[][][][][][][[I]]
Handbuch
der
Archaͤologie der Kunſt


Breslau,:
im Verlage von Joſef Max und Komp.
1830.

[[II]][[III]]

Vorrede.


Dieſes Werk iſt durch den Wunſch veranlaßt worden, der
ſich bei Vorleſungen uͤber Kunſtgegenſtaͤnde beſonders auf-
draͤngt, dem Vortrage ein Buch zum Grunde legen zu koͤn-
nen, welches ihn dadurch, daß es die wichtigſten Momente
nebſt Namen, Zahlen und Nachweiſungen kurz und buͤndig
darlegt, von manchen Hemmungen befreit, und eine leichtere
und lebendigere Entwickelung und Ausfuͤhrung in muͤndlicher
Rede moͤglich macht. Nachher hat das Intereſſe, welches der
ſonſt wenig angeſtellte Verſuch, die geſammte Wiſſenſchaft der
alten Kunſt in einer ſyſtematiſchen Vollſtaͤndigkeit zu entwer-
fen, in dem Verfaſſer erregte, ihn in manchen Punkten wei-
ter zu gehen genoͤthigt, als es wohl ſeine urſpruͤngliche Ab-
[IV] ſicht war; es hat bewirkt, daß das bezweckte Compendium ei-
nen groͤßern Inhalt und Umfang gewonnen hat, als ein ge-
woͤhnlicher hundertſtuͤndiger Curſus gleichmaͤßig ausfuͤhren kann:
woraus indeß vielleicht der Vortheil erwaͤchst, daß es nun
auch Vorleſungen uͤber verſchiedne einzelne Theile der Kunſt-
archaͤologie zum Grunde gelegt, und bei ſolchen, welche das
Ganze umfaſſen ſollen, manche Abſchnitte mit Verweiſung auf
das Buch in kuͤrzeren Ueberſichten behandelt werden koͤnnen.
Der Verfaſſer wuͤnſcht, daß auf dieſe Weiſe das Werk zugleich
fuͤr das Studium deſſen, der auf eigne Hand einen Eingang
in dieſe Wiſſenſchaft ſucht, ein nuͤtzlicher Leitfaden, und fuͤr
die Kenner des Fachs wenigſtens ein Handbuch geworden ſein
moͤchte, dem ſie durch eigne Nachtraͤge, Berichtigungen und
Erweiterungen einen Werth fuͤr ihre Studien und Arbeiten
verleihen koͤnnen. Die Letztern werden indeß auch wohl fin-
den, daß der Verfaſſer bei dieſer uͤberſichtlichen Darſtellung
des bisher Erforſchten doch auch manche eigne Unterſuchung
und Erklaͤrung eingewebt hat, ohne grade beſonders darauf
mit dem Finger zu zeigen, und daß er auch da, wo er dem
Zwecke des Buchs gemaͤß hauptſaͤchlich zuſammentraͤgt, doch
nur die Fruͤchte eigner Sammlung und Lektuͤre darlegt, ſo
ſehr daß er oft den reichen Vorrath Andrer neben einer viel
[V] ſparſamern Ausbeute eigner Nachforſchungen zu brauchen ver-
ſchmaͤht hat. Daß viel aufgehaͤuftes Material bei einem
Werke der Art zuruͤckgelegt werden mußte, verſteht ſich von
ſelbſt; aber die Frage, warum nun grade dieſes oder jenes
Kunſtdenkmal erwaͤhnt, andre nicht minder wichtige aber uͤber-
gangen worden ſeien, uͤberall im Einzelnen zu beantworten,
hieße dem Verfaſſer etwas zu viel zumuthen. Gewiß wuͤrde
er noch bei weitem weniger Nachweiſungen einzelner Kunſt-
werke aufgenommen haben, fehlte es unſrer Wiſſenſchaft nicht
noch ſo ſehr an groͤßern Repertorien fuͤr die bisher herausge-
gebnen oder beſchriebnen Monumente. Werke compendiariſcher
Art, welche beſonders zum Unterricht eingerichtet ſind, wie
Hirts vortreffliches Bilderbuch, Millins Galerie mytho-
logique,
vor andern anzufuͤhren, ſchien dem Hauptzwecke
dieſes Handbuchs ganz angemeſſen; Millins Buch iſt in der
Heroenmythologie ſo zum Grunde gelegt worden, daß bei je-
dem Heros auf daſſelbe verwieſen, und nur die wichtigſten
der darin noch nicht aufgenommenen Bildwerke einzeln nach-
getragen ſind. Die folgende Notiz erklaͤrt einige in den An-
merkungen gebrauchte, minder gewoͤhnliche Abkuͤrzungen und
Anfuͤhrungs-Arten, bei denen allerdings mehr Gleichmaͤßig-
keit erreicht werden konnte; in Andres, was der Verfaſſer
[VI] uͤbergeht, findet ſich wohl Jeder beim Gebrauch des Buchs
von ſelbſt; doch werden Ausſtellungen an der Einrichtung
des Buchs und Vorſchlaͤge zu einer beſſeren Anordnung
von dem Verfaſſer ſtets mit Dank aufgenommen und benutzt
werden.


[[VII]]

Abkuͤrzungen und Anfuͤhrungs-Arten.


Bouillon (ſ. den vollſtändigen Titel S. 22.) iſt um der
Kürze willen immer ſo citirt worden, daß die Kupfertafeln jedes
Bandes vom Anfang bis zum Ende durchgezählt werden.


Br. M. British Museum, das S. 22. citirte Werk. Bei
Münzen bedeutet M. Brit. ſtets das Werk von T. Combe, Ve-
terum Popul. et Regum numi, qui in Museo Britannico
asservantur,
welches wegen der ſaubern Abbildungen ſehr viel
gebraucht worden iſt. Wo die Stücke des Brittiſchen Muſeums
nach ihren Nummern angeführt werden, geſchieht es nach dem Zu-
ſtande des Muſeums im Jahr 1822.


C. I. Corp. Inser. Böckhs Corpus Inscriptionum Grae-
carum.


G. vor Giust. Galeria. G. Petilia u. dgl. bei Mün-
zen Gens Petilia.


G. M. Millins Galerie mythologique, iſt bis §. 382
mit Angabe der Tafel und der Nummer des Bildwerks, hernach
bei der Heroenmythologie, aus Gründen, die leicht aufzufinden,
blos nach der Nummer des Bildwerks citirt worden.


GGA. Göttinger Gelehrte Anzeigen.


L. bezeichnet das Musée Royal im Louvre; die beigefügten
Nummern ſind die, welche die Antiken im Jahr 1822 trugen.


M. Münzen.


M. Museo, Museum.


M. E. bei Gori Museum Etruscum, ſ. S. 163; bei In-
ghirami Monumenti Etruschi, ſ. S. 164.


M. Fr. oder auch Franç. das Musée François, worüber
S. 22. nachzuſehn.


[VIII]

M. I. Monumenti inediti, Monumens inédits. U. M.
Unedited monuments.


Mionnet’s Empr. bezieht ſich auf die in dem Catalogue
d’une collection d’empreintes
Paris an 8. verzeichneten Münz-
abdrücke, welche die hieſige archäologiſche Sammlung mit einem
großen Zuwachs von ſpätern Abdrücken aus derſelben Hand beſitzt.
Die letzteren ſind nach der Nummer, welche ſie in Mionnet’s De-
scription de Médailles antiques Grecques et Romaines
tra-
gen, angeführt. Mionnet Pl., oder Planches, bezeichnet den der
Description beigegebnen Band mit Kupfern. Münzen find nie
anders als nach Anſicht von Abdrücken oder vorzüglich guten Ab-
bildungen angeführt worden; ähnliche Geſetze hat ſich der Vf. bei
andern Arten von Bildwerken gemacht.


N. Norden. O. Oſten. S. Süden. W. Weſten.


Pl. öfter ſtatt Plin. Plinius.


PCl. oder auch PioCl. das Museo Pio-Clementino, ſ.
S. 22.


r. l., die R. die L. bedeutet: rechts, links, die Rechte, die
Linke.


S. Sohn.


T. Tempel.


In jedem Abſchnitt, der mit einem Namen überſchrieben iſt,
bezeichnet deſſen Anfangsbuchſtaben keinen andern als dieſen, z. B.
in dem Abſchnitte von der Aphrodite iſt A. Aphrodite, unter Artemis
aber Artemis.


[] bezeichnet bei Büchertiteln Werke, welche der Vf. nicht
ſelbſt gebrauchen konnte, aber doch zu übergehen für unrecht hielt;
daß dies Zeichen ſo ſelten vorkömmt, iſt faſt ganz der hieſigen Kö-
niglichen Bibliothek zuzurechnen.


× zwiſchen Zahlen bezeichnet die Länge und Breite eines
Rechtecks. Z. B. 107 × 47 F. bedeutet daß der Tempel, wovon
die Rede, 107 Fuß lang, 47 breit ſei.


[[IX]]

Inhalts-Anzeige.


  • Einleitung.
    A.Theoretiſche.
    1. Zergliederung des Begriffes Kunſt. §. 1 ff. S. 1 ff.
  • 2. Die einfachſten und allgemeinſten Geſetze der Kunſt. §. 9. 4.
  • 3. Eintheilung der Kunſt. §. 16. 6.
  • 4. Allgemeines über die geſchichtliche Erſcheinung der Kunſt,
    inſonderheit der bildenden. §. 29. 14.
  • B.Litterariſche. §. 35. 17.
  • Geſchichte der Kunſt im Alterthum.
    Die Griechen.
    Erſte Periode bis gegen Ol
    . 50.

    1. Allgemeine Bedingungen und Hauptzüge der Kunſtentwicke-
    lung. §. 40. 24.
  • 2. Architektonik. §. 45. 26.
  • 3. Die übrige Tektonik. §. 56. 34.
  • 4. Bildende Kunſt. §. 64. 40.
  • 5. Anfänge der Mahlerei. §. 73. 49.
  • Zweite Periode. Von Ol. 50 — 80.
    1. Der Charakter der Periode im Allgemeinen. §. 76. 52.
  • 2. Architektonik. §. 80. 54.
  • 3. Bildende Kunſt.
    Verbreitung derſelben. §. 82. S. 58.
  • Cultusbilder. §. 83. 59.
  • Ehrenbildſäulen. §. 87. 62.
  • Mythologiſche Figuren als Weihgeſchenke. §. 89. 63.
  • Tempelſculpturen. §. 90. 64.
  • Styl der bildenden Kunſt. §. 91. 65.
  • Ueberreſte der bildenden Kunſt. §. 96. 68.
  • Stein u. Stempelſchneidekunſt. §. 97. 72.
  • 4. Mahlerei. §. 99. 74.
  • Dritte Periode. Von Ol. 80 — 111.
    1. Die Ereigniſſe und der Geiſt der Zeit in Beziehung auf die
    Kunſt §. 100. 76.
  • 2. Architektonik. §. 105. 80.
  • 3. Bildende Kunſt.
    a. Die Zeit des Phidias und Polykleitos §. 112. 89.
  • b. Die Zeit des Praxiteles und Lyſippos. §. 124. 104.
  • Stein- und Stempelſchneidekunſt. §. 131.. 115.
  • 4. Mahlerei. §. 133. 117.
  • Vierte Periode. Von Ol. 111 bis 158, 3.
    1. Ereigniſſe und Charakter der Zeit. §. 144. 127.
  • 2. Architektonik. §. 149. 131.
  • 3. Bildende Kunſt. §. 154. 135.
  • Stein- und Stempelſchneidekunſt. §. 161. 141.
  • 4. Mahlerei. §. 163. 143.
  • Plünderungen und Verheerungen Griechenlands. §. 164. 145.
  • Epiſode. Von der Griechiſchen Kunſt bei den
    Italiſchen Völkern vor Ol
    . 158, 3.

    1. Griechiſcher Urſtamm. §. 166. 149.
  • 2. Etrusker. §. 167. 150.
  • 3. Rom vor 606. §. 179. 164.
  • Fünfte Periode. Von 606 der Stadt (Ol. 158, 3.)
    bis in das Mittelalter.
    S.
  • 1. Allgemeines über den Charakter und Geiſt der Zeit. §. 183. 169.
  • 2. Architektonik. §. 188. 173.
  • 3. Bildende Kunſt. §. 196. 188.
  • 4. Mahlerei. §. 208. 207.
  • Die Zerſtörungen. §. 214. 214.
  • Anhang. Die ungriechiſchen
    Voͤlker
    .

    I.Aegyptier.
    1. Allgemeines. §. 215. 218.
  • 2. Architektonik. §. 219. 227.
  • 3. Bildende Künſte und Mahlerei.
    Technik und Behandlung der Formen. §. 228. 239.
  • Gegenſtände. §. 238. 246.
  • II.Die Syriſchen Stämme. §. 234. 254.
  • A.Babylonier.
    1. Architektonik. §. 235. 254.
  • 2. Bildende Kunſt. §. 237. 257.
  • B.Phönicier und benachbarte Stämme.
    1. Architektonik. §. 239. 260.
  • 2. Bildende Kunſt. §. 240. 262
  • III.Völker vom Ariſchen Stamme. §. 242. 266.
  • 1. Architektonik. §. 243. 267.
  • 2. Bildende Kunſt. §. 246. 271.
  • IV.Indier. §. 249. 278.
  • Syſtematiſche Behandlung der antiken Kunſt.
    Propaͤdeutiſcher Abſchnitt. Geogra-
    phie der alten Kunſtdenkmaͤler
    .

    1. Allgemeines. §. 251. S. 282.
  • 2. Griechenland. §. 252. 284.
  • 3. Aſien und Africa. §. 255. 288.
  • 4. Italien. §. 257. 289.
  • 5. Der Weſten Europa’s. §. 262. 303.
  • 6. Deutſchland und der Norden. §. 264. 309.
  • Erſter Hauptabſchnitt. Tek-
    tonik
    . §. 266.

    I.Gebäude. Architektonik. §. 267. 314.
  • 1. Baumaterialien. §. 268. 315.
  • 2. Die einfachen geometriſchen Grundformen. §. 273. 320.
  • 3. Die Architekturſtücke. §. 275. 323.
  • 4. Arten der Gebäude. §. 286. 334.
  • II.Geräthe. §. 297. 354.
  • Zweiter Hauptabſchnitt. Bil-
    dende Kunſt (nebſt Mahlerei)

    §. 303.
    365.
  • Erſter Theil. Von der Technik der alten
    Kunſt
    . §. 304.
    365.
  • I.Mechaniſche Technik.
    A.Der Plaſtik im weitern Sinne.
    a. Die Bildnerei in weichen oder erweichten Maſſen.
    1. Arbeit in Thon oder ähnlichen Stoffen. §. 305. 366.
  • 2. Metallguß. §. 306. 368.
  • b. Die Arbeit in harten Maſſen.
    1. Holzſchnitzerei. §. 308. S. 372.
  • 2. Bildhauerei. §. 309. 373.
  • 3. Arbeit in Metall und Elfenbein. §. 311. 376.
  • 4. Arbeit in Edelſteinen. §. 313. 380.
  • 5. Arbeit in Glas. §. 316. 385.
  • 6. Stempelſchneidekunſt. §. 317. 386.
  • B.Zeichnung auf ebner Fläche.
    a. Durch Auftrag von Farbeſtoffen weicher und flüſſiger Art.
    1. Einfarbige Zeichnung und Mahlerei. §. 318. 387.
  • 2. Mahlerei mit Waſſerfarben. §. 319. 388.
  • 3. Erkauſtiſche Mahlerei. §. 320. 391.
  • 4. Vaſenmahlerei. §. 321. 392.
  • b. Zeichnung durch Zuſammenfügung feſter Stoffe,
    Moſaik. §. 322.394.
  • II.Optiſche Technik. §. 323 397.
  • Zweiter Theil. Von den Formen der
    alten Kunſt
    .

    I.Vom menſchlichen Körper.
    A.Allgemeine Grundſätze. §. 325. 400.
  • B.Charakter und Schönheit der einzelnen
    Formen
    .
    1. Studien der Griechiſchen Künſtler. §. 328. 403.
  • 2. Behandlung des Geſichts. §. 329. 405.
  • 3. Behandlung des übrigen Körpers. §. 331. 410.
  • 4. Proportionen. §. 332. 411.
  • 5. Colorit. §. 333. 413.
  • 6. Vermiſchung menſchlicher Bildung mit andern Formen.
    §. 334. 414.
  • 7. Der Körper und die Geſichtszüge in Bewegung. §. 335. 416.
  • II.Bekleidung des Körpers.
    1. Allgemeine Grundſätze. §. 336. S. 418.
  • 2. Männerkleider. §. 337. 421.
  • 3. Frauengewänder. §. 339. 425.
  • 4. Römiſche Tracht. §. 341. 429.
  • 5. Waffentracht. §. 342. 430.
  • 6. Behandlung der Draperie. §. 343. 432.
  • III.Von den Attributen. §. 344. 433.
  • IV.Von der Compoſition. §. 345. 434.
  • Dritter Theil. Von den Gegenſtänden
    der alten Kunſt
    . §. 346.
    437.
  • I.Mythologiſche Gegenſtände. §. 347. 438.
  • A.Die Olympiſchen Zwölfgötter.
    1. Zeus. §. 349. 441.
  • 2. Hera. §. 352. 448.
  • 3. Poſeidon. §. 354. 451.
  • 4. Demeter. §. 357. 456.
  • 5. Apollon. §. 359. 461.
  • 6. Artemis. §. 363. 472.
  • 7. Hephäſtos. §. 366. 478.
  • 8. Pallas Athena. §. 368. 480.
  • 9. Ares. §. 372. 490.
  • 10. Aphrodite. §. 374. 493.
  • 11. Hermes. §. 379. 503.
  • 12. Heſtia. §. 382. 508.
  • B.Der Bakchiſche Kreis.
    1. Dionyſos. §. 383. 510.
  • 2. Satyrn. §. 385. 515.
  • 3. Silene. §. 386. 518.
  • 4. Pane. §. 387. 519.
  • 5. Weibliche Figuren. §. 388. S. 521.
  • 6. Kentauren. §. 389. 523.
  • 7. Dionyſos Thiaſos im Ganzen. §. 390. 525.
  • C.Neben- und Untergeordnete Gottheiten.
    1. Kreis des Eros. §. 391. 528.
  • 2. Muſen. §. 393. 532.
  • 3. Heilgötter. §. 394. 534.
  • 4. Urwelt. §. 395. 536.
  • 5. Unterwelt. §. 397. 538.
  • 6. Schickſal und Weltordnung. §. 398. 540.
  • 7. Zeit. §. 399. 542.
  • 8. Lichtweſen. §. 400. 544.
  • 9. Winde. §. 401. 545.
  • 10. Das Element des Waſſers. §. 402. 546.
  • 11. Die Vegetation des Landes. §. 404. 549.
  • 12. Land, Stadt und Haus. §. 405. 551.
  • 13. Menſchliche Thätigkeiten und Zuſtände. §. 406. 553.
  • 14. Altitaliſche Götter. §. 407. 555.
  • 15. Fremde, orientaliſche Götter. §. 408. 556.
  • D.Heroen. §. 409. 558.
  • 1. Herakles. §. 410. 559.
  • 2. Die übrigen Heroenkreiſe (nach geographiſcher Ordnung)
    §. 412. 565.
  • II.Gegenſtände des wirklichen Lebens.
    A.Individueller Art.
    1. Hiſtoriſche Darſtellungen. §. 419. 581.
  • 2. Porträtbildungen. §. 420. 583.
  • B.Allgemeiner Art.
    1. Cultushandlungen. §. 422. 590.
  • 2. Agonen. §. 423. 592.
  • 3. Krieg. 426. S. 597.
  • 4. Jagd und Landleben. §. 427. 599.
  • 5. Häusliches Leben. §. 428. 600.
  • 6. Tod. §. 431. 603.
  • 7. Amulete, Symbole. §. 433. 605.
  • 8. Thiere und Pflanzen. §. 434. 606.
  • 9. Arabeske, Landſchaft. §. 436. 609.
[[1]]

Einleitung.


A.Theoretiſche.


1. Zergliederung des Begriffes Kunſt.


§. 1. Die Kunſt iſt eine Darſtellung (μίμησις)1
d. h. eine Thaͤtigkeit, durch welche ein Innerliches aͤußer-
lich wird. — Sie will nichts als darſtellen, und un-2
terſcheidet ſich dadurch, daß ſie ſich darin genuͤgt, von
allen praktiſchen auf einen beſondern Zweck gerichteten
Thaͤtigkeiten.


1. Μίμησις iſt nicht blos Nachahmung ſondern auch Darſtel-
lung. S. beſonders Ariſtot. Poet. 1, 1. 26, 2. Rhetor. 1, 11.
Platon Staat II. p. 373. X. p. 595. ff.


2. Oft heißt die Kunſtübung, weil zwecklos, bei praktiſcheren
Völkern ein Spiel, ludus.Nützliche Kunſt im Gegenſatz der
ſchönen iſt nichts als Handwerk.


2. Die naͤhere Beſtimmung wird beſonders durch die1
Art des Zuſammenhangs zwiſchen dem Innern
und Aeußern
, Darſtellenden und Dargeſtellten, in der
Kunſt gegeben. Dieſer Zuſammenhang muß durchaus ein2
in der Natur des Menſchen mit Nothwendig-
keit gegebener
, nicht durch willkuͤhrliche Satzung an-
genommener ſein. Obzwar in verſchiedenen Naturen, auf3
verſchiedenen Bildungsſtufen ſtaͤrker oder ſchwaͤcher, kann
er doch nicht eigentlich erlernt werden.


1
[2]Einleitung

3. Der geiſtige Inhalt einer Reihe von Tönen, der Ausdruck
eines Geſichts wird nicht erlernt, obgleich von dem Einen ſtärker
und feiner empfunden als vom Andern. Ein Olympiſcher Zeus
würde in der Hauptſache auch von uns verſtanden und empfunden
werden.


13. Zugleich iſt dieſer Zuſammenhang in der Kunſt
ein ſo unmittelbarer und inniger, daß das Innre
in dem Aeußern ganz aufgeht, und ſich ſelbſt erſt im
Geiſte durch die Darſtellung vollſtaͤndig entwickelt. —
2Daher die Kunſtthaͤtigkeit gleich von Anfang in der Seele
auf das aͤußere Darſtellen gerichtet iſt, und die Kunſt
uͤberall als ein Machen, Schaffen (Kunſt, τέχνη) an-
geſehen wird.


1. Die Kunſtdarſtellung iſt nach Kant Kritik der Urtheilskraft
S. 251. eine eigentliche Darſtellung, ὑποτύπωσις, ex-
hibitio,
kein Charakterismus, wie die Sprache, welche nur
Mittel zur Reproduction der Begriffe iſt, nicht die Begriffe unmit-
telbar darſtellt. Der Künſtler lernt ſeine Idee ſelbſt erſt durch das
Kunſtwerk kennen.


2. Τέχνη von τεύχω, Kunſt von können.


14. Das Aeußere oder Darſtellende in der Kunſt iſt
2eine ſinnliche Form. Entweder kann nun die ſinnliche
Form, welche ein inneres Leben auszuſprechen vermag,
durch die Phantaſie geſchaffen werden oder auch dem
3aͤußern Sinn entgegentreten. Da aber ſchon das gemeine
Sehen, noch vielmehr aber jedes kuͤnſtleriſche, zugleich eine
Thaͤtigkeit der Phantaſie iſt: ſo muß die Formenbildende
Phantaſie uͤberhaupt als das Haupt-Vermoͤgen
der Kunſtdarſtellung bezeichnet werden.


3. „Der Maler malt eigentlich mit dem Auge; ſeine Kunſt
iſt die Kunſt regelmäßig und ſchön zu ſehen. Sehen iſt hier ganz
aktiv, durchaus bildende Thätigkeit“ Novalis ii. S. 127. — Der
Unterſchied der nachahmenden und der freiſchaffenden
Kunſt iſt daher nicht ſo ſcharf als es ſcheinen kann.


[3]Zur Theorie der Kunſt.

5. Der Schoͤpfung oder phantaſievollen Auffaſſung der
Kunſtform ſchließt ſich als eine untergeordnete aber doch
mit jener eng verwebte Thaͤtigkeit die Darſtellung der
Form im Stoffe an, welche wir die Ausfuͤhrung
nennen.


Des Tones, den das innere Ohr zu vernehmen glaubt, im
Geſange oder durch Inſtrumente, der organiſchen Form in Stein
oder durch Farben. Je weniger die Kunſtthätigkeit entwickelt iſt, um
deſto mehr liegen dieſe Handlungen zuſammen, und das Bilden im
Stoffe ſcheint das erſte, urſprüngliche zu ſein.


6. Das Innere oder Dargeſtellte in der Kunſt,
das geiſtige Leben, deſſen entſprechender und befriedigen-
der Ausdruck die Kunſtform iſt, die Seele dieſes Koͤrpers,
nennen wir die Kunſtidee; wir verſtehen darunter ganz
allgemein die Stimmung und Thaͤtigkeit des Geiſtes, aus
welcher die Auffaſſung der beſtimmten Form hervorgeht,
ſoweit ſie von dieſer Auffaſſung ſelbſt unterſcheidbar iſt.


Auch ein der Natur nachgebildetes Kunſtwerk hat doch ſein in-
neres Leben in der Kunſtidee.


7. Die Kunſtidee iſt niemals ein Begriff, indem
der Begriff ein Fach iſt, in welches verſchiedene Erſchei-
nungen hineinpaſſen, die Kunſtidee aber mit der ganz be-
ſondern Form des Kunſtwerks in der innigſten Ueberein-
ſtimmung ſtehen (§. 3.), alſo ſelbſt ein ganz Beſonderes
ſein muß, daher ſie auch nicht ſprachlich auf eine genuͤ-
gende Weiſe ausgedruͤckt werden kann.


Sie hat keinen Ausdruck als das Kunſtwerk ſelbſt. [Darſtel-
lungen]
von Begriffen in der Kunſt (Wahrheit) ſind nur ſcheinbar.
Die Allegorie, welche Begriffe durch äußere Geſtalten mit dem
Bewußtſein ihrer Verſchiedenheit andeutet, iſt ein Spiel des Ver-
ſtandes, welches nicht im Kreis der eigentlichen Kunſtthätigkeit liegt.


8. Vielmehr iſt die Kunſtidee eine Vorſtellung dunk-1
ler Art, welche durch Begriffe ſich nicht vollkommen faſ-
1*
[4]Einleitung
ſen laͤßt, aber mit einer lebhaften und vorherrſchenden
2Empfindung der Seele verbunden iſt, ſo daß
bald Vorſtellung und Empfindung in einem geiſtigen Zu-
ſtande (Stimmung) verborgen liegen, bald die Vorſtel-
lung geſonderter hervortritt, aber doch immer bei der Er-
ſchaffung, wie bei dem Aufnehmen der Kunſtform, die
Empfindung vorherrſchend bleibt.


1. Dunkel nennen wir die einem Kunſtwerke zum Grunde lie-
gende Vorſtellung nur in Beziehung auf die Klarheit, die wir
dem Begriffsleben zuſchreiben.


2. Vergleiche die Kunſtidee einer einfachen Melodie, welche eine
gewiſſe Stimmung der Seele ausdrückt, mit der eines verwandten
plaſtiſchen Kunſtwerks. Die Muſik eines Dithyrambus und eine
Bacchiſche Gruppe haben eng verwandte Kunſtideen darzuſtellen,
aber dieſe ſtellt ſie, auch abgeſehen von dem feſteren ſinnlichen Ein-
druck der Kunſtformen, zu höherer Beſtimmtheit der Vorſtellung
ausgebildet dar.


2. Die einfachſten und allgemeinſten Geſetze der
Kunſt
.


19. Die Geſetze der Kunſt ſind die Bedingungen, un-
ter welchen allein das Empfindungsleben durch aͤußere
Formen in eine ihm wohlthaͤtige Bewegung geſetzt wer-
2den kann; ſie beſtimmen die Kunſtform nach den Forde-
rungen des Empfindungslebens, und haben in der Be-
ſchaffenheit des Empfindungsvermoͤgens ihren Grund.


2. Dieſe Beſchaffenheit wird hier nur an den Aeußerungen er-
kannt; die Erforſchung derſelben gehört der Pſychologie.


10. Zuerſt muß die Kunſtform, um das Empfindungs-
vermoͤgen in eine zuſammenhaͤngende Bewegung zu ver-
ſetzen, eine allgemeine Geſetzmaͤßigkeit haben, die als
Beobachtung mathematiſcher Verhaͤltniſſe oder organiſcher
Lebensformen erſcheint; ohne dieſe Geſetzmaͤßigkeit hoͤrt ſie
auf Kunſtform zu ſein.


[5]Zur Theorie der Kunſt.

Die Muſik wirkt nur dadurch, daß ſie ſich mathematiſchen
Verhältniſſen, die Plaſtik, daß ſie ſich den organiſchen Naturfor-
men einverleibt; reißt ſie ſich von dieſen los, ſo verliert ſie den
Boden, auf dem ſie ſich unſerm Geiſte annähern kann.


11. An ſich aber iſt dieſe Geſetzmaͤßigkeit unfaͤhig ein
inneres Leben auszudruͤcken, und alſo gar nicht darſtellen-
der Art, ſondern nur Bedingung der Darſtellung, Schranke
der ſich innerhalb hin und herbewegenden, die Ge-
ſetzmaͤßigkeit modificirenden, im Ganzen aber bewaͤhren-
den Kunſtformen.


Es wird hier das Verhältniß der harmoniſchen Geſetze zur
Melodie, des Geſetzes des Gleichgewichts im Rhythmus zur Man-
nigfaltigkeit der Rhythmen, der organiſchen Grundform zu den be-
ſondern Geſtaltungen der Plaſtik beſchrieben.


12. Waͤhrend dieſe Geſetzmaͤßigkeit erſte Forderung
an die Kunſtform uͤberhaupt: iſt die Schoͤnheit ein
naͤheres Praͤdikat der Kunſtform in Bezug auf das Em-
pfindungsleben. Schoͤn nennen wir diejenigen Formen,
welche die Seele auf eine ihrer Natur durchaus ange-
meſſene, wohlthaͤtige, wahrhaft geſunde Weiſe zu empfin-
den veranlaſſen, gleichſam in Schwingungen ſetzen, die
ihrer innerſten Structur gemaͤß ſind.


Obzwar die Theorie der Kunſt durch eine ſolche Definition die
weitere Frage nach der Natur des Schönen an die Aeſthetik als
Theil der Pſychologie abgiebt: ſo ſieht man doch auch aus dem Ge-
gebenen, wie das Schöne ſich vom ſinnlich Gefälligen ſondert; auch
warum Begierde, individuelles Intereſſe von dem Genuſſe des Schö-
nen ausgeſchloſſen ſind. Auch iſt deutlich, warum manches vom
Verſtand als höchſt vollkommen Erkannte nie ſchön erſcheinen wird. —
Das Innere eines lebendigen Körpers z. B. deswegen, weil es un-
willkührlich die Vorſtellung der Zerſtörung in uns erweckt.


13. Da die Seele natuͤrlich dieſer Geſundheit des1
Empfindungslebens nachſtrebt: ſo iſt das Schoͤne aller-
dings Prinzip der Kunſt, ohne indeß jemals an ſich Ge-
[6]Einleitung
genſtand der Darſtellung, Kunſtidee im obigen Sinne,
zu ſein, da dieſe (§. 7.) eine ganz beſondere Vorſtellung
2und Empfindung iſt. Im Gegentheil befindet ſich auch
die Schoͤnheit, auf den hoͤchſten Punkt gefuͤhrt, im Ge-
genſatze mit jedem Beſtreben etwas Beſonderes darzuſtellen.


2. Daher der tiefe Ausſpruch Winckelmanns (vii. S. 76.),
daß die völlige Schönheit unbezeichnend ſein müſſe, gleich dem
reinſten Waſſer. Streit, ob das Charakteriſtiſche, Bedeu-
tende, oder Schöne Prinzip der Kunſt. Eine durchgängige
Aufhebung der Schönheit und Geſetzmäßigkeit durch grelle Charakte-
riſirung iſt Carricatur. Eine theilweiſe, im Ganzen zurück-
geführte Aufhebung (Diſſonanz, Arrhythmie, ſcheinbare Verhält-
nißwidrigkeit in der Architektur) dagegen ein wichtiges Mittel dar-
zuſtellen.


14. Als entgegengeſetzte Punkte in der Reihe von
Empfindungen, die man durch das Schoͤne bezeichnet,
kann man das Erhabene und Anmuthige betrachten,
wovon jenes der Seele eine bis an die Graͤnzen ihrer
Kraft geſteigerte Energie der Empfindungen zumuthet,
dieſes ſie von ſelbſt, ohne Steigerung ihrer Kraft, in ei-
nen Kreis wohlthaͤtiger Empfindungen hineinzieht.


15. Es liegt im Begriffe eines Kunſtwerks als einer
innigen Verbindung einer Kunſtidee mit aͤußeren Formen,
daß es eine Einheit haben muß, auf welche Alles im
Kunſtwerke ſich zuruͤckbezieht, und durch welche die ver-
ſchiedenen, ſucceſſiv oder nebeneinander exiſtirenden, Theile
ſo zuſammengehalten werden, daß der eine den andern
gleichſam fordert und nothwendig macht. Das Kunſt-
werk muß ein Eines und Ganzes ſein.


3. Eintheilung der Kunſt.


116. Die Eintheilung der Kunſt wird beſonders durch
die Beſchaffenheit der Formen gegeben, durch welche
2ſie darſtellt: obgleich nicht zu zweifeln iſt, daß auch die
[7]Zur Theorie der Kunſt.
Kunſtideen, in inniger Uebereinſtimmung mit den Kunſt-
formen, in verſchiedenen Kuͤnſten ſchon im Keime verſchie-
den ſind.


2. Wenn auch immer eine Muſik, ein Gemälde verwandte
Kunſtideen darſtellen können: ſo iſt doch eine eben ſo beſtimmte
Scheidung zwiſchen denſelben von Anfang an.


17. Hiebei beobachten wir das Geſetz, daß je dunk-1
ler die in der Kunſtidee enthaltene Vorſtellung iſt, um
deſto mehr mathematiſche Verhaͤltniſſe (als Grundlage al-
les Lebens) zur Darſtellung genuͤgen; je klarer aber jene
Vorſtellung wird, um deſto mehr die Formen der hoͤhern,
weiter entwickelten, organiſchen, Natur entnommen wer-
den muͤſſen. Wie nun aber der wiſſenſchaftliche Ver-2
ſtand nur jene mathematiſchen Verhaͤltniſſe durchdringt,
das organiſche Leben aber ihm immer ein Geheimniß
bleibt: ſo erſcheint auch die kuͤnſtleriſche Phantaſie nur
in jenen frei ſchaffend, von der aͤußern Natur unabhaͤn-
gig, in dieſen dagegen gebundener und auf Beobachtung
des aͤußerlich vorhandenen angewieſen.


1. Rhythmik, Muſik, Architektur, welche durch mathematiſche
Verhältniſſe wirken, ſtellen Vorſtellungen ſehr dunkler Art dar. For-
men der Art ſind die Grundformen des Univerſums, aber keines
individuellen Lebens. Die Formen des vegetativen Lebens (Land-
ſchaftsmahlerei) geſtatten ſchon mehr Beſtimmtheit der Vorſtellun-
gen; am meiſten die des höchſten animaliſchen (hiſtoriſche Mahlerei,
Plaſtik.) Von dem Gefallen an Kunſtformen der erſtern Art iſt
auch die Thierwelt nicht ganz ausgeſchloſſen; es giebt muſikaliſche,
architektoniſche Inſtinkte, keinen plaſtiſchen. Jede Kunſt fehlt, in-
dem ſie ihre Formen anders als ihrer Beſtimmung gemäß brauchen
will; die Muſik z. B. wenn ſie mahlt.


18. Jede Form ſetzt eine Groͤße voraus, die entwe-1
der in der Zeit oder im Raume, in der Succeſſion oder
Coexiſtenz, gegeben ſein kann. Die Zeit wird durch2
Bewegung zur Erſcheinung gebracht, und zur beſondern
[8]Einleitung
meßbaren Groͤße. Und zwar iſt die Bewegung um ſo
mehr als reine Zeitgroͤße zu betrachten, je weniger es
dabei auf das Raͤumliche, den ſich bewegenden Koͤrper,
3die Linie der Bewegung, ankoͤmmt. Die reinſte Darſtel-
lung einer Zeitgroͤße fuͤr den aͤußern Sinn iſt der mu-
ſikaliſche Ton
, welcher als ſolcher ganz und gar auf
dem Maß der Geſchwindigkeit der regelmaͤßigen Schwin-
gungen des toͤnenden Koͤrpers beruht. Die Muſik iſt es,
welche die Folge und Verbindung dieſer ſchnellern oder lang-
ſamern Schwingungen zum Ausdruck von Kunſtideen macht.


3. Musice est exercitium arithmeticae occultum nesci-
entis se numerare animi,
Leibniz. Kant S. 217. ſagt zu
wenig, indem er behauptet, daß die Mathematik blos die conditio
sine qua non
des muſikaliſchen Eindrucks ſei, aber „an den Rei-
zen und Gemüthsbewegungen, welche die Muſik hervorbringt, nicht
den mindeſten Antheil habe“. Zum muſikaliſchen Ton, der für
ſich allein nicht erſcheinen kann, kömmt in der Ausführung noth-
wendig der Laut hinzu, welcher nicht quantitativer, meßbarer Art,
ſondern wirklich qualitativ iſt, und dem äußern Stoff in der Pla-
ſtik entſpricht.


119. Die Kunſtform des Tons, welcher eine ver-
huͤllte Zeitgroͤße
genannt werden kann, indem der
eigentlich nur quantitative Unterſchied unſerm Sinne als
qualitativ erſcheint, wird von einer andern umfaßt, in
welcher das Quantitative, das Meſſen einer Zeitgroͤße,
fuͤr den aufnehmenden Sinn deutlich hervortritt, in wel-
2cher man mit Bewußtſein mißt. Die Kunſt, welche durch
den Wechſel in dieſen Maaßen ihre Ideen ausdruͤckt, iſt
die Rhythmik, welche als Kunſt nie fuͤr ſich allein
auftreten, aber ſich mit allen durch die Bewegung dar-
ſtellenden verbinden kann.


2. Die Rhythmik mißt Töne, und Bewegungen von Körpern.
Ueberdies findet der Begriff des Rhythmus auch in den räumlich
darſtellenden Künſten ſeine Anwendung, und bedeutet hier ein
leichtfaßliches Verhältniß der Größen als ſolcher. Die Rhythmik
[9]Zur Theorie der Kunſt.
auf die Sprache angewandt und durch dieſen Stoff bedingt iſt die
Metrik.


20. Eine andere Reihe von Kuͤnſten nimmt zur Zeit1
den Raum, zu dem Maaß der Bewegung die Art und
Weiſe, die Qualitaͤt derſelben, hinzu. Auf dieſe Weiſe,
in Raum und Zeit zugleich, kann der Menſch nur durch
ſeinen eignen Koͤrper darſtellen. Dieſe Reihe von Kuͤn-2
ſten erreicht ihren Gipfel in einer mimiſchen Orche-
ſtik
, einer ausdrucksvollen Tanzkunſt, in der außer dem
Rhythmus der Bewegung die Art derſelben, die ſchoͤne
und bedeutungsvolle Geberde, Kunſtform iſt. Aber Aeu-3
ßerungen einer ſolchen Kunſtthaͤtigkeit durchdringen, in
hoͤherem oder geringerem Maaße, nach den Anlagen von
Individuen und Nationen, das ganze Leben, und verbin-
den ſich mit verſchiedenen Kuͤnſten.


3. Unwillkührlich ſpricht jede Bewegung und Geberde an uns.
Dieſe unwillkührliche Darſtellung zu regeln, war Hauptſache der
Griechiſchen Erziehung. Der Jüngling wird ein Bild der
σωφροσύνη, καλοκαγαϑία. Auch die Gymnaſtik war zum Theil
darſtellender Art (Pentathlon). In größerm Maaßſtabe zeigt ſich
dieſe Kunſtthätigkeit bei der Bewegung von Pompen, von Kriegs-
heeren zu Fuß und Pferde. Die Anordnung einer Menſchenmaſſe
für ein Feſt iſt eine Aufgabe, wobei ſich der Kunſtſinn vollkommen
bewähren kann; Architekten müſſen oft ihre Gebäude hauptſächlich
als Grundlage eines ſolchen lebendigen Kunſtwerks anſehn. Dieſe
lebendige Plaſtik hängt ſehr eng mit der am todten Stoffe
darſtellenden zuſammen, und muß ſie vorbereiten. — Die Mi-
mik an ſich mit redenden Künſten verbunden wird Declama-
tion
(σημεῖα, σχήματα).


21. Die allein im Raum darſtellenden (zeich-1
nenden) Kuͤnſte koͤnnen nicht durch die reine (arithme-
tiſche) Groͤße, das blos Quantitative, darſtellen, wie die
Muſik, indem das Raͤumliche immer zugleich als Figur,
alſo qualitativ, beſtimmt werden muß. Sie haben nur2
zwei Mittel darzuſtellen, die geometriſch beſtimmbare
[10]Einleitung
und die organiſche mit der Vorſtellung des Lebens eng-
verbundene Koͤrperform.


1. Die Zeit entſpricht der Linie im Raum, abgeſehen von deren
beſonderer Richtung und Wendung, alſo einem äußerlich Undar-
ſtellbaren.


2. Unter dem Organiſchen im weitern Sinn wird das Vegeta-
tive mitbegriffen.


122. Die geometriſche Form kann unlaͤugbar auch
an ſich Kunſtgeſetzen gemaͤß ausgebildet und zur Kunſt-
form werden, indeß erſcheint dieſe Gattung von Kunſt-
formen aus Gruͤnden, die im Verhaͤltniß der Kunſt zum
uͤbrigen Leben der Menſchen und Voͤlker liegen, faſt nie
unabhaͤngig, ſondern an ein zweckerfuͤllendes (§. 1, 2.)
einem beſtimmten Lebensbeduͤrfniſſe genuͤgendes Schaffen
2gebunden. Hieraus geht eine Reihe von Kuͤnſten hervor,
welche Geraͤthe, Gefaͤße, Wohnungen und Verſammlungs-
orte der Menſchen zwar einerſeits nach ihrer Zweckbeſtim-
mung, aber andrerſeits in Gemaͤßheit von Gefuͤhlen und
3Kunſtideen geſtalten und ausbilden. Wir nennen dieſe
Reihe gemiſchter Thaͤtigkeiten Tektonik; ihr Gipfel
iſt die Architektonik, welche am meiſten vom Be-
duͤrfniß ſich emporſchwingen und zu einer machtvollen Dar-
ſtellung tiefer Empfindungen werden kann.


3. In manchen Gebäuden für den Cultus (gothiſchen Thür-
men) iſt das Bedürfniß (des Glockenſtuhls) nur der Anlaß, und
die Phantaſie erſcheint in der Zuſammenſetzung geometriſcher For-
men faſt freiſchaffend. Sobald aber die Architektur die geome-
triſch conſtruirbare Figur verläßt, eignet ſie ſich ſchon eine fremde
Kunſt an, wie in vegetabiliſchen und animaliſchen Zierathen. —
Die Gartenkunſt kann man eine Anwendung der Architektur auf
das vegetabiliſche Leben nennen.


123. Der eigenthuͤmliche Charakter dieſer Kuͤnſte be-
ruht auf der Vereinigung der Zweckmaͤßigkeit mit
der kuͤnſtleriſchen Darſtellung, zweier Prinzipien,
die in den einfachſten Werken der Art noch ganz in ein-
[11]Zur Theorie der Kunſt.
ander liegen, aber in den hoͤheren Aufgaben immer wei-
ter auseinandertreten, ohne doch je ihre Einheit zu ver-
lieren. Das Hauptgeſetz iſt, daß die Kunſtidee des Werks2
aus ſeiner Zweckbeſtimmung fuͤr ein lebendiges und tie-
fes Gefuͤhl natuͤrlich hervorgehn muͤſſe.


1. Ein Gefäß für einen einfachen Zweck wird meiſt dadurch
ſchön ſein, daß es zweckmäßig iſt. Wie innig auch in der Archi-
tektur die utilitas mit der venustas und dignitas zuſammen-
hänge, führt ſchon Cicero de Or. iii, 46 ſchön aus. Doch trennt
ſich natürlich in den Gebäuden für den Cultus zuerſt die Kunſtidee
von der äußern Zweckmäßigkeit. Die Gothiſche Kirche hat ihre
Höhe nicht der Zweckmäßigkeit zu verdanken.


24. Diejenigen Kuͤnſte, welche durch aus dem Leben1
hervorgegangne, organiſche Naturformen darſtel-
len, ſind (§. 17, 2.) weſentlich nachahmend, auf
kuͤnſtleriſchem Naturſtudium beruhend, indem nur die wirk-
liche organiſche Naturform in jenem nothwendigen und
innigen Zuſammenhange zum geiſtigen Leben ſteht (§. 2. 3.),
jene durchgaͤngige Bedeutſamkeit hat, auf welcher die Kunſt
beruht. Aber ſie vermoͤgen eine Anſchauung der orga-2
niſchen Form zu erreichen, welche uͤber der einzelnen Er-
fahrung ſteht, und finden in dieſer die Grundform fuͤr
ihre erhabenſten Ideen.


2. Die vollkommen organiſche Form iſt eben ſo wenig in der
Erfahrung gegeben, wie ein reines mathematiſches Verhältniß, aber
kann aus dem Erfahrenen herausgefühlt und in der Begeiſterung
ergriffen werden. Auf dem Streben nach einer ſolchen Auffaſſung
des Organismus beruht der geſunde Idealſtyl der beſten
Griechiſchen Kunſt. Ueber die verkehrten Richtungen der Ideali-
ſten
und Realiſten in Kunſt und Theorie ſpricht ſehr einſichts-
voll C. F. von Rumohr Italieniſche Forſchungen 1 S. 1—157.
Die Verbindungen niedrer Naturformen untereinander und mit der
menſchlichen (Kentauren, Greifen, Flügelfiguren) werden durch den
Glauben gerechtfertigt, und gehören in den beſten Zeiten mehr der
ſchmückenden Bildnerei an.


[12]Einleitung

125. Dieſe Kuͤnſte werden nun dadurch unter einander
unterſchieden, daß die eine, die Bildnerei oder Pla-
ſtik
, die organiſchen Formen ſelbſt ſtereometriſch (inſofern
es der verſchiedene Stoff geſtattet, ohne den Eindruck zu
2verderben), hinſtellt: die andere, die Zeichnung oder
Graphik, durch Licht und Schatten auf einer Flaͤche
blos den Schein davon hervorbringt, indem nur durch
Licht und Schatten unſer Auge Koͤrperformen wahrnimmt.


1. Πλαστική, urſprünglich in engerm Sinne gebraucht (un-
ten: Technik) hat dieſe Bedeutung ſchon bei ſpätern Rhetoren und
Sophiſten. Jakobs und Welcker ad Philostr. p. 195. Völ-
lig treue
ſtereometriſche Darſtellung verbietet der weſentlich ver-
ſchiedene Eindruck des lebendigen und lebloſen Körpers, verſchiedene
Stoffe geſtatten indeß hierin verſchiedene Grade der Annäherung.


2. Die Zeichnung nennt Kant gut die Kunſt des Sin-
nenſcheins
; doch verwandelt das Auge auch jedes plaſtiſche Werk
in ein Gemälde (oder viele). Bloße Umrißzeichnungen können nur
als Andeutung gelten, nicht als Kunſtwerk für ſich; wohl aber
Monochrome mit Licht und Schatten, Bilder en camayeu.


126. Die Farbe iſt zwar der aͤußern Moͤglichkeit nach
mit beiden Kuͤnſten vereinbar, aber wirkt in der Plaſtik
um ſo unangenehmer, je mehr ſie der Natur nahekom-
men will, weil bei ſolchem Beſtreben den Koͤrper voͤllig
wiederzugeben der Mangel des Lebens um ſo unangeneh-
2mer auffaͤllt; dagegen verbindet ſie ſich ganz natuͤrlich
mit der an ſich unvollkommener darſtellenden Zeichnung,
welche nicht die Koͤrper ſondern die Wirkungen des Lichts
auf ihnen darſtellt, wozu die Farbe ſelbſt gehoͤrt, und
3erhebt dieſe zu der Kunſt der Mahlerei. Die Farbe
hat in ihrer Natur, ihren Wirkungen und Geſetzen große
Aehnlichkeit mit dem Ton.


1. Daher das Unerträgliche der Wachsfiguren. Die bezweckte
Illuſion iſt grade hier das Abſtoßende. Die gemahlten ξόανα woll-
ten ſie nicht.


3. Auch die Farben ſind vielleicht nur quantitativ (nach Eu-
ler durch die Zahl der Schwingungen des Aethers) verſchieden. Sie
[13]Zur Theorie der Kunſt.
bilden eine Art von Octave, conſoniren und diſſoniren, erwecken
ähnliche Empfindungen wie Töne. — Göthe’s Farbenlehre, beſonders
Abſchn. 6. „Sinnlich-ſittliche Wirkung der Farben“.


27. Hierdurch wird das Verhaͤltniß der Pla-1
ſtik und Mahlerei, ihrem Vermoͤgen und ihrer Be-
ſtimmung nach, ſchon in den Hauptzuͤgen beſtimmt. Die
Plaſtik ſtellt die organiſche Form in hoͤchſter Vollkom-2
menheit dar, und haͤlt ſich mit Recht an den Gipfel der-
ſelben, die Menſchengeſtalt; ſie muß uͤberall voͤllig und
rund darſtellen und darf nichts unbeſtimmt laſſen; eine
gewiſſe Beſchraͤnktheit aber große Klarheit auf der andern
Seite gehoͤren zu ihrem Charakter. Die Mahlerei, welche3
zunaͤchſt das Licht darſtellt (in deſſen Wundern ſie recht
ihre Groͤße zeigt), und dafuͤr in der Koͤrperform mit
dem dadurch hervorgebrachten Schein zufrieden iſt, ver-
mag viel Mehr in ihren Kreis zu ziehn und die ganze
Natur zur Darſtellung ihrer Kunſtideen zu machen; ſie
iſt andeutungsvoller aber minder ſcharfbezeichnend. Die4
Plaſtik iſt ihrer Natur nach mehr auf das Ruhige, Feſte
gerichtet; die Mahlerei mehr auf das Voruͤbergehende, ſie
erhaͤlt auch dadurch, daß ſie Fernes und Nahes verbin-
det, mehr Bewegung; jene iſt daher mehr fuͤr die Dar-
ſtellung des Charakters, dieſe des Ausdrucks geeig-
net. Die Plaſtik iſt uͤberall an eine ſtrengere Geſetzmaͤ-5
ßigkeit, an ein einfacheres Schoͤnheitsgeſetz, gebunden, die
Mahlerei darf eine groͤßere ſcheinbare Stoͤrung im Ein-
zelnen (§. 13. Anm.) wagen, weil ſie reichere Mittel
hat ſie wieder im Ganzen aufzuheben.


5. Das Mahleriſche wird von Neuern öfter dem Schönen ent-
gegengeſetzt, das Plaſtiſche niemals.


Das Basrelief (Basso, Mezzo, Altorilievo), deſſen
Geſetze ſchwer zu beſtimmen ſind, ſchwankt zwiſchen beiden Künſten;
das Alterthum hat es mehr plaſtiſch, die neuere Zeit, in der die
Mahlerei vorherrſcht, oft mahleriſch behandelt. Tölken über das
Basrelief. Die Scalptur (Stein- und Stempelſchneidekunſt)
[14]Einleitung
iſt in der Regel nichts als die Kunſt ein Relief im Kleinen mittel-
bar hervorzubringen.


128. Die redenden Kuͤnſte haben in ihren Dar-
ſtellungsformen von den andern viel mehr Abweichendes
als dieſe untereinander. Auch ſie ſtellen aͤußerlich, ſinn-
lich dar, und folgen aͤußerlichen Formgeſetzen (der Eu-
phonie, der Rhythmik), aber dieſe aͤußere Darſtellung (der
das Ohr beruͤhrende Laut) iſt ſo wenig weſentlich, daß
2der Genuß auch ohne ſie moͤglich iſt. Gewiß iſt die Thaͤ-
tigkeit des Dichters viel complicirter als die der andern
Kuͤnſtler, und macht gewiſſermaßen den doppelten Weg,
indem aus dem geiſtigen Grunde, der Kunſtidee, ge-
wiſſe Reihen von geiſtigen Anſchauungen, von Phanta-
ſiebildern erwachſen, welche die ihrer Natur nach begriff-
liche Sprache alsdann zu erfaſſen und mitzutheilen ſucht.


Auch kann man nicht läugnen, daß eine jede Rede, welche
Empfindungen auf eine befriedigende und wohlthuende Weiſe an-
regt, einem Kunſtwerke verwandt ſei; dies findet aber nicht blos
bei der eigentlichen Beredſamkeit, ſondern auch z. B. beim klaren
philoſophiſchen Vortrage ſtatt.


4. Allgemeines uͤber die geſchichtliche Erſcheinung
der Kunſt, inſonderheit der bildenden
.


129. Die geſammte Kunſtthaͤtigkeit, inſofern ſie von
dem geiſtigen Leben und den Gewoͤhnungen einer einzel-
nen Perſon abhaͤngt, wird eine individuelle; von dem
2einer Nation, eine nationale. Sie wird durch Beides
eben ſo in den Kunſtideen als in der Formenwahl be-
ſtimmt, und nach der Wandelbarkeit des Lebens von
Individuen und Nationen in verſchiedenen Zeiten und
3Entwickelungsſtufen auf verſchiedene Weiſe beſtimmt. Dieſe
Beſtimmung, welche die Kunſt dadurch erhaͤlt, nennen
wir den Styl.


[15]Zur Theorie der Kunſt.

3. Z. B. Aegyptiſchen, Griechiſchen; Styl der Griechiſchen Kunſt
in beſondern Zeiten; des Phidias, des Praxiteles. Nur der hat
einen Styl, deſſen Eigenthümlichkeit mächtig genug iſt, ſeine ganze
Kunſtthätigkeit durchgreifend zu beſtimmen. Der Styl bedingt auch
die Auffaſſung, nicht blos die Formenwahl, obgleich man neuerlich
ihn ganz auf die Erfüllung der Bedingungen des Stoffs (§. 25)
hat einſchränken wollen. Dagegen iſt Manier ein Losreißen der
Form von den Forderungen des Gegenſtandes, nach trägen Gewöh-
nungen oder krankhaften Richtungen der Empfindung.


30. Das geiſtige Leben, welches ſich in der Kunſt1
darſtellt, haͤngt mit dem geſammten Geiſtesleben ſo eng
zuſammen, daß es eben nur durch ſein Verhaͤltniß zur
Darſtellung ein Kunſtleben wird. Indeß ſteht die Kunſt2
uͤberall beſonders mit dem religioͤſen Leben, mit
der durch die Vorſtellung der Gottheit erregten Seelen-
ſtimmung, in Verbindung, ſchon deswegen, weil eigent-
liches Zweckerfuͤllen, praktiſches Thun, auch in dieſer ſo
wenig wie in der Kunſt ſtattfindet.


2. So ſchließt ſich an den Cultus durch Tempel, Bild, Hym-
nus, Chor, Pompen, Agonen die Uebung der Architektur, Plaſtik,
Muſik, Poeſie, Orcheſtik, Gymnaſtik an. — Dieſe Paragraphen
enthalten zum Theil Lehnſätze aus einem andern Theil der Ge-
ſchichtswiſſenſchaft.


31. Die Religion wird um ſo mehr kuͤnſtleriſch und1
beſonders plaſtiſch ſein, je mehr ihre Vorſtellungen in
den Formen des Organismus auf adaͤquate Weiſe dar-
ſtellbar ſind. Eine Religion, welcher das goͤttliche Le-2
ben mit dem in der Natur vorhandenen, im Menſchen
ſich vollendenden, zuſammenfaͤllt (wie die Griechiſche),
iſt es ohne Zweifel beſonders. Indeß erkennt auch eine3
ſolche doch immer ein Undarſtellbares, jenen Formen nicht
Adaͤquates, an, indem doch auch jenes goͤttliche Naturle-
ben, um goͤttlich zu ſein, als ein Hoͤheres und dadurch
dem Menſchen Fremdes gefaßt werden muß.


[16]Einleitung

3. Das Gefühl, welches adäquate Formen zu finden verzichtet,
iſt ein myſtiſches; wenn es Zeichen ſucht, ſo ſind es meiſt ab-
ſichtlich unförmliche, ſeltſame.


32. Weiter als die Kunſtform, welche voͤlliges Ent-
ſprechen und inniges Durchdringen des Innern und Aeu-
ßern fordert, geht das Symbol, welches auf einem
Zuſammenhange aͤußerer Gegenſtaͤnde mit goͤttlichen We-
ſen beruht, der nur fuͤr den Glauben da iſt, und darum
weit kuͤhnere Verknuͤpfungen geſtattet als die Kunſt-
form.


Solcher Art ſind die Thierſymbole Griechiſcher Götter; nur der
von dem beſtimmten Gefühl und Glauben durchdrungene ſieht das
göttliche Leben in dem Thiere. Der eigentliche Cultus iſt ſym-
boliſch, die Kunſt knüpft ſich nur daran an. Für das tiefere
religiöſe Gefühl ſind auch die Götterbilder ſymboliſch, in anderer
Beziehung als ſie Kunſtwerke ſind.


133. Indem die Kunſtideen aus Vorſtellungen, die
ſich auf geſchichtliche Weiſe gebildet und feſtgeſtellt haben,
erwachſen, ſind ſie poſitiver Art; doch wuͤrde alles
Kunſtleben aufhoͤren, wenn ſie voͤllig poſitiv waͤren, wo-
mit Knuͤpfung an beſtimmte feſte Formen nothwendig
2zuſammenhangen muͤßte (§. 3. 7.). Solche durch Satzung
oder Gewohnheit feſtgeſtellte Formen, welche jedesmal
die Kunſtthaͤtigkeit auf einem beſtimmten Punkte aufheben,
nennt man Typus.


2. Ein Typus wird in der Nachbildung feſtgehalten, ohne aus
dem Geiſte des Künſtlers als die angemeſſenſte Form von ſelbſt
hervorzugehn. Die ſogenannten Ideale der Griech. Götter ſind
keine Typen.


34. Ein Volk und eine Zeit, in welcher ein tiefes und
zugleich regſames geiſtiges Leben, welches durch das Po-
ſitive mehr gehoben als gefeſſelt wird, mit einer lebendi-
[17]Zur Theorie der Kunſt.
gen und begeiſterten Auffaſſung der Natur, und der noͤthi-
gen Herrſchaft uͤber den Stoff zuſammenfaͤllt, wird fuͤr
die Ausbildung der Kunſt beſonders gluͤcklich ſein.


B.Litterariſche Einleitung.


35. Schon das Alterthum hatte die zeichnenden
Kuͤnſte zum Gegenſtande von Gelehrſamkeit und Wiſſen-
ſchaft gemacht, wenn auch nie in dem allgemeinen Zu-
ſammenhange, wie man es jetzt verſucht. Wir unter-
ſcheiden hier folgende Claſſen von Schriftſtellern, 1) Kuͤnſt-
ler
, welche Regeln ihrer Kunſt und Betrachtungen uͤber
vorzuͤgliche Werke mittheilen. 2) Hiſtoriſche For-
ſcher
uͤber die Kuͤnſtlergeſchichte. 3) Periegetiſche
Schriftſteller, welche die Merkwuͤrdigkeiten kunſtberuͤhm-
ter Orte ſchildern. 4) Sophiſten, welche von Kunſt-
werken Gelegenheit zu rhetoriſchen Compoſitionen nehmen.
5) Gelehrte Sammler.


1) Alte Schriften, commentarii, über einzelne Gebäude von
Architekten, wohl entſtanden aus Rechenſchaften (vgl. Corp. Inscr.
n.
160), von Theodoros v. Samos (?) um Ol. 45, Cherſiphon
und Metagenes, (?) um 55, Iktinos und Karpion, 85,
Philon, 115. und Aa. bei Vitruv vii. Praef. Die Νεὼ
ποίησις, welche dem alten Theodoros oder Philon beigeſchrieben
wurde, war nach einem Fragment (bei Pollux x, 52, 188. vgl.
Hemſterh.) eine allgemeine Unterweiſung im Tempelbau. M. Vi-
truv. Pollio
, Ingenieur unter Cäſar und Auguſt: de Archi-
tectura libri x.
Die Künſtler Antigonos, Menächmos, Xeno-
krates, nach Alexander, u. Aa. de toreutice, Plin. El. xxxiii.
Paſiteles (700 a. u.) mirabilia opera. Wiſſenſchaftliche Mah-
ler, Parrhaſios (Ol. 95), Euphranor (107), Apelles (112) u.
Aa. ſchreiben über ihre Kunſt (Pl. El. xxxv). Schriften
von Mahlern und Sculptoren, Euphranor, Silanion (114), über
Symmetrie, Plin. xxxv, 40, 25. Vitruv vii. Pr.


2) Οἱ πολυπραγμονήσαντες σπουδῇ τὰ ἐς τοὺς πλά-
στας Pauſ. V, 20, 1. Aus ſolchen führen die Hiſtoriker bei be-
ſtimmten Epochen die gleichzeitigen Künſtler an.


2
[18]Einleitung

3) Die erſte Quelle ſind die Ciceroni, ἐξηγηταὶ, περιη-
γηταὶ, μυσταγωγοί (Cic. Verr. iv, 59. mystagogi lovis
Olympiae et Minervae Athenis,
Varro ap. Non. p. 419)
οἱ ἐπὶ ϑαύμασιν, welche von Mythen und Kunſtanekdoten leb-
ten (Lukian Philopſ. 4). Vgl. Facius Collectaneen S. 198. Thor-
lacius de gustu Graecorum antiquitatis ambitioso 1797.
Böttiger Archäol. der Mahlerei S. 299. — Periegetiſche Schrift-
ſteller der gründliche und umfaſſende Polemon, ὁ περιηγητὴς,
στηλοκόπας, um Ol. 138, Heliodor über Athen, Hegeſandros,
Alketas über Delphi und zahlloſe andre. Pauſanias der Lyder,
unter Hadrian und den Antoninen, ein genauer und ſehr kundiger
Schriftſteller, der aber ganz als Perieget zu faſſen iſt, ‘Ελλάδος
περιηγήσεως β. ί.


4) Die Gemäldebeſchreibungen des Rhetor Philoſtratos (um
220 p. C.) und ſeines Tochterſohns, des jüngern Philoſtr. Liba-
nios
(314 ‒ 390) ἐκφράσεις. Vgl. Peterſen vier Programme
Havniae 1827. 28. Das Geiſtreichſte der Art ſind einige Schrif-
ten Lukians. Verwandter Natur ſind die meiſten Epigramme
auf Kunſtwerke.


5) M. Terentius Varro de novem disciplinis, darunter de
architectura.
PliniusNat. Hist. xxxiii ‒ xxxvii.


136. Die neuere Behandlung der alten Kunſt, ſeit
der wiedererwachten Liebe zum claſſiſchen Alterthum, kann
man nach drei Perioden unterſcheiden.


2I. Die kuͤnſtleriſche, etwa von 1450 bis 1600.
Die Kunſtwerke des Alterthums werden mit Freude und
Liebe aufgefaßt, und mit Eifer geſammelt. Ein edler
Wetteifer entzuͤndet ſich daran. Das Intereſſe am Kunſt-
werke als einem hiſtoriſchen Denkmal iſt gering; man
will genießen. Daher die Reſtaurationen.


2. Die Werke der alten Kunſt waren im Mittelalter zu
keiner Zeit ganz unbeachtet geblieben; Nicola Piſano (ſt. 1273)
ſtudirte alte Sarcophagen (Cicognara Storia della Scult. i. p. 355)
indeſſen wurde Nichts für Erhaltung und Aufbewahrung gethan.
Die Zerſtörungsgeſchichte des alten Roms ſchließt ſelbſt noch nicht
mit Sixtus dem IV (ſtarb 1484; vgl. Niebuhrs Kl. Schriften
S. 433) doch verfährt man immer ſchonender. Sammlungen
[19]Litteratur.
beginnen ſchon mit Kola Rienzi, dem Affen des Alterthums (1347),
mit Petrarca (ſt. 1374; Münzen), bedeutendere mit Lorenz Medi-
cis (1472 ‒ 92; beſonders Gemmen) ſchon früher in Rom, wie
von Eliano Spinola unter Paul II. Eifer der Päbſte Julius
II, Leo X. (Sein Brief an Raphael über alte Nachgrabungen
bei Gori Inscr. Etr. iii p. 49.) Raphaels großartiger Plan,
das alte Rom offen zu legen. Michael Angelo’s, Benvenuto-Cel-
lini’s Enthuſiasmus für die Antike. Bei weitem die meiſten An-
tiken, beſonders Statuen, ſind zw. 1450 und 1550 gefunden.
Zahlreiche Palläſte füllen ſich damit (vgl. Fiorillo Geſch. der Mah-
lerei i S. 125 ff. ii S. 52 ff.). Oſtentation tritt an die Stelle
ächter Kunſtliebe. Die Reſtauration wird handwerksmäßig.


37. II. Die antiquariſche, von 1600 etwa bis 1750.1
Der Antiquar, welcher urſpruͤnglich beſonders als No-
menclator der aufzuſtellenden Statuen gebraucht wurde,
erlangt nach und nach mehr Wichtigkeit, ohne daß indeß
die ausgezeichnetern Kenner des Alterthums ſich viel um
die Kunſt bekuͤmmern. Die Bemuͤhungen die alten Kunſt-2
werke zu erlaͤutern, obgleich nicht ohne Verdienſt, ſind
meiſt zu ſehr auf das Kleinliche gerichtet, und weil ſie
von keiner genauen Kenntniß des Griechiſchen Lebens
ausgehn, in falſchen Richtungen befangen. Dieſelbe Zeit3
ſorgt auch fuͤr Bekanntmachung der Sammlungen, zuerſt
nachlaͤſſiger allmaͤhlig mit mehr Sorgfalt und Geſchick.


2. Die damaligen Antiquare charakteriſiren die vielen Deutun-
gen aus der Römiſchen Geſchichte. Jacques Spon (1675 mit
Wheler in Griechenl.) theilt den geſammten Stoff in Numismato-
Epigrammato- Architektono- Ikono- Glypto- Toreumato- Biblio-
Angeiographie. Miscellanea antiquit. Lugd. Bat. 1685. Re-
cherches curieuses d’ Antiquité contenues en plusieurs
dissertations — par Mr. Spon. Lyon
1683. Eine ähnliche
Behandlung herrſcht in den Schriften Laur. Beger’s, Thesaurus
Brandeburg.
Berl. 1696. In Montfaucons Antiquité ex-
pliquée et représentée en figures.
2te Ausg. 1722, 5 T. fol.
(Supplément in 5 T.
1724) wird die Kunſt nur gebraucht,
Aeußerlichkeiten des alten Lebens anſchaulich zu machen. In Er-
neſti’s Archaeologia literaria, (ed. alt. von G. H. Martini
Leipz. 1790) und Chriſts Abhandlungen über die Litteratur und
Kunſtwerke vornehmlich des Alterthums (herausg. v. Zeune, Lpz.
2*
[20]Einleitung
1776) herrſcht auch noch dieſer antiquariſche Geiſt. Ueber den
Kunſtwerken wird die Kunſt überſehn.


3. Die frühern Statuenſammlungen ſind heutzutage
nur noch für die Geſchichte der Aufbewahrung und Ergänzung der
Statuen wichtig. So die Römiſchen Statuen von Cavaleriis
(1585), Boiſſard’s Romanae urbis Topographia 1597, Franc.
Perrier’s Segmenta nobil. signorum et statuarum (1638).
lcones et segmenta illustr. e marmore tabularum (1645).
Insigniorum statuarum urbis Romae icones
von Io. Iac. de
Rubeis (1645.) Signorum vet. Icones
von Episcopius (Jan
de Bischop.)
Beſſer, nur zu maſſiv, ſind die Abbildungen in
Sandrarts „Teutſche Academie der Bau- Bild- und Malereikunſt“
4 B. fol. Nürnberg 1675. 76. Epoche machen Pietro Santi
Bartoli’s
Zeichnungen und Stiche, meiſt vereint mit Erklärun-
gen von G. P. Bellori, die Columnae, Lucernae, die Pitture,
die Admiranda Romanorum antiquitatis (1693), u. a.
Raccolta di statue antiche da Domen. de Rossi, illustr. di
Paolo Aless. Maffei. Rom. 1704. Statuae insigniores

von Preisler 1734. Ant. Franc. Gori (des Etruskiſchen Anti-
quars) Museum Florentinum 6 B. fol. 1731 ‒ 1742. Re-
cueil des Marbres antiques — à Dresde
von le Plat. 1733.
(ſchlecht). Antiche statue, che nell’ antisala della libreria
di S. Marco è in altri luoghi pubblici di Venezia si tro-
vano,
von den beiden Zanetti’s, 2 B. fol. 1740. 43. Ro-
manum Museum
von Mich. Ang. Causeus (de la Chausse)
Rom.
1746. eine bunte antiquariſche Sammlung. Von Werken
über Architektur-Reſte beſonders: Les restes de l’ancienne
Rome,
gez. u. geſt. von Bonavent. d’Overbeke. Amsterd.
1709. 3 Thle. fol.


138. III. Die wiſſenſchaftliche 1750 —. Dies Zeit-
alter hat ſich der groͤßten aͤußern Hilfsquellen zu erfreuen,
wozu die Aufgrabung der verſchuͤtteten Staͤdte, die ge-
nauere Kenntniß der Baudenkmaͤler und Localitaͤten Grie-
chenlands, und die Entdeckung und Erwerbung der wich-
tigſten Bildwerke von Griechiſchen Tempeln, auch die uͤber
Aegypten und den Orient ausgebreitete Kunde, welche
recht benutzt den Blick fuͤr das Eigenthuͤmliche der Grie-
2chiſchen Kunſt ſchaͤrfen kann, gehoͤren. Auf der andern
Seite wird ihm der Entwurf einer alten Kunſtgeſchichte
verdankt, der aus Winckelmanns großem Geiſte her-
[21]Litteratur.
vorgegangen, ſo wie mancher Verſuch, die Kunſt der
Griechen philoſophiſch und hiſtoriſch tiefer zu ergruͤnden,
auch eine auf richtigere Baſen gebaute und umſichtigere
Kunſterklaͤrung.


1. Die Ausgrabung Herculanums 1711 angeregt, aber
erſt 1736 von neuem vorgenommen. — Stuart’s (1751 in
Athen) und Revett’s Antiquities of Athens der erſte Bd. Lond.
1762. Unternehmungen der Society of Dilettanti 1754 ge-
ſtiftet (Ionian ant. Uned. antiq. of Attica). Unterſuchungen
engliſcher und franz. Reiſenden: Chandler, Choiſeul Gouffier,
Cockerell, W. Gell, Leake, Dodwell, Pouqueville. — Entdeckung
in Aegina 1811. in Phigalia 1812. Ankauf der Elginſchen Samm-
lung (1801) 1816. — Die Aegyptiſche Expedition 1798.


2. Winckelmann geb. 1717. geſt. 1768. 1755 von Dres-
den nach Rom. Antiquario della camera apostolica. Für
die archäol. Hermeneutik machen die Monumenti inediti 1767.
Epoche. Die Kunſtgeſch. 1764. Hauptausgabe ſeiner Deutſchen
Werke zu Dresden 1808 ‒ 1820. 8 Bände (von Fernow, H. Meyer,
Schulze, Siebelis). Noten von C. Fea. — Gleichzeitig der Graf
Caylus, durch techniſche Kenntniſſe und Geſchmack ausgezeichnet,
Recueil d’Antiq. Egyptiennes, Etrusques, Grecques et
Romaines 1752 ‒ 67. vii
B. 4. Leſſing (1729 ‒ 81)
ſucht das Eigenthümliche der Griech. Kunſt auf ſcharfe Begriffe,
mitunter einſeitige, zurückzuführen. Laokoon oder über die Gränzen
der Mahlerei und Poeſie. 1766. Heyne (1729 ‒ 1812) ergänzt
Winckelmanns Werk beſonders im chronologiſchen Theile (Antiquar.
Abhandl. Comment. Soc. Gott. Opuscc. Academ.) und macht
die Archäologie, nach Verſuchen von Chriſt (ſt. 1756) zum philo-
logiſchen Unterrichtsgegenſtand. Academ. Vorleſungen über die
Archäol. der Kunſt. Braunſchweig 1822. Ennio Quirino Biſ-
conti
, als geſchmackvoller Kunſterklärer, beſonders im Mus.
Piocl.,
ausgezeichnet. Sein Wirken in Frankreich und Eng-
land. Ausg. ſeiner Werke in Mailand 1818. 19. Zoëga an
tiefem Geiſte und Gründlichkeit Viſconti überlegen. Bassiri-
lievi antichi.
Millin für Verbreitung der Kunde von Kunſt-
werken und Populariſirung dieſer Kenntniſſe unſchätzbar. Göthe’s
Wirken für Erhaltung einer ächten Liebe zur antiken Kunſt. Pro-
pyläen. Kunſt und Alterthum. Böttigers Verdienſte um gelehrte
Archäologie, Hirt’s beſonders für Architektur, Welckers, Millingen’s
und Andrer für Kunſterklärung. Symboliſche Erklärungsweiſe
(Payne Knight, Chriſtie, Creuzer …) H. Meyers (W. K. F.)
[22]Einleitung
Geſchichte der bildenden Künſte bei den Griechen von ihrem Ur-
ſprunge bis zum höchſten Flor. 1825., eine weitre Ausbildung der
Winckelmannſchen Anſichten. Ein Verſuch eines neuen Syſtems:
Thierſch: über die Epochen der bildenden Kunſt unter den Griechen
(2te Ausg. 1829). Vgl. Wiener Jahrb. xxxvi ‒ xxxviii.


Die Mittheilungen von Antiken einzelner oder verſchiedner
Muſeen durch Kupferwerke gehen fort und werden vollkommner.
Museum Capitolinum T. i ‒ iii, 1748 ‒ 55, von Joh. Bot-
tari, T. iv. von Nic. Foggini. Galeria Giustiniani. Villa
Pamphilia.
Giov. Battiſta, und Franc., Piraneſi’s Prachtwerke
über Röm. Architektur. Barbault’s Monumens antiques Rom
1783. und andre Werke Deſſelben. Raccolta d’antiche Statue,
Busti, Bassirilievi ed altre sculture restaurate da Bartol.
Cavaceppi. Roma.
3 Bde. 1768 ‒ 72. Monum. Matthaeiana
(ſchlechte Kupfer) 3 Bde. fol. 1779. mit Erklär. von Rudolph
Venuti und Jo. Chr. Amaduzzi. Il Museo Pio-Clementino
descritto da Giambatt. Visconti T. i. 1782. da Enn. Quir.
Visc. T. ii ‒ vii. 1784 ‒ 1807. Museo Chiaramonti
von
Fil. Aur. Visconti u. Gius. Ant. Guattani T. i. 1808.
Guattani’s Monum. inediti (1784 ‒ 89. 1805. in 4. und Me-
morie enciclopediche Romane 1806 ‒ 17. 4. Augusteum.
Dresdens antike Denkmäler von W. G. Bekker. 3 Bde.
fol.
1804 ‒ 11. Hauptwerke über die in Paris durch Napoleon
vereinigten Antiken: Musée François publ. par Robillard-
Peronville et P. Laurent
1803 ‒ 11. Text von Croze-
Magnan, Viſconti und Emm. David. Als Fortſetzung Musée
royal publ. par H. Laurent. Musée des Antiques
dessiné et gravé par B. Bouillon Peintre avec des noti-
ces explicatives par i. B. de Saint Victor. 3 T. 1812‒
17. — Specimens of ancient Sculpture,
von der Geſellſch.
der Dilettanti. Lond. 1809. Ancient Marbles of the
British Museum
von Tayl. Combe. P. 1 ‒ 4. 1812 ‒ 18.
Monuments inédits d’Antiquité figurée par Raoul-Ro-
chette. 2 Vol. f.
begonnen 1828. Antike Bildwerke zum
erstenmale bekannt gemacht von Eduard Gerhard
be-
gonnen 1827.


Hilfsbücher: Joh. Phil. Siebenkees Handbuch der Archäo-
logie, Nürnberg 1799. 2 Bde. (wenig kritiſch). Chr. Dan. Beck
Grundriß der Archäologie. Lpz. 1816. (unvollendet). Böttiger An-
deutungen zu vierundzwanzig Vorleſungen über die Archäologie,
Dresden 1806. Gio. Batt. Vermiglioli Lezioni Elementari di
Archeologia. Tom. 1. 2. Milano
1824. (wenig wiſſenſchaftlich),
[23]Litteratur.
Fr. C. Peterſen, Allgem. Einleitung in das Studium der Archäol.
Aus dem Däniſchen überſ. von Friedrichſen Lpz. 1829. Für die
Litteratur u. a. Catalogo ragion. dei libri d’Arte e d’Anti-
chità poss. dal C. Cicognara 2 T. Pisa
1821.


39. Plan dieſer Vorleſungen. Die zeichnenden1
Kuͤnſte, untrennbar. Die Betrachtung theils geſchicht-2
lich entwickelnd, theils das Alterthum als ein Ganzes ins
Auge faſſend. Dort moͤglichſt verbindend, hier ſyſtema-
tiſch ſondernd. Die Behandlung des Stoffs, der For-
men, der Gegenſtaͤnde. Der Orient zeigt wenig geſchicht-
liche Entwickelung, daher nur Anhang zum 1 Theil.
Hermeneutik und Kritik, formelle Diſciplinen, nicht be-3
ſonders darſtellbar.


3. Zur Hermeneutik der Kunſt gehört die Kunſt zu ſehen, über
die Milizia geſchrieben.


[[24]]

Geſchichte der Kunſt im Alterthum.


Die Griechen.
Erſte Periode, bis gegen Ol. 50.


1. Allgemeine Bedingungen und Hauptzuͤge der Kunſt-
entwickelung.


40. Die Griechen ſind unter allen Zweigen des Indo-
Germaniſchen Stammes derjenige, in welchem ſich ſinn-
liches und geiſtiges, innerliches und aͤußerliches Leben
in dem ſchoͤnſten Gleichgewicht befand; daher ſie von An-
fang zur Erſchaffung von Kunſtformen recht eigentlich be-
ſtimmt geweſen zu ſein ſcheinen.


41. Dies Volk wohnt ſeit uralter Zeit in dem eigentlichen
Griechenland, in Unteritalien, auch theilweiſe an der Kuͤſte
Kleinaſiens, als eine anſaͤſſige, ackerbauende, feſte Wohn-
ſitze mit Heiligthuͤmern und Burgen (πόλεις) gruͤndende
Nation. Dieſe Gruͤndungen gehoͤren groͤßtentheils dem
Urſtamme der Pelasger an.


Ἄργος. Λάρισσα (auch Λάσα nach Heſych, von λᾶς).
Γόρτυς τειχιόεσσα in Kreta (Il. ii, 646) heißt auch Lariſſa
und Κρημνία. Die Burg von Mykenä 1000 Fuß, die von
Tiryas 220 Ellen lang nach W. Gell.


142. Schon in der heroiſchen Zeit, welche auf
der Herrſchaft von Hellenenſtaͤmmen, vorzugsweiſe krie-
geriſcher Art, beruht, entfaltet ſich in den Haͤuſern der
[25]Hiſtoriſcher Theil.
Anakten eine gewiſſe Pracht des Lebens, welche zum2
Theil auf dem engen Zuſammenhange mit Kleinaſien, und
dadurch mit dem ferneren Orient, beruht. Sie zeigt ſich3
bei der Anlage ihrer Wohnungen und der Arbeit ihrer
Geraͤthe in einer nach dem Glaͤnzenden ſtrebenden Tek-
tonik und Architektonik (§. 22.).


2. Die Stadt Sipylos (kyklopiſche Ruinen, Millins Magas.
encyclop. 1810. T. v, p. 349., Raoul-Rochette Hist. de
l’établiss. des colon. Grecques T. iv, p.
384.) der alte Sitz
der Tantaliden. Die Herakliden (Sandoniden) von Lydien eine
Aſſyriſche Dynaſtie. Gold, Silber, Elfenbein, Pontiſche Metalle
(Alybe) frühzeitig in Griechenland. Phöniciſcher Handel. Das
goldreiche Mykenä und Orchomenos Minyeios (Il. ix, 381. Mi-
nyas Chryſes Sohn).


43. Durch die ſogenannte Ruͤckkehr der Herakliden1
werden die Dorier, aus den Gebirgen Nordgriechen-
lands herabkommend, der maͤchtigſte Stamm in Griechen-
land, ein Stamm, in dem der Helleniſche Sinn fuͤr
Ebenmaaß und Uebereinſtimmung am ſtrengſten ausgebil-
det erſcheint, mit vorwaltender Neigung zu dem Ernſt-
haften, Wuͤrdigen und Feierlichen. Aus dieſer Sinnes-2
art geht als eine Laͤuterung und Veredelung fruͤherer ar-
chitektoniſcher Unternehmungen die Doriſche Tempel-
baukunſt
hervor, in voͤlligem Einklange mit dem Do-
riſchen Staatsleben, der Doriſchen Tonart, den Dori-
ſchen Feſttaͤnzen und Liedern. Erſt gegen Ende der Pe-3
riode entfaltet ſich neben ihr die reichere und froͤhlichere
Joniſche, welche eben ſo dem weicheren, beweglichern,
und dem Einfluſſe orientaliſcher Sitte und Kunſt offener
ſtehenden Sinne des Joniſchen Stammes entſpricht.


1. Die Doriſche Wanderung 80 n. Troja, 328 vor Ol. 1. Die
Joniſche nach Aſien 140, 268.


44. Dagegen erſcheint in dieſer ganzen Zeit die bil-
dende Kunſt beſchaͤftigt, theils Geraͤthe zu ſchmuͤcken
(δαιδάλλειν), theils Idole fuͤr den Cultus zu fabrici-
[26]Hiſtoriſcher Theil.
ren, wobei es nicht darauf ankoͤmmt, die dem Kuͤnſtler
vorſchwebende Vorſtellung von dem Gotte aͤußerlich dar-
zuſtellen, ſondern nur eine herkoͤmmliche Figur von neuem
herbeizuſchaffen. So bleibt fortwaͤhrend die bildende
Kunſt einem auf Erfuͤllung aͤußrer Zwecke gerichteten,
handwerksmaͤßigen Thun und Treiben, untergeordnet,
und der eigentliche Geiſt der bildenden Kunſt iſt nur im
Keime vorhanden. Der Sinn fuͤr das Bedeutungsvolle und
Schoͤne der menſchlichen Geſtalt, von dem ſchon die epi-
ſche Poeſie ſo haͤufig Zeugniß ablegt, findet ſeine Be-
friedigung in der Nahrung, welche ihm die orcheſtiſchen
Kuͤnſte (§. 20. Anm.) gewaͤhren. Die Zeichnung bleibt
daher lange roh und unfoͤrmlich.


2. Architektonik.


145. Als aͤlteſte Werke Griechiſcher Haͤnde muͤſſen die
Rieſenmauern der Akropolen angeſehen werden, wel-
che von der Nachwelt, mit einem Ausdrucke der Ver-
wunderung, in Argolis Kyklopen-Werke genannt,
2aber ohne Zweifel zum groͤßten Theile von den ureinwoh-
nenden, hernach unterworfenen Pelasgern errichtet ſind,
daher ſie ſich auch in Arkadien und Epeiros, Hauptlaͤn-
dern der Pelasger, ſehr zahlreich finden.


1. Τίρυνς τειχιόεσσα Il. ii, 559. ἐπίκρημνον τεῖχος
Pherekydes Schol. Od. xxi, 23. Γᾶ Κυκλωπεία Argolis bei
Eurip. Oreſt 953. Κυκλώπεια οὐράνια τείχη Elektra 1167.
Κυκλώπων ϑυμὲλαι Iph. Aul. 152. Κυκλώπια πρόϑυρα
Εὐρυσϑέως Pindar Fr. inc. 151. Κυκλώπειον τροχόν So-
phokles bei Heſych κύκλους. Τιρύνϑιον πλίνϑευμα Heſych.
Turres Cyclopes inv. Ariſtot. bei Plin. vi, 56. Ueber die
angebliche Herkunft (aus Kuretis, Thrake, Lykien): ad Apollod.
ii,
2, 1.


2. Πελασγικὸν oder Πελαργικὸν τεῖχος in Athen. In
Argolis (Ἄργος Πελασγὸν) zehn Kyklopiſche Ruinen. Ueber
Lykoſura’s Alter und Befeſtigung Pauſan. viii, 38. Dodwell ii,
[27]Griechen. Erſte Periode.
p. 395. (Tirynthiſch.) Ueber die ſehr zahlreichen Epeirotiſchen
Mauern (Ephyra) Pouqueville Voyage dans la Grèce T. i.
p. 464 sqq.
u. ſonſt, Hughes Travels ii. p. 313.


46. Die ungeheuern, unregelmaͤßig und vieleckig ge-1
formten und durch kein aͤußeres Mittel verbundenen Bloͤcke
dieſer Mauern ſind nach der aͤlteſten und roheſten Weiſe
ganz unbehauen (ἀργοί), die Luͤcken mit kleinen Stei-
nen ausgefuͤllt (Tiryns), nach der vervollkommnetern
dagegen mit Geſchick behauen und mit großer Genauig-
keit in einander gefugt (Mykenaͤ, Argos), woraus die al-
lerunverwuͤſtlichſten Mauern hervorgehn. Die Thore2
ſind meiſt pyramidaliſch; regelmaͤßige Thuͤrme konnten
nicht mit Leichtigkeit angebracht werden. Dieſer Bau
geht durch allerlei Mittelſtufen in den Quaderbau uͤber,
der ſpaͤter der herrſchende iſt, obwohl nicht zu leugnen,
daß polygone Bloͤcke zu allen Zeiten hin und wieder zu
Unterbauen gebraucht worden ſind.


1. Bei der erſten Art iſt das Brechen und μοχλεύειν πέτρους
(Eurip. Kykl. 241. vgl. Od. ix, 240.) die Hauptſache. Die
Κυκλώπων βάϑρα zu Mykenä aber ſind φοίνικι κανόνι καὶ
τύκοις ἡρμοσμένα Eur. Raſ. Herakles 948. (Nonnus xli,
269). Die Sage von Amphion bezieht ſich wohl auf ſolche Mauern.
Die Steine ſind größer als ἁμαξιαῖοι. Mauern von Tiryns 25
Fuß dick.


2. An den Thoren ſind Pfoſten und Oberſchwelle meiſt einzelne
Blöcke, die Steinthür war in der Mitte eingezapft. Von Thür-
men kömmt ein eckiger als Schluß einer Mauer in Mykenä, ein
runder an der Kadmea, halbrunder in Sipylos vor. In den
Mauern von Mykenä, Lariſſa, beſonders in Tiryns (auch in Italien)
finden ſich giebelförmige Gänge aus gegeneinandergeſtützten Blöcken
gebildet. Spuren einer bogenartigen Conſtruction der Mauern. —
Bei Nauplia gab es σπήλαια καὶ ἐν αὐτοῖς οἰκοδομητοὶ
λαβύρινϑοι, Kyklopeia genannt, Strab. viii, p. 369. 373.
Wahrſcheinlich Steinbrüche, als Grabſtätten benutzt.


Cyriacus von Ancona (1435) Inscriptiones seu Epigr.
Graeca et Lat. reperta per Illyricum etc. Romae
1747.
(Mſpt. auf der Barber. Bibliothek). Winckelmann Anmerk. über
[28]Hiſtoriſcher Theil.
die Baukunſt Th. i, S. 357. 535. Petit-Radel im Ma-
gasin encyclop. 1804. T. v, p. 446. 1806. T. vi, p. 168.
1807. T. v, p. 425. 1810. T. v, p.
340. (Streit mit Sickler,
Mag. enc. 1810. T. i, p. 242. T. iii, p. 342. 1811. T. ii,
p. 49. 301.),
im Moniteur 1812 no. 110, im Musée-Na-
poleon T. iv, p. 15.,
vgl. Mémoires de l’Institut Royal
T. ii, Classe d’hist. p.
1. bei Raoul-Rochette Hist. de
l’établ. des col. Gr. T. iv, p. 379 sqq.
und Notice sur
les Nuraghes de la Sardaigne, Paris 1826. Rapport de
la 3e classe de l’Institut an 1809. Rapport fait à la Cl.
des Beaux Arts 14 Aout 1811
. W. Gell’s Argolis, Dod-
well’s Classical Tour. Squire in Walpole’s Memoirs p. 315.
Hirt in Wolfs Analekten Bd. 1, S. 153. Geſch. der Baukunſt
Bd. 1. S. 195. Tf. 7. — Von den Italiäniſchen unten.


147. Der großartige Sinn, der in der Errichtung die-
ſer Mauern, welche meiſt nur Burgen, ſeltner ganze
Staͤdte ſchirmten, hervortritt, zeigte ſich auch in der
2Anlage der meiſt auf den Burgen gelegenen, ausgedehn-
ten und geraͤumigen Herrenhaͤuſer der Fuͤrſten heroi-
3ſcher Zeit, und vereinte ſich hier mit großem Gefallen an
metalliſchen und glaͤnzenden Zierathen, welches fuͤr die
Architektonik der heroiſchen Zeiten characteriſtiſch iſt.


2. Homers Schilderung iſt als allgemeines poetiſches Bild ge-
wiß richtig. Vgl. Voß Plan zur Odyſſee, Hirt i. S. 209. Tf. 7.
Ἕρκος, αὐλὴ mit Altar des Ζεὺς ‘Ερκεῖος, Säulengänge,
αἴϑουσα gegen das Haus, πρόϑυρον, μέγαρον mit Säulenrei-
hen, ϑάλαμοι, verborgnere Zimmer. Das Oberhaus der Frauen, die
ὑπερῷα, iſt nicht nach Art unſrer Stockwerke durchlaufend zu
denken. Das Odyſſeus-Haus auf der Akropolis von Ithaka von
Gell entdeckt (Ithaca p. 50. sq.), Goodiſſon findet indeß Nichts
wieder. Viel iſolirte Baue. In Priamos Hauſe funfzig ϑά-
λαμοι ξεστοῖο λίϑοιο der Söhne, gegenüber in der Aule zwölf
τέγεοι ϑαλ. ξ. λ. der Eidame nebeneinander Il. vi, 243.


3. Τοῖς δ̕ἦν χάλκεα μὲν τεύχεα, χάλκεοι δέ τε οἶκοι
Heſiod E. 152. χαλκοῦ τε στεροπὴν καδ δώματα η̕χήεντα
χρυσοῦ τ̕ ἠλέκτρου τε καὶ ἀργύρου ἠδ̕ ἐλέφαντος. Od.
iv, 72. Χάλκεοι μὲν γὰρ τοῖχοι ἐληλάδατ̕ ἔνϑα καὶ
ἔνϑα ἐς μυχὸν ἐξ οὐδοῡ. περὶ δὲ ϑριγκὸς κυάνοιο.
[29]Griechen. Erſte Periode.
Χρύσειαι δὲ ϑύραι πυκινὸν δόμον ἐντὸς ἔεργον, ἀργύ-
ρεοι δὲ σταϑμοὶ ἐν χαλκέῳ ἕστασαν οὐδῷ, ἀργύρεον
δ̕ἐφ̕ υ̕περϑύριον, χρυσέη δὲ κορώνη, im Feenpalaſt des
Alkinoos, Od. vii, 86. Vgl. §. 48. Anm. 2. 3. 4. §. 49, 2.


48. Der eigenthuͤmlichſte Theil dieſer fuͤrſtlichen An-1
lagen aus der heroiſchen Zeit ſind die Theſauren,
Dom-artige Gebaͤude, welche zur Aufbewahrung koſtba-
rer Waffenſtuͤcke, Becher und andrer Haus- und Erbguͤ-
ter (κειμήλια) beſtimmt geweſen zu ſein ſcheinen. Aehnlich2
dieſen meiſt unterirdiſchen Bauen waren die Οὐδοὶ man-
cher alten Tempelgebaͤude, kellerartige und ſehr maſſive
Anlagen, welche ebenfalls beſonders zur Aufbewahrung von
Koſtbarkeiten dienten. Entſprechende Form hatten endlich3
nicht ſelten die Thalamoi, verborgne Frauengemaͤcher,
und ſelbſt die Gefaͤngniſſe jener Vorzeit.4


1. Theſauros des Minyas (Pauſ. ix, 38. Squire in Wal-
pole’s, Memoirs p. 336. Dodwell i. p. 227.) aus weißem Mar-
mor, 70 F. Durchmeſſer. — Des Atreus und ſeiner Söhne zu
Mykenä (Pauſ. ii, 16.), von denen Lord Elgin einen geöffnet
(ſ. Gell Argolis t. 4 — 6. Squire p. 552. Dodw. ii. p. 236. Pou-
queville iv. p. 152.). Durchmeſſer 47 F., Höhe gegen 50. Von drei
andern ſieht man Trümmer daſelbſt. — Des Hyrieus und Au-
geas, gebaut von den Minyern Trophonios u. Agamedes
(Orchom. S. 95. vgl. Eugammon bei Proklos). — Theſauros
(des Menelaos) von Gropius unfern Amyklä gefunden; Spur bei
Pharſalos. Autolykos, Dädalions (des Kunſtreichen) Sohn, πλεῖστα
κλέπτων ἐϑησαύριζεν, Pherekyd. Frgm. 18. St. Od. xix, 410.


2. Οὐδὸς, Fundament, Sockel, daher Schwelle, aber auch un-
terirdiſcher Behälter; der λάϊνος οὐδός zu Delphi war ein The-
ſauros, Il. ix, 404., den die Minyeiſchen Baumeiſter aus kyklopi-
ſchen Felsmaſſen errichtet haben ſollten (Hymn. auf Ap. Pyth. 115.
Steph. B. s. v. Δελφοὶ). Auch der Χάλκεος οὐδός von Ko-
lonos bei Sophokles wird als Ausmauerung eines Abgrunds ge-
dacht (vgl. Il. viii, 15. Theogon. 811. (Der ὑψόροφος
ϑάλαμος,
in der Tiefe gelegen und mit allerlei Gütern gefüllt,
bei Odyſſeus, Menelaos, Piamos Od. ii, 337. xv, 98. xxi,
8. Il. vi, 288., iſt auch eine Art Theſauros. Unterirdiſche Be-
hälter von Früchten und andern Dingen waren faſt überall ge-
wöhnlich, wie die σειροὶ für Getraide in Thrake, die favissae
[30]Hiſtoriſcher Theil.
in Italien, die λάκκοι für Früchte, Wein, Oel in Athen, die
Germaniſchen Keller, Tacit. Germ. 16. Phryger und Armenier
wohnen auch unterirdiſch (Bitruv ii, 1, 5. vgl. Schol. Nikand.
Alexiph. 7. Xenoph. Anab. iv, 5, 25 u. Aa.).


3. Der pyramidale Thalamos der Kaſſandra (Lykophr. 350),
der eherne der Danae, der der Alkmene, der Prötiden. Pauſ.


4. Der Aloiden (Il. v, 387.) und des Euryſtheus ehernes
Faß, Apollod. ii, 5, 1. gehören hierher. Als Gefängniß dient
auch ſpäter in Meſſene (Liv. xxxix, 50. Plut. Philopömen 19)
ein Thesaurus publicus sub terra, saxo quadrato septus.
Saxum ingens, quo operitur, machina superimpositum est.


149. Das Mykenaͤiſche Schatzhaus, das am
beſten erhaltne Muſter dieſer ſo weit verbreiteten und oft
angewandten Gattung von Bauwerken, iſt aus horizonta-
len, allmaͤlig zuſammentretenden, in einem Schlußſtein
(ἁρμονία τοῦ παντὸς) ſich vereinigenden Steinlagen er-
richtet und mit einer pyramidalen, kunſtreich uͤberdeckten
2Pforte verſehen; es war inwendig wahrſcheinlich, wie
manche aͤhnliche Gebaͤude, mit Erzplatten bekleidet, wo-
von die Naͤgel noch ſichtbar ſind, aber an der Fronte
mit Halbſaͤulen und Tafeln aus rothem, gruͤnem, weißem
Marmor, welche in einem ganz eigenthuͤmlichen Styl
gearbeitet und mit Spiralen und Zikzaks verziert ſind,
auf das reichſte decorirt.


1. Die Pforte 18 F. hoch, unten 11 F. breit, die Oberſchwelle
ein Stein, 27 F. lang, 16 breit (22 u. 20 nach Haller bei
Pouquev.).


2. Ueber die Fragmente der Bekleidung, nach Gell pl. 7. Dod-
well ii, p. 231, beſonders Luſieri’s Zeichnungen, Wiener Jahrb.
xxxvi S. 186. Zwei Tafeln ſind im britt. Muſeum.


50. In derſelben kraftvollen Weiſe haben ſich die
alten Griechen der mythiſchen Vorzeit, ohne Zweifel auch
fruͤhzeitig in Tempelanlagen (1), Grabmaͤlern (2), auch
Hafenbauen (3), Seeabzuͤgen und Canaͤlen (4) verſucht.


[31]Griechen. Erſte Periode.

1. Vom Delphiſchen Tempel erzählen Pauſ. u. Aa. viele Sa-
gen, der eherne iſt wahrſcheinlich einerlei mit dem οὐδός.


2. Die Grabmäler der heroiſchen Zeit hatten meiſt die
Form coniſcher Hügel (tumuli, κολῶναι). Phrygiſche (Athen.
xiv, p. 625., Amazonen-Gräber (Plut. Theſeus 26). Griechen-
land iſt voll ſolcher coniſcher Hügel. Zu den Grabmälern gehören
wahrſcheinlich auch die Labyrinthe zu Nauplia (§. 46. Anm. 2.)
bei Knoſſos (ein σπηλαῖον ἀντρῶδες nach Etym. M.), auf Lem-
nos (mit 150 Säulen; exstant reliquiae, Plin.), da Grabkam-
mern in Felſen eine uralte Sitte dieſes Stammes ſind. Stein-
brüche gaben Gelegenheit. Λαβύρινϑος iſt ächt griechiſch und
hängt mit λαύρα zuſammen. Dädalos als Architekt in Kreta und
den Weſtländern. —


3. Der χυτὸς λιμὴν von Kyzikos ein Werk der Giganten
(Encheirogaſtoren), oder der Pelasger, Schol. Apoll. i, 987.


4. Die unterirrdiſchen Abzüge des Kopaiſchen Sees (Katabo-
thra), die Schlünde (Ζέρεϑρα) von Stymphalos und Pheneos,
wo auch ein Canal des Herakles, ſcheinen von Menſchenhänden we-
nigſtens vervollkommnet worden zu ſein.


51. Der Doriſche Tempelbau haͤngt in ſeinen
Urſpruͤngen deutlich mit der Einwanderung der Dorier
zuſammen. In ihm kehren die ſchon auf Glanz und
Reichthum gerichteten Beſtrebungen der fruͤhern Zeit wie-
der zur Einfachheit zuruͤck, und die Kunſt gewinnt da-
durch feſte Grundformen, die fuͤr die weitere Entwicke-
lung unſchaͤtzbar waren.


Angeblich hatte Doros ſelbſt das Heräon bei Argos gebaut.
Vitruv. iv, 1.


52. In dieſem Bau iſt Alles zweckgemaͤß, in ſich1
uͤbereinſtimmend, und eben dadurch edel und groß; nur2
hat der Steinbau manche Formen dem fruͤhern Holzbau
abgeborgt, der ſich beſonders im Gebaͤlk lange erhielt.
Der Tempel iſt weit weniger Verſammlungsort der Ge-3
meine als das Haus des Goͤtterbildes; die Saͤulenhallen
[32]Hiſtoriſcher Theil.
(das laxamentum der oft ſehr engen cella) gewaͤhren
einen bedeckten und doch offnen Ort fuͤr die Feierlichkei-
4ten im Temenos. Die koniſche Geſtalt der Saͤulen, die
ſtarke Ausladung des Capitaͤls, der vorſpringende Sims,
die Form des Giebels bezwecken Soliditaͤt und Schutz
5gegen das Wetter. Aus dem Holzbau erklaͤren ſich das
Architrav (der Hauptbalken), die Triglyphen (als Bal-
kenkoͤpfe) nebſt den Metopen (als Zwiſchenoͤffnungen), ſo
wie die Tropfen unter den Triglyphen und an den
6Dielenkoͤpfen des Geſimſes. Der maͤchtigen Hoͤhe des
Gebaͤlks an den aͤltern Bauwerken (\frac{3}{7} der Saͤulenhoͤhe)
entſpricht die enge Stellung und ſtaͤmmige Kuͤrze der
7Saͤulen; ſie tragen eine große Laſt mit Sicherheit. Die
verzierten und unterbrochen gearbeiteten Architekturſtuͤcke
wechſeln auf eine ſinnreiche Weiſe mit ungeſchmuͤckten
8durch Einfachheit imponirenden, ab. Alle Formen ſind
geometriſcher Art, jedoch treten als ſchmuͤckendes Beiwerk
gemahlte Zierathen hinzu.


2. Hölzerner Tempel des Poſeidon Hippios bei Mantinea, Pauſ.
viii, 10, 2. Metaponti templum Iunonis vitigineis co-
lumnis stetit,
Plin. xiv, 2. Οἰνομάου κίων Pauſ. v, 20, 3.
Eichene Säule im Heräon, v, 16. Die einfachſten Holztempel ſind
wohl eigentlich hohle Bäume, in die Bilder hineingeſtellt wurden,
wie in Dodona (ναῖεν δ̕ἐν πυϑμένι φηγοῦ, Heſiod Schol.
Sophokl. Trach. 1169.), in Epheſos (νηὸν πρέμνῳ ἔνι πτελέης
Dionyſ. Per. 829. vgl. Kallim. auf Art. 237) und die Artemis Ke-
dreatis in Arkadien (Pauſ. viii, 13).


5. Eurip. Iphig. Taur. 113. (εἴσω τριγλύφων ὅποι κενὸν)
ſetzt Balkenköpfe mit Zwiſchenöffnungen voraus. Eben ſo Oreſt
1366. πέφευγα — κεδρωτὰ παστάδων ὑπὲρ τέρεμνα Δωρι-
κάς τε τριγλύφους. Hölzerne Triglyphen auch Bakch. 1216.


153. Der Grund zu einer reicheren Ausbildung des
Doriſchen Tempelbau’s wurde in dem durch Land- und
Seehandel fruͤhzeitig bluͤhenden Korinth gelegt; von
hier gieng die Ausſchmuͤckung der Giebel durch Reliefs
aus Thon (an deren Stelle hernach Statuengruppen tre-
[33]Griechen. Erſte Periode.
ten), ſo wie der Stirnziegel durch bildliche Zierathen,
ſpaͤter auch die zierliche Form der Felderdecken (φατνώ-
ματα, lacunaria), aus. Byzes von Naxos erfindet2
um Ol. 50. den kunſtreichen Schnitt der Marmorziegel.


1. Pindar O. 13, 21. nebſt Böckh’s Expl. p. 213. über den
Adler im ἀέτωμα. (Vgl. auch die Münze von Perge Mionnet
Descr. iii. p. 463). Dibutades nach Plin. xxxv, 12, 43.
der Plaſtes, qui primus personas tegularum extremis im-
bricibus imposuit,
vgl. Hirt’s Geſch. der Baukunſt 1. S. 227.
Der Spartiat fragt den Korinther: Wachſen bei euch die Hölzer
viereckig. Plut. Lyk. 13.


2. Von Byzes Pauſ. v, 10. Vgl. Liv. xlii, 3.


Wichtige Monumente der Doriſchen Gattung aus dieſer
Zeit waren das Heräon von Olympia (Hirt 1. S. 228.) an-
geblich acht Jahre vor Oxylos gebaut (Pauſ. v, 16. vgl. Photios
Lex. p. 194), und das Epoche machende Heräon von Samos,
von Rhökos und Theodoros, um Ol. 35. 45., angelegt. S. un-
ten §. 80. Anm. i, 3.


Ruinen. Der kleine Tempel auf Berg Ocha, aus großen
Blöcken mit pyramidaliſchem Thor, noch ohne Säulen, Hawkins
in Walpole’s Travels. Die Tempelruinen zu Korinth, die
Säulen 7⅔ modulos hoch. Le Roy Monum. de la Grèce
P. i, p. 42 pl.
25. Stuart Antiq. of Athens V. iii. ch. 6.
pl.
2. Der kleine Doriſche Tempel der Nemeſis zu Rhamnus
wird hier beſonders der Mauern aus polygonen Blöcken wegen er-
wähnt. Unedited Antiq. of Attica chap. 7.


