komiſches Heldengedicht
in
drei Theilen
in der Buchhandlung der Gebruͤder Mallinckrodt.
1799.
[[II]][[III]][[IV]]
Sie tranken des Mondes Silberſchein
Und das Flimmern der lieben Sternelein
Kap. XI. V. 26.
[[V]]
und
Thaten
von
Hieronimus Jobs,
Exnachtwaͤchter, Ohnwitzer Expfarrherr
Und endlich zu Schoͤnhain gar Herr
Nachtſtuͤcken, Portraͤten, Monumenten und
Schilden;
Verfertigt von des Autors eigner Hand
Nach Pouſſin, Raphael, Rubens und
Rembrand
[[VI]][[VII]]
\>Kontrakt
fuͤr etwaige Nachdrucker der Jobſiade.
Denjenigen, welche dieſe Schrift durch Nach-
druck vervielfaͤltigen wollen, erlauben wir dieſes
gegen gleich baare Verguͤtung von 2000 Rthlr
in Louisd’or à 5 Rthlr. fuͤr jeden Theil, und
gegen Erſtattung aller gerichtlichen und auſſer-
gerichtlichen Koſten nebſt Uebernahme aller bei
uns noch vorraͤthigen Originalexemplarien im
Ladenpreiſe, doch darf die Auflage des Nach-
drucks nicht uͤber 2000 Exemplarien ſtark ſeyn.
Wer uns einen geheimen Nachdrucker
namhaft macht, und ihn der That gerichtlich
uͤberfuͤhren kann, hat von uns eine Praͤmie
von vierzig Louisd’or zu erwarten.
Auf
[[VIII]]
Auf alle Faͤlle nehmen wir an, daß ein
jeder, welcher dieſes Buch nachdruckt, ohne ſich
mit uns vorher auf obige Art abgefunden zu
haben, in die gemachten Bedingungen eingewil-
ligt, und uns dafuͤr gerecht zu werden, ſich ver-
bindlich gemacht habe.
Dortmund, den 1ſten Maͤrz 1799.
Gebruͤder Mallinckrodt.
[[IX]]
Inhalt.
- Erſtes Kapitel.
Wie der Autor noch einmal den Gaul Pegafus
zaͤumet und ihn nach der Hippokrene reitet,
welche iſt eine Poetenſchwemme in der Land-
ſchaft Boetia. Nebſt mancherlei Praͤlimina-
rien zum dritten Theile der Jobſiade. - Zweites Kapitel.
Darin wird ausfuͤhrlich gehandelt von dem bra-
ven Betragen des Herrn Jobs in ſeinem
Pfarramte. - Drittes Kapitel.
Fortſetzung des vorigen. - Viertes Kapitel.
Wohlſtand in Ohnewitz. - Fuͤnftes Kapitel.
Dieſes Kapitel handelt von des Herrn Pfarrers
Jobs haͤuslichem Leben. - Sechſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs auch ſein Hauskreuz hatte, ob
er gleich keine Frau hatte; und von ſeiner
Schweſter Krankheit. - Siebentes Kapitel.
Wie auch der junge Herr von Ohnewiz krank
ward, und wie ihm keine mediciniſche Fakul-
taͤt helfen konnte, wie dieſes wohl oft in
Krankheiten der Fall ſeyn thut. - Achtes Kapitel.
Wie man den jungen Herren, um ihn zu kuri-
ren, mit der Fraͤulein Judith verheirathen will,
und wie er dieſe Medicin nicht nehmen will. - Neuntes Kapitel.
Wie eine Liebſchaft ſich angeſponnen hat zwi-
ſchen dem jungen Herrn und der Jungfer
Eſther. - Zehntes Kapitel.
Wie die Liebſchaft weiter gehen und zu einer
foͤrmlichen Liebeserklaͤrung kommen thut. - Eilftes Kapitel.
Wie aus obgedachter Liebſchaft endelich gar ein
Siegwartsfieber entſteht. - Zwoͤlftes Kapitel.
Wie die Buhlſchaft ganz inkognito getrieben
ward, ohne daß wenigſtens der Herr Pfarrer
Jobs etwas davon merken kunnt. - Dreizehntes Kapitel.
Wie Herr Jobs die Liebenden in der Laube
atrapiren that, zur Nacht und Unzeit. - Vierzehntes Kapitel.
Wie Herr Hieronimus mit ſeiner Schweſter ein
Kapitel haͤlt, ohne jedoch ſo niedertraͤchtig zu
ſchimpfen, wie mancher anderer in ſeiner Stel-
le wuͤrde gethan haben und hier anfangs zu
leſen iſt. - Funfzehntes Kapitel.
Wie Herr Jobs den jungen Herrn gleichfalls
coram nimmt; item wie er Loͤſchanſtalten
des Liebesbrandes macht, nach den Regeln
einer guten Policei. - Sechszehntes Kapitel.
Wie die alte Herrſchaft zu Ohnwiz ihre ſilberne
Hochzeit feiert mit allen Solennitaͤten. - Siebenzehntes Kapitel.
Wie der junge Herr das Eiſen ſchmieden will,
weil es noch warm iſt, und wie es ihm damit
nicht ganz nach Wunſch erging. - Achtzehntes Kapitel.
Enthaͤlt allerlei Anſtalten pro und contra. - Neunzehntes Kapitel.
Dieſes Kapitel enthaͤlt manche ſchoͤne Betrach-
tung uͤber Liebesbriefe in Genere. - Zwanzigſtes Kapitel.
Anweiſung zum neueſten verliebten Briefſtile, in
feinen Exempeln, nach Siegwart und Wer-
ther; oder von der Liebeskorreſpondenz des jun-
gen Barons und der Mamſel Eſther in Specie. - Ein und zwanzigſtes Kapitel.
Ade! der junge Herr reiſet ab. - Zwei und zwanzigſtes Kapitel.
Hier wird kuͤrzlich erzaͤhlet, was ſich auf der Rei-
ſe, mit dem jungen Herrn haͤtte zutragen koͤn-
nen. - Drei und zwanzigſtes Kapitel.
Wie die Korreſpondenz der beiden Liebenden
an Tag kommt, und wie Juͤrgen nach Rudels-
burg verſchickt wurde. - Vier und zwanzigſtes Kapitel.
Wie die Revolution der Neufranken einen Ein-
fluß hat auf das Schickſal des Herrn Jobs
und
[[XIII]] und der adlichen Herrſchaft zu Ohnwiz, und
wie ſie emigriren muͤſſen. - Fuͤnf und zwanzigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs aͤrmlich herumwandert, und wie
er endlich im Dorfe Schoͤnhain ankommt. - Sechs und zwanzigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs eine alte bekannte Freundinn an-
trift. Eine wunderbare Geſchichte. - Sieben und zwanzigſtes Kapitel.
Worin unter andern die im erſten Theile geſtor-
bene Amalia ihren fernern Lebenslauf erzaͤhlet. - Acht und zwanzigſtes Kapitel.
Wie die Frau van der Tangen dem Herrn Jobs
all ihr Vermoͤgen ſchenket, und wie ſie ſtirbt,
und wie Herr Jobs ihr ein Monument errich-
tet, und wie dieſes Kapitel ſehr traurig zu
leſen iſt. - Neun und zwanzigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs nun ein reicher Mann war, und
wie er ſich nach dem Tode der Frau van der
Tangen beging. - Dreißigſtes Kapitel.
Ein Brief von Mammeſel Eſther an Herrn Herrn
Jobs, worin viele neue Maͤhre enthalten iſt
von
[[XIV]] von dem alten Herrn von Ohnwiz, wie auch
von deſſen Herrn Sohne; und ſo weiter. - Ein und dreißigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs und die herrſchaftliche von Ohn-
wiziſche Familia ſich des Wiederſehens ge-
freuet han, und wie Herr Jobs ſeinen lieben
Gaͤſten alles zum beſten giebt als waͤre es ihr
proͤperliches Eigenthum, und wie man da alle
Kriegesplage vergeſſen hat, und auf einen
freundſchaftlichen Fuß gelebt hat, und daß es
Ueberfluß ſey, die Freude des Hieronimus be-
ſonders zu beſchreiben. - Zwei und dreißigſtes Kapitel.
Fortſetzung des funfzehnten Kapitels, und wie
Umſtaͤnde die Sachen veraͤndern und wie die
Liebe des jungen Barons und ſeiner Stehre ei-
nen guten Fortgang zu gewinnen ſcheinet. - Drei und dreißigſtes Kapitel.
