entdeckte Geheimniſs
der
Natur
im Bau und in der Befruchtung
der
Blumen
bei Friedrich Vieweg dem æltern.
C. Jäck ſcripsit et ſcupsit
[[8]][[9]]
Erklaͤrung der Figuren des Titelkupfers.
- Die bey dieſen und den uͤbrigen Figuren befindlichen Bruͤche
zeigen die Vergroͤſſerung und Verkleinerung an. \frac{1}{1} be-
deutet die natuͤrliche Groͤſſe, \frac{2}{1} zweymal vergroͤſſert,
½ zweymal verkleinert, \frac{2+}{1} etwas mehr als zweymal
vergroͤſſert, \frac{2-}{1} etwas weniger als zweymal vergroͤſſert,
\frac{1}{2+} etwas mehr als zweymal verkleinert ꝛc. Dieſe Ver-
groͤſſerung und Verkleinerung aber bezieht ſich auf den
Durchmeſſer des abgebildeten Koͤrpers; man muß alſo
den Wuͤrfel des Bruchs ſuchen, wenn man wiſſen will,
wie ſtark der Koͤrper uͤberhaupt vergroͤſſert oder verklei-
nert worden iſt. Z. B. in Fig. II. iſt ſowohl die Blume,
als das Inſekt dreymal im Durchmeſſer vergroͤſſert; folg-
lich ſind beide uͤberhaupt 27mal vergroͤſſert.
I. Eine Zwitterblume des Roßkaſtanienbaums, Aeſculus
Hippocaſtanum, wird von einer Hummel beſucht und befruchtet.
XXVIII. Ophrys ouata, Zweyblatt.
II. Eben dieſe Blume wird von einer Schlupfwespe beſucht.
III. Epilobium anguſtifolium, welches mir die erſte Gele-
genheit gegeben hat, eine von den wichtigſten Entdeckungen zu
machen, welche in dieſem Buche vorkommen. Dieſe Zwitter-
blume iſt anfaͤnglich maͤnnlichen Geſchlechts, indem ſie zwar An-
therenſtaub, aber noch kein Stigma hat. In dieſem Zuſtande
wird ſie von einer Hummel beſucht, und ihres Staubes beraubt.
XXVII. In der Folge iſt dieſeloͤe weiblichen Geſchlechts,
indem ſie zwar ein Stigma, aber keinen Staub mehr hat. In
dieſem Zuſtande wird ſie von jener Hummel beſucht, und durch
den aus einer juͤngeren Blume mitgebrachten Staub befruchtet.
IV. Der Waldſtorchſchnabel, Geranium ſyluaticum. Dieſe
Blume hat die erſte Veranlaſſung zur Entſtehung dieſes Werks
gegeben.
V. Gundermann, Glecoma hederacea. Die aͤltere weib-
liche Blume.
VI. Dieſelbe, juͤnger und maͤnnlichen Geſchlechts.
VII. Orchis militaris. Eine Scheinſaftblume.
VIII. Die Blume des Berberitzenſtrauchs, Berberis vul-
garis.
IX. Die gemeine Wolfsmilch, Euphorbia Cypariſſias. Die
juͤngere Zwitterblume, welche weiblichen Geſchlechts iſt.
XVII. Dieſelbe, aͤlter und maͤnnlichen Geſchlechts. Bey
dieſer Zwitterblume findet eine Einrichtung Statt, welche einer-
ſeits eben diejenige iſt, welche bey dem Epilobium bemerkt wird,
andererſeits aber grade das Gegentheil derſelben iſt.
X. Orchis Morio. Eine Scheinſaftblume.
XI. Das Maͤrzveilchen, Viola odorata, wird von einer
Biene beſucht und befruchtet.
XII. Der gelbe Huflattig, Tuſſilago Farfara.
XIII. Die gemeine Schwerdtlilie, Iris Pſeudacorus.
XIV. Veronica triphyllos, Huͤnerraute.
XV. Die wilde Salbey, Saluia pratenſis, wird von einer
Hummel befruchtet.
XVI. Das Sumpfveilchen, Viola paluſtris. Die Krone
iſt ohne Schatten gezeichnet, damit man das auf ihrem unterſten
Blatt befindliche Saftmaal beſſer ſehen koͤnne.
XVIII. Die gemeine Paſſionsblume, Paſſiflora coerulea.
XIX. Der weiße Steinbrech, Saxifraga granulata, wird
von einer Fliege befruchtet.
XX. Kalmia poliifolia.
XXI. Die gemeine Oſterluzey, Ariſtolochia Clematitis.
Eine Scheinſaftblume. Die aufrechtſtehenden Blumen vor der
Befruchtung.
XXIII. Dieſelbe. Die herabhangenden Blumen nach der
Befruchtung.
)(
[[10]]Erklaͤrung der Figuren des Titelkupfers.
XXII. Vergiß mein nicht, Myoſotis paluſtris.
XXIV. Pinguicula vulgaris.
XXV. Die Braunwurz, Scrophularia nodoſa, wird von
einer Wespe befruchtet.
XXVI. Der wilde Schwarzkuͤmmel, Nigella aruenſis, wird
von einer Biene befruchtet.
Aſclepias fruticoſa haͤtte mit allem Recht eine Stelle auf
dem Titelblatt verdient; ich habe aber das Geheimniß ihrer Be-
fruchtung erſt, nachdem die Zeichnung ſchon vollendet war, ent-
deckt.
In der Mitte ſind einige Inſekten abgebildet, welche die
Blumen beſuchen, und ſich von dem Saft derſelben ernaͤhren.
Linker Hand eine Hummel, und unter derſelben eine Biene,
welche Thierchen, wie in der Natur, ſo auch in dieſem Buche
eine große Rolle ſpielen. Unter der Biene eine Schmeißfliege,
Muſca carnaria, welche die Schirmblumen beſucht. Rechter
Hand eben dieſelbe Schlupfwespe, welche in Fig. II. abgebildet
iſt. Neben ihr eine kleinere Schlupfwespe, welche ebenfalls eine
ſolche Blume beſucht, und, wie jene, ſich einen gewiſſen Kopf-
ſchmuck aus derſelben geholt hat. — In der Mitte ein Kaͤfer,
Cantharis fuſca, welcher Schirmblumen und andere, deren Saft
ſich nicht an einer verborgenen Stelle befindet, beſucht. Unten
eine Fliege oder Schnacke, welche die Blumen des Berberitzen-
ſtrauchs beſucht und befruchtet.
[[11]]
Vorbereitung.
Dieſe Vorbereitung iſt bloß fuͤr diejenigen Leſer beſtimmt, welche keine botaniſche Kenntniſſe beſitzen.
Ich hoffe, daß der Inhalt dieſes Buchs auch fuͤr ſolche
Perſonen einiges Intereſſe haben wird, welche an der Be-
trachtung der Werke der Natur ein Vergnuͤgen finden, wel-
chen es aber an Zeit oder Gelegenheit gefehlt hat, eine wiſ-
ſenſchaftliche Kenntniß von denſelben uͤberhaupt, und von
den Pflanzen inſonderheit, ſich zu verſchaffen. Da dieſelben
nun, ohne einen Begriff von den Beſtandtheilen der Blu-
men zu haben, das Buch ſchwerlich verſtehen wuͤrden: ſo
habe ich es fuͤr meine Pflicht gehalten, fuͤr ſie folgende kurze
Anweiſung aufzuſetzen, wobey ich die einem Jeden bekannte,
obgleich in manchen Stuͤcken von der gewoͤhnlichen Struktur
der Blumen abweichende, Tulpe zum Grunde legen will.
Wenn wir in eine Tulpe, welche ſich geoͤffnet hat,
hineinſehen, ſo erblicken wir in der Mitte derſelben einen
laͤnglichen verloren dreyſeitigen Koͤrper, welcher das Piſtill
(der Stempel, piſtillum) genannt wird. Derſelbe beſteht
aus zwey Theilen. Der unterſte laͤngere Theil heißt der
Fruchtknoten(germen), und wird zuletzt die Samen-
kapſel. Da nun die eigentliche Abſicht der Ratur, warum
ſie die Blume hervorbringt, dahin geht, Samenkoͤrner,
d. i., Pflanzenembryone hervorzubringen: ſo iſt dieſer Theil
der wichtigſte unter allen, und die uͤbrigen ſind bloß ſeinet-
wegen da. Der oberſte kuͤrzere dreytheilige Theil heißt das
Stigma, oder die Narbe. Wozu derſelbe diene, kann
man nicht einſehen, bevor man nicht weiß, was eine An-
there iſt. Um das Piſtill herum ſtehen ſechs Koͤrper, welche
man die Staubgefaͤße (Staubfaͤden, ſtamina) nennt.
Ein jeder von denſelben beſteht aus zwey Theilen. Den
unterſten nennt man das Filament (den Faden), den
oberſten, welchen jener traͤgt, die Anthere (den Staub-
beutel). Saͤmmtliche Antheren ſind mit einem Staube
bedeckt, welchen ſie ſelbſt bereitet haben. Dieſer Staub
dient zur Befruchtung des Frnchtknotens, oder vielmehr der
in demſelben befindlichen jungen Samen, und wenn nicht
ein hinlaͤnglicher Theil deſſelben auf das Stigma gebracht
wird, ſo kann aus dem Fruchtknoten keine mit guten und
zur Fortpflanzung der Art tuͤchtigen Samenkoͤrnern ange-
fuͤllte Samenkapſel werden. Wenn aber der Staub auf
das Stigma gekommen iſt, ſo dringt zwar nicht er ſelbſt,
als der viel zu grob dazu iſt, aber doch das feine befruch-
tende Weſen, welches er enthaͤlt, durch daſſelbe hindurch
und in das Innere des Fruchtknotens hinein, und wirkt
auf die Samenkeime ſo, als im Thierreich der maͤnnliche
Same auf den Eyerſtock des Weibchens. Wegen dieſer
Aehnlichkeit der Befruchtungsart nennt man die Staubge-
faͤße die maͤnnlichen, das Piſtill hingegen den weibli-
chen Befruchtungstheil, und es iſt leicht einzuſehen, daß
dieſes die weſentlichſten Theile der Blume ſind.
Daß bey dieſer Blume das Stigma unmittelbar auf
dem Fruchtknoten ſitzt, iſt das erſte Stuͤck, worin ſie von
der gewoͤhnlichen Struktur der Blumen abweicht. Denn
gewoͤhnlich befindet ſich zwiſchen dem Stigma und dem
Fruchtknoten noch ein duͤnnerer und oftmals ziemlich langer
Theil, welcher der Griffel(ſtylus) genannt wird. Da
alſo der Griffel in manchen Blumen fehlt, ſo iſt er nicht als
ein ſchlechterdings nothwendiger Theil anzuſehen. Ein glei-
ches gilt von den Filamenten, welche auch in einigen Blu-
men fehlen.
Da nun die Tulpe ſowohl maͤnnliche, als weibliche
Befruchtungstheile hat, ſo iſt ſie eine Zwitterblume.
Haͤtte ſie bloß Staubgefaͤße, aber kein Piſtill, ſo wuͤrde ſie
eine maͤnnliche, und umgekehrt, wenn ſie zwar ein
Piſtill, aber keine Staubgefaͤße haͤtte, eine weibliche
Blume ſeyn. Und wenn ſie weder maͤnnliche, noch weib-
liche Befruchtungstheile haͤtte, ſo wuͤrde ſie eine ge-
ſchlechtsloſe Blume genannt werden. Eine Zwitter-
blume iſt an und fuͤr ſich im Stande, eine Frucht anzu-
ſetzen, eine weibliche Blume kann ſchlechterdings keine Frucht
anſetzen, wenn nicht auch eine maͤnnliche vorhanden iſt, von
welcher ſie Staub erhaͤlt, und eine maͤnnliche kann zwar
ſelbſt keine Frucht anſetzen, verurſacht aber, daß die weib-
liche ſolches thun kann. Eine geſchlechtsloſe Blume kann
weder ſelbſt eine Frucht hervorbringen, noch zur Befruch-
)( 2
[[12]]Vorbereitung.
tung einer anderen unmittelbar das geringſte beytragen.
Hieraus folgt, daß es Pflanzen geben koͤnne, welche bloß
Zwitterblumen hervorbringen, aber keine, welche bloß
maͤnnliche, oder bloß weibliche Blumen haben, ſondern daß
ſie in jenem Fall ſchlechterdings auch weibliche, in dieſem
auch maͤnnliche Blumen haben muͤſſen, daß es endlich noch
viel weniger ſolche Pflanzen geben koͤnne, welche keine an-
dere als bloß geſchlechtsloſe Blumen haben. Welches alles
die Erfahrung beſtaͤtigt.
Um die Geſchlechtstheile der Tulpe herum finden wir
ſechs Blaͤtter, welche gefaͤrbt ſind, d. i., eine andere Farbe
haben, als die gruͤne. Dieſelben machen zuſammen die
Krone(corolla) aus. Staͤnden um dieſe herum noch ei-
nige Blaͤtter, welche ſich ſowohl durch die Geſtalt, als durch
die Farbe von jenen unterſchieden, ſo wuͤrde man dieſelben
den Kelch(calyx) nennen. Ein ſolcher Kelch iſt bey den
mehreſten Blumen vorhanden, und die Abweſenheit deſſelben
iſt das zweyte Stuͤck, worin die Tulpe von der gewoͤhnlichen
Struktur abweicht. Wenn am Stiel nicht weit von der
Blume ein Blatt ſaͤße, welches in der Geſtalt und Farbe
ſowohl von den Blaͤttern der Pflanze, als auch von den Kro-
nenblaͤttern der Blume, und, wenn ſie einen Kelch haͤtte,
auch von ihren Kelchblaͤttern verſchieden waͤre: ſo wuͤrde
man daſſelbe ein Blumenblatt(bractea) nennen. Ein
ſolches Blatt finden wir z. B. bey der Linde.
Der oberſte Theil des langen Blumenſtiels, oder viel-
mehr des Schafts, auf welchen alle dreyzehn Beſtandtheile
der Tulpe angefuͤgt ſind, heißt der Boden(receptaculum).
Die Kayſerkrone hat viel Aehnlichkeit mit der
Tulpe, ſie unterſcheidet ſich aber von derſelben vorzuͤglich
dadurch, daß ſie im Grunde ihrer Krone ſechs Hoͤhlen hat,
welche mit einem ſuͤßen Saft (Honig, nectar) angefuͤllt
ſind. Einen ſolchen Saft finden wir bey den mehreſten Blu-
men, und der Mangel deſſelben iſt das dritte Stuͤck, wo-
durch ſich die Tulpe von andern auszeichnet. Denjenigen
Theil, welcher dieſen Saft enthaͤlt, pflegt man das
Nectarium (die Saftgrube, das Saftbehaͤltniß) zu nen-
nen. Daß viele Arten von Inſekten dieſem Saft nachge-
hen, und ſich davon ernaͤhren, daß inſonderheit die Bienen
den ganzen Sommer hindurch nicht nur mit demſelben ſich
ernaͤhren, ſondern auch ihre Winternahrung, den Honig,
aus demſelben bereiten, iſt einem Jeden bekannt.
Zur Erlaͤuterung des Geſagten mag die auf der fuͤnften
Kupfertafel abgebildete Paſſionsblume dienen. Der
kleine runde Koͤrper, welchen man in der Mitte der 2. Figur
ſieht, und welcher in Fig. 6. eyfoͤrmig erſcheint, iſt der
Fruchtknoten. Auf demſelben ſitzen drey Griffel. Das
breite Ende eines jeden Griffels, welches in beiden Figuren
punktirt iſt, iſt ein Stigma. Dieſer Fruchtknoten, dieſe
drey Griffel und dieſe drey Stigmate machen zuſammen das
Piſtill aus. In Fig. 6. ſieht man, daß der Fruchtknoten
auf einem Saͤulchen ſteht, aus welchem unmittelbar unter
jenem fuͤnf lange Koͤrper entſtehen, welche man in Fig. 2.
noch deutlicher ſieht. Dies ſind die Filamente. Die an
das Ende derſelben angefuͤgten langen Koͤrper ſind die An-
theren. Die Blume hat alſo fuͤnf Staubgefaͤße. Der Staub
der Antheren iſt durch Punkte angedeutet. In Fig. 6. ſieht
man denſelben auf der unteren Seite der drey vorderſten
Antheren, und in Fig. 2. einen kleinen Theil deſſelben an
den Raͤndern aller fuͤnf Antheren.
Da alſo die Paſſionsblume ſowohl maͤnnliche, als weib-
liche Befruchtungstheile hat, ſo iſt ſie auch eine Zwitter-
blume. Ob aber gleich der Fruchtknoten ſchon die Samen-
keime enthaͤlt, ſo kann er doch nicht anders eine mit guten
Samenkoͤrnern verſehene Frucht werden, als wenn ein Theil
des Antherenſtaubes auf die Stigmate gebracht wird, deſſen
befruchtendes Weſen hierauf durch die Griffel in den Frucht-
knoten dringt. Auf welche Art dieſes nun geſchieht, wird
an ſeinem Ort gezeigt werden.
Dieſe Blume hat ſowohl einen Kelch, als eine Krone.
Jener beſteht aus den fuͤnf Blaͤttern b b ꝛc. Fig. 2., welche
auf der unteren Seite gruͤn, auf der oberen aber weiß ſind;
dieſe aus den fuͤnf Blaͤttern a a ꝛc., welche auf beiden Seiten
weiß ſind.
Endlich hat dieſe Blume auch ein Nectarium, welches
an ſeinem Ort beſchrieben werden wird.
Ich glaube, daß dieſes fuͤr aufmerkſame Leſer hinrei-
chend ſeyn wird, um ſo viel mehr, da das mehreſte und
wichtigſte durch Figuren erlaͤutert worden iſt. Spandow,
d. 18. December 1792.
C. K. Sprengel, Rektor.
Einlei-[[13]]
Einleitung.
Als ich im Sommer 1787 die Blume des Waldſtorchſchnabels
(Geranium ſylvaticum) aufmerkſam betrachtete, ſo fand ich,
daß der unterſte Theil ihrer Kronenblaͤtter auf der innern Seite
und an den beiden Raͤndern mit feinen und weichen Haaren ver-
ſehen war. Ueberzeugt, daß der weiſe Urheber der Natur auch
nicht ein einziges Haͤrchen ohne eine gewiſſe Abſicht hervorge-
bracht hat, dachte ich daruͤber nach, wozu denn wohl dieſe Haare
dienen moͤchten. Und hier fiel mir bald ein, daß, wenn man
vorausſetzte, daß die fuͤnf Safttroͤpfchen, welche von eben ſo vie-
len Druͤſen abgeſondert werden, gewiſſen Inſekten zur Nahrung
beſtimmt ſeyen, man es zugleich nicht unwahrſcheinlich finden
muͤßte, daß dafuͤr geſorgt ſey, daß dieſer Saft nicht vom Re-
gen verdorben werde, und daß zur Erreichung dieſer Abſicht dieſe
Haare hier angebracht ſeyen. Die vier erſten Figuren der 18.
Kupfertafel koͤnnen zur Erlaͤuterung deſſen dienen, was ich ſage.
Sie ſtellen den Sumpfſtorchſchnabel (Geranium paluſtre) vor,
welcher dem Waldſtorchſchnabel ſehr aͤhnlich iſt. Jedes Saft-
troͤpfchen ſitzt auf ſeiner Druͤſe unmittelbar unter den Haaren,
welche ſich an dem Rande der zwey naͤchſten Kronenblaͤtter befin-
den. Da die Blume aufrecht ſteht, und ziemlich groß iſt:
ſo muͤſſen, wenn es regnet, Regentropfen in dieſelbe hineinfallen.
Es kann aber keiner von den hineingefallenen Regentropfen zu
einem Safttroͤpfchen gelangen, und ſich mit demſelben vermiſchen,
indem er von den Haaren, welche ſich uͤber dem Safttroͤpfchen
befinden, aufgehalten wird, ſo wie ein Schweißtropfen, welcher
an der Stirn des Menſchen herabgefloſſen iſt, von den Augenbrau-
nen und Augenwimpern aufgehalten, und verhindert wird, in das
Auge hinein zu fließen. Ein Inſekt hingegen wird durch dieſe Haare
keinesweges verhindert, zu den Safttroͤpfchen zu gelangen. Ich
unterſuchte hierauf andere Blumen, und fand, daß verſchiedene
von denſelben etwas in ihrer Struktnr hatten, welches zu eben
dieſem Endzweck zu dienen ſchien. Je laͤnger ich dieſe Unterſuchung
fortſetzte, deſto mehr ſahe ich ein, daß diejenigen Blumen, welche
Saft enthalten, ſo eingerichtet ſind, daß zwar die Inſekten ſehr
leicht zu demſelben gelangen koͤnnen, der Regen aber ihn nicht
verderben kann. Ich ſchloß alſo hieraus, daß der Saft die-
ſer Blumen, wenigſtens zunaͤchſt, um der Inſekten willen abge-
ſondert werde, und, damit ſie denſelben rein und unverdorben
genießen koͤnnen, gegen den Regen geſichert ſey.
Im folgenden Sommer unterſuchte ich das Vergiß mein nicht
(Myoſotis paluſtris). Ich fand nicht nur, daß dieſe Blume
Saft hat, ſondern auch, daß dieſer Saft gegen den Regen voͤllig
geſichert iſt. Zugleich aber fiel mir der gelbe Ring auf, welcher
die Oeffnung der Kronenroͤhre umgiebt, und gegen die himmel-
blaue Farbe des Kronenſaums ſo ſchoͤn abſticht. Sollte wohl,
dachte ich, dieſer Umſtand ſich auch auf die Inſekten beziehen?
Sollte die Natur wohl dieſen Ring zu dem Ende beſonders ge-
faͤrbt haben, damit derſelbe den Inſekten den Weg zum Safthal-
ter zeige? Ich betrachtete in Ruͤckſicht auf dieſe Hypotheſe
andere Blumen, und fand, daß die mehreſten ſie beſtaͤtigten.
Denn ich ſahe, daß diejenigen Blumen, deren Krone an Ei-
ner Stelle anders gefaͤrbt iſt, als ſie uͤberhaupt iſt, dieſe Flecken,
Figuren, Linien oder Duͤpfel von beſonderer Farbe immer da haben,
wo ſich der Eingang zum Safthalter befindet. Nun ſchloß ich
vom Theil auf das Ganze. Wenn, dachte ich, die Krone der
Inſekten wegen an einer beſonderen Stelle beſonders gefaͤrbt iſt,
ſo iſt ſie uͤberhaupt der Inſekten wegen gefaͤrbt; und wenn jene
beſondere Farbe eines Theils der Krone dazu dient, daß ein In-
ſekt, welches ſich auf die Blume geſetzt hat, den rechten Weg
zum Saft leicht finden koͤnne, ſo dienet die Farbe der Krone dazu,
daß die mit einer ſolchen Krone verſehenen Blumen den ihrer
Nahrung wegen in der Luft umherſchwaͤrmenden Inſekten, als
Saftbehaͤltniſſe, ſchon von weitem in die Augen fallen.
Als ich im Sommer 1789 einige Arten der Iris unterſuchte,
ſo fand ich bald, daß Linné ſich in Anſehung ſowohl des Stigma,
als auch des Nectarii geirrt habe, daß der Saft gegen den Regen
voͤllig geſichert ſey, daß endlich eine beſonders gefaͤrbte Stelle da
ſey, welche die Inſekten gleichſam zum Saft hinfuͤhret. Aber ich
fand noch mehr, nemlich daß dieſe Blumen ſchlechterdings nicht
anders befruchtet werden koͤnnen, als durch Inſekten, und zwar
A
[[14]]
Einleitung.
durch Inſekten von einer ziemlichen Groͤſſe. Ob ich nun gleich
damals dieſe Vorſtellung noch nicht durch die Erfahrung beſtaͤ-
tigt fand (denn dieſes geſchahe erſt im folgenden Sommer, da ich
wirklich Hummeln in die Blumen hineinkriechen ſahe): ſo uͤber-
zeugte mich doch ſchon der Augenſchein von der Richtigkeit derſel-
ben. Ich unterſuchte alſo, ob auch andere Blumen ſo gebauet
ſeyen, daß ihre Befruchtung nicht anders, als durch die Inſek-
ten, geſchehen koͤnne. Meine Unterſuchungen uͤberzeugten mich
immer mehr davon, daß viele, ja vielleicht alle Blumen, welche
Saft haben, von den Inſekten, die ſich von dieſem Saft er-
naͤhren, befruchtet werden, und daß folglich dieſe Ernaͤhrung der
Inſekten zwar in Anſehung ihrer ſelbſt Endzweck, in Anſehung der
Blumen aber nur ein Mittel und zwar das einzige Mittel zu einem ge-
wiſſen Endzweck iſt, welcher in ihrer Befruchtung beſteht, und daß
die ganze Struktur ſolcher Blumen ſich erklaͤren laͤßt, wenn man bey
Unterſuchung derſelben folgende Punkte vor Augen hat:
1. Dieſe Blumen ſollen durch dieſe oder jene Art von In-
ſekten, oder durch mehrere Arten derſelben befruchtet werden.
2. Dieſes ſoll alſo geſchehen, daß die Inſekten, indem ſie dem
Saft der Blumen nachgehen, und deswegen ſich entweder auf
den Blumen auf eine unbeſtimmte Art aufhalten, oder auf eine
beſtimmte Art entweder in dieſelben hineinkriechen, oder auf den-
ſelben im Kreiſe herumlaufen, nothwendig mit ihrem mehrentheils
haarichten Koͤrper, oder nur mit einem Theil deſſelben, den
Staub der Antheren abſtreifen, und denſelben auf das Stigma
bringen, welches zu dem Ende entweder mit kurzen und feinen
Haaren, oder mit einer gewiſſen, oft klebrichten, Feuchtigkeit
uͤberzogen iſt.
Im Fruͤhjahr 1790 bemerkte ich, daß Orchis latifolia und
Orchis Morio zwar voͤllig die Struktur einer Saftblume haben,
daß ſie aber keinen Saft enthalten. Dieſe Bemerkung muͤſte,
dachte ich anfaͤnglich, meine bisher gemachte Entdeckungen, wenn
nicht gaͤnzlich uͤber den Haufen werfen, doch wenigſtens ſehr
zweifelhaft machen. Denn da dieſe Blumen z. B. ein Saftmaal
haben (ſo nenne ich den anders gefaͤrbten Fleck auf der Krone),
und doch dieſes nicht fuͤr die Inſekten ein Wegweiſer zum Saft
ſeyn kann, da kein Saft vorhanden iſt: ſo ſchien hieraus zu fol-
gen, daß auch dieſes Saftmaal bey denen Blumen, welche wirk-
lich Saft enthalten, nicht zu dieſem Endzweck da ſey, und folg-
lich daſſelbe ein bloßes Hirngeſpinſt ſey. Ich muß alſo geſtehen,
daß dieſe Entdeckung mir keinesweges angenehm war. Aber eben
dieſes ſpornte mich an, dieſe Blumen deſto aufmerkſamer zu un-
terſuchen, und auf dem Felde zu beobachten. Und da entdeckte
ich endlich, daß dieſe Blumen von gewiſſen Fliegen befruchtet
werden, welche, durch das Anſehen derſelben getaͤuſcht, im
Einleitung.
Horn Saft vermuthen, und daher hineinkriechen, indem ſie
aber dies thun, die Staubkoͤlbchen aus ihren Faͤchern her-
ausziehen, und auf das kiebrichte Stigma bringen. Derglei-
chen Blumen, welche voͤllig das Anſehen der Saftblumen haben,
ohne Saft zu enthalten, nenne ich Scheinſaftblumen. Daß es
mehr ſolche Blumen giebt, ſahe ich in eben demſelben Jahr an
der gemeinen Oſterluzey (Ariſtolochia Ciematitis). Ich fand
nemlich, daß auch dieſe Blume, welche keinen Saft enthaͤlt, voͤl-
lig wie eine Saftblume gebildet iſt, und eben deswegen allerley
kleine Fliegen in dieſelbe hineinkriechen. Im folgenden Sommer
aber ſahe ich vollkommen ein, daß dieſe Blume ein wahres Wun-
der der Natur iſt, daß nemlich dieſe Fliegen deswegen von
dem Anſehen der Blume verleitet werden, hineinzukriechen,
damit ſie dieſelbe befruchten, und daß ſie ſo lange darin gefan-
gen gehalten werden, bis ſie ſie befruchtet haben, ſo bald
dieſes aber geſchehen iſt, aus ihrem Gefaͤngniß wieder her-
ausgelaſſen werden.
Im Sommer des vorher genannten Jahres entdeckte ich an
dem Epilobium anguſtifolium etwas, worauf ich von ſelbſt nie
wuͤrde gefallen ſeyn, nemlich daß dieſe Zwitterblume von Hum-
meln und Bienen befruchtet wird, aber nicht ein jedes Indivi-
duum vermittelſt ſeines eigenen Staubes, ſondern die aͤlteren Blu-
men vermittelſt desjenigen Staubes, welchen dieſe Inſekten aus
den juͤngeren Blumen in dieſelben ſchleppen. Dieſe Entdeckung
verbreitete ein großes Licht uͤber viele von meinen fruͤheren Ent-
deckungen. Beſonders empfand ich ein großes Vergnuͤgen, als
ich bey dem wilden Schwarzkuͤmmel (Nigella aruenſis) eben
dieſe Befruchtungsart entdeckte. Im Sommer 1788 hatte ich die
ſchoͤne Einrichtung der Saftmaſchinen dieſer Blume entdeckt. Im
folgenden Sommer lehrte mich die Erfahrung, daß ſie von
den Bienen befruchtet wird. Ich glaubte damals auch voll-
kommen einzuſehen, wie ſolches geſchieht. Nun aber fand ich,
daß ich mich in Anſehung des letzten Punkts geirret haͤtte,
weil ich damals noch geglaubt, alle Zwitterblumen muͤßten durch
ihren eigenen Staub befruchtet werden.
Als ich endlich im letztvergangenen Sommer die gemeine
Wolfsmilch (Euphorbia Cypariſſias) unterſuchte, ſo fand ich,
daß bey derſelben eine Einrichtung Statt findet, welchegkade das
Gegentheil von der ſo eben angezeigten iſt, daß nemlich dieſe Blume
von Inſekten befruchtet wird, aber ſo, daß ſie den Staub der
aͤlteren Blumen auf die Stigmate der juͤngeren bringen.
Auf dieſe ſechs in fuͤnf Jahren gemachten Hauptentdeckungen
gruͤndet ſich meine Theorie der Blumen.
Ehe ich ſie vortrage, muß ich zwey Vorſtellungen, welche
man ſich bisher von dem Endzweck des ſuͤßen Safts der Blumen
[[15]]
Einleitung.
gemacht hat, nicht unberuͤhrt laſſen. Denn ſo wie ſie ſelbſt
einander entgegen geſetzt ſind, eben ſo wiederſprechen ſie beide
meiner Theorie.
Verſchiedene Botaniker haben geglaubt, daß dieſer Saft un-
mittelbar und zunaͤchſt den Blumen ſelbſt zu Statten komme,
indem er entweder die Befruchtung des Fruchtknotens befoͤrdere,
dadurch, daß er denſelben feucht und geſchmeidig erhalte, oder
indem er den Samen, welchen er ſchwaͤngere, bey ſeiner Tuͤch-
tigkeit zu keimen erhalte. Nach dieſer Vorſtellung wuͤrde der Um-
ſtand, daß Inſekten dieſem Saft nachgehen, nicht nur fuͤr etwas
zufaͤlliges und eine Nebenſache, ſondern ſogar fuͤr etwas den Blu-
men nachtheiliges angeſehen werden muͤſſen.
Nun iſt zwar in vielen Blumen dieſer Saft dem Fruchtkno-
ten nahe genug, in manchen wird er ſogar von demſelben ſelbſt
bereitet und abgeſondert; aber hieraus folgt noch nicht, daß er
auch dem Fruchtknoten unmittelbar zu Statten komme. Sollte
der Fruchtknoten durch den Saft geſchmeidig erhalten werden,
oder ſollten die in demſelben eingeſchloßnen Samenkoͤrner von
ihm geſchwaͤngert werden: ſo wuͤrde es zweckmaͤßiger ſeyn, daß
er denſelben behielte, als daß er ihn abſondert. Bey vielen Blu-
men hingegen iſt der Saft ſo weit und auf eine ſolche Art vom
Fruchtknoten entfernt, daß man nicht begreifen kann, wie er ſollte
zu demſelben gelangen koͤnnen. Dies hat auch der Verfaſſer der Diſ-
ſertation de nectario florum, welche in Linne’s Amoenitatibus
academicis enthalten iſt, eingeſehen. Er ſagt, dieſer Hypotheſe
ſtehe dieſes im Wege, daß maͤnnliche Blumen, welche von den
weiblichen oft weit entfernt ſind, ein nectarium haben. Roth
hat ſeine Anmerkungen uͤber dieſen Gegenſtand in das Magazin
fuͤr die Botanik (1787. 2. Stuͤck. S. 31.) einruͤcken laſſen. Um
dieſe Hypotheſe zu beweiſen, ſagt er unter andern, daß bey den
Afrikaniſchen Storchſchnaͤbeln der Saft ſich zwar in einer langen
Roͤhre befinde, aber in derſelben hinauf bis zum Fruchtknoten
ſteige. Allein dieſer Fruchtknoten iſt mit den unterwaͤrts zuſam-
mengewachſenen Filamenten umgeben, kann folglich vom Saft
nicht unmittelbar beruͤhrt werden. Eben das Antirrhinum Li-
naria, welches er auch anfuͤhret, haͤtte ihn ſchon auf eine andere
Vorſtellung bringen ſollen. Denn er hat ganz richtig bemerkt,
daß der Saft dieſer Blume nicht von dem Sporn, in welchem
er enthalten iſt, abgeſondert wird, ſondern von einer unten am
Fruchtknoten befindlichen Druͤſe, und daß er von derſelben in den
Sporn hinabfließt, Wie kann er nun wieder aus dem Sporn
hinauf zum Fruchtknoten ſteigen? Und wenn dieſes auch ge-
ſchaͤhe, welche unnuͤtze Weitlaͤuſtigkeit wuͤrde das ſeyn? Wie
kann in der Paſſiflora, im Helleborus, in der Nigella, im
Aconitum der in Einem oder mehrern beſonderen und vom Frucht-
Einleitung.
knoten entfernten Behaͤltniſſen eingeſchloßne Saft zum Fruchtkno-
ten gelangen? Vielleicht durch die Inſekten. Was haben aber
die Inſekten, wann ſie den Saft verzehret haben, beym Frucht-
knoten zu ſchaffen?
Die andere Hypotheſe hat Kruͤnitz in ſeiner Oekonomiſchen
Encyclopaͤdie (4. Theil. S. 773.) vorgetragen. Er ſagt, daß die
Bienen den Pflanzen einen dreifachen Nutzen verſchaffen. Er-
ſtens: „Der Saft, den die Blumen abſondern, wird denſelben
„ſchaͤdlich, wenn er nicht von den Bienen abgeholet wird. Denn
„derſelbe iſt anfangs fluͤſſig, veraͤndert ſich aber, ohne zu ver-
„duͤnſten, haͤufet ſich zu bald an, wird endlich ganz verdickt, ver-
„ſtopfet und uͤberzieht dort, wo er liegen bleibt, die feinſten Aus-
„gaͤnge, und verhindert und vernichtet die folgende voͤllige Aus-
„bildung und Wachsthum der hoͤchſt zarten Fruͤchte.“ Dieſe Hy-
potheſe iſt der erſten grade entgegengeſetzt. Nach der erſten iſt der
Saft dem Fruchtknoten nuͤtzlich, nach der andern ſchaͤdlich; nach
der erſten iſt der Umſtand, daß der Saft von den Inſekten ver-
zehrt wird, etwas zufaͤlliges und den Blumen ſchaͤdliches, nach
der andern iſt derſelbe den Blumen nuͤtzlich, und ſcheint eine Ver-
anſtaltung der Natur zu ſeyn.
Um zu beweiſen, daß auch dieſe Hypotheſe ungegruͤndet iſt,
habe ich nicht noͤthig, mich nach irgend einer zu dieſer Abſicht vor-
theilhaften Blume umzuſehen, da ich eben diejenigen, deren ich
ſo eben erwaͤhnt habe, hiezu anwenden kann. Denn aus eben
dem Grunde, woraus ich gefolgert habe, daß der Saft dem
Fruchtknoten nicht nuͤtzlich ſeyn koͤnne, ergiebt ſich auch, daß er
demſelben nicht ſchaͤdlich ſeyn koͤnne, weil er nemlich immer in ei-
niger Entfernung vom Fruchtknoten bleibt. Der Saft mag ſich
veraͤndern, wie er will, ſo hat dies auf den Fruchtknoten keinen
Einfluß. Und wenn in andern Blumen der Saft dem Frucht-
knoten nahe iſt, ſo folgt hieraus eben ſo wenig, daß er demſelben
ſchaͤdlich ſey, als, daß er ihm nuͤtzlich ſey. Was endlich diejeni-
gen Blumen betrifft, deren Fruchtknoten ſelbſt den Saft abſon-
dert: ſo ſcheint zwar eben daraus, daß derſelbe den Saft abſon-
dert, zu folgen, daß dieſer ihm ſchaͤdlich ſey. Indeſſen kann
man theils ſchon aus der Analogie das Gegentheil vermuthen,
theils wird ſich auch in der Folge hinlaͤnglich zeigen laſſen, daß
der Fruchtknoten dieſer Blumen den Saft nicht als etwas ihm
ſchaͤdliches, ſondern zu einer gewiſſen Abſicht abſondert, und daß
folglich die Inſekten zwar dem Fruchtknoten durch Abholung des
Safts nuͤtzlich werden, aber nicht unmittelbar durch dieſe Abho-
lung ſelbſt, ſondern durch die bey derſelben nothwendig erfolgende
Befruchtung deſſelben.
Zweitens ſagt er, daß die Bienen, indem ſie den Staub
ſammlen, denſelben auf das Stigma bringen, ſowohl in Blumen
A 2
[[16]]
Einleitung.
von halb oder ganz getrennten Geſchlechtern, als in Zwitterblu-
men. In Ruͤckſicht auf die letztern ſagt er: „Wie oft wird durch
„ganz gemeine und gewoͤhnliche Zufaͤlle die natuͤrliche Wirkung
„dieſer Geſchlechtstheile in einander vermindert, gehemmt, oder
„gar vereitelt, daß z. E. der Samenſtaub der einen Blume nicht
„gut, der Staubweg aber noch wohl beſchaffen iſt, und umge-
„kehrt. Dieſen Nutzen leiſten auch, außer den Bienen, andere
„honigſaugende Inſekten, die zwar dem Staube nicht nachgehen,
„jedoch denſelben fortſchleppen ꝛc.“ Hier iſt Wahres und Falſches
mit einander vermengt. Daß die Bienen und andere Inſekten
den Staub auf das Stigma bringen, iſt gewiß, daß aber die
erſtern ſolches nur alsdenn thun, wann ſie den Staub ſammlen,
iſt unrichtig, da ſie, auch wenn ſie bloß dem Saft nachge-
hen, ohne ſich um den Staub zu bekuͤmmern, den letztern, ſie
moͤgen wollen oder nicht, nothwendig auf das Stigma bringen
muͤſſen, welches ich in der Folge auf die augenſcheinlichſte Art
erweiſen werde. Daß die Bienen und andere Inſekten die Be-
fruchtung der Zwitterblumen nur in ſo fern befoͤrdern, als dieſe,
welches oft geſchehe, gewiſſe zufaͤlligerweiſe entſtandene Maͤn-
gel haben, welche die Befruchtung verhindern (woraus alſo fol-
gen wuͤrde, daß dieſe Blumen im unverdorbenen Zuſtande ohne
Dazwiſchenkunft der Inſekten befruchtet werden), iſt auch un-
richtig. Denn erſtens gereicht dieſe Vorſtellung der Natur nicht
ſonderlich zur Ehre. Die Natur bringt, nach derſelben, Zwit-
terblumen hervor, in der Abſicht, daß ſie ſich ſelbſt befruch-
ten ſollen, ſorgt aber nicht dafuͤr, daß ſie dieſes auch immer thun
koͤnnen, ſondern laͤßt es geſchehen, daß oftmals, ja gewoͤhnlich
ſolche Veraͤnderungen in ihnen vorgehen, welche dieſen wichtigen
Endzweck vereiteln wuͤrden, wenn nicht zu gutem Gluͤcke die In-
ſekten die Blumen beſuchten und befruchteten. Wenn aber dieſes
nicht zufaͤlligerweiſe, ſondern nach der Abſicht und durch die Ver-
anſtaltung der Natur geſchieht, welche dadurch jenen Maͤngeln
abhelfen will: ſo verfaͤhrt die Natur, dieſer Vorſtellung zufolge,
hierin eben ſo, wie ein Menſch, welcher, weil er nicht im Stande
iſt, ein einziges ſicheres Mittel, um zu irgend einem Zweck zu
gelangen, zu erdenken, zwey Mittel erwaͤhlt, damit, wenn das
eine ihn nicht zu ſeinem Zweck fuͤhren ſollte, er das andere ge-
brauchen koͤnne. Und eine Blume, deren Staubweg verdorben
iſt, kann uͤberhaupt nicht, und alſo auch nicht von einem Inſekt,
befruchtet werden. Alſo wuͤrde durch dieſes Mittel der geſuchte
Endzweck nur zur Haͤlfte erreicht werden. Zweitens iſt der ver-
dorbene Zuſtand der Geſchlechtstheile in den Blumen keinesweges
etwas gewoͤhnliches, ſondern vielmehr etwas eben ſo ſeltenes,
als er es bey den Thieren iſt. Hievon kann man ſich durch die
taͤgliche Erfahrung uͤberzeugen. Und wenn dieſer verdorbene Zu-
Einleitung.
ſtand der Geſchlechtstheile etwas oͤfters vorkommendes waͤre, ſo
muͤßte derſelbe eben ſowohl bey denjenigen Blumen, welche kei-
nen Saft haben, und vom Winde befruchtet werden, Statt fin-
den, als bey den Saftblumen. Hieraus wuͤrde, nach jener Vor-
ſtellung, folgen, daß die Befruchtung bey den erſtern Blumen
oͤfter fehlſchlagen muͤſſe, als dey den letztern, da jene nicht, wie
dieſe, von den Inſekten beſucht werden. Hievon aber lehrt die
Erfahrung grade das Gegentheil. Bey den ſaftleeren Blumen
erfolgt die Befruchtung, wenn nicht ſicherer, doch allgemeiner,
als bei den Saftblumen, wenigſtens bey verſchiedenen Arten der-
ſelben. Die Urſach hievon iſt leicht einzuſehen. Denn wenn z. B.
der Wind den Antherenſtaub maͤnnlicher Espen auf benachbarte
weibliche Baͤume fuͤhret, ſo kann es bey der großen Menge Stau-
bes, welche als eine Wolke auf die weiblichen Baͤume zum oͤftern
faͤllt, nicht leicht geſchehen, daß eine merkliche Anzahl von Frucht-
knoten nicht etwas von dieſem Staube erhalten, und dadurch be-
fruchtet werden ſollte. Es kann aber manches Maͤrzveilchen ver-
bluͤhen, ohne von einer Biene oder einem aͤhnlichen Inſekt einen
Beſuch erhalten zu haben. Und alsdenn kann es keine Samen-
kapſel anſetzen, weil es weder ſich ſelbſt befruchten, noch vom
Winde befruchtet werden kann. In die mehreſten Blumen der
gemeinen Oſterluzey kriechen kleine Fliegen hinein, und befruch-
ten dieſelbe; in viele aber nicht. Dieſe koͤnnen auf keine Weiſe
befruchtet werden. Durch den Wind geſchieht die Befruchtung
der Blumen im Großen, durch die Inſekten im Einzelnen. Ein
einziger Windſtoß, deſſen Direktion vom maͤnnlichen Baum nach
dem weiblichen geht, kann in Einem Augenblick viel tauſend Bluͤ-
ten befruchten; eine Biene hingegen kann auf einmal nur Eine
Blume befruchten. Drittens haben die meiſten Zwitterblumen
eine ſolche Struktur, daß ſie, auch im vollkommenſten Zuſtande
ihrer Geſchlechtstheile, ſchlechterdings nicht anders befruchtet wer-
den koͤnnen, als von den Blenen und andern Inſekten. Dieſes
werde ich in der Folge durch ſo viel Beyſpiele, und auf eine ſolche
Art beweiſen, daß auch der hartnaͤckigſte Zweifler nicht ferner
daran wird zweifeln koͤnnen.
Drittens endlich ſagt er, daß die Bienen die ſchaͤdlichen
Wachs- und Honigausduͤnſtungen aus den Blumen der Wieſen
und Weiden ſaugen; daher man in verſchiedenen Laͤndern bemerkt
habe, daß die Viehweiden an ſolchen Orten, wo viel Bienen ge-
halten werden, weit geſunder und nahrhafter fuͤr das Vieh, be-
ſonders die Schafe, ſind, auch das Heu an ſolchen Orten wohl-
riechender, kraͤftiger und geſunder ſey. Hier wird den Bienen
ein Verdienſt um die Pflanzen zugeſchrieben, welches ihnen eben
ſo wenig, als andern Inſekten, zukoͤmmt. Sie befoͤrdern die
Befruchtung vieler Blumenarten, welche ohne ihre Beyhuͤlfe
[[17]]
Einleitung.
ſchlechterdings unbefruchtet bleiben muͤßten, verurſachen alſo,
daß eben ſo viele Pflanzenarten ſich vermehren, und keine von
denſelben untergeht. Zur Verbeſſerung aber und zur Veredelung
der Pflanzen koͤnnen ſie nicht das geringſte beytragen. Wenn alſo
die Bienen die Viehweiden, beſonders die Schafweiden, verbeſ-
ſern, ſo kann dies nur alſo geſchehen, daß ſie die Blumen ſolcher
Pflanzen, welche dem Vieh zutraͤglich ſind, vorzuͤglich beſuchen
und befruchten. Und dieſes iſt, beſonders was die Schafweiden
betrifft, ſehr wahrſcheinlich. Denn unter denjenigen Pflanzen,
welche Gleditſch (Vermiſchte Abhandl. 1. Th. S. 284. ꝛc.) als
ſolche anfuͤhret, welche vorzuͤglich von den Schafen geſucht wer-
den, tragen die mehreſten ſolche Blumen, welche unmoͤglich ſich
ſelbſt befruchten, oder vom Winde befruchtet werden koͤnnen,
ſondern bloß von den Bienen und andern Inſekten befruchtet wer-
den muͤſſen, und von welchen verſchiedene, wie ich aus der Er-
fahrung weiß, von den Bienen wirklich beſucht werden.
Bey allen denen Blumen, welche wirklich Saft abſondern,
muͤſſen folgende fuͤnf Stuͤcke bemerkt werden.
1. Die Saftdruͤſe.
Die Saftdruͤſe iſt derjenige Theil einer Saftblume, welcher
den Saft bereitet und abſondert. Die Geſtalt derſelben, und der
Ort, an welchem ſie ſich befindet, iſt hoͤchſt mannigfaltig und ver-
ſchieden. Oft faͤllt dieſelbe, wenn man die Blume anſieht, ſo-
gleich in die Augen; oft iſt ſie ziemlich verſteckt, ſo daß es, be-
ſonders wenn ſie dabey ſehr klein iſt, einige Muͤhe koſtet, ſie zu
finden. Oft iſt ſie der Fruchtknoten ſelbſt, oder ein Theil deſſel-
ben, oft aber von demſelben ganz verſchieden und entfernt. Sie
iſt fleiſchicht, oder von einer gewiſſen Dicke. Denn waͤre ſie ſo
duͤnne, als z. B. die Kronenblaͤtter der mehreſten Blumen ſind,
ſo koͤnnte ſie nicht eine gewiſſe, wenn auch ſehr kleine, Quantitaͤt
Saft bereiten. Wenn alſo das Ende eines Horns oder Sporns
fleiſchicht iſt, ſo iſt ſolches die Saftdruͤſe; iſt es aber eben ſo duͤnue,
als der uͤbrige Theil, ſo muß man die Saftdruͤſe anderswo ſuchen.
Sie iſt ferner kahl und glatt. Denn ſo wie ſich kein Grund an-
geben laͤßt, warum ſie, wie andere Theile vieler Saftblumen,
mit Haaren oder Wolle uͤberzogen ſeyn ſollte: ſo muß ſie ſchon aus
der Urſache glatt ſeyn, weil ſie mehrentheils ein Theil des Saft-
halters, oft der Safthalter ſelbſt iſt, von welchem ich bald zeigen
werde, daß er beſtaͤndig glatt iſt. Wenn alſo der Fruchtknoten
mit Haaren uͤberzogen iſt, ſo kann er nicht die Saftdruͤſe ſeyn.
Iſt aber der oberſte Theil deſſelben haaricht, und der unterſte glatt,
oder umgekehrt, ſo iſt dieſer glatte Theil, beſonders wenn er ſich
noch durch eine wulſtfoͤrmige Geſtalt und durch eine beſondere Farbe
unterſcheidet, die Saftdruͤſe. Endlich iſt die Saftdruͤſe mehren-
Einleitung.
theils gefaͤrbt, und ſelten gruͤn. Die gewoͤhnlichſte Farbe iſt gelb,
die ſeltnere weiß, pomeranzengelb, kirſchroth’ ꝛc. Dieſe verſchie-
dene Farbe ruͤhrt vermuthlich mehrentheils bloß von der verſchie-
denen Beſchaffenheit und Miſchung ihrer Beſtandtheije her; zu-
weilen aber ſcheint noch durch dieſelbe eine gewiſſe Abſicht erreicht
werden zu ſollen, daß nemlich die Saftdruͤſe den Inſekten in die
Augen falle.
2. Der Safthalter.
Der Safthalter iſt derjenige Theil einer Saftblume, welcher
den von der Saftdruͤſe abgeſonderten Saft empfaͤngt und enthaͤlt.
Seine innere Oberflaͤche iſt jederzeit glatt, und zwar aus zwey
Urſachen. Denn ſo wie erſtens die innere Oberflaͤche derjenigen
Gefaͤße, in welchen man fluͤſſige Koͤrper aufbewahren will, glatt
ſeyn muͤſſen, beſonders wenn die fluͤſſigen Koͤrper edel und koſtbar
ſind, damit bey Ausleerung derſelben nichts zuruͤckbleibe, welches
geſchehen wuͤrde, wenn ihre innere Oberflaͤche rauch waͤre: eben
ſo muß auch der Safthalter inwendig glatt ſeyn, damit die In-
ſekten den Saft rein ausſaugen oder ablecken koͤnnen. Zweitens
zieht ein Koͤrper von glatter Oberflaͤche einen fluͤſſigen Koͤrper ſtaͤr-
ker an, als ein ſolcher, deſſen Oberflaͤche rauch, oder mit Haaren
oder Wolle uͤberzogen iſt, weil jener mehr Beruͤhrungspunkte hat,
als dieſer. Nun ſoll der Saft im Safthalter ſo lange bleiben,
bis er von den Inſekten abgeholet wird, keinesweges aber von
ſelbſt herausfallen, noch durch den die Blume hin und her ſchuͤt-
telnden Wind herausgeworfen werden. Der Safthalter muß ihn
alſo ſtark anziehen, folglich glatt ſeyn. Die Geſtalt des Saft-
halters, und der Ort, wo er ſich befindet, iſt ſehr mannigfaltig
und verſchieden. Mehrentheils iſt derſelbe unmittelbar bey der
Saftdruͤſe befindlich, zuweilen von derſelben entfernt, oft iſt die
Saftdruͤſe ſelbſt zugleich der Safthalter.
3. Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen. Die
Saftdecke.
Die Saftblumen ſind ſo eingerichtet, daß zu ihrem Saft
zwar die Inſekten leicht gelangen koͤnnen, die Regentropfen aber,
welche auf oder in dieſelben gefallen ſind, immer in einiger Ent-
fernung von ihm bleiben, und ſich folglich mit demſelben
nicht vermiſchen, noch ihn verderben koͤnnen. So wie die Men-
ſchen die Oeffnungen derjenigen Gefaͤße, in welchen ſie koͤſtliche
Fluͤſſigkeiten aufbewahren, zuſtopfen, damit weder dieſe Fluͤſſig-
keiten verduͤnſten, noch Staub, Regen und andere fremdartige
Koͤrper ſich mit denſelben vermiſchen: eben ſo hat auch der guͤtige
und weiſe Urheber der Natur, nicht zufrieden damit, daß er in
A 3
[[18]]
Einleitung.
den Blumen einen koͤſtlichen Saft fuͤr die Inſekten bereitet hat,
auch die zweckmaͤßigſten und vortrefflichſten Anſtalten getroffen,
damit dieſer Saft vor aller Verderbung durch den Regen geſichert
ſey. Daß auch die erſte angefuͤhrte Abſicht hiebey Statt finde,
daß nemlich der Saft nicht verduͤnſte, glaube ich nicht. Der
Verfaſſer der oben angefuͤhrten Diſſertation behauptet dieſes von
der Campanula und einigen andern Gattungen. So wie ich,
wenigſtens was die Campanula betrifft, an ſeinem Ort beweiſen
werde, daß er ſich geirret hat: ſo findet theils bey dieſen Gattun-
gen die zweyte Abſicht unfehlbar Statt, theils aber giebt es viele
Gattungen, bey welchen man an die erſte Abſicht ſchlechterdings
nicht denken kann. Denn der Saft derſelben iſt der Luft ganz
ausgeſetzt, ſo daß, wofern er anders ausduͤnſtet, dieſes durch
nichts verhindert wird, zugleich aber gegen die Vermiſchung mit
einem Regentropfen, ſollte derſelbe ſich auch ganz nahe befinden,
voͤllig geſichert. Dieſe Abſicht wird nun entweder durch die Struk-
tur und Stellung einer Blume ſchon hinlaͤnglich erreicht, oder es iſt
noch etwas beſonderes irgendwo in derſelben vorhanden, welches
bloß zu Erreichung derſelben dienet. Dieſes nenne ich die Saftdecke.
So wie ſich die Weisheit eines Menſchen in ihrem ſtaͤrkſten
Licht zeiget, wenn er zwey Abſichten zugleich zu erreichen weiß,
deren eine die Erreichung der andern zu verhindern, oder wohl
gar unmoͤglich zu machen ſcheint: eben ſo kann man ſich ſchon
a priori vorſtellen, daß diejenige Veranſtaltung in den Blumen,
durch welche zwey ſich einander aufzuheben ſcheinende Abſichten,
nemlich daß der Zugang zum Saft den Inſekten offen ſtehe, den
Regentropfen aber verſchloſſen ſey, zugleich voͤllig erreicht werden,
die Weisheit des Blumenſchoͤpfers aufs deutlichſte an den Tag
legen muͤſſe, beſonders wenn man bedenkt, daß dieſelbe wegen
der hoͤchſt mannigfaltigen Bildung der Blumen hoͤchſt mannig-
faltig ſeyn muß.
Damit ich vorlaͤufig einige oͤfters vorkommende Mittel anzeige,
welche zu dieſem Endzweck dienen, ſo gehoͤrt dahin vornemlich, daß
die Krone mehrentheils ſehr duͤnne iſt, und folglich, well ſie nur wenig
koͤrperliche Maſſe hat, auch nur wenig Anziehungskraft beſitzt, daß
ihre innere Oberflaͤche, zuweilen auch die aͤußere, mit feinen Haaren,
oder Wolle, oder Puder uͤberzogen iſt, daß, wenn dieſe Oberflaͤche
glatt iſt, die Krone ein ſubtiles Oel auszuſchwitzen ſcheint. In
allen dieſen Faͤllen aͤußern die Theile eines auf die Krone gefallnen
Regentropfens, weil ſie von derſelben wenig angezogen werden,
ihre Anziehungskraft mehr gegen einander ſelbſt, und der Regen-
tropfen bekoͤmmt eine ſphaͤroidiſche Geſtalt, ſo daß die Flaͤche, mit
welcher er die Krone beruͤhrt, kleiner iſt, als diejenige, welche
jener parallel durch ſeinen Mittelpunkt geht. Auf ſolche Art kann
er nicht lange in oder auf der Krone haften, ſondern muß, ſobald
Einleitung.
die Blume vom Winde geſchuͤttelt wird, heraus- oder herabfallen.
Wenn er aber auch ſitzen bleibt, ſo kann er doch nicht bis zum
Saft kommen. Er trifft, indem er hinabfließt, eine Reihe von
Haaren an, welche uͤber dem Safthalter angebracht ſind, und
mehrentheils nach oben zu mit der Oberflaͤche der Krone einen
ſpitzen Winkel machen, folglich ihm ihre Spitzen zukehren, und
ihn vom Safthalter abhalten; oder er geraͤth an einen Anſatz,
vor welchem er ſtehen bleiben muß. Zuweilen beruͤhrt er einige
Antheren. Weil nun dieſe dicker ſind, als die Filamente, ſo zie-
hen ſie ihn auch ſtaͤrker an. Er bleibt alſo zwiſchen den Antheren
und der Krone ſitzen, und kann nicht zu dem Safttroͤpfchen, wel-
ches unten an den Filamenten ſitzt, gelangen. Oft ſind die Fi-
lamente oben dicker) als unten. Faͤllt alſo ein Regentropfen auf
den oberſten Theil derſelben, ſo bleibt er aus gleicher Urſache hier
ſitzen. Eine aͤhnliche Erſcheinung kann man nach einem Regen
an den Nadeln der Kiefer bemerken. Beſiehet man ſolche Na-
deln, welche ihre Spitze der Erde zukehren, ſo findet man einen
Regentropfen nicht unten an der Spitze, ſondern etwas uͤber der-
ſelben. Denn wenn ein Regentropfen auf eine ſolche Nadel ge-
fallen iſt, ſo muß er wegen ſeiner Schwere an derſelben hinab-
fließen, und die Nadel kann dieſes nicht verhindern, weil ſie nach
ihrer ganzen Laͤnge gleich dicke iſt. Iſt er aber bis dahin hinab-
gefloſſen, wo die Nadel anfaͤngt ſich in eine kegelfoͤrmige Spitze
zu endigen, ſo muß er hier ſtehen bleiben, weil er von dieſem
Theil der Nadel ſtaͤrker angezogen wird, als von ihrer Spitze.
Viele roͤhrenfoͤrmige Blumen haben eine ziemlich weite Oeffnung.
Weil aber dieſelbe durch fuͤnf oder mehr Filamente in eben ſo viel
kleinere Oeffnungen getheilet wird, ſo kann kein Regentropfen durch
dieſelben in die Roͤhre hineinfließen. Oder es ſitzen an der Oeff-
nung fuͤnf oder mehr Antheren, welche den Raum derſelben bey-
nahe ausfuͤllen. Auch hier kann kein Regentropfen hineindrin-
gen. In beyden Faͤllen aber koͤnnen kleinere Inſekten leicht hinein-
kriechen, und groͤßere ihren Saugeruͤſſel hineinſtecken. Oft hat
ſich die Natur, um dieſen doppelten Endzweck zu erreichen, der
Elaſticitaͤt bedient. Sie hat gewiſſe Deckel angebracht, welche
von einem Inſekt leicht in die Hoͤhe gehoben, oder herabgedruͤckt
werden koͤnnen, damit es zum Saft gelange, welche aber wenn
das Inſekt ſich wieder zuruͤckbegiebt, wieder zufallen, damit kein
Regentropfen hindurchdringen koͤnne. Die Elaſticitaͤt findet nun
freylich bey den Blumen nicht in dem Grade Statt, in welchem
ſie einige Samenbehaͤltniſſe beſitzen. Dieſes iſt theils nicht moͤg-
lich, da eine Blume von viel weicherer Subſtanz iſt, als ein Sa-
menbehaͤltniß, theils auch nicht noͤthig, da es hier nur darauf
angeſehen iſt, daß ein von einem Inſekt aufgehobener Deckel wie-
der zufalle, keinesweges aber, daß gewiſſe Koͤrper weit fortgewor-
[[19]]
Einleitung.
fen werden, wie jene Samenbehaͤltniſſe ihre Samenkoͤrner weit
[fortwerfen]. Endlich bezieht ſich auf dieſen Endzweck die Eigen-
ſchaft, welche viele Blumen haben, ſich nur bey ſchoͤner Witte-
rung zu oͤffnen, bey regnichtem und truͤbem Wetter hingegen ver-
ſchloſſen zu bleiben.
Die mehreſten Blumen haben eine beſtimmte Stellung. Soll
nun der in ihnen enthaltene Saft gegen den Regen geſichert ſeyn,
ſo muß wegen der perpendikulaͤren Direktion der herabfallenden
Regentropfen ihr Bau verſchieden ſeyn, je nachdem ihre Stel-
lung verſchieden iſt.
Erſtens giebt es grade aufrecht ſtehende Blumen. Dieſe ſind
regulaͤr, da die Natur jederzeit die Regularitaͤt der Irregularitaͤt
vorzieht, und, wenigſtens in Ruͤckſicht auf den Regen, keine Ur-
ſache vorhanden iſt, weshalb ſie bey dieſen Blumen von dieſem
Geſetz abweichen ſollte. Da die innere Seite derſelben den herab-
fallenden Regentropfen entgegengeſetzt iſt, und die hineingefall-
nen Regentropfen vermoͤge ihrer Schwere zu dem unten im
Grunde der Blumen befindlichen Saft hinabzudringen ſtreben:
ſo muͤſſen ſie am meiſten durch beſondere Anſtalten gegen das Ein-
dringen derſelben verwahrt ſeyn. Ihre Kronenblaͤtter ſind oft in
ſchmale Stuͤcke zertheilt. Denn da, wie ſich unten ergeben wird,
eine jede Krone ſo groß als moͤglich ſeyn muß, ſo wuͤrde die Krone
dieſer Blumen, wenn ſie groß, und dabey ganz waͤre, zu viel
Regentropfen empfangen und behalten, welche ſich leicht mit dem
Saft vermiſchen koͤnnten. Von dieſen Blumen laͤßt ſich vorzuͤg-
lich erwarten, daß ſie ſich bey regnichter Witterung nicht oͤffnen
werden.
Zweytens giebt es grade herabhangende Blumen. Auch dieſe
ſind regulaͤr, und zwar aus eben der Urſache, aus welcher es die
erſten ſind. Sie kehren ihre aͤußere Seite den herabfallenden Re-
gentropfen zu; die innere iſt denſelben wenig, oder gar nicht bloß-
geſtellt, beſonders wenn ſie eine glockenfoͤrmige, oder walzenfoͤr-
mige, oder kugelfoͤrmige Geſtalt haben. Und der Saft befindet
ſich oben im Grunde der Blumen, zu welchem hinaufzuſteigen
die Regentropfen durch ihre eigene Schwere verhindert werden.
Man darf alſo bey ihnen am wenigſten beſondere Anſtalten zur
Abhaltung der Regentropfen erwarten. Ihre Kronenblaͤtter muͤſ-
ſen ganz ſeyn, damit die Regentropfen auf der aͤußern Seite der-
ſelben ſitzen bleiben, da ſie im Gegentheil, wenn jene in ſchmale
Stuͤcke zertheilt waͤren, leicht auf die innere Seite derſelben und
in den Safthalter kommen koͤnnten. Dieſe Blumen haben nicht
noͤthig ſich bey regnichtem Wetter zu ſchließen.
Da der Regen mehrentheils mit einem Winde vergeſellſchaf-
tet iſt, ſo iſt dieſer Umſtand zwar allen Blumen vortheilhaft, ſelbſt
denen, welche keinen Saft abſondern. Denn da der Wind die
Einleitung.
Blumen tuͤchtig ſchuͤttelt, ſo verurſacht er, daß die meiſten auf
dieſelben gefallnen Regentropfen wieder herabfallen, und weder
den Saft, noch den Staub der Antheren verderben koͤnnen. Den
grade aufrechtſtehenden und herabhangenden Blumen aber iſt die-
ſer Umſtand noch auf eine andere Art vortheilhaft. Dieſes habe
ich auf der 25. Kupfertafel vorgeſtellt. In Fig. 4. iſt Ranuncu-
lus acris in ſeiner natuͤrlichen aufrechten Stellung abgebildet.
Die fuͤnf punktirten Linien ſtellen die Direktion ſo vieler Regen-
tropfen vor, welche dieſelben bey einer Windſtille haben. Dieſe
Stellung der Blume iſt bey dieſer Direktion der Regentropfen
die nachtheiligſte; denn alle fuͤnf Regentropfen fallen in die Blume
hinein. In Fig. 5. ſieht man die Stellung der Blume und die
Direktion der Regentropfen, welche jene und dieſe von einem
maͤßigen Winde erhalten. Dieſe Stellung iſt bey dieſer Di-
rektion der Regentropfen vortheilhafter, indem nur hoͤch-
ſtens zwey Regentropfen in die Blume hineinfallen. Endlich iſt
in Fig. 6. die Stellung der Blume und die Direktion der Regen-
tropfen bey dem heftigſten Winde vorgeſtellt. Hier faͤllt kein einzi-
ger von den fuͤnf Regentropfen in die Blume hinein, ſondern ſie fal-
len alle auf ihre aͤußere Seite, und dieſes iſt die vortheilhafteſte
Stellung, welche die Blume bey dieſer Direktion der Regen-
tropfen haben kann. In Fig. 9. iſt Campanula rotundifolia in
ihrer natuͤrlichen Stellung abgebildet. Dies iſt die vortheilhaf-
teſte Stellung, welche dieſe Blume bey einer Windſtille in Anſehung
der alsdenn perpeudiculaͤr herabfallenden Regentropfen haben
kann. Wehet aber ein Wind, ſo giebt derſelbe, er ſey ſchwach
oder ſtark, der Axe der Blume und der Linie, in welcher die Re-
gentropfen herabfallen, eine ungefaͤhr gleiche Richtung, und
ſie behaͤlt in Anſehung der Regentropfen immer die vortheil-
hafteſte Stellung. In Fig. 6* iſt die Blume in derjenigen Stel-
lung abgebildet, welche ſie bey einem maͤßigen Winde hat, und
in Fig. 10. in derjenigen, in welche ſie der heftigſte Wind ver-
ſetzt. Folglich iſt der Wind, welcher einen Regen begleitet, den
grade aufrechtſtehenden Saftblumen dadurch nuͤtzlich, daß er ſie
aus der nachtheiligſten Stellung, welche ſie haben, in eine weni-
ger nachtheilige, oder vortheilhafte Stellung bringt, und den
grade herabhangenden leiſtet er den Dienſt, daß er ſie in der vor-
theilhafteſten Stellung, welche ſie haben, beſtaͤndig erhaͤlt.
Endiich drittens giebt es horizontale Blumen. Die Oeff-
nung ihrer Krone iſt dem Horizont zugekehrt, ihre Roͤhre mag
nun entweder auch horizontal ſeyn, oder ſich der Perpendikulaͤr-
linie mehr oder weniger naͤhern. Dieſe ſind mehrentheils irregu-
laͤr, und haben zwey Lippen. Soll ihr Saft gegen den Regen
geſichert ſeyn, ſo muß die obere Lippe der Krone ganz anders ge-
ſtaltet und beſchaffen ſeyn, als die untere Denn die Regen-
[[20]]
Einleitung.
tropfen fallen auf die aͤußere Seite jener, hingegen auf die innere
Seite dieſer. Jene muß folglich der Krone der grade herab-
hangenden, dieſe der Krone der grade aufrecht ſtehenden
Blumen aͤhnlich ſeyn. Jene iſt alſo gewoͤlbt, unzertheilt,
hat inwendig keine Haare; dieſe iſt flach, oftmals zertheilt, und
vor der Oeffnung der Roͤhre haaricht. Dieſe Blumen ſind ent-
weder beſtaͤndig geſchloſſen, als die Maskenblumen, oder ihr Saft
iſt auf eine andere Art vor dem Regen vollkommen verwahrt,
daß ſie alſo nicht noͤthig haben, ſich bey Regenwetter zu ſchließen.
4. Veranſtaltung, daß die Inſekten den Saft der
Saftblumen leicht finden koͤnnen. Krone.
Geruch. Saftmaal.
Daß die meiſten Blumen Saft abſondern, und daß die-
ſer Saft gegen den Regen geſichert iſt, wuͤrde den Inſekten nichts
helfen, wenn nicht zugleich dafuͤr geſorgt waͤre, daß ſie dieſes ih-
nen beſtimmte Nahrungsmittel leicht finden koͤnnen. Die Natur,
welche nichts halb thut, hat auch in dieſem Punkt die zweck-
maͤßigſten Anſtalten getroffen. Erſtlich hat ſie dafuͤr geſorgt, daß
die Inſekten die Blumen ſchon von weitem gewahr werden, ent-
weder durch das Geſicht, oder durch den Geruch, oder durch
beyde Sinnen zugleich. Alle Saftblumen ſind deswegen mit ei-
ner Krone geziert, und ſehr viele duften einen Geruch aus, wel-
cher den Menſchen mehrentheils angenehm, oft unangenehm,
zuweilen unausſtehlich, denjenigen Inſekten aber, fuͤr welche ihr
Saft beſtimmt iſt, jederzeit angenehm iſt. Die Krone iſt (ſehr
wenige Arten ausgenommen) gefaͤrbt, d. i. anders gefaͤrbt, als
gruͤn, damit ſie gegen die gruͤne Farbe der Pflanzen ſtark abſte-
che. Zuweilen iſt auch der Kelch gefaͤrbt, und zwar, wenn eine
vollſtaͤndige Krone da iſt, anders als dieſe, oder, wenn er mit
derſelben Ein Ganzes ausmacht, auf der inneren Seite eben ſo,
als die Krone. Fehlt aber die Krone, ſo vertritt er ihre Stelle.
Bey vielen Arten ſind auch die Blumenblaͤttir (bracteae) zu eben
dieſem Endzweck gefaͤrbt, jedoch mehrentheils anders, als die Krone.
Wenn nun ein Inſekt, durch die Schoͤnheit der Krone, oder
durch den angenehmen Geruch einer Blume gelockt, ſich auf die-
ſelbe begeben hat: ſo wird es entweder den Saft ſogleich gewahr,
oder nicht, weil dieſer ſich an einem verborgenen Ort befindet.
Im letztern Fall koͤmmt ihm die Natur durch das Saftmaal zu
Huͤlfe. Dieſes beſteht aus Einem oder mehrern Flecken, Linien,
Duͤpfeln oder Figuren von einer andern Farbe, als die Krone
uͤberhaupt hat, und ſticht folglich gegen die Farbe der Krone ſchwaͤ[-]
cher oder ſtaͤrker ab. Es befindet ſich jederzeit da, wo die Inſek[-]
ten hineinkriechen muͤſſen, wenn ſie zum Saft gelangen wollen.
Einleitung.
Regulaͤre Blumen haben ein regulaͤres, irregulaͤre ein irregulaͤres
Saftmaal. Wenn der Safthalter von der Oeffnung, durch wel-
che die Inſekten hineinkriechen, entfernt iſt, ſo zieht ſich das
Saftmaal, weiches vor der Oeffnung anfaͤngt, durch dieſelbe hin-
durch bis zum Safthalter, dienet alſo den Inſekten zu einem
ſichern Wegweiſer. Hat eine Blume mehrere Eingaͤnge zum Saft-
halter, ſo hat ſie auch eben ſo viel Saftmaͤler. Wenn eine Blume
mehrere Safthalter hat, welche ringsherum um den Fruchtknoten
ſtehen, oder zwar nur Einen, welcher aber in der Geſtalt eines
Ringes den Fruchtknoten umgiebt, und deſſen Saft das Inſekt
nicht anders verzehren kann, als wenn es im Kreiſe um denſelben
herum laͤuft, und ſeinen Saugeruͤſſel oͤfters hineinſteckt: ſo hat
das Saftmaal eine ringfoͤrmige Geſtalt, und fuͤhrt das Inſekt
im Kreiſe herum.
Bey Gelegenheit des Saftmaals muß ich von der Verſchieden-
heit der Saftblumen reden, welche auf der Tageszeit, in welcher
ſie bluͤhen, beruht. So wie es Inſekten giebt, die bloß bey Tage
umherſchwaͤrmen, und ſolche, die bloß des Nachts ihrer Nah[-]
rung nachgehen, eben ſo giebt es auch Tagesblumen und Nacht[-]
blumen.
Die Tagesblumen brechen des Morgens auf. Viele von den[-]
ſelben ſchließen ſich des Abends, oder ſenken ſich, da ſie am Tage
aufrecht ſtanden, oder es geht eine andere Veraͤnderung mit ihnen
vor, woraus man ſchließen kann, daß ſie nur fuͤr Tagesinſekten
beſtimmt ſind. Manche ſchließen ſich am erſten Abend, und oͤff[-]
nen ſich am folgenden Morgen nicht wieder, bluͤhen alſo nur Ei[-]
nen Tag; die mehreſten bluͤhen mehrere Tage.
Die Tagesblumen ſind mit einem Saftmaal geziert, obgleich
nicht alle.
Die Nachtblumen brechen des Abends auf. Bey Tage ſind
die mehreſten von denſelben geſchloſſen, oder welk und unanſehn[-]
lich, woraus erhellet, daß ſie fuͤr Tagesinſekten nicht beſtimm[t]
ſind. Manche bluͤhen mehrere Naͤchte; die gemeine Nachtker[ze]
(Oenothera biennis) bluͤhet zwey Naͤchte.
Die Nachtblumen haben eine große und hellgefaͤrbte Kron[e]
damit ſie in der Dunkelheit der Nacht den Inſekten in die Auge[n]
fallen. Iſt ihre Krone unanſehnlich, ſo wird dieſer Mangel dur[ch]
einen ſtarken Geruch erſetzt. Ein Saftmaal hingegen findet b[ey]
ihnen nicht Statt. Denn haͤtte z. B. die weiße Krone ein[er]
Nachtblume ein Saftmaal von einer andern, aber auch hell[en]
Farbe, ſo wuͤrde daſſelbe in der Dunkelheit der Nacht gegen d[ie]
Farbe der Krone nicht abſtechen, folglich ohne Nutzen ſeyn. Haͤt[te]
ſie aber ein dunkelgefaͤrbtes Saftmaal, ſo wuͤrde dies nicht [in]
die Augen fallen, folglich eben ſo unnuͤtz ſeyn, als jenes.
5. B[e]
[[21]]
Einleitung.
5. Befruchtung der Saftblumen durch die Inſekten.
Dichogamie.
Ich habe ſchon oben geſagt, daß alle dieſe Anſtalten ſich zwar
zunaͤchſt und unmittelbar auf die Inſekten, vermittelſt der Dazwi-
ſchenkunſt dieſer aber auf die Blumen ſelbſt beziehen, indem der
letzte Endzweck derſelben dahin geht, daß die Blumen von den
Inſekten befruchtet werden.
Daß die Inſekten zur Befruchtung der Blumen das Ihrige
beytragen, iſt an und fuͤr ſich ſchon von Andern bemerkt worden.
Meines Wiſſens iſt Koͤlreuter hierin am weiteſten gekommen,
welcher dieſes z. B. an der Iris und einigen andern Gattungen
entdeckt, und ſehr wohl erwieſen hat. Es hat aber noch Niemand
gezeigt, daß die ganze Struktur der Saftblumen auf dieſen End-
zweck abzielet, und ſich aus demſelben vollſtaͤndig erklaͤren laͤßt,
weil Niemand dasjenige, was ich die Saftdecke und das Saft-
maal nenne, fuͤr das, was es iſt, erkannt hat, ob es gleich ein
Jeder geſehen hat. Auf eine ſo vollſtaͤndige, befriedigende und
keinen Zweifel uͤbrig laſſende Art, als ich z. B. die Struktur des
wilden Schwarzkuͤmmels erklaͤrt habe, hat noch Niemand die
Struktur weder dieſer, noch einer andern Blume erklaͤrt.
Von dieſer Befruchtung der Blumen durch die Inſekten iſt
ein unlaͤugbarer Beweis die von mir zuerſt entdeckte Einrichtung
ſehr vieler Zwitterblumen, vermoͤge welcher ein jedes Individuum
derſelben nicht durch ſeinen eigenen, ſondern bloß durch eines an-
dern Staub befruchtet werden kann. Denn wenn dieſe Blumen
auf eine mechaniſche Art befruchtet werden ſollten, d. i. ſo, daß
entweder die Antheren das Stigma unmittelbar beruͤhrten, und
demſelben ihren Staub mittheilten, oder daß der Staub der erſte-
ren auf das letztere herabfiele, oder daß derſelbe vom Winde auf
daſſelbe gebracht wuͤrde: ſo wuͤrde dieſe Einrichtung die Errei-
chung dieſer Abſicht im erſten Fall ſchlechterdings vereiteln, und
in den beyden letzten wenigſtens ſehr erſchweren, folglich im erſten
Fall ungereimt, und in den letzten wenigſtens zweckwidrig ſeyn.
Dieſe Einrichtung nenne ich das ungleichzeitige Bluͤhen der
Geſchlechtstheile, oder eigentlich der Antheren und des Stigma,
oder kuͤrzer die Dichogamie. Dieſelbe beſteht aber darin. Nach
dem die Blume ſich geoͤffnet hat, ſo haben oder erhalten die Fi-
lamente entweder alle zugleich, oder eines nach dem andern, eine
beſtimmte Stellung, in welcher ihre Antheren ſich oͤffnen, und
ihren Staub zur Befruchtung darbieten. Unterdeſſen aber befin-
det ſich das Stigma an einer von den Antheren entfernten Stelle,
und iſt noch klein und feſtgeſchloſſen. Es kann alſo der Staub
der Antheren ſchlechterdings weder auf eine mechaniſche Art, noch
durch ein Inſekt auf das Stigma gebracht werden, weil es noch
Einleitung.
nicht exiſtirt. Dieſer Zuſtand waͤhret eine beſtimmte Zeit. Wann,
nach Verfließung derſelben, die Antheren keinen Staub mehr
haben, ſo gehen mit den Filamenten verſchiedene Veraͤnderungen
vor, deren Reſultat dieſes iſt, daß die Antheren nicht mehr die
Stelle einnehmen, die ſie bisher eingenommen hatten. Unter-
deſſen hat ſich das Piſtill ſo veraͤndert, daß nun das Stigma grade
an der Stelle ſich befindet, wo vorher die Antheren waren, und,
da es ſich nun auch oͤffnet, oder die Theile, aus welchen es be-
ſteht, von einander breitet, nun oͤfters auch ungefaͤhr eben den
Raum einnimmt, welchen vorher die Antheren eingenommen ha-
ben. Indeſſen kann es von den Antheren keinen Staub erhalten,
weil dieſelben keinen mehr haben. Nun iſt aber diejenige Stelle,
wo anfaͤnglich die bluͤhenden Antheren, und hernach das bluͤhende
Stigma ſich befinden, in jeder Blume ſo gewaͤhlt, daß das In-
ſekt, fuͤr welches die Blume beſtimmt iſt, nicht anders zum Saft
gelangen kann, als daß es zugleich mit einem Theil ſeines Koͤr-
pers in der juͤngeren Blume die Antheren, und in der aͤlteren das
Stigma beruͤhrt, den Staub von jenen abſtreift, und auf die-
ſes bringt, und auf ſolche Art die aͤltere Blume durch den Staub
der juͤngeren befruchtet.
Dieſe dichogamiſche Zwitterblumen ſind alſo, was die Be-
fruchtung betrifft, den Blumen mit halbgetrennten Geſchlechtern
aͤhnlich. Im Anfang ſind ſie maͤnnliche, und zuletzt weibliche
Blumen.
Daß dieſe Einrichtung derſelben ſehr zweckmaͤßig iſt, laͤßt ſich
leicht zeigen. Denn wenn die Antheren und das Stigma zu glei-
cher Zeit bluͤheten, ſo wuͤrden jene verhindern, daß die Inſekten
dieſes beruͤhrten, und umgekehrt, dieſes wuͤrde dieſelben verhin-
dern, jene zu beruͤhren. Nach dieſer Einrichtung aber finden die
Inſekten in der juͤngeren Blume bloß die Antheren in ihrem
Wege, deren Staub ſie folglich rein abſtreifen muͤſſen, und in
der aͤlteren Blume bloß das Stigma, welches ſie folglich mit dem
an ihrem Koͤrper [haftenden] Staub ganz uͤberſtreichen muͤſſen.
Dieſe Einrichtung hatte ich im July 1790 an dem Epilobium
anguſtifolium entdeckt. Von dieſer Zeit an bis zum May des fol-
genden Jahres bemerkte ich dieſelbe an verſchiedenen Gattungen, ja
an ganzen Familien, z. B. den Schirmblumen, ſo leicht und ſo
deutlich, daß ich mich daruͤber wundern mußte, daß dieſelbe nicht
ſchon laͤngſt von Andern, und nicht weit eher von mir entdeckt
worden war. Waͤhrend dieſes ganzen Zeitraums kam mir aber
niemals der Gedanke in den Sinn, ob wohl auch das Gegen-
theil dieſer Einrichtung von der Natur moͤchte beliebt worden
ſeyn, ob es alſo Blumen gebe, deren Stigma anfangs bluͤhet,
deren Staubgefaͤße aber erſt nach vollendeter Befruchtung des
Fruchtknotens zu bluͤhen anfangen. So natuͤrlich es war, auf
B
[[22]]
Einleitung.
dieſe Vorſtellung von ſelbſt zu fallen, ſo blieb mir doch dieſelbe ſo
lange fremde, bis mich die Natur ſelbſt darauf brachte. Und
dieſes geſchah, als ich im May des naͤchſtvergangenen Jahrs die
Euphorbia Cypariſſias unterſuchte. Ich ſahe nemlich, daß, ſo
bald eine Blume aufgebrochen iſt, zuerſt die Stigmate aus der-
ſelben hervorkommen, grade in die Hoͤhe ſtehen, und ſich von-
einander breiten. Nach einigen Tagen koͤmmt das ganze Piſtill,
welches auf einem eigenen Stielchen ſitzt, aus der Blume heraus,
verliert nach und nach die aufrechte Stellung, und kehrt end-
lich die Stigmate der Erde zu. Alsdenn erſt kommen die Staub-
gefaͤße eines nach dem andern aus der Blume zum Vorſchein,
und die Antheren nehmen nun eben die Stelle ein, welche vorher
die Stigmate eingenommen hatten. Da ich nun ſchon lange vor-
her entdeckt hatte, daß dieſe Blume eine Saftblume iſt, ſo ſahe
ich ein, daß dieſelbe wegen dieſer Einrichtung nicht anders als von
Inſekten befruchtet werden koͤnne, daß ſie aber auch wegen eben
derſelben von denſelben befruchtet werden muͤſſe. Denn wenn dieſel-
ben die aͤltere Blume beſuchen, ſo muͤſſen ſie nothwendig den
Staub der Antheren abſtreifen. Und eben deswegen, damit ſie
dieſes ungehindert thun koͤnnen, hat das Piſtill ſeine vorige Stelle
verlaſſen, und ſich der Erde zugekehrt. Wenn ſie aber hierauf
die juͤngere Blume beſuchen, ſo muͤſſen ſie wieder nothwendig mit
ihrem beſtaͤubten Koͤrper die Stigmate beruͤhren, dieſelben beſtaͤu-
ben, und auf ſolche Art die juͤngere Blume mit dem Staube der
aͤltern befruchten.
Da es alſo zwey Arten von Dichogamie giebt, ſo muͤſſen dieſel-
ben durch verſchiedene Beywoͤrter von einander unterſchieden wer-
den. Die zuerſt entdeckte nenne ich die maͤnnlich-weibliche, und
die zuletzt entdeckte die weiblich-maͤnnliche Dichogamie (Dicho-
gamia androgyna, Dichogamia gynandra). Das Gegentheil
der Dichogamie heißt Homogamie.
Weil die letzten Blumen einer dichogamiſchen Pflanze von
der erſten Art ihren Staub den naͤchſt vorhergehenden Blumen
mittheilen, und ihr Stigma unbeſtaͤubt bleibt: ſo koͤnnen ſie keine
Frucht anſetzen. Und weil die erſten Blumen eines weiblich-maͤnn-
lichen Dichogamiſten ihren Staub den zunaͤchſt folgenden Blumen
mittheilen, und ihr Stigma auch unbeſtaͤubt bleibt: ſo koͤnnen
auch ſie keine Frucht anſetzen. Daß dieſes die Erfahrung beſtaͤti-
get, werde ich in der Folge durch verſchiedene Beyſpiele erweiſen.
Es iſt gewiß, daß viele Blumen von mehrern Arten von In-
ſekten befruchtet werden, z. B. die Schirmblumen, die Euphor-
bien. Dieſe werden von allerley Inſekten beſucht, weil ihr
Saft denſelben ſobald in die Augen faͤllt, als ſie ſich den Blumen
genaͤhert haben, ſo daß denſelben auch die duͤmmſte Fliege leicht
finden kann. Indem nun dieſe Inſekten auf dieſen Blumen auf
Einleitung.
eine unbeſtimmte Art umherlaufen, und bald die aͤlteren, bald
die juͤngeren Blumen einer Umbelle ihres Safts berauben: ſo
muͤſſen ſie nothwendig bald Antheren, bald Stigmate beruͤhren,
und den Staub der erſteren auf die letzteren bringen, und zwar
auf eine ganz unbeſtimmte Art. Es iſt aber auch gewiß, daß
viele Blumen bloß von Einer Art von Inſekten, und zwar auf eine
ſehr beſtimmte Art, befruchtet werden, da die uͤbrigen entwe-
der zu dumm ſind, um zu wiſſen, wo der Saft verſteckt iſt, und
wie ſie zu demſelben gelangen koͤnnen, oder, wenn ſie es wiſſen,
entweder zu groß ſind, um in die Blumen hineinkriechen zu koͤn-
nen, oder zu klein, als daß ſie beym Hineinkriechen die Antheren
und das Stigma beruͤhren ſollten. So wird, wie ich an ſeinem
Ort beweiſen werde, Nigella aruenſis bloß von den Bienen be-
fruchtet, Iris Xiphium hingegen bloß von Hummeln, beide aber
auf eine ſehr beſtimmte Art. Fuͤr die letztere Blume ſind die Bie-
nen zu klein und zu ſchwach, und koͤnnen ſich nicht in dieſelbe
hineinarbeiten. Antirrhinum maius wird, und zwar auf eine
beſtimmte Art, von einer großen Hummel befruchtet, Antirrhi-
num Linaria eben ſo von einer kleinen Hummel. Die große
Hummel kann die letztere Blume nicht befruchten, weil dieſe klei-
ner iſt, als daß ſie ſollte in dieſelbe hineinkriechen koͤnnen. Daher
gebraucht die Hummel Gewalt, beißt ein Loch in den Sporn,
welcher den Saft enthaͤlt, ſteckt durch daſſelbe ihren Saugruͤſſel,
und verzehrt den Saft.
Was nun diejenigen Inſekten betrifft, von welchen ich aus
der Erfahrung beweiſen kann, daß ſie die Blumen befruchten, ſo
ſind dieſes vorzuͤglich die Bienen und die Hummeln. Die Ge-
ſchicktheit dieſer Thierchen, den Saft zu finden, wenn er auch
noch ſo ſehr verſteckt iſt, hat mich oft in Erſtaunen geſetzt. Wie
klein ſind nicht die Saftmaſchinen des wilden Schwarzkuͤmmels?
Und wie viel kleiner iſt nicht derjenige Theil derſelben, welcher als
eine kleine Buͤchſe geſtaltet, und mit einem elaſtiſchen Deckel ver-
ſehen iſt, und den Saft enthaͤlt? Die Biene, vom ringfoͤrmi-
gen Saftmaal geleitet, laͤuft im Kreiſe herum, oͤffnet jedes Buͤchs-
chen, und holet den Saft heraus. Wer keine Kenntniß von den
Blumen hat, wird vielleicht, wenn er das Antirrhinum maius
zum erſtenmal ſieht, glauben, daß die Unterlippe deſſelben mit
der Oberlippe ein einziges Stuͤck ausmacht, denn beide ſchließen
dicht an einander; und aus dem gelben Fleck auf der Unterlippe
wird er um ſo viel weniger das Gegentheil zu ſchließen im Stande
ſeyn, da keinem einzigen Botaniker bisher der Endzweck deſſelben
bekannt geweſen iſt. Hat ſich aber eine Hummel der Blume ge-
naͤhert, ſo wird ſie nicht etwa erſt Verſuche anſtellen, ob und wie
ſie hineinkommen koͤnne. Da ſie ſehr wohl weiß, was der gelbe
Fleck bedeutet, ſo ſetzt ſie ſich ſogleich auf die Unterlippe, entfernt
[[23]]
Einleitung.
dieſelbe von der Oberlippe, und kriecht zwiſchen beiden in die
Blume hinein. Damit dieſe Thierchen die Blumen befruchten
koͤnnen, ſo iſt ihr Koͤrper uͤberall haaricht, weil ſie in dieſer Blume
mit dieſem, in jener mit einem andern Theil deſſelben den Staub
der Antheren abwiſchen und auf das Stigma bringen ſollen.
Daß dieſe Thierchen unter den Inſekten einen vorzuͤglichen Rang
behaupten, erhellet nicht nur aus dieſer ihrer Geſchicktheit, ſon-
dern auch aus der Vorſorge, welche die Natur fuͤr die Erhaltung
ihres Lebens bey dieſem Geſchaͤfte getragen hat. Fliegen, welche
einige Arten der Aſelepias beſuchen und befruchten, bleiben oft
in einem gewiſſen Theil dieſer Blumen, als in einem Fangeiſen,
hangen, und muͤſſen entweder eines jaͤmmerlichen Todes ſterben,
oder wenigſtens ein Bein ſitzen laſſen, um ihr Leben zu behalten.
Kleine Fliegen, welche einige Orchisblumen befruchten, bleiben
an dem klebrichten Stigma, wie die Voͤgel an den Leimruthen,
ſitzen, und muͤſſen ſterben. Noch nie aber habe ich bemerkt, daß
einer Hummel, und nur einigemal, daß einer Biene bey dem
Beſuch einer Blume ein Unfall begegnet ſey.
Daß nun dieſe und andre Inſekten, indem ſie in den Blu-
men ihrer Nahrung nachgehen, zugleich, ohne es zu wollen und
zu wiſſen, dieſelben befruchten, und dadurch den Grund zu ihrer
und ihrer Nachkommen kuͤnftigen Erhaltung legen muͤſſen, ſcheint
mir eine von den bewundernswuͤrdigſten Veranſtaltungen der Na-
tur zu ſeyn.
Da die Befruchtung des Fruchtknotens durch Inſekten der
letzte Endzweck iſt, auf welchen ſich die ganze Struktur der meh-
reſten, ja vermuthlich aller eigentlichen und mit einer Krone ver-
ſehenen Saftblumen bezieht: ſo iſt dieſe Struktur alsdenn voll-
ſtaͤndig erklaͤrt, wenn man gezeigt hat, daß und wie alle Theile
derſelben zur Erreichung dieſes Endzwecks das Ihrige beytragen.
Die erſte Frage, welche bey Unterſuchung irgend einer Blume
beantwortet werden muß, iſt, ob ſie eine Saftblume ſey, oder
nicht. Denn wenn man eine Saftblume fuͤr ſaftleer haͤlt, ſo
wird man ſchlechterdings nicht im Stande ſeyn, einen Grund an-
zugeben, warum ſie dieſe und nicht eine andere Struktur erhalten
habe. Wer z. B. die Scheibenblumen im Viburnum Opulus, oder
in den zahlreichen Arten der Centaurea fuͤr ſaftleer haͤlt, der wird
es nie ergruͤnden, zu welcher Abſicht die geſchlechtsloſen Randblu-
men da ſind.
Hat man ſich nun davon uͤberzeugt, daß eine Blume eine
Saftblume iſt, ſo iſt die zweyte Frage, ob dieſelbe von Inſekten
beſucht und befruchtet werde. Wer dieſe Frage nicht gehoͤrig zu
beantworten ſucht, ſondern glaubt, daß die Blume auf eine me-
Einleitung.
chaniſche Art befruchtet werde, und nach dieſer vorgefaßten Mei-
nung den Bau derſelben, und die Veraͤnderungen, welche er in
derſelben bemerkt, zu erklaͤren ſucht, der wird in die groͤßten Irr-
thuͤmer gerathen. So iſt es dem Linné und andern großen Bo-
tanikern gegangen. Sie bemerkten, daß mit den Geſchlechtsthei-
len verſchiedener Blumen waͤhrend ihrer Bluͤhezeit verſchiedene
Veraͤnderungen vorgingen. Ganz richtig urtheilten ſie, daß dieſes
nicht etwas zufaͤlliges, ſondern eine Einrichtung der Natur ſey,
durch welche ſie einen gewiſſen Endzweck, nemlich die Be-
fruchtung der Blumen, erreichen wolle. Nur darin fehlten ſie,
daß ſie ihre Aufmerkſamkeit bloß auf die Blumen richteten, den
Umſtand aber, daß dieſelben von Inſekten beſucht werden, wel-
chen ſie oft genug bemerken mußten, fuͤr etwas zufaͤlliges und kei-
ner Aufmerkſamkeit wuͤrdiges hielten. Indem ſie nun jene Ver-
aͤnderungen immer aus einem unrichtigen Geſichtspunkt betrachte-
ten, weil ſie glaubten, daß die Blumen auf eine mechaniſche Art
befruchtet wuͤrden: ſo mußte auch natuͤrlicherweiſe die von ihnen
gegebene Erklaͤrung derſelben immer vielen Zweifeln und Einwen-
dungen ausgeſetzt ſeyn, hatte alſo niemals das Gepraͤge einer na-
turmaͤßigen Erklaͤrung der Naturerſcheinungen, welches darin be-
ſteht, daß ſie den Leſer, dem es bloß um die Erforſchung der
Wahrheit zu thun iſt, vollkommen befriediget, weil er das Un-
gezwungene und Ungeſuchte derſelben mit Wohlgefallen bemerkt.
Ganz unmoͤglich aber machte es ihnen dieſe Erklaͤrungsart, auch
nur den Verſuch zu machen, folgende Fragen zu beantworten:
Wozu dienet der Saft dieſer oder jener Blume? Wozu ihre
Krone? Wozu der beſonders gefaͤrbte Fleck auf derſelben? Wozu
die Haare und Anſaͤtze an irgend einem Theil derſelben? In wel-
chem Zuſammenhange ſtehen alle Theile der Blume, welche Be-
ziehung haben ſie auf die Frucht, welche aus derſelben entſtehen
ſoll, und wie vereinigt ſich alles, was wir an ihr waͤhrend
ihrer ganzen Bluͤhezeit ſehen und bemerken, zu Einem ſchoͤnen
Ganzen?
Wer ſich alſo Blumen aus den Gaͤrten und vom Felde holen
laͤßt, und ſie auf ſeinem Studierzimmer unterſucht, der wird kei-
nesweges den Plan der Natur im Bau derſelben entdecken. Man
muß vielmehr die Blumen an ihrem natuͤrlichen Standort unter-
ſuchen, und beſonders darauf Achtung geben, ob ſie von Inſek-
ten, und von welchen Inſekten ſie beſucht werden, wie ſich dieſe ver-
halten, indem ſie in die Blumen hineinkriechen, und ihren Saft
verzehren, ob ſie die Antheren und das Stigma beruͤhren, ob ſie
irgend eine Veraͤnderung in Anſehung irgend eines Theils der
Blumen hervorbringen ꝛc. Kurz, man muß die Natur auf der
That zu ertappen ſuchen. Ich wuͤrde nie im Stande geweſen
ſeyn, den vortrefflichen Bau der Nigella aruenſis und das Ge-
B 2
[[24]]
Einleitung.
heimniß ihrer Befruchtung zu entdecken, wenn ich ſie nicht auf
dem Felde beobachtet haͤtte. Die Bienen, welche ich auf der-
ſelben antraf, brachten mich auf die richtige Spur. Die kleine
Fliege, welche ich auf der Serapias longifolia in ein Spinnenge-
webe verwickelt und mit den Staubkoͤlbchen beladen antraf, uͤber-
zeugte mich voͤllig von der Richtigkeit der Vorſtellung, welche ich
von ihrer Befruchtung hatte. Dieſe Vorſtellung gruͤndete ſich aber
auf andere vorher auch auf dem Felde gehabte Erfahrungen. Man
muß es ſich alſo nicht verdrießen laſſen, lange bey einer bluͤhenden
Pflanze ſich zu verweilen, und dergleichen Beobachtungen Einer
Art von Blumen oͤfters zu wiederholen, weil dieſelbe nicht jeder-
zeit ſogleich das erſtemal grade von demjenigen Inſekt beſucht
wird, welches zu ihrer Befruchtung beſtimmt iſt.
Man muß die Blumen in verſchiedenen Tageszeiten beobach-
ten und unterſuchen, damit man erfahre, ob ſie Tages- oder
Nachtblumen ſind, und bey verſchiedener Witterung, z. B. waͤh-
rend eines Regens und nach demſelben, damit man einſehe, auf
welche Art ihr Saft gegen den Regen geſichert iſt. Beſonders
aber ſind die Mittagsſtunden, wenn die am unbewoͤlkten Himmel
hoch ſtehende Sonne warm, oder wohl gar heiß ſcheint, diejenige
Zeit, da man fleißig Beobachtungen anſtellen muß. Denn die
Tagesblumen erſcheinen alsdenn in ihrer groͤßten Schoͤnheit, und
buhlen mit allen ihren Reizen um den Beſuch der Inſekten, und
ihre Befruchtung kann alsdenn um ſo viel leichter von Statten
gehen, weil der Staub auch ſolcher Antheren, welche an der
freyen Luft liegen, voͤllig trocken iſt. Die Inſekten aber, denen
die groͤßte Hitze grade am liebſten iſt, ſind alsdenn in und auf
den Blumen in der groͤßten Thaͤtigkeit, um, ihrer Abſicht nach,
im Nektar derſelben zu ſchwelgen, nach der Abſicht der Natur
aber, um ſie zugleich zu befruchten. Im Reich der Flora,
deren Weisheit nicht minder bewundernswuͤrdig iſt, als ihre
Schoͤnheit, geſchehen alsdenn Wunderdinge, von welchen der
Stubenbotaniker, welcher unterdeſſen ſich damit beſchaͤftiget, den
Forderungen ſeines Magens ein Genuͤge zu thun, nicht einmal
eine Ahndung hat.
Man muß bey der Aufſuchung der Saftdruͤſe einer Blume
an die oben angezeigten Eigenſchaften derſelben, nehmlich daß ſie
fleiſchicht, glatt und mehrentheils gefaͤrbt iſt, um ſo viel mehr ge-
denken, da ſie oftmals ſehr klein und mit ungewaffneten Augen
kaum zu ſehen iſt. Glaubt man wegen des Orts, der Geſtalt,
oder andrer Umſtaͤnde einen gewiſſen Theil fuͤr die Saftdruͤſe hal-
ten zu muͤſſen, und es finden ſich dieſe drey Eigenſchaften an dem-
ſelben: ſo iſt derſelbe gewiß die Saftdruͤſe. Zuweilen iſt ſie, wenn
ſie dem Fruchtknoten nahe, oder gar ein Theil deſſelben iſt, zwar
gruͤn, aber heller oder dunkler gruͤn, als der Fruchtknoten, oder
Einleitung.
der uͤbrige Theil deſſelben, daß man ſie alſo auch in dieſem Fall
leicht erkennen kann.
Man muß ferner, wenn man die Saftdruͤſe einer Blume
aufſucht, bey dem Fruchtknoten, als dem Mittelpunkt derſelben,
anfangen, und, wenn man ſie da nicht findet, zu den von dem-
ſelben entfernten Theilen weiter gehen. Wer umgekehrt verfaͤhrt,
und von der Peripherie der Blume anfaͤngt, und von da nach
dem Mittelpunkt weiter geht, wird leicht einen Theil fuͤr die Saft-
druͤſe halten, der etwas ganz anders iſt.
Wenn der unterſte Theil einer Blume eine Roͤhre, oder,
wenn die Krone mehrblaͤttricht iſt, roͤhrenfoͤrmig iſt, ſo muß man
die Saftdruͤſe jederzeit im Grunde dieſes Theils, keinesweges aber
an der Oeffnung deſſelben ſuchen. Denn entweder gab die Natur
deswegen der Blume dieſe Geſtalt, damit der im Grunde der
Roͤhre befindliche Saft gegen den Regen geſichert ſey; oder wenn
ſie ſolches aus einer andern Urſache that, ſo mußte ſie von dieſer
fuͤr die Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen vortheilhaften Ge-
ſtalt Gebrauch machen, folglich die Saftdruͤſe im Grunde der
Roͤhre anbringen, keinesweges aber in der Oeffnung derſelben,
wo der Saft dem Regen ausgeſetzt ſeyn wuͤrde.
Eine ſehr kleine Blume muß man nicht, ohne vorhergegan-
gene ſehr genaue Unterſuchung, bloß deswegen fuͤr ſaftleer halten,
weil ſie ſehr klein iſt. Denn obgleich das Safttroͤpfchen, welches
ſie abzuſondern im Stande iſt, uͤberaus klein ſeyn muß, ſo kann
es doch irgend einem Inſekt Nahrung verſchaffen. Denn je klei-
ner die Blumen einer Pflanze ſind, in deſto groͤſſerer Anzahl pfle-
gen ſie auch vorhanden zu ſeyn. Obgleich alſo eine jede nur ein
ſehr kleines Safttroͤpfchen enthaͤlt, ſo machen doch die Safttroͤpf-
chen aller Blumen zuſammengenommen eine betraͤchtliche Quanti-
taͤt aus. Die Blumen der Schirmpflanzen ſind ſehr klein, und
haben dennoch eine Saftdruͤſe und Saft. Wie groß aber iſt nicht
die Anzahl der Blumen Einer ſolchen Pflanze? Der Saft, den
ſie insgeſammt enthalten, verſchafft einer Fliege eine uͤberfluͤßige
Mahlzeit. Da ich in vielen groͤſſeren Blumen aus der Synge-
neſia Saft gefunden habe, ſo ſchließe ich daraus nach der Analo-
gie, daß alle, auch die kleinſten Blumen dieſer Klaſſe, als z. B.
Achillea, Artemiſia, Saft enthalten, und nehme bloß die Rand-
blumen in der Syngeneſia fruſtranea und in einigen Gattungen
der Syngeneſia ſuperflua aus, als welche zu einem andern End-
zweck vorhanden ſind. Wer ſich daruͤber wundert, daß ſo kleine
Blumen eine Saftdruͤſe haben ſollen, der muß ſich auch daruͤber
wundern, daß ſie Befruchtungstheile haben. So wie dieſe zu
den weſentlichſten Theilen dieſer Blumen gehoͤren, ſo gehoͤrt auch
jene zu denſelben, und ſo wie dieſe uͤberaus klein ſind, ſo iſt es
auch jene. Und ſo wie das Safttroͤpfchen uͤberaus klein iſt, ſo iſt
[[25]]
Einleitung.
es auch fuͤr uͤberaus kleine Inſekten beſtimmt. Denn man be-
denke nur die Groͤſſe der Blaſenſuͤße, welche ſich faſt in allen Blu-
men aufhalten, man bedenke die Groͤſſe der noch weit kleineren
Inſekten, welche man zuweilen in den Blumen findet, und man
verſuche alsdenn genau zu beſtimmen, wie groß eine Blume zum
wenigſten ſeyn muͤſſe, wenn ſie ſo viel Saft ſoll abſondern und
enthalten koͤnnen, als zur Ernaͤhrung ſo kleiner Thierchen erfor-
derlich iſt.
Man muß einer Blume, beſonders wenn man wirklich Saft
in derſelben findet, nicht deswegen die Saftdruͤſe abſprechen, weil
dieſelbe nicht ein beſonderer und von den uͤbrigen Theilen unter-
ſchiedener Theil iſt. So urtheilt der Verfaſſer der oben ange-
fuͤhrten Diſſertation de nectario florum ganz unrichtig, wann er
ſagt, daß man dem Lamium, der Anchuſa, der Galeopſis und
einigen auslaͤndiſchen Gattungen, ob man gleich im Grunde ih-
rer Roͤhre Saft finde, ferner denjenigen Blumen, deren recep-
taculum oder Kelch Saft enthaͤlt, kein eigentliches Nectarium
zueignen koͤnne, weil in denſelben keine beſondere Saftdruͤſe be-
findlich ſey. Denn erſtens gehoͤren die drey erſten Gattungen
gar nicht hieher, indem ſie wirklich beſondere Theile haben,
welche bloß zur Bereitung und Abſonderung des Safts beſtimmt
ſind, welche er aber wegen ihrer Kleinheit nicht geſehen hat.
Zweitens, wenn manche Blumen nicht ein eigentliches Nectarium
haben, ſo haben ſie ein uneigentliches. Ein uneigentliches Necta-
rium aber iſt ein Ausdruck, wobey ſich nichts denken laͤßt. Drittens
ſcheint derjenige, welcher alſo urtheilt, die edle Simplicitaͤt und
die große Sparſamkeit der Natur ganz zu verkennen. Nach die-
ſer Art zu ſchließen muͤßte man auch ſagen, daß die Natur zwar
den Ochſen dadurch, daß ſie ihm Hoͤrner gegeben, wehrhaft ge-
macht habe, keinesweges aber das Pferd, weil daſſelbe, ob es
gleich ſich mit ſeinen Hinterbeinen zu wehren im Stande ſey,
dennoch keine beſondere Waffen von derſelben erhalten habe.
Wenn die Natur in einer Blume, ohne eine beſonders geſtaltete
und von den uͤbrigen Theilen unterſchiedene Saftdruͤſe, Saft be-
reiten kann, ſo wuͤrde es eine unnuͤtze Weitlaͤuftigkeit ſeyn, wenn
ſie derſelben eine ſolche Saftdruͤſe gaͤbe. In dieſem Fall iſt alſo
derjenige Theil der Blume, welcher den Saft abſondert, zugleich
die Saftdruͤſe, er ſey nun entweder der Fruchtknoten, oder ein
Theil deſſelben, oder der Boden, oder ein Theil der Krone, oder
der Filamente.
Die Saftdruͤſe faͤllt, wann die Blume verbluͤhet, entweder
zugleich mit der Krone ab, oder ſie bleibt ſitzen. Iſt letzteres, ſo
iſt ſie entweder vom Fruchtknoten abgeſondert, oder ein Theil
deſſelben. Im erſten Fall vertrocknet ſie, ſchrumpft zuſammen,
und wird unanſehnlich. Im letztern vergroͤſſert ſie ſich zugleich
Einleitung.
mit dem Fruchtknoten, unterſcheidet ſich aber doch noch immer
durch ihr aͤußeres Anſehen, durch ihre Glaͤtte ꝛc. von demſelben.
In dieſem Fall kann man von ihrem Daſeyn gewiſſer werden,
und von ihrer vormaligen Geſtalt ſich einen beſſern Begriff ma-
chen, wenn ſie zur Bluͤhezeit ſehr klein, und kaum bemerkbar ge-
weſen iſt. So ſiehet man an dem voͤllig erwachſenen Roggenkorn
die vormalige Saftdruͤſe ſehr deutlich, welche man zur Bluͤhezeit
mit bloßen Augen kaum ſehen kann, weil der Fruchtknoten ſelbſt
alsdenn ſehr klein iſt. Den im Kelch eingeſchloßnen Samenkap-
ſeln der Silenen ſieht man es ſchon von außen an, an welcher
Stelle die vormalige Saftdruͤſe ſitze.
Weil der Safthalter jederzeit glatt iſt, ſo iſt dieß ein gutes
Huͤlfsmittel, um ihn zu finden. Bey Blumen, welche mit einer
Roͤhre verſehen ſind, wird man mehrentheils finden, daß der
oberſte laͤngere Theil der Roͤhre inwendig mit Haaren oder Wolle
uͤberzogen, der unterſte kuͤrzere aber glatt iſt. Der letztere iſt in
dieſem Fall jederzeit der Safthalter.
Wenn man in einer Blume Saft gefunden hat, ſo hat man
zugleich den Safthalter gefunden, und wird auch die Saftdruͤſe
nicht weit von demſelben antreffen. Nur muß man davon ver-
ſichert ſeyn, daß die gefundene Fluͤſſigkeit auch wirklich Saft, und
nicht ein Regentropfen iſt. Mehrentheils wird man zwar ſehen,
daß dieſe Fluͤſſigkeit ſich an einem ſolchen Ort befindet, wo ein
Regentropfen unmoͤglich, oder nicht leicht hinkommen kann. Oft
aber wird man ſie auf einem freyſtehenden und der Luft ausgeſetz-
ten Theil finden, da man denn oͤfters nicht wiſſen wird, ob es
Saft, oder ein Regentropfen ſey. Durch den Geſchmack kann
man dieſes nicht jederzeit entſcheiden. Denn der Saft ſchmeckt
zwar jederzeit ſuͤß; wer hat aber einen ſo feinen Geſchmack, daß
er die Suͤßigkeit eines Troͤpfchens, welches noch viel kleiner, als
ein Nadelknopf iſt, ſollte empfinden koͤnnen? Findet man, daß
mehrere Troͤpfchen auf der Blume regelmaͤßig ſitzen, daß alle Blu-
men an eben derſelben Stelle entweder mit Einem oder mehrern
Troͤpfchen verſehen ſind, findet man bey trockner Witterung der-
gleichen Troͤpfchen: ſo kann man mit Grunde es fuͤr ſehr wahr-
ſcheinlich halten, daß dieſes Saft ſey. Zur voͤlligen Gewißheit aber
wird man kommen, wenn man dergleichen Blumen mit nach
Hauſe nimmt, und ſolche, welche noch nicht aufgebrochen ſind,
ins Waſſer ſtellt. Sobald ſie aufgebrochen ſind, werden ſie,
wenn ſie Saftblumen ſind, anfangen, den Saft abzuſondern.
Auf ſolche Art habe ich mich z. B. uͤberzeugt, daß die Troͤpfchen,
welche ich in der Heide auf dem Anthericum ramoſum fand,
wirklich Safttropfen waren. Sie ſaßen auf dem Fruchtknoten alſo,
daß man leicht glauben konnte, ſie ſeyen Regentropfen, wofuͤr ſie auch
ein Botaniker hielt, dem ich ſie in der Heide zeigte.
B 3
[[26]]
Einleitung.
Man findet zuweilen in Blumen, welche wirklich Saftblu-
men ſind, keinen Saft, entweder weil er ſchon von Inſekten iſt
verzehret worden, welcher Fall um ſo viel mehr moͤglich iſt, wenn
man nur einige Exemplare hat und unterſuchen kann, oder weil
die ſpaͤte Jahreszeit daran Schuld iſt. Manche Pflanzen brin-
gen zwar noch bey ſpaͤter Jahreszeit Blumen hervor, ſcheinen
aber nicht mehr ſo viel Kraft zu haben, um in denſelben auch Saft
bereiten zu koͤnnen. Eben dieſes gilt von ſolchen Blumen, welche
man im Winter aus einem Gewaͤchs- oder Treibhauſe erhaͤlt.
Die erkuͤnſtelte Waͤrme ſcheint manche Blumen nicht zu einer ſol-
chen Vollkommenheit bringen zu koͤnnen, daß ſie auch wirklich
Saft abſondern. Wer aber von dem Bau der Blumen einige
Kenntniß hat, wird demungeachtet ſich oftmals in dergleichen
Faͤllen davon uͤberzeugen koͤnnen, daß dergleichen Blumen Saft-
blumen ſind. So unterſuchte ich im Spaͤtherbſt die Jaſione mon-
tana. Saft fand ich in derſelben nicht; dennoch ſchloß ich aus
einem Umſtand, welchen ich in ihrer Struktur bemerkte, daß ſie
eine Saftblume ſey. Und daß ich richtig geſchloſſen hatte, lehrte
mich im folgenden Sommer die Erfahrung. In der Coronilla
Emerus, welche ich im Winter aus einem Gewaͤchshauſe erhalten
hatte, fand ich keinen Saft. Aus ihrer ganzen Struktur aber
ſahe ich ein, daß ſie eine Saftblume ſey. Als ich die Blume nach-
gehends im Sommer unterſuchte, fand ich wirklich Saft in
derſelben.
Die Inſekten koͤnnen uns bey dieſer Unterſuchung ſehr be-
huͤlflich ſeyn. Eine Blume, welche von Einer oder mehrern Ar-
ten von Inſekten haͤufig beſucht wird, hat wahrſcheinlich Saft.
Nur muß man hievon die Bienen ausnehmen, als welche auch
ſaftleere Blumen beſuchen, nehmlich des Staubes wegen, und
von den Hummeln wenigſtens Eine Art, welche gleichfalls Staub
ſammelt. Von einzelnen Inſekten kann man jedoch leicht irre ge-
fuͤhrt werden, wenn man es an gehoͤriger Unterſuchung fehlen
laͤßt. Denn zuweilen ſuchen ſie in ſaftleeren Blumen, oder in
ſolchen Theilen der Saftblumen Saft, welche den Saft nicht
enthalten, wovon ich unter andern bey der Lychnis dioeca ein
Beiſpiel anfuͤhren werde. Dies gilt aber nur von Fliegen, Blatt-
laͤuſen, Blumenkaͤfern und andern unedleren Inſekten, keineswe-
ges aber von Bienen und Hummeln, als welche den Saft jeder
Blume ſehr leicht zu finden wiſſen.
Wenn eine Blume eine ſolche Struktur hat, daß vermittelſt
derſelben die Regentropfen von ihrem Innerſten abgehalten wer-
den, ſo kann man erwarten, daß ſie Saft habe. Dahin gehoͤren
die roͤhrenfoͤrmigen Blumen, ferner diejenigen, welche herabhan-
gen, beſonders wenn ſie dabey eine glockenfoͤrmige, oder gar wal-
zenfoͤrmige Geſtalt haben. Daß Blumen, welche eine Roͤhre
Einleitung.
haben, Saft in derſelben enthalten, iſt ſo allgemein, daß bloß
die Scheinſaftblumen hievon eine Ausnahme machen; aber eben
dieſes iſt zugleich die Urſache, warum die Scheinſaftblumen eine
Roͤhre oder einen roͤhrenfoͤrmigen Theil haben, welches wenig-
ſtens von den vier mir bis jetzt bekannt gewordenen Scheinſaft-
blumen gilt. Denn wenn die Natur ihre Abſicht erreichen wollte,
welche dahin geht, die Inſekten zu taͤuſchen, und ſie zu verleiten,
in dieſe Blumen hineinzukriechen: ſo mußte ſie denſelben eine ſolche
Bildung geben, daß die Inſekten nothwendig ſie fuͤr Saftblu-
men halten muͤſſen. Folglich mußte ſie dieſelben mit einer Roͤhre
verſehen, weil die Inſekten aus der Erfahrung wiſſen, daß eine
Roͤhre Saft enthaͤlt.
Blumen, welche eine beſondere Saftdecke haben, muͤſſen
auch Saftblumen ſeyn. Wenn man alſo in einer Blume Haare
findet, ſo halte man dieſelben fuͤr die Saftdecke, und man wird
unterhalb derſelben den Saft bald finden. Wer dieſes nicht weiß,
wird in vielen Malvenblumen die Saftdruͤſen lange und dennoch
vielleicht vergebens ſuchen. Denn ſie befinden ſich an einer ziem-
lich verborgenen Stelle. Wem dieſes aber bekannt iſt, der ſchlie-
ßet aus den Haaren, welche er im Grunde der Krone ſieht, ſo-
gleich, daß unter denſelben der Saft befindlich ſeyn muͤſſe, und
findet dieſen und die Saftdruͤſen bald. Wenn eine roͤhrenfoͤrmige
Blume um die Oeffnung der Roͤhre herum gewiſſe Anſaͤtze hat, ſo
halte man dieſelben nicht, wie Linné zuweilen gethan hat, fuͤr
Saftdruͤſen, ſondern fuͤr die Saftdecke, ſchließe aus der Gegen-
wart derſelben, daß die Blume Saft haben muͤſſe, und ſuche die-
ſen im Grunde der Roͤhre oder des roͤhrenfoͤrmigen Theils: ſo
wird man denſelben daſelbſt leicht finden.
Blumen, welche ein Saftmaal haben, ſind mehrentheils
Saftblumen. Und ſo wie daſſelbe den Inſekten behuͤlflich iſt,
den Saft zu finden, ſo koͤnnen auch wir uns deſſelben zu gleichem
Endzweck bedienen.
Nicht jede mit einer Krone verſehene Blume hat Saft. Denn
um nicht der Scheinſaftblumen zu gedenken, ſo giebt es noch an-
dere, welche eine anſehnliche Krone, [und] doch keinen Saft ha-
ben. Die Krone dieſer Blumen iſt entweder etwas ganz unerklaͤr-
liches, oder ſie dienet dazu, daß die Blumen den Bienen, welche
den Staub derſelhen ſammlen, von weitem in die Augen fallen.
Und wenn dieſes richtig iſt, ſo folgt hieraus, daß auch dieſe Blu-
men, welches ich durch verſchiedene Beiſpiele aus der Erfahrung
beweiſen werde, von den Bienen befruchtet werden. Denn wenn
ſie auf eine mechaniſche Art befruchtet werden ſollen, ſo iſt der
Umſtand, daß Bienen ihren Staub ſammlen, den Blumen nicht
vortheilhaft, ſondern nachtheilig, weil ihre Befruchtung eben ſo ſehr
erſchweret wird, als ihr Staubvorrath vermindert wird. Folglich
[[27]]
Einleitung.
wuͤrde ihre Krone bloß dazu dienen, daß Bienen, durch dieſelbe
herbeygelockt, ihre Befruchtung erſchwerten, und ſie wuͤrde den-
ſelben den groͤßten Schaden, welcher durch keinen Vortheil auf-
gewogen wuͤrde, verurſachen, welches ungereimt iſt.
Sind alle Blumen, welche riechen, Saftblumen? Dieſe
Frage getraue ich mich nicht zu bejahen. Denn die Blumen des
Hollunders (Sambucus nigra) z. B. haben einen ſtarken Geruch;
ich habe aber bisher weder Saft in, noch Inſekten auf denſelben
angetroffen, ausgenommen Maykaͤfer und eine ſeltene Fliege von
der Groͤße einer großen Hummel, welche aber, wie ich genau be-
merkt habe, den Antherenſtaub verzehrten.
Alle Blumen, welche keine eigentliche Krone, noch an der
Stelle derſelben, einen anſehnlichen und gefaͤrbten Kelch haben,
noch riechen, und welche man Bluͤthen zu nennen pflegt, ſind
ſaftleer, und werden nicht von den Inſekten, ſondern auf eine
mechaniſche Art, nemlich durch den Wind [befruchtet], welcher ent-
weder den Staub von den Antheren ab-, und an die Stigmate
anwehet, oder dadurch, daß er die Pflanze oder die Blume ſchuͤt-
telt, verurſacht, daß der Staub von den Antheren herab und auf
die Stigmate faͤllt. Daß aber die mechaniſche Befruchtung, und
zwar ſelbſt bey Saftblumen, auch auf die Art geſchehe, daß die
Antheren unmittelbar das Stigma beruͤhren, und demſelben ih-
ren Staub mittheilen, wuͤrde ich gar nicht glauben, wenn die
Befruchtung des Lilium Martagon ſich auf eine andere Art er-
klaͤren ließe. Indeſſen werde ich durch mehrere Beiſpiele bewei-
ſen, daß die Beobachtungen, aus welchen man dieſe Befruch-
tungsart in Anſehung vieler anderen Saftblumen hat folgern
wollen, unrichtig ſind.
Von dem erſten Theil dieſer Behauptung machen jedoch die
Blumen der Graͤſer eine Ausnahme. Denn ſie haben keine ei-
gentliche, anſehnliche, gefaͤrbte und in die Augen fallende Krone,
und dennoch Saft. Daß aber dieſelben, ob ſie gleich Saft ent-
halten, nicht von Inſekten, ſondern durch den Wind befruchtet
werden, werde ich beweiſen, wann ich vorher den Unterſchied
zwiſchen ſolchen Blumen, welche vom Winde, und ſolchen,
welche von den Inſekten befruchtet werden, angezeigt haben
werde.
Die Blumen von der erſten Art unterſcheiden ſich von den
Blumen von der andern Art erſtens durch die groͤßere Menge
Staubes. Wenn z. B. die Blumen einer weiblichen Pappel durch
den Staub eines benachbarten maͤnnlichen Baums vom Winde
ſollen befruchtet werden, ſo muß der maͤnnliche Baum bey weitem
mehr Staub bereiten, als grade zur Befruchtung aller Blumen
des weiblichen Baums noͤthig iſt. Denn der Wind wehet nicht
jederzeit den Staub grade auf den weiblichen Baum hin, bringt
Einleitung.
auch nicht ein jedes Staͤubchen grade auf eine ſolche Blume, welche
noch nicht befruchtet iſt. Auch waͤſchet der Regen nicht nur viel
Staub von den Antheren ab, da dieſelben ihm bey dergleichen
Blumen ſehr ausgeſetzt ſind, ſondern er ſchlaͤgt auch den ſchon ab-
geflogenen und in der Luft befindlichen Staub nieder. Und wenn
die weiblichen Aehren eines Riedgraſes durch den herabfallenden
Staub der uͤber ihnen befindlichen maͤnnlichen Aehren ſollen be-
fruchtet werden, ſo faͤllt der groͤßte Theil deſſelben vorbey. Folg-
lich muß auch hier weit mehr Staub vorhanden ſeyn, als grade
zur Befruchtung noͤthig iſt. Dieſes wird durch die Erfahrung be-
ſtaͤtiget. Denn die beiden angefuͤhrten Gattungen bereiten ſehr
viel Staub. Die Kiefer (Pinus ſylueſtris) hat ſo viel Staub,
und verſtreuet denſelben in ſolcher Menge in die Luft, daß es waͤh-
rend ihrer Bluͤhezeit, wie die gemeinen Leute ſagen, zuweilen
Schwefel regnet. Wie viel groͤßer ſind nicht beim Haſelſtrauch
und bey der Elſe die maͤnnlichen Kaͤtzchen, als die weiblichen Bluͤ-
then und Kaͤtzchen? Mit den Blumen von der andern Art ver-
haͤlt es ſich ganz anders. Geſetzt, eine Pflanze hat dergleichen
Blumen, und zwar maͤnnliche und weibliche, und die letztern ſol-
len von Bienen durch den Staub der erſtern befruchtet werden,
und zwar ſo, daß dieſe, indem ſie in die maͤnnlichen Blumen
hineinkriechen, mit dem Ruͤcken den Staub von den Antheren ab-
ſtreifen, und, wann ſie hierauf in eine weibliche Blume hinein-
kriechen, mit dem beſtaͤubten Ruͤcken das Stigma beruͤhren, wel-
ches zu dem Ende grade da befindlich iſt, wo in der maͤnnlichen
Blume die Antheren ſind: ſo ſiehet man ein, daß hier nicht viel
Staub noͤthig iſt. Auch dieſes beſtaͤtigt die Erfahrung zur Genuͤge.
Man ſchlage z. B. mit einem Stock auf einen bluͤhenden Zweig
einer Kiefer, einer Haſelſtaude, oder einer Elſe, ſo wird man eine
große Staubwolke hervorbringen. Man ſchlage aber auf einen
bluͤhenden Johannis- oder Stachelbeerenſtrauch, ſo wird ſich keine
ſolche Staubwolke zeigen. Die zweylippichten Blumen haben
nicht mehr als vier Antheren, einige nur zwey, koͤnnen alſo nur
wenig Staub bereiten; dieſer iſt aber zur Befruchtung voͤllig
zureichend, weil dieſelbe nicht durch den Wind, ſondern durch die
Inſekten geſchieht.
Hierbey iſt jedoch noch zu merken, daß jener Verſuch, um
ſich von der Menge des Staubes der Blumen von der erſten Art
zu uͤberzeugen, nur bey windſtillem Wetter geſchehen muß. Denn
wenn der Wind wehet, wird ſich wenig oder gar kein Staub zei-
gen, weil der Wind denſelben ſchon verwehet hat. Nemlich auch
dadurch unterſcheiden ſich dieſe Blumen von den Blumen der
andern Art, daß ihr Staub ſehr fluͤchtig iſt, und durch das ge-
ringſte Luͤftchen leicht fortgefuͤhrt wird, da der Staub der letztern
feſter ſitzt. Man breche im Fruͤhjahr von der Haſelſtaude, der
[[28]]
Einleitung.
Espe, der Elſe Zweige ab, welche mit noch nicht bluͤhenden, aber
vom Bluͤhen nicht mehr weit entfernten maͤnnlichen Kaͤtzchen ver-
ſehen ſind, folglich von ihrem Staube noch nichts verloren ha-
ben. Stellt man dieſelben in einem mit Waſſer angefuͤllten Gefaͤße
auf ein Fenſter, durch welches die Mittagsſonne ſcheint, ſo wird
man nach einigen Tagen finden, daß die Kaͤtzchen ſich verlaͤngert,
und die Antheren ſich geoͤffnet haben. Blaͤſet man alsdenn auf
dieſe Zweige, ſo wird ſich eine große Staubwolke zeigen. War-
tet man aber, ohne dieſen Verſuch zu machen, noch einige Tage,
bis alle Antheren ſich geoͤffnet haben, und blaͤſet alsdenn: ſo wird
man allen Staub rein wegblaſen, und wenn man nach einigen
Tagen dieſen Verſuch wiederholt, wird man keinen Staub mehr
gewahr werden. Einen gleichen Erfolg wird man bemerken, wenn
man die Zweige ſchuͤttelt. Von den Antheren einer Blume von
der andern Art hingegen wird man den Staub keinesweges ſo
leicht wegblaſen koͤnnen. Denn derſelbe ſitzt feſter, und gleicht
mehr einem Mehl, welches etwas feucht iſt, und deswegen eini-
germaßen zuſammenhaͤngt, als einem trocknen Staube, welchen
das geringſte Luͤſtchen wegfuͤhrt. Man ſtelle mit einem Zweige
des maͤnnlichen Werſts (Salix caprea) dieſen Verſuch an, und
man wird finden, daß man weder durch Blaſen noch durch Schuͤt-
teln eine ſolche Staubwolke hervorbringen kann. Man blaſe die
Antheren des Crocus, der Tuſſilago Farfara, der Cornus ma-
ſcula, des Ornithogalum luteum an, ſo wird man zwar einzelne
Koͤrnchen, aber nicht den ganzen Vorrath des Staubes, in der
Geſtalt eines eigentlichen Staubes, wegblaſen koͤnnen. Ja ſelbſt
bey der Anemone Hepatica und dem Papauer dubium, welche
keinen Saft, aber eine Krone haben, wird ſich ein gleiches zei-
gen. Hieraus und aus andern Umſtaͤnden, welche ich an ſeinem
Ort anfuͤhren werde, ſchließe ich, daß dieſe und die ihnen aͤhnli-
chen Blumen von den Bienen befruchtet werden. Daß nun dieſe
verſchiedene Beſchaffenheit des Staubes ſehr zweckmaͤßig ſey, ſieht
ein jeder von ſelbſt ein. Das Gegentheil dieſer Einrichtung wuͤrde
die Abſichten der Natur gaͤnzlich vereiteln. Denn wenn der Staub
der Blumen von der erſten Art feſt ſaͤße, ſo wuͤrde derſelbe nicht
vom Winde auf die oftmals ſehr weit entfernten Stigmate gefuͤh-
ret werden koͤnnen; und wenn der Staub der Blumen von der
andern Art vom Winde leicht weggewehet werden koͤnnte, ſo wuͤr-
den die Inſekten, wenn ſie die Blumen beſuchten, wenig oder
gar keinen Staub abſtreifen, und folglich dieſelben nicht befruch-
ten koͤnnen.
Endlich muͤſſen bey den Blumen von der erſten Art ſowohl
die Antheren, als die Stigmate frey an der Luft liegen, damit
der Wind den Staub von jenen auf dieſe fuͤhren koͤnne, und die
Stigmate muͤſſen von anſehnlicher Groͤße ſeyn, weil, wenn ſie
Einleitung.
ſehr klein ſind, es nur ſelten geſchehen kann, daß ſie Staub er-
halten. Bey den Blumen von der andern Art hingegen iſt weder
jenes noch dieſes noͤthig, ſondern es koͤmmt bey denſelben bloß
darauf an, daß die Antheren und Stigmate grade an einer ſol-
chen Stelle ſich befinden, daß ſie von dem zur Befruchtung der-
ſelben beſtimmten Inſekt, indem daſſelbe hineinkriecht, nothwendig
beruͤhrt werden muͤſſen, und wenn das Stigma in dieſem Fall
auch noch ſo klein iſt, ſo wird es doch jedesmal von dem Inſekt
beſtaͤubt.
Um nun wieder auf die Blumen der Graͤſer zu kommen, ſo
beweiſe ich, daß ſie nicht von Inſekten, ſondern vom Winde be-
fruchtet werden, erſtens aus der Menge des Staubes, welchen
ſie bereiten, zweitens aus der Fluͤchtigkeit deſſelben. Wenn man
z. B. bey ſchoͤnem und zugleich windſtillem Wetter die bluͤhende
Rispe der Dactylis glomerata klopfet oder anblaͤſet, ſo bringt
man eine Staubwolke hervor, welche in die Luft verfliegt. Drit-
tens daraus, daß die Filamente ſehr lang und duͤnne ſind, ſo daß
die Antheren in einer ziemlichen Entfernung unter den Blumen
hangen. Dieſes dient offenbar dazu, daß der Wind die Antheren
deſto beſſer ſchuͤtteln, und ihren Staub abwehen koͤnne. Vier-
tens aus der anſehnlichen Groͤße und der Geſtalt der Stigmate,
vermoͤge welcher dieſelben im Stande ſind, viele vom Winde auf
ſie hingewehete Staubtheilchen zu empfangen. Endlich fuͤnftens
daraus, daß ich keine Inſekten auf dieſen Blumen angetroffen
habe. Die Blumen der Graͤſer halten alſo das Mittel zwiſchen
den Blumen der Riedgraͤſer und aͤhnlicher Pflanzen und den
Saftblumen. Jenen ſind ſie darin aͤhnlich, daß ſie vom Winde
befruchtet werden, unaͤhnlich aber darin, daß ſie Saft haben.
Mit dieſen kommen ſie im letzten Stuͤck uͤberein, unterſcheiden
ſich aber von denſelben in Anſehung des erſten. Wozu dienet
aber ihr Saft? Dieſe Frage bin ich nicht im Stande zu beant-
worten.
Was Linné ſchon bemerkt hat, daß nemlich viele Blumen
deswegen eher zum Vorſchein kommen, als die Blaͤtter, damit
der Wind von den letztern nicht verhindert werde, den Staub
fortzufuͤhren, gilt bloß von Blumen von der erſten Art, als z. B.
von den Bluͤthen der Ulme, der Pappeln, des Haſelſtrauchs ꝛc.
Die Blaͤtter der Fichtenarten koͤnnen die Befruchtung durch den
Wind nicht ſonderlich verhindern, da ſie ſehr ſchmal und glatt
ſind. Bey der europaͤiſchen Linde hingegen wuͤrden die Blaͤtter
dieſes allerdings thun. Schon hieraus laͤßt ſich vermuthen, daß
ihre Blumen Saftblumen ſind, und von Inſekten befruchtet wer-
den. Zu dieſer Bemerkung Linné’s fuͤge ich noch dieſes hinzu,
daß dergleichen Baͤume nicht nur eher bluͤhen muͤſſen, als ſie ſelbſt
Blaͤtter haben, ſondern auch eher, als die Baͤume uͤberhaupt
Blaͤtter
[[29]]
Einleitung.
Blaͤtter haben. Denn wenn z. B. Espen, welche in einer Heide
ſtehen, erſt alsdann zu bluͤhen anfingen, wann andere Baͤume,
welche zwiſchen ihnen ſtehen, ſchon belaubt ſind: ſo wuͤrden dieſe
den Wind verhindern, den Staub der maͤnnlichen Espen auf die
weiblichen Baͤume zu fuͤhren.
Nun giebt es aber auch Saftblumen, welche eher zum Vor-
ſchein kommen, als die Blaͤtter. Dahin gehoͤren z. B. die Kor-
nelkirſche (Cornus maſcula), der Kellerhals (Daphne Meze-
reum), der Huflattig (Tuſſilago Petaſites und Farfara) und die
Zeitloſe (Colchicum autumnale). Bey dieſen kann die vom
Linné angegebene Urſache nicht Statt finden, da ſie nicht vom
Winde, ſondern von Inſekten befruchtet werden. Die eigentliche
Urſache dieſer Einrichtung ſcheint mir in der Bluͤhezeit zu liegen.
Die Zeitloſe iſt eine von den zuletzt, und die uͤbrigen Arten ge-
hoͤren zu den zuerſt bluͤhenden Saftblumen. Da ſie alſo insge-
ſammt in einer ſolchen Jahreszeit bluͤhen, in welcher es außer ih-
nen ſehr wenig Saftblumen giebt: ſo war es noͤthig, es zu ver-
anſtalten, daß die Bienen und andere Inſekten dieſelben um ſo
viel leichter finden koͤnnen, da ſie die einzigen, oder faſt die ein-
zigen ſind, welche ihnen Nahrung verſchaffen koͤnnen. Und zur
Erreichung dieſer Abſicht war es ſehr dienlich, die Blumen eher
bluͤhen zu laſſen, als die Blaͤtter zum Vorſchein gekommen ſind,
damit jene, nicht von dieſen verdeckt, deſto mehr ſchon von wei-
tem den Inſekten in die Augen fallen.
Da der Endzweck der Krone, welcher allezeit Statt findet,
dahin geht, daß die Blume den Inſekten von weitem in die Au-
gen falle: ſo muß dieſelbe jederzeit ſo groß ſeyn, als moͤglich iſt.
Dieſe Moͤglichkeit aber beruhet vornehmlich auf ihrer Geſtalt.
Wenn ſie flach iſt, ſo kann ſie ſehr groß ſeyn, und iſt wirklich ſo
groß, als ihre Dicke es zulaͤßt. Dieß finden wir z. B. bey den
Malvenblumen, dem Mohn, den Nelkenblumen, den Randblu-
men des Viburnum Opulus und der Syngeneſiſten. Hat ſie
aber z. B. eine kugelfoͤrmige Geſtalt, als bey der Heidelbeere
(Vaccinium Myrtillus), ſo kann ſie unmoͤglich groͤßer ſeyn, als
ſie iſt, weil ſonſt die Blume ſelbſt groͤßer ſeyn muͤßte. Da aber
zur Erreichung dieſes Endzwecks ihre Dicke unmittelbar nichts
beytraͤgt, ſo iſt ſie auch jederzeit, wenn bloß dieſe einzige Abſicht
durch dieſelbe erreicht werden ſoll, ſehr duͤnne. So hat z. B.
Connolunlus tricolor eine ſehr duͤnne Krone, obgleich bey der-
ſelben nicht einmal bloß jene Abſicht ſtatt findet, ſondern außer
derſelben noch drey andere, nemlich daß ſie ſich bey Tage in konoi-
biſcher Geſtalt ausſpanne, welches zur Erreichung der erſten Ab-
ſicht dienet, daß ſie ſich des Nachts ſchließe, und daß ein, ver-
muthlich groͤßeres, Inſekt auf derſelben ſtehen koͤnne, um zum
Saft zu gelangen. Da dieſe Abſichten eine gewiſſe, wenn auch
Einleitung.
noch ſo geringe, Dicke der Krone noͤthig machen, ſo wuͤrde, wenn
dieſelben wegfielen, die Krone vermuthlich noch duͤnner ſeyn. So
oft alſo die Krone dicke oder fleiſchicht iſt, ſo muß mit jener noch
eine andere Abſicht verbunden ſeyn. So pflegt ſie in ſolchen Blu-
men, welche keinen Kelch haben, fleiſchicht zu ſeyn, ſowohl, weil
ſie im Knospenzuſtand derſelben des Kelchs Stelle vertreten, und
die noch zarten Geſchlechtstheile beſchuͤtzen muß, als auch, weil
ſie, wann dieſelben aufgebrochen ſind, von keinem Kelch unter-
ſtuͤtzt, ſich ſelbſt in ihrer Stellung erhalten muß.
Eine jede Blume muß zwar immer eine ſolche Geſtalt haben,
daß ſie bey der Stellung, welche ſie hat, den Inſekten am leich-
teſten in die Augen fallen kann. Was aber dieſe Stellung ſelbſt
betrifft, ſo muß dieſelbe, da die Blume nicht ihrer ſelbſt, ſondern
der Frucht wegen da iſt, aus der Frucht hergeleitet werden. Und
man muß nicht ſo ſchließen, die Frucht hat dieſe oder jene Stel-
lung, weil die Blume dieſelbe haben mußte, ſondern umgekehrt,
die Blume hat dieſe oder jene Stellung, damit die Frucht dieſelbe
haben koͤnne.
Die Filamente und der Griffel ſind bloß deswegen da, damit
die Antheren und das Stigma ſich grade an derjenigen Stelle be-
finden, wo ſie von dem zur Befruchtung der Blume beſtimmten
Inſekt, indem es in dieſelbe hineinkriecht, nothwendig beruͤhrt
werden muͤſſen. Wenn alſo dieſe Stelle in Anſehung des Stigma
unmittelbar uͤber dem Fruchtknoten, und in Anſehung der An-
theren unmittelbar uͤber dem Boden iſt: ſo hat die Blume in jenem
Fall keinen Griffel, und in dieſem keine Filamente. Daß die Fi-
lamente und der Griffel zu dieſem Ende wirklich vorhanden ſind,
wird man faſt bey allen in der Abhandlung vorkommenden Blu-
men ohne mein Erinnern von ſelbſt leicht einſehen. Daß die Fi-
lamente zu dieſem Ende fehlen, wird ſich bey den abgehandelten
Orchisblumen von ſelbſt ergeben. Daß endlich der Griffel zu die-
ſem Ende fehlt, wird man bey der Parnaſſia paluſtris einſehen.
Auf die Abweſenheit oder Gegenwart dieſer Theile muß man alſo
bey Unterſuchung der Blumen ſehr aufmerkſam ſeyn, vorzuͤglich
aber darauf, wie ſich dieſelben, wenn ſie wirklich vorhanden ſind,
waͤhrend der ganzen Bluͤhezeit verhalten, wie ſie nach und nach
ſich verlaͤngern, ſich kruͤmmen, ſich grade ſtrecken ꝛc. So wie die-
ſes alles leicht bemerkt werden kann, ſo wird man auch, wenn
man unterſucht, wozu es denn wohl geſchieht, oftmals bald auf
die richtige Spur kommen.
Mau kann nicht laͤugnen, daß die Natur die Antheren und
das Stigma vieler Blumen vor dem Regen ſehr wohl verwahrt
hat, weil derſelbe ſowohl jenen, als dieſem nachtheilig iſt. Je-
nen, indem er ihren Staub zuſammenklebt, auch vielleicht zur
Befruchtung untauglich macht; dieſem, es mag nun mit Haaren,
C
[[30]]
Einleitung.
oder mit einer gewiſſen Feuchtigkeit uͤberzogen ſeyn, indem er es
in beiden Faͤllen verhindert, den Staub aufzunehmen. Indeſ-
ſen giebt es doch auch nicht wenig Blumen, in welchen man eine
ſolche Veranſtaltung nicht findet, deren Saft aber gegen den Re-
gen voͤllig geſichert iſt. Ja es giebt Blumen, deren Stigmate
und Staubgefaͤße eben deswegen dem Regen ausgeſetzt ſind, da-
mit ſie die Regentropfen auffangen, und dieſelben verhindern, zu
dem hinter oder unter ihnen befindlichen Saft zu dringen. Da-
hin gehoͤren z. B. verſchiedene Malvenblumen. Die Urſache,
warum die Natur mehr Sorge fuͤr den Saft, als fuͤr die Anthe-
ren und das Stigma in Anſehung des Regens getragen hat, laͤßt
ſich leicht entdecken. Der Saft iſt in den Blumen das, was in
einer Uhr die Feder iſt. Nimmt man den Blumen den Saft, ſo
macht man dadurch alle ihre uͤbrige Theile unnuͤtz, ſo vernichtet
man ihren letzten Endzweck, nemlich die Hervorbringung der
Fruͤchte. Ein gleiches erfolgt, wenn Regenwaſſer ſich mit dem
Saft vermiſcht, und denſelben verdirbt. Denn die Inſekten,
welche treffliche Schmecker ſind, verſchmaͤhen die loſe Speiſe, und
laſſen die Blumen unbeſucht, und folglich unbefruchtet. Wenn
alſo gleich die Antheren und das Stigma einiger ſolcher Blumen
durch den Regen zur Befruchtung untuͤchtig gemacht worden ſind,
ſo erſtreckt ſich dieſer Nachtheil doch nur auf ſie, und das Inſekt,
welches in denſelben eine unverdorbene Nahrung gefunden hat,
ſetzt das ihm aufgetragene Befruchtungsgeſchaͤft mit Vergnuͤgen
fort, und befoͤrdert dieſes doch wenigſtens wirklich in denjenigen
Blumen, welche nichts vom Regen gelitten haben. Waͤre aber
der Saft durch den Regen verdorben worden, ſo koͤnnte das In-
ſekt leicht eine Abneigung gegen die ganze Art bekommen, folg-
lich ſich zu einer andern wenden, und jene unbefruchtet laſſen.
Die Natur hat einer jeden Blume eine gewiſſe Lebensdauer
beſtimmt, dieſer eine kuͤrzere, eine laͤngere jener. Manche bluͤhen
nur Einen Tag, als Hemerocallis fulua, andere mehrere Tage.
Diejenige, welche nach meinen bisherigen Beobachtungen am
laͤngſten bluͤhet, iſt Vaccinium Oxycoccos, denn ſie bluͤhet acht-
zehn Tage lang. Auf die Dauer der Bluͤhezeit muß man ſehr auf-
merkſam ſeyn. Daß ich mich in meiner erſten Vorſtellung von
der Art, wie Nigella aruenſis von den Bienen befruchtet wird,
geirrt hatte, haͤtte mich ſchon der Umſtand lehren ſollen, daß dieſe
Blume, nachdem dieſe vermeintliche Befruchtung vollzogen wor-
den, noch eine geraume Zeit zu bluͤhen fortfaͤhrt, und dann erſt
die Kronenblaͤtter, die Staubgefaͤße und die Saftmaſchinen ver-
liert. Ich uͤberſah aber damals dieſen Umſtand. Ich ſah noch
nicht ein, wie die Natur, immer nur ihren Hauptendzweck, nem-
lich die Hervorbringung der Frucht, vor Augen habend, eine jede
Blume grade ſo lange vegetiren laͤßt, als zur Befruchtung des
Einleitung.
Fruchtknotens erforderlich iſt, und wie ſie, ſobald der Fruchtkno-
ten befruchtet iſt, die Blume ihres ganzen Schmucks, in welchem
ſie bis dahin ſo herrlich prangte, beraubt, weil derſelbe nunmehr
ein ganz unnuͤtzer Staat ſeyn wuͤrde. Die Krone faͤllt alsdenn
entweder ab, oder ſie wird, wenn ſie ſitzen bleibt, welk, unan-
ſehnlich und ganz unkenntlich. War der Kelch vorher gefaͤrbt, ſo
wird er nun gruͤn, weil die junge Frucht bis zu ihrer Reiſe nichts
weniger als in die Augen fallen ſoll, damit ſie, von keinem Thier
bemerkt und beſchaͤdigt, fortwachſen und reifen koͤnne.
Koͤlreuter und Medikus wollen an verſchiedenen Arten
der Scrophularia beobachtet haben, daß die Staubgefaͤße, welche
anfangs in einer zirkelfoͤrmigen Kruͤmmung im Grunde der Krone
liegen, und ſich in der Folge eins nach dem andern grade ſtrecken,
ihre alsdenn reife Antheren auf das Stigma legen, daß folglich
die Blumen auf diejenige mechaniſche Art befruchtet werden, von
welcher ich oben geſagt habe, daß man das Daſeyn derſelben aus
unrichtigen Beobachtungen hat folgern wollen. Waͤren nun dieſe
Maͤnner auf die Dauer der Bluͤhezeit dieſer Blumen aufmerkſam
geweſen, ſo wuͤrden ſie nicht nur gefunden haben, daß ſie ſich
bey dieſer Beobachtung geirrt haͤtten, ſondern ſie wuͤrden auch die
Dichogamie leicht haben entdecken koͤnnen. Sie wuͤrden nemlich
bemerkt haben, daß dieſe Blumen ungefaͤhr zwey Tage lang bluͤ-
hen, ehe eine Anthere zum Vorſchein koͤmmt. Haͤtten ſie nun
alſo geurtheilt: Die Natur kann unmoͤglich dieſe Zeit hindurch die
Blumen vergebens bluͤhen laſſen: ſo wuͤrden ſie leicht bemerkt ha-
ben, daß das Stigma in den beiden erſten Tagen bluͤhet, daß
folglich dieſe Zwitterblumen waͤhrend dieſer Zeit weibliche Blumen
ſind. Sie wuͤrden ferner gefunden haben, daß die erſte Anthere
nicht eher zum Vorſchein koͤmmt, als nachdem der oberſte Theil
des Griffels nebſt dem Stigma verwelkt iſt, und ſich niederwaͤrts
gekruͤmmt hat, daß folglich dieſe Zwitterblumen, ſo lange die An-
theren bluͤhen, welches auch ungefaͤhr zwey Tage dauert, maͤnn-
liche Blumen ſind, und die Befruchtung keinesweges waͤhrend
dieſer Zeit von den nach und nach zum Vorſchein kommenden An-
theren geſchehen kann, ſondern ſchon vorher, da die Antheren
noch im Grunde der Blume ſteckten, geſchehen ſeyn muß. Aus
dem allen haͤtte ſich nun der Schluß von ſelbſt ergeben, daß dieſe
Blumen nicht im Stande ſind, ſich mit ihrem eigenen Staube zu
befruchten, folglich ihre Befruchtung ſchlechterdings nicht anders
als ſo geſchehen koͤnne, daß Inſekten den Staub der aͤlteren Blu-
men auf das Stigma der juͤngeren ſchleppen. Haͤtten ſie nun,
um die Richtigkeit dieſes Schluſſes durch die Erfahrung beſtaͤtigt
zu ſehen, die Blumen bey ſchoͤnem Wetter oͤfters beobachtet, ſo
wuͤrden ſie gefunden haben, daß Wespen und andere Inſekten
dieſelben beſuchen, und daß dieſe nicht des Safts theilhaftig werden
[[31]]
Einleitung.
koͤnnen, ohne zugleich in den aͤlteren Blumen die Antheren, und
in den juͤngeren das Stigma mit ihrem Koͤrper ſtark zu beruͤhren,
und folglich jene ihres Staubes zu berauben, und mit demſelben
dieſes zu verſehen.
Sollen die Blumen von den Inſekten beſucht und befruchtet
werden, ſo muͤſſen ſie von denſelben, und zwar ſchon von wei-
tem, leicht bemerkt werden koͤnnen. Folglich muͤſſen ſie einen
freyen Stand haben, und weder von den Blaͤttern ihrer Pflan-
zen, noch von andern benachbarten Pflanzen verdeckt werden.
Laͤßt ſich aber dieſes aus anderweitigen erheblichen Urſachen nicht
thun, ſo muͤſſen ſie einen deſto ſtaͤrkern Geruch haben. Daß die
Erfahrung dieſes beſtaͤtiget, werde ich in der Abhandlung durch
einige Beiſpiele beweiſen.
Drey Umſtaͤnde ſind es, aus welchen man, ſo wie vieles an-
dere, was die Struktur der Blumen betrifft, alſo auch, warum
ſie regulaͤr, oder irregulaͤr ſind, erklaͤren kann. Der erſte iſt die
Inflorescenz, oder die Art und Weiſe, wie die Blumen an den
Stengel, oder an die Zweige einer Pflanze angefuͤgt ſind. Der
zweite, deſſen ich ſchon oben erwaͤhnt habe, iſt, daß die Regen-
tropfen, wenigſtens bey einer Windſtille, perpendikulaͤr auf die
Blumen herabfallen. Der dritte iſt die Abſicht der Natur, daß
die Inſekten die Blumen befruchten ſollen, wenn man dabey zu-
gleich auf die natuͤrliche Stellung der Inſekten Ruͤckſicht nimmt,
welches im Fliegen allezeit, und im Gehen und Stehen gewoͤhn-
lich die aufrechte iſt. Denn ob ſie gleich auch in umgekehrter Stel-
lung gehen und ſtehen koͤnnen, ſo werden ſie es doch ohne drin-
gende Urſache nicht thun, weil es ihnen mehr Muͤhe verurſacht,
indem ſie ſich, um nicht herabzufallen, anklammern muͤſſen. Zum
Beiſpiel einer grade aufrecht ſtehenden Blume waͤhle ich den
Dianthus ſuperbus, Tab. XIV. 15. 18., einer grade herabhan-
genden das Leucoium vernum, Tab. X. 42. 47., einer horizon-
talen ſtehenden das Lamium album, Tab. XVI. 8. 9., und einer
horizontalen hangenden die Digitalis purpurea, Tab. XVII.
22. 25. 33.
Was die erſte Blume betrifft, ſo ſieht man leicht ein, daß
weder von Seiten des Regens, noch der Inſekten die geringſte
Urſache vorhanden iſt, warum dieſelbe nicht regulaͤr ſeyn ſollte.
Sie ſteht am Ende eines Zweiges, und zwar einzeln, aufrecht,
und wird alſo durch nichts gehindert, ihre Krone, um den In-
ſekten von weitem in die Augen zu fallen, auf allen Seiten ſo weit
auszubreiten, als zu dieſem Endzweck noͤthig iſt. Sie wird alſo
die Krone nach allen Seiten, und zwar auf eine gleiche Art, aus-
breiten, weil ein Inſekt ſich bald auf dieſer, bald auf jener Seite
befindet, und keine Urſache da iſt, warum ſie in dem einen Fall
nicht eben ſo wohl, als in dem andern, und in dem einen nicht
Einleitung.
eben ſo ſehr, als in dem andern ſich den Inſekten bemerkbar ma-
chen ſollte. Nun dient der oberſte aus dem Kelch hervorragende
Theil der Kronenblaͤtter, oder das Plaͤttchen, auch dazu, daß
das Inſekt auf demſelben bequem ſtehen koͤnne, um zum Saft zu
gelangen, es mag hergeflogen kommen, von welcher Seite es
will. Aus beiden Urſachen muͤſſen die Kronenblaͤtter in Anſehung
dieſes Plaͤttchens ſich einander gleich, jedoch beſonders wegen der
erſten Urſache, von anſehnlicher Groͤße ſeyn. Nachdem nun das
Inſekt ſich auf die Blume geſetzt hat, ſo ſoll ein Fleck von beſon-
derer Farbe, als das Saftmaal, ihm den Weg zu dem im
Grunde des Kelchs befindlichen Saft zeigen. Da nun das In-
ſekt ſich zufaͤlligerweiſe bald auf dieſes, bald auf jenes Plaͤttchen
geſetzt hat, ſo muß ein jedes Plaͤttchen ſein Saftmaal in gleicher
Entfernung von der Oeffnung der Roͤhre haben. Indem es nun
in die Roͤhre hineinkriecht, ſo ſoll es die Blume befruchten, und
zwar alſo, daß es in der juͤngeren den Staub der bluͤhenden An-
theren abſtreife, und in der aͤlteren denſelben wieder an die bluͤ-
henden Stigmate anſtreiche. Folglich muͤſſen die Stigmate ſo-
wohl, als die Antheren, nicht nur eine regulaͤre Stellung gegen
die fuͤnf Kronenblaͤtter, und alſo auch gegen die Axe der Blume
haben, ſondern auch, wegen dieſer beſonderen Art der Befruch-
tung, dieſe ungefaͤhr eben den Raum einnehmen, welche jene ein-
nehmen. Alſo ſtehen dieſe und jene in der Mitte. Auf dieſe auf-
rechtſtehende Blume fallen die Regentropfen grade herab, deren
keiner in den Grund des Kelchs zum Saft kommen ſoll. Ob ſie
nun gleich in die enge Roͤhre nicht leicht hineindringen koͤnnen,
in welcher ſich noch dazu die Staubgefaͤße und Stigmate befinden,
und den Raum derſelben zum Theil ausfuͤllen: ſo war es doch
nicht uͤberfluͤßig, es zu veranſtalten, daß kein Regentropfen, wel-
cher auf die Krone gefallen iſt, ſich der Oeffnung der Roͤhre naͤ-
hern koͤnne. Zu dem Ende ſind die Kronenblaͤtter erſtens in ſehr
ſchmale Stuͤcken ausgeſchnitten, damit ſie ſo wenig Regentropfen
als moͤglich, auffangen, und es iſt keine Urſache vorhanden,
warum ſie nicht alle, und warum ſie nicht auf eine gleiche Art ſo
ausgeſchnitten ſeyn ſollten. Zweitens haben ſie nicht weit von der
Oeffnung der Roͤhre auf eben der Stelle, wo das Saftmaal iſt,
Haare, welche auswaͤrts gekehrt ſind, und es laͤßt ſich keine Ur-
ſache gedenken, warum ſie nicht alle, und nicht an eben derſelben
Stelle dieſe Haare haben ſollten.
Die zweite Blume ſtimmt in manchen Stuͤcken mit der erſten
uͤberein, in andern iſt ſie derſelben grade entgegengeſetzt, weil ſie
nemlich herabhaͤngt. Sie iſt an das Ende des umgebogenen Sten-
gels befeſtiget, kann ſich von allen Seiten gleich ausbreiten, kann
von allen Seiten den Inſekten in die Augen fallen. Denn das
erſtere wird von dem groͤßern aufrecht ſtehenden Theil des Sten-
C 2
[[32]]
Einleitung.
gels gar nicht, und das letztere nur ſehr wenig verhindert. Folg
lich muͤſſen ihre ſechs Kronenblaͤtter ſich einander voͤllig gleich ſeyn.
Die Biene, welche die Blume beſucht, und vermuthlich auch be-
fruchtet, ſoll, nachdem ſie ſich, auf welcher Seite ſie will, auf
die aͤußere Oberflaͤche der Krone geſetzt hat, ein Saftmaal finden,
durch welches ſie gelockt werde, in die Blume hineinzukriechen.
Dieſes Saftmaal mußte folglich auf der aͤußern Oberflaͤche der
Krone angebracht werden, und zwar auf eine regulaͤre Art. Folg-
lich mußte ein jedes Kronenblatt am Ende einen Fleck von anderer
Farbe haben. Nachdem ſie in die Blume hineingekrochen iſt, ſo
ſoll ſie, indem ſie den Saft verzehrt, zugleich die Blume befruch-
ten. Und dieſes geſchieht wahrſcheinlich alſo, daß, indem ſie den
am Griffel befindlichen Saft ableckt, ſie zugleich an einige Anthe-
ren ſtoͤßt, da denn der in denſelben enthaltene Staub aus den am
Ende befindlichen Oeffnungen heraus, und auf den Koͤrper der
Biene faͤllt, von welchem ein Theil auf das Stigma koͤmmt, weil
die Biene mit dem beſtaͤubten Theil ihres Koͤrpers daſſelbe noth-
wendig beruͤhren muß. Da nun die Befruchtung auf dieſe Art
jedesmal geſchehen ſoll, von welcher Seite auch die Biene in die
Blume hineingekrochen ſeyn mag: ſo iſt keine Urſache vorhanden,
warum in Anſehung der Antheren und des Griffels nebſt ſeinem
Stigma eine Irregularitaͤt Statt finden ſollte. Was den Regen
betrifft, ſo mußte die Blume zwar in Ruͤckſicht auf denſelben eine an-
dere Struktur erhalten, als die erſte, da die Regentropfen auf
die aͤußere, nicht aber auf die innere Oberflaͤche ihrer Krone fallen.
Die Kronenblaͤtter mußten z. B. ganz, und nicht in ſchmale
Stuͤcken zerſchnitten ſeyn, wie bey der erſten. Und weil auf ſolche
Art das Inwendige der Blume vor dem Regen hinlaͤnglich ge-
ſichert iſt, ſo war es nicht noͤthig, hier eine beſondere Saftdecke,
wie bey der erſten, anzubringen. Indeſſen iſt doch auch in Ruͤck-
ſicht auf den Regen keine Urſache vorhanden, warum die Blume
nicht regulaͤr ſeyn ſollte.
Eine ganz andere Bewandniß hat es mit der dritten Blume.
Sie ſitzt nicht am Ende des Stengels, oder eines Zweiges, ſon-
dern an der Seite des Stengels, und zwar nicht einzeln, ſondern
nebſt mehrern, welche den Stengel umgeben, und einen Quirl
bilden. Sie kann ſich nur von vorne gehoͤrig ausbreiten, und
zwar, wegen der benachbarten Blumen, mehr in die Laͤnge als
in die Queere, keinesweges aber, des Stengels wegen, von hin-
ten. Sie faͤllt auch den Hummeln, welche ſie befruchten ſollen,
nur von vorne in die Augen, obgleich der ganze Quirl von allen
Seiten. Eben ſo koͤnnen zwar die Hummeln von allen Seiten
zum Quirl, aber nur von Einer Seite, nemlich von vorne, zu
einer Blume gelangen. So wie alſo keine Urſache da iſt, warum
der Quirl nicht regulaͤr ſeyn ſollte, ſo ſind ſowohl von Seiten der
Einleitung.
Hummeln, als auch in Anſehung des Regens, mehrere Urſachen
vorhanden, warum die Blume irregulaͤr ſeyn, und diejenige Ge-
ſtalt haben mußte, welche ſie wirklich hat.
Wenn eine Hummel, durch ſaͤmmtliche Kronen des Quirls
gelockt, ſich demſelben genaͤhert hat, ſo ſetzt ſie ſich auf denjenigen
Theil einer Blume, welcher ihr wegen ihrer aufrechten Stellung
hierzu am bequemſten iſt. Dieſer Theil iſt die Unterlippe der
Krone, welche alſo ſowohl wegen dieſer Urſache, als auch, weil
ſie, als ein Theil der Krone, zu dem ſo eben erwaͤhnten Endzweck
der Kronen, das Inſekt anzulocken, das Ihrige beitraͤgt, von be-
traͤchtlicher Groͤße ſeyn muß. Das auf der Unterlippe befindliche
und ſich bis an die Oeffnung der Roͤhre erſtreckende Saftmaal zeigt
der Hummel den Weg zum Safthalter, welches der unterſte Theil
der Roͤhre iſt. Vergleicht man alſo dieſe Blume mit der erſten,
ſo kann man ſich dieſelbe in Anſehung ihrer Unterlippe als ein
Fuͤnftheil jener vorſtellen. Jene hat fuͤnf Kronenblaͤtter und eben
ſo viel Saftmaͤler und Saftdecken, welche um die Axe derſelben
regelmaͤßig ſtehen: dieſe hat nur Ein Kronenblatt (die Unterlippe)
und Ein Saftmaal. Was aber die Saftdecke betrifft, ſo haben
zwar andere mit ihr verwandte Blumen, z. B. Nepeta Cataria,
Glecoma hederacea, auf der Unterlippe Haare; bey dieſer hin-
gegen ſind dieſe Haare nicht auf ihrer Unterlippe, ſondern im
Grunde der Roͤhre unmittelbar uͤber dem Safthalter angebracht
worden. Dieß iſt Eine Irregularitaͤt. Nun ſoll die Hummel
nicht umſonſt den Saft der Blume verzehren, ſondern zur Ver-
geltung dieſelbe befruchten, und zwar vermuthlich auf eben die
Art, welche bey der erſten angezeigt worden iſt. Zu dieſem Ende
iſt es zwar noͤthig, daß die bluͤhenden Antheren in der juͤngeren
Blume eben diejenige Stelle einnehmen, weiche das bluͤhende
Stigma in der aͤlteren erhaͤlt, damit die Hummel ſowohl jene,
als dieſes mit eben demſelben Theil ihres haarichten Koͤrpers be-
ruͤhre; weil aber die Hummel nicht von verſchiedenen Seiten,
ſondern nur von Einer Seite, und jedesmal auf die nemliche Art
in die Blume hineinkriecht: ſo iſt es nicht noͤthig, daß die Anthe-
ren und das Stigma eine in Anſehung der Axe der Roͤhre regel-
maͤßige Stellung haben, ſondern diejenige, welche die ſchicklichſte
iſt. Daher biegen ſich die Filamente und der Griffel außerhalb
der Roͤhre von der Axe ab, und nach der vorderſten Seite zu.
Zweite Irregularitaͤt. Endlich ſollen ſowohl die Antheren und
das Stigma, als auch die Roͤhre, welche den Saft enthaͤlt,
durch die Oberlippe gegen den Regen geſchuͤtzt werden. Die Ober-
lippe mußte folglich wegen dieſes verſchiedenen Endzwecks auch
eine ganz andere Einrichtung erhalten, als die Unterlippe. Sie
mußte gewoͤlbt ſeyn, da dieſe flach iſt, am Rande mit Haaren
verſehen ſeyn, welche dieſe nicht hat, bedurfte des Saftmaals
[[33]]
Einleitung.
nicht, welches bey dieſer noͤthig war, mußte ganz ſeyn, da dieſe
in einige Abſchnitte getheilet iſt. Dritte Irregularitaͤt. Bey die-
ſer Irregularitaͤt beſitzt die Blume indeſſen doch auch Regularitaͤt.
Man kann ſie nemlich in Gedanken durch eine perpendikulaͤre Flaͤche
in zwey vollkommen gleiche Theile theilen. Denn ſo wie ſie zwar
von oben nach unten zu irregulaͤr ſeyn mußte, ſo war keine Ur-
ſache da, warum ſie von einer Seite zur andern nicht regulaͤr ſeyn
konnte, weder in Anſehung des Regens, noch der Hummel, de-
ren Koͤrper, ungeachtet ſeiner Irregularitaͤt, gleichfalls ſo weit
regulaͤr gebauet iſt, daß er durch eine perpendikulaͤre Flaͤche in
zwey voͤllig gleiche Theile getheilet werden kann. Dieſe Blume iſt
alſo in Anſehung der Unterlippe, die Saftdecke ausgenommen,
der erſten, und in Anſehung der Oberlippe, das Saftmaal aus-
genommen, der zweiten aͤhnlich.
Endlich wollen wir die vierte Blume mit der zweiten verglei-
chen. Dieſelbe ſitzt nicht, wie dieſe, am Ende des Stengels,
oder, wie die erſte, am Ende eines Zweiges, ſondern vermittelſt
eines kurzen Stiels an der Seite eines Zweiges, und ihrer viele
bilden eine einſeitige Traube (racemus ſecundus), welche von
vorne geſehen am meiſten in die Augen faͤllt. So wie nun die
ganze Traube, eben ſo macht ſich auch eine jede Blume den zu
ihrer Befruchtung beſtimmten Hummeln und Bienen von vorne
hauptſaͤchlich bemerkbar, und iſt deswegen zu den horizontalen
Blumen zu rechnen. Folglich mußte auch ſie eine irregulaͤre Bil-
dung erhalten. Die Natur fand fuͤr gut, ihr eine ſolche Stellung
zu geben, daß ſie zwiſchen den voͤllig horizontalen und den grade
herabhangenden Blumen ungefaͤhr das Mittel haͤlt. Inſofern iſt
ſie der zweiten Blume aͤhnlich, mit welcher ſie eben deswegen auch
darin uͤbereinſtimmt, daß ſie ſich mit der aͤußeren Oberflaͤche ihrer
Krone, keinesweges aber, wie die erſte und dritte, mit der inne-
ren vorzuͤglich bemerkbar macht. Sie weicht aber von der Regu-
laritaͤt jener in folgenden Stuͤcken ab.
1. Die Krone iſt am Rande in vier Abſchnitte getheilet, von
welchen zwar die an beiden Seiten ſich gleich ſind, der unterſte
aber breiter und laͤnger iſt, als der oberſte. Der Endzweck dieſer
Irregularitaͤt iſt, damit dem Inſekt, nachdem es ſich der Blume
genaͤhert hat, die Oeffnung der Krone ſich beſſer zeige, und derje-
nige Theil der Krone, auf welchen es ſich nach ſeiner aufrechten
Stellung bequem ſetzen kann, wie auch das auf demſelben befind-
liche Saftmaal ſogleich in die Augen falle.
2. Das Saftmaal konnte nemlich nicht, wie bey der zweiten
Blume, auf der aͤußeren Oberflaͤche der Krone angebracht werden.
Weder ſo, daß alle vier Abſchnitte einen Fleck von anderer Farbe
erhalten haͤtten. Denn dieſe Flecken wuͤrden auf den beiden Sei-
tenabſchnitten wenig, auf dem hinterſten oder unterſten aber gar
Einleitung.
nicht bemerkt worden ſeyn. Noch ſo, daß nur der vorderſte oder
oberſte Abſchnitt einen ſolchen Fleck erhalten haͤtte. Denn als-
denn haͤtte das Inſekt, nach Anleitung dieſes Saftmaals, ſich
auf den oberſten Theil der Krone ſetzen, ſich alsdenn umkehren,
und in umgekehrter Stellung in die Blume hineinkriechen muͤſſen.
So viel Muͤhe wuͤrde ſich das Inſekt nicht gegeben haben, ſon-
dern es wuͤrde vielmehr, ohne ſich an das Saftmaal zu kehren,
auf der unterſten Seite der Krone hineingekrochen ſeyn, und auf
ſolche Art die Befruchtung, welche nach der erſten Art hineinzu-
kriechen kalkulirt war, keinesweges bewerkſtelligt haben. Da
alſo das Inſekt natuͤrlicherweiſe auf der unterſten Seite hinein-
kriecht, ſo mußte auch das Saftmaal auf der inneren Oberflaͤche
der unterſten Seite angebracht werden.
3. Indem das Inſekt alſo hineinkriecht, um zu dem oben
im Grunde der Kronenroͤhre befindlichen Saft zu gelangen, ſo
ſoll es die Blume befruchten, und zwar auf eben dieſelbe Art,
als bey der erſten gemeldet worden. Dieſer Urſache wegen ſtehen
weder die Filamente regelmaͤßig um die Axe der Krone herum,
noch befindet ſich der Griffel in der Axe, wie bey der zweiten Blu-
me, ſondern jene ſowohl, als dieſer ſchmiegen ſich, ſobald ſie die
kurze Roͤhre verlaſſen haben, dicht an die oberſte Seite der Krone,
damit das Inſekt mit ſeinem haarichten Ruͤcken in der juͤngeren
Blume den Staub der Antheren abſtreife, und in der aͤlteren den-
ſelben auf das Stigma bringe.
Endlich 4. iſt die Krone, zur Abhaltung der Regentropfen
vom Saft, zwar auf dem unterſten Abſchnitt, in Anſehung deſſen
die Blume der zweiten unaͤhnlich iſt, keinesweges aber auf den
drey uͤbrigen, in Anſehung derer ſie derſelben aͤhnlich iſt, mit
Haaren verſehen.
Aus der Vergleichung aller vier Blumen mit einander ergiebt
ſich der allgemeine Satz, daß grade aufrechtſtehende und grade
herabhangende Blumen, weil bey ihnen keine untere und obere
Seite ſtatt findet, ſondern alle Seiten von gleicher Hoͤhe ſind,
regulaͤr ſeyn muͤſſen, damit das Inſekt, es mag ſich ſetzen, auf
welche Seite es will, dieſelben befruchten koͤnne, daß im Gegen-
theil horizontale Blumen, weil ſie eine obere und untere Seite ha-
ben, und das Inſekt jedesmal ſich auf die untere ſetzt, und auf
einer von beiden hineinkriecht (denn bey dem Maͤrzveilchen ſetzt
ſich zwar die Biene auf die untere Seite, kehrt ſich aber alsdenn
um, und kriecht auf der obern hinein), irregulaͤr ſeyn muͤſſen,
indem die Art und Weiſe, wie die Befruchtung von demſelben ge-
ſchehen ſoll, nur nach dieſem einzigen Fall beſtimmt werden muß.
Es giebt verſchiedene Umſtaͤnde, aus welchen man ſchließen
kann, daß ein Inſekt, welches eine Blume beſucht, zur Befruch-
tung derſelben beſtimmt ſey, oder nicht. Daß die Bienen zur
C 3
[[34]]
Einleitung.
Befruchtung der gemeinen Salbey (Saluia officinalis) beſtimmt
ſind, erkennt man daran, daß dieſelben dieſe Blume uͤberaus haͤufig
beſuchen, folglich der Saft derſelben ihnen wohl bekoͤmmt, und
daß ſie grade ſo groß ſind, daß ſie beim Hineinkriechen nothwen-
dig die Antheren der juͤngeren, und das Stigma der aͤlteren Blu-
men beruͤhren muͤſſen. Ein gleiches gilt von der Linde, obgleich
ihre Befruchtung auf eine andere Art geſchieht. Die Iris Germa-
nica hingegen ſollen die Bienen nicht befruchten, denn ſie ſterben
von ihrem Saft; eben ſo wenig die Parnaſſia paluſtris, denn ſie
werden beim Beſuch derſelben ohnmaͤchtig. Iris Xiphium ſoll von
einer großen Hummel befruchtet werden. Denn dieſe weiß den Saft
ſehr leicht zu finden, kann auch in die Blume hineinkriechen, wel-
ches zu thun die Biene zu ſchwach iſt. Ein Inſekt, welches an
einer Blume einen Frevel veruͤbt, iſt zur Befruchtung derſelben
nicht beſtimmt. Die kleinen Maykaͤfer, welche die Blumen des
Viburnum Opulus zerfreſſen, ſollen dieſelben nicht befruchten.
Die große Hummel, welche, wie ich oben geſagt habe, ſich des
Saft des Antirrhinum Linaria von außen gewaltſamerweiſe be-
maͤchtiget, weil der natuͤrliche Eingang fuͤr ſie zu klein iſt, iſt zur
Befruchtung dieſer Blume nicht beſtimmt. Die Ohrwuͤrmer ſind
zur Befruchtung der Blumen ganz und gar nicht beſtimmt. Denn
ſie gehen nicht dem Saft derſelben nach, ſondern verzehren ihre
zarte Geſchlechtstheile, machen alſo die Befruchtung derſelben un-
moͤglich.
Da ſehr viele Blumen getrennten Geſchlechts, und wahr-
ſcheinlich wenigſtens eben ſo viele Zwitterblumen Dichogamiſten
ſind: ſo ſcheint die Natur es nicht haben zu wollen, daß irgend
eine Blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werden ſolle.
Einen einzigen Verſuch kann ich anfuͤhren, welcher dieſe Behaup-
tung in Anſehung der homogamiſchen Blumen beſtaͤtiget. Es
bluͤhete nemlich im letztvergangenen Sommer in meinem Garten
eine Pflanze der Hemerocallis fulua. Einige von ihren Blumen
habe ich mit ihren eigenen Staube (denn es bluͤhete jedesmal nur
Eine) auf eine kuͤnſtliche Art zu befruchten geſucht. Es hat aber
keine einzige einen Saamenkapſel angeſetzt.
Da die Saftblumen entweder fuͤr mehrere Arten von Inſek-
ten, oder nur fuͤr Eine Art beſtimmt ſind, ſo muß auch im erſten
Fall die Befruchtung des Fruchtknotens und die Erzielung der
Frucht leichter vor ſich gehen, als in dem letzten. Dieſes beſtaͤti-
get die Erfahrung. Die Schirmblumen und die Euphordien,
welche von allerley Inſekten beſucht werden, bringen Samen im
Ueberfluͤß hervor. Verſchiedene Irisarten hingegen, welche bloß
von Hummeln beſucht werden, haben oftmals unvollkommne Kap-
ſeln und keinen Samen in denſelben. Waͤre der Regen, dadurch,
daß er den Staub von den Antheren abſpuͤlet, die einzige Urſache
Einleitung.
der Unfruchtbarkeit der Blumen, ſo muͤßte die Erfahrung grade
das Gegentheil zeigen. Denn bey den Schirmblumen und den Eu-
phorbien ſind die Antheren dem Regen voͤllig ausgeſetzt, hingegen
in der Iris ſind ſie gegen den Regen geſichert. In der Iris Xiphium
z. B. kann ſchlechterdings kein Regentropfen zu den Antheren gelan-
gen. Auch habe ich zuweilen an ſolchen Blumen, welche aͤhrenweiſe
am Stengel ſitzen, nachdem die ganze Aehre ſchon lange verbluͤ-
het war, bemerkt, daß einige eine Frucht angeſetzt hatten, andere
aber nicht. Dieſe Blumen waren aber zum Theil von einer ſol-
chen Struktur, daß ihre Antheren und ihr Stigma gegen den
Regen voͤllig geſichert waren, z. B. Hyacinthus comoſus. Dieß
laͤßt ſich nicht anders erklaͤren, als ſo, daß nur Eine Art von In-
ſekten zur Befruchtung ſolcher Blumen beſtimmt iſt. Denn eine
Aehre bluͤhet nicht auf einmal, ſondern die unterſten Blumen
fangen zuerſt an zu bluͤhen, und dann nach und nach die oberſten.
Die bluͤhenden Aehren waren alſo von dem zur Befruchtung der
Blumen beſtimmten Inſekt zufaͤlligerweiſe zu einer Zeit beſucht
worden, und zu einer andern nicht. — Nicht weniger, obgleich
aus einer andern Urſache, muß die Befruchtung der Scheinſaft-
blumen oftmals unterbleiben, welches die Erfahrung an der ge-
meinen Oſterluzey, und denjenigen Orchisarten, welche Schein-
ſaftblumen ſind, lehret, indem die wenigſten Blumen eine Frucht
anſetzen. Dieſes werde ich in der Abhandlung an ſeinem Ort be-
weiſen.
Auslaͤndiſche Blumen koͤnnen in unſern Gaͤrten aus zwey Ur-
ſachen unbefruchtet bleiben. Erſtlich, wenn ſie bloß im Winter,
folglich in Gewaͤchs- oder Treibhaͤuſern bluͤhen, und alſo von den
Inſekten nicht beſucht werden koͤnnen. Dieß gilt von vielen
Pflanzen, welche man aus der ſuͤdlichen Hemiſphaͤre nach Europa
gebracht hat, und welche nach dieſer Wanderung fortfahren, in
dem dortigen Sommer, oder unſerm Winter zu bluͤhen. Zwei-
tens, wenn ſie in ihrem Vaterlande von einem ſolchen Inſekt be-
fruchtet werden, welches ſich in unſern Gegenden nicht aufhaͤlt.
Es ſcheinet, daß gewiſſe Arten von Spinnen die Saftblumen
von den ſaftleeren zu unterſcheiden wiſſen, und daß ihnen das Be-
duͤrfniß der Inſekten jene zu beſuchen ſehr wohl bekannt iſt. Denn
ſie halten ſich in der Nachbarſchaft ſolcher Blumen auf, oder krie-
chen in dieſelben hinein, und lauren im Grunde derſelben auf die
Inſekten.
Wer den Abſichten der Natur in der Einrichtung der Fruͤchte
nachſpuͤret, findet wahrſcheinlich ein eben ſo weitlaͤuftiges und an
[[35]]
Einleitung.
moͤglichen Entdeckungen eben ſo reiches Feld vor ſich, als dasjenige
iſt, auf welchem der Blumenforſcher umherſchweift. Jenes iſt
mir noch ſehr unbekannt; da aber beide zuſammengraͤnzen, ſo bin
ich natuͤrlicherweiſe zuweilen veranlaßt worden, aus dieſem in je-
nes hinuͤber zu gehen. Die wenigen Bemerkungen, welche ich
dort geſammelt habe, und welche ſich nur auf Eine Art von Fruͤch-
ten beziehen, will ich der weiteren Pruͤfung des Leſers uͤber-
laſſen.
So wie die Blumen entweder auf eine mechaniſche Art, oder
durch die Inſekten befruchtet werden, ſo werden auch die in den
Fruͤchten enthaltenen Pflanzenkeime, welche man Samen nennet,
entweder auf eine mechaniſche Art, oder von Thieren in den muͤt-
terlichen Schooß der Erde gebracht. Und ſo wie diejenigen Blu-
men, welche von den Inſekten befruchtet werden, mehrentheils
etwas genießbares, nemlich den Saft, in ſich enthalten, durch
welches gelockt, die Inſekten jenes Geſchaͤfte verrichten: ſo haben
auch die Fruͤchte, deren Samen von Thieren auf den Erdboden
ausgeſaͤet werden, zu dieſem Endzweck etwas genießbares an ſich,
nemlich das Fleiſch. Verſchiedene Arten von Voͤgeln verzehren
verſchiedene Arten von Beeren, und verdauen zwar das Fleiſch
derſelben, aber nicht ihre Samenkoͤrner, ſondern geben dieſe un-
verdaut und unbeſchaͤdigt wieder von ſich. Da unterdeſſen aber
eine geraume Zeit verfloſſen iſt, und ſie ſich folglich an einem von
derjenigen Pflanze, welche ihnen die Beeren lieferte, entfernten
Ort befinden: ſo befoͤrdern ſie dadurch die Abſicht der Natur,
welche dahin geht, daß die Samenkoͤrner in weiten Entfernungen
von der Mutterpflanze ausgeſaͤet werden ſollen. In dem Koth,
worin die Samenkoͤrner ſich befinden, finden dieſelben zugleich,
wann ſie hervorkeimen, ihre erſte Nahrung. So wie endlich die
mehreſten ſaftleeren Blumen ſehr unanſehnlich ſind, die Saftblu-
men hingegen durch ihre gefaͤrbte Krone ſich bemerkbar machen:
eben ſo ſind die Fruͤchte, deren Samenkoͤrner auf eine mechaniſche
Art auf den Erdboden gebracht werden, unanſehnlich und unge-
faͤrbt, diejenigen hingegen, welche durch den Leib der Thiere wan-
dern ſollen, um auf den Erdboden verſtreut zu werden, ſind an-
ſehnlich und gefaͤrbt, damit die Thiere ſie von weitem bemerken,
und, durch ihr einladendes Anſehen gereizt, ſie verzehren. Meine
in der Abhandlung vorkommende Bemerkungen beziehen ſich bloß
auf die erſte Art von Fruͤchten. Ich beweiſe nemlich, daß dieſel-
ben ſo eingerichtet ſind, daß die in ihnen befindlichen Samenkoͤr-
ner ſo weit als moͤglich von der Mutterpflanze entfernt, und auf
den Erdboden verſtreuer werden, wodurch die Natur ihren großen
Endzweck erreicht, nemlich die Erhaltung der Arten, und die Ver-
mehrung der Individuen jeder Art.
Einleitung.
Die Natur hat ſich hiebey verſchiedener Mittel bedient.
Manche Samenkoͤrner hat ſie mit einer Haarkrone, andere mit
einem Fluͤgel verſehen, welche weit groͤſſer, zugleich aber weit leich-
ter ſind, als der Same, und vermittelſt welcher dieſer vom Winde
oft meilenweit fortgefuͤhret wird. Andere ſind uͤberall mit Haken
uͤberzogen, und bleiben an der Wolle der voruͤbergehenden Thiere
und an den Kleidungsſtuͤcken der Menſchen haͤngen, und werden
von jenen und dieſen allenthalben verſchleppt. Manche Kapſeln
ſind elaſtiſch, und werfen, wann ſie, von der Sonnenhitze getrock-
net, [aufplatzen], die in ihnen befindlichen Samenkoͤrner mit großer
Kraft fort. Andere ſind ſo eingerichtet, daß, wann ſie ſich geoͤff-
net haben, der Same nicht von ſelbſt herausfallen, ſondern nur
vom Winde herausgeworfen werden kann, und folglich weit ver-
ſtreuet wird.
Um eben dieſen Endzweck zu erreichen, hat die Natur derglei-
chen Pflanzen eine ſo große Fruchtbarkeit in Anſehung der Menge
der Samenkoͤrner, welche ſie erzeugen, ertheilt, daß ſie in dieſem
Stuͤck verſchwenderiſch zu ſeyn ſcheint, welches ſie doch keineswe-
ges iſt. Zu demjenigen, was Buͤſch (Encyclopaͤdie S. 95.)
hieruͤber ſagt, fuͤge ich noch folgendes hinzu: Keinesweges, wie
er richtig bemerkt, wachet eine beſondere Vorſehung uͤber jeden
Pflanzenkeim, damit er nicht umkomme; aber auch keinesweges
bringt der Schoͤpfer durch individuelle Veranſtaltungen einen jeden
auf eine ſolche Stelle des Erdbodens, welche fuͤr ihn ſchicklich iſt,
ſondern er uͤberlaͤßt die Ausſaͤung der Samenkoͤrner z. B. dem
Winde. Dieſer fuͤhret aber die wenigſten grade dahin, wo ſie auf-
gehen, und ſich in Pflanzen verwandeln koͤnnen. Zum Beiſpiele
mag Chondrilla iuncea dienen. Dieſe Pflanze koͤmmt bloß auf
ſchlechtem ſandichten und dabey etwas hohen und trocknen Boden
fort. Ihre Samen ſind mit einer Haarkrone verſehen, und koͤn-
nen vom Winde weit fortgefuͤhrt werden. Wird derſelbe ſie nun
wohl insgeſamt auf einen ſolchen Boden ausſaͤen, welchen ſie ver-
langen? Wird er nicht den groͤßten Theil derſelben ins Waſſer, in
Suͤmpfe, auf Wieſen, auf gutes Erdreich, in Waͤlder, in Gaͤrten
fuͤhren, wo kein einziger aufgehen wird? Und ſelbſt von denjenigen,
welche der Wind auf einen ihnen angemeſſenen Boden fuͤhrt, mißra-
then doch die meiſten. Viele fallen auf die kleinen Raſen der Sand-
graͤſer und anderer Sandpflanzen, kommen alſo nicht einmal in die
Erde. Viele gehen auf, werden aber von den benachbarten Pflanzen
erſtickt. Die wenigſten fallen auf eine ſolche Stelle, wo ſie ſich wirk-
lich in Pflanzen verwandeln koͤnnen. Alſo geraͤth von hundert, ja
vielleicht von tauſend Samenkoͤrnern ein einziger, und es muß jaͤhr-
lich eine ſo große Menge von Samen erzeugt werden, damit die Art
nicht irgend einmal gaͤnzlich ausgehe.