54. Neben dieſe Doriſche Bauart tritt, nicht durch1
vermittelnde Uebergaͤnge, ſondern als etwas weſentlich
verſchiedenes, die Joniſche. Die Saͤulen haben gleich
von Anfang an viel ſchlankere und ſich wenig verjuͤngende
Schaͤfte, welche durch Baſen emporgehoben werden, und
Capitaͤle, deren geſchmuͤckte Form nicht aus dem Noth-2
wendigen abgeleitet werden kann; das Gebaͤlk behaͤlt vom3
Doriſchen nur die allgemeinen Abtheilungen, aber giebt
die naͤheren Beziehungen auf den Holzbau auf; es iſt den
ſchlankern und weiter geſtellten Stuͤtzen gemaͤß viel leichter,
und bietet weniger einfache Maſſen dar als das Doriſche.
3
[34]Hiſtoriſcher Theil.
4Die Verzierungen einzelner Glieder finden ſich meiſt in
Perſepolis wieder, und waren vielleicht in Aſien fruͤhzei-
tig weitverbreitet.


1. Die Säulen am Tempel von Epheſos waren acht Diameter
hoch, Vitruv iv, 1.


2. Die Voluten- und Polſter-Verzierung, welche auf ähnliche
Weiſe am oberen Rande von Altären, Cippen, Monumenten vor-
kömmt, iſt wohl aus angenagelten Widderhörnern hervorgegangen.
Vgl. Heſych. s. v. Κριὸς — μέρος τι τοῦ Κορινϑίου κίονος
(woran auch Voluten).


4. In Perſepolis finden ſich die Schlangeneier, Perlenſtäbe,
auch Kälberzähne und Voluten wieder.


55. Die Anfaͤnge dieſer Architektur liegen wahrſchein-
lich ſchon in fruͤhen Zeiten, da ſie ſchon an dem bald
nach Olymp. 33. gebauten Schatzhauſe des Sikyoniſchen
Tyrannen Myron zu Olympia, außerhalb Joniens, ge-
funden wird, und ſich gleich beim Beginn der folgenden
Periode am Heiligthum der Artemis von Epheſos in vol-
ler Herrlichkeit entfaltet.


In dem Theſauros waren zwei Thalamos, der eine Doriſch,
der andere Joniſch gebaut, und mit Erz wenigſtens bekleidet, Pauſ.
vi, 19, 1.


Als eins der merkwürdigern Gebäude der Zeit verdient noch
zuletzt Erwähnung Theodoros des Samiers kuppelförmige Skias
zu Sparta, Pauſ. iii, 12, 8. Etym. M. s. v. Σκιάς.


3. Die uͤbrige Tektonik.


156. Schon die von Homer geſchilderte Zeit legt gro-
ßes Gewicht auf die zierliche und reiche Arbeit von Ge-
raͤthen: Seſſeln, Bettſtellen, Laden, Bechern, Keſſeln,
2Waffenſtuͤcken. Was darunter die hoͤlzernen Ge-
raͤthe
anlangt: ſo werden dieſe mit dem Beile aus dem
Groben gehauen (τεκταίνειν, πελεκεῖν), dann ſorg-
[35]Griechen. Erſte Periode.
faͤltiger mit feinern Inſtrumenten bearbeitet (ξέειν), und
hierauf in vertiefte, eingeborte Stellen Schmuck aus Gold,
Silber, Elfenbein, Bernſtein eingelegt (δινοῦν ἐλέφαντι
καὶ ἀργύρῳ, δαιδάλλειν).


2. S. die Beſchreibung des Bettes des Odyſſeus, Od. xxiii, 195
(vgl. Il. iii, 391), des Seſſels, den der τέκτων Ikmalios der
Penelope gemacht, Od. xix, 56., auch der χηλὸς καλὴ, δαι-
δαλέη im Zelt des Achill, Il. xvi, 221., und der, welche
Arete dem Odyſſeus giebt, Od. viii, 424. Τεκταίνειν auch
von Schiffen, über deren Arbeit Od. v, 244. zu vgl.; der Troiſche
τέκτων Ἁρμονίδης iſt darin ausgezeichnet (Il. v, 60). Λινοῦν
bedeutet rundarbeiten, wie τορνοῦν, vgl. Schneider im Lex. s. v.
τορεύω. Inſtrumente, πέλεκυς, σκέπαρνον, ἀξίνη.
τέρετρα, τρύπανον (mit Riemen Od. ix, 383.), στάϑμη bei
Homer, πρίων als Dädalos Erfindung. — Elfenbein kömmt
an Schlüſſeln, Zügeln, Schwerdtſcheiden (κολεὸς νεοπρίστου
ἐλέφαντος, Od. viii, 404. vgl. πριστοῦ ἐλέφαντος Od.
xviii, 195. xix, 564) vor, ſo wie Elektron (Bernſtein,
Buttmann in den Schr. der Berl. Akademie 1818. 19. Hiſt. Cl.
S. 38.) an Wänden und Geräthen.


57. Dieſe eingelegte Arbeit in Holz wurde auch noch1
in nachhomeriſcher Zeit mit Vorliebe fortgeſetzt, und
anſtatt bloßer Zierathen figurenreiche Compoſitionen an
hoͤlzernen Geraͤthen gebildet. So verziert war die Lade2
(λάρναξ, κυψέλη), welche die Kypſeliden als Tyran-
nen des reichen Korinthos nach Olympia geweiht hatten.


2. Sie ſtand im Heräon zu Olympia, war aus Kedros, von
bedeutendem Umfange, wahrſcheinlich elliptiſch, da Pauſanias keine
verſchiedenen Seiten erwähnt, und λάρναξ von Deukalions u. an-
dern Schiffen gebraucht an eine ſolche Form wohl zu denken er-
laubt. Die Figuren waren in fünf übereinanderliegenden Streifen
(χώραις) (von denen Pauſ. jede umhergehend, die erſte, dritte und
fünfte von der Rechten zur Linken, die zweite und vierte von der
L. zur R. gehend beſchreibt) theils aus Kedros gearbeitet theils aus
Gold und Elfenbein eingelegt. Sie enthalten Scenen aus den he-
roiſchen Mythen, zum Theil auf die Ahnen des Kypſelos, der aus
Theſſalien ſtammte, bezüglich. Wenn die erklärenden Verſe (zum
Theil βουστροφηδὸν geſchrieben) wirklich von Eumelos waren, wie
Pauſ. vermuthet: ſo ſtammt ſie aus Olymp. 10. ungefähr. Pauſ. v.
3*
[36]Hiſtoriſcher Theil.
17 — 19. Heyne über den Kaſten des Kypſelos. Eine Vorleſung
1770. Descrizione della cassa di Cipselo da Seb. Ciampi
Pisa
1814. Quatremère-de-Quincy Iup. Olymp. p. 124. Welckers
Zeitſchrift für Geſch. und Ausleg. der Kunſt Th. 1. S. 270 ff. Siebelis,
Amalthea ii. S. 257. Thierſch Epochen S. 169. (1829). Der Thron
des Amykläiſchen Apollon ſcheint in die nächſte Periode zu gehören.


158. Von metallnen Geraͤthen, wie ſie in hoͤch-
ſter Vollkommenheit Hephaͤſtos, der Vorſtand aller Schmie-
de (χαλκεῖς), verfertigt, ruͤhmt Homer Keſſel, Schalen,
Dreifuͤße, Becher, Panzer, Schilde; zum Theil als ein-
2heimiſche zum Theil als auslaͤndiſche Arbeiten: an denen
eine große Menge metalliſcher und andrer glaͤnzender
Stoffe vorkommen, welche man auf eine effektvolle Weiſe
zuſammenzuſtellen liebte.


1. Dreifüße des Hephäſtos Il. xviii, 374, und ſonſt.
Neſtors Becher mit zwei Boden und vier Henkeln (οὔατα), an
denen goldne Tauben gebildet, Asklepiades περὶ Νεστορίδος,
Amalthea iii. S. 25. Der Kypriſche Panzer (daran κυάνεοι
δράκοντες ἴρισσιν ἐοικότες), der Schild mit einem Gorgoneion,
und die übrige Rüſtung des Agamemnon Il. xi, 17 ff. Schild
des Aeneas, Il. xx, 270. Ein Aegyptiſcher Spinnkorb, Od.
iv, 125., Sidoniſche Krateren, Il. xxiii, 743. Od. iv,
616. Ein χαλκεὺς und χρυσοχόος Laerkes Od. iii, 425. ver-
goldet die Hörner der Stiere.


2. Metalle. Erz, auch Eiſen, (Ιδαῖοι Δάκτυλοι εὗρον
ἐν οὐρείῃσι νάπαις ἰόεντα σίδηρον, ἐς πῦρ τ̕ ἤνεγκαν καὶ
ἀριπρεπὲς ἔργον ἔδειξαν, Phoronis) Gold, Silber, κασσίτε-
ρος (wahrſcheinlich Zinn, latein. plumbum album, Beckmann
Geſchichte der Erfindungen iv. S. 327 ff.) Blei, κύανος (ein me-
talliſcher Stoff von ſchwarzblauer Farbe), τίτανος (Gyps) am
Schilde des Herakles bei Heſiod. Vgl. Millin Minéralogie Ho-
mérique (2 ed. 1816) p. 65 seq.
Köpke Kriegsweſen der Grie-
chen im heroiſchen Zeitalter S. 39. Ueber die Inſtrumente
ἄκμων (ἀκμόϑετον), ῥαιστήρ, σφυρά, πυράγρα, die φῦ-
σαι (ἀκροφύσιον), χόανα Millin p. 85. Clarac Musée de
Sculpt. I. p. 6 seq.


59. An einem dieſer Kunſtwerke, dem Hephaͤſtiſchen
Schilde des Achilleus, ſchildert Homer auch große Com-
[37]Griechen. Erſte Periode.
poſitionen aus zahlreichen Figuren: aber grade die große
Fuͤlle und Ausdehnung dieſer Darſtellungen und die ge-
ringe Ruͤckſicht, welche dabei auf das wirklich Darſtell-
bare genommen wird, entfernen den Gedanken an menſch-
liche Arbeiten von aͤhnlichem Umfang, wenn man auch
wohl zugeben muß, daß im Kleinen Figuren auf Metall-
platten anzubringen nichts unerhoͤrtes war. Man kann2
dabei nicht anders verfahren ſein, als daß man das er-
weichte und zu Platten geſchlagene Metall mit ſcharfen
Inſtrumenten zuſchnitt, und mit Naͤgeln, Stiften u. dgl.
auf den Grund befeſtigte.


1. Am Schild des Achilleus haben Reſtaurationsverſuche angeſtellt
früher Boivin u. Caylus, neuerlich Quatremère-de-Quincy Iupi-
ter Olymp. p. 64. Mem. de l’ Institut royal T. iv. p.
102.
Vgl. Welcker Zeitſchr. i. S. 553. ad Philostr. p. 631.


2. Ueber das Schmelzen des Metalls Il. xviii, 468. Heſ.
Theog. 862. vgl. Schneider s. v. χοάνη. Gußwerke aber ſind
ſpäter, ſo wie die Kunſt des Löthens. Alle älteren Werke ſind
σφυρήλατα. Die Zuſammenfügung geſchieht durch mecha-
niſche Mittel, δεςμοὶ (Il. xviii, 379), ἧλοι (Il. xi,
634), περόναι, κέντρα (Pauſ. x, 16, 1). Aeſchylos Sieben
525 ff. ἐν χαλκηλάτῳ σάκει — Σφίγγ̕ ὠμόσιτον προςμε-
μηχανευμένην γόμφοις — λαμπρὸν ἔκκρουστον δέμας.
Das Befeſtigen von Metallzierrathen auf einen Grund (z. B. auch
das Verzieren von Sceptern mit goldnen Nägeln) iſt die ἐμ-
παιστικὴ
τέχνη. Lobeck zu Soph. Aias V. 846. S. 357.


60. Sehr vervollkommnet wurde nach den homeri-
ſchen Zeiten die Arbeit an Gefaͤßen durch zwei große Er-
findungen, erſtens die des Guſſes in Formen, welche
einem Samiſchen Meiſter Rhoͤkos Phileas Sohn und
ſeinem Sohne Theodoros zugeſchrieben wird, und
ohne Zweifel auch bei der Verfertigung von Krateren und
andern Gefaͤßen, in denen dieſe Kuͤnſtler ſich auszeichne-
ten, ihnen großen Vorſchub leiſtete.


Die Geſchichte der alten Samiſchen Künſtler-Schule
iſt ſehr ſchwierig, auch nach Thierſch Epochen S. 181. (der zwei
[38]Hiſtoriſcher Theil.
Theodoros u. zwei Telekles unterſcheidet), Hirt Amalth. 1. S. 266.
(der beide Unterſcheidungen verwirft), Meyer Kunſtgeſch. Anm.
S. 26. Julius Sillig im Catalog. Artif. s. v. Rhoecus,
Telecles, Theodorus,
Panofka Sam. p. 51. mit dem das Fol-
gende am beſten ſtimmt. Hierin vereinigen ſich die Zeugniſſe:
Herod. i, 51. iii, 41. 60. Diodor i, 98. Vitruv. Praef. vii.
Plin. vii, 57. xxxiv, 8, 19, 22. xxxv, 12, 43.
xxxvi,
13, 19, 3. Pauſ. iii, 12, 8. viii, 14, 5,
x,
38, 3. Amyntas bei Athen. xii, 514 F. Diogen. L. ii.
8, 19.; nur daß, mit Einigen bei Plinius den Rhökos und Theo-
doros lange vor Ol. 30. zu ſetzen, die Geſchichte des Epheſiſchen
Tempels (§. 80. A. 1.) nicht duldet. Die möglichſte Dehnung der
Genealogie iſt dieſe.


Olymp. 35. Rhökos, Phileas Sohn, der erſte Architekt des
ungeheuern Heräons, (Samos alſo ſchon ſehr reich und mächtig;
es erhielt Ol. 18. die erſten Trieren; ſeine Macht ſcheint beſonders
um Ol. 30. zuzunehmen), am Lemniſchen Labyrinth thätig. Er-
findet den Erzguß.


Ohne Zweifel gehörte zu den Werken dieſer Schule ſchon der
eherne Keſſel, welchen die von Tarteſſos heimkehrenden Samier
(um Ol. 37.) ins Heräon weihten, mit Greifenköpfen in Hautrelief
am Rande, und 3 knieenden 7 Ellen hohen Figuren als Füßen.
Herod. iv, 152.


61. Zweitens durch die Kunſt des Loͤthens (der
κόλλησις, ferruminatio), d. h. einer chemiſchen Verbin-
[39]Griechen. Erſte Periode.
dung von Metallen, in der Glaukos von Chios, ein
Zeitgenoß des Halyattes (40, 4 — 55, 1), und wahr-
ſcheinlich Zoͤgling der Samiſchen Erzgießer, ſich Ruhm er-
warb, und ſeine Kunſt ebenfalls durch kuͤnſtliche Ge-
raͤthe, beſonders einen Unterſatz eines Kraters zu Delphi,
bewaͤhrte.


Ein Chier nach Herod. Pauſ. u. a., ein Samier nach Steph.
Byz. s. v. Αἰϑάλη. S. Sillig. s. v. Glaucus, nebſt den
Scholien zu Platon Phäd. p. 108, 18. Bekk. u. Heindorf. p. 225.
Beſonders wird die κόλλησις σιδήρου als ſeine ausſchließliche
Erfindung genannt; daß es Löthung iſt, läßt ſich nach Pauſ. x,
16, 1. ſehr deutlicher Beſchreibung des ὑποκρητηρίδιον nicht be-
zweifeln. Ueber die Art des Löthens Fea zu Winckelm. Th. v.
S. 429. Dresden. Ἐπίτηκτος κρατὴρ Corp. Inscr. 1.
p.
236.


62. Ein drittes Handwerk, welches wegen der un-
ſcheinbaren Geraͤthe, die es, fuͤr ſich genommen, liefert,
weniger erwaͤhnt wird, als es ſeines Zuſammenhangs
wegen mit der plaſtiſchen Kunſt verdiente, iſt die Toͤpfer-
kunſt
, κεραμευτική. Sie bluͤht als ein ſehr anſehnliches
Gewerk beſonders zu Korinth, Aegina, Samos und
Athen, wo die Toͤpfer ſeit alten Zeiten einen bedeuten-
den Theil der Bevoͤlkerung ausmachten.


Homer beſchreibt Il. xviii. 600. die Töpferſcheibe,
das niedliche Gedicht Κάμινος ἢ Κεραμίς den Ofen, den Athena
beſchützt aber viele feindliche Dämonen bedrohen. Das Hand-
werk wird zeitig in Korinth ausgebildet (Hyperbios, Dibutades
ſ. Böckh. ad Pind. O. xiii, 27), von wo es um Ol. 30 nach
Tarquinii kam, auf Aegina (χυτρόπωλις, Pollux vii, 197.
Heſych. u. Phot. u. Ἠχὼ πετραία, Aeginet. p. 79),Samos
(Samia terra, vasa, Panofka Sam. p. 16.), in Athen (Ke-
rameikos Stadtquartier und Vorſtadt; Athena, Hephäſtos u. Pro-
metheus (Lukians Prometh.) Vorſteher des Gewerks; Körobos
ſollte die erſten Töpferwerkſtätten, Hyperbios und Euryalos (Agro-
las bei Pauſ.) nach Plin. die erſten Backſtein-Mauern errichtet
haben; die Erde der Kolias ein treffliches Material; Oelkrüge Preiſe
[40]Hiſtoriſcher Theil.
an den Panathenäen; Diota auf Münzen; Topfmarkt beſonders am
Feſte des Weinfüllens, ἐν τοῖς Χουσί; Phönicier führten Attiſche
Geſchirre bis nach Kerne. S. Skylax p. 54. Hudſon, Ariſtoph.
Acharn. 902. Eratoſth. bei Macrob. Sat. v, 21. Matron bei
Athen. iv, 136 F. u. die Anführungen in den Wien. Jahrb.
xxxviii. p. 272).


163. So wie die Toͤpfer in dieſen Werkſtaͤtten ihr
Material moͤglichſt zu verbeſſern und ihm durch Miſchun-
gen, beſonders mit Roͤthel-Erde, mehr Reiz zu geben
2ſuchten: ſo finden ſich auch ſchon an den aͤlteſten Gefaͤßen
Griechiſcher Werkſtaͤtten zierliche Formen, und in Hen-
keln, Griffen und andern aus freier Hand zugefuͤgten
Theilen tritt die Kunſtfertigkeit des Πλάστης im ur-
ſpruͤnglichſten Sinne hervor.


1. Dibutadis inventum est, rubricam addere, aut ex
rubrica cretam fingere,
Plin. Die Κωλιὰς γῆ miſchte ſich
trefflich mit μίλτος, Suidas s. v. Κωλιάδος κεραμῆες.


4. Bildende Kunſt.


164. Die Homeriſchen Gedichte und die auf anderm
Wege uns zugekommenen mythiſchen Nachrichten ſtimmen
darin uͤberein, daß das fruͤhere Griechenland außer Goͤt-
2terbildern keine Bildſaͤulen kannte; und wenn auch ſchmuͤk-
kende oder an Baudenkmaͤlern angebrachte Bildwerke ande-
rer Art vorkommen: ſo ſcheint ein rundes, fuͤr ſich ſte-
hendes Bild, welches kein Tempelidol war, in Grie-
chenland lange Zeit etwas unerhoͤrtes geweſen zu ſein.


1. Dagegen war Aegypten, zum Theil auch der Orient, ſeit
alten Zeiten voll von Statuen von Königen u. Prieſtern. Die
goldenen Dienerinnen des Hephäſtos, ſo wie die goldenen u. ſilber-
nen Hunde, die er dem Alkiuoos zu Hütern des Hauſes gegeben,
deuten auf nichts Wirkliches. Die Stelle der Il. xviii, 590.
iſt mit einigen alten Erklärern ſo zu verſtehn: daß Hephäſtos
einen Tanzplatz, eine Orcheſtra, an dem Schilde bildet, dem
ähnlich, den Dädalos in Knoſſos für die Ariadne eingerichtet (die
[41]Griechen. Erſte Periode.
als Kreterin mit Jünglingen tanzt). Dies iſt die Grundbedeutung
von χορός, vgl. Il. iii, 394. Od. viii, 260. nebſt Euſt., ihre
Feſthaltung entfernt alle Schwierigkeiten. Die ſpätern Kreter ver-
ſtanden die Stelle freilich anders, Pauſ. ix, 40.; auch d. j. Phi-
loſtr. 10.


2. Ein ſehr merkwürdiges architektoniſches Bildwerk ſind die
Kyklopiſchen Löwen auf dem Thor von Mykenä (vgl. die Sage
von den Mauern von Sardis Herod. i, 84) in einem zwar rohen
aber natürlich einfachen Styl. Pauſ. ii, 16, 4. W. Gell Ar-
gol. pl.
8 — 10. Aehnlich war wohl das Kyklopiſche Gorgoneion,
Pauſ. ii, 20, 5.


65. Abgeſehen von den aͤußern, in dem Mangel der
Technik liegenden Umſtaͤnden, welche der Entwickelung
der bildenden Kunſt große Hinderniſſe in den Weg leg-
ten, war es der ganze Charakter der Phantaſie, beſon-
ders der dem Leben der Goͤtter und Heroen zugekehrten,
welcher in jener Zeit bei den Griechen die Ausbildung
der Plaſtik noch zuruͤckhielt. Die Phantaſie der Griechen,
wie ſie in der epiſchen Poeſie hervortritt, iſt noch zu ſehr
mit der Ausmahlung des Wunderbaren und Uebergewalti-
gen beſchaͤftigt, die Vorſtellungen von den Goͤttern haben
noch zu wenig ſinnliche Beſtimmtheit erlangt, als daß
die Poeſie nicht unendlich beſſer zu ihrer Darſtellung ſich
geeignet haben ſollte als die Plaſtik.


Es läßt ſich wohl begreifen, daß zwiſchen der Zeit, welche
die Götter noch ganz im Herzen und Gefühl trägt, und der, welche
ſie in plaſtiſche Geſtalten verwandelt, eine in der Mitte ſteht; das
iſt bei den Griechen die der epiſchen Poeſie. Das plaſtiſche, feſte
Geſtalten bildende, Talent iſt nicht zu verkennen, aber es bildet
ſich erſt durch die epiſche Poeſie allmählig aus. — Die Geſtalten der
Götter ſind gigantiſch; ihre Erſcheinungen nicht ſelten geiſterhaft;
die Formen, in denen ſie erſcheinen, laſſen ſich oft wenig feſthal-
ten. Beiwörter, Beſchreibungen ſind meiſt wenig plaſtiſch. Auch
die Thaten der Heroen ſind oft unplaſtiſch, die des Achilleus am
meiſten.


Darin liegt wohl der Grund der auffallenden Erſcheinung,
warum die ſchmückenden Bildwerke am Schilde des Achill u. ſonſt
[42]Hiſtoriſcher Theil.
bei Homer nie mythiſche Gegenſtände, ſondern aus dem bürgerli-
chen und Landleben genommene enthalten (was die überſahn, die
die beiden Städte für Eleuſis u. Athen erklärten), ausgenommen
etwa die über das Volk vorragenden ganz goldnen Figuren des
Ares u. der Athena. Eris, Kydoimos haben ſich in Menſchen
verwandelt. Der Schild des Herakles, wenn auch zum Theil
roher gedacht und phantaſtiſcher ausgeſchmückt, ſteht doch in vielen
Stücken den wirklichen Kunſtwerken, namentlich den älteſten Vaſen-
gemälden, ſo wie dem Kaſten des Kypſelos, näher (das Drachen-
bild in der Mitte, die Eber u. Löwen, die Ker [Scut. 237. Pauſ.
v, 19, 1.] die Kentaurenſchlacht, Perſeus u. die Gorgonen).


166. Was nun aber das Goͤtterbild betrifft: ſo macht
dies von Anfang an durchaus nicht den Anſpruch ein Bild
(εἰκὼν) des Gottes zu ſein, ſondern iſt nur ein ſymbo-
liſches Zeichen (§. 32.) ſeiner Gegenwart, wozu die Froͤm-
migkeit alter Zeiten um ſo weniger Aeußeres bedarf, je
mehr ſie innerlich von dem Glauben an dieſe Gegenwart
erfuͤllt iſt. Daher Nichts gewoͤhnlicher als rohe Steine,
Steinpfeiler, Holzpfaͤhle u. dgl. als Cultusbilder aufgeſtellt
2zu finden. Zum Gegenſtande der Verehrung wird alles dies
weniger durch die Form als durch die Conſecration (ἵδρυ-
3σις). Wird das Zeichen zur Ehre des Gottes koſtbarer
und zierlicher ausgebildet, ſo heißt es ein ἄγαλμα,
wie auch Keſſel, Dreifuͤße und andere Zierden der Tempel.


1. Ἀργοὶ λίϑοι beſonders bei großen Naturgöttern, Eros
von Theſpiä, Chariten in Orchomenos. Pauſ. ix, 27, 1. 35, 1.
vgl. vii, 22, 3.


‘Ερμαῖα Steinhaufen durch welche man zugleich die Wege
reinigt. Die alterthümliche Frömmigkeit erfüllt zwei Zwecke zu-
zugleich. Euſtath. zur Od. xvi, 471. Suidas ‘Ερμαῖον. Otto
de diis vialibus c. 7. p. 112. sq.
Die λιπαροὶ λίϑοι an
den Dreiwegen, Theophraſt Charakt. 16. vgl. Caſaub. Der Ζεὺς
καππώτας in Lakonien, Pauſ. iii, 22. Jupiter lapis als Rö-
miſcher Schwurgott.


Die dreißig Pfeiler zu Pharä als Bildſäulen eben ſo
vieler Götter Pauſ. vii, 22, 3. Von ſolchen Steinpfeilern ſpricht
ausführlich Zoëga de Obeliscis p. 225 ff.


[43]Griechen. Erſte Periode

Im Tempel der Chariten von Kyzikos war ein dreieckiger
Pfeiler
, den Athena ſelbſt als erſtes Kunſtwerk geſchenkt, Ja-
cobs Anthol. Pal. 1. p. 297 n. 342. Böckh Expl. Pind.
p.
172.


Apollon Agyieus κίων κωνοειδής bei den Doriern, in
Delphi, Athen. Dorier i. p. 299. Kömmt häufig auf Münzen
vor, z. B. von Ambrakia. Artemis Patroa Pauſ. ii, 9, 6.


Die Stele auf dem Grabe, ein ξεστὸς πέτρος, iſt ἄγαλμ̕
Ἀΐδα, Pind. N. x, 67. Das Tropäon iſt ein βρέτας Διὸς
τροπαίου, Eurip. Welcker Sylloge Epigr. 1.


Lanzen als alte Götterbildſäulen (Käneus, Parthenopäos bei
Aeſchylos) Juſtin. xliii, 3. Zeus Skeptron oder δόρυ in
Chäronea verehrt, Pauſ. ix, 40, 6. So ſtellt der Dreizack den
Poſeidon (Böttiger Amalth. ii. S. 310), das κηρυκεῖον den Her-
mes dar; ſolche ἀγάλματα muß man ſich auf der κοινοβωμία
bei Aeſchylos Ἱκετ. 219. denken.


Die Hera zu Argos ein κίων, Phoronis bei Klem.
Strom. 1. p. 418, zu Samos σανίς (Kallimachos bei Euſeb.
Praep. Ev. iii, 8.) ſo wie die Athena zu Lindos ein λεῖον
ἕδος (λεῖον ποιεῖν ſteht entgegen dem τέμνειν, ξέειν, Corp.
Inscr. p.
281). Nach Tertullian Apolog. 16. die Pallas Attica
u. Ceres Raria ein rudis palus. Dionyſos (περικιόνιος) zu
Theben ein στῦλος, mit Epheu umrankt, Klem. Str. 1. p. 348.
Sylb.) Hermes-Phallus in Kyllene. Pauſ. vi, 26, 3. vgl. Ar-
temidor i, 45. Reiff p. 257. Die Dioskuren in Sparta zwei Bal-
ken mit zwei Querhölzern (δόκανα). Plut. de frat. am. 1. p. 36.
Die Ikariſche Artemis ein lignum indolatum, Arnob. adv.
gentes vi,
11. u. ſ. w.


2. Ueber das ἱδρύεσϑαι (aufrichten, mit Wolle umwinden, ſal-
ben, eine Oblation oder Opfer) Vandale de oraculis p. 624.


3. Ueber ἄγαλμα Ruhnken ad Timaeum, Siebelis Pauſ.
T. 1. p. xli. Barkers Stephan. s. v.


Aehnliche Bilder der Phönicier: Bätylien (Dahlberg von
Cultus der Meteorſteine), Meta von Paphos (Lenz de dea l’a-
phia),
der Zeus Kaſios ein Steinhaufe.


67. Um das Zeichen in naͤhere Beziehung zur Gott-
heit zu ſetzen, fuͤgt man einzelne beſonders bezeichnende
Theile hinzu, Koͤpfe, Arme welche die Attribute halten,
[44]Hiſtoriſcher Theil.
Phallen bei den erzeugenden Gottheiten. Hierdurch ent-
ſtand die Herme, welche ſehr lange Zeit das Haupt-
werk der Sculptur in Stein blieb.


So bildete ſich die Erzſäule des Amykläiſchen Apoll mit be-
helmten Kopf und bewaffneten Händen, der Διόνυσος Φαλλὴν
auf Lesbos (Pauſ. x, 19. Euſeb. Praep. Ev. v, 36. Lobeck
de thriis Delph. i. p. 4.), beſonders die τετράγωνος ἐργασία
der Hermen. Die τετραγ. ἐργ. war wohl, wie der Hermes-
dienſt, in Arkadien zu Hauſe (Pauſ. viii, 31, 4. 39, 4. 48,
4. περισσῶς γάρ δή τι τῷ σχήματι τούτῳ φαίνονταί μοι
χαίρειν οἱ Ἀρκάδες), aber wurde zeitig von den verwandten
Athenern cultivirt (Thuk. vi, 27.), von wo Pauſan. (i, 24.
iv,
33.) die viereckten Hermen ableitet. ‘Ερμογλυφεῖα in
Athen das Quartier der Steinarbeiter (λιϑοξόοι Lukians Traum 7).
Der Kopf keilbärtig (σφηνοπώγων, Artemidor ii, 37.); ſtatt der
Arme (ἄκωλοι, trunci) höchſtens Vorſprünge zum Kranzaufhängen
(z. V. Antich. di Ercol. T. iii. t. 36, 2), der Phallus darf
nicht fehlen (die ‘Ερμοκοπίδαι περιέκοψαν, vgl. beſonders Ari-
ſtoph. Lyſiſtr. 1093), öfter ein Mantel umher (Pauſ. viii, 39, 4.
Diogen. L. v, 82.). Sie ſtehen auf den Straßen, an Kreuzwe-
gen (Prokleides ‘Ερμῆς τρικέφαλος zu Ankyle von Ariſtoph.
τριφάλης genannt, Philochoros p. 45. Siebelis; der τετρακέφα-
λος von Teleſarchides im Kerameikos, Euſt. zur Il. xxiv, 333.
Heſych s. v. ‘Ερμῆς) als Wegweiſer, auch mit Stadienbezeich-
nung (zum Corp. Inscr. n. 12. vgl. Anthol. Pal. T. ii. p. 702.
n.
254). Vgl. Sluiter Lectt. Andocid. c. 2. p. 32 sq. Als
Kopfbilder ſind noch die Πραξιδίκαι ϑεαὶ zu merken (Ger-
hards Bildw. Prodromus S. 64. 107).


168. Die Holzſchnitzer dagegen wagten zeitig,
beſonders bei Goͤttern, deren Attribute eine vollſtaͤndige
Figur zur Grundlage forderten, wie bei der Pallas, ganze
Bilder (ξόανα) zu verfertigen. Solche Bilder galten noch ſpaͤ-
ter als die heiligſten; zahlloſe Wunderſagen erklaͤrten haͤufig
nur ihre Geſtalt, z. B. die gezuͤckte Lanze, die knieende
2Stellung, die eingedruͤckten Augen. Ihr Anſehn war oft,
beſonders wegen Ueberladung mit Attributen, ſeltſam und
3laͤcherlich. Die Fuͤße wurden nach der einfachſten Weiſe
nicht getrennt, die Augen durch einen Strich bezeichnet;
dann folgt eine ſchreitende Stellung mit wenig geoͤffne-
[45]Griechen. Erſte Periode.
ten Augen. Die Haͤnde liegen, wenn ſie nichts tragen,
am Leibe.


1. Ξόανον Siebel. Pauſ. T. i. p. xlii. ἐδος, ein Tem-
pelbild, ein ἱδρυμένον (im engern Sinn ein ſitzendes. Corp.
Inscr. 1. p.
248. 905). Welcker Sylloge n. 1. ‘Εδοξοεῖν,
Ruhnken ad Tim. p. 93.


Das Troiſche Palladion, ein διιπετὲς nach Apollod. iii,
12, 3. (vgl. Diod. Frgm. n. 14. p. 640 Weſſ.) ſchwingt in der
R. die Lanze, und hält in der L. Rocken und Spindel. Doch
denkt man bei Παλλάδιον (in Argos, Athen, Siris) ſonſt nur an
die Schild u. Speer erhebende Pallas, im Gegenſatze ſitzender Pallasbil-
der, dergleichen auch in Troja nach Il. vi, 92. vgl. Strab. xiii,
p.
601. Euſt. zu Il. a. O. waren. S. die Palladien in den
Darſtellungen des Raubs des Diomedes, der Verfolgung der Kaſ-
ſandra und ſonſt (unten §. ). Vgl. Millingen Anc. Uned.
Monum. Ser. ii. p.
13.


2. S. die Sagen von der Lächerlichkeit der Deliſchen Leto (Athen.
xiv, 614.) und dem von den Tirynthiſchen Prötiden verſpotteten
Herabilde (Akuſil. bei Apollod. ii, 2, 2.) wahrſcheinlich dem von
Peiraſos aus wildem Birnbaum geſchnitzten (Thierſch Epochen S. 20).
Von Dädalos Bildern: ἀτοπώτερα μὲν τὴν ὄψιν, ἐπιπρέπει
δὲ ὅμως τι καὶ ἔνϑεον τούτοις, Pauſ. ii, 4.


3. Σκέλη συμβεβηκότα, σύμποδα der alten Bilder Apollod.
a. O. Aeginet. p. 110. Dädalos διαβεβηκότα ſchienen leben-
dig. Gedike zu Platons Menon p. 72. Buttmann. Χεῖρες πα-
ρατεταμέναι Diod. i, 98. καϑειμέναι καὶ ταῖς πλευραῖς
κεκολλημέναι iv, 76. Die ὄμματα μεμυκότα, die Dä-
dalos öffnet (Diod. iv, 76. Suidas s. v. Δαιδάλου ποιήματα.
Schol. zu Plat. p. 367. Bekk.) veranlaſſen die Sagen von den
καταμύσεις, wie beim Palladion von Siris, Lykophr. 988. Strab.
vi. p. 264. vgl. Plut. Camill 6.


69. Die Hauptſache aber war bei dieſen Bildern,
daß ſie Gelegenheit gaben, die Gottheit nach menſchlicher
Weiſe vielfach zu bedienen und zu beſorgen. Dieſe Holz-
bilder werden gewaſchen, gebohnt, angeſtrichen, gekleidet,
friſirt; mit Kraͤnzen und Diademen, Halsketten und Ohr-
gehaͤngen ausgeſchmuͤckt, ſie haben ihre Garderobe und
[46]Hiſtoriſcher Theil.
Toilette, und in ihrem ganzen Weſen entſchieden mehr
Aehnlichkeit mit Puppen (manequins) als den Werken
der ausgebildeten plaſtiſchen Kunſt.


Die Sitte, die Götter auf ſolche Weiſe zu putzen, reicht von
Babylon bis Italien. Die Capitoliniſchen Götter hatten eine förm-
liche Dienerſchaft zu ſolchen Zwecken (Auguſtin de Civ. Dei vi,
10.). Die Farben der ξόανα ſind grell, oft bedeutſam. Dio-
nyſos, Hermes, Pan werden roth gefärbt (Pauſ. ii, 2, 5. viii,
39, 4. Voß zu Virgil Bd. ii, p. 514.), Athena Skiras weiß
(Ἀϑ. Σκιρὰς λευκῆ χρίεται, Schol. Ariſt. Weſp. 961). In
Rom wurde Jupiter von den Cenſoren miniandus locirt. Die
Geſichter oft vergoldet, wie der Apollon auf dem Berge Thornax in
Lakonika mit Kröſos Golde. Vgl. Herod. i, 69 mit Athen. vi,
p.
232.


Ueber die bekleideten Tempelbilder Quatr.-de-
Quincy Iup. Ol. p. 8 sq. Peplen der Pallas in Troja, in Athen,
in Tegea (nach Münzen), der Hera zu Elis, des Asklepios und der
Hygieia zu Titane P. ii, 11, 6. Urkunde über die Garderobe
der Artemis Brauronia zu Athen (Ol. 107, 4 ‒ 109, 1.) C. I.
n.
155. χιτῶνα ἀμόργινον περὶ τῶ ἕδει — ἱμάτιον λευκὸν
παραλουργὲς, τοῦτο τὸ λίϑινον ἕδος ἀμπέχεται — ἀμπέ-
χονον ΑΡΤΕΜΙΔΟΣ ΙΕΡΟΝ ἐπιγέγραπται περὶ τῷ
ἕδει τῷ ἀρχαίῳ u. ſ. w. Πλυντήρια in Athen, das Feſt des
Kleiderwaſchens der Athena, den 25 Thargelion (Πραξιεργίδαι.).
Καλλυντήρια, des Abputzens der Bildſäule, den 19. (Vgl.
Bekkers Anecd. i, p. 270. wo Καλλυντήρια einzufügen) Λου-
τρίδες und πλυντρίδες, vgl. Alberti zu Heſych Th. ii, S. 498.
Κατανίπτης Etym. M. Λουτρὰ der Pallas zu Argos nur
mit Oel ohne Salben und Spiegel (Kallim. Hymnus 13
ff. vgl. Spanheim u. du Theil Mem. de l’Ac. xxxix p.
237.) Ηρεσίδες λουτροφόροι der Hera zu Argos, Etym. M.,
Heſych. Ἐνδυμάτια daſelbſt Plut. de mus. 9. Πάτος das
Gewand Heſych.


Ein Beiſpiel einer vollſtändig drapirten Statue iſt die Sami-
ſche Hera,
als Zeusbraut nubentis habitu dargeſtellt (Varro
bei Laktanz Inst. i, 17.), verua unter den Händen, auf Münzen
(Geßner Num. Imper. T. 127. n. 80. 81.) und in einer Ter-
racotta, die ein Privatmann zu Cambridge beſitzt. Wahrſcheinlich
das Werk des Smilis §. 70.


Andre Cultusbilder: die Ἥρα τελεἱα auf dem Fries
von Phigalia, die Χρύση von Lemnos bei Millingen l’eint. de
[47]Griechen. Erſte Periode.
div. coll. 50. 51., Ἄρτεμις Λουσία pl. 52., die Lydiſch-
Griechiſchen Artemis-Bilder von Epheſos (über die Holzart, Vitruv
ii, 9. Plin. xvi, 79.), Magneſia und andern Städten (Mene-
treius Diana Ephesia, Millin Gal. myth. i, t. 30.) mit den
Stäben unter den Händen (Holſteinius Epist. de fulcris s. veru-
bus Dianae Ephesiae
). Eine ſteinerne Nachbildung des ξόανον
der Nemeſis zu Rhamnus gefunden, im Britt. Muſeum (xv, 307.
1821) Uned. Antiq. of Att. Ch. 7. pl. 2.


70. Die Holzſchnitzer uͤbten ihre Kunſt, wie das1
fruͤhere Alterthum auch die meiſten andern, in Familien
und Geſchlechtern nach der Weiſe der Vaͤter mit einem
ſchlichten und anſpruchsloſen Sinne: daher ſehr wenig
individuelle Namen hervortreten. Der Name Daͤdalos2
bezeichnet die Thaͤtigkeit der Attiſchen und Kretiſchen;
der Name Smilis die der Aeginetiſchen Bildner. Noch3
mythiſcher und dunkler iſt der Name der Telchinen.4


2. Δαίδαλος (§. 50. 64. 68.), Eponymos der Δαιδαλί-
δαι (vgl. die Ἡφαιστιάδαι) zu Athen, zu denen auch Sokrates
gehörte. Sohn des Μητίων, Εὐπάλαμος, Παλαμάων. Zu-
gleich Vater der Kretiſchen Kunſt. Von ſeinen Holzbildern beſon-
ders Pauſ. ix, 40, 2; mehrere davon waren in Kreta (Κρηυικὰ
ξὀανα auch Pauſ. i, 18, 5.). Angebliche Arbeiten des Däda-
kos in Libyen (Skylax p. 53. Hudſ.). Seine angeblichen Erfin-
dungen ſind beſonders Inſtrumente der Holzarbeit, serra, ascia,
perpendiculum, terebra, ichthyocolla,
ſo wie malus anten-
naeque in navibus
Plin. vii, 57. Dädaliden (außer Ta-
los u. Perdix) Endöos von Athen, Verfertiger eines ſitzenden
Holzbildes der Athena zu Erythrä, eines andern von Kallias ge-
weihten zu Athen, eines elfenbeineren zu Tegea, wahrſcheinlich
erſt um Ol. 55. Learchos von Rhegion (nach Ol. 14), deſſen
eherner Zeus zu Sparta aus gehämmerten Stücken zuſammen-
genietet war, Pauſ. iii, 17. Dipönos und Skyllis §. 82.


3. Σμῖλις (von σμίλη) erſcheint unter Prokles (140 n.
Tr.) in Samos arbeitend, um Ol. 40 in Lemnos am Labyrinth
mit Rhökos und Theodoros. Beſonders Herabilder. Aeginet. p. 97.


4. Als eine alte Schmiede- und Bildner-Innung erſcheinen
auch die Τελχῖνες (Mulciber) zu Sikyon, Kreta und Rho-
dos, von denen Götterwaffen und Bilder (ἠρα, Ζεὺς, Απόλ-
[48]Hiſtoriſcher Theil.
λων Τελχίνιος in Rhodos) hergeleitet werden. Auf das Däda-
liſche Leben ihrer Bilder und den böſen Ruf ihrer Zauberkünſte
deutet Pindar O. vii, 50 vgl. Böckh Expl. p. 172. Welcker
Prometh. S. 182. Höck Kreta i, S. 345. Alle dieſe Innungen
und Geſchlechter erſcheinen in der Sage nicht ſelten als bösartige
Zauberer.


Auch dem Epeios von Panopeus (einer Minyerſtadt), dem
Meiſter des δούρειος ἵππος, wurden einige ξόανα beigelegt. —
Die Samiſchen Brüder Telekles und Theodoros verfertigen
ein Holzbild (ξόανον) des Apollon Pythaeus zu Samos, nach
einer Aegyptiſirenden Anekdote getrennt arbeitend, nach einem feſten
Kanon, Diodor i, 98.


171. In dem letzten Jahrhundert dieſer Periode fin-
den ſich auch Goͤtterbildſaͤulen aus Metall, wie
der Zeus des Daͤdaliden Learchos (§. 70. Anm. 2.), einige
wenige Bilder der Samiſchen Schule, und beſonders der
2von Kypſelos oder Periander (etwa Ol. 38.) nach Olym-
pia geweihte aus Gold geſchlagene Zeus von koloſſaler
Groͤße, der zugleich auf ſchlaue Weiſe den Privatreich-
thum der Korinthier zu verringern beſtimmt war.


1. Von der Samiſchen Schule konnte Pauſanias aus Erz
nur eine Statue der Nacht zu Epheſos von Rhökos, ein ſehr rohes
Werk, ausfindig machen. x, 38, 3.


2. Das Kypſeliden-Werk heißt κολοσσὸς, εὐμεγέϑης
ἀνδριὰς, ἄγαλμα, Ζεὺς, χρυσοῦς, σφυρήλατος, ὁλόσφυ-
ρος (nicht plattirt). Beſonders belehrende Stellen ſind Strab.
viii, p. 353. 378., die Schriftſteller bei Photios und Suidas
s. v. Κυψελιδῶν, die Schol. Platon Phädr. p. 20, 1. Bekk.
Αὐτὸς ἐγὼ χρυσοῦς σφυρήλατος εἰμὶ κολοσσός — Ἐξώλης
εἴη Κυψελιδῶν γενεά. Vgl. Schneider Epim. ad Xen. Anab.
p.
473.


172. Auch aus den Werkſtaͤtten der Toͤpfer gingen
Goͤtterbilder hervor, wenn auch weniger fuͤr den
Tempeldienſt, als fuͤr den haͤuslichen Cultus und die
Beſtattung: dergleichen noch, Werke der Attiſchen πηλο-
πλάϑοι oder Προμηϑεῖς, von großer Simplicitaͤt und
[49]Griechen. Erſte Periode.
Roheit, haͤufig in Attiſchen Graͤbern gefunden werden.
Auch zum Schmuck von Haͤuſern und Hallen werden zei-2
tig, beſonders in Korinth und im Attiſchen Kerameikos,
Figuren und Reliefs von Erde gemacht.


1. Πήλινοι ϑεοί, beſonders Hephäſtos, Schol. Ariſt. Vögel
436. Juven. x, 132. Attiſche Sigillarien, Walpole’s Mémoirs
p. 324. pl.
2.


2. Sage von dem erſten thönernen Relief (τύπος) des Di-
butades, Plin. xxxv, 43. Protypa, ectypa Bas- und Haut-
relief. Chalkoſthenes macht am Kerameikos von Athen cruda
opera
(Plin. 45); hier ſah Pauſanias ἀγάλματα ὀπτῆς γῆς
auf dem Dache der βασίλειος στοά, i, 3, 1. vgl. 2, 4.


5. Anfaͤnge der Mahlerei.


73. Die Mahlerei ward in Griechenland noch ſpaͤter,1
als die Plaſtik, eine unabhaͤngige Kunſt, zum Theil des-
wegen weil der Griechiſche Cultus ihrer wenig bedurfte.
Homer, welcher mehrermal Gewaͤnder mit eingewebten
Figuren erwaͤhnt, ſpricht von keiner Art von Mahlereien2
als den „rothwangigen Meerſchiffen“ und einem elfenbei-
nernen Pferdeſchmuck, den eine Maͤonerin oder Karerin3
mit Purpur faͤrbt. Lange beſtand alles Mahlen im Co-
loriren von Bildern und Reliefs aus Thon und Holz.


1. Πίνακες als Votivtafeln an Götterbildſäulen gehängt, Ae-
ſchyl. Ἱκετ. 466., eben ſo an heilige Bäume, Ovid Met. viii,
744. vgl. Tiſchbeins Vaſeng. i, 42. Millin Mon. ined. i, 29.


2. Die Diplax der Helene mit den Kämpfen der Troer und
Achäer um ſie, Il. iii, 126. Die Chläna des Odyſſeus mit ei-
nem Hund und Reh (wenn dieſe nicht vielmehr an der περόνη zu
denken ſind) Ob. xix, 225.


3. Dem Il. iv, 141. geſchilderten ἵππου παρήιον entſpre-
chen die in Epheſos gemahlten φάλαρα des Ageſilaos, Xen. Hell.
iii, 4, 17. iv, 1, 39. Epheſos war immer halb-Lydiſch
(Ariſtoph. Wolken 600).


4
[50]Hiſtoriſcher Theil.

74. Die erſten Fortſchritte in der Mahlerei ſchreiben
die Griechiſchen Kunſttraditionen den Korinthiern und
Sikyoniern zu; und nennen ſogar, doch ohne große Be-
glaubigung, die einzelnen Erſinder der Umrißzeichnung
und monochromen Gemaͤhlde mit Namen.


Plin. xxxv, 5. 11. 34. Linearis pictura von Klean-
thes
von Korinth. Spargere lineas intus,Ardikes v. Kor.
Telephanes v. Sik. Monochromen Kleophant v. Kor. Hygie-
mon, Deinias, Charmadas, Eumaros von Athen, qui primus
in pictura marem feminamque discrevit
(durch helleres Colorit).


Bularchos von Kandaules († Ol. 16, 1.) mit Gold auf-
gewogenes Magnetum excidium (vii, 39), Magnetum proe-
lium (xxxv, 34),
muß um ſo mehr als Mißverſtand des Plin.
verworfen werden, da die von Archilochos erwähnte Eroberung Mag-
neſias durch die Trerer (die einzige bekannte) erſt unter Ardys,
nach Ol. 26, fällt. Vgl. Heyne Artium tempora Opusc. Acadd.
V, p.
349. Antiq. Aufſ. i S. 114.


Zur Geſch. der Mahlerei Caylus Mémoires de l’ Ac. des
Inscr. T. xix p.
250. HirtSur la peinture des anciens
Mem. v. Mémoires de Berlin 1803. p.
149. Levesque sur
les progrès successifs de la peinture ches les Grecs. Mem.
de l’Inst. Nat. Litterat. T. I, p.
374. J. J. Grund Mahle-
rei der Griechen Bd. i, S. 72 ff. 234 ff. Böttiger Ideen zur
Archäol. der Mahlerei Bd. 1. Dresden 1811. Meyers Kunſtge-
ſchichte S. 37.


175. Hier in Korinth, der Toͤpferſtadt (§. 62), trat
die Mahlerei zeitig in Verbindung mit der Arbeit von
Gefaͤßen, ſo daß die nach der Erzaͤhlung von Demarat
ſchon Olymp. 30. beſtehende Verbindung Korinths mit
Tarquinii in Etrurien auch die alterthuͤmliche Gefaͤßmah-
2lerei hinuͤberfuͤhren konnte. Die aͤlteſten dieſer mit ſchwar-
zen Figuren ſilhouettenartig bemahlten Gefaͤße geben durch
die Roheit und Plumpheit ihrer Figuren den deutlichſten
Begriff von den Stufen, welche die Kunſt der Zeichnung
durchlaufen mußte, ehe ſie zu einem feſten und gere-
gelten Nationalſtyl
gelangte.


1. Die älteſte Farbe nach Plin. xxxv, 5. testa trita. De-
marat begleiten nach Plin. Kleophantos, oder Eucheir und Eugram-
mos. Von der Bereitung und Beſtimmung dieſer Vaſen §.


[51]Griechen. Erſte Periode.

2. Einige Beiſpiele der unförmlichen Art der in den Krieg zie-
hende Kämpfer, Millingen Collect. de Coghill pl. 37.; der
Dionyſos mit zwei Satyrn und Apollon mit zwei Horen, pl. 37.;
Dionyſos, Hermes und die Horen auf Stühlen ſitzend, pl. 38.
Dieſe Art erhielt ſich beſonders bei Dionyſiſchen Gegenſtänden. Ein-
facher und natürlicher ſind die Figuren des Korinthiſchen Gefäßes,
welches man auch nach der Schrift (Corp. Inscr. n. 7) gegen Ol.
50. ſetzen kann, abgebildet bei Dodwell Class. Tour. ii, p. 197.
Die Eberjagd des Therſandros; arabeskenartige Thierfiguren. Vgl.
die Aufzählung der folgenden Periode §. 99. Die Vaſengemälde
enthalten, neben den Münzen, wovon §. 98., die ſicherſten Be-
weiſe gegen die Annahme eines die ältere Griechiſche Kunſt beherr-
ſchenden feſten Typus.


4*
[52]

Zweite Periode.
Von Ol.
50 — 80.


1. Der Charakter der Periode im Allgemeinen.


176. Um die funfzigſte Olympiade treten mehrere aͤu-
ßere Umſtaͤnde ein, welche der Kunſt vortheilhaft waren:
ſtaͤrkerer Verkehr mit den Herrſchern und Voͤlkern Aſiens
2und Aegyptens; groͤßerer Handelsreichthum; das Beſtre-
3ben der Tyrannen durch glaͤnzende Werke die Aufmerk-
ſamkeit, die Haͤnde und das Vermoͤgen ihrer Untertha-
nen zu beſchaͤftigen.


1. Ol. 55, 1 — 58, 3. Κροίσου φιλόφρων ἀρετά. Griechen
dienen bei Nebucadnezar Ol. 44. Pſammetichos König durch
Joner u. Karer 27, 2. Amaſis φιλέλλην 52, 3. — 63, 3.
Naukratis, Hellenion.


2. Blühender Handel von Korinth, Aegina, Samos, Milet,
Phokäa. Das in Griechenland ſeltne Gold wird jetzt allmählig
häufiger. Athenäos vi, p. 231 ff. Böckh Staatshaush. i. S. 6 ff.


3. Kypſeliden Ol. 30, 3 — 49, 3. Theagenes von Megara um
Ol. 40. Polykrates 53, 3 — 64, 1. ungef. Ἔργα Πολυκρά
τεια Ariſt. Pol. v, 9, 4. Peiſiſtratos 55, 1 — 63, 2;
ſeine Söhne bis 67, 3.


177. Tiefere Gruͤnde liegen im Entwickelungsgange des
Griechiſchen Lebens ſelbſt. Die epiſche Poeſie, welche
das Feld der Mythologie fuͤr die Plaſtik urbar macht,
hat um Ol. 50. ziemlich ihren Gegenſtand erſchoͤpft; aus
ihr wachſen neben der Plaſtik die Lyrik und Dramatik
[53]Griechen. Zweite Periode.
hervor. Die mit dem groͤßten Eifer betriebne Gymnaſtik2
und Orcheſtik, Kuͤnſte, welche die Homeriſche Zeit noch
nicht in der Ausbildung kannte, die ihnen beſonders der
Doriſche Stamm gab, hatten um Olymp. 50. ziemlich
ihren Gipfel erreicht, und hinterließen einerſeits eine leb-
hafte Begeiſterung fuͤr das Schoͤne und Bedeutungsvolle
der menſchlichen Geſtalt, und erweckten andererſeits den
Wunſch, beſonders das Andenken an die Kraft und Tuͤch-
tigkeit ſiegreicher Kaͤmpfer durch Statuen zu befeſtigen.


1. Die Heſiodiſchen Sänger reichen etwa bis Ol. 40. Peiſan-
dros Ol. 33 — 40. ſchafft den Herakles mit Löwenhaut u. Keule,
wie ihn die bildende Kunſt (ſchon in den älteſten Vaſen vgl. §. 99.
Anm. 7.) darſtellt. In Steſichoros (50) wird der epiſche Stoff
lyriſch.


2. Die Helleniſche Naktheit beginnt zu Olympia im Lauf (im
Ringkampf ſpäter) mit Orſipp dem Megarer Ol. 15. Corp. Inscr.
i. p.
553., ſie ging aber beſonders von Kreta u. Sparta aus.
Ἀγῶνες στεφανῖται (bei Homer χρηματῖται) in Olympia ſeit
Ol. 7. Die Γυμναστικὴ blüht beſonders in Sparta (beſon-
ders 20 — 50), in Aegina (45 — 80), beſonders glänzend in
Kroton (50 — 75)


In der Zeit des Thaletas, Sakadas u. Aa. (Ol. 40 — 50) war
die gymnopädiſche, hyporchematiſche und andere Gattungen der Or-
cheſtik
ſchon ſehr kunſtmäßig ausgebildet; die älteſten Tragiker von
Theſpis an (Ol. 61.) waren beſonders ὀρχηστικοί. Ἔστι
δὲ καὶ τὰ τῶν ἀρχαίων δημιουργῶν ἀγάλματα τῆς
παλαιᾶς ὀρχήσεως λείψανα, Athen. xiv. p. 629 b.


78. Durch die Bildung von Athleten wird nun die Kunſt1
zuerſt auf ein genaueres Studium der Natur hingelenkt,
von dem ſie indeß auch ſehr bald in den Darſtellungen
von Goͤttern und Heroen Vortheil zieht. Lebensvolle Ge-2
ſtalten treten als Weihgeſchenke in den Tempeln der
Goͤtter an die Stelle der Keſſel, Dreifuͤße u. dgl., welche
fruͤher die hauptſaͤchlichſten Anatheme geweſen waren.
Doch traͤgt die Nachbildung der Naturformen, wie in jeder3
Kunſt, die mit Fleiß und Liebe beginnt, einen ſtrengen Cha-
[54]Hiſtoriſcher Theil.
rakter, und der Zuſammenhang mit den Holzbildern der
fruͤhern Zeit hemmt in vielen Stuͤcken das Streben nach
Natur und Wahrheit.


1. Ueber das Naturſtudium als Baſis der Entwickelung der
eigentlichen Kunſt Schorn Studien der Griech. Künſtler p. 174.,
welcher mit Recht hier die Gränze zwiſchen Kunſt und Handwerk
zieht.


2. Der Delphiſche Tempel war noch Theopomp, Athen. vi.
p.
231., ehemals nur mit ehernen Weihgeſchenken geſchmückt, nicht
Bildſäulen, ſondern Keſſeln und Dreifüßen von Erz.


79. Deſſenungeachtet iſt es dieſe Periode, in welcher
die Kunſt, wenn man mehr auf das innere Walten des
Kunſtgeiſtes als auf die einzelnen Erſcheinungen, welche
ſichtlich hervortreten, ſieht, am maͤchtigſten erſcheint und
das Groͤßte leiſtet. Die ſcharfe Auspraͤgung idealer
Charaktere, dieſer Hauptvorzug der Griechiſchen Kunſt
vor jeder andern, wird hauptſaͤchlich dieſer Periode ver-
dankt, und wurde von ihr mit deſto groͤßerer Sicherheit
erreicht, je mehr der Ausdruck voruͤbergehender Bewe-
gungen ihr noch entfernt lag (vgl. §. 27). Die Goͤtter
und Heroen werden nun eben ſo beſtimmte plaſtiſche Ge-
ſtalten, wie ſie vorher poetiſche Individuen geweſen wa-
ren, und die naͤchſte Periode konnte, auch wo ſie den
Forderungen ihres Geiſtes gemaͤß umbildete, doch uͤberall
ſchon entwickelte Formen zum Grunde legen.


2. Architektonik.


80. Die Tempelbaukunſt hat in dieſer Periode durch
die außerordentlichſten Anſtrengungen der Griechiſchen Staa-
ten Gebaͤude ausgefuͤhrt, welche nie eigentlich uͤbertroffen
worden ſind, und beide Style, den Doriſchen und Joni-
ſchen, ihrer eigenthuͤmlichen Beſtimmung gemaͤß zur hoͤch-
ſten Großartigkeit und großer Eleganz ausgebildet.


[55]Griechen. Zweite Periode.
I. Die berühmteſten (verſchwundenen) Bauwerke der Zeit.

1. Der Tempel der Artemis von Epheſos. Kröſos (He-
rod. i, 92) und Kleinaſiens andere Könige und Städte contribui-
ren (Plin. xvi, 79. xxxvi, 21. Liv. i, 45. Dionyſ. iv,
25). Theodoros Rhökos Sohn (Ol. 45) füllt den Sumpfgrund
mit Kohlen; Cherſiphron v. Knoſſos ſtellt die 60 Fuß hohen zum
Theil monolithen Joniſchen Sänlen (unter Kröſos Herod. a. O.),
ſein Sohn Metagenes legt, mit Hülfe von Sandſäcken, die 30 bis
40 Fuß langen Architrave darüber (Plin. Vitruv.). Ein anderer
Architekt vergrößert ihn nach Strab. xiv, 640; erſt Demetrios u.
Päonios von Epheſos (etwa Ol. 90 — 100) vollendeten ihn.
Ein Octastylos, Dipteros, Diastylos, Hypaethros, 425 ×
220 Fuß, auf 10 Stufen. Aus weißem Marmor, deſſen Brüche,
nur 8 m. p. entfernt, von Pixodaros entdeckt waren. Heroſtrat.
Deinokrates erneuert das Weltwunder. Epigramme, Münzen (bei
Menetreius §. 69.). Forſter Mémoires de Cassel p. 187.
Hirt Tempel der Diana von Epheſus. Berl. 1809. Geſch. der
Baukunſt i. S. 232. Abweichend die Herausg. von Stuarts An-
tiqq. of Athens V. 1. p.
332. der deutſchen Ueberſ.


2. Der Tempel der Kybebe (Aphrodite bei Xanthos) in Sar-
dis,
ein Werk der Lydiſchen Dynaſtie, von den Joniern Ol. 69,
3) zerſtört, dann erneuert. Einige Trümmer der Joniſchen Gat-
tung. Größe 261 × 144 F. Cockerell bei Leake Asia minor
p.
344. Ein Octastylos Dipteros.


3. Das Heräon in Samos, wovon noch einige Trümmer
der Joniſchen Gattung, 346 × 189 F. (Bedford bei Leake Asia
min. p.
348). Es muß an die Stelle des ältern Doriſchen (§.
53.) getreten ſein, wahrſcheinlich in Polykrates Zeit. Es war
der größte Tempel, den Herodot kannte, indem das Artemiſion wohl
noch nicht die nachmalige Größe erreicht hatte. Herod. ii, 148.
iii,
60.


4. Der Tempel des Olympiſchen Zens zu Athen, un-
ter Peiſiſtratos u. ſ. Söhnen von Antiſtates, Kalläſchros, Antima-
chides u. Porinos gebaut, aber unvollendet, ein coloſſaler Bau der
Doriſchen Gattung. Nach den Ruinen des ſpätern Umbau’s war
die Größe 372 × 167 F. (Stuart) oder 354 × 171 (Leake).
Ὀλύμπιον ἡμιτελὲς μὲν, κατάπληξιν δ̕ ἔχον τὴν τῆς οἰ-
κοδομίας ὑπογραφήν, γενόμενον δ̕ ἂν βέλτιστον εἴπερ
συνετελέσϑη. Dikäarch p. 8. Hudſ. Vgl. Erſch Encykl. Athen
[56]Hiſtoriſcher Theil.
p. 233. Hirt Geſch. i, S. 225. — Das Pythion der Peiſiſtra-
tiden. Vielleicht auch der ältere Parthenon.


5. Der Delphiſche Tempel nach dem Brande Ol. 58, 1.
von Spintharos dem Korinthier gebaut. (Die Amphiktyonen verdin-
gen den Bau; die Delpher ſammeln zu ihrem Viertel ſelbſt in
Aegypten; die Alkmäoniden unternehmen ihn für 300 Talente, aber
führen ihn viel herrlicher aus, Herod. ii, 180. v, 62. u. Aa.).
Aus Porosſtein, der Pronaos aus Pariſchem Marmor. Pronaos,
Naos, Adyton. Hypäthron (Juſtin. xxiv, 8. Eurip. Jon 1567).
Ein ‘Εκατόμπεδος nach Philoſtrat. Apollon. Tyan. vi, 11.
Fragmente altdoriſcher Säulen (6 Fuß dick) in Caſtri, Gell,
Dodwell.


6. Das eherne Haus der Pallas in der Polis zu Sparta,
um Ol. 60 gebaut, inwendig mit ehernen Reliefs verziert. Pauſ.
iii, 17. x, 5.


II.Erhaltene Gebäude.

a.Päſtum (Ποσειδωνία), die Trözeniſch-Sybaritiſche
Colonie. 1. Der große Tempel (des Poſeidon) peripteros,
hexastylos, systylos, hypaethros
mit einer Niſche für das Bild,
groß 195 × 79 engl. Fuß, die Doriſchen Säulen 8 moduli, in
ungetrübter Strenge und Einfachheit des altdoriſchen Styls. 2.
Der viel jüngere kleine (der Demeter, das Bild in einem innern
Thalamos) peript. hexast. 107 × 47 Fuß. Die Säulen ſind
nicht ſchlanker aber haben eine Entaſis, einen eingezogenen Hals,
in der Vorzelle Baſen, auch ſtehen hier ſchon Halbſäulen. 3. Eine
Stoa, deren Pteron 9 Säulen an den ſchmalen, 18 an den
langen hat. Im Innern läuft eine Säulenreihe durch. Nach Hirt
ein ναὸς διπλοῦς 177 × 75 F. Das Material dieſer Gebäude
iſt ein feſter dem Travertin ähnlicher Tuf von weißgelblicher Farbe.
Die Arbeit iſt höchſt ſorgfältig. — Paoli Rovine di Pesto 1784.
Delagardette Les ruines de Paestum, Paris an. 2. Wilkins
Magna Graecia Chap. 6 (nicht ganz zuverläſſig). Winckelmanns
Werke i, S. 288. Stieglitz Archäol. der Bankunſt Th. ii, Abſchn.
1. Hirt Geſchichte i, S. 236.


b. Die ältern Siciliſchen Tempel ſind ſchwer zu bezeich-
nen, da die ſchwerern Verhältniſſe ſich hier ſehr lange erhielten. 1.
Syrakus (Ol. 5, 3), Tempel der Athena auf Ortygia (D’Or-
ville’s Sicula p. 195.), die Säulen noch nicht 9 moduli (6,
6″ Diam. 28′ 8″ Höhe). Peripteros hexast. Baſen im Pro-
[57]Griechen. Zweite Periode.
naos. Wilkins Ch. 2. Wohl aus Hierons Zeit. 2. Akragas
(43, 4) beſonders unter Theron (73, 1 ‒ 76, 4) blühend. Da-
mals große Tempel gebaut (Diod. xi, 25). Viele Tempelruinen,
die zwei vollſtändigſten heißen ganz willkührlich (D’Orville p. 95 sq.)
T. der Concordia (128 × 50) und der Juno (124 × 54), be-
ſonders hat ſich der erſte als chriſtliche Kirche wohl erhalten. Die
Säulen 9 bis 10 mod. Das Material iſt ein bräunlich-gelber
Kalkſtein mit verſteinerten Muſcheln. Houel Voyage pittor. T.
iv, pl.
218. 221. Pancrazi Antichità Siciliane T. ii, p. 86.
Wilkins Ch. 3. Fr. Gärtners Anſichten der am meiſten erhaltenen
Monumente Siciliens 1 ff. 3. Selinus (38, 1). Die älte-
ſten Tempel ſcheinen die drei kleineren auf der Burg, jetzt ein
Trümmerhaufen. Houel T. i, p. 24. pl. 16 sq. giebt die Maaße
(154 × 73. 162 × 67. 116 × 46 Par. F.) vgl. de Non
Voy. pitt. iv, p. 184. D’Orville p. 60 sqq. Reinga-
num Selinus p. 78. Hittorf Architecture antique de la
Sicile Livr.
4.


c.Aegina, Tempel der Minerva (nicht des Hellaniſchen
Zeus, Stackelberg Apollotempel zu Baſſä Beil. 3), wahrſcheinlich
nach dem Siege über die Perſer gebaut, Ol. 75. Peript. hex.
hyp.
Die Säulen 10 ½ mod. 94 × 45 Fuß. Aus gelb-
lichem Sandſtein, Dach und Kranz von Marmor. Die Cella war
roth angeſtrichen, das Tympanum himmelblau, am Architrav gel-
bes und grünes Laubwerk, der Leiſten mit den Tropfen blau, das
Band darüber roth; die Marmorziegel mit einer Blume. Ion.
Antiq. T. ii, ch. 5. pl. 2 sq.
Wagner Aeginet. Bildw. S. 217.
Cockerell im Iourn. of Science and the Arts V. vi. n. 12.
Lond.
1819.


81. Zugleich geſchah, beſonders durch die Tyrannen,1
Bewundernswuͤrdiges im Bau von Waſſerleitungen, Ca-
naͤlen, Fontaͤnen und aͤhnlichen zum Nutzen der Gemeinden
dienenden Werken. Fuͤr die Schau der Spiele indeß be-2
half man ſich noch mit einfachen und kunſtloſen Anlagen;
und von herrlichen Theatern, Hippodromen, Stadien iſt
noch nirgends die Rede.


1. Die Εννεάκρουνος (Καλλιῤῥόη) der Peiſiſtratiden. Die
Fontäne des Theagenes. Die Waſſerleitung in Samos, ſieben
Stadien weit durch den Berg, von Eupalinos dem Megarer geführt,
und der Molo des Hafens, wahrſcheinlich ἔργα Πολυκράτεια.
[58]Hiſtoriſcher Theil.
Kloaken (ὑπόνομοι) von Akragas, Φαίακες; eine große Κολυμ-
βήϑρα (Badebaſſin). Diodor xi, 26. bei Ol. 75, 1. (Solche
Kolymbethren ſollte ſchon Dädalos in Sicilien gebaut haben, z. B.
bei dem Megariſchen Gebiet; ſo wie ihm auch die Einrichtung eines
natürlichen Schwitzbades zugeſchrieben wurde, Diod. iv, 78.).


3. Bildende Kunſt.


Verbreitung derſelben.

82. Die bildende Kunſt erhebt ſich nach Olymp. 50
mit ungemeiner Kraft in den verſchiedenſten Gegenden
Griechenlands, und ſtatt des einfoͤrmigen Wirkens von
Geſchlechtern treten kunſtbegabte, von ihrem Talent zur
Kunſt getriebne Individuen in großer Anzahl hervor.
Die Sculptur in Marmor erhaͤlt durch Dipoͤnos und
Skyllis von Kreta die erſte Vervollkommnung; Schuͤler
dieſer Meiſter finden ſich in Sparta und andern Orten.
Der Erzguß wird beſonders auf Aegina, welches Eiland
mit Samos in enger Verbindung ſtand, und zu Argos
von zahlreichen Meiſtern zu Athleten- Heroen- und Goͤt-
terbildern angewandt; eben ſo beſteht eine mit der Argi-
viſchen verbundne ausgezeichnete Kuͤnſtlerſchule zu Sikyon.
Gegen Ende des Zeitraums erhebt ſich die Plaſtik auch
in Athen zu groͤßerer Auszeichnung.


Nahmhafte Künſtler dieſer Zeit ſind die Dädaliden Dipönos
und Skyllis (marmore sculpendo primi omnium in-
claruerunt
) Ol. 50 nach Plin. Sie arbeiten auch in Holz und
Elfenbein, an verſchiednen Orten in Griechenland (Sikyon, Argos,
Kleonä, Ambrakia?). Angelion und Tektäos ihre Schüler gegen 55.
Pauſ. ii, 32. Dorykleidas, Dontas, Theokles, Medon von Lake-
dämon, Toreuten, Schüler des Dipönos und Skyllis g. 55. Pauſ.
v, 17. vi, 19. Endöos (§ 70. Anm. 2.) um 55. Perillos
oder Perilaos, Erzgießer (Stier des Phalaris) 55. Bupalos
und Athenis, Hipponar Feinde (Ol. 60), Bildhauer aus einem
Künſtlergeſchlecht von Chios, Söhne des Archennus, des S. Mik-
kiades, des S. Malas (gegen 40) nach Plin. Welcker Hipponax
p.
9. Kallon von Aegina, Schüler von Tektäos und Ange-
[59]Griechen. Zweite Periode.
lion, Erzgießer, Ol. 60 ‒ 65. (Aeginetica aeris tempera-
tura
Plin.) Gitiadas von Lakedämon ſehr wahrſcheinlich ſein
Zeitgenoß, Erzgießer (zugleich Doriſcher Dichter). Syadras und
Chartas von Lakedämon, Erzgießer Ol. 60. (Sparta ſchickt Ol. 58
dem Kröſos einen großen Keſſel mit Figuren (ζωδίοις) am Rande.
Herod. i, 70). Dameas von Kroton Erzg. 65. Eucheiros von
Korinth, Schüler von Syadras und Chartas, Erzg. 66. Kana-
chos von Sikyon,
Holzſchnitzer, Toreut und Erzgießer, Ol. 67 ‒
73 (Schorn Studien S. 199. Tübinger Kunſtblatt 1821 n. 16.
Thierſch Epochen S. 142. vgl. unten §. 86). Ariſtokles ſein
Bruder, Erzg. (Sicyon diu fuit officinarum omnium me-
tallorum patria
Plin.) Ariſtokles von Kydonia vor Ol. 71 (Pauſ.
v, 25, 6). Eutelidas und Chryſothemis von Argos (τέχναν
εἰδότες ἐκ προτέρων) Erzg. 70. Antenor von Athen Erzg. 70.
Arkeſilaos, Ariſtodikos S., um 70. Stomios, Erzgießer 72.
Damophilos und Gorgaſos, Thonbildner und Mahler in Italien, 72.
Synnoon von Aegina, Schüler des Ariſtokles von Sikyon, Erzg.
72. Klearchos von Rhegion Erzg. 72. Glaukias von Aegina Erzg.
73 ‒ 75. Askaros von Theben Erzg. vor 75. nach Pauſ. Meinung.
Ageladas von Argos, Erzgießer Ol. 68 ‒ 81. (Des Verf.
Commentatt. de Phidia i. §. 6 ‒ 8. Welcker im Tüb. Kunſtbl.
1827. N. 81.) arbeitet mit Kanachos und Ariſtokles drei Muſen
(Anthol. Pal. ii, p. 692. Planud. n. 220). Anaxagoras von
Aegina Erzg. 75. Diyllos, Amykläos, Chionis Korinthier, Erzg.,
nicht lange vor 75. Ariſtomedon von Argos Erzg. um dieſelbe
Zeit. Ariſtomedes und Sokrates von Theben, Marmorarbeiter 75.
Menächmos und Soidas von Naupaktos, Toreuten um 75. Kri-
tias von Athen
(νησιώτης, wahrſcheinlich Kleruch in Lemnos)
Erzgießer 75 ‒ 83. Hegias (Hegeſias) von Athen, Erzg. aus
derſelben Zeit. Glaukos von Argos Erzg. 77. Dionyſios von
Argos Erzg. 77. Simon von Aegina Erzg. 77. Ptolichos von
Aegina, Sohn und Schüler des Synnoon, Erzg. 78. Onatas
von Aegina
Erzg. 78 ‒ 83. Kalynthos von Aegina Erzg. 80.
Kalliteles von Aegina, Onatas Schüler, Erzg. 83. Die Data,
auf welchen dieſe Angaben beruhn, finden ſich in Sillig’s Catal.
Artif.;
wo Abweichungen der Reſultate ſtattfinden, ſind die Gründe
zum Theil ſchon aus der Zuſammenſtellung des Ganzen, zum Theil
aus dem folgenden zu erſehn.


Cultusbilder (ἀγάλματα).

83. Wie es nicht die Cultusbilder waren, von denen1
eine freiere Ausbildung der Kunſt ausging: ſo entzogen
[60]Hiſtoriſcher Theil.
ſie ſich, durch die Pietaͤt, mit der die alte Form feſt-
gehalten wurde, auch noch in dieſer Periode und ſpaͤter
2dieſer Ausbildung ſehr haͤufig. Man gab in Colonieen
getreu die Geſtalt der Bilder der Metropolis wieder, und
3ahmte nicht ſelten, wenn man ein neues Bild bedurfte,
die Figur des alten genau nach.


2. Solche Bilder ſind ἀφιδρύματα (Weſſeling zu Diod.
xv, 49.), die namentlich bei der Artemis Epheſia viel vorkommen
(Dionyſ. ii, 22. vgl. viii, 56.). In Maſſilia (Ol. 45. od. 60)
und ſeinen Colonieen bewahrte man τοῦ ξοάνου τὴν διάϑεσιν
τὴν αὐτήν Strab. iv, p. 179. Die ἀφιδρύσεις der Tempel,
wie in der Geſchichte von Helike, Olymp. 101, 4. bei Diod. a. O.
Strab. viii, p. 385, umfaſſen die Nachahmung des βρέτας.


3. Onatas ahmt das alte verbrannte ξόανον der Demeter
Meläna von Phigalia, mit Pferdekopf, aus dem Drachen und an-
dere Thiere hervorwachſen, Delphin und Taube auf der Hand, der
Tradition folgend, in Erz nach, Pauſ. viii, 42. Geſchichte von
der Λευκιππίς zu Sparta Pauſ. iii, 16.


184. Auch im Stoffe entfernt man ſich nur allmaͤlig
von dem fruͤher gebraͤuchlichen Holze. Man ſetzt an die
bekleideten oder auch vergoldeten Koͤrper von Holz Koͤpfe,
2Arme, Fuͤße von Stein (Ἀκρόλιϑοι); man fuͤgt dem
3Holz auch Elfenbein an, oder belegt es ganz mit Gold.


1. Ἀκρόλιϑοι Pauſ. ii, 4, 1. vi, 25, 4. vii, 21, 4.
23, 5. viii, 25, 4. 31, 1. 3. ix, 4, 1. Vitruv ii, 8, 11.
Ein Beiſpiel iſt das Standbild des Apollon bei Phigalia, Stackel-
berg Apollotempel S. 98.


2. Die Dioskuren mit Frauen, Kindern und Roſſen zu Argos,
von Dipönos und Skyllis, aus Ebenholz; an den Roſſen Einiges
aus Elfenbein, Pauſ. ii, 22, 6.


3. Χρυσέων ξοάνων τύποι Eurip. Troad. 1081.


185. Hieraus entwickeln ſich die in dieſer Periode ſehr
beliebten Goͤtterbilder, in welchen ein Kern von Holz mit
2Elfenbein und Gold uͤberzogen wird. Man rechnet dieſe
Arbeit, welche ſchon fruͤher auf aͤhnliche Weiſe bei Ge-
[61]Griechen. Zweite Periode.
raͤthen angewandt worden war (§. 56), zur Toreutik,3
worunter Sculptur in Metallen (die Kunſt des ciseleur),
aber auch dieſe Combination von Metall mit andern Stof-
fen verſtanden wird. Indeß wird jetzt auch der Erzguß4
haͤufiger auf die Darſtellung der Goͤtter in ihren Tem-
peln verwandt.


1. Solche χρυσελεφάντινα ἀγάλματα exiſtirten von Dory-
kleides, Theokles, Medon (im Heräon zu Olympia), von Kanachos
(die Aphrodite zu Sikyon), Menächmos und Soidas.


2. Wahrſcheinlich war auch der Thron des Amykläiſchen
Apollon,
den Bathykles der Magneſier, wohl in Kröſos Zeit
(wo die Spartaner zuerſt auf koſtbare ἀναϑήματα bedacht gewe-
ſen zu ſein ſcheinen §. 69. 82.) baute, ein Werk der Toreutik.
Reliefs in 42 Feldern, an den Füßen ſtützende Bildſäulen, zwei
Chariten, zwei Horen, Echidna und Typhoeus, Tritonen. Pauſ. iii,
19. Heyne Antiqu. Aufſ. St. 1. S. 1. Quatremère-de-Quincy
Iup. Olymp. p. 210. mit manchen Fehlern (in Betreff der κα-
ϑέδραι und εὐρυχωρίαι, der ἀναϑήματα ἐπ̕ ἐξειργασμένῳ
τῷ ϑρόνῳ), Welcker Zeitſchrift i, ii. S. 280 ff.


3. Toreutik. Heyne Antiq. Aufſ. St. 2. S. 127. Schneider
Lex. s. v. τορεύειν. Quatremère-de-Quincy a. O. S. 75 sqq.


4. Eherne Cultusbilder z. B. der Apollon Phileſios des Kana-
chos in Didymäon, die §. 83, 3 erwähnte Demeter des Onatas u. a.


86. Die Darſtellung der Goͤtter ſelbſt geht in dieſer
Periode durchaus von einem frommen, von Ehrfurcht
und Scheu vor der Gottheit durchdrungenen Gemuͤthe
aus. Die Gottheiten werden gern thronend (εὔϑρονοι)
dargeſtellt; ſinnlicher Liebreiz wird noch bei keiner hervor-
gehoben; wie die Glieder gewaltige Kraft: ſo zeigen die
Mienen einen ſtarren und unbewegten Ernſt.


Vgl. unten die einzelnen Götter im zweiten Haupttheil. Ein
Hauptbeiſpiel iſt der Ἀπόλλων Φιλήσιος im Didymäon,
von Kanachos nach der Plünderung und Anzündung des Hieron
Ol. 71, 1. (wobei der Erzcoloſſ gewiß nicht ausgedauert hätte) vor
75, 2 (da ihn Xerxes fortführte) gearbeitet — in ſteifer Stellung,
ſehr musculös u. vierſchrötig, auf der ausgeſtreckten R. ein Hirſch-
[62]Hiſtoriſcher Theil.
kalb, in der geſenkteren L. einen Bogen haltend. Die Geſichtszüge
ſtreng und archaiſtiſch (§. 94.), die Haare geſcheitelt, mit Drahtlöckchen
über der Stirn. Zuſammenzuſetzen aus den Mileſiſchen Münzen
(Seleukos Nikator reſtituirte das Bild) Pellerin Recueil des
Med. de peuples T. ii. tb. 57. fg.
39 u. ſonſt, der Bronze
Specimens of ancient sculpture pl. 12., dem Kopfe im britt.
Muſ. Spec. pl. 5., und manchen Marmorbildern (Bonus Even-
tus
). Völkel in Welkers Zeitſchr. i, 1. S. 162. Schorns Kunſtbl.
1821 N. 16.


Ehrenbildſäulen (ἀνδριάντες).

187. Die Athletenbilder, welche die Kunſt auf
das Leben hinwieſen, beginnen nach den vorhandenen
Nachrichten mit Olymp. 58., aber werden ſogleich ſehr
2zahlreich und beſchaͤftigen die vorzuͤglichſten Kuͤnſtler. Ob-
gleich in der Regel keineswegs eigentliche Portraͤtſtatuen,
waren ſie doch beſtimmt, die koͤrperliche Tuͤchtigkeit und
3Ausbildung im Andenken zu erhalten, und deuteten oft
auch durch Stellung und Bewegung die eigenthuͤmliche
Kunſt des Kaͤmpfers an. Der Menſchenfigur geſellt ſich
in dieſen Anathemen das Roß.


1. Pauſ. vi, 18, 5. nennt als die erſten nach Olympia geweihten
Athleten: Praxidamas von Aegina Ol. 58. (von Cypreſſen), Rhexi-
bios von Opus Ol. 61. (von Feigenholz). Noch älter war in-
deß die alterthümlich ſteife Bildſäule (Ol. 53.) des Arrhachion von
Phigalia, der als Todter zu Olympia gekränzt worden war.


2. Olympiae omnium qui vicissent statuas dicari mos
erat. Eorum vero qui ter ibi superavissent, ex membris
ipsarum similitudine expressa, quas iconicas vocant,

Plin. xxxiv, 9.


3. Glaukos der Karyſtier, ἐπιτηδειότατος χειρονομῆσαι,
war von Glaukias von Aegina σκιαμαχῶν dargeſtellt, Pauſ. vi,
10, 1. Vgl. Xenoph. Memor. iii, 10. Ὅτι μὲν, ἔφη, ὦ
Κλείτων, ἀλλοίους ποιεῖς δρομεῖς τε καὶ παλαιστὰς καὶ
πύκτας καὶ παγκρατιαστὰς, ὁρῷ τε καὶ οἶδα.


88. Außer dieſen Siegern in heiligen Weltkaͤmpfen
waren Bildſaͤulen von Individuen in dieſer Zeit noch ſehr
ſelten; ihre Weihung ſetzt immer ganz beſondere Veran-
[63]Griechen. Zweite Periode.
laſſungen voraus; das χαλκοῦν τινὰ στῆσαι war zu-
erſt eine faſt ἡρωικὴ τιμή.


Dies gilt von den Bildern der Argiver Kleobis und Biton
in Delphi, Herod. 1, 31, gegen Ol. 50., der Freiheitshelden Har-
modios u. Ariſtogeiton von Athen (die erſten machte Antenor zw.
67, 3. u. 75, 1., die zweiten Kritias Ol. 75, 4. Marm. Par.
Ep.
55. Pauſ. 1, 8, 5. u. Aa.), der Phokeiſchen Heerfuͤhrer in
dem furchtbaren Kriege gegen die Theſſaler, Werken des Ariſto-
medon geg. Ol. 74. Pauſ. x, 1, 4.; auch den εἰδώλοις der
im Kriege gefallnen Fürſten Spartas, Herod. vi, 58. Hipponar
Bild (§. 82.) war nichts weniger als ein Ehrenbild. Vgl. Köh-
ler über die Ehre der Bildſäulen, Schriften der Müncher Akade-
mie Bd. vi. S. 67. Hirt Schr. der Berl. Acad. 1814. 15. Hiſt.
Cl. S. 6. Böckh Corp. Inscr. p. 18 sq. 872 sq. (zur Si-
geiſchen Inſchrift).


Mythologiſche Figuren als Weihgeſchenke (ἀναϑήματα).


89. Viel haͤufigere Weihgeſchenke waren jetzt Figu-1
ren oder auch ganze Gruppen, meiſt von Erz, aus der
Goͤtter und Heroenſage. Zur Erinnerung an die fruͤher2
allgemeine Art der Weihgeſchenke (§. 78.) werden auch
mitunter Statuen unter Dreifuͤße geſtellt, die ihnen als
Einfaſſung und Dach dienen. Die Mythologie wird in3
dieſen Weihgeſchenken auf eine ganz aͤhnliche Weiſe, wie
in der Lyrik und von Aeſchylos im Drama, gebraucht,
um der Gegenwart eine hoͤhere Bedeutung zu verleihen.


2. Dreifüße in Amyklä von Kallon u. Gitiadas mit Göttin-
nen darunter, Pauſ. iii, 18. Vgl. Amalthea iii S. 30 f.
Noch die Weihgeſchenke für den Perſerkrieg und die Siege der Si-
cil. Tyrannen über Karthago waren zum großen Theil Dreifüße.
Ebd. S. 27.


3. Die Phokeer weihten, für den Sieg über die Theſſaler am Par-
naſſ, den Dreifußraub des Herakles: Leto, Artemis, Apollon, He-
rakles, Athena. Sie ſtellten ſich nämlich dadurch als Schirmer des
Dreifußes dar, die Theſſaler-Fürſten waren Herakliden, ihr Feldge-
ſchrei Athena Itonia. Chionis, Diyllos, Amykläos. Herod. viii, 27.
Pauſ. x, 13, 4. vgl. x, 1, 4. — Ein Sieg Tarents über die
Penketier wird durch eine Gruppe des Outas gefeiert, worin Ta-
ras u. Phalauthos. Pauſ. x, 13, 5.


[64]Hiſtoriſcher Theil.
Tempelſculpturen.

190. Auf eine aͤhnliche Weiſe wurden mythologiſche
Gruppen fuͤr die in dieſer Periode gewoͤhnlich gewordene
Ausſchmuͤckung der Tempel durch Steinbildwerke, in
den Metopen, an dem Frieſe, auf den Giebeln und
Akroterien, gewaͤhlt, indem auch hier Alles in Bezug ge-
ſetzt wurde auf die Gottheit, die Weihenden, die Um-
2ſtaͤnde der Weihung. Zwei Werke der architektoniſchen
Sculptur bezeichnen ziemlich die Graͤnzen dieſer Periode,
die Selinuntiſchen Metopenreliefs und die Aeginetiſchen
3Tempelſtatuen, von denen die letztern jene Kunſt in der
Wahl und Behandlung des mythologiſchen Gegenſtandes
beſonders deutlich machen koͤnnen.


2. Die auf der Burg von Selinus bei dem mittlern Tem-
pel von Harris und Angell entdeckten und zuſammengeſetzten, in
Palermo aufbewahrten, Metopen-Tafeln (4 F. 9½ Z. × 3 F.
6½ Z.) ſind mit Reliefs geſchmückt, welche bemahlt waren, und
die Kunſt noch ganz in ihrer Kindheit zeigen (etwa um Ol. 50).
1. Herakles nakt (die Löwenhaut wohl von vergoldeter Bronze)
die Kerkopen tragend. Μή τευ μελαμπύγου τύχης. 2. Per-
ſeus mit der κυνῆ des Hermes (Münzen von Aenos, Mion-
net Description, Planches 49, 3.) und den Flügelſchuhen,
Athena im Peplos, Meduſa u. Pegaſos. Bedeutend ſpäter iſt
das Relief mit dem Viergeſpann, ſo wie die architektoniſchen Sculp-
turen des mittlern Tempels der Unterſtadt, obgleich auch dieſe,
am meiſten der Torſo eines niedergeworfenen, ſterbenden Helden,
ſehr alterthümlich ausſehn. S. indeß §. 109. Anm. 17.


P. Piſani Memorie sulle opere di scultura in Selinunte
scoperte.
Palermo 1823. Von Klenze im Tübinger Kunſtblatt
1824. N. 8. vgl. N. 28. 39. 69. 78. 1825. N. 45. 1826.
N. 98. Böttigers Amalthea iii. S. 307 ff. Harris u. Angell,
Selinuntian Sculptures (?). Hittorf Architecture antique
de la Sicile Livr. 4. pl.
24. 25. (Franc. Inghirami) Osserva-
zioni sulle antich. di Selinunte illustr. del S. P. Pisani 1825.
Monum. Etruschi Ser. vi. t. v.
5. Thierſch Epochen S. 404
ff. Tf. 1. (nach Zeithnungen von Klenze).


3. Die Aeginetiſchen Bildwerke 1811. von mehrern
Deutſchen, Dänen und Engländern (Bröndſted, Koes, Cockerell
Foſter, von Haller, Linkh, v. Stackelberg) gefunden, ſind von
Thorwaldſon reſtaurirt und nach München gebracht worden. Sie
[65]Griechen. Zweite Periode.
bildeten zwei einander entſprechende Gruppen in den Giebelfeldern
des Minerventempels (§. 80. Anm. ii, c.) wovon die weſtliche voll-
ſtändiger, die öſtlichen Figuren aber größer und beſſer gearbeitet ſind.
Athena leitet die Kämpfe der Aeginetiſchen Helden gegen Troja,
im W. den Kampf um Patroklos (Achilleus?), in O. um Lao-
medons Leichnam. Herakles ſteht in O. zum Aeakiden Telamon im
Verhältniß des Pſilos (vgl. Eurip. Raſ. Herakl. 158) wie Teukros
zu Aias in W.; Coſtüm und Geſtalt entſpricht der auf den Thaſi-
ſchen Münzen (Mionnet Descr. Pl. 55.). Wie die Aeakiden hier
die Barbaren Aſiens ſchlagen: ſo hatten ſie neuerlich bei Salamis,
dem Glauben nach, mitgefochten (Herod. viii, 64. Aa), ſammt
Athena, die in Aegina auch Seekämpfen vorſteht (Her. iii, 59).
Beſtimmter deutet auf dieſe Parallele das Perſiſche Bogenſchützen-
Coſtüm des Paris (πῖλοι ἀπαγέες, κιϑῶνες (σκύτινοι) χει-
ριδωτοὶ ποικίλοι λεπίδος σιδηρέης ὄψιν ἰχϑυοειδέος, περὶ
τὰ σκὲλεα (σκύτιναι) ἀναξυρίδες Herod. i, 71. v, 49.
vii,
61.). Darnach gehören ſie ſicher in Ol. 75 ff. Dem Mar-
mor war wahrſcheinlich vergoldete Bronze angefügt (wie die Löcher
im Helm, den Ohren der Athena zeigen), auch die Locken zum
Theil aus Draht angeſetzt. Spuren von Farbe an Waffen, Klei-
dern, Augäpfeln, Lippen, nicht am Fleiſch. Die Anordnung der
Gruppen iſt überaus verſtändig und zweckmäßig; vom Styl der
Arbeit §. 92. Auf den Akroterien ſtanden weibliche Figuren in
alterthümlicher Draperie und Haltung (Mören, Niken, Keren?)


Wagners Bericht über die ägin. Bildw. mit kunſtgeſchichtl.
Anm. von Schelling. 1817. Hirt in Wolfs Analekten H. iii.
S. 167. (der für Erklärung und Zeitbeſtimmung ſich das Haupt-
verdienſt erworben). Cockerell §. 80. Anm. ii, c. Thierſch über
die mythiſche Bedeutung der Aegin. Bildw. Amalthea i. S. 137
ff. Göthe’s Kunſt u. Alterthum B. iii. S. 116 ff.


Styl der bildenden Kunſt.

91. So wenig zu erwarten iſt, daß in einer Zeit ei-
nes ſo angeſtrengten Strebens, bei der großen Ausdeh-
nung des Kunſtbetriebs, dem verſchiedenen Stammcharak-
ter der Dorier und Jonier, dem Mangel eines Mittel-
punkts, die Kunſt uͤberall auf gleiche Weiſe fortgeſchrit-
ten ſei: ſo bemerkt man doch gewiſſe durchgaͤngige und in
dem Gange der Helleniſchen Kunſtentwickelung mit Noth-
wendigkeit gegebne Veraͤnderungen. Sie beſtehen haupt-
ſaͤchlich darin, daß die Formen aus der urſpruͤnglichen
5
[66]Hiſtoriſcher Theil.
unbezeichnenden Roheit in ein Uebermaaß der Bezeichnung,
einerſeits von Kraft, Energie, Tuͤchtigkeit, andererſeits
von Zierlichkeit, welche fuͤr dieſe Zeit die Anmuth vertre-
ten mußte, uͤbergehn. Die dieſer Richtung angehoͤrenden
Bildwerke nennt man „im altgriechiſchen Style“ ge-
arbeitet.


192. Die Formen des Koͤrpers ſind an dieſen Bild-
werken uͤbermaͤßig muskuloͤs; Gelenke, Sehnen zu ſehr
hervorgehoben, und eben dadurch alle Umriſſe zu hart
2und ſchneidend. Solche Haͤrte wird in hohem Maaße
von Kallon, ſchon weniger von Kanachos ausgeſagt, aber
auch dem Styl der Attiſchen Meiſter um Ol. 75 noch
3zu ſcharfe Muskelbezeichnung vorgeworfen. Indeß fuͤhrte
grade dieſe Strenge der Zeichnung zu der Naturwahrheit,
welche an den Aeginetiſchen Statuen, in den meiſten
4Stuͤcken, ſo ſehr bewundert wird. — Mit dieſer Kraͤftigkeit
der Zeichnung verbinden ſich gewoͤhnlich kurze und gedrun-
gene Proportionen, obgleich auch ein uͤbermaͤßiges in die
Laͤnge Ziehn der Figuren nicht ſelten, doch mehr in Mah-
5lereien als Sculpturen, gefunden wird. — Die Bewe-
gungen haben gewoͤhnlich etwas Schroffes, Eckiges, und
auch bei großer Lebendigkeit eine gewiſſe Steifheit.


2. Duriora et Tuscanicis proxima Callon atque Hegesias,
Quiutil. Instit. xii, 10. Canachi rigidiora quam ut imi-
tentur veritatem
Cicero Brut. 18, 70. Οἷα τὰ τῆς πα-
λαιᾶς ἐργασίας ἐστὶ Ἡγησίου καὶ τῶν ἀμφὶ Κριτίαν τὸν
Νησιώτην, ἀπεσφιγμένα (adstricta) καὶ νευρώδη καὶ σκλη-
ρὰ καὶ ἀκριβῶς ἀποτεταμένα ταῖς γραμμαῖς. Lukian praec.
rhet.
9. Demetr. de elocut. §. 14. ſagt, der ältere rhetoriſche
Styl ſei unperiodiſch aber περιεξεσμένος, wie die alten ἀγάλματα,
deren τέχνη συστολὴ καὶ ἰσχνότης. Vgl. damit §. 96. N. 11.
14. 15. 19.


3. In den Aeginetiſchen Statuen verbindet ſich mit
einer Naturwahrheit, die in Erſtaunen verſetzt, manche Sonderbar-
keit, wie das ſtarke Angeben des Bruſtknorpels, die eigne Abthei-
lung des musculus rectus, und die ſpitze Form auch ſtarkgebog-
[67]Griechen. Zweite Periode.
ner Kniee. Wagner (§. 90.) S. 96. — Gleiches Verdienſt der
Naturtreue ſcheint der um Ol. 74. aufgeſtellte Hermes ἀγοραῖος
gehabt zu haben, noch in Lukians Zeit ein Studium der Erzgießer,
Zeus Trag. 33. Wiener Jahrb. xxxviii S. 281.


4. Kurze Proportionen N. 2. 3. 4. 6. 10. 12. 14. 15. 16.
19. Vgl. die Vaſen 1. 2. 3. 6. Beiſpiele der ſchlanken N. 20.
21. 22. Vgl. die Vaſen 4. 5., auch 9. 10.


5. Vgl. N. 7. 11. 12. 14. 15., u. die Gemälde 4. 5. 6.
7. 10.


93. Jene alterthuͤmliche Zierlichkeit aber zeigt ſich in1
den ſauber und regelmaͤßig gefaͤltelten Gewaͤndern (vgl.
oben §. 69), den zierlich geflochtenen oder drahtfoͤrmig2
gelockten und ſymmetriſch angeordneten Haaren, dann in3
der eignen Haltung der Finger, die beim Anfaſſen von
Sceptern, Staͤben u. dgl., an weiblichen Figuren auch
beim Aufnehmen der Gewaͤnder, immer wiederkehrt, in4
dem ſchwebenden Gange auf den Fußſpitzen und zahlreichen
andern Einzelheiten. Verwandter Art iſt die Forderung5
des Parallelismus und der Symmetrie bei der Gruppi-
rung mehrerer Figuren.


1. S. N. 7. 8. 9. 13. 14. 16. 17. Außer den geſteiften
und geplätteten Tempelgewändern, muß hier der Geſchmack der Zeit
für zierliche faltenreiche Gewandung in Anſchlag gebracht werden,
der beſonders in Jonien herrſchte, und ſich in Athen mit der Zeit
des Perikles verlor. Τεττιγοφόροι, ἀρχαίῳ σχήματι λαμπροί.
Minervae Poliadis aedis p. 41. — Die cannelürenartige Be-
handlung der Falten, welche man ſonſt in dieſe Zeit ſetzte, z. B.
an der Heſtia, Gal. Giustiniani T. 1. t. 17., ſcheint erſt ſpäter
für gewiſſe Zwecke beliebt worden zu ſein; Thierſch Epochen S.
134. hält dieſe Art von Statuen für Attiſche aus Kritias Zeit.


2. S. N. 7. (auch an der pubes) 11. 12. 14. 16. Auch
dies ſtammt aus der Sitte des feineren und vornehmeren Lebens da-
maliger Zeit, die beſonders an Feſten hervortrat und ſich erhielt.
Aſios bei Athen. xii, 525 F. Βαδίξειν Ἡραῖον ἐμπεπλεγ-
μένον. Ἀϑηνᾶ παραπεπλεγμένη, Pollux ii, 35.


3. S. N. 14. 15. 16. 17. 21. Primore digito in ere-
ctum pollicem residente
adorirte man, Appulej. Met. iv. p. 90.
5*
[68]Hiſtoriſcher Theil.
Bip. Mit drei Fingern legt man Opferfladen, Weihrauch u. dgl.
Ariſtoph. Weſp. 95. Porphyr. de abstin. ii, 15. Ovid. F. ii,
573. Lactaut. Inst. v, 19.


194. In der Bildung der Koͤpfe herrſchen in der alt-
griechiſchen Kunſt gewiſſe Grundformen, welche, theils
aus alter Unvollkommenheit der Kunſt, theils aus einer
unſchoͤnen Auffaſſung nationaler Zuͤge hervorgegangen,
durch haͤufige Anwendung in beruͤhmten Kunſtſchulen ein
beinah typiſches Anſehn erlangt hatten, und daher auch
dann noch beibehalten wurden, als die Kunſt in der Bil-
dung des uͤbrigen Koͤrpers ſchon ſehr weit vorgeſchritten
2war. Dazu gehoͤren im Ganzen eine zuruͤckliegende Stirn,
ſpitze Naſe, eingezogener Mund mit emporgerichteten Win-
keln, flache langgezogene Augen, ſtarkes eckiges Kinn,
flache Wangen, hochſitzende Ohren.


1. Vultum ab antiquo rigore variare, war Verdienſt
des Polygnot in der Mahlerei Plin. xxxv, 35.


2. S. N. 3. 5. 6. 7. 11. 12. 13. 14. 16. Von den Aegi-
net. Statuen beſonders den Athenakopf. Die Münzen §. 98.


95. Das Eigenthuͤmliche des Aeginetiſchen Styls
ſcheint, den Andeutungen bei den alten Schriftſtellern
und dem Charakter der erwaͤhnten Sculpturen zufolge,
theils in ſtrenger Feſthaltung des Alterthuͤmlichen, theils
in ſehr genauer und emſiger Nachahmung der Natur,
ſomit (dem Stammcharakter der Dorier gemaͤß) in einer
ſehr gewiſſenhaften aber wenig freien Art die Kunſt zu
treiben, beſtanden zu haben.


Τρόπος τῆς ἐργασίας ὁ Αἰγιναῖος, πλαστικὴ ἡ Αἰγι-
ναία u. dgl. Pauſ. i, 42. ii, 30. vii, 5. viii, 53. x, 36.
welcher τῶν Ἀττικῶν τὰ ἀρχαιότατα, ſo wie die Αἰγύπτια
davon genau unterſcheidet, vii, 5. Λἰγινητικὰ ἔργα τοὺς
συμβεβηκότας (vgl. §. 68. Anm. 3.) ἀνδριάντας.


Ueberreſte der bildenden Kunſt.

96. Die Reſte des altgriechiſchen Styls beſtimmt zu
bezeichnen iſt deswegen ſchwierig, weil, abgeſehn von dem
[69]Griechen. Zweite Periode.
langen Beſtande deſſelben in Etrurien, auch in Griechen-
land zu allen Zeiten beſonders Weihgeſchenke fuͤr Tempel
in einem abſichtlich ſteifen und uͤberzierlichen Styl gear-
beitet worden ſind. Man nennt dieſen den hieratiſchen
oder archaiſtiſchen Styl. Von den ξοάνοις
dieſer Periode hat ſich Nichts, von Erzbildern, au-
ßer analogen Werken in Etrurien, nur die ſehr alterthuͤm-
lich ſteife Bronzefigur, der Lychnuchos des Polykrates,
erhalten.


N. 1. Πολυκρατες ανεϑεκε Paciaudi Monum. Pelop. T. ii.
p. 51. Collectio Antiqq. Mus. Nan. n.
29. 276. vgl. Corp.
Inscr. n.
6.


Die genauer bekanntgewordenen Steinbilder des
alten Styls moͤchten ſich, nach ihrem Style, ungefaͤhr ſo
ſtellen laſſen.


2. Die Statuen am heiligen Wege der Branchiden. Ungeach-
tet der höchſten Simplicität und Roheit reichen ſie nach den In-
ſchriften bis Olymp. 80. Ionian antiq. T. 1. n. Ausg. Amal-
thea iii. S. 40. Corp. Inscr. n. 39. u. p. xxvi.


3. Die Pallas der Villa Albani. Winckelm. Monum. ined.
P. I. p. 18. n.
17. Werke B. vii. Tf. 4.


4. Die Penelope im Muſeum Pio-Clementinum und Chiara-
monti, beſtimmt von Thierſch Kunſtblatt 1824. St. 68 ff. Epochen
S. 426.


5. Die Nachbildungen des Apollon von Kanachos, §. 86.


6. Die Aeginetiſchen Statuen, §. 90. Anm. 3.


7. Der ſterbende Held von Selinus §. 90. Anm. 3.


8. Die Dresdner Pallas. Ἐν προβολῇ. Nachbildung eines
bekleideten Xoanon, mit Bezug auf den Panathenaiſchen Peplos
(über den Böckh tragic. princ. p. 192, des Vf. Minervae
Poliadis aedis p.
26). Das Relief, welches den hineingeſtickten
Gigantenkampf darſtellt, iſt mit gutem Grunde im vervollkommneten
Style gehalten. Auguſteum i. T. 9. Böttigers Andeutungen S. 57.
Schorn Amalthea ii. S. 207. Meyers Geſch. Tf. 5. A.


9. Die Herculaniſche Pallas in hieratiſchem Styl, vergoldet
und bemahlt. Millingen Uned. monum. Ser. ii. pl. 7. p. 13.


[70]Hiſtoriſcher Theil.

10. Unter den archaiſtiſchen Apollobildern iſt beſonders merkwür-
dig ein Apollon (Ἀρνεῖος von Argos?) im Muſ. Chiaramonti,
Gerhard Ant. Bildw. i. T. 11. Vgl. ii Theil: Apoll.


Die Reliefs in Stein koͤnnen etwa ſo geſtellt wer-
den: (wobei zu bemerken, daß, außer 11, vielleicht 12.
13. 15, und den zuletztſtehenden, keine ſicher aus der
Zeit ſind, deren Kunſt ſie darſtellen. In den aͤlteſten,
wie den Selinuntiſchen, erſcheint die Behandlung des Re-
liefs auch durch das Beſtreben ſchwerfaͤllig, jeden Theil
des Koͤrpers in einer moͤglichſt deutlichen und leicht zu
zeichnenden Geſtalt darzuſtellen).


11. Die Selinuntiſchen Metopen §. 90, Anm. 2.


12. Das Samothrakiſche Relief (wohl von einem puteal), mit
Agamemnon, Talthybios, Epeios. Tiſchbeins u. Schorns Homer nach
Antiken H. ix, Tf. 1. Millingen Uned. mon. Ser. ii, pl. 1.
Amalthea iii. S. 35. Corp. Inscr. n. 40.


13. Das ſogen. Relief der Leukothea. Winckelmann Mon.
ined. P. i. p. 67. n.
56. Zoëga Bassir. T. 1. tv. 41. Winck.
Werke Th. iii. Tf. 3.