Nachricht von der Jobſiſchen adlichen Familie,
welche anfangs von Schoͤps hieß. - Vier und dreißigſtes Kapitel.
Genealogie der Frau Senatorin Jobs nach auf-
ſteigender Linie. - Fuͤnf und dreißigſtes Kapitel.
Wie nunmehr nach wohlerwogenen Umſtaͤnden
der Konſens zu der Vermaͤhlung des jungen
Herrn Barons mit ſeiner Stehra erfolgt iſt. - Sechs und dreißigſtes Kapitel.
Die Vermaͤhlung des jungen Barons und der
Eſther gehet wirklich hier vor ſich, wie im
Kupfer artig zu ſehen iſt. - Sieben und dreißigſtes Kapitel.
Wie ſich die junge gnaͤdige Frau von Ohnwitz
beging, und wie ſie nach neun Monaten eines
Soͤhnleins genaß. - Acht und dreißigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs ſeine Schildburger Verwandten
reichlich bedenket, und Schweſter Gertrud den
Schoͤſſer heirathet. - Neun und dreißigſtes Kapitel.
Wie man allerſeits wegeilet; die adliche Geſell-
ſchaft nach Ohnwitz und der Autor nach dem
Ende des Buͤchleins. Sehr traurig zu leſen. - Vierzigſtes Kapitel.
Wie Herr Hieronimus zum zweitenmal von
Freund Hein einen Beſuch bekam, welcher fuͤr
diesmal laͤnger dauert als der erſte.
Erſtes Kapitel.
Wie der Autor noch einmal den Gaul Pegaſus
zaͤumet und ihn nach der Hippokrene reitet,
welche iſt eine Poetenſchwemme in der
Landſchaft Boetia. Nebſt man-
cherlei Praͤliminarien zum
dritten Theile der
Jobſiade.
A2. Weil
[2]
8. Es
[3]
A 2Po-
[4]
Denn
[5]
Zweites Kapitel.
Darin wird ausfuͤhrlich gehandelt von dem bra-
ven Betragen des Herrn Jobs in ſeinem
Pfarramte.
3. An
[6]
9. Ei-
[7]
14. We-
[8]
19. Ob-
[9]
2.4 Die
[10]
30. Denn
[11]
Drum
[12]
Daß
[13]
Drittes Kapitel.
Fortſetzung des vorigen.
4. Bei
[14]
Und
[15]
16. Viel-
[16]
21. Al-
[17]
Jobſiade 3ter Theil. BUnd
[18]
29. Ge-
[19]
Viertes Kapitel.
Wohlſtand in Ohnewitz.
B 22. So
[20]
Und
[21]
13. Und
[22]
Und
[23]
Wenn
[24]
Fuͤnftes Kapitel.
Dieſes Kapitel handelt von des Herrn Pfar-
rers Jobs haͤuslichem Leben.
5. Er
[25]
8. Er
[26]
13. Oder
[27]
Sech-
[28]
Sechſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs auch ſein Hauskreuz hatte,
ob er gleich keine Frau hatte, und von
ſeiner Schweſter Krankheit.
[29]
8. Auch
[30]
Und
[31]
Und
[32]
24. Er
[33]
Sie-
[34]
Siebentes Kapitel.
Wie auch der junge Herr von Ohnwitz krank
ward, und wie ihm keine mediciniſche Fakul-
taͤt helfen konnte, wie dieſes wohl oft
in Krankheiten der Fall ſeyn thut.
5. Aber
[35]
C 28. Er
[36]
14. Er
[37]
Und
[38]
Ach-
[39]
Achtes Kapitel.
Wie man den jungen Herrn, um ihn zu ku-
riren, mit der Fraͤulein Judith verheirathen
will, und wie er dieſe Medicin nicht
nehmen will.
5. Aber
[40]
7. „Denn
[41]
Denn
[42]
Denn
[43]
Neun-
[44]
Neuntes Kapitel.
Wie eine Liebſchaft ſich angeſponnen hat zwi-
ſchen dem jungen Herrn und der Jungfer
Eſther.
Oder
[45]
So
[46]
14. Nach
[47]
20. Auch
[48]
[49]
Zehntes Kapitel.
Wie die Liebſchaft weiter gehen und zu einer
foͤrmlichen Liebeserklaͤrung kommen thut.
Jobſiade 3ter Theil. D5. Denn
[50]
[51]
Eilf-
[52]
Eilftes Kapitel.
Wie aus obgedachter Liebſchaft endelich gar
ein Siegwartsfieber entſtehet.
Viel-
[53]
So
[54]
[55]
„Und
[56]
Bei
[57]
31. Ueber-
[58]
37. So
[59]
Zwoͤlftes Kapitel.
Wie die Buhlſchaft ganz inkognito getrieben
ward, ohne daß wenigſtens der Herr Pfar-
rer Jobs etwas davon merken kunnt.
4. Sie
[60]
10. Aber
[61]
Drei-
[62]
Dreizehntes Kapitel.
Wie Herr Jobs die Liebenden in der Laube
atrapiren that, zur Nacht und Unzeit.
Und
[63]
11. Denn
[64]
Wo
[65]
Jobſiade 3ter Theil. E22. Ohne
[66]
Vierzehntes Kapitel.
Wie Herr Hieronimus mit ſeiner Schweſter
ein Kapitel haͤlt, ohne jedoch ſo niedertraͤch-
tig zu ſchimpfen, wie mancher andere in ſei-
ner Stelle wuͤrde gethan haben und hier an-
fangs zu leſen iſt.
3. „Was
[67]
E 2Ueber
[68]
Denn
[69]
19. Sie
[70]
Funf-
[71]
Funfzehntes Kapitel.
Wie Herr Jobs den jungen Herrn gleich-
falls coram nimmt; item wie er Loͤſchar-
ſtalten des Liebesbrandes macht, nach den
Regeln einer guten Policei.
So
[72]
8. Er
[73]
Und
[74]
Sechszehntes Kapitel.
Wie die alte Herrſchaft zu Ohnwitz ihre ſil-
berne Hochzeit feiert mit allen Solennitaͤ-
ten.
3. Von
[75]
8. Es
[76]
14. Auch
[77]
Saß
[78]
Siebenzehntes Kapitel.
Wie der junge Herr das Eiſen ſchmieden will,
weil es noch warm iſt, und wie es ihm
damit nicht ganz nach Wunſch erging.
Doch
[79]
Denn
[80]
13. Was
[81]
Achtzehntes Kapitel.
Enthaͤlt allerlei Anſtalten, pro und contra.
Jobſiade 3ter Theil. F4. Der
[82]
10. Das
[83]
F 215. Uebri-
[84]
Neunzehntes Kapitel.
Dieſes Kapitel enthaͤlt manche ſchoͤne Betrach-
tung uͤber Liebesbriefe in Genere.
Und
[85]
Vor-
[86]
Oder,
[87]
Zwan-
[88]
Zwanzigſtes Kapitel.
Anweiſung zum neueſten verliebten Briefſtile,
in feinen Exempeln, nach Siegwart und
Werther; oder, von der Liebeskorrespondenz
des jungen Barons und der Mamſel Eſther
in Specie.
Wo
[89]
„Und
[90]
„Mir
[91]
17. Ich
[92]
22. „Hoch
[93]
27. Ant-
[94]
32. In-
[95]
Ein
[96]
Ein und zwanzigſtes Kapitel.
Ade! der junge Herr reiſet ab.
Noch
[97]
Jobſiade 3ter Theil. G11. Das
[98]
16. Auch
[99]
Zwei
[100]
Zwei und zwanzigſtes Kapitel.
Hier wird kuͤrzlich erzaͤhlet, was ſich auf der
Reiſe, mit dem jungen Herrn haͤtte zutragen
koͤnnen.
5. Ich
[101]
Und
[102]
Drei und zwanzigſtes Kapitel.
Wie die Korreſpondenſch der beiden Liebenden
an den Tag kommt, und wie Juͤrgen zur Ver-
antwortung gezogen wurde und Eſther nach
Rudelsburg verſchickt wurde.
2. Er
[103]
Vier
[104]
Vier und zwanzigſtes Kapitel
Wie die Revolution der Neufranken einen
Einfluß hat auf das Schickſal des Herrn
Jobs und der adlichen Herrſchaft zu Ohn-
witz, und wie ſie emigriren muͤſſen.
5. Ja,
[105]
10. Die-
[106]
16. Aber
[107]
Fuͤnf
[108]
Fuͤnf und zwanzigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs aͤrmlich herumwandert, und
wie er endlich im Dorfe Schoͤnhain an-
kommt.
