgespannt sein muss, haben wir bereits
bei der Besprechung der Coupés hervorgehoben. Auch die
Mode der dunkeln Farben für Coupés, Victorias und Landauer
können wir zur Darnachachtung nur empfehlen. Zusammen-
stellungen hellerer und dunklerer Schattierungen derselben Farben
[94]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
werden hierdurch nicht ausgeschlossen. So ist z. B. auf der
in Fig. 57 abgebildeten Victoria der um den dunkelvioletten
Kasten gezogene Fries von lichtvioletter Farbe wie das Gestell.
Grelle Kontraste zwischen den Farben sind jedoch stets zu ver-
meiden. Fig. 58 stellt eine schneidige Victoria österreichisch-
ungarischer Form dar.
Typisches Victoria-Gespann.
Zur Garnierung der hier in Rede stehenden Victoria würden
wir perlgraues Tuch oder Maroquin in der Farbe des Kastens
wählen.
Mit Bezug auf die Bespannung, das Geschirr und die Livree
gelten dieselben Vorschriften wie für das Coupé. Wir ver-
weisen daher den Leser auf das weiter oben hierüber mitge-
[95]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
teilte und ergänzen dies nur durch die Abbildung eines typischen
Coupé- oder Victoriagespannes (Fig. 59 und 60).
Nahe verwandt mit der Victoria, aber um vieles vornehmer
wie diese, ist der Duc (Fig. 61), der in Deutschland zu den
Damenphaëtons gezählt wird. Wie aus der Abbildung zu er-
sehen, unterscheidet sich der Duc von der Victoria hauptsächlich
dadurch, dass er zum Selbstkutschieren eingerichtet ist und
daher anstatt des Kutschbockes rückwärts einen Sitz für den
Dasselbe Gespann vor der Victoria.
mitfahrenden Groom erhalten hat. Wir bemerken indessen aus-
drücklich, dass dieses hochelegante Gefährt zu denjenigen Ar-
tikeln gehört, welche durch die Spitzmarke „Nur für Damen“
von der Benützung durch die Herren der Schöpfung ausgeschlossen
worden sind. Selbstverständlich ist das ein Grund mehr, weder
Mühe noch Kosten zu scheuen, um den Duc zu einem würdigen
Rahmen für Schönheit, Anmut und Eleganz zu gestalten. Soll
dies erreicht werden, so müssen der Wagen, das Geschirr, die
Pferde, die Livree, Figur und Haltung des Grooms und last
not least die Toilette der kutschierenden Dame, sowohl einzeln
für sich wie als Bestandteile des Gesamtbildes betrachtet, dem
[96]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Kenner nichts zu wünschen übrig lassen. Eine leichte Aufgabe
ist demnach die Zusammenstellung einer stilgerechten Duc-Equi-
page nicht und eine billige wahrlich auch nicht.
Der Kasten des Ducs hat die moderne, runde und tiefe
Form, ohne jedoch durch eine Übertreibung derselben aufzufallen.
Die Lackierung kann entweder wie auf unserer Abbildung oder
auch in irgend einer dunklen Farbe ausgeführt werden. Sehr
hübsch macht sich z. B. ein dunkelgrüner mit feinen gelben
Duc.
Linien eingefasster Kasten zu einem gelben, schwarz beschnit-
tenen Gestell. Die Garnierung besteht aus hellgrauem, nahezu
weissem Tuch.
Dass zu einem solchen Wagen keine grossen Pferde passen,
ist selbstverständlich. In Paris sieht man denn auch nur kleine,
140—145 cm hohe Cobs vor den Ducs des „beau monde“. Wir
sind jedoch der Ansicht, dass kurzbeinige Lippizaner Stepper
vornehmster Qualität sich für diesen Zweck noch besser eignen
würden. Welchen Pferdetypus man aber auch wählen möge,
immer müssen die betreffenden Tiere von kleiner, gedrungener
[97]Die zweispännigen Luxus-Epuipagen.
Statur sein, in geradezu idealer Weise zu einander passen, eine
auffallend hohe Aktion besitzen und sowohl Schweif wie Mähne
nach Ponyart frisiert, d. h. möglichst kurz gestutzt tragen. —
So will es die Modegöttin, die bekanntlich ihre Dekrete nie
motivirt, sondern nur mit dem Zusatze „car tel est mon bon
plaisir“ zur Kenntnis der vortrefflich disciplinierten Mensch-
heit bringt.
Damen-Phaëton.
Wird dann noch für ein Kummetgeschirr leichtester und
elegantester Gattung gesorgt und ist der in tadelloser englischer
Livree gekleidete Groom von einer Figur, die ihm, wenn das
„Exterieur“ allein den Ausschlag gäbe, einen hervorragenden
Platz unter den „Leichtgewichten“ der Rennbahn sichern würde,
so kann die glückliche Besitzerin der Equipage dieselbe überall
mit voller Beruhigung in Gebrauch nehmen. Der Neid ihrer
Freundinnen und der Beifall der Kenner werden sie auf ihrer
Fahrt begleiten.
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 7
[98]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Unsere Leserinnen wollen ferner beachten, dass zum Selbst-
kutschieren in der Stadt und deren Parks ausser dem Duc nur
noch der in Fig. 62 abgebildete Damen-Phaëton als chic gilt.
Eleganter bleibt aber immer der Duc. Dies liegt indessen mehr
in der Form des Wagens als in den Details der Ausstattung,
denn beide Wagenarten verpflichten zur Entwicklung grösst-
möglicher Eleganz. Wir bemerken jedoch, dass der Damen-
Phaëton, da er leichter und höher als der Duc ist, auch eine
aus leichteren und grösseren Pferden bestehende Bespannung
Amerikanischer Damen-Phaëton.
verlangt. Das richtige Mass für letztere wird sich zwischen
150 und 155 cm zu bewegen haben. Im übrigen können wir
nur auf das weiter oben über die Zusammenstellung einer Duc-
Equipage Gesagte hinweisen. Sogar für die Lackierung und
Garnierung der hier genannten beiden Wagen, sind dieselben
Regeln zu beobachten. Also z. B. olivgrüner Kasten mit zinnober-
rotem, fein schwarz beschnittenem Gestell und hellgraue Gar-
nierung.
Eine ländlichere, in Amerika sehr beliebte Form des Damen-
Phaëtons zeigt Fig. 63.
Der vornehmste Kutschierwagen für Herrn ist der Mail-
Phaëton (Fig. 64).
[99]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Zu den modernen Schöpfungen der Wagenbaukunst ge-
hört dieses Gefährt jedoch nicht, denn der erste Mail-Phaëton
soll während der Regierung König Georgs IV. von England
(1811—1830) herausgebracht worden sein. Trotzdem ist es
heute noch ebenso fashionabel wie zu Zeiten des lebenslustigen
vierten Georgs. Auch auf dem Gebiete des Fahrsports vermag
demnach das wirklich Gute und Schöne den Launen der Mode
erfolgreichen Widerstand zu leisten. Nobel in der Form, bequem,
geräumig und, dank dem Verdeck, bei schönem wie bei regne-
Mail-Phaëton.
rischem Wetter gleich verwendbar, besitzt der Mail-Phaëton
thatsächlich Vorzüge, die ihn unter den Kutschierwagen als
primus inter pares erscheinen lassen. Für Korsofahrten,
weitere Ausflüge und Besuche bei benachbarten Gutsbesitzern,
kann z. B. ein junges Ehepaar keinen passenderen Wagen
wählen. Man sitzt bequem, hat nicht wie auf dem offenen
Kutschierwagen die Dienerschaft in seiner unmittelbaren Nähe,
kann leicht einige Gepäckstücke in dem geräumigen Kasten
unterbringen und braucht nicht bei jedem drohenden Gewölk
von Sorge für die Toilette erfasst zu werden. Leider sind diese
kaum hoch genug zu schätzenden Vorteile nicht für billiges Geld
[100]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
zu haben. Wer sich eine durchaus korrekt zusammengestellte
Mail-Phaëton-Equipage leisten will, muss tief in den Beutel greifen.
Da ist zunächst der in jeder kleinen Einzelheit das Bild
solider, kunstverständiger Arbeit bietende Wagen, der nur von
einer berühmten, nicht für kleine Preise arbeitenden Wagenbau-
firma allerersten Ranges bezogen werden kann. Weniger wie
3000—3500 Mark wird derselbe nicht kosten. Dann kommen
die Pferde. Diese stehen dem Carrossiertypus sehr nahe, müssen
also eine Grösse von mindestens 162 cm Stockmass haben, sehr
egal sein und sich nicht nur durch einen hohen Grad von Adel,
sondern auch durch raumgreifende Aktion auszeichnen. Wenn
wir in Anbetracht dessen die Anschaffungskosten für Wagen
und Pferde mit rund 10000 Mark beziffern, so ist dies sicher
eher zu niedrig als zu hoch gegriffen.
Nun fehlen aber noch die Geschirre (mittelschweres plattier-
tes Modell) und vollständige englische Livree für zwei Leute, denn
auf den Rücksitz eines Mail-Phaëton gehören stets Kutscher und
Groom in vollkommen gleicher Adjustierung. Unter 12000 Mark
ist daher die vollständige Equipage gar nicht zu beschaffen,
wenn sie den höchsten Anforderungen entsprechen soll.
Was die bei der Zusammenstellung derselben zu beobachten-
den Detailvorschriften anbelangt, so wollen wir in erster Reihe
erwähnen, dass der Mail-Phaëton dunkel lackiert werden muss.
Dunkelgrün, fein schwarz beschnitten, dazu grünes oder helldrap-
farbiges Tuch als Garnierung sieht sehr vornehm aus. Für das
Geschirr gelten dieselben Bestimmungen, wie für das Stangenpferde-
geschirr eines eleganten Drags. Es wird also auch mit Buxton-
kandare, Aufsatzzügeln, Rückenriemen und plattierten Aufhalter-
ketten versehen sein müssen. Mit Bezug auf letztere sei bei dieser
Gelegenheit auch bemerkt, dass Kettenaufhalter nur benützt werden
dürfen, wenn der Besitzer selbst die Zügel führt. Auf einer vom
Kutscher gefahrenen Equipage, gleichviel welcher Art, dürfen sie
also nie vorkommen. Es wäre dies ein böser Verstoss gegen
die von der ganzen eleganten Welt acceptierte Fahretikette.
[101]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Dem Mail-Phaëton ganz ähnlich, nur etwas kleiner und
leichter und nicht mit Langbaum versehen, ist der Demi-Mail-
Phaëton. Für diesen genügen daher Pferde, die nicht mehr
wie 155—158 cm messen, doch wie immer heisst es auch hier:
je kleiner das Pferd ist, desto grösser werden die Anforderungen,
die man an das Gangwerk stellt. Ein weiterer Vorteil, den
die Benützung des Demi-Mail-Phaëton gewährt, besteht darin,
dass nur ein Diener mitgenommen zu werden braucht.
Eine noch kleinere und leichtere, allerdings auch weit weniger
vornehme Form genannter Wagengattung stellt der Stanhope-
Phaëton dar. Charakteristisch für diesen ist, dass der rück-
wärtige Teil des Kastens durch geschwungene eiserne Stützen
ersetzt worden, die sowohl den Dienersitz wie auch den vorderen
Kastenteil tragen. Schön kann diese Konstruktion wohl nicht
genannt werden; doch besitzt sie unzweifelhaft den Vorzug
grosser Leichtigkeit. Tierquälerei wäre es somit nicht, einen Stan-
hope-Phaëton einspännig zu fahren. Das ist aber auch alles,
was sich zu Gunsten einer derartigen Anspannung sagen liesse.
Wir kommen nun zu einem Fuhrwerk, das wir, obschon es
in Deutschland zu den seltensten Erscheinungen gehört, doch
der Vollständigkeit wegen nicht ganz mit Stillschweigen über-
gehen wollen. Es ist dies das Karrickel, (lateinisch Carri-
culus oder Carrus, englisch Curricle, französisch Carrick
à pompe). Wenn wir hier das Wort „Fuhrwerk“ benützen
und nicht, wie es wohl richtiger wäre, „Anspannung“ schreiben,
so hat das seine guten Gründe. Uns ist nämlich in erster Reihe
darum zu thun, dem Leser die gegenwärtig wieder modern ge-
wordene Curricle-Equipage in ihrer orthodoxen Form vorzu-
führen. Letztere wird aber nicht durch die eigenartige An-
spannung allein geschaffen; auch der Wagen spielt hierbei eine
sehr wichtige Rolle. Dass nahezu jedes zweiräderige Vehikel
zum Karrickelfahren benützt werden kann, lässt sich allerdings
nicht in Abrede stellen; als korrekt und stilgerecht wird jedoch
in den englischen und französischen Fachkreisen für diesen
[102]Die zweispännigen Luxus Equipagen.
Zweck nur das bereits vor 50 Jahren von der Fashion patro-
nisierte Curricle (Fig. 65) anerkannt.
Die Benützung eines Zweigespannes vor einem zweirädrigen
Wagen ist, wie wir wohl kaum zu bemerken brauchen, nur in
der Weise zu ermöglichen, dass dieser mit einer Deichsel ver-
sehen wird. Da nun aber die Deichsel von dem gewöhnlichen
zweispännigen Geschirr nicht in ihrer wagerechten Lage erhalten
werden könnte, giebt man ihr die erforderliche Stütze, indem
man entweder zu der Karrickelstange greift oder sich des sog.
Kapgeschirres (Fig. 66) bedient. Obwohl letzteres manche Vor-
Curricle.
züge vor dem Karrickel besitzt, hat sich dieses doch nicht aus
seinen dominierenden Stellungen verdrängen lassen. Es sei
daher hier nur kurz bemerkt, dass das Kapgeschirr, wie die
Figur zeigt, aus einer Querstange besteht, die durch eine mitten
vor der Brust der Pferde auf der Deichsel angebrachte Stahlöse
durchgezogen ist. Diese Stange und mit ihr auch die Deichsel
wird von den Pferden vermittelst eines schmalen Riemens ge-
tragen, der an jedem Ende der Stange festgeschnallt, über auf
dem Widerrist der Pferde liegende, lederne Unterlagen läuft.
Wie die Karrickelvorrichtung an der Deichsel und am Ge-
schirr befestigt wird, ist aus den Zeichnungen Fig. 67 und 68
mit solcher Deutlichkeit zu ersehen, dass wir uns wohl eine
[103]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
nähere Beschreibung ersparen können. Folgende kurze An-
deutungen dürften genügen.
Die aus vernickeltem Stahl angefertigte Querstange muss
so lang sein, dass sie mindestens 15 cm über die äussere Seite
jedes Kammdeckels hervorragt, wenn die Pferde gerade gerichtet
auf ihren Plätzen stehen. An jedem Ende der Stange befindet
sich eine kleine Schraube, deren flacher Kopf ein Herausgleiten
der Stange aus den Kammdeckelschlüsseln verhindert. In diesen
Kapgeschirr.
Schlüsseln ist eine bewegliche Walze aus Stahl angebracht. Den
Mittelpunkt der Stange bildet eine längliche Öse, durch welche
ein starker Riemen gezogen wird, der die Deichsel trägt. Unter
der Deichsel an dem Punkte, wo der Trageriemen herabhängt,
ist eine starke Feder befestigt. Letztere hat nicht nur den
Zweck, die für den Trageriemen bestimmte Metall- oder Leder-
schlaufe aufzunehmen, sondern soll auch das für die Pferde so
überaus belästigende Auf- und Niederwippen der Deichsel thun-
lichst verhüten. Trotzdem wird die Deichsel emporschnellen,
[104]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
wenn im Wagen eine Verlegung des Schwerpunktes nach rück-
wärts stattfindet. Es empfiehlt sich daher, stets einen leichten,
an jedem Ende mit einer Doppelschnalle versehenen Riemen
am Springgurt unter dem Bauch eines der Pferde zu befestigen,
und ihn sodann, nachdem er über die Deichsel gezogen worden,
in derselben Weise an dem Springgurt des anderen Pferdes
Befestigung der Karrickel-Stange an der Deichsel.
Befestigung der Karrickel-Stange am Geschirr.
festzuschnallen. Dies wird das Emporschnellen der Deichsel
auch dann verhindern, wenn ein schwerer Mann sich plötzlich
auf den Dienersitz des Wagens hinaufschwingen sollte. Dass
die Kammdeckel und die zu diesen gehörenden Schlüssel sehr
stark und solid gearbeitet sein müssen, ist selbstverständlich,
denn das auf ihnen ruhende Gewicht der Querstange wirkt
unter Umständen, z. B. beim Bergabfahren, mit bedeutender
Wucht. Mit Bezug auf die Kammdeckel sei schliesslich auch
[105]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
noch bemerkt, dass dieselben ebenso wie am Tandemgeschirr
mit Schlaufen zur Aufnahme der Stränge versehen sind.
Für die Lackierung des Curricle ist Dunkelbraun, fein rot
beschnitten, die am meisten zu empfehlende Farbenzusammen-
stellung. Im übrigen halte man sich vor Augen, dass vornehme
Eleganz für diese Equipage, wie für jedes Fuhrwerk auffälliger
Beschaffenheit, als eine conditio sine qua non angesehen
werden muss. Man vermeide daher auch kleine Pferde zum
Karrickelfahren zu benützen. Die passendste Grösse ist 158
bis 160 cm.
Zu den halbgedeckten Wagen gehört schliesslich noch das
ebenso moderne wie aristokratische Vis-à-vis (Fig. 69). Wie
Fig. 70 zeigt, giebt es auch offene, bezw. mit verstellbarem
Dache ausgestattete Vis-à-vis. Für Stadt- und Parkfahrten hat
jedoch nur die halbgedeckte Form Anspruch auf die Bezeich-
nung „chic“; die offene wird also hauptsächlich während des
Landaufenthaltes zur Benützung gelangen.
Das Vis-à-vis kann in etwas lebhafteren Farben gehalten
werden, z. B. Kasten: braun, fein rot eingefasst; Gestell: rot,
schwarz beschnitten; Garnierung: blaues Tuch oder Maroquin.
Der vornehme Charakter der halbgedeckten Form wird hierunter
nicht leiden, wenn nur die Livreen und Geschirre von tadelloser
Eleganz sind und die Pferde stattliche Grösse (160—162 cm)
mit hochnoblem Schnitt verbinden. Mit Bezug auf die Geschirre
bringen wir dem Leser nochmals in Erinnerung, dass die Buxton-
kandare einen obligatorischen Bestandteil aller eleganten Stadt-
geschirre bildet. Rückenriemen und Hinterzeug werden dagegen
nur zu schwereren Wagen in Gebrauch genommen.
Wir kommen nun zu der überaus zahlreichen Klasse der
zweispännigen Kutschier-Phaëtons, Dog-Carts, Char-à-Bancs und
Breaks, aus welcher wir, um unserer ziemlich umfangreich aus-
gefallenen Arbeit nicht noch grössere Dimensionen zu geben,
nur sechs als typisch anzusehende Wagen herausgreifen.
Der erste derselben (Fig. 71) ist ein von der berühmten
[106]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Wagenbaufirma Hooper \& Co., 107 Victoria Street, London S. W.,
für den Maharajah von Patiala (Indien) gebauter Sporting-
Phaëton, dessen elegante Formen mit Recht allgemeinen Beifall
gefunden haben. Der Kasten dieses Wagens ist schwarz, das
Halbgedecktes Vis-à-vis.
Offenes Vis-à-vis mit verstellbarem Dach.
Gitterwerk an demselben, wie auch das Fussbrett, das Gestell
und die Räder dagegen hellgelb lackiert.
Dieselbe Farbenzusammenstellung zeigt der ebenfalls von
obgenannter Firma erbaute Char-à-Bancs (Fig. 72), nur besteht
die Garnierung hier nicht wie auf dem Sporting-Phaëton aus
grauem Manchester, sondern aus grünem Maroquin.
[107]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Der hohe amerikanische Kutschier-Phaëton (Fig. 73)
dagegen, hat einen weissen, rot eingefassten Kasten, rotes
Gestell und hellgraues Tuch als Garnierung. Es ist dies eine
jenseits des grossen Wassers für Wagen der hier in Rede
Sporting-Phaëton.
Char-à-Bancs.
stehenden Gattung sehr beliebte Farbenzusammenstellung, die
auch thatsächlich eine recht hübsche Wirkung hervorbringt.
Zu sämtlichen diesen drei Wagen müssen gut fundamentierte,
schneidig trabende Pferde in der Höhe von 158—160 cm und
plattiertes Geschirr mittelschweren Modells, mit abgerundeten
[108]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Schnallen, runden Scheuledern und Liverpoolkandare, aber ohne
Rückenriemen, verwendet werden.