14. Dreifußraub. Ein zeitig gebildetes Sujet (§. 89. Anm.
3.) wahrſcheinlich bei Weihung von Tripoden viel gebraucht, die in
Delphi, Theben, Athen ſehr häufig. Die Baſis zu Dresden (Au-
guſt. i. Tf. 5 — 7) läßt ſich am beſten erklären als Unterſatz ei-
nes Dreifußes, der in einem ἀγὼν λαμπαδοῦχος als Preis ge-
wonnen. Auf daſſelbe Original führen zurück die Reliefs bei Pa-
ciaudi Mon. Pelop. T. 1. p. 114. (aus Lakonika), Monum. du
Musée Nap. T. ii. pl.
35. (in Paris), Zoëga T. ii. t. 66
(Villa Albani). Vgl. jetzt beſonders Fr. Paſſow in Böttigers
Archäol. u. Kunſt i, S. 125.


15. Verſöhnung des Herakles, dem Athena (die Gottheit dem
Heros) vorausſchreitet, Alkmena (?) folgt, mit den Pythiſchen Göt-
tern, auf die Hermes und die Chariten als Friedens- und Freund-
ſchaftsgötter folgen, auf dem Korinthiſchen Puteal bei L. Guilford.
Dodwell Alcuni bassir. della Grecia, Rom 1812. Tour. ii.
p.
201. Gerhard Ant. Bildw. i, 14 — 16 (Zug der neuge-
bornen Aphrodite nach dem Olymp).


16. Der Βωμὸς Δώδεκα ϑεῶν aus Villa Borgheſe in Pa-
ris, ein treffliches Werk, edel gedacht und überaus fleißig gearbeitet.
Unter den Zwölfgöttern die Mören, Horen und Chariten. Vielleicht
[71]Griechen. Zweite Periode.
eine Nachbildung des Piſiſtratidiſchen Β. Δώδεκα ϑεῶν, um Ol.
64. Viſconti Mon. Gabini tv. agg. a. b. c. Piocl. T. vi.
tv. agg. b.
Winck. W. iii. Tf. 7. 8. Aehnliche Zuſammen-
ſtellungen das Capitol. Puteal mit zwölf Göttern, Winck. Mon. in.
n. 5. Mus. Cap. iv. tb.
22. Winck. W. iii. Tf. 4. Die ara
tonda
des Capitols mit Apoll, Artemis, Hermes, Mus. Cap. T.
iv. tb.
56. Winck. W. iii. Tf. 5. Eine andre aus dem Muſ.
Cavaceppi’s mit Zeus, Athena, Hera Welckers Zeitſchr. i, ii. Tf.
3. ii. 11. Vgl. Zoëga Bassir. ii, 100. 101.


17. Anathemen für muſiſche Siege, im zierlichſten hieratiſchen
Style. Apollon als Pythiſcher Kitharode σπένδων καὶ Νίκη
οἰνοχοοῦσα (vgl. Corp. Inscr. p. 248. c. 1.) Zoëga Bass. ii.
t. 99. Monumens du Musée Napol. T. iv. pl.
7. 9. 10.
(Omphalos). — Apollon in demſelben Coſtüm einen Päan ſin-
gend. Ebend. pl. 8. Die Figur des Apollon iſt hier völlig dieſelbe,
welche Appulej. Florid. p. 128. Bip. als ein Samiſches Erzbild
des Bathyllos beſchreibt (vgl. u. a. die Worte: manus ejus tenerae,
procerula laeva distantibus digitis nervos molitur:
dextera psallentis gestu suo pulsabulum citharae
admovet
),
auf dieſes beziehn ſich Anacr. 29. v. 43 — 47,
welche Verſe nicht zum übrigen gehören, und von einem Samiſchen
Phöbos-Bathyllos ſprechen.


18. Das Siegsopfer für Pallas Polias (οἰκουρὸς ὄφις) in
mehrern Reliefs, Mon. du Musée Napol. iv. pl. 11. Amal-
thea Bd. iii. S. 48.


Den Uebergang des altgriechiſchen Styls zu dem
vollendeten der folgenden Periode koͤnnen beſonders fol-
gende Reliefs anſchaulicher zu machen dienen.


19. Herakles auf der Hindin (πάντα νευρώδη). Combe
Marbles of the Brit. Mus. ii pl. 7. Specimens pl. 11. Die
Stellung blieb auch in der ſpätern Kunſt faſt dieſelbe. Anthol.
Pal. ii. p. 653. Plan.
96.


20. Der Kaſtor ἱππόδαμος mit dem Kaſtoriſchen Hunde, aus
der Tiburtiniſchen Villa des Hadrian. Combe Marbles ii. pl. 6.
Spec. pl.
14.


21. Der Thiaſos des Satyr und der Mänaden in alter Feier-
lichkeit. Καλλίμαχος ἐποίει Mus. Capit. T. iv. tb. 43.


Auch in Terracotta ſind Arbeiten des hieratiſchen
Styls viel gewoͤhnlicher, als unbezweifelt aͤchte Werke
dieſer Periode.


[72]Hiſtoriſcher Theil.

22. Aecht alterthümlich ſind die auf Melos gefundnen Re-
lieffiguren, ohne Unterlage, wahrſcheinlich von einem Votivſchilde,
Perſeus als Gorgotödter und Bellerophon als Sieger der Chimära
darſtellend. Millingen Uned. monum. S. ii. pl. 2. 3.


Stein- und Stempelſchneidekunſt.

197. Als geringere und unbeachtetere Zweige der Pla-
ſtik, in die erſt ſpaͤt das Leben aus den Hauptaͤſten ſich
verbreitet, erhob ſich allmaͤhlig die Kunſt, Edelſteine zu
graviren, und die Muͤnzſtempel zu ſtechen. Beide dienen
zunaͤchſt den Zwecken der Oekonomie und des Verkehrs.
2Die Steinſchneidekunſt ſorgt fuͤr Siegelringe, Σφρα-
γῖδες, deren Beduͤrfniß durch das im Alterthum gewoͤhn-
liche Verſiegeln von Vorraͤthen und Schaͤtzen noch ſehr
vermehrt wurde, aber eben ſo gut durch metallne (ja
3hoͤlzerne) Petſchafte mit bedeutungsloſen Kennzeichen be-
friedigt wurde. Daß aber auch ſchon in dieſer Zeit
Gemmen zu ſolchem Behufe mit eingegrabnen Figuren
verſehn wurden, zeigt der theils rohe, theils alterthuͤm-
lich ſtrenge Styl mehrerer erhaltenen, auch unter den
aͤchtgriechiſchen, an.


2. Von dem Verſiegeln der ταμιιεῖα Böttiger Kunſtmythol.
S. 272 u. ſonſt. Ueber die alten Siegelringe aus Metall Atejus
Capito bei Macrob. Sat. vii, 8. Plin. xxxiii, 4. Von den
Θριποβρώτοις, Θριπηδέστοις (theils wirklich aus wurmſtichi-
gem Holz gemachten, theils dem nachgebildeten Petſchaften) ſ. Sal-
maſ. Exc. Plin. p. 653. b. Ob Polykrates Ring geſchnitten
geweſen, iſt zweifelhaft (Strab. xiv. p.638., Pauſ. viii, 14, 5.
Klemens Alex. Protr. iii. p. 247. Sylb. dafür — dagegen
Plinius xxxvii, 4. vgl. Herod. iii, 41. σφρηγὶς χρυσόδετος
σμαράγϑου λίϑου); Theodoros hatte ihn gewiß nur gefaßt.
Nach Diogen. Laert. i, 2. §. 57. war es ein Soloniſches Ge-
ſetz: δακτυλιογλύφῳ μὴ ἐξεῖναι σφραγῖδα φυλάττειν τοῦ
πραϑέντος δακτυλίου. Derſelbe nennt, nach Hermipp, Pytha-
goras Vater einen δακτυλιογλύφος (viii, 1.).


3. S. über die Scarabäen (davon im Anhang bei Aegypten)
mit Figuren, die faſt ganz aus runden roh nebeneinandergeſetzten
Höhlungen beſtehn, Meyer Kunſtgeſch. 1. S. 10. Tf. 1. Beiſpiele
des alten ſtrengen Styls Lippert Dactyl. Scr. I. P. ii. n. 79.
[73]Griechen. Zweite Periode.
496. ii, 1, 431. 2, 103. Millin Pierres gravées ined.
6. 7. 13. 25. 26. 50. 51. [Köhler Osservazioni sopra il
catalogo degli antichi Incisori in Gemme.
] Vgl. Leſſing An-
tiq. Briefe Th. 1. S. 155. Facius Miſcellaueen zur Geſch. der
Kunſt im Alterthum iv, 2. S. 62 (wo auch die angeblichen σφρ [...]-
γῖδες der Mythologie bemerkt ſind). Gurlitt über die Gemmen-
kunde S. 13. Hirt Amalthea ii. S. 12.


98. Das gepraͤgte Silbergeld war ſchon durch1
den Argiviſchen Koͤnig Pheidon, um Olymp. 8, an die Stelle
des fruͤhern Stabgeldes getreten, Aegina die erſte Officin
des Muͤnzpraͤgens geworden. Aber lange begnuͤgte man2
ſich mit den einfachſten Zeichen, roh angedeuteten Schild-
kroͤten (auf Aegina), Schilden (in Boͤotien), Bienen (Ephe-
ſos) u. dgl.; auf dem Revers blieb der Eindruck eines die
Muͤnze beim Praͤgen feſthaltenden Vorſprungs (quadratum
incusum);
erſt in dieſer Periode treten Goͤtterkoͤpfe, voll-3
ſtaͤndige Goͤtterfiguren und uͤberhaupt zuſammengeſetztere
Bilder ein, und entwickeln ſich am Ende derſelben zu al-
ler Kraft und Zierlichkeit des altgriechiſchen Styls.


1. Ueber Pheidon und den alten Aeginetiſchen Münzfuß des
Vf. Aeginet. p. 51. 88.


2. Die unförmlichſten Χελώνια ſind die älteſten, (in Mion-
nets Coll. d’empreintes n. 616 ff). Nahe kommen manche Ko-
rinthiſche mit dem Pegaſos, und Boͤotiſche mit dem Schilde.


3. Auf den Attiſchen tritt an die Stelle des Gorgoneion der
Minervenkopf mit dem alterthümlich bizarren Profil (Mionnets
Coll. 603. 4. 5. Planches der Descript. 41. 50. 54), wel-
cher ſich ſehr lange erhält. Die numi incusi (vgl. Stieglitz
Archäol. Unterhaltungen ii, S. 54) von Sybaris, Siris, Poſeidonia,
Taras, Kaulonia, Kroton, Metapont, Pyxoeis reichen etwa von
Ol. 60 bis 80. Sybaris zerſtört 67, 2. Pyxoeis gegründet 77, 2.
Mionnet pl. 58 — 60. Micali Italia tv. 60. Meyer Geſch.
Tf. 1. Die RECINON beſchriebenen Münzen mit dem Haſen und
dem Maulthiergeſpann (Mionnet pl. 61, 5.) ſind aus Anaxilas
(70 — 76) Zeit. Ariſtot. bei Pollux v, 12, 75. Wichtig ſind auch
die in ſtrenger aber ſehr ausgebildeter Kunſtart gearbeiteten Münzen
von Alexander I. (Ol. 70 bis 79). Zu großer Zierlichkeit ent-
wickelt erſcheint der alte Styl in den Münzen von Akanthos, mit
Löwe und Stier, von Mende (Dionyſos auf dem Eſel), auf man-
[74]Hiſtoriſcher Theil.
chen der Münzen mit Satyr und Nymphe, die Payne Knight
aus unverächtlichen Gründen Thaſos zuſchrieb, und die offenbar
einer Hauptmünzſtätte älterer Zeit angehörten (Mionnet pl. 40.
44), auf Münzen von Gela, Syrakus, Methymna u. a. Ver-
nachläſſigter iſt das Gepräge auf den alten Goldſtateren (etwa ſeit
Kröſos) von Phokäa, Kyzikos, Lampſakos, Klazomenä. Seſtini
Descr. degli Stateri antichi. Firenze 1817. Vgl. Stieglitz
Verſuch einer Einrichtung antiker Münzſammlungen zur Erläute-
rung der Geſchichte der Kunſt. Leipz. 1809.


4. Mahlerei.


199. Die Mahlerei macht in dieſer Periode, durch
Kimon von Kleonaͤ und Andre, beſonders in perſpekti-
viſcher Auffaſſung der Gegenſtaͤnde, diejenigen Fortſchritte,
welche ſie in den Stand ſetzen, gleich beim Beginn der
2naͤchſten in großer Vollkommenheit aufzutreten. Die
uns uͤbrigen Werke, Vaſengemaͤlde mit ſchwarzen Figu-
ren, gehoͤren zwar alle der urſpruͤnglichen basreliefartigen
Weiſe an, aber erheben ſich darin zu einer ſcharfen cha-
rakteriſtiſchen Zeichnung, in der die Eigenthuͤmlichkeiten
des alten Styls in der Behandlung der Muskeln und
Gelenke, in den Bewegungen, der Darſtellung der Ge-
waͤnder ſaͤmmtlich deutlich hervortreten, oft auch in eine
bizarre Manier ausarten.


1. Kimon von Kleonä, Plin. xxxv, 34. Ael. V. H.
viii,
8. (bei Simonides, Anthol. Pal. ix, 758., auch wohl
App. T. ii. p. 648, ſchr. Μίκων) erfindet catagrapha, obli-
quas imagines
d. h. ſchräge Anſichten der Figuren von der Seite,
oben, unten; und regt eine genauere Ausführung des Körpers und
der Draperie an. Ein großes Bild war das von Mandrokles in
das Heräon geweihte, die Brücke über den Boſporos und Dareios
Uebergang (Herod. iv, 88). Gemälde in Phokäa gegen Ol. 60.
Herod. i, 164.


2. Unter der Maſſe alterthümlicher Vaſenbilder können folgende
beſonders den Fortgang der Zeichnung anſchaulich machen:


N. 1. Die Attiſche Preisvaſe, ΤΟΝΑΘΕΝΕΘ[Ε]Ν ΑΘΛΟΝ
ΕΜΙ bei Mr. Burgon (Millingen Uned. mon. S. i. pl. 1,
[75]Griechen. Zweite Periode.
vgl. Corp. Inscr. n. 33. u. p. 450.), mit der Athena ἐν προ-
βολῇ und einem Wagenſieger mit κέντρον und μάστιξ. Et-
was jünger iſt b, die Kollerſche bei Gerhard Ant. Bildw. i Tf. 5 ‒ 7.
von einem ἀνὴρ σταδιεὺς gewonnen; und in einem hieratiſchen
Styl c, die Lambergſche, einem Ringer als Preis ertheilte, bei
Laborde i, 73. 74. Noch andre machen Panofka Mus. Bartol-
diano p. 65 sqq.
u. Gerhard, Prodromus S. 117. nahmhaft.


2. Vaſe mit der Eberjagd des Königs der Läſtrygonen (?) An-
tiphates, Preis für einen Sieg κέλητι, aus einem Grabe zu Capua.
Hancarville Antiqq. Etrusques, Grecques et Romaines T. i.
pl.
1 ‒ 4.


3. Vaſe von Taleides bei Mr. Hope, mit der Erlegung des
Minotaur. Die Gewänder ſind buntfarbig gegittert. Millin Mo-
num. ined. T. ii. pl. 4. Vases T. ii. pl. 61. Gal. myth.
ii. pl.
131.


4. Hermes mit den drei Göttinnen zu Paris eilend (wie auf
dem Kaſten des Kypſelos). Schmächtige Figuren, Homeriſcher
Sturmſchritt, Parallelismus der Bewegung. Millingen Coll. de
Coghill pl.
34.


5. Kampf des Poſeidon und der Artemis mit Giganten. Lange
ſchmächtige Figuren. Millingen Uned. mon. 1. pl. 9. Der Kampf
des Poſ. mit Ephialtes iſt mit demſelben Sujet, im Styl der fol-
genden Kunſtzeit (i. pl. 7), zu vergleichen.


6. Der Kampf um den Dreifuß; zwei ähnlich behandelte Va-
ſengemälde, mit derben, kräftigen Figuren, für Tiſchbeins Vaſen-
gemälde Bd. v geſtochen. Gewiß archaiſtiſcher als die §. 89. Anm.
3. erwähnte Gruppe.


7. Herakles (mit der Löwenhaut, aber einem Böotiſchen Schilde)
in gewaltigem Anſprunge gegen Kyknos (vgl. das Bild am Amykl.
Thron, Pauſ. iii, 18) bei Millingen S. i. pl. 38.


8. Ein Sieger, der den erlegten Gegner hinter dem Wagen
ſchleppt (Achill und Hektor?), öfter auf Siciliſchen Vaſen, bei
Raoul-Rochette Mon. ined. i tv. 17. 18.


9. Abſchied der Eriphyle von Amphiaraos und Adraſtos, zwei
Gruppen auf einer im Beneventaniſchen (?) gefundnen Vaſe.
Scotti Illustrazioni di un vaso Italo-Greco. Neapel 1811. 4.


10. Memnon von Achilleus erlegt und von Eos entführt, zwei
Gruppen einer Agrigentiniſchen Vaſe, von kräftiger und ausgebilde-
ter Zeichnung. Millingen Uned. mon. i pl. 4. 5.


[76]

Dritte Periode.
Von Olymp. 80 bis 111.
Von Perikles bis auf Alexander
.


1. Die Ereigniſſe und der Geiſt der Zeit in Beziehung auf
die Kunſt.


1100. Die Perſerkriege weckten in Griechenland das
2ſchlummernde Bewußtſein der Nationalkraft. Athen, durch
die Stammart ſeiner Bewohner geeignet, Mittelpunkt der
Griechiſchen Bildung zu werden, bemaͤchtigt ſich der in
3den Umſtaͤnden gegebnen Hilfsmittel mit großem Geſchick,
und gelangt dadurch ſchnell zu einer Hoͤhe der Macht,
wie ſie nur je eine Stadt beſeſſen.


2. Die Attiker haben mit ihren Stammgenoſſen, den Joniern
Aſiens, das Empfängliche, Lebendige, Neuerungsſüchtige gemein,
aber verbinden damit eine Energie, die dort früh verſchwunden. Τὸ
δραστήριον, τὸ δεινόν.


3. Den Beginn des höhern Aufſchwungs in Athen ſetzt Herod.
v, 78. ſchon Olymp. 67, 4. Themiſtokles Volksbeſchluß über
Verwendung des Silbers von Laurion für die Flotte g. 73. Schlacht
von Salamis 75, 1. Die Hegemonie der Griechen, die unter
dem König geweſen waren, für den Perſerkrieg kömmt an Athen,
wahrſcheinlich 77, 1. Ariſteides billige Schatzung; das ταμιεῖον
auf Delos; die Summe der jährlichen Tribute, φόροι, 460 Ta-
lente (ſpäter 600 und 1200). Perikles verſetzt den Schatz nach
Athen g. 79, 3. Die Bundesgenoſſen werden meiſt Unterthanen,
der Bundesſchatz Staatsſchatz. Die höchſte Summe des Schatzes
vor dem Pelop. Kriege war 9700 Talente, die jährliche Einnahme
damals gegen 1000. Böckh Staatshaush. i. S. 427 ff. 465.


[77]Griechen. Dritte Periode.

101. Der große Reichthum, welcher Athen in dieſer1
Zeit zufloß und nur zum geringſten Theile von dem laͤßig
betriebenen Kriege mit Perſien verzehrt wurde, wird auf2
eine großartige Weiſe zuerſt zur Befeſtigung Athens,
dann zur Ausſchmuͤckung der Stadt mit Tempeln3
und Bauwerken fuͤr die Spiele verwandt.4


2. Der Mauerbau des Peiräeus begann durch Themiſtokles un-
ter dem Archon Kebris vor Ol. 75. (nach Böckh de archont.
pseudepon.
Ol. 72, 1.), fortgeſetzt 75 ⅔. Der Aufbau Athens
und die Erneuerung der Mauern 75, 2. Gegen 78, 4. veran-
laßt Kimon die Befeſtigung der Südſeite der Akropolis, (Plut.
Kim. 13. Nepos Cim. 3) und die Grundlegung der langen Mauern,
die Perikles Ol. 80, 3. 4. vollendete, aber ſpäter noch eine hinzu-
fügte. Dieſe μακρὰ τείχη iſoliren Athen vom Lande: der wich-
tigſte Punkt in Athens Politik. Nach Thukyd. ii, 13. waren es
offenbar drei, aber Konon erneuerte ſpäter wahrſcheinlich nur zwei,
wovon ſpäter (Schol. zu Platon Gorg. p. 22, 16. Bekk.) und
jetzt noch einige Trümmer. Vgl. Erſch Encyclopädie Attika S.
223. Leake Topography of Athens p. 344. Aa.


3. Das Theſeion wird unter Kimon Ol. 77, 4. begonnen.
Gegen Ol. 80, 3. tragen die Athener auf gemeinſame Erneuerung
der von den Perſern zerſtörten Heiligthümer an. In Attika werden
um dieſe Zeit viele Tempel gebaut. Parthenon Ol. 85, 3. vollen-
det. Propyläen Ol. 85, 4 bis 87, 1 gebaut.


4. Das ſteinerne Theater wird (μετὰ τὸ πεσεῖν τὰ ἴκρια)
70, 1 begonnen, aber in den obern Theilen erſt unter Lykurgs
Finanzverwaltung (109 ‒ 112) vollendet. Die Πεισιανάκτειος
στοὰ wird zur Gemäldegallerie, Ποικίλη, eingerichtet, um 79.
Das Odeion baut Perikles, für die Panathenäen, vor 84, 1. Des
Verf. Commentatt. de Phidia i. §. 5.


Die Koſten dieſer Gebäude waren bedeutend, die Propyläen
koſteten (nebſt allem was dazu gehörte) 2012 Talente (Harpokration)
2,756,500 Rthl., wogegen Thukyd. ii, 13. durchaus nicht ſpricht.


102. Indem ſich an dieſen Bauwerken ein Kunſt-1
geiſt entfaltete, der Majeſtaͤt mit Anmuth auf die gluͤck-
lichſte Weiſe vereinigt: erreicht die bildende Kunſt,
durch den freien und lebendigen Geiſt des demokratiſchen
Athens von allen Feſſeln alterthuͤmlicher Steifheit geloͤst,
[78]Hiſtoriſcher Theil.
und von dem großartigen und gewaltigen Sinne der
Perikleiſchen Zeit durchdrungen, durch Phidias denſelben
2Gipfelpunkt. Jedoch ſind, dem Charakter der aͤltern
Hellenen gemaͤß, noch immer ruhige Wuͤrde und eine lei-
denſchaftsloſe Stille der Seele das Gepraͤge der bewun-
3derten Hauptwerke der Zeit. Der Geiſt der Atheniſchen
Kunſt macht ſich ſchnell in Griechenland herrſchend: ob-
gleich auch im Peloponnes, namentlich unter den demo-
kratiſchen und induſtrioͤſen Argivern, die Kunſt in großer
Vollkommenheit geuͤbt wird.


3. Atheniſche Künſtler arbeiten gegen Ol. 83 (de Phidia i,
14) für den Delphiſchen Tempel, und die Phidiaſſiſche Schule
ſchmückt um Ol. 86. Olympia und Elis mit Bildwerken. — Ue-
ber Argos Zuſtand des Verf. Dorier ii, S. 143.


1103. Der Peloponneſiſche Krieg, von Olymp. 87,
1 ex. bis 93, 4., vernichtet erſtens Athens Reichthum
durch die das Maaß der Einkuͤnfte uͤberwiegenden Kriegs-
2koſten, und zerreißt zugleich das Band der Atheniſchen
Kuͤnſtlerſchule mit den Peloponneſiſchen und andern. Tie-
3fer greift die innre Veraͤnderung, welche nicht ohne bedeu-
tende Mitwirkung der großen Seuche (Ol. 87, 3), welche
das mannhafte Geſchlecht der alten Athener hinwegraffte
und ein ſchlechteres zuruͤckließ, im Peloponneſiſchen Kriege
4eintrat. Sinnlichkeit und Leidenſchaftlichkeit auf der einen,
eine ſophiſtiſche und geſchwaͤtzige Verſtandesbildung auf
der andern Seite treten an die Stelle der feſten und durch
ſichre Gefuͤhle geleiteten Denkweiſe fruͤherer Zeiten; das
Griechiſche Volk iſt gleichſam aus dem Mittelpunkte der
alten National-Grundſaͤtze herausgeworfen; und, wie im
oͤffentlichen Leben, ſo draͤngt ſich auch in allen Kuͤnſten
Sucht nach Genuß und Verlangen nach heftigern Auf-
regungen des Gemuͤths mehr hervor.


1. S. Böckh Staatshaush. 1 S. 311.


2. De Phidia i, 19.


3. Πρῶτόν τε ἦρξε καὶ ἐς τἆλλα τῇ πόλει ἐπὶ πλέον
[79]Griechen. Dritte Periode.
ἀνομίας τὸ νόσημα — ὅτι δὲ ἤδη τε ἡδὺ καὶ πανταχό-
ϑεν τὸ ἐς αὐτὸ κερδαλέον, τοῦτο καὶ καλὸν καὶ χρήσιμον
κατέστη. Thukyd. ii, 53.


4. Im öffentlichen Leben tritt an die Stelle des durch die durch-
dringende Kraft des Geiſtes herrſchenden Olympios Perikles das
Geſchlecht der κόλακες τοῦ δήμου, Kleon u. ſ. w.; auf das häus-
liche Leben erhalten die Hetären immer mehr Einwirkung; in der
Tragödie gewinnt den Geſchmack des großen Publicums der πα-
ϑητικώτατος und δεινότατος Euripides; die Lyrik geht in den
neuen zügelloſen und prunkvollen Dithyrambos über, deſſen Meiſter
(Melanippides, Kineſias, Philoxenos, Teleſtes, Phrynis und Ti-
motheos von Milet) von den Strengern als die Verderber der Mu-
ſik, beſonders ihres ethiſchen Charakters, der auf ἐπῳδὴ und κά-
ϑαρσις der Leidenſchaften beruht, angeſehn wurden: wodurch zu-
gleich die Rhythmik, um Ol. 90, regelloſer und ſchlaffer wird.
Die alte Redekunſt iſt auf einen ſymmetriſchen Satzbau gegründet,
und fordert die ruhigſte Declamation; neben dieſer tritt allmälig
eine affektvolle, pathetiſche Redekunſt hervor.


Beſonders zu beachten iſt hier die immer zunehmende Frei-
heit und Heftigkeit im körperlichen Ausdrucke der
Gemüthsbewegungen
. Der Spartaniſche Jüngling bewegt
nach Xenophon die Augen nicht mehr als ein Erzbild (Dorier ii,
S. 268). In Athen bewahrt noch Perikles die προςώπου σύ-
στασις ἄϑρυπτος εἰς γέλωτα καὶ πρᾳότης πορείας καὶ κα-
ταστολὴ περιβολῆς πρὸς οὐδὲν ἐκταραττομένη πάϑος ἐν
τῷ λέγειν καὶ πλάσμα φωνῆς ἀϑόρυβον. Plut. Perikl. 5.
Vgl. Siebelis zu Winck. W. B. viii, S. 94. Durch Kleon
kamen heftige und freie Bewegungen (τὸ τὴν χεῖρα ἔξω ἔχειν)
auf der Rednerbühne auf, und die alte εὐκοσμία τῶν ῥητόρων
verſchwand. Plut. Nikias 8. Tib. Gracchus 2. Aeſchines g. Timarch
§. 25 ff. Bekk. Demoſth. π. παραπρ. p. 420. R. (Aeſchines, ὁ
καλὸς ἀνδριὰς, iſt ein Affe der Alten; in Demoſthenes erreicht
die Redekunſt des heftig bewegten Gemüths, doch nicht ganz ohne
πανουργία und εὐτραπελία, ihren Gipfel, auf dem ſie noch
den ſpäteren Leſer κορυβαντιᾷν macht, Dionyſ. über Demoſth.
p. 1022.). Auf der Bühne beginnt eine lebhafte, pathetiſche
Geſticulation mit Kallippides, Alkibiades Zeitgenoß, den Myniskos,
Aeſchylos Schauſpieler, deswegen πίϑηκος nannte. Ariſtot. Poet.
26. cum Intpp. Xenoph. Sympoſ. 3, 11.


104. Mit dieſem Zeitgeiſt haͤngt die Richtung der1
Kuͤnſtler eng zuſammen, durch welche die bildende Kunſt
[80]Hiſtoriſcher Theil.
nach Olymp. 100 zu neuer Trefflichkeit ſich erhebt, in-
dem ſich in ihnen eine unverkennbare Neigung zum An-
lockenden und Ruͤhrenden, und viel mehr Sinnlichkeit
und Pathos kund giebt als in den Werken der fruͤhern
Zeit. Derſelbe Gegenſatz kann auch in der Mahlerei
2wahrgenommen werden. — Zugleich verhindert die Rich-
tung auf augenblicklichen Genuß, in welcher beſonders
das Atheniſche Volk befangen war, bedeutende oͤffentliche
Unternehmen, und die Kunſt bleibt (Konons und Lykurgs
Unternehmungen abgerechnet) ohne die große oͤffentliche
Aufmunterung der Perikleiſchen Zeit, bis ſie ſich die Gunſt
3der Makedoniſchen Koͤnige erwirbt. Dies Ver-
haͤltniß fuͤhrt Veraͤnderungen im Geiſte der Kunſt herbei,
welche ſchon am Schluſſe dieſes Abſchnitts, deutlicher im
folgenden hervortreten.


2. Demoſthenes klagt bitter über die Dürftigkeit der öffentlichen
und die Pracht der Privatbaue ſeiner Zeit. Vgl. Böckh
Staatsh. 1 S. 220. Von Konons Werken Pauſ. i, 1, 3. i,
2, 2. vgl. de Phidia i, 3. N. d. Unter Lykurgos wurden be-
ſonders frühere Werke ausgebaut, aber auch einiges Neue. S. das
Pſephisma bei Plutarch x Orat. p. 279. H., wo wohl zu ſchrei-
ben: ἡμίεργα παραλαβὼν τούς τε νεωςοίκους καὶ τὴν
σκευοϑήκην καὶ τὸ ϑέατρον τὸ Διον. ἐξειργάσατο καὶ ἐπε-
τέλεσε, καὶ τὸ τε στάδιον τὸ Παναϑ. καὶ τὸ γυμνάσιον τὸ
Λύκειον κατεσκεύασε. Vgl. p. 251. Pauſ. i, 29, 16. Doch
bleibt der edelſte Privat-Aufwand der auf Kampfroſſe und Bild-
ſäulen, und es iſt ein harter Vorwurf für Dikäogenes (Iſäos von
Dikäog. Erbſch. §. 44), daß er die von ſeinem Erblaſſer für 3
Talente (4125 Rthl.) angeſchafften ἀναϑήματα ungeweiht ἐν
τοῖς λιϑουργείοις κυλινδεῖσϑαι läßt.


2. Architektonik.


105. Das erſte Erforderniß fuͤr das Gedeihen der
Baukunſt, das Aufbieten aller Kraͤfte um etwas Großes
zu ſchaffen, tritt ſchon an den Mauerbauen dieſer
Zeit hervor, vorzuͤglich den Mauern des Peiraͤeus, die,
an Coloſſalitaͤt den kyklopiſchen aͤhnlich, zugleich durch
[81]Griechen. Dritte Periode.
die groͤßte Regelmaͤßigkeit der Ausfuͤhrung ausgezeichnet
waren.


Der Peribolos des Peiräeus mit Munychia maß 60 Stadien;
die Höhe war 40 Gr. Ellen (Themiſtokles wollte die doppelte), die
Breite die, daß beim Bau zwei mit Steinen beladene Wagen
nebeneinander vorbeikonnten; die Steine waren ἁμαξιαῖοι, genau
aneinander gefugt (ἐν τομῇ ἐγγώνιοι), durch keinen Mörtel, ſon-
dern nur durch eiſerne mit Blei vergoſſene Klammern zuſammen-
gehalten, wie auch die Mauern des Parthenon). Meurſ. Pi-
raeeus c. 2.


106. Ferner bewaͤhrt ſich in den Bauen von Thea-1
tern, Odeen und andern Gebaͤuden fuͤr die Feſtſpiele
ein klarer und durchdringender Verſtand, welcher den
Zweck des Baus auf das beſtimmteſte auffaßt, und auf
dem naͤchſten Wege zu erreichen weiß. Das Theatron iſt,2
wie der alte Choros, noch immer der Hauptſache nach
ein offner, von beiden Seiten zugaͤnglicher Tanzplatz
(Orcheſtra), um welchen ſich die, moͤglichſt viel Perſonen
zu faſſen, eingerichteten Sitze und das erhoͤhte Buͤhnen-
geruͤſt erheben. Der Theaterbau ging wahrſcheinlich von
Athen aus, aber verbreitete ſich ſchon in dieſer Periode
uͤber ganz Griechenland. Auch das Odeion, ein kleineres3
und ſchirmfoͤrmig bedecktes Theater, erhaͤlt ſeine Form in
Athen; ſo wie wahrſcheinlich einer der Genoſſen des Phi-
dias zuerſt zu Olympia die kunſtreiche Form der Schran-4
ken (Ἄφεσις) eines Hippodrom darſtellte.


2. Von dem Theater Athens §. 101 Anm. 4. Das Epi-
dauriſche, ein Werk des Polykleitos (um Ol. 90), an ἁρμονία
und κάλλος das erſte; von den ſehr zweckmäßig angelegten Stufen
iſt Einiges übrig. S. Clarke Travels ii, ii, p. 60. Das
Syrakuſiſche Theater (vgl. Houel T. iii, pl. 187 sqq. Wilkins
M. Gr. ch. 2. p. 6. pl. 7.) baute Demokopos-Myrilla vor So-
phron (Ol. 90). Euſtath. zur Od. iii, 68. p. 112.


3. Das Odeion, angeblich dem Zelt des Xerxes nachgeahmt,
das Dach aus Perſiſchen Maſten, daher auch Themiſtokles, ſtatt
Perikles, beigelegt. (Hirt Geſch. ii, S. 18). Aber auch Attika
lieferte früher weit längere Bäume als ſpäter für die Dachung gro-
6
[82]Hiſtoriſcher Theil.
ßer Baue, Platon Kritias p. 111. Zum Odeion gehört ſtets eine
μεγάλη ὀροφὴ. S. das Epigr. bei Welcker Sylloge p. 44.
Ein ϑεατροειδὲς ᾠδεῖον ſpäter ſelbſt in Arabia Peträa, Inſchr.
bei Letronne Analyse du recueil d’Inscr. de Vidua p. 24.


4. Ueber Kleötas Ariſtokles Sohn Böckh Corp. Inscr. p. 39.
237. Der Verf. De Phidia i, 13.; über ſeine ἄφεσις Hirt
Geſch. iii, S. 148. Sie erfüllt den Zweck alle Wagen in gleiche
Diſtanz von dem normalen Anfangspunkt der Umläufe um die
Spina zu bringen.


1107. Wahrſcheinlich diente bei dieſen Theater-Bauen
auch die bei Tempeln in dieſem Zeitraume noch nirgends,
als etwa beim Eleuſiniſchen Megaron (§. 109 Anm. 5.),
2angewandte Kunſt zu woͤlben, welche Demokritos nach
Ueberlieferung der Alten erfand, vielleicht aber nur aus
Italien (ſ. unten §. 167.) nach Griechenland uͤbertrug.
3Derſelbe Demokritos ſtellte mit Anaxagoras uͤber die
perſpektiviſche Anlage und Ausfuͤhrung der Scene des
Theaters Forſchungen an; er war es beſonders, durch
den ein philoſophiſcher Unterſuchungsgeiſt den Kuͤnſten
Vorſchub zu leiſten anfing.


2. Poſeidon. bei Seneca Epist. 90. Democr. dicitur inve-
nisse fornicem ut lapidum curvatura paulatim inclinato-
rum medio saxo
(Schlußſtein, key-stone) alligaretur. De-
mokr. ſtirbt Ol. 94, 1. 90 Jahr alt.


3. Vitruv Praef. vii. Namque primum Agatharchus
(§. 134.) Athenis, Aeschylo docente tragoediam, scenam
fecit et de ea commentarium reliquit. Ex eo moniti
Democr. et Anax. de eadem re scripserunt, quemadmo-
dum oporteat ad aciem oculorum radiorumque extensio-
nem, certo loco centro constituto, ad lineas ratione na-
turali respondere etc.
Die Sache gehört in die letzten Zeiten
des Aeſchylos (gegen Ol. 80), daher Ariſtot. Poet. 4, 16. die
σκηνογραφία dem Sophokles zuſchreibt. Die Skenographie er-
ſcheint von nun als eine beſondre Kunſt; gegen Ol. 90. treffen wir
in Eretria einen Architekten und Skenographen Kleiſthenes (Diog.
Laert. ii, 125), ſpäter gab es deren mehrere, wie Eudoros, Sera-
pion bei Plin. Ariſt. Poet. 4, 16. Ueber die dadurch begründete
Perſpektive Sallier sur la perspective de l’anc. peinture ou
[83]Griechen. Dritte Periode.
sculpt., Mém. de l’ Ac. des Inscr. viii, p. 97. (gegen Per-
rault), auch Caylus ebd. xxiii, p. 320. Meiſter de optice
vet. pictor., N. Commentr. Soc. Gott. T. v. cl. phys. p.
175.
(in manchen Punkten ungerecht) Schneider Eclog. phys.
p. 407. Ann. p. 262.


108. Von den Saͤulenordnungen wird in dieſer Zeit1
die Doriſche in Athen zu mehr Anmuth ausgebildet, ohne
indeß den vorherrſchenden Charakter der Majeſtaͤt zu
verlieren; die Joniſche findet man in Athen in einer2
eigenthuͤmlichen ſchmuckreichen Form, in Jonien ſelbſt in
derjenigen, welche ſich hernach als die geſetzmaͤßige, kano-
niſche, erhalten hat; daneben erſcheint um Ol. 85 das3
Korinthiſche Capitaͤl, welches indeſſen zuerſt nur einzeln,
dann wiederholt, aber nur in untergeordneten Theilen des
Gebaͤudes, als Hauptgattung aber zuerſt bei Ehrenmonu-4
menten vorkoͤmmt.


1. S. §. 109. N. 2. 3. vgl. 11.


2. S. §. 109. N. 12. 13. 14.


3. S. das Geſchichtchen von Kallimachos Erfindung bei Vitruv.
iv, 1. Vgl. §. 109. N. 5. 9. 10. 12.


4. So an dem zierlichen Choregiſchen Denkmale des Lyſikrates,
Ol. 111, 2., Stuart Antt. v. i. ch. 4.


109. Waͤhrend die Tempel Athens in dieſem Zeit-
raum den Charakter des reinſten Maaßes, der gewaͤhlte-
ſten Formen, der vollkommenſten Harmonie tragen, und
ein aͤhnlicher Geiſt im Peloponnes ſich zeigt; ſtrebt man
in Jonien vorzugsweiſe nach Eleganz und Pracht, und
baut daher faſt nur im Joniſchen Styl; dagegen die
Siciliſchen Tempelgebaͤude, auf altdoriſchen Formen be-
harrend, durch Coloſſalitaͤt der Anlage und Kuͤhnheit der
Erfindung imponiren.


I.Attika.

1. Theſeion, von Ol. 77, 4. (§. 101. Anm. 3.) bis über
80 (§. 118). Ein Peripteros hexastylos, 104 × 45 Fuß,
6*
[84]Hiſtoriſcher Theil.
aus Pentheliſchem Marmor. Die Säulenhöhe 91, die inter-
columnia 3 moduli.
Wohl erhalten. Stuart Antiqq. of
Athens V. iii, ch. 1.


2. Parthenon oder Hekatompedon, 50 Fuß größer (län-
ger) als ein älteres, deſſen Platz es einnahm, Heſych. Gebaut
von Iktinos und Kallikrates, Schrift darüber von Iktinos und
Karpion. Ein Peripteros octastylos hypaethros auf einer
hohen Platform, aus Penthel. Marmor. Beſteht aus dem προ-
νήιον, welches Säulen mit einem pluteus und Gittern bildeten,
an beiden Seiten; dem eigentlichen Hecatompedon (100 × 100)
mit 16 Säulen um das Hypäthron; dem Παρϑενών, einen um-
gitterten Raum um die Bildſäule; dem Ὀπισϑόδομος mit 4
innern Säulen (Cockerell), nach W. Die Vorderſeite war die öſt-
liche. Größe 227 × 101 engl. F. Höhe 65 F. Die Säulen-
höhe 12 moduli, die Intercol. faſt 2⅔. Verjüngung des Schafts
\frac{13}{60}. Ἔντασις. Am Architrav hingen Schilde, von dem Reich-
thum an Bildwerken §. 118. Kleinere Glieder, Streifen, Bänder
waren auch hier bemahlt und vergoldet. Der T. hat beſonders
1687 durch die Venetianer, neuerlich durch Elgin, gelitten: aber
erregt noch immer einen wunderbaren Enthuſiasmus. Stuart V.
ii, ch. 1.
Wilkins Atheniensia p. 93. Leake Topogr. chap.
8. Böckh Corp. Inscr. p. 477. die neuen Herausg. Stuarts in
der Deutſchen Ueberſetzung (Darmſtadt 1829) i, S. 293., wo auch
S. 349 von den Spuren des alten Parthenon Nachricht gegeben wird.


3. Propyläen, gebaut von Mneſikles (vgl. §. 101.). Sie
bildeten den Zugang zu der Burg als einem heiligen Peribolos, und
vollendeten zugleich die Befeſtigung des Burgfelſens. Ein Pracht-
thor, mit vier Nebenthüren, nach außen eine Joniſche Vorhalle,
nach beiden Seiten Doriſche Fronten, deren Architektur mit der in-
nern Joniſchen ſehr geſchickt vereinigt iſt. Vgl. N. 5. c. An
den Seiten ſpringen Flügelgebäude vor, wovon das nördliche als
eine Pökile diente, vor dem ſüdlichen lag ein kleiner Tempel der
Nike Apteros. Stuart V. ii. ch. 5. Leake Topogr. ch. 8. p. 176.


4. Der Tempel der Athena Polias und des Poſeidon
Erechtheus. Ein uraltes Heiligthum, welches nach dem Perſer-
kriege erneuert, aber (zufolge der Urkunde, Corp. Inscr. n. 160)
erſt nach 92, 4 vollendet wurde, voll von heiligen Denkmälern,
durch die der Plan des Gebäudes eigne Beſtimmungen erhielt. Ein
ναὸς διπλοῦς mit einen getrennten Gemach gegen W. (Pandro-
ſeion) einem Proſtyl gegen O. und zwei Hallen (προστάσεις) an
der NW. und SW. Ecke. Das Gebäude lag auf zwei verſchied-
[85]Griechen. Dritte Periode.
nen Boden, indem ſich an der O. und S. Seite eine Terraſſe hin-
zog, welche gegen N. und W. aufhörte; dieſe Seite ſcheint außer
dem Tempelhofe gelegen zu haben, und in der Inſchrift durch τοῖ-
χος ὁ ἐκτὸς bezeichnet zu werden. Größe, ohne die Hallen, 73 ×
37 F. Karyatiden, κόραι (Attiſche Jungfraun im vollen Pana-
thenaiſchen Putze) um die Halle an der SW. Ecke (worin die ϑά-
λασσα Ἐρεχϑηΐς und ἐλαία πάγκυφος); Fenſter und Halb-
ſäulen am Pandroſeion. Der Fries des Ganzen war aus Eleu-
ſiniſchem Kalkſtein mit angeſetzten (metallnen) Reliefs (ζῷα). Die
Joniſche Architektur zeigt viel Eignes, beſonders in den Capitälen
(hypotrachelium, ἀνϑέμιον); die Sorgfalt der Ausführung iſt
unübertrefflich. Stuart V. ii. ch. 2. Wilkins p. 75. Des
Verf. Minervae Poliadis sacra et aedis. Gotting. 1820.
Roſe Inscript. Graecae vetustissimae p. 145. Corp. Inscr.
i, p. 261.
N. A. von Stuart p. 482.


5. Eleuſis.


a. Der große Tempel (Μέγαρον, Ἀνάκ-
τορον), unter Aufſicht des Iktinos von Koröbos, Metagenes, Xe-
nokles gebaut, und für die Feier der Myſterien eingerichtet. Eine
große Cella mit vier queer durchlaufenden Doriſchen Säulenreihen
in zwei Stockwerken; dazwiſchen ein gewölbtes Lichtloch. Xenokles
τὸ ὀπαῖον ἐκορύφωσε Plut. Perikl. 13. (Vgl. Pollux ii, 54.)
Der Tempel durfte nicht Hypäthros ſein. Vorhalle aus 12 Dor.
Säulen (von Philon unter Demetrios Phalereus), welche ſchon
dünne Stege zwiſchen den Cannelüren haben. Unter der Cella eine
Krypte, unverjüngte Cylinder ſtützten den obern Boden. Das
Material meiſt Eleuſiniſcher Kalkſtein, wenig Marmor. Die Größe
des Ganzen 220 × 178. Die Myſten waren die größte Ver-
ſammlung unter Dach.


b.Die kleinen Propyläen im innern
Peribolos, mit räthſelhafter Einrichtung der Thür. Hier kömmt
ein Pilaſter-Capitäl mit Akanthusblättern vor.


c.Die größern im äußern. Ganz denen auf
der Burg gleich. Die von Pauſanias dort geprieſene Felderdecke
(ὀροφὴ) iſt hier deutlicher:


d. Kleiner Tempel der Artemis Propyläa,
ein templum in antis, Doriſch.


e. Kleiner Tempel auf dem Fels über dem
Megaron, im innern Peribolos.


Keins der Gebäude in Eleuſis war ganz vollendet.
Unedited antiquities of Attica ch. 1 ‒ 5.


[86]Hiſtoriſcher Theil.

6. Andre Attiſche Tempel.


a. Zu Rhamnus. Der größre Tempel der
Nemeſis, ein Hexaſtylos Peripteros, 71 × 33 F., wurde wahr-
ſcheinlich in Perikles Zeit begonnen (vgl. §. 117), aber erſt ſpäter
vollendet (Stege der Cannelüren). Man bemerkt reiche Mahlereien
und Vergoldungen am Kranze nach außen, und dem Simſe über
dem Frieſe im Innern, deren Umriſſe eingeſchnitten ſind. Schöne
Felderdecke. Uned. antiqq. Ch. 6.


b. Der Tempel der Pallas auf Sunion,
Hexaſt. Peript., mit Propyläen derſelben, Doriſchen, Ordnung.
Auch aus Perikles Zeit. Antiqq. of Ionia T. ii, ch. 5. pl.
9 ‒ 14. Uned. antiqq. ch. 8.


c. Die Stoa zu Thorikos (7 Säulen vorn,
15 an der Seite, vgl. §. 80. Anm. ii, a. 3.). Die Säulen
(11 mod. hoch) haben erſt den Anfang der Cannelüre erhalten.
Uned. antiqq. ch. 9.


II.Peloponneſiſche Haupttempel.

7. Tempel zu Olympia, aus der Beute Piſa’s (fiel gegen
Ol. 50) von Libon dem Eleer gebaut, um Ol. 86 vollendet, dem
Parthenon ähnlich. Στοαὶ ὑπερῷοι. Aus Poros. Größe
230 × 95 Griech. Fuß. Höhe 68. Ueber die vermuthlichen Rui-
nen Stanhope’s Olympia p. 9. Wilkins Magna Graecia Ap-
pend. p. 72.
(Metroon?) Sonſt vgl. §. 115.


8. Der T. der Hera von Argos, von Eupolemos nach Ol.
89, 2. Das Olympieion zu Megara vor 87. Keine Ruinen
von dieſen Tempeln.


9. Der T. des Apollon Epikurios bei Phigalia, von Ikti-
nos dem Athener, alſo wohl vor Ol. 87, 2. (nach Pauſanias Ver-
muthung nach der Peſt, 88.) gebaut. Größe 126 × 48 Fuß.
Außen ein Doriſches Pteroma; innen bilden Joniſche Säulen Ni-
ſchen (für ἀναϑήματα) und ein Hypäthron. Eine Korinthiſche
Säule ſtand am Schluß des Hypäthron hinter dem Bilde. Ueber
die Ruinen Combe Brit. Museum P. iv. pl. 25 ‒ 28. Stackel-
berg Apollotempel Tf. 1 ‒ 5.


10. Der T. der Athena Alea zu Tegea, von Skopas
nach Ol. 96 gebaut, der größte und ſchönſte des Peloponnes. Die
Verbindung von Joniſchen Säulen nach außen, Doriſchen und Ko-
rinthiſchen übereinander im Innern, iſt für die Geſchichte der Bau-
[87]Griechen. Dritte Periode.
kunſt wichtig. Pauſan. Geringe Ueberreſte. Dodwell Tour ii.
S. 419.


11. Die ſehr ſchlanken (über 13 mod. hohen) Doriſchen Säu-
len des Zeustempels zu Nemea ſcheinen dem Ende dieſer Periode
anzugehören. Ion. ant. T. ii. ch. 5. pl. 15 ‒ 18.


III.Jonien.

12. Das Didymäon zu Milet, nach der Zerſtörung Ol. 71′
neu aufgebaut, beſonders durch Päonios und Daphnis von Milet,
aber nie ganz vollendet. Dipteros, Dekaſtylos, Hypäthros, 163
F. breit, in prachtvoller Joniſcher Gattung, mit Korinthiſchen Halb-
ſäulen im Pronaos. Schlankere Joniſche Säulen als die in Ephe-
ſos, Samos, Sardis (§. 54. 80.), mit ſchwächerem Gebälk. Antiqq.
of Ionia i ch. 3. p. 27.
Choiſeul Gouffier Voy. pittor. T.
i pl.
113. 114. Hirt Geſch. Bd. ii, S. 62. Tf. 9, 11.


13. Der Tempel des Pallas Polias zu Priene, gebaut von dem
gelehrten Architekten Pytheus, um Ol. 110. Alexander hatte, nach
einer Inſchr., den Ruhm ihn zu weihen. Ein Peript. Hexaſtylos
in ſchöner Joniſcher Ordnung. Ant. of Ion. i ch. 2. Choiſeul
Gouff. pl. 116.


14. Der T. des Dionyſos zu Teos, von Hermogenes, wahr-
ſcheinlich gegen Alexanders Zeit gebaut, ein Hexaſtylos Peript. und
Euſtylos nach Vitruv (der beſonders Hermogenes folgt). Ant. of
Ion. i ch. 1.
Choiſeul Gouff. pl. 124. Vgl. dazu Hirt Geſch.
ii, S. 66.


15. Der T. der Artemis Leukophryne zu Magneſia am Mäan-
dros, von Hermogenes gebaut, ein Pſeudodipteros Joniſcher
Ordnung nach Vitruv, 198 × 106. Leake Asia min. p. 349.
Dazu gehört der Aufriß Ant. of Ion. i ch. 1. pl. 2.


16. Trümmer eines Apollotempels zu Delos in Doriſcher Ord-
nung (12 moduli die Säulenhöhe) Stuarts Antt. of Athens
iii. ch. 10 p. 57.


IV.Sicilien.

17. Akragas. Vgl. oben §. 80. Der Doriſche Tempel
des Zeus Olympios war unvollendet, als Akragas Ol. 93, 3. von
den Karthagern erobert wurde, und blieb es auch nach der Ernene-
[88]Hiſtoriſcher Theil.
rung der Stadt. Diod. xiii, 82. Größe nach Diodor 340 ×
160 (359 × 178 engl. F. nach Meſſungen). Höhe 120 (112) ohne
das κρηπιδῶμα. Die Celle hatte nach innen Pilaſter, 12 Fuß
breit, nach außen Halbſäulen, 20 F. im Umfang, aber Proſtyle
an den ſchmalen Seiten. Im Giebelfelde öſtlich die Gigantomachie,
weſtlich Troja’s Einnahme. Statt der obern Säulen im Innern
Giganten, in einem alterthümlich ſtrengen Style der Sculptur,
der alſo bei architektoniſchen Figuren hier lange feſtgehalten wurde.
S. Wilkins M. Gr. Ch. 3. pl. 14 — 17. Gärtners Anſichten.
Hirt (nach Cockerell) ii. S. 90. Tf. 9. Fig. 12. Klenze T. des
Olymp. Jupiters 1821. Tübinger Kunſtblatt 1824. N. 28.


18. Selinus. Vgl. §. 80. Seine großen und reichen Tempel
werden bei Thuk. vi, 20. und bei der Karthagiſchen Zerſtörung
(92, 4) erwähnt. Der ungeheure Doriſche Dipteros (330 ×
161 Fuß) war damals noch unvollendet, da erſt die acht Säulen
der Oſtfronte (mit Stegen) cannelirt, einige andre angefangen waren.
Die Säulen 9 ⅒ mod. hoch. Südlich von dieſem liegen zwei
andre Tempel, zuſammen i pileri dei Giganti genannt, 186
× 76 und 232 × 83 Fuß groß, die im Ganzen derſelben Zeit
anzugehören ſcheinen. Vgl. §. 90. Anm. Wilkins Ch. 4. pl. 1 — 11.
Gärtners Anſichten.


19. Egeſta. Ein Hexast. peript., 190 × 77 F., die
Säulen uncannelirt, mit vertieftem Hals und einem eingezognen
Saum am untern Ende des Schafts. Wilkins Ch. 5. Gärtner.


110. Der Luxus in Privatbauen, Haͤuſern, Denk-
maͤlern, beginnt in Athen beſonders erſt gegen Ende die-
ſer Periode (§. 104. Anm. 2.), fruͤher bei den reichen und
uͤbermuͤthigen Agrigentinern, die nach dem bekannten
Ausſpruch bauten als gedaͤchten ſie ewig zu leben.


S. die Wundergeſchichten bei Diod. xiii, 81. von Gellias
großem Hauſe und Weinkeller, der öffentlichen Piſcina, den Monu-
menten ſiegreicher Roſſe u. Lieblingsvögel. Das ſogen. Grab-
mal des Theron
(Wilkins ch. 3. pl. 19) iſt wegen der Joni-
ſchen Halbſäulen mit Doriſchem Gebälk und des Kreuzgewölbes im
Innern merkwürdig.


1111. Auch die groͤßte Aufgabe des Architekten, die
Anlage ganzer Staͤdte, wurde in dieſer Periode beſon-
ders dem Hippodamos von Milet zu Theil, welcher den
[89]Griechen. Dritte Periode.
Peiraͤeus, den Themiſtokles mehr zu einer Zuflucht in
Kriegszeit beſtimmt hatte, zu einer herrlichen Stadt aus-
baute, Thurioi (Ol. 83, 3) nach winckelrechten großen
Straßen anlegte, und Rhodos (Ol. 93, 1), ebenfalls
hoͤchſt ſymmetriſch und regelmaͤßig, in einer theateraͤhnli-
chen Form aufbaute. Durch ihn ſcheint die regelmaͤßige2
(Joniſche) Bauweiſe uͤber die altgriechiſche, winkliche und
enge, Staͤdteanlage die Oberhand gewonnen zu haben.


1. Ueber Hippodamos Anlagen vgl. Ariſtot. Pol. ii, 5 mit Schnei-
der, vii, 10. Photios u. Heſych. s. v. Ἱπποδάμου νέμησις mit
Diod. xii, 10. Schol. Ariſtoph. Ritt. 327. (vgl. Meier zu den
Scholien, p. 457 Dindorf). Ueber Rhodos Strab. xiv, 654.
Ariſteides Rhodiakos. Meurſ. Rhodus i, 10. Auch die Anlage
der ſchönen Stadt Kos (103, 3) des neuen Halikarnaſſ (von Mau-
ſolos), und der Pelop. Hauptſtädte, Meſſene und Megalopolis,
gehört hierher.


2. Vgl. Dorier Bd. ii. S. 255.


3. Bildende Kunſt.


a. Die Zeit des Phidias und Polykleitos.

112. Die hoͤchſte Bluͤthe der Kunſt, welche in die-1
ſer Periode im ganzen Griechenland aber beſonders in
Athen und Argos eifrig betrieben wird, bereiten die treff-
lichen Kuͤnſtler Kalamis und Pythagoras vor, von
denen jener zwar noch nicht von aller Haͤrte des alten2
Styls frei war, aber doch in den mannigfachſten Aufga-
ben, erhabnen Goͤtterbildern, muthvollen Roſſen, zarten
und anmuthreichen Frauen, Bewunderungswuͤrdiges lei-
ſtete; dieſer in lebensvoller Darſtellung der Muskeln und3
Adern, in genauer Kunde der Proportionen, zugleich
aber auch ſchon (was in dieſer Zeit ſeltner) in ergreifen-
dem Ausdrucke, vortrefflich war.


1. Kalamis (von Athen?) Toreut Erzg. und Bildhauer.
Ol. 78 — 87. Pythagoras von Rhegion Erzgießer, Schü-
[90]Hiſtoriſcher Theil.
ler des Klearch, Ol. 75 — 87. Pauſ. vi, 6. vi, 13. vgl. Cor-
ſini Dissert. agon. p. 124. 130. Plin. xxxiv, 8, 19. Eu-
kadmos von Athen Bildhauer 80. Telephanes der Phokeer,
Erzg. (arbeitet für die Aleuaden und Perſerkönige) um 80. Po-
lygnotos, Mahler, auch Bildh., um 80. Ptolichos von Korkyra,
Kritias Schüler, Erzg. 83. Skymnos u. Dionyſodoros, Erzg.
u. Toreuten, Kritias Schüler, 83. Akeſtor von Knoſſos, Erzg.
83. Pheidias Charmides Sohn, von Athen, Ageladas Schüler,
Mahler, Erzgießer, Toreut, Bildhauer, Ol. 80 — 87, 1. Pra-
xias von Athen, Kalamis Schüler, Bildhauer, 83. Androſthenes
von Athen, Eukadmos Schüler, Bildhauer, 83. Polykleitos,
Sikyonier und Argeier, Ageladas Schüler, Erzg. Toreut, Bildhauer
u. Architekt, etwa von 82 — 92. Myron, ein Athener von
Eleutherä, Ageladas Schüler, Erzg. Toreut, Bildhauer, um die-
ſelbe Zeit. Kallimachos, ὁ κατατηξίτεχνος, Erzgießer u.
Toreut, um 85. Stypar von Kypros, Erzg. 85. Alkame-
nes
von Athen, Phidias, vielleicht auch Kritias Schüler, Kleruch
in Lemnos, Erzg., Toreut u. Bildhauer, 83 — 94 (de Phidia
1, 19.) Kolotes, Phidias Schüler, Toreut 86. Päonios von
Mende, Bildhauer 86. Kleötas (von Athen?) Erzg. u. Architekt
(§. 106, 4.) g. 86. Agorakritos von Paros, Phidias Schüler,
Erzg. u. Bildhauer 85 — 88. Phradmon von Argos Erzg. um
87. Kallon von Elis, Erzg. um 87. Gorgias von Lakedä-
mon, Erzg. 87. Kteſilaos Erzg. 87. Sokrates, Sophro-
niskos Sohn, von Athen, Bildhauer g. 87. Polyklets Söhne als
Künſtler um 87 erwähnt Platon Protag. p. 328. Theokosmos von
Megara, Phidias Schüler, Erzg. und Toreut, 87 — 95. Am-
phion von Knoſſos, Akeſtors Sohn, Ptolichos Schüler, Erzg. 89.
Soſtratos von Rhegion, Pythagoras Schüler, gegen 89. Nikoda-
mos, ein Mänalier, Erzg. 90. Therikles der Korinthiſche Töpfer
(Θηρικλεῖα) g. 90. Athenäos xi, p. 470 F. Bentlei’s Phala-
ridea.
Kleiton von Athen, Erzg. (ἀνδριαντοποιός), g. 90.
Nikeratos von Athen, Erzg., 90. Apellas Erzg. g. 90. De-
metrios
, Athener von Alopeke, g. 90. (Er darf wegen des Si-
mon nicht zu ſehr von dem Zeitalter des Mahler Mikon entfernt
werden, und ich halte daher die alte Pallas-Prieſterin Lyſimache,
die er bildete, für die Vorgängerin der Theano. Vgl. Lange Anm. zu Lanzi
über die Sculptur S. 84. Sillig C. A. p. 180). Naukydes von Ar-
gos, Mothons Sohn, Erzg. u. Toreut, 90 — 95. Perikleitos,
Naukydes Bruder, Polykleitos Schüler, um dieſelbe Zeit (Pauſ. ii,
22, 8. iſt vielleicht zu ſchr.: τὸ μὲν Πολύκλειτος, τὸ δὲ
Περίκλειτος ἐποίησε, τὸ δὲ ἀδελφὸς Περικλείτου Ναυκύ-
δης). Lykios von Eleutherä, Myrons Sohn und Schüler, Erzg.
u. Toreut, um 92. Athenodoros und Demeas von Kleitor, Schü-
[91]Griechen. Dritte Periode.
ler des Polykleitos, Erzg., 94. Aſopodoros von Argos, Alexis,
Phrynon, Deinon, Erzgießer, nebſt Ariſteides, Erzg. u. Architekt,
ſämmtlich Schüler des Polykleitos, um 94. Ariſtandros von Pa-
ros Erzg. 94. Ariſtokles, Kleötas Sohn, Erzg. u. Toreut, 92 —
95. (vgl. Böckh Corp. Inscr. p. 237). Kanachos von Sikyon,
der jüngere, Polykleitos Schüler, Erzg. 95. Deinomenes Erzg.
95. Patrokles Erzg. 95. Piſon von Kalauria, Amphions Schü-
ler, Erzg. 95. Alypos von Sikyon, Naukydes Schüler, Erzg.
95. Tiſandros Erzg. 95. Soſtratos von Chios 95. Antipha-
nes von Argos, Perikleitos Schüler, Erzg. 95 — 102. Poly-
kleitos d. j. von Argos, Naukydes Schüler, Erzg. 95 — 101.
(Pauſ. ii, 22. iii, 18. vi, 2, vgl. Corſini Diss. agon. p.
123, vi,
6). Mys, Toreut, 95. Dädalos von Sikyon,
Patrokles Schüler, Erzg. 96 — 104 (Pauſ. vi, 2. vi, 3, vgl.
Corſini Diss. agon. p. 130. 133, x, 9.) Stadieus von
Athen, Erzg. 97. Kephiſodotos von Athen Erzg. 97 — 104.
Pantias von Chios, Soſtratos Schüler, Erzg. 100. Kallikles
von Megara, Theokosmos Sohn, Erzg. 100.


2. Calamidos dura illa quidem, sed tamen molliora quam
Canachi,
Cicero. Iam minus rigida Calamis Quinctilian.
Oben §. 92. An ſeiner Soſandra lobt Lukian, εἰκόν. 6. τὸ μει-
δίαμα λεπτὸν καὶ λεληϑός — καὶ τὸ εὐσταλὲς δὲ καὶ
κόσμιον τῆς ἀναβολῆς, vgl. die Hetärengeſpr. 3. Sillig
Catal. Artif. p. 115.


3. Hic primus (?) nervos et venas expressit, capil-
lumque diligentius — Vicit Myronem pancratiaste Delphis
posito — Syracusis (fecit) claudicantem cuius ulceris do-
lorem sentire etiam spectantes videntur.
Plinius xxxiv,
19. Πυϑαγόραν πρῶτον δοκοῦντα ῥυϑμοῦ καὶ συμμε-
τρίας ἐστοχάσϑαι Diog. L. viii. Pyth. 25. Sillig C. A. p.
399. adde
Varro de L. L. V. p. 13.


113. Nun tritt der Athener Phidias auf, ein Kuͤnſt-1
ler, deſſen Genius ſo maͤchtig und deſſen Ruhm ſo aner-
kannt war, daß die Werke der Perikleiſchen Zeit ſaͤmmt-
lich von ihm geleitet, und das ganze in Athen verſam-
melte Heer mannigfacher Kuͤnſtler nach ſeinen Ideen be-
ſchaͤftigt wurde. Er ſelbſt arbeitet beſonders die aus Gold und2
Elfenbein zuſammengeſetzten Coloſſalſtatuen, zu deren voll-
kommnerer Ausfuͤhrung eine beiſpielloſe Freigebigkeit der
[92]Hiſtoriſcher Theil.
Staaten, und eine erweiterte Technik ſich die Hand
boten.


1. Phidias Lebensumſtände nach des Vf. Comm. de Phidiae
Vita I.
Geboren gegen 73. Zuerſt von einheimiſchen Meiſtern,
wahrſcheinlich Hegias, um Ol. 80. auch von dem Argiver Agela-
das unterwieſen, leitet er die Perikleiſchen Werke, von 82 oder
83 an, vollendet die Pallas im Parthenon 85, 3., dem Olympi-
ſchen Jupiter nach 86. Angeklagt durch Cabale gegen Perikles
86, 4. ſtirbt im Gefängniß 87, 1. — Gegen die Meinung, daß
er ſchon um 73 als Künſtler thätig geweſen ſei, ſpricht am beſten
die Vergleichung ſeines Zeitalters mit dem der Vorgänger, des Kri-
tias, Pythagoras, Kalamis.


Unter ſeiner Direction ſtehen nach Plutarch Per. 12. τέκτο-
νες, πλάσται, χαλκοτύποι, λιϑουργοὶ, βαφεῖς, χρυσοῦ
μαλακτῆρες καὶ ἐλέφαντος, ζωγράφοι, ποικιλταὶ, τορευ-
ταί. Ποικιλταὶ ſind Buntwerber, Sticker, deren Teppiche (πα-
ραπετάςματα) man bei Vergegenwärtigung des Geſammteindrucks
jener Tempel und Elfenbeinbilder nicht vergeſſen muß. Ob Akeſas
u. Helikon, die Salaminier aus Cypern, die dem Delphiſchen Apoll
(vgl. Eurip. Jon, 1158.) u. der Pallas ſo prächtige Teppiche ge-
webt, dieſer Zeit angehören? Athen ii. p. 48. b. Euſt. zu Od.
i, 131 p. 1400. Apoſtol. ii, 27. Zenob. 1, 56. In Phöni-
cien, Cypern, Karthago (Athen. xii. p. 541. b.) war dieſe Kunſt
beſonders zu Hauſe.


2. Ueber die Zuſammenſetzung dieſer Statuen Heyne Antiq.
Aufſ. ii. S. 149, in der Neuen Bibliothek der Schönen Wiſſenſch.
Bd. xv, u. den Nov. Commentar. Soc. Gotting. T. i. P. ii.
p.
96. 111. Quatremère-de-Quincy p. 393., unten (Technik
§. ). Das abnehmbare Gewand der Pallas 44 Goldtalente
nach Philochoros, 786, 500 Rthlr.. Einzelne Locken des Zeus
wogen nach Lukian, Zeus Trag. 25., 6 Minen, etwa 300
Louisdor.


Das Erweichen des Elfenbeins (Anm. 1. Quatremère p. 416.)
ſoll Demokritos erfunden haben. Seneca Epist. 90. Die
Augen wurden aus edlen Steinen eingeſetzt, vgl. Platon Hipp.
mai. p.290.


114. Zu dieſen gehoͤrt unter andern das ſechs und
zwanzig Griechiſche Ellen hohe Standbild der Pallas
Parthenos, welches als ein Bild einer geruͤſteten, aber
[93]Griechen. Dritte Periode.
ſiegreichen, in ruhiger Majeſtaͤt herrſchenden Gottheit ge-
dacht war. Die grandioſe Einfachheit der Hauptfigur
war hier, wie in andern Werken des Phidias, durch rei-
chen Schmuck an der Baſis, den Waffen, ſelbſt dem
Sohlen-Rande gehoben.


Ὀρϑὸν ἐν χιτῶνι ποδήρει. Aegis mit Gorgoneion. Auf
dem Helme Sphinx (rund) und Greifen (in Relief). Lanze in
der Hand, Schild zu Füßen. Er ſtützte wahrſcheinlich die Hand
mit der vier Ellen hohen Rike. Schlange (Erichthonios) neben
der Lanze am Boden. Am Schilde nach innen die Gigantoma-
chie, nach außen Amazonenſchlacht (Perikles und Phidias künſtlich
angebrachte Porträte). Am Rande der Tyrrheniſchen Sohlen die
Kentanromachie. (Kentauromachie und Amazonenkampf ſind Attiſche
Nationalſüjets.) Pandorae genesis an der Baſis. Pauſ. i,
24, 7. mit Siebelis Anm. Plin. xxxvi, 5, 4. Maximus Tyr.
diss. 14 T. i. p. 260. R. Böttiger Andeut. S. 86.


Ob die Albaniſche und Hope’ſche Pallas (Cavaceppi Raccolta
I. t. 1. Specimens pl. 25
), oder die Velletriſche (Bouillon
v. 1. pl. 23.) der Parthenos des Phidias näher ſteht? Im Gan-
zen wohl die erſtere.


115. Noch mehr erregte das Staunen und den1
Enthuſiasmus der geſammten Hellenen der Olympiſche
Zeus
. Hoͤchſter Reichthum der die einfacherhabne Figur2
umgebenden plaſtiſchen Zierden, tiefe Wiſſenſchaft in der3
Anordnung der Maaße der ſehr coloſſalen Figur, und
der erhabenſte Schwung des Geiſtes in der Auffaſſung4
des Zeusideals machten dieſe Statue zu einem Wunder
der Welt. Die zum Grunde liegende Vorſtellung iſt die5
des allmaͤchtig herrſchenden, uͤberall ſiegreichen Gottes in
huldvoller Gewaͤhrung, gnaͤdiger Erhoͤrung menſchlicher
Bitten. In ihm ſchauten die Griechen den Zeus gegen-6
waͤrtig; ihn zu ſehn war ein Nepenthes; ihn vor dem
Tode nicht erblickt zu haben, beinahe ein ſolches Ungluͤck,
wie uneingeweiht in die Myſterien zu ſterben.


2. Vom Tempel §. 109. Anm. N. 7. Der Thron aus Ceder-
holz mit Zierden und Reliefs aus Gold, Elfenbein, Ebenholz,
auch Mahlerei. Der Fußſchemel, die Baſis voll Schmuck, die
[94]Hiſtoriſcher Theil.
Schranken hatte Panänos gemahlt, ſo wie die Blumen des Gold-
gewandes.


3. Die Figur war auch für den Tempel (64 F. hoch) coloſſal.
Etwa 40 Fuß hoch auf einer Baſis von 12. Beweiſe für die per-
ſpektiviſche Kenntniß die Geſchichte mit dem Antlitz, Lukian pro
imag.
14, und der Streit mit Alkamenes, Tzetz. Chil. viii, 193.
Vgl. Platon Sophiſt. p. 235. Tzetz. Chil. xi, 381. u. oben §.
107, 3. Meiſter de optice fictor. N. Commentr. Gott. T.
vi. cl. phys. p. 154.


4. 5. In der R. hielt er eine Nike, in der L. das Skeptron
mit dem Adler. Phidias führt die Verſe Il. i, 529. als ſein
Vorbild an. Ζεὺς κατανεύων. Εἰρηνικὸς καὶ πανταχοῦ
πρᾷος, Dio Chryſoſt. xii. (Olympikos) p. 215. Vgl. die Elei-
ſchen Kaiſermünzen bei Quatremère-de-Quincy, den Jupiter Veroſpi,
die Mediceiſche und Vaticaniſche Büſte (von Otricoli).


6. Livius xxxxv, 28. Quintil. xii, 10. Dio Chryſoſt. Or.
xii, p. 209
ff. Aa. Comm. de Phidia ii, 11.


Völkel über den großen Tempel und die Statue des Jupiter
zu Olympia Lpz. 1794. Siebenkees über den Tempel und die
Bildſäule des Jupiter zu Olympia. Nürnb. 1795. Böttiger An-
deutungen S. 93. (Marcheſe Haus) Saggio sul tempio e la
statua di Giove in Olimpia. Palermo
1814. Quatremère-
de-Quincy Iup. Olympien p. 384.


1116. Außer dieſen und andern Werken der Toreutik
arbeitete Phidias zahlreiche Goͤtter- und Heroenſtatuen
aus Erz und Marmor als Cultusbilder oder Weihgeſchenke.
2Beſonders aber war es die Vorſtellung der Athena,
welche er, nach verſchiednen Modificationen, ſinnreich ent-
3wickelte, indem er ſie fuͤr Plataͤaͤ in einem Akrolith (§.
484.) als Streitbare (Areia), fuͤr die Athener auf Lemnos
dagegen beſonders anmuthig und in einem milden Charak-
5ter (Καλλίμορφος) darſtellte. Das coloſſalſte Bild, die
eherne Promachos, welches zwiſchen den Propylaͤen und
dem Parthenon ſtehend, uͤber beide emporragend, von
den Schiffern ſchon aus großer Ferne geſehen wurde,
war, als Phidias ſtarb, noch nicht fertig; beinah ein
Menſchenalter ſpaͤter arbeitete Mys nach Parrhaſios Zeich-
[95]Griechen. Dritte Periode.
nungen die Kentauromachie am Schilde, ſo wie die uͤbri-
gen Werke der Toreutik, womit das Gußwerk geſchmuͤckt
wurde.


1. 2. Peterſen Observ. ad Plin. xxxiv, 19, 1. Pro-
gramm Havniae 1824. Sillig C. A. p. 344. vgl. p. 288.
Comm. de Phidia i,
9.


3. Der Tempel der Areia war nach der umſtändlicheren Nach-
richt Plutarchs aus der Platäiſchen Beute (Ariſtid. 20), wodurch die
Zeit des Werks aber wenig beſtimmt wird.


4. Von der Καλλίμορφος Pauſ. i, 28, 2. Lukian Imagg.
6. Plin. xxxiv, 19, 1.


5. Die Stelle der Promachos wird durch Pauſ. i, 28, 2., vgl.
mit Herod. v, 77., beſtimmt; hier zeigt ſie auch die Münze,
Kupfer zu Barthelemy’s Anacharſis pl. 27. n. 1. Die Promachos
ἀνέχει τὴν ἀσπίδα. Daß ſie aus der Marathoniſchen Siegs-
beute ſei, wußte man zu Demoſthenes Zeit noch nicht; das Zeit-
alter der ſpätern Rhetoren hat erſt dieſen locus communis ſo aus-
geführt. (Comm. de Phidia i, 9. 10.) Pauſanias Angabe
über Mys und Parrhaſios zu bezweifeln, ſehe ich keinen Grund,
οἱ ziehe ich auf die Athena.


117. Auch Phidias Anhaͤnger, beſonders der dem1
Meiſter innig ergebne Agorakritos, und der unabhaͤn-
gigere, ſeinen Lehrer auch widerſtrebende Alkamenes,
wandten ihre Kunſt am meiſten auf Goͤtterbilder. Eine2
volle Bluͤthe der Schoͤnheit, vereinigt mit einer milden
ruhigen Hoheit in den Zuͤgen, charakteriſirte ohne Zweifel
die goͤttlichen Frauenbilder, welche ſie im Wetteifer mit
einander verfertigten: die Aphrodite in den Gaͤrten von
Alkamenes, und die entſprechende Statue des Agorakritos,
aus Pariſchem Marmor, die, des Preiſes verluſtig, mit
hinzugefuͤgten Attributen, als Nemeſis in Rhamnus con-
ſekrirt wurde.


2. Vgl. außer andern Zoega’s Abhandlungen S. 56. 62. Wel-
cker ebd. S. 417. De Phidia i, 20. Sillig p. 26 sqq.


[96]Hiſtoriſcher Theil.

1118. Jetzt exiſtiren als Werke dieſer erſten aller Kunſt-
ſchulen noch die architektoniſchen Sculpturen,
womit ſie die Tempel Athens, ohne Zweifel unter Phi-
dias unmittelbarer Aufſicht und Leitung, ausgeſchmuͤckt
hat. Erhalten hat ſich erſtens Einiges von den Metopen
nebſt dem Fries der ſchmalen Seiten der Cella des The-
ſeus-Tempels, deſſen Styl offenbar der Phidiaſſiſchen
2Schule angehoͤrt; zweitens eine bedeutende Anzahl von
den Metopen des Parthenon, ſo wie ein großer Theil
des Frieſes von der Cella, endlich einige coloſſale Figu-
ren und eine Maſſe von Truͤmmern von den beiden Gie-
beln deſſelben Tempels. Beſonders an dieſen mag Phi-
dias ſelbſt gearbeitet haben, wie auch Alkamenes nebſt
Paͤonios von Mende als Urheber der Giebelgruppen am
3Tempel zu Olympia genannt wird. Unter Einwir-
kung der Attiſchen Kuͤnſtler ſind uͤberdies auch die Bild-
werke am Fries des Hypaͤthron im Tempel bei Phiga-
lia (§. 109. Anm. N. 9) entſtanden, doch ſo daß der we-
niger gelaͤuterte Geſchmack einer andern Kuͤnſtlerſchule
auf Zeichnung und Ausfuͤhrung des Ganzen beſtimmend
gewirkt hat.


1. Theſeion. In den Metopen Herakles u. Theſeus Thaten.
Im Frieſe vorn Kampf von Männern (Athenern und Eleuſiniern?
Atlantinern?) unter der Leitung von Göttern; hinten Kentauroma-
chie. Gypsabgüſſe im brittiſchen Muſeum (R. xiv. n. 52 — 73).
Stuart iii. ch. 1. Dodwell Class. Tour i. p. 362, nebſt
Kupfer. Alcuni bassirilievi della Grecia.


2. Parthenon.


a.Metopen, gegen 4 F. hoch, der Vorſprung
der Figuren bis 10 Zoll. Im Ganzen 92; 15 von der Südſeite
jetzt im Britt. Muſeum, 1 im Louvre, 32 von der Südſeite
von Carey auf Befehl des Gr. Nointel vor 1687 (vgl. §. 109.
Anm. N. 2.) gezeichnet, einige bei Stuart V. ii ch. 1. pl. 10 —
12. V. iv. ch. 4. pl. 29 — 34.
u. im Museum Worsleya-
num T. ii. ch. 5.
Nachrichten von andern in der neuen Ausgabe
Stuarts, und in Leake’s Topography, 8. p. 226. Darnach ſieht
man, daß an der vordern, oder öſtlichen, Seite beſonders Pallas
als Gigantenkämpferin und andre Götterkämpfe (auch der um den
[97]Griechen. Dritte Periode.
Dreifuß) vorgeſtellt waren, an der ſüdlichen in der Mitte Scenen
aus der ältern Attiſchen Mythologie, gegen das Ende die Kentau-
romachie (dieſer gehört Alles beſſer Erhaltne an), an der nördlichen
unter andern der Amazonenkampf, an der weſtlichen abwechſelnd
Kämpfe von Reutern, und zu Fuß, wahrſcheinlich geſchichtlichen
Inhalts.


b.Fries der Cella, 3 Fuß 4 Zoll hoch
528 lang (wovon an 456 noch genauer bekannt). Davon ſind
53 Platten, außer den Gypsabgüſſen der ganzen Weſtſeite, im britt.
Muſeum, 1 im Louvre; Viel geben die in Paris aufbewahrten,
noch nicht edirten, Careyſchen Zeichnungen, Stuart ii. pl. 13 ‒ 30
iv. pl. 6 ‒ 28.
und das Museum Worsleyanum. (Eine Ueber-
ſicht des Ganzen giebt der Verf. im zweiten Bande des Deutſchen
Stuart). Auf der Weſtſeite ſah man die Vorbereitungen des Rei-
terzugs, dann S. und N. in der erſten Hälfte die Reuter Athens
in Gliedern galloppirend (ἐπιραβδοφοροῦντας), hierauf die zum
Wagenkampf Gerüſteten (Ἅμιλλαι? neben ihnen), dann in S.
die Greiſe und Greiſinnen der Stadt, in N. Chöre nebſt Auleten
und Kithariſten, Askophoren, Skaphephoren, nach vorn auf beiden
Seiten die Opferſtiere nebſt ihren Begleitern. Auf der Oſtſeite
ſitzen, von Jungfraun, welche die ἀναϑήματα bringen, und den
ordnenden Magiſtraten umgeben, 12 Götter (Zeus, Hera nebſt Jris
oder Hebe, Hephäſtos, Demeter, die Anakes, Hygieia, Asklepios,
Poſeidon, Erechtheus (?), Peitho, Aphrodite nebſt Eros nach dem
Vf.), zwiſchen denen die Prieſterin der Pallas Polias mit zwei
Erſephoren und der Prieſter des Poſ. Erechtheus, der den Peplos
einem Knaben übergiebt, die Mittelgruppe einnehmen. — An
den Gewändern und Haaren ſind Spuren von Farbe und Gold;
die Zügel, Stäbe und dgl. waren aus Metall, wie auch im Gie-
belfelde das Gorgoneion und die Schlangen an der Aegis der Pallas,
und Andres.


c.Giebelſtatuen. (Höhe des Giebels
11 Fuß 6 Zoll; Breite 94 Fuß; Tiefe des untern Kranzes 2 Fuß
11 Zoll 4 L.) Das britt. Muſ. hat vom O. Giebel 9 Figuren,
vom W. Giebel 1 Figur und 5 bedeutende Bruchſtücke; Careys
Zeichnung (Stuart iv. ch. 4. pl. 1 ‒ 5) giebt dieſen faſt vollſtän-
dig, von jenem eine Figur (die Nike) weniger als im britt. Muſ.
iſt. Im Oſten die Γένεσις Ἀϑηνᾶς (σέβας δ̛ ἔχε πάντας
ὁρῶντας ἀϑανάτους — στῆσεν δ̛ ϒπερίονος ἀγλαὸς υἱὸς
ἵππους ὠκύποδας δηρὸν χρόνον Homer. Hymn. 28); im We-
ſten beſiegt Pallas, um Athens Schutzherrſchaft ſtreitend, den Po-
ſeidon dadurch, daß ſie die von ihm geſchaffnen Roſſe den Erichtho-
nios anjochen lehrt. Vgl. Reuvens im Classical Iournal N. 53.
7
[98]Hiſtoriſcher Theil.
56. Antiquiteiten, een oudheidkundig Tijdschrift ii, 1,
S. 1. ii, S. 55, und des Verf. dritte Comment. de Phidia.
In den Elgin Marbles Lond. 1816. finden ſich außer dem auch
in den Antiqq. of Athens enthaltenen Kupfern Zeichnungen von
Chantry nach den drei herrlichſten Stücken, dem ſogen. Theſeus,
Iliſſ und Pferdekopf. Vgl. im Allgemeinen noch: Memorandum
on the subject of the Earl of Elgin’s Pursuits in Grece.
2 Ed.
1815. Viſconti Deux mémoires sur les ouvrages de
sculpture de la collection d’ Elgin.
1816. Quatremère-de-
Quincy Lettres à Mr. Canova sur les marbres d’Elgin. 1818.
[Derſ. Sur les deux frontons du Parthénon.].


3. Fries von Phigalia (§. 109 Anm. N. 9.) um das
Hypäthron, von Linckh, von Haller, Cockerell, Foſter und Aa. ent-
deckt. Hautrelief. Kentauromachie und Amazonenſchlacht, dazwi-
ſchen Apollon und Artemis als ϑεοὶ ἐπικούριοι auf Roſſen heran-
fahrend. Die Käneusgruppe wie am Theſeion, der Raub des
Mädchens und Knabens wahrſcheinlich nach Alkamenes (Pauſ. v,
10.). Anordnung und Zeichnung der Figuren ſind höchſt geiſt-
reich und lebendig; doch erſcheint die Kunſt weniger gezüchtigt und
geläutert, als am Parthenon. Unangenehme Verrenkungen und
Verkürzungen. Sonderbar ſtraffe, und vom Winde gekräuſelte Falten.
Bassirilievi della Grecia — disegn. da Gio. Mar. Wagner
ed inc. da Ferd. Ruschweyh. 1814. Anc. Marbles of the
British Museum P. iv. Der Apollotempel zu Bassae in
Arcadien u. die daselbst ausgegr. Bildwerke,
von O. M.
Baron v. Stackelberg.


Später als dieſe Werke, aber doch in vieler Hinſicht verwandt,
von ungemeiner Energie und Lebhaftigkeit, ſind die Reliefs vom T.
der Nike Apteros (§. 109 Anm. 3. vgl. Leake Topogr. p. 193)
im britt. Muſ. R. xv. n. 257 – 260, bei Stuart V. ii. ch. 5.
pl.
12. 13., welche zum Theil Kämpfe von Griechen mit Perſern,
zum Theil von Griechen unter einander darſtellen.


119. In allen dieſen Werken, beſonders denen am
Parthenon, erſcheint im Ganzen derſelbe Geiſt der Kunſt,
nur daß bei den Metopen bisweilen Kuͤnſtler der aͤltern
Schule, welche noch immer fortbeſtand (§. 112 Anm.),
gebraucht worden zu ſein ſcheinen, deren Arbeit minder
rund und fließend iſt, und daß bei dem Fries die gleich-
maͤßige Fuͤllung des Raums, welche die architektoniſche
Decoration forderte, ſo wie das Geſetz der Symmetrie
[99]Griechen. Dritte Periode.
und Eurhythmie das Streben nach Natur und Wahrheit
in manchen Punkten bedingte. Abgeſehn davon, finden
wir uͤberall eine Wahrheit in der Nachahmung der Natur,
welche ohne Weſentliches (wie die von der Anſtrengung
ſchwellenden Adern) zu unterdruͤcken, ohne ſich irgendwie
uͤber die Natur erheben zu wollen, den hoͤchſten Adel und
die reinſte Schoͤnheit erreicht; ein Feuer und eine Leben-
digkeit der Bewegung, wo ſie die Sache fordert, und eine
Behaglichkeit und Bequemlichkeit der Ruhe, wo dieſe,
wie beſonders bei Goͤttern, angemeſſen erſchien, ohne alle
Manier und Affektation; die groͤßte Natuͤrlichkeit und
Leichtigkeit in der Behandlung der Gewaͤnder, wo nicht
Regelmaͤßigkeit und Steifheit grade erforderlich iſt; ein
lichtvolles Hervorheben der Hauptvorſtellung und eine
Fuͤlle ſinnreich erfundner Motive in untergeordneten Grup-
pen: endlich eine natuͤrliche Wuͤrde und Anmuth vereint
mit der groͤßten Unbefangenheit und Anſpruchsloſigkeit,
ohne alles Streben nach Lockung der Sinne, glaͤnzendem
Effekt und Hervorhebung der eignen Meiſterhaftigkeit,
welche die beſten Zeiten, nicht blos der Kunſt, ſondern
auch des Griechiſchen Lebens uͤberhaupt charakteriſirt.


Die Alten rühmen an Phidias beſonders τὸ μεγαλεῖον καὶ
τὸ ἀκριβὲς ἅμα Demetr. de eloc. 14. τὸ σεμνὸν καὶ με-
γαλότεχνον καὶ ἀξιωματικόν, Dionyſ. Hal. de Isocr. p. 542.


120. Neben dieſer Attiſchen Schule erhebt ſich auch1
die Sikyoniſch-Argiviſche (vgl. §. 82.) durch den großen
Polykleitos zu ihrem Gipfel. Obſchon dieſer Meiſter2
in ſeinem Coloſſalbilde der Hera zu Argos nach Einigen
die Kunſt der Toreutik noch vervollkommnete: ſo ſtand3
er doch im Bilden von Goͤttern im Allgemeinen dem Phi-
dias bei weitem nach. Dagegen ſchwang ſich durch ihn4
die im Peloponnes vorwaltende Kunſt, Erzſtatuen von
Athleten zu bilden, zur vollkommenſten Darſtellung ſchoͤ-
ner gymnaſtiſcher Figuren empor, an denen zwar keines-
wegs ein eigenthuͤmlicher Charakter vermißt wurde, aber
7*
[100]Hiſtoriſcher Theil.
doch die Darſtellung der reinſten Formen und ebenmaͤßig-
ſten Verhaͤltniſſe des jugendlichen Leibes die Hauptſache
5war. Daher eine ſeiner Statuen, der Doryphoros, es
ſei nun nach der Abſicht des Kuͤnſtlers oder durch das
Urtheil der Nachwelt, ein Kanon der Proportionen des
menſchlichen Koͤrpers wurde, welche im Allgemeinen da-
6mals noch kuͤrzer und ſtaͤmmiger waren als ſpaͤter. Ebenſo
legte man ihm (nach Plinius) die Durchfuͤhrung des Grund-
ſatzes bei, den Schwerpunkt des Koͤrpers hauptſaͤchlich auf
den einen Fuß zu legen (ut uno crure insisterent signa);
woraus der ſo anziehende und bedeutende Gegenſatz der
tragenden, gedraͤngteren, und der getragenen, mehr ent-
wickelten, Seite des menſchlichen Koͤrpers hervorgeht.


2. Von der Hera in Argos beſonders Maximus Tyr. Diss.
14. p. 260 R.,
Böttiger Andeut. S. 122. Quatr.-de-Quincy
p. 326. Τὰ Πολυκλείτου ξόανα τῇ τέχνῃ κάλλιστα τῶν
πάντων — Strab. viii. p. 372. Toreuticen sic erudisse,
ut Phidias aperuisse (iudicatur)
Plin. xxxiv, 19, 2.) Da-
gegen Phidias in ebore longe citra aemulum Quint.).


3. Vgl. die Urtheile Cic. Brut. 18. Quintil. xii, 10.
Schorn Studien S. 282. Meyer Geſchichte i. S. 69.


4. Diadumenum fecit molliter puerum (Statue aus Villa
Farueſe, Winckelm. W. B. vi. Tf. 2) — Doryphorum viri-
liter puerum — destringentem se, et nudum talo inces-
sentem (?), duosque pueros item nudos talis ludentes

(ἀστραγαλίζοντας). Plin. Sillig. C. A. p. 364 sqq.


5. Vom Kanon Plin. a. O. (Doryphorum, quem et
canona artifices vocant),
Cicero Brut. 86. Orat. 2. Quintil.
v, 12. Lukian de salt. 75. Hirt Abh. der Berl. Akad. 1814.
Hiſt. Phil. Cl. S. 19. Als eine Schrift nur Galen περὶ τῶν
καϑ̕ Ἱπποκράτην καὶ Πλάτ. iv, 3. T. v. p. 449 Kühn,
u. ſonſt. Vgl. unten §. 129. 130. Quadrata (τετράγωνα)
Polycl. signa esse tradit Varro et paene ad unum exem-
plum.
Plin.


1121. Mit dieſem Charakter des Polykleitos ſtimmt
es ſehr wohl uͤberein, daß er in einem Kuͤnſtler-Wett-
kampfe zu Epheſos mit ſeinem Amazonenbilde den Phi-
[101]Griechen. Dritte Periode.
dias, Kteſilaos, Phradmon und Kydon uͤberwand. Phi-2
dias an eine Lanze geſtuͤtzte Amazone iſt in der zum
Sprunge ſich bereitenden im Vatican, Kteſilaos verwun-3
dete in einer Capitoliniſchen Statue wieder erkannt wor-
den; die Polykletiſche muͤſſen wir uns darnach als das4
Hoͤchſte in der Darſtellung dieſer bluͤhenden und kraͤftig
ausgebildeten Frauengeſtalten denken. Auch war Poly-5
kleitos wie Kteſilaos ſchon in Portraͤtſtatuen ausgezeich-
net; jener bildete den Artemon Periphoretos, dieſer den Peri-
kles Olympios.


2. Ueber die Amazone des Vatican, Musée François P. iii.
n.
14., des Vf. Comment. de Myrina Amazone. GGA. 1829.
Juli.


3. Ueber die verwundete des Capitols, Mus. Cap. T. iii.
t. 46.,
im Louvre n. 281, Bouillon V. ii. pl. 11., ſ. die Her-
ausg. Winckelm. Bd. iv. S. 356. vi. S. 103. Meyers Geſch.
S. 81. Anm. 78.


5. Artemon Periphoretos war Perikles μηχανοποιὸς gegen
Samos (Ol. 84, 4; das angeblich Anakreontiſche Gedicht (Mehlhorn
Anacr. p. 224.) auf ihn war wohl ſpäteren Urſprungs). Die
Statuen des Artemon und Perikles erwähnt Plin. Von der So-
ſandra §. 112. Kolotes, Phidias Schüler, bildet philosophos.
Pl. Stypax bildet (zum Scherz) einen Sklaven des Perikles als
σπλαγχνόπτης, den Plin. mit dem Arbeiter des Mneſikles (Plut.
Perikl. 13) wohl nur confundirt hat.


122. Noch koͤrperlicher aͤußert ſich die Kunſt in My-1
ron dem Eleuthereer (einem halben Boͤoter), den ſeine2
Individualitaͤt beſonders dahin fuͤhrte, kraͤftiges Naturle-
ben in der ausgedehnteſten Mannigfaltigkeit der Erſchei-
nungen mit der groͤßten Wahrheit und Naivetaͤt aufzufaſ-
ſen (primus hic multiplicasse veritatem videtur).
Seine Kuh, ſein Hund, ſeine Seeungeheuer, ſein Doli-3
chodrom Ladas, der in der hoͤchſten und letzten Anſpan-4
nung vorgeſtellt war, ſein Diſkobol, der im Moment5
des Abſchleuderns aufgefaßt war, und durch zahlreiche
Nachbildungen ſeinen Ruhm beweiſt, ſeine Pentathlen und
Pankratiaſten gingen aus dieſer Richtung hervor. Von6
[102]Hiſtoriſcher Theil.
mythiſchen Geſtalten ſagte ihm beſonders Herakles zu,
den er nebſt der Athena und dem Zeus in einer coloſſalen
7Gruppe fuͤr Samos bildete. Doch blieb er in der gleich-
guͤltigen, regungsloſen Bildung des Geſichts, und in der
ſteifen Arbeit der Haare auf der Stufe der fruͤhern Erz-
gießer (der Aegineten beſonders) ſtehn, von denen er ſich
uͤberhaupt weniger unterſchied als Polyklet und Phidias.


1. Vgl. Böttiger Andeutungen S. 144. Sillig C. A. p. 281.


2. Myron qui paene hominum animas ferarumque
aere expresserat,
Petron 88. Kein Widerſpruch mit: corpo-
rum tenus curiosus, animi sensus non expressisse vide-
tur,
Plin. xxxiv, 19, 3.


3. Ueber die durch Epigramme (Anthol. Auſon.) berühmte Kuh,
τοὺς μαστοὺς σπαργῶσα nach Tzetz. Chil. viii, 194., ſ.
Göthe Kunſt u. Alterthum ii. p. 1. (Doch kann es aus mehrern
Gründen nicht die auf den Münzen von Epidamnos ſein). Vier
andre Kühe des Myron, Properz ii, 31, 7.


4. Von dem LadasAnthol. Pal. T. ii. p. 640. Plan.
n.
53. 54. Ueber zwei Erzfiguren in Neapel als Nachbildungen (?)
Schorns Kunſtbl. 1826. N. 45.


5. Diſkoboldistortum et elaboratum signum Quintil.
ii, 13. Eine Copie beſchreibt genau Lukian Philopſ. 18. τὸν
ἐπικεκυφότα κατὰ τὸ σχῆμα τῆς ἀφέσεως, ἀπεστραμμένον
εἰς τὴν δισκοφόρον, ἠρέμα ὀκλάζοντα τῷ ἑτέρῳ, ἐοικότα
ξυναναςησομένῳ μετὰ τῆς βολῆς. — Vgl. Welcker ad Phi-
lostr. p.
352. Nachbildungen in Statuen u. Gemmen. Mus.
Capit. T. iii. t. 69. Specimens pl.
29. Viſconti PioCl. T.
i. t. agg. A. n. 6. Musée Franç. P. i. pl.
20. Vgl. Franc.
Cancellieri del Discobolo scoperto nella Villa Palombara
Rom.
1806. Amalthea iii. S. 243.


6. Plin. a. O. Cic. Verr. iv, 3, 5. Strabon xiv, 637. b.


7. Ueber die Arbeit der Haare ſ. Plinius, u. vgl. die Bemerkung
über zwei Copieen des Diskobol, Herausg. Winckelm. Bd. vi. S. 113.


Myron arbeitet auch Schalen u. dgl. (Martial vi, 92. viii,
51.), wie Polykleitos, u. Myrons Sohn Lykios (Αυκιουργῆ?).


1123. Als Abweichungen von dem herrſchenden Geiſte
und Sinne erſcheinen die Beſtrebungen des Kallima-
[103]Griechen. Dritte Periode.
chos und Demetrios. Ein ſich nie genug thuender
Fleiß zeichnete Kallimachos Werke aus, aber verdarb ſie
auch, und verdiente ihm den Beinamen Κατατηξίτεχ-
νος, weil er ſeine Kunſt an Kleinigkeiten gleichſam ſchwin-
den laſſe. Demetrios dagegen, der Athener, war der erſte,2
der in Nachbildungen von Individuen, beſonders aͤltern
Leuten, eine Treue erſtrebte, welche auch das Zufaͤllige,
zur Darſtellung des Charakters Unweſentliche und Unſchoͤne
getreu wiedergab. — Unter den Kuͤnſtlern, welche ſich3
gegen Ende (wie Naukydes) und nach dem Ende des
Pelop. Krieges (wie Daͤdalos) auszeichneten, ſcheint, auch
wenn ſie nicht ſelbſt Schuͤler des Polyklet waren, doch
beſonders der Polykletiſche Geiſt fortgelebt zu haben. Der
Erzguß herrſcht noch immer vor; gymnaſtiſche Figuren,
Athleten- und Ehrenſtatuen, beſchaͤftigen die Kuͤnſtler am
meiſten.


1. S. Sillig C. A. p. 127. Die Stelle des Dionyſ. p. 1114.
iſt jetzt durch die von E. Gros vgl. Pariſer Handſchr. (in A. G.
Bekkers Ausg.) vervollſtändigt. Κατάτεχνος, welches bei Vitruv
ſtehn bleibt, wird wohl nach κατάγλωσσος u. dgl. zu erklären
ſein. Der häufige Gebrauch des Bohrers, deſſen erſte Anwendung
auf Marmor ihm zugeſchrieben wird (vgl. §. 56. Anm. 2.), das
Korinthiſche Capitäl (§. 108.), der zierliche Lychnos der Pallas Po-
lias (wohl nach 92), die saltantes Lacaenae, emendatum opus,
sed in quo gratiam omnem diligentia abstulerit,
ſtimmen
ſehr gut mit dieſem Beinamen überein.


2. Dem. nimius in veritate. Quinctil. xii, 10.
Sein Pelichos von Korinth (vgl. Thuk. i, 28) προγάστωρ, φα-
λαντίας, ἡμίγυμνος τὴν ἀναβολὴν, ἠνεμωμένος τοῦ πω-
γῶνος τὰς τρίχας ἐνίας, ἐπίσημος τὰς φλέβας, αὐτοαν-
ϑρώπῳ ὅμοιος, Lukian Philoſ. 18., wo Dem. ἀνϑρωπο-
ποιὸς
heißt. Ein Signum Corinthium ganz derſelben Kunſt-
art beſchreibt Plin. Epist. iii, 6.


3. S. beſonders die Nachrichten über die ἀναϑήματα der
Lakedämonier von Aegospotamoi (die meerblauen Rauarchen) Pauſ.
x, 9, 4. Plut. Lyſander 18. de Pyth. orac. 2. Vgl. Pauſ. vi,
2, 4. Eine ikoniſche Statue Lyſanders von Marmor in Delphi,
Plut. Lyſ. 1.


[104]Hiſtoriſcher Theil.
b. Die Zeit des Praxiteles und Lyſippos.

124. Nach dem Peloponneſiſchen Kriege erhebt ſich
zu Athen und in der Umgegend eine neue, mit der vori-
gen durch keine nachweisbare Succeſſion zuſammenhaͤn-
gende, Kunſtſchule, deren Kunſtweiſe in gleichem Maaße
dem Geiſte des neuattiſchen Lebens entſpricht, wie die
Phidiaſſiſche dem Charakter des aͤltern (§. 103.). Beſon-
ders waren es Skopas, von Paros, einer Athen ſtamm-
verwandten und damals auch unterworfenen Inſel, ge-
buͤrtig, und Praxiteles aus Athen ſelbſt, durch welche
das Ruͤhrende und Pathetiſche, ſo wie das Weiche und
Zaͤrtliche in der Kunſt, welches die der innern Ruhe und
Staͤrke einer fruͤhern Zeit entbehrenden Gemuͤther in
dieſer Epoche forderten, mit dem hoͤchſten Talent und
Geſchmack ausgebildet wurde.


Die Künſtler der Zeit: Kleon, von Sikyon, Antipha-
nes Schüler, 98 — 102. Skopas, der Parier, Architekt,
Bildhauer u. Erzg. 97 — 107. Polykles von Athen, Sta-
dieus Schüler (?), Erzg. 102. Damokritos, von Sikyon, Schü-
ler Piſons, Erzg. 102. Pauſanias, von Apollonia, Erzg. g. 102.
Samolas, aus Arkadien, Erzg. g. 102. Eukleides, von Athen,
Bildh. g. 102. (?). Leochares, von Athen, Erzg. u. Bildh.
102 — 111. (Gegen 104. war er nach dem Pſ. Platon. Brief
xiii p. 361. ein νέος καὶ ἀγαϑὸς δημιουργός). Hypato-
doros (Hekatodoros) u. Ariſtogeiton v. Theben, Erzg. 102. So-
ſtratos, Erzg. 102 — 114. Damophon, aus Meſſenien, Erzg.
103 ff. Xenophon, von Athen, Erzg. 103. Kalliſtonikos, von
Theben, Erzg. 103. Strongylion, Erzg. gegen 103 (?).
Olympioſthenes, Erzg. g. 103 (?). Euphranor, der Iſthmier,
Mahler, Bildh., Erzg. u. Toreut 104 — 110. Praxiteles,
von Athen, (Corp. Inscr. 1604. Opera eius sunt Athenis
in Ceramico
Plin. N. H. xxxvi, 4, 5.), Bildh. u. Erzg.
104 — 110. Echion, Erzg. u. Mahler, 107. Therimachos, Erzg. u.
Mahler, 107. Timotheos, Bildh. u. Erzg., 107. Pythis Bildh.
107. Bryaxis, von Athen, Bildh. u. Erzg., 107 — 119. Timokles
u. Timarchides, Söhne des Polykles, von Athen, (daß ſie dies waren,
erhellt aus der Verbindung von Pauſ. x, 34, 3. 4. vgl. Facius)
Erzg. 108. Herodotos, von Olynth, g. 108. Hippias Erzg.
110. Lyſippos, von Sikyon, Erzg. 103 — 114. (zu Pauſ.
[105]Griechen. Dritte Periode.
vi, 4. vgl. Corſini Diss. Agon. p. 125), nach Athen, xi, 784.
noch 116, 1. (?). Lyſiſtratos, Lyſippos Bruder, von Sikyon,
Plaſtes 114. Silanion v. Athen, αὐτοδίδακτος, Sthenis,
Euphronides, Jon, Apollodoros, Erzgießer, 114. Amphiſtratos,
Bildh. 114. Meneſtratos, Bildh. um 114. (?). Timarchi-
des Söhne (Polykles u. Dionyſios?) g. 114. (Amalthea iii.
S. 291.) Chäreas, Erzg. g. 114. Philon, Antipatros Sohn (?),
Erzg. 114. Pamphilos, Praxiteles Schüler, 114. Kephiſſodo-
tos (-doros) u. Timarchos, Praxiteles Söhne, Erzg. 114—120.


125. Skopas, beſonders Arbeiter in (Pariſchem)1
Marmor, deſſen milderes Licht ihm fuͤr die Gegenſtaͤnde
ſeiner Kunſt ohne Zweifel geeigneter ſchien als das ſtren-
gere Erz, entlehnt ſeine liebſten Gegenſtaͤnde aus dem
Kreiſe des Dionyſos und der Aphrodite. In jenem2
Kreiſe war er ſicher einer der erſten, welcher den Bacchi-
ſchen Taumel in voͤllig freier, feſſelloſer Geſtalt zeigte
(vgl. §. 96. Anm. 21); ſeine Meiſterſchaft in dieſem3
beweiſt unter andern die Zuſammenſtellung der durch ge-
ringe Nuͤancen unterſchiedenen Weſen: Eros, Himeros
und Pothos, in einer Statuengruppe. Das Apollonideal4
verdankt ihm die anmuthig bluͤhende Form des Pythiſchen
Kitharoͤden; er ſchuf ſie, indem er der in der Kunſt fruͤher
herkoͤmmlichen Figur (dem Samiſchen Phoͤbos-Bathyllos
§. 96. Anm. 17.) mehr Ausdruck von Schwung und Be-
geiſterung verlieh. Eins ſeiner herrlichſten Werke war5
die Gruppe der Meergoͤtter, welche den Achilleus nach
der Inſel Leuke fuͤhren: ein Gegenſtand, in dem weiche
Anmuth, trotzige Gewalt, goͤttliche Wuͤrde und Helden-
groͤße zu einer ſo ſchoͤnen Harmonie vereinigt ſind, daß
auch ſchon der Verſuch, die Gruppe im Geiſte der alten
Kunſt ſich vorzuſtellen und auszudenken, uns mit dem
innigſten Wohlgefallen erfuͤllen muß.