5. Drum
[109]
Und
[110]
16. Beſon-
[111]
21. Herr
[112]
Sechs
[113]
Sechs und zwanzigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs eine alte bekannte Freundin
antrift. Eine wunderbare Geſchichte.
Jobſiade 3ter Theil. HGeklei-
[114]
11. „Haben
[115]
Sie-
[116]
Sieben und zwanzigſtes Kapitel.
Worin unter andern die im erſten Theile geſtor-
bene Amalia ihren fernern Lebenslauf erzaͤhlet.
3. Zwar
[117]
9. Ei-
[118]
15. „Der
[119]
Denn
[120]
„Und
[121]
„Spuͤre
[122]
Acht
[123]
Acht und zwanzigſtes Kapitel.
Wie die Frau van der Tangen dem Herrn
Jobs all ihr Vermoͤgen ſchenket, und wie
ſie ſtirbt, und wie Herr Jobs ihr ein Mo-
nument errichtet, und wie dieſes Kapitel ſehr
traurig zu leſen iſt.
[124]
6. Herr
[125]
Und
[126]
15. „Willſt
[127]
19. Er
[128]
Dabei
[129]
Neun
[130]
Neun und zwanzigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs nun ein reicher Mann war,
und wie er ſich nach dem Tode der Frau
van der Tangen beging.
5. Er
[131]
J 2Bekam
[132]
Dreißigſtes Kapitel.
Ein Brief von Mammeſel Eſther an Herrn
Herrn Jobs, worin viele neue Maͤhre enthal-
ten iſt, von dem alten Herrn von Ohnwitz,
wie auch von deſſen Herrn Sohne; und ſo
weiter.
2. Denn
[133]
7. Die-
[134]
Ein
[135]
Ein und dreißigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs und die herrſchaftliche von Ohn-
witziſche Familia ſich des Wiederſehens ge-
freuet han, und wie Herr Jobs ſeinen lieben
Gaͤſten alles zum beſten giebt, als waͤre es ihr
proͤperliches Eigenthum, und wie man da alle
Kriegesplage vergeſſen hat, und auf einem
freundſchaftlichen Fuß gelebet hat, und daß es
Ueberfluß ſey, die Freude des Hieronimus be-
ſonders zu beſchreiben.
Zwei
[136]
Zwei und dreißigſtes Kapitel.
Fortſetzung des funfzehnten Kapitels, und wie
Umſtaͤnde die Sachen veraͤndern, und wie
die Liebe des jungen Barons und ſeiner Steh-
re einen guten Fortgang zu gewinnen ſcheinet.
Weil
[137]
8. Der
[138]
14. Auch
[139]
Drei
[140]
Drei und dreißigſtes Kapitel.
Nachricht von der Jobſiſchen adlichen Familie
welche anfangs von Schoͤps hieß.
5. Aber
[141]
Lebte
[142]
Dieſes
[143]
20. Die-
[144]
21. Deſ-
[145]
Jobſiade 3ter Theil. KDie
[146]
Er
[147]
K 2Und
[148]
41. Seine
[149]
Mit
[150]
52. Er
[151]
57. Seine
[152]
Hielt
[153]
68. Um
[154]
Sie
[155]
79. Vor-
[156]
Das
[157]
Daß
[158]
94. Der
[159]
99. Daß
[160]
Vier
[161]
Vier und dreißigſtes Kapitel.
Genealogie der Frau Senatorin Jobs nach auf-
ſteigender Linie.
Jobſiade 3ter Theil. L5. In
[162]
Doch
[163]
L 2Ra-
[164]
21. Er
[165]
27. Da-
[166]
Fuͤnf und dreißigſtes Kapitel.
Wie nunmehr nach wohlerwogenen Umſtaͤnden,
der Konſens zu der Vermaͤhlung des jungen
Herrn Barons mit ſeiner Stehra erfolgt iſt.
Sie
[167]
Sechs
[168]
Sechs und dreißigſtes Kapitel.
Die Vermaͤhlung des jungen Barons und der
Eſther geht wuͤrklich hier vor ſich, wie im Kup-
fer artig zu ſehen iſt.
2. Und
[169]
Man
[170]
Und
[171]
17. Doch
[172]
Sie-
[173]
Sieben und dreißigſtes Kapitel.
Wie ſich die junge gnaͤdige Frau von Ohnwitz
beging, und wie ſie nach neun Monaten eines
Soͤhnleins genaß.
Daß
[174]
8. Sie
[175]
Acht
[176]
Acht und dreißigſtes Kapitel.
Wie Herr Jobs ſeine ſchildburger Verwandten
reichlich bedenket, und Schweſter Gertrud den
Schoͤſſer heirathet.
5. Die
[177]
Neun
[178]
Neun und dreißigſtes Kapitel.
Wie man allerſeits wegeilet; die adliche Geſell-
ſchaft nach Ohnwitz und der Autor nach dem
Ende des Buͤchleins. Sehr traurig zu leſen.
5. Aber
[179]
Kaufte
[180]
Vier-
[181]
Vierzigſtes Kapitel.
Wie Herr Hieronimus zum zweiten mal von
Freund Hein einen Beſuch bekam, welcher
fuͤr diesmal laͤnger dauert als der erſte.
Und
[182]
7. Drit-
[183]
[[184]]
Bei den Verlegern ſind noch ferner er-
ſchienen:
- Abhandlungen, zwey, uͤber das Entſtehen der Weſtfaͤ-
liſchen Leibeigenſchaft, und uͤber eine in der Grafſchaft
Mark ſehr gewoͤhnliche Art der Bauernguter, den Pacht-
hof, deſſen Verhaͤltniſſe gegen den Staat, den Hof-
herrn und den Bauer. 8. 9 ggr. - Arzt, der, fuͤr alle Menſchen, ein Huͤlfsbuch fuͤr Freun-
de der Geſundheit und des langen Lebens. 1r Band. 8.
1797. 1 Rthlr. 2 ggr. - — — 2r Band. 98. 1 Rthlr. 4 ggr.
- Baͤderer, Paſtor, Verſuch eines kurzen faßlichen Un-
terrichts in der einfachen Obſtbaumzucht fuͤr die Land-
jugend. 8. 4 ggr. - Bindſeil, Dr. C. H., Laune und Herzensguͤte, ein Luſt-
ſpiel in 3 Aufzuͤgen. 8. 8 ggr. - — — Wiedervergeltung, ein Schauſpiel in 3 Aufzuͤ-
gen. 8. 8 ggr. - — — Haͤuslichkeit und Welt, ein Schauſpiel in 5 Auf-
zuͤgen, nebſt einem Lied mit Muſik. 8. 12 ggr. - Daulnoy, J. B. franz. Geiſtlichen, neue franzoͤſiſche
Sprachlehre. gr. 8. 1 Rthlr. - — — franzoͤſiſche ſinnverwandte Woͤrter, ein Auszug aus
Girard und Beauze etc. als Anhang zur groͤßern fran-
zoͤſichen Sprachlehre. gr. 8. 4 ggr. - — — kleine franz. Sprachlehre fuͤr Kinder und junge An-
faͤnger. Eine Einleitung zu des Verfaſſers groͤßern
franz. Sprachlehre. gr. 8. 10 ggr. - Gierig, Prof. G. E., uͤber den moraliſchen und litterari-
ſchen Charakter des juͤngern Plinius. 8. 14 ggr. - Handlungsrecht, allgemeines Preußiſches, eine ſyſtema-
tiſche Sammlung alles desjenigen, was in dem allge-
meinen Landrechte und der Gerichtsordnung auf Hand-
lungsrecht Bezug hat. gr. 8. 1 Rthlr. 4 ggr. - Heuſinger, (J. H. G. Verfaſſer der Familie Wertheim)
die Kreutzzuͤge, ein angenehmes und nuͤtzliches Leſe-
buch fuͤr die Jugend 1r Th. 8. 1799. 20 ggr. - Kirchenrecht, allgemeines, der Koͤnigl. Preuß. Staaten,
ein ſyſtematiſcher Auszug desjenigen, was im Landrecht
und der Gerichtsordnung auf Kirchenrecht Bezug hat.