Wie der Typus der Pferde für grössere Kutschier-Phaëtons
und für Breaks beschaffen ist, wolle der Leser aus Fig. 73
entnehmen.
In Fig. 74 ist ein moderner, zweispänniger Break darge-
stellt, der sich durch Entfernung der Rückenlehnen und Sitze
schnell in einen geräumigen Gepäckwagen umwandeln lässt.
Amerikanischer Kutschier-Phaëton.
Ein Dog-Cart, das wegen seiner überaus gefälligen,
praktischen Formen und seiner soliden Arbeit auf der vor-
jährigen Berliner Gewerbeausstellung berechtigtes Aufsehen in
allen Fachkreisen [erregte], bringen wir in Fig. 75 zur An-
schauung. Da dasselbe aus den Ateliers der hochangesehenen
Berliner Firma Kühlstein hevorgegangen, empfehlen wir es der
besonderen Beachtung unserer Leser. Wir thun dies mit um so
grösserem Vergnügen, als dieses Dog-Cart in jeder Beziehung
den Vergleich mit den besten Fabrikaten englischen oder fran-
zösischen Ursprungs auszuhalten vermag. In der Form hat es
[109]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
sich der allerneuesten Mode gefügt, die für das Dog-Cart winkel-
recht zu einander stehende Linien vorschreibt. Dadurch, dass
der Raum zwischen dem vorderen und dem rückwärtigen Sitz
Zweispänniger Break.
Dog-Cart.
an den Seiten mit ledernen Riemen eingefasst worden, ist die
Möglichkeit geboten dort Gewehre, Wild und Frühstückskörbe
bequem und sicher zu verpacken. Ein solches Dog-Cart eignet
sich also vortrefflich zu Jagdfahrten, Picnics oder anderen
[110]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
längeren Ausflügen. Ähnlichen praktischen Zwecken dient auch
das Innere des rückwärtigen mit Jalousien versehenen Kasten-
teiles, der sich, wenn erforderlich, sehr gut zur Unterbringung
von ein paar Hunden verwenden lässt. Mehr kann wohl von
einem derartigen Wagen nicht verlangt werden.
Lackiert ist Kühlsteins Dog-Cart in folgenden Farben:
Kasten: schwarz, mit roten Jalousien und ebensolchem Fussbrett,
Lancer-Cart.
Gestell: rot, schwarz beschnitten. Die Garnierung besteht aus
blauem Leder.
Das letzte Dog-Cart auf unserer Liste ist das in Fig. 76
abgebildete, dem seine Erbauer, William Cole \& Co., 26 Ken-
sington High Street, Kensington, England, den Namen „Lancer-
Cart“ gegeben haben. Die Vorzüge dieses Carts bestehen in
grosser Leichtigkeit verbunden mit schneidiger Form und sicherem
Gang. Da dasselbe zu den neuesten Produkten der Dog-Cart-
Fabrikation gehört, haben wir nicht unterlassen wollen, es in
unserer Wagengallerie aufzunehmen. Es sei daher auch be-
merkt, dass das Lancer-Cart gewöhnlich die gefirnisste Natur-
[111]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
holzfarbe erhält und mit mausgrauem Velvet oder mit Schweins-
leder garniert wird.
Alle Carts dieser und ähnlicher Gattung gehören zu den
Equipagen rein sportlichen Charakters. Wie sich von selbst
versteht, muss dem bei der Zusammenstellung derselben Rechnung
getragen werden. Es wird also dafür zu sorgen sein, dass das
Gespann aus edlen, möglichst schnellen und figuranten Juckern
in der Grösse von 155—160 cm. bestehe, dass das leichte ele-
gante Geschirr, das abgerundete Scheuleder und ebensolche
Schnallen erhalten muss, mit Doppelringtrense (Fig. 77) oder
Liverpoolkandare, aber ohne Aufsatzzügel und Rückenriemen
benützt werde, und schliesslich dass der Fahrende ein flottes
Tempo einhalte. Englische Livree ist nur in der Stadt und im Park
unbedingt erforderlich; für Fahrten
über Land genügt auch der Interims-
anzug. Die Frage, ob Kummet- oder
Sielengeschirr den Vorzug verdiene,
möchten wir dahin beantworten, dass
ersteres in der Stadt und für grössere
Doppelringtrense.
Pferde einen eleganteren Anblick gewährt, letzteres aber auf dem
Lande und für kleinere Jucker immer als vollkommen korrekt
und stilgerecht anzusehen ist. Zur Bekleidung der Innenseite
des Kummets und der bei aufgelegtem Geschirr sichtbar blei-
benden unteren Fläche des Kammdeckels, verwendet man mit
Vorliebe braunes Leder.
Wie leicht und praktisch die Kutschier-Phaëtons und Dog-
Carts aber auch sein mögen, auf holperigen Waldwegen und
im Gebirge wird sich der Sporting-Gentleman doch gerne eines
niedrigeren, weniger eleganten Fuhrwerkes bedienen. Wir wollen
daher dieses von den zweispännigen Luxus-Equipagen handelnde
Kapitel nicht zum Abschluss bringen, ohne den Leser zuvor
mit einem Gefährte bekannt zu machen, das aus einem wald-
reichen Gebirgslande stammend, allen an einen Strapazierwagen
zu stellenden Ansprüchen in geradezu idealer Weise entspricht.
[112]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Wir meinen den in Fig. 78 abgebildeten Steirerwagen.
Grosse Leichtigkeit, vortreffliche Federn, geräumiger Sitzplatz,
bequemes Aus- und Einsteigen, Platz für Gepäck, Wild, Futter
u. s. w., ausserordentliche Wendbarkeit, sicherer Gang, eine
nette, gefällige Form — das alles stempelt das Steirerwägelchen
zu einem Gebirgsfuhrwerk, wie man es sich besser gar nicht
wünschen kann. Für gewöhnlich wird auf derartigen Fahrten
wohl ein Kutscher mitgenommen werden; will man aber aus-
nahmsweise einmal den Bocksitz einem Gaste zur Verfügung
Steirerwagen.
stellen, so braucht man nur Rückenlehne und Fussbrett des
Kutschbockes, wie auf der Abbildung angedeutet worden, hinauf-
zuklappen. Der Wagen ist dann in ein Vis-à-vis für zwei Per-
sonen verwandelt.
Dem ländlichen Charakter dieses Fuhrwerkes entsprechend,
wird die Lackierung und Garnierung desselben sehr einfach und
wetterfest sein müssen. Die Korbgeflecht-Imitation des Kastens
erhält daher am besten einen nicht zu hellen, grauen Anstrich,
für die Leisten und das Gestell passt nur Naturholzfarbe ge-
firnisst und zur Garnierung nehme man den ganz ausserordentlich
haltbaren Moquettestoff.
[113]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Wir brauchen wohl kaum zu erwähnen, dass ein in eng-
lischer Livree gekleideter Kutscher sich auf dem Steirerwagerl
sehr eigentümlich ausnehmen würde. Im Gebirg und im Hoch-
wald herrscht eben eine andere Kleiderordnung als auf den
Rendezvousplätzen der fashionablen Welt. Wird dies übersehen,
so entsteht ein Bild, das selbst, wenn es im übrigen noch so
hübsche Details aufzuweisen hat, einen grotesken Eindruck macht.
Auch bei der Zusammenstellung der hier besprochenen Equipage
muss daher der Chic, der jedes stilgerechte Fuhrwerk kenn-
zeichnen soll, dem gegebenen Milieu angepasst werden. Vor
allem ist darauf zu achten, dass der rein sportliche Charakter
dieses anspruchslosen Turn-out’s gewahrt bleibe. Und das ist
eine verhältnismässig leichte Auf-
gabe. Lässt der Wagen, obwohl aus
einer vornehmen Werkstatt hervor-
gegangen, das Eigenartige des natio-
nalen Vorbildes im Schnitt und in
der Ausstattung unverfälscht zur
Geltung kommen, besteht die Be-
spannung desselben aus stämmigen
Pony-Chaise.
Doppelponies, denen ein ebenso starkes wie sauber gearbeitetes
Sielengeschirr aufgelegt worden und trägt der Kutscher einen
in jeder Einzelheit korrekten Interimsanzug, so kann der Be-
sitzer dem Urteile des Kenners mit Beruhigung entgegensehen.
Sein schlichtes Steirerwagerl hat dann nicht weniger Anspruch
auf den Beifall der Sachverständigen, wie die prunkvollen Park-
Equipagen der Geburts- und Finanzaristokratie.
Für Ponywagen ist gegenwärtig die zweirädrige Basket-
oder Cartform die modernste. Trotzdem erfreut sich die niedrige,
hauptsächlich für selbstkutschierende Damen und Kinder be-
stimmte Pony-Chaise (Fig. 79) noch immer grosser Beliebtheit.
Die vor einem solchen Wagen benützten Pferdchen können
kaum zu klein sein — 140 cm ist die Grenze nach oben —
müssen aber dessen ungeachtet viel Adel und Gang zeigen.
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 8
[114]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
Gemeine, temperamentlose und überfütterte Ponies, die auch
wenn sie unausgesetzt mit der Peitsche angetrieben werden,
sich nicht zu einem flotten Trab aufraffen können, taugen nur
zu langsamer Arbeit vor dem Karren des Gärtners oder des
Gemüsehändlers. Kurz und sauber gestutzte Mähne und kou-
pierter Schweif gehören zu den Toilettevorteilen, die wesentlich
dazu beitragen dem Pony das von allen Liebhabern hoch ge-
schätzte Aussehen eines Miniaturblutpferdes zu verleihen. Nur
den allerkleinsten Ponies, die nicht viel grösser als ein ge-
Gedeckter Schlitten.
wöhnlicher Neufundländer sind, werden zur Erhöhung ihres
putzigen Aussehens Mähne und Schweif im Naturzustande be-
lassen. Diese Pygmäen des Pferdegeschlechts dürfen auch im
Sielengeschirr erscheinen, wohingegen entsprechend leicht und
elegant gearbeitetes — aber beileibe nicht überladenes — Kummet-
geschirr den grösseren Pony am besten kleidet und daher auch
stets benützt werden sollte, wenn das betreffende Tierchen
140 cm hoch ist oder dieses Mass sogar überschreitet.
Unsere Aufgabe wäre jetzt eigentlich noch, das Schlitten-
fahren in allen seinen Formen zu besprechen. Zur Vermeidung
[115]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
ermüdender Wiederholungen dürfte es jedoch das zweckmässigste
sein, dem Schlittensport erst im nächsten Kapitel sein Recht
werden zu lassen und dem Leser hier nur einige Schlitten be-
sonders praktischer Konstruktion vorzuführen.
Fig. 80 zeigt einen gedeckten Schlitten, oder richtiger ge-
Amerikanischer Schlitten.
Gentleman-Schlitten.
sagt Kuffengestelle, die an jedem gedeckten Wagen angebracht
werden können, nachdem die Räder abgezogen und die Achsen-
schenkel in mit Schrauben zu befestigende Metallhülsen (A) ein-
geschoben worden sind.
Mit diesen Kuffengestellen kann jeder vierrädrige Wagen
binnen 10 Minuten in einen Schlitten umgewandelt werden.
Die praktische Bedeutung einer derartigen Vorrichtung wird
[116]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
dem Bewohner nördlicher Länder sofort einleuchten. Ist doch
der offene Schlitten vollkommen unanwendbar, wenn eine Visiten-
Tournee unternommen oder in grosser Toilette zu einem Diner,
einem Ball oder einer Theatervorstellung gefahren werden soll.
Für die offenen Schlitten ist die amerikanische Form mit
dem hohem Gestell (Fig. 81) sehr zu empfehlen.
Deichselschirm.
Franco-russische Briska.
Ausserordentlich hübsch und praktisch ist auch der ameri-
kanische „Gentleman-Schlitten“ (Fig. 82). Wie aus der
Abbildung hervorgeht, sitzen die Insassen dieses Schlittens mit
dem Rücken gegen einander. Dies hat den nicht zu unter-
schätzenden Vorteil, dass zwei Damen an der Schlittenpartie
teilnehmen können, ohne jeden Augenblick befürchten zu müssen,
einen in Eis oder hartem Schnee geformten Abdruck der Pferde-
[117]Die zweispännigen Luxus-Equipagen.
sohle ins Gesicht geschleudert zu bekommen. Letzterer Unan-
nehmlichkeit kann übrigens, seitdem die Schlittendecken un-
modern geworden, auch durch den sog. Deichselschirm (Fig. 83)
vorgebeugt werden. Ausserdem sind die rückwärts sitzenden
Personen gegen den während des Fahrens entstehenden scharfen
Zug geschützt.
Die Lackierung des Gentleman-Schlittens ist für den Kasten
dunkelgrün mit olivengrünen oder roten Streifen; für das Gestell
rot, dunkelgrün beschnitten. Die Garnierung besteht aus dunkel-
grünem Tuch.
Unser letztes Schlittenbild (Fig. 84) stellt eine von fran-
zösischer Künstlerhand modifizierte Form der russischen Briska
dar, die sich sowohl zum Zweispännig- wie auch zum Einspännig-
fahren eignet. Wir haben diese Zeichnung dem vorjährigen
Septemberheft des Journals „La Carrosserie Française“
entnommen, von dessen Herausgeber, Mons. L. Lagard, Paris,
22 rue des Acacias, der im Grossen ausgefürte Planriss zum
Preise von 30 Frcs. bezogen werden kann. Leicht, elegant
und bequem, würde die französierte Briska trotz ihrer niedrigen
Bauart gewiss viele Liebhaber in den deutschen und skandi-
navischen Ländern finden. Von dieser Ansicht ausgehend, wollen
wir denn auch noch hinzufügen, dass Mons. Lagard dem Kasten
seines franco-russischen Schlitten eine braunrote mit kirschroter
Einfassung versehene Lackierung gegeben und zur Garnierung
kirschrotes Tuch gewählt hat. Es ist ihm gelungen, damit eine
Farbenwirkung hervorzurufen, deren warme Töne einen überaus
wohlthuenden Gegensatz zu der einförmigen Winterlandschaft
bilden.
[[118]]
Das Tandem.
Wer den Vorgängen auf dem Gebiete des Fahrsports
einige Aufmerksamkeit gewidmet, wird sicher die Beobachtung
gemacht haben, dass man mit jedem Jahre eine grössere Anzahl
von Tandem-Equipagen zu sehen bekommt. Dem Fachmann
kann dies nur recht sein, denn keine Anspannung gewährt einen
so flotten, echt sportmässigen Anblick, wie ein korrekt zusammen-
gestelltes und nach allen Regeln der Kunst gefahrenes Tandem.
„Es liegt Musik darin,“ würde der Berliner sagen. Man möchte
daher wohl wünschen, dass diese Musik etwas leichter zu er-
lernen wäre. Doch wie nahe liegen da die zu greulichen Disso-
nanzen führenden Fehlgriffe! Mit dem blossen zwei Pferde vor
einander Spannen und nun los, ist es somit nicht abgethan.
Die Sache will gründlich studiert und geübt werden. Wem
dies zu langweilig erscheint, der lasse lieber seine Finger davon.
Könnte es ihm doch sonst sehr leicht passieren, die Wahrheit
des Bibelwortes: „Wer sich in Gefahr begiebt, der kommt
darin um“, an seiner eigenen werten Person zu erfahren. Im
besten Falle würde es ihm ergehen, wie jenem Tandemfahrer,
der auf die Frage seines Freundes, welche Richtung er einzu-
schlagen gedenke, kleinlaut erwiderte: „Lieber Alter, das lässt
sich erst entscheiden, wenn wir aus dem Hofe heraus sind und
gesehen haben, wohin das Vorderpferd will.“
Ein grosser Vorzug der Tandemanspannung liegt darin, dass
sie gestattet, zwei Pferde, die wegen eines merkbaren Unter-
[119]Das Tandem.
schiedes in der Grösse, oder wegen ungleichen Temperaments,
neben einander gespannt, kein Paar abgeben würden, sonst aber
in Schnitt und Haltung gut zu einander passen, sowie auch
Reitpferde nützlich im Geschirr zu verwenden. Kavallerieoffi-
zieren und anderen berittenen Herren, die gerne dem Fahrsport
huldigen möchten, aber finanziell nicht so gestellt sind, dass sie
sich eine ihren Anforderungen entsprechende Equipage halten
könnten, bietet sich hierdurch eine erwünschte Gelegenheit, das
Dame ihren Hunter im Tandem zum Meet fahrend.
sehr anregende Tandemfahren mit einem gleich gesinnten Ge-
nossen auf gemeinschaftliche Kosten zu betreiben. Ihren Pferden
wird das ebensoviel Vergnügen bereiten wie ihnen selbst. Die
geringe Last spürt das edel gezogene Reitpferd kaum und ausser-
dem ist die ganze Anspannung eine so leichte, dass der Gaul,
ohne irgend welchen Zwang zu empfinden, seiner Gehlust freien
Spielraum lassen kann. Thatsächlich wird auch kein Fachmann
Bedenken tragen ein im übrigen geeignetes, d. h. mit einem
guten Temperament ausgestattetes Reitpferd — dieses gehöre
einer noch so hohen Klasse an — dann und wann im Tandem
[120]Das Tandem.
gehen zu lassen. In England sahen wir sogar einmal eine Dame
ihren vollständig gesattelten Hunter als Vorderpferd im Tandem-
zuge zum Meet fahren (Fig. 85).
Wer aber das Tandemfahren nicht nur gelegentlich mit
den ihm gerade zur Verfügung stehenden Pferden üben will,
sondern die Absicht hat, sich diesem Sport in durchaus fach-
männischer Weise zu widmen, wird die Ausgabe für ein paar
wirkliche Tandempferde nicht scheuen dürfen. Was nun die
Eigenschaften anbelangt, die wir von solchen fordern müssen,
so ist zunächst zu bemerken, dass stattliche Grösse nicht zu
denselben gehört. Grosse Pferde pflegen nämlich selten die für
den Tandemdienst absolut unentbehrliche Gewandtheit und
Schnelligkeit zu besitzen, wozu sich noch der Übelstand gesellt,
dass sie durch ihre beträchtliche Länge der ganzen Anspannung
etwas Unförmliches verleihen. Wir sind der Ansicht, dass das
Mass von 158 cm nicht überschritten werden sollte, Doppel-
Ponies in der Höhe von 148 cm aber im Tandem am ange-
nehmsten zu fahren sind. Mit Bezug auf das zweckmässigste
Grössenverhältnis zwischen dem Vorder- und dem Gabelpferde
herrscht eigentümlicherweise unter den Praktikern keine rechte
Einigkeit. Die einen wollen das Spitzenpferd grösser, die
anderen ebenso gross, oder auch um ein geringes kleiner wie
das in der Gabel gehende Pferd haben. Wir halten es mit den
zuerst Genannten, und zwar aus dem Grunde, weil wir die Er-
fahrung gemacht haben, dass der Kopf des Gabelpferdes von
den Leitseilen des Vorderpferdes heruntergezogen wird, wenn
letzteres das kleinste von den beiden ist.
Diese Fragen sind indessen nicht von ausschlaggebender
Wichtigkeit. Blut, Schnitt und bravuröses Gangwerk zählen
dagegen zu denjenigen Eigenschaften, die dem Pferde unter
keiner Bedingung fehlen dürfen, wenn es Verwendung im Tan-
dem finden soll. Da lässt sich nichts abhandeln; mehr oder
weniger ordinäre „Leisetreter“ passen zum Tandem wie der
Kutscher eines Leichenwagens zum Jockey.
[121]Das Tandem.
Ausser den eben genannten Vorzügen muss aber das Tandem-
pferd noch speziell einige „Points“ aufweisen, die, je nachdem
es von der Natur zum Dienst in der Gabel oder an der Spitze
bestimmt worden ist, anderer Art sein werden. Vom Gabel-
pferde z. B. verlangen wir einen geschlossenen, kräftigen Körper-
bau, Tiefe, Kurzbeinigkeit und eine mehr weitausgreifende als
hohe Aktion. Bei der Wahl eines Spitzenpferdes hingegen,
werden wir vor allem auf grosse Eleganz und auffallenden, step-
penden Gang halten müssen. Dieses Pferd wird eben am meisten
gesehen und beobachtet; ja, in der Regel ist es das einzige,
mit dem die Kritik sich beschäftigt. Es muss daher — man
gestatte uns den treffenden französischen Ausdruck — „un
cheval perçant“ sein, schnittig, schneidig, gängig.
So viel über die Pferde. Jetzt zum Geschirr und zum
Wagen.