[[36]]
Jaſminum. Syringa.
Zweyte Klaſſe.Diandria.
Zwitterblumen mit zwey Staubgefaͤßen, welche 1) von gleicher Laͤnge, 2) nicht zuſammengewachſen ſind, und 3) nicht auf dem
Piſtill ſitzen. Dieſe drey Kennzeichen gelten auch von den naͤchſtfolgenden eilf Klaſſen.
Jaſminum.
Obgleich in Linnés Beſchreibung der Gattung vom Nectario
nichts vorkoͤmmt, ſo ſind dennoch die zu derſelben gehoͤrenden Ar-
ten Saftblumen, welches ich durch die zwey folgeuden beweiſe.
Jaſminum fruticans.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt.
2. Der Safthalter iſt die unterſte inwendig glatte Haͤlfte der
Kronenroͤhre. In derſelben findet man eine ziemliche Quantitaͤt
Saft.
3. Zur Saftdecke dienen die weichen Haare, mit welchen die
oberſte Haͤlfte der Kronroͤhre inwendig uͤberzogen iſt. Auch hal-
ten die Antheren, welche nicht weit unterhalb der Oefnung der
Kronenroͤhre ſitzen, die Regentropfen vom Safthalter ab.
4. Die gelbe Krone hat kein Saſtmaal.
Jaſminum officinale. Dieſe Art iſt der vorhergehen-
den in Anſehung der Saftdruͤſe und des Safthalters aͤhnlich.
Auch hat die weiße Krone, welche einen ſtarken und angenehmen
Geruch ausduftet, kein Saftmaal. Was aber die Saftdecke be-
trifft, ſo iſt zwar die oberſte Haͤlfte der Kronenroͤhre nicht inwen-
dig mit Haaren uͤberzogen; demungeachtet kann kein Regentropfen
in den Safthalter hineinfließen, weil die großen Antheren und
das Stigma ſolches verhindern. In Blumen, deren Krone ſchon
abgefallen war, fand ich noch auf dem Fruchtknoten den klebricht
gewordenen Saft, weil derſelbe von keinem Inſekt hatte verzehrt
werden koͤnnen. Denn ich hatte die Blumen im Anfang des De-
cembers aus einem Gewaͤchshauſe erhalten.
Syringa.
Syringa vulgaris. Spaniſcher Flieder. Tab. I.
44—46.
44. Die vergroͤſſerte Blume. Die vorderſte Haͤlfte der Krone
iſt weggeſchnitten. Im Grunde ihrer Roͤhre ſieht man den oberſten
Theil des Griffels und das zweylappichte Stigma, und oben
an der Oeffnung derſelben Eine Anthere.
45. Das Piſtill.
Veronica.
46. Die von den Antheren verſchloßne Oeffnung der Kro-
nenroͤhre.
Dieſe Blume iſt eine Saftblume. Linné ſagt nichts vom
Nectario;Gleditſch hingegen (Vermiſchte Abhandlungen.
2r Th. *) S. 217.) hat in derſelben Saft gefunden. Sie iſt
dem Jaſminum officinale in ihrer Einrichtung ſehr aͤhnlich. Auch
bey ihr ſind die beiden Antheren, welche die Oeffnung der Kro-
nenroͤhre verſchließen, die Saftdecke.
5. Daß dieſe Blume keinesweges auf eine mechaniſche Art,
ſondern von Inſekten befruchtet werde, iſt keinem Zweifel unter-
worfen. Denn erſtens ſind die Antheren vom Stigma entfernt.
Wenn die Befruchtung auf eine mechaniſche Art geſchehen ſollte,
ſo muͤßten die Antheren das Stigma unmittelbar beruͤhren. Denn
daß der Wind den Staub jener auf dieſes nicht fuͤhren koͤnne,
lehrt der Augenſchein. Zweytens, geſchaͤhe die Befruchtung auf
eine mechaniſche Art, ſo muͤßte ſie auch nur in den wenigſten
Blumen fehlſchlagen, da ſie doch in den mehreſten fehlſchlaͤgt.
Denn ich habe oftmals zur Herbſtzeit den Strauch betrachtet,
und jedesmal nur ſehr wenig Samenkapſeln auf demſelben ange-
troffen. Welches Inſekt die Blumen beſuche und befruchte, weiß
ich nicht, da ich den bluͤhenden Strauch noch nicht beobachtet habe.
Auf der Syringa Perſica fand ich, als ich den im Freyen ſtehen-
den bluͤhenden Strauch beſahe, keine Inſekten, ob es gleich das
ſchoͤnſte Wetter war.
Veronica.
Die zu dieſer Gattung gehoͤrenden Arten ſind ſaͤmmtlich
Saftblumen, welches weder Linné, noch Gleditſch, noch
Pollich gewußt hat. Linné erwaͤhnt in ſeiner Beſchreibung
der Gattung des Nectarii mit keinem Wort. Gleditſch fuͤhrt
(S. 152.) zwey Arten als Bienengewaͤchſe an, ſagt aber nicht,
was die Bienen aus den Blumen holen. Von der Veronica
ſerpyllifolia aber ſagt er (S. 155.) daß ſie den Bienen Wachs
liefert.
[[37]]
Veronica.
liefert. Folglich hat er keinen Saft in derſelben gefunden. Pol-
lich ſagt bey Beſchreibung ſeiner Arten nicht einmal, daß er kein
Nectarium geſehen habe, welches er doch ſonſt zu thun pflegt.
Folglich muß er wegen der Kleinheit der Blumen nicht einmal
daran gedacht haben, daß ſie Saft enthalten koͤnnen.
Da dieſe Blumen nun Saftblumen ſind, ſo ſollen ſie nicht
auf eine mechaniſche Art, ſondern von Inſekten befruchtet
werden.
Dieſelben ſind an den voͤllig oder faſt aufrecht ſtehenden Sten-
gel oder Zweig entweder unmittelbar, oder vermittelſt eines Stiels
angefuͤgt, und bilden alſo eine mehr oder weniger aufrecht ſtehende
dichte oder lockere Aehre oder Traube.
Sie mußten alſo eine horizontale oder faſt horizontale Stel-
lung haben. Denn wenn ſie von Inſekten beſucht und befruchtet
werden ſollen, ſo muͤſſen ſie auch denſelben vermittelſt ihrer Krone
in die Augen fallen. Nun faͤllt eine aufrecht ſtehende Blumen-
aͤhre und Blumentraube weit beſſer in die Augen, wenn ſie von
irgend einer Seite, als wenn ſie von oben geſehen wird. Denn
im erſten Fall ſieht man dieſelbe nach ihrer ganzen Laͤnge, und
erblickt folglich ſo viel Blumen auf Einmal, als man aus irgend
einem Geſichtspunkt erblicken kann; im letzten Fall hingegen er-
ſcheint dieſelbe dem Auge in ihrer moͤglich groͤßten Verkuͤrzung,
und man ſieht nur die oberſten Blumen, von welchen die unter-
ſten verdeckt werden.
Weil nun die Blumen eine horizontale Stellung haben, ſo
muͤſſen ſie irregulaͤr ſeyn. Dieſe Irregularitaͤt beſteht vorzuͤglich
darin, daß, da der Kronenſaum in vier Abſchnitte getheilt iſt,
zwar die beiden Seitenabſchnitte ſich einander gleich ſind, der
oberſte aber breiter iſt, als der unterſte. Denn da wegen der
groͤſſern oder geringern Konkavitaͤt der Krone der oberſte Abſchnitt
die Regentropfen auf ſeiner aͤußeren, der unterſte aber auf ſeiner
inneren Oberflaͤche erhaͤlt: ſo iſt der in der Kronenroͤhre befind-
liche Saft durch dieſe Einrichtung gegen den Regen mehr geſichert,
als nicht nur im umgekehrten Fall, ſondern auch, wenn beide
Abſchnitte von gleicher Breite waͤren.
Veronica ſpicata. Bergehrenpreis. Tab. I. 1—6.
1. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung von der
Seite geſehen.
2. Der Fruchtknoten nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe von
der Seite geſehen.
3. Derſelbe von vorne geſehen.
4. Die Kronenroͤhre von der Seite geſehen.
5. Dieſelbe von vorne geſehen, oder die durch Haare ver-
ſchloßne Oeffnung derſelben.
Veronica.
6. Die auf der unterſten Seite der Laͤnge nach aufgeſchnit-
tene und flach ausgebreitete Krone. a b Die Haare, welche zur
Saftdecke dienen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der wulſtige dunkelgruͤne Koͤrper, wel-
cher die Baſis des gelblichgruͤnen Fruchtknotens umgiebt. Unter-
waͤrts iſt derſelbe dicker, als oberwaͤrts.
2. Der Safthalter iſt der unterſte Theil der Kronenroͤhre.
Dieſe iſt am unterſten Ende enger, als in der Mitte, damit ſie
feſt ſitze, und die Krone nicht leicht abfalle.
3. Die Kronenroͤhre iſt 1) auch an ihrem oberſten Ende,
oder an ihrer Oeffnung enger als in der Mitte, und 2) daſelbſt
mit langen Haaren uͤberzogen. Beides dient zur Abhaltung der
Regentropfen vom Saft.
4. Dieſe Haare ſind weiß, da der Kronenſaum blau iſt.
Folglich ſind ſie zugleich das Saftmaal.
Veronica maritima. Strandehrenpreis. Tab. XXIII.
22—24.
22. Die vergroͤſſerte juͤngere Blume von vorne.
23. Dieſelbe von der Seite. Von der Krone iſt vorne et-
was weggeſchnitten worden, damit man den Griffel ſehen koͤnne.
24. Die aͤltere Blume von der Seite.
Daß dieſe Blume, welche von der vorhergehenden nicht ſon-
derlich verſchieden iſt, nicht umſonſt, ſondern bloß zu dem Ende
Saft enthaͤlt, damit ſie von den demſelben nachgehenden Inſek-
ten befruchtet werde, erhellet daraus, daß ſie ein Dichogamiſt,
und zwar von der maͤnnlich weiblichen Art iſt. Denn anfangs,
wann die Antheren ſich geoͤffnet haben, und voller Staub ſind,
iſt der Griffel abwaͤrts gebogen, und liegt auf dem unterſten Ab-
ſchnitt der Krone. Alſo iſt alsdenn das Stigma, wenn es ſchon
wirklich, woran ich doch zweifle, vorhanden iſt, von den Anthe-
ren weit entfernt. In der Folge aber, wann dieſe den Staub
ſchon verloren haben, richtet ſich der Griffel in die Hoͤhe, und
erhaͤlt ungefaͤhr eben die Stellung, welche die Filamente haben.
Alsdenn iſt das Stigma den Antheren weit naͤher, als vorher;
es kann aber von ihnen keinen Staub erhalten, da ſie denſelben
bereits verloren haben. Wenn nun die Befruchtung auf eine me-
chaniſche Art geſchehen ſollte, ſo muͤßte der Griffel gleich anfangs
eine ſolche Stellung haben, daß das Stigma den Antheren ſo
nahe als moͤglich waͤre. Alſo wird die aͤltere Blume von einem
Inſekt vermittelſt des Staubes einer juͤngeren Blume befruchtet.
Denn indem daſſelbe die juͤngere Blume beſucht, wiſchet es mit
irgend einem Theil ſeines Koͤrpers den Staub von den Antheren ab,
und wann es hierauf eine aͤltere Blume beſucht, beruͤhrt es mit eben
dieſem Theil ſeines Koͤrpers das Stigma, und beſtaͤubt daſſelbe.
D
[[38]]
Veronica.
Im Hamburgiſchen Magazin (7. Band, 2. Stuͤck, S. 201.)
wird gemeldet, daß in dem akademiſchen Garten zu Upſal aus der
Vermiſchung der Veronica maritima mit der Verbena officina-
lis eine Baſtardpflanze entſtanden ſey. Dieſe Erſcheinung laͤßt
ſich aus der von mir an der erſtern entdeckten Dichogamie ſehr
leicht erklaͤren. Es beſuchte nemlich ein Inſekt die Verbena, und
belud ſich mit ihrem Staube, und begab ſich hierauf zu der Ve-
ronica. Zufaͤlligerweiſe ſetzte es ſich grade auf eine aͤltere Blume,
und verſahe ihr Stigma mit dem mitgebrachten fremdartigen
Staube. Und aus einem Samenkorn der Kapſel, welche die
auf ſolche Art befruchtete Blume angeſetzt hatte, erhielt dieſe
Baſtardpflanze ihren Urſprung. Daß aber die Befruchtung kei-
nesweges durch den Wind geſchehen ſey, welches am angefuͤhrten
Ort behauptet wird, erhellet daraus, daß die Antheren der Ver-
bena in der Kronenroͤhre ſitzen, und die Oeffnung der Kronen-
roͤhre durch Haare verſchloſſen wird, folglich der Staub der An-
theren unmoͤglich vom Winde auf benachbarte Blumen gefuͤhrt
werden kann. S. Verbena.
Veronica Chamaedrys. Wieſenehrenpreis. Tab. I.
19. 20. 22.
20. Die vergroͤſſerte Blume.
19. Der mittelſte Theil derſelben, noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
22. a ein Staubgefaͤß. b das Piſtill. An der Baſis des
Fruchtknotens die (punktirte) Saftdruͤſe. Soweit das Filament
und der Griffel punktirt ſind, ſind ſie blau, ſoweit ſie aber weiß
ſind, ſind ſie auch in der Natur weiß.
1. Die Saftdruͤſe iſt gelb.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre iſt bloß auf der unterſten
Seite mit Haaren beſetzt. Auch die Filamente tragen zur Ab-
haltung der Regentropfen vom Saft das Ihrige bey. Denn da
ſie oberwaͤrts dicker ſind, als unterwaͤrts, ſo wird ein Regen-
tropfen, welcher auf dieſelben gefallen iſt, von der ſtaͤrkeren An-
ziehungskraft des dickeren Theils zuruͤckgehalten, und kann ſich
folglich dem Safthalter nicht naͤhern.
4. Das Saftmaal faͤllt ſtark in die Augen. Erſtens iſt der
blaue Kronenſaum mit dunkelblauen Linien geziert, welche nach
der Mitte zu laufen, und, je naͤher ſie derſelben kommen, deſto
ſtaͤrker werden. Zweytens iſt der mittelſte Theil deſſelben blaß-
gelb, macht alſo mit der blauen Farbe des uͤbrigen Theils einen
ſtarken Kontraſt. Und damit dieſer Kontraſt nicht durch die Fi-
lamente und den Griffel geſchwaͤcht werde, ſo ſind dieſelben an
der Baſis weiß, da ſie uͤbrigens blaßblau ſind, und inſofern das
Anſehen und die Bemerkbarkeit der Blume vergroͤſſern. Dieſes
alles dient bloß dazu, dem Inſekt, welches ſich, durch die Krone
angelockt, auf die Blume geſetzt hat, zu zeigen, daß in der Kro-
Veronica.
nenroͤhre ſich Saft befindet. Laͤge der Saft ganz frey, ſo daß das
Inſekt, ſobald es ſich auf die Blume geſetzt hat, denſelben ſaͤhe:
ſo wuͤrde das Saftmaal uͤberfluͤſſig ſeyn. Da er aber hinter der
Saftdecke liegt, ſo iſt daſſelbe ſehr zweckmaͤßig.
Veronica triphyllos. Huͤnerraute. Titelkupfer
Fig. XIV. Dieſe Art hat mit der naͤchſt vorhergehenden eine faſt
gleiche Einrichtung. Von der Veronica maritima unterſcheidet
ſie ſich dadurch, daß bey ihr die Dichogamie nicht Statt findet.
Bey truͤber Witterung iſt ſie geſchloſſen, damit der Regen ihren
Saft nicht verderbe. Von den Bienen wird ſie um ſo viel mehr
beſucht, da ſie eine von den erſten Fruͤhlingsblumen iſt, welche
ihnen Saft liefern.
Veronica officinalis. Gemeiner Ehrenpreis. Tab. I.
7. 8.
7. Die vergroͤſſerte Blume.
8. Die oberwaͤrts der Laͤnge nach aufgeſchnittene und flach
ausgebreitete Krone. a b die Haare, welche die Saftdecke ſind.
1. Die Saftdruͤſe iſt gelb und glatt, da der Fruchtknoten
gruͤn und mit Haaren uͤberzogen iſt.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre iſt mit einzeln ſtehenden
Haaren beſetzt.
Veronica proſtrata. Tab. I. 12. Die vergroͤſſerte
Blume. Sie iſt den drey naͤchſt vorhergehenden Arten aͤhnlich.
4. Der Kronenſaum iſt violett, und mit dunkleren Linien
geziert, welche nach der Mitte zu immer ſtaͤrker werden. Gegen
dieſe Farbe ſticht die weißliche Farbe des in der Mitte befindlichen
und die Saftdecke umgebenden Ringes ſtark ab.
Veronica verna. Obgleich dieſe Art ſehr klein iſt, ſo
hat ſie dennoch Saft, welchen man beym Sonnenſchein an ſei-
nem Glanz deutlich erkennen kann.
Veronica ſerpyllifolia. Tab. I. 50. Bey dieſer
Art iſt das Saftmaal ſehr kenntlich. Denn der Kronenſaum iſt
weiß; der oberſte Abſchnitt deſſelben aber iſt ganz, und die beiden
mittelſten ſind auf der oberſten Haͤlfte mit violetten Adern geziert,
welche gegen die weiße Farbe ſehr ſchoͤn abſtechen.
Veronica hederifolia. Auch dieſe kleine Blume iſt
eine Saftblume, und in ihrer Struktur den naͤchſt vorhergehen-
den Arten aͤhnlich. Auch ſie iſt des Safts wegen bey Regenwet-
ter geſchloſſen.
Die Pflanze unterſcheidet ſich von den uͤbrigen Arten da-
durch, daß ihre Blumenſtiele zwar, ſo lange die Blumen bluͤhen,
aufrecht ſtehen, wie bey den uͤbrigen Arten, nach dem Verbluͤhen
derſelben aber ſich niederwaͤrts ſtrecken, da bey den uͤbrigen Arten
die Fruchtſtiele auch aufrecht ſtehen. Die Urſache dieſes Unter-
ſchiedes iſt, daß die uͤbrigen Arten aufrecht ſtehende mehr oder
[[39]]
Veronica. Wulfenia. Juſticia.
weniger ſtarke Stengel haben, dagegen dieſe einen ſchwachen auf
der Erde liegenden Stengel hat. Der Samen jener ſoll durch
den Wind verſtreuet werden; daher muͤſſen die Kapſeln aufrecht
ſtehen, damit ſie ſich oberwaͤrts oͤffnen, und der Samen nicht
herausfalle. Der Samen dieſer hingegen kann wegen der ange-
zeigten Beſchaffenheit und Stellung der Stengel nicht vom Winde
ausgeſaͤet werden, ſondern muß ſich ſelbſt durch das Ausfallen
ausſaͤen. Deswegen muͤſſen die Kapſeln der Erde zugekehrt ſeyn,
damit ſie ſich unterwaͤrts oͤffnen, und der Samen herausfalle.
Ob nun gleich der Wind den Samen nicht fortfuͤhrt, ſo vermehrt
ſich doch die Pflanze ungemein, und iſt auf allen Aeckern haͤufig
anzutreffen. Dies koͤmmt daher, daß die Stengel ſehr lang, und
der ganzen Laͤnge nach mit Kapſeln verſehen ſind, folglich eine
einzige Pflanze einen ziemlich großen Fleck Landes mit ihrem Sa-
men beſaͤet, welcher hernach durch das Umpfluͤgen des Ackers noch
weiter gebracht wird. Aus eben dieſer Urſache iſt es auch nicht
noͤthig, daß der Samen dieſer Art ſo klein und leicht ſey, als der
Samen der uͤbrigen Arten, welchen er an Groͤſſe und Schwere
bey weitem uͤbertrifft. Hierin, ſo wie in der Geſtalt, koͤmmt
ihm der Samen der Veronica triphyllos am naͤchſten.
Wulfenia.
Wulfenia Carinthiaca. Jacqu. Miſcell. Auſtriac.
P. II. p. 60. Tab. VIII. Fig. 1. Dieſe neue Gattung und Art
kenne ich bloß aus der von dem Herrn Verfaſſer gelieferten Be-
ſchreibung und Abbildung derſelben (welches auch von den uͤbrigen
Blumen gilt, welche ich aus ſeinen Werken anfuͤhren werde).
Ob nun gleich derſelbe in jener vom Nectario nichts meldet, ſo
behaupte ich dennoch, daß dieſe Blume eine Saftblume iſt. Ich
beweiſe dieſes aus ihrer nahen Verwandtſchaft mit der Veronica,
beſonders aus dem Bau ihrer Krone, welche eine in der Mitte
weite, am oberſten und unterſten Ende aber engere Roͤhre hat,
wie die Krone der Veronica ſpicata, und aus der Saftdecke,
welche aus einer Reihe von Haaren beſteht, mit welchen die Un-
terlippe vor der Oeffnung der Roͤhre beſetzt iſt. Die Saftdruͤſe
muß alſo an der Baſis des Fruchtknotens ſitzen, wenn dieſer nicht
etwa ſelbſt zugleich die Saftdruͤſe iſt, und der Mahler hat im er-
ſten Fall dieſelbe wegen ihrer Kleinheit uͤberſehen, und ſie nicht
abgebildet, weil er nicht dazu angewieſen worden iſt.
Juſticia.
Juſticia pulcherrima. Jacqu. Amer. p. 6.
Obgleich der Herr Verfaſſer ſo wenig, als Linné, bey die-
ſer Gattung vom Nectario etwas meldet, ſo behaupte ich den-
Gratiola. Pinguicula.
noch, daß alle Arten Saftblumen ſind, weil die Krone eine
Roͤhre hat. Bey dieſer Art iſt dieſe Roͤhre an der Baſis weit,
hierauf wird ſie enge, und alsdenn nach und nach wieder weit.
Daß ſie uͤber der Baſis enge iſt, dient bloß zur Abhaltung der
Regentropfen vom Saft. Vermuthlich iſt ſie auch daſelbſt inwen-
dig haaricht. Die Saftdruͤſe iſt alſo entweder der Fruchtknoten
ſelbſt, oder ſitzt unten an demſelben, und der Safthalter iſt die
weite Baſis der Kronenroͤhre.
Gratiola.
Gratiola officinalis. Gnadenkraut. Iſt eine Saft-
blume.
1. Die Saftdruͤſe, welche Linné wegen ihrer Kleinheit
nicht geſehen hat, umgiebt die Baſis des Fruchtknotens.
2. Der Safthalter iſt der unterſte inwendig glatte Theil der
Kronenroͤhre.
3. Da die Blume eine faſt horizontale Stellung hat, und
nur ſehr wenig in die Hoͤhe gerichtet iſt (daher ſie auch irregulaͤr
iſt): ſo iſt merkwuͤrdig, und mir unerklaͤrlich, daß die Saftdecke
nicht auf ihrer unteren Seite, wo man ſie erwartet, ſondern auf
der oberen angebracht iſt. Dieſelbe beſteht aber aus den weichen
Haaren, welche ſich an der Oeffnung der Kronenroͤhre befinden,
und ſich in die Roͤhre hinein erſtrecken.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Krone iſt weiß,
jene Haare aber ſind gelb, und die Kronenroͤhre iſt auf der ober-
ſten Seite braun, welche Farbe von außen ſchwach durch-
ſchimmert.
5. In der Blume halten ſich Blaſenfuͤße auf.
Pinguicula.
Pinguicula vulgaris. Titelkupfer Fig. XXIV. Die
vergroͤſſerte Blume von vorne geſehen. Tab. I. 9—11. 13.
9. Dieſelbe von der Seite geſehen.
10. Dieſelbe von vorne geſehen, nachdem von der Krone
vorne ſo viel weggeſchnitten worden, als die Linie a b in der vor-
hergehenden Figur anzeigt.
11. Das Piſtill und die Staubgefaͤße von der Seite.
13. Dieſelben von vorne.
Die Pflanze gehoͤrt zu denjenigen, welche in Deutſchland
ſelten vorkommen. Auch habe ich dieſelbe in der hieſigen Gegend
bisher nur auf einer einzigen Wieſe, wo ſie aber ſehr haͤufig ſteht,
angetroffen. Dieſe Wieſe liegt nicht weit hinter Staaken am Fuß-
ſteige, welcher von da nach Dalgow fuͤhrt.
1. 2. Wenn eine Blume einen Sporn oder ein Horn hat,
ſo nennt Linné dieſen Theil jedesmal Nectarium. Verſteht er
D 2
[[40]]
Pinguicula.
dadurch den Safthalter, ſo hat er, die Scheinſaftblumen ausge-
nommen, jederzeit Recht; verſteht er aber dadurch zugleich die
Saftdruͤſe, ſo hat er zuweilen Unrecht. Denn zuweilen iſt das
Ende dieſes Theils zwar auch die Saftdruͤſe, und alsdenn pflegt
es fleiſchicht oder knorplicht zu ſeyn; zuweilen aber ſitzt die Saft-
druͤſe oben an der Oeffnung dieſes Theils am Fruchtknoten, und
alsdenn iſt das Ende deſſelben eben ſo duͤnn, als der uͤbrige Theil.
Bey der Pinguicula iſt das Ende des Sporns die Saftdruͤſe, ob
es gleich nicht merklich dicker iſt, als der uͤbrige Theil deſſelben.
3. Die Saftdecke ſind die Faͤden, mit welchen die Unter-
lippe der Krone vor der Oeffnung des Sporns beſetzt iſt.
4. Die Natur hat dafuͤr geſorgt, daß die Inſekten, welche
ſie zur Befruchtung der Blume beſtimmt hat, dieſelbe nicht nur
von weitem leicht gewahr werden, ſondern auch, wenn ſie ſich
auf dieſelbe geſetzt haben, den in derſelben enthaltenen Saft leicht
finden koͤnnen.
Was das Erſtere betrifft, ſo ſitzt zwar die Blume auf einem
unmittelbar aus der Wurzel entſtehenden und nur eine Handbreite
langen Stengel, oder vielmehr Stiel; indeſſen habe ich doch ge-
funden, daß ſie uͤber alle Pflanzen hervorragte, welche mit ihr
auf der angefuͤhrten Wieſe ſtanden. Sie bluͤhet im May und
Juny. Dieſe Zeit hat die Natur weislich erwaͤhlt. Bluͤhete ſie
ſpaͤter, ſo wuͤrde ſie, von den benachbarten Pflanzen, welche
alsdenn in die Hoͤhe gewachſen ſeyn wuͤrden, verdeckt, von den
Inſekten nicht bemerkt und beſucht werden koͤnnen, und folglich
unbefruchtet bleiben. Auch ihr Standort iſt von der Natur
weislich erwaͤhlt. Derſelbe iſt nemlich nicht eine von den niedri-
gen Wieſen, welche im Winter und Fruͤhjahr unter Waſſer ſte-
hen, und auf welchen hohe Pflanzen wachſen, als der Katzenſterz
(Equiſetum fluviatile), das Schwadengras (Feſtuca fluitans)
und andere. Denn dergleichen Pflanzen ſind zu dieſer Jahres-
zeit ſchon ſo hoch, daß ſie unſere Blume vor den Augen der In-
ſekten verbergen wuͤrden. Sondern es iſt eine hoͤhere Wieſe,
welche an und zwiſchen Ackerfeldern liegt, und auf welcher nie-
drige Pflanzen ſtehen, als Pedicularis ſyluatica, Carex piluli-
fera, Carex Leerſii Willdenowi, und andere.
Was das Letztere betrifft, ſo hat die Blume ein Saftmaal.
Denn die Krone iſt violett, auf derjenigen Stelle aber, wo die
zur Saftdecke dienenden Faͤden ſitzen, weiß, und dieſe Faͤden ſind
auch weiß.
Weil die Blume eine horizontale Stellung hat, ſo iſt ſie
irregulaͤr.
Daß die Befruchtung derſelben keinesweges auf eine mecha-
niſche Art, ſondern durch irgend ein Inſekt geſchieht, erhellet
aus der beſonderen Einrichtung des Stigma. Daſſelbe beſteht
Pinguicula. Verbena.
aus zwey Lappen. Der oberſte von denſelben iſt ſehr ſchmal, und
ſchmiegt ſich an die Krone; der unterſte hingegen iſt ſehr breit,
und biegt ſich unterwaͤrts, ſo daß er die Antheren zum Theil be-
deckt. Waͤre nun die unterſte Oberflaͤche dieſes Lappens, mit wel-
cher derſelbe die Antheren unmittelbar beruͤhrt, das eigentliche
Stigma: ſo wuͤrde, wenn die mechaniſche Vefruchtungsart hier
Statt finden ſollte, nichts zweckmaͤßiger ſeyn, als dieſe Einrich-
tung, und die Befruchtung wuͤrde in keiner Blume fehlſchlagen
koͤnnen. Nun aber iſt nicht die unterſte, ſondern die oberſte
Oberflaͤche des breiten Lappens, und die unterſte oder vorderſte
Oberflaͤche des ſchmalen Lappens das eigentliche Stigma. Dieſes
ſchließe ich aus der Analogie, indem, wenn ein Stigma aus
zwey Lappen beſteht, jederzeit die beiden inneren Oberflaͤchen der-
ſelben, mit welchen ſie, ehe ſie ſich von einander begaben, auf
einander lagen, das eigentliche Stigma ſind. Und daß dieſer
Schluß richtig iſt, erhellet daraus, daß die beiden inneren Ober-
flaͤchen der Lappen mit Haaren uͤberzogen, die beiden aͤußeren
hingegen kahl ſind. Dieſe Einrichtung nun iſt, wenn hier die
mechaniſche Befruchtungsart Statt finden ſoll, ungereimt. Hoͤchſt
zweckmaͤßig aber iſt ſie, wenn die Befruchtung durch ein Inſekt
geſchehen ſoll. Denn indem daſſelbe in die Blume hineinkriecht,
ſo ſtreift es ſchon mit dem Ruͤcken Staub von den Antheren ab,
noch mehr aber, wenn es wieder herauskriecht, weil es alsdenn
den unterſten Lappen des Stigma in die Hoͤhe hebt. Mit dieſem
Staube beladen fliegt es hierauf auf eine andere Blume. In-
dem es nun in dieſelbe hineinkriecht, ſo muß es nothwendig den
auf ſeinem Ruͤcken ſitzenden Staub auf das Stigma abſetzen,
folglich dieſe Blume durch den Staub der erſten befruchten.
Durch welches Inſekt die Befruchtung geſchieht, weiß ich
nicht. Ich habe mich im letzt vergangenen Jahr einigemal auf
die angefuͤhrte Wieſe hinbegeben, und mich jedesmal lange genug
daſelbſt aufgehalten, aber niemals ein Inſekt auf den Blumen
angetroffen. Vermuthlich kam dies daher, weil ich niemals in
der Mittagsſtunde, ſondern jedesmal gegen Abend hinging. Ob-
gleich jedesmal das ſchoͤnſte Wetter war, ſo wehete doch ein kal-
ter Oſtwind, welcher vielleicht das zur Befruchtung der Blume
beſtimmte Inſekt abgehalten hat, dieſelbe zu beſuchen.
Verbena.
Verbena officinalis. Eiſenkraut. Tab. I. 14—16.
21.
15. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
14. Die oberwaͤrts der Laͤnge nach aufgeſchnittene und flach
ausgebreitete Krone.
16. Die Frucht.
[[41]]
Verbena.
21. Die Samenkoͤrner, noch nicht voͤllig reif, aber ſchon
voͤllig erwachſen, aus dem Kelch, welcher zu ihrem Behaͤltniß
dient, herausgenommen. Die punktirte Baſis derſelben iſt die
Saftdruͤſe.
1. Die Saftdruͤſe iſt die Baſis des Fruchtknotens. So
lange die Blume bluͤhet, iſt der Fruchtknoten viel zu klein, als
daß man die Saftdruͤſe ſollte unterſcheiden koͤnnen. An den er-
wachſenen noch nicht voͤllig reifen Samenkoͤrnern hingegen kann
man ſie durch ein einfaches Vergroͤſſerungsglas ſehr deutlich er-
kennen. Sie iſt alsdenn glatt und weiß, da die Samenkoͤrner
uͤbrigens runzlicht und gruͤn, oberwaͤrts aber braun ſind.
2. Der Safthalter iſt der unterſte Theil der Kronenroͤhre.
3. Die Saftdecke iſt die Reihe von Haaren, welche ſich in
der Oeffnung der Kronenroͤhre befindet. Fig. 14.
Die Blumen ſitzen an den aufrechtſtehenden Zweigen, und
bilden eine Aehre. Die Kelche ſind zuletzt die Samenbehaͤltniſſe.
Aus denſelben ſollen die Samenkoͤrner nicht von ſelbſt herausſal-
len, ſondern vom Winde herausgeworfen, und weit und breit
verſtreuet werden. Zu dieſem Ende muͤſſen die Kelche eine auf-
rechte Stellung haben. Die Samenkoͤrner ragen zwar ein wenig
aus dem Kelch hervor, vermuthlich, damit ſie, den Sonnenſtrah-
len ausgeſetzt, deſto beſſer reifen; ſie werden aber uͤbrigens vom
Kelch feſt umſchloſſen, ſo daß nur ein ſtarker Wind ſie heraus-
werfen kann. Nun ſollen die Blumen, als Saftblumen, von
Inſekten befruchtet werden; ſie muͤſſen folglich, damit ſie denſel-
ben in die Augen fallen, eine Krone haben. Blumen aber,
welche eine aufrechtſtehende Aehre bilden, muͤſſen, wie ich bey
der Veronica geſagt habe, eine horizontale Stellung haben. Da
nun dieſe Blumen nicht zugleich eine aufrechte und eine horizontale
Stellung haben koͤnnen, ſo mußten ſie eine ſolche erhalten, welche
zwiſchen der aufrechten und der horizontalen das Mittel haͤlt.
Daher macht mit dem Zweige der Kelch einen kleinen, die Krone
aber einen etwas groͤſſeren Winkel. Indeſſen gehoͤrt die Blume
zu den horizontalen, und iſt daher irregulaͤr.
5. Die Blume wird von Blaſenfuͤßen und einem bienen-
oder wespenartigen Inſekt beſucht.
Verbena Aubletia. Tab. I. 23. Die vergroͤſſerte
Blume von vorne geſehen.
In Anſehung der Saftdruͤſe, des Safthalters und der Saft-
decke iſt dieſe Art der vorhergehenden aͤhnlich. Zur letzten gehoͤrt
hier noch, daß der oberſte Theil der Kronenroͤhre mit Wolle uͤber-
zogen iſt, da der unterſte, welcher den Saft enthaͤlt, kahl und
glatt iſt.
4. Die Blume iſt groͤſſer, als die vorhergehende, und hat
daher ein Saftmaal. Denn der blutrothe Kronenſaum iſt mit
Monarda. Saluia.
fuͤnf Linien von geſaͤttigterer Farbe geziert, welche nach der Mitte
zu laufen. Die Haare aber, welche zur Saftdecke dienen, ſind
weiß, und ſtechen gegen die Farbe des Kronenſaums ſtark ab.
Monarda.
In der Monarda didyma hat Gleditſch (S. 228.) Saft
gefunden. In Anſehung der Saftdruͤſe und des Safthalters iſt
dieſe Gattung der vorhergehenden aͤhnlich. In die lange und
enge Kronenroͤhre koͤnnen zwar Inſekten hineinkriechen, keines-
weges aber Regentropfen hineindringen, weil der oberſte Theil
derſelben mit Haaren uͤberzogen iſt.
Saluia.
Saluia pratenſis. Wilde Salbey. Tab. I. 18. 24—33.
39. 42.
18. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung von der
Seite. c das Stigma. d eine noch ſtaͤrker vergroͤſſerte Anthere.
28. Dieſelbe von vorne geſehen.
30. Dieſelbe von vorne, nachdem vorne ſo viel weggeſchnit-
ten worden, als die Linie a b Fig. 18. anzeigt. In der Oeff-
nung der Kronenroͤhre ſieht man die Saftdecke.
24. Die Blume wird von einer Hummel beſucht und be-
fruchtet.
25. Die (punktirte) Saftdruͤſe von der Seite.
26. Dieſelbe von vorne.
27. Die Saftdecke von hinten.
29. Dieſelbe von vorne.
31. Der unterſte Theil des einen Filaments von der inneren
Seite.
32. Der Koͤrper, welcher daſſelbe traͤgt. a die Stelle, wo
es an denſelben angewachſen iſt.
33. Der unterſte Theil des andern Filaments von der aͤuße-
ren Seite.
39. Der unterſte Theil der von vorne geſehenen Saftdecke
Fig. 29. So weit derſelbe punktirt iſt, ſieht er ſchwaͤrzlich, oder
wie verbrannt aus.
42. Der unterſte Theil des einen Filaments Fig. 31. in der-
jenigen Stellung, welche ihm die hineinkriechende Hummel giebt.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Koͤrper, auf welchem der Frucht-
knoten ſitzt. Sie iſt pomeranzenfarben, da der Fruchtknoten
gruͤn, und oberwaͤrts braun iſt.
2. Der Safthalter iſt der hinterſte Theil der Kronenroͤhre.
3. Die Anſtalt, welche die Natur getroffen hat, um den
Zugang zum Saft den zur Befruchtung der Blume beſtimmten
Hummeln offen zu halten, den Regentropfen aber zu ſperren,
D 3
[[42]]
Saluia.
beſteht in Folgendem. An den Seiten des vorderſten Theils der
Kronenroͤhre ſind zwey laͤnglichte Koͤrper angewachſen, welche die
Filamente tragen. Dieſe beiden Koͤrper nebſt dem unterſten Theil
der Filamente ſieht man in Fig. 30., und noch deutlicher in
Fig. 29. von vorne, und in Fig. 27. von hinten. In Fig. 31.
ſieht man den auf der rechten Seite befindlichen Koͤrper nebſt ſei-
nem Filament von innen, in Fig. 32. eben denſelben, nachdem
das Filament abgeriſſen worden, in Fig. 33. den auf der linken
Seite befindlichen Koͤrper nebſt ſeinem Filament von außen. Die
Filamente ſind an ihrer Baſis mit breiten Anſaͤtzen verſehen,
welche wie ein halbes Herz geſtaltet ſind, ſich vorwaͤrts umbiegen,
und vorne, wo ſie am ſchmaͤlſten ſind, zuſammengewachſen ſind.
Die Stelle, wo ſie zuſammengewachſen ſind, ſieht wie verbrannt
aus. Dieſe Farbe ſcheint in einem gewiſſen Zuſammenhange mit
der Zaͤhigkeit und Feſtigkeit zu ſtehen, welche die Anſaͤtze an dieſer
Stelle haben. Denn man muß, um ſie von einander zu reißen,
eine groͤſſere Kraft anwenden, als man bey einem ſo duͤnnen Koͤr-
per fuͤr noͤthig halten ſollte. Ueberhaupt finde ich, daß diejenigen
Theile mancher Blumen, welche beſonders feſt und ſtark ſind,
dunkelfarbig oder ſchwarz ſind. Warum aber die Anſaͤtze an die-
ſer Stelle beſonders zaͤhe und feſt ſind, wird man bald einſehen.
Vermittelſt dieſer Anſaͤtze nun fuͤllen die Filamente die Oeffnung
der Kronenroͤhre groͤßtentheils aus, und verhindern einen jeden
Regentropfen, welcher ſich dieſer Oeffnung genaͤhert hat, in die
Kronenroͤhre hineinzudringen. Wenn aber eine Hummel die
Blume beſucht, ſo ſcheint es zwar, daß auch ihr das Eindringen
in den Safthalter durch die Saftdecke verwehret werde; weil ſie
aber vor derſelben das Saftmaal ſieht, und wohl weiß, daß daſ-
ſelbe den rechten Weg zum Safthalter weiſet: ſo kehrt ſie ſich an
jenen Schein nicht, ſondern folgt dieſem ſicheren Wegweiſer,
kriecht hinein, und bemerkt mit Vergnuͤgen, daß ſie die Saftdecke
vor ſich her und in die Hoͤhe ſtoͤßt. Dadurch erhaͤlt der unterſte
Theil der Filamente, welcher vorher aufrecht ſtand, Fig. 31.,
eine horizontale Stellung, Fig. 42. Nachdem ſie nun den Saft-
vorrath verzehrt hat, ſo kriecht ſie wieder ruͤckwaͤrts heraus. Als-
denn ſpringt der unterſte Theil der Filamente in ſeine vorige
Stellung zuruͤck, und die Saftdecke verſchließt die Oeffnung der
Kronenroͤhre, wie vorher.
Da nun der vorderſte ſchmaͤlſte Theil der Saftdecke dem An-
lauf der Hummel am meiſten ausgeſetzt iſt, ſo mußte er beſonders
zaͤhe und feſt ſeyn, damit er nicht von derſelben zerriſſen werde.
Nicht ſo feſt, als hier mit einander, hangen die Filamente mit den
laͤnglichten Koͤrpern, auf welchen ſie ruhen, zuſammen. Daher
koͤmmt es, daß, wenn eine Blume von den Hummeln ſehr oft
beſucht wird, die Filamente endlich abreißen.
Saluia.
4. Die Pflanze treibt aufrechtſtehende Stengel, welche zwey
Fuß hoch und noch hoͤher ſind. Unterwaͤrts haben dieſelben groſſe
Blaͤtter und keine Blumen, oberwaͤrts aber Blumen und ſehr
kleine Blaͤtter. Die letztern ſind deswegen nicht groͤſſer, weil
ſie ſonſt verurſachen wuͤrden, daß die Blumen von den Hummeln
in der Ferne weniger bemerkt wuͤrden. Die anſehnlichen Blumen
ſchmuͤcken ungefaͤhr die Haͤlfte des Stengels, und ſitzen an dem-
ſelben vermittelſt ſehr kurzer Stiele in ungefaͤhr zwoͤlf Quirlen,
und bilden alſo eine quirlfoͤrmige Aehre (ſpica verticillata). Da
nun beynahe die Haͤlfte der Quirle zu gleicher Zeit bluͤhet, ſo fal-
len die [bluͤhenden] Pflanzen den Hummeln ſchon in großer Ent-
fernung in die Augen. Zu dem Ende mußten die Blumen eine
horizontale Stellung haben. Die Krone iſt dunkelblau, hat aber
auf der Unterlippe vor der Saftdecke einen purpurfarbenen Fleck,
welcher das Saftmaal iſt.
Die gewoͤlbte Oberlippe der Krone iſt von der Seite geſehen
ſehr breit, Fig. 18., von vorne geſehen aber ſehr ſchmal, Fig. 28.
Beides verurſacht, daß die innerhalb derſelben befindlichen An-
theren gegen den Regen voͤllig geſichert ſind, letzteres aber, daß
ſie die Oeffnung der Kronenroͤhre nicht vor dem Regen ſchuͤtzen
kann, welches ſie bey andern Blumen zu thun pflegt. Dies ſoll
ſie aber auch hier nicht thun, weil die Saftdecke dieſe Oeffnung
ſchon hinlaͤnglich verſchließt.
5. Warum ſondert nun dieſe Blume Saft ab? Warum
wird dieſer Saft durch eine ſo kuͤnſtliche Einrichtung vor dem Re-
gen geſchuͤtzt, damit er nicht von demſelben verdorben und fuͤr die
Hummeln ungenießbar gemacht werde? Warum koͤnnen dem-
ungeachtet die Hummeln ſehr leicht zu demſelben gelangen?
Warum iſt endlich dafuͤr geſorgt, daß die Hummeln ſowohl die
Blumen von weitem leicht gewahr werden, als auch, wann ſie
ſich auf dieſelben geſetzt haben, ſogleich merken, wo der Saft ſich
befindet? Bezieht ſich dieſes alles bloß auf die Hummeln, und
hat die Blume ſelbſt davon keinen Nutzen?
Wenn die Blume auf eine mechaniſche Art befruchtet wird,
ſo hat ſie von dem allen keinen Nutzen. Es fraͤgt ſich alſo, ob
ſie auf eine mechaniſche Art befruchtet wird.
Der Augenſchein lehrt, daß hieran gar nicht zu denken ſey.
In Fig. 18. zeigt die punktirte Linie die Stellung der Staubge-
faͤße an. Von dem Staube der Antheren kann nicht der kleinſte
Theil auf das Stigma fallen, oder durch den Wind gefuͤhrt wer-
den. Denn die Raͤnder der Oberlippe ſchließen dicht an einander,
Fig. 28.
Da alſo die Blume nicht auf eine mechaniſche Art befruchtet
werden kann, ſo muß ſie entweder unbefruchtet bleiben, welches
[[43]]
Saluia.
ſich nicht denken laͤßt, oder von den Hummeln, welche ſie beſu-
chen, befruchtet werden.
Ich habe oben geſagt, daß die Hummel, indem ſie in die
Blume hineinkriecht, den unterſten Theil der Filamente in die
Hoͤhe ſtoͤßt. Indem ſie nun dieſes thut, ſo ſpringt zugleich der
oberſte Theil der Filamente aus der Oberlippe der Krone heraus,
umfaßt mit ſeinen Enden den haarichten Ruͤcken der Hummel,
und ſtreift den Staub der an jenen ſitzenden Antheren an die-
ſen ab. Sobald aber die Hummel wieder herauskriecht, und
der unterſte Theil der Filamente wieder hinabſpringt, ſo ſpringt
der oberſte Theil derſelben wieder in die Hoͤhe, und verbirgt ſich
wieder in der Oberlippe. Mit dem Staube dieſer Blume beladen
fliegt hierauf die Hummel auf eine andere Blume. Indem ſie
ſich auf die Unterlippe ihrer Krone ſetzen will, ſo beruͤhrt ſie mit
ihrem beſtaͤubten Ruͤcken das aus der Oberlippe weit hervorra-
gende Stigma, ſtreift den mitgebrachten Staub an daſſelbe ab,
und befruchtet auf ſolche Art die letztere Blume mit dem Staube
der erſteren.
Es iſt eben ſo auffallend, als artig anzuſehen, wie die Staub-
gefaͤße, ſobald die Hummel in die Blume hineinkriecht, aus der
Oberlippe der Krone ſchnell herausſpringen, und die Hummel
gleichſam peitſchen, ſobald ſie aber wieder herauskriecht, eben ſo
ſchnell wieder in die Oberlippe hineinſpringen; und es wundert
mich, daß dieſe Erſcheinung von den Botanikern nicht ſchon laͤngſt
entweder bemerkt, oder, wenn ſie dieſelbe bemerkt haben, beſſer
benutzt worden iſt. Den gelben Staub kann man auf dem Ruͤcken
der Hummeln, wenn man ſich nahe an dieſelben hinanſchleicht,
ſehr deutlich ſehen.
Auch der gemeine weiße Schmetterling beſucht die Blume,
bringt aber die Staubgefaͤße nicht aus ihrer gewoͤhnlichen Stel-
lung, indem er ſeinen duͤnnen Saugeruͤſſel durch die kleinen Zwi-
ſchenraͤume zwiſchen der Saftdecke und der Kronenroͤhre hindurch-
ſteckt. Hieraus folgt, daß er die Blume nicht befruchten koͤnne.
Ueberhaupt iſt es wahrſcheinlich, daß die Natur bloß die Hum-
meln, und zwar die groͤßten Arten derſelben, zur Befruchtung
der Blume beſtimmt, und im Bau der letzteren hierauf Ruͤckſicht
genommen habe. Denn wenn ein kleineres Inſekt in die Blume
hineinkroͤche, ſo wuͤrden die Staubgefaͤße zwar aus der Oberlippe
herausſpringen, aber den Koͤrper deſſelben nicht beruͤhren, folg-
lich auch nicht den Staub der Antheren an denſelben abſtreifen.
Und daß der vorderſte Theil der Unterlippe der Krone ſo weit iſt,
und ſo herabhaͤngt, ſcheint bloß auf die groͤßten Hummeln ſich zu
beziehen, damit nemlich dieſelben mit dem Hintertheil ihres Koͤr-
pers bequem auf denſelben ruhen, und in dieſer Stellung den
Staub der Antheren erhalten koͤnnen.
Saluia.
Wie wenig Linné von der Einrichtung dieſer Blume ver-
ſtanden habe, erhellet daraus, daß er die eigentliche Saftdruͤſe
nicht geſehen hat, und die Saftdecke eine Druͤſe nennt. Gle-
ditſch hat in derſelben Saft gefunden, S. 160. Kruͤnitz
ſagt bloß, daß die Bienen Kuͤtt von der Pflanze ſammlen,
S. 664. *)
Saluia officinalis. Gemeine Salbey. Tab. III.
1. 2. 4. 6. 7.
1. Eine aͤltere Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe
von der Seite.
2. Eine juͤngere Blume von vorne. Auf der Unterlippe der
Krone ſieht man den vorderſten Theil des Saftmaals.
4. Die Krone, oberwaͤrts aufgeſchnitten und flach ausgebrei-
tet. a b die haarichte Saftdecke. Das ganze Saftmaal.
6. Die juͤngere Blume, deren Kelch weggeſchnitten worden.
Auch iſt von dem unterſten Theil der Kronenroͤhre die vorderſte
Haͤlfte weggeſchnitten worden, damit man die (punktirte) Saft-
druͤſe, den glatten Safthalter und die Saftdecke ſehen koͤnne.
Der von der Krone verdeckte Theil des Griffels, der Fila-
mente, und der laͤnglichten Koͤrper, welche dieſe tragen, wird
durch Punkte angedeutet. Die Filamente ſind in ihrer natuͤr-
lichen Stellung abgebildet.
7. Die Filamente in derjenigen Stellung, welche ihnen
eine in die Blume hineinkriechende Biene giebt.
1. 2. In Anſehung der Saftdruͤſe und des Safthalters
iſt dieſe Blume der vorhergehenden aͤhnlich. Die Saftdruͤſe
iſt dunkelpurpurfarben, da der Fruchtknoten gruͤn iſt.
3. In Anſehung der Saftdecke unterſcheidet ſie ſich von
der vorhergehenden ſehr. Dieſelbe beſteht nemlich aus einer
Reihe von Haaren, welche unmittelbar uͤber dem Safthalter
befindlich iſt. Die Filamente ſind nicht unterwaͤrts vermittelſt
eines breiten Anſatzes zuſammengewachſen, wie bey der vorher-
gehenden, ſondern ihre unterſten Enden ſind von einander ge-
trennt, wie die oberſten, und, wie dieſe, mit Antheren verſe-
hen. Da nun die Oeffnung der Kronenroͤhre durch nichts ver-
ſchloſſen wird, ſo mußte die Oberlippe der Krone von vorne
geſehen breit, und keinesweges ſo ſchmal ſeyn, als bey der
vorhergehenden, damit ſie der Kronenroͤhre zum Schirm ge-
gen den Regen diene. Weil aber dennoch Regentropfen, welche
auf die Unterlippe gefallen ſind, leicht in die Roͤhre hinein-
fließen koͤnnen, ſo mußten, damit ſie nicht in den Safthalter
hineindringen, uͤber demſelben dieſe Haare angebracht werden.
[[44]]
Saluia.
4. Die Krone iſt violett (bey einigen Pflanzen fleiſchfarben).
Die Unterlippe iſt vor der Oeffnung der Roͤhre mit dunkelviolet-
ten und weißlichen Streifen geziert, welche ſich in die Roͤhre
hineinziehen, und nebſt andern dergleichen Streifen ſich bis zur
Saftdecke erſtrecken. Dies Saftmaal fuͤhrt alſo die Bienen un-
mittelbar in den Safthalter.
5. Die Blume iſt ein maͤnnlich weiblicher Dichogamiſt.
Bey der juͤngeren iſt das Stigma noch innerhalb der Oberlippe
der Krone verborgen, und ſeine beide Lappen liegen dicht an ein-
ander. Bey der aͤlteren aber hat ſich der Griffel verlaͤngert, ſo
daß das Stigma aus der Oberlippe der Krone hervorragt, und
die beiden Lappen des Stigma ſtehen von einander. Schon hier-
aus folgt, daß die Befruchtung nicht auf eine mechaniſche Art
geſchehen koͤnne. Denn die juͤngere Blume hat zwar Staub,
aber kein Stigma, und die aͤltere hat zwar ein Stigma, aber
keinen Staub mehr, weil derſelbe von den Bienen ſchon laͤngſt
abgeſtreift worden iſt.
Die Vienen beſuchen die Blumen außerordentlich haͤufig,
und es iſt ein Vergnuͤgen, die groſſe Thaͤtigkeit, mit welcher ſie
es thun, zu beobachten. Sie kriechen ſo tief in dieſelben hinein,
daß nur ein kleiner Theil ihres Hinterleibes von außen zu ſehen
iſt. Indem ſie nun in eine juͤngere Blume hineinkriechen, ſo
druͤcken ſie unmittelbar den unterſten Theil der Filamente in die
Hoͤhe, und folglich vermittelſt deſſelben den oberſten Theil
derſelben herab. Die Antheren des letzteren ſchmiegen ſich
alsdenn dicht an ihren Ruͤcken, und ſtreifen ihren Staub an den-
Saluia.
ſelben ab, welches ich deutlich geſehen habe. Auf eben dieſe Art
muͤſſen auch die unterſten Antheren ihren Staub an den Ruͤcken
der Bienen abſtreifen, welches man aber nicht ſehen kann, weil
ſie von denſelben in die Krone hineingeſchoben werden. Sobald
nun die Bienen wieder herauskriechen, ſpringen die Filamente
wieder in ihre vorige Stellung zuruͤck, und die oberſten Anthe-
ren befinden ſich wieder innerhalb der Oberlippe der Krone.
Wenn ſie ſich nun hierauf auf eine aͤltere Blume begeben, ſo be-
ruͤhren ſie mit dem beſtaͤubten Ruͤcken das Stigma, und befruch-
ten alſo die aͤltere Blume mit dem Staube der juͤngeren.
Saluia verticillata. Hat eben eine ſolche haarichte
Saftdecke, als die vorhergehende.
Saluia glutinoſa. In dieſer Blume hat Gleditſch
Saft gefunden, S. 228.
1. Die fleiſchichte Saftdruͤſe iſt glatt und gelb, da der Frucht-
knoten gruͤn iſt.
2. Der unterſte Theil der Kronenroͤhre, welcher den Saft
enthaͤlt, iſt glatt.
3. Der oberſte Theil der Kronenroͤhre iſt mit Haaren uͤber-
zogen.
Die Filamente ſind unterwaͤrts weder zuſammengewachſen,
wie bey der erſten Art, noch mit Antheren verſehen, wie bey der
zweyten, ſondern haben an deren Stelle runde konkave gelbliche
Koͤrper.
5. Die Blumen werden von Hummeln beſucht.
Dritte Klaſſe.Triandria.
Zwitterblumen mit drey Staubgefaͤßen.
Valeriana.
Valeriana officinalis. Baldrian. Tab. XXIV. 23 bis
27. 31.
24. Eine juͤngere Blume von oben geſehen.
23. Dieſelbe von der Seite.
26. Eine aͤltere Blume von oben geſehen.
25. Dieſelbe von der Seite.
27. Dieſelbe, nachdem die vorderſte Haͤlfte der Krone weg-
geſchnitten worden.
31. Die hinterwaͤrts aufgeſchnittene und flach ausgebreitete
Krone.
1. Die Saftdruͤſe iſt entweder der oberſte Theil des Frucht-
knotens, oder derjenige Theil der Krone, welcher den Saft ent-
haͤlt. Beſtimmter dieſelbe anzuzeigen verhindert mich die Klein-
heit der Blume.
2. Der Safthalter iſt der vorderſte hoͤckerichte Theil der Baſis
der Kronenroͤhre, Fig. 23. a.
3. Man ſollte kaum glauben, daß eine ſo kleine Blume eine
Saftdecke noͤthig habe; und doch hat ſie eine Saftdecke. Denn
die
[[45]]
Valeriana.
die Kronenroͤhre iſt uͤber dem Safthalter mit einigen Haaren
beſetzt.
4. Da der Saft im Grunde der Kronenroͤhre befindlich iſt,
folglich einem Inſekt, welches ſich auf die Blume geſetzt hat,
nicht ſogleich in die Augen faͤllt: ſo hat die Blume, ſo klein ſie
auch iſt, ein Saftmaal. Die weiße Krone iſt nemlich mit fuͤnf
purpurfarbnen Linien geziert, welche aber, weil die Krone ſehr
zart iſt, in den aͤlteren Blumen verbleichen. Auch hat die Blume
einen, obgleich ſchwachen, Geruch.
5. Daß nun auch dieſe Blume bloß deswegen Saft abſon-
dert, damit ſie von den demſelben nachgehenden Inſekten be-
fruchtet werde, erhellet daraus, daß ſie ein Dichogamiſt, und
zwar von der maͤnnlich-weiblichen Art iſt. Die Staubfaͤden und
der Griffel ſtehen an der hinteren Seite der Kronenroͤhre. In
der juͤngeren Blume ſind jene grade in die Hoͤhe geſtreckt, und
die Antheren haben Staub; der Griffel aber iſt ruͤckwaͤrts gebo-
gen, und das Stigma iſt noch geſchloſſen. In der aͤlteren Blume
hingegen haben ſich die Filamente mit ihren ſtaubloſen Antheren
umgebogen, und der Griffel hat ſich grade geſtreckt, ſo daß das
Stigma, welches ſich nun auch voͤllig geoͤffnet hat, an eben der
Stelle iſt, wo vorher die Antheren waren. Indem alſo ein In-
ſekt auf der juͤngeren Blume ſteht, und ſeinen Saugeruͤſſel in den
Safthalter hineinſteckt: ſo ſtreift es mit dem Kopf den Staub
von den Antheren ab. Und wenn es ſich hierauf auf eine aͤltere
Blume begiebt, ſo muß es nothwendig mit ſeinem beſtaͤubten
Kopf das Stigma beruͤhren, daſſelbe beſtaͤuben, und alſo die
aͤltere Blume durch den Staub der juͤngeren befruchten. Wel-
ches Inſekt aber die Blume befruchte, weiß ich nicht.
Valeriana dioeca. Tab. II. 22—24. 28.
28. Die vergroͤſſerte maͤnnliche Blume in natuͤrlicher Stel-
lung.
22. Dieſelbe von oben geſehen.
23. Die eben ſo ſtark vergroͤſſerte weibliche Blume in natuͤr-
licher Stellung.
24. Dieſelbe von oben geſehen.
- Anmerk. Die Pflanze unterſcheidet ſich von allen ihren Ne-
benarten dadurch, daß ſie nicht, wie dieſe, Zwitterblu-
men, ſondern Blumen mit ganz getrennten Geſchlechts-
theilen hat, d. i., eine Pflanze hat bloß maͤnnliche, und
die andere bloß weibliche Blumen. Jene iſt weit groͤſſer,
und hat viel groͤſſere Blumen, als dieſe.
Als ich vor einigen Jahren im Fruͤhjahr auf einer Wieſe die
bluͤhenden maͤnnlichen und weiblichen Pflanzen haͤufig antraf: ſo
warf ich bey mir ſelbſt die Frage auf, warum die maͤnnlichen
Pflanzen groͤſſer waͤren, und groͤſſere Blumen haͤtten, als die
Valeriana.
weiblichen. Ich war aber nicht im Stande, dieſelbe zu beant-
worten; ſie ſchien mir vielmehr, wenn nicht fuͤr den menſchlichen
Verſtand uͤberhaupt, wenigſtens fuͤr meinen Verſtand zu hoch zu
ſeyn. Als ich aber im folgenden Sommer an den Blumen der
Zaunruͤbe (Bryonia alba) eben dieſen Unterſchied bemerkte, und
entdeckte, daß ſowohl die maͤnnlichen, als die weiblichen Blumen
Saftblumen ſind: ſo errieth ich ſogleich die Abſicht, welche die
Natur bey dieſer Einrichtung vor Augen gehabt hat.
Die Blumen ſowohl der maͤnnlichen, als der weiblichen
Pflanze ſind Saftblumen. Nun ſollen die letzteren vermittelſt
des Staubes der erſteren befruchtet werden, und zwar von In-
ſekten. Dieſe fallen natuͤrlicherweiſe zuerſt auf die groͤſſeren und
hoͤher ſtehenden Blumen der maͤnnlichen Pflanze. Nachdem ſie
dieſe ausgeleeret, und den Staub der Antheren, welche ſie unter-
deſſen auf mannigfaltige Art beruͤhren mußten, an ihren haarich-
ten Koͤrper abgeſtreift haben: ſo begeben ſie ſich von da auf eine
benachbarte weibliche Pflanze. Indem ſie den Saft aus den
Blumen derſelben holen, ſo beruͤhren ſie mit ihrem beſtaͤubten
Koͤrper das Stigma derſelben, und befruchten ſie. Stellt man
ſich das Gegentheil dieſer Einrichtung vor, und denkt ſich die
weibliche Pflanze groͤſſer, und mit groͤſſeren Blumen verſehen,
als die maͤnnliche: ſo fliegen die Inſekten zuerſt auf die weibliche
Pflanze, und hernach auf die maͤnnliche, und die Blumen der
erſteren bleiben unbefruchtet, und bringen keinen Samen.
Auch vom Cucubalus Otites ſagt Linné, daß die Blumen
der maͤnnlichen Pflanze groͤſſer ſind, als die Blumen der weibli-
chen. Nun iſt aber Cucubalus, ſo wie Silene, mit welcher er
im Grunde nur Eine Gattung ausmacht, eine Saftblume. Folg-
lich findet auch bey dieſem Cucubalus eben dieſelbe Einrichtung
zu eben derſelben Abſicht Statt. Gelegentlich merke ich an, daß
PollichsCucubalus Otites Zwitterblumen hat, und daß der-
ſelbe auch in der hieſigen Gegend haͤufig anzutreffen iſt, keines-
weges aber der Linnéiſche. Ich glaube daher, daß jener und
dieſer zwey verſchiedene Arten ſind.
Demnach behaupte ich, daß bey allen Monoͤciſten und Dioͤ-
ciſten, welche Saftblumen von ungleicher Groͤſſe haben, die
groͤſſeren Blumen maͤnnlichen, und die kleineren weiblichen Ge-
ſchlechts ſind. Und ſollte mir Jemand eine Pflanze nennen koͤn-
nen, deren weibliche Blumen groͤſſer, als die maͤnnlichen, jene
aber ſowohl als dieſe Saftblumen ſind: ſo wuͤrde ich dieſe Er-
ſcheinung fuͤr ein dem menſchlichen Verſtande unaufloͤsliches Raͤth-
ſel halten.
Die von der weiblichen Pflanze hervorgebrachten Samen
ſollen vom Winde weit fortgefuͤhrt und auf den Erdboden ver-
ſtreuet werden, zu welchem Ende ſie mit einer Haarkrone verſehen
E
[[46]]
Tamarindus. Cneorum.
ſind. In der letzten Haͤlfte des Junius ſind ſie reif, und zum
Abfliegen tuͤchtig. Wenn nun alsdenn die Pflanze noch ſo nie-
drig waͤre, als ſie zur Bluͤhezeit war: ſo wuͤrde der Samen ſchwer-
lich vom Winde weggefuͤhrt werden koͤnnen, weil die benachbar-
ten Pflanzen, welche alsdenn eine anſehnliche Hoͤhe erreicht ha-
ben, ſolches verhindern wuͤrden. Folglich mußte dieſelbe nach
geendigter Bluͤhezeit zu wachſen fortfahren, und iſt, wann der
Same reif iſt, ungefaͤhr Einen Fuß hoch.
Tamarindus.
Tamarindus Indica. Jacqu. Amer. p. 10. Der
Herr Verfaſſer hat kein Nectarium in dieſer Blume gefunden;
Linné aber nennt zwey unter den Filamenten befindliche Bor-
ſten das Nectarium. Daß die Blume eine Saftblume ſey,
ſchließe ich daraus, daß ſie ein ſchoͤnes Saftmaal hat. Dies ſind
die drey Blaͤtter, welche Beide die Krone nennen, welche ich
aber nur fuͤr einen Theil der Krone halte. Die vier Blaͤtter,
welche Jene fuͤr das Perianthium halten, ich aber zur Krone
rechne, ſind blaßgelb; jene drey Blaͤtter aber ſind gelb und mit
rothen Adern geziert. Daß aber jene Borſten weder den Saft
abſondern, noch enthalten, und die Saftdruͤſe tiefer ſitzt, wird
derjenige finden, welcher Gelegenheit hat, die Blume zu unter-
ſuchen.
Wahlboom ſagt in ſeiner Diſſertation: Sponſalia plan-
tarum, der Griffel kruͤmme ſich deswegen eben ſo, wie die Fila-
mente, damit das Stigma den Antheren nahe ſey, und der
Staub dieſer deſto leichter auf jenes komme. Allein wenn die
Filamente und der Griffel grade waͤren, ſo wuͤrde das Stigma
den Antheren eben ſo nahe ſeyn. Warum kruͤmmen ſich alſo die
Filamente und der Griffel? Und warum kruͤmmen ſie ſich grade
nach dem Saftmaal hin? Hoͤchſt wahrſcheinlich, damit die In-
ſekten, indem ſie in den Safthalter hineinkriechen, das Stigma
beſtaͤuben, und die Blume befruchten.
Cneorum.
Cneorum tricoccum. Ich habe nur eine einzige
Blume zu unterſuchen Gelegenheit gehabt. Ob ich nun gleich in
derſelben keinen Saft gefunden habe, ſo halte ich dennoch dieſe
Blume fuͤr eine Saftblume. Denn der dunkelgruͤne und mit ei-
nem weißen Puder uͤberzogene Fruchtknoten ſitzt auf einem gelb-
lichgruͤnen und glatten Koͤrper, welcher allem Anſehen nach die
Saftdruͤſe iſt.
Crocus.
Crocus.
Crocus ſatiuus. Saffran. Tab. I. 34—38. 40. 41.
43. 51. 52.
43. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe. b zeigt
die Stelle an, wo ſich die Saftdecke befindet. a b der Saft-
halter.
34. Dieſelbe, nachdem die vorderſte Haͤlfte des Kronen-
ſaums weggeſchnitten worden, damit man den oberſten Theil des
Griffels und die Staubgefaͤße ſehen koͤnne.
35. Ein Stuͤck der Krone von der inneren Seite nebſt
Einem Staubgefaͤß. a die Stelle, wo das Filament ſich von
der Krone abſondert. b ein Theil der haarichten Saftdecke.
36. Eine Anthere von der aͤußeren Seite.
37. Dieſelbe von der inneren Seite.
38. Der oberſte Theil des Griffels.
40. Eines von den drey Stuͤcken, in welche ſich der Griffel
oberwaͤrts theilet, von der inneren Seite.
41. Daſſelbe von der aͤußeren Seite.
51. Der Griffel von oben geſehen.
52. Ein Stuͤck deſſelben von oben geſehen.
Dieſe Blume iſt eine Saftblume, obgleich weder Linné
vom Nectario etwas erwaͤhnt, noch Gleditſch in derſelben
Saft gefunden hat, da er (S. 210.) nur ſagt, daß die Bienen
Wachs aus derſelben holen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt.
2. Der Griffel nimmt den innern Raum der Kronenroͤhre
voͤllig ein. Folglich muß der Saft zwiſchen dieſer und jenem in
die Hoͤhe ſteigen, bis zu der Stelle, wo die Kronenroͤhre ſich zu
erweitern anfaͤngt.
3. Die Saftdecke iſt der Ring von Haaren, welcher unmit-
telbar uͤber dem Safthalter befindlich iſt.
4. Da die Blume eine von den erſten Fruͤhlingsblumen iſt,
ſo wuͤrde der Fruchtknoten, wenn er der Luft ausgeſetzt waͤre,
von der Kaͤlte leicht beſchaͤdigt werden. Dies iſt wahrſcheinlich
die Urſache, warum er nicht in einer Entfernung uͤber der Ober-
flaͤche der Erde ſteht, und mit Blattſcheiden umgeben iſt. Nun
ſoll aber die Blume, als eine Saftblume, von Inſekten befruch-
tet werden, und zu dieſem Ende denſelben von weitem in die Au-
gen fallen. Daher mußte ſie weit hoͤher ſtehen, als der Frucht-
knoten, folglich vermittelſt einer langen Roͤhre mit demſelben ver-
einigt werden. Dieſe vom Fruchtknoten weit entfernte Blume
mußte ferner bloß eine Krone, keinesweges aber einen Kelch ha-
ben, da ein Kelch nicht nur unnuͤtz ſeyn wuͤrde, indem er den
Fruchtknoten nicht beſchuͤtzen koͤnnte, ſondern auch nachtheilig,
[[47]]
Crocus. Gladiolus. Iris.
indem er verurſachen wuͤrde, daß die Krone den Inſekten weni-
ger in die Augen fiele.
5. Die Blume wird von Hummeln beſucht. Auch habe ich
in den Falten des Stigma ein ſehr kleines Inſekt angetroffen.
Daß die Befruchtung derſelben durch dieſe oder andere Inſekten
geſchehen muͤſſe, keinesweges aber auf eine mechaniſche Art vor
ſich gehen koͤnne, davon wird man ſich leicht uͤberzeugen, wenn
man die 34. und die folgenden Figuren betrachtet, man mag nun
entweder, wie Linné, das ganze aus drey Stuͤcken beſtehende
Ende des Griffels, oder nur den Winkel zwiſchen dieſen Stuͤcken
fuͤr das Stigma halten. Denn erſtens haͤlt der Kronenſaum den
Wind von den Antheren ab. Zweytens, wenn der Staub der
Antheren bey den Erſchuͤtterungen, welche die Blume vom Winde
erhaͤlt, auf das Stigma fallen ſollte: ſo muͤßten die Antheren
hoͤher ſtehen, als das Stigma. Sie ſtehen aber nicht hoͤher,
ſondern ihrem unterſten Theil nach niedriger, als daſſelbe. Drit-
tens ſind die Antheren nicht auf der inneren, dem Stigma zuge-
kehrten, ſondern auf der aͤußeren, von demſelben abgewendeten
Seite mit Staub verſehen. Dieſer Umſtand, welcher noch oͤfter
vorkommen wird, iſt ein offenbarer Beweis, daß keine mechani-
ſche Befruchtungsart Statt finden koͤnne. So widerſinnig nun
dieſe Einrichtung ſeyn wuͤrde, wenn die mechaniſche Befruch-
tungsart Statt finden ſollte, ſo zweckmaͤßig iſt ſie, wenn die
Blume durch ein, und zwar groͤſſeres, Inſekt befruchtet werden
ſoll. Denn indem daſſelbe in die Blume hineinkriecht, um den
Saft heraus zu holen, ſo muß es nothwendig die aͤußere Seite
der Antheren beruͤhren, und den Staub derſelben abſtreifen. Wie
es aber dieſen Staub auf das Stigma bringt, weiß ich nicht, da
ich die Blume, und wie ſich die Inſekten beym Beſuch derſelben
verhalten, hinlaͤnglich zu beobachten noch nicht Gelegenheit ge-
habt habe.
Gladiolus.
Gladiolus communis. Gemeiner Schwerdtel. Iſt
eine Saftblume.
1. Die Saftdruͤſe ſitzt auf dem Fruchtknoten, und umgiebt
den Griffel.
2. Die Kronenroͤhre iſt mit Saft angefuͤllt.
Es hat mir bisher an Gelegenheit gefehlt, dieſe Blume wei-
ter zu unterſuchen.
Iris.
In den vortrefflichen Bau und in das Geheimniß der Be-
fruchtung der zu dieſer Gattung gehoͤrenden Blumen iſt bisher,
ſo viel ich weiß, Koͤlreuter am tiefſten eingedrungen. Denn
Iris.
er hat nicht nur die Stigmate, welche Linné gar nicht gekannt
hat, gefunden, ſondern auch entdeckt, daß die Blumen von In-
ſekten befruchtet werden. Daß aber die Natur die ganze Struk-
tur dieſer Blumen in Ruͤckſicht auf dieſe Befruchtungsart einge-
richtet hat, iſt ihm weder eingefallen, noch war er im Stande,
ſolches, wenn es ihm eingefallen waͤre, zu beweiſen, da er nichts
von der Saftdecke und dem Saftmaal wußte. Ehe mir ſeine
Vorlaͤufige Nachricht ꝛc. zu Geſichte kam, hatte ich nicht
nur die eigentlichen Stigmate mit leichter Muͤhe entdeckt, ſon-
dern auch aus dem ganzen Bau der Blumen eingeſehen, daß ſie
ſchlechterdings auf keine andere Art, als durch Inſekten, be-
fruchtet werden koͤnnen, ob ich gleich damals noch keine Inſekten
auf denſelben angetroffen hatte.
Iris Pſeudacorus. Gemeine Schwerdtlilie. Tab. II.
14. 26. 27. 30—36.
26. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
14. Dieſelbe von oben geſehen.
27. Eines von den drey großen umgebogenen Kronenblaͤttern
von der inneren Seite.
30. Der unterſte Theil deſſelben nebſt dem unterſten an daſ-
ſelbe angewachſenen Theil eines Filaments.
31. Einer von den drey Theilen, in welche ſich die Blume
bey c Fig. 26. theilet, von unten geſehen, nachdem bey a das zu
demſelben gehoͤrende große Kronenblatt weggeſchnitten worden.
a b das Griffelblatt. a d das Staubgeſaͤß. c das Stigma.
Daſſelbe iſt ein duͤnnes Blaͤttchen, deſſen oberſte Oberflaͤche ſo-
wohl mit einer Feuchtigkeit, als auch mit kurzen und feinen Haa-
ren uͤberzogen iſt, da die unterſte trocken und kahl iſt. Alſo iſt
eigentlich die oberſte Oberflaͤche dieſes Blaͤttchens das Stigma.
In dieſer Figur ſieht man die unterſte Oberflaͤche deſſelben.
e e zwey von den drey kleinen aufrecht ſtehenden Kronenblaͤttern.
32. Ein Griffelblatt von vorne geſehen. Die (punktirte)
oberſte Oberflaͤche des Stigmablaͤttchens, oder das eigentliche
Stigma.
33. a der Griffel. b der unterſte Theil der Kronenroͤhre.
c der oberſte Theil des Fruchtknotens.
34 und 35. Das in Fig. 30. abgebildete Stuͤck von der Seite
geſehen. In 35. iſt der vorderſte an der Baſis des Kronenblatts
befindliche Anſatz weggeſchnitten.
36. Der unterſte kleinere Theil der Blume, von welchem der
oberſte groͤſſere Theil abgeſchnitten worden, von oben geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt die fleiſchichte Kronenroͤhre von b bis
c Fig. 26. Von a bis b iſt der Griffel mit derſelben zuſammen-
gewachſen, bey b ſondert er ſich von derſelben ab.
E 2
[[48]]
Iris.
2. Der Zwiſchenraum zwiſchen dem Griffel und der Kronen-
roͤhre von b bis c iſt mit Saft angefuͤllt.
3. Vergleicht man die 26. mit der 14. Figur, ſo ſieht man,
daß der Saft gegen den Regen ziemlich geſichert iſt. Denn die
drey Griffelblaͤtter woͤlben ſich uͤber die drey großen Kronenblaͤt-
ter, ob ſie ſich gleich nicht dicht an dieſelben ſchließen. Wegen
des letzten Umſtandes kann freylich ein Regentropfen in den Raum
zwiſchen den Griffelblaͤttern und den großen Kronenblaͤtteen hinein-
fließen; aber er kann dennoch nicht in den Safthalter hineindrin-
gen. Denn jedes große Kronenblatt hat an ſeiner Baſis zwey
Anſaͤtze: dieſe kruͤmmen ſich, und beruͤhren das Filament, wel-
ches zwar aus dem Kronenblatt entſteht, ſich aber an das Grif-
felblatt dicht anſchmiegt. Auf ſolche Art hat der Safthalter ſechs
kleine Oeffnungen, durch welche der Regentropfen nicht hindurch-
dringen kann. Jene beiden Anſaͤtze ſieht man in Fig. 30. und
34., und in Fig. 35. den hinterſten. Zwey von dieſen Oeffnun-
gen ſieht man in Fig. 36.
4. Die Natur hat ſehr weislich dafuͤr geſorgt, daß die Hum-
meln, welche ſie zur Befruchtung der Blumen beſtimmt hat, ſo-
wohl dieſelben von weitem leicht bemerken, als auch, wann ſie
zu denſelben hingeflogen ſind, den Saft leicht finden koͤnnen.
Erſtens ſitzen die großen Blumen auf hohen Stengeln, und ra-
gen uͤber die benachbarten Pflanzen hervor. Denkt man an den
Standort der Pflanze, und an die verſchiedenen Pflanzen, be-
ſonders die Riedgraͤſer, in deren Geſellſchaft ſie waͤchſt, und
welche waͤhrend ihrer Bluͤhezeit ſchon ziemlich hoch ſind: ſo ſieht
man die Urſache ein, warum ſie ſo hohe Stengel treiben muß.
Haͤtte ſie ſo niedrige Stengel, als Iris pumila, ſo wuͤrden ihre
Blumen, von den benachbarten Pflanzen verdeckt, von den Hum-
meln nicht leicht von weitem bemerkt, beſucht und befruchtet wer
den koͤnnen. Was das zweyte betrifft, ſo iſt die Krone blaßgelb;
die großen Kronenblaͤtter aber haben in der Mitte einen großen
geſaͤttigter gelben Fleck, welcher am Rande dunkelfarbige Linien
hat. Dieſer Fleck weiſet den Hummeln die Stelle, wo ſie hinein-
kriechen muͤſſen. Sind ſie hineingekrochen, ſo fuͤhrt ſie der Fort-
ſatz dieſes Flecks vollends unmittelbar zum Safthalter. Denn
dieſer Fortſatz, welcher gruͤnlichgelb, und mit dunkelfarbigen Li-
nien durchzogen iſt, erſtreckt ſich hinab bis an die Oeffnungen des
Safthalters. Den vorderſten Theil des Saftmaals ſieht man in
Fig. 26., das ganze Saftmaal in Fig. 27.
5. Auf welche Art die Befruchtung durch die Hummeln ge-
ſchieht, werde ich bey der folgenden Art zeigen.
Iris Xiphium. Tab. II. 3. 8. 9. 15.
3. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
[...] der Fruchtknoten. a b die Saftdruͤſe, welche zugleich der
Iris.
Safthalter iſt. h h die beiden vorderſten umgebogenen Kronen-
blaͤtter. g g g die Griffelblaͤtter. e e e die aufrecht ſtehenden
Kronenblaͤtter. c eine Hummel, welche in die Blume hinein-
kriecht. a eine Biene, weiche den auf der aͤußerſten Oberflaͤche
der Saftdruͤſe befindlichen Saft ableckt.
8. Ein umgebogenes Kronenblatt von der inneren Seite.
Das (punktirte) Saftmaal. Unterwaͤrts der unterſte Theil des
Filaments, und die beiden Anſaͤtze, welche zwey von den ſechs
Oeffnungen des Safthalters hervorbringen.
9. Der oberſte Theil eines Griffelblatts. Das Stigma a b
iſt punktirt.
15. a der oberſte Theil eines Griffelblatts. b der oberſte an
jenen dicht anſchließende Theil eines umgebogenen Kronenblatts.
Auf demſelben der (punktirte) oberſte und unverdeckte Theil des
Saftmaals.
1. Die Saftdruͤſe iſt die Kronenroͤhre a b Fig. 3. Sie iſt
nicht nur inwendig, ſondern auch auswendig gelb (dieſe Farbe
wird durch Punkte angedeutet), und ſondert auch auswendig
Saft aus. Dies geſchieht aber zu keiner beſonderen Abſicht,
ſondern ruͤhrt bloß von dem Ueberfluß an Saft her, mit welchem
die Saftdruͤſe verſehen iſt. Denn obgleich verſchiedene Inſekten,
und ſogar Bienen ſich auf dieſer Stelle einfinden, und den Saft
ablecken: ſo thun doch dieſes niemals die Hummeln, welche zur
Befruchtung der Blume beſtimmt ſind.
2. Der Saft befindet ſich auch hier zwiſchen der Saftdruͤſe
und dem Griffel.
3. Mit den ſechs Oeffnungen des Safthalters hat es hier
eben die Bewandniß, als bey der vorhergehenden Art. Jedoch
iſt hier noch mehr Vorſicht in Anſehung der Beſchuͤtzung des
Safts vor dem Regen ſichtbar, als bey der vorhergehenden.
Denn die umgebogenen Kronenblaͤtter ſchließen ſehr dicht an die
Griffelblaͤtter, ſowohl von beiden Seiten, als von vorne, und
es iſt unmoͤglich, daß ein Regentropfen in den inneren Raum
derſelben hineindringe.
4. Die aufrecht ſtehenden Kronenblaͤtter ſind dunkelviolett,
die umgebogenen Kronenblaͤtter aber und die Griffelblaͤtter ſind,
ſoweit ſie an einander ſchließen, blaßviolett, oberwaͤrts aber, wo
ſie von einander ſtehen, blau. Das Saftmaal iſt gelb, am
gelbſten ſein oberſter von außen in die Augen fallender Theil,
welcher gegen die blaue Farbe vortrefflich abſticht, blaſſer aber
ſein unterſter oder innerer Theil, welcher ſich auch hier bis an den
Safthalter erſtreckt. Dieſes Saftmaal ſcheint durch die aͤußere
Oberflaͤche der Kronenblaͤtter hindurch, welches in Fig. 3. durch
Punkte angedeutet wird.
[[49]]
Iris.
5. Daß nun die Befruchtung dieſer und der vorhergehenden
Blume keinesweges auf eine mechaniſche Art geſchehen koͤnne,
lehrt der Augenſchein. Denn wie kann der Staub der Antheren,
welcher, um es gelegentlich zu bemerken, in beiden, beſonders
aber in der zweyten, gegen den Regen voͤllig geſichert iſt, wie
kann derſelbe entweder von ſelbſt auf das Stigma kommen, oder
durch den Wind auf daſſelbe gebracht werden? Obgleich das
Stigmablaͤttchen der Anthere ziemlich nahe iſt, ſo iſt doch die
oberſte Oberflaͤche deſſelben, als das eigentliche Stigma, derſel-
ben nicht zugekehrt, ſondern von derſelben abgewendet. Da das
Stigma, beſonders in der zweyten Art, uͤber der Anthere ſteht,
ſo kann der Staub dieſer unmoͤglich auf jenes fallen. Der Wind
kann zwar vielleicht bey der erſten, keinesweges aber bey der zwey-
ten Art die Antheren beruͤhren, und ihren Staub abwehen.
Folglich muͤſſen wir, wir moͤgen wollen oder nicht, zu den Hum-
meln, welche die Blumen beſuchen, uns wenden, und unterſu-
chen, ob ſie die Blumen befruchten.
Geſetzt alſo, eine Hummel wird von weitem die Iris Xi-
phium, welche ſie noch nie geſehen hat, gewahr: ſo fliegt ſie,
durch die vorzuͤgliche Schoͤnheit derſelben angelockt, zu derſelben
hin. Wann ſie derſelben nahe iſt, ſo ſieht ſie, daß dieſelbe zwar
uͤberhaupt violett iſt, daß aber diejenigen drey Theile derſelben,
welche am meiſten vorwaͤrts ſtehen, blau ſind, und in der Mitte
einen ſchoͤnen gelben Fleck haben. Dieſe drey Theile ziehen alſo
ſowohl wegen des ſo eben geſagten ihre beſondere Aufmerkſamkeit
auf ſich, als auch deswegen, weil ſie findet, daß dieſelben grade
diejenigen Stellen ſind, auf welche ſie ſich ſetzen kann. Sie ſetzt
ſich alſo auf denjenigen von dieſen Theilen, welcher ihr der naͤchſte
iſt. Nun ſcheint zwar derſelbe nur ein einziges Stuͤck auszuma-
chen, indem das umgebogene Kronenblatt dicht an das Griffel-
blatt ſich anſchließt. Weil aber die Hummel weiß, was der gelbe
Fleck bedeutet, nemlich daß er die Stelle anzeigt, wo ſie in die
Blume hineinkriechen muͤſſe: ſo kehrt ſie ſich an jenen Schein
nicht, ſondern arbeitet ſich zwiſchen das Griffelblatt und das Kro-
nenblatt hinein. Hier hat nun die Natur, welche es noͤthig
fand, die Blume feſt zu verſchließen, damit kein Regentropfen in
den Safthalter hineinfloͤſſe, es ſo veranſtaltet, daß der Hummel
die Muͤhe etwas erleichtert wird. Die Griffelblaͤtter ſind nemlich
ſteif und unbeweglich, die Kronenblaͤtter aber laſſen ſich leicht
herab druͤcken, fahren aber, ſobald man ſie loß laͤßt, mit elaſti-
ſcher Kraft wieder in die Hoͤhe. Folglich koͤmmt der Hummel
beym Hineinkriechen ihre eigene Schwere zu Huͤlfe, indem die-
ſelbe verurſacht, daß ſie das Kronenblatt leichter herabdruͤcken
kann. Stellt man ſich die Sache umgekehrt vor, daß nemlich die
Kronenblaͤtter ſich nicht herab, die Griffelblaͤtter aber in die Hoͤhe
Iris.
druͤcken laſſen: ſo wuͤrde die Hummel mehr Muͤhe haben. Denn
alsdenn kaͤme ihr die Schwere ihres Koͤrpers nicht zu Statten,
ſondern ſie muͤßte bloß durch Anwendung ihrer ganzen Kraft das
Griffelblatt in die Hoͤhe druͤcken.
Wenn nun die Hummel durch den Eingang hindurch ge-
krochen iſt, ſo faͤhrt das Kronenblatt wieder in die Hoͤhe, und der
innere Raum zwiſchen demſelben und dem Griffelblatt wird
enger, als er war, indem die Hummel hineinkroch. Indem ſie
alſo nach Anleitung des inneren Theils des Saftmaals zum Saft-
halter hinabkriecht, ſo druͤckt das Kronenblatt ſie dicht an das
Griffelblatt an, folglich auch an die Anthere, welche an dieſem
dicht anliegt, und ſie ſtreift alſo mit ihrem haarichten Ruͤcken den
Staub derſelben rein ab. Nachdem ſie mit ihrem ausgeſtreckten
Saugeruͤſſel denjenigen Theil des Safts, deſſen ſie hier habhaft
werden kann, herausgeholet hat: ſo kriecht ſie ruͤckwaͤrts wieder
in die Hoͤhe, und aus der Blume hinaus. Hier wird ſie zwar
von dem Kronenblatt an das Stigmablaͤttchen angedruͤckt (wel-
ches am Griffelblatt grade da befindlich iſt, wo das Kronenblatt
ſich dicht an daſſelbe anſchließt), aber nicht an die oberſte, ſondern
an die unterſte Seite deſſelben, welches alſo in Anſehung der Be-
fruchtung keine Folgen hat. Nachdem ſie aus dieſem Drittheil
der Blume hinausgekrochen iſt, ſo fliegt ſie auf eines von den
beiden uͤbrigen. Indem ſie hineinkriecht, wird ſie vom Kronen-
blatt an das Griffelblatt angedruͤckt, ſo daß ſie mit dem Ruͤcken
das Stigmablaͤttchen ſtark beruͤhrt. Sie ſtreift alſo den am
Ruͤcken haftenden Staub an die oberſte Seite deſſelben, als das
eigentliche Stigma, ab, und befruchtet alſo mit dem Staube des
erſten Drittheils der Blume das zweyte Drittheil, oder dasje-
nige Fach des Fruchtknotens, welches zu dieſem Drittheil gehoͤrt.
Auf ſolche Art fliegt ſie von einem Drittheil einer Blume auf das
andere, und von einer Blume auf die andere, und befruchtet je-
nes und dieſe mit dem Staube, welchen ſie aus dem naͤchſt vor-
her beſuchten Drittheil einer Blume und aus der uaͤchſt vorher
beſuchten Blume geholet hat.
Fliegen, Bienen, Schmetterlinge und andere Inſekten ge-
nießen den Saft, welchen die Saftdruͤſe von außen ausſchwitzt,
und man findet bey ſchoͤnem Wetter dieſelben haͤufig auf dieſem
Theil der Blume. Sie ſind aber nicht im Stande, zu dem Saft,
welcher ſich im Safthalter befindet, zu gelangen. Von den Flie-
gen verſteht ſich dieſes von ſelbſt. Denn ſie ſind viel zu dumm,
als daß ſie den ſo kuͤnſtlich verſteckten Saft ſollten ausfindig ma-
chen koͤnnen. Aber ſelbſt die klugen Bienen koͤnnen nicht zum
Safthalter gelangen, weil ſie zu ſchwach ſind, das Kronenblatt
herab zu druͤcken, und dadurch ſich einen Eingang in die Blume
zu verſchaffen. Einige Inſekten mit roth und ſchwarz gefleckten
E 3
[[50]]
Iris.
Fluͤgeldecken traf ich unmittelbar vor dem Eingang auf dem Saft-
maal ſitzend an. Sie ſchienen alſo zu wiſſen, was das Saftmaal
bedeute, waren aber zu ſchwach, um ſich hineinarbeiten zu
koͤnnen.
Daß Iris Pſeudacorus von Hummeln beſuͤcht wird, davon
hatte ich mich auf folgende Art uͤberzeugt. Ich hatte mir einige
Blumen vom Felde geholet, und traf unterweges auf dem Lamium
album eine Hummel an. Ich naͤherte derſelben meine Blumen,
und ſie flog ſogleich auf eine von denſelben, und kroch in dieſelbe
hinein. Weil ich nun hieraus den Schluß machte, daß auch Iris
Xiphium von Hummeln beſucht werde: ſo begab ich mich in den
jenigen Garten, in welchem dieſelbe in ziemlicher Anzahl ſich be-
fand. Ich wartete lange auf eine Hummel; es fand ſich aber
keine ein. Die Blumen ſchienen auch noch von keiner Hummel
beſucht worden zu ſeyn, denn das Stigma war in keiner mit
Staube verſehen. Um nun meiner Sache gewiß zu werden, be-
gab ich mich mit Einer Blume auf das Feld, und zwar an einen
Ort, wo viel wilde Salbey waͤchſt, welche damals bluͤhete, weil
ich wußte, daß ich dort gewiß Hummeln antreffen wuͤrde. Hier
erreichte ich, zu meinem groͤßten Vergnuͤgen, meinen Zweck ſehr
bald. Ich fand nemlich eine große Hummel auf der Salbey, ich
naͤherte derſelben meine Iris, und ſie ſetzte ſich ſogleich auf ein
Drittheil der Blume, und kroch in daſſelbe hinein, und hielt ſich
lange in demſelben auf. Als ſie aus demſelben wieder herausge-
kommen war, ſo begab ſie ſich auf das zweyte Drittheil, und
kroch hinein. In das dritte Drittheil konnte ſie anfaͤnglich nicht
hineinkommen. Sie verließ alſo die Blume, und flog wieder auf
die Salbey. Ich wiederholte meinen Verſuch, und nun arbeitete
ſie ſich auch in das dritte Drittheil hinein.
Die Blume iſt eine Zwitterblume. Stellt man ſich nun ein
jedes Drittheil derſelben als eine beſondere Blume vor, ſo iſt
dieſelbe auch eine Zwitterblume. Es erhellet aber aus dem Ge-
ſagten, daß eine ſolche Partialblume nicht durch ihren eigenen
Staub, ſondern durch den Staub einer andern befruchtet wird.
Hierin ſind alſo dieſe Blumen den dichogamiſchen Blumen aͤhn-
lich. Denn auch dieſe werden nicht durch ihren eigenen Staub
befruchtet, ſondern die aͤlteren Blumen durch den Staub der juͤn-
geren, oder umgekehrt, die juͤngeren durch den Staub der aͤlteren.
Hieraus ſcheint ſich zu ergeben, was ich in der Einleitung geſagt
habe, nemlich daß die Natur nicht will, daß irgend eine Zwitter-
blume durch ihren eigenen Staub befruchtet werden ſolle. Ferner
iſt die ganze Blume eine aufrechtſtehende Blume, und daher re-
gulaͤr. Denn daß ein Drittheil eine andere Struktur haben ſollte,
als das andere, davon laͤßt ſich kein Grund gedenken. Daß aber
ein jedes Drittheil, als eine beſondere, und zwar zweylippichte,
Iris.
Blume betrachtet, nicht regulaͤr ſeyn kann, daß z. B. die untere
Lippe nicht der oberen gleich ſeyn, nicht dieſe, ſondern jene mit
dem Saftmaal geziert ſeyn muß, wird man aus dem Geſagten
von ſelbſt einſehen. Endlich ſiehet man, daß es der Hummel ziem-
lich ſchwer gemacht iſt, zum Saft zu gelangen, ſo daß ſie zuwel-
len wohl gar die Muͤhe ſcheuet, die ſie beym Hineinkriechen ſich
geben muß, und deswegen lieber gar nicht hineinkriecht; man be-
greift aber zugleich, daß dieſes nothwendig ſo ſeyn mußte, wenn
der Endzweck der Natur, die Befruchtung, ſollte erreicht werden
koͤnnen. Ein aͤhnlicher Umſtand wird bey der Nigella aruenſis
vorkommen. Bey der Saluia pratenſis haben wir ſchon geſehen,
daß die hineinkriechende Hummel jedesmal von den Staubgefaͤßen
gleichſam gepeitſcht wird, und ſich an dem Stigma ſtoͤßt, welches
beides ihr eine kleine unangenehme Empfindung verurſachen muß.
Bey der Ophrys ouata werden wir ſehen, daß das Inſekt, wel-
ches die Blume beſucht, ſich aus derſelben einen Kopfſchmuck (die
Staubkoͤlbchen) holt, mit welchem ihm gar nicht gedienet iſt, da-
her es ſich, wiewohl vergebens, bemuͤht, denſelben wieder los
zu werden. So oft nun ein ſolcher Umſtand vorkoͤmmt, ſo iſt er,
wenn man auf denſelben gehoͤrig Achtung giebt, ein vortreffliches
Mittel, hinter das Geheimniß der Befruchtung zu kommen.
Sieht man alſo, daß ein Inſekt, indem es in eine Blume hinein-
kriecht, um zum Saft zu gelangen, oder indem es den Saft ge-
nießt, von den Staubgefaͤßen oder dem Griffel auf allerley Art
gleichſam geneckt wird, daß es den Kopf und die Augen voller
Staub bekoͤmmt, und daher mit den Vorderfuͤßen denſelben wie-
der abſtreift, weil es durch denſelben verhindert wird, zu ſehen,
daß es wohl gar von irgend einem Theil feſtgehalten wird, oder
an demſelben kleben bleibt, ſo daß es entweder jaͤmmerlich ſter-
ben, oder mit Verluſt eines Beins ſich retten muß, oder daß es,
wie in der Oſterluzey, in einer Blume, als in einem Gefaͤngniß,
eingeſperrt wird: ſo halte man dieſes keinesweges fuͤr einen zweck-
loſen Zufall, ſondern vielmehr fuͤr einen weſentlichen Theil des
Plans, welchen die Natur bey der Einrichtung der Blumen vor
Augen hatte, und ſuche denſelben zu erforſchen, und man wird
die herrlichſten Entdeckungen machen.
Noch einen Umſtand muß ich nicht unberuͤhrt laſſen. Der
Eingang in die Blume, welchen die Natur der Hummel ange-
wieſen hat, und welchen dieſe auch wirklich waͤhlet, iſt nicht nur,
ungeachtet die Hummel ſich Muͤhe geben muß, um hineinzukom-
men, der leichteſte, ſondern auch, wenn ſie nicht, wie zuweilen
bey manchen Blumen geſchieht, Gewalt gebrauchen, und ſich
uͤber dem Safthalter ein Loch in die Krone beißen will, der einzige
moͤgliche Eingang fuͤr dieſelbe. Denn geſetzt, ſie wollte ſich an
das Saftmaal nicht kehren, fondern von der Seite zwiſchen das
[[51]]
Iris.
Griffelblatt und das Kronenblatt hineinkriechen, z. B. da, wo
man in Fig. 3. ihren Kopf ſieht: ſo wuͤrde ſie nicht im Stande
ſeyn, das Kronenblatt vom Griffelblatt zu entfernen, da dieſes
ihr ſchon ſauer wird, wenn ſie den natuͤrlichen Eingang waͤhlt.
Dies folgt aus mechaniſchen Gruͤnden, wenn man ſich das Kro-
nenblatt als einen Hebel vorſtellt, deſſen Ruhepunkt bey b, und
deſſen Laſt der Grad der Elaſticitaͤt iſt, mit welchem derſelbe,
wenn man ihn herabdruͤckt, aufwaͤrts ſtrebt. Die Laſt iſt unge-
faͤhr gleich groß, die Hummel mag oben oder an der Seite hinein-
kriechen wollen. Die anzuwendende Kraft aber iſt im letzten Fall
groͤſſer, als im erſten, weil ſie in jenem dem Ruhepunkt naͤher
iſt, als in dieſem. Hieraus folgt alſo erſtens, daß die Natur
den Inſekten das Hineinkriechen in die Blumen ſo leicht als moͤg-
lich gemacht hat. Da aber die Hummel, wenn ſie, falls es moͤg-
lich waͤre, auf der Seite hineinkriechen wollte, die Abſicht der
Natur, nemlich daß von ihr die Blume befruchtet werde, verei-
teln wuͤrde, indem ſie, wenn ſie auch den Staub der Anthere ab-
ſtreifte, dennoch denſelben nicht auf das Stigma bringen wuͤrde:
ſo folgt hieraus zweytens, daß die Natur die Blumen ſo einge-
richtet hat, daß die Inſekten, wofern ſie anders nicht Gewalt
gebrauchen wollen, ſchlechterdings nicht, oder wenigſtens ſehr
ſchwer zum Saft gelangen koͤnnen, ohne zugleich die Blumen zu
befruchten. Endlich drittens, da die Hummel beym Beſuch die-
ſer Blume den von der Natur gemachten Eingang waͤhlet, und
es ihr nicht einmal einfaͤllt, ſich durch die Krone durchzubeißen:
ſo iſt es wahrſcheinlich, daß, wenn ein Inſekt auf eine gewalt-
thaͤtige Art ſich einen Eingang in eine Blume verſchafft, dieſe fuͤr
daſſelbe nicht beſtimmt ſey, und von demſelben nicht befruchtet
werden ſolle. Dieſer Satz iſt bey der Biumenforſchung nicht ohne
Nutzen, indem er uns wenigſtens davor ſichert, daß wir nicht
eine falſche Spur verfolgen. Weil eine große Hummel in die
Krone des Antirrhinum Linaria ein Loch beißt, um zum Saft
zu gelangen: ſo ſchließe ich hieraus, daß dieſe Blume von dieſer
Hummel nicht befruchtet werden ſoll. Und daß dieſer Schluß
richtig iſt, lehrt der Augenſchein, denn der natuͤrliche Eingang in
dieſelbe iſt fuͤr die Hummel viel zu klein. Eben ſo beißt ein In-
ſekt, welches mir unbekannt iſt, in den unterſten kugelfoͤrmigen
Theil der Krone der gemeinen Oſterluzey ein Loch. Wer nun
vorausſetzen wollte, daß dieſes Inſekt zur Befruchtung die-
ſer Blume beſtimmt ſey, der wuͤrde niemals ihre Einrichtung
und Befruchtungsart zu ergruͤnden im Stande ſeyn. Denn die
Blume wird nicht von dieſem Inſekt, ſondern von ſehr kleinen
Fliegen befruchtet, weiche nicht im Stande ſind, ein Loch in die
Krone zu beißen.
Iris.
Da nun die Blume bloß von Hummeln, und zwar nur von
den groͤßten Arten derſelben, befruchtet wird, indem die kleineren
vermuthlich zu ſchwach ſind, um in dieſelbe hineinkriechen zu
koͤnnen: ſo folgt hieraus, daß ihre Befruchtung oftmals unter-
bleiben muß, indem viele Blumen verbluͤhen, ohne von einer
ſolchen Hummel einen Beſuch erhalten zu haben, zumal da dieſe
Hummeln nicht ſo haͤufig ſind, als Fliegen und andere Inſekten,
ſelbſt Bienen. Dieſes wird durch die Erfahrung voͤllig beſtaͤtigt.
Denn in dem oben erwaͤhnten Garten fand ich im Oktober, daß
alle Samenkapſeln ein ſchlechtes Anſehen und lauter tauben Sa-
men hatten. Eben ſo haben einige Pflanzen, welche ich in den
botaniſchen Garten zu Berlin gebracht hatte, im folgenden Som-
mer zwar Blumen, aber keine Samenkapſeln angeſetzt. Bey der
Iris Germanica, Sibirica und Pſeudacorus geht die Befruchtung
beſſer von Statten, wahrſcheinlich deswegen, weil in denſelben
der Eingang nicht verſchloſſen iſt, ſondern offen ſteht, folglich
auch die kleineren Hummeln und andere Inſekten hineinkriechen
koͤnnen.
Endlich ſcheint mir merkwuͤrdig zu ſeyn, daß Iris Xiphium
vor dem Regen beſſer verwahrt iſt, als Iris Pſeudacorus, und
zugleich weit ſchoͤner iſt, als dieſelbe. Das Erſtere iſt oben ge-
zeigt worden, und an dem Letzteren wird man nicht zweifeln, ſo-
bald man beide Blumen gegen einander haͤlt. Jene iſt ungleich
ſchoͤner gefaͤrbt, als dieſe. Die aufrecht ſtehenden Kronenblaͤtter
ſind in jener weit groͤſſer, als in dieſer, und tragen ſowohl zur
Schoͤnheit, als zur Bemerkbarkeit der Blume nicht wenig bey,
wozu ſie denn auch allein da ſind; bey dieſer hingegen ſind dieſel-
ben ſehr klein und unanſehnlich. Das gelbe Saftmaal ſticht in
jener gegen die blaue Farbe des oberſten Theils des Griffelblatts
und des Kronenblatts unvergleichlich ab; in dieſer hingegen nimmt
es ſich nicht ſonderlich aus. Da es nun wahrſcheinlich iſt, daß,
je beſſer der Saft einer Blume vor dem Regen verwahrt iſt, deſto
edler und fuͤr deſto edlere Inſekten derſelbe beſtimmt ſey: ſo ſcheint
hieraus zu folgen, daß, je ſchoͤner eine Blume iſt’, deſto edler
ihr Saft, und fuͤr deſto edlere Inſekten derſelbe beſtimmt ſey. Daß
aber die Hummeln zu den edelſten Inſekten gehoͤren, daran wird
niemand zweifeln, welcher das Genie derſelben, und die große
Geſchicktheit, mit welcher ſie den Saft der Blumen, wenn
er auch noch ſo ſehr verſteckt iſt, zu finden wiſſen, kennen ge-
lernt hat.
Iris Germanica. Der Saft dieſer Blume ſcheint fuͤr
die Bienen ein auf der Stelle toͤdtendes Gift zu ſeyn. Ich fand
eine todte Biene in dem Raum zwiſchen dem Griffelblatt und dem
umgebogenen Kronenblatt, und zwar in einer ſolchen Stellung,
[[52]]
Iris. Eriophorum. Secale.
welche zu erkennen gab, daß ſie vom Saft genoſſen hatte, und
im Begriff geweſen war, aus der Blume wieder herauszukriechen.
Daß die Blume fuͤr die Bienen nicht beſtimmt ſey, noch von den-
ſelben befruchtet werden ſolle, erhellet auch daraus, daß die
Griffelblaͤtter von den umgebogenen Kronenblaͤttern ſo weit ab
ſtehen, daß die Bienen auf den letztern hinabkriechen koͤnnen,
ohne weder die Antheren noch die Stigmate zu beruͤhren.
Linné hat in ſeiner Beſchreibung der Gattung mehr als
Einen Fehler begangen. Erſtens hat er den ganzen aus drey
Blaͤttern beſtehenden Theil des Griffels fuͤr das Stigma gehal-
ten. Zweytens hat er das Nectarium falſch angegeben. Daſſelbe
iſt ſeiner Meinung nach in einigen Arten der Streif von Haa-
ren, welcher ſich auf dem unterſten Theil der umgebogenen Kro-
nenblaͤtter befindet, in andern beſteht es aus drey Saftpunkten,
welche auswendig an der Baſis der Krone angetroffen werden.
Jene Haare aber ſondern keinesweges Saft ab, ſondern ſie ſind
theils die beſondere Saftdecke, theils gehoͤren ſie zum Saftmaal,
denn ſie ſind beſonders gefaͤrbt. Dieſe Saftpunkte aber ſucht
man bey der Iris Pſeudacorus, welche doch keine Haare hat,
vergebens. Und uͤberhaupt wird man nach demjenigen, was bis-
her geſagt worden iſt, es gegruͤndet finden, wenn ich behaupte,
daß es keine Iris geben koͤnne, welche, wie Xiphium, auswen-
dig Saft ausſchwitzen, aber nicht zugleich den eigentlichen Saft-
vorrath inwendig in der Kronenroͤhre enthalten ſollte.
Nicht weniger irret Wahlboom, wenn er in ſeiner Diſſer-
tation: Sponſalia plantarum, ſagt, daß die Arten der Iris vom
Winde befruchtet werden.
Eriophorum.
Eriophorum polyſtachyon. Seidenbinſe. Hat
keinen Saft.
Secale.
Secale cereale. Roggen. Tab. I. 47—49. 53.
54—57.
48. Das Piſtill von vorne.
56. Der Fruchtknoten von der Seite.
57. Der Fruchtknoten von vorne, nachdem die beiden
Saftblaͤttchen abgeriſſen worden. Auf demſelben die (punktirte)
Saftdruͤſe.
47. Ein Saftblaͤttchen von innen.
53. Daſſelbe von außen.
49. Das reife Samenkorn. a die vormalige Saftdruͤſe.
b die vormaligen Saftblaͤttchen.
Secale. Auena. Feſtuca. Holoſteum.
54. Die vom Samenkorn abgeloͤſeten Saftblaͤttchen von
innen.
55. Dieſelben von außen.
Die beiden Saftblaͤttchen, welche ſich in den mehreſten
Grasbluͤthen befinden, und welche man bisher das Nectarium
genannt hat, ſind, wenigſtens beym Roggen, nicht Saftdruͤ-
ſen; ſondern der Fruchtknoten ſelbſt ſondert unterwaͤrts auf der-
jenigen Stelle, welche ſich durch ihre Glaͤtte und Farbe unter-
ſcheidet, den Saft ab. Der Saft befindet ſich zwiſchen dieſer
Stelle und den Saftblaͤttchen, welche mir inwendig etwas kon-
kav zu ſeyn ſchienen. Alſo ſind dieſe eigentlich der Safthalter.
Inwendig ſind ſie glatt, auswendig aber, beſonders oberwaͤrts,
mit Haaren uͤberzogen, und der Fruchtknoten iſt oberwaͤrts auch
mit Haaren uͤberzogen. Dieſe Haare ſind alſo die Saftdecke.
Bey einem reifen Samenkorn ſieht man noch oberwaͤrts die
Haare, und unterwaͤrts die vormalige Saftdruͤſe, welche zugleich
mit dem Fruchtknoten groͤſſer geworden iſt, und alſo nun uͤber
die beiden Saftblaͤttchen, welche nach geendigter Bluͤhezeit ver-
trocknet ſind, hinwegragen. Durch die Loupe geſehen, erſchei-
nen ſie alsdenn uͤberaus duͤnne und durchſichtig, zum Beweiſe,
daß ſie nicht den Saft abgeſondert haben, weil ſie ſonſt fleiſchicht
ſeyn muͤßten.
Auena.
Auena ſatiua. Hafer. Tab. I. 17. Das vergroͤſſerte
reife Samenkorn.
Auch am reifen Haferkorn ſieht man die vormalige Saft-
druͤſe ſehr deutlich. Dieſelbe iſt glatt, da das Korn uͤbrigens
mit Haaren uͤberzogen iſt, welche auf dem oberſten Ende am
haͤufigſten ſtehen.
Feſtuca.
Feſtuca elatior. Durch die Loupe habe ich deutlich ge-
ſehen, daß auch bey dieſer Bluͤthe derjenige Theil des Frucht-
knotens, auf welchem die Saftblaͤttchen liegen, die Saftdruͤſe
iſt. Denn derſelbe machte ſich durch ſeine gelbliche Farbe und
durch ſein oͤlichtes Anſehen ſehr kenntlich.
Holoſteum.
Holoſteum vmbellatum. Dieſe Blume gehoͤrt mit
dem Ceraſtium und der Spergula zu Einer natuͤrlichen Gat-
tung, und hat, wie dieſe, fuͤnf Saftdruͤſen. Wenn ſie ſich in
der Mittagsſtunde bey ſchoͤnem Wetter geoͤffnet hat, ſo kann
man die fuͤnf Safttroͤpfchen an ihrem Glanz deutlich erken-
nen.
[[53]]
Holoſteum. Scabioſa.
nen. Damit dieſelben nicht vom Regen verdorben werden, ſo iſt
die Blume bey ſchlechtem Wetter jederzeit geſchloſſen. So lange
die Blume bluͤhet, ſtehet ſie aufrecht. Nachdem ſie abgebluͤhet
hat, neigt ſich die junge Samenkapſel zur Erde. Wann dieſe
Holoſteum. Scabioſa.
aber reif iſt, richtet ſie ſich wieder in die Hoͤhe, damit die Sa-
menkoͤrner nicht von ſelbſt herausfallen, ſondern vom Winde
herausgeworfen und weit verſtreuet werden.
Vierte Klaſſe.Tetrandria.
Zwitterblumen mit vier Staubgefaͤßen.
Scabioſa.
Scabioſa columbaria. Bergſkabioſe. Tab. V. 12. 13.
18—20.
18. Ein juͤngerer Blumenknauf, deſſen Blumen noch nicht
ſaͤmtlich aufgebrochen ſind, von oben geſehen.
19. Eine Blume aus der Mitte eines juͤngeren Blumen-
knaufs.
20. Eine Randblume eines aͤlteren Blumenknaufs.
13. Der Fruchtknoten nebſt dem angewachſenen Kelch von
der Seite, und
12. von oben geſehen. Die (punktirte) Saftdruͤſe.
1. Die Saftdruͤſe iſt der weiße Kreis in der Mitte des gruͤ-
nen Kelchs.
2. Der Safthalter iſt der unterſte inwendig glatte Theil der
Kronenroͤhre.
3. Zur Beſchirmung des Safts vor dem Regen dienen die
weichen Haare, mit welchen der oberſte Theil der Kronenroͤhre
inwendig uͤberzogen iſt.
4. Der ganze Blumenknauf, welcher ſehr flach iſt, oder die
Geſtalt eines kleinen Abſchnitts einer Kugel hat, iſt, als Eine
Blume betrachtet, eine aufrecht ſtehende Blume. Die Blumen
ſelbſt aber ſtehen in der Mitte aufrecht, je weiter ſie aber vom
Mittelpunkt abſtehen, deſto horizontaler iſt ihre Stellung. Nach
eben dieſem Abſtande nimmt auch ſowohl ihre Groͤſſe, als auch
ihre Irregularitaͤt zu, welche darin beſteht, daß die drey aus-
waͤrts ſtehenden Abſchnitte des Kronenſaums groͤſſer ſind, als die
beiden einwaͤrts ſtehenden. Die Abſicht der Natur bey dieſer
Einrichtung geht dahin, daß die Blumenknaͤufe den uͤber denſel-
ben in der Luft umherfliegenden Inſekten deſto beſſer in die Au-
gen fallen. Dieſelben erſcheinen von oben geſehen als ganze Kreiſe,
von irgend einer Seite geſehen aber als kleine Abſchnitte eines
Kreiſes. Wenn ſie nun ſeitwaͤrts ſich hauptſaͤchlich bemerkbar ma-
chen ſollten, ſo muͤßten alle Blumen gleich groß ſeyn, weil ſich
kein Grund angeben ließe, warum eine Blume groͤſſer ſeyn muͤßte,
als die andere. Da ſie aber von oben geſehen ungleich groͤſſer er-
ſcheinen, als von irgend einer Seite: ſo ſollen ſie auch nach oben
zu den Inſekten am ſtaͤrkſten in die Augen fallen. Und damit das
Bild, welches ſie von oben geſehen in den Augen der Inſekten
hervorbringen, noch groͤſſer werde, ſo mußte die Krone der Blu-
men, je weiter dieſelben vom Mittelpunkt abſtehen, deſto groͤſſer
und folglich deſto irregulaͤrer ſeyn. Denn was das Letztere be-
trifft, ſo wuͤrde es zur Vergroͤſſerung des Bildes eines Blumen-
knaufs nichts beytragen, wenn die beiden einwaͤrts ſtehenden Ab-
ſchnitte des Kronenſaums eben ſo groß waͤren, als die drey aus-
waͤrts ſtehenden.
Eine aͤhnliche Einrichtung finden wir bey ſehr vielen andern
Blumen. In der Syngeneſia ſuperflua haben die Randblumen
eine weit groͤſſere Krone, als die in der Mitte ſtehenden. Alle
Arten der weitlaͤuftigen Gattung Centaurea haben Randblumen,
welche groͤſſer ſind, als die in der Mitte ſtehenden, und welche
bloß aus einer Krone beſtehen, und weder ein Piſtill noch eine
Anthere haben. Eben ſolche Randblumen finden wir bey dem
Viburnum Opulus. Verſchiedene Gattungen der Schirmblu-
men haben am Rande der Dolden Blumen, welche groͤſſer ſind,
als die in der Mitte ſtehenden, und deren auswaͤrts ſtehende Kro-
nenblaͤtter groͤſſer ſind, als die einwaͤrts ſtehenden. Dahin ge-
hoͤrt Coriandrum, Haſſelquiſtia, Oenanthe, Heracleum,
Caucalis. In allen Arten der Iberis ſind die beiden auswaͤrts
ſtehenden Kronenblaͤtter groͤſſer, als die beiden einwaͤrts ſtehen-
den, und in der Iberis vmbellata haben auch uͤberdies die Rand-
blumen eine groͤſſere Krone, als die in der Mitte ſtehenden. Von
dieſer Einrichtung laͤßt ſich nun kein Grund angeben, wenn man
nicht weiß, daß dieſe Blumen insgeſamt Saftblumen ſind, und
F
[[54]]
Scabioſa.
von Inſekten befruchtet werden ſollen, daher ſie, damit ſie von
denſelben leicht bemerkt werden koͤnnen, ihnen von oben geſehen
ſo ſtark als moͤglich in die Augen fallen muͤſſen. Was inſonder-
heit die zuletzt genannte Iberis betrifft, ſo bilden die Blumen al-
ler Arten, ſo lange ſie bluͤhen, einen Corymbus, dieſer aber ver-
wandelt ſich bey den mehreſten Arten, ſo wie die Blumen nach
und nach verbluͤhen, in einen Racemus; bey der Iberis vmbel-
lata hingegen behaͤlt er ſeine Geſtalt. Dieſer Corymbus ſoll bey
allen Arten von oben geſehen ſtark in die Augen fallen. Daher
mußten zwar bey dieſer Art, wie bey den uͤbrigen, die auswaͤrts
ſtehenden Kronenblaͤtter groͤſſer ſeyn, als die einwaͤrts ſtehenden;
die mittelſten Blumen hingegen durften nicht eine ſo große Krone
haben, als die Randblumen, weil dieſes zur Vergroͤſſerung des
Bildes des ganzen Corymbus nichts beytragen wuͤrde. Da aber
bey den uͤbrigen Arten der Corymbus ſich nach und nach in einen
Racemus verwandelt, ſo werden auch die ganze Bluͤhezeit hin-
durch die in der Mitte ſtehenden Blumen nach und nach Rand-
blumen. Da alſo alle Blumen, obgleich nicht zu gleicher Zeit,
Randblumen ſind, ſo muͤſſen ſie auch alle eine gleich große Krone
haben. Jedoch muß ich noch anmerken, daß ich nur vermuthe,
aber noch nicht weiß, daß die Blumen Saft enthalten.
Alle Blumenknaͤufe, Umbellen, Corymbi und Cymae nun,
bey welchen dieſe Einrichtung ſoll Statt finden koͤnnen, muͤſſen
einen wirklichen Rand haben, d. i., ſie muͤſſen entweder ganz
flach, oder dem Abſchnitt einer Kugel aͤhnlich ſeyn, welcher nicht
groͤſſer iſt, als die halbe Kugel. Haben ſie aber die Geſtalt einer
ganzen Kugel, oder des groͤßten Theils derſelben: ſo faͤllt dieſe
Einrichtung von ſelbſt weg. Denn alsdenn iſt ihr Bild, man
mag ſie anſehen aus welchem Geſichtspunkt man will, jedesmal
ein ganzer Kreis von eben derſelben Groͤſſe. Da nun keine Ur-
ſache vorhanden iſt, warum ſie von den Inſekten aus einem
Standpunkt leichter ſollen bemerkt werden muͤſſen, als aus einem
andern: ſo muͤſſen ſie auch gleich große Blumen, oder vielmehr
alle ihre Blumen muͤſſen eine gleich große Krone haben. Dahin
gehoͤrt z. B. Echinops Ritro und ſphacrocephalus, Angelica,
Gomphrena globoſa, Statice Armeria, Phyteuma montanum,
d. i., Jaſione montana L. S. Phyteuma.
5. Die Blume wird von Bienen, Hummeln und Blumen-
kaͤfern beſucht. Daß ſie von dieſen und anderen Inſekten be-
fruchtet wird, erhellet daraus, daß nicht nur die einzelnen Blu-
men, ſondern ſogar die ganzen Blumenknaͤufe Dichogamiſten von
der maͤnnlich-weiblichen Art ſind. Denn wenn man einen juͤn-
gern Blumenknauf, deſſen Blumen ſich ſaͤmmtlich geoͤffnet ha-
ben, beſieht, ſo findet man, daß in den mehreſten die Filamente
ſteif ſind und ſtaubvolle Antheren haben, daß aber in allen der
Scabioſa. Knautia. Aſperula. Galium.
Griffel noch nicht aus der Kronenroͤhre hervorraget, Fig. 19.
An einem aͤlteren Blumenknauf hingegen bemerkt man, daß die
Griffel ſaͤmmtlicher Blumen eben ſo lang ſind, als in dem juͤnge-
ren die Filamente, daß aber die Filamente nicht mehr ſteif, ſon-
dern welk ſind, und die Antheren verloren haben, Fig. 20. Folg-
lich werden die aͤlteren Blumenknaͤufe von den Inſekten durch
den Staub der juͤngeren befruchtet. Denn indem die Inſekten
auf einem juͤngeren Blumenknauf umherlaufen, und den Saft
aus den Blumen holen, ſo beruͤhren ſie mit dem Unterleibe die
Antheren, und ſtreifen den Staub derſelben an dieſen ab, und
wann ſie hernach auf einem aͤlteren Blumenknauf ſtehen, ſo be-
ruͤhren ſie mit ihrem Unterleibe die Stigmate, welche grade die
Stelle einnehmen, in welcher ſich bey dem juͤngeren Blumen-
knauf die Antheren befinden, und ſtreifen den mitgebrachten Staub
an dieſelben ab.
Scabioſa aruenſis, Ackerſkabioſe, und Scabioſa
ſucciſa, Teufelsabbiß, haben gleichfalls Saft, und eine aͤhn-
liche Saftdecke. Auch ſie ſind maͤnnlich, weibliche Dichogamiſten.
Von der erſten hat Gleditſch ſchon bemerkt, daß ſie Saft
enthaͤlt, S. 184., ſo wie auch von der Scabioſa columbaria,
S. 196.
Knautia.
Knautia orientalis. Daß dieſe Blume eine Saft-
blume ſey, erhellet theils aus ihrer nahen Verwandtſchaft mit der
Scabioſa, theils daraus, daß ſie eben eine ſolche Saftdecke hat,
als dieſe. Denn der oberſte Theil der Kronenroͤhre iſt mit Haa-
ren uͤberzogen, welche der Oeffnung derſelben zugekehrt ſind.
Aſperula.
Aſperula odorata. Waldmeiſter. Iſt eine Saft-
blume. Die Saftdruͤſe ſitzt im Grunde der Krone auf dem Frucht-
knoten, und umgiebt die Baſis des Griffels. Durch ein Ver-
groͤſſerungsglas ſieht man, daß ſie fleiſchicht, glatt und weiß iſt.
Sie iſt zugleich der Safthalter. Zu dem Safttroͤpfchen kann un-
moͤglich ein Regentropfen kommen, weil die Kronenroͤhre ſehr
enge iſt, und ihre Oeffnung durch die Staubfaͤden verſchloſſen
wird. Gleditſch hat ſchon in der Blume Saft geſunden,
S. 159.
Galium.
Aus der Verwandtſchaft dieſer Gattung mit der Aſperula
ſchließe ich, daß auch ihre Arten Saftblumen ſind. Galium
verum und Galium paluſtre verbreiten, wo ſie haͤufig
ſtehen, einen ſehr angenehmen Geruch. Auf dem Galium
[[55]]
Galium. Cornus. Hamamelis.
boreale fand ich Ameiſen, welche ihren Kopf in die Mitte
der Blumen hineinſteckten, und ſich lange auf denſelben ver-
weilten, zum Beweiſe, daß ſie Saft in denſelben fanden. Ob
nun gleich dieſe Art groͤſſer iſt, als die uͤbrigen, ſo konnte ich den-
noch, weil ſie demungeachtet ſehr klein iſt, durch die Loupe we-
der eine Saftdruͤſe, noch Saft ſehen. Bey ſo kleinen Blumen
leiſtet ſelbſt eine Loupe noch nicht die gehoͤrigen Dienſte, ſondern
man muß ſie durch ein gutes Mikroſkopium betrachten.
Cornus.
Cornus ſanguinea. Hartriegel. Die Blumen ſind
Saftbiumen, und werden daher von allerley Inſekten haͤufig be-
ſucht. Die fleiſchichte Saftdruͤſe ſitzt oben auf dem Fruchtknoten,
und umgiebt die Baſis des Griffels. Wenn man beſonders eine
noch geſchloſſene, aber dem Aufbrechen nahe Blume oͤffnet, ſo
ſieht man den Saft deutlich.
Cornus maſcula. Kornelkirſchenſtrauch. Tab. II. 1.
2. 10. 13.
13. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
10. Dieſelbe von oben geſehen.
1. Die vergroͤſſerte Frucht von oben geſehen.
2. Der mittelſte Theil derſelben, noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
Die Saftdruͤſe iſt in allen vier Figuren punktirt.
Dieſe Art hat mit der vorhergehenden eine gleiche Ein-
richtung.
Gelegentlich bemerke ich einen in Gleditſchs Einleitung
in die Forſtwiſſenſchaft vorkommenden Widerſpruch, wel-
cher dieſe Gattung betrifft. Im II. Bande S. 115. ſchreibt er, wel-
ches er oͤfters thut, dem Linné nach, der Kelch falle ab; S. 120.
aber ſagt er, die Frucht habe noch den Kelch. Das Letzte iſt
richtig, wie man in Fig. 1. und 2. ſieht.
Cornus florida. Am 12. May des letztvergangenen
Jahres hatte dieſer Strauch in der Tegelſchen Plantage ſchon ab-
gebluͤhet. Er hatte noch einige Ueberbleibſel der Blumen, welche
aber insgeſamt unbefruchtet geblieben waren, und daher nach und
nach abfielen, vermuthlich, weil ſie von keinem Inſekt waren be-
ſucht worden.
Hamamelis,
Hamamelis Virginica. Virginiſcher Zauberſtrauch.
Tab. II. 4—7. 12. 18. 29.
Hamamelis. Sagina.
18. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe.
29. Dieſelbe, vergroͤſſert.
4. Ein Staubgefaͤß von der Seite.
5. Die Saftdruͤſe von innen.
6. Dieſelbe von außen.
7. Dieſelbe von der Seite.
12. Dieſelbe, an dem Kronenblatt anliegend.
1. Die Saftdruͤſen ſind, wie Linné ſchon bemerkt hat,
die vier laͤnglichten gebogenen Theile, welche auf den Naͤgeln der
Kronenblaͤtter anliegen.
2. Der Saft befindet ſich zwiſchen denſelben und den Naͤ-
geln der Kronenblaͤtter. Dieſe haben eine ſchwache Rinne, durch
welche der Zwiſchenraum etwas vergroͤſſert wird.
3. Die Saftdruͤſen ſind oberwaͤrts breiter, und am Ende
nach dem Abſchnitt eines Kreiſes ausgeſchnitten. Mit dieſem
Ende ſchließen ſie dicht an die Kronenblaͤtter, und es kann kein
Regentropfen, der auf ein Kronenblatt gefallen iſt, zum Saft
dringen. Daß von der Seite ein Regentropfen zum Saft komme,
ſcheinen die Filamente verhindern zu ſollen. Denn ſie ſind ober-
waͤrts breit, und von beiden Seiten hohl, koͤnnen alſo einen Re-
gentropfen leicht anziehen, und ihn abhalten, weiter zu dringen.
4. Damit die Blumen den Inſekten von weitem in die Au-
gen fallen, ſo ſind die gelben Kronenblaͤtter nach Verhaͤltniß ih-
rer Breite ſehr lang. Ein Saftmaal iſt nicht noͤthig, da die In-
ſekten auch ohne daſſelbe den Saft leicht finden koͤnnen. Die
Saftdruͤſen ſcheinen auch zu verurſachen, daß die Kronenblaͤtter,
an welche ſie ſich ſtemmen, ausgebreitet ſtehen, und nicht zuſam-
menfallen, als welches die Krone unanſehnlicher, und die Blume
weniger bemerkbar machen wuͤrde.
Sagina.
Sagina procumbens. Wer ſollte wohl glauben, daß
dieſes kleine Bluͤmchen im Stande ſey, Saft abzuſondern? Man
halte aber nur daſſelbe in der Mittagsſtunde bey ſchoͤnem Wetter
gegen die Sonne, ſo wird man die vier glaͤnzenden Safttroͤpfchen
deutlich ſehen. Dieſelben werden von eben ſo vielen Saftdruͤs-
chen abgeſondert und getragen, welche an der Baſis des Frucht-
knotens zwiſchen den Kronenblaͤttern befindlich ſind, und auf wel-
chen die Filamente ſtehen, wie es bey dem Ceraſtium, der Stel-
laria und andern aͤhnlichen Gattungen gewoͤhnlich iſt.
F 2
[[56]]
Heliotropium.
Fuͤnfte Klaſſe.Pentandria.
Zwitterblumen mit fuͤnf Staubgefaͤßen.
Heliotropium.
Heliotropium Peruuianum. Tab. III. 8. 9.
8. Die vergroͤſſerte Blume von oben geſehen.
9. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung, nachdem die vorderſte
Haͤlfte des Kelchs und der Krone weggeſchnitten worden. Im
Grunde derſelben die (punktirte) Saftdruͤſe.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte Koͤrper, auf welchem die
Fruchtknoten ſitzen, und um welchen die Baſis der Kronenroͤhre
feſt ſchließt.
2. Der Safthalter iſt der unterſte Theil der Kronenroͤhre.
Durch die Loupe kann man den in demſelben enthaltenen Saft
deutlich ſehen.
3. Die Antheren und der zwiſchen denſelben befindliche oberſte
ſehr breite Theil des Griffels halten einen Regentropfen, welcher
auf die Oeffnung der Kronenroͤhre gefallen iſt, vom Safthal-
ter ab.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn der Kronenſaum
iſt blaßviolett, die Oeffnung der Kronenroͤhre aber gruͤnlichgelb.
Auch hat die Blume einen ſtarken Geruch.
5. Das Stigma ſtimmt mit der Linneiſchen Beſchreibung
nicht uͤberein. Der oberſte Theil des Griffels hat die in der 9. Fig.
abgebildete Geſtalt. Das unterſte breitere Stuͤck dieſes Theils,
welches punktirt iſt, iſt das eigentliche Stigma. Denn es iſt
mit einer Feuchtigkeit uͤberzogen, und dunkelgruͤn, da das oberſte
ſchmaͤlere Stuͤck blaßgruͤn iſt. Dieſes Stigma hat alſo eine große
Aehnlichkeit mit dem Stigma der Vinca. Ob nun gleich die An-
theren demſelben ziemlich nahe ſind, ſo folgt hieraus doch nicht,
daß der Staub jener von ſelbſt auf dieſes komme. Der Augen-
ſchein aber lehrt, daß, wenn ein Inſekt die Blume beſucht, es
unmoͤglich in den Safthalter, wenn es ſehr klein iſt, hineinkrie-
chen, oder, wenn es groͤſſer iſt, ſeinen Saugeruͤſſel hineinſtecken
kann, ohne zugleich den Staub von den Antheren abzuſtreifen,
und auf das Stigma zu bringen.
Myoſotis. Lithoſpermum.
Myoſotis.
Myoſotis paluſtris. Vergiß mein nicht. Tab. III.
12—14.
12. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
14. Dieſelbe, von unten geſehen.
13. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung, nachdem die Krone
abgeloͤſet, und die vorderſte Haͤlfte des Kelchs weggeſchnitten
worden.
1. Die Saftdruͤſe iſt der weiße Koͤrper, welcher die Frucht-
knoten traͤgt.
2. Der Safthalter iſt der unterſte Theil der Kronenroͤhre.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre wird durch fuͤnf taſchen-
foͤrmige Theile, welche auf der unteren Seite der Krone ihre
Oeffnungen haben, enger gemacht, uͤbrigens aber durch die An-
theren und das Stigma dem Regen verſchloſſen. Kleine Inſek-
ten aber koͤnnen durch die Zwiſchenraͤume derſelben leicht hindurch,
und in den Safthalter hineinkriechen.
4. Damit die Blume den Inſekten von weitem in die Augen
falle, ſo hat ſie einen anſehnlichen himmelblauen Kronenſaum.
Damit aber die Inſekten den Saft leicht finden, ſo hat ſie ein
Saftmaal. Denn jene taſchenfoͤrmige Theile ſind gelb, und ſte-
chen gegen die Farbe des Kronenſaums ſchoͤn und ſtark ab.
5. Im Safthalter habe ich ſehr kleine Inſekten angetroffen.
Lithoſpermum.
Lithoſpermum aruenſe.
1. Die glatten Fruchtknoten ſind zugleich die Saftdruͤſen.
2. Der unterſte inwendig glatte Theil der Kronenroͤhre iſt
der Safthalter.
3. Der Saft iſt vor dem Regen voͤllig geſchuͤtzt, weil die
Kronenroͤhre ſehr enge, und uͤber den Antheren mit Haaren uͤber-
zogen iſt.
5. Die Blume wird von dem gemeinen weißen Schmetter-
ling haͤufig beſucht.
[[57]]
Anchuſa. Cynogloſſum.
Anchuſa.
Anchuſa officinalis. Ochſenzunge. Tab. III. 10.
11. 16. 17.
10. Die Blume, von oben geſehen.
11. Die groͤſſere Haͤlfte der Krone.
16. Die Fruchtknoten nebſt den (punktirten) Saftdruͤſen,
von oben geſehen.
17. Dieſelben, von der Seite geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt die wulſtige gelblichweiße Baſis der
Fruchtknoten. Wenn die Samenkoͤrner erwachſen ſind, ſo iſt
ihre Baſis zwar nicht mehr wulſtig; ſie unterſcheidet ſich aber
dennoch von denſelben durch das aͤußere Anſehen.
2. Der unterſte Theil der Kronenroͤhre iſt mit Saft angefuͤllt.
Damit derſelbe feſt um die Saftdruͤſe ſchließe, iſt er am Ende mit
Haaren dicht beſetzt.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre wird durch fuͤnf taſchen-
foͤrmige Theile, welche dicht an einander ſchließen, und auf der
unteren Seite haaricht ſind, den Regentropfen geſperrt. Daß
dieſelben nicht eigentlich dazu dienen ſollen, die Antheren vor dem
Regen zu beſchuͤtzen, erhellet daraus, daß ſie nicht denſelben ge-
genuͤber ſtehen, ſondern mit denſelben abwechſeln. Dieſe taſchen-
foͤrmige Theile laſſen ſich nun leicht von einander biegen, fallen
aber, wenn man ſie los laͤßt, wieder zuſammen. Folglich koͤn-
nen zwar Inſekten leicht zwiſchen dieſelben hindurchkriechen, oder
ihren Saugeruͤſſel hindurchſtecken; wann ſie aber die Blume wie-
der verlaſſen haben, ſo iſt der Saft vor dem Regen eben ſo ge-
ſichert, als vor dem Beſuch.
4. Die Saftdecke iſt zugleich das Saftmaal. Denn ſie iſt
weiß, da der Kronenſaum violett iſt.
5. Die Blume wird von Bienen und Hummeln haͤufig
beſucht.
Cynogloſſum.
Cynogloſſum officinale. Hundszunge. Tab. IV. 4.
Ein Zweig mit reifen Samenkoͤrnern, deren einige von voruͤber-
gehenden Menſchen oder Vieh bereits abgeriſſen und weggeſchleppt
worden ſind.
1. Die Saftdruͤſe iſt entweder der hoͤckerichte Koͤrper, auf
welchem die Fruchtknoten ſitzen, oder dieſe ſondern ſelbſt den
Saft ab.
2. Der unterſte Theil der Kronenroͤhre iſt der Safthalter.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre wird eben ſo, als bey der
Anchuſa, durch taſchenfoͤrmige Theile verſchloſſen, welche ſich
aber
Cynogloſſum.
4. durch die Farbe vom Kronenſaum nicht unterſcheiden.
Wenn man die Infrukrescenz dieſer Pflanze, d. i., die Art
und Weiſe, wie ihre Fruͤchte an die Zweige befeſtigt ſind, mit der
Infruktescenz des Echium vulgare, Tab. III. 39., vergleicht:
ſo bemerkt man folgenden Unterſchied. 1. Bey dem Echium
ſitzen die Fruͤchte auf der inneren, bey dem Cynogloſſum auf der
aͤußeren Seite der Zweige. 2. Bey jenem ſitzen ſie unmittelbar
an den Zweigen, bey dieſem ſind ſie durch einen Stiel mit denſel-
ben vereinigt. 3. Bey jenem iſt der Kelch eben ſo ſtark, oder
vielmehr noch ſtaͤrker und groͤſſer, als er zur Bluͤhezeit war; bey
dieſem iſt er ganz unanſehnlich, und mehrentheils ſchon verwelkt
und abgefallen. 4. Bey jenem ſitzen die Samenkoͤrner mit ihrem
unterſten Ende auf dem Grunde des Kelchs; bey dieſem loͤſen ſie
ſich mit dem unterſten Ende vom Grunde des Kelchs ab, haben
aber am oberſten Ende einen Fortſatz, vermittelſt deſſen ſie an den
Griffel befeſtigt ſind. Die Urſache dieſes Unterſchieds liegt darin,
daß die Samenkoͤrner beider Pflanzen auf eine ganz verſchiedene
Art von denſelben getrennt, und auf den Erdboden verſtreuet
werden ſollen. Beym Echium ſoll dieſes durch den Wind ge-
ſchehen. Die Samenkoͤrner ſollen nicht von ſelbſt aus dem Kelch,
welcher die Stelle einer Kapſel vertritt, herausfallen, noch durch
einen ſchwachen Wind aus demſelben herausgeworfen werden,
weil ſie in beiden Faͤllen ſich nicht weit von der Mutterpflanze ent-
fernen wuͤrden; ſondern ſie ſollen von einem ſtarken Winde
herausgeworfen, und weit und breit verſtreuet werden. Zu dem
Ende mußte der Kelch eine aufrechte Stellung haben. Nun
machen die Zweige mit dem aufrecht ſtehenden Stengel einen ziem-
lich großen Winkel, und haben alſo eine ſchiefe Stellung. Waͤre
nun der Kelch an die aͤußere Seite eines Zweiges befeſtigt, ſo
wuͤrde er, da er mit demſelben auch einen kleinen Winkel machen
muß, eine noch ſchiefere und beynahe horizontale Stellung haben,
und die Samenkoͤrner wuͤrden von ſelbſt, oder bey einer geringen
von einem ſchwachen Winde hervorgebrachten Erſchuͤtterung der
Pflanze herausfallen. Der Kelch mußte ferner auf der inneren
Seite des Zweiges nicht vermittelſt eines Stiels, ſondern unmit-
telbar an denſelben befeſtigt ſeyn. Denn im erſten Fall wuͤrde er
entweder von ſelbſt wegen ſeiner Schwere und wegen der Duͤnn-
heit des Stiels ſich herabneigen, oder von einem ſchwachen Winde
herabgebogen werden. Da er aber unmittelbar auf dem ſtarken
Zweige ſitzt, ſo kann er zugleich mit dieſem nur durch einen ſtar-
ken Wind aus ſeiner Stellung gebracht werden. Daß endlich der
Kelch nicht abfallen, ſondern vielmehr noch groͤſſer und ſtaͤrker
werden mußte, die Samenkoͤrner aber nicht oben am Griffel,
ſondern unten am Grunde des Kelchs befeſtigt ſeyn mußten, ſieht
ein jeder von ſelbſt ein. Bey dem Cynogloſſum hingegen hat
F 3
[[58]]
Cynogloſſum. Pulmonaria.
die Sache eine ganz andere Bewandniß. Die Samenkoͤrner,
oder vielmehr die Behaͤltniſſe derſelben ſind faſt uͤberall mit Haken
beſetzt, und ſollen nicht durch den Wind fortgefuͤhrt, ſondern von
Vieh, an deſſen Wolle, und von Menſchen, an deren Kleidungs-
ſtuͤcke ſie ſich anhaͤkeln, losgeriſſen, und allenthalben verſchleppt
und verſtreuet werden. Denn die Pflanze waͤchſt an ſolchen Or-
ten, welche von Vieh und Menſchen oͤfters beſucht werden, nem-
lich an Wegen, auf wuͤſten Stellen der Staͤdte und Doͤrfer, an
den Stadtmauern ꝛc. Und wer im Herbſt an ſolchen Orten etwas
zu thun hat, bekoͤmmt die Rockſchoͤße bald voller Samen, und
wenn er wollene Struͤmpfe anhat, ſo iſt’s noch ſchlimmer, und
er hat Muͤhe genug, ſich von dieſen ungebetenen Gaͤſten wieder
los zu machen. Die Samen mußten folglich nicht auf der inne-
ren, ſondern auf der aͤußeren Seite der Zweige befindlich ſeyn.
Denn in jenem Fall wuͤrden die Zweige verhindern, daß das Vieh
oder die Menſchen ſie beruͤhrten. Sie mußten ferner auf einem
Stiel ſitzen, nicht in einem ſtarken und großen Kelch eingeſchloſſen
ſeyn, vermittelſt eines Fortſatzes an die Spitze des Griffels be-
feſtigt ſeyn, ſich vom Kelch und vom unterſten Theil des Griffels
abloͤſen, und ſich vorwaͤrts herumbiegen, um deſto leichter von
voruͤbergehenden Menſchen und Vieh beruͤhrt, abgeriſſen und
fortgeſchleppt zu werden. Endlich mußte das Ende ihres Fort-
ſatzes an der Spitze des Griffels grade ſo feſt ſitzen, daß ſie zwar
vom Winde nicht abgeſchuͤttelt, von Menſchen und Vieh aber
leicht abgeriſſen werden koͤnnen.
Cynogloſſum omphalodes. Tab. III. 15. Dieſe
Blume iſt ungefaͤhr ſo eingerichtet, als Myoſotis paluſtris. Sie
hat, wie dieſe, eine praͤſentirtellerfoͤrmige, nicht aber eine trich-
terfoͤrmige Krone, welche doch Linné der Gattung zuſchreibt.
3. Die taſchenfoͤrmigen Theile ſind mit kurzen Haaren uͤber-
zogen, und
4. weiß, da der Kronenſaum himmelblau iſt.
5. Gleditſch hat auf der Blume Bienen angetroffen,
ſcheint aber nicht bemerkt zu haben, daß ſie Saft enthaͤlt,
S. 214.
Pulmonaria.
Pulmonaria officinalis. Lungenkraut. Tab. III.
18. 26—31.
26. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
Bey a ſind die Antheren, und bey b iſt das Stigma be-
findlich.
27. Die vergroͤſſerte Krone. Oberwaͤrts, ſo weit ſie punk-
tirt iſt, iſt ſie blau; der unterſte Theil derſelben, welcher vom
Pulmonaria.
Kelch verdeckt wird, iſt von unauſehnlicher weißlicher Farbe.
Ein Beweis, daß die Natur mit ihren Farben keinesweges
verſchwenderiſch umgeht.
29. Ein Theil der Krone von innen. Ueber den beiden
Staubgefaͤßen ein Theil der haarichten Saftdecke.
28. Das Piſtill, von oben geſehen. Die Saftdruͤſen ſind
punktirt.
18. Das Stuͤck der Krone a c b d Fig. 27., von oben
geſehen. Um die Staubgefaͤße herum die ganze Saftdecke.
30. Die erwachſenen Samenkoͤrner. Die beiden hinterſten
ſind unbefruchtet geblieben, werden daher wegen ihrer Klein-
heit von den vorderſten den Augen verdeckt.
31. Eines von denſelben.
1. Die gruͤnlichen Fruchtknoten haben eine wulſtige weiße
Baſis, welche den Saft abſondert. Wann der Samen reif
iſt, unterſcheidet er ſich noch von der vormaligen Saftdruͤſe,
indem er zwar ſo glatt, wie dieſe, aber mit weichen Haaren
uͤberzogen und ſchwarz iſt, da dieſe kahl und weiß iſt.
2. Der unterſte Theil der Kronenroͤhre iſt der Safthalter.
3. Der Eingang in die Kronenroͤhre wird zwar theils
durch die Staubgefaͤße, theils durch eine Reihe von aufwaͤrts
gerichteten Haaren dem Regen geſperrt, den Inſekten aber
offen gelaſſen, wenigſtens den Saugeruͤſſeln derſelben. Denn
die Ameiſen, welche nach dem Saft ſehr begierig ſind, koͤn-
nen nicht zu demſelben gelangen, weil ſie ſich nicht zwiſchen
die Saftdecke und die Staubgefaͤße hindurch arbeiten koͤnnen.
Daher kriechen ſie in die Kelche der verbluͤheten Blumen, welche
die Krone ſchon verloren haben, hinein, um den auf den Saft-
druͤſen etwa noch befindlichen Saft abzulecken.
5. Die Blume wird von einem bienenartigen Inſekt, wel-
ches kleiner iſt, als eine Biene, haͤufig beſucht. Daſſelbe iſt
in Fig. 5. vergroͤſſert abgebildet, und in Fig. 3. das rechte
Hinterbein deſſelben, noch ſtaͤrker vergroͤſſert. Dieſes Inſekt
iſt am ganzen Koͤrper, ſelbſt an den Beinen, ſehr haaricht;
die Haare des Kopfs und des mittelſten Theils aber ſind vor-
zuͤglich ſehr lang. Es kriecht ſo tief in die Blume hinein, daß
nur ein kleiner Theil ſeines Koͤrpers uͤber den Saum der Krone
hervorragt. Vergleicht man nun die 26. Fig. mit der 18., ſo
ſieht man ein, daß es nothwendig den Staub von den Anthe-
ren abſtreifen, und auf das Stigma bringen muß. Dieſes
Thierchen iſt alſo, wie die Hummeln und Bienen, gleichſam
ein lebendiger Pinſel, mit welchem die kunſtreiche Natur den
Staub von den Antheren abnimmt, und auf das Stigma
auſtraͤgt.
[[59]]
Symphytum.
Symphytum.
Symphytum officinale. Wallwurz. Tab. III. 19.
Tab. IV. 13. 17—20.
Tab. III. 19. Die Krone, von welcher die vorderſte Haͤlfte
ihres Saums weggeſchnitten worden.
Tab. IV. 17. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤr-
licher Stellung.
18. Der Kegel, welchen die die Oeffnung der Kronenroͤhre
verſchließenden fuͤnf Schuppen bilden, von unten geſehen.
19. Die innere Seite der aufgeſchnittenen und flach aus-
gebreiteten Kronenroͤhre.
20. Eine Schuppe nebſt einem Staubgefaͤß von der aͤuße-
ren Seite.
13. Der Grund des Kelchs, in welchem man die Frucht-
knoten und die (punktirten) Saftdruͤſen ſieht.
1. 2. Mit den Saftdruͤſen und dem Safthalter verhaͤlt es
ſich hier eben ſo, als bey der naͤchſt vorhergehenden Gattung.
Jene ſind weiß, da die Fruchtknoten gruͤn ſind.
3. Die fuͤnf Schuppen, welche die Oeffnung der Kronen-
roͤhre umgeben, verſchließen dieſelbe zwar den Regen, keines-
weges aber den Inſekten.
4. Dieſe Schuppen ſind weiß, an beiden Raͤndern aber
mit kegelfoͤrmigen, gelben, wie Kryſtall glaͤnzenden Zacken ver-
ſehen. Dieſe zackichten Raͤnder erſcheinen den in die Blume
hineinkriechenden Inſekten als ein fuͤnfſtrahlichter gelber glaͤn-
zender Stern, und zeigen denſelben, daß jener Kegel nicht Ein
zuſammenhangender Koͤrper iſt. Sie ſind folglich das Saft-
maal. Daß ſie aber, außer der beſonderen Farbe, einen ſo
beſonderen Glanz haben, dergleichen ich noch bey keiner andern
Blume bemerkt habe, koͤmmt vermuthlich daher, weil der
Kegel nicht dem Tageslicht ausgeſetzt iſt, indem er von dem
roͤhrenfoͤrmigen Kronenſaum, deſſen Oeffnung der Erde zuge-
kehrt iſt, umgeben wird. Da alſo jener Stern ſich im Schat-
ten befindet, ſo wuͤrde er weniger bemerkt werden, wenn er nicht,
außer der beſonderen Farbe, einen Glanz haͤtte.
5. Die Blume wird von Hummeln haͤufig beſucht. Wann
ſie ſich auf dieſelbe geſetzt haben, ſo halten ſie ihren Kopf an die
Oeffnung des Kronenſaums, weil dieſelbe zu enge iſt, als daß ſie
den Kopf ſollten hineinſtecken koͤnnen, und ſtecken ihren Sauge-
ruͤſſel zwiſchen die Schuppen hindurch in den Safthalter. Indem
ſie dieſes thun, muͤſſen ſie, da die Staubgefaͤße mit den Schup-
pen abwechſeln, nothwendig die Antheren beruͤhren, und den
Staub derſelben abſtreifen. Dieſer Staub faͤllt auf ihren Kopf,
und da ſie mit demſelben eben ſo nothwendig das Stigma beruͤh-
Symphytum. Borago.
ren muͤſſen: ſo verſehen ſie daſſelbe mit Staub. Daß die Blume
auf ſolche Art von den Hummeln, keinesweges aber auf eine
mechaniſche Art befruchtet werde, erhellet daraus, daß der An-
therenſtaub aus dem Schuppenkegel weder von ſelbſt, noch wenn
die Blume vom Winde erſchuͤttert wird, herausfallen, und wenn
auch dies moͤglich waͤre, doch nicht auf das Stigma fallen kann,
ſondern vorbey fallen muß, weil daſſelbe nicht aufwaͤrts gerichtet,
ſondern der Erde zugekehrt iſt.
Auf einer Wieſe, wo die Pflanze haͤufig ſtand, fand ich,
daß faſt alle Blumen in der Kronenroͤhre ein Loch hatten. Die-
ſes Loch hatten aber nicht die Hummeln, welche ich auf den Blu-
men antraf, gemacht, denn ich ſahe, daß ſie ihren Saugeruͤſſel
in die Oeffnung der Krone hineinſteckten; ſondern wahrſcheinlich
Blumenkaͤfer, welche, wie ich ſonſt ſchon bemerkt hatte, auf eine
ſo gewaltſame Art ſich des Safts bemaͤchtigen, weil ſie in den
von der Natur gemachten Eingang nicht hinein kommen koͤnnen.
Eine große Menge von Ameiſen hielt ſich auf den Blumen auf,
und weil ſie eben ſo wenig in den natuͤrlichen Eingang hinein-
kommen konnten, ſo krochen ſie durch dieſe Loͤcher hinein.
Borago.
Borago officinalis. Tab. III. 20—25. 32—34. 37.
Tab. IV. 3. 10.
Tab. III. 21. Eine aͤltere Blume in natuͤrlicher Stellung
und Groͤſſe. Der Griffel raget aus der Roͤhre, welche die Staub-
gefaͤße bilden, heraus, und hat ein Stigma.
20. Der mittelſte Theil der Krone von außen. Die Oeff-
nungen der taſchenfoͤrmigen Theile.
22. Der Kelch, in deſſen Grunde die Fruchtknoten auf der
(punktirten) Saftdruͤſe ſitzen.
23. Zwey Staubgefaͤße, deren Antheren ſich bereits ganz
geoͤffnet haben, und keinen Staub mehr enthalten, von innen.
24. Dieſelben von außen.
25. Ein Staubgefaͤß von der Seite.
32. Eine Anthere einer vor kurzem aufgebrochnen Blume,
welche ſich an der Spitze zu oͤffnen angefangen hat.
33. Einer von den fuͤnf taſchenfoͤrmigen Theilen von innen,
nebſt dem Stuͤck der Krone, auf welchem er ſitzt.
34. Eben derſelbe, nachdem das zu demſelben gehoͤrige Stuͤck
der Kronenroͤhre weggeſchnitten worden.
37. Eine juͤngere Blume, deren Griffel noch kuͤrzer iſt, als
die von den Antheren gebildete Roͤhre. a zeigt die Stelle an,
wo ſich das Ende deſſelben befindet, welches noch kein Stigma
iſt. b iſt der oberſte Theil des Griffels in der juͤngeren Blume,
und c eben derſelbe in der aͤlteren.
[[60]]
Borago.
Tab. IV. 3. Die vergroͤſſerte Blume von unten geſehen.
10. Der mittelſte Theil derſelben, noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
1. Die Saftdruͤſe iſt der blaßgelbe Koͤrper, auf welchem die
Fruchtknoten ſitzen.
2. Der Safthalter iſt die kurze Roͤhre, welche die Filamente
mit ihrer fleiſchichten Baſis bilden, von welcher man zwey Fuͤnf-
theile in Fig. 23. ſiehet.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dient erſtens
die Stellung der Blume, da ſie der Erde zugekehrt iſt. Denn
die Regentropfen fallen auf die aͤußere Seite des Kelchs und
der Krone. Faͤlle aber zufaͤlligerweiſe ein Regentropfen auf den
Kegel, welchen die Staubgefaͤße bilden, ſo kann derſelbe doch
nicht durch die Zwiſchenraͤume jener kurzen Roͤhre, welche den
Saft enthaͤlt, hindurch dringen. Dazu dienen zweytens die
taſchenfoͤrmigen Theile, welche jenen Zwiſchenraͤumen gegenuͤber
ſtehen, und auf der inneren Seite mit Haaren uͤberzogen ſind,
Fig. 33. 34. Zwiſchen die Antheren aber kann kein Regentropfen
hindurchdringen, da dieſelben dicht an einander ſchließen.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn der Kronenſaum
iſt himmelblau, die taſchenfoͤrmigen Theile aber ſind weiß, und
auswaͤrts in der Mitte blaßhimmelblau, und die Filamente ſind
auch weiß, haben aber ein dunkelviolettes Ende. Dieſe beſondere
Farbe iſt in Fig. 24. und 37. und Tab. IV. Fig. 10. durch Punkte
angedeutet. Dieſes Saftmaal zeigt den Bienen, daß in der
Mitte der Blume der Saft verborgen iſt. Denn die ganze Blume
erſcheint ihnen von unten geſehen als eine regulaͤre himmelblaue
Figur, in deren Mitte ſie eine regulaͤre weiße Figur erblicken,
welche gegen jene ſtark abſticht; und in der Mitte dieſer weißen
Figur ſehen ſie einen dunkelvioletten Stern, welcher gegen die-
ſelbe eben ſo ſtark abſticht.
5. Als ich, nach vielen vorher vergebens angeſtellten Unter-
ſuchungen, im letztvergangenen Jahr endlich einmal die eigentliche
Befruchtungsart dieſer Blume entdeckte: ſo wurde ich zugleich
von folgenden bey der Blumenforſchung ſehr wichtigen Wahrhei-
ten, welche ich ſchon lange vorher eingeſehen hatte, wieder aufs
neue ſehr lebhaft uͤberzeugt.
1. Man muß die Blumen in ihrem verſchiedenen Alter unter-
ſuchen. So wie Koͤlreuter und Medikus, wie ich in der
Einleitung geſagt habe, nicht hinter die eigentliche Einrichtung
und Befruchtung der Scrophularia kommen konnten, weil ſie im-
mer aͤltere Blumen unterſuchten, oder vielmehr, weil ſie ihre
Aufmerkſamkeit bloß auf die aͤlteren Blumen richteten, und den
zweyten Zuſtand der Blumen mit ihrem erſten Zuſtande gehoͤrig zu
vergleichen unterließen: eben ſo konnte auch ich das in der Borago
verborgene Geheimniß anfangs nicht entdecken, weil, ſo oft ich
Borago.
dieſelbe unterſuchte, ich hierzu jedesmal zufaͤlligerweiſe eine juͤngere
Blume genommen hatte.
2. So lange man nicht das zur Befruchtung einer Blume
beſtimmte Inſekt auf derſelben angetroffen hat, iſt es ſehr ſchwer,
wenn nicht gar unmoͤglich, die eigentliche Einrichtung und Be-
fruchtungsart derſelben zu entdecken. Ich hatte vorher Blaſen-
fuͤße und noch ein anderes eben ſo kleines Inſekt in der Blume
angetroffen, und hatte geglaubt, daß von dieſen Inſekten dieſelbe
befruchtet werde. Weil aber dieſelben keinesweges zur Befruch-
tung derſelben beſtimmt ſind, ſo konnte ich auch nicht auf eine
ungezwungene und befriedigende Art darthun, wie die Befruch-
tung durch dieſelben geſchehe. Als ich aber im letztvergangenen
Jahre die Bienen, welche die Natur eigentlich zur Befruchtung
der Blume beſtimmt hat, auf derſelben angetroffen hatte: ſo
ſetzte mich dieſe Erfahrung in den Stand, vollkommen einzuſehen,
wie die Befruchtung derſelben von ihnen vollbracht wird.
3. Wenn wir die Befruchtungsart irgend einer Blume ent-
deckt haben, ſo kann uns dies oft in den Stand ſetzen, die Be-
fruchtungsart einer andern, wenn dieſelbe auch in Anſehung der
Struktur von jener noch ſo ſehr verſchieden iſt, zu entdecken.
Welche zwey Blumen ſind einander wohl weniger aͤhnlich, als
das Veilchen und die Borago? Nur einen einzigen Umſtand ha-
ben ſie mit einander gemein, nemlich die Stellung, da beide der
Erde zugekehrt ſind; und eben deswegen konnte die Natur in bei-
den ein und eben daſſelbe Kunſtſtuͤck anbringen. Nachdem ich
daſſelbe nun im vorhergegangenen Fruͤhjahr bey dem Veilchen
entdeckt hatte, ſo ward es mir nicht ſchwer, daſſelbe auch bey der
Borago, obgleich in Verbindung mit anderen Umſtaͤnden, zu be-
merken. Wenn gleich die ganze Einrichtung einer jeden Blume,
wie ich glaube, ein Original iſt, ſo iſt es doch nicht jeder Theil
dieſer Einrichtung. Hat die Natur bey Entwerfung des Ideals
irgend einer Blume einen gluͤcklichen Einfall gehabt, wenn ich
mich dieſes Ausdrucks bedienen darf: ſo findet ſie an demſelben
ein zu großes Wohlgefallen, als daß ſie denſelben nicht auch bey
anderen Blumen, nur unter ganz andern Umſtaͤnden, wieder an-
bringen ſollte. Und damit koͤnnen wir ganz wohl zufrieden ſeyn.
Denn wenn die Natur in jedem Theil der Einrichtung einer jeden
Blume etwas neues und bey keiner andern vorkommendes ange-
bracht haͤtte: ſo wuͤrde die Blumenwiſſenſchaft vielleicht ein Stu-
dium fuͤr hoͤhere Weſen, keinesweges aber fuͤr uns Menſchen
ſeyn. Denn alsdenn wuͤrden wir bey Unterſuchung einer jeden
Blume von vorne zu unterſuchen und zu lernen anfangen muͤſſen,
und von alle demjenigen, was uns neun und neunzig Blumen
gelehrt haͤtten, wuͤrde uns nichts bey Unterſuchung der hundert-
ſten
[[61]]
Borago.
ſten helfen, und an Analogie wuͤrde gar nicht zu denken ſeyn.
Was vermag aber der menſchliche Verſtand ohne Analogie?
Um nun auf die Befruchtung der Borago zu kommen, ſo
verhaͤlt es ſich mit derſelben folgendermaßen.
Sobald die Blume aufgebrochen iſt, ſo fangen die Antheren
an der Spitze an, ſich zu oͤffnen, und fahren damit nach und
nach fort, bis ſie endlich der ganzen Laͤnge nach offen ſtehen.
Ihr Staub iſt dem Staube des Veilchens vollkommen gleich. Er
iſt nemlich einem uͤberaus feinen Streuſande aͤhnlich, und von
weißer Farbe. Er unterſcheidet ſich alſo ſehr ſowohl von dem
fluͤchtigen Staube derjenigen Blumen, welche vom Winde be-
fruchtet werden, als auch von dem an den Antheren feſtſitzenden
Staube der meiſten Saftblumen. So weit ſich alſo die Antheren
geoͤffnet haben, haben ſie keinen Staub mehr, weil derſelbe we-
gen dieſer ſeiner Eigenſchaft ſogleich aus beiden Faͤchern heraus-
faͤllt. Haben ſie ſich alſo gaͤnzlich geoͤffnet, ſo ſind ſie von Staube
ganz leer. In der 32. Fig. iſt eine Anthere abgebildet, welche
angefangen hat, ſich zu oͤffnen. Von der Spitze bis an die Li-
nie a b hat ſie keinen Staub mehr, und iſt braͤunlich; von dieſer
Linie bis an das unterſte Ende iſt ſie weiß, weil der weiße Staub
durchſchimmert. In Fig. 23. ſieht man zwey Antheren abgebildet,
welche ſich gaͤnzlich geoͤffnet haben, und kein Staubkoͤrnchen mehr
enthalten.
Die Antheren bilden einen Kegel, deſſen Spitze der Erde
zugekehrt iſt. Der Staub faͤllt alſo vermoͤge ſeiner Schwere in
den unterſten Theil dieſes Kegels, aus welchem er nicht von
ſelbſt herausfallen kann, weil die Antheren dicht zuſammen-
ſchließen.
Unterſucht man nun eine juͤngere Blume, ſo ſollte man beym
erſten Anblick glauben, daß die Befruchtung hier auf eine mechani-
ſche Art geſcheha, nemlich alſo, daß der Staub das Stigma un-
mittelbar beruͤhrt. Denn wenn man die 37. Fig. umkehrt, ſo
ſieht man, daß das bey a befindliche Ende des Griffels mitten in
dem Staube ſteckt, welcher ſich dort geſammlet hat. Man wird
aber dieſe Meinung fahren laſſen, ſobald man durch die Loupe
das Ende des Griffels beſieht, weil man nicht die geringſte Spur
von einem Stigma findet, b. Folglich iſt bey der juͤngeren
Blume an dieſe mechaniſche Befruchtungsart nicht zu denken,
weil dieſelbe zwar Staub, aber kein Stigma hat. In der aͤlteren
Blume hat ſich der Griffel verlaͤngert, und das Ende deſſelben,
welches nun ein wirkliches Stigma iſt, raget aus dem Antheren-
kegel heraus, Fig. 21. und 37. c. Wenn wir nun auch den Fall
annehmen, daß die aͤltere Blume noch Staub im Antherenkegel
enthalte, da ſie doch bey dem oftmaligen Beſuch, welchen ſie bis-
her von den Vienen erhalten hat, denſelben ſchon laͤngſt verloren
Borago. Lycopſis.
haben muß: ſo begreifen wir doch nicht, wie dieſer Staub auf
das Stigma ſollte fallen koͤnnen, da daſſelbe ſehr klein, und nicht
aufwaͤrts gerichtet, ſondern der Erde zugekehrt iſt. Folglich kann
auch die aͤltere Blume auf keine mechaniſche Art befruchtet wer-
den, weil ſie zwar ein Stigma, aber keinen Staub hat, oder
wenigſtens derſelbe, wenn er zufaͤlligerweiſe noch vorhanden ſeyn
ſollte, nicht auf das Stigma fallen kann.
Der Saft muß den Bienen ſehr angenehm ſeyn. Wenn ſie
denſelben einmal gekoſtet haben, ſo halten ſie ſich bloß zu dieſer
Blume, und verſchmaͤhen andere in der Naͤhe befindliche Blu-
men. So fand ich einſtmals auf einigen bluͤhenden Pflanzen ei-
nige Bienen in voller Arbeit. Weil nun neben denſelben eine
bluͤhende Staude der Raute ſtand, und ich noch niemals auf der
Raute ein Inſekt angetroffen hatte: ſo wartete ich lange, ob ſich
eine Biene auf dieſelbe ſetzen wuͤrde. Sie ſchienen aber die Raute
nicht einmal zu ſehen, ſondern blieben bey ihrer Borago.
Nun kann eine Biene des Safts nicht anders theilhaftig
werden, als ſo, daß ſie ſich auf den Kegel, welchen die Staub-
gefaͤße bilden, ſetzt, auf demſelben ringsherum laͤuft, und unter-
deſſen ihren Saugeruͤſſel zwiſchen die fleiſchichte Baſis der Fila-
mente hindurch ſteckt. Hierdurch aber verurſacht ſie, daß die An-
theren ſich ein wenig von einander begeben. Auf ſolche Art be-
koͤmmt der Kegel, welchen ſie bilden, eine Oeffnung, und der
Staub faͤllt aus demſelben heraus, und auf den unteren Theil
des Koͤrpers der Biene, mit welchem ſie die Spitze des Kegels
wegen ihrer Stellung nothwendig beruͤhren muß. So beladet ſie
ſich mit dem Staube einer juͤngeren Blume. Von dieſer fliegt
ſie auf eine aͤltere hin. Da das Stigma derſelben aus dem An-
therenkegel herausraget, ſo beruͤhrt ſie mit dem unteren Theil ih-
res Koͤrpers daſſelbe, ſtreift den an demſelben haftenden Staub
auf daſſelbe ab, und befruchtet auf ſolche Art die aͤltere Blume
mit dem Staube der juͤngeren.
Lycopſis.
Lycopſis aruenſis.
1. Die Saftdruͤſe iſt der unterſte Theil der Fruchtknoten,
welcher ſich von dem oberſten durch die Farbe unterſcheidet, indem
er blaſſer gruͤn iſt, als dieſer. Wann die Samenkoͤrner ihre voͤl-
lige Groͤſſe erreicht haben, ſo kann man die vormalige Saftdruͤſe
noch deutlich an denſelben erkennen.
2. Der Safthalter iſt der unterſte glatte Theil der Kro-
nenroͤhre.
3. Die Saftdecke ſind die fuͤnf Schuͤppchen, welche die
Oeffnung der Kronenroͤhre verſchließen, und auswendig haaricht
ſind.
G
[[62]]
Echium.
4. Eben dieſe Schuͤppchen ſind zugleich das Saftmaal;
denn ſie ſind weiß, da der Kronenſaum blau iſt.
Echium.
Echium vulgare. Otternkopf. Tab. III. 39. 41—50.
Tab. IV. 1.
Tab. III. 39. Ein mit Blumenknospen, Blumen, und
Kelchen, welche die Stelle der Samenkapſeln vertreten, verſehe-
ner Zweig in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
41. Eine Blume, von welcher vorne ein Stuͤck weggeſchnit-
ten worden.
42. Eine aͤltere Blume.
43. Eine juͤngere Blume, von welcher der Kelch weggeſchnit-
ten worden, von vorne.
45. Dieſelbe von hinten.
44. Die reifen Samenkoͤrner, an welchen man noch die vor-
malige (punktirte) Saftdruͤſe bemerkt.
46. Die Krone, unterwaͤrts aufgeſchnitten, und flach aus-
gebreitet.
47. Die Fruchtknoten nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe.
48. Der unterſte Theil der Krone bis c b Fig. 43. und 45.
von vorne geſehen.
49. Das Stuͤck der Krone c b d a von hinten geſehen.
50. Der Griffel der aͤlteren Blume.
Tab. IV. 1. Die Blume von vorne geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt die gelbliche Baſis der Fruchtknoten.
An den reifen Samenkoͤrnern erkennet man dieſelbe noch deutlich.
Denn ſie unrerſcheidet ſich durch ihre Farbe und ebene Oberflaͤche
von denſelben, da dieſe runzlicht ſind.
2. Der Safthalter iſt der Grund der Kronenroͤhre. Damit
der Rand deſſelben die Saftdruͤſe dicht umſchließe, ſo iſt er mit
Haaren beſetzt, Fig. 46. Die Krone ſitzt daher ſehr feſt.
3. Weil die Blume eine horizontale Stellung, und eine
glockenfoͤrmige Geſtalt hat, ſo mußte ſie irregulaͤr ſeyn, wenn der
Saft gegen den Regen geſichert ſeyn ſollte. Zu dieſer Irregula-
ritaͤt gehoͤrt, und zur Erreichung dieſes Endzwecks dient Folgendes.
1) Die beiden Seitenabſchnitte des Kronenſaums ſind einander
gleich; der oberſte aber, weicher wieder in zwey kleinere getheilt
iſt, iſt groͤſſer, als der unterſte, weil jener die Regentropfen auf
ſeiner aͤußeren, dieſer aber auf ſeiner inneren Oberflaͤche erhaͤlt,
und jener dieſem zum Obdach dient. 2) Die Kronenroͤhre, welche
an und fuͤr ſich ſchon enger iſt, als der Kronenſaum, wird da-
durch noch enger, daß die laͤngſt derſelben angewachſenen Fila-
wente dieſelbe einwaͤrts ziehen, wodurch dieſelbe auswendig fuͤnf
laͤnglichte Vertiefungen erhaͤlt, Fig, 43. 45. 3) Die Filamente
Echium.
ſind einander nicht gleich, ſondern das oberſte unterſcheidet ſich
von den uͤbrigen dadurch, daß es nicht unmittelbar, ſondern ver-
mittelſt eines duͤnnen Fortſatzes an die Roͤhre angewachſen, und,
ſo weit es angewachſen iſt, breiter iſt, als die uͤbrigen, Fig. 41.
46. 49. 4) Die Filamente biegen ſich nicht auf eine regulaͤre Art
gegen die Axe der Krone, ſondern auf eine irregulaͤre Art gegen
ihre unterſte Seite. Dieſe beiden Umſtaͤnde verurſachen, daß die
Kronenroͤhre in zwey kleinere Roͤhren getheilt iſt, in welche kein
Regentropfen hineindringen kann, Fig. 48. 49. Tab. IV. 1.
5) Endlich hilft auch der Griffel dieſe Abſicht befoͤrdern, denn er
iſt mit vorwaͤrts gerichteten Haaren uͤberzogen, Fig. 50.
4. Ich habe oben beym Cynogloſſum officinale die Urſache
angezeigt, warum die Kelche, welche die Samenbehaͤltniſſe ſind,
auf der innern Seite der Zweige ſitzen muͤſſen. Nun ſollen die
Blumen von Inſekten befruchtet werden, und zu dieſem Ende
denſelben von weitem in die Augen fallen. Sollen ſie dies koͤn-
nen, ſo muͤſſen ſie nicht an der inneren, ſondern an der aͤußeren
Seite der Zweige ſitzen; denn im erſten Fall befinden ſie ſich hin-
ter den Zweigen, und werden von denſelben zum Theil verdeckt.
Hier ſollen alſo zwey Abſichten erreicht werden, welche ſich einan-
der grade entgegengeſetzt ſind, und deren eine die andere ganz
unerreichbar zu machen ſcheint. Bey dieſer Kolliſion hat ſich die
Natur ſehr gluͤcklich zu helfen gewußt. Sie hat es nemlich ſo
veranſtaltet, daß der Zweig zwar, ſo weit er mit Kelchen oder
Samenbehaͤltniſſen beſetzt iſt, grade geſtreckt, ſo weit er aber mit
Blumenknospen verſehen iſt, ſpiralfoͤrmig aus- und abwaͤrts
gekruͤmmt iſt, Fig. 39. Auf ſolche Art bekommen die in der Mitte
zwiſchen jenen und dieſen befindlichen Blumen einen freyen Stand,
und werden von dem oberſten mit Blumenknospen verſehenen Theil
des Zweiges nicht verdeckt, ſondern fallen ihrer ganzen Groͤſſe
und Geſtalt nach den Inſekten in die Augen.
So wie nun die Inſekten die Blumen von weitem leicht be-
merken koͤnnen, ſo zeigt ihnen das Saftmaal, daß dieſelben wirk-
lich Saft enthalten, und wie ſie zu demſelben gelangen ſollen.
Daſſelbe beſteht theils aus fuͤnf Linien von hellerer Farbe, welche
auf dem Kronenſaum nach der Kronenroͤhre zu laufen, theils aus
den beiden Oeffnungen der Kronenroͤhre, durch welche man die
weiße Farbe der Kronenroͤhre erblickt, da der Kronenſaum pur-
purfarben oder blau iſt. Beides iſt in Tab. IV. 1. durch Punkte
angedeutet.
5. Die Blumen werden von Bienen und Hummeln haͤufig
beſucht. Daß ſie von dieſen Inſekten auch befruchtet werden,
keinesweges aber eine mechaniſche Befruchtungsart bey ihnen
Statt finden koͤnne, erhellet daraus, daß ſie Dichogamiſten, und
zwar von der maͤnnlich-weiblichen Art ſind. Denn die juͤngeren
[[63]]
Echium. Nolana. Androſace. Primula.
Blumen haben ſtaubvolle Antheren, aber einen kurzen Griffel,
deſſen Stigma ſich noch nicht geoͤffnet hat, Fig. 43.; die aͤlteren
Blumen hingegen haben verwelkte und ſtaubloſe Antheren, aber
einen langen Griffel mit einem offenſtehenden Stigma, Fig. 42.
Noch iſt merkwuͤrdig, daß die juͤngeren Blumen eine purpurfar-
bene, die aͤlteren aber eine blaue Krone haben. Dies halte ich
nicht fuͤr etwas zufaͤlliges, ſondern, wie bey dem Aeſculus Hip-
pocaſtanum, fuͤr eine Einrichtung der Natur, deren Abſicht da-
hin geht, daß die Inſekten zuerſt die juͤngeren maͤnnlichen, und
dann die aͤlteren weiblichen Blumen beſuchen ſollen. S. Aeſculus.
Nolana.
Nolana proſtrata.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte gelbe Koͤrper, auf wel-
chem die gruͤnen Fruchtknoten ſitzen.
2. Der Safthalter iſt der glatte Grund der Kronenroͤhre.
3. Die Filamente ſind, ſoweit ſie mit der Krone zuſammen-
gewachſen ſind, und etwas weiter hinauf, mit Haaren uͤberzo-
gen. Folglich kann kein Regentropfen in den Safthalter hinein
dringen.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die blaßblaue
Krone ſpielt in der Mitte ins Gelbe, und iſt daſelbſt mit dunkel-
blauen Adern geziert, welche, je naͤher ſie dem Mittelpunkte kom-
men, deſto ſtaͤrker werden.
Androſace.
Androſace villoſa. Jacqu. Collect. Vol. I. p. 193.
Daß dieſe Blume eine Saftblume ſey, ſchließe ich daraus,
daß ſie ſowohl eine Saftdecke, als auch ein Saftmaal hat. Denn
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre wird durch fuͤnf Druͤſen
(welche aber keinesweges Saftdruͤſen ſind), und durch die unter-
halb derſelben befindlichen Antheren und das Stigma vor dem
Regen verſchloſſen.
4. Der Kronenſaum iſt weiß, in der Mitte aber roſenroth,
und die Druͤſen ſind dunkelroth oder gelb.
Wer Gelegenheit hat, die Blume zu unterſuchen, wird im
Grunde der Kronenroͤhre ſowohl den Saft, als auch die Saft-
druͤſe, welche vermuthlich der Fruchtknoten ſelbſt iſt, leicht
finden.
Primula.
Primula veris. Schluͤſſelblume. Tab. III. 35. 36.
38. 40.
35. Die etwas vergroͤſſerte Blume, von welcher die vorderſte
Haͤlfte des Kelchs weggeſchnitten worden.
Primula. Menyanthes.
36. Der Durchſchnitt derſelben bey b in der vorhergehenden
Figur.
40. Die wildwachſende Primel.
38. Eine Gartenprimel.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt.
2. Der [Safthalter] iſt der unterſte engere Theil der Kro-
nenroͤhre.
3. Der oberſte weitere Theil der Kronenroͤhre wird durch die
Antheren, welche bey a Fig. 35. ſich endigen, und durch das
Stigma zwar dem Regen, aber nicht den Inſekten verſchloſſen.
4. Das Saftmaal ſind die fuͤnf pomeranzenfarbenen Flecken,
womit der gelbe Kronenſaum um die Oeffnung der Kronenroͤhre
herum geziert iſt. Die Kultur hat zwar die Farbe der Blume ſehr
und auf mannigfaltige Art veraͤndert, dennoch aber das Saft-
maal nicht ganz vertilgen koͤnnen, zum Beweiſe, daß daſſelbe in
den Augen der Natur von großer Wichtigkeit iſt. Der Kronen-
ſaum des abgebildeten Exemplars war purpurfarben, und hatte
einen ſchmalen weißen Rand, in der Mitte aber war er gelb.
In den beiden letzten Figuren iſt das Saftmaal punktirt.
Primula Auricula. Aurikel. Tab. IV. 5. Eine
Gartenaurikel.
Dieſe Art hat mit der vorhergehenden eine gleiche Einrich-
tung. Nur darin unterſcheidet ſie ſich von derſelben, daß ihr
Saft noch durch eine beſondere Anſtalt gegen den Regen geſichert
iſt. Denn ihr gelbes Saftmaal iſt mit weißem Puder beſtreut.
Ein Regentropfen, welcher auf daſſelbe gefallen iſt, kann daher
nicht feſt haften, ſondern wird bey der geringſten durch den
Wind hervorgebrachten Erſchuͤtterung der Blume herabgeworfen.
Menyanthes.
Menyanthes trifoliata. Sumpfklee. Waſſerdrey-
blatt. Tab. IV. 9. 11. 21.
9. Die ein wenig vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung,
von vorne geſehen.
11. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
21. Dieſelbe, nachdem die vorderſte Haͤlfte der Krone und
des Kelchs weggeſchnitten worden.
1. Die Saftdruͤſe iſt der glatte gelblichgruͤne Fruchtknoten
ſelbſt.
2. Der Safthalter iſt der unterſte kahle und glatte Theil der
Kronenroͤhre.
3. Der oberſte Theil der Kronenroͤhre und der groͤßte Theil
des Kronenſaums iſt mit langen Faͤden dicht beſetzt, durch welche
kein Regentropfen hindurch dringen kann.
G 2
[[64]]
Menyanthes. Hottonia.
4. Die Blumen bilden eine aufrecht ſtehende Traube. Da-
her mußten ſie eine horizontale Stellung haben, in welcher ſie
durch die ſtipula*) erhalten werden, welche den Stiel, ſoweit
es noͤthig iſt, umgiebt. Der Stengel hat keine Blaͤtter, weil
dieſelben verurſachen wuͤrden, daß die Blumen den Inſekten we-
niger in die Augen fielen. Die weiße Krone hat kein Saftmaal.
5. Hummeln und Bienen beſuchen die Blume.
Hottonia.
Hottonia paluſtris. Waſſerveil. Tab. IV. 15. 16.
16. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe von der
Seite.
15. Dieſelbe, von vorne geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt.
2. Der Safthalter iſt der Grund der Kronenroͤhre.
3. 1) Die Blumen ſtehen beynahe horizontal, daher weni-
ger Regentropfen auf den Kronenſaum fallen, als wenn ſie ganz
aufrecht ſtaͤnden. 2) Die Kronenroͤhre iſt oberwaͤrts enger, als
unterwaͤrts. 3) Auch die Staubgefaͤße und der Griffel tragen zur
Abhaltung der Regentropfen etwas bey.
4. Der außerhalb des Waſſers befindliche Schaft macht mit
dem im Waſſer befindlichen faſt horizontalen Stengel einen rech-
ten Winkel, hat alſo eine aufrechte Stellung. Damit er in die-
ſer Stellung erhalten werde, ſo ſind in dem Winkel zehen Blaͤt-
ter angebracht, welche groͤſſer ſind, als die Blaͤtter des Sten-
gels. Dieſelben liegen auf der Oberflaͤche des Waſſers ausgebrei-
tet, und bilden einen großen Kreis, und erhalten folglich eben ſo
den Schaft in ſeiner aufrechten Stellung, als ein Schiff den
Maſtbaum. Damit die Blumen den Inſekten von weitem in die
Augen fallen, ſo iſt der Schaft blaͤtterlos, und ſie ſelbſt haben
eine faſt horizontale Stellung, in welcher ſie durch die ſtipula
erhalten werden. Der Kronenſaum iſt blaßroſenfarben, in der
Mitte aber weiß, damit das die Oeffnung der Kronenroͤhre um-
gebende gelbe Saftmaal ſich deſto beſſer ausnehme. Fig. 15.
5. Die Blume wird von Blumenkaͤfern beſucht.
Einige Pflanzen haben lauter ſolche Blumen, deren Staub-
gefaͤße innerhalb der Kronemoͤhre befindlich ſind, deren Griffel
aber aus derſelben hervorraget, und andere lauter ſolche Blumen,
deren Griffel kuͤrzer iſt, deren Staubgefaͤße aber laͤnger ſind, als
die Kronenroͤhre. Ich glaube nicht, daß dieſes etwas zufaͤlliges,
ſondern eine Einrichtung der Natur iſt, ob ich gleich nicht im
Stande bin, die Abſicht derſelben anzuzeigen.
Hydrophyllum. Lyſimachia. Azalea.
Hydrophyllum.
Hydrophyllum Virginicum. Tab. XIX. 46. 47.
46. Zwey Fuͤnftheile der Krone, flach ausgebreitet.
47. Der Fruchtknoten. Die (punktirte) Saftdruͤſe.
In den bisher beſchriebenen Gattungen gegenwaͤrtiger Klaſſe
hat Linné kein Nectarium geſehen; in dieſer Gattung nennt
er denjenigen Theil Nectarium, welcher den Saft zwar enthaͤlt,
aber nicht abſondert. Die Saftdruͤſe iſt nemlich der unterſte
glatte Theil des haarichten Fruchtknotens. Der von derſelben
abgeſonderte Saft tritt in die Falten oder Ritzen der Krone,
welche LinnéNectarium nennt, und bleibt in denſelben.
Lyſimachia.
Lyſimachia quadrifolia. Dieſe anſehnliche und mit
einem Saftmaal gezierte Blume ſcheint mir eine Saftblume zu
ſeyn, ob ich gleich in derſelben keinen Saft gefunden habe. Viel-
leicht iſt die Quantitaͤt deſſelben ſehr geringe, dennoch aber fuͤr
Blaſenfuͤße und andere ſehr kleine Inſekten hinreichend. Die
gelbe Krone hat in der Mitte einen breiten Ring von ſehr blaſſer
roͤthlicher Farbe. Der Fruchtknoten ſcheint die Saftdruͤſe zu ſeyn,
und die Roͤhre, welche die an der Baſis zuſammengewachſenen
Filamente bilden, der Safthalter.
In der Lyſimachia vulgaris habe ich auch keinen
Saft gefunden.
Azalea.
Azalea viſcoſa. Ob ich gleich in den wenigen Exem-
plaren, welche ich zu unterſuchen Gelegenheit gehabt, keinen
Saft gefunden habe, ſo behaupte ich dennoch, daß dieſe Blume
eine Saftblume iſt.
1. Die Saftdruͤſe iſt die hoͤckerichte und glatte Baſis des
Fruchtknotens, welcher oberwaͤrts mit Borſten uͤberzogen iſt.
2. Der Safthalter iſt der unterſte glatte Theil der Kronen-
roͤhre.
3. 1) Die Filamente und der Griffel fuͤllen den Raum der
Kronenroͤhre groͤßtentheils aus. 2) Jene ſind innerhalb der Kro-
nenroͤhre haaricht, da ſie außerhalb derſelben kahl ſind. 3) Der
Kronenſaum iſt in der Mitte, und die Kronenroͤhre bis an den
Safthalter mit weichen Haaren uͤberzogen. Dieſes alles dient
offenbar zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen.
4. Die ſchoͤnen Blumen, der Anzahl nach ſechs oder ſieben,
bilden eine einfache Umbelle, welche von weitem ſtark in die Au-
gen faͤllt. Ihre Bemerkbarkeit wird durch keine Blaͤtter ge-
ſchwaͤcht. Denn obgleich die Umbelle in dem Winkel zwiſchen
[[65]]
Azalen. Phlox.
zwey blaͤttertragenden Zweigen ſitzt, ſo ſind dieſe doch zur Bluͤhe-
zeit noch ſehr klein, und nebſt ihren zarten Blaͤttern kleiner, als
Eine Blume. Die blaßroſenfarbene Krone hat kein Saftmaal,
wenn man nicht etwa die Filamente und den Griffel, welche ge-
ſaͤttigt roſenfarben ſind, fuͤr daſſelbe halten will.
Eine Beſtaͤtigung meiner Behauptung, daß dieſe Blume eine
Saftblume iſt, habe ich in Kruͤnitzens Oekonomiſcher Ency-
clopaͤdie (4. Theil, S. 672.) gefunden. Er ſagt daſelbſt: Xeno-
phon erzaͤhle in ſeiner Beſchreibung des Ruͤckzugs der zehntauſend
Griechen, daß viele von denſelben bey Trebiſonde an einem Ort,
wo viel Bienſtoͤcke geweſen waͤren, Honig gegeſſen, und davon
die ſchlimmſten Zufaͤlle bekommen haͤtten. Tournefort, als
er auf ſeiner Levantiſchen Reiſe in dieſe Gegend gekommen waͤre,
habe an dieſe Erzaͤhlung gedacht, und habe die daſelbſt wachſende
Pflanze, welche er Chamaerhododendros Pontica maxima,
meſpili folio, flore luteo nennt, fuͤr diejenige gehalten, deren
Blumenſaft jenen Honig vergiftet haͤtte. Dieſe Pflanze iſt aber
Azalea Pontica L.