2. Dionyſos zu Knidos von Marmor Plin. xxxvi, 4, 5. Eine
Mänas mit flatterndem Haar als χιμαιροφόνος, aus Pariſchem
Marmor, Kalliſtratos 2. Anthol. Pal. ix, 774. Plan. iv, 60.
(App. ii. p. 642.)
Vgl. Zoëga Bassir. ii. tv. 84. 85. 106.
Panisk Cicero de divin. i, 13.


[106]Hiſtoriſcher Theil.

3. Zu Rom eine Venus nuda Praxiteliam illam antece-
dens
(der Zeit nach?) Plin. xxxvi, 4, 8. Venus, Pothos
(et Phaethon?)
zu Samothrake ebd. Eros, Himeros, Pothos
zu Megara, Pauſ. i, 43, 6. Seine eherne Aphrodite Pande-
mos
zu Elis, auf einem Bocke ſitzend, macht einen merkwürdi-
gen Gegenſatz gegen Phidias benachbarte Urania mit der Schildkröte,
Pauſ. vi, 25, 2. Chametaerae?


4. Der Apollo Palatinus des Skopas (Plin). Inter ma-
trem
(von Praxiteles Pl.) deus ipse interque sororem (von
Timotheos Pl.) Pythius in longa carmina veste so-
nat
,
Properz ii, 31, 15. Dies iſt offenbar die bekannte Figur
auf den Münzen des Auguſt und Nero. Vgl. Sueton Nero 25.
(nebſt Patinus Anm.) Mus. PioCl. T. i. tv. A, 9. Statue
PioCl. T. i. tv. 16. vgl. Viſconti p. 29. (welcher indeß Timar-
chides Statue, Plin. xxxvi, 4, 10. für das Original halten
möchte). Musée Français P. i. pl. 5. Vgl. unten: Apollon.


5. Sed in maxima dignatione Cn. Domitii delubro in
Circo Flaminio Neptunus ipse et Thetis alque Achilles,
Nereides supra delphinos et cete et hippocampos seden-
tes. Item Tritones, chorusque Phorci et pristes ac multa
alia marina omnia eiusdem manus, praeclarum opus etiamsi
totius vilae fuisset.
Plin. Ueber den Mythus des Bildwerks
beſonders Köhler Mém. sur les Iles et la Course d’ Achille
Pétersb. 1827. Sect.
1.


1126. Ob die Gruppe der Niobe (welche in Rom
ſich im Tempel des Apollo Sosianus, wahrſcheinlich im
Giebelfelde, befand) von Skopas oder Praxiteles ſei, wuß-
ten die Roͤmiſchen Kunſtkenner, wie bei einigen andern
2Werken, nicht zu entſcheiden. Auf jeden Fall zeugt die
Gruppe fuͤr eine Kunſt, welche gern ergreifende und er-
ſchuͤtternde Gegenſtaͤnde darſtellt, aber dieſe zugleich mit
der Maͤßigung und edlen Zuruͤckhaltung behandelt, wie ſie
3der Sinn der Hellenen in den beſten Zeiten forderte. Der
Kuͤnſtler bietet Alles auf, um unſer Gemuͤth fuͤr die von
den Goͤttern geſtrafte, getroffne Familie zu gewinnen; kein
unedler Zug wird bei dem koͤrperlichen Schmerze und der
Furcht vor der drohenden Gefahr ſichtbar; das Angeſicht
der Mutter, der Gipfel der ganzen Darſtellung, druͤckt
[107]Griechen. Dritte Periode.
die Verzweifelung der Mutterliebe in der reinſten und
hoͤchſten Geſtalt aus. Das Urtheil uͤber die Compoſition4
und die Motive, welche die Gruppe in ihren Theilen be-
lebten und zuſammenhielten, iſt durch den Zuſtand, in
dem ſie auf uns gekommen, ſehr erſchwert.


1. Par haesitatio est in templo Apollinis Sosiani, Nio-
ben cum liberis morientem Scopas an Praxiteles fecerit,

Plin. xxxvi, 4, 8. Die Epigramme (Anthol. Pal. App. ii.
p. 664. Plan. iv,
129. Auſon. Epit. her. 28.) ſtimmen für
Praxiteles. Ueber die Aufſtellung in einem Giebel (Bartholdy’s
Idee) ſ. Guattani Memorie enciclop. 1817 p. 77. Le statue
della favola di Niobe sit. nella prima loro dispositione,
da C. R. Cockerell. Firenze
1818. (Zannoni) Galeria di
Firenze, Stat. P. ii t.
76. Thierſch bezweifelt ſie, aber
giebt doch die dreieckige Form und bilaterale Anordnung der
Gruppe zu.


4. Zu der Florentiniſchen Gruppe (1583 in Rom gefunden)
ſind viele ungehörige Figuren dazu gekommen (ein Diſkobol, eine
Pſyche, eine Muſenfigur, eine Nymphe, ein Barbar, ein Pferd,
ein Symplegma von Ringern (wahrſcheinlich nach Kephiſſodotos, di-
gitis verius corpori quam marmori impressis
Plin.) u. a.;
auch ſind die übrigen Statuen von ungleichem Werth, ſelbſt von
verſchiednem Marmor. Von den hier befindlichen Niobiden nimmt
Thierſch neun als ächt an, und fügt zu der Figur des einen Sohns
(Galeria tv. 9.), mit Schlegel und Andern, nach Anleitung einer
Vaticaniſchen Gruppe (lithographirt bei Thierſch zu S. 315), eine
über dem vorgeſtellten linken Knie hingeſunkne Tochter hinzu. (Doch
ſcheint bei der Florentiniſchen Figur das linke Bein bedeutend an-
ders geſtellt zu ſein). Auch wird mit Recht der ſogen. Narciſſus
(Galeria tv. 74) jetzt zu dieſer Gruppe hinzugerechnet (nach Thor-
waldſons Bemerkung). Am [häufigſten] kehren der erhabne Kopf
der Mutter (ſehr ſchön in Sarsko-Selo, in England, Specim. pl.
35), und der ſterbende ausgeſtreckt liegende Sohn (auch in Dresden)
wieder. Alle Figuren haben ein Familienprofil von einfach edlen
Formen; die Behandlung der Körper iſt zwar weder ſo durchgängig
vollendet, beſonders an den Rückſeiten, noch von der lebendigen
Wahrheit, wie an den Phidiaſſiſchen Werken, aber bleibt an den
beſten Stückern doch auch nicht weit dahinter zurück.


Zu vgl. die Darſtellungen der Fabel in Relief PioCl. iv.
t.
17. vgl. Viſconti p. 33. und bei Fabroni t. 16. — Fabroni
Dissert. sulle statue appartenenti alla favola di Niobe.
[108]Hiſtoriſcher Theil.
Fir. 1779. (mit unpaſſenden Erläuterungen aus Ovid). H. Meyer,
Propyläen Bd. ii. St. 2. 3. und Amalthea i S. 273. (Ergän-
zungen). A. W. Schlegel Bibliothèque universelle 1816.
Litter. T. iii. p.
109. Welcker Zeitſchrift i S. 588 ff.
Thierſch Epochen S. 315. 368. Abbildungen bei Fabroni, in der
Galérie de Florence et Palais Pitti von Wicar, Lacombe und
Mongez, T. iii u. iv., und Galeria di Firenze, Stat. P. i
tv. 1 sqq.


1127. Auch Praxiteles arbeitete beſonders in Mar-
mor, und that ſich ſelbſt am meiſten in Gegenſtaͤnden
aus dem Cyklus des Dionyſos, der Aphrodite, des Eros
2genug. In den zahlreichen Figuren, die er aus dem
erſten Kreiſe bildete, war der Ausdruck Bacchiſcher Schwaͤr-
merei und Schalkheit mit der hoͤchſten Anmuth und Lieb-
3lichkeit vereinbart. Praxiteles war es, der in mehrern
Muſterbildern des Eros die vollendete Schoͤnheit des
Knabenalters darſtellte, welches den Griechen grade das
4reizendſte ſchien; der in der enthuͤllten Aphrodite die hoͤchſte
ſinnliche Reizfuͤlle mit einem geiſtigen Ausdrucke vereinigte,
in dem die Liebe von der ſanfteſten, heiterſten Seite,
ganz ohne Beimiſchung irgend eines verſchiedenartigen
und ſtoͤrenden Elements, es ſei nun das Bewußtſein goͤtt-
licher Wuͤrde und Erhabenheit, oder niedrige und heftige
5Begierde, aufgefaßt erſchien. Doch konnten dieſe herrli-
chen Werke erſt aus einer Gemuͤthsſtimmung hervorgehn,
in welcher die ſinnlich reizende Erſcheinung an der Stelle
der hoͤhern Gewalt, von der jene allein ihren Reiz hat,
vergoͤttert wurde. Dazu wirkte das Leben mit den Hetaͤ-
ren; manche unter dieſen ganz Griechenland mit ihrem
Ruhme erfuͤllenden Buhlerinnen erſchien dem Bildner wirk-
lich, und nicht ohne Grund, als eine in die Erſcheinung
6getretne Aphrodite. Auch in dem Kreiſe des Apollon
gefiel es Praxiteles Manches umzubilden, wie er den ju-
gendlichen Apollon in einem ſeiner ſchoͤnſten und geiſt-
reichſten Werke in Stellung und Figur den edlern Satyr-
geſtalten naͤher brachte, als es ein fruͤherer Kuͤnſtler ge-
7than haben wuͤrde. Ueberhaupt war Praxiteles, der
[109]Griechen. Dritte Periode.
Meiſter der juͤngern, wie Phidias der aͤltern Attiſchen
Schule, faſt ganz Goͤtterbildner; Heroen bildete er ſelten,
Athleten gar nicht.


1. Praxiteles marmore felicior, ideo et clarior fuit.
Plin. xxxiv, 8, 19. Marmoris gloria superavit etiam
semet, xxxvi,
4, 5. Ὁ καταμίξας ἄκρως τοῖς λιϑίνοις
ἔργοις τὰ τῆς ψυχῆς πάϑη Diodor xxvi Ecl. 1. p.
512. Wess.


2. Dionyſos von Elis, Pauſ. vi, 26, 1., vielleicht der von
Kalliſtratos 8. beſchriebne, von Erz, mit Epheu bekränzt, mit einer
Nebris umgürtet, die Lyra (?) auf den Thyrſus ſtützend, weich
und ſchwärmeriſch blickend; welchem im Ausdrucke (nicht in der
Bekleidung) der Bacchus im Louvre (Musée Franç. P. 1, 1.)
vielleicht am beſten entſpricht. Liberum patrem et Ebrietatem
nobilemque una Satyrum, quem Graeci
περιβόητον cog-
nominant,
Plin. xxxiv, 8, 19, 10.). Ὁ ἐπὶ Τριπόδων
Σάτυρος Pauſ. i, 20, 1. (vgl. Heyne Antiq. Aufſ. ii S. 63)
Athen. xiii, 591. b. Wird für den öfter vorkommenden an einen
Baumſtamm gelehnten, Mus. PioCl. ii, 30. Capit. iii, 32.
Musée Franç. ii, pl.
12. gehalten (Winckelmann Th. iv. S. 75.
S. 277. vi S. 142. Viſconti PCl. ii p. 60.). Satyr in Me-
gara Pauſ. i, 43, 5. Maenades et quas Thyadas vo-
cant et Caryatidas et Sileni
(in einem κῶμος) Plin. xxxvi,
4, 5. Anthol. Palat. ix,
756. Pan einen Schlauch tragend,
lachende Nymphen, eine Danae, aus Marmor, Auth. Pal. vi,
317. App. T. ii, p. 705. Plan. iv,
262. Hermes den
kleinen Dionyſos tragend, von Marmor, Pauſ. v, 17, 1.


3. Eros. a. Zu Parion, aus Marmor, nakt, in der Blüthe
der Jugend, Plin. xxxvi, 4, 5. b. Zu Theſpiä, von Pen-
theliſchem Marmor, mit vergoldeten Flügeln (Julian Or. ii p.
54. c.
Spanh.) ein παῖς ἐν ὥρᾳ (kein Kind), Lukian Am. 11.
17. Pauſ. ix, 27. Von der Phryne (oder Glykera) geweiht, von
Caligula, dann wieder von Nero geraubt, zu Plinius Zeit in Octa-
viae scholis
(Manſo Mythol. Abhandl. S. 361 ff.) In The-
ſpiä ſtand eine Copie des Menodoros, Pauſ. Von dem Theſpiſchen
als einem ehernen ſpricht (aus Unkunde) Julian. Aegypt. Anth.
Pal. App. ii p. 687. Plan. iv, 203. c.
Der Eros aus Mar-
mor im sacrarium des Hejus zu Meſſana, dem Theſpiſchen ähn-
lich, Cic. Verr. l. iv, 2, 3. (Vgl. Amalthea iii S. 300.
Wiener Jahrb. xxxix S. 138). d. e. Zwei eherne von Kalli-
[110]Hiſtoriſcher Theil.
ſtratos 4. 11. beſchriebne, einer ruhend (Jacobs p. 693), der an-
dre die Haare umbindend.


4. Aphrodite. a. Von Kos, (die beſtellte) velata specie,
ganz bekleidet, Plin. xxxiv, 4, 5. b. Von Knidos, gekauft,
beim Tempel der Εὔπλοια, in einer beſondern aedicula quae
tota aperitur
nach Plin., einem νεὼς ἀμφίϑυρος nach Lukian
Amor. 14. περισκέπτῳ ἐνὶ χώρῳ Anthol. Pal. App. T. ii
p. 674. Plan. iv,
160, aufgeſtellt; ſpäter nach Kedrenos in
Byzanz. Aus Pariſchem Marmor: Σεσηρότι γέλωτι μικρὸν
ὑπομειδιῶσα (ὀφρύων τὸ εὔγραμμον καὶ τῶν ὀφϑαλμῶν
τὸ ὑγρὸν ἅμα τῷ φαιδρῷ καὶ κεχαρισμένῳ). Πᾶν δὲ τὸ
κάλλος αὐτῆς ἀκάλυπτον, οὐδεμιᾶς ἐσϑῆτος ἀμπεχούσης,
γεγύμνωται, πλὴν ὅσα τῇ ἑτέρᾳ χειρὶ τὴν αἰδῶ λεληϑότως
ἐπικρύπτειν. — Τῶν δὲ τοῖς ἰσχίοις ἐνεσφραγισμένων ἐξ
ἑκατέρων τύπων οὐκ ἂν εἴποι τις ὡς ἡδὺς ὁ γέλως. Μη-
ροῦ τε καὶ κνήμης ἐπ̕ εὐϑὺ τεταμένης ἄχρι ποδὸς ἠκρι-
βωμένοι ῥυϑμοί Lukian Amor. 14. Imag. 6. Der Streit,
ob die Mediceiſche eine Copie der Knidiſchen (Heyne Ant. Aufſ. i
S. 123. Viſconti PC. i p. 18. Levezow: Ob die Medic. V. ein
Bild der Knidiſchen ſei. Berl. 1808. Thierſch Epochen S. 288. —
Meyer zu Winck. W. vi, 2. S. 143. Jenaer ALZ. 1806 Sept.
67. Geſchichte i S. 113), iſt wohl dahin entſchieden, daß jene
zwar nicht ohne Einwirkung dieſer entſtanden, aber die Knidiſche
doch die auf den Münzen der Plautilla abgebildete, und in der
Statue der horti Vaticani (Perrier n. 85. Epiſcopius n. 46.)
und der neu drapirten im PioCl. i tv. 11. nachgeahmte, folglich
eine die Gewänder ablegende, ſei. Bayers Abh. de Cnidia Ve-
nere
in den Commentar. Ac. Sc. Petropolit. T. iv p. 219.
enthält nichts Brauchbares. c. Eine eherne, Plin. d. Eine
marmorne in Theſpiä Pauſ. ix, 27. e. Eine Aphr. des Prar.
ſtand im Adonion zu Alexandreia am Latmos, Steph. B. s. v.
Ἀλεξάνδρεια. Peitho und Paregoros (πάρφασις Homer) ne-
ben der Aphr. Praxis in Megara. Pauſ. i, 43.


5. Prax. bildet nach Klem. Alex. Prot. p. 35 Sylb. Arnob.
adv. gent. vi, 13. die Kratina in ſeiner Aphrodite nach; nach
Andern die Phryne, die auch von ihm in Marmor gebildet in
Theſpiä (Pauſ. ix, 27) und vergoldet in Delphi ſtand (Athen.
xiii, p. 591. Pauſ. x, 14, 5. Plut. de Pyth. orac. 14.15.),
das Tropäon Helleniſcher Wolluſt nach Krates. Vgl. Jacobs in
Wielands Att. Muſeum Bd. iii S. 24. 51. Nach Strab. ix
p.
410. beſchenkt er auch die Glykera. Er bildet nach Plinius
Signa flentis matronae et meretricis gaudentis (der Phryne):
[111]Griechen. Dritte Periode.
ein Gegenſatz, der ganz aus dem Attiſchen Leben gegriffen war.
Vgl. B. Murr „Die Mediceiſche Venus und Phryne.“


6. Fecit et (ex aere) puberem [Apollinem] subrepenti
lacertae cominus sagitta insidiantem, quem Sauroctonon
vocant,
Plin. Martial Epigr. xiv, 172. Daß es kein Apol-
lon, behauptet Seitz, Mag. encyclopéd. 1807. T. v. p. 259.
Jetzt ſieht man darin eine Andeutung der Eidechſen-Weiſſagung
(Welcker Akad. Kunſtmuſ. zu Bonn S. 71 ff.), aber ſpielend be-
handelt. Nachbildungen, von naiver Anmuth und Lieblichkeit, ein
wenig ſatyrhaft auch in der Stellung der Füße, häufig (Vill. Borgh.
St. 2. n.
5. Winckelm. Mon. In. i, n. 40. Musée Royal i,
pl. 20. — PCl. i, tv.
13. — eine eherne in Villa Albani),
auch auf Gemmen (Millin Pierr. grav. pl. 5. und ſonſt). Auch
werden ein Apollon mit Schweſter und Mutter; Leto und Artemis
mehreremal (Osculum quale Praxiteles habere Dianam credi-
dit
Petronius), und zahlreiche andre Götterbilder von Prax. er-
wähnt. Sillig C. A. p. 387.


28. Ein gleicher Geiſt der Kunſt war in Leocha-1
res lebendig, deſſen Ganymedes an Suͤßigkeit der zum
Grunde liegenden Empfindung und reiner Anmuth der
Vorſtellung zu den vorzuͤglichſten Werken der Zeit gehoͤrte.
Doch iſt das Streben nach ſinnlichem Reiz nicht zu ver-2
kennen, ſo wenig wie in der Kunſtſchoͤpfung des Herma-
phroditen, welche wahrſcheinlich dem Polykles (Ol.
102) verdankt wird. Das Streben nach dem Ruͤhren-3
den zeigt beſonders Silanions ſterbende Jokaſte, eine
eherne Bildſaͤule, mit todtblaſſem Antlitz. Als Zeit-4
und Kunſtgenoſſen des Praxiteles erſcheinen auch Timo-
theos
(§. 125. Anm. 4.) und Bryaxis; beide verzierten
mit Skopas und Leochares zuſammen das Grabmal des
Mauſolos, nach Olymp. 106, 4. (§. 149). Von Leo-5
chares und Bryaxis hatte man auch Bildnißſtatuen Ma-
kedoniſcher Fuͤrſten und Feldherrn. Alle dieſe Kuͤnſtler6
(nur uͤber Timotheos mangeln die Nachrichten) waren
Athener; ſie bilden mit Skopas und Praxiteles zuſam-
men die neuere Schule von Athen.


1. Leochares (fecit) aquilam sentientem quid rapiat
in Ganymede, et cui ferat, parcentemque unguibus etiam

[112]Hiſtoriſcher Theil.
per vestem. Plin. xxxiv, 19. 17. Straton Anth. Pal.
xii,
221. Eine ſichre Nachbildung iſt die, höchſt edel gedachte,
Vaticaniſche Statue PioCl. iii, 49.


2. Polycles Hermaphr. nobilem fecit Pl. Zunächſt iſt
doch an dem berühmteren Künſtler des Namens zu denken.


3. Von der Jokaſte Plut. de aud. poet. 3. Quaest. Symp. v, 1.


5. Leochares Amyntas, Philipp, Alexander, Olympias u. Eu-
rydike aus Gold und Elfenbein, Pauſ. v, 20. Iſokrates, Plut.
v. x. Oratt. Bryaxis Seleucus rex.


6. Die Kunſt in Athen zu dieſer Zeit können auch die Reliefs
am Choregiſchen Denkmal des Lyſikrates (Ol. 111, 2)
— Dionyſos u. ſeine Satyrn, welche die Tyrrhener bändigen —
deutlich machen; Anlage, Zeichnung ſind trefflich, der Ausdruck im
höchſten Grade lebendig, die Ausführung indeß ſchon minder ſorg-
fältig. Stuart Antiq. V. i. p. 27. Meyer Geſch. Tf. 25—27.


1129. Wie die Erſten dieſer Schule immer noch den
Geiſt des Phidias, nur in einer Verwandlung, in ſich
tragen, und daher vorzugsweiſe ein inneres geiſtiges Le-
ben in Goͤttern oder andern mythiſchen Geſtalten auszu-
druͤcken bemuͤht ſind: ſo ſetzen dagegen beſonders Euphra-
nor
und Lyſippos die Schule des Polyklet, die Argiviſch-
Sikyoniſche, fort: deren Augenmerk immer mehr auf koͤr-
perlichen Rhythmus und eine edle kraͤftige Wohlgeſtalt
2gerichtet war. Die Athletenbilder nahmen die Kuͤnſtler
jetzt nicht mehr ſo wie fruͤher in Anſpruch, obgleich auch
ſechs Statuen der Art als Werke des unglaublich thaͤti-
gen Lyſippos angefuͤhrt werden; dagegen waren es beſon-
ders idealiſirte Portraͤte maͤchtiger Fuͤrſten, welche die
Zeit forderte; dieſe Bildungen und die Geſtalten der He-
roen beſchaͤftigten die genannten Kuͤnſtler am meiſten,
obzwar beide auch herrliche Goͤtterbilder aufſtellten. Un-
3ter den Heroen wurde von Lyſippos der Herakles-Charak-
ter auf eine neue Weiſe ausgebildet; die coloſſale Farne-
ſiſche Statue darf benutzt werden ihn zu vergegenwaͤrti-
4gen. In der Geſtalt des Alexander wußte Lyſippos ſelbſt
den Fehlern Ausdruck zu verleihn, und, wie Plutarch
[113]Griechen. Dritte Periode.
ſagt, allein das Weiche in der Haltung des Nackens und
den Augen mit dem Mannhaften und Loͤwenartigen, was
in Alexanders Mienen lag, gehoͤrig zu verſchmelzen; ſeine
Bilder waren im hoͤchſten Grade lebensvoll und geiſtreich
gedacht, waͤhrend dagegen andre Kuͤnſtler der Zeit, wie
Lyſiſtratos, Lyſippos Bruder, der zuerſt Geſichter in Gyps5
abformte, ſich blos die getreue Nachahmung der aͤußer-
lich vorhandnen Geſtalt zum Ziele ihrer Kunſt ſetzten.


1. Cicero Brut. 86, 296. (vgl. Petron Satyr. 88.) Polycleti
Doryphorum sibi Lysippus magistrum fuisse aiebat.
Grade,
wie Polyklet, bildet er nach Plin. destringentem se. Vgl.
§. 120. Daher die Verwechſelungen, Sillig C. A. p. 254. N. 7.


2. Euphranors Alexander et Philippus in quadrigis
Plin. Lyſipp fecit et Alexandrum Magnum multis ope-
ribus a pueritia eius orsus. — Idem fecit Hephaestio-
nem — Alexandri venationem — turmam Alexandri,
in qua amicorum eius
(ἑταίρων) imagines summa omnium
similitudine expressit
(Alexander, umher 25 Hetäroi, die am
Granikos gefallen, 9 Krieger zu Fuß). Plin. Vgl. Vellej. Patere.
i, 11, 3. Arrian. i, 16, 7. Plut. Alex. 16. — Fecit et
quadrigas multorum generum.
Alexanders Edikt Sillig C. A.
p. 66. N.
24.


3. Hic (Euphranor) primus videtur expressisse digni-
tates heroum
(in Bezug auf Gemälde) Plin. xxxv, 40, 25.
Vier Heraklesbilder des Lyſippos (Sillig p. 259 sqq.), darunter ein
von Amor gebeugter, ein ἐπιτραπέζιος, der im Kleinen die ganze
Kraft des Heros zeigte. Dazu kömmt die (von Libanios, als Ἡρ.
ἑστὼς ἐν τῇ λεοντῇ, genau beſchriebne, ſ. Peterſen Comm. de Li-
banio ii.
Programm Havn. 1827.) Farneſiſche Statue (Maffei
Raccolta tv. 49.), die der Athener Glykon einem Λυσίππου
ἔργον nachgebildet, wie die Inſchrift einer weit ſchlechtern in Flo-
renz (Bianchini Palazzo dei Cesari tb. 18.) beweiſt, und die
auch ſonſt in Statuen und Gemmen, wie auf Münzen, häufig nach-
geahmt iſt (Peterſen p. 22). Die Hand mit den Aepfeln iſt neu.
Winckelm. W. Bd. vi, 1. S. 169. 2. S. 256. Meyers Geſch.
S. 128.


4. Hauptſtatue des Alex. von Lyſipp, mit der Lanze (Plut.
de Isid. 24.) u. der Unterſchrift: Αὐδασοῦντι δ̕ ἔοικεν ὁ χάλ-
κεος εἰς Δία λεύσσων Γᾶν ὑπ̕ ἐμοὶ τἰϑεμαι, Ζεῦ, σὺ
δ̕ Ὄλυμπον ἔχε (Plut. de Alex. virt. ii, 2. Alex. 4. Tzetz.
8
[114]Hiſtoriſcher Theil.
Chil. viii. v. 426. Aa.). Ueber den Charakter der Alexander-
bilder Appulej. Florid. p. 118. Bip. (relicina frons). Der
Kopf eines Lyſippiſchen Bildes ſcheint in einer Nachbildung erhalten
zu ſein in dem, ebenfalls rechts gewandten, Capitoliniſchen Alexan-
derkopf (Winck. Monum. ined. n. 175. Meyer Tf. 13. b.); die
Gabiniſche Statue dagegen (Monum. Gab. n. 23. Meyer S.
124. Tf. 13. b.) trägt ſchon einen ſpätern manirirten Charakter
(vgl. die Statue Mus. Napol. T. iii. pl. 1. u. Thierſch Epochen
S. 272.).


5. Hominis autem imaginem gypso e facie ipsa pri-
mus omnium expressit ceraque in eam formam gypsi in-
fusa emendare instituit Lysistratus — Hic et similitudi-
nem reddere instituit; ante eum quam pulcherrimas fa-
cere studebant
(dagegen §. 123.). Plin. xxxv, 44.


1130. Beobachtung der Natur und Studium der
fruͤhern Meiſter, welches Lyſippos eng mit einander ver-
band, fuͤhrte den Kuͤnſtler noch zu mancher Verfeinerung
im Einzelnen (argutiae operum); namentlich legte Lyſippos
das Haar natuͤrlicher, wahrſcheinlich mehr nach mahleriſchen
2Effecten, an. Auch wandten dieſe Kuͤnſtler auf die Pro-
portionen des menſchlichen Koͤrpers das angeſtrengteſte
Studium. Dabei fuͤhrte ſie das Beſtreben, beſonders
Portraͤtſiguren durch eine ungewoͤhnliche Schlankheit gleich-
ſam uͤber das Menſchenmaaß hinauszuheben, zu einem
neuen Syſtem der Proportionen, welches von Euphra-
nor (in der Mahlerei auch von Zeuxis) begonnen, von
Lyſippos aber erſt harmoniſch durchgefuͤhrt, und in der
3Griechiſchen Kunſt hernach herrſchend wurde. Es muß
indeß geſtanden werden, daß dieſes Syſtem weniger aus
einer warmen und innigen Auffaſſung der Natur, welche
namenlich in Griechenland ſich in gedrungenern Figuren
ſchoͤner zeigt, als aus einem Beſtreben, das Kunſtwerk
4uͤber das Wirkliche zu erheben, hervorgegangen iſt. Auch
zeigt ſich in den Werken dieſer Kuͤnſtler ſchon deutlich
die vorwaltende Neigung zu dem Coloſſalen, welche in
der naͤchſten Periode herrſchend gefunden wird.


1. Propriae huius (Lysippi) videntur esse argutiae
operum
, custoditae in ininimis quoque rebus.
Plin.
[115]Griechen. Dritte Periode.
xxxiv, 19, 6. Statuariae arti plurimum traditur contu-
lisse capillum exprimendo.
Ebd. Vgl. Meyer Geſch. S. 130.
Die veritas rühmt an ihm u. Praxiteles beſonders Quintil. xii,
10. — Lyſipp u. Apelles beurtheilen ihre Werke wechſelſeitig,
Syneſios Ep. 1. p. 160. Petav.


2. Euphr. — primus videtur usurpasse symmetriam,
sed fuit in universitate corporum exilior eapitibus arti-
culisque grandior
(grade daſſelbe von Zeuxis xxxv, 36, 2).
Volumina quoque composuit de Symmetria. — Lys.
stat. arti plur. trad. cont. — capita minora faciendo quam
antiqui, corpora graciliora siccioraque, per quae proceri-
tas signorum maior videretur. Non habet Latinum nomen
symmetria, quam diligentissime custodivit, nova intacta-
que ratione quadratas (§. 120.) veterum staturas per-
mutando
. Plin. xxxiv, 19, 6. xxxv, 40, 25. Ueber das:
quales viderentur homines Wiener Jahrb. xxxix S. 140.


3. S. unten: Formen. Nach Clarac hat der Achilles Bor-
gheſe, ein signum quadratum nach älterer Weiſe, 7 Kopflängen
1 part. (¼) 11 min. in der Höhe, ein Niobide 8, 1, 6., ein
Dioskur von M. Cavallo 8, 2, 6., der Hercul. Farneſe 8, 2, 5.,
Laokoon 8, 3, 5.


4. Fecit et colossos (Euphranor) Plin. xxxv, 40, 25.
Lyſippos Jupiter zu Tarent, 40 cubita; ebenda ein coloſſaler
Herakles von ihm. Sillig C. A. p. 257. 259.


Stein- und Stempelſchneidekunſt.

131. Der Luxus des Ringtragens hebt in dieſer Periode1
die Kunſt des Daktylioglyphen zu der Hoͤhe, welche
ihr im Verhaͤltniß zu den uͤbrigen Zweigen der bildenden
Kunſt erreichbar iſt; obgleich die Nachrichten der Schrift-2
ſteller keinen Namen eines Einzelnen bemerklich machen, als
den des Pyrgoteles, der Alexanders Siegelringe ſchnitt.


1. Ueber die Ringe der Kyrenäer (Eupolis Marikas) u. den in
Cypern gekauften Smaragd des Auleten Ismenias mit einer Amy-
mone, Aelian V. H. xii, 30. Plin. xxxvii, 3. Die Mu-
ſiker waren beſonders σφραγιδονυχαργυροκομῆται, und ſchmück-
ten auch ihre Inſtrumente ſo, vgl. Lukian adv. indoct. 8. Ap-
8*
[116]Hiſtoriſcher Theil.
pulej. Florid. p. 114. Bip. — Wie andre Koſtbarkeiten werden
Ringe auch in Tempel geweiht. S. beſonders die Urkunde Böckh
Staatshaush. ii. S. 309. σφραγὶς χρυσοῦν δακτύλιον ἔχουσα
u. ſ. w.


2. Ueber die angeblichen Gemmen des Pyrgoteles Winckelm.
B. vi. S. 107 ff. Andre Namen auf Gemmen dieſer Periode zu-
zueignen, hat man keinen Grund, ſ. v. Köhler in Böttigers Ar-
chäol. u. Kunſt 1. S. 12.


1132. Auch auf das Schneiden der Muͤnzſtempel
wird in dieſer Periode, beſonders von Ol. 100. an, die
groͤßte Sorgfalt und der edelſte Kunſtſinn gewandt, nicht
ſowohl in Athen, wo das alte Gepraͤge aus guten Gruͤn-
den lange feſtgehalten wird, als in manchen, ſonſt meiſt
durch Kunſt nicht beruͤhmten Staͤdten Griechenlands und
Italiens, beſonders aber in Sicilien, wo die Muͤnzpraͤ-
gekunſt in Betreff der Schoͤnheit des Gepraͤgs (nicht der
Geſchicklichkeit im Praͤgen) den hoͤchſten Gipfel erreicht
hat. Unter den Makedoniſchen Fuͤrſten haben Philipp u.
2Alexander die ſchoͤnſten Muͤnzen. Die Kunſt wird hiebei
durch die Sitte gehoben, ausgezeichnete Begebenheiten,
Siege im Krieg und in Spielen, Befreiung von Gefah-
ren durch Muͤnz-Embleme zu bezeichnen oder anzudeuten.


1. Sehr ſchöne Münzen voll Geiſt und Leben in der Zeichnung
z. B. von Lariſſa, Opus, Chalkis auf Euböa, Pheneos, Stym-
phalos, Siphnos u. Seriphos (wenn nicht Sikyon?), Gortyna und
Phäſtos auf Kreta, Kos, Mitylene u. Methymna, Philippi (vgl.
Meyer Geſch. S. 309), Maroneia u. a. Städten. Gute Abbil-
dungen ſchöner Münzen giebt Landons Numismatique du voyage
du j. Anacharsis. T. i. ii.
1818.


In Italien: Neapel, Thurii, Tarent, Herakleia. Nach
Mionnets Abgüſſen.


In Sicilien: Syrakus (Herrl. Pentekontalitren, Etrusker i.
S. 327., u. andre Medaglioni mit der Pallas, Arethuſa, Ar-
temis Potamia, ΚΙΜΩΝ), Akragas (wohl meiſt vor 93, 3), Se-
linus (Σελινοες vor 92, 4), Naxos, Kamarina, Katana, Panormos
(aus der Puniſchen Zeit, ſ. Eckhel D. N. I. p. 229.). S. die ſchönen
Abbildungen: Specimens of ancient coins, of Magna Grae-
[117]Griechen. Dritte Periode.
cia and Sicily, sel. from the cabinet of the Lord North-
wick, drawn by del Frate and engraved by H. Moses.
The Text by G. H. Nöhden. P. i — iv.
1824. 25.
Ueber die Zeit dagegen: Payne Knight on the large silver-
coins of Syracuse, Archaeologia Brit. T. xix.
GGA. 1827.
1923.


2. Plut. Alex. 4. von Philipp: τὰς ἐν Ὀλυμπίᾳ νίκας
τῶν ἁρμάτων ἐγχαράττων τοῖς νομίσμασιν. — Ζεὺς
Ἐλευϑέριος, ‘Ελλήνιος, Ἄρτεμις Σώτειρα.


4. Mahlerei.


133. In dieſer Periode erreicht, in drei Hauptſtu-1
fen, die Mahlerei eine Vollkommenheit, welche ſie, we-
nigſtens nach dem Urtheil der Alten, zu einer wuͤrdigen
Nebenbuhlerin der Plaſtik machte. Immer blieb indeß2
die antike Mahlerei durch das Vorherrſchen der Formen
vor den Lichtwirkungen der Plaſtik naͤher als es die neuere
iſt; Schaͤrfe und Beſtimmtheit der Zeichnung; ein Ge-3
trennthalten der verſchiedenen Figuren, um ihre Umriſſe
nicht zu verwirren; eine gleichmaͤßige Lichtvertheilung
und durchgaͤngig klare Beleuchtung; die Vermeidung4
ſtaͤrkerer Verkuͤrzungen (ungeachtet der nicht geringen
Kenntniß der Linearperſpektive) gehoͤren, wenn auch nicht
ohne Ausnahmen, doch im Ganzen immer zu ihrem [Cha-
rakter]
.


3. Artifices etiam quum plura in unam tabulam opera
contulerunt, spatiis distinguunt ne umbrae in corpora
cadant
.
Quintil. Inst. viii, 5, 26. Der Schatten ſollte
blos die körperliche Form jeder Figur für ſich hervortreten laſſen.


4. Vgl. §. 136. auch 140. Anm. 2.


134. Der erſte Mahler von großem Ruhm war1
Polygnotos, der Thaſier, in Athen eingebuͤrgert, Ki-
mons Freund. Genaue Zeichnung und eine edle und2
[118]Hiſtoriſcher Theil.
ſcharfe Charakteriſirung der verſchiedenſten mythologiſchen
Geſtalten war ſein Hauptverdienſt; auch ſeine Frauen-
3geſtalten hatten Reiz und Anmuth. Seine großen Ta-
felgemaͤlde waren mit großer Kenntniß der Sagen und
tiefem Geiſt und Gemuͤthe gedacht, [und] nach architekto-
niſch-ſymmetriſchen Prinzipen angeordnet.


1. Polygnot, des Mahlers Aglaophon Sohn, wahrſcheinlich in
Athen ſeit 79, 2. Mahlt für die Pökile, das Theſeion, Anakeion,
wohl auch die Halle bei den Propyläen, den Delphiſchen Tempel
(Plin.), die Leſche der Knidier, den T. der Athena in Platää, in
Theſpiä. Böttiger Archäologie der Mahl. 1. S. 274. Sillig C.
A. p. 22. 372. De Phidia i,
3.


2. Ἠϑογράφος, ἠϑικός, Ariſtot. Poet. 6, 15. Pol. viii,
5. vgl. Poet. 2, 2. u. §. 138. Instituit os aperire etc. Plin.
xxxv, 9, 35. Ὀφρύων τὸ ἐπιπρεπὲς καὶ παρειῶν τὸ
ἐνερευϑὲς — ἐσϑῆτα ἐς τὸ λεπτότατον ἐξειργασ-
μένην
Lukian Εἰκόν. 7. Primus mulieres lucida veste
pinxit,
Pl. vgl. §. 135. Anm. Ueber ſeine Farben unter: Technik.


3. Ueber die Bilder in der Lesche (Pauſ. x, 25 — 31.; rechts
Ἴλιος ἑαλωκυῖα καὶ ἀπόπλους τῶν ‘Ελλήνων, links Ὀδυσ-
σεὺς καταβεβηκὼς εἰς τὸν Ἅιδην) Caylus Hist. de l’Ac.
T. xxvii. p.
34. F. u. J. Riepenhauſen Gemälde des Polygn.
in der Lesche zu Delphi. Th. i. 1805. mit Erläuterungen von Chr.
Schloſſer (die Zerſtörung Ilions, vgl. dazu Meyer in der Jen.
ALZ. Juli 1805. u. Böttiger Archäol. der Mahl. S. 314.). Pein-
tures de Polygnote à Delphes dessinées et gravées
d’après la descr. de Pausanias par F. et J. Riepenhau-
sen.
1826 (GGA. 1827. S. 1309). Bis jetzt iſt von dieſem
neuern Werk das Gemälde der Unterwelt erſchienen. Bei dieſem
iſt beſonders auf die Andeutungen der Myſterien zu achten, welche
theils an den Ecken (die Prieſterin Kleoböa, Oknos, die Ungeweih-
ten), theils in der Mitte angebracht waren. Hier ſaß der Myſta-
gog Orpheus in einem Kreiſe von Sängern und Greiſen, umgeben
von fünf Troiſchen u. fünf Griechiſchen Helden. Ueber die Schrift
dabei Böttiger Archäol. der Mahl. S. 139.


Zur Ἰλίου πέρσις vgl. (doch nicht als Nachbildung) die Vaſe
Millin Vases i. pl. 25. 26. Schorns Homer Heft. ix. T. 5. 6.


1135. Neben Polygnotos werden mehrere andre Mah-
ler (groͤßtentheils Athener, aber auch Onatas der
[119]Griechen. Dritte Periode.
Aeginet) mit Auszeichnung genannt, welche meiſt mit
großen figurenreichen hiſtoriſchen Bildern, deren Gegen-2
ſtand auch ſehr gern aus der Zeitgeſchichte genommen
wurde, Tempel und Hallen ſchmuͤckten. Dionyſios erreicht3
unter ihnen Polygnots ausdrucksvolle und zierliche Zeich-
nung, aber ohne ſeine Großartigkeit.


1. Sillax der Rheginer g. 75. Onatas auch Mahler 78 —
83. Mikon von Athen, Mahler u. Erzg.; beſonders in Roſſen
ausgezeichnet (Simon), 77 — 83. (Sillig C. A. p. 275. Μί-
κων iſt auch Arrian Aler. vii, 13. zu reſtituiren). Dionyſios
von Kolophon Mikons Zeitgenoß (vgl. Simonides §. 99. Anm. 1.)
u. Polygnots Nachahmer, doch ohne deſſen erhabnen Charakter
(πλὴν τοῦ μεγέϑους τὴν τοῦ Πολυγν. τέχνην ἐμιμεῖτο εἰς
τὴν ἀκρίβειαν, πάϑος καὶ ἦϑος καὶ σχήματος χρῆσιν, ἱμα-
τίων λεπτότητας καὶ τὰ λοιπά, Ael. V. H. iv, 3. vgl. Ariſt.
Poet. 2. ἐκβεβιασμένα καὶ κατάπονα Plut. Timol. 36.) da-
her nach Plin. ἀνϑρωπογράφος genannt, ähnlich wie Demetrios
§. 123. Ariſtophon, Polygnots Bruder. Timagoras von
Chalkis 83. Panänos von Athen, Phidias ἀδελφιδοῦς, um
83 — 86. Agatharchos, Mahler, Skenograph, etwa von Ol. 80
(ſo daß er für Aeſchylos letzte Trilogie scenam fecit) bis 90.
Aglaophon, Ariſtophons Sohn, wie es ſcheint, Ol. 90. Kephiſſo-
doros, Phrylis, Euenor von Epheſos, Demophilos von Himera,
Neſeas von Thaſos, Ol. 90. Kleiſthenes von Eretria, oben §. 107.
Anm. 3., um Ol. 90. Nikanor, Arkeſilaos v. Paros, enkauſtiſche
Mahler, um 90 (?). Zeuxippos von Heraklea um 90. (vgl.
Heindorf ad Plat. Protag. p. 495.) Kleagoras von Phlius 91.
(Xen. Anab. vii, 8, 1). Apollodoros von Athen, Ol. 93.


2. In der Pökile (braccatis illita Persis) befanden ſich: 1.
die Marathoniſche Schlacht von Mikon (oder Panänos, auch Polyg-
not); die Heerführer beider Partheien iconiſch; die Platäer mit
Böotiſchen κυνὲαις (Demoſth. g. Neära p. 1377.). Götter und He-
roen eingemiſcht; mehrere Momente der Schlacht; Flucht zu den
Schiffen (Böttig. Archäol. der Mahl. S. 246.) — 2. Trojas Ein-
nahme und das Gericht über Kaſſandra’s Schändung, von Polyg-
notos — 3. Kampf der Athener und Amazonen, von Mikon —
4. Schlacht bei Oenoe. S. Böttiger S. 278. — Platon Euthy-
phr. p. 6. ſpricht auch von Götterkämpfen, mit denen die Tempel
(?) bemahlt waren.


3. S. Dionyſios in Anm. 1.


[120]Hiſtoriſcher Theil.

1136. Der erſte aber, welcher auf die Nuͤancen von
Licht und Schatten ein tieferes Studium richtete, und
durch dieſe weſentlichen Erforderniſſe Epoche machte, war
Apollodoros von Athen, ὁ Σκιαγράφος, welchen
2ohne Zweifel die Studien des Agatharchos in der per-
ſpektiviſchen Buͤhnenmahlerei (§. 107 Anm. 3) auf ſeiner
Bahn ſehr gefoͤrdert hatten.


1. Er erfand φϑορὰν καὶ ἀπόχρωσιν σκιᾶς Plut. de glor.
Athen.
2. Heſych. (Luminum umbrarumque rationem in-
venisse Zeuxis dicitur
Quintil. xii, 10.) Μωμήσεται τις
μᾶλλον ἢ μιμήσεται. Neque ante eum tabula ullius osten-
ditur quae teneat oculos.
Plin. Aehnliche, eigentlich ungerechte,
Urtheile Quintil. xii, 10.


2. Skiagraph oder Skenograph nach Heſych. Ueber den
engen Zuſammenhang beider, Schneider Ecl. phys. Ann. p. 265.
Von den Täuſchungen der Skiagraphia, beſonders für die Ferne,
Plat. Staat x p. 602. Ariſt. Rhet. iii, 72.


1137. Nun beginnt mit Zeuxis das zweite Zeit-
alter der vollkommnern Mahlerei, in welchem die Kunſt
zu ſinnlicher Illuſion und aͤußerem Reize gelangt war,
2und durch die Neuheit dieſer Leiſtungen die Kuͤnſtler ſelbſt
zu einem unter den Architekten und bildenden Kuͤnſtlern
3unerhoͤrten Hochmuth verleitete, obgleich ſie in Betracht
des Ernſtes und der Tiefe, mit der die Gegenſtaͤnde auf-
gefaßt wurden, ſo wie der ſittlichen Strenge, gegen den
Geiſt der fruͤhern Periode ſchon entartet erſcheint. In
4dieſer Epoche herrſcht die Joniſche Schule der Mah-
lerei, welche dem Charakter des Stammes gemaͤß (§. 43)
mehr Neigung zum Weichen und Ueppigen hat, als die
alten Peloponneſiſchen und die zunaͤchſt vorhergegangene
Attiſche Schule.


1. S. die Geſchichten von den Trauben des Zeuxis und Par-
rhaſios Leinwand u. dgl. Von der Illuſion der Mahlerei Platon
Sophiſt. p. 234. Staat x, p. 598. Viele hielten dieß offenbar
für das Höchſte, wie die tragiſche Kunſt ſeit Euripides auf die
ἀπάτη (früher auf die ἔκπληξις) hinausgeht.


[121]Griechen. Dritte Periode.

2. Apollodoros πῖλον ἐφόρει ὀρϑόν Heſych. Zeuxis ver-
ſchenkt zuletzt ſeine Werke, weil unbezahlbar (Pl. xxxv, 36, 4.),
und nahm dagegen Geld für das Sehenlaſſen der Helena (Ael. V.
H. iv,
12). Parrhaſios iſt nach Art eines Satrapen ſtolz und
ἁβροδίαιτος, und behauptet, an den Gränzen der Kunſt zu ſtehn.


3. Parrhasius pinxit et minoribus tabellis libidines eo
genere petulantis joci se reficiens.
Ein Beiſpiel Sueton
Tiber. 44. vgl. Eurip. Hippol. 1091. Klem. Alex. Protr. iv. p.
40. Vgl. §. 138.


4. Epheſos war in Ageſilaos Zeit (95, 4.) voll von Mah-
lern, Xenoph. Hell. iii, 4, 17.


Zeuxis, von Herakleia, oder Epheſos (nach dem Hauptorte der
Schule, Tölken, Amalth. iii S. 123), etwa von 90 – 100. (nach
Plin. 95, 4; aber er mahlt für 400 Minen den Pallaſt des Ar-
chelaos, der 95, 3 ſtarb, Aelian V. H. xiv, 7. vgl. Plin. xxxv,
36, 2), auch Thonarbeiter. Parrhaſios, Euenors Sohn und
Schüler, von Epheſos, um 95. (Seneca Controv. v, 10. iſt eine
bloße Fiction). Timanthes von Kythnos (Sikyon) um 95.
Kolotes von Teos, gleichzeitig. Pauſon, der Mahler der
Häßlichkeit (Ariſtot.) um 95. (S. indeß Welcker im Tübinger Kunſt-
blatt 1827. N. 82.). Euxenidas 95. Androkydes von Ky-
zikos 95 – 100. Eupompos von Sikyon 95 – 100. Brietes
von Sikyon um dieſelbe Zeit.


138. Zeuxis, welcher in der Skiagraphie Apollo-1
doros Entdeckungen ſich aneignete und weiter bildete (§.
135), und beſonders gern einzelne Goͤtter- und Heroen-
Figuren mahlte, ſcheint in der Darſtellung weiblichen
Reizes (ſeine Helena zu Kroton) und erhabner Wuͤrde
(ſein Zeus auf dem Thron von Goͤttern umgeben) gleich
ausgezeichnet geweſen zu ſein; doch vermißt Ariſtoteles
(§. 134 Anm. 2.) in ſeinen Bildern das Ethos. Par-2
rhaſios wußte ſeinen Bildern noch mehr Rundung zu
geben, und war viel reicher und mannigfaltiger in ſeinen
Schoͤpfungen; ſeine zahlreichen Goͤtter- und Heroenbilder
(Theſeus) erlangten ein kanoniſches Anſehn in der Kunſt.
Ihn uͤberwand indeß im graphiſchen Agon der geiſtreiche3
Timanthes, in deſſen Iphigenien-Opfer die Alten die
[122]Hiſtoriſcher Theil.
Steigerung des Schmerzes bis auf den Grad, den die
Kunſt nur andeuten durfte, bewunderten.


1. Am genaueſten bekannt iſt von Z. die Kentaurenfamilie (Lu-
kian Zeuxis), eine reizende Zuſammenſtellung, in der auch die ἁρ-
μογὴ von Menſch und Roß, und die ἀκρίβεια der Ausführung
bewundert wurde.


2. P. in lineis extremis palmam adeptus —
ambire enim se extremitas ipsa debet
Plin. Von ihm als
legumlator Quinctil. xii, 10. — Ueber ſeinen Δῆμος
Ἀϑηναίων, in dem wahrſcheinlich Charakter, Ausdruck u. Attri-
bute widerſprechend combinirt waren, hat Quatremère-de-Quincy
in einer 1822 im Institut geleſenen Abhandlung eine ſeltſame
Hypotheſe aufgeſtellt (eine Eule mit andern Thierköpfen). Ueber
die frühern Meinungen A. G. Lange in Schorns Kunſtblatt 1820
N. 11.


3. Graphiſche Agonen bei Quintil. ii, 13. Plin. xxxv,
35. 36, 3. 5., in Korinth Apoſtol. xv, 13., in Samos Aelian
V. H. ix, 11. Athen. xii, 543. Timagoras von Chalkis hatte
ſich ſelbſt ein Epinikion gedichtet. Mit Timanthes Bild hat das
Pompejaniſche (Kunſtbl. 1826 N. 9.) wenigſtens den verhüllten
Agamemnon gemein. Vgl. Lange in Jahns Jahrbüchern 1828
S. 316. In unius hujus operibus intelligitur plus semper
quam pingitur
(wie in dem ſehr artig erfundenen Kyklopenbilde)
Plinius xxxv, 36, 6.


1139. Waͤhrend Zeuxis, Parrhaſios und ihre Anhaͤn-
ger unter dem allgemeinen Namen der Aſiatiſchen
Schule der fruͤher bluͤhenden, beſonders in Athen an-
ſaͤſſigen, Griechiſchen (Helladiſchen) Schule entgegen-
2geſetzt werden: erhebt ſich jetzt durch Pamphilos, Eu-
pompos Schuͤler, die Schule von Sikyon im Pelopon-
nes neben der Joniſchen und Attiſchen als eine dritte
3weſentlich verſchiedne, deren Hauptauszeichnung wiſſen-
ſchaftliche Bildung, und die hoͤchſte Genauigkeit und Leich-
4tigkeit in der Zeichnung war. In dieſer Zeit wurde auch
durch Ariſteides von Theben und Pauſias von Sikyon
die enkauſtiſche Mahlerei ausgebildet, die indeß ſchon
von Polygnotos geuͤbt worden war.


[123]Griechen. Dritte Periode.

2. Σικυώνιοι ζωγράφοι als eine Claſſe Athen. v, p. 196 e.
Polemon (§. 35, 3.) ſchrieb über die Pökile in Sikyon, gebaut um
Ol. 120. Athen. vi, 253 b. xiii, 577 c. Daher Sicyon
Helladica,
welcher Ausdruck ſpäter Schriftſteller wohl nur aus
der Sprache der Kunſtgelehrten abgeleitet werden kann.


Pamphilos, von Amphipolis, (Sikyon. Schule) 97 – 107.
Ariſteides, von Theben, Euxenidas Schüler, etwa 102 – 112,
auch enkauſtiſcher Mahler. Leontion, in derſ. Zeit. Pauſias,
v. Sikyon, Brietes S. Pamphilos Schüler, enkauſt. Mahler, in
derſelben Zeit. Ephoros, von Epheſos, und Arkeſilaos (Joniſche
Schule) g. 103. Euphranor, Iſthmier, d. h. von Korinth
(doch arbeitete er in Athen, und wird von Plutarch de glor. Athen.
2. den Attikern zugezählt), Enkauſt. 104 – 110. Kydias, von
Kythnos, Enk. 104. Echion, Therimachos 107 (§. 124.) Ari-
ſtodemos 107. Antidotos, Euphranors Schüler, Enk. 108.
Ariſtolaos, Pauſias S. u. Schüler, Enk. 108. Mechopanes (?)
108. Melanthios, Pamphilos Schüler, etwa 104 – 112.
Kteſidemos g. 108. Philochares, von Athen, Aeſchines Bruder,
109. Glaukion, von Korinth, g. 110 (?). Alkimachos 110.
(Plin. vgl. Corſini Dissert. Agon. p. 128.). Apelles, von
Kolophon, der Schule nach Epheſier (durch Ephoros, Arkeſilaos),
aber auch Sikyonier (Pamphilos), 106 – 118. (vgl. Tölken Amal-
thea iii, S. 123). Nikomachos, Ariſtodemos Sohn und Schüler,
(Sikyon. Schule) 110 ff. Nikias, Nikomedes Sohn, von Athen,
Antidotos Schüler, Enk. (Praxiteles hülfreich) 110 – 118. Am-
phion (?) 112. Asklepiodoros, von Athen, 112. Theomneſtos
112. Theon, v. Samos, g. 112. Karmanides, Euphranors
Schüler, 112. Leonidas, von Anthedon, Euphranors Schüler,
112. Protogenes, der Kaunier, (auch Erzg.) 112 – 120.
Aetion, 114. Athenion, von Maroneia, Glaukions Schüler,
Enk. g. 114 (?). Gryllon g. 114. Ismenias, von Chalkis, 114 (?).
Ariſteides, Nikomachos Bruder und Schüler, 114. Nikophanes
u. Pauſanias (Sikyoniſche Schule) von Polemon Athen. xiii
p.
567. mit Ariſteides, ich glaube dem jüngern, als πορνο-
γράφοι
verbunden (vgl. Millingen Vases de div. coll. 26.).
Was die Zeitangaben betrifft: ſo iſt Vieles, beſonders was die Ari-
ſtide betrifft, ſchwierig und zweifelhaft, doch iſt Nichts ohne beſtimm-
ten Grund angeſetzt worden.


3. Pamphilos praestantissimus ratione Quintil. xii, 10.
Er lehrt für 1 Talent 10 Jahre. Fordert mathematiſche Vorkennt-
niſſe. Die Zeichnung recipitur in primum gradum libera-
lium
artium,
Plin. xxxv, 10, 40. vgl. Ariſtoteles Pädagogik
[124]Hiſtoriſcher Theil.
von Orelli, in den Philol. Beyträgen aus der Schweiz S. 95.
Auf die Feinheit und Sicherheit der Umriſſe geht die Geſchichte bei
Plin. xxxv, 36, 11., die Quatremère-de-Quincy Mem. de l’
Instit. royal T. v. p.
300. zu frei deutet; in illa ipsa (vgl.
Sillig C. A. p. 64.) muß feſtgehalten werden. Dieſelbe Figur
wird in demſelben Raum dreimal immer feiner und genauer um-
ſchrieben; der Eine corrigirt dem Andern die Zeichnung durchgängig.
Vgl. Böttiger Archäol. der Mahl. S. 154.


4. Plin. xxxv, 39 sqq. Vgl. unten: Technik.


1140. Auf dieſer dritten Stufe der Mahlerei that ſich
Ariſteides von Theben durch Darſtellungen der Lei-
2denſchaft und des Ruͤhrenden, Pauſias durch Kinder-
figuren, Thier- und Blumenſtuͤcke hervor, von ihm be-
3ginnt die Mahlerei der Felderdecken; Euphranor war
4in Helden (Theſeus) und Goͤttern ausgezeichnet; Melan-
thios
, einer der denkendſten Kuͤnſtler der Sikyoniſchen
Schule, nahm nach Apelles Urtheil in der Anordnung
5(dispositio) den erſten Rang ein; Nikias, aus der
neuern Attiſchen Schule, mahlte beſonders große Hiſtorien-
bilder, Seeſchlachten und Reuterkaͤmpfe in großer Vor-
zuͤglichkeit.


1. Is enim primus (?) animum pinxit et sensus ho-
minum expressit, quae vocant Graeci
ἤϑη (dagegen §. 133
Anm. 2.), item perturbationes (die πάϑη). Hujus
pictura oppido capto ad matris morientis ex vulnere
mammam adrepens infans: intelligiturque sentire mater
et timere, ne emortuo lacte sanguinem lambat
. Plin. xxxv,
36, 19. vgl. Aemilian. Anth. Pal. vii, 623. Idem et lacu-
naria primus pingere instituit
(d. h. mit Figuren, denn Sterne
und dgl. kommen darin ſchon in den ältern Tempeln vor), nec ca-
meras ante eum taliter adornari mos fuit
.


2. S. Plin. xxxv, 40, 24. über Pauſias ſchwarzen Stier
(ein Meiſterſtück der Verkürzung und Schattirung), und die lieb-
liche Στεφανηπλόκος oder — πῶλις Glykera.


3. Euphranor ſcheint in den Zwölfgöttern, die er für eine Halle
im Kerameikos mahlte, nachdem er ſich im Poſeidon erſchöpft hatte,
für den Zeus ſich mit einer Copie des Phidiaſſiſchen Werks begnügt
[125]Griechen. Dritte Periode.
zu haben. S. die Stellen bei Sillig C. A. p. 208. add. Schol.
Il. i, 528.


5. Nikias wollte die τέχνη nicht κατακερματίζειν.


141. Allen voran geht indeß der große Apelles,1
der die Vorzuͤge ſeiner Heimat Jonien — Anmuth, ſinn-
lichen Reiz, bluͤhendes Colorit — mit der wiſſenſchaft-
lichen Strenge der Sikyoniſchen Schule vereinigte. Sei-2
nem reichen Geiſte war zum Vereine aller uͤbrigen Gaben
und Vermoͤgen, deren der Mahler bedarf, als ein Vor-
zug, den er ſelbſt als den ihm eigenthuͤmlichen anerkannte,
die Charis ertheilt; welche wohl kein Bild ſo vollkom-3
men darſtellte als die vielgeprieſne Anadyomene. Aber4
auch heroiſche Gegenſtaͤnde waren ſeinem Talent ange-
meſſen, beſonders großartig aufgefaßte Portraͤte, wie die
zahlreichen des Alexander, ſeines Vaters und ſeiner Feld-
herrn. Wie er Alexander mit dem Blitz in der Hand
(als κεραυνοφόρος) darſtellte: ſo verſuchte er, der Mei-5
ſter in Licht und Farbe, ſelbſt Gewitter (βροντὴν, ἀστρα-
πὴν, κεραυνοβολίαν) zu mahlen, wahrſcheinlich zugleich
als Naturſcenen und als mythologiſche Perſonificationen.


1. Parrhaſios Theſeus war nach Euphranor mit Roſen genährt.
Dagegen waren Antidotos, Athenion, und Pauſias Schüler Ariſto-
laos und Mechopanes severi, duri in coloribus (Mecho-
panes sile multus).
Offenbar herrſchte in der Joniſchen Schule
ein blühender, in Sikyon ein ernſterer Farbenton vor.


3. Die Anadyomene befand ſich in Kos im Asklepieion
(γράμμα Κώϊον Kallim. Fragm. 254. Bentl.), und kam durch Au-
guſt in den Tempel des Divus Julius zu Rom, wo ſie aber ſchon
in Neros Zeit verdorben war. Sie war nach Einigen (Plin.)
nach der Pankaſte, nach Athen. nach der Phryne gemahlt. Epi-
gramme von Leonidas v. Tarent u. Aa. Ilgen Opusc. i. p. 34.
Jacobs in Wielands Att. Muſ. iii. S. 50. Eine Anadyomene in
Erz Millin Mon. inéd. ii. pl. 28.


4. Ueber den vortretenden Arm mit dem Blitz Plin. xxxv,
36, 15. (So wird an Nikias ut eminerent e tabulis pictu-
rae,
an Euphranor das ἐξέχον gerühmt).


5. Vgl. Philoſtr. i, 14. Welcker p. 289.


[126]Hiſtoriſcher Theil.

1142. Neben ihm bluͤhte außer den genannten Pro-
togenes
, welchen der durch ſein Genie uͤber jede nie-
drige Geſinnung emporgeſtellte Apelles ſelbſt beruͤhmt ge-
macht hatte: ein Autodidakt, deſſen, oft allzu ſorgfaͤltiger,
Fleiß und genaues Naturſtudium ſeine wenig zahlreichen
2Werke unſchaͤtzbar machten. Auch der durch die Lebendig-
keit ſeiner Erfindungen (φαντασίαι, visiones) ausge-
zeichnete Theon gehoͤrt dieſer ſchnell voruͤbergehenden
Bluͤthezeit der Mahlerei an.


1. Protogenis rudimenta cum ipsius naturae veritate
certantia non sine quodam horrore tractavi
Petron. 83.
Sein berühmteſtes Bild der Stadtheros Jalyſos (Ol. 119.) mit
dem Hunde und dem Σάτυρος ἀναπαυόμενος, eine mythiſche
Darſtellung der Stadt u. Gegend, über der er 7 Jahre gemahlt hatte.
Fiorillo Artiſtiſche Schriften i. S. 330 ff.


2. Vgl. Böttigers Furienmaske S. 75.


1143. Dieſer Meiſter herrliche Kunſt iſt, inſofern ſie
ſich in der Beleuchtung, dem Farbenton, den Localfar-
ben zeigte, fuͤr uns bis auf ziemlich dunkle Meldungen
und ſpaͤte Nachahmungen untergegangen; dagegen geben
2von ihrer Zeichnung die Leichtigkeit, Sicherheit und Grazie,
mit der die Umriſſe mancher Vaſengemaͤlde der vollkomm-
nern Art (mit ausgeſparten hellen Figuren) ausgefuͤhrt
ſind, einen Begriff, der an die Graͤnze des Begreiflichen
fuͤhrt.


2. S. beſonders unter den bei Millingen Uned. monum.
S. 1. pl.
10. (ἐσϑὴς ἐς τὸ λεπτότατον ἐξειργασμένη §. 134.
135.) 16. 18. 21. 22. 35.


[127]

Vierte Periode.
Von Olymp. 111 bis 158, 3.
Von Alexander bis zur Zerſtörung Korinths
.


1. Ereigniſſe und Charakter der Zeit.


144. Dadurch, daß ein Griechiſcher Fuͤrſt das Per-1
ſiſche Reich eroberte, ſeine Feldherrn Dynaſtien gruͤnde-
ten: erhielten die zeichnenden Kuͤnſte unerwartete und ſehr
mannigfache Veranlaſſungen zu großen Werken. Neue
Staͤdte, nach Griechiſcher Weiſe eingerichtet, entſtanden2
mitten im Barbarenlande; die Griechiſchen Goͤtter erhiel-3
ten neue Heiligthuͤmer. Die Hoͤfe der Ptolemaͤer, Se-4
leukiden, Pergameniſchen und andrer Fuͤrſten gaben der
Kunſt fortwaͤhrend eine reichliche Beſchaͤftigung.


2. Alexandreia bei Iſſos Ol. 111, 4. (?), in Aegypten 112, 1.
(Ste Croix Examen des hist. d’Alex. p. 286.), in Ariana,
Arachotis 112, 3., am Paropamiſos 112, 4., am Akeſines 112,
2 u. ſ. w. (70 Städte in Indien?) Raoul-Rochette Hist. de
l’établ. T. iv. p. 101 sqq.
— Antigoneia (dann Alexandreia)
Troas, Philadelpheia, Stratonikeia, Dokimeia u. a. Städte in
Kleinaſien; Antigoneia (geg. Ol. 117.), Antiocheia am Orontes
(120), eine Griech. Stadt von orientaliſcher Pracht und Größe,
Seleukia in Seleukis u. a. m. in Syrien. Kaſſandreia Ol. 116, 1.
Theſſalonike. Uranopolis auf dem Athos von Alexarchos Kaſſan-
ders Bruder. S. Choiſeul. Gouff. Voy. pitt. T. ii. pl. 15.


3. Ein Beiſpiel iſt Daphne, Heiligthum des Apollon u. Luſt-
ort bei Antiocheia, ſeit 120 etwa, Valeſius u. Aa. zu Ammian
ix, 12, 19. xxii, 13, 1. Gibbon P. V. p. 400. Böckh
[128]Hiſtoriſcher Theil.
Corp. Inscr. p. 821. Die Seleukiden waren angeblich Abkömm-
linge, und große Verehrer des Apollon (Weihgeſchenke nach dem
Didymäon, Reſtitution des Bildes von Kanachos; Apollon auf
den Münzen). S. Noriſius Epochae Syro-Macedonum diss.
3. p.
150.


4. Die Ptolemäer ſind Gönner und Beförderer der Kunſt bis
auf den vii, Physkon. Flucht der Künſtler und Gelehrten gegen
162. Unter den Seleukiden Seleukos i. Antiochos iv. Atta-
los i. u. Eumenes ii. Außer dieſen die Syrakuſiſchen Thrannen
Agathokles, Hieron ii. Auch Pyrrhos von Epeiros iſt ein Kunſt-
freund, ſ. über Ambrakia’s Kunſtreichthum Polyb. xxii, 13. Liv.
xxxviii, 9.


1145. Unlaͤugbar wird dadurch zugleich der Geſichts-
kreis der Griechiſchen Kuͤnſtler erweitert; ſie werden durch
die Wunder des Morgenlands zum Wetteifer in Coloſſa-
2litaͤt und Pracht angetrieben. Daß indeſſen keine eigent-
liche Vermiſchung der Kunſtweiſen der verſchiednen Voͤl-
ker eintrat, davon liegt der Grund theils in der innerlich
feſten, aus eignem Keim hervorgewachſnen und daher
nach außen abgeſchloſſnen Bildung der Nationen des
3Alterthums, namentlich der Griechen, und zugleich in der
ſcharfen Trennung, welche lange zwiſchen dem erobernden
und den einheimiſchen Voͤlkern beſtand. Die Staͤdte des
Griechiſchen Kunſtbetriebs liegen zuerſt wie Inſeln in
fremdartigen Umgebungen mitten inne.


3. Dieſe Trennung geht für Aegypten, wo ſie am ſchärfſten
war, beſonders aus den neuen Unterſuchungen hervor (ſ. unten
Anhang; Aegypten). Die Verwaltung behielt hier ganz den Cha-
rakter der Einrichtung eines in einem fremden Lande ſtehenden
Heeres. — Im Cultus kam in Alexandreia nur der Pontiſch-
Aegyptiſche Serapis zu den Helleniſchen Göttern hinzu; die Ptole-
mäer-Münzen zeigen bis auf die letzten Zeiten von fremden Göt-
tern nur den ſchon lange helleniſirten Ammon. Eckhel D. N. i, iv.
p.
28. Auch die Alexandriniſchen Kaiſermünzen haben nicht viel
Aegyptiſche Gottheiten.


1146. Auch bleiben die Staͤdte des alten Griechenlands
fortwaͤhrend die Sitze des Kunſtbetriebs; nur wenige
[129]Griechen. Vierte Periode.
Kuͤnſtler gehen ſelbſt aus den Griechiſchen Anlagen im
Orient hervor; und nirgends knuͤpft ſich an einen der
Hoͤfe eine nahmhafte Kunſtſchule an.


Vgl. §. 154. Ueber den Kunſthandel von Sikyon nach Ale-
xandreia Plut. Arat. 13. Athen. V. p. 196 e. Für Daphne
arbeitet der Athener Bryaxis (Kedrenos), für Antiocheia am Oron-
tes der Sikyonier Eutychides, Pauſ. vi, 2, 4.


147. Nun iſt es keinem Zweifel unterworfen, daß1
die Kunſtſchulen Griechenlands, beſonders im Anfange
dieſer Periode, in einem bluͤhenden Zuſtande waren, und
in einzelnen von den Muſtern der beſten Zeit genaͤhrten
Gemuͤthern beſtaͤndig der reine Kunſtſinn der fruͤhern Pe-
riode lebendig blieb. Auf der andern Seite konnte es2
nicht ohne Einfluß auf die Kunſt bleiben, wenn die innige
Verbindung, in der ſie mit dem politiſchen Leben freier
Staaten ſtand, geſchwaͤcht, und ihr dagegen die Verherr-
lichung und das Vergnuͤgen einzelner Perſonen als ein
Hauptzweck vorgeſchrieben wurde. Es mußte ſie wohl auf3
mancherlei Abwege fuͤhren, wenn ihr, bald die Schmei-
chelſucht knechtiſch geſinnter Staͤdte, bald die Launen von
Glanz und Herrlichkeit uͤberſaͤttigter Herrſcher zu befrie-4
digen, und fuͤr den Prunk von Hoffeſten in der Schnel-
ligkeit viel Glaͤnzendes herbeizuſchaffen, aufgegeben wurde.


2. Vgl. über die Verbindung der Kunſt mit dem öffentlichen
Leben, Heeren Ideen iii, 1. S. 513.


3. S. von den Ehrenſtatuen §. 158. Vgl. Heyne de genio
saeculi Ptolemaeorum, Opusc. Acad. I. p.
114.


4. S. die Beſchreibung der in Alexandreia, unter Ptolemäos II,
von Arſinoe II veranſtalteten Adonisfeier bei Theokrit xv, 119 ff.
Aphrodite u. Adonis auf Ruhebetten in einer Laube, in der viele
kleine Eroten umherfliegen, Zeus Adler den Ganymed raubt (nach
Leochares) u. dgl. Alles aus Elfenbein, Ebenholz, Gold, prächti-
gen Teppigen zuſammengeſetzt. Vgl. Groddeck Antiq. Verſuche i.
S. 103 ff. Ferner die Beſchreibung der von Ptolem. II allen
Göttern, beſonders Dionyſos und Alexander, aufgeführten Pompa,
9
[130]Hiſtoriſcher Theil.
aus Kallixenos, bei Athen. V. p. 196 sqq. Tauſende von Bil-
dern, auch coloſſale Automate, wie die ὀκτάπηχυς Νύση. Ein
φαλλὸς χρυσοῦς πηχῶν ἑκατὸν εἴκοσι (nach oriental. Weiſe),
διαγεγραμμένος καὶ διαδεδεμένος στέμμασι διαχρύσοις,
ἔχων ἐπ̕ ἄκρου ἀστέρα χρυσοῦν, οὗ ἦν ἡ περίμετρος πη-
χῶν ἕξ. Vgl. §. 150. Manſo Vermiſchte Schriften ii. S. 336.
u. 400. Pompa Antiochos des iv. Polyb. xxxi, 3, 13. Bil-
der von allen Göttern, Dämonen und Heroen, von denen nur ir-
gend eine Sage, meiſt vergoldet, oder mit golddurchwirkten Klei-
dern angethan.


1148. Zu dieſen aͤußern durch den Gang des politi-
ſchen Lebens herbeigefuͤhrten Umſtaͤnden treten andre im
innern Leben der Kunſt ſelbſt gegebene hinzu. Die Kunſt
ſcheint mit dem Ende der vorigen Periode den Kreis ed-
ler und wuͤrdiger Productionen, fuͤr die ſie als Helleni-
ſche Kunſt die Beſtimmung in ſich trug, im Ganzen durch-
2laufen zu haben. Die Schaffende Thaͤtigkeit, der ei-
gentliche Mittelpunkt der geſammten Kunſtthaͤtigkeit, welche
fuͤr eigenthuͤmliche Ideen eigenthuͤmliche Geſtalten ſchafft,
mußte in ihrem Schwunge ermatten, wenn der natuͤrliche
Ideenkreis der Hellenen plaſtiſch ausgebildet war, oder
auf eine krankhafte Weiſe zu abnormen Erfindungen ge-
3trieben werden. Wir finden daher, daß die Kunſt in
dieſer Periode ſich bald nur im groͤßten, bald im klein-
ſten Maaß der Ausfuͤhrung, bald in phantaſtiſchen, bald
in weichlichen nur auf Sinnenreiz berechneten Kunſtwer-
ken gefaͤllt. Und auch die beſſern und edlern Werke der
Zeit unterſcheidet doch im Ganzen etwas, zwar wenig in
die Augen, fallendes, aber dem natuͤrlichen Sinne Fuͤhl-
bares, von den fruͤhern, das Streben nach Effekt.


2. Difficilis in perfecto mora. Vellej. i, 17. Die Viſcon-
tiſche Lehre von dem langen Beſtande der Griechiſchen Kunſt
in gleicher Trefflichkeit, ſechs Jahrhunderte hindurch (l’état sta-
tionnaire de la sculpture chez les anciens depuis Péricles
jusqu’aux Antonins),
welche in Frankreich und nun auch eini-
germaßen in Deutſchland Eingang gefunden, halte ich mit Köhler
(Böttigers Archäol. u. Kunſt i. S. 16.) für eine Verkehrtheit.


[131]Griechen. Vierte Periode.

3. Nützlich iſt auch hier die Vergleichung mit der Geſchichte
der andern Künſte, beſonders der Redekunſt (vgl. §. 103. Anm. 4.),
in welcher in dieſem Zeitraume, beſonders durch den Einfluß der
zu mehr πάϑος, Schwulſt und Prunk von Natur geneigten Lyder
und Phryger, die Aſiatiſche Rhetorik, daneben die Rhodiſche (§. 155),
aufkam.


2. Architektonik.


149. Die Architektonik, welche fruͤher den Tempel1
zum Hauptgegenſtande gehabt hatte, erſcheint in dieſer
Periode viel mehr thaͤtig fuͤr die Bequemlichkeit des Le-
bens, den Luxus der Fuͤrſten und die glaͤnzende Einrich-
tung der Staͤdte im Ganzen. Alexandreia, von dem2
Architekten Deinokrates, deſſen gewaltiges Genie allein
Alexanders Unternehmungsgeiſte gewachſen war, regel-
maͤßig angelegt, war durch die Pracht der koͤniglichen3
und die Soliditaͤt der Privatgebaͤude offenbar ein Muſter
fuͤr die uͤbrige Welt (vertex omnium civitatum nach
Ammian).


2. Deinokrates (Deinochares, Cheirokrates, Staſikrates) war
der Erbauer von Alexandreia, der Erneuerer des T. zu Epheſos;
derſelbe der den Athos in eine knieende Figur umformen wollte.
Nach Plin. xxxiv, 42. ſoll er auch den magnetiſchen Tempel der Ar-
ſinoe II. (Ol. 133.) unternommen haben. Von dieſem Mährchen-
bau iſt aber der wirkliche T. der Arſinoe-Aphrodite Zephyritis wohl
zu unterſcheiden (Athen. vii, 318 b. xi, 497 d.). Ein Zeit-
genoß von ihm iſt der ταφρώρυχος Krates (Diog. Laert. iv, 23.
Strab. ix. p. 407. Steph. Byz. s. v. Ἀϑῆναι); etwas jün-
ger (Ol. 115.) der Knidier Soſtratos (von ſeiner ſchwebenden Halle
Hirt Geſchichte ii. S. 160). Amphilochos, Lagos Sohn, ein
berühmter Architekt von Rhodos, aus dieſer Periode (?). In-
ſchrift bei Clarke Travels ii, 1. p. 228.


3. Ueber Alexandreia vgl. Hirt ii. S. 78. 166. Man-
nert Geogr. x, 1. S. 612. 30 — 40 Stadien lang. Ein Viertel
die Burg, Pallaſt, Σῶμα, Μουσεῖον. Serapeion in Rhakotis.
Pharos, von Soſtratos, unter Ptol. I, Σωτήρ, für 800 Aegypt.
Talente gebaut. — Incendio fere tuta est Alexandria,
9*
[132]Hiſtoriſcher Theil.
quod sine contignatione ac materia sunt aedificia, et
structuris atque fornicibus continentur, tectaque sunt ru-
dere aut pavimentis.
Hirtius B. Alex. i, 3. — Ueber An-
tiocheias regelmäßige Anlage beſonders Libanios im Antiochikos.


1150. Die glaͤnzendere, dem republicaniſchen Griechen-
land unbekannte, Zimmereinrichtung, wie wir ſie
hernach in Rom finden, ging offenbar auch von dieſem
Zeitraume aus, wie man ſchon aus den Namen der Oeci:
Cyziceni, Corinthii, Aegyptii,
abnehmen kann; einen
2Begriff von ihr giebt die erfindungsreiche Pracht und
Herrlichkeit, mit der das Dionyſiſche Zelt des zweiten,
das Nilſchiff des vierten Ptolemaͤos — und doch nur
fuͤr einzelne Feſt- und Luſtparthieen, ausgeſtattet waren.


1. S. Vitruv vi, 5. 6.


2. S. Kallirenos bei Athen. v, 196 sq. über das Diony-
ſiſche Zelt
für die Pompa Ptol. des II. (§. 147. Anm. 4.),
mit Grotten in der Höhe, in denen lebendig ſcheinende Perſonen
der Tragödie, Komödie u. des Satyrdramas bei Tiſche ſaßen. Caylus
Mém. de l’Ac. des Inscr. xxxi. p. 96. Hirt S. 170. —
Ueber die ναῦς ϑαλαμηγός Ptol. des IV, einen ſchwimmen-
den Pallaſt, Kallixenos ebd. p. 204. Ein Oekos mit Korinthiſchen
Capitälen (von Elfenbein u. Gold), aber die elfenbeinernen ζώδια
am goldnen Frieſe waren τῆ τέχνῃ μέτρια; ein kuppelförmiger
Aphroditetempel (wohl ähnlich wie die aedicula im Heiligthum zu
Knidos) mit einem Marmorbilde; ein Oekos Bakchikos mit einer
Grotte; ein Speiſeſaal mit Aegyptiſchen Säulen u. viel der Art.


1151. Gleich prachtvoll zeigt ſich die Zeit in Grab-
denkmaͤlern
, in welcher Gattung von Bauwerken das
Mauſoleion der Kariſchen Koͤnigin Artemiſia, ſchon
vor Alexander, zum Wetteifer aufforderte. Aber ſelbſt
2die zum Verbrennen beſtimmten Scheiterhaufen wurden
in dieſer Periode bisweilen mit unſinnigem Aufwande an
Koſten und Kunſt emporgethuͤrmt.


1. Mauſolos ſt. 106, 4. Pytheus (§. 109. iii.) u. Satyros
die Architekten. Ein faſt quadratiſcher Bau (412 F.) mit einem
[133]Griechen. Vierte Periode.
Pteroma (25 Ellen hoch) trägt eine Pyramide von 24 Stufen, dieſe
eine Quadriga. Geſammthöhe 104 F. Reliefs am Fries von Brya-
xis, Timotheos (nach Vitruv Praxiteles), Leochares, Skopas. S.
Caylus Mém. de l’ Ac. T. xxvi. p. 321. Choiſeul Gouff.
Voy. pitt. T. 1. pl. 98. Hirt ii. S. 70. Tf. 10. Fig. 14.
Aehnliche Gebäude ſelbſt in Paläſtina, ein Grundbau von Säulen
umgeben, mit 7 Pyramiden darüber, von dem Hohenprieſter Simon
um Ol. 160. für ſeinen Vater und ſeine Brüder errichtet. Joſeph.
Antt. xiii, 6.


2. Das ſog. Denkmal des Hephäſtion war nur eine
πυρὰ (Diod. xvii, 115), von Deinokrates geiſtreich und phan-
taſtiſch in pyramidaliſchen Terraſſen conſtruirt (für 12000 Tal.?)
Aehnlich war wahrſcheinlich die von Timäos beſchriebne Pyra des
(ältern) Dionyſios (Athen. V. p. 206.) geweſen, ſo wie die Rogi
der Cäſaren auf Münzen dieſelbe Grundform zeigen. Ste Croix
Examen p. 472. Caylus Hist. de l’Ac. des Inscr. T. xxxi.
p.
76. Quatr.-de-Q. Mém. de l’ Inst. Royal T. iv. p. 395.


152. Die Lieblingswiſſenſchaft der Zeit, die Mecha-1
nik, zeigt ſich indeſſen noch bewundernswuͤrdiger in gro-2
ßen kunſtreich conſtruirten Wagen, in kuͤhn erfundenen3
Kriegsmaſchinen, beſonders Rieſenſchiffen, mit denen die4
Fuͤrſten Aegyptens und Siciliens ſich zu uͤberbieten ſuchten.


1. Etwas Weniges zur Geſchichte der Mechanik (und Statik)
bei den Griechen — Viel weiß man nicht — giebt Käſtner Geſch.
der Mathematik, ii. S. 98. — Von den Maſchinenbauern der
Zeit Einiges bei Hirt ii. S. 259. — Herons (eines Schülers
von Kteſibios, unter Ptolem. vii) Schrift von Automaten.


2. Die ἁρμάμαξα für Alexanders Leichnam, Caylus Hist.
de l’ Ac. des Inscr. T. xxxi. p.
86. Ste Croix p. 511.
Quatr.-de-Q. Mém. de l’ Instit. Roy. T. iv. p. 315. Re-
cueil de dissertations sur l’ archéologie. Paris 1819.
p.
126.


3. Demetrios Poliorketes Helepolis gebaut von Epimachos,
vereitelt von Diognetos (Ol. 119, 1.). Archimedes Maſchinen. —


4. Das Seeſchiff des Philopator, eine Teſſarakontere. Hie-
ron II. großes Schiff, mit 3 Verdecken, 20 Ruderreihen, von Ar-
chias von Korinth gebaut, von Archimedes ins Meer geführt. Sääle
[134]Hiſtoriſcher Theil.
mit Fußböden aus Steinmoſaik, welche den ganzen Mythus von
Ilion enthalten.


1153. Indeß verſteht ſich, daß auch die Tempel-
baukunſt
in einer ſo bauluſtigen Zeit, welche noch da-
zu mit Freigebigkeit gegen die Goͤtter prunkte, keines-
2wegs vernachlaͤſſigt wurde. Die Korinthiſche Ordnung
wurde dabei immer mehr die gewoͤhnliche, und gelangte
zu den feſten und gewaͤhlten Formen, welche hernach die
3Roͤmiſchen Baukuͤnſtler feſthielten. Aber von allen Bau-
werken der Zeit iſt uns, wie zur Strafe ihres frevelhaf-
ten und ſelbſtſuͤchtigen Hochmuths, faſt Nichts erhalten
4worden; nur Athen, welches jetzt wenig durch eigne An-
ſtrengung leiſtet, aber von fremden Monarchen wetteifernd
geſchmuͤckt wird, hat noch einiges davon erhalten.


1. Vgl. §. 144. Anm. 3. Der T. des Bel u. der Atergatis
(jetzt Zeus u. Hera) zu Hierapolis (Bambyke) gebaut von der
Stratonike (g. 120.), das Vorbild von Palmyra. Ueber den Naos
erhob ſich der Thalamos (das Chor); Wände und Decke ganz ver-
goldet. Lukian de dea Syria.


Wahrſcheinlich gehört dieſer Zeit, was ſich in Kyzikos Gro-
ßes fand, namentlich der Tempel, nach Dio Caſſ. lxx, 4.
der größte u. ſchönſte aller, ᾧ τετραόργυιοι μὲν πάχος οἱ κίο-
νες ἦσαν, ὕψος δὲ πεντήκοντα πηχέων, ἕκαστος πέτρας
μιᾶς. Ich glaube, daß dies der T. des Zeus war, von deſſen
Pracht, namentlich den Goldfäden zwiſchen den Marmorquadern Plin.
xxxvi, 22. Den Tempel der Apollonis in Kyzikos baute
Attalos II, einer von ihren vier Söhnen, nach Ol. 155, 3. Un-
ten §. 156. Sonſt von Kyzikos Anlage (es hatte Aehnlichkeit
mit Rhodos, Maſſalia u. Karthago) Plin. a. O. Strab. xii.
p. 575. xiv. p.
653.


T. des Olymp. Zeus in Syrakus von Hieron II. gebaut.
Diodor xvi, 83. vgl. Cic. Verr. iv, 53.


3. Die Doriſche Ruine in Halikarnaſſ (Choiſeul Gouff. T. i.
pl. 99 sq.),
wohl aus der Zeit nach Mauſolos, zeigt die Gattung
in ihrem Verfall; ſie wird charakterlos.


4. In Athen bauen die Könige (Gymnaſion des Ptol. II,
Porticus Eumenica,
Ἀττάλου στοά, ein Odeion der Ptole-
mäer, ?), vor allen Antiochos Epiphanes, welcher den T. des Zeus
[135]Griechen. Vierte Periode.
Olympios (§. 80. Anm. i, 4.) gegen Ol. 153. durch einen Rö-
mer Coſſutius (C. I. n. 363. vgl. p. 433.) Korinthiſch umbauen
läßt; erſt Hadrian jedoch vollendete ihn. Stuart iii. ch. 2. vgl.
Erſch Encycl. Attika S. 233. Später erneuerte Ariobarzanes II.
von Cappadocien das 173, 3. von Ariſtion verbrannte Odeion des
Perikles durch die Architekten C. u. M. Stallius u. Melanippos.
C. I. n. 357. Noch gehört das horologiſche Gebäude des Andro-
nikos Kyrrheſtes, mit eignen Korinthiſchen Säulen, in dieſe Zeit,
Stuart i. ch. 3. Hirt S. 152.


3. Bildende Kunſt.


154. Im Anfange dieſes Zeitraums, bis gegen1
Olymp 120 und etwas weiter hinab, bluͤht die Sikyo-
niſche
Schule, in welcher der Erzguß in alter Vollkom-
menheit und edlem Styl geuͤbt wird, von Euthykrates ſogar
mit mehr Strenge (austerius), als es der Geſchmack der
Zeit billigte. Hernach verlor ſich nach den geſchichtlichen2
Nachrichten die Uebung des Erzguſſes (cessavit deinde
ars);
indeß finden wir gegen und nach Ol. 135. eine3
Reihe Erzgießer beſchaͤftigt die Siege des Attalos I. und
Eumenes II. uͤber die Kelten zu verherrlichen; und Ol.
155. erhebt ſich (wir wiſſen nicht wo, doch wahrſchein-4
lich auch in Sikyon) eine neue Reihe, welche indeß
ſehr weit hinter den fruͤhern zuruͤck blieb (longe infra
praedictos),
und manches Raffinement im Erzguß ging
damals fuͤr immer unter.


Bildende Künſtler der Periode, deren Zeit bekannt
iſt. Ariſtodemos, Erzg. 118. Eutychides von Sikyon, Ly-
ſipps Schüler, Erzg. u. Mahler 120. Dahippos u. Beda, Ly-
ſipps Söhne u. Sch., Euthykrates u. Phönix, Lyſipps Sch.,
Erzg. 120. Zeuxiades, Silanions Sch., Erzg. 120. (vgl. Wel-
cker im Tüb. Kunſtbl. 1827. N. 82.). Dätondas von Sikyon,
Erzg. 120. Polyeuktos, Erzg. in Athen, g. 120 (?). Cha-
res
von Lindos, Lyſipps Sch., Erzg. 122 — 125. Praxiteles,
der jüngere, Erzg. 123 (Theophraſts Teſtament?). Aetion (Ee-
tion) von Amphipolis, Bildſchn. g. 124. (Theokr. Ep. 7. Kallimach.
Ep. 25.). Tiſikrates von Sikyon, Euthykrates Sch., Bildh.
[136]Hiſtoriſcher Theil.
125. Piſton, Erzg., Zeitgenoß des Tiſikrates (?). Kantharos
von Sik., Eutychides Sch., Bildh. 125. Hermokles von Rhodos,
Erzg. 125. Pyromachos, Erzg. u. Mahler 125. (120 nach
Plin.) bis 135. (Er gehört zu denen, welche Attali et Eume-
nis adversus Gallos proelia fecere
(vgl. Pauſ. i, 25, 2.),
und hatte, wahrſcheinlich für Attalos, den Pergameniſchen Askle-
pios gemacht. Polyb. xxxii, 25. Diodor Exc. p. 588 nebſt
Valeſius u. Weſſeling. Xenokrates, Tiſikrates (od. Euthykrates)
Schüler, Erzg. 130. Iſigonos, Stratonikos, Antiochos Erzg.
g. 135. u. ſpäter. Kleomenes, Apollodoros Sohn, von Athen,
Bildh. zw. 139. u. 158. (Thierſch Epochen S. 287.) Mikon
Nikeratos S., von Syrakus, Erzg. 142. Aeginetes, Plaſtes,
144. Kleomenes, Kleomenes Sohn, von Athen, Bildh. zw.
145 — 164. Alexandros, des König Perſeus Sohn, Toreut 153.
(Plut. Aemil. Paulus). Antheus, Kalliſtratos, Polykles, Athe-
näos (?), Kallixenos, Pythokles, Pythias, Timokles Erzg. 155.


1155. Von der Lyſippiſchen Schule zu Sikyon ging
die Rhodiſche aus; Chares von Lindos, ein Schuͤler
des Lyſippos, verfertigte den groͤßten unter den hundert
Sonnencoloſſen zu Rhodos. Wie die Rhodiſche Bered-
2ſamkeit prunkvoller als die Attiſche und dem Geiſte der
Aſiatiſchen verwandter war: ſo iſt glaublich, daß auch
die bildende Kunſt in Rhodos durch das Streben nach
glaͤnzendem Effekt ſich von der Attiſchen unterſchieden
3habe. Rhodos bluͤhte am meiſten von der Zeit der
Belagerung durch Demetrios (119, 1) bis zur Verhee-
rung durch Caſſius (184, 2); in dieſer Zeit mag wohl
auch die Inſel am meiſten Mittelpunkt der Kuͤnſte ge-
weſen ſein.


1. Der Koloſſ war 70 Gr. Ellen hoch, angeblich aus dem Metall
der Helepolis, von 122,1 — 125,1 gearbeitet, ſtand beim Hafen,
nicht über dem Eingang, nur bis zu dem Erdbeben 139, 1. (So
nach den Chronographen; nach Polyb. v, 88. trifft aber das Erd-
beben vor 138, 2; dann muß auch die Verfertigung etwas früher
geſetzt werden). S. Philon von Byzanz de vii. mundi mira-
culis
(die Schrift iſt offenbar ein ſpäteres ſophiſtiſches Werk) c. 4.
p.
15. nebſt Allatius u. Orelli’s Anm. p. 97 ‒ 109. Caylus
Ac. des Inscr. T. xxiv. p. 360. Von Hammer Topograph.
Anſichten von Rhodos S. 64. Sonſt Meurſ. Rhod. 1, 16.


[137]Griechen. Vierte Periode.

156. Dieſer Zeit gehoͤrt nun wahrſcheinlich der Lao-1
koon an: ein Wunder der Kunſt in Betracht des feinen
und edlen Geſchmacks in der Behandlung des ſchwieri-
gen Gegenſtands und der tiefen Wiſſenſchaft in der Aus-
fuͤhrung, aber deutlich auf glaͤnzenden Effekt und Darle-
gung der Meiſterhaftigkeit berechnet, und, verglichen mit
den Werken fruͤherer Zeiten, von einem gewiſſen theatra-
liſchen Charakter. Zugleich erſcheint in dieſem Werke2
das πάϑος ſo hoch geſteigert, als es nur immer der
Sinn der antiken Welt und das Weſen der bildenden
Kunſt zulaͤßt, und viel hoͤher, als es die Zeit des Phi-
dias geſtattet haben wuͤrde.


1. Laocoon, qui est in Titi Imp. domo, opus omni-
bus et picturae et statuariae artis praeponendum
(denen in
jenem Pallaſt?). Ex uno lapide eum et liberos draconum-
que mirabiles nexus de consilii sententia fecere summi
artifices, Agesander et Polydorus et Athenodorus Rhodii

(̕Λϑανοδωρος Ἀγησα. Ροδιος ἐποιησε). Similiter (näm-
lich auch de consilii sententia; anders Leſſing, Viſconti, St.
Victor u. Thierſch) Palatinas Caess. domos etc. Plin. xxxvi,
4,
11. 1506 in der Gegend der Bäder des Titus wiedergefun-
den; aus 6 Steinen; der rechte Arm reſtaurirt nach Modellen von
Giov. Agnolo. Auch Einiges an den Söhnen iſt neu. PioCl.
ii, 39. Musée François iv, pl. 1. M. Bouillon V. ii.
pl.
15. Eine pyramidale, nach einer Verticalfläche geordnete Gruppe.
Die Nebenfiguren auch dem Maaße nach ſubordinirt, wie bei der
Niobe. Drei Akte deſſelben Trauerſpiels; im Vater der mittelſte,
in welchem Energie und Pathos am höchſten. Winckelmann W. vi,
1, 101 ff. vgl. 2, 203 ff. Heyne Antiq. Aufſ. ii. S. 1. Leſ-
ſings Laocoon. Propyläen Bd. 1. St. 1. Thierſch Epochen S. 322.


157. Auch ſcheint ſich an die Rhodiſche Schule das1
Werk Trallianiſcher Kuͤnſtler, welches von Rhodos nach
Rom gebracht wurde, der ſogenannte Toro Farneſe,
anzuſchließen, welches zwar ſinnlich impoſant, aber ohne
einen befriedigenden geiſtigen Mittelpunkt war. Die Dar-2
ſtellung der Scene war genau dieſelbe wie an dem Tem-
pel der Apollonis (§. 153), deſſen Saͤulenreliefs, welche3
in zahlreichen, mythologiſchen und hiſtoriſchen Gruppen
[138]Hiſtoriſcher Theil.
Beiſpiele von Pietaͤt der Soͤhne gegen ihre Muͤtter dar-
ſtellten, ein ſchoͤngedachtes und ſinnreich erfundnes Werk
der Kunſt in Kleinaſien waren.


1. Plin. xxxvi, 4, 10. Zethus et Amphion ac Dirce
et taurus, vinculumque, ex eodem lapide, Rhodo ad-
vecta opera Apollonii et Taurisci.
(In der Inſchrift ſtand
wahrſcheinlich: κατ̕ ἐπίκλησιν μὲν Μενεκράτους, γένει δὲ
Ἀρτεμιδώρου). Wahrſcheinlich ſchon in Caracalla’s Zeit, dann
wieder in neuerer, ergänzt und mit ungehörigen Figuren (Antiope)
überladen. Piraneſi Statue. Maffei Racc. 48. Winckelmann vi,
1. S. 128 ff. (vgl. 2. S. 233), vii. S. 190. Heyne Antiq. Aufſ.
ii. S. 182.


2. S. das Epigr. Anth. Pal. iii. n. 7. Der Schluß ἄγε
καὶ ἐκ ταύροιο καϑάπτετε δίπλακα σειρήν, ὄφρα δέμας
σύρῃ τῆσδε κατὰ ξυλόχου.


3. Anth. Palat. iii. Στυλοπινάκια, wohl ähnlich wie die In-
ſchriftentafeln an den Säulen zu Kiſelgik (Euromos ?) — Choiſeul
Gouff. Voy. pitt. T. 1. pl. 105. — immer ein Verderb der Architek-
tur. 19 Tafeln (woher die ungerade Zahl?) Dionyſos die Se-
mele zum Olymp führend; Telephos die Auge auffindend, der
Python von Apoll und Artemis getödtet, bis auf die Katanäiſchen
Brüder, Kleobis und Biton u. Romulus und Remus herab.
Ueber die Gegenſtände vgl. beſonders Polyb. xxiii, 18. Sonſt
Viſconti Iscriz. Triopee p. 122. Jacobs Exc. crit. in scriptt.
vet. ii. p. 139. Animadv. ad Anth. iii, iii. p.
620.


1158. Aber auch in Athen befanden ſich Kuͤnſtler,
beſonders Bildhauer, welche vom Geiſte der Alten ge-
naͤhrt, in ihre Ideen eingehend, herrliche Werke fertig-
2ten, wie Kleomenes Apollodoros Sohn, ein wuͤrdiger
Nachfolger des Praxiteles, der Urheber der Mediceiſchen
3Venus; und ſein in der Behandlung des Marmors ſehr
erfahrner aber weit weniger geiſtvoller Sohn Kleomenes.
4Die Reliefs am Monumente des Kyrrheſtes (§. 153) ſtel-
len die Geſtalten der Winde, wahrſcheinlich nach fruͤhern
Muſtern, ſehr ſinnreich dar, aber ſtehen in der Behand-
lung ſehr weit hinter denen am Monument des Lyſikra-
[139]Griechen. Vierte Periode.
tes, noch viel weiter hinter den Sculpturen am Par-
thenon zuruͤck.


2. Mediceiſche Venus, vgl. §. 127. Anm. 4. Musée
Franç. T. ii. pl.
5. Aus 11 Stücken, die Hände ganz, de Arme
zum Theil neu, ſonſt wohlerhalten. Jungfräuliche Reife; die aufbre-
chende Roſe nach Winckelmann. Ein Ausdruck von Sehnſucht
im Geſicht. Die νύμφη im Kinn iſt durch neuere Ueberarbei-
tung entſtanden. Die Ohren durchbort; die (vergoldeten) Haare
zierlich geordnet. Der Delphin iſt nur Tronk. Ganz ohne Be-
ziehung auf eine beſtimmte Geſchichte. Ipsa Venus pubem
Von Kleomenes waren im Alterthum die Theſpiaden berühmt, die
durch Mummius nach Rom gekommen zu ſein ſcheinen.


3. Von ihm ein Römer (doch iſt auch dies nicht völlig ſicher)
als ‘Ερμῆς λόγιος. (Marius Gratidianus nach Clarac, vgl.
GGA. 1823 S. 1325.). Vortrefflich gearbeitet, aber ohne Kraft
und Leben. In Paris n. 712. Mus. Franç. p. iv. pl. 19.


159. Die zahlreichſte Claſſe von Werken in dieſer1
Zeit waren unſtreitig Bildnißſtatuen. Die Ehre der
Statuen, ſchon in der Zeit der Attiſchen Redner nicht ſel-
ten, wird jetzt hoͤchſt verſchwenderiſch ertheilt. Wenn indeß2
auch oft der Unſinn der Schmeichelei die uͤbereilteſte Anfer-
tigung gebot, und durch das bloße Vertauſchen der Koͤpfe3
und Inſchriften die Kunſt in hohem Grade beeintraͤch-
tigte: ſo blieb doch in dieſer Kunſtgattung ein edler, Ly-
ſippiſcher, Styl vorherrſchend; die Charaktere der dar-4
zuſtellenden Maͤnner werden mit Geiſt und Leben aufge-
faßt, und in einfacher Großheit wiedergegeben. Auch5
die in anderm Betracht ſo verwerfliche Sitte, die Fuͤr-
ſten mit beſtimmten Gottheiten zu identificiren, bietet
geiſtreichen Kuͤnſtlern neue und ſchoͤne Aufgaben dar.


2. Von den 360 Statuen des Demetrios Phal. (nach Dion.
Chryſ. 37. p. 122. waren es gar 1500.) Plin. xxxiv, 12.
Als dieſe geſtürzt waren, erhoben ſich Ol. 118, 2., die goldnen
Statuen des Antigonos u. Demetrios Poliork. auf Wagen ſtehend,
neben Harmodios u. Ariſtogeiton. Diod. xx, 46.


[140]Hiſtoriſcher Theil.

3. Das μεταῤῥυϑμίζειν (welches in der Kaiſerzeit ſelbſt
an Gemälden von Apelles geübt wurde, Pl. xxxv, 36, 16),
u. μεταγράφειν (odi falsas inscriptiones statuaram alie-
narum Cic. ad Att. vi,
1., Pauſanias Aerger darüber, 1, 2,
4., vgl. Siebelis 18, 3. ii, 9, 7. 17, 3) war in Athen we-
nigſtens ſchon in Antonius Zeit üblich (Plut. Anton. 60), beſon-
ders aber in Rhodos nach Dio Chryſ. Or. 31. Ῥοδιακός) p. 569
sqq.
vgl. 37. (Κορινϑιακός) p. 121. R. Köhler, Münchn.
Denkſchr. vi. S. 207. Winckelmann vi, 1. S. 285. Böttiger
Andeut. S. 212.


4. Ein ausnehmend ſchönes Fragment eines Demetrios Poliork.
(deſſen edles u. ſchönes Anſehn nach Plut. Dem. 2. kein Künſt-
ler erreichen konnte) im Louvre, n. 680. (1822). — Sonſt iſt
hier auf Gemmen und Münzen zu verweiſen, §. 161. 162.


5. Alexandros als Zeus (wahrſcheinlich mit dem Ammonshorn,
wie auf den Münzen des Lyſimachos und des κοινὸν Μακεδό-
νων (Pauſ. v, 24, 3. Ueber Alex. Herakles unten §. 162. De-
metrios Poliorketes νέος Διόνυσος, und Sohn des Poſeidon.
Eine Bronze in Herculanum (Viſconti Iconogr. T. ii. p. 58.
pl. 40,
3. 4.) zeigt ihn mit der Chlamys in der Stellung des
Poſeidon, mit kurzen Stierhörnern. Eben ſo trugen die Bilder
des Seleukos Nikator Stierhörner. S. im Allgemeinen Appian
Syr. 57.; von einer einzelnen Statue in Antiocheia ſagt es Libanios.


1160. Auch die Toreutik wird in ihren verſchied-
nen Zweigen in dieſer Zeit geuͤbt. Coloſſalbilder aus
Gold und Elfenbein werden jetzt, wie noch in Roͤmiſcher
Zeit, in Tempeln aufgeſtellt. In Gefaͤßen wird erſtaun-
2lich viel gearbeitet; Syrien, Kleinaſien, auch Sicilien,
war voll argentum caelatum; die beruͤhmten Arbeiter
in dieſem Fache, deren Zeit unbekannt iſt, ſind zum
Theil dieſer Periode zuzuſchreiben. Wahrſcheinlich gehoͤ-
3ren dieſer Zeit, die in ſo vielen Dingen nach dem Auf-
fallenden ſtrebte, auch die Μικρότεχνοι an, als
welche im Alterthum beſtaͤndig die Toreuten Myrmekides
von Athen oder Milet und Kallikrates der Lakedaͤmonier
(der alte Theodoros nur aus Mißverſtand) angefuͤhrt werden.


[141]Griechen. Vierte Periode.

1. Wie der Olympiſche Zeus, den Antiochos IV. (ein beſondrer
Verehrer des Zeus; Zeus Olympios ſtatt Jehova; Capitolium in
Antiocheia) zu Daphne aufſtellte, Antiochos Kyzikenos und Alexan-
der Zebina plünderten. Auch als Νικηφόρος. S. die Münzen
Antiochos IV. Quatrem. Iup. Olymp. p. 339.


2. Mentor zwar, der erſtecaelator argenti (Μεντορουργῆ;
Θηρικλεῖα §. 112. Anm. 1., in Silber nachgebildet) lebt vor Ol.
106, und Boethos (Καρχηδόνιος nach Pauſ., wohl Καλχηδό-
νιος) ſcheint ſein Zeitgenoß; aber Akragas, Antipatros, Stratoni-
kos, Tauriskos von Kyzikos dürften in dieſe Periode gehören. Vgl.
im Folgenden §. 165. Anm. 2.


3. Die Hauptaufgabe iſt immer ein τέϑριππον σιδηροῦν
ὑπὸ μυίας καλυπτόμενον. Die elfenbeinernen Werke wurden
nur durch nigras setas ſichtbar. S. die Stellen bei Facius ad
Plutarchi Exc. p.
217. Oſann ad Apulej. de orthogr. p. 77.
Böckh ad Corp. Inscr. i. p. 872 sq.


Stein- und Stempelſchneidekunſt.

161. Der Luxus in geſchnittenen Steinen wird be-1
ſonders durch den Gebrauch noch erhoͤht, der aus dem
Orient ſtammte, und jetzt beſonders von dem Hofe der
Seleuciden ausging, auch Becher, Krateren, Leuchter und
andre Arbeiten aus edlen Metallen mit Gemmen zu zieren.2
Zu dieſem und andern Behufe, wo das Bild des Edel-
ſteins blos ſchmuͤcken, und nicht als Siegel abgedruͤckt
werden ſoll, ſchneidet man die Gemmen auch erhaben,
wozu gern mehrfarbige Onyxe genommen werden (Kameen).
In dieſe Claſſe gehoͤren auch die ganz aus edlen Steinen3
geſchnittnen Becher und Pateren (Onyxgefaͤße). In dieſer4
Gattung werden beſonders am Anfang dieſer Periode
wahre Wunder der Kunſt geleiſtet.


1. S. Cicero Verr. iv, 27. 28. Athen. v. p. 199. ver-
glichen mit Virgil Aen. i, 729. Gemmata potoria Plin.
xxxvii, 6. Juvenal x, 27. Quot digitos exuit illa calix
Martial xiv, 109. Nam Virro, ut multi, gemmas ad po-
[142]Hiſtoriſcher Theil.
cula transfert a digitis Juv. v, 43. Vgl. Meurſ. de luxu
Rom. c. 8. T. v. p.
18.