Das Tandemgeschirr sollte stets so einfach und leicht sein,
als sich mit der notwendigen Haltbarkeit vereinigen lässt. Braunes
Leder mit silberplattiertem Beschlag sieht sehr hübsch aus, gilt
aber in den Augen von Leuten die strenge auf die Etikette
sehen, nur auf dem Lande als chic. Für den Gebrauch in
der Stadt und zu Korsofahrten ist also schwarzes Geschirr vor-
geschrieben. Mit der Frage ob Kummet- oder Sielengeschirr
den Vorzug verdiene, hat jedoch die Etikette nichts zu schaffen.
Das bleibt Geschmackssache. So elegant und kleidsam wie die
Kummete sind die Sielen wohl nicht, dafür besitzen sie aber den
Vorzug der grösseren Billigkeit und vielseitigeren Anwendbarkeit.
Das Geschirr des Gabelpferdes unterscheidet sich nur durch
unbedeutende Einzelheiten von jenem des Vorderpferdes. Es
ist ein gewöhnliches Einspännergeschirr, dessen einzige besondere
Merkmale darin bestehen, dass die Kammdeckelringe behufs
besserer Trennung der Leitseile in der Mitte durch eine hori-
zontal angebrachte, kleine und leicht bewegliche Walze geteilt
sind, und dass zu beiden Seiten des Zaumes, ungefähr in der
Höhe der Schnalle, die Backen- und Kopfstück zusammenhält,
[122]Das Tandem.
ein Ring zum Durchziehen der Zügel des Vorderpferdes einge-
schnallt worden. Hinterzeug wird nur zur Fahrt in kupiertem
Terrain aufgelegt.
Das Vorderpferd erhält ein etwas leichteres Geschirr. Be-
sonders der Kammdeckel kann von leichtester Beschaffenheit
sein, da derselbe nur die Stränge zu tragen hat. Das Geschirr
zu diesem Zwecke ausserdem noch mit einem am Schwanzriemen
befestigten, über die Nierenpartie laufenden Rückenriemen zu
versehen, möchten wir für gewöhnlich als ziemlich überflüssig
nicht befürworten.
Als Gebiss empfiehlt sich für das Gabelpferd die unter dem
Namen „Liverpool Bit“ bekannte englische Fahrkandare
(Fig. 55), die sich um so besser bewähren wird, wenn die
Enden der Unterbäume durch eine leichte Querstange mitein-
ander verbunden sind. Fehlt letztere, so wird es, besonders wenn
das Gabelpferd die Gewohnheit haben sollte, mit dem Kopfe zu
schlagen, alle Augenblicke vorkommen, dass sich die Vorder-
zügel am Gebisse des genannten Pferdes festhaken, wodurch
dann das Spitzenpferd scharf seitwärts herumgerissen wird.
Gegen heftiges Kopfschlagen giebt es übrigens nur ein wirk-
sames Mittel. Dieses besteht darin, dem betreffenden Gaule
einen Aufsatz- und einen Sprungzügel aufzulegen. Für das
Vorderpferd eignet sich erfahrungsgemäss die einfache oder die
sog. Doppelringtrense (Fig. 77) am allerbesten. Es ist dies
unzweifelhaft dasjenige Gebiss, welches das Pferd am wenigsten
beunruhigt und mit welchem es sich schon aus dem Grunde
am leichtesten lenken lässt, weil die Wirkung jedes Zügels auf
eine Seite beschränkt bleibt. Ausserdem sind wir der Ansicht,
dass sich die Trense im Maule des Vorderpferdes eines Tandem-
zuges unvergleichlich besser ausnimmt, wie eine lange und
schwere Fahrkandare. Doch das ist schliesslich Geschmackssache,
und de gustibus non est disputandum. Es sei daher hier
nur auf die praktische Seite dieser Frage hingewiesen.
Die Verbindung zwischen den beiden Pferden eines Tandems
[123]Das Tandem.
kann auf dreierlei Art zuwege gebracht werden. Man befestigt
nämlich die Stränge des Spitzenpferdes entweder an das Kummet,
bezw. am Brustriemen des Gabelpferdes oder auch an den Enden
der Gabelbäume, falls man es nicht vorzieht, sich zu diesem
Zwecke zweier vor der Gabel angebrachter Ortscheite zu be-
dienen. Soll bei Kummetgeschirr die erstgenannte Befestigungs-
art angewendet werden, so gewährt eine von der Sattlerfirma
Lennan \& Son (Dublin) erfundene Vorrichtung die Möglichkeit, die
Hauptnachteile dieser Anspannungsmethode zu vermeiden. Wer
letztere praktisch erprobt hat, wird zweifelsohne gefunden haben,
dass dieselbe der Entwicklung der höchstmöglichen Zugkraft nicht
günstig ist. Am be-
denklichsten erscheint
der Umstand, dass die
Stränge des Spitzen-
pferdes das Kummet
des Gabelpferdes auf-
und abwärts ziehen,
was seinen Grund
darin hat, dass die Zug-
linie bei dieser An-
Lennansche Tandem-Anspannung.
spannung in einem Winkel und nicht, wie es sein sollte, parallel
mit der Fahrbahn zu liegen kommt. Dem wird nun durch die
Lennansche Vorrichtung (Fig. 86) auf eine ebenso wirksame wie
einfache Art abgeholfen. Beide Pferde ziehen an einer Spreng-
wage; die durch einen Karabinerhaken miteinander verbundenen
Stränge laufen durch den Kummetring A und der Zugkraft des
Gabelpferdes wird durch einen am Kummetbügel befestigten
Zapfen B der erforderliche Ausgangs- und Stützpunkt verliehen.
Die Befestigung der in dieser Weise miteinander verbundenen
Stränge an der Sprengwage geschieht vermittelst der Kette C.
Wie gross die Vorzüge dieser Anspannungsmethode, ver-
glichen mit der älteren, aber auch sein mögen, hat sie doch
noch sehr fühlbare Mängel aufzuweisen. Zu diesen gehört in
[124]Das Tandem.
erster Reihe, dass die Stränge des Spitzenpferdes eine bedeutende
Länge erhalten müssen — bei freiwilligen oder unfreiwilligen
Wendungen auf beschränktem Raume ein höchst bedenklicher
Umstand — und ferner dass das Gabelpferd beim geringsten
Fehltritt Gefahr läuft, von dem flott weiter trabenden Spitzen-
pferde umgerissen zu werden. Ähnliche Übelstände treten zu
Tage, wenn man die Stränge des Spitzenpferdes vermittelst
Tandem-Anspannung mit Ortscheiten.
Karabinerhakens in zu diesem Zwecke an den Enden der Gabel-
bäume angebrachte eiserne Ösen einhakt. Wir können daher
nicht genug empfehlen, das Spitzenpferd an vor der Gabel be-
festigten Ortscheiten ziehen zu lassen (Fig. 87).
Das erste Ortscheit ist 73,5 cm, das zweite 57,5 cm lang.
Ersteres hat an jedem Ende ein Strangstück von 55 cm Länge,
das an den Schnallstücken der Stränge des Gabelpferdes fest-
gehakt wird. An der Mitte dieses Ortscheits ist eine kleine,
26 cm lange Kette angebracht, die an dem Kummet des Gabel-
pferdes und zwar an dem dort befindlichen, für die Aufhalter
[125]Das Tandem.
bestimmten Ringe befestigt wird. Der Zweck dieser Kette ist,
zu verhindern, dass die Ortscheite dem Spitzenpferde beim Still-
stehen an die Sprunggelenke schlagen. Mitten auf dem ersten
Ortscheit befindet sich ein grosser Haken, an welchem das
zweite Ortscheit aufgehängt wird. Die Entfernung zwischen den
beiden Ortscheiten beträgt 12 cm. An das zweite Ortscheit
werden die Stränge des Spitzenpferdes befestigt.
Mit dieser vortrefflichen Anspannmethode erhalten die
Stränge des Spitzen- und des Gabelpferdes dieselbe Länge und
können erstere nie auf dem Boden schleifen, lauter Umstände, die
das Wenden auf schwierigen Plätzen im hohen Grade erleichtern.
Legt man nun noch hinzu, dass das am Ortscheit ziehende
Spitzenpferd seine Arbeit unter bedeutend günstigeren Verhält-
nissen verrichtet — wir erwähnen mit Bezug hierauf nur, dass
die Gefahr wundgedrückter Schultern dadurch vollkommen be-
seitigt erscheint — so wird man die warme Empfehlung, die wir
der in Rede stehenden Anspannungsvorrichtung haben ange-
deihen lassen, wohl berechtigt finden.
Bei dieser Gelegenheit sei auch hervorgehoben, dass die
Pferde in einem Tandemzuge möglichst nahe beieinander ge-
halten werden müssen. Nicht nur der Effekt des ganzen Bildes,
sondern auch die Kontrolle über das Spitzenpferd werden hier-
durch wesentlich gefördert. Selbstverständlich darf dieses Streben
nach kompakter Anspannung nicht so weit gehen, dass das Gabel-
pferd genötigt wird, seinem führenden Stallgenossen auf die
Haken zu treten. Wir wollen daher nicht unterlassen, an die
alte Regel zu erinnern, die beim Tandemfahren eine Entfernung
von drei Fuss zwischen der Nasenspitze des ersteren und der
Kruppe des letzteren vorschreibt, bemerken aber gleichzeitig,
dass der Körperbau und die Aktion bei Pferden viel zu grosse
Unterschiede aufweisen, als dass dieser Regel die Bedeutung
eines für alle Fälle geltenden Gesetzes zuerkannt werden könnte.
Die Leitseile des Tandemgeschirres sollen stets aus braunem,
weichem Leder angefertigt und ziemlich breit geschnitten sein.
[126]Das Tandem.
Es ist dies keineswegs eine Forderung der Mode, sondern die
praktische Erfahrung hat dem Fahrer gelehrt, dass weiche und
breite Zügel sich besser halten lassen, wie harte und schmale.
Ein breiter Zügel ruht schon in der halb geschlossenen Hand
fest und sicher, wohingegen ein schmaler nur durch anstrengendes
Zugreifen der Finger in der richtigen Lage erhalten werden kann.
Die meisten Tandemfahrer begehen den Fehler, die Ringe
am Kopfgestell des Gabelpferdes, durch welche die Leitseile des
Spitzenpferdes durchgezogen werden, zu tief herunterhängen zu
lassen. Hierdurch wird es dem letzteren sehr erleichtert, die
Zügel mit dem Schweife zu fangen. Und gelingt ihm das, so
pflegt auch die dem Fahrvergnügen ein schnelles aber kein
schönes Ende bereitende Katastrophe selten auf sich warten zu
lassen. Zu hoch dürfen die fraglichen Ringe allerdings auch
nicht sitzen, denn dann werden dem Spitzenpferde jedesmal,
wenn das Gabelpferd mit dem Kopfe schlägt, heftige Rucker
im Maul versetzt. Schliesslich sei mit Bezug auf die Zügel-
leitung noch erwähnt, dass es sich nicht empfiehlt, die Zügel des
Spitzenpferdes durch die Kummetringe am Geschirr des Gabel-
pferdes durchzuziehen. Es genügt vollkommen, sie durch die
Ringe des Kammdeckels zur Hand des Fahrers zu leiten.
Wir glauben, dass das, was wir hier über die Anschirrung
eines Tandemzuges mitgeteilt, dem Liebhaber genügen wird.
Wer unsere Ratschläge befolgt, darf sich jedenfalls versichert
halten, dass er die Kritik des Fachmannes in diesen Stücken
nicht zu fürchten braucht.
Die einzigen Wagen, die den Anforderungen des Tandem-
fahrers entsprechen, ist das zweiräderige Dog-Cart (Fig. 88)
und das wieder modern gewordene Cart älteren Modells (Fig. 89).
Die Etikette befindet sich daher in vollständiger Übereinstim-
mung mit der Praxis, wenn sie für diesen Sport die Anwendung
eines vierrädrigen Gefährts strenge verbietet. Der Neuling wird
sich hierüber nicht beklagen, denn auf seine vermutlich ohnehin
etwas aufgeregte Nerven kann es nur beruhigend einwirken, dass
[127]Das Tandem.
er bei scharfen Wendungen oder wenn das Gabelpferd ihm
plötzlich den Gehorsam kündigen sollte, jeder Sorge um so ge-
fährliche Anhängsel, wie es die Hinterräder in solchen Fällen
sein können, enthoben ist.
Im allgemeinen gilt die Regel, dass ein Cart, das zum
Tandemfahren benützt werden soll, nicht zu leicht, nicht zu
schmal und nicht zu niedrig sein darf. Als Normalmass für die
Radhöhe möchten wir 1447—1524 mm bezeichnen; der Kasten
wird oben 1000 und unten 960 mm breit sein und das Gewicht
Tandem-Cart.
des Carts ungefähr 325 Kilo betragen müssen. Eine Haupt-
sache bei der Konstruktion derartiger Wagen ist, dass sie stets
ins Gleichgewicht gehängt werden können. Nicht einmal ein
halbes Kilo darf auf den Gabelbäumen ruhen. Diejenige Ver-
schiebung des Gleichgewichtes, die ein, besonders für die In-
haber der rückwärtigen Sitze höchst ungemütliches Hintenüber-
hängen des Kastens zur Folge hat, ist natürlich ebenfalls ängst-
lich zu vermeiden. Richtig hängt der Wagen, wenn die Gabel
vollkommen horizontal liegt und das ruhige Spiel der Gabel-
träger zu erkennen giebt, dass das Pferd kein Gewicht zu tragen
hat. Dies lässt sich bei jeder Belastung ohne Veränderung in
der Lage der Sitze oder der Gabelträger durch einen rechts
[128]Das Tandem.
vom Kutscher angebrachten Hebel erreichen, der, wenn er in
Bewegung gesetzt wird, den ganzen Kasten je nach Bedarf vor-
oder zurückschiebt. Angehalten braucht zu diesem Zweck nicht
werden; im Gegenteil die Korrektur der Gewichtsverhältnisse
wird während der Fahrt am leichtesten und sichersten zu be-
werkstelligen sein. Wie wertvoll eine derartige Vorrichtung in
hügeligem Terrain sein muss, braucht wohl kaum hervorgehoben
zu werden.
Tandem-Cart.
Dasselbe lässt sich mit Bezug auf den vor kurzem von der
Firma Matthews and Silver, Conybeare Street, Birmingham, er-
fundenen verschiebbaren Sitz (Fig. 90 und 91) sagen. Die
Zeichnungen sind so deutlich, dass wir wohl von einer genaueren
Beschreibung derselben absehen können. Wir bemerken nur, dass
das Sitzbrett auf der unteren Fläche an beiden Seiten auf mit
Gummi überzogenen Rollen ruht, die lautlos vor- oder rückwärts
gleiten, wenn der Mechanismus mittelst des vernickelten Hand-
griffes in Bewegung gesetzt wird. Dies geschieht durch Heben
des Griffes, worauf der Sitz ohne Belästigung der Wageninsassen
[129]Das Tandem.
je nach Bedarf entweder weiter vor- oder zurückgeschoben
werden kann. Ist hierdurch die gewünschte Lage des Sitzes
erzielt, so drückt man den Griff herunter und senken sich dann
die an den beiden Endpunkten der Hebestange befindlichen
Cart mit verschiebbarem Sitz.
Mechanismus des verschiebbaren Sitzes.
Haken in die für sie bestimmten Löcher in den Seitenschienen,
was zur Folge hat, dass nun keine noch so geringe Verschie-
bung des Sitzes mehr stattfinden kann.
Der ganze Mechanismus ist ebenso einfach und leicht zu
handhaben, wie unfehlbar in seiner Wirkung. Dass derselbe
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 9
[130]Das Tandem.
sehr bald allgemeine Verbreitung finden werde, unterliegt daher
für uns keinem Zweifel.
Was die Form der Gabelbäume anbelangt, sind wir der
Ansicht, dass für den Tandemwagen die gerade der gebogenen,
schwanenhalsartigen entschieden vorzuziehen sei. Selbstverständ-
lich muss auch für genügenden Raum in der Gabel und für
entsprechende Länge der Bäume gesorgt werden. Letztere wird
in der Regel nicht unter 1,90 m betragen dürfen.
Ebenso angelegentlich empfehlen wir jedem Tandemfahrer
das Gabelpferd nicht an einer Sprengwage, sondern an einem
ca. 1 m langen einspännigen Ortscheit ziehen zu lassen. Die
Schultern eines empfindlichen Pferdes werden hierdurch sehr
geschont, da das bewegliche Ortscheit sich der Aktion des
Pferdes anpasst, anstatt derselben, wie dies bei der festen Spreng-
wage der Fall ist, starren Widerstand entgegenzusetzen.
Der auf Dog-Carts älterer Konstruktion nie fehlende hohe
und stark abschüssige Kutschersitz kann den Rosselenker beim
Tandemfahren unter Umständen in sehr missliche Lagen bringen.
Man denke sich z. B. den Fall, dass das Gabelpferd plötzlich
einen Rumpler macht oder aus irgend einem Grunde zu lança-
dieren beginnt. Wie soll da der mehr stehende wie sitzende
Fahrer das Gleichgewicht beibehalten können? Wir wetten
hundert gegen eins, dass er in der nächsten Sekunde eine Lerche
schiesst. Und nicht besser wird es ihm ergehen, wenn das
Spitzenpferd ohne Meldung vom Pfade der Tugend abweichen
sollte. Wer Tandem fahren will, sei daher in seinem eigenen
Interesse darauf bedacht, dem Bocksitze eine weniger lebens-
gefährliche Form geben zu lassen. Ganz flach braucht das
Kissen ja darum nicht zu werden; die Sitzfläche darf nur nicht
so abschüssig sein, dass sie ein festes Niedersetzen vollständig
ausschliesst.
Fährt der kutschierende Herr nur in der Begleitung eines
Grooms, so lässt er diesen neben sich Platz nehmen, nachdem
zuvor das rückwärtige Fussbrett hinaufgezogen worden.
[131]Das Tandem.
Der Kotschirm ist von der neuesten Mode für Tandem-
Carts abgeschafft und durch eine plattierte Leitseilstange ersetzt
worden. Wir erwähnen dies nur nebenbei, denn dass der bis-
her gebräuchliche Schirm aus lackiertem Leder von der Mode
definitiv zum alten Eisen geworfen werden könnte,
halten wir für höchst unwahrscheinlich. Dazu ist er
doch zu praktisch.
Auf der rechten Seite des rückwärtigen Sitzes hat
der zum Unterbringen der Stöcke und Schirme be-
stimmte Behälter aus braunem Geflecht seinen Platz;
links ist das lederne Etui für das Signalhorn (Fig. 92)
befestigt. Zwei grosse Laternen vervollständigen die
sportmässige Ausrüstung des Tandemfahrers. Will er
noch eine dritte, kleinere Laterne vorne am Kotschirm
anbringen, so wird ihm diese bei Nachtfahrten vor-
treffliche Dienste leisten.
Obgleich die gewöhnliche Viererpeitsche recht gut
auch zum Tandem verwendet werden kann, wird doch
derjenige Sportsman, der Wert auf mustergiltige Kor-
rektheit seines „Turn-out’s“ legt, sich beim Tandem-
fahren einer speziell für diesen Zweck angefertigten
Peitsche bedienen. Eine solche ist sowohl leichter wie
auch kürzer als die Viererpeitsche. Für den Stock, zu
welchem, wenn auf beste Qualität gesehen wird, nur
das Holz der Steineiche Verwendung finden darf, genügt
eine Länge von 1,9 m; die Schnur muss ungefähr 3 m
lang sein.
Der Vollständigkeit wegen sei schliesslich auch
noch erwähnt, dass die gegenwärtige Mode dunkle
Signalhorn.
Farben — schwarz, dunkelblau oder dunkelgrün — für den
Kasten des Tandem-Carts und gelb oder rot für die Räder
bevorzugt.
Tandem im Schlitten zu fahren, ist nicht nur als ein sehr
hübsches sportliches Vergnügen zu bezeichnen, sondern hat
[132]Das Tandem.
auch seine praktischen Vorteile. Wie schwerwiegend diese sind,
lässt sich am besten auf dem Lande ermessen, wenn die Wege
infolge anhaltenden und heftigen Schneewetters so schmal ge-
worden, dass zwei nebeneinander gespannte Pferde kaum Platz
auf denselben finden und hierdurch zum Deichseldrängen ver-
leitet werden. Ausserdem ermöglicht die Tandemanspannung
den Reitpferden in der zum Reiten wenig geeigneten Saison ge-
sunde Bewegung zu verschaffen. Die Schwierigkeit, dem Kutscher-
sitz eines Schlittens die zum Tandemfahren erforderliche Höhe zu
geben, wird daher manchem Sportsman Verdruss bereitet haben.
Mit einem Schlitten der in Fig. 93 abgebildeten amerikanischen
Tandem-Schlitten.