Neue ganz umgearbeitete mit einigen Anhaͤngen ver-
ſehene Auflage. gr. 8. 1 Rthlr. 4 ggr. - Kortum, Dr. C. G. T., vollſtaͤndige phyſikaliſch-me-
diciniſche Abhandlung uͤber die warmen Mineralquellen
und Baͤder in Aachen und Burdſcheid. gr. 8. 1 Rthlr. - Moral, chriſtliche, fuͤr den Kanzelgebrauch in alphabeti-
ſcher Ordnung. Angehenden Predigern und Kandidaten
des Predigtamts gewidmet. 1ter Th. gr. 8. 20 ggr. - — — 2ter Th. 1 Rthlr. 16 ggr.
- — — 3ten Theils 1ſte Abtheilung 21 ggr.
[[1]]
Kurze
aber getreue Erzaͤhlung der ſo lange
die Welt ſteht unerhoͤrten Geſchichte
einer
Somnambuͤle,
genannt
Elſabe Schlunz,
welche von
vornehmen und geringen, maͤnnlichen
und weiblichen, alten und jungen, gelehrten und ungelehr-
ten, einheimiſchen und fremden Perſonen, ſorgfaͤltig un-
terſucht iſt und bezeugt werden kann.
Ein Anhaͤngſel zur Jobſiade.
Von
Dr. C. A. K.
Preis 4 gGr.
Schildburg,
gedruckt in dieſem Jahr.
(Zu haben: Hamm, bei Schultz u. Wundermann.)
[[2]][[3]]
Einleitung.
Es werden in unſern Tagen ſo viele Geſchichten
von Somnambuͤlen muͤndlich und ſchriftlich auf-
getiſcht, daß einem der Appetit vergeht. In
ehemaligen Zeiten hat man kaum etwas davon
gewußt und man wuͤrde ſolche gewiß auch nicht
geglaubt haben. Unſerm aufgeklaͤrten Jahr-
hundert aber iſt es aufbehalten ſie groͤßtentheils
zu glauben. Auch iſt die Anatomie und Phy-
ſiologie durch manche neue Entdeckung bereichert
worden, welche man vorher nicht geahnet haͤtte.
Wer haͤtte es vermuthet, daßſich im menſchli-
chen Koͤrper, den doch unſere Kunſtverſtaͤndigen
ſo gut innerlich und aͤuſſerlich zu kennen ſich be-
ruͤhmen, noch Organe befinden, deren Exiſtenz
bisher ihrer Aufmerkſamkeit entgangen war, ver-
mittelſt welchen man ohne Augen, Ohren, Na-
ſe und Zunge, ſehen, hoͤren, riechen und
1 *
[[4]] ſchmecken koͤnnte? Wer haͤtte es fuͤr moͤglich
gehalten, daß eine verborgene Kraft entdeckt
werden wuͤrde, genannt Magnetismus,
die durch Beruͤhrung, ja bloß durch Anſehen und
Blicke, dermaſſen in den menſchlichen Koͤrper
und Geiſt zu wuͤrken vermoͤge, daß einem vor
Erſtaunen die Haare zu Berge ſtehen muͤſſen?
Und doch iſt es ausgemacht, daß ſolches alles
wahr ſey, ſo unbegreiflich es auch dem ſchlichten
Menſchenverſtande ſcheint.
Alle Geſchichten, welche man davon erzaͤhlt,
in billigen Ehren gehalten, will ich doch jetzt
eine mittheilen welche jede andere weit uͤber-
trifft: im Voraus uͤberzeugt, daß ſich viele
meiner Leſer daran erbauen werden, denn ſie
macht in der Lehre vom Somnambulismus
und Magnetismus Epoche.
[[5]]
Geburt und Taufe der Elſabe Schlunz.
Elſabe Schlunz wurde in Schildburg gebo-
ren und zwar am erſten Sonntage des jetzigen
Jahrhunderts. Ihre Eltern, nemlich ihr angebli-
cher Vater Peter Schlunz und ihre Mutter
Juͤtte Flapps waren Buͤrgerleute und zwar
der Vater ein geſchickter Schlotfeger, dem von ſei-
nem Großvater und Vater dieſes Handwerk ſchon
angeerbt war, womit er ſich zwar kuͤmmerlich, aber
doch in ſo weit ehrlich ernaͤhrte. Die Mutter
war die einzige Tochter einer renommirten Waͤ-
ſcherin. Ich fand dieſe Familiennachrichten in
einer uralten Hausbibel verzeichnet, welche zu-
gleich zu einer Chronik des Orts diente und
manch wichtige hiſtoriſche Anekdoten enthielt.
Hierin war nun auch das Jahr und der Tag der
Geburt unſerer Elſabe Schlunz, unter der
obgleich etwas unleſerlichen Hand ihres Vaters
genau verzeichnet, mit folgenden Worten:
“Ein und ein Viertel auf 6 Uhr, am erſten
[6] „Sonntage 1800, wurden ich und meine Frau er-
„freuet mit der Geburt eines Toͤchterleins, welche
„Gottlob leicht erfolgte, ohngeachtet grade keine
„Hebamme zur Hand war. Sechszehn Tage
„nachher wurde das liebe Kind, nach chriſtloͤb-
„lichen Gebrauch, vom Pater Joſten in der
„groͤßten Eil getauft, weil daſſelbe urploͤtzlich
„das Gefraiſch bekam, ſo das der Exorcis-
„mus nicht einmal vorher gehen konnte. Die
„geſchwind herbei gerufenen Gevattern waren
„unſere naͤchſten Nachbarinnen und Nachbarn:
„die Frau Wind, Wittwe des ſeeligen Cas-
„par Wind, weiland wohl beſtallten Baͤlgentre-
„ters in der hieſigen Medardus-Kirche; meine
„Muhme die eheleibliche Frau des Schwefel-
„holzhaͤndlers Joͤrgen Stripps; ferner,
„Meicher Kehr, Beſenfabrikant, und mein
„Buſenfreund Theodor Kneif, Mitglied
„der ehrſamen Schuſterinnung hieſelbſt. Gott
„gebe, daß das junge Wichtchen zu ſeinem Gluͤcke
„und unſerer Freude aufwachſen moͤge, wie eine
„Ceder zu Livanon.“
Der Taufackt haͤtte nach der Regel wohl
fruͤher geſchehen muͤſſen; weil es aber dem Va-
ter damals am Gelde fehlte, um den Brandwein
[7] und andere Taufzechskoſten zu beſtreiten, auch
Pater Joſten dieſes Geſchaͤft ſchlechterdings
nicht umſonſt oder auf Borg verrichten wollte,
ſo mußte zur Bezahlung der Koſten, ein zwar
alter, jedoch noch brauchbarer Spiegel vorher
verkauft werden, uͤber deſſen Ankauf Jude Mo-
ſes lange handelte ehe man damit fertig wurde.
Erſtes Kinderjahr der Elſabe Schlunz.
Das Kind bekam ſeinen Namen von der Frau
Muhme Stripps, welche Eliſabeth hieß,
und durchaus verlangte, daß daſſelbe dieſen und
keinen andern fuͤhren ſollte; ſie ſetzte auch ihren
Plan mannhaft durch, trotz allen Widerſpruͤchen
und Proteſtationen der Frau Wind. Das
Kleine war uͤbrigens gut gebildet, dabei auch
nach ſeiner Art munter, ausgenommen daß es
manchmal die Geſichtszuͤge verzog und weinte,
welches vermuthlich von dem nicht genug abge-
fuͤhrten Kindspech und daher entſtehenden
Bauchgrimmen, auch zuweilen wohl vom Man-
gel der erforderlichen Nahrung herruͤhren mogte,
denn es fehlte der Mutter oft an Milch zum
Saͤugen; indem ſie ſelbſt kaum Atzung genug
[8] zum eigenen Bedarf hatte, und meiſtens mit
etlichen Taſſen Roggenkaffee und einer Kruſte
Schwarzbrodt den Hunger ſtillen mußte. Es
wuͤrden Mutter und Kind wohl endlich gar ver-
ſchmachtet ſeyn, wenn nicht der menſchenfreundli-
che Gevatter Schuſter Kneif ihrem Beduͤrfniſ-
ſe zuweilen zu Huͤlfe gekommen waͤre. Mit die-
ſem ſtund die Mutter, ſo wohl vor als nach ih-
rer Verheirathung, im vertraulichen Umgange.
Das letzte mogte vielleicht die Urſache ſeyn, daß
ſich die Mutter an ihm verſehen, und daher das
Kind ſelbſt, weniger mit Schlunz als mit
Kneif Aehnlichkeit im Geſicht, auch fuchsrothe
Haare wie dieſer hatte; wie ſolches gleich Anfangs
ſchon die Gevattern bemerkten.