Phlox.
Phlox paniculata. Tab. IV. 22—25. 31. 32.
22. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
23. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe, nachdem
vorne von der Krone etwas weggeſchnitten worden.
24. Der Fruchtknoten nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe.
25. Die Haͤlfte der Krone.
31. Das Stigma der juͤngeren Blume.
32. Das Stigma der aͤlteren Blume.
1. Die Saftdruͤſe umgiebt die Baſis des Fruchtknotens.
Sie iſt hoͤckericht und dunkelgruͤn, da der Fruchtknoten blaß-
gruͤn iſt.
2. Der Safthalter iſt der unterſte etwas weitere glatte Theil
der Kronenroͤhre.
3. Die Kronenroͤhre iſt oberhalb des Safthalters enger und
mit ſeiner Wolle uͤberzogen. Zerſchneidet man ſie hier in die
Queere, ſo ſiehet man, daß dieſe Wolle dieſelbe ganz verſchließt,
und nur eine kleine Oeffnung fuͤr den Griffel uͤbrig laͤßt. Auch
verhindern die Antheren und das Stigma, daß ein Regentropfen
in die Oeffnung der Kronenroͤhre leicht hineindringen koͤnne.
4. Der blaßrothe Kronenſaum hat in der Mitte fuͤnf Linien
von dunklerer Farbe.
5. Da die Blume ſehr lange, nemlich ungefaͤhr eine Woche
lang, bluͤhet, ſo laͤßt ſich hieraus ſchon vermuthen, daß ſie ein
Dichogamiſt ſey. Dies beſtaͤtigt die Erfahrung. Denn ſobald
die Blume aufgebrochen iſt, ſo ſind die Antheren voller Staub,
Phlox. Conuoluulus.
das Stigma aber iſt noch geſchloſſen, und befindet ſich bey a
Fig. 25. Da aber der Griffel taͤglich laͤnger wird, ſo ſteigt auch
das Stigma immer hoͤher, bis es zuletzt bey b ſteht, und ſich
voͤllig von einander gegeben hat. Hieraus folgt alſo, daß die
Blume keinesweges auf eine mechaniſche Art, ſondern durch In-
ſekten befruchtet wird, und zwar die aͤltere vermittelſt des Stau-
bes der juͤngeren. Denn ſo wie die Inſekten nicht in die Kro-
nenroͤhre der juͤngeren Blume hineinkriechen koͤnnen, ohne den
Staub der Antheren abzuſtreifen, eben ſo koͤnnen ſie auch nicht
in die Kronenroͤhre der aͤlteren Blume hineinkriechen, ohne dieſen
Staub auf das Stigma abzuſetzen.
Die Blume wird von Schmetterlingen beſucht.
Conuoluulus.
Conuoluulus ſepium. Zaunwinde. Tab. IV. 26.
27. 33. 36. 37.
26. Der unterſte Theil der Blume, von oben geſehen.
27. Derſelbe im Durchſchnitt.
33. Der in der vorhergehenden Figur abgebildete Theil der
Krone, flach ausgebreitet.
36. Der Fruchtknoten nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe von
der Seite, und
37. von oben geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte fuͤnfſeitige gelbe Koͤrper,
welcher die Baſis des weißen Fruchtknotens zwar umgiebt, aber
nicht mit demſelben zuſammengewachſen iſt.
2. Der Safthalter iſt die Roͤhre, welche die Filamente mit
ihrer breiten Baſis bilden. Sie ſind mit dem Grunde der Krone
zuſammengewachſen, und umgeben die Saftdruͤſe ſehr enge
und feſt.
3. Die Filamente, nachdem ſie ſich von der Krone abgeſon-
dert haben, werden ſchmaͤler, damit ſie ſich an den Griffel an-
ſchmiegen koͤnnen. Da ſie nun ſowohl dicht an einander ſchließen,
als auch an den Raͤndern und auf der inneren Seite mit kurzen
Faͤden uͤberzogen ſind: ſo kann kein Regentropfen in den Safthal-
ter hineindringen. Inſekten aber koͤnnen die Filamente leicht von
einander biegen, und zwiſchen dieſelben hindurch kriechen, oder
ihren Saugeruͤſſel hindurch ſtecken. Damit auch im Grunde der
Krone um die Filamente herum kein hineingefallner Regentropfen
lange bleibe, ſo ſind die Filamente in der Mitte weiter hinauf
mit der Krone zuſammengewachſen, als an den Raͤndern, Fig.
27. 33. Sie ziehen alſo mit ihrer Mitte die Krone einwaͤrts,
und es entſtehen dadurch um dieſelben herum fuͤnf Hoͤhlen, welche
zu enge ſind, als daß ein Regentropfen in dieſelben ſollte hinein-
dringen koͤnnen. Die Regentropfen aber, welche uͤber dieſen
G 3
[[66]]
Conuoluulus.
Hoͤhlen ſich ſammlen (welches oft geſchehen muß, da die Blume
eine große meiſt aufrecht ſtehende Krone hat, welche ſich beym Re-
genwetter nicht zuſchließt), werden durch den Wind leicht wieder
herausgeworfen, welcher die Blume ſowohl wegen der Groͤſſe
ihrer Krone, als auch weil ſie auf einem langen Stiel ſitzt, tuͤch-
tig hin und her ſchuͤtteln kann.
4. Die Blume ſcheint eine Nachtblume, und fuͤr Nachtin-
ſekten beſtimmt zu ſeyn, und folglich des Abends aufzubrechen;
obgleich abgepfluͤckte Blumen, welche ich ins Waſſer geſtellt hatte,
mir hieruͤber nicht die gehoͤrige Auskunft gegeben haben, vermuth-
lich weil ſie ſich nicht in ihrem natuͤrlichen Zuſtande befanden.
Denn ſie ſchließt ſich eben ſo wenig des Nachts, als bey ſchlechter
Witterung am Tage zu. Auch die Krone ſcheint dieſes zu bewei-
ſen. Denn ſie iſt ſehr groß, ſchneeweiß, und hat kein Saftmaal.
Der Geruch iſt wegen der Groͤſſe und im Dunkeln leuchtenden
weißen Farbe der Krone nicht noͤthig, und daher nicht vor-
handen.
5. Im Grunde der Krone habe ich kleine Fliegen und Blu-
menkaͤfer, im Safthalter aber uͤberaus kleine gelbe den Milben
aͤhnliche Inſekten angetroffen.
Conuoluulus aruenſis. Ackerwinde. Tab. IV.
28—30. 34. 35.
35. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe bey ſchoͤ-
nem Wetter.
28. Dieſelbe, von oben geſehen.
29. Dieſelbe des Nachts, und bey ſchlechtem Wetter am
Tage, von oben, und
30. von der Seite geſehen.
34. Die Staubgefaͤße und der Griffel.
1—3. In Anſehung der Saftdruͤſe, des Safthalters und der-
jenigen Einrichtung, durch welche der Saft vor dem Regen geſchuͤtzt
wird, iſt dieſe Art der vorhergehenden aͤhnlich. Weil ſie aber eine
Tagesblume iſt, ſo unterſcheidet ſie ſich von derſelben dadurch,
daß ſie ſich des Nachts, und, wenn es regnichtes Wetter iſt, bey
Tage zuſchließt, und ihre koniſche Geſtalt in eine cylindriſche ver-
wandelt. Die Krone iſt nemlich der Laͤnge nach zehnmal gefalzt, bey
a, c, ꝛc. einwaͤrts, bey b ꝛc. auswaͤrts. Wann die Blume geoͤffnet
iſt, ſo iſt der Winkel eines jeden Falzes der Summe von zwey rechten
Winkeln gleich; wann ſie aber ſich ſchließen will, ſo werden dieſe
Winkel ſehr ſpitz, die Scheitel der Winkel a, c, ꝛc. kommen einander
weit naͤher, und die Scheitel der Winkel b, ꝛc. vereinigen ſich im
Mittelpunkt. Sonach kann nicht einmal in den oberſten Theil
der Krone ein Regentropfen hineinkommen, ſondern die ganze
Blume iſt als eine vor dem Regen wohl verwahrte Wohnung an-
zuſehen, in welcher Blaſenfuͤße, welche ich unter dieſen Umſtaͤn-
Conuoluulus. Ipomoea.
den in derſelben angetroffen habe, ſich ſehr wohl befinden, da ſie
ihre reichliche Nahrung haben, und vor der Naͤſſe und Kaͤlte ge-
ſchuͤtzt ſind.
4. An Pflanzen, welche auf der Erde liegen, ſtehen die
Blumen aufrecht, an ſolchen aber, welche ſich um Zaͤune und
Straͤucher ranken, faſt horizontal. In beiden Faͤllen iſt dieſe
Stellung grade diejenige, in welcher ſie den Inſekten von weitem
am leichteſten in die Augen fallen koͤnnen. Zu ihrer Bemerkbar,
keit dient auch ihr angenehmer Geruch. Die Krone iſt entweder
ganz weiß, oder blaßroth, und hat im letztern Fall einen weißen
fuͤnfſtrahlichten Stern a, c, ꝛc. Im Grunde iſt ſie gelb.
5. Daß die Blume keinesweges auf eine mechaniſche Art,
ſondern durch Inſekten befruchtet wird, folgt ſchon daraus, daß
die Antheren ihre beſtaͤubte Seite nicht dem Stigma, ſondern
der Krone zukehren. Sie wird von kleinen Fliegen beſucht. Ge-
wiſſe Spinnen wiſſen dies zu benutzen. Sie machen in der Krone
ein Gewebe, und lauren im Grunde derſelben auf die Fliegen,
welche ſich in daſſelbe verwickeln. Auch fand ich dasjenige In-
ſekt, deſſen unten beym Tropaeolum wird gedacht werden, auf
der Blume. Auch hier gab es einen Beweis von ſeiner Dumm-
heit. Denn es beleckte bloß die Antheren, verſuchte es aber nicht
einmal, den Saft ausfindig zu machen. Folglich kann daſſelbe
nicht zur Befruchtung der Blume beſtimmt ſeyn.
Conuoluulus tricolor. Tab. VIII. 1. 2.
1. Die Blume von oben geſehen, ohne Schatten. Die Far-
ben ſind angedeutet.
2. Das Piſtill. Die (punktirte) Saftdruͤſe.
1. Die Saftdruͤſe iſt kahl, glatt und pomeranzenfarben, da
der Fruchtknoten haaricht und weiß iſt.
2. 3. In Anſehung des Safthalters und der Saftdecke iſt
dieſe Art den vorhergehenden aͤhnlich. Sie iſt eine Tagesblume,
und oͤffnet ſich nur bey ſchoͤnem Wetter.
4. Die große und ſchoͤne Blume faͤllt den Inſekten ſchon von
weitem in die Augen, und hat auch ein ſchoͤnes Saftmaal. Denn
der Rand der Krone iſt hellblau, ihre Mitte aͤußerſt blaßgelb,
und ihr Grund gelb. Die Blume hat keinen Geruch.
5. Blaſenfuͤße halten ſich in der Blume auf.
Ipomoea.
Ipomoea coccinea.
1. Die Saftdruͤſe iſt der weiße napffoͤrmige Koͤrper, auf
welchem der blaßgelbe Fruchtknoten ſitzt.
2. Der Safthalter iſt der glatte Grund der Kronenroͤhre bis
an die Stelle, wo die Filamente ſich von der Krone trennen.
[[67]]
Ipomoea. Polemonium. Campanula.
3. Die Filamente ſind an ihrer Baſis mit Stacheln dicht be-
fetzt, beſonders an den Raͤndern.
Ipomoea repanda. Jacqu. Amer. p. 28.
Auch dieſe Blume iſt eine Saftblume, weil ſie eine Saftdecke
hat. Denn die fadenfoͤrmigen Filamente haben eine breite haa-
richte Baſis, mit welcher ſie die Kronenroͤhre verſchließen.
Polemonium.
Polemonium coeruleum.
1. Die Saftdruͤſe iſt der ringfoͤrmige Koͤrper, welcher die
Baſis des Fruchtknotens umgiebt, und welchen die Baſis der Kro-
nenroͤhre enge umſchließt.
2. Der Safthalter iſt die glatte Kronenroͤhre.
3. Um die Oeffnung der Kronenroͤhre herum ſteht eine Reihe
von Haaren. Die Filamente, welche ſich daſelbſt von der Krone
abſondern, ſind an der Baſis auch haaricht. Sonach hat die
Kronenroͤhre, anſtatt Einer, fuͤnf Oeffnungen, welche mit Haa-
ren beſetzt, und vor dem Regen verſchloſſen ſind, durch welche
aber Inſekten ihren Saugeruͤſſel leicht hindurch und in den Saft-
halter hineinſtecken koͤnnen.
4. Der Stengel iſt unterwaͤrts mit großen gefiederten Blaͤt-
tern verſehen. Oberwaͤrts, wo die Zweige anfangen, werden
dieſe Blaͤtter kleiner. Die Zweige ſelbſt haben noch kleinere Blaͤt-
ter. Auf ſolche Art wird die Bemerkbarkeit der Blumen durch
keine Blaͤtter geſchwaͤcht. Die Blume iſt eine Tagesblume, und
hat keinen Geruch, aber ein Saftmaal. Denn der blaßblaue
Kronenſaum iſt in der Mitte weiß.
Campanula.
Campanula rotundifolia. Tab. VIII. 3—15. 25.
Tab. XI. 8. 9.
Tab. VIII. 3. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und
Groͤſſe.
4. Dieſelbe, ehe ſie ſich voͤllig aufgeſchloſſen hat.
5. Der Kelch nebſt dem Safthalter.
6. Der Kelch nebſt dem Safthalter im Durchſchnitt. Die
zwey vorderſten Valveln ſind weggeſchnitten, die drey hinterſten
aber ſtehen geblieben. Der oberſte punktirte Theil des Fruchtkno-
tens iſt die Saftdruͤſe.
7. Der Grund der Krone nebſt dem Safthalter von unten
geſehen.
8. Die Saftdruͤſe.
9. Der Griffel und die Staubgefaͤße der in Fig. 4. abgebil-
deten Blume.
Campanula.
10. Die Geſtalt der Antheren dieſer Blume, welche ſie
erhalten, wenn man ein wenig an dieſelben ſtoͤßt.
11. Ein Staubgefaͤß dieſer Blume nebſt der Valvel, auf
welcher es ſitzt, von der aͤußeren Seite.
12. Daſſelbe von der inneren Seite.
13. Der Griffel und die Staubgefaͤße der in Fig. 3. ab-
gebildeten Blume.
15. Der Griffel und die Staubgefaͤße einer etwas aͤlteren
Blume. Der Griffel ſaͤngt an, ſich am Ende in drey Stuͤcke
zu theilen, oder das Stigma faͤngt an, ſich zu zeigen.
14. Der Griffel in dieſem Zuſtande von unten geſehen,
oder das Stigma.
25. Der Griffel, nachdem er dieſe Theilung vollendet hat.
Tab. XI. 8. Die Samenkapſel der Campanula rotun-
difolia.
9. Die Samenkapſel der Campanula patula.
1. Die Saftdruͤſe iſt der oberſte flache fuͤnfſeitige glatte gelbe
Theil des Fruchtknotens.
2. Der Saft iſt in dem Raum zwiſchen der Saftdruͤſe und
der, inwendig glatten, Saftdecke befindlich.
3. Die Saftdecke ſind die fuͤnf dreyeckichten Valveln, welche
mit ihrer Baſis die Saftdruͤſe umgeben, auf ihrer Spitze aber
die Filamente tragen. Sie ſchließen mit ihren haarichten Raͤn-
dern dicht an einander, und mit der Spitze an den Griffel. Es
kann alſo kein Regentropfen in den Safthalter hineindringen;
Inſekten aber koͤnnen die Valveln leicht zuruͤckbiegen, und ſo zum
Saft gelangen. Da uͤberdies die Blume herabhaͤngt, ſo kann
kein Regentropfen in den Grund der Krone leicht kommen.
4. Die Krone iſt blau, die Saftdecke aber weiß, folglich
zugleich das Saftmaal.
5. Daß dieſe Blume keinesweges auf eine mechaniſche Art,
ſondern durch Inſekten befruchtet wird, und zwar alſo, daß dieſe
den Staub der juͤngeren Blumen auf das Stigma der aͤlteren
bringen, erhellet aus Folgendem. Ehe die Blume ſich voͤllig ge-
oͤffnet hat, liegen die Antheren mit ihrer inneren ſtaubichten
Seite dicht an dem oberſten dickeren und mit kurzen Haaren oder
Borſten dicht beſetzten Theil des Griffels. Sie ſind folglich, ſo
wie der Griffel, grade, haben aber ſchon eine Neigung, ſich zu
kruͤmmen. Denn wenn man ſie ein wenig vom Griffel abſtoͤßt,
ſo kruͤmmen ſie ſich wirklich. In dieſem Zuſtande hat die Blume
noch keinen Saft. Nachdem ſich dieſelbe voͤllig geoͤffnet hat, ſo
ſind die Antheren vom Griffel entfernt, krumm, ſtaublos und
welk; der oberſte haarichte Theil des Griffels hingegen iſt mit dem
grauen Staube derſelben ganz bedeckt. Daß der Griffel den An-
theren ihren Staub nimmt, und denſelben ſich zueignet, geſchieht
[[68]]
Campanula.
vermuthlich alſo, daß in dem vorhergehenden Zuſtande der
Blume der Griffel waͤchſt, oder die Filamente ſchon anfangen
einzuſchrumpfen und kuͤrzer zu werden, oder daß beides geſchieht,
da denn der wie eine Buͤrſte geſtaltete oberſte Theil des Grif-
fels den Staub der dicht anliegenden Antheren rein abbuͤrſten
muß. Nun faͤngt die Saftdruͤſe an, den Saft abzuſondern.
Wenn groͤſſere Inſekten dieſen Saft abholen wollen, ſo muͤſſen
ſie nothwendig den Staub vom Griffel abſtreifen, koͤnnen aber
denſelben nicht auf das Stigma bringen, weil noch kein Stigma
da iſt. Denn das Stigma iſt die innere Seite der drey Stuͤcke,
in welche ſich der Griffel erſt in der Folge theilet; jetzt liegen
dieſe Stuͤcke noch dicht an einander, und ſcheinen Ein Stuͤck
zu ſeyn. Wann die Blume noch aͤlter geworden iſt, ſo ſind
die Staubgefaͤße vollends ganz eingeſchrumpft und verwelkt,
und befinden ſich im Grunde der Krone; der Griffel aber hat
ſich am Ende in drey Theile getheilt, welche ſich auswaͤrts
herumkruͤmmen. Die aͤußere Seite derſelben iſt, wie der ganze
Griffel, blaßblau, die innere aber weiß, aber auch, wie die
aͤußere mit kurzen Haaren dicht uͤberzogen. Kriecht nun ein
Inſekt, welches vorher eine juͤngere Blume beſucht hat, in
eine aͤltere hinein, ſo muß es nothwendig den aus jener mit-
gebrachten Staub auf das Stigma dieſer bringen, folglich die
aͤltere mit dem Staube der juͤngeren befruchten.
Die eigentliche Saftdruͤſe hat Linné entweder nicht ge-
ſehen, oder nicht dafuͤr gehalten, indem er die Valveln das
Nectarium nennt. Er, oder einer von ſeinen Schuͤlern, ſagt
in der Diſſertation: De nectario florum, daß die Valveln
deswegen dicht zuſammenſchließen, damit der Saft nicht ver-
duͤnſte. Daß dieſe Erklaͤrung unrichtig ſey, werde ich bey dem
Phyteuma montanum beweiſen. In der Diſſertation: Spon-
ſalia plantarum ſagt Er, oder Wahlboom, der Staub
werde, von den Seiten des haarichten Griffels durch gewiſſe
Kanaͤle auf das Stigma gebracht (folglich die Blume auf eine
mechaniſche Art befruchtet). Allein dieſe Kanaͤle hat er nicht
geſehen, ſondern erdacht.
Warum die Antheren ſich in dieſer Blume noch eher oͤff-
nen, als dieſelbe voͤllig aufgebrochen iſt, da ſie gewoͤhnlich ſol-
ches nach der voͤlligen Entwickelung und Oeffnung der Blumen
zu thun pflegen, iſt nicht ſchwer einzuſehen. Die Inſekten
ſollen den Staub von dem oberſten Theil des Griffels abſtrei-
fen, und dieſer mit dem Staube der Antheren bedeckte Theil
des Griffels thut hier eben die Dienſte, welche in andern
Blumen die mit ihrem Staube verſehenen Antheren leiſten.
So wie nun die Antheren in anderen Blumen, ſobald ſich
dieſelben geoͤffnet haben, ſich auch zu oͤffuen, und ihren Staub
Campanula.
zu zeigen pflegen: eben ſo mußte auch hier der oberſte Theil
des Griffels gleich nach der Oeffnung der Blume mit Staube
bedeckt ſeyn. Folglich mußten die Antheren ſchon vor dieſer
Oeffnung ſich oͤffnen, und ihren Staub demſelben mittheilen.
Warum die Staubgefaͤße, ſobald ſie ihren Staub dem
Griffel uͤberlaſſen haben, ſich von demſelben entfernen, ſich
kruͤmmen, und zuletzt ganz verwelkt einen kleinen Raum im
Grunde der Krone einnehmen, iſt eben ſo leicht zu begreifen.
Blieben ſie ſo ſtehen, wie in Fig. 9., ſo wuͤrde die Befruch-
tung nicht vor ſich gehen koͤnnen. Denn die hineinkriechenden
Inſekten wuͤrden alsdenn die aͤußere ſtaubloſe Seite der An-
theren beruͤhren, und der am oberſten Theil des Griffels
ſitzende Staub wuͤrde von ihnen nicht abgeſtreift werden koͤn-
nen. Entfernten ſie ſich zwar vom Griffel, blieben aber ſteif,
ſo koͤnnte ein Inſekt leicht zwiſchen ihnen und der Krone
hineinkriechen. Alsdenn wuͤrde es die Antheren an den Grif-
fel andruͤcken, und dadurch ſich ſelbſt verhindern, den Staub
vom Griffel rein abzuſtreifen. Nach der von der Natur ge-
machten Einrichtung aber verurſachen die Staubgefaͤße im
Grunde der Krone kein Hinderniß, da nicht der unterſte, ſon-
dern der oberſte Theil des Griffels mit Staub bedeckt iſt, und
die hineinkriechenden Inſekten koͤnnen alſo den Staub vom
oberſten Theil des Griffels rein abſtreifen.
Ich habe bisher noch keine Inſekten in der Blume angetroffen,
ausgenommen Blaſenfuͤße. Dieſe aber koͤnnen dieſelbe ſchwer-
lich befruchten, ſondern es muß von einem groͤſſeren Inſekt
geſchehen.
Die Samenkapſel der Campanula rotundifolia hat die
Loͤcher, aus welchen die Samenkoͤrner herausfallen, an der
Baſis; bey der Campanula patula hingegen ſind dieſe Loͤcher
am Gipfel der Samenkapſel befindlich. Die Abſicht dieſer
verſchiedenen Einrichtung laͤßt ſich leicht entdecken. Aus beiden
ſollen die Samenkoͤrner nicht von ſelbſt herausfallen, ſondern
durch den Wind herausgeworfen, und weit verſtreuet werden.
Die Loͤcher mußten folglich nicht unterwaͤrts, ſondern ober-
waͤrts angebracht werden, folglich bey der erſtern an der Baſis,
da ſie eben ſo, wie die Blume herabhaͤngt, bey der letztern
aber am Gipfel, da ſie aufrecht ſteht.
Campanula patula, glomerata und latifolia
haben eine aͤhnliche Einrichtung, aber eine aufrechte Stellung.
Da nun die Krone der letzten ſehr groß iſt, ſo iſt ſie inwendig
mit langer Wolle uͤberzogen, damit die hineingefallenen Re-
gentropfen nur ſchwach an derſelben haften, und vom Winde
leicht wieder herausgeworfen werden koͤnnen. In der erſten
habe ich viel Blaſenfuͤße, beſonders gelbe, angetroffen.
Cam-
[[69]]
Campanula. Phyteuma.
Campanula ſpeculum. Dieſe Blume wird von gel-
ben Blaſenfuͤßen beſucht, deren viele ich grade da fand, wo die
Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter ſeyn muß, nemlich im
Grunde derſelben zwiſchen dem Griffel und den Filamenten, ob
gleich dieſer Zwiſchenraum ſehr ſchmal iſt, ich auch daſelbſt keinen
Saft gefunden habe. Daß dieſelbe eine Saftblume iſt, ſchließe
ich theils aus der Analogie, ob ſie gleich keine ſolche Saftdecke
hat, als die vorhergehenden Arten, theils aus ihrem ſchoͤnen
Saftmaal. Denn die violette Krone iſt in der Mitte blaßgelb.
Die Antheren ſetzen ihren Staub auf den Griffel ab, wie in den
vorhergehenden Arten.
Phyteuma.
Phyteuma ſpicatum. Waldrapunzel. Tab. IV. 2.
6—8. 12.
6. Die Blume im erſten Zuſtande.
7. Dieſelbe im zweyten Zuſtande.
8. Dieſelbe im dritten Zuſtande. Alledrey Figuren ſind gleich
ſtark vergroͤſſert.
12. Die Blume von oben geſehen, nachdem der Griffel weg-
geſchnitten worden.
2. Die vorhergehende Figur, nachdem drey von den fuͤnf
Valveln, welche die Filamente tragen, weggeſchnitten worden,
wodurch der groͤßte (punktirte) Theil der Saftdruͤſe zum Vorſchein
gekommen iſt.
Dieſe Blume hat in ihrer Einrichtung viel Aehnlichkeit mit
der Campanula.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der oberſte
glatte gruͤne Theil des Fruchtknotens.
3. Der Saft iſt vor dem Regen voͤllig geſichert. Die Val-
veln oder Schuppen, welche die Filamente tragen, liegen zwar
weder dicht an einander, noch dicht am Griffel; aber ſie ſind
theils an den Raͤndern, theils auf dem oberſten Theil der inneren
Seite mit Haaren verſehen. Selbſt die Kronenblaͤtter, welche
mit ihrer breiten Baſis die Zwiſchenraͤume zwiſchen den Raͤndern
der Schuppen etwas verſchließen, tragen zur Erreichung dieſer
Abſicht das Ihrige bey.
4. Die Kronenblaͤtter ſind weiß, und oberwaͤrts ganz ſchwach
gruͤnlich. Da ſie nun zwar lang genug, aber außerordentlich
ſchmal ſind, ſo wuͤrden die Blumen, wenn ſie einzeln ſtuͤnden,
von den Inſekten nicht ſonderlich wahrgenommen werden koͤnnen.
Da ſie aber eine ſehr dichte Aehre bilden, ſo fallen ſie zuſammen-
genommen dennoch den Inſekten ſchon in einiger Entfernung in
die Augen. Eben dieſe Inflorescenz iſt auch die Urſache der ab-
weichenden Struktur dieſer Blume, inſofern man ſich dieſelbe als
Phyteuma.
eine Campanula vorſtellt. Außer der großen Anzahl von Kam-
panulen, welche einzeln ſtehen, und eben deswegen eine anſehn-
liche und wenig getheilte Krone haben, wollte die Natur auch
einige Arten hervorbringen, welche dicht bey einander ſtuͤnden.
Dieſe konnten nun nicht eine ſolche Krone erhalten, als jene ha-
ben, weil es dazu an Raum fehlt, ſondern eine ſolche, welche aus
zwar langen, aber ſehr ſchmalen Blaͤttern oder Einſchnitten be-
ſteht. Dies gilt von dieſer und den uͤbrigen Arten des Phyteuma,
wie auch von der Jaſione montana, welche, wie ich bald bewei-
ſen werde, ein Phyteuma iſt. Das einzige Phyteuma pinnatum,
welches ich nicht kenne, ſcheint, nach der Linnéiſchen Beſchrei-
bung zu urtheilen, hievon eine Ausnahme zu machen.
Wann die Blume in dem erſten Zuſtande iſt, ſo ſcheinen die
Kronenblaͤtter ein einziges roͤhrenfoͤrmiges Blatt auszumachen,
indem ſie dicht zuſammenſchließen. Die Roͤhre umgiebt die
Staubgefaͤße ſehr enge, und druͤckt die Antheren, welche den
oberſten Theil des Griffels umgeben, dicht an denſelben. Iſt
die Blume noch ſehr jung, ſo ſind die Antheren noch geſchloſſen,
und zeigen noch keinen Staub. Sie oͤffnen ſich aber, wann die
Blume ſich dem zweyten Zuſtande naͤhert. Dieſer zweyte Zuſtand
beginnet damit, daß die Kronenblaͤtter ſich an der Baſis von ein-
ander begeben. Sobald dies geſchieht, ſo kruͤmmen ſich auch die
Filamente abwaͤrts, ſo daß ſie durch die Zwiſchenraͤume, welche
die Kronenblaͤtter erhalten haben, heraustreten. Sie ziehen
folglich die Antheren aus dem oberſten noch zuſammenhangenden
Theil der Krone heraus, aber ohne den geringſten Theil des
Staubes, welcher vielmehr zwiſchen dem ſo eben genannten Theil
der Krone und dem oberſten Theil des Griffels zuruͤck bleibt. Eben
deswegen, damit dieſes deſto leichter geſchehe, ſind die Antheren,
nachdem ſie ſich geoͤffnet haben, ungemein duͤnne, da ſie vorher
weit dicker waren. Weil nun die Krone anfaͤngt ſich unterwaͤrts
zu erweitern, ſo muß ſie auch anfangen ſich zu verkuͤrzen, da im
Gegentheil der Griffel anfaͤngt ſich zu verlaͤngern. Folglich muß
der Griffel das Ende des oberſten zuſammenhangenden Theils der
Krone oͤffnen, und aus demſelben zum Vorſchein kommen. Er
koͤmmt aber mit Staub bedeckt zum Vorſchein. Weil er nemlich
oberwaͤrts, ſo weit er vorher von den Antheren umgeben wurde,
mit kurzen Haaren dicht beſetzt iſt, ſo muß er den in dem oberſten
zuſammenhangenden Theil der Krone befindlichen Staub gleich-
ſam abbuͤrſten, und mit ſich nehmen. Auf ſolche Art faͤhrt die
Krone fort ſich immer mehr zu oͤffnen, der Griffel aber ſich im-
mer mehr zu verlaͤngern. Indeſſen hat er noch kein Stigma.
Wann nun ein groͤſſeres Inſekt die Blume in dieſem Zuſtande be-
ſucht, ſo kann es, obgleich dieſelbe ſich noch nicht voͤllig geoͤffnet
hat, dennoch leicht zum Saft gelangen. Alsdenn beruͤhrt es mit
H
[[70]]
Phyteuma.
einem Theil ſeines Koͤrpers den oberſten Theil des Griffels, und
ſtreift den Staub von demſelben ab. Hievon aber hat die Blume
keinen Nutzen, weil ſie noch kein Stigma hat. Der dritte Zu
ſtand der Blume faͤngt damit an, daß das zwey- oder dreylap-
pichte Stigma anfaͤngt ſich von einander zu begeben. Alsdenn
pflegen auch die Kronenblaͤtter ſich gaͤnzlich von einander zu tren-
nen. Wann nun ein Inſekt die Blume in dieſem Zuſtande be-
ſucht, ſo kann es zwar von dem oberſten Theil des Griffels keinen
Staub abſtreifen, weil derſelbe im zweyten Zuſtande der Blume
ſchon von anderen Inſekten ſeines Staubes beraubt worden iſt;
es beruͤhrt aber das Stigma mit eben demjenigen Theil ſeines
Koͤrpers, mit welchem es vorher den Staub vom oberſten Theil
des Griffels einer im zweyten Zuſtande befindlichen Blume abge-
ſtreift hat, ſetzt einen Theil deſſelben auf daſſelbe ab, und be-
fruchtet auf ſolche Art dieſe aͤltere Blume mit dem Staube einer
juͤngeren.
An ihrem natuͤrlichen Standort die Blumen zu beobachten,
habe ich bisher noch keine Gelegenheit gehabt. Zwey Pflanzen,
welche ich in meinen Garten verſetzt hatte, bluͤheten im letzver-
gangenen Sommer; ich habe aber keine Inſekten auf ihren Blu-
men angetroffen.
Phyteuma montanum, d. i., Jaſione montana
L. Schafrapunzel. Tab. X. 18—24. 34.
18. Die Blume im erſten Zuſtande.
19. Dieſelbe, nachdem die Krone weggeſchnitten worden.
20. Die Blume im Anfange des zweyten Zuſtandes.
23. Dieſelbe im zweyten Zuſtande. Die Krone, welche ſich
nun ſchon geoͤffnet hat, iſt weggeſchnitten worden.
21. Die Blume im dritten Zuſtande.
22. Dieſelbe, nachdem die Krone weggeſchnitten worden.
Der oberſte dickere Theil des Griffels iſt noch mit Staub bedeckt;
das Stigma hingegen hat keinen Staub. Beides koͤmmt daher,
weil dieſe Blume von keinem Inſekt hat beſucht werden koͤnnen,
indem ſie nicht auf dem Felde, ſondern in meinem Hauſe bluͤhete.
34. Der Griffel einer im dritten Zuſtande befindlichen Blu-
me, welche auf dem Felde geſtanden hatte, folglich von Inſekten
beſucht worden war. Dieſe hatten, da die Blume ſich im zwey-
ten Zuſtande befand, den Staub vom oberſten Theil des Griffels
abgeſtreift, und nachher, als ſich die Blume im dritten Zuſtande
befand, das Stigma mit dem aus juͤngeren Blumen geholten
Staube verſehen.
24. Der Fruchtknoten im Durchſchnitt. a b die Saft-
druͤſe.
Daß Linné dieſe Pflanze von derjenigen Gattung, zu
welcher ſie Kaspar Bauhin, Haller, und andere Schrift-
Phyteuma.
ſteller gerechnet haben, getrennet, und zu einer beſondern in ei-
ner ganz andern Klaſſe vorkommenden Gattung gemacht hat,
darin hat er ſich uͤbereilet. Denn 1) ſie gehoͤrt nicht in die Syn-
geneſie, da ihre Antheren nicht der ganzen Laͤnge nach zuſammen-
gewachſen ſind, ſondern die Staubgeſaͤße in der Mitte zwiſchen
den Filamenten und den Antheren nur einen ſchmalen Ring bil-
den. Ein Anfaͤnger wird alſo eben ſo viel Grund zu haben glau-
ben, ſie in der Monadelphie, als in der Syngeneſie, aufzuſu-
chen, oder vielmehr, er wird ſie in keiner von beiden Klaſſen auf-
ſuchen. 2) Das ganze aͤußere Anſehen der Pflanze zeigt, daß
ſie ein Phyteuma iſt. Man vergleiche ſie z. B. mit dem Phy-
teuma hemiſphaericum. Die Blumenblaͤtter (bracteae), wel-
che bey beiden unten am Blumenknauf ſitzen, hat Liané bey
der Jaſione zum aͤußern Kelch gemacht, beym Phyteuma hinge-
gen, als nicht zur Blume ſelbſt gehoͤrig, welches auch ganz rich-
tig iſt, gar nicht angefuͤhrt. 3) Haͤtte Linné gewußt, warum
die Staubgefaͤße in der Mitte zuſammengewachſen ſind, ſo wuͤrde
es ihm nicht einmal eingefallen ſeyn, dieſes Umſtands wegen jene
Aenderung vorzunehmen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der oberſte Theil des Fruchtknotens.
2. Der Saft befindet ſich auf der Saftdruͤſe, welche von
dem ſchmalen Rande des Kelchs umgeben wird, Fig. 24., damit
er nicht herabfließe. Valveln oder Schuppen konnten hier nicht,
wie bey dem Phyteuma ſpicatum, angebracht werden, weil die
Blume zu klein iſt. Weil aber dieſe Valveln zugleich zur Saft-
decke dienen, ſo mußte hier, in Ermangelung derſelben, zur Be-
ſchuͤtzung des Safts vor dem Regen eine andere Einrichtung ge-
troffen werden, welche darin beſteht, daß
3. die Staubgefaͤße in der Mitte zuſammengewachſen ſind.
Auf ſolche Art dienen ſowohl die ſtaubloſen Antheren, als auch
die Filamente zur Saftdecke. Denn wenn ein Regentropfen auf
den Griffel faͤllt, und an demſelben hinabfließt, ſo muß er in dem
Winkel, welchen die Antheren bilden, ſtehen bleiben. Faͤllt er
aber auf die Filamente, oder faͤllt er auf ein Kronenblatt, und
fließt auf demſelben hinab bis zu den Filamenten, ſo kann er
durch die ſehr kleinen Zwiſchenraͤume derſelben nicht hindurchdrin-
gen. Folglich iſt der Saft vor dem Regen wohl verwahrt.
4. Eine einzelne Blume iſt zwar ſehr klein, und wuͤrde, ob-
gleich ihre Kronenblaͤtter lang ſind, ſich den Inſekten nicht ſon-
derlich bemerkbar machen. Da aber ungefaͤhr ſiebenzig Blumen
Einen Knauf bilden, und viele von denſelben jederzeit zugleich
bluͤhen, dieſer Knauf auch auf einem langen und meiſt aufrecht-
ſtehenden Zweige oder Stiel ſitzt: ſo fallen die Blumen den In-
ſekten ſchon in einiger Entfernung in die Augen.
[[71]]
Phyteuma.
5. Die Blume befindet ſich eben ſo, wie Phyteuma ſpica-
tum, in drey verſchiedenen Zuſtaͤnden. Im erſten iſt die Krone
noch geſchloſſen, und der oberſte mit kurzen Haaren dicht uͤber-
zogene Theil des Griffels wird von den an ihm anliegenden An-
theren beſtaͤubt. Derſelbe iſt blaßblau; nachdem er aber beſtaͤubt
worden iſt, ſieht er fleiſchfarben aus, weil der Staub dieſe Farbe
hat. Der Ring, in welchen die Staubgeſaͤße in der Mitte zu-
ſammengewachſen ſind, befoͤrdert die Beſtaͤubung des oberſten
Theils des Griffels, indem er verurſacht, daß die Antheren dicht
auf demſelben anliegen, welches ohne ſeine Beyhuͤlfe nicht ge-
ſchehen wuͤrde, da die Filamente ſehr duͤnne ſind. Nachdem die
Antheren ihren Staub auf den oberſten Theil des Griffels abge-
ſetzt haben, ſo werden ſie weiß, und breiten ſich von einander.
Hierauf faͤngt der zweyte Zuſtand der Blume an, indem die
Krone ſich oͤffnet, und der Griffel ſich anſehnlich verlaͤngert. Letz-
teres iſt ſchon deswegen noͤthig, weil der oberſte Theil des Grif-
fels, wenn er zwiſchen den Antheren bliebe, von einem in dem
Winkel derſelben ſitzenden Regentropfen leicht ſeines Staubes be-
raubt, oder der Staub verdorben werden wuͤrde. In den drit-
ten Zuſtand koͤmmt die Blume alsdenn, wann ſich der oberſte
Theil des Griffels nach und nach in zwey Lappen theilet, deren
innere Seite, als das eigentliche Stigma, weiß und mit Haaren
uͤberzogen iſt.
Daß nun die Befruchtung der Blume bloß durch Inſekten
geſchieht, und zwar ſo, daß dieſelben den Staub der juͤngeren
oder im zweyten Zuſtande befindlichen Blumen auf das Stigma
der aͤlteren oder im dritten Zuſtande befindlichen Blumen ſchlep-
pen, davon kann man ſich durch die Erfahrung leicht uͤberzeugen.
Man ſtelle nemlich einen vom Felde mitgebrachten mit Blumen-
knaͤufen verſehenen Stengel, nachdem man vorher alle aufge-
brochene Blumen weggeſchnitten hat, in einem Zimmer, wo
keine Inſekten ſind, ins Waſſer. Nach einigen Tagen wird man
finden, daß verſchiedene von den hier aufgebrochenen Blumen ſich
im dritten Zuſtande befinden, zugleich aber, daß der oberſte Theil
des Griffels noch ſeinen ganzen Staubvorrath hat, daß hingegen
auf dem weißen Stigma kein Koͤrnchen des fleiſchfarbnen Stau-
bes befindlich iſt. Beſieht man hingegen aͤltere Blumen, welche
man bey ſchoͤnem Wetter auf dem Felde gefunden hat: ſo wird
man den oberſten Theil des Griffels ohne Staub, das Stigma
hingegen beſtaͤubt finden.
Was ich an ſolchen in meinem Hauſe aufgebluͤheten Blumen
bemerkt habe, habe ich heute, da ich dieſes zum Druck abſchreibe,
(am 21. Oktober) auf dem Felde an der Campanula rotundifolia
bemerkt. Ich ging nemlich ſpatzieren, und fand in der Heide
noch einige Blumen dieſer Art. Sie befanden ſich im dritten Zu-
Phyteuma. Rondeletia. Portlandia.
ſtande, und hatten ein voͤllig geoͤffnetes Stigma. Der oberſte
Theil des Griffels hatte noch ſeinen ganzen Staubvorrath, und
auf dem Stigma war nicht Ein Koͤrnchen Staubes. Die Urſache
hievon iſt leicht einzuſehen. Bey der jetzigen Jahreszeit fliegen
keine Inſekten mehr, oder nur noch ſehr wenige auf Nahrung aus.
Folglich ſind dieſe Blumen von keinem Inſekt beſucht worden.
Alſo konnte der oberſte Theil des Griffels ſeinen Staub nicht ver-
lieren, und das Stigma keinen Staub erhalten.
Da nun die bey dieſem Phyteuma getroffne Anſtalt, daß
die Staubgefaͤße in der Mitte zuſammengewachſen ſind, dazu
dienet, daß der Saft vor dem Regen geſchuͤtzt werde, keineswe-
ges aber dazu, daß derſelbe nicht verduͤnſte, indem die Zwiſchen-
raͤume der Filamente zwar klein genug ſind, um keinen Regen-
tropfen durchzulaſſen, aber nicht ſo klein, daß ſie das Verduͤnſten
des Safts ſollten verhindern koͤnnen: ſo folgt aus der nahen Ver-
wandtſchaft dieſer Blume mit der Campanula, was ich oben be-
hauptet habe, daß die Valveln der letzteren keinesweges, wie
Linné oder einer von ſeinen Schuͤlern geglaubt hat, die Ver-
duͤnſtung des Safts verhindern ſollen.
Rondeletia.
Rondeletia odorata. Jacqu. Amer. p. 59.
1. Die Saftdruͤſe muß man bey dem Fruchtknoten ſuchen.
2. Den Saft wird man im Grunde der Kronenroͤhre finden.
3. Die Saftdecke iſt der dicke Rand, weicher die Oeffnung
der Kronenroͤhre umgiebt. Derſelbe macht dieſe Oeffnung enger,
und verhindert, daß Regentropfen, welche an dem Kronenſaum
haften, in die Kronenroͤhre hineinfließen.
4. Der Kronenſaum iſt mennigfarben, die Saftdecke aber
pomeranzenfarben, alſo zugleich das Saftmaal. Auch hat die
Blume einen ſehr angenehmen Veilchengeruch.
Portlandia.
Portlandia grandiflora. Jacqu. Amer. p. 62.
1. Die Saftdruͤſe muß oben am Fruchtknoten befindlich ſeyn,
woſelbſt, oder im Grunde der Kronenroͤhre man auch
2. den Saft finden wird.
3. Der Grund der Kronenroͤhre wird durch die an der Baſis
haarichten Filamente und den Griffel gaͤnzlich vor dem Regen ver-
ſchloſſen.
4. Die Blume riecht bey Tage gar nicht, hingegen des Nachts
duftet ſie einen hoͤchſt angenehmen und erquickenden Geruch aus.
Sie iſt folglich eine Nachtblume. Damit ſie nun von den Nacht-
inſekten ſchon von weitem leicht bemerkt werde, ſo iſt ſie 1) außer-
H 2
[[72]]
Portlandia. Chiococca. Hamelia. Muſſaenda.
ordentlich lang, nemlich einen halben Fuß, und hat 2) eine weiße
Krone.
Portlandia hexandra hat eine gleiche Einrichtung.
Die kugelfoͤrmige Baſis der Kronenroͤhre iſt der Safthalter. Ue-
ber derſelben wird die Kronenroͤhre enger, und von den Filamen-
ten und dem Griffel genau verſchloſſen. Die Saftdecke.
Chiococca.
Chiococca nocturna. Jacqu. Amer. p. 68.
Auch dieſe Blume iſt eine Nachtblume. Denn ſie hat bey
Tage keinen, des Nachts aber einen vortrefflichen Geruch. Da-
her hat ſie auch eine weiße Krone.
Hamelia.
Hamelia erecta, und H. patens. Jacqu. Amer.
p. 71.
1. Die Saftdruͤſe iſt der auf dem Fruchtknoten ſitzende kegel-
foͤrmige Koͤrper. Derſelbe bleibt, nachdem die Blume verbluͤhet
iſt, ſitzen, wirft aber den Griffel ab. Dieſes ſchließe ich aus dem
Carduus, dem Silphium und andern Syngeneſiſten, bey welchen
eben dieſe Einrichtung Statt findet.
2. Der Safthalter iſt der unterſte weitere Theil der Kro-
nenroͤhre.
3. Ueber dem Safthalter iſt die Kronenroͤhre enger, und
muß daſelbſt von den Filamenten und dem Griffel ziemlich ausge-
fuͤllt werden, ſo daß kein Regentropfen hindurchfließen kann.
Weiter hinauf erweitert ſie ſich wieder.
Muſſaenda.
Muſſaenda formoſa und M. ſpinoſa. Jacqu.
Amer. p. 70.
Beide Arten ſind Nachtblumen, und haben deswegen, außer
dem vortrefflichen Geruch, einen ſchneeweißen, aber mit keinem
Saftmaal gezierten Kronenſaum. Der Herr Verfaſſer ruͤhmt
beſonders die erſte. Er ſagt, der ſonſt unanſehnliche Strauch ge-
waͤhre, wann er bluͤhet, zur Nachtzeit das ſchoͤnſte Schauſpiel. Er
ſey alsdenn mit den Kronenſaͤumen, wie mit Sternen, bedeckt,
weil man die ſehr langen Kronenroͤhren, da ſie gruͤn ſind, nicht
ſehen koͤnne. Da aber dieſes Schauſpiel ſeine naͤchſte Beziehung
auf die Nachtinſekten hat, ſo ſind die Blumen wahrſcheinlich
Saftblumen.
Lonicera. Mirabilis.
Lonicera.
Lonicera Xyloſteum.
1. 2. Die Kronenroͤhre hat vorne an der Baſis einen Hoͤcker.
Derſelbe iſt fleiſchicht und inwendig glatt, und ſondert den Saft
ab, welchen er auch enthaͤlt.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dienen die
Haare, womit die Kronenroͤhre, die Filamente und der Griffel
uͤberzogen ſind.
Lonicera Caprifolium. Der Grund der Kronen-
roͤhre iſt die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter. Weil die
Kronenroͤhre ſehr lang und enge iſt, ſo kann kein Regentropfen
in den Grund derſelben hineindringen. Weil alſo keine Haare
noͤthig ſind, ſo ſind auch keine da.
Mirabilis.
Mirabilis longiflora. Tab. VIII. 16—23.
16. Der vergroͤſſerte Kelch in natuͤrlicher Stellung.
17. a. Die junge Nuß, deren Schale oben offen, mit dem
Rande aber an die Kronenroͤhre angewachſen iſt. b. Der un-
terſte Theil der Kronenroͤhre.
18. Die junge Nuß nebſt dem unterſten Theil der Kronen-
roͤhre, der Laͤnge nach aufgeſchnitten, und von einander gebreitet.
In der einen Haͤlfte der Fruchtknoten nebſt dem unterſten Theil
des Griffels. In beiden Haͤlften die (punktirte) Saftdruͤſe, welche
die Filamente traͤgt.
19. Die halbe Saftdruͤſe von außen.
20. Dieſelbe von innen.
21. Die junge befruchtete Nuß, welche, nachdem ſie die
Krone, die Staubgefaͤße und den Griffel abgeworfen, ſich oben
geſchloſſen hat.
22. Dieſelbe im Durchſchnitt.
23. Die reife Nuß im Durchſchnitt, ohne den Kern. Im
Grunde derſelben die vormalige Saftdruͤſe.
Linné ſchreibt der Gattung einen fuͤnfblaͤtterichten Kelch zu;
bey dieſer Art aber beſteht der Kelch aus Einem fuͤnfmal einge-
ſchnittenen Blatt. Fuͤr die Saftdruͤſe hat er irrigerweiſe die
junge Nußſchal gehalten. Ferner ſagt er, die Filamente ſeyen
an die Kronenroͤhre angewachſen. Auch dies iſt unrichtig. Denn
ſie ſchmiegen ſich zwar dicht an dieſelbe an; man kann ſie aber
von derſelben abziehen, ohne ſie zu zerreißen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der in der jungen Nuß befindliche
fleiſch[i]chte glatte Ring, aus welchem die Filamente entſtehen.
Derſelbe iſt gelb, da der Fruchtknoten und die junge Nußſchale
gruͤn ſind.
[[73]]
Mirabilis. Verbaſcum.
2. Der Raum zwiſchen dem Fruchtknoten und der Saftdruͤſe
iſt voller Saft.
3. Daß durch die ſehr lange und enge Kronenroͤhre, in
welcher ſich uͤberdies die Filamente und der Griffel befinden, kein
Regentropfen hindurch dringen koͤnne, verſteht ſich von ſelbſt.
Eben deswegen iſt dieſelbe auch nicht mit Haaren uͤberzogen.
4. Der Kronenſaum iſt weiß, in der Mitte aber mit einem
violetten fuͤnfeckichten Stern geziert, welcher das Saftmaal iſt.
Die Blume ſoll beſonders des Nachts einen vortrefflichen Geruch
verbreiten, woraus folgen wuͤrde, daß ſie eine Nachtblume iſt;
aus dem Saftmaal aber ſchließe ich, daß ſie eine Tagesblume iſt.
Verbaſcum.
Verbaſcum Thapſus. Tab. VIII. 24. 26. 27.
24. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe von der
Seite.
26. Dieſelbe von vorne.
Dieſe Blume hat eine anſehnliche Krone, und einen ange-
nehmen, obgleich ſchwachen, Geruch, und die drey oberſten Fi-
lamente ſind mit Haaren, oder eigentlich keulenfoͤrmigen Faͤden,
Fig. 27., beſetzt. Dieſe drey Umſtaͤnde machen es wahrſcheinlich,
daß ſie eine Saftblume ſey. Ich habe aber keine Saftdruͤſe in
[derſelben] gefunden. Denn der Fruchtknoten iſt an der Baſis von
keinem glatten Ring umgeben, und er ſelbſt kann die Saftdruͤſe
nicht ſeyn, weil er nicht kahl, ſondern mit Wolle uͤberzogen iſt.
Eben ſo wenig habe ich eine der Groͤſſe der Blume angemeſſene
Quantitaͤt Saft in derſelben gefunden. Mehrentheils habe ich
nicht die geringſte Spur von Saft, zuweilen in der Kronenroͤhre
einige ſehr kleine Troͤpfchen angetroffen. Dieſe Kronenroͤhre iſt
fleiſchicht und glatt. Iſt ſie alſo die Saftdruͤſe? Und iſt der
Saft etwa fuͤr ſehr kleine Inſekten beſtimmt, welchen er, unge-
achtet ſeiner geringen Quantitaͤt, hinlaͤngliche Nahrung zu liefern
im Standeiſt? Die Blume wird von Bienen beſucht, welche ich
Staub aus derſelben habe ſammlen ſehen. Die zinnoberrothen
Staubballen auf ihren Hinterbeinen waren ſehr leicht zu er-
kennen.
Verbaſcum Blattaria. Tab. VIII. 28.
Bey dieſer Art ſind nicht nur die drey oberſten, ſondern auch
die beiden unterſten Filamente mit Haaren beſetzt; auch die Oeff-
nung der Kronenroͤhre iſt mit Haaren uͤberzogen, da ſie bey der
vorhergehenden kahl iſt Beides laͤßt ſich, wenn die Blume Saft
enthaͤlt, daher erklaͤren, daß die Krone weit flacher iſt, als bey
der erſten Art. Dennoch habe ich auch in dieſer keinen Saft ge-
funden. Der Fruchtknoten iſt mit glaͤnzenden Punkten oder Kuͤ-
gelchen uͤberzogen. Sind dieſe etwa der Saft?
Verbaſcum. Datura.
Verbaſcum nigrum. Tab. V. 21—23.
21. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
22. Der mittelſte Theil der Krone. Der unterſte Theil der
Filamente. Das (punktirte) Saftmaal.
23. Zwey Fuͤnſtheile der Krone, der Staubgefaͤße und des
Saftmaals.
Die Krone iſt gelb, und hat in der Mitte fuͤnf kaſtanien-
braune Flecken. Alle Filamente ſind mit Haaren uͤberzogen, da
die Krone, wie bey der zweyten Art, flach iſt; und dieſe Haare
ſind purpurfarben. Die Blume hat alſo ein Saftmaal, und iſt
folglich eine Tagesblume, wie ſie denn auch des Morgens auf-
bricht. Demungeachtet habe ich keinen Saft in derſelben gefun-
den. Auch hier iſt der Fruchtknoten mit ſeiner Wolle uͤberzogen,
weswegen er nicht die Saftdruͤſe ſeyn kann.
Verbaſcum phoeniceum. Bey dieſer Art iſt der
Fruchtknoten an der Baſis mit einem duͤnnen weißen Ring ver-
ſehen, unter welchem ein anderer, brauner, Ring befindlich iſt,
welcher die Krone traͤgt. Jener ſcheint die Saftdruͤſe zu ſeyn.
In den wenigen Blumen, welche ich bey ſpaͤter Jahreszeit zu
unterſuchen Gelegenheit hatte, habe ich keinen Saft gefunden.
Uebrigens haben die Blumen aller vier Arten eine horizontale
Stellung, da ſie eine aufrechtſtehende Aehre bilden, und ſind des-
wegen irregulaͤr.
Auch Gleditſch hat im Verbaſcum Thapſus, nigrum
und Lychnitis keinen Saft gefunden, S. 186.; Kruͤnitz hin-
gegen ſagt, S. 668., daß das Verbaſcum den Bienen Honig
liefert.
Datura.
Datura Stramonium. Stechapfel. Tab. VIII.
29—34.
29. Der im aufgeſchnittenen und umgeſchlagenen Kelch
ſitzende Fruchtknoten. An ſeiner Baſis die (punktirte) Saft-
druͤſe.
30. Die mit den Filamenten zuſammengewachſene Kronen-
roͤhre, aufgeſchnitten und flach ausgebreitet.
31. Ein Filament nebſt dem angewachſenen Stuͤck der Kro-
nenroͤhre von der Seite.
32. Der Durchſchnitt der Blume ohne den Kelch bey a
Fig. 30.
33. Derſelbe bey b, und 34. bey c.
1. Die Saftdruͤſe umgiebt die Baſis des Fruchtknotens. Sie
iſt glatt und weiß, da der Fruchtknoten mit zarten Stacheln be-
H 3
[[74]]
Datura. Hyoſcyamus.
ſetzt und gruͤn iſt. Um dieſelbe herum ſitzt die Kronenroͤhre
ſehr feſt.
2. Der anſehnliche Vorrath von Saft befindet ſich in den
Zwiſchenraͤumen zwiſchen der Kronenroͤhre und den an dieſelbe
angewachſenen Filamenten. Dieſe Zwiſchenraͤume ſind unter-
waͤrts am engſten, Fig. 34., werden aber weiter hinauf allmaͤlig
weiter, Fig. 33. Sie haben eine roͤhrenfoͤrmige Geſtalt, weil
die Filamente hinten, wo ſie an die Kronenroͤhre angewachſen
ſind, ſchmaͤler ſind, und alſo von einander abſtehen, vorne aber
breiter ſind, und einander beruͤhren.
3. Weil die Blume eine nicht voͤllig aufrechte, ſondern et-
was ſchiefe Stellung, und eine lange, und nach Verhaͤltniß der
Laͤnge ziemlich enge Krone hat: ſo iſt die letztere hierdurch ſchon
ziemlich vor dem Regen geſichert. Wenn aber demungeachtet ei-
nige Regentropfen in die Krone hineinfallen, ſo koͤnnen ſie doch
nicht bis zum Saft dringen. Denn die Roͤhren, in welchen der-
ſelbe enthalten iſt, ſind ſo enge, daß die Regentropfen oberwaͤrts
in der Oeffnung derſelben, wo ſich die Filamente von der Kro-
nenroͤhre trennen, ſtehen bleiben muͤſſen. Damit auch in die
mittelſte Roͤhre, welche die Filamente mit ihrer inneren Seite
bilden, Fig. 33. 34., kein Regentropfen komme, oder, wenn er
in den oberſten Theil derſelben gekommen iſt, nicht weiter dringe,
ſo iſt dieſe innere Seite der Filamente mit kurzen in die Hoͤhe ge-
richteten Haaren beſetzt, Fig. 31.
4. Die Blume iſt, wenigſtens hauptſaͤchlich, fuͤr Nachtin-
ſekten beſtimmt. Denn ſie bricht mehrentheils gegen Abend auf,
und noch Abends um zehn Uhr fand ich die Krone geoͤffnet. Des-
wegen iſt die Krone ſehr groß, weiß, und ohne Saftmaal, und
die Blume hat einen Geruch, welcher aber abſcheulich iſt, und
welchen ich des Abends bey friſch aufgebrochnen Blumen ſtark,
ſchwaͤcher aber am Tage bey ſolchen gefunden habe, welche ſchon
Eine Nacht gebluͤhet hatten.
5. Ich habe Blumenkaͤfer und ſchwarze Blaſenfuͤße in den
Blumen angetroffen. In einer Blume fand ich des Abends eine
Spinne in einer ſolchen Stellung, aus welcher ſich ſchließen ließ,
daß ſie darauf laurete, daß ein Inſekt die Blume beſuchen ſollte,
um ſich deſſelben zu bemaͤchtigen.
Hyoſcyamus.
Hyoſcyamus Scopolia. Tab. VIII. 35—38.
35. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
36. 37. Der Fruchtknoten. Die (punktirte) Saftdruͤſe.
38. Die aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Kronenroͤhre,
nebſt dem unterſten Theil der Filamente.
Hyoſcyamus.
1. Die Saftdruͤſe iſt der unterſte glatte und gelbe Theil des
Fruchtknotens, deſſen oberſter Theil gruͤn iſt.
2. Der Saft iſt zwiſchen der Saftdruͤſe und der kurzen Kro-
nenroͤhre, welche jene umgiebt, befindlich. Haͤuft er ſich an, ſo
tritt er in die fuͤnf Oeffnungen oder Loͤcher zwiſchen den Filamen-
ten, wo man ihn, wenn man in die gegen das Sonnenlicht ge-
haltene Krone hineinſieht, in der Geſtalt von fuͤnf Tropfen
erblickt.
3. Der Saft kann ſchlechterdings vom Regen nicht verdor-
ben werden. Denn 1) die Blume haͤngt herab, und hat eine
lange glockenfoͤrmige und ganze Krone. 2) Da die Filamente ſich
an den Griffel ſchmiegen, und an der Baſis mit weichen Haaren
beſetzt ſind, auch die Kronenroͤhre unter dem Safthalter mit der-
gleichen Haaren uͤberzogen iſt: ſo entſtehen dadurch fuͤnf mit wei-
chen Haaren meiſt verſchloßne Oeffnungen, durch welche zwar
ein Inſekt, aber keinesweges ein Regentropfen hindurchdringen
kann.
4. Die Krone iſt auswendig dunkelroth, und mit gelblichen
Streifen geziert, inwendig aber ocherfarben. Alſo iſt ihre ganze
innere Seite das Saftmaal.
Hyoſcyamus niger. Bilſenkraut. Tab. VIII.
39—43. Tab. IX. 1—3.
Tab. VIII. 39. Der vergroͤſſerte Fruchtknoten, deſſen un-
terſter (punktirter) Theil die Saftdruͤſe iſt.
40. Die Samenkapſel in natuͤrlicher Groͤſſe.
41. Die Filamente in natuͤrlicher Stellung.
42. Dieſelben, nachdem die Krone aufgeſchnitten und flach
ausgebreitet worden.
43. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
Tab. IX. 1. Die innere Seite eines Theils der Krone.
2. Die Blume, wenn man in dieſelbe hineinſieht. Im
Grunde der Krone das Saftmaal.
3. Drey etwas vergroͤſſerte Samenkapſeln in natuͤrlicher
Stellung. Die oberſte mit unverſehrtem Kelch; die beiden un-
terſten, nachdem vom Kelch vorne ein Stuͤck weggeſchnitten wor-
den. Auf der mittelſten ſieht man den Deckel, auf der unterſten,
welche den Deckel ſchon aus dem Kelch hinausgeworfen hat, die
oberſten Samenkoͤrner.
1. Die Saftdruͤſe iſt die unterſte Haͤlfte des Fruchtknotens,
welche etwas gelblicher iſt, als die oberſte. Aus jener wird zu-
letzt die Kapſel, aus dieſer derſelben Deckel.
2. Der Safthalter iſt die glatte Kronenroͤhre.
3. 1) Die Blume haͤlt das Mittel zwiſchen horizontalen und
grade herabhangenden Blumen, iſt alſo zu den erſteren zu rech-
nen, und daher irregulaͤr, da im Gegentheil die vorhergehende,
[[75]]
Hyoſcyamus. Nicotiana.
weil ſie grade herabhaͤngt, regulaͤr iſt. Wegen dieſer Stellung
kann nicht leicht ein Regentropfen in die Krone kommen. 2) Die
Filamente, nachdem ſie ſich von der Kronenroͤhre abgeſondert ha-
ben, ſind an der Baſis haaricht, und ſchmiegen ſich an den Grif-
fel. Da nun dieſer nicht mitten zwiſchen der oberſten und unter-
ſten Seite der Krone ſteht, ſondern der unterſten naͤher iſt: ſo
biegen ſich die oberſten Filamente ſtaͤrker, als die unterſten. Auf
ſolche Art entſtehen im Grunde der Krone, nach der oberſten Seite
zu, drey durch Haare verſchloſſene Oeffnungen und Eingaͤnge fuͤr
die Inſekten, durch welche kein Regentropfen hindurch dringen
kann.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Krone iſt in-
wendig blaßgelb, und mit purpurfarbenen netzfoͤrmigen Adern
geziert, im Grunde aber dunkelpurpurfarben.
5. Die Blume wird von Hummeln beſucht.
Uebrigens laͤßt ſich, was von der Stellung der Blumen und
Samenbehaͤltniſſe des Echium vulgare geſagt worden iſt, auch
auf dieſe Pflanze anwenden, und die Abſicht, weshalb die Sa-
menkapſeln aufrecht ſtehen, faͤllt hier noch mehr in die Augen.
Wann die Blume verbluͤhet iſt, ſo wird der Kelch groͤſſer und
ſteif. Die oberſte Haͤlfte deſſelben umgiebt die Oeffnung der
Kapſel in der Geſtalt eines Bechers. Weder der Deckel, nach-
dem er ſich abgeloͤſet hat, noch viel weniger die Samenkoͤrner
koͤnnen alſo anders als durch einen ſtarken Wind von und aus
der Kapſel uͤber den hohen Rand hinweggeworfen werden, da
denn die letzteren in großen Entfernungen von der Mutterpflanze
auf den Erdboden fallen.
Nicotiana.
Nicotiana ruſtica.
1. Die Saftdruͤſe iſt der unterſte pomeranzenfarbene Theil
des Fruchtknotens, deſſen oberſter Theil gruͤn iſt. Wann die
Samenkapſel voͤllig erwachſen iſt, kann man noch die vorma-
lige Saftdruͤſe an der gelben Farbe erkennen.
2. Der Saft iſt zwiſchen der Saftdruͤſe und der kurzen
Kronenroͤhre enthalten.
3. Die Filamente, nachdem ſie ſich von der Krone abge-
ſondert haben, biegen ſich uͤber den Fruchtknoten hinuͤber und
an den Griffel, von welchem ſie ſich weiter hinauf wieder ent-
fernen. Ihre unterſte groͤſſere Haͤlfte iſt mit weichen Haaren
beſetzt. Dadurch entſtehen fuͤnf durch weiche Haare verſchloſ-
ſene Eingaͤnge fuͤr die Inſekten, welche keinen Regentropfen
durchlaſſen.
Nicotiana glutinoſa hat eine gleiche Einrichtung.
Nicotiana. Atropa.
Wenn wir vorausſetzen, daß ſowohl Nicotiana ruſtica,
als Hyoſcyamus niger von Inſekten befruchtet werden ſoll:
ſo koͤnnen wir uns den Unterſchied, welchen wie in ihrer
Struktur bemerken, leicht erklaͤren. Weil jene aufrecht ſteht,
ſo kann ein Inſekt von allen Seiten ſich auf die Krone ſetzen,
und in dieſelbe hineinkriechen. Folglich mußten der Griffel und
die Staubgefaͤße eine ſolche Stellung haben, daß das Inſekt,
es mag hineinkriechen, von welcher Seite es will, theils einen
Eingang zum Safthalter finde, theils die Antheren und das
Stigma nothwendig beruͤhren muͤſſe. Alſo mußte das Stigma
in der Axe der Blume, die Antheren aber mußten regelmaͤßig
um dieſelbe herum ſtehen, und die Filamente mußten durch
ihre gleichfoͤrmige Biegung gegen die Axe, und folglich gegen
den Griffel fuͤnf Oeffnungen hervorbringen. Hyoſcyamus
niger hingegen iſt eine horizontale Blume, und das Inſekt
kriecht bloß auf der unterſten Seite der Krone in dieſelbe
hinein. Folglich durfte auch nur auf dieſe einzige Art hinein-
zukriechen Ruͤckſicht genommen werden. Daher iſt das Stigma
nicht in der Axe der Blume, ſondern unterhalb derſelben be-
findlich, und die Filamente biegen ſich nicht regulaͤr nach der
Axe zu, ſondern irregulaͤr an den Griffel. Dadurch entſiehen
nicht fuͤnf, ſondern nur drey Eingaͤnge zum Safthalter, nem-
lich auf der oberſten Seite, weil das auf der unterſten Seite
der Krone ſtehende Inſekt nur durch dieſe ſeinen Saugeruͤſſel
bequem hindurchſtecken kann. Weil nun dieſes mit jener Vor-
ausſetzung ſehr wohl uͤbereinſtimmt, ſo wird dieſelbe dadurch
ſehr wahrſcheinlich.
Atropa.
Atropa phyſaloides.
1. Die Saftdruͤſe iſt der unterſte Theil des Fruchtknotens.
Sie iſt blaßgelb, da der oberſte Theil blaßblau iſt.
2. Der Safthalter iſt die kurze Kronenroͤhre.
3. Die Saftdecke faͤllt, wenn man in die Blume hinein-
ſieht, ſogleich in die Augen. Denn die Filamente bilden mit
ihrer breiten Baſis, welche an beiden Raͤndern mit Haaren
verſehen iſt, ein wohlverſchloſſenes Gewoͤlbe, deſſen in der
Mitte befindliche Oeffnung durch den Griffel ausgefuͤllt wird.
Es kann alſo ſchlechterdings kein Regentropfen in den Saft-
halter kommen, wohl aber ein Inſekt ſeinen Saugeruͤſſel hin-
einſtecken.
4. Eben ſo auffallend iſt das Saftmaal. Daſſelbe beſteht
aus fuͤnf dunkelblauen Flecken, welche man im Grunde der
Krone unmittelbar uͤber der Saftdecke erblickt. Damit ſich
dieſelben deſto beſſer ausnehmen, ſo iſt die Krone, welche ober-
[[76]]
Phyſalis.
waͤrts blaßblau iſt, im Grunde milchweiß. Da ſie nun mit
den Filamenten abwechſeln, ſo zeigen ſie den Inſekten die Stel-
len, wo dieſe den Saugeruͤſſel hineinſtecken muͤſſen.
Phyſalis.
Phyſalis Alkekengi. Judenkirſche. Tab. VI.
19—21. 27.
19. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe und Stellung.
20. Die aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Krone.
21. Der Fruchtknoten, nachdem der Kelch umgeſchlagen
worden. Die (punktirte) Saftdruͤſe.
27. Die Blume, von unten geſehen, ohne Schatten.
1. Der unterſte dickere und gelbe Theil des blaßgruͤnen
Fruchtknotens iſt die Saftdruͤſe.
2. Die glatte Kronenroͤhre iſt der Safthalter.
3. Die Blume haͤngt herab, und die Oeffnung der Kro-
nenroͤhre wird durch Wolle verſchloſſen, Fig. 20. 27. Der
Saft iſt alſo vor dem Regen wohl verwahrt.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die weiße Krone
iſt mit fuͤnf blaßgruͤnen Linien, und im Grunde um die Wolle
herum mit fuͤnf Paaren blaßgruͤner Flecken geziert.
Hagen ſagt in ſeinem Lehrbuch der Apotheker-
kunſt S. 177.: „Die Judenkirſchen haben einen weinhaften,
„etwas ſaͤuerlichen Geſchmack, der aber ekelhaft und bitter be-
„merkt wird, wenn man beym Ausnehmen derſelben aus der
„Huͤlle, die hoͤchſt bitter iſt, nicht vorſichtig genug geweſen, und
„dieſe die Beere beruͤhrt hat.“ Eine wunderbare und hoͤchſt
merkwuͤrdige Eigenſchaft! Damit die Beere vom Kelch zwar ge-
ſchuͤtzt, aber nicht beruͤhrt werde, ſo iſt derſelbe ſehr aufgeblaſen,
und der Fruchtknoten ſitzt nicht unmittelbar im Grunde des
Kelchs, ſondern zwiſchen jenem und dieſem befindet ſich der
Koͤrper a b Fig. 21., welcher zur Bluͤhezeit cylindriſch, wann
aber die Beere ihre voͤllige Groͤſſe erreicht hat, wulſtig, und
glatt iſt, da der Kelch inwendig mit kurzen Haaren uͤberzogen
iſt. Ich vermuthe, daß die Samenkoͤrner nicht auf eine me-
chaniſche Art, ſondern durch irgend ein Thier, vielleicht durch
einen Vogel, ausgeſaͤet werden ſollen, und daß jene beſondere
Eigenſchaft damit im Zuſammenhange ſteht. Denn wann die
Beere reif iſt, ſo iſt der Kelch pomeranzenfarben, und macht
ſich durch dieſe Farbe ſehr bemerkbar, da er vorher, ſo lange
die Frucht unreif, und er gruͤn war, weniger in die Augen
fiel.
Phyſalis pubeſcens. Tab. IX. 6—9.
7. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung
von der Seite.
Phyſalis. Solanum.
8. Dieſelbe von vorne, in natuͤrlicher Groͤſſe. Im Grunde
der Krone das (punktirte) Saftmaal.
6. Der Fruchtknoten, nachdem der Kelch umgeſchlagen wor-
den. Die (punktirte) Saftdruͤſe.
9. Ein Stuͤck der Krone. Ein Theil der wollichten Saft-
decke.
In Anſehung der Saftdruͤſe, der Saftdecke, des Saft-
maals, wie auch des Umſtandes, daß der Fruchtknoten nicht un-
mittelbar im Grunde des Kelchs ſitzt, iſt dieſe Art der vorherge-
henden aͤhnlich. Die Saftdruͤſe iſt gelb, der oberſte Theil des
Fruchtknotens aber weiß. Die Krone iſt gelb, die fuͤnf Flecken
ſind braun oder dunkelroth.
Solanum.
Solanum nigrum Guineenſe. Tab. IX. 12. 13.
16. 18.
Daß dieſe Pflanze nicht eine Varietaͤt des gemeinen ſchwar-
zen Nachtſchattens, ſondern eine beſondere Art iſt, erhellet aus
Folgendem. 1) Wenn ſie mit dem letztern an einer und ebender-
ſelben Stelle waͤchſt, ſo unterſcheidet ſie ſich von demſelben da-
durch, daß ſie uͤberhaupt und nach allen Theilen zweymal ſo groß
iſt, als daſſelbe. 2) Die Antheren ſind nicht gelb, ſondern braun.
3) Die Blaͤtter ſind nicht gezaͤhnt, ſondern haben einen voͤllig
ganzen Rand. 4) Sie bluͤhet ſpaͤter. Beide Arten hatten ſich
in meinem Garten von ſelbſt ausgeſaͤet. Die im folgenden Som-
mer aus dieſen Samen entſtandenen Pflanzen von der erſtern Art
fiengen im Anfang des Auguſts an zu bluͤhen, da die von der
letzteren Art ſchon voͤllig erwachſene Beeren hatten.
12. Die vergroͤſſerte Blume.
13. Das Piſtill.
16. Ein Staubgefaͤß von der Seite.
18. Zwey Staubgefaͤße von innen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten.
2. In der kurzen glatten Kronenroͤhre, welche ziemlich feſt
um den Fruchtknoten ſitzt, habe ich zwar mit bloßen Augen kei-
nen Saft geſehen, durch die Loupe aber glaubte ich einige uͤberaus
kleine Troͤpfchen zu bemerken.
3. Daß die Blume Saft enthalten muͤſſe, beweiſet die Saft-
decke. Zu derſelben gehoͤrt 1), daß die Staubgefaͤße um den
Griffel herum eine Roͤhre bilden, 2) daß die kurzen Filamente
inwendig und an den Seiten haaricht ſind, 3) daß der Griffel
unterwaͤrts dicker, und gleichfalls mit Haaren beſetzt iſt.
4. Die weiße Krone hat in der Mitte einen Stern von eben
dem oͤlichten und gruͤnlichgelben Anſehen, welches die Kronenroͤhre
und
[[77]]
Solanum. Capſicum.
und die Filamente haben. Folglich hat die Blume auch ein
Saftmaal.
Solanum nigrum vulgatum. Gemeiner ſchwarzer
Nachtſchatten. Die Blume iſt nur bey Tage geoͤffnet, des Nachts
hingegen geſchloſſen. Sie wird von Vienen und Hummeln be-
ſucht. Letzteres beweiſet, daß ſie Saft enthalten muͤſſe. Die
Bienen aber ſcheinen bloß Staub aus derſelben zu holen. Denn
diejenigen, welche ich auf den Blumen antraf, ſtießen mit Hef-
tigkeit an die Antheren, damit der Staub derſelben (die Blumen
ſind der Erde zugekehrt) herausfiele, hatten auch an den Hinter-
beinen weiße Staubkuͤgelchen ſitzen.
Solanum tuberoſum. Ertoffelſtaude. Tab. IX. 14
Ob ich gleich in dieſer Art keinen Saft gefunden habe, ſo
glaube ich doch, daß ſie Saft enthaͤlt, da ſie von Blaſenfuͤßen be-
ſucht wird, welche ich noch Abends um ſieben Uhr, da ſich die
Blume ſchon geſchloſſen hatte, in derſelben antraf, und da die
blaßroͤthliche Krone in der Mitte einen großen gelblichgruͤnen
wie Oel glaͤnzenden Stern, alſo ein Saftmaal, hat.
Solanum Hauanenſe. Jacqu. Amer. p. 49. Auch
dieſe Art hat ein Saftmaal. Denn die Krone iſt blau; an der
Abbildung der Pflanze aber ſieht man, daß die Krone fuͤnf
zweigichte Adern hat, welche von den Spitzen der Abſchnitte des
Saums bis an die Oeffnung der Roͤhre ſich erſtrecken. In der
Beſchreibung wird dieſer Adern nicht gedacht. Vermuthlich ſind
ſie, wenn nicht von einer andern Farbe, wenigſtens dunkelblau.
Solanum Dulcamara. Bitterſuͤß. Steigender Nacht-
ſchatten. Tab. IX. 15.
Ich habe auch in dieſer Art keinen Saft gefunden, deſſen
Gegenwart ſich jedoch aus ihrer ganzen Struktur vermuthen laͤßt.
Die Antheren ſind zuſammengewachſen; deswegen bedurfte der
Griffel keiner Haare, wie bey der erſten Art. Und weil die Fila-
mente ſehr kurz, und daher ihre Zwiſchenraͤume ſehr klein ſind,
ſo haben ſie auch keine Haare noͤthig. Die Blume hat ein Saft-
maal. Denn die Krone iſt blaßviolett, und hat in der Mitte
einen dunkelvioletten Stern, welcher mit fuͤnf Paaren gruͤner
Flecken geziert iſt, welche gegen die violette Falbe ſchoͤn abſtechen.
Pollich fragt, ob dieſe Flecken Saftdruͤſen ſind. Dieſe Frage
werde ich bey der folgenden Gattung beantworten.
Capſicum.
Capſicum groſſum. Tab. IX. 17. 19—21.
17. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
19. Dieſelbe, von unten geſehen.
21. Dieſelbe in einer andern Stellung.
20. Ein ausgebreitetes Stuͤck der Kronenroͤhre.
Capſicum. Lycium. Chironia.
1. Die Saftdruͤſe iſt der glatte gruͤne Fruchtknoten.
2. Die Kronenroͤhre, welche den Fruchtknoten feſt umſchließt,
hat fuͤnf breite Furchen, welche ſich, aber ſchmaͤler, zwiſchen die
Filamente hindurchziehen, und uͤber den Kronenſaum erſtrecken.
In dieſen Furchen ſteigt der Saft zwiſchen die Filamente hindurch
in den Kronenſaum, und bleibt nicht weit vom Fruchtknoten in
der Geſtalt von fuͤnf Tropfen ſtehen.
3. Weil die Blume ſich herabneigt, und eine nicht flache,
ſondern gewoͤlbte Krone hat, ſo iſt der Saft hierdurch gegen den
Regen hinlaͤnglich geſichert, und es iſt keine beſondere Safwecke
noͤthig.
4. Die weiße Krone hat kein Saftmaal, weil die Safttropfen
ſelbſt den Inſekten in die Augen fallen.
Haͤtte man, bevor man dieſes geleſen haͤtte, die 19. Figur
mit der 15. verglichen, ſo wuͤrde man vermuthlich geglaubt ha-
ben, daß die fuͤnf weißen Kreiſe im Grunde des Kronenſaums
das Saftmaal vorſtellen ſollen. Man wuͤrde ſich auch hierin in-
ſofern nicht geirrt haben, als dieſe Safttropfen ſich ſelbſt durch
thren Glanz den Inſekten zu erkennen geben, folglich gleichſam
ihr eigenes Saftmaal ſind. Schließt man aber umgekehrt von
der 19. Figur auf die 15. zuruͤck, ſo wird man ſich uͤberzeugen,
daß, ſo wie hier die fuͤnf weißen Flecke nicht die Saftdruͤſen ſind,
ſondern der Fruchtknoten den Saft abſondert, eben ſo auch bey
dem Solanum Dulcamara nicht die fuͤnf Paare gruͤner Flecken die
Saftdruͤſen ſind, wie Pollich vermuthet hat, ſondern der
Fruchtknoten die Saftdruͤſe iſt, und daß der Saft, welcher nicht
aus der Kronenroͤhre heraustritt, durch dieſelben gleichſam ange-
kuͤndigt wird, da er ſich ſelbſt nicht zeigen kann. Auch hieraus
folgt, daß jene Blume Saft enthalten muß.
Lycium.
Lycium Afrum.
1. Die Saftdruͤſe iſt der gelbe Ring, welcher die Baſis des
blaßgruͤnen Fruchtknotens umgiebt.
2. Der Safthalter iſt die unterſte glatte Haͤlfte der Kronen-
roͤhre, welche voller Saft iſt.
3. Die oberſte Haͤlfte der Kronenroͤhre iſt haaricht, auch iſt
der unterſte Theil der Filamente ſehr haaricht. Es kann alſo kein
Regentropfen in den Safthalter hineindringen.
Lycium Americanum. Jacqu. Amer. p. 50.
3. Auch hier iſt der unterſte Theil der Filamente haaricht.
Chironia.
Chironia fruteſcens. Der tellerfoͤrmige fleiſchichte
glatte blaßgelbe Koͤrper, welchen man wegen dieſer ſeiner Be-
J
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Chironia. Phylica. Celaſtrus.
ſchaffenheit fuͤr die Saftdruͤſe halten ſollte, ſitzt nicht da, wo ein
jeder die Saftdruͤſe ſuchen wuͤrde, nemlich im Grunde der Kro-
nenroͤhre, ſondern im Grunde des Kelchs. Auf demſelben ſteht
die Kronenroͤhre, welche aber am Ende zugewachſen iſt, folglich
von dieſem Koͤrper, wenn er die Saftdruͤſe iſt, keinen Saft er-
halten kann. Und dennoch hat es das Anſehen, als wenn die
Kronenroͤhre Saft enthielte. Denn die Filamente ſind innerhalb
der Oeffnung derſelben ziemlich dicke, und ſcheinen dieſelbe ver-
ſchließen zu ſollen, damit kein Regentropfen hineindringe. Folg-
lich muß der glatte Fruchtknoten ſelbſt die Saftdruͤſe ſeyn, auf
welchem ich auch ein Safttroͤpfchen gefunden habe. Daß aber
dieſe Blume nicht auf eine mechaniſche Art, ſondern durch In-
ſekten befruchtet werde, erhellet ſchon daraus, daß der Griffel
niederwaͤrts gebogen, das Stigma alſo von den Antheren ent-
fernt iſt, da es doch, wenn die Befruchtung auf eine mechaniſche
Art geſchehen ſollte, denſelben ſo nahe als moͤglich ſeyn muͤßte,
oder wenigſtens ſich kein Grund gedenken laͤßt, warum die Na-
tur recht gefliſſentlich das Stigma von den Antheren entfernt
hat.
Phylica.
Phylica ericoides. Die Blumen, welche ich im No-
vember zu unterſuchen Gelegenheit hatte, waren ſchon vertrock-
net, und konnten daher keinen Saft enthalten. Die Struktur
derſelben aber gab mir zu erkennen, daß ſie Saftblumen ſind,
und daß der Grund des Kelchs die Saftdruͤſe und zugleich der
Safthalter iſt. Die Blumen bilden einen Knauf. Derſelbe
ſieht weiß aus, weil die Kelche auf der aͤußeren Oberflaͤche mit
weißer Wolle uͤberzogen ſind, faͤllt alſo den Inſekten ſchon in ei-
niger Entfernung in die Augen. Die innere Oberflaͤche iſt gelb,
und ſticht gegen die weiße Farbe ſtark ab, iſt folglich das Saft-
maal. Die Schuͤppchen, welche oben am Kelch ſitzen, ſind ver-
muthlich die Saftdecke.
Uebrigens finde ich einen Widerſpruch in der Linnéiſchen
Beſchreibung der Gattung. Zuerſt heißt es, die Blume habe
keine Krone, und hernach, der Fruchtknoten ſitze im Grunde der
Krone.
Celaſtrus.
Celaſtrus ſcandens.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
fleiſchichte gelbe Grund des Kelchs.
3. Die ziemlich ſtarken und aufrecht ſtehenden Filamente
machen mit den zuruͤckgebogenen Kronenblaͤttern einen Winkel,
Celaſtrus. Ribes.
und halten die auf den letzteren ſitzenden Regentropfen ab, ſich
mit dem Saft zu vermiſchen.
4. Die Blumen bilden am Ende eines Zweiges eine Traube.
Der Zweig hat Blaͤtter; wo aber die Traube anfaͤngt, verwan-
deln ſich dieſelben in ſchmale ſtipulas. Die Bemerkbarkeit der
Traube wird alſo durch keine Blaͤtter geſchwaͤcht. Die Krone iſt
weiß und ein wenig gelblichgruͤn, der Grund des Kelchs aber
gelb, folglich zugleich das Saftmaal. Auch haben die Blumen
einen angenehmen Geruch.
5. Ich habe Blaſenfuͤße in denſelben gefunden.
Ribes.
Ribes Groſſularia. Stachelbeerenſtrauch. Tab. IX.
22—25.
22. Das mit Einer Blume und einigen Blaͤttern verſehene
Ende eines Zweiges in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
23. Die Blume, von unten geſehen.
24. Dieſelbe, von der Seite geſehen. In beiden Figuren
iſt die innere Seite der Kelcheinſchnitte punktirt, wodurch ange-
zeigt wird, daß dieſelbe gefaͤrbt iſt.
25. Dieſelbe im doppelten Durchſchnitt, d. i., der groͤßte
Theil der vorderſten und hinterſten Haͤlfte iſt weggeſchnitten wor-
den, und nur das mittelſte Stuͤck ſtehen geblieben.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
glatte Grund des Kelchs.
3. 1) Die Blume haͤngt herab. 2) Sie wird von den Blaͤt-
tern, welche mit ihr aus eben demſelben Auge entſtehen, vor dem
Regen geſchuͤtzt. Dies gilt auch von den beiden folgenden Arten.
3) Der Griffel iſt in der Mitte, und der Kelch an der Oeffnung
mit Haaren beſetzt, Fig. 25.
5. Die Blumen werden von Bienen haͤufig beſucht, welche
ſich an den umgebogenen Einſchnitten des Kelchs ſehr wohl feſt-
zuhalten wiſſen. Auch Ameiſen gehen dem Saft nach.
Ribes rubrum. Johannisbeerenſtrauch. Tab. IX.
26—28.
27. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
28. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
26. Ein Theil der Blume, nemlich das Piſtill, Ein Fuͤnf-
theil des Kelchs, Ein Staubgefaͤß, und zwey Kronenblaͤtter.
Die Saftdruͤſe iſt punktirt, und die Farbe der inneren Seite des
Kelcheinſchnitts angedeutet.
Die Ameiſen gehen dem Saft dieſer Blume ſehr nach.
Vergleicht man dieſe Blume mit der vorhergehenden, ſo fin-
det man, daß ſie beſſer von vorne, als von der Seite, jene aber
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Ribes.
beſſer von der Seite, als von unten in die Augen faͤllt, welches
hauptſaͤchlich daher koͤmmt, daß bey dieſer die Einſchnitte des
Kelchs flach, bey jener aber umgebogen ſind. (Die 23. Figur iſt
nach einer alten Blume gezeichnet, welche anfing ſich wieder zu
ſchließen. Waͤren die Einſchnitte des Kelchs noch eben ſo ſehr
zuruͤckgebogen, als in der 24. Figur, ſo wuͤrde die Blume noch
kleiner und unanſehnlicher erſcheinen.) Die Urſache dieſer ver-
ſchiedenen Einrichtung iſt leicht einzuſehen. Jene iſt einzeln, und
haͤngt herab, oder einige entſtehen aus Einem Auge, und hangen
jede fuͤr ſich an einem eigenen Stiel. Soll ſie nun von weitem
bemerkt werden koͤnnen, ſo muß ſie von allen Seiten ſich am an-
ſehnlichſten zeigen. Waͤren die Einſchnitte des Kelchs flach, und
ſtuͤnden ſie alſo horizontal, ſo wuͤrde die Blume von unten geſe-
hen am beſten in die Augen fallen. Dies wuͤrde nicht zweckwidrig
ſeyn, wenn ſie ſich an einem hohen Baum befaͤnde, wie denn die
Blume der Linde bey gleicher Stellung eine ſolche Geſtalt hat.
Alsdenn wuͤrde ſie von den unter und neben der Krone des Baums
in geringerer oder groͤſſerer Entfernung umherfliegenden Inſekten
leicht bemerkt werden. Nun aber ſitzt die Blume an einem nie-
drigen Strauch, unter welchem nicht, ſondern um welchen und
uͤber welchem die Inſekten umherfliegen. Folglich mußte ſie ſo
gebauet ſeyn, daß ſie beſſer von allen Seiten, als von unten,
in die Augen fiele. Die Blumen des Johannisbeerenſtrauchs
hingegen ſtehen nicht einzeln, ſondern bilden eine herabhangende
Traube. Weil nun dieſe von irgend einer Seite geſehen beſſer,
als von unten geſehen, in die Augen faͤllt; weswegen auch eine
jede einzelne Blume nicht herabhaͤngt, ſondern eine horizontale
Stellung hat: ſo mußte auch eine jede Blume fuͤr ſich von vorne
geſehen am anſehnlichſten erſcheinen. Man ſtelle ſich die Sache
umgekehrt vor, und denke ſich an dem Blumenſtiel des Stachel-
beerenſtrauchs die Blume des Johannisbeerenſtrauchs, und an
der Traube des letzteren die Blumen des erſteren: ſo erſcheint die
erſtere den Inſekten in der in Fig. 28. abgebildeten Geſtalt, wenn
man nemlich die linke Seite der Kupfertafel zur Grundſeite macht,
und die letzteren in der in Fig. 23. abgebildeten Geſtalt. Beide
Blumen wuͤrden alſo den Inſekten nicht ſo ſtark in die Augen
fallen, als bey der von der Natur gemachten Einrichtung ge-
ſchieht.
Ribes nigrum. Aalbeerenſtrauch. Tab. IX. 33—35.
34. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
33. Dieſelbe im doppelten Durchſchnitt. Die (punktirte)
Saftdruͤſe.
35. Dieſelbe, von unten geſehen. In allen drey Figu-
ren iſt die innere Seite des Kelchs punktirt, weil ſie ge-
faͤrbt iſt.
Ribes. Theſium. Cerbera.
Die Saftdruͤſe iſt hier anſehnlicher. Sie iſt gruͤn, und
faͤllt ein wenig ins Gelbe. Die Kronenblaͤtter ſind groͤſſer, nei-
gen ſich auch mehr gegen einander, als bey der erſten Art. Sie
verſchließen alſo nebſt den Filamenten die Oeffnung des Kelchs
hinlaͤnglich, und der Griffel und der Kelch koͤnnen daher die
Haare entbehren, welche bey der erſten Art noͤthig ſind.
Die Einſchnitte des Kelchs ſind bey allen drey Arten theils
weit groͤſſer, theils auf der inneren, in die Augen fallenden Seite
anſehnlicher gefaͤrbt, als die Kronenblaͤtter, welche weißlich,
oder gelblichgruͤn ſind. Nun haben die Saftblumen deswegen
eine Krone, damit ſie durch dieſelbe ſich den Inſekten bemerkbar
machen. Da aber dieſes bey dieſer Gattung weit mehr durch die
Einſchnitte des Kelchs, als durch die von Linné ſo genannten
Kronenblaͤtter geſchieht: ſo ſind jene, nicht aber dieſe fuͤr die ei-
gentliche Krone zu halten. Dieſe dienen bloß dazu, den Saft
vor dem Regen zu ſchuͤtzen. Einen Kelch, welcher, wie bey die-
ſer Gattung, auf ſeiner inneren Seite gefaͤrbt iſt, und die Stelle
der Krone vertritt, koͤnnte man einen Kronenkelch (Calyx co-
rollaceus), ſo wie im Gegentheil eine Krone, welche, bevor die
Blume zu bluͤhen anfaͤngt, die Stelle des Kelchs vertritt, nach-
her aber auf beiden Seiten gefaͤrbt iſt, als bey der Tulpe, eine
Kelchkrone (Corolla calycina) nennen.
Theſium.
Theſium linophyllum. Tab. XXII. 8. 17. 42.
8. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
17. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung im Durchſchnitt.
42. Das Inſekt, welches die Blume beſucht.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
Grund des Kelchs.
3. Die Filamente ſind, da die Blume ſehr klein iſt, im
Stande, die Regentropfen, welche auf die Einſchnitte des Kelchs
gefallen ſind, abzuhalten, in den Safthalter zu dringen.
5. Die Blume wird von einer Fliege mit halb ſchwarzen und
undurchſichtigen und halb durchſichtigen Fluͤgeln (Bibio Morio)
beſucht. Ich bemerkte, daß dieſelbe bloß dieſe Blume aufſuchte,
hingegen die Aſclepias Vincetoxicum, welche neben jener bluͤhete,
nicht einmal zu bemerken ſchien.
Cerbera.
Cerbera Theuetia. Jacqu. Amer. p. 49. Der Herr
Verfaſſer ſagt: Nectarium quinquedentatum, ſtellatum, la-
nuginoſum, conniuendo os tubi claudens. Dieſer Theil iſt
aber keinesweges die Saftdruͤſe. Denn wenn eine Blume eine
Roͤhre hat, ſo iſt die Saftdruͤſe jederzeit im Grunde dieſer Roͤhre,
J 2
[[80]]
Cerbera. Vinca.
keinesweges aber an ihrer Oeffnung befindlich. Ferner iſt eine
jede Saftdruͤſe kahl und glatt; dieſer Theil aber iſt mit wei-
cher Wolle oder Haaren uͤberzogen. Er iſt vielmehr die Saft-
decke, da er mit ſeinen fuͤnf Strahlen die Oeffnung der Kro-
nenroͤhre verſchließt, und, damit die Regentropfen deſto weni-
ger auf ihm haften, mit weicher Wolle uͤberzogen iſt. Viel-
leicht iſt er von anderer Farbe, als der gelbe Kronenſaum,
und alsdenn zugleich das [Saftmaal]. Die Saftdruͤſe iſt alſo
entweder der Fruchtknoten ſelbſt, oder nahe bey demſelben be-
findlich.
Vinca.
Vinca roſea. Tab. IX. 29—32.
30. 31. Die beiden Fruchtknoten nebſt der (punktirten)
Saftdruͤſe von verſchiedenen Seiten.
32. Der oberſte Theil der Kronenroͤhre im Durchſchnitt,
nebſt dem oberſten Theil des Griffels. Das Stigma iſt
punktirt.
29. Der oberſte Theil des Griffels. Das (punktirte)
Stigma iſt hier noch deutlicher zu ſehen. Die vorderſte Haͤlfte
des unter demſelben befindlichen Theils iſt weggeſchnitten.
1. Die Saftdruͤſe iſt der glatte blaßgelbe Koͤrper, welcher
unterwaͤrts die Baſis der beiden mit kurzen Haaren uͤberzoge-
nen und gruͤnen Fruchtknoten umgiebt, dann aber ſich in zwey
Theile theilet, welche an den Seiten der Fruchtknoten ſtehen,
und mit ihnen von gleicher Laͤnge ſind. Dieſen Koͤrper hat
Linné zwar geſehen, er hat aber nicht gewußt, was er aus
demſelben machen ſollte.
2. Der Safthalter iſt der unterſte glatte Theil der Kro-
nenroͤhre.
3. Die Blume hat eine Saftdecke, welche aus drey ring-
foͤrmigen Reihen von Haaren beſteht. Die erſte umgiebt die
Oeffnung der Kronenroͤhre bey a Fig. 32. Der Zwiſchenraum
von a bis b iſt kahl. Bey b, wo die Kronenroͤhre ſehr enge
iſt, iſt die zweyte Reihe von Haaren unmittelbar uͤber den
Antheren befindlich. Die dritte iſt bey c. Der Zwiſchenraum
zwiſchen b und c iſt mit einzeln ſtehenden Haaren beſetzt.
Unterhalb c iſt die Kronenroͤhre kahl und glatt.
4. Die innere Seite des Kronenſaums iſt ſchoͤn roſenfar-
ben, die aͤußere hingegen weiß Jene Farbe wird nach der
Mitte zu immer geſaͤttigter, bis an die erſte Reihe von Haa-
ren. Dieſe Haare ſehen von oben geſehen dunkelroth, von
der Seite geſehen weiß aus. Der kahle Theil der Kronenroͤhre
von a bis b iſt gelb, folglich das Saftmaal. Die Blume hat
keinen Geruch.
Vinca.
Der oberſte Theil des Griffels beſteht aus zwey Theilen.
Der oberſte derſelben a b c d Fig. 29. iſt dicht, und hat eine
cylindriſche Geſtalt. Die oberſte Grundflaͤche deſſelben iſt mit
kurzen Haaren beſetzt, ſeine Seitenflaͤche aber iſt mit einer
Feuchtigkeit uͤberzogen. Hieraus erhellet, daß dieſe Seiten-
flaͤche das eigentliche Stigma iſt. Der unterſte Theil c d e f
iſt hohl, und hat die Geſtalt eines geſtutzten Kegels. In der
Mitte deſſelben ſteht das Ende des duͤnnern Theils des Grif-
fels, und iſt an die unterſte Grundflaͤche des cylindriſchen Koͤr-
pers loſe angefuͤgt.
Vinca maior und Vinca minor. Tab. XXII. 23.
25—27. 29—35. 41.
Vinca maior. 23. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe von
oben geſehen.
25. Dieſelbe, vergroͤſſert.
26. Die Oeffnung der Kronenroͤhre, etwas von der Seite
geſehen.
29. Ein Staubgefaͤß von außen.
30. Der oberſte Theil des Griffels, von oben geſehen.
31. Ein Staubgefaͤß von der Seite.
32. Die Krone, von welcher vorne ein Stuͤck weggeſchnit-
ten worden, damit man die Haare, womit dieſelbe inwendig
beſetzt iſt, und, wie die Staubgefaͤße um den oberſten Theil
des Griffels herum ſtehen, ſehen koͤnne.
33. Ein Staubgefaͤß von innen.
34. Der oberſte Theil des Griffels. Das (punktirte)
Stigma.
35. Bezieht ſich auf Fig. 32. Das vorderſte Staubgefaͤß
iſt weggeſchnitten.
Vinca minor. 27. Die vergroͤſſerte Blume, nachdem die
vorderſte Haͤlfte des Kelchs und der Krone weggeſchnitten wor-
den. Vorne am Fruchtknoten ſieht man die (punktirte) Haͤlfte
der Saftdruͤſe.
41. Der Griffel.
1. Die Saftdruͤſe iſt glatt und gelblich gruͤn, da der Frucht-
knoten weißlich gruͤn iſt.
2. Der Saft iſt im Grunde der Kronenroͤhre enthalten.
3. Der Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert. Denn
bey der groͤſſeren Art ſind an der Oeffnung der Kronenroͤhre
fuͤnf Fortſaͤtze angebracht, welche mit den Einſchnitten des Kro-
nenſaums abwechſeln, und dazu dienen, daß, wenn auf den
Kronenſaum Regentropfen gefallen ſind, dieſelben nicht in die
Roͤhre hineinfließen, ſondern in den Winkeln, welche die Fort-
ſaͤtze mit dem Kronenſaum machen, ſtehen bleiben. In der
kleineren Art iſt zu gleicher Abſicht die Oeffnung der Kronen-
[[81]]
Vinca.
roͤhre mit einer Reihe von Haaren beſetzt. Wenn indeſſen zufaͤl-
ligerweiſe ein Regentropfen in die Kronenroͤhre faͤllt, ſo kann er
doch nicht in den Safthalter hineindringen. Die Antheren,
welche den unterſten Theil der Kronenroͤhre verſchließen, ſind auf
der aͤußeren, und die Filamente (welches man faſt fuͤr uͤberfluͤſſig
halten ſollte) auf der inneren Seite mit Haaren beſetzt. Auch
iſt in der groͤſſeren Art die Kronenroͤhre uͤber den Antheren mit
Haaren uͤberzogen. Endlich beſteht der oberſte uͤber dem cylindri-
ſchen Koͤrper befindliche Theil des Griffels groͤßtentheils aus
Haaren.
Linné muß ſeine Beſchreibung der Gattung bloß nach die-
ſen beiden Arten gemacht, die Vinca roſea aber nicht unterſucht
haben, welches aus ſeiner Beſchreibung des Stigma erhellt.
Vom Stigma ſelbſt hat er ſich einen wunderlichen Begriff ge-
macht, da er geglaubt hat, daß die Blumen zwey Stigmate ha-
ben, von welchen das eine uͤber dem andern ſitze, und ganz an-
ders geſtaltet ſey, als das andere. Auch bey dieſen Arten iſt das
eigentliche Stigma die Seitenflaͤche des cylindriſchen Koͤrpers,
welche mit einer Feuchtigkeit uͤberzogen iſt.
5. Daß nun die Befruchtung aller drey Arten keinesweges
auf eine mechaniſche Art, ſondern durch Inſekten geſchieht, iſt
augenſcheinlich. Daß der Wind den Staub der Antheren auf
das Stigma ſoll bringen koͤnnen, laͤßt ſich nicht gedenken. Folg-
lich muͤßten, wenn die mechaniſche Befruchtungsart Statt finden
ſollte, die Antheren unmittelbar ihren Staub dem Stigma mit-
theilen. Nun aber ſtehen dieſelben in der erſten Art hoͤher, als
das Stigma, ſo wie auch in den beiden letzteren, in welchen ſie
nicht um das Stigma, ſondern um den uͤber demſelben befindli-
chen haarichten Koͤrper herumſtehen. In der Vinca maior hal-
ten ſich Blaſenfuͤße auf. Einige von denſelben fand ich im Saft-
halter. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß dieſe Thierchen zur Be-
fruchtung der Blume beſtimmt ſind. Denn ſie koͤnnen nicht leicht
in den Safthalter hineinkriechen, ohne ſowohl die Antheren, als
auch das Stigma zu beruͤhren, und einen Theil des Staubes je-
ner auf dieſes zu ſchleppen. Groͤſſere Inſekten hingegen, der-
gleichen ich auch niemals auf den Blumen angetroffen habe, koͤn-
nen ſchwerlich ihren Saugeruͤſſel in den Safthalter hineinſtecken,
vielweniger hineinkriechen.
Uebrigens ſcheint die Befruchtung dieſer Blumen, vermuth-
lich, weil es mit derſelben etwas kuͤnſtlich zugeht, ſelten von
Statten zu gehen. Denn an der Vinca maior habe ich noch nie-
mals Fruͤchte gefunden.
Nerium. Echites.
Nerium.
Nerium Oleander und N. Zeilanicum.Linné
hat ſich bey dieſer Gattung, ſo wie bey der Silene, geirret, da
er die Anſaͤtze der Kronenblaͤtter, welche um die Oeffnung der
Kronenroͤhre einen Kranz bilden, fuͤr das Nectarium gehalten
hat. Dieſelben dienen bloß zur Abhaltung der Regentropfen vom
Safthalter, wie ich bey der Silene zeigen werde. Zu gleichem
Endzweck dienen auch die fadenfoͤrmigen und mit Haaren dicht
beſetzten Fortſaͤtze der Antheren, wie auch die Haare, mit welchen
die Kronenroͤhre unterhalb der Antheren uͤberzogen iſt, da ihr
Grund kahl und glatt iſt. Hieraus folgt, daß die Blumen Saft-
blumen ſind, und es muß der Fruchtknoten, oder vielmehr nur
der unterſte Theil deſſelben (denn der oberſte Theil iſt etwas haa-
richt) die Saftdruͤſe, der Grund der Kronenroͤhre aber der Saft-
halter ſeyn; ob ich gleich in den wenigen Blumen, welche ich zu
unterſuchen Gelegenheit gehabt habe, keinen Saft angetroffen
habe. Im Oleander fand ich Blaſenfuͤße.
Echites.
Jacqu. Amer. p. 29.
1. Daß nicht etwa der Fruchtknoten, ſondern die um denſel-
ben herumſtehenden fuͤnf Druͤſen, welche Linné und Jacquin
das Nectarium nennen, die Saftdruͤſen ſind, ſchließe ich daraus,
daß der Fruchtknoten in der Echites ſpicata mit langen Haaren
uͤberzogen iſt.
2. Der Safthalter muß der unterſte Theil der Kronenroͤhre
ſeyn.
3. In den acht erſten Arten ſind die Staubgefaͤße in der
Mitte der Kronenroͤhre angebracht, und bilden einen Kegel, und
die Filamente ſind (wenigſtens bey einigen Arten) an der inneren
Seite haaricht oder wollicht. Hierdurch wird alſo der Safthalter
vor dem Regen geſchuͤtzt. Bey den zwey letzten Arten iſt zur Er-
reichung dieſes Endzwecks eine andere Einrichtung getroffen, da
ihre Staubgefaͤße außerhalb der kurzen Kronenroͤhre ſtehen. Von
der neunten ſagt der Herr Verfaſſer, daß die Oeffnung der Kro-
nenroͤhre durch viele lange Haare, welche mit ihren Spitzen ein-
ander beruͤhren, verſchloſſen ſey. Vermuthlich hat die zehnte
eine aͤhnliche Saftdecke.
4. Der Kronenſaum der Echites biflora iſt weiß, die Oeff-
nung der Kronenroͤhre aber gelb. Echites quinquangularis hat
einen gelblichen Kronenſaum; der dicke Rand um die Oeffnung
der Kronenroͤhre aber iſt weiß. In Anſehung der uͤbrigen Arten
finde ich nichts angemerkt, woraus ich auf das Daſeyn eines
Saftmaals ſchließen koͤnnte.
J 3
[[82]]
Plumeria. Cameraria, Aſclepias.
Plumeria.
Jacqu. Amer. p. 36.
Plumeria alba. Dieſe Blume iſt wahrſcheinlich eine
Saftblume, da ſie einen vortrefflichen Geruch, und ein Saft-
maal hat. Denn der Kronenſaum iſt weiß, die Oeffnung der
Kronenroͤhre aber gelblich.
Plumeria pudica. Dieſe Blume hat einen ganz vor-
trefflichen Geruch, welcher dem Herrn Verfaſſer den Geruch al-
ler ihm bekannten Blumen zu uͤbertreffen ſchien. Sowohl hier-
aus, als auch daraus, daß der Kronenſaum allezeit geſchloſſen
iſt, nemlich zur Beſchuͤtzung des Safts, ſchließe ich, daß ſie eine
Saftblume iſt.
Cameraria.
Cameraria latifolia. Jacqu. Amer. p. 37. Aus
der Beſchreibung der Staubgefaͤße ſchließe ich, daß dieſelben die
Saftdecke ſind, folglich die Blume eine Saftblume iſt.
Aſclepias.
Aſclepias Vincetoxicum. Tab. IX. 40. Die ver-
groͤſſerte Blume.
1. 2. Die fuͤnf (punktirten) Hoͤhlen ſondern den Saft ab,
und enthalten denſelben.
3. Obgleich die Blume aufrecht ſteht, ſo hat ſie doch keine
Saftdecke, vermuthlich, weil die Hoͤhlen, welche den Saft ent-
halten, zu klein ſind, als daß ein Regentropfen in dieſelben ſollte
hineindringen koͤnnen. Des Nachts aber ſcheint die Blume ge-
ſchloſſen zu ſeyn; denn des Morgens habe ich die Krone weit we-
niger ausgebreitet gefunden, als bey Tage. Wenn es hiermit
ſeine Richtigkeit hat, ſo iſt die Blume eine Tagesblume, welches
auch daraus erhellt, daß ſie ein Saftmaal hat; denn
4. die Krone iſt weiß, derjenige Theil aber, in welchem ſich
die Safthoͤhlen befinden, iſt blaßgelb.
5. Die Blume wird von allerley Fliegen, wie auch von den
großen Waldameiſen (Formica rufa) beſucht.
Aſclepias Curaſſauica. Daß dieſe Blume, welche
auch aufrecht ſteht, eine Tagesblume ſey, erhellt aus ihren zwey
Farben, deren Unterſchied weit groͤſſer iſt, als bey der vorherge
henden. Denn die zuruͤckgebogene Krone iſt zinnoberroth, der
uͤbrige Theil der Blume aber gelb.
Aſclepias fruticoſa. Tab. IX. 4. 5. 10. 11. 38.
39. 41.
4. Die vergroͤſſerte Blume, von unten geſehen.
10. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung, von der Seite ge-
ſehen.
Aſclepias.
5. Ein Theil der 10. Figur, noch ſtaͤrker vergroͤſſert. a iſt
das ſchwarze Kaͤppchen, an welchem ein Paar Koͤlbchen haͤngt.
a b die Falte, an deren Ende ſich daſſelbe befindet.
11. Der Theil a b c Fig. 10., von oben geſehen.
38. Die Haͤlfte des Stigma nebſt dem oberſten Theil eines
Fruchtknotens, mit welchem jene ſchwach zuſammenhaͤngt.
39. Ein Paar Koͤlbchen nebſt ihrem Kaͤppchen, ſtark ver-
groͤſſert.
41. Das Stigma.
Dieſe Art unterſcheidet ſich von den beiden vorhergehenden
durch ihre Stellung, indem ſie herabhaͤngt. Eben deswegen iſt
auch die Krone zwar, wie bey der zweyten, zuruͤckgebogen, aber
dabey etwas gewoͤlbt, damit ſie nemlich den uͤbrigen Theil der
Blume vor dem Regen ſchuͤtze. Zu eben dieſer Abſicht ſind auch
die Einſchnitte derſelben an dem einen Rande mit Haaren beſetzt;
warum nicht an beiden Raͤndern, ſehe ich nicht ein.
4. Die Krone iſt weiß, die Saftmaſchinen ſind blaß gruͤn-
lichgelb.
5. Die Blume wird von allerley großen und kleinen Fliegen,
und von zwey Wespenarten beſucht.
Der Bau und die Befruchtung der zur Gattung Aſclepias
und den mit derſelben verwandten Gattungen gehoͤrenden Blu-
men iſt bisher fuͤr die Kraͤuterkundigen ein wahrer Gordiſcher
Knoten geweſen. Der einzige Koͤlreuter, ſo viel ich weiß,
hat ſich an die Aufloͤſung deſſelben gewagt; mit welchem Gluͤck,
wird ſich bald zeigen laſſen. Man findet ſeine hieher gehoͤrige
Abhandlung in den Actis Academiae Theodoro-Palatinae
T. III. p. 41. etc. Ich will theils aus derſelben dasjenige aus-
heben, was zu meiner Abſicht dienlich iſt, und was ich ſelbſt nicht
habe bemerken koͤnnen, da ich kein ſo gutes Vergroͤſſerungsglas
zur Hand gehabt habe, als Koͤlreuter, theils einige Anmer-
kungen uͤber dieſelbe machen.
Die ſchwarzen Kaͤppchen, an deren jedem ein Paar Koͤlbchen
haͤngt, hat Koͤlreuter ſehr hart und faſt hornartig befunden.
Gelegentlich erinnere ich, daß man hier dasjenige beſtaͤtigt findet,
was ich oben bey der Saluia pratenſis geſagt habe, daß nemlich
diejenigen Theile einiger Blumen, welche ſehr hart und feſt ſind,
eine ſchwarze Farbe haben.
Die Koͤlbchen, welche Jacquin zuerſt, und nach ihm
Koͤlreuter fuͤr die maͤnnlichen Befruchtungstheile gehalten
hat, welches ſie auch in der That ſind, ſondern, wie Koͤlreu-
ter bemerkt hat, ein Oel aus.
Koͤlreuter haͤlt fuͤr das Stigma die innere Oberflaͤche der
Beutelchen, in welchen die Koͤlbchen ſtecken, und nach ſeiner
Meinung geſchieht die Befruchtung auf diejenige mechaniſche Art,
[[83]]
Aſclepias.
da die Antheren das Stigma unmittelbar beruͤhren, und demſel-
ben ihr befruchtendes Weſen mittheilen. Hierin hat er ſich nun
ſehr geirrt. Denn hieraus wuͤrde fuͤrs erſte folgen, daß die Be-
fruchtung jederzeit von Statten gehen muͤſſe, beſonders da kein
Regentropfen in die Beutelchen hineindringen, und das befruch-
tende Weſen der Koͤlbchen abſpuͤlen oder verderben kann. Die
Erfahrung lehrt aber grade das Gegentheil. Die mehreſten Blu-
men des Vincetoxicum ſetzen keine Fruͤchte an, welches ich in
der Heide oft bemerkt habe, und dasjenige Exemplar, welches ich
in meinen Garten verpflanzt habe, bringt alle Jahre viel Blu-
men hervor, hat aber noch niemals eine Frucht angeſetzt. Eben
ſo habe ich geſehen, daß verſchiedene Dolden der Aſclepias fru-
ticoſa gar keine, die uͤbrigen aber nicht mehr als Eine oder zwey
Fruͤchte angeſetzt hatten. Zweytens ſagt Koͤlreuter am Ende
ſeiner Abhandlung, daß bey den Orchisblumen eine aͤhnliche Ein-
richtung Statt finde. So wie er nun, wie ich vermuthe, von
der Aſclepias auf die Orchisblumen geſchloſſen hat, ſo habe ich
im Gegentheil von den Orchisblumen auf die Aſclepias geſchloſ-
ſen. Da ich nemlich entdeckt hatte, daß jene auf eine ganz be-
ſondere und bewundernswuͤrdige Art von Fliegen befruchtet wer-
den: ſo vermuthete ich, daß auch die Befruchtung der Aſclepias
durch Fliegen auf eine aͤhnliche, wenn gleich nicht eben dieſelbe,
Art geſchehe, und die Erfahrung hat in der Folge gezeigt, daß
ich richtig geſchloſſen hatte. Drittens laͤßt ſich nach der Koͤl-
reuterſchen Erklaͤrung kein Grund von dem Daſeyn der uͤbri-
gen Theile dieſer Blumen angeben, noch ſich zeigen, was denn
fuͤr eine große Kunſt in denſelben angebracht ſey. Warum haben
die Blumen eine Krone? Warum enthalten ſie Saft? Warum
haͤngt jedes Paar Koͤlbchen an einem ſchwarzen Kaͤppchen?
Warum iſt das Kaͤppchen ſo beſonders hart? Warum ſind zwar
die Koͤlbchen, aber nicht das Kaͤppchen verdeckt? Warum laͤßt
ſich das Kaͤppchen leicht abloͤſen, und zieht, wenn man es in die
Hoͤhe hebt (bey den aufrecht ſtehenden oder geſtellten Blumen),
zugleich die Koͤlbchen mit heraus? Eine einzige von dieſen Fra-
gen beantworten zu wollen, konnte Koͤlreutern nicht einmal
einfallen.
Dieſe Abhandlung, welche Koͤlreuter nach ſeinen Vor-
laͤufigen Nachrichten ꝛc. herausgegeben hat, beweiſet, daß er
von ſeinen Entdeckungen, die Befruchtung der Blumen durch die
Inſekten betreffend, keinen gehoͤrigen Gebrauch zu machen ge-
wußt hat, und daß er dieſe Befruchtungsart mehr fuͤr etwas Zu-
faͤlliges, als fuͤr einen Plan der Natur gehalten haben muͤſſe.
Denn ob er gleich vorher eingeſehen hatte, daß Iris und einige
andere Blumen von Inſekten befruchtet werden: ſo fiel ihm doch
bey Unterſuchung der Aſclepias und der verwandten Gattungen
Aſclepias.
nicht einmal der Gedanke ein, ob dieſelben etwa auch von den
Inſekten, welche er haͤufig genug auf denſelben angetroffen haben
muß, befruchtet werden, ſondern er glaubte, daß dieſelben auf
eine mechaniſche Art befruchtet werden, und meinte, wer weiß
was entdeckt zu haben, da er doch im Grunde nichts entdeckt hat.
Der walzenfoͤrmige Koͤrper, welchen Jacquin fuͤr das
Stigma haͤlt, iſt allerdings das Stigma, Koͤlreuter mag da-
gegen einwenden, was er will. Den oberſten Theil deſſelben
habe ich von der Aſclepias fruticoſa abgeſchnitten, und durch ein
einfaches Vergroͤſſerungsglas beſehen, welches ich ſo geſtellt hatte,
daß die Sonnenſtrahlen auf denſelben fielen. Hier erblickte ich
auf der oberſten Oberflaͤche deſſelben, Fig. 41., viel glaͤnzende
Punkte, welche nichts anders als die Feuchtigkeit ſind, mit wel-
cher die Stigmate verſehen zu ſeyn pflegen. Andere Stigmate
ſind mit dieſer Feuchtigkeit ganz uͤberzogen; hier aber hat dieſelbe
die Geſtalt hoͤchſt kleiner von einander abgeſonderter Tropfen,
welche auch ſelbſt durch das einfache Vergroͤſſerungsglas geſehen
als Punkte erſcheinen.
Daß die Fruchtknoten mit dem walzenfoͤrmigen Koͤrper zu-
ſammenhangen, hat ſchon Koͤlreuter bemerkt. Das aber hat
er nicht geſehen, daß dieſer Koͤrper (bey der Aſclepias fruticoſa
wenigſtens) in der Mitte ſeiner oberſten Oberflaͤche eine ſchwache
Spalte hat, Fig. 41. Wenn man denſelben mit einem Feder-
meſſer der Laͤnge nach dergeſtalt in zwey gleiche Theile zerſchnei-
det, daß man ſich beym Schnitt nach dieſer Spalte richtet, und
die von der Natur gleichſam angefangene Theilung fortſetzt und
vollendet: ſo koͤmmt man endlich mit dem Federmeſſer mitten zwi-
ſchen die beiden Fruchtknoten, ohne einen derſelben zu verletzen,
und eine jede Haͤlfte des walzenfoͤrmigen Koͤrpers bleibt auf einem
von den beiden Fruchtknoten ſitzen, Fig. 38. Hieraus folgt, daß
dieſer Koͤrper eigentlich aus zwey zuſammengewachſenen Koͤrpern
beſteht, deren jeder das befruchtende Weſen, welches er empfan-
gen hat, dem Fruchtknoten, an welchen er, obgleich nur loſe,
angewachſen iſt, zufuͤhret.
Da wir nun die eigentlichen Antheren und das eigentliche
Stigma kennen, ſo fragt es ſich, wie das Oel, welches jene ab-
ſondern, auf die oberſte frey liegende Oberflaͤche dieſes gebracht
wird. Dieſe Frage bin ich, nach vielen in verſchiedenen Jahren
gehabten Erfahrungen und angeſtellten Unterſuchungen, endlich
im Stande zu beantworten. Die Befruchtung geſchieht durch
Fliegen und Wespen auf eine ſolche Art, von welcher ſich kein
Kraͤuterkenner bisher etwas hat traͤumen laſſen.
Dieſe Blumen fangen Fliegen. In verſchiedenen Blumen
des Vincetoxicum fand ich Fliegen, welche ſchon geſtorben wa-
ren, und mit dem Saugeruͤſſel in den Safthoͤhlen feſt hingen.
[[84]]
Aſclepias.
In einer anderen fand ich eine kleine gefangene Fliege, welche
ſich ſchon lange alle Muͤhe gegeben zu haben ſchien, ſich wieder
los zu machen, und ſchon ganz entkraͤftet war. Das Ende ihres
Saugeruͤſſels ſteckte in einer Safthoͤhle, aber nicht im Grunde
derſelben, ſondern an der Seite des walzenfoͤrmigen Koͤrpers, und
zwar an dem uͤberaus kleinen ſchwarzen Kaͤppchen, welches man
daſelbſt findet. Ich riß die Fliege ab, und zog zugleich jenes
Kaͤppchen, welches am Saugeruͤſſel feſt ſaß, und die an demſel-
ben hangenden Koͤlbchen mit heraus.
Auf der Aſclepias Syriaca fand ich eine Fliege, welche mit
einem Fuß in einem ſchwarzen Kaͤppchen feſt ſaß. Als ich das
Bein ein wenig zupfte, ſo zog ich mit demſelben das Kaͤppchen
und die beiden Koͤlbchen heraus. In einer andern Blume fand
ich mehrere Fliegenbeine, deren vormalige Beſitzer ſich mit Ver-
luſt derſelben in Freyheit geſetzt hatten.
Ein andermal fand ich auf dem Vincetoxicum eine kleine
Fliege, welche am Saugeruͤſſel war gefangen worden. Sie gab
ſich alle Muͤhe, ſich wieder in Freyheit zu ſetzen, welches ihr
auch endlich gelang. Nachdem ich dieſelbe erhaſcht hatte, ſo
fand ich, daß drey Koͤlbchen an ihrem Saugeruͤſſel hingen.
Dieſe Erfahrungen uͤberzeugten mich, daß die Natur ſich der
Fliegen bedienet, um dieſe Blumen zu befruchten. Wie aber dies
zuginge, war mir immer noch ein Geheimniß, weil ich damals
theils noch nicht das eigentliche Stigma kannte, theils immer
nur, als bey der Hauptſache, dabey ſtehen blieb, daß die Fliegen
von den Blumen gefangen werden.
Unterdeſſen hatte ich meine Entdeckungen an den Orchisblu-
men gemacht, welche mich gelehrt hatten, daß es nicht eigentlich
die Abſicht der Natur iſt, daß Inſekten, um eine Blume zu be-
fruchten, ſterben ſollen, ſondern daß, wenn dieſes geſchieht, es
ein bloßer Zufall iſt, der aber freylich wegen der Art und Weiſe,
wie die Befruchtung durch dieſelben geſchehen ſoll, oͤfters vorkom-
men muß. Auch hatte ich an der gemeinen Oſterluzey die Ent-
deckung gemacht, daß die kleinen Fliegen, welche dieſelbe beſu-
chen, zwar eine Zeitlang in derſelben eingeſperrt ſind, doch aber
nicht in dieſem Gefaͤngniß ſterben, ſondern, nachdem ſie die Be-
fruchtung vollendet haben, aus demſelben unbeſchaͤdigt wieder
herausgelaſſen werden.
Hieraus machte ich nun den Schluß, daß auch bey der
Aſclepias es nicht eigentlich darauf angeſehen ſey, daß die Flie-
gen gefangen werden, und jaͤmmerlich ſterben ſollen, ſondern daß
ſie, wenn ſie mit einem Fuß ein Kaͤppchen beruͤhren, und dieſes
jenen [ergreift] und feſthaͤlt, das Kaͤppchen abloͤſen, und die an
demſelben hangenden Koͤlbchen aus ihren Faͤchern herausziehen,
und auf das Stigma bringen ſollen.
Aſclepias.
Im letzt vergangenen Jahr gab mir Aſclepias fruticoſa Ge-
legenheit, das wahre Stigma kennen zu lernen, und verſchaffte
mir zugleich eine Erfahrung, welche mich dem Ziel meiner Unter-
ſuchungen naͤher brachte. Ich hatte nemlich einige Blumen in
ein mit Waſſer angefuͤlltes Glas geſetzt, und das Glas an die
freye Luft geſtellt. In der Mittagsſtunde eines ſehr ſchoͤnen Ta-
ges fand ich auf einer von denſelben eine ſehr kleine Fliege in der
groͤßten Thaͤtigkeit. Bald ſchlupfte ſie in eine Saftmaſchine,
welches ſehr artig ausſahe, und hielt ſich eine ziemliche Weile in
derſelben auf. Bald lief ſie auf allen Theilen der Blume umher.
Jetzt war ſie auf der Krone, dann auf dem ſchmalen Zwiſchen-
raum zwiſchen den Saftmaſchinen, wo die Falte iſt, an deren
Ende das ſchwarze Kaͤppchen ſitzt, dann auf dem Stigma, dann
wieder in einer Saftmaſchine. Nachdem ich ihr eine Zeitlang zu-
geſehen hatte, ſo war ich unentſchloſſen, ob ich ſie fangen ſollte,
um ſie abzeichnen zu koͤnnen, oder ob ich es abwarten ſollte, wie
lange ſie ſich auf dieſer Blume aufhalten wuͤrde. Das letztere
ſchien mir wichtiger zu ſeyn; ich ſtoͤrte ſie daher nicht. Es waͤhrte
ungefaͤhr eine halbe Stunde, daß ſie ſich auf dieſer Einen Blume
aufhielt, und zwar immer mit derjenigen ungemeinen Thaͤtigkeit,
Munterkeit, und, moͤchte ich ſagen, Luſtigkeit, welche ich gleich
anfangs bemerkt hatte. Hier ſahe ich nun ein, daß wenn eine
ſolche Fliege dieſe Blume beſucht, und ſich ſo lange auf derſelben
aufhaͤlt, und auf allen Theilen derſelben umherlaͤuft, es leicht
geſchehen kann, daß ſie mit einem Fuß eines von den Kaͤppchen
beruͤhrt, und, weil daſſelbe ſogleich an demſelben feſtſitzt daſſelbe
abloͤſet, und mit demſelben die beiden Koͤlbchen herauszieht, daß
ſie dieſelben, indem ſie fortfaͤhrt auf allen Theilen der Blume
umherzulaufen, auch auf das Stigma ſchleppen muß, da denn
die Koͤlbchen das Oel, welches ſie abſondern, auf demſelben ſitzen
laſſen, welches ſich hierauf mit der Feuchtigkeit oder dem Oel des
Stigma vermiſcht, und ſo durch den walzenfoͤrmigen Koͤrper in
die Fruchtknoten gefuͤhrt wird, wodurch alſo die letzteren befruch-
tet werden.
Nun kam es bloß noch darauf an, ob wirklich die Fliegen
mit den Fuͤßen die Koͤlbchen aus den Beutelchen herausziehen,
welches ich an dieſer Fliege nicht bemerkt hatte. Um mich hieruͤber
durch die Erfahrung belehren zu laſſen, begab ich mich am 22. Au-
guſt nach dem Schloßgarten in Charlottenburg, aus welchem ich
die Blumen erhalten hatte. Dieſen Tag waͤhlte ich mit gutem
Vorbedacht. Denn es war an demſelben das ſchoͤnſte und fuͤr
einen Blumenforſcher erwuͤnſchteſte Wetter. Am 19. und 20.
hatte es, beym Weſtwinde, anhaltend geregnet, doch ohne Don-
ner und Blitz. Am 21. hatte der Oſtwind dieſes Regengewoͤlke,
doch nicht zuſammenhangend, wie vorher, ſondern abgebrochen,
und
[[85]]
Aſclepias.
und mit Donner und Blitz, wieder nach Weſten zuruͤckgejagt, ſo
daß nun am ganzen Himmel kein Woͤlkchen zu ſehen war. Ob
nun gleich die Sonne ziemlich heiß ſchien, ſo wurde doch die Hitze
durch den friſchen Oſtwind gemaͤßigt. Die Pflanzen, durch den
Regen der vorhergehenden Tage erquickt, bluͤheten herrlich, und
die Inſekten, durch eben dieſen Regen verhindert, die Blumen
zu beſuchen, fielen nun mit deſto groͤſſerer Begierde uͤber dieſelben
her. Unterwe[ae]s machte ich eine Beobachtung, die mir um ſo
viel angenehmer war, da ich ſchon lange, wiewohl vergebens,
dieſelbe zu machen gewuͤnſcht hatte. Ich hatte nemlich eingeſehen,
daß Antirrhinum Linaria von einem etwas großen Inſekt, wel-
ches jedoch kleiner waͤre, als die groͤßten Hummeln, befruchtet
werden muͤſſe. Ich hoͤrte jetzt das Summen einer Hummel,
ging demſelben nach, und fand dieſelbe auf den Blumen der Li-
naria in voller Arbeit. Da ſie nicht groͤſſer war, als eine Biene,
ſo hatte ſie, um zum Saft zu gelangen, nicht noͤthig, ein Loch
in das Horn, welches denſelben enthaͤlt, zu beißen, wie die
groͤßten Hummeln thun, ſondern ſie kroch durch den von der Na-
tur gemachten Eingang hinein, woraus erhellet, daß ſie die Blume
befruchtet. In der Mittagsſtunde kam ich in dem Garten an,
und fand auf den daſelbſt befindlichen Stauden der Aſclepias
fruticoſa eine Menge Fliegen und Wespen. Ich bemerkte ſo-
gleich, daß eine Fliege an einem Vorderfuß ein Koͤlbchen ſitzen
hatte. Sie mußte daſſelbe erſt kurz vorher herausgezogen haben,
denn ſie bemuͤhete ſich, daſſelbe wieder los zu werden, indem ſie
beide Vorderbeine umeinander ſchlang, wie die Fliegen zu thun
pflegen, wenn ſie mit denſelben Staub von den Antheren abge-
ſtreift haben, und denſelben wieder los werden wollen. Indeſſen
war ihre Bemuͤhung vergebens, das Koͤlbchen blieb hangen, und
ward von ihr allenthalben mitgeſchleppt. Auf den Blumen einer
andern Staude fand ich eine kleine Wespe, welche auch an einem
Fuß ein Koͤlbchen hangen hatte, und mit demſelben ihrer Nah-
rung nachging. Auf ſolche Art hatte ich zu meinem groͤßten Ver-
gnuͤgen die Abſicht meiner Reiſe voͤllig erreicht, indem die Erfah-
rung meine Vorſtellung von der Art und Weiſe, wie die Inſekten
dieſe Blume befruchten, beſtaͤtigt hatte.
Es hat alſo mit der Einrichtung der Aſclepias fruticoſa und
mit ihrer Befruchtung folgende Bewandniß.
Weil dieſe Blume von Fliegen und Wespen, welche nicht,
wie die Bienen, Staub ſammlen, befruchtet werden ſoll: ſo iſt
ſie eine Saftblume. Damit ſie von dieſen Inſekten leicht bemerkt
werden koͤnne, ſo hat ſie eine Krone. Zu gleichem Endzweck ha-
ben einige Arten einen Geruch, welcher bey der Aſclepias Sy-
riaca ſehr angenehm, bey der Stapelia hirſuta aber ſehr unange-
nehm iſt; bey dieſer Art habe ich keinen Geruch wahrgenommen.
Aſclepias.
Die Saftmaſchinen haben eine andere Farbe, als die Krone, wel-
cher Unterſchied bey andern Arten ſtaͤrker in die Augen faͤllt, als
bey dieſer, damit die Inſekten, nachdem ſie ſich auf die Blume
geſetzt haben, durch dieſe beſondere Farbe angewieſen werden, in
den Saftmaſchinen den Saft zu ſuchen. Die maͤnnlichen Koͤlb-
chen ſtecken, ſo lange ſie nicht zur Befruchtung angewandt wer-
den, in beſonderen Beutelchen oder Faͤchern, damit das befruch-
tende Oel, welches ſie abſondern, nicht vom Regen verdorben
werde. Das ſchwarze Kaͤppchen hingegen, an welchem ſie han-
gen, ſitzt frey, damit ein Inſekt daſſelbe leicht mit einem Fuß be-
ruͤhren koͤnne. Es iſt ſehr hart, und hat vermuthlich die Geſtalt
und Elaſticitaͤt eines Fangeiſens (das einfache Mikroſkopium gab
mir hieruͤber nicht die gehoͤrige Auskunft), damit, ſobald ein Flie-
genfuß zwiſchen die beiden Theile deſſelben geraͤth, ſie zuſammen-
fahren, und denſelben feſthalten. Ich ſchließe dies aus demjeni-
gen, was Koͤlreuter bemerkt hat. Die Kaͤppchen, ſagt er,
haben eine gewiſſe Aehnlichkeit mit einem zweyfaͤcherichten verhaͤr-
teten, oder vertrockneten Staubkoͤlbchen. Wenn nun dieſe Kaͤpp-
chen an die Falten, an deren Ende ſie ſitzen, angewachſen waͤren,
wie Koͤlreuter ſagt: ſo wuͤrde dieſes ſehr zweckwidrig ſeyn,
weil es dadurch den Inſekten ſchwer, wenn nicht gar unmoͤglich
gemacht ſeyn wuͤrde, dieſelben abzuloͤſen. Er hat ſich aber hierin
geirrt. Denn wenn man die Spitze einer Nadel in eine Falte
ſteckt, und die Nadel abwaͤrts zieht, ſo daß die Spitze in der
Falte bleibt: ſo loͤſet man das Kaͤppchen mit einer ſolchen Leich-
tigkeit ab, daß man wohl merken kann, daß daſſelbe keinesweges
angewachſen iſt. Warum das Kaͤppchen an dem Ende einer ſol-
chen Falte ſitzt, iſt nicht ſchwer einzuſehen. Denn da die Kaͤpp-
chen uͤberaus klein ſind, ſo wuͤrde es ſelten geſchehen, daß eine
Fliege mit einem Fuß eines derſelben beruͤhrte; da aber die Fal-
ten ziemlich lang ſind, ſo geraͤth der Fliegenfuß leichter in eine
Falte, als an ein Kaͤppchen. Und daß derſelbe noch leichter in
eine Falte gerathe, dazu dient folgende Anſtalt, Fig. 5. Erſtens
iſt der kurze und dicke Stiel e f, auf welchem die Saftmaſchinen
befeſtigt ſind, ſehr glatt. Er hat fuͤnf Seiten, welche mit den
Saftmaſchinen abwechſeln, und ein wenig ausgehoͤhlt ſind. Der
oberſte Rand der Saftmaſchinen b l und b m macht mit dem
Stiele einen ſpitzen Winkel, doch ſo, daß der Scheitel des Win-
kels nicht ſpitz, ſondern bogenfoͤrmig gekruͤmmt iſt, folglich der
Rand ſich in den Stiel nach und nach verlieret. Dabey iſt dieſer
Rand eben ſo glatt, als der Stiel, ſo wie er denn auch eben ſo
gefaͤrbt iſt, nemlich blaßviolett. Dieſer glatte Theil der Blume,
welchen jener Stiel und jene Raͤnder ausmachen, iſt in Fig. 11.
von oben geſehen abgebildet. Eine von den fuͤnf Seiten deſſelben
iſt Fig. 5. b l i k m b. Nun muß eine Fliege oder eine Wespe,
K
[[86]]
Aſclepias.
welche ſich auf die Blume geſetzt hat, und zwar in umgekehrter
Stellung, weil ſie in dieſer am bequemſten ihren Saugeruͤſſel in
die Saftmaſchinen hineinſtecken kann, oftmals, um ſich feſt zu
halten, einen Fuß auf dieſen Theil ſetzen. Wegen der Glaͤtte
deſſelben kann der Fuß auf demjenigen Punkt, auf welchen er
zufaͤlligerweiſe geſetzt worden iſt, nicht haften, ſondern gleitet
herab bis an den Winkel b. Sobald er bis dahin gekommen iſt,
geraͤth er in den oberſten etwas weiteren Theil der Falte a b.
Zweytens haben die Saftmaſchinen an beiden Seiten einen ſehr
duͤnnen, aber ziemlich breiten Anſatz c d und g h, welcher un-
mittelbar uͤber jener Falte befindlich iſt. Sobald nun das Inſekt
einen Fuß auf einen von dieſen Anſaͤtzen geſetzt hat, welches oft-
mals geſchehen muß, biegt ſich dieſer, weil er ſehr duͤnne iſt, um,
und der Fuß gleitet von ihm herab, und geraͤth in die Falte a b.
Wenn nun das Inſekt ſeine Stellung ein wenig aͤndert, ſo ruͤckt
auch der Fuß fort. Es iſt aber natuͤrlicher, daß derſelbe in der
Falte bleibe, und ſich innerhalb derſelben fortbewege, als daß er
aus derſelben herauskomme, weil das Letztere dem Inſekt einige
Muͤhe verurſachen wuͤrde. Sobald er nun auf ſolche Art an das
Ende der Falte koͤmmt, ſo beruͤhrt er das Kaͤppchen a, welches
denſelben ſogleich feſthaͤlt. Wann das Inſekt merkt, daß es mit
einem Fuß feſt ſitzt, ſo faͤngt es an zu ziehen, um denſelben wie-
der los zu machen. Hat es nun grade eine ſolche Stellung, daß
es das Kaͤppchen niederwaͤrts zieht, ſo loͤſet es daſſelbe ab, und
zieht die an demſelben hangenden Koͤlbchen aus ihren Beutelchen
heraus. Hat es aber eine ſolche Stellung, daß es das Kaͤppchen
in die Hoͤhe zieht, ſo kann es daſſelbe mit den Koͤlbchen nicht
herausziehen, ſondern es reißt entweder das Kaͤppchen von den
Koͤlbchen ab, wenn es ſtark iſt, oder bleibt, wenn es klein und
ſchwach iſt, an demſelben hangen, und wird auf ſolche Art ge-
fangen. Wenn es im erſten Fall ein Paar Koͤlbchen herausge-
zogen hat, ſo bemuͤhet es ſich, wiewohl vergebens, daſſelbe los-
zumachen. Es faͤhrt alſo in ſeinem, durch dieſen kleinen Zufall
unterbrochenen, Geſchaͤft fort, und ſchleppt die Koͤlbchen allent-
halben mit umher, folglich auch auf das Stigma, welches eben
deswegen von anſehnlicher Groͤſſe iſt, damit dieſes deſto leichter
und unausbleiblicher geſchehe. Auf ſolche Art erhaͤlt das Stigma
etwas von dem Oel der Koͤlbchen, worauf die Befruchtung der
Fruchtknoten ſo vor ſich geht, als ich oben geſagt habe.
Aus dieſer Vorſtellung von der Befruchtungsart dieſer Blume
laͤßt ſich der oben beruͤhrte Umſtand leicht erklaͤren, daß nemlich
die wenigſten Blumen Fruͤchte anſetzen. Manche Blume ver-
bluͤhet, ohne von einem Inſekt beſucht worden zu ſeyn, beſon-
ders wenn es, ſo lange ſie gebluͤhet hat, ſchlechtes Wetter gewe-
ſen iſt. Andere Blumen koͤnnen von einem Inſekt beſucht wer-
Aſclepias.
den, ohne daß es ſich jedesmal ſo trifft, daß daſſelbe ein Paar
Koͤlbchen herauszieht, oder, wenn dies geſchehen iſt, daß es die-
ſelben uͤber das Stigma hinuͤber ſchleift. Ob nun gleich die meh-
reſten Blumen unbefruchtet bleiben, ſo erreicht dennoch die Na-
tur ihre Abſicht, nemlich die Erhaltung und Fortpflanzung der
Art.
Um einzuſehen, wie ſehr ſich Koͤlreuter geirrt hat, darf
man nur mit ſeiner Erklaͤrung den Umſtand vergleichen, daß
die Inſekten die Koͤlbchen aus den Beutelchen herausziehen.
Aus ſeiner Erklaͤrung wuͤrde folgen, daß die Natur dieſe und
die uͤbrigen hieher gehoͤrigen Blumen nur darum ſo kuͤnſtlich
gebauet, ſo ſchoͤn gezieret, mit einem ſo angenehmen oder un-
angenehmen Geruch begabt, und mit Saft verſehen habe, da-
mit Inſekten dieſelben beſuchen, die Koͤlbchen aus den Beutel-
chen herausziehen, und dadurch die Befruchtung derſelben un-
moͤglich machen. Laͤßt ſich wohl etwas ungereimteres ge-
denken?
Was den ſo eben beruͤhrten unangenehmen Geruch betrifft,
ſo gehoͤrt hieher Stapelia hirſuta.Wahlboom ſagt in ſeiner
oben angefuͤhrten Diſſertation, daß dieſe Blume wie Luder
ſtinkt, und daß, durch dieſen Geſtank gelockt, die fleiſchfreſſen-
den Fliegen dieſelbe haͤufig beſuchen. Auch dieſes laͤßt ſich aus
meiner Vorſtellung von der Befruchtung ſehr leicht erklaͤren.
Denn ſo wie die meiſten Blumen einen den Menſchen ange-
nehmen Geruch haben, damit Bienen, Hummeln und andere
Inſekten, denen dieſer Geruch auch angenehm iſt, durch den-
ſelben gereizt werden, dieſelben zu beſuchen: eben ſo haben an-
dere einen den Menſchen unangenehmen, oder wohl gar hoͤchſt
widrigen und unausſtehlichen Geruch, damit andere Inſekten,
welche einen ſolchen Geruch lieben, dieſelben beſuchen. Stape-
lia hirſuta ſtinkt alſo bloß deswegen wie Luder, damit die
Fleiſch- und Luderfliegen, denen dieſer Geruch hoͤchſt lieblich
iſt, dieſelbe beſuchen und befruchten. Bienen und Hummeln
werden dieſelbe gewiß nicht beſuchen, weil ſie einen ſolchen Ge-
ſtank verabſcheuen.
In Gleditſchs vermiſchten Abhandlungen finde
ich eine Stelle, welche mir ſehr merkwuͤrdig zu ſeyn ſcheint.
Er ſagt nemlich (Th. 3. S. 152.), daß gewiſſe Pflanzen,
welche nebſt einer ausnehmenden Schaͤrfe, zugleich in ihrer
Grundmiſchung etwas betaͤubendes und fluͤchtiges enthalten,
die Bienen toͤdten, welche ihre Blumen beſuchen. Als ein
Beyſpiel ſolcher Pflanzen fuͤhrt er die Arten der Aſclepias
und des Cynanchum an. Hieraus folgt alſo erſtens, daß die
Bienen zur Befruchtung dieſer Blumen keinesweges beſtimmt
ſind. Dieſes wird noch wahrſcheinlicher, wenn man bedenkt,
[[87]]
Aſclepias.
auf welche Artſie andere Blumen, fuͤr welche ſie wirklich beſtimmt
ſind, befruchten, welches ſo geſchieht, daß ſie den Staub der
Antheren mit ihrem haarichten Koͤrper abſtreifen, und denſelben
auf das Stigma bringen, keinesweges aber ſo, wie die Fliegen
die Aſclepias und die Orchishlumen befruchten. Wenn alſo junge
Bienen, die noch unerfahren und dabey vorwitzig ſind, dennoch
ſolche Blumen beſuchen, ſo muͤſſen ſie ihre unzeitige Neugierde
und Luͤſternheit mit dem Tode buͤßen. Zweytens faͤllt mir bey
dieſer Stelle die kleine Fliege ein, welche ich, wie ich oben er-
zaͤhlt habe, eine halbe Stunde lang auf einer einzigen Blume der
Aſclepias fruticoſa beobachtet habe. Ihr ganzes Betragen gab
zu erkennen, daß ſie etwas fluͤchtiges und berauſchendes mußte
genoſſen haben. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich jemals an
einer Fliege oder einem andern Inſekt etwas aͤhnliches bemerkt
habe. Sie glich, um es kurz zu ſagen, einem Menſchen, der
ſich in einem herrlichen Wein einen maͤßigen Rauſch getrunken
hat, und dadurch in den hoͤchſten Grad der Lebhaftigkeit, Mun-
terkeit und Luſtigkeit verſetzt worden iſt. Wenn der Saft dieſer
Blume wirklich eine berauſchende Eigenſchaft hat, ſo kann nichts
zweckmaͤßiger ſeyn. Denn die durch denſelben in die groͤßte Thaͤ-
tigkeit verſetzten Fliegen laufen auf allen Theilen der Blume um-
her, und muͤſſen deſto unausbleiblicher die Koͤlbchen aus den
Faͤchern herausziehen, und auf das Stigma ſchleppen. Aſcle-
pias Syriaca ſcheint fuͤr die Hummeln eine betaͤubende Wirkung
zu haben. Denn ich fand zwey große bunte Hummeln auf der-
ſelben, welche ungemein traͤge waren, ſich willig fangen ließen,
und, wann ich ſie wieder los ließ, nicht einmal davon flogen, und
jenen traͤgen Fliegen vollkommen glichen, welche die Berberis
vulgaris befruchten; da ſie doch gewoͤhnlich ſich ganz anders ver-
halten, und, ſobald ſie merken, daß man ihnen nachſtellt, ſo-
gleich die Blumen verlaſſen, und davon fliegen.
Schließlich bemerke ich noch, daß die Erſcheinung, daß die
Fliegen und Wespen Koͤlbchen an ihren Fuͤßen ſitzen haben, bey
ſchoͤnem Wetter nicht etwas ſeltenes, ſondern etwas gewoͤhn-
liches iſt. Denn ich habe in der Folge noch einigemal in dem
Charlottenburgiſchen Schloßgarten die Blumen beobachtet, und
jedesmal verſchiedene Inſekten, beſonders Wespen, auf denſel-
ben angetroffen, welche ein, zwey oder drey Koͤlbchen an einem,
zuweilen auch an mehrern Fuͤßen ſitzen hatten. Einige von den-
ſelben habe ich gefangen, und bewahre ſie noch auf. Man wird
ſich alſo von der Wahrheit desjenigen, was ich geſagt habe,
durch die Erfahrung leicht uͤberzeugen koͤnnen, wenn man die
Blumen bey ſchoͤnem Wetter, beſonders in den Mittagsſtunden,
beobachtet; denn bey ſchlechtem Wetter wird man wenig oder gar
keine Inſekten auf denſelben antreffen. Man wird auch an vie-
Vlmus. Heuchera. Gentiana.
len Blumen, wenn man ſie genau beſieht, bemerken, daß Ein
oder mehrere Paare Koͤlbchen fehlen. Nun koͤnnen aber dieſelben
nicht von ſelbſt herausfallen; folglich muͤſſen ſie von Inſekten
herausgezogen worden ſeyn.
Vlmus.
Vlmus effuſa Wildenow. (Fl. Berol.) Ruͤſter. Tab.
IX. 44. 45.
45. Die vergroͤſſerte Bluͤthe.
44. Der noch ſtaͤrker vergroͤſſerte Fruchtknoten.
Da Dieſe Blume von den Bienen haͤufig beſucht wird, ſo
koͤnnte man daraus ſchließen, daß ſie Saft enthalte, und daß der
mittelſte dickere giatte und etwas gelblichere Theil des Fruchtkno-
tens die Saftdruͤſe, der Kelch aber der Safthalter ſey. Da ſie
aber weder einen Geruch, noch eine Krone hat, ihr Kelch auch
weder ſo groß, noch ſo anſehnlich gefaͤrbt iſt, daß man annehmen
koͤnnte, er ſolle die Stelle der Krone vertreten: ſo kann ſie keine
Saftblume ſeyn; wie ich denn auch niemals Saft in derſelben
gefunden habe. Folglich beſuchen ſie die Bienen bloß des Stau-
bes wegen.
Heuchera.
Heuchera Americana. Dieſe Pflanze gehoͤrt mit der
Saxifraga zu Einer natuͤrlichen Gattung, und unterſcheidet ſich
von den uͤbrigen Arten bloß dadurch, daß ſie nicht zehn, ſondern
fuͤnf Staubgefaͤße hat. Ihr ganzes Anſehen beweiſet dieſes,
wenn man ſie z. B. mit der Saxifraga Geum oder vmbroſa ver-
gleicht. Sie gehoͤrt zu eben der Abtheilung, zu welcher Saxifraga
granulata gehoͤrt. Ich meine aber nicht die vier Abtheilungen,
welche Linné nach dem aͤußeren Anſehen der Pflanzen gemacht
hat, ſondern die zwey Abtheilungen, welche man nach der Struk-
tur der Blumen machen koͤnnte. Im Grunde des Kelchs findet
man Saft. Die Blumen ſind an dem oberſten Theil des langen
blaͤtterloſen Stengels befindlich, und fallen daher, obgleich eine
jede klein iſt, zuſammengenommen den Inſekten ſchon von weitem
in die Augen. Die zinnoberfarbenen Antheren tragen hierzu nicht
wenig bey. Die langen Filamente und Griffel ſcheinen zur Ab-
haltung der Regentropfen vom Saft zu dienen.
Gentiana.
Gentiana Pneumonanthe. Tab. X. 8—17.
36. 37.
8. Die die Nacht hindurch geſchloſſen geweſene Blume,
welche des Morgens anfaͤngt ſich wieder zu oͤffnen, in natuͤrlicher
Stellung und Groͤſſe.
K 2
[[88]]
Gentiana.
9. Dieſelbe, nachdem ſie ſich voͤllig geoͤffnet hat.
10. Eine juͤngere Blume, von welcher das oberſte Stuͤck der
Krone weggeſchnitten worden.
11. Die aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Krone, nach-
dem die Antheren von einander getrennt worden.
13. a der unterſte Theil des Fruchtknotens, b die Saftdruͤſe,
c die umgeſchlagene Krone.
12. Die Saftdruͤſe im Queerdurchſchnitt.
14. Ein Staubgefaͤß von der Seite, nebſt dem Stuͤck der
Krone, an welches es angewachſen iſt.
15. Ein Stuͤck des oberſten Theils der Krone.
16. Der Queerdurchſchnitt der Blume bey a Fig. 8.
17. Die Blume, in welche man von oben hineinſieht, ohne
Schatten.
36. Der oberſte Theil des Piſtills in der juͤngeren Blume,
Fig. 10., welches noch kein Stigma hat, da die Antheren Staub
haben.
37. Der oberſte Theil des Piſtills in der aͤlteren Blume,
welches ein Stigma hat, da die Antheren keinen Staub mehr
haben.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Koͤrper, welcher das Piſtill traͤgt,
und dunkelgruͤn iſt, da dieſes blaß- oder gelblichgruͤn iſt. Er hat
die in Fig. 13. und 12. abgebildete Geſtalt. Auf den fuͤnf groͤſſe-
ren Winkeln deſſelben liegt die Baſis der mit der Kronenroͤhre
zuſammengewachſenen Filamente, und auf den fuͤnf kleineren lie-
gen die dickeren Streife der Kronenroͤhre zwiſchen den Fila-
menten.
2. In den roͤhrenfoͤrmigen Zwiſchenraͤumen zwiſchen dem
unterſten Theil des Fruchtknotens und der Kronenroͤhre ſteigt der
Saft in die Hoͤhe.
3. Da die Blume eine aufrechte Stellung und eine weite
Oeffnung hat, ſo muͤſſen, wenn es regnet, Regentropfen in die-
ſelbe hineinfallen. Dieſe koͤnnen aber nicht zum Saft gelangen,
weil die Antheren, da ſie zuſammengewachſen ſind, verurſachen,
daß die Filamente am Fruchtknoten dicht anliegen, und folglich
die Roͤhre der Krone in fuͤnf kleinere Roͤhren getheilet iſt, welche
keinen Regentropfen durchlaſſen.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die blaue Krone
iſt mit vielen ſehr kleinen weißlichen Kreiſen, welche einen braͤun-
lichen Mittelpunkt haben, geziert, Fig. 11. 15. Im Grunde
derſelben wechſeln weißliche Streifen mit blauen ab, Fig. 11. 17.,
und fuͤhren die Inſekten unmittelbar zum Saft. Da nun die
Blume ein Saftmaal hat, ſo muß ſie eine Tagesblume ſeyn.
Gentiana.
Dies beſtaͤtigt die Erfahrung. Denn des Nachts ſchließt ſich die
Krone dicht zu, ſo daß der oberſte Theil derſelben die Geſtalt eines
Kegels hat. Sie iſt nemlich, Fig. 15., oberwaͤrts zehnmal ge-
falzt, bey e einwaͤrts und bey f auswaͤrts, und ihr Rand iſt in
fuͤnf Abſchnitte getheilet, deren jeder in der Mitte eingeſchnitten
iſt. Wenn ſie ſich nun ſchließen will, ſo werden die Winkel der
Falze immer ſpitzer, bis die Spitzen der Abſchnitte a alle zuſam-
menkommen.
5. Ich fand in der Blume ſchwarze und gelbe Blaſenfuͤße,
desgleichen ein kleines gelbes Inſekt, welches die Geſtalt einer
Spinne hat, und welches ich in mehrern Blumen angetroffen
habe. Dieſes Thierchen ſiehet man immer mit großer Geſchaͤf-
tigkeit in den Blumen umherlaufen. Indeſſen glaube ich nicht,
daß dieſe Blume von dieſen kleinen Inſekten, ſondern von einem
groͤſſeren befruchtet wird. Daß ſie aber von irgend einem In-
ſekt, keinesweges aber auf eine mechaniſche Art befruchtet wird,
erhellet daraus, daß ſie ein Dichogamiſt von der maͤnnlich-weib-
lichen Art iſt. Denn wann die Antheren bluͤhen, oder voller
Staub ſind, Fig. 10., ſo iſt der oberſte Theil des Piſtills noch
nicht getheilt, Fig. 36., und befindet ſich nach innerhalb der
Roͤhre, welche die Antheren bilden, Fig. 10. Da alſo das Stigma
noch nicht vorhanden iſt, ſo kann es von den Antheren keinen
Staub erhalten. Und wenn es auch ſchon vorhanden waͤre, ſo
koͤnnte es doch nicht beſtaͤubt werden, da der Staub nicht auf der
inneren, ſondern auf der aͤußeren Seite der Antherenroͤhre be-
findlich iſt. So lange aber die Antheren bluͤhen, faͤhrt das Piſtill
fort zu wachſen, und nachdem jene ihren Staub verloren haben,
raget der oberſte Theil dieſes ſo weit uͤber jene hinweg, daß ſeine
beide Haͤlften, deren innere Seite das eigentliche Stigma iſt, ſich
von einander begeben und ſpiralfoͤrmig kruͤmmen koͤnnen, Fig. 37.
Dieſes Stigma aber kann von den Antheren keinen Staub erhal-
ten, da dieſelben keinen mehr haben, und ſchon ganz vertrocknet
ſind. So wie aber ein etwas großes Inſekt nicht in die juͤngere
Blume hineinkriechen kann, ohne mit irgend einem Theil ſeines
Koͤrpers den Staub von den Antheren abzuſtreifen: eben ſo kann
es hernach auch nicht in eine aͤltere Blume hineinkriechen, ohne
mit dieſem beſtaͤubten Theil ſeines Koͤrpers das Stigma zu beruͤh-
ren, weil ſich dieſes an eben der Stelle befindet, wo in der juͤn-
geren Blume die Antheren ſind. Folglich wird die aͤltere Blume
von einem Inſekt durch den Staub der juͤngeren Blume be-
[f]ruchtet.
Gentiana Centaurium. Tauſendguͤldenkraut. In
dieſer Blume habe ich keinen Saft geſunden, ob ich ſie gleich oft-
mals und zu verſchiedenen Jahreszeiten unterſucht habe.
[[89]]
Die Schirmblumen.
Die Schirmblumen.
Conium maculatum. Schierling. Tab. IX 42. 43.
42. Die Haͤlfte des Piſtills, nachdem die Blume verbluͤhet
iſt, von der Seite, und
43. von oben geſehen. Die (punktirte) Saftdruͤſe.
Chaerophyllum ſylueſtre. Kaͤlberkropf. Tab. IX.
46. 47. 49.
46. Die erwachſene Frucht.
47. Das Scheinpiſtill einer maͤnnlichen Blume einer von
den ſpaͤteſten Dolden.
49. Das wirkliche Piſtill einer Zwitterblume einer fruͤheren
Dolde.
Heracleum Sphondylium. Baͤrenklau. Tab. X.
1—4.
1. Die vergroͤſſerte juͤngere Blume, von oben geſehen.
2. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung, von der Seite geſehen.
3. Das Piſtill zur Bluͤhezeit.
4. Die erwachſene Frucht.
Aethuſa Cynapium. Gleiße. Tab. X. 5—7.
5. Die vergroͤſſerte aͤltere Blume von oben geſehen. Unter
dieſer Figur a ein Kronenblatt, von oben, b, von der Seite ge-
ſehen.
6. 7. Die junge Frucht.
Imperatoria Oſtruthium. Meiſterwurz. Tab. IV.
40—42.
40. Das Piſtill zur Zeit der Bluͤthe.
42. Daſſelbe nach derſelben.
41. Das Scheinpiſtill einer maͤnnlichen Blume aus einer
von den letzten Dolden, welche faſt lauter maͤnnliche Blumen
haben.
Aegopodium Podagraria. Gierſch. Zipperlein-
kraut. Tab. IV. 14. Die junge Frucht.
Liguſticum Leuiſticum. Liebſtock. Tab. IV.
38. 39.
38. Die Blume, nachdem ſie die Staubgefaͤße und Kronen-
blaͤtter verloren hat.
39. Dieſelbe, nachdem ſie noch aͤlter geworden iſt.
Laſerpitium Prutenicum. Tab. IV. 43. Tab. VI.
32. 33.
Tab. IV. 43. Das Piſtill der verbluͤheten Blume. Der
Fruchtknoten iſt haaricht und gruͤn, da die (punktirte) Saftdruͤſe
glatt und weiß iſt. Nach einiger Zeit bekoͤmmt ſie eine roͤthliche
Farbe, da der Fruchtknoten gruͤn bleibt.
Die Schirmblumen.
Tab. VI. 32. Eine juͤngere Blume, deren Antheren bluͤ-
hen, deren Griffel aber noch ſehr klein ſind, und dicht an einan-
der ſtehen.
33. Eine aͤltere Blume, welche die Staubgefaͤße ſchon abge-
worfen hat, deren Griffel aber ihre voͤllige Laͤnge erreicht, und
ſich von einander begeben haben.
1—3. Obgleich Linné bey keiner Gattung der Schirmblumen
ein Nectarium bemerkt hat, ſo ſind doch dieſelben insgeſamt Saft-
blumen. Die Saftdruͤſe iſt der oberſte Theil des Fruchtknotens,
welcher ſich innerhalb der Krone befindet. Sie unterſcheidet ſich
durch ihre mehrentheils weiße, zuweilen gelbe Farbe von dem ei-
gentlichen Fruchtknoten, welcher gruͤn iſt, wie auch durch ihre
Glaͤtte, da der Fruchtknoten in manchen Arten haaricht iſt. Eben
dieſe Saftdruͤſe iſt zugleich der Safthalter. Da nun der auf der-
ſelben befindliche Saft an der freyen Luft liegt, und durch nichts
gedeckt wird, ſo ſcheint derſelbe vor dem Regen keinesweges ge-
ſchuͤtzt zu ſeyn. Allein erſtens iſt derſelbe nicht eigentlich fuͤr Bie-
nen und Hummeln beſtimmt, welche in Anſehung des Safts ſehr
ekel ſind, und einen mit Regenwaſſer vermiſchten Saft verſchmaͤ-
hen, da ſie ſich aus andern Blumen einen ſolchen Saft zu ver-
ſchaffen wiſſen, der ſchlechterdings nicht vom Regen verdorben
werden kann. Sondern derſelbe iſt hauptſaͤchlich fuͤr Fliegen und
andere unedlere Inſekten beſtimmt. Weil dieſe zu dumm ſind,
um den in andern Blumen tief verſteckten und vor dem Regen
voͤllig geſicherten Saft ausfindig zu machen: ſo haben ſie keinen
ſo feinen Geſchmack, als die Bienen und Hummeln, ſind in der
Wahl deſſelben nicht ſo ekel, ſondern nehmen auch mit einem durch
den Regen verdorbenen Saft vorlieb. Manche von denſelben
ſind ſogar ſo dumm, und haben einen ſo wenig feinen Geſchmack,
daß ſie oft einen Regentropfen, welchen ſie auf einem von den
aͤußeren Theilen der Blumen antreffen, fuͤr Saft halten, und
ſich denſelben wohlſchmecken laſſen, unterdeſſen Bienen und Hum-
meln den tief verſteckten Saft aus dieſen Blumen herausholen.
Zweytens, eben der Umſtand, der dieſen Blumen in Anſehung
des Regens nachtheilig iſt, iſt ihnen auch in Anſehung deſſelben
vortheilhaft. Weil nemlich der auf eine Saftdruͤſe gefallene Regen-
tropfen eben ſo an der freyen Luft liegt, als der Saft, und eben
ſo den Sonnenſtrahlen, wann der Regen voruͤber iſt, ausgeſetzt
iſt, als dieſer dem Regen ausgeſetzt war: ſo muß derſelbe bald
verduͤnſten und abtrocknen. Dies muß um ſo viel leichter und
geſchwinder geſchehen, da die Blumen mehrentheils auf ſehr
hohen Stengeln und Zweigen ſich befinden, welche der Wind
tuͤchtig hin und her ſchuͤttelt, und folglich nicht nur viel Regen-
tropfen herabwirft, ſondern auch verurſacht, daß die uͤbrig blei-
benden deſto eher verduͤnſten, weil ſie immer von neuen Lufttheil-
K 3
[[90]]
Die Schirmblumen.
chen beruͤhrt werden. Wann nun auf ſolche Art die Regentropfen
fortgeſchafft worden ſind, ſo fahren die Saftdruͤſen fort, Saft ab-
zuſondern, und die Inſekten treffen auf denſelben einen reinen
und unverdorbenen Saft an. Endlich drittens finde ich auch bey
den mehrſten Arten eine Anſtalt, welche ſich bloß auf die Abhal-
tung der Regentropfen vom Saft zu beziehen ſcheint. Dies iſt
die beſondere Geſtalt der Kronenblaͤtter, welche herzfoͤrmig ein-
waͤrts gebogen ſind, Tab. X. 1. 2. 5. a. b. Wenn ein Regen-
tropfen auf ein ſolches Kronenblatt gefallen iſt, ſo muß er da,
wo daſſelbe einwaͤrts umgebogen iſt, haften, weil er hier von
mehrern Seiten, folglich am ſtaͤrkſten, angezogen wird. Ob
nun gleich alſo die Kronenblaͤtter den Saft vor dem Regen nicht
ſchuͤtzen koͤnnen, wie in andern Blumen, ſo ſind ſie doch ſo ein-
gerichtet, daß wenigſtens diejenigen Regentropfen, welche ſie
ſelbſt empfangen haben, den Saft nicht beruͤhren und verder-
ben koͤnnen, ſondern immer in einer gewiſſen, obgleich kleinen,
Entfernung von demſelben ſtehen bleiben.
4. Die Blumen, wenn ſie einzeln ſtuͤnden, wuͤrden wegen ih-
rer Kleinheit den Inſekten nicht ſonderlich in die Augen fallen.
Da ihrer aber ſehr viele in der Geſtalt einer Dolde, welche oft
eine anſehnliche Groͤſſe hat, auf hohen Stengeln und derſelben
Zweigen ſitzen: ſo koͤnnen ſie ſchon von weitem von den Inſekten
bemerkt werden. Die mehreſten Arten haben keinen Geruch, als
Imperatoria Oſtruthium, Angelica Archangelica, Chaero-
phyllum ſylueſtre; Aegopodium Podagraria aber hat einen
angenehmen ſuͤßen Geruch. Ein Saftmaal koͤnnen ſie nicht ha-
ben, da der Saft ganz frey liegt, und den Inſekten bey Er-
blickung der Blume ſogleich in die Augen faͤllt. Die Urſache,
warum manche Arten gleiche und regulaͤre, andere aber ungleiche
und irregulaͤre Kronen haben, iſt ſchon bey der Scabioſa colum-
baria angezeigt worden.
5. Die Blumen aller derer Arten, welcheich bisher beobachtet
habe, werden von allerley Inſekten haͤufig beſucht. Inſonderheit
finden ſich allerley Fliegen in Menge auf denſelben ein. Bey
ſchoͤnem Wetter, beſonders in den Mittagsſtunden, ſieht man die
Dolden voller Inſekten, welche ſich aber nicht lange auf einer je-
den Blume aufhalten, weil ſie mit dem Saft derſelben bald fertig
werden, ſondern von einer Blume zur andern laufen, und von
einer Dolde auf die andere fliegen, und dabey den Saft der Blu-
men, uͤber welche ſie hinweglaufen, ſchnell ablecken. Die großen
Dolden der Angelica Archangelica und ſylueſtris, und des
Heracleum Sphondylium ſind ein wahrer Tummelplatz der In-
ſekten. Auch Ameiſen gehen dem Saft nach, welche ich z. B.
auf dem Koͤrbel (Scandix Cerefolium) gefunden habe.
Die Schirmblumen.
Daß nun dieſe Blumen insgeſamt von den Inſekten befruch-
tet werden, folgt unwiderſprechlich daraus, daß bey ihnen die
Dichogamie, und zwar die maͤnnlich-weibliche, Statt findet,
Tab. VI. 32. 33. Denn die juͤngere Blume hat zwar Antheren,
aber noch keine Stigmate, und die aͤltere hat zwar Stigmate,
aber keine Antheren mehr. Noch auffallender iſt dieſe Einrichtung
beym Liebſtock, Tab. IV. 38. 39. Denn ſolange die Blume
Staubgefaͤße und Kronenblaͤtter hat, ſind die Griffel noch ſehr
kurz. Erſt nachdem ſie ſowohl dieſe als jene abgeworfen hat,
verlaͤngern ſich die Griffel, und begeben ſich von einander. Als-
denn aber faͤhrt die Saftdruͤſe noch immer fort, Saft abzuſon-
dern, ſo daß die aͤlteren Dolden, welche keine einzige mit Staub-
gefaͤßen und Kronenblaͤttern noch verſehene Blume mehr haben,
dennoch eben ſo haͤufig von den Inſekten beſucht werden, als die
juͤngeren. Die Befruchtung geſchieht alſo hier, wie bey allen
maͤnnlich-weiblichen Dichogamiſten ſo, daß die Inſekten die
Stigmate der aͤlteren Blumen mit bem Staube der juͤngeren ver-
ſehen. Denn da die Griffel der erſteren ungefaͤhr eben ſo lang
ſind, als die Filamente der letzteren, ſo muß ein Inſekt, welches
mit irgend einem Theil ſeines Koͤrpers die Antheren der juͤngeren
Blumen beruͤhrt, mit eben dieſem Theil die Stigmate der aͤlteren
beruͤhren. Daß aber bloß die aͤlteren Blumen, keinesweges aber
die juͤngeren Stigmate haben, davon wird man ſich durch ein
gutes zuſammengeſetztes Vergroͤſſerungsglas leicht uͤberzeugen koͤn-
nen. Man kann dies aber ſchon aus der verſchiedenen Laͤnge der
Griffel in beiderley Blumen ſchließen. Denn wenn die juͤngeren
Blumen ſchon Stigmate haben, und vermittelſt derſelben befruch-
tet werden: warum verlaͤngern ſich denn nach geſchehener Be-
fruchtung die Griffel? Dieſe Frage laͤßt ſich ſchlechterdings nicht
beantworten. Denn wenn die Befruchtung vollendet iſt, ſo iſt
der Griffel nebſt dem Stigma unnuͤtz, und faͤllt daher in andern
Blumen entweder ab, oder wird welk und unanſehnlich, verlaͤn-
gert ſich aber niemals.
Damit nun die Befruchtung auf dieſe Weiſe deſto gewiſſer
vor ſich gehe, ſo bluͤhen die Blumen, ſowohl wann ſie maͤnnli-
chen Geſchlechts ſind, als auch nachher, wann ſie weiblichen Ge-
ſchlechts ſind, ziemlich lange. Am 15. May bezeichnete ich einige
Umbellen des Chaerophyllum ſylueſtre, welche nur wenig ſchon
wirklich aufgebrochene Blumen hatten. Am 20. hatten einige
von dieſen Umbellen gar keine, andere noch einige mit Staubge-
faͤßen verſehene Blumen. Am 26. hatten die Randblumen dieſer
Umbellen nur noch hie und da ein einzelnes Kronenblatt; die uͤbri-
gen Blumen hatten ihre Kronenblaͤtter bereits verloren. Folglich
dauret der erſte Zuſtand dieſer Blumen ungefaͤhr ſechs Tage, und
der andere eben ſo lange. Bedenkt man nun, wie oft die Blumen
[[91]]
Die Schirmblumen.
in dieſer Zeit von einem Inſekt beſucht werden muͤſſen: ſo be-
greift man, daß ſowohl die juͤngeren Blumen alles ihres Stau-
bes von einem Inſekt beraubt, als auch die aͤlteren von eben
demſelben mit dem Staube der erſteren befruchtet werden muͤſ-
ſen, und man ſieht ein, woher es koͤmmt, daß bey den Schirm-
blumen die Befruchtung ſo wohl von Statten geht, und die
Umbellen mit Samenkoͤrnern reichlich verſehen ſind. Fuͤr gar
zu lang wird man aber dieſe Dauer der Bluͤhezeit nicht hal-
ten, wenn man bedenkt, daß waͤhrend derſelben Tage vorkom-
men, an welchen es ſchlechtes Wetter iſt, folglich die Inſekten
die Blumen nicht beſuchen.
Im vergangenen Sommer bluͤhete in meinem Garten ein
Exemplar der Pimpinella magna. Dieſe Pflanze ſtand unge-
faͤhr zwey Schritte von der Angelica Archangelica, und noch
weiter vom Liguſticum Leuiſticum, welche beide mit ihr zu
gleicher Zeit bluͤheten. Die letzteren wurden, beſonders bey
ſchoͤnem Wetter, von einer großen Anzahl verſchiedener In-
ſekten beſucht, die Pimpinella hingegen nur von einigen Flie-
gen von Einer Art. Hieraus machte ich den Schluß, daß ſie
auch nur wenig Samenkoͤrner anſetzen wuͤrde. Die Richtigkeit
dieſes Schluſſes wurde in der Folge durch die Erfahrung er-
wieſen. Die Umbellen der Angelica und des Liguſticum
ſaßen voll guter Samenkoͤrner, die letzten ausgenommen,
welche lauter maͤnnliche Blumen hervorgebracht hatten; bey
der Pimpinella hingegen hatten ſelbſt die erſten Umbellen ſehr
wenig guten Samen, und die mehreſten Piſtille waren unbe-
fruchtet geblieben.
Die letzten Umbellen dieſer Pflanzen haben, wie ich ſo
eben erwaͤhnt habe, bloß maͤnnliche Blumen, welche voll-
kommne Staubgefaͤße, aber ein unvollkommnes Piſtill haben,
indem daſſelbe keine Griffel hat, Tab. XI. 47. Folglich wird
durch dieſe anſehnliche Anzahl von Pflanzen dasjenige beſtaͤ-
tigt, was ich in der Einleitung von den maͤnnlich-weiblichen
Dichogamiſten geſagt habe, daß nemlich ihre letzte Blumen
keine Fruͤchte anſetzen koͤnnen, weil ſie zwar den fruͤheren Blu-
men ihren Staub liefern, aber, wann ſie aͤlter geworden ſind,
von keinen ſpaͤteren Blumen Staub erhalten. Weil alſo ein
vollkommnes Piſtill hier unnuͤtz ſeyn wuͤrde, ſo iſt auch keines
vorhanden.
Eine geraume Zeit nachher, als ich an dem Laſerpitium
Prutenicum zuerſt die Dichogamie dieſer Blumen entdeckt hatte,
las ich Wahlbooms Diſſertation: Sponſalia plantarum,
und zwar die Deutſche Ueberſetzung derſelben, welche in dem
Allgemeinen Magazin der Natur, Kunſt und Wiſ-
ſenſchaften (4. Th. S. 172. ff.) vorkoͤmmt, wieder durch.
Die Schirmblumen.
Es machte mir viel Vergnuͤgen, da ich aus derſelben erfuhr,
daß ſchon Pontedera bemerkt hat, daß die Schirmblumen,
ſo lange ſie Antheren haben, ſehr kurze Griffel haben, und
daß derſelbe dadurch die Sexualiſten hat widerlegen wollen.
Nachdem der Verfaſſer dieſes erzaͤhlt hat, faͤhrt er alſo fort:
„Allein das Waͤrzchen (Stigma) iſt der zur Zeugung dienende
„Theil, nicht das Saͤulchen (der Griffel). Denn dieſes kann
„bey vielen wegbleiben, weil es nicht zum Weſen der Blume
„gehoͤrt. Es iſt alſo genug, daß die Waͤrzchen in den Umbel-
„len zu gleicher Zeit mit den Staubbeutelchen friſch ſind (bluͤ-
„hen), obgleich das Saͤulchen ſich erſt nach der Empfaͤngniß
„verlaͤngert, wie man auch beym Ahornbaum ſieht.“ Beide,
ſowohl Pontedera, als auch Wahlboom, haben ſich ge-
irrt. Denn was den letztern betrifft, ſo haͤtte er beweiſen
muͤſſen, daß das Stigma wirklich bluͤhet, wann die Antheren
bluͤhen. Ferner iſt der Griffel allerdings ein zur Zeugung die-
nender Theil, nicht nur, weil durch denſelben das befruchtende
Weſen des auf das Stigma gebrachten Antherenſtaubes dem
Fruchtknoten zugefuͤhrt wird, ſondern auch, weil er verurſacht,
daß das Stigma ſich grade an derjenigen Stelle befindet, wo
es von den Inſekten nothwendig beſtaͤubt werden muß. Wenn
dieſe Stelle unmittelbar uͤber dem Fruchtknoten iſt, ſo fehlt
auch der Griffel, und ſeine Abweſenheit iſt in dieſem Fall eben
ſo nothwendig, weſentlich und zweckmaͤßig, als bey anderen
Blumen ſein Daſeyn und ſeine beſtimmte Laͤnge iſt. Wann
der Griffel ſeine groͤßte Laͤnge erreicht hat, alsdenn erſt bluͤhet
das Stigma. Es waͤre ungereimt, daß, wann das Stigma
beſtaͤubt, und der Fruchtknoten befruchtet worden iſt, der Grif-
fel ſich noch verlaͤngerte. Wahlboom hat alſo hier den
Sexualismus eben ſo ſchlecht vertheidigt, als Pontedera
denſelben angegriffen hatte. Auf beiden Seiten aber war der
Irrthum faſt unvermeidlich, theils, weil beide entweder nicht
gewußt haben, daß die Schirmblumen Saftblumen ſind, oder,
wenn ſie es gewußt haben, nicht eingeſehen haben, daß hier-
aus folgt, oder wenigſtens ſich die groͤßte Wahrſcheinlichkeit
ergiebt, daß dieſelben von Inſekten befruchtet werden, ſondern
den Umſtand, daß dieſelben von Inſekten beſucht werden, wel-
chen ſie oft genug werden bemerkt haben, fuͤr etwas zufaͤlliges
und zweckloſes gehalten haben, theils aber und vornehmlich,
weil ihnen die von mir zuerſt entdeckte Dichogamie ganz unbe-
kannt geweſen iſt.
Gleditſch muß am Kuͤmmel (Carum Carui) keinen
Saft bemerkt haben; denn er ſagt S. 163 bloß, daß die Bie-
nen Wachs aus den Blumen ſammlen. Man beſehe ſie aber
nur beym Sonnenſchein genau, ſo wird man auf der Saft-
[[92]]
Die Schirmblumen. Viburnum.
druͤſe den glaͤnzenden Safttropfen deutlich ſehen. Von der An-
gelica ſylueſtris ſagt er S. 184. zwar, daß ſie von den Bienen
fleißig beſucht wird, fuͤgt aber nicht hinzu, ob des Staubes, oder
des Safts wegen. Hingegen das Laſerpitium Prutenicum lobt
er des Honigs wegen S. 193. In dieſer Blume muß er alſo den
Saft geſehen haben. Pollich muß den Saft derjenigen Arten,
welche er beſchrieben hat, gar nicht geſehen, auch nicht einmal
vermuthet haben, daß dieſelben Saft enthalten, indem er nicht
einmal der Abweſenheit des Nectarii erwaͤhnt, welches er ſonſt
zu thun pflegt. Bey einigen Arten, als dem Peucedanum Silaus
und der Angelica ſylueſtris, hat er die Saftdruͤſe, welche er
thalamus nennt, zwar geſehen, aber nicht fuͤr das gehalten, was
ſie wirklich iſt.
Viburnum.
Viburnum Opulus. Schwalkenbeerenſtrauch. Tab.
XI. 1—3. 10. 11. 18.
2. Die vergroͤſſerte Zwitterblume, von oben geſehen.
3. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
11. Die geſchlechtsloſe Randblume in natuͤrlicher Groͤſſe.
1. Das ſtark vergroͤſſerte Piſtill, von oben geſehen.
10. Daſſelbe, von der Seite geſehen. In beiden Figuren
iſt die Saftdruͤſe punktirt.
18. Ein Fuͤnftheil der Krone, etwas von der Seite ge-
ſehen.
Die Zwitterblumen enthalten Saft, welches ſchon Gle-
ditſch bemerkt hat, S. 162.
1. Die Saftdruͤſe iſt der oberſte Theil des Fruchtknotens,
welcher glatt und weiß iſt, da der uͤbrige Theil deſſelben gruͤn iſt.
2. Die Saftdruͤſe iſt zugleich der Safthalter.
3. Die Krone iſt im Grunde mit Haaren beſetzt, Fig. 18.,
auch die Filamente dienen zur Abhaltung der Regentropfen vom
Saft.
4. Die Zwitterblumen ſind ſehr klein und unanſehnlich. Sie
wuͤrden alſo, ob ſie gleich nicht einzeln ſtehen, ſondern ihrer viele
eine Cyma bilden, dennoch den Inſekten nicht ſonderlich in die
Augen fallen, wenn nicht der Umkreis dieſer Cyma mit anſehn-
lichen geſchlechtsloſen Blumen geziert waͤre. So wie dieſe nun
ſelbſt keine Fruͤchte hervorbringen koͤnnen, ſo befoͤrdern ſie doch
die Befruchtung der Zwitterblumen, welche ohne Zweifel durch
Inſekten geſchieht, und ſie ſind hierin den geſchlechtsloſen Rand
blumen der Centaurea aͤhnlich. Folglich muß auch hier Statt
finden, was ich unten von der Centaurea ſagen werde, daß nem-
lich die geſchlechtsloſen Blumen zuerſt zu bluͤhen anfangen, und
ſo lange zu bluͤhen fortfahren, als noch Zwitterblumen bluͤhen.
Viburnum. Alſine. Paſſiflora.
Das erſtere habe ich oftmals bemerkt; das letztere zu bemerken,
haben mich im vergangenen Jahre die kleinen Maykaͤfer verhin-
dert, welche die Randblumen, ſo wie groͤßtentheils die Zwitter-
blumen, verwuͤſtet hatten. Dieſe Kaͤfer ſind vielen Blumen ſehr
ſchaͤdlich, da ſie nicht dem Saft derſelben nachgehen, wie die Blu-
menkaͤfer, ſondern die Blumen ſelbſt verzehren.
5. Die Zwitterblumen werden von Inſekten, beſonders den
kleinen Blumenkaͤfern, haͤufig beſucht.
Alſine.
Alſine media. Vogelmeyer. Miere. Dieſe Blume
gehoͤrt mit dem Ceraſtium zu Einer natuͤrlichen Gattung, und
iſt, wie dieſes, eine Saftblume. Bey ſchlechter Witterung iſt ſie
geſchloſſen; bey ſchoͤnem Sonnenſchein oͤffnet ſie ſich. Wenn man
im letzten Fall in dieſelbe hineinſieht, ſo ſieht man fuͤnf glaͤnzende
Safttroͤpfchen auf eben ſo vielen Saftdruͤſen ſitzen, welche ſich
an der Baſis der Filamente befinden. Man hat alſo nicht Ur-
ſache, ſich mit Gleditſch (S. 198.) daruͤber zu wundern,
daß dieſe Blume von den Bienen beſucht wird.
Paſſiflora.
Paſſiflora coerulea. Gemeine Paſſionsblume. Tab.
V. 1—8. 11.
2. Die ein wenig vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
6. Eine juͤngere Blume von der Seite geſehen. Die fuͤnf
Antheren d ſind auf der unterſten Seite mit Staub bedeckt.
Ueber denſelben ſtehen die drey Stigmate c.
1. Die Geſchlechtstheile einer aͤlteren Blume. Die Anthe-
ren haben keinen Staub mehr. Die Stigmate ſtehen ein wenig
unter denſelben.
3. Ein Theil von Fig. 2. Die Geſchlechtstheile ſind wegge-
ſchnitten. Auch iſt ein Theil der aͤußeren Saftdecke abgeriſſen
worden, und durch die dadurch entſtandene Luͤcke zeigt ſich ein
Theil der inneren Saftdecke, welche in tellerfoͤrmiger Geſtalt das
Saͤulchen umgiebt, und ein (punktirter) Theil der Saftdruͤſe,
welche in ringfoͤrmiger Geſtalt die innere Saftdecke umgiebt.
4. Iſt der in der vorhergehenden Figur abgebildete Theil,
von der Seite geſehen, mit Weglaſſung des großen Strahlen-
kranzes. Hier hat man die Luͤcke der aͤußeren Saftdecke grade
vor ſich, und kann alſo durch dieſelbe in dieſe hineinſehen. In-
nerhalb derſelben ſieht man die aͤußere Seite der inneren Saft-
decke, welche die Baſis des Saͤulchens umgiebt, und unter der-
ſelben den Theil der Saftdruͤſe, welchen man in der vorhergehen-
den Figur geſehen hat.
8. Iſt
[[93]]
Paſſiflora.
8. Iſt die vorhergehende Figur, mit Weglaſſung des kleinen
Strahlenkranzes, nachdem der ſo eben genannte Theil der Saft-
druͤſe herausgeſchnitten worden. Hier ſieht man die aͤußere und
innere Seite der inneren Saftdecke, und der (punktirte) Durch-
ſchnitt der Saftdruͤſe zeigt, daß dieſelbe ſich einwaͤrts kruͤmmt,
die innere Saftdecke ringsherum beruͤhrt, und einen ringfoͤrmi-
gen Raum hervorbringt, welcher mit Saft angefuͤllt iſt.
7. Der in der vorhergehenden Figur herausgeſchnittene Theil
der Saftdruͤſe von der inneren Seite.
5. Iſt Fig. 8., nachdem der uͤbrige Theil der aͤußeren Saft-
decke und der Saftdruͤſe auch weggeſchnitten worden.
11. Iſt Fig. 5. im Durchſchnitt.
Linné rechnet das Saͤulchen, welches die Geſchlechtstheile
traͤgt, mit zum Piſtill, welches ſonach aus vier Theilen beſtehen
wuͤrde, da es doch ſonſt immer nur aus drey Theilen beſteht.
Vermuthlich hat er dies deswegen gethan, damit man nicht zwei-
feln moͤchte, daß dieſe Gattung in die Gynandrie hingehoͤret.
Nach der Beſchreibung aber, die er von dieſer Klaſſe giebt, ge-
hoͤrt ſie in dieſelbe hin, ohne daß man noͤthig hat, ſich das Saͤul-
chen als einen Theil des Piſtills, welches es gar nicht iſt, vor-
zuſtellen. Ich ſetze die Blume in die gegenwaͤrtige Klaſſe, wo
ein jeder, der ſie zum erſtenmal unterſucht, ſie aufſuchen wird.
Wie wenig Linné von dem Bau dieſer Blume verſtanden
habe, erhellet ſchon daraus, daß er den dreyfachen Strahlenkranz
fuͤr das Nectarium gehalten hat. Vielleicht hat er auf demſelben
zuweilen Regentropfen geſehen, und dieſelben fuͤr Saft ge-
halten.
1. Die Saftdruͤſe iſt der mit dem Grunde des Kelchs zuſam-
mengewachſene, fleiſchichte, glatte, weiße, einwaͤrts gekruͤmmte,
ringfoͤrmige Koͤrper, welcher, da er ringsherum die innere
Saftdecke beruͤhrt, einen ringfoͤrmigen Raum hervorbringt,
welcher
2. mit Saft ganz angefuͤllt iſt.