Form kann dem nun vollständig abge-
holfen werden. Das Gestell dieses
Schlittens hat nämlich eine solche
Höhe, dass es einem geübten Fahrer
— und nur ein solcher darf es wagen,
die Zügel eines Tandemzuges zu er-
greifen — die Möglichkeit bietet,
Auge und Hand beim Lenken seines
Gespannes ohne nennenswerte Be-
schränkung zu gebrauchen.
Da das mit dem Tandemfahren im Schlitten verknüpfte
Risiko hierdurch auf ein sehr geringes Mass reduziert worden,
wollen wir auch erwähnen, dass das für die Zusammenstellung
der meisten Equipagen geltende Gebot vornehmer Einfachheit,
keine Anwendung auf den Schlittensport findet. Dieser soll im
Gegenteil die im winterlichen Kleide gehüllte Landschaft mit
lebhaften, farbenprächtigen Bildern bevölkern. Hierbei jedes
Übermass zu vermeiden, ist die Aufgabe des guten Geschmackes.
So darf z. B. am Schlitten nur das Gestell leuchtende Farben
erhalten; der Kasten wird stets dunkel lackiert werden müssen.
Als eine moderne Farbenzusammenstellung wäre zu nennen:
dunkelgrüner, mit lichtgrünen Linien beschnittener Kasten und
rotes Gestell; dazu Garnierung aus granatrotem Tuch für das
[133]Das Tandem.
Innere des Kastens und Schweinsleder für den Dienersitz. Sehr
praktisch ist es, wenn letzterer, wie auf dem vorstehend abge-
bildeten Schlitten zusammengeklappt und in dem unteren Teil
des Kastens versenkt werden kann. Ein Bärenfell als Decke
für die Insassen des Schlittens darf nie fehlen. Man muss beim
Anblick des im flotten Tempo vorbeifliegenden Gefährtes unbe-
dingt den Eindruck von Reichtum und Komfort erhalten. Frie-
rende Gestalten, die sich eine dünne Reisedecke um die Beine
gewickelt, erwecken nur Mitleid. Aus demselben Grunde ver-
sehe man den hintenauf sitzenden Diener mit einem möglichst
imposanten Pelz, dessen Pelerine und Ärmelgarnierung genau mit
der Schlittendecke übereinstimmen muss. Zu diesem Pelz wird
ein Cylinderhut mit Kokarde in den Wappenfarben getragen.
Ein weiteres Zugeständnis an die auf farbenprächtige Aus-
stattung hinweisenden Traditionen des Schlittensports besteht
darin, dass man das Geschirr der Pferde mit Schellenkränzen
und Federbüschen, am besten mit sog. Stutzen schmückt. Dies-
bezüglich genaue Vorschriften zu erteilen, halten wir für über-
flüssig. Wir bemerken nur, dass die Schlittenfarben auch die
Farbe der Federbüsche bestimmen und letztere, aufrechtstehend
zwischen den Ohren der Pferde und den Zügelringen des Kamm-
deckels angebracht, die Handhabung der Leitseile am wenigsten
beeinträchtigen.
[[134]]
Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Das sehr reichhaltige Verzeichnis einspänniger Luxus-Fuhr-
werke umfasst eine ganze Reihe gedeckter, halbgedeckter, offener,
vierrädriger und zweirädriger Wagen. Sämtliche diese Fuhr-
werke gehören jedoch, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, zur
Négligé-Abteilung des Equipagenparks. Bei der Ausstattung und
Zusammenstellung derartiger „Turn-out’s“ wird man sich daher
der grössten Einfachheit befleissigen müssen, wenn man nicht
in den Verdacht kommen will, die Geschäfte irgend eines Zirkus
oder einer reklamebedürftigen Droguenhandlung zu besorgen.
Eleganz ist darum keineswegs ausgeschlossen, nur darf diese
einzig und allein durch eine von hervorragender Sachkenntnis
zeugende Korrektheit jedes Details erzielt werden. Man sehe
sich den Morgenanzug eines Mannes von Welt an und man
wird sofort darüber aufgeklärt werden, wie vortrefflich sich
Eleganz mit Einfachheit verbinden lässt.
Die Zahl der gedeckten einspännigen Wagen, mit denen
wir uns hier zu beschäftigen haben werden, ist nicht gross.
Das zweisitzige Coupé und das für den Privatgebrauch bestimmte
Hansom-Cab — andere wüssten wir nicht zu nennen.
Das einspännige Coupé (Fig. 94) wird mit Recht als eines
der praktischsten Fuhrwerke für den Stadtgebrauch hoch ge-
schätzt. Zum Spazierenfahren ist es allerdings weniger geeignet.
Soll aber zum Besuche- oder Kommissionenmachen oder zu
kurzen, abendlichen Fahrten eingespannt werden, so empfiehlt
[135]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
sich der einspännige gedeckte Wagen von selbst. Er bietet
denselben Komfort wie ein zweispänniger, und jedesmal, wenn er
benützt wird, kann sich die Herrschaft sagen, dass sie dem Stall-
personal und den Pferden eine wesentliche Erleichterung ihres,
besonders in der Stadt, oft sehr harten Dienstes bereitet hat.
Dem einfachen Charakter dieses Gefährtes entsprechend,
passen für dasselbe nur dunkle Farben, wie z. B. dunkelblau
und dunkelbraun. Schwarz und dunkelgrün sind jedoch nicht
mehr modern und in Paris bekommt man an den Coupés sogar
Einspänniges Coupé.
schon rote Räder zu sehen. Vornehm ist dieser „dernier cri
de la mode“ indessen nicht zu nennen. Wappen, sowie
Monogramme, dürfen auf dem einspännigen Coupé nicht ange-
bracht werden; denn in einem solchen Wagen will man doch
unter Umständen auch incognito fahren können. Zu der inneren
Garnierung wird gewöhnlich Tuch oder Leder in der Farbe der
Lackierung genommen. Sehr praktisch ist es, die Sitzkissen,
auch wenn die übrige Garnierung aus Tuch bestehen sollte,
auf der einen Seite mit Leder und auf der anderen mit Tuch
beziehen zu lassen. Man sichert sich dadurch eine für jede
Temperatur passende Sitzfläche. Zu dem Komfort der Wagen-
[136]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
insassen wird es ferner wesentlich beitragen, wenn das Coupé
im Inneren mit einem Signalapparat der weiter oben beschrie-
benen Art, einem Spiegel und einem Aschenbecher versehen
wird. Schliesslich sei mit Bezug auf die Ausstattung des Wagens
Pferd für einspänniges Coupé.
noch kurz bemerkt, dass Gummiräder auch für das einspännige
Coupé, das allen Ansprüchen an Eleganz genügen soll, absolut
unentbehrlich sind.
Das einspännig zu verwendende Coupépferd muss sich vor
allem durch noble Haltung und schöne Aktion auszeichnen.
[137]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Gross braucht es nicht zu sein, 158 bis höchstens 160 cm
werden sich vor den meisten Coupés als das richtige Mass er-
weisen — aber fehlt ihm der elegante Schnitt, so ist es für den
hier in Rede stehenden Zweck nicht zu gebrauchen. Ein ge-
meiner Gaul mit nachlässiger Haltung, watschelndem Gang und
eingeklemmtem Schweif macht in der Gabel des Coupés eine
so tragikomische Figur, dass auch der Nichtkenner sich bei
diesem Anblicke versucht fühlen wird, den Besitzer der be-
treffenden Equipage des „groben Unfugs“ zu beschuldigen. Um
so unerklärlicher erscheint es, dass gerade derartige Unglücks-
rosse die Mehrzahl unter den Pferden bilden, die Verwendung
vor dem Coupé finden. Nur ganz ausnahmsweise bekommt man
ein Tier dieser Klasse zu sehen, das nicht zu gross oder zu
klein, zu gemein oder zu wenig gängig wäre. Der freundliche
Leser wolle nur das in Fig. 95 wiedergegebene Porträt eines
typischen Coupépferdes betrachten. Wir glauben nicht, dass
er uns dann den Vorwurf machen wird, zu scharf in unserem
Urteil gewesen zu sein.
Aus diesem Bilde ist auch zu entnehmen, welche Art von
Geschirr zum einspännigen Coupé benützt wird. Im allgemeinen
gilt die Regel, dass das Coupépferd nicht „zu wenig Leder“
tragen darf. Der Kammdeckel (am Einspännergeschirr auch
Sellet genannt) erhält daher eine recht solide Form, die Stränge
sind breit geschnitten und durch Auflegen eines Schlagriemens,
eventuell auch eines Hinterzeuges, wird für die nötige Beklei-
dung des Hinterteiles gesorgt. Zur vorschriftsmässigen Beschirrung
gehören ferner: Stirnriemen und Kokarde aus Metall oder far-
bigem Lackleder, schwere Fahrkandare mit zurückgebogenen
Unterbäumen, gelbe Zügel, mittelschweres Kummet mit plattier-
tem Bügel, plattierte Deckelringe und Schnallen. Der Kutscher
trägt die einfache englische Livree, welcher im Winter der mit
Pelzpelerine versehene Fahrpelz und eine am oberen Rande mit
kleinem Wappenschilde geschmückte Pelzdecke hinzugefügt wird.
Obwohl das für den Privatgebrauch bestimmte Hansom-Cab
[138]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
in Deutschland zu den seltenen Erscheinungen gehört, wollen
wir dasselbe doch nicht völlig mit Stillschweigen übergehen.
Wir sind nämlich der Ansicht, dass die neueste Form dieses
Vehikels — das sog. „Court-Hansom“ — (Fig. 96) wohl An-
spruch auf Beachtung seitens des kontinentalen Equipagen-
besitzers erheben darf. Eigentlich sollte dasselbe Coupé-Hansom
Court-Hansom.
genannt werden, denn in Wirklichkeit ist es nichts anderes als
ein zweisitziges Coupé, dessen Kutschersitz wie bei allen Han-
soms rückwärts angebracht worden. Verglichen mit dem ge-
wöhnlichen Cab hat das Court-Hansom mehrere sehr in die Augen
fallende Vorzüge. Zu diesen zählen wir, dass die Insassen nicht
der Gefahr ausgesetzt sind, aus dem Wagen geschleudert zu
werden, falls das Pferd hinstürzen sollte; dass die Damen nicht
zu befürchten brauchen, sich beim Einsteigen die Kleider zu
beschmutzen; dass den Herren nicht durch nachlässiges Herunter-
[139]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
lassen der Vorderfenster die Hüte eingetrieben werden können
und dass die Aussicht nach vorne durch nichts behindert wird.
Das sind lauter Vorteile, die kein anderes Cab, selbst das ver-
besserte „Imperial Brougham-Hansom“ (Fig. 97) nicht, auf-
zuweisen vermag.
Das Cab wird stets mit einem Blutpferde gefahren. Sogar
der Kutscher, bezw. Eigentümer eines öffentlichen Hansoms
sucht, wenn irgend möglich, in den Besitz eines Pferdes zu ge-
Imperial Brougham-Hansom.
langen, dessen Abstammung ihm für Schnelligkeit und Ausdauer
bürgt. Dies ist auch der Grund, weshalb so viele niederge-
brochene Vollblutpferde ihr Dasein im Hansom-Cab beschliessen.
Wenn im richtigen Augenblicke erworben, pflegen solche Nieten
der Zucht- und Rennlotterie nicht teurer zu sein, wie irgend
ein anderes brauchbares Pferd; kommt es aber — was im harten
Dienste des Droschkenpferdes tagtäglich der Fall — zu einer
ernsten Erprobung der Leistungsfähigkeit, so laufen sie, wenn
es not thut, auf drei oder noch weniger Beinen, jeden gemeinen
Gaul einfach tot.
[140]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Zu den halbgedeckten einspännigen Luxuswagen übergehend,
werden wir uns in erster Reihe mit der Victoria, in Paris My-
lord genannt, zu beschäftigen haben (Fig. 98). Es ist dies ein
hocheleganter Wagen, der als eine verkleinerte Auflage der
zweispännigen Victoria bezeichnet werden kann. Eine verkleinerte
aber wahrlich keine vereinfachte Auflage. Denn nur das grösste
Sachverständnis vermag bei der Zusammenstellung dieser Equi-
page das richtige Bild zu schaffen. Da muss jedes kleine De-
tail den Inbegriff von Chic und raffiniertem Luxus verkörpern.
Der Wagen, das Pferd, das Geschirr, die Livreen, die Toilette
Einspännige Victoria (Mylord).
der Dame — das alles soll nicht nur zu einander passen, son-
dern auch im einzelnen den unbedingten Beifall des Kenners
finden. Kein Wunder daher, dass wir so überaus selten eine
im wahren Sinne des Wortes elegante einspännige Victoria zu
sehen bekommen.
Die geringste Schwierigkeit bietet wohl die Beschaffung
eines allen Anforderungen entsprechenden Wagens. Bei den
ersten Wagenbaufirmen Englands und des Kontinents findet man
ja stets eine grosse Auswahl durchaus moderner und solider
Fuhrwerke jeder Gattung, die auch mit den neuesten Einrich-
tungen, wie z. B. der automatisch wirkenden Verdeckfeder
(Fig. 99), ausgestattet sind. Trotzdem sei hier nochmals darauf
[141]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
hingewiesen, dass Wagen, die für den Stadt- und Parkgebrauch
bestimmt sind und somit nicht den sportsmässigen Vehikeln
zugezählt werden können, nur in dunklen Farben lackiert wer-
den dürfen. Man vermeide daher auch bei der einspännigen
Victoria jede grellere Farbe, wenn man sich nicht eines groben
Verstosses gegen den guten Geschmack schuldig machen will.
Zu einem solchen Wagen gehört natürlich ein Pferd mit
ungemein viel Schnitt und einer Aufsehen erregenden glänzen-
den Aktion. Derartige Tiere sind
aber überall sehr schwer aufzutrei-
ben. Und doch kann da nichts
nachgelassen werden, denn für den
Fachmann giebt es in vorliegendem
Fall keine andere Lösung als: „Ent-
weder, oder“. Entweder das richtige
Pferd oder ein anspruchsloseres Fuhr-
werk.
Eine einigermassen deutliche
Vorstellung von den charakteris-
tischen Points eines einspännig zu ver-
wendenden Victoriapferdes wird der
Leser durch aufmerksame Betrach-
tung unserer Abbildung (Fig. 100)
Automatisch wirkende
Verdeckfeder.
gewinnen. Die rechte Grösse für ein solches Pferd ist 158 cm
Stockmass.
Wie für den Wagen und das Pferd, ist auch für das Geschirr
elegantester Schnitt das Haupterfordernis. Von dem Coupé-
geschirr unterscheidet sich das Victoriageschirr ausser durch
grössere Leichtigkeit durch die Form des Kammdeckels und
der Scheuleder. Ersterer ist nämlich nicht wie ein Sellet ge-
schnitten, sondern gleicht dem Deckel eines zweispännigen Ge-
schirrs, während letztere eine aussergewöhnlich leichte und ge-
fällige Form zeigen. Als Gebiss darf nur die Buxtonkandare
benützt werden.
[142]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Dass zu einer solchen Equipage nicht jeder xbeliebige
Kutscher passt, liegt auf der Hand. Wer streng auf die in
Fachkreisen mit Recht als unerlässlich betrachtete Harmonie
im Gesamtbilde hält, wird sogar sehr hohe Anforderungen an
den Mann stellen, der würdig erachtet worden, den Bocksitz
eines „Mylords“ einzunehmen. „Nicht zu gross und schwer, in
Pferd für einspännige Victoria.
seiner Haltung, Frisur, Livree und Fahrmethode das Kutscher-
gigerl, wie es im Buche steht,“ so hätte ungefähr das Verzeich-
nis derjenigen Eigenschaften zu lauten, die den Betreffenden
unbedingt kennzeichnen müssen, wenn der Richterspruch der
fachmännischen Kritik zu seinen Gunsten ausfallen soll. Mit
einer einspännigen Victoria den gewünschten Effekt zu erzielen,
ist daher eine ungemein schwierige Aufgabe, die nur von einem
wirklichen Fachmann gelöst werden kann.
[143]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Sehr modern sind in Paris gegenwärtig die niedrigen, zwei-
rädrigen Charettes oder Chaisen (Fig. 101), die, um als voll-
kommen chic zu gelten, dunkelbraun lackiert sein müssen. Des
Morgens im Bois kann man zahlreiche elegante Damen in diesen
bequemen Wägelchen die Alleen auf- und abfahren sehen. Da
die Charette das Mitnehmen eines Grooms nicht gestattet, muss
die Dame selbst die Zügel führen. Ein zu schneidiges Pferd
wäre daher in diesem Fuhrwerk nicht an seinem Platz. Am
besten passt ein Cob oder ein Pferd vom Hackney-Schnitt in
, Pariser Charette.
der Höhe von ca. 150 cm; doch thut es ein Doppelpony von
knappen 145 cm auch, zumal wenn die Charette nicht von der
grössten und schwersten Sorte. Im übrigen verweisen wir auf
Fig. 104, aus welcher auch für die Bespannung und Beschirrung
einer Charette-Equipage das Wissenswerteste zu entnehmen ist.
Nahe verwandt mit der Charette ist das wiederum modern
gewordene Cabriolet (Fig. 102). Ein wesentlicher Vorzug
dieses etwas altväterisch erscheinenden Fuhrwerks besteht jedoch
darin, dass es rückwärts mit einem Trittbrett für den bei vielen
Gelegenheiten schwer zu entbehrenden Groom ausgestattet ist.
Es lässt sich auch nicht ableugnen, dass der ganze „Turn-
out“ hierdurch einen sehr vornehmen Anstrich erhält. Da dieser
[144]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Wagen von schwerfälliger Form ist, erfordert er ein grosses und
stattliches Pferd mit entsprechender Beschirrung.
Ein leichteres Cabriolet, das ebenfalls als höchst fashionabel
anzusehen ist, zeigt Fig. 103. Auf diesen beiden Wagen darf
nur ein sehr kleiner Groom mitgenommen werden. Dass für
das leichtere Cabriolet auch ein kleineres, leichteres Pferd zu
verwenden ist, versteht sich von selbst. Wir können uns daher
Grosses Cabriolet.
wohl darauf beschränken, den Hackney-Schlag, als für den vor-
liegenden Zweck bestens geeignet, der Beachtung unserer Leser
ganz besonders zu empfehlen.
Zu den halbgedeckten, einspännigen Fuhrwerken gehört
auch das Buggy (Fig. 104). Der hier abgebildete Wagen ist aus
den Ateliers der berühmten Wagenbaufirma Bail Jeune, Frères,
Paris, Avenue Victor-Hugo, hervorgegangen. Das Geschirr —
naturbraun und silberplattiert — hat der Sattler Gabriel Clé-
ment, Paris, Boulevard Haussmann, geliefert. Diese beiden
Namen bürgen für Korrektheit und modernste Eleganz in jedem
[145]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Detail. Und da nun ausserdem die Abbildung mit Bezug auf
Deutlichkeit kaum etwas zu wünschen übrig lässt, dürfte es ge-
nügen, wenn wir bemerken, dass ein solcher Wagen mit einem
kleinen, stämmigen aber schneidigen Cob oder Hackney be-
spannt, für Park- und Landfahrten jedem anderen einspännigen
Fuhrwerk vorzuziehen ist.
Eine Klasse für sich unter den halbgedeckten Einspännern
bildet der amerikanische Road Wagon (Fig. 105). Auf breiten
asphaltierten Boulevards oder macadamisierten Parkwegen ausser-
Kleines Cabriolet.
ordentlich angenehm zu fahren, hat dieser überaus leichte Wagen
doch mehrere Nachteile, die seiner allgemeinen Verbreitung in
Europa wohl immer hinderlich sein werden.
Als solche sind zu bezeichnen: 1) dass bei schmutzigem
Wetter der Strassenkot in den Wagen geschleudert wird und dass
das vordere Spritzleder lächerlich niedrig ist; 2) dass der Wagen
auf einem Landwege von gewöhnlicher Breite nicht verwendet
werden kann und 3) dass der Fahrende viel zu niedrig sitzt.
Zu dem Stil eines derartigen Wagens gehört natürlich, dass
alles den unverfälschten amerikanischen Schnitt erhält; also:
Trabergeschirr leichtester Gattung mit Oberkiefer-Aufsatzzügel
und Hinterzeug, aber ohne Scheuleder, und ferner ein ameri-
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 10
[146]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
kanisch gezogener Schnelltraber, dessen Schweif nahezu bis auf
die Erde herabreicht. Anstatt der gewöhnlichen Bogenpeitsche
wird eine lange, biegsame Gerte verwendet. Zu beachten ist
auch, dass wenn ein Kutscher oder Groom mitfahren sollte,
dieser nicht in Livree gekleidet sein darf, sondern den Interims-
anzug benützen muss. Die beliebteste Farbe für einen Road
Wagon ist gegenwärtig grün, doch hat blaue Lackierung eben-
falls viele Freunde.