3. Gemma bibere Virg. Georg. ii, 506. Properz iii,
5,
4. u. Aa. Vas vinarium ex una gemma pergrandi,
trulla excavata. Cic. Verr. iv,
27. Unten: Technik.


4. Das edelſte Werk iſt der Cameo- Gonzaga (jetzt im Be-
ſitze des Ruſſiſchen Kaiſers) mit den Köpfen des Ptolem. II. und
der erſten Arſinoe (nach Viſc.), faſt ½ Fuß lang, im ſchönſten u.
geiſtreichſten Styl, Viſconti Iconogr. pl. 53. Viel geringer der
Wiener mit den Köpfen deſſelben Ptol. u. der zweiten Arſinoe
(ΑΔΕΛΦΩΝ), Eckhel Choix des pierres grav. pl. 10.
Vgl. die Beſchreibung des Achats, welchen Pyrrhos hatte, in quo
novem Musae et Apollo citharam tenens spectarentur,
non arte sed sponte naturae ita discurrentibus maculis,
ut Musis quoque singulis redderentur insignia.
Plin.
xxxvii, 3.


1162. In den Muͤnzen thut ſich deutlicher als an-
derswo, und zugleich auf die ſicherſte und urkundlichſte
Weiſe, das Sinken der Kunſt in den Makedoniſchen Rei-
2chen kund. In der erſten Haͤlfte der Periode zeigen ſie
meiſt eine treffliche Zeichnung und Ausfuͤhrung, wie die
von Alexander ſelbſt, Philipp Arrhidaͤos, Antigonos u.
Demetrios Poliorketes, von Lyſimachos, von Antiochos
Soter, Theos und andern Seleukiden, beſonders die in
Zartheit und Anmuth wetteifernden, aber an Kraft und
Großartigkeit fruͤheren Werken nachſtehenden Muͤnzen von
3Agathokles und Pyrrhos. Viel geringer ſind die Make-
doniſchen von Antigonos Gonatas, die Syriſchen von
Antiochos IV. an (welche meiſt mit Schrift ſehr uͤberla-
den ſind); auch die Siciliſchen von Hieron II., Hierony-
mos und der Philiſtis ſtehen den fruͤhern nach. Auch
unter den Muͤnzen der Ptolemaͤer, welche indeß im All-
gemeinen nicht vorzuͤglich ſind, zeichnen ſich doch die aͤl-
tern als die beſſern aus.


2. 3. Mionnets Empreintes geben hinlängliche Beiſpiele.
Mit Alexander beginnen die Köpfe der Fürſten auf den Münzen,
wenn der Herakleskopf auf vielen der Münzen Alexanders ein idea-
[143]Griechen. Vierte Periode.
liſirter Alexander iſt, wie der Vf. mit Viſconti Iconogr. ii. p. 43.
annimmt. Dieſe Münzen ſind aber nicht von Alexander ſelbſt ge-
ſchlagen, ſondern unter ſeiner Herrſchaft in verſchiedenen Städten
(Mionnet Descr. i. p. 516. Supplém. T. iii. p. 186 sqq.)
Nach Andern (Stieglitz Archäol. Unterh. ii. S. 107.) beginnt die
Reihe dieſer Köpfe erſt mit dem Alexander Ammon auf den Tetra-
drachmen des Lyſimachos. Ueber dieſe vgl. Choiſeul Gouff. Voy.
pitt. T. ii. p. 41. Musée Napol. T. iii. pl.
2. Mionnet
Suppl. T. ii. pl. 8. n. 7. u. p. 549., der ihn noch Lyſima-
chos nennt. Die ſpätern Makedoniſchen Münzen zeigen Alex. theils,
wie dieſe, als Alexander Ammon (ſ. Mionnet Suppl. iii. p. 223.
pl. 10. n. 6.),
theils, wie jene, als Alex. Herakles. Wer unter den
Epigonen ſich ſelbſt zuerſt auf die Münzen ſetzte, ſcheint noch unausge-
macht.


4. Mahlerei.


163. Die Mahlerei wird beſonders im Anfange die-1
ſes Zeitraums in allen drei Schulen eifrig geuͤbt; doch
reicht keiner dieſer Epigonen nur von fern an den Ruhm2
der großen Meiſter der zunaͤchſt vorhergegangenen Zeit.
In Sikyon, wo am meiſten Kuͤnſtler vereinigt waren, wur-3
den die Werke der fruͤhern um Olymp. 134. mehr be-
wundert, als durch aͤhnliche vermehrt. Die Richtungen,4
in welchen die Zeit eigenthuͤmlich war, brachten bald
Gemaͤhlde, welche einer niedrigen Sinnlichkeit dienten,
bald ſchimmernde Effektbilder, auch Caricaturen und
Traveſtirungen mythiſcher Gegenſtaͤnde hervor. Auch5
kam in dieſer Zeit wohl die Rhyparographie (ſoge-
nannte Stilleben) auf, und die Skenographie wurde
auf die Verzierung der Pallaͤſte der Großen verwandt.
Das Schnellmahlen, welches beſonders die Pompen for-6
derten, verdarb manchen Kuͤnſtler. Auch in den Va-7
ſengemaͤhlden Unteritaliens zeigt ſich der Verfall in ver-
nachlaͤſſigter Zeichnung und Technik; bemerkenswerth iſt,
daß dabei die mythologiſchen Gegenſtaͤnde ganz ver-
ſchwinden, und blos noch Scenen aus dem Leben, be-
ſonders Bacchanale, Gelage u. dgl., zum Schmuck der
Vaſen gebraucht werden.


[144]Hiſtoriſcher Theil.

1. Antiphilos aus Aegypten, Kteſidemos Schüler, 112 —
116. (daraus, daß er Alexander als Knaben mahlte, folgt wohl
nicht nothwendig, daß er ihn als Knaben geſehn). Ariſteides, Ariſt.
von Theben S. u. Schüler, g. 115. Kteſilochos, Apelles
Bruder u. Sch., (Joniſche Schule) 115. Ariſtokles, Nikomachos
S. u. Sch. (Sikyon. Schule), g. 116. Philoxenos von
Eretria, u. Korybas, Nikomachos Sch. (Sikyon. Schule), g. 116.
Omphalion, Nikias Sch. (Attiſche Schule), g. 118. Nikeros u.
Ariſton, Ariſteides von Theben S. u. Sch., 118. Antorides u.
Euphranor, Ariſteides (Ariſtons?) Sch., 118. Perſeus, Apelles
Sch. (Joniſche Schule), 118. Arkeſilaos, Tiſikrates S., g.
119. Kleſides 120 (?). Artemon 120 (?). Diogenes 120.
Mydon von Soli, Sch. des Erzg. Pyromachos, 130. Nealkes von
Sikyon 132. Leontiskos (Sikyon. Schule) g. 134. Erigonos,
Nealkes Farbenreiber, 138. Anaxandra, Nealkes Tochter, 138.
(Klem. Alex. Strom. iv. p. 523.). Paſias, Erigonos Schüler
(Sikyon. Schule), 144. Herakleides, aus Makedonien, Schiffs-
mahler, Enk. 150. Metrodoros, in Athen, Philoſoph u. Mah-
ler 150.


2. Floruit circa Philippum et usque ad successores
Alexandri pictura praecipue sed diversis virtutibus.


3. Ueber die Sikyon. Schule beſonders Plut. Arat. 13. Das
Anakreontiſche Gedicht (28), wo die Mahlerei Ῥοδίη τέχνη
heißt, gehört ſchon deswegen in die Zeit nach Protogenes.


4. Die πορνογράφοι ſind oben §. 139. zuletzt genannt;
ſie gehören aber mehr in dieſe Periode. Verwandt (wenn nicht
einerlei) mit Nikophanes iſt der Chärephanes, der ἀκολάστους
ὁμιλίας γυναικῶν πρὸς ἄνδρας mahlte, Plut. de aud. poet. 3.
Antiphilos feueranblaſender Knabe, Plin. Er mahlt zuerſt Gryl-
los
.
Kteſilochos gebärender Zeus.


5. Pyreicus (Zeitalter unbekannt) — tonstrinas sutrinas-
que pinxit et asellos et obsonia ac similia: ob hoc cogno-
minatus rhyparographos, in iis consummatae volup-
tatis. Quippe eae pluris veniere quam maximae multo-
rum.
Vgl. Philoſtratos i, 31. ii, 26. Xenia. Ῥωπογρα-
φία
bei Cic. ad Att. xv, 16. bezeichnet die Darſtellung be-
ſchränkter Naturſcenen, ein Stückchen Wald, ein Bach. Welcker
ad Philostr. p. 397. Von der Skenographie oben §. 107. 136.
u. unten.


[145]Griechen. Vierte Periode.

6. Vgl. oben §. 147. Als Schnellmahler kommen ſchon Pau-
ſias (ἡμερήσιος πίναξ), Nikomachos, beſonders aber Philoxenos
(hic celeritatem praeceptoris secutus, breviores etiamnum
quasdam picturae vias et compendiarias invenit),
ſpäter die
Lala vor. An Antiphilos rühmt die facilitas Quinctil. xii,
10. Räthſelhaft iſt die Stelle Petron. 2: Pictura quoque
non alium exitum fecit, postquam Aegyptiorum audacia
tam magnae artis compendiariam invenit.


Pluͤnderungen und Verheerungen Griechenlands.

164. Die Wegnahme von Kunſtwerken, welche als1
Raub von Heiligthuͤmern ſchon in der mythologiſchen
Zeit, als eigentlicher Kunſtraub in den Perſerkriegen, als
Werk der Geldnoth beſonders in dem Phokiſchen vor-
koͤmmt, wurde nun durch die Roͤmer zu einem regelmaͤ-
ßigen Lohn, welchen ſie ſich ſelbſt fuͤr ihre Siege nah-
men. Indeſſen waren ihnen darin manche unter den2
fruͤhern Makedoniſchen Fuͤrſten vorausgegangen, die ihre
Reſidenzen ſchwerlich Alle durch Kauf geſchmuͤckt hatten;
auch waren manche Denkmaͤler aus Tyrannenhaß (Arat),
zahlreiche Heiligthuͤmer beſonders von den Aetolern aus
Brutalitaͤt zerſtoͤrt worden.


1. Die Palladienraube u. dgl. Deorum evocationes.
Ξοανηφόροι ϑεοί (Sophokles). Aus Frömmigkeit wurden
auch ſpäter noch öfter Bildſäulen geraubt. S. die Beiſpiele bei
Pauſ. viii, 46. Gerhards Prodromus S. 142. Xerxes nahm
den Apollo des Kanachos (§. 86.) u. die Attiſchen Tyrannenmör-
der (§. 88.). Die Einſchmelzungen der Phokiſchen Söldner-
Hauptleute (ὅρμος Ἐριφύλης; die goldnen Adler). Diony-
ſios Tempelraub.


2. Die Aetoler verheeren im Bundesgenoſſenkrieg, von 139, 4.
an, die T. von Dodona u. Dion, des Poſeidon auf Tänaron, der
Artemis in Luſoi, Hera bei Argos, Poſeidon bei Mantinea, das
Pamböotion, Polyb. iv, 18. 62. 67. v, 9. 11. ix, 34. 35.;
PhilipposII. dagegen zweimal Thermon, Pol. v, 9. xi, 4.
(2000 ἀνδριάντες). Derſelbe verheert g. 144 die Heiligthümer
von Pergamon (Nikephorion), Pol. xvi, 1.; ſpäter plündert Pruſias
10
[146]Hiſtoriſcher Theil.
(156, 3) die Kunſtſchätze von Pergamon, dem Artemiſton von
Hiera Kome, dem T. des Apollon Kynios bei Temnos. xxxii, 25.


1165. Die Roͤmiſchen Feldherrn rauben zuerſt mit ei-
ner gewiſſen Maͤßigung, wie Marcellus von Syrakus und
Fabius Maximus von Tarent, und blos mit der Abſicht,
ihre Triumphe und die oͤffentlichen Gebaͤude zu ſchmuͤcken.
2Beſonders fuͤllen die Triumphe uͤber Philipp, Antiochus,
die Aetoler, die Gallier Aſiens, Perſeus, Pſeudophilipp,
am meiſten Korinths Eroberung, ſpaͤter die Siege uͤber
Mithridat und die Kleopatra die Roͤmiſchen Hallen und
Tempel mit den mannigfachſten Arten der Kunſtwerke.
3Von dem Achaͤiſchen Krige an werden die Roͤmer Kunſt-
liebhaber; die Feldherrn rauben fuͤr ſich; zugleich noͤthigt
das Streben nach Militaͤrherrſchaft, wie bei Sulla,
4zur Einſchmelzung koſtbarer Stuͤcke. Immer weniger
wird auch eigentlicher Tempelraub, den fruͤher das Col-
legium Pontificum
zu verhuͤten beauftragt wurde, ge-
ſcheut; von den Weihgeſchenken geht man zu den Cultus-
5bildern. Die Statthalter der Provinzen (Verres iſt Ei-
6ner von Vielen), und nach ihnen die Kaiſer vollenden
das Werk der erobernden Imperatoren; und eine unge-
faͤhre Berechnung der geraubten Statuen und Bilder fuͤhrt
bald in die Hunderttauſend.


1. Die Imperatoren. Von Marcellus (Ol. 142, 1.)
Mäßigung, Cicero Verr. iv, 3, 52. Von Fabius (142, 4)
Livius xxvii, 16.; dagegen Strab. vi. p. 278. Plut. Fabius
22. Marcellus beſchenkte auch Griechiſche T., wie Samothrake,
Plut. Marc. 30. Von Capua’s Kunſtſchätzen (Ol. 142, 2)
Liv. xxvi, 34.


2. T. Quinctius Flamininus Triumph 146, 3., allerlei Kunſt-
werke aus den Städten der Makedoniſchen Parthei. L. Scipio Aſia-
ticus über Antiochos 147, 4. (vasa caelata, triclinia
aerata, vestes Attalicae,
ſ. beſonders Plin. xxxiii, 53.
xxxvii,
6. Liv. xxxix, 6). Fulvius Nobilior Triumph über die
Aetoler u. Ambrakia (vgl. oben §. 144. 285 Erzbilder, 230 mar-
morne) 148, 2. (Vorwürfe wegen Beraubung der Tempel Liv.
xxxviii, 44.) En. Manlius über die Aſiatiſchen Gallier 148, 2.
[147]Griechen. Vierte Periode.
(auch beſonders Gefäße, triclinia aerata, abaci Plin.
xxxiv, 8. u. xxxvii, 6.) L. Aemilius Paulus über Per-
ſeus, 153, 2. (250 Wagen voll Kunſtwerke). Q. Cäcilius
Metellus Macedonicus über Pſeudophilipp, 158, 2., beſonders Sta-
tuen aus Dion. Zerſtörung Korinths durch Mum-
mius
, 158, 3. Ueber Mummius ἀμαϑία (doch ohne Bösar-
tigkeit) Vellej. i, 13. Dio Chryſoſt. Or. xxxvii. p. 123 sq. Rö-
miſche Soldaten ſpielen auf Ariſteides Dionyſos und leidendem He-
rakles Würfel, Polyb. xl, 7. Geſchmack für signa Corin-
thia
und tabulae pictae in Rom, Plin. xxxiii, 53.
xxxvii,
6. Doch kommt nicht Alles nach Rom, Vieles nach
Pergamon, und ſonſt viel verſchleudert. Auch andre Gegenden Grie-
chenlands damals beraubt. Vgl. Peterſen Einleitung S. 296.
Zugleich Karthago zerſtört; wo ebenfalls Griechiſche, Siciliſche, Kunſt-
werke (Phalaris Stier, Böckh ad Pind. Schol. p. 310., der
große Apollon, Plut. Flaminin 1.). — Etwas ſpäter bringt
Attalos III Vermächtniß 161, 4. beſonders Attalica aulaea,
peripetasmata
nach Rom. — Sulla erobert u. plündert im Mithri-
oatiſchen Kriege Athen (173, 3.) und Böotien, und läßt ſich die
Tempelſchätze von Olympia, Delphi, Epidauros ausliefern. Das
ganze Heer raubte und ſtahl (vgl. Salluſt. Catilin. 11.). Lu-
cullus erwirbt, um Ol. 177, viel Schönes, aber meiſt für ſich. —
Die Seeräuber plündern, vor 178, 2., die T. des Apollon in
Klaros, bei Milet, auf Aktion, Leukas, des Poſeidon auf dem
Iſthmos, Tänaron, Kalauria, der Hera in Samos, Argos, bei
Kroton, der Demeter zu Hermione, des Asklepios zu Epidauros,
der Kabiren zu Samothrake, bis Pompejus ſie beſiegt. Plut. Pom-
pej. 24. — Pompejus Triumph über Mithridat (179, 4.)
bringt beſonders Gemmen (Mithridats Daktyliothek), Bilder
aus Gold, Perlen u. dgl. Koſtbarkeiten nach Rom. Victoria
illa Pompeji primum ad margaritas gemmasque mores in-
clinavit.
Plin. xxxvii, 6. Ortavian ſchafft Kunſtſchätze aus
Alexandreia (187, 3.), auch aus Griechenland, nach Rom.


5. Proconſuln, Statthalter. Verres ſyſtematiſcher Kunſt-
raub in Achaia, Aſia, beſonders Sicilien (Ol. 177.) von Statuen,
Gemälden und vasis caelatis. Fraguier sur la galerie de
Verres, Mém. de l’Ac. des Inscr. T. ix.
Facius Miscellen
S. 150. — l’lena domus tunc omnis et ingens stabat
acervus Numorum, Spartana chlamys, conchylia Coa, Et
cum Parrhasii tabulis signisque Myronis Phidiacum vive-
bat ebur, nec non Polycleti Multus ubique labor: rarae
sine Mentore mensae. Inde Dolabellae atque hinc Anto-
nius, inde Sacrilegus Verres referebant navibus altis Oc-

10*
[148]Hiſtoriſcher Theil.
culta spolia et plures de pace triumphos, Juvenal viii,
100. En. Dolabella, Cos. 671, Proc. in Macedonien; Cn. Do-
labella, Prätor Ciliciens (Verres ſein Quäſtor), beide repetunda-
rum
belangt; Cn. Dolabella, Ciceros Eidam, plündert die fana
Asiae,
Cicero Philipp. xi, 2. Ein Proconſul plündert die
Atheniſche Pökile nach Syneſios Ep. 135. p. 272. l’etav. Böt-
tiger Arch. der Mahlerei S. 280.


6. Kaiſer. Beſonders Caligula, Winckelmann Werke vi,
1. S. 235., Nero, der die Siegerſtatuen in Griechenland aus Ei-
ferſucht umſtürzte, von Delphi 500 Statuen, beſonders für das
goldne Haus holte, u. ſ. w. Winck. S. 257. Von Athens Ver-
luſten Leake Topogr. p. xliv sqq. Und doch zählt Mucianus
(Veſpaſians Freund) nach Plin. xxxiv, 17. noch 3000 Statuen
zu Rhodos; nicht weniger waren zu Delphi, zu Athen, zu Olym-
pia. Vgl. unten: Local.


Im Allgemeinen: Völkel über die Wegführung der alten
Kunſtwerke aus den eroberten Ländern nach Rom. 1798. Sicklers
Geſch. der Wegnahme vorz. Kunſtwerke aus den eroberten Ländern
in die Länder der Sieger 1803 (ungenau). Peterſen Einleitung
S. 20 ff.


[149]

Epiſode.
Von der Griechiſchen Kunſt bei den Italiſchen Voͤlkern
vor Ol. 158, 3.


1. Griechiſcher Urſtamm.


166. Ein Griechiſcher Stamm bewohnte unter meh-1
rern Namen (Oenotrer, Peuketier, Sikeler, Morgeten)
ſeit alten Zeiten das untre und mittlere Italien bis an die
Tiber hinauf, hernach auch Sicilien. Ihm gehoͤren wahr-2
ſcheinlich die den altgriechiſchen ſehr genau entſprechenden
Mauern in den Gebuͤrgen oberhalb Latiums, und viel-3
leicht manche Bauanlagen in Sicilien, namentlich den
Griechiſchen Theſauren aͤhnliche Rundgebaͤude, an.


1. Darüber Niebuhr Röm. Geſch. i. S. 26 ff. (zw. Aufl.)
Des Vf. Etrusker i. S. 10 ff.


2. Zwar ſind dieſe Mauern, obgleich hie und da in ganz Ita-
lien zerſtreut, doch beſonders im höhern Latium, im Lande der
Herniker (herna Felſen), Marſer und Sabiner zuſammengedrängt
(Cora, Norba, Signia, Präneſte, Alatrium, Arpinum, Anagnia,
Alba Fucentis), wo man von Oenotriſchen Stämmen nichts Be-
ſtimmtes nachweiſen kann: indeß ſcheint es, daß dieſe Völkerſchaft,
grade hier von Oskiſchen Stämmen zuerſt angegriffen und verdrängt,
ſich durch dieſe Mauern zu ſchützen geſucht habe. Auch ſind meh-
rere derſelben im Volskerlande (Circeji, Fundi), welches wohl ſicher
Sikeliſch war. Die Mauern ſind im Ganzen in der zweiten
Kyklopiſchen Weiſe (§. 46.). Phalliſcher Hermes in Alatrium.
Pyramidale Thore. Micali Italia avanti i tempi dei Ro-
[150]Hiſtoriſcher Theil.
mani tv. 12. Reiſe der Madame Dionigi. Von Norba geben die
Monum. ined. pubbl. dall’ Instituto di Corresp. archeol.
i. tv.
1. 2. Plan und Anſichten einzelner Theile. Bgl. die Litte-
ratur §. 46. Von den Städteruinen und alterthümlichen Grä-
bern im ager Reatinus (welchen die ſogenannten Aboriginer wohl
auch erſt von den Sikelern erobert hatten) Dionyſ. i, 14. nach
Varro.


3. Bei den Sikelern und Sikanern Dädaliſche Felſenmau-
ern (Kamikos, Eryx Diod. iv, 78). Vgl. §. 50. Merkwürdige
Tholi, nach Art der Theſauroi gebaut, finden ſich auch im ſüdlichen
Sicilien. (Auch Dädaliſche Bildwerke in Sicilien Pauſ. viii,
46, 2.).


Δαιδάλεια in Sardinien, Diod. iv, 30., in den Ἰολαΐοις
χωρίοις, Pauſ. x, 17, 4. Darunter ϑόλοι nach althelleniſcher
Weiſe, Pſ. Ariſt. mirab. ausc. 104. Wiederentdeckt in den
ſog. Nuraghen, meiſt ſymmetriſchen Gruppen koniſcher, aus ho-
rizontalen Lagen, von ziemlich rohen Steinen, ohne Mörtel, auf-
geſchichteter und nach Art der Theſauren gewölbter Monumente.
Petit-Radel Notice sur les Nuraghes de la Sardaigne, Pa-
ris.
1826. Wahrſcheinlich ſind dieſe indeß erſt aus der Etruski-
ſchen Zeit. Des Bf. Etrusker ii. S. 227. Einige Aehnlichkeit
ſcheint die Torre de Giganti auf Gozzo (Gaulos) damit zu
haben (Houel Voy. pitt. T. iv. pl. 205. Temple ante-
diluvien
von Mazzaru; Kunſtbl. 1829. N. 7.).


2. Etrusker.


1167. Dieſer Stamm unterlag im mittlern Italien
meiſt Oskiſchen Voͤlkern, welche an ſich fuͤr die Kunſt von
geringer Bedeutung ſind; zu dieſen gehoͤren die Latiner
2ſelbſt. Dagegen verbreiten ſich in Norditalien bis zur Ti-
ber hinab die Etrusker oder Raſener, ein Stamm, der
dem Zeugniſſe der Sprache nach urſpruͤnglich dem Grie-
chiſchen ſehr fremd war, aber deſſenungeachtet mehr wie
irgend ein andrer ungriechiſcher in dieſen fruͤheren Zeiten,
von Helleniſcher Bildung und Kunſt angenommen hat.
3Der Hauptgrund lag wahrſcheinlich in der Colonie der
aus Suͤd-Lydien (Torrhebis) verdraͤngten Pelasger-
[151]Italien. Epiſode.
Tyrrhener, welche ſich beſonders um Caͤre (Agylla)
und Tarquinii (Tarchonion) feſtſetzte. Letztere Stadt be-
hauptete eine Zeitlang das Anſehn eines Vorortes in dem
Staͤdtebund Etruriens; und blieb immer der Hauptaus-
gangspunkt Griechiſcher Cultur fuͤr das uͤbrige Land.
Doch empfingen die Etrusker auch ſehr viel Helleniſches4
durch den Verkehr mit den Unteritaliſchen Colonieen,
beſonders als ſie ſich ſelbſt in Vulturnum (Capua) und
Nola niedergelaſſen hatten; ſo wie hernach durch den
Handel mit Phokaͤa und Korinth.


Ein Auszug der in des Vf. Etruskern, Einleitung, entwickel-
ten Anſichten. Bei Niebuhr ſind dieſe Pelasger-Tyrrhener urein-
wohnende Sikeler. Bei Andern (Raoul-Rochette) die Etrusker
überhaupt ein Pelasgiſcher Stamm.


168. Die Etrusker erſcheinen nun im Allgemeinen als1
ein induſtrioͤſes Volk (φιλότεχνον ἔϑνος), von einem kuͤh-
nen, großartigen Unternehmungsgeiſte, welcher durch ihre
prieſterlich ariſtokratiſche Verfaſſung ſehr beguͤnſtigt wurde.
Ihre Staͤdte (nicht blos die Burgen) ſind mit gewaltigen2
Mauern, meiſt aus unregelmaͤßigen Quadern, umgeben;
die Kunſt, durch Kanalbau und Seeableitungen Gegen-3
den vor Ueberſchwemmungen zu ſichern, wurde von ihnen
ſehr eifrig betrieben. Tarquiniſche Fuͤrſten legten in Rom4
zur Entſumpfung der niedrigen Gegend und Abfuͤhrung
des Unraths die Cloaken, beſonders fuͤr das Forum die
Cloaca Maxima, an; ungeheure Werke, bei denen, ſchon
vor Demokrit (§. 107.), die Kunſt des Woͤlbens durch
den Keilſchnitt auf eine voͤllig zweckmaͤßige und treffliche
Weiſe angewandt worden iſt. Die Italiſche Haͤuſeran-5
lage, mit einem Hauptzimmer in der Mitte, nach wel-
chem der Tropfenfall des umliegenden Daches gerichtet
iſt, ging auch von den Etruskern aus, oder erhielt we-
nigſtens durch ſie eine feſte Form. In den Anlagen von
Staͤdten und Lagern, wie in allen Abmarkungen, zeigt
[152]Hiſtoriſcher Theil.
ſich ein durch die disciplina Etrusca befeſtigter Sinn
fuͤr regelmaͤßige und ſtets gleichbleibende Formen.


2. Volaterraͤ (Bogenthor), Vetulonium, Ruſellä, Fäſulä, Po-
pulonia, Cortona, Peruſia. Polygone in den Mauern von Satur-
nia (Aurinia), Coſa, Falerii (Winckelm. W. Bd. iii. S. 167);
öfter als Fundament.


3. Kanäle des Padus, wodurch er in die alten Lagunen von
Adria, die Septem maria, abgeleitet wurde. Aehnliche an den
Mündungen des Arnus. Etrusker i. S. 213. 224. Emiſſar
des Albaniſchen Sees durch einen Etruskiſchen Haruſpex veranlaßt,
wohl auch geleitet. Ueber die Anlage Hirt Geſch. der Baukunſt
ii. S. 105 ff. Ueber ähnliche in Südetrurien Niebuhr i. S. 136.


4. Ueber die entgegengeſetzte Anſicht von Hirt Geſch. i. S. 242.
vgl. Etrusker i. S. 258. Piraneſi Magnificenza de’ Ro-
mani t.
3.


5. Cavaedium, mit einem Tuskiſchen Worte Atrium. Da-
rin Impluvium, Compluvium. Das einfachſte in Rom Tus-
canicum,
dann tetrastylum, Corinthium. Varro L. L. v,
33. Vitruv vi, 10. Diod. v, 40.


1169. Der Tuscaniſche Tempelbau ging von dem
Doriſchen aus, jedoch nicht ohne bedeutende Abweichun-
gen. Die Saͤulen, mit Baſen verſehn, waren ſchlanker
(14 moduli nach Vitruv) und ſtanden weiter auseinander
(araeostylum), indem ſie nur ein hoͤlzernes Gebaͤlk tru-
gen, mit vortretenden Balkenkoͤpfen (mutuli) uͤber dem
Architrav, weit vorſpringendem Sims (grunda), und ho-
2hem Giebel. Der Plan des Tempels erhielt durch die
Ruͤckſicht auf das Etruskiſche Augural-Templum Modi-
ficationen; das Gebaͤude wurde einem Quadrat aͤhnlicher,
die Celle, oder Cellen, in den Hintertheil (die postica)
gebracht, Saͤulenreihen fuͤllten die vordre Haͤlfte, ſo daß
die Hauptthuͤr grade in die Mitte des Gebaͤudes fiel.
3Nach dieſer Regel war der Capitoliniſche Tempel,
mit drei Cellen, von den Tarquiniſchen Fuͤrſten gebaut
worden. Obgleich in der Ausfuͤhrung zierlich und reich,
[153]Italien. Epiſode.
hat dieſe Baukunſt nie das Ernſte und Majeſtaͤtiſche der
Doriſchen erreicht, ſondern immer etwas Breites und
Schwerfaͤlliges gehabt. Reſte derſelben exiſtiren nicht
mehr; die Etruskiſchen Aſchenkiſten zeigen in den archi-
tektoniſchen Verzierungen einen verdorbnen Griechiſchen
Geſchmack ſpaͤterer Zeiten.


1. Vitruv iii, 3, 5. Ueber die Tuscaniſche Säulenordnung
Marquez Ricerche dell’ ordine Dorico p. 109 sqq. Stieg-
litz Archäol. der Baukunſt ii, 1. S. 14. Hirt Geſchichte i.
S. 251 ff. Tf. 8. Fig. 1. Klenze Verſuch der Wiederherſtellung
des Toscaniſchen Tempels. Inghirami Monum. Etr. S. iv.
Ueber die mutuli beſonders die Puteolaniſche Inſchrift, Piraneſi
Magniſic. t. 37.


2. Darüber vgl. Etrusker ii. S. 230. mit 132 ff. Tf. i.


3. 207½ × 192½ Fuß. Cella Iovis, lunonis, Miner-
vae. Ante cellas.
Vovirt u. gebaut etwa von 150 Roms;
dedicirt 245. Stieglitz Archäol. der Baukunſt ii, 1. S. 16.
Hirt Abh. der Berl. Akad. 1813. Geſch. i. S. 245. Vgl.
Etrusker ii. S. 232. Die gewaltigen Subſtructionen Piraneſi
Magnif. t. 1. Derſelbe Styl zeigt ſich auch in der Mauer des
Peribolos des Jupiter Latiaris auf Mons Albanus.


170. Auch in den Gebaͤuden fuͤr Spiele finden1
wir Griechiſche Grundformen, wie die Spiele ſelbſt zum
großen Theile Griechiſch waren. Die Grabmonu-2
mente, zum Theil in das Geſtein des Bodens oder
vortretender Huͤgel gehaune, zum Theil uͤber der Erde
conſtruirte Kammern, ſind oft anſehnlich, und nicht ohne
Zierlichkeit conſtruirt. Eine Hauptform von Denkmaͤ-3
lern — ſchlanke Pyramiden oder Kegel auf einem cubi-
ſchen Unterbau — erſcheint in den Sagen von Porſe-
na’s Grabmal auf eine ganz phantaſtiſche Weiſe ausgebildet.


1. Circi (unter Tarquin I.) = Hippodromen. Theater-
Ruinen
in Fäſulä, Adria am Po, Arretium. Amphithea-
ter
, für Gladiatoren, vielleicht Tuskiſchen Urſprungs; mehrere Ruinen.


2. Im Tuf eingehaun die meiſten Tarquiniſchen, die bei Gra-
viſcä, Vulci, Cluſium, Volaterrä, u. a. m. Viereckige, ſeltner runde
[154]Hiſtoriſcher Theil.
Kammern; bisweilen ſtützende Pfeiler; das Dach horizontal oder pyra-
midaliſch, mit Lacunarien. Abbildungen Micali t. 51. (neue Ausg.)
Gori M. E. T. iii. cl. 2. t. 6 sqq. Vgl. unten §. 177. Aus
Steinen conſtruirte bei Cortona, bisweilen gewölbt, Gori M. E.
t. 1. 2. p.
74. Inghir. S. iv. t. 11. Die in den Felſen ge-
haunen haben oft architektoniſche Zierden als Frontiſpice an der ſenk-
rechten Felſenwand; einfachere alterthümlichere die zu Axia im
ager Tarquiniensis (Orioli bei Ingh. T. iv. p. 176 sqq.),
aus einer verſchnörkelten Doriſchen Architektur in Orchia (Opuscoli
letter.
von Bologna V. i. p. 36. ii. p. 261. 309.).


3. Die Form an dem ſog. Grabmal der Horatier zu Albano,
Bartoli Sepolcri ant. t. 2. Inghir. S. vi. t. F. 6.; auf Etrus-
kiſchen Urnen, Raoul Roch. Monum. ined. i. t. 21, 2., bei ei-
ner decursio funebris. Von Porſena’s Grabmal Plin. xxxvi,
19, 4. Abhandlungen von Cortenovis, Tramontani, Orſini, Qua-
tremère-de-Quincy.


1171. Unter den Zweigen der bildenden Kunſt
bluͤhte in Etrurien beſonders die Arbeit in Thon. Ge-
2faͤße aus Thon wurden in Etruskiſchen Staͤdten in ſehr
verſchiedner Art, zum Theil mehr nach Griechiſcher, zum
Theil nach abweichenden einheimiſchen Manieren, verfer-
3tigt. Eben ſo waren Tempelzierden (antefixa), Re-
liefs oder Statuen in den Giebelfeldern, Statuen auf
den Akroterien und in den Tempeln aus Thon in Ita-
lien gebraͤuchlich; wovon die Quadriga fictilisuͤber,
und der an Feſten bemennigte Iupiter fictilisin dem
Capitoliniſchen Tempel Beiſpiele ſind. Jene war in
Veji, dieſer von einem Volsker, Turrianus von Fre-
gellaͤ, gearbeitet.


1. Elaborata haec ars Italiae et maxime Etruriae, Plin.
N. H. xxxv, 45.


2. Tuscum fictile, catinum, Perſius, Juvenal. Man
unterſcheidet folgende Hauptclaſſen. 1. Auf Griechiſche Weiſe
fabricirte und bemahlte Gefäße, davon unten §. 177. 2. Schwärz-
liche, meiſt ungebrannte, Vaſen, auch von kanobusartiger Form,
verziert mit Reihen eingedrückter Figuren von Menſchen, Thieren,
[155]Italien. Epiſode.
Ungeheuern, in einem bald altgriechiſchen, bald eigenthümlich bizar-
ren (angeblich Aegyptiſchen) Kunſtſtyl, beſonders bei Cluſium.
Dorow Notizie intorno alcuni Vasi Etruschi. l’esaro 1828.
Gerhard im Kunſtbl. 1826. N. 97. 98. Dorows Voyage ar-
chéologique dans l’ancienne Etrurie,
Paris bei Merlin 4,
jetzt im Drucke. 3. Glänzend ſchwarze Gefäße mit Zierathen
in Relief, von ſchöner Griechiſcher Zeichnung, bei Volaterrä gefun-
den. 4. Vasa Arretina, noch in der Kaiſerzeit gearbeitet,
corallenroth, mit Zierathen und Figuren in Relief. Plin. Martial,
Iſidor. Inghir. S. v. tv. 1.


3. Die Stellen: Etrusker ii. S. 246. Aus dem Volsker-
Lande ſtammen die ſehr alterthümlichen gemahlten Reliefs: Bassiri-
lievi Volsci in terra cotta dipinti a vari colori trovati
nella città di Velletri da M. Carloni.
Text von Becchetti
Rom 1785. Ingh. S. vi. tv. T.—X, 4. Sie ſtellen Sce-
nen aus dem Leben, meiſt Agonen, dar. Sonſt iſt nicht viel
von dieſem Kunſtzweig, als Aſchenkiſten, übrig (von Cluſium), wo-
von §. 174.


172. An die Plaſtik im urſpruͤnglichſten Sinne ſchließt1
ſich auch bei den Tuskern der Erzguß an. Erzbilder2
waren in Etrurien ſehr zahlreich; Volſinii hatte deren
im J. der St. 487. gegen 2000; vergoldete Bronzeſta-3
tuen ſchmuͤckten auch die Giebel; es gab Coloſſe und4
Statuetten, von welchen letztern ſich noch am meiſten er-
halten hat. Nur iſt es ſchwer das aͤcht-Etruskiſche un-5
ter der Maſſe ſpaͤterer Roͤmiſcher Arbeiten herauszuſcheiden.


2. Metrodor, der μισορώμαιος, bei Plin. xxxiv, 16.


3. Vitruv. iii, 2.


4. Tuscanicus Apollo L pedum a pollice, dubium aere
mirabilior, an pulcritudine,
Plin. xxxiv, 18. Tyrrhena
sigilla
Horaz.


5. Berühmte Werke ſind: a) die Chimära von Arretium in
Florenz (ſehr kräftig und lebensvoll) Dempſter E. R. T. 1.
tb.
22. Ingh. S. iii. t. 21. b) die Wölfin auf dem Capitol,
wahrſcheinlich die von Dionyſ. i, 79. Cicero de div. i, 11.
[156]Hiſtoriſcher Theil.
ii, 20. Cat. iii, 8. erwähnte (Winck. W. Bd. iii. S. 220.
419), von ſteifer Zeichnung der Haare aber kräftigem Ausdruck;
Kupfer zu Winck. W. Bd. vii, Tf. 3. c. c) der Aule Me-
teli,
genannt Arringatore oder Haruſpex, in Florenz, ein ſorg-
fältig, aber ohne ſonderlichen Geiſt behandeltes Porträt, Dempſter
E. R. T. i. tb. 40. d) die Minerva von Arezzo in Florenz,
eine anmuthige Geſtalt der ſchon verweichlichten Kunſt, Mus. Flor.
T. iii. t. 17. Mus. Etr. T. i. t. 28. e)
der Apollon in
altgriechiſcher Bildung mit Etrusk. Halskette u. Beſchuhung, Gori
i. t. 32. f) der Knabe mit der Gans aus Tarquinii im Va-
tican (Paſſeri’s Schrift darüber). Vgl. noch bei Gori Mus.
Etr. T. i.
die sigilla 5. 8. 27. 47. (unförmlicher, bizarrer Art)
1. 2. 25. 116. (Altgriechiſch, aber mit Etruskiſchen Zuſätzen im
Coſtüm u. dgl.) 108. (Altgriechiſchen ähnlich, aber beſonders plump
und ſchwerfällig) 3. 4. (in einem ſpätern Style).


1173. Beſonders geſchaͤtzt war ferner in Etrurien die
Arbeit des Toreuten (des Ciseleur, Graveur, Or-
fèvre),
ja Tyrrheniſche aus Gold getriebne Schalen und
allerlei Bronzearbeiten, wie Candelaber, wurden ſelbſt
in Athen, und noch in der Zeit der hoͤchſten Kunſtbildung
2geſucht. Silberne Becher; Throne von Elfenbein und
edlem Metall, wie die sellae curules; Bekleidungen von
Wagen (currus triumphales, thensae) mit Erz, Sil-
ber, Gold; verzierte Waffenſtuͤcke wurden hier in Menge
3und Vorzuͤglichkeit verfertigt; und Manches davon hat
4ſich bis auf unſre Zeit erhalten. Auch gehoͤren hierher
die auf der Ruͤckſeite gravirten Spiegel (ehemals Pa-
teren genannt), nebſt den ſogenannten cistae my-
5sticae.


1. S. Athen. i, 28 b. xv, 700 c.


2. S. die Aufzählung Etrusker Bd. ii. S. 253. Von den
Wagen i. S. 371. ii. S. 199.


3. Bei Peruſia ſind 1812 in einem Grabe Bleche von
Bronze und Silber, mit Reliefs Tuskaniſchen Styls, wahrſchein-
lich von einem Wagen, gefunden worden. Vermiglioli Saggio di
[157]Italien. Epiſode.
bronzi Etruschi trovati nell’ agro Perugino. 1813. Mi-
cali t. 16, 1. 2. Inghirami S. iii. t. 18. 23 sqq. Ragion. 9.
Die Silberplatten ſind mit aufgenieteten Zierden von Gold verſehn,
wahre Werke der alten Empäſtik (§. 59.). Millingen Uned. mon.
S. ii. pl.
14. Ebenda Reliefs von dem dreieckigen Fuß eines
Candelabers mit Götterfiguren Ingh. S. iii. t. 7. 8. Ragion. 3.
Fuß eines Gefäßes mit Poſeidon und Laomedon, t. 17. Region. 5.
Nachricht von den mit Mäandern u. dgl. verzierten Schilden
u. andern Bronze-Arbeiten aus einem Tarquiniſchen Grabe. Cam-
panara Urna di Arunte p. 73. Vgl. R. Rochette Iournal des
Savans Mars
1829. Silbergefäß von Cluſium mit der Darſtel-
lung einer Pompa im alten Styl, Dempſter E. R. T. i. t. 78.
Ingh. M. E. S. iii. t. 19. 20.


4. Ueber die ſog. Pateren als specchi mistici beſ. Inghi-
rami T. ii. p. 7 sqq.; als Spiegel theils für den Gebrauch des
Lebens, theils auch für den Tempeldieuſt weiblicher Gottheiten
(§. 69.) GGA. 1828. S. 870. Etrusker ii. S. 255. Auch
Spiegeldecken ähnlicher Art ſind vorhanden. Die Bilder der Rück-
ſeiten ſind meiſt nur Umrißlinien, ſelten in Relief, meiſt aus ei-
nem ſpätern theils verweichlichten theils caricirten Styl; die Ge-
genſtände mythologiſch und zum großen Theil erotiſch, oft nur als
gleichgültiger Zierath behandelt. Viele bei Lanzi Saggio T. ii. p.
191. t. 6 sqq.
Biancani de pateris antiquis. Bonon. 1814.
Schiaſſi de patera Cospiana Epist. Eine der ſchönſten (Meleagers
Tod) bei Vermiglioli Iscrizioni Perugine. Borgia’ſche, Townley’ſche
auf einzelnen Blättern geſtochen. Inghir. S. ii. T. ii. P. i u. ii.


5. Bisweilen findet man dieſe Spiegel mit anderm Schmuck-
und Badegeräth (specula et strigiles in Gräbern Plin. xxxvi,
27) in runden Bronzekäſtchen, die man auch mit Viſconti
cistae mysticae nennt, ſ. Ingh. S. ii. t. 3. p. 47. Fünf ſolche
zu Präneſte gefunden; die ſchönſten darunter 1) die bei R. Rochette
Mon. inéd. i. pl. 20. (Ciſte, Deckel u. Spiegel mit Troiſchen
Mythen), und 2) die Musei Kircheriani Aerea. T. i. mitgetheilte
mit ſehr intereſſanten Darſtellungen aus dem Argonauten-Mythus
(Ἀργον. ὑδρεύοντες, Amykos u. Polydeukes). Inſchr. Novios
Plautios med Romai fecid. Dindia Macolnia filea dedit

(der Fortuna?), etwa um 500 a. u. c. (?). Ueber die
Bröndſted’ſche u. ſieben andre Ciſten Gerhard im Kunſtbl. 1823.
N. 52.


[158]Hiſtoriſcher Theil.

1174. Weniger wird in Etrurien der Bildſchnitze-
rei
(thoͤnerne Bilder erſetzten die ξόανα Griechenlands)
2und der Sculptur in Stein gedacht; nur wenige
Steinbilder zeigen durch eine ſorgfaͤltige und ſtrenge Be-
handlung, daß ſie aus der Zeit der bluͤhenden Kunſt
Etruriens ſtammen; die gewoͤhnlich bemahlten, mitunter
3vergoldeten, Bas- und Hautreliefs der Aſchenkiſten,
welche aus zuſammengezogenen Steinſaͤrgen hervorgegan-
gen ſind, gehoͤren mit geringen Ausnahmen einer hand-
werksmaͤßigen Technik ſpaͤterer Zeiten, zum großen Theil
wahrſcheinlich der Roͤmiſchen Herrſchaft, an.


1. Plin. xiv, 2, xxxvi, 99. Vitruv. ii, 7. Der Mar-
mor von Luna blieb für Sculptur unbenutzt. S. Quintino Mem.
della R. Acc. di Torino T. xxvii. p. 211 sq.


2. S. die Reliefs von Cippen u. Säulenbaſen bei Gori M.
E. T. i. t. 160. iii. cl. 4. tv.
18. 20. 21. Micali t. 17. 18.
Ingh. S. vi. t. A. (Mi Afiles Tites etc.) C. D. E. 1. P. 5.
Z. a.
Aus Stein und ſehr alterthümlich auch eine Canobus-
artige Urne von Cluſium nach R. Rochette Cours d’Archéo-
logie (Paris 1828) p.
121. Rohgearbeitete und obſcöne Re-
liefs an einer Felswand von Corneto, Journ. des Sav. 1829.
Mars.


3. Aus Alabaſter (Volaterrä), Kalktuf, Travertin, ſehr oft
auch aus gebrannter Erde (Cluſium). Die Süjets: 1. aus der
Griechiſchen, meiſt tragiſchen Mythologie, mit viel Beziehung auf
Tod u. Unterwelt; dabei Etruskiſche Figuren der Mania, des Man-
tus mit dem Hammer (Charun), der Furien. 2. Ehren-
volle Scenen aus dem Leben, Triumphzüge, Pompen. 3. Dar-
ſtellungen des Todes und jenſeitigen Lebens; Reiſen zu Roß, auf
Seeungeheuern. 4. Phantaſtiſche Bilder, und bloße Verzierun-
gen. Die Compoſition meiſt geſchickt; die Ausführung roh. Die-
ſelben Gruppen wiederholen ſich in verſchiedner Bedeutung. Die
oben liegenden (accumbentes) Geſtalten ſind oft Porträts, daher
die unverhältnißmäßigen Köpfe. Die Inſchriften faſt immer die
Namen des Verſtorbnen, in ſpäterer Schriftart (Die Etruskiſche
Sprache und Schrift ging nach Auguſt, vor Julianus, unter).
Uhden Abhandl. der Akad. von Berlin 1816 u. 1818. Vorleſung
vom 10. Mai 1827. Inghir. S. i. (treue Abbildungen). Ta-
feln zu Micali (verſchönerte) 16. 18. 19. 22 — 49. Zoëga Bass.
i. t.
38—40.


[159]Italien. Epiſode.

175. Die Etrusker, bemuͤht den Koͤrper auf alle1
Weiſe zu ſchmuͤcken, daher auch großer Freunde von Rin-
gen, ſchnitten zeitig in Edelſteinen; mehrere Scarabaͤen2
des aͤlteſten Styls ſind der Schrift und den Fundorten
nach entſchieden Etruskiſch.


2. Für den Etruskiſchen Urſpung Vermiglioli Lezioni di
Archeol. i. p.
202. Etrusker ii. S. 257. vgl. auch R. Ro-
chette’s Cours p. 138. Die Gemme mit den fünf Helden ge-
gen Theben (bei Perugia gefunden), dem Theſeus, dem Tydeus
ἀποξυόμενος, dem Peleus der das naſſe Haar ausdrückt, Winckelm.
Mon. in P. ii. n. 101. 105. 106. 107. 125. Werke Bd. vii.
Tf. 2. 3.


176. In den Muͤnzen hatten die Etrusker erſtens1
ihr einheimiſches Syſtem; gegoſſne, vielleicht zuerſt vier-
eckige, Kupfer-Stuͤcke, welche das Pfund mit ſeinen Theilen
darſtellten. Die Typen ſind zum Theil ſehr roh, doch2
zeigen ſie Bekanntſchaft mit Griechiſchen Muͤnzbildern
von Aegina, Korinth u. andern Orten (Schildkroͤte, Pe-
gaſos, Muſchel u. dgl.), manche auch einen edlen Grie-
chiſchen Styl. Enger ſchloß ſich Etrurien an Griechen-3
land in ſeinen Silber- und Goldmuͤnzen an, dergleichen
aber nur wenige Staͤdte geſchlagen haben.


1. Aes grave von Volaterrä, Kamars, Telamon, Tuder,
Vettona und Iguvium, Piſaurum und Hadria (in Picenum), Rom
(ſeit Servius), und vielen unbenannten Orten. As, urſprünglich
Libra (Λίτρα), durch I oder L, Decussis durch X, Semissis
durch C, Uncia durch o (globulus) bezeichnet. Fortwährende Re-
ductionen wegen des ſteigenden Kupferpreiſes (urſprünglich die Libra =
Obolos, 268: 1), daher das Alter ungefähr nach dem Gewicht be-
ſtimmt wird. Von 200 (Servius) bis 487 a. u. c. ſinkt der As von
12 auf 2 Uncien. Viereckte Stücke mit einem Rinde, Votivmün-
zen nach Paſſeri. Paſſeri Paralipomena in Dempst. p. 147.
de re numaria Etruriae.
Eckhel D. N. I. i. p. 89 sq. Lanzi
Saggio T. ii. Niebuhr R. G. i. S. 474 ff. Etrusker i. S.
304 — 342. Abbildungen beſonders bei Dempſter, Guar-
nacci, Arigoni, Zelada. Schwefelabgüſſe von Mionnet.


2. Manche von Tuder z. B., mit Wolf und Kithara, ſind in
[160]Hiſtoriſcher Theil.
einem guten Griechiſchen Styl. Der Janus von Volaterrä, Rom,
meiſt roh gezeichnet, ohne Griechiſches Vorbild.


3. Silbermünzen von Populonia (x. xx), den Kama-
rinäiſchen ähnlich, wohl meiſt aus dem fünften Jahrh. Roms.
Gold von Populonia und Volſinii (Felsune). In Rom be-
ginnen die Denarii (\frac{1}{84} Pfund) 483 a. u. c. (Cat. Aera).


1177. Die Etruskiſche Mahlerei iſt in der Haupt-
ſache ebenfalls ein Zweig der Griechiſchen, worauf auch
die Traditionen von einer Einwanderung Korinthiſcher
2Mahler in Tarquinii deuten. Der altgriechiſche Styl
wird grade ebenſo, wie im Griechiſchen Mutterlande und
3Sicilien, auf den Tarquiniſchen Vaſengemaͤlden ge-
funden; aber auch Vaſen eines ſpaͤtren, verfeinerten Styls,
mitunter von großer Schoͤnheit, findet man im eigent-
lichen Etrurien, namentlich im ſuͤdlichen, ebenſo wie bei
den helleniſirten Tuskern zu Capua, Nola, Adria am
4Padus. Jener Styl tritt nun auch aus den neuentdeck-
ten Hypogeen Tarquinii’s in buntfarbigen, figurenrei-
chen Wandgemaͤlden ans Licht, aus dem einen Grab-
mal in rein helleniſcher Eigenthuͤmlichkeit, aus den an-
5dern ſchon Etruskiſch roher. Aber es gab entſchieden
auch Wandmahlereien eines ſchoͤnen Griechiſchen Styls;
wie auch noch eine dritte manierirte und beſonders durch
uͤbermaͤßiges Dehnen der Figuren verzerrte Weiſe in Grab-
maͤlern gefunden wird.


1. Oben §. 75. Anm. 1. Eucheir bezeichnet die πλαστική,
Eugrammos die ζωγραφία.


2. Dem ältern Griech. Styl gehören an: a. die hellgelben Ge-
fäße, mit Greifen, geflügelten Sphinxen, Sirenen (?) u. allerlei
Thieren von dunkelrother, bräunlicher, ſchwarzer Farbe bemahlt,
welche zu Corneto (Tarquinii), Canino, bei Rola, auch in Grie-
chenland gefunden werden, bisweilen mit Griechiſchen Juſchr. S.
R. Rochette im Journ. des Savans, Mars 1829. Levezow im
Berl. Kunſtblatt 1828 December. b. Die röthlich gelben Ge-
fäße mit ſchwarzen Figuren im altgriechiſchen Styl, meiſt mytho-
logiſchen Inhalts, beſonders in der Umgegend von Tarquinii (Cor-
[161]Italien. Epiſode.
neto, Canino, Ponte Badia), wie in Unteritalien u. Griechenland,
gefunden, oft mit Joniſch-Griechiſchen Inſchriften (Κτησιλεως κα-
λος Journ. des Sav. 1829 Mars). Bisweilen iſt aber auch
der Styl eigenthümlicher, und die Annahme einheimiſcher Fabrica-
tion natürlich. Beſonders intereſſant, und ganz Griechiſch, iſt die
zwiſchen Corneto u. Viterbo gefundne Vaſe mit Euryſtheus im
Faſſe (Vinc. Campanari Mem. Rom. di Antichità V. ii. p. 155
sqq.
Panofka Museo Bartoldiano p. 69 sq.) und die ſehr
alterthümliche von Cluſium mit der Geburt der Pallas, Dorow
Notizie t. 10. Andre bei Micali t. 64 — 66. Bei Bononia
(Etruskiſch Felſina), hört man, werden Vaſen, beſonders des ältern
Styls, mit Etrusk. Inſchr. gefunden. [Schiaſſi Lettere sopra
alcuni vasi fittili scoperti nell’ agro di Bologna.
1817].


3. Schöne Patere, mit der Darſtellung einer Hochzeit, bei Ca-
nino gefunden. Ein Stück einer Vaſe, ſchönen Styls, mit
Etruskiſcher Inſchr. Ingh. S. v. t. 55. 8. Im Ganzen gehört
Vaſenfabrication nach Griechiſcher Weiſe faſt ausſchließlich dem ſüd-
lichen Etrurien, Orioli bei Ingh. T. iv. p. 172. Chriſtie Greek
Vases p.
3. u. Aa. Adria am Po iſt eine Fundgrube von
Vaſen, verſchiednen Styls, mit Griech. Inſchriften (vgl. zu dem:
Etrusker i. S. 229. Geſagten Welcker Zeitſchr[.]i. S. 239. u.
Steinbüchel bei R. Rochette Journ. des Sav. Mars 1829.).


4. Von Etruriens bemahlten Hypogeen, beſonders denen der
Nekropolis von Tarquinii (bei Corneto, 6 × 8 milles), hat In-
ghirami die ältern Nachrichten aus Buonarotti, Maffei, Gori, Pa-
ciaudi, Wilcox, Winckelmann, Tiraboſchi, Lanzi, Piraneſi, Micali
u. Agincourt fleißig zuſammengeſtellt, T. iv. p. 111 — 144.
(Ein Grabmal der Ceisinis, Caesennii, Cicero pro Caec. 4;
ein andres mit dem Namen der [Festreni], Vestricii, bei Tar-
quinii). Von den neuen Entdeckungen bei Tarquinii Gerhard
im Kunſtblatt 1825. S. 198., R. Rochette Journal des Savans
1828. Ianv. p. 3. Fevr. p. 80. Cours d’Archéol. p.
149.,
Thierſch im Kunſtblatt 1827. S. 413. Erwartetes Werk von
Stackelberg u. Keſtner. Zum Theil Darſtellungen, ſcheint es, aus
dem Leben nach dem Tode, mit ähnlichen Farben wie bei Pindar
in den ϑρήνοις; zum Theil Gladiatoren- und andre Kämpfe und
Feſtlichkeiten zu Ehren des Todten. Die Farben ſind rein und
hell auf einen Grund von Stucco getragen.


5. Von keiner andern Art können die alten, aber von Plinius
xxxv, 6. viel zu früh geſetzten Wandgemählde von Lanuvium ge-
weſen ſein (Atalanta et Helena nudae, utraque excellentis-
11
[162]Hiſtoriſcher Theil.
sima forma sed altera ut virgo), wahrſcheinlich den beſten
Spiegelzeichnungen im Styl ähnlich. Mit ihnen ſtellt Plin. Ge-
mählde zu Ardea (vgl. Etrusker ii. S. 258.) und noch ältre (wahr-
ſcheinlich den Tarquiniſchen analoge) zu Cäre zuſammen.


6. S. die Zeichnungen von Wilcox in den Philos. Transact.
T. liii. t.
7. 8. 9. (ungenauer bei Micali t. 52.) u. Agincourt
Hist. de l’Archit. pl. 10, 1. 2., Ingh. t. 25. 26. 27, beſon-
ders aber die durchgezeichnete Figur bei Ingh. S. vi. t. C. 3.,
aus dem Tarquiniſchen Grabe mit dem Ramen der Vestricii,
welches die Etruskiſche Genienlehre darſtellt. Ein andres Grab
(Dempſter T. ii. t. 88. Aginc. t. 11. n. 5. Ingh. t. 24.) zeigt
die Verdammten aufgehängt und igni ferroque gequält. In-
tereſſant ſind noch die Friesverzierungen, Mäander u. dgl. (einige
erinnern an die Decorationen des Theſauros zu Mykenä) Tarquini-
ſcher Hypogeen bei Piraneſi Osservaz. sopra una lett. del
Mariette tv.
1. 2. 3. Ingh. S. iv. t. 29—31.


Abbildungen von Vögeln in den Büchern der Etrusca disci-
plina.
Plin. x, 17.


1178. Was nun, theils aus der Betrachtung dieſer
einzelnen Gattungen der Kunſt und Claſſen von Monu-
menten, theils aus einigen Andeutungen der Alten, ſich
fuͤr das Ganze der Kunſtentwickelung in Etrurien ergiebt,
2iſt ungefaͤhr dies: daß der zwar kraͤftige aber zugleich
duͤſtre und ſtrenge Geiſt der Etruskiſchen Nation, wel-
cher der freien ſchoͤpferiſchen Phantaſie der Griechen ent-
behrte, ſich in der Kunſt viel mehr receptiv als produc-
tiv zeigte, indem er, bei fruͤhzeitiger Bekanntſchaft mit
den Werken Griechiſcher beſonders Peloponneſiſcher Kuͤnſt-
ler, ſich deren Weiſe getreulich aneignete und ſie Jahr-
3hunderte lang feſthielt, doch nicht ohne daß zugleich der
dem Stamme eingepflanzte Geſchmack fuͤr bizarre Com-
poſitionen und verzerrte Bildungen ſich hie und da auf
verſchiedne Weiſe in allerlei Gattungen von Werken ge-
4zeigt haͤtte; daß aber als die Kunſt in Griechenland die
hoͤchſte Stufe erſtieg, theils der Verkehr der beiden Voͤl-
ker durch allerlei Ereigniſſe — namentlich Campaniens
[163]Italien. Epiſode.
Samnitiſche Eroberung (um 332 Roms) — zu beſchraͤnkt,
theils die Etruskiſche Nation ſelbſt ſchon zu gebrochen,
zu entartet und innerlich verfallen war und am Ende
auch nicht Kunſtgeiſt genug beſaß, um ſich die vervoll-
kommnete Kunſt in gleichem Maaße aneignen zu koͤnnen:
daher ungeachtet mancher einzelnen trefflichen Leiſtungen5
doch die Kunſt im Ganzen in ein handwerksmaͤßiges,
auf Griechiſche Eleganz und Schoͤnheit keinen Anſpruch
mehr machendes Treiben verfiel. Immer war hiernach6
die zeichnende Kunſt in Etrurien ein fremdes Gewaͤchs,
fremd den Formen, fremd dem Stoffe nach, welchen
ſie faſt durchaus nicht aus der nationalen Superſtition,
die ſich wenig zu Kunſtdarſtellungen eignete, ſondern aus
den Goͤttern- und Heroenmythen der Griechen entlehnte.


2. Die Tuscanica, Τυῤῥηνικὰ ſtehen daher im Allge-
meinen den älteſten Griechiſchen Werken gleich, Quintil. xii,
10. Strab. xvii. p. 806. a.


3. Vgl. die oft abſichtlich verzerrten Bronzen der Etrusker in
nationalen Trachten, die gewiß nicht grade die urälteſten ſind, z. B.
die aus Gori §. 172. angeführten, (auch Inghirami S. iii. t. 10.
11. 12. Specimens pl.
4.) u. die §. 173. Anm. 4. erwähnten
Spiegelzeichnungen.


6. Ueber die Nationaliſirung der Griechiſchen Heroenmythen in
Etrurien des Vf. Etrusker ii. S. 266.


Litteratur der Etruskiſchen Kunſtalterthümer. Betrügereien
von Annio von Viterbo u. Curzio Inghirami. Thomas Demp-
ſters (1619 geſchriebne) De Etruria regali l. viii. ed. Th.
Coke Flor. 1723. 2. T. f.
Hinzugefügt Abbildungen von Kunſt-
werken u. Erläuterungen von Ph. Buonarotti. A. F. Gori
Museum Etruscum T. iii. f. 1737—43. (mit Paſſeri’s Dis-
sert.
). Deſſ. Musei Guarnacci Ant. Mon. Etrusca 1744 f.
Saggi di Dissertazioni dell’ Acad. Etrusca di Cortona
von
1742 an. ix T. 4. Museum Cortonense a Fr. Valesio,
A. F. Gorio et Rod. Venuti illustr. 1750 f.
Scipione
Maffei Osservazioni letterarj, T. iv. p. 1 — 243. v. p.
255—395. vi. p.
1—178. J. B. Paſſeri In Dempsteri
11*
[164]Hiſtoriſcher Theil.
libros de E. R. Paralipomena 1767 f. Guarnacci Origini
Italiche T. iii. f.
1767—72. Heynes Abhandlungen in den
Nov. Commentarr. Gott. T. iii. v. vi. vii. Opusc. Acadd.
T. v. p.
392. Luigi Lanzi Saggio di lingua Etrusca 1789.
iii T.
(welcher nach Winckelmanns und Heyne’s Vorgang das
vorher ganz verworrne Feld einigermaßen gereinigt.). Micali Ita-
lia avanti il dominio de Romani,
nebſt den: Antichi Mo-
numenti per servire all’ Opera intit. Italia etc.
(neue
vermehrte Ausgabe). Osservazioni von Fr. Inghirami darüber.
Franc. Inghirami Monumenti Etruschi o di Etrusco nome.
vii. T.
Text in 4, vi T. Kupfer f. Kleine Schriften von
Vermiglioli, Orioli, Cardinali u. Aa.


3. Rom vor 696.


1179. Rom, vor der Herrſchaft der Etruskiſchen Koͤ-
nige ein unanſehnlicher Ort, hatte durch dieſe die Anla-
gen, deren ein Etruskiſcher Hauptort bedurfte, und zu-
2gleich eine ſehr bedeutende Ausdehnung erhalten. Auch
waren nun ſeine Heiligthuͤmer mit Bildfaͤulen verſehn, deren
3Rom fruͤher ganz entbehrt haben ſoll; lange bleiben in-
deß Roms Goͤtter hoͤlzerne und thoͤnerne, Werke Tuski-
ſcher Kuͤnſtler oder Handwerker.


1. Cloaca maxima §. 168. Forum. Circus maximus
§. 170. Robur Tullianum. Aedis Capitolina §. 169.
Diana in Aventino. Iup. Latiaris in M. Albano (§. 169.)
Agger Tarquinii s. Servii.


2. Ueber den bildloſen Cultus in Rom vor Tarquin I. Zoëga
de Obel. p. 225.


3. Vgl. Varro bei Plin. xxxv, 45 mit Plin. xxxiv, 16.


1180. In der Zeit der Republik trieb die Roͤmer ihr
praktiſcher, auf das Gemeinwohl gerichteter Sinn viel
mehr zur Anlage großartiger Werke der Waſſer- und
Straßenbaukunſt
, als zur ſogenannten ſchoͤnen
[165]Italien. Epiſode.
Architektur. Tempel wurden zwar ſehr viele, beſonders2
allegoriſchen Gottheiten, gelobt und geweiht; aber wenige
waren vor denen des Metellus durch Material, Groͤße
oder Kunſt ausgezeichnet. Noch ſchlechter, als die Goͤt-3
ter, wohnten natuͤrlich die Menſchen; auch an großen
oͤffentlichen Hallen und Saͤlen fehlte es lange; und die
Gebaͤude fuͤr die Spiele wurden nur fuͤr den voruͤberge-
den Zweck leicht conſtruirt. Indeß war doch unter den4
zeichnenden Kuͤnſten die Architektonik noch am meiſten
den Roͤmiſchen Sitten und Lebensanſichten angemeſſen;
ein Roͤmer Coſſutius baute (nach Vitruv) fuͤr Antiochos
(§. 153. Anm. 4). Wie Griechiſche Formen und Verzie-5
rungen uͤberall Eingang fanden, zeigen die Steinſaͤrge der
Scipionen, aber auch, wie ſie ohne Ruͤckſicht auf Be-
ſtimmung und Charakter, nach Etruskiſchem Vorgange,
combinirt und vermiſcht wurden.


1. Ableitung des Albaniſchen Sees g. 359. (§. 168.), des Ve-
linus 462. Aqua Appia 442. Anio vetus 480. Mar-
cia
608., ſpäter die Tepula 627., die lulia von Agrippa 719.
Frontinus de aquaeduct. 1. Neue Cloaken 568. 719. Aus-
trocknung der Pomptinae paludes 592. (dann unter Cäſar u.
Auguſt). Via Appia 442. Flaminia 532. 565. Treffliche
Straßen des C. Gracchus g. 630. Tiberbrücken. Hirt Ge-
ſchichte ii. S. 184 ff. Οὗτοι (οἱ Ρωμαῖοι) προὐνόησαν
μάλιστα, ὧν ὠλιγώρησαν ἐκεῖνοι (οἱ Ἕλληνες), στρώσεως
ὁδῶν καὶ ὑδάτων εἰσαγωγῆς καὶ ὑπονόμων τῶν δυναμέ-
νων ἐκκλύζειν τὰ λύμματα τῆς πόλεως εἰς τὸν Τίβεριν.
Strab. v. p. 235.


2. Bemerkenswerth der 270 geweihte T. Cereris et Liberi
Liberaeque ad Circum Maximum,
Vitruvs Muſter der Tus-
caniſchen Gattung, der erſte welchen Griechen, Damophilos und
Gorgaſos, als Mahler und Thonbildner verzierten. Plin. xxxv,
45. T. der Virtus et Honor, von M. Marcellus 547 dedi-
cirt u. mit Griech. Kunſtwerken geſchmückt. T. Fortunae
Equestris
579 von Q. Fulvius Flaccus erbaut. Die Hälfte
der Marmorziegel von der Hera Lakinia ſollte das Dach bilden.
Liv. xlii, 3. Vitruv. iii, 3. Systylos. T. des Hercules
Musagetes
(Hercules u. der Muſen) von M. Fulvius Nobilior,
dem Freunde des Ennius, nach 563 gebaut, und mit ehernen
[166]Hiſtoriſcher Theil.
Muſenſtatuen von Ambrakia geſchmückt, Plin. xxxv, 36, 4.
nebſt Harduin, Eumenius Rhetor pro restaur. schol. c. 7, 3,
und die Münzen des Pomponius Musa. (Vielleicht waren dies
die Muſen des Polykles, Varro ap. Non. c. 4. n. 130.). Q.
Metellus Macedonicus baut 605 aus der Beute des Maced. Kriegs
zwei T., des Jupiter Stator und der Juno, wobei zuerſt Marmor
vorkam, von einer großen Porticus (Metelli, hernach Octaviae)
umgeben. T. u. Halle voll Statuen. Jupiters T. peripteros,
der Juno prostylos, nach Vitruv u. dem Capitolin. Plane Roms.
Jenen baut Hermodor von Salamis, nach Vitruv, die Säulen
arbeiten Sauras u. Batrachos von Lakedämon (lacerta atque
rana in columnarum spiris
vgl. Winckelm. W. Bd. i. S. 379.
Fea S. 459.) nach Plinius. Vgl. Sachſe Geſch. der Stadt Rom
i. S. 537. Hermodor von Salamis baut auch die Aedis
Martis in Circo Flaminio
nach 614. Hirt ii. S. 212.


3. Roher Aufbau der Stadt aus ungebrannten Ziegeln 365.
Die erſte nahmhafte Baſilika von Cato 568. Der Name βασι-
λικὴ στοὰ von Athen. Columna rostrata Duilii im erſten
Pun. Kriege. Andre Columnae Plin. xxxiv, 11.


5. S. beſonders den Sarcophag des Cornelius Lucius Scipio
Barbatus Gnaivod patre prognatus etc. Cos.
454. Pi-
raneſi Monumenti degli Scipioni t. 3. 4. Winck. W. Bd.
i. Tf. 12. Hirt Tf. 11. F. 28.


1181. Die bildende Kunſt, anfangs unter den
Roͤmern ſehr wenig geuͤbt, ward ihnen allmaͤhlig durch
2den politiſchen Ehrgeiz wichtig. Senat und Volk, dank-
bare Staaten des Auslands (zuerſt die Thuriner) errich-
teten verdienten Maͤnnern Erzſtatuen auf dem Forum
und ſonſt; manche auch ſich ſelbſt (wie nach Plinius ſchon
3Spurius Caſſius g. 268). Die Wachsbilder der Vor-
fahren im Atrium dagegen ſind mehr als Masken, fuͤr
4Aufzuͤge, denn als Statuen anzuſehn. Das erſte
Erzbild einer Gottheit war nach Plinius eine Ceres, die
aus dem eingezogenen Vermoͤgen des Spurius Caſſius
5gegoſſen wurde. Auch werden in Rom, wie in Grie-
chiſchen Staaten, beſonders ſeit der Zeit des Samniti-
ſchen Krieges, aus der Kriegsbeute Statuen und Coloſſe
den Goͤttern als Weihgeſchenke aufgeſtellt.


[167]Italien. Epiſode.

1. Was man von allen den Erzſtatuen halten ſoll, die Plinius
xxxiv, 11 ff. für Werke der Königszeit und frühern Republik
ausgiebt, iſt ſchwer zu ſagen. Auch hier hat der Ehrgeiz der Fa-
milien viele Irrthümer verſchuldet. Plin. glaubt freilich ſogar an
Statuen aus Euanders Zeit, und an die Weihung eines Janus
durch Numa, der die Zahl 355, auf die Weiſe Griechiſcher Mathe-
matiker, durch Verbiegung der Finger anzeigte. S. dagegen §. 179.
Merkwürdige Werke der frühern Zeit ſind der Attus Ravius (vgl.
zu Plin. Cic. de div. i, 11), u. die wahrſcheinlich Griechiſchen
Statuen des Pythagoras u. Alkibiades (um 440).


2. S. Plin. xxxiv, 14. Im J. 594. nahmen die Cenſoren
P. Corn. Scipio u. M. Popilius alle Statuen von Magiſtraten
um das Forum weg, die nicht vom Populus oder Senatus auf-
geſtellt waren. Statue der Cornelia Gracchorum mater, in
Metelli porticu.


3. Ueber die Imagines maiorum Polyb. vi, 53.
mit Schweigh. Rote. Leſſing Sämmtl. Schriften Bd. x. S. 290.
Eichſtädt iii Prolusiones. Quatrem.-de-Quincy Iup. Olymp.
p.
14. 36. Hugo’s Rechtsgeſch. (Zehnte) S. 293. — Bilder ſei-
ner Vorfahren auf Schilden weihte zuerſt Appius Claudius in dem
456 (nicht 259) vovirten T. der Bellona, Plin. xxxv, 3.


5. Merkwürdig der 448 auf dem Capitol geweihte Hercules
(Liv. ix, 44); und der von Sp. Carvilius nach 459 dedicirte Ju-
piter-Coloſſ auf dem Capitol, ſichtbar vom Jupiter Latiaris, aus
den prächtigen Waffen der Samnitiſchen sacrata legio (vgl. Liv.
ix, 40. x, 38.) gegoſſen. Reliquiis limae suam statuam
fecit, quae est ante pedes simulacri eius.
Plin. xxxiv, 18.


182. In den Conſular- und Familienmuͤn-1
zen (ſo nennt man die mit dem Namen der Aufſeher
des Muͤnzweſens, beſonders der Tresviri Monetales,
bezeichneten) des erſten Jahrhunderts, ſeit man angefan-
gen Silber zu praͤgen (483), zeigt ſich die Kunſt ſehr
roh; die Figuren ſind plump, der Pallaskopf unſchoͤn,
das Gepraͤge flach. Auch da eigentliche Familientypen
anfangen: bleibt die Kunſt noch lange roh und unvoll-
kommen. — Auffallend iſt die, mit den ſonſt bekannten2
Sitten Roms contraſtirende, fruͤhzeitige Beſchaͤftigung
mit der Mahlerei, beſonders bei Fabius Pictor. Doch3
[168]Hiſtoriſcher Theil.
traͤgt auch die Anwendung der Mahlerei zur Verewigung
kriegeriſcher Großthaten und zum Schmuck der Triumphe
dazu bei, ihr Ehre bei den Roͤmern zu verſchaffen.


1. Die älteſten Conſular-Münzen haben vorn den Kopf mit
dem geflügelten Helm (Pallas oder Roma?); auf dem Revers
die Dioskuren, dafür aber bald ein Roſſegeſpann (bigati, serrati).
Die Familien-Münzen prunken urſprünglich nicht mit beſondern
Typen, in Bezug auf Cultus u. Geſchichte der Geſchlechter, ſondern
haben auch die allgemeinen Römiſchen Embleme der Conſular-Mün-
zen. Nur bildet man auf den Geſpannen verſchiedne Götter ab.
Intereſſant iſt der Denar der Pompeja gens mit der Wölfin,
den Kindern und dem Fostlus. Die Wölfin iſt gut, wahrſchein-
lich nach der Etruskiſchen, §. 172., gezeichnet; alles Andre noch
ſchlecht und roh.


Familiae Romanae in antiquis Numism. ex bibl. Ful-
vii Ursini ed. Car. Patin. Paris.
1663. Vaillant. Mo-
relli. Eckhel D. N. ii, v. p. 53 sqq. beſonders 111. Stieg-
litz Verſuch einer Einrichtung (§. 98. Anm. 3.) S. 99.


2. Fabius Pictor mahlt aedem Salutis, u. zwar gut, 451. Liv.
x, 2. Plin. xxxv, 7. Val. Max. viii, 14, 6. Dion. Hal.
Fragm. von Mai xvi, 6. M. Pacuvius von Rudiae, der
Tragiker (ein Halbgrieche), aedem Herculis in foro boario
g. 560. Postea non est spectata (haec ars) ho-
nestis manibus
.
Plin.


3. S. die Beiſpiele Plin. xxxv, 7. M. Valerius Meſſala
Schlacht gegen die Karthager in Sicilien 489. L. Scipio g. 564.
L. Hoſtilius Mancinus erklärt 606. ſelbſt dem Volke ein Gemählde
von Carthago’s Eroberung. Die Triumphe machten Gemählde
nöthig (Peterſen Einl. S. 58); dafür ließ Paul. Aemilius den Me-
trodor von Athen kommen (ad excolendum triumphum) Plin.
xxxv, 40, 30.


[169]

Fuͤnfte Periode.
Von 606 der St. (Ol. 158, 3.) bis in das Mittelalter.


1. Allgemeines uͤber den Charakter und Geiſt der Zeit.


183. Wie die geſammte Geſchichte des gebildeten1
Menſchengeſchlechts (mit Ausnahme Indiens): ſo concen-
trirt ſich auch jetzt die Kunſtgeſchichte in Rom. Aber nur
durch Roms politiſche Uebermacht, nicht kuͤnſtleriſche Ta-
lente. Die Roͤmer, obgleich nach der einen Seite hin
den Griechen innig verwandt, waren doch als Ganzes
aus einem derberen, minder fein organiſirten Stoffe.
Ihr Geiſt blieb den aͤußern Verhaͤltniſſen der Menſchen2
untereinander, durch welche deren Thaͤtigkeit im Allge-
meinen bedingt und beſtimmt wird, (dem praktiſchen Le-
ben) zugekehrt; zuerſt mehr den auf die Geſammtheit bezuͤg-
lichen (politiſchen), dann, als die Freiheit ſich uͤberlebt
hatte, denen der Einzelnen untereinander (Privatleben),
beſonders den durch die Beziehung der Menſchen zu den
aͤußern Guͤtern gegebnen. Die res familiaris zu erhal-
ten, zu mehren, zu ſchuͤtzen, wurde nirgends ſo ſehr wie
hier als Pflicht angeſehn. Die ſorgloſe Unbefangenheit3
und ſpielende Freiheit des Geiſtes, welche, innern
Trieben ſich ruͤckſichtslos hingebend, die Kuͤnſte erzeugt,
war den Roͤmern fremd; auch die Religion, in Griechen-
land die Mutter der Kunſt, war bei den Roͤmern ſowohl
in ihrer fruͤhern Geſtalt, als Ausfluß der Etruskiſchen
Diſciplin, als auch in ihrer ſpaͤtern, wo die Vergoͤtte-
rung ethiſch-politiſcher Begriffe vorherrſcht, abſichtlich
[170]Hiſtoriſcher Theil.
4praktiſch. Doch war dieſe praktiſche Richtung bei den
Roͤmern mit einem großartigen Sinne verbunden, der
das Halbe und Kleinliche ſcheute, der jedem Beduͤrfniß
des Lebens auf eine umfaſſende, durchgreifende Weiſe
durch große Unternehmungen genuͤgte, und dadurch unter
den Kuͤnſten wenigſtens die Architektur emporhielt.


2. Vgl. über das Letzte (einen Hauptgrund der großen Ausbil-
dung des Privatrechts) Hugo’s Rechtsgeſchichte (Zehnte) S. 66.
Juvenal xiv: wie die avaritia der Jugend als gute Wirthſchaft ein-
geimpft werde. Horaz ſtellt öfter, wie A. P. 323., die [ökonomiſch-
praktiſche]
Bildung der Römer der ideellern Helleniſchen entgegen.
Omnibus, diis hominibusque, formosior videtur massa
auri, quam quidquid Apelles, Phidiasque, Graeculi deli-
rantes, fecerunt.
Petrou 88.


1184. Der Charakter der Roͤmiſchen Welt in Bezug
auf die Kunſt, dieſe Periode hindurch, laͤßt ſich am beſten
2in vierfacher Geſtalt faſſen: I.Von der Eroberung
Korinths bis auf Auguſt
. Das Streben der
Vornehmen, durch Pracht bei Triumphen, durch uner-
hoͤrt glaͤnzende Spiele zu imponiren, das Volk zu gewin-
3nen, zieht Kuͤnſtler und Kunſtwerke nach Rom. Bei Ein-
zelnen entſteht aͤchter Geſchmack fuͤr die Kunſt, meiſt frei-
lich mit großem Luxus verbunden, nach Art der Kunſt-
4liebe Makedoniſcher Fuͤrſten. Der Reiz dieſer Genuͤſſe
wird durch das Widerſtreben einer altroͤmiſch geſinnten
Parthei fuͤr das Privatleben nur erhoͤht, wenn dieſe auch
5im oͤffentlichen Leben ſcheinbar die Oberhand hat. Rom
iſt ein Sammelplatz der Griechiſchen Kuͤnſtler, unter de-
nen ſehr vorzuͤgliche Nacheiferer der Alten genannt wer-
6den; Kunſtgelehrſamkeit und Kennerſchaft entwickeln ſich.


2. S. §. 182, 3. M. Aemilius Scaurus, Sullae privignus,
führte 694 als Aedil für ſeine munera die verpfändeten Bilder
Sikyons nach Rom, Plin. xxxv, 40, 24. xxxvi, 24, 7.
Durch Ungeſchicklichkeit kommen auch Bilder beim Reinigen für
ſolchen Zweck um, xxxv, 36, 19. In Ciceros Zeit liehen die
[171]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Magiſtrate die Kunſtwerke ſich oft weither zuſammen, Cic. Verr.
iv,
3. Für die ludi brauchte man auch ſkenographiſche Bilder,
Plin. xxxv, 7., wo Illuſion das höchſte Ziel.


4. S. Cato’s Rede (557) Liv. xxxiv, 4. Plin. xxxiv, 14.
Ciceros Scheu, von den Richtern für einen Kunſtkenner gehalten
zu werden: nimirum didici etiam dum in istum inquiro
artificum nomina. Verr. iv,
2. 7. Ciceros Kunſtliebe war
indeß immer mäßig, ſ. Epp. ad div. vii, 23. Parad. 5, 2.
Anders der Damaſippus, Epp. vii, 23. Horat Sat. ii, 3, 64.


6. Die intelligentes ſtehen den ἰδιῶται gegenüber, Cicero
a. O. Aber auch Petronius Trimalchio (52) ſagt bei den lächer-
lichſten Kunſterklärungen: Meum enim intelligere nulla pe-
cunia vendo
. Wichtige Stelle über die Kunſtkennerſchaft Dionyſ.
de vi Dem. p. 1108.


185. II.Die Zeit der Julier und Flavier,1
723 bis 848 (96 n. Chr.). Maͤchtige Unternehmungen:
Rom wird mehreremals wie neu geſchaffen; die Kunſt con-
centrirt ſich immer mehr in Rom; große Talente treten
hervor; aber die tollen Launen mancher der Kaiſer koͤn-
nen unmoͤglich ein geſundes Gedeihen gewaͤhren; die Kunſt
im Ganzen iſt ſchon in entſchiedenem Sinken. Ob-2
gleich, wo die Kunſt, wie hier in Rom, von dem na-
tionalen Leben, dem ſie eigentlich angehoͤrt, geloͤst, und
zum Dienſte fremder Herrſcher aufgerufen, eigentlich ein
mehr kuͤnſtliches als natuͤrliches Leben lebt, auch von
organiſchem Bluͤhen und Vergehen derſelben weniger die
Rede ſein kann.


1. Auguſts Wort: er hinterlaſſe die Stadt marmorea, die er
lateritia empfangen. Neros Brand u. Neubau.


186. III.Von Nerva bis zu den ſog. Tri-1
ginta tyranni, 96 bis g. 260 n. Chr. Lange Ruhe
im Roͤmiſchen Reich; glaͤnzende Unternehmungen auch in
den Provinzen; ein voruͤbergehendes Aufleuchten der Grie-
chiſchen Kunſt durch Hadrian; Prachtbauten im Orient.
Die Kunſt wird fleißig und eifrig betrieben; doch zeigt2
ſich faſt durchgaͤngig ein Mangel an Geiſt mit Streben
[172]Hiſtoriſcher Theil.
nach Prunk vereinigt, wie er auch die Litteratur der Zeit
3charakteriſirt. Das damals allgemeine Ungenuͤgen an
den vaͤterlichen Religionen, die Vermiſchung verſchie-
denartigen Aberglaubens, das Gefallen an Magie, Theo-
ſophie brachte der Kunſt in manchen Zweigen großes Ver-
4derben. Bedeutende Einwirkung hatte der Umſtand, daß
ein Syriſches Prieſtergeſchlecht eine Zeitlang den Roͤmi-
5ſchen Kaiſerthron innehatte. Syrien, Kleinaſien waren
damals die bluͤhendſten Provinzen, und ein von ihnen aus-
gehender Aſiatiſcher Charakter wird, wie er in der Schrift-
ſtellerei herrſcht, auch in den zeichnenden Kuͤnſten deutlich
wahrgenommen.


3. Der Iſisdienſt, der um 700 d. St. mit Gewalt einge-
drungen war und ſchon lange zum Deckmantel der Ausſchweifungen
gedient hatte, nahm beſonders durch die öffentliche Theilnahme von
Commodus u. Caracalla überhand. — Der Mithrasdienſt, ein
Gemiſch Aſſyriſcher und Perſiſcher Religion, wurde durch die See-
räuber, vor Pompejus, zuerſt in der Römiſchen Welt bekannt, in
Rom ſeit Domitianus, beſonders ſeit Commodus Zeit einheimiſch. —
Syriſcher Cultus unter Nero beliebt, aber beſonders ſeit Sep-
timius Severus. — Chaldäiſche Genethliologie. Magiſche Amu-
lete, §. 206. Theurgiſche Philoſophie. Vgl. Heyne Alexandri
Sev. Imp. religiones miscellas probantis iudicium,
beſon-
ders Epim. vi. De artis fingendi et sculpendi corruptelis
ex religionibus peregrinis et superstitionibus profectis,
Opuscc. Acadd. vi. p.
273.


4. Auch für die Kunſtgeſchichte iſt die Genealogie wichtig:


[figure]
[173]Griechen. Fuͤnfte Periode.

187. IV.Von den Trig. tyranni bis in1
die Byzantiniſche Zeit. Die antike Welt verfaͤllt,
mit ihr die Kunſt. Der lebendige Glaube an die Goͤt-2
ter des Heidenthums verſchwindet; Verſuche ihn zu hal-
ten koͤnnen der Kunſt nicht helfen, da ſie immer nur
Begriffe fuͤr individuelle Weſen geben. In gleichem Maaße3
verliert der altroͤmiſche Patriotismus durch die politiſchen
Veraͤnderungen und die innre Kraftloſigkeit des Reichs
den Halt, welchen ihm das Kaiſerthum noch gelaſſen hatte.
Die Kunſt dient faſt nur noch dazu, Individuen zu eh-4
ren, und einen geſchmackloſen, halborientaliſchen, Hof-
prunk zu unterſtuͤtzen. In allen hoͤhern Kunſtwerken ſetzt
ſich an die Stelle des fruͤhern Schwulſts Leerheit und
Roheit. Die Barbarei tritt, auch ohne aͤußere Bedraͤng-
niſſe, nach dem nothwendigen Gange des innern Lebens
der alten Welt ein.


2. Architektonik.


188. Schon vor den Kaiſern hatte Rom alle Arten1
von Gebaͤuden erhalten, welche eine große Stadt nach der
Weiſe der Makedoniſchen Anlagen zu ſchmuͤcken noͤthig
ſchienen; zierlich gebaute Tempel, obgleich keinen von be-2
deutendem Umfang; Curien und Baſiliken, welche den3
Roͤmern immer noͤthiger wurden; mit Saͤulenhallen und4
oͤffentlichen Gebaͤuden umgebne Maͤrkte (Fora); auch5
Gebaͤude fuͤr die Spiele, welche das Roͤmiſche Volk fruͤ-
her, wenn auch praͤchtig, doch nur fuͤr kurzen Beſtand con-
ſtruirt zu ſehen gewohnt war, wurden jetzt von Stein und
in rieſenhaften Maaßen gebaut. Eben ſo nahm der Luxus6
der Privatgebaͤude, nachdem er ſchuͤchtern und zoͤgernd die er-
ſten Schritte gethan hatte, bald reißend und auf eine nie-
geſehne Weiſe uͤberhand; zugleich fuͤllten Monumente die7
Straßen, und praͤchtige Villen verſchlangen den Platz
zum Ackerbau.


[174]Hiſtoriſcher Theil.

2. T. Honoris et Virtutis, von C. Mutius für Marius
gebaut nach Hirt S. 213; andre halten ihn für den Marcelliſchen
§. 180. Anm. 2. z. B. Sachſe i. S. 450. Das neue Capitol
des Sulla u. Catulus, 674 geweiht. T. Veneris Genetricis
in foro Julio
706 gewiht. T. Divi Julii.


3. U. a. Curia Pompeji; die prachtvolle Basitica Aemilii
Pauli Cos.
207 mit Phrygiſchen Säulen. Derſelbe erneuert eine
ältere von M. Aemil. Lepidus gebaute.


4. Forum Julium, von Auguſt vollendet. Daran ſtieß die
Basilica Julia, von Auguſt vollendet, und erneuert, an der NW.
Ecke des Palatin. Gerhard della basilica Giulia, Rom 1823.
Die Einrichtung eines Forum machen das Gabiniſche, 1792 auf-
gedeckte (Viſconti Mon. Gabini), und das Pompejaniſche (ſ. die
glänzende Reſtauration bei Gell l’Pompeiana pl. 48. 51.) deutlich.


5. 694 ziert M. Aemil. Scaurus als Aedil ein hölzernes Thea-
ter prächtig aus; die Scene aus 3 Stockwerken von Säulen, hin-
ter denen die Wand unten aus Marmor, dann aus Glas, dann
aus vergoldeten Tafeln war. 3000 eherne Bildſäulen, viele Ge-
mählde und Teppige. Curio’s, des Tribunen (702), zwei Holz-
theater bilden ein Amphitheater. Pompejus Theater von
Stein
für 4000 Zuſchauer, dem Mitylenäiſchen nachgeahmt. Das
erſte Amphitheater von Stein von Statilius Taurus unter
Auguſt errichtet. Der Circus Mar. unter Cäſar für 150,000
Menſchen eingerichtet.


6. L. Craſſus, Cenſor, mußte um 660 wegen ſeines Hauſes
mit 6 kleinen Säulen aus Hymettiſchem Marmor viel leiden. Das
erſte marmorne hatte Mamurra in Cäſars Zeit, aber auch Cicero
wohnte für lls xxxv, d. h. 175,000 Rthlr. Mazois Palais
de Scaurus. Fragm. d’un voyage fait à Rome vers la ſin
de la républ. par Mérovir prince des Sueves.
Deutſch
mit Anm. von den Brüdern Wüſtemann. Gotha 1820.


7. Lucullus Villen, Peterſen Einl. p. 71. Varro’s Orni-
thon (nach dem Windthurm in Athen, de R. R. iii, 3). Mo-
nument der Cäcilia Metella, der Gemahlin des Craſſus, faſt allein
übrig. Architekten aus Cicero’s Zeit Hirt ii S. 257.


[175]Griechen. Fuͤnfte Periode.

189. In der erſten Kaiſerzeit bildet die Roͤmiſche1
Architektur an oͤffentlichen Gebaͤuden den praͤchtigen und
großen Charakter aus, welcher den Verhaͤltniſſen und
Ideen eines weltherrſchenden Volks ſicher der ange-
meſſenſte war. Die Pfeiler und Bogen treten an den2
anſehnlichſten Gebaͤuden als eine Hauptform neben die
Saͤulen und das Saͤulengebaͤlk, indem dabei das Grund-
geſetz beobachtet wird, daß beide Formen, jede nur ſich
fortſetzend, nebeneinander hergehen, ſo daß die Bogen
mehr die innre Conſtruction des Gebaͤudes, die Saͤulen
die aͤußere Fronte bilden, und, wo kein Dach auf ihrem
Gebaͤlke liegt, als Traͤger von Bildſaͤulen ihren Zweck
erfuͤllen. Indeß finden ſich doch ſtrengere Schuͤler der3
Griechiſchen Meiſter, wie Vitruv, ſchon jetzt gedrungen,
uͤber Vermiſchung heterogener Formen zu klagen: welcher4
Vorwurf in der That auch das, erſt nach Vitruv auf-
gekommene, ſogenannte Roͤmiſche Capitaͤl treffen muß.
Die Reinheit der Baukunſt mußte auch damals
ſchon an den Gebaͤuden des Griechiſchen Mutterlands und
Joniens gelernt werden.


3. S. Vitruv i, 2. iv, 2. über die Vermiſchung der Joni-
ſchen denticuli und Doriſchen triglyphi. Sie findet z. B. am
Theater des Marcellus ſtatt. Mehr klagt Vitruv über die aller
Architektonik ſpottende Skenographie, §. 209.


4. Das Römiſche oder compoſite Capitäl ſetzt das
Joniſche Eckcapitäl vollſtändig über die untern ⅔ des Korinthiſchen,
in das jenes doch ſchon auf die angemeſſenſte Weiſe aufgenommen
war; es verliert dadurch alle Einheit des Charakters. Die Säulen
erhalten 9 bis 9½ Diameter. Zuerſt am Bogen des Titus.


190. Auguſtus umfaßte alle Zweige einer Roͤmiſchen1
Bauordnung mit wahrhaft fuͤrſtlichem Sinne; er fand
das Marsfeld noch groͤßtentheils frei, und machte es,
nebſt Agrippa und Andern, zu einer Prachtſtadt, gegen
welche die uͤbrige Stadt faſt als Nebenſache erſchien.
Die nachfolgenden Kaiſer draͤngen ſich mit ihren Bauen2
[176]Hiſtoriſcher Theil.
mehr um den Palatin und die Sacra-Via; ein ungeheu-
res Gebaͤude erhebt ſich hier auf den Truͤmmern des an-
3dern. Die Flavier ſetzen an die Stelle der Rieſenbauten
Nero’s, welche nur der Schwelgerei und Eitelkeit des
Erbauers dienten, gemeinnuͤtzige und populaͤre Gebaͤude.
Unter den Flaviern tritt indeß ſchon ein merkliches Nach-
laſſen des guten Geſchmackes ein. Ein furchtbares Er-
4eigniß unter Titus erhaͤlt der Nachwelt die lebendigſte
Anſchauung des Ganzen einer Roͤmiſchen Landſtadt, in
welcher, bei der ſparſamſten Raumbenutzung und einer
im Ganzen leichten und wohlfeilen Bauweiſe, doch ziem-
lich alle Arten oͤffentlicher Gebaͤude, die eine Hauptſtadt
hatte, vorkommen, und Sinn fuͤr elegante Form und
gefaͤlligen Schmuck ſich uͤberall verbreitet zeigt.


1. Unter Auguſt(Monumentum Ancyranum):

I.in Rom. a.Vom Kaiſer gebaut. T.
Apollinis Palatini,
der T. aus Carariſchem (Lunense), die
Säulenhallen umher aus Puniſchem Marmor; Bibliotheken darin
u. ſ. w. 724 vollendet. Sachſe ii. S. 10. Peterſen Einl. S. 87.
T. Iovis Tonantis (drei Korinthiſche Säulen nebſt Gebälk am
Capitoliniſchen Berge, von einer Reſtauration übrig, Desgodetz Les
édifices antiques de Rome ch. 10
); Quirini (ein Dipteros);
Martis Ultoris auf dem Capitol, ein kleiner Monopteros, den
man noch auf Münzen ſieht, und auf dem Forum Augusti, ein
großer T., wovon noch drei Säulen übrig ſind, Piale Atti dell’
Ac. Archeol. Rom. ii. p. 69. Theatrum Marcelli
(ſ.
Guattani Monum. Ined. 1789. Genn. Febr. Piraneſi Anti-
chità Rom. T. iv. t.
25 — 37. Desgodetz ch. 23). Porticus
Octaviae (Metelli)
nebſt Curia, Schola, Bibliotheca und
Tempeln, eine große Anlage. (Beſonders von den hineingeſtellten
Bildſäulen handelt ſorgfältig Peterſen S. 97 ff.) Auguſtus Mau-
ſoleum nebſt dem Buſtum, auf dem Marsfelde an der Tiber
(Reſte). Aquae. Viae.


b.Baue der Freunde (Sueton Au-
guſt 29). M. Agrippa. Hafen und Cloakenbauen. Porti-
cus Neptuni s. Argonautarum.
Thermen. Septa Julia.
Pantheon (727) auf dem Campus Martius, ein Rundgebäude
mit einer Vorhalle aus 16 Kor. Granitſäulen; die Wände mit
[177]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Marmor belegt, die Lacunarien mit vergoldeten Roſetten. Eherne
Balken tragen das Dach, die Ziegel waren vergoldet. Die Sta-
tuen theils in Niſchen, theils unter Tabernakeln. Den Göttern
der Julier (Jupiter als Ultor, Mars, Venus, D. Julius, drei
andern) geweiht. Reſtaurirt 202 n. Chr. S. Maria Rotonda.
Desgodetz ch. 1. Hirt im Muſeum der Alterthums W. Bd. i.
S. 148. Guattani Monum. ined. 1789 Sett. Wiebeking bür-
gerl. Baukunſt Tf. 24. Roſini’s Vedute.Aſinius PollioAtri-
um Libertatis
mit einer Bibliothek u. Schriftſtellerbüſten. S. Reu-
vens bei Thorbecke de Asinio Pollione. — Pyramide des Ceſtius.


Von der pittoresken Anſicht (Skenographie) des Campus
Martius
mit ſeinen Bauwerken und grünen Flächen in dieſer Zeit
ſpricht mit Anſchaulichkeit Strab. v. p. 236.


II.Außer Rom. In Italien die Ehrenbogen Auguſts
zu Rimini (Werk von Briganti), Aoſta und Suſa (Maffei Mus.
Veron. p. ccxxxiv.
Werk von Maſſazza), welche noch ſtehen.
In den ProvinzenTempla Augusti et Romae, Trüm-
mer zu Pola. Die Stoa der Athena Archegetis am neuen Markt
zu Athen mit einer Reuterſtatue des L. Cäſar (ſchlanke Doriſche
Säulen) g. 750. C. I. n. 342. 477. Stuart V. i. Nikopolis
bei Aktium, bei Alexandreia von Auguſt gebaut. Prachtbaue
Herodes des Gr. in Judäa (Abhandl. v. Hirt, Schriften der Berl.
Akad. 1816). Der neue Tempel ſucht den alten Salomoniſchen
mit dem jetzt herrſchenden Griechiſchen Geſchmack der Architektur
in Uebereinſtimmung zu bringen. T. des C. n. L. Cäſar zu
Nemauſus, Nismes, ein zierlicher Korinthiſcher prostylos pseu-
doperipteros.
Cleriſſeau Antiquités de Nismes.


2. Die Claudii. Für Tiber ſind die castra Praetoria;
für Caligula die ſtraßenartige Schiffbrücke über den Buſen von
Bajä (ſ. Mannert Geogr. ix, 1. S. 731) bezeichnend. Clau-
dius
großer Hafen von Oſtia mit Rieſenmolo’s und einem Pha-
rus auf einer künſtlichen Inſel, ſpäter durch Trajan noch verbeſſert
(Schol. Juven. xii, 76.). Aqua Claudia et Anio novus.
Ableitung des L. Fucinus. Die Palatinae Caesarum domus.
Del palazzo de’ Cesari Opera postuma da Franc. Bian-
chini. Verona
1738. Nero. Ein neues regelmäßiges Rom.
Domus aurea (früher die transitoria) vom Palatin nach Es-
quilin und Cälius hinüber, mit großen Parkanlagen im Innern.
Se quasi hominem tandem habitare coepisse. Die Flavier
zerſtörten das Meiſte; zahlreiche Gemächer haben ſich hinter den
Subſtructions-Mauern der Thermen des Titus (Trajan nach Aa)
am Esquilin erhalten. Le antiche Camere Esquiline disegn.
ed illustr. da Ant. de Romanis.
1822. Vgl. §. 210.


12
[178]Hiſtoriſcher Theil.

3. Flavii. Das dritte Capitol von Veſpaſian, höher
als die frühern (auf Münzen, Eckhel D. N. vi. p. 327.); das
vierte von Domitian, immer noch iisdem vestigiis, aber mit
Korinth. Säulen aus Pentheliſchem Marmor, inwendig reich ver-
goldet (Eckhel p. 377). T. Pacis von Veſpaſian (Eckhel
p. 334.); große Ruinen (doch iſt auch deren Bedeutung nicht unbe-
zweifelt geblieben); die Kreuzwölbung des Mittelſchiffs ſtützt ſich auf
8 Korinth. Säulen; zu jeder Seite 3 Nebenräume. Bramante
entnimmt davon die Idee der Peterskirche. Desgodetz Ch. 7. Ca-
riſtie Plan et Coupe du Forum et de la Voie sacrée.
Amphitheatrum Flavium
(Coliſeum). Desg. 21. Guattani
1789 Febr. Marzo. Die Länge der kleinen Achſe 156 (Arena)
u. 155 (Sitze), der großen 264 u. 155. Die Geſammthöhe
156 Fuß. Ueber die neuentdeckten Gänge unter der Arena Lor.
Re in den Atti dell’ Acc. Archeol. ii. p. 125. für Bianchi
(gegen Fea). — Domus Titi, Thermae.Domitian
baut viel Prächtiges, Martial, Statius Silv. iv, 2, 18. Arx
Albana
(Piraneſi Antichità d’Albano). Forum Domi-
tiani s. Nervae, Palladium,
wovon einige reiche Architekturfrag-
mente (cannelirter Kranzleiſten; Kragſteine u. Zahnſchnitte zuſam-
men) und Reliefs (Pallas als Ergane). Fragmens d’Architec-
ture par Moreau pl.
7. 8. 11. 12. 13. 14. 17. 18. Guat-
tani Monum. 1789 Ottobre. Arcus Titi auf der via
Sacra,
die Architektur etwas überladen, der Kanzleiſten cannelirt.
Bartoli Veteres Arcus August. cum notis I. P. Bellorii
ed. Iac. de Rubeis.
Desgodetz ch. 17. Columnarum ra-
tio erat attolli supra ceteros mortales, quod et arcus
significant
(daher die Architektur zu erklären) novitio in-
vento
(doch ſchon 556 fornices und signa aurata darauf nach
Liv. xxxiii, 27) Plin. xxxiv, 12. Rabirius.


4. Unter Titus (79 n. Chr.) Verſchüttung von Pompeji,
Herculanum, Stabiä
. Wiederentdeckungsgeſchichte unten: Lo-
cal. Pompeji iſt als Miniaturbild Roms höchſt intereſſant. In dem
offen gelegten Viertel der Stadt liegt ein Haupt-Forum, ein Fo-
rum rerum venalium,
acht (?) Tempel, darunter ein Iseum,
eine Basilica, mehrere Hallen, zwei Theater, Thermen, viele
Privatgebäude, darunter ſehr vollſtändige mit Atrium, Periſtyl
u. ſ. w. verſehene, und vor dem Thor die Gräberſtraße; entfernt
davon liegt das Amphitheater. Alles klein, die Häuſer niedrig (auch
wegen der Erdbeben), aber nett, reinlich, freundlich; leicht aus
Bruchſteinen gebaut, aber mit vortrefflichem Anwurf; ſchöne Fußbö-
den aus bunten Marmor und Moſaik. Die Säulen meiſt Dori-
ſcher Art, aber auch Korinthiſche und Joniſche, mit ſonderbaren
[179]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Abweichungen von den regelmäßigen Formen, wie an der Porticus
um den Tempel weſtlich vom Forum. Auch ſind hier die verſchie-
denen Theile des Capitäls bemahlt. Vieles war ſeit dem Erdbe-
ben, 63 u. Chr., noch nicht reſtaurirt.


Hauptbücher: Antiquités de la Grande Grèce, gravées
par Fr. Piranesi d’ après les desseins de I. B. Piranesi
et expliquées par A. J. Guattani. Paris 1804. T. i. ii. iii.
Antiquités de Pompéi
von Mazois, von 1812 an, unvollendet.
(Die Fortſetzung dieſes Werks von der 25ſten Lieferung an beſorgt
Gau). W. Gell u. Gandy Pompejana or Observations on
the Topography, edifices and ornaments of Pompeji.
Lond.
1817. Goro von Agyagfalva (Oeſterreichiſcher Haupt-
mann) Wanderungen durch Pompeji. Wien 1825. (voll Fehler).


191. Trajanus gewaltige Bauten und Hadrianus1
mit allem Fruͤhern wetteifernde Anlagen, auch einzelne
unter den Antoninen gefuͤhrte Bauwerke, zeigen die Archi-
tektur in ihrer letzten Bluͤthezeit, im Ganzen noch eben
ſo edel und groß, wie reich und geſchmuͤckt, obgleich in
einzelnen Werken das Ueberladne und Gehaͤufte der Ver-
zierungen, wohin die Zeit ſich neigt, ſchon ſehr fuͤhlbar
wird. Auch findet man ſeit Domitian ſchon die aus2
fortlaufenden Poſtamenten (Stereobaten) entſtandenen ein-
zelnen Fußgeſtelle der Saͤulen (Stylobaten), welche kei-
nen Grund und Zweck haben, als das Beſtreben nach
ſchlanken Formen und moͤglichſt viel Unterbrechung und
Zuſammenſetzung.


1. Trajanus Werke. Pauſ. v, 12, 4. Das Forum
Trajani
das Erſtaunenswürdigſte in ganz Rom nach Ammian
xvi, 10, mit einem χαλκοῦς ὄροφος, der natürlich durchbro-
chen war (Pauſ. a. O. u. x, 5, 5. gigantei contextus Ammian);
neuerlich viel Granitſäulen u. Fragmente dort gefunden. In der
Mitte die Columna Trajani (113 n. Chr.) mit dem Erzbilde
des Kaiſers (St. Peter). Piedeſtal 17 F., Baſis, Schaft, Capitäl
u. Fußgeſtell der Statue 100 F. Der Schaft unten 11, oben 10
F. Aus Cylindern weißen Marmors; Treppe inwendig. Das
Band mit den Reliefs wird oben breiter, welches die ſcheinbare
Höhe verringert. Bartoli’s Columna Trajana. Prachtwerk von
12*
[180]Hiſtoriſcher Theil.
Piraneſi. Raph. Fabretti De Columna Trajani. Rom. 1683.
Basilica Ulpia
mit zahlreichen Statuen beſetzt, auf Bronze-Mün-
zen. Sehr viel Bauwerke, Thermen, Odeion ꝛc. Trajanus
herba parietaria.
Faſt Alles von Apollodor Dio Caſſ. lxix, 4.
Donaubrücke 105 n. Chr. Vgl. Tzetz. Chil. ii. h. 34. Eckhel.
p. 419. Bogen des Trajan exiſtiren in Ancona (ſehr ſchön,
aus großen Steinmaſſen) und in Benevent, von faſt Palmyreniſcher
Architektur. Ueber dieſen Werke von Giov. di Nicaſtro, Carlo Nolli.
Der Briefwechſel mit dem j. Plinius zeigt des Kaiſers Kenntniß
und Antheil an den Bauen in allen Provinzen. Plinius Billen.
Schriften von Marquez, Carlo Fea.