3. Die innere Saftdecke umgiebt die Baſis des Saͤulchens
in der in Fig. 5. e f abgebildeten Geſtalt. Sie liegt ziemlich
dicht auf der Saftdruͤſe. Wenn alſo auch ein Regentropfen durch
die aͤußere Saftdecke zufaͤlligerweiſe hindurchgedrungen iſt, ſo kann
er doch nicht zwiſchen die innere Saftdecke und die Saftdruͤſe hin-
durchdringen. Die aͤußere Saftdecke, Fig. 8. g h i k, beſteht
aus einer Haut, welche in dem Winkel, welchen die Saftdruͤſe
mit dem Kelch macht, entſteht, die Saftdruͤſe bedeckt, hierauf
ſich in Strahlen theilt, welche mit dem Ende an dem Saͤulchen
anliegen. Durch die Zwiſchenraͤume dieſer Strahlen kann ſchwer-
lich ein Regentropfen hindurchdringen, ein Inſekt aber gemaͤchlich
ſeinen Saugeruͤſſel hindurchſtecken. Damit endlich Regentropfen,
Paſſiflora.
welche auf den großen Strahlenkranz gefallen ſind, ſich nicht der
aͤußeren Saftdecke naͤhern: ſo iſt zwiſchen jenem und dieſer ein
kleiner Strahlenkranz angebracht, Fig. 4. p q, welcher mit dem
erſten einen Winkel macht, in welchem die Regentropfen ſtehen
bleiben muͤſſen.
4. Die ſchoͤne große Blume faͤllt den Inſekten ſchon in wei-
ter Entfernung in die Augen. Die Krone, Fig. 2. a, iſt weiß.
Von gleicher Farbe iſt die innere Seite des Kelchs b, da die
aͤußere gruͤn iſt. Hier ſieht man alſo, daß, wenn der Kelch eine
ſolche Stellung und Geſtalt hat, daß er das Anſehen der Blume ver-
groͤſſern kann, derſelbe auf der inneren Seite gefaͤrbt iſt, und
folglich, außer ſeiner eigenthuͤmlichen Beſtimmung, die Blumen-
knospe und die Blume zu beſchuͤtzen, noch den Endzweck befoͤr-
dert, daß die Blume den Inſekten leicht in die Augen falle. So
wie nun die Blume eine dreyfache Saftdecke hat, ſo hat ſie auch
ein dreyfaches Saftmaal. Das erſte iſt der große aͤußerſte Strah-
lenkranz. Jeder Strahl, Fig. 3. n o, hat drey Farben. Das
aͤußerſte Drittheil iſt hellblau, das mittelſte milchweiß, und das
innerſte dunkelblau. Das zweyte iſt der kleine Strahlenkranz,
Fig. 4. p q. Jeder Strahl iſt weiß, hat aber einen dunkelfarbi-
gen Knopf. Das dritte ſind die Strahlen der aͤußeren Saftdecke,
Fig. 8. l h und m i, welche dunkelpurpurfarben ſind. Das ganze
Saftmaal alſo beſteht aus verſchiedenen verſchiedentlich gefaͤrbten
koncentriſchen Ringen. So wie daſſelbe nun mit dem Saftmaal
anderer Blumen darin uͤbereinſtimmt, daß es das Inſekt nach
der Mitte der Blume, wo der Saft iſt, hinweiſet: ſo unterſchei-
det es ſich von demſelben dadurch, daß es um den Safthalter
ringsherum laͤuft, da jenes in grader Linie vom Rande der Blume
bis zum Safthalter ſich erſtreckt. Die Urſache dieſer verſchiede-
nen Einrichtung laͤßt ſich leicht einſehen. In der Iris z. B. iſt
der Safthalter auch in der Mitte befindlich; es fuͤhren aber drey
von einander ganz abgeſonderte Paare benachbarter Oeffnungen
zu demſelben. Die drey Saftmaͤler mußten ſich alſo vom Rande der
Blume in der Richtung des radius eines Kreiſes nach dieſen Oeff-
nungen hinziehen, um den Inſekten den rechten Weg zu weiſen.
Bey der Paſſionsblume hingegen ſind keine ſolche von einander
abgeſonderte Oeffnungen des Safthalters vorhanden, ſondern der
Safthalter hat eine einzige ringfoͤrmige Oeffnung. Wenn alſo
ein Inſekt den ganzen Saftvorrath genießen will, ſo muß es ſei-
nen Saugeruͤſſel nicht Einmal und an Einer Stelle, auch nicht
zwar mehrmal, aber an beſtimmten Stellen, ſondern mehrmal
und an mehreren beliebigen Stellen ringsherum in die Oeffnung
hineinſtecken. Folglich mußte das ganze Saftmaal aus koncentri-
ſchen Ringen beſtehen, welche das Inſekt um den Safthalter
ringsherum fuͤhren. Der große Strahlenkranz dient auch noch
L
[[94]]
Paſſiflora.
dazu, daß ein großes Inſekt die Runde um den Safthalter bequem
machen kann. Denn es laͤuſt auf den Strahlen, als auf den
Speichen eines Rades, herum, und ſteckt unterdeſſen ſeinen
Saugeruͤſſel zwiſchen die Strahlen der aͤußeren Saftdecke hin-
durch, und hierauf zwiſchen die innere Saftdecke und die Saft-
druͤſe hindurch in den Safthalter.
Der Bau dieſer Blume, ſoweit ich denſelben bisher beſchrie-
ben und erklaͤrt habe, iſt ſchoͤn und bewundernswuͤrdig. Unver-
kennbar iſt die guͤtige und weiſe Vorſorge des Schoͤpfers, irgend
einem Inſekt zum Beſten einen anſehnlichen Vorrath von Saft
in dieſer Blume zu bereiten, denſelben vor dem Regen zu verwah-
ren, und in ſeiner Reinheit zu erhalten, endlich das Inſekt in
den Stand zu ſetzen, ſowohl das Saftbehaͤltniß leicht zu finden,
als auch den ganzen Vorrath des Safts zu verzehren.
So wie dieſe ganze Veranſtaltung offenbar ſich zunaͤchſt auf
das Inſekt bezieht, ſo fragt es ſich doch noch, ob ſie ſich auf daſ-
ſelbe einzig und allein bezieht, oder ob ſie dazu dient, daß das
Inſekt, indem es die Blume beſucht, zugleich dieſelbe befruchte.
Auf welche Art geſchieht alſo die Befruchtung dieſer Blume?
Dieſe Frage hat Medikus beantwortet, und zwar in ſei-
ner Abhandlung von der Neigung der Pflanzen ſich zu begatten,
welche wir in den Actis Academiae Theodoro-Palatinae
(T. III. S. 116. folgg.) finden. Er ſagt (S. 124.): „Die
„Paſſiflora hat fuͤnf Staubfaͤden und drey Piſtille, die Staubfaͤ-
„den ſind ruͤckwaͤrts gebogen, und der Staubbeutel ſteht mit dem
„Boden der Blume parallel. Jene Seite des Staubbeutels, ſo
„den Blumenſtaub enthaͤlt, iſt gegen das Inwendige der Blume
„gekehrt. Die uͤber ihnen ſtehende Piſtille wuͤrden alſo keiner
„Befruchtung faͤhig ſeyn, wenn ſie ihre erſte Stellung behielten.
„Denn, wenn die Blume ſich entfaltet, ſtehen ſie aufrecht und
„dichte bey einander (ungefaͤhr wie in Fig. 6.). Aber bald gehen
„ſie auseinander, und ſteigen zu den Staubbeuteln herunter,
„daß der vordere Theil des Piſtills, auf dem das große Stigma
„aufſitzt, ſich zu jener Seite des Staubbeutels hinneigt, wo der
„Blumenſtaub ſitzt (Fig. 1.). Dort beladen ſie ſich mit Blumen-
„ſtaub, und wenn die Befruchtung geendigt iſt, welches ſelten
„uͤber einige Stunden waͤhret, erheben ſich die Piſtille wieder,
„ſteigen grade in die Hoͤhe, nehmen ihren alten Platz ein, und
„verwelken. Dieſe Wanderung habe ich bey der Paſſiflora veſper-
„tilio, P. ſuberoſa, P. minima und P. coerulea beobachtet,
„und gewiß wird man dieſelbe bey allen Gattungen dieſes Ge-
„ſchlechts (allen Arten dieſer Gattung) bemerken.“ S. 150. ſagt
er, daß ſchon Linné dieſes Wandern der Piſtille bemerkt habe.
Wenn de Befruchtung auf die von Linné und Medikus
angenommene, und von dem letztern beſchriebene mechaniſche Art
Paſſiflora.
geſchieht: ſo behaupte ich, daß die ſchoͤne Paſſionsblume, welche
Kenner bewundern, und Nichtkenner anſtaunen, ein elendes
Machwerk der Natur iſt. Denn alsdenn ſteht jene ſchoͤne Veran-
ſtaltung, welche ſich, wie ich oben bewieſen habe, zunaͤchſt auf
das Inſekt bezieht, in gar keinem Zuſammenhange mit irgend
einem Endzweck, welcher ſich auf die Blume ſelbſt bezieht. Als-
denn ſind bloß die Geſchlechtstheile der Blume wegen da, der
uͤbrige weit groͤſſere Theil derſelben aber iſt nicht der Blume, ſon-
dern des Inſekts wegen da. Alsdenn iſt die Blume nicht ein
einziges ſchoͤnes Ganzes, ſondern ſie beſteht aus zwey Ganzen,
welche in Anſehung ihrer Beſtimmung nicht die mindeſte Aehn-
lichkeit mit einander haben, und auf die wunderlichſte Art mit
einander verbunden, und zu Einem unnatuͤrlichen Scheinganzen
vereinigt worden ſind. Alsdenn iſt die Blume um nichts beſſer,
als die Centauren, die Sphinx, der Pegaſus, und andre Miß-
geburten der Einbildungskraft. Alsdenn wuͤrde die Natur weit
beſſer gethan haben, wenn ſie dieſe beiden fremdartigen Ganze
von einander abgeſondert gelaſſen haͤtte, ſo daß die Pflanze theils
Blumen ohne Kelch, Krone, Saftbehaͤltniß, Saftdecke und
Saftmaal (Fig. 1.), theils Blumen ohne Geſchlechtstheile her-
vorbraͤchte. Denn in dieſem Fall wuͤrde man doch wenigſtens
wiſſen, woran man eigentlich mit dieſen Blumen waͤre. Die
erſteren wuͤrden zur Hervorbringung der Fruͤchte beſtimmt ſeyn,
und wuͤrden grade auf die Art befruchtet werden, als Linné
und Medikus ſich vorgeſtellt haben; die letzteren aber wuͤrden
zur Ernaͤhrung eines Inſekts dienen. Die Ordnung, wo Linné
dieſe Blumen wuͤrde untergebracht haben, wuͤrde heißen Gynan-
dria (vere!) fruſtranea.
Alſo iſt eines von beiden nothwendig, entweder die Natur
hat bey der Hervorbringung der Blume geſchlummert, oder
Linné und Medikus haben bey der Erklaͤrung der Befruch-
tung derſelben getraͤumt. Das erſte iſt nicht moͤglich; das letzte
iſt nicht nur moͤglich, ſondern auch gewiß.
Die Blume iſt nemlich ein Dichogamiſt von der maͤnnlich-
weiblichen Art. In der erſten Haͤlfte ihrer Bluͤhezeit hat ſie die
in Fig. 6. abgebildete Geſtalt. Wenn ein großes Inſekt ſie als-
denn beſucht, ſo muß es nothwendig, indem es auf dem großen
Strahlenkranz nach Anleitung des Saftmaals um den Safthal-
ter ringsherum laͤuft, und den Saft aus demſelben herausholt,
mit ſeinem Ruͤcken den Staub von den Antheren, welche eben
deswegen denſelben auf ihrer unteren Seite haben, abſtreifen.
Durch die Stigmate wird es hieran nicht verhindert, welche eben
deswegen hoͤher ſtehen. In der letzten Haͤlfte der Bluͤhezeit ha-
ben ſich die Griffel herabgeſenkt, ſo daß nun die Stigmate ein
wenig niedriger ſtehen, als die nunmehr ſtaubloſen Antheren.
[[95]]
Paſſiflora.
Wenn das Inſekt die Blume alsdenn beſucht, ſo muß es eben ſo
nothwendig mit ſeinem Ruͤcken, welchen es in einer juͤngeren
Blume mit Staub beladen hat, die Stigmate beruͤhren, und
dieſelben beſtaͤuben. Und auf ſolche Art wird die aͤltere Blume
von einem Inſekt vermittelſt des Staubes einer juͤngeren be-
fruchtet.
Die Natur hat alſo bey der Hervorbringung dieſer Blume
nicht geſchlummert, ſie hat nicht zwey fremdartige Ganze zu Ei-
nem widerſinnigen Scheinganzen zuſammengeknetet, ſondern ſie
hat ein ſchoͤnes Ganzes hervorgebracht, in welchem nichts fehlt,
und nichts uͤberfluͤſſig iſt, in welchem alles in dem genaueſten Zu-
ſammenhange ſteht, alles ſich auf ihren einzigen großen Endzweck,
die Befruchtung des Fruchtknotens, bezieht, kurz, ein Ganzes,
welches ihr Ehre macht.
Da die Blume ein Saftmaal hat, ſo iſt ſie eine Tagesblume,
und fuͤr ein Tagesinſekt beſtimmt. Eben deswegen ſchließt ſie ſich
des Nachts. Sie bluͤhet zwey Tage, wie ich von einem Gaͤrtner
gehoͤrt habe, und iſt alſo am erſten Tage maͤnnlichen, und am
zweyten weiblichen Geſchlechts.
Von welchem Inſekt ſie beſucht und befruchtet wird, weiß
ich nicht, weil es mir bisher an Gelegenheit gefehlt hat, hieruͤber
Beobachtungen anzuſtellen. Einige ſagen, daß die Pflanze in
unſerm Klima Fruͤchte hervorbringt; andre laͤugnen es. Ich ſelbſt
habe noch nie eine Frucht auf derſelben angetroffen. Wenn ſie
wirklich bey uns unfruchtbar iſt, ſo kann dies nicht anders als ſo
erklaͤrt werden, daß diejenigen, welche ſie zuerſt aus Braſilien,
ihrem Vaterlande, nach Europa gebracht haben, das Inſekt,
welches dort die Blume befruchtet, und bey uns nicht angetrof-
fen wird, mit heruͤber zu bringen, und hier einheimiſch zu ma-
chen, vergeſſen haben. Von der Paſſiflora quadrangularis ſagt
Jacquin, daß die in Wien aus Samen erzielten Pflanzen zwar
alle Jahr Blumen, aber niemals Fruͤchte hervorbringen. Auf
der Paſſiflora foetida aber, welche ein Sommergewaͤchs iſt, habe
ich im botaniſchen Garten zu Berlin Fruͤchte angetroffen.
Die Antheren ſind auf ſolche Art an die Filamente ange-
wachſen, daß ſie ſich herumdrehen laſſen. In Fig. 2. hat Eine
von denſelben eine andere Stellung, als die uͤbrigen, weil ich ſie
etwas herumgedrehet hatte. Dieſer Umſtand traͤgt vermuthlich
zur Befoͤrderung der Befruchtung etwas bey.
Wenn Jemand fragt, woher denn ich, der ich doch niemals
ein Inſekt auf der Blume angetroffen habe, es ſo genau weiß,
daß dieſelbe, und wie ſie von einem Inſekt befruchtet wird: ſo
antworte ich: Aus demjenigen, was ich bey der Nigella aruenſis
entdeckt habe. Wer alſo noch zweifelt, den verweiſe ich auf das-
jenige, was unten von dieſer Blume wird geſagt werden.
Paſſiflora. Parnaſſia.
Von der Paſſiflora ſuberoſa ſagt Linné, ſie habe keine
Krone. Dies kann ich ſchwerlich glauben. Denn warum ſollte
ſie allein eines ſo weſentlichen Theils, durch welchen ſie ſich den
zu ihrer Befruchtung beſtimmten Inſekten von weitem bemerkbar
macht, beraubt ſeyn? Vielmehr, ſo wie bey den uͤbrigen Arten
der Kelch in Anſehung ſeiner inneren Seite ein Theil der Krone
iſt, ſo iſt er bey dieſer in Anſehung eben derſelben die ganze Krone,
da er auswendig gruͤn, inwendig aber weiß iſt.
Parnaſſia.
Parnaſſia paluſtris. Leberblume. Tab. IX. 36. 37.
48. 50. Tab. XI. 12. 13. 17. 19.
Tab. IX. 50. Eine etwas vergroͤſſerte Blume, welche vier
Tage alt iſt, von oben geſehen. Die Staubgefaͤße 5, 1 und 2
haben ſich, nachdem ſie ihrer Beſtimmung ein Genuͤge gethan,
vom Piſtill entfernt, und ſtehen horizontal, da ſie vorher aufrecht
ſtanden. Ihre Antheren ſind vertrocknet und ohne Staub. Das
Staubgefaͤß 3 befindet ſich in dem Zuſtande, da es ſeiner Beſtim-
mung ein Genuͤge thun kann. Das Filament hat ſich verlaͤngert,
und die Anthere hat ſich uͤber das Piſtill hingelegt, und ihre
oberſte Seite iſt mit Staub bedeckt. Dem Staubgefaͤß 4 endlich
ſteht dieſer Zuſtand noch bevor. Sein Filament iſt noch kurz,
und ſeine Anthere hat ſich noch nicht geoͤffnet. Die zwiſchen dem
1. und 5. Staubgefaͤß befindliche Saftmaſchine iſt weggeſchnitten
worden, damit man das ganze derſelben gegenuͤber ſtehende Kro-
nenblatt ſehen koͤnne.
48. Eben dieſe Blume, noch ſtaͤrker vergroͤſſert, in natuͤrli-
cher Stellung, von der Seite geſehen. Der Kelch, die Krone
und drey Saftmaſchinen ſind weggeſchnitten. Man ſiehet alle
Staubgefaͤße, außer 1, welches hinter dem Piſtill ſteht. Man
ſiehet ferner deutlicher, als in der vorhergehenden Figur, daß die
uͤber dem Piſtill liegende Anthere des Staubgefaͤßes 3 bloß auf
ihrer oberſten Seite ſich geoͤffnet hat, und mit Staub bedeckt iſt,
daß das Filament des 4. Staubgefaͤßes noch ſehr kurz, und ſeine
Anthere noch ſehr groß iſt, und ſich noch nicht geoͤffnet hat, end-
lich daß oben am Piſtill noch nicht die geringſte Spur von einem
Stigma vorhanden iſt.
36. Das mit einem Stigma verſehene Piſtill einer aͤlteren
Blume, deren Staubgefaͤße ſich ſaͤmmtlich vom Piſtill entfernt
haben, von der Seite geſehen.
37. Daſſelbe von oben geſehen.
Tab. XI. 12. Die bey trockner Witterung geoͤffnete Samen-
kapſel, von der Seite, und
19. von oben geſehen.
L 2
[[96]]
Parnaſſia.
13. und 17. Die bey naſſer Witterung verſchloſſene Sa-
menkapſel.
Ob ich mir gleich viel Muͤhe gegeben habe, den Bau dieſer
Blume, und die eigentliche Art, wie ſie befruchtet wird, zu er-
forſchen: ſo iſt dennoch beides bisher fuͤr mich ein Geheimniß ge-
blieben. Ganz vergebens aber iſt meine Bemuͤhung auch nicht
geweſen, indem ich wenigſtens entdeckt habe, und beweiſen kann,
daß die Blume von einem Inſekt befruchtet wird.
Die groͤßte Schwierigkeit verurſachen die fuͤnf Saftmaſchinen,
welche, mit den Staubgefaͤßen abwechſelnd, das Piſtill umge-
ben, und deren Struktur ganz originell und in ihrer Art einzig
iſt. Der Saft iſt auf der inneren Seite derſelben befindlich.
Nachdem ſich die Blume geoͤffnet hat, ſo haben anfaͤnglich
alle Staubgefaͤße die Stellung und Geſtalt des 4. Die Filamente
ſind kurz, die Antheren groß, weiß, und noch geſchloſſen. Hier-
auf faͤngt ein Staubgefaͤß an, das Filament zu verlaͤngern, bis
endlich die Anthere ſich uͤber das Piſtill hinlegt, ſich oͤffnet, und
einen gelblichen Staub zeigt. Hier iſt nun der Umſtand merk-
wuͤrdig, daß die Anthere bloß auf der oberſten Seite ſich oͤffnet,
und mit Staub verſehen iſt. Schon hieraus folgt, daß die Be-
fruchtung nicht auf eine mechaniſche Art geſchehen koͤnne. Denn
geſetzt, das Piſtill haͤtte nun ſchon ein Stigma, welches es doch
nicht hat: ſo muͤßte die uͤber demſelben befindliche Anthere nicht
auf der oberen, ſondern auf der unteren Seite den Staub haben,
weil dieſe dem Stigma zugekehrt, jene aber von demſelben abge-
wendet iſt. Nachdem das erſte Staubgefaͤß in dieſer Stellung
ungefaͤhr einen Tag lang geblieben iſt, ſo wendet es ſich vom
Piſtill ab, und naͤhert ſich der Krone, und erhaͤlt alſo, anſtatt
der bisherigen aufrechten, eine horizontale Stellung. Seine
Anthere iſt alsdenn welk, unanſehnlich und ohne Staub. Un-
terdeſſen faͤngt das zweyte Staubgefaͤß an, eben das, und in
eben der Ordnung zu thun, was und in welcher es das erſte ge-
than hatte. Und eben ſo nach und nach die uͤbrigen. Nach fuͤnf,
ſechs oder ſieben Tagen findet man alſo alle Staubgefaͤße in hori-
zontaler Stellung, und ihre Antheren verwelkt und ohne Staub.
Dieſe Ordnung, in welcher die Staubgefaͤße einander abloͤſen,
iſt dem Verfaſſer der Diſſertation: Sponſalia plantarum, nicht
unbekannt geweſen. Daß aber die bluͤhende Anthere bloß auf der
oberſten Seite den Staub hat, hat er entweder nicht bemerkt,
oder fuͤr etwas unbedeutendes gehalten.
Noch weniger aber iſt weder ihm, noch irgend einem andern
der noch wichtigere Umſtand bekannt geweſen, daß das Stigma
waͤhrend der ganzen Zeit, in welcher die Antheren eine nach der
andern bluͤhen, noch nicht bluͤhet, ſondern geſchloſſen iſt, und
nur erſt alsdenn, wann alle Staubgefaͤße ſich mit ihren ſtaubloſen
Parnaſſia.
Antheren vom Piſtill entfernt haben, ſich in vier Theile zu ſpal-
ten und zu bluͤhen anfaͤngt. Da alſo die Antheren, ſo lange ſie
bluͤhen, ihren Staub dem Stigma nicht mittheilen koͤnnen, weil
noch kein Stigma vorhanden iſt, und wiederum das Stigma,
wann es bluͤhet, von den Antheren keinen Staub erhalten kann,
da ſie ſelbſt keinen Staͤub mehr haben: ſo muß dieſe Einrichtung
demjenigen, welcher von der Befruchtung durch Inſekten nichts
weiß, ungereimt vorkommen. Er muß glauben, daß die Be-
fruchtung ganz und gar unterbleibt. Und dennoch zeigt ihm die
Erfahrung grade das Gegentheil, indem aus allen Blumen Kap-
ſeln entſtehen, welche mit einer Menge guter Samenkoͤrner ange-
fuͤllt ſind. Man muß alſo, man mag wollen oder nicht, zu den
Inſekten ſeine Zuflucht nehmen. Und ſobald man dies gethan hat,
ſo wird man jene Einrichtung, welche man vorher fuͤr ungereimt
hielt, ſehr ſchicklich und zweckmaͤßig finden. Ein gewiſſes mir
noch unbekanntes groͤſſeres Inſekt befruchtet die Blume, und
zwar ſo, daß es den Staub von der bluͤhenden Authere einer juͤn-
geren Blume auf das Stigma einer aͤlteren bringt. Es kann
nemlich in der juͤngeren Blume nicht zum Saft gelangen, ohne
mit einem gewiſſen Theil ſeines Koͤrpers, vermuthlich dem Un-
terleibe, die oberſte Seite der Anthere zu beruͤhren, und ihren
Staub abzuſtreifen. Fliegt es nun von dieſer auf eine aͤltere
Blume, ſo kann es eben ſo wenig den Saft derſelben verzehren,
ohne mit eben dieſem Theil ſeines Koͤrpers die oberſte Oberflaͤche
des Stigma, als das eigentliche Stigma, zu beruͤhren, und dem-
ſelben den mitgebrachten Staub mitzutheilen, weil das Stigma
eben die Stelle einnimmt, welche in der juͤngeren Blume die An-
there einnimmt.
Nach dieſer Vorſtellung von der Befruchtung wird man den
Bau und die ganze Einrichtung dieſer Blume, ſoweit jener und
dieſe von Andern und von mir entdeckt worden iſt, ſehr wohl aus-
gedacht und ſehr zweckmaͤßig finden.
1. Die Staubgefaͤße befinden ſich in drey verſchiedenen Zu-
ſtaͤnden, nemlich vor dem Bluͤhen der Antheren, waͤhrend deſſel-
ben und nach demſelben. Ein Umſtand, welcher in der Folge
noch oͤfter vorkommen wird, und weicher, wenn ich nicht irre,
jedesmal ein Kennzeichen der Dichogamie iſt. Dieſe Einrichtung
war unumgaͤnglich noͤthig. Die bluͤhende Anthere muß eben die
Stelle haben, welche hernach das bluͤhende Stigma hat. Das
Filament muß ſich alſo dicht an das Piſtill anlehnen, und eben ſo
lang, oder vielmehr ein klein wenig laͤnger ſeyn, als daſſeibe.
Die Filamente der noch nicht bluͤhenden Antheren koͤnnen zwar
eben dieſelbe Stellung haben, ſie muͤſſen aber weit kuͤrzer ſeyn.
Denn wenn ſie eben ſo lang waͤren, als jenes, ſo wuͤrden die noch
nicht bluͤhenden Autheren eben ſo hoch, oder vielmehr, weil ſie
[[97]]
Parnaſſia.
groͤſſer ſind, noch etwas hoͤher ſtehen, als die bluͤhende. Sie
wuͤrden alſo das Inſekt verhindern, den Staub der letzteren
rein abzuſtreifen. Eben dies wuͤrden die verbluͤheten Antheren
thun, wenn ſie ihre Stelle behielten. Folglich muͤſſen ihre
Filamente ſich entweder wieder verkuͤrzen, oder vom Piſtill ent-
fernen. Bey dem Helleborus niger hat die Natur das Er-
ſtere gewaͤhlt, bey der Parnaſſia das Letztere.
2. Die Antheren folgen im Bluͤhen eine auf die andere.
Jede bluͤhet ungefaͤhr Einen Tag, folglich alle insgeſammt we-
nigſtens fuͤnf Tage. Wie lange das Stigma bluͤhet, habe ich
nicht ausmitteln koͤnnen. Wahrſcheinlich bluͤhet es eben ſo
lange, als die Blume noch die Kronenblaͤtter hat. Denn ſo-
bald das Stigma zu bluͤhen aufhoͤret, ſo iſt die Krone unnuͤtz,
und faͤllt ab. Sie bleibt aber nach dem Verbluͤhen der An-
theren noch verſchiedene Tage lang ſitzen. An drey Blumen,
welche ich ins Waſſer geſtellt hatte, blieb ſie noch ſieben Tage
lang ſitzen, und fiel alsdenn ab. Eben ſo lange bluͤhet alſo
vermuthlich auch das Stigma. Daß das Bluͤhen ſowohl der
Antheren, als des Stigma eine ſo lange Zeit waͤhret, iſt noͤ-
thig. Denn das Inſekt, welches zur Befruchtung der Blume
beſtimmt iſt, koͤmmt nicht, ſobald die Antheren oder das Stig-
ma zu bluͤhen anfangen, wie gerufen angeflogen, um dieſes
Geſchaͤft zu uͤbernehmen; ſondern ein bloßer Zufall fuͤhrt es
auf die Blume. Die Ungewißheit nun, welche dieſer Zufall
nothwendig mit ſich fuͤhrt, konnte durch nichts anders, als die
lange Dauer der Bluͤhezeit der Antheren und des Stigma er-
ſetzt werden. Bluͤheten alle Antheren zugleich, folglich nur
Einen Tag lang, und bluͤhete das Stigma eben ſo lange: ſo
wuͤrden viele Blumen von dem Inſekt keinen Beſuch erhalten,
folglich unbefruchtet bleiben. So zweckmaͤßig nun dieſe Ein-
richtung iſt, wenn man meine Vorſtellung von der Befruch-
tung annimmt, eben ſo unzweckmaͤßig und widerſinnig wuͤrde
ſie ſeyn, wenn die Blume, wie man bisher geglaubt hat, auf
eine mechaniſche Art befruchtet werden ſollte. Denn wenn die
Antheren den Staub auf der unterſten Seite haͤtten, und das
Stigma zugleich mit den Antheren bluͤhete: ſo wuͤrde ſchon
Eine Anthere im Stande ſeyn, die Befruchtung zu vollenden,
und es wuͤrde ungereimt ſeyn, daß die vier uͤbrigen ſich nach
einander uͤber das ſchon befruchtete Piſtill hinlegen, um es
von neuem zu befruchten.
3. Daß die bluͤhende Anthere ſich uͤber die Spitze des
Piſtills hinlegt, und bloß auf der oberſten Seite Staub hat,
und daß erſt in der Folge, wann keine Anthere mehr daſelbſt
vorhanden iſt, das Stigma ſich zu oͤffnen und zu bluͤhen an-
faͤngt, und die Stelle der Antheren einnimmt, und auf der
Parnaſſia.
oberſten Seite, als welche das eigentliche Stigma iſt, den
Staub zu empfangen faͤhig iſt, iſt gleichfalls noͤthig. Denn
dieſe Stelle iſt grade diejenige, welche das Inſekt, indem es
den Saft verzehrt, mit irgend einem Theil ſeines Koͤrpers ein-
nimmt, mit welchem es folglich im erſten Fall den Staub von
der Anthere abſtreifen, und im letzten denſelben wieder auf
das Stigma abſetzen muß. Befaͤnde ſich der Staub auf der
unterſten Seite der Anthere, ſo koͤnnte er vom Inſekt nicht
abgeſtreift werden. Und bluͤhete das Stigma zugleich mit der
uͤber ihm befindlichen Anthere, ſo koͤnnte der auf der oberſten
Seite der Anthere befindliche Staub weder von ſelbſt auf daſ-
ſelbe fallen, noch von dem Inſekt auf daſſelbe gebracht werden,
weil die Anthere ſelbſt beides verhindern wuͤrde.
Ich glaube nicht, daß mir jemand den Einwurf machen
wird, die Befruchtung laſſe ſich doch noch als moͤglich geden-
ken, ohne daß man grade noͤthig habe, ein Inſekt damit zu
behelligen, ſo nemlich, daß der Wind den Staub der bluͤhen-
den Anthere der juͤngeren Blume auf das Stigma der aͤlteren
fuͤhre. Denn 1) iſt bey denjenigen Blumen, oder vielmehr
Bluͤthen, welche vom Winde befruchtet werden ſollen, eine
große Menge Staubes noͤthig; da aber bey dieſer Blume im-
mer nur Eine Anthere bluͤhet, ſo iſt auch nur wenig Staub
vorhanden. 2) Da die Blume eine Zwitterblume iſt, ſo wuͤr-
de, wenn ſie durch den Wind befruchtet werden ſollte, es weit
zweckmaͤßiger ſeyn, daß ſie mit ihrem eigenen Staube, als daß
ſie mit dem Staube einer andern von ihr entfernten Blume
befruchtet wuͤrde. Denn je weiter die Anthere vom Stigma
entfernt iſt, deſto ſchwerer iſt es auch, daß der Wind den
Staub jener auf dieſes fuͤhre. Die Natur wuͤrde ſich alſo
durch die gemachte Einrichtung die Erreichung ihrer Abſicht
erſchwert, wenn nicht gar unmoͤglich gemacht haben.
Da die bluͤhende Anthere dem Stigma, wenn daſſelbe
ſchon vorhanden waͤre, ſo nahe als moͤglich iſt, und dennoch
die Befruchtung nicht auf eine mechaniſche Art geſchieht: ſo
folgt hieraus, daß man uͤberhaupt das nahe Beyſammenſeyn
des Stigma und der Antheren keinesweges als einen Beweis
anſehen muͤſſe, daß die Befruchtung auf eine mechaniſche Art
geſchehe. So find in der Diadelphia decandria und in der
Didynamia gymnoſpermia die Antheren dem Stigma ſehr
nahe, und oftmals ſo nahe als moͤglich; ich werde aber an
ſeinem Ort beweiſen, daß in beiden Ordnungen die Befruch-
tung durch Inſekten geſchieht. Und ſo wie in dieſem Fall die
Befruchtung nicht auf die Art geſchieht, als man dem Anſe-
hen nach vermuthen ſollte, ſo geſchieht dieſelbe wahrſcheinlich
eben ſo wenig auf eine ſolche Art in dem Fall, wenn das
L 3
[[98]]
Parnaſſia.
Stigma unter den Antheren angebracht iſt. Alsdenn hat es zwar
das Anſehen, als wenn der Staub der Antheren auf das Stigma
fallen ſollte; es fragt ſich aber, ob dies wirklich die Abſicht der
Natur iſt, oder ob ſie ſich nicht vielmehr auch in dieſem Fall der
Inſekten bedient.
In der Abhandlung von den Schirmblumen habe ich geſagt,
daß wenn in einigen Blumen der Griffel fehlt, ſeine Abweſenheit
eben ſo nothwendig, weſentlich und zweckmaͤßig iſt, als in an
dern Blumen ſeln Daſeyn und ſeine beſtimmte Laͤnge, weil die
zur Beſtaͤubung des Stigma ſchicklichſte Stelle unmittelbar uͤber
dem Fruchtknoten befindlich iſt. Dies wird durch dieſe Blume
beſtaͤtigt. Denn wenn alles uͤbrige unveraͤndert bliebe, das Pi-
ſtill aber einen Griffel haͤtte, ſo ſtuͤnde das Stigma nicht grade
da, wo vorher die bluͤhende Anthere ſtand, ſondern hoͤher. Folg-
lich wuͤrde das Inſekt nicht mit dem in der juͤngeren Blume be-
ſtaͤubten Theil ſeines Koͤrpers das Stigma beruͤhren, und die Be-
fruchtung wuͤrde durch den Griffel unmoͤglich gemacht werden.
Welches iſt nun das zur Befruchtung der Blume beſtimmte
Inſekt? Auf welche Art geſchieht dieſelbe? Und was leiſten bey
dieſem Geſchaͤft die Saftmaſchinen noch außerdem, daß ſie den
Saft enthalten?
Ich habe bisher folgende Inſekten auf den Blumen ange-
troffen.
1. Blaſenfuͤße in großer Anzahl, ſowohl ſchwarze, als gelbe,
auch ein einzigesmal einen rothen, welcher ſeiten iſt. Dieſe Thier-
chen koͤnnen aber zur Befruchtung der Blume nicht beſtimmt ſeyn,
weil ſie viel zu klein dazu ſind. Da die Blume ſowohl in An-
ſehung ihrer Groͤſſe, als auch wegen ihrer dichogamiſchen Einrich-
tung der Nigella aruenſis, dem Delphinium Aiacis und dem
Aconitum Napellus aͤhnlich iſt, dieſe aber von groͤſſeren Inſek-
ten, nemlich Bienen und Hummeln, befruchtet werden: ſo
ſchließe ich hieraus, daß auch ſie von einem groͤſſeren Inſekt be-
fruchtet wird. Blaſenfuͤße halten ſich in Einer Blume, welche
fuͤr ſie gleichſam eine kleine Welt iſt, lange auf, fliegen aber nicht
von einer Blume zur andern, welches von dem zur Befruchtung
beſtimmten Inſekt geſchehen muß.
2. Eine Art Fliegen. Dieſe genoſſen zwar vom Saft, aber
nicht in einer ſolchen Stellung, woraus ſich haͤtte ſchließen laſſen,
daß ſie die Blume befruchten.
3. Eine Biene. Auf einer Wieſe, wo die Blume haͤufig
ſtand, traf ich einige Bienen an, welche die groͤßte Gleichguͤltig-
keit gegen dieſelbe zu erkennen gaben, und ſie nicht einmal zu be-
merken ſchienen, ſondern ſich bloß zur Lychnis flos cuculi hiel-
ten. Hieraus ſchloß ich, daß ſie auch nicht zur Befruchtung der-
ſelben beſtimmt ſeyen. Im letztvergangenen Jahre fand ich auf
Parnaſſia.
einer Blume eine Biene. Dies war fuͤr mich eine intereſſante
Erſcheinung. Ich legte mich alſo neben der Blume auf die Erde
nieder, um die Biene recht genau zu beobachten. Sie hatte grade
die zur Befruchtung erforderliche Stellung. Sie ſtand nemlich
auf den Saftmaſchinen, mußte folglich mit dem Unterleibe ent-
weder die bluͤhende Anthere, wenn es eine juͤngere Blume war,
oder, wenn es eine aͤltere war, das Stigma beruͤhren. Ich
merkte aber gar bald, daß ſie demungeachtet nicht zur Befruch-
tung der Blume beſtimmt ſey. Denn ſie ſchien ganz betaͤubt und
kraftlos zu ſeyn, und konnte kaum mit vieler Muͤhe aus der
Blume herauskriechen, ſchien alſo vor Mattigkeit nicht das Ver-
moͤgen zu haben, von ihren Fluͤgeln Gebrauch zu machen. Matt
und kraftlos kroch ſie im Graſe umher, welches ich eine Weile
mit anſahe, bis ein anderer Gegenſtand auf einige Augenblicke
meine Aufmerkſamkeit auf ſich zog. Als ich darauf wieder nach
der Biene hinſahe, konnte ich ſie nicht wieder finden. Sie muß
alſo unterdeſſen entweder davon geflogen ſeyn, oder, welches
wahrſcheinlicher iſt, ſich verkrochen haben. Da alſo aus dieſer
ſeltenen und merkwuͤrdigen Erfahrung erhellt, daß der Saft der
Blume den Bienen hoͤchſt ſchaͤdlich iſt: ſo folgt hieraus, daß ſie
auch nicht von denſelben befruchtet werden ſoll.
Aus folgenden Urſachen glaube ich, daß die Blume eine
Nachtblume iſt, und von einem Nachtinſekt befruchtet wird.
1) Wenn ſie von einem Tagesinſekt befruchtet wuͤrde, ſo muͤßte
es wunderlich zugegangen ſeyn, daß ich daſſelbe nicht irgend ein-
mal auf der Blume in dem Befruchtungsgeſchaͤft ſollte angetrof-
fen haben, da ich oftmals, und zuweilen ſtundenlang die Blu-
men beobachtet habe; zumal, da dieſes Inſekt nicht ſelten, ſon-
dern gemein ſeyn, und die Blumen haͤufig beſuchen muß. Denn
die Befruchtung erfolgt nicht ſelten, ſondern gewoͤhnlich, und
man findet ſelten eine verbluͤhete Blume, welche keine Samen-
kapfel angeſetzt hat. 2) Daß die Blumen des Abends aufbre-
chen, habe ich wirklich bemerkt; ob ſie dies des Morgens auch
thun, oder nicht, weiß ich nicht, weil es mir an Beobachtungen
hieruͤber fehlt. 3) Es ſcheint, daß die Staubgefaͤße ſich bloß des
Abends einander abloͤſen. Denn ich habe oftmals des Abends ge-
funden, daß eine friſche Anthere ſich uͤber das Piſtill hingelegt
hatte, welche noch groß und weiß war, und ſich noch nicht geoͤff-
net hatte. In dieſem Zuſtande konnte ſie nun nicht lange bleiben,
ſondern ſie mußte ſich bey einbrechender Nacht ſchon geoͤffnet ha-
ben. 4) Endlich beguͤnſtigt auch die Farbe der Krone, welche
weiß iſt, dieſe Meinung. Denn Nachtblumen haben, wie ich
in der Einleitung geſagt habe, eine helle, oftmals eine weiße
Farbe.
[[99]]
Parnaſſia. Statice.
Auf der andern Seite ſcheint daraus, daß die Blume ein
Saftmaal hat, zu folgen, daß ſie eine Tagesblume ſey. Es iſt
nemlich jedes Kronenblatt mit verſchiedenen Linien von dunkler
Farbe geziert. Eigentlich ſind dieſe Linien ſo viel Furchen, welche
eben ſo weiß ſind, als die Krone uͤberhaupt, wegen des Schat-
tens aber dunkelfarbige Linien zu ſeyn ſcheinen, und ſich ſtark aus-
nehmen. Daß dieſe Linien das Saftmaal ſind, erhellet daraus,
daß ſie nicht bis an das untere Ende des Kronenblatts ſich er-
ſtrecken, ſondern ſchon in einer ziemlichen Entfernung von demſel-
ben ſich vereinigen und endigen, ſo daß nur gleichſam eine ſchwache
Spar derſelben ſich bis an das Ende des Kronenblatts hinzieht.
Dieſes ſieht man an dem in Fig. 57. zwiſchen den Staubgefaͤßen
1 und 5 ſtehenden Kronenblatt. Sieht man nun in die Blume
hinein, ſo ſieht man, daß dieſe Linien grade hinter demjenigen
Theil der Saftmaſchinen zuſammenlaufen, welcher den Saft ent-
haͤlt. Dieſer Theil iſt gruͤn, da der Stiel weiß iſt, und hat auf
der inneren oder oberen Seite zwey ſchwache runde Vertiefungen,
welche den Saft enthalten. Folglich zeigen dieſe Linien den In-
ſekten recht deutlich, wo der Saft anzutreffen iſt. Haͤtten die
Saftmaſchinen keinen Stiel, oder ſonderte der Fruchtknoten
ſelbſt den Saft ab, ſo wuͤrden auch dieſe Linien ſich voͤllig bis an
das Ende des Kronenblatts erſtrecken, welches wir an der Iris
ſchon geſehen haben, und in der Folge noch oͤfter ſehen werden.
Dies iſt das Reſultat meiner bisher uͤber dieſe Blume ange-
ſtellten Beobachtungen und Unterſuchungen. Ob ich nun gleich
das Geheimniß ihrer Struktur und Befruchtung nicht entdeckt
habe, ſo habe ich doch, da ich bewieſen habe, daß ſie nicht an-
ders als von einem Inſekt befruchtet werden kann, den Blumen-
forſchern eine zuverlaͤſſige Spur gezeigt, welche, wenn ſie mit
Aufmerkſamkeit, Beobachtungsgeiſt und unverdroßnem Fleiß ver-
folgt wird, uͤber kurz oder lang gewiß zu einer von den ſchoͤnſten
Entdeckungen im Reich der Flora fuͤhren wird.
Die Samenkapſel ſitzt am Ende des langen aufrecht ſtehen-
den Stengels aufrecht, und oͤffnet ſich oberwaͤrts, indem ſie die
Theilung in vier Stuͤcke, welche die Blume, um das Stigma
hervorzubringen, angefangen hatte, gleichſam nur fortſetzt.
Folglich koͤnnen die Samenkoͤrner nicht von ſelbſt herausfallen,
ſondern nur vom Winde herausgeworfen werden, da ſie ſich
denn weit und breit verſtreuen. Bey naſſer Witterung iſt die
Samenkapſel meiſt verſchloſſen, damit nicht Regentropfen in
dieſelbe hineinfallen, und die Samenkoͤrner verderben.
Statice.
Statice Armeria. Grasblume. Tab. X. 33. 35. 40.
41. 43—45. Tab. XI. 4. 5.
Statice.
Tab. X. 33. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
35. Der mittelſte Theil derſelben, noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
40. Die Blume, von der Seite geſehen.
41. Ein Kronenblatt und ein Staubgefaͤß, nebſt einem Fuͤnf-
theil des Safthalters, welches beide traͤgt.
43. Iſt Fig. 40., nachdem die Kronenblaͤtter und die Staub-
gefaͤße herausgezogen worden.
44. Das Piſtill nebſt dem Safthalter.
45. Der Fruchtknoten ohne den Safthalter. Die (punktirte)
Saftdruͤſe.
Tab. XI. 5. Die bey ſchlechter Witterung meiſt verſchloſſene
Blume, von oben geſehen.
4. Die verbluͤhete Blume. Die vorderſte Haͤlfte des Kelchs
iſt weggeſchnitten.
1. Die Saftdruͤſe iſt der unterſte glatte und weiße Theil des
Fruchtknotens, deſſen oberſter Theil gruͤn iſt.
2. Der Safthalter iſt derjenige Koͤrper, welcher die Saft-
druͤſe umgiebt, und deſſen innere Oberflaͤche gelb iſt. Auf dem-
ſelben ſitzen die Kronenblaͤtter nebſt den an ihren Nagel angewach-
ſenen Filamenten. Zieht man ein Kronenblatt heraus, ſo reißt
es zuweilen vom Safthalter ab, zuweilen aber nimmt es ein Fuͤnf-
theil deſſelben mit.
3. Die Griffel druͤcken ſich mit elaſtiſcher Kraft an die Krone,
ſo wie die Blaͤtter der Krone an den Kelch. Denn wenn man
den letzteren der Laͤnge nach durchſchneidet, ſo fallen die Kronen-
blaͤtter auseinander, und die Griffel breiten ſich mehr auseinan-
der, als vorher. Man vergleiche Fig. 44. mit Fig. 43. Nun
iſt der unterſte Theil der Griffel haaricht. Faͤllt alſo ein Regen-
tropfen in die Krone, ſo wird er von den Haaren verhindert, in
den Safthalter zu dringen. Weil aber dieſe Haare nur ſehr wenig
Anziehungskraft haben, ſo kann er nicht im Grunde der Krone
haften, ſondern er faͤllt bey der geringſten durch den Wind her-
vorgebrachten Erſchuͤtterung der Blume aus derſelben wieder
heraus. Den Inſekten aber koͤnnen die Haare den Zugang zum
Safthalter nicht ſperren. Auch iſt die Krone bey ſchlechter Wit-
terung meiſt verſchloſſen, und man findet alsdenn zwar die aͤußere
Seite der Kronenblaͤtter mit Regentropfen benetzt, die innere
aber trocken.
4. Die Blumen bilden einen Knauf, welcher am Ende eines
langen aufrechtſtehenden blaͤtterloſen Stengels ſitzt. Sie koͤnnen
alſo, ungeachtet ihrer Kleinheit, von den Inſekten ſchon von
weitem bemerkt werden. Die fleiſchfarbene Krone hat kein
Saftmaal.
[[100]]
Statice. Linum.
5. Die Blumen werden von Bienen und Schmetterlingen
beſucht. Auch halten ſich in denſelben Blaſenfuͤße, ſowohl ſchwarze,
als rothe, auf.
Gleditſch ſcheint ſchon bemerkt zu haben, daß dieſe Blume
Saft enthaͤlt, S. 170.
Wann die Blume verbluͤhet iſt, ſo wickeln ſich die Kronen-
blaͤtter nebſt den Filamenten und Griffeln zuſammen, ſo daß ſie
zuletzt im Grunde des Kelchs einen ſehr kleinen Raum einnehmen.
Dies dient vermuthlich zur Beſchuͤtzung der jungen und noch zar-
ten Frucht. Sobald dieſe ihre voͤllige Groͤſſe erreicht hat, loͤſen
ſie ſich vom Kelch ab, und fallen aus demſelben heraus. An der
Frucht kann man alsdenn die vormalige Saftdruͤſe noch deutlich
erkennen, Tab. X. 37* b. Denn der unterſte Theil derſelben
iſt weiß und glaͤnzendglatt, der oberſte aber gruͤnlich und ohne
Glanz. Dieſe Frucht iſt eine Kapſel, in welcher Ein Samen-
korn enthalten iſt. Dieſes Samenkorn iſt nicht mit dem unterſten
Ende an den Grund der Kapſel befeſtigt, ſondern ſeine Spitze
haͤngt vermittelſt eines roͤthlichen Fadens, welcher an der einen
Seite des Samens dicht anliegt, mit demſelben zuſammen. In
Fig. 37 * a iſt die Frucht abgebildet, nachdem der groͤßte oberſte
Theil der Kapſel weggeſchnitten worden, wo man den Faden ſieht.
Und in Fig. 29 * iſt das aus der Kapſel herausgenommene Sa-
menkorn nebſt der halben Kapſel abgebildet, wie auch der Faden,
welcher die Spitze jenes mit dem Grunde dieſer verbindet. Eine
ſonderbare Einrichtung!
Linum.
Linum vſitatiſſimum. Lein. Tab. XI. 6. 7.
6. a der vergroͤſſerte Fruchtknoten. b die zuſammengewach-
ſene Baſis der Filamente. c ein umgebogenes Kelchblatt nebſt
ſeinem Safttroͤpfchen. Ueber demſelben ſieht man einen (punktir-
ten) Theil der Saftdruͤſe, welche daſſelbe abgeſondert hat.
7. Der Fruchtknoten nebſt der Baſis der Filamente, von
unten geſehen. In der Mitte der letzteren die fuͤnf (punktirten)
Saftdruͤſen.
Daß dieſe Blume Saft enthaͤlt, hat vermuthlich vor mir
noch niemand entdeckt. Linné und Pollich erwaͤhnen des
Nectarii nicht. In Oeders Abbildung der Blume (Einlei-
tung zur Kraͤuterkenntniß. Tab. VIII. Fig. 71.) ſieht man keine
Saftdruͤſen. Ich ſelbſt habe die Saftdruͤſen lange vergebens ge-
ſucht, bis es mir endlich gluͤckte, ſie zu finden.
1. Die fuͤnf Saftdruͤſen ſind in der Mitte des Haͤutchens be-
findlich, in welches die Filamente unter dem Fruchtknoten zuſam-
mengewachſen ſind. Dieſer letzte Umſtand, welchen Linné
Linum.
uͤberſehen hat, iſt in der Oederſchen Abbildung nicht aus der
Acht gelaſſen worden.
2. An dieſes Haͤutchen ſchließen ſich die Kelchblaͤtter dicht an.
In dem Winkel zwiſchen einer jeden Saftdruͤſe und dem anlie-
genden Kelchblatt ſitzt ein Safttroͤpfchen, welches man auf dem
letztern erblickt, wann man daſſelbe umgebogen hat.
3. Die Kronenblaͤtter wechſeln mit den Kelchblaͤttern ab,
und zwiſchen ihren Naͤgeln iſt eine kleine Oeffnung, welche ſich
alſo grade uͤber dem Safttroͤpfchen befindet. Durch dieſe Oeff-
nung koͤnnen zwar Inſekten ihren Saugeruͤſſel ſtecken, aber kein
Regentropfen dringen. Auch aͤndert die Blume bey Regenwetter
zwar nicht ihre aufrechte Stellung, aber ihre Geſtalt; denn ihre
Krone iſt alsdenn etwas geſchloſſen. Ein jedes Filament hat auf
ſeiner aͤußeren Seite eine Furche, welche ſich bis zur Saftdruͤſe
hinab erſtreckt. Dieſe dient vermuthlich dazu, daß, weil die
Kelchblaͤtter ſich dicht an die Filamente anſchließen, ein Inſekt
durch die Roͤhre, welche dieſe Furchen und die Kelchblaͤtter bilden,
ſeinen Saugeruͤſſel hindurch ſtecken koͤnne, um zum Saft zu ge-
langen.
4. Die Blume iſt eine Tagesblume; denn des Abends
ſchließt ſie ſich. Eben dies gilt auch vom Linum cathareticum.
5. Daher kann ſie auch nur fuͤr Tagesinſekten beſtimmt ſeyn,
zu welchen die Hummeln gehoͤren. Auf einem bluͤhenden Lein-
felde traf ich eine große Hummel an, welche die Blumen beſuchte.
Sobald ſie ſich auf eine derſelben geſetzt hatte, verurſachte ſie
durch ihre Schwere, daß der Stiel oder der ganze Stengel ſich
herabbeugte, ſo daß ſie nebſt der Blume beynahe bis auf die Erde
herabfiel. Es war angenehm anzuſehen, wie, indem die Hum-
mel von einer Blume zur andern flog, ein Stengel nach dem an-
dern nickte, und, ſobald dieſelbe die Blume wieder verließ,
mit dieſer wieder in die Hoͤhe fuhr. Vermuthlich hatten von
dieſem Beſuch die Blumen nicht geringern Nutzen, als die Hum-
mel, indem ſie von derſelben befruchtet wurden.
Linum perenne.
1. Die Saftdruͤſen ſind die fuͤnf kleinen Hoͤhlen an der zu-
ſammengewachſenen Baſis der Filamente.
2. Der Saft befindet ſich zwiſchen jedem Hoͤhlchen und dem
gegenuͤber ſtehenden feſt anliegenden Kelchblatt.
3. Wenn man in die Blume hineinſieht, ſo erblickt man im
Grunde derſelben fuͤnf mit Haaren beſetzte Oeffnungen. Denn
die Naͤgel der Kronenblaͤtter ſind haaricht, und uͤber jedem Saft-
hoͤhlchen ſitzt am Filament ein Haarbuͤſchel. Durch dieſe Oeff-
nungen kann kein Regentropfen dringen. Daß aber bey dieſer
Blume Haare angebracht ſind, und bey der vorhergehenden nicht,
koͤmmt daher, weil ſie weit groͤſſer iſt, als jene.
4. Die
[[101]]
Galanthus.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Die innere Seite der
Kronenblaͤtter iſt ſehr glaͤnzend, die aͤußere weniger. Der
oberſte groͤſſere Theil jener iſt himmelblau, der folgende blaß-
blau, und der Nagel gelb. Sieht man alſo in die Blume
Galanthus.
hinein, ſo ſieht man oben einen breiten himmelblauen Ring,
in der Mitte einen ſchmaͤlern blaßblauen Ring, und im Grunde
einen gelben Kreis.
Sechste Klaſſe.Hexandria.
Zwitterblumen mit ſechs Staubgefaͤßen.
Galanthus.
Galanthus niualis. Schneetroͤpfchen. Tab. X. 25—32.
38. 39.
31. Die des Nachts geſchloſſene Blume.
32. Die bey Tage geoͤffnete Blume.
26. Dieſelbe, nachdem die aͤußeren Kronenblaͤtter abgeſchnit-
ten worden.
27. Dieſelbe, nachdem auch das vorderſte innere Kronenblatt
abgeſchnitten worden.
25. Das abgeſchnittene innere Kronenblatt von außen.
30. Daſſelbe von innen.
29. Der Durchſchnitt deſſelben bey a b Fig. 30.
28. Der Fruchtknoten im Durchſchnitt. Der Griffel. Drey
Staubgefaͤße. Der Griffel iſt von a bis b gruͤnlich, uͤbrigens
aber weiß.
38. Der Griffel. Die gruͤnliche Farbe iſt durch Punkte an-
gedeutet.
39. Die Blume von unten geſehen, ohne Schatten. Die
durchſichtigeren Linien der großen Kronenblaͤtter, und die gruͤnen
Streifen der kleinen ſind angedeutet.
1. 2. Die irrige Vorſtellung, welche ich anfaͤnglich von der
Saftdruͤſe des Leucoium vernum hatte, verleitete mich zu einem
aͤhnlichen Irrthum in Anſehung des Galanthus. Ich hielt nem-
lich den etwas fleiſchichten und weißen Boden, welcher in Fig. 28.
punktirt iſt, fuͤr die Saftdruͤſe, und glaubte, daß der Saft von
demſelben an den inneren Kronenblaͤttern herabfloͤſſe. Daß aber
derſelbe keinesweges die Saftdruͤſe ſey, habe ich hernach durch die
Erfahrung eingeſehen. Ich habe nemlich von verſchiedenen Blu-
men, ehe ſie voͤllig aufgebrochen waren, die inneren Kronenblaͤt-
ter weggeſchnitten, und ſie hernach oͤfters beſehen, aber in keiner
derſelben auf dem Boden Saft gefunden. Folglich ſind die inne-
ren Kronenblaͤtter nicht nur der Safthalter, ſondern auch die
Saftdruͤſe. Deswegen ſind ſie fleiſchicht, welches der Durchſchnitt
Fig. 29. zeigt, und dauern daher laͤnger, als die aͤußeren Kronen-
blaͤtter. Sie ſondern aber nicht auf ihrer ganzen inneren Seite
den Saft ab, ſondern nur in der Mitte, ſoweit ſie gruͤn ſind,
Fig. 30., da ſie an den beiden duͤnnen Seitenraͤndern und am un-
terſten Rande weiß ſind.
3. Der Saft iſt gegen den Regen vollkommen geſichert.
Denn da die Blume herabhaͤngt, ſo empfangen die aͤußeren Kro-
nenblaͤtter die Regentropfen auf ihrer aͤußeren Seite, und halten
dieſelben von den inneren Kronenblaͤttern ab. Die letzteren ſind dick
und ſteif, liegen mit dem Rande eines auf dem andern, und bil-
den alſo eine Roͤhre. Wenn zufaͤlligerweiſe ein Regentropfen in
die Oeffnung dieſer Roͤhre koͤmmt, ſo kann derſelbe doch nicht
weiter dringen, ſondern muß unter den Antheren ſtehen bleiben.
Dieſe biegen ſich nemlich mit ihren Spitzen dicht an den Griffel;
dieſe Spitzen aber laufen in Borſten aus, welche ſich wieder aus-
einander breiten, und einen großen Theil des inneren Raums der
Roͤhre einnehmen. Weil nun dieſe Borſten ſehr wenig Anzie-
hungskraft haben, ſo bleibt der Regentropfen unter denſelben
ſtehen.
4. Die Blume iſt ungefaͤhr von zehn Uhr Morgens bis vier
Uhr Nachmittags geoͤffnet, die uͤbrige Zeit aber geſchloſſen, folg-
lich eine Tagesblume. Deswegen hat ſie ein Saftmaal. Die in-
neren Blaͤtter der weißen Krone ſind auf der aͤußeren Seite nahe
am unterſten Rande mit einem gruͤnen Fleck geziert. Wenn ein
Inſekt ſich der Blume genaͤhert hat, ſo ſieht es an dieſen Flecken,
daß in der Roͤhre, an deren Oeffnung dieſelben ſtehen, der Saft
enthalten iſt. Daß aber dieſe Flecken nicht unmittelbar am Rande,
ſondern etwas weiter hinauf angebracht ſind, iſt vermuthlich des-
wegen geſchehen, damit ſie ſowohl unterwaͤrts, als oberwaͤrts ge-
gen die weiße Farbe abſtechen, ſich alſo deſto ſtaͤrker ausnehmen.
M
[[102]]
Galanthus.
Wenn das Inſekt ſich auf die Blume geſetzt, und, um in die
Roͤhre hineinzukriechen, ſich umgekehrt hat, ſo erſcheint demſel-
ben die Blume ſo, wie in Fig. 39. vorgeſtellt worden iſt. Es er-
blickt alsdenn verſchiedene Linien, welche insgeſamt nach der Mitte
zu laufen, und ihm zeigen, daß der Saft in der Mitte befindlich
iſt. Die aͤußeren Kronenblaͤtter ſind mit Linien geziert, welche
zwar nicht von anderer Farbe, aber durchſichtiger und heller ſind.
Dieſe Linien bemerkt man nicht, wenn man die Blume von oben
beſieht, ſondern bloß, wenn man ſie uͤber die Augen erhebt, und
ſie von unten beſieht. Und die inneren Kronenblaͤtter ſind auf
der Stelle, wo ſie den Saft enthalten, mit gruͤnen Streifen ge-
ziert. Warum aber der weiße Griffel an einer Stelle, Fig. 38.,
gruͤn iſt, ſehe ich um ſo viel weniger ein, da derſelbe ſehr duͤnne,
und dieſe Farbe ſehr ſchwach iſt. Bey der folgenden Gattung
hingegen wird ein aͤhnlicher Fleck am Griffel ſich leicht erklaͤren
laſſen.
Warum dieſe Blume kein Perianthium hat, ſondern, bevor
ſie zu bluͤhen anfaͤngt, in einer Scheide eingeſchloſſen iſt, welche
ſie hernach zerreißt, und von welcher ſie ſich, nachdem ſie aus
derſelben zum Vorſchein gekommen iſt, ziemlich weit entfernt, iſt
leicht einzuſehen. Da ſie auf einem kurzen Stengel oder Schaft
ſitzt, und herabhaͤngt, ſo mußte ſie, wenn ſie von den Inſekten
leicht ſollte bemerkt werden, denſelben von oben geſehen ſtark in
die Augen fallen. Denn die Inſekten fliegen nicht unterhalb,
ſondern oberhalb derſelben umher. Haͤtte ſie nun ein Perianthium,
z. B. wie die Roſe, ſo wuͤrde daſſelbe entweder gruͤn, oder ge-
faͤrbt ſeyn. Waͤre es gruͤn, ſo wuͤrde es verurſachen, daß die
Krone den Inſekten weniger in die Augen fiele; es wuͤrde folglich
nachtheilig ſeyn. Waͤre es gefaͤrbt, wie die Krone, ſo wuͤrde es
nicht verurſachen, daß die Blume ſtaͤrker in die Augen fiele; folg-
lich wuͤrde es unnuͤtz ſeyn. Da im Gegentheil, was den erſten
Fall betrifft, die ungefaͤrbte Scheide ſehr ſchmal, und uͤberdies
von der Blume ziemlich weit entfernt iſt, folglich nicht verurſa-
chen kann, daß die Blume weniger in die Augen falle. Wenn
ſie hingegen zwar auf einem eben ſo kurzen Stengel ſaͤße, aber
aufrecht ſtuͤnde: ſo koͤnnte ſie ihrer Bemerkbarkeit unbeſchadet ein
Perianthium haben. Denn alsdenn wuͤrde nicht die Krone vom
Kelch, ſondern der Kelch von der Krone den Inſekten verdeckt,
und die Krone fiele mit ihrer inneren Seite denſelben voͤllig in die
Augen. Wenn ſie endlich zwar herabhinge, aber auf einem hohen
Baum ſaͤße: ſo koͤnnte ſie auch ein Perianthium haben, wie die
Lindenblume, weil ſie durch daſſelbe nicht verhindert werden wuͤr-
de, den um die Krone des Baums und unter derſelben umherflie
genden Inſekten in die Augen zu fallen. Wenn in beiden Faͤllen,
beſonders aber im erſten, das Perianthium von der Krone ganz
Galanthus.
verdeckt wuͤrde, ſo wuͤrde es gruͤn ſeyn, wie bey der Anemone
Hepatica, wenn es aber nicht ganz von der Krone verdeckt wuͤr-
de, ſo wuͤrde es auf der inneren Seite gefaͤrbt ſeyn, wie wir bey
der Paſſiflora coerulea geſehen haben.
5. Die Bienen beſuchen die Blume, indem ſie ſich zuerſt auf
eines von den aͤußeren Kronenblaͤttern ſetzen, und von da in die
Roͤhre, welche die inneren Kronenblaͤtter bilden, hineinkriechen,
da ſie denn die letzteren ein wenig auseinander druͤcken. Sie be-
ſuchen ſie aber, wenn es die Witterung erlaubt, um ſo viel lie-
ber, da ſie, als eine von den erſten Saftblumen des Fruͤhjahrs,
ihnen die angenehme Nachricht bringt, daß der oͤde Winter vor-
uͤber iſt, ihnen eine erfreuliche Ausſicht in die von nun an immer
milder werdende Jahreszeit eroͤffnet, bey ihnen die Hoffnung
hervorbringt, daß ſie nun bald wieder ihrem Lieblingsgeſchaͤft wer-
den nachgehen koͤnnen, und dieſe Hoffnung an ſich ſelbſt ſchon
erfuͤllet. Eben ſo erfreuliche Ausſichten, obgleich von hoͤherer
Art, eroͤffnet ſie dem Blumenforſcher, welcher ſich den Winter
hindurch mit ſeinem Herbarium und mit Buͤchern hat durchſtuͤm-
pern muͤſſen. Daher iſt ſie ihm, ſo oft er ſie auch ſchon geſehen
und unterſucht hat, jedesmal willkommen.
Am 17. Januar 1790 ragten die Blumenknospen und Blaͤt-
ter beynahe einen halben Zoll uͤber die Oberflaͤche der Erde her-
vor. Den Stengel einer Pflanze aber fand ich ſo lang, als er
zu ſeyn pflegt, wann er ſein voͤlliges Wachsthum erreicht hat;
die Blumenknospe aber ſah wie verbrannt oder verfault aus.
Dieſe Erſcheinung leite ich aus eben der Urſache her, welcher Ei-
nige die Entſtehung des Mutterkorns zuſchreiben, nemlich von
einem auf den Stengel gefallenen Regentropfen, welcher, von
der Sonne beſchienen, wie ein Brennglas gewirket, und zwar in
dem Stengel ein uͤberaus ſchnelles Wachsthum hervorgebracht,
die innere Struktur der Blumenknospe aber zerſtoͤrt hatte. Es
hatte nemlich an den vorhergehenden Tagen theils geregnet, theils
zuweilen die Sonne geſchienen; ſo wie auch damals, als ich dieſe
Beobachtung machte, welches in der Mittagsſtunde geſchahe,
die Sonne ſchoͤn ſchien, auf den Pflanzen aber noch Regentropfen
ſaßen. Nun konnte die Sonne wegen ihres niedrigen Standes
nur in der Mittagsſtunde dieſe Wirkung hervorgebracht haben.
Und hiermit ſtimmte die Stellung der Pflanze, von welcher die
Rede iſt, vollkommen uͤberein. Denn ihre beide Blaͤtter waren
mit dem einem Rande, und nicht mit ihrer Flaͤche, grade nach
Mittag gerichtet, ſo daß alſo ein Regentropfen, welcher zwiſchen
denſelben und der Blumenknospe geſeſſen hatte, den Strahlen
der Mittagsſonne ausgeſetzt geweſen war.
[[103]]
Leucoium.
Leucoium.
Leucoium vernum. Maͤrzblume. Tab. X. 42.
46. 47.
42. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
47. Dieſelbe nach einem anhaltenden Regen. Damit man
die innere Seite der Krone und die Geſchlechtstheile ſehen koͤnne,
ſo iſt vorne ein Theil der Krone weggeſchnitten worden. Man
ſieht, daß zwar der obere, keinesweges aber der untere Theil der
aͤußeren Seite der Krone, noch viel weniger die innere Seite der-
ſelben und die Geſchlechtstheile mit Regentropfen benetzt ſind.
46. Die Blume im Durchſchnitt.
1. 2. Ich habe einige Jahre lang von der Saftdruͤſe eine
irrige Vorſtellung gehabt. Ich hielt nemlich den ſehr fleiſchichten
Boden, welcher in Fig. 46. punktirt iſt, fuͤr die Saftdruͤſe, ſo-
wohl wegen ſeiner Dicke, als auch, weil ich in einigen Blumen
in dem Winkel, welchen derſelbe mit der Krone macht, einen klei-
nen Tropfen fand. Nur wunderte mich, daß ich denſelben nicht
in allen Blumen antraf. Endlich entdeckte ich die eigentliche
Saftdruͤſe. Dieſe iſt nemlich der Griffel ſelbſt, welcher an der
Stelle von b bis c Fig. 46. den Saft abſondert und enthaͤlt. An
dieſer Stelle habe ich bey allen Blumen, die ſehr alten ausgenom-
men, Saft gefunden. So ungewoͤhnlich nun dieſe Beſtimmung
des Griffels iſt, eben ſo ungewoͤhnlich und bloß hieraus erklaͤrbar
iſt ſowohl ſeine Geſtalt, da er ſo dick iſt, als auch das Saftmaal,
mit welchem er geziert iſt.
3. Daß der Saft gegen den Regen voͤllig geſichert iſt, zeiget
Fig. 47. Dieſe Abſicht wird durch folgende Anſtalten erreicht.
1) Die Blume haͤngt herab. 2) Die Kronenblaͤtter ſitzen nicht
neben einander, ſondern es wechſeln drey aͤußere mit drey inneren
ab, und die erſteren bedecken zum Theil die letzteren. 3) Die
Krone hat mehr eine kugelfoͤrmige, als glockenfoͤrmige Geſtalt,
indem ihre Oeffnung kleiner iſt, als ihr mit der Oeffnung gleich-
laufender mittelſter Durchſchnitt. Ein jedes Blatt iſt nemlich ſehr
konkav, und dieſes daher, weil es ſowohl an der Baſis, als an
der Spitze ſehr fleiſchicht iſt, und die fleiſchichte Spitze an beiden
Raͤndern einige Falten hat. 4) Der Griffel iſt weit kuͤrzer als
die Krone.
4. Die Blume hat ein doppeltes Saftmaal, ein aͤußeres und
ein inneres. Jenes ſind die gruͤnlichgelben Flecken, mit welchen
die weißen Kronenblaͤtter nicht weit von der Spitze geziert ſind,
Fig. 42. 47. Dieſes iſt der gleichfarbige Fleck, mit welchem das
Ende des dickern Theils des weißen Griffels geziert iſt, Fig. 46.
47. So wie die Bienen durch das aͤußere Saftmaal gelockt wer-
den, in die Blume hineinzukriechen, ſo fuͤhrt ſie das innere zu
Leucoium. Narciſſus.
dem nahe uͤber demſelben befindlichen Saft. Auch hat die Blume
einen zwar ſchwachen, doch angenehmen Geruch, welcher dem
Geruch der Werftbluͤthen (Salix caprea) aͤhnlich iſt.
5. Die Blume wird von den Bienen aus eben der Urſache,
als die vorhergehende, haͤufig beſucht, da ſie beynahe eben ſo fruͤh
bluͤhet, als jene. Sie kriechen in dieſelbe ganz hinein, und hal-
ten ſich lange in derſelben auf, und verurſachen, daß die Blume
in eine zitternde Bewegung geraͤth, welches artig anzuſehen iſt.
Daß ſowohl dieſe, als die vorhergehende Blume von den
Bienen nicht umſonſt beſucht und benutzet, ſondern zugleich be-
fruchtet werde, iſt hoͤchſt wahrſcheinlich. Denn da die Antheren
von der Krone umgeben ſind, ſo kann der Wind dieſelben nicht
unmittelbar beruͤhren, folglich ihren Staub nicht anders heraus-
werfen, als durch die Erſchuͤtterung der Blume. Aber auch in
dieſem Fall kann der Staub hoͤchſt ſchwerlich, wenn nicht gar un-
moͤglich, auf das Stigma fallen. Denn das Stigma iſt die Ober-
flaͤche der Spitze des Griffels, folglich ſehr klein, und uͤberdies
dem herabfallenden Staube nicht zugekehrt, ſondern von demſel-
ben abgewendet. Wenn die Befruchtung auf dieſe Art geſchehen
ſollte, ſo muͤßte das Stigma ſich in einige anſehnliche Theile thei-
len, und dieſe muͤßten ſich oberwaͤrts herumkruͤmmen. Indem
aber die Bienen entweder den Saft verzehren, oder den Staub
ſammlen (das letztere habe ich in dem Leucoium deutlich be-
merkt): ſo beruͤhren und erſchuͤttern ſie die Antheren, und verur-
ſachen dadurch, daß der Staub derſelben aus den Oeffnungen
herausfaͤllt. Ein Theil deſſelben haftet an ihrem haarichten Koͤr-
per. Mit dem beſtaͤubten Koͤrper beruͤhren ſie das Stigma, be-
ſtaͤuben daſſelbe, und befruchten auf ſolche Art die Blumen.
Daß die Befruchtung beider Blumen ſelten von Statten
geht, lehrt die Erfahrung, indem man ſelten eine mit guten Sa-
menkoͤrnern angefuͤllte Samenkapſel findet. Hievon laͤßt ſich kein
Grund angeben, ſolange man bey der mechaniſchen Befruchtungs-
art ſtehen bleibt; es laͤßt ſich aber leicht erklaͤren, wenn man an-
nimmt, daß die Blumen von den Bienen befruchtet werden.
Denn waͤhrend ihrer Bluͤhezeit iſt es mehrentheils noch ſo kalt,
daß die Bienen noch nicht ausfliegen koͤnnen. Im naͤchſtvergan-
genen Jahr *) bluͤhete Galanthus ſchon am 14. Februar, und
Leucoium 8 oder 14 Tage ſpaͤter, und die Witterung wurde erſt
in den letzten Tagen ihrer Bluͤhezeit ſo gelinde, daß die Bienen
ausfliegen konnten.
Narciſſus.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt.
2. Der Safthalter iſt die Kronenroͤhre.
M 2
[[104]]
Narciſſus. Pancratium. Allium.
3. Der glockenfoͤrmige einem Kronenblatt aͤhnliche Theil,
welcher die Oeffnung der Kronenroͤhre umgiebt, haͤlt die Regen-
tropfen, welche auf die Krone gefallen ſind, vom Safthalter
gaͤnzlich ab. Weil er aber ſelbſt ziemlich weit iſt, und daher leicht
Regentropfen in denſelben hineinfallen, ſo wird dieſen das Ein-
dringen in den Safthalter durch die Antheren verwehrt, von wel-
chen drey oben an der Oeffnung der Kronenroͤhre ſitzen, die uͤbri-
gen drey aber ſich unter denſelben befinden, und mit denſelben
abwechſeln. Inſekten aber koͤnnen durch die Zwiſchenraͤume zwi-
ſchen den Antheren leicht hindurchkriechen, oder ihren Saugeruͤſſel
hindurchſtecken.
4. Die Saftdecke iſt zugleich das Saftmaal, indem ſie von
anderer Farbe zu ſeyn pflegt, als die Krone.
5. In dem Safthalter des Narciſſus poeticus fand ich todte
Blumenkaͤfer. Der Saft muß alſo fuͤr ſie ein Gift ſeyn. Hiemit
ſtimmt uͤberein, was Gleditſch ſagt, S. 214., daß der
Saft des Narciſſus Pſeudonarciſſus den Bienen nicht zutraͤg-
lich ſey.
Pancratium.
Pancratium littorale. Jacqu. Amer. p. 99.
1. Die Saftdruͤſe iſt entweder der oberſte Theil des Frucht-
knotens, oder, welches wahrſcheinlicher iſt, der unterſte weitere
und vielleicht auch fleiſchichtere Theil der ſehr langen Kronenroͤhre.
Dieſe wird von dem Griffel meiſt ausgefuͤllt, und durch den engen
Zwiſchenraum zwiſchen beiden ſteigt der Saft, wie in der Oeno-
thera, in die Hoͤhe, und bleibt in demjenigen Theil ſtehen, wel-
chen Jacquin das Nectarium nennt, Linné aber nur fuͤr
den oberſten Theil deſſelben gehalten hat.
2. Dieſer Theil iſt alſo der Safthalter.
Allium.
Linné ſagt in ſeiner Beſchreibung dieſer Gattung nichts
vom Nectario. Daß dennoch ſaͤmtliche Arten Saftblumen ſind,
beweiſe ich durch folgende.
Allium carinatum. Wilder Knoblauch. Tab. XI.
16. 23. 29*.
16. Die vergroͤſſerte juͤngere Blume, von unten geſehen,
ohne Schatten. Die Farbe der Krone iſt durch Punkte ange-
deutet.
23. Das Piſtill der juͤngeren Blume. Die Saftdruͤſe iſt
punktirt.
29*. Das Piſtill der aͤlteren Blume.
1. Die Saftdruͤſe iſt der unterſte Theil des Fruchtknotens.
Allium.
2. Der Safthalter iſt der Grund der Krone, oder vielmehr
die breite zuſammenhangende und mit der Krone zuſammenge-
wachſene Baſis der Filamente.
3. Da die Blume herabhaͤngt, ſo iſt der Saft durch dieſe
Stellung derſelben ſchon hinlaͤnglich gegen den Regen geſichert,
und es iſt folglich keine beſondere Saftdecke noͤthig. Daher hat
ſie nicht drey breite Filamente, ſondern alle Filamente ſind gleich
ſchmal. Da alſo dieſe Art ſich durch den Mangel der Saftdecke
von ihren mehreſten Nebenarten unterſcheidet, welche dieſelbe
haben: ſo beſtaͤtigt ſie aufs augenſcheinlichſte dasjenige, was ich
in der Einleitung von den herabhangenden Blumen geſagt habe,
daß ſie keine beſondere Saftdecke haben, weil ſie wegen ihrer Stel-
lung derſelben nicht benoͤthigt ſind.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Krone iſt weiß,
jedes Blatt derſelben aber in der Mitte und an beiden Raͤndern
purpurfarben. Folglich hat die ganze Krone 24 abwechſelnde
weiße und purpurfarbene Streifen, welche nach dem Grunde zu
laufen, und den Inſekten zeigen, daß im Grunde der Saft ent-
halten iſt. Der Fruchtknoten iſt oberwaͤrts gelb, und ſticht gegen
die Krone ziemlich ſtark ab.
5. Daß dieſe Blume von Inſekten befruchtet wird, erhellet
daraus, daß ſie ein maͤnnlich-weiblicher Dichogamiſt iſt. In
Fig. 16. iſt eine juͤngere maͤnnliche Blume abgebildet. Die Staub-
gefaͤße 4, 5 und 6 liegen an der Krone. Ihre Filamente ſind noch
kurz, und ihre Antheren haben ſich noch nicht geoͤffnet. Die
Staubgefaͤße 1 und 3 haben ſich verlaͤngert, und eine ſolche Stel-
lung erhalten, daß ihre Antheren, welche ſich geoͤffnet haben,
und voller Staub ſind, grade unter dem Piſtill ſtehen. Das
Staubgefaͤß 2 hat ſeine Beſtimmung ſchon erfuͤllt, und ſich
mit ſeiner ſtaubloſen Anthere wieder an die Krone angelehnt.
Solange nun die Staubgefaͤße ſich auf ſolche Art einander abloͤ-
ſen, iſt der Griffel noch ſehr kurz, Fig. 23.; wann ſie aber ſaͤmt-
lich ihre Beſtimmung erfuͤllt, und ſich vom Piſtill wieder entfernt
haben, ſo verlaͤngert er ſich, Fig. 29*., und das Stigma ſteht
nun eben da, wo vorher die Antheren ſtanden. Da alſo die
Blume nicht durch ihren eigenen Staub befruchtet werden kann,
ſo wird ſie von Inſekten, und zwar die aͤltere vermittelſt des Stau-
bes einer juͤngeren, befruchtet.
Allium Cepa. Zwiebel. Bolle. Tab. XI. 20. 28*.
28**.
20. Die vergroͤſſerte Blume, von der Seite geſehen.
28**. Dieſelbe, von oben geſehen.
28*. Das Piſtill. An der Baſis des Fruchtknotens eine
(punktirte) Saftdruͤſe.
[[105]]
Allium.
1. Die Saftdruͤſen ſind die drey gruͤnlichen Stellen an der
Baſis des weißlichen Fruchtknotens, auf welchen die breite Baſis
dreyer Filamente liegt.
2. Der Saft befindet ſich zwiſchen jeder Saftdruͤſe und der
anliegenden Baſis des Filaments.
3. Weil die Baſis des Filaments am Piſtill anliegt, ſo kann
kein Regentropfen zum Saft gelangen.
4. Die Kronenblaͤtter ſind weiß, haben aber in der Mitte
eine gruͤne Linie.
Allium Schoenopraſum. Schnittlauch. Die Saft-
druͤſen ſind drey kleine Hoͤhlen an der Baſis des Fruchtknotens.
Die Filamente ſind ſaͤmtlich unterwaͤrts zuſammengewachſen,
und bilden eine dreyeckichte Roͤhre, welche den Fruchtknoten um-
giebt. Da aber dieſer drey Winkel hat, ſo entſtehen dadurch drey
kleine Zwiſchenraͤume zwiſchen demſelben und jener Roͤhre, durch
welche zwar ein Inſekt, keinesweges aber ein Regentropfen zum
Saft gelangen kann.
Allium fiſtuloſum. Winterbolle. Tab. XI. 22. 30.
31. 37.
22 a. Eine juͤngere Blume. Zwey Staubgefaͤße haben ihre
voͤllige Laͤnge erreicht, und ihre Antheren haben ſich geoͤffnet.
Das dritte Staubgefaͤß iſt dieſem Zuſtande ſehr nahe. Die drey
uͤbrigen ſind von demſelben noch entfernt.
22 b. Eine juͤngere Blume von einer andern Seite. Vier
Staubgefaͤße haben ihre voͤllige Laͤnge erreicht, und ihre Antheren
ſind voller Staub. Die beiden uͤbrigen ſind dieſem Zuſtande
nahe.
In beiden Blumen befindet ſich der Griffel noch innerhalb
der Krone.
30. Eine aͤltere Blume. Die Filamente ſind welk, und die
Antheren ohne Staub. Dagegen iſt der Griffel aus der Krone
hervorgekommen, und das Stigma nimmt nun grade die Stelle
ein, welche vorher die Antheren eingenommen haben.
31. Der Fruchtknoten in einer ſolchen Stellung, daß man
zwey (punktirte) Saftdruͤſen ſieht.
37. Derſelbe in einer andern Stellung, da man nur Eine
Saftdruͤſe ſieht.
1. Die Saftdruͤſen ſind die drey Winkel oder Furchen an
den Seiten des Fruchtknotens, welche unten am breiteſten ſind.
Sie ſind weiß, da der Fruchtknoten gruͤn iſt.
2. Der Safthalter iſt der Grund der Krone.
3. Da die Krone beſtaͤndig geſchloſſen iſt, ſo kann kein Re-
gentropfen zum Saft gelangen. Die Blume bedarf daher eben
ſo wenig, als Allium carinatum, obgleich aus einer andern Ur-
Allium.
ſache, einer Saftdecke. Ihre Filamente ſind alſo insgeſamt gleich
ſchmal.
5. Leske will, wie Medikus in der bey der Paſſiflora
angefuͤhrten Abhandlung S. 158. meldet, am Knoblauch bemerkt
haben, daß die Staubgefaͤße ſich eines nach dem andern uͤber das
Stigma hinſtellen. Folglich hat er geglaubt, daß die Befruch-
tung auf eine mechaniſche Art geſchehe. Bey dieſer Art aber iſt
ſo wenig, als beym Allium carinatum, an dieſe Befruchtungs-
art zu denken, da ſie auch ein maͤnnlich-weiblicher Dichogamiſt
iſt. Denn wann die Blume zu bluͤhen anfaͤngt, ſo kommen zu-
erſt die Staubgefaͤße eines nach dem andern aus der Krone zum
Vorſchein, und verlaͤngern ſich, und ihre Antheren oͤffnen ſich.
Solange dies aber geſchieht, iſt der Griffel noch ſehr kurz, und
innerhalb der Krone verborgen. Wenn er gleich alsdenn ſchon
ein Stigma haͤtte, ſo koͤnnte doch daſſelbe keinen Staub erhalten.
Wann die Staubgefaͤße verbluͤhet ſind, und zu verwelken anfan-
gen, alsdenn erſt koͤmmt der Griffel aus der Krone zum Vor-
ſchein, und wird endlich ſo lang, als die Filamente waren, ſo
daß das Stigma grade da ſteht, wo vorher die Antheren ſtanden.
Dieſes kann nun von den Antheren nicht beſtaͤubt werden, weil
dieſelben keinen Staub mehr haben.
Die Blume wird von den Bienen haͤufig beſucht, und zwar,
welches ich genau bemerkt habe, des Safts wegen. Indem ſie
nun auf dem Blumenknauf ſtehen, ſo ſtecken ſie ihren Sauge-
ruͤſſel bald in eine juͤngere, bald in eine aͤltere Blume hinein. Im
erſten Fall muͤſſen ſie nothwendig mit ihrem Unterleibe den Staub
von den Antheren abſtreifen, und im letzten eben ſo nothwendig
das Stigma mit ihrem beſtaͤubten Unterleibe beruͤhren, und daſ-
ſelbe beſtaͤuben, und folglich die aͤltere Blume mit dem Staube
der juͤngeren befruchten.
Allium Porrum. Porrébolle. Tab. XI. 14. 15. Das
Piſtill von verſchiedenen Seiten.
1. Der gruͤne Fruchtknoten hat an jeder von ſeinen drey Sei-
ten in der Mitte einen fleiſchichten weißen Anſatz, welcher eine
Saftdruͤſe iſt.
2. An einer jeden Saftdruͤſe liegt die Baſis eines breiten Fi-
laments dicht an. In dem Zwiſchenraum zwiſchen dem Frucht-
knoten, einer jeden Saftdruͤſe und der Baſis des anliegenden Fi-
laments befindet ſich der Saft.
3. Weil die Baſis der breiten Filamente dicht an den Saft-
druͤſen anliegt, ſo kann von oben kein Regentropfen durchkom-
men. Inſekten aber koͤnnen die Filamente leicht zuruͤckbiegen.
Auch von der Seite kann kein Regentropfen in den Safthalter
hineindringen. Denn alle ſechs Filamente ſtehen dicht neben ein-
ander, und bilden eine Roͤhre.
M 3
[[106]]
Allium. Lilium.
5. Ich fand ein kleines bienartiges Inſekt auf den Blumen.
Es hielt ſich in jeder lange auf, beleckte zuerſt die Antheren,
ſtreifte hierauf mit den Vorderbeinen den Staub vom Saugeruͤſ-
ſel ab, und ſteckte ihn alsdenn in den Safthalter hinein.
Allium Victorialis. Allermannsharniſch.
Der unterſte Theil des Fruchtknotens iſt weiß, der oberſte
gruͤn. Jener iſt die Saftdruͤſe. Der Saft iſt zwiſchen den drey
Seiten derſelben und den drey breiten anliegenden Filamenten
enthalten.
Allium vineale. Tab. XI. 21. Das vergroͤſſerte
Piſtill. Mitten auf dem Fruchtknoten ſieht man einen (punktir-
ten) Theil einer Saftdruͤſe, deren uͤbriger Theil vom Safttroͤpf-
chen verdeckt wird. Zu beiden Seiten ſieht man einen Theil der
beiden andern Saftdruͤſen.
Dieſe Art iſt dem Porrum ziemlich aͤhnlich. Weil die Blu-
men aufrecht ſtehen, ſo iſt der Saft gegen den Regen durch eben
diejenige Einrichtung geſichert, welche ich beym Porrum angezeigt
habe. Daß die beiden Zaͤhne der breiten Filamente in ein lan-
ges aus der Krone hervorragendes Haar auslaufen, davon ſieht
man die Abſicht leicht ein. Denn da dieſe ſechs Haare wegen
ihrer geringen koͤrperlichen Maſſe auch nur eine geringe Anzie-
hungskraft haben, ſo halten ſie einen Regentropfen, welcher
auf die Oeffnung der Krone gefallen iſt, voͤllig ab, in dieſelbe
hineinzufließen.
Allium nutans hat mit Cepa eine gleiche Einrichtung.
Lilium.
Lilium Martagon. Goldwurz. Tuͤrkiſcher Bund.
1. 2. Die Spalte, welche Linné das Nectarium nennt,
iſt die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter.
3. Weil die glockenfoͤrmige Blume herabhaͤngt, ſo iſt hier-
durch der Saft gegen den Regen voͤllig geſichert, und jene Spalte
bedarf daher keiner Haare.
4. Die große auswendig und inwendig purpurfarbene Krone
hat auf der inneren Seite nach der Mitte zu kleine dunkelpurpur-
farbene Flecken, welche das Saftmaal ſind.
5. Auch bey dieſer Blume will Leske, wie Medikus
S. 159. ſagt, bemerkt haben, daß die Staubgefaͤße eines nach
dem andern ſich zum Piſtill hinbegeben, um das Stigma zu be-
ſtaͤuben. Ich meines Theils habe dies nicht bemerkt, ſondern
vielmehr gefunden, daß ſowohl die Filamente, als die Antheren
diejenige Stellung, welche ſie anfaͤnglich haben, unveraͤndert be-
halten. Leske muß alſo entweder eine andre Blume gemeinet
haben, oder ſich von ſeiner Einbildungskraft haben taͤuſchen
laſſen.
Lilium.
Daß aber dieſe Blume dennoch auf eine mechaniſche Art be-
fruchtet wird, habe ich durch einen Verſuch erfahren, welchen ich
verſchweigen wuͤrde, wenn es mir mehr um die Durchſetzung mei-
ner Theorie, als um die Erforſchung der Wahrheit zu thun waͤre.
Dieſer Verſuch war demjenigen gleich, welchen ich vorher, wie
ich unten erzaͤhlen werde, mit dem Maͤrzveilchen angeſtellt hatte.
Der Erfolg deſſelben entſprach beym Veilchen meinen Erwartun-
gen voͤllig, beym Martagon aber war er denſelben grade entge-
gengeſetzt. Es bluͤheten nemlich im vergangenen Jahre zwey
Pflanzen in meinem Garten. Einige Tage vorher, ehe die Blu-
men ſich zu oͤffnen anfingen, zog ich uͤber die Blumentraube der
einen Pflanze einen Beutel von leinener Gaze, deſſen Oeffnung
ich hierauf zunaͤhete. Weil ich nun dadurch dieſe Blumen den
Inſekten unzugaͤnglich gemacht hatte, ſo erwartete ich, daß die-
ſelben unbefruchtet bleiben, und keine Samenkapſel anſetzen wuͤr-
den, da im Gegentheil die andre Pflanze, welche ich in ihrer na-
tuͤrlichen Freyheit gelaſſen hatte, Samenkapſeln hervorbringen
wuͤrde. Zu meiner groͤßten Verwunderung geſchahe aber in der
Folge grade das Gegentheil. Die Blumen der erſten Pflanze
verwandelten ſich in Samenkapſeln, welche, als ſie ihre voͤllige
Reife erlangt hatten, mit guten Samenkoͤrnern angefuͤllt waren;
die Blumen der andern Pflanze hingegen waren ſaͤmtlich unbe-
fruchtet geblieben. Die erſteren muͤſſen alſo auf eine mechaniſche
Art befruchtet worden ſeyn. Denn was die Ameiſen betrifft,
welche ſich in den Beutel hineinzuſchleichen gewußt hatten, und
welche ich auf den Blumen umherkriechen ſahe: ſo glaube ich
nicht, daß die Befruchtung von ihnen geſchehen ſey, ſondern von
einem groͤſſeren Inſekt haͤtte geſchehen muͤſſen. Die Moͤglichkeit
der mechaniſchen Befruchtungsart ſahe ich zwar ſchon damals,
als die Blumen bluͤheten, vollkommen ein. Denn der Griffel
war nicht grade, ſondern nach Einer Seite gekruͤmmt, ſo daß
das Stigma Eine oder zwey Antheren beruͤhrte. Ich begreife
aber weder, warum die Blume ſechs Antheren hat, da das Stigma
doch nur Eine oder hoͤchſtens zwey beruͤhren kann (denn der Grif-
fel, nachdem er ſich gekruͤmmt hat, bleibt unveraͤndert ſtehen),
noch, warum ſie eine gefaͤrbte Krone hat, und Saft abſondert,
da jene ſowohl als dieſer zu ihrer Befruchtung nichts beytraͤgt, ihr
alſo keinen Nutzen verſchafft.
Dieſer Verſuch hat mich verhindert, in der Einleitung zu be-
haupten, 1) daß alle Saftblumen von Inſekten befruchtet wer-
den, 2) daß die Befruchtung der Blumen niemals durch die un-
mittelbare gegenſeitige Beruͤhrung der Antheren und des Stigma
geſchieht. Was jedoch den zweyten Satz betrifft, ſo laͤßt ſich zum
Vortheil deſſelben noch folgender Schluß machen. Da die Na-
tur, welche nichts vergebens thut, dieſer Blume ſechs Antheren
[[107]]
Lilium. Fritillaria.
gegeben hat, ſo muͤſſen auch alle ſechs zur Befruchtung derſel-
ben das Ihrige beytragen. Nun beruͤhrt aber das Stigma nur
Eine oder zwey. Folglich kann es auch nicht die Abſicht ſeyn,
daß durch dieſe unmittelbare Beruͤhrung, ſondern auf eine andre
Art der Staub der Antheren auf das Stigma gebracht werde.
Daß aber die andere Pflanze, mit welcher ich jenen Ver-
ſuch nicht angeſtellt hatte, keine Samenkapſeln hervorgebracht
hat, ſchreibe ich ihrem Alter, oder einer Krankheit derſelben
zu. Ihre Blaͤtter ſchienen eines von beiden anzuzeigen, da ſie
nicht ſo gruͤn, wie die Blaͤtter der anderen Pflanze, ſondern
etwas gelb waren.
Lilium bulbiferum. Feuerlilie.
3. Weil dieſe Blume aufrecht ſteht, ſo ſind die Spalten,
welche den Saft enthalten, mit Haaren beſetzt, und die Kro-
nenblaͤtter haben auf der inneren Seite aufrecht ſtehende
Zaͤhne. Beides dient zur Abhaltung der Regentropfen vom
Saft.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die feuerfarbene
Krone iſt in der Mitte gelb. Beide Farben verlieren ſich nach
und nach in einander.
Lilium candidum. Weiße Lilie. Bey dieſer Art ſind
die Spalten nicht vorhanden, welche Linné der Gattung zu-
ſchreibt. Die Kronenblaͤtter ſondern auf der inneren Seite
ihrer dickeren Naͤgel, welche in der Mitte ein wenig gruͤnlich
ſind, einen kleinen Safttropfen ab, welcher auch daſelbſt ſitzen
bleibt.
Dieſe drey Arten enthalten weit weniger Saft, als man
von ſo großen Blumen erwarten ſollte. Daher ſcheint Gle-
ditſch denſelben gar nicht bemerkt zu haben, S. 223.
Fritillaria.
Fritillaria imperialis. Kaiſerkrone. Tab. XI.
24. 25.
24. Die Baſis eines Kronenblatts im Durchſchnitt.
25. Die innere Seite derſelben.
1. Die fleiſchichte glatte ausgehoͤhlte weiße Saftdruͤſe be-
findet ſich an der Baſis eines jeden Kronenblatts. Zerſchneidet
man dieſelbe, ſo ſieht die Subſtanz derſelben auch weiß aus.
Die Kronenblaͤtter beſtehen aus zwey Haͤuten, welche durch
Nerven mit einander verbunden ſind. Von dieſen Haͤuten
zieht ſich zwar die aͤußere uͤber die Saftdruͤſe hinweg, keines-
weges aber die innere, welche vielmehr eine Luͤcke von der
Groͤſſe und Geſtalt der Saftdruͤſe hat.
2. Eben dieſe Saftdruͤſe iſt zugleich der Safthalter. Sie
hat unterwaͤrts einen dicken ſchwielichten Rand, damit der
Fritillaria.
Saft nicht leicht aus derſelben heraus, und am Kronenblatt
herabfließen koͤnne.
3. Der Saft kann durch den Regen unmoͤglich verdorben
werden. Denn 1) die Blumen werden von dem uͤber ihnen
ſtehenden Blaͤtterzopf geſchuͤtzt. 2) Sie haben eine glockenfoͤr-
mige Geſtalt, und hangen grade herab. 3) Die drey aͤußeren
Kronenblaͤtter bedecken zum Theil die drey inneren.
4. Die ſechs Saftdruͤſen ſind zugleich ſo viel Saftmaͤler.
Denn ſie ſind weiß, da die Kronenblaͤtter roth, an der Baſis
aber ſchwarzbraun ſind, damit die weiße Farbe der Saftdruͤſen
ſich deſto ſtaͤrker ausnehme.
5. Ich habe Bienen und Hummeln in den Blumen an-
getroffen. Jene ſamleten zuerſt den Staub der Antheren, und
krochen hernach in den Grund der Krone hinauf, um den
Saft abzuholen. Dieſe, welche von einerley Art waren, hin-
gegen blieben bloß auf den Antheren, deren Staub ſie ab-
ſtreiften, und eben ſo, wie die Bienen, auf die Hinterbeine
brachten. Eine derſelben hatte die Hinterbeine voll rothen
Staubes, welchen ſie vom Lamium purpureum geſamlet hatte.
Dieſen uͤberzog ſie nach und nach mit dem weißen Staube der
Fritillaria. Nichts iſt natuͤrlicher, ja nothwendiger, als daß
dieſe Inſekten, indem ſie zwiſchen den Antheren wuͤhlen, einen
Theil ihres Staubes auf das nahe unter denſelben befindliche
Stigma bringen, und auf ſolche Art die Blumen befruchten.
Wahlboom macht S. 253. in Anſehung dieſer und ei-
niger anderen herabhangenden Blumen folgenden Schluß:
Weil der Griffel laͤnger iſt, als die Staubgefaͤße, ſo hangen
die Blumen herab, damit der Staub derſelben deſto leichter
auf das Stigma fallen koͤnne. Ich hingegen ſchließe ſo:
Weil der Saft vor dem Regen beſchuͤtzt ſeyn muß, ſo hangen
die Blumen herab. Der Griffel aber iſt anfangs, wann die
Antheren ſich zu oͤffnen anfangen, nicht laͤnger, als die Staub-
gefaͤße, er verlaͤngert ſich erſt, wann die Antheren ſich voͤllig
geoͤffnet haben, und ſich nach und nach verkuͤrzen. Daß aber
der Antherenſtaub, wenn das Stigma auch noch niedriger
ſtuͤnde, dennoch nicht leicht auf daſſelbe fallen koͤnne, erhellt
daraus, daß daſſelbe dem herabfallenden Staube nicht zuge-
kehrt iſt. Es theilt ſich zwar in drey Theile; dieſe begeben ſich
aber nur ein wenig von einander, und kruͤmmen ſich nicht ober-
waͤrts herum, welches doch geſchehen muͤßte, wenn ſie den her-
abfallenden Staub auffangen ſollten.
An einem warmen Tage fand ich in der Mittagsſtunde viel
Bienen auf den Blumen. Sie hatten den Saft derſelben
ſchon voͤllig verzehrt; denn die Safthoͤhlen waren leer und
trocken. Ich pfluͤckte einige Blumen ab, nahm ſie mit nach
[[108]]
Fritillaria. Erythronium.
Hauſe, und ſtellte ſie ins Waſſer. Nach einigen Stunden fand
ich in den Safthoͤhlen wieder Saft, und am folgenden Morgen
waren dieſelben wieder mit Saft ganz angefuͤllt. Hieraus folgt
alſo, daß die Saftblumen, ſolange ſie bluͤhen, fortfahren Saft
abzuſondern, und den von den Inſekten verzehrten Vorrath wie-
der zu erſetzen.
Spinnen kriechen in die Blumen hinein, und machen in
denſelben ein Gewebe, um auf die Inſekten, welche die Blumen
beſuchen, Jagd zu machen. Dergleichen von Spinnen bewohnte
Blumen haben einen großen Vorrath von Saft, weil die In-
ſekten denſelben nicht abholen koͤnnen.
Die Samenkapſeln hangen nicht, wie die Blumen, herab,
ſondern ſtehen aufrecht, damit die Samenkoͤrner nicht heraus-
fallen, ſondern vom Winde herausgeworfen und weit verſtreuet
werden.
Erythronium.
Erythronium dens canis. Tab. XI. 26—28.
26. Ein inneres Kronenblatt von der inneren Seite.
27. Ein Staubgefaͤß.
28. Der Fruchtknoten nebſt dem unterſten Theil eines inne-
ren Kronenblatts und dem demſelben gegenuͤber ſtehenden Fi-
lament.
1. Die Saftdruͤſe iſt die duͤnne Baſis des Fruchtknotens.
2. Die inneren Kronenblaͤtter haben an der Baſis zwey Oh-
ren, zwiſchen welchen und der Saftdruͤſe der Saft enthalten iſt;
ob ich gleich in derjenigen Blume, welche allein ich zu unterſu-
chen Gelegenheit hatte, keinen Saft gefunden habe, weil ſie ſchon
meiſt verbluͤhet war. Dieſe Ohren, welche Linné das Necta-
rium nennt, ſind nicht, wie er ſagt, ſchwielicht, ſondern weich
und ſchwammicht.
3. Zum Saft kann kein Regentropfen gelangen. Denn
1) iſt die Blume der Erde zugekehrt. 2) Die Kronenblaͤtter ſind
im Grunde, wo der Saft iſt, zuſammengewachſen, und bilden
eine enge Roͤhre. 3) Die Filamente ſind unterwaͤrts (wenn man
die Blume in ihrer natuͤrlichen Stellung betrachtet) breiter, als
oberwaͤrts. Regentropfen alſo, welche auf dieſelben gefallen ſind,
werden ſowohl durch ihre eigene Schwere, als auch durch die
ſtaͤrkere Anziehungskraft des breiteren Theils der Filamente vom
Safthalter abgehalten und abgeleitet.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Kronenblaͤtter
ſind auf der inneren Seite von a bis b Fig. 26. purpurfarben,
von b bis c ungefaͤrbt oder weiß, bey c haben ſie einen Queer-
ſtrich, welcher aus kleinen braunen oder kaſtanienfarbenen Flecken
beſteht, und von c bis d ſind ſie gelblichgruͤn.
Tulipa. Albuca.
Tulipa.
Tulipa Geſneriana. Tulpe. Saft habe ich in der
Blume nicht gefunden. Dennoch wird ſie von den Bienen be-
ſucht, vermuthlich bloß des Staubes wegen. Auch halten ſich
Spinnen in derſelben auf, um auf die Bienen Jagd zu machen.
In einer Blume fand ich eine Spinne, welche grade damit be-
ſchaͤftigt war, eine gefangene Biene auszuſaugen. Es wunderte
mich nicht wenig, daß ein ſo kluges und durch ſeinen Stachel ſo
wehrhaftes Thier, als die Biene iſt, ſich von der Spinne hatte
uͤberliſten und uͤberwaͤltigen laſſen.
Albuca.
Albuca maior. Tab. XI. 29. 32—36. 38. 40—43.
29. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
42. Dieſelbe, von unten geſehen.
32. Das Piſtill.
33. Daſſelbe von einer anderen Seite.
34. Ein Staubgefaͤß von innen.
35. Daſſelbe von außen.
36. Ein Filament ohne Anthere von außen.
38. Daſſelbe von innen.
40. Die Blume, von welcher die drey aͤußeren, und zwey
innere Kronenblaͤtter weggeſchnitten worden, von eben der Seite,
als das Piſtill in Fig. 33.
41. Dieſelbe, nachdem das vorderſte Filament ohne Anthere
weggeſchnitten worden.
43. Das in den beiden letzten Figuren abgebildete innere Kro-
nenblatt von der inneren Seite.
1. Eine von den drey Saftdruͤſen iſt in Fig. 32. punktirt.
2. An dieſelbe ſchließt die erweiterte inwendig konkave Baſis
eines Staubgefaͤßes. Der Zwiſchenraum zwiſchen jener und die-
ſer iſt voller Saft.
3. Die Anſtalt, welche die Natur getroffen hat, um den
Saft vor dem Regen zu beſchuͤtzen, und doch zugleich den Inſek-
ten einen Zugang zum Safthalter zu verſchaffen, iſt auffallend.
Da nemlich die aͤußeren Kronenblaͤtter offen ſtehen, ſo ſind die in-
neren geſchloſſen, oder liegen dicht an und zum Theil auf einan-
der. Ihr Ende iſt fleiſchicht, haaricht und umgebogen. Sie lie-
gen mit demſelben auf dem Stigma, koͤnnen aber vermittelſt deſ-
ſelben von einem Inſekt leicht zuruͤckgebogen werden, wodurch
daſſelbe einen freyen Zugang zum Safthalter erhaͤlt. Die vier
Oeffnungen, welche jenes Ende noch uͤbrig laͤßt, Fig. 42., wer-
den von den vier Spitzen des Stigma ausgefuͤllt. Dieſe vier
Spitzen nennt Linné das Stigma; ich halte aber den ganzen
Koͤrper,
[[109]]
Ornithogalum.
Koͤrper, welchen er den Griffel nennt, fuͤr das Stigma, da er
ſich von dieſen Spitzen durch nichts unterſcheidet.
4. Die weißen Kronenblaͤtter haben in der Mitte einen brei-
ten gruͤnen Streif, welcher, beſonders an den inneren, den In-
ſekten die Stelle zeigt, wo ſie ſich einen Zugang zum Safthalter
verſchaffen koͤnnen.
5. Ich habe noch nicht Gelegenheit gehabt, zu beobachten,
ob von einem, und von welchem Inſekt die Blume beſucht wird.
Der ganze Bau derſelben aber, welcher ſehr originell iſt, laͤßt
mich vermuthen, daß die Befruchtung durch ein Inſekt geſchieht.
Ornithogalum.
Ornithogalum minimum und O. luteum haben
in dem Winkel zwiſchen den Filamenten und den Kronenblaͤttern
ſechs Safttropfen.
Ornithogalum nutans.
1. Der gruͤne Fruchtknoten hat an ſeiner Baſis drey weiß-
liche Stellen, welche den groͤſſeren Filamenten gegenuͤber ſtehen,
und den Saft abſondern.
2. Zwiſchen den Saftdruͤſen und der Baſis der groͤſſeren Fi-
lamente iſt ein anſehnlicher Safttropfen befindlich.
3. Zum Saft kann kein Regentropfen gelangen. Denn
1) die Blumen hangen ein wenig herab, und die Regentropfen
fallen mehr auf die aͤußere, als auf die innere Seite der Kronen-
blaͤtter. 2) Die drey groͤfferen Filamente ſind am Ende tief ein-
gekerbt, und in dem Winkel dieſer Kerbe ſitzt die Anthere. Auf
ſolche Art endigt ſich die Roͤhre, welche ſaͤmtliche Staubgefaͤße
bilden, in neun Spitzen, an welchen ein Regentropfen, welcher
an der aͤußeren Seite derſelben herabgefloſſen iſt, nicht feſt haften
kann, ſondern leicht abfaͤllt. Auch iſt die Roͤhre an der Oeffnung
enger, als im Grunde.
4. Die Kronenblaͤtter haben einen weißen Rand, und ſind
in der Mitte mattgruͤn, und durch dieſes Gruͤn laͤuft ein matt-
weißer Streif. Alſo zeigt die ganze Krone dem in der verlaͤnger-
ten Axe der Blume befindlichen Auge dreißig verſchiedentlich ge-
faͤrbte Streifen, welche wie die Radii eines Zirkels nach der Mitte
zu laufen, wo die Oeffnung der weißen Roͤhre iſt, welche die
Staubgefaͤße bilden, und in deren Grunde der Saft enthal-
ten iſt.
Ich finde in dem Bau dieſer Blume noch einen Umſtand,
welcher mir merkwuͤrdig zu ſeyn ſcheinet. Sowohl der Frucht-
knoten, als der Griffel, iſt der ganzen Laͤnge nach ſechsmal ge-
furcht. An jenem ſind diejenigen Furchen am tiefſten, welche den
kleineren Filamenten, und an dieſem diejenigen, welche den groͤſſe-
ren Filamenten gegenuͤber ſtehen. Beide ſcheinen daher drey-
Ornithogalum. Scilla.
eckicht zu ſeyn, doch ſo, daß aus den Seiten des Fruchtknotens
die Ecken des Griffels, und aus den Ecken jenes die Seiten die-
ſes entſtehen. Nun haben alle Filamente auf der inneren Seite
in der Mitte der Laͤnge nach einen Anſatz, welcher am Ende am
ſtaͤrkſten iſt. Der Anſatz der kleineren Filamente paßt in die tie-
feren Furchen des Fruchtknotens, und der Anſatz der groͤſſeren
in die tieferen Furchen des Griffels. Folglich wird der innere
Raum der Roͤhre, welche die Staubgefaͤße bilden, durch dieſe
Anſaͤtze, als durch Scheidewaͤnde, an der Oeffnung in drey klei-
nere Raͤume getheilet, da er im Gegentheil im Grunde unge-
theilt iſt, weil die Anſaͤtze der groͤſſeren Filamente bis dahin
ſich nicht erſtrecken, und die Anſaͤtze der kleineren daſelbſt vom
Fruchtknoten etwas abſtehen. Sieht man alſo in die Roͤhre
hinein, ſo ſcheint dieſelbe ſechs Oeffnungen zu haben, und in
eben ſo viel kleinere Roͤhren zertheilt zu ſeyn. Die Abſicht dieſer
Einrichtung ſcheint theils dahin zu gehen, daß der Saft noch mehr
vor dem Regen geſchuͤtzt werde, theils aber auch auf das Inſekt,
fuͤr welches die Blume beſtimmt iſt, ſich zu beziehen. Denn daſ-
ſelbe muß, wenn es den ganzen Saftvorrath verzehren will,
drey- oder wohl gar ſechsmal ſeinen Saugeruͤſſel in die Roͤhre
hineinſtecken, und jedesmal den Staub von den Antheren ab-
ſtreifen und auf das Stigma bringen.
Ornithogalum pyramidale?
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten.
2. Der Saft befindet ſich zwiſchen demſelben und den brei-
ten Filamenten, welche jenen unterwaͤrts ganz bedecken, und
einander ſelbſt mit den Raͤndern beruͤhren.
3. Die aufrechtſtehenden Blumen haben keine Saftdecke,
welche man doch wegen dieſer ihrer Stellung erwarten ſollte.
Aber ſie beduͤrfen derſelben nicht, da ſie bey regnichtem Wetter
den ganzen Tag dicht verſchloſſen ſind, und ſich nur bey ſchoͤnem
Sonnenſchein oͤffnen.
4. Die Krone iſt zugleich der Kelch; denn ſie iſt inwendig
weiß, auswendig aber gruͤn. Wann die Blume bey ſchoͤnem
Wetter geoͤffnet iſt, ſo faͤllt die innere weiße Seite ihrer Krone
den Inſekten in die Augen; wann ſie aber bey ſchlechtem Wetter
geſchloſſen iſt, ſo ſieht ſie gruͤn aus, und wird von den Inſekten
nicht leicht bemerkt. Eine ſehr zweckmaͤßige Einrichtung! Den
oberſten gelben Theil des Fruchtknotens, beſonders die ſechs
Hoͤcker deſſelben, welche im Sonnenſchein wie Brillanten glaͤn-
zen, halte ich fuͤr das Saftmaal.
Scilla.
Scilla amoena. Tab. XII. 1—4. 9.
N
[[110]]
Scilla.
1. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen, auf welcher
eine Ameiſe ihrer Nahrung nachgeht.
2. Die Geſchlechtstheile.
3. Ein Kronenblatt von der inneren Seite.
4. Ein Staubgefaͤß.
9. Der Fruchtknoten. Eine (punktirte) Saftdruͤſe.
Linné hat bey dieſer Blume kein Nectarium gefunden.
Gleditſch ſagt S. 214., daß Scilla bifolia den Bienen Stoff
zum Wachs liefert; folglich hat er in derſelben keinen Saft gefun-
den. Ich wundere mich hieruͤber nicht; denn man ſieht es der
Blume wirklich nicht an, daß ſie Saft enthaͤlt. Ich ſelbſt habe
ſie lange fuͤr ſaftleer gehalten, bis mich eine Ameiſe endlich eines
Beſſern belehrte. Denn da ich dieſelbe auf einer Blume ſehr ge-
ſchaͤftig fand, ſo ſchloß ich daraus, daß die Blume Saft enthal-
ten muͤſſe, und da ich die Stelle, wo ſie den Kopf hineinſteckte,
naͤher unterſuchte, ſo fand ich den Saft wirklich.
1. Die drey Saftdruͤſen ſind an der Baſis des Fruchtkno-
tens befindlich, und ziehen ſich ein wenig in die drey tieferen Fur-
chen deſſelben hinauf. Durch die Farbe unterſcheiden ſie ſich vom
Fruchtknoten nicht.
2. Die drey Filamente, welche den tieferen Furchen des
Fruchtknotens gegenuͤber ſtehen, ſind an der Baſis ein wenig
breiter, als die uͤbrigen. Mit dieſer breiten Baſis liegen ſie dicht
am Fruchtknoten, und zwiſchen derſelben und jeder Saftdruͤſe iſt
der Saft befindlich. Biegt man eins von dieſen Filamenten vom
Fruchtknoten zuruͤck, ſo ſieht man an ſeiner Baſis ein Saft
troͤpfchen.
3. Dieſe drey Safttroͤpfchen ſind vor dem Regen ſehr wohl
verwahrt. Denn 1) haben die Blumen eine mehr horizontale,
als aufrechte Stellung. Daher fallen, wann es regnet, weniger
Regentropfen auf dieſelben, als wenn ſie ganz aufrecht ſtuͤnden.
2) Liegen jene drey Filamente, wie vorher geſagt worden, dicht
am Fruchtknoten. Wenn alſo gleich ein Regentropfen in den
Winkel gekommen iſt, welchen der oberſte Theil derſelben mit dem
Fruchtknoten macht, ſo muß er doch daſelbſt ſtehen bleiben, und
kann nicht in den Safthalter hineindringen.
4. Die Blume iſt eine Tagesblume, und bricht des Mor-
gens auf. Damit ſie den Inſekten von weitem in die Augen
falle, ſo hat ſie eine anſehnliche himmelblaue Krone. Hat ſich
ein Inſekt auf die Blume geſetzt, ſo iſt ihm das Saftmaal zur
Entdeckung des verſteckten Safts behuͤlflich. Zu demſelben gehoͤrt
Folgendes. Erſtens iſt der Fruchtknoten gelblich, ſticht alſo ge-
gen die Krone ſtark ab. Zweytens zieht ſich durch die Mitte der
Kronenblaͤtter eine Linie von gefaͤrtigterer Farbe, welche ſich an
der Baſis derſelben, welche weiß iſt, am ſtaͤrkſten ausnimmt.
Aſphodelus. Anthericum.
Drittens ſind auch die Filamente, wie die Kronenblaͤtter ober-
waͤrts himmelblau, an der Baſis aber weiß. Alles dieſes zeigt
den Inſekten, daß um den Fruchtknoten herum der Saft anzu-
treffen iſt.
Aſphodelus.
Aſphodelus fiſtuloſus. Tab. XI. 50. 51. 53—57.
50. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
51. Der unterſte Theil des Piſtills und der Filamente, von
welchen das vorderſte weggeſchnitten worden.
53. Das Piſtill und die Staubgefaͤße.
54. Der Fruchtknoten, von oben geſehen.
55. Derſelbe, von der Seite geſehen.
56. Ein Staubgefaͤß von der aͤußeren Seite.
57. Daſſelbe von der inneren Seite.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt, oder vielleicht
nur die drey (punktirten) braunen Streifen deſſelben.
2. Der Safthalter ſind die ſechs Schuppen, welche die Fi-
lamente tragen, und welche Linné das Nectarium nennt.
Ihre innere Seite iſt glatt.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dienen
1) eben dieſe Schuppen, inſofern ſie mit den Raͤndern dicht an
einander ſtehen, und ſowohl an den Raͤndern, als auf der aͤuße-
ren Seite mit aufrecht ſtehenden Haaren uͤberzogen ſind, 2) die
Filamente, welche oberwaͤrts dicker ſind, als unterwaͤrts. Da
nun die Blume aufrecht ſteht, ſo werden ſie wegen dieſer Geſtalt
durch ihre eigene Schwere von einander gebogen. Sie nehmen
alſo einen großen Raum ein, und empfangen viele von den Re-
gentropfen, welche auf die Blume fallen. Dieſe bleiben aber an
ihrem oberen Theil ſitzen, weil ſie von demſelben ſtaͤrker angezo-
gen werden, koͤnnen alſo nicht bis an die Schuppen hinab-
fließen.
4. Die Kronenblaͤtter ſind auf der inneren Seite weiß, in
der Mitte aber mit einem gruͤnen ins Braune fallenden Streif
geziert. Dieſe ſechs Streifen ziehen ſich nach der Mitte der
Blume hin, und zeigen alſo den Inſekten, daß in der Mitte der
Saft zu ſuchen ſey.
Anthericum.
Anthericum ramoſum. Graslilie. Tab. XI. 39.
Tab. XXIII. 8. 11. 12.
Tab. XI. 39. Der ſtark vergroͤſſerte Fruchtknoten mit ſeinen
drey Safttroͤpſchen.
Tab. XXIII. 11. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und
Groͤſſe.
[[111]]
Anthericum.
12. Dieſelbe in derjenigen Stellung und Geſtalt, welche ſie
nach einem ſtarken Regen hat, von der Seite, und
8. von vorne geſehen. Auf dem Fruchtknoten ſieht man die
drey Safttroͤpfchen.
1. 2. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt, oder eigent-
lich nur drey Stellen am oberen Theil deſſelben, welche ſo viel
Safttroͤpfchen abſondern und tragen. Durch die Farbe unter-
ſcheiden ſich dieſe Stellen keinesweges. Auf welche Art ich mich
davon uͤberzeugt habe, daß dieſe Troͤpfchen nicht etwa Regen-
tropfen, ſondern Saft ſind, habe ich ſchon in der Einleitung
geſagt.
3. Beym erſten Anblick ſollte man glauben, daß dieſe Saft-
troͤpfchen keinesweges gegen den Regen geſichert ſeyen, da ſie
ganz frey an der Luft liegen, und die Blume nicht herabhaͤngt,
ſondern ein wenig aufrecht ſteht. Dieſer meiner Theorie nicht
guͤnſtigen Meinung bin ich ſelbſt anfangs eine Zeitlang geweſen,
bis mich die Erfahrung vom Gegentheil uͤberzeugte. Als mich
nemlich einſtmals auf dem Felde ein ziemlich ſtarker Regen uͤber-
fiel, indem ich nicht weit von einer Gegend war, wo die Pflanze
haͤufig ſteht, und damals bluͤhte: ſo fiel mir jene Meinung ein,
und ich war begierig zu ſehen, was fuͤr Veraͤnderungen der Re-
gen in den Blumen hervorgebracht haben wuͤrde. Als derſelbe
alſo aufgehoͤrt hatte, ſo begab ich mich nach jener Gegend hin.
Hier fand ich nun, daß zwar einige Blumen, welche ſehr kurze
Stiele und eine meiſt voͤllig aufrechte Stellung hatten, voll Re-
genwaſſers waren, welches alſo ihre Safttroͤpfchen verdorben
hatte, daß aber in den uͤbrigen, ob ſie gleich mit Regentropfen
benetzt waren, dennoch kein Regentropfen ſich mit einem Saft-
troͤpfchen vermiſcht hatte. Manche von denſelben hatten vor dem
Regen diejenige Stellung gehabt, welche die in Fig. 11. vorge-
ſtellte Blume hat, manche aber eine horizontale. Jetzt aber hat-
ten ſie eine ſolche Stellung, als Fig. 12. anzeigt; manche waren
der Erde noch mehr zugekehrt. Die Regentropfen hatten nemlich
durch ihre Schwere die Blumen herabgebogen. Ich fand alſo
zwar auf der aͤußeren Seite der Krone Regentropfen genug, keine
aber, oder ſehr wenige auf der inneren. Ferner hatten diejeni-
gen Regentropfen, welche auf die Filamente gefallen waren, die-
ſelben insgeſamt, oder die mehreſten von denſelben mit einander
und mit dem Griffel in Zuſammenhang gebracht, und gleichſam
zuſammengeklebt. Weil nun die Filamente unterwaͤrts (nach der
damaligen Stellung der Blumen) dicker ſind, als oberwaͤrts, ſo
wurden auch die Regentropfen von dieſem dickeren Theil ſtaͤrker
angezogen. Deswegen und wegen ihrer eigenen Schwere blieben
ſie alſo hier ſitzen, und konnten ſich nicht dem Grunde der Blume
naͤhern, ſo daß alſo die Safttroͤpfchen auch gegen dieſe Regen-
Anthericum. Conuallaria.
tropfen voͤllig geſichert waren. Man ſieht alſo, daß dieſe Blu-
men einen ſolchen Bau und eine ſolche Stellung haben, daß die
auf dieſelben gefallnen Regentropfen, theils vermoͤge ihrer eigenen
Schwere, theils vermoͤge der Anziehungskraft, welche ſie gegen
einander ſelbſt und gegen die Filamente aͤußern, in den meiſten
Faͤllen es ſich ſelbſt unmoͤglich machen, zu den Safttroͤpfchen zu
gelangen, und dieſelben zu verderben. Wehet nun, wann es zu
regnen aufgehoͤrt hat, wie gewoͤhnlich, ein Wind, ſo ſchuͤttelt
derſelbe die Blumen. Die Regentropfen fallen alſo nach und nach
ab, die Filamente begeben ſich wieder von einander, die Blumen
richten ſich wieder auf, und es koͤmmt alles wieder in den Zu-
ſtand, in welchem es vor dem Regen war. Anſtatt alſo, daß
dieſe Blume, wie ich anfangs ſelbſt geglaubt hatte, ein Beweis
wider die Richtigkeit meiner Theorie ſeyn ſollte, iſt ſie vielmehr
ein, und zwar ſchoͤner, Beweis fuͤr dieſelbe.
Anthericum fruteſcens. Ob ich gleich in den weni-
gen Blumen, welche ich zu unterſuchen Gelegenheit gehabt habe,
keinen Saft angetroffen habe: ſo folgt doch ſowohl aus ihrer Ver-
wandtſchaft mit der vorhergehenden Art, als auch aus ihrer
Struktur, daß ſie eine Saftblume iſt. Denn die Filamente ſind
haaricht, dienen alſo zur Saftdecke. Die ganze Blume iſt gelb;
die Kronenblaͤtter aber haben in der Mitte einen gruͤnen Streif.
Conuallaria.
Conuallaria Polygonatum. Weißwurz. Tab.
XII. 5—7.
5. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
6. Dieſelbe, nachdem die vorderſte Haͤlfte der Krone nebſt
den an dieſelbe angewachſenen Staubgefaͤßen abgeſchnitten
worden.
7. Dieſelbe, von unten geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt.
2. Zwiſchen demſelben und dem Grunde der Kronenroͤhre
iſt der Saft enthalten. Derſelbe wird vom Fruchtknoten und
vom Grunde der Kronenroͤhre zu ſtark angezogen, als daß er
ſollte herabfließen koͤnnen.
3. Der Saft kann vom Regen nicht verdorben werden.
Denn 1) haͤngt die Blume herab, und hat die Geſtalt einer
Roͤhre, 2) kann auch ein Regentropfen, welcher in die Oeffnung
derſelben gekommen iſt, nicht tiefer hineindringen, ſowohl wegen
ſeiner eigenen Schwere, als auch, weil die Staubgefaͤße ſich an
den Griffel biegen, und alſo die Eine Oeffnung in ſechs kleinere
zertheilen.
4. Die Blume hat ein Saftmaal; denn die weiße Krone iſt
an der Oeffnung gruͤn.
N 2
[[112]]
Conuallaria. Hyacinthus.
Conuallaria multiflora hat mit der vorhergehenden
Art eine gleiche Einrichtung. In Anſehung der Saftdecke unter-
ſcheidet ſie ſich jedoch von derſelben dadurch, daß die Kronenroͤhre
nicht nur in der Mitte enger iſt, als oben und unten, ſondern
auch unterwaͤrts mit Wolle uͤberzogen iſt, da ſie im Grunde,
welcher den Saft enthaͤlt, glatt iſt.
Hyacinthus.
Hyacinthus Muſcari. Tab. XII. 1*. 15—17.
16. Die Blume in natuͤrlicher Stellung.
15. Der vorderſte Theil derſelben, von der Seite geſehen.
17. Derſelbe von vorne geſehen.
1*. Das Piſtill. Auf dem Fruchtknoten ſieht man die beiden
vorderſten Safttroͤpfchen.
1. 2. Die Saftdruͤſen ſind die von Linné ſo genannten drey
pori am Fruchtknoten. Wenn man die Krone vom Piſtill ſehr
behutſam abloͤſet, ſo findet man auf dem Fruchtknoten die drey
glaͤnzenden Safttroͤpfchen. Nimmt man ſich aber dabey nicht in
Acht, ſo koͤmmt die Krone den Safttroͤpfchen zu nahe, und zieht
dieſelben an ſich, und auf dem Fruchtknoten findet man nichts.
3. 1) Da die Blume eine horizontale Stellung hat, ſo iſt
ihre Oeffnung dem Regen weniger ausgeſetzt, als wenn ſie auf-
recht ſtuͤnde. 2) Dieſe Oeffnung iſt enger als die Kronenroͤhre,
und 3) mit den ſechs auswaͤrtsgebogenen Abſchnitten des Kro-
nenſaums beſetzt, welche die Regentropfen abhalten, in die Oeff-
nung hineinzudringen.
4. Was der Blume an Schoͤnheit abgeht (denn ſie iſt
ſchmutzig gruͤn und vorne braun), wird durch ihren vortrefflichen
und ſich weit verbreitenden Geruch erſetzt.
Hyacinthus racemoſus? Tab. XII. 8. 11. 18.
8. Eine Blumentraube in natuͤrlicher Groͤſſe und Stellung.
11. Die vergroͤſſerte Blume, von der Seite geſehen.
18. Dieſelbe, von unten geſehen.
1. 2. Ich habe den Saft in den Blumen nicht bemerken
koͤnnen, vermuthlich wegen der uͤberaus geringen Quantitaͤt deſ-
ſelben, da die Blumen ſehr klein ſind.
3. Weil die Blumen herabhangen, und eine ſehr kleine Oeff-
nung haben, welche, wie bey der vorhergehenden Art, von den
ſechs umgebogenen Abſchnitten des Kronenſaums bekraͤnzt wird:
ſo kann ſchlechterdings kein Regentropfen den Saft verderben.
4. Die Traube beſteht ungefaͤhr aus 35 Blumen, faͤllt alſo,
ungeachtet eine jede Blume ſehr klein iſt, durch die Menge der-
ſelben den Inſekten ſchon von weitem in die Augen. Die ober-
ſten Blumen ſind unvollkommen, beſtaͤndig geſchloſſen, und un-
fruchtbar, mit Einem Wort, Scheinblumen. Dies laͤßt ſich
Hyacinthus.
leicht erklaͤren. Denn da ein ſo duͤnner Stengel nicht im Stande
iſt, einer ſo großen Anzahl von Blumen und aus denſelben ent-
ſtehenden Fruͤchten die gehoͤrige Nahrung zu verſchaffen: ſo muͤſ-
ſen weniger Blumen fruchtbar ſeyn. Weil aber dieſe wenigeren
den Inſekten nicht ſonderlich in die Augen fallen wuͤrden, ſo ſind
uͤber denſelben noch unfruchtbare Blumen angebracht, welche nicht
ſo viel Nahrung beduͤrfen, und die Traube anſehnlicher und den
Inſekten bemerkbarer machen. Obgleich die Blume ſehr klein iſt,
ſo hat ſie doch ein Saftmaal; denn die Abſchnitte des Kronen-
ſaums ſind weiß, da die Blume uͤbrigens himmelblau iſt. Den
Geruch aber, welchen Linné ihr zuſchreibt, habe ich nicht be-
merken koͤnnen.
Hyacinthus orientalis. Tab. XII. 10. 12—14.
10. Die Blume in natuͤrlicher Stellung.
12. Der unterſte Theil derſelben, nachdem vorne ein Stuͤck
weggeſchnitten worden.
13. Eben derſelbe im Durchſchnitt der Krone.
14. Das Piſtill von oben geſehen.
1. 2. Der gruͤne Fruchtknoten hat oberwaͤrts drey weißliche
Stellen, welche eben ſo viel Safttroͤpfchen abſondern und
tragen.
3. Zu dieſen Safttroͤpfchen kann ſchlechterdings kein Regen-
tropfen gelangen. Denn 1) hat die Blume eine meiſt horizontale
Stellung, 2) iſt die Kronenroͤhre in der Mitte enger, als im
Grunde, und wird daſelbſt durch die Antheren verſchloſſen.
5. Betrachtet man Fig. 13., ſo ſiehet man ein, daß die
Blume wahrſcheinlich durch Inſekten befruchtet wird. Denn ein
Inſekt, welches in den Grund der Kronenroͤhre hineinkriecht,
oder ſeinen Saugeruͤſſel hineinſteckt, muß nothwendig den Staub
von den Antheren abſtreifen, und hernach auf das Stigma brin-
gen. Von ſelbſt aber kann der Staub ſchwerlich auf das Stigma
kommen.
Hyacinthus ſerotinus.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten, welcher auf einem
kleinen Stiel ſitzt.
2. Der Saft iſt im Grunde der Kronenroͤhre um den Stiel
herum befindlich.
3. Die drey aͤußeren Kronenblaͤtter ſtehen offen, die drey in-
neren aber bilden eine Roͤhre, in welcher die Antheren und der
Griffel befindlich ſind, welche keinen Regentropfen durchlaſſen.
4. Da die Blume eine unanſehnliche braͤunliche Farbe hat,
ſo ſollte man glauben, daß dieſer Mangel durch den Geruch er-
ſetzt werde, wie bey der erſten Art. Bey Tage aber habe ich kei-
nen Geruch bemerkt, und Linné ſagt, daß die Blume auch des
Nachts nicht riecht.
[[113]]
Hyacinthus. Aletris.
Hyacinthus comoſus. Tab. XII. 19. Der oberſte
Theil der uͤber Einen Fuß langen Blumentraube in natuͤrlicher
Groͤſſe, nach einem getrockneten Exemplar gezeichnet. Dieſe Art
koͤmmt mit dem Hyacinthus racemoſus in dem Stuͤck uͤberein,
daß die oberſten Blumen unfruchtbar, und alſo zu eben dem End-
zweck da ſind, welchen ich oben angezeigt habe. Noch iſt merk-
wuͤrdig, daß die fruchtbaren Blumen eine ſehr unanſehnliche Farbe
haben, wie Hyacinthus Muſcari, die unfruchtbaren aber ſchoͤn
blau oder violett gefaͤrbt ſind, und auf langen Stielen ſitzen,
welche, was ganz ungewoͤhnlich iſt, eben ſo gefaͤrbt ſind, als die
Blumen. Eine Einrichtung, welche ſich offenbar auf die Inſek-
ten bezieht. Die Pflanze waͤchſt, wie Pollich meldet, zwi-
ſchen dem Getreide, bluͤhet im May und Juny, und hat einen
Eine Elle langen Schaft. Da alſo die oberſten Blumen den In-
ſekten eher in die Augen fallen, als die unterſten, welche von
den Halmen und Blaͤttern des Getreides mehr verdeckt werden:
ſo mußten auch jene ſchoͤn gefaͤrbt ſeyn, damit ſie von den In-
ſekten deſto leichter bemerkt wuͤrden; dieſe aber konnten ohne
Nachtheil von unanſehnlicher Farbe ſeyn, weil ein Inſekt, wel-
ches den Gipfel der Traube entdeckt, und ſich auf denſelben be-
geben hat, von ſelbſt zu den fruchtbaren Blumen hinabkriecht.
Am 31. May fand ich eine Pflanze mit verbluͤheten Blu-
men, welche ſaͤmtlich unbefruchtet geblieben waren, vermuthlich,
weil ſie von den Inſekten keinen Beſuch erhalten hatten.
Aletris.
Aletris Capenſis. Tab. XII. 20—23. 28.
20. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
21. Der Grund der Krone nebſt dem Fruchtknoten im
Durchſchnitt.
23. Die Blume, von unten geſehen.
28. Die Krone, nachdem die vorderſte Haͤlfte weggeſchnitten
und das Piſtill herausgenommen worden.
22. Das Piſtill.
1. Der blaßgelbe Fruchtknoten ſondert aus ſeinen ſechs Fur-
chen den Saft ab.
2. Wenn man von unten in die Blume hineinſieht, ſo er-
blickt man im Grunde derſelben vor dem Fruchtknoten den Saft
in Geſtalt einiger Tropfen, Fig. 23. Die Filamente ſind an die
Krone bis ** Fig. 28. angewachſen. Sie paſſen ſehr genau auf
die Furchen des Fruchtknotens, daß alſo der Zwiſchenraum zwi-
ſchen dieſem und dem Grunde der Krone ſehr enge iſt. Der Saft
muß alſo aus dieſem engen Zwiſchenraum heraustreten, und bleibt
bey der Baſis des Griffels ſtehen.
Aletris. Yucca. Hemerocallis.
3. Da die Blume herabhaͤngt, und eine lange roͤhrenfoͤrmige
Geſtalt hat, ſo iſt dadurch der Saft gegen den Regen hinlaͤnglich
geſichert. Daher iſt keine beſondere Saftdecke vorhanden.
4. Die ſchoͤne aus vielen zuſammengedraͤngten großen blaß-
roͤthlichen Blumen beſtehende Aehre, welche von einem einige
Fuß hohen Stengel getragen wird, faͤllt ſchon in großer Entfer-
nung den Inſekten in die Augen. Ein Saftmaal iſt nicht noͤthig.
Denn ſobald ein Inſekt vor die Oeffnung der Krone koͤmmt, ſo
erblickt es ſogleich im Grunde derſelben die Safttropfen, zu wel-
chen es auch bequem gelangen kann. Denn ſowohl der Griffel,
als auch die Filamente, biegen ſich an die innere oder dem Sten-
gel zugekehrte Seite der Krone. Der Geruch fehlt.
Yucca.
Yucca glorioſa. Tab. XII. 24. Die etwas vergroͤſſerte
Blume in natuͤrlicher Stellung, nachdem der groͤßte Theil der
Krone und des vorderſten Filaments weggeſchnitten worden.
Auch dieſer anſehnlichen Blume fehlt es nicht an Saft, ob-
gleich Linné bey dieſer Gattung ſo wenig, als bey der vorher-
gehenden, vom Nectario etwas meldet.
1. 2. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt. Derſelbe
hat drey Furchen. Bey a, wo dieſelben am tiefſten ſind, findet
man in jeder einen Safttropfen.
3. Weil die Oeffnung der glockenfoͤrmigen Blume, deren
Kronenblaͤtter laͤnger ſind, als das Piſtill, der Erde zugekehrt
iſt: ſo ſind die drey Safttropfen, auch ohne eine beſondere Saft-
decke, gegen den Regen hinlaͤnglich geſichert.
Hemerocallis.
Hemerocallis flaua.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten, oder vielleicht ſon-
dern nur die drey weißlichen mit einer Furche verſehenen Stellen
deſſelben den Saft aus.
2. Der Safthalter iſt die Kronenroͤhre.
3. Die Blume ſitzt auf einem ſtarken Stiel in einer ſolchen
Stellung, daß ihre Oeffnung ein wenig der Erde zugekehrt iſt.
Ferner breitet ſich der Kronenſaum nicht ſehr von einander. Es
kann alſo kein Regentropfen in den Safthalter kommen. Die
Filamente und der Griffel biegen ſich eben ſo und zu eben dem
Endzweck, als bey der Aletris Capenſis, an die innere Seite
der Krone.
4. Die Blume hat kein Saftmaal, aber einen angenehmen
Geruch.
5. Im Safthalter habe ich einen todten Blumenkaͤfer ge-
funden.
N 3
[[114]]
Hemerocallis. Berberis.
Hemerocallis fulua. Dieſe ſteht beynahe aufrecht.
Auch dadurch unterſcheidet ſie ſich von der vorhergehenden, daß
ſie keinen Geruch, hingegen ein Saftmaal hat. Denn die zin-
noberrothe Krone hat im Grunde einen gelben ſechsſtrahlichten
Stern. Damit derſelbe ſich deſto beſſer ausnehme, ſo ſind die
drey innerſten breiteren Abſchnitte der Krone in der Mitte von
geſaͤttigterer Farbe. Daß die Blume von einem Inſekt befruchtet
wird, erhellet daraus, daß die Filamente nicht, wie der Griffel,
grade geſtreckt ſind, ſondern ſich nach der oberen Seite der Krone
zu kruͤmmen, und die Antheren ihre ſtaubvolle Seite nicht dem
Stigma, ſondern der oberen Seite der Krone zukehren. Dieſe
Einrichtung wuͤrde hoͤchſt zweckwidrig ſeyn, wenn die Befruch-
tung auf eine mechaniſche Art geſchehen ſollte. Da die Blume
ein Saftmaal hat, ſo iſt ſie eine Tagesblume. Welches die Er-
fahrung beſtaͤtigt. Denn bey ſchoͤnem Wetter oͤffnet ſie ſich
des Morgens zwiſchen 5 und 6 Uhr, bey truͤber Witterung
etwas ſpaͤter. Gegen Abend ſchließt ſie ſich wieder, und oͤffnet
ſich am folgenden Morgen nicht von neuem. Bey einigen
Blumen bemerkte ich des Abends, daß auf ihr mit weißen Haa-
ren uͤberzogenes Stigma kein Koͤrnchen des gelben Staubes ge-
kommen war. Dieſe haben auch in der Folge keine Frucht ange-
ſetzt. Ich habe zwar Blaſenfuͤße in den Blumen angetroffen;
dieſe aber koͤnnen ſie nicht befruchten, ſondern es muß durch ein
großes Inſekt geſchehen.
In beiden Arten hat ſchon Gleditſch Saft gefunden,
S. 223.
Berberis.
Berberis vulgaris. Berberitzenſtrauch. Titelk. Fig.
VIII. Die vergroͤſſerte Blume von unten geſehen. Tab. VII.
8—10. 12. 18. 19. 24. 25.
8. Die Blume in natuͤrlicher Stellung, nachdem der Kelch
und die Krone abgeloͤſet worden.
12. Dieſelbe, von unten geſehen. Ein Staubgefaͤß hat ſich,
von einer Fliege beruͤhrt, an das Piſtill angelegt.
9. Das Piſtill.
10. Der unterſte Theil des Piſtills und eines Staubgefaͤßes,
welches ſich an daſſelbe angelegt hat.
18. Der unterſte Theil eines Staubgefaͤßes, deſſen Antheren
ſich noch nicht geoͤffnet haben, in umgekehrter Stellung, von der
inneren Seite.
19. Derſelbe, nachdem ſich die Antheren geoͤffnet und herab-
gezogen haben.
24. Derſelbe von der aͤußeren Seite.
Berberis.
25. Ein Kronenblatt von der inneren Seite. An ſeiner
Baſis die beiden (punktitten) Saftdruͤſen.
1. 2. Ich habe anfangs geglaubt, daß nicht die zwoͤlf Druͤ-
ſen, von welchen auf jedem Kronenblatt Ein Paar ſitzt, welches
LinnéNectarium nennt, den Saft abſondern, ſondern daß
die Baſis des Fruchtknotens, welche in Fig. 9. punktirt iſt, die
eigentliche Saftdruͤſe ſey. Denn ich fand den Saft niemals zwi-
ſchen jenen Druͤſen und den Filamenten, ſondern zwiſchen den
Filamenten und dem Piſtill; auch iſt die Baſis des Fruchtknotens
etwas dunkelgruͤner, als der uͤbrige Theil. Um mich hievon zu
uͤberzeugen, nahm ich eine Blumentraube, welche einige noch
nicht voͤllig aufgebrochne Blumen hatte, loͤſete den Kelch, die
Krone und die Staubgefaͤße von dieſen Blumen ab, und ſtellte
ſie ins Waſſer. Ich fand aber am folgenden Tage die Baſis des
Fruchtknotens ganz trocken, ſahe alſo ein, daß jene zwoͤlf Druͤſen
dennoch die Saftdruͤſen ſind, und daß ſich folglich der von denſel-
ben abgeſonderte Saft wegen der ſtaͤrkeren Anziehungskraft der
Filamente und des Piſtills in den Winkel zwiſchen jenen und die-
ſem begiebt.
3. Daß dieſer Saft von keinem Regentropfen verdorben wer-
den koͤnne, lehrt der Augenſchein, indem die Blume herabhaͤngt,
und eine kugelfoͤrmige Geſtalt hat, und im Grunde derſelben ſich
der Saft befindet.
4. Die Blumentrauben fallen den Inſekten ſchon von weitem
in die Augen. Weil die Blumen herabhangen, und nicht auf
einem hohen Baum, ſondern auf einem niedrigen Strauch ſich be-
finden, folglich den in der Luft umherfliegenden Inſekten mehr der
obere, als der untere Theil derſelben, in die Augen faͤllt: ſo
wuͤrde der Kelch, wenn er gruͤn waͤre, der Bemerkbarkeit der
Blumen hinderlich ſeyn. Daher iſt er eben ſo gefaͤrbt, als die
Krone, nemlich gelb. Die Saftdruͤſen ſind zugleich das Saft-
maal; denn ſie ſind gelber, als die Krone.
5. Daß die Staubgefaͤße reizbar ſind, und, wenn ſie beruͤhrt
werden, ſich ſchnell an das Piſtill anlegen, iſt ſchon dem Linné
bekannt geweſen. Auch hat derſelbe eingeſehen, daß dieſes auf
die Befruchtung ſich beziehen muͤſſe, daß folglich die Inſekten,
welche dem Saft nachgehen, indem ſie die Staubgefaͤße beruͤhren,
die Blumen befruchten. Indeſſen wuͤrde es ihm doch ſchwer ge-
worden ſeyn, zu zeigen, wie die Staubgefaͤße, wann ſie ſich an
das Piſtill anlegen, das Stigma beſtaͤuben. Denn wenn man
Fig. 10. und 12. betrachtet, ſo ſieht man, daß die Antheren ſich
zwar an den Rand des Stigma, nicht aber an das Stigma ſelbſt
legen. Dieſe Schwierigkeit verſchwindet, ſobald man weiß, daß
derjenige Theil, welchen Linné, und, nach ſeinem Beyſpiel,
Gleditſch, Pollich, und noch neulich Batſch in ſeinen
[[115]]
Berberis.
Blumenzergliederungen das Stigma genannt haben,
keinesweges das Stigma iſt. Dieſes vermeinte Stigma iſt
nemlich der teller- oder knopffoͤrmige Koͤrper, welcher unten
auf dem Fruchtknoten ſitzt, und vornehmlich die unterſte kreis-
foͤrmige Oberflaͤche deſſelben. Ein Umſtand, welchen ich ſelbſt
uͤberſehen hatte, welchen aber Batſch bemerkt hat, verhalf
mir dazu, das eigentliche Stigma zu entdecken. Er ſagt nem-
lich, daß der Rand des Stigma, Fig. 9. b c, mit einer Feuch-
tigkeit uͤberzogen ſey. Hieraus, und weil ich wußte, daß auch
in der Vinca nicht die Gruneflaͤche, ſondern die Seitenflaͤche
eines walzenfoͤrmigen Koͤrpers das Stigma iſt, ſchloß ich ſo-
gleich, daß dieſer Rand das wahre Stigma ſey. Dieſer Rand,
welcher ſich in Fig. 9. durch die ſtaͤrkere Schattirung aus-
nimmt, iſt etwas dunkelgruͤner, als der uͤbrige Theil des knopf-
foͤrmigen Koͤrpers, und ich habe bey genauer Beſichtigung deſ-
ſelben wirklich gefunden, daß er mit einer Feuchtigkeit uͤberzo-
gen iſt.
Durch die Entdeckung des eigentlichen Stigma bin ich in
den Stand geſetzt worden, einzuſehen, wie zweckmaͤßig dieſe
beſondere Einrichtung deſſelben, und die eben ſo beſondere Ein-
richtung der Staubgefaͤße iſt, und wie nothwendig jenes von
dieſen ſo oft beſtaͤubt werden muß, als dieſe, von einem In-
ſekt beruͤhrt, ſich an das Piſtill anlegen.
Wann die Blume im Aufbrechen begriffen iſt, ſo hat der
unterſte Theil der Staubgefaͤße auf der inneren Seite die in
Fig. 18. abgebildete Geſtalt. Die beiden Staubbaͤlge haben
ſich noch nicht geoͤffnet. Es waͤhret aber nicht lange, ſo fan-
gen ſie an ſich zu oͤffnen, aber nicht auf die gewoͤhnliche Art,
daß ſie ſich nemlich der Laͤnge nach in zwey Haͤlften ſpalten, ſondern
ſo, daß ſie ſich von oben herab von den Filamenten abloͤſen,
ſich umkehren, mit dem unterſten Theil am Filament ſitzen
bleiben, mit dem uͤbrigen aber noch unterhalb des geſtutzten
Endes deſſelben ſtehen, Fig. 19. 24. Folglich iſt diejenige
Seite derſelben, welche den Staub hat, nun dem Piſtill zu-
gekehrt. Nun ſind die Filamente grade ſo lang, daß, wann
ſie am Piſtill anliegen, die Staubbaͤlge am Stigma anliegen.
Wenn alſo ein von einem Inſekt beruͤhrtes Filament ſich an
das Piſtill anlegt, ſo druͤckt es die innere ſtaubvolle Seite ſei-
ner Staubbaͤlge dicht an das Stigma an, Fig. 10. und 12.,
und weil dieſes feucht iſt, ſo muß ein Theil des Staubes an
demſelben haften. Auf ſolche Art wird, da bald dieſes, bald
jenes Filament vom Inſekt beruͤhrt wird, und ſich an das
Piſtill anlegt, das Stigma nach und nach ringsherum mit
Staube verſehen, und der Fruchtknoten befruchtet.
Berberis. Colchicum.
Die Blumen werden uͤberaus haͤufig von einer Art klei-
ner ſchwarzen Fliegen beſucht, deren eine auf dem Titelkupfer in
natuͤrlicher Groͤſſe abgebildet iſt. So wie ich die Fliegen uͤberhaupt
wegen ihrer Dummheit zu den unedelſten Inſekten rechne, ſo glaube
ich, daß dieſe Fliegen zu den unedelſten Fliegenarten gehoͤren.
Denn andere Fliegen haben doch wenigſtens einen ſtarken
Selbſterhaltungstrieb, und machen ſich, wenn man ſie an-
ruͤhrt, oder ſich nur ihnen naͤhert, ſogleich aus dem Staube.
Dieſe hingegen bleiben ſogar, wenn man ſie ſtoͤßt, mit großer
Gleichguͤltigkeit ſitzen. Daß ſie ungeachtet ihrer Dummheit den
Saft dieſer Blume finden, iſt kein Wunder, da derſelbe gar
nicht verſteckt iſt. Da ſie ſich nun in großer Anzahl auf den
Blumen einfinden und aufhalten, ſo geht auch die Befruchtung
wohl von Statten, und man findet im Herbſt den Strauch
mit rothen Beeren uͤberfluͤſſig verſehen.
Colchicum.
Colchicum autumnale. Zeitloſe. Tab. XII. 25—27.
30. 33—35.
25. Der oberſte Theil der Blume in natuͤrlicher Groͤſſe
und Stellung.
26. Ein Drittheil des Kronenſaums von der inneren Seite
nebſt zwey Staubgefaͤßen.
27. Ein Filament nebſt dem Abſchnitt des Kronenſaums,
an welchen es unterwaͤrts angewachſen iſt.
30. Der unterſte Theil eines Abſchnitts des Kronenſaums
von der inneren Seite. In der Mitte deſſelben ſieht man eine
Furche, welche zu beiden Seiten einen erhabenen mit Wolle
uͤberzogenen Rand hat.
33. Der oberſte Theil der Blume, nachdem der Kronen-
ſaum weggeſchnitten worden. An der Baſis der vorderſten
Filamente ſieht man die (punktirten) Saftdruͤſen.
34. und 35. Ein Staubgefaͤß und der zu demſelben ge-
hoͤrende Abſchnitt des Kronenſaums, von einander gebogen.
Ob Jemand ſchon vor mir in dieſer Blume Saft gefun-
den hat, daran zweifle ich. Wenigſtens erwaͤhnen Linné
und Pollich nichts vom Nectario. Die Urſache hievon iſt,
daß hier kein beſonderer und in die Augen fallender Theil vor-
handen iſt, welcher den Saft abſondert oder enthaͤlt, und daß
die Saftdruͤſen ſich da befinden, wo man ſie zu ſuchen gar
nicht gewohnt iſt, nemlich an den Filamenten.
1. Die Filamente ſind nemlich unterwaͤrts, wo ſie zwar
nicht mehr mit dem Kronenſaum zuſammengewachſen ſind, aber
[[116]]
Colchicum.
doch ſehr dicht an demſelben anliegen, dicker, als oberwaͤrts,
und auf der aͤußeren oder dem Kronenſaum zugekehrten Seite
pomeranzenfarben. Dieſe gefaͤrbte Stelle eines jeden Filaments
iſt eine Saftdruͤſe.
2. Jeder Abſchnitt des Kronenſaums hat in der Mitte
ſeiner Baſis eine Furche zwiſchen zwey erhabenen Raͤndern,
welche man mit einem Graben, der auf beiden Seiten einen
Wall hat, vergleichen kann. In dieſe Furche, welche glatt
iſt, iſt die dicke Baſis des Filaments eingefuͤgt, und zwiſchen
beiden befindet ſich der Saft.
3. Die beiden erhabenen Raͤnder der Furche ſind mit
Wolle uͤberzogen, damit kein Regentropfen ſich mit dem Saft
vermiſchen koͤnne.
5. Die Blume wird von Fliegen und Blumenkaͤfern haͤufig
beſucht. Auch fand ich in derſelben einen Schmetterling, und
ein Inſekt, welches einer Biene aͤhnlich war. Alle dieſe In-
ſekten wußten den Saft ſehr wohl zu finden. Das letzte konnte
nicht anders zum Saft gelangen, als ſo, daß es zugleich die
Antheren beruͤhrte, und den Staub derſelben abſtreifte. Da-
her war ſein ganzer Koͤrper voller Staub, beſonders die Au-
gen, von welchen es denſelben mit den Vorderfuͤßen wieder
abſtreifte. Als es aus der Blume wieder herauskriechen wollte,
beruͤhrte es die Stigmate. Es iſt alſo wahrſcheinlich, daß
auch dieſe Blume von den Inſekten befruchtet wird, zumal,
da auch hier die ſtaubvolle Seite der Antheren nicht den Stig-
maten, ſondern dem Kronenſaum zugekehrt iſt, Fig. 33.
Da alſo dieſe Blume wirklich fuͤr die Inſekten Saft
abſondert, und vermuthlich auch von denſelben befruchtet
wird: ſo laͤßt ſich hieraus mancher dieſelbe betreffende Umſtand
erklaͤren, welcher ſonſt unerklaͤrlich bleiben wuͤrde. Daß ſie erſt
im Herbſt bluͤhet, geſchieht vermuthlich deswegen, damit die
Inſekten in derſelben noch alsdenn einige Nahrung finden,
wann andere Blumen ihnen entweder, weil ſie nicht mehr vor-
handen ſind, gar keine, oder, weil es ihnen an Kraft fehlt,
Colchicum.
viel Saft abzuſondern, nur eine ſehr kuͤmmerliche Nahrung
verſchaffen koͤnnen. Weil aber, wann ſie bluͤhet, der Winter
herannahet, ſo kann die Natur die Frucht nicht noch vor dem-
ſelben zur Reife bringen, ſondern ſie muß dieſes bis auf den
folgenden Sommer aufſchieben. Damit nun die junge Frucht
nicht im Winter erfriere, ſo muß ſie nicht nur tief unter der
Erde verborgen, ſondern ſogar in der Zwiebel eingeſchloſſen
ſeyn. Da aber auf ſolche Art die Blume nicht einmal auf ei-
nem Stiel, geſchweige denn auf einem Stengel ſitzen kann,
und doch, um den Inſekten in die Augen zu fallen, von der
Oberflaͤche der Erde etwas entfernt ſeyn muß: ſo mußte ſie
eine ſo außerordentlich lange Kronenroͤhre haben. Wegen die-
ſer ungewoͤhnlichen Laͤnge der Kronenroͤhre aber mußte auch in
Anſehung der Saftdruͤſe eine ungewoͤhnliche Einrichtung ge-
macht werden. Gewoͤhnlich ſitzt die Saftdruͤſe am Fruchtkno-
ten, oder ſie iſt ein Theil deſſelben, oder der ganze Fruchtkno-
ten. Verhielte es ſich nun mit derſelben hier auch alſo, ſo
muͤßte der Saft, welcher, um von den Inſekten genoſſen wer-
den zu koͤnnen, ſich im Grunde des Kronenſaums ſammlen
muß, durch die ganze lange Roͤhre in die Hoͤhe ſteigen. Als-
denn aber wuͤrde der groͤßte Theil deſſelben in der Roͤhre blei-
ben, und nur ſehr wenig, oder gar nichts in den Grund des
Kronenſaums kommen. Die Natur ſahe ſich alſo genoͤthigt,
etwas zu thun, was ſie ſonſt nicht zu thun pflegt, nemlich die
Filamente zu Saftdruͤſen zu machen. Endlich kommen die
Blaͤtter nicht im Herbſt mit der Blume, ſondern im fol-
genden Sommer mit der Frucht zum Vorſchein, weil ſie im
erſten Fall zu nichts genuͤtzt haben wuͤrden, da die Blume aus
der großen Zwiebel Nahrung genug erhaͤlt, ſondern vielmehr
nachtheilig geweſen ſeyn wuͤrden, indem ſie die Blume verdeckt,
und den Inſekten weniger bemerkbar gemacht haͤtten, im letz-
ten Fall aber der Frucht Nahrung verſchaffen helfen, deren
dieſelbe mehr, als die Blume, benoͤthigt iſt.
Siebente
[[117]]
Aeſculus.
Siebente Klaſſe.Heptandria.
Zwitterblumen mit ſieben Staubgefaͤßen.
Aeſculus.
Aeſculus Hippocaſtanum. Roßkaſtanlenbaum. Tab.
XIII. 1—5.
1. Die vergroͤſſerte Zwitterblume (die meiſten Blumen ſind
maͤnnlichen Geſchlechts) in natuͤrlicher Stellung, von vorne ge-
ſehen. Das Saftmaal iſt punktirt.
2. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
3. Der hinterſte uͤbrig gebliebene Theil der Blume, nachdem
dieſelbe nach der Linie a b Fig. 2 durchſchnitten worden. In der
Mitte der Fruchtknoten, um denſelben die ſieben Filamente, um
dieſe die Naͤgel der fuͤnf Kronenblaͤtter, und zwiſchen den beiden
oberſten von dieſen und den oberſten Filamenten die (punktirte)
Saftdruͤſe.
4. Eines von den beiden oberſten Kronenblaͤttern von der in-
neren Seite.
5. Daſſelbe von der aͤußeren Seite.
Da dieſe Blume, wie bekannt iſt, von den Bienen haͤufig
beſucht wird, auch ziemlich groß iſt: ſo wundere ich mich, daß
Linné keinen Saft in derſelben gefunden hat. Wenigſtens
koͤmmt in ſeiner Beſchreibung der Gattung nichts vom Nectario
vor. Gleditſch hingegen hat in der Blume Saft gefunden,
S. 217.
1. Die weiße Saftdruͤſe iſt im Grunde des Kelchs zwiſchen
den Naͤgeln der oberſten Kronenblaͤtter und den oberſten Filamen-
ten befindlich.
2. Eben daſelbſt iſt auch der Saft anzutreffen.
3. Der Saft iſt vor dem Regen ſehr wohl verwahrt. Denn
1) hat die Blume eine horizontale Stellung, und es fallen da-
her auf die Krone weit weniger Regentropfen, als wenn die
Blume aufrecht ſtuͤnde. 2) Die Kronenblaͤtter ſind, ſo wie der
unterſte Theil der Filamente, mit weicher Wolle uͤberzogen, und
haben unterwaͤrts Falten, wodurch gleichſam zwey Ohren entſte-
hen. Da nun ihre Naͤgel vom Kelch zuſammengedruͤckt werden,
ſo umfaſſen ſie mit dieſen Ohren ein Filament, und druͤcken daſ-
ſelbe an den Fruchtknoten in den Zwitterblumen, und an den
Aeſculus.
Scheinfruchtknoten in den maͤnnlichen. Auf ſolche Art iſt es un-
moͤglich, daß ein Regentropfen zum Saft dringen koͤnne.
4. Die großen mit vielen und anſehnlichen Blumen verſehe-
nen Trauben fallen den Inſekten ſchon in weiter Entfernung in
die Augen. Das Saftmaal zeigt denſelben die Stelle, wo der
Saft verborgen iſt. Die weiße Krone hat nemlich in der Mitte
fuͤnf Flecke, welche anfangs gelb, hernach aber purpurfarben
ſind. Die beiden oberſten Flecke ſind am groͤßten, weil ſie dem
Eingang zum Safthalter am naͤchſten ſind; der unterſte aber iſt
am kleinſten, oft auch gar nicht vorhanden, weil er von dieſem
Eingang am weiteſten entfernt iſt. Die Blumen ſind irregulaͤr,
weil ſie eine horizontale Stellung haben. Dieſe Stellung aber
haben ſie, weil ſie eine aufrechtſtehende zuſammengeſetzte Traube
bilden, welche den Inſekten nicht von oben, ſondern von irgend
einer Seite geſehen am ſtaͤrkſten in die Augen faͤllt.
5. Daß die Blume den Bienen und Hummeln, welche ſie
beſuchen, nicht umſonſt ihren Saft zukommen laͤßt, ſondern zur
Vergeltung von ihnen befruchtet wird, erhellet aus Folgendem.
1) Daß die Befruchtung nicht auf eine mechaniſche Art geſchehen
koͤnne, ſiehet man ein, ſobald man das Stigma betrachtet. Daſ-
ſelbe iſt die Spitze des Griffels, folglich ſehr klein. Alle Blumen
aber, welche durch den Wind befruchtet werden, haben ein ſehr
großes Stigma, und muͤſſen es haben, weil ſonſt die Beſtaͤubung
deſſelben mehrentheils unterbleiben wuͤrde. 2) Wenn eine Biene
oder Hummel zum Saft gelangen will, ſo muß ſie ſich auf die
bluͤhenden Staubgefaͤße und den Griffel ſetzen. Alsdenn ſtreift
ſie mit ihrem Unterleibe den Staub von den Antheren ab, und
bringt denſelben auf das Stigma. Eben deswegen, damit ſie das
Stigma beruͤhre, bieget ſich das Ende des Griffels in die Hoͤhe.
Daß das Stigma ſehr klein iſt, ſchadet nicht; es iſt genug, daß
es von dem Inſekt nothwendig beruͤhrt werden muß. Dies iſt
von den Zwitterblumen zu verſtehen. Wenn das Inſekt eine
maͤnnliche Blume beſucht, ſo ſtreift es den Staub von den An-
theren ab, und bringt denſelben hernach auf das Stigma einer
Zwitterblume.
O
[[118]]
Aeſculus.
Die 1. und 2. Figur zeigen, welche Veraͤnderungen mit den
Staubgefaͤßen vorgehen. 4 und 6 ſind noch kurz, und kruͤmmen
ſich unterwaͤrts an die Krone, und die Antheren haben ſich noch
nicht geoͤffnet. 3 und 5 haben ſich verlaͤngert und grade geſtreckt,
und die Antheren haben ſich geoͤffnet, und ſind voller Staub.
1 und 7 haben ſich abwaͤrts gebogen, und die Antheren ſind welk,
und haben keinen Staub mehr. 2 endlich iſt im Begriff dieſes
zu thun. Daß nicht alle Staubgefaͤße zugleich bluͤhen, d. i.,
grade geſtreckt ſind, und ſtaubvolle Antheren haben, geſchieht
deswegen, damit die Blume deſto laͤnger Staub zur Befruchtung
liefere. Und daß ſowohl die noch nicht bluͤhenden, als die ſchon
verbluͤheten Staubgefaͤße ſich abwaͤrts kruͤmmen, iſt deswegen
noͤthig, damit ſie die Inſekten nicht verhindern, den Staub der
bluͤhenden Antheren rein abzuſtreifen.
Solange die Staubgefaͤße eines nach dem andern bluͤhen, iſt
das Saftmaal gelb; ſobald ſie verbluͤhet ſind, wird es purpur-
farben. Wann dieſe Veraͤnderung bey einer Blume vorgeht, ſo
oͤffnet ſich unmittelbar vor derſelben eine andere Blume, welche
jene zum Theil verdeckt. Wenn man dieſe beiden Umſtaͤnde zu-
ſammen nimmt, und zugleich erwaͤgt, daß wenigſtens der Beſuch,
welchen das Inſekt bey einer maͤnnlichen Blume, deren Staub-
gefaͤße verbluͤhet ſind, abſtattet, auf die Befruchtung der Zwit-
terblumen nicht den mindeſten Einfluß hat: ſo faͤllt man natuͤrli-
cherweiſe auf die Vermuthung, daß das gelbe Saftmaal deswe-
gen purpurfarben wird, damit das Inſekt die mit dem purpurfar-
benen Saftmaal gezierten Blumen nicht beſuche, daß folglich die
Purpurfarbe entweder nicht ſo anlockend fuͤr daſſelbe ſey, als die
gelbe Farbe, oder demſelben weniger in die Augen falle; obgleich,
was das menſchliche Auge betrifft, grade das Gegentheil Statt
findet. Denn das purpurfarbene Saftmaal iſt fuͤr daſſelbe auf-
fallender, als das gelbe, und demſelben, wenigſtens nach meiner
Empfindung, auch angenehmer.
Wenn aber die Blumen, ſobald ihre Staubgefaͤße verbluͤhet
ſind, von den Inſekten nicht mehr beſucht werden ſollen: ſo wuͤrde
dieſe Abſicht beſſer dadurch erreicht werden, daß die Kronenblaͤt-
ter alsdenn abfielen, als dadurch, daß das Saftmaal ſeine Farbe
aͤndert, und man begreift nicht, wozu dieſelben noch hernach eine
Zeitlang auf den Blumen ſitzen bleiben. Folgendes iſt alſo wahr-
ſcheinlicher.
Wir haben ſchon an der Parnaſſia geſehen, daß ihre Staub-
gefaͤße eines nach dem andern bluͤhen, und daß die noch nicht bluͤ-
henden und die ſchon verbluͤheten eine andere Stellung haben,
als das bluͤhende. Eben dieſes werden wir bald an dem Tropaeo-
lum, und in der Folge an mehrern Blumen ſehen, welche insge-
Aeſculus.
ſamt Dichogamiſten ſind. Es ſcheint alſo mit dieſer Einrichtung
der Staubgeſaͤße immer die Dichogamie verbunden, und daher
jene ein ſicheres Kennzeichen dieſer zu ſeyn. Da dieſelbe nun auch
bey der Aeſculus Statt findet, ſo ſcheint die Zwitterblume ein
maͤnnlich-welblicher Dichogamiſt zu ſeyn. Sonach befruchten
die Inſekten die Zwitterblumen alſo, daß ſie den Staub der
maͤnnlichen und der juͤngeren Zwitterblumen auf das Stigma der
aͤlteren Zwitterblumen bringen. Hievon wird man ſich noch mehr
uͤberzeugen, wenn man die 1. und 2. Figur betrachtet. Denn
wann das Inſekt auf der abgebildeten Blume ſich befindet, ſo
muß es zwar nothwendig den Staub von den bluͤhenden Antheren
abſtreifen; es wird aber durch dieſelben verhindert, das Stigma
zu beruͤhren, weil ſie hoͤher ſtehen, als daſſelbe. Soll aber das
Stigma erſt alsdenn von demſelben beſtaͤubt werden, wann ſaͤmt-
liche Staubgefaͤße verbluͤhet ſind: ſo muß dies bey einem jeden
Beſuch geſchehen, weil die Staubgefaͤße ſich ſaͤmtlich abwaͤrts ge-
kruͤmmt haben, folglich das Inſekt auf dem Griffel ſtehen, und
das Stigma nothwendig beruͤhren muß. Folglich muß das Stigma
erſt nach dem Verbluͤhen aller Staubgefaͤße zu bluͤhen anfangen.
Ob dies wirklich geſchieht, habe ich wegen der außerordentlichen
Kleinheit deſſelben nicht ausmitteln koͤnnen.
Die Zwitterblumen ſind alſo anfangs maͤnnliche Blumen,
und haben ein gelbes Saftmaal, und werden in der Folge weib-
liche Blumen, und erhalten ein purpurfarbenes Saftmaal. Da-
mit wollen wir vergleichen, was Leers von dem Ribes alpinum
meldet. Er ſagt, dieſer Strauch ſey in der Gegend von Herborn
jederzeit ein Dioͤciſt, die Trauben des maͤnnlichen Strauchs haben
viel, die Trauben des weiblichen Strauchs nur drey bis fuͤnf Blu-
men, die maͤnnlichen Blumen ſeyen flach, die weiblichen laͤng-
licht. Jene haben alſo vermuthlich eine anſehnlichere Krone, als
dieſe. Dieſes dient zur Beſtaͤtigung deſſen, was ich bey der Va-
leriana dioeca geſagt habe. Denn die Inſekten fallen natuͤrli-
cherweiſe eher auf den maͤnnlichen, als auf den weiblichen Strauch,
weil jener mehr und anſehnlichere Blumen hat, als dieſer. Fer-
ner ſagt er, die maͤnnlichen Blumen haben eine gelbe, die weib-
lichen eine rothe Krone. Dieſe Uebereinſtimmung in Anſehung
der Farbe zwiſchen zwey im Uebrigen ſehr verſchiedenen Blumen
iſt ſehr merkwuͤrdig, und macht es hoͤchſt wahrſcheinlich, daß die
gelbe Farbe fuͤr die Inſekten einen ſtaͤrkern Reiz habe, als die
rothe, daß folglich die Natur die Zwitterblumen der Aeſculus,
ſolange ſie maͤnnlichen Geſchlechts ſind, und die Blumen des
maͤnnlichen Ribes gelb, hingegen die Blumen des weiblichen Ribes
und die aͤlteren weiblichen Zwitterblumen jenes Baums roth ſaͤrbt,
damit die Inſekten erſt jene, und hernach dieſe beſuchen. Die
Blumen der Lantana aculeata ſind, wie Linné ſagt, anfangs
[[119]]
Aeſculus. Tropaeolum.
gelb, hernach ſcharlachfarben. Vermuthlich ſind ſie auch Dicho-
gamiſten.
Daß die Natur auf dieſem Baum nicht lauter Zwitterblu-
men, ſondern mehr maͤnnliche, als Zwitterblumen, hervorbringt,
geſchieht aus eben der Urſache, welcher wegen Cucurbita Pepo
mehr maͤnnliche, als weibliche Blumen hat. Dieſe Urſache werde
ich bey der Cucurbita anzeigen.
Aeſculus Pauia flore luteo. Unter dieſer Benen-
nung befindet ſich ein Baum in der Plantage zu Tegel. Ich halte
ihn aber nicht fuͤr eine Varietaͤt der Aeſculus Pauia, ſondern fuͤr
eine neue Art; denn die Blume hat nicht acht, ſondern ſieben
Staubgefaͤße. Tab. XII. 29. 31. 32.
32. Eines von den oberſten Kronenblaͤttern.
29. Daſſelbe, vergroͤſſert.
Aeſculus. Tropaeolum.
31. Eines von den unterſten Kronenblaͤttern.
1. 2. Mit der Saftdruͤſe und dem Safthalter verhaͤlt es ſich
bey dieſer Art eben ſo, als bey der vorhergehenden. Ich fand
in dieſer noch mehr Saft, als in jener.
3. Die inneren Theile der Blume werden nicht vom Kelch ſo
dicht zuſammengedruͤckt, als bey der vorhergehenden, und der
Zugang zum Safthalter iſt alſo nicht ſo verſchloſſen; aber dafuͤr
ſind auch die Naͤgel der Kronenblaͤtter und die Filamente wollich-
ter, als bey jener.
4. Die Krone iſt blaßgelb; ihre beide oberſte Blaͤtter aber
ſind mit einigen rothen Linien geziert, von welchen die beiden
aͤußerſten beym Anfang des Nagels breiter werden, und am
Rande deſſelben fortlaufen, folglich die Inſekten zum Saft hin-
fuͤhren.
Achte Klaſſe.Octandria.
Zwitterblumen mit acht Staubgefaͤßen.
Tropaeolum.
Tropaeolum maius. Große Indianiſche Kreſſe. Tab.
VII. 14—16. 20—23. 26. 32. 35.
16. Eine fuͤnf Tage alte Blume in natuͤrlicher Stellung und
Groͤſſe, von vorne geſehen, ohne Schatten.
26. Eben dieſelbe von der Seite, nachdem die zwey vorder-
ſten Kronenblaͤtter, wie auch die vorderſte Haͤlfte des Kelchs und
des Sporns bis a, wo man einen Theil des Safts ſieht, wegge-
ſchnitten worden, ohne Schatten.
14. gehoͤrt zu Fig. 16., und 22. zu Fig. 26. Die Geſchlechts-
theile dieſer Blume.
21. Der Grund der Blume, nachdem das Uebrige wegge-
ſchnitten worden, ohne Schatten. In den Sporn ſieht man ſo
tief hinein, daß man beynahe den Saft erblickt.
23. Das Piſtill einer Blume, welche ungefaͤhr zwey Tage
alt iſt.
15. Die Geſtalt der Geſchlechtstheile, wann die Blume auf-
zubrechen anfaͤngt.
20. Die Geſtalt derſelben, wann die Staubgefaͤße verbluͤhet
ſind.
32. Das Piſtill, wann die Blume fuͤnf Tage alt iſt. Da
es eben ſo ſtark vergroͤſſert iſt, als in Fig. 23., ſo ſieht man, daß
der Griffel ſich in drey Tagen verlaͤngert hat. Auch hat ſich das
Stigma unterdeſſen geoͤffnet.
35. Ein Inſekt, welches ich auf der Blume angetroffen habe,
in natuͤrlicher Groͤſſe.
1. Die Saftdruͤſe iſt das gruͤnliche Ende des Sporns.
2. Ungefaͤhr die unterſte Haͤlfte des Sporns iſt voller Saft.
3. Die Blumen ſitzen auf aufrecht ſtehenden Stielen in ho-
rizontaler Stellung, welches ungewoͤhnlich iſt, und ſind deswe-
gen irregulaͤr. Dieſe Irregularitaͤt zeigt ſich zuerſt an der Saft-
decke. Dieſelbe beſteht aus ſchmalen, in ein Haar auslaufen-
den, Fortſaͤtzen, mit welchen beide Raͤnder der drey unterſten
Kronenblaͤtter da, wo der breitere Theil derſelben an den Nagel
angewachſen iſt, beſetzt ſind. Regentropfen alſo, welche auf
dieſe Kronenblaͤtter gefallen ſind, koͤnnen ſchlechterdings nicht auf
ihren Naͤgeln hinab bis zum Sporn fließen, ſondern muͤſſen in
dem Winkel, welchen jene Fortſaͤtze bilden, ſtehen bleiben, wo
man ſie auch nach einem Regen findet. Daß nun die drey un-
terſten Kronenblaͤtter eine Saftdecke haben, nicht aber die beiden
oberſten, koͤmmt theils daher, weil die Regentropfen auf die in-
nere Seite der erſteren, und vornehmlich auf die aͤußere Seite
der letzteren fallen, theils daher, weil eine aͤhnliche Saftdecke,
O 2
[[120]]
Tropaeolum.
an den oberſten Kronenblaͤttern angebracht, die Bemerkbarkeit
des inneren Saftmaals verringern wuͤrde.
4. Die Irregularitaͤt der Blume zeigt ſich ferner am Saft-
maal. Die Krone iſt gelb. Auch der Kelch iſt gelb, und nicht,
wie gewoͤhnlich, gruͤn, damit er, weil er von der Krone nur ſehr
wenig verdeckt wird, das Anſehen und die Bemerkbarkeit der
Blume vergroͤſſere. Alle fuͤnf Kronenblaͤtter haben an der Baſis
ihres breiteren Theils einen rothen Fleck. Dieſe Flecke machen
das aͤußere Saftmaal aus, und zeigen den Inſekten, daß der
Weg zum Safthalter zwiſchen ſie durchgeht. Dieſes ſcheint die
natuͤrliche Zeichnung der Blumen zu ſeyn; bey denjenigen, deren
Kronenblaͤtter ganz roth ſind, ſcheint wegen uͤberfluͤſſiger Nah-
rung, welche die Blumen erhalten haben, das Saftmaal ſich uͤber
die natuͤrlichen Graͤnzen ausgebreitet zu haben. (Auch an dem
Tropaeolum minus habe ich gefunden, daß die Kronenblaͤtter
nicht roth, ſondern gelb ſind, und rothe Flecke haben). Jedoch
unterſcheiden ſich die Flecke der oberſten Kronenblaͤtter dadurch,
daß ſie theils dunkler ſind, als die der unterſten, theils mit brau-
nen Linien geziert ſind, welche ſich am Ende des Nagels vereini-
gen. Ferner ſind die drey oberſten Abſchnitte des Kelchs, keines-
weges aber die beiden unterſten mit braunen Linien geziert. End-
lich iſt die oberſte, keinesweges aber die unterſte Seite des Sporns
beym Anfang deſſelben mit drey braunen Linien gezeichnet, welche
bis zum Saft ſich hinziehen. Alles dieſes macht das innere Saft-
maal aus, welches die Inſekten unmittelbar zum Saft hinfuͤhrt.
Weil die oberſten Kronenblaͤtter dem Safthalter naͤher ſind, als
die unterſten, ſo mußten ſie auch anders gezeichnet ſeyn, als
dieſe. Aus gleicher Urſache iſt der Kelch oberwaͤrts, aber nicht
unterwaͤrts gezeichnet. Und ein Inſekt, welches in den Grund
der Blume hineinſieht, erblickt zwar die oberſte, keinesweges aber
die unterſte Seite des Sporns. Folglich wuͤrde es unnuͤtz ſeyn,
wenn letztere gezeichnet waͤre. Haͤtten nun die oberſten Kronen-
blaͤtter auch eine Saftdecke, wie die unterſten, ſo wuͤrde das In-
ſekt vor derſelben nicht in den Sporn hineinſehen koͤnnen, und
das innere Saftmaal wuͤrde groͤßtentheils von demſelben nicht be-
merkt werden koͤnnen, folglich vergebens angebracht ſeyn.
5. Der Saft der Blume iſt fuͤr ein groͤſſeres Inſekt beſtimmt,
und dieſes muß fuͤr den Genuß deſſelben die Blume befruchten;
welches aus Folgendem erhellet.
Nachdem die Blume ſich geoͤffnet hat, ſo findet man die Ge-
ſchlechtstheile in dem in Fig. 15 vorgeſtellten Zuſtande. Die Fi-
lamente ſind insgeſamt abwaͤrts gebogen, die Antheren haben ſich
noch nicht geoͤffnet, der Griffel iſt noch ſehr kurz, und das Stigma
hat ſich noch nicht von einander gebreitet. Hierauf ſaͤngt das 7.
Filament an ſich aufzurichten und grade zu ſtrecken, ſeine Anthere
Tropacolum.
oͤffnet ſich, erhaͤlt eine kugelfoͤrmige Geſtalt, und iſt uͤberall voller
Staub. Am folgenden Tage geht mit dem 2. Staubgefaͤß eben
dieſe Veraͤnderung vor. Das 7. aber, welches nun ausgedient
hat, und deſſen Anthere klein und unanſehnlich iſt, bieget ſich
wieder abwaͤrts. Dieſes wird ſo fortgeſetzt, daß die uͤbrigen
Staubgefaͤße in folgender Ordnung bluͤhen, 4. 8. 5. 3. 6. 1.,
und dauert etwa eine Woche. Am achten Tage findet man alle
Staubgefaͤße wieder abwaͤrts gebogen mit verwelkten Antheren,
Fig. 20. Die angefuͤhrte Ordnung iſt die gewoͤhnlichſte; einige
Blumen aber beobachten folgende Ordnung, 2. 7. 5. 4. 1. 6. 3. 8.,
welche auch in der abgebildeten Blume Statt zu finden ſcheint.
Was den Griffel und das Stigma betrifft, ſo iſt, nachdem ſchon
einige Antheren gebluͤhet haben, jener noch kurz, und hat eine
horizontale Stellung, und dieſes iſt noch geſchloſſen. Indem
aber die Antheren zu bluͤhen fortfahren, wird der Griffel immer
laͤnger, und ſeine Stellung mehr aufrecht, und das Stigma faͤngt
an ſich zu oͤffnen. Nachdem alle Staubgefaͤße verbluͤhet ſind,
und ſich abwaͤrts gebogen haben, erreicht der Griffel eben die
Laͤnge, und erhaͤlt eben diejenige Stellung, welche vorher die
Filamente hatten. Folglich befindet ſich das Stigma, welches
ſich nun voͤllig geoͤffnet hat, auf eben der Stelle, wo vorher die
bluͤhenden Antheren ſtanden.
Da alſo die Blume ein maͤnnlich-weiblicher Dichogamiſt iſt,
ſo folgt hieraus, daß ſie von einem, und zwar groͤſſeren, Inſekt
alſo befruchtet wird, daß daſſelbe den Staub der bluͤhenden An-
theren der juͤngeren Blumen auf das bluͤhende Stigma der aͤlteren
bringt. In den juͤngeren Blumen kann es nemlich nicht zum
Saft gelangen, ohne mit dem Unterleibe die bluͤhenden Antheren
zu beruͤhren, und ihren Staub abzuſtreifen. Und eben deswegen
ſtehen die bluͤhenden Antheren ganz frey und am hoͤchſten, und
es befinden ſich bey ihnen weder die noch nicht bluͤhenden, noch
die ſchon verbluͤheten Antheren, noch das Stigma, weil dadurch
das Inſekt verhindert werden wuͤrde, den Staub der bluͤhenden
Antheren rein abzuſtreifen. Eben ſo wenig kann es in den aͤlte-
ren Blumen zum Saft gelangen, ohne mit ſeinem Unterleibe das
Stigma, welches grade da ſteht, wo in den juͤngeren Blumen
die Antheren ſtehen, zu beruͤhren. Und damit dieſes deſto unaus-
bleiblicher geſchehe; ſtehet das Stigma ganz frey, und iſt von
den verwelkten Antheren weit entfernt. Fliegt es nun von einer
juͤngeren Blume auf eine aͤltere, ſo muß es nothwendig die letztere
durch den Staub der erſteren befruchten.
Es iſt wahrſcheinlich, daß die Blume von den Bienen be-
fruchtet wird; denn Gleditſch ſagt S. 245., daß ſie von den-
ſelben beſucht wird. Ich ſelbſt habe noch niemals eine Biene auf
derſelben angetroffen. Im Sporn einer Blume fand ich eine
[[121]]
Tropacolum. Oenothera.
Ameiſe. Auch halten ſich in demſelben kleine Spinnen auf, ver-
muthlich, um auf die hineinkriechenden kleinen Inſekten Jagd
zu machen. Auch das abgebildete dumme und traͤge Inſekt fand ich
auf der Blume, welches ich ſonſt auf anderen Blumen, beſonders
der Sonnenblume, angetroffen habe. Daß es zur Befruchtung
derſelben nicht beſtimmt ſey, gab es durch ſein Verhalten zu erken-
nen. Denn es hielt die Saftdecke fuͤr den Safthalter, ſteckte ſei-
nen Saugeruͤſſel hinein, und fand, weil es vorher geregnet hatte,
Regentropfen in demſelben.
Dieſe Blume hat mir einen ſehr uͤberzeugenden Beweis von
der Wahrheit gegeben, daß der Menſch in Beurtheilung der
Werke der Natur ſehr leicht irren kann, wenn er dieſe Beurthei-
lung wagt, ohne vorher die Abſicht der Natur erforſcht zu haben.
Denn ehe ich die eigentliche Art und Weiſe, wie dieſelbe befruch-
tet wird, entdeckt hatte, konnte ich an den Geſchlechtstheilen nicht
die mindeſte Spur von Regelmoͤßigkeit, Schoͤnheit und Ordnung
wahrnehmen, ſondern es ſchien mir alles ein verwirrtes Gemiſche
zu ſeyn. Ich ſahe einige Filamente grade geſtreckt mit bluͤhenden
Antheren, andere abwaͤrts gebogen mit noch nicht bluͤhenden An-
theren, und andere noch mehr abwaͤrts gebogen mit verwelkten
Antheren. So wie die Filamente mit ihrer Baſis den Frucht-
knoten regelmaͤßig umgeben, Fig. 21., eben ſo, meinte ich, muͤß-
ten ſie auch eine gleiche Stellung und Richtung gegen den Griffel,
als ihre gemeinſchaftliche Axe haben, und ihre Antheren muͤßten
insgeſamt zu gleicher Zeit bluͤhen. Was wuͤrde aber der Erfolg
dieſer vermeinten Verbeſſerung geweſen ſeyn? Dieſes, daß er-
ſtens die juͤngere Blume dem zur Befruchtung beſtimmten Inſekt
nur Einen Tag lang Staub geliefert haͤtte, da ſie dies nach der
von der Natur gemachten Einrichtung eine Woche lang thut.
Dieſen Zeitraum wird man nicht fuͤr zu lang halten, wenn man
bedenkt, daß einige regnichte Tage, welche waͤhrend deſſelben vor-
kommen koͤnnen, in Rechnung gebracht werden mußten. Denn
die Antheren, welche an denſelben bluͤhen, bluͤhen umſonſt, da
ihr Staub vom Regen verdorben wird, und, wenn auch dies
nicht geſchaͤhe, von dem Inſekt nicht abgeholt wird, weil der Re-
gen daſſelbe verhindert, die Blume zu beſuchen. Zweytens wuͤrde
auch alsdenn das Inſekt nur den Staub der oberſten Antheren
abſtreifen koͤnnen, keinesweges aber den Staub der unterſten,
welche zu beruͤhren es von den oberſten verhindert werden wuͤrde.
Oenothera.
Oenothera biennis. Gemeine Nachtkerze. Tab.
XIII. 6—10. 13.
7. Die aͤltere Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe,
von der Seite geſehen.
Oenothera.
8. Die juͤngere Blume, von vorne geſehen. In der Oeff-
nung der Kelchroͤhre ſieht man den Safttropfen.
6. Die Kelchroͤhre im Durchſchnitt. Im Grunde derſelben
die (punktirte) Saftdruͤſe.
9. Ein Theil eines mit Samenkapſeln verſehenen Zweiges in
natuͤrlicher Stellung.
10. Eine Samenkapſel im Durchſchnitt.
13. Ein Theil eines mit Samenkapſeln verſehenen Zweiges
einer vom Winde auf die Erde niedergeworfenen Pflanze.