Pariser Buggy.
Wir bitten den Leser, diese Fingerweise nicht als etwas
Nebensächliches zu betrachten, denn wir können ihm versichern,
dass unter den vielen Zerrbildern, die der Unverstand auf dem
Gebiete des Equipagenwesens zu stande gebracht, der Cob im
Kummetgeschirr vor einem amerikanischen Traberwagen, wo-
möglich noch von einem in galonnierter Livree gekleideten Kut-
scher gefahren, keineswegs in letzter Reihe genannt zu werden
verdient.
Die nicht mit Verdeck versehenen einspännigen Wagen
gehören beinahe alle zu der ungemein zahlreichen Klasse der
[147]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
zweirädrigen Fuhrwerke sportlichen Charakters. Diese sämtlich
hier zu besprechen, müssen wir uns mit Rücksicht auf den
knapp bemessenen Raum, der uns noch zur Verfügung steht
leider versagen, doch sollen dem Leser die gebräuchlichsten
Amerikanischer Road Wagon.
Bombay-Cart.
und modernsten jener Wagentypen, fachmässig geordnet, in
Wort und Bild vorgeführt werden.
Den Übergang von den Parkwagen zu den Sportkarren
vermittelt das sog. Bombay-Cart (Fig. 106), das mit Bezug
auf Bequemlichkeit alles übertrifft, was die Wagenbaukunst in
[148]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
diesem Genre bisher hervorgebracht hat. Ein Lehnstuhl auf
Rollen kann nicht bequemer sein. Was für ein Pferd zu diesem
Gefährt am besten passt, ergiebt sich hieraus von selbst. Die
Auswahl ist nicht gross. Man hat nur zu entscheiden, ob man
dem kleinen Cob oder dem gedrungenen Doppelpony den Vorzug
schenken soll. Die Hauptsache ist, dass der Gaul eine lebhafte,
Gig.
möglichst hohe Aktion zeige. Mit dem hübschen Gig-Geschirr
bekleidet, wird er dann allen Ansprüchen genügen.
Ein weit schneidigeres und sportmässigeres Fuhrwerk ist
das Gig (Fig. 107), das aus diesem Grunde auch einen kapitalen
Geher in der Gabel haben muss. Gig-Geschirr — braun oder
schwarz — ist selbstverständlich obligatorisch. Als Gebiss be-
nütze man das sog. Liverpool Bit. Die innere Garnierung des
Wagens besteht aus hellem, drapfarbigem Tuch; der Kasten
ist braun, das Untergestell rot lackiert. Fährt ein Diener mit,
[149]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
so hat er mit gekreuzten Armen neben seinem Herrn Platz
zu nehmen.
Das Skelett-Gig (Fig. 108) gehört kaum mehr zu den
Luxusfuhrwerken. Da dasselbe aber auf dem Lande für schnelle
Skelett-Gig.
Morning-Cart.
Fahrten zur Bahn oder zur nächsten Stadt, sowie zum Bewegen
eines Trabers vorzüglich geeignet ist, möge es trotzdem hier
Aufnahme finden. Lackiert wird dieses Gig gewöhnlich in Natur-
Eschenholz mit schwarzen Eisenteilen; zur Garnierung nimmt
man naturfarbigen Teppichstoff oder Schweinsleder. Das Pferd
trägt schwarzes, starkes Brustgeschirr mit Schlagriemen und
[150]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Doppelringtrense. Livree gehört nicht zum Stil eines derartigen
Wagen. Wie zu allen Fuhrwerken rein sportlichen Charakters
darf zum Skelett-Gig nur der Interimsanzug benützt werden.
Anspruch auf Eleganz vermag dagegen das Morning-Cart
(Fig. 109) zu erheben. Es ist dies einer derjenigen zweirädrigen
Wagentypen, die in Paris von der fashionablen Welt mit Vor-
liebe zu den morgendlichen Spazierfahrten nach dem Bois de
Dog-Cart (Standard-Form).
Boulogne benützt werden. Daher wohl auch der Name „Morgen-
Karre“. In die Gabel dieses Carts gehört ein breiter, gängiger
Doppelpony.
Wir kommen nun zur Klasse der Dog-, Village- und sonstigen
Carts rein sportlichen Charakters. Derartiger Fuhrwerke giebt
es eine schwere Menge. Es liesse sich leicht ein ganzes Album
mit Abbildungen von Carts der verschiedensten Konstruktion
füllen. Für uns kann es sich indessen nur darum handeln den
Leser mit denjenigen Wagenformen bekannt zu machen, die als
typisch für ihre Klasse zu bezeichnen sind, und dazu dürften,
[151]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
was die Sportkarren anbelangt, die hier wiedergegebenen sechs Ab-
bildungen (Fig. 110, 111, 112, 113, 114 und 115) vollständig genügen.
Fig. 110 stellt ein Dog-Cart des in England als „Standard“
geltenden Typus dar, der mit Recht heute noch ebenso beliebt
ist wie vor Jahren. Zur Lackierung desselben werden jedoch
gegenwärtig, der herrschenden Mode entsprechend, nicht mehr
die leuchtenden Sportfarben, sondern dunkle Farbenzusammen-
stellungen verwendet, so z. B. dunkelolivgrün, russischgrün be-
schnitten, und als Garnierung grünes Tuch oder Manchester.
Dalmatian-Cart.
Ausserordentlich elegant ist auch das in Fig. 111 abgebil-
dete Dog-Cart, das von der Londoner Wagenbaufirma Henry
Whitlock, Holland Gate, Kensington, London, W., die ihn zu-
erst herausgebracht, den Namen „The Dalmatian Car“ er-
halten hat. Wir bemerken mit Bezug auf diesen Karren, dass
winkelrecht zu einander stehende Linien für den Kasten eines
Dog-Cart jetzt moderner sind als die schrägen. Für die Lackie-
rung empfehlen wir: das imitierte Korbgeflecht des Kastens
perlgrau; der Rahmen dunkelblau; die Räder blau mit breiten
schwarzen und schmalen weissen Linien beschnitten. Die Gar-
nierung bestehe aus perlgrauem oder auch blauem Tuch.
[152]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Das auf Gummirädern laufende Village-Cart (Fig. 112)
muss in Übereinstimmung mit seiner schlichten, aber ebenso prak-
tischen wie gefälligen Form möglichst einfach gehalten werden.
Aus diesem Grunde können wir für die Lackierung desselben
Village-Cart.
Pariser Ralli-Cart.
nichts passenderes vorschlagen als: alle Holzteile natur, mit
Firniss eingelassen. Sehr hübsch macht sich die Mahagonifarbe;
zu der Garnierung nimmt man Schweinsleder oder das zum
Strapazieren vorzüglich geeignete Velvet.
Das hochmoderne Pariser Ralli-Cart (Fig. 113) hat einen
Kasten aus Korbgeflecht-Imitation, der selbstverständlich nur
braun, gelb oder grau lackiert werden darf. Um die seitliche
[153]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Kastenfläche weniger schwerfällig erscheinen zu lassen, ist diese
durch teils horizontal teils vertikal angebrachte Leisten ver-
schiedenartiger Dicke in mehrere Tafeln abgeteilt worden. Will
man aber, was stets anzuraten ist, der Kastenfläche ein noch
lebhafteres Aussehen verleihen, so lasse man die schmaleren,
horizontalen Leisten in einer passenden, helleren oder dunkleren
Farbe lackieren. Man kann sicher sein, hiermit eine überaus
günstige Wirkung zu erzielen. Das Innere des Carts wird mit
Tuch oder Leder garniert.
Princess-Cart.
Wegen seiner originellen dabei aber höchst praktischen Form
sehr beliebt, ist schliesslich auch das von der Firma Charles
Horsley \& Son in Beccles (England) konstruierte „Princess-
Cart“, in welchem vier Personen bequem Platz finden können.
Wie aus den Zeichnungen (Fig. 114 und 115) zu ersehen ist,
hat dieses Cart einen verschiebbaren Kutschersitz, wodurch die
Regulierung der Gewichtsverhältnisse ungemein erleichtert wird.
Ausserdem bietet das Princess-Cart seinen Insassen die sehr be-
achtenswerte Bequemlichkeit, dass sie, ohne den Kutscher zu be-
lästigen, vorne ein- und aussteigen können und somit nicht
genötigt werden, zu diesem Zwecke die Strasse zu betreten.
[154]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Für alle die hier angeführten zweirädrigen Einspänner —
das Skelett-Gig ausgenommen — ist das Gig-Geschirr vorge-
schrieben, jedoch wird dieses für die kleinsten und leichtesten
Karren auch von einem entsprechend leichteren Modell sein
müssen. Im übrigen aber bleibt die Form sich gleich, und
speziell ist darauf zu achten, dass die Schnallen stets eine abge-
rundete, an die Gestalt eines Hufeisens erinnernde Form erhalten.
Hierin besteht nämlich eines der charakteristischen Kennzeichen
jedes sportlichen Geschirres, während zum Stadt- und Park-
geschirr nur eckige Schnallen verwendet werden dürfen. Das
Das Innere des Princess-Cart.
Gig-Kummet, das, nebenbei ge-
sagt, eine gestrecktere Form
haben und stärker ausgepolstert
sein muss, wie das für den Stadt-
gebrauch bestimmte, kann selbst
zu schwarzem Geschirr von
naturfarbigem Leder sein; dies
gilt sogar in Paris als besonders
elegant, zumal wenn der Be-
schlag aus cuivre poli be-
steht. Sehr hübsch sind auch
Kummete aus lackiertem, schwarzem Leder, die auf der inneren
Seite mit braunem Leder bekleidet worden. Die Anbringung
eines Schlagriemens ist stets zu empfehlen; Aufsatzzügel da-
gegen gehören nicht zu den Bestandteilen des hier in Rede
stehenden Geschirres. Die Scheuleder werden, um mit der
Form der Schnallen zu harmonieren, abgerundet sein müssen.
An dem mit Metall oder Seide verzierten Stirnband sitzt zu
beiden Seiten ein flaches Medaillon aus Metall, oder auch, falls
das Stirnband aus Seide, eine mit dessen Farben übereinstim-
mende Kokarde. Krone oder Herzwappen schmücken das Stirn-
stück, das Seitenmedaillon, die Scheuleder, den Kammdeckel
und das Ende des Schlagriemens. Die Zügel sind aus gelbem
Leder angefertigt.
[155]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Die grosse Verschiedenartigkeit der zweirädrigen Einspänner-
wagen bedingt natürlich auch einen bedeutenden Unterschied in
der Grösse und sonstigen Beschaffenheit der für die einzelnen
Wagengattungen am besten geeigneten Pferde. Im Dog-Cart
z. B. kann ein Pferd von 165 cm unter Umständen ebenso ver-
wendbar sein, wie eines von 145 cm; im Ponykarren (Fig. 116)
Ponykarren.
konkurriert der Pony von 125 cm mit dem von 140 cm. Es
kommt eben alles auf Form und Grösse des benützten Wagens
an. Im allgemeinen gilt die Regel, dass die Höhe der Räder
eines zweirädrigen Wagens um 1/12 geringer sein soll als die
Höhe des betreffenden Pferdes. Ist das Pferd im Verhältnis zum
Wagen zu klein oder zu gross, so wird nicht nur der richtige
Gebrauch der Zugkraft verhindert, sondern es entsteht auch ein
Bild, das allen Schönheitsbegriffen Hohn spricht. Eines jedoch
verlangen wir von jedem Einspänner vornehmer Klasse — der-
[156]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
selbe möge nun zu den grössten seiner Gattung gehören oder
unter die Ponies rangieren — und das ist Aktion, viel und hohe
Aktion. Fehlt dem Gaule diese Eigenschaft, so kann er wohl
vor dem Milch- oder Gemüsewagen sehr nützliche Dienste leisten,
mit seiner Verwendung in der Gabel eines fashionablen Carts
aber ist es nichts mehr. Wer ihn trotzdem dazu gebrauchen
wollte, würde sich einfach lächerlich machen.
Es sei indessen nochmals in Erinnerung gebracht, dass der
Neuartiges Hinterzeug.
einspännige Karren stets und
unter allen Umständen als „Né-
gligé“ zu betrachten ist, und
so wie das weibliche Négligé-
kleid nur zur rechten Stunde
und am rechten Orte einen
eleganten Eindruck machen
wird, muss es auch als ein
arger Verstoss gegen die Ge-
setze der Fahr-Etikette be-
zeichnet werden, wenn eine
Dame beim Korso in einem ein-
spännigen Dog-Cart erscheint.
Bei solchen Gelegenheiten ge-
winnt das Dog-Cart nur mit
Tandemanspannung Anspruch
auf die Bezeichnung „chic“. Man versuche also nicht, dieser
Wagenart einen Charakter zu verleihen, der in schroffem Wider-
spruch zu ihrer Bestimmung steht. Zum flotten Spazierenfahren
auf wohlgepflegten Park- und Landwegen das mit Recht bevor-
zugte Fuhrwerk der eleganten Welt, erinnert das Dog-Cart bei
Fahrten mit festlichem Gepräge an eine ländliche Schöne, die
aus Versehen in den Kreis blaublütiger Vertreterinnen des High-
life geraten.
Noch widerwärtiger aber ist dem Fachmann der Anblick
eines vierrädrigen Dog-Carts oder Kutschier-Phaëtons mit nur
[157]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
einem Pferde in der Gabel. Wenn der Berliner „Budiker“ am
Sonntag mit Frau und Kindern in einer solchen Equipage zum
Grunewald hinausfährt, so ist nichts dagegen zu sagen. Brave
Spiessbürger und ein echt spiessbürgerliches Fuhrwerk passen
ja vortrefflich zu einander. Herren der Gesellschaft, Offiziere
der berittenen Gardetruppen und Damen, die als tonangebend
Blenda-Geschirr.
in allen Fragen der Fashion angesehen werden wollen, pflegen
aber ihre Vorbilder nicht aus dem fernen Osten der Grossstadt
zu holen. Für die Thatsache, dass Equipagen der hier ge-
schilderten Zusammenstellung häufig genug auch in den genann-
ten Kreisen zur Benützung gelangen, giebt es daher nur eine
Erklärung — die betreffenden Inhaber haben keine Ahnung da-
von, dass ihr „Zeugl“ ein fahrsportliches Monstrum.
Wir glauben nun ungefähr alles besprochen zu haben, was
[158]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
mit Bezug auf die einspännige Luxus-Equipage für den Leser
von Wichtigkeit und Interesse sein kann. Es erübrigt uns nur
noch einige neuere Erfindungen zu erwähnen, die sich beim
Einspännigfahren bewährt haben. Eine derselben besteht in
einem Hinterzeug überaus einfacher und praktischer Konstruk-
tion. Wie aus der Zeichnung (Fig. 117) zu ersehen ist, kann
Die einzelnen Bestandteile des Blenda-Geschirres.
diese Vorrichtung sowohl in Verbindung mit einem Schlagriemen,
wie auch ohne einen solchen benützt werden. In letzterem
Falle werden, wenn man das Hinterzeug in Gebrauch nehmen
will, zwei lose Schnallstücke (a und b) in die zu diesem Zweck
an der Gabel angebrachten Metallschlaufen eingeschnallt. Die
Vorteile dieses neuartigen Hinterzeugs sind: dass man dasselbe
nur im Bedarfsfalle, d. h. in bergigem Terrain, aufzulegen braucht,
dass es beim Bergabwärtsfahren den Vorderbeinen des Pferdes
jede Anstrengung erspart, und nie zu Wundreiben Anlass giebt.
[159]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Die Patentinhaber, G. Smith \& Co., 151 Strand, London, liefern
den vollständigen Apparat zum Preise von 17/6—25/.
Allgemeinen Beifall hat auch die vor kurzem unter dem
Namen „Blenda“ auf den Markt gebrachte Strang- und Gabel-
Kombination in der Fachwelt gefunden.
Williamson’s \& de Negri’s Patentschnallen für Einspännergeschirr.
Die Figuren 118 und 119 bringen die einzelnen Teile dieses
neuen Einspännergeschirres so deutlich zur Anschauung, dass
keine nähere Beschreibung desselben erforderlich sein dürfte.
Wir beschränken uns daher auf die Bemerkung, dass die Gabel
des Blenda-Geschirres nur bis zu den Gabelträgern reicht und
dort ein schnallenartiges Endstück erhalten hat, mit welchem das
[160]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Strangschnallenstück durch einen besonderen Riemen (Fig. 119 A)
wie Fig. 119 zeigt, verbunden wird.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Strang- und Gabel-
Kombination sowohl dem Pferde wie auch dessen Lenker ver-
schiedene Vorteile gewährt. Als solche wären hervorzuheben:
Williamson’s \& de Negri’s Patentschnallen für zweispänniges Geschirr.
Das Pferd kann schneller und schärfer gewendet werden.
Eine Verletzung des Pferdes durch das Geschirr ist aus-
geschlossen.
Da keine weit vorstehenden Gabelspitzen vorhanden sind,
wird bei Kollisionen eine Beschädigung fremder Wagen und
Pferde nicht so leicht stattfinden können.
Das Kummet, die Leitseile und die Strangschnallenstücke
sind keiner Reibung ausgesetzt.
[161]Die einspännigen Luxus-Equipagen.
Es fehlen die langen Stränge, die dem Pferde die Haare
an den Seiten abscheuern.
Die Gabelträger können nicht abgleiten.
Der Wagen fährt sich ausserordentlich bequem, ohne der
sonst im zweirädrigen Fuhrwerk so lästigen Kniebewegung.
Da nun dieses Geschirr ausserdem dem Pferde sehr gut
steht, einen leichten sportmässigen Eindruck macht und sowohl
zu zwei- wie zu vierrädrigen Wagen verwendet werden kann,
halten wir es für höchst wahrscheinlich, dass die Patentinhaber,
Brainsby \& Sons, 48 und 49, Long Acre, London, mit demselben
ein gutes Geschäft machen werden.
Sehr anzuraten ist es ferner, jedes Einspännergeschirr, so
wie mit der Strang- und Gabel-Kombination geschehen, an den
Gabelträgern und Strangenden mit Williamson’s \& de Negri’s
Patentschnallen zu versehen (Fig. 120). Diese ermöglichen es
nämlich, das Pferd mit einem einzigen Ruck an dem Riemen A
loszuschirren. Nahezu ebenso schnell kann es wieder angeschirrt
werden. Dass dies in vielen Fällen, z. B. wenn ein Pferd vor
dem Wagen hinstürzen sollte, von grösstem praktischem Wert
sein muss, liegt auf der Hand. Wir können daher die genannten
Schnallen, die sich, wie Fig. 121 zeigt, auch am zweispännigen
Geschirr anbringen lassen, unsern Lesern nicht angelegentlich
genug empfehlen. Zu beziehen sind sie in sowohl feinerer wie
einfacherer Ausführung von den Patentinhabern, Messrs. William-
son \& de Negri, 11 und 12 Clements Lane, E.C. London.
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 11
[[162]]
Praktische Winke.
1. Für die Behandlung der Wagen.
Die richtige Behandlung der Wagen ist natürlich
von wohlthätigstem Einfluss auf deren Konservierung. Zunächst
wird für eine gute Remise zu sorgen sein. Diese bestehe aus
einem luftigen, trockenen, weder zu dunkeln noch zu lichten
Raume, mit dichter, keinen Staub durchlassender Decke. Dumpfige,
feuchte Luft, sowie grelles Sonnenlicht, rauben der Lackierung
sehr bald ihr frisches, glänzendes Aussehen. Nicht weniger
wichtig ist es, dass keine Verbindung zwischen dem Stall und
der Remise vorhanden und dass letztere nicht von den Dünsten
der Dungstätte erreicht werden könne. Mit Ammoniak ge-
schwängerte Luft verursacht nämlich nicht nur ein Abbröckeln
der Lackierung, sondern bleicht und verändert auch die Farben.*)
Ein ganz ebenes Klotzpflaster (nicht Bretter) aus hartem Holz,
ist als der beste Fussboden für Wagenremisen anzusehen. Ziegel-
pflaster ruft Feuchtigkeit hervor und unter der Einwirkung der
Feuchtigkeit erblindet die Lackierung der Wagen. Sehr zu
empfehlen sind auch Fensterscheiben aus Milchglas für Wagen-
remisen, denn gewisse Farben, besonders blau, bleichen stark,
wenn sie zu lange im Dunkeln belassen werden.
[163]Praktische Winke.