Waͤhrend des Taufſchmauſes fielen nun un-
ter den Gevattern manche Diskurſe und Debat-
ten vor, welche einigemal, nachdem der Brand-
wein hoͤher zu Kopfe geſtiegen war, in Perſonali-
taͤten auszuarten drohten, aber doch gluͤcklich
von ſeine Wohlehrwuͤrden dem Herrn Pater
Joſten noch beigelegt wurden.
Beſonders bemerkte Muhme Stripps,
welche im Geruche einer klugen Frau ſtand und
die Krone aller Spinnweiber im Staͤdchen war:
[9] wie es ſonderbar ſey, daß das Kind Elſabetchen
grade im Anfange des neuen Sekulums und noch
dazu an einem Sonntage geboren ſey; ſo wie
auch, daß es uͤber zwei Sonntage ohne Taufe
gelegen habe. Sie behauptete, daß ſolche Sonn-
tagskinder von der Natur die Gabe haͤtten, Vor-
geſchichten und Geſpenſter zu ſehen. Sie be-
ſtaͤtigte ihre Meinung zugleich aus Erfahrung
und ſagte; daß ſie ſelbſt eine Verwandte gehabt
habe, welche nolens volens zu gewiſſen Zeiten,
beſonders des Nachts aus dem Bette aufſtehen
muͤſſen, da ſie dann auf der Straße, bald ein
Eulengeſchrey, bald ein Katzenmiauen gehoͤrt
habe, und daß dann gewoͤhnlich binnen Jahr und
Tag im Orte entweder ein Todesfall oder ein
Hochzeitsfeſt erfolgt ſey. Die andern Taufgaͤ-
ſte widerſprachen jener nicht, ſondern hielten
ſolche Folgen der Sonntagsgeburten fuͤr ganz
natuͤrlich, obgleich ſie es nicht begreifen konn-
ten. Genug, ſie wußten einmal, daß Frau
Gevatterin Stripps mehr als gemeine Weis-
heit beſitze; denn ſie verſtand auch das Wahrſa-
gen aus Kaffee und Karten, ſo wie beſonders
die Kunſt aus den Linien der Haͤnde die Pla-
neten zu leſen, welches letztere ſie von einer Zi-
geunerin erlernt hatte, die ſehr beruͤhmt war,
[10] und nachher als Maͤrtirerin ihrer Wiſſenſchaft
verbrannt wurde.
Die Frau Kindbetterin kehrte ſich zwar nicht
ſonderlich an dieſe Sage der Frau Stripps,
behielt aber doch ihre Worte in einem feinen gu-
ten Herzen. Der Kindsvater Peter Schlunz
aber erklaͤrte alles rundaus fuͤr Dummerey; denn
er war ein halber Freigeiſt, ging weder zur
Meſſe, noch zur Kirche, achtete weder Qua-
tember noch Faſttage, ſondern fraß ohne Unter-
terſchied, was ihm vorkam, ſof ſich auch, wenn
er es haben konnte, ſelbſt auf Sonn- und Hei-
ligentagen toll und voll, trieb dabei ſeine Schlot-
fegerskunſt oft ſehr nachlaͤſſig und machte ne-
benbei ſich kein Gewiſſen daraus, wenn er ge-
legentlich aus den Schorſteinen Wuͤrſte und
Speckſeiten, oder von den Kornboͤden und Vor-
rathskammern Getraide und trocknes Obſt mau-
ſen konnte.
Elſabens Erziehung.
Elſabe bekam nach und nach mehr Geſchwiſter,
welche alle dem Bilde des Meiſters Kneif
[11] aͤhnlich waren. Ihre Erziehung war eben nicht
die Beſte. Denn ein Philantropin konnte ſie
ſchlechterdings nicht beſuchen, und zwar aus dem
ganz einfachen Grunde, weil keins im Lande vor-
handen, und die Koſten, ſie nach Deſſau, Marſch-
lins, Tuͤrkheim oder ſonſt in eine beruͤhmte
Penſion zu ſchicken, leider fehlten. Jedoch lern-
te ſie von einem Vetter, einem jungen Men-
ſchen, welcher Unterlehrer in der deutſchen Schu-
le des Orts war, zur Noth etwas Buchſtabie-
ren und leſen, wie auch ein wenig mit der Fe-
der kritzeln, was ohngefaͤhr wie Buchſtaben aus-
ſah. Die meiſte Zeit brachte ſie mit herumwan-
dern in den benachbarten Doͤrfern zu, wo man
ihr oft Brod und ſonſtige Lebensmittel mittheil-
te; oder auch mit Exkurſionen in fremden Fel-
dern und Gaͤrten, vorzuͤglich zur Herbſtzeit wenn
die Kartoffeln und das Obſt reif waren. Das
Erworbene theilte ſie gewoͤhnlich mit ihrer Mut-
ter und den Geſchwiſtern; denn der Vater
konnte ſich anderweitig ſelbſt helfen.
Ihre Kinderjahre verſtrichen uͤbrigens leid-
lich, auch die gewoͤhnlichen Kinderkrankheiten
gingen gluͤcklich voruͤber; jedoch litt ſie von den
Blattern viel, denn die Vaccination ſahe man
[12] noch als eine unerlaubte Pfuſcherei in die goͤtt-
liche Vorſehung an. Ihre Geſichtsbildung
blieb indeſſen unverſehrt und ſie konnte fuͤr ein
huͤbches Laͤrvchen paſſiren.
Große Widerwaͤrtigkeiten erlebte ſie auch in
ihrer Jugend nicht: denn die Eltern ließen
ihr alles hingehen, wenn ſie auch oftmals Scha-
bernack anrichtete. Als ſie 15 Jahre alt war
und anfing ſich zu fuͤhlen, daß ſie weiblichen
Geſchlechts ſey, bekam ſie doch einmal eine
Tracht Pruͤgel, die ihr gewiß, wegen den Pa-
thos, womit ſie aufgeladen wurden, im unge-
ſegneten Andenken lebenslang bleiben werden;
und zwar bei Gelegenheit: da der Vater eines
jungen Menſchen ſie mit demſelben des Abends
ſpaͤt auf dem Heuboden ertappte.
An Geiſtesgabe und natuͤrlichem Verſtande
fehlte es ihr gar nicht. Sie konnte ſchon fruͤh
luͤgen, wie ein Kalenderdrucker, auch ſchwoͤren,
daß die Baͤume haͤtten krachen moͤgen und es
war pur unmoͤglich, daß ſie uͤber etwas haͤtte
erroͤthen koͤnnen. Sie verſuchte es einmal als
Kindermaͤdchen zu dienen, fand aber dieſe
Sklaverei bald unbequem, quittirte ſtillſchwei-
gend den Dienſt, nahm einige Kleinigkeiten
[13] zum Abſchiede mit ſich und that, als ob ſolche
ihr zugehoͤrt haͤtten.
Elſabe wird Somnambuͤle.
Poeten muͤſſen geboren werden, und Diebe brin-
gen die Dispoſition zum Stricke mit auf die
Welt. Alles muß ſich uͤbereinſtimmig dazu fuͤ-
gen, wenn einer in ſeiner Art groß oder klein
werden ſoll. Das gilt nun auch von unſerer
Elſabe. Sie war, das kann ja der Einfaͤltig-
ſte aus ihrem bisherigen Lebensgange ſehen,
einmal vom Schickſale beſtimmt eine auſſeror-
dentliche Somnambuͤle zu werden. Darum
ward ſie an einem Sonntage geboren; darum
lag ſie uͤber zwei Sonntage als Heidin unge-
tauft; darum vergaß Pater Joſten bei der Tau-
fe den Exorcismus, und ſo blieb der unſaube-
re Geiſt zum Theil bei ihr; darum hatte ſie
die Frau Stripps zur Pathin, welche ihren
Wahrſagergeiſt dem Paͤthchen mittheilte; dar-
um war ihr Geburtsort grade Schildburg, wel-
ches wegen ſeiner klugen Buͤrger ſchon laͤngſt
beruͤhmt iſt, und deſſen Klima folglich auf ſie
Einfluß hatte; darum war der Hang zum Luͤ-
[14] gen etwas zu ihrer Natur gehoͤriges, welch es die
ſchlechte Erziehung hoͤher ausbildete; darum
mußte ſie auch eben um den Anfang des 19ten
Jahrhunderts geboren werden: weil um dieſe
Zeit der Magnetismus und Somnambulismus
an der Tagesordnung kommen ſollte. Bisher
hatten alle dieſe Darums ſich bei Elſabe
Schlunz noch nicht entwickelt. Jetzt aber
war ſie 17 Jahre alt, und da erſt lernte ſie die
Wichtigkeit ihrer Beſtimmung kennen, und
wurde in kurzer Zeit groͤßer, als alle Som-
nambuͤlen vor ihr geweſen waren und bis zum
juͤngſten Tage nach ihr ſeyn werden.