Linné, oder einer von ſeinen Schuͤlern, ſagt in der Diſ-
ſertation de nectariis florum, daß Oenothera, Epilobium,
Gaura und Lythrum in ihrem roͤhrenfoͤrmigen Kelch Saft ent-
halten, behauptet aber hernach, daß dieſelben dennoch kein Nec-
rium haben, weil ſie keine beſondere Saftorgana haben. In der
Beſchreibung der zwey erſten und der vierten Gattung ſagt jener
vom Nectario nichts; bey der dritten aber macht er gewiſſe Theile
zu Saftdruͤſen, welche etwas ganz anders ſind.
1. Die Saftdruͤſe iſt im Grunde der Kelchroͤhre befindlich, und
an dieſelbe angewachſen. Sie iſt glatt und gelb.
2. Der innere Raum der Kelchroͤhre wird vom Griffel aus-
gefuͤllt, und die innere Oberflaͤche derſelben iſt mit Wolle, welche
ſo ſein, als ein Spinnengewebe, iſt, uͤberzogen. Der Saft muß
alſo aus dem Grunde derſelben bis an ihr oberſtes Ende, welches
weiter und kahl iſt, hinaufſteigen. Hier bleibt er auf dem Grif-
fel in Geſtalt eines anſehnlichen Tropfens ſtehen. Denn der
Griffel wird von dem großen Stigma an die untere Seite der
Oeffnung der Kelchroͤhre angedruͤckt, wodurch alſo zwiſchen ihm
und der oberen Seite jener Oeffnung ein groͤſſerer Raum entſteht.
Als ich im Sommer 1788 die Saftdruͤſe entdeckt hatte, ſo
ſahe ich ein, daß der Saft zwiſchen der Kelchroͤhre und dem Grif-
fel hinaufſteigen muͤſſe, weil zwiſchen jener und dieſem kein Raum
vorhanden iſt, wo er ſich aufhalten koͤnnte, daher auch kein In-
ſekt in den Grund der Kelchroͤhre hineinkriechen, oder ſeinen
Saugeruͤſſel hineinſtecken kann. So oft ich aber auch die Blumen
des Morgens beſahe, ſo fand ich doch in keiner einzigen Saft.
Am 7. October aber, nachdem die Blumen vorher eine Zeitlang
wegen trockner Witterung ausgeblieben waren, nun aber, weil
es geregnet hatte, ſich wieder zeigten, fand ich in allen Blumen
den Safttropfen oben an der Oeffnung der Kelchroͤhre, und alſo
grade da, wo ich denſelben bisher immer vergebens geſucht hatte.
Ich erklaͤrte mir dieſes alſo, daß der Saft im Sommer von den
Nachtinſekten verzehrt worden ſey, nun aber, da die Naͤchte
ſchon ziemlich kalt waren, von denſelben nicht habe abgeholt wer-
den koͤnnen, weil ſie nicht mehr ausfloͤgen. Im folgenden Som-
mer fand ich anfangs auch keinen Saft in den Blumen; nachdem
O 3
[[122]]
Oenothera.
die Pflanzen aber einige Wochen lang gebluͤhet hatten, fand ich
in allen Blumen Saft.
3. Ob man gleich glauben ſollte, daß der Safttropfen gegen
den Regen nicht geſichert ſey, ſo bemerkte ich doch am 20. July
1789 Vormittags das Gegentheil. Es regnete anhaltend und
ſtark. Dennoch fand ich in der Oeffnung der Kelchroͤhre keinen
Regentropfen. Zwiſchen den Staubgefaͤßen und den Kronenblaͤt-
tern, und zwiſchen dem Stigma und den Kronenblaͤttern ſaßen
Regentropfen genug. Sobald ich aber die Pflanzen erſchuͤtterte,
ſo fielen dieſelben ſogleich aus den Blumen heraus. Die Kronen-
blaͤtter haben alſo wenig Anziehungskraft, als wenn ſie mit Oel
uͤberzogen waͤren, wie die Kronenblaͤtter des Ranunculus. Folg-
lich koͤnnen die auf die Blumen gefallenen Regentropfen, wenn
es aufgehoͤrt hat zu regnen, nicht lange haften, ſondern werden
vom Winde bald wieder herausgeworfen.
4. Zu den mancherley Abſichten, welche die Natur bey Her-
vorbringung dieſer Pflanze vor Augen gehabt haben mag, gehoͤ-
ren auch die zwey folgenden. Erſtens ſollten die Samenkoͤrner
aus den Kapſeln nicht herausfallen, ſondern durch den Wind,
und zwar durch einen ſtarken Wind herausgeworfen, und weit
und breit ausgeſtreuet werden, weil ſie nicht mit einem Fluͤgel,
oder einer Haarkrone verſehen ſind, daß ſie auch ein ſchwacher
Wind weit fortfuͤhren koͤnnte. Zweytens ſollen die Blumen von
einem Nachtinſekt befruchtet werden. Aus dieſen beiden Abſich-
ten laͤßt ſich Vieles, was die Struktur der Pflanze und der Blu-
men betrifft, erklaͤren. Der Stengel und ſeine Zweige mußten
aufrecht ſtehen, und eine anſehnliche Hoͤhe erreichen, weil die
Samenkoͤrner vom Winde deſto weiter fortgeworfen werden koͤn-
nen, je weiter die Samenkapſeln von der Oberflaͤche der Erde ent-
fernt ſind. Auch mußten ſie ſtark und ſteif ſeyn, weil ein ſchwa-
cher Stengel auch von einem ſchwachen Winde erſchuͤttert und hin
und her bewegt werden kann. Ferner mußten die Samenkapſeln
an den Stengel und die Zweige unmittelbar befeſtigt ſeyn, und
eben ſo, wie dieſe, eine aufrechte Stellung haben. Denn wenn
ſie auf Stielen ſaͤßen, ſo wuͤrden ſie dieſelben, wenn dieſe gleich
aufrecht ſtaͤnden, durch ihr Gewicht leicht umbiegen, und auch
von einem ſchwachen Winde leicht hin und her bewegt werden.
Je weniger ſie aber aufrecht ſtuͤnden, deſto leichter wuͤrden auch
die Samenkoͤrner herausfallen, und durch einen ſchwachen Wind
herausgeworfen werden, deſto naͤher wuͤrden ſie alſo um die Mut-
terpflanze herum auf den Erdboden fallen. Daß es kein Zufall
ſey, daß die Kapſeln aufrecht ſtehen, ſieht man an Stengeln,
welche der Wind auf die Erde niedergeworfen hat. Denn die
Kapſeln ſchmiegen ſich nicht dicht an dieſelben, wie an die aufrecht-
ſtehenden, ſondern machen mit denſelben einen groͤſſern oder klei-
Oenothera.
nern Winkel, weil ſie ſich insgeſamt bemuͤhen, eine aufrechte
Stellung zu erhalten. Nun ſollte der aufrechtſtehende, und mit
dem Stengel oder Zweige einen ſehr ſpitzen Winkel machende
Fruchtknoten eine Nachtblume tragen, welche von einem Nacht-
inſekt befruchtet werden ſollte. Dieſe mußte alſo eine Saftblume
ſeyn. Ferner mußte die Krone derſelben von anſehnlicher Groͤſſe
ſeyn, weil ſie ſonſt in der Dunkelheit der Nacht dem Inſekt we-
niger in die Augen fallen wuͤrde. Sie konnte alſo nicht unmit-
telbar auf dem Fruchtknoten ſitzen, ſondern der Kelch mußte eine
lange Roͤhre haben, deren oberſtes Ende, weil der Fruchtknoten
mit dem Stengel oder Zweige einen, obgleich ſehr ſpitzen, Winkel
macht, von demſelben weiter abſteht, als ihre Baſis. Und da-
mit die Krone noch groͤſſer ſeyn koͤnnte, ſo mußte ſie nicht voͤllig
aufrecht, ſondern ein wenig horizontal ſtehen. Wegen dieſer
Stellung iſt die Blume ein wenig irregulaͤr. Denn die Fila-
mente kruͤmmen ſich nicht auf eine regulaͤre Art gegen den Grif-
fel, als ihre gemeinſchaftliche Axe, ſondern gegen die untere
Seite der Krone, und die beiden oberſten ſtehen am meiſten von
einander ab, wahrſcheinlich, damit das Inſekt deſto bequemer
zum Saft gelangen koͤnne. Die Krone mußte ferner hell gefaͤrbt
ſeyn; denn dunkelgefaͤrbt wuͤrde ſie dem Inſekt nicht in die Augen
fallen. Sie iſt alſo blaßgelb. Ein Saftmal endlich konnte die
Blume nicht haben, weil daſſelbe in der Dunkelheit der Nacht
entweder, wenn es von heller Farbe waͤre, gegen die Farbe der
Krone nicht abſtechen, oder, wenn es von dunkler Farbe waͤre,
nicht bemerkt werden wuͤrde.
5. Medikus will an der Oenothera diejenige Erſcheinung
bemerkt haben, welche er das Wandern des Piſtills zu den Staub-
gefaͤßen nennt. Wann es mit dieſer Bemerkung ſeine Nichtigkeit
hat, ſo wird die Blume auf eine mechaniſche Art befruchtet. Daß
er ſich aber hier eben ſo, als bey der Paſſiflora, geirrt habe, und
daß hier an keine mechaniſche Befruchtungsart zu denken ſey, folgt
daraus, daß auch bey dieſer Blume die maͤnnlich-weibliche Dicho-
gamie Statt findet. Sie bricht des Abends um 6 oder 7 Uhr
auf, und bluͤhet zwey Naͤchte. Sobald ſie aufgebrochen iſt, ſind
die Antheren ſchon voller Staub; die vier Theile aber, aus wel-
chen das Stigma beſteht, liegen noch dicht an einander. Da
nun die innere Seite derſelben das eigentliche Stigma iſt, ſo iſt
noch kein Stigma vorhanden. Dieſe Geſtalt behaͤlt daſſelbe die
ganze erſte Nacht hindurch, und noch am folgenden Morgen.
Hierauf faͤngt es an ſich nach und nach von einander zu begeben,
ſo daß es in der zweyten Nacht voͤllig offen ſteht. Die Antheren
aber ſind alsdenn welk und unanſehnlich. Die mechaniſche Be-
fruchtung kann alſo allenfalls in der zweyten Nacht, wenn die
Antheren alsdenn noch Staub haben, keinesweges aber in der
[[123]]
Oenothera.
erſten vor ſich gehen, weil noch kein Stigma vorhanden iſt. Es
laͤßt ſich aber nicht gedenken, daß die Natur die Blume die erſte
Nacht hindurch vergebens ſollte bluͤhen laſſen. Folglich geſchieht
die Befruchtung durch ein Nachtinſekt, welches den Staub der
bluͤhenden Antheren der juͤngeren Blumen auf das bluͤhende
Stigma der aͤlteren bringt.
Tagesinſekten habe ich noch niemals auf den Blumen ange-
troffen, ausgenommen Ameiſen, welche ich beym Safttropfen
fand. Dieſe aber koͤnnen dieſelben nicht befruchten. An einem
Tage, da es dunkles Wetter war, und anhaltend regnete, be-
merkte ich Vormittags um 11 Uhr in meinem Garten, daß ein
ziemlich großer Daͤmmerungsſchmetterling die Blumen dieſer Art
und der Oenothera muricata beſuchte. Er ſteckte ſeinen grade
geſtreckten Saugeruͤſſel, welcher ungefaͤhr ſo lang war, als ſein
ganzer Koͤrper, in den Safthalter, blieb dabey in der Luft ſchwe-
ben, und bewegte ſeine Fluͤgel uͤberaus ſchnell. Auf ſolche Art
genoß er den Saft, ohne von den mit Regentropfen benetzten
Blumen naß zu werden. Ich bemuͤhete mich ihn zu fangen, um
zu ſehen, ob er an ſeinem Koͤrper, beſonders an [den] Fluͤgeln An-
therenſtaub haͤtte; er entging aber meinen Nachſtellungen. Es
mag nun dieſes, oder ein anderes Inſekt zur Befruchtung der
Blumen beſtimmt ſeyn, ſo muß daſſelbe ziemlich gemein ſeyn,
weil die Befruchtung ſelten fehlſchlaͤgt.
Noch im Januar fand ich im Grunde der Samenkapſeln Sa-
menkoͤrner. Die Winde alſo, welche vom October, da dieſelben
reif geworden waren, bis zum Januar gewehet hatten, waren
nicht heftig genug geweſen, dieſe Samenkoͤrner herauszuwerfen,
folglich waren die uͤbrigen, welche nicht mehr in den Kapſeln vor-
handen waren, durch die heftigſten Winde, welche bisher gewehet
hatten, herausgeworfen, und alſo ſehr weit und breit verſtreuet
worden. Aus der Geſtalt der Samenkoͤrner, und aus der Art
und Weiſe, wie ſie auf den Erdboden verſtreuet werden, laͤßt ſich
noch Folgendes erklaͤren. In manchen Gegenden ſteht die Pflanze
im groͤßten Ueberfluß, beſonders in neuen Schonungen, wo ſie
vor dem Vieh ſicher iſt, und von den kleinen Baͤumen nicht er-
ſtickt wird. Hier hat es das Anſehen, als wenn ſie nicht wild
wuͤchſe, ſondern von Menſchen gebauet wuͤrde. In andern Ge-
genden aber, welche den erſteren in Anſehung der Beſchaffenheit
des Erdbodens voͤllig gleich ſind, findet man ſie gar nicht. Bei-
des koͤmmt daher, weil die Samenkoͤrner vom Winde zwar in ei-
nen großen Raum um die Pflanze herum verſtreuet werden, kei-
nesweges aber aus dieſer Gegend in eine andere, beſonders wenn
beide durch ein großes Waſſer von einander getrennt ſind, gefuͤhrt
werden koͤnnen. Die hieſige Gegend liefert hievon ein einleuch
tendes Beyſpiel. Wer die Oesfeldiſche Charte von der Ge-
Oenothera.
gend bey Berlin und Potsdam zur Hand hat, ziehe in Gedanken
eine grade Linie von dem oͤſtlichen Ende des Sees bey Falkenha-
gen durch den Stern bis an die Spree: ſo zeigt ihm dieſe Linie
die Lage und Laͤnge einer Kette von Sandhuͤgeln. Dieſe Kette
wird zwar durch die Havel, und auf beiden Seiten derſelben et-
was unterbrochen; es iſt aber wahrſcheinlich, daß ſie ehemals
zuſammengehangen, und die Havel ſich einen Weg durch dieſelbe
gemacht, die Kultur aber auf beiden Seiten des Fluſſes das Ue-
brige gethan habe. Auf der weſtlichen Haͤlfte dieſer Huͤgelkette
nun ſteht die Nachtkerze ſehr haͤufig, beſonders in den Schonun-
gen, welche daſelbſt vor einigen Jahren angelegt worden ſind.
Auf der oͤſtlichen Haͤlfte hingegen findet man ſie nicht, ausgenom-
men, daß ich im vergangenen Jahr in der Heide hinter dem
Stern an zwey Stellen in einer Schonung einige Pflanzen ange-
troffen habe. Die Samenkoͤrner aber, aus welchen dieſe Pflan-
zen entſtanden ſind, koͤnnen unmoͤglich durch den Wind von der
weſtlichen Haͤlfte hieher gefuͤhrt worden ſeyn, ſondern muͤſſen auf
eine andere Art hieher gekommen ſeyn. *) Auf beiden Haͤlften
hingegen befindet ſich das Federgras (Stipa pennata) ſehr haͤufig,
und zwar, welches merkwuͤrdig iſt, bloß auf der Mittagsſeite,
keinesweges aber auf der Mitternachtsſeite der Huͤgel. Ich waͤhle
dieſe Pflanze um ſo viel lieber, da ſie in den hieſigen Gegenden
ſelten iſt. Gleditſch (Vermiſchte Abhandlungen 3. Th. S.
126.) fuͤhrt unter den wenigen Gegenden der Mark, wo er die-
ſes Gras gefunden hat, die oͤſtliche Haͤlfte jener Huͤgelkette an.
Daher auch der ſelige Mann, wenn er mit ſeinen Schuͤlern in
der hieſigen Gegend botaniſirte, dieſes Gras in der Gegend des
Sterns eifrig aufzuſuchen, und ſeine Schuͤler recht aufmerkſam
auf daſſelbe zu machen pflegte. Und die beiden Stellen, welche
Hr. D.Willdenow in ſeiner Berliniſchen Flora als die einzi-
gen Standoͤrter dieſes Graſes anfuͤhrt, ſind dieſe beiden Haͤlften
jener Huͤgelkette. Woher koͤmmt es alſo, daß das Federgras auf
beiden Haͤlften, die Nachtkerze aber nur auf der einen anzutreffen
iſt? Dieſe Frage iſt leicht zu beantworten. Geſetzt, der Zufall
habe zu irgend einer Zeit auf der weſtlichen Haͤlfte ein Samen-
korn des Federgraſes, und zu einer andern ein Samenkorn der
[[124]]
Oenothera. Gaura. Epilobium.
Nachtkerze unter ſo guͤnſtigen Umſtaͤnden ausgeſaͤet, daß aus bei-
den eine Pflanze entſtehen konnte: ſo haben ſich beide Pflanzen
dort nach und nach vermehrt. Da nun der Same des Feder-
graſes mit einer ſehr langen Feder verſehen iſt, ſo war nichts leich-
ter, als daß ein ſtarker Weſtwind ein oder einige Samenkoͤrner
von dort uͤber die Havel auf die oͤſtliche Haͤlfte fuͤhrete. Mit den
Samenkoͤrnern der Nachtkerze hingegen konnte dies nicht geſche-
hen, weil ſie keinen ſolchen leichten Anſatz haben. Der Wind
konnte ſie zwar in den benachbarten Fluß werfen, aber nicht uͤber
den dort ſehr breiten Fluß hinuͤber fuͤhren.
Gaura.
Gaura biennis. Tab. XIII. 12. 14. 15.
12. Die aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Kelchroͤhre.
Im Grunde derſelben die (punktirten) Saftdruͤſen.
14. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
15. Die mit acht Schuppen beſetzte Oeffnung der Kelch-
roͤhre.
1. Die Saftdruͤſe iſt auch hier im Grunde der Kelchroͤhre
befindlich, es mag nun dieſelbe entweder aus vier beſondern
Druͤſen, welche Linné geſehen haben will, oder, wie ich ge-
funden habe, aus zwey Vertiefungen beſtehen, welche pome-
ranzenfarben ſind.
2. Der Saft ſteigt zwiſchen der wollichten inneren Ober-
flaͤche der Kelchroͤhre und dem Griffel in die Hoͤhe, und bleibt
unter der Oeffnung jener ſtehen.
3. Die Saftdecke ſind acht Schuppen, welche an die Baſis
der Filamente angewachſen ſind, und jene Oeffnung enger
machen.
4. Eben dieſe Schuppen ſind zugleich das Saftmaal;
denn ſie ſind gelb, da die Krone roth, und in der Mitte
weiß iſt.
Linné hat dieſe Schuppen fuͤr Saftdruͤſen gehalten;
folglich konnte er bey der eigentlichen Saftdruͤſe gar nichts
denken.
Epilobium.
In der oft angefuͤhrten Diſſertation de nectariis florum
wird dieſe Gattung auch zu denen gerechnet, welche in ihrem
roͤhrenfoͤrmigen Kelch Saft enthalten. Dies iſt eine Ueberei-
lung; denn dieſelbe hat keinen roͤhrenfoͤrmigen Kelch. Der
Verfaſſer dachte ſich den langen Fruchtknoten, welcher den
Kelch traͤgt, als eine zum Kelch gehoͤrige Roͤhre.
Epilobium hirſutum. Tab. XIII. 19. 20.
19. Die Blume im Durchſchnitt.
Epilobium.
20. Ein vergroͤſſerter Theil derſelben, nemlich die Saft-
druͤſe, der Safthalter und die Saftdecke.
1. 2. Die Saftdruͤſe, welche zugleich der Safthalter iſt,
iſt das oberſte Ende des Fruchtknotens.
3. Der Saft wird durch die Haare, welche aus dem
Grunde der Krone entſtehen, und ſich an den Griffel biegen,
vor dem Regen geſchuͤtzt.
Epilobium montanum enthaͤlt auch Saft.
Epilobium anguſtifolium. Tab. XXII. 39. 40.
45. 47—52.
39. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
40. Dieſelbe, von der Seite geſehen. Es iſt eine juͤngere
Blume, deren Griffel noch gekruͤmmt iſt, deren Antheren je-
doch, bis auf zwey, ſchon den Staub verloren haben.
45. Eine aͤltere Blume, von der Seite geſehen. Die
Staubgefaͤße ſind welk, und die Antheren haben keinen Staub
mehr; der Griffel aber hat ſich grade geſtreckt, und das Stigma
hat ſich von einander begeben.
47. Eine Bluͤme, welche noch juͤnger iſt, als die erſte,
da ſie noch fuͤnf mit Staub verſehene Antheren hat. Der
Kelch und die Krone ſind weggeſchnitten.
49. Dieſelbe, nachdem die drey vorderſten Filamente ab-
geriſſen worden.
51. Dieſelbe, nachdem auch die fuͤnf hinterſten Filamente
abgeriſſen worden.
52. Der Grund der Blume, von welchem die (punktirte)
Saftdruͤſe ein Theil iſt.
48. Das Stigma der juͤngeren Blume, von unten ge-
ſehen.
50. Das Stigma der aͤlteren Blume, von vorne ge-
ſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt auch hier das oberſte Ende des
Fruchtknotens. Dieſelbe iſt gruͤn, da der Kelch und die Krone
purpurfarben, die Filamente aber und der Griffel weiß ſind.
2. Der Saft befindet ſich in dem Raum zwiſchen der
Saftdruͤſe, und dem unterſten Theil des Griffels und der Fi-
lamente. Denn die Filamente, welche um die Saftdruͤſe herum
ſtehen, ſind unten breit, werden aber nach und nach ſchmaͤler,
und ſchmiegen ſich dicht an den Griffel, und bilden alſo einen
hohlen Kegel.
3. Zum Saft kann kein Regentropfen gelangen; denn die
Filamente ſchließen, ſoweit ſie den Safthalter bilden, dicht an
einander und an den Griffel. Und damit weder die Regen-
tropfen, welche auf den Griffel, noch diejenigen, welche auf
die
[[125]]
Epilobium.
die Filamente gefallen ſind, bis zum Safthalter kommen, ſo iſt
jener an der Stelle, wo ihn die Filamente beruͤhren, haaricht,
und dieſe, nachdem ſie ſich wieder vom Griffel entfernt haben,
werden nach und nach wieder breiter, eben ſo, wie bey dem
Aſphodelus fiſtuloſus.
5. Im Sommer 1790 fand ich dieſe Pflanze an einem Ort,
wo ich ſie zu finden gar nicht vermuthet hatte, nemlich in der
Stadtheide, und zwar in dem ſogenannten Neuen Kamp, wel-
chen man vor einigen Jahren angelegt hat, um auslaͤndiſche
Holzarten in demſelben zu erziehen. In der ganzen Stadtheide
habe ich niemals dieſe Pflanze angetroffen; ich habe ſie bloß in
der Mittelheide gefunden, welche von dem Neuen Kamp eine
kleine halbe Meile entfernt iſt. Ich vermuthe alſo, daß der Wind
ein einziges Samenkorn zu der Zeit, als der Neue Kamp ange-
legt wurde, aus der Mittelheide hieher gefuͤhret hat, und daß
aus dieſem dieſe Pflanzen, welche beyſammen ſtehen, und gleich-
ſam ein kleines Waͤldchen von einigen Schritten im Durchmeſſer
bilden, entſtanden ſind. Denn der Same iſt ſehr klein und mit
einer ſehr langen Haarkrone verſehen, kann alſo vom Winde mei-
lenweit fortgefuͤhrt werden. Und als der Neue Kamp angelegt
wurde, ward das Land einige Fuß tief umgegraben, und dadurch
in den Stand geſetzt, allerley, auch die feinſten, Samenkoͤrner
aufzunehmen, und zum Keimen zu bringen. Endlich hat dieſes
Epilobium kriechende Wurzeln, welche neue Stengel treiben.
Folglich kann Eine Pflanze in einigen Jahren viele andere um
ſich herum hervorbringen. Sobald ich dieſes kleine Waͤldchen,
welches ſich ſchon von weitem durch ſeine anſehnliche purpurfarbene
Blumen ausnahm, bemerkt hatte, ſo naͤherte ich mich demſelben,
und fand zwey kleine ſchwarze Hummeln mit gelbem After auf
den Blumen in voller Arbeit. Ich betrachtete Eine Blume, und
fand ſogleich den Saft und die Saftdruͤſe. Bald darauf bemerkte
ich einen Umſtand, welcher mir unerklaͤrlich zu ſeyn ſchien. Nem-
lich die oberſten juͤngeren Blumen hatten Antheren, welche mit
gruͤnem Staube verſehen waren; ihr Griffel aber war unterwaͤrts
gekruͤmmt, und das Stigma hatte ſich noch nicht von einander
begeben, ſondern die vier Theile deſſelben lagen dicht an einan-
der, und ſchienen Ein Stuͤck zu ſeyn. Die unterſten aͤlteren
Blumen hingegen hatten verwelkte und ſtaubloſe Antheren; ihr
Griffel aber war grade geſtreckt, und das Stigma hatte ſich aus
einander gebreitet. So wie nun das Stigma der juͤngeren Blu-
men nicht beſtaͤubt werden konnte, weil es noch nicht vorhanden
war, ſo konnte auch das Stigma der aͤlteren Blumen von den
ihm beygeſellten Antheren keinen Staub erhalten, weil dieſelben
keinen Staub mehr hatten. Und doch fand ich, daß daſſelbe be-
ſtaͤubt war. Dies war ſehr leicht zu erkennen, da das Stigma
Epilobium.
weiß, der Staub aber gruͤn iſt. Ich machte alſo den Schluß,
daß die Hummeln den Staub von den Antheren der oberſten Blu-
men auf das Stigma der unterſten bringen muͤßten. Der Au-
genſchein uͤberzeugte mich bald von der Richtigkeit dieſes Schluſſes.
Denn in den oberſten Blumen mußten ſich die Hummeln, um
ihren Saugeruͤſſel in den Safthalter hineinzuſtecken, auf die Fi-
lamente ſetzen, und folglich mit dem haarichten Unterleibe und
den haarichten Beinen den Staub von den Antheren abſtreifen;
hingegen in den unterſten Blumen mußten ſie ſich, zu gleichem
Endzweck, auf den Griffel ſetzen, weil die Filamente welk waren
und herabhingen, und dies konnten ſie nicht thun, ohne mit dem
Unterleibe und den Beinen das Stigma zu beruͤhren, und den
abgeſtreiften Staub auf daſſelbe wieder abzuſetzen. Um hievon
noch mehr verſichert zu ſeyn, wollte ich wiſſen, ob die Hummeln
wirklich an ihrem Unterleibe Staub haͤtten. Indem ſie von ei-
ner Blume auf die andere flogen, konnte ich dies eben ſo wenig
bemerken, als, indem ſie auf einer Blume ſaßen, letzteres, weil
ſie in jeder Blume ſich nur einige Augenblicke aufhielten, indem
des Safts nur wenig iſt. Ich ſchlug alſo die eine mit der Hand.
Sie flog davon, kam aber nach einigen Minuten wieder. Nun
ſchlug ich ſie mit dem Stock, und ſie fiel auf die Erde. Ich hob
ſie auf, und fand ihren Unterleib, beſonders die ſehr haarichten
Hinterbeine voll gruͤnen Staubes. Dadurch ward ich vollkom-
men von der Richtigkeit dieſer gemachten Entdeckung uͤberzeugt.
Einige Tage nachher fand ich, daß bey der Malua ſylveſtris
und dem Geranium paluſtre eine gleiche Einrichtung Statt fin-
det, und daß auch dieſe Zwitterblumen von den Inſekten nicht mit
ihrem eigenen Staube, ſondern die aͤlteren mit dem Staube der
juͤngeren befruchtet werden.
Die Urſache, welcher wegen die Natur dieſe Einrichtung ge-
macht hat, faͤllt bey dem Epilobium in die Augen. Denn wenn
die Staubgefaͤße und der Griffel nebſt dem Stigma zu gleicher
Zeit bluͤheten, d. i., wenn der Griffel grade geſtreckt und das
Stigma aus einander gebreitet waͤre zu der Zeit, da die Fila-
mente ſteif und grade geſtreckt ſind, und die Antheren Staub ha-
ben: ſo wuͤrde der Griffel nebſt dem Stigma verurſachen, daß
die Hummeln den Staub der Antheren nicht rein abſtreifen koͤnn-
ten, und die Staubgefaͤße wuͤrden ſie verhindern, den Staub
auf das Stigma zu bringen. Nach der von der Natur gemach-
ten Einrichtung hingegen koͤnnen die Hummeln den Staub aller
Antheren der juͤngeren Blumen rein abſtreifen, weil der Griffel
nebſt dem Stigma ihnen nicht im Wege iſt, und mit dieſem Staube
das ganze Stigma der aͤlteren Blumen beſtreichen, indem die Fi-
lamente welk ſind und herabhangen.
P
[[126]]
Epilobium.
Auch von Bienen werden die Blumen beſucht und be-
fruchtet.
Eine lange Zeit nachher, als ich dieſe Entdeckung gemacht
hatte, las ich Koͤlreuters Vorlaͤufige Nachrichten ꝛc. wie-
der durch, und fand zu meiner groͤßten Verwunderung, wie
nahe derſelbe daran geweſen, bey eben dieſem Epilobium die
Dichogamie zu entdecken, welche er dennoch nicht entdeckt hat.
Er ſagt nemlich S. 34.: „Die Blumen des Weiderichs (Epi-
„lobium latifolium und anguſtifolium) oͤffnen ſich, ehe noch
„ein Koͤlbchen ſeinen Staub von ſich giebt, ehe das unter die
„Blume hinabwaͤrts gekruͤmmte Piſtill ſich zu erheben anfaͤngt,
„und die vier feſt auf einander liegende Stigmate ſich aus-
„waͤrts kruͤmmend (ſich) von einander begeben, und ihre in-
„nere mit Waͤrzchen beſetzte Flaͤche entbloͤßen. Geſchieht dieſes,
„ſo trifft es ſich zwar manchmal, daß ſich etwas von dem an
„einem Koͤlbchen hangenden Samenſtaub an irgend einer Stelle
„der mit Waͤrzchen beſetzten Flaͤche abſtreift; es kommt aber
„dieſes in keine Vergleichung mit dem, was die Inſekten da-
„bey thun. Dieſe ſchleppen den durch Faͤden unter ſich zuſam-
„menhangenden Samenſtaub auf die innere Flaͤche haͤufig hin,
„und uͤberziehen ſie gleichſam allenthalben mit demſelben.
„Nimmt man gleich einer gewiſſen Anzahl Blumen ihre noch
„geſchloßne Koͤlbchen hinweg, ſo werden doch ihre Stigmate
„allezeit mit einer genugſamen Quantitaͤt Samenſtaub uͤberzo-
„gen, den die Inſekten von andern in der Naͤhe ſtehenden
„Blumen dahin tragen. Bey den ſpaͤtern Blumen dieſer
„Pflanze geſchieht das Beſtaͤuben ohnedem ganz allein durch
„die Inſekten. Denn es oͤffnen ſich bey ihnen die Koͤlbchen
„lange vorher, ehe das Stigma ſich aufrichtet und gehoͤrig
„ausbreitet. Indeſſen verdirbt entweder der Samenſtaub auf
„den Koͤlbchen, oder wird von Inſekten hinweggeſchleppt. Es
„wuͤrden alſo die Stigmate unbelegt bleiben, und folglich keine
„Befruchtung erfolgen koͤnnen, wenn die Inſekten nicht friſchen
„Samenſtaub von andern Blumen dahin braͤchten.“ Er be-
ging im Beobachten einen Fehler, da er nemlich das ungleich-
zeitige Bluͤhen der Geſchlechtstheile nur an den ſpaͤteren Blu-
men wahrzunehmen glaubte, welches doch bey allen Blumen
Statt findet. Eine nothwendige Folge dieſes Fehlers war,
daß er dieſen Umſtand fuͤr etwas zufaͤlliges, und nicht fuͤr et-
was weſentliches und fuͤr eine Einrichtung der Natur halten
mußte. Haͤtte er denſelben fuͤr eine Einrichtung der Natur ge-
halten, ſo wuͤrde er auch unterſucht haben, ob derſelbe, als
eine ſolche, bey mehreren Blumen vorkoͤmmt, und dann wuͤrde
er denſelben bey ſehr vielen Gattungen, ja bey ganzen Fami-
lien angetroffen haben.
Combretum. Ximenia. Vaccinium.
Combretum.
Combretum ſecundum. Jacqu. Amer. p. 103.
Da dieſe Blume eine Saftdecke hat, ſo muß ſie auch Saft
enthalten. Dieſe Saftdecke ſind die weichen Haare, durch welche
die Oeffnung der Kelchroͤhre verſchloſſen wird.
Ximenia.
Ximenia multiflora. Jacqu. Amer. p. 106. Dieſe
Blume iſt eine Saftblume; denn ſie hat eine Saftdecke und
einen ſehr angenehmen Weihrauchgeruch. Der Fruchtknoten iſt
vermuthlich die Saftdruͤſe. Die vier Kronenblaͤtter bilden um
denſelben herum eine inwendig glatte Roͤhre. Der Safthalter.
Hierauf fangen ſie an ſich abzuſondern, und ſind mit graden
aufrecht ſtehenden Haaren beſetzt. Die Saftdecke. Ihr zu-
ruͤckgebogenes Ende aber iſt nicht haaricht, weil dies keinen
Nutzen haben wuͤrde.
Vaccinium.
Vaccinium Oxycoccos. Moosbeere. Tab. XIII.
16. 17. Tab. XXII. 9—11. 13. 18.
Tab. XIII. 16. Der ſtark vergroͤſſerte oberſte Theil der
Beere, von der Seite geſehen.
17. Derſelbe, von oben geſehen. Die (punktirte) vorma-
lige Saftdruͤſe.
Tab. XXII. 9. Die Blume in natuͤrlicher Stellung.
13. Dieſelbe, von unten geſehen.
10. Ein Staubgefaͤß von innen.
11. Daſſelbe von der Seite.
18. Ein Kronenblatt von innen, nachdem man demſelben
die Kruͤmmung, die es von Natur hat, genommen, und es
flach ausgebreitet hat.
1. An der reifen Beere ſieht man noch die vormalige
Saftdruͤſe deutlich. Dieſelbe iſt der auf jener innerhalb des
Kelchs befindliche Kreis, in deſſen Mittelpunkt das Ueberbleibſel
des Griffels ſteht, und deſſen Peripherie von den Narben um-
geben wird, welche die Filamente zuruͤckgelaſſen haben.
2. Die Saftdruͤſe iſt zugleich der Safthalter.
3. Der Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert, weil die
Staubgefaͤße dicht an einander ſchließen, und die Filamente an
den Seiten mit Haaren beſetzt ſind.
4. Die Kronenblaͤtter ſind blaßroth, in der Mitte aber
haben ſie eine Linie von geſaͤttigterer Farbe, und an der Baſis
iſt dieſes Roth ſo geſaͤttigt, als nur moͤglich iſt. Die Blume
hat alſo ein Saftmaal, und iſt folglich eine Tagesblume.
[[127]]
Vaccinium.
Auch habe ich an denen Pflanzen, von welchen ich ſogleich reden
werde, bemerkt, daß verſchiedene Blumen des Morgens aufbra-
chen. Daß andere erſt um die Mittagszeit aufbrachen, kam ver-
muthlich daher, daß der Blumentopf, in welchem ſie ſich befan-
den, auf einem der Mittagsſonne ausgeſetzten Fenſter ſtand, und
die Sonnenſtrahlen erſt um 10 Uhr Vormittags auf die Blumen
zu fallen anfingen.
5. Ich hatte nemlich im Herbſt eine Anzahl Pflanzen nebſt
dem Sumpfmoos (Sphagnum paluſtre), zwiſchen welchem ſie
ſich befanden, abgeſchnitten. Dieſe ſetzte ich in einen Blumen-
topf, ſtellte denſelben auf ein Flutfenſter, durch welches die Mit-
tagsſonne ſchien, und begoß die Pflanzen zuweilen. Am 26. April
des folgenden Jahres Morgens um 8 Uhr ſahe ich, daß Eine
Blume aufgebrochen war. Ich begab mich an dieſem Tage zu
dem Torfmoor hin, aus welchem ich die Pflanzen geholt hatte.
Hier fand ich ganz kleine Blumenknospen, welche noch keinen
Stiel hatten. Den 20. May ging ich wieder dahin, und fand,
daß die Blumenknospen etwa noch eine halbe Woche vom Auf-
brechen entfernt waren. Ich hatte alſo durch dieſe Durchwinte-
rung die Blumen um beynahe Einen Monath fruͤher zum Bluͤhen
gebracht. Die erſte Blume bluͤhete noch am 13. May, und ver-
welkte am 14. Die Blume bluͤhet alſo 18 Tage. Wegen dieſer
außerordentlich langen Bluͤhezeit, welche ich noch bey keiner an-
deren, ſelbſt bey keiner dichogamiſchen Blume bemerkt habe,
glaube ich, daß die Blume entweder von einem etwas ſeltenen
Inſekt befruchtet werde, oder von einem ſolchen, welches nicht
gewohnt iſt, ſich auf Suͤmpfe hinzubegeben, und daß folglich
durch dieſe ungewoͤhnlich lange Dauer der Bluͤhezeit der Gefahr
vorgebeugt werde, daß die Blume unbeſucht und unbefruchtet
bleibe. Vielleicht ſind die Bienen zur Befruchtung derſelben be-
ſtimmt. Dies vermuthe ich wegen der Geſtalt der Kronenblaͤtter,
welche aufwaͤrts gekruͤmmt ſind, und inſofern eine Aehnlichkeit
mit den Kelchausſchnitten des Ribes Groſſularia haben, an wel-
chen die Bienen ſich wohl feſtzuhalten wiſſen. Wenn man die
Blume durch einen Stoß erſchuͤttert, ſo faͤllt aus der Roͤhre,
welche die Staubgefaͤße bilden, eine Menge Staubes heraus.
Wann alſo die Bienen ihren Saugeruͤſſel in dieſe Roͤhre hinein-
ſtecken, ſo faͤllt ihnen der Staub auf den Kopf, und da ſie mit
dieſem das Stigma beruͤhren, ſo beſtaͤuben ſie daſſelbe. Daß
aber die Befruchtung durch dieſes, oder ein anderes Inſekt, kei-
nesweges aber auf eine mechaniſche Art geſchehe, folgt aus eben
dem Grunde, welchen ich beym Symphytum und beym Galan-
thus angezeigt habe.
Vaccinium Myrtillus. Heidelbeere. Tab. XXII.
19—22. 28.
Vaccinium. Erica.
21. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
19. Dieſelbe, nachdem die Krone abgeloͤſet worden. Inner-
halb der Filamente ſieht man die (punktirte) Saftdruͤſe.
22. Dieſelbe, von unten geſehen, nachdem auch die Staub-
gefaͤße abgeloͤſet worden. In der Mitte die Saftdruͤſe.
20. Ein Staubgefaͤß von der Seite.
28. Daſſelbe von innen.
1. 2. Die Saftdruͤſe iſt weißlich. Sie iſt zugleich der Saft-
halter.
3. Damit kein Regentropfen zum Saft dringen koͤnne, ſo
iſt die Blume 1) grade der Erde zugekehrt, 2) hat die Krone eine
ſehr enge Oeffnung. Sollte demungeachtet ein Regentropfen in
die Krone kommen, ſo halten ihn 3) die Anſaͤtze, mit welchen
die Antheren verſehen ſind, ab, weiter zu dringen.
4. Die Blume wird von einer großen Art von Hummeln
beſucht.
In Anſehung dieſer Blume aͤußern Gleditſch und Kruͤ-
nitz, jener S. 151., dieſer S. 664., ganz entgegengeſetzte Mei-
nungen. Jener glaubt, daß dieſelbe den Bienen keinen ſonderli-
chen Vorrath liefere; dieſer hingegen will aus der Erfahrung be-
weiſen, daß dieſelbe außerordentlich vielen Saft enthalte. Dem
Vaccinium Vitis Jdaca hingegen ſchreibt Gleditſch Saft zu
S. 156.
Erica.
Erica vulgaris. Gemeine Heide. Tab. XIII. 18. 22.
22. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
18. Dieſelbe, nachdem die aͤußeren Kronenblaͤtter abgeriſſen
worden.
Daß die Blumen der Heide den Bienen viel Stoff zum Ho-
nig liefern, iſt bekannt. Dennoch meldet Linné nichts vom
Nectario.
1. Die Saftdruͤſe iſt ohne Zweifel der Fruchtknoten.
2. Der Safthalter iſt der Grund der Krone.
3. Die beiden Anſaͤtze, welche jede Anthere hat, dienen zur
Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen. Der Safthalter iſt
oberwaͤrts enger, als unterwaͤrts. Dleſe engere Oeffnung deſſel-
ben wird durch die ſechszehn Anſaͤtze der acht Antheren meiſt aus-
gefuͤllt, und dadurch den Regentropfen das Eindringen in denſel-
ben verwehrt.
4. Linné ſagt, die Blume habe einen doppelten Kelch; ſie
hat aber eine doppelte Krone. Denn die vier Blaͤtter, welche er
den inneren Kelch nennt, ſind von eben der Subſtanz, Groͤſſe
und Farbe, als die eigentliche Krone, und die Natur hat dieſe
mit denſelben bloß deswegen vermehrt, damit die Blume deſts
P 2
[[128]]
Polygonum. Laurus.
anſehnlicher ſey, und den Inſekten deſto beſſer in die Augen
falle.
Polygonum.
Polygonum Fagopyrum. Buchweizen. Tab. XIII.
23. 24.
Von den Saftdruͤſen, welche in der Diſſertation de necta-
riis florum dem Polygonum zugeſchrieben werden, meldet
Linné in der Beſchreibung der Gattung nichts. Es ſind ihrer
achte, welche im Grunde des Kelchs um den Fruchtknoten herum
befindlich und gelb ſind. Der Grund des Kelchs iſt der Safthal-
ter. Die Staubgefaͤße, von welchen drey zwiſchen den Saft-
druͤſen und dem Fruchtknoten ſtehen, und ſich auswaͤrts kruͤm-
men, fuͤnf aber um die Saftdruͤſen herum ſtehen, und ſich ein-
waͤrts kruͤmmen, ſchuͤtzen den Saft vor dem Regen. Der Kelch
iſt hier zugleich die Krone, da er, ehe die Blume ſich geoͤffnet
hat, die zarten Befruchtungstheile in ſich verſchließt und beſchuͤtzt,
nachdem ſich aber jene geoͤffnet hat, gefaͤrbt iſt, und folglich das
thut, was die Krone thun ſoll, nemlich die Blume den Inſekten
bemerkbar macht.
Polygonum orientale hat ſieben gelbe Saftdruͤſen.
Polygonum. Laurus.
Medikus (S. 118. der oben angefuͤhrten Abhandlung)
hat beobachtet, daß die Staubgefaͤße, welche anfangs vom Piſtill
abſtehen, ſich eines nach dem andern uͤber daſſelbe hinſtellen, und
hernach ſich wieder von demſelben entfernen. Die Beobachtung
iſt richtig; nur der aus derſelben hergeleitete Schluß, daß die An-
theren die Stigmate auf eine mechaniſche Art beſtaͤuben, iſt falſch.
Die Filamente ſind laͤnger, als die Griffel; folglich ſind die An-
theren, wenn ſie gleich grabe uͤber den Stigmaten ſtehen, doch
noch von denſelben entfernt, und ihr Staub kann nicht von ſelbſt
auf dieſe kommen. Wenn die Befruchtung auf eine mechaniſche
Art geſchehen ſollte, ſo muͤßten die Filamente grade ſo lang ſeyn,
daß die Antheren, wann ſie uͤber den Stigmaten ſtuͤnden, dieſel-
ben unmittelbar beruͤhrten. Soll aber, woran nicht zu zweifeln
iſt, die Befruchtung durch ein Inſekt geſchehen, ſo muß dieſelbe
bey jedem Beſuch erfolgen. Denn daſſelbe kann nicht zum Saft
gelangen, ohne zugleich den Staub der bluͤhenden Antheren ab-
zuſtreifen, und denſelben auf die Stigmate zu bringen. Welches
Inſekt aber die Blumen beſuche und befruchte, weiß ich nicht, da
ich dieſelbe bisher nur zuweilen und auf kurze Zeit beobachtet
habe.
Neunte Klaſſe.Enneandria.
Zwitterblumen mit neun Staubgefaͤßen.
Laurus.
Laurus Jndica. Tab. XIII. 21. 29—37.
21. Die vergroͤſſerte Blume im Queerdurchſchnitt. In der
Mitte der Fruchtknoten 1. Denſelben umgeben die drey Schup-
pen 2 an den Seiten, und die drey innerſten Filamente 3,
an deren jedes auswaͤrts zwey fleiſchichte Koͤrper 4 angewachſen
ſind, an den Ecken. Um dieſe herum ſtehen die ſechs aͤußeren
Filamente 5 und 6, welche wieder von den ſechs Kelchausſchnit-
ten 7 und 8 umgeben werden.
29. Die vergroͤſſerte Blume.
30. Dieſelbe von einer andern Seite. Dieſe Stellung be-
haͤlt dieſelbe in den folgenden Figuren.
31. Nachdem der vorderſte kleinere Kelchausſchnitt abge-
ſchnitten worden.
32. Nachdem die beiden uͤbrigen kleineren Kelchausſchnitte,
wie auch die beiden vorderſten groͤſſeren abgeſchnitten worden.
33. Nachdem das vorderſte aͤußere Staubgefaͤß wegge-
ſchnitten worden.
34. Nachdem die beiden aͤußeren Staubgefaͤße, welche ne-
ben jenem ſtanden, weggeſchnitten worden.
35. Nachdem das vorderſte innere Staubgefaͤß weggeſchnit-
ten worden. Hier ſieht man die aͤußere haarichte Seite der
beiden vorderſten Schuppen.
36. Nachdem dieſe beiden Schuppen weggeſchnitten worden.
37. Nachdem das Piſtill weggeſchnitten worden, wodurch
die hinterſte Schuppe, welche von demſelben verdeckt wurde,
und zwar die innere glatte Seite derſelben zum Vorſchein ge-
kommen iſt.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt, welcher an
den Stellen, wo die Schuppen an denſelben anſchließen, roͤth-
lich iſt.
[[129]]
Laurus. Rheum.
2. Der Saft iſt zwiſchen dem Fruchtknoten und den drey
Schuppen, welche an denſelben anſchließen, befindlich. Dieſe
Schuppen ſind inwendig ein wenig konkav und glatt, auswen-
dig aber haaricht.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dienen ohne
Zweifel die Haare, mit welchen die Schuppen auswendig,
die Filamente und der Kelch aber inwendig uͤberzogen ſind,
wahrſcheinlich aber auch die beiden fleiſchichten Koͤrper, mit
welchen jedes der drey inneren Filamente auswendig verſehen
iſt. Ich ſtelle mir nemlich die Sache ſo vor. Wenn ein
Inſekt die Blume beſucht, ſo muß es, um den Saft zu ge-
nießen, die Schuppen vom Fruchtknoten abdruͤcken, daß alſo
ein kleiner Zwiſchenraum zwiſchen jenen und dieſem entſteht.
Nun koͤnnte in dieſen Zwiſchenraum, wenn er nach dem Be-
ſuch bliebe, leicht ein Regentropfen hineindringen. Damit alſo
dies nicht geſchehe, wird eine jede Schuppe von zwey fleiſchich-
ten Koͤrpern, welche zu zwey verſchiedenen Filamenten gehoͤ-
ren, wieder an den Fruchtknoten feſt angedruͤckt. Die inne-
ren Filamente druͤcken aber mit den fleiſchichten Koͤrpern die
Schuppen, weil ſie von den aͤußeren Filamenten gedruͤckt wer-
den, und dieſe druͤcken jene, weil ſie von dem Kelch gedruͤckt
werden. Der Kelch aber hat eine Kraft, die Filamente ein-
waͤrts zu druͤcken, weil er von lederartiger Subſtanz und von
koniſcher Geſtalt iſt.
4. Die Schuppen ſind braun, folglich zugleich das Saft-
maal.
Rheum.
Rheum palmatum. Rhabarber. Tab. XIII. 25—27.
26. Die vergroͤſſerte Blume, von der Seite geſehen.
27. Dieſelbe, von oben geſehen.
25. Das junge Samenkorn.
Die Blumen ſowohl dieſer Art, als auch des Rheum
Rhabarbarum und Rhaponticum, werden von allerley, auch
großen, Inſekten beſucht. Sie muͤſſen folglich Saft haben,
ob ich gleich, wegen der Kleinheit der Blumen, keinen Saft
geſehen habe. Daß der dreyeckichte Fruchtknoten die Saftdruͤſe
ſey, und aus ſeinen Seiten den Saft abſondere, fiehet man
ein, wann derſelbe, nachdem die Blume verbluͤhet iſt, groͤſſer
geworden iſt; denn ſeine Seiten ſind alsdenn glatt und gelb,
die Ecken aber roth. Der Saft befindet ſich alſo um demſel
ben herum im Grunde der Krone, und wird durch die Staub-
gefaͤße vor dem Regen geſchuͤtzt.
Butomus.
Butomus.
Butomus vmbellatus. Tab. XXI. 35. Die ver-
groͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, nachdem die Krone
und die vorderſten Staubgefaͤße weggeſchnitten worden. In
den Winkeln zwiſchen den Fruchtknoten ſieht man drey Saft-
troͤpfchen. Tab. XXIV. 16—19.
18. Die Befruchtungstheile einer juͤngeren Blume, von
oben geſehen. Die Antheren ſind voller Staub, die Stigmate
bluͤhen noch nicht.
16. Der Fruchtknoten a der vorhergehender Figur, noch
ſtaͤrker vergroͤſſert.
19. Die Befruchtungstheile einer aͤlteren Blume. Die
Stigmate bluͤhen, die Antheren ſind ohne Staub. In dieſer
und der 18. Figur ſieht man alle ſechs Safttroͤpfchen.
17. Das Stigma a der vorhergehenden Figur, noch ſtaͤr-
ker vergroͤſſert.
Wenn man die Blumen auf dem Felde beſieht, ſo wird
man, beſonders des Nachmittags und Abends, ſelten die Saft-
troͤpfchen antreffen, weil ſie ſchon von den Fliegen verzehrt
worden ſind. Setzt man aber zu Hauſe eine Dolde ins Waſ-
ſer, ſo wird man am folgenden Morgen alle Blumen mit den
glaͤnzenden Safttroͤpfchen verſehen finden. Da die Safttroͤpf-
chen ganz frey liegen, ſo iſt es kein Wunder, daß dieſelben
von den Fliegen leicht entdeckt und verzehrt werden. Beſon-
ders haͤlt ſich eben dieſelbe Art auf den Blumen ſehr haͤufig
auf, welche die Serapias latifolia beſucht, und im July und
Auguſt ſehr gemein iſt. Dies weiß eine gewiſſe Spinne ſich
zu Nutze zu machen. Sie macht auf und in der Blume ein
Gewebe, und begiebt ſich darauf in dieſelbe und lauert.
Koͤmmt nun eine Fliege der Nahrung wegen auch in dieſelbe,
ſo geraͤth ſie in das Gewebe, und wird ein Raub der Spinne.
Die Figuren der XXIV. Kupfertafel beweiſen, daß auch
hier die Dichogamie Statt findet, und daß die aͤlteren Blu-
men von den Fliegen vermittelſt des Staubes der juͤngeren be-
fruchtet werden. Denn wann die Blume zu bluͤhen angefan-
gen hat, ſo haben die Filamente eine faſt aufrechte Stellung,
ſo daß alſo die Fliegen, indem ſie von einem Safttroͤpfchen
zum andern kriechen, eine und die andere Anthere beruͤhren,
und den Staub derſelben abſtreifen. Da aber die beiden Theile
der Stigmate ſich noch nicht von einander begeben haben, ſo
kann die Blume durch ihren eigenen Staub nicht befruchtet
werden. Nachdem aber die Antheren ihren Staub verloren
haben, ſo erhalten die Filamente eine faſt horizontale Stellung.
P 3
[[130]]
Parkinſonia. Poinciana. Dictamnus.
Die Fruchtknoten ſind unterdeſſen groͤſſer geworden, und die
Stigmate fangen nun an, ſich zu oͤffnen. Sie machen ſich
aber als Stigmate theils durch ihre kurze Haare, theils durch
ihre weiße Farbe kenntlich, da die Fruchtknoten nebſt den Grif-
feln dunkelroth ſind. Wenn eine Fliege die Blume alsdenn
beſucht, ſo muß ſie nothwendig den in einer juͤngeren Blume
abgeſtreiften Staub an die Stigmate anſtreichen. Der gelbe
Dictamnus. Ruta.
Staub wird ſowohl an den ſchwarzen Fliegen, als auch auf
den weißen Stigmaten ſehr leicht bemerkt.
Wenn es in der Diſſertation de nectariis florum heißt,
Butomus habe an der Baſis der Fruchtknoten eben ſo viel oh-
renfoͤrmige Nectaria: ſo hat der Verfaſſer vermuthlich ein-
andere Blume damit gemeint.
Zehnte Klaſſe.Decandria.
Zwitterblumen mit zehn Staubgefaͤßen.
Parkinſonia.
Parkinſonia aculeata. Jacqu. Amer. p. 121.
Die Krone iſt gelb; ihr oberſtes Blatt aber iſt an der Baſis
mit ſcharlachfarbenen Flecken, oder, nach der Abbildung zu ur-
theilen, Adern geziert. Dies iſt alſo das Saftmaal. Folglich
iſt die Blume eine Saftblume. Zwiſchen dem Nagel dieſes Kro-
nenblatts und den Filamenten muß alſo ein Inſekt zum Saft ge-
langen, welcher von dem glockenfoͤrmigen Boden abgeſondert
wird, und in demſelben befindlich iſt.
Poinciana.
Poinciana pulcherrima. Jacqu. Amer. p. 122.
Daß auch dieſe Blume Saft enthalten muͤſſe, beweiſet ſchon
der einzige Umſtand, daß die Filamente an der Baſis rauch ſind.
Denn dies iſt die Saftdecke.
Dictamnus.
Dictamnus albus (corolla purpurea). Tab. XIV.
1. Das Piſtill und das oberſte Filament in natuͤrlicher Stellung.
In der Diſſertation de nectariis florum wird geſagt, der
Fruchtknotenhalter habe einige poros, welche den Saft abſon-
dern (dieſe habe ich nicht gefunden); in der Philoſophia botanica
aber macht Linné die kleinen Druͤſen der Filamente zu Saft-
druͤſen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der dicke glatte purpurfarbene Fruchtkno-
tenhalter a a.
2. Der Saft iſt in dem Raum zwiſchen demſelben und den
oberſten Filamenten befindlich. Denn die Filamente ſtehen nicht
in gleicher Entfernung um denſelben herum, ſondern die oberſten
ſind von demſelben weiter entfernt, als die unterſten.
3. Die Filamente ſind, ſoweit ſie den Fruchtknotenhalter
und den Fruchtknoten bedecken, mit weichen Haaren uͤberzogen b b.
Ob alſo gleich die drey oberſten weiter von einander abſtehen, als
die unterſten, ſo kann doch zwiſchen dieſelben kein Regentropfen
hindurchdringen. Die Inſekten gelangen zwiſchen dem Frucht-
knoten und den oberſten Filamenten in den Safthalter. Sie duͤr-
fen nur das mittelſte von dieſen in die Hoͤhe druͤcken, welches ſich
hernach wieder an den Fruchtknoten anlegt. Damit es ſich nicht
verſchiebe, ſo liegt es in dem oberſten Winkel deſſelben.
4. Weil die Blume eine horizontale Stellung hat, ſo iſt ſie
irregulaͤr. Die zwey oberſten Kronenblaͤtter ſtehen aufrecht, und
ſind breiter, und ſtaͤrker gezeichnet, als die drey unterſten, welche
horizontal ſtehen. Die Kronenblaͤtter ſind uͤberhaupt blaßpurpur-
farben, und mit dunkelpurpurfarbenen Linien geziert. Die bei-
den oberſten aber ſind ſtaͤrker gezeichnet, weil ſie dem Safthalter
naͤher ſind, als die drey unterſten. Die Blume hat einen ſtarken
Geruch.
Ruta.
Ruta graueolens. Raute. Tab. XXII. 37. Die
juͤngere maͤnnliche Zwitterblume. a das Piſtill nach dem Verbluͤ-
hen der Staubgefaͤße. b der oberſte Theil des Griffels in der
juͤngeren Blume. Vom Stigma iſt noch nichts zu ſehen. c der-
ſelbe in der aͤlteren Blume. Das Stigma iſt vorhanden.
Wann die Blume ſich geoͤffnet hat, ſo liegen die Staubge-
faͤße in den hohlen Kronenblaͤttern, in jedem zwey. Darauf
richten ſich zwey gegenuͤber ſtehende auf, ſo daß ihre Antheren,
[[131]]
Ruta. Zygophyllum.
welche ſich nun oͤffnen, grade uͤber dem Piſtill ſich befinden.
Wann dieſe ausgedient haben, ſo biegen ſie ſich auswaͤrts, und
es kommen wieder zwey andere an ihre Stelle. So hat in der
abgebildeten Blume Ein verbluͤhetes Staubgefaͤß ſich auswaͤrts
geſtreckt, zwey ſtehen aufrecht und bluͤhen, die uͤbrigen ſtecken noch
in den Kronenblaͤttern. Solange nun die Staubgefaͤße ſich auf
ſolche Art einander abloͤſen, iſt noch keine Spur vom Stigma zu
ſehen. Wann ſie ſaͤmtlich verbluͤhet ſind, alsdenn erſt koͤmmt
daſſelbe zum Vorſchein. Da alſo auch hier die maͤnnlich-weib-
liche Dichogamie Statt findet, ſo wird die aͤltere Blume von In
ſekten durch den Staub der juͤngeren befruchtet.
Die Blume wird von Fliegen beſucht, welche den Saft leicht
finden koͤnnen, da er ganz frey liegt.
Daß ſich die bluͤhenden Staubgefaͤße uͤber das Piſtill hin-
ſtellen, hat ſchon Medikus (S. 119.), und vor ihm Linné
und Koͤlreuter (S. 160.) bemerkt. Wenn jener aber hieraus
ſchließt, daß die Antheren das Piſtill auf eine mechaniſche Art
befruchten, ſo wuͤrde, wenn die Sache ſich ſo verhielte, die Blume
von ihrem Saft keinen Nutzen haben.
Zygophyllum.
Zygophyllum Fabago. Tab. XXIII. 31—33. 40.
41.
32. Das Piſtill, welches auf der (punktirten) Saftdruͤſe
ſteht.
31. Ein Filament mit ſeinem Anſatz von innen.
33. Daſſelbe von außen. Bey a ſondert ſich der Anſatz von
demſelben ab.
41. Daſſelbe von der Seite.
40. Ein Kronenblatt.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Koͤrper, welcher das Piſtill traͤgt.
Sie iſt nicht anders gefaͤrbt, als das Piſtill.
2. 3. Die Anſaͤtze der Filamente, welche Linné das Nec-
tarium nennt, dienen theils zum Safthalter, theils zur Saft-
decke. Sie liegen dicht an dem Fruchtknoten, und laſſen alſo
keinen Regentropfen durch; unterwaͤrts aber ſind ſie, ſo wie die
Filamente, ein wenig auswaͤrts gebogen, damit der zwiſchen ih-
nen und der Saftdruͤſe befindliche Saft Raum habe.
4. Die Blume hat ein ſchoͤnes Saftmaal; denn die Kronen-
blaͤtter ſind weiß, an der Baſis aber kaſtanienbraun, welche Farbe
in Fig. 40. durch Punkte angedeutet wird.
Monotropa. Kalmia.
Monotropa.
Monotropa Hypopithys. Tab. XXIII. 16. Die
oberſte Blume, nachdem man die Krone abgeloͤſet hat, und nur
Ein Blatt derſelben hat ſtehen laſſen.
Die Saftdruͤſen ſind vier, und in der oberſten Blume fuͤnf
Paare kleiner laͤnglichter gelber Koͤrper, welche an der Baſis des
Fruchtknotens ſitzen, und in die hohlen, und daher auswendig
hoͤckerichten Naͤgel der groͤſſeren Kronenblaͤtter hineinragen, und
in dieſelben den Saft abſetzen.
Kalmia.
Kalmia poliifolia. Titelkupfer Fig. XX. Die ein
wenig verkleinerte Blume, von oben geſehen. Die ſechs Staub-
gefaͤße rechter Hand befinden ſich noch in ihrer natuͤrlichen Stel-
lung, und ſind bogenfoͤrmig gekruͤmmt; die viere linker Hand
ſind, von einem Inſekt beruͤhrt, in die Hoͤhe geſprungen. Tab.
XI. 44—49. 52.
52. Der Fruchtknoten, und an deſſelben Baſis die (punktirte)
Saftdruͤſe.
45. Der mittelſte Theil der Blume. Hier ſind alle Staub-
gefaͤße noch in threr natuͤrlichen Stellung.
47. Ein Staubgefaͤß von der Seite.
48. Daſſelbe von außen. In beiden Figuren ſieht man an
der Baſis des Filaments einen Buͤſchel Haare, welcher ein Theil
der Saftdecke iſt.
44. Eine Anthere von der inneren Seite.
46. Der doppelte Durchſchnitt der Krone, welcher grade
durch die Mitte eines Fuͤnftheils derſelben, folglich durch die
Mitte einer von den zehn Hoͤhlen des Kronenſaums geht, und
ſich bis zur Spitze eines Abſchnitts des Kronenſaums erſtreckt.
Unterwaͤrts an der Oeffnung der Kronenroͤhre ſieht man einige
Haare, welche ein Theil der Saftdecke ſind.
49. Iſt die vorhergehende Figur, nur daß man hier noch ein
Staubgefaͤß in ſeiner natuͤrlichen bogenfoͤrmig gekruͤmmten Stel-
lung ſieht.
1. Die Saftdruͤſe umgiebt die Baſis des Fruchtknotens,
und unterſcheidet ſich von demſelben durch die Farbe.
2. Der Saft befindet ſich zwiſchen dem Fruchtknoten und dem
unterſten Theil der Kronenroͤhre.
3. Der Saft iſt vor dem Regen ſehr wohl verwahrt. Denn 1)
iſt die Oeffnung der Kronenroͤhre mit Haaren uͤberzogen, welche zu-
ſammen ein regelmaͤßiges Fuͤnfeck bilden, 2) ſind die Filamente
auswendig an der Baſis mit einem Buͤſchel Haare verſehen. Durch
dieſe Haare kann ſchlechterdings kein Regentropfen zum Saft
hindurchdringen.
[[132]]
Kalmia.
4. Die Saftdecke iſt zugleich das Saftmaal. Denn die
Krone iſt roth, jene Haare aber ſind weiß.
Daß Linné von der Gattung Kalmia ſich einen unrichti-
gen Begriff gemacht hat, deshalb kann man ihm mit Recht keine
Vorwuͤrfe machen, da er dieſelbe nur aus getrockneten Exemplaren
gekannt hat, welches aus dem dem Gattungsnamen beygeſetzten
Kreuz erhellt. Zu dieſem unrichtigen Begriff gehoͤrt erſtens, daß
er ſagt, die Staubgefaͤße ſtehen aufrecht. Denn dies iſt nicht
ihre natuͤrliche Stellung, ſondern ſie ſind bogenfoͤrmig gekruͤmmt,
und ihre Antheren ſtecken in den Hoͤhlen der Krone, welche er
Safthoͤrner nennt. Die aufrechte Stellung erhalten ſie erſt,
wenn ſie von einem Inſekt ſind beruͤhrt worden. In den getrock-
neten Blumen, welche Linné unterſucht hat, ſteckten ſie nicht
mehr in den Hoͤhlen. Aus dieſem erſten Irrthum entſtand der
zweyte, nemlich daß er die Hoͤhlen der Krone fuͤr Saftbehaͤltniſſe
hielt. Dies wuͤrde er nicht gethan haben, wenn er geſehen haͤtte,
daß die Antheren in dieſen Hoͤhlen ſtecken. Denn daß Antheren
im Safthalter ſtecken, wird man in keiner einzigen Blume finden,
weil es eine wahre Ungereimtheit ſeyn wuͤrde. Denn der Anthe-
renſtaub und der Saft wuͤrden ſich einander gegenſeitig verderben;
jener wuͤrde dieſen den Inſekten ungenießbar, und dieſer jenen
zur Befruchtung untauglich machen. Mich wundert alſo, daß
Medikus, welcher die friſchen Blumen der Kalmia latifolia
und anguſtifolia beobachtet hat, dieſen Irrthum nicht entdeckt,
wenigſtens nicht angezeigt hat. Gezweifelt ſcheint er daran zu
haben, daß dieſe Hoͤhlen Saft enthalten, indem er S. 128. ſagt:
„Die zehn Hoͤhlen, welche der Herr von Linné Nektarhoͤhlen
„nennt ꝛc.“ Sobald ich die gegenwaͤrtige Art erblickte, ſchloß
ich aus dem Saftmaal und der Saftdecke, daß der Saft ſich im
Grunde der Kronenroͤhre befinden muͤſſe.
Dieſe Blume verdient nebſt ihren Gattungsverwandten ſo
ſehr, als irgend eine andere, fuͤr ein Wunder der Natur gehalten
zu werden, wegen der beſonderen Einrichtung ihrer Staubgefaͤße.
Koͤlreuter hat dieſelbe zuerſt bemerkt, und dem Medikus
gezeigt. Die zehn Staubgefaͤße ſtecken nemlich mit den Anthe-
ren in eben ſo vielen Hoͤhlen, welche der Kronenſaum hat. Da
nun die Filamente laͤnger ſind, als der Abſtand dieſer Hoͤhlen
von der Oeffnung der Kronenroͤhre, ſo muͤſſen ſie natuͤrlicherweiſe
bogenfoͤrmig gekruͤmmt ſeyn. Beruͤhrt man nun ein Staubgefaͤß
ein wenig, ſo ſpringt es aus der Hoͤhle heraus, faͤhrt in die Hoͤhe,
und ſteht grade. Dies haben die beiden genannten Maͤnner fuͤr
Reizbarkeit gehalten; es iſt aber weiter nichts als Elaſticitaͤt.
Solange die Antheren in den Hoͤhlen ſtecken, koͤnnen ſie nichts
von ihrem Staube verlieren. Denn eine jede beſteht aus zwey
Baͤlgen, welche bloß an der Spitze eine Oeffnung haben; dieſe
Kalmia. Ledum. Arbutus.
Oeffnungen werden von den Hoͤhlen der Krone, in welchen ſie
dicht anliegen, verſchloſſen. Beſucht aber ein Inſekt die Blume,
ſo muß es nothwendig, indem es den Saft aus der Kronenroͤhre
herausholt, mit den Beinen ein Staubgefaͤß nach dem andern
beruͤhren. Die beruͤhrten Staubgefaͤße fahren in die Hoͤhe, und
ſchleudern den Staub aus den Antheren heraus, von welchem
nothwendig ein Theil auf das Stigma fallen muß.
Wenn Medikus S. 139. ſagt, daß die Staubgefaͤße nicht
bloß reizbar, ſondern auch, wie er es nennt, wandernd ſind,
oder, daß ſie ſich auch von ſelbſt aus den Hoͤhlen begeben, ſich
aber in dieſem Fall nur ganz langſam dem Piſtill naͤhern: ſo iſt
Letzteres vermuthlich nur von den Staubgefaͤßen einer alten und
dem Verbluͤhen nahen Blume zu verſtehen. Denn wann die
Staubgefaͤße anfangen welk zu werden und einzuſchrumpfen, ſo
koͤnnen ſie ſich leicht von ſelbſt aus den Hoͤhlen begeben; ſie haben
aber auch alsdenn keine Elaſticitaͤt mehr, und koͤnnen folglich
nicht mit Gewalt in die Hoͤhe und an das Piſtill hinanſpringen.
Ich fand die Blumen am 12. May des vergangenen Jahres
in der Tegelſchen Plantage, doch nur in geringer Anzahl, an
zwey kleinen Straͤuchern. Die Antheren ſteckten insgeſamt noch
in den Hoͤhlen der Krone; folglich waren die Blumen noch von
keinem Inſekt beſucht worden. Vielleicht haͤlt ſich dasjenige,
welches zur Befruchtung der Blume beſtimmt iſt, hier zu Lande
nicht auf, oder vielleicht kennen unſere Inſekten dieſen Fremd-
ling noch nicht.
Ledum.
Ledum paluſtre. Gleditſch (Forſtwiſſenſchaft.
1. B. S. 318.) ſagt, daß die Blumen einen ſehr angenehmen,
dabey aber hoͤchſt durchdringenden Geruch haben, und daß ſie
von den Bienen ſehr geſucht werden. Es iſt alſo wahrſcheinlich,
daß ſie Saftblumen ſind. Wenn er aber hernach ſagt, daß die
Stiele der Fruͤchte, wann dieſe reif ſind, ſich nach unten zu bie-
gen, damit die Samenkoͤrner herausfallen koͤnnen: ſo muß es
grade umgekehrt heißen, damit ſie nicht herausfallen koͤnnen,
ſondern durch den Wind herausgeworfen und weit verſtreuet wer-
den. Denn die Samenkapſeln bekommen an der Baſis Oeff-
nungen, welche alſo, wann die Stiele ſich abwaͤrts gebogen ha-
ben, oben ſtehen.
Arbutus.
Arbutus Vnedo. Erdbeerbaum. Tab. XIII. 28. Die
vergroͤſſerte Blume. Tab. XIV. 2—7.
2. Dieſelbe, von unten geſehen.
3. Die-
[[133]]
Arbutus. Chryſoſplenium.
3. Dieſelbe, nachdem die vorderſte Haͤlfte der Krone wegge-
ſchnitten worden.
4. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung.
5. Das Piſtill nebſt einem Staubgefaͤß. Unten am Frucht-
knoten die (punktirte) Saftdruͤſe.
6. Ein Staubgefaͤß von innen.
7. Daſſelbe von außen.
Der Baum bluͤhete am 1. Februar in einem Gewaͤchshauſe.
Dieſem Umſtand ſchreibe ich es zu, daß ich in den Blumen keinen
Saft gefunden habe. Aus ihrer Struktur erhellet aber, daß ſie
Saftblumen ſind.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte gelblichgruͤne Koͤrper,
welcher die Baſis des Fruchtknotens umgiebt.
2. Der Saft iſt zwiſchen dem Fruchtknoten und den Fila-
menten befindlich.
3. Man findet in dieſer Blume viele Anſtalten, welche zur
Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dienen. 1) Eine jede
Blumentraube iſt das Ende eines Zweiges, und biegt ſich unter
denſelben unter einem ſpitzen Winkel. Folglich kehren alle Blu-
men ihre Oeffnung der Erde zu. 2) Dieſe Oeffnung iſt weit en-
ger, als die Baſis der Krone. 3) Die Abſchnitte, in welche der
Rand der Krone getheilt iſt, ſind umgebogen, halten folglich
jeden Regentropfen auf, der auf der Krone herabgefloſſen iſt.
4) Die Krone iſt inwendig mit weichen Haaren oder Wolle ganz
uͤberzogen, da ſie auswendig glatt iſt. 5) Die Filamente ſind an
den Seiten und auswendig mit weichen Haaren beſetzt, da ſie in-
wendig glatt ſind.
4. Die weite Baſis der Krone, welche in die Hoͤhe gerichtet
iſt, iſt ſpiegelglatt, und ſieht wie Frauenglas aus. Ferner hat
ſie zehn ſchwache Erhoͤhungen oder Hoͤcker, welche das Licht ſtark
zuruͤckwerfen. Auf ſolche Art hat die Krone zehn glaͤnzende Flecke,
welche ſich zwiſchen dem Laube ungemein ſtark ausnehmen, und
die Blumen den Inſekten ſchon in weiter Entfernung bemerkbar
machen. Weiter nach der Oeffnung zu hat die Krone dieſe Hoͤcker
und dieſen Glanz nicht. Der umgebogene Rand derſelben iſt von
anderer Farbe, nemlich gelbgruͤn, folglich das Saftmaal.
Chryſoſplenium.
Chryſoſplenium alternifolium. Milzkraut.
Ich fand zwar in dieſer kleinen Blume keinen Saft, be-
merkte aber, daß der Grund des Kelchs, oder der oberſte Theil
des Fruchtknotens ein oͤlichtes glaͤnzendes Anſehen hatte. Dies
iſt alſo wahrſcheinlich die Saftdruͤſe, und zugleich der Safthalter.
Auch fand ich eine Ameiſe auf den Blumen, welche ſich in jeder
lange aufhielt, folglich ihre Nahrung in denſelben fand.
Saxifraga.
Saxifraga.
Saxifraga ſtellaris. Jacqu. Collectt. Vol. I. p. 202.
Dieſe Blume enthaͤlt Saft, weil ſie ein Saftmaal hat.
Daſſelbe beſteht aus zehn gelben Flecken, mit welchen die weiße
Krone im Grunde geziert iſt.
Saxifraga craſſifolia. Tab. XIV. 8—12.
8. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
9. Ein Stuͤck der Blume, flach ausgebreitet. Unter den
Filamenten die (punktirte) Saftdruͤſe, welche zugleich der Saft-
halter iſt.
10. Die Blume, von oben geſehen.
11. Dieſelbe, von der Seite geſehen, nachdem die vorderſte
Haͤlfte des Kelchs, der Krone und der Staubgefaͤße weggeſchnit-
ten worden. An der Baſis des Fruchtknotens die Saftdruͤſe.
12. Zwey Queerdurchſchnitte der Baſis der Blume, der
oberſte a d c bey a Fig. 11., wo die Baſis der Filamente iſt, der
unterſte a b c bey b Fig. 11., wo der Safthalter iſt.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte glatte gelbe Grund des
Kelchs unter den Filamenten.
2. Zwiſchen dem Grunde des Kelchs und der Baſis des
Fruchtknotens und der Filamente iſt ein ringfoͤrmiger Zwiſchen-
raum, welcher mit Saft angefuͤllt iſt.
3. Der Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert. Die
Oeffnung der Blume wird durch die Stigmate und die Antheren
meiſt ausgefuͤllt. Die fleiſchichten Filamente liegen unterwaͤrts
am Fruchtknoten dicht an, beruͤhren ſich aber nicht einander ſelbſt,
ſondern zwiſchen jeden zwey benachbarten iſt ein kleiner Zwiſchen-
raum. Auf ſolche Art fuͤhren gleichſam zehn Roͤhrchen zum Saft-
halter, durch welche die Inſekten durchkriechen, oder ihren Sau-
geruͤſſel durchſtecken koͤnnen, kein Regentropfen aber durchkom-
men kann.
4. Die roſenrothe Krone hat kein Saftmaal.
Saxifraga granulata. Weißer Steinbrech. Tab.
XIV. 13. 14. Tab. XVIII. 24. 25. 29. 30—32. Titelk. Fig.
XIX.
Tab. XIV. 13. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher
Stellung.
14. Dieſelbe, nachdem vorne ein Stuͤck weggeſchnitten wor-
den, damit man die (punktirte) Saftdruͤſe ſehen koͤnne.
Tab. XVIII. 30. Eine juͤngere Blume, von oben geſehen.
Zwey Filamente haben ſich verlaͤngert, und ihre Antheren haben
ſich geoͤffnet. Die uͤbrigen ſind noch kurz, und ihre Antheren
noch geſchloſſen.
Q
[[134]]
Saxifraga.
24. Eben dieſelbe, von der Seite geſehen, nachdem die
Kelchausſchnitte und die Kronenblaͤtter weggeſchnitten worden.
25. Dieſelbe, nachdem die Staubgefaͤße weggeſchnitten wor-
den. Die eine Haͤlfte des Piſtills von der inneren Seite iſt c
bey Fig. 19.
31. Die aͤltere Blume, von oben geſehen. Die ſaͤmtlich ver-
bluͤheten Staubgefaͤße haben ſich vom Piſtill entfernt.
29. Dieſelbe, von der Seite geſehen, nachdem die Kelchaus-
ſchnitte und die Kronenblaͤtter weggeſchnitten worden.
32. Dieſelbe, nachdem die Staubgefaͤße weggeſchnitten wor-
den. Bey Fig. 21. iſt in a das Stigma von der inneren, und in
b von der aͤußeren Seite vorgeſtellt.
Titelk. Fig. XIX. Die Blume wird von einer großen Fliege
beſucht und befruchtet.
1. Die Saftdruͤſe iſt der oberſte Theil des Fruchtknotens,
welcher dunkelgruͤn iſt, da die Griffel gelber ſind.
2. Die Saftdruͤſe iſt zugleich der Safthalter.
3. Obgleich die Blume aufrecht ſteht, ſo kann doch kein Re-
gentropfen den Saft verderben. Denn die laͤnglichten Kronen-
blaͤtter werden, beſonders in den juͤngeren Blumen, vom Kelch
zuſammengehalten, und koͤnnen ſich nicht aus einander breiten.
Sie bilden alſo gleichſam eine Roͤhre, in deren Grunde ſich der
Saft befindet. Die Staubgefaͤße und die Griffel laſſen einen
in dieſe Roͤhre hineingefallenen Regentropfen nicht bis zum Saft
dringen.
Die Struktur dieſer und der naͤchſtvorhergehenden Art iſt
alſo ſehr verſchieden. Linné hat zwey Gattungen des Tour-
nefort in Eine vereinigt. Zu der einen von jenen gehoͤrt Saxi-
fraga craſſifolia, und zu der anderen Saxifraga granulata. Es
fragt ſich alſo, ob er nicht beſſer gethan haͤtte, wenn er jene Gat-
tungen nicht vereinigt haͤtte.
Gleditſch hat in dieſer Blume Saft gefunden, S. 159.
Wann die Blume aufgebrochen iſt, ſo ſind die Filamente ins-
geſamt noch kurz, und die Antheren geſchloſſen. Bald darauf
aber verlaͤngern ſich zwey Filamente, und nehmen eine ſchiefe
Stellung an, ſo daß ihre Antheren, welche ſich unterdeſſen geoͤff-
net haben, grade uͤber dem Piſtill ſtehen. Nachdem ſie eine Zeit-
lang in dieſer Stellung geblieben ſind, ſo entfernen ſie ſich wieder
vom Piſtill, und legen ſich an die Krone an. Unterdeſſen ſind
zwey oder drey andere Staubgefaͤße an ihre Stelle gekommen.
Auf ſolche Art loͤſen ſich die Staubgefaͤße einander ab, welches
ungefaͤhr drey Tage dauert. Am dritten oder vierten Tage haben
ſich alle Staubgefaͤße an die Krone angelegt. Waͤhrend dieſer
Zeit liegen die beiden noch ſehr kurzen Griffel mit ihren Enden
dicht an einander, und dieſe Enden ſelbſt, aus welchen hernach
Saxifraga.
die Stigmate werden, haben auf der inneren Seite bloß eine
Spalte. Sobald aber die Staubgefaͤße verbluͤhet ſind, ſo ver-
laͤngern ſich die Griffel, und begeben ſich mit ihren Enden von
einander, und jene Spalte wird immer weiter, ſo daß endlich die
Enden ganz flach werden. Auf der aͤußeren Seite ſind dieſelben
ſo glatt, als die Griffel uͤberhaupt ſind; auf der inneren Seite
aber ſind ſie mit kurzen etwas aufrecht ſtehenden Haaren dicht
uͤberzogen, und inſofern die eigentlichen Stigmate. Wenn alſo
eine Fliege eine juͤngere Blume beſucht, ſo ſind ihr, indem ſie
hineinkriecht, zwey oder drey Antheren im Wege, und ſie muß
den Staub derſelben mit dem Kopf abſtreifen; und wenn ſie
hierauf eine aͤltere Blume beſucht, ſo umfaſſen die beiden Stig-
mate ihren Kopf, und buͤrſten gleichſam den an demſelben haften-
den Staub ab.
Wie dieſe Blume von einer etwas großen und ſehr haarichten
Fliege (Muſca vomitoria) befruchtet worden iſt, habe ich deut-
lich mit angeſehen. Ich hatte nemlich einige bluͤhende Stengel
auf einem Fenſter im Waſſer ſtehen. Auf den Blumen traf ich
einige von dieſen Fliegen an, welche zuweilen in die Wohnzim-
mer hineinfliegen, weil es ihnen aber in denſelben nicht gefaͤllt,
an den Fenſtern umherfliegen, und durch ihr Schnurren ſehr be-
ſchwerlich fallen. Wann eine von denſelben in eine juͤngere
Blume hineingekrochen war, und ſich eine Weile in derſelben
aufgehalten hatte, um den Saftvorrath zu verzehren: ſo kam ſie
mit einem mit gelbem Staube bepuderten Kopf wieder heraus.
Wann ſie hierauf ſich in eine aͤltere Blume begab, ſo beruͤhrte
ſie mit dem beſtaͤubten Kopf die beiden Stigmate und beſtaͤubte
dieſelben. Dieſe Stigmate waren in den von ihr beſuchten Blu-
men gelb, in den uͤbrigen aber weiß. So lieb es ihr aber war,
den von der Natur zu ihrer Nahrung beſtimmten Saft in den
Blumen zu finden, ſo ſchien ihr keinesweges damit gedient zu
ſeyn, daß ſie zur Vergeltung dieſelben befruchten mußte. Denn
ſie ſtreifte zuweilen den Staub mit den Vorderbeinen vom Kopf
ab, vermuthlich, weil ſie vor demſelben nicht ſehen konnte, und
wußte denſelben auch hernach von den Vorderbeinen ſehr kuͤnſtlich
abzuſtreifen, indem ſie dieſelben ſehr ſchnell um einander drehete,
welches beynahe ſo ausſah, als wenn ſich ein Menſch die Haͤnde
waͤſcht.
Die letzten Blumen ſetzen keine Samenkapſeln an, beſtaͤtigen
alſo, was ich in der Einleitung von den maͤnnlich-weiblichen
Dichogamiſten behauptet habe, daß aus den letzten Blumen keine
Fruͤchte entſtehen koͤnnen.
Saxifraga tridactylites. Dieſe Art hat mit der
vorhergehenden eine gleiche Einrichtung. In der Mittagsſtunde
[[135]]
Saxifraga.
bey ſchoͤnem Wetter kann man den glaͤnzenden Saft deutlich ſehen.
Gegen den Regen iſt derſelbe voͤllig geſichert.
Medikus fuͤhrt in ſeiner oben angezeigten Abhandlung
S. 150. eine Stelle aus des Linné Schriften an, welche dieſe
Blume betrifft, und zu merkwuͤrdig iſt, als daß ich ſie mit Still-
ſchweigen uͤbergehen koͤnnte. Linné ſagt nemlich in ſeiner Flora
Suecica Ed. 2. p. 98. alſo: „Sub floreſcentia germen ſtylo
„ſtigmatibusque deſtitutum (quod ſit ſtigmate deſtitutum,
„vitium typographicum eſſe reor; germen enim ſine concurſu
„ſtigmatis nunquam foecundatur. Medicus.) apice perforatum
„eſt. Stamina tum alternatim antheram foramini imponunt,
„explodunt pollinem (in plantis hermaphroditis pollen non
„exploditur, ſed blande e cellulis ſuis exſudat. Medicus.), re-
„cedunt ad corollam reliquis pari modo ſuccedentibus; ſtu-
„penda lege naturae in generatione plantarum.“
Als ich im Fruͤhjahr 1790 die Saxifraga granulata betrach-
tete, ſo bemerkte ich, daß einige Staubgefaͤße mit ſtaubvollen
Antheren ſich uͤber das Piſtill hingelehnt hatten, daß aber das
Piſtill keine Stigmate hatte. Da mir nun damals die Dichogamie
noch nicht bekannt war, ſo wußte ich gar nicht, was ich von
dieſer Erſcheinung denken ſollte. Zu meiner Schande muß ich be-
kennen, daß ich, denn ich erinnere mich deſſen noch ſehr wohl,
mir den ungluͤcklichen Gedanken einkommen ließ, die Natur
meiſtern zu wollen, weil mir dieſe Einrichtung ſchlechterdings
zweckwidrig zu ſeyn ſchien. Dafuͤr wurde ich denn auch nach
Verdienſt dadurch beſtraft, daß mir das Geheimniß der Dicho-
gamie noch verborgen blieb, welches ich ſchon damals nothwen-
dig haͤtte entdecken muͤſſen, weil ich wußte, daß die Blume eine
Saftblume iſt, wenn ich des unlaͤugbaren Grundſatzes eingedenk
geweſen waͤre: Die Natur thut nichts, was den Tadel eines
Sterblichen mit Recht verdienen ſollte, und wo uns alſo eine
Einrichtung derſelben unzweckmaͤßig, oder wohl gar zweckwidrig
zu ſeyn ſcheint, da liegt die Schuld nicht an der Natur, ſondern
an uns.
Was ich nun an dieſer Art bemerkte, eben das bemerkte
Linné an der Saxifraga tridactylites. Da er nun nicht wußte,
daß ſie eine Saftblume iſt (welches ich daraus ſchließe, daß er
weder in der Beſchreibung der Gattung, noch bey irgend einer
Art vom Nectario etwas meldet): ſo war es fuͤr ihn um ſo viel
ſchwerer, wenn nicht gar unmoͤglich, hier die Dichogamie zu ent-
decken. Wie half er ſich nun aber aus dieſer Schwierigkeit?
Er bildete ſich entweder ein, oder erdichtete, daß die Spitze des
Fruchtknotens durchbohrt ſey. Denn geſehen kann er dies nicht
haben, weil es gar nicht vorhanden iſt. Nachdem er nun die
Blume auf ſolche Art mit einem Stigma verſehen hat, ſo findet
Saxifraga.
er hier ein erſtaunenswuͤrdiges Geſetz der Natur, an welches die-
ſelbe nicht einmal gedacht hat. Und dies macht er als eine hoͤchſt
wichtige Entdeckung bekannt. Hier hat ſich Linné keinesweges
als einen philoſophiſchen Naturforſcher gezeigt. Anſtatt zu ſagen:
Das begreife ich nicht, erdichtet er etwas, was gar nicht vorhan-
den iſt, oder bildet es ſich wenigſtens ein.
Wenn Linné ſagt, der Fruchtknoten habe keine Stigmate,
ſo kann Medikus dies nicht begreifen, und haͤlt es daher fuͤr
einen Druckfehler. Aber wie iſt es moͤglich, daß der Schrift-
ſetzer einen ſolchen Fehler begangen habe? Wie iſt es moͤglich,
daß er hinter das Wort ſtylo noch das Wort ſtigmatibusque ge-
ſetzt habe, welches im Manuſcript nicht vorhanden war? Man
wuͤrde annehmen muͤſſen, daß er die Weglaſſung des Worts
ſtigmatibusque fuͤr einen Fehler gehalten, und ſich Amts halber
nothgedrungen geſehen habe, denſelben zu verbeſſern. Daraus
aber wuͤrde folgen, daß er Lateiniſch verſtanden habe, daß er bo-
taniſche Kenntniſſe beſeſſen habe, daß er endlich ein gar ſeltſamer
Menſch geweſen ſey, indem er es fuͤr ſeine Pflicht gehalten habe,
ſeine Schriftſteller zu verbeſſern. Dieſe drey Eigenſchaften aber
wird man ſchwerlich bey irgend einem Schriftſetzer beyſammen
antreffen. Linné hat ſich nur etwas unrichtig ausgedruͤckt; er
wollte aber ſagen, der Fruchtknoten habe keine Stigmate von ge-
woͤhnlicher Geſtalt, ſondern ſein Stigma ſey ein Loch, welches
aber ſeine Einbildungskraft, nicht die Natur, in denſelben hinein-
gebohrt hat. So wie alſo Linné die Natur, ſo hat Medikus
den Linné ganz unrecht verſtanden. Was aber die zweyte An-
merkung des Medikus betrifft, ſo dachte er, als er dieſelbe
niederſchrieb, nicht daran, daß er ſelbſt vorher S. 129. geſagt hatte,
daß die Staubgefaͤße der Kalmia den Staub mit einem Geraͤuſch
hinwegſpritzen.
Saxifraga Cotyledon. Gaͤnſezunge. In Anſehung
der Saftdruͤſe und des Safthalters iſt dieſe Art der Saxifraga
granulata aͤhnlich. Sie hat aber ein Saftmaal, welches jener
fehlt. Denn die weißen Kronenblaͤtter ſind an der Baſis mit
purpurfarbenen Punkten geziert.
Leske hat, wie Medikus S. 158. meldet, beobachtet,
daß auch in dieſer Blume die Staubgefaͤße ſich wechſelsweiſe uͤber
die Stigmate hinbeugen. Er hat ſich aber hier eben ſo, als beym
Allium, geirrt. Denn ſo lange die Staubgefaͤße ſich einander
abloͤſen, liegen die beiden Stigmate noch dicht an einander, und
koͤnnen folglich keinen Staub erhalten. Erſt nachdem alle Staub-
gefaͤße verbluͤhet ſind, und ſich an die Krone angelehnt haben,
fangen die Griffel an ſich von einander zu begeben. Dieſes habe
ich im Botaniſchen Garten zu Berlin ſehr wohl bemerkt. Ein
Umſtand aber kam mir noch merkwuͤrdig vor. Nemlich in den
Q 2
[[136]]
Saxifraga. Scleranthus.
ganz alten Blumen, welche ſchon befruchtet zu ſeyn ſchienen,
hatten ſich die Staubgefaͤße ſaͤmtlich wieder uͤber die Stigmate
hingebogen, ſo daß ſie nun einen Kegel bildeten. Uebrigens hat
die Blume eine ſehr anſehnliche frey liegende gelbe Saftdruͤſe.
Auch fand ich, daß ſie von einer Fliege beſucht wurde.
Saxifraga vmbroſa. Tab. XXII. 1. 2.
1. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
2. Das noch ſtaͤrker vergroͤſſerte Piſtill von der Seite.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt die oberſte
Haͤlfte des unterſten dickeren Theils des glatten Piſtills, auf wel-
cher der Saft in Geſtalt kleiner Tropfen ſitzt.
4. Die Blume hat ein ſchoͤnes Saftmaal. Denn die weißen
Kronenbiaͤtter ſind mit kleinen rothen, an der Baſis aber mit
zwey groͤſſeren gelben Duͤpfeln geziert. Aeſculus Hippocaſta-
num hat ein Saftmaal, welches anfangs gelb, hernach aber roth
iſt; dieſe Blume hat ein ſolches, welches zugleich gelb und roth
iſt. Da aber der gelbe Theil deſſelben dem Saft naͤher iſt, als
der rothe, ſo ſcheint dieſe Blume dasjenige zu beſtaͤtigen, was
ich bey jener geſagt habe, daß nemlich die gelbe Farbe fuͤr die
Inſekten mehr Reiz haben, oder denſelben ſtaͤrker in die Augen
fallen muͤſſe, als die rothe.
Scleranthus.
Scleranthus perennis. Johannisblut. Knauel. Tab.
XVII. 43. 44.
43. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen. Im Grunde
derſelben die (punktirte) Saftdruͤſe.
44. Das noch ſtaͤrker vergroͤſſerte Piſtill.
Auch dieſe Blume iſt eine Saftblume. Wenn man ſie ge-
gen das Sonnenlicht haͤlt, ſo ſieht man im Grunde derſelben
den glaͤnzenden Saft. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthal-
ter iſt der oberſte gelbe Theil der unterſten Haͤlfte des Kelchs, in
welcher der Fruchtknoten befindlich iſt, und welche hernach das
Samenbehaͤltniß wird. Dieſer oberſte Theil hat in der Mitte
eine ſehr enge Oeffnung fuͤr die beiden Griffel. Wenn man die
unterſte Haͤlfte des Kelchs aufſchneidet, ſo kann man das ganze
Piſtill herausnehmen. Die Filamente halten die Regentropfen,
welche auf die innere Seite des Kelchs gefallen ſind, vom Saft
ab. Der Kelch vertritt zugleich die Stelle der Krone. Denn er
iſt gruͤn, am Rande aber weiß. Folglich faͤllt das Bluͤmchen den
Inſekten beſſer in die Augen, als wenn der Kelch ganz gruͤn
waͤre.
Saponaria. Dianthus.
Saponaria.
Saponaria officinalis. Seifenkraut. Dieſe Blume
gehoͤrt zu der natuͤrlichen Gattung, zu welcher Silene, Cucuba-
lus und Lychnis gehoͤren. Sie iſt alſo, wie dieſe, eine Saft-
blume, und hat eine aͤhnliche Struktur. Auch fehlen ihr nicht
die beiden Anſaͤtze oben am Nagel eines jeden Kronenblatts,
welche, wie ich bey der Lychnis zeigen werde, zur Beſchuͤtzung
des Safts vor dem Regen dienen. Sie iſt eine Nachtblume,
wie Lychnis dioeca, welcher ſie, ſo wie uͤberhaupt die ganze
Pflanze, ſehr aͤhnlich iſt. Deswegen hat ſie kein Saftmaal.
Dianthus.
Dianthus ſuperbus. Hohe Federnelke. Tab. XIV.
15—20*.
15. Eine etwas vergroͤſſerte juͤngere Blume, von oben ge-
ſehen.
16. Der Fruchtknoten nebſt der (punktirten) Haͤlfte der Saft-
druͤſe, welche den Stiel deſſelben umgiebt.
17. Dieſe Haͤlfte der Saftdruͤſe, nachdem der Fruchtknoten
herabgebogen worden.
18. Eine juͤngere Blume in natuͤrlicher Stellung. a der mit
Borſten beſetzte Fleck eines Kronenblatts.
19. Die etwas vergroͤſſerte Samenkapſel in natuͤrlicher
Stellung.
20. Dieſelbe, von oben geſehen.
20*. Die verbluͤheten Staubgefaͤße und bluͤhenden Stigmate
einer aͤlteren Blume.
1. Die Saftdruͤſe iſt der roͤhrenfoͤrmige inwendig gelbe Theil,
welcher den Stiel des Fruchtknotens umgiebt, und die Filamente
und Kronenblaͤtter traͤgt.
2. Der Saft befindet ſich theils innerhalb dieſes Koͤrpers,
theils ſteigt er in die Hoͤhe, und bleibt zwiſchen dem Fruchtkno-
ten und den Filamenten ſtehen.
3. Obgleich die Blume aufrecht ſteht, ſo kann doch keiner
von den Regentropfen, welche auf dieſelbe gefallen ſind, zum
Saft gelangen. Denn 1) haben die Kronenblaͤtter, ob ſie gleich
einen großen Umfang haben, dennoch nur eine kleine Oberflaͤche,
weil ſie in ſehr ſchmale Stuͤcke ausgeſchnitten ſind. 2) Wenn ein
Regentropfen auf ein Kronenblatt gefallen iſt, ſo kann derſelbe
nicht am Nagel deſſelben hinabfließen; denn daſſelbe hat uͤber dem
Nagel einen Fleck, welcher mit auswaͤrts gerichteten Borſten
beſetzt iſt. Dieſe Borſten halten jeden Regentropfen auf. 3) bil-
det der Kelch nebſt den Naͤgeln der Kronenblaͤtter eine enge Roͤhre,
[[137]]
Dianthus.
welche von den Filamenten und Stigmaten meiſtentheils ausge-
fuͤllt wird.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Krone iſt fleiſch-
farben, jene Flecke aber, auf welchen die Borſten ſtehen, ſind
gruͤnlich, und die Borſten ſind dunkelroth. Auch hat ſie einen
ſehr angenehmen Geruch. Weil ſie ein Saftmaal hat, ſo muß
ſie eine Tagesblume ſeyn, und des Morgens aufbrechen, uͤber
welchen Umſtand ich noch keine Beobachtungen angeſtellt habe.
Dem ſcheint zu widerſprechen, daß ihr Geruch des Abends ſtaͤr-
ker und angenehmer iſt, als am Tage, als woraus zu folgen
ſcheint, daß ſie eine Nachtblume iſt. Vielleicht iſt ſie eben ſowohl
fuͤr Nachtinſekten, als fuͤr Tagesinſekten beſtimmt, und locket
jene vorzuͤglich durch den Geruch, dieſe aber vorzuͤglich durch die
Farbe der Krone an ſich.
Dieſe Blume zeigt auf eine einleuchtende Art, wie die Na-
tur zwey ſich entgegengeſetzte Abſichten zugleich zu erreichen weiß.
Die Krone ſoll groß und anſehnlich ſeyn, damit die Blume den
Inſekten in die Augen falle, zugleich aber ſollen ſo wenig Regen-
tropfen, als moͤglich, auf dieſelbe fallen, damit ſie nicht den
Saft verderben. Die Natur gab alſo den Kronenblaͤttern einen
großen Umfang, zerſchnitt ſie aber in ſchmale Stuͤcke.
Was Linné die Griffel nennt, ſind die Stigmate, welches
ich bey der Lychnis dioeca beweiſen werde.
5. Auch bey dieſer Blume findet das ungleichzeitige Bluͤhen
der Antheren und der Stigmate Statt. Denn in der juͤngeren
Blume, Fig. 15. 18, ragen die Filamente mit den bluͤhenden
Antheren aus der Roͤhre der Blume heraus, und ſtehen aufrecht,
die Stigmate aber ſind noch innerhalb derſelben befindlich. Wann
aber die Antheren verbluͤhet ſind, und die verwelkten Filamente
herabhangen, alsdenn erſt kommen die Stigmate aus der Roͤhre
zum Vorſchein, und nehmen die von den Antheren verlaſſene
Stelle ein. Eben dieſes habe ich auch bey dem Dianthus Caryo-
phyllus bemerkt. Folglich wird die aͤltere Blume von Inſekten
durch den Staub der juͤngeren befruchtet. Ich habe zwar im
Grunde der Roͤhre ſchwarze und gelbe Blaſenfuͤße angetroffen;
dieſe aber koͤnnen die Blume nicht befruchten.
Betrachtet man die Samenkapſel, ſo ſieht man leicht ein,
daß dieſelbe ſo eingerichtet iſt, daß die Samenkoͤrner vom Winde
weit und breit verſtreuet werden muͤſſen. Denn ſie ſteht 1) auf-
recht, und oͤffnet ſich an der Spitze, iſt 2) lang, und 3) ſehr
enge. Die Samenkoͤrner koͤnnen alſo nicht von ſelbſt aus derſel-
ben heraus-, und nahe um die Pflanze herum auf die Erde fal-
len, ſondern es gehoͤrt ein ziemlich ſtarker Wind dazu, ſie heraus-
zuwerfen, da ſie denn von der Pflanze weit entfernt werden.
Dianthus.
Dianthus deltoides. Heidenelke. Tab. XIV. 17*,
21. 22. 27.
17*. Ein Kronenblatt, von der Seite geſehen.
27. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
21. Dieſelbe im Queerdurchſchnitt.
22. Der unterſte Theil des Kelchs, nachdem das vorderſte
Stuͤck weggeſchnitten worden. Innerhalb deſſelben die Saftdruͤſe
zwiſchen a und b, verglichen mit Fig. 16. 17.
1. Mit der Saftdruͤſe verhaͤlt es ſich bey dieſer Art eben ſo,
als bey der vorher gehenden.
2. Der Saft ſammlet ſich im Grunde des Kelchs, weil der
roͤhrenfoͤrmige Theil, welcher jenen abſondert, nicht den ganzen
Raum dieſes einnimmt.
3. Die Kronenblaͤtter ſind, beſonders nach der Mitte zu,
haaricht, Fig. 17*. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen
ſcheint auch der Umſtand zu dienen, daß die Naͤgel der Kronen-
blaͤtter auf der inneren Seite der Laͤnge nach zwey Anſaͤtze ha-
ben, welche einen Winkel machen, in welchem die gegenuͤberſte-
henden Filamente liegen, Fig. 21. *). Dieſer Umſtand verur-
ſacht wenigſtens, daß die Filamente beſtaͤndig gleich weit von ein-
ander entfernt bleiben, und grade ſtehen, folglich auch die Zwi-
ſchenraͤume zwiſchen denſelben immer gleich enge bleiben. Zugleich
aber koͤnnen auch die Inſekten ungehindert zum Saft gelangen,
welches nicht geſchehen wuͤrde, wenn ein oder mehrere Filamente
eine ſchiefe Stellung haͤtten. Dieſe Anſaͤtze hat auch Saponaria
officinalis.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Kronenblaͤt-
ter ſind roſenroth, haben aber an der Baſis des Plaͤttchens einen
blutrothen Queerſtreif, und ſind daſelbſt mit weißen Duͤpfeln ge-
ziert. Dadurch entſteht in der Mitte der Krone ein blutrother
Ring, welcher nebſt den weißen Duͤpfeln gegen das Roſenroth
ſchoͤn abſticht, Fig. 27.
Dianthus Carthuſianorum. Karthaͤuſernelke. Tab.
V. 9. 10.
10. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen. Es iſt eine
aͤltere Blume, deren Stigmate bluͤhen, da die Staubgefaͤße ſchon
verwelkt ſind.
9. Ein Kronenblatt, von der Seite geſehen.
Die Naͤgel der Kronenblaͤtter haben hier auch den doppelten
Anſatz. Die Kronenblaͤtter ſind in der Mitte mit weichen Haaren
verſehen, welche die Regentropfen abhalten. Die roſenrothe Krone
iſt mit blutrothen Linien geziert, welche wie radii eines Kreiſes,
Q 3
[[138]]
Dianthus. Cucubalus. Silene.
nach dem Mittelpunkt derſelben, oder nach der Oeffnung der
Roͤhre zu laufen, und alſo die Inſekten gleichſam zu derſelben
hinfuͤhren.
Dianthus barbatus. Das Saftmaal beſteht in vielen
weißen Punkten, mit welchen die Kronenblaͤtter in der Mitte
geziert ſind, und die Saftdecke aus den Haaren, welche naͤher
am Nagel ſtehen. Auf der Blume traf ich den gemeinen weißen
Schmetterling an, welcher ſeinen Saugeruͤſſel ganz in die Roͤhre
derſelben hineinſteckte, folglich mit der Oeffnung deſſelben den
Saft erreichte. Dieſer wußte alſo in derſelben beſſer Beſcheid,
als Gleditſch, welcher S. 182. und 192. ſagt, daß die Bie
nen aus dem Dianthus deltoides, arenarius und ſuperbus den
Staub holen, folglich nicht bemerkt haben muß, daß dieſe Blu-
men Saft haben.
Cucubalus.
Linné unterſcheidet dieſe Gattung von der Silene bloß durch
den Umſtand, daß die Kronenblaͤtter der letzteren oben am Nagel
zwey Anſaͤtze haben, welche bey dieſer fehlen. Indeſſen hat theils
ſchon Reichard erinnert, daß Cucubalus baccifer mit dieſen
Anſaͤtzen verſehen iſt, theils habe ich eben daſſelbe beym Cucu-
balus Behen gefunden. Dieſe beiden Arten gehoͤren alſo wenig-
ſtens zur Gattung Silene.
Cucubalus Behen. Wiederſtoß. Dieſe Blume iſt
eben ſo eingerichtet, als eine Silene. Die Saftdruͤſe iſt nemlich
der oberſte Theil des walzenfoͤrmigen Koͤrpers, welcher den Frucht-
knoten traͤgt. Dieſer oberſte Theil deſſelben iſt fleiſchicht, glatt,
in der Mitte ausgehoͤhlt, und gelblich, da der unterſte gruͤn iſt.
Der Saft iſt zwiſchen dem Fruchtknoten und den Filamenten und
den Naͤgeln der Kronenblaͤtter befindlich. Die ſehr kleinen An-
ſaͤtze der Kronenblaͤtter dienen auch hier zur Abhaltung der Re-
gentropfen. Die Blume iſt wahrſcheinlich eine Nachtblume, da
die Krone ganz weiß iſt, und kein Saftmaal hat.
Gleditſch hat den Saft dieſer Blume nicht geſehen; denn
er ſagt S. 161. bloß, daß die Bienen Stoff zum Wachs aus der-
ſelben holen.
Silene.
Bey dieſer Gattung hat Linné ſich ſehr verſehen. Er hat
nemlich geglaubt, daß die beiden Anſaͤtze, mit welchen jedes Kro-
nenblatt verſehen iſt, den Saft abſondern und enthalten. Ver-
hielte ſich die Sache alſo, ſo haͤtte die Natur ein Werk her-
vorgebracht, welches ihr keine Ehre machen wuͤrde. Denn
eine roͤhrenfoͤrmige Blume, deren Saftdruͤſe an der Oeffnung
der Roͤhre ſitzt, deren Saft alſo dem Regen voͤllig ausge-
Silene.
ſetzt iſt, indeß der Grund der Roͤhre, wo der Saft gegen den
Regen geſichert ſeyn wuͤrde, leer iſt, eine ſolche Blume, ſage ich,
iſt ein elendes Machwerk, und wird nirgends gefunden werden.
Dieſe Anſaͤtze dienen bloß zur Abhaltung der Regentropfen, wie
ich bey der Lychnis dioeca zeigen werde.
Silene noctiflora. Sie iſt der Lychnis dioeca voll-
kommen aͤhnlich, den Umſtand ausgenommen, daß ſie eine Zwit-
terblume iſt. Die Saftdruͤſe iſt der walzenfoͤrmige Koͤrper, wel-
cher den Fruchtknoten, die Filamente und die Naͤgel der Kronen-
blaͤtter traͤgt. Sie hat eine weiße Krone ohne Saftmaal, wie
jene, weil ſie auch, wie dieſelbe, eine Nachtblume iſt.
Silene nutans. Tab. XXII. 3. 4.
3. Die Blume, von unten geſehen, des Abends.
4. Dieſelbe bey Tage.
Gleditſch, S. 161., hat den Saft dieſer Blume nicht ge-
ſehen. Sie unterſcheidet ſich von der Lychnis dioeca nur da-
durch, daß der Grund ihres Kelchs enge iſt, da er bey dieſer weit
iſt. Die Urſach dieſes Unterſchieds laͤßt ſich leicht einſehen. Die
letztere ſteht aufrecht; folglich kann der Saft aus dem Grunde
des Kelchs, er mag noch ſo weit ſeyn, nicht herausfließen. Die
Silene aber haͤngt herab. Waͤre nun der Grund des Kelchs weit,
ſo wuͤrde der Saft wegen ſeiner Schwere herabfließen, und viel-
leicht von der Blume herabfallen. Da aber der Grund des Kelchs
ſo enge iſt, daß zwiſchen ihm und dem walzenfoͤrmigen Koͤrper
nur ein ſehr ſchmaler Zwiſchenraum iſt: ſo muß der Saft in die
Hoͤhe ſteigen, und dieſen Zwiſchenraum ausfuͤllen, weil er ſowohl
von jenem, als dieſem angezogen wird. Weil die Blume eine
Nachtblume iſt, ſo hat ſie eine weiße Krone ohne Saftmaal.
Bey Tage hat die Krone ein elendes welkes Anſehen; des Abends
aber bekoͤmmt ſie Kraft, breitet ſich flach aus, iſt ſteif, und ſieht
wie ein weißer zehnſtrahlichter Stern aus. Wer die Blumen
ſonſt nur bey Tage geſehen hat, und ſie zufaͤlligerweiſe einmal des
Abends findet, ſtutzt bey Erblickung derſelben, und glaubt, eine
ihm neue Blume gefunden zu haben.
Die Samenkapſel haͤngt nicht, wie die Blume, herab, ſon-
dern ſteht aufrecht, damit der Same nicht herausfalle, ſondern vom
Winde herausgeworfen und weit verſtreuet werde.
Silcne quinqueuulnera. Die fuͤnf Wunden ſind
das Saftmaal. Dieſe Art iſt alſo eine Tagesblume, und muß
des Morgens aufbrechen, welches auch ein Gaͤrtner, den ich
darum befragte, bemerkt haben wollte.
Silene Armeria. In ihrem ſehr langen Safthalter habe
ich Blaſenfuͤße gefunden.
[[139]]
Stellaria. Sedum. Oxalis.
Stellaria.
Stellaria graminea hat, wie Ceraſtium, fuͤnf Saft-
druͤſen, und auf denſelben ſo viel Safttroͤpfchen. Ein gleiches
gilt von der Stellaria Dilleniana Leerſii, wie auch von
der Arenaria trineruia.
Daß Gleditſch die Saftdruͤſen und die Safttroͤpfchen der
Blumen dieſer Gattung nicht geſehen habe, erhellet aus demjeni-
gen, was er S. 152. ſagt.
Sedum.
Sedum Telephium. Fette Henne. Tab. XIV. 23.
24.
23. Die Fruchtknoten nebſt den unter denſelben ſitzenden
(punktirten) Saftdruͤſen.
24. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
1. Die fuͤnf langen und gelben Saftdruͤſen, welche ſchon
Linné angezeigt hat, ſitzen unten an der Baſis der Frucht-
knoten.
2. Dieſelben ſind zugleich die Safthalter.
3. Zum Saft kann kein Regentropfen gelangen; denn die
Kronenblaͤtter ſchließen dicht an die Fruchtknoten. Beſieht man
alſo die Blume von oben, ſo kann man weder Saftdruͤſen, noch
Saft ſehen.
5. Die Blume wird von Hummeln beſucht, welche ihren
Saugeruͤſſel zwiſchen die Kronenblaͤtter und die Fruchtknoten
hineinſtecken.
Oxalis.
Oxalis Acetoſella. Sauerklee. Tab. XIV. 25. 26.
28—30. 32.
25. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen, ohne Schat-
ten. Die Befruchtungstheile ſind herausgeſchnitten.
26. Ein Kronenblatt von innen.
28. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
29. Dieſelbe, nachdem die beiden vorderſten Kronenblaͤtter
herausgezogen worden.
30. Die nach geendigter Bluͤhezeit abgefallene Krone.
32. Ein Kronenblatt von der Seite nebſt der (punktirten)
Saftdruͤſe, welche daſſelbe traͤgt.
Linnés Ausdruck: Corolla quinquepartita, vnguibus
cohaerens, iſt unverſtaͤndlich. Denn aus dem erſten Beywort
ſchließt man, daß die Krone aus Einem Blatt beſteht, und aus
dem zweyten, daß ſie aus mehreren beſteht. Sie beſteht wirklich
aus fuͤnf Blaͤttern.
Oxalis. Agroſtemma.
1. Die Saftdruͤſen ſind die fuͤnf kleinen Koͤrper, auf welchen
die Kronenblaͤtter ſtehen.
2. Dieſelben ſind zugleich die Safthalter.
3. Um den Saft vor dem Regen zu ſchuͤtzen, iſt diejenige
Anſtalt getroffen worden, durch welche Linné ſich hat verleiten
laſſen, die Krone fuͤr einblaͤttricht zu halten. Die Kronen-
blaͤtter haben nemlich unmittelbar uͤber dem Nagel auf beiden
Seiten einen etwas fleiſchichten Anſatz. Vermittelſt dieſer An-
ſaͤtze, nicht aber, wie Linné ſagt, vermittelſt der Naͤgel, ſchei-
nen ſie zuſammengewachſen zu ſeyn; ſie ſind es aber nicht, ſon-
dern hangen nur vermittelſt derſelben zuſammen. Jedes zuſam-
menhangende Paar der Anſaͤtze, welche zu zwey benachbarten
Kronenblaͤttern gehoͤren, ragt bis an die Filamente. Auf ſolche
Art entſtehen im Grunde der Krone fuͤnf Loͤcher, welche fuͤr einen
Regentropfen zu klein, fuͤr ein kleines Inſekt aber und fuͤr den
Saugeruͤſſel eines großen groß genug ſind. Die Filamente hal-
ten auch manchen Regentropfen ab, in den Grund der Roͤhre
hinabzufließen.
4. Die Kronenblaͤtter ſind weiß, und mit blaßrothen Adern
ſchoͤn geziert. An der Baſis aber haben ſie einen gelben Fleck.
Das Saftmaal beſteht alſo aus fuͤnf gelben Flecken, welche im
Grunde der Krone unmittelbar uͤber den fuͤnf Loͤchern angebracht
ſind, und die Inſekten anlocken, in dieſelben hineinzukriechen.
Die Blume iſt folglich eine Tagesblume; auch habe ich dieſelbe
nur in den Mittagsſtunden geoͤffnet geſunden.
Gleditſch fuͤhrt zwar S. 141. dieſe Blume als eine ſolche
an, welche den Bienen nuͤtzlich iſt, ſagt aber nicht, was ſie aus
derſelben holen. Daß er den Saft derſelben geſehen habe, daran
zweifele ich.
Oxalis corniculata iſt auch eine Tagesblume; denn
des Abends ſchließt ſie ſich.
Agroſtemma.
Agroſtemma Githago. Raden. Nichel. Tab. XXIV.
7. 8. 10. 11. 28.
7. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe, von oben geſehen.
Sie hat ſich erſt vor kurzem geoͤffnet, und die Antheren fangen
erſt an, aus der Roͤhre hervorzukommen.
11. Das unterſte Stuͤck des Kelchs, nachdem die vorderſte
Haͤlfte deſſelben und das Piſtill weggeſchnitten worden. Unter
den Filamenten ein (punktirter) Theil der Saftdruͤſe.
8. Die Befruchtungstheile einer juͤngeren Blume. Sieben
Antheren haben ihre voͤllige Hoͤhe erreicht, und bluͤhen. Die
achte hat ihre voͤllige Hoͤhe noch nicht erreicht, und ſich noch nicht
[[140]]
Agroſtemma. Lychnis.
geoͤffnet. Die beiden uͤbrigen befinden ſich noch im Grunde des
Kelchs.
28. Die vorhergehende Figur, nachdem das vorderſte Stuͤck
des Kelchs nebſt den dazu gehoͤrigen Staubgefaͤßen weggeſchnitten
worden, damit man die 9. und 10. Anthere, wie auch die Stig-
mate ſehen koͤnne.
10. Die Befruchtungstheile einer aͤlteren Blume. Die Fi-
lamente ſind welk, und die Antheren ohne Staub, die Stig-
mate hingegen haben ſich verlaͤngert und aus einander gebreitet.
1. Die Saftdruͤſe iſt der unter dem Fruchtknoten befindliche
Ring, welcher die Filamente und die Naͤgel der Kronenblaͤtter
traͤgt. Er iſt fleiſchicht, und inwendig glatt und blaßgelb.
2. Der Grund des Kelchs iſt der Safthalter, enthaͤlt aber
weit weniger Saft, als man nach der Groͤſſe der Blume erwar-
ten ſollte. Daher wundere ich mich nicht, daß Gleditſch den-
ſelben nicht bemerkt hat, S. 208.
3. Der Kelch iſt oben nicht ſo weit, als unten. Alſo hat
die Roͤhre, welche die Naͤgel der Kronenblaͤtter bilden, eine enge
Oeffnung, und dieſe wird uͤberdies von den Filamenten und den
haarichten Stigmaten groͤßtentheils ausgefuͤllt. Denn was
Linné die Griffel nennt, ſind die Stigmate.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Kronenblaͤtter
ſind purpurfarben, an der Baſis aber weißlich und mit dunkel-
purpurfarbenen Linien geziert, welche laͤngliche dunkelblaue Flecke
haben. Die Blume aͤndert weder des Nachts, noch, wenn es
ſchlecht Wetter iſt, bey Tage ſo wenig ihre aufrechte Stellung,
als ihre Geſtalt.
5. Der gemeine weiße Schmetterling naͤhrt ſich von ihrem
Saft. Auch fand ich ſchwarze Blaſenfuͤße in großer Anzahl in
den Blumen; in manchen waren wohl zwanzig bis dreißig. Daß
die Blume von Inſekten befruchtet wird, folgt aus ihrer dichoga-
miſchen Einrichtung. Denn nachdem dieſelbe aufgebrochen iſt,
kommen die Antheren, indem die Filamente ſich verlaͤngern, eine
nach der andern zum Vorſchein, und oͤffnen ſich. Die Stigmate
aber ſind unterdeſſen noch kurz, und liegen dicht an einander.
Nachdem alle Antheren verbluͤhet ſind, kommen die Stigmate
zum Vorſchein, und begeben ſich von einander. Alſo werden die
aͤlteren Blumen von Inſekten mit dem Staube der juͤngeren be-
fruchtet.
Lychnis.
Lychnis dioeca. Tab. VI. 24—26. Tab. XIV. 31.
33—42. Tab. XVI. 1. 2.
Die maͤnnliche Blume.
Lychnis.
Tab. XIV. 33. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe, von
oben geſehen.
35. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung.
36. Der unterſte Theil der Blume, nachdem die vordere
Haͤlfte des Kelchs weggeſchnitten worden.
37. Die Blume ohne den Kelch. Man ſieht, daß die Naͤ-
gel der Kronenblaͤtter zum Theil uͤber einander liegen.
39. Ein Kronenblatt von außen.
41. Daſſelbe von innen. Man ſieht ſowohl die beiden An-
ſaͤtze in der Mitte, als auch die beiden Fortſaͤtze an den Seiten.
38. Die Saftdruͤſe, welche die Filamente traͤgt.
40. Dieſelbe, nachdem neun Filamente weggeſchnitten wor-
den, wodurch das Rudiment des Fruchtknotens zum Vorſchein
gekommen iſt.
31. Dieſelbe, nachdem das vorderſte Stuͤck derſelben wegge-
ſchnitten worden.
Die weibliche Blume.
Tab. VI. 25. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe, von oben
geſehen.
26. Dieſelbe in natuͤrlicher Groͤſſe und Stellung, nachdem
ſie verbluͤhet iſt.
24. Ein vergroͤſſertes Stigma.
Tab. XIV. 42. Der unterſte Theil der Blume, nachdem
der Kelch durchſchnitten, und die vorderſte Haͤlfte deſſelben umge-
ſchlagen worden.
34. Der Fruchtknoten, und unter demſelben die Saftdruͤſe
c d. Die Naͤgel der Kronenblaͤtter, welche ſie traͤgt, ſind abge-
riſſen worden; auf ihrem Rande aber ſieht man die Rudimente
der Filamente.
31*. Die Saftdruͤſe, nachdem der Fruchtknoten herausge-
ſchnitten worden, von oben geſehen.
Tab. XVI. 1. Die Samenkapſel in natuͤrlicher Stellung.
2. Dieſelbe, von oben geſehen.
Zufoͤrderſt erinnere ich, daß Linné in ſeiner Beſchreibung
der Gattung zwey Fehler begangen hat. Erſtens hat er die bei-
den Anſaͤtze der Kronenblaͤtter, welche er bey der Silene das
Nectarium nennt, hier gar nicht angefuͤhrt, da ſie doch wenig-
ſtens in vier Arten, nemlich dioeca, flos cuculi, Chalcedonica
und Viſcaria vorhanden ſind. Zweytens, was er den Griffel
und das Stigma nennt, iſt bloß das Stigma, und der Griffel
fehlt, Tab. VI. 24. Das Stigma iſt der ganze abgebildete Koͤr-
per, oder eigentlich die innere Seite deſſelben, welche mit kurzen
Haaren uͤberzogen iſt.
Die maͤnnliche Blume.
1. Die
[[141]]
Lychnis.
1. Die Saftdruͤſe iſt der ringfoͤrmige Koͤrper, welcher die
Filamente und die Naͤgel der Kronenblaͤtter traͤgt, und auf einem
laͤnglichten walzenfoͤrmigen Koͤrper ſitzt. Er iſt inwendig, wo er
eigentlich den Saft abſondert, gelb.
2. Der Saft iſt theils uͤber der Saftdruͤſe zwiſchen den Fi-
lamenten befindlich, theils, wenn er ſich anhaͤuft, fließt er zwi-
ſchen dieſelben und die Naͤgel der Kronenblaͤtter hindurch, und in
den Grund des Kelch hinab.
3. Der Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert. Der Kelch
iſt oben enge, verurſacht alſo, daß auch die Oeffnung der Roͤhre,
welche die Naͤgel der Kronenblaͤtter bilden, enge iſt. Um dieſe
Oeffnung herum bilden die doppelten Anſaͤtze, mit welchen die
Kronenblaͤtter verſehen ſind, einen Kranz. Dieſer macht mit den
Kronenblaͤttern einen Winkel. In dieſem Winkel bleibt jeder Re-
gentropfen ſtehen, welcher auf die innere Oberflaͤche der Kronen-
blaͤtter gefallen iſt, und kann folglich nicht in die Oeffnung der
Roͤhre hineinfließen. Ferner ſind die Naͤgel der Kronenblaͤtter
breit, und haben oben an beiden Seiten noch einen Fortſatz.
Tab. XIV. 37. zeigt, wie dieſelben zum Theil auf einander Uegen,
und wie der rechte Fortſatz eines jeden Kronenblatts an der aͤuße-
ren Seite des rechter Hand befindlichen naͤchſten Kronenblatts,
und folglich ſein linker Fortſatz an der inneren Seite des linker
Hand befindlichen naͤchſten Kronenblatts dicht anliegt. Auf ſolche
Art bilden die Naͤgel der Kronenblaͤtter eine enge Roͤhre. Endlich
ſind die Filamente unterwaͤrts haaricht, Fig. 38. 40., damit,
wenn ja ein Regentropfen in die Roͤhre ſollte gekommen ſeyn,
derſelbe doch nicht zum Saft gelangen koͤnne.
Die weibliche Blume.
1. Die Saftdruͤſe iſt der ringfoͤrmige Koͤrper, welcher auf
dem Rande die Naͤgel der Kronenblaͤtter, in der Mitte aber den
Fruchtknoten traͤgt. Derſelbe iſt inwendig, wo er eigentlich den
Saft abſondert, ſpiegelglatt und gelblich. Soweit die Naͤgel der
Kronenblaͤtter am Fruchtknoten anliegen, hat dieſer ein anderes
Anſehen, als oberwaͤrts, Tab. XIV. 42. 34.; denn er iſt ſchoͤn
dunkelgruͤn, und glaͤnzt wie Oel, c b, da er oberwaͤrts, b a,
mattgruͤn und ohne Glanz iſt. Dadurch koͤnnte man ſich leicht
verleiten laſſen, den unterſten Theil des Fruchtknotens fuͤr die
Saftdruͤſe zu halten, weil, wenn der unterſte Theil eines Frucht-
knotens die Saftdruͤſe iſt, derſelbe ein anderes Anſehen zu haben
pflegt, als der oberſte. Dieſes andere Anſehen verurſacht hier
bloß der Saft.
2. Der Saft ſteigt theils zwiſchen dem Fruchtknoten und
den Naͤgeln der Kronenbiaͤtter in die Hoͤhe, theils fließt er
zwiſchen die letzteren hindurch und in den Grund des Kelchs
hinab.
Lychnis.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen iſt hier
eben dieſelbe Anſtalt getroffen worden, welche bey der maͤnnlichen
Blume angezeigt worden iſt, den einzigen Umſtand ausgenom-
men, daß hier keine haarichte Filamente ſind. Zur Erreichung
dieſes Endzwecks dient bey beyderley Blumen noch dies, daß die-
ſelben, da ſie ſonſt aufrecht ſtehen, bey anhaltendem Regen ſich
herabneigen, weil ſie von den auf ihnen haftenden Regentropfen
herabgedruͤckt werden. Am Abend eines Tages, an welchem es
ununterbrochen geregnet hatte, fand ich alle Blumen in einer
ſolchen Stellung, daß ſie die Krone beynahe voͤllig der Erde zu-
kehrten, und die aͤußere Oberflaͤche der Krone war zwar mit Re-
gentropfen benetzt, keinesweges aber die innere.
4. Beiderley Blumen ſind Nachtblumen; denn ſie fangen
des Abends an zu bluͤhen. Ihre Krone mußte alſo theils von
einer anſehnlichen Groͤſſe, theils von heller Farbe ſeyn, damit
ſie in der Dunkelheit der Nacht von den Inſekten bemerkt wuͤrde.
Sie iſt alſo ſchneeweiß. Ein Saftmaal wuͤrde unnuͤtz ſeyn; da-
her iſt keines vorhanden.
Merkwuͤrdig iſt noch das Rudiment des Fruchtknotens, wel-
ches die maͤnnliche, und die Rudimente der Filamente, welche die
weibliche Blume hat. Erſteres, Tab. XIV. 40. 31., iſt ein duͤn-
ner Stift, welcher in der Mitte der Saftdruͤſe ſitzt, und letztere,
Fig. 34. 42. 31*., ſind kleine Zaͤhne, welche auf dem Rande der
Saftdruͤſe ſitzen. Dieſe Rudimente lehren, daß die Pflanze ei-
gentlich Zwitterblumen haben ſollte, da die natuͤrliche Gattung,
zu welcher ſie gehoͤrt, Zwitterblumen hat. Dergleichen Rudi-
mente von Staubgefaͤßen hat auch Saluia pratenſis und offici-
nalis, Tab. I. 27. 31. 42. und Tab. III. 4. 6. Sie ſehen wie
der oberſte Theil einer Stecknadel aus, und ſind hinter den Fila-
menten befindlich. Da die Saluia zu der Familie gehoͤrt, zu
welcher die in der Didynamia gymnoſpermia vorkommenden
Pflanzen gehoͤren, ſo ſollte ſie eigentlich vier Staubgefaͤße ha-
ben. Dies lehren die Rudimente. Es fragt ſich alſo, ob die
Natur dergleichen Rudimente zu dem Ende hervorgebracht hat,
daß man an denſelben erkenne, zu welcher natuͤrlichen Gattung
oder Familie die Pflanzen eigentlich gehoͤren.
5. Fuͤr welche Nachtinſekten die Blumen eigentlich be-
ſtimmt ſind, weiß ich nicht. Schwarze Blattlaͤuſe fand ich
einmal in den maͤnnlichen Blumen. Einige derſelben fand ich
in dem Winkel, den die Anſaͤtze der Kronenblaͤtter mit denſel-
ben machen. Waͤre ich nun meiner Sache nicht gewiß gewe-
ſen, ſo haͤtten mich vielleicht dieſe Thierchen irre gefuͤhrt, und
ich haͤtte, wie Linné, dieſe Anſaͤtze fuͤr Saftdruͤſen gehalten.
Als ich aber den Kelch oͤffnete, ſo fand ich den Grund deſſel-
ben ganz voll von Blattlaͤuſen. Dieſe wußten alſo beſſer Be-
R
[[142]]
Lychnis.
ſcheid, und ſchwelgten im Nektar, indeſſen jene Linnéaner mit
den Regentropfen, welche vor der Saftdecke waren ſitzen ge-
blieben, ſich labten.
Daß nun die Befruchtung einzig und allein durch die In-
ſekten, welche die Blumen beſuchen, keinesweges aber auf eine
mechaniſche Art geſchehe, daran laͤßt ſich ſchlechterdings nicht
zweifeln. An die Befruchtung durch den Wind iſt hier gar
nicht zu denken. Man ſtelle ſich zwey Pflanzen von verſchie-
denem Geſchlecht vor, welche zehn, zwanzig oder noch mehr
Fuß von einander entfernt ſind. Was muͤßte da fuͤr eine Menge
Staubes von der maͤnnlichen Pflanze bereitet werden, damit
die Blumen der weiblichen Pflanze befruchtet wuͤrden, da der
Wind den Staub jener mehreutheils anders wohin fuͤhret, als
grade auf dieſe. Die maͤnnlichen Blumen haben aber nur
wenig Staub. Denkt man ſich im Gegentheil ein Nachtin-
ſekt, welches bald auf die maͤnnliche, bald auf die weibliche
Pflanze fliegt, ſo hat es mit der Befruchtung keine Schwie-
rigkeit, ſondern ſie muß ſchlechterdings vor ſich gehen. Denn
wann es in die maͤnnlichen Blumen hineinkriecht, ſo findet es
in der Oeffnung der Roͤhre fuͤnf Antheren, und weiter unten
fuͤnf andere. Von dieſen ſtreift es den Staub ab. Mit die-
ſem Staube beladen verlaͤßt es die maͤnnlichen Blumen, und
fliegt zu den weiblichen hin. Hier findet es nun vor und in
der Roͤhre die fuͤnf Stigmate, deren innere Seite mit in die
Hoͤhe gerichteten Borſten beſetzt iſt. Es arbeitet ſich zwiſchen
denſelben in die Roͤhre hinein, ſtreift den mitgebrachten Staub
an die Borſten, und befruchtet auf ſolche Art die weiblichen
Blumen mit dem Staube der maͤnnlichen.
Haͤtte alſo die Natur die Stigmate ſo gebildet, als Linné
ſie beſchreibt, ſo wuͤrde ſie einen Fehler gemacht haben. Waͤre
nemlich nur der oberſte Theil des Koͤrpers Tab. VI. 24. das
Stigma, ſo wuͤrde es leicht geſchehen, daß ein Inſekt in die
weibliche Blume hineinkroͤche, ohne die Stigmate zu beſtaͤuben.
Da aber auch der unterſte in der Roͤhre befindliche Theil zum
Stigma gehoͤrt, ſo iſt es nicht moͤglich, daß ein mit Staub
beladenes Inſekt in die Roͤhre hineinkriechen ſollte, ohne den
Staub an die Stigmate anzuſtreichen.
Obgleich die Blumen, als Nachtblumen, fuͤr Hummeln
nicht beſtimmt ſind, ſo machen ſich dieſelben dennoch ihren
Saft zu Nutze. Dies thun ſie aber auf eine ſolche Art, wor-
aus erhellet, daß die Blumen nicht fuͤr ſie beſtimmt ſind.
Denn ſie kriechen nicht in den natuͤrlichen Eingang hinein,
ſondern beißen in den Grund des Kelchs ein Loch, ſtecken
durch daſſelbe ihren Saugeruͤſſel, und holen auf ſolche Art den
Saft heraus.
Lychnis.
Der Kelch beider Blumen iſt der Laͤnge nach mit ſtarken
Nerven verſehen, und iſt ſo weit, daß zwiſchen demſelben und
den inneren Theilen der Blumen noch ein anſehnlicher Raum
uͤbrig bleibt, vielleicht, damit die Inſekten deſto bequemer zum
Saft gelangen koͤnnen. Der Kelch der weiblichen Blume aber
iſt weiter, als der Kelch der maͤnnlichen Blume, und eben
deswegen mit zwanzig Nerven verſehen, da dieſer nur zehn
hat. Die Urſache dieſer verſchiedenen Einrichtung iſt leicht
einzuſehen. Der Kelch der weiblichen Blume enthaͤlt den
Fruchtknoten, welcher, nachdem er befruchtet worden iſt, im-
mer groͤſſer, und endlich zur Kapſel wird. Er mußte folglich
ſo weit ſeyn, damit er nicht von dem aufſchwellenden Frucht-
knoten zerriſſen wuͤrde, weil er in dieſem Fall demſelben nicht
mehr zur Bedeckung dienen koͤnnte.
Die Samenkapſel ſteht aufrecht, platzt, wann ſie reif iſt,
an der Spitze auf, und bekoͤmmt eine Oeffnung, welche weit
enger iſt, als ihre Baſis. Dies alles dient dazu, daß der
Samen nicht anders, als durch einen ſtarken Wind, heraus-
geworfen werde, und ſich alſo weit verſtreue. Zu dieſem Ende
werden auch die Stengel, Zweige und Stiele, welche zur Bluͤ-
hezeit weich und biegſam ſind, damit die Blumen von den
auf ihnen haftenden Regentropfen leicht herabgebogen werden
koͤnnen, nach vollendeter Bluͤhezeit haͤrter und ſteifer. Zwi-
ſchen der Kapſel und dem Stiel ſieht man noch die vormalige
Saftdruͤſe, Tab. XVI. 1. a b. Eben dieſe Geſtalt haben die
Kapſeln der Silenen. Mich wundert, daß dieſer Theil, wel-
cher weder zur Kapſel, noch zum Stiel gehoͤrt, und duͤnner
iſt, als jene, und dicker, als dieſer, noch keinen Botaniker auf
die rechte Spur gebracht hat. Pollich wenigſtens hat eben
ſo wenig, als Linné, weder bey der Lychnis, noch bey der
Silene und dem Cucubalus die Saftdruͤſe gefunden.
Lychnis dioeca corolla purpurea. Dieſe
Pflanze hat Linné fuͤr eine Varietaͤt der vorhergehenden ge-
halten. Sie iſt aber eine beſondere und von jener ganz ver-
ſchiedene Art. Denn 1) bluͤhet ſie ungefaͤhr Einen Monath
fruͤher, als jene. Im Jahr 1790 fing ſie in meinem Garten,
wo doch alle Pflanzen ſpaͤter bluͤhen, als im Freyen, den 3.
May an zu bluͤhen. Jene fing auf dem Felde erſt d. 30. May
an zu bluͤhen, da dieſe keine Blumen mehr, und d. 4. Juny
ſchon reifen Samen hatte. 2) Jene iſt in der hieſigen Ge-
gend allenthalben, dieſe aber nirgends anzutreffen. 3) Leyſſer
ſagt, daß dieſe bey Halle auf naſſen Wieſen ſteht; jene wird
man nie auf einer Wieſe, ſondern auf wuͤſten Stellen ꝛc. an-
treffen.
[[143]]
Lychnis. Ceraſtium.
Lychnis Chalcedonica. Tab. XV. 1. Mit der
Saftdruͤſe, dem Safthalter und den beiden Anſaͤtzen der Kro-
nenblaͤtter verhaͤlt es ſich hier eben ſo, als bey der weiblichen
Blume der vorhergehenden Arten. Die Blume iſt vermuthlich
auch eine Nachtblume, da ſie kein Saftmaal hat. Die Krone iſt
ſcharlachfarben. Es hat mir Jemand verſichern wollen, daß
die Blumen im Dunkeln der Nacht wie gluͤhende Kohlen leuch-
ten. Dies iſt mir nicht unwahrſcheinlich, da es ſehr zweck-
maͤßig ſeyn wuͤrde, wenn dieſelben, da ſie keinen Geruch ha-
ben, vermittelſt dieſes Glanzes ſich den Inſekten bemerkbar
machten. Indeſſen wollte der geſchickte botaniſche Gaͤrtner,
Herr Krauſe in Berlin, den ich wegen dieſes Umſtandes be-
fragt habe, davon nichts wiſſen.
Lychnis flos cuculi. Guckgucksblume. Tab. XV.
2—4. 5*. 9*.
2. Die etwas vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
3. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung.
4. Der mittelſte Theil der Fig. 2., noch ſtaͤrker ver-
groͤſſert.
5*. Die halbe Saftdruͤſe.
9*. Die Saftdruͤſe, von oben geſehen, nachdem der Frucht-
knoten herausgeſchnitten worden. Sie iſt glatt, blaßgruͤn, da-
bey ein wenig gelblich.
In Anſehung der Saftdruͤſe, des Safthalters und der
beiden Anſaͤtze an den Kronenblaͤttern ſtimmt dieſe Art mit
den vorhergehenden uͤberein. Zur Abhaltung des Regens vom
Saft dient hier noch, daß die Kronenblaͤtter in vier ſchmale
Stuͤcke getheilt ſind, folglich ungeachtet ihres großen Umfangs
doch nur wenig Regentropfen erhalten, und daß, da die Oeff-
nung des Kelchs ziemlich weit iſt, dieſelbe durch die Filamente
und beſonders durch die Stigmate, welche dieſelbe gleichſam
in fuͤnf kleinere Oeffnungen theilen, den Regentropfen hinlaͤng-
lich verſchloſſen wird. Denn in dem Winkel, welchen die
Stigmate mit einander machen, muß ein Regentropfen ſtehen
bleiben. Sie iſt, wenn ich nicht irre, auch eine Nachtblume,
und hat daher kein Saftmaal. Von Bienen wird ſie jedoch
beſucht.
Ceraſtium.
Ceraſtium aquaticum. Tab. XV. 5. Die vergroͤſſerte
Blume. Tab. XXV. 2. 7.
7. Die Samenkapſel dieſer Art.
2. Die Samenkapſel des Ceraſtium vulgatum. Beide in
natuͤrlicher Stellung.
Ceraſtium.
1. Die fuͤnf Saftdruͤſen ſitzen unten am Fruchtknoten zwi-
ſchen den Kronenblaͤttern.
2. Dieſelben ſind zugleich die Safthalter. Der Saft hat
die Geſtalt und das Anſehen eines glaͤnzenden Kuͤgelchens.
3. Wann die Blume angefangen hat zu bluͤhen, ſo ſtrecken
ſich die Filamente, welche den Kronenblaͤttern gegenuͤber ſte-
hen, horizontal; die anderen aber, welche uͤber den Saftdruͤſen
befindlich ſind, ſtehen aufrecht. Dieſe halten alſo die Regen-
tropfen, welche am Fruchtknoten zu den Saftdruͤſen herab-
fließen wollen, auf. Nach einiger Zeit ſtrecken ſich dieſelben
uͤber die Saftdruͤſen hin, und ſtehen auch horizontal; unter-
deſſen aber verlaͤngern ſich die Griffel, breiten ſich von einan-
der und halten die Regentropfen von den Safttroͤpfchen ab.
5. Ich fand die Blumen, beſonders die aͤlteren, voller
Blaſenfuͤße. Daß ſie von Inſekten befruchtet werden, folgt
daraus, daß bey ihnen eben ſo, als bey der Spergula nodoſa,
die maͤnnlich-weibliche Dichogamie Statt findet.
Solange die Blume bluͤht, ſteht ſie aufrecht; ſobald ſie
verbluͤhet iſt, neigt ſie ſich herab, und die reife Samenkapſel
bleibt in dieſer Stellung. Die Urſache dieſes letzten Umſtandes
finde ich in der Beſchaffenheit der Stengel der Pflanze. Denn
dieſelben ſind nicht ſteif, wie etwa bey der Silene nutans, daß
ſie vom Winde koͤnnten hin und her bewegt werden, ſondern
ſie ſind weich. Folglich wuͤrde der Endzweck der aufrechten
Stellung, wenn ſie bey dieſen Samenkapſelu Statt faͤnde,
nicht erreicht werden koͤnnen, und die Samenkoͤrner koͤnnen
nicht vom Winde herausgeworfen werden, ſondern muͤſſen ſich
ſelbſt durch das Ausfallen ausſaͤen. Die Samenkapſeln des
Ceraſtium vulgatum hingegen ſtehen aufrecht, weil die Sten-
gel der Pflanze ſteif ſind.
Ceraſtium aruenſe. Dieſe Art hat auch ihre fuͤnf
Saftdruͤſen. Da ſie aber nicht ſo flach iſt, als die vorherge-
hende, ſondern eine trichterfoͤrmige Geſtalt hat, ſo iſt der Saft
noch mehr gegen den Regen geſichert. Denn in dem engeren
Grunde der Krone ſtehen die Filamente und die Griffel, und
halten die Regentropfen auf. Da die Pflanze an Wegen und
andern freyen Oertern ſteht, ſo werden die Blumen von kei-
nen andern Pflanzen bedeckt, und fallen, beſonders zur Mit-
tagszeit bey ſchoͤnem Wetter, den Inſekten ſchon von weitem
in die Augen. Weil die Blume ziemlich groß, und nicht flach
iſt, ſondern eine trichterfoͤrmige Geſtalt hat, ſo verurſacht der
zweyte Umſtand, daß in derſelben ein Saftmaal noͤthig iſt,
und der erſte, daß daſſelbe fuͤglich angebracht werden kann.
Daſſelbe beſteht 1) in den gewaͤſſerten Streifen, mit welchen
jedes Kronenblatt der Laͤnge nach verſehen iſt, und welche von
R 2
[[144]]
Ceraſtium. Spergula. Lythrum.
den Falten herruͤhren, welche daſſelbe hat, ehe die Blume aufge-
brochen iſt. Da dieſe Streife insgeſamt ſich in den Grund hinab-
ziehen, ſo zeigen ſie den Inſekten, daß dort der Saft befindlich
iſt. 2) Damit dieſer Grund gegen die weiße Krone etwas ab-
ſtehe, ſo ſind die Kronenblaͤtter an der Baſis ein wenig gelb.
Auch dieſe Blume iſt ein maͤnnlich-weiblicher Dichogamiſt, wel-
ches man, wenn man die aͤltere mit der juͤngeren vergleicht, um
ſo viel deutlicher ſehen kann, da ſie ziemlich groß iſt. Kleine
Blumenkaͤfer findet man haͤufig in den Blumen. Den Saft hat
ſchon Gleditſch geſehen, S. 159.
Ceraſtium viſcoſum hat auch fuͤnf Saftdruͤſen.
Spergula.
Spergula nodoſa. Tab. XV. 6—8.
8. Eine juͤngere Blume, deren Antheren bluͤhen, deren
Stigmate aber noch klein ſind, und ſich noch nicht ausgebreitet
haben.
6. Dieſelbe, nachdem der Kelch und die Krone wegge-
ſchnitten worden.
7*. Ihre noch ſtaͤrker vergroͤſſerte Stigmate.
7. Die Staubgefaͤße und Stigmate einer aͤlteren Blume.
Dieſe Blume hat ihre fuͤnf Saftdruͤſen, wie Ceraſtium.
Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dient hier noch, daß
Spergula. Lythrum.
die Kronenblaͤtter ſehr kurze und ſchmale Naͤgel haben, ſelbſt aber
an der Baſis viel breiter ſind. Dadurch entſtehen in der Mitte
der Blume fuͤnf kleine Loͤcher uͤber den Saftdruͤſen, durch welche
kein Regentropfen hindurchdringen kann. Daß auch dieſe Blume
von Inſekten befruchtet wird, erhellet aus ihrer dichogamiſchen
Einrichtung. Wann ſie jung iſt, ſtehen die Filamente mit den
bluͤhenden Antheren beynahe aufrecht; die Stigmate aber ſind
noch kurz, und ſtehen nahe bey einander. Wann ſie aber aͤlter
geworden iſt, ſo ſtehen die Filamente mit den ſtaubloſen Anthe-
ren beynahe horizontal, und die Stigmate haben ſich verlaͤngert
und ausgebreitet. Da alſo die Blume nicht durch ihren eigenen
Staub befruchtet werden kann, ſo wird die aͤltere von Inſekten
durch den Staub der juͤngeren befruchtet. Wann dieſe den Saft
aus der juͤngeren Blume holen, ſo beruͤhren ſie die Antheren,
und ſtreifen den Staub derſelben ab; und wann ſie hierauf die
aͤltere Blume beſuchen, ſo treffen ſie an eben der Stelle, wo in
der juͤngeren die Antheren ſtehen, die Stigmate an, und beſtrei-
chen ſie mit dem mitgebrachten Staube.
Spergula aruenſis. An einem Vormittage, da es
truͤbes Wetter war, jedoch nicht regnete, fand ich alle Blumen
geſchloſſen; in der Mittagsſtunde, da die Sonne zu ſcheinen an-
fing, oͤffneten ſie ſich.
Eilfte Klaſſe.Dodecandria.
Zwitterblumen mit zwoͤlf Staubgefaͤßen.
Lythrum.
Lythrum Salicaria. Den im Grunde des Kelchs befind-
lichen Saft hat der Verfaſſer der Diſſertation de nectariis florum
geſehen, wie ich bey der Oenothera gemeldet habe. Derſelbe
wird von einer fleiſchichten, glatten, dunkelgruͤnen, mit dem
Grunde des Kelchs zuſammengewachſenen Saftdruͤſe, auf welcher
der blaßgruͤne Fruchtknoten ſteht, abgeſondert. Die Blume hat
ein Saftmaal. Denn die purpurfarbenen Kronenblaͤtter haben in
der Mitte eine Linie von geſaͤttigterer Farbe, welche am Nagel
am ſtaͤrkſten iſt. Der Kelch iſt oberwaͤrts in zwoͤlf Ausſchnitte
abgetheilt, nemlich in ſechs laͤngere und ſchmaͤlere, und in eben
ſo viel breitere und kuͤrzere, welche mit jenen abwechſeln. Jene
ſtehen hinter, dieſe aber zwiſchen den Kronenblaͤttern; jene ſind
gruͤn, dieſe aber ſchwach purpurfarben. Die Urſache hievon iſt
leicht einzuſehen. Denn da die erſteren von den Kronenblaͤttern
verdeckt werden, und, wann man die Blume von vorne anſieht,
nicht zum Vorichein kommen, ſo wuͤrde es von keinem Nutzen
ſeyn, wenn ſie gefaͤrbt waͤren. Die letzteren hingegen mußten,
weil ſie von den Kronenblaͤttern nicht verdeckt werden, eben ſo
gefaͤrbt ſeyn, als dieſe, damit ſie das Anſehen und die Bemerk-
barkeit der Blume vergroͤſſerten. Gegen dieſe Purpurfarbe der
Kronenblaͤtter und der gefaͤrbten Ausſchnitte des Keichs ſticht die
blaßgruͤne und ein wenig gelbliche Farbe der inneren Seite der
Kelchroͤhre ziemlich ab. Dieſer Kontraſt wird durch die ganz be-
ſondere Einrichtung der Staubgefaͤße verſtaͤrkt. Der Griffel iſt
nemlich laͤnger, als die Kelchroͤhre. Sechs Staubgefaͤße ſind
laͤnger, als der Griffel, die uͤbrigen ſechs ſind etwas kuͤrzer, als
[[145]]
Lythrum. Reſeda.
der Kelch; wobey keine andere Abſicht Statt finden kann, als dieſe,
daß die Inſekten ſowohl, wann ſie in die Blume hmeinkriechen,
den Staub der laͤngeren Staubgefaͤße, als auch, wann ſie aus
derſelben wieder herauskriechen, den Staub der kuͤrzeren abſtrei-
fen, und auf das Stigma bringen. Nun ſind die Filamente der
laͤngeren Staubgefaͤße oberwaͤrts purpurfarben, und ihre Anthe-
ren dunkekgruͤn, die Filamente der kuͤrzeren hingegen eben ſo un-
ſcheinbar gefaͤrbt, als jene unterwaͤrts ſind, ihre Antheren aber
ſind ſchwefelgelb. So wie alſo die Filamente der laͤngeren Staub-
gefaͤße die Anſehnlichkeit der Blume etwas vergroͤſſern, ſo ver
ſtaͤrken hingegen die Antheren der kuͤrzeren den Kontraſt, wel-
chen die Roͤhre des Kelchs mit der Krone macht.
Reſeda.
Reſeda odorata. Tab. XV. 9—11. 15. 18. 19.
15. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
10. Die Saftdruͤſe von vorne, 11. von hinten, 18. von der
Seite.
19. Eines von den oberſten Kronenblaͤttern.
9. Die Samenkapſel, zwiſchen welcher und dem Kelch die
vormalige Saftdruͤſe ſitzt.
1. Die ſchon vom Linné angezeigte Saftdruͤſe ſondert
auf ihrer hinteren etwas konkaven glatten Seite den Saft
ab, und
2. enthaͤlt auch denſelben.
3. Vier duͤnne, ein wenig haarichte und vorne umgebogene
Koͤrper, von welchen die oberſten groͤſſer ſind, als die unterſten,
umfaſſen die Saftdruͤſe, und ſchuͤtzen den Saft vor dem Regen,
und ſind zugleich die Naͤgel der vier oberſten Kronenblaͤtter.
4. Sowohl die vier oberſten getheilten, als die beiden un-
terſten ungetheilten Kronenblaͤtter ſind weiß. Das Saftmaal iſt
die vordere Seite der Saftdruͤſe. Denn ſie iſt gelblichgruͤn, und
wie Sammet mit Haaren dicht uͤberzogen, und haͤlt man ſie ge-
gen das Sonnenlicht, ſo ſieht man glaͤnzende Punkte auf der-
ſelben.
5. Die Blume wird von den Bienen haͤufig beſucht.
Hinter der erwachſenen Samenkapſel ſieht man noch die vor-
malige nun vertrocknete und dunkelgelbe Saftdruͤſe.
Reſeda fruticuloſa. Tab. XV. 14. 16. 17. 22. 23.
14. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
16. Die Saftdecke von oben, 22. von der Seite.
17. Die Saftdruͤſe von oben, 23. von der Seite.
Die Saftdruͤſe iſt laͤnger, aber vorne nicht ſo hoch, als bey
der vorhergehenden Art, ſondern hat daſelbſt einen weißen Wulſt,
Euphorbia.
auf welchem zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen die Naͤ-
gel der beiden oberſten Kronenblaͤtter liegen.
Euphorbia.
Euphorbia Cypariſſias. Gemeine Wolfsmilch.
Titelk. Fig. IX. Die juͤngere Zwitterblume. Fig. XVII. Die
aͤltere Zwitterblume. Jene hat nur bluͤhende Stigmate, dieſe
nur bluͤhende Antheren. Jene iſt alſo fuͤr jetzt weiblichen, dieſe
maͤnnlichen Geſchlechts.
Die fleiſchichten gelben Kronenblaͤtter, welche in beiden Fi-
guren punktirt ſind, ſind zugleich die Saftdruͤſen und die Saft-
halter. Da ſie aber ſehr klein ſind, ſo koͤnnen ſie nicht ſo viel
Saft abſondern, daß derſelbe die Geſtalt eines Tropfens haben
kann, ſondern ſie ſind wie mit einem Schweiß uͤberzogen, und
glaͤnzen, gegen das Sonnenlicht gehalten. Sind ſie aber von
einem Inſekt beleckt worden, ſo glaͤnzen ſie nicht mehr. Kleine
Kaͤſer, Fliegen und andere Inſekten benutzen den Saft. Weil
die Blumen ſehr klein ſind, und alſo nicht leicht von den Inſekten
in der Ferne bemerkt werden koͤnnen, ſo erſetzen dieſen Mangel
die Blumenblaͤtter (bracteae), welche gelb ſind. Die ſaͤmtlichen
Blumen Eines Stengels haben zwar keinen ſtarken Geruch; geht
man aber uͤber einen Brachacker, auf welchem die Pflanzen in
großem Ueberfluß ſtehen, ſo verbreiten dieſelben einen ziemlich
durchdringenden Honiggeruch.
Ich habe ſchon in der Einleitung gemeldet, daß ich in der
Euphorbia Cypariſſias zuerſt die weiblich-maͤnnliche Dichogamie
entdeckt habe. Sobald ich dieſe Entdeckung gemacht hatte, machte
ich ſogleich den natuͤrlichen Schluß, daß die erſten Blumen, welche
die Pflanze hervorbringt, keine Frucht anſetzen koͤnnten, daß ſie
folglich entweder maͤnnlichen Geſchlechts ſeyn muͤßten, oder,
wenn ſie Zwitterblumen ſind, ihr Piſtill unbefruchtet bleiben
muͤßte. Das Erſtere ſchien mir der Weisheit des Schoͤpfers wuͤr-
diger zu ſeyn, welcher keinen Theil einer Blume, folglich auch
kein Piſtill, welches keinen Nutzen ſtiftet, hervorbringen kann.
Und nun betrachtete ich die Blumen, und fand, daß ich mich
nicht geirrt hatte; denn die erſten Blumen hatten kein Piſtill.
Ich unterſuchte hierauf die Euphorbia paluſtris, und fand eben
dieſelbe Einrichtung bey derſelben.
Dem Linné iſt zwar bekannt geweſen, daß die erſten Blu-
men einiger Euphorbien maͤnnlichen Geſchlechts ſind, wie ich aus
ſeiner Beſchreibung der Gattung ſehe; die Urſache aber hievon
mußte ihm um ſo viel mehr verborgen bleiben, da er nichts von
der Dichogamie gewußt, und wahrſcheinlich die Blumen fuͤr ſaft-
leer gehalten hat.
R 3
[[146]]
Euphorbia. Philadelphus.
Euphorbia paluſtris. Tab. XV. 12. 13. Die ver-
groͤſſerte Blume. Die Saftdruͤſen ſind punktirt. Es iſt eine von
den erſten Blumen, welche maͤnnlichen Geſchlechts ſind.
Die Kronenblaͤtter, welche auch hier die Saftdruͤſen ſind,
ſind hohl. Ich fand auf den Blumen fuͤnf bis ſechs Arten von
Inſekten, und ſahe ſehr wohl, wie ſie den Saft ableckten. Auch
fand ich in der Dolde unter den Blumen eine aſchgraue Spinne
ohne ein Gewebe, welche eines von den großen Inſekten, deren
mehrere auf den Blumen ſaßen, erhaſcht hatte, und mit der
Ausſaugung deſſelben beſchaͤftigt war. Jene ließen ſich indeſſen
durch dieſes warnende Beyſpiel, welches ſie vor Augen hatten,
im Genuß des Safts keinesweges ſtoͤren.
Euphorbia Lathyris. Springkraut. Tab. XV. 20.
21. 27*.
20. Der oberſte Theil eines Zweiges in natuͤrlicher Groͤſſe
und Stellung. Zwiſchen zwey gegenuͤberſtehenden Blaͤttern ſitzt
bey a eine ſchon verbluͤhete, bey b eine noch bluͤhende Blume.
21. Eine vergroͤſſerte aͤltere Zwitterblume, von vorne geſe-
hen. Auf den vier Kronenblaͤttern ſind ſo viel Safttroͤpfchen be-
findlich.
Euphorbia. Myrtus. Amygdalus.
27*. Ein Kronenblatt. Die (punktirte) Saftdruͤſe iſt gruͤn;
das Uebrige iſt braun und gelbgruͤn.
Die Kronenblaͤtter haben in der Mitte einen Safttropfen.
Derſelbe iſt vor dem Regen hinlaͤnglich geſchuͤtzt; welches ich bey
den beiden vorhergehenden Arten nicht finde, obgleich jedoch eben
deswegen, weil die Saftdruͤſen der Luft und dem Regen bloß ge-
ſtellr ſind, die auf dieſelben gefallenen Regentropfen, wann es
aufgehoͤrt hat zu regnen, deſto leichter von der Luft abgetrocknet,
und vom Winde abgeſchuͤttelt werden koͤnnen. Hier aber wird
der Saft durch die beiden Blaͤtter, in deren Winkel b die Blume
ſitzt, geſchuͤtzt. Denn das letzte Glied eines jeden Zweiges kruͤm-
met ſich, ſo daß es oberwaͤrts horizontal ſteht. Folglich fallen
die meiſten Regentropfen auf die aͤußere Seite des oberſten Blatts,
der Winkel aber zwiſchen beiden Blaͤttern bleibt trocken. Staͤnde
es aber mehr aufrecht, wie das naͤchſtfolgende Glied, welches
bey a eine ſchon verbluͤhete Blume hat: ſo wuͤrden in dem Winkel
zwiſchen den Blaͤttern ſich leicht Regentropfen ſammlen, und den
Saft verderben.
Zwoͤlfte Klaſſe.Jcoſandria.
Zwitterblumen mit ungefaͤhr zwanzig Staubgefaͤßen, welche auf dem Kelch ſtehen.
Philadelphus.
Philadelphus coronarius. Jasmin. Tab. XXI. 34.
Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe, nachdem die vorderſte Haͤlfte
weggeſchnitten worden.
1. 2. Die Saftdruͤſe und der Safthalter iſt der oberſte weiße
Theil des Fruchtknotens.
3. Um die Saftdruͤſe ſtehen die Filamente, welche ziemlich
ſtark ſind, und ſich unterwaͤrts einander beruͤhren. Sie breiten
ſich nicht ſo ſehr von einander, als die Kronenblaͤtter, ſondern
machen mit denſelben einen ziemlich großen Winkel, und haben
zuſammengenommen die Geſtalt eines Bechers. Folglich wird
ein Regentropfen, welcher an der Krone hinabfließt, von denſel-
ben aufgehalten.
4. Die Blume hat eine weiße Krone ohne Saftmaal, und
einen ſehr ſtarken Geruch.
5. Sie wird von Ameiſen, Blumenkaͤfern und anderen In-
ſekten haͤufig beſucht.
Myrtus.
Myrtus communis. Myrte. Tab. VI. 28. 29.
28. Die vergroͤſſerte Blume, nachdem drey Kronenblaͤtter
abgeriſſen worden.
29. Der mit dem Kelch bekraͤnzte Fruchtknoten, nachdem die
Blume verbluͤhet iſt, von oben geſehen.
1. 2. Die Saftdruͤſe und der Safthalter iſt der oberſte glatte
und weiße Theil des Fruchtknotens. Nachdem die Blume ver-
bluͤhet iſt, kann man die Saftdruͤſe von dem Ringe, welcher die
Filamente getragen hat, ſehr wohl unterſcheiden. Denn jene iſt
glatt und blaßgruͤn, dieſer aber voller Narben und braun.
Amygdalus.
Amygdalus Perſica. Pfirſichbaum.
1. 2. Die Saftdruͤſe und der Safthalter iſt der gelbe Grund
des Kelchs.
[[147]]
Prunus. Crataegus. Sorbus. Pyrus.
3. Die Filamente biegen ſich einwaͤrts, und ſchuͤtzen den
Saft vor dem Regen.
5. Die Blume wird von Bienen und anderen Inſekten
beſucht.
Prunus.
Prunus Ceraſus. Kirſchbaum. Tab. XV. 24. 25.
24. Die etwas vergroͤſſerte Blume.
25. Dieſelbe, nachdem die Kronenblaͤtter abgeriſſen, und
die vorderſte Haͤlfte des Kelchs weggeſchnitten worden. Die
Saftdruͤſe iſt punktirt.
1. 2. Die Saftdruͤſe und der Safthalter iſt der etwas
fleiſchichte gelblichgruͤne Grund des Kelchs.
3. Die Roͤhre des Kelchs iſt 1) oben etwas enger, als
unten, und 2) ſtehen um die Oeffnung derſelben die Filamente
herum. Beides dient zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem
Regen.
5. Blumenkaͤfer naͤhren ſich vom Saft der Blume.
Prunus ſpinoſa. Schwarzdorn. Schleedorn. Hat
eine gleiche Einrichtung, und wird von Blumenkaͤfern beſucht.
Linné meldet vom Nectario nichts; Gleditſch aber
ſagt S. 149., daß die Bienen aus den Blumen der Gattung
Prunus nicht nur Wachs, ſondern auch Honig ſammlen.
Crataegus.
Crataegus monogyna Jacqu. Weisdorn mit Ei-
nem Stein in der Frucht. Die Blume hat mit Sorbus au-
cuparia eine gleiche Einrichtung. Der Grund des Kelchs iſt
die Saftdruͤſe und der Safthalter. Die Filamente dienen zur
Saftdecke. Die Blumenkaͤfer begeben ſich, durch den ſtrengen
Geruch der Blumen angelockt, haͤufig auf dieſelben.
Sorbus.
Sorbus aucuparia. Ebreſchenbaum. Die Saftdruͤſe
und der Safthalter iſt der fleiſchichte Grund des Kelchs. Die
Blume wird von den Blumenkaͤfern haͤufig beſucht.
Pyrus.
Pyrus communis und P. Malus. Birn- und
Apfelbaum.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
ringfoͤrmige Theil des Kelchs zwiſchen den Griffeln und den
Staubgefaͤßen. An dieſer Stelle iſt der Kelch glatt, da er
uͤbrigens mit weicher Wolle uͤberzogen iſt.
Spiraea. Rubus. Potentilla.
3. Zur Abhaltung des Regens vom Saft dienen die
Staubgefaͤße, beſonders bey der zweyten Art, in welcher ſie
einen hohlen Cylinder bilden, da ſie in der erſten mehr die
Geſtalt eines Bechers oder eines umgekehrten geſtutzten Kegels
haben.
5. Die Blumen beider Arten werden von den Bienen
haͤufig beſucht.
Spiraea.
Spiraea opulifolia. Tab. XXII. 12. 14.
1. 2. Die Saftdruͤſe und der Safthalter iſt der fleiſchichte
glatte G[r]und des Kelchs, welcher die Geſtalt einer hohlen hal-
ben Kugel hat, und anfangs gruͤn, hernach gelb, und zuletzt
pomeranzenfarben iſt.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dienen die
Filamente, welche unterwaͤrts ſich einander beruͤhren.
4. Der Grund des Kelchs ſticht gegen die weiße Krone
ſtark ab, und iſt alſo zugleich das Saftmaal. Auch hat die
Blume einen Geruch.
Rubus.
Rubus Jdaeus. Himbeerſtrauch. Tab. XXII. 5—7.
5. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
6. Dieſelbe im Durchſchnitt.
7. Der Grund des Kelchs.
1. 2. Der glatte und gruͤne Grund des Kelchs zwiſchen
den Fruchtknoten und den Filamenten iſt die Saftdruͤſe und
zugleich der Safthalter.
3. Der Augenſchein lehrt, daß der Saft ſowohl durch die
Stellung der Blume, als auch durch die Filamente und die
Griffel gegen den Regen voͤllig geſichert iſt.
5. Die Blume wird von Hummeln und Bienen haͤufig
beſucht, wahrſcheinlich auch befruchtet. Denn indem ſie in
derſelben wuͤhlen, muͤſſen ſie nothwendig den Staub der An-
theren auf die Stigmate bringen.
Rubus fruticoſus, Brombeerſtrauch, und Rubus
caeſius haben mit der vorhergehenden Art eine gleiche Ein-
richtung, und werden von den Bienen haͤufig beſucht.
Potentilla.
Potentilla fruticoſa. Ob dieſe Blume wirklich
Saft abſondert, habe ich noch nicht ausfindig machen koͤnnen.
Gleditſch muß dieſelbe fuͤr ſaftleer gehalten haben, S. 229.
Indeſſen habe ich geſehen, daß Schmetterlinge ſich auf dieſelbe
ſetzten, und ſich lange in jeder aufhielten. Auch findet man
[[148]]
Potentilla. Chelidonium.
viel Blaſenfuͤße in derſelben. Auch fand ich kleine Fliegen in der-
ſelben, und zwar auf dem mittelſten etwas aufgetriebenen Theil
des Kelchs, welcher in ringfoͤrmiger Geſtalt die Piſtille umgiebt,
die Staubgefaͤße traͤgt, und mit Haaren verſehen iſt. Sie hiel-
ten ſich lange daſelbſt auf, und ich bemerkte deutlich, daß ſie dieſe
Stelle beleckten.
Potentilla verna. Dieſe Blume wird von den Bienen
haͤufig beſucht. Den Saft derſelben habe ich nicht geſehen; ich
glaube aber, daß die geringe Quantitaͤt deſſelben davon die Ur-
ſache [geweſen] iſt. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter
ſcheint der mittelſte Theil des Kelchs zu ſeyn, welcher pomeran-
zenfarben iſt. Uebrigens iſt der Kelch glaͤnzendglatt, vermuthlich,
damit die Blume den Inſekten beſſer in die Augen falle. Um die
Fruchtknoten herum ſteht eine Reihe von Haaren, welche wahr-
ſcheinlich die Saftdecke iſt. Ich fand einen kleinen ſchwarzen mit
gelben Duͤpfeln gezierten Kaͤfer (Coccinella) auf der Blume,
und bemerkte deutlich, daß er ſein Maul zwiſchen den Ring von
Haaren und den pomeranzenfarbenen Theil des Kelchs geſteckt
hatte. Als ich ihn von da vertrieben hatte, ſo begab er ſich auf
eben dieſe Stelle wieder hin, zum Beweiſe, daß er daſelbſt Nah-
rung fand.
Es iſt ſonderbar, daß dieſe Pflanze immer auf der Mittags-
ſeite kleiner Huͤgel, keinesweges aber auf der Mitternachtsſeite
derſelben angetroffen wird. Dieſer Standort iſt allerdings der
vortheilhafteſte fuͤr dieſelbe. Denn ſie bluͤhet zu einer Jahreszeit,
in welcher die Sonne noch ſehr niedrig ſteht, folglich zwar die
Mittagsſeite, aber nicht die Mitternachtsſeite ſolcher Huͤgel er-
waͤrmen kann. Aber wie geht es zu, daß diejenigen Samen-
Geum. Comarum. Papauer.
koͤrner, welche auf die Mitternachtsſeite fallen, nicht aufgehen,
und ſich in Pflanzen verwandeln?
Die Blume iſt eine Tagesblume; denn des Nachts iſt ſie ge-
ſchloſſen.
Geum.
Geum riuale. Der Grund des Kelchs, auf welchem die
Filamente ſtehen, iſt die Saftdruͤſe und der Safthalter. Daß
zu dem Saft kein Regentropfen kommen koͤnne, lehrt der Au-
genſchein.
Geum vrbanum. Tab. XXII. 24. Ein Theil des
Kelchs nebſt Einem Kronenblatt. Unter den Filamenten ſieht
man die Safttroͤpfchen.
Dieſe Blume habe ich lange fuͤr ſaftleer gehalten, weil ich
bey oftmaliger Unterſuchung derſelben keinen Saft finden konnte.
Endlich entdeckte ich denſelben.
Der glatte Grund des Kelchs, oder der zwiſchen den Frucht-
knoten und den Filamenten befindliche Theil deſſelben iſt die Saft-
druͤſe und der Safthalter. Der Saft beſteht aus uͤberaus kleinen
Troͤpfchen. Zu denſelben kann ſchlechterdings kein Regentropfen
dringen, weder von oben durch die Piſtille und Staubgefaͤße hin-
durch, noch von der Seite zwiſchen die Filamente hindurch.
Comarum.
Comarum paluſtre. Der Grund des Kelchs zwiſchen
den Fruchtknoten und den Filamenten iſt die Saftdruͤſe und zu-
gleich der Safthalter. Die Quantltaͤt des Safts iſt anſehnlich.
Dreyzehnte Klaſſe.Polyandria.
Zwitterblumen mit zwanzig oder mehr Staubgefaͤßen, welche auf dem Boden ſtehen.
Chelidonium.
Chelidonium maius. Schoͤllkraut. Dieſe Blume iſt
eine von denjenigen, welche mich abgehalten haben, in der Ein-
leitung zu behaupten, daß jede mit einer Krone verſehene Blume
eine Saftblume iſt. Sie hat eine anſehnliche Krone; dennoch
habe ich keinen Saft in derſelben gefunden. Sie wird von den
Bienen beſucht.
Papauer.
Kruͤnitz ſagt, daß die Arten des Mohns den Bienen Ho-
nig geben. Ich wuͤnſchte, daß er hinzugeſetzt haͤtte, wo eigent-
lich der Saft befindlich iſt; denn ich habe denſelben bisher noch
nicht finden koͤnnen. Seine Behauptung ſcheint indeſſen dadurch
beſtaͤtigt zu werden, daß ſich ſehr viel Blaſenſuͤße in den Blumen
des Papauer ſomniferum aufhalten. Gleditſch hingegen ſagt
von
[[149]]
Papauer. Nymphaea.
von dieſer Art S. 241., und vom Papauer dubium und Rhoeas
S. 202. bloß, daß ſie den Bienen Stoff zu Wachs geben, hat
alſo ſo wenig, als ich, Saft in denſelben gefunden. Auf dem
Papauer dubium und ſomniferum habe ich Bienen angetroffen.
Papauer dubium. Daß dieſe Blume nicht vom Winde,
ſondern von den Bienen befruchtet werde, iſt ſehr wahrſcheinlich.
Denn nicht nur verhindern die Kronenblaͤtter, daß der Wind den
Staub von den Antheren wehen kann, ſondern dieſer Staub
ſitzt auch ziemlich feſt, und laͤßt ſich keinesweges leicht wegbla-
len, und die Blume iſt in dieſem Stuͤck voͤllig den Saftblumen,
keinesweges aber denjenigen aͤhnlich, welche auf eine mechaniſche
Art befruchtet werden. Ich habe verſchiedene juͤngere Blumen
genau beſehen, und zwar zu einer Zeit, da der Wind wehete,
und nicht Ein Staubkoͤrnchen auf dem Stigma gefunden, da im
Gegentheil das Stigma der aͤlteren Blumen beſtaͤubt war. Dies
laͤßt ſich nicht anders erklaͤren, als ſo, daß eine Biene die letzteren
beſucht und ihr Stigma beſtaͤubt habe, die erſteren aber damals
noch nicht ſich geoͤffnet gehabt haben.
Nymphaea.
Nymphaea lutea. Tab. XXIII. 5. 6. 7. 10.
5. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe, von oben geſehen.
Auf dem Stigma kriecht ein Blumenkaͤfer.
10. Dieſeibe in natuͤrlicher Stellung im Durchſchnitt.
6. Ein Saftblatt von oben.
7. Daſſelbe von unten.
Die Linnéiſche Beſchreibung der Gattung ſtimmt zwar
mit der Nymphaea alba, keinesweges aber mit dieſer Art uͤberein.
Die fuͤnf aͤußeren großen Blaͤtter nennt er Kelch, die vielen inne-
ren kleineren Krone. Daß dies irrig ſey, laͤßt ſich ſchon a priori
beweiſen. Denn da die Krone einer Blume dazu dient, dieſelbe,
als eine Saftblume, den Inſekten von weitem bemerkbar zu
machen, und zu dieſem Ende ſo groß als moͤglich ſeyn muß, der
Kelch hingegen, wenn er nicht zugleich auch die Krone iſt, bloß
dazu dient, die noch nicht aufgebrochene Blume zu beſchuͤtzen,
wann aber dieſelbe bluͤhet, mehrentheils keinen Nutzen ſtiftet,
und folglich ſo klein als moͤglich ſeyn muß: ſo wuͤrde die Natur
in dem Bau dieſer Blume einen Fehler begangen haben, wenn
Linné Recht haͤtte, weil der Kelch weit groͤſſer ſeyn wuͤrde, als
die Krone. So wie es nun aber an und fuͤr ſich wahrſcheinlicher
iſt, daß ſich Linné geirrt, als daß die Natur einen Fehler be-
gangen habe: ſo wird dieſe Wahrſcheinlichkeit zur Gewißheit, ſo
bald man weiß, daß der Linnéiſche Kelch zugleich die Krone,
die Linnéiſchen Kronenblaͤtter aber die Saftdruͤſen ſind. Die
fuͤnf großen Blaͤtter ſind nemlich, ehe ſie ſich geoͤffnet haben, auf
Nymphaea.
der aͤußeren Seite, und zwar, ſoweit ſie nicht uͤber einander lie-
gen, ſondern der Luft ausgeſetzt ſind, gruͤn, wie ein Kelch ſeyn
muß, auf der inneren Seite hingegen, und ſelbſt auf denjenigen
Theilen der aͤußeren Seite, welche vorher uͤber einander lagen,
gelb, alſo gefaͤrbt, wie eine Krone ſeyn muß. Was aber die in-
neren kleineren Blaͤtter betrifft, ſo ſind dieſelben theils fleiſchicht,
theils zwar auf der oberen Seite runzlicht, auf der unteren hinge-
gen eben und glatt, Fig. 7. Und auf dieſer Seite ſondern ſie den
Saft ab. Dieſer Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert,
weil die Saftblaͤtter an den Kronen- oder Kelchblaͤttern dicht an-
liegen.
Daß nun die Blume den Saft zu ihrem eigenen Beſten her-
vorbringt, indem ſie von den Inſekten, welche ſich von demſelben
ernaͤhren, befruchtet wird, iſt ſehr wahrſcheinlich. Vielleicht ge-
ſchieht die Befruchtung durch ein anderes mir noch unbekanntes
Inſekt, vielleicht aber auch durch die Blumenkaͤfer, welche ich
haͤufig in den Blumen gefunden habe. Dieſe Kaͤfer traf ich theils
beym Saft, theils auf allen uͤbrigen Theilen der Blume an. Nun
liegen die Staubgefaͤße, deren Antheren noch nicht bluͤhen, dicht
an dem Piſtill, diejenigen aber, welche bluͤhen, haben ſich von
dem Stigma abwaͤrts und nach den Saftblaͤttern zu herumgebogen,
und die nun obere Seite der Antheren iſt ſtaubicht, Fig. 10. Indem
alſo die Blumenkaͤfer allenthalben umherkriechen, ſo ſchleppen
ſie den Staub der Antheren auf das mit einer klebrichten Feuch-
tigkeit uͤberzogene Stigma.
Daß die Blume ein ſo großes Stigma und eine ſo große An-
zahl von Antheren hat, laͤßt ſich aus der angegebenen Art der
Befruchtung ſehr wohl erklaͤren, und eben dadurch wird dieſelbe
deſto wahrſcheinlicher. Zu dem Ende wollen wir ſie mit der auf
eben dieſer Kupfertafel in Fig. 9. abgebildeten Stachys ſyluatica
vergleichen. Dieſe hat nur vier Antheren und ein kleines Stigma.
Sie wird von einer Hummel beſucht, welche, indem ſie ihren
Saugeruͤſſel in den Safthalter ſteckt, nothwendig den Staub der
Antheren der juͤngeren Blume mit ihrem haarichten Kopf abſtrei-
fen, und denſelben eben ſo nothwendig auf das Stigma der aͤl-
teren Blume wieder abſetzen muß. Hier ſind alſo vier Antheren
und ein kleines Stigma zur Befruchtung vollkommen hinlaͤnglich.
Bey der Nymphaea hingegen iſt es ein bloßer Zufall, daß die
Blumenkaͤfer den Antherenſtaub auf das Stigma ſchleppen.
Haͤtte ſie alſo nur vier Antheren und ein kleines Stigma, ſo wuͤrde
es ſich nur ſelten fuͤgen, daß ein Kaͤfer zuerſt auf die Antheren,
und hernach auf das Stigma kroͤche, und die wenigſten Blumen
wuͤrden befruchtet werden. Es mußte alſo, was dieſer Zufall un-
gewiſſes an ſich hat, durch die Menge der Antheren und die Groͤſſe
des Stigma erſetzt und aufgehoben werden.
S
[[150]]
Tilia.
Tilia.
Tilia Europaea und T. cordata. Groß- und klein-
blaͤttrichte Linde. Tab. XXII. 36. 38. 46. Die beiden erſten
Figuren ſind nach der erſten, die letzte nach der zweyten Art ge-
zeichnet. Soweit das Kelchblatt punktirt iſt, iſt es die Saft-
druͤſe.
Die bluͤhenden Linden werden von den Bienen außerordent-
lich haͤufig beſucht. Kruͤnitz ſagt S. 667, daß die Bienen nicht
nur Staub zu Wachs, ſondern auch Saft aus den Blumen ſamm-
len, aus welchen ſie einen ſehr vorzuͤglichen Honig bereiten. Auch
Gleditſch ruͤhmt die Blumen wegen dieſer Urſache ſehr, S. 179.
Und dennoch hat Linné zwar in der Amerikaniſchen, keineswe-
ges aber in den Europaͤiſchen Arten Saftdruͤſen gefunden. Gle-
ditſch aber (Forſtwiſſenſchaft 1. B. S. 302.) ſagt, die Euro-
paͤiſchen Arten haben auch Saftdruͤſen, welche, wie bey der
Amerikaniſchen, am unteren Ende der Kronenblaͤtter ſitzen, aber
klein und wenig ſichtlich ſeyen. Dieſe habe ich nicht finden koͤn-
nen; vielmehr ſind
1. die Saftdruͤſen die fuͤnf fleiſchichten ſehr hohlen Kelch-
blaͤtter. Man ſieht es denſelben ſogleich an, daß ſie etwas mehr
ſind, als bloß der Kelch. Denn ſie ſind 1) inwendig ſehr hohl,
folglich auswendig ſehr hoͤckericht, 2) nicht gruͤn und von blatt-
aͤhnlicher Subſtanz, wie gewoͤhnlich, ſondern weiß oder blaßgelb,
glatt und knorplicht.
2. In der Hoͤhle derſelben findet man, beſonders des Mor-
gens, da der die Nacht hindurch bereitete Saft von den Bienen
noch nicht abgeholt worden iſt, denſelben in anſehnlicher Menge.
3. Der Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert. Denn
1) ſitzen die Blumenſtiele in dem Winkel, welchen die Blattſtiele
mit dem Zweige machen, und hangen herab, da dieſe in die Hoͤhe
gerichtet ſind. Ein jeder Blumenbuͤſchel hat folglich ein Obdach
an dem Blatt, welches ungefaͤhr horizontal ſteht, weil es in die-
ſer Stellung die meiſten Regentropfen auffaͤngt. Steht man
alſo unter einer bluͤhenden Linde, und ſieht in die Hoͤhe, ſo ſieht
man die weißen Blumen; ſieht man aber von einem erhabenen
Ort auf den Baum hinab, ſo ſieht man faſt weiter nichts, als
die gruͤnen Blaͤtter. 2) Da die Blumen herabhangen, ſo iſt die
aͤußere konvexe Seite der Kelchblaͤtter dem Regen ausgeſetzt, und
ſchuͤtzt eben dadurch die innere konkave Seite vor demſelben.
3) Auch die Blumenblaͤtter (bracteae) tragen zu dieſer Abſicht
etwas bey, indem ſie theils viel Regentropfen auffangen, die ſonſt
auf die Blumen fallen wuͤrden, theils aber, wie ich mir wenig-
ſtens vorſtelle, auf folgende Art. Die vortheilhafteſte Stellung,
welche die Blumen haben koͤnnen, iſt, wenn die aͤußere Seite
Tilia.
des Kelchs den herabfallenden Regentropfen grade zugekehrt iſt.
Dieſe Stellung haben ſie nun wirtlich, wenn es bey einer Wind-
ſtille regnet. Denn da in dieſem Fall die Direktion der herabfal-
lenden Regentropfen perpendikulaͤr iſt, ſo iſt die Axe der herab-
hangenden Blumen auch perpendikulaͤr. Wenn aber der Regen
mit Wind oder Sturm koͤmmt, ſo iſt die Direktion der herabfal-
lenden Regentropfen ſchief, und deſto ſchiefer, je ſtaͤrker der
Wind iſt. Aber in eine ungefaͤhr eben ſo ſchiefe Stellung bringt
alsdenn der Wind die Blumen dadurch, daß er an die Blumen-
blaͤtter weht, und dieſelben aus ihrer vorigen Stellung bringt.
Alſo iſt auch in dieſem Fall die aͤußere Seite des Kelchs den
herabfallenden Regentropfen grade zugekehrt. Fehlten aber die
Blumenblaͤtter, ſo wuͤrden die Blumen, weil der Wind an den-
ſelben ſelbſt und den bloßen Blumenſtielen einen ſehr geringen
Widerſtand faͤnde, faſt grade herabhangen bleiben, folglich die
aͤußere Seite des Kelchs den herabfallenden Regentropfen nicht
mehr grade entgegen geſetzt ſeyn. 4) Wenn auch die Blume,
vom Winde geſchuͤttelt, ein naſſes Blatt beruͤhren ſollte, ſo kann
doch von unten kein Regentropfen in den Safthalter kommen,
weil die Kronenblaͤtter und Filamente ſolches verhindern. Auch
ſind die Kelchblaͤtter an der Baſis haaricht, aber in der Mitte,
wo der Saft iſt, glatt, Fig. 46.
4. Die ganze Blume iſt weißlich, oder ein wenig blaßgelb.
Dieſe Farbe haben auch die Blumenblaͤtter. Dieſe tragen alſo
auch dazu etwas bey, daß die Blumen den Bienen von weitem
beſſer in die Augen fallen. Ein Saftmaal iſt nicht noͤthig, da
der Saft nicht tief verſteckt iſt. Auch locken die Blumen durch
ihren uͤberaus angenehmen und ſich weit verbreitenden Geruch
die Inſekten an ſich.
5. Im naͤchſtvergangenen Jahr habe ich auf der fruͤhen Linde
kaͤferartige Inſekten von gruͤnlichgelber Farbe uͤberaus haͤufig an-
getroffen. Daß ſie den Saft genoſſen, konnte ich ſehr deut-
lich ſehen. Ich glaube aber, daß dieſer Saft, da er nicht fuͤr
ſie, ſondern fuͤr die Bienen beſtimmt iſt, ihnen ſchaͤdlich iſt.
Denn ich fand eine große Menge derſelben unter den Baͤumen
auf der Erde liegen, welche theils todt waren, theils dem Tode
nahe zu ſeyn ſchienen.
Tilia Americana. Tab. XXII. 43. 44. 53.
43. Ein aͤußeres Kronenblatt von innen.
44. Ein inneres Kronenblatt von innen.
53. Der Fruchtknoten. Die Figuren ſind nach einem ge-
trockneten Exemplar gezeichnet.
Die friſche Blume zu unterſuchen habe ich noch nicht Gele-
genheit gehabt. Indeſſen habe ich aus einigen Blumen meines
getrockneten Exemplars, welche ich in Waſſer aufgeweicht hatte,
[[151]]
Tilia. Delphinium.
erſehen, daß die Kelchblaͤtter eben ſo, als bey den Europaͤiſchen
Arten, in der Mitte eine glatte Stelle haben, welche alſo die
Saftdruͤſe und der Safthalter iſt. Die inneren Kronenblaͤtter,
welche Linné Schuppen nennt, hangen nicht, wie er nach
Kalms Angabe ſagt, mit den aͤußeren zuſammen; ſondern jene
bleiben ſitzen, wenn man dieſe abloͤſet. So wenig ich nun daran
zweifele, daß die Kelchblaͤtter Saft enthalten, ſo glaube ich den-
noch, daß auch zwiſchen den inneren Kronenblaͤttern, welche
Kalm fuͤr ein Nectarium gehalten hat, und dem Fruchtknoten
Saft befindlich ſey. Denn die Naͤgel jener ſind fleiſchicht, und
ſitzen in den glatten Vertiefungen, welche der Fruchtknoten an
der Baſis hat. Sonach wuͤrde die Blume ein doppeltes Necta-
rium haben, welches etwas ſeitenes und merkwuͤrdiges ſeyn wuͤrde,
da ich wenigſtens noch in keiner Blume dergleichen angetroffen
habe.
Delphinium.
Delphinium Aiacis. Ritterſporn. Tab. XXIV.
1—4.
1. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
2. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
3. Eine juͤngere Blume, von welcher die vorderſte Haͤlfte
der Krone weggeſchnitten worden. Die Staubgefaͤße befinden ſich
in drey verſchiedenen Zuſtaͤnden. Drey von denſelben a ſtehen
dem Eingange in den Sporn am naͤchſten, und nicht weit vom
Saftmaal e. Ihre Antheren bluͤhen, und haben bloß auf der
oberen Seite Staub. Drey andere d haben vorher eben dieſe
Stellung gehabt, nachdem aber ihre Antheren verbluͤhet waren,
haben ſie ſich herabgekruͤmmt, damit ſie nicht verhindern, daß
die bluͤhenden Antheren von den hineinkriechenden Hummeln be-
ruͤhrt werden. Eines b faͤngt an, ſich auch herabzukruͤmmen.