Für den täglichen Dienst ist es unbedingt am praktischsten,
wenn die Bauart der Remise es ermöglicht, alle Wagen an der
rückwärtigen Wand den Thoren gegenüber in einer Reihe —
doch ja nicht zu nahe beieinander — aufzustellen. Man kann dann
ohne vieles Hin- und Herschieben jeden einzelnen Wagen heraus-
ziehen und wieder an seinen Platz bringen. Unter allen Umständen
aber vermeide man, die Wagen dicht an die Wand zu schieben.
Absolut trocken werden die Wände kaum je sein; es ist daher
immer geraten, darauf zu achten, dass der Wagen auf allen
Seiten von der Luft bestrichen werden könne. Man vergesse
nicht, dass Holz unter der Einwirkung von Feuchtigkeit schwillt.
Was das Inventar einer rationell eingerichteten Remise an-
belangt, so hat dasselbe aus einer genügenden Anzahl hell leuch-
tender Hängelampen, aus hölzernen Rechen zum Aufhängen der
Deichseln, Gabeln, Vorlegewagen und Aufhalter (letztere dürfen
nicht an den Deichseln gelassen werden) und aus einem kleinen
Schranke zum Aufbewahren der Putzsachen zu bestehen.
In jedem grösseren Etablissement wird ausserdem in un-
mittelbarer Verbindung mit der Remise ein gedeckter und as-
phaltierter, mit Wasserleitung versehener Waschraum vorhanden
sein, in welchem das Reinigen der Wagen stattfindet.
Wenn angenommen werden kann, dass der Wagen mehrere
Tage hindurch nicht in Gebrauch genommen werden wird, ist
derselbe stets mit einem Überzug aus Drillichstoff zuzudecken.
Staub, der längere Zeit hindurch auf dem Wagen liegen bleibt, hat
nämlich ebenfalls eine schädliche Einwirkung auf die Lackierung.
Dass ein solcher Überzug stets trocken gehalten werden muss,
ist selbstverständlich. Gestatten es die Raumverhältnisse der
Remise, so kann auch das Zudecken der Wagen, wenigstens
der kostbarsten und am seltensten gebrauchten, wie folgt an-
geordnet werden. Über dem Platz des betreffenden Wagen
wird ein viereckiger, mit Segelleinen überzogener Holzrahmen
aufgehängt, der so gross ist, dass er alle äussersten Punkte
überragt. An den vier Seiten des Rahmens sind herunter-
[164]Praktische Winke.
hängende Stücke Segeltuch nach Art von Gardinen angebracht,
die entweder in die Höhe oder nach den Seiten gezogen werden
können. So ist der Wagen vollständig bis zum Boden bedeckt,
ohne vom Überzug berührt zu werden. Mit dieser Einrichtung
lässt sich somit das häufige Abnehmen und Auflegen des Über-
zuges vollkommen vermeiden, was in Anbetracht der ausser-
ordentlichen Empfindlichkeit aller feinerer Lackierung als ein
grosser Vorteil bezeichnet werden muss. Welche Art von Über-
zug man aber auch wählen möge, stets achte man darauf, dass
der Wagen nicht zu lange Zeit zugedeckt bleibe, sondern ab
und zu ins Freie gezogen werde.
Ein neuer oder frisch lackierter Wagen muss immer einige
Wochen stehen gelassen werden, bevor man ihn in Gebrauch
nimmt. Aber selbst dann kann die Lackierung hässliche Flecken
bekommen, wenn der Kutscher nicht Sorge dafür trägt, dass
der während der Fahrt angesammelte Kot vor dem Eintrocknen
abgespült wird. Jeden Wagen unmittelbar nach dem
Gebrauch zu reinigen und nie einen schmutzigen
Wagen in der Remise aufzustellen, ist somit eine der
wichtigsten Regeln, die der Kutscher mit Bezug auf die Behand-
lung des Luxusfuhrwerkes zu beobachten hat. Der Schmutz
braucht sich nur ein einzigesmal in die Lackierung einzubeissen,
um diese für immer zu ruinieren. Sollte deshalb der Kutscher
einmal ausnahmsweise bei der Rückkehr von einer nächtlichen
Fahrt absolut nicht imstande sein, auch den Wagen einer gründ-
lichen Reinigung zu unterziehen, so darf er doch nie sein Lager
aufsuchen, bevor er nicht den schlimmsten Kot vom Kasten und
dem Untergestell abgespült hat. Damit ist schon viel gewonnen.
Die am nächsten Morgen nach dem Füttern und Putzen erfol-
gende gründliche Reinigung des Wagens wird sich dann weit
schneller und leichter bewerkstelligen lassen.
Steht dem Kutscher kein gedeckter Raum zum Waschen
des Wagens zur Verfügung, so wird er diesen in der wärmeren
Jahreszeit nach einem schattigen Platz hin ziehen müssen, denn
[165]Praktische Winke.
die Sonnenstrahlen sind, wie jede Hausmutter bestätigen kann,
der Ruin aller lackierten Holzsachen. Eigentümlicherweise ist
die Frühjahrssonne am meisten zu fürchten.
Nachdem der Wagen auf einen passenden Platz gebracht
worden, werden alle Kissen und Teppiche herausgenommen, das
Verdeck aufgeschlagen — oder wenn es ein gedeckter Wagen
sein sollte, die Fenster heraufgezogen — und ein Ortscheit
unter die Deichsel gestellt.
Es handelt sich nun zunächst darum, den am Wagen haf-
tenden Kot aufzuweichen. Am zweckmässigsten verwendet
man hiezu eine kleine Gartenspritze oder in Ermangelung einer
solchen eine gewöhnliche Giesskanne. Der Erfolg dieser Arbeit
ist an die Bedingung geknüpft, dass nicht mit dem Wasser ge-
spart wird. Je mehr Wasser, desto schneller und gründlicher die
Reinigung. Regenwasser ist der Lackierung am zuträglichsten.
Um beim Abspülen nicht jene Teile zu beschmutzen, die
bereits gereinigt worden, ist es unerlässlich, dieses in einer ge-
wissen Reihenfolge vorzunehmen. Zuerst kommt das Verdeck an
die Reihe, dann der Kasten, darauf das Untergestell und zuletzt
die Räder. Zum Abschwammen des Verdecks und des Kastens
benötigt der Kutscher einen sehr grossen Schwamm. Noch nicht
gebrauchte Schwämme müssen erst in reinem Wasser sorgfältig
von den vielen Steinchen und Muschelsplittern befreit werden, die
ihnen anzuhaften pflegen. Unterlässt der Kutscher dies und nimmt
er einen neuen Schwamm ohne weiteres in Gebrauch, so kann
es ihm passieren, dass er mit einem einzigen Strich eine tiefe
Schramme in der glänzenden Lackierung seines Wagens hervorruft.
In vielen Ställen wird eine sog. Wagenbürste zum Reinigen
des Kastens und der Räder verwendet. Dies ist jedoch nie zu
gestatten, sondern stets nur ein Schwamm und Putzleder zu
diesem Zwecke gebrauchen zu lassen. Denn erstens wirkt die
Bürste mit den in ihren Borsten angesammelten Schmutzpar-
tikelchen wie Sandpapier auf die Lackierung und zweitens wird
der mit der Bürste hantierende Kutscher auch bei der grössten
[166]Praktische Winke.
Vorsicht kaum vermeiden können, mit dem hölzernen Rücken-
teil derselben gegen die Radspeichen anzuschlagen und so die
äusserst empfindliche Lackierung zu beschädigen.
Beim Abspülen der Räder kann der Kutscher nicht ohne Un-
gelegenheit eine sog. Wippe (Fig. 122) entbehren. Diese er-
möglicht es ihm nämlich, die Räder während der Waschprozedur
in drehender Bewegung zu erhalten, wodurch ein gründliches
Abspülen derselben bedeutend erleichtert wird. Auch beim
Radwippe.
Waschen der Räder ist eine ge-
wisse Reihenfolge einzuhalten. Man
beginnt mit dem hinteren Teil der
Nabe und geht dann zu den Speichen
und Felgen über. Darauf werden
die Nabe, die Speichen und Felgen
auf der vorderen Seite abge-
schwammt, und schliesslich muss
jede einzelne Speiche auch auf der
inneren Radseite sorgfältig vom
Schmutze befreit werden. Nachdem
das Rad auf diese Weise gereinigt
worden ist, wird es einigemal um
seine Achse gedreht und mit
reinem Wasser abgespült.
Sollte der Schmutz an den Wagen angefroren sein, so muss
die harte Kruste durch sanftes Andrücken eines nassen Schwammes
allmählich aufgeweicht werden. Dies ist allerdings eine langweilige
und zeitraubende Arbeit, doch wird es keinem aus guter Schule
hervorgegangenen Kutscher einfallen, sich ihr durch Anwendung
von warmem Wasser zu entziehen, denn er weiss, dass er damit
der Lackierung seines Wagens bleibenden Schaden zufügen würde.
Lässt man das Wasser auf dem Wagen eintrocknen, so
entstehen hässliche Flecken. Der Kutscher wird deshalb stets
alle abgeschwammten und abgespülten Teile auf das sorgfältigste
mit einem feuchten Rehleder abwischen. Hierauf folgt das
[167]Praktische Winke.
Polieren sämtlicher Holzteile, das mit einem trockenen und
weichen Rehleder bewerkstelligt wird. Bei dieser Arbeit kann
der geschickte Stallmann eine überzeugende Probe seiner Kunst
ablegen. Am schwierigsten ist es, grosse Flächen spiegelblank
zu polieren. Ein Coupé oder ein Chariot nach allen Regeln
der Kunst zu reinigen, gilt daher mit Recht als eine Arbeit,
die grosse Übung erfordert.
Alle Lederteile — wie Verdeck, Kotflügel u. s. w. — werden
mit Seifenwasser abgewaschen, sodann abgespült und nach dem
Abtrocknen dann und wann flüchtig mit etwas Leinöl einge-
rieben. Beim Niederlassen des Verdecks hat der Kutscher darauf
zu achten, dass keine unregelmässige Falten entstehen.
Damit kein Wasser zwischen den Federn sitzen bleibe und
dort Rost verursache, sollte der Kutscher nach dem Abspülen
des Wagens nie versäumen, sich auf einen der Tritte zu stellen
und den Kasten in eine schaukelnde Bewegung zu versetzen.
Dadurch wird das etwa noch zwischen den Federn befindliche
Wasser hervorgepresst und kann dann leicht mit dem Schwamm
und dem Rehleder aufgetrocknet werden. Man wolle dies ja
nicht als eine überflüssige Mühe betrachten, denn ganz abge-
sehen von der allbekannten Thatsache, dass Rost eine nach-
teilige Wirkung auf Eisen und Stahl ausübt, ruft derselbe, wenn
er sich zwischen den Blättern der Federn gebildet, ein quiet-
schendes, rasselndes Geräusch hervor, das die Nerven der Fahr-
gäste auf eine harte Probe stellt.
Das Putzen von bronziertem oder versilbertem Beschlag
geschieht am zweckmässigsten durch trockenes Reiben mit
einem alten ledernen Handschuh, ohne Anwendung irgend welcher
Putzpulver oder Säuren. Plattierter und messingener Beschlag
kann jedoch mit einer aus ein wenig Tafelöl und pulverisierter
Holzkohle oder auch aus Stearinöl und Wienerkalk bestehenden
Mischung geputzt werden. Diese Putzmittel werden mit einem
wollenen Lappen aufgetragen, und dann mit einem anderen
Lappen abgerieben, worauf die eigentliche Politur mit einem
[168]Praktische Winke.
ledernen Handschuh zu bewerkstelligen ist, bis alles glänzt, als ob
der Wagen eben erst das Atelier des Fabrikanten verlassen hätte.
Die Wagenfenster, sowie die Gläser in den Laternen werden
mit einem angefeuchteten Lappen oder Rehleder blank gerieben.
Sollte das Glas sehr schmutzig geworden sein, so kann es auch
nach dem Abwaschen mit Spiritus und Kreide bestrichen und
sodann mit einem seidenen Tuche oder weichen Papier abge-
rieben werden. Hierbei ist jedoch grosse Vorsicht zu beobachten,
damit die Kreide keine hässlichen Spuren an den Fensterrahmen
oder Wagenthüren hinterlasse.
Nachdem die Fenster poliert worden, werden sie herunter-
gelassen und die Wagenthüren geöffnet. Es hat dies nicht nur
den Zweck, das Innere des Wagens zu lüften, sondern auch
das etwa noch zwischen den Wagenthüren haftende Wasser
schnell zum Trocknen zu bringen.
Flecken, die auf den lackierten Flächen des Wagens entstan-
den, können in den meisten Fällen durch eine flüchtige Einreibung
mit Leinöl entfernt werden, wozu Watte sich am besten eignet.
Ist der Wagen auf die vorstehend beschriebene Art von
Aussen gereinigt worden, so kommt das Innere an die Reihe.
Die Teppiche und Polster werden ausgeklopft und gebürstet
und alle Teile der inneren Garnierung mit grösster Sorgfalt
abgestaubt. Maroquin-, Seidenrips- und Atlasgarnierungen dürfen
jedoch nicht mit der Bürste in Berührung gebracht werden,
sondern sind stets mit einem weichen Tuche abzuwischen.
Sobald der Wagen in der wärmeren Jahreszeit voraussicht-
lich längere Zeit in der Remise zu verbleiben hat, wird zur
Verhütung von Mottenfrass eine Schale mit Terpentin oder
Kampfer auf den Boden des Kastens gestellt. Dieses Mittel
wirkt um so sicherer, wenn die Fenster — was übrigens in
der Remise stets der Fall sein sollte — heraufgezogen sind.
Das beste Schutzmittel bleibt jedoch häufiges Ausklopfen in der
freien Luft. Man versäume dies speziell nicht im August und
September, weil die Motten in diesen Monaten fliegen.
[169]Praktische Winke.
Halbgedeckte Wagen dürfen nie mit heruntergelassenem
Verdeck in der Remise stehen, und ebenso müssen die Fuss-
säcke öfters aufgerollt werden, wenn man die Entstehung häss-
licher Falten und Brüche in diesen Lederteilen vermeiden will.
Schliesslich ist noch dem für das nette Aussehen seiner
Wagen besorgten Kutscher zu empfehlen, den Wagentritt dann
und wann mit etwas Eisenlack zu schwärzen. Es trägt dies
ungemein viel dazu bei, das neue, frische Aussehen des Wagens
zu erhalten und ist ausserdem sehr leicht auszuführen. Das
einzige, was der Kutscher hierbei zu beachten hat, ist, dass er
den Lack nur ganz dünn auftragen darf.
Eine nach diesen Regeln ausgeführte Reinigung des Wagens
bietet dem Kutscher natürlich die beste Gelegenheit, jeden noch
so kleinen, während des Gebrauchs entstandenen Schaden zu
entdecken. Trotzdem möchten wir jedem Equipagenbesitzer
anraten, eine Abmachung mit dem Wagenfabrikanten zu treffen,
dass dieser sämtliche Wagen allmonatlich von seinen Leuten
einer genauen Besichtigung unterziehen lässt. Unter allen Um-
ständen hat dies wenigstens einmal im Jahr und stets dann zu
geschehen, wenn der Wagen mehrere Monate hindurch nicht
gebraucht worden ist. In England ist es auch Sitte, die Pflege
der Achsen gänzlich dem Wagenfabrikanten zu übertragen.
Wir halten dies für eine sehr nachahmenswerte Gepflogenheit.
Denn dass der Mann vom Fach das Reinigen, Ölen und An-
schrauben der Achsen besser besorgen wird, wie der Kutscher,
liegt auf der Hand. Wer sich aber durchaus nicht zu der kleinen
Ausgabe verstehen will, die mit einer derartigen Abmachung ver-
knüpft ist, lasse wenigstens seinen Kutscher die Behandlung der
Patent- und Kollingesachsen bei einem tüchtigen Wagenbauer er-
lernen. Dies wird ihm manche kostspielige Reparatur ersparen.
Viele Kutscher pflegen die Achsen rund herum mit Seife
einzuschmieren. In besseren Etablissements wird dies nie ge-
duldet. Hervortretendes Fett lässt sich leicht mit einem in
Terpentin getauchten Lappen entfernen.
[170]Praktische Winke.
Nachdem der Wagen in die Remise gezogen worden,
wird die Deichsel auf ihren bestimmten Platz an der Wand
gehängt.
Gummi-Luftreifen werden in nächster Zukunft gewiss an
den Rädern aller eleganten Wagen angebracht werden. Die
Vorteile dieser Reifen sind eben so gross, dass sie jedem Equi-
pagenbesitzer einleuchten müssen. Ganz besonders verdienen
folgende Eigenschaften der „Pneumatic Tyres“ hervorgehoben
zu werden: sie sind wenigstens 50% leichter als eiserne Rad-
reifen; sie verleihen dem Wagen einen vollkommen geräusch-
Gummi-Radreifen.
losen, sanften und gleichmässigen
Gang; sie erleichtern dem Pferde
die Zugarbeit und wirken dadurch,
dass sie das Getrappel des Huf-
schlages nicht übertönen, anfeuernd
auf die Gehlust des Pferdes; sie
tragen ungemein viel zur Schonung
des Wagens bei, indem sie keine
heftigen Stösse und Rucker auf-
kommen lassen und sie befreien die
Bewohner lebhafter Strassen von der
Störung, die das ewige Wagenge-
rassel zur Folge hat. Legt man nun
noch hierzu, dass die pneumatischen Reifen, wenn aus der
richtigen Quelle bezogen, eine sehr grosse Haltbarkeit besitzen,
so wird man ihre Einführung in den deutschen Landen nur
mit Freuden begrüssen können. Eines steht fest: die zunehmende
Nervosität unserer fin de siècle-Generation muss jeder Erfin-
dung, die dem Hörorgan des modernen Menschen unangenehme
Empfindungen erspart, wirksame Reklame machen. Wer es nur
einmal erprobt hat, welchen Genuss es gewährt, sanft geschaukelt
und ohne Geräusch durch die Strassen zu fahren und dabei
in ruhigem Salonton konversieren zu können, wird fortan jedem
nicht mit Luftreifen versehenen Wagen ängstlich aus dem Wege
[171]Praktische Winke.
gehen. Die neueste und wohl auch solideste Form der Gummi-
Radreifen findet der Leser in Fig. 123 abgebildet.
Der Sicherheits-Deichselbeschlag (Fig. 124) gehört
ebenfalls zu den Erfindungen, denen eine schnelle und allge-
Sicherheits-Deichselbeschlag.
meine Verbreitung in Aussicht gestellt werden kann. Was ge-
nannten Beschlag vorteilhaft von dem bisher benützten unter-
scheidet, sind die langen und beweglichen Arme. Dank dem
Umstande, dass jeder dieser für die Aufhalter bestimmten Arme
eine eigene Hülse erhalten hat, verbleiben sie, auch wenn die
[172]Praktische Winke.
Deichsel auf- und niederwippt, stets in derselben Lage, die
Deichsel kann die Pferde somit nie belästigen. Sollte aber
eines der Pferde stürzen, so löst sich der Arm auf der be-
treffenden Seite aus seiner Hülse und fällt ebenfalls zu Boden.
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorzug des Sicherheits-
beschlages besteht darin, dass der Anzug beim Anhalten oder
Bergabfahren vom Zentrum des Kummets aus erfolgt. Wie ein
Blick auf die Figur lehrt, werden nämlich die Aufhalter von
diesem Beschlage nicht nach seitwärts gegen die Deichsel zu,
sondern vom Mittelpunkt des Kummets aus gerade nach vor-
wärts gerichtet.
2. Für die Behandlung der Geschirre.
Wie wertvoll die Pferde und wie unbestritten die Verdienste
des Wagenfabrikanten und des Sattlers auch sein mögen, wird
die Equipage dennoch keinen vorteilhaften Eindruck machen,
falls das Geschirr schlecht gehalten sein sollte. Es muss des-
halb eine Ehrensache für jeden Kutscher sein, auch in diesem
Detail der Fachkenntnis jene Fertigkeit zu erwerben, die ihm
den Beifall des Kenners sichert. Eine Zauberei ist das nicht;
man braucht dazu nur eine praktische Anleitung, ein wenig
Gewandtheit im Gebrauch der Hände und Augen, gewöhnliche
Aufmerksamkeit und jenen Grad von Pflichttreue, ohne welchen
der Stallmann es überhaupt nie zu etwas rechtem bringen wird.
Das Geschirr nach jedesmaligem Gebrauch einer umständ-
lichen Reinigung zu unterziehen, ist nicht unbedingt notwendig.