Die Veranlaſſung dazu war folgende:
Unfern von Schildburg wohnte ſeit einiger
Zeit eine junge Frauensperſon welche oft mit
Kraͤmpfen elendiglich behaftet war, auch zuwei-
len ſtark delirirte. Sie erregte wegen der trau-
rigen Nervenzufaͤlle, die unter mancherlei Ge-
ſtalt auftraten und lange anhielten, endlich Auf-
ſehen. Sie verkuͤndigte in den Paroxismen
ihres wuͤrklichen Wahnſinnes zuweilen etwas
das zufaͤllig eintraf und der einfaͤltige Zuſchauer
als was uͤbernatuͤrliches bewunderte. Weil
ſie arm war, ſo wuͤrde ſie aus Mitleiden oft reich-
[15] lich beſchenkt. Ein zwar noch junger aber ſehr
geſchickter Arzt erbarmte ſich ihrer, gab ihr
nervenſtaͤrkende und wurmabtreibende Mittel,
heilte ſie auch damit in der Folge wuͤrklich. Er
machte auch einigemal mit ihr zur Zeit der Anfaͤlle
einige magnetiſche Verſuche ohne jedoch davon
aberglaͤubiſche Wuͤrkungen zu erwarten. Weil
der Zulauf zu der Patientin groß war, ſo ging
auch einmal Elſabe Schlunz aus Neugier zu
ihr hin, beobachtete alle wunderbaren Phaͤno-
mene ihrer Krankheit, ſo wie auch die Arbei-
ten des magnetiſirenden Arztes. Sie fand den
Hokus Pokus drollicht und das Ding ſelbſt
eintraͤglich. Sofort fing ſie zu Hauſe an,
ſich in Verdrehungen der Glieder zu uͤben und
manches zu ſehen, was andere nicht ſahen. Der
Mutter, welche dieſes zuerſt bemerkte, fiel es
nun auf einmal ein, daß Elſabe ein Sonn-
tagskind ſey. Sie bewunderte zuerſt ihre Kunſt-
gabe und dann beſtaͤrkte ſie dieſelbe darin, gab
auch der Muhme Gevatterin Stripps davon
Nachricht, welche nicht ermangelte das Aben-
theuer weiter auszubreiten. Einige Experimen-
te, welche Elſabe machte, gluͤckten ihr Anfangs
ziemlich und ihre gute Mutter half ihr ein,
wenn ſie ſich etwa verſchnappte.
[16]
Nun ging das Ding weiter. Sie aß und
trank zuweilen ganzer Wochen lang nicht das
mindeſte, wenn man auch genau auf ſie Ach-
tung gab, oder die leckerſten Nahrungsmittel ihr
anbot; aber des Nachts ſteckte ihr die Mut-
ter die Speiſen und Getraͤnke heimlich zu- In
Gegenwart der ſie bewundernden Leute ſchnitt
ſie allerlei Geſichter und Grimaſſen, brumm-
te oft wie ein Rohrdommel, oder bellte wie
ein Hund, fuhr auch zur Abwechſelung einem
ins Geſicht oder in die Haare. Wenn ſie
vermeintliche lucida intervalla hatte, gab ſie
auch auf manche ihr vorgelegten Fragen vernuͤnf-
tige Antworten die jedoch, wie leicht zu denken
iſt, doppeltſinnig und zweideutig waren.
Elſabens fernere Fortſchritte in der
Hellſeherkunſt.
Bisher hatte ſie ihre Kuͤnſte noch immer mit
offnen Augen gemacht, obgleich im anſcheinenden
Schlafe, oder als wenn ſie erſtarrt waͤre; aber mit
ihrer ſteigenden Celebritaͤt ſtieg nun auch ihr
Kunſtvermoͤgen. Jetzt ließ ſie ſich die Augen
verbinden und konnte dennoch manches ſagen, was
[17] vorging. Einſtens hoͤrte ſie auf der Straße
ein Poſthorn blaſen und ſie ſagte, der Blaſende
habe einen blauen Rock an und ſaͤße vorne auf ei-
nem Wagen. Als ein Jagdhorn ertoͤnte ſprach
ſie: Ey da kommt einer mit einem gruͤnen
Rocke bekleidet der genau ausſieht wie unſer
herrſchaftlicher Jaͤger Hans Hubert; er hat
ſeinen Waldmann bei ſich. So hoͤrte ſie auch
im vorigen Winter, als es gefroren hatte, nicht
weit von ihrem Hauſe erbaͤrmlich ſchreien und
ſie wuſte gleich daß es ein Kind ſey welches
gefallen waͤre. Als einer mit einer Peitſche
knallend vorbei fuhr behauptete ſie beſtimmt,
der Knall ruͤhre von einem Manne her, wel-
cher einen leinenen Kittel uͤber ſeinen Rock ha-
be; und ſiehe da! es war wuͤrklich ein Fuhrmann.
Einſt fragte man, was Pater Joſten jetzt an-
fange? Antwort: Er iſt bei ſeiner Koͤchin, ſitzt
bei der Weinflaſche und hat ein Buch neben
ſich aufgeſchlagen liegen mit lateiniſchen Buch-
ſtaben. Auch dieſes traf ein, denn es war
Nachmittags vier Uhr, und nach ſeiner Gewohn-
heit laß der geiſtliche Herr um dieſe Zeit ſeine
Horas und trank abwechſelnd dazwiſchen. Die
Geruͤche ſuͤßer junger Herren witterte ſie auf
ſechs Schritte. Vom Vater, wenn er des Abends
2
[18] aus der Schenke kam, wuſte ſie genau wie viel
Geld er noch in der Taſche habe; nemlich
— nichts. Sie konnte auch unfehlbar angeben,
was jetzt der Sultan zu Konſtantinopel in ſei-
nem Harem anfange, beſonders wenn es in
der Zeit der Abenddaͤmmerung war. Jedes-
mal prophezeite ſie eine Stunde vorher, wenn
ihr Schlaf eintreten und wenn er aufhoͤren
wuͤrde. Abwechſelnd ſagte ſie auch wohl in
ihrem feſten Schlafe, wenn ſie nemlich des
Dinges muͤde war, daß man ſie wecken ſollte.
Ein Glas Waſſer welches durch Anhauchen
oder gar nur durch Beruͤhren mit dem Finger
magnetiſirt war und ihr gereicht wurde, ſchmeck-
te nach ihrer Verſicherung ſalzig oder auch ei-
ſenhaft. Im magnetiſchen Schlafe pflegte ſie
ſich ſelbſt Mixturen zu verordnen, welche faſt
immer aus Wein, Zucker und Gewuͤrzen be-
ſtanden und ſie ruͤhmte dann: daß ſie ſich nach
dieſer Arznei ſehr geſtaͤrkt befaͤnde.
Elſabe macht ihre Kuͤnſte immer beſſer.
Kranke nehmen oft Zuflucht zu ihr und fragen
ſie fuͤr ſich und andere um Rath. Einem,
[19] welcher die Swindſucht hatte, rieth ſie einmal
zum Gebrauch die Wurzel Pramsi als ein un-
fehlbares Heilmittel an; aber kein Apotheker
kannte dieſelbe und ſie war auch im ganzen Re-
giſter der Materia medica nicht zu finden;
der Patient blieb alſo ungeheilt und ſtarb. In
andern Kuren war ſie gluͤcklicher. Einem der
keine Eßluſt hatte, ordinirte ſie: ſich fuͤr einen
Batzen Magentropfen zu kaufen und ſolche mit
Schnaps zu trinken. Einem andern, welcher
ſehr verſtopft war, gab ſie den vernuͤnftigen
Rath eine Purganz einzunehmen. Als ſie we-
gen eines hartbaͤuchigen Kindes konſulirt wurde,
ſagte ſie: es ſey angewachſen und man muͤſſe es
mit dem Daumen tuͤchtig unter den kurzen
Rippen ſtreichen, bis es laut ſchrie. Einem
Podagriſten rieth ſie ſich fleißig zu bewegen
und eine wilde Kaſtanie auf das Knie zu bin-
den; einem Waſſerſuͤchtigen in einen heißen
Backofen zu kriechen damit das Waſſer aus-
trockne, und einem der das kalte Fieber hatte,
dreimal um den Kirchhof zu laufen. Einer
jungen Frau welche gern Kinder gehabt haͤtte
verſicherte ſie, daß unfehlbar ihr Wunſch wuͤr-
de befriedigt werden, wenn ſie ſich magnetiſi-
ten ließe. Dieſe und aͤhnliche treffliche Rathſchlaͤ-
2 *
[20] ge zur Heilung der Krankheiten, machten ſie
in kurzer Zeit ſo beruͤhmt, daß kein ordentli-
cher Arzt gegen ſie ſchier mehr aufkommen konn-
te, und dieſe genoͤthigt wurden eine Klage wi-
der ſie beim Kollegio Sanitatis einzugeben,
worauf jedoch bisher nicht reflektirt worden iſt.