Die uͤbrigen c ſind kuͤrzer, und ihre Antheren haben ſich noch
nicht geoͤffnet. Das Stigma befindet ſich zwiſchen denſelben, und
koͤmmt nicht zum Vorſchein.
4. Eine aͤltere Blume. In dieſer haben ſich alle Staubge-
faͤße b, nachdem ihre Antheren verbluͤhet waren, herabgekruͤmmt.
Das Stigma a aber ſteht nun ganz frey, und nimmt eben die
Stelle ein, welche vorher die bluͤhenden Antheren eingenommen
hatten.
1*. Das Piſtill der juͤngeren Blume von der Seite.
2*. Das Piſtill der aͤlteren Blume.
3*. Das noch geſchloſſene Stigma der juͤngeren Blume von
vorne.
4*. Das geoͤffnete Stigma der aͤlteren Blume.
Delphinium. Aconitum.
1. 2. Der Sporn enthaͤlt den Saft, welcher von ſeinem
fleiſchichten Ende abgeſondert wird.
3. Ich fand, daß das Ende des Sporns mehrentheils hoͤher
ſtand, als ſeine Oeffnung, folglich kein Regentropfen zum Saft
gelangen konnte, weil er nicht in die Hoͤhe ſteigen konnte. Hieher ge-
hoͤrt auch dies, daß das duͤtenfoͤrmige Kronenblatt ſich unterwaͤrts
zuſammen begiebt, Fig. 1., und dadurch verurſacht, daß weniger
Regentropfen in den Sporn hineinfallen.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn das duͤtenfoͤrmige
Kronenblatt, welches mit dem Sporn Ein Stuͤck ausmacht,
pflegt anders gefaͤrbt zu ſeyn, als die uͤbrigen, und iſt mit einigen
Figuren von dunkler Farbe geziert.
5. Die Blumen werden von Hummeln nicht nur beſucht,
ſondern auch befruchtet, und zwar, weil ſie maͤnnlich-weibliche
Dichogamiſten ſind, alſo, daß die Hummeln den Staub von den
Antheren der juͤngeren Blumen auf das Stigma der aͤiteren
ſchleppen. Eine Hummel, durch die Krone gelockt, fliegt auf die
Blume hin. Sowohl die beſondere Farbe des duͤtenfoͤrmigen
Kronenblatts, als auch das auf demſelben befindliche Saftmaal
zeigt ihr den Weg zum Safthalter. Sie kriecht alſo hinein,
und ſteckt ihren Saugeruͤſſel in den Sporn und ſaugt. Hier
muß ſie nothwendig, wenn es eine juͤngere Blume iſt, den Staub
der bluͤhenden Antheren mit ihrem Unterleibe abſtreifen; ſie kann
aber denſelben nicht an das Stigma anſtreichen, weil daſſelbe
noch nicht vorhanden iſt. Nachdem ſie den Saft verzehrt hat,
verlaͤßt ſie dieſe Blume, und fliegt auf eine aͤltere hin. Hier ſteht
ihr das Stigma eben da im Wege, wo in der juͤngeren Blume
die bluͤhenden Antheren, und ſie kann nicht zum Saft gelangen,
ohne den mitgebrachten Staub auf das Stigma abzuſetzen.
Auch Bienen beſuchen die Blume; doch habe ich nur bemerkt,
daß ſie Staub ſammlen.
Aconitum.
Aconitum Napellus. Eiſenhuͤtlein. Blauer Sturm-
hut. Tab. XV. 26. 35*. Tab. XXIV. 12—14.
Tab. XV. 26. Eine Saftmaſchine.
35*. Der oberſte Theil derſelben im Durchſchnitt. Die
(punktirte) Haͤlfte der Saftdruͤſe.
Tab. XXIV. 12. Eine etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤr-
licher Stellung, welche von einer Hummel beſucht wird.
13. Die Befruchtungstheile einer juͤngeren Blume. a die
bluͤhenden Antheren. b die noch nicht bluͤhenden. c c die ver-
bluͤheten. Die Stigmate kommen noch nicht zum Vorſchein.
d die Stiele der Saftmaſchinen.
S 2
[[152]]
Aconitum. Aquilegia.
14. Die Befruchtungstheile einer aͤlteren Blume. Die An-
theren ſind ſaͤmtlich verbluͤhet. Die Stigmate haben die Stelle
der bluͤhenden Antheren eingenommen.
1. Die Saftdruͤſe iſt eigentlich der oberſte umgebogene,
fleiſchichtere, inwendig gruͤne, auswendig aber ſchwarzviolette
Theil der Duͤte, welche am Stiel der Saftmaſchine befindlich iſt.
Die Duͤte ſelbſt iſt violett, auch inwendig; dieſe Farbe verliert
ſich aber nicht nach und nach in die gruͤne Farbe der Saftdruͤſe,
ſondern wird durch einen dunklen Rand von derſelben abgeſchnit-
ten. Daß hier ſchlechterdings kein Regentropfen zum Saft kom-
men koͤnne, lehrt der Augenſchein. Die Duͤten ſind ein einleuch-
tendes Beyſpiel von der Anziehungskraft, welche die Safthalter
der Blumen gegen den Saft aͤußern. Druͤckt man nemlich den
oberen Theil einer von denſelben zwiſchen den Fingern, ſo koͤmmt
unterwaͤrts der große Safttropfen zum Vorſchein; hoͤrt man aber
auf zu druͤcken, ſo dehnt ſich die Duͤte mit elaſtiſcher Kraft ploͤtz-
lich von einander, und der Safttropfen faͤhrt wieder in die
Hoͤhe.
Dieſe Blume wird eben ſo, wie die vorhergehende, von
Hummeln beſucht und befruchtet. Denn wenn man die beiden
letzten Figuren mit der erſten vergleicht, ſo ſieht man, daß die
Hummeln in den juͤngeren Blumen nothwendig den Staub der
bluͤhenden Antheren mit ihrem Unterleibe abſtreifen, und in den
aͤlteren Blumen denſelben eben ſo nothwendig auf die Stigmate
bringen muͤſſen.
Aconitum Lycoctonum. Gelber Sturmhut. Tab.
XV. 27—29.
27. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung,
von der Seite geſehen.
28. Dieſelbe, von vorne geſehen.
29. Eine Saftmaſchine.
Die Duͤte iſt blaßgelb; die Saftdruͤſe iſt von eben dieſer
Farbe, aber fleiſchicht. Wenn man jene gegen das Licht haͤlt,
ſo ſieht man den Saft bis an die punktirte Linie ſtehen. Druͤckt
man dieſelbe zwiſchen den Fingern, ſo findet auch hier das von
der vorhergehenden Art geſagte Statt.
Gegen den Regen iſt der Saft in beiden Arten vollkommen
geſichert. Beider unterſte Kronenblaͤtter ſind inwendig haaricht.
Beide haben kein Saftmaal.
Aquilegia.
Aquilegia vulgaris. Ackeley. Tab. XV. 30. Eine
etwas vergroͤſſerte Saftduͤte.
Das fleiſchichte Ende der Saftduͤten ſondert den Saft ab.
Dieſer kann aus denſelben nicht herausfließen, da er ſich in ihrem
Aquilegia. Nigella.
oberſten umgebogenen Theil befindet, und von demſelben zu ſtark
angezogen wird. Daß kein Regen zum Saft kommen koͤnne,
lehrt der Augenſchein. Ein Saftmaal hat dieſe Art nicht.
Die Blume wird von großen Hummeln beſucht. Auch Bie-
nen traf ich auf derſelben an. Sie ſammleten zuerſt den Staub
von den Antheren; anſtatt aber alsdenn in die Saftduͤten hinein-
zukriechen, begaben ſie ſich von außen auf dieſelben, biſſen in das
oberſte Ende derſelben ein Loch, und holten auf ſolche Art den
Saft heraus.
Leske will, wie Medikus S. 158. meldet, das ſoge-
nannte Wandern der Staubgefaͤße zum Piſtill auch bey dieſer
Blume wahrgenommen haben. Er hat ſich aber auch hier geirrt.
Allerdings legt ſich zwar die innerſte Reihe der Staubgefaͤße mit
ihren bluͤhenden Antheren an die Griffel, und ſo folgen ihnen
nach und nach die aͤußeren Reihen. Solange dies aber geſchieht,
ſind die Griffel noch kuͤrzer, als die Filamente, und liegen dicht
an einander. Erſt, wann alle Staubgefaͤße verbluͤhet ſind, ver-
laͤngern ſich die Griffel, ſo daß ſie endlich laͤnger werden, als
jene, und kruͤmmen ſich auseinander, ſo daß die Stigmate nicht
mehr beyſammen ſtehen, ſondern einen kleinen Raum einnehmen.
Die Blume iſt alſo ein Dichogamiſt von der maͤnnlich-weiblichen
Art.
Aquilegia Canadenſis. Hier iſt zwar das Ende der
Saftduͤten nicht umgebogen, ſondern nur ein wenig gekruͤmmt;
der Saft aber kann dennoch nicht herausfließen, weil der lange
duͤnnere Theil ihn zu ſtark anzieht. Dieſe ſchoͤne Blume hat ein
Saftmaal. Denn die Krone iſt roth, der untere weitere Theil
der Saftduͤten aber gelb, beſonders inwendig.
Nigella.
Nigella aruenſis. Wilder Schwarzkuͤmmel. Tab.
VI. 1—12 16—18. 22. Tab. XXIV. 5. 6. 9. Tab. XXV. 8.
Tab. VI. 4. Die vergroͤſſerte Blume von oben geſehen.
Sie iſt fuͤnf Tage alt.
22. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung. Sie iſt zwey Tage alt.
1. Eine Saftmaſchine in natuͤrlicher Stellung, von der
Seite, 2. von unten, 3. von oben geſehen.
9. Dieſelbe, mit ihrem Deckel noch verſehen, 10. deſſelben
beraubt.
12. Ein Theil einer Saftmaſchine ohne den Deckel im Durch-
ſchnitt. a die Haͤlfte der Saftdruͤſe.
5. Der oberſte Theil eines bluͤhenden Staubgefaͤßes in na-
tuͤrlicher Stellung, von der Seite geſehen.
6. Die untere Seite deſſelben. Der eine Staubbeutel hat ſich
ſchon ganz geoͤffnet, der andere hat angefangen ſich zu oͤffnen.
[[153]]
Nigella.
7. Eben derſelbe, von oben geſehen.
8. Die untere flache Seite deſſelben, nachdem der Staub
von einer Biene abgeſtreift worden iſt.
17. Eine Saftmaſchine, von oben geſehen, zwiſchen zwey
Filamenten, welche ſich bereits geſtreckt haben, und welche weiß
ſind, an der Baſis aber einen violetten Fleck haben.
16. Eins von dieſen Filamenten, noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
18. Ein Filament, welches ſich noch nicht geſtreckt hat,
ſondern aufrecht ſteht, von vorne geſehen. Der auf der hinteren
Seite befindliche violette Fleck ſchimmert nur ſchwach durch.
11. Ein Griffel der Blume Fig. 4., noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
Von a*) bis b ſieht man das Stigma, von b bis c iſt daſſelbe
auf der unteren Seite des Griffels befindlich, von c bis d iſt es
wieder auf der oberen Seite.
Tab. XXIV. 6. Eine Blume, welche zwey Tage alt iſt,
wird von einer Biene beſucht, welche den Staub der bluͤhenden
Antheren abſtreift. Von 1 hat ſie denſelben ſchon abgeſtreift,
von 2 und 3 ſtreift ſie ihn jetzt ab, die uͤbrigen aber 4 bis 8 hat
ſie noch nicht beruͤhrt, welche folglich ihren Staub noch haben.
9. Eben dieſe Biene beſucht, nachdem ſie jene verlaſſen hat,
eine Blume, welche ſechs oder ſieben Tage alt iſt, und ſtreift
den von jener erhaltenen Staub an die Stigmate derſelben.
5. Die verbluͤhete Blume.
Tab. XXV. 8. Die reifen Samenkapſeln, von oben ge-
ſehen.
Die acht Koͤrper, welche LinnéNectaria nennt, nenne ich
Saftmaſchinen. Eine derſelben ſieht man in Fig. 1. Tab. VI.
von der Seite. d c iſt der Stiel derſelben. c b e iſt die Saft-
druͤſe, der Safthalter und die Saftdecke. Der Theil c b iſt wie
eine Rinne geſtaltet; er iſt nemlich hohl, die Seite nach d zu
aber iſt offen. Auf dieſe Oeffnung paßt genau ein Deckel, wel-
cher oberwaͤrts noch einen ſchmalen Fortſatz b e hat. In Fig. 3.
ſieht man die Saftmaſchine von oben, und den ganzen Deckel
c e. Dieſen ſieht man noch deutlicher in Fig. 9. In Fig. 10.
iſt der Deckel weggeſchnitten, und man ſieht die nun offene Rinne
In Fig. 2. ſieht man dieſelbe von unten, wo bey e das Ende des
Fortſatzes des Deckels zu ſehen iſt.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Grund der Rinne der Saftmaſchine,
oder das fleiſchichte Knie c. Sie iſt gelb.
2. Der Safthalter iſt der rinnenfoͤrmige Theil c b.
3. Die Saftdecke iſt der Deckel c e. Derſelbe verſchließt
die Rinne voͤllig, und ſchuͤtzt den Saft vor dem Regen. Damit
Nigella.
er ſich nicht verſchiebe, ſo hat die Saftmaſchine bey b zwey Hoͤcker,
welche man in Fig. 3., 9. und 10. ſieht, zwiſchen welchen der
Deckel liegt. Ferner iſt der Theil a b mit einigen auswaͤrts ge-
richteten Borſten verſehen, welche verurſachen, daß ein Regen-
tropfen, welcher auf denſelben gefallen iſt, ſich nicht nach b bege-
ben, und dem Safthalter naͤhern kann. Dieſer Theil iſt ferner
auf der oberen Seite etwas konvex, auf der unteren aber konkav,
damit ein auf denſelben gefallener Regentropfen leichter ablaufen
koͤnne. Endlich iſt der Deckel elaſtiſch. Stoͤßt man ihn alſo zu-
ruͤck, ſo faͤllt er, wenn man nachlaͤßt, wieder zu. Wenn eine
Biene ſich auf die Blume geſetzt hat, ſo ſteckt ſie ihren Sauge-
ruͤſſel zwiſchen den Deckel und die Rinne der ihr naͤchſten Saft-
maſchine hinein. Nachdem ſie den Saft verzehrt hat, zieht ſie
den Saugeruͤſſel wieder heraus, und der Deckel faͤllt wieder zu.
Von dieſer begiebt ſie ſich zur naͤchſifolgenden. Und ſo laͤuft ſie
im Kreiſe herum, bis ſie alle acht Saftmaſchinen ausgeleert hat,
da ſie denn dieſe Blume verlaͤßt, und auf eine andere hinfliegt.
4. Die Kronenblaͤtter ſind auf der oberen. Seite blaßblau,
und machen den Bienen die Blume, als eine Saftblume, be-
merkbar. Damit nun dieſe den Saft leicht finden, und den gan-
zen Vorrath deſſelben verzehren koͤnnen, ſo hat die Blume ein
Saftmaal, welches folgendermaßen eingerichtet iſt. Die Saftma-
ſchinen ſind auf ihrer oberen Seite Fig. 17. braͤunlich oder blau,
haben aber zwey breite weißliche oder gelbgruͤnliche Queerſtreifen
a c und b d. Der Fortſatz des Deckels Fig. 1. b e und 9. iſt
weißlich und braun, welche Farben zweymal abwechſeln. End-
lich haben die Filamente, welche weiß ſind, auf ihrer inneren
oder den Piſtillen zugekehrten Seite nicht weit von ihrem unteren
Ende einen violetten Fleck; auf der aͤußeren Seite aber ſchimmert
dieſer Fleck nur ſchwach durch. In Fig. 22. ſieht man, daß ei-
nige Filamente ſich horizontal geſtreckt haben, andere aber noch
aufrecht ſtehen. Fig. 16. ſtellt den unterſten Theil eines horizon-
tal geſtreckten Filaments, von oben geſehen, vor, wo alſo der
violette Fleck zu ſehen iſt; Fig. 18. aber den unterſten Theil eines
aufrechtſtehenden, von vorne geſehen, wo der violette Fleck nur
ganz ſchwach durchſchimmert. Was nun dieſes alles zuſammen-
genommen fuͤr einen Effekt mache, ſieht man in Fig. 4, wenn
man, was in derſelben nicht deutlich vorgeſtellt werden konnte,
noch vermittelſt Fig. 17. und Fig. 1. e b in Gedanken ergaͤnzt.
Man erblickt nemlich in der Mitte der Blume zehn koncentriſche
Ringe, welche abwechſelnd weißlich und von dunkler Farbe ſind.
Dieſe Ringe dienen bloß dazu, daß die Biene durch dieſelben,
als durch einen Wegweiſer, ringsherum gefuͤhrt werde, und folg-
lich alle Saftmaſchinen ausleere.
S 3
[[154]]
Nigella.
5. Die Blume hat acht Reihen von Staubgeſaͤßen, welche
zwiſchen den Saftmaſchinen befindlich ſind. Jede Reihe enthaͤlt
ihrer ſechs, welche dicht hinter einander ſtehen. Wann die Blume
aufgebrochen iſt, und ihre Krone aus einander gebreitet hat, ſo
ſtehen alle Staubgefaͤße aufrecht, und ſind ganz gerade, und die
Antheren haben ſich noch nicht geoͤffnet, wie in Fig. 4. in jeder
Reihe eines, in Fig. 22. aber in jeder Reihe viere. Am erſten
Tage kruͤmmt ſich hierauf das vorderſte jeder Reihe, ſo daß der
unterſte Theil deſſelben ſeine aufrechte Stellung behaͤlt, der oberſte
aber eine horizontale bekoͤmmt. Seine Anthere bekoͤmmt auf der
unteren Seite der Laͤnge nach zwey Ritzen, aus welchen der Staub
hervorquillt, und die untere Seite ganz bedeckt. Am folgenden
Tage hat ſich daſſelbe horizontal geſtreckt, und das zweyte jeder
Reihe thut nun eben das, was das erſte am vorhergehenden Tage
that. Fig. 22. ſtellt eine Blume vor, welche zwey Tage alt iſt.
Man ſieht ſechs horizontal geſtreckte Staubgefaͤße (die beiden hin-
terſten werden von der Blume verdeckt) und ſieben gekruͤmmte
(das hinterſte wird von der Blume verdeckt). Am dritten Tage
iſt das zweyte Staubgefaͤß jeder Reihe auch geſtreckt, und das
dritte gekruͤmmt mit ſtaubvoller Anthere. In Fig. 4. ſieht man
eine Blume, welche fuͤnf Tage alt iſt. Die vier vorderſten
Staubgefaͤße jeder Reihe ſind horizontal geſtreckt, das fuͤnfte iſt
gekruͤmmt, das ſechste ſteht noch aufrecht. Am ſiebenten Tage
findet man alle acht und vierzig Staubgefaͤße geſtreckt.
Die fuͤnf Griffel ſtehen anfangs aufrecht, und ſind gerade.
Das Stigma hat das Anſehen einer Nath, welche auf der inne-
ren Seite derſelben ſich befindet, und ſich von der Baſis derſelben
bis an ihr Ende erſtreckt. Am folgenden Tage haben ſich dieſel-
ben theils ein wenig gekruͤmmt, theils ein wenig ſchneckenfoͤrmig
gedrehet, Fig. 22. Sie fahren fort ſich zu kruͤmmen und zu dre-
hen, ſo daß ſie, wann die Staubgefaͤße beynahe verbluͤhet ſind,
ungefaͤhr horizontal ſtehen, und der groͤßte Theil ihres Stigma
auf der unteren Seite befindlich iſt, Fig. 4. Fig. 11. ſtellt einen
Griffel der Blume Fig. 4., von oben geſehen, vor. Man ſieht
hier den Theil des Stigma a b und c d, aber den groͤſſeren mit-
telſten Theil deſſelben b c ſieht man nicht, weil er ſich auf der
unteren Seite des Griffels befindet. Nachdem die Staubgefaͤße
ſich ſaͤmtlich geſtreckt haben, ſo kruͤmmen und drehen ſich die Grif-
fel immer mehr, wie Tab. XXIV. Fig. 9. zeigt. Dieſe Geſtalt
behalten ſie ungefaͤhr drey oder vier Tage. Hierauf ſtrecken ſie
ſich wieder grade in die Hoͤhe, und die Blume verliert alsdenn
die Kronenblaͤtter, die Staubgefaͤße und die Saftmaſchinen, und
hat die in Tab. XXIV. Fig. 5. abgebildete Geſtalt.
Als ich im Sommer 1789 Bienen auf der Blume antraf, ſo
bemerkte ich, daß ſie mit dem Ruͤcken immer an die bluͤhenden
Nigella.
oder ſtaubvollen Antheren ſtießen. Ich bemerkte dies mit einem
kleinen Mißfallen. Warum, dachte ich, muͤſſen denn dieſe Thier-
chen, indem ſie ihrer Nahrung nachgehen, immer die Antheren
im Wege finden, und warum koͤnnen ſie nicht vielmehr ungehin-
dert unter denſelben herumlaufen? Weil ich aber uͤberzeugt war,
daß man auch den geringſten Umſtand, den man in einer Blume
antrifft, nicht fuͤr unwichtig halten muͤſſe, am wenigſten aber,
wenn ſich derſelbe auf die Inſekten bezieht, welche die Blume be-
ſuchen: ſo dachte ich uͤber dieſen bemerkten Umſtand nach, und
ich warf bey mir die Frage auf, ob derſelbe nicht vielleicht eine
Veranſtaltung der Natur ſeyn, und ſich auf die Befruchtung
der Blume beziehen moͤchte. Ein anderer Umſtand, daß nemlich
die Antheren den Staub auf der unteren, alſo der von den Stig-
maten abgewendeten Seite haben, brachte mich bald auf die
rechte Spur. Denn der Antherenſtaub kann nicht auf die Stig-
mate fallen, da dieſelben hoͤher ſtehen, und wenu er vom Winde
auf dieſelben gebracht werden ſollte, ſo wuͤrde es zweckmaͤßiger
ſeyn, daß derſelbe ſich auf der oberen Seite der Antheren befaͤnde.
Sollten alſo wohl, dachte ich, die Bienen bloß deswegen an die
Antheren ſtoßen muͤſſen, damit ſie den Staub von denſelben ab-
ſtreifen, und dieſer dadurch auf die Stigmate gebracht werde?
Aber wie wird er auf die Stigmate gebracht, da dieſelben doch
ein wenig hoͤher ſtehen, als die Antheren, folglich von dem be-
ſtaͤubten Ruͤcken der Bienen nicht beruͤhrt werden? Ich nahm
alſo einen wollenen Lappen, rieb mit demſelben die untere Seite
der Antheren, und ſahe, weil meine Erwartung ſehr geſpannt
war, mit Erſtaunen, daß einige Staubtheilchen ſich mit der groͤß-
ten Schnelligkeit von allen Seiten, beſonders aber in die Hoͤhe,
verbreiteten. Sie glichen hierin voͤllig den Feuerfunken, welche
man mit einem Stahl aus einem Feuerſtein ſchlaͤgt. Wenn,
dachte ich alſo, eine Biene dieſen Staub abſtreift, ſo faͤhrt ein
Theil deſſelben auf das Stigma, und bleibt auf demſelben ſitzen.
So ſchloß ich im Sommer 1789. Im folgenden Sommer
aber fand ich, daß ich mich dennoch zum Theil geirrt hatte, und
daß zwar die Bienen die Blume befruchten, aber auf eine ganz
andere Art, als ich mir vorgeſtellt hatte. Nachdem ich nemlich
die dichogamiſche Befruchtungsart des Epilobium anguſtifolium
entdeckt hatte, nachdem ich hierauf gefunden hatte, daß eben die-
ſelbe bey dem Delphinium Aiacis und dem Aconitum Napellus
Statt findet: ſo vermuthete ich, daß, weil Nigella mit den bei-
den letzteren zu Einer Klaſſe gehoͤrt, auch ſie auf die nemliche Art
befruchtet werde. Der Augenſchein uͤberzeugte mich ſogleich, daß
ich mich hierin nicht irrte. Denn ich fand, daß die Blume,
nachdem die Staubgefaͤße ſich ſaͤmtlich geſtreckt hatten, noch nicht
verbluͤhet war, ſondern noch drey oder vier Tage zu bluͤhen fort-
[[155]]
Nigella.
fuhr, daß waͤhrend dieſer Zeit die Griffel am meiſten gekruͤmmt
und gedrehet waren, und daher die Bienen alsdenn eben ſo
nothwendig die Stigmate beruͤhrten, als ſie vorher die Antheren
beruͤhrt hatten, Tab. XXIV. 6. 9., und daß nach Verfließung
dieſer Zeit die Griffel ſich wieder grade in die Hoͤhe ſtreckten, und
die Kronenblaͤtter, die Staubgefaͤße und die Saftmaſchinen ab-
fielen, zum offenbaren Beweiſe, daß nun erſt die Natur ihre
Abſicht, nemlich die Befruchtung der Fruchtknoten, erreicht hatte.
Hieraus folgt alſo mit der groͤßten Gewißheit, daß die Bienen
nicht die juͤngern Blumen, deren Antheren noch bluͤhen, ſondern
die aͤlteren, deren Antheren keinen Staub mehr haben, befruch-
ten, und zwar ſo, daß ſie den Staub, welchen ſie mit ihrem
haarichten Ruͤcken von den bluͤhenden Antheren der erſteren ab-
geſtreift haben, auf die Stigmate der letzteren unmittelbar an-
ſtreichen.
Nachdem wir nun die eigentliche Befruchtungsart dieſer
Blume kennen gelernt haben, ſo ſind wir im Stande, verſchie-
dene die Einrichtung derſelben betreffende Fragen auf eine befrie-
digende Art zu beantworten, welche wir, wenn wir glaubten,
daß eine mechaniſche Befruchtungsart hier Statt finde, ewig
wuͤrden unbeantwortet laſſen muͤſſen.
Vorher muß jedoch noch etwas, was die Frucht betrifft, be-
merkt werden.
Die Samenkoͤrner ſollen nicht aus den Samenkapſeln her-
ausfallen, ſondern vom Winde herausgeworfen, und weit ver-
ſtreuet werden. Daher ſtehen die Kapſeln 1) aufrecht, und oͤff-
nen ſich 2) bloß auf der inneren Seite, Tab. XXV. 8. verglichen
mit Tab. XIV. 5. Weil nun die Kapſeln aufrecht ſtehen, ſo
muß auch die Blume aufrecht ſtehen.
Warum hat alſo die Blume eine Krone? Antw. Weil ſie
von den Bienen befruchtet werden ſoll, und zu dem Ende Saft
enthalten, und dieſen Inſekten, als eine Saftblume, von weitem
in die Augen fallen muß. — Warum ſind die Kronenblaͤtter auf
der oberen Seite gefaͤrbt, auf der unteren aber gruͤner und unan
ſehnlicher? A. Weil die Blume aufrecht ſteht, und den Bie-
nen nicht die untere, ſondern bloß die obere Seite ihrer Krone in
die Augen faͤllt. Denn die Pflanze iſt ſehr niedrig, und die Bie-
nen fliegen nicht unterhalb, ſondern oberhalb der Blumen um-
her. — Warum ſind die kleinen Buͤchschen, welche den Saft
enthalten, mit einem elaſtiſchen Deckel verſehen? A. Erſtens,
damit der Saft nicht vom Regen verdorben werde. Zweytens,
damit Fliegen und andere unedlere Inſekten nicht den Saft fin-
den und verzehren, und dadurch verurſachen, daß die Bienen die
Blumen unbeſucht, und folglich unbefruchtet ſtehen laſſen. —
Warum hat die Blume acht Saftmaſchinen und eben ſo viel
Nigella.
Reihen von Staubgefaͤßen, da ſie nur fuͤnf Kronenblaͤtter und
eben ſo viel Piſtille hat? Warum hat die Natur hier die Zahlen
5 und 8, welche kein ſchoͤnes Verhaͤltniß gegen einander haben,
mit einander vereinigt, und dadurch verurſacht, daß die Blume
nicht voͤllig regulaͤr iſt? A. Je mehr Reihen von Staubgefaͤßen
vorhanden ſind, deſto mehr Staubgefaͤße ſind taͤglich im Stande,
den Bienen Staub zu liefern, um damit die aͤlteren Blumen zu
befruchten, deſto leichter erfolgt alſo die Befruchtung der letzteren.
So viel Reihen von Staubgefaͤßen aber vorhanden ſind, eben ſo
viel Saftmaſchinen muͤſſen auch vorhanden ſeyn, weil jene mit
dieſen abwechſeln, und wann ſich eines derſelben horizontal ſtrecken
will, es ſich zwiſchen die beiden naͤchſten Saftmaſchinen hindurch
begeben muß. Daß aber nicht zehn Reihen von Staubgefaͤßen
und eben ſo viel Saftmaſchinen da ſind, bey welcher Anzahl die
Blume voͤllig regulaͤr ſeyn wuͤrde, koͤmmt wahrſcheinlich daher,
daß die Natur nicht mehr als achte zur Erreichung ihrer Abſicht
noͤthig fand. Den Bienen, welche von Zahlen und derſelben
Verhaͤltniſſen nichts wiſſen, iſt es einerley, ob acht oder zehn
Saftmaſchinen vorhanden ſind, wenn ſie nur ihre reichliche Nah-
rung in denſelben finden. — Warum hat die Blume in der Mitte
verſchiedene koncentriſche Ringe von verſchiedener Farbe? A.
Damit die Bienen, durch dieſelben im Kreiſe herumgefuͤhrt, alle
Saftbehaͤltniſſe ausleeren, und, indem ſie dies wiſſentlich thun,
zugleich, ohne es zu wiſſen, in den juͤngeren Blumen den Staub al-
ler bluͤhenden Antheren abſtreifen, und in den aͤlteren alle Stig-
mate mit Staube verſehen. — Warum haben die horizontal ge-
ſtreckten Filamente auf der oberen, nicht aber auf der unteren
Seite an der Baſis einen violetten Fleck? A. Dieſer Fleck iſt
ein Theil des Saftmaals; er mußte folglich auf der oberen Seite,
welche die Bienen ſehen, nicht aber auf der unteren, welche ſie
nicht ſehen, angebracht werden. Solange die Filamente aufrecht
ſtehen, wuͤrde dieſer Fleck, wenn er auf der vorderen Seite der-
ſelben ſich beſaͤnde, von den Bienen nicht ſonderlich bemerkt wer-
den. Denn das Saftmaal ſoll, wie die ganze Blume, denſelben
von oben, und nicht von der Seite in die Augen fallen. —
Warum kruͤmmen ſich die Staubgefaͤße, welche bluͤhen, ſo, daß
thre Antheren grade uͤber den Saftmaſchinen ſtehen, und warum
ſondern die Antheren den Staub auf der unteren, nicht aber auf
der oberen Seite ab? A. Beides geſchieht, damit die Bienen,
indem ſie um die Saftmaſchinen herumlaufen, den Staub mit
dem Ruͤcken abſtreifen. — Warum ſtrecken ſich die noch nicht
bluͤhenden Staubgefaͤße grade in die Hoͤhe, die ſchon verbluͤheten
aber grade horizontal? A. Weil ſie ſonſt verurſachen wuͤrden,
daß die Bienen den Staub der bluͤhenden Antheren nicht rein ab-
ſtreifen koͤnnten. — Warum drehen ſich die Griffel und kruͤm-
[[156]]
Nigella.
men ſich herab, ſo daß die Stigmate, nachdem die Antheren
ſaͤmtlich verbluͤhet ſind, die Stelle derſelben einnehmen? A.
Beides geſchieht, damit die Stigmate eben ſo nothwendig von
den Bienen beruͤhrt werden, als vorher die Antheren von ihnen
beruͤhrt wurden. — Warum hat die Blume eine ſo große An-
zahl von Staubgefaͤßen, nemlich acht und vierzig? A. Damit
ſie den Bienen ſechs Tage lang Staub zur Befruchtung liefern
koͤnne. — Warum dauert aber die Bluͤhezeit der Antheren ſechs
Tage, und hernach die Bluͤhezeit der Stigmate drey oder vier
Tage? A. Sobald die Blume angefangen hat zu bluͤhen, fin-
det ſich nicht ſogleich eine Biene auf derſelben ein; ſondern ein
bloßer Zufall fuͤhrt ſie fruͤher oder ſpaͤter auf dieſelbe. Ferner
fliegen die Bienen an ſolchen Tagen, da es anhaltend regnet,
nicht aus; die Staubgefaͤße aber fahren unterdeſſen fort zu bluͤ-
hen, und zu verbluͤhen. Bluͤheten alſo die Staubgefaͤße nur
z. B. Einen Tag lang, ſo wuͤrden viel juͤngere Blumen von den
Bienen nicht beſucht werden, und folglich denſelben keinen Staub
zur Befruchtung der aͤlteren Blumen liefern. Eben ſo, wenn
die Griffel nach dem Verbluͤhen der Staubgefaͤße nur Einen Tag
lang gekruͤmmt blieben, ſo wuͤrden viel aͤltere Blumen von den
Bienen nicht beſucht werden, folglich unbefruchtet bleiben. —
Warum ſind die Antheren auf ihrer unteren Seite Fig. 8. ganz
flach, welches ſie auf der oberen Fig. 7. nicht ſind? A. Damit
die Bienen den auf der unteren Seite befindlichen Staub rein ab-
ſtreifen koͤnnen. — Warum bluͤhen die Antheren und die Stig-
mate nicht zu gleicher Zeit, d. i., warum ſind die Griffel, wann
die Antheren Staub haben, nicht am meiſten gekruͤmmt, ſondern
fangen alsdenn nur erſt an ſich zu kruͤmmen, und erhalten ihre
ſtaͤrkſte Kruͤmmung erſt nach dem Verbluͤhen aller Antheren?
A. Weil im erſten Fall die Griffel verhindern wuͤrden, daß die
Bienen den Staub der Antheren rein abſtreifen, und die Staub-
gefaͤße, daß ſie die Stigmate ganz mit Staub verſehen koͤnnten;
da ſie im Gegentheil nach der von der Natur gemachten Einrich-
tung durch nichts gehindert werden, in den juͤngeren Blumen den
Staub der bluͤhenden Antheren rein abzuſtreifen, und die Stig-
mate der aͤlteren mit demſelben zu verſehen. — Warum koͤnnen
die Bienen nicht ungehindert den Saft verzehren, ſondern ſtoßen
ſich dabey immer an die Staubgefaͤße und die Griffel, welches
ihnen eine kleine Unannehmlichkeit verurſachen muß? A. Wenn
dieſes nicht geſchaͤhe, ſo wuͤrden die Blumen nicht befruchtet wer-
den. Es iſt nicht unbillig, daß ſie fuͤr den Genuß, welchen ih-
nen dieſelben verſchaffen, dieſe kleine Ungemaͤchlichkeit ertragen,
welche ſchlechterdings nothwendig iſt, und ſie kommen hier
weit beſſer weg, als bey anderen Blumen andere Inſekten,
z. B. Fliegen, welche ihre Luͤſternheit mit dem Verluſt eines
Nigella.
Beins, oder ihrer Freyheit, oder gar ihres Lebens buͤßen
muͤſſen. — Warum bluͤhet die Pflanze hauptſaͤchlich alsdenn,
wann das Getreide abgemaͤhet worden iſt, und nicht fruͤ-
her? A. Wenn ſie fruͤher bluͤhete, ſo wuͤrden die Blumen,
da die Pflanze niedrig iſt, vom Getreide verdeckt, und folglich
von den Bienen weniger bemerkt, beſucht und befruchtet werden;
zwiſchen den Stoppeln hingegen fallen ſie den Bienen ſchon von
weitem in die Augen. — Warum iſt endlich die Blume grade
ſo groß, als ſie iſt, nicht groͤſſer, nicht kleiner? A. Weil die
Natur wollte, daß ſie bloß von den Bienen befruchtet werden
ſollte, folglich gleichſam das Maaß zu derſelben von dem Koͤrper
der Bienen nehmen mußte. Waͤre die Blume im Durchmeſſer
noch einmal ſo groß, ſo ſtuͤnden auch die Antheren und die Stig-
mate noch einmal ſo hoch, und die Bienen wuͤrden unter denſel-
ben herumlaufen, ohne ſie zu beruͤhren. Waͤre ſie aber halb ſo
groß, ſo ſtuͤnden auch die Antheren und die Stigmate halb ſo
hoch, und die Bienen wuͤrden ſie nicht auf eine zweckmaͤßige Art
beruͤhren. In beiden Faͤllen wuͤrde alſo die Befruchtung unmoͤg-
lich, oder hoͤchſt mißlich ſeyn. Grade ſo groß mußte die Blume
ſeyn, daß die Bienen zwar beynahe, aber nicht ganz ungehindert
unter den Antheren und den Stigmaten herumlaufen koͤnnten.
Daß die Natur dieſe Blume bloß fuͤr die Bienen beſtimmt
habe, und ſie bloß von ihnen befruchten laſſe, iſt hoͤchſt wahr-
ſcheinlich. Ich habe mich oftmals auf den Acker, auf welchem
die Pflanze waͤchſt, bey ſchoͤnem Wetter hinbegeben, und mich
jedesmal ziemlich lange daſelbſt aufgehalten, aber niemals andere
Inſekten auf den Blumen angetroffen, als Bienen. Daß ihnen
der Saft derſelben ſehr angenehm ſeyn muͤſſe, ſchließe ich daraus,
daß ſie das Delphinium Conſolida, welches auf demſelben Acker
haͤufig ſtand, nicht beſuchten, ſondern ſich bloß zur Nigella hiel-
ten. Nun aber iſt jene Blume den Bienen auch ſehr nuͤtzlich,
wie Gleditſch S. 205. verſichert. Fuͤr Schmetterlinge iſt die
Blume wohl ſchwerlich beſtimmt, da dieſelben ſich vornehmlich
zu ſolchen Blumen halten, welche eine lange und enge Roͤhre ha-
ben, bey welchen ihnen ihr langer und duͤnner Saugeruͤſſel wohl
zu Statten koͤmmt. Dahin gehoͤren die Syngeneſiſten, die Nel-
kenblumen ꝛc. Eben ſo wenig kann ſie fuͤr Fliegen beſtimmt ſeyn.
Denn dieſe ſind zu dumm, als daß ſie den ſo kuͤnſtlich verſteckten
Saft ſollten ausfindig machen koͤnnen. Sie naͤhren ſich bloß
von ſolchen Blumen, deren Saft ganz frey liegt, und welchen
zu finden nur Augen noͤthig ſind, aber nicht das Genie einer
Biene erfordert wird. Zwar fand ich auf einer Blume eine Fliege;
ſie beleckte aber bloß die Saftmaſchinen, in der Hoffnung, daß
ſie Saft auf denſelben antreffen wuͤrde, es fiel ihr aber nicht ein-
mal ein, den Saugeruͤſſel in den Safthalter hineinzuſtecken.
Auch
[[157]]
Nigella. Anemone.
Auch nicht fuͤr Blaſenfuͤße oder andere ſehr kleine Inſekten.
Denn dieſe wuͤrden den Saft verzehren, ohne die Antheren
und die Stigmate zu beruͤhren, ohne daß folglich die Blume
von ihrem Beſuch Nutzen haͤtte. Endlich nicht fuͤr Nachtin-
ſekten, da die Blume ein Saftmaal hat, welches von denſel-
ben ſchwerlich bemerkt werden kann.
Daß die Griffel ſich herabkruͤmmen, hat ſchon Linné be-
merkt, Philoſ. bot. Ed. II. p. 91. §. 145. Er hat aber ge-
glaubt, daß dieſes deswegen geſchehe, damit die Stigmate die
Antheren unmittelbar beruͤhren, daß folglich die Befruchtung
auf eine mechaniſche Art vor ſich gehe. In der Diſſertation:
Sponſalia plantarum, ſagt er, oder Wahlboom: Retorquen-
tur ſtyli, vt circumpoſitos piſtillis maritos attingant. Dies
findet bey dieſer Art nicht Statt, ſondern die Griffel bleiben
von den bluͤhenden Antheren immer in einiger Entfernung.
Erſt nachdem alle Staubgefaͤße verbluͤhet ſind, und ſich hori-
zontal geſtreckt haben, kruͤmmen ſich die Griffel ſo weit herab,
daß ſie die Antheren, wenn noch einige bluͤheten, wuͤrden beruͤh-
ren koͤnnen. Man vergleiche Tab. VI. 22. 4. und Tab. XXIV
9. mit einander. In der Varietaͤt der Nigella Damaſcena
aber, welche keine Saftmaſchinen, ſondern an derſelben Stelle
Kronenblaͤtter hat, geſchieht vermuthlich die Befruchtung ſo,
wie Linné es ſich vorgeſtellt hat. Ich habe aber bemerkt,
daß die Samenkapſeln nur wenig Samenkoͤrner haben, und
ſchreibe dieſes eben dieſer mechaniſchen Befruchtungsart zu, in-
dem es oftmals geſchehen muß, daß ein Stigma gar nicht,
oder nicht gehoͤrig mit Staube verſehen wird. Wer beide Va-
rietaͤten beyſammen hat, und mit einander vergleichen kann,
wird vermuthlich, wenn er dieſelben gehoͤrig beobachtet, etwas
bemerken, woraus erhellt, daß die zuerſt genannte mehr zur
Beſtaͤtigung, als zur Widerlegung meiner Vorſtellung von der
Befruchtung dienet.
Anemone.
Anemone pratenſis. Schwarze Kuͤchenſchelle. Tab.
XV. 30*. 31—33.
32. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
33. Dieſelbe, von unten geſehen.
31. Dieſelbe in umgekehrter Stellung, nachdem die Kro-
nenblaͤtter umgeſchlagen worden. Im Grunde derſelben die
kleinen geſtielten Saftdruͤſen, und auf den Kronenblaͤttern die
kleinen Safttroͤpfchen.
30*. Eine Saftdruͤſe auf ihrem Stiel, ſtark vergroͤſſert.
Linné meldet vom Nectario nichts. Auch glaube ich, daß
noch Niemand vor mir die Saftdruͤſen dieſer Blume gefunden hat.
Anemone.
Anemone Pulſatilla iſt dieſer Art zu aͤhnlich, als daß ſie nicht
eben ſolche Saftdruͤſen haben ſollte, als dieſe. Nun hat Pol-
lich die Staubgefaͤße derſelben gezaͤhlt, und doch die Saftdruͤ-
ſen nicht gefunden. Er hat alſo die Saftdruͤſen fuͤr Staubge-
faͤße gehalten. Ich ſelbſt habe die Blume oftmals unterſucht,
ohne die Saftdruͤſen zu finden. Endlich aber gluͤckte es mir,
ſie zu entdecken, und die Erblickung derſelben ſetzte mich in
nicht geringe Verwunderung.
1. Die Saftdruͤſen ſind nemlich uͤberaus kleine gelbliche
Koͤrper, welche auf weißen Stielchen ſitzen, und ſich im Grunde
der Blume zwiſchen den Staubgefaͤßen und den Kronenblaͤt-
tern befinden. Daß es ſchwer haͤlt dieſelben zu finden, koͤmmt
theils daher, daß ſie ſehr klein ſind, theils aber und vornehm-
lich daher, daß, wenn man ſie auch ſieht, man ſie doch nicht
fuͤr Saftdruͤſen, ſondern fuͤr Staubgefaͤße haͤlt. Die Fila-
mente ſind, je naͤher ſie den Kronenblaͤttern ſind, deſto kuͤrzer,
und ihre Antheren deſto kleiner. Die aͤußerſten Filamente ſind
alſo nicht viel laͤnger, als die Stiele der Saftdruͤſen, und ihre
Antheren nicht viel groͤſſer, als die Saftdruͤſen. Die Anthe-
ren ſind gelb, wie die Saftdruͤſen, und die Filamente weiß,
wie die Stiele derſelben. Die Taͤuſchung iſt alſo ſehr na-
tuͤrlich.
2. Die Safttroͤpfchen befinden ſich zwiſchen den Saftdruͤ-
ſen und den dicht an denſelben anliegenden Kronenblaͤttern.
Schlaͤgt man die letzteren um, ſo ſieht man auf denſelben die
kleinen Troͤpfchen, welche zuweilen zuſammengefloſſen ſind.
3. Daß mit dieſen Safttroͤpfchen ein Regentropfen ſich
vermiſche, iſt ſchlechterdings unmoͤglich. Denn die glockenfoͤr-
mige Blume haͤngt grade herab, und ihr innerer Raum wird
von den maͤnnlichen und weiblichen Befruchtungstheilen ganz
ausgefuͤllt.
4. Die Blume faͤllt den Inſekten von oben und von den
Seiten nicht ſonderlich in die Augen, ſtaͤrker aber, wann ſie
ſich derſelben genaͤhert haben, von unten. Denn die Kronen-
blaͤtter ſind zwar auswendig purpurfarben, aber, ſo wie die
ganze Pflanze, mit weichen aſchgrauen Haaren uͤberzogen,
durch welche jene Farbe kaum durchſchimmert. Auf der inne-
ren Seite ſind ſie auch purpurfarben, aber kahl; und weil ſie
ihr Ende auswaͤrts kruͤmmen, ſo ſieht man von unten einen
Theil dieſer inneren Seite und zugleich die gelben Antheren,
welche gegen die Purpurfarbe ſtark abſtechen, und vielleicht die
Stelle des Saftmaals vertreten.
Auch Gleditſch hat die kleinen Saftdruͤſen und den Saft
nicht geſehen; denn er ſagt S. 141. bloß, daß die Bienen ſehr
viel Wachs aus der Blume holen. Daran zweifle ich nicht,
T
[[158]]
Anemone.
da dieſelbe eine große Menge von Antheren hat. Wenn er
aber hinzuſetzt, daß die Bienen ſehr begierig nach dieſer Blume
ſind, ſo iſt dies um ſo viel mehr glaublich, da ſie nicht nur
Wachs, ſondern auch Honig in derſelben finden.
Anemone Hepatica. Leberkraut. Tab. XXV.
24—27.
25. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe zur
Nachtzeit und bey ſchlechtem Wetter am Tage, von der Seite
geſehen.
24. Dieſelbe, nachdem ſie des Morgens bey ſchoͤnem Wet-
ter angefangen hat ſich zu oͤffnen, von vorne geſehen.
27. Dieſelbe, nachdem ſie ſich voͤllig geoͤffnet hat, in na-
tuͤrlicher Stellung.
26. Dieſelbe, von oben geſehen.
Dieſe Blume hat keinen Saft. Solche beſondere geſtielte
Saftdruͤſen, als die vorhergehende hat, fehlen ihr; und daß
die Fruchtknoten nicht zugleich die Saftdruͤſen ſeyn koͤn-
nen, folgt daraus, daß dieſelben mit Haaren uͤberzogen ſind.
Da ſie aber eine anſehnliche Krone hat, deren Endzweck ſich
nicht anders erklaͤren laͤßt, als in Ruͤckſicht auf die Inſekten:
ſo glaube ich, daß ſie von Inſekten, und zwar von Bienen,
befruchtet werde. In dieſer Meinung beſtaͤrkt mich Folgendes.
Erſtens iſt die Blume nur des Tages bey ſchoͤner Witterung
in die Hoͤhe gerichtet, und breitet alsdenn ihre Krone von ein-
ander; des Nachts hingegen und bey ſchlechter Witterung am
Tage hat ſie eine horizontale Stellung, und eine geſchloſſene
Krone, ausgenommen, wann ſie ſchon ziemlich alt iſt, und
nicht mehr das Vermoͤgen hat, ſich zu ſchließen und horizontal
zu ſtellen. Daß ſie nun bey ſchiechtem Wetter in dem gemel-
deten Zuſtande ſich befindet, ließe ſich noch wohl erklaͤren, wenn
man auch die mechaniſche Befruchtungsart annaͤhme; es wuͤrde
nemlich dadurch der Staub der Antheren vor der Naͤſſe ver-
wahrt. Daß ſie aber des Nachts auch bey der ſchoͤnſten Wit-
terung ſich in dieſem Zuſtande befindet, laͤßt ſich keinesweges
erklaͤren, wenn man jene Befruchtungsart annimmt. Denn
warum ſollte ſie nicht eben ſo wohl des Nachts, als bey Tage,
vom Winde befruchtet werden koͤnnen? In Blumen, welche
vom Winde befruchtet werden, findet man nicht die geringſte
Spur, daß ſie ſich des Abends ſchließen. Zum Beweiſe die-
nen die auf eben dieſer Kupfertafel abgebildeten Bluͤthen des
Haſelſtrauchs, Fig. 12. und der Espe, Fig. 15. 18. Beides
aber laͤßt ſich ſehr leicht erklaͤren, wenn man annimmt, daß
die Bienen die Blume befruchten. Denn dieſelben fliegen nur bey
Tage, und zwar nur, wenn es ſchoͤnes Wetter iſt, aus. Zwey-
tens habe ich die Blumen zu einer Zeit, da der Wind wehete,
Anemone.
genau beobachtet, aber nicht gefunden, daß derſelbe Staub auf
die Stigmate gebracht hatte. Die Urſache hievon iſt leicht
einzuſehen. Denn drittens haͤngt der Staub ziemlich zuſam-
men, und laͤßt ſich nicht ſo leicht wegblaſen, als z. B. bey
den ſo eben angefuͤhrten beiden Arten ſaftleerer Blumen, welche
vom Winde befruchtet werden. Viertens habe ich, um zu
ſehen, ob die Erfahrung dieſe Meinung beſtaͤtigen wuͤrde, die-
ſes muthmaßliche Befruchtungsgeſchaͤfte der Bienen nachge-
macht, indem ich in verſchiedenen Blumen, welche ich bezeich-
nete, den Staub mit einem Pinſel auf die Stigmate auftrug.
Nach einigen Tagen bemerkte ich, daß die Stigmate der be-
zeichneten ſchwarz und wie vertrocknet ausſahen, da hingegen
die Stigmate der uͤbrigen Blumen ſo weiß blieben, als ſie
gleich anfangs geweſen waren. Hieraus ſchloß ich, daß die
Fruchtknoten der erſteren durch dieſe Operation ſeyen befruchtet
worden. Nach einigen Wochen fand ich auch, daß die bezeich-
neten Blumen mehr gute Samenkoͤrner angeſetzt hatten, als
die uͤbrigen.
An einem ſchoͤnen warmen Tage fand ich auf einer Blume
ein kleines Inſekt, welches ſehr kurze und geſtutzte Fluͤgeldecken
hatte, unter welchen es die weit groͤſſeren Fluͤgel ſehr kuͤnſtlich
zu verbergen wußte *). Daſſelbe kroch auf den Staubgefaͤßen
und Piſtillen umher, und war ganz voller Staub; ich bemerkte
aber nicht, daß es vom Staube genoß. Weil es alſo die
Blume mehr zufaͤlligerweiſe, als aus Beduͤrfniß beſucht zu ha-
ben ſcheint, ſo glaube ich nicht, daß es zur Befruchtung der-
ſelben beſtimmt ſey, ob es gleich zufaͤlligerweiſe auf manches
Stigma Staub gebracht haben mag.
Anemone nemoroſa. Waldhaͤhnchen. Tab. XXV.
1*. Die beynahe voͤllig erwachſene Frucht. Nur zwey Piſtille
ſind befruchtet worden, und haben ſich daher in Samenkoͤrner
verwandelt; die uͤbrigen ſind unbefruchtet geblieben.
Dieſe Art iſt der vorhergehenden darin aͤhnlich, daß ſie
keinen Saft hat, ſich nur am Tage bey ſchoͤnem Wetter auf-
recht ſtellt und oͤffnet, des Nachts hingegen und bey ſchlechtem
Wetter am Tage eine horizontale Stellung hat und geſchloſ-
ſen iſt.
Daß dieſe Blume von Inſekten befruchtet wird, folgt aus
eben dem Grunde, aus welchem ich ſchließe, daß Ranunculus
von Inſekten befruchtet wird, nemlich weil nicht alle, ſondern
nur die wenigſten Piſtille befruchtet werden.
[[159]]
Ranunculus.
Ranunculus.
Die ſchon vom Linné bemerkten Saftdruͤſen, welche zu-
gleich die Safthalter ſind, ſitzen am Nagel der Kronenblaͤtter,
und ſind in einigen Arten kleine mit einem Rande umgebene
Hoͤhlchen, in andern kleine Schuͤppchen, welche mit dem Na
gel ein kleines Taͤſchchen bilden.
Ranunculus bulboſus. Knollichter Hahnenfuß.
Tab. V. 14. 16. 17. Tab. XV. 35.
Tab. V. 14. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und
Groͤſſe.
16. Dieſelbe, von oben geſehen.
17. Der unterſte Theil eines Kronenblatts. Auf ſeinem
Nagel das Saftſchuͤppchen, welches bis an die punktirte Linie
mit demſelben zuſammengewachſen iſt. Ueber demſelben das
Saftmaal.
Tab. XV. 35. Ein auf ein Kronenblatt gefallener Re-
gentropfen findet, indem er herabfließt, zwey Antheren im
Wege, welche ihn anziehen und aufhalten, ſo daß er den im
Winkel zwiſchen den Filamenten und dem Kronenblatt befindli-
chen Safttropfen nicht erreichen kann.
3. Am 5. Oktober 1788, da es am vorhergehenden Tage
und in der vergangenen Nacht faſt unaufhoͤrlich geregnet hatte,
unterſuchte ich verſchiedene Blumen dieſer Art, welche ich auf
dem Felde fand. Auf dem oberen Theil der inneren Seite der
Kronenblaͤtter fand ich Regentropfen. Sie hatten aber eine
faſt kugelfoͤrmige Geſtalt, zum Beweiſe, daß ſie von den Kro-
nenblaͤttern nur ſchwach angezogen wurden, weil ſie ſonſt eine
weit flachere Geſtalt wuͤrden gehabt haben. Schuͤttelte ich nun
die Blumen, ſo fielen ſie ſogleich heraus, und die Kronenblaͤt-
ter waren wieder trocken. Andere Regentropfen fand ich zwi-
ſchen den Kronenblaͤttern und einigen Antheren haftend; keinen
einzigen aber fand ich zwiſchen den Filamenten und den Kro-
nenblaͤttern haftend, viel weniger mit dem Safttroͤpfchen zu-
ſammengefloſſen. Daß dies nicht etwas zufaͤlliges, ſondern eine
weiſe Veranſtaltung der Natur ſey, welche die Safttroͤpfchen
vor dem Regen geſchuͤtzt wiſſen will, daran zweifelte ich keinen
Augenblick. Obgleich die Kronenblaͤtter ſpiegelglatt ſind, ſo daß
ſie glaͤnzen, und man hieraus ſchließen ſollte, daß ſie die Re-
gentropfen ſtark anziehen, ſo wie die Safthalter aller Saft-
blumen zu dem Ende glatt ſind, damit ſie den Saft anziehen:
ſo kann man ſich doch leicht vom Gegentheil uͤberzeugen. Man
benetze einen Pinſelſtock oder dergleichen mit Waſſer, ſo daß
am unteren Ende deſſelben ein Tropfen hangen bleibt. Mit
dieſem Tropfen beruͤhre man die innere Seite eines Kronen-
Ranunculus.
blatts, und bewege den Stock alſo hin und her, daß ſein Ende
das Kronenblatt beynahe beruͤhrt: ſo wird man finden, daß
der Tropfen immer am Stock hangen bleibt, keinesweges aber
ſich an das Kronenblatt anhaͤngt, als wenn dieſes mit Oel
uͤberſtrichen waͤre. Fallen alſo gleich, wann es regnet, Regen-
gentropfen in die Krone, ſo werden dieſelben doch bald vom
Winde, welcher gewoͤhnlich einen Regen begleitet, und die
Blumen ſchuͤttelt, wieder herausgeworfen. Wozu ſo viel
Staubgefaͤße? Sollten nicht weit wenigere im Stande ſeyn,
ſo viel Staub zu bereiten, als zur Befruchtung der Frucht-
knoten erforderlich iſt? Allerdings. Die Natur ſuchte aber
durch dieſelben noch eine andere ſehr wichtige Abſicht zu er-
reichen, nemlich die Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen.
Es mußten alſo ihrer ſo viele ſeyn, daß ſie den ganzen Zwi-
ſchenraum zwiſchen den Piſtillen und den Kronenblaͤttern meiſt
ausfuͤllten. Wann alſo ein Regentropfen auf einem Kronen-
blatt herabfließt, ſo kann er zwiſchen daſſelbe und die naͤchſten
Antheren nicht hindurchfließen, ſondern wird von den letzteren
angezogen. Hier bleibt er nun ſtehen, und iſt nicht im Stan-
de, den Safttropfen, von dem er nicht mehr weit entfernt iſt,
zu erreichen. Denn die Filamente ſind weit duͤnner, als die
Antheren, haben folglich weniger Anziehungskraft, und die
Antheren werden nicht etwa nach [und] nach dicker, ſondern ſind
unten ſo dicke, als oben; ſo daß aus beiden Urſachen der Re-
gentropfen nicht die Antheren verlaſſen, und ſich an die Fila-
mente anhaͤngen kann.
4. Die gelbe glaͤnzende Krone wird von den Inſekten
ſchon von weitem bemerkt, und hat ein Saftmaal. Dieſes iſt
der matte Fleck uͤber der Saftdruͤſe. Einen ſolchen Fleck ha-
ben alle Arten mit gelber Krone; hingegen die Arten mit
weißer Krone haben einen gelben Fleck, z. B. Ranunculus
heterophyllus, Tab. XV. 34. Im R. rutaefolius
(Jacqu. Collect. Vol. l.) iſt das Saftmaal pomeranzenfarben,
da die Krone weiß und ein wenig roͤthlich iſt. R. glacialis
(Ebendaſ.) hat eine weiße, zuweilen roſenfarbene Krone, und
gelbe Saftſchuppen. Beym R. parnaſſifolius, deſſen
Krone weiß iſt, meldet der Herr Verfaſſer nichts von einem
ſolchen Fleck.
5. Die Blume wird von den Bienen haͤufig beſucht. Sie
kriechen in derſelben um die Staubgefaͤße ringsherum. Ob ſie
den Saft genießen, weiß ich nicht; daß ſie aber den Staub
ſammlen, iſt gewiß, denn ich fand denſelben an ihren Hinter-
beinen in Geſtalt gelber Kuͤgelchen.
Ranunculus auricomus. Tab. XXV. 23. 28—30.
32. 33. 35. 36.
T 2
[[160]]
Ranunculus.
30. Eine alte Blume, von oben geſehen, deren Kelch-
und Kronenblaͤtter abgeriſſen worden.
35. Eine Anthere von der unteren oder aͤußeren Seite.
Der eine Balg hat ſich geoͤffnet, der andere noch nicht.
36. Dieſelbe von der oberen oder inneren Seite.
23. Die ziemlich erwachſene, aber noch nicht reife Frucht.
28. 29. Zwey reife Samenkoͤrner des Ranunculus falca-
tus, das erſte fruchtbar, das andere taub.
32. 33. Zwey dergleichen Samenkoͤrner des Ranunculus
acris.
Medikus ſagt in der oft angefuͤhrten Abhandlung S.
121., er habe bey verſchiedenen Arten des Ranunculus geſehen,
daß die Staubgefaͤße ſich den Piſtillen naͤhern, und denſelben
ihren Staub zufuͤhren; woraus folgen wuͤrde, daß hier die
mechaniſche Befruchtungsart Statt findet. Wenn er zu dieſen
Arten auch die gegenwaͤrtige rechnet, ſo hat er ſich ſehr geirrt.
Denn 1) wann die Blume ſich geoͤffnet hat, ſo haben alle
Staubgefaͤße die Stellung, welche das bey a Fig. 30. allein
noch hat, und ihre Antheren ſind noch geſchloſſen. Wann hier-
auf die Antheren ſich oͤffnen, ſo entfernen ſich die Staubgefaͤße
von den Piſtillen, und naͤhern ſich den Kronenblaͤttern, wel-
ches in der abgebildeten Blume die mehreſten ſchon gethan haben,
und die uͤbrigen noch thun. Alſo geſchieht hier grade das Ge-
gentheil von demjenigen, was Medikus will bemerkt haben.
2) Die Antheren haben nicht auf der den Piſtillen, ſondern auf
der den Kronenblaͤttern zugekehrten Seite den Staub. Beſieht
man die Blume von oben, ſo ſieht man, daß ihre obere Seite
ſtaubleer iſt, daß aber an beiden Raͤndern der auf der unteren
Seite befindliche Staub etwas hervorragt, Fig. 35. 36. Geſetzt
alſo, die Staubgefaͤße naͤherten ſich wirklich, wann ihre Anthe-
ren zu bluͤhen anfangen, den Piſtillen, ſo wuͤrden dieſe dadurch
nicht befruchtet werden, weil jene nicht die ſtaubvolle, ſondern
die ſtaubleere Seite ihrer Antheren auf die Stigmate legen wuͤr-
den. 3) Wenn es die Abſicht der Natur waͤre, daß die Staub-
gefaͤße unmittelbar die Piſtille befruchten ſollten, ſo muͤßte ſie es
auch ſo veranſtaltet haben, daß alle Piſtille einen ſolchen Zuſpruch
von den Staubgefaͤßen erhielten. Denn es laͤßt ſich kein Grund
gedenken, warum fuͤr das eine Piſtill nicht eben ſo ſehr, als fuͤr
das andere, geſorgt ſeyn ſollte. Geſchaͤhe aber dieſes, ſo muͤßte
auch ein jedes Piſtill befruchtet werden. Hievon lehrt aber die
Erfahrung das Gegentheil. In der 23. Fig. ſieht man verſchie-
dene Piſtille, welche, weil ſie befruchtet worden ſind, an Groͤſſe
zugenommen haben, verſchiedene aber, welche aus Mangel der
Befruchtung klein geblieben ſind. Und wer eine Samenſamm-
lung beſitzt, wird unter dem Samen der Arten des Ranunculus
Ranuneulus. Helleborus.
viele taube Samenkoͤrner finden. Dies habe ich durch die abge-
bildeten beiderley Samenkoͤrner zwey anderer Arten erlaͤutern
wollen.
So wie nun alle dieſe drey Umſtaͤnde wider die mechaniſche
Befruchtungsart ſind, eben ſo beweiſen ſie, daß die Befruchtung
durch Inſekten geſchieht. Denn wenn kleine Inſekten, z. B.
Blaſenfuͤße oder Ameiſen, den Safttroͤpfchen nachgehen, ſo krie-
chen ſie auf einem Kronenblatt hinab bis zum Nagel deſſelben,
wo ein Safttroͤpfchen ſitzt. Hier muͤſſen ſie nun die Antheren
beruͤhren, und den auf der unteren und ihrem Koͤrper zugekehr-
ten Seite derſelben ſitzenden Staub abſtreifen. Dergleichen In-
ſekten halten ſich aber nicht bloß beym Saft auf, ſondern kriechen
auf eine unbeſtimmte Art auf allen Theilen der Blume umher.
Es iſt alſo nothwendig, daß ein ſolches Inſekt, nachdem es ſich
mit Staube beladen hat, auch auf dieſes oder jenes Piſtill ge-
rathe, deſſelben Stigma beruͤhre und beſtaͤube, und dadurch je-
nes befruchte. Es laͤßt ſich aber nicht erwarten, daß es alle
Piſtille auf dieſe Art befruchten werde. Daraus folgt, daß
zwar eine jede Blume, weil es nicht leicht geſchehen kann, daß
ſie waͤhrend ihrer ganzen Bluͤhezeit nicht von einem oder dem an-
dern von dieſen Inſekten beſucht werden ſollte, verſchiedene gute
Samenkoͤrner anſetzen, eine jede aber auch unbefruchtete Piſtille
haben muß.
In einer Blume traf ich von beiden genannten Arten ein
Individuum an. Den Blaſenfuß konnte ich nicht lange beobach-
ten, denn er flog davon. An der Ameiſe aber ſahe ich ſehr deut-
lich, daß ihr Koͤrper, beſonders die Fuͤhlhoͤrner vom Staube ganz
gelb waren. So beſtaͤubt kroch ſie auf allen Theilen, beſonders
auch auf den Piſtillen, umher da ſie denn nothwendig ein und
das andere Stigma mit Staub verſehen haben muß.
Helleborus.
Helleborus niger. Schwarze Nieſewurz. Tab. XV.
36. 37. Tab. XXV. 11. 19—22.
Tab. XV. 36. Eine Saftmaſchine von innen, 37. dieſelbe
von der Seite. Die Linie a b bezeichnet die Stelle, bis zu wel-
cher der Saft ſteigt.
Tab. XXV. 11. Die vergroͤſſerte Blume, nachdem man
ſie aufrecht geſtellt, und den groͤßten Theil der Krone weggeſchnit-
ten hat, von oben geſehen.
21. Dieſelbe, doch einige Tage aͤlter, von der Seite ge-
ſehen.
19. Das ſtark vergroͤſſerte Stigma von der Seite, 20. von
innen, 22. von außen.
[[161]]
Helleborus.
Die Saftmaſchinen ſind die Saftdruͤſen und zugleich die
Safthalter. Sie ſitzen auf einem kurzen Stiel, damit ſie nicht
von den Staubgeſaͤßen zu ſehr verdeckt werden, und ſind gelb-
gruͤn, damit ſie gegen die weiße Farbe der Krone etwas abſtechen.
Beides dient dazu, daß die Inſekten dieſelben deſto leichter fin-
den. Gegen den Regen iſt der Saft dadurch geſichert, daß die
Blume der Erde zugekehrt iſt, und eine etwas konkave Krone hat,
und daß die Saftmaſchinen in dem Winkel zwiſchen den Staubge-
faͤßen und den Kronenblaͤttern ſtehen.
Wann die Blume zu bluͤhen anfaͤngt, ſo ſtehen die Staub-
gefaͤße dicht um die Fruchtknoten herum, und die Antheren ſind
noch geſchloſſen. Darauf faͤngt die aͤußerſte Reihe derſelben an,
ſich von den uͤbrigen zu entfernen, zu verlaͤngern, und dicht an
die Saftmaſchinen anzulegen, und indem dies geſchieht, oͤffnen
ſich ihre Antheren. Will alſo ein groͤſſeres Inſekt in die Saft-
maſchinen hineinkriechen, oder ſeinen Saugeruͤſſel hineinſtecken,
ſo muß es nothwendig den Staub von den Antheren abſtreifen.
Hierauf legt ſich die folgende Reihe der Staubgefaͤße an die Saft-
maſchinen an, und oͤffnet die Antheren, und eben dies thun nach
und nach die uͤbrigen. Damit nun aber die vorderſten ſchon ver-
bluͤheten Antheren den hinter ihnen befindlichen bluͤhenden nicht
im Wege ſtehen, und verhindern, daß die Inſekten dieſe beruͤh-
ren, ſo ragen dieſe uͤber jene hinweg, weil die Filamente, deren
Antheren verbluͤhet ſind, ſich wieder verkuͤrzen. So ſieht man
in Fig. 21., daß die bluͤhende Anthere b hoͤher ſteht, als die in
der Mitte befindlichen noch nicht bluͤhenden, und als die ſchon
verbluͤhete a. Wegen dieſer Einrichtung iſt es ſehr wahrſcheinlich,
daß die Befruchtung durch Inſekten geſchieht.
Kehrt man die 21. Figur um, ſo ſieht man die Blume un-
gefaͤhr in ihrer natuͤrlichen Stellung. Da alſo die Stigmate
niedriger ſtehen, als die Antheren, ſo koͤnnte man glauben, daß
der Staub der letzteren auf die erſteren leicht fallen koͤnne, ent-
weder von ſelbſt, oder wenigſtens, indem ein Inſekt die An-
theren beruͤhrt. Allein dies iſt gar nicht wahrſcheinlich, weil
die Stigmate theils ſehr klein, thells nicht den Antheren zu-
gekehrt, ſondern groͤßtentheils von denſelben abgewendet ſind,
folglich es ſich ſelten fuͤgen wuͤrde, daß Staub auf dieſelben fiele.
Nehmen wir aber an, daß ein großes Inſekt mit ſeinem beſtaͤub-
ten Koͤrper die Stigmate beruͤhrt, ſo wird daſſelbe durch ihre
Kleinheit im geringſten nicht verhindert, ſie mit Staube zu ver-
ſehen.
Welches Inſekt die Blume befruchte, und auf welche Art
es den Staub auf die Stigmate bringe, weiß ich nicht. Ich
habe noch niemals ein groͤſſeres Inſekt auf derſelben angetroffen,
aber eben ſo wenig habe ich auch jemals eine mit guten und reifen
Helleborus. Caltha.
Samenkoͤrnern verſehene Samenkapſel gefunden. Das Letztere
halte ich fuͤr eine natuͤrliche Folge des Erſteren.
Die Blume faͤngt im Herbſt an zu bluͤhen, und bluͤhet den
Winter hindurch bis zum Anfang des Fruͤhjahrs. So fand ich
ſie z. B. im Jahr 1788 am 6. Maͤrz noch bluͤheud, und am
20. September ſchon wieder bluͤhend. Ihre Beſtimmung ſcheint
zu ſeyn, daß, wenn waͤhrend der kalten Jahreszeit ſchoͤne und
gelinde Tage einfallen, an welchen die Inſekten ſich aus ihren
Winterwohnungen begeben, ſie denſelben einige Nahrung ver-
ſchaffe. Vielleicht iſt ſie fuͤr die Bienen beſtimmt, welche unge-
duldig auf dergleichen Tage zu warten ſcheinen, und an denſelben
zum Vorſchein kommen, wann ſchon ſeit langer Zeit in ihren
Wohnungen und um dieſelben eine todte Stille geherrſcht hat.
Helleborus viridis. Gruͤne Nieſewurz. Tab. XV.
39. 40. Eine Saftmaſchine von der Seite und von innen. Bis
an die punktirte Linie iſt dieſelbe mit Saft angefuͤllt.
Durch die Farbe unterſcheiden ſich die Saftmaſchinen nicht
von der Krone, ſondern ſie ſind gruͤn, wie dieſe. Der Saft iſt
vor dem Regen ſehr wohl verwahrt, weil die Oeffnung der wei-
ten Saftmaſchinen ſehr eng, und die Blume der Erde zugekehrt
iſt. Bienen habe ich haͤufig auf derſelben angetroffen, es ſchien
aber, daß ſie bloß Staub ſammleten. Auch auf dieſer Art habe
ich noch niemals reife mit guten Samenkoͤrnern angefuͤllte Sa-
menkapſeln angetroffen.
Caltha.
Caltha paluſtris. Kuhblume. Tab. XV. 38. 41.
41. Die etwas vergroͤſſerte junge Blume, von oben ge-
ſehen.
38. Die Piſtille, in deren Winkeln unterwaͤrts die Saft-
troͤpfchen ſitzen.
Nachdem ich dieſe Blume lange fuͤr ſaftleer gehalten hatte,
ſo verurſachte es mir ein nicht geringes Vergnuͤgen, als ich den
Saft endlich entdeckte.
1. Jeder Fruchtknoten hat nicht weit uͤber ſeiner Baſis auf
beiden Seiten einen weißlichen Fleck, welcher eine Saftdruͤſe iſt.
2. Der Saft ſitzt in dem Winkel jeder zwey naͤchſten Frucht-
knoten auf den Saftdruͤſen. Weil die Antheren dicker ſind, als
die Filamente, ſo iſt zwiſchen den Fruchtknoten und den naͤchſten
Filamenten ein kleiner Zwiſchenraum vorhanden, in welchem ſo-
wohl die Safttroͤpfchen, als auch kleine Inſekten Platz genug
haben.
3. Die Safttroͤpfchen ſind vor dem Regen wohl verwahrt.
Denn die Antheren, welche hoͤher ſtehen, als dieſelben, fuͤllen
den ganzen Raum zwiſchen den Fruchtknoten und den Kronen-
T 3
[[162]]
Caltha. Aiuga.
blaͤttern aus. Dies iſt die Urſache, warum auch hier, wie beym
Ranunculus, ſo viel Staubgefaͤße vorhanden ſind, da zur Be-
fruchtung wenigere erforderlich ſind.
5. Die Blume wird von den kleinen ſchwarzen Blumenkaͤfern
haͤufig beſucht. Einen derſelben ſahe ich um die Fruchtknoten
herumkriechen, und die Safttroͤpfchen ablecken. Bienen aber habe
ich auf derſelben nicht angetroffen.
Caltha. Aiuga. Teucrium. Satureia.
Daß Gleditſch in dieſer Blume keinen Saft gefunden
hat, welches daraus erhellt, daß er S. 140. bloß ſagt, daß die
Bienen Stoff zu Wachs aus derſelben holen, wundert mich nicht,
weil hier keine beſondere Theile vorhanden ſind, welche den Saft
abſondern und enthalten. Kruͤnitz aber ſagt S. 663., daß die
Blumen den Bienen auch Honig geben, zeigt aber nicht die Stelle
an, wo ſich derſelbe befindet.
Vierzehnte Klaſſe.Didynamia.
Zwitterblumen mit vier Staubgefaͤßen, von welchen zwey laͤnger ſind, als die beiden anderen.
Aiuga.
Aiuga pyramidalis. Bergguͤnſel. Tab. XVI. 3. 4.
3. Ein Theil der Blume im Durchſchnitt. a die unter den
Fruchtknoten befindliche Saftdruͤſe. a b der Safthalter. b die
Saftdecke.
4. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
1. Die Saftdruͤſe, welche Linné uͤberſehen, Pollich
aber wohl bemerkt hat, ſitzt im Grunde des Kelchs zwiſchen den
beiden unterſten Fruchtknoten und der Kronenroͤhre. Sie iſt
blaßgelb, da die Fruchtknoten blaßgruͤn ſind.
2. Der Safthalter iſt der unterſte weitere Theil der Kronen-
roͤhre, welcher mit Saft ganz angefuͤllt iſt.
3. Die Saftdecke iſt der Ring von Haaren, mit welchem
die Kronenroͤhre unmittelbar uͤber dem Safthalter verſehen iſt.
4. Das Saftmaal ſind die weißen Streifen und dunkleren
Linien auf der dunkelblauen Unterlippe der Krone.
Dieſe Gattung iſt nicht die bequemſte, wenn man ſich einen
Begriff von der in dieſer Klaſſe enthaltenen Blumen machen will;
ſie iſt vielmehr als eine Ausnahme von der Regel anzuſehen, da
ſie keine Oberlippe hat. Weil nun dieſe hauptſaͤchlich zum Schutz
vor dem Regen dient, ſo wie die Unterlippe zum Anſehen und
zum Saftmaal, wie auch dazu, daß groͤſſere Inſekten ſich auf
dieſelbe ſetzen koͤnnen, um ihren Saugeruͤſſel in den Safthalter
hineinzuſtecken: ſo laͤßt ſich mit Wahrſcheinlichkeit eine Urſache
angeben, warum hier die Oberlippe fehlt. Die Blumenwirbel
ſind nemlich nicht, wie gewoͤhnlich, von einander entfernt, ſon-
dern ſtehen nahe uͤber einander. Die Blumen eines jeden Wir-
bels werden folglich von den Blaͤttern und den Unterlippen der
Blumen des unmittelbar uͤber demſelben ſtehenden Wirbels hin-
laͤnglich vor dem Regen geſchuͤtzt. Haͤtten ſie aber eine Oberlippe,
ſo wuͤrde dieſelbe von jenen Blaͤttern und Unterlippen nahe an
die Unterlippe herabgedruͤckt werden, folglich wuͤrde die von der
Oberlippe verdeckte Unterlippe den Inſekten weniger in die Augen
fallen, und die groͤſſeren Inſekten wuͤrden ſich nicht bequem auf
dieſelbe ſetzen koͤnnen.
Teucrium.
Teucrium fruticans. Tab. XVI. 5. Die Krone im
Durchſchnitt.
1. Mit der Saftdruͤſe hat es eben die Bewandtniß, als bey
der vorhergehenden Gattung. Sie iſt glatt und gelb, da die
Fruchtknoten mit Borſten uͤberzogen und gruͤn ſind.
2. Der Safthalter iſt die auf der unteren Seite hoͤckerichte
Baſis der Kronenroͤhre.
3. Unmittelbar uͤber dem Safthalter iſt die Kronenroͤhre en-
ger und mit Haaren beſetzt. Auch der untere Theil der Filamente
iſt haaricht.
4. Die blaßblaue Unterlippe und die blaßgruͤngelbliche Ober-
lippe ſind mit dunklen Adern geziert.
Satureia.
Satureia hortenſis. Pfefferkraut.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknotenhalter, welcher pome-
ranzenfarben iſt, da die Fruchtknoten weiß, oder ein wenig gelb-
lich ſind.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre iſt mit welcher Wolle
beſetzt.
[[163]]
Hyſſopus. Nepeta. Lauandula. Glecoma.
Satureia montana.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre iſt ein wenig wollicht.
4. Die Krone iſt blaßroͤthlich; die Unterlippe aber iſt vor
der zur Saftdecke dienenden Wolle mit dunkeirothen Punkten ge-
ziert, welche das Saftmaal ſind.
Hyſſopus.
Hyſſopus officinalis. Yſop. Tab. XVI. 6. Der
Fruchtknotenhalter nebſt den Fruchtknoten.
1. Die Saftdruͤſe iſt der viermal halbgetheilte Fruchtkno-
tenhalter.
3. Daß die unterſten Filamente ſich von den oberſten ab-
waͤrts beugen, ſcheint deswegen zu geſchehen, damit ſie die Oeff-
nung der Kronenroͤhre vor dem Regen ſchuͤtzen.
Gleditſch hat ſchon Saft in der Blume gefunden, S. 227.,
ſo wie in der Lauandula Spica, ebendaſelbſt.
Nepeta.
Nepeta Cataria. Katzenmuͤnze. Tab. XVI. 7. Die
vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
3. Zwiſchen der Unterlippe und der Oeffnung der Kronen-
roͤhre iſt eine Reihe von Haaren a a angebracht.
4. Die weiße Krone iſt auf der Unterlippe und an der Oeff-
nung der Kronenroͤhre mit rothen Punkten geziert.
Lauandula.
Lauandula Spica. Lavendel. Spike.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknotenhalter.
2. Der Saft iſt im unterſten Theil der Kronenroͤhre be-
findlich.
3. In der Kronenroͤhre ſind hinter den Antheren weiche
Haare befindlich.
4. Die blaßblaue Krone hat kein Saftmaal, wenn man
nicht die in der Kronenroͤhre ſitzenden pomeranzenfarbenen An-
theren, welche man von außen ſehr wohl ſehen kann, fuͤr daſſelbe
halten will.
Glecoma.
Glecoma hederacea. Gundermann. Titelk. VI.
Die juͤngere Blume. V. Die aͤltere Blume.
1. Die Saftdruͤſen ſind entweder die weißen Fruchtknoten
ſelbſt, oder der gruͤne Koͤrper, auf weichem ſie ſtehen.
2. Der Safthalter iſt der unterſte engere und inwendig glatte
Theil der Kronenroͤhre.
Glecoma. Lamium.
3. Damit kein Regentropfen den Saft verderbe, ſo hat
1) die Blume eine faſt horizontale Stellung, und die Oberlippe
der Krone ſchuͤtzt alſo die Oeffnung des vorderſten weiteren Theils
der Kronenroͤhre vor dem Regen. 2) Dieſer weitere Theil der
Kronenroͤhre iſt auf der unteren Seite mit Haaren verſehen,
welche an der Oeffnung deſſelben in groͤſſerer Anzahl vorhanden
ſind.
4. Die violette Krone hat auf dem Mittelſtuͤck der Unterlippe
unmittelbar vor der Oeffnung der Roͤhre zwey purpurfarbene
Flecke, und der weitere Theil der Roͤhre iſt auf der unteren Seite
purpurfarben und in der Mitte mit drey weißen Streifen geziert.
Sieht alſo ein Inſekt in die Blume hinein, ſo erblickt es im
Grunde derſelben purpurfarbene und weiße Streifen, welche ihm
den Weg zum Saft zeigen.
5. Daß die Blume von Inſekten befruchtet wird, erhellt
aus ihrer dichogamiſchen Einrichtung, welche ſehr leicht zu er-
kennen iſt. Denn wann in der juͤngeren Blume die Antheren
bluͤhen, ſo ſteht der Griffel hinter denſelben, und die beiden Lap-
pen des Stigma liegen dicht an einander. Wann aber die An-
theren in der aͤlteren Blume verwelkt und abgefallen ſind, ſo biegt
ſich der Griffel vorwaͤrts, und die Lappen des Stigma begeben ſich
von einander.
Lamium.
Lamium album. Weiße taube Neſſel. Tab. XVI.
8—10. 18—20.
8. Die vergroͤſſerte Krone nebſt den Befruchtungstheilen in
natuͤrlicher Stellung, von der Seite geſehen.
9. Dieſelbe, von vorne geſehen.
10. Der im Grunde des Kelchs ſitzende (punktirte) Frucht-
knotenhalter, welcher die Saftdruͤſe iſt. Die Fruchtknoten ha-
ben ihr voͤlliges Wachsthum nach der Befruchtung ſchon erreicht.
18. Der unterſte Theil der Kronenroͤhre im Durchſchnitt.
a c der Safthalter. b c die Saftdecke.
19. Ein beynahe reifes Samenkorn von außen, 20. von
innen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der blaßgelbe dreymal halbgetheilte
Fruchtknotenhalter. Der unterſte Theil der Fruchtknoten iſt zwar
fleiſchicht und weiß, ſondert aber dennoch den Saft nicht ab.
2. Der Safthalter iſt der unterſte inwendig glatte Theil der
Kronenroͤhre. Er umſchließt die Saftdruͤſe ziemlich feſt.
3. Unmittelbar uͤber dem Safthalter iſt die Kronenroͤhre ein-
gezogen, und zwar auf der unteren Seite am ſtaͤrkſten, knorp-
licht, und auf der unteren auch am ſtaͤrkſten, und mit Haaren
beſetzt. Wenn alſo ein Regentropfen in die Kronenroͤhre hinein-
[[164]]
Lamium.
gefloſſen iſt, ſo muß er vor dieſer haarichten Scheidewand ſte-
hen bleiben. Ferner woͤlbet ſich die Oberlippe, deren Rand mit
Haaren beſetzt iſt, zwar in einiger Entfernung von der Oeff-
nung der Kronenroͤhre, doch grade uͤber dieſelbe, haͤlt alſo die
mehreſten Regentropfen, welche auf die Blume fallen, ab, in
dieſelbe hineinzufallen. Zugleich erhaͤlt dieſelbe die Antheren
trocken. Endlich iſt auch die Kronenroͤhre oberhalb der Saft-
decke mit Wolle uͤberzogen, Fig. 18.
4. Die Krone iſt weiß; die Unterlippe aber iſt ganz ſchwach
blaßgelb und mit olivenfarbenen Duͤpfelchen geziert, welche an
der Oeffnung der Kronenroͤhre am groͤßten ſind, Fig. 9.
Die Blumenkelche, welche zuletzt die Samenbehaͤltniſſe ſind,
ſitzen in Wirbeln oder Quirlen am Stengel. Es ſind ihrer
ſo viele als moͤglich, nemlich zwoͤlf bis ſechszehn in jedem Wir-
bel, damit ſo viel Samenkoͤrner als moͤglich erzeuget werden.
Sie ſind an den aufrechten Stengel nicht vermittelſt beſonderer
Stiele, ſondern unmittelbar befeſtigt, und haben eine aufrechte
Stellung, beides, damit die Samenkoͤrner nicht von ſelbſt,
oder bey einer geringen Bewegung der Luft herausfallen, ſon-
dern durch einen ſtarken Wind herausgeworfen und weit ver-
ſtreuet werden. Die in dem Kelch ſitzende Roͤhre der Krone
ſteht alſo auch aufrecht. Sie hat eine anſehnliche Laͤnge, weil
ihr unterſter Theil zum Safthalter beſtimmt iſt, und ſie un-
mittelbar oder nahe uͤber demſelben ſich nicht oͤffnen darf, wenn
der Saft gegen den Regen gehoͤrig geſichert ſeyn ſoll. Auf die-
ſer Roͤhre konnte nun nicht ein regulaͤrer und dem Himmel zu-
gekehrter Saum angebracht werden. Denn erſtens, da die
Roͤhre ihrer ganzen Laͤnge nach dem Stengel ſehr nahe iſt, ſo
haͤtte der Saum auf der inneren oder dem Stengel zugekehrten
Seite keinen Raum gehabt ſich auszubreiten. Zweytens waͤren
die Blumen alsdenn von oben am ſtaͤrkſten in die Augen ge-
fallen. Der ganze Stengel ſollte aber mit ſeinen Blumen nicht
von oben, ſondern von allen Seiten am ſtaͤrkſten in die Au-
gen fallen, weil er im erſten Fall in der moͤglich groͤßten Ver-
kuͤrzung erſcheint, die Blumen folglich einander verdecken, da
im Gegentheil, von irgend einer Seite geſehen, ihrer ſo viele
als moͤglich zugleich bemerkt werden. Der Saum mußte alſo
eine horizontale Stellung haben. Nun war es zweckmaͤßig,
daß erſtens derſelbe nicht von einer Seite zur anderen eine eben
ſo große Ausdehnung erhielt, als von oben nach unten zu,
weil die Blumen dicht neben einander, aber in einer ziemli-
chen Entfernung uͤber einander ſtehen, folglich zwar von oben
nach unten zu, nicht aber von einer Seite zur anderen ſich
ausbreiten koͤnnen, ohne einander zu verdecken. Zweytens,
daß derſelbe von oben nach unten zu in zwey Theile getheilt
Lamium.
wuͤrde, welche einander ſehr unaͤhnlich ſind. Der oberſte Theil,
da er uͤber der Oeffnung der Kronenroͤhre ſteht, mußte haupt-
ſaͤchlich dazu beſtimmt werden, dieſe Oeffnung vor dem Regen
zu ſchuͤtzen. Er mußte alſo die Geſtalt eines Gewoͤlbes bekom-
men. Die aͤußere Oberflaͤche dieſes Gewoͤlbes iſt dem Regen
ausgeſetzt, und wird von demſelben benetzt, ohne daß hieraus
der geringſte Nachtheil entſtehen kann. Die innere Oberflaͤche
aber bleibt beſtaͤndig trocken. Unter derſelben mußte alſo den
Antheren und dem Stigma ihre Stelle angewieſen werden,
damit auch ſie trocken blieben. Der unterſte Theil aber war
hauptſaͤchlich dazu beſtimmt, der Blume mehr Anſehen zu
verſchaffen; er mußte daher von nicht kleinem Umfange
ſeyn. Ferner mußte auf demſelben das Saftmaal angebracht
werden, und ſich bis an die Oeffnung der Kronenroͤhre er-
ſtrecken, damit ein Inſekt, welches, durch die Krone angelockt,
ſich zur Blume hinbegeben, und auf dieſen Theil geſetzt hat,
von demſelben in die Roͤhre, welche den Saft enthaͤlt, hinein-
gefuͤhrt wuͤrde.
Dieſes laͤßt ſich auf die mehreſten Blumen, welche in der
erſten Ordnung dieſer Klaſſe (Gymnoſpermia) vorkommen,
anwenden.
5. In der Blume habe ich Ameiſen gefunden. Auch von
Hummeln wird ſie beſucht, und wahrſcheinlich auch befruchtet.
Lamium purpureum. Rothe taube Neſſel. Tab.
XVI. 8*. 11. 21. Tab. XXIII. 8*. 8**. 13*.
Tab. XVI. 11. Die vergroͤſſerte Blume ohne den Kelch,
von der Seite geſehen.
21. Dieſelbe, von vorne geſehen.
8*. Geſtalt der Geſchlechtstheile nach dem verſchiedenen Al-
ter der Blume. a, wann die Blume aufgebrochen iſt. Die An-
theren ſind alsdenn voller Staub; das Stigma aber ſteht zwi-
ſchen denſelben, und die beiden Theile deſſelben liegen noch an
einander, wie b zeigt. d und c, wann die Blume aͤlter gewor-
den iſt.
Tab. XXIII. 8*. Der Kopf einer Hummel, welche die
Blume beſucht, von vorne.
8**. Derſelbe. Durch die Punkte wird der zinnoberfarbene
Fleck angedeutet, welcher aus dem von den Antheren abgeſtreif-
ten Staube beſteht.
13*. Derſelbe von der Seite.
Dieſe Art hat mit der vorhergehenden eine gleiche Einrich-
tung. Die Saftdruͤſe iſt weiß. Das Saftmaal ſind die dun-
kelpurpurfarbenen Flecke auf der Unterlippe der blaßpurpurfarbe-
nen Krone, welche ſich bis an die Oeffnung der Kronenroͤhre er-
ſtrecken. Auch iſt dieſe Oeffnung mit einigen dunkelpurpurfar-
benen
[[165]]
Lamium.
benen Linien geziert, welche in die Roͤhre hineinlaufen. Die
Oberlippe hingegen hat keine ſolche Flecke oder Linien, weil dieſes
ohne Nutzen ſeyn wuͤrde. Jedoch iſt ſie auf der aͤußeren Seite
von geſaͤttigterer Farbe, als auf der inneren, damit ſie, weil ſie
zwiſchen den Blaͤttern hervorragt, den uͤber der Pflanze umher-
fliegenden Inſekten deſto beſſer in die Augen falle.
Auch dieſe Blume iſt ein Dichogamiſt, und zwar von der
maͤnnlich, weiblichen Art. Denn anfangs, wann die Antheren
voller Staub ſind, hat der Griffel mit den Filamenten eine gleiche
Stellung, und das Stigma liegt zwiſchen, oder ein wenig hinter
den Antheren, und hat ſich noch nicht von einander gegeben.
Nach einiger Zeit aber kruͤmmet ſich der Griffel vorwaͤrts, ſo daß
man, wenn man die Blume von der Seite beſieht, das Stigma
ſehen kann, Fig. 11., und das Stigma bieget ſeine beide Theile
von einander.
Als ich im April des naͤchſtvergangenen Jahres in der Mit-
tagsſtunde in einen vor der Stadt gelegenen Garten gegangen
war, in der Abſicht, Bienen auf dem Maͤrzveilchen (Viola odo-
rata) zu beobachten: ſo ſchlug mir dieſe Abſicht fehl; denn es ließ
ſich keine Biene weder hoͤren noch ſehen, weil es kuͤhles Wetter
war, auch zu regnen anfing. Indeſſen hoͤrete ich eine Hummel
ſummen, und ich traf dieſelbe auf dem Lamium purpureum,
welches auf dem noch nicht umgegrabenen Lande in großem Ue-
berfluß ſtand, in voller Arbeit an. Sie hatte die Groͤſſe einer
Biene. Ich ſchlich mich an dieſelbe hinan, und ſahe, indem ſie
von einer Blume auf eine andere flog, daß ſie vorne am Kopf
zwiſchen den Augen einen zinnoberrothen Fleck hatte. Da nun
der Antherenſtaub eben ſo gefaͤrbt iſt, ſo ſahe ich leicht ein, daß
dieſer Fleck weiter nichts als Staub war, welchen ſie, indem ſie
auf den Blumen ſaß, und ihren Saugeruͤſſel in den Safthalter
hineinſteckte, mit den zwiſchen ihren Augen befindlichen Haaren
abgeſtreift hatte. Sie konnte nemlich nicht anders zum Saft ge-
langen, als in eben derjenigen Stellung, in welcher ich eine groͤſſere
Hummel auf der Stachys ſyluatica angetroffen habe, Tab. XXIII.
9. In dieſer Stellung mußte ſie nun nothwendig mit jenem Theil
ihres Vorderkopfs die Antheren der juͤngeren Blumen beruͤhren,
und ihren Staub abſtreifen. Aber eben ſo nothwendig mußte ſie
mit dieſem beſtaͤubten Theil das Stigma der aͤlteren Blumen be-
ruͤhren, und daſſelbe mit Staube verſehen. Hievon uͤberzeugte
mich auch bald der Augenſchein. Denn an einigen aͤlteren Blumen
bemerkte ich, daß die Spitzen des weißen Stigma mit zinnober-
rothem Staube verſehen waren; in anderen fand ich dieſes nicht.
Jene waren von der Hummel beſucht worden, dieſe nicht. Dieſe
Erfahrung beweiſet alſo unumſtoͤßlich, daß und wie dieſe Blume
von dieſer Hummel befruchtet wird.
Lamium.
Dieſe Beobachtung war mir zu wichtig, als daß ich nicht
haͤtte wuͤnſchen ſollen, dieſer Hummel habhaft zu werden, um
ihren Kopf abzuzeichnen. Es gluͤckte mir, ſie zu fangen. Als
ich ſie mit einer Stecknadel durchſpießte, fieng ſie auf einmal auf
eine ganz andere Art zu ſummen an, als vorher. Dies Summen
hatte wirklich eine Aehnlichkeit mit dem Geſchrey, welches ein
Menſch erhebt, dem Gewalt und Unrecht geſchieht. Von dem
Staube fand ich noch genug auf dem Vorderkopf, obgleich ein
Theil deſſelben von dem Schnupftuch, mit welchem ich ſie fieng,
war abgewiſcht worden.
Wer muß nicht den kuͤnſtlichen Bau ſowohl dieſer Blume,
als auch dieſer Hummel bewundern? Wer ſieht nicht ein, daß
der Schoͤpfer jene fuͤr dieſe, und dieſe fuͤr jene beſtimmt, und
eine jede von beiden ſo gebildet hat, als es das Beduͤrfniß der an-
deren erforderte?
Auch die Bienen beſuchen die Blume ſehr haͤufig, und be-
kommen alsdenn auch einen zinnoberrothen Fleck vor der Stirne.
Sie ſammlen aber nicht bloß Saft, ſondern auch Staub, wel-
chen ich an ihren Hinterbeinen bemerkte, und wegen ſeiner Farbe
leicht erkennen konnte.
Da dieſe Blume ein Saftmaal hat, ſo iſt ſie eine Tages-
blume, und bricht des Morgens auf. Dies beweiſe ich durch fol-
genden Verſuch. Ich brach in der Mittagsſtunde zwanzig Sten-
gel ab, und ſtellte dieſelben, nachdem ich alle bluͤhende Kronen
abgeriſſen hatte, Nachmittags um 1 Uhr ins Waſſer. Abends
um halb 11 Uhr beſahe ich dieſelben, und fand keine einzige neue
Blume. Am folgenden Morgen um 5 Uhr fand ich 14 junge
Blumen, um halb 7 Uhr 19, um 8 Uhr 26, um 9 Uhr 27, um
11 Uhr 27, um 12 Uhr 27, Nachmittags um 3 Uhr 27, um
6 Uhr 28, Abends um halb 9 Uhr 28. Nun riß ich die Kronen
ſaͤmtlich ab. Am folgenden Morgen um 5 Uhr fand ich 52 neue
Blumen, um halb 7 Uhr 66, um 8 Uhr 85, um 9 Uhr 88, um
11 Uhr 88, Nachmittags um 2 Uhr 88, um halb 5 Uhr 88,
Abends um halb 10 Uhr 89. Ich riß die Kronen dieſer Blumen
ab, und fand am folgenden Morgen um 5 Uhr 103 Blumen, um
8 Uhr 124, um 11 Uhr 127, Nachmittags um 1 Uhr 127, um
halb 4 Uhr 127.
Ich habe dieſen Verſuch um ſo viel lieber mit dieſer Blume
angeſtellt, da dieſelbe allenthalben leicht zu haben iſt, damit ein
Jeder, der ſich durch ſeine eigene Erfahrung uͤberzeugen will,
denſelben deſto leichter wiederholen koͤnne. Jedoch muß man ſich
bey demſelben nach der Natur richten, und die Blumen an einen
ſolchen Ort hinſtellen, wo ſie den ganzen Tag hindurch den Son-
nenſtrahlen ausgeſetzt ſind.
U
[[166]]
Galeopſis. Stachys.
Galeopſis.
Galeopſis Tetrahit. Hanfneſſel. Tab. XVI. 22.
23. Die (punktirte) Saftdruͤſe, von vorne und von der Seite
geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknotenhalter. Sie iſt weiß-
lich, da die Fruchtknoten gelbgruͤn ſind.
2. Der Safthalter iſt der unterſte inwendig glatte Theil der
Kronenroͤhre.
3. Der oberſte Theil der Kronenroͤhre iſt mit in die Hoͤhe ge-
richteten Haaren uͤberzogen.
4. Das Saftmaal iſt der gelbe Fleck auf der Unterlippe.
Galeopſis cannabina. Die weiße Krone hat auf der
Unterlippe ein ſchoͤnes Saftmaal. Die beiden Seitenſtuͤcke der-
ſelben ſind an der Oeffnung der Roͤhre blaßgelb, das mittelſte
Stuͤck aber iſt vorne purpurfarben mit einem weißen Rande, und
an der Oeffnung der Roͤhre gelb mit purpurfarbenen Linien.
Galeopſis Galeobdolon. Gelbe taube Neſſel. Tab.
XVI. 12. 13. 15.
1. 2. In Anſehung der Saftdruͤſe und des Safthalters iſt
dieſe Art der erſten aͤhnlich.
3. Die Saftdecke iſt ein ringfoͤrmiger Anſatz der Kronenroͤhre,
welcher mit Haaren beſetzt iſt, Fig. 15. a b. Die Oberlippe der
Krone hat am Rande lange Wimpern.
4. Da die Pflanze an dunklen ſchattichten Orten waͤchſt, ſo
iſt es zweckmaͤßig, daß die Krone 1) groß, 2) von heller Farbe,
nemlich gelb, iſt. Das Saftmaal ſind die roͤthlichen Punkte,
mit welchen die Unterlippe geziert iſt.
Stachys.
Stachys ſyluatica. Waldneſſel. Tab. XVI. 16. 25.
26. Tab. XXIII. 9.
Tab. XVI. 16. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſe-
hen. Neben dieſer Figur a die Saftdruͤſe.
25. Der untere Theil der Kronenroͤhre.
26. Derſelbe, aufgeſchnitten und flach ausgebreitet. a b die
Saftdecke.
Tab. XXIII. 9. Die Blume wird von einer großen Hum-
mel beſucht und befruchtet.
1. 2. 3. In Anſehung der Saftdruͤſe, des Safthalters und
der Saftdecke iſt dieſe Art dem Lamium aͤhnlich. Die Saftdruͤſe
iſt ein wenig blaßgruͤn, die Fruchtknoten aber ſind weiß, und
ſpiegelglatt, da jene keinen Glanz hat.
4. Die purpurfarbene Krone hat auf der Unterlippe ein ſchoͤ-
nes aus dunkelpurpurfarbenen und weißen Figuren beſtehendes
Saftmaal.
Stachys.
5. Die Blumen werden von Bienen und Hummeln haͤufig
beſucht. Die letzteren fliegen mit ausgeſtrecktem Saugeruͤſſel von
einer zur andern. Sie koͤnnen aber nicht anders zum Saft ge-
langen, als ſo, daß ſie auf der Unterlippe der Krone ſtehen, mit
ihrem haarichten Kopf die Antheren der juͤngeren Blumen und
das Stigma der aͤlteren beruͤhren, und folglich die letzteren durch
den Staub der erſteren befruchten, (S. die folgende Art.) Eben
hieraus laͤßt ſich erklaͤren, warum die beiden vorderſten Staubge-
faͤße, nachdem ſie verbluͤhet ſind, ſich ſeitwaͤrts biegen, Tab. XVI.
16., damit ſie nemlich nicht verhindern, daß die Hummeln auch
die hinterſten Antheren beruͤhren, und ihren Staub abſtreifen.
Stachys paluſtris. Sumpfpoley. Tab. XVI. 17.
Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen. Tab. XXIII. 14. 15.
14. Eine juͤngere Blume in natuͤrlicher Stellung, von der
Seite geſehen, nachdem die vorderſte Haͤlfte der Krone nebſt ihren
Staubgefaͤßen weggeſchnitten worden.
15. Eine aͤltere Blume, eben ſo beſchnitten.
Mit der Saftdruͤſe verhaͤlt es ſich hier, wie bey der vorher-
gehenden Art. Das Saftmaal iſt blaßpurpurfarben und weiß.
Bey Regenwetter aͤndert die Blume weder ihre Stellung, noch
ihre Geſtalt. Erſteres iſt nicht moͤglich, weil ſie unmittelbar am
Stengel ſitzt, beides aber nicht noͤthig, weil durch ihre Struktur
der Saft gegen den Regen hinlaͤnglich geſichert iſt. Dies laͤßt
ſich vermuthlich auf die ganze erſte Ordnung dieſer Klaſſe an-
wenden.
Die Figuren der XXIII. Tafel beweiſen, daß dieſe Blume
nicht nur von einem Inſekt befruchtet wird, ſondern auch, daß
dieſes nicht vermittelſt des eigenen Staubes einer jeden Blume,
ſondern vermittelſt desjenigen geſchieht, welchen das Inſekt aus
der juͤngern holt, und auf das Stigma der aͤlteren bringt. Denn
wann die Antheren bluͤhen, Fig. 14., ſo ſteht der Griffel hinter
den Staubgefaͤßen, und die beiden Theile des Stigma liegen noch
dicht an einander. Wann aber die Antheren ihren Staub verlo-
ren haben, Fig. 15., ſo bieget ſich der Griffel vorwaͤrts, und das
Stigma oͤffnet ſich. Im erſten Fall ſtreift alſo das hineinkrie-
chende Inſekt zwar den Staub von den Antheren ab; es kann
aber denſelben nicht auf das Stigma bringen, weil daſſelbe noch
geſchloſſen iſt, und von demſelben nicht beruͤhrt wird. Im zwey-
ten Fall kann es zwar nicht hineinkriechen, ohne das Stigma zu
beruͤhren; allein es ſetzt nicht den eigenen Staub der Blume an
daſſelbe ab, da die Antheren keinen Staub mehr haben, ſondern
denjenigen, welchen es von den Antheren einer juͤngeren Blume
abgeſtreift hat.
Stachys recta. Tab. XVI. 14. Der unterſte Theil
der Kronenroͤhre. Derſelbe hat zwar eben eine ſolche Saftdecke,
[[167]]
Ballota. Marrubium.
als die erſte Art, aber nicht vor derſelben unterwaͤrts einen ſol-
chen Hoͤcker, als dieſe, Fig. 25., und Lamium album, Fig. 8.
18., hat. Dieſer Hoͤcker dient vermuthlich dazu, daß, wenn ein
Regentropfen bis zur Saftdecke hinabgefloſſen iſt, er in denſel-
ben ſich begebe, und den Inſekten nicht den Eingang in den
Safthalter ſperre.
Ballota.
Ballota nigra. Schwarzer Andorn. Tab. XVI.
30—32. 41.
30. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
31. Die (punktirte) Saftdruͤſe.
32. Dieſelbe, von oben geſehen.
41. Dieſelbe, von der Seite geſehen, nachdem der vorderſte
Fruchtknoten herausgenommen worden. Zwiſchen den Frucht-
knoten der Stiel, auf welchem der abgeloͤſete Griffel geſeſſen
hat.
1. Die Saftdruͤſe iſt auch hier der Fruchtknotenhalter. Der-
ſelbe ſitzt auf einem andern laͤnglichen Koͤrper, von welchem er
ſich durch die Farbe unterſcheidet, und leicht trennen laͤßt. Die
Fruchtknoten ſtehen nicht unmittelbar mit dem Griffel in Verbin-
dung, ſondern vermittelſt der Saftdruͤſe. Denn dieſe hat oben
zwiſchen denſelben einen duͤnnen Fortſatz, auf welchem der
Griffel ſitzt, und von welchem derſelbe leicht abgeloͤſet werden
kann.
2. 3. In Anſehung des Safthalters und der Saftdecke iſt
die Blume dem Lamium album aͤhnlich. Daß auch die innere
Oberflaͤche der Oberlippe ihrer Krone mit welchen Haaren beſetzt
iſt, koͤmmt vermuthlich daher, daß dieſelbe nicht ſo ſehr gewoͤlbt
iſt, als gewoͤhnlich.
4. Die violette Krone iſt auf der Unterlippe mit weißen
Adern geziert, welche vor der Oeffnung der Roͤhre am breiteſten
ſind.
5. Hummeln beſuchen die Blume.
Marrubium.
Marrubium vulgare. Weißer Andorn. Tab. XVI.
33—35.
33. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
35. Die Krone, gegen das Licht gehalten. Die Staubge-
faͤße und die Saftdecke erſcheinen als ein dunkler Fleck.
34. Die Kronenroͤhre im Durchſchnitt.
1. Die Saftdruͤſe ſitzt auch hier auf einem beſonderen Koͤr-
per, wie bey der Ballota.
Marrubium. Leonurus. Thymus.
3. Die Kronenroͤhre iſt oben enger, als in der Mitte. Die-
ſer engere Theil wird ſowohl von den Antheren, als von den un-
mittelbar unter denſelben befindlichen Haaren verſchloſſen.
4. Die weiße Krone hat kein Saftmaal. Daß ihre Ober-
lippe nicht, wie gewoͤhnlich, gewoͤlbt und ganz, ſondern flach
und getheilt iſt, ſcheint daher zu kommen, daß die Blume ſehr
klein iſt. Die Unterlippe allein wuͤrde ihr zu wenig Anſehen ver-
ſchaffen; folglich mußte die Oberlippe zu eben dieſem Endzweck
angewendet werden. Weil ſie nun wegen dieſer Geſtalt die Oeff-
nung der Roͤhre nicht vor dem Regen ſchuͤtzen kann, ſo wird dieſe
Oeffnung durch Haare verſchloſſen. Von dem Mangel des Saft-
maals hingegen ſcheint die Kleinheit der Blume kein hinlaͤnglicher
Grund zu ſeyn, indem der Saft hier eben ſo verborgen iſt, als
in den groͤſſeren Blumen, und manche noch kleinere Blumen ein
Saftmaal haben.
5. Die Blume wird von den Bienen beſucht.
Leonurus.
Leonurus Cardiaca. Herzgeſpann. Tab. XVI. 27.
4. Das Saftmaal beſteht aus dunkelpurpurfarbenen Flecken,
mit welchen die Unterlippe der blaßrothen Krone, die Filamente,
und die Oberlippe an der Oeffnung der Kronenroͤhre geziert ſind.
5. Die Blume wird von Hummeln haͤufig beſucht, und
wahrſcheinlich auch befruchtet, da die beiden vorderſten Staub-
gefaͤße, wann ſie verbluͤhet ſind, ſich eben ſo, als in der Stachys,
ſeitwaͤrts kruͤmmen.
Thymus.
Thymus vulgaris. Thymian. Die Blume hat Saft,
welcher von dem Fruchtknotenhalter abgeſondert wird. Eine
haarichte Saftdecke aber hat ſie nicht, vermuthlich, weil ſie we-
gen ihrer Kleinheit derſelben nicht benoͤthigt iſt. Die Haare,
mit welchen die Oeffnung des Kelchs beſetzt iſt, dienen vermuth-
lich theils zur Beſchuͤtzung der jungen Samenkoͤrner, wann die
Krone abgefallen iſt, theils dazu, damit dieſelben, wann ſie reif
ſind, nicht leicht ausfallen, ſondern vom Winde herausgeworfen
werden. Einige Pflanzen haben Zwitterblumen, andere weibliche
Blumen, welches Linné nicht bemerkt haben muß. Die Zwit-
terblumen ſind groͤſſer, als die weiblichen, dienen alſo zur Beſtaͤ-
tigung deſſen, was ich bey der Valcriana dioeca geſagt habe.
Die erſteren ſind Dichogamiſten von der maͤnnlich-weiblichen
Art. In einem Garten, in welchem ein Stuͤck Landes mit dieſer
Pflanze beſetzt war, fand ich theils verſchiedene andere Inſekten,
theils in vorzuͤglicher Anzahl ein bienenartiges Inſekt, welches
etwas kleiner war, als eine Biene, auf den Blumen. Bienen
U 2
[[168]]
Thymus. Meliſſa. Ocymum.
aber fand ich nicht auf denſelben, entweder, weil ſie dieſelben
nicht beſuchen, woran ich doch zweifle, oder wahrſcheinlicher,
weil Saluia officinalis, welche in eben demſelben Garten ſtand,
und welche ſie in groͤßter Menge beſuchten, ihnen mehr und an-
genehmere Nahrung verſchaffte.
Thyinus Acinos hat ein Saftmaal.
Thymus Serpillum. Quendel. Tab. XXIV. 15.
a. Eine juͤngere Blume, deren Antheren allein bluͤhen.
b. Eine aͤltere Blume, deren Stigma bluͤhet, deren Anthe-
ren aber keinen Staub mehr haben.
Daß auch dieſe Blume, ob ſie gleich eine von den kleinſten
dieſer Klaſſe iſt, eine Saftblume ſey, erhellet theils daraus,
daß ſie ein Saftmaal hat, denn der Kronenſaum iſt blaßroth, auf
der Unterlippe aber vor der Oeffnung der Kronenroͤhre weiß und
roth, theils daraus, daß ſie eben ſo, wie Stachys paluſtris, von
Inſekten befruchtet wird. Denn anfangs, wann die Antheren
mit Staube verſeben ſind, iſt der Griffel noch kuͤrzer, als die Fi-
lamente, und das Stigma noch geſchloſſen; hernach aber, wann
die Antheren den Staub ſchon verloren haben, verlaͤngert ſich der
Griffel, und das Stigma oͤffnet ſich.
Meliſſa.
Meliſſa officinalis. Meliſſe.
3. Die Unterlippe der Krone iſt vor der Oeffnung der Kro-
nenroͤhre mit kurzen aufrecht ſtehenden Haaren beſetzt, und die
Kronenroͤhre iſt inwendig auch haaricht.
4. Die weiße Krone hat kein Saftmaal.
Ocymum.
Ocymum Baſilicum. Tab. XVI. 28. 29. 37.
29. Die Kronenroͤhre im Durchſchnitt nebſt einem oberſten
und einem unterſten Filament.
37. Dieſe beiden Filamente.
28. Die von den haarichten Anſaͤtzen der Filamente verſchloſ-
ſene Oeffnung der Kronenroͤhre.
1. Die Saftdruͤſe iſt der gelbe Fruchtknotenhalter.
2. Der Safthalter iſt die auf der oberen Seite hoͤckerichte
Baſis der Kronenroͤhre. In demſelben fand ich ſehr kleine In-
ſekten von zweyerley Art.
3. Die Kronenroͤhre hat an der Oeffnung noch einen Hoͤcker
auf der oberen Seite. Die beiden oberſten Filamente haben einen
mit Haaren uͤberzogenen Anſatz, mit welchen ſie dieſen Hoͤcker
ausfuͤllen, und dadurch die Oeffnung der Roͤhre dem Regen ver-
ſchließen.
Scutellaria. Prunella.
5. Die Blume wird von den Bienen haͤufig beſucht, und
wahrſcheinlich auch befruchtet. Denn ſie koͤnnen nicht zum Saft
gelangen, ohne mit dem unteren Theil ihres Koͤrpers die Anthe-
ren und das Stigma, welche, wider die Gewohnheit, auf der
Unterlippe der Krone liegen, zu beruͤhren, und den Staub der
erſteren auf das letztere zu bringen.
Scutellaria.
Scutellaria galericulata. Tab. XVI. 38—40.
38. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
39. Die Saftdruͤſe von der Seite, 40. von vorne.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte gelbliche Koͤrper, welcher
den duͤnneren Fruchtknotenhalter traͤgt.
2. Der Safthalter iſt der unterſte Theil der Kronenroͤhre.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre iſt ſehr enge, weil die Un-
terlippe der Krone gewoͤlbt iſt, und der Rand der Oberlippe iſt
ruͤckwaͤrts gebogen. Beides dient zur Abhaltung der Regen-
tropfen.
4. Die blaßviolette Krone hat auf der Unterlippe einen weißen
Fleck, und in demſelben drey dunkelviolette Linien, deren mittelſte
ſich in die Kronenroͤhre hineinzieht.
Scutellaria alpina. Tab. XVI. 48. 49.
48. Die Saftdruͤſe nebſt dem Fruchtknotenhalter und den
Fruchtknoten von vorne, 49. von hinten.
4. Die Saftdruͤſe iſt gelb. Die blaßviolette Krone hat auf der
Unterlippe in der Mitte einen blaßgelben Fleck, durch welchen eine
dunkelviolette Linie laͤuft.
Prunella.
Prunella vulgaris. Brunelle. Tab. XVI. 44. 46.
44. Ein Wirbel mit Samenbehaͤltniſſen. Die beiden vor-
derſten ſind weggeſchnitten.
46. Ein Samenbehaͤltniß, von vorne geſehen.
1. Der Fruchtknotenhalter, welcher die Saftdruͤſe iſt, ſitzt
hier auch auf einem beſonderen Koͤrper.
3. Die Saftdecke iſt der unmittelbar uͤber dem Safthalter
befindliche Ring von Haaren.
Wann die verbluͤhete Krone aus dem Kelch herausgefallen
iſt, ſo ſchließt dieſer ſeine Unterlippe dicht an die Oberlippe, da-
mit die Samenkoͤrner theils vor dem Regen geſchuͤtzt ſeyen, theils
nicht ausfallen, ſondern durch einen ſtarken Wind herausgewor-
fen werden.
[[169]]
Praſium. Rhinanthus.
Praſium.
Praſium maius.
1. 2. 3. In Anſehung der Saftdruͤſe, des Safthalters und
der Saftdecke hat dieſe Blume die gewoͤhnliche Einrichtung.
4. Die Krone iſt blaßgelb. Die Unterlippe iſt mit purpur-
farbenen Punkten und Linien, und die Oberlippe auf beiden Sei-
ten mit breiten purpurfarbenen Linien geziert.
Rhinanthus.
Rhinanthus criſta galli. Hahnenkamm. Tab.
XVI. 47. 50. 51. 54. 56. 59. 60. Tab. XXIII. 17—20. 39.
Tab. XVI. 51. Der vergroͤſſerte oberſte Theil der Blume,
von der Seite geſehen.
56. Derſelbe, von vorne geſehen.
50. Die Krone im Durchſchnitt.
59. Eine Anthere von innen, 60. von außen.
47. Der Fruchtknoten nebſt der Saftdruͤſe a und der nach
dem Abfallen der Krone zuruͤckgebliebenen Baſis ihrer Roͤhre c,
von der Seite geſehen. b das Safttroͤpfchen.
54. Derſelbe, von vorne geſehen.
Tab. XXIII. 18. Der Kelch, wann die Samenkapſel reif
iſt, in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
17. Derſelbe, vergroͤſſert, wenn ſich das Auge in der Linie
a b Fig. 18. befindet.
19. Die aufgeplatzte Samenkapſel.
20. Geſtalt des Kelchs, wann die Blume noch bluͤhet, aus
eben demſelben Geſichtspunkt geſehen, als Fig. 17.
39. Die Blume wird von einer Biene beſucht.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte Koͤrper, welcher vorne
an der Baſis des Fruchtknotens befindlich iſt. Durch die Farbe
unterſcheidet ſie ſich nicht ſonderlich von dem Fruchtknoten.
2. Der Safthalter iſt der unterſte an den Kelch angewachſene
Theil der Kronenroͤhre. Wann die Krone verbluͤhet iſt, ſo loͤſet
ſie ſich von dieſem Theil ab, und faͤllt aus dem Kelch heraus.
Pollich hat denſelben fuͤr die Saftdruͤſe gehalten, und die eigent-
liche Saftdruͤſe uͤberſehen.
3. Der Saft iſt vor dem Regen vollkommen verwahrt. Denn
die Unterlippe der Krone ſchließt dicht an die Oberlippe. Die
Oberlippe hat eine kleine Oeffnung. Auch durch dieſe kann kein
Regentropfen zum Saft dringen, weil hinter derſelben ſich die
haarichten Antheren befinden.
4. Die Krone iſt gelb. Die Oberlippe aber iſt vorne, wo
die kleine Oeffnung iſt, blau, und der aus der Krone hervorra-
Rhinanthus.
gende Theil des Griffels iſt auch blau. Dieſe beſondere Farbe
wird in Fig. 50. 51. 56. durch Punkte angedeutet.
5. Die Blume wird von Bienen und Hummeln haͤufig be-
ſucht. Durch ihre eigene Schwere druͤcken ſie die Unterlippe
herab, verſchaffen ſich dadurch einen bequemen Eingang, und
kriechen hinein. Es iſt alſo wahrſcheinlich, daß ſie mit dem
Ruͤcken den Staub der Antheren abſtreifen, und denſelben her-
nach auf das Stigma bringen, folglich die Blume befruchten.
Es iſt merkwuͤrdig, daß das Saftmaal nicht, wie gewoͤhn-
lich, auf der Unterlippe der Krone, ſondern auf der Oberlippe
angebracht iſt. Ehe ich die Bienen in die Blume hineinkriechen
geſehen hatte, glaubte ich aus dieſem Umſtande ſchließen zu muͤſ-
ſen, daß die kleine Oeffnung der Oberlippe zwiſchen dieſem Saft-
maal der von der Natur beſtimmte Eingang fuͤr kleinere Inſekten
ſey. Auch ſahe ich wirklich einmal ein kleines Inſekt durch dieſe
Oeffnung in die Blume hineinkriechen. Ich glaubte alſo, daß
die Befruchtung durch ein ſolches Inſekt auf folgende Art geſchehe.
Nachdem daſſelbe durch die kleine Oeffnung hineingekrochen iſt,
ſo findet es die Antheren im Wege. Indem es ſich durch dieſel-
ben hindurch arbeitet, ſo ſtreift es einen Theil des Staubes von
denſelben ab. Nachdem es in den Grund der Kronenroͤhre hinab-
gekrochen iſt, und den Saft verzehrt hat, kriecht es wieder her-
auf, und durch jene Oeffnung wieder heraus, da es denn vorher
noch einmal die Antheren beruͤhren muß. Wann es nun hierauf
in eine andere Blume hineinkriecht, ſo beruͤhrt es das unmittel-
bar uͤber jener Oeffnung befindliche Stigma, und beſtaͤubt daſ-
ſelbe.
Daß die Befruchtung ſchlechterdings nicht auf eine mechani-
ſche Art geſchehen koͤnne, lehrt der Augenſchein. Denn der An-
therenſtaub kann eben ſo wenig von ſelbſt auf das Stigma fallen,
als vom Winde auf daſſelbe gebracht werden.
Unten in der Kronenroͤhre findet man zuweilen Loͤcher, welche
von einem Inſekt, vermuthlich einer großen Hummel, fuͤr
welche der natuͤrliche Eingang zu eng iſt, hineingebiſſen worden
ſind.
Daß die Pflanze ſich ſo ungemein vermehrt, und nicht etwa
auf einzelnen Stellen haͤufig ſteht, ſondern auf ganzen Wieſen
und Ackerfeldern in gleichem Ueberfluß angetroffen wird, laͤßt ſich
aus der Geſtalt des Kelchs leicht erklaͤren, welche derſelbe hat,
wann der Samen, welchem er zum aͤußeren Behaͤltniß dient,
reif iſt. Solange die Blume bluͤhet, iſt derſelbe ſo geſtaltet, wie
Fig. 20. zeigt. Die vier Stuͤcke nemlich, in welche er ſich ober-
waͤrts zertheilt, oͤffnen ſich auf gleiche Art Wann aber der Sa-
men reif iſt, haben ſich dieſe Stuͤcke zuſammenbegeben, jedoch
ſo, daß zwiſchen den beiden oberſten eine weite Oeffnung iſt.
U 3
[[170]]
Euphraſia. Melampyrum.
Folglich koͤnnen die Samenkoͤrner nicht von ſelbſt herausfallen,
ſondern ſie bleiben ſo lange in der Kapſel, bis ſie von einem ſtar-
ken Winde herausgeworfen, und weit und breit verſtreuet wer-
den. Zu dieſem Ende ſind auch die Stengel ziemlich ſteif.
Euphraſia.
Euphraſia officinalis. Augentroſt. Tab. XVI.
36. 42.
42. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
36. Der Fruchtknoten, nachdem die Blume verbluͤhet iſt.
1. Die Saftdruͤſe iſt die unterſte Haͤlfte des Fruchtknotens.
Von der oberſten unterſcheidet ſie ſich zwar nicht durch die Farbe,
aber dadurch, daß ſie kahl und glatt iſt, da die oberſte mit Haa-
ren beſetzt iſt.
2. Der Safthalter iſt der unterſte Theil der Kronenroͤhre.
3. Die Kronenroͤhre iſt mit feinen Haaren uͤberzogen.
4. Die weiße Krone iſt mit dunkelpurpurfarbenen Linien,
auf der Unterlippe aber noch mit einem gelben Fleck geziert, und
im Schlunde iſt ein andrer gelber Fleck, welcher in der Figur nicht
zum Vorſchein koͤmmt.
Euphraſia Odondites wird von Bienen haͤufig be-
ſucht.
Melampyrum.
Melampyrum ſyluaticum. Tab. XVI. 43. 45.
52. 53. 57.
43. Der Fruchtknoten nebſt der an ſeiner Baſis ſitzenden
(punktirten) Saftdruͤſe, von der Seite geſehen.
45. Derſelbe, von vorne geſehen.
52. Der vorderſte Theil der Blume, von vorne geſehen.
57. Derſelbe, von der Seite geſehen.
53. Die aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Krone, an
welcher man die haarichte Saftdecke a b, und uͤber derſelben einige
von einem Inſekt gemachte Loͤcher ſieht.
1. Die Saftdruͤſe ſitzt vorne an der Baſis des Fruchtknotens.
Sie iſt umgebogen, und der vorderſte Theil iſt gelb.
2. Der Safthalter iſt der unterſte inwendig glatte Theil der
Kronenroͤhre.
3. Die Oeffnung der Blume iſt ſehr enge, indem die Unter-
lippe der Krone ſehr gewoͤlbt iſt. Ferner iſt der Rand der Ober-
lippe umgebogen. Die eigentliche Saftdecke beſteht aus einer un-
mittelbar uͤber dem Safthalter befindlichen Reihe von Haaren.
Oberhalb derſelben iſt die Kronenroͤhre mit feiner Wolle uͤberzogen,
und die Oberlippe iſt mit Haaren beſetzt, Fig. 53. c d. Auf ſolche
Art iſt der Saft vor dem Regen voͤllig geſchuͤtzt.
Melampyrum. Lathraea. Pedicularis.
5. Daß auch dieſe Blume von den Inſekten befruchtet wird,
beweiſet die Stellung des hervorragenden Theils des Griffels,
deſſen Ende, als das Stigma, von einem hineinkriechenden In-
ſekt ſchlechterdings beruͤhrt werden muß. Die Blume wird von
Bienen und Hummeln haͤufig beſucht. Ich ſahe, daß eine Biene
bloß ſich zu ihr hielt, und ſich um die Erica vulgaris, welche ne-
ben jener bluͤhte, nicht bekuͤmmerte. Sie kroch durch den von
der Natur gemachten Eingang hinein. An anderen Blumen fand
ich in der Kronenroͤhre uͤber dem Safthalter Loͤcher, welche ver-
muthlich eine große Hummel hineingebiſſen hatte.
Melampyrum nemoroſum. Kuhweizen. Dieſe
Art hat mit der vorhergehenden eine gleiche Einrichtung.
Lathraea.
Lathraea Squamaria. Schuppenwurz.
1. Die ſchon vom Linné bemerkte Saftdruͤſe iſt fleiſchicht
und gelb, da der Fruchtknoten weiß iſt.
3. 1) Die Blumen ſind der Erde zugekehrt. 2) In der
Oeffnung der Kronenroͤhre ſind die wollichten Antheren befind-
lich. 3) Die Unterlippe der Krone hat der Laͤnge nach einen wol-
lichten Streif.
4. Die Oberlippe der Krone iſt geſaͤttigt purpurfarben, die
Unterlippe aber weiß. Weil die Pflanze unter Haſel- und ande-
ren Straͤuchern waͤchſt, ſo nehmen ſich ihre Blumen dadurch von
denſelben aus, und machen ſich den Inſekten bemerkbarer, daß
ſie eine dichte Aehre bilden, und der Kelch und ſelbſt die Blumen-
blaͤtter (bracteac) blaßpurpurfarben ſind.
Pedicularis.
Pedicularis ſyluatica. Laͤuſekraut. Tab. XVII.
1—4. 12.
1. Der vergroͤſſerte oberſte Theil der Blume, von der Seite
geſehen. Der dunkle Fleck, welchen man oberwaͤrts auf der Ober-
lippe bemerkt, wird von den Antheren verurſacht.
4. Derſelbe, von vorne geſehen.
2. Die Kronenroͤhre von der Seite. Bey a ſondern ſich die
Filamente von derſelben ab.
3. Der Fruchtknoten nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe von
der Seite.
12. Der unterſte Theil der Kronenroͤhre, aufgeſchnitten und
flach ausgebreitet. Man ſieht die Haare, mit welchen der un-
terſte Theil der Filamente beſetzt iſt.
1. Die Saftdruͤſe ſitzt vorne an der Baſis des Fruchtkno-
tens, und iſt mit demſelben zuſammengewachſen. Sie iſt dunkel-
gruͤn, der Fruchtknoten aber blaßgruͤn.
[[171]]
Pedicularis. Antirrhinum.
2. Der Saft iſt im unterſten duͤnneren Theil der Kronenroͤhre
befindlich.
3. Die Oeffnung, welche die Oberlippe der Krone hat, iſt
1) ſehr ſchmal, 2) der Erde etwas zugekehrt, und 3) iſt der
Rand der Oberlippe laͤngſt dieſer Oeffnung zuruͤckgebogen. 4) iſt
die Krone inwendig bis zum Anfang des Safthalters mit weichen
Haaren uͤberzogen. Endlich 5) ſind auch die Filamente an der
Baſis haaricht. Der Saft iſt alſo gegen den Regen voͤllig ge-
ſichert.
4. Obgleich die Blumen auf einem niedrigen Stengel ſitzen,
ſo fand ich doch, daß ſie von weitem in die Augen fielen, weil
in ihrer Nachbarſchaft lauter noch niedrigere Pflanzen ſtanden,
uͤber welche ſie hinwegragten. Die Blume hat ein Saftmaal.
Denn die Krone iſt blaßroſenroth, die Unterlippe aber hat unmit-
telbar vor der Oeffnung der Oberlippe einen weißen Fleck, welcher
mit einem blutrothen Rande umgeben iſt, damit er ſich deſto beſſer
ausnehme, Fig. 1. 4.
5. Man ſieht, daß der Staub der Antheren hier eben ſo
wohl vor der Naͤſſe verwahrt iſt, als beym Rhinanthus, aber
zugleich, daß er auch eben ſo wenig auf eine mechaniſche Art auf
das Stigma kommen kann, als bey dieſem. Denn die Raͤnder
der Oberlippe oberhalb der Oeffnung liegen dicht an einander,
folglich kann der Staub nicht leicht herausfallen. Es iſt alſo
wahrſcheinlich, daß auch dieſe Blume von Inſekten befruchtet
wird, ob es gleich ſchwer einzuſehen iſt, wie ſolches geſchehe, in-
dem die Antheren von der Oeffnung der Oberlippe, als dem na-
tuͤrlichen Eingang fuͤr die Inſekten, ſo weit entfernt ſind. Es
koͤmmt hiebey hauptſaͤchlich darauf an, daß man das Inſekt ken-
nen lerne, fuͤr welches die Blume beſtimmt iſt. Ich habe noch
niemals eines auf derſelben angetroffen.
Antirrhinum.
Antirrhinum Linaria. Leinkraut. Tab. XVII.
5—11. 14. 18. 19.
5. Der Fruchtknoten nebſt der an ſeiner Baſis befindlichen
Softdruͤſe von der Seite.
6. Der unterſte Theil der Blume von vorne im Durchſchnitt.
7. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen. In den oberſten Theil des Horns hat eine Hum-
mel zwey Loͤcher eingebiſſen.
8. Dieſelbe, von der Seite geſehen. In beiden Figuren iſt
das Saftmaal punktirt.
9. Der groͤßte Theil des gegen das Tageslicht gehaltenen
Horns. a b der Saft.
Antirrhinum.
10. Die Blume von der Seite, nachdem ein Theil der Krone
vorne weggeſchnitten worden.
11. Die Unterlippe der Krone von innen. Die drey Kreuzer
zeigen die Stellen an, wo ſie die oberſten Antheren, das Stigma,
und die unterſten Antheren beruͤhrt.
18. Die Blume, von vorne geſehen, nachdem die Unterlippe
der Krone weggeſchnitten worden.
14. Die Samenkapſel nebſt der vertrockneten Saftdruͤſe,
von unten geſehen.
19. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
Herr D. Roth hat ganz richtig bemerkt (Magazin fuͤr
die Botanik. 1787. 2. Stuͤck. S. 32.), daß das Horn, welches
LinnéNectarium nennt, nicht den Saft ſelbſt abſondere, ſon-
dern nur enthalte, und daß die eigentliche Saftdruͤſe am Frucht-
knoten ſitze.
1. Die fleiſchichte Saftdruͤſe umgiebt die Baſis des Frucht-
knotens, und iſt vorne am dickſten. An der erwachſenen Samen-
kapſel kann man noch die vormalige nunmehr zuſammenge-
ſchrumpfte und vertrocknete Saftdruͤſe erkennen.
2. Der von derſelben abgeſonderte Saft fließt durch die kleine
Oeffnung, welche ſich zwiſchen der Baſis der beiden vorderſten
Filamente befindet, hindurch, und in das Horn hinab. Dies
Hinabfließen geſchieht vermuthlich ruckweiſe, daß nemlich der
kleine Theil des Safts, der zuerſt aus der Oeffnung, wie aus
einer Quelle, herauskoͤmmt, nicht ſogleich bis an das Ende des
Horns hinablaͤuft, und auf ſolche Art, was hernach heraus-
koͤmmt, ihm nachfolgt, ſondern daß derſelbe folange an der Oeff-
nung ſtehen bleibt, bis er zu einer gewiſſen Menge angewachſen
iſt, da er dann ploͤtzlich hinabſteigt, und, wann er etwa bis b
Fig. 9. gekommen iſt, wieder ſtehen bleibt, weil das Horn hier
nicht weiter iſt, als er groß iſt. Auf ſolche Art macht er es ſich
ſelbſt unmoͤglich, weiter hinabzufließen, weil er der Luft den Aus-
gang verſchloſſen hat. Folglich bleibt der Theil des Horns unter-
halb b ſaftleer. Zu dieſem Troͤpfchen koͤmmt nach und nach mehr
Saft hinzu, ſo daß endlich der ganze Vorrath den Raum a b
einnimmt. Dieſer Raum unterſcheidet ſich ſehr deutlich von dem
uͤbrigen Theil des Horns, wenn man die Blume gegen das Ta-
geslicht haͤlt, durch ſeine groͤſſere Klarheit, und ſeine beide Ober-
flaͤchen erſcheinen als dunkle Linien, wenn man die Blume uͤber
die Augen erhebt; haͤlt man aber die Blume niedriger, ſo er-
ſcheint die oberſte Oberflaͤche als eine dunkle, die unterſte aber als
eine ſehr helle Linie. Dies ruͤhrt von der durch den Saft verur-
ſachten Brechung der Lichtſtrahlen her. Druͤckt man das Horn
mitten zwiſchen a und b mit einer Pincette zuſammen, ſo verlaͤn-
[[172]]
Antirrhinum.
gert ſich der helle Raum ploͤtzlich ſowohl oberwaͤrts, als un-
terwaͤrts.
3. Zu dieſem Saft kann ſchlechterdings kein Regentropfen
gelangen, und denſelben verderben. Denn die Unterlippe der
Krone iſt in der Mitte ſehr einwaͤrts und in die Hoͤhe gezogen,
wodurch ein großer hohler Hoͤcker entſteht. Dieſen Hoͤcker druͤckt
die Unterlippe mit elaſtiſcher Kraft dicht an die Oberlippe an, ſo
daß die Blume hier, wo die Oeffnung derſelben ſeyn ſollte, ver-
ſchloſſen iſt. Dieſer Hoͤcker iſt mit kurzen Haaren dicht beſetzt,
beſonders auf der inneren Seite, wodurch vollends den Re-
gentropfen das Eindringen in die Blume unmoͤglich gemacht
wird. Kriecht nun ein Inſekt zwiſchen der Oberlippe und dem
Hoͤcker der Unterlippe in die Blume hinein, ſo druͤckt es zwar die
letztere herab; ſobald es aber wieder herauskriecht, faͤhrt dieſelbe
in die Hoͤhe, und druͤckt den Hoͤcker wieder an die Oberlippe an,
und die Blume iſt wieder ſo feſt verſchloſſen, als vor dem
Beſuch.
4. Daß nun aber das Inſekt, welches, durch die ſchoͤne
und ſchon von weitem in die Augen fallende Blumenaͤhre ange-
lockt, ſich einer Blume genaͤhert hat, hier allein in dieſelbe hinein-
kommen koͤnne, zeigt ihm das Saftmaal. Die Krone iſt nemlich
blaßgelb, jener Hoͤcker aber iſt pomeranzenfarben oder goldgelb.
Die Oberlippe iſt unbeweglich, die Unterlippe aber laͤßt ſich herab-
druͤcken, aus eben der Urſache, welche ich bey der Iris Xiphium
angezeigt habe, nemlich weil beym Herabdruͤcken der Unterlippe
dem Inſekt ſeine eigene Schwere zu Huͤlfe koͤmmt, nicht aber beym
Hinaufdruͤcken der Oberlippe. Folglich wird ihm dadurch ſeine
Muͤhe ſehr erleichtert. Nun iſt hier noch dies zu merken, daß
die innere, oder an der Oberlippe anliegende Oberflaͤche des
Hoͤckers der Unterlippe nicht nur auf beiden Seiten haaricht iſt,
ſondern auch in der Mitte zwar eine kahle Stelle, auf beiden
Seiten derſelben aber einen pomeranzenfarbenen haarichten Streif
hat, Fig. 11. Die Inſekten nehmen alſo natuͤrlicherweiſe dieſen
mittelſten kahlen Weg.
5. Nun betrachte der Leſer die 10. Figur, und nachdem er
die Unterlippe Fig. 11. in Gedanken umgekehrt, und in Fig. 18.
an ihre gehoͤrige Stelle geſetzt hat, ſo vergleiche er dieſe ſo er-
gaͤnzte Blume mit Fig. 10.: ſo wird er einſehen, daß die Blume
ſehr kuͤnſtlich gebauet iſt. Denn an der inneren Oberflaͤche des
Hoͤckers, und grade an der mittelſten kahlen Stelle derſelben lie-
gen die beyden Paare der Antheren, und mitten zwiſchen denſel-
ben das Stigma. Indem alſo das Inſekt hineinkriecht, ſo muß
es nothwendig mit dem Ruͤcken den Staub der oberſten Antheren
abſtreifen, und denſelben an das Stigma wieder anſtreichen.
Eben ſo, wann es nach Verzehrung des Safts wieder aus der
Antirrhinum.
Blume herauskriecht, muß es die unterſten Antheren ihres Stau-
bes berauben, und mit demſelben das Stigma verſehen. So
zweckmaͤßig alſo der Bau der Blume iſt, wenn wir die Ernaͤhrung
eines Inſekts uns als den Endzweck derſelben vorſtellen, eben ſo
zweckmaͤßig iſt derſelbe, wenn wir dieſe Ernaͤhrung bloß als ein
Mittel anſehen, durch welches eine Abſicht erreicht werden ſoll,
welche ſich auf die Blume ſelbſt bezieht, nemlich die Befruchtung
ihres Fruchtknotens.
Die Blume wird, wie ich ſchon bey der Aſclepias geſagt
habe, von einer kleinen Hummel beſucht, und da dieſe durch den
von der Natur gemachten Eingang hineinkriecht, ſo laͤßt ſich nicht
daran zweifeln, daß ſie auch von derſelben befruchtet werde. Auch
die Bienen beſuchen die Blume, und zwar auf zweyerley Art.
Einige gehen bloß dem Saft nach, kriechen aber nicht, um zu
demſelben zu gelangen, durch den natuͤrlichen Eingang hinein,
ſondern beißen ein Loch in das Horn. Andere ſammlen bloß
Staub. Dieſe entfernen die Unterlippe der Krone ein wenig von
der Oberlippe, und ſtecken den Kopf ſo weit hinein, daß ſie die
Antheren beruͤhren, und ihren Staub erhalten koͤnnen. Hieraus
ſchließe ich, daß nicht ſie, ſondern bloß die kleinen Hummeln zur
Befruchtung der Blume beſtimmt ſind. Eben ſo wenig ſind es
die großen Hummeln, welche in den natuͤrlichen Eingang nicht
hineinkommen koͤnnen, und deswegen eben ſo, wie die Bienen,
auf eine gewaltthaͤtige Art ſich des Safts bemaͤchtigen. Gle-
ditſch hat ſchon bemerkt, daß die Bienen dieſen Frevel an der
Blume veruͤben, S. 193.
Da die Blume inwendig geraͤumig und wohl verſchloſſen iſt,
ſo verſchafft ſie vielen kleinen Inſekten einen bequemen Aufenthalt,
in welchem ſie vor dem Regen vollkommen geſchuͤtzt ſind, und
ihre reichliche Nahrung haben. Ich fand einen ſchwarzen Bla-
ſenfuß und ein groͤßeres gefluͤgeltes Inſekt, wie auch die kleine
gelbe Blumenſpinne *), deren ich oben erwaͤhnt habe, in der-
ſelben.
Antirrhinum maius. Tab. XVII. 13. 15. 16. 17.
20. 21. 24. 27. 29.
13. Die ein wenig vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stel-
lung, von der Seite geſehen.
15. Dieſelbe, von vorne geſehen.
16. Dieſelbe von vorne, nachdem die vorderſte Haͤlfte der
Krone weggeſchnitten worden.
29. Dieſe weggeſchnittene Haͤlfte von der inneren Seite.
24. Die
[[173]]
Antirrhinum. Craniolaria.
24. Die Oeffnung zwiſchen den beiden vorderſten Filamen-
ten, hinter welcher die Saftdruͤſe befindlich iſt, und durch welche
der Saft in den Safthalter fließt.
17. Der Fruchtknoten, deſſen unterſter (punktirter) Theil die
Saftdruͤſe iſt.
20. Das rechter Hand befindliche hinterſte Filament von
vorne.
21. Das rechter Hand befindliche vorderſte Filament von
hinten.
27. Daſſelbe von vorne.
1. Die gruͤne Baſis des weißlich gruͤnen Fruchtknotens, welche
vorne am fleiſchichſten iſt, iſt die Saftdruͤſe. Sie iſt kahl und
glatt, da der Fruchtknoten uͤbrigens mit feinen Haaren uͤberzo-
gen iſt.
2. Der Saft fließt durch die zwiſchen den beiden vorderſten
Filamenten befindliche Oeffnung in das ſehr kurze Horn.
3. Damit der Hoͤcker der Unterlippe noch dichter an die Ober-
lippe ſchließe, ſo iſt er inwendig der Laͤnge nach an zwey Stellen
konvex, die Oberlippe aber an zwey Stellen konkav, und ſeine
konvexe Theile paſſen genau in die konkaven der Oberlippe. Auch
iſt er inwendig mit Haaren uͤberzogen. Ferner ziehen ſich zwey
haarichte Streifen beynahe bis zum Safthalter hinab, Fig. 29.
Warum aber auch die Filamente, beſonders die vorderſten uͤber
der Oeffnung, durch welche der Saft fließt, haaricht ſind, ſehe
ich nicht ein.
4. Die purpurfarbene Krone hat auf dem Hoͤcker der Unter-
lippe ein gelbes Saftmaal. Die Haare ſind auf der Unterlippe
weiß, in der Roͤhre aber, wo ſie zwey Streifen bilden, gelb.
5. Die Blume wird von Hummeln, ſowohl den kleineren
gelben, als auch den großen mit ſchwarzen und gelben Ringen
beſucht und befruchtet. Auch Ameiſen findet man im Grunde der
Blume.
Craniolaria.
Craniolaria annua. Jacqu. Amer. p. 173.
Der Herr Verfaſſer ſagt S. 189, in den mehreſten Blumen
aus der Didynamia angioſpermia habe er an der Baſis des
Fruchtknotens einen beſonderen Koͤrper bemerkt, welcher denſel-
ben umgebe, und welchen man nicht unſchicklich eine Druͤſe nen-
nen koͤnne. Verſteht er hiedurch eine Saftdruͤſe, ſo wundert
mich, daß er nicht auch wirklich Saft in denſelben gefunden, oder,
wenn er Saft gefunden, ſolches nicht angezeigt hat. Alle in die-
ſer Ordnung vorkommende Blumen ſind wahrſcheinlich Saftblu-
men. Dies erhellet ſchon aus ihrer Geſtalt, da ſie eine mit einer
Roͤhre verſehene Krone haben. Daß inſonderheit dieſe Cranio-
Beſleria. Scrophularia.
laria eine Saftblume iſt, beweiſet ihr Saftmaal. Denn die
weiße Krone hat im Grunde ihres Schlundes drey große ſchwarze
purpurfarbene Flecke. Die Saftdruͤſe ſitzt wahrſcheinlich auch
an der Baſis des Fruchtknotens. Der Saft ſteigt durch die
lange und enge Kronenroͤhre in die Hoͤhe, und ſammlet ſich im
Grunde des Schlundes.
Beſleria.
Beſleria criſtata. Jacqu. Amer. p. 188. Bey dieſer
Blume iſt zu eben demſelben Endzweck eben dieſelbe Einrichtung
vorhanden, welche bey der Petraea volubilis Statt findet Denn
der Kelch iſt ſcharlachroth, die Krone aber gelblich. Daß die
Druͤſe, welche unten am Fruchtknoten ſitzt, eine Saftdruͤſe iſt,
erhellet daraus, daß ſie gelb iſt. Der Safthalter iſt der unterſte
Theil der Kronenroͤhre, welcher vorwaͤrts hoͤckericht iſt, weil die
Saftdruͤſe ſich vorwaͤrts verlaͤngert. Die Saftdecke iſt die Haut,
welche an die Roͤhre angewachſen iſt, bey dieſem Hoͤcker ſich thei-
let, und die Filamente bildet.
Scrophularia.
Scrophularia nodoſa. Braunwurz. Tab. XVI.
55. 58. 61—63. Tab. XVII. 48. Titelk. Fig. XXV.
Tab. XVI. 61. Die vergroͤſſerte Blume im Anfange des
zweyten Zuſtandes in natuͤrlicher Stellung, von vorne geſehen.
63. Dieſelbe im zweyten Zuſtande, von der Seite geſehen.
62. Das Piſtill einer aͤlteren oder im zweyten Zuſtande be-
findlichen Blume. An der Baſis des Fruchtknotens die (punktirte)
Saftdruͤſe.
58. Die Geſchlechtstheile einer juͤngeren Blume.
55. Die Geſchlechtstheile einer aͤlteren Blume.
Tab. XVII. 48. Die Krone einer juͤngeren Blume, unten
aufgeſchnitten und flach ausgebreitet.
Titelk. Fig. XXV. Die Blume wird von einer Wespe be-
ſucht und befruchtet.
1. Die gelbliche Saftdruͤſe umgiebt die Baſis des Fruchtkno-
tens, und iſt oberwaͤrts am dickſten.
2. Vor derſelben befindet ſich an der oberen Seite der Kro-
nenroͤhre der Saft in ziemlicher Quantitaͤt.
3. Die Blume ſteht meiſt horizontal und nur wenig aufrecht.
Die Oberlippe der Krone ſchuͤtzt alſo die Oeffnung der Kronenroͤhre
vor dem Regen. An der unteren Seite dieſer Oberlippe befindet
ſich ein kleiner Anſatz, welcher mit derſelben einen ſpitzen Winkel
macht. Legt man auf die Oberlippe einen Waſſertropfen, und
ſchuͤttelt hernach die Blume: ſo bleibt derſelbe dennoch vor dieſem
Anſatz ſtehen, und fließt uͤber denſelben nicht hinab. Derſelbe
X
[[174]]
Scrophularia.
ſcheint alſo bloß zur Abhaltung der Regentropfen zu dienen.
Endlich iſt die Oeffnung der Kronenroͤhre enger, als die Roͤhre
ſelbſt.
4. Weil der Saft an der oberen Seite der Kronenroͤhre ſitzt,
ſo mußte auch das Saftmaal auf der oberen Seite der Krone an-
gebracht werden. Die Krone iſt blaßgruͤn, die Oberlippe aber,
beſonders auf der inneren Seite, braun. Dieſe braune Farbe
zieht ſich in die Kronenroͤhre hinein, und erſtreckt ſich bis zum
Saft, Tab. XVII. 48. Da die Blume alſo ein Saftmaal hat,
ſo iſt ſie eine Tagesblume, und fuͤr Tagesinſekten beſtimmt. Dies
beſtaͤtigt die Erfahrung; denn ſie faͤngt des Morgens an zu bluͤ-
hen, und wird von Tagesinſekten beſucht.
Linné ſagt, man muͤſſe ſich die Blume als umgekehrt vor-
ſtellen. Dies beſtaͤtigt 1) die Saftdruͤſe, welche auf der oberen
Seite des Fruchtknotens am dickſten iſt, da ſie es ſonſt auf der
unteren Seite zu ſeyn, oder ſich bloß auf derſelben zu befinden
pflegt, 2) der Saft, welcher, wider die Gewohnheit, an der
oberen Seite der Kronenroͤhre haftet, 3) das Saftmaal, welches
auf der Oberlippe iſt, da es ſonſt auf der Unterlippe zu ſeyn
pflegt.
5. Medikus will (S. 121.) bey den Serophularien dieje-
nige Erſcheinung wahrgenommen haben, welche er das Wandern
der Staubgefaͤße nennt. Er hat ſich aber geirrt, weil ihm nichts
von der Dichogamie bekannt geweſen iſt. Seiner Meinung nach
legen die Staubgefaͤße nach und nach ihre Antheren auf das
Stigma, und die Befruchtung geſchieht auf eine mechaniſche Art.
Als ich ſeine Abhandlung las, vermuthete ich ſogleich, daß er
ſich, wie in Anſehung der uͤbrigen Blumen, an welchen er und
Andere dieſe Erſcheinung wollen wahrgenommen haben, ſo auch
in Anſehung der Scrophularien, geirrt habe. Sobald ich Gele-
genheit hatte, die Blumen zu unterſuchen, ſo fand ich auch meine
Vermuthung durch den Augenſchein beſtaͤtigt, obgleich auf eine
andere Art, als ich damals gedacht hatte. Denn da ich geglaubt
hatte, die Blume ſey ein Dichogamiſt von der mir damals nur
allein bekannten maͤnnlich-weiblichen Art: ſo fand ich, daß bey
derſelben die weiblich-maͤnnliche Dichogamie Statt findet, welche
ich kurz vorher an der Euphorbia Cypariſſias entdeckt hatte. So-
bald ſich nemlich die Blume geoͤffnet hat, ſo raget der Griffel ein
wenig aus derſelben hervor, und der oberſte Theil deſſelben, deſ-
ſen Ende das Stigma iſt, iſt ein wenig in die Hoͤhe gerichtet.
Von den Staubgeſaͤßen aber iſt noch nichts in der Oeffnung der
Krone zu ſehen, ſondern ſie befinden ſich im Grunde der Krone,
und ſind gekruͤmmt, und die Antheren haben noch keinen Staub.
In dieſem Zuſtande verbleibt die Blume ungefaͤhr zwey Tage.
Nach Verfließung derſelben koͤmmt ſie in den zweyten Zuſtand.
Scrophularia.
Die Staubgefaͤße fangen nemlich eines nach dem andern an ſich
grade zu ſtrecken, wodurch die Antheren, die nun auch ſich oͤffnen,
und ihren Staub zeigen, eben dieſelbe Stelle erhalten, welche
vorher das Stigma hatte. Dieſe Stelle hat nemlich das Stigma,
ſo wie die Faͤhigkeit zu empfangen, unterdeſſen verloren, weil der
oberſte Theil des Griffels ſich abwaͤrts gebogen, und zu verwelken
angefangen hat. In dieſem zweyten Zuſtande verbleibt die
Blume auch ungefaͤhr zwey Tage, bis die Krone welk wird und
abfaͤllt.
Da alſo die Blume nur in dem erſten, keinesweges aber in
dem zweyten, in jenem aber nicht durch ihren eigenen Staub,
befruchtet werden kann, indem ſie in dem letzten kein Stigma
mehr, in dem erſten aber noch keinen Staub hat: ſo folgt hier-
aus unwiderſprechlich, daß ſie nicht auf eine mechaniſche Art,
ſondern bloß durch Inſekten befruchtet wird. Wann alſo die In-
ſekten in die aͤltere Blume hineinkriechen, ſo ſtreifen ſie mit den
Beinen und dem Unterleibe Staub von den Antheren ab; und
wann ſie hierauf eine juͤngere Blume beſuchen, ſo beſtreichen ſie
mit dem an ihrem Koͤrper haftenden Staube das Stigma, und
befruchten auf ſolche Art die juͤngere Blume durch den Staub der
aͤlteren.
Bey den juͤngeren Blumen habe ich bey ſchoͤnem Wetter ſehr
deutlich geſehen, daß das Stigma mit Staube verſehen war,
welchen Inſekten aus den aͤlteren Blumen auf daſſelbe gebracht
hatten. Dieſe Inſekten ſind 1) eine große Wespe, welche in die
Blume hineinkriecht, und den Saft verzehrt. Dieſe habe ich auf
dem Titelblatt in der Stellung, in welcher ich ſie beym Beſuch
angetroffen habe, abgebildet. 2) Eine kleine Wespe, welche auch
Saft genoß. 3) Ein Inſekt, welches eine Aehnlichkeit mit einer
Biene, und auch einen Stachel im After hat, aber viel kleiner
iſt, als eine Biene. Dieſes ſammlete bloß Staub. Auch beißt
ein anderes Inſekt, ich weiß nicht, welches, Loͤcher in die Krone,
um zum Saft zu gelangen, wovon dieſelbe verwelkt und abfaͤllt.
Man ſollte dies nicht vermuthen, da die Kronenroͤhre kurz und
weit genug iſt, daß auch die groͤßte Hummel mit dem Saugeruͤſſel
leicht zum Saft gelangen kann.
Was ich in der Einleitung von den welblich-maͤnnlichen
Dichogamiſten geſagt habe, daß nemlich die erſten Blumen keine
Frucht anſetzen koͤnnen, beſtaͤtigt die Erfahrung an dieſer Art.
Die erſten Blumen ſind auf den unterſten Zweigen der Rispe,
und zwar in dem Winkel, welchen dieſelben bey ihrer erſten Thei-
lung machen, befindlich. Die Fruchtknoten derſelben fallen zwar,
wann dieſelben verbluͤhet ſind, nicht ab, welches unbefruchtete
Fruchtknoten ſonſt zu thun pflegen; aber die mehreſten derſelben
bleiben klein, und werden keine Samenkapſeln.
[[175]]
Scrophularia. Digitalis.
Euphorbia und Scrophularia ſind die einzigen Gattungen,
bey weichen ich bisher die weiblich-maͤnnliche Dichogamie be-
merkt habe.
Scrophularia vernalis. Dieſe Art hat auch Saft.
Die Saftdruͤſe ſitzt auch auf der oberen Seite des Fruchtkno-
tens, und iſt gelblichgruͤn, da der Fruchtknoten blaßgruͤn iſt.
Zu dem Saft kann kein Regentropfen gelangen; denn die weite
Kronenroͤhre hat eine enge Oeffnung, welche durch den Griffel
und die Antheren meiſt verſchloſſen wird. Die gruͤnlichgelbe
Krone hat kein Saftmaal.
Digitalis.
Digitalis purpurea. Rother Fingerhut. Tab. XVII.
22. 23. 25. 32. 33. 38. Tab. XXIII. 42. 43.
Tab. XVII. 22. Die ein wenig vergroͤſſerte Blume in na-
tuͤrlicher Stellung, von der Seite geſehen.
25. Dieſelbe, von vorne geſehen.
33. Dieſelbe, nachdem die vordere Haͤlfte der Krone groͤß-
tentheils weggeſchnitten worden.
23. Eine Anthere, welche ſich noch nicht geoͤffnet hat, von
außen.
38. Dieſelbe von innen.
32. Eine Anthere, welche keinen Staub mehr hat.
Tab. XXIII. 42. Der Griffel und die Staubgefaͤße einer
juͤngeren Blume.
43. Der Griffel und die Staubgefaͤße einer aͤlteren Blume.
1. Die Saftdruͤſe iſt die ſehr ſchmale glatte und gruͤne
Baſis des Fruchtknotens, welcher gelblichgruͤn und mit kurzen
Haaren dicht uͤberzogen iſt.
2. Der Saft iſt im Grunde der Kronenroͤhre enthalten.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dient Fol-
gendes. 1) Die Baſis der Kronenroͤhre iſt weit enger, als der
uͤbrige Theil. 2) Die Blume hat eine ſolche Stellung, daß ſie
zwiſchen horizontalen und grade herabhangenden Blumen das
Mittel haͤlt. Die Regentropfen fallen alſo nicht in die Oeff-
nung der Krone hinein, ſondern beruͤhren dieſelbe nur. 3) Die
Krone iſt inwendig auf der unteren Seite mit langen, obgleich
nicht dicht ſtehenden Haaren beſetzt. 4) Auch der Fruchtkno-
ten iſt, wie ſchon geſagt worden iſt, mit Haaren dicht uͤberzo-
gen. Folglich kann ſich ſchlechterdings kein Regentropfen mit
dem Saft vermiſchen.
4. Die purpurfarbene Krone hat inwendig auf der unte-
ren Seite dunkelpurpurfarbene Flecke, welche, damit ſie ſich
deſto ſtaͤrker ausnehmen, von weißen Ringen umgeben werden.
Ein Inſekt, welches ſich der Blume genaͤhert hat, erblickt die
Digitalis.
innere Oberflaͤche der unteren, keinesweges aber der oberen
Haͤlfte der Krone. Folglich mußte das Saftmaal auf jener,
nicht auf dieſer angebracht werden. Die Staubgefaͤße und der
Griffel verhindern das Inſekt weder das Saftmaal zu bemer-
ken, noch, da daſſelbe eines von den groͤßten iſt, hineinzukrie-
chen, indem ſie ſich dicht an die obere Haͤlfte der Krone an-
druͤcken, ſo daß, wenn man die Krone der Laͤnge nach perpen-
dikulaͤr durchſchneidet, und die vordere Haͤlfte wegſchneidet, die
beiden vorderſten Filamente und der Griffel ſich in die Hoͤhe
begeben, und uͤber die Krone hinwegragen, Fig. 33. Daß
aber auch die blaßgelben Antheren auf ihrer unteren Seite,
welche den Inſekten in die Augen faͤllt, mit rothen Duͤpfeln
geziert ſind, welche hingegen auf der oberen Seite fehlen,
hielt ich anfangs, ehe ich wußte, von welchem Inſekt die
Blume befruchtet wird, auch fuͤr etwas abſichtliches; da aber
die Antheren mit dieſen Duͤpfeln nur ſo lange, als ſie ſich
noch nicht geoͤffnet haben, geziert ſind, ſo folgt ſchon hieraus,
daß dieſes bloß etwas zufaͤlliges ſey.
5. Ich fand in der Blume Blaſenfuͤße, welche nach ihrer
Gewohnheit auf allen Theilen derſelben umherliefen. Einige
fand ich auf den Antheren, einen ſogar auf dem Stigma.
Daß aber die Blume nicht von ihnen, ſondern von großen
Inſekten, befruchtet werde, ſchloß ich daraus, daß ſie ein Di-
chogamiſt iſt. Denn wann die Antheren bluͤhen, ſo liegt der
Griffel noch dicht an der Kronenroͤhre an, und die beiden Lap-
pen des Stigma haben ſich noch nicht von einander begeben.
Wann aber die Antheren den Staub verloren haben, ſo kruͤmmt
ſich der Griffel herab, und das Stigma oͤffnet ſich. Folglich
wird dieſe Blume von einem, und zwar großen, Inſekt alſo
befruchtet, daß es den Staub der juͤngeren Blumen auf das
Stigma der aͤlteren bringt. Denn wann daſſelbe in eine juͤn-
gere Blume hineinkriecht, ſo ſtreift es mit ſeinem haarichten
Ruͤcken den Staub von den Antheren ab, und wann es hier-
auf eine aͤltere beſucht, ſo beruͤhrt es mit dem beſtaͤubten Ruͤcken
das Stigma, und verſiehet daſſelbe mit Staube. Wenn aber
die Blume von Blaſenfuͤßen befruchtet werden ſollte, ſo muͤß-
ten die Antheren und das Stigma zu gleicher Zeit bluͤhen.
Daß ich richtig geſchloſſen hatte, lehrte mich im naͤchſtver-
gangenen Jahre die Erfahrung. Ich ſahe nemlich die große
Hummel, welche auf dem Titelblatt abgebildet iſt, die Blume
beſuchen. Sie kriecht in dieſelbe ſo tief hinein, daß man kei-
nen Theil ihres Koͤrpers ſehen kann, haͤlt ſich ziemlich lange
in derſelben auf, und ſetzt ſie in eine zitternde Bewegung.
Digitalis ambigua. Da die erſte Art eine Saft-
blume iſt, ſo iſt es wahrſcheinlich dieſe auch, obgleich Gleditſch
X 2
[[176]]
Bignonia. Creſcentia. Ruſſelia. Petraea.
keinen Saft in derſelben bemerkt hat, S. 183., woruͤber ich
mich um ſo viel mehr wundere, da er in der erſten Saft ge-
funden hat, S. 225.
Bignonia.
Bignonia paniculata. Jacqu. Amer. p. 183.
1. Die Saftdruͤſe iſt der flache tellerfoͤrmige Koͤrper, auf
welchem der Fruchtknoten ſitzt.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen ſind die
Lippen der Krone mehrentheils geſchloſſen.
4. Aus der unten bey der Petraea angezeigten Urſache iſt
der Saum des Kelchs weiß, die Krone aber purpurfarben.
Creſcentia.
Creſcentia Cuiete. Jacqu. Amer. p. 175. Die
tellerfoͤrmige Saftdruͤſe ſitzt unten am Fruchtknoten. Zur Saft-
decke dient vermuthlich die große Falte, durch welche die Kro-
nenroͤhre in der Mitte einwaͤrts gezogen, ihr innerer Raum
alſo ſehr verengt wird.
Ruſſelia.
Ruſſelia ſarmentoſa. Jacqu. Amer. p. 178. Iſt
eine Saftblume; denn ſie hat eine Saftdecke. Dieſe ſind die
Haare, welche die Oeffnung der Kronenroͤhre halb verſchließen.
Petraea.
Petraea volubilis. Jacqu. Amer. p. 180. Auch
dieſe Blume iſt allem Anſehen nach eine Saftblume; denn ſie
hat ein Saftwaal, und zwar, wie es ſcheint, ein doppeltes,
nemlich ein aͤußeres und ein inneres. Jenes iſt der Kronen-
ſaum ſelbſt, indem er von anderer Farbe iſt, als der gefaͤrbte
Kelchſaum. Weil dieſer nemlich von jenem nicht verdeckt wird,
ſo muß er auch gefaͤrbt ſeyn, um der Blume mehr Anſehen
und eine groͤſſere Bemerkbarkeit zu verſchaffen. Jedoch iſt es
zweckmaͤßig, daß er anders gefaͤrbt ſey, als der Kronenſaum,
damit dieſer gegen ihn beſſer abſteche. Er iſt alſo himmelblau,
die Krone aber violett. Nach dem Linné iſt es grade umge-
Petraea. Lantana. Auicennia. Capraria.
kehrt. Das innere Saftmaal ſcheint auf dem mittelſten Ab-
ſchnitt der Unterlippe der Krone, welches auch die ſchicklichſte
Stelle fuͤr daſſelbe iſt, angebracht zu ſeyn. Beide Schriftſtel-
ler ſchweigen zwar hievon, vermuthlich weil ſie vom Saftmaal
nichts wußten; betrachtet man aber die Abbildung des erſten
etwas genauer, ſo findet man die Krone der drey bluͤhenden
Blumen ſo gezeichnet, daß auf dem mittelſten Abſchnitt der
Unterlippe nicht bloß Licht und Schatten, ſondern auch die
Farbe angedeutet zu ſeyn ſcheint, und das Saftmaal ſcheint
weiß zu ſeyn.
Lantana.
Lantana Africana. Tab. XVII. 30. 31.
30. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
31. Die Kronenroͤhre.
1. Die Saftdruͤſe iſt entweder der blaßgruͤne Fruchtknoten
ſelbſt, oder die Baſis deſſelben.
2. Der Safthalter iſt der unterſte weitere und inwendig
glatte Theil der Kronenroͤhre.
3. Der Saft iſt gegen den Regen dadurch geſichert, daß
die Kronenroͤhre 1) uͤber dem Safthalter enger, 2) von da bis
an ihre Oeffnung mit Haaren uͤberzogen iſt, welche in der
Oeffnung am laͤngſten ſind.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die weiße Krone
iſt um die Oeffnung ihrer Roͤhre herum mit fuͤnf violetten
laͤnglichen Flecken geziert.
Auicennia.
Auicennia nitida. Jacqu. Amer. p. 177. Hat ein
Saftmaal. Denn die weiße Krone iſt auf dem mittelſten Ab-
ſchnitt ihrer Unterlippe mit einer dunkelfarbigen Figur geziert,
welche wie ein Staubgefaͤß ausſieht.
Capraria.
Capraria biflora. Jacqu. Amer. p. 182. Iſt eine
Saftblume; denn ſie hat eine Saftdecke. Die Abſchnitte des
Kronenſaums ſind nemlich an der Baſis rauch.
[[177]]
Myagrum. Draba.
Funfzehnte Klaſſe.Tetradynamia.
Zwitterblumen mit ſechs Staubgefaͤßen, von welchen viere etwas laͤnger ſind, als die beiden uͤbrigen.
Linné hat nur bey einigen Gattungen dieſer Klaſſe Saftdruͤ-
ſen bemerkt; ich glaube aber, daß alle mit Saftdruͤſen verſehen
ſind, als mit Theilen, welche eben ſo weſentlich ſind, als die
maͤnnlichen und weiblichen Befruchtungstheile. Dies ſchließe
ich daraus, daß ich in vielen Gattungen Saftdruͤſen gefunden
habe, in welchen Linné keine gefunden hat.
Myagrum.
Dieſe erſte Gattung iſt hievon ein Beyſpiel. Denn My-
agrum Hiſpanicum hat vier dunkelgruͤne Saftdruͤſen,
von welchen zwey zwiſchen den laͤngeren Filamenten und dem
Kelch, zwey aber zwiſchen den kuͤrzeren Filamenten und dem
Fruchtknoten ſitzen.
Draba.
Draba verna. Hungerbluͤmchen. Tab. II. 11. 16. 17.
19—21. 25.
17. Das ganze Pflaͤnzchen in natuͤrlicher Groͤſſe bey ſchoͤ-
nem Wetter.
20. Der bluͤhende Stengel des Nachts und bey ſchlechter
Witterung am Tage.
11. Eine geoͤffnete Blume in natuͤrlicher Stellung aus
Fig. 17.
16. Dieſelbe, von oben geſehen.
21. Eine geſchloſſene Blume in natuͤrlicher Stellung aus
Fig. 20.
19. Dieſelbe, von unten geſehen.
25. Das junge Schoͤtchen, welches die Kelchblaͤtter noch
nicht verloren hat. Das vorderſte von denſelben iſt abgeriſſen
worden, damit man die beiden vorderſten (punktirten) Saftdruͤ-
ſen ſehen koͤnne.
Selbſt dieſes kleine Bluͤmchen hat ſeine vier Saftdruͤſen,
welche man durch die Loupe deutlich ſehen kann. Sie ſitzen unten
am Fruchtknoten auf beiden Seiten der kuͤrzeren Filamente, und
unterſcheiden ſich vom Fruchtknoten durch die Farbe. Auch noch
Thlaſpi. Cochlcaria. Alyſſum.
an dem erwachſenen Schoͤtchen machen ſie ſich durch ihre gelbe
Farbe kenntlich.
Wahlboom ſagt, dieſe Blume beuge ſich des Nachts
herab, damit Regen und feuchte Luft nicht den Antherenſtaub
beſchaͤdige. Ich ſetze hinzu, daß dieſes auch bey Tage, wenn es
ſchlechtes Wetter iſt, geſchieht, daß die Blume ſich auch alsdann
ſchließt, wann ſie ſich herabbeugt, und daß beides auch zur Be-
ſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dienet.
Thlaſpi.
Thlaſpi burſa paſtoris. Hirtentaſche. Dieſe kleine
Blume hat vier Saftdruͤſen, welche zwiſchen den kuͤrzeren Fila-
menten und dem Fruchtknoten ſitzen.
Cochlearia.
Cochlearia officinalis. Loͤffelkraut. Gleditſch
ſagt S. 236., daß im Kelch dieſer Blume Honig enthalten ſey.
Dieſen habe ich daſelbſt nicht finden koͤnnen. Wenn die Blume
wirklich Saft enthaͤlt, ſo muß der fleiſchichte Fruchtknoten ſelbſt
die Saftdruͤſe ſeyn; denn beſondere Saftdruͤſen ſind nicht vor-
handen.
Alyſſum.
Alyſſum incanum. Weiße Wegkreſſe. Tab. XVII.
26. 28. 36.
28. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
36. Dieſelbe im Durchſchnitt bey a Fig. 26.
26. Die Befruchtungstheile in natuͤrlicher Stellung. Die
Saftdruͤſen ſind in allen drey Figuren punktirt.
Linné hat zwar den zahnfoͤrmigen Fortſatz, welchen die
kuͤrzeren Filamente auf ihrer inneren Seite haben, bemerkt; hin-
gegen die Saftdruͤſen und den Fortſatz, welchen die laͤngeren Fi-
lamente auf der den kuͤrzeren zugekehrten Seite haben, hat er
uͤberſehen. Auch Gleditſch hat keinen Saft in der Blume an-
getroffen, S. 185.
[[178]]
Peltaria. Lunaria. Cardamine. Siſymbrium.
1. Die Blume hat vier Saftdruͤſen, welche zwiſchen den
Filamenten und dem Fruchtknoten ſitzen.
2. Die Saftdruͤſen ſind zugleich die Safthalter.
3. Die beiden kuͤrzeren Filamente haben auf der inneren
Seite einen zahnfoͤrmigen Fortſatz; die vier laͤngeren aber haben
auf der den kuͤrzeren zugekehrten Seite auch einen Fortſatz, wel-
cher jenem zwar nicht in der Geſtalt, aber der Subſtanz und dem
aͤußeren Anſehen nach gleich iſt. Beide ſind nemlich weiß und
etwas durchſichtig. Dieſe ſechs Fortſaͤtze ſcheinen bloß deswegen
vorhanden zu ſeyn, damit die Inſekten deſto bequemer zum Saft
gelangen koͤnnen. Denn ſie bilden gleichſam vier kleine Roͤhren,
welche zu den Safttroͤpfchen fuͤhren, und welche zwar fuͤr den
Saugeruͤſſel eines Inſekts weit genug, fuͤr Regentropfen aber zu
enge ſind.
5. Die Blume wird von demjenigen Inſekt, deſſen ich bey
dem Tropaeolum gedacht habe, beſucht. Den Saft derſelben
kann es ungeachtet ſeiner Dummheit leicht finden; denn es darf
nur den Saugeruͤſſel in die Blume hineinſtecken.
Peltaria.
Peltaria alliacea. Beſondere Saftdruͤſen ſind nicht
vorhanden. Vielleicht ſondert der Fruchtknoten ſelbſt den Saft
ab; er iſt aber ſehr klein, und ich habe keinen Saft bemerken
koͤnnen.
Lunaria.
Lunaria rediuiua. Mondkraut. Die Blume hat
zwey Saftdruͤſen, auf welchen die kuͤrzeren Filamente ſtehen.
Die beiden denſelben gegenuͤber ſtehenden Kelchblaͤtter ſind daher
unten hoͤckericht, damit die Safttropfen Raum haben.
Cardamine.
Cardamine Graeca hat ſechs Saftdruͤſen, von welchen
viere zwiſchen dem Fruchtknoten und den kuͤrzeren Filamenten,
zwey aber zwiſchen den laͤngeren Filamenten und dem Keich
ſitzen.
Cardamine pratenſis. Wieſenkreſſe. Wird von
Blumenkaͤfern und anderen Inſekten haͤufig beſucht, muß folg-
lich Saft enthalten.
Siſymbrium.
Siſymbrium arenoſum. Sandrauke. Hat vier
Saftdruͤſen, zwey zwiſchen den kuͤrzeren Filamenten und dem
Fruchtknoten, welche einen groͤſſeren Safttropfen abſondern, und
Eryſimum. Cheiranthus.
zwey zwiſchen den laͤngeren Filamenten und dem Kelch, welche
einen kleineren Safttropfen abſondern.
Eryſimum.
Eryſimum Alliaria. Knoblauchskraut. In dieſer
Blume fand ich vier Safttroͤpfchen, zwey zwiſchen den laͤngeren
Filamenten und dem Kelch, und zwey zwiſchen den kuͤrzeren Fi-
lamenten und dem Fruchtknoten. Auch traf ich ein großes bie-
nenartiges Inſekt auf derſelben an, welches ſchnell von einer
Blume zur andern ſich begab, weil es den Saftvorrath einer
jeden bald verzehrte.
Eryſimum officinale. Hat vier Saftdruͤſen.
Cheiranthus.
Cheiranthus incanus. Levkole. Tab. XVII. 34.
35. 37. 39. 46. 47.
34. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
35. Dieſelbe, von oben geſehen.
37. Der aufgeſchnittene und flach ausgebreitete Kelch.
39. Der mittelſte Theil von Fig. 35.
46. Die Geſchlechtstheile.
47. Die (punktirte) vorderſte Saftdruͤſe.
1. Die Saftdruͤſen hat Linné ſchon angezeigt.
3. Der Kelch iſt oberwaͤrts 1) enger, als unterwaͤrts,
2) mit ſeinen haͤutigen durchſichtigen Raͤndern zuſammengewach-
ſen. Die Krone hat folglich einen ſehr engen Eingang, welcher
noch uͤberdies durch die Antheren verſchloſſen wird. Durch den-
ſelben kann alſo kein Regentropfen hindurchdringen, wohl aber
ein Blaſenfuß hindurchkriechen, und ein großes Inſekt ſeinen
Saugeruͤſſel hindurchſtecken.
4. Die gelblichgruͤne Farbe der Naͤgel der Kronenblaͤtter er-
ſtreckt ſich bis an die Baſis ihrer Plaͤttchen. Die Oeffnung der
Kronenroͤhre wird alſo von einem gelblichgruͤnen vierſtrahlichten
Stern umgeben, welcher das Saftmaal iſt, Fig. 35. 39.
5. Im Grunde der Blume bey den Saftdruͤſen fand ich
ſchwarze Blaſenfuͤße. Daß die Blume von dieſen oder anderen
Inſekten befruchtet werde, iſt ſehr wahrſcheinlich. Denn indem
dieſelben in die Roͤhre hineinkriechen, muͤſſen ſie nothwendig den
Staub von den oberſten Antheren abſtreifen, und denſelben auf
das Stigma bringen, und eben ſo, wann ſie nach Verzehrung
des Safts wieder herauskriechen, muͤſſen ſie den Staub von den
unterſten Antheren abſtreifen, und mit demſelben das Stigma
verſehen. Hieraus laͤßt ſich auch der Umſtand, daß zwey Fila-
mente kuͤrzer ſind, als die uͤbrigen, leicht erklaͤren. Auch der ge-
meine weiße Schmetterling beſucht die Blume haͤufig, und be-
fruchtet
[[179]]
Heſperis. Arabis. Braſſica.
fruchtet ſie auch wahrſcheinlich. Desgleichen Bienen. Indem
ſich dieſe in die Blume hineinarbeiten, ſo zerreißen ſie den Kelch;
woraus ich ſchließe, daß die Blume nicht eigentlich fuͤr ſie be-
ſtimmt ſey.
Heſperis.
Heſperis matronalis. Bey dieſer Blume iſt die
Oeffnung der Roͤhre, welche die Kronenblaͤtter bilden, auch ziem-
lich enge, weil die Kelchblaͤtter zwar nicht zuſammengewachſen
ſind, aber doch mit ihren weißen Raͤndern ziemlich feſt auf einan-
der liegen. Die Oeffnung wird auch hier durch die Antheren und
das breite Stigma verſchloſſen.
Heſperis triſtis. Da dieſe Blume nicht bey Tage,
ſondern nur des Nachts riecht, ſo folgt hieraus, daß ſie eine
Nachtblume und fuͤr Nachtinſekten beſtimmt iſt. Dieſer Geruch
iſt deswegen ſo angenehm und ſo ſtark, weil die Krone ſehr un-
anſehnlich und nicht hell gefaͤrbt iſt.
Arabis.
Arabis alpina. Dieſe Art hat nicht vier Saftdruͤſen,
welche Linné der Gattung zuſchreibt, ſondern nur zwey.
Arabis Thaliana. Bey dieſer Art habe ich ſo wenig,
als Pollich, Saftdruͤſen finden koͤnnen.
Braſſica.
Braſſica campeſtris. Durchwachskohl. Tab. XVII.
40. 41. 45.
1. Die vier Saftdruͤſen ſind dunkelgruͤn, da der Fruchtkno-
ten blaßgruͤn iſt.
3. Die Kelchblaͤtter ſtehen offen, die Naͤgel der Kronenblaͤt-
ter aber ſtehen aufrecht, und bilden alſo eine Art von Roͤhre,
deren Oeffnung durch den Griffel und die oberſten Antheren ver-
ſchloſſen wird. Bey ſchoͤnem Wetter entfernen ſich die Naͤgel der
Kronenblaͤtter ein wenig von einander, wodurch die Oeffnung
groͤſſer wird.
Braſſica oleracea.β. Gruͤner Kohl. Dieſe Blume
wird von den Bienen haͤufig beſucht. Wenn man dieſelben genau
beobachtet, ſo ſieht man, daß, indem ſie den Saugeruͤſſel in die-
ſelbe hineinſtecken, ſie mit dem Kopf den Staub von den Anthe-
ren abſtreifen, und auf das Stigma bringen muͤſſen; daher ſie
auch denſelben zuweilen mit den Vorderbeinen vom Kopf ab-
ſtreifen.
Sinapis. Raphanus. Crambe.
Sinapis.
Sinapis aruenſis. Ackerſenf. Tab. XVII. 42. 49.
3. Zwey Saftdruͤſen ſitzen in den ſpitzen Winkeln, welche
die kuͤrzeren Filamente mit dem Fruchtknoten machen, und zwey
in den ſtumpfen Winkeln zwiſchen den laͤngeren Filamenten und
den gegenuͤber ſtehenden Kelchblaͤttern. Da hier die Kelchblaͤtter
voͤllig, und die Kronenblaͤtter ziemlich offen ſtehen, ſo ſcheinen
die Safttroͤpfchen gegen den Regen keinesweges geſichert zu ſeyn.
Allein die kurz geſtielten Blumen ſtehen ſehr zuſammengedraͤngt,
und bilden gleichſam eine Aehre, in welcher die eine die andere
deckt. Zu dieſem Ende haben ſie eine horizontale Stellung, da
ſowohl die uͤber denſelben ſtehenden Blumenknospen, als die un-
ter ihnen befindlichen Schoten aufrecht ſtehen.
Daß uͤbrigens in dieſer Gattung ſowohl die Krone, als der
Kelch, offen ſteht, in der Braſſica campeſtris aber bloß der
Kelch, und im Cheiranthus weder der Kelch, noch viel weniger
die Krone, ſcheint bloß daher zu kommen, daß dieſelben fuͤr ver-
ſchiedene Inſekten beſtimmt ſind.
Raphanus.
Raphanus Raphaniſtrum. Hederich. Die Lin-
néiſche Beſchreibung der Gattung paßt nicht ganz auf dieſe Art.
Denn ſie hat nicht vier, ſondern nur zwey Saftdruͤſen, welche
zwiſchen dem Fruchtknoten und den kuͤrzeren Filamenten ſitzen.
Auch ſind nicht alle vier Kelchblaͤtter unten hoͤckericht, ſondern
nur die beiden, welche den kuͤrzeren Filamenten gegenuͤber ſtehen.
Die Saftdruͤſen ſind dunkelgruͤn, da der Fruchtknoten hellgruͤn
iſt. Was die Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen betrifft, ſo
hat die Blume ungefaͤhr eine ſolche Struktur, als Heſperis ma-
tronalis.
Crambe.
Crambe Hiſpanica. Dieſe Art ſtimmt mit der Lin-
néiſchen Beſchreibung der Gattung nicht voͤllig uͤberein. 1) Was
Linné den laͤnglichen Fruchtknoten nennt, iſt der Fruchtkno-
tenhalter, und was er das etwas dicke Stigma nennt, iſt der
Fruchtknoten, welcher mit einem ſehr kleinen unmittelbar ange-
wachſenen Stigma verſehen iſt. 2) Die Blume hat nicht zwey,
ſondern vier Saftdruͤſen, indem zwiſchen den kuͤrzeren Filamen-
ten und dem Fruchtknotenhalter auch zweye ſitzen.
Y
[[180]]
Geranium.
Sechszehnte Klaſſe.Monadelphia.
Zwitterblumen, deren Filamente in Einen Koͤrper zuſammengewachſen ſind.
Geranium.
Geranium paluſtre. Sumpfſtorchſchnabel. Tab. XVIII.
1—4. 13. 14. Tab. XXIII. 13. 21.
Tab. XVIII. 1. Die vergroͤſſerte aͤltere Blume, von oben
geſehen. Die Filamente haben die verwelkten Antheren verlo-
ren; die Stigmate hingegen haben ſich ausgebreitet, und
bluͤhen.
2. Der unterſte Theil eines Kronenblatts von innen.
4. Derſelbe von außen.
3. Die aͤltere Blume, von der Seite geſehen, nachdem
das vorderſte Kelchblatt umgeſchlagen, die beiden vorderſten
Kronenblaͤtter aber abgeriſſen worden, wodurch drey Saftdruͤ-
ſen zum Vorſchein gekommen ſind.
13. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe, und in der Stel-
lung und Geſtalt, welche ſie des Nachts hat.
14. Die reife Frucht des Geranium ſyluaticum, welche
die Samenkoͤrner ſchon herausgeworfen hat.
Tab. XXIII. 21. Die Befruchtungstheile einer juͤngeren
Blume. Die laͤngeren Filamente ſtehen nach einiger Zeit eben
ſo von einander, als jetzt die kuͤrzeren. Der letzteren Anthe-
ren bluͤhen, der erſteren noch nicht.
13. Die Stigmate der juͤngeren Blume.
1. Die fuͤnf Saftdruͤſen hat Linné ſchon angezeigt.
2. Dieſelben ſind zugleich die Safthalter.
3. Die Naͤgel der Kronenblaͤtter ſind am Rande und auf
der inneren Seite haaricht. Sieht man alſo in die Blume
hinein, ſo erblickt man in ihrem Grunde fuͤnf mit Haaren be-
ſetzte Loͤcher, durch welche zwar ein Inſekt, aber kein Regen-
tropfen zu den unter denſelben ſitzenden Safttroͤpfchen gelan-
gen kann. Bey Tage ſteht die Blume aufrecht, und ſcheint
der Sonne zu folgen. Bey ſchoͤnem Sonnenſchein iſt ſie ſehr
geoͤffnet, ſo daß die Kronenblaͤtter ſich einander nicht beruͤhren.
Des Nachts hingegen iſt die Blume mehr geſchloſſen, und der
Erde zugekehrt.
Geranium.
4 Da die Blume ſich bey ſchoͤnem Sonnenſchein ſo ſehr
als moͤglich oͤffnet, ſo erſcheint alsdenn die Krone ſo groß als
moͤglich, und nimmt ſich folglich, da ſie vom Sonnenlicht eine
hellere Farbe erhaͤlt, ſchon in der Ferne ſtark aus. Hat ſich
ein Inſekt der Blume genaͤhert, ſo zeigt ihm das Saftmaal,
wo es den Saft ſuchen muͤſſe. Denn die purpurfarbenen Kro-
nenblaͤtter ſind 1) mit dunkelpurpurfarbenen Linien geziert,
welche nach dem Mittelpunkt zu laufen, 2) haben ſie weiße
Naͤgel, ſo daß im Grunde der Krone ein weißer Stern ge-
ſehen wird, Tab. XVIII. 1. Uebrigens iſt die Krone auf der
inneren Seite ſtaͤrker gefaͤrbt, als auf der aͤußeren, oder viel-
mehr auf der letzteren iſt ſie gar nicht gefaͤrbt, ſondern die
Farbe der erſteren ſchimmert nur durch, Fig. 2. 4., weil die
Blume nicht von unten, ſondern von oben den Inſekten in
die Augen fallen ſoll.
5. Daß dieſe Blume keinesweges auf eine mechaniſche Art,
ſondern von Inſekten befruchtet wird, erhellet daraus, daß ſie
nicht mit ihrem eigenen Staube befruchtet werden kann, ſon-
dern die aͤltere den Staub einer juͤngeren erhalten muß, weil
die Antheren und die Stigmate nicht zu gleicher Zeit bluͤhen.
In der juͤngeren Blume, Tab. XXIII. 13. 21., ſind die Fila-
mente auswaͤrts gebogen, und die Antheren bluͤhen. Kriecht
alſo ein groͤſſeres Inſekt, z. B. eine Hummel, in dieſelbe
hinein, ſo muß es die Antheren beruͤhren, und den Staub
derſelben abſtreifen. Die Stigmate aber liegen noch dicht an
einander, und koͤnnen folglich nicht beſtaͤubt werden, weil ſie
von dem Inſekt nicht beruͤhrt werden. In der aͤlteren Blume,
Tab. XVIII. 1. 3., haben ſich die Filamente wieder mehr zu-
ſammenbegeben, und ihre Antheren verloren; die Stigmate
hingegen ſind groͤſſer geworden, als die Filamente, da ſie vor-
her kleiner waren, und haben ſich von einander gebogen, ſo
daß ſie nun eben den Raum einnehmen, welchen vorher die
Antheren einnahmen. In dieſe Blume kriecht das mit dem
Staube einer juͤngeren beladene Inſekt hinein, und beſtaͤubt
die Stigmate, welche es nothwendig beruͤhren muß.