Wurde dasselbe nicht mit Kot bespritzt und nur wenig bestaubt,
so genügt es, die Stränge und sonstigen nicht lackierten Be-
standteile abzubürsten, das lackierte Leder mit einem trockenen
Lappen abzuwischen, den Beschlag zu putzen und schliesslich
mittelst eines feuchten Schwammes den Schweiss zu entfernen,
der sich an der inneren Seite des Kummets, des Kammdeckels,
der Strangträger, Bauchgurten u. s. w. angesetzt hat.
[173]Praktische Winke.
Sobald aber die Geschirre auf schmutzigen Wegen gebraucht
worden, tritt die Notwendigkeit einer gründlicheren Reinigung
ein. Es wird dann nicht vermieden werden können, sie aus-
einander zu schnallen und die einzelnen Teile auf einen Geschirr-
bock aufzuhängen. Ein solcher Bock sollte stets der grösseren
Bequemlichkeit wegen vorne mit Rollen und hinten mit Hand-
haben versehen sein (Fig. 125).
Der Grund, weshalb schmutzige Geschirre auseinander ge-
schnallt werden müssen, liegt auf der Hand. Werden nicht alle
Schnallen gelöst, so bleibt immer mehr oder weniger Schmutz
zwischen denselben sitzen. Bei dem darauf folgenden Ab-
schwammen des Geschirres
darf nie mehr Wasser ange-
wendet werden, als unbedingt
zum Entfernen des Kotes not-
wendig ist, denn Nässe thut
keinem Leder gut.
Mit dem angefeuchteten
und sodann ausgedrückten
— also nicht triefenden —
Schwamm fährt nun der
Geschirrbock.
Kutscher sowohl auf der inneren wie äusseren Seite über sämt-
liche Geschirrteile, bis aller Schmutz verschwunden. Darauf
wird jeder einzelne Teil besonders abgetrocknet, die lackierten
mit einem weichen, reinen Rehleder, die übrigen mit einem
älteren, zum Wagenputzen nicht mehr verwendbaren Leder.
Will sich der Kutscher die kleine Extramühe machen, Seifen-
wasser zum Abwaschen der lackierten Teile zu nehmen, so
werden diese einen ganz besonders hübschen Glanz erhalten.
Nach dem Abtrocknen folgt das Schmieren aller nicht
lackierten Geschirrteile. Der Zweck dieses Schmierens ist teils
dem Leder einen schönen tiefschwarzen Glanz zu verleihen, teils
demselben jene Geschmeidigkeit zu erhalten, die eine Grund-
bedingung seiner Haltbarkeit ist. Leder, das erst durchnässt
[174]Praktische Winke.
wurde, und darauf, ohne eingeschmiert zu werden, trocknen durfte,
wird hart und brüchig, verliert so seine Haltbarkeit und reibt
ausserdem jene Körperteile wund, mit welchen es in dauernde Be-
rührung kommt. Diese Erfahrung ist ebenso alt, wie das ehrsame
Schuhmacherhandwerk. Trotzdem lassen sich viele Kutscher nicht
davon abhalten, ganze Sturzbäche über ihre Geschirre zu giessen,
und um das Mass ihrer Thorheit voll zu machen, wird das so ge-
reinigte Geschirr dann noch zum Trocknen in die Sonne gehängt!
Zum Schmieren der Geschirre ist die unter dem Namen
„Everett’s liquid blacking“ bekannte, flüssige englische Schuh-
wichse am meisten zu empfehlen. Diese Wichse verleiht dem
Geschirr einen ausnehmend schönen Glanz und besondere Ge-
schmeidigkeit.
Alle sog. Glanzwichsen enthalten Bestandteile, welche die
Haltbarkeit des Leders untergraben und sollten daher nur ganz
ausnahmsweise zur Verwendung gelangen, z. B. wenn es sich
darum handelt, ein altes, abgenütztes Geschirr etwas aufzu-
frischen. Für derartige Zwecke eignet sich die in jedem grösseren
Schuhwarengeschäfte vorrätig gehaltene „Meltonian Cream“
unbedingt am besten. Im Notfalle kann dieselbe durch eine
nach folgendem Rezepte zu bereitende Mischung ersetzt werden:
Nimm das Weisse zweier Eier, 32 Gramm Zucker, einen Theelöffel Weingeist und so
viel fein pulverisierte Elfenbeinschwärze als erforderlich ist, um eine schöne schwarze Farbe
hervorzubringen. Mische das Ganze.
Vor dem Gebrauch wird diese Wichse gut geschüttelt und
sodann mit einem Schwämmchen aufgetragen. Den gewünschten
Glanz erhält man durch kräftiges Reiben mit einem seidenen
Lappen.
Das Putzen der Beschläge erfordert grosse Sorgfalt und
Aufmerksamkeit. Das beste ist, alle Metallornamente mit einem
trockenen Lappen oder einem Putzleder zu putzen. Die im
Handel vorkommenden Putzpulver sind nämlich selten frei von
schädlichen Bestandteilen. Plattierter Beschlag wird ganz zweck-
mässig mit einer aus Wiener Kalk und Spiritus bestehenden
Mischung oder auch mit Seifenschaum geputzt.
[175]Praktische Winke.
Am schwierigsten ist es natürlich, die Monogramme und
Wappen zu putzen, mit welchen die Kammdeckel und Scheu-
leder geschmückt zu sein pflegen. Zur Schonung des lackierten
Leders in der Umgebung dieser Ornamente wird der Kutscher
sich mit Leder oder Pappscheiben versehen
müssen, in welchen den Monogrammen oder
Wappen entsprechende Ausschnitte gemacht wor-
den sind und die also, über den Kammdeckel
oder das Scheuleder gelegt, dem Leder er-
forderlichen Schutz gewähren, ohne deshalb dem
Putzen hinderlich zu sein. Aber auch mit diesen
Schutzmitteln ist es äusserst schwierig zu ver-
hindern, dass nicht ein wenig von dem zum
Modernes Monogramm.
Putzen gebrauchten Pulver bis zum Leder dringt und dieses be-
schmutzt. Trockenes Putzen ist daher stets vorzuziehen. Bei
dieser Gelegenheit sei auch erwähnt, dass verschlungene Mono-
gramme — gleichviel wo sie angebracht werden — nicht mehr
modern sind. Man bringt jetzt die beiden Buchstaben des Mono-
gramms nebeneinander stehend an (Fig. 126).
Schmutzbürste.
Schmierbürste.
Wichsbürsten.
Ornamentbürste.
Bronzebeschlag wird am zweckmässigsten mit Zitronensaft
geputzt.
Gute Arbeit kann bekanntlich nur mit gutem Werkzeug
geleistet werden. Dies gilt auch beim Putzen. Zu diesem
Geschäfte braucht der Kutscher mindestens vier verschiedene
Bürsten: eine um den Schmutz zu entfernen (Fig. 127), eine
weichere zum Auftragen der Wichse (Fig. 128), eine dritte zum
[176]Praktische Winke.
Wichsen (Fig. 129) und eine vierte zum Putzen der Ornamente
(Fig. 130).
Die lackierten Lederteile des Geschirres werden wie folgt
behandelt. Man schwammt sie zuerst mit warmem (nicht heissem)
Wasser ab, trocknet sie sodann möglichst schnell und reibt,
während das Leder sich noch warm anfühlt, etwas Tafelöl ein.
Nachdem letzteres wieder herausgerieben worden, folgt das
Blankpolieren mit einem weichen Tuche oder Rehleder. Etwa
vorhandene Flecken lassen sich mit einem in etwas Leinöl ge-
tauchten Stückchen Watte oder Flanell leicht entfernen.
Altes, unscheinbar gewordenes Lackleder kann man dadurch
auffrischen, dass man es mit etwas ungesalzener Butter und
pulverisierter Kreide einreibt. Wenn das Leder nach dieser
Einreibung zuerst mit einem trockenen, wollenen Lappen und
darauf mit einem alten seidenen Tuch poliert wird, erhält es
auch erhöhten Glanz. Noch schöner wird der Glanz, wenn man
das gründlich gereinigte Lackleder mit einer aus Schwefeläther
und Wachs bestehenden Mischung einreibt. Das zu diesem
Zweck bestimmte Wachs wird ganz dünn geschabt und in dem
Schwefeläther aufgelöst. Die so erhaltene Mischung hat die
rechte Konsistenz, wenn sie weder dicker noch dünner als guter
Rahm ist. Sollte sie dicker sein, so enthält sie zu viel Wachs
und muss dann mehr Schwefeläther zugesetzt werden; im ent-
gegengesetzten Falle fehlt es an Wachs. Diese Masse wird
mit einer weichen Bürste aufgetragen und dann mit einem
Flanelllappen so kräftig eingerieben, dass das Leder warm wird.
In demselben Masse, als das Wachs infolge des nachdrücklichen
und anhaltenden Reibens in das Leder eindringt, entwickelt sich
der gewünschte Glanz, der bei genauer Befolgung der hier
gegebenen Vorschriften dem des neuen Lackleders wenig nach-
stehen wird.
Braunes Geschirr sowie auch die braunen Leitseile und
Handstutzen werden mit Seife gereinigt und dann und wann
mit etwas Sattelseife eingerieben. Mit Bezug auf letztere sei
[177]Praktische Winke.
ausdrücklich bemerkt, dass die Seife von heller Farbe sein muss.
Ist sie dunkel gefärbt, so verliert auch das mit derselben be-
handelte Leder bald sein schönes gelbbraunes Aussehen. Im
Notfall kann sich der Kutscher eine recht anwendbare Sattel-
seife nach folgendem Rezept selbst zubereiten:
- Nimm gelbes Wachs .... 64 Gramm
- Terpentin .... 14 Centiliter.
Schneide das Wachs in kleine dünne Stücke, lege es in
eine Flasche mit weiter Mündung, giesse den Terpentin hinzu
und stelle das Ganze so nahe ans Feuer, dass das Wachs schmel-
zen kann. Es erübrigt dann nur noch die so erhaltene Mischung
sorgfältig umzurühren.
Diese Masse wird mit einem Flanelllappen auf das Leder
aufgetragen und erst mit einer weichen Bürste, zuletzt aber mit
einem alten seidenen Tuche kräftig eingerieben.
Selbstverständlich muss das Leder vollkommen trocken
sein, bevor es mit irgend einer Wichse in Berührung gebracht
werden darf.
Für das Putzen der Gebisse, Kinnketten und Aufhalter-
ketten gelten folgende Vorschriften:
Sobald die Pferde abgezäumt worden sind, werden die
Gebisse in einen mit Wasser angefüllten Stalleimer geworfen,
wo sie bis nach beendigter Abwartung der Pferde liegen bleiben
können. Hat man sie aber einmal aus dem Wasser genommen,
so müssen sie allsogleich sorgfältig abgetrocknet und darauf —
sofern sie nicht rostig geworden — mit einer Polierkette poliert
werden. Im entgegengesetzten Falle gilt es, zuvor den Rost
zu entfernen. Dies kann in verschiedener Weise bewerkstelligt
werden. Die bei weitem gründlichste, schnellste und praktischste
Art der Rostentfernung besteht in der energischen Abreibung mit
Naxosschmirgel (nicht Schmirgelpapier) Klauenfett und Wiener
Kalk. Der Naxosschmirgel ist ein schwarzes Pulver. Zu einem
halben Theelöffel desselben wird in einem Schälchen unter stän-
digem Umrühren soviel Klauenfett zugesetzt, dass eine breiige
Wrangel, Das Luxusfuhrwerk. 12
[178]Praktische Winke.
Masse entsteht. Die Kuppe des rechten Zeigefingers wird mit
Putzleder oder einem Leinwandläppchen umhüllt. Alsdann wird
sie in die breiige Masse getaucht und auf den Rostfleck über-
tragen. Durch festes energisches Hin- und Herreiben löst sich
dieser bald auf. Nachträglich muss, um jede Spur von Schmirgel
und Klauenfett zu entfernen, das Gebiss reichlich mit Wiener
Kalk, der ebenso, aber mit eigenem Leder oder Läppchen ein-
gerieben wird, geputzt werden.
Handelt es sich um Entfernung von Rostflecken aus ver-
steckten Ecken und Winkeln, so nimmt man am besten ein
Buchsbaumstäbchen, wie sie für Uhrmacher verkäuflich sind
und schnitzt es an dem einen Ende je nach Bedarf spitzrund,
breitspitz u. s. w. zu und reibt mit ihm sowohl Schmirgel-
masse als zuletzt Kalk auf; auch hier muss man besondere
Stäbchen für Schmirgel und Kalk haben.
Ganz zweckmässig ist es auch, alte verrostete Stahlsachen
24 Stunden hindurch in Petroleum liegen zu lassen. Hiedurch
wird der Rost aufgelöst und kann derselbe sodann leicht weg-
geputzt werden. Starker Rost sollte jedoch nie auf den in
Gebrauch stehenden Gebissen vorkommen. Mit Bezug hierauf
wollen wir erwähnen, dass erfahrene Kutscher bei feuchtem
Wetter die Gebisse und Ketten vor dem Einspannen mit einem
fettigen Tuch abzureiben pflegen. Nach dem Ausspannen wird
das Fett wieder abgewischt und können die Sachen dann so-
gleich poliert werden, ohne dass man in die Notwendigkeit
kommt, sich mit dem Entfernen von Rostflecken aufzuhalten.
Will man die nicht im täglichen Gebrauch stehenden Stahl-
sachen gegen Rost schützen, so kann man denselben mittelst
eines weichen Pinsels einen dünnen, gleichmässigen Anstrich
von Kollodium geben. Auf solche Art behandelte Metallsachen
halten sich jahrelang blank, ohne dass sie geputzt zu werden
brauchen. Kleinere Rostflecke lassen sich ohne Schwierigkeit
mit der Lederfeile (ein mit Leder überzogenes Stückchen Holz)
und etwas Wiener Kalk wegputzen.
[179]Praktische Winke.
Die Polierkette darf, wie bereits bemerkt worden, erst nach-
dem das Gebiss von allen Rostspuren befreit worden ist, in
Verwendung treten. Die Arbeit mit diesem Werkzeuge wird
bedeutend erleichtert, wenn man sich ein an die Wand zu be-
festigendes, mit Haken versehenes Brett anschafft. Wird nun
der Gegenstand, der poliert werden
soll, auf einen dieser Haken gehängt,
so können beide Hände beim Gebrauch
der Polierkette benützt werden. Was
die Kette selbst betrifft, wird dieselbe
in drei Formen angefertigt, von denen
jede ihre bestimmten Vorteile hat und
deshalb in keiner Sattelkammer fehlen
sollte. Die viereckige Form dient zum
Polieren glatter und gerader Gebisse,
die längliche zum Polieren von Ringen,
gebogenen Kandaren u. s. w. und die
an einen Fidelbogen erinnernde kann
nach beiden Richtungen angewendet
werden.
Einen ganz besonders schönen
Glanz erhält das Gebiss, wenn man
dasselbe erst oberflächlich mit Wiener
Kalk putzt, es sodann mit Seifenschaum
bestreicht und schliesslich so lange mit
einem angefeuchteten, etwas Putzkalk
Petroleum-Ofen
für Geschirr- und Sattelkammern.
enthaltenden leinenen Beutel abreibt, bis der Seifenschaum voll-
ständig verschwunden ist.
Die Kinnketten werden in der Weise geputzt, dass man
sie zwischen beiden Händen mit etwas Seifenschaum kräftig und
anhaltend abreibt.
Die vernickelten oder plattierten Aufhalterketten sind
leicht blank zu erhalten, wenn der Kutscher sie in einen ledernen
oder aus starkem Stoff angefertigten und mit etwas Stroh an-
[180]Praktische Winke.
gefüllten Sack legt, diesen dann an jedem Ende mit einer Hand
erfasst und ihn mit hochgehaltenen Armen hin- und herschwenkt.
Das Stroh wird hierdurch vollständig zerrieben, die Ketten aber
erhalten gleichzeitig einen Glanz, der nichts zu wünschen übrig
lässt.
Ein sorgsamer Kutscher macht es sich zur Regel, jeden
noch so unbedeutenden Schaden sogleich auszubessern oder
ausbessern zu lassen und nie mit einem Messer oder Pfriemen
Peitschenständer.
Löcher in die Schnallriemen, Stränge oder Leit-
seile zu bohren. Zu letzterem Zwecke darf nur
ein gutes Locheisen angewendet werden.
Die Luft in jeder Geschirrkammer soll mässig
warm und trocken erhalten werden, damit das
Leder keine Sprünge bekomme und die Metall-
bestandteile nicht anlaufen oder rosten. Wo also
kein, die ganze Stallanlage umfassendes Warm-
wasserheizsystem vorhanden, ist in der Geschirr-
kammer ein Ofen aufzustellen, der so eingerichtet
sein muss, dass stets heisses Wasser zur Ver-
fügung steht.
Fig. 131 stellt einen eigens für Geschirr-
kammern und Wagenremisen konstruierten Petro-
leumofen dar, der den höchsten Anforderungen
entspricht. Derselbe vermag auch bei grösster Kälte einen Raum
von 20 Fuss im Quadrat schnell und gründlich zu erwärmen
und liefert gleichzeitig ein ausserordentlich intensives Licht. Die
Lampe, die mit einer klaren weissen Flamme brennt, hält zwölf
Stunden vor.
Zum Aufhängen der Peitschen empfehlen wir den in Fig. 132
abgebildeten neuartigen Peitschenständer. Nur ein Kutscher der
allerniedrigsten Klasse wird die Peitschen in die Ecke stellen
oder auf einen in die Wand eingeschlagenen Nagel aufhängen.
[181]Praktische Winke.
3. Für den Kutscher.
Die Kapitelüberschrift „Praktische Winke“ besagt schon,
dass wir nicht beabsichtigen, uns hier mit den ebenso zahl-
reichen wie vielseitigen Berufspflichten des Kutschers zu be-
schäftigen. Wollten wir uns auch auf eine Besprechung des
Stalldienstes und der Fahrkunst einlassen, so müssten wir die
Grenzen, die wir uns für vorliegende kleine Arbeit gesteckt,
weit überschreiten. Unsere Aufgabe war und ist eben nur, den
Lesern über die äusseren Merkmale oder „Points“ der korrekt,
d. h. dem jeweiligen Zwecke entsprechend, zusammengestellten
Luxus-Equipagen zu orientieren. Auch im Nachstehenden werden
wir daher ausschliesslich diejenigen Äusserlichkeiten hervorheben,
die im Verein mit grosser Eleganz und Sicherheit im Fahren,
den korrekten Kutscher so scharf und vorteilhaft von seinem
ungeschulten Berufsgenossen unterscheiden. Es erscheint dies
umso notwendiger, als jene Äusserlichkeiten von entscheidendem
Einfluss auf die Gestaltung des Gesamtbildes sind, das die mit
bedeutendem Aufwand von Mühe und Kosten zusammengestellte
Equipage dem Auge des Kenners darbieten soll.
Was zunächst die Haltung des Kutschers anbelangt, so
muss dieselbe bei jeder Gelegenheit den Beweis liefern, dass
der Mann ein überzeugter Anhänger der in vornehmen Häusern
herrschenden Etikette ist. Sollte er nicht imstande sein oder
es für überflüssig erachten, sich den Ton, die Manieren und
den Takt eines in strenger Zucht und feiner Umgebung auf-
gewachsenen Dieners anzueignen, so besteige er lieber den
Bock einer Droschke oder eines Bierwagens.
Auf sein Äusseres verwende er die grösste Sorgfalt. Wer
ihn ansieht, muss sich sagen können: „Der Mann hält etwas
auf sich, er will repräsentieren, will den Herrn, dem er dient,
sich selbst und seinen Beruf ehren.“
Auch sein Sitz gebe zu erkennen, dass er eine hohe Mei-
nung von der Würde und den Pflichten eines herrschaftlichen
[182]Praktische Winke.
Kutschers hat. So grobe Fehler, wie auf dem Bocke freund-
schaftliche Grüsse mit Bekannten auszutauschen, dort zu rauchen
oder irgend etwas zu verzehren, mit der Peitsche zu knallen u. s. w.,
Sitz und Haltung des Kutschers auf dem Bocke.
wird er sich daher
auch nie zu Schul-
den kommen las-
sen, denn was der
Engländer „bad
form“ nennt, ist
ihm aus innerster
Überzeugung ein
Greuel.