Hadrianus ſelbſt Architekt, tödtet Apollodor aus Haß u.
Eiferſucht. Templum Veneris et Romae, pseudodipte-
rum decastylum,
in einem Vorhof mit einer doppelten Säulen-
halle. Korinthiſch. Zum großen Theil von Marmor. Niſchen für
die Bildſänlen. Schöne Lacunarien, ehernes Dach. S. Cariſtie
Plan et Coupe n. 4. Die Vorderanſicht (Romulus Geſchichte
im Giebel) auf dem Basrelief bei Raoul-Roch. Mon. ined. i.
pl.
8. Grabmal, dem des Auguſt gegenüber (St. Angelo), be-
ſchrieben von Procop, Bell. Goth. i, 22. Piraneſi Antichità
iv. t.
4 — 12. Reſtaurationen Hirt Geſch. Tf. 13, 3. 4. Moſes
Vases pl. 106. Villa Tiburtina, voll Nachahmungen Grie-
chiſcher und Aegyptiſcher Gebäude (Lyceum, Academia, Pryta-
neum, Canopus, Poecile, Tempe
); ein Labyrinth von Rui-
nen, 7 Meilen im Umfang. Fundgrube von Statuen u. Moſaiken
für die halbe Welt. Pianta della villa Tiburt. di Adriano von
Pirro Ligorio u. Franc. Contini. Rom 1751. Winckelm. vi, 1.
S. 291. Als Εὐεργέτης Griech. Städte, vollendet er das
Ὀλυμπιεῖον in Athen Ol. 227, 3. vgl. C. I. n. 331. Ha-
drians-Stadt; der Bogen des Eingangs ſteht noch. Heräon, Pan-
theon, Panhellenion. Viele Phrygiſche und Libyſche Säulen. Wahr-
ſcheinlich iſt auch die ſehr große Halle, 376 × 252 Fuß, nördlich
von der Burg (mit Stylobaten) ein Hadrianiſcher Bau. Stuart
i. ch. 5. (der ſie für die Pökile hielt). Leake Topogr. p. 120.
Zu den Attiſchen Monumenten der Zeit gehört auch das Denk-
mal des in die Bürgerſchaft von Athen eingetretnen Seleukiden
Philopappos, g. 114. unter Trajan auf dem Muſeion errichtet.
Böckh C. I. n. 362. Stuart V. iii. ch. 5. beſonders die Gran-
des Vues de Cassas et Bence pl.
3. Ein T. des Hadrian
in Kyzikos wird von Manchen unter die Weltwunder gerechnet.
App. ad. Philon. ed. Orell. p. 144. 146. Vielleicht erneuerte
Antoninus Pius den nach Dio lxx, 4. unter ſeiner Regierung
[181]Griechen. Fuͤnfte Periode.
eingeſtürzten ungeheuern Tempel, von dem oben §. 153 A. 1., u.
weihte ihn dem Hadrian. Denn daß das Erdbeben in Kyzikos und der
Bau des Hadrianstempel von Malelas Chron. xi. p. 119. A.
und andren Chronographen in Hadrians Zeit geſetzt wird, muß, nach
Dio Caſſius, falſch ſein. Die Einweihung geſchah erſt unter M.
Aurel u. Verus. Ariſteid. Paneg. Cyzic. T. i. p. 241. In
Aegypten Antinoe (Beſa), auf Griechiſche Weiſe ſchön und regel-
mäßig angelegt; Korinthiſche Säulenordnung, doch von freien For-
men. Description de l’Egypte T. iv. pl. 53 sqq. Decrianus,
Architekt u. Mechaniker, Spartian 19.


Antoninus Pius. Tempel des Antonin u. der Fauſtina,
zuerſt wahrſcheinlich nur dieſer beſtimmt, ein Proſtylos mit ſchönen
Korinth. Capitälen, das Geſims ſchon ſehr überladen. Desg. 8.
Moreau pl. 23. 24. Villa Lanuvina.Antoninus Phi-
loſophus
. Antoninus Pius Ehrenſäule von M. Aurel er-
richtet, eine bloße Granitſäule. (Vignola de col. Ant. Pii).
Columna M. Aurelii Antonini, weniger impoſant als die Tra-
janiſche (die Basreliefſtreifen bleiben gleich hoch). Zugleich ein
Triumphbogen gebaut, wovon noch die Reliefs erhalten ſind. He-
rodes Atticus, Lehrer des M. Aurel u. L. Verus, (vgl. Fiorillo u.
Viſconti über ſeine Inſchriften) ſorgt für Athen. Stadion, Odeion.
Theater in Neu-Korinth.


192. Nach der Zeit von Marc Aurel tritt, obgleich1
die Bauluſt nicht aufhoͤrt, doch im Geſchmack der Ar-
chitekten ein ſchneller Verfall ein. Man haͤuft die Ver-2
zierungen dermaßen, daß alle Klarheit der Auffaſſung ver-
loren geht, und legt uͤberall zwiſchen die weſentlichen
Theile ſo viel Glieder dazwiſchen, daß die Hauptformen,
wie der Kranzleiſten, ihren beſtimmten und ſcharf aus-
geſprochnen Charakter voͤllig verlieren. Indem man jede
einfache Form zu vermannigfaltigen ſucht; die Waͤnde mit
Doppelreihen von Niſchen, nach Art von Proſtylen, an-
fuͤllt; die Saͤulenreihen nebſt dem Gebaͤlk durch haͤufiges
Vor- und Zuruͤcktreten unterbricht, Halbſaͤulen an Pila-
ſter klebt und einen Pilaſter aus dem andern vortreten
laͤßt, die Verticallinie der Saͤulenſchaͤfte durch Conſolen
unterbricht; den Fries bauchig hervortreten laͤßt: raubt
man der Wand, dem Pfeiler, der Saͤule und jedem an-
[182]Hiſtoriſcher Theil.
dern Theile ſeine Bedeutung und eigenthuͤmliche Phyſiono-
mie, und bewirkt mit einer verwirrenden Mannigfaltigkeit
3zugleich eine hoͤchſt ermuͤdende Eintoͤnigkeit. Obgleich
die architektoniſche Conſtruction im Ganzen trefflich, ſo
wird doch die Arbeit im Einzelnen immer ſchwerfaͤlliger,
und die Sorgfalt in der Ausfuͤhrung der verzierten Theile
in demſelben Maaße geringer, in welchem ſie immer mehr
4gehaͤuft werden. Offenbar hatte der Geſchmack der Voͤl-
ker Syriens und Kleinaſiens den groͤßten Einfluß
auf dieſe Richtung der Architektur; auch finden ſich hier
die ausgezeichnetſten Beiſpiele dieſer luxurioͤſen und prunk-
5vollen Bauart. Auch einheimiſche Bauwerke des Orients
moͤgen nicht ohne Einfluß geblieben ſein; die Vermiſchun-
gen Griechiſcher mit einheimiſchen Formen in barbariſchen
Laͤndern, welche man nachweiſen kann, ſcheinen meiſt in
dieſe Zeit zu fallen.


1. Unter Commodus der T. des M. Aurel mit converem
Frieſe. Septimius Severus Bogen, in der Aulage miß-
verſtanden (die mittleren Säulen treten zwecklos heraus), mit
Schnitzwerk, von roher Arbeit, überladen. Arcus Argentario-
rum.
Desg. 16. Bellori. Septizonium im 16 Jahrh. ganz
abgetragen. Caracalla’s Thermen, ungeheure Anlage, treff-
liches Mauerwerk, leichte Gewölbe aus Bimsſtein u. Mörtel, von
großer Spannung. Vgl. Spartian Carac. 9. Fundgrube der Far-
neſiſchen Statuen (älterer von vorzüglicher, neuer von gemeiner
Arbeit). Sogenannter Circus des Caracalla, (wahrſcheinlich des
Maxentius; doch entſcheidet die Inſchrift nicht ganz) vor der Porta
Capena, ſchlecht gebaut. Neuerlich aufgedeckt. Schrift von Nibby;
Kunſtbl. 1825. N. 22. 50. 1826. N. 69. Tempel des Gottes
Heliogabalus. Thermen und Bäder des Severus Alexan-
der
, welcher Viel wiederherſtellt. Aus der Zeit des Schwulſtes in
der Architektur exiſtirt in Rom noch ſonſt Manches, wie der ſog. T.
der Fortuna Virilis (Maria Egiziana), der Concordia. Desg. 6. 9.


4. Die Syriſchen Städte. Heliopolis od. Bal-
beck
, Heiligthum des Bel-Helios. Wahrſcheinlich unter Severus
und Caracalla gebaut. (Severs Gemahlin Julia Domna machte
dieſen Cultus damals herrſchend). Ein großer Tempel mit Vor-
höfen; ein zweiter; ein kleiner Rundbau. Robert Wood The
Ruins of Balbeck otherwise Heliopolis. London
1757.
[183]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Caſſas Voyage pittoresque en Syrie.Palmyra, Tad-
mor, angeblich Anlage von Salomo, hebt ſich im erſten Jahrh. n.
Chr. als Handelsort in der Wüſte; Reſidenz des Odenat, der Ze-
nobia, von Aurelian erobert. Die Gebäude wohl meiſt aus Ode-
nats Zeit, von Aurelian hergeſtellt. Tempel, Säulengänge, Baſi-
liken, Märkte, Waſſerleitungen, Ehrendenkmäler, Grabmäler, nur
Nichts für Agonen. 4 Reihen Korinthiſcher Sänlen bildeten einen
Eang 4000 F. lang. Der T. des Helios, pseudodipt. octast.
200 × 110. An den Korinthiſchen Capitälen iſt nur der Krater
von Stein, alles andre war aus Metall angeſetzt. Wood The
Ruins of Palmyra oth. Tedmor
1753. Eine ähnliche Stadt
wie Palmyra ſoll Baukes in Arabien entdeckt haben, vielleicht Phi-
lippopolis
. — Dieſelbe prunkvolle und überladne Architektur
findet man auch an andern Aſiatiſchen Denkmäleren, dem Triumph-
bogen von Antiochia, den Monument von Mylaſa, mit ovalen
Säulen (Ion. ant. ii. pl. 25. Choiſeul Gouff. Voy. pitt. i.
pl. 85 sqq.),
dem Tempel zu Kiſelgick (Euromos?) Choiſ. pl.
105 sqq.,
den Trümmern eines T. zu Epheſos (Ion. ant. pl.
44. 45. Choiſ. pl. 122.), auch in denen eines Säulenganges
zu Theſſalonike, Stuart T. iii. ch. 9. In den Felſengräbern
bei Jeruſalem, namentlich den ſog. Gräbern der Könige, erſcheinen
einfachere Griechiſche Architekturformen, und nur der Charakter der
Zterathen (Trauben, Palmen u. dgl.) iſt orientaliſch. S. Caſſas
T. iii. pl. 19—41. Die Zeit dieſer Gräber iſt ſehr wenig ſicher,
ſ. Münters Antiqu. Abhandl. S. 95 f.


5. Intereſſant iſt beſonders die innige Verbindung ſpätrömiſcher
und Aegyptiſcher Formen im Reiche Meroe an einem Tempel-
chen bei Naga, Cailliaud Voy. à Meroë i. pl. 13. Auch in
den merkwürdigen Ruinen von Petra, der Hauptſtadt der Naba-
täer, ſcheint eine ſpätre orientaliſirte Griechiſche Baukunſt vorzulie-
gen. Felſentempel mit Kuppeln, Theater, Felſengräber, Pyrami-
den; Kentaurenfiguren und andre coloſſale Statuen. Nachrichten
von Irby und Mangles, Bericht von Laborde an das Pariſer In-
ſtitut. Vgl. darüber Schorns Kunſtbl. 1829. N. 29 f.


193. Von dem Zeitalter der dreißig Tyrannen,1
noch mehr von Diocletian an, geht die Uppigkeit ganz
in Roheit uͤber. Alle Grundformen und Prinzipien wer-
den vergeſſen. Die Saͤulenbaukunſt wird mit der Bo-
genarchitektur ſo verbunden, daß die Bogen zuerſt auf
dem Saͤulengebaͤlk ruhen, dann aber auch ſo daß die
[184]Hiſtoriſcher Theil.
Archivolte unmittelbar von der Platte des Capitaͤls em-
porſteigt, gegen die Geſetze der Statik, welche unverjuͤngte
und eckige Pfeiler unter dem Bogen fordert. Man laͤßt
auch die Gebaͤlke ſelbſt ſammt Zahnſchnitt und Kragſtei-
nen die Bogenform annehmen, und ſetzt Saͤulen auf
vortretende Conſolen. Deckende Glieder werden wegen
der Mannigfaltigkeit der Theile als Hauptſache betrach-
tet, und belaſten hoͤchſt ſchwerfaͤllig die darunter liegen-
den, wie das Geſims das Gebaͤlk im Ganzen und in den
einzelnen untergeordneten Theilen. Gewundne und andre
verſchnoͤrkelte Formen der Saͤulenſchaͤfte kommen auf.
Die Ausfuͤhrung iſt uͤberall mager, platt und roh, ohne
Rundung und Effekt. Doch bleibt als ein Ueberreſt des
Roͤmiſchen Sinns eine gewiſſe Großartigkeit in der An-
lage, und im Mechaniſchen wird noch immer manches
2Bewundernswuͤrdige geleiſtet. Die neue Einrichtung des
Reichs bewirkt, daß in Rom ſelbſt weniger Neues unternom-
3men wird, und Provinzialſtaͤdte ſich neben ihm erheben;
4beſonders ſchadet Rom die Verſetzung des Throns nach
Conſtantinopel (im J. n. Chr. 330).


2. Gallienus Bogen von kunſtloſer Einfachheit. Aure-
lian
. Die erweiterten Mauern Roms; die Sorge für Sicherheit
beginnt. Nibby Mura di Roma 1821. (nicht überall richtig,
Stef. Piale in den Dissert. dell’ Acc. Archeol. ii. p. 95.)
Großer Doppeltempel des Bel u. Helios. Beſoldete Lehrer der
Architektur. Diocletian. Thermen ziemlich erhalten; aus dem
Ringſaal in der Mitte, deſſen Kreuzgewölb 8 Granitſäulen ſtützen,
hat M. Angelo eine ſchöne Kirche gemacht. Desg. 24. Feſtes
Schloß und Villa des Exkaiſers bei Salona (zu Spalatro) in
Dalmatien. 705 F. lang u. breit. Adams Ruins of the Palace
of Diocletian at Spalatro.
1764. Ehren-Säule in Alexan-
dreia (ſonſt Pompejusſäule) nach der Inſchr. Sehr groß, aber
in ſchlechtem Geſchmack. Description de l’ Egypte T. v. pl.
34. Hamilton Aegyptiaca pl. 18. Caſſas iii. pl. 58. Con-
ſtantin
. Bogen, mit Daciſchen Siegen (von Trajans Bogen)
geſchmückt, die neuen Arbeiten ganz ungeſtalt. Grabmal der
Conſtantia, Conſtantins Tochter, (ſogen. Templum Bacchi Desgo-
detz ch. 2.) neben der Kirche der H. Agnes; und der Helena, der
Gemahlin des Julian, ein Tholus nach Art des Pantheon, an der
[185]Griechen. Fuͤnſte Periode.
Via Nomentana. Noch deutlicher als an Bautrümmern erſcheint
der verdorbne Bauſtyl der Zeit in Sarkophagen, z. B. dem
des Probus Anicius, g. 390. S. Battelli’s Dissert. darüber.
Rom 1705.


3. Neben Rom anſehnlich Mediolanum, von deſſen Bau-
werken Auſonius (ſt. 392) Clarae Urbes 5. Treveri; viel
Trümmer, die Porta Nigra ein gewaltiges, obgleich im Einzelnen
rohes Werk. Alterth. von Trier gez. von Rambour, erkl. von
Wyttenbach. Carthago. Antiocheia. Narbo.


4. Βυζάντιον ς. Constantinopolis. Viel hier
gebaut, meiſt eilig und ſchlecht. Forum Augusti, andre fora,
Senatus, Palatium,
Bäder, der Hippodrom (Atmeidan), den
ſchon Septimius Severus angelegt, mit dem von Theodoſius auf-
gerichteten Obelisk auf einer Baſis mit hiſtoriſchen Reliefs, und
dem angeblich Delphiſchen Schlangen-Dreifuß. Zuerſt auch Tem-
pel der Roma und Cybele. Theodoſius baut das Lauſeion und
Thermen, von ſpätern beſonders Viel Theophilos. Zoſimos Hist.
Procopios de aedif. Iustin. Codinus Anonymi Antiqq. Cpoleos.
Gyllius (ſt. 1555.) Topographia Constantinopoleos. Banduri.
Heyne Serioris artis opera, quae sub Imper. Byzant. facta
memorantur,
in den Commentat. Soc. Gott. T. xi. p. 39.
Beſonders viel durch die Feuersbrunſt im April 1204 zerſtört; noch
vorhanden der Obelisk des Theodoſius; die 91 F. hohe marmorne
Spitzſäule, welche Conſtantin Porphyrog., oder deſſen Enkel, mit
Bronze überziehen ließ; die 100 F. hohe Porphyrſäule, von Manuel
Comnenus erneuert, von geſchmackloſer Form, auf dem alten Forum;
das Fußgeſtell der Theodoſiſchen Säule (§. 207.), und einiges we-
niger bedeutende. S. Carbognano Descr. topograf. dello stato
presente di Cpoli
1794. V. Hammer Cpolis und der Boſpo-
rus. 2 Bde. 1822. Raczynski’s Maleriſche Reiſe in einigen Provin-
zen des Osmaniſchen Reichs, deutſch herausg. von v. d. Hagen S. 42
ff. Hauptbauten die Aquäducte (des Valens) und Ciſternen,
große aber im Einzelnen kleinliche Bauwerke. (Auch ſonſt im Orient
z. B. in Alexandria, Descript. de l’Eg. T. v. pl. 36. Vorbilder
Arabiſcher Baue). 8 in Byzanz, offen oder mit kleinen Kup-
peln überwölbt; nur eine noch benutzt, die beim Hippodrom. 190
× 166 F., in drei Stockwerken jedes von 224 Säulen (16 × 14).
Korinthiſche aber auch andre, ganz abnorme, Säulengattungen.
Walſh Journey from Constantinople to England. Graf
Andreoſſy Constantinople et le Bosphore Paris 1828. L. iii.
ch.
5. 8.


[186]Hiſtoriſcher Theil.

1194. In dieſer Zeit wird nicht der Griechiſche Tem-
pel, ſondern, den Beduͤrfniſſen des neuen Cultus gemaͤß,
die Baſilica zur Chriſtlichen Kirche umgebildet, in-
dem theils alte dazu eingerichtet, theils neue, aber nach
Conſtantin meiſt mit geraubten Architekturſtuͤcken, erbaut
werden. Ein Veſtibul; das Innre ganz bedeckt; mehrere
Schiffe, das mittlere hoͤher oder alle gleich hoch; hinten
in einem runden Ausſchnitt das erhoͤhte Tribunal. In-
dem dies zum Chor verlaͤngert und Seitenhallen zuge-
fuͤgt werden, entſteht die Kirche der Lombardiſchen Zeiten.
2Das Baptiſterium dagegen geht von den alten Rundtem-
3peln aus; vereinigt mit der Baſilica bringt es die Form
der unter Juſtinian gebauten Sophienkirche hervor.


1. Kirche der H. Agnes, von Conſtantia, Conſtantinus T., an-
gelegt; eine dreiſchiffige Baſilica mit zwei Säulenſtellungen überein-
ander, die ganz verſchiedenartigen Säulen tragen Bogen. S. Agin-
court Hist. de l’Art par les Monumens depuis sa déca-
dence au iv Siècle T. iv. pl.
8. Hirt Tf. 15, 12. 13.
Fünfſchiffige Baſilica des H. Paulus außer den Mauern, nach
Einigen von Conſtantin, neuerlich abgebrannt. Agincourt pl. 4—7.
Roſini’s Vedute. St. Johann im Lateran, mit zuſammenge-
raubten Säulen, wie St. Paul. Die alte Baſilica St. Peter
auf dem Vatican. Von St. Peter bis zur Tiber, St. Paul bis
ans Thor gingen lange Portiken. St. Clemens, ein Muſter der
alten Einrichtung der Baſiliken, Aginc. pl. 16. 64, 4. Monu-
menti della Religione Cristiana — da I. G. Gutensohn
I. M. Knapp Architetti. Roma 1822. Prima distribuzione.


2. Ein ſolcher Rundbau iſt das ſog. Baptiſterium des Conſtan-
tin. Ciampini Opera T. ii. t. 8.


3. Die Kirche der H. Sophia (nach zwei Bränden) unter Ju-
ſtinian von Iſidor von Milet u. Anthemios von Tralles gebaut.
An dieſe ſchließt ſich wieder St. Marco (im 10), u. die Piſaniſchen
Baue (im 11 u. 12 Jahrh.).


1195. Durch die neuen Aufgaben eines neuen Cultus
und den friſchen Geiſt, den die Umkehrung aller Verhaͤlt-
niſſe dem gealterten Geſchlechte wenigſtens hin und wie-
der einhaucht, erhaͤlt auch die Architektur einen neuen
Lebensfunken. Zwar bleiben die Formen im Einzelnen
[187]Griechen. Fuͤnfte Periode.
roh, ja ſie werden fortwaͤhrend plumper und ungeſtalter;
aber dabei zeigen doch die Gebaͤude der Juſtinianiſchen
und Oſtgothiſchen Zeit in Byzanz und Ravenna einen
freiern und eigenthuͤmlichern Sinn, der die Bedeutung
des Gebaͤudes im Ganzen heller faßt, als es bei den
letzten Roͤmiſchen Architekten der Fall war; und in den
großen Baſiliken des fuͤnften und ſechſten Jahrhunderts
wird entſchieden ſchon auf einen machtvollen und erſchuͤt-
ternden Eindruck von Groͤße hingearbeitet, der fruͤhern
Gebaͤuden fehlte. Dieſer fuͤr neue Zwecke neu belebte2
(Vorgothiſche, Byzantiniſche) Architekturſtyl, welcher ſich
aber immer noch faſt in allen einzelnen Formen an den
ſpaͤtroͤmiſchen anſchließt, herrſcht in der erſten Haͤlfte des
Mittelalters, durch die mit Griechenland fortwaͤhrend im
Zuſammenhange ſtehenden Baucorporationen (collegia)
gepflegt und ausgebildet, im ganzen Chriſtlichen Europa;3
er herrſcht ſo lange, bis im dreizehnten Jahrhundert der
Germaniſche Geiſt, den des Europaͤiſchen Suͤden uͤber-
waͤltigend, die Roͤmiſchen Formen nach einem ganz neuen
Syſtem, eignen Grundideen und Gefuͤhlen gemaͤß, durch-
gaͤngig umzuſchaffen beginnt. Der Spitz-Giebel und Bo-
gen und der Grundſatz der ununterbrochnen Verticallinien
druͤcken die aͤußern (climatiſchen) und innern (aus dem Ge-
muͤthe ſtammenden) Grundrichtungen dieſer der antiken
ſcharf entgegengeſetzten Baukunſt aus, welche aber in
Italien nie ganz einheimiſch, und im funfzehnten Jahr-
hundert ſehr ſchnell durch die erneuerte Baukunſt der Roͤ-
miſchen Kaiſerzeit verdraͤngt wurde.


1. In Ravenna: Theodorichs Mauſoleum (wenigſtens aus
der Zeit), jetzt S. Maria Rotonda, ein gewaltiges Werk von ein-
fachen, wenn auch ſchwerfälligen Formen. Amalaſuntha, eine Nö-
miſch gebildete Frau, ahmt Byzantiniſche Baue nach. San Vitale,
unter Juſtinian (Julianus Argentarius) gebaut, achteckig, mit ba-
rocken Capitälern. S. Agincourt T. i, ii. p. 32 sqq. iv. pl. 18.
23. Vgl. Schorn, Reiſen in Italien Bd. i. S. 398., und über
Theodorichs Baue in Rom, Ravenna, Ticinum überhaupt Manſo
Geſchichte des Oſt-Gothiſchen Reichs S. 124. u. 696 ff.


[188]Hiſtoriſcher Theil.

In Nom Säule des Kaiſers Phokas (Lettera sopra la
col. dell’ Imp. Foca
von F. A. Viſconti 1813) um 600.


2. Stellen, wo im 10 u. 11 Jahrhundert Bauwerke more
Graecorum
, ad consuetudinem Graecorum
bezeichnet wer-
den, auch von Griechiſchen Werkmeiſtern die Rede iſt, bei Stieglitz
über die Gothiſche Baukunſt S. 57. Ueber die Generalverſamm-
lung der Bauleute zu York 926, wobei Franzöſiſche, Lateiniſche,
auch Griechiſche Schriften zur Bildung einer Conſtitution benutzt
wurden, beſonders Krauſe’s Drei älteſte Urkunden.


3. Opus Teutonicum u. ähnlich heißt die ſog. Gothiſche
Architektur in Italien und England, ſ. Fiorillo Geſch. der Kunſt in
Deutſchland Bd. ii. S. 269 ff. — Geſchichte des Doms von Mailand.


3. Die bildende Kunſt.


1196. Die Kuͤnſtler ziehen ſich aus den eroberten
Laͤndern immer mehr nach Rom; in der Zeit des Sulla,
des Pompejus, des Octavian findet man, was es da-
mals von vorzuͤglichen Toreuten, Erzgießern, Bildhauern
2gab, ziemlich in Rom zuſammen. Paſiteles zeichnet ſich
als ein ſehr fleißiger und ſorgfaͤltiger Kuͤnſtler aus (qui
nihil unquam fecit antequam finxit);
Arkeſilaos Mo-
delle werden fuͤr ſich ſchon hoch geſchaͤtzt; Decius wagt es
3ſich im Erzguß mit Chares zu meſſen; auch fehlt es nicht an
Arbeitern in Gefaͤßen; obgleich keiner an die fruͤhern reicht,
argentum vetus mit ſchoͤn gearbeitetem gleichbedeutend ge-
4braucht wird. In den Muͤnzen beginnt das beſte Zeitalter
erſt 700; aus dieſer Zeit haben wir Denare, welche mit
Pyrrhus und Agathokles Muͤnzen an Feinheit der Arbeit
und Schoͤnheit der Zeichnung wetteifern; obgleich freilich
der großartige Schwung aͤltrer Griechiſcher Muͤnzen doch
auch in dieſen nicht gefunden wird.


2. Paſiteles aus Großgriechenland, Toreut, Erzg. Civ.
Rom.
663., arbeitet die Bilder in die 605 gebauten T. des Me-
tellus (§. 180. Anm. 2). Plin. xxxvi, 4, 10. 12. vgl. Sillig
[189]Griechen. Fuͤnſte Periode.
Amalth. iii. 294. Kolotes, Paſiteles Sch., Toreut, g. 670 (?).
Stephanos, Paſiteles Sch., Bildh. (Thierſch Epochen S. 295.) g.
670. Tlepolemos, Wachsbildner, u. Hieron, Mahler, Brüder
von Kibyra, Verres canes venatici, um 680. Arkeſilaos,
Plaſtes, Erzg. u. Bildh., 680—708. (Venus genitrix für
Cäſar; proplasmata). Poſis, Plaſtes, 690. Coponius Erzg.
690. Menelaos, Stephanos Schüler, Bildhauer, g. 690.
(Gruppe von Elektra u. Oreſt, nach Winckelm. Maffei Racc. 62.
63). Decius Erzg. g. 695. Praxiteles, Poſeidonios,
Leoſtratides, Zopyros, Toreuten, Arbeiter von Gefäßen, g. 695.
(Durch Praxiteles kommen ſilberne Spiegel in die Mode). Au-
lanios Euandros, von Athen, Toreut u. Plaſtes, 710—724.
Lyſias Bildhauer g. 724. Diogenes von Athen, Bildh., 727.
(Caryatides in columnis Panthei, vgl. Guattani Mem.
encicl. 1817. p.
45). Kephiſodoros in Athen g. 730 (?) Corp.
Inscr. n.
364. Pytheas, Teucer, Toreuten um dieſe Zeit.


3. Zopyros Areopagitae et iudicium Orestis glaubt man
auf einem im Hafen von Antium gefundnen Becher, Winckelm.
Mon. ined. n. 151, Werke Bd. vii. Tf. 7., zu erkennen. Su-
bito ars haec ita exolevit, ut sola jam vetustate cen-
seatur,
Plin. xxxiii, 55.


4. So iſt z. B. an dem Denar des L. Manlius mit
Sulla auf dem Triumphwagen beſonders der Revers noch ſehr
dürftig behandelt. Viel beſſer der Denar des A. Plautius
mit dem Bacchius Iudaeus aus der Zeit der Aſiatiſchen Kriege
des Pompejus. Sehr vorzüglich der des Nerius mit dem
Jupiterkopf von 703. Eben ſo ſchön der des Cornufi-
cius
Aug. Imp.
mit dem Ammon (den Revers erkläre ich
ſo: Juno Soſpita hat dem auſpicirenden Cornuficius ein glückliches
Zeichen geſandt, daher die Krähe auf ihrem Schilde, u. kränzt
ihn nun als Sieger). Auch der des Sext. Pompejus, mit
dem Kopfe ſeines Vaters, u. auf dem Revers den fratres Cati-
nenses
(vgl. §. 157. Anm. 3.) u. dem Neptun cum aplustri,
obgleich dieſer eine gewiſſe Trockenheit des Styls zeigt. Außeror-
dentlich ſchön der des Lentulus Coſſus (nach 729) mit dem
feinen Auguſtus- und wackern Agrippa-Geſicht. Nach Mion-
net’s Abdrücken.


197. In der Kaiſerzeit erſcheinen die Kuͤnſte dem1
allgemeinen Urtheil nach zu Dienerinnen des Luxus und
der Launen der Herrſcher entwuͤrdigt. Die Schlaffheit
der Zeit, ſagt Plinius, hat die Kuͤnſte vernichtet, und
[190]Hiſtoriſcher Theil.
weil man keine Geiſter mehr darzuſtellen hat, vernach-
2laͤſſigt man auch die Koͤrper. Indeſſen gab es geiſt-
reiche und treffliche Bildhauer, welche die Pallaͤſte der
Caͤſaren mit ausgezeichnet ſchoͤnen Gruppen anfuͤllten;
3und in Nero’s Zeit erhebt ſich Zenodoros, zuerſt in Gal-
lien, dann Rom, als ein großer Erzgießer. Sein Haupt-
werk war ein Helios-Nero von 110 Fuß Hoͤhe. So
nahe er in der Geſchicklichkeit des Modellirens und Ciſe-
lirens den Alten gekommen ſein ſoll (er bildete auch Be-
cher des Kalamis taͤuſchend nach): ſo wenig konnte er,
bei den groͤßten aͤußern Vortheilen, die verloren gegan-
gene feinere Technik des Erzguſſes wieder erneuern.


1. Luxuriae ministri, Seneca Epist. 88. — Plin.
xxxv, 2.


2. Similiter Palatinas domos Caesarum replevere pro-
batissimis signis Craterus cum Pythodoro, Polydectes
cum Hermolao, Pythodorus alius cum Artemone; et sin-
gularis Aphrodisius Trallianus,
Plin. xxxvi, 4, 11. Ueber
den Laokoon oben §. 156. Ob der Arbeiter des Torſo, ΛΠΟΛ-
ΛωΝΙΟΣ ΝΕΣΤΟΡΟΣ ΑΘΗΝΑΙΟΣ ΕΠΟΙΕΙ, auch
dieſer Zeit angehört? Thierſch Epochen S. 332. Sonſt ſind
keine Bildhauer der Zeit bekannt als ein Julius Chimarus, wel-
cher dem Germanicus Statuen gearbeitet, nach einer Inſchr.; und
Menodoros (unter Caligula?) bei Pauſan. Nero ſelbſt legte ſich
auf Toreutik und Mahlerei. Die Künſtlernamen bei Virgil ſchei-
nen ſich auf keine wirklichen Perſonen zu beziehn.


3. Er ſollte ein Nero werden, aber wurde, 75 n. Chr., als
Sol dedicirt. Er hatte 7 Strahlen um das Haupt. So hat Nero
auch in der Büſte im Louvre (n. 334.) u. ſonſt Strahlen ums
Haupt. Der Coloſſ ſtand auf dem Platze des nachmaligen T. Ur-
bis
und wurde von Decrianus (§. 191.) mit der Hülfe von
24 Elephanten translocirt. Spartian Hadr. 19. Die Angaben
über die Größe ſchwanken zwiſchen 100 u. 127, 110 hat Pli-
nius. S. die Stellen bei Eckhel D. N. vi. p. 335.


1198. Die ſicherſten Quellen der Kunſtgeſchichte der
Zeit ſind erſtens die Bildwerke an den
oͤffentlichen Denkmaͤlern
, deren ſich aber
erſt, bei dem Untergang der fruͤhern, unter den Flaviern
2finden. Die Reliefs am Triumphbogen des Titus, die
[191]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Apotheoſe des Kaiſers und den Triumph uͤber Judaͤa dar-
ſtellend, ſind gut erfunden, geſchmackvoll angeordnet, aber
in der Ausarbeitung vernachlaͤſſiget; und an denen vom3
Pallas-Tempel auf dem Forum des Domitian iſt auch
mehr die Zeichnung im Ganzen als die Ausfuͤhrung, am
wenigſten der Draperieen, zu loben.


2. Bartoli Admiranda Romae t. 1 — 9. Bellori Arcus.


3. S. die Herausg. Winck. vi, ii. S. 334. Pallas Frauen
in häuslichen Arbeiten unterrichtend.


199. Zweitens die Statuen und Buͤſten1
der Kaiſer, welche wenigſtens dem Originale nach
auf die Zeit ihrer Regierung zuruͤckgehn. Sie zerfallen
in verſchiedne Claſſen, welche auch durch das Coſtuͤm, und
dadurch am ſicherſten, unterſchieden werden. 1. Solche,2
welche die Individualitaͤt ohne Erhoͤhung derſelben wie-
dergeben, und daher auch das Coſtuͤm des Lebens beibe-
halten, entweder die Friedenstracht der Toga, in Beziehung
auf Prieſterthum uͤber den Kopf gezogen, oder die Ruͤ-3
ſtung des Krieges, wobei die Stellung gern die der allocutio
iſt (statuae togatae, und thoracatae). In beiderlei Art
giebt es gute Statuen der Zeit. Auch gehoͤren zu die-4
ſer Gattung die statuae equestres und triumphales,
welche urſpruͤnglich wirklich Auszuͤge an der Spitze eines
Heers und Triumphe oder bedeutende Eroberungen vom
Feinde bezeichnen, aber bald aus Schmeichelei und Eitel-
keit bei jeder Gelegenheit geſetzt werden. 2. Solche,5
welche das Individuum in einem erhoͤhten, heroiſirten
oder vergoͤttlichten Charakter zeigen ſollen. Dahin gehoͤ-
ren die ſeit Auguſt gewoͤhnlichen Statuen ohne Bekleidung
und mit Lanzen in den Haͤnden, die man nach Plinius
Achilleiſche Statuen nannte; und die mit nacktem Ober-6
kleide und einem Pallium um die Huͤften, wobei gewoͤhn-
lich an Jupiter gedacht wird. Auch die Statuen der7
Frauen zerfallen in dieſe beiden Claſſen. Der Gebrauch
[192]Hiſtoriſcher Theil.
8der Verſchmelzung von Individuen mit Goͤttern dauert
fort, und die Kunſt, Portraͤte zu einem ideellen Cha-
rakter zu erheben, wurde damals noch mit eben ſo viel
Geiſt geuͤbt, wie die, den wirklichen Charakter auf eine
9einfache und lebendige Weiſe darzuſtellen. Dabei iſt
aber zu merken, daß die ſolenne Vorſtellung des Divus,
des vom Senat conſecrirten Kaiſers, kein ideelles Coſtuͤm
duldet, ſondern eine ſitzende Figur in der Toga (die oft
auch das Haupt umzieht), mit dem Sceptrum in der
Hand und der corona radiata, verlangt.


1. Beiſpiele beſonders aus Mongez Iconographie Reomaine,
welcher eine zwar ſehr vermehrbare aber meiſt wohl begründete
Suite giebt.


2. Simulacrum aureum Caligulae iconicum, Sueton
22. Togatae, ſ. z. B. den Auguſt und den Tiber, Musée
de Bouillon ii,
33. 34.


3. Thoracatae. Der coloſſale Auguſtus im Pallaſt Gri-
mani, ſ. Thierſch Reiſen i. S. 250 ff. Der Drusus II, Tib. f.,
aus dem Louvre bei Mongez pl. 23, 1. Titus, pl. 33, 1. 34,
1. 2. Bouill. ii, 41.


4. Auf kriegeriſche Pläne deutet auch die statua equestris
des Auguſt OB V. M., bei Dio liii, 22. und auf den Dena-
ren des L. Vinicius. — Nach den signis receptis erſcheint Au-
guſt in quadrigis, auf einen arcus triumphalis, von zwei
Parthern umgeben, Eckhel D. N. vi. p. 101. Bald auch ohne
Rückſicht auf Triumphe (zuerſt in bigis in Bezug auf die
pompa Circensis); alle Provinzen voll cursus quadrijuges et
seiuges
(in Rom ſeit Auguſt), Appullej. Flor. p. 136. Bip.;
auch causidici zieren ihre Häuſer mit statuae equestres et cu-
rules.
Martial ix, 69. Tacit. de orat. 8. 11. Juvenal vii,
126. Die Kaiſer hatten dafür Elephanten-Wagen, Plin. xxxiv,
10. und die Münzen.


5. Achilleae. Plin. xxxiv, 10. Dazu ſcheint der co-
loſſale Agrippa (der Delphin iſt reſtaurirt) im Pall. Grimani, an-
geblich aus dem Pantheon zu gehören. Auguſt im Hauſe Rondanini,
Winck. W. vii. S. 217. Domitian, Guattani Mon. in. 1786.
p. xvi.
Vgl. die Beiſpiele bei Levezow Antinous S. 51.
[193]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Oft liegt ein Pallium um den Leib, wie bei dem ſonſt Achilleiſchen
Germanicus im Louvre, Mong. pl. 24, 3.


6. So die ſitzende Statue des Tiber von Piperno — das
ſcheußliche Geſicht möglichſt veredelt, Mongez pl. 22. Vgl. die
Vejentiſche Statue, Guattani Mem. encicl. 1819. p. 73., und
den herrlichen Kopf Bouill. ii, 75. Dazu den Auguſtus- und
Tiberius-Jupiter der Kameen §. 200. Caligula wollte den Zeus
Olympios zu ſeinem Bilde machen. Einen Claudius als Gott
ſtellt die herrliche Coloſſalbüſte in Spanien dar, Mong. pl. 27,
3. 4., der aber auch als ἀποκολοκυνϑωϑεὶς etwas blödſinnig
von Anſehn iſt. Vgl. den Nerva PioCl. iii, 6.


7. Porträtſtatuen: die Agrippina i (?) im Capitol; herrlich
in der Anordnung der ganzen Figur, weniger in der Draperie zu
loben. Mus. Cap. T. iii. t. 53. Mong. pl. 24., 1. 2. Far-
neſiſche Statue der Agripp. II, großartig behandelt, Mong. pl. 27.
6. 7. — Livia als Ceres (Bouill. ii, 54), Magna Mater (auf
Kameen), Veſta (auf Münzen Eckhel vi. p. 156). Julia,
Auguſtus Tochter, als Ceres, Bouill. ii, 53. Agrippina, Dru-
ſilla und Julia, Caligula’s Schweſtern, auf Münzen als Securi-
tas, Pietas
und Fortuna, Eckhel vi. p. 219. Vgl. Levezow
S. 55.


9. So z. B. D. Iulius auf der Gemma Augustea, D.
Augustus
auf Münzen Tibers u. a. m. Nero war der erſte,
der lebend (als Phöbos) die corona radiata nahm, Eckhel vi.
p.
269. Mongez pl. 30, 3, 4. Bouillon ii. pl. 76. Vgl. §. 197, 3.


200. Gleich wichtigen Stoff liefern die Gemmen der1
Kunſtgeſchichte. Denn obgleich von Dioskorides, wel-
cher den Auguſtus-Kopf ſchnitt, mit dem der Kaiſer und
ſeine Nachfolger ſiegelten, vielleicht kein ſichres Werk exi-
ſtirt: ſo beſitzen wir dafuͤr eine Reihe großer Kameen,2
welche die Familie des Auguſtus in beſtimmten Zeiten
vorſtellen, und ohne Zweifel in der Zeit gearbeitet ſind,
welche ſie darſtellen, an denen das Material und die Be-
nutzung deſſelben, wie die Compoſition und Ausfuͤhrung
der Figuren, gleiche Bewunderung verdienen, wenn ſie
auch an Adel der Formen bedeutend hinter der oben
(§. 161.) erwaͤhnten Ptolemaͤer-Gemme zuruͤckſtehn. Auch3
13
[194]Hiſtoriſcher Theil.
erſcheint in dieſen Kameen, wie in den Reliefs der Bo-
gen und manchen Kaiſerſtatuen, eine Koͤrperbildung, die
ſich durch eine gewiſſe Schwerfaͤlligkeit von der Griechi-
ſchen bedeutend unterſcheidet, und von der nationalen Be-
ſchaffenheit der Roͤmer entnommen zu ſein ſcheint.


1. Man hat 7 bis auf die neuſte Zeit für ächt gehalten, zwei
mit Auguſtus Kopf, ein ſog. Mäcen, ein Demoſthenes, zwei Mer-
cure, ein Palladienraub (Stoſch Pierres grav. pl. 25 sqq. Bracci
Mem. degli Incis. t. 57. 58. Winck. W. vi. Tf. 8. b.): aber
Köhlers Kritik wird auch wohl hier reine Bahn ſchaffen. Von ei-
nem angeblichen Sohn des Dioskorides Erophilos die Herausg.
Winck. vi, 2. S. 301.


2. Kameen. Die drei größten: a.Der Wiener. Gem-
ma Augustea.
Eckhel Pierr. grav. pl. 1. Mongez pl. 19.
Die Auguſtiſche Familie im J. 12. n. Chr. Auguſt (neben ihm
ſein thema genethliacum, vgl. Eckhel D. N. vi. p. 109.) mit
dem lituus als Zeichen der Auſpicien, als ſiegreicher Jupiter, zu-
ſammenthronend mit Roma; Terra, Oceanus, Abundantia umgeben
den Thron und kränzen ihn. Tiber über die Germanen triumphi-
rend; er ſteigt vom Wagen (auf dem eine Victoria), um ſich
vor Auguſt zu proſterniren. Germanicus hat honores triumpha-
les
erhalten. Unten wird ein Germaniſches Tropäon errichtet. Sue-
ton Tib. 20. Dio lvi, 17. Die Arbeit iſt hier die ſorgfältigſte.


b.Der Pariſer (durch Balduin
den II. aus Byzanz an St. Louis. De la Ste Chapelle;
Joſephs Traum) Jetzt im Cabinet du Roi. Le Roy Achates
Tiberianus.
Mongez pl. 26. Der größte von allen, 1 Fuß
hoch. Sogen. Sardonyx aus fünf Lagen. Die Auguſtiſche Familie
einige Zeit nach Auguſts Tode. Oben: Auguſt im Himmel be-
willkommnet von Aeneas, Divus Julius und Druſus I.Mit-
ten
: Tiberius-Jupiter Aegiochos neben Livia-Ceres, unter deſſen
auspiciis Germanicus (17 n. Chr.) nach dem Orient geht. Agrip-
pina I, Caligula (comitatus patrem et in Syriaca expedi-
tione,
Suet. Calig. 10.), Druſus II, ein Arſaciden-Prinz (?),
Klio, Polymnia. Unten: Die Nationen Germaniens und des
Orients überwunden. Aehnlich erklären Eckhel, Viſconti, Mongez
in der Iconographie und den Mém. de l’ Inst. Roy. viii.
p.
370. (Sacerdoce de la famille de Tibère pour le culte
d’Auguste),
beſonders Thierſch Epochen S. 305.


[195]Griechen. Fuͤnfte Periode.

c.Der Niederländiſche (Jonge
Notice sur le Cabinet des Médailles de S. M. le Roi des
Pays-Bas. Premier Supplément. 1824. p.
14), ein Sardonyr
von drei Lagen, der zweite an Größe, 10 Zoll hoch, trefflich ent-
worfen, aber viel ſchlechter, als die andern, ausgeführt. Mongez
pl. 29. Claudius als triumphirender Jupiter (nach dem Bri-
tanniſchen Siege); Meſſalina, Octavia u. Britannicus auf dem
Wagen, welchen Centauren als τροπαιοφόροι führen. Victoria.


Andre Werke dieſer an ſchönen Kameen ſehr fruchtbaren Zeit,
bei Mongez u. Eckhel pl. 2. 5. 7 — 12. Köhler, Abh. über
zwei Gemmen der KK. Sammlung zu Wien, u. über Bildniſſe
der Julia Auguſta.


3. Durchgängig beinah findet man, daß der Leib im Verhält-
niß gegen die Beine verlängert iſt; daß dies zur Römiſchen Natio-
nalbildung gehöre, bemerkt von Rumohr Ital. Forſchungen i. S. 78.


201. In den Muͤnzen, beſonders den vom Senat1
geſchlagnen Bronze-Medaillen, der Kaiſer des Juliſchen
und Flaviſchen Geſchlechts erſcheint die Kunſt auf gleicher
Hoͤhe bleibend; die Koͤpfe ſind durchaus lebensvoll, charak-2
teriſtiſch und edel aufgefaßt, die Reverſe ſeltner aber
doch auch bisweilen, beſonders auf Neroniſchen Bronzen,
von vollkommner Ausfuͤhrung. Die mythologiſchen Ge-3
ſtalten werden in dieſer Zeit ſchon allgemein auf eine her-
koͤmmliche, fluͤchtige Weiſe behandelt; alle Kunſt concen-
trirt ſich in Portraͤtirung.


1. Die Abbildung bei Mediobarbus, Strada ſind, wie die ver-
rufnen Golziſchen, unzuverläſſig; nach Eckhel auch die ſchönen Dar-
ſtellungen in Gori’s Museum Florentinum. Zuverläſſiger die
bei Patinus, Banduri, Morelli.


202. Unter Trajanus ſind die Reliefs der Saͤule1
gearbeitet, welche ſeinen Sieg uͤber die Dacier feiern.
Kraͤftige Geſtalten, in natuͤrlichen angemeſſenen Stellungen,2
Charakter und Ausdruck in den Geſichtern, ſinnreiche Mo-
13*
[196]Hiſtoriſcher Theil.
tive um die Monotonie militaͤriſcher Anordnung zu
verringern, Gefuͤhl und Innigkeit in der Darſtellung
gemuͤthlicher Scenen, wie der Gnade flehenden Frauen
und Kinder, geben dieſen Arbeiten, bei manchem Fehler
in der Behandlung des Nackten, der Draperieen, einen
hohen Werth.


2. S. die Herausg. Winck. vi, 2. S. 345. Ueber das Hiſto-
riſche, außer Bellori, Heyne de Col. Trai. bei Engels Commen-
tatio de expeditione Trajani.
Hierher gehören auch die
Bildwerke am Bogen des Conſtantin (wo neben Trajan auch Ha-
drian mit Antinoos erſcheint); und andre Reliefs mit Kriegern von
einem Monumente Trajans, welche Winckelm. vi, 1. S. 283.
beſchreibt.


1213. Durch Hadrianus, wenn auch immer zum
großen Theile affektirte, Kunſtliebe, und ſeine Bemuͤhun-
gen dem verfallnen Griechenland wieder emporzuhelfen,
erhielt die Kunſt, welche bisher immer mehr zur Darſtel-
lerin der aͤußern Wirklichkeit geworden war, einen hoͤ-
2hern Flug. Nicht nur giebt es Hadrianskoͤpfe auf Muͤn-
zen (maximi moduli), in denen ein hoͤherer Geiſt der
3Kunſt iſt: ſondern vor allen zeigen die Statuen des An-
tinoos
, die wohl ſaͤmmtlich unter Hadrian oder bald
nachher verfertigt wurden, welch ploͤtzlicher Sonnenſchein
4damals das Land der Kunſt erhellt hatte. Alle dieſe
Statuen gehoͤren Griechenland oder dem benachbarten
Kleinaſien an, wo die Verehrung des Antinoos ihren
Sitz hatte; das ganz neue Leben in den veroͤdeten Land-
ſchaften ſcheint auch die Begeiſterung alter Zeiten geweckt
5zu haben. Am bewundernswuͤrdigſten erſcheint die Sicher-
heit, womit dieſer Charakter von den Kuͤnſtlern einerſeits
nach verſchiednen Stufen, als Menſch, Heros, Gott, mo-
dificirt, andrerſeits aber doch in ſeinem innerſten Weſen
6feſtgehalten und durchgefuͤhrt worden iſt. Uebrigens
iſt Hadrians Zeit grade auch die, wo am meiſten theils
in ſtrengerem, theils in gemildertem Aegyptiſchen Style
argebeitet wurde, wie Statuen der Art aus der Villa
[197]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Tiburtina und eine eigne Claſſe der Antinoos-Bilder
beweiſen.


1. Hadrianus ſelbſt ein Polyklet oder Euphranor nach Victor.
Künſtler der Zeit Papias u. Ariſteas von Aphrodiſias, welche
ſich als Arbeiter zweier Centauren von marmo bigio aus der
Villa Tiburtina (Mus. Capit. iv, 32.) nennen. Winckelm.
vi, 1. S. 300. Auch ein Zenon aus Aphrodiſias in zwei In-
ſchriften, Winckelm. vi, 1. S. 278. 2. S. 341. Gruter p. 1021,
1., und noch einige andre Aphrodiſier führten Winckelmann auf die
Annahme einer Aphrodiſiſchen Schule. Ein Epheſiſcher
ἀνδριαντοποιὸς A. Pantulejus C. I. n. 339. Xenophantos von
Thaſos, n. 336.


2. Z. B. der numus aeneus maximi moduli (dieſe
fangen von Hadrian an) mit Hadrians belorbeertem Kopf, Hadria-
nus Augustus
— ein Mann in der Chlamys, der einen Widder
zu einem Tempel führt um ihn zu opfern. Ein ſehr vortreff-
liches Werk. Die Behandlung des Kopfes iſt in hohem Grade
edel, fließend und geiſtreich. Die große Bronzebüſte im
Muſeum Capitol., bei Mongez pl. 38, ſteht niedriger. Von an-
dern Winck. vi, 1. S. 306. Auf einem Kameo erſcheint der fried-
liche Kaiſer kriegeriſch. Eckhel Pierres gr. pl. 8.


3. Antinoos, aus Claudiopolis in Bithynien, in paedagogiis
Caesaris (Hadr. et de suis dilectis multa versibus com-
posuit,
Spartian 14). Ertrinkt bei Beſa (§. 191.) im Nil,
oder fällt als Opfer eines düſtern Aberglaubens, eine durchaus
räthſelhafte Geſchichte. Gegen 130 n. Chr. Graeci, volente
Hadriano, eum consecraverunt,
Spartian 14. Cultus in
Mantinea (οἱ Βιϑυνεῖς Ἀρκάδες τέ εἰσι καὶ Μαντινεῖς τὰ
ἄνωϑεν Pauſ. viii, 9) u. Bithynien. Zahlreiche Statuen und
Darſtellungen auf Reliefs und Münzen. S. Levezow über den
Antinous. Berl. 1808. Petit-Radel Mus. Napol. T. iii.
p.
91 — 113. Mongez Iconogr. Rom. T. iii. p. 52. Eckhel
D. N. vi. p. 528. Kenntlich an dem Haarwuchſe, den Augen-
braunen, dem vollen Munde (der etwas düſtres hat), der breiten
ſtarkgewölbten Bruſt u. ſ. w. — Νέος Διόνυσος zu Manti-
nea (auch auf Münzen als Dionyſos, Jakchos, Pan mit allerlei
Bacchiſchen Inſignien). Koloſſale Statue von Paleſtrina im Pal-
laſt Braschi. Levezow Tf. 7. 8. Herrliche Büſte in Villa Mon-
dragone, jetzt im Louvre n. 126. Bouill. ii, 82. bei Lev. 10.
War ſanft gefärbt, die Augen aus Edelſtein, Trauben und Pinien-
frucht aus Metall. Der Charakter höchſt ernſt und ſtreng aufge-
[198]Hiſtoriſcher Theil.
faßt. Kameo mit Antinooskopf, dem eine Silenus-Maske als
Kopfbedeckung dient, Eckhel Pierr. gr. 9. Antinoos-Hermes
auf Bithyniſchen Münzen. Als Ariſtäos im Louvre n. 258.
Bouill. ii, 48. Νέος Πύϑιος. Ἀγαϑοδαίμων
Bouill. ii, 51. — Heroiſch (mit kurzgelocktem Haupthaar und
von kräftiger Bildung) der Capitoliniſche Antinoos, Mus. Cap. T.
iii. t.
56. Bouill. ii, 49. Lev. 3. 4. Ἀντινοος ἡρως ἀγα-
ϑος auf Münzen. Aber auch als Heros mitunter Bacchiſch, auf
dem Panther ſitzend, wie auf Münzen von Tios. Mehr indivi-
duell
unter andern in dem Bruſtbild aus dem Louvre n. 49. bei
Mongez pl. 39. n. 3. im PioCl. vi. t. 47. — Daß die eine Fi-
gur der Gruppe von Ildefonſo Antinoos iſt, ſcheint entſchieden, ſ.
Mongez n. 1. 2. Die andre vielleicht Hadrians Dämon, der die
eine Lebensfackel auslöſcht, indem er die andre ſchützt. Andere [Er-
läuterungen]
bei Welcker: Akadem. Kunſtmuſeum S. 53.


6. S. Levezow Tf. 11. 12. Winckelm. W. vi, 1. S. 299. f.
2, 357. vii, 36. Bouill. ii, 47.


1204. Waͤhrend der langen Regierung der Antoni-
nen
ruhte die ermattete Roͤmiſche Welt aus, ohne indeß
die alten Kraͤfte wiedererlangen zu koͤnnen. Wie in der
Redekunſt Aſiatiſcher Bombaſt auf der einen, trockne
Nuͤchternheit auf der andern Seite immer mehr uͤberhand-
nehmen: ſo ſcheinen ſich auch in den bildenden Kuͤnſten
2beide Richtungen gezeigt zu haben. Ja gewiſſermaßen
zeigen ſich in den oft ſehr fleißig gearbeiteten Bruſtbil-
dern der Kaiſer beide zugleich, indem das Haar des
Hauptes und Bartes in einer uͤbertriebnen Lockenfuͤlle wu-
chert, und in allem andern Zubehoͤr eine ſtudirte Eleganz
ſtattfindet; waͤhrend die Zuͤge des Geſichts mit einer un-
verkennbaren Trivialitaͤt aufgefaßt und wiedergegeben ſind.
3Auch die Muͤnzen werden an Kunſt geringer, obgleich
die in Rom geſchlagnen immer noch, beſonders in der
Auffaſſung der Phyſionomie des Kaiſers, viel beſſer ſind,
als die damals in großer Anzahl in Griechenland und be-
ſonders Kleinaſien gepraͤgten Bronzemedaillen, auf denen
die Staͤdte, mit der Eitelkeit ſophiſtiſcher Prunkredner,
ihre Goͤtterbilder, Localmythen und Kunſtwerke zur Schau
ſtellen, ohne indeſſen ſelbſt beachtungswerthe Kunſtwerke
4dabei zu produciren. Eben ſo ſehr muß das andrer Werke
[199]Griechen. Fuͤnfte Periode.
dieſer Periode bedingt werden. Pauſanlas haͤlt die Mei-5
ſter derſelben im Ganzen kaum der Meinung werth.


2. S. beſonders die beiden coloſſalen Büſten des M. Au-
rel u. L. Verus
im Louvre n. 138. 140, von Acqua Traverſa
bei Rom, wovon beſonders die letztre ein Meiſterſtück in ihrer
Art
iſt. Villa Borgh. St. 5. 20. 21. Bouill. ii, 85. die
letztre auch bei Mongez pl. 43. 1. 2. Ueber die bei Marathon
(Herodes Atticus) gefundnen Büſten des Sokrates, M. Aurel und
Aa. Dubois Catal. d’Antiq. de Choiseul-Gouff. p. 21.
(Ueber andre Kunſtwerke, die Herodes veranlaßt, Winck. vi, 1.
S. 319).


Das Haar iſt an dieſen Büſten ſehr mühſam ausgearbeitet
und mit dem Bohrer unterhöhlt. Die Augenlieder liegen lederartig
an, der Mund iſt zugedrückt; die Hautfalten um Auge und Mund
ſtark markirt. Es zeigt ſich darin ein Streben der Nachahmung
des Wirklichen, welches vergißt, daß um den Eindruck des Lebens
wiederzugeben, die äußre Form einige Abänderungen verlangt. Die
Bezeichnung der Augenſterne und Brauen wird ebenfalls immer
gewöhnlicher. Ein klar und beſtimmt ausgeſprochner Charakter man-
gelt am meiſten den Köpfen M. Aurels, doch nicht blos durch des
Künſtlers Schuld.


An den Büſten vornehmer Frauen (wie ſchon der Plotina-
Marciana und Matidia in Trajanus Zeit) gaben ſich die Bildhauer
die höchſte Mühe, den geſchmackloſen Kopfputz getreu wiederzugeben.
In den Draperieen macht ſich eine gedunſne, ſchwülſtige Behand-
lung der Falten bemerklich.


3. Es giebt Münzen von Antoninus Pius, die den beſten
Hadrianiſchen faſt gleichſtehen, obgleich das Geſicht immer auf eine
gemeinere Weiſe behandelt iſt: beſonders die, welche auf dem Re-
vers Scenen aus Hercules Mythen oder der älteſten Römiſchen Ge-
ſchichte zeigen (numi Antonini antiq. Romanam restituentes
Eckh. D. N. vii. p. 29.). Vor allen ſchön iſt die, mit der Um-
ſchrift um Antoninus Bruſtbild: Antoninus Aug. Pius P. P.
Tr. P. Cos. iii;
hinten Hercules, welcher ſeinen Sohn Telephos
an der Hirſchkuh ſaugend wiederfindet — ein Mythus aus der Ge-
gend des damals erneuerten Pallantion. Eckhel p. 34. Die von
M. Aurel ſind wohl durchgängig ſchlechter. Von den Städtemün-
zen unten: Local.


4. Die Statua eq. M. Aurel’s auf dem Capitol aus
vergoldetem Erz iſt ein achtungswerthes Werk, aber Roß und Mann
unendlich weit von einem Lyſippiſchen Werke entfernt. Falconet
[200]Hiſtoriſcher Theil.
sur la statue de Marc-Aurèle. Amsterd. 1781. Cicognara
Stor. della Scultura T. iii. t. 23. Mongez pl. 41. n. 6. 7.
Vergötterung des Antonin und der ä. Fauſtina an
der Baſis der dem Antonin von M. Aurel und L. Verus errichte-
ten Granitſäule, ein ſchönes Relief; die decursio funebris an
den Nebenſeiten viel geringer. PioCl. v. t. 28 — 30. Die
Col. M. Aurelii Antonini iſt der Scenen aus dem Mar-
comannen-Kriege wegen intereſſant (zu der Darſtellung des Unge-
witters, Bellori t. 15., vgl. Käſtners Agape, S. 463 — 490.);
die Arbeit iſt viel geringer als an der Trajaniſchen. Apotheoſe
der j. Fauſtina vom Bogen M. Aurels Mus. Cap. iv, 12.


5. Pauſanias Ausdruck: ἀγάλματα τέχνης τῆς ἐφ̕ ἡμῶν
vi, 21., iſt unmöglich ehrend. Die Bildſäule von Gold u. Elfen-
bein im Atheniſchen Olympieion lobt er „wenn man auf den Ein-
druck des großen Ganzen ſieht„ i, 18, 6. Von Künſtlern
nennt er überhaupt nach Olymp. 120 nur zwei oder drei ſichre
Namen. Ob Kriton u. Nikolaos, die Arbeiter der an der Via
Appia
bei Rom gefundnen Karyatiden, in dieſe Zeit gehören?
Guattani Mon. ined. 1788. p. lxx. Ein geſchickter Holz-
ſchnitzer Saturnin zu Oea in Africa, Appulej. de magia p.
66. Bip.


1205. Die unruhigere Zeit des Commodus, der
naͤchſten Nachfolger, des Septimius Severus und ſei-
ner Familie haͤlt in der Kunſt den Styl feſt, der ſich
in der der Antonine gebildet; doch ſo daß er allmaͤhlig
2ſinkt. Die beſten Werke der Zeit ſind Kaiſerbuͤſten, de-
ren Verfertigung der ſklaviſche Sinn des Senats ſehr
befoͤrderte; die Ikonographie nimmt immer mehr den er-
ſten Platz ein; doch zeigen grade die am ſorgfaͤltigſten
gearbeiteten am meiſten Schwulſt und Manier in der
3Behandlung. Aufgeſetzte Perruͤcken, Gewaͤnder aus bun-
ten Steinen entſprechen dem Geſchmack, worin das Ganze
behandelt iſt. Mit den Buͤſten haͤngen die Bruſtbilder
4der Bronze-Medaillen und Kameen nah zuſammen. Noch
immer bringt die Vermiſchung der Individuen mit idea-
len Geſtalten manches intereſſante Werk hervor, obgleich
ſie aufgehoͤrt hat eine ſo innige Verſchmelzung zu ſein,
5wie in fruͤherer Zeit. In Caracalla’s Zeit ſind viel
Statuen, beſonders von Alexander dem Makedonier, ge-
[201]Griechen. Fuͤnfte Periode.
arbeitet worden; auch war Severus Alexander ein beſon-
derer Freund von Bildſaͤulen, inſofern er ſie als Denk-
maͤler vortrefflicher Menſchen betrachten konnte. Die er-6
hobenen Arbeiten an den Triumphbogen des Septimius,
beſonders an dem kleinern, ſind geſchmacklos und hand-
werksmaͤßig ausgefuͤhrt.


2. Commodus bald jung (einem Gladiator ähnlich), bald
in reiferen Jahren. Schönes Bruſtbild auf Bronze-Medaillen aus
der frühern Zeit, in jugendlicher Geſtalt, mit athletiſchem Körper, mit
dem Lorbeerkranz und der Aegis. Schöner Kopf im Capitol.
Septim Sever, nach L. Verus am häufigſten in Büſten.
PioCl. vi. t. 53. (mit Gorgoneion auf der Bruſt). Mon. Gab.
n.
37. Mongez pl. 47, 1. 2. Die Arbeit iſt indeß noch trockner
wie bei den Antoninen. Bronzeſtatue des Sever, Maffei. Racc.
92.; beſonders in Nebenwerken ſehr ſorgfältig gearbeitet. Von
Caracalla vorzügliche Büſten, mit einem affektirten Ausdrucke
von Wuth, in Reapel, im PioCl. (vi. t. 55.), Capitol., Louvre
(n. 68. Mong. pl. 49, 1). S. die Herausg. Winck. vi. S. 383.
Mit Severus Alexander kommen die kurzgeſchnittnen Haare
und der raſirte Bart wieder auf.


3. Bei den Kaiſerinnen wird die Haartracht immer abge-
ſchmakter; bei der Julia Domna, Soämias, Mammäa, Plautilla
(Caracalla’s Gemahlin) ſind es deutlich Perrücken, galeri, galericula,
sutilia, textilia capillamenta.
Ein Kopf der Lucilla mit ei-
ner abnehmbaren aus ſchwarzem Marmor, Winck. W. v.
S. 51. vgl. über ähnliche die Herausg. S. 360. nach Viſconti u.
Böttiger. Fr. Nicolai über den Gebrauch der falſchen Haare u.
Perrucken S. 36.


4. Commodus ſtellt Hercules vor, accepit statuas in
Herculis habitu.
Lamprid. 9. Eprigramm darauf bei Dio Caſſ.
in Mai’s Nova Coll. ii. p. 225. Eine ſchöne Medaille zeigt
auf der einen Seite das Bruſtbild des Hercules-Commodus, auf
der andern, wie er als Hercules Etrusco ritu Rom neu grün-
det (als colonia Commodiana) Herc. Rom. conditori P. M.
Tr. P. xviii. Cos. vii. P. P.
Eckhel D. N. vii. p. 131.
Auf andern führt Comm. in der Toga die Stiere. Eckhel p. 122.
Hercules-Statuen mit Commodus Kopfe noch übrig. Nach ſpä-
tern Chronographen ſetzte Comm. auch dem von Veſpaſian neu auf-
geſtellten Koloſſ von Rhodos ſein Haupt auf: Allatius zu Philon
p. 107. Orelli. Septim Sever mit ſeinen beiden Söhnen (?)
[202]Hiſtoriſcher Theil.
als Jup. Hercules u. Bacchus bel Luna (Fanti scritti di
Carrara
), Giuſ. A. Guattani in den Dissert. dell’ Acc. Rom.
di Arch. T. i. p.
321. Noch Gallienus wollte als Sol
dargeſtellt werden nnd erſchien bei Aufzügen radiatus. Trebell.
16. 18.


Die Kaiſerinen mit geringer Bekleidung als Venus dar-
zuſtellen, war in dieſer Zeit ſehr gewöhnlich. Der nüchtere Porträt-
Charakter, auch oft der Haarputz der Zeit, bildet mit der Vorſtel-
lung dann gewöhnlich einen ſchneidenden Contraſt. So Marciana,
Trajans Schweſter, (St. di S. Marco ii. t. 20. Winck. W. vi,
284. vgl. v, 275), Julia Soämias (mit beweglichem Haar-
putz), PioCl. ii, 51. Salluſtia, Sever Alexanders Frau, Ve-
neri felici sacrum, PioCl. ii,
52.


5. Caracalla’s Nachäffung Alexanders. Ueberall Statuen
des Makedoniers (auch wohl die §. 129. Anm. 4. erwähnten),
auch Janusbilder des Caracalla u. Alex., Herodian iv, 8. Tu-
mulus
des Feſtus bei Ilion, signum Pantheum darin, Choiſeul
Gouff. Voy. pitt. T. ii. pl. 30. Ueber Sev. Alex., der artifici-
bus undique conquisitis
viele Statuen errichtete, Lamprid. 25.


6. Arcus Sept. Sev. anaglypha cum explic. Suaresii.
Romae 1676 f.


1206. Unter den Goͤtterdienſten ſind es beſonders
die auslaͤndiſchen, welche die Kunſt jetzt beſchaͤftigen.
2Eine Menge von Iſis- und Serapis-Bildern aus ſchwar-
zen Steinen, meiſt plump gearbeiteten, verdankt der Zeit
3nach Hadrian ihren Urſprung. Unter den Mithras-Bil-
dern, meiſt Darſtellungen des geopferten und gequaͤlten
Stiers, findet ſich, etwa zwei Statuen Mithriſcher Fackel-
traͤger ausgenommen, kaum etwas Vorzuͤgliches; aber
4viel Schlechtes und Rohes. Dazu kommen viele Bilder
der Hekate triformis, und signa Panthea, durch welche
die feſte und ausgebildete Form der Helleniſchen Goͤtter
aus Ungenuͤge zur Unform orientalicher Kunſtverſuche zu-
5ruͤckgeworfen wird. Die Gemmen werden jetzt groͤßten-
tentheils zu Amuleten; die Magier verbreiten den Glau-
6ben an wunderbare Wirkungen der Steine; man traͤgt
dem Chaldaͤiſchen Aberglauben huldigend ſein Horoſcop
[203]Griechen. Fuͤnfte Periode.
am Finger; und aus der Vermiſchung Aegyptiſcher und7
Syriſcher Symbolik mit einigen chriſtlichen Ideen, wie
ſie dieſem Zeitalter ganz angemeſſen war, geht der hah-
nenkoͤpfige und ſchlangenfuͤßige Jao-Abraxas hervor.


2. Serapis und Iſis (von deren T. die iii Regio, bei
den Thermen des Titus, den Namen erhält) finden ſich auf Rö-
miſchen Münzen beſonders ſeit Commodus u. Caracalla, Eckhel
vii. p. 128. 213 sq. In dieſe Zeit ſind die meiſten Statuen
zu ſetzen. Deliaca et mystica des Isium et Serapeum?
Lampr. Sev. Alex. 26.


3. Unter den zahlloſen Schriften über die Mithriaca, nach
Philipp a Turre Monum. Vet. Antii, gehört beſonders hier-
her Zoëga über die den Dienſt des Mithras betreffenden Kunſtdenk-
mäler, Abhandl. S. 89 — 211. nebſt Welckers Anm. S. 394.
Vgl. Creuzer Symbol. i. S. 728. Tf. 3. 36. bei Guigniaut pl.
26. 27. 27. bis.
Eichhorn in den Commentat. Soc. Gott.
rec.
1814. 15. Seel Mithrageheimniſſe. 1823. Das berühm-
teſte dieſer Bildwerke iſt das (Montfaucon Ant. expl. 1. pl. 217,
1.) mit der Inſchrift ναμα σεβεσιον aus dem Capitoliniſchen
Speläon, welches 377 zerſtört wurde. Die Zahl derſelben iſt ſehr
groß, auch Süddeutſchland, Frankreich, England, Ungarn, Sieben-
bürgen liefert deren viele.


4. Wie das in einem Muſeum zu Hermannſtadt aufbewahrte
Bild der Hekate, mit Reliefdarſtellungen eines myſtiſchen, ägyp-
tiſirenden Dienſtes. P. von Köppen: Die dreigeſtaltete Hekate.
Wien 1823. 4. Von den Pantheis (Bacchus Pantheus
Auſon. Epigr. 30.) beſonders Hirt im Muſeum der AlterthumsW.
i. S. 259. Das merkwürdigſte iſt das im Grabe des Feſtus
(§. 205, 5.) gefundne.


5. Ueber Talismane und Amulete Schriften von Gaffarel,
Arpe u. Aa. Selbſt Aerzte, wie Alexander von Tralles, empfeh-
len medicas gemmas. Eine Gemme mit einer Inſchrift gegen
Augenübel erklärt von Chriſtoph Saxe und Walch. Serapis Figur
war ein gewöhnliches Phylakterion. Eine der beſten Arbeiten der
Art iſt der Stein mit Horus-Harpokrates auf beiden Seiten u.
der Inſchr.: Μεγας Ὠρος Ἀπολλων Ἁρποκρατης εὐιλα-
τος τω φορουντι, Eckhel Pierr. grav. pl. 30.


6. Thesaurus gemmarum antiq. astriferarum, ed.
A. Fr. Gori.
Commentar von J. B. Paſſeri. Florent. 1750.
3 B. f. Vgl. unten: Syſtem. Theil, Sternbilder.


[204]Hiſtoriſcher Theil.

7. Ueber die Abraxas-Gemmen beſonders Macarii Abraxas —
cum comm. Io. Chifletii. Antverp. 1657. Prodromus iconi-
cus sculptilium gemmarum Basilidiani de Museo Ant. Capel-
lo. Ven.
1702. Paſſeri a. O. T. ii. p. 221. Bellermann drei
Programme über die Abraxas-Gemmen. Berl. 1820. Dorow
im Kunſtblatt 1824. N. 105. Kopps Palaeogr. T. iii. Von
den eigentlichen Abraxas, welche den Gott der unter Trajan u.
Hadrian entſtandenen Sekte der Baſilidianer darſtellen (wie wohl
ſicher erwieſen iſt), unterſcheidet Bellermann Abraxoiden und Abraxa-
ſter, welche verwandte Dämonen-Figuren und Vermiſchungen mit
andern Gottheiten darſtellen.


1207. Allmaͤhlig geht der Schwulſt und Luxus der Kunſt
2immer mehr in Duͤrftigkeit und Armuth uͤber. Man
zieht die Koͤpfe auf den Muͤnzen zuſammen, um mehr
von der Figur und den Beiwerken anbringen zu koͤnnen;
3mit dem Ende des dritten Jahrhunderts aber verlieren
ploͤtzlich die Bruſtbilder alles Relief, die Zeichnung wird
auf eine ſchuͤlerhafte Weiſe unrichtig, die ganze Darſtel-
lung platt, charakterlos und ſo unbezeichnend, daß auch
die verſchiedenen Perſonen nur durch die Umſchriften un-
terſcheidbar ſind; und bald tritt voͤllig der ſteife, lebloſe
Styl ein, welchen die Byzantiniſchen Muͤnzen an ſich
haben. Die Elemente der Kunſt gehn auf eine merk-
4wuͤrdig ſchnelle Weiſe verloren. Die nicht geraubten
Bildwerke am Bogen des Conſtantin ſind roh und unbe-
5holfen; die an der Theodoſiſchen Saͤule, ſo wie am
Fußgeſtell des Obelisk, den Theodoſius im Hippodrom
6zu Byzanz aufgeſtellt, ſcheinen nicht ſchlechter. In den
Sarkophagen tritt, nach jenen ſchwuͤlſtigen, mit ſtarker-
hobnen Figuren, meiſt in lebhafter Bewegung, uͤberfuͤll-
ten Werken der ſpaͤtern Roͤmerzeit, an chriſtlichen Denk-
maͤlern eine monotone, lebloſe, oft architektoniſch bedingte,
7Anordnung und die trockenſte, duͤrftigſte Arbeit ein. Die
chriſtliche Welt macht von Anfang an von der Plaſtik
weit weniger Gebrauch als von der Mahlerei; indeſſen
[205]Griechen. Fuͤnfte Periode.
uͤberdauert die Ehre der Statuen das Leben der Kunſt
in den verſchiednen Theilen des Roͤmiſchen Reiches, be-
ſonders in Byzanz, ſehr lange; ja man geizt nach dieſer
Auszeichnung, bei der man freilich viel mehr auf gehoͤrige
Bezeichnung des Ranges durch Platz und Kleidung achtet,
als auf die Darſtellung von Charakter und Individualitaͤt,
welche dieſer Zeit faſt unbekannt iſt. Leere und hohle8
Formen erſticken jede freie Regung voͤllig; Alles geht in
einem geiſtloſen Hofcaͤremoniel unter. Prunkgeraͤthe aus9
edlem Metall und geſchnittnen Steinen, ein Luxus in dem
die ſpaͤte Roͤmerzeit das Hoͤchſte erreichte, werden noch
immer mit einem gewiſſen Geſchick verfertigt; die ſchlechteſte
Kunſtzeit hatte Kuͤnſtler, die wenigſtens um der Kuͤnſt-
lichkeit ihrer Werke willen ſehr bewundert wurden.


2. So bei Gordianus, Gallienus, Numerianus, Carinus, Ma-
ximianus.


3. So bei den Conſtantinen, Conſtans, Magnentius, Conſtan-
tius u. ſ. w. Den Verfall deutlich zu machen, dienen auch die
numi consecrationum, verglichen mit ältern, ſo wie die Con-
torniaten.


4. S. bei Bellori Arcus. Seroux d’Agincourt Hist. de l’Art
par les mon. T. iv, 2. (Sculpt.) pl.
2. Vgl. Hirt Muſeum
der AlterthumsW. i. S. 266. — Statuen der Zeit bei Aginc.
pl. 3. Die Statue des Conſtantin an der Laterankirche wird, bei
plumpen Giederformen, wegen einfach natürlicher Stellung gelobt;
andre ſind völlig unproportionirt. — Die Arbeit der Haare macht
man ſich in dieſer Zeit immer leichter; man begnügt ſich einzelne
Löcher in die dicke Steinmaſſe zu bohren.


5. Von der Columna Theodosiana (Arcadius ſcheint ſie
dem Theodoſius, oder Theodoſius II. dem Arcadius, zu Ehren er-
baut zu haben; ſie war von Marmor, mit einer Treppe inwendig,
eine Nachbildung der Trajaniſchen; jetzt ſteht nur noch das Fußge-
ſtell in Conſtantinopel) Columna Theodosiana quam vulgo
historiatam vocant, ab Arcadio Imperatore Cpoli erecta
in honorem Imp. Theodosii iunioris a Gent. Bellino de-
lineata nunc primum aere sculpta.
Text von Menetreius.
Seroux d’Agincourt pl. 11. Reliefs vom Fußgeſtell des Obelis-
[206]Hiſtoriſcher Theil.
ken ebd. pl. 10. Vgl. Fiorillo Geſch. der Kunſt in Italien i
S. 18.


6. S. beſonders den Sarkophag mit Chriſtus, den Apoſteln,
Evangeliſten, Elias bei Bouillon iii. pl. 65. u. vgl. die nächſtfol-
genden Tafeln. Mehrere aus den Catacomben bei Aginc. pl. 4—6.
Ein Bildhauer Daniel hatte unter Theodorich ein Privilegium für
Sarkophagen aus Marmor. Caſſiodor Var. iii, 19.


7. S. über den honor statuarum im ſpätern Rom die
Herausg. Winckelm. (Fea) vi, S. 410 ff., unter den Oſtgothen
Manſo Geſch. des Oſtg. Reichs S. 403. Als Dichterbelohnung bei
Merobaudes, ſ. Niebuhr Merob. rel. p. vii. (1824). — Ju-
ſtinians statua equestris war in heroiſchem Coſtüm, was da-
mals ſchon auffiel, aber trug in der linken die Weltkugel mit dem
Kreuz, nach Procop u. Aa. — Ueber den ſpätrömiſchen oder
Byzantiniſchen Bronzecoloſſ zu Barletta in Apulien (bei Fea Sto-
ria delle Arti ii tv.
11.) eine Schrift von Marulli. — In
dem projektirten Vertrage zw. Juſtinian und Theodat, bei Procop,
wird gehörig ausgemacht, daß der Gothenkönig keine Statue ohne
den Kaiſer haben, und immer links ſtehn ſolle. — Auch jetzt
war das μεταγράφειν ſehr gewöhnlich. Herausg. Winck. vi
S. 405. Vgl. §. 159.


8. Eine richtige Schilderung davon giebt P. Er. Müller de
genio aevi Theodos. p. 161 sqq.
— Wie ein eitles For-
menweſen
in Griechenland und der ganzen Welt immer mehr
aufkommt, dafür geben Inſchr. und Münzen (mit ihren Concordien,
Neokoraten u. ſ. w.) tauſend Urkunden an die Hand.


9. Der Gebrauch der Gemmen, meiſt wohl Kameen, an
Gefäßen (dergleichen Gallienus ſelbſt machte, Trebell. 16), am
balteus, den fibulae, caligae und socci (Heliogabal trug Gem-
men der erſten Künſtler an den Füßen, Lamprid. 23), war in die-
ſer ſpätern Kaiſerzeit ſehr verbreitet. Der Sieger der Zenobia
weihte in templo Solis vestes gemmis consertas, Vopiſc.
Aurel. 28. — Daher die ſorgfältige Kameen- u. Gemmen-Ar-
beit bis in die ſpäte Zeit. Ein Sardonyx im Cabinet du Roi
zu Paris — Conſtantin zu Pferde ſeinen Gegner niederſchlagend —;
ein Sapphir zu Florenz — eine Jagd des Kaiſer Conſtantius zu
Cäſarea in Cappadocien, Freher Sapphirus Constantii Imp.
werden gerühmt. Von den Diptychis eburneis unten: Technik.


Heyne Artes ex Cpoli nunquam prorsus exulantes.
Commentat. Gott. iii. p.
3. — Sehr merkwürdig iſt es, daß
[207]Griechen. Fuͤnfte Periode.
nach der Axnmitiſchen Inſchr. der K. von Axum Akzanas dem Ares
eine goldne, eine ſilberne und drei eherne Bildſäulen, wahrſcheinlich
im Griechiſchem Coſtüm, errichtet hatte.


4. Mahlerei.


208. Die Mahlerei erſcheint in der Zeit des Caͤſar1
in einer Nachbluͤthe, welche bald verbluͤht. Gegenſtaͤnde2
des hoͤchſten tragiſchen Pathos: ein raſender Aias unter
den ermordeten Heerden, eine die Kinder mordende Me-
deia, voll Wuth und Mitleid in den weinenden Augen,
ſchienen damals dem ausgezeichnetſten Geiſte ein beſonders
trefflicher Stoff. Daneben iſt die Portraͤtmahlerei beliebt;3
Lala mahlt beſonders Frauen, auch ihr eignes Spiegelbild.


1. Lala von Kyzikos — damals ein Hauptſitz der Mahlerei —
g. 670 R. (et penicillo pinxit et cestro in ebore). So-
polis, Dionyſios, Zeitgenoſſen. Timomachos von Byzanz g.
690. Arellius g. 710. Der ſtumme Knabe Pedius um
720. Der Griechiſche Mahler des Junotempels zu Ardea lebte
wohl um 650 — 700. Vgl. Sillig C. A. p. 246 u. des Vf.
Etrusker ii S. 258.


2. Timomachos Aias u. Medea, berühmte viel in Epigrammen
geprieſene Bilder, von Cäſar für 80 Tal. gekauft und in den T.
der Venus Genitrix geweiht. Böttiger Vaſengemählde ii. S. 188.
Sillig C. A. p. 450. Cäſar kaufte ſie aber wahrſcheinlich nicht von
Timomachos, ſondern den Kyzikenern. Cic. Verr. iv, 60. Quid Cy-
zicenos (arbitramini merere velle) ut Aiacem aut Medeam
(amittant).
Nach Plin. xxxv, 9. kaufte auch Agrippa von
den Kyzikenern einen Aias und eine Aphrodite; Timomachos hatte
wohl viel für dieſe blühende Stadt gemahlt. Vgl. Peterſen Einl.
S. 315. Orestes et Iphigenia in Tauris iſt wohl bei Plin.
xxxv, 40, 30. zu verbinden.


209. In der Kaiſerzeit finden wir die Staffelei-1
Mahlerei, welche allein als wahre Kunſt, wenigſtens
[208]Hiſtoriſcher Theil.
als der Hauptzweig derſelben, galt, vernachlaͤßigt, und
die Wandmahlerei als Dienerin des Luxus vorzugsweiſe
2geuͤbt. Das Ausmahlen von Wohnhaͤuſern und Graͤbern
(auch dies war ſchon in Griechenland, wie in Etrurien,
3geuͤbt worden) beſchaͤftigte tauſend Haͤnde. Plinius un-
ter Veſpaſian betrachtet die Mahlerei als eine unterge-
4hende Kunſt; er klagt, daß man mit den herrlichſten
Farben Nichts hervorbringe, was der Rede werth ſei.
5Die Skenographie, welche beſonders in Kleinaſien eine
phantaſtiſche Richtung genommen hatte, in der ſie
6allen Regeln der Architektonik Hohn ſprach, wurde
nun, auf die Zimmerverzierung uͤbergetragen, wo moͤg-
7lich noch willkuͤhrlicher ausgebildet; indem es grade der
einen Kunſt Vergnuͤgen zu machen ſcheint, bei der
Nachahmung einer andern ſie zu uͤberbieten und in ihr
8unzugaͤngliche Reiche hinuͤberzuſpielen. Zugleich wird in
Auguſtus Zeit die Landſchaftsmahlerei von Ludius, nach
der Weiſe der antiken Welt, zu einer beſondern Gat-
tung ausgebildet; Ludius mahlt als Zimmerverzierung
Villen und Hallen, Kunſtgaͤrten (topiaria opera), Parks,
Stroͤme, Canaͤle, Hafenſtaͤdte, Meeranſichten; belebt durch
Perſonen bei laͤndlichen Geſchaͤften und in allerlei komiſchen
9Lagen: ſehr heitre und wohlgefaͤllige Bilder. Auch in
allerlei Spielereien gefaͤllt ſich die Zeit; in Nero’s gold-
nem Hauſe bewunderte man eine Pallas des Fabullus,
die Jeden anſah der nach ihr hinſah. Nero’s 120 Fuß
hohes Bild auf Leinwand wird von Plinius mit Recht
zu den Tollheiten der Zeit gerechnet.


1. Mahler der Zeit. Ludius g. 730. Antiſtius La-
beo, vir praetorius, um 40 n. Chr. Turpilius Labeo Eq.
Rom.
um 50. Dorotheos 60. Fabullus (Amulius) der
Mahler der domus aurea (carcer eius artis) 60. Cornelius
Pinus, Accius Priſcus, Wandmahler des T. Honoris et Vir-
tutis,
70. Artemidorus 80.


2. Pauſ. vii, 22, 4. beſchreibt ein von Nikias ausgemahltes
Sepulcralmonument. Dies, und daß die Mahler der alt-Atheniſchen
Schule auch auf die Wände mahlten (man ſieht nach Leake im
[209]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Theſeion noch das tectorium von Gyps), muß zur Milderung
von Plinius Ausſpruch: nulla gloria artificum nisi quitabu-
las pinxere
gebraucht werden.


3. S. Plin. xxxv, 1. 2. 11. 37. Vgl. das ſpätere Zeug-
niß des Petronius c. 88.


4. Plin. xxxv, 32. Ebendarüber Vitruv vii, 5. Quam
subtilitas artificis adiiciebat operibus auctoritatem, nunc
dominicus sumptus efficit ne desideretur.


5. S. Vitruv vii, 5. über die Scene, welche Apaturios von
Alabanda in einem kleinen Theater zu Tralles eingerichtet und ge-
mahlt. Pro columnis signa, Centaurosque sustinentes
signa etc.
Ein Mathematiker Licinius veranlaßt die Zerſtörung
des Alabandiſchen Werks. Utinam dii immortales fecissent
ut Licinius revivisceret!


6. Vitruvius ſpricht 1. von Nachbildungen architektoniſcher
Details
in Zimmern, als der urſprünglichſten Decoration in Far-
ben. 2. von architektoniſchen Anſichten im Ganzen,
nach der neuern Weiſe. 3. von den tragiſchen, komiſchen
und ſatyriſchen Scenen
in größern Säälen (exedris).
4. landſchaftlichen Bildern (varietates topiorum) in
den ambulationes. 5. hiſtoriſchen Bildern (megalogra-
phia
), Göttergeſtalten, mythologiſchen Scenen; auch mit Landſchaft
(topiis) dabei, alſo einer Art Genre-Mahlerei. Von dem Cha-
rakter der architektoniſchen Anſichten ſagt er: Pinguntur tectoriis
monstra potius quam ex rebus finitis imagines certae.
Pro columnis enim statuuntur calami, pro fastigiis har-
paginetuli striati cum crispis foliis et volutis; item can-
delabra aedicularum sustinentia figuras etc. vii,
5.


7. Dieſe Bemerkung kann man überall machen, wo Architektur
von der Sculptur (z. B. auch bei den Aegyptiſchen Capellchen aus
einem Stein), noch mehr wo ſie von der Mahlerei zur Decoration
gebraucht wird.


8. Plin. xxxv, 37. 9. Ebd. Vgl. Lukian de dea
Syr.
32.


210. Dieſem Charakter der Kunſt, wie er den Zeugniſſen1
der alten Schriftſteller entnommen werden kann, entſpre-
chen voͤllig die ſehr zahlreichen Denkmaͤler der Wandmah-
14
[210]Hiſtoriſcher Theil.
lerei, welche mit ziemlich gleichem Werthe ſich von der
Zeit des Auguſtus bis zu der der Antoninen hindurch-
2ziehn: die Gemaͤhlde im Grabmal des Ceſtius (§. 190, 1.),
die in den Gemaͤchern des Neroniſchen Hauſes (§. 190, 2.),
welche beſonders glaͤnzend und ſorgfaͤltig ausgeziert wa-
3ren, die in Herculanum, Pompeji und Stabiaͤ; ſo wie
4die im Grabmal der Naſonier, und zahlreiche andre in
5antiken Gebaͤuden hie und da gefundne. So ſehr, und
mehr, als man es erwarten konnte, zeigt ſich auch hier
die Groͤße und Eigenthuͤmlichkeit der alten Kunſt. Die
Raͤume auf das geſchmackvollſte vertheilt und disponirt;
Arabesken von bewundernswuͤrdigem Reichthum der Phan-
taſie; Skenographieen ganz in jenem ſpielenden und Aſia-
tiſchen Architekturſtyl; Landſchaften, wobei immer die Werke
6menſchlicher Induſtrie vorherrſchen; Goͤtterfiguren und my-
thologiſche Scenen, manche ſorgfaͤltig, die meiſten fluͤchtig
gezeichnet, aber haͤufig von einem unnachahmlichen Reize (wie
die beruͤhmten Figuren der Taͤnzerinnen, Kentauren und
[Bacchanten] von Herculanum); Alles dies in lebhaften
Farben heiter und wohlgefaͤllig, mit viel Sinn fuͤr Har-
monie der Farben und eine architektoniſche Totalwirkung,
7angeordnet und ausgefuͤhrt. Viel iſt gewiß hiervon
Copie fruͤherer Bilder, da ſogar das ganze Studium
mancher Mahler darin beſtand, daß ſie alte Bilder aufs
genaueſte wiedergaben (ut describere tabulas mensu-
ris ac lineis sciant
).


2. Histoire critique de la Pyramide de C. Cestius par
l’Abbé Rive
mit Abbildungen nach Zeichnungen M. Carloni’s.
Paris 1787. Description des Bains de Titus — sous
la direction de Ponce. Paris 1787. 3 Livraisons.
Gro-
ßes Kupferwerk über die Thermen des Titus, Zeichnungen von
Smugliewicz, Stich von M. Carloni.


3. Herculaniſche und Pompejaniſche Gemaͤlde: Antichità di
Ercolano, Pitture antiche
in 5 Bänden. Manches bei Gell,
Mazois, Goro (oben §. 190, 4.). Neuentdeckte Wandgemälde in
Pompeji, in vierzig Steinabdrücken nach Zeichnungen von Zahn.
Ternite’s Contorni angekündigt.


[211]Griechen. Fuͤnfte Periode.

4. P. S. Bartolii Veterum sepulcra im Thes. Antiqq.
Gr. XII.
Auch Italiäniſch: Gli antichi Sepolcri. Rom.
1797. Picturae ant. sepulcri Nasoniorum in via Fla-
minia
(1675 entdeckt, aus der Zeit der Antonine) del. et
aeri inc. a. P. S. Bartolo, expl. et ill. a I. P. Bellorio.

P. S. Bartoli Le pitture ant. delle grotte di Roma e del
sepolcro dei Nasoni. Rom. 1706. 1721. f.
P. Santi
Bartoli Recueil de Peintures antiques T. 1. 2. Sec. ed.
Paris 1783. Collection de Peintures antiques, qui
ornaient les Palais, Thermes etc. des Emper. Tite, Tra-
jan, Adrien et Constantin. Rom. 1781. Arabesques
antiques des Bains de Livie et de la Ville Adrienne

nach Raphael geſtochen von Ponce. Paris 1789. Pitture
antiche ritrov. nello scavo aperto 1780. incise e pubbl.
da G. M. Cassini.
1783. Cabott Stucchi figurati essist. in
un antico sepolcro fuori delle mura di Roma. Rom. 1795.
Parietinas Picturas inter Esqu. et Viminalem collem su-
per. anno detectas in ruderibus privatae domus, D. An-
tonini Pii aevo depictas — in tabulis expressas Camillus
Buti Archit. 1778. Raph. Mengs del. Camparolli sc.
7
ſehr ſchöne Blätter (Pitture antiche della villa Negroni).
Von der Aldobrandiniſchen Hochzeit unter: Technik. Im Allge-
meinen vgl. Winck. W. v. S. 156 ff.


6. Außer dieſen Geſtalten (Pitt. Erc. T. i. tv. 25 — 28)
rühmt Winckelmann am meiſten die vier Bilder, Pitt. T. iv.
t.
41 — 44. Zeichnungen (retouchirte?) von Ἀλέξανδρος
[᾽]Αϑηναῖος auf Marmor Pitture T. i. t. 1 — 4. Ueber die
Fehler der Skenographie in den Herculaniſchen Bildern Meiſter
(§. 107. Anm. 3.) p. 162. Ueber die Stücke der Rhyparogra-
phie Welcker ad Philostr. p. 397.


7. Quintil. x, 2.


211. Im Zeitalter Hadrians muß, neben andern1
Kuͤnſten, auch die Mahlerei ſich noch einmal erhoben ha-
ben. Ihm gehoͤrt Aetion an, den Lukian den erſten
Meiſtern an die Seite ſtellt, und ſein reizendes Bild —
Alexander und Roxane, und Eroten mit ihnen und des
Koͤnigs Waffen beſchaͤftigt — nicht genug preiſen kann.
Im Ganzen ſinket indeß dennoch die Mahlerei immer2
mehr zu einer Farbenſudelei herab; und es war gemeinig-
14*
[212]Hiſtoriſcher Theil.
lich ein Geſchaͤft von Sklaven, die Waͤnde nach Luſt
und Laune ihrer Herrn aufs eiligſte mit Bildern anzu-
fuͤllen.


1. Aetion wird ſonſt in Alexanders Zeit geſetzt, aber Lukian
ſagt beſtimmt, daß er nicht in alten Zeiten, ſondern ganz kürzlich
gelebt habe (τὰ τελευταῖα ταῦτα Herod. 4.), alſo wohl in Ha-
drians u. der Antoninen Zeitalter (Lukian unter Commodus). Vgl.
ſonſt Imagg. 7. Hadrian ſelbſt war Rhyparograph. Apollodor
zu Hadrian: Ἄπελϑε καὶ τὰς κολοκύνϑας γράφε. Dio
C. lxix, 4. Suidas s. v. Ἁδριανός. Gegen 140 auch
Diognetos. Eumelos (mahlt eine Helena) um 190. Ariſto-
demos aus Karien, Schüler des Eumelos (?), Gaſtfreund des ältern
Philoſtratos, auch Schriftſteller über die Geſchichte der Kunſt, um
210. — Später, 370 n. Chr., ein Mahler Hilarius aus Bithy-
nien in Athen.


2. In Trimalchios Hauſe (Petron 29) ſieht man Trimalchio
als Merkur u. ſeine Carriere, dann Ilias u. Odyſſee, und Lae-
natis gladiatorium
(vgl. Plin. xxxv, 33.) gemahlt. Bei
Juven. ix, 145 wünſcht ſich Einer unter ſeinem Geſinde einen
curvus caelator et alter, qui multas facies pingat
cito
.
Mahlende Sklaven kommen auch in juriſtiſchen Quel-
len vor, ſ. Fea’s Note in Winck. W. v. S. 496.


1212. Hernach iſt der Verfall der Mahlerei um deſto
ſichtbarer; der fruͤhere Luxus der Arabesken und architek-
toniſchen Verzierungen verſchwindet; plumpe Einfachheit
tritt an deſſen Stelle, wie ziemlich in allen Gemaͤlden
2aus der Zeit des Conſtantin. Daran ſchließen ſich die
aͤlteſten chriſtlichen Bilder in den Catacomben, ſo wie
3die Miniaturmahlereien einiger heidniſchen und chriſtlichen
4Handſchriften an. Auch gehen manche der Kirchenbilder
in der Art der Behandlung und der ganzen Weiſe der
5Darſtellung ſicher auf die Conſtantiniſche Zeit zuruͤck. Beſon-
ders wird aber jetzt bei der Verzierung der Kirchen, wie
der Pallaͤſte, regelmaͤßig von der Moſaik Gebrauch ge-
macht, einem fruͤher hoͤchſt untergeordneten Kunſtzweige,
[213]Griechen. Fuͤnfte Periode.
welcher jetzt ſehr im Anſehn ſtieg, und durch das ganze
Mittelalter hindurch in Byzanz, und von Byzantinern
auch in Italien, eifrig geuͤbt wurde.


1. Die Mahlereien aus den Thermen des Conſtantin, Bartoli
pl. 42 sq. Agincourt T. v. pl. 4. Ob das Bild der Roma
im Pallaſt Barberini wirklich der Zeit Conſtantins angehört? S.
Winckelm. W. v. S. 159. Hirt Geſchichte der Bauk. ii. S. 440.
Sicklers u. Reinharts Almanach aus Rom. 1810.


2. Von den Catacomben: Boſio Roma sotterranea. Roma
1632 (Stiche von Cherubin Alberti). Aringhi Roma subterra-
nea novissima. R.
1651. Bottari Sculture e pitture
sagre estratte dai Cimiterj di Roma
1737 — 54. Ar-
taud Voy. dans les Catac. de Rome. Par. 1810. 8. Bar-
teli’s Werk §. 210, 4. Agincourt pl. 6 — 12.


3. Der Vaticaniſche Virgil (aus dem 4. od. 5. Jahrh?) Fi-
gurae antiquae e Cod. Virg. Vatic.
(S. Bartoli; verſchönert).
Aginc. 20 — 25. Die Ambroſianiſche Ilias (Mai Il. Fragm.
antiquissima c. picturis, Med.
1819.), deren Bilder dem claſ-
ſiſchen Alterthum noch viel näher ſtehn. Der Vaticaniſche Terenz
mit Scenen aus der Comödie. Die Vat. Handſchr. des Kos-
mas Indopleuſtes. Die älteſten Miniaturen zu bibliſchen Bü-
chern, beſonders die Vaticaniſchen zum Joſua, ſchließen ſich ganz
an jene Homeriſchen an.


5. S. Caſſiodor Var. i, 6. vii, 5. Symmachos Ep. vi,
49. viii,
42. Von einem Wandbilde des Theodorich aus
Moſaik Procop bell. Goth. i, 24. Rumohr Ital. Forſch. i.
S. 183. Minder richtig Manſo S. 403. Vgl. Müller de genio
aevi Theod. p.
168. Nachrichten von den nie fehlenden Mo-
ſaiken der Baſiliken Sartorius Regierung der Oſtgothen S. 317.
N. 21. — Proben geben u. Aa. Ciampini Opera. Furietti
de Musivis. Agincourt v. pl. 14 sqq. — Von der Glasmo-
ſaik der Zeit unten: Technik.


213. Bei dem Ueberhandnehmen der Barbarei, dem1
Verſchwinden alles lebendigen Studiums der Naturfor-
men, und dem Untergange aller hoͤhern techniſchen Fer-
tigkeiten, haͤlt indeß eine von neuem handwerksmaͤßig ge-
wordne Praktik des Mahlens immer noch ſehr Viel von
den Grundſaͤtzen und Formen der alten Kunſt feſt. Es2
[214]Hiſtoriſcher Theil.
bilden ſich auch fuͤr die heiligen Perſonen des neuen Cul-
tus ſtehende und um ſo mehr typiſche Formen, je weni-
3ger aufgelegt die Zeit zu eigner freier Thaͤtigkeit iſt. Die
Geſichter werden nach einer idealen, wenn auch immer
roh behandelten, Grundform gebildet; das Coſtuͤm iſt
in der Hauptſache ein Griechiſches, und der Faltenwurf
4wird auf antike Weiſe in großen Maſſen angelegt. Das
Mittelaltrige draͤngt ſich in Tracht und Geberde erſt
allmaͤhlig in die Welt des Alterthums hinein, mehr
bei neuhinzukommenden als alten traditionellen Figuren.
5Ueberall in jener Zeit Spuren einer alten Schule, nir-
gends eine eigne lebendige Auffaſſung der Natur, von de-
ren erneuertem Studium im dreizehnten und vierzehnten
Jahrhundert der friſche Aufſchwung der Kunſt und die
Befreiung von jenen typiſchen und lebloſen Formen aus-
ging, welche in der Griechiſchen Kirche als der letzte
Reſt einer untergegangnen Kunſtwelt noch heutzutage
fortbeſtehen.


1. Wie die Chriſtliche Kunſt lange, nur in den Gegenſtänden
anders gewandt, in Technik und Formen eine antike bleibt, zeigt
beſonders Rumohr Ital. Forſchungen i. S. 157 ff.


Die Zerſtörungen.

1214. Es iſt nach allem Dieſen nicht zu leugnen,
daß fuͤr die Kuͤnſte in Italien die Verſetzung der Reſi-
2denz nach Byzanz; fuͤr die Kunſt im Allgemeinen das
Chriſtenthum, ſowohl ſeiner innerlichen Richtung
nach, die ſich indeß erſt nach und nach zur beſtimmt aus-
geſprochenen Oppoſition gegen die alte Kunſt entwickelte,
3als auch durch die natuͤrliche und nothwendige Feindſeelig-
4keit der aͤußern Stellung; endlich die Einfaͤlle und Er-
oberungen der Germaniſchen Staͤmme verderblich
gewirkt haben, weniger indeß durch abſichtliche Zertruͤm-
merung als durch die natuͤrlichen Folgen von Durchzuͤgen,
[215]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Belagerungen und Eroberungen, indem namentlich den
ehrlichen und fuͤr Bildung empfaͤnglichen Gothen kaum
irgendwo ein freventliches Zerſtoͤren von Kunſtwerken nach
hiſtoriſchen Zeugniſſen vorgeworfen werden kann. Gewiß5
iſt die unuͤberſehbare Maſſe von Kriegs- und Hungers-
noth, Peſt und aller Art von Leiden, welche Rom im
ſechſten und ſiebenten Jahrhundert traf, bei der Geſchichte
des Untergangs der alten Kunſt wohl in Rechnung zu
bringen; dazwiſchen liegende Zeiten von Proſperitaͤt wa-
ren den alten Bauwerken, die nun zu neuen benutzt wur-
den, nur um ſo gefaͤhrlicher. Und doch waren es nicht6
dieſe aͤußern Ereigniſſe, welche hauptſaͤchlich das Verge-
hen der antiken Kunſt, das ſtufenweiſe ſchon lange vor
ihrem Beginn eingetreten war, herbeifuͤhrten und verſchul-
deten; es war die innre Erſchoͤpfung und Schwaͤchung
des menſchlichen Geiſtes, der Verfall alles antiken Sin-
nes, kurz der in innern Lebensgeſetzen begruͤndete Unter-
gang der geſammten geiſtigen Welt, aus welcher die
Kunſt ſelbſt hervorgegangen war. Das Gebaͤude der an-
tiken Kunſt mußte, auch ohne dieſe aͤußern Anſtoͤße, in
ſich ſelbſt zuſammenſinken.


1. S. Heyne: Priscae artis opera quae Cpoli exstitisse
memorantur, Commentat. Gott. xi. p. 3. De interitu
operum tum antiquae tum serioris artis quae Cpoli fuisse
memorantur.
Ebd. xii. p. 273. Peterſen Einleitung S. 120.


Conſtantin führt Bilder von Rom, Griechenland, beſonders
aus Kleinaſien nach Byzanz. Ueber Byzanz Pracht im Allgemeinen
Himerios Or. vii. Ueber die Statuen von Göttern, Heroen,
hiſtoriſchen Perſonen im Bade des Zeuxippos, welches Severus
angelegt, Conſtantin verſchönert hatten, Chriſtodor Ἔκφρασις, An-
thologia Palat. ii.
Auf dem Platze der Sophienkirche ſtanden
vor Juſtinian 427 Statuen ältrer Künſtler. Auch von ungeheu-
ren Coloſſen der Hera, des Herakles hört man bei der Geſchichte
der Fränkiſchen Verwüſtung (Niketas). Im Einzelnen läßt ſich
aber wenig ſichres ſagen; die Byzantiner nennen gern jedes Götter-
bild nach dem Hauptort des Cultus (Samiſche Hera, Knidiſche
Aphrodite, Olympiſcher Zeus). — Rom wurde auch durch das
Exarchat noch beraubt, beſonders 663 unter Conſtans II, ſogar
der Erzziegel des Pantheon.


[216]Hiſtoriſcher Theil.

In Byzanz zerſtörten Feuersbrünſte, beſonders 404. 475
(das Lauſeion), 532 (das Bad des Zeuxipp) u. ſ. w.; dann die
Ikonoklaſten (von 728 an); die Kreuzfahrer (1203 u. 1204),
wobei zwei ungeheure Brände bei weitem den meiſten Schaden tha-
ten. Damals erwarb Venedig Mancherlei (unten: Local). Zu-
gleich litt Griechenland viel durch die Franken und Seeräuber.
Die Türken.