[[181]]
Geranium.
Die Ausſtreuung der Samenkoͤrner geſchieht bloß durch
die Sonnenhitze, und ohne Mitwirkung des Windes. Indem
eine Samenkapſel, welche durch die Sonnenhitze den gehoͤrigen
Grad der Trockenheit erlangt hat, mit dem groͤßten Theil ih-
rer Granne vom Schnabel abſpringt, und zugleich die Granne
ſich kruͤmmt, ſo ſchleudert ſie ihr Samenkorn hinweg. Da
aber das Samenkorn dadurch nicht weiter, als einige Schritte,
von der Mutterpflanze entfernt werden kann, ſo folgt hieraus,
daß die Pflanzen ſich zwar ſehr in der Naͤhe, weniger aber in
der Ferne vermehren muͤſſen. Und damit ſcheint die Erfah-
rung uͤbereinzuſtimmen. Denn ich erinnere mich nicht vieler
Stellen der hieſigen Gegend, wo dieſelben anzutreffen ſind;
allein an jeder von denſelben ſtehen ſie auch ſehr haͤufig bey
ſammen. Noch mehr finde ich dieſes durch das Geranium
ſanguineum beſtaͤtigt. Denn mir ſind nur zwey oder drey
Stellen bekannt, wo es waͤchſt; an der einen von denſelben
aber ſtehen die Pflanzen ſo gedraͤngt beyſammen, daß, wann
ſie bluͤhen, die haͤufigen Blumen den auffallendſten und ſchoͤn-
ſten Anblick verurſachen. Hingegen iſt Geranium cicutarium,
deſſen Samenkoͤrner vom Winde ausgeſtreuet werden, allent-
halben anzutreffen, aber allenthalben in gleicher Menge, ſo
daß man nicht Stellen findet, wo daſſelbe ganz beſonders haͤufig
beyſammen ſtehen ſollte.
Gleditſch muß den Saft dieſer Blume nicht bemerkt
haben, da er bloß des Antherenſtaubes erwaͤhnt, S. 189.
Geranium Robertianum. Ruprechtskraut. Tab.
XVIII. 5. 6. 11. 14*.
5. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
6. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung.
11. Der unterſte Theil derſelben, nachdem das vorderſte
Kelchblatt umgeſchlagen worden, auf welchem man ein Saft-
troͤpfchen, und uͤber demſelben die Saftdruͤſe ſieht, welche es
abgeſondert hat.
14*. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Geſtalt zur
Nachtzeit.
1. Die Saftdruͤſen ſind gelblich.
2. Der Saft ſitzt zwiſchen jeder Saftdruͤſe und dem ge-
genuͤber ſtehenden an derſelben anliegenden Kelchblatt. Biegt
man ein Kelchblatt zuruͤck, ſo findet man auf demſelben den
Safttropfen.
3. Dieſe Art unterſcheidet ſich von der vorhergehenden da-
durch, daß ſie eine mehr praͤſentirtellerfoͤrmige Geſtalt hat, in-
dem die Kelchblaͤtter und die Naͤgel der Kronenblaͤtter aufrecht
ſtehen, und gleichſam eine Roͤhre bilden. Die Oeffnung dieſer
Roͤhre wird durch die Antheren und die Stigmate verſchloſſen.
Geranium.
Weil nun auf ſolche Art der Saft gegen den Regen voͤllig ge-
ſichert iſt, ſo wuͤrde es von keinem Nutzen ſeyn, wenn die Naͤgel
der Kronenblaͤtter, wie in der vorhergehenden Art, mit Haaren
beſetzt waͤren. Sie ſind alſo kahl.
4. Die Blumen ſehen von weitem roſenfarben aus, und
ſtehen alſo gegen die gruͤnen Blaͤtter der Pflanze ſehr ſchoͤn
und ſtark ab, und fallen den Inſekten ſchon in einiger Entfer-
nung in die Augen. Hat ſich ein Inſekt einer Blume genaͤ-
hert, ſo ſieht es am Kronenſaum die weißen Streifen, welche
ſich nach der Mitte, oder der Oeffnung der Kronenroͤhre hin-
ziehen, und ihm zeigen, daß im Grunde derſelben der Saft
befindlich iſt. Da alſo die Blume ein Saftmaal hat, ſo iſt
ſie eine Tagesblume. Dies beſtaͤtigt die Erfahrung. Denn da
dieſelbe bey Tage meiſt aufrecht ſteht, ſo iſt ſie des Nachts der
Erde zugekehrt, und da der Saum ihrer Krone bey Tage ſo
ſehr als moͤglich geoͤffnet iſt, ſo iſt er des Nachts etwas ge-
ſchloſſen.
Geranium pratenſe, ſyluaticum, ſangui-
neum, reflexum und molle haben mehr Aehnlichkeit mit
der erſten Art; daher ſind die Naͤgel ihrer Kronenblaͤtter auch
mit Haaren verſehen.
Geranium cicutarium. Ackerſtorchſchnabel. Tab.
XVIII. 7—10. 12. 16. 18.
10. Die vergroͤſſerte Blume in faſt natuͤrlicher Stellung,
von vorne geſehen.
7. Der unterſte Theil der Blume, deren vorderſtes Kelch-
blatt umgeſchlagen worden, wodurch eine (punktirte) Saftdruͤſe
zum Vorſchein gekommen iſt, welche oberwaͤrts und auf beiden
Seiten mit Haaren umgeben iſt.
9. Die Blume in aufrechter Stellung, nachdem die Kro-
nenblaͤtter abgeriſſen worden.
8. Das Piſtill, die Filamente und die Saftdruͤſen von
der Seite.
12. Dieſelben, von oben geſehen.
16. Der mittelſte Theil der 10. Figur, nachdem ſo viel
weggeſchnitten worden, daß man die fuͤnf Saftdruͤſen, und die
Haare, welche die Safttroͤpfchen vor dem Regen ſchuͤtzen,
deutlich ſehen kann.
18. Der unterſte Theil eines Kronenblatts von innen.
1. Die Saftdruͤſen ſind braun.
3. Obgleich die Blume nicht voͤllig horizontal, ſondern
etwas aufrecht ſteht, ſo kann doch zu den Safttroͤpfchen kein
Regentropfen gelangen. Denn 1) die Saftdruͤſen ſitzen an der
Baſis der laͤngeren mit Antheren verſehenen Filamente. Da
nun dieſe oberwaͤrts vom Piſtill etwas abſtehen, ſo bleibt in
Y 2
[[182]]
Geranium.
dem Winkel zwiſchen dieſem und jenen mancher Regentropfen
ſitzen, Fig. 9. 2) Die Saftdruͤſen ſind allenthalben mit Haa-
ren umgeben. a. Die Naͤgel der Kronenblaͤtter ſind inwendig
und am Rande haaricht, Fig. 18. 16. b. Die Filamente, an
deren Baſis die Saftdruͤſen ſitzen, ſind uͤber denſelben haaricht;
die uͤbrigen Filamente aber ſind kahl. In Fig. 8. und 12. ſieht
man dieſes ſehr deutlich. Dieſe Haare ſind ſo kurz und fein,
daß man ſie mit bloßen Augen kaum ſehen kann. Ich fand
ſie erſt vor einigen Jahren durch die Loupe, da ich ſie ſonſt
nie bemerkt hatte. Daß nun mit dieſen Haaren nur die erſteren
Filamente, nicht aber die letzteren beſetzt ſind, iſt ein deutlicher
Beweis von der unglaublich großen Sparſamkeit der Natur, die
auch nicht ein noch ſo kleines und feines Haͤrchen hervorbringt,
wenn ſolches nicht eine von ihren Abſichten befoͤrdern hilft. End-
lich c. ſind auch die Kelchblaͤtter im Grunde mit Haaren verſehen.
Dieſe ſieht man in Fig. 7. auf dem umgeſchlagenen Kelchblatt.
Giebt man demſelben in Gedanken ſeine natuͤrliche Stellung wie-
der, ſo ſieht man, daß auch dieſe Haare zur Beſchuͤtzung des
Safttroͤpfchens etwas beytragen.
4. Die rothe Krone iſt etwas irregulaͤr, da die Blume uͤbri-
gens voͤllig regulaͤr iſt. Denn die beiden oberſten Blaͤtter ſind
etwas kleiner, als die drey unterſten. Daher iſt auch das Saftmaal
irregulaͤr. Daſſelbe beſteht aus den beiden Flecken von dunkler
Farbe, mit welchen die beiden oberſten Kronenblaͤtter geziert ſind.
Dieſe Blume iſt zum Theil den vorhergehenden Arten, zum
Theil aber den folgenden aͤhnlich. Mit jenen ſtimmt ſie in An-
ſehung des fuͤnfblaͤttrichten Kelchs und der fuͤnf Saftdruͤſen, mit
dieſen in Anſehung der Irregularitaͤt ihrer Krone und ihres Saft-
maals uͤberein. Die Urſache, weswegen dieſelbe, bey ihrer
Uebereinſtimmung mit den uͤbrigen Arten unſerer Gegenden,
dennoch durch die Irregularitaͤt der Krone und des Saft-
maals ſich von denſelben unterſcheidet, iſt, daß ſie ſchief ſteht, da
jene aufrecht ſtehen. Die Stengel liegen beynahe auf der Erde.
Mit dieſen machen zwar die gemeinſchaftlichen, und mit dieſen
wieder die eigenthuͤmlichen Blumenſtiele einen Winkel; jedoch
ſtehen auch die letzteren noch etwas horizontal. Wenn alſo ein
Inſekt die Blume beſucht, ſo ſetzt es ſich nicht etwa bald auf die-
ſes, bald auf jenes Kronenblatt, wie bey den aufrecht ſtehenden
Arten, ſondern jedesmal bloß auf das unterſte, oder die drey
unterſten. Und in dieſer Stellung bleibt es, bis es den Saft-
vorrath verzehret hat. Die Krone mußte alſo gleichſam zwey
Lippen haben, und das Saftmaal mußte auf einer von beiden
angebracht werden.
5. Auf einem Brachfelde, auf welchem die Pflanze haͤufig
ſtand, fand ich eine Biene auf den Blumen. Ob ſie den Saft
Geranium.
genoſſen habe, weiß ich nicht; daß ſie aber Staub ſammlete,
konnte ich ſehr wohl bemerken, und ihre Hinterbeine waren mit
zinnoberfarbenen Staube beladen. Dieſe Biene ſetzte ſich jedes-
mal auf die drey unterſten Kronenblaͤtter, und ſobald ſie dieſes
that, bog ſich der Blumenſtiel herab, ſo daß die Blume voͤllig
der Erde zugekehrt war. In dieſer Stellung blieb die Biene,
bis ſie die Blume wieder verließ, worauf dieſe ſogleich wieder in
die Hoͤhe fuhr. Ich betrachtete einige Blumen, welche ſie beſucht
hatte, und erkannte den zinnoberfarbenen Staub auf den purpur-
farbenen Stigmaten ſehr deutlich; auf den unbeſuchten Blumen
hingegen fand ich denſelben nicht. Es iſt alſo keinem Zweifel
unterworfen, daß die Biene, ſelbſt beym Staubſammlen, dieſe
Blume befruchtet.
Die Blume wird auch von der Hummel, welche ich auf dem
Epilobium anguſtifolium angetroffen habe, beſucht.
Dieſer Art iſt Geranium moſchatum ſehr aͤhnlich;
es hat aber kein Saftmaal.
Geranium zonale. Tab. XVIII. 15. 17. 19—23.
26—28.
15. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
17. Eine noch nicht voͤllig aufgebrochene Blume, von oben
geſehen, nachdem der oberſte Ausſchnitt des Kelchs umgeſchlagen
worden.
19. Eine voͤllig aufgebrochene Blume, von oben geſehen,
nachdem der oberſte Ausſchnitt des Kelchs umgeſchlagen, und die
Kronenblaͤtter groͤßtentheils weggeſchnitten worden.
20. Iſt die vorhergehende Figur, nachdem die Staubgefaͤße
und das Piſtill an der Baſis queer durchſchnitten worden. Die
oberſten Filamente ſind an dieſer Stelle noch zuſammengewachſen,
die unterſten aber haben ſich ſchon von einander getrennet.
21. Die vorhergehende Figur, nachdem die Staubgefaͤße
und das Piſtill noch naͤher an der Baſis queer durchſchnitten wor-
den, wo alle Filamente zuſammengewachſen ſind. Die Naͤgel der
Kronenblaͤtter ſind abgeriſſen worden, und man ſieht die Narben,
auf welchen dieſelben geſeſſen haben.
22. Der unterſte Theil eines von den beiden oberſten Kro-
nenblaͤttern von außen.
23. Derſelbe von innen.
26. Die flach ausgebreitete unterſte Haͤlfte der Staubgefaͤße
von innen.
27. Die flach ausgebreitete oberſte Haͤlfte derſelben von außen.
28. Dieſelbe von innen.
1. 2. Der Safthalter iſt die lange Roͤhre a b Fig. 15., welche
oben mit dem Kelch zuſammengewachſen iſt. Die obere Seite
derſelben iſt duͤnne, die untere aber dicker. Jene wird von dieſer
[[183]]
Geranium.
auswendig durch zwey Furchen abgeſondert. Die letztere iſt ver-
muthlich die Saftdruͤſe.
3. Die Veranſtaltung, durch welche der Saft vor dem Re-
gen geſchuͤtzt, und doch zugleich den Inſekten ein Zugang zu dem-
ſelben verſchafft iſt, beſteht in Folgendem. Die Filamente ſind
an der Baſis zuſammengewachſen, trennen ſich aber etwas weiter
hinauf in zwey Haͤlften, von welchen die obere mit fuͤnf, die un-
tere aber mit zwey Antheren verſehen iſt. Die obere unterſcheidet
ſich aber von der unteren noch dadurch, daß die beiden kuͤrzeſten
Filamente derſelben dicker ſind, als die beiden aͤußerſten und laͤng-
ſten, und beſonders als das mittelſte, welches auch in Anſehung
der Laͤnge zwiſchen jenen und dieſen das Mittel haͤlt. Folglich
bilden die beiden kuͤrzeſten mit dem mittelſten eine kleine Rinne,
welche ſich bis an die Oeffnung der Saftroͤhre erſtreckt. Auf die-
ſen kuͤrzeſten Filamenten nun liegen die Naͤgel der beiden oberſten
Kronenblaͤtter. Dieſe unterſcheiden ſich von den unterſten nicht
nur dadurch, daß ſie etwas kleiner ſind, ſondern auch dadurch,
daß ihre Naͤgel breiter (welches man an den in Fig. 21. abgebil-
deten Narben aller fuͤnf Kronenblaͤtter ſieht), und die Raͤnder
derſelben in die Hoͤhe gebogen ſind, Fig. 22., endlich daß die
Baſis ihres Plaͤttchens hoͤckericht iſt, Fig. 22. Auf dieſen Naͤ-
geln der beiden oberſten Kronenblaͤtter liegt der oberſte Ausſchnitt
des Kelchs, welcher ſich von den uͤbrigen durch ſeine groͤſſere
Breite unterſcheidet. Folglich bilden die oberſte Haͤlfte der Fila-
mente, die Naͤgel der oberſten Kronenblaͤtter und der oberſte
Ausſchnitt des Kelchs zuſammen gleichſam einen bedeckten Weg,
durch welchen zwar ein Inſekt ſeinen Saugeruͤſſel bequem hin-
durch- und in den Safthalter hineinſtecken, kein Regentropfen
aber hindurchdringen, und ſich mit dem Saft vermiſchen kann.
Dieſen bedeckten Weg wird man ſich deutlich vorſtellen koͤnnen,
wenn man in Fig. 17. und 19. dem umgeſchlagenen oberſten Aus-
ſchnitt des Kelchs in Gedanken wieder ſeine natuͤrliche Stellung giebt.
Dieſe Beſchreibung iſt, ſo wie die Abbildung, nach den
Blumen der Varietaͤt gemacht, deren Blaͤtter einen weißen Rand
haben. Ich habe nachher Gelegenheit gehabt, die Blumen der
anderen Varietaͤt zu unterſuchen, und an denſelben Folgendes be-
merkt. 1) Sie ſind etwas kleiner. 2) Die beiden oberſten Kro-
nenblaͤtter welchen in der Geſtalt etwas ab, und ſind mit ſtaͤrkeren
Adern geziert, als die drey unterſten. Dieſe ſtaͤrkeren Adern
ſind alſo das Saftmaal. 3) Die voͤllig aufgebrochene Blume un-
terſcheidet ſich von der in Fig. 15. abgebildeten dadurch, daß die
vier unterſten Ausſchnitte des Kelchs zuruͤckgebogen ſind, daher
die drey unterſten Kronenblaͤtter herabhangen. Der oberſte Aus-
ſchnitt des Kelchs hingegen und die Stellung der beiden oberſten
Kronenblaͤtter ſtimmen mit der Abbildung uͤberein. Die drey
Geranium.
unterſten Kronenblaͤtter dienen bloß dazu, die Blume bemerkbar
zu machen, die beiden oberſten aber noch zugleich zur Beſchuͤtzung
des Safts vor dem Regen. 4) Die Blume iſt ein Dichogamiſt
von der maͤnnlich-weiblichen Art. Denn ſolange die Antheren
bluͤhen, iſt das Stigma noch nicht geoͤffnet, ſondern ſeine Theile
liegen dicht an einander. Wann aber die Antheren keinen Staub
mehr haben, oder ſchon abgefallen ſind, ſo breiten ſich die Theile
des Stigma von einander. 5) Alle Antheren haben den Staub
auf der obereren Seite, ausgenommen die mittelſte, welche den-
ſelben auf der unteren Seite hat, (Fig. 19. 26—28.); jedoch hat
dieſelbe eine ſolche Stellung, daß ein Inſekt, welches die Blume
beſucht, eben ſowohl ihren, als der uͤbrigen Antheren, Staub
abſtreifen muß. Es laͤßt ſich alſo nicht daran zweifeln, daß die
Blume von den Inſekten befruchtet wird.
Geranium lacerum. Dieſe Art iſt in das Linnéi-
ſche Verzeichniß noch nicht eingetragen. Tab. VII. 1—6. 13.
1. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
2. Eines von den beiden oberſten Kronenblaͤttern in einer
ſolchen Stellung, daß der Nagel ſeiner ganzen Laͤnge nach geſehen
wird, da derſelbe in der vorhergehenden Figur in der groͤßten
Verkuͤrzung erſcheint.
3. Iſt Fig. 1., nachdem die Kronenblaͤtter abgeriſſen wor-
den. Im Grunde des Kelchs unter dem oberſten Ausſchnitt deſ-
ſelben ſieht man die Oeffnung der Saftroͤhre.
4. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe und Stellung, von der
Seite geſehen.
5. Der unterſte Theil derſelben im Durchſchnitt. Die
(punktirte) Saftroͤhre.
6. Zwey voͤllig erwachſene Fruͤchte in natuͤrlicher Stellung
und Groͤſſe. Von der erſten iſt die vorderſte Haͤlfte des Kelchs
weggeſchnitten worden, damit man die Samenkoͤrner ſehen
koͤnne.
13. Eine reife Frucht, deren zwey hinterſte Samenkoͤrner
der Wind ſchon abgeriſſen und fortgefuͤhrt hat.
1. 2. Die Saftroͤhre iſt hier weit kuͤrzer, als bey der vor-
hergehenden Art, wovon die Urſache leicht einzuſehen iſt. Die
vorhergehende hat achtzehn Blumen in Einer Dolde. Saͤßen
nun die Blumen auf ſo kurzen Roͤhren, als hier, ſo wuͤrden die-
jenigen, welche zugleich bluͤhen, nicht Raum genug haben, ihre
Krone gehoͤrig auszubreiten. Sie wuͤrden alſo den Inſekten von
weitem weniger in die Augen fallen. Gegenwaͤrtige Art aber hat
hoͤchſtens vier Blumen in jeder Umbelle, welche uͤberdies nicht
alle zugleich bluͤhen.
Y 3
[[184]]
Geranium.
3. Zwiſchen dem mit den Filamenten umgebenen Piſtill, den
Naͤgeln der beiden oberſten Kronenblaͤtter und dem oberſten brei-
teren Ausſchnitt des Kelchs kriechen die Inſekten in den Safthal-
ter hinein; dieſer Zwiſchenraum aber iſt zu enge, als daß er einen
Regentropfen durchlaſſen ſollte.
4. Die Blume hat eine horizontale Stellung. Der Stiel,
welcher die Umbelle traͤgt, ſieht meiſt aufrecht, von welcher Stel-
lung die Blumenſtiele und die Saftroͤhren nicht ſonderlich abwei-
chen; der Kelch aber macht mit der Saftroͤhre einen ſtumpfen
Winkel, ſo daß er beynahe eine voͤllig horizontale Stellung hat.
Eben deswegen iſt die Blume irregulaͤr, indem die beiden ober-
ſten Kronenblaͤtter theils weit groͤſſer ſind, und weit laͤngere Naͤ-
gel haben, als die drey unterſten, theils mit einem Saftmaal ge-
ziert ſind, welches dieſen fehlt. Die weiße Krone verurſacht, daß
die Blume, als eine Saftblume, einem Inſekt ſchon von weitem
in die Augen faͤllt. Wann das Inſekt auf die Blume hingeflo-
gen iſt, ſo muß ihm der Weg zum Safthalter gezeigt werden.
Nun iſt die Oeffnung der Saftroͤhre den oberſten Kronenblaͤttern
naͤher, als den unterſten. Folglich muͤſſen die beiden oberſten
Kronenblaͤtter theils durch ihre vorzuͤgliche Groͤſſe, theils durch
die purpurfarbenen Adern, mit welchen die Baſis ihrer Plaͤttchen
geziert iſt, ſich von den unterſten unterſcheiden. Iſt nun das
Inſekt bis zu dieſen purpurfarbenen Adern gekommen, ſo erblickt
es ſogleich im Grunde die Oeffnung der Saftroͤhre von ſelbſt,
und hat keinen Wegweiſer weiter noͤthig. Daher erſtrecken ſich
die purpurfarbenen Adern nicht auf den Naͤgeln bis zu jener Oeff-
nung, ſondern hoͤren gleich beym Anfange der Naͤgel auf, Fig. 2.
Hieraus erhellet die große Sparſamkeit, welche die Natur in An-
ſehung ihrer Farben beobachtet.
Nachdem die Blume verbluͤhet iſt, ſo faͤngt der befruchtete
ſchnabelfoͤrmige Fruchtknoten an zuzunehmen, und zugleich ſich
aufrecht zu ſtellen. Die Frucht konnte nemlich nicht, wie die
Blume, horizontal ſtehen bleiben, ſondern mußte eine aufrechte
Stellung erhalten, wovon man den Grund bald einſehen wird.
Wann die Frucht voͤllig reif geworden iſt, ſo ſpringen die Samen-
behaͤltniſſe, von der Sonnenhitze getrocknet, zwar auch mit dem
groͤßten Theil ihrer Grannen vom Schnabel ab, wie bey dem
Geranium paluſtre, doch mit dem Unterſchiede, daß ihre Gran-
nen ſich zugleich ſchneckenfoͤrmig drehen, ſie ſelbſt aber ihre Sa-
menkoͤrner nicht herauswerfen, ſondern behalten. Denn die Sa-
menbehaͤltniſſe ſollen vom Winde losgeriſſen und weit fortgefuͤhrt
werden. Deswegen bleiben ſie 1) mit dem Ende der Grannen
oben am Schnabel ſo feſt ſitzen, daß weder ihre Schwere, noch
die fortdauernde Sonnenhitze im Stande iſt, ſie von demſelben
abzuloͤſen. Hievon kann man ſich durch die Erfahrung uͤberzeu-
Geranium. Althaea.
gen. Man ſchneide nemlich einen Stiel ab, welcher mit reifen
Fruͤchten, deren Samenbehaͤltniſſe insgeſamt vom Schnabel ab-
geſprungen ſind, verſehen iſt, und ſtelle denſelben auf ein Fenſter,
welches auf der Mittagsſeite des Hauſes befindlich iſt, und nie-
mals geoͤffnet wird. Hier kann derſelbe den ganzen uͤbrigen Theil
des Sommers hindurch ſtehen bleiben, ohne daß die Samenbe-
haͤltniſſe abfallen, da ſie doch theils der Sonnenhitze ausgeſetzt
ſind, theils bald in eine ſolche Stellung verſetzt werden, in wel-
cher ſie wegen ihrer eigenen Schwere am leichteſten abfallen koͤn-
nen. Nach einigen Tagen wird nemlich das Stielchen einer jeden
Frucht von der Sonnenhitze welk, und iſt nicht mehr im Stande
die Frucht zu tragen. Dieſe ſenket ſich alſo herab, und kehret die
Spitze des Schnabels der Erde zu. Die Samenbehaͤltniſſe ſinken
vermoͤge ihrer Schwere auch herab, ſo daß ſie nun eben ſo tief
unter der Spitze des Schnabels ſtehen, als vorher. Daß dieſes
geſchehen muͤſſe, ſieht man ein, wenn man die 13. Figur um-
kehrt. 2) Die Grannen ſind auf der inneren Seite mit einer
Reihe von ſehr feinen Haaren verſehen. Solange ſie noch am
Schnabel anliegen, werden dieſe Haare dicht uͤber einander liegend
an die innere Seite angedruͤckt. Sobald ſich aber die Granne zu
kruͤmmen und zu drehen anfaͤngt, ſo fangen auch die Haare an
theils mit der Granne, theils mit einander ſelbſt einen Winkel zu
machen, ſo daß ſie nunmehr einen anſehnlichen Raum einnehmen,
Fig. 13. Nun hat die Sonne das Ihrige gethan. Sie hat dem
Winde ſehr wohl vorgearbeitet, welcher die Samenbehaͤltniſſe
ſamt ihren haarichten Grannen losreißet, und, weil dieſe jenen
gleichſam zum Fallſchirm dienen, weit fortfuͤhrt, und die Sa-
menkoͤrner in weiten Entfernungen von der Mutterpflanze aus-
ſaͤet. Die reife Frucht mußte daher eine aufrechte Stellung ha-
ben, weil dieſes grade diejenige iſt, bey welcher die Samenbe-
haͤltniſſe am feſteſten ſitzen. Bliebe die Frucht horizontal ſtehen,
ſo wuͤrden die auf der unteren Seite derſelben ſitzenden Samenbe-
haͤltniſſe von dem geringſten Luͤftchen losgeriſſen werden, und nicht
weit von der Mutterpflanze auf die Erde fallen.
Geranium quercifolium. Tab. VII. 7. Eines
von den beiden oberſten Kronenblaͤttern.
Dieſe Art iſt der vorhergehenden in der Struktur aͤhnlich.
Die Krone iſt weiß; die beiden oberſten Kronenblaͤtter aber ſind
mit purpurfarbenen Duͤpfeln und Linien geziert, doch ſind ſie nicht
groͤſſer, als die drey unterſten.
Althaea.
Althaea officinalis. Sie iſt der Malua in der Struk-
tur aͤhnlich. Sie hat eine weiße Krone, aber weder ein Saft-
maal, noch einen Geruch. Es halten ſich Blaſenfuͤße in derſelben
[[185]]
Alcea.
auf, welche allenthalben, und auch auf den Befruchtungstheilen
umherkriechen, ohne jedoch, wie ich glaube, die Blume zu be-
fruchten. Auch Fliegen naͤhren ſich von ihrem Saft.
Alcea.
Alcea roſea. Gartenmalve. Tab. XVIII. 33—37.
Tab. XXV. 1. 3.
Tab. XVIII. 33. Der vergroͤſſerte unterſte Theil der Blume.
Vom Kelch iſt vorne ſo viel weggeſchnitten worden, daß man
zwiſchen den Naͤgeln zweyer Kronenblaͤtter einen Safthalter und
die uͤber demſelben befindliche haarichte Saftdecke ſieht.
36. Der Grund des Kelchs in natuͤrlicher Groͤſſe, wo hin-
ter dem Fruchtknoten die fuͤnf (punktirten) Saftdruͤſen zum Theil
hervorragen.
34. Derſelbe, nachdem der Fruchtknoten weggeſchnitten
worden, wodurch die Saftdruͤſen ganz zum Vorſchein gekommen
ſind.
35. Die Blume in natuͤrlicher Groͤſſe. Im Grunde der
Krone das (punktirte) Saftmaal. Es iſt eine juͤngere Blume.
37. Die groͤſſere Haͤlfte der Krone von innen. Zwiſchen der
Baſis des mittelſten Kronenblatts und der Baſis der beiden uͤbri-
gen ſieht man die durch Haare verſchloſſene Oeffnungen zweyer
Safthalter, und bey a und b ſieht man, daß die Baſis der
Kronenblaͤtter ſehr dicke, der Safthalter folglich ſehr geraͤu-
mig iſt.
Tab. XXV. 1. Eine juͤngere Blume in natuͤrlicher Groͤſſe
und Stellung, nachdem die vorderſte Haͤlfte des Kelchs und der
Krone weggeſchnitten worden, damit man die dem Saft nachge-
hende Biene ſehen koͤnne.
3. Eine aͤltere Blume.
Linné hat in der Althaea, Alcea, Malua und Lauatera,
welche zuſammen nur Eine natuͤrliche Gattung ausmachen, kein
Nectarium gefunden. Pollich, welcher ſeine Pflanzen ſehr
genau unterſucht und beſchrieben hat, ſagt in der Beſchreibung
der Malua moſchata: Vngues (ſegmentorum corollae) villis
albis ciliati ſunt. Haͤtte er nun etwas von der Saftdecke ge-
wußt, ſo wuͤrde er unter dieſen Haaren den Saft und die Saft-
druͤſen geſucht und gefunden haben. Weil er aber nicht einſahe,
wie ſicher ſich von der Gegenwart der Haare in einer Blume auf
die Gegenwart des Safts ſchließen laͤßt, ſo faͤhrt er alſo fort:
Nectaria nulla vidi.Kruͤnitz ſagt, daß die Malven den Bie-
nen auch Stoff zu Honig geben, daß inſonderheit Malua ſyl-
ueſtris uͤberaus honigreich ſey. Auch Gleditſch ſagt S. 181.,
daß Malua ſylueſtris und M. rotundifolia den Bienen Stoff zu
Honig liefern; hingegen von der Althaea officinalis und der
Alcea.
Malua Alcea ſagt er S. 190. bloß, daß ſie den Blenen Stoff zu
Wachs geben, ſo wie auch von der Lauatera Thuringiaca S.
225. Ob er die eigentlichen Saftdruͤſen bey jenen geſehen habe,
daran zweifele ich.
1. Die fuͤnf Saftdruͤſen ſind im Grunde des Kelchs befind-
lich, und haben das Anſehen runder gelber Flecken. Daß man
dieſelben nicht leicht finden kann, koͤmmt daher, daß da, wo ſie
ſich befinden, der Kelch ſehr dicht und feſt an der Krone anliegt.
Schneidet man aber die Krone und den Fruchtknoten heraus, ſo
ſieht man ſie ſehr deutlich.
2. Die Saftdruͤſen wechſeln mit den Naͤgeln der Kronen-
blaͤtter ab. Zwiſchen dieſen Naͤgeln ſind Zwiſchenraͤume, welche
von anſehnlicher Breite und Tiefe ſind, weil die Naͤgel ſchmal
und dick ſind. Dieſe Zwiſchenraͤume nun enthalten den Saft,
welcher von den in ihrem Grunde befindlichen Saftdruͤſen abge-
ſondert wird.
3. Gegen den Regen iſt der Saft voͤllig geſichert. Denn die
Naͤgel der Kronenblaͤtter ſind an den Ecken, welche ihre innere
oder obere Seite mit ihren Raͤndern macht, mit Haaren ver-
ſehen, welche die Zwiſchenraͤume derſelben, als die Safthalter,
bedecken.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Krone iſt im
Grunde weiß, welche Farbe gegen die Farbe des uͤbrigen Theils
ſtark abſticht. Die Filamente und Stigmate ſind auch weiß.
5. Die Blume wird von den Bienen nicht nur beſucht, ſon-
dern auch befruchtet. Auf welche Art dieſes geſchieht, habe ich
in Tab. XXV. 1. 3. vorgeſtellt. Die erſte Figur ſtellt eine juͤngere
Blume vor, deren Antheren bluͤhen, deren Stigmate hingegen
noch zwiſchen den Filamenten verborgen ſind. Dieſelbe wird von
einer Biene beſucht. Indem dieſe in den Grund derſelben hinein-
kriecht, um zum Saft zu gelangen, ſo muß ſie nothwendig die
Antheren beruͤhren, und den Staub von denſelben abſtreifen.
Denn die Filamente nebſt den Antheren bilden einen anſehnlichen
Buͤſchel, zwiſchen welchem und der Krone grade ſo viel Zwiſchen-
raum iſt, daß die Biene zwar hindurchkommen kann, zugleich
aber mit ihrem Koͤrper den Staub der Antheren abſtreifen muß,
und zwar nicht von einer Seite, ſondern von allen. Denn da
der Saft ſich in fuͤnf Safthaltern befindet, welche um das Saͤul-
chen, welches die Filamente und die Griffel bilden, ringsherum
ſtehen: ſo muß die Biene, wenn ſie des ganzen Saftvorraths
theilhaftig werden will, um den Antherenbuͤſchel herumkriechen,
und den Staub von allen Seiten abſtreifen. Daher iſt dieſelbe,
nachdem ſie eine oder einige juͤngere Blumen beſucht hat, am
ganzen Koͤrper voller Staub, wie die Muͤller. Mit dieſem Staube
beladen fliegt die Biene hierauf zu einer aͤlteren Blume hin,
[[186]]
Alcea. Malua.
Fig. 3. In dieſer bilden die Stigmate, oder vielmehr die Grif-
fel, deren innere Seite das Stigma iſt, einen eben ſo anſehnli-
chen Buͤſchel, als in der juͤngeren Blume die Staubgefaͤße; die
Staubgefaͤße hingegen ſind, nachdem ſie bey dem oftmaligen von
den Bienen erhaltenen Beſuch ihren Staub nach und nach verlo-
ren haben, zuſammengeſchrumpft, und haben ſich tiefer in den
Grund der Krone hineingezogen, ſo daß ſie nun von dem Griffel-
buͤſchel meiſt verdeckt werden. Hier kann alſo die Biene eben ſo
wenig zum Saft gelangen, ohne dieſen Buͤſchel von allen Seiten
zu beruͤhren, und die Stigmate mit dem an ihrem Koͤrper haf-
tenden Staub zu uͤberſtreichen. Auf ſolche Art werden alſo die
aͤlteren Blumen von den Bienen vermittelſt des Staubes der juͤn-
geren befruchtet.
Um die Dichogamie, welche vermuthlich bey allen Malven-
blumen Statt findet, zu beweiſen und anſchaulich vorzuſtellen,
habe ich dieſe Blume um ſo viel lieber gewaͤhlt, da ſie faſt in al-
len Gaͤrten anzutreffen, einem Jeden bekannt, endlich auch von
anſehnlicher Groͤſſe iſt, ſo daß man kein Vergroͤſſerungsglas noͤ-
thig hat. Wer ſich alſo von der Dichogamie uͤberzeugen will,
begebe ſich, wann es ſchoͤnes warmes Wetter iſt, in einen Gar-
ten, wo dieſe Blumen ſtehen, und er wird nicht nur Bienen auf
denſelben antreffen, ſondern auch ſehen, daß ſie von denſelben
auf die beſchriebene Art befruchtet werden.
Malua.
Malua ſylueſtris. Roßpappeln. Tab. XIX. 1. 48.
Tab. XXIII. 1—4.
Tab. XIX. 1. Die vergroͤſſerte Blume, von oben geſehen.
Die Staubgefaͤße und die Griffel ſind weggeſchnitten worden, da-
mit man die Saftdecken beſſer ſehen koͤnne.
48. Der unterſte Theil der Blume von der Seite, nachdem
der Kelch umgeſchlagen worden. Man ſieht zwey Saftdecken zwi-
ſchen den Naͤgeln der drey vorderſten Kronenblaͤtter, und unter
denſelben auf dem Kelch zwey (punktirte) Saftdruͤſen ganz, und
zwey andere halb.
Tab. XXIII. 1. Die bluͤhenden Staubgefaͤße einer juͤngeren
Blume.
2. Die noch nicht bluͤhenden Stigmate einer juͤngeren
Blume.
3. Die bluͤhenden Stigmate einer aͤlteren Blume, deren
Staubgefaͤße verwelkt ſind.
4. Ein noch ſtaͤrker vergroͤſſertes Stigma.
1—3. Mit den Saftdruͤſen, den Safthaltern und den Saft-
decken verhaͤlt es ſich bey dieſer Gattung, wie bey der vorherge-
Malua.
henden. Die Saftdruͤſen ſind in dieſer Art dreyeckicht und
blaßgruͤn.
4. Die Kronenblaͤtter ſind blaßroth, und mit fuͤnf geſaͤttigt-
rothen Streifen geziert, welche ſich nach dem Mittelpunkt der
Blume hinziehen, Tab. XIX. 1., folglich den Inſekten zeigen,
an welcher Stelle der Saft befindlich iſt.
5. Daß auch dieſe Blume ihren Saft bloß zu ihrem eigenen
Vortheil bereite, um nemlich von den Inſekten, welche denſelben
genießen, befruchtet zu werden, und daß die Befruchtung un-
moͤglich auf eine mechaniſche Art geſchehen koͤnne, erhellt unwi-
derſprechlich daraus, daß ihre Antheren und ihre Stigmate nicht
zu gleicher Zeit bluͤhen. Denn anfangs, wann die Antheren
bluͤhen, nehmen dieſelben einen großen Raum ein, weil die Fila-
mente ſich nach allen Seiten ausgebreitet haben, Tab. XXIII.
Fig. 1.; die Stigmate hingegen ſind zwiſchen den Filamenten be-
findlich, und liegen dicht an einander, Fig. 2. Sie koͤnnen
folglich nicht beſtaͤubt werden. Wann aber die Antheren verbluͤ-
het ſind, ſo ſchrumpfen die Filamente zuſammen, und nehmen
nebſt den Antheren einen weit kleinern Raum ein, als vorher;
die Stigmate hingegen haben ſich unterdeſſen verlaͤngert, und
breiten ſich auseinander, Fig. 3. Nunmehr koͤnnten ſie zwar be-
ſtaͤubt werden; es iſt aber kein Staub mehr vorhanden. Folg-
lich geſchieht auch hier die Befruchtung durch Inſekten, ver-
muthlich auch beſonders durch Bienen, auf eben dieſelbe Art,
als bey der Alcea. Die innere Seite der Griffel oder das Stigma
iſt mit kurzen Borſten uͤberzogen, Fig. 4., damit die Beſtaͤubung
deſſelben deſto leichter und ſicherer erfolge.
Malua rotundifolia. Kaͤſepappeln. Tab. XIX.
2. 3.
2. Eine vergroͤſſerte bey ſchoͤner Witterung geoͤffnete Blume,
von oben geſehen.
3. Eine des Nachts, oder bey Tage bey ſchlechter Witterung
geſchloſſene Blume.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dienen in
dieſer Blume auch die Staubgefaͤße und die Griffel. Denn an
einem Tage, vor welchem es vierundzwanzig Stunden lang ſtark
und faſt unaufhoͤrlich geregnet hatte, fand ich dieſelben naß, den
Grund der Kronenroͤhre hingegen trocken. Ferner ſchließen ſich
die Blumen des Nachts, und auch, wann es regnet, bey Tage,
ſo daß die Krone alsdann eine walzenfoͤrmige Geſtalt erhaͤlt.
4. Die Krone iſt weiß, und nach der Peripherie zu ein we-
nig blaßroth. Rothe breitere und ſchmaͤlere Linien ziehen ſich auf
derſelben bis zu den Safthaltern hin, Fig. 2.
Malua verticillata. Tab. XIX. 4. 5.
4. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Geſtalt.
5. Die
[[187]]
Malua. Fumaria.
5. Die gleich ſtark vergroͤſſerte Blume, nachdem der Kelch,
wie auch die Filamente und die Griffel weggeſchnitten worden.
3. Dieſe Art hat keine Haare an den Naͤgeln der Kronen-
blaͤtter, und zwar aus dem Grunde, weil der Saft auch ohne
dieſelben gegen den Regen hinlaͤnglich geſichert iſt. Denn ſie iſt
eine von den kleinſten der ganzen natuͤrlichen Gattung, daher iſt
der Zwiſchenraum zwiſchen dem Buͤſchel der Staubgefaͤße und
der Griffel zu enge, als daß ein Regentropfen ſollte durchdringen
koͤnnen. Der Kelch druͤckt die Krone zuſammen, und dieſe jenen
aus einander. Schneidet man alſo den Kelch weg, ſo faͤllt die
Krone aus einander, Fig. 5. Folglich liegen beide ſehr feſt an
einander, und zwiſchen beiden iſt nicht der geringſte Zwiſchenraum.
Sowie der Endzweck dieſer Einrichtung ohne Zweifel dahin geht,
daß zwiſchen dem Kelch und der Krone kein Regentropfen zum
Saft dringen koͤnne, eben ſo bezieht ſich derſelbe auf die Inſek-
ten, daß ſie nemlich nicht anders zum Saft kommen ſollen, als
indem ſie in die Krone hineinkriechen. Und da ſie dies nicht thun
koͤnnen, ohne zugleich die Antheren und die Stigmate zu beruͤh-
ren, ſo muͤſſen ſie nothwendig die Blumen befruchten.
Lauatera. Hibiſcus. Fumaria. Polygala.
4. Die Krone iſt weiß, nach der Peripherie zu blaßpurpur-
farben. Mit Linien von geſaͤttigterer Farbe iſt ſie nicht geziert, ver-
muthlich, weil dieſes wegen ihrer Kleinheit nicht noͤthig iſt, Fig.
4. 5.
Malua Capenſis wird von Bienen beſucht.
Lauatera.
Lauatera arborea hat mit der Malua eine gleiche
Struktur.
Hibiſcus.
Daß auch die zu dieſer Gattung gehoͤrenden Arten Saftblu-
men ſind, lehren mich meine getrockneten Exemplare. Am Hi-
biſcus Syriacus finde ich eben ſolche Saftdecken, als Malua
hat. An eben demſelben, am Hibiſcus cannabinus,
Manihot und Trionum faͤllt das Saftmaal ſtark in die Au-
gen. Die Naͤgel der Kronenblaͤtter ſind nemlich von anderer und
dunklerer Farbe, als der Saum derſelben. Auch ſcheint bey die-
ſen Blumen die Dichogamie Statt zu finden.
Siebenzehnte Klaſſe.Diadelphia.
Zwitterblumen, deren Filamente in zwey Koͤrper zuſammengewachſen ſind.
Fumaria.
Fumaria officinalis. Erdrauch. Tab. XIX. 6. 7.
6. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung. Das
Saftmaal iſt punktirt.
7. Dieſelbe, nachdem das oberſte Kronenblatt abgeriſſen
worden, wodurch die (punktirte) Saftdruͤſe zum Vorſchein ge-
kommen iſt.
Linné nennt die Baſis des oberſten Kronenblatts das Nec-
tarium. Er hat Recht, wenn er dadurch bloß den Safthalter,
Unrecht aber, wenn er dadurch zugleich die Saftdruͤſe verſteht.
Pollich hat mehr, als Linné, geſehen, nemlich die eigent-
liche Saftdruͤſe, welches aus ſeiner Beſchreibung der Gattung
erhellt; und dennoch, weil er dieſelbe nicht fuͤr das hielt, was ſie
iſt, ſagt er in der Beſchreibung dieſer Art: Nectaria nulla vidi.
1. Die Saftdruͤſe iſt der kleine Sporn, welcher aus dem
Blumenhalter hinter der Baſis des oberſten Filaments entſteht,
und ſich innerhalb der Baſis des oberſten Kronenblatts befindet.
2. An der unteren Seite der Saftdruͤſe ſitzt ein Saft-
tropfen.
3. Der Augenſchein lehrt, daß dieſer Safttropfen vor dem
Regen voͤllig geſchuͤtzt iſt.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die blaßpurpur-
farbene Krone iſt vorne dunkelpurpurfarben; die beiden Hoͤcker
aber auf dem oberſten und unterſten Kronenblatt ſind gruͤn. Noch
deutlicher ſieht man das Saftmaal an der Fumaria capreo-
lata, deren Krone blaßgelb, vorne aber dunkelpurpurfarben iſt.
Tiefer in die ſonderbare Struktur dieſer Blume einzudringen, hat
es mir bisher an Zeit und Gelegenheit gefehlt.
Polygala.
Polygala vulgaris. Natterbluͤmchen. Auch dieſe
kleine Blume iſt eine Saftblume, obgleich weder Linné noch
Pollich ſolches bemerkt hat.
1. Die Saftdruͤſe iſt der glatte Fruchtknoten ſelbſt.
Z
[[188]]
Polygala. Spartium.
2. Der Safthalter iſt der unterſte inwendig glatte Theil der
Kronenroͤhre.
3. Die Oeffnung der Kronenroͤhre wird durch zwey kleine
Haͤutchen verſchloſſen, welche Pollich elaſtiſch gefunden haben
will, welches, wenn es ſeine Richtigkeit damit hat, merkwuͤrdig
iſt. Ferner ſind hinter dieſen Haͤutchen die Antheren und das
Stigma befindlich. Endlich iſt der oberſte Theil der Kronenroͤhre
bis zum Safthalter inwendig haaricht.
4. Weil die Blumen eine aufrecht ſtehende Aehre bilden, ſo
mußten ſie eine horizontale Stellung haben, und wegen dieſer
Stellung irregulaͤr ſeyn. Weil nun die Krone ſelbſt ſehr klein iſt,
und an und fuͤr ſich den Inſekten nicht ſonderlich in die Augen
fallen kann, ſo erſetzen dieſen Mangel die beiden großen Kelch-
blaͤtter, welche eben ſo gefaͤrbt ſind, als die Krone. Dieſe hat
Linné zuerſt zur Krone, hernach aber zum Kelch gerechnet.
Beides iſt richtig; das Erſtere, weil dieſe Blaͤtter, ſolange die
Blume bluͤhet, mit der Krone einen und eben denſelben Endzweck
befoͤrdern, nemlich die Blume den Inſekten bemerkbar machen;
das Letztere aber, weil der Fruchtknoten, nachdem er befruchtet
worden iſt, zwar die Krone, nicht aber dieſe Blaͤtter abwirft.
Dieſe aber behalten alsdenn nicht ihre Farbe, ſondern werden
gruͤn. Dies geſchieht vermuthlich deswegen, damit ſie nun eben
ſo wenig von gewiſſen Inſekten bemerkt werden, als ſie vorher
wegen ihrer Farbe von andern Inſekten unbemerkt bleiben konn-
ten. Denn vielleicht gehen gewiſſe Inſekten der jungen und zar-
ten Frucht nach, welche ſie umfaſſen. Eben dieſen Endzweck
ſchreibt Wahlboom in der oft angefuͤhrten Diſſertation einem
gewiſſen bey einigen Valantien vorkommenden Umſtande zu. Der
pinſelfoͤrmige Anhang an der Oeffnung der Kronenroͤhre ſcheint
bloß deswegen da zu ſeyn, damit dieſe Oeffnung deſto leichter be-
merkt und gefunden werde.
Spartium.
Wahlboom ſagt: Plantae diadelphae, quae flores te-
nent plerumque ad angulum acutum a linea perpendiculari
nutantes, ſtamina et piſtilla ferunt declinata intra carinam
corollae compreſſam, vt eo facilitetur fecundatio, vexillo
pluuias arcente. Hiebey habe ich Folgendes zu erinnern. 1) Die
von ihm angegebene Stellung der Blumen, da ſie nemlich das
Mittel zwiſchen horizontalen und grade herabhangenden Blumen
halten ſollen (denn anders laſſen ſich ſeine Worte nicht erklaͤren,
beſonders, wenn man an den Endzweck denkt, welchen er der
Fahne zuſchreibt), iſt, wenigſtens in unſerm Klima, nicht die
gewoͤhnlichſte, ſondern vielmehr die horizontale, oder diejenige,
welche zwiſchen der horizontalen und der aufrechten das Mittel
Spartium.
haͤlt, iſt es. Jene Stellung kann bey Baͤumen, oder bey Pflan-
zen, welche ſich um Baͤume ranken, Statt finden, deren Blu-
men, wenn ſie auch der Erde zugekehrt ſind, dennoch von den
Inſekten, welche unterhalb der Krone des Baums umherfliegen,
leicht bemerkt werden koͤnnen, wie bey der Linde, keinesweges
aber bey niedrigen Pflanzen. Zu den erſten gehoͤren z. B. Ro-
binia Pfeudacacia, Dolichos altiſſimus, vermuthlich auch Do-
lichos pruriens. Dieſe haben herabhangende Trauben, deren
Blumen zwiſchen den horizontalen und herabhangenden das Mit-
tel halten. Zu den letzteren hingegen gehoͤren faſt alle unſere ein-
heimiſche Gewaͤchſe aus dieſer Klaſſe. Ihre Blumen muͤſſen ho-
rizontal, oder ein wenig aufrecht ſtehen, wenn ſie von den In-
ſekten ſollen bemerkt werden koͤnnen. Denn die Inſekten fliegen
nicht unter denſelben, ſondern uͤber denſelben und um dieſelben
umher. 2) Die Antheren und das Stigma ſind nicht deswegen
in dem Schiffchen eingeſchloſſen, damit dieſes von jenen beſtaͤubt
werde, ſondern damit jene ſowohl als dieſes vor der Naͤſſe ver-
wahrt ſeyen. 3) Folglich kann nicht die Fahne zur Beſchuͤtzung
dieſer Theile vor dem Regen dienen ſollen, weil dieſes theils nicht
noͤthig iſt, theils dieſelbe in den wenigſten Faͤllen dies zu thun
im Stande iſt. Denn beym Orobus und bey der Colutea ſteht
die Fahne aufrecht, hat alſo grade diejenige Stellung, in welcher
ſie am allerwenigſten Regentropfen auffangen kann. Hingegen
der Nagel der Fahne dient zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem
Regen, und hat daher eine horizontale Stellung. Die Fahne
ſelbſt aber dient dazu, der Blume das meiſte Anſehen zu verſchaf-
fen. Deswegen iſt ſie groß, und hat mehrentheils eine aufrechte
Stellung, iſt auch mehrentheils an ihrer Baſis mit dem Saft-
maal geziert, weil unter derſelben der Eingang fuͤr die Inſek-
ten iſt.
In der Diſſertation de nectariis florum wird geſagt, daß
die Blumen dieſer Klaſſe an der oberen Seite der Baſis des
Fruchtknotens eine Honigdruͤſe haben, welcher wegen ſich die
Baſis des einfachen Filaments kruͤmme. An dieſer Stelle habe
ich noch in keiner Art eine Saftdruͤſe gefunden. In der Vicia
Faba ſitzt die Saftdruͤſe nicht auf der oberen, ſondern auf der
unteren Seite des Fruchtknotens.
Spartium ſcoparium. Rehkraut. Obgleich die Bie-
nen und Hummeln dieſe Blume haͤufig beſuchen, ſo habe ich doch
keinen Saft in derſelben gefunden. Die Filamente machen nur
Einen Koͤrper aus, und haben an der Baſis nicht die beiden ge-
woͤhnlichen Oeffnungen. Da, wo der Nagel der Fahne einge-
fuͤgt iſt, iſt eine gelbe druͤſenfoͤrmige Erhoͤhung, allein kein Saft
auf derſelben. Einmal fand ich eine Hummel auf den Blumen,
welche Staub ſammlete, von welchen auf ihren Hinterbeinen eine
[[189]]
Geniſta. Vlex. Lupinus. Phaſeolus.
große Menge zu ſehen war. Ob nun gleich die Blume keinen
Saft enthaͤlt, ſo hat ſie doch ein Saftmaal. Denn die Krone
iſt gelb, die Fahne aber da, wo ſie ſich aufwaͤrts biegt, in der
Mitte mit einigen rothen Linien geziert.
Geniſta.
Geniſta tinctoria und G. piloſa. In beiden Ar-
ten habe ich keinen Saft gefunden.
Vlex.
Vlex Europaeus. Hat auch keinen Saft.
Lupinus.
Lupinus luteus. Auch in dieſer Blume habe ich bisher
noch keinen Saft gefunden, welchen ſie doch wahrſcheinlich hat,
da ſie 1) einen Geruch und 2) ein Saftmaal hat, obgleich das
letztere ſich nicht an der gewoͤhnlichen Stelle befindet. Denn die
Krone iſt gelb, der Schnabel des Schiffchens aber dunkelblau.
Folglich ſcheint hier der Eingang fuͤr die Inſekten zu ſeyn. Da
nun im Schnabel des Schiffchens ſich die Antheren und das
Stigma befinden, ſo ſcheint die Blume von den Inſekten be-
fruchtet zu werden. Eben dieſe Einrichtung finde ich bey der Vicia
Benghalenſis. Denn die Krone iſt hochroth, der Schnabel des
Schiffchens aber ſchwarz.
Phaſeolus.
Phaſeolus vulgarisβ. Tuͤrkiſche Bohne. Tab. XIX.
8. 9. 13—15.
8. Der roͤhrenfoͤrmige Koͤrper, welcher die Baſis des Frucht-
knotens umgiebt, und wahrſcheinlich die Saftdruͤſe iſt.
9. Das Piſtill nebſt dem einfachen Filament.
13. Dieſes Filament von oben, 14. von unten, 15. von
der Seite.
1. Ich bin ungewiß, ob ich entweder den blaßgelben roͤh-
renfoͤrmigen Koͤrper, welcher die Baſis des Fruchtknotens um-
giebt, oder den fleiſchichten Koͤrper, welcher auf dem einfachen
Filament ſitzt, fuͤr die Saftdruͤſe halten ſoll. Den erſten Koͤrper
habe ich trocken, auf der hinteren Seite des letzten Saft gefun-
den. Demungeachtet koͤmmt es mir wahrſcheinlicher vor, daß
jener die Saftdruͤſe ſey. Denn jener bleibt, wann die Blume
verbluͤhet iſt, ſitzen; dieſer aber faͤllt alsdenn mit ſeinem Fila-
ment ab.
2. Der Saft befindet ſich in dem Zwiſchenraum zwiſchen dem
Nagel der Fahne und dem einfachen Filament hinter dem fleiſchich-
Phaſeolus. Dolichos. Piſum. Orobus.
ten Koͤrper des letzteren. Hier habe ich kleine Inſekten ange-
troffen.
3. In dieſen Safthalter laͤßt der fleiſchichte Koͤrper keinen
Regentropfen hineindringen. Zu dem Ende umfaßt die Fahne
dieſen Koͤrper mit ihren beiden ſchwachen Hoͤckern, und wird vom
Kelch an denſelben feſt angedruͤckt.
5. Daß dieſe Blume von Inſekten befruchtet wird, werde
ich unten bey der Vicia Faba beweiſen.
Dolichos.
Dolichos Lablab.
1. Die Saftdruͤſe iſt der roͤhrenfoͤrmige Koͤrper, welcher die
Baſis des Fruchtknotens umgiebt.
2. Der Saft befindet ſich zwiſchen der Saftdruͤſe, dem zu-
ſammengewachſenen und dem einfachen Filament. Damit dieſer
Zwiſchenraum deſto groͤſſer werde, erweitert ſich das erſtere Fila-
ment an der Baſis, und das letztere biegt ſich gleich bey ſeinem
Urſprung in die Hoͤhe.
3. Die beſonders geſtalteten Schwielen an der Fahne, welche
Linné ſchon bemerkt hat, und die Einrichtung ſowohl des einfa-
chen Filaments, welches an den Nagel der Fahne und an das
zuſammengewachſene Filament ſehr genau ſchließt, als auch des
zuſammengewachſenen, welches vorne, ehe es ſich erweitert, vom
einfachen bedeckt wird, dienen zur Beſchuͤtzung des Safts vor
dem Regen. Die Inſekten ſtecken ihren Saugeruͤſſel zwiſchen dem
einfachen und dem zuſammengewachſenen Filament in den Saft-
halter hinein. Sobald ſie denſelben wieder herausziehen, ſo
druͤckt der Nagel der Fahne, welcher vom Kelch gedruͤckt wird,
das einfache Filament an das zuſammengewachſene, und der Ein-
gang in den Safthalter iſt wieder verſchloſſen.
Piſum.
Piſum ſatiuum. Erbſe. In dieſer Blume habe ich
den Saft oftmals vergebens geſucht, endlich aber doch gefunden.
Sie hat ungefaͤhr die Struktur des Lathyrus odoratus. Sie
wird von einer großen Hummel beſucht. Da dieſelbe ſich aber
nicht auf das Schiffchen, ſondern ſeitwaͤrts ſetzt, und alsdenn
ihren Saugeruͤſſel zwiſchen dem Nagel des einen Fluͤgels und dem
Nagel der Fahne in den Safthalter ſteckt: ſo ſehe ich nicht ein,
wie ſie dadurch die Befruchtung der Blume hervorbringen koͤnne.
Orobus.
Orobus niger. Tab. XIX. 10—12.
10. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
Z 2
[[190]]
Orobus. Lathyrus.
12. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
11. Die beiden Oeffnungen des Safthalters.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
Grund des Kelchs.
3. Der Nagel der Fahne druͤckt auf die unter demſelben be-
findlichen Theile, und laͤßt keinen Regentropfen durch. Die In-
ſekten kriechen unter demſelben hinein, und hierauf durch die bei-
den Oeffnungen, welche das einfache Filament mit dem zuſam-
mengewachſenen macht, in den Safthalter. Daß der Kelch auf
der oberen Seite kuͤrzer iſt, als auf der unteren, ſcheint bloß dazu
zu dienen, daß die Inſekten den Nagel der Fahne deſto leichter
in die Hoͤhe druͤcken, und unter demſelben in den Safthalter
hineinkriechen koͤnnen.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn die Fahne iſt roͤther
gefaͤrbt, als der uͤbrige Theil der Krone, und mit Adern geziert,
welche ſich nach dem Nagel derſelben, und alſo nach der Stelle
hinziehen, wo die Inſekten hineinkriechen muͤſſen, um zum Saft
zu gelangen, Fig. 10.
Lathyrus.
Lathyrus odoratus.
1. Die Saftdruͤſe iſt die fleiſchichte inwendig blaßgelbe Baſis
des Kelchs.
2. Der Safthalter iſt theils der Grund des Kelchs, theils
der Grund der Roͤhre, welche die Filamente bilden. Hier fand
ich einige Blaſenfuͤße.
3. Der Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert.
4. Die Blume hat ein Saftmaal. Denn bey der erſten Va-
rietaͤt ſind die Fluͤgel und das Schiffchen weiß, die Fahne aber
blaßroth; bey der zweyten ſind die Fluͤgel und das Schiffchen
blaßviolett, die Fahne aber dunkelroth, und am Nagel violett
mit Linien von geſaͤttigterer Farbe.
Lathyrus fatiuusβ. Hat eben dieſelbe Einrichtung,
und ſehr viel Saft. Die ganze Krone iſt weiß.
Lathyrus paluſtris. Bruchwicke. Hat auch viel Saft
und eine aͤhnliche Einrichtung.
Lathyrus latifolius.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
Grund der Roͤhre, welche die Filamente bilden.
3. Der Saft iſt eben ſo, wie beym Orobus, gegen den Re-
gen geſichert.
4. Die Krone, ſoweit ſie den Bienen, welche die Blume be-
ſuchen, und vermuthlich auch zur Befruchtung derſelben beſtimmt
ſind, in die Augen fallen ſoll, iſt roſenfarben. Die Fluͤgel und
das Schiffchen ſind unterwaͤrts ungefaͤrbt oder weiß, weil hier die
Lathyrus. Vicia.
Bienen nichts zu ſchaffen haben. Das Schiffchen aber iſt auch
oberwaͤrts, folglich ganz, ungefaͤrbt, weil es daſelbſt von den
beiden Fluͤgeln, welche ſich um daſſelbe herumbiegen, verdeckt
wird, und es folglich ohne Nutzen ſeyn wuͤrde, wenn es gefaͤrbt
waͤre. Damit nun die Bienen merken, daß im Grunde der
Blume Saft enthalten iſt, ſo iſt 1) der mittelſte Theil der Krone,
nemlich der vorderſte oder oberſte Theil der Fluͤgel, und der un-
terſte mittelſte Theil der Fahne, blutroth. Auch iſt die letztere
auf ihrer ganzen Oberflaͤche mit Linien von geſaͤttigterer Farbe ge-
ziert, welche in dem blutrothen Fleck am ſtaͤrkſten ſind. 2) In
der Mitte dieſes blutrothen Flecks iſt ein gruͤnlichgelber Fleck,
welcher den Bienen zeigt, daß ſie unter dem Nagel der Fahne
den Saft finden werden. Dieſer Anweiſung folgen ſie, und er-
reichen ihren Endzweck; nicht weniger aber erreicht die Natur den
ihrigen.
5. Es halten ſich viel Blaſenfuͤße in der Blume auf. Ei-
nige fand ich im Safthalter, noch mehrere im Schiffchen. Daß
aber die Blume nicht von ihnen, welches ich anfangs geglaubt
habe, ſondern von den Bienen befruchtet werde, wird ſich aus
demjenigen ergeben, was ich von der Vicia Faba ſagen werde.
Vicia.
Vicia ſepium. Zaunwicke. Tab. XIX. 16. 17.
16. Die vergroͤſſerten Blattohren, von oben geſehen.
17. Dieſelben, noch ſtaͤrker vergroͤſſert, von unten geſehen.
Die Blume hat ungefaͤhr die Struktur des Orobus niger,
außer, daß ſie eben eine ſolche Saftdruͤſe hat, als Vicia Faba.
Die Pflanze bereitet nicht nur in ihren Blumen, ſondern
auch auf ihren Blattohren fuͤr die Inſekten Saft. Dieſe haben
nemlich auf ihrer unteren Seite ein kleines Hoͤhlchen, welches
nicht ſo dunkelgruͤn, als dieſelben, ſondern ein wenig gelblich iſt,
und ein Safttroͤpfchen enthaͤlt. Die großen Waldameiſen gehen
dieſem Saft ſehr nach. Daher koͤmmt es, daß man denſelben,
wenn man die Pflanzen an ihrem Standort beſieht, ſelten an-
trifft, weil er von dieſen Inſekten ſchon verzehrt worden iſt.
Wenn man aber einige Stengel mit nach Hauſe nimmt, und ſie
ins Waſſer ſtellt, ſo findet man nach einigen Tagen dieſe Hoͤhl-
chen voller Saft. Auch dieſer Saft iſt gegen den Regen geſichert,
da er ſich auf der unteren Seite der Blattohren befindet.
Wenn Kruͤnitz S. 664. ſagt, daß die Bienen nicht die
Blumen der Wicken beſuchen, ſondern nur mit ihrer Zunge den
Stengel belecken ſollen: ſo kann der zweyte Satz nicht anders
als von dieſem Saft der Blattohren verſtanden werden. Denn
ſonſt wuͤßte ich nicht, was die Bienen vom Stengel ablecken ſoll-
ten. Was aber den erſten Satz betrifft, ſo ſagt Gleditſch
[[191]]
Vicia.
S. 202. hingegen, daß die Blumen der Vicia ſatiua und der
meiſten Wickenarten den Bienen des Honigs wegen nuͤtzlich ſind.
Vicia ſatiuaα. Die Pflanze hat auch in den Hoͤhlchen
ihrer Blattohren Saft, welchem die Ameiſen nachgehen. Die
Blume wird von einem Daͤmmerungsſchmetterling, Sphinx Eu-
phorbiae, beſucht, welches ich im Auguſt Abends um ſieben Uhr
geſehen habe. In dieſer Varietaͤt ſowohl, als in der zweyten,
habe ich nicht eine ſolche Saftdruͤſe, als Vicia Faba hat, ſondern
eine ſolche, als Orobus niger hat, gefunden. Die zweyte Va-
rietaͤt halte ich fuͤr eine beſondere Art, weil ſie in der hieſigen
Gegend nicht nur auf den Aeckern, ſondern auch auf dem Felde
und in den Heiden waͤchſt, wo niemand die erſte antreffen wird.
Vicia Faba. Saubohne. Tab. XIX. 18—23. 27.
23. Die ein wenig vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stel-
lung, von der Seite geſehen.
18. Dieſelbe, von vorne geſehen.
19. Das Piſtill nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe.
20. Die Fahne, von vorne geſehen.
21. Die Fluͤgel und das Schiffchen, von der Seite geſehen.
22. Ein Blattohr von der unteren, 27. von der oberen Seite.
Die Blattohren haben auf der unteren Seite ein ſchwarzes Hoͤhl-
chen, welches ein Safttroͤpfchen abſondert und enthaͤlt.
1. Die Saftdruͤſe, welche ſchon Linné und Gleditſch
(S. 240.) bemerkt haben, iſt der laͤngliche Koͤrper, welcher un-
ter der Baſis des Fruchtknotens ſitzt.
2. Der Saft iſt in dem Grunde der Roͤhre, welche die Fila-
mente bilden, befindlich. Auf beiden Seiten des einfachen Fila-
ments ſind auch hier zwey Oeffnungen fuͤr die Inſekten. In ver-
ſchiedenen Blumen fand ich auf der oberen Seite des Kelchs und
am Nagel der Fahne ein Loch, welches ein Inſekt eingebiſſen
hatte, dem der natuͤrliche Eingang vermuthlich zu enge geweſen
war.
3. Der roͤhrenfoͤrmige Nagel der Fahne umſchließt den uͤbri-
gen inneren Theil der Blume ſehr genau, und laͤßt keinen Regen-
tropfen durch.
4. Die Blume ſoll nicht von oben, ſondern von vorne den
Inſekten in die Augen fallen. Da ſie nun nicht, wie gewoͤhn-
lich, eine horizontale, ſondern eine mehr aufrechte Stellung hat,
ſo mußte die Fahne mit dem uͤbrigen Theil der Krone nicht, wie
gewoͤhnlich, einen rechten, ſondern einen ſehr ſpitzen Winkel ma-
chen. Sie hat ein doppeltes Saftmaal. Denn die Krone iſt
weiß; die Fluͤgel aber ſind mit einem großen ſchwarzen Fleck, und
die Fahne grade da, wo ſie an den Fluͤgeln anliegt, und wo die
Inſekten in die Blume hineinkriechen, oder ihren Saugeruͤſſel
hineinſtecken muͤſſen, mit ſchwarzen Linien geziert.
Vicia.
5. Im letztvergangenen Sommer ſahe ich, daß eine Hum-
mel die Blumen beſuchte. Schon in einiger Entfernung konnte
ich bemerken, daß diejenigen, welche ſie beſucht hatte, eine an-
dere Geſtalt hatten, als die uͤbrigen. Als ich dieſelben naͤher be-
ſahe, ſo fand ich, daß das Schiffchen und die Fluͤgel von der
Hummel herabgedruͤckt worden waren, ſo daß der vorderſte oder
oberſte Theil des Piſtills und der Staubgefaͤße zum Vorſchein ge-
kommen war, und ganz frey ſtand. Indeſſen behielten ſie dieſe
Geſtalt nicht lange, ſondern das Schiffchen begab ſich nebſt den
Fluͤgeln nach und nach wieder in die Hoͤhe, umfaßte von neuem
das Piſtill und die Staubgefaͤße, und die Blumen erhielten auf
ſolche Art die vor dem Beſuch gehabte Geſtalt wieder. Nach ei-
nigen Tagen traf ich die Vicia Cracca auf dem Felde an. Ich
wollte wiſſen, ob, wenn dieſe Blume von einem aͤhnlichen Inſekt
beſucht wuͤrde, eine gleiche Erſcheinung erfolgen wuͤrde. Ich
druͤckte alſo mit einem Stoͤckchen die Fluͤgel und das Schiffchen
ein wenig, und ſahe, daß dieſelben ſich ſehr leicht herabdruͤcken
ließen, wodurch das Piſtill und die Staubgefaͤße zum Vorſchein
kamen, daß ſie aber, wenn ich zu druͤcken aufhoͤrte, ſich wieder
in die Hoͤhe begaben, und das Piſtill und die Staubgefaͤße wie-
der umfaßten und verbargen.
Hier ging mir ein großes Licht auf. Ich ward nicht
nur uͤberzeugt, daß dieſe Blumen von den Inſekten befruchtet
werden, ſondern ſahe auch die Urſache ihrer Struktur, vornehm-
lich der Struktur des Schiffchens, ein. Das Schiffchen dient
bloß dazu, die Antheren und das Stigma vor der Naͤſſe zu ver-
wahren, und daß das Inſekt, welches eine ſolche Blume beſucht,
ſich auf daſſelbe ſetzen koͤnne. Sobald dies geſchehen iſt, druͤckt
es daſſelbe vermoͤge ſeiner Schwere herab, entbloͤßt dadurch die
Antheren und das Stigma, beruͤhrt beide mit ſeinem Unterleibe,
und ſtreift den Staub von jenen ab, und bringt ihn auf dieſes.
Nachdem es den Saft verzehrt, und die Blume verlaſſen hat,
ſo begiebt ſich das Schiffchen nach und nach wieder in die Hoͤhe,
und umſchließt und verbirgt die Antheren und das Stigma eben
ſo, als vor dem Beſuch. Zu dieſem letzten Endzweck ſchien nicht
nur bey dieſen beiden Arten, ſondern auch bey verſchiedenen an-
deren Blumen dieſer Ordnung ein großer Theil ihrer Struktur
zu dienen, und ſehr leicht aus demſelben erklaͤrt werden zu koͤn-
nen. Nemlich:
1) Die Glaͤtte, welche ich bey dieſen Blumen bemerkte.
Wenn ſich das vom Inſekt herabgedruͤckte Schiffchen von ſelbſt
wieder in die Hoͤhe begeben ſollte, ſo mußte nicht nur es ſelbſt,
ſondern auch die Filamente und der Griffel glatt ſeyn.
2) Der Umſtand, daß die Fluͤgel an Einer Stelle auf beiden
Seiten an das Schiffchen entweder wirklich angewachſen ſind,
Z 3
[[192]]
Vicia.
oder angewachſen zu ſeyn ſcheinen, indem ſie daſelbſt in daſſelbe
ziemlich feſt eingefuͤgt ſind. Die von dem Inſekt herabgedruͤckten
Naͤgel derſelben ſtreben nach dem Beſuch wieder aufwaͤrts, und
ziehen auch das Schiffchen mit in die Hoͤhe.
3) Bey einigen Arten fand ich, daß auch der Nagel der
Fahne zur Erreichung dieſes Endzwecks diente. Derſelbe wurde
nemlich, wenn ich das Schiffchen, deſſen Nagel er umfaßte,
herabdruͤckte, von einander gebogen; ſobald ich aber wieder nach-
ließ, bog er ſich mit elaſtiſcher Kraft wieder zuſammen, und hob
dadurch das Schiffchen wieder in die Hoͤhe.
4) Die Stellung des Eriffels. Derſelbe macht mit dem
Fruchtknoten einen rechten oder ſpitzen Winkel, Fig. 19. 30.
Dieſe Stellung deſſelben verurſachte, daß das herabgedruͤckte
Schiffchen nicht eher wieder in Ruhe kam, bis es voͤllig die vo-
rige Stelle wieder eingenommen hatte. Dieſes wird man ſich ei-
nigermaßen vorſtellen koͤnnen, wenn man die 30. Fig. mit der
29. vergleicht; noch beſſer aber wird man es einſehen, wenn man
mit einigen Blumen den Verſuch anſtellt.
5) Der Umſtand, daß neun Filamente in Einen roͤhren-
oder rinnenfoͤrmigen Koͤrper zuſammengewachſen ſind. Waͤren
ſie, wie gewoͤhnlich, von einander abgeſondert, ſo wuͤrden ſie,
ſobald das Schiffchen vom Inſekt herabgedruͤckt worden iſt, ſich
aus einander begeben, und einen groͤſſern Raum einnehmen,
und dadurch das Schiffchen verhindern, ſich wieder in die Hoͤhe
zu begeben.
Die ſonderbare Struktur des Phaſeolus vulgaris, wel-
cher ein ſchneckenfoͤrmig gewundenes Schiffchen und eben ſo
geſtaltete Filamente und Griffel hat (den Griffel ſieht man in
Fig. 9. in ſeiner natuͤrlichen Stellung), habe ich immer fuͤr etwas
merkwuͤrdiges, und fuͤr ſo etwas gehalten, was bloß auf die
durch Inſekten geſchehen ſollende Befruchtung ſich bezieht. Hie-
von ward ich vollkommen uͤberzeugt, als ich mit dieſer Blume
einen aͤhnlichen Verſuch anſtellte. Dies geſchah mit der erſten
Varietaͤt (Schminkbohne). Tab. XIX. 27*. 31*. In der letzte-
ren Fig. iſt der vorderſte Theil des Schiffchens in ſeiner natuͤrli-
chen Stellung abgebildet. In der Oeffnung deſſelben ſieht man
das Ende des Stigma hervorragen. In der erſten Figur iſt daſ-
ſelbe in derjenigen Stellung abgebildet, welche es erhaͤlt, wenn
man es herabdruͤckt. Man ſieht, daß nicht nur das ganze Stigma,
ſondern auch der oberſte haarichte Theil des Griffels zum Vor-
ſchein gekommen iſt. In Fig. 9. ſieht man dieſen haarichten Theil
a b und das Stigma b c deutlicher. Wenn alſo ein Inſekt die
Blume beſucht, ſo ſetzt es ſich auf das Schiffchen, und druͤckt es
herab. Sobald dies geſchieht, faͤhrt auch der oberſte Theil des
Griffels aus der Oeffnung des Schiffchens heraus, nachdem er
Vicia. Colutea.
vorher den Staub von den hinter der Oeffnung befindlichen An-
theren abgeſtreift und gleichſam abgebuͤrſtet hat, zu welchem Ende
allein er mit Haaren verſehen iſt. Das Inſekt ſtreift alsdann
den am oberſten Theil des Griffels haftenden Staub ab, und
ſtreicht denſelben an das Stigma, und befruchtet auf ſolche Art
die Blume. Nachdem es den Saft verzehrt hat, verlaͤßt es die
Blume. Alsdenn faͤhrt der oberſte Theil des Griffels wieder in
das Schiffchen hinein. Ich vermuthe, daß die Blume ein
Dichogamiſt iſt. Wenn es damit ſeine Richtigkeit hat, ſo ſieht
man noch mehr die bewundernswuͤrdige Kunſt ein, welche der
Blumenſchoͤpfer in ihrer Struktur bewieſen hat.
Oeder ſagt in ſeiner Einleitung zu der Kraͤuter-
kenntniß (Th. II. S. 385. §. 228.), daß von 114 Arten aus
der Klaſſe mit Huͤlſenfruͤchten ohne Erbſenblumen nur zwey Eu-
ropaͤiſch ſind. Ich glaube, daß ſich dieſes aus dem angezeigten
Endzweck des Schiffchens erklaͤren laſſe. Daß die Arten mit
Huͤlſenfruͤchten mit Erbſenblumen und ohne Erbſenblumen eine
natuͤrliche Familie ausmachen, lehrt das aͤußere Anſehen. Daß
aber die Blumen jener Arten Erbſenblumen ſind, koͤmmt daher,
daß ſie in kaͤlteren Himmelsſtrichen wachſen, in welchen es oͤfters
regnet, weshalb ihre Antheren und ihr Stigma durch das Schiff-
chen vor dem Regen geſchuͤtzt werden mußten; und daß die Blu-
men dieſer Arten keine Erbſenblumen ſind, ruͤhrt daher, daß ſie
in den heißen Himmelsſtrichen, in welchen es ſeltner regnet, ih-
ren Standort haben.
Vicia Cracca. Ein gewiſſes mir unbekanntes Inſekt
beißt in den Nagel der Fahne ein Loch, um des Safts theil-
haftig zu werden.
Colutea.
Colutea arboreſcens. Tab. XIX. 24—26. 28—34.
36.
26. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung,
von vorne geſehen.
29. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
24. Dieſelbe, von oben geſehen, nachdem ein Stuͤck vom
Kelch abgeſchnitten, und die Fahne abgeloͤſet worden, wodurch
die beiden Oeffnungen des Safthalters zum Vorſchein gekom-
men ſind.
25. Die vorhergehende Figur, nachdem die uͤbrigen Theile
der Krone abgeloͤſet worden.
28. Die Fahne, von vorne geſehen. In ihrer Mitte das
Saftmaal.
32. Ein Theil der Blume, von oben geſehen, wo das
Saftmaal verkuͤrzt erſcheint.
[[193]]
Colutea. Coronilla.
30. Die Blume, von der Seite geſehen, nachdem die
Krone abgeloͤſet worden.
33. Der hinterſte Theil der von der Seite geſehenen Blu-
me, nachdem der Kelch groͤßtentheils weggeſchnitten worden.
34. Die vorhergehende Figur, nachdem die Fahne abge-
riſſen worden.
31. Dieſelbe, nachdem die Fluͤgel, und 36., nachdem das
Schiffchen abgeriſſen worden.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
fleiſchichte und weite unterſte oder hinterſte Theil des zuſam-
mengewachſenen Filaments, welches unmittelbar uͤber oder vor
dem Safthalter enger wird, und den Fruchtknoten dicht um-
ſchließt, Fig. 25.
3. Der Saft iſt gegen den Regen voͤllig geſichert. Denn
der Kelch druͤckt den Nagel der Fahne an den unter demſelben
befindlichen Theil der Blume (man vergleiche Fig. 29. mit
Fig. 33.), und die Fahne umfaßt mit den beiden Hoͤckern,
welche ſie unterwaͤrts beym Anfang des Nagels hat, Fig. 28.,
die Fluͤgel und das Schiffchen recht genau, Fig. 32., ſo daß
hier ſchlechterdings kein Regentropfen, wohl aber ein Inſekt
durchkommen kann.
4. Daß nun das Inſekt dieſen Eingang zum Safthalter
leicht finde, dazu dient das Saftmaal, welches unmittelbar
uͤber dieſem Eingang an der Fahne angebracht iſt, und in ei-
ner aus rothen Linien zuſammengeſetzten Figur beſteht, da die
Krone gelb iſt. Wann es hineingekrochen iſt, ſo gelangt es
durch die beiden Oeffnungen in den Safthalter.
Die in dieſer Ordnung vorkommenden Blumen bilden
mehrentheils eine aufrecht ſtehende oder herabhangende Traube
oder Aehre. Sie mußten daher eine horizontale Stellung er-
halten, weil eine ſolche Traube oder Aehre nicht von oben oder
von unten, ſondern von allen Seiten am beſten in die Augen faͤllt.
Aus ihrer horizontalen Stellung folgt die Irregularitaͤt ihrer
Geſtalt. Die Fahne ſollte den Blumen das meiſte Anſehen
verſchaffen. Sie macht daher mit dem uͤbrigen Theil derſelben,
inſonderheit mit ihrem eigenen Nagel, einen rechten Winkel,
und iſt von anſehnlicher Groͤſſe. Unter der Fahne iſt der Ein-
gang fuͤr die Inſekten; deswegen hat ſie das Saftmaal. Dies
iſt die gewoͤhnlichſte Einrichtung dieſer Blumen.
Colutea orientalis du Roi. Hat eine gleiche Ein-
richtung. Die Fahne iſt ſchmutzig purpurfarben, das Saft-
maal iſt ein gelber Fleck auf derſelben.
Coronilla.
Coronilla Emerus. Tab. XIX. 37. 39—42.
Coronilla. Aſtragalus. Pſoralea.
37. Die etwas vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stel-
lung.
39. Dieſelbe, von oben geſehen, nachdem der vorderſte
Theil des Kelchs weggeſchnitten worden.
40. Die vorhergehende Figur, nachdem der Nagel der
Fahne abgeloͤſet worden.
41. Dieſelbe, nachdem das einfache Filament abgeriſſen
worden.
42. Die Fahne, von vorne geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte inwendig glatte Grund
des Kelchs.
2. Der Saft befindet ſich in der Saftdruͤſe und dem un-
terſten weiteren Theil des zuſammengewachſenen Filaments.
3. Die beiden Oeffnungen des Safthalters, Fig. 40., wer-
den vom Nagel der Fahne verdeckt, Fig. 39., welcher vom
Kelch herabgedruͤckt wird, Fig. 37. Dieſer Nagel iſt auf der
unteren Seite bis a rinnenfoͤrmig, hinter a aber platt. Bey
a iſt ein kleiner Anſatz, welcher dazu dient, einen Regen-
tropfen, welcher am rinnenfoͤrmigen Theil herabgefloſſen iſt,
aufzuhalten.
4. Die Krone iſt gelb. Die Fahne aber hat unterwaͤrts
einen gewaͤſſerten Fleck, wie die gelben Arten des Ranuncu-
lus, aus welchem Linien von eben der Farbe entſtehen, und
ſich auf derſelben verbreiten, Fig. 42.
Aſtragalus.
Aſtragalus Onobrychis. Iſt eine Saftblume,
und hat mit dem Orobus gleiche Einrichtung.
Pſoralea.
Pſoralea bituminoſa.
1. Die Saftdruͤſe iſt der kurze dicke glatte und weiße
Stiel, auf welchem der haarichte Fruchtknoten ſitzt.
2. Der Safthalter iſt die Baſis des zuſammengewachſenen
Filaments. Ueber derſelben macht das einfache Filament, wie
gewoͤhnlich, zwey Oeffnungen.
3. Die Blume iſt lang, und laͤßt keinen Regentropfen in
den Safthalter dringen.
4. Die Krone iſt weiß, dabey ein wenig blaßblau. Die
beiden Blaͤtter des Schiffchens ſind vorne auf der inneren
Seite mit zwey großen ſchwarzpurpurfarbenen Flecken geziert,
welche auf der aͤußeren durchſchimmern. Das Saftmaal iſt
alſo hier nicht auf der gewoͤhnlichen Stelle.
[[194]]
Trifolium.
Trifolium.
Trifolium alpeſtre. Brauner Bergklee. Tab. XIX.
38. 43—45.
38. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
43. Der vorderſte Theil derſelben, von unten geſehen.
44. Die Oeffnung des Filaments, auf welcher die wegge-
ſchnittene Fahne liegt, und welche der Eingang fuͤr die Inſek-
ten iſt.
45. Der Fruchtknoten.
1. Die Saftdruͤſe iſt wahrſcheinlich der unterſte (punktirte)
Theil des Fruchtknotens.
2. Der Safthalter iſt die Kronenroͤhre.
3. In den Safthalter kann kein Regentropfen hineindrin-
gen. Alle Filamente ſind hier in Einen Koͤrper zuſammenge-
wachſen, welcher oberwaͤrts der ganzen Laͤnge nach eine Spalte
hat. In der Mitte iſt dieſe Spalte am engſten; hinterwaͤrts
aber erweitert ſie ſich in die Oeffnung, welche den Inſekten
zum Eingang in den Safthalter beſtimmt iſt. Dieſe Oeffnung
wird von den Ohren der Fluͤgel und von der Fahne verdeckt,
und dem Regen verſchloſſen.
4. Daß die Krone in eine lange Roͤhre zuſammengewachſen
iſt, da in andern Arten die Theile derſelben abgeſondert auf dem
Boden ſtehen, davon ſcheint die Urſache dieſes zu ſeyn, daß die
Blumen nicht eine Umbelle, wie z. B. beym Trifolium repens,
ſondern eine dichte Aehre bilden. Die Krone mußte folglich ſehr
lang ſeyn, damit ſie ſich vorne gehoͤrig ausbreiten, und auf
ſolche Art die ganze Aehre den Inſekten beſſer in die Augen fal-
len koͤnnte.
Trifolium Melilotus officinalis. Steinklee.
Daß dieſe Blume Saft habe, ſchließe ich theils aus ihrem ſtarken
und angenehmen Geruch, theils aus den beiden Oeffnungen,
welche das einfache Filament mit dem zuſammengewachſenen
macht, wie bey der Vicia und andern Gattungen. Da dieſelbe
aber ſehr klein iſt, ſo habe ich mit bloßen Augen den Saft nicht
ſehen koͤnnen. Auch Gleditſch ſagt S. 177., daß dieſe Blume
des Honigs wegen den Bienen ſehr werth ſey.
Trifolium repens. Weißer Wieſenklee. Wenn man
den Kelch umbiegt, und die Fahne abnimmt, ſo findet man auf
der inneren Seite ihres Nagels ein Safttroͤpfchen, welches ver-
muthlich aus dem Safthalter durch die beiden gewoͤhnlichen Oeff-
nungen, welche auch bey dieſer Art angetroffen werden, heraus-
getreten iſt.
Trifolium. Lotus. Medicago.
4. Die Fahne iſt weiß, die Fluͤgel und das Schiffchen aber
ein wenig gelb.
5. Die Blumen werden von den Bienen beſucht, und ich
bemerkte, daß ſie immer bey denſelben blieben, ohne auf andere
in der Naͤhe ſtehende Saftblumen ſich zu begeben.
Trifolium pratenſe. Rother Wieſenklee. Wird
von zwey großen Hummelarten beſucht, muß folglich Saft ent-
halten.
Trifolium aruenſe. Wird von Hummeln beſucht.
Ich ſahe, daß eine Hummel bloß dieſe Blumen aufſuchte, und
verſchiedene andere Saftblumen ſtehen ließ. Man ſollte kaum
glauben, daß ein ſo kleines Bluͤmchen ſo viel Saft enthalten
koͤnnte, daß eine Hummel ſich davon zu ernaͤhren im Stande
waͤre.
Lotus.
Lotus corniculatus. Schotenklee. Wenn man den
Kelch von außen genau beſieht, ſo kann man ſchon vermuthen,
daß die kegelfoͤrmige Baſis deſſelben die Saftdruͤſe ſey; denn ſie
iſt etwas gruͤner, als der obere walzenfoͤrmige Theil.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
Grund des Kelchs.
3. Der Saft wird auf die gewoͤhnliche Art vor dem Regen
geſchuͤtzt; auch hat der Safthalter die gewoͤhnlichen zwey Oeff-
nungen.
4. Das Saftmaal iſt an der gewoͤhnlichen Stelle. Denn
die Krone iſt gelb; die Fahne aber mit rothen Linien geziert,
welche in der Mitte anfangen, und ſich bis an den Nagel er-
ſtrecken.
5. Die Blumen werden von Hummeln beſucht.
Gleditſch hat ſchon bemerkt, daß dieſe Blume Saft hat,
S. 186., ſo wie die folgende, S. 187.
Medicago.
Medicago falcata.
1. 2. Der Safthalter und vermuthlich auch zugleich die
Saftdruͤſe iſt der ein wenig fleiſchigte Grund des Kelchs. Er
hat, wie gewoͤhnlich, zwey Oeffnungen. Haͤlt man dieſe gegen
das Sonnenlicht, ſo erblickt man den glaͤnzenden Saft ſehr
deutlich.
4. Die Fahne der gelben Krone iſt da, wo ſie ſich aufwaͤrts
biegt, mit einigen rothen Linien geziert.
Achtzehnte
[[195]]
Citrus. Tragopogon.
Achtzehnte Klaſſe.Polyadelphia.
Zwitterblumen, deren Filamente in mehr als zwey Koͤrper zuſammengewachſen ſind.
Citrus.
Citrus medica. Zitronenbaum. Tab. XXI. 22. 28. 30.
28. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.
30. Der Grund derſelben. Die Saftdruͤſe, welche das
Piſtill unterwaͤrts umgiebt.
22. Der Kelch, die Saftdruͤſe und der ſchon befruchtete
Fruchtknoten.
Da ich dieſe Blume bey ſpaͤter Jahreszeit, nemlich im
November, unterſuchte, ſo iſt es kein Wunder, daß ich keinen
Citrus. Tragopogon. Picris.
Saft in derſelben fand, welchen ſie doch haben muß, da ſie
eine Saftdruͤſe hat.
1. Dieſelbe iſt der fleiſchichte gelbliche fuͤnfſeitige Koͤrper,
welcher die Baſis des Fruchtknotens umgiebt.
2. Dieſer Koͤrper iſt zugleich der Safthalter.
3. Die langen Filamente beſchuͤtzen den Saft vor dem
Regen. Bloß zu dieſer Abſicht vermuthlich ſind ſie unterwaͤrts
in verſchiedene Koͤrper zuſammengewachſen.
Neunzehnte Klaſſe.Syngeneſia.
Zwitterblumen mit zuſammengewachſenen Antheren.
Daß alle Blumen, welche in den fuͤnf erſten Ordnungen
dieſer Klaſſe vorkommen, Saftblumen, und als ſolche aufs
zweckmaͤßigſte eingerichtet ſind, wird man wegen der verſchie-
denen Beyſpiele, welche ich anfuͤhren werde, wahrſcheinlich fin-
den. Zu dieſer zweckmaͤßigen Einrichtung ſcheint auch der Um-
ſtand zu gehoͤren, daß die Blumen, oder vielmehr Blumen-
knaͤufe vieler Arten nur zu gewiſſen Zeiten des Tages, oder
bey ſchoͤnem Wetter geoͤffnet, die uͤbrige Zeit aber hindurch,
oder bey ſchlechtem Wetter geſchloſſen ſind. Im erſten Fall
bieten dieſelben ihren Saft den Inſekten an, fuͤr welche der-
ſelbe beſtimmt iſt; im letzten beſchuͤtzen ſie denſelben vor dem
Regen, oder verwahren ihn auch vielleicht vor ſolchen Inſek-
ten, welchen derſelbe nicht eigentlich zugedacht iſt. Ich glaube
alſo, daß dieſer Umſtand zu wichtigen Aufſchluͤſſen Gelegenheit
geben koͤnne, und daher genau bemerkt werden muͤſſe.
Tragopogon.
Tragopogon maior. Daß diejenige Art von Bocks-
bart, welche in der hieſigen Gegend haͤufig waͤchſt, nicht Tra-
gopogon pratenſis, wofuͤr ich ſie ſonſt immer gehalten habe,
ſondern T. maior ſey, unter welchem Namen ſie Herr D.
Willdenow in ſeiner Berliniſchen Flora angefuͤhrt hat, wird
dadurch noch wahrſcheinlicher, daß ich bey derſelben dasjenige
nicht bemerkt habe, was Wahlboom in der oft angefuͤhrten
Diſſertation und der Graf Mattuſchka in ſeiner Schleſi-
ſchen Flora von dem T. pratenſis ſagen, nemlich, daß derſelbe
ſich bey heiterm Wetter des Morgens um 3 Uhr oͤffne, und
um 9 Uhr wieder ſchließe. Die hieſige Art habe ich Morgens
um 4 Uhr noch nicht, aber um halb 6 Uhr geoͤffnet, und ge-
gen Mittag noch recht ausgebreitet, gegen Abend aber geſchloſ-
ſen gefunden.
Picris.
Picris echioides. Tab. XX. 1—5. 13.
1. Die vergroͤſſerte Blume, von vorne geſehen.
2. Der mittelſte Theil derſelben, von vorne, 3. von der
Seite geſehen.
4. Ein Samenkorn aus dem Rande, 5. aus der Scheide.
13. b. Die geſtielte Haarkrone eines Samenkorns aus der
Scheibe, von der Seite geſehen, nachdem die vorderſten Haare
A a
[[196]]
Picris. Chondrilla.
abgeriſſen worden, damit man die in der Mitte derſelben befind-
liche ehemalige (punktirte) Saftdruͤſe ſehen koͤnne.
a. Dieſelbe, von oben geſehen.
Dieſe Blume iſt eine Saftblume, und wird daher von den
Bienen haͤufig beſucht.
1. Die Saftdruͤſe iſt der laͤngliche Koͤrper, welcher in der
Mitte der Haarkrone befindlich iſt. Die Kronenroͤhre umgiebt
ihn, und auf ihm ſteht der Griffel. An dem reifen Samen kann
man denſelben durch die Loupe deutlich ſehen.
2. 3. Da der Saft innerhalb der Kronenroͤhre in die Hoͤhe
ſteigt, und ſich im oberſten Theil derſelben ſammlet (wie in den
folgenden Arten): ſo iſt dieſer Theil nicht nur auswendig haa-
richt, ſondern auch mit einer einzigen Borſte verſehen, welche in
dem Winkel ſteht, den die Raͤnder des Plaͤttchens da, wo ſie ſich
vereinigen, machen. Dadurch wird der Saft vor dem Regen
geſchuͤtzt.
Obgleich die Blumen des Randes ſich von den in der Scheibe
befindlichen durch weiter nichts als dadurch unterſcheiden, daß ſie
auf der aͤußeren oder unteren Seite in der Mitte roth ſind, ſo iſt
doch zwiſchen den Samenkoͤrnern des Randes und den in der
Scheibe befindlichen ein groͤſſerer Unterſchied. Die letzteren ſind
gelblichbraun, runzlicht, oberwaͤrts mit Zaͤhnen beſetzt, nicht
aber haaricht, grade. Die erſteren ſind weiß, gebogen, und
auf der oberen konkaven Seite mit einigen Reihen von Haaren
beſetzt. Die Haare ihrer Krone ſind kuͤrzer, weniger aus einan-
der ſtehend und weniger gefiedert, als bey den Samenkoͤrnern
der Scheibe.
Chondrilla.
Chondrilla iuncea. Gelbe Wegewart. Tab. V. 15.
Die reifen und zum Abfliegen bereiten Samenkoͤrner.
An dieſem Samen habe ich eben diejenige Bemerkung ge-
macht, welche ich von dem Samen des Geranium lacerum ange-
fuͤhrt habe, nemlich daß derſelbe, wann er voͤllig reif geworden
iſt, und ſich aus einander gebreitet hat, nicht anders als bloß
durch den Wind vom Boden abgeſondert wird. Ich ließ eine An-
zahl mit bluͤhenden und verbluͤheten Blumen verſehener Stengel,
welche ich vom Felde geholt, und auf einem der Mittagsſonne
grade entgegengeſetzten Fenſter im Waſſer ſtehen hatte, und welche
nach und nach reifen Samen anſetzten, den ganzen uͤbrigen Theil
des Sommers hindurch ſtehen, und fand im Herbſt, daß kein
einziges Samenkorn abgefallen war. Dieſer Same ſitzt auf dem
Fruchtboden ſehr feſt, damit er nicht von ſelbſt abfalle, und
kann dennoch durch den Wind leicht abgeriſſen werden. Denn
man kann ſich denſelben als einen Hebel vorſtellen, an deſſen
Chondrilla. Leontodon.
oberſtem Ende die Kraft (des Windes), am unterſten aber die
Laſt angebracht iſt. Dieſe Laſt beſteht in der Feſtigkeit, mit wel-
cher der Same auf dem Boden ſitzt. Daß der Wind ſeine Kraft
beweiſen koͤnne, verurſacht die auf dem oberſten Ende ſitzende
Haarkrone. Nun iſt der Ruhepunkt dieſes Hebels auch am un-
terſten Ende befindlich. Folglich iſt die Entfernung der Laſt vom
Ruhepunkt = o, hingegen die Entfernung der Kraft von demſel-
ben von ziemlicher Groͤſſe. Saͤßen alſo die Samen auch noch
weit feſter, ſo wuͤrde der Wind ſie leicht abreißen koͤnnen. Hat
er ſie nun abgeriſſen, ſo fuͤhrt er ſie weit fort, weil die Haar-
krone ihnen gleichſam zum Fallſchirm dient. Und ſo erreicht die
Natur ihre Abſicht, daß die Samen in weiten Entfernungen von
der Mutterpflanze ausgeſaͤet werden.
Leontodon.
Leontodon autumnale. Herbſtloͤwenzahn. Tab.
XX. 6. 11. 14. 15.
6. Die vergroͤſſerte Blume ohne den Fruchtknoten, von
vorne geſehen.
14. Der mittelſte Theil derſelben, von der Seite geſehen.
11. Die Oeffnung der Kronenroͤhre, von oben geſehen.
15. Der mit der Haarkrone verſehene Fruchtknoten.
15*. Derſelbe, nachdem die Haarkrone abgeriſſen worden,
damit man die (punktirte) Saftdruͤſe beſſer ſehen koͤnne.
Die Blumen werden von den Bienen haͤufig beſucht. Der
Saft befindet ſich in dem oberſten etwas erweiterten Theil der
Kronenroͤhre. Die Filamente, welche uͤber demſelben ſich befin-
den, und gleichſam fuͤnf kleinere Oeffnungen der Roͤhre bilden,
Fig. 6. 11., beſchuͤtzen den Saft vor dem Regen. Auch iſt bey
Regenwetter der Blumenknauf geſchloſſen.
Leontodon Taraxacum. Gemeiner Loͤwenzahn. Tab.
XX. 7—10.
7. Der ſich oͤffnende Blumenknauf in natuͤrlicher Groͤſſe
und Stellung.
8. Derſelbe, nachdem er ſich voͤllig geoͤffnet hat.
10. Die vergroͤſſerte Blume, von der Seite geſehen.
9. Der mittelſte Theil derſelben, von vorne geſehen.
a (bey Fig. 10.) der reife Same in natuͤrlicher Groͤſſe.
b und c die Haarkrone, eben ſo, wie Fig. 13. Die Saft-
druͤſe iſt auch hier punktirt.
In Anſehung der Saftdruͤſe, des Safthalters und der Saft-
decke ſtimmt dieſe Art mit der vorhergehenden uͤberein. Die
Blumenknaͤufe oͤffnen ſich nicht alle zu einer gleichen und beſtimm-
ten Zeit, ſondern man findet des Morgens diejenigen, welche im
Schatten ſtehen, noch geſchloſſen, da andere, welche von der
[[197]]
Leontodon. Hieracium. Crepis. Hypochoeris.
Sonne beſchienen werden, ſich ſchon geoͤffnet haben. Die Blu-
men werden von bienenartigen Inſekten haͤufig beſucht. Jedoch
bemerkte ich einſtmals, daß die zahmen oder Honigbienen,
welche die Potentilla verna in großer Anzahl beſuchten, die
neben derſelben ſtehenden Blumen des Loͤwenzahns, wenn ſie
ſich auf dieſelben geſetzt hatten, bald wieder verließen; vielleicht
kam dieſes aber daher, weil ihnen die Potentilla lieber war,
und ſie nicht gern mit den Blumen abwechſeln. Auch der ge-
meine weiße Schmetterling beſucht dieſelben. Dieſer verweilt
ſehr lange auf einem jeden Blumenknauf, und leert eine Blume
nach der andern aus, indem er den hinterſten Theil ſeiner
Zunge in die Hoͤhe, und den vorderſten wieder herabbiegt,
zum Beweiſe, daß er den Saft nicht aus dem Grunde, ſon-
dern aus dem oberſten Theil der Kronenroͤhre holt.
Hieracium.
Hieracium murorum. Gelbes Lungenkraut. Dieſe
Blume ſcheint, wie Aſclepias, Fliegen zu fangen. Ich traf
auf einem Blumenknauf eine Fliege an, welche ſich ſehr be-
muͤhte, ſich wieder los zu machen, und faſt alle ihre Kraͤfte
erſchoͤpft zu haben ſchien. Ihr Saugeruͤſſel ſteckte in dem
oberſten Theil der Kronenroͤhre einer Blume, als dem Safthal-
ter. Was aber denſelben eigentlich feſt hielt, konnte ich wegen
der Kleinheit der Theile nicht ausfindig machen.
Crepis.
Crepis biennis. Wird von Fliegen und Blumenkaͤ-
fern haͤufig beſucht, enthaͤlt alſo Saft.
Hypochoeris.
Hypochoeris radicata. Dieſe Blume liefert den
Bienen ungemein viel Staub. In der Mittagsſtunde eines
ſchoͤnen Tages traf ich eine Biene auf derſelben an, welche an
ihren Hinterbeinen Staubballen von einer ſolchen Groͤſſe hatte,
daß ich daruͤber erſtaunte. Sie waren nicht viel kleiner, als
der ganze Koͤrper des Inſekts, und gaben demſelben das An-
ſehen eines ſtark beladenen Packpferdes. Dennoch konnte ſie
mit dieſer Laſt ſehr ſchnell fliegen, und ſie war mit dem ge-
ſammleten Vorrath noch nicht zufrieden *), ſondern flog von ei-
nem Blumenknauf zum andern, um denſelben zu vergroͤſſern.
Lapſana. Serratula. Carduus.
Lapſana.
Lapſana communis. Haſenkohl. Des Morgens um
4 Uhr fand ich den Blumenknauf noch geſchloſſen, um 7 Uhr
voͤllig geoͤffnet, auch im Schatten, um 11 Uhr, auch im Son-
nenſchein, ſchon wieder geſchloſſen.
Serratula.
Serratula aruenſis. Dieſe Blume locket durch ih-
ren ſuͤßen Honiggeruch Bienen und andere Inſekten an ſich,
welche bey ſchoͤnem Wetter ſich haͤufig auf derſelben einfinden.
Carduus.
Carduus nutans. Bieſamdiſtel. Tab. XXI. 24. 26.
27.
26. Geſtalt und Stellung des Griffels in einer juͤngeren
Blume.
A a 2
[[198]]
Carduus.
24. Dieſelbe ebenfalls in einer juͤngeren Blume; doch hat
ſich der Griffel ſchon mehr aus der roͤhrenfoͤrmigen Anthere
herausbegeben. In beiden Figuren ſieht man am Griffel den
Staub, welchen er von der roͤhrenfoͤrmigen Anthere, indem er
ſich nach und nach aus derſelben herausdraͤngt, abſtreift. Je-
doch iſt in Fig. 24, von dem oberſten Theil deſſelben dieſer
Staub von einem Inſekt ſchon wieder abgeſtreift worden. Der
jetzt ſtaubichte Theil deſſelben aber war damals noch innerhalb
der Anthere befindlich.
27. Dieſelbe in einer aͤlteren Blume.
Sobald die Blume aufgebrochen iſt, ſo befindet ſich der
Griffel noch innerhalb der Anthere, koͤmmt aber in der Folge
immer mehr aus derſelben hervor, Fig. 26. 24., bis er zuletzt
ſo weit aus derſelben hervorragt, als Fig. 27. zeigt. In die-
ſer Figur ſieht man, daß derſelbe bey d einen aus Haaren be-
ſtehenden Wulſt hat. Dieſer dient dazu, daß, indem der Grif-
fel ſich aus der Anthere herausdraͤngt, kein Theil des Staubes
in derſelben zuruͤck bleibe. Linné hat den Theil d e fuͤr das
Stigma gehalten, worin er ſich geirrt hat. Denn das Stigma
iſt die innere Seite der beiden Enden, in welche ſich der Grif-
fel theilet, e. Nun iſt in der juͤngeren Blume der oberſte
Theil des Griffels mit Staub verſehen, das Stigma aber noch
geſchloſſen, in der aͤlteren aber hat ſich das Stigma geoͤffnet,
der Griffel aber hat keinen Staub mehr, weil die Inſekten
denſelben abgeſtreift haben. Hieraus folgt alſo, daß auch bey
dieſer Blume das ungleichzeitige Bluͤhen der Geſchlechtstheile
Statt findet, und daß ſie von den Inſekten befruchtet wird,
und zwar ſo, daß dieſe den Staub der juͤngeren Blumen auf
die Stigmate der aͤlteren bringen.
Die ſtark riechenden Blumen werden von den kleinen
ſchwarzen Blumenkaͤfern und von den kleinen gelben Blumen-
ſpinnen haͤufig beſucht. Noch am 20. Oktober fand ich gegen
Abend Inſekten von drey verſchiedenen Arten auf denſelben.
Es war ſchoͤnes Wetter, aber ſchon etwas kalt. Sie hatten
ſich in den waͤrmeren Mittagsſtunden vom Saft derſelben ge-
naͤhrt, waren aber jetzt wegen der Kaͤlte ganz unthaͤtig.
Carduus lanceolatus. Speerdiſtel. Tab. XX. 12.
16—19. 32.
32. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.
12. Die innere Seite der aufgeſchnittenen und flach aus-
gebreiteten Antherenroͤhre.
Die folgenden Figuren ſind vom Carduus Marianus ge-
nommen.
19. Der unterſte Theil der Blume im Durchſchnitt. Der
Fruchtknoten traͤgt die (punktirte) Saftdruͤſe, um welche die
Carduus.
Haarkrone, und auf welcher die Kronenroͤhre und der Griffel
ſich befindet.
16. Die Haarkrone im Durchſchnitt.
17. Das Samenkorn, von oben, und 18., von der Seite
geſehen. In beiden Figuren ſieht man an demſelben die vor-
malige (punktirte) Saftdruͤſe.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte Koͤrper, welcher oben
auf dem Fruchtknoten ſitzt. Derſelbe vergroͤſſert ſich, nachdem
die verbluͤhete Krone abgefallen iſt, zugleich mit dem Frucht-
knoten, und iſt am reifen Samen am deutlichſten zu bemer-
ken. Auf dieſer Saftdruͤſe ſitzt die Roͤhre der Krone und der
innerhalb derſelben befindliche Griffel, welcher in die Vertie-
fung der Saftdruͤſe eingefuͤgt iſt, Fig. 17. 19. Da nun der
Zwiſchenraum zwiſchen der Roͤhre und dem Griffel ſehr eng
iſt, Fig. 19., ſo ſteigt der Saft durch denſelben hinauf bis
dahin, wo die Krone ſich zu erweitern anfaͤngt, Fig. 32., wo-
ſelbſt er ſtehen bleibt.
2. Der Safthalter iſt alſo der Grund des oberſten erwei-
terten Theils der Krone.
3. Der hier befindliche Saft iſt gegen den Regen voͤllig
geſichert. Denn 1) dieſer erweiterte Theil der Krone ſteht nicht
aufrecht, wie der unterſte, ſondern wagerecht. Die Regen-
tropfen fallen alſo nicht in ſeine Oeffnung, ſondern auf die
aͤußere Oberflaͤche ſeiner oberen Haͤlfte. 2) Derſelbe iſt zur
Haͤlfte in fuͤnf lange ſchmale Lappen getheilt, von welchen je-
doch die vier oberſten kuͤrzer ſind, als der unterſte, Fig. 32.
Jene ſind kuͤrzer, damit die Regentropfen deſto beſſer abgehal-
ten werden; dieſer iſt laͤnger, damit die Inſekten deſto leichter
hineinkriechen koͤnnen. 3) Die in Eine Roͤhre zuſammenge-
wachſenen Antheren haben an ihrem untern Ende, an welches
die Filamente angewachſen ſind, zehn lange ſchmale Fortſaͤtze,
Fig. 12. Auch dieſe dienen zur Abhaltung eines Regentropfens,
welcher etwa in den erweiterten Theil der Krone ſollte gekom-
men ſeyn. Endlich 4) dienen die Filamente zu gleichem Zweck.
Sie entſtehen aus der Krone da, wo ſie ſich zu erweitern an-
faͤngt, und ſind unterwaͤrts, wo der Saft ſich befindet, kahl,
oberwaͤrts aber haaricht, Fig. 12. Da ſie nun nicht dicht am
Griffel ſtehen, ſondern ſich an die Krone biegen, ſo theilen ſie
den innern Raum derſelben in fuͤnf kleinere Oeffnungen, durch
welche ſchlechterdings kein Regentropfen hindurchdringen kann.
Dieſen wichtigen Vortheil verſchaffen die Filamente nicht nur
dieſer, ſondern auch den meiſten in dieſer Klaſſe vorkommen-
den Blumen. In den groͤſſeren Blumen, in welchen die Zwi-
ſchenraͤume zwiſchen denſelben auch groͤſſer ſind, pflegen ſie haa-
richt zu ſeyn; in kleineren iſt dieſes nicht noͤthig, und ſie ſind
[[199]]
Carduus. Cynara. Xeranthemum.
daher kahl. So wie ſie aber die Regentropfen abhalten, ſo ver-
ſchaffen ſie den Inſekten den Zugang zum Saft. Deswegen
mußten ſie nicht, wie die Antheren, in Eine Roͤhre zuſammen-
gewachſen, ſondern von einander abgeſondert ſeyn.
4. 5. Ein Saftmaal kann man bey ſo kleinen Blumen nicht
erwarten. Auch haben ſie keinen Geruch, werden aber dennoch
von Bienen und weißen Schmetterlingen haͤufig beſucht.
Cynara.
Cynara Scolymus. Artiſchocke. Tab. XXIII. 44.
Der oberſte Theil der Blume, nachdem die Staubgefaͤße und
der Griffel herausgezogen worden.
1. Die Saftdruͤſe iſt der gelbe Koͤrper, welcher oben auf dem
Fruchtknoten ſitzt, und den Griffel traͤgt.
2. Der Saft ſteigt durch die Roͤhre der Krone in die Hoͤhe
bis in den erweiterten Theil oder den Saum derſelben. Ich muß
aber geſtehen, daß ich hier keinen Saft finden konnte. Vielleicht
kam dies daher, daß es ein abgebrochener Blumenknauf war,
den ich im Waſſer ſtehen hatte, deſſen Blumen ich unterſuchte.
3. Zu dieſem Saft kann kein Regentropfen kommen, weil
1) der Kronenſaum, ſoweit er ganz iſt, fleiſchicht und in der
Mitte zwar bauchicht, bey der Oeffnung aber enger iſt, 2) von
den fuͤnf ſchmalen Stuͤcken, in welche ſich derſelbe theilt, die vier
oberſten kuͤrzer ſind, als das unterſte.
5. Die Blumen werden von den Blumenkaͤfern haͤufig be-
ſucht.
Xeranthemum.
Xeranthemum annuum. Tab. XX. 26—31.
26. Eine weibliche Blume, von der Seite geſehen.
27. Dieſelbe, von hinten oder von außen geſehen.
28. Die auf dem Fruchtknoten derſelben ſitzende Saftdruͤſe,
welche den Griffel traͤgt.
30. Eine Zwitterblume.
31. Dieſelbe ohne den Fruchtknoten.
29. Die der Laͤnge nach aufgeſchnittene und flach ausgebrei-
tete Krone derſelben.
Die weibliche Blume.
1. Die Saftdruͤſe iſt der gelbe Koͤrper, welcher auf dem
Fruchtknoten ſitzt, und deſſen Farbe durch die Kronenroͤhre durch-
ſcheint.
2. Der untere Theil der Kronenroͤhre enthaͤlt den Saft.
3. Zum Saft kann kein Regentropfen kommen, weil die
enge Kronenroͤhre vom Griffel ausgefuͤllt wird.
Xeranthemum. Tuſſilago.
Die Zwitterblume.
1. Die Saftdruͤſe ſcheint der untere Theil der Krone a b
Fig. 31. ſelbſt zu ſeyn; denn derſelbe iſt fleiſchicht, dick und gruͤn,
da der obere duͤnner und aſchfarbig iſt.
2. Eben derſelbe iſt zugleich der Safthalter.
3. Der Safthalter wird von den Filamenten, wie auch von
den haarichten Fortſaͤtzen der Antherenroͤhre vor dem Regen ver-
ſchloſſen.
Tuſſilago.
Tuſſilago Farfara. Gelber Huflattig. Tab. XX.
20. 22—25. 33. 35. 39*. 40—44. 46.
20. Der geſchloßne Blumenknauf in natuͤrlicher Groͤſſe und
Stellung.
22. Derſelbe, indem er ſich oͤffnet.
24. Derſelbe, voͤllig geoͤffnet.
40. Derſelbe nach vollendetem Bluͤhen.
33. Derſelbe, nachdem er, als nunmehriger Samenknauf,
zur voͤlligen Reife gekommen iſt, und ſich auszubreiten angefan-
gen hat.
46. Derſelbe, nachdem er ſich gaͤnzlich auseinander gebreitet
hat.
25. Die vergroͤſſerte Zwitterblume, von der Seite geſehen.
23. Dieſelbe, von oben geſehen.
35. Die vergroͤſſerte weibliche Blume.
39*. Der vergroͤſſerte Fruchtknoten der Zwitterblume. Auf
demſelben die Saftdruͤſe.
41. Der Same der Zwitterblume.
43. Derſelbe, noch ſtaͤrker vergroͤſſert, auf welchem man
die vormalige Saftdruͤſe ſieht.
42. Der Same der weiblichen Blume.
44. Derſelbe, noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
Die Zwitterblume.
1. Die Saftdruͤſe ſitzt, wie bey dem Carduus, oben auf
dem Fruchtknoten, Fig. 39*. Sie ſcheint ſchon durch die gegen
das Sonnenlicht gehaltene Krone gelb durch; noch gelber findet
man ſie, wenn man ſie von der Krone entbloͤßt. Der Griffel,
den ſie traͤgt, laͤßt ſich von derſelben leicht abſondern.
2. Der Saft ſteigt in der vom Griffel ausgefuͤllten Kronen-
roͤhre in die Hoͤhe, und bleibt im Grunde des glockenfoͤrmigen
Kronenſaums ſtehen, Fig. 25.
In den weiblichen Blumen habe ich keinen Saft angetrof-
fen; ſie verſchaffen aber außerdem, daß ſie Samen hervorbrin-
gen, noch einen doppelten Nutzen.
A a 3
[[200]]
Tuſſilago.
3. Dieſe Blume (ich meine den Blumenknauf) iſt eine me-
teoriſche Tagesblume, indem ſie nur bey Tage geoͤffnet iſt, und
nicht zu einer beſtimmten Zeit ſich oͤffnet, ſondern alsdann, wann
ſie von der Sonne beſchienen wird. Denn Blumen, welche
Morgens um 7 Uhr von der Sonne beſchienen werden, oͤffnen
ſich, da andere, welche im Schatten ſtehen, noch geſchloſſen
bleiben, und, wenn ſie nicht eher als um 10 Uhr den Sonnen-
ſtrahlen ausgeſetzt ſind, auch nicht eher ſich oͤffnen. Bey Regen-
wetter hingegen bleiben die Blumen den ganzen Tag lang geſchloſ-
ſen. Der Blumenknauf ſchließt ſich aber ſo, daß er die oberſte
Haͤlfte der Kelchſchuppen und die am Rande ſtehenden weiblichen
Blumen, welche vorher wagerecht ſtanden, in die Hoͤhe biegt.
Die weiblichen Blumen bilden alſo alsdenn eine enge Roͤhre, in
deren Oeffnung nicht leicht Regentropfen hineinfallen koͤnnen,
Fig. 20. Dies iſt der erſte Vortheil, den die weiblichen Blumen
verſchaffen.
4. Die Blume mußte ſo gebauet, und alles ſo eingerichtet
werden, daß ſie den Inſekten, welchen ihr Saft zur Nahrung
beſtimmt iſt, in die Augen fiele, und zwar um ſo viel mehr, da
ſie eine von den erſten Fruͤhlingsblumen iſt. Dazu dienen 1) die
langen weiblichen Blumen, welche den breiten Rand des Knaufs
ausmachen, ohne welchen die Scheibe nicht ſonderlich in die Au-
gen fallen wuͤrde. Wenn die Sonne in der Mittagsſtunde ſehr
warm auf den Blumenknauf ſcheint, ſo biegen ſich die Plaͤtt-
chen der weiblichen Blumen noch etwas unter die Horizon-
tallinie herab, Fig. 24. Alsdenn werfen ſie das Sonnenlicht
da, wo ſie ſich zuruͤckbiegen, ſtark zuruͤck. Hierdurch entſteht um
die Zwitterblumen herum ein glaͤnzender Ring, welcher das An-
ſehen und die Bemerkbarkeit des Blumenknaufs vergroͤſſert. Und
dies iſt der zweyte Nutzen, den die weiblichen Blumen verſchaf-
fen. 2) Kaͤmen die Blaͤtter, wie gewoͤhnlich, eher hervor, als
die Blumen, ſo wuͤrden ſie, da ſie ſehr groß ſind, dieſelben be-
decken, und den Inſekten unbemerkbar machen. Es mußte alſo
hier eine Ausnahme von der Regel gemacht werden, und die
Blumen zeigen ſich in ihrer groͤßten Schoͤnheit, wann von den
Blaͤttern noch nicht eine Spur zu ſehen iſt. 3) Weil die Blu-
men ſo fruͤh bluͤhen, ſo koͤnnen ſie auch von den benachbarten
Pflanzen nicht ſonderlich verdeckt werden, weil dieſe alsdenn erſt
anfangen zu wachſen.
5. Ich fand auf einem Blumenknauf eine Biene, welche zu-
erſt das Stigma einer Zwitterblume beleckte, und hernach den
Saugeruͤſſel in den Safthalter ſteckte, und ſo eine nach der an-
dern ausleerte. Eine Fliege aber holte bloß den Saft aus den
Blumen, ohne das Stigma zu beruͤhren.
Tuſſilago.
Wann die Blume abgebluͤhet hat, ſo ſchließt der Knauf den
Kelch, und neigt ſich, Fig. 40. Letzteres geſchieht vermuthlich
zu dem Ende, damit der Fruchtboden, aus welchem die jungen
Samenkoͤrner unmittelbar ihre Nahrung erlangen, den Sonnen-
ſtrahlen ausgeſetzt ſey, und dadurch das Reifen jener befoͤrdert
werde. Unterdeſſen waͤchſt der Stengel immer fort, bis er end-
lich, wann die Samen reif ſind, uͤber Einen Fuß lang iſt. Als-
denn richtet er ſich wieder grade in die Hoͤhe, Fig. 33. Die Ur-
ſache hievon iſt leicht einzuſehen. Denn 1) je hoͤher die Samen
ſtehen, deſto mehr ſind ſie dem Winde ausgeſetzt, und deſto wei-
ter werden ſie von demſelben fortgefuͤhrt, deſto gewiſſer wird alſo
die Art allenthalben fortgepflanzt. 2) Die Sonne ſoll nun nicht
mehr auf den Fruchtboden wuͤrken, denn dies waͤre, da die Sa-
men reif ſind, von keinem Nutzen; aber auf die Haarkrone der
Samen ſoll ſie wuͤrken, damit dieſelben, durch ihre Strahlen
getrocknet und elaſtiſch gemacht, ſich aus einander breiten, eine
gegen die andere druͤcke, die am Rande befindlichen Samen von
den in der Mitte ſtehenden, und von jenen wieder die Kelchſchup-
pen aus- und abwaͤrts gedruͤckt werden, Fig. 33., ſo daß die Sa-
men zuſammen eine kugelfoͤrmige Geſtalt erhalten, Fig. 46, und
man nun eben ſo wenig den Kelch, ſondern bloß den Samen,
ſieht, als man vorher die Samen, ſondern bloß den Kelch,
ſahe. Nachdem nun die Sonne die Samen ſo weit gebracht,
und das Ihrige gethan hat, ſo uͤberlaͤßt ſie die Ausſaͤung derſel-
ben dem Winde.
Tuſſilago Petaſites. Peſtwurz. Tab. XX. 21.
Eine Zwitterblume.
1. 2. Die Saftdruͤſe und der Safthalter iſt, wie bey der
erſten Art. Jene iſt nicht ſo anſehnlich, noch ſo gelb.
4. Weil bey dieſer Art die Blumenknaͤufe laͤngſt dem aufrecht
ſtehenden Stengel befindlich ſind, ſo fallen ſie nicht von oben,
ſondern von den Seiten am beſten in die Augen. Daher haben
ſie eine faſt horizontale Stellung, und die Schuppen des Sten-
gels ſind von eben der Farbe, als die Blumen, nemlich purpur-
roth, um die Bemerkbarkeit dieſer zu vergroͤſſern. Hingegen bey
der erſten Art traͤgt der Stengel Einen Blumenknauf, welcher
alſo aufrecht ſteht, damit er von oben geſehen am beſten in die
Augen falle, und eben deswegen ſind die Schuppen des Stengels
nicht gefaͤrbt, ſondern gruͤn, weil ſie von oben geſehen nicht in
die Augen fallen.
Tuſſilago hybrida. Dieſe Art hat mit dem Petaſites
ungefaͤhr einerley Einrichtung. Weil aber jeder Knauf nur drey
Zwitterblumen hat, ſo wird dieſer Mangel durch die Menge des
Safts, welche eine jede abſondert, erſetzt. Denn wenn man
den oberen Theil der Blume zwiſchen den Fingern zuſammen-
[[201]]
Tuſſilago. Bellis. Tagetes.
druͤckt, ſo koͤmmt eine weit groͤſſere Quantitaͤt von Saft heraus,
als man von einer ſo kleinen Blume erwarten ſollte.
Tuſſilago alba. Weißer Huflattig. Hat auch Saft.
Bellis.
Bellis perennis. Maßliebe. Gaͤnſeblume. Tab. XX.
50—52.
50. Der des Nachts geſchloßne Blumenknauf in natuͤrlicher
Groͤſſe und Stellung.
51. 52. Der bey Tage geoͤffnete Blumenknauf.
In ſo kleinen Blumen, als dieſe Art hat, iſt es unmoͤglich,
den Saft mit bloßen Augen zu ſehen. Ich bin aber uͤberzeugt,
daß nicht nur die Zwitterblumen, ſondern auch die am Rande
befindlichen weiblichen Blumen Saft enthalten, und zwar die
letzteren, weil die Oeffnung ihrer Kronenroͤhre mit ſeiner Wolle
beſetzt iſt, welche zu nichts anderm, als zur Abhaltung der Re-
gentropfen vom Saft, dienen kann. Da ſie uͤbrigens zwey Far-
ben hat, nemlich die weiße der Randblumen und die gelbe der
Scheibenblumen, ſo iſt ſie eine Tagesblume; welches auch die
Erfahrung beſtaͤtigt, indem der Blumenknauf bey Tage geoͤffnet,
des Nachts hingegen geſchloſſen iſt. So wie derſelbe nun durch
letzteres weniger bemerkbar wird, eben ſo wird dadurch nicht nur
der Antherenſtaub, ſondern auch der Saft vor der Naͤſſe ge-
ſchuͤtzt.
Pollich hat irrigerweiſe die kleinen Hoͤcker, welche auf
dem nackten Fruchtboden an den kleinen Hoͤhlen ſitzen, in welche
die Fruchtknoten eingefuͤgt ſind, bey dieſer und mehreren Arten
fuͤr Nectaria gehalten.
Weil Gleditſch dieſe Blume als eine Bienenblume an-
fuͤhrt, S. 141., ſo muß er auf derſelben Bienen angetroffen ha-
ben. Wenn er aber ſagt, daß die Bienen von derſelben wohl
weiter nichts erhalten koͤnnten, als die Feuchtigkeit des Stigma
und den an demſelben ſitzenden Antherenſtanb, ſo hat er ſie ver-
muthlich fuͤr zu klein gehalten, als daß ſie ſollte Saft abſondern
koͤnnen. Allein ſo wie dergleichen kleine Blumen eben ſo wohl
ihre Befruchtungstheile haben, als die großen, nur daß dieſelben
ſehr klein ſind, eben ſo haben ſie ihren Saft, obgleich in uͤberaus
geringer Quantitaͤt.
Tagetes.
In den Zwitterblumen habe ich Saft gefunden. Der Kro-
nenſaum iſt eben ſo eingeſchnitten, als beym Carduus, daß nem-
lich der unterſte Lappen laͤnger iſt, als die oberſten. Der un-
terſte Theil des Kronenſaums iſt der Safthalter, und deswegen
Anthemis. Achillea. Helianthus.
glatt, der oberſte aber, und beſonders die Lappen, ſind wollicht,
zur Abhaltung der Regentropfen.
Anthemis.
Anthemis Cotula. Hundskamille. Tab. XX. 34.
45.
34. Der Blumenknauf bey Tage in natuͤrlicher Groͤſſe.
45. Derſelbe des Nachts.
Auch dieſe Blume hat, wie Bellis, zwey Farben, die gelbe
und die weiße, und iſt daher eine Tagesblume. Sie unterſchei-
det ſich aber von derſelben dadurch, daß ſie des Nachts die weib-
lichen Blumen nicht in die Hoͤhe richtet, ſondern im Gegentheil
herabhangen laͤßt. Dies iſt mir unerklaͤrlich. Denn obgleich auch
durch dieſe Einrichtung der Blumenknauf des Nachts weniger
bemerkbar gemacht wird, ſo wird doch der in den Blumen wahr-
ſcheinlicherweiſe enthaltene Saft dadurch nicht vor den Feuchtig-
keiten der Nacht beſchuͤtzt, und eben ſo wenig der Antherenſtaub.
Anthemis aruenſis. Dieſe Art laͤßt auch des Nachts
die Randblumen herabhangen. Ich fand Blaſenfuͤße in den
Blumen.
Achillea.
Achillea Millefolium. Schafgarbe. Wird in den
Mittagsſtunden bey ſchoͤnem Wetter von den Fliegen haͤufig be-
ſucht. Daß dieſelben die Feuchtigkeiten des Stigma ableckten,
konnte ich deutlich bemerken. Die Blumen ſind aber zu klein,
als daß man mit bloßen Augen den Saft ſollte ſehen koͤnnen.
Helianthus.
Helianthus annuus. Sonnenblume. Tab. XX.
36—39.
36. Eine vergroͤſſerte Zwitterblume, deren Stigmate ſich
noch innerhalb der Antherenroͤhre befinden.
37. Dieſelbe im Durchſchnitt.
38. Eine aͤltere Zwitterblume, deren Stigmate aus der An-
therenroͤhre hervorgekommen ſind.
39. Dieſelbe im Durchſchnitt.
38*. Die Saftdruͤſe nebſt dem unterſten Theil des Griffels,
ſtark vergroͤſſert.
1. Die Saftdruͤſe iſt der uͤberaus kleine, weiße und glatte
Koͤrper, welcher auf dem Fruchtknoten ſitzt, und den Griffel
traͤgt. Wenn man eine Blume vom Fruchtknoten abreißt, und
ſie aufſchneidet, ſo findet man in der engen Roͤhre derſelben dieſen
Koͤrper an den Griffel angewachſen.
[[202]]
Helianthus.
2. Der Safthalter iſt die bauchichte, knorplichte, inwendig
glatte Baſis der Krone, in welche der Saft durch die enge Roͤhre
ſich begiebt.
3. 4. Der Saft wird auf folgende Art vor dem Regen be-
ſchuͤtzt. Wann die Blume aufgebrochen iſt, ſo befinden ſich die
noch graden Stigmate ganz innerhalb der Antherenroͤhre, und
die Filamente ſind auch grade und liegen am Griffel. Nach eini-
ger Zeit aber kommen die Stigmate aus der Antherenroͤhre zum
Vorſchein, und kruͤmmen ſich auswaͤrts nach entgegengeſetzten
Seiten. Dadurch druͤcken ſie die Antherenroͤhre herab, und die
Filamente koͤnnen nun nicht mehr grade bleiben, ſondern muͤſſen
ſich kruͤmmen, ſo daß ſie die roͤhrenfoͤrmige Krone beruͤhren. Auf
ſolche Art machen ſie in derſelben fuͤnf Oeffnungen, welche fuͤr ei-
nen Regentropfen zu klein, fuͤr den Saugeruͤſſel eines Inſekts
aber groß genug ſind.
Daß der am Ende des Stengels oder eines Zweiges befind-
liche Blumenknauf nicht, wie in dieſer Klaſſe gewoͤhnlich iſt,
aufrecht, ſondern horizontal ſteht, koͤmmt daher, daß er ſo außer-
ordentlich groß iſt. Stuͤnde er aufrecht, ſo wuͤrde ſich eine große
Menge Regenwaſſers auf demſelben ſammlen, und ſowohl den
Antherenſtaub, als auch den Saft verderben, folglich die Befruch-
tung verhindern. Ungeachtet er aber eine horizontale Stellung
hat, ſo faͤllt er doch theils wegen ſeiner Groͤſſe, theils weil er auf
einem hohen Stengel ſitzt, den Inſekten ſchon in großer Entfer-
nung in die Augen.
5. Die Blumen werden von den Bienen haͤufig beſucht, wie
auch von demjenigen Inſekt, deſſen ich bey dem Tropaeolum ge-
dacht habe. Jene fand ich an ihrem Unterleibe ganz voller Staub.
Auch naͤhren ſich Ohrwuͤrmer von den Blumen. Bey Tage hal-
ten ſie ſich zwiſchen den Randblumen und den Kelchblaͤttern ver-
borgen und ruhig. Gegen Abend kommen ſie aus ihren Schlupf-
winkeln heraus, kriechen auf die Scheibe, und freſſen die Anthe-
ren und die Griffel weg. Als ich einſtmals Abends um halb
10 Uhr mit dem Licht in der Hand nachſahe, ſo fand ich auf Ei-
nem Blumenknauf ihrer wohl zwanzig. Auch die Blumen des
Cnicus oleraceus verderben ſie auf eben die Art; wovon ich im
Oktober die Folgen ſahe. Meine Pflanzen hatten lauter tauben
Samen, der gleichwohl abflog. Nur die ſpaͤteſten Blumenknaͤufe
hatten guten Samen, vermuthlich, weil, als ſie gebluͤhet hat-
ten, es fuͤr die Ohrwuͤrmer ſchon zu kalt geweſen war. Eben ſo
bemerkte ich, daß auch meine Sonnenblumen wenig guten Samen
angeſetzt hatten. Dieſe haͤßlichen Inſekten ſind alſo den Blumen
nicht, wie die meiſten uͤbrigen, nuͤtzlich, ſondern vielmehr hoͤchſt
ſchaͤdlich.
Helianthus. Centaurea.
Solange der Blumenknauf noch Blumen hat, ſind die Keich-
ſchuppen flach ausgebreitet, damit ſich die Randblumen auch aus-
breiten, und dem Blumen[k]nauf mehr Anſehen verſchaffen koͤn-
nen. Nach vollendetem Bluͤhen aber biegen ſich dieſelben ein-
waͤrts, und beſchuͤtzen dadurch die jungen Samen vor der Naͤſſe.
Wenn Gleditſch S. 246. ſagt, daß die Bienen, außer
Wachs und Honig, auch Kuͤtt von den Blumen holen, ſo verſteht
er durch den letztern vermuthlich die kleinen Harzkuͤgelchen, welche
man auf den Spelzen antrifft, welche zwiſchen den noch nicht
aufgebluͤheten Blumen hervorragen. Sie ſind etwa ſo groß, als
ein Nadelknopf, von Farbe weiß, aber ohne Geſchmack.
Centaurea.
Centaurea Cyanus. Kornblume. Tab. XX. 47—49.
53—55. Tab. XXI. 2. 3.
Tab. XXI. 2. Eine vergroͤſſerte Zwitterblume in natuͤrli-
cher Stellung.
3. Der oberſte Theil derſelben im Durchſchnitt.
Tab. XX. 53. Derſelbe, noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
49. Der Blumenknauf in natuͤrlicher Groͤſſe, von oben ge-
ſehen.
55. Derſelbe, nachdem die Randblumen herausgezogen
worden.
54. Der Same der Centaurea crupina, etwas vergroͤſſert.
48. Derſelbe im Durchſchnitt.
47. Derſelbe, von oben geſehen. In beiden Figuren iſt die
Saftdruͤſe punktirt.
1. Wegen der Kleinheit der Blume konnte ich die Saftdruͤſe
nicht ſehen. Es ſcheint aber mit derſelben hier eben die Bewand-
niß zu haben, wie bey dem Carduus. Dies ſchließe ich aus dem
groͤſſern Samen der Centaurea crupina, welcher eben einen ſol-
chen, obgleich weit duͤnneren, Koͤrper traͤgt, als der Same des
Carduus.
2. Der Safthalter iſt auch hier der Grund des Kronen-
ſaums.
3. Der Saft wird durch eben diejenige Einrichtung vor dem
Regen geſchuͤtzt, durch welche es bey dem Carduus geſchieht. Nur
ſind die Filamente hier nicht beynahe der ganzen Laͤnge haaricht,
ſondern ſie haben allein an Einer Stelle einen Haarbuͤſchel, Tab.
XXI. 3. Tab. XX. 53., wodurch ein haarichter Ring entſteht.
Da nun der Kronenſaum da, wo er anfaͤngt ſich zu theilen, en-
ger iſt, als weiter unten, und der haarichte Ring zunaͤchſt unter
dieſer Oeffnung ſich befindet: ſo kann kein Regentropfen zum Saft
gelangen.
4. Weil
[[203]]
Centaurea. Silphium.
4. Weil alſo die Zwitterblumen wirklich Saftblumen ſind,
und als ſolche allem Vermuthen nach von Inſekten befruchtet
werden ſollen: ſo wird man auch leicht den Nutzen der geſchlechts,
loſen und ſaftleeren Randblumen *) einſehen, wenn man einen
mit denſelben verſehenen Blumenknauf gegen einen ſolchen haͤlt,
aus welchem man dieſelben herausgezogen hat, Fig. 49. 55.
Welch ein armſeliges Anſehen hat nicht dieſer, mit jenem vergli-
chen! Dieſe Randblumen dienen alſo bloß dazu, daß der Blu-
menknauf deſto beſſer von den Inſekten von weitem bemerkt wer-
den koͤnne. Da nun die Zwitterblumen nicht alle zugleich bluͤhen,
ſondern zuerſt die aͤußerſten, und dann nach und nach die inneren:
ſo muͤſſen die geſchlechtsloſen Blumen, wenn meine Erklaͤrung ih-
res Nutzens richtig iſt, mit den zuerſt bluͤhenden Zwitterblumen
zugleich zu bluͤhen anfangen, und, obgleich dieſe verbluͤhen, den-
noch ſo lange zu bluͤhen fortfahren, als die innerſten bluͤhen.
Dieſes habe ich denn auch an der Centaurea paniculata ſehr
wohl bemerkt.
Folglich ſind die Randblumen keinesweges vergebens, wel-
ches Linné ſcheint geglaubt zu haben, da er die Ordnung, zu
welcher Centaurea gehoͤrt, Syngeneſia fruſtranea genannt hat.
Dieſe Benennung ſcheint mir daher nicht die ſchicklichſte zu ſeyn,
wie nicht weniger die beiden anderen, Syngeneſia ſuperflua und
neceſſaria. Denn erſtens enthalten ſie ein Urtheil uͤber die Zweck-
maͤßigkeit der Einrichtungen der Blumen. In der eigentlichen
Botanik aber ſollen die Pflanzen, folglich auch die Blumen, noch
nicht beurtheilt, ſondern bloß kenntlich gemacht und geordnet wer-
den. Auch ſind alle uͤbrige Benennungen, durch welche Linné
ſeine Klaſſen und Ordnungen beſtimmt hat, ſo gewaͤhlt, daß ſie
kein Urtheil in ſich enthalten, ſondern ſich bloß auf Anzahl,
Groͤſſe, Stelle, Geſtalt und dergleichen beziehen. Zweytens iſt
das Urtheil, welches jene Benennungen zu erkennen geben, noch
dazu unrichtig. Denn ſo wie in den Werken der Natur, und
alſo auch in den Blumen, nichts vergebens iſt, ſo iſt auch
nichts uͤberfluͤſſig, und man kann nicht irgend eine Einrich-
tung derſelben gleichſam ausſchließungsweiſe nothwendig nen-
nen, da ſie alle nothwendig ſind.
Silphium.
Silphium perfoliatum. Tab. VII. 11. 17. 27—29.
30. 31. 33. 34. 36. 37.
Silphium.
30. Der Blumenknauf in natuͤrlicher Groͤſſe, von oben ge-
ſehen.
17. Eine weibliche Blume, von der Seite geſehen.
27. Eine maͤnnliche Blume.
28. Dieſelbe, nachdem die Krone von dem Blumenhalter ge-
trennet und etwas in die Hoͤhe gezogen worden, wodurch die auf
dem Blumenhalter ſitzende Saftdruͤſe, welche den griffelfoͤrmigen
Koͤrper traͤgt, zum Vorſchein gekommen iſt.
29. Dieſelbe, nachdem außerdem noch der griffelfoͤrmige
Koͤrper von der Saftdruͤſe abgeloͤſet worden iſt.
11. Dieſer griffelfoͤrmige Koͤrper, noch ſtaͤrker vergroͤſſert.
31. Der ſtark vergroͤſſerte oberſte Theil des Blumenhalters
einer Zwitterblume nebſt der (punktirten) Saftdruͤſe, von der
Seite geſehen.
33. Derſelbe, von oben geſehen.
34. Der unterſte Theil einer weiblichen Blume, von innen
oder von vorne geſehen.
36. Der Fruchtknoten derſelben nebſt der (punktirten) Saft-
druͤſe.
37. Derſelbe, noch ſtaͤrker vergroͤſſert, von oben geſehen.
Die Blumenhalter der maͤnnlichen Blumen ſind weiß, und
ihre Saftdruͤſe iſt auch weiß. Die Fruchtknoten der weiblichen
Blumen ſind weiß, oberwaͤrts aber blaßgruͤn; ihre Saftdruͤſe iſt
weiß. Der Safthalter ſowohl der maͤnnlichen, als der weiblichen
Blumen iſt die Kronenroͤhre, in welcher jene mehr Saft enthal-
ten, als dieſe.
Ich glaube, daß auch dieſer Blumen Befruchtung durch die
Inſekten geſchieht. Denn da die Stigmate der weiblichen Blu-
men ziemlich verſteckt ſind (daher man dieſelben auch in Fig. 30.
nicht ſehen kann), ſo begreife ich nicht, wie der Antherenſtaub
der maͤnnlichen Blumen, beſonders der mittelſten (die in dem ab-
gezeichneten Blumenknauf noch nicht aufgebrochen ſind), auf eine
mechaniſche Art auf dieſelben ſollten gebracht werden koͤnnen.
Wenn aber ein Inſekt ſich auf den Blumenknauf geſetzt hat, ſo
leert es zuerſt die maͤnnlichen Blumen aus, weil dieſe ihm eher
in die Augen fallen, als die Kronenroͤhren der weiblichen, da ſie
hoͤher ſtehen. Und da muß es nothwendig den am griffelfoͤrmigen
Koͤrper haftenden Antherenſtaub abſtreifen. Nachdem es nun
die maͤnnlichen Blumen ausgeleeret hat, ſo verſucht es ein glei-
ches mit den Kronenroͤhren der weiblichen Blumen. Und indem
es ſeinen Saugeruͤſſel in dieſelben hineinſteckt, ſo ſtreift es den an
ſeinem Koͤrper ſitzenden Staub an die Stigmate ab.
Man kann mir nicht den Einwurf machen, daß, da die
weiblichen Blumen weit groͤſſer ſind, als die maͤnnlichen, hier
grade das Gegentheil von demjenigen Statt finden muͤſſe, was
B b
[[204]]
Silphium.
ich bey der Valeriana dioeca geſagt habe, und bey der Bryonia
alba ſagen werde. Denn hier ſind beiderley Blumen nicht von
einander entfernt, wie bey jenen, ſondern ſtehen nahe beyſam-
men. Der ganze Knauf erſcheint den Inſekten von weitem als
Eine Blume, und damit er von denſelben deſto leichter bemerkt
werden koͤnne, ſind die weiblichen Blumen ſo groß. Hat es ſich
nun auf denſelben geſetzt, ſo findet es eher die maͤnnlichen Blu-
men, als die Kronenroͤhren der weiblichen.
Die in der Scheibe befindlichen Blumen nennt Linné in
der Beſchreibung dieſer und der uͤbrigen Gattungen dieſer Ord-
nung Zwitterblumen, in der der Klaſſe vorgeſetzten Einleitung
aber maͤnnliche Blumen. Sie haben allerdings das Anſehen von
Zwitterblumen; denn der lange Koͤrper a b Fig. 27. ſcheint der
Fruchtknoten, und der oberſte Theil des griffelfoͤrmigen Koͤrpers
c e das Stigma zu ſeyn, wie Linné beide Theile nennt. Allein
1) pflegt das Stigma in dieſer Klaſſe zweytheilig zu ſeyn, welche
Geſtalt es in den weiblichen Blumen auch wirklich hat, Fig. 17.
34.; hier aber iſt es ungetheilt, und daß es kein wirkliches Stigma
ſey, zeigt der Erfolg. Denn 2) aus dem Koͤrper a b wird kein
Samenkorn. Hieraus folgt, daß derſelbe auch kein Fruchtkno-
ten ſey. Stellt man ſich die Blumen als Zwitterblumen vor, ſo
bleibt es unerklaͤrlich, warum dieſelben nicht fruchtbar ſind, un-
erklaͤrlich, daß ſie, da ſie anfangs vollkommner ſind, als die
weiblichen Blumen, ſich am Ende weit unvollkommner zeigen,
unerklaͤrlich, daß dieſe Zwitterblumen von ihrem Staube keinen
Gebrauch machen, ſondern ihn den weiblichen Blumen uͤberlaſ-
ſen. Hieraus folgt alſo, daß ſie bloß maͤnnlichen Geſchlechts
ſind. Alſo iſt der Koͤrper a b der Blumenhalter, und deswegen
ſo lang, damit die Blumen, zu der ſchon angefuͤhrten Abſicht,
hoͤher ſtehen, als die weiblichen. Und der griffelfoͤrmige Koͤrper,
deſſen oberſter Theil c e aus der Antherenroͤhre hervorragt, iſt
kein wirklicher Griffel, und der Theil d e kein Stigma; ſondern
dieſer Koͤrper dient bloß dazu, den in der Antherenroͤhre befindli-
chen Staub abzuſtreifen, an die Luft zu bringen, und den In-
ſekten, damit ſie denſelben abſtreifen, darzubieten. Er iſt deswe-
gen oberwaͤrts, ſo weit er aus der Anthere herausdringt, mit
kurzen Haaren dicht beſetzt, welche auf demſelben ſchief ſtehen, ſo
daß ſie einen ſpitzen Winkel nach oben zu mit demſelben machen,
Fig. 11. Indem alſo dieſer Koͤrper ſich aus der roͤhrenfoͤrmigen
Anthere herausdraͤngt, ſo buͤrſtet er den Staub derſelben rein ab,
und bringt ihn an die freye Luft.
Auf welche Art aber draͤngt ſich dieſer Koͤrper aus der An-
there heraus? Ich glaube, daß auch dieſes von den Inſekten
verurſacht wird, daß ſie nemlich, indem ſie in die Blume hinein-
kriechen, zugleich die ihnen im Wege ſtehende Anthere in die
Silphium. Calendula. Echinops.
Blume hineinſchieben, da denn der griffelfoͤrmige Koͤrper noth-
wendig aus der Anthere herauskommen muß, weil er etwas dicker
und ſteifer iſt, als die Filamente. Dieſe Einrichtung wuͤrde ſehr
zweckmaͤßig und wohl ausgedacht ſeyn. Der Staub befaͤnde ſich
alsdenn in der engen Antherenroͤhre, in welcher er vor aller Ver-
derbung durch den Regen geſichert waͤre, ſo lange, bis er bey
ſchoͤnem Wetter, da er ohne Schaden an die Luft kommen kann,
von einem Inſekt aus der Roͤhre herausgetrieben, vom griffel-
foͤrmigen Koͤrper abgeſtreift, und auf das Stigma der weiblichen
Blumen gebracht wuͤrde, und es wuͤrde alſo dieſe Blume in dieſem
Stuͤck der Saluia pratenſis aͤhnlich ſeyn. Hieruͤber habe ich mit
der Blume, weil mir dies erſt in der Folge eingefallen iſt, keinen
Verſuch anſtellen koͤnnen. Dieſer wuͤrde aber darin beſtehen,
daß man durch ein ſeines Netz oder Gaze einen Blumenknauf
den Inſekten unzugaͤnglich machte. Kaͤme alsdenn der griffelfoͤr-
mige Koͤrper nicht aus der Anthere heraus, ſo wuͤrde meine Ver-
muthung durch die Erfahrung beſtaͤtigt ſeyn.
Im Silphium Aſteriſcus hat Gleditſch, S. 231.,
keinen Saft gefunden.
Calendula.
Calendula officinalis. Ringelblume. Auch in die-
ſer Blume hat Gleditſch keinen Saft gefunden, S. 249.
Den Saft der Zwitterblumen habe ich deutlich geſehen. Daß
auch die weiblichen Blumen Saft enthalten, ſchloß ich daraus,
daß der unterſte Theil der Krone, wie auch der Fruchtknoten auf
der aͤußeren Seite mit Haaren uͤberzogen ſind, welche mir zur
Abhaltung der Regentropfen beſtimmt zu ſeyn ſchienen, weil der
Kelch an jenen Theilen nicht dicht anliegt, ſondern ein Zwiſchen-
raum vorhanden iſt, in welchen ein Regentropfen leicht hinein-
kommen kann.
Echinops.
Echinops Ritro. Tab. XIX. 35. Die etwas ver-
groͤſſerte Blume. Neben dieſer Figur
a. Die innere Seite des flach ausgebreiteten groͤßten Theils
des Kronenſaums.
b. Ein Theil der vorhergehenden Figur, noch ſtaͤrker ver-
groͤſſert.
c. Dieſer Theil von der Seite.
d. e. Die Saftdruͤſe, von der Seite und von oben geſehen.
1. Die Saftdruͤſe iſt der fleiſchichte gelbliche Koͤrper, welcher
oben auf dem Fruchtknoten ſitzt, und die Geſtalt eines abgekuͤrz-
ten Kegels hat. Oben hat derſelbe eine Vertiefung, in welche
der Griffel eingefuͤgt iſt.
[[205]]
Echinops. Lobelia.
2. Der Safthalter iſt der Grund des Kronenſaums.
3. Zur Beſchuͤtzung des Safts vor dem Regen dienen 1) die
Filamente, wie bey dem Helianthus annuus. 2) Jeder Aus-
ſchnitt des Kronenſaums hat an der Baſis gleichſam eine kleine
Niſche a, welche oben mit einer kleinen Ausladung oder Ueberdach
verſehen iſt, b, c. Ueber dieſer Ausladung muß ein Regentropfen,
welcher am Ausſchnitt herabgefloſſen iſt, ſtehen bleiben.
4. 5. Die Blumen haben einen angenehmen Geruch, und
werden von Fliegen, deren ich wohl zwanzig auf einem einzigen
Blumenkopf fand, Bienen und Blumenkaͤfern haͤufig beſucht.
Da hier eben ſo, wie bey dem Carduus die maͤnnlich-weib-
liche Dichogamie Statt findet, und daraus folgt, daß auch hier
die Befruchtung durch Inſekten geſchieht: ſo wollte ich mich durch
die Erfahrung hiervon noch mehr uͤberzeugen. Ich machte alſo
an dem in meinem Garten ſtehenden Exemplar eben denjenigen
Verſuch, den ich, wie oben geſagt worden iſt, mit dem Lilium
Martagon angeſtellt hatte. Ich umgab nemlich einige Blumen-
koͤpfe mit einem Beutel von Gaze; die uͤbrigen ließ ich frey ſtehen.
Allein die Ohrwuͤrmer vereitelten dieſen Verſuch, indem ſie die
Blumen gaͤnzlich verwuͤſteten, ſelbſt an denen Koͤpfen, welche ich
ſo verhuͤllt hatte, da ſie ſich in den Beutel einen Eingang zu ver-
ſchaffen gewußt hatten. Sie fraßen nicht nur die Geſchlechts-
theile, ſondern auch die Kronenſaͤume weg, ſo daß die Koͤpfe ein
elendes Anſehen hatten. Dies geſchieht alle Jahr; daher die
Pflanze noch niemals ein reifes Samenkorn hervorgebracht hat.
Lobelia.
Lobelia vrens? So nenner man wenigſtens dieſe Art
im Botaniſchen Garten zu Berlin. Ob ich gleich in der Einen
Blume, welche ich am 2ten December zu unterſuchen Gelegen-
heit hatte, keinen Saft wirklich gefunden habe: ſo laͤßt ſich doch
im geringſten nicht daran zweifeln, daß ſie eine Saftblume iſt,
da ſie alle weſentliche Theile einer ſolchen Blume hat.
1. Die Saftdruͤſe iſt nemlich der oberſte Theil des Frucht-
knotens oder der Grund des Kelchs, auf welchem die Krone ſteht.
Die Farbe derſelben iſt gelb.
2. Der Safthalter iſt der unterſte Theil der Kronenroͤhre.
3. Zum Saft kann kein Regentropfen dringen, weil die Fi-
lamente, welche von der roͤhrenfoͤrmigen Anthere zuſammengehal-
ten werden, keinen Regentropfen durchlaſſen.
4. Die Krone hat ein Saftmaal. Denn ſie iſt weiß (wegen
dieſer Farbe zweifle ich an der Richtigkeit obiger Benennung),
auf der Unterlippe aber an der Oeffnung der Roͤhre mit zwey gel-
ben Flecken geziert.
Lobelia. Viola.
Lobelia Cardinalis. Ich habe noch nicht Gelegenheit
gehabt, dieſe Blume zu zergliedern, ſondern nur zu betrachten,
da ich denn deutlich bemerkt habe, daß ſie ein maͤnnlich-weiblicher
Dichogamiſt iſt.
Viola.
Viola odorata. Blaues Veilchen. Maͤrzveilchen. Tab.
XXI. 1. 4—9. 11. 13. 14. 17. 23.
4. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
6. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
7. Dieſelbe, noch ſtaͤrker vergroͤſſert. Das vordere oberſte
und mittelſte Kronenblatt iſt ganz weggeſchnitten, und von dem
unterſten iſt genau die vordere Haͤlfte weggeſchnitten. Dadurch
ſind die Geſchlechtstheile, und zwar in ihrer natuͤrlichen Geſtalt,
zum Vorſchein gekommen.
8. Die Blume, von unten geſehen, nachdem vom Kelch
und von der Krone ſo viel weggeſchnitten worden, als die Linie
a b in Fig. 6. anzeigt.
9. Der mittelſte Theil der vorhergehenden Figur, nachdem
das umgebogene Ende des Griffels weggeſchnitten worden, wel-
ches man unter der Figur abgebildet ſiehet.
11. Die Geſchlechtstheile im natuͤrlichen Zuſtande, wie ſie
in Fig. 7. abgebildet ſind. Die beiden vorderſten Staubgefaͤße
ſind weggeſchnitten worden, wodurch das ganze Piſtill zum Vor-
ſchein gekommen iſt. Es iſt ohne Schatten gezeichnet, damit
man es beſſer erkennen koͤnne.
14. Dieſes Piſtill beſonders.
1. Das in Fig. 11. abgeriſſene mit dem Fortſatz verſehene
Staubgefaͤß von der inneren Seite.
17. Eines von den mit keinem Fortſatz verſehenen Staubge-
faͤßen von der inneren Seite. Beide Staubgefaͤße haben einen
Anſatz, welchen ich punktirt habe, um dadurch die Farbe deſſel-
ben, welche gelb iſt, anzudeuten.
23. Geſtalt der Geſchlechtstheile, wenn die Blume von einer
Biene beſucht wird. Bezieht ſich auf Fig. 7.
5. Dieſelbe, von unten geſehen. Bezieht ſich auf Fig. 8.
13. Das unterſte Kronenblatt in derjenigen Stellung, welche
es in Fig. 4. hat.
Dieſe Blume ſteht bey den Menſchen in großer Gunſt.
Dieſe Gunſt wird, hoffe ich, merklich zunehmen, ſobald man
die von mir zuerſt entdeckte vortreffliche Einrichtung derſelben
wird kennen gelernt haben.
1. Herr D.Roth hat in ſeinem in das Magazin fuͤr
die Botanik (1787. 2. St. S. 31.) eingeruͤckten Aufſatz uͤber
B b 2
[[206]]
Viola.
das Nectarium die eigentlichen Saftdruͤſen der Viola ganz richtig
angegeben. Es verſchaffte mir kein geringes Vergnuͤgen, da ich
fand, daß er hier eben ſo, als bey dem Antirrhinum Linaria,
mit mir eben dieſelbe Entdeckung gemacht hatte. Was das Veil-
chen betrifft, ſo kann ich ſeine und meine Behauptung durch einen
Umſtand, deſſen Beweiskraft ihm unbekannt geweſen iſt, nem[-]
lich durch die Farbe, beweiſen.
Die Saftdruͤſen ſind alſo die Spitzen der beiden in das Horn
des unterſten Kronenblatts ſich erſtreckenden Fortſaͤtze der unter-
ſten Staubgefaͤße. Dieſe Spitzen haben eine dunkelgruͤne Farbe,
da die Fortſaͤtze ſelbſt blaßgruͤn ſind, eben ſo, wie bey der Gen-
tiana Pneumonanthe der Fruchtknoten blaßgruͤn, die Saftdruͤſe
aber dunkelgruͤn iſt. In Fig. 1. 7. bey b und 11. iſt dieſe Farbe
durch Punkte angedeutet.
2. Der Safthalter iſt das Ende des Horns der Krone. An-
faͤnglich konnte ich mich nicht darin finden, daß ich in der Viola
canina zwar hier, aber nicht an den Saftdruͤſen, Saft fand.
Endlich aber ſahe ich ein, daß dieſes ganz natuͤrlich zugeht. Denn
das Ende des Horns hat die Geſtalt eines Gewoͤlbes, welches ſich
um die auf den Saftdruͤſen ſitzenden Safttroͤpfchen herumzieht.
Es zieht folglich dieſelben von mehreren Seiten, und alſo ſtaͤrker,
an, als die Saftdruͤſen, und die Safttroͤpfchen muͤſſen dieſem
ſtaͤrkeren Zuge folgen, und ſich von den Saftdruͤſen in das Ende
des Horns begeben. Und hier muß der Saft aus eben derſelben
Urſache hangen bleiben, und kann nicht hinab und aus der Blume
hinausfließen, welches er vermoͤge ſeiner Schwere zu thun ſtrebt.
Dies iſt ein ſehr einleuchtendes Beyſpiel von der Anziehungskraft,
welche, wie ich in der Einleitung geſagt habe, die Saftblumen
auf den Saft aͤußern.
3. Daß nun dieſer Saft gegen alle Verderbung durch den
Regen voͤllig geſichert iſt, lehrt der Augenſchein. Wenn auch
ein Regentropfen der Oeffnung des Horns ſich naͤhern ſollte, ſo
kann er doch nicht in daſſelbe hinaufſteigen. Damit aber nicht
einmal ſelbſt jenes geſchehen koͤnne, ſo haben die beiden mittelſten
Kronenblaͤtter grade da, wo es am zweckmaͤßigſten iſt, Haare,
welche man in Fig. 4. ſieht. In Fig. 7. ſind die Haare des einen
von dieſen Kronenblaͤttern bey a noch deutlicher zu ſehen. Wann
alſo einige Regentropfen auf die oberſten Kronenblaͤtter gefallen
ſind, und, nachdem ſie an denſelben herabgefloſſen ſind, ſich in
Einen Tropfen vereinigt haben, ſo muß dieſer, ſobald er dieſe
Haare erreicht hat, ſtehen bleiben. Es iſt folglich ſchlechterdings
unmoͤglich, daß zu dem Saft ein Regentropfen jemals gelangen
koͤnne.
4. Die Blume ſoll von den Bienen befruchtet werden. Da-
mit nun dieſe Inſekten ſie von weitem leicht bemerken koͤnnen,
Viola.
ſo hat ſie eine anſehnliche Krone, welche die von ihr benannte
Farbe hat, nemlich die violette. Und damit dieſer Endzweck deſto
gewiſſer erreicht werde, hat ſie auch einen ſehr angenehmen Ge-
ruch. Dieſer Geruch fehlt der Viola tricolor und canina gaͤnz-
lich. Die Urſache hievon iſt meiner Meinung nach nicht ſchwer
zu finden. Denn dieſe beiden ſitzen an aufrecht ſtehenden Sten-
geln, und machen ſich folglich ſchon durch die Groͤſſe und Farbe
ihrer Krone bemerkbar genug; unſer Veilchen hingegen ſitzt auf
einem unmittelbar aus der Wurzel entſtehenden Stiel, und wird
von den Blaͤttern der Pflanze mehrentheils verdeckt. Dem hier-
aus entſtehenden Nachtheil in Anſehung der Bemerkbarkeit wird
durch den Geruch hinlaͤnglich abgeholfen. Hat ſich nun eine
Biene, durch die Farbe der Krone und den Geruch gelockt, auf
die Blume begeben, ſo zeigt ihr das Saftmaal die Oeffnung des
Horns, als den rechten Weg zum Saft. Die violette Krone iſt
nemlich in der Mitte weißlich; und uͤber dieſe weißliche Stelle
laufen auf dem unterſten gehoͤrnten Blatt dunkelviolette Adern,
welche gegen die weißliche Farbe ſtark abſtechen, und ſich in die
Oeffnung des Horns hineinziehen. Das ganze Saftmaal zeigt
ſich in Fig. 4., die Haͤlfte deſſelben in Fig. 7. In der letzteren
Figur ſieht man, daß auch das mittelſte Kronenblatt auf der dem
unterſten benachbarten Haͤlfte einige dunkelviolette Adern hat.
In Fig. 13. ſieht man den Haupttheil des Saftmaals auf dem
unterſten Kronenblatt. Dieſe und die 8. Figur zeigen, wie ſich
dieſe Adern in die Oeffnung des Horns ein wenig hineinziehen.
Eine Biene muͤßte alſo ſo dumm als eine Fliege ſeyn, wenn ſie
nicht, ſobald ſie ſich auf eine Blume geſetzt hat, den Saft zu
finden wuͤßte.
5. Hummeln ſowohl, als Bienen beſuchen die Blume. Die
letztern ſetzen ſich zwar zuerſt auf das unterſte Kronenblatt, blei-
ben aber nicht, welches man vermuthen ſollte, auf demſelben,
ſondern laufen von da auf die oberſten Kronenblaͤtter, und krie-
chen auf denſelben in die Blume hinein, Titelbl. Fig. XI. In
dieſer Stellung koͤnnen ſie vermuthlich ihren Saugeruͤſſel beque-
mer in den Safthalter hineinſtecken, als wenn ſie auf dem unter-
ſten Kronenblatt blieben. Auch dasjenige Inſekt, deſſen ich
bey der Pulmonaria officinalis gedacht habe, beſucht die Blume,
und macht es eben ſo, als die Bienen.
Auf welche Art wird nun unſer Veilchen befruchtet?
Um dieſe Frage, welche verſchiedene Jahre hindurch fuͤr mich
ein unaußoͤslich ſcheinendes Raͤthſel geweſen iſt, gehoͤrig beant-
worten zu koͤnnen, muß ich den Leſer etwas naͤher mit dem Bau
dieſer Blume bekannt machen.
Die fuͤnf Staubgefaͤße umgeben das Piſtill, und verbergen
daſſelbe, ſo daß man weiter nichts als das umgebogene Ende des
[[207]]
Viola.
Griffels ſehen kann, Fig. 7. verglichen mit Fig. 11. Sie ſind
nicht zuſammengewachſen, beruͤhren ſich aber einander, und
ſcheinen ein einziger Koͤrper zu ſeyn. Die Filamente ſind ziem-
lich fleiſchicht; die beiden unterſten oder dem Stiel der Blume zu-
gekehrten haben einen eben ſo fleiſchichten Fortſatz, welcher ſich
in das Horn hinein erſtreckt, und deſſen Ende, wie geſagt, den
Saft abſondert. Ein jedes Filament aber hat auf ſeiner inneren
oder dem Piſtill zugekehrten Seite eine aus zwey Beuteln beſte-
hende Authere, Fig. 1. 17. In beiden Figuren ſieht man, daß
die Filamente unterwaͤrts einen (punktirten) Anſatz haben. Die-
ſer Anſatz beſteht aus einer duͤnnen, trocknen und gelben Haut,
welche einen geringen Grad von Elaſticitaͤt hat. Dieſe Anſaͤtze
aber liegen nicht nur, wie die Filamente, neben einander um
den Griffel herum, ſondern zum Theil auch uͤber einander, daß
ſie alſo noch mehr, als die Filamente, ein einziger Koͤrper zu ſeyn
ſcheinen. In Fig. 9. und 5. ſieht man, daß von dem Anſatz des
oberſten Filaments und von den Anſaͤtzen der beiden unterſten die
Anſaͤtze der beiden mittelſten zum Theil gedeckt werden, und daß
der Anſatz des einen von den unterſten Filamenten zum Theil auf
dem Anſatz des andern liegt. Es haben alſo die Staubgefaͤße,
dieſe Anſaͤtze mitgerechnet, die Geſtalt des oberſten koniſchen
Theils eines Trichters, aus deſſen unterſter Oeffnung der Griffel
hervorragt, welcher zugleich dieſe Oeffnung voͤllig ausfuͤllt und
verſtopft, Fig. 7. 8. 9. Den Theil dieſes Trichters, welcher von
den Filamenten gebildet wird, will ich den oberſten, und denje-
nigen, welcher von den Anſaͤtzen gebildet wird, den unterſten
Theil deſſelben nennen.
Der Staub, den die Antheren, nachdem ſie ſich geoͤffnet
haben, enthalten, iſt von ganz beſonderer Art. Denn da der
Staub andrer Saftblumen etwas feſt ſitzt, und ſo beſchaffen iſt,
daß er ſich mit einem etwas feuchten Mehl vergleichen laͤßt, da-
mit er nemlich nicht vom Winde weggewehet werde, oder, wenn
der Wind die Blumen ſchuͤttelt, zerſtiebe: ſo iſt im Gegentheil
der Staub des Veilchens vollkommen trocken, und haftet keines-
weges an den Beuteln, in welchen er iſt zubereitet worden, ſo-
bald ſich dieſelben geoͤffnet haben. Folglich iſt er hierin dem
Staube ſolcher Blumen aͤhnlich, welche vom Winde befruchtet
werden, obgleich dieſe Befruchtungsart hier nicht Statt findet.
Jedoch iſt er nicht ſo fein, als derſelbe, und gleicht mehr einem
Mehl, als einem eigentlichen Staube. Die Figuren 1. und 17.
zeigen, daß die beiden Beutel eines jeden Filaments zwar ober-
waͤrts und an den Seiten, keinesweges aber unterwaͤrts, wo der
Anſatz anfaͤngt, einen hervorſtehenden Rand haben. Das trockne
Staubmehl alſo wird durch nichts gehindert, aus dem oberſten
Theil des Trichters in den unterſten zu fallen. Daß aber dieſes
Viola.
geſchehen muͤſſe, ſieht man ein, wenn man theils an die ſo eben
beſchriebene Beſchaffenheit dieſes Staubes, theils aber daran denkt,
daß die Blume an dem umgebogenen Ende eines langen Stiels
ſitzt, folglich vom Winde oft genug geſchuͤttelt werden muß,
Fig. 7. Da nun die Oeffnung des unterſten Theils des Trich-
ters vom Griffel verſtopft wird, ſo kann das in dieſen Theil
hinabgefallne Staubmehl nicht durch dieſe Oeffnung hinausfallen.
Man mag die Wirkungen des Windes auf die Blume nach-
machen, ſo gut man kann, man mag in die Blume hineinblaſen,
man mag ſie ſchuͤtteln, ſo ſehr man will, ohne jedoch im letztern
Fall derſelben Gewalt anzuthun, ſo daß etwa jener Trichter ge-
druͤckt wuͤrde: ſo koͤmmt dennoch kein Koͤrnchen des Staubmehls
zum Vorſchein. Da nun die Spitze des aus dem Trichter her-
vorragenden gebogenen Endes des Griffels das Stigma iſt: ſo
muß demjenigen, welcher bloß von der mechaniſchen Befruchtung
der Blumen etwas weiß, die Einrichtung dieſer Blume ganz un-
gereimt vorkommen. Denn alle uͤbrige Theile des Piſtills wer-
den beſtaͤubt, welches nicht den geringſten Einfluß auf die Be-
fruchtung hat, und grade das Stigma iſt allein von der Beſtaͤu-
bung ausgeſchloſſen, welches doch nothwendig, wenn die Be-
fruchtung erfolgen ſoll, beſtaͤubt werden muß.
Wenn wir alſo bloß bey der mechaniſchen Befruchtungsart
ſtehen bleiben wollten, ſo wuͤrden wir glauben muͤſſen, entwe-
der, daß die Befruchtung niemals erfolge, welches doch wider die
Erfahrung ſtreitet, oder, daß die Blume, ungeachtet ſie alle zur
natuͤrlichen Befruchtung erforderliche Theile hat, bloß deswe-
gen, weil dieſe Theile ſo wunderlich und zweckwidrig angebracht
und geordnet ſind, von Gott auf eine uͤbernatuͤrliche Art und
durch ein Wunderwerk befruchtet werde. Und das heißt eben ſo
viel als, wir muͤſſen glauben, daß ſich Gott wegen des Fehlers,
den er im Bau dieſer Blume begangen habe, durch das bey jedem
Individuum zu wiederholende Wunderwerk ſelbſt beſtrafe. Wol-
len wir nun weder etwas, was exiſtirt, laͤugnen, noch behaupten,
daß etwas, was unmoͤglich iſt, exiſtirt: ſo bleibt uns weiter nichts
uͤbrig, als daß wir uns zu den Inſekten wenden. Und da die
Bienen, welche, wie wir ſchon gehoͤrt haben, dieſe Blume be-
ſuchen, uns ſchon ſo oft gute Dienſte geleiſtet haben: ſo iſt zu
hoffen, daß ſie uns auch in dieſer Noth nicht verlaſſen werden.
Das Ende des Griffels, Fig. 11. 14., iſt gebogen, und zwar
ſo, daß es mit dem Griffel einen etwas ſpitzen Winkel macht;
ſeine Baſis aber iſt etwas gekruͤmmt, und weit duͤnner, als er
uͤberhaupt iſt. Daher laͤßt er ſich ſehr leicht in die Hoͤhe biegen,
ſo daß er diejenige Stellung erhaͤlt, welche in Fig. 14. durch
Punkte angedeutet iſt. Sobald man ihn aber wieder los laͤßt,
ſo faͤllt er in ſeine gewoͤhnliche Stellung wieder zuruͤck. Geſetzt
B b 3
[[208]]
Viola.
nun, eine Biene kriecht auf den oberſten Kronenblaͤttern in die
Blume hinein, Fig. 7., Titelbl. XI., und ſteckt den Kopf in den
ziemlich weiten Zwiſchenraum zwiſchen dem Stigma und dem un-
terſten Kronenblatt (welcher in Fig. 7., weil von dem unterſten
Kronenblatt genau die Haͤlfte weggeſchnitten worden, genau zu
ſehen iſt. Man ſeh[e] auch Fig. 8.), um ihren Saugeruͤſſel in den
Safthalter hineinzuſtecken: ſo ſtoͤßt ſie mit dem Kopf den Griffel,
und vermittelſt des Griffels den Anſatz des oberſten Filaments
in die Hoͤhe. Dadurch bekoͤmmt der Trichter ein Loch, und aus
dieſem Loch faͤllt das Staubmehl heraus. Die Biene wird damit
beſtaͤubt, und muß nothwendig einen Theil des an ihrem Koͤrper
haftenden Staubmehls auf das Stigma bringen, und gleichſam
an daſſelbe anreiben, und auf ſolche Art den Fruchtknoten befruch-
ten. Dies wird man ſehr leicht einſehen, wenn man die 23. Fi-
gur mit der 7., und die 5. mit der 8. vergleicht. Nachdem ſie
den Saftvorrath verzehrt hat, ſo kriecht ſie wieder zuruͤck. Als-
denn faͤllt der Griffel wieder in ſeine gewoͤhnliche Stellung zuruͤck,
ſo auch nach und nach der Anſatz des oberſten Filaments. Die
Oeffnung des Trichters verſchließt ſich alſo nach und nach wieder,
obgleich nicht ſo dicht und feſt, als vor dem Beſuch, vermuthlich
weil bey dem erſten Beſuch die Befruchtung jederzeit unausbleib-
lich erfolgen muß.
Dieſe von mir entdeckte und beſchriebene Befruchtungsart
dieſer Blume ſetzt den Leſer in den Stand, verſchiedene die Struk-
tur derſelben betreffende Fragen zu beantworten, welche er ſonſt
unbeantwortet wuͤrde haben laſſen muͤſſen. Die leichteren Fra-
gen, welche auch bey anderen Saftblumen vorkommen, z. B.
warum die Blume Saft abſondert, warum ſie eine gefaͤrbte Krone
hat, warum ſie auf einer weißlichen Stelle dunkelfarbige Linien hat,
warum ſie mit einem ſo angenehmen Geruch begabt iſt, warum
der Saft vor dem Regen ſo wohl verwahrt iſt, will ich nicht be-
ruͤhren, ſondern nur folgende anfuͤhren. Warum ſitzt die Blume
auf einem langen aufrecht ſtehenden Stiel, der ſich aber mit ſei-
nem oberſten Ende um- und herabbiegt, Fig. 7.? Antw. Er-
ſtens, damit kein Regentropfen zum Saft gelangen koͤnne. Denn
wenn der Stiel ganz grade waͤre, die Blume folglich aufrecht
ſtuͤnde, ſo waͤre das Ende des Horns, wo der Saft ſich befin-
det, der unterſte Theil der Blume, und Regentropfen, welche
in die Blume hineinfielen, wuͤrden in das Horn hinabfließen, ſich
mit dem Saft vermiſchen, und ihn verderben. Da ſich aber der
oberſte Theil des Stiels herabbiegt, ſo haͤngt die Blume herab,
und das Ende des Horns iſt der hoͤchſte Theil derſelben, in wel-
chen kein Regentropfen hinaufſteigen kann. Zweytens damit,
wenn die Blume vom Winde geſchuͤttelt wird, welches wegen der
Laͤnge des Stiels oftmals geſchehen muß, das Staubmehl in den
Viola.
unterſten Theil des Trichters falle. Waͤre der Stiel ganz grade,
und haͤtte die Blume eine aufrechte Stellung, ſo wuͤrde der Staub
in den Theil des Trichters fallen, der alsdenn der unterſte waͤre,
d. i., in den oberſten, welchen die Filamente bilden. Wenn alſo
die Bienen die Blume beſuchten, ſo wuͤrde er hier liegen bleiben,
und niemals auf das Stigma gebracht werden. Dies ſiehet man
ein, wenn man die 7. Figur umkehrt. — Warum hat der Staub
die angefuͤhrte beſondere Beſchaffenheit, und unterſcheidet ſich ſo
ſehr von dem Staube anderer Saftblumen? A. Bey anderen
Saftblumen ſoll der Staub vom Inſekt abgeſtreift werden, darum
ſitzt er etwas feſt, damit ihn der Wind nicht wegfuͤhre. Bey die-
ſer aber ſoll er ſich in dem unterſten Theil des Trichters ſammlen,
um, wenn die Biene eine Oeffnung an demſelben macht, heraus-
fallen zu koͤnnen. Bliebe er alſo an den Antheren ſitzen, ſo
wuͤrde die Blume niemals befruchtet werden. — Warum iſt die
Baſis des Griffels ſo duͤnne? A. Damit die Biene den Griffel
deſto leichter in die Hoͤhe ſtoßen koͤnne. — Warum iſt aber dieſe
Baſis ein wenig gekruͤmmt, Fig. 11. 14., und warum macht das
umgebogene Ende des Griffels mit dem Griffel nicht einen rechten,
ſondern einen etwas ſpitzen Winkel? A. Beides dient zu eben-
demſelben Endzweck, als der vorige Umſtand. Die Direktion des
Stoßes, welchen die Biene dem umgebogenen Ende des Griffels
beybringt, iſt dem laͤngeren graden Theil des Griffels ungefaͤhr
parallel; dieſer Stoß aber ſoll den Griffel ſeitwaͤrts bewegen, alſo
nach einer Direktion, welche mit jener ungefaͤhr einen rechten
Winkel macht. Wer nun einige Begriffe von der Mechanik hat,
wird einſehen, daß dieſes nicht ſo leicht geſchehen wuͤrde, wenn
die duͤnne Baſis des Griffels grade waͤre, und das umgebogene Ende
deſſelben mit demſelben einen rechten Winkel machte. Das um-
gebogene Ende des Griffels macht aus eben der Urſache mit dem
Griffel, folglich auch mit der Direktion des Stoßes, welchen die
Biene demſelben beybringt, einen ſchiefen Winkel, aus welcher
die Oberflaͤche der Fluͤgel einer Windmuͤhle mit der Direktion des
Windes einen ſchiefen Winkel macht. Und um ein noch mehr
paſſendes Beyſpiel anzufuͤhren, welches ſich zugleich auf die ge-
kruͤmmte Baſis des Griffels bezieht, ſo ſtelle man ſich vor, da
der Griffel einige Aehnlichkeit mit einer Kruͤcke hat, es haͤtte ſich
Jemand eine Kruͤcke ganz genau nach dem Modell dieſes Griffels
machen laſſen. Schon bey dem erſten Verſuch, den er mit der-
ſelben anſtellen wuͤrde, wuͤrde ihn ſein Einfall gereuen. Denn
die Kruͤcke wuͤrde, indem er ſich auf dieſelbe ſtuͤtzte, ausweichen,
und er wuͤrde fallen. — Endlich warum liegt der haͤutige Anſatz
des oberſten Filaments zum Theil auf den Anſaͤtzen der beiden
mittelſten, Fig. 9., und warum nicht dieſe, oder einer von die-
ſen auf jenem? A. Damit er deſto leichter von der Biene
[[209]]
Viola.
vermittelſt des Griffels in die Hoͤhe geſtoßen werden koͤnne,
Fig. 5. 23.
Nun will ich erzaͤhlen, wie ich die Befruchtungsart dieſer
Blume entdeckt habe. Eine Erfahrung und ein Verſuch waren
mir im Fruͤhjahr des naͤchſtvergangenen Jahres dazu behuͤlflich.
Ich ſahe, daß die Blumen von den Bienen beſucht wurden.
Nun wollte ich die Wirkung, welche dieſelben auf den Griffel
machten, nachmachen. Denn das hatte ich mir ſchon lange vor-
her immer vorgeſtellt, daß hinter der Geſtalt des Griffels, ver-
moͤge welcher er ſo leicht kann in die Hoͤhe gehoben werden, und
hernach wieder herabfaͤllt, das ganze Geheimniß ſtecken muͤſſe.
Nach vielen fruchtloſen Bemuͤhungen fiel es mir endlich einmal
zu gutem Gluͤcke ein, bey dieſem Verſuch der abgepfluͤckten Blume
eben diejenige Stellung zu geben, welche ihr die Natur gegeben
hat. Das hieß die Sache beym rechten Ende angreifen. Denn
nachdem ich die Blume ſo weit in die Hoͤhe gehoben hatte, daß
ſie hoͤher ſtand, als meine Augen, um von unten auf in dieſelbe
hineinſehen zu koͤnnen, ſo fiel, ſobald ich mit einem duͤnnen Stoͤck-
chen den Griffel in die Hoͤhe hob, das Staubmehl, wie der
Streuſand aus einer Sandbuͤchſe, in großer Menge aus dem
Trichter heraus. Dieſe Erſcheinung, uͤber welche ich, weil ich
ſie gar nicht erwartet hatte, wirklich ein wenig erſchrack, war
fuͤr meinen Verſtand das, was in finſterer Nacht ein Wetterſtrahl
fuͤr das Auge iſt; ſie entdeckte mir auf einmal das ganze Ge-
heimniß.
Daß mir dieſer Verſuch anfangs nicht hatte gluͤcken wollen,
daran war Folgendes Schuld geweſen. Wenn man irgend eine
Sache, die man in der Hand hat, genau betrachten will, ſo haͤlt
man dieſelbe niedriger, als die Augen ſtehen, und keinem ver-
nuͤnftigen Menſchen wird es einfallen, er muͤßte denn ganz beſon-
dere Urſachen dazu haben, die Sache uͤber die Augen zu erheben,
den Kopf zuruͤckzuwerfen, und nach der Sache hinaufzuſehen.
Eben ſo hielt ich alſo auch die Blume, ſo oft ich den Verſuch mit
derſelben anſtellen wollte, weil mir der Gedanke nicht in den Sinn
kam, daß es vielleicht beſſer ſeyn wuͤrde, wenn ich mich diesmal
von meiner Gewohnheit entfernte. Nun mußte ich aber, um in
die Blume hineinſehen zu koͤnnen, dieſelbe umkehren, und ihr
eine aufrechte Stellung geben. Dadurch verurſachte ich, daß das
Staubmehl aus dem unterſten Theil des Trichters in den ober-
ſten, welcher damals der unterſte war, hinabfiel. Wann ich
alſo den Griffel zuruͤckbog, ſo brachte ich zwar dadurch die Oeff-
nung am Trichter hervor, es konnte aber unmoͤglich das Staub-
mehl herausfallen. Der Fehler alſo, den ich beging, beſtand
darin, daß ich eine Wirkung der Natur nachmachen wollte, und
doch in den Umſtaͤnden etwas aͤnderte. Daß ich aber dieſes that,
Viola.
kam daher, weil ich mich hier ſo verhielt, wie man ſich immer
verhaͤlt, und es mir nicht einmal einfiel, daß ich mich ganz an-
ders zu verhalten haͤtte.
Wenn man dieſen Verſuch anſtellen will, ſo muß man eine
Blume dazu nehmen, welche noch nicht lange gebluͤhet hat, und
noch von keiner Biene beſucht worden iſt. Jenes ſowohl, als dieſes
erkennet man daran, wenn man auf dem unterſten Kronenblatt
kein Staubmehl antrifft. Denn in einer alten Blume iſt der
Trichter nicht mehr dicht und feſt geſchloſſen, weil die Staubge-
faͤße welk ſind; er laͤßt alſo das Staubmehl herausfallen, von
welchem ein Theil auf dem unterſten Kronenblatt liegen bleibt,
und, weil er weiß iſt, leicht geſehen wird. Eben ſo bleibt, wenn
eine Biene die Blume beſucht hat, ein Theil dieſes Mehls auf
dem unterſten Kronenblatt liegen. Nach einem anhaltenden Re-
gen aber iſt dieſes Kennzeichen truͤglich; denn der Regen ſpuͤlt das
Mehl von dem Kronenblatt weg. Daß eine junge Blume von
einer Biene noch keinen Beſuch erhalten hat, ſieht man auch an
dem unterſten Theil des Trichters, wenn nemlich derſelbe ſo dicht
und feſt geſchloſſen iſt, als in Fig. 7. 8. 9. Nimmt man alſo
eine ſolche Blume, hebt ſie mit der linken Hand in die Hoͤhe,
haͤlt ſie in eben der Stellung, welche ſie von Natur hat, und
ſtoͤßt alsdenn mit der rechten Hand vermittelſt eines duͤnnen
Stoͤckchens das umgebogene Ende des Griffels zuruͤck: ſo wird
man das Staubmehl in großer Menge herausfallen ſehen.
Nicht um mich, der ich durch jenen Verſuch ſchon voͤllig uͤber-
zeugt war, ſondern meine Leſer von der Richtigkeit meiner die
Befruchtung dieſer Blume betreffenden Erklaͤrung zu uͤberzeugen,
habe ich noch folgenden Verſuch gemacht, den ein jeder leicht wi-
derholen kann. Ich naͤhete um ein Stuͤck leinener Gaze einen
ſtarken Bindfaden, band an denſelben hoͤlzerne Pfloͤcke, ſteckte
mitten durch eine Parthie Veilchen einen kleinen Pfahl, legte die
Gaze uͤber denſelben, und ſteckte die Pfloͤcke rundherum in die
Erde. Vorher hatte ich alle aufgebrochne Blumen abgepfluͤckt;
eine weit groͤſſere Anzahl war noch nicht aufgebrochen. Durch
dieſes kleine Gezelt hatte ich es den Bienen unmoͤglich gemacht,
die kuͤnftigen Blumen zu beſuchen. Dieſe konnten alſo keinen
Samen hervorbringen, wenn meine Vorſtellung von der Be-
fruchtungsart richtig iſt. Die Blumen fingen nach und nach an
aufzubrechen, obgleich etwas ſpaͤter, als ſie im Freyen wuͤrden
gethan haben, weil die Gaze die Wirkung der Sonnenſtrahlen
etwas ſchwaͤchte, und bluͤheten unter dieſem Gezelt ſehr ſchoͤn.
Ich hob daſſelbe an verſchiedenen Tagen in die Hoͤhe, beſahe die
Blumen, und fand auf dem unterſten Kronenblatt nicht ein ein-
ziges Koͤrnchen Staubmehl, grade ſo, wie ich es mir vorher vor-
geſtellt hatte, ausgenommen nach einiger Zeit bey alten Blumen,
[[210]]
Viola.
deren welk gewordene und nicht mehr dicht zuſammenſchließende
Staubgefaͤße das Mehl hatten herausfallen laſſen. Ungefaͤhr
14 Tage nach dem Ende der Bluͤhezeit nahm ich die Gaze weg,
beſahe die Blumen, und fand daß nicht eine einzige einen ver-
groͤſſerten Fruchtknoten oder eine junge Samenkapſel hatte, da
doch die meiſten von den uͤbrigen in meinem Garten ſtehenden
Blumen mit ſchon ziemlich erwachſenen Kapſeln verſehen waren.
Dieſe Erfahrung iſt ein unumſtoͤßlicher Beweis der Gewißheit
meiner Entdeckung.
Linné hat die ſehr kleinen Naͤgel, vermittelſt deren die Fi-
lamente an den Boden angewachſen ſind, und welche man in
Fig. 1. und 17. bey a ſiehet, Filamente, und was ich Filamente
und Antheren nenne, Antheren genannt. Doch dies iſt eine Klei-
nigkeit. Wichtiger aber iſt Pollichs Irrthum, welcher die
Naͤgel der Filamente uͤberſehen, die Filamente und die Antheren
fuͤr die Filamente, die haͤutigen Anſaͤtze der Filamente aber fuͤr
die Antheren gehalten hat. Er hat zwar die Antheren geſehen,
aber nicht dafuͤr gehalten. Denn von der Viola hirta ſagt er,
die Filamente haͤtten auf ihrer inneren Seite Furchen, und
von der Viola odorata, die Filamente beſtaͤnden aus zwey
Kammern. Jene Furchen aber und dieſe Kammern ſind die
Antheren. Was ihn irre gefuͤhrt hat, iſt die oben angezeigte
ungewoͤhnliche Beſchaffenheit des Staubes. Denn wenn er
die Antheren beſahe, ſo fand er keinen Staub an denſelben,
weil derſelbe ſchon in den unterſten Theil des Trichters herab-
gefallen war, oder gar, wenn die Blume von einer Biene
ſchon einen Beſuch erhalten hatte, nicht mehr vorhanden war.