Wollte man
die eben erwähnte
Haltung einem voll-
ständig ahnungs-
losen Kutscher-
lehrling zur Nach-
ahmung empfehlen,
so würde man sich
ungefähr wie folgt
zu äussern haben:
„Das erste, was
Du zu thun hast,
ist Dir die Rock-
schösse möglichst
faltenlos unter das
Gesäss und um die
Schenkel zu schla-
gen, die Zügel-
enden zwischen die Beine durchzuziehen und Dich ungezwungen
auf das Keilkissen hinzusetzen. Nachdem dies geschehen, wirst
Du Deine Aufmerksamkeit zunächst der Haltung des Oberkörpers
zuwenden. Diese soll gerade sein ohne in den Fehler rekruten-
[183]Praktische Winke.
hafter Steifheit zu verfallen. Die Augen verbleiben selbstver-
ständlich unausgesetzt den Pferden zugerichtet; die Oberarme
sind leicht anzuschliessen; die linke, zügelführende Hand wird
mitten vor den Leib gestellt und die Rechte stützt die etwas
nach vorwärts gerichtete Peitsche auf den rechten Oberschenkel.
Wenn Du dann schliesslich noch mit leicht gebogenen Knieen
die Absätze aneinander schiebst und die Fussspitzen ein wenig
nach auswärts richtest, kannst Du versichert sein, dass der
Fachmann an Deiner Haltung auf dem Bocke nichts auszusetzen
finden wird. (Fig. 133.)
Dass auch die Pferde keine nachlässige Haltung zeigen
dürfen, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. Die
Pferde eines geschickten Kutschers nehmen beim Halten sofort
die gestreckte Paradestellung ein. (Fig. 59 Seite 94.) Es sei
jedoch ausdrücklich bemerkt, dass die hierzu erforderliche Dressur
nicht vorgenommen werden darf, während die Equipage auf die
Herrschaft wartet. Alles was zur Dressur gehört, wird gelegentlich
der zum Bewegen der Pferde bestimmten Fahrten erledigt, für
welche bekanntlich der Break benützt zu werden pflegt.
Beim Erscheinen der Herrschaft nimmt der in guter Schule
ausgebildete Kutscher schnell die Peitsche in die linke Hand und
greift mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand an
den vorderen Teil der Hutkrempe. In dieser Stellung verharrt
er, bis ihm der Befehl zur Abfahrt erteilt worden. Sollte er
während der Fahrt angesprochen werden, oder schickt sich die
Herrschaft an, den Wagen zu verlassen, salutiert er in derselben
Weise. Befehle nimmt er mit einem kurzen aber respektvollen
„Sehr wohl“ entgegen.
Vom Stall zu der Thür, wo eingestiegen werden soll und
von dort zurück zum Stall wird nur Schritt gefahren. Mit leerer
Equipage ein flottes Tempo einzuhalten, ist, zumal in der Stadt,
überhaupt nicht chic, wie denn auch das Schnellfahren auf dem
Strassenpflaster von jedem herrschaftlichen Kutscher mit Recht
als ein Fleischersport betrachtet wird.
[184]Praktische Winke.
Ohne besondere Veranlassung Überzieher mitzunehmen, ist
gegenwärtig nicht gebräuchlich. Wurde aber die Mitnahme
dieses Kleidungsstückes anbefohlen, so ist dasselbe mit nach
Innen gezogenen Ärmeln, schmal zusammengelegt und vollkommen
zugeknöpft, in der Weise über das Sitzkissen des Bockes zu
breiten, dass es rückwärts mit der ganzen Knopfreihe herabhängt.
Der Regenrock dagegen sollte vorsichtigerweise stets, im
Bockkasten verwahrt, mitgenommen werden. In eine Tasche
dieses Rockes gehört ein Gummiüberzug für den Hut, in die
andere ein Paar gestrickte Handschuhe. So ausgerüstet, hat
der Kutscher für sich und seinen Anzug nichts von etwaigen
Launen des Wettergottes zu fürchten.
Beim Vorfahren mit einem geschlossenen Wagen sind die
Fenster zur Hälfte herunterzulassen. Es hat dies den Zweck
der frischen Luft Eingang in den Wagen zu verschaffen, bevor
die Herrschaft ihre Sitze in demselben einnimmt.
Zu jeder Fahrt, gleichviel welches ihr Ziel, nimmt der
korrekte Kutscher im Bockkasten eine lederne Tasche mit, die
ein als Hammer, Zange und Feile zu verwendendes Werkzeug,
einige Reserve-Hufeisen, ein Dutzend Hufnägel, mehrere starke
Stricke und eine Rolle Bindfaden enthält. Im Besitz dieser
Tasche wird es ihm beinahe immer möglich sein, vorkommende
kleinere Schäden schnell zu reparieren, bevor dieselben sich zu
einer Katastrophe gestalten. Genannte Gegenstände lose im
Bockkasten zu verwahren, empfiehlt sich schon aus dem Grunde
nicht, weil diese dann während der Fahrt leicht ein lästiges
klapperndes Geräusch verursachen könnten.
Ist der Kutscher nur zur Begleitung seines, in diesem Falle
selbstfahrenden Herrn befohlen, so wird er hinter dem Vorder-
sitz des ein- oder zweispännigen Wagens stehend, im Schritt
vorfahren, beim Hausthore angekommen die Zügel am Zügel-
halter bezw. Kotschirm befestigen und sich vor die Pferde stellen.
Beim Erscheinen des Herrn grüsst er in vorgeschriebener Weise,
bleibt jedoch ruhig stehen, bis dieser Platz genommen und die
[185]Praktische Winke.
Zügel ergriffen hat. Dann erst eilt er den Rücksitz zu erklimmen
und sich dort mit untergeschlagenen Armen niederzusetzen.
Improvisierte Rosselenker, die sich Kutscher nennen, that-
sächlich aber nur in Livree gesteckte Fuhrknechte sind, pflegen
sich auf derartigen Fahrten prächtig zu unterhalten. Sie thun
so, als ob sie die ganze Fahrerei nichts anginge und sie nur
zu ihrem Privatspass mitgenommen wären. Kommt ein Be-
kannter des Weges, so entbieten sie ihm freundlichst ihren
Gruss, nach hübschen Dienstmädchen sehen sie sich mit Kenner-
miene möglichst lange um, was ihnen lustig erscheint wird un-
geniert belacht, führt die Fahrt durch ödere Gegenden, riskieren
sie ein Schläfchen u. s. w. Anders der korrekte Kutscher.
Dieser verfolgt mit gespannter Aufmerksamkeit das Thun und
Lassen seines Herrn und seiner Pferde. Alles andere ist für ihn
nicht vorhanden. Gegrüsst wird niemand, nicht einmal diejenigen
Herrschaften die dem Herrn das Geleite bis zur Schwelle ihres
Hauses geben. Nur wenn sein Herr ihn anspricht, erhebt er
sich und antwortet vorschriftsmässig salutierend. Beim ersten
Anzeichen, dass der Herr anhalten will, springt er behend vom
Wagen, um seinen für diesen Fall bestimmten Platz vor den
Pferden einzunehmen. In einem Nu voltigiert er auch vom
Rücksitz herunter, wenn er bemerkt, dass die Pferde aus irgend
einem Anlass im Begriffe stehen Unheil anzustiften und wo es
Not thut, weiss er durch warnenden Zuruf oder Handbewegung
Kollisionsgefahren vorzubeugen.
Wir geben gerne zu, dass solches, zumeist während schneller
Fahrt gefordetes Ab- und Hinaufvoltigieren nur dann glatt ab-
laufen wird, wenn es gründlich geübt worden. Es ist uns aber
auch nie in den Sinn gekommen, den Beruf eines herrschaft-
lichen Kutschers als einen bequemen und leicht zu erlernenden
hinzustellen.
Die Livreefrage haben wir bereits Seite 76—82 so ein-
gehend erörtert, dass wir, was dieses Detail des Equipagenwesens
anbelangt, hier nur einige praktische Winke für den Kutscher
[186]Praktische Winke.
nachzutragen haben. So z. B. empfehlen wir ihm, wie auch
jedem Gentlemanfahrer, die in Figur 134 abgebildeten Fahr-
handschuhe. Diese besitzen nämlich den besonders beim Fahren
von scharf ins Zeug gehenden Blutpferden nicht gering anzu-
schlagenden Vorzug, dass sie, dank den über die ganze Hand-
fläche verteilten, hervorstehenden Rippen, dem Durchgleiten
glatter Zügel erfolgreichen Widerstand entgegenstellen. Ausser-
dem sind sie ungemein stark. Wer sich derartige Handschuhe
Gerippte Fahrhandschuhe.
durch seinen Sattler kommen lassen will,
merke sich die Adresse: Fownes Bros. \& Co.,
71—75 Gresham Street, London E. C.
Ferner dürfte es nicht überflüssig sein,
darauf hinzuweisen, dass der Kutscher viel
dazu beitragen kann seine Livree lange nett
und sauber zu erhalten.
Wir wollen uns zu diesem Zwecke
zuerst mit dem Hute beschäftigen. Ist dieser
dem Einflusse nasser Witterung ausgesetzt
gewesen, so nehme der Kutscher einen leicht
in warmes Wasser getauchten, weichen und
reinen Schwamm und fahre mit demselben
mehreremale in der Richtung des Striches
über den Filz. Dann lasse er den Hut
trocknen und glätte ihn mit einer weichen Bürste. Die letzte
Politur gebe er mit einem seidenen Tuche. Sollte der Hut allen
Glanz verloren haben, so empfiehlt es sich, das seidene Tuch
mit 2—3 Tropfen Tafelöl zu benetzen. Mehr Öl darf jedoch
nicht verwendet werden, denn dann erhält der Hut einen wider-
wärtigen fettigen Glanz.
Die vielfach zu Livreen benützten drapfarbigen Über-
zieher lassen sich am besten mit Kleie reinigen, die kräftig
in das Tuch hineingerieben wird. Ist der Rock sehr schmutzig
geworden, so nehme man zuerst angefeuchtete Kleie und beendige
das Putzen mit einer ausgiebigen Einreibung von trockener
[187]Praktische Winke.
Kleie. Das Kollern weisslederner Breeches erfolgt am zweck-
mässigsten nach folgendem Rezept:
Putze die Breeches zuerst mit einer in reines weiches
Wasser getauchten Bürste, ohne sie durchnass werden zu lassen.
Bestreiche sie sodann mit nachstehender Mischung:
- Kreide ....... 238 Gramm
- Alaun ....... 119 „
- Hausenblase ..... 15 „
- Pulverisierter Bimsstein .. 30 „
- Weisse Seife ..... 59 „
- Pfeifenthon ...... 3 Tafeln
- Stärke ....... 1 Esslöffel
- Tafelöl ....... 6 „
Diesen Ingredienzen wird siedendes Wasser zugesetzt, bis
das Ganze die Konsistenz dicken Rahms angenommen hat. So-
bald dies der Fall, ist die Mischung geeignet, dünn mit einer
Bürste aufgetragen zu werden. Hierauf lässt man die Breeches
langsam und gründlich trocknen und klopft sie sodann mit einem
Rohrstock tüchtig aus, bevor man sie in ihrer richtigen Länge
auf die Hölzer spannt. Zum Schluss werden sie auch gebügelt,
doch dürfen die hiezu verwendeten Eisen nicht zu heiss sein.
Sollte sich bei dieser Reinigung ergeben, dass nicht alle
Flecken herausgegangen, so wird die Anwendung von etwas
Zitronensaft, der nachher mit Wasser wieder weggewaschen
werden muss, voraussichtlich zum Ziele führen.
Anstatt der ledernen Hosen werden jedoch in England viel-
fach solche aus weissem Stoff, sog. Stockinet, benützt. Dieser
ist nämlich nicht nur weit leichter zu reinigen, sondern bereitet
auch dem Schneider bei der Anfertigung der Hosen bedeutend
weniger Schwierigkeiten wie das Leder.
Die weissen Stulpen der Livreestiefel putzt man in
folgender Weise: 30 Gramm weisser Vitriol werden in einer
Flasche Regenwasser aufgelöst. Nachdem dieser Lösung noch
15 Gramm Oxalsäure zugesetzt worden, wird sie mit einem
[188]Praktische Winke.
Schwamm aufgetragen und mit einer Bürste kräftig in das Leder
hineingebürstet. Wir bemerken jedoch ausdrücklich, dass die
Oxalsäure giftig ist. 15 Gramm genügen schon, um den Tod
eines Hundes in wenigen Minuten herbeizuführen. Vorsicht im
Gebrauch dieses Mittels ist somit dringend geboten. Zum Putzen
farbiger Stulpen empfehlen wir das bewährte englische Prä-
parat „Propert’s Powder“, das von jedem grösseren Sattler-
geschäft bezogen werden kann.
Schliesslich möchten wir die Kutscher und Equipagenbesitzer
auch noch darauf aufmerksam machen, dass das in jüngster Zeit
sehr modern gewordene Stutzen der Pferdemähnen nur dann den
Beifall des Kenners findet, wenn das betreffende Pferd das Mass
von 150 cm nicht überschreitet und die Mähne wirklich bis auf
den Grund gestutzt worden ist. Eine nach dem Vorbilde der
Parthenon-Pferde gestutzte Mähne entspricht also nicht den An-
forderungen der Fashion.
Appendix A Inhalts-Verzeichnis.
- Seite
- Historisches 1— 17
- Die Gala-Equipage 18— 32
- Die vierspännigen Luxus-Equipagen 33— 62
- Die zweispännigen Luxus-Equipagen 63—117
- Das Tandem 118—133
- Die einspännigen Luxus-Equipagen 134—161
- Praktische Winke.
I. Für die Behandlung der Wagen 162—172 - II. Für die Behandlung der Geschirre 172—180
- III. Für den Kutscher 181—188
- Verzeichnis der Abbildungen 190—192
[[190]]
Appendix B Verzeichnis der Abbildungen.
- Seite
- Alarmglocke für den Kut-
scher 74 - Anspannung à la Daumont 27
- Aufsatzzügel, zu scharf wir-
kender 83 - Barouche26
- Blendageschirr157
- Die einzelnen Bestandteile
des Blendageschirrs 158 - Break. Vierspänniger Break 51
- Zweispänniger Break 109
- Breeches modernster Form 81
- Briska, franco-russische s. u.
Schlitten.
Buggy, Pariser 146 - Bürsten. Schmutzbürste 175
- Schmierbürste 175
- Wichsbürsten 175
- Ornamentbürsten 175
- Buxton-Kandare s. u.
Kandare.
Cabriolet. Grosses Cabriolet 144 - Kleines Cabriolet 145
- Cart. Dog-Cart 109
- Lancer-Cart 110
- Tandem-Cart 127. 128
- Cart mit verschiebbarem
Sitz 129 - Bombay-Cart 147
- Morning-Cart 149
- Seite
- Dog-Cart (Standard Form) 150
- Dalmatian-Cart 151
- Village-Cart 152
- Pariser Ralli-Cart 152
- Princess-Cart 153
- Das Innere des Princess-Cart 154
- C-Feder6
- Char-à-Bancs49. 50
- Char-à-Bancs mit Langbaum 49
- Char-à-Bancs Guiet 50
- Char-à-Bancs Guiet mit zu-
rückgeschlagenen Sitzen 51 - Zweispänniger Char-à-Bancs 107
- Charette, Pariser 143
- Chariot25
- Coach. Mail-Coach 34
- Viererzug einer Mail-Stage-
Coach 43 - Viererzug einer Privat-Coach 45
- Kondukteur einer Mail-Coach 48
- Coupé. Coupé à huit ressorts 70
- Zweisitziges Coupé 71
- Dreiviertel-Coupé mit
Gummirädern 71 - Einspänniges Coupé 135
- Pferd für einspänniges
Coupé 136 - Curricle102
- Deichselbeschlag s. u.
Sicherheits-Deichselbeschlag. - Seite
- Deichselschirm116
- Doppelringtrense111
- Drag auf der Fahrt zum Meet
des Coaching-Club’s 41 - Druckfeder6
- Duc96
- Equipage à la demi Dau-
mont 29 - Fahrhandschuhe, gerippte 186
- Gala-Glaskutsche19
- Galawagen der Königin von
England 7 - Geschirrbock173
- Gig148
- Skelett-Gig 149
- Groom. Groom in englischer
Livree. Vorderansicht 79 - Groom in englischer Livree.
Rückenansicht 79 - Groom im Paletot 80
- Gummi-Radreifen170
- Hansom. Court-Hansom 138
- Imperial Brougham-Hansom 139
- Hinterzeug, neuartiges 156
- Jucker, hochveredelter,
ungarischer 56 - Juckerpeitsche, ungarische 52
- Kammdeckel66
- Kandare. Buxtonkandare 66
- Liverpoolkandare 89
- Kapgeschirr103
- Karrickelstange. Befesti-
gung derselben an der
Deichsel 104 - Befestigung derselben am
Geschirr 104 - Karrossier. Grosser Kar-
rossier mit Pracht-Gala-
geschirr 21 - Karrossier französischer
Zucht 65 - Kondukteur s. u. Coach.
- Seite
- Krönungswagen, öster-
reichischer 9 - Kutsche, gewöhnliche zur Zeit
der Königin Elisabeth 3 - Kutscher. Kutscher in eng-
lischer Livree 77 - Kutscher im Paletot 78
- Kutscherhut81
- Landauer. Seftonlandauer 68
- Shelbournelandauer 69
- Lennann’sche Tandem-
Anspannung s. u. Tandem
Liverpoolkandare s. u.
Kandare
Mechanismus des verschieb-
baren Sitzes 129 - Monogramm, modernes 175
- Nécessaire mit Uhr für Coupé 75
- Ofen s. u. Petroleumofen.
Omnibus88 - Patentschnallen für Ein-
spännergeschirr von Wil-
liamson \& de Negri 159 - Patentschnallen für zweispän-
niges Geschirr 160 - Peitsche für Gala-Fuhrwerke 31
- Peitschenständer180
- Petroleumofen für Geschirr-
und Sattelkammern 179 - Phaëton. Damen-Phaëton 97
- Amerikanischer Damen-
Phaëton 98 - Mail-Phaëton 99
- Sporting-Phaëton 107
- Amerikanischer Kutschier-
Phaëton 108 - Pony-Chaise113
- Ponykarren155
- Postzug, französischer 36
- Radreifen s. u. Gummi-
Radreifen.
Radwippe166 - Seite
- Road Wagon, amerikanischer 147
- Sänfte aus dem Jahre 1735 5
- Schlitten. Gedeckter
Schlitten 114 - Amerikanischer Schlitten 115
- Gentleman-Schlitten 115
- Franco-russische Briska 116
- Tandem-Schlitten 132
- Sicherheits-Deichsel-
beschlag171 - Signalapparat für Coupé 73
- Signalhorn131
- Sitz und Haltung des Kut-
schers auf dem Bocke 182 - Staatskalesche, viersitzige 24
- Staatskutsche der Königin
Elisabeth von England 3 - Staatswagen aus dem Jahre
1713 5 - Stallanzug82
- Stallmann im Interimsanzug 80
- Steirerwagen112
- Tandem. Dame ihren Hunter
im Tandem zum Meet
fahrend 119 - Lennan’sche Tandem-An-
spannung 123 - Seite
- Tandem-Anspannung mit
Ortscheiten 124 - Tandem-Cart s. u. Cart.
Verdeckfedern. Automa-
tische Verdeckfedern 68 - Automatisch wirkende Ver-
deckfeder 141 - Victoria. Victoria à huit res-
sorts 69 - Gepäck-Victoria 90
- Zweispännige Victoria 91
- Victoria österr.-ungar. Form 93
- Typisches Victoria-Gespann 94
- Gespann vor der Victoria 95
- Einspännige Victoria (My-
lord) 140 - Pferd für einspännige
Victoria 142 - Viererzug, ungarischer 53
- Vis-à-Vis. Halbgedecktes
Vis-à-Vis 106 - Offenes Vis-à-Vis mit ver-
stellbarem Dach 106 - Wagen König Ludwig XVI 6
- Wight, Alfred, Leibkutscher
des Lord Mayor’s in London 23
pag. 384, Verlag von Schickhardt \& Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart.
Anmerkung des Verfassers.
Anmerkung des Verfassers.
Kasten:
dunkelblau,
dunkelblau,
dunkelbraun,
Gestell und Räder:
Gelb, schwarz beschnitten,
Zinnoberrot, braun beschnitten,
Karminrot, chromgelb beschnitten.
Garnierung der äusseren Sitze: naturfarbiges Schweinsleder. Inwendige Gar-
nierung: Tuch von der Farbe des Kastens. Anmerkung des Verfassers.
dem reich illustrierten Werke: „Ungarns Pferdezucht in Wort und Bild“ von Graf
C. G. Wrangel, Stuttgart, 1895, Verlag von Schickhardt \& Ebner (Konrad Wittwer) enthalten.
Anmerkung des Verfassers.
Färbung. Anmerkung des Verfassers.
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CC-BY-4.0
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Wrangel, Carl Gustav. Das Luxus-Fuhrwerk. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bp8v.0