2. Die Chriſtlichen Catacomben zeigen, wie auch heid-
niſche
Gegenſtände (z. B. Orpheus) in die Chriſtliche Allegorie
aufgenommen wurden. Die Porphyrurne der Conſtantia iſt mit
Bacchiſchen Scenen geſchmückt. Winck. vi, 1. S. 342. Die er-
ſten Chriſtl. Kaiſer haben auf den Münzen perſönliche Darſtellungen
der Städte, Victorien und andre in das Heidenthum hinein ſtrei-
fende Gegenſtände. Ein Flußgott auf dem Sarkophag bei Bouill.
iii. pl. 65. Aber auch neu gebildete Gegenſtände, wie der
gute Hirte, erſcheinen in dieſer Zeit auf kunſtgemäße Weiſe aufge-
faßt. Eine verdienſtliche Statue des guten Hirten in Rom beſchreibt
Rumohr It. Forſch. i. S. 168. Ueber die gemma pastoralis
der Thes. gemm. astrif. iii. p. 82. In den Sinnbildern
der älteſten Chriſten (Münter, Sinnbilder u. Kunſtvorſtellungen
der alten Chriſten. 1825) iſt freilich, zum Theil aus dem oft em-
pfohlenen Beſtreben, auch in den Sphragiden alles Götzenbildartige
zu vermeiden, viel Kleinliches und Spielendes. ΙΧΘϒΣ. Die
Meinungen der nachdenkenden Chriſten waren von Anfang an ſehr
getheilt, in Rom im Ganzen mehr für die Kunſt, in Africa ſtren-
ger. Tertullian, Auguſtin, auch Klemens von Alexandreia ſprechen
mit Härte gegen alle Ausübung der Plaſtik und Mahlerei. Vgl.
Jacobs Academ. Reden i. S. 547 f.


3. Ueber Conſtantins ſpätre Verwüſtungen von Tempeln
Herausg. Winck. vi, 2. S. 403. Libanios Klagen ſind wohl
übertrieben. Das Serapeion in Alexandreia, der erſte Tempel
nach dem Capitol, durch Theophilos unter Theodoſius zerſtört.
Direkte Befehle Tempel zu zerſtören beginnen erſt mit Theodoſius
Söhnen. Müller de genio aevi Theod. p. 172. Peterſen
p. 122. Man zerſtörte zuerſt beſonders Sitze eines frechen, oder
myſtiſchen Cultus, Mithrashöhlen u. dgl., dann auch andre Tem-
pelbilder. Man freut ſich dem Volke das ſtaubige Innre der
χρυσελεφάντινα ξόανα zu zeigen, Euſeb. Constant. Vita
iii,
54. Eunapios klagt die Mönche an, Alarichs Heer
zur Zerſtörung des Tempel von Eleuſis geführt zu haben. Da-
gegen aber immer auch wieder Bemühungen die Denkmäler des
Alterthums zu erhalten. Zum Schutze der Kunſtwerke gab es in
[217]Griechen. Fuͤnfte Periode.
Rom einen centurio, dann tribunns, comes, rerum niten-
tium.
Valeſ. ad Ammian. xvi, 6. Künſtler werden im Cod.
Theodos. xiii. tit.
4. geehrt. Die Päpſte hatten mitunter
Sinn für den Glanz, den die Reſte des Alterthums ihrer Stadt
verliehen, namentlich der von Fea gerechtfertigte Gregor der Große.


4. Griechenland wird ſchon ſehr zeitig verwüſtet. Die
ſog. Skythen durchzogen es mehreremal unter Gallien; ſie plün-
derten auch den Epheſiſchen Tempel. In Attika ſchlug ſie Dexip-
pos bei der Plünderung der Stadt, Trebellius Gallien 6. 13. (vgl.
Corp. Inscr. n. 380.). 395 bedrohte Alarich Athen; doch
wandte nach Zoſimos Athena Promachos die Zerſtörung ab (und
grade in Athen beſtand das Alterthum in Monumenten, Glaube
und Sitte am längſten ungefährdet. Leake Topogr. Einl.). Rom
wird zweimal von Alarich eingenommen (409 viele goldne Statuen
eingeſchmolzen um ihn zu befriedigen), dann von Ataulph. Von
Genſerich dem Vandalen 455. Die Kunſtſchätze des Capitols nach
Africa geführt. Der in Byzanz gebildete Theodorich ſchützt
das Alterthum und die Kunſt mit Sorgfalt. Vgl. die Vertheidi-
gung der Gothen bei Sartorius S. 191 fg. Wittigs Belagerung
537. Vertheidigung der Moles Hadriani mit Statuen. To-
tilas Verwüſtungsplan 546. Kriege der Longobarden und Grie-
chen. Vgl. im Allgemeinen Winckelm. W. vi, 1. S. 349 ff.
nebſt den Anmerkungen. Fea sulle rovine di Roma in der
Ital. Ueberſ. Winckelmanns. Peterſen S. 124 ff. Niebuhrs Kl.
Schriften S. 423 ff. — Umſtände, welche auf ein plötzliches
Stocken
in Kunſtunternehmungen ſchließen laſſen, führt Winck.
vi, 1. S. 337. an, ſo wie die Herausg. S. 390.


[218]

Anhang.
Die ungriechiſchen Voͤlker
.


I.Aegyptier.


1. Allgemeines.

1215. Die Aegyptier ſind ein durchaus eigenthuͤm-
licher Zweig der Caucaſiſchen Menſchenraçe im weitern
2Sinn dieſes Worts. Ihr Koͤrperbau war zierlich, ſchmaͤch-
tig, mehr fuͤr ausdauernde Arbeit, ſtandhaftes Erdulden,
3als heroiſche Kraftaͤußerung geſchaffen. Ihre Sprache,
in der Koptiſchen erkennbar, ſteht in ihrem Baue den
Syriſchen (Semitiſchen) nahe, aber beruht noch mehr auf
aͤußerlicher Anreihung, und entfernt ſich um deſto weiter
von dem innern organiſchen Reichthum der Griechiſchen.
4Dieſer Volkſtamm findet ſich ſeit Urzeiten in der ganzen
Ausdehnung des Nilthals; die Aethiopen des Reiches
Meroe waren, zwar ſelten politiſch, aber durch uͤberein-
ſtimmende Sitte, Religion, Kunſt, uͤberhaupt Nationali-
5taͤt, mit den Aegyptiern vereinigt. So wie dieſes Strom-
land, beſonders in Aegypten, durch die ſcharfe Abgraͤnzung,
die jaͤhrliche große Ueberſchwemmung, einen ſehr beſtimm-
ten und feſten Charakter, etwas Abgeſchloſſnes und Ein-
foͤrmiges hat: ſo finden wir hier auch das geſammte Le-
ben ſeit uralten Zeiten ſehr geregelt, und gleichſam erſtarrt.
[219]Anhang. Aegyptier.
Die Religion, ein Naturcult, war ein ſehr weitlaͤuftiger6
Caͤremoniendienſt geworden, mit allerlei Prieſterwiſſen-
ſchaft verbraͤmt. Ein complicirtes Syſtem der Hierarchie
und des Kaſtenweſens wand ſich durch alle Zweige oͤf-
fentlicher Thaͤtigkeit, wie des Handwerks und der Kunſt
hindurch; jegliches Geſchaͤft hatte ſeine erblich darauf an-
gewieſnen Leute.


1. Keine Neger, obgleich ihnen unter den Caucaſiern am näch-
ſten ſtehend. Die Lippen ſtärker, Naſe aufgeworfener, als bei den
Griechen. Vgl. mit den alten Bildwerken die Köpfe von Kopten,
Denon Voy. T. i. p. 136. 8. Gau’s Antiq. de la Nubie
pl.
16.


2. Plerique subfusculi (es gab Unterſchiede, durch μελάγ-
χρως u. μελίχρως bezeichnet, wie in der Verkaufsurkunde des Pa-
monthes) sunt et atrati, magisque maestiores, graci-
lenti et aridi
. Ammian xxii, 16, 23. Ein imbelle et
inutile vulgus
nach Juvenal xv, 126, aber auf der Folter
nicht zu bezwingen. Ammian u. Aelian V. H. vii, 18. S.
Herod. iii, 10. ii, 77. von den Hirnſchädeln zu Peluſium.


4. Die Bildwerke Ober-Nubiens zeigen dieſelbe Körperform
und Farbe, wie die Aegyptiſchen. — Eine politiſche Einheit nur
unter Seſoſtris (1500 v. Chr.). u. Sabakon (800).


Vgl. Heeren Ideen ii, 2. (1826). Abſchn. i. Anſicht des
Landes und Volkes.


216. Wie dieſes Volk durch ſeine ſtille und ernſte1
Natur ſehr viele Zweige der Induſtrie und der mechani-
ſchen Kuͤnſte fruͤhzeitig zu einer bewundernswuͤrdigen
Hoͤhe gebracht hat: ſo finden wir hier auch ſchon in ur-
alter Zeit eine ausgebildete und viel gebrauchte Schrift.
Und zwar unterſcheidet man die Hieroglyphen als2
eine eigentlich monumentale Schrift, welche von direkter
Abbildung und tropiſcher Bezeichnung ausgehend, ſich in
einzelnen Theilen einer alphabetiſchen Schrift naͤhert, wie
beſonders in den Namenſchilden; die hieratiſche Schrift,3
welche bei der Uebertragung der Hieroglyphik, beſonders
[220]Hiſtoriſcher Theil.
des phonetiſchen Theils derſelben, auf Papyrus durch
Abkuͤrzung und Vereinfachung der Zeichen entſtanden zu
4ſein ſcheint; endlich die demotiſche, ſich wieder an
dieſe anſchließende, welche in ihrer Natur noch mehr al-
phabetiſch, und in der Form der Zeichen am meiſten
ſimplificirt iſt.


2. Entdeckung der phonetiſchen Hieroglyphen. Gebaut
auf die Vergleichung des Namens Ptolemäos auf dem Roſettaſtein
(§. 217, 4.) mit dem Namen Kleopatra an dem Obelisken zu Philä.
Anregung von Young: Artikel Egypt im Supplement der En-
cyclopaedia Britannica. 1819. Account of some recent
discoveries in Hieroglyphical Literature and Egyptian
Antiquities
. 1823. Vollſtändigere Entwickelung von Cham-
pollion le jeune. Lettre à M. Dacier relative à l’alphabet
des hiéroglyphes phonétiques. 1822. Précis du système
hiéroglyphique des anciens Egyptiens.
1824. Beſtätigt
durch H. Salt’s Essay on Dr. Youngs and Mr. Champol-
lion’s Phonetic system of Hieroglyphics.
Entgegenge-
ſetztes (?) Syſtem in Seyffarths Rudimenta Hieroglyphices.
1826.


3. Ἱερατικὴ γραμμάτων μέϑοδος ᾗ χρῶνται οἱ ἱερο-
γραμματεῖς bei Klemens. Auf Papyrus-Rollen, welche liturgi-
ſcher Art zu ſein und Hymmen zu enthalten ſcheinen. Auch zahlreiche
Bruchſtücke gefalteten Papyrus (vgl. Herod. ii, 100.) mit Namen
u. Regierungsjahren der Könige in der Turiner Sammlung. S.
Quintino Lezioni intorno a diversi argomenti d’Archeo-
logia.
1825. — Meiſt hieratiſche Stücke verzeichnet der Ca-
talogo de’ papiri Egiziani della bibl. Vaticana
von Mai
1825. 4.


4. Ἐπιστολογραφικὴ μέϑοδος bei Klemens, δη-
μοτικὰ
, δημώδη γρ. bei Herod. Diodor. (ἐγχώρια iſt allge-
meiner). Auf Papyrus, für Urkunden, Briefe, allerlei weltliche
Aufzeichnungen gebraucht. Urkunden und Akten einer Cholchyten-
(Mumienbekleider-) Familie zu Theben, theils demotiſch, theils
griechiſch, zum Theil ſich entſprechend. Einzelnes herausgegeben
von Böckh (Erklärung einer Aegypt. Urkunde. Berl. 1821) u.
Buttmann (Erkl. der Griech. Beiſchrift. 1824), von Peyron (Pa-
pyri Graeci R. Taurinensis Musei Aegyptii,
beſonders die
Proceßakte von 117 v. Chr.), in Youngs Account u. Hierogly-
phics,
bei Mai a. O., u. Koſegarten de prisca Aegyptio-
[221]Anhang. Aegyptier.
rum litteratura Comm. I. 1828. Dieſe Urkunden u. der
Roſettaſtein haben zur Beſtimmung einer Anzahl von Buchſtaben,
die in griechiſchen Namen vorkommen, der Zahlzeichen und andrer
Siglen geführt, beſonders durch Young, Champollion, Koſegarten.
Ueber Spohns Arbeit (de Lingua et Literis veterum Aegyp-
tiorum, ed. et absolvit G. Seiffarth
) vgl. u. a. GGA. 1825.
St. 123.


Das beſte Material dieſer Forſchungen geben die: Hierogly-
phics collected by the Egyptian Society arranged by Th.
Young,
wovon bis jetzt 80 Blätter erſchienen ſind.


217. Durch die neuerlich gewonnene Kenntniß dieſer1
Schriftarten, namentlich der erſten, und eine dadurch ver-
anlaßte groͤßre Beachtung des Manethon haben wir zu-
gleich feſte Beſtimmungen uͤber das Alter vieler Mo-
numente
erlangt, welche, bei der ſchon von Platon
geruͤhmten Unveraͤnderlichkeit der Kunſt in Aegypten,
Jahrtauſende hindurch, unmittelbar aus dem Styl der
Denkmaͤler kaum gewonnen werden konnten. Wir unter-
ſcheiden nun:


I. Die Periode vor der Syriſch-Arabiſchen Erobe-2
rung der Hykſos oder Hirtenkoͤnige (ſechzehn Dynaſtieen
bei Manethon), in der This und Memphis beſonders
bluͤhten. Nichts entging am Ende derſelben der Zerſtoͤ-
rung, als die Pyramiden von Memphis, Werke der
vierten Dynaſtie. Aber auch Tempelfragmente der fruͤ-
hern Zeit finden ſich hie und da ſpaͤteren Werken einge-
baut; ſie zeigen genau dieſelbe Kunſtart, wie die
ſpaͤtern. Wie dieſe nationale Kunſtweiſe ſich gebildet,
ſtufenweiſe zu verfolgen, hat beſonders eben die unge-
heure Verwuͤſtung der Hykſos, der Schluß dieſer Periode,
unmoͤglich gemacht.


II. Der Stamm einheimiſcher Fuͤrſten, der auch3
unter den Hykſos nicht erloſchen war, aber ſich in die
entfernteſten Gegenden zuruͤckgezogen hatte, erobert, von
den Suͤd-Graͤnzen Aegyptens ausgehend, (die achtzehnte,
Thebaͤiſche, Dynaſtie bei Manethon) allmaͤhlig das Reich
wieder, und erhebt es zu neuem Glanze, der unter Ram-
[222]Hiſtoriſcher Theil.
ſes dem Großen, Sethos bei Manethon, ſonſt Seſoſtris
genannt, (dem erſten der Fuͤrſten der neunzehnten Dyna-
ſtie, 1473 v. Chr.) ſeinen Gipfel erreicht. Sein Name
und die mehrerer anderer Ramſes, Amenophis, Thut-
moſis, ſtehen auf zahlloſen Tempeln und andern Monu-
menten, auch in Unter-Nubien. Theben iſt der Mittel-
punkt Aegyptens und erhebt ſich zur hoͤchſten Bluͤthe.
Auch die nachfolgenden Dynaſtieen, ſelbſt die, den Aegy-
tiern verwandten, Aethiopiſchen Eroberer, laſſen in glei-
cher Kunſtweiſe Denkmaͤler ihres Namens zuruͤck: und
unter den philhellienſchen Herrſchern von Sais iſt in der
Kunſt noch Nichts von Griechiſchem Einfluſſe zu bemerken.


4III. Aegypten befindet ſich unter fremder Herrſchaft,
zuerſt Perſiſcher, dann Griechiſcher, darauf Roͤmiſcher,
ohne daß indeß das Leben im Innern des Landes da-
durch ſehr veraͤndert wuͤrde. Die alte Kaſteneinrichtung,
die Hierarchie im Verhaͤltniß zur Nation beſteht fort;
alle Geſchaͤfte des Lebens und Zweige der Kunſt werden
nach der alten Weiſe geuͤbt. Die Koͤnige und Kaiſer
werden von der Prieſterſchaft der verſchiedenen Diſtrikte
in Titeln und Darſtellungsweiſe ganz nach der Art der
alten Pharaonen behandelt. Erſt das Chriſtenthum ver-
nichtet durch aͤußerliche Zerſtoͤrung dieſe mumienartig in
ſich aufgetrocknete und darum unverwesbare Aegyptiſche
Welt.


1. Manethon (260 v. Chr.) ſteht, abgeſehn von den Cor-
ruptionen des Texts, ſo hoch an Zuverläſſigkeit über den eigentli-
chen hiſtoriſchen Nachrichten Herodots, als authentiſche Aufzeichnun-
gen, von einem kundigen Eingebornen benutzt, über mündlichen Er-
zählungen zweideutiger Mittelsperſonen an einen Fremden. Unter
ſolchen Aufzeichnungen, welche Manethon benutzen konnte, iſt die
Genealogie Ramſes des Großen merkwürdig, welche die Tafel von
Abydos giebt (am genaueſten Hierogl. 47). Wenigſtens ſtimmt
hier die Folge, Thutmoſis, Amenophis, Horus, mit Manethon
überein.


2. Die Pyramiden-Erbauer, Suphis I. (Cheops Herod.),
ein Götterverächter, Suphis II. (Chephren), Mencheres (Mykeri-
[223]Anhang. Aegyptier.
nos), Könige der iv Dynaſt[i]e, von den Prieſtern, die Herodot
hörte, aus theokratiſchen Gründen in die Zeit des Verfalls hin-
abgeſchoben. Vgl. Heeren Ideen ii, 2. S. 198 mit Champollion
Lettres à M. le Duc de Blacas II. Eben da über die Bruch-
ſtücke früherer Gebäude, die man im Ammonstempel und Pallaſt
bei Karnak in den Ruinen Thebens findet.


3. Die xviii Dynaſtie bei Champollion: Amnoftep, Thoyt-
mos, Amnmai, Thoytmos) II, Amnof, Thoytmos III,
Amnof II
(Φαμένωφις oder Μέμνων), Horus, Ramses I,
Ousirei, Manduei, Ramses II, III, IV (Mei-Amn), V.

Die xix: Amn-Mai Ramses VI, Ramses VII,
Amnoftep II, Ramses VIII, IX, Amen-me, Ram-
ses X.
Von den Folgenden glaubt man auf Monumenten zu
finden: Manduftep (Smendes, XXI), Scheschonk, Osorchon,
Takelothe (XXII),
Sabaco u. Tirraka (XXV, dieſe Salt),
Psemteg (Pſammetichos, XXVI), Naiphroue, Hakr (Nephe-
reus u. Akoris, von der xxix Dyn. aus der Perſerzeit).


4. Hauptſtützen dieſer in neueren Zeiten gewonnenen Anſicht,
1. Der Roſettaſtein, ein Dankdecret, in hieroglyphiſcher, demotiſcher
und Griechiſcher Schrift, der in Memphis verſammelten Prieſter
an Ptolemäos V, der ſich nach Pharaonen-Weiſe hatte inauguriren
laſſen, beſonders dafür daß er die Prieſterſchaft von manchen Laſten
befreite. Zuletzt erklärt von Drumann. Dergleichen Dank- und
Lob-Decrete gab es viele; noch Nero’s Tugenden wurden von den
Einwohnern von Buſiris in Hieroglyphen geprieſen. 2. Die Grie-
chiſchen Inſchr. an den Tempelwänden, meiſt des Inhalts, daß
Ptolemäer oder Imperatoren, oder die Landeseinwohner für das
Heil dieſer Herrſcher (ὑπὲρ αὐτῶν), den Landesgöttern Tempel,
oder neue Theile derſelben, weihen; ſie reichen bis in die Zeit
der Antonine hinab. Recherches pour servir à l’ histoire
de l’Egypte pendant la domination des Grecs et des Ro-
mains—par M. Letronne
1823. 3. Die hieroglyphiſchen Inſchr.
mit Namen von Ptolemäern und Römiſchen Kaiſern bei Darſtel-
lungen, die dem Inhalt und der Form nach rein Aegyptiſch ſind.
Champollion. 4. Noch tiefer in das Privatleben hinein führen
die Urkunden der Cholchyten, §. 216, 4. Vgl. GGA. 1827 St.
154—156. Man ſieht daraus, das ganze ius sacrum der Aegyp-
tier, und was gehörte hier nicht dazu, beſtand in der ſpätern Ptole-
mäerzeit noch ziemlich ungefährdet.


218. Dem Local nach zerfallen die Monumente der1
Aegyptiſchen Kunſtweiſe:


[224]Hiſtoriſcher Theil.

1I, in die Ober-Nubiſchen. Hier lag das, we-
nigſtens ſchon vor Herodot bluͤhende Reich, Meroe, in
dem die Prieſterherrſchaft bis Ergamenes (um 270 v.
Chr.) noch ſtrenger, prieſterliche Kenntniß noch allgemei-
ner verbreitet war. Auf dieſer ſogenannten Inſel findet man
jetzt noch bedeutende Gruppen von Ruinen, welche indeſ-
ſen den Aegyptiſchen Styl nur in einer ſpaͤtern Ausartung
zeigen. Am noͤrdlichen Ende derſelben, ſchon außerhalb
der Inſel, finden ſich aͤhnliche Gebaͤude von Napata, der
Reſidenz der Koͤniginnen Kandake; auch zeigen ſich Bau-
werke verwandter Art an mehrern Orten Abeſſyniens.


2II. Die Unter-Nubiſchen, durch einen großen
Raum von jenen getrennten, ſich an Oberaͤgypten an-
ſchließenden. Daß ſie meiſt die Geſtalt von Hoͤhlenanla-
gen tragen, hat wohl zum Theil die geringere Ausdeh-
nung des Nilthals bewirkt, welches keine hinlaͤngliche
Flaͤche zu andern Conſtructionen darbot; den hieroglyphi-
ſchen Inſchriften nach ſtammen ſie meiſt aus der bluͤhen-
den Zeit Thebens. Der unfertige Zuſtand der meiſten
beweiſt, daß die Verhaͤltniſſe, aus denen ſie hervorgin-
gen, voruͤbergehend waren.


3III. Die Ober-Aegyptiſchen, theils oberhalb
Thebens, theils in Theben ſelbſt, theils unterhalb bis Her-
mopolis. Die Monumente von Theben, bei weitem die
coloſſalſten unter allen, danken meiſt einer und derſelben
Zeit, der achtzehnten und neunzehnten Dynaſtie, ihre
Entſtehung, und ſtellen daher einen und denſelben maͤch-
tigen und grandioſen Styl dar.


4IV. Die Mittel-Aegyptiſchen und V, die
Unteraͤgyptiſchen, urſpruͤnglich nicht minder zahlreichen,
aber durch die haͤufigern Voͤlkerzuͤge und Verheerungen in
dieſen Gegenden, ſo wie durch die Entſtehung neuer
bedeutender Staͤdte in der Nachbarſchaft zum großen Theil
vertilgt. VI.Oaſen.


1. Reich Meroe. Beinahe eine Flußinſel, durch Nil u.
Aſtaboras. Das vom Gihon umfloſſne Kuſch. Ruinen am Nil,
[225]Anhang. Aegyptier.
um Schendy, 17 nördl. Breite. Hier liegen Gurkab, wo 43 Py-
ramiden, Aſſur, wo 80. Südlich von Schendy, vom Nil ab,
Meçaurah mit einem labyrinthiſch angelegten Heiligthum (dem Ora-
keltempel nach Heeren) u. Naga, wo ein T. des Ammon mit Wid-
deralleen. Außerhalb der Inſel, nördlich davon bei Dongolah,
die Ruinen am Berge Barkal u. bei Merawe, ehemals Napata.
Nirgends trägt in allen dieſen Ruinen die Architektur und Sculptur
einen ſtreng alterthümlichen Charakter (vgl. §. 221, 2.); und
ich zweifle kaum, daß die Königinnen, welche, bald mit einem Kö-
nig, bald allein, in kriegeriſchen wie prieſterlichen Akten vorkommen,
zu den Kandake’s gehören, welche von der Makedoniſchen Zeit bis
ins 4te Jahrh. n. Chr. hier herrſchten, und außer Napata auch
Meroe inne hatten (Plin. vi, 35). S. Burckhardts Travels
in Nubia.
Cailliaud’s Voyage à Méroé etc. 2 Bände Kupfer,
nebſt Erläuterungen, 3 Bde Text. Nachrichten von Rüppel. Karte
von Ritter im zweiten Heft der Charten und Pläne.


In Habeſch Axum (nach Mannert durch die Auswanderung
der Aegyptiſchen Kriegerkaſte gegründet) um 500 n. Chr. ein mäch-
tiges Reich. Obelisken, abweichender Art, ohne Hieroglyphen.
Nachrichten von Bruce, Salt, Lord Valentia Travels T. iii.
Aehnliche im Hafen Azab und wohl auch in Adule.


2. Unter-Nubien von Soleb an, durch eine Monumenten-
leere Strecke von 35 Meilen von Meroe getrennt. Tempel von
Soleb (Reliefs von Amenophis II.); Aamara; Semne; Wady-
Halfa; Ibſambul (zwei Felstempel mit Coloſſen, der größere
iſt das Ehrenmonument Ramſes des Gr.); Derri; Haſſeya; Amada;
Wadi-Sebua (Tempel und Sphinxreihen); Moharraka [Hieroſyka-
minon); Korti [Corte]; Dakke [Pſelkis]; Gyrſche [Tulzis] mit
einer ſehr großen Tempelgrotte, ſtützenden Coloſſen, beſonders alt;
Dondur; Kalabſche mit einem T. u. einem Felſendenkmal [Talmis];
Tafa [Taphis]; Kardaſſy [Tzitzi]; Debod mit der Inſel Berembre
[Parembole]. Berenike am rothen Meer mit einem kleinen T.
Spuren der Nichtvollendung bemerken an den meiſten Monumenten
Nubiens Leljegreen u. Aa. Hauptquellen die Reiſen Burckhardts,
Lights, dann Belzoni: Narrative of the operations and re-
cent discoveries within the pyramids, temples, tombs
and excavations in Egypt and Nubia. Sec. edit.
1821.
(Ibſambul), beſonders Gau’s Antiquités de la Nubie. 13.
Livraisons
Kupfer, nebſt Text. Par. 1822. Vgl. auch Leljegreen,
aus dem Schwediſchen in Schorns Kunſtbl. 1827. N. 13 ff.


3. Oberägypten. Die Inſel Philä (Inſel der Iſis in
Griech. Inſchriften) mit einem großen T. (Viel von Ptolem. Euerg. ii.
15
[226]Hiſtoriſcher Theil.
gebaut); Elephantine (Denkmäler von Amenophis II.); Syene
[j. Aſſuan]; Omboi [Koum Ombo]; Silſilis; Groß-Apollinopolis
[Edfu] mit einem prachtvollen Tempel nebſt Typhonion; Eilethyia
[ElKab] mit vielen und ſchönen Katakomben; Latopolis [Esneh]
mit einem großen ſehr mächtig conſtruirten, und einem kleinen,
ſpät und ſchlecht gebauten, Tempel; Aphroditopolis [Eddeir]; Her-
monthis [Erment].


Dann Theben. Die Trümmer im Ganzen an 5 geogr.
Meilen im Umfang. 1. Die eigentliche Stadt auf der Oſtſeite.
Tempel u. Pallaſt bei Lukſor (Amenophis II.), durch eine über
6000 Fuß lange Sphinx-Allee verbunden mit dem Tempel (Ame-
nophis I.) und Pallaſt (Ramſes der Gr.) bei Karnak. Kleiner
Hippodrom. 2. Die Μεμνόνεια, d. h. die Todtenvorſtadt,
Nekropolis, auf der Weſtſeite. (Darüber unterrichtet beſonders die
von Peyron herausgegebne Proceß-Akte nebſt der Syngraphe des
Nechutes; alle Leichenbeſorger ſollten hier wohnen; τὰ Μεμνόνεια
ſagt auch der Schriftſteller bei Orelli Philo p. 146.). Beſonders
gehörte dazu die Gegend um Kurnah, das Oſymandyeion mit einer
Sphinxallee, die Gräbergrotten u. Syringen, das Feld mit den Ko-
loſſen, wo ohne Zweifel ein Hauptgebäude lag. ῾ϒπὲρ δὲ τοῦ
Μεμνονείου (Strabon bezeichnet das Felſenthal Biban el Maluk;
doch liegen ähnliche Grabmäler auch bei Kurnah) ϑῆκαι βασιλέων
ἐν σπηλαίοις λατομηταὶ περὶ τετταράκοντα ϑαυμαστῶς
κατεσκευασμέναι. Südlicher, bei Medinet-Abu, ein Pallaſt
(Ramſes II.) und Pavillon (nach den Vf. der Description)
in zwei Stockwerken bei dem großen Hippodrom (6000 × 2000
Par. Fuß). Viv. Denon’s Voyage dans la haute et
basse Egypte pendant les camp. du Gén. Bonaparte,
1802. Description de l’Egypte. Antiquités V.
i. ii. iii.
Hamilton Remarks on several parts of Turkey.
Vol. i. Aegyptiaca.
Reiſe zum T. des Jupiter Ammon in der
Libyſchen Wüſte und nach Ober-Aegypten von H. Freiherrn v. Mi-
nutoli, herausg. von Tölken 1824. Minutoli’s Nachtrag 1827.
Vgl. Ritter Erdkunde i. (1822) S. 680 ff.


Weiter hinab. Klein-Apollinopolis [Kous]; Koptos [Kuft];
Tentyra mit einem zierlichen Tempel, der nach den Namenſchildern
von Kleopatra u. Ptolemäos Cäſar begonnen, von den Kaiſern fort-
gebaut worden iſt; Klein-Diospolis; Abydos [El Arabat]; This
[bei Girgeh]; Chemmis [Eckhmin]; Antäopolis [Kan el Kebir];
Lykopolis [Es Syut].


4. Mittelägypten. Hermopolis [Beniſour]; Kynopolis (?)
[Nesle Sheik Haſſan]; Aphroditopolis [Doulab el Halfeh]; daue-
[227]Anhang. Aegyptier.
ben die Landſchaft des Sees Möris [Fayoum] mit dem La-
byrinth und Pyramiden, auch einem muthmaßlichen T. des Am-
mon in der Nähe, Krokodilopolis (Arſinoe). Descr. T. iv.
pl. 69 sqq.


Memphis. Das Λευκὸν τεῖχος, welches ohne Zweifel die
βασίλεια enthielt, lag hoch, und ſchloß ſich wahrſcheinlich hinten
an die Pyramiden von Sakkarah als Nekropolis an. Die Pyramiden
von Ghizeh, die höchſten, liegen 40 Stadien nördlich von der
Stadt; die von Dashour ſüdlich davon. Der Boden voll Syringes.
Vom T. des Phthas nebſt der αὐλὴ des Apis keine Spur. De-
script. T. v.


Unterägypten. Heliopolis oder On [bei Matarieh], nur
ein Obelisk noch vorhanden: Tanis [San], ein δρόμος von Gra-
nitſäulen; Sais [Sa el Haggar], bebeutende Ruinen; Tapoſiris
[Abuſir]. Descr. T. v.


Oaſen. Ammoniſche Oaſe, von Siwah. Ruinen des Am-
monstempel (zu Omm-Beydah), der Königl. Burg, Katakomben.
Reiſe von Minutoli. Voyage à l’Oase de Syouah, redigé
par Iomard d’après les materiaux recueillis par Drovetti
et Cailliaud.
— Nördliche Oaſe von Aegypten, El Wah oder
El-Kaſſar genannt, mit ausgedehnten Ruinen, von Belzoni be-
ſucht. Südliche Oaſis, El Khargeh und El Dakel, mit Aegypti-
ſchen T. u. ſpätern Gebäuden, von Cailliaud genau beſchrieben.
Cailliaud Voy. à l’Oasis de Thebes et dans les deserts si-
tués à l’Orient et à l’Occ. de la Thébaide, redigé par Jo-
mard. 2 Vol. fol.
— Aegyptiſch-Griechiſche Gebäude im
Smaragdgebürge zu Sekket, Caill. pl. 5 sqq.


2. Architektonik.

219. Die Architektonik Aegyptens hat nicht, wie die1
Griechiſche, ihre Formen auf eine augenfaͤllige Weiſe durch
den Holzbau erhalten; im Gegentheil hat der Mangel
an Holz die Aegyptier genoͤthigt zeitig ihr reiches Fel-
ſenmaterial zu benutzen, und ein troglodytiſches Hinein-
graben in daſſelbe fand wenigſtens neben dem Aufhaͤufen
von Steinmaſſen auf der Erde ſeit uralten Zeiten ſtatt.
Eben ſo wenig ſind dieſe Formen durch die Ruͤckſicht2
15*
[228]Hiſtoriſcher Theil.
auf Ableitung des Regens beſtimmt worden (daher nir-
gends Giebeldaͤcher); nur das Streben nach Schatten und
einem kuͤhlen Luftzuge kann man als die climatiſchen Be-
dingungen angeben, mit denen ſich prieſterliche Grundſaͤtze
und das beſondere Kunſtgefuͤhl der Nation verein-
ten, um dieſen eigenthuͤmlichen, einfach grandioſen, Ar-
chitekturſtyl hervorzubringen.


Quatr. de Quincy’s und Joſ. del Roſſo’s Werke über die
Aegyptiſche Baukunſt ſind jetzt wenig mehr zu brauchen. Dage-
gen Hirt Geſch. der Baukunſt i, S. 1—112.


1220. In der Anlage ſind die Tempelgebaͤude
ohne die innre Einheit der Griechiſchen: vielmehr Aggre-
gate, die ins Unendliche vermehrt werden konnten, wie
auch die Geſchichte, z. B. des Phthas-Tempels in Mem-
2phis bei Herodot, lehrt. Alleen von Widder- oder Sphinx-
Coloſſen, oder auch Colonnaden bilden den Zugang
(δρόμος); bisweilen findet man davor kleine Vortempel
beigeordneter Gottheiten (u. a. Τυφώνια). Vor der Haupt-
maſſe der Gebaͤude ſtehen gern zwei Obelisken als Denk-
pfeiler der Weihung. Die Richtung der ganzen Anlage
folgt nicht nothwendig derſelben graden Linie. Die Haupt-
3gebaͤude beginnen mit einem Pylon, d. h. pyramidaliſchen
Doppelthuͤrmen oder Fluͤgelgebaͤuden (Strabons πτερά),
welche die Thuͤre einfaſſen, deren Beſtimmung noch ſehr
dunkel iſt (ſie konnten als Bollwerk des Eingangs, aber
4auch zu Himmelsbeobachtungen dienen). Dann folgt ge-
woͤhnlich ein Vorhof von Saͤulengaͤngen, Nebentempeln,
Prieſterwohnungen umgeben (πρόπυλον oder προπύ-
5λαιον, zugleich περίστυλον). Ein zweiter Pylon (die
Zahl kann auch vermehrt werden) fuͤhrt nun erſt in den
vorderſten und anſehnlichſten Theil des eigentlichen Tempel-
gebaͤudes, eine von Mauern eingeſchloſſne Saͤulenhalle,
welche nur durch kleine Fenſter im Gebaͤlk oder Oeffnun-
gen im Dache Licht erhaͤlt (der πρόναος, ein οἶκος ὑπο-
6στυλος). Hieran ſchließt ſich die Cella des Tempels
[229]Anhang. Aegyptier.
(der ναὸς oder σηκοίς), ohne Saͤulen, niedriger, meiſt von
mehrern Mauern eingefaßt, oft in verſchiedne kleine Ge-
maͤcher oder Sanctuarien abgetheilt, mit monolithen Be-
haͤltern fuͤr Idole oder Thiermumien, dem Anblicke nach
der unanſehnlichſte Theil des Ganzen.


1. Menes baut ihn, Seſoſtris macht einen Anbau aus unge-
heuren Steinen und ſetzt 6 Bildſäulen ſeiner Familie hinein, Rhamp-
ſinit baut Propyläen gegen W. mit zwei Statuen, Aſychis Propy-
läen gegen O., Pſammetich gegen S. u. gegenüber eine αὐλὴ für
Apis, Amaſis ſetzt einen Coloſſ davor.


2. S. Strabon xvii. p. 805. c. u. vgl. zu den Ausdrücken
Diod. i, 47. 48. Und von einzelnen Tempeln beſonders den T.
des Ammon bei Karnak, Descript. T. iii., den von Philä, Descr.
T. i.,
den von Soleb, Caill. ii. pl. 13., von B. Barkal, i.
pl.
64.


3. Für die letztre Beſtimmung des Pylon ſpricht, daß nach
Olympiodor Claudius Ptolemäus 40 J., Sterne obſervirend, in den
πτεροῖς τοῦ Κανώβου wohnte. S. Buttmann im Muſeum
der AlterthumsW. ii. S. 489 ff. Grundſatz der Anlage des
Pylon ſcheint: daß die innern Seitenlinien des Pylon, im Aufriſſe
bis auf den Boden verlängert, auf die äußerſten Puncte der Thür-
öffnung fallen müſſen. Ueber die Verzierung mit Maſten an Fe-
ſten die Reliefs Descr. T. iii. pl. 57, 3. Cailliaud Voy. à
Méroé T. ii. pl.
74.


221. Dieſe Anlage kann eben ſo zuſammengezogen1
wie ausgedehnt werden, auch ſo daß das Haupttempel-
gebaͤude mit Saͤulen eingefaßt wird. Dabei herrſcht aber2
durchgaͤngig die Regel, daß die Saͤulen zwar innerhalb
von Mauern, aber nicht außen um die Mauer umher
ſtehen koͤnnen, ſondern, wo ſie nach außen angebracht
ſind, mit ſteinernen Bruͤſtungen (plutei) verbunden eine
Mauer vertreten, daher auch an den Ecken gewoͤhnlich
Mauer fuͤr die Saͤulen eintreten. Auch ſind dann die
Thuͤrpfoſten an die Schaͤfte der mittelſten Saͤulen ange-
baut, aͤhnlich wie ſonſt an Pylonen. Mit andern Wor-3
ten: die Aegyptier kennen keinen ναὸς περίπτερος; die
[230]Hiſtoriſcher Theil.
Saͤulenreihe iſt ihnen keine freie Erweiterung des Tem-
pels (πτερὸν, laxamentum), ſie iſt nur die durchbrochne
Mauer.


2. S. z. B. den Dempel von Tentyra, der, obgleich ſpät,
die Aegyptiſche Architektur in großer Vollkommenheit zeigt. (Die
Sculptur iſt ſchlecht). Daß die Ruinen bei Meçaurah eine
Porticus um die Celle des Tempels zeigt, Cailliaud i. pl. 25.
29., iſt hiernach ein Beweis ſpätern Urſprungs.


1222. Die Mauern ſind von großer Staͤrke, bis-
weilen 24 Fuß am Boden; ſie ſind nur nach innen ſenk-
recht, nach außen ſtark geboͤſcht, aus Quadern, meiſt
von Sandſtein, zuſammengeſetzt, und ſehr glatt behauen.
2Die ebne Flaͤche der Mauern nach außen wird regelmaͤ-
ßig und bei allen Arten von Gebaͤuden, rahmenartig, von
3einem Rundſtab eingefaßt. Ueber dieſem erhebt ſich
uͤberall der Sims mit einem, doch nicht bedeutend, vor-
ſpringenden platten Kranzleiſten und einer Hohlkehle dar-
unter, die uͤber den Eingaͤngen jedesmal mit der gefluͤ-
4gelten Kugel verziert iſt. Oefter iſt der Kranzleiſten
auch doppelt vorhanden; die Flaͤche zwiſchen dem obern
und untern iſt dann regelmaͤßig in der Form von kleinen
5Schlangen (βασιλίσκοι, uraei) zugehaun. Das Geſims
bildet zugleich eine Bruͤſtung gegen die Flaͤche der Decke,
welche ſehr einfach aus queer uͤbergelegten Steinbalken und
eingefugten Platten (oft von gewaltiger Groͤße) beſteht.


1. Die Mauern iſodom oder pſeudiſodom, öfter auch ſchräge
Fugen. Daß die Quadern meiſt erſt, wenn ſie aufgeſetzt waren,
nach außen bearbeitet wurden, ſieht man an unvollendeten Theilen.
Daſſelbe gilt von den Säulenknäufen.


1223. Die Saͤulen ſind in der Regel etwas ſchlanker
als die aͤlteren Doriſchen; ſie ſind eng geſtellt, mit Ba-
ſen aus kreisfoͤrmigen, oft auch abgerundeten, Platten
verſehn, der Schaft entweder gradlinigt verjuͤngt oder
ausgebaucht, haͤufig mit ſenkrechten und queerlaufenden
2Furchen verziert, aber nicht eigentlich cannelirt. Die
[231]Anhang. Aegyptier.
Capitaͤle zerfallen in zwei Hauptordnungen: 1. kelch-
foͤrmige, mit allerlei Blaͤtterwerk geſchmuͤckte, mit ſchmaͤ-
leren aber oft ſehr hohen Platten. 2. unten ausge-3
bauchte und nach oben ſich verengende, mit vortretenden
aber niedrigen Platten. Eine ſeltſame Nebenform ſind4
die Masken (der Athor zu Tenthyra), welche die Façade
eines Tempels tragen, und ſowohl als Verzierungen der
Platte, als auch des ganzen Capitaͤls vorkommen. Dieſe5
Grundformen der Capitaͤle erhalten durch einen verſchwen-
deriſchen Reichthum von Sculptur-Verzierungen, welche
faſt immer an die Vegetation des Landes, beſonders die
Nilpflanzen, erinnern, ſelbſt in einer und derſelben Tem-
pelhalle die mannigfachſten Modificationen. Außer6
Saͤulen ſind auch Pfeiler gewoͤhnlich, an denen haͤu-
fig Figuren angelehnt ſtehn, die aber nur ſelten wirkliche
Traͤger eines Theils des Gebaͤlks ſind. Ueber den7
Saͤulen liegt das Architrav mit dem Rundſtab, durch
welche Theile die Einheit mit den Mauern hergeſtellt,
und Alles gleichmaͤßig dem Sims, der uͤberall derſelbe
bleibt, untergeordnet wird.


1. Die Höhe der Säulen iſt nach der Description bei dem
Tempel zu Luxor und dem Oſymandyeion der ſtärkſte Durchmeſſer
5¼ mal.


2. Athenäos v. p. 206. (vgl. §. 150, 2) beſchreibt die erſte
Art ſehr genau: Οἱ γὰρ γεγονότες αὐτόϑι κίονες ἀνήγοντο
στρογγύλοι, διαλλάττοντες τοῖς σπονδύλοις (Cylindern), τοῦ
μὲν μέλανος τοῦ δὲ λευκοῦ, παράλληλα τιϑεμένων. Εἰσὶ
δ̛ αὐτῶν καὶ αἱ κεφαλαὶ τῷ σχήματι περιφερεῖς, ὧν ἡ
μὲν ὅλη περιγραφὴ παραπλησία ῥόδοις ἐπὶ μικρὸν
ἀναπεπταμένοις ἐστίν. περὶ δὲ τὸν προςαγορευό μενον
κάλαϑον οὐχ ἕλικες, καϑάπερ ἐπὶ τῶν ‘Ελληνικῶν,
καὶ φύλλα τραχέα περίκειται, λωτῶν δὲ ποταμίων κά-
λυκες καὶ φοινίκων ἀρτιβλάστων καρπός· ἔστι δ̛ ὅτε
καὶ πλειόνων ἄλλων ἀνϑέων γέγλυπται γένη. τὸ δ̛ ὑπὸ
τὴν ῥίζαν, ὃ δὴ τῷ συνάπτοντι πρὸς τὴν κεφαλὴν ἐπί-
κειται σπονδύλῳ, κιβωρίων ἄνϑεσι καὶ φύλλοις ὡσανεὶ
καταπεπλεγμένοις ὁμοίαν εἶχε τὴν διάϑεσιν.


3. Nach Ritter, Erdkunde i. S. 715 (1822), iſt dies Capitäl
eine Nachbildung der Lotos-Frucht.


[232]Hiſtoriſcher Theil.

4. Intereſſant iſt der Aegyptiſche Aufriß eines ſolchen Capitäls,
durch ein Netz entworfen, Descript. iv. pl. 62.


6. Diodor beſchreibt dieſe Art von Atlanten (welche aber Nichts
tragen) durch: ὑπηρεῖσϑαι δ̛ ἀντὶ τῶν κιόνων ζῴδια πηχῶν
ἑκκαίδεκα μονόλιϑα, i, 47. Nur bei dem B. Barkal, Caill.
i. i. pl. 67 sq., kommen einmal Zwergfiguren vor, welche wirk-
lich einen Theil des Pfeilers tragen.


1224. Als eine Zubehoͤr der Tempelarchitektur ſind die
Obelisken zu betrachten: vierſeitige, auf eine niedrige
Baſis geſtellte, Pfeiler, die ſich nach oben verjuͤngen,
2und mit einem Pyramidion ſchließen; aus Kalkſtein,
gewoͤhnlicher aber aus Granit oder Syenit (pyrrhopoe-
cilus
), mit vortrefflich eingegrabnen Bildwerken und Hie-
3roglyphen. Der Gebrauch des Obelisks als eines Gno-
mon iſt, ſo wie die Stellung auf einer hohen Baſis im-
mitten freier Plaͤtze, erſt bei der Verſetzung einzelner
4nach Rom aufgekommen; in Aegypten gehoͤrten ſie zur
Claſſe der Stelen (Denkpfeiler), und gaben an welche
Ehren und Titel der Koͤnig, der einen Tempel erbaut,
erweitert, reich beſchenkt hatte, dafuͤr von der Prieſter-
ſchaft empfangen habe, daß z. B. Rameſſes als Aroeris,
5den Re und alle Goͤtter lieben, geehrt werde. Die
beruͤhmteſten Obelisken waren in Heliopolis und Theben;
von da ſind auch die anſehnlichſten der in Rom befind-
lichen.


1. Die Verjüngung beträgt gewöhnlich ⅓; das Verhältniß der
untern Breite zur Höhe 1: 9 bis 12.


2. Das Verfahren des Aushebens der Obelisken iſt in den
Steinbrüchen von Syene noch deutlich zu ſehen. Rozière des ex-
ploitations de granit
in der Description de l’Egypte.


4. Die Interpretation eines Obelisken von Hermapion bei Am-
mian xvii, 4. (beinah das ſchätzbarſte Fragment des ganzen
Aegyptiſchen Alterthums), welche leider durch die excerpirende Hand
Ammians ſehr gelitten hat, muß wohl ungefähr ſo in Ordnung
gebracht werden:


Ἀρχὴν ἀπὸ τοῦ νοτίου διερμηνευμένα ἔχει στίχος
[233]Anhang. Aegyptier.
πρῶτος τάδε· Λέγει Ἥλιος (πρῶτος?) βασιλεῖ Ῥαμέ-
στη· δεδωρήμεϑά σοι πᾶσαν οἰκουμένην μετὰ χαρᾶς βα-
σιλεύειν, ὃν Ἥλιος φιλεῖ. Dies ſtand oben über den drei
Columnen, welche mit den Sperbern, oder Falken, beginnen, durch
die auf vielen Obelisken Arueris über jeder Reihe bezeichnet iſt.


Ἀπόλλων κρατερὸς φιλαλήϑης υἱὸς Ἥρωνος,
ϑεογέννητος κτιστὴς τῆς οἰκουμένης, ὃν Ἥλιοςπροέκρινεν,
ἄλκιμος Ἄρεως βασιλεὺς Ῥαμέστης· ᾧ πᾶσα ὑποτέτακ-
ται ἡ γῆ μετὰ ἀλκῆς καὶ ϑάρσους· βασιλεὺς Ῥαμέστης
Ἡλίου παῖς αἰωνόβιος.


Στίχος δεύτερος.


Ἀπόλλων κρατερὸς ὁ ἑστὼς ἐπ̕ ἀληϑείας δε-
σπότης διαδήματος, τὴν Αἴγυπτον δοξάσας κεκτημένος,
ἀγλαοποιήσας Ἡλίου πόλιν, καὶ κτίσας τὴν λοιπὴν οἰ-
κουμένην, πολυτιμήσας τοὺς ἐν Ἡλίου πόλει ϑεοὺς ἀνι-
δρυμένους, ὃν Ἥλιος φιλεῖ.


Στίχος τρίτος.


Ἀπόλλων κρατερὸς Ἡλίου παῖς παμφεγγὴς, ὃν
Ἥλιος προέκρινεν, καὶ Ἄρης ἄλκιμος ἐδωρήσατο· οὑ τὰ
ἀγαϑὰ ἐν παντὶ διαμένει καιρῷ· [βασιλεὺς] ὃν Ἄμμων
ἀγαπᾷ [Ῥαμέστης] πληρώσας τὸν νεὼν τοῦ Φοίνικος
ἀγαϑῶν· [βασιλεὺς Ῥαμέστης] ᾧ οἱ ϑεοὶ ζωῆς χρόνον
ἐδωρήσαντο. Die durch Klammern bezeichneten Ergänzungen for-
dert die ſymmetriſche Einrichtung aller Obelisken.


[Ἀφ̛ ἡλίου δυσμῶν.]


[Στίχος πρῶτος.]


Die Ueberſchrift aller drei Columnen: Ἥλιος ϑεὸς μέγας
δεσπότης οὐρανοῦ [βασιλεῖ Ῥαμέστη]. δεδώρημαί σοι βίον
ἀπρόσκορον. Steht jetzt am falſchen Orte.


Ἀπόλλων κρατερὸς [φιλαλήϑης] υἱὸς Ἥρωνος,
βασιλεὺς οἰκουμένης Ῥαμέστης, ὃς ἐφύλαξεν Αἴγυπτον
τοὺς ἀλλοεϑνεῖς νικήσας· ὃν Ἥλιος φιλεῖ. ᾧ πολυν χρό-
νον ζωῆς ἐδωρήσαντο ϑεοὶ, δεσπότης οἱκουμένης Ῥαμέ-
στης αιωνόβιος.


Στίχος δεύτερος.


Ἀπόλλων κρατερὸς κύριος διαδήματος ἀνείκα-
στος, [ὃς τῶν ϑε]ῶν ἀνδριάντας ἀνέϑηκεν ἐν τῆδε τῇ
βασιλείᾳ, δεσπότης Αἰγύπτου, καὶ ἐκόσμησεν Ἡλίου
πόλιν ὁμοίως καὶ αὐτὸν Ἥλιον δεσπότην οὐρανοῦ· συνε-
τελεύτησεν ἕργον ἀγαϑόν. Ἡλίου παῖς βασιλεὺς αἰωνόβιος.


[Στίχος τρίτος.]


Fehlt.


[Τὸ βόρειον.]


[Στίχος πρῶτος.]


[234]Hiſtoriſcher Theil.

Wie oben. Ἥλιος δεσπότης οὐρανοῦ Ῥαμέστῃ βασι-
λεῖ· δεδώρημαί σοι τὸ κράτος καὶ τὴν κατὰ πάντων
ἐξουσίαν.


Die erſte Columne fehlt.


[Στίχος δεύτερος.]


Fehlt.


Στίχος τρίτος.


Ἀπόλλων [κρατερὸς] φιλαλήϑης δεσπότης χρό-
νων. [ὃν] καὶ Ἥφαιστος ὁ τῶν ϑεῶν πατὴρ προέκρινεν
διὰ τὸν Ἄρεα. βασιλεὺς [Ῥαμέστης] παγχαρὴς Ἡλίου
παῖς καὶ ὑπὸ Ἡλίου φιλούμενος [βασιλεὺς Ῥαμέ-
στης .....]


Ἀφηλιώτης.


Στίχος πρῶτος.


Ὁ ἀφ̛ Ἡλίου πόλεως μέγας ϑεὸς ἐνουράνιος [Ῥα-
μέστῃ βασιλεῖ· δεδώρημαί σοι ....]


Ἀπόλλων κρατερὸς [φιλαλήϑης] Ἥρωνος υἱός.
ὃν Ἥλιος ἠγώγησεν, ὃν οἱ ϑεοὶ ἐτίμησαν, ὁ πάσης
γῆς βασιλεύων, ὃν Ἥλιος προέκρινεν, ὁ ἄλκιμος διὰ
τὸν Ἄρεα βασιλεὺς, ὃν Ἄμμων φιλεῖ [Ῥαμέστης] καὶ
ὁ παμφέγγης συγκρίνας αἰώνιον βασιλέα .....


[Στίχος δεύτερος.]


Fehlt.


[Στίχος τρίτος.]


Fehlt.


Vgl. ſonſt Zoëga de Ob. p. 593., Heeren Ideen ii, 2.
S. 415. Champollion Précis p. 146 ff.


5. Manche der Obelisken in Rom ſind ſpäter, in einem rohen
und nachgemachten Style, gearbeitet, wie der Pamphilius, Bar-
berinus, Sallustius
nach Zoëga. Unter den alten, ächtägypti-
ſchen, ſind beſonders wichtig:


I. Der von Theben nach Alexandreia und durch Conſtantius
II. nach Rom gebrachte und im Circus aufgeſtellte, hier der größte
von allen (ſonſt 148, jetzt 144 Palmen), jetzt vor dem Lateran,
von Thutmoſis geweiht. Bei Kircher abgebildet.


II. Der von Semenpſerteus (nach Plinius, wobei man
aber eine Verwechslung mit dem folgenden annehmen muß) d. h.
Pſammetich (deſſen Namen man noch daran liest) in Heliopolis
aufgeſtellte, vom Auguſt im Campus als Gnomon errichtete, 72
od. 76 Fuß nach den Alten, 94½ Palmen nach Neuern hohe, von
Pius VI. auf monte Citorio von neuem aufgeſtellte. (Dieſer
hat nur 2, nicht 3 στίχοι.) Abgebildet bei Zoëga. Bandini
Comm. de obelisco Augusti. 1750. f.


[235]Anhang. Aegyptier.

III. Der von Seſoſtris oder Rameſſes den Großen (nach
der Vorausſetzung der Verwechslung) zu Heliopolis geweihte, von
Auguſt im Circus, 1589 an der Porta del Popolo (daher Fla-
minius
) aufgeſtellte, nach den Alten 85, 87 oder 88 Fuß, jetzt
107 (vorher 110) Palmen. Bei Kircher. — Nach Ammian
könnte nur dieſer der von Hermapion erklärte ſein; auch findet ſich
richtig ſtets in der erſten und dritten Columne Rameſſes Namen;
aber in der zweiten ſtets ein andrer, Manduei nach Champollion.
(Iſt dies Schild vielleicht nur die Bezeichnung von Heliopolis?)
Champ. behauptet deswegen eine völlige Verſchiedenheit, und meint,
daß der Flaminius in zwei verſchiednen Perioden bearbeitet wor-
den ſei.


IV. Der Obelisk zu Conſtantinopel, §. 193, 4., deſſen
Aufrichtung an der Baſis deſſelben abgebildet iſt.


V. VI. Die zwei ſchönſten in Aegypten ſind die Thebäi-
ſchen, bei Luxor, 110 Palmen hoch. Auch hier drei Columnen
und überall oben der Horus-Sperber. Descript. T. iii. pl. 2.
Minutoli Tf. 16 — 19. Andre in Theben, auch in Heliopolis.


VII. Der in Alexandreia, die ſog. Nadel der Kleopatra. —
Die Alten ſprechen von noch größern als alle vorhandnen; Diodor
von einem des Seſoſtris, 120 Aegypt. πήχεις hoch.


Mich. Mercati degli Obelisci di Roma. R. 1589. 4.
Athan. Kircher Oedipus Aegyptiacus. 3 Bde. Fol. Rom 1652 —
54. Deſſelben Obeliscus Pamphilius. 1650. Obelisci
Aegyptiaci praeterito anno inter rudera templi Minervae
effossi interpretatio.
1666. Zoëga De origine et usu Obe-
liscorum. R.
1797. Beck Anleitung zur Kenntniß der allgem.
Welt- u. Völker-Geſchichte, i. S. 698.


225. Die Pallaͤſte der Koͤnige in Aegypten ſind1
entſchiedene Nachbildungen der Tempel, wie die Koͤnigs-
ſtatuen der Goͤtterbilder, und der Hauptunterſchied iſt, was
die Architektur anlangt, nur der, daß die hinteren, eigent-
lich bewohnbaren, Gemaͤcher bei den Pallaͤſten ausgedehn-
ter und mannigfaltiger ſind. So bei dem von Diodor2
geſchilderten Pallaſte des Oſymandyas zu Theben. An die
Hoͤfe und Saͤulenhallen ſchließen ſich hier Speiſeſaͤaͤle, die
Bibliothek; als Schluß des Ganzen erhebt ſich, am hoͤch-
[236]Hiſtoriſcher Theil.
ſten gelegen, das Grabmal, welches der Fuͤrſt ſich ſelbſt
bei Lebzeiten errichtet.


2. Jollois und Devilliers erkennen dies von Diodor, nach
Hekatäos von Abdera, beſchriebne Gebäude wieder in einer gro-
ßen Ruine bei Medinet-Abu. S. Descr. ii. pl. 27. Le-
tronne, Mémoire sur le tombeau d’Osymandyas décrit
par Diodore de Sicile,
läugnet wegen mancher Verſchiedenhei-
ten die Identität; doch iſt im Ganzen die Uebereinſtimmung des
Gebäudes mit der Beſchreibung größer und auffallender als die Dif-
ferenz. Vgl. Gail im Philologue xiii. und den Mém. de l’Inst.
Royal T. viii. p.
131. Die Namen, die an den Wänden der
Ruinen vorkommen, ſind Thutmoſis u. Ramſes der Gr. Oſyman-
dyas ſcheint ein ſehr allgemeiner und unbeſtimmter Name, indem
ja nach Strabon auch der ſogenannte Memnon bei den Aegyptiern
Ismandes hieß, und eben ſo der in der Pyramide des Labyrinths
begrabne Fürſt (xvii. p. 813. Ἰσμάνδης, p. 811. Ἰμάνδης.
Diodor i, 61. nennt den Labyrinthen-Erbauer Μένδης.).


Noch herrlicher, als das Oſymandyeion nach den Ruinen, iſt
der Pallaſt von Karnak. Vier Pylonen folgen ſich hier. Ein Hy-
poſtyl mit 134 Säulen, die höchſten 70 Fuß hoch, 318 × 159
Fuß groß. Description T. iii.


Ein Geſammtpallaſt vieler Herrſcher (wenn auch nicht grade
der Dodekarchen; vielmehr hat die Angabe von Mendes mehr für
ſich) war auch der Labyrinthos; die Pyramide als Schluß ver-
tritt den τάφος des Oſymandyeion. Ueber die Anlage des Ganzen
vgl. Letronne zur Géographie de Strabon T. v. p. 407.


1226. Die Grabmonumente zerfallen in zwei Claſ-
ſen. I. Die Pyramiden, viereckige und rechtwinklige
Tumuli (eine Form von Grabhuͤgeln, die auch ſonſt ge-
funden wird), zu den ungeheuerſten Gebaͤuden ausgedehnt.
2Die anſehnlichſten Pyramiden liegen auf Plateaus der
Libyſchen Bergkette, um Memphis herum, in mehrern
zum Theil ſymmetriſchen Gruppen, von Kunſtſtraßen,
Daͤmmen, Graͤben und Hypogeen umgeben. Die Grund-
flaͤche, ein Quadrat, iſt nach den Himmelsgegenden ori-
3entirt. Sie wurden zuerſt in großen Terraſſen aus Kalk-
ſtein (nur kleinere aus Backſteinen) emporgethuͤrmt, und
[237]Anhang. Aegyptier.
dann erſt die Terraſſen ausgefuͤllt; die Bekleidung geſchah
mit Steinen, welche Politur annahmen, und auch mit Sculp-
turen verziert wurden; ſie iſt jetzt meiſt weggenommen.
Der Eingang zum Innern, den ein einziger Stein (λί-4
ϑος ἐξαιρέσιμος bei Strabon) verſchließt, iſt ſchwer
zu finden; durch ihn gelangt man zunaͤchſt in ſchmaͤlere
und breitere Gaͤnge, welche am Ende in eine oder meh-
rere Kammern fuͤhren; die anſehnlichſte enthaͤlt den Sar-
kophag des Koͤnigs. Nirgends findet ſich eine Spur von
Woͤlbung. Senkrechte Stollen (einen ſolchen hat man in
der Pyramide des Cheops entdeckt) fuͤhrten wahrſcheinlich
zu dem Nilcanal im Grundfelſen, von welchem Herodot
ſpricht.


1. Halyattes großes χῶμα auf einer κρηπὶς λίϑων μεγά-
λων bei Sardis (Herod. i, 93.) ſcheint einer Pyramide ähnlich
geweſen zu ſein: Reſte davon, Leake Asia minor p. 265. Eine
ungeheure dreieckige Pyramide bei den Sakern beſchreibt Kteſias
Perſ. 27. p. 117 Lion.


2. Die Pyramide des Cheops, die größte von allen, bei Ghi-
zeh, iſt nach Grobert (in den Mémoires sur l’Egypte) an jeder
Seite 728 Par. Fuß lang, nach Jomard 699, nach Coutelle
(Description de l’Eg.) 716½ die verticale Höhe 448 oder 422
oder 428¼ F. Der zweiten des Chephren giebt Behoni (der
ſie geöffnet) 663 engl. F. Breite, 437⅖ Höhe. 100,000 Men-
ſchen arbeiteten nach Herodot 40 J. lang an jener. Man zählt
203 Steinlagen, die einzelnen von 19 Zoll bis 4 F. 4 Zoll Höhe.


3. S. über den Bau Plin. xxxvi, 17. Herod. ii, 125.
Meiſter de pyramidum aegypt. fabrica et fine, Nov. Comtr.
Soc. Gott. V. cl. phys. p. 192.,
beſonders Hirt von den Py-
ramiden. Berl. 1815. Der Bau mit Backſteinen war ſonſt
in Aegypten ſehr gewöhnlich; Privatgebäude beſtanden wohl meiſt
daraus; Aegyptiſche πλινϑοφόροι waren auch in Griechenland be-
kannt. Ariſtoph. Vögel 1133. Sculpturen an Pyramiden
erwähnt Herod. ii, 148. Doch hat man freilich bis jetzt weder
größre Reliefs noch auch Hieroglyphen weder an noch in den Pyr.
gefunden.


4. Theils liegen über den Gängen lange Steinblöcke queerüber;
auch treten die Wände der breitern Gallerien nach oben zuſammen;
[238]Hiſtoriſcher Theil.
theils ſind die Steine giebelförmig gegen einander geſtützt; im
Hauptgemach der Pyramide des Cheops findet ſich ein doppelter
Plafond. Dies Gemach iſt 18 F. hoch, 32 lang, 16 breit,
von Granitquadern umgeben, ohne alle Verzierung. In das
Innre dieſer Pyramide, des Cheops, iſt neuerlich beſonders Caviglia
weit vorgedrungen. Von einer eröffneten Pyramide bei Sacca-
rah giebt Minut. Tf. 26 — 28. die Details.


Die Nubiſchen Pyramiden ſind ſchlanker und viel klei-
ner, mit vorſpringenden Stäben an allen Ecken, meiſt aus Back-
ſteinen. Nicht ſelten haben ſie Vorhallen mit Pylonen, worauf
Sculpturen und Hieroglyphen. Caill. i. pl. 40 sqq.


Von frühern Schriftſteller über Pyramiden ſind de Sacy zu
Abdallatif, Langlès zu Nordens Voy. T. iii. Beck, Anleitung
S. 705 ff., lehrreich.


1227. II.Unterirdiſche in den Felſen gehauene
Anlagen, Hypogeen. Dieſe liegen den Nil entlang
uͤberall an der Libyſchen Bergkette und unter den angraͤn-
2zenden Sandfeldern. Die anſehnlichſten haben vorn einen
Vorhof unter freiem Himmel, einen bogenfoͤrmigen Ein-
3gang (Bogen aus keilfoͤrmigen Steinen conſtruirt gehoͤren
ſonder Zweifel ſaͤmmtlich in das Griechiſche Zeitalter);
dann folgen Gaͤnge, Kammern, Saͤaͤle, Nebengaͤnge mit
Schachten oder Gruben, in denen Mumien liegen; als
Schluß oͤfter Eſtraden mit Niſchen, in denen Goͤtterfigu-
ren in Hautrelief ſitzen. Die Groͤße der Gaͤnge und
Kammern iſt ſehr mannigfach (oft verſtatten Mumien
kaum den Durchgang), die Diſpoſition hoͤchſt labyrinthiſch.
Die Griechen nannten ſie Hoͤhlengaͤnge, σύριγγας.
4In groͤßerem Maaßſtab ſind die Graͤber der Koͤnige
in dem Thale oberhalb der Nekropolis von Theben; die
Gaͤnge, welche ſich gewoͤhnlich in die Tiefe ſenken, brei-
ter; die Kammern groͤßer und mit Pfeilern, welche die
Decke ſtuͤtzen, verſehn. In dem von Belzoni entdeckten
Grabe iſt der Hauptſaal gewoͤlbartig ausgehaun, ſehr
groß und in hohem Grade praͤchtig geſchmuͤckt; in ihm
ſtand ein ſehr duͤnn gearbeiteter Alabaſter-Sarkophag,
[239]Anhang. Aegyptier.
welcher ohne Zweifel in einen noch coloſſaleren eingeſchloſ-
ſen, ſelbſt wieder viele andre ſchachtelfoͤrmig einfaßte.


1. 2. Jollois und Jomard über die hypogées in der Descrip-
tion de l’Egypte.
Unter den Alten beſonders Heliodor Aeth.
ii,
27. Ammian xxii, 15.


3. Dies gilt von dem bei Belzoni pl. 44. n. 2. abgebildetem
Bogen (der andere dort mitgetheilte iſt kein eigentlicher). Vgl.
Cailliand Voy. à Méroé ii. pl. 33.


4. S. beſonders Belzoni pl. 31 bis 33. Belzoni hat auch
ein Modell dieſes Grabes zu London und Paris ausgeſtellt. De-
scription of the Egyptian Tomb discovered by G. Bel-
zoni. London
1822. Sicher gehört es einem Thebäiſchen
König, nach Champollion dem Ouſirei-Akencheres i, von der xviii
Dynaſtie.


Die Unter-Nubiſchen Monumente, deren Beſtim-
mung meiſt ſehr ungewiß iſt, möchten zum Theil bloße Ehren-
denkmäler
, Kenotaphien, Aegyptiſcher Könige ſein. So iſt offen-
bar die große Grotte von Ibſambul ein Denkmal Ramſes des Gr.,
deſſen Bilder die Coloſſe am Eingange ſind, und der in der Sta-
tuengruppe der innerſten Niſche unter die Götter recipirt dargeſtellt
wird. Die kleine Grotte ebendaſelbſt iſt ein Denkmal ſeiner from-
men Verehrung der Götter, namentlich der Athor.


3. Bildende Kuͤnſte und Mahlerei.

Technik und Behandlung der Formen.

228. Die Aegyptier waren beſonders groß in der1
Steinſculptur. In Stoff und Form traͤgt bei ihnen
die bildende Kunſt einen architektoniſchen Charakter.
Ihre Statuen, oft aus den haͤrteſten Steinen, aus Gra-2
nit, Syenit, Porphyr, Baſanit, meiſt aus feinkoͤrnigem
Sandſtein, und in kleinerem Maaßſtab aus Haͤmatit,
Serpentin, Alabaſter mit meiſterhafter Sicherheit ge-
hauen, ſind in der Regel beſtimmt, ſich an Pfeiler,
Waͤnde, Pylonen zu lehnen und Architekturflaͤchen zu
[240]Hiſtoriſcher Theil.
ſchmuͤcken. Bei ſitzenden herrſcht die voͤlligſte Ruhe und
Regelmaͤßigkeit der Stellung; ſtehende ſchreiten auf eine
3ſteife Weiſe; die Arme liegen dem Koͤrper an. Die Groͤße
iſt oft ſehr coloſſal; auch der Transport dieſer Coloſſe
4war eine ſchwierige Aufgabe. Die Behandlung der Form
geht ſtets ins Allgemeine; ſie hat darin eine gewiſſe
Richtigkeit, und macht durch den einfachen Schwung der
Hauptlinien einen großen Eindruck; aber die Formen ſind
mehr geometriſche als organiſche, und durchaus mangelt
das Leben und die Waͤrme in der Auffaſſung des Ein-
5zelnen. Ueberall herrſcht ein nationaler Grundtypus; die
Aegyptiſchen Kuͤnſtler folgten einem feſten Syſtem der
6Proportionen; obwohl man doch nach verſchiednen Ge-
7genden und Zeiten einige Abweichungen bemerkt. Die
Formen der Geſchlechter werden gut unterſchieden; dage-
gen hat ſich von Charakteriſtik verſchiedenartiger Perſo-
nen durch Modification der Geſtalt, von einer beſtimm-
ten Unterſcheidung in der Bildung der Goͤtter und Koͤ-
nige, von Portraͤtirung bis jetzt noch nichts Sichres
8nachweiſen laſſen. Die Aegyptiſche Kunſt unterſcheidet
durch Farbe, durch Bekleidung, welche mit Sorgfalt,
aber Steifheit behandelt iſt, beſonders durch die man-
nigfachen Arten des Kopfputzes, endlich durch Anfuͤgung von
9Thier-Koͤpfen, Fluͤgeln und andern Theilen. Lebendiger
und tiefer als die Menſchengeſtalt iſt die Thiergeſtalt auf-
gefaßt, zu deren bewunderungsvoller Beobachtung die
Aegyptier ihre natuͤrliche Neigung von Anfang an hin-
trieb, wie ihre Religion beweist; auch die Verſchmel-
zungen verſchiedner Thierfiguren ſind oft ſehr gluͤcklich, oft
freilich auch im hoͤchſten Grade phantaſtiſch und bizarr.


3. Der Coloſſ im Oſymandyeion wird aus den Fragmenten
(ziemlich übereinſtimmend mit Diodor) auf 53 Par. Fuß 10 Zoll
berechnet. Ueber die Art der Fortbringung belehrt das The-
bäiſche Relief bei Minutoli Tf. 13.


5. Nach Diodor i, 98. theilten die Aeg. Künſtler den menſch-
lichen Körper, d. h. die Länge, in 21¼ Theile. Iſt die Naſen-
[241]Anhang. Aegyptier
länge die Einheit? Die Bruſt breit; der Leib nach unten ſchmä-
ler; der Hals kurz; die Füße, beſonders Zehen, lang; die Knie,
welche oft mit beſondrer Sorgfalt und Präciſion behandelt werden,
eckig. Die Naſe breit und rund; die Augen (welche bisweilen
eingeſetzt wurden) vorgewölbt; der Stirnbogen ohne Schärfe; Au-
gen- und Mundwinkel etwas nach oben gerichtet; der Mund breit
und die Lippen ſtark; das Kinn meiſt kleinlich; die Ohren lang
und hochſitzend. Der Bart erſcheint entweder als ein ſteifer Zopf,
oder als ein künſtlicher Anſatz, deſſen Bänder man oft deutlich
wahrnimmt. Vom Kopfhaare ſieht man nur bei Phthas eine
Flechte hervorkommen. S. beſonders den Kopf des ſog. Oſyman-
dyas Descr. ii. pl. 32. und des young Memnon (Amn-mai
Ramses)
im Britt. Muſeum. Nöhden Amalthea ii. S. 127.
Hieroglyph. pl. 10.


6. Hauptabweichungen ſcheinen: 1. die milderen dem Griechi-
ſchen Ideal mehr genäherten Formen mancher, beſonders kleinerer,
Figuren aus ſpäterer Zeit. 2. die plumperen Proportionen und
Formen, die beſonders in Ober-Nubien gefunden werden. Frauen
mit dicken Leibern und hängenden Brüſten (Cailliaud i. pl. 20).
Quis miratur — in Meroë crasso maiorem infante ma-
millam,
Juven. xiii, 163. Sonſt iſt im Allgemeinern ſtrengere
Zeichnung und ſchärfere, mühſamere Arbeit Indicium des höhern
Alterthums, die Sculpturen der ſpätern Ptolemäer- und Römerzeit
machen ſich durch Nachläſſigkeit und Charakterloſigkeit kenntlich.


7. Τὸ γονύκροτον, wie die Alten dies Stück der weib-
lichen Bildung benennen, wird von den Aegyptiern auf eine ſehr
unſchöne Weiſe markirt.


8. Βύσσιναι καλασἰριες (χιτῶνες πλατύσημοι die Lexi-
kogr.) die Haupttracht. Bei männlichen oft nur um die Lenden
geſchlagne Tücher (unter der Bruſt gegürtete σινδόνες, Diod. i.
72). Meiſt ſehr dünn und anliegend; oft aber auch ſonderbar ab-
ſtehend. Streifen durch Sculptur bezeichnet. Oft auch gefärbt.
Bruſtſchilder. Eine enganſchließende Haube — die allgemeine
Nationaltracht — wird zur Bezeichnung prieſterlicher Würde man-
nigfach erhöht und geſchmückt. Die βασιλεῖαι mit ἀσπίδες und
φυλακτήρια in der Inſchr. von Roſette. Darunter das Πσχὲντ,
über deſſen Geſtalt Champollion und Young differiren. 30 coeffu-
res hieroglyphiques
bei Denon pl. 115.


9. Widder (aber meiſt mit Löwenklauen und Schwanz), Lö-
wen, die wilden Hunde oder Schakals, allerlei Affenarten (κυνο-
κέφαλος), Ibiſſe u. ſ. w. — Σφίγγες, ἀνδρόσφιγγες d. i.
16
[242]Hiſtoriſcher Theil.
ἀνϑρωπόσφιγγες, Löwen mit Menſchenköpfen. Die ungeheure
von Ghizeh iſt durch Caviglia offen gelegt. Aus dem Felſen, mit
Ausnahme der Vordertatzen, zwiſchen denen ein Tempelchen lag.
S. die Hieroglyphics pl. 80. Löwen-Sperber; Löwen-
Uräus mit Flügeln; Schlangen-Geyer, Schlange mit Menſchen-
beinen u. dgl. Mit Recht hat man bemerkt, daß, während die
Griechen in ihren Combinationen der Art vom Menſchen den
Kopf am meiſten feſthalten, die Aegyptier ihn am erſten aufopfern.


1229. Weit weniger, als die runde Statue, gelang den
Aegyptiern die Aufgabe, das optiſche Bild des menſchlichen
Koͤrpers auf die Flaͤche zu uͤbertragen, in Relief darzu-
2ſtellen. Das Beſtreben, jeden Theil des Koͤrpers in ei-
ner moͤglichſt deutlichen und leicht zu faſſenden Geſtalt
darzuſtellen (vgl. §. 96 zu N. 11.), wirkt hier uͤberall be-
3ſtimmend und behindernd ein. Fuͤr die Vorſtellungen
aus dem Cultus bildete ſich eine feſte typiſche Darſtellungs-
weiſe der Koͤrper und ihrer Bewegung; mehr Natuͤrlich-
keit herrſcht in der Auffaſſung haͤuslicher Scenen; wo
aber die Kunſt kriegeriſche Begebenheiten von großem Um-
fange ſchildern will, tritt bei dem Streben nach Mannig-
faltigkeit der Handlungen und Bewegungen das Unge-
ſchick der Kuͤnſtler am deutlichſten hervor; auch ſind ſolche
4nachlaͤſſiger behandelt. Die Reliefs der Aegyptier ſind
ſeltner eigentliche Basreliefs, dergleichen man mit ſehr
geringer Erhebung von der Flaͤche auf Steintafeln, cip-
pis,
findet; gewoͤhnlicher ſogenannte Koilanaglyphen,
basreliefs en ereux, bei denen die Geſtalten ſich in ei-
5ner eingeſchnittnen Vertiefung erheben. Das mattbehan-
delte Relief ſondert ſich angenehm von der polirten Flaͤche
umher ab, ohne den architektoniſchen Eindruck unange-
6nehm zu unterbrechen. Die Schaͤrfe und Praͤciſion in der
Arbeit der oft ziemlich tief eingeſchnittnen Figuren iſt be-
7wundernswuͤrdig. Doch hat man ſich, beſonders an aͤuße-
ren Waͤnden, auch oft begnuͤgt, bloße Umrißlinien ein-
zugraben.


2. Daher die Bruſt von vorn, Hüften und Beine von der
Seite, Kopf von der Seite (Köpfe von vorn kommen höchſt ſelten
[243]Anhang. Syrier.
in Cultusdarſtellungen, ſ. das Gemählde bei Minut. Tf. 21, 3,
öfter in Hieroglyphen, und dann in freieren Darſtellungen, wie
Schlachtſtücken, einigemal vor), und doch die Augen von vorn; die
Schultern und Arme ſehr eckig; ſehr oft ſind auch die Hände beide
rechte oder linke.


230. Auch in gebrannter Erde wurde Vorzuͤgli-1
ches gearbeitet, theils Geſchirre, zu denen auch die ſoge-
nannten Kanoben zu rechnen ſind; theils kleine Figuren
von Goͤttern mit blauer und gruͤner Schmelzfarbe, meiſt
recht kraͤftig entworfen, und zu vielen Tauſenden fabrik-
maͤßig gearbeitet. Auch die Scarabaͤen ſind noch oͤfter2
aus gebrannter Erde als aus Stein (Amethyſt, Jaspis,
Agath, Cornalin, lapis lazuli u. a. m.), obgleich auch
die Glyptik, ſelbſt in Aethiopien, fruͤhzeitig zu Hauſe
war. Kunſtwerke aus Metall waren viel ſeltner; und3
hier haben die Aegyptier den Griechen die Haupterfindun-
gen uͤbrig gelaſſen, waͤhrend ſie in der Steinſculptur ihre
Vorgaͤnger waren. Auf Metall zu mahlen, war4
wenigſtens ſpaͤter eine Aegyptiſche Kunſt. Auch die Fa-5
brication und Faͤrbung von Glaswaaren war zeitig,
wenn auch nicht vor den Phoͤniciern, bei den Aegyptiern
zu Hauſe und bluͤhte auch noch in Alexandriniſcher Zeit.
Die Holzſchnitzerei war zwar in Aegypten durch den6
Mangel an Material beſchraͤnkt, doch gab es hoͤlzerne Bil-
der von Goͤttern und Menſchen in großer Anzahl, die
wir uns nach den Deckeln der Mumien vorſtellen koͤnnen.


1. Aegyptiſche Töpfe Descr. ii. pl. 87 sqq. v. pl. 75.
Kanobos iſt eigentlich wirkliche Benennung des Gottes (§. 220, 3.),
eine Namensform des Agathodämon Knuph, der als ein Krug zum
Durchſeihen des Nilwaſſers (Suidas s. v.) mit einem Menſchen-
kopfe dargeſtellt wurde. Hernach nennt man alle ähnliche Götter-
köpfe Kanoben. Die Kanoben bei den Mumien, mit den vier
Köpfen (§. 232, 3.) ſind oft mit Emailfiguren gefüllt, oft auch maſ-
ſiv. Viel ſolche Terracotta-Figuren Descr. T. v. pl. 81 sq.


2. Die Aegyptier brauchten viel Siegelringe; ſelbſt Opfer wer-
den von dem σφραγιστὴς beſiegelt. Von den σφραγῖδες der Aethio-
16*
[244]Hiſtoriſcher Theil.
pen, die ſie mit einem ſcharfen Steine gruben, Herod. vii, 69.
Die Scarabäen finden ſich bei Mumien, an Schnüren auf der
Bruſt, gewöhnlicher loſe zwiſchen den Mumienbandagen. Theils
größre, offenbar Amulete; theils kleinere, an Fäden zu reihen, in
ungeheurer Anzahl, oft mit Königsnamen. 1700 in Turin, 172
mit Thutmoſis Namen. S. Quintino’s Anſicht: dieſe letztern ſeien
Scheidemünze (Lezioni int. a div. arg. vi), wird durch den
Pſ. Platon. Eryxias p. 400. einigermaßen beſtätigt. Abbildun-
gen Descr. v. pl. 6. Scarabées Egyptiens figurés du Musée
des Ant. de S. M. l’Empereur.
Wien 1824.


Auch Halsketten und andrer Schmuck aus Schmelz iſt an
Mumien nicht ſelten. Unendlich viel davon iſt in England und
Frankreich in öffentlichen und Privatſammlungen aufgehäuft.


3. Von ehernen Bildſäulen in Aegypten ſcheint keine
Nachricht zu ſein; einer goldenen gedenkt Herod. ii, 172. Die
goldnen und ſilbernen ἀναϑήματα bei Diodor beweiſen nichts für
Bildwerke. In Sammlungen aus Aegypten [finden] ſich kleine
Bronze-Figuren von Göttern und heiligen Thieren, nett und ſcharf be-
arbeitet. Auch die räthſelhafte Figur des Horus (?), welcher Scorpio-
nen und wilde Thiere mit den Händen zuſammendrückt, auf Krokodilen
ſtehend, kömmt in Bronze, wie in Stein und Terra-Cotta, vor;
ſie trägt aber immer ein ſpätes Anſehn. — Goldne Blättchen
mit dem Auge, dem Uräus, als Amulete.


4. Tingit et Aegyptus argentum, ut in vasis Anu-
bem suum spectet: pingitque non caelat argentum:
Plin.
xxxiii, 46. Verwandter Art iſt die tabula Bembina,
in Rom gefunden, jetzt in Turin, ein Emailgemählde auf Bronze,
die Umriſſe mit Silberfäden ausgelegt, wahrſcheinlich für Römiſchen
Iſisdienſt beſtimmt. Bei Montfaucon, Caylus Rec. T. vii.,
Pignori Mensa Isiaca. Rom. 1605. Leſſings Fragmente über
die Iſiſche Tafel. Verm. Schriften x. S. 327 ff. Böttiger Ar-
chäol. der Mahl. S. 36. Oberlin Orbis ant. p. 267.


5. Boudet sur l’art de la verrerie en Egypte im v. Bande
der Description. Vgl. Minut. Tf. 21.


6. S. Herodot ii, 130 von den Kebsweibern des Mykerinos,
c. 143 von den 345 Oberprieſtern in Theben in hölzernen Coloſ-
ſen, auch c. 182. — Mumienſärge den Bildern des Oſiris und
der Iſis nachgebildet; oft mit vergoldeten Geſichtern. — Figuren,
[245]Anhang. Aegyptier.
auch Reliefs, bemahlt, öfter in Muſeen. Alles aus Sykomorholz,
deſſen hohen Preis die ſorgſame Zuſammenleimung mancher Mu-
mienkaſten aus kleinen Spänen beweist. — Von elfenbeiner-
nen
Arbeiten Diod. i, 46.


231. Die Mahlerei geht von der Faͤrbung von1
Statuen und Reliefs aus, welche in Aethiopien wieder
eng mit dem Faͤrben der lebenden Koͤrper zuſammenhing.
Sie veraͤndert ihren Charakter nicht durch Uebertragung2
auf eine Flaͤche, es ſei nun an den Waͤnden der Hypo-
geen, oder auf und in den Mumienkaſten, oder unmittel-
bar auf den Byſſusdecken der Mumien, oder auch auf Papy-
rus-Rollen. Die Farben werden auf den Stein, den3
Anwurf von Stucco, oder bei Mumienkaſten auf eine
duͤnne Gypslage ohne Ruͤckſicht auf Licht und Schatten,
ohne Miſchung und Nuͤancirung, rein aufgetragen und
etwa nur mit Gummi glaͤnzender gemacht. Dieſelben4
einfachen Farbenmateriale werden, mit einiger doch ge-
ringer Ruͤckſicht auf die Localfarben der Natur, uͤberall
auf gleiche Weiſe angewandt; bisweilen ſcheint eine ſym-
boliſche Bedeutung dabei bezweckt zu ſein. Ueberall aber,5
auch wo bloße Federumriſſe an die Stelle von Mahle-
reien treten, herrſcht das beſtimmte ſcharf ausgeſprochne
Syſtem der Aegyptiſchen Zeichnung.


1. Plin. xxxiii, 36. Et hodie id (minium) expeti
constat Aethiopum populis totosque eo tingi proceres,
huncque ibi Deorum simulacris colorem esse.
Auch He-
rodot vii, 69 von den halb γύψῳ halb μίλτῳ gefärbten Ae-
thiopen.


2. An den Wänden der Hypogeen rahmenartig eingefaßte
Bilder, von deren Kunſtweiſe und Gegenſtänden §. 233, 4. Die
Holzfutterale oder Kaſten der Mumien ſind von außen mit
religiöſen Gegenſtänden bemahlt und beſchrieben, und enthalten
ein Todten-Ritual, wie ſonſt die Papyrusrollen (Wo Holzfutterale
der Mumien, keine Papyrusrollen). Die vollſtändigſte Vor-
ſtellung geben Guigniaut Rel. de l’ant. pl. 45. Minutoli
Tf. 36. 37. Im Innern des Kaſtens findet ſich unter der Mu-
[246]Hiſtoriſcher Theil.
mie öfter eine lebensgroße Figur, die bei einigen aus Römiſcher
Zeit einem Byzantiniſchen Bilde ſehr ähnlich ſieht. Caill. ii. pl.
66 sqq.
— Ausführliche Beſchreibungen der gemahlten Mu-
miendecken
und Kaſten zu München giebt Wagen, Denk-
ſchriften der Münchner Acad. 1820. Die ſpäteſte Art der Mahle-
rei auf Mumiendecken zeigen die eben dadurch intereſſanten Dresdner
Mumien (Bekker August. T. i). Bemahlte Mumienrol-
len
bei Denon pl. 136 sqq., in der Descr. v. pl. 44 sqq., bei
Mai (§. 216, 3. das Todtenritual des Neſimandu), Cadet Copie fi-
gurée d’un rouleau de papyrus tr. à Thèbes dans les
tomb. des Roi’s.
1805.


4. Männer röthlich (eine eigenthümliche Fleiſchfarbe), Frauen
gelblicher; Quadrupeden in der Regel roth, Vögel grün oder blau,
eben ſo das Waſſer, daher Ammon.


Coſtaz sur la peinture des Egyptiens, Mém. sur l’
Egypte T. iii. p.
134. Böttiger Arch. der Mahl. S. 25 —
100. Creuzer Commentationes Herodoteae p. 385.


Gegenſtände.

1232. Der Grundgedanke, welcher aus den neuen Ent-
deckungen uͤber die Bedeutung Aegyptiſcher Kunſtwerke
von ſelbſt hervortritt, und von nun an als Baſis feſtge-
halten werden muß, iſt der: die Aegyptier waren voͤllig
ohne den Griechiſchen Darſtellungstrieb, welcher das die
Seele innerlich erfuͤllende und bewegende darzuſtellen
2noͤthigt, weil es ſchoͤn und erhebend iſt. Ihre Dar-
ſtellung wird uͤberall durch aͤußerliche Zwecke geleitet;
ſie will beſtimmte Begebenheiten, Akte, Verdienſte beur-
kunden; ſie iſt durchaus hiſtoriſcher, monumentaler Art,
gleichſam eine ausgefuͤhrte Denkſchrift. Schrift und Bild
ſind hier gleichſam noch ungeſchieden und zuſammenge-
wachſen; daher auch das Bildwerk ziemlich uͤberall von
Hieroglyphenſchrift begleitet wird, deren Inhalt das erſtre
nur in groͤßerem Maaßſtab ausfuͤhrt und veranſchaulicht.
3Nicht alſo der Cultus der Goͤtter im Allgemeinen wird
[247]Anhang. Aegyptier.
vorgeſtellt, ſondern ſtets beſtimmte Huldigungsakte be-
ſtimmter Individuen, ſammt Angabe der dadurch erwirk-
ten Vortheile. Die Goͤtter werden nicht an ſich vorge-
ſtellt, ſondern nur in Bezug auf ihre Feier; es giebt
daher keine rein mythologiſche Scenen, ſondern immer
iſt die Abſicht, die Huldigungen anzugeben, welche die
Gottheit in einer gewiſſen Modification oder Situation
empfaͤngt. Mit Scrupuloſitaͤt werden hier unzaͤhlige Ar-
ten von Darbringungen und Weiſen, ſeine Froͤmmigkeit
zu bezeigen, unterſchieden. Eben ſo wird das Leben der4
Unterwelt ſtets als das Schickſal eines Einzelnen, als das
Todtengericht uͤber ihn, dargeſtellt. Endlich ſind auch5
die vermeinten rein wiſſenſchaftlichen Darſtellungen des
Himmels zu Horoſkopen einzelner Individuen aus ſpaͤte-
rer Zeit herabgeſunken.


3. Ueber Darſtellungen aus Aegyptiſchem Götterglauben
und Cultus: Hirt über die Bildung der Aegyptiſchen Gottheiten
1821. (nach Griechiſchen Nachrichten). Champollion d. j. Panthéon
Egyptien
(nach hieroglyphiſchen und anderen Beiſchriften). Kupfer
zu Creuzers Symbolik, beſonders zu Guigniauts Bearbeitung (Re-
ligions de l’Antiquité. Planches. Premier Cahier).

Eine ſehr wichtige Quelle der Aegyptiſchen Symbolik, auch wegen
eigenthümlicher Verſchmelzungen intereſſant, ſind die von Trajan
bis M. Aurel Cäſar reichenden Nomen-Münzen. S. Tochon
d’Annecy Rech. sur les méd. des nomes de l’Egypte. Pa-
ris 1822. 4. Descr. v. pl.
58.


Sichere Perſonen ſcheinen


A. unter den Göttern:

I.Phthas, Beiſchrift in phonet. Hierogl. Ptah, theils in eng-
anliegendem Kleide, mit geſchloſſenen Füßen, an den ſog. Nilome-
ter gelehnt (der auch als Maske über ihn geſtülpt iſt), theils zwerg-
artig und ithyphalliſch (Hephäſtos und die Kabiren in Memphis)
Ptah-Sokari, Σοχαρις (?). Der Affe Kynokephalos ſein Sym-
bol. II.Ammon, Beiſchrift Amn, mit Widder- oder Men-
ſchenkopf, eine doppelte hohe verſchiedenfarbige Feder darauf, mit
künſtlichem Bart, Scepter, blau von Farbe. Modificationen
1. ithyphalliſch, die Geißel ſchwingend, mit verbundnen Füßen, der
Pan-Mendes von Chemmis, Beiſchrift Amn. Als τραγοσκε-
[248]Hiſtoriſcher Theil.
λὴς und αἰγοπρόςωπος noch nicht nachgewieſen. 2. als Nef,
Nuf
(mit gutturalem n, daher Griechiſch Κνοῦφις, aber Πετεν-
νοῦφις) mit Bockshörnern. Auch in Schlangengeſtalt, Ἀγαϑο-
δαίμων. Als Nilkrug in Kanobos, Knob. §. 230, 1. Ueber Ἄμ-
μων Χνοῦβις Tölken zu Minutoli S. 374. 3. Mit Re verei-
nigt. Amonra, Amonrasonter. III. Re, Phre, der Son-
nengott, ſperberköpfig (ἱερακόμορφος Horapollon) mit der Son-
nenſcheibe, woran ein Uräos. Verwandt ſcheint der Mandu,
Μανδουλις in einer Inſchrift von Talmis, deſſen Bild oft aus-
gekrazt iſt. IV.Thoyt, der Ibisköpfige, als γραμματεὺς der
Götter dargeſtellt. Als ‘Ερμῆς τριςμέγιστος nach Champ. ſper-
berköpfig, ſein Emblem der geflügelte Diſcus (Tat). V.Sochos
oder Suchos, Souk, mit Krokodilkopfe. Ein Krokodil mit umge-
bognem Schwanze bezeichnet ihn. Münzen des νομὸς Ὀμβίτης
Zoëga 10. Tochon d’Ann. p. 130. VI.Pooh, Pioh (p. der
Artikel) deus Lunus, mit geſchloſſnen Füßen, Haarflechte, Mond-
ſichel. Auch mannweiblich, den Aether beſamend. VII.Oſi-
ris
, Ousri, menſchlich mit Krummſtab u. Geißel (Flagrum, Ma-
crob Sat. i, 23.), beſonders an ſeinem hohen Hute kenntlich.
Das Auge ein Hauptſymbol. VIII.Arueris, Horus, Har-
pokrates, Arori, oft als Knabe, mit einer eignen Haarflechte, an
der Iſis ſangend, auf Lotos ſitzend. Auch ſperberköpfig. Den
Sperber als Säugling der Iſis zeigt ein Baſalttronk der Borgia-
ſchen Sammlung, voll intereſſanter aber im höchſten Grade phanta-
ſtiſcher und monſtroſer Vorſtellungen. IX.Anubis, Anbo, mit
dem Kopf des wilden Hundes (Schakals?) κύων. X.Be-
bon
oder Babys (Typhon) mit Nilpferdleib, Krokodilenkopf,
Schwerdt in den Händen. So als ursa maior im Thierkreiſe
von Tentyris.


B. Von den Göttinnen:

I.Neith, der Geyer bezeichnet ſie. Mit Menſchen- oder Geyer-
oder Löwenkopfe (dann Tafne [...]). Auch mannweiblich nach Hora-
pollon. Vgl. W. von Humboldt in den Schriften des Berl. Acad.
1825. S. 145. II.Athor die Göttin von Tentyris, auch zu
Philä, (Ἀφροδίτη), mit Kuhkopf, aber auch menſchlich, mit ei-
nem Geyer als Kopfputz. Ihr Name: ein Sperber in einem Qua-
drat. III.Iſis, menſchlich, mit Kuhhörnern und einem Diſcus
dazwiſchen, oft ſchwer von Athor zu unterſcheiden. Die Figur
mit der Feder, die Champollion ſonſt Hera-Sate nannte, wird
jetzt von ihm, wie von Tölken, für die Ἀλήϑεια (bei Aegyptiſchen
Gerichten) angeſehn. — — Die vier Genien des Amenthes, der
Menſchen-, Schakal-, Affen- und Sperberköpfige in mumienartigen
Geſtalten, oder als Töpfe.


[249]Anhang. Aegyptier

Cultushandlungen. Opfer; das Thier zerſtückelt;
Thierſchenkel, Geflügel, mit Früchten und Blumen auf den Opfer-
tiſch gelegt; Rauchgefäße auf künſtlichen Händen — Adoratio-
nen von Göttern und heiligen Thieren (z. B. einer heiligen Kuh,
Minut. Tf. 30, 2.) — Weihungen von Pharaonen durch Be-
gießung mit heiligem Waſſer, durch Aufſetzung heiliger
Mützen
— Proceſſionen (wie ſie Appulej. Met. XI. beſchreibt),
wobei auch der Gott umhergetragen wird (vehitur ferculo, Ma-
crob. Sat. i, 23); namentlich die große κωμασία mit Ammons-
ſchiff nach den Memnonien auf der Libyſchen Seite hinüber (welche
wahrſcheinlich Meroe Nichts anging; neue Aufſchlüſſe darüber giebt
die Proceßakte bei Peyron). S. das Relief von Karnak, Descr.
T. iii. pl.
32. 33., vgl. das von Philä, i. pl. 11. Minutoli
Tf. 20 u. Aa. — Der König, der den Göttern Reihen von
Opferthieren, Hekatomben, zuführt, Hierogl. pl. 61. — Oft
ſind ſehr zahlreiche Götterverſammlungen angeſtellt, wie Hierogl.
pl.
67. — Dabei ſind nun durchaus die anbetenden, opfernden
Perſonen conventionelle Porträte, und bezeichnen beſtimmte
hiſtoriſche Perſonen. Daher z. B. in einem T. von Klein-Diospo-
lis, welchen Kleopatra als Vormund des minderjährigen Ptolem. V.
Philometor geweiht, in dieſen Reliefs die Königin ſtets dem König
vorantritt (wie Salt Essay p. 7. bemerkt hat). Sehr häufig betreffen
aber auch dieſe Oblationen nicht die Conſecration des Tempels, ſon-
dern ſind bloße Akte der Huldigung (προςκυνήματα, wie ſie in
unzähligen Aegyptiſchen und Nubiſchen Inſchr. heißen, von denen
Niebuhr u. Letronne zu Gau’s Antiq. de la Nubie handeln)
wobei man für Opfer und Gaben Prieſtertitel empfängt (ſ. beſon-
ders die Inſchr. von Gartaſſe bei Nieb. p. 13.), welche in den
Bildwerken ohne Zweifel beſonders durch die Mützen der Darbrin-
ger bezeichnet werden. S. Heeren Ideen ii, 1. S. 388.


Die mythologiſche Hauptſcene iſt wohl immer das
berühmte Relief von Karnak (Descr. iii. pl. 64. bei Guigniaut
pl. 32.), wo dem Oſiris das verlorne Glied zurückgebracht wird,
und Horus zugleich den Typhon für die Entreißung ſtraft, aber
auch hier iſt ein Pharao mit Darbringungen dabei. Vgl. die Dar-
ſtellung aus Philä, Hierogl. 68. Ebenſo, wenn die den Ho-
rus ſaugende Iſis, wenn der Horus oder Sperber auf der Lotos-
blume zwiſchen dem feindlichen Typhon und ſchützenden Kneph vor-
geſtellt wird, geſchieht dies gewiß immer deswegen, weil Iſis grade
als Mutter, Horus grade als angegriffen und vertheidigt Gegenſtand
einer Adoration und Darbringung ſind.


4. Todtenſchickſal: Einbalſamirung durch Anubis —
Transport der Mumie nach der Todtenſtadt am jenſeitigen Nilufer
[250]Hiſtoriſcher Theil.
zu Schiffe (in hölzernen Modellen aus dem Grabe, welches Paſſa-
lacqua geöffnet, jetzt in Berlin), — Todtengericht und ψυχο-
στασία; Arueris und Anubis wägen die guten Handlungen, Thoyt
bezeichnet eine Zahl am Jahresſcepter (nach Guigniaut), etwa die
der Jahre der Seelenwanderung, Oſiris als Herrſcher der Unterwelt
(Petempamentes in der Inſchr. von Philä) wird ein Sühnopfer
gebracht; dabei ſitzen 42 oder 43 Todtenrichter mit dem Zeichen der
Ἀλήϑεια. Vorſtellungen, welche auf Stelen (die intereſſanteſte
die zu Carpentras mit der Phöniciſchen, oder Aramäiſchen, Un-
terſchrift), an den Wänden der Grabdenkmäler, Descr. ii. pl. 35.,
und beſonders auf Mumienrollen ſehr häufig ſind. S. das Todten-
gericht auf Papyrus Descr. ii. pl. 60. 64. 67. 72. Hiero-
glyph. pl.
5. Fundgruben des Orients v. S. 273. Wie der
apotheoſirte König von den Göttern empfangen wird, ſie umarmt,
Geſchenke erhält, ſtellen beſonders die Reliefs des Königsgrabes bei
Belzoni pl. 5. 18 sqq. dar. Sehr merkwürdig iſt die Vorſtel-
lung im Oſym., wie die Götter Ramſes des Gr. Namen auf die
Blätter der Perſea ſchreiben, Caill. ii. pl. 72. Minutoli Tf. 22, 2.


5. Sog. aſtronomiſche Darſtellungen aufgezählt von
Fourier in der Descr. T. v.: das Planiſphärium von Tentyris,
jetzt in Paris (wahrſcheinlich aus der Zeit Nero’s), der Zodiacus
von Tentyris (aus der Zeit Tibers), zwei zu Esneh, eine zu Her-
monthis, eine zu Theben. Kein Zodiacus bildet einen Cirkel,
alle entweder eine Spirale oder Parallelen; immer führt ein Zei-
chen die Reihe an. Bei der Mumie des Petemenon aus dem Hy-
pogeum einer gräciſirenden Familie bei Kurnah (Nachrichten über
ſie giebt S. Quintino Lezioni v. und Mem. d. Acc. di To-
rino xxix.
) abgebildet bei Cailliaud Voy. à Méroé T. ii.
pl.
69., tritt der Steinbock, unter dem Pet. (am 2 Juni 116 n.
Chr.) geboren, ganz aus der Reihe heraus. S. Letronne Obser-
vations critiques et archéologiques sur l’objet des repré-
sentations Zodiacales
1824., wozu man jetzt das ſchriftlich auf-
gezeichnete Aegyptiſche Horoſcop aus Antoninus Pius Zeit in Youngs
Hieroglyphics pl. 52 vergleichen muß. Die Zodiacalbilder ſind
offenbar urſprünglich der Aegyptiſchen Mythologie und Wiſſenſchaft
fremd; ſie ſcheiden ſich als ganz verſchiedenartig aus den übrigen,
wirklich einheimiſchen Geſtirnbezeichnungen heraus.


1233. Eine Heroenmythologie, dieſer große Hebel
der Griechiſchen Kunſt, mangelte Aegypten gaͤnzlich und
durchaus (Αἰγύπτιοι νομίζουσιν ἥρωσιν οὐδέν); Goͤtter
und menſchliche Fuͤrſten graͤnzen hier unmittelbar anein-
[251]Anhang. Aegyptier.
ander. Seit uralten Zeiten wurden Koͤnige und Prieſter2
durch Statuen geehrt, die von denen der Goͤtter kaum
durch ein allgemeines Kennzeichen zu unterſcheiden ſind;
und wie die Pylonen und Waͤnde der Pallaͤſte, die Koͤ-3
nigs-Graͤber und Monumente die Hauptthaten des krie-
geriſchen Lebens der Herrſcher verewigen: ſo bezeugen die4
Waͤnde der Graͤber des Volkes durch Gemaͤlde uͤberall
das beſondere Geſchaͤft und den ſpeciellen Beruf derer
die ſie inne haben. Ueberall herrſcht das Streben das5
Gedaͤchtniß beſtimmter Begebenheiten und Zuſtaͤnde zu er-
halten; welches haͤufig ſo weit geht, daß das ſpeciellſte
Detail, die Zahl erſchlagner Feinde, gefangener Fiſche
und Voͤgel, mit in die Kunſtdarſtellung [aufgenommen]
wird, und ſie ſelbſt die Stelle eines Regiſters daruͤber
vertritt. — Und ſo baut ſich, wie im ganzen Aegypti-6
ſchen Leben, ſo auch in der Kunſt, auf dem Fundament
einer bizarren Natur- und Weltanſchauung, welche in
der Religion erſtarrt und verewigt war, auf einem durch-
aus phantaſtiſchen Grunde, ein nuͤchternes und trockenes
Verſtandesleben auf, welches das aͤußere Leben mit einer
großen Subtilitaͤt, aus der tauſend Diſtinctionen hervor-
gehn, ausbildet, jene Produkte einer alterthuͤmlichen
Phantaſie, jene ſeltſamen Symbole, dabei als gegebne
Formeln anwendet, und mit einem kalten Scharfſinne
mannigfach bald zerlegt bald combinirt; dabei aber durch-
aus von jener Waͤrme und Lebendigkeit der Anſchauung,
der die eigentliche und ewige Bedeutung der Naturformen
aufgeht, von jener geſunden Mitte von Gemuͤthsleben und
Sinnlichkeit, aus der allein die Kunſt hervorwaͤchſt, him-
melweit entfernt bleibt.


2. Statuen der Könige, beſonders coloſſale, ſind zahlreicher
als die der Götter. Der 60 Fuß hohe ſog. Memnon (den blos die
Griechen, wegen des zufälligen Klingens beim Sonnenaufgang,
mit dem Namen des Sohnes der Morgenröthe benannten) in der
Descr. ii. pl. 22. Hierogl. 13. iſt Amenophis II; es iſt die Sta-
tue, die noch zu Juvenals Zeit (xv, 5) halbabgebrochen war und
erſt hernach reſtaurirt wurde; daneben ſteht der vollſtändigere Coloſſ
[252]Hiſtoriſcher Theil.
Ramſes des Gr. Alles was über eine ideelle Bedeutung des Mem-
non-Coloſſes gemuthmaßt worden iſt, fällt nun dahin. S. über
die zahlreichen Statuen der Amenophis, Thutmoſis, Ramſes im
Turiner Muſeum Champollions Lettres à Blacas [nebſt den
Abbildungen dazu: Descrizione dei monumenti Egizi del R.
Museo Egizio di Cost. Gazzera, Torino
1824. mit 12 li-
thogr. Tafeln]. Ueber den ſehr alterthümlichen Coloſſ des Ptah
men Manduei
(nach Champollion Figeac 2272 v. Chr.?) außer
Champollion S. Quintino Lezioni intorno a div. argom.
d’Archeologia iii. Mem. d. Acc. di Torino xxix.
Ue-
brigens errichtete Aegypten ſolche Ehrenſtatuen ſpäter nicht blos
fremden Königen, ſondern auch andern angeſehnen Männern, wie
dem Kallimachos unter der Kleopatra nach dem Decret der Thebäi-
ſchen Prieſter des Amonraſonter zu Turin.


3. Thaten der Könige. Tacit. Ann. ii, 60. Visit
(Germanicus) veterum Thebarum magna vestigia. Et
manebant structis molibus litterae Aegyptiae, priorem
opulentiam complexae: iussusque e senioribus sacerdotum
patrium sermonem interpretari, referebat: habitasse quon-
dam DCC millia aetate militari, atque eo cum exercitu
regum Rhamsen Libya, Aethiopia, Medisque et Per-
sis et Bactriana ac Scythia potitum etc. Legebantur et
indicta gentibus tributa, pondus argenti et auri, numerus
armorum equorumque, et dona templis, ebur atque odo-
res, quasque copias frumenti et omnium utensilium quae-
que natio penderet.
Landſchlachten auf den Palläſten zu
Medinet-Abu, von Ramſes II. Mei-Amun; zu Karnak (Denon
pl. 133.) von Ramſes dem Gr.; im Oſym. von demſelben (Descr.
ii. pl.
32); zu Luxor, von Amenophis II. u. Ramſes den Gr.
Eroberung einer Feſte, am Oſym., durch Ramſes dem Gr.,
Descr. ii. pl. 31. Hamilton pl. 9. Caill. ii. pl. 73. Vgl.
Dureau de la Malle Poliorcétique des Anciens avec un
Atlas de 7 planches.
Kampf der Heerführer,
des Aegyptiers mit dem Hykſos (?), Descr. iii. pl. 38. Ha-
milton pl. 8. Seeſchlachten, meiſt zugleich Land-
ſchlachten, wahrſcheinlich an den Küſten des Erythräiſchen Meers
geliefert, zu Karnak und Medinet-Abu, Descr. ii. pl. 10. Ham.
pl. 9. Triumph des Siegers, ſich in eine heilige κωμασία des
Ammon-Mendes verwandelnd, wobei der König auch als erſter
Ackersmann erſcheint, im Innern des Pallaſtes von Medinet-Abu,
Descr. ii. pl. 11. Aufſchüttung der abgehaunen Hände, um
die Todten zu zählen, vor dem Siegswagen des Herrſchers, Descr.
ii. pl.
12. Ham. pl. 8. Züge von Gefangnen zum Thron des
[253]Anhang. Aegyptier.
Königs, im Oſym., Descr. ii. pl. 12. Hierogl. 15. Dar-
bringung der Aethiopiſchen Beute vor den Thron des Ramſes Amn-
mai in dem Felſendenkmal zu Kalabſche, Gau Tf. 14. 15. Ge-
ſandſchaften der unterworfenen Völker (Neger, Libyer, Syrer?)
in ſehr charakteriſtiſcher Darſtellung an den Herrſcher, in dem Kö-
nigsgrabe des Akencheres, Belzoni pl. 6. 7. 8. Minutoli Nachtr.
Tf. 3. Hinrichtungen oder Opferungen (?) ſchwarzer Menſchen in
den Königsgräbern Descr. ii. pl. 86. Der Herrſcher, viele
Perſonen, zum Theil offenbar Nicht-Aegyptier, mitunter aber auch
Frauen, am Schopfe faſſend und tödtend (opfernd, hinrichtend?).
Aehnlich die Königin in Meroe, Caill. i. pl. 46.


4. Privatleben. Beſonders in den Katakomben, nament-
lich zu Eleithyia. Scenen des Ackerbau’s, Pflügen, Erndten des
Getraides, Erndte eines Nelumbofeldes, Weinleſe und Keltern,
Oelpreſſen (?), Hanfſchlagen Descr. i. pl. 68—71. ii. pl. 90.
v. pl.
17. 18. Hamilton pl. 23. vgl. Mongez sur les instru-
mens d’agric. chez les anciens,
in den Mém. de l’ Inst.
roy. T. ii. p. 616. iii. p.
1. Ein Hirte, der ſein Vieh
zählt, in den Catacomben von Memphis, Caill. ii. pl. 73. We-
berei (Minutoli pl. 24, 2.), Schiffahrt (Descr. i. pl. 68 sqq.
Hamilt. 23.). Handel und Verkehr, Wägen der Waaren u. dgl.
Waffen- und Ringübungen (Descr. iv. pl. 66., wie alt?).
Gaſtmäler, Tanz und Muſik (herrlich geſchmückte Inſtrumente in
der ſogen. Harfengrotte). Die intereſſanteſte Darſtellung ſind die
Vergnügungen des Königs auf der Jagd, dem Entenfange (Falken-
beize?), der Fiſcherei, aus den Hypogeen bei Kurnah. Alles Er-
legte wird gleich einregiſtrirt. Caill. ii. 74. 75. Löwenjagd
des K. Descr. ii. pl. 9. Hamilt. pl. 8.


[254]

II.Die Syriſchen Staͤmme.


234. Die Syriſchen oder ſogenannten Semitiſchen
Nationen, welche faſt das ganze Vorderaſien zwiſchen
Halys und Tigris, Armenien und dem Erythraͤiſchen
Meere bewohnten, und eben ſo, wie die Aegyptier,
gewiſſe Grundzuͤge des nationalen Charakters in Religion,
Verfaſſung und Sitte zeigen, haben beſonders in zwei
Staͤmmen Kunſtwerke eigenthuͤmlicher Art hervorgebracht,
von denen wir noch etwas wiſſen, in Babylon und in
Phoͤnicien.


A.Babylonier.

1. Architektonik.

1235. Die Babylonier, durch einen innern Trieb,
wie andre Voͤlker dieſer Gegend, fruͤhzeitig in große
Maſſen zuſammengedraͤngt, womit die Entwickelung einer
ſtrengen Monarchie zuſammenhaͤngt, und zugleich durch die
Lage ihres niedrigen Flußlandes zu ſchuͤtzenden Bauunter-
nehmungen hingetrieben, unternahmen ſchon in uralten
2Zeiten große Werke; wozu ihnen weit weniger Holz (faſt
nur Palmſtaͤmme) und Stein (der weit aus Armenien
3kommen mußte), als der feine Thon ihres Bodens das
Material gab, aus welchem die trefflichſten Backſteine,
fuͤr die innern Theile der Gebaͤude an der Sonne getrock-
nete, fuͤr die aͤußern gebrannte, verfertigt, und durch As-
phalt (der von Is am Euphrat kam) und Gyps mit
dazwiſchen liegenden Rohrlagen zu einer feſt zuſammen-
4haͤngenden Maſſe vereinigt wurden. Leider hat aber auch
[255]Anhang. Syriſche Staͤmme.
dieſe Wahl des Materials, zumal da immer neue große
Staͤdte, namentlich das zur Vernichtung Babylons an-
gelegte ungeheuere Seleucien, hier ihren Bauſtoff ſuchten,
bewirkt, daß es bis jetzt noch unmoͤglich geweſen, aus
den unfoͤrmlichen Truͤmmerhaufen die beſtimmten For-
men der Babyloniſchen Architektur herauszuerkennen.


1. Canäle des Euphrats; Dämme gegen den Strom; Ablei-
tungs-Seen mit ſteinernen Mauern eingefaßt; Schleußwerke des
Canals Pallakopas.


2. Nur die große Euphratbrücke von Babylon beſtand nach
Herod. i, 186. Diod. ii, 8, Curtius v, 4. aus Steinquadern,
die mit eiſernen Klammern und Blei verbunden waren, und gegen
den Strom ſpitzwinklige Pfeiler bildeten. Ueber dieſe waren, ſchnell
wegnehmbar, Balken von Palmbäumen, Cedern, Cypreſſen gelegt. —
Der fabelhafte tunnel dagegen wird von Diodor als ein Gewölb (?)
aus Backſteinen mit ſehr vielem Asphalt geſchildert. Aber in den
Ruinen iſt nach Rich und Porter keine Spur von Wölbung.


3. Καὶ ἐγένετο αὐτοῖς ἡ πλίνϑος εἰς λίϑον· καὶ ἄ-
σφαλτος ἦν αὐτοῖς ὁ πηλός. Geneſis ii, 3. Das Genauere
Herod. i, 179. Kteſias bei Diodor ii, 7. vgl. auch Schol. Ariſt.
Vögel 552. Πλίνϑος ὀπτὴ ἐν γύψῳ δεδεμένη, Diodor ii,
10. Beroſos bei Joſeph. in Apion. i, 19: τοὺς (μὲν περιβό-
λȣς) ἐξ ὀπτῆς πλίνϑου καὶ ἀσφάλτου, τοὺς δὲ ἐξ αὐτῆς
τῆς πλίνϑου (d. h. wohl, aus ungebrannten Backſteinen ohne
Asphalt).


236. Die Babyloniſchen Bauwerke zerfallen in1
zwei Claſſen. Erſtens aͤltere der einheimiſchen Dyna-
ſtieen. Dazu gehoͤren die Anlagen der weſtlichen Seite,2
wo ſich das Alte Babylon mit unabſehbar langen ſich
rechtwinklich durchſchneidenden Straßen ausbreitete, wo
die aͤltre Koͤnigsburg noch in einer Anhoͤhe
von Backſteinen erkennbar iſt, und wo auch der große
Tempel des Baal, der Thurm zu Babel, lag, der
in Birs Nimrod durch deſſen Groͤße und terraſſenfoͤr-
mige Anlage mit Sicherheit erkannt wird. Zweitens die3
Werke der Chaldaͤiſchen Fuͤrſten (von 627 v. Chr.), be-
[256]Hiſtoriſcher Theil.
ſonders des Nabuchodonoſor, welcher der alten Stadt im
Weſten des Euphrat eine neue, oͤſtlich vom Strome, zum
4Schutz dieſer Seite hinzufuͤgte, beide mit mehrern Be-
feſtigungslinien umgab, und beſonders die Neuſtadt mit
5herrlichen Werken ſchmuͤckte; unter denen eine Nachah-
mung eines Perſiſchen Berg-Paradeiſos uns am genaue-
ſten bekannt iſt.


2. Birs Nimrod, 1½ deutſche Meilen vom Euphrat, und
doch nach Herodot und Diodor mitten in der Stadt. Unten ein
ungeheures ἱερὸν, welches aber nicht als zuſammenhängendes Ge-
bäude zu denken iſt, 1200 Fuß im Quadrat, worin der T. des
Baal mit der goldnen Bildſäule. Dieſen ſchloß ein runder Thurm
ein, der ſich in 8 Terraſſen erhob, unten 600 F. dick. Im oberſten
Stockwerke der heiligſte T. ohne Bild; nur mit einem goldnen
Tiſch und Ruhebett für den Gott. Nach Herodot. 600 Fuß
hoch nach Strabon.


3. Wir ziehen entſchieden Beroſos Archivnachrichten über den
Urſprung dieſer Anlagen (bei Joſephus; Berosi quae supersunt,
ed. Richter p.
65), mit denen ſich auch Herodot wohl vereini-
gen läßt, den Fabeln bei Kteſias und Diodor vor, welche zum
Theil auf der volksmäßigen Benennung Σεμιράμεια ἔργα
für alle großen Werke im Orient beruhen. Wie vortrefflich
Beroſos Angaben mit den vorhandnen Trümmern ſtimmen, hat
Heeren gezeigt, Ideen i, 2. S. 172 ff.


4. Ueber die Mauern Babylons, Erbauer, Größe u. ſ. w.
die Commentatoren zu Diodor ii, 7.


5. Nabuch. baut nach Beroſos dieſen künſtlichen παράδει-
σος
für ſeine Mediſche Gemahlin Amuhia (Ritokris? vgl. Nie-
buhr kleine Schriften S. 208 f.). Nach Diodor ii, 10 läßt
ſich ein völlig genauer Plan davon machen; Strab. xvi. p. 738.
welcher von Gewölben ſpricht, iſt ungenauer. Der ganze Bau
400 F. im □. Parallele Backſteinmauern 22 Fuß ſtark, durch
Gänge (σύριγγες) von 10 Fuß getrennt. (Bei Curtius v, 5
ſchreibe: quippe xxpedes lati parietes sustinent, xi
pedum intervallo distantes;
denn der Mauern konnten nur
13 ſein, Syringen 12.). Steinbalken 16 Fuß lang (weil
22 † 10 = 2 × 16) liegen darüber; alsdann 4 Lagen: Rohr
in Asphalt; Backſteine in Gyps; Blei; Gartenerde. Die untern
Lagen verhüten auf eine ſehr zweckmäßige Weiſe das Durchdringen
der Näſſe und Zerſprengen des Gemäuers durch die ſchwer zu be-
zwingende Kraft der Vegetation. Die höchſte Terraſſe, 50 Fuß
[257]Anhang. Syriſche Staͤmme.
hoch, lag dem Euphrat am nächſten; in der erſten Syrinx war ein
Pumpwerk. Noch ſieht man am Oſtufer des Stroms parallele
Mauern und Canäle dazwiſchen, die mit Sandſteinblöcken über-
legt ſind.


Ruinen von Babylon. Quellen: Niebuhr Reiſebeſchrei-
bung nach Arabien Bd. ii. S. 290. Maurice Rich Memoir on
the Ruins of Babylon,
in v. Hammers Fundgruben B. iii,
und dann beſonders zu London 8. Derſ. Observations on the
Ruins of Babylon. Lond. 1816. On the Topography
of ancient Babylon
in der Archaeol. Britann. T. xviii.
243. Cap. Keppels Reiſe von Indien nach England, ſ. Kunſtbl.
1827. N. 43. Robert Ker Porters Travels in Georgia,
Persia, Armenia V. ii. pl.
69 — 76. Bearbeiter.
Rennel Geographical System of Herodotus, im Auszug in
Bredows Unterſuchungen über die alte Geſch. ii. S. 533. Ste
Croix sur les ruines de Babylon, Mém. de l’Ac. des Inscr.
T. xlviii. p.
1. Beauchamp Mém. sur les antiquités
Babyloniennes, Journal des Savans 1790. p. 2417 sqq.

Heeren Ideen i, 2. S. 157 ff. nebſt Plan.


2. Bildende Kunſt.

237. Die bildende Kunſt zeigte ſich theils in Re-1
liefs, welcher in die noch ungebrannten Backſteine ein-
gedruͤckt und mit einem bunten Firniß uͤberſtrichen wur-
den; theils in Goͤtterſtatuen und Coloſſen, die nach2
der Weiſe der Griechiſchen ξόανα χρύσεα (§. 71. 84.)
aus einem hoͤlzernen Kern beſtanden, uͤber den geſchlag-
nes Metall, Gold oder Silber, gezogen wurde; auch3
koͤſtliche Gewaͤnder, in deren Verfertigung und Faͤr-
bung die Babylonier beſonders ausgezeichnet waren, dien-
ten dieſen Bildſaͤulen zu einem die Augen blendenden und
durch wunderſame Figuren die Phantaſie beſchaͤftigenden
Schmucke.


1. S. Diodor ii, 8. von der Reliefs an der innerſten und
zweiten Mauer der weſtlichen Königsburg, welche allerlei Thiere
und königliche Jagden darſtellten. Ἐν ὠμαῖς ἔτι ταῖς
πλίνϑοις
διετετύπωτο ϑηρία παντοδαπὰ τῆ τῶν χρω-
17
[258]Hiſtoriſcher Theil.
μάτων φιλοτεχνἰᾳ τὴν ἀλήϑειαν ἀπομιμούμενα. Die ge-
mahlten Chaldäer mit bunten Röcken und Hüten bei Heſekiel 13,
14. ſind wohl auch ſolche Arbeiten. Noch findet man Backſteine
mit Keilſchrift an der untern, und eingedrückten Thierfiguren an
der vordern Seite in Babylon.


2. S. Herodot i, 183 über das Bild des Belos, ſammt Tiſch,
Thron und Fußſchemel aus Gold (800 Talente), und einen andern
goldnen ἀνδριὰς von 12 Ellen Höhe, den aber der Schriftſteller
ſelbſt nicht ſah. Fabelhafteres Diod. ii, 9 über die ἀγάλματα
χρυσᾶ σφυρήλατα Διός, Ἥρας, ̔Ρὲας. Σκῆπτρον λι-
ϑοκόλλητον. Ueber die Fabrication vor Allen der Brief Jere-
mias i, 7: γλῶσσα γὰρ αὐτών ἐστι κατεξυσμένη ὑπὸ τέκ-
τονος (vgl. die Statue des Beroſos zu Athen inaurata lingua
Plin. vii, 37.), αὐτὰ δὲ περίχρυσα καὶ περιάργυρα
— καὶ ὥσπερ παρϑένῳ φιλοκόσμῳ λαμβάνοντες χρυσίον
κατασκευάζουσι στεφάνους ἐπὶ τὰς κεφαλὰς τῶν ϑεῶν
αὐτῶν — κοσμοῦσί τε αὐτοὺς ὡς ἀνϑρώπους τοῖς ἐνδύ-
μασι ϑεοὺς αργυροῦς καὶ ϑεοὺς χρυσοῦς καὶ ξυλίνους,
u. ſ. w., beſonders V. 54. 56. 57. Vgl. Daniel 3. Σαρα-
χήρω nach Beroſos bei Heſych die κοσμήτρια der Babyloni-
ſchen Hera. Von eheruen Statuen alter Könige in Baby-
lon Diodor ii, 8. Steinerne Bilder kommen nur bei Da-
niel 5, 4. 23. vor. Vgl. Münter Rel. der Babylonier S. 59 ff.


3. Von Babyloniſchen Zeugen und Teppichen, mit Wun-
derthieren (ζῶα τερατώδη Philoſtr. Imagg. ii, 32. cf. ii, 5.)
geſchmückt, Böttiger Vaſengemählde I, iii. S. 105 sqq. Hee-
ren i, 2. S. 205. Münter S. 64. Die Perſiſch-Mediſchen
waren gewiß nur Nachahmungen, an jenen rühmt Athen. V.
p. 197 b.
ſchöne und genaue Zeichnung der Figuren. Solche
βαρβάρων ὑφάσματα brachten τραγελάφους und ἱππαλεκ-
τρύονας (Ariſtoph.) und μιξόϑηρας φῶτας (Eurip. Jon 1176)
nach Griechenland. Dieſe Wunderthiere waren gewiß zum Theil
Nachbildungen der im T. des Baal dargeſtellten, von Beroſos p. 49
beſchriebnen.


1238. Jetzt koͤnnen uns nur noch einige Reſte von
Steinbildern einen Begriff von dem Kunſtſtyl der
Babylonier geben; in viel reicherer Maſſe aber ihre ge-
ſchnittnen Steine
(jeder Babylonier hatte nach Hero-
2dot ein Petſchaft), beſonders die Cylinder aus harten und
edlen Steinen (Haͤmatit, Chalcedon, Agat, u. dgl.), welche
[259]Anhang. Syriſche Staͤmme.
groͤßtentheils in der Gegend von Babylon (am meiſten zu
Borſippa, wo noch ſpaͤt eine beruͤhmte Chaldaͤer-Schule
exiſtirte) gefunden werden, und, wenn ſich ihr Gebrauch3
auch von den Chaldaͤern zu den Magern, von der Baals-
religion zu dem Ormuzd-Dienſte, fortpflanzte, doch be-
ſonders aus Babyloniſchen Sitten und Gebraͤuchen ab-
zuleiten und zu erklaͤren ſein moͤchten. Auf ihnen erkennt4
man auch noch muthmaßlich einige der Hauptgoͤtter
des Babyloniſchen Cultus, der uns indeß in ſeinem in-
neren Zuſammenhange zu wenig bekannt iſt, um durchge-
fuͤhrte Erklaͤrungen zu verſuchen. Die Arbeit dieſer Cy-5
linder iſt von ſehr verſchiednem Verdienſt, oft faſt ganz
aus runden Hoͤhlungen beſtehend, wie bei den aͤlteſten
Gemmen der Griechen (§. 97, 3); bisweilen ſehr ſorg-
faͤltig und zierlich; der Styl der Zeichnung iſt im Gan-
zen der ſogenannte Perſepolitaniſche.


1. S. Münter a. O. S. 63. über einen Granitlöwen aus Ba-
bylons Ruinen. Beſonders wichtig iſt der Block aus grauem
Granit von Rich, Fundgruben iii. S. 199. Tf. ii, 1, mitgetheilt,
und der 1½ Fuß lange, bei Tak-Khesra am Tigris gefundne Mar-
morblock (im Cabinet du Roi) mit Figuren von Thieren, Al-
tären, Sternen, wohl aus Chaldäiſcher Aſtrologie. Millin Monum.
inéd. T. 1. p. 58. pl.
8. 9. Hager Illustrazione di uno zo-
diaco orientale. Milano
1811. Münter S. 102. Tf. 3.


2. Abbildungen u. Beſchreibungen von Cylindern und Babylo-
niſchen Siegelſteinen in Caylus Recueil; bei Herders Vorwelt,
Sämmtl. Werke bei Cotta Bd. i. S. 346; bei Taſſie Catalogue
de pierres gravées pl.
9 — 11; in den Fundgruben iii. S.
199. Tf. 2. iv. S. 86. Tf.; bei Ouſely’s Travels T. i. pl. 21.
iii. pl.
59.; Ker Porter Travels pl. 79. 80.; Dubois Pierres
gravées Egypt. et Persanes;
Dorows Morgenl. Alterthümer
H. 1. Tf. 1.; J. Landſeers Sabaean Researches. Lond. 1823.;
Guigniaut pl. 21 — 24. Zur Erklärung neben Grotefend
(§. 248, 4), Münter S. 95. 135. Von Cylindern aus Terra-
cotta
mit Keilſchrift Derſ. S. 94.


3. Wenn die Cylinder Amulete ſind, wofür auch die durch-
gängige Durchbohrung ſpricht: ſo hängen ſie gewiß mit dem Glau-
ben an die wunderbaren Kräfte der Steine zuſammen, den Plin.
17*
[260]Hiſtoriſcher Theil.
xxxvi. 34, xxxvii, 14 sqq. den Magern beilegt (vgl. die Orphiſchen
Λιϑικὰ 691) und Schriften des Zoroaſter, aber auch des Babylo-
nier
Zachalias darüber anführt. Auch führen die Namen der Steine:
Belus-Auge, (Plin. xxxvii, 55.) Belus-Stein (auch Eu-
mithres, superstitionibus grata,
ebd. 58) Adadunephros
(eiusdem oculus ac digitus dei: et hic colitur a Syris, ebd.
71; die Gottheit Adad Macr. i, 23.) darauf, daß dieſer Glauben
beſonders in Aſſyrien zu Hauſe war. Bei den Magern war auch
von Inſchriften und Bildern auf Steinen die Rede, Plin.
xxxvii, 40. xxxvii, 37. wird dieſer Gebrauch der Amu-
lete dem ganzen Orient zugeſchrieben.


4. Baal mit der Tiara oder Kidaris (vgl. über dieſe Kopftracht
Hoeck Vet. Mediae mon. p. 42.) radiatus, mit Kranz in der Hand,
auf einem Thron nebſt Fußſchemel. Münter Tf. 1, 3. Aſtarte
(Mylitta) mit den Füßen auf einem Löwen (Macrob. Sat. i, 23.)
Hunde am Thron; über den Schultern ragen Waffen hervor. Mün-
ter Tf. 1, 5. Aſtarte, Baal für ihre Fiſche um Schonung
flehend (?), auf dem Cylinder bei Münter i, 8. S. Lukian de
dea Syr.
47. Sandon (Herakles) auf einem gehörnten Lö-
wen ſtehend, wie auf Tarſiſchen Münzen, worauf dieſer Aſſyriſche
Gott auf ſeinem Rogus vorgeſtellt wird (nach einer Abhandlung des
Vf. in Niebuhrs Rhein. Muſeum Bd. iii.). Cylinder bei Herder
Tf. 1. Ungeheuer, wie ſie Beroſos beſchreibt, Münter Tf. 2,
15. 18. 19. u. ſonſt. Die ἀνϑρώπους τετραπτέρους
findet man z. B. auf dem Dorowſchen Cylinder wieder. — Die Aehn-
lichkeit, welche die Mahlerei einer Claſſe Griechiſcher und Etruski-
ſcher Vaſen mit den Ungeheuern dieſer Cylinder, viel mehr als mit
den Aegyptiſchen, zeigt, erklärt ſich wohl am beſten durch die frühe
Berbreitung Babyloniſcher Teppiche und Zeuge, §. 237, 3.


B.Phoͤnicier und benachbarte Staͤmme.

1. Architektonik.

1239. Das erwerbthaͤtige Volk der Phoͤnicier war
offenbar weniger auf Coloſſalitaͤt und Unzerſtoͤrbarkeit
bei Bauunternehmungen bedacht, als auf eine glaͤn-
2zende Auszierung. Die Tempel ſcheinen klein geweſen
zu ſein, wie der der Aſtarte zu Paphos auf Kypros;
[261]Anhang. Syriſche Staͤmme.
ihre eigenthuͤmliche Anlage kann wohl am beſten aus
dem Tempel des Jehova zu Jeruſalem beurtheilt3
werden, auf den offenbar die Phoͤniciſche Kunſt mehr ein-
gewirkt als die entfernter ſtehende Aegyptiſche. Ueberall,4
an der Bundeslade, der alten Stiftshuͤtte und in dem
Salomoniſchen Tempel, finden wir den fuͤr dieſe Voͤlker
charakteriſtiſchen Gebrauch wieder, Bretterwaͤnde oder
das Getaͤfel an Steinwaͤnden mit Goldblech zu uͤberziehen.
Auch Elfenbein zur Verzierung von Architektur-Theilen,5
wie zur Auszierung von Thronen und andern Geraͤthen,
zu brauchen, war bei den Syriſchen Staͤmmen gewoͤhn-
lich: dieſer Luxus breitete ſich uͤber Kleinaſien fruͤhzeitig
nach dem Weſten aus (§. 47, 3. 56. 57).


2. Haupttempel: der des Melkarth zu Tyrus, zu Gades, der
der Aſtarte auf der Byrſa in Karthago. Jenen ſoll nebſt dem
des Z. Olympios (Bel-Samen?) und der Aſtarte der Kö-
nig Hiram gebaut, Cedern dazu vom Libanon gehauen, auch
goldne Säulen hineingeſtellt haben. Dios und Menandros bei
Joſeph g. Apion i, 17. 18. Von keinem weiß man indeß
etwas genaueres. Nur von dem Tempel zu Paphos, durch
Ruinen (beſchrieben von Ali-Bey und von Hammer) und Abbil-
dungen auf geſchnittnen Steinen und Münzen. S. Gemmae astri-
ferae i,
16. 77. 78., auch die Darſtellung von Paphos, Pitture
di Ercol. iii. t.
52. Münter: der Tempel der himmliſchen Göt-
tin von Paphos. Zweite Beilage zur Rel. der Carthager. Der
Tempelhof 150 × 100 Schritt; in zwei Hälften getheilt, in dem
einen das kleine Tempelgebäude. Zwei Pfeiler oder Obelisken ſte-
hen davor, durch eine Kette verbunden. Ein halbkreisförmiges Ge-
länder umgiebt einen Vorhof (Taubengehege). Der mittlere Theil
erhebt ſich hoch über die Nebenhallen. Im Adyton ſteht die Meta,
von Candelabern umgeben. Von einem uralten T. des Apollo
aus Cedern in Utica Plin xvi, 79. — Die Einrichtung
des Thalamos, an dem ſonſt Joniſch gebauten T. zu Hierapo-
lis, war wohl von dem ältern Syriſchen Heiligthum entlehnt. Lu-
kian de dea Syria 31. Vgl. §. 153, 1.


3. Tempel auf Moriah. Tritt an die Stelle des alten
Hirtentempels aus beweglichen Bretterwänden mit einem Ueberhange
aus Teppichen, der die Bundeslade mit ihren Cherubim einſchloß. —
Große Subſtructionen, welche ein Thal, 600 Fuß tief, ausfüllen.
[262]Hiſtoriſcher Theil.
Der eigentliche Tempel 60 Ellen lang (20 davon das Chor), 20
breit (ohne die Kammern), 30 hoch. Die Steinwände verjüngen
ſich nach oben, wie in Aegypten (§. 222), an ihnen liegen zunächſt
drei Reihen Stockwerke kleiner Kammern mit Fenſtern für allerlei
Zwecke. Vor dem Eingange ein thurmartiges Gebäude, eine
Halle (Ailam, ähnlich wie in Paphos), 20 Ellen breit, 10 dick,
120 hoch. Davor zwei mächtige Erzſäulen (Jachin und Boas)
mit ſchön verzierten Capitälern, welche Nichts zu tragen haben, 40
Ellen hoch. Dieſe arbeitet Hiram Abif aus Tyrus. Das
Dach und die innern Wände des Tempels und Chors (Dabir) aus
Cedernholz, mit Schnitzwerk von Cherubim, Palmen und Guirlan-
den, welches ſich durch den dünnen Ueberzug von Gold ausdrückte.
Ein doppelter Vorhof, der Prieſter und des Volks, zu welchem
erſt Herodes den äußern dritten Vorhof der Heiden hinzufügte.
Oben §. 190, 1, ii. Von eigentlichen Säulenhallen iſt hier
nicht die Rede; doch kommen bei Salomons Pallaſte drei Hallen
jede mit 15 Säulen vor. — S. die Litteratur in Fabricius
Bibliogr. antiq. p. 388. u. in Becks Grundriß S. 30. Ugolini
Thes. Antiqq. Hebr. T. ix — xi. Hirt: der Tempel Sa-
lomons. Berl. 1809.


5. S. i. B. der Könige, 22, 39 von Ahabs elfenbeinernem
Hauſe. Ebd. 10, 18 von Salomons ϑρόνος χρυσελεφάντινος
mit Löwen an beiden Lehnen (wie in Aegypten) und an den Sei-
ten der 6 Stufen. Vgl. Heſek. 27, 6. von Tyrus, nach den lxx:
τὰ ἱερά σου ἐποίησαν ἐξ ἐλέφαντος.


2. Bildende Kunſt.

1240. Derſelbe Geſchmack durchdringt die bildende
Kunſt. Abgeſehn von den alten Baͤtylien-Bildern
2des einfachſten Idolen-Cultus, hatten die Phoͤnicier und
Cananaͤer, wie die ſtammverwandten Babylonier, ge-
woͤhnlich Holzbilder, uͤber die gehaͤmmertes Metallblech
geheftet wurde; fuͤr welche Art Arbeit ſich eine ſehr re-
gelmaͤßige und ſorgfaͤltige Technik ausgebildet zu haben
3ſcheint. Gegoſſne Statuen laſſen ſich dagegen nicht mit
Sicherheit nachweiſen, obgleich das Verfahren, Metall-
maſſen in irdnen Formen eine beſtimmte Geſtalt zu ge-
4ben, den Phoͤniciern nicht ganz unbekannt war. Auch
[263]Anhang. Syriſche Staͤmme.
Gefaͤße von zierlicher, oft coloſſaler Form, wurden viel
hier verfertigt. Mit der Arbeit in edlen Metallen ver-5
einigte ſich, auch in denſelben Individuen, die Kunſt
Edelſteine zu graben und zu faſſen, ſo wie Gewaͤnder6
(die auch nicht immer einfarbig waren) zu weben. Auch7
das einheimiſche Glas wurde gebraucht, mit buntem
Schimmer Waͤnde und Decken zu ſchmuͤcken. Ueberall
Neigung zu Putz und Glanz, welche aͤchtem Kunſtſinne
mehr den Weg vertrat als die Bahn oͤffnete.


1. Vgl. §. 66. Beth-El in Jacobs Geſchichte, Βαίτυλος
ein Gott bei Sanchuniathon. Schwarze Steine (Meteorſteine)
zu Heliopolis, Emeſa, auch im Phrygiſchen Peſſinus. Die meta
Paphia
hieß auch ὀμφαλὸς, wie der ähnliche Stein zu Delphi.
Heſych s. v. γῆς ὀμφ. Vgl. Falconet Mém. de l’Ac. des
Inscr. vi. p.
513. Münter Antiq. Abhandl. S. 257. Von Dal-
berg Ueber Meteorcultus im Alterthum. Heidelb. 1811.


2. S. Deuteronom. 7, 25. Beſonders Jerem. 10, 3. ξύλον
ἐστὶν ἐκ τοῦ δρυμοῦ ἐκκεκομμένον, ἔργον τέκτονος,
καὶ χώνευμα, ἀργυρίω καὶ χρυσίῳ κεκαλλωπισμένα ἐν
σφύραις καὶ ἥλοις ἐστερέωσαν αὐτά κ. τ. λ. Vgl. Je-
ſaias 40, 19. μὴ εἰκόνα ἐμοίησε τέκτων ἢ (καὶ?) χρυσο-
χόος χωνεύσας χρυσίον περιεχρύσωσεν αὐτόν — ξύλον
γὰρ ἄσηπτον ἐκλέγεται τέκτων κ. τ. λ. 44, 13 ff. wo die
Arbeit des τέκτων mit Schnur und Röthel beſchrieben wird, wo-
mit er “eine ſchöne Menſchengeſtalt” hervorbringt. Auch das
goldne Kalb war nach Michaelis aus Holz und mit Goldblech über-
zogen. — Ein Apollo κατάχρυσος in einer goldgetriebnen Ka-
pelle in Carthago, Appian Pun. 127. Sicklers Plaſtik der Cana-
niten (Mythus des Aesculaps). Das Gefallen an Zuſammen-
ſetzung von Metallen nimmt man beſonders aus Daniel 2, 31 ab.


3. Die ehernen Säulen am Tempel und die Gefäße wurden
nach dem i B. der Könige 7, 46. in dicker Erde, d. h. wohl in
ſtarken irdnen Formen, gegoſſen.


4. Vgl. die Gefäße im T. zu Jeruſalem mit den von Homer
erwähnten, oben §. 58. Beiläufig iſt dabei das eiförmige Rie-
ſengefäß aus Stein, 30 Fuß im Umfang, mit vier Henkeln und
einem Stier als Zierde, zu erwähnen, welches bei Amathus (Le-
miſſo) auf Cypern liegt. J. Landſeer Sabaean Researches p. 81.
[264]Hiſtoriſcher Theil.
Von einem Kypriſchen Panzer oben §. 58, 1. Puniſche Silber-
und Goldſchilde mit Bildern, Liv. xxv, 24. Pün. xxxv, 4.


5. Hiram εἰδὼς ποιῆσαι ἐν χρυσίῳ καὶ ἐν χαλκῷ καὶ
ἐν σιδήρῳ καὶ ἐν λίϑοις καὶ ξύλοις καὶ ὑφαίνειν ἐν τῆ
πορφύρᾳ καὶ ἐν τῆ ὑακίνϑω καὶ ἐν τῇ βύσσῳ καὶ ἐν τῷ
κοκκίνῳ καὶ γλύψαι γλυφάς Paral. ii, 2, 14. Arbeiten
in Edelſteinen: Aarons Bruſtſchild. Reiche Zuſammenſetzungen von
Edelſteinen in Tyrus, Heſekiel 28, 13 u. ſonſt. Smaragdſäule,
wahrſcheinlich von Plasma die Smeraldo, im T. des Melcarth,
Winck. W. iii, S. 370. (Fea). Arbeiten in Bernſtein Od.
xv, 459.


6. Sidoniſche πέπλοι bei Homer. Hirams καταπέτασμα
vor dem Allerheiligſten, mit Cherubim darin. Kypriſche Meiſter
in Athen, oben §. 113, 1.


7. Ueber das Glas bei Phöniciern und Hebräern Hamberger
u. Michaelis Commentar. Soc. Gott. T. iv. Heeren Ideen
i, 2. S. 94.


1241. In wie fern die Bilder der Goͤtter bei die-
ſen Voͤlkerſchaften durch charakteriſtiſche und bedeutſame
Bildung einen angebornen Kunſtſinn bethaͤtigten, iſt bei
dem Mangel von Monumenten der Art ſchwer zu ſagen:
2ſoviel geht ſicher aus den Nachrichten der Alten hervor,
daß ſie viel Combinationen mit Thieren hatten, theils
halbthieriſche, theils auf Thieren ſitzende und ſtehende
3Figuren; auch deuteten ihnen ungeſtalte und zwergartige
4Figuren das wunderbare Weſen der Gottheit an; und
dem Charakter ihrer wilden und lasciven Naturreligion
gemaͤß ſpielte die Bezeichnung des Geſchlechts, auch der
Doppelgeſchlechtigkeit, an ihren Bildern eine große Rolle.


2. Dagon (Odakon) von Asdod, Atergatis in Aſſyrien, Oan-
nes in Babylon, alle halb Fiſch halb Menſch. In Lukians Zeit
war indeß die Syriſche Göttin ein auf Löwen ſitzendes (wie Juno
Caelestis
auf den Münzen von Carthago) Frauenbild mit vielen
Attributen, eine Art von signum pantheum. De dea Syr.
32. cf.
14. Creuzers Symb. ii. S. 67. Zeus (Baal) ſaß auf
Stieren, wie der Jupiter Dolichenus von Commageue auf einem
Stier ſteht. Böttiger Kunſtmythologie i, S. 308. 313. 330. Tf. 4.
[265]Anhang. Syriſche Staͤmme.
Münzen von Hierapolis zeigen beide, den Gott auf einem Stier-,
die Göttin auf einem Löwenpaar ſitzend. Von einem Syriſchen
Apollon mit Bart, Thorax u. ſ. w. in Hierapolis Luk. 35 u.
Marcrob. Sat. i, 17; der calathus war wohl nur die alte κίδα-
ρις, mit der auch ein orientaliſcher Apollon zu Daphne bedeckt war.
Libanios iii. p. 334. R. Derſ. Macrob. beſchreibt auch i, 23.
das Aegyptiſirende Bild von Heliopolis. Die Atergatis von Aphaka
nach Macr. i, 21. capite obnupto, specie tristi. Mo-
lochs feuriges Bild.


3. Die Phönikiſchen Patäken. Adonis nach Heſych in Kypros
Πυγμαίων.


4. Der doppelgeſchlechtliche Ἀφρόδιτος in Amathus. Baal-
Peor in Moab, wahrſcheinlich priapiſch. Rieſenphallen im Vor-
hofe zu Hierapolis, zwei 180 Fuß hohe (Lukian de dea Syria
16. 28), und auch ſonſt oft in Syriſchen und Babyloniſchen Hei-
ligthümern.


[266]

III.Voͤlker vom Ariſchen Stamme.


1242. So grundverſchieden auch der Voͤlkerſtamm,
welcher in ein heimiſchen Urkunden, wie bei den Grie-
chen, unter dem Geſammtnamen Arier (Ari, Iran)
zuſammengefaßt wird, und die Bewohner Baktriens,
Mediens, Perſiens in ſich begreift, in Sprache, Na-
tionalſitten und Religion von dem Syriſchen war:
ſo ſchloß ſich doch die Kunſtweiſe dieſer Voͤlker ziem-
lich eng an die an, welche wir in Babylon kennen
gelernt haben; und wir ſind gedrungen die Kunſt,
welche in dem großen Perſiſchen Reiche bluͤhte, nur als
eine weitere Entwickelung der alten Aſſyriſchen anzuſehen.
2Hievon liegt der Grund theils darin, daß das große
Aſſyriſche Reich, wie es, auch Babylon in ſich faſſend,
vor 750 beſtand, ſich uͤber den groͤßten Theil von Iran,
ſelbſt Baktrien eingeſchloſſen, ausdehnte, und als her-
nach der Mediſche Thron aufgerichtet wurde, die Hofſit-
ten und der Luxus der fruͤheren Dynaſtieen in Aſſyrien und
Babylon natuͤrlich darauf uͤbergingen, ſo wie hernach
Suſa und Perſepolis wieder eine Nachahmung von Ek-
3batana waren: theils darin, daß die alte Nationalreli-
gion der Arier, ein dualiſtiſcher Dienſt des Lichts, fuͤr
ſich keine Antriebe zur bildlichen Darſtellung der Goͤtter
enthielt, ſondern vielmehr das Gemuͤth davon abwandte:
daher, als Hofprunk und Luxus ſpaͤter das Beduͤrfniß einer
Kunſt fuͤhlbar machten, ſie von außen, und woher ſonſt
als von den ſeit alter Zeit cultivirten Syriſchen Staͤm-
men, hereingeholt werden mußte.


1. Ἄριοι als allgemeiner National-Name Herod. vii, 62.
Strab. xv. p 724. Eudemos bei Damaſkios de princ. p. 384.
Kopp. Saſſaniden-Inſchriften.


[267]Anhang. Arier.

2. Der viel verbreitete Cultus der weiblichen Naturgott-
heit
, der Venus unter den Planeten (Mitra bei den Perſern
Anahid in Medien, Elymais, Armenien) hängt gewiß mit dieſer
alten Aſſyriſchen Herrſchaft zuſammen; es ſind die Züge der Semi-
ramis-Derketo, die in dieſem Sinne von Kleinaſien bis Baktrien
reichen.


3. Ihre Götter ſind nicht ἀνϑρωποφυέες (Herod. i, 131.,
wodurch Thierſymbole nicht geläugnet werden).


1. Architektonik.

243. So finden wir ſchon die Burg von Ekba-1
tana (715 v. Chr.) in einem Syriſch-Babyloniſchen
Geſchmack auf einer Anhoͤhe terraſſenfoͤrmig angelegt; die
uͤber einander hervorragenden Mauerzinnen mit ſieben
Hauptfarben glaͤnzend angeſtrichen (ohne Zweifel aus
bunten Backſteinen); oben Pallaſt und Tempel der Ana-
hid, die Saͤulen, Balken, Lacunarien aus Ceder- und
Cypreſſenholz mit Gold und Silberblech uͤberzogen, die
Dachziegel ganz aus Silber. Beim Tempel und Pal-2
laſt der Perſiſchen Koͤnigsburg in Suſa, welche die
Griechen Memnonia nannten, wiſſen wir aus beſtimmten
Nachrichten der Alten, mit denen die Truͤmmer wohl
uͤbereinſtimmen, daß die Bauart die Babyloniſche war.


1. S. Herod. i, 98 (die unterſte Mauer der Burg war
gleich dem κύκλος Ἀϑηνέων d. h. gegen 50 Stadien; die
viel größere Stadt war offen). Polyb. x, 27. Diod. xvii,
110. Die überzogenen Balken u. ſ. w. wurden von Antigonos
und Seleukos Nikator geſchält, ἐλεπίσϑη. Jetzt Hamadan;
Trümmer großer Subſtructionen, Canal der Samiramis, Chauſſee.
Im Einzelnen findet man namentlich an einer Säulenbaſis ganz
den Styl von Perſepolis wieder. Olivier Voy. dans
l’empire Ottoman iii. p.
30. Morrier Second Journal through
Persia p. 264 sqq.
Ker Porter ii. p. 90 sqq.


2. Ueber die Wunderwerke des angeblichen Memnon (wel-
ches mag der einheimiſche Name geweſen ſeyn?), Burg, Königs-
ſtraße und Königsgrab von Suſa, Jacobs in den Denkſchr. der Münch-
ner Acad. 1810. 11. Τὸ δὲ τεῖχος ᾠκοδόμητο τῆς πόλεως
καὶ ἱερὰ καὶ βασίλεια παραπλησίως ὥσπερ τὰ τῶν Βαβυ-
λωνίων ἐξ ὁπτῆς πλίνϑου καὶ ἀσφάλτου. Strab. xv.
[268]Hiſtoriſcher Theil.
p. 728. In Schus, wahrſcheinlich Suſa, findet ſich auch jetzt
nichts als Haufen von Backſteinen, mitunter gefärbten. Kin-
neir Geographical Memoir of the Pers. empire. p. 100 sq.
Porter ii. p. 410. Hoeck Veteris Mediae et Persiae Mo-
num. p.
95.


1244. Der alte Stammſitz der Perſiſchen Herrſcher
war in Paſargadaͤ, einer Flußebne im innern Perſis,
die ſelbſt von dem erſten und koͤniglichen Stamme des
2Volks, nach Herodot, den Namen hatte. Dieſer dadurch
geheiligte Diſtrict, gleichſam die Metropole, aus der das
weitherrſchende Koͤnigsgeſchlecht hervorgegangen war, er-
hielt in der Bluͤthezeit des Perſiſchen Reichs eine lange
Strecke von Anlagen, und darunter einen aͤltern Koͤnigs-
ſitz, (ἀρχαῖα βασίλεια) mit Kyros Grabmal, und eine
neuere Reſidenz, welche die Griechen Perſepolis nann-
ten, waͤhrend ſie jener vorzugsweiſe den Namen Paſar-
3gadaͤ gaben. Dieſe wird mit Sicherheit in den Ruinen
4Tſchilminar oder Tacht Dſchjemſchid erkannt. Das
Material, der harte ſchwarzgraue Marmor des Gebuͤrges
Rachmed, auf deſſen Abſenkung mit Huͤlfe maͤchtiger
Subſtruktionen dieſe Koͤnigsburg lag, hat hier die Zer-
ſtoͤrung der Architekturformen verhuͤtet, obgleich auch nur
Waͤnde und Saͤulen aus Stein, alles Gebaͤlk und Dach-
werk dagegen ohne Zweifel aus uͤberzogenem Cedernholz
war, womit die enorme Schlankheit der Saͤulen zuſam-
5menhaͤngt. Die Anlage ſteigt terraſſenfoͤrmig empor;
ſtarke Pforten, große Hoͤfe mit Nebengebaͤuden, praͤchtige
Saͤulenhallen fuͤhrten zu den am hoͤchſten gelegenen in-
6neren Gemaͤchern des Pallaſtes. Das Detail der Archi-
tektur zeigt eine Kunſt, die ſich eines reichen Vorraths
von Formen decorirender Art bemaͤchtigt hat, aber nicht
ſonderlich damit haushaͤlt; man findet die wahrſcheinlich
in Aſien weitverbreiteten (§. 54, 4.). Glieder und Zie-
rathen der Joniſchen Ordnung wieder, aber durch Ueber-
haͤufung und ſeltſame Verbindung eines großen Theils
ihrer Reize beraubt.


[269]Anhang. Arier.

2. S. die Schriftſteller über Alexander, die erſten welche Per-
ſepolis erwähnten, beſonders Arrian vi, 29 ff. Strab. xv, 729.
Diodor xvii, 71. Curtius v, 7.


3. S. die Abbildungen bei den Reiſen von Chardin (neu
herausg. mit Zuſätzen von Langles, Paris 1812), Kämpfer,
Cornelis de Bruyn, genauere bei C. Niebuhr Reiſe nach Arabien
ii. S. 121. Morier Journey thr. Persia T. i. p. 129—137.
Second Journey p.
75. Ouſely Travels in var. countries
of the East. V. ii. pl. 40 sqq.
Porter i. p. 580 sqq. Reiſe
von James Edw. Alexander. London 1827. — Caylus Hist.
de l’Ac. d. I. T. xxix. p.
118. Herder: Perſepolis eine
Muthmaßung. Perſepolitaniſche Briefe. Heeren Ideen i. S. 194.
Mongez Mém. de l’Inst. Nation. Litt. T. iii. p. 212. Hirt
in den Abhandl. der Berliner Akad. 1820 S. 40. — Vgl.
die Anführungen Becks Archäol. S. 32.


5. Eine breite Doppeltreppe, an deren oberem Ende drei Thore
waren. Die Doppelpfeiler mit den coloſſalen Hautreliefs von
Wunderthieren. Eine zweite Treppe zu dem eigentlichen Pallaſt.
Drei Säulenhallen umgeben eine größre ohne Trennung durch
Mauern; wahrſcheinlich waren ſie nur durch Teppiche abgeſondert
(Eſther i, 6), die, wie bei Alexanders Prachtzelt (Aelian V. H.
ix,
3.) und der Dionyſiſchen Skene Ptolemäos des II. (§. 150,
2), an Säulen ausgeſpannt waren. Die innern Gemächer und
Sääle liegen jetzt davon getrennt auf der höchſten Terraſſe; auch
hier Säulen in dem Hauptſaale. Dieſe Gemächer bildeten indeß
gewiß einſt mit jenen Säulenhallen ein zuſammenhängendes Ge-
bäude. Nebengebäude, darunter ein ziemlich ausgedehntes, nie-
driger. Umfang des Ganzen 1400 × 900 F. Den Eindruck,
den das Ganze machen mußte, giebt am beſten die treffliche Schil-
derung einer Perſiſchen Reſidenz bei Appulejus de mundo p. 270
Bip.;
beſonders: (Rex) circumseplus admirabili regia, cu-
ius tecta fulgerent eboris nive, argenti (§. 242) luce,
flammea auri vel electri claritate: limina vero alia
prae aliis erant, interiores fores, exteriores ianuae mu-
niebant portaeque ferratae et muri adamantina firmitate.


6. Die Säulen (ſ. beſonders Porter pl. 45.) der großen
Halle 55 Fuß hoch, gegen 4 Fuß unten ſtark. Mit Joniſchen Cannelüren.
Hohe Baſen von eigenthümlicher Form; Capitäler theils aus Vor-
dertheilen von Einhörnern zuſammengeſetzt, theils aus ſehr mannig-
fachen Stücken ſeltſam combinirt. Ein umgeſtürzter Krater, dar-
auf ein aufrecht ſtehender, darauf ein hoher Würfel mit zwei Rei-
hen von Rollen nach allen vier Seiten. Dabei Verzierungen von
[270]Hiſtoriſcher Theil.
Blätterwerk, Roſen, Voluten, Perlenſtäben. An den Königs-
gräbern kommen dazu noch denticuli, eine Art von Eier und
Schlangenzungen, und das dreitheilige Architrav. Die Geſimſe
über den Thüren haben Aehnlichkeit mit den Aegyptiſchen (§. 222).
Man bewundert die trefflich behaunen und ſehr genau zuſammen-
gefügten Quadern und Säulenſtücke. Spuren von Waſſerleitun-
gen durch die Hallen und Sääle. Von räthſelhaften unterirdi-
ſchen Gängen Chardin u. Morier.


1245. Zugleich lagen in dieſem Stammſitze des Ge-
ſchlechts der Achaͤmeniden die Grabmonumente der-
2ſelben. Dies waren ſeltner freiſtehende Gebaͤude, wie
3das des Kyros beſchrieben wird; gewoͤhnlicher in den
Felſen gehaune Façaden mit verborgnen unzugaͤnglichen
Kammern dahinter, dergleichen theils an der Felswand
oberhalb des beſchriebnen Pallaſtes von Perſepolis, theils
4noͤrdlich davon bei Nakſchi-Ruſtan liegen. Die Archi-
tektur zeigt dieſelben Formen, wie in Perſepolis; die
durchherrſchende Darſtellung iſt die eines Geruͤſtes, auf
dem der Koͤnig in religioͤſer Handlung erſcheint, uͤber
einem Fries und Architrav, welches von Saͤulen mit
5Einhorn-Capitaͤlern getragen wird. — Wir bemerken
hiebei, daß dieſelbe Form der Grabmaͤler, in den Felſen
gehaune Façaden, in Aſien ſehr verbreitet war, und in
einfacherer Geſtalt als hier bei dem Koͤnigsgrabe des
Midas in Phrygien vorkoͤmmt.


2. Das Grab des Kyros im Paradeiſos von Paſargadä
Arrian vi, 29. Strab. xv, 730. Ein πύργος, unten eine
Baſis aus Quadern, darauf ein Bau aus einem oder mehrern
Stockwerken, oben ein σηκὸς mit einer ganz engen Thür; darin
ein goldner Sarg mit dem Leichnam, ein Sopha mit πόδες
χρυσοῖ σφυρήλατοι, darauf ein Babyloniſcher Teppich, Gewänder,
Schmuck, Waffen. Ob das Denkmal in Murghab? Ouſely ii.
pl.
53. Porter i. pl. 14. p. 498. Heeren S. 276.


3. Eins der Gräber am Berge Rachmed (400 Fuß vom ei-
gentlichen Pallaſte) muß nach Diodor xvii, 71. das des Dareios
ſein, womit Grotefends Entzifferung der Keilinſchriften von Perſe-
polis trefflich übereinſtimmt. Vgl. Kteſias Pers. 15. — Chardin
pl. 67. 68. — Ebd. pl. 74. Ouſely ii. pl. 41. Porter pl. 17.


[271]Anhang. Arier.

5. Im Thale Doganlu beim alten Nakoleia in N. Phry-
gien; aus rothem Sandſtein, die Façade etwa 80 F. hoch, 60
breit, oben eine Art von Fronton mit großen Voluten geſchmückt.
ΜΙΔΑΙ … ϜΑΝΑΚΤΕΙ. Leake in Walpole’s Travels
p. 207. Asia min. p.
26. Hamilton Aegypt. p. 418. In
der Nachbarſchaft ſieht man auch nach Leake Façaden, die aus ei-
ner Porticus von zwei Säulen mit Architrav, Zahnſchnitt und
Kranzleiſten beſtehn: die Geſtalt, welche in der Nekropolis von Tel-
miſſos
ſo viel vorkömmt, und dort ſchon mehr die Formen der
Joniſchen Ordnung trägt. Choiſeul-Gouff. Voy. T. i. p. 118. pl.
67. 68. — Genauer mit den Perſepolitaniſchen übereinſtimmende
Grabmäler hat man in Medien, zu Biſſutun und Hamadan ge-
funden.


2. Bildende Kunſt.

246. Dieſelben Ruinen von Perſepolis zeigen eine1
Fuͤlle von Sculptur mit der Architektur verbunden. Wun-2
derthiere, ſymboliſcher Art, ſtehen in halbrunder Geſtalt
als Reichswappen am Eingange; aͤhnliche ſind auch fuͤr
architektoniſche Zwecke haͤufig angewandt. Gruppen, in3
welchen ein mythologiſcher Held ein Unthier der Art
durchbort, ſind in Relief an den Pforten des Nebenhau-
ſes angebracht. Man ſieht den Koͤnig mit Begleitern4
einherſchreitend; ſeinen Thron, den ein Baldachin be-
deckt, von den Repraͤſentanten der Hauptſtaͤmme des
Reiches getragen; den darauf ſitzenden Fuͤrſt als Richter, an
verſchiedenen Waͤnden und Pfeilern. Die Leibwache des5
Fuͤrſten, ſeine Hofleute in zwei verſchiednen regelmaͤßig
abwechſelnden Trachten, der Mediſchen Stola und der
Kandys, und die intereſſanteſte Darſtellung, die Pro-
vinzen, welche die jaͤhrlichen δῶρα bringen, ſchmuͤcken die
Prachttreppe, welche zu der großen Saͤulenhalle hin-
auffuͤhrt.


2. Hauptfiguren ſind das geflügelte oder ungeflügelte Einhorn,
das Thier mit dem königlich geſchmückten Menſchenhaupt (Marticho-
ras? Kaiomorts?), der Greif, der Löwe.


3. Wenn man in dieſem Helden den Stammheros des hier einhei-
miſchen Geſchlechts, Achämenes (Dſchjemſchid?), ſieht: ſo kömmt
[272]Hiſtoriſcher Theil.
zu Hülfe, daß nach Aelian H. A. xii, 21. Achämenes wirklich
eine wunderbare Fabelperſon war, ein Zögling eines Adlers, wie
bei Firduſi der Vogel Simurg die jungen Helden erzieht.


5. Dieſe doppelte Tracht iſt durchgängig leicht zu unterſcheiden.
Die vornehmere, die der König ſelbſt trägt, iſt die Μηδικὴ ἐσϑὴς;
ihr war auch die Μαγικὴ στολὴ ähnlich. (S. Lukian Nekyom. 8).
Zu der andern Tracht gehört der Ueberrock mit den leeren Aermeln
oder κόραις (Kolchiſche, Amazoniſche, Ungariſche Tracht, ſ. Amal-
thea i. S. 169. ii. S. xii.), die Perſiſche κάνδυς, χιτὼν ὃν
ἐμπορποῦνται (fibulis annectunt) οἱ στρατιῶται. Heſych.
Pollux vii, 58. Ueber die Perſiſchen Gewänder vgl. Voß My-
thol. Briefe iii. S. 367. Mongez sur les costumes des Per-
ses, Mém. de l’Inst. nat. Lett. iv. p. 22 sq.
Die Tiara, Kidaris
und Kyrbaſia (vgl. Demetr. de eloc. 161.) ſind ſchwer von einan-
der zu unterſcheiden. Die Peitſche oder Geißel, welche an man-
chen Figuren von Kriegern deutlich hinter dem Köcher auf dem
Rücken hängend angebracht iſt, bezeichnet die Perſiſchen μαστιγο-
φόροι. — Für die ſtatiſtiſche Erklärung der Provinzen verweiſe
ich ganz auf Heeren, Ideen ii, 1. S. 213 ff.


1247. Nirgends erſcheint die bildende Kunſt in ihren
Gegenſtaͤnden auf einen ſo beſtimmten Kreis beſchraͤnkt
wie hier. Die Gottheit, der reine Ormuzd, urſpruͤng-
lich undarſtellbar, wird als Gegenſtand der Anbetung
des Koͤnigs durch eine in der Hoͤhe ſchwebende, nach un-
ten in Fluͤgel endende Halbfigur nur angedeutet; ſonſt
gehoͤren nur die ſymboliſchen Thiere der Mythologie,
2alles Andre der geſchichtlichen Gegenwart an. Der ſtrenge
Anſtand, das ſteife Caͤremoniel gebietet uͤberall ſorgfaͤltige
Bekleidung und feierliche Bewegung, ſelbſt der Kampf
mit Ungeheuern ſtoͤrt keins von Beiden; die voͤllige Ent-
fernung der Frauen hat denſelben Grund. In dem
ſehr minutioͤs ausgefuͤhrten Haarputz (κόμαι πρόσ-
ϑετοι), den regelmaͤßigen Falten, den Spuren der
Anfuͤgung goldner Ketten und Zierden an den Hand-
gelenken, dem Halſe, der Tiara des Herrſchers, er-
kennt man uͤberall die Einwirkung des Hofprunks und den
3Zwang eines aͤußern Geſetzes. Doch zeigt ſich die Kunſt
nirgends als ein roher Verſuch; vielmehr hat die Zeich-
nung einen feſten ſichern Styl; die Geſichtsformen tra-
[275]Anhang. Arier.
gen neben dem Stempel der Nationalitaͤt das Gepraͤge
von Wuͤrde; in der Darſtellung der Provinzen iſt feine
Charakteriſtik, in der der Hofleute gefaͤllige Abwechslung
in Stellung und Geberde; die Thiergeſtalten ſind mit
einer eigenthuͤmlichen Kraͤftigkeit und Großheit entwor-
fen; auch iſt die Arbeit in dem harten Steine durch-4
aus ſauber, die Behandlung des Reliefs eigenthuͤmlich:
ſo daß man, wenn auch immer Aegyptiſche, ſo wie Grie-5
chiſche Kuͤnſtler fuͤr den Großkoͤnig arbeiteten, doch eine
einheimiſche, durch lange Jahrhunderte gereifte Kunſt
in dieſen Werken anerkennen muß, die den Perſern ſon-
der Zweifel von Ekbatana in Medien, den Medern aber,
wie wir meinen, in der Hauptſache von Babylon kam.


4. Das Relief hebt ſich mit einer feinen Linie vom Grunde ab,
ganz anders als das Griechiſche und die basreliefs en creux
Aegyptens. Der Vf. ſpricht nach den Perſepolitaniſchen Fragmen-
ten, die er im Britt. Muſeum (Room vi. n. 100—103) und bei
Sir Gore Ouſely geſehn. Vgl. die deutlichen Abbildungen bei
Morier Sec. Journey pl. 1. Ouſely T. ii. pl. 43—45. und
Ker Porter.


5. Von den Aegyptiſchen Künſtlern, die für die Perſiſchen
Könige arbeiteten, erzählt Diodor. Von Telephanes (§. 112, 1.)
Arbeiten für die Perſer Plin. xxxiv, 19, 9.


248. Damit ſtimmt auch die große Ausdehnung, in1
welcher dieſer Styl nicht blos in Perſien, auch in Me-
dien gefunden wird. Die Reliefs von Biſutun (Bagiſta-2
non) zwiſchen Ekbatana und dem Tigris, die unter an-
dern einem Koͤnig als Ueberwinder ſeiner Feinde darſtel-
len, zeigen dieſen Styl vielleicht in einer aͤltern Periode
als die Perſepolitaniſchen; die Alten ſcheinen Werke der
Semiramis hier geſehn zu haben. Wahrſcheinlich werden3
auch die bedeutenden Ruinen der Armeniſchen Stadt Van
nicht blos Inſchriften ſondern auch Architekturformen nach
Art der Perſepolitaniſchen ergeben. Auch die Babyloniſch-4
Mediſchen Cylinder ſchließen ſich, wenn auch oft nach-
laͤſſig und ſchlecht gearbeitet, an dieſen Kunſtſtyl an;
18
[276]Hiſtoriſcher Theil.
ein Theil derſelben wird auch ſicher mit Recht aus Perſi-
5ſchem Ritus und Glauben gedeutet; manche gehoͤren viel-
leicht auch einer Combination Magiſchen und Chaldaͤi-
6ſchen Glaubens an. Noch ſind die Dariken zu erwaͤhnen,
bei denen Vorſtellung — der Koͤnig ſelbſt als Bogenſchuͤtz
— ſo wie Zeichnung ſehr mit den Monumenten von Per-
7ſepolis uͤbereinſtimmt. In der Zeit der Arſakiden
herrſchte am Hofe ein von den Makedoniſchen Eroberern
geerbter Griechiſcher Geſchmack, doch hat ſich außer Muͤn-
8zen nichts Sichres erhalten; die Saſſaniden, in vie-
len Stuͤcken Wiederherſteller vaͤterlicher Sitte und Reli-
gion, zeigen in ihren Kunſtwerken einen aus dem ſpaͤt-
roͤmiſchen entſtandenen, auf orientaliſches Coſtuͤm ange-
wandten, ſchwuͤlſtigen und geſchmackloſen Styl.


1. Perſepolit. Ruinen am Perſiſchen Meerbuſen, Morier i.
S. 51. Von Ekbatana oben §. 243. Von Biſutun be-
ſonders Porter ii. p. 154. pl. 60. Vgl. Hist. de l’Ac.
des Inscr. T. xxvii. p.
159. Hoeck p. 22. 29. 73. sqq.


2. Die Identität von Bagiſtanon bei Diod. ii, 13. Baptana
bei Iſidor und Biſutun halte ich mit Hoeck p. 116., Mannert Geogr.
v, 2. S. 165 u. Andern für einleuchtend. Die Vorſtellung der
Semiramis mit 100 Trabanten erinnert ſehr an Perſepolitaniſche.
Die Σύρια γράμματα bei Diodor ſind wohl Ἀσσύρια, dieſe
Ἀσσ. γραμμ. aber, die Perſiſche Reichsſchrift beſonders für Mo-
numente, gewiß nicht eine Nebenart der Phöniciſchen, ſondern
Keilſchrift.


3. Schamiramakert, Semiramocerta bei Armeniſchen Schrift-
ſtellern, welche von Säulen, Statuen, Felſengrotten daſelbſt ſprechen.
St. Martin Notice sur le Voyage litteraire en Orient de
M. Schulz. Journal des Savans 1829 Aug.
Grote-
fend in Seebode’s Krit. Bibliothek 1829. Bd. i. N. 30. Schorns
Kunſtbl. 1829. N. 32. Die bekanntgewordnen Keilſchriften ge-
ben nach Grotefends, von St. Martin adoptirter, Entzifferungsma-
nier Xerxes Namen; indeß hindert dies nicht, daß nicht auch hier
die Perſerkönige alte Σεμιράμεια ἔργα (d. h. überhaupt Werke
Aſſyriſcher Dynaſtieen) vorgefunden haben könnten.


4. S. beſonders Grotefends Erklärungen Amalthea i. S. 93.
ii. S. 65.


[277]Anhang. Arier.

5. Zeitig kommen Magier in Babylon, Chaldäer in Perſien
vor; und ſchon bei Beroſus erſcheint Chaldaismus und Magismus
ſo vermiſcht, daß der Babyloniſche Kronos (El) für Zeruane geſetzt,
und Aramazdes Vater genannt wird. Perſiſch-Chaldäiſch
iſt wohl auch der Babyloniſche Cylinder bei Porter ii. pl. 80.
n.
1., welcher den Ormuzd in der Höhe, und darunter drei Figuren,
wovon zwei offenbar göttlicher Natur, darſtellt; die eine führt ein
Beil (wie Zeus Labrandeus in Karien, und Sandon in Lydien)
und ſteht auf dem Einhorn; ſie hat einen Mond über ſich, wie die
gegenüberſtehende einen Stern.


Die Vermiſchung Perſiſcher und Aegyptiſcher Sym-
bole, die der Amalth. i. S. 93. behandelte Cylinder zeigt, iſt auch
auf dem bei Suſa gefundenen Stein, der eine Art Perſiſche Hie-
roglyphik zeigt (Walpole Travels p. 420. u. Aa.), und dem
ἀνὴρ τετράπτερος mit dem Aegyptiſchen Kopfputz bei Murghab,
Porter i. pl. 13., wahrzunehmen. Perſepolitaniſche Fragmente in
Aegypten, Descr. de l’Egypte T. v. pl. 29.


6. Von den Dariken Eckhel D. N. i, iii. 551 sqq. Gute
Abbildungen Landon Numism. i, 2. Mionn. Descr. Pl. 36, 1.


7. Die Arſakiden, obgleich nach Lucian de domo 5. οὐ
φιλόκαλοι, hörten doch bekanntlich an ihrem Hofe Griechiſche Poe-
ſieen; und von ihren Münzen ſchließen ſich beſonders die ältern
nah an die Makedoniſchen an. Auch die Tetradrachmen mit Griechi-
ſchen allegoriſchen Figuren ſcheint mir Eckhel i, iii. p. 549.
der Arſakiden noch nicht mit Recht abzuſprechen. Von Bildwer-
ken iſt ſehr wenig bekannt. Hoeck p. 141.


8. Derſelbe plumpe und ſchwülſtige Charakter herrſcht in den
Saſſaniden-Münzen und den Bildwerken von Nakſchi-Ruſtan (Sa-
por i.) Takt-Boſtan (Sapor ii. iii). S. über dieſe Hoeck p. 226
sq. 309 sq.
u. die trefflichen Abbildungen bei Porter pl. 19 sq.
62 sqq.
Allegoriſche Figuren ſind hier oft ganz ſpäteren Rö-
miſchen gleich; ſonſt machen die Coſtüme u. Zierden den Hauptunter-
ſchied. Die Kugeln auf den Köpfen der Könige ſind Weltkugeln
mit dem Zodiacus, den man auf den Münzen oft deutlich ſieht, und
ſtellen ſie als Weltherrſcher dar. Tychſen in den Commentat.
rec. Gott. V. i.
über Arſakiden-Münzen, V. ii. über Saſſani-
diſche.


18*
[278]

IV.Indier.


1249. Das Indiſche Volk, das oͤſtlichſte Glied des
Kaukaſiſchen Menſchenſtammes, welcher hier ſchon ſehr
gemiſcht erſcheint, ein Volk von großen geiſtigen Anlagen,
welche ſich in einer feinen Ausbildung der Sprache, einer
ſehr alten ſpeculativen Theologie, und einer phantaſievol-
len Poeſie zeigen, war doch ſehr wenig geeignet die bil-
2denden Kuͤnſte auf eine originale Weiſe auszubilden. Die
ſtille Beſchaulichkeit fruͤherer, die gluͤhende und unmaͤßige
Phantaſie ſpaͤterer Zeiten fanden in dem Reiche der ſinn-
lichen Geſtalten und gegebnen Naturformen keinen Aus-
druck, in deſſen conſequenter Fortbildung ſie ſich genuͤgen
3konnten; und wenn die hierarchiſche Verfaſſung und die
große Ausdauer Indiſcher Arbeiter in der Aushoͤhlung der
Grottentempel und dem Aushauen ganzer Gebuͤrge Bewun-
dernswuͤrdiges geleiſtet haben: ſo vermißt man doch ganz
den ordnenden Geiſt, der dieſen Fleiß und Kraftaufwand ohne
Beiſpiel fuͤr große architektoniſche Zwecke benutzt und zu be-
4herrſchen gewußt haͤtte. Wir ſehen hier vielmehr eine
Kunſt, die in einer Fuͤlle von Formen unſtaͤt umher-
ſchweift, und, wenn ihr faſt zufaͤllig das Einfache und Gran-
dioſe gelingt, es nicht zu einer feſten, wiederkehrenden
5und durchgefuͤhrten Kunſtform zu nutzen weiß: ſo daß
man den Gedanken ſchwer aufgeben kann, daß vielerlei
Anregungen und Mittheilungen von außen in Indien
erſt den architektoniſchen Sinn erweckt, und ihm eine
Nahrung dargeboten haben, die er doch nicht recht zu
verarbeiten wußte; indem dadurch der Contraſt der claſſi-
ſchen Eleganz einzelner decorirender Theile mit der bar-
bariſchen Geſchmackloſigkeit in der Verknuͤpfung derſelben
zu architektoniſchen Ganzen wohl allein auf eine befriedi-
gende Weiſe erklaͤrt werden kann.


[279]Anhang. Indier.

3. Höhlentempel des Shiva auf Elephante unweit Bombay.
Mehrere auf Salſette, die größten bei Kenneri. Grotte zu
Carli. Das ungeheure Pantheon zu Ellora in den Ghautge-
birgen, zugleich zur Aufnahme von hunderttauſenden von Wallfah-
rern beſtimmt. — Mavalipuram (Mahabalipur im Mahaba-
rata, Μαλίαρφα bei Ptolem.) ein Felſengebirg über der Erde in
ein Labyrinth von Monumenten verwandelt, an der Küſte von Co-
romandel. Pyramidiſche Pagoden zu Deogur, Tanjore, Ramiſe-
ram. Felſentempel auf Ceylon. Ueber die Felſenkammern in
Bamian Hoeck Monum. vet. Med. p. 176 sqq.


4. Einen grandioſen Eindruck machen z. B. die Grotte von
Carli, und der Tempel des Visvakurma zu Ellora, wo die Decken
im Rundbogen ausgehaun ſind. Was die Details anlangt, ſo
iſt folgende Pfeilerform noch die am häufigſten wiederkehrende und
am regelmäßigſten gebildete: eine Baſis aus mehrern Platten und
Wellen, darüber ein kurzer, Joniſch cannelirter Pfeiler, dann ein
umgeſtürztes Akanthus-Capitäl, oben zuſammengezogen, über die-
ſem eingezogenen Halſe ein großer Pfühl, darüber die Platte mit
Verlängerungen in der Richtung des darüberliegenden Hauptbalkens,
welcher die Decke trägt. Häufig kommen als Verzierung der
Pfeiler umgeſtürzte antefixa, oder Eckverzierungen, antiker Sarko-
phage vor. Die Dicke dieſer Stützen (in deren Geſtalt indeß
keine Spur eines Nachdenkens über ſtatiſche Geſetze wahrzunehmen
iſt) iſt nur Werk der Noth; als Zierath an der Außenſeite von
Felſentempeln hat die Indiſche Architektur auch ſehr ſchlanke Säulen.


5. Eine Chronologie giebt es hier leider nicht, aber nach den
feſten Punkten, die wir haben, ſcheint es nicht nöthig, dieſe Kunſt-
blüthe Indiens (wenn man ſo ſagen darf) älter zu ſetzen als die
Blüthe der dramatiſchen Poeſie in Indien (unter dem Raya Vi-
cramaditya, der nach gewöhnlicher Annahme 56 v. Chr. ſtarb).
Beide ſetzen nämlich die epiſche Poeſie voraus, und ſchließen ſich an
ſie an. Auch exiſtirte in der Zeit dieſer Bauwerke der Buddhais-
mus ſchon (Salſette, Carli ſind Buddhiſtiſch), den man nun wohl
von etwa 500 v. Chr. datirt. Das älteſte Zeugniß für die Exiſtenz
ſolcher Bauwerke iſt Bardeſanes (in Heliogabalus Zeit) Beſchrei-
bung einer Indiſchen Tempelhöhle eines androgynen Gottes. Por-
phyr. bei Stobäos Ecl. Phys. i. p. 144 Heeren. Die gräuel-
volle Ausgelaſſenheit der Darſtellungen in Elephante (Proben der
Art ſind aus der Townleyſchen Sammlung in das Britt. Muſeum
übergegangen) deutet auch auf Zeiten des innern Verfalls. Viel
weiter ging Langlès, welcher die Entſtehung von Ellora um 900
n. Chr. ſetzte.


[280]Hiſtoriſcher Theil.

1250. In den Sculpturen Indiens, den Haut- und
Basreliefs, welche die Waͤnde dieſer Felſentempel ſchmuͤcken,
und außer den Weſen des Cultus auch Scenen aus den
großen Indiſchen Epopoͤen darſtellen, vermißt man eben-
falls durchgaͤngig dieſes feſte Syſtem, welches eine aus
eignen Wurzeln erwachsne durch lange Generationen hin-
2durch gepflegte Kunſt uͤberall charakteriſirt. Eben deswe-
gen ſtehen die Indiſchen Bildwerke den Aegyptiſchen zwar
an Natuͤrlichkeit der Bildungen, Mannigfaltigkeit der
Stellungen und Bewegungen voran; aber es mangelt
auch voͤllig die Strenge der Zeichnung und das Geſetz-
maͤßige in der Anordnung der Figuren. Auch wirken bei
der Sculptur wie bei der Architektur die Bedingungen
des Platzes und Materials auf eine ſehr hinderliche Weiſe
3ein. Von charakteriſtiſchen Unterſchieden der Koͤrperbil-
dung ſcheint noch nicht viel nachgewieſen zu ſein; auch
hier geben Attribute, Kleidung, Faͤrbung, monſtroſe Zu-
4ſaͤtze, die Handlung ſelbſt, die Bedeutung an. Indeß er-
ſcheint in der Haͤufung der Attribute, der Combination
vielgliedriger Geſtalten, der Verſchraͤnkung der Stellun-
gen und dem Streben nach Schmuck die altindiſche Kunſt
der Tempelgrotten im Ganzen noch ſehr maͤßig und ge-
nuͤgſam gegen die Monſtroſitaͤt vieler neuindiſchen Goͤtzen-
bilder und Mahlereien.


1. Epiſche Scenen z. B. der Kampf von Rama und Ravuna,
aus dem Ramajana, in Ellora. Ardſchuna, der von Shiwa
und den Welthütern die himmliſchen Waffen erhält, in Mavalipu-
ram. Viſhnu als Crishna unter den Gopi’s ebenda. Beides
aus dem Mahabarata.


4. Nur daß die Bilder der Buddhiſten und der Jainas abſicht-
lich einfach gehalten werden. Die letztern ſind aus ſchwarzem blank-
polirtem Stein, kraushaarig, mit einer Art von Negergeſicht.


Indiſche Idole in East-India Company-House zu Lon-
don; Javaniſche Steinbilder in Leyden, von Reuvens beſchrieben.


Litteratur. Niebuhrs Reiſe ii. S. 31 ff. Tf. 5 ff. Will.
Hodges Select Views of Antiq. in India. N. 1—12.
[281]Anhang. Indier.
Prachtwerke der Gebrüder Daniell, The Excavations of Ellora
und andre, im Ganzen 54 Blätter. Zum Grunde gelegt bei
Langlès Monumens anciens et modernes de l’Hindoslan en
150 planches. Paris
1812. Macneil in der Archaeol. Bri-
tann. V. viii. p.
251. Malet in den Asiatick Researches,
vi. p.
382. L. Valentia Travels V. ii. p. 161 sqq. pl. 8.
sq.
Maria Graham Journal p. 122 sqq. J. Raffles History
of Iava.
Davy On the Interior of Ceylon. Seely
Wonders of Elora (vgl. Classical Journal T. xxxi.). — —
Herders Denkmäler der Vorwelt. Heeren Ideen Th. i. Abth. 3.
S. 11 ff. (1824). Creuzer Symbolik i. S. 562 ff.


[[280]]

Syſtematiſche Behandlung der antiken
Kunſt.


Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
Geographie der alten Kunſtdenkmaͤler


1. Allgemeines.

1251. Wie die Geſchichte der alten Kunſt im Allgemei-
nen die Zeit der Entſtehung der alten Kunſtwerke lehrt:
ſo bedarf es auch einer Kunde des Orts, an welchem
ſie theils urſpruͤnglich ſtanden, theils neu aufgefunden wor-
2den ſind, theils ſich jetzo befinden. Fuͤr die Architektur
faͤllt, wenn die Denkmaͤler, uͤberhaupt noch vorhanden ſind,
alles dies zuſammen; fuͤr die bildende Kunſt und Mahle-
rei dagegen ſondern ſich darnach: 1. die Kunſttopographie
des Alterthums (die Ἐξήγησις oder Περιήγησις der
Kunſt, §. 35, 3), 2. die Lehre von den Fundorten,
3und 3. die Muſeographie. Obgleich nun dieſer ganze geo-
graphiſche Abſchnitt fuͤr ſich eines wiſſenſchaftlichen Zu-
ſammenhanges entbehrt, der erſt durch Ruͤckſicht auf die
allgemeine politiſche und Bildungsgeſchichte gewonnen wer-
den kann: ſo iſt doch die Muſeographie dem Lernenden
als ein Wegweiſer, die Topographie der Kunſt und die
Lehre von den Fundorten dem Forſcher als ein Haupt-
mittel der Kritik und Hermeneutik (§. 39.) von der groͤß-
4ten Wichtigkeit. — Die erſte, wie die dritte Diſciplin
wird durch die zahlreichen Verſetzungen verwickelter, welche
[283]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
die Kunſtwerke ſchon im Alterthum (§. 165. 214), wie
in neuerer Zeit erfuhren. Dort ging der Zug aus5
Griechenland nach Rom und Byzanz, aus den Repu-
bliken in die Reſidenzen, aus den Tempelhoͤfen nach
oͤffentlichen Hallen, Theatern, dann Palaͤſten und Ther-
men; indem eigentliche Kunſt-Muſeen, d. h. blos zur
Kunſtbeſchauung beſtimmte Gebaͤude, dem Alterthum,
wo die Kunſt innig mit dem uͤbrigen Leben verwachſen
war, faſt ganz unbekannt blieben. Hier fuͤhren alle6
Schritte aus Griechenland und Italien heraus nach dem
uͤbrigen cultivirten Europa, doch ſo daß in dieſem Lande
der Abgang nach außen durch den ſteten Zufluß von in-
nen immer noch uͤberwogen wird; und das allgemeine
Streben iſt Vereinigung in großen Muſeen der Herr-
ſcher und Nationen.


5. Annäherungen an Muſeen im Alterthum waren: 1. die
Spelunken und Tempelwinkel, in welchen abgängig gewordne
Götterbilder (die doch nicht in den Ofen ſollten, wie der Herakles
des Cynikers) aufbewahrt wurden. S. beſonders Ovid Met. x,
691. Eine ſolche Sammlung im Argiviſchen Heräon. In
Italien dienten die favissae zur Bewahrung alten Tempel-Haus-
raths. 2. Die großen Sammlungen von Kunſtwerken, die ſich
von ſelbſt in den Höfen und Hallen von Heiligthümern bilden, wie
in dem Epheſiſchen Tempel, dem Samiſchen Heräon, dem Mileſiſchen
Didymäon, an den Orakel- und Agonen-Orten, wie in Olympia.
Hier waren auch im Heräon viele ξόανα χρυσελεφάντινα mit
Abſicht zuſammengeſtellt. Aehnliche Statuenſammlungen hernach in
Rom, in Octaviae porticibus §. 180. Anm. 2. 190. Anm. i.
I. a.
3. Die Sammlungen von Gelehrtenbüſten in öffentlichen
Muſeen, wie in dem des Aſinius Pollio, §. 190, 1. I b., wahr-
ſcheinlich ſchon früher in Alexandreia, und hernach auch in Privat-
ſammlungen (Perfectissimus horum est, si quis Aristotelem
similem vel Pittacon emit etc.
Juven ii, 6.). 4. Ge-
mähldehallen, wie die Pökile in Athen (§. 101. Anm. 4.), die Halle
bei den Propyläen (§. 109. i, 3), die Lesche der Knidier (§. 134),
auch eine Pökile in Olympia, eine zu Sparta (Pauſanias). Doch
war auch hier urſprünglich die Beſtimmung eine andre; die Pökile
Athens, die Lesche waren Converſations-Sääle, wie andre nicht
ausgemahlte. In Strabons Zeit (xiv. p. 637) war der große T.
zu Samos eine πινακοϑήκη, auch gab es andre in der Nähe;
und in Römiſcher Zeit waren allerdings beſonders dazu eingerichtete
[284]Syſtematiſcher Theil.
Pinakotheken keine Seltenheit (Varro, Plinius, beſonders Vitruv
vi, 5.), wie die von Petronius und die von Philoſtratos beſchriebne
zu Neapel. Vgl. Jacobs Verm. Schriften iii. S. 469. 5. Dak-
tyliotheken, wie die des Mithridat §. 165, 2., die von Scaurus
Sulla’s Stiefſohn angelegte, die von Jul. Cäſar in den T. der
Venus genitrix geweihte.


Für die Kunſttopographie iſt Jer. Jac. Oberlin Orbis
antiqui monumentis suis illustrati primae lineae.
1776 u.
1790. eine nützliche, nur jetzt völlig veraltete, Arbeit. Zur Ver-
vollſtändigung der Litteratur leiſtet der Abſchnitt in Reuß Reper-
tor. Commentationum T. viii. p. 27. Monum. vet. popul.

wichtige Dienſte. Zur Muſeologie Böttiger Ueber Muſeen
und Antikenſammlungen. 1808. 4. Der Catalog bei Meuſel,
Neue Miſc. artiſt. Inh. 9. St. S. 3 ff. Becks Grundriß S. 3 ff.
Regiſter zu Winckelmanns Werken vii. S. 321.


2. Griechenland.

1252. Die Fuͤlle der in Griechenland vereinigten Kunſt-
werke kann man ſich nicht groß, nicht unuͤberſehbar ge-
2nug denken. Eine Periegeſe des Landes muß bei jedem
3kleinen Orte ſtillhalten; Hauptorte, in denen der Archaͤo-
log topographiſch genau orientirt ſein muß, ſind vor allen
andern Athen, Korinth nebſt dem Iſthmos, Olympia,
Delphi; hier iſt auch von localen Nachforſchungen am
meiſten zu erwarten.


1. Jacobs über den Reichthum der Griechen an plaſtiſchen
Kunſtwerken, in den vermiſchten Schriften Bd. iii. S. 415. Ein
merkwürdiges Beiſpiel iſt das wenig bekannte Inſelchen Bacchion
bei Phokäa, welches doch auch mit Tempeln und Statuen auf das
herrlichſte geziert war. Liv. xxxvii, 21.


2. Gute Anfänge einer Periegeſe bei Jacobs a. O. S. 424 ff.,
und Meyer Geſchichte der Kunſt S. 209 ff., wo aber noch viel
nachzutragen bleibt.


3. Athen. Burg. Altſtadt gegen Süden mit dem großen
Bezirk des Dionyſos (Theater, Odeion, Propyläen des Dionyſes)
[285]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
und andern alten Tempeln. Weniger alte Tempel in dem Nor-
den der Stadt, auf dem frühern Boden der Demen Kerameikos,
Kolonos, Melite, Kollytos. Hadriansſtadt durch ein Thor und
Reſte alter Mauern getrennt (§. 191.). S. beſonders Meurſius
Compilationen. Fanelli Atene Attiche 1704. Stuarts Anti-
quities.
Barbié du Bocage’s Plan bei Barthelemy’s Anacharſis.
Wilkins Atheniensia. London 1804. Hawkins in Walpole’s
Memoirs p. 480. Erſch Encyklopädie, Art. Attika. Leake’s
Topography of Athens. Lond. 1821., deutſch, mit Zuſätzen,
zu Halle 1829. Kruſe’s Hellas ii, 1. S. 70. Vgl. auch Hirts
Plan des Athen. Markts, Geſchichte der Bauk. Tf. 23, wo nur
der Unterſchied zwiſchen Alter und Neuer Agora nicht gehörig wahr-
genommen iſt. Anſichten von Thürmer, Hübſch, Heger.


Korinth. Nur die Col. Iulia, welche Hadrian verſchönerte,
kann topographiſch genau erforſcht werden. Zur Reſtauration kön-
nen Münzen helfen, z. B. die Akrokorinth darſtellenden, von Ha-
drian und den Antoninen (Millingen Méd. in pl. 2, 20 et 21),
mit dem Aphroditentempel, dem Pegaſos an der Quelle Peirene,
u. andern Heiligthümern; und die den Hafen Kenchreä auf intereſ-
ſante Weiſe abbildende (ebd. 19), mit den νεωσοίκοις, dem Aphro-
ditentempel an der einen, dem Asklepiostempel an der andern Ecke,
und dem coloſſalen Poſeidon mit Dreizack und Delphin auf einem
Molo (χῶμα) mitten im Hafen, grade wie ihn Pauſ. ii, 2, 3.
beſchreibt. Triumphbogen Hadrians auf Münzen. Ueber die
Lage des Iſthmiſchen Heiligthums vergleiche das Dorier
ii. S. 430. Angeführte; über die Heiligthümer im Einzelnen zu
Pauſ. die Inſchrift C. I. n. 1104. Den Iſthmos ſtellt ſehr intereſ-
ſant die Gemme dar, Eckhel Pierres grav. 14.: in der Mitte
Poſeidon, darüber links ein Meergott den Palämon tragend, rechts
Aphrodite Euplöa, oben auf einer Säule Eros, neben Poſeidon
Roſſe und Athleten, die zum Agon kommen. Das Παλαιμό-
νιον (Pauſ. ii, 2, 1. und die Inſchr.) ſieht man auf dieſen
Münzen (in Paris) als einen Tholus, von leichten Joniſchen Säu-
len getragen, Delphine als Akroterien; mitten drin als Cultusbild
ein Knabe auf einem Delphin liegend, dahinter eine Pinie. Man
ſieht auch den Untertempel, ἄδυτον bei Pauſ. (ἐναγιστήριον
in der Inſchr.) und die κάϑοδος ὑπόγεως bei Pauſ. (ἱερὰ εἴςο-
δος in der Inſchr.). Auch zieht eine Opferproceſſion mit dem Wid-
der zu dieſem Adyton.


Olympia. Altis mit mehrern Tempeln, Hochaltar, Thea-
ter, Buleuterion, Prytaneion, Stadion, Gymnaſion, Theſauren und
mehrern Hallen, voll ἀγάλματα, ἀνδριάντες, ἀναϑήματα;
[286]Syſtematiſcher Theil.
Hippodrom außerhalb. Für die Localität: John Spencer Stanhope
Olympia or Topography illustrative of the actual state
of the Plain of Olympia.
Für die Beſchaffenheit des Heilig-
thums im Alterthum GGA. 1827. S. 161. und der Verſuch eines
Plans bei der neuſten Ausgabe von Pindar.


Delphi, Theaterförmiger Ort; oben Pytho, ein Temenos
mit Tempel (auf Reliefs und Münzen, Millingen Méd. inéd.
pl.
2, 12.), Hochaltar, Erdheiligthum, Buleuterion, mehreren Hal-
len, den Theſauren. Mittelſtadt. Unterſtadt. Der Ort der Ago-
nen unterhalb der Stadt gegen die Ebne und Kirrha. Plan zum
Pindar. (Ueber die Kunſtſchätze vgl. Sainte Croix Gouvern. fé-
deratifs p.
274.)


1253. So bedeutend jetzt ſchon die Anzahl der uͤber
Griechenlands Landſchaften zerſtreuten Truͤmmer von Tem-
peln und andern Bauwerken iſt: ſo iſt doch zu hoffen, daß
unter guͤnſtigen Verhaͤltniſſen mit Bedacht und Sorgfalt
angeſtellte Nachgrabungen den Plan und die architek-
toniſche Ausfuͤhrung einer ungleich groͤßeren Menge
2ans Licht bringen werden. Auch die Nachforſchungen
nach Sculpturen finden hier, ungeachtet der Venetianer
und der neueſten Erwerbungen, einen noch faſt jungfraͤu-
3lichen Boden; und man darf einer Zeit entgegenſehen,
wo einheimiſche Muſeen an aͤchten Reſten Griechiſcher
Kunſt alle außer Griechenland uͤbertreffen werden.


1. Bautrümmer, welche im Hiſtor. Theil erwähnt ſind: zu
Tiryns §. 45. Mykenä 45. 48. Argos 45. Epidauros 106.
Korinth 53. Nemea 109. Phigalia 109. Tegea 109. Lyko-
ſura 45. Olympia 109. bei Amyklä 48. auf Aegina 80. zu
Athen 80. 101. 109. 153. in Attika 109. auf Delos 109.
im Orchomenos 48. Delphi 80. auf Ithaka 47. Ephyra u.
andre Kyklop. Mauern in Epeiros 45. Außer dieſen ſind beſon-
ders intereſſant die von Th. Smart Hughes Travels in Sicily,
Greece and Albania II.
beſchriebenen ſehr vollſtändigen Trüm-
mer, welche eine zuſammenhängende Anſchauung einer anſehnlichen
Stadt geben, in Epeiros, 5 Stunden von Nikopolis, an einer
Stelle gelegen, wo es ſchwer ſein wird, eine bedeutende Stadt nach-
zuweiſen.


[287]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.

2. In Griechenland gefundene und geſammelte Bildwerke.
Venetianiſche Erwerbungen aus dem Peloponnes und von Corfu,
beſonders von Antonio u. Paolo Nani (um 1700) und Spä-
teren deſſelben Hauſes geſammelt (§. 261, 2.). Paciaudi Mo-
num. Peloponnesiaca.
Manches iſt durch Moroſini (1687)
von Athen nach Venedig gekommen, wie die beiden Löwen vor dem
Arſenal (mit Runenſchrift). Elginſche Sammlung, von Athen,
aber auch von andern Orten zuſammengebracht, im British Mu-
seum;
der Phigaliſche Fund (§. 118, 3) ebenda; die Aeginetiſchen
Statuen (90, 3.) in München. Nachgrabungen auf Keos,
Bröndſted Voyages et Recherches dans la Grèce. Livrai-
son i.
1826. Manches durch Clarke in Cambridge (Clarke
Greek Marbles, unten: Demeter), im Museum Worsleyanum,
im Musée Royal in Paris (durch Choiſeul Gouffier und Forbin),
beſonders die aus der Umgebung des Theaters von Milo erbeutete
Venus.


3. Eine Sammlung Atheniſcher Kunſtreſte in Fauvels Con-
ſulatgebäude, ſpäter eine andre von dem Athener Pſyllas (nach
Stanhope’s Briefen) angelegt; wohin jetzt? Auf Corfu Muſeum
des Signor Proſſalendi.


Für Archäologie der Kunſt wichtige Reiſebeſchreibungen,
nach Cyriacus von Ancona (§. 46.), beſonders Spon und Wheler,
Chandler, Choiſeul Gouffier Voyage pittoresque de la Grèce,
Dodwell’s Classical and topographical Tour, wozu Pomardi’s
Viaggio nella Grecia hie und da verglichen werden kann, W.
Gell’s Itinerary of Greece (1818 in 4. blos i. Argolis),
Itinerary of the Morea 8. 1817., Itin. of Greece. 8. 1819.,
Narrative of a Journey in the Morea.
1823. 8., die in
Walpole’s Memoirs und Travels vereinigten Artikel, Hobhouſe,
Holland, Hughes, Bartholdy, Pouqueville. Die architekto-
niſchen
Werke Le Roy’s (wenig brauchbar), Stuarts (copirt in
Le Grand’s Monum. de la Grèce), der Dilettanten-Geſellſchaft.
(Sorgfältige Nachſtiche dieſer Engl. Werke, nebſt Deutſchem Text,
bei Leske). Stackelberg’s große Sammlung landſchaftlicher An-
ſichten von Griechenland wird bald in Paris erſcheinen.


254. Die Makedoniſchen, Thrakiſchen und Illyriſchen1
Laͤnder erſcheinen ſehr arm an Bautruͤmmern und Fund-
orten Griechiſcher Kunſt; nur aus ſpaͤtroͤmiſcher Zeit fin-
den ſich hier Reſte. Dagegen ſind die Staͤdte-Ruinen2
laͤngs der Nordkuͤſte des ſchwarzen Meers ſehr wichtige
[288]Syſtematiſcher Theil.
Denkmaͤler Griechiſcher Cultur, uͤber die man mit Be-
gierde zuſammenhaͤngenderen Mittheilungen entgegenſehen
muß.


1. In Theſſalonike §. 192, 4; und Byzanz 193, 4. Von der
Col. istor., der Guglia giroglifica u. ſ. w. Zeichnungen im
Cabinet d’estampes zu Paris. Conſtantin des Gr. Marmorſäule
auf dem Vorgeb. des Boſporus. Sogenannte Pompejusſäule am
ſchwarzen Meere. Voy. pitt. de Cple et des rives du Bo-
sphore d’après les dessins de Mr. Melling. Par. 1807 f.

In Salona 193, 2 (auch Reſte von Thermen); Jadera (Thor
oder Bogen); Pola §. 190. (T. Aug. Amphitheater, Bogen der
Sergier), Stuart Antt. iv, 1—3. Caſſas Voy. pitt. de l’
Istrie et de la Dalmatie. Par. 1797 sqq.
Rubbi Antichità
Rom. dell’ Istria.
4.


2. Die meiſten Verhandlungen betreffen Inſchriften und Mün-
zen. Waxel Recueil de quelques antiquités trouvées sur
les bords de la Mer-Noire. Berl.
1803. 4. Köhler Diss.
sur le monument de Comosarye. Petersb.
1805. 8. Clarke
Travels in various countries T. 1.


Sammlungen: Cabinet von Blaremberg und Stempkowsky
zu Odeſſa; andre zu Nikolaef, Kertſch und Theodoſia.


3. Aſien und Africa.

1255. Kleinaſien war ſeit alten Zeiten an den
weſtlichen Kuͤſten, ſeit der Makedoniſchen Zeit auch in
einzelnen Strichen tief ins Land hinein mit Werken Grie-
chiſcher Kunſt ſo angefuͤllt, wie Griechenland ſelbſt, und
2iſt auch jetzt an Truͤmmern, beſonders in manchen Gat-
tungen, faſt reicher (wie man die Theater in Griechen-
land mehr zerſtoͤrt und unkenntlich gemacht findet, als
in Kleinaſien und Sicilien).


1. Ueber den Reichthum der Kleinaſiatiſchen Küſte, beſonders
Joniens, an Kunſtwerken Jacobs S. 424. Meyer S. 209 ff.
Von Epheſos Kunſtwerken Einiges im Zuſammenhang Tzetz. Chil.
viii, 198. Ueber Halikarnaſſos Prachtanlagen. Gisb. Cuper Ap-
pendix ad Apotheos. Hom. p. 236 sq.
Anch Aspendos
voll trefflicher Bildwerke Cic. Verr. ii, 1, 20. Ueber Cili-
[289]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
ciſche Kunſtwerke, nach Münzen, Tölken Kunſtbl. i. H. 6. Ab-
handlungen von Belley über die Monumente von Pergamon, An-
kyra, Tarſos, Cäſarea in Cappadocien, Mém. de l’Ac. des
Inscr. xxxvii — xl.


2. Bautrümmer oben erwähnt: zu Sipylos §. 42. Sardis
80, 2. Teos 109, 14. Epheſos 192, 4. Magneſia am Mä-
ander 109, 15. Samos 80, 3. Priene 109, 13. Milet 109,
12. Mylaſa 192, 4. Euromos (nach Andern Labranda) 157, 3.
192, 34. Halikarnaſſos 153, 3. Telmiſſos 245, 5. Nakoleia
245, 5.


Viele Theater: zu Epheſos, Miletos, Knidos, Stratoni-
keia, Jaſſos, Patara, Telmiſſos, Kiſthene, Antiphellos, Myra,
Limyra, Side (am beſten erhalten) Hierapolis, Laodikeia, Anemu-
rion, Selinus in Kilikien. Leake Asia minor p. 320 sqq.
Viele Aquädukte u. Thermen aus Römiſcher Zeit. Manches zu
Kyzikos, Neu-Ilion, Alexandreia Troas (viele Trümmer in Bo-
genconſtruction), Aſſos (wo die ganze Stadt noch zu erkennen iſt,
und merkwürdige Reliefs im älteſten griechiſchen Styl gefunden
werden, Kentauren mit Menſchenfüßen als Stierjäger darſtellend),
Kyme, Smyrna, Herakleia am Latmiſchen See (Trümmer vieler
Gebäude auf intereſſante Weiſe zwiſchen Felſen liegend), Myndos,
Myus, Knidos (wo ſehr bedeutende Ruinen, beſonders Doriſcher Ar-
chitektur; Miſſion der Dilettanten), Halikarnaſſos (Budrun, das
Caſtell voll ſchöner Reliefs, Amazonenkämpfe darſtellend: Basso-
rilievi discovered in Caria, etched and publ. by R. Dal-
ton,
im Anhang zu ſeinen Antiq. and Views in Greece
and Egypt. Lond.
1791., eine flüchtige Anſicht in der N. A.
der Antiq. of Ionia), Xanthos, Phaſelis, Perge, Klaudiopolis,
Kelenderis, und in andern Städten der Südküſte; im Innern be-
ſonders Trümmer von den Städten im Flußthale des Mäander und
Laodikeia Katakekaumene; auf Kypros von Kition.


Reiſen von P. Lucas, Tournefort, Pococke, Dallaway, Chand-
ler, beſonders Choiſeul Gouffier, für die Südküſte Beauforts Ka-
ramania,
für einige Nordgegenden von Hammers Umblick auf einer
Reiſe von Cpel nach Bruſſa, Peſth 1818., und für das Ganze
W. M. Leake Journal of a Tour in Asia Minor, with
comparative Remarks on the ancient and modern geo-
graphy of that country. Lond.
1824. 8. mit einer Karte,
welche eine vortreffliche Ueberſicht der früheren Reiſen giebt. Die
Ant. of Ionia in der neuen Ausgabe mit trefflichen Plänen (von
Priene, dem Mäanderthale, der Gegend des Didymäon, der Stadt
[290]Syſtematiſcher Theil.
Samos) und architektoniſchen Riſſen bereichert. Schöne Zeichnun-
gen von M. Huyot noch im Portefeuille.


1256. Syrien und Arabien ſcheinen von Denk-
maͤlern Griechiſcher Kunſt nur Bauwerke des luxurioͤſen
Roͤmiſchen Styls oder eines gemiſchten Griechiſch-Orien-
2taliſchen zu beſitzen. Denkmaͤler dieſer ſpaͤtern Zeit zie-
hen ſich auch durch Aegypten, das Reich Meroe, die
3Oaſen. In uͤbrigen Africa ſind die Staͤdte Kyrenai-
ka’s neuerlich ziemlich genau bekannt geworden, und be-
ſonders der Plan Kyrene’s liegt deutlich vor Augen; doch
iſt im Einzelnen dabei ſehr wenig aus alter aͤchthelleni-
4ſcher Zeit zum Vorſchein gekommen. Im weſtlichen
Africa ſind zahlreiche und anſehnliche Truͤmmer Roͤmiſcher
Anlagen vorhanden.


1. Vorhandne Denkmäler von Antiochia §. 192, 4. Sidon
(Felſengrab Caſſas ii, 82), Tyrus (Aquäduct, ebend. 85), zwi-
ſchen Tyrus und Ptolemais (Joniſcher T. ebd. 87), zu Jeruſalem
§. 192, 4. Emeſa (Kenotaph des C. Cäſar, Caſſas i, 21), Heliopo-
lis §. 192, 4. Palmyra ebd., der Stadt der Nabatäer 192, 5. Phi-
lippopolis 192, 4. Das Hauptwerk iſt, auch über Heliopolis u.
Palmyra, Caſſas Voy. pittor. de la Syrie, de la Phénicie,
de la Paléstine et de la basse Egypte,
mit Comm. von Lan-
glès. 1798 ff. Frühere Reiſen von Belon, Maundrell, della
Valle, Pococke. Burckhardt Travels in Syria and the holy
land. Lond. 1822. Trav. in Arabia. Lond.
1829.


2. Antinoe §. 191. Römiſche Thürme u. Mauern bei Tapoſi-
ris, in Babylon bei Cairo, zu Syene. Griechiſch-Aegyptiſche
Gebäude in Meroe §. 192, 5., auf der Oaſe des Ammon bei Zey-
tun (Caill. pl. 3. 5. 6.). Römiſch-Chriſtliche Gebäude in Un-
ter-Nubien, auf der nördlichen und ſüdlichen Oaſe von Aegypten
(auf dieſer ſind Grabmonumente mit Bogen auf Säulen ſehr häu-
fig, Caill. pl. 21. vgl. §. 218.). Marmor-Thron des Ares bei
Adule, mit der Inſchrift eines Aethiopiſchen Königs (nicht des Ptolem.
III.), in ſpätrömiſchem Styl, auf einer gewundnen Säule ruhend.
Kosmas Indopleuſtes.


3. Beträchtliche Ueberreſte von Ptolemais (ein Amphitheater,
zwei Theater); zu Kyrene (ein Amphith., zwei Theater, geringe
[289]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
Trümmer von zwei T., zahlloſe Gräber an den Straßen, theils
im Felſen, theils aufgebaut, mit Frontiſpicen, zum Theil ausgemahlt);
Einiges in Nauſtathmos, Apollonia, und an verſchiednen Orten weiter
öſtlich. Della Cella Viaggio da Tripoli alle frontieri occidentali
dell’ Egitto. Gen.
1819. Die beiden Beechy (F. W. u. H. W.)
Proceedings of the expedition to explore the N. coast
of Africa from Tripoli eastward in 1821 and
1822. 1828.
4. Pacho Relation d’un voyage dans la Marmarique, la
Cyrenaique et les Oases d’Audelah et de Macadeh. 1
et 2 Partie.
1827. 28. 4. u. f. Vgl. über Kyrene’s Plan GGA.
1829. St. 42.


4. Amphitheater zu Tripolis (j. Zavia), marmorner Triumph-
bogen des M. Aurel u. L. Verus zu Garapha (j. Tripoli) [Graf
Caſtiglioni Mém. geogr. sur la partie orientale de la Bar-
barie. Milan.
1826]. Aquädukt bei Tunis, Amphitheater zu
Tisdra (el Jemme), Ruinen von Cirta oder Conſtantina (Vesti-
ges d’un ancien tombeau dans le roy. d’Algier auprês de
Constantine, dess. par Bellicard),
von Lambeſa, Sufetula u.
ſonſt. Shaw Travels of Barbary and the Levant. He-
benſtreit De antiq. Rom. per Africam repertis. 1733. 4.


4. Italien.

257. Italien vereinigt auf die intereſſanteſte Weiſe1
in ſich die verſchiedenartigſten Diſtrikte fuͤr die Kunſtto-
pographie. 1. Den Diſtrikt einer durch Colonieen in2
Italien einheimiſch gewordnen Griechiſchen Kunſtwelt.
Dazu gehoͤren die Kuͤſtenſtriche Unteritaliens und Sici-
liens (hier auch Theile des Innern). Die Herrlichkeit3
der Kunſt in dieſen Laͤndern zeigt ſich in den eigenthuͤm-
lichen Bauwerken; von Bildwerken in Erz und Marmor4
wird verhaͤltnißmaͤßig weniger, doch manches Ausgezeich-
nete im reinſten und ſchoͤnſten Griechiſchen Style gefun-
den; dagegen ſind die Nekropolen der Griechiſchen und halb-5
griechiſchen Staͤdte dieſer Gegend (zu den letztern gehoͤren
Capua und Nola) die Hauptfundgruben der verſchiednen
Gattungen Griechiſcher Vaſen, an deren mehr oder min-
der geſchmackvoller Form und eleganter Mahlerei man
den Grad ziemlich ſicher meſſen kann, bis zu welchem
19
[290]Syſtematiſcher Theil.
Griechiſche Bildung auch bei den Landeseinwohnern, den
Campanern, Lucanern und andern, eingedrungen war.
62. Den Bezirk inlaͤndiſcher Voͤlker, welche die Grie-
chiſche Kunſt durch eigne Thaͤtigkeit bei ſich einheimiſch
gemacht hatten. Dazu gehoͤrt das Land der Etrusker
von Piſaͤ bis Caͤre, nebſt Felſina und Adria; auch das
Volskiſche Velitraͤ und das Latiniſche Praͤneſte ſchließen
ſich wegen einzelner Denkmaͤler oder Claſſen derſelben
7(Terracotta-Reliefs, Spiegel) daran an, ſo wie ein
Theil Umbriens. Der Reichthum dieſer Gegend an Mo-
numenten dieſer Claſſe hat in zahlreichen Sammlungen
im Lande eine bleibende Staͤtte gefunden.


1. Allgem. Hülfsmittel. Bern. Montfancon Diarium Itali-
cum. Par.
1702. 4. Reiſen beſonders von Don Juan Andres,
de la Lande und Volkman, Keyßler, Petit-Radel, Euſtace u. Colt
Hoare, Morgenſtern, v. d. Hagen, Thierſch u. Schorn. (Baudelot
de Dairval De l’utilité de voyages). Haſe Nachweiſungen für
Reiſende in Italien. Lpz. 1821. Fr. Blume Iter Italicum. Bd. i,
1824. ii, 1827. Beiläufig auch über Muſeen.


2. Im innern Lande iſt z. B. Akrä, die Syrakuſiſche Colonie,
reich an Reſten von Kunſt, Vaſen, Terracottas. Antichità di
Acre
des Baron Gabr. Judica; ſ. Kunſtbl. 1824. N. 57.


3. Reſte von Bauwerken. Poſeidonia §. 80. ii a. Von al-
len den Bauwerken in Tarent, Thurioi, Kroton leider Nichts (Paw
Mém. concernant le T. de Iunon Lacinienne, Mém. de
la Soc. de Cassel p.
67). Einiges Wenige in Hyele, Velia
(Münters Velia 1818). — Ughelli Italia Sacra IX. giebt Ei-
ges über die Ruinen dieſer Städte. Tempelruinen Siciliens, in
Syrakus §. 80. ii b. Akragas 80. ii b. 109, 17. Selinus 80.
ii b. 109, 18. Egeſta 109