Er glarbte alſo, daß dieſe Furchen oder Kammern zu den Fi-
lamenten gehoͤren, und weil die Filamente gewoͤhnlich die An-
theren auf ihrer Spitze zu tragen pflegen, ſo hielt er die haͤu-
tigen Anſaͤtze der Filamente fuͤr die Antheren, ob ſie gleich
nicht einmal das Anſehen von Antheren haben. Dieſes kam
daher, daß er glaubte, die Natur ſchneide alles nach Einem
Leiſten zu. Denn da gewoͤhnlich die Filamente die Antheren
auf ihrer Spitze tragen, ſo meinte er, daß es hier auch ſo
ſey, und bedachte nicht, daß die Natur ihre wichtige Urſachen
gehabt haben koͤnne, hier von ihrer Gewohnheit abzugehen,
und die Antheren nicht an das Ende, ſondern an die Seite
der Filamente der Laͤnge nach anzufuͤgen.
Viola tricolor. Stiefmuͤtterchen. Dreyfaltigkeitsblume.
Tab. XXI. 10. 12. 15. 16. 20.
20. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
10. Dieſelbe, von der Seite im Durchſchnitt geſehen. Die
haͤutigen gelben Anſaͤtze der Staubgefaͤße ſind hier auch punktirt.
Viola.
12. Das Piſtill. Ueber dem Stigma iſt das Stigma,
von unten geſehen, abgebildet.
15. Das in Fig. 20. linker Hand befindliche mittelſte Kro-
nenblatt, von der Seite geſehen.
16. Das unterſte mit dem Horn verſehene Kronenblatt,
von vorne geſehen.
1—3. In Anſehung der Saftdruͤſen, des Safthalters und
der Saftdecke hat dieſe Art mit der vorhergehenden eine gleiche
Einrichtung. Die Haare der mittelſten Kronenblaͤtter ſieht man
in Fig. 20. und noch deutlicher in Fig. 10. und 15. Außer-
dem aber hat auch das unterſte Kronenblatt zwey Reihen von
Haaren. Dieſe fangen ſich unmittelbar hinter der Stelle an,
wo das Stigma auf dieſem Kronenblatt anliegt. Dies ſieht
man in Fig. 16., wo das Kreuz dieſe Stelle andeutet.
In Fig. 15. ſieht man, daß der haarichte Streif des mit-
telſten Kronenblatts ſich nicht bis an den unteren Rand deſ-
ſelben, wohl aber bis an den oberen erſtreckt, und daß dieſer
obere Rand ſelbſt mit Haaren beſetzt iſt. Vergleicht man hier-
mit Fig. 20., ſo ſieht man die Urſache davon ein. So wie
das unterſte Kronenblatt vor dem Eingang in das Horn oder
vor dem Stigma kahl iſt, ſo mußten es auch die beiden mit-
telſten unterwaͤrts ſeyn, damit der Eingang den Inſekten nicht
geſperrt wuͤrde. Weiter hinauf aber und am oberen Rande
mußten ſie des Regens wegen haaricht ſeyn, und zwar letzte-
res, weil die oberſten Kronenblaͤtter in einiger Entfernung hin-
ter den mittelſten ſtehen, folglich zwiſchen die oberen Raͤnder
der letzteren, wenn dieſelben nicht mit Haaren beſetzt waͤren,
leicht ein Regentropfen hindurchdringen koͤnnte.
4. In derjenigen Varietaͤt, welche in Fig. 20. abgezeich-
net iſt, und zwar ſo, daß der Unterſchied ihrer Farben ange-
deutet iſt, ſind die beiden oberſten Kronenblaͤtter purpurfarben,
die beiden mittelſten violett, und das unterſte am Rande vio-
lett, in der Mitte aber blaßgelb. Die beiden mittelſten ſind
unmittelbar vor ihrem haarichten Streif mit einigen ſchwarzen
Linien geziert, das unterſte aber iſt vor dem Eingange in das
Horn gelb (dieſe Farbe iſt in der Figur punktirt) und mit meh-
reren und laͤngeren ſchwarzen Linien geziert. Das Saftmaal
iſt alſo auf den drey unterſten Kronenblaͤttern angebracht, weil
dieſe eigentlich den Eingang in den Safthalter bilden.
5. Fig. 12. zeiget, daß der Griffel zwar in Anſehung ſei-
ner Baſis dem Griffel der erſten Art aͤhnlich, in Anſehung
des Stigma aber von demſelben ganz verſchieden iſt. Außer
der Geſtalt unterſcheidet ſich das Stigma auch dadurch, daß
es auf dem unterſten Kronenblatt anliegt, da in der vorherge-
henden Art jenes von dieſem ziemlich weit entfernt iſt. Dies
ſieht
[[211]]
Viola.
ſieht man in Fig. 10., weil hier ebenfalls genau die vorderſte
Haͤlfte des unterſten Kronenblatts weggeſchnitten iſt. Daß je-
doch dieſes Stigma mit der Axe des Griffels nicht einen rech-
ten, ſondern einen ſpitzen Winkel macht, ſieht man in dieſer,
und noch deutlicher in der 12. Figur. Alſo findet hier eben
derſelbe Mechanismus Statt, welchen wir bey der erſten Art
bemerkt haben, und wahrſcheinlich zu eben demſelben Endzweck,
als bey jener.
In der Wahlboomſchen Diſſertation wird von dieſer
Art geſagt, das Stigma ſey anfangs weiß; wann aber die An-
theren ihren Staub fortgeworfen haͤtten, ſo erhalte es, von
dieſem Staube angefuͤllt, eine dunkle Farbe. Ich begreife aber
nicht, wie die Antheren ihren Staub ſollten fortwerfen koͤnnen,
wie ſie ihn mit ſolcher Kraft und, moͤchte ich ſagen, ſo ge-
ſchickt ſollten fortwerfen koͤnnen, daß er auf das Stigma fallen
muͤßte. An die mechaniſche Befruchtungsart iſt hier ſchlechter-
dings nicht zu denken, ſondern auch dieſe Blume wird von
den Inſekten befruchtet. Von welchen aber, und wie, das iſt
eine andere Frage.
Die Blume wird von Blaſenfuͤßen haͤufig beſucht. Des-
wegen habe ich ehemals geglaubt, daß ſie auch von dieſen In-
ſekten befruchtet werde. Dieſer Meinung iſt der Umſtand guͤn-
ſtig, daß das Stigma unmittelbar auf dem unterſten Kronen-
blatt anliegt. Denn dieſes ſcheint dahin zu zielen, daß ein
ſehr kleines Inſekt unter dem Stigma weg in das Horn hinein-
kriechen ſolle, da es denn nothwendig den Griffel aufheben
muß, wodurch der unterſte Theil des Trichters eine Oeffnung
bekoͤmmt, und das in demſelben befindliche Staubmehl heraus-,
und auf den Koͤrper des Inſekts faͤllt. In dieſer Meinung
ward ich durch eine Beobachtung beſtaͤrkt, aus welcher ich
ſchloß, daß die Bienen die Blume nicht beſuchen, folglich nicht
zur Befruchtung derſelben beſtimmt ſeyn koͤnnen. Auf einem
noch nicht umgegrabenen Stuͤck Lgndes eines Gartens bluͤhete
dieſelbe ſehr haͤufig zwiſchen dem noch haͤufigeren Lamium pur-
pureu[m] Dieſes ward von den Bienen beſucht: kamen ſie
aber an ein Stiefmuͤtterchen, ſo ſahen ſie es einen Augenblick
an, ſchienen ſich aber ſogleich eines andern zu beſinnen, flogen
davon, und begaben ſich wieder auf das Lamium. Im ver-
gangenen Sommer aber bemerkte ich, daß die auf einem Acker
ſtehende kleinere Varietaͤt, welche einige Schriftſteller fuͤr eine
beſondere Art halten, und Viola aruenſis oder bicolor nen-
nen, von einer Biene beſucht ward. Dieſe Erfahrung lehrte
mich alſo, daß meine auf die erſte Beobachtung ſich gruͤndende
Vorſtellung irrig war, und daß die Bienen die Blume bloß
deswegen unbeſucht gelaſſen hatten, weil ihnen das Lamium
Viola.
purpureum angenehmer war, und ſie gern bey Einer Art zu
bleiben pflegen. Ich glaube alſo, daß auch dieſe Blume von
den Bienen befruchtet wird.
Viola paluſtris. Titelk. XVI. Auf dem unterſten
Kronenblatt das Saftmaal. Dieſe Art ſitzt, wie Viola odo-
rata, auf einem aus der Wurzel entſtehenden Stiel, und hat
doch keinen Geruch; woraus zu folgen ſcheint, daß dasjenige,
was ich oben von dem Geruch des Maͤrzveilchens geſagt habe,
ungegruͤndet ſey. Durch dieſen Mangel aber wird die Bemerk-
barkeit der Blume ungeachtet ihres niedrigen Standes nicht
verhindert. Ich fand ſie am Ende des Aprils auf einer Wieſe,
und ein jedes Individuum fiel mir ſehr leicht in die Augen.
Denn die Wieſe hatte beynahe noch eben das Anſehen, wel-
ches ſie im vorhergehenden Herbſt durch das Abmaͤhen erhal-
ten hatte. Das Gras war noch ſehr kurz, und hie und da
bluͤhete ein ſehr niedriges Riedgras. Auch waren der Blume
die Blaͤtter ihrer eigenen Pflanze nicht hinderlich; denn ſie ka-
men erſt aus der Wurzel hervor, und waren noch ſehr klein.
Als ich den Griffel in die Hoͤhe hob, fiel eine anſehnliche
Menge Staubmehl aus dem Trichter heraus.
Viola canina. Hundsveilchen. Tab. XXI. 18. 19.
21. 25.
19. Die noch nicht reife Samenkapſel in natuͤrlicher Groͤſſe
und Stellung.
21. Dieſelbe in natuͤrlicher Stellung, nachdem ſie reif ge-
worden und aufgeplatzt iſt.
18. Dieſelbe, von oben geſehen, nachdem ſie ungefaͤhr die
Haͤlfte ihrer Samenkoͤrner herausgeworfen hat.
25. Dieſelbe, nachdem ſie alle Samenkoͤrner herausgewor-
fen hat.
Ich machte den bey der erſten Art angefuͤhrten Verſuch
mit verſchiedenen Blumen, welche ich in der Heide antraf; ich
ſahe aber kein Staubmehl herausfallen. Endlich nahm ich eine
Blume, welche ein recht friſches Anſehen hatte. Aus dieſer
fiel eine ziemliche Menge blaßgelben Staubmehls heraus. Als
ich die Staubgefaͤße abloͤſete, ſo fand ich, daß bloß die beiden
oberſten ſich erſt geoͤffnet hatten. Dieſe Blume war alſo ver-
muthlich erſt am Morgen deſſelben Tages aufgebluͤhet. Dieſes
erinnert mich, zu demjenigen, was ich oben von der zu dieſem
Verſuch anzuſtellenden Auswahl der Blumen geſagt habe, noch
hinzuzufuͤgen, daß es ſich zuweilen treffen kann, daß man eine
junge und von keiner Biene beſuchte Blume nimmt, aus deren
Trichter dennoch kein Staubmehl herausfaͤllt, wenn nemlich die-
ſelbe erſt vor kurzem aufgebrochen iſt, und die Antheren ſich
noch nicht geoͤffnet haben.
C c
[[212]]
Viola.
Die Blume wird von Blaſenfuͤßen haͤufig beſucht, deren ich
in einem Exemplar wohl ſechs fand; indeſſen glaube ich nicht,
daß ſie von dieſen, ſondern von groͤſſeren Inſekten befruchtet
wird.
Wann die Blume verbluͤhet iſt, ſo aͤndert der Stiel ſeine
Geſtalt nicht, bis die Frucht voͤllig reif geworden iſt. Wann
dieſes geſchehen iſt, ſo ſtreckt er ſich grade, und die Frucht ſteht
aufrecht: Bey ſchoͤnem warmen Wetter, beſonders in den Mit-
tagsſtunden, platzt dieſelbe auf, und theilt ſich in drey nachen-
foͤrmige inwendig glatte horizontal ſtehende Valveln, deren jede
eine Anzahl glatter Samen enthaͤlt. Je mehr dieſe Valveln von
der Sonnenhitze ausgetrocknet werden, eine deſto ſtaͤrkere Kraft
bekommen ſie, ſich zu ſchließen, deſto ſtaͤrker druͤcken ſie folglich
die Samen. Sie ſprengen alſo mit ziemlicher Kraft und mit ei-
nem kleinen Schall ein Samenkorn nach dem andern heraus,
und binnen einer halben Stunde iſt die Kapſel leer. Daß ſowohl
die Valveln inwendig, als auch die Samenkoͤrner glatt ſeyn muͤſ-
ſen, ſieht ein jeder leicht ein. Eben ſo leicht begreift man,
warum ſich der Fruchtſtiel zuletzt grade ſtreckt. Denn die daraus
entſtehende horizontale Stellung der Valveln iſt grade diejenige,
in welcher dieſelben die Samenkoͤrner am weitſten fortſchleudern
koͤnnen. Bliebe hingegen der Stiel oberwaͤrts gekruͤmmt, ſo haͤt-
ten die Valveln zwar auch eine faſt horizontale Stellung; weil
ſie aber alsdenn ihre Oeffnung der Erde zukehrten, ſo waͤre dieſes
die zweckwidrigſte Stellung, die ſie nur immer haben koͤnnten.
Denn in dieſem Fall wuͤrden die Samenkoͤrner mit einer gewiſſen
Kraft in einer faſt perpendikulaͤren Direktion auf die Erde gewor-
fen, und folglich nicht weiter von der Pflanze entfernt werden,
als wenn ſie herausfielen, und jene Kraft wuͤrde alſo ganz ver-
gebens ſeyn. In dem erſten wirklich exiſtirenden Fall aber
werden ſie in die Hoͤhe geſchleudert, und fallen hierauf wieder
herab, ſo daß ſie durch ihre Bewegung einen Bogen beſchreiben;
ſie werden folglich von der Mutterpflanze weit entfernt.
Viola mirabilis. Dieſe Art habe ich noch nicht zu ſehen,
viel weniger zu beobachten Gelegenheit gehabt, welches ich, we-
Viola. Impatiens.
gen ihrer ganz beſonderen Einrichtung, ſehr wuͤnſchte. Sie un-
terſcheidet ſich nemlich von allen ihren Mitarten dadurch, daß
ihre am Stengel befindliche Blumen keine Krone haben, und
Samen tragen, hingegen die an der Wurzel befindlichen Blumen
eine Krone haben, aber keinen Samen hervorbringen. Dieſe
ſind alſo maͤnnlichen, jene vermuthlich weiblichen Geſchlechts.
Dieſe Blumen beſtaͤtigen alſo auf eine auffallende Art dasjenige,
was ich oben bey der Valeriana dioeca geſagt habe. Denn da
die maͤnnlichen Blumen eine Krone haben, die weiblichen aber
nicht, ſo begeben ſich die Inſekten natuͤrlicherweiſe zuerſt auf
jene, weil dieſelben ihnen ſtaͤrker in die Augen fallen, und dann
auf dieſe, und befruchten auf ſolche Art die letzteren mit dem aus
den erſteren mitgebrachten Staube.
Impatiens.
Impatiens Balſamina. Balſamine.
1. 2. Das Horn, in welches ſich der duͤtenfoͤrmige Koͤrper
endigt, iſt nicht nur der Safthalter, ſondern ſein Ende iſt auch
die Saftdruͤſe. Denn daſſelbe iſt ſchwielicht, und auswendig,
noch mehr aber inwendig gelb.
4. Das Saftmaal iſt der gelbe Fleck, mit welchem die innere
Seite des duͤtenfoͤrmigen Koͤrpers in der Mitte geziert iſt. Wenn
man in die Blume hineinſieht, ſo faͤllt einem derſelbe ſogleich in
die Augen. Dieſes Saftmaal iſt nun zwar an der ſchicklichſten
Stelle angebracht; indeſſen iſt doch das ſonderbar, daß es ſich
nicht bis an die Oeffnung des Horns erſtreckt, wie man wegen
der gewoͤhnlichen Einrichtung anderer Saftblumen erwarten ſollte,
ſondern nur ein kleiner iſolirter Fleck iſt.
5. Die Blume wird von Blaſenfußen, desgleichen von Hum-
meln beſucht. Daß ſie von den letzteren befruchtet werde, daran
zweifle ich um ſo viel weniger, da auch bey ihr, wenn ich nicht
ſehr irre, die maͤnnlich-weibliche Dichogamie Statt findet. Ich
hatte nur Gelegenheit einige bluͤhende Pflanzen fluͤchtig zu betrach-
ten, und fand, daß die unterſten aͤlteren Blumen die Staubge-
faͤße verloren hatten. [...]
[[213]]
Orchis.
Zwanzigſte Klaſſe.Gynandria.
Zwitterblumen, deren Staubgefaͤße auf dem Piſtill ſitzen.
Orchis.
Orchis latifolia (folio maculato). Tab. XXI. 31.
36—39.
38. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen. Neben dieſer Figur a ein Staubkoͤlbchen.
39. Dieſelbe, von der Seite geſehen.
31. Dieſelbe, nachdem die Unterlippe nebſt der vorderſten
Haͤlfte des Horns weggeſchnitten worden.
36. Dient zur Erlaͤuterung der 31. und 38. Figur. a b und
g ſind die Faͤcher, in welchen die beiden Staubkoͤlbchen verbor-
gen und vor dem Regen wohl verwahrt liegen. Ein ſolches
Staubkoͤlbchen beſteht aus dem Koͤlbchen ſelbſt, einem Kuͤgelchen,
und einem Faden, welcher beide mit einander verbindet, Fig.
38. a. Das Fach a b hat ſein Staubkoͤlbchen noch, und das Kuͤ-
gelchen b ragt aus demſelben hervor. Daß dieſes hier, nicht aber
in Fig. 31. und 38. geſehen wird, koͤmmt daher, daß hier das
kleine Klaͤppchen f umgeſchlagen worden iſt, welches in jenen Fi-
guren in ſeiner natuͤrlichen Stellung ſich befindet, und die beiden
Kuͤgelchen verdeckt. Das andere Fach g hat ſein Staubkoͤlbchen
verloren. Daſſelbe klebt an dem mit einer klebrichten Feuchtigkeit
uͤberzogenen Stigma b h c i rechter Hand, und e iſt ſein Kuͤ-
gelchen.
37. Die Blume, von der Seite geſehen, nachdem die vor-
derſte Haͤlfte derſelben weggeſchnitten worden. a b iſt das noch
vorhandene Fach, und b das Kuͤgelchen. Das ganze Klaͤppchen
iſt weggeſchnitten. Was zwiſchen b und c punktirt iſt, iſt die
Haͤlfte des Stigma. d iſt das Innere des Fruchtknotens, wel-
ches mit den jungen Samenkoͤrnern angefuͤllt iſt. Man ſieht,
daß daſſelbe mit dem Stigma in Verbindung ſteht, und daß bey
e die Oeffnung iſt, durch welche das befruchtende Weſen des
Staubes in das Ouarium dringt.
Gegenwaͤrtige Art hat mir zuerſt Gelegenheit gegeben, die
eigentliche Struktur der Orchisblumen zu entdecken, welche man
bisher ſo wenig gekannt hat, daß man auch nicht einmal gewußt
hat, was das Stigma iſt. Linné hat nemlich das kleine Klaͤpp-
Orchis.
chen f Fig. 36. fuͤr das Stigma gehalten *). Was Koͤlreuter
fuͤr das Stigma gehalten habe, wird in der Folge geſagt werden.
Den Theil b h c i hatte ich ſonſt fuͤr die Saftdruͤſe gehalten,
weil er mit einer gewiſſen Feuchtigkeit uͤberzogen iſt. Schon der
einzige Umſtand, daß dieſe Feuchtigkeit klebricht iſt, haͤtte mich auf
andere Gedanken bringen ſollen. Indem ich nun dieſen Theil
einſtmals genau betrachte, ſo ſehe ich, daß ein Staubkoͤlbchen in
Geſtalt eines koͤrnichten Weiſens an demſelben klebt. Ich durch-
ſuche die beiden Faͤcher, und finde, daß das eine von den Staub-
koͤlbchen fehlt, welches alſo eben dasjenige war, welches auf der
klebrichten Stelle ſaß. Nachdem ich ein aͤhnliches in mehreren
Blumen gefunden habe, ſo mache ich den Schluß, daß dieſe
klebrichte Stelle das wahre Stigma ſey. Aber wie kommen denn
die Staubkoͤlbchen auf dieſes Stigma? frage ich mich ſelbſt.
Denn daß ſie von ſelbſt aus ihren Faͤchern ſollten herausfallen
koͤnnen, oder daß der Wind ſie ſollte herauswehen koͤnnen, daran
iſt nicht zu denken. Ich nehme alſo einen duͤnnen Grashalm,
oder was es ſonſt war, beruͤhre damit das unterſte Ende der bei-
den Faͤcher, und ſehe voller Verwunderung, daß ich damit ein
kleines Klaͤppchen zuruͤckſtoße, und ein Staubkoͤlbchen heraushole.
Ein ſolches Koͤlbchen liegt zwar in ſeinem Fach wohl verſchloſſen;
es iſt aber nirgends angewachſen, ſondern ganz iſolirt. Eine An-
there iſt es zwar; einen Staubbeutel aber kann man es nicht nennen,
da es nicht eine Haut um ſich hat, ſondern aus lauter Staube be-
ſteht. Es haͤngt an einem Faden, und dieſer Faden wieder an
einem Kuͤgelchen, welches nicht im Fach eingeſchloſſen liegt, ſon-
dern ſich außerhalb deſſelben befindet, aber dennoch nicht in die
Augen faͤllt, weil es von dem Klaͤppchen verdeckt wird. So wie
ich alſo mit dem Grashalm dies Klaͤppchen zuruͤckgeſtoßen hatte,
ſo war das Kuͤgelchen von jenem beruͤhrt worden, und war an
demſelben kleben geblieben; folglich mußte, als ich mit dem Gras-
halm eine kleine Bewegung machte, das Staubkoͤlbchen aus dem
Fach herauskommen.
C c 2
[[214]]
Orchis.
Nun fiel auf einmal der Vorhang, der mir bisher die Struk-
tur dieſer Blume verdeckt hatte. Ich ward uͤberzeugt, daß die
Blume von Inſekten befruchtet werden muͤſſe, und zwar ſo,
daß dieſelben, indem ſie in das Horn hineinkriechen wollen,
das Klaͤppchen zuruͤckſtoßen, ein Staubkoͤlbchen aus dem Fach
herausziehen, und, ſobald daſſelbe das klebrichte Stigma be-
ruͤhrt, es wieder verlieren, und an demſelben ſitzen laſſen, wo-
durch der Fruchtknoten befruchtet wird.
Ich habe mir zwar viel Muͤhe gegeben, die Natur auf
der That zu ertappen, und es mit anzuſehen, wie ein Inſekt
die Blume befruchtet; es hat mir aber nicht gluͤcken wollen.
Blaſenfuͤße krochen nach ihrer Gewohnheit allenthalben umher,
keiner aber zog jemals ein Staubkoͤlbchen heraus. In einer
Blume aber ſah ich auf dem Stigma eine todte Fliege und
neben ihr ein Staubkoͤlbchen kleben. Dieſe hatte alſo daſſelbe
aus dem Fach herausgezogen, und auf das Stigma geſchleppt,
und war ſelbſt daruͤber kleben geblieben. Sowohl aus dieſer
Erfahrung, als auch aus demjenigen, was ich an der Serapias
latifolia und Ophrys ouata bemerkt habe, ſchließe ich, daß
dieſe Blume von Fliegen befruchtet wird. Bienen oder Hum-
meln habe ich noch nie auf dergleichen Blumen angetroffen.
Das Horn ſollte eigentlich die Saftdruͤſe und der Saft-
halter zugleich ſeyn; ich habe aber niemals, ob ich gleich ſehr
viele Blumen durchſucht habe, Saft in demſelben angetroffen.
Dieſen ſollte man nun allerdings erwarten, vorzuͤglich, da auch
im Uebrigen die Blume ſo gebauet iſt, wie es eine Saftblume
ſeyn muß. Denn daß in das Horn ſo leicht kein Regentropfen
hineinkommen koͤnne, da die Oeffnung deſſelben durch die drey
mittelſten Blaͤtter des Helms oder der Oberlippe der Krone ge-
ſchuͤtzt wird, ſieht man in Fig. 38. 39. Auch hat die Blume
ein Saftmaal. Denn die Krone iſt purpurfarben; die beiden
Seitenblaͤtter des Helms aber, und vorzuͤglich die Unterlippe
ſind mit dunkelpurpurfarbenen Linien und Flecken geziert, welche
auf der letzteren ſich in die Oeffnung des Horns hineinziehen.
Die drey mittelſten Blaͤtter des Helms aber ſind nicht ſo ge-
ziert, weil ſie nicht ſo in die Augen fallen, als jene Theile,
Fig. 38. 39. Daß aber das Horn keinen Saft enthalten
koͤnne, folgt ſchon daraus, daß es inwendig mit kurzen Haa-
ren dicht uͤberzogen iſt. Denn ein Safthalter muß kahl und
glatt ſeyn.
Warum hat nun die Natur dieſe Blume, der ſie voͤllig
das Anſehen und die Einrichtung einer Saftblume gegeben
hat, dennoch nicht mit Saft verſehen? Warum iſt dieſe
Blume eine Scheinſaftblume? Dieſe Frage koͤmmt mir
jetzt nicht ſo leicht zu beantworten vor, als ehemals. Ich
Orchis.
glaubte nemlich, daß es bey dieſer Blume bloß darauf angeſe-
hen ſey, daß eine Fliege, durch den Schein getaͤuſcht, ſich in
dieſelbe hineinbegeben, und, nachdem ſie ein Staubkoͤlbchen
herausgezogen haͤtte, und nun weiter kroͤche, mit ſamt demſel-
ben an dem Stigma kleben bleiben ſollte. Da nun auf ſolche
Art die Befruchtung auch ohne Saft erfolgen muͤßte, ſo haͤtte
die Natur, welche nichts uͤberfluͤſſiges thut, auch keinen Saft
in der Blume hervorgebracht. Nach dieſer Vorſtellung opfert
nun zwar der Schoͤpfer das Leben dieſer Fliegen der Befruch-
tung dieſer Blumen auf; ich glaubte aber, daß er dieſes mit
eben dem Recht thue, mit welchem er verſchiedene Thiere den
fleiſchfreſſenden Thieren aufopfert. Nachdem ich aber entdeckt
hatte, daß die Natur zwar gewiſſe kleine Fliegen durch das
Anſehen der gemeinen Oſterluzey anreizt, in dieſelbe hinein-
zukriechen, und, wenn ſie hineingekrochen ſind, ſie ſo lange
eingeſperrt und gefangen haͤlt, bis ſie die Blume befeuch-
tet haben, alsdann aber ſie wohlbehalten wieder heraus-
laͤßt: ſo vermuthete ich, daß ſie bey der Orchis ſich eben ſo
wenig unbarmherzig gegen die Fliegen bezeige, als bey der
Oſterluzey. Ich begab mich daher nach einer Wieſe, wo dieſe
Blume haͤufig ſtand, und bemerkte, daß in vielen Blumen ein
oder beide Staubkoͤlbchen am Stigma klebten, welche nicht an-
ders als durch Fliegen auf daſſelbe gebracht ſeyn konnten, daß
aber nur in Einer oder zweyen eine Fliege am Stigma klebte.
Nach meiner ehemaligen Vorſtellung aber mußte der letztere
Fall nicht der ſeltenſte, ſondern im Gegentheil der am oͤfterſten
vorkommende ſeyn. Es iſt mir alſo unbegreiflich, warum die
Blume keinen Saft hat, da es mir ſehr zweckmaͤßig zu ſeyn
ſcheint, daß ſie Saft bereite, damit die Fliegen, wenn ſie den-
ſelben in einer Blume gefunden haben, dadurch bewogen wer-
den, mehrere Blumen zu beſuchen und zu befruchten.
Orchis Morio. Titelk. Fig. X. (Auf der Unterlippe
iſt das Saftmaal deutlich zu ſehen.), und O. militaris.
Fig. VII.
Dieſe Arten ſind, wie die vorhergehende, Scheinſaftblu-
men. Ihr Horn iſt kurz und weit, enthaͤlt aber keinen Saft.
Mit der uͤbrigen Einrichtung derſelben hat es gleiche Bewandt-
niß. In verſchiedenen Blumen habe ich die Staubkoͤlbchen
ſehr deutlich auf dem Stigma kleben geſehen.
Daß in den Scheinſaftblumen die Befruchtung oͤfters fehl-
ſchlage, beweißt Orchis militaris. Ich fand am Ende des
Juny auf einer Wieſe fuͤnf Pflanzen, deren Blumen ſaͤmtlich
ſchon vor einigen Wochen abgebluͤhet haben mußten, indem die
Samenkapſeln ſchon ſehr groß waren. Die erſte von denſelben
hatte 27 Blumen gehabt, von welchen nur drey eine Samen-
[[215]]
Orchis.
kapſel angeſetzt hatten, die zweyte hatte 26 Blumen und 7
Kapſeln, die dritte 42 Blumen und 12 Kapſeln, die vierte 30
Blumen und 6 Kapſeln, die fuͤnfte 13 Blumen und 3 Kapſeln.
Mit der Orchis conopſea hingegen, welche ich auch daſelbſt
fand, verhielt es ſich ganz anders. Die wenigſten Blumen bluͤ-
heten noch; die mehreſten waren verbluͤhet, und hatten ſchon
große Samenkapſeln angeſetzt. Dieſe waren nun faſt alle von
guter Beſchaffenheit, und der mißgerathenen waren ſehr wenige.
Orchis bifolia. Wohlriechendes Knabenkraut. Tab.
XXI. 29. Weil ich anfangs denjenigen Theil, von welchem ich
hernach eingeſehen habe, daß er das Stigma iſt, wie ich bey der
Orchis latifolia geſagt habe, fuͤr die Saftdruͤſe hielt: ſo ſchien
mir dieſe Blume dem Antirrhinum Linaria darin aͤhnlich zu ſeyn,
daß der Saft nicht vom Horn ſelbſt bereitet wuͤrde, ſondern von
der an der Oeffnung deſſelben befindlichen Saftdruͤſe in daſſelbe
hineinfloͤſſe. Da ich nun, wenn ich die Blume gegen das Son-
nenlicht hielt, bey b eine dunkle Linie ſah, ſo glaubte ich, daß
auch hier das Ende des Horns c b Luft enthalte, der Saft aber
zwiſchen b und der Krone befindlich ſey. Daß ich mich hierin
irrte, haͤtte ich ſchon daraus ſchließen koͤnnen, daß ich zwiſchen
b und der Krone nicht noch eine helle oder dunkle Linie bemerkte.
Ich fing alſo von b an das Horn zuſammenzudruͤcken, und fuhr
damit ununterbrochen fort bis an die Krone. Nun ſahe ich in
die Blume hinein, fand aber vor der Oeffnung des Horns keinen
Saft. Ich ſahe alſo ein, daß zwiſchen b und der Krone Luft,
in b c aber der Saft ſey, welchen ich auch, als ich das Horn
aufſchnitt, hier wirklich fand.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der hin-
terſte Theil des Horns.
3. Daß zu dieſem Saft unmoͤglich ein Regentropfen kommen
koͤnne, lehrt der Augenſchein.
4. Die Krone iſt weiß; die ſchmale und lange Unterlippe
aber iſt ein wenig gruͤn, woraus man ſchließen ſollte, daß die
Blume eine Tagesblume iſt. Nun riecht ſie aber bey Tage nicht
ſonderlich, des Nachts aber vortrefflich; woraus zu folgen ſcheint,
daß ſie eine Nachtblume iſt. Um mich hieruͤber durch die Erfah-
rung belehren zu laſſen, habe ich vier in meinem Garten befind-
liche Pflanzen die ganze Bluͤhezeit hindurch beobachtet. Die er-
ſten Blumen brachen zwar des Abends auf; an den uͤbrigen aber
bemerkte ich eine große Unbeſtimmtheit in Anſehung der Zeit des
Aufbrechens. Die Beobachtung wurde dadurch erſchwert und
ungewiß gemacht, daß die Blumen nicht in kurzer Zeit, wie z. B.
Oenothera biennis, ſondern ſehr langſam aufbrachen, und da-
mit viele Stunden zubrachten.
Orchis. Ophrys.
5. In einer Blume fand ich, als ich ſie gegen das Sonnen-
licht hielt, bey a einen dunklen Fleck. Als ich das Horn aufſchnitt,
ſahe ich, daß es ein Blaſenfuß war. In einer andern fand ich
im hinterſten Theil des Horns eine todte Fliege. Dieſe kleine
Inſekten ſind groß genug um die Blume zu befruchten; es kann
aber auch von einem mit einer langen Zunge verſehenen Nacht-
ſchmetterling geſchehen.
Orchis conopſea. Dieſe Art hat mit der vorherge-
henden eine aͤhnliche Einrichtung. Sie ſcheint eine Nachtblume
zu ſeyn, da ihre purpurfarbene Krone kein Saftmaal hat. Sie
hat einen Geruch, der aber nicht ſo angenehm iſt, als bey der
vorhergehenden. Die Kuͤgelchen der Staubkoͤlbchen liegen in die-
ſer und der vorhergehenden Art bloß, wie in der Serapias lati-
folia, und werden nicht von einem Klaͤppchen verdeckt.
Ophrys.
Ophrys ouata. Zweyblatt. Titelk. Fig. II. XXVIII.
XXVIII. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung,
von vorne geſehen. Auf der Unterlippe ſieht man den groͤßten
Theil der Saftdruͤſe, welcher punktirt iſt. Nicht weit uͤber der-
ſelben ſieht man den vorderſten unbedeckten Theil der zuſammen-
gewachſenen Staubkoͤlbchen, welcher weiß geblieben iſt, damit
man ihn beſſer erkenne. Unmittelbar unter demſelben iſt das mit
einer klebrichten Feuchtigkeit uͤberzogene Stigma punktirt *).
Zwiſchen demſelben und der Saftdruͤſe iſt ein ſchmaler trockner
Zwiſchenraum.
II. Dieſelbe wird von einer Schlupfwespe (Ichneumon)
beſucht.
1. 2. Die Unterlippe iſt in der Mitte der halben Laͤnge nach
etwas fleiſchicht, und hat daſelbſt eine ſchwache Furche, welche
den Saft zugleich abſondert und enthaͤlt. Den Saft kann man
mit bloßen Augen ſehr deutlich ſehen.
3. Das Gewoͤlbe, welches die fuͤnf oberſten Kronenblaͤtter
bilden, ſchuͤtzet nicht nur die Staubkoͤlbchen, ſondern auch die
Saftdruͤſe vor der Naͤſſe.
4. Die fuͤnf oberſten Kronenblaͤtter ſind gruͤn; die herabhan-
gende Unterlippe aber iſt gelblichgruͤn. Der Geruch fehlt.
Mit den Staubkoͤlbchen verhaͤlt es ſich hier ungefaͤhr ſo,
als bey der Serapias latifolia. Sie ſind zuſammengewachſen,
und liegen dem hinterſten groͤſſern Theil nach verdeckt, in Anſe-
hung des vorderſten Theils aber frey. Doch haben ſie kein Kuͤ-
gelchen, aber die Spitze des vorderſten Theils iſt klebricht.
C c 3
[[216]]
Ophrys.
5. Im Fruͤhjahr des naͤchſtvergangenen Jahrs fand ich in
der Heide vier Pflanzen beyſammen, welche ich ausgrub, und in
meinen Garten verpflanzte, um in der Folge die Blumen mit
Bequemlichkeit beobachten zu koͤnnen. In der letzten Haͤlfte des
Mays fingen ſie an zu bluͤhen. Als ich in der Mittagsſtunde ei-
nes ſchoͤnen warmen Tages die Pflanzen beſahe, ſo fand ich auf
einer von denſelben eine kleine Schlupfwespe, welche an ihrem
Kopf ein Staubkoͤlbchenpaar ſitzen hatte. Sie ſchien mit dieſem
ungeſuchten Kopfſchmuck ſehr unzufrieden zu ſeyn; denn ſie gab
ſich alle Muͤhe, denſelben mit den Vorderbeinen abzuſtreifen,
wiewohl vergebens. Ich fing ſie, um ſie abzuzeichnen. Bald
darauf ſahe ich ein aͤhnliches, aber groͤſſeres Inſekt auf einer an-
deren Pflanze, welches zwey Staubkoͤlbchenpaare an ſeinem Kopf
ſitzen hatte. Nun hatte ich ein großes Verlangen, es mit anzu-
ſehen, auf welche Art ein ſolches Inſekt zu dieſem Kopfſchmuck
kaͤme. Am folgenden Tage alſo beſahe ich wieder in der Mittags-
ſtunde bey gleicher Witterung meine Pflanzen, und fand auf den-
ſelben ein aͤhnliches Inſekt. Es ſetzte ſich jedesmal auf die Un-
terlippe einer Blume, und zwar ſo, daß es den unterſten Theil
der Saftdruͤſe ablecken konnte. Dann kroch es nach und nach
immer weiter hinauf bis an das innerſte oder oberſte Ende der
Saftdruͤſe. War es nun ſo weit gekommen, ſo war es mit ſeinem
Kopf dem klebrichten Ende der Staubkoͤlbchen, wenn Staubkoͤlb-
chen vorhanden geweſen waͤren, ſo nahe, daß es nothwendig daſ-
ſelbe wuͤrde beruͤhrt haben. Nun befand es ſich aber grade auf
den unterſten aͤlteren Blumen, aus welchen die Staubkoͤlbchen
ſchon von andern Inſekten waren abgeholt worden, da die ober-
ſten juͤngeren Blumen dieſelben noch hatten. Weil es ſich nun in
jeder Blume eine ziemlich lange Zeit aufhielt, und ich lange wuͤrde
haben warten muͤſſen, bis es zu den oberſten Blumen gekommen
waͤre: ſo pfluͤckte ich mit der Pincette eine von dieſen ab, und
naͤherte dieſelbe mit großer Behutſamkeit und ganz unbemerkt der-
jenigen Blume, auf welcher ſich das Inſekt befand, und zwar ſo,
daß ich demſelben die Unterlippe jener Blume ganz nahe legte.
Nach einigen Augenblicken kroch es, wie ich es gewuͤnſcht hatte,
auf dieſe Unterlippe hinauf, und fing an die Saftdruͤſe auf die
angezeigte Art abzulecken. Nachdem es bis an das oberſte Ende
der Saftdruͤſe gekrochen war, ſo beruͤhrte es mit ſeinem Kopf die
Staubkoͤlbchen. Dieſe fuhren ploͤtzlich aus ihrem Behaͤltniß
heraus, und blieben an ſeinem Kopf kleben. Dieſer Anblick ver-
urſachte mir ein unbeſchreibliches Vergnuͤgen. Das Inſekt aber
ſchien uͤber dieſen Vorfall ſehr beſtuͤrzt und ungehalten zu ſeyn.
Es ward ſehr unruhig, verließ die Blume, und gab ſich alle Muͤhe,
die Staubkoͤlbchen wieder abzuſtreifen; welches ihm auch nach ei-
niger Zeit gluͤckte.
Ophrys.
Dieſe Erfahrung uͤberzeugte mich voͤllig, daß ich mich in
meiner Vorſtellung von der Art, wie die Orchisblumen von den
Inſekten befruchtet werden, nicht irrte, und gab mir zugleich
Gelegenheit, die Urſache des eigenthuͤmlichen Baues dieſer Ophrys
einzuſehen. Sie hat nemlich bloß deswegen eine ſo lange Unter-
lippe und auf derſelben eine ſo lange und ſchmale Saftdruͤſe, da-
mit das Inſekt ſich bequem auf jene ſetze, und, wann es nun an-
gefangen hat die Saftdruͤſe zu belecken, und alsdann immer wei-
ter hinaufkriecht, es grade eine ſolche Stellung nehme, in wel-
cher, wann es an das oberſte Ende der Saftdruͤſe gekommen iſt,
es nothwendig mit dem Kopf das klebrichte Ende der Staubkoͤlb-
chen beruͤhren, und dieſelben herausziehen muß. Die lange Saft-
druͤſe iſt gleichſam ein Weg, welchen das Inſekt freywillig und
gern nimmt, weil der Saft ſuͤß ſchmeckt, welcher aber daſſelbe
endlich dahin bringt, daß es, es mag wollen oder nicht, die
Blume nothwendig befruchten muß. Denn wenn es auf ſolche
Art ein Staubkoͤlbchenpaar aus einer Blume geholt hat, ſo muß
es daſſelbe, wofern es ihm nicht etwa gluͤckt, ſich deſſelben wieder
zu entledigen, auf eine eben ſo nothwendige Art an das Stigma
dieſer, oder einer anderen Blume wieder ankleben. Sobald es
nemlich an das Ende dieſes Saftweges gekommen iſt, ſo beruͤhrt
es mit den vorne an ſeinem Kopf hangenden Staubkoͤlbchen das
Stigma. Dieſes, weil es klebricht iſt, haͤlt dieſelben feſt, und
auf ſolche Art wird zugleich die Blume befruchtet, und das Inſekt
ſeiner Buͤrde entledigt. Ich hatte ein großes Verlangen, auch
dieſes zu ſehen, und beſahe deswegen zum oͤftern die Blumen.
Ich habe aber nie ein aͤhnliches Inſekt auf denſelben wieder ange-
troffen.
In der II. Figur iſt das groͤſſere von den zuerſt genannten
Inſekten in dem Augenblick abgebildet, da es das klebrichte Ende
der Staubkoͤlbchen mit dem Kopf beruͤhrt. Auf eben dieſem Blatt
neben Fig. VII. iſt daſſelbe mit den beiden Staubkoͤlbchenpaaren
abgebildet, die es an ſeinem Kopf ſitzen hat. Es iſt eben ſo ſtark
vergroͤſſert als die Blume. Zu dem zweyten Paar, welches nicht
unmittelbar an ſeinem Kopf, ſondern an dem erſten haftet, war
es auf folgende Art gekommen. Nachdem es das erſte Paar auf
die beſchriebene Art aus einer Blume geholt hatte, ſo haͤtte es ei-
gentlich nach der Abſicht der Natur ſich auf eine ſolche Blume be-
geben ſollen, welche ihre Staubkoͤlbchen ſchon verloren hatte, um
daſſelbe auf das Stigma derſelben abzuſetzen. Es hatte ſich aber
zufaͤlligerweiſe auf eine ſolche begeben, welche ihre Staubkoͤlbchen
noch hatte. Indem es nun die Saftdruͤſe derſelben ableckte, ſo
hingen ihm die Staubkoͤlbchen vorne uͤber dem Kopf. Als es bis
an das Ende derſelben gekommen war, beruͤhrte es mit ſeinen
Staubkoͤlbchen das klebrichte Ende der Staubkoͤlbchen der Blume,
[[217]]
Ophrys.
und dieſe blieben an jenen hangen. Ueber dieſem Inſekt ſieht
man das kleinere, welches Ein Staubkoͤlbchenpaar auf ſeinem
Kopf hat, eben ſo ſtark vergroͤſſert.
Im Sommer des gegenwaͤrtigen Jahres habe ich nicht un-
terlaſſen, meine Pflanzen, ſo lange ſie bluͤheten, einigemal zu
beobachten. Ich traf wieder einige Schlupfwespen auf denſelben
an, welche an ihrem Kopf ein Staubkoͤlbchenpaar ſitzen hatten,
desgleichen einen kleinen Kaͤfer mit ſchwarzem Kopf und Bruſt-
ſchild und braunen Fluͤgeldecken, welcher ſich auch einen ſolchen
Kopfſchmuck aus einer Blume geholt hatte. Dieſe Inſekten habe
ich gefangen, und ſie befinden ſich in meiner Sammlung, und
ſind bis dieſe Stunde mit den Staubkoͤlbchen verſehen. Auch
fand ich die ſchwarzen Gartenameiſen in den Blumen. Dieſe
krochen zwar auf eben die Art, wie die uͤbrigen Inſekten, an der
Saftdruͤſe hinauf; wann ſie aber bis an an das Ende derſelben
gekommen waren, ſo beruͤhrten ſie die Staubkoͤlbchen nicht, weil
ſie zu klein waren, und ihr Kopf zu niedrig ſtand. Einſtmals
war ich ſo gluͤcklich, es mit anzuſehen, wie eine Blume von einem
Inſekt von der erſten Gattung befruchtet wurde. Daſſelbe war
mit Staubkoͤlbchen verſehen, und nachdem es auf der Unterlippe
der Blume ganz hinaufgekrochen war, ſo beruͤhrte es mit den
Staubkoͤlbchen das Stigma. Als es hierauf eine kleine Bewe-
gung machte, ſo blieb ein Theil der Staubkoͤlbchen am Stigma
kleben, den groͤſſern Theil aber behielt das Inſekt. Es iſt aber
nicht zu zweifeln, daß der zuruͤckgebliebene Theil ſchon im Stande
geweſen iſt, den Fruchtknoten zu befruchten.
Gleichwie ein geſchickter Brettſpieler es ſo zu veranſtalten
weiß, daß ſein minder geuͤbter Gegner irgend einen das Spiel
entſcheidenden Stein mit eigener Hand, jedoch ohne es zu wiſſen
und zu wollen, nach und nach grade dahin ziehen muß, wohin
er denſelben gezogen wiſſen will, und der Gegner, wann nun
ſein Stein richtig an dem Ort ſeiner Beſtimmung angekommen
iſt, weil er zwar die nahe Gefahr gewahr wird, aber nicht ein-
mal eine Ahndung davon hat, daß jener hieran Schuld ſey, nach
einem kurzen Staunen voller Verwunderung ausruſt: Wie in
aller Welt iſt es zugegangen, daß ich den Stein hierher gezogen
habe? bey welcher Ausrufung denn jener zwar ein inniges Ver-
gnuͤgen empfindet, jedoch, obgleich dieſelbe auch als eine Frage
angeſehen werden kann, ein geheimnißvolles Stillſchweigen be-
obachtet: eben ſo beſteht die bewundernswuͤrdige Kunſt, welche
die an Erfindungen unerſchoͤpfliche Natur in der Struktur dieſer
Blume bewieſen hat, vornehmlich darin, daß alles ſo veranſtal-
tet und eingerichtet iſt, daß das Inſekt, bloß auf ſein Vergnuͤ-
gen bedacht, und nichts wiſſend von der Abſicht, zu deren Be-
foͤrderung es von ſeinem Schoͤpfer beſtimmt iſt, zuletzt immer
Ophrys.
mit dem Kopf entweder grade an die Staubkoͤlbchen, wenn die
Blume dieſelben noch hat, oder, wenn dieſelben ſchon von einem
andern Inſekt abgeholt worden ſind, grade an das Stigma ge-
rathen muß. Wer mehrere dergleichen mit dieſen Staubkoͤlbchen
verſehene Inſekten auf den Blumen antrifft, der koͤnnte wohl
glauben, daß die Inſekten dieſelben mit Fleiß aufſuchen und ab-
holen, ſo wie den Saft. Und doch thun ſie nichts weniger, als
dieſes, und ſind hoͤchſt unzufrieden mit einer ſolchen Buͤrde. In
dieſem Stuͤck hat die Blume eine große Aehnlichkeit mit der
Aſclepias fruticoſa. Wenn man auf dieſer mehrere Inſekten
antrifft, welche Koͤlbchen an ihren Fuͤßen ſitzen haben, ſo ſollte
man glauben, daß ſie die Kaͤppchen, an welchen dieſelben han-
gen, gefliſſentlich aufgeſucht und herausgezogen haͤtten. Denn
da die Kaͤppchen ſo außerordentlich klein ſind, ſo ſcheint es,
daß es ſich nur hoͤchſt ſelten zutragen koͤnne, daß eine Wespe
einen Fuß grade auf ein ſolches Kaͤppchen ſetzt. Folglich muͤßte
die Erſcheinung, daß ein ſolches Inſekt Koͤlbchen an einem Fuß
ſitzen hat, auch etwas hoͤchſt ſeltenes, keinesweges aber, welches
doch wirklich der Fall iſt, etwas haͤufig vorkommendes ſeyn.
So wie ich nun oben gezeigt habe, daß bey der Aſclepias alles
ſo eingerichtet iſt und dahin abzielet, daß die Fuͤße des Inſekts
in den mehreſten Faͤllen herabgleiten, und endlich an das Kaͤpp-
chen gerathen muͤſſen: eben ſo laͤßt ſich auch zeigen, daß hier
alles ſo veranſtaltet iſt, daß der Kopf der Schlupfwespe zuletzt
nothwendig an die Staubkoͤlbchen oder das Stigma gerathen
muß. Zu demjenigen, was ich ſchon oben geſagt habe, will ich
noch dieſes hinzufuͤgen. Man ſieht in Fig. XXVIII., daß die
lange Unterlippe der Krone zur Haͤlfte in zwey Lappen getheilt
iſt, welche ziemlich weit von einander abſtehen, und daß ſie
unterwaͤrts breit iſt, nach oben zu aber immer ſchmaͤler wird.
Dieſer Umſtand traͤgt nicht wenig zur Erreichung jenes End-
zwecks bey. Dieſes wird man leicht einſehen, wenn man die
II. Figur aufmerkſam betrachtet. Denn wenn die Unterlippe
nicht dieſen tiefen und breiten Ausſchnitt haͤtte, ſondern ganz
waͤre, und folglich der dreyeckichte Raum zwiſchen den beiden
Lappen mit zur Unterlippe gehoͤrte: ſo wuͤrde das Inſekt an-
faͤnglich, da es ſich auf die Unterlippe ſetzte, ſich leicht ſo ha-
ben ſetzen koͤnnen, daß ſein rechter Hinterfuß auf dieſem drey-
eckichten Stuͤck waͤre zu ſtehen gekommen. Alsdenn aber haͤtte
es eine in Anſehung der Blume ſchiefe Richtung gehabt, und
wenn es im Hinaufkriechen dieſe Richtung behalten haͤtte, ſo
wuͤrde ſein Kopf nicht grade vor dem klebrichten Ende der
Staubkoͤlbchen, ſondern etwas ſeitwaͤrts von demſelben rechter
Hand zu ſtehen gekommen ſeyn, und dieſes wuͤrde noch leichter
geſchehen ſeyn, wenn die Unterlippe oberwaͤrts ſo breit waͤre,
[[218]]
Ophrys. Serapias.
als unterwaͤrts. Alsdenn aber wuͤrde es die Staubkoͤlbchen nicht
herausgezogen haben. So wie aber die Unterlippe wirklich ge-
bildet iſt, konnte das Inſekt ſich nicht anders auf dieſelbe ſetzen,
als ſo, daß es die rechten Fuͤße auf den rechten, und die lin-
ken auf den linken Lappen ſetzte. Auf ſolche Art hatte es ſchon
jetzt voͤllig, oder doch beynahe diejenige Richtung, die es nach
der Abſicht der Natur zuletzt haben ſollte. In dieſer Stellung
hatte es den unterſten Theil der Saftdruͤſe grade vor ſich, und
leckte denſelben ab. Als es damit fertig war, ſo kroch es weiter
hinauf. Hier fand es nun nicht die geringſte Urſache, ſeine
Richtung zu aͤndern, ſondern behielt dieſelbe, weil es bey derſel-
ben am bequemſten ſtehen konnte. Und je weiter es hinaufkroch,
deſto ſchmaͤler ward die Unterlippe, deſto weniger Freyheit hatte
alſo das Inſekt, ſeine Fuͤße anders wohin zu ſetzen, als es dem
angezeigten Endzweck gemaͤß war. Als es alſo bis an das oberſte
Ende der Saftdruͤſe gekrochen war, ſo war es beynahe nicht moͤg-
lich, daß es eine andere Stellung haͤtte haben koͤnnen, als die
es in der Figur hat.
Der Saft iſt zwar in geringer Quantitaͤt vorhanden, ſcheint
aber fuͤr dieſe Inſekten ein wahrer Nektar zu ſeyn; denn wenn ſie
denſelben einmal gekoſtet haben, ſo verlaſſen ſie die Blumen nicht
bald wieder, ſondern halten ſich wohl eine halbe Stunde und
laͤnger auf denſelben auf. Daher kann man mit aller Bequem-
lichkeit ihr Verhalten auf denſelben beobachten.
Serapias.
Serapias longifolia. Tab. XXIII. 27—30. 34—38.
27. Eine verbluͤhete Blume in natuͤrlicher Groͤſſe und Stel-
lung, von der Seite geſehen.
28. Eine bluͤhende Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
30. Eben dieſe Blume, von der Seite geſehen, nachdem
die vorderſte Haͤlfte genau weggeſchnitten worden. Bloß der
Deckel, unter welchem die Staubkoͤlbchen liegen, iſt ganz ge-
blieben.
38. Eine Blume, auf deren Unterlippe ein Regentropfen
gefallen iſt, welcher dieſelbe vermoͤge ſeiner Schwere aus der
mehr horizontalen Lage, welche ſie vorher hatte, Fig. 28. 30., in
eine perpendikulaͤre Lage gebracht hat.
37. Die Blume mit eben dieſem Regentropfen, von vorne
geſehen, nachdem die oberſten Kronenblaͤtter weggeſchnitten wor-
den. Dieſe Figur dient zugleich zur Erlaͤuterung der 28. und 30.
a iſt der Deckel, unter welchem die beiden Staubkoͤlbchen auf dem
Griffel liegen. b iſt das klebrichte Stigma. In Fig. 28. klebt
auf demſelben linker Hand ein Staubkoͤlbchen. c d iſt der
Serapias.
Kahn *), welcher in der Mitte den Saft abſondert und enthaͤlt
(die Saftdruͤſe iſt hier, und in Fig. 28. und 30. punktirt). Er
iſt auf beiden Seiten mit purpurfarbenen Linien geziert, welche
nach der Mitte, wo der Saft iſt, ſich hinziehen. Die Mitte
ſelbſt aber iſt mit gelben Flecken geziert. Die Unterlippe d e iſt
mit dem Kahn bey d auf eine ſolche Art verbunden, daß ſie von
einer geringen Kraft, zum Beyſpiel, wie hier, von der Schwere
eines auf dieſelbe gefallenen Regentropfens herabgebogen werden
kann. Zwiſchen dem Regentropfen und d ſind zwey Hoͤcker,
welche vorne gelb ſind. Dieſe Farbe wird in Fig. 28. und 30.
durch Punkte angedeutet.
29. Gehoͤrt zu Fig. 28. Es iſt nemlich der oberſte Theil des
Griffels nebſt dem Deckel a, welcher aber in die Hoͤhe gehoben
worden iſt, damit man die beiden auf ſeiner unteren Seite befind-
lichen Faͤcher ſehen koͤnne. Die Staubkoͤlbchen liegen nicht mehr
auf dem Griffel. Am (punktirten) Stigma linker Hand klebt
das eine von denſelben b.
35. Gehoͤrt zu Fig. 30. Der oberſte Theil des der Laͤnge
nach durchſchnittenen Griffels mit dem gleichfalls in die Hoͤhe ge-
hobenen ganzen Deckel. Das halbe Stigma iſt punktirt. Das
eine Staubkoͤlbchen, welches auf dieſer Haͤlfte des Griffels gele-
gen hat, iſt nicht mehr da.
34. Stellt den oberſten Theil des Griffels vor, wie derſeibe
dem in der Linie a b Fig. 30. ſich befindenden Auge erſcheint.
Das Staubkoͤlbchen rechter Hand liegt noch in ſeinem Behaͤlt-
niß; es ragt eben ſo, wie der Deckel, zum Theil uͤber das Stigma
heruͤber. Das andere Staubkoͤlbchen klebt am Stigma.
36. Stellt wieder den oberſten Theil des Griffels vor, wie
derſelbe einem in der Linie c d Fig. 30. befindlichen Auge erſcheint.
Der Deckel, welcher bey a ganz ſchwach befeſtigt war, iſt abge-
riſſen worden, ſo daß man nun die glatte Stelle ſieht, wo die
nicht mehr vorhandenen Staubkoͤlbchen gelegen haben.
Wenn Linné von dieſer und der folgenden Art ſagt, daß
die Blumen hangen, ſo iſt dies zwar von den verbluͤheten, kei-
nesweges aber von den bluͤhenden wahr; denn dieſe haben eine
horizontale Stellung. Weil aber die Blume, wann ſie abge-
bluͤhet hat und befruchtet worden iſt, noch die Krone behaͤlt, und,
wann die Pflanze eine Zeit lang gebluͤhet hat, ſie mehr verbluͤ-
hete hangende, als bluͤhende horizontal ſtehende Blumen hat: ſo
kann man ſich leicht in Anſehung dieſes Umſtandes irren. Es
findet alſo auch hier Statt, was ich ſchon einigemal erinnert
habe, daß nemlich Blumen, welche eine Aehre bilden, gemei-
niglich
[[219]]
Serapias.
niglich eine horizontale Stellung haben, weil ſie in einer ſolchen
den Inſekten am beſten in die Augen fallen.
1. 2. Die Saftdruͤſe und zugleich der Safthalter iſt der
Grund des Kahns.
3. Zu dem Saft, ob er gleich ziemlich frey liegt, kann nicht
leicht ein Regentropfen gelangen. Oberwaͤrts dient ihm der Helm
zum Schutz. Damit aber, wenn auf die anſehnliche Unterlippe
ein Regentropfen gefallen iſt, derſelbe nicht in den Kahn hinein-
fließe, ſo hat dieſelbe 1) oberwaͤrts in der Mitte ein Paar Hoͤcker,
welche den Regentropfen abhalten, und iſt 2) ſo an den Kahn
befeſtigt, daß ſie ſich leicht herabdruͤcken laͤßt, hernach aber, wenn
die druͤckende Kraft nachlaͤßt, wieder in die Hoͤhe faͤhrt. Faͤllt
alſo ein Regentropfen auf dieſelbe, ſo druͤckt er ſie vermoͤge ſeiner
Schwere herab, und macht es ſich alſo ſelbſt unmoͤglich, in den
Safthalter zu dringen. Koͤmmt noch ein Regentropfen zu dem-
ſelben, und vermehrt ſeine Schwere, oder wird die Blume vom
Winde geſchuͤttelt, ſo faͤllt er ab, und die Unterlippe faͤhrt wieder
in die Hoͤhe.
4. Die geruchloſe Blume macht ſich durch ihr Anſehen den
Inſekten von weitem bemerkbar. Die Krone iſt weiß. Die
beiden inneren Blaͤtter des Helms ſind mit purpurfarbenen Strei-
fen geziert, welche ſich nach der Gegend des Safthalters hinzie-
hen, Fig. 28. Der Kahn iſt auf beiden Seiten auch mit pur-
purfarbenen Streifen geziert. Der Safthalter ſelbſt hat gelbe
Flecke, ſo wie auch die Hoͤcker der Unterlippe vorne gelb ſind.
Alles dieſes verurſacht, daß die Inſekten den Saft leicht finden
koͤnnen, ſobald ſie ſich der Blume genaͤhert haben.
5. Die Befruchtung geſchieht durch Inſekten eben ſo, wie
bey der Orchis latifolia. Das Stigma iſt klebricht. Unmittel-
bar uͤber demſelben liegen auf dem Griffel, welcher daſelbſt glatt
iſt, die beiden Staubkoͤlbchen. Sie ſind weder an einander,
noch an den Griffel, noch an den Deckel angewachſen, ſondern
voͤllig iſolirt. Auf ihnen liegt der Deckel, welcher zwey Hoͤhlen
oder Faͤcher hat, in welchen ſich die Staubkoͤlbchen befinden.
Daß derſelbe dazu dient, die Staubkoͤlbchen vor der Naͤſſe zu be-
ſchuͤtzen, lehrt der Augenſchein. Hinterwaͤrts aber iſt er ganz
loſe an den Griffel befeſtigt, ſo daß er durch die geringſte Beruͤh-
rung in die Hoͤhe geſtoßen werden kann. Endlich ragen die
Staubkoͤlbchen uͤber das Stigma etwas hervor. Geſetzt alſo,
eine Fliege kriecht in die Blume hinein, um zum Saft zu gelan-
gen, ſo ſtoͤßt ſie mit dem Kopf oder Ruͤcken den Deckel in die
Hoͤhe, beruͤhrt ein Staubkoͤlbchen, und zieht daſſelbe heraus,
weil es vermuthlich auch vorne klebricht iſt, welches zu unterſu-
chen ich vergeſſen habe. Sobald es ſich mit dieſer Buͤrde beladen
fuͤhlt, ſucht es ſich zwar von derſelben wieder los zu machen,
Serapias.
merkt aber bald, daß dieſelbe zu feſt ſitzt, und ſeine Bemuͤhung
vergebens iſt. Es bekuͤmmert ſich alſo darum nicht weiter, geht
ſeiner Nahrung wieder nach, begiebt ſich auf eine Blume, kriecht
in dieſelbe hinein, beruͤhrt mit ſeinem Staubkoͤlbchen das klebrichte
Stigma, welches daſſelbe feſthaͤlt. Auf ſolche Art wird das In-
ſekt von ſeiner Buͤrde befreyt, ohne zu wiſſen, wie, die Blume
aber befruchtet.
Ich bin zwar nicht ſo gluͤcklich geweſen, eine Fliege uͤber dem
Befruchtungsgeſchaͤfte zu ertappen, ob ich gleich verſchiedenemal
darauf ausgegangen bin. Daß aber demungeachtet die Befruch-
tung durch Inſekten, und zwar durch Fliegen, Schnacken ꝛc.
auf die angezeigte Art geſchieht, laͤßt ſich nicht bezweifeln, weil
1) ohne Dazwiſchenkunft irgend eines Inſekts die Staubkoͤlbchen
unmoͤglich auf das Stigma kommen koͤnnen, 2) weil ich haͤufig
Fliegen auf den Blumen angetroffen habe. Eine beſonders traf
ich grade in der zur Befruchtung erforderlichen Stellung an. In
dieſer Stellung war ſie mit dem einen Fluͤgel dem Stigma zu
nahe gekommen, und an demſelben kleben geblieben. Sie zap-
pelte, und mußte ihre Naͤſcherey mit dem Tode buͤßen. 3) Weil
die folgende Art von Fliegen befruchtet wird, wie ich bald bewei-
ſen werde.
Serapias latifolia. Tab. XXIV. 20—22. 29. 30.
20. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung, von
vorne geſehen.
22. Dieſelbe, von der Seite geſehen, nachdem die vorderſte
Haͤlfte des oberſten Kronenblatts a und der Unterlippe d, und
das eine vorderſte Kronenblatt b weggeſchnitten, das andere aber
c umgeſchlagen worden. In beiden Figuren ſieht man zwiſchen
dem Deckel und dem (punktirten) Stigma etwas von den beiden
Staubkoͤlbchen nebſt dem Kuͤgelchen, an welches ſie angewachſen
ſind. Sie ſind weiß geblieben, damit man ſie beſſer erkennen
koͤnne.
29. Die beiden Staubkoͤlbchen nebſt dem Kuͤgelchen von der
Seite, und 30. von vorne. Sie ſind im Durchmeſſer 5mal,
und alſo uͤberhaupt 125mal vergroͤſſert.
21. Eine vergroͤſſerte Fliege, auf deren Ruͤcken ein Paar
Staubkoͤlbchen klebt.
Dieſe Blume iſt kleiner und unanſehnlicher, als die vorher-
gehende. Die Krone iſt ein wenig blaßroth. Der Grund des
Kahns, welcher auch hier die Saftdruͤſe und zugleich der Saft-
halter iſt, iſt braun, und die Hoͤcker, auf der Unterlippe ſind
braͤunlich. Daß dieſe Hoͤcker hier ſchwaͤcher ſind, als bey der
vorhergehenden Art, und die Unterlippe der ganzen Breite nach
an den Kahn angewachſen iſt, und ſich alſo nicht ſo herabbiegen
laͤßt, als bey jener, koͤmmt wahrſcheinlich daher, daß der Ein-
D d
[[220]]
Serapias.
gang zum Safthalter hier enger iſt, folglich kein Regentropfen
ſo leicht hineinkommen kann. Ein noch merkwuͤrdigerer Umſtand
aber, wodurch ſich dieſe Art von der vorhergehenden unterſchei-
det, iſt, daß die beiden gelben Staubkoͤlbchen mit dem vorderen
Ende an ein weißes Kuͤgelchen angewachſen ſind. Dies Kuͤgel-
chen liegt 1) nicht, wie die Staubkoͤlbchen, unter dem Deckel,
ſondern vorne am Stigma, und iſt 2) ſehr klebricht. Beruͤhrt
man es mit einem Finger, ſo bleibt es ſogleich an demſelben kle-
ben, und man zieht es, und mit ihm die beiden Staubkoͤlbchen
heraus, wenn man den Finger wieder zuruͤckzieht. Sobald nun
eine Fliege in den Safthalter hineinkriecht, ſo kann das nicht
leicht geſchehen, ohne daß ſie zugleich mit dem Ruͤcken das Kuͤ-
gelchen beruͤhrt. Dies bleibt am Ruͤcken kleben, und wird von
dem Inſekt auf die oben angezeigte Art auf das Stigma gebracht.
Eine Fliege traf ich wirklich in einer Blume an. Sie war
aber ſo hineingekrochen, daß ſie das Kuͤgelchen nicht beruͤhrt hatte.
Sie blieb uͤber eine halbe Stunde in der Blume, und ich gab ſo-
lange Achtung, ob ſie nicht die Staubkoͤlbchen herausziehen
wuͤrde. Sie aͤnderte zwar einigemal ihre Stellung, es wollte ſich
aber doch nicht fuͤgen, daß ſie das Kuͤgelchen beruͤhrte. Darauf
kroch ſie aus der Blume wieder heraus. Indem ich aber die an-
deren Blumen dieſer Pflanze betrachtete, ſo fand ich eine Fliege,
welche ſich in ein an der Pflanze befindliches Spinnengewebe ver-
wickelt hatte. Dieſe trug auf ihrem Ruͤcken das Kuͤgelchen nebſt
den Staubkoͤlbchen, ſo wie es in Fig. 21. vorgeſtellt iſt. Dieſe
Fliege nun beweiſet die Richtigkeit meiner von der Befruchtung
dieſer Blumen gegebenen Erklaͤrung ſchon hinlaͤnglich.
Auch dieſe Pflanze dient zum Beweiſe, daß Spinnen auf
die Inſekten, welche dem Saft der Blumen nachgehen, Jagd
machen. Denn außer dem, was ich eben jetzt geſagt habe, fand
ich auf einem andern Exemplar zwiſchen den Blumen zwey Spin-
nen, welche ihre Netze ausgeſtellt hatten.
Man ſiehet von ſelbſt ein, daß bey den Orchisblumen keine
Filamente Statt finden koͤnnen *), wenn dieſelben von den In-
ſekten ſollen befruchtet werden. Dieſe Blumen dienen alſo, wie
ich in der Einleitung geſagt habe, zum Beweiſe, daß die Abwe-
ſenheit der Filamente eben ſowohl, als ihre Gegenwart, auf die
von den Inſekten zu bewerkſtelligende Befruchtung ſich bezieht.
Ich habe ſchon oben erinnert, daß Linné ſich in Anſehung
des Stigma geirrt hat. Weil nun das Klaͤppchen, welches er al-
Serapias.
lem Anſehen nach bey der Orchis fuͤr das Stigma gehalten hat,
bey der Ophrys und Serapias fehlt, ſo ſagt er, dieſe Gattungen
haͤtten ein Stigma obſoletum. Was er die Unterlippe des Nec-
tarii nennt, wird richtiger die Unterlippe der Krone genannt,
und was er die Oberlippe des Nectarii nennt, gehoͤrt gar nicht
zum Nectario. In der Serapias ſoll der Deckel, unter welchem
die Staubkoͤlbchen liegen, und in der Orchis derjenige Theil, wo
ſich die beiden Faͤcher befinden, in welchen die Staubkoͤlbchen ein-
geſchloſſen ſind, dieſe Oberlippe ſeyn.
Was Koͤlreuter ſich fuͤr einen Begriff vom Stigma und
von der Befruchtung dieſer Blumen gemacht habe, erfaͤhrt man
aus ſeiner oben bey der Aſclepias angefuͤhrten Abhandlung. Er
ſagt nemlich daſelbſt, daß die ganze innere Flaͤche der Faͤcher, in
welchen die Staubkoͤlbchen liegen, das Stigma ſey, welches den
maͤnnlichen Samen der Staubkoͤlbchen einſauge, und ihn dem
Eyerſtock zufuͤhre. Wir wollen dieſes auf einen Augenblick als
wahr annehmen, und unterſuchen, was daraus folgen wird.
Und zwar wollen wir zuerſt annehmen, wir wuͤßten davon nichts,
daß dieſe Blumen von Fliegen beſucht werden. In dieſem Fall
muͤßte nun zwar der Umſtand, daß die Staubkoͤlbchen unmittel-
bar auf dem Stigma liegen, fuͤr vollkommen zweckmaͤßig gehalten
werden; ja man wuͤrde dieſe Einrichtung als den kuͤrzeſten und
ſicherſten Weg zur Befruchtung anſehen muͤſſen. Denn anſtatt,
daß in anderen Blumen der Staub anfangs vom Stigma weit
entfernt iſt, und durch allerley Veranſtaltungen auf daſſelbe ge-
bracht wird, liegt er hier gleich anfangs auf dem Stigma, und
es bedarf hier jener Veranſtaltungen nicht. Allein wir gerathen
in einige Verlegenheit, wenn wir die Urſache angeben ſollen,
warum denn die Natur dieſen kuͤrzeſten und ſicherſten Weg nicht
bey allen Blumen gegangen ſey. Unſere Verlegenheit nimmt
zu, wenn wir zeigen ſollen, was denn nun fuͤr beſondere Kunſt
bey dieſer Einrichtung anzutreffen ſey, und wie dieſe Blumen als
Beweiſe der unendlichen Weisheit des Schoͤpfers angefuͤhrt wer-
den koͤnnen. Denn auch der einfaͤltigſte Menſch, wenn er auf
den Einfall kaͤme, eine Zwitterblume zu entwerfen, wuͤrde zuerſt
darauf fallen, die Antheren unmittelbar auf dem Stigma anzu-
bringen. Unſere Verlegenheit ſteigt endlich auf den hoͤchſten
Grad, wenn wir folgende Fragen beantworten ſollen. Wozu, da
durch dieſe Einrichtung die Befruchtung voͤllig erreicht wird, ſo
viele andere Anſtalten in dieſen Blumen, welche zur Befruchtung
nicht das mindeſte beytragen? Wozu die Krone? Wozu ihre
verſchiedene Farben? Wozu der Saft in einigen? Und warum
fehlt derſelbe in anderen? Wozu die mit einer klebrichten Feuch-
tigkeit uͤberzogene Stelle? Warum ſind die Staubkoͤlbchen nicht
angewachſen, ſondern ganz iſolirt? Und warum fahren ſie bey
[[221]]
Serapias. Siſyrinchium.
der geringſten Beruͤhrung aus den Faͤchern heraus? *) Wozu
die kleinen hervorragenden Kuͤgelchen und das kleine Klaͤppchen? ꝛc.
Nun wollen wir den andern wirklich exiſtirenden Fall annehmen,
und uns deſſen erinnern, was ich von den Fliegen wahrgenom-
men und gemeldet habe, und unterſuchen, wohin uns das Koͤl-
reuterſche Stigma fuͤhren wird. Die Natur hat in der Sera-
pias longifolia z. B. die Staubkoͤlbchen unmittelbar auf das
Stigma gelegt, damit der Fruchtknoten auf das ſicherſte befruchtet
werde. Zugleich aber hat ſie dieſer Blume Saft verliehen, wel-
cher gewiſſen Fliegen zur Nahrung beſtimmt iſt. Sie hat die
zweckmaͤßigſten Veranſtaltungen getroffen, damit dieſer Saft ſo-
wohl vor dem Regen geſichert ſey, als auch von den Fliegen leicht
gefunden werden koͤnne. Nun beſucht alſo eine Fliege die Blume,
um ſich mit ihrem Saft zu laben; und was geſchieht? Indem
ſie in das Saftbehaͤltniß hineinkriecht, ſo ſtoͤßt ſie mit dem Ruͤcken
den Deckel in die Hoͤhe, unter welchem die Staubkoͤlbchen liegen,
beruͤhrt die Staubkoͤlbchen, zieht ſie vom Stigma hinweg, und
bringt ſie hernach auf die unter demſelben befindliche klebrichte
Stelle, wo ſie hangen bleiben. Ja die Fliege bleibt ſelbſt wohl
gar an dieſer Stelle kleben, und muß jaͤmmerlich ſterben. Die
Natur hat alſo alle jene Veranſtaltungen nur zu dem Ende ge-
troffen, damit eine Fliege die Befruchtung der Blume unmoͤglich
mache, zu welcher ſie doch ein ſo ſicheres und zweckmaͤßiges Mittel
erdacht hat. Die Natur hat alſo hier zwey Abſichten, deren
eine der Antipode der andern iſt. Ihre erſte Abſicht geht dahin,
daß die Blume befruchtet werde, und zur Erreichung derſelben
hat ſie ein ſehr ſchickliches Mittel erdacht. Ihre andere Abſicht
aber iſt, daß ihre erſte Abſicht vereitelt werde, und iſt ihr ſo
wichtig, daß ſie derſelben allenfalls das Leben einer Fliege auf-
opfert. — Daß nun Koͤlreuter auf dieſe Vorſtellung, welche
auf eine Ungereimtheit hinauslaͤuft, gerathen iſt, iſt bloß daher
gekommen, weil er den Umſtand, daß die Blumen von Fliegen
beſucht werden, entweder nicht bemerkt, oder fuͤr etwas gering-
fuͤgiges und zufaͤlliges gehalten, folglich keiner Aufmerkſamkeit
gewuͤrdigt hat.
Siſyrinchium.
Siſyrinchium Bermudiana. Ob ich gleich in der
Einen Blume, welche ich habe unterſuchen koͤnnen, keinen Saft
gefunden habe, ſo lehrt doch der Augenſchein, daß ſie eine Saft-
blume iſt. Denn ſie hat ſowohl eine Saftdecke, als auch ein
Saftmaal. Jene ſind die weichen Haare, mit welchen der un-
Ariſtolochia.
terſte Theil des Griffels uͤberzogen iſt, und dieſes ſind die großen
gelben Flecke am Grunde der violetten Kronenblaͤtter. Die Saft-
druͤſe alſo und zugleich der Safthalter iſt der Grund der
Krone, ſoweit derſelbe ungetheilt und an den Fruchtknoten
angewachſen iſt.
Ariſtolochia.
Ariſtolochia Clematitis. Gemeine Oſterluzey.
Titelk. Fig. XXI. Die ein wenig verkleinerten noch nicht be-
fruchteten aufrecht ſtehenden Blumen. Fig. XXIII. Die ſchon
befruchteten herabhangenden Blumen. Tab. VI. 13—15. 23.
30. 31. 34.
13. Die vergroͤſſerte unbefruchtete Blume, von welcher die
vorderſte Haͤlfte der Krone weggeſchnitten worden, in natuͤrlicher
Stellung.
23. Bezieht ſich auf die vorhergehende Figur. Der Koͤrper,
an welchem das Stigma und die Antheren befindlich ſind, von
oben geſehen.
14. Die befruchtete Blume, von welcher gleichfalls die
vorderſte Haͤlfte der Krone weggeſchnitten worden, in natuͤrlicher
Stellung.
15. Gehoͤrt zu 14. Jener Koͤrper, von unten geſehen.
30. Das Stuͤck a b c d Fig. 13. der Krone der unbefruch-
teten Blume, von unten geſehen.
34. Eben dieſes Stuͤck der Krone der befruchteten Blume
Fig. 14., von oben geſehen. Beide ſind eben ſo ſtark vergroͤſſert,
als die folgende Figur.
31. Eine kleine Fliege oder Schnacke von derjenigen Art,
welche am haͤufigſten in den unbefruchteten Blumen angetroffen
wird. Sie iſt zehnmal im Durchmeſſer, folglich uͤberhaupt
tauſendmal vergroͤſſert. Auf ihrem Bruſtſchilde ſitzt etwas An-
therenſtaub.
Dieſe Blume hat vermuthlich wegen ihres ſchlechten Anſe-
hens und ihrer einfachen Struktur die Aufmerkſamkeit, ich will
nicht ſagen, der Blumenliebhaber — denn ihr mehrentheils ver-
dorbener und ganz unnatuͤrlicher Geſchmack verdient nicht in Be-
trachtung gezogen zu werden — ſondern ſelbſt der Botaniker bis
jetzt nicht ſonderlich auf ſich gezogen. Und dennoch iſt ſie, mei-
ner Meinung nach, wegen eben dieſer Einfalt ihrer Struktur,
und wegen der ganz beſonderen Kunſt, welche die Natur in der
zu ihrer Befruchtung gemachten Veranſtaltung bewieſen hat, die
ſchoͤnſte von allen denen, deren geheimnißvolle Einrichtung zu
entdecken mir bisher gelungen iſt. Ich habe ſie ſeit verſchiedenen
Jahren und oftmals unterſucht, und uͤber ihre Einrichtung nach-
gedacht. Ich bin aber erſt im vergangenen Sommer ſo gluͤcklich
D d 2
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Ariſtolochia.
geweſen, das Raͤthſel, welches dieſelbe bis damals fuͤr meinen
Verſtand geweſen war, aufzuloͤſen. Ich will alſo erzaͤhlen, wie
ich nach und nach mir den Weg hierzu gebahnt habe.
Das erſte, was ich vor einigen Jahren entdeckte, war, daß
Linné in Anſehung des Stigma ſich geirrt hat. Er hat nem
lich den ganzen im erweiterten Grunde der Kronenroͤhre, welchen
ich der Kuͤrze wegen den Keſſel nennen werde, befindlichen Koͤr-
per fuͤr das Stigma gehalten. Dieſen Koͤrper muß er nun, wie
aus ſeiner Beſchreibung deſſelben erhellt, aus einer ſolchen Blume
genommen haben, welche ſich noch im erſten Zuſtande befand,
da derſelbe noch nicht ein Stigma hat, ſondern erſt Anſtalten zu
deſſelben Hervorbringung macht. Alsdenn hat er die in Fig. 13.
und 23. abgebildete Geſtalt. So wenig nun anfangs ein Stigma
da iſt, eben ſo wenig haben die an den Seiten dieſes Koͤrpers
ſitzenden Antheren ſich ſchon geoͤffnet, ſondern ſind noch verſchloſ-
ſen. Nach einiger Zeit aber erlangt dieſer Koͤrper, da er vorher
mehr kugelfoͤrmig war, eine walzenfoͤrmige Geſtalt. Alsdenn
befindet ſich auf ſeiner oberſten Grundflaͤche in der Mitte das
Stigma, welches man in Fig. 14. nicht, wohl aber in Fig. 15.
ſehen kann, wo es punktirt iſt. Alsdenn haben auch die Anthe-
ren, welche man in beiden Figuren ſieht, ſich geoͤffnet, und zei-
gen ihren Staub. Alsdenn alſo iſt erſt der Zeitpunkt da, da die
Blume befruchtet werden kann. Linnés Vorſtellung, nach
welcher die Antheren auf dem Stigma ſelbſt ſitzen, koͤnnte zwar
manchem aus dem Grunde wahrſcheinlich vorkommen, weil auf
ſolche Art die Befruchtung nothwendig in jedem Individuum aufs
zuverlaͤßigſte erfolgen muͤſſe. Allein fuͤrs erſte iſt mir wenigſtens
keine andere Blume bekannt, in welcher die Antheren unmittelbar
auf dem Stigma ſitzen. Ich glaube aber auch zweytens, daß
keine Blume von dieſer Einrichtung in der ganzen Welt anzutref-
fen ſey, aus dem Grunde, weil ich ſonſt zugleich wuͤrde glauben
muͤſſen, daß der Schoͤpfer auch ſolche Blumen habe hervorbrin-
gen wollen, in welchen ganz und gar keine Kunſt anzutreffen
ſeyn ſollte. Denn, wie ich ſchon bey der Serapias geſagt habe,
auch der einfaͤltigſte Menſch, wenn er auf den Einfall kaͤme, das
Ideal einer Blume zu entwerfen, wuͤrde am erſten darauf fallen,
die Antheren unmittelbar auf das Stigma hinzuſetzen, weil er
glauben wuͤrde, daß auf ſolche Art die Befruchtung nie fehlſchla-
gen koͤnnte.
Die Antheren befinden ſich alſo in einiger Entfernung vom
Stigma, und man mag nun entweder annehmen, daß die Blume
befruchtet werden ſolle, wann ſie aufrecht ſteht, oder, daß ſol-
ches hernach geſchehen ſolle, wann ſie herabhaͤngt: ſo ſieht man
ein, daß in keinem von beiden Faͤllen der Staub von ſelbſt auf
das Stigma kommen koͤnne. Denkt man etwa, der Staub
Ariſtolochia.
werde durch die Erſchuͤtterung, in welche der Wind die Pflanzen,
folglich auch die Blumen ſetzt, von den Antheren losgeriſſen,
und auf das Stigma gebracht: ſo irrt man ſich. Denn im erſten
Fall faͤllt der Staub in den Grund des Keſſels, und im andern
in den oberſten Theil dieſes Keſſels, der alsdenn der Grund iſt,
keinesweges aber der geringſte Theil deſſelben auf das Stigma.
Daß aber der Wind unmittelbar den Staub auf das Stigma ſollte
wehen koͤnnen, wird vollends keinem Menſchen moͤglich zu ſeyn
ſcheinen, da nicht das geringſte Luͤftchen ſich durch die enge,
lange und mit Faͤden verſchloßne Roͤhre der Krone hindurch, und
in den Keſſel derſelben hineinſchleichen kann.
Hieraus folgt alſo, daß, wenn nicht etwa Inſekten die
Blume befruchten, dieſelbe nie befruchtet werden kann; welches
doch wider die Erfahrung iſt, indem die Pflanzen, obgleich nur
ſehr ſparſam, mit guten Samenkoͤrnern angefuͤllte Samenkapſeln
hervorbringen.
Das erſtemal, da ich die Blumen unterſuchte, waͤhlte ich,
wie ich aus den damals gemachten Abbildungen derſelben ſehe,
entweder bloß alte Blumen, welche herabhingen, oder, welches
wahrſcheinlicher iſt, ich fand die Pflanzen im Herbſt, da ſie noch
einige herabhangende, aber keine aufrecht ſtehende Blumen mehr
hatten. Theils dieſer Umſtand, theils dieſes, daß ich damals
noch nichts von Scheinſaftblumen wußte, fuͤhrte mich irre. Ich
glaubte nemlich, daß die Blume eine Saftblume ſey, deren Saft-
druͤſe und Safthalter der im Grunde des Keſſels befindliche Koͤr-
per waͤre. Hierin glaubte ich um ſo viel weniger mich zu irren,
da dieſer Koͤrper fleiſchicht, glatt und weiß iſt. Saft fand ich
zwar auf demſelben nicht; indeſſen dachte ich, daß man ſich den
Saft wie einen Hauch vorſtellen muͤſſe, mit welchem derſelbe uͤber-
zogen ſey, und daß derſelbe ungeachtet ſeiner hoͤchſt geringen
Quantitaͤt, welcher wegen er dem menſchlichen Auge unſichtbar
ſey, dennoch ſehr kleinen Inſekten, als den Blaſenſuͤßen und
noch kleineren, eine reichliche Nahrung verſchaffen koͤnne. Dies,
meinte ich, ſey um ſo viel wahrſcheinlicher, da, wenn er in
groͤſſerer Quantitaͤt vorhanden waͤre, er die Antheren uͤberſchwem-
men, und ihren Staub ganz unbrauchbar machen wuͤrde. Auch
mußten mich die fadenfoͤrmigen Haare in der Kronenroͤhre
Fig. 13.. wofern ich ſie damals ſchon bemerkte, in dieſer Mei-
nung beſtaͤrken; denn ich mußte ſie natuͤrlicherweiſe fuͤr die Saft-
decke halten.
Hier hatte ich mich nun auf mehr als Eine Art uͤbereilt.
Erſtlich gab ich der Analogie den Vorzug vor der Erfahrung, da
ich glaubte, daß, ob ich gleich keinen Saft in der Blume gefun-
den haͤtte, dieſelbe doch Saft haben muͤſſe, weil ich bisher immer
bemerkt hatte, daß alle Blumen, welche nicht auf eine mechani-
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Ariſtolochia.
ſche Art, ſondern durch Inſekten befruchtet werden ſollen, Saft-
blumen ſind. Ich haͤtte vielmehr von demjenigen, was mir die
Erfahrung gab, ausgehen, die Analogie bey dieſer anomalen
Blume bey Seite ſetzen, und bedenken ſollen, daß der unendlich
weiſe Schoͤpfer eine jede von ſeinen Abſichten durch mehr als ein
einziges Mittel erreichen kann. Ich haͤtte ferner, ehe ich uͤber
die Einrichtung dieſer Blume ein Urtheil faͤllete, erſt zu erfahren
ſuchen ſollen, ob ſie von Inſekten, und von welchen Inſekten ſie
beſucht werde. Endlich, wenn ich die fadenfoͤrmigen Haare in
der Kronenroͤhre recht genau betrachtet haͤtte, wuͤrde ich gefunden
haben, daß dieſelben keine Saftdecke ſeyn koͤnnen. Denn jeder-
zeit, wenn dergleichen Haare zur Abhaltung des Regens dienen
ſollen, kehren ſie ihre Spitz der Oeffnung der Blumen zu; hier
aber kehren ſie dieſelbe dem Grunde der Blume zu, Fig. 13.
Im Sommer 1790 hatte ich kleine Fliegen im Keſſel der
Krone gefunden. Dieſe Erfahrung veranlaßte mich im folgenden
Winter, da ich einſtmals uͤber die Einrichtung dieſer Blume nach-
dachte, Folgendes niederzuſchreiben.
„3. Obgleich die Blume aufrecht ſteht, ſo iſt dennoch nicht
nur die Saftdruͤſe, ſondern auch der ganze erweiterte Grund der
Kronenroͤhre gegen den Regen vollkommen geſichert, weil die
Roͤhre ſehr enge, und noch dazu mit Haaren uͤberzogen iſt.“
„4. Die Blumen fallen den Inſekten ſchon von weitem in
die Augen. Denn es ſitzen ihrer acht oder neun jedesmal bey
einander, und bluͤhen zu gleicher Zeit. Die Lippe, welche den
Inſekten am meiſten in die Augen faͤllt, iſt gelb, der uͤbrige Theil
der Krone aber mehr gruͤngelb und unanſehnlicher.“
„5. Daß die Befruchtung nicht auf eine mechaniſche Art ge-
ſchehen koͤnne, indem der Staub der Antheren weder von ſelbſt
auf das Stigma kommen, noch durch den Wind auf daſſelbe ge-
bracht werden kann, lehrt der Augenſchein. Ich habe in dem er-
weiterten Grunde der Kronenroͤhre Blaſenfuͤße, kleine Fliegen,
und von den letzteren zuweilen ſechs bis zehn und noch mehr an-
getroffen. Man kann ſich alſo vorſtellen, wie klein dieſelben ſeyn
muͤſſen. Wenn man jenen Grund der Kronenroͤhre aufſchneidet,
ſo fliegen ſie mit großer Eilfertigkeit heraus, gleichſam als aus
einem Gefaͤngniß, aus welchem ſie nicht von ſelbſt haben kommen
koͤnnen. Einen Blumenkaͤfer von der kleinſten Art fand ich in
der Oeffnung der Kronenroͤhre, welcher ſich alle Muͤhe gab hinein-
zukriechen, wiewohl vergebens, weil er zu groß war. Daß nun
von dieſen kleinen Thierchen die Blume befruchtet werde, iſt mehr
als wahrſcheinlich. Daß die kleinen Fliegen Antherenſtaub an
ihrem Koͤrper hatten, konnte ich zuweilen ganz deutlich ſehen.
Auch der merkwuͤrdige Umſtand, daß die wenigſten Blumen
Fruͤchte anſetzen, beweiſet dieſes. Denn wenn die Befruchtung
Ariſtolochia.
auf eine mechaniſche Art geſchaͤhe, ſo wuͤrde ſie bey den mehreſten
Blumen von Statten gehen. Wenn ſie aber von dieſen kleinen
Inſekten vollbracht wird, ſo muß ſie oftmals unterbleiben, weil
nicht alle Blumen von denſelben beſucht werden. Denn die Art,
wie dieſe Blume von dieſen kleinen Inſekten befruchtet wird, iſt
von derjenigen, wie andere Blumen von anderen Inſekten be-
fruchtet werden, ſehr verſchieden. Wenn z. B. eine Hummel die
wilde Salbey beſucht, ſo ſetzt ſie ſich auf die Unterlippe der Krone,
ſteckt ihren Saugeruͤſſel in den Safthalter, und holt den in dem-
ſelben befindlichen Saft heraus. Dieſes alles iſt in einigen Se-
kunden geſchehen. Alsdenn fliegt ſie von dieſer Blume auf eine
andere, und macht es eben ſo. Auf ſolche Art kann die Hummel
in einer Viertelſtunde einige hundert Blumen beſuchen und be-
fruchten. Es iſt alſo ganz natuͤrlich, daß dergleichen Blumen
auch faſt jederzeit Samen hervorbringen. Oder geſetzt eine Um-
belle, z. B. Angelica ſylueſtris, wird von zehn oder noch mehr
Fliegen und anderen Inſekten beſucht: ſo betraͤgt die Zeit, welche
ſie noͤthig haben, um den Saft einer jeden Blume zu verzehren,
einige Augenblicke. Die Inſekten laufen alſo auf der Dolde hin
und her, und von einer Blume zur anderen. Eine jede Blume
erhaͤlt einen ſolchen Zuſpruch nicht einigemal, ſondern oͤfters.
Was Wunder alſo, daß die Schirmblumen ſelten abortiren, ſon-
dern mit Samenkoͤrnern reichlich verſehen ſind? Mit unſerer
Oſterluzey verhaͤlt ſich die Sache ganz anders.“
„Je mehr ich uͤber den ſonderbaren Bau dieſer Blume nach-
denke, deſto wahrſcheinlicher wird es mir, daß die Natur in der-
ſelben ein ganz beſonderes Kunſtſtuͤck angebracht habe. Ehe ich
aber meine Muthmaßung vortrage, muß ich erſt beweiſen, daß
die Blume bloß fuͤr dieſe kleine Inſekten, keinesweges aber fuͤr
groͤſſere, als z. B. Bienen und Hummeln, beſtimmt ſey. Dieſe
wuͤrden nicht anders zum Saft gelangen koͤnnen, als ſo, daß ſie
ihren Saugeruͤſſel in die Kronenroͤhre hineinſteckten. Denn wenn
ſie auf eine gewaltſame Art verfuͤhren, und ein Loch in den erwei-
terten Grund der Kronenroͤhre biſſen (dergleichen Loͤcher ich wirk-
lich gefunden habe), ſo wuͤrde dieſes ein Beweis ſeyn, daß die
Blume nicht fuͤr ſie beſtimmt ſey. Nun betrachte man alle dieje-
nigen Blumen, welche wirklich von dergleichen großen Inſekten
beſucht und befruchtet werden, ſo wird man immer finden, daß
dieſelben ſo gebauet ſind, daß die Inſekten auf einem Theil der-
ſelben bequem ſtehen koͤnnen, indem ſie den Saft herausholen.
Dieſer Theil iſt z. B. bey den zweylippichten Blumen die Unter-
lippe. Bey unſerer Blume aber fehlt ein ſolcher Theil; ſie hat
zwar eine Oberlippe, aber keine Unterlippe. Zweytens, groͤſſere
Inſekten haben auch viel Nahrung noͤthig, und diejenigen Blu-
men, welche ſie beſuchen, haben auch mehrentheils einen großen
D d 3
[[224]]
Ariſtolochia.
Vorrath von Saft. In der Oſterluzey aber kann man keinen
Saft mit bloßen Augen ſehen. Iſt alſo wirklich Saft vorhan-
den, ſo iſt er doch in ſo geringer Quantitaͤt da, daß er großen
Inſekten gar nicht zu Statten kommen kann. Drittens habe ich
niemals dergleichen groͤſſere Inſekten auf dieſer Blume ange-
troffen.“
„Ich ſtelle mir alſo die Sache ſo vor. Da kleine Fliegen
wirklich in die Blume hineinkriechen, ſo muß dieſelbe etwas an
ſich haben, wodurch ſie angelockt werden, ſolches zu thun. Die-
ſes beſteht vermuthlich, außer der gelben Farbe der Lippe, und
der roͤhrenfoͤrmigen Geſtalt der Blume, da die Fliegen aus der
Erfahrung wiſſen, daß ſo geſtaltete Blumen Saft zu enthalten
pflegen, in einem den Inſekten angenehmen Geruch, welcher
zwar fuͤr die Geruchswerkzeuge des Menſchen zu fein iſt, aber
fuͤr die Geruchswerkzeuge ſo kleiner Thierchen ſtark genug ſeyn
kann. Hierdurch gelockt, begiebt ſich eine von dieſen Fliegen in
die Oeffnung der Kronenroͤhre. Dieſe iſt anfangs weiter und
kahl (Fig. 13.), wird aber nach und nach enger, und iſt mit Haa-
ren uͤberzogen, erſteres vermuthlich zu dem Ende, damit der Fliege
das Hineinkriechen bequem gemacht werde, und ſie nicht gleich
anfangs den Muth verliere, letzteres aber vermuthlich deswegen,
damit in den erweiterten Theil der Kronenroͤhre kein Regentropfen
hineindringe. Hat ſie ſich nun durch den engen Theil der Kro-
nenroͤhre hindurch gearbeitet, ſo koͤmmt ſie in den weiten Grund
derſelben, welcher fuͤr ſie gleichſam ein geraͤumiges Zimmer iſt.
Und auf ſolche Art kriechen nach und nach noch mehr Fliegen
hinein; denn dieſer Theil iſt ohne Zweifel bloß deswegen ſo weit,
damit viele von dieſen Inſekten in demſelben Raum haben. Nun
ſoll durch dieſe kleine Geſellſchaft die Blume befruchtet, d. i., der
Staub der Antheren auf das Stigma gebracht werden. Dieſes
kann nicht anders als zufaͤlligerweiſe geſchehen, ſo nemlich, daß,
indem die Fliegen allenthalben umherkriechen, ſie zuerſt auf die
Antheren gerathen, den Staub derſelben mit ihrem Koͤrper ab-
ſtreifen, und hernach auf das Stigma gerathen, und daſelbſt den
an ihrem Koͤrper haftenden Staub wieder abſetzen. Das Unge-
wiſſe, was mit dieſem Zufall verknuͤpft iſt, muß, wie ich bey der
Parnaſſia ſchon bemerkt habe, durch die Laͤnge der Zeit erſetzt wer-
den. Es iſt alſo zweckmaͤßig, daß ſich die Fliegen ſo lange als
moͤglich hier aufhalten. Und dieſes wird am gewiſſeſten bewerk-
ſtelligt, wenn ſie gar nicht wieder herauskommen koͤnnen. Daß
ſie nun wirklich hier eingeſperrt ſind, ſchließe ich theils aus der
Anzahl, in welcher ich ſie in verſchiedenen Blumen angetroffen
habe, theils aus der Ungeduld, mit welcher ſie ſich, wenn ich die
Blume von einander ſchnitt, herausbegaben und davon flogen.
Vielleicht iſt der Grund der Kronenroͤhre ſo glatt, daß ſie nicht an
Ariſtolochia.
demſelben hinauf, und in die Roͤhre hineinkriechen koͤnnen. Ver-
haͤlt ſich nun die Sache wirklich alſo, ſo iſt hier der Saft uͤber-
fluͤſſig. Da aber die Natur nichts uͤberfluͤſſiges thut, ſo kann die
Blume keinen Saft enthalten. Daß der Koͤrper, welchen ich bis-
her fuͤr die Saftdruͤſe gehalten habe, keinen Saft abſondere, wird
dadurch wahrſcheinlich, daß die Antheren unmittelbar auf demſel-
ben ſitzen, welche durch eine noch ſo geringe Quantitaͤt deſſelben
uͤberſchwemmt und unbrauchbar gemacht werden wuͤrden. Hat
nun die Blume keinen Saft, ſo taͤuſcht die Natur die kleinen
Fliegen, um die Blume von denſelben befruchten zu laſſen, und
koͤnnen die Fliegen nicht wieder aus der Blume herauskommen,
ſo opfert die Natur das Wohl derſelben jenem Endzweck auf.“
„Ich habe ſchon bey der Aſclepias gemeldet, daß Inſekten
von derſelben feſt gehalten werden, ſo daß ſie entweder ſterben, oder
ſich mit Verluſt eines Beins das Leben erhalten muͤſſen, und daß
dieſes wahrſcheinlich auf die Befruchtung der Blumen ſeine Be-
ziehung habe. Bey der Orchis latifolia und einigen anderen Ar-
ten habe ich gezeigt, daß ſie zwar einen Safthalter und ein Saft-
maal, aber keinen Saft haben, daß folglich die Inſekten, welche
ſie beſuchen, wirklich getaͤuſcht werden, und die Blumen mit
Verluſt ihres Lebens befruchten.“
„Wenn nun die Sache ſich ſo verhaͤlt, als ich angezeigt habe,
ſo begreift man, wie es zugeht, daß die wenigſten Blumen be-
fruchtet werden, und Fruͤchte anſetzen. Denn da andere In-
ſekten andere Blumen ſo beſuchen, daß ſie von einer zu der ande-
ren fliegen, folglich ein einziges ſehr viele Blumen von eben der-
ſelben Art in kurzer Zeit beſuchen und befruchten kann: ſo bleibt
im Gegentheil hier eine jede Fliege, die ſich in eine Blume hinein-
begeben hat, eingeſperrt, und kann folglich nur dieſe einzige
Blume befruchten.“
„Indeſſen duͤrfen die Fliegen, wenn die Abſicht der Natur
erreicht werden ſoll, doch nur ſo lange eingeſperrt bleiben, bis ſie
wirklich den Staub der Antheren auf das Stigma gebracht ha-
ben, und wenn ſie, nachdem ſie dieſes gethan haben, noch ein-
geſperrt bleiben, und vor Hunger ſterben muͤſſen: ſo wuͤrde man
nicht umhin koͤnnen, dieſes ihr Schickſal zu hart, und die Natur
etwas unbarmherzig zu finden. Gegen dieſes Urtheil rechtfertigt
ſich die Natur dadurch, daß ſie die Blumen, nachdem ſie ſo lange
aufrecht geſtanden haben, als zu ihrer Befruchtung noͤthig war,
ſich herabſenken laͤßt. Die Fliegen alſo, welche bey der erſten
Stellung der Blumen nicht an die innere Oeffnung des engeren
Theils der Kronenroͤhre hinaufkriechen konnten, fallen nun bey
dieſer Stellung der Blumen auf dieſe Oeffnung herab, kriechen
in den engeren Theil der Roͤhre hinein, und aus der aͤußeren
Oeffnung derſelben wieder hinaus. Sie werden ſich aber wohl
[[225]]
Ariſtolochia.
huͤten, in eine andere Blume hineinzukriechen, da ihnen der
erſte Verſuch ſo uͤbel bekommen iſt. Folglich kann auch in
dieſem Fall von einer Fliege nur Eine Blume befruchtet werden.“
Nachdem ich dieſes geſchrieben hatte, erwartete ich mit
Verlangen die Zeit, da die Blumen zu bluͤhen anfangen wuͤr-
den. Als ich im folgenden May die Pflanzen in der Bluͤthe
fand, fiel ich mit großer Hitze uͤber die Blumen her, und ge-
rieth, nachdem ich dieſelben unterſucht hatte, in ein frohes Er-
ſtaunen, da ich durch den Augenſchein uͤberzeugt wurde, daß,
ſo wie ich mir vorgeſtellt hatte, der große Urheber der Natur die
kleinen Fliegen erſt in dieſe Blume einſperrt, damit ſie dieſelbe
befruchten, hernach aber, wann dieſer Endzweck erreicht wor-
den iſt, ſie wieder aus ihrem Gefaͤngniß herauslaͤßt, folglich
durch die wundervolle Einrichtung dieſer Blume eben ſo ſehr
ſeine Guͤte, als ſeine Weisheit an den Tag legt.
Ich ſchnitt zuerſt den Keſſel verſchiedener aufrecht ſtehenden
Blumen auf, und fand faſt jedesmal eine Anzahl kleiner Flie-
gen in demſelben, welche recht froh zu ſeyn ſchienen, daß ſie
aus dieſem Gefaͤngniß erloͤſet wurden, und muthig davon flo-
gen. Ich ſchnitt hierauf den Keſſel einiger herabhangenden
Blumen auf, und fand keine einzige Fliege in demſelben. Um
mich voͤllig zu uͤberzeugen, ſetzte ich dieſe Unterſuchung bey bei-
derley Blumen fort, und fand jedesmal eben daſſelbe. Als ich
alſo ſchlechterdings nicht weiter daran zweifeln konnte, daß die
Fliegen in den Blumen, ſolange dieſelben aufrecht ſtehen, ge-
fangen gehalten, ſobald ſie ſich aber herabgeſenkt haben, wie-
der herausgelaſſen werden: ſo wollte ich auch wiſſen, ob dieſes
auf eben die Art geſchieht, wie ich mir vorgeſtellt hatte, nem-
lich dadurch, daß der Keſſel inwendig glatt iſt. Ich kehrte alſo
einen Stengel um, und erwartete, daß nun aus den aufrecht-
ſtehenden Blumen, welche jetzt herabhingen, Fliegen heraus-
kommen wuͤrden. Aus Einer Blume fiel wirklich ein kleiner
Blumenkaͤfer heraus; aus keiner einzigen aber kam eine Fliege
zum Vorſchein. Nachdem ich eine Zeitlang den Stengel in
dieſer Stellung gehalten hatte, ſo dachte ich, daß in den jun-
gen Blumen deſſelben vielleicht keine Fliegen ſeyn moͤchten. Ich
ſchnitt daher dieſelben auf, fand aber den Keſſel voller Fliegen.
Ich ſahe alſo ein, daß die Fliegen nicht vermittelſt der Glaͤtte
des Keſſels gefangen gehalten wuͤrden, wie ich mir vorgeſtellt
hatte, ſondern auf eine andere Art. Durch den kleinen Kaͤfer
ließ ich mich nicht irre fuͤhren. Denn dieſer hatte, wie derje-
nige, deſſen ich oben erwaͤhnt habe, in die Blume hineinkrie-
chen wollen, hatte aber nicht hineinkommen koͤnnen. Er war
nur bis in die obere weitere Oeffnung der Kronenroͤhre gekom-
men, und mußte nun, da ich die Blume umgekehrt hatte,
Ariſtolochia.
natuͤrlicherweiſe aus derſelben herausfallen. Ich ſchnitt daher
ſowohl eine aufrechtſtehende, als auch eine herabhangende
Blume der Laͤnge nach auf, und machte eine Entdeckung, die
mich entzuͤckte.
Ich ſahe nemlich, daß die Kronenroͤhre der aufrecht ſte-
henden Blume mit ſteifen fadenfoͤrmigen weißen Haaren beſetzt
war, welche ungefaͤhr in der Mitte derſelben anfingen, und
daſelbſt einzeln, nach und nach immer haͤufiger, am Ende der-
ſelben aber am haͤufigſten ſtanden, daß dieſe Haare mit ihrer
Spitze nicht der Oeffnung der Kronenroͤhre, ſondern dem Keſſel
zugekehrt waren, folglich da, wo die Roͤhre auf dem Keſſel
ſitzt, eine kleine Reuſe bildeten, welche verurſacht, daß die klei-
nen Fliegen zwar leicht durch die Roͤhre hindurch und in den
Keſſel hineinkriechen koͤnnen, wann ſie aber in den Keſſel hinein-
gekrochen ſind, nicht wieder aus demſelben in die Roͤhre hinein,
und hierauf aus der Blume wieder herauskriechen koͤnnen
Dieſes wird man einſehen, wenn man die 13. und 30. Figur
betrachtet. Was aber die herabhangende Blume betrifft, ſo
ſahe ich, daß in derſelben dieſe Faͤden verwelkt und zuſammen-
geſchrumpft waren, und wie ſchwarze Punkte ausſahen. Man
ſehe Fig. 14. und 34. Da alſo hierdurch das Gefaͤngniß ge-
oͤffnet worden war, ſo hatten die Fliegen nicht geſaͤumt, ſich
aus demſelben wieder herauszubegeben und in Freyheit zu ſetzen.
Um meiner Sache recht gewiß zu werden, ſchnitt ich mehrere
Blumen auf, und fand ebendaſſelbe.
Die 30. und 34. Figur zeiget, daß ich mich in meiner
Vermuthung, der Keſſel ſey inwendig glatt, nicht gaͤnzlich ge-
irret hatte. Denn derſelbe iſt zwar groͤßtentheils mit einem
Gewebe von fadenfoͤrmigen Haaren gleichſam austapeziert, hat
aber oberwaͤrts unmittelbar unter der Reuſe eine ringfoͤrmige
glatte Stelle.
Die Blume befindet ſich, ſolange ſie vegetirt, in drey ver-
verſchiedenen Zuſtaͤnden. Nachdem ſie ihre beſtimmte Groͤſſe
erlangt, und ſich geoͤffnet hat, ſo ſcheint ſie zwar zu bluͤhen;
in der That aber bluͤhet ſie noch nicht, d. i., ſie iſt noch nicht
faͤhig befruchtet zu werden, weil weder eine Anthere ihre gehoͤrige
Reiſe, noch das Stigma ſeine voͤllige Ausbildung erhalten hat,
Fig. 13. 23. Waͤhrend dieſes erſten Zuſtandes ſoll die Blume
eine Anzahl von Fliegen fangen, von welchen ſie im zweyten
Zuſtande befruchtet werden ſoll. Da nun aber, ſobald die
Blume aufgebrochen iſt, nicht ſogleich die Fliegen wie gerufen
angeflogen kommen, ſondern nach und nach vom Zufall herbey-
gefuͤhrt werden: ſo mußte dieſer Zuſtand von ziemlich langer
Dauer ſeyn. Ich habe gefunden, daß er ſechs Tage waͤhret.
Waͤhrend dieſer Zeit fuͤhrt der Zufall heute eine Fliege, morgen
[[226]]
Ariſtolochia.
zwey oder drey auf die Blume, deren jede, durch den Schein be-
trogen, hineinkriecht. Auf ſolche Art findet ſich endlich eine ganz
anſehnliche Geſellſchaft von dieſen Thierchen hier ein, denen eine
ſo unvermuthete Zuſammenkunft in einem ſo engen Zimmer, und
eine ſo unverſchuldete Gefangenſchaft in einem ſo wohl verſchloſ-
ſenen Gefaͤngniß ſonderbar genug vorkommen mag. Es hat aber
noch keins von denſelben Staub an ſeinem Koͤrper, weil die An-
theren ſich noch nicht geoͤffnet haben. Darauf folgt der zweyte
Zuſtand, in welchem die Blume reifen Antherenſtaub, ein aus-
gebildetes Stigma, und Fliegen genug hat, welche jenen auf die-
ſes bringen. Dieſes kann zwar oftmals unterbleiben, weil auch
hier alles zufaͤllig iſt, muß aber auch oͤfters leicht geſchehen.
Denn natuͤrlicherweiſe ſind die Fliegen, da ſie nun ſchon ſo
lange eingeſperrt geweſen ſind, und nichts zu freſſen bekommen
haben *), daruͤber ungeduldig geworden, und laufen unwillig
im Keſſel umher; auch koͤnnen bey ſolcher Gemuͤthsſtimmung
Streitigkeiten nicht leicht unterbleiben, und es mag in dieſen
kleinen Gefaͤngniſſen, in welche das menſchliche Auge nicht
hineinſchauen kann, zuweilen ziemlich kriegeriſch hergehen. Auf
ſolche Art aber muͤſſen ſie unter andern auch an die Antheren
gerathen, ihren Staub abſtreifen, denſelben allenthalben um-
herſchleppen, und unter andern auch auf das Stigma bringen.
Dieſer Zuſtand darf daher von keiner langen Dauer ſeyn **).
Und daher koͤmmt es, daß man ſelten eine aufrecht ſtehende
Blume grade in dieſem Zuſtande antrifft; die meiſten, welche
man aufſchneidet, ſind noch in dem erſten Zuſtande. In die-
ſem zweyten Zuſtande findet man oft, daß die Fliegen, welche
Ariſtolochia.
ſchwarz ſind, etwas weißes auf dem Ruͤcken haben, Fig. 31.
Dieſes iſt Antherenſtaub, welchen ich vermittelſt des Vergroͤſſe-
rungsglaſes aus Koͤrnern beſtehend gefunden habe. Sobald
nun die Natur ihren Endzweck erreicht hat, ſo verſetzt ſie die
Blume in den dritten Zuſtand, indem ſie dieſelbe umkehrt, und
die kleine Reuſe verwelken und verſchwinden laͤßt, damit nun
endlich einmal die armen Fliegen aus ihrem Gefaͤngniß heraus-
kommen, und ihre Freyheit wiedererlangen koͤnnen.
Die Fliegen, welche in die Blume hineinkriechen, ſind
zwar insgeſamt, wie ſich von ſelbſt verſteht, ſehr klein, aber
von verſchiedener Geſtalt. Diejenige Art, welche ich abgezeich-
net habe, iſt die haͤufigſte. Sie iſt ſchwarz, und macht ſich
durch ihre ungewoͤhnlich geſtaltete Fuͤhlhoͤrner, welche, durch
das Vergroͤſſerungsglas geſehen, nicht einfach, ſondern buͤſchel-
foͤrmig erſcheinen, kenntlich *). Um dieſer Fliegen habhaft zu
werden, wußte ich wegen ihrer außerordentlichen Kleinheit kein
anderes Mittel zu erſinnen, als dieſes, daß ich ein Stuͤckchen
Papier mit Arabiſchem Gummi beſtrich, in den Keſſel ein Loch
machte, und das Papier vor daſſelbe hielt. So wie nun eine
Fliege nach der anderen herauskroch, gerieth ſie an das Gum-
mi, und blieb kleben.
Die Blumen ſetzen ſehr wenig reife und mit guten Sa-
menkoͤrnern angefuͤllte Samenkapſeln an. Viele bleiben unbe-
fruchtet, welches man daran erkennt, daß nach vollendeter
Bluͤhezeit, wann die Krone abgefallen iſt, der Fruchtknoten
nicht zunimmt, ſondern verwelkt. Eben dieſes beweiſet, daß
die Blumen von den kleinen Fliegen befruchtet werden, und
daß die Antheren keinesweges, wie Linné geglaubt hat, an
das Stigma angewachſen ſind. Denn wenn die Sache ſich ſo
verhielte, ſo muͤßten alle Blumen befruchtet werden, da we-
nigſtens der Regen dieſes nicht verhindern kann, indem un-
moͤglich
[[227]]
Ariſtolochia. Helicteres. Carex.
moͤglich ein Regentropfen in den Keſſel hineindringen, und
den Antherenſtaub wegſpuͤlen und verderben kann. Es iſt aber
natuͤrlich, ſowohl, daß nicht alle Blumen von Fliegen be-
ſucht werden, als auch, daß diejenigen, in welche wirklich Flie-
gen hineingekrochen ſind, dennoch zuweilen unbefruchtet blei-
ben, weil das Befruchtungsgeſchaͤft zwar dieſen Inſekten uͤber-
laſſen, demungeachtet aber doch dem Zufall unterworfen iſt.
Von denjenigen Fruchtknoten aber, welche wirklich befruchtet
worden ſind, gedeihen die wenigſten. Die meiſten wachſen
zwar eine Zeitlang fort, und haben ein gutes Anſehen, als-
denn aber verwelken ſie. Die Urſache hievon iſt mir un-
bekannt.
Helicteres.
Helicteres Baruenſis und H. Carthagenenſis.
Jacqu. Amer. p. 236. Wenn dieſe Blumen, deren Bau uͤber-
aus ſonderbar und merkwuͤrdig iſt, nicht zwey ganz verſchiedene
Saftdruͤſen haben, welches doch nicht glaublich iſt: ſo iſt der-
Helicteres. Carex.
jenige Theil, welchen Linné und Jacquin das Nectarium
nennen, keinesweges die Saftdruͤſe. Die wahre Saftdruͤſe iſt
die im Grunde des Kelchs befindliche glockenfoͤrmige Hoͤhle,
welche mit fuͤnf Zaͤhnen verſehen iſt. Dieſelbe iſt in der erſten
Art weiß; welche Farbe meine Behauptung ziemlich wahrſchein-
lich macht. Eben dieſe Hoͤhle iſt vermuthlich zugleich der Saft-
halter. Zur Saftdecke gehoͤrt der Fortſatz oder Anſatz, mit
welchem die Kronenblaͤtter beym Anfang ihres Nagels verſehen
ſind, durch welche folglich die Oeffnung der Roͤhre, welche die
Naͤgel bilden, dem Regen geſperrt wird, wie in der Lychnis
diocca. Auch Helicteres anguſtifolia hat nach Linnés Be-
merkung eben ſolche Anſaͤtze oder Zaͤhne. Der Kelch vergroͤſſert
das Anſehen und die Bemerkbarkeit der Blumen, denn er iſt
gefaͤrbt; und die Kronenblaͤtter ſind zugleich das Saftmaal,
denn ſie ſind anders gefaͤrbt. In der erſten Art iſt der Kelch
gruͤnlichgelb, die Kronenblaͤtter aber ſind weißlich, und in der
zweyten jener dunkelgelb, und dieſe purpurfarben.
Einundzwanzigſte Klaſſe.Monoecia.
Maͤnnliche und weibliche Blumen, welche ein und ebendaſſelbe Individuum hat.
Carex.
Carex Pſeudocyperus. Tab. XIII. 11. Eine weibliche
Aehre in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe, deren Samenkap-
ſeln ihr voͤlliges Wachsthum erreicht haben, und beynahe reif
ſind. Neben dieſer Figur
a. Eine mit einem guten Samenkorn verſehene Kapſel.
b. c. Zwey taube Samenkapſeln, eben ſo ſtark vergroͤſſert,
als jene.
d. Das aus der erſten herausgenommene Samenkorn.
Linné hat die maͤnnlichen Bluͤthen der Riedgraͤſer fuͤr
ſaftleer gehalten, denjenigen Theil aber ihrer weiblichen Bluͤ-
then, welcher zuletzt die Samenkapſel iſt, ein Nectarium ge-
nannt. Hierin hat er ſich geirrt; denn die weiblichen Bluͤthen
ſind eben ſo ſaftleer, als die maͤnnlichen. Auch glaube ich,
daß man keine einzige Pflanze wird aufweiſen koͤnnen, welche
außer Saft enthaltenden weiblichen oder Zwitterblumen ſaftleere
maͤnnliche Blumen hat. Sogar die maͤnnlichen Bluͤthen der
Graͤſer, ob ich gleich nicht begreife, warum ihre Zwitterbluͤthen
Saft enthalten, da ſie allem Anſehen nach nicht von den In-
ſekten, ſondern vom Winde befruchtet werden, enthalten Saft.
Denn Leers, auf deſſen Zeugniß man ſich verlaſſen kann,
hat in den maͤnnlichen Bluͤthen der Auena elatior, und des
Holcus mollis und lanatus nicht nur die Saftblaͤttchen, welche
er nebſt Anderen das Nectarium nennt, ſondern auch einen
kleinen Fruchtknoten gefunden, demjenigen vollkommen gemaͤß,
was ich oben geſagt habe, daß nemlich die eigentliche Saft-
druͤſe der Grasbluͤthen ein Theil des Fruchtknotens iſt. Wor-
aus zugleich folgt, daß die Meinung des Pontedera, der
Saft komme dem Fruchtknoten unmittelbar zu Statten, wie
ſie uͤberhaupt in Anſehung aller eigentlichen Saftblumen unge-
gruͤndet iſt, alſo auch in Anſehung der Grasbluͤthen ungegruͤn-
det ſey. Denn da der Fruchtknoten der maͤnnlichen Bluͤthen
niemals ein Samenkorn wird, ſo kann ihm der Saft, welchen
er abſondert, auf keine Art zu Statten kommen, und daß die-
ſer Saft dem Fruchtknoten der Zwitterbluͤthen auf eine unmit-
E e
[[228]]
Carex. Carpinus. Corylus.
telbare Art ſollte Nutzen verſchaffen koͤnnen, laͤßt ſich eben ſo we-
nig gedenken. Dadurch wird die Frage, warum die Grasbluͤthen
Saft enthalten, noch ſchwerer zu beantworten; und ich wuͤrde
gerne glauben, daß auch ſie von den Inſekten befruchtet werden,
wenn nicht andere Umſtaͤnde, welche ich oben angezeigt habe,
mich davon abhielten.
Da alſo ſowohl die weiblichen, als auch die maͤnnlichen Bluͤ-
then der Riedgraͤſer ſaftleer ſind, ſo werden jene auf eine mecha-
niſche Art befruchtet. Eben deswegen aber erfolgt die Befruch-
tung auf eine allgemeine und gleichfoͤrmige Art, daß nemlich alle
weibliche Bluͤthen befruchtet werden. Dieſes wird man bey al-
len Riedgraͤſern finden. Wenn die weiblichen Aehren nicht etwa
von der Sonnenhitze verbrannt, oder von gewiſſen Inſekten,
welche ſich in den Samenkapſeln verſchiedener Arten aufhalten,
verdorben worden ſind: ſo wird man alle Samen einer jeden
Aehre von guter Beſchaffenheit finden. Zum Beyſpiel mag Carex
Pſeudocyperus dienen. Ich beſahe eine Anzahl von Halmen,
deren Samenkapſeln beynahe reif waren. Zwey von denſelben
hatten zwar an allen Aehren ſehr viele taube Kapſeln. Dieſes
ruͤhrte vielleicht daher, daß die Aehren zur Bluͤhezeit einen ſolchen
Stand gehabt hatten, daß der herabfallende Antherenſtaub ſie
nicht fuͤglich hatte erreichen koͤnnen, oder daß ſie der Sonnenhitze
zu ſehr ausgeſetzt geweſen waren, oder es iſt einer anderen
unbekannten Urſache zuzuſchreiben. Die uͤbrigen hingegen hatten
lauter mit guten Samenkoͤrnern verſehene Kapſeln; bloß die zwey
oder drey unten an der Spitze der Aehren ſitzenden waren taub,
weil die Stigmate von dem herabfallenden Antherenſtaub nicht
hatten erreicht werden koͤnnen.
Carpinus.
Carpinus Betulus. Weißbuche. Hainbuche. Wenn
man die maͤnnlichen Kaͤtzchen betrachtet, ſo ſollte man glauben,
daß ſie Saft enthalten. Denn 1) die Kaͤtzchen hangen herab,
2) die Schuppen ſind auf der unteren Seite ſehr konkav, und
3) am Rande mit Haaren beſetzt, 4) die Antheren ſind auch
haaricht. Der Saft wuͤrde alſo gegen den Regen voͤllig geſichert
ſeyn. Ich habe aber keinen gefunden. Die angefuͤhrten Um-
ſtaͤnde dienen folglich vielleicht nur dazu, den Antherenſtaub vor
der Naͤſſe zu ſchuͤtzen.
Corylus.
Corylus Auellana. Haſelſtrauch. Tab. XXV. 12.
Ein Zweig, welcher mit drey maͤnnlichen Kaͤtzchen a a a und zwey
weiblichen Bluͤthenknospen b b verſehen iſt.
Corylus. Pinus.
Dieſe Bluͤthen haben keinen Saft, und die weiblichen ſollen
durch den Wind befruchtet werden. Aber wie ſehr ſind ſie nicht
auch in ihrer ganzen Struktur von den Saftblumen verſchieden!
Sie haben nichts, was bloß dazu dienen ſollte, damit ſie in die
Augen fielen, und eben ſo wenig machen ſie ſich durch einen Ge-
ruch bemerkbar. Die maͤnnlichen Bluͤthen ſind ganz anders ge-
ſtaltet, als die weiblichen. Jene bereiten eine große Menge
Staubes, welcher ſich leicht wegblaſen laͤßt, und bey der gering-
ſten Erſchuͤtterung davonfaͤhrt. Von den weiblichen Bluͤthen
koͤmmt weiter nichts, als die Stigmate, zum Vorſchein, welches
genug iſt, wenn die Befruchtung durch den Wind geſchehen ſoll.
Dieſe Stigmate ſind ſehr groß, damit ſie deſto leichter Staub
erhalten, ꝛc. Alles grade das Gegentheil von demjenigen, was
man bey den Saftblumen gewahr wird.
Pinus.
Pinus ſylueſtris. Kiefer. Die maͤnnlichen Bluͤthen
bereiten eine außerordentliche Menge Staubes, von welchem der
kleinſte Theil wirklich die weiblichen Bluͤthen befruchtet, der
groͤßte aber in die Luft verfliegt. Er wird vom Regen niederge-
ſchlagen, und verurſacht den gelben Rand des ſich ſammlenden
Regenwaſſers, welches der gemeine Mann Schwefelregen nennt.
In Anſehung dieſes Staubes ſcheint alſo die Natur nichts weni-
ger, als Sparſamkeit, bewieſen zu haben. Unterſucht man aber
die Sache genauer, ſo findet man, daß es ein bloßer Schein iſt.
Die weiblichen Bluͤthen ſollen durch den Staub der maͤnnlichen
auf eine mechaniſche Art, und ohne Dazwiſchenkunft der Inſekten
befruchtet werden. Deswegen ſind beiderley Bluͤthen unanſehn-
lich, und haben keine Krone; eben ſo wenig haben ſie Saft.
Der Staub ſoll durch den Wind von den maͤnnlichen Bluͤthen
auf die weiblichen gebracht werden. Auf ſolche Art geraͤth von
hundert, vielleicht von tauſend Samenſtaͤubchen Eines auf eine
weibliche Bluͤthe. Folglich mußten die maͤnnlichen Bluͤthen hun-
dert oder tauſendmal ſo viel Staub bereiten, als zur Befruchtung
der weiblichen Bluͤthen erforderlich iſt.
Da nun die Kiefer, deren beiderley Bluͤthen auf einem und
eben demſelben Individuo ſitzen, ſo viel Staub noͤthig hat, um
die weiblichen Bluͤthen auf eine mechaniſche Art zu befruchten:
wie viel mehr Staub muͤſſen diejenigen Pflanzen bereiten, deren
maͤnnliche und weibliche Blumen auf verſchiedenen Individuis
ſich befinden, wenn ſie auf eben dieſe Art befruchtet werden ſol-
len? Hieraus folgt alſo, daß bey allen Pflanzen mit ganz ge-
trennten Geſchlechtern, deren maͤnnliche Blumen nur wenig
Staub bereiten, die Befruchtung der weiblichen nicht durch den
[[229]]
Ricinus. Cucurbita.
Wind, ſondern durch die Inſekten geſchehen muͤſſe, z. B. bey
der Lychnis diocca.
Ricinus.
Ricinus communis. Wunderbaum. Zu demjenigen,
was in der Diſſertation: Sponſalia plantarum, geſagt wird,
daß die maͤnnlichen Blumen, oder vielmehr Bluͤthen, deswegen
uͤber den weiblichen ſtehen, damit dieſe von dem herabfallenden
Staube jener befruchtet werden, woraus alſo folgt, daß die Be-
fruchtung nicht durch die Inſekten geſchieht, fuͤge ich noch dieſes
hinzu, daß dieſe Blumen auch keine Saftblumen ſind, und eben
deswegen, ungeachtet ihrer anſehnlichen Groͤſſe, keine Krone ha-
ben, als welche ſchlechterdings ohne Nutzen ſeyn wuͤrde.
Cucurbita.
Cucurbita Pepo. Kuͤrbiß. Daß auch hier die Be-
fruchtung durch den Wind geſchehe, wie der Verfaſſer eben die-
ſer Diſſertation ſagt, kann ich mir nicht als moͤglich denken.
Denn ſowohl die Anthere, als auch das Stigma befindet ſich
im Grunde 1) glockenfoͤrmiger, 2) großer, 3) aufrecht ſtehender
Blumen, welche 4) weit von einander entfernt ſind. Wie kann
alſo der Wind, deſſen Direktion horizontal iſt, aus dem Grunde
der maͤnnlichen Blumen den Staub herauswehen, ihn eine
Strecke fortfuͤhren, und dann wieder in den Grund der weib-
lichen Blumen hineinwehen? Sollte dies auch moͤglich ſeyn,
ſo wuͤrde doch nur unter tauſend Staͤubchen Eines auf das
Stigma kommen, die uͤbrigen aber anderswohin gefuͤhrt wer-
den. Die Natur haͤtte alſo eine weit groͤſſere Menge Staubes
in den maͤnnlichen Blumen hervorbringen muͤſſen, um auf dieſe
Art ihre Abſicht zu erreichen. Wir muͤßten hier weit mehr,
und weit fluͤchtigern Staub antreffen, als wir bey dem Haſel-
ſtrauch und der Kiefer bemerken, da bey dieſen Arten die An-
theren und die Stigmate doch wenigſtens ganz frey liegen,
und den Einwirkungen des Windes voͤllig bloßgeſtellt ſind. Es
iſt alſo mehr als wahrſcheinlich, es iſt gewiß, daß auch hier
die Befruchtung durch Inſekten geſchieht. Ich fand auf den
Saftdruͤſen uͤberaus kleine braune Inſekten, welche wie Bett-
wanzen ausſahen. Durch dergleichen ſehr kleine und unbefluͤ-
gelte Inſekten kann die Befruchtung nun wohl nicht geſchehen,
weil die Blumen ſo groß ſind, und von einander ſo weit ab-
ſtehen, ſondern es muͤſſen große und befluͤgelte dazu beſtimmt
ſeyn. So wie ich denn auch Fliegen und Bienen, und zwar
die letzteren ganz voller Staub, in den Blumen angetroffen
habe.
Cucurbita.
Daß auch in dieſen Blumen der Saft gegen den Regen
geſichert ſey, lehrt der Augenſchein. Denn 1) iſt die Krone
inwendig mit Haaren uͤberzogen, 2) iſt zwiſchen der Krone und
dem Stigma in den weiblichen, und der Anthere in den maͤnn-
lichen Blumen ein ſchmaler Zwiſchenraum, durch welchen ein
Regentropfen nicht leicht hindurchfließen kann, endlich 3) um-
geben in der maͤnnlichen Blume die zuſammengewachſenen Fi-
lamente die Saftdruͤſe, und haben an der Baſis kleine Oeff-
nungen, durch welche noch weniger ein Regentropfen hindurch-
dringen kann. In der weiblichen Blume aber iſt dieſer Um-
ſtand nicht vorhanden, ſondern die Saftdruͤſe iſt unbedeckt.
Wegen des ſo eben angefuͤhrten engen Zwiſchenraums zwi-
ſchen der Anthere und dem Stigma und der Krone muͤſſen die
Bienen nothwendig, indem ſie zum Saft hinabkriechen, in
den maͤnnlichen Blumen die Anthere und in den weiblichen
das Stigma beruͤhren, ungefaͤhr ſo, wie in der Alcea roſea.
Damit ſie nun eher auf die maͤnnlichen, als auf die weiblichen
Blumen fliegen, ſo ſitzen jene auf laͤngeren Stielen, als dieſe,
fallen ihnen folglich eher in die Augen. Da ich eben dieſen
Umſtand auch bey dem Stratiotes alooides bemerkt habe, ſo
werde ich dadurch in der Meinung beſtaͤrkt, daß derſelbe nicht
etwas zufaͤlliges ſey, ſondern zu dieſer Abſicht dienen ſolle.
Wenn man fragt, warum die Natur Blumen mit halb
getrennten Geſchlechtern hervorgebracht habe, ſo laͤßt ſich dieſe
Frage in Anſehung der gegenwaͤrtigen Art, wie ich glaube,
leicht beantworten. Der Grund dieſer Einrichtung liegt in der
außerordentlichen Groͤſſe der Fruͤchte. Denn geſetzt, die Pflanze
haͤtte ſo viele Zwitterblumen, als ſie Blumen von beiden Ge-
ſchlechtern hat, ſo wuͤrde es unmoͤglich ſeyn, daß ſie einer ſo
großen Anzahl von ſo großen Fruͤchten die gehoͤrige Nahrung
ſollte geben koͤnnen, da man ſich ſchon daruͤber wundern muß,
daß die wenigeren Fruͤchte, die ſie wirklich hevorbringt, von
ihr, ob ſie gleich ſo ſchwach iſt, zu einer ſolchen Groͤſſe ge-
bracht werden. Haͤtte aber die Pflanze nur ſo viel Zwitter-
blumen, als ſie weibliche hat, folglich noch nicht die Haͤlfte
von denen, die ſie wirklich hat (denn man findet mehr maͤnn-
liche, als weibliche Blumen auf derſelben): ſo wuͤrden dieſel-
ben um ſo viel weniger Nahrung fuͤr die Inſekten bereiten,
und um ſo viel weniger ihnen in die Augen fallen, folglich
auch um ſo viel weniger von ihnen beſucht und befruchtet wer-
den. Bey den Gurken, den Melonen und aͤhnlichen Arten
findet eben dieſes Statt, hingegen bey der Bryonia nicht, als
welche nur kleine Fruͤchte hervorbringt. Was mag alſo bey
dieſer der Grund dieſer Einrichtung ſeyn?
E e 2
[[230]]
Cucumis. Bryonia.
Cucumis.
Cucumis ſatiuus. Gurke. Wegen der nahen Ver-
wandtſchaft dieſer Art mit der vorhergehenden kann man ſchon
mit Grunde erwarten, daß auch dieſe Saft enthalten werde.
Linné ſagt nichts davon; Gleditſch aber findet nur in den
maͤnnlichen Blumen ein Honigbehaͤltniß. Daß aber die maͤnnli-
chen Blumen irgend einer Pflanze Saft haben, die weiblichen
aber nicht, oder umgekehrt, halte ich fuͤr eben ſo unmoͤglich, als
daß jene zwar Staubgefaͤße, dieſe aber kein Piſtill haben, und
umgekehrt.
Sowohl die weiblichen, als die maͤnnlichen Blumen haben
in ihrem Grunde eine Saftdruͤſe, deren Saft in dieſen durch die
Staubgefaͤße, in jenen aber durch den Griffel und die Stigmate
vor dem Regen geſchuͤtzt wird. Die maͤnnlichen Blumen ſind
weit groͤſſer, als die weiblichen. Folglich beſtaͤtigt auch dieſe
Pflanze dasjenige, was ich bey der Valeriana dioeca geſagt habe.
Die Blumen werden von den Bienen haͤufig beſucht. Daß ſie
auch von denſelben, keinesweges aber vom Winde, befruchtet
werden, iſt keinem Zweifel unterworfen.
Koͤlreuter (S. 21. ff. der oben angefuͤhrten Vorlaͤufi-
gen Nachricht ꝛc.) hat ſchon eingeſehen und bewieſen, daß die
Kuͤrbißblumen von den Inſekten befruchtet werden.
Bryonia.
Bryonia alba. Gichtruͤbe. Zaunruͤbe. Tab. XXI.
27*, 27**. 32—33*.
32. Die vergroͤſſerte weibliche Blume.
33. Die eben ſo ſtark vergroͤſſerte maͤnnliche Blume.
27**. Der Grund des Kelchs der maͤnnlichen Blume, in
welchem ſich die (punktirte) Saftdruͤſe befindet.
33*. Ein Staubgefaͤß der maͤnnlichen Blume von der aͤuße-
ren Seite.
27*. Daſſelbe von der inneren Seite.
Ich habe ſchon bey der Valeriana dioeca geſagt, daß dieſe
Blumen Saftblumen ſind, und daß die maͤnnlichen deswegen weit
groͤſſer ſind, als die weiblichen, damit die Inſekten zuerſt auf die
maͤnnlichen, und, nachdem ſie dieſelben ausgeleert, zugleich aber
den Staub von den Antheren abgeſtreift haben, mit dieſem
Staube beladen, auf die weiblichen ſich begeben, und denſelben
wieder an das Stigma anſtreichen. Daß weder Linné noch
Pollich die Saftdruͤſe geſehen hat, wundert mich um ſo viel
mehr, da ſchon die große Aehnlichkeit dieſer Gattung mit der
Cucurbita das Daſeyn einer Saftdruͤſe wahrſcheinlich macht.
Bryonia. Sicyos.
1. 2. Sowohl die maͤnnliche, als auch die weibliche Blume
hat im Grunde des Kelchs eine fleiſchichte glatte weiße Saftdruͤſe,
welche den abgeſonderten Saft zugleich traͤgt.
3. Dieſer Saft iſt gegen den Regen vollkommen geſichert,
in beiderley Blumen durch die kurzen Haare, mit welchen die
innere Oberflaͤche ihrer Krone uͤberzogen iſt, und welche verhin-
dern, daß ein Regentropfen auf derſelben haften koͤnne, in der
maͤnnlichen durch die Staubgefaͤße, welche die Oeffnung des
Grundes der Blume gaͤnzlich ausfuͤllen, und deren Filamente am
Rande und auf der inneren Seite haaricht ſind, und in der weibli-
chen durch den Griffel, welcher ſich in drey ausgeraͤndelte Theile
theilet. Hieraus ſieht man ein, warum ſowohl der Griffel, als
auch die Filamente ſo ungewoͤhnlich groß und fleiſchicht ſind, und
eine ſo ungewoͤhnliche Geſtalt haben.
4. Beiderley Blumen haben zwar keinen Geruch, aber ein
Saftmaal. Ihre Krone iſt blaß gruͤnlichgelb, und gruͤn geadert.
Dieſe Adern laufen nach dem Grunde des Kelchs zu, zeigen alſo
den Inſekten, daß dort Saft befindlich ſey.
5. Die zweyte Urſache, warum die Filamente und der Grif-
fel ſo groß und ſo ungewoͤhnlich geſtaltet ſind, iſt, damit die von In-
ſekten beſuchten Blumen nothwendig von denſelben befruchtet wer-
den. In der 33. Figur ſieht man deutlich, daß ein Inſekt nicht anders
zum Safthalter hineinkriechen kann, als daß es zugleich die An-
theren (weiche punktirt ſind), weil ſie am Rande der Filamente
ſitzen, abſtreife. Und eben ſo kann es hierauf in der weiblichen
Blume nicht zum Saft gelangen, ohne den mitgebrachten Staub
an die Stigmate wieder anzuſtreifen.
Uebrigens wird man meine Erklaͤrung der verſchiedenen
Groͤſſe beider Blumen ſo lange gelten laſſen muͤſſen, bis man eine
Pflanze zeigen kann, welche maͤnnliche und weibliche Saftblumen
hat, von welchen die weiblichen groͤſſer und anſehnlicher ſind,
als die maͤnnlichen. Hingegen von einer Pflanze, deren maͤnn-
liche und weibliche Blumen gleich groß ſind, z. B. von der
Lychnis dioeca, kann man keinen Einwurf hernehmen.
Sicyos.
Sicyos edulis. Jacqu. Amer. p. 258. Auch bey die-
ſer Pflanze iſt die Abſicht und Veranſtaltung der Natur, daß die
Inſekten die maͤnnlichen Blumen eher, als die weiblichen, beſu-
chen, nicht zu verkennen. Im Blattwinkel ſitzt ein Stiel mit
vielen maͤnnlichen Blumen, und ein anderer mit Einer oder zwey
weiblichen. Die Inſekten fallen alſo natuͤrlicherweiſe eher auf
die maͤnnlichen, als auf die weiblichen Blumen.
[[231]]
Salix.
Zweyundzwanzigſte Klaſſe.Dioecia.
Maͤnnliche und weibliche Blumen auf zwey verſchiedenen Individuis.
Salix.
Linné hat bloß bey den maͤnnlichen, aber nicht bey den weibli-
chen Bluͤthen der Weiden eine Saftdruͤſe gefunden. Gleditſch
(Einleitung in die Forſtwiſſenſchaft. II. Band. S. 8.) weiß auch
von keiner Saftdruͤſe der weiblichen Bluͤthen. Pollich folgt
zwar in ſeiner Beſchreibung der Gattung hierin dem Linné;
aus ſeiner Beſchreibung der Arten aber ſieht man, daß er die
Saftdruͤſen der weiblichen Bluͤthen zwar geſehen, aber nicht fuͤr
ſolche erkannt hat. Aus demjenigen aber, was er von denſelben
ſagt, daß ſie z. B. gelblich, glatt ꝛc. ſind, kann man ſchon
a priori ſchließen, daß es wirklich Saftdruͤſen ſind. Wer die
weiblichen Bluͤthen aller Weidenarten unterſucht, wird auf dieſen
Saftdruͤſen wirklich ein Safttroͤpfchen finden.
Weil man nun bisher geglaubt hat, daß die weiblichen Bluͤ-
then keinen Saft haben, ſo folgte aus dieſem Irrthum ein ande-
rer; man glaubte nemlich, daß die Bienen bloß die maͤnnlichen
Bluͤthen beſuchen, die weiblichen aber ſtehen laſſen. So ſagt
Gleditſch (Vermiſchte Abhandlungen. II. Theil. S. 137.) von
der Salix caprea, daß ihre maͤnnliche Blumenzapfen wegen des
Nutzens, den ſie den Bienen verſchaffen, den Vorzug vor den
weiblichen verdienen. Und Kruͤnitz, S. 663., ſagt von eben
dieſer Art, daß die Bienen nur bloß aus den Bluͤthenzapfen der
maͤnnlichen Pflanze Honig holen. Ich bin aber nicht nur aus
der Erfahrung uͤberzeugt, daß die Bienen und andere Inſekten
auch die weiblichen Bluͤthen beſuchen, ſondern glaube auch, daß
ſie, indem ſie ſolches thun, dieſelben mit dem Staube, den ſie
von den maͤnnlichen Bluͤthen mitgebracht haben, befruchten,
und daß eben deswegen die Bluͤthenkaͤtzchen der maͤnnlichen
Pflanze weit beſſer in die Augen fallen, als die Kaͤtzchen der weib-
lichen Pflanze, welches beſonders von den gelben Antheren her-
ruͤhrt, und ſo angenehm riechen, welches dieſe nicht thun, damit
nemlich die Inſekten zuerſt auf jene, und hernach auf dieſe ſich
begeben. Auch bereiten die maͤnnlichen Kaͤtzchen keinesweges ſo
viel Staub, als z. B. die maͤnnlichen Kaͤtzchen des Haſelſtrauchs.
So wenig Staub wuͤrde durch den Wind ſchwerlich auf die weib-
lichen Kaͤtzchen gebracht werden koͤnnen.
Salix. Populus.
Das auf der Saftdruͤſe ſitzende Safttroͤpfchen wird durch die
Schuppen, welche auf der aͤußeren Seite und am Rande mit
Haaren beſetzt ſind, vor dem Regen hinlaͤnglich beſchuͤtzt.
Salix caprea. Werft. Palmweide. Tab. XXV. 31.
34. 37. 38.
31. Das maͤnnliche Bluͤthenkaͤtzchen in natuͤrlicher Groͤſſe.
37. Das weibliche Bluͤthenkaͤtzchen in natuͤrlicher Groͤſſe.
34. Die vergroͤſſerte maͤnnliche Bluͤthe.
38. Die eben ſo ſtark vergroͤſſerte weibliche Bluͤthe. In
beiden Figuren ſieht man das auf der (punktirten) Saftdruͤſe
ſitzende Safttroͤpfchen, wie auch die haarichte Schuppe, deren
ich kurz vorher gedacht habe.
Außer Bienen und einer großen Art Hummeln habe ich noch
verſchiedene andere Inſekten auf beiderley Bluͤthenkaͤtzchen, doch
am haͤufigſten auf den maͤnnlichen, gefunden, nemlich allerley
kleine und große Fliegen, Ameiſen, den gemeinen ziegelfarbenen
Schmetterling, und eine Art von großen Muͤcken. Weil ich
die letzte noch niemals auf einer Saftblume angetroffen hatte, ſo
gab ich genau Achtung, ob ſie wirklich vom Saft genoͤſſe, und
ſahe, daß ſie ſehr geſchickt ihren langen Saugeruͤſſel zwiſchen die
Staubgefaͤße und die Schuͤppchen hindurch bis zu den Safttroͤpf-
chen ſteckte.
Populus.
Populus tremula. Espe. Tab. XXV. 13—18.
15. Ein maͤnnliches Kaͤtzchen in natuͤrlicher Groͤſſe und
Stellung.
13. Ein Stuͤck von dem Stiel (rachis) dieſes Kaͤtzchens
nebſt Einer Bluͤthe. Die Antheren haben ſich noch nicht ge-
oͤffnet.
14. Der Koͤrper, welcher die Staubgefaͤße traͤgt, von vorne
geſehen. Die Antheren ſind abgeriſſen worden.
18. Ein weibliches Kaͤtzchen in natuͤrlicher Groͤſſe und Stel-
lung.
16. Ein Theil ſeines Stiels nebſt Einer Bluͤthe, eben ſo
ſtark vergroͤſſert, als Fig. 13.
E e 3
[[232]]
Populus.
17. Der Koͤrper, welcher das Piſtill traͤgt, von unten ge-
ſehen.
Die beiden Kaͤtzchen, welche hier abgebildet ſind, haben ſich
noch nicht gehoͤrig verlaͤngert. Wann ſie ihre voͤllige Laͤnge er-
reicht haben, folglich weit lockerer geworden ſind, ſo werden ſo-
wohl die Antheren, als die Stigmate von den Schuͤppchen,
welche ſie vor der Naͤſſe ſchuͤtzen ſollen, und eben deswegen am
Rande lange Haare haben, weniger verdeckt, ſo daß alſo der
Staub der maͤnnlichen Kaͤtzchen leichter abfliegen, und an die
Stigmate der weiblichen anfliegen kann.
Den 15. Maͤrz 1790 ſtanden die Baͤume in voller Bluͤthe.
Vormittags ſchien die Sonne ſchoͤn; dabey wehete aber ein ziem-
lich kalter Wind. Auf Baͤumen, die demſelben ausgeſetzt waren,
fand ich keine Bienen, hingegen auf einer Anzahl derſelben, welche
von einem kleinen Kiefernwalde gegen denſelben geſchuͤtzt, zugleich
aber von der Sonne voͤllig beſchienen wurde, eine große Menge,
jedoch bloß auf den maͤnnlichen, da hingegen auf den weiblichen
ſich entweder gar keine, oder nur ſehr wenige aufhielten. An
dem ſtarken Summen dieſer Inſekten konnte man ſchon in einiger
Entfernung die maͤnnlichen Baͤume erkennen, und ſie von den
weiblichen unterſcheiden. Schon hieraus folgt, daß die Bluͤthen
keinen Saft enthalten koͤnnen. Denn wenn die Bluͤthen des weib-
lichen Baums Saft haͤtten, ſo wuͤrden ſie auch von den Bienen
beſucht werden; und wenn die Bluͤthen des maͤnnlichen Baums
Saft enthielten, ſo muͤßten auch jene damit verſehen ſeyn. Die
Bienen ſammlen alſo bloß den Staub der maͤnnlichen Bluͤthen.
Unterſucht man nun beiderley Bluͤthen, ſo findet man weder Saft
in denſelben, noch bemerkt man, daß ſie den geringſten Geruch
haben, oder von weitem merklich in die Augen fallen, indem ſie
nichts haben, was man fuͤr eine Krone ſollte halten koͤnnen.
Zwar haben die maͤnnlichen Kaͤtzchen der Weiden auch keine Kro-
nen; ſie fallen aber dennoch ſtark genug in die Augen, und zwar
vermittelſt der Antheren, deren Staub ſchoͤn gelb iſt, und feſt
ſitzt, wie es bey Saftblumen gewoͤhnlich und noͤthig iſt. Die
maͤnnlichen Kaͤtzchen der Espen hingegen machen ſich zwar an-
fangs ebenfalls durch die Antheren bemerkbar, welche, ſo lange
ſie ſich noch nicht geoͤffnet haben, purpurfarben ſind. Daß aber
die Natur hierunter nicht zur Abſicht haben koͤnne, daß ſie in die
Augen fallen ſollen, erhellet daraus, daß dieſes ganz vergebens
ſeyn wuͤrde, indem der Staub noch nicht reif, und zur Befruch-
tung tuͤchtig iſt. Sobald ſich aber die Antheren geoͤffnet haben,
ſehen ſie ganz unanſehnlich aus, weil der Staub theils nicht ſon-
derlich gefaͤrbt, theils ſehr fluͤchtig iſt, und vom Winde bald weg-
gefuͤhrt wird. Es iſt alſo zwiſchen dieſen Kaͤtzchen, des Geruchs
nicht zu gedenken, auch hierin ein großer Unterſchied.
Populus.
Den kleinen Koͤrper, welcher die Befruchtungstheile traͤgt,
Fig. 13. 14. 16. 17., hat Linné anfaͤnglich fuͤr ein Nectarium
gehalten (dieſer irrigen Meinung iſt auch Gleditſch geweſen,
S. 135.), hernach aber, da er vermuthlich bey naͤherer Unterſu-
chung keinen Saft in demſelben gefunden, die Krone genannt,
um doch etwas daraus zu machen. Allein auch darin hat er ſich
geirrt. Denn eine Krone muß ſich durch Farbe, und durch we-
nigſtens etwas in die Augen fallende Groͤſſe kenntlich machen;
beides aber fehlt bey dieſem kleinen Koͤrper, welcher alſo zu weiter
nichts beſtimmt iſt, als die Staubgefaͤße und das Piſtill zu
tragen.
Der Staub der maͤnnlichen Bluͤthen wird alſo auf das
Stigma der weiblichen nicht durch Inſekten, ſondern durch den
Wind gebracht, welches ſehr leicht geſchehen muß. Denn 1) die
maͤnnlichen Bluͤthen bereiten eine große Menge Staubes. 2) Die-
ſer Staub iſt wirklich ein eigentlicher ſehr feiner und trockner
Staub, welcher bey der geringſten Erſchuͤtterung abfaͤllt, und
durch das geringſte Luͤftchen fortgefuͤhrt wird. 3) Das Stigma
iſt nach Verhaͤltniß der ganzen weiblichen Bluͤthe ſehr groß. Denn
es beſteht (Fig. 16. 17.) aus dem ganzen viertheiligen purpurfar-
benen Koͤrper, welcher auf dem Fruchtknoten ſitzt, keinesweges
aber aus dem Endpunkte dieſer vier Theile, als ſo vieler Griffel,
wie bey vielen Saftblumen, z. B. dem Galanthus, dem Leu-
coium ꝛc. 4) Die Blumen beiderley Geſchlechts ſitzen an hohen
Baͤumen, und zwar 5) an ſolchen Baͤumen, die zur Bluͤhezeit
noch keine Blaͤtter haben. Zwiſchen den maͤnnlichen und weibli-
chen Kaͤtzchen bemerkt man den Unterſchied, daß dieſe ſteif herab-
hangen, jene aber vom Winde hin und her gewehet werden;
denn dieſe haben einen weit dickeren Stiel, als jene, Fig. 13. 16.
Der Grund dieſer verſchiedenen Einrichtung iſt unſtreitig, daß
die weiblichen Kaͤtzchen weit laͤnger dauern ſollen, als die maͤnn-
lichen, auch mehr Nahrung noͤthig haben, wahrſcheinlich aber
geht die Abſicht bey derſelben auch dahin, damit die Befruchtung
dadurch befoͤrdert werde. Denn indem der Wind die maͤnnlichen
Kaͤtzchen hin und her wirft, ſo faͤllt der Staub deſto leichter von
denſelben ab, und indem derſelbe dieſen Staub in horizontaler
Richtung auf die Kaͤtzchen der weiblichen Baͤume fuͤhrt, ſo em-
pfangen dieſe, weil ſie ſteif herabhangen, denſelben ſehr leicht.
Wuͤrden ſie aber eben ſo, wie die maͤnnlichen Kaͤtzchen, vom
Winde hin und her geworfen, ſo wuͤrden ſie in denjenigen Au-
genblicken, in welchen ſie eine horizontale Richtung haben, den
Staub nicht ſo leicht empfangen, ſondern dieſer wuͤrde laͤngſt
denſelben vorbeyfliegen.
[[233]]
Rhodiola. Mercurialis. Stratiotes.
Rhodiola.
Rhodiola roſea. Roſenwurz. Aus des Grafen Mat-
tuſchka Beſchreibung (Fl. Sileſ. II. Th. S. 437.) erhellet,
daß die Blumen der maͤnnlichen Pflanze eine groͤſſere Krone ha-
ben, als der weiblichen ihre. Da nun beiderley Blumen Saft-
blumen ſind, ſo dienen auch ſie zur Beſtaͤtigung meiner bey der
Valeriana diocca und Bryonia alba vorkommenden Erklaͤrung
dieſes Unterſchiedes.
Mercurialis.
Mercurialis annua. Bingelkraut. Bey der Lin-
néiſchen Beſchreibung der Gattung habe ich Folgendes zu erin-
nern. 1) Daß nur die Blumen der weiblichen Pflanze Saft
haben, hingegen der maͤnnlichen ihre nicht, laͤßt ſich ſchwerlich
gedenken. 2) Die beiden pfriemenfoͤrmigen Koͤrper, welche
LinnéNectaria nennt, ſind zu duͤnne, als daß ſie ſollten Saft
abſondern koͤnnen. Wenn die weibliche Blume wirklich Saft hat,
ſo muß derſelbe von dem Fruchtknoten ſelbſt abgeſondert werden.
Denn derſelbe iſt groͤßtentheils mit ſteifen Haaren beſetzt, unter-
waͤrts aber in den Winkeln oder Furchen kahl und glatt. Der
Saft muͤßte alſo auf beiden Seiten deſſelben zwiſchen einer ſolchen
Furche und dem duͤnnen pfriemenfoͤrmigen Koͤrper ſitzen, und die-
ſer ſowohl als die Haare des Fruchtknotens muͤßten zur Beſchuͤtzung
des Safts dienen. Ich habe bloß die weiblichen Blumen zu un-
terſuchen Gelegenheit gehabt, und zwar im November, und die-
ſes iſt vielleicht die Urſache geweſen, daß ich keinen Saft in den-
ſelben gefunden habe.
Stratiotes.
Stratiotes alooides. Tab. XXII. 15. 16. Tab.
XXIII. 25. 26.
Tab. XXII. 15. Die maͤnnliche Blume in natuͤrlicher Groͤſſe
und Stellung.
16. Dieſelbe, vergroͤſſert, nachdem die Krone weggeſchnit-
ten, und der Kelch umgeſchlagen worden. In der Mitte ſieht
man 13 Antheren. Dieſelben werden von 24 Saftmaſchinen um-
geben, welche, ſoweit ſie punktirt ſind, gelb, unterwaͤrts aber
weiß ſind. Auf dieſer weißen Stelle hat eine jede ein Saft-
troͤpfchen.
Tab. XXIII. 25. Die weibliche Blume in natuͤrlicher Groͤſſe
und Stellung.
26. Dieſelbe, vergroͤſſert, nachdem die Krone und der Kelch
weggeſchnitten worden. In der Mitte 12 Stigmate, um dieſelben
herum 24 Saftmaſchinen.
Von dieſen Blumen hat Linné ſich eine falſche Vorſtellung
gemacht. Er hat bloß weibliche Blumen vor Augen gehabt,
Stratiotes.
und diejenigen Koͤrper, welche ich Saftmaſchinen nenne, fuͤr die
Staubgefaͤße gehalten, folglich dieſelben zu Zwitterblumen um-
geſchaffen. Die Pflanze gehoͤrt in die Dioecia dodecandria.
Sowohl in der maͤnnlichen, als der weiblichen Blume befin-
den ſich zwiſchen den Kronenblaͤttern und den Befruchtungstheilen
24 lange Koͤrper, welche gelb, an der Baſis aber weiß ſind. Auf
der Außenſeite dieſer weißen Baſis ſondert eine jede ein Safttroͤpf-
chen aus. Um ſich hievon zu uͤberzeugen, nehme man eine noch
nicht aufgebrochene Blume, und ſchneide den Kelch und die Krone
weg. Alsdenn wird man auf dieſen weißen Stellen noch keinen
Saft finden. Stellt man dieſelbe aber ins Waſſer, ſo wird man
am folgenden Morgen auf jeder ein Safttroͤpfchen finden. Dieſe
Koͤrper nenne ich nicht Saftdruͤſen, ſondern Saftmaſchinen, weil
nur ihr unterſter kleinſter Theil die Saftdruͤſe iſt, der oberſte
groͤſſere aber etwas anders iſt. Weil er gelb iſt, ſo glaube ich, daß
er zum Saftmaal diene, da die Krone weiß iſt. Aber auch zur
Saftdecke dient er vermuthlich, indem, wenn Regentropfen in
die Blume hineinfallen, dieſelben zwiſchen demſelben und der
Krone hangen bleiben muͤſſen, und nicht zu den Safttroͤpfchen
hinabfließen koͤnnen.
Da die Blumen theils Saftblumen ſind, theils die maͤnnli-
chen ſich auf anderen Pflanzen befinden, als die weiblichen: ſo
geſchieht die Befruchtung ohne Zweifel durch Inſekten. Durch
welche, weiß ich nicht; denn ich habe noch niemals Inſekten auf
den Blumen angetroffen. Nimmt man dieſes an, ſo kann man
auch einen Grund angeben, warum die maͤnnlichen Blumen auf
laͤngeren Stielen ſitzen, als die weiblichen, nemlich, damit die
Inſekten zuerſt auf jene hinfliegen, da ihnen dieſelben eher in die
Augen fallen, als die weiblichen.
In der hieſigen Gegend waͤchſt die Pflanze in zweyen von
einander weit entfernten Graͤben. In dem einen *) ſtehen maͤnn-
liche und weibliche Pflanzen unter einander; in dem andern **)
aber ſind bloß maͤnnliche vorhanden. Und dennoch haben ſich
dieſelben ſo vermehrt, daß ſie an vielen Stellen den Graben ganz
bedecken, und daher die Aufmerkſamkeit einiger armen Leute auf
ſich gezogen haben, welche ſie aus dem Waſſer herausholen, und
ihre Schweine damit futtern. Ich glaube alſo, daß in dieſen
Graben irgend einmal ein einziges Samenkorn zufaͤlligerweiſe ge-
kommen iſt, welches ein maͤnnliches Individuum hervorgebracht
hat, aus welchem hernach von Jahr zu Jahr die gegenwaͤrtige
große Menge entſtanden iſt. Denn dieſe Pflanze vermehrt ſich
nicht nur durch den Samen, ſondern auch durch junge Pflaͤnz-
chen, welche ſie anſetzt, und welche ſich in der Folge von der
Mutterpflanze abſondern, und fortwachſen.
[[234]]
Acer. Myoſurus.
Dreyundzwanzigſte Klaſſe.Polygamia.
Außer Zwitterblumen zugleich maͤnnliche oder weibliche Blumen.
Acer.
Linné hat bey dieſer Gattung kein Nectarium gefunden.
Gleditſch (Forſtw. I. S. 293 und 296.) ruͤhmt die Blumen
des Acer platanoides und A. Pſeudoplatanus ihres Honigs
wegen. Vom A. campeſtre aber ſagt er hieruͤber nichts.
Acer platanoides. Der fleiſchichte und glatte Koͤrper,
welchen Linné das receptaculum nennt, iſt die Saftdruͤſe und
zugleich der Safthalter.
Acer ſtriatum. Unter dieſem Namen befindet ſich dieſe
Art in der Tegelſchen Plantage. Sie koͤmmt mit der Linnéi-
Acer. Myoſurus.
ſchen Beſchreibung des A. Penſyluanicum voͤllig uͤberein, aber
nicht mit dem Synonymon des du Roi; mit welchem hingegen
das dort ſo genannte A. Penſyluanicum uͤbereinſtimmt. Das
Synonymon widerſpricht der Beſchreibung in zwey Stuͤcken,
nemlich 1) in der Geſtalt der Blaͤtter, und 2) in der Stellung
der Blumentrauben.
Die Blumen, welche ich unterſuchte, hatten ſchon abgebluͤ-
het. An der Baſis des gruͤnen Fruchtknotens fand ich acht gelbe
Saftdruͤſen.
Nachtrag.
Nach dem Artikel: Linum, S. 178.
Myoſurus.
Myoſurus minimus. Mauſeſchwaͤnzchen. Diejeni-
gen Theile dieſer Blume, welche Linné anfaͤnglich Kronenblaͤt-
ter, in der Folge aber Nectaria genannt hat, ſind uͤberaus klein.
Daher habe ich einigemal ſelbſt durch die Loupe keinen Saft auf
denſelben ſehen koͤnnen. Ein andermal aber, da es ſchoͤnes Wet-
ter war, und ich die Blume gegen das Sonnenlicht hielt, konnte
ich die kleinen glaͤnzenden Safttroͤpfchen mit bloßen Augen ſehr
wohl bemerken.
Appendix A Nachricht an den Buchbinder.
Die Kupfertafeln werden am Ende des Buchs an Blaͤtter von der Groͤſſe des Formats deſſelben angehaͤngt, und un-
gebrochen eingeſchlagen. Dadurch erhaͤlt der Beſitzer den Vortheil, daß 1) dieſelben beym Gebrauch ganz heraus-
fallen, und er die Figuren mit Bequemlichkeit betrachten kann, 2) daß ſie ihr gutes Anſehen behalten, auch nicht ſo
leicht einen Riß bekommen, als wenn ſie gebrochen waͤren, 3) daß das Buch nicht vorne dicker wird, als nach dem
Ruͤcken zu, welches uͤbel ausſieht. Den Vortheil, welcher hierdurch verloren geht, daß man die Kupfertafeln nicht ſo
geſchwinde finden kann, indem man dieſelben erſt umſchlagen muß, um nach der Nummer zu ſehen, kann man ſich mit
geringer Muͤhe verſchaffen, wenn man auf die Ruͤckſeite derſelben in die obere Ecke rechter Hand die Nummer hinſchreibt.
[[235]]
Appendix B Verzeichniß
der abgehandelten Gattungen und Arten.
- A.
- Acer S. 443.
— platanoides — —
— ſtriatum — — - Achillea Millefolium — 378.
- Aconitum Napellus — 278.
— — Lycoctonum — 279. - Aegopodium Podagraria — 153.
- Aeſculus Hippocaſtanum — 209.
— — Pauia — 213. - Aethuſa Cynapium — 153.
- Agroſtemma Githago — 254.
- Aiuga pyramidalis — 299.
- Albuca maior — 192.
- Alcea roſea — 345.
- Aletris Capenſis — 201.
- Allium — 183.
— — carinatum — —
— — Cepa — 184.
— — Schoenopraſum — 185.
— — fiſtuloſum — —
— — Porrum — 186.
— — Victorialis — 187.
— — vineale — —
— — nutans — — - Alſine media — 160.
- Althaea officinalis — 344.
- Alyſſum incanum — 330.
- Amygdalus Perſica — 268.
- Anchuſa officinalis — 89.
- Androſace villoſa — 101.
- Anemone pratenſis — 289.
— — Hepatica — 291.
— — nemoroſa — 292. - Anthemis Cotula — 378.
— — aruenſis — — - Anthericum ramoſum — 196.
— — fruteſcens — 198. - Antirrhinum Linaria — 317.
Antirrhinum maius S. 320. - Aquilegia vulgaris — 279.
— — Canadenſis — 280. - Arabis alpina — 333.
— Thaliana — — - Arbutus Vnedo — 240.
- Arenaria trineruia — 253.
- Ariſtolochia Clematitis — 418.
- Aſclepias Vincetoxicum — 139.
— — Curaſſauica — —
— — fruticoſa — — - Aſperula odorata — 84.
- Aſphodelus fiſtuloſus — 196.
- Aſtragalus Onobrychis — 362.
- Atropa phyſaloides — 126.
- Auena ſatiua — 80.
- Auicennia nitida — 328.
- Azalea viſcoſa — 104.
- B.
- Ballota nigra — 309.
- Bellis perennis — 377.
- Berberis vulgaris — 203.
- Beſleria criſtata — 322.
- Bignonia paniculata — 327.
- Borago officinalis — 94.
- Braſſica campeſtris — 333.
— oleracea — — - Bryonia alba — 435.
- Butomus vmbellatus — 234.
- C.
- Calendula officinalis — 384.
- Caltha paluſtris — 298.
- Cameraria latifolia — 139.
- Campanula rotundifolia — 109.
— — patula — 112.
— — glomerata — —
— — latifolia — —
— — ſpeculum — 113.
Capraria biflora S. 328. - Capſicum groſſum — 129.
- Cardamine Graeca — 331.
— — pratenſis — — - Carduus nutans — 370.
— — lanceolatus — 371. - Carex Pſeudocyperus — 429.
- Carpinus Betulus — 431.
- Celaſtrus ſcandens — 131.
- Centaurea Cyanus — 380.
- Ceraſtium aquaticum — 261.
— — aruenſe — 262.
— — viſcoſum — 263. - Cerbera Theuetia — 134.
- Chaerophyllum ſylueſtre — 153.
- Cheiranthus incanus — 332.
- Chelidonium maius — 271.
- Chiococca nocturna — 119.
- Chironia fruteſcens — 130.
- Chondrilla iuncea — 367.
- Chryſoſplenium alternifolium — 241.
- Citrus medica — 365.
- Cneorum tricoccum — 67.
- Cochlearia officinalis — 330.
- Colchicum autumnale — 206.
- Colutea arboreſcens — 360.
— orientalis — 361. - Comarum paluſtre — 272.
- Combretum ſecundum — 228.
- Conium maculatum — 153.
- Conuallaria Polygonatum — 198.
— — multiflora — 199. - Conuoluulus ſepium — 106.
— — aruenſis — 107.
— — tricolor — 108. - Cornus ſanguinea — 85.
— maſcula — —
— florida — — - Coronilla Emerus — 361.
- Corylus Auellana — 431.
F f
[[236]]Verzeichniß
Crambe Hiſpanica S. 334. - Craniolaria annua — 321.
- Crataegus monogyna — 269.
- Crepis biennis — 369.
- Creſcentia Cuiete — 327.
- Crocus ſatiuus — 68.
- Cucubalus — 251.
— — Behen — — - Cucumis ſatiuus — 435.
- Cucurbita Pepo — 433.
- Cynara Scolymus — 373.
- Cynogloſſum officinale — 89.
— — omphalodes — 91. - D.
- Datura Stramonium — 122.
- Delphinium Aiacis — 277.
- Dianthus ſuperbus — 248.
— — deltoides — 250.
— — Carthuſianorum — —
— — barbatus — 251. - Dictamnus albus — 235.
- Digitalis purpurea — 325.
— ambigua — 326. - Dolichos Lablab — 354.
- Draba verna — 329.
- E.
- Echinops Ritro — 384.
- Echites — 138.
- Echium vulgare — 99.
- Epilobium — 223.
— — hirſutum — —
— — montanum — 224.
— — anguſtifolium — — - Erica vulgaris — 230.
- Eriophorum polyſtachyon — 79.
- Eryſimum Alliaria — 332.
— — officinale — — - Erythronium dens canis — 191.
- Euphorbia Cypariſſias — 266.
— — paluſtris — 267.
— — Lathyris — — - Euphraſia officinalis — 315.
— — Odondites — — - F.
- Feſtuca elatior — 80.
Fritillaria imperialis S. 189. - Fumaria officinalis — 349.
- G.
- Galanthus niualis — 177.
- Galeopſis Tetrahit — 307.
— — cannabina — —
— — Galeobdolon — — - Galium — 84.
- Gaura biennis — 223.
- Geniſta tinctoria — 353.
— piloſa — — - Gentiana Pneumonanthe — 150.
— — Centaurium — 152. - Geranium paluſtre — 335.
— — Robertianum — 337.
— — pratenſe — 338.
— — ſyluaticum — —
— — ſanguineum — —
— — reflexum — —
— — molle — —
— — cicutarium — —
— — moſchatum — 340.
— — zonale — —
— — lacerum — 342.
— — quercifolium — 344. - Geum riuale — 272.
— vrbanum — — - Gladiolus communis — 69.
- Glecoma hederacea — 301.
- Gratiola officinalis — 54.
- H.
- Hamamelis Virginica — 85.
- Hamelia erecta — 119.
— — patens — — - Helianthus annuus — 378.
- Helicteres Baruenſis — 429.
— — Carthagenenſis — — - Heliotropium Peruuianum — 87.
- Helleborus niger — 296.
— — viridis — 298. - Hemerocallis flaua — 202.
— — fulua — 203. - Heracleum Sphondylium — 153.
- Heſperis matronalis — 333.
— triftis — — - Heuchera Americana — 150.
Hibiſcus S. 350. - Hieracium murorum — 369.
- Holoſteum vmbellatum — 80.
- Hottonia paluſtris — 103.
- Hyacinthus Muſcari — 199.
— — racemoſus? — —
— — orientalis — 200.
— — ſerotinus — —
— — comoſus — 201. - Hydrophyllum Virginicum — 104.
- Hyoſcyamus Scopolia — 123.
— — niger — 124. - Hypochoeris radicata — 369.
- Hyſſopus officinalis. — 301.
- J.
- Jaſione montana — 115.
- Jaſminum — 47.
— — fruticans — —
— — officinale — — - Impatiens Balſamina — 400.
- Imperatoria Oſtruthium — 153.
- Ipomoea coccinea — 108.
— — repanda — 109. - Iris — 69.
— Pſeudacorus — 70.
— Xiphium — 71.
— Germanica — 78. - Juſticia pulcherrima — 53.
- K.
- Kalmia poliifolia — 238.
- Knautia orientalis — 84.
- L.
- Lamium album — 302.
— purpureum — 304. - Lantana Africana — 328.
- Lapfana communis — 370.
- Laſerpitium Prutenicum — 153.
- Lathraea Squamaria — 316.
- Lathyrus odoratus — 355.
— — ſatiuus — —
— — paluſtris — —
— — latifolius — — - Lauandula Spica — 301.
- Lauatera arborea — 350.
- Laurus Indica — 231.
[[237]]der abgehandelten Gattungen und Arten.
Ledum paluſtre S. 240. - Leontodon autumnale — 368.
— — Taraxacum — — - Leonurus Cardiaca — 310.
- Leucoium vernum — 181.
- Liguſticum Leuiſticum — 153.
- Lilium Martagon — 187.
— bulbiferum — 189.
— candidum — — - Linum vſitatiſſimum — 175.
— perenne — 176. - Lithoſpermum aruenſe — 88.
- Lobelia vrens? — 385.
— Cardinalis — 386. - Lonicera Xyloſteum — 120.
— — Caprifolium — — - Lotus corniculatus — 364.
- Lunaria rediuiua — 331.
- Lupinus luteus — 353.
- Lychnis dioeca — 255.
— — — cor. purp, — 260.
— — Chalcedonica — 261.
— — flos cuculi — — - Lycium Afrum — 130.
— — Americanum — — - Lycopſis aruenſis — 98.
- Lyſimachia quadrifolia — 104.
— — vulgaris — — - Lythrum Salicaria — 263.
- M.
- Malua ſylueſtris — 347.
— rotundifolia — 348.
— verticillata — —
— Capenſis — 350. - Marrubium vulgare — 309.
- Medicago falcata — 364.
- Melampyrum ſyluaticum — 315.
— — nemoroſum — 316. - Meliſſa officinalis — 311.
- Menyanthes trifoliata — 102.
- Mercurialis annua — 441.
- Mirabilis longiflora — 120.
- Monarda — 58.
- Monotropa Hypopithys — 238.
- Muſſaenda formoſa — 119.
— — ſpinoſa — — - Myagrum Hiſpanicum — 329.
Myoſotis paluſtris S. 88. - Myoſurus minimus — 443.
- Myrtus communis — 268.
- N.
- Narciſſus — 182.
- Nepeta Cataria — 301.
- Nerium Oleander — 138.
— Zeilanicum — — - Nicotiana ruſtica — 125.
— — glutinoſa — — - Nigella aruenſis — 280.
- Nolana proſtrata — 101.
- Nymphaea lutea — 273.
- O.
- Ocymum Baſilicum — 311.
- Oenothera biennis — 217.
- Ophrys ouata — 406.
- Orchis latifolia — 401.
— Morio — 404.
— militaris — —
— bifolia — 405.
— conopſea — 406. - Ornithogalum minimum — 193.
— — luteum — —
— — nutans — —
— — pyramidale? — 194. - Orobus niger — 354.
- Oxalis Acetoſella — 253.
— corniculata — 254. - P.
- Pancratium littorale — 183.
- Papauer — 272.
— dubium — 273. - Parkinſonia aculeata — 235.
- Parnaſſia paluſtris — 166.
- Paſſiflora coerulea — 160.
- Pedicularis ſyluatica — 316.
- Peltaria alliacea — 331.
- Petraea volubilis — 327.
- Phaſeolus vulgaris 353. 359.
- Philadelphus coronarius — 267.
- Phlox paniculata — 105.
- Phylica ericoides — 131.
- Phyſalis Alkekengi — 127.
— pubeſcens — —
Phyteuma ſpicatum S. 113.
— — montanum — 115. - Picris echioides — 366.
- Pinguicula vulgaris — 54.
- Pinus ſylueſtris — 432.
- Piſum ſatiuum — 354.
- Plumeria alba — 139.
— — pudica — — - Poinciana pulcherrima — 235.
- Polemonium coeruleum — 109.
- Polygala vulgaris — 350.
- Polygonum Fagopyrum — 231.
— — orientale — — - Populus tremula — 438.
- Portlandia grandiflora — 118.
— — hexandra — 119. - Porentilla fruticoſa — 270.
— — verna — 271. - Praſium maius — 313.
- Primula veris — 101.
— Auricula — 102. - Prunella vulgaris — 312.
- Prunus Ceraſus — 269.
— ſpinoſa — — - Pſoralea bituminoſa — 362.
- Pulmonaria officinalis — 91.
- Pyrus communis — 269.
— Malus — — - R.
- Ranunculus — 293.
— — bulboſus — —
— — auricomus — 294. - Raphanus Raphaniſtrum — 334.
- Reſeda odorata — 265.
— fruticuloſa — — - Rheum palmatum — 233.
- Rhinanthus criſta galli — 313.
- Rhodiola roſea — 441.
- Ribes Groſſularia — 132.
— rubrum — —
— nigrum — 133. - Ricinus communis — 433.
- Rondeletia odorata — 118.
- Rubus Idaeus — 270.
— fruticoſus — — - Ruſſelia ſarmentoſa — 327.
- Ruta graueolens. — 236.
F f 2
[[238]]Verzeichniß der abgehandelten Gattungen und Arten.
S. - Sagina procumbens S. 86.
- Salix — 437.
— caprea — 438. - Saluia pratenſis — 58.
— officinalis — 62.
— verticillata — 64.
— glutinoſa — — - Saponaria officinalis — 248.
- Satureia hortenſis — 300.
— — montana — 301. - Saxifraga ſtellaris — 242.
— — craſſifolia — —
— — granulata — —
— — tridactylites — 244.
— — Cotyledon — 246.
— — vmbroſa — 247. - Scabioſa columbaria — 81.
— — aruenſis — 84.
— — ſucciſa — — - Scilla amoena — 194.
- Scleranthus perennis — 247.
- Scrophularia nodoſa — 322.
— — vernalis — 325. - Scutellaria galericulata — 312.
— — alpina — — - Secale cereale — 79.
- Sedum Telephium — 253.
- Serapias longifolia — 411.
— — latifolia — 414. - Serratula aruenſis — 370.
- Sicyos edulis — 436.
- Silene — 251.
— noctiflora — 252.
— nutans — —
— quinqueuulnera — —
— Armeria — — - Silphium perfoliatum — 381.
- Sinapis aruenſis — 334.
- Siſymbrium arenoſum — 331.
- Siſyrinchium Bermudiana — 411.
- Solanum nigrum Guineenſe — 128.
— — — vulgatum — 129.
— — tuberoſum — —
Solanum Hauanenſe S. 129.
— — Dulcamara — — - Sorbus aucuparia — 269.
- Spartium ſcoparium — 352.
- Spergula nodoſa — 263.
— — aruenſis — 264. - Spiraea opulifolia — 270.
- Stachys ſyluatica — 307.
— paluſtris — 308.
— recta — — - Statice Armeria — 173.
- Stellaria graminea — 253.
— — Dilleniana — — - Stratiotes alooides — 441.
- Symphytum officinale — 93.
- Syringa vulgaris — 47.
- T.
- Tagetes — 377.
- Tamarindus Indica — 67.
- Teucrium fruticans — 300.
- Theſium linophyllum — 134.
- Thlaſpi burſa paſtoris — 330.
- Thymus vulgaris — 310.
— — Acinos — 311.
— — Serpyllum — — - Tilia Europaea — 275.
— cordata — —
— Americana — 276. - Tragopogon maior — 365.
- Trifolium alpeſtre — 363.
— — Melilotus officinalis — —
— — repens — —
— — pratenſe — 364.
— — aruenſe — — - Tropaeolum maius — 213.
- Tulipa Geſneriana — 192.
- Tuffilago Farfara — 374.
— — Petaſites — 376.
— — hybrida — —
— — alba — 377. - V.
- Vaccinium Oxycoccos — 228.
— — Myrtillus — 229.
Valeriana officinalis S. 63.
— — dioeca — 65. - Verbaſcum Thapſus — 121.
— — Blattaria — —
— — nigrum — 122.
— — phoeniceum — — - Verbena officinalis — 56.
— Aubletia — 57. - Veronica — 48.
— ſpicata — 49.
— maritima — 50.
— Chamaedrys — 51.
— triphyllos — 52.
— officinalis — —
— proſtrata — —
— verna — —
— ſerpyllifolia — —
— hederifolia — — - Viburnum Opulus — 159.
- Vicia ſepium — 356.
— ſatiua — 357.
— Faba — —
— Cracca — 360. - Vinca roſea — 135.
— maior — 136.
— minor — — - Viola odorata — 386.
— tricolor — 395.
— paluſtris — 398.
— canina — —
— mirabilis — 399. - Vlex Europaeus — 353.
- Vlmus effuſa — 150.
- W.
- Wulfenia Carinthiaca — 53.
- X.
- Xeranthemum annuum — 373.
- Ximenia multiflora — 228.
- Y.
- Yucca glorioſa — 202.
- Z.
- Zygophyllum Fabago — 237.
den Namen des Verfaſſers und die Seitenzahl anfuͤhre.
Werks iſt jedesmal gemeint, wenn ich bloß den Nahmen des
Verfaſſers und die Seitenzahl anfuͤhre.
einzelne Pflanze angetroffen, von welcher ich nicht begreifen
konnte, wie ſie dahin gekommen war. Dahin gehoͤrt Anthyllis
Vulneraria, welche ich in einer Schonung bey Charlottenburg
fand, und Aquilegia vulgaris, welche ich in der Stadtheide
fand. Von jener iſt mir nur ein einziger Standort bekannt,
nemlich bey Falkenhagen; dieſe iſt in hieſiger Gegend gar nicht
zu finden. Zu denen Arten, von welchen ich bisher nur ein ein-
ziges Exemplar gefunden habe, gehoͤrt auch Aucna pratenſis,
Melampyrum aruenſe, Trifolium hybridum, Orobanche maior.
Figur fehlt.
weiſet, iſt ein Fehler.
ſo, weil ich dieſe Biene fuͤr die zahme Biene hielt, welcher ſie,
in einiger Entfernung geſehen (denn ich konnte ſie nicht fan-
gen), aͤhnlich ſieht. Daß es aber nicht die zahme Biene ſey,
haͤtte ich ſchon aus der Geſtalt des Staubes, welcher auf den
locker, ſo wie er von der Blume war abgeſtreift worden. Auf
den Hinterbeinen der zahmen Bienen aber ſitzt der Staub nicht
locker, ſondern kompakt, weil ſie ihn nicht mit den Hinterbei-
nen abſtreifen, ſondern mit dem Munde, und ihn von da mit
den vorderſten und mittelſten Beinen auf die Hinterbeine brin-
gen, und dort gleichſam ankleben. Im Sommer des gegen-
waͤrtigen Jahres kam ich aus meinem Irrthum. Ich fand
nemlich ebenfalls in der Mittagsſtunde eines ſchoͤnen und war-
men Tages auf eben dieſer Blume eine mit eben ſo außeror-
dentlich großen Staubballen verſehene Viene, und erkannte
ſie ſogleich fuͤr eben dieſelbe Art. Ich ſing ſie. Als ich ſie be-
trachtete, fand ich bald, daß es keinesweges die zahme Biene
ſey. Sie iſt ein wenig groͤſſer, aber eben ſo ſchlank, als dieſe,
unterſcheidet ſich aber von derſelben vorzuͤglich durch die langen
Haare, mit welchen ihre Hinterbeine dicht beſetzt ſind. Auf
dem Ruͤcken hat ſie vier haarichte Ringe. Die drey vorderſten
beſtehen aus kurzen anliegenden weißen, der hinterſte am After
befindliche aber aus langen abſtehenden ſchwarzen Haaren. Ich
ward ſogleich voͤllig davon uͤberzeugt, daß dieſe Biene keines-
weges den Staub wiſſentlich ſammlet, wie die zahmen Bienen,
ſondern daß ſie, indem ſie den Saft aus den Blumen holt, zu-
gleich, ohne es zu wollen, mit ihren haarichten Hinterbeinen
den Staub von den Griffeln, welche denſelben aus der roͤhrich-
ten Anthere herausziehen, abſtreift, und auf die Stigmate
bringt, und daß zu dieſem Ende die Natur ihre Hinterbeine mit
ſo vielen und langen Haaren verſehen hat. Auch ſahe ich ein,
wie zweckmaͤßig es iſt, wenn dieſes Inſekt bloß zur Befruch-
tung dieſer und aͤhnlicher Blumen beſtimmt iſt, daß nicht an-
dere Theile ſeines Koͤrpers, ſondern bloß die Hinterbeine ſo
außerordentlich haaricht ſind. Weil mich nun dieſe Biene die-
ſes Umſtandes wegen ungemein intereſſirte, ſo gab ich mir viel
Muͤhe, ſie in den Werken des Fabricius aufzuſuchen; ich
habe ſie aber nicht finden koͤnnen. Sie ſcheint ſelten zu ſeyn,
da außer den beiden genannten Exemplaren mir bisher noch
kein einziges vorgekommen iſt.
wirklich, da ihnen die weſentlichſten Theile einer Blume fehlen.
Man kann ſie daher mit Recht Scheinblumen (ψευδανϑος)
nennen.
Stigma verſtanden haben. Bey der Serapias aber kann ich ſein
Stigma gar nicht finden.
Striche gemacht. In Fig. II. aber hat er es punktirt.
ſie aber nicht finden. Denn daß der Faden, welcher in der
Orchis das Staubkoͤlbchen mit dem Kuͤgelchen verbindet, kein
Filament iſt, folgt ſchon daraus, daß dieſer Faden bey der
Ophrys und Serapias nicht vorhanden iſt.
Orchis mit Verwunderung und ohne begreifen zu koͤnnen, wie
es zugeht, bemerkt.
bekannt.
folgt daraus, daß ſo uͤberaus kleine Antheren, und ein Stigma,
welches zwar weit groͤſſer iſt, als jene, demungeachtet aber ſehr
klein iſt, unmoͤglich ihre aktive und paſſive Befruchtungsfaͤhig-
keit lange behalten koͤnnen, ſondern bald verwelken und un-
brauchbar werden muͤſſen. Das Stigma aber iſt hier aus eben
derjenigen Urſache nach Verhaͤltniß ſehr groß, aus welcher es
bey der Aſclepias fruticoſa und vermuthlich auch bey der Nym-
phaea lutea ſehr groß iſt, nemlich, damit der Fruchtknoten deſto
gewiſſer befruchtet werde; indem die Inſekten hier nicht auf
eine beſtimmte und nothwendige Art, wie z. B. in der Didy-
namia, ſondern auf eine ſehr unbeſtimmte und zufaͤllige Art
den Staub auf das Stigma bringen. Eine Hummel, welche
das Lamium purpureum oder die Stachys ſyluatica beſucht, muß
ſchlechterdings den Staub von den Antheren der juͤngeren
Blume abſtreifen, muß ſchlechterdings denſelben an das Stigma
der aͤlteren Blume anſtreifen; in der Oſterluzey aber kann ſich
eine Fliege lange aufhalten, ohne weder die Antheren, noch
das Stigma zu beruͤhren.
einziges von den entomologiſchen Werken des Fabricius
bekannt. Im gegenwaͤrtigen Jahr aber, da ich mir dieſelben
angeſchafft hatte, fand ich eine Stelle in denſelben, welche ich
nicht ohne große Verwunderung las. Er ſagt nemlich (Spec.
Inſect. T. II. p. 412., wie auch Philoſ. ent. p. 177.) von der
Tipula pennicornis, ſie halte ſich in den Blumen der Oſter-
luzey auf, und befoͤrdere die Befruchtung derſelben, welches
er zu Leipzig oͤfters bemerkt habe. Ich wuͤnſchte, daß er ſich
hieruͤber naͤher erklaͤrt haͤtte. Uebrigens glaube ich, daß das
Inſekt, welches ich abgezeichnet habe, eben dieſe Tipula pen-
nicornis iſt. Die Fuͤhlhoͤrner muͤßten zwar, ſeiner Beſchrei-
bung zufolge, noch mehr zuſammengeſetzt ſeyn; vielleicht aber
iſt hieran Schuld, daß ich kein ſo gutes Vergroͤſſerungsglas
zur Hand gehabt habe, als er. Die Farbe aber ſtimmt mit
ſeiner Beſchreibung uͤberein.
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CC-BY-4.0
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- Citation Suggestion for this Edition
- TextGrid Repository (2025). Sprengel, Christian Konrad. Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bp84.0