Zuweilen war ſie eigenſinnig und wollte in
ihrem Schlafe nicht antworten, beſonders wenn
ſie merkte, daß man gegen ſie mißtrauiſch war,
oder ihr die Beantwortung zu ſchwer fiel. Die-
ſem Eigenſinne bleibt ſie auch noch bis auf den
heutigen Tag getreu; deswegen kann ſie auch
gewiſſe Perſonen nicht leiden und verſagt ihnen
die Audienz. Wird ſie des Fragens und Vexi-
rens muͤde und iſt niemand da, der ſie auf ihr
ausdruͤckliches Verlangen aus dem Schlafpa-
roxismus weckt, ſo erwacht ſie von ſelbſt mit
einem tiefen Seufzer.
Seit etwa dreiviertel Jahr hat ſie ſich
auf ihre eigene Hand einen Magnetiſeur
angeſchafft, nemlich einen jungen Friſeurgeſellen
mit welchem ſie im engſten Rapport ſteht, und
von dem ſie zuweilen ſagt, daß ſie ihn mit
einem Lichtglanze umgeben oder gar im weißen,
blauen, gruͤnen und rothen Feuer ſtehen ſaͤhe;
[21] ſie iſt jedoch gerne allein mit ihm. Meiſtens
fuͤhlt ſie ſich in ihrem magnetiſchen Schlaf
ſehr behaglich, zuweilen wuͤnſcht ſie aber zu
ſterben und ſtellt ſich ſo klaͤglich, daß es einem
Stein in der Erde erbarmen moͤchte. Dann
iſt jedoch gleich ihr Helfer bei der Hand, der
ſie mit ein Paar Manipulationen ſo fort be-
ruhigt. Dieſer haͤlt ein genaues Tagebuch von
ihren Thaten und Symptomen und wird, wie
mir verſichert iſt, es einſt in Druck geben, wenn
er dafuͤr einen Verleger findet.
Hoͤchſter Grad von Elſabens Exaltation.
Alles bisher Geſagte iſt nur Kinderſpiel gegen
dasjenige was ich jetzt noch erzaͤhlen will.
Seit ſechs Wochen iſt ihr Somnambulis-
mus aufs hoͤchſte geſtiegen und der Zulauf zu
ihr uͤbertrifft alle Beſchreibung. Das Hellſe-
hen iſt nun bei ihr ſo habituell, daß ſie es einem
ſchon im Schlafe und mit den am feſteſten
und ſorgfaͤltigſten verbundenen Augen anſe-
hen kann, was man ihr fragen will. Sie
antwortet dann ſchnell und ſo beſtimmt,
[22] wie nie das Orakel zu Delphis, oder eine der
zwoͤlf beruͤhmten Sybillen jemals gethan ha-
ben. Zweideutige Antworten womit ſich allen-
falls gemeine Somnambuͤlen zu behelfen wiſ-
ſen, finden hier gar keine Statt mehr.
Legt man unter einem zwei Fuß dicken
Klotze, ein beſchriebenes Papier, ſo kann ſie
im Augenblick ohne ſtammeln leſen was darauf
ſteht, und zwar nicht allein Deutſch von der
groͤßten Fraktur an bis zur Nonpareilfraktur,
ſondern auch latein, franzoͤſiſch, engliſch, ſpa-
niſch, portugieſiſch, griechiſch, hebraͤiſch, chal-
daͤiſch, ſamaritaniſch, koptiſch, arabiſch, ſyriſch,
armeniſch, perſiſch, aͤthiopiſch, illiriſch, ruſſiſch,
ſineſiſch, malabariſch, tamuliſch, kurzum alle
moͤgliche Sprachen und Schriften.
Das Geld was in einer verſchloſſenen Kiſte
ſich befindet, weiß ſie bis zum letzten Heller
anzugeben, ſo wie auch die Muͤnzſorten ſelbſt;
imgleichen wie viele beſchnittene Dukaten, leich-
te Louisd’ors und falſche Kronenthaler und
Groſchen darunter ſind.
In der letzten Ziehung des Lotto gewann
ſie 2000 Reichsthaler, weil ſie es vermittelſt
[23] ihrer Divinationsgabe wußte, welche Nummern
herauskommen wuͤrden.
Sie ſieht nicht allein mit dem Bauche,
ſondern ſpricht auch mit demſelben in aller-
lei unbekannten und bekannten Sprachen, wie
der beſte Bauchredner.
Sie unterhaͤlt ſich mit Verſtorbenen ſehr
vertraulich trotz weiland Schwedenborg und
hat noch vor 14 Tagen ein Geſpraͤch mit der
Hexe von Endor, welche bekanntlich ebenfalls
eine Somnambuͤle war, gehalten, das ſehr in-
reſſant war, aber wollte ſolches aus beſondern
Urſachen nicht mittheilen.
Das Ende der Welt beſtimmt ſie aus pro-
phetiſchem Geiſte auf das Jahr 1920 den
1. April, grade um Mittag, es muͤßten aber
noch mancherlei unangenehme Dinge: Krieg,
Theurung, Seuchen, vermehrte Abgaben, Blitz,
Donner und Hagel, Kometen u. d. g. vorher
gehen. Jeder iſt neugierig ob dieſe Weiſſa-
gung eintreffen werde.
Ihr Magnetiſeur hat ſie ganz in ſeiner
Gewalt und kann mit ihr machen was er will.
Er braucht nur ein Schnipfchen zu ſchlagen,
[24] ſo macht ſie die poſſirlichſten Spruͤnge daß man
ſich halb krank lachen ſollte, wenn man nicht
billiges Mitleiden mit der armen Patientin
haͤtte. Er kann, wenn er mit ſeiner Opera-
tion bei ihr an den Fuͤßen anfaͤngt, ſie bis an
die Stubendecke, mit ſeinem kleinſten Finger,
in einer Entfernung von zehn Schritten, in die
Hoͤhe heben und ſie ſtundenlang daſelbſt ſchwe-
bend erhalten; mit einem Augenwinke ſie uͤber
einem Tiſch der acht Fuß breit iſt ſpringen, auch
ſie auf ſeinen Fingerſpitzen wie ein Eichhoͤrnchen
herumtanzen laſſen. Mehrmahls hat er ſie
durch eine geringe Manipulation auf den Kopf
geſtellt ſo lange es ihm und ihr gefiel, und
bloß mit einem Anhauchen aus der Ferne ſtell-
te er ſie wieder auf die Fuͤße. Er darf ſie
nur anblaſen, ſo laͤuft ſie im Kreiſe herum wie
eine Windmuͤhle, daß ſie ſchwitzen muß wie
ein Baͤr.
Die anziehende Kraft iſt ſo groß, daß wenn
der Operateur in der Entfernung von zwanzig
Schritten, ihr ſeine beiden Daumen entgegen
ſtreckt, ſie mit ihren Daumen ſofort feſt gegen
dieſelben hinfliegt, wie Feilſtaub gegen den Mag-
neten, und nur mit aͤuſſerſter Gewalt wieder
los gemacht werden kann,
[25]
Einmal hob er ſie mit einem einzigen Dau-
menſtrich bis an den Mond herauf, ſo geſchwind
als ob ſie auf Mahomets Borak geritten haͤt-
te, und mit einem Kontraſtrich brachte er ſie
auch wieder auf die Erde. Dieſes alles iſt
Thatſache und ich verbuͤrge als Anonymus
mich dafuͤr.
Sie hat eigenes Geſichtsorgan unter dem
Nabel inwendig im Bauche. Ein Anatomi-
ker welcher daran ſchlechterdings nicht glauben
wollte, ließ ihr ſolches von einem geſchickten
Wundarzte, kurioſitatis gratia, ausſchneiden.
Nota bene! der Magnetiſeur hatte ſie vorher
durch ſeine gewoͤhnliche Manipulation in tiefen
Schlaf verſetzt. Der Zweifler, von der Wahr-
heit nunmehr uͤberzeugt, ſchaͤmte ſich; denn das
Organ fand ſich wuͤrklich am benannten Orte.
Es glich vollkommen einem Auge, war aber
wenigſtens viermal ſo groß wie ein gebraͤuchli-
ches Menſchenauge. Es wurde wieder an ſeine
vorige Stelle mit allen noͤthigen Kautelen ein-
geſetzt und durch ein Paar magnetiſche Striche
und einem, eine halbe Minute lang fortgeſetz-
ten Anblaſen des Magnetiſeurs, war die Wun-
de augenblicklich wieder heil ohne die geringſte
Narbe nachzulaſſen.
[26]
Dieſe merkwuͤrdige Verſuchsoperation wo-
durch nunmehr das Sehen mit dem Bauche
als allerdings moͤglich, einmal fuͤr allemal ent-
ſchieden iſt, geſchah am 24. September dieſes
Jahrs (1818). Wegen der Wichtigkeit und
Seltenheit derſelben, waren auſſer ein Paar
Aerzten auch der ganze wohlloͤbliche Magiſtra-
tus Loci gegenwaͤrtig; ſo wie auch einige durch-
reiſende Herren welche nach Aachen hin wollten,
um die Zuſammenkunft der hohen Monarchen
zu ſehen, wegen Mangel an Poſtpferden ſich aber
beinahe einen ganzen Tag in Schildburg auf-
halten mußten und mittlerweile von jener vor-
zunehmenden Operation gehoͤret hatten.
Dieſe Herren waren: der polniſche Major
Crabuzki auſſer Dienſten; der Lord Heri-
wort und Baronet Tymphan aus London;
der Marquis Senange und Vicomte Lery
aus Paris; Don Stefano de Gordez,
Ritter vom Calatravaorden, aus Madrid;
Mijn Heer Buribort, Theeverkooper
uijt Amsterdam; Monſignor Pontichini,
Rathsherr von Urbino; Mulei Cuprulei
Effendi aus Adrianopel; Kuli Thamasp
ein Verſchnittener aus dem Serail des Koͤnigs
[27] von Perſien; der Sineſiſche Mandarin Han-
tieng-hi nebſt ſeinem Dollmetſcher Kin-
ſong-tu; der gelehrte und weltberuͤhmte
Rabbi Schemuel Ben Iſaac, aus Smir-
na; imgleichen noch ein Biſchof in partibus
infidelium deſſen Namen ich vergeſſen habe.
Sie theilten alle reichlich Geſchenke aus. Der
Major gab 6 Gulden; jeder Englaͤnder zwei
Guineen; jeder Franzoſe ein 5 Frankenſtuͤck;
der Hollaͤnder ein halbes Pfund Thee fuͤr Frau
Schlunz und ein Pfund Knaſter fuͤr Meiſter
Schlunz; der Spanier zwei Piſtoletten; der
Italiaͤner 50 Scudi, zur Verpflegung der ar-
men Patientin; der Tuͤrk 18 Zechinen nebſt
einem Flaͤſchgen mit aͤchten Balſam von Mekka,
welcher wunderbare Heilkraͤfte hat; der Perſia-
ner verehrte 80 Loͤwenthaler nebſt einem ſchoͤ-
nen Tabackspfeiffenrohr vom Bambus, welches
wohl 50 Thaler berl. Cour. fuͤr einen Liebha-
ber, unter Schweſtern und Bruͤdern werth iſt;
der Sineſe uͤberreichte durch ſeinen Dollmetſcher
eine Goldſtange 16 Loth ſchwer; der Rabbi aus
Smirna gab einen Wechſel von 200 Dukaten
und der hochwuͤrdige Biſchof ſeinen geiſtlichen
Segen. Der Magistratus Schildburgensis gab
gar nichts; denn ſeine Gegenwart war ex officio.
[28]
Alle dieſe von mir benannte Herren koͤnnen
noͤthigenfalls, meinenthalben gerichtlich, uͤber
dieſe Sache als Zeugen vernommen werden;
wenn man mir ſelbſt auf mein Wort nicht glau-
ben will, da ich doch uͤbrigens nicht das minde-
ſte Intereſſe dabei habe.
Elſabens und ihrer Familie jetzige
Verhaͤltniſſe.
Elſabe, die Heldin dieſer Geſchichte, faͤhrt noch
immer in der Kunſt des Hellſehens fort und ihr
Magnetiſeur ſetzt ebenfalls, ſo oft es die Gelegen-
heit erfordert ſeine Kuren fort. Der genaue
Rapport worin derſelbe ſeit beinahe dreivier-
tel Jahr mit ſeiner Klientin geſtanden hat
iſt ſchuld, daß ſich dieſe nunmehr geſegneten
Leibes befindet. Sie hat das Ziel ihrer Schwan-
gerſchaft um das Ende Oktobers prophezeiet,
mit dem Zuſatze: das Kind werde mit dem
Helme gebohren werden und zu hohen Dingen
beſtimmt ſeyn.
Sie iſt uͤbrigens nicht abgemagert, ſondern
ſo fett wie ein Dachs im Herbſte; bricht aber,
[29] um das Pudlikum bei guter Laune zu erhalten
und bei ihm im Andenken zu bleiben, dann und
wann, mirakuloͤſer Weiſe, Nadeln. Naͤgel und
dergleichen Dinge zur Nachtzeit aus. Vor 8
Tagen gab ſie ein neues Hufeiſen von ſich, mußte
ſich aber dabei entſetzlich wuͤrgen; eben ſo auch
einen Gewichtſtein welcher 3¼ Pfund wog und
gegenwaͤrtig von einem Spezereiehaͤndler als
vollwichtig vierpfuͤndig benutzt wird; imgleichen
einen Haarzopf 2 Ellen lang, und eine Alon-
geperuͤcke mit zwei Knoten, welche ihr Magne-
tiſeur nach gehoͤriger Reinigung wieder aufge-
kaͤmmt und an einen Prokurator verkauft hat.
Ein Paar Naͤchte nachher folgten per inferiora
ein Puderquaſt und die Haͤlfte einer alten Baͤ-
renmuffe, imgleichen ein großer Haarbeutel aus
der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die
uͤbrigen Ausleerungen ſind durchaus natuͤrlich,
nur daß mit dem Urin zuweilen allerlei hete-
rogene Sachen abgehen, z. B. Pfeiffenkoͤpfe,
Tabacksbeutel, Baßgeigen, Radſpeichen, Ofen-
gabeln, Beſemen, Dreſchflegel et cetera, je-
doch ohne Schmerzen.
Ihre Vermoͤgensumſtaͤnde ſind jetzt ziemlich
erwuͤnſcht. Sie laͤßt ihre Kuͤnſte nicht mehr
jedem ſehen und hoͤren, ſondern nur Vorneh-
[30] men und Standesperſonen; welche des Vor-
mittags um 10 und Nachmittags um 4 Uhr
zu ihr kommen muͤſſen, als welche Zeit ſie zu
ihrem ſomnambuliſtiſchen Paroxismus beſtimmt
hat. Zum Entree muß ein Gulden bezahlt
werden, den ihre an der Kammerthuͤr aufpaſ-
ſende Mutter in Empfang nimmt, die auch ih-
re zweite Tochter ſchon in der Kunſt des Hell-
ſehens unterrichtet, obgleich ſolche nicht ſo pfif-
fig iſt wie die Aelteſte.
Wenn die Hellſeherkunſt ferner ihren guten
Fortgang behaͤlt und wie zu hoffen ſteht, ſich
weiter ausbreiten ſollte, ſo wird Frau Schlunz
ein beſonderes Inſtitut zur Bildung junger
Somnambuͤlen anlegen.
Der Vater Schlunz trinkt nunmehr taͤg-
lich ein Noͤſſel mehr und ſtatt des gemeinen Fu-
ſels jetzt Kuͤmmel und Anis, haͤlt ſich auch
fuͤr ſein Handwerk einen Geſellen, und ſteigt
nicht mehr ſelbſt in die Schorſteine.
Was endlich von Elſabe und ihrem kuͤnf-
tigen Treiben und Weſen noch zu ſagen ſeyn
moͤchte, wird und ſoll, wenn es der Muͤhe werth
iſt, in der Folge aufrichtig mitgetheilt werden.
[]
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 3. Die Jobsiade. Die Jobsiade. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bp6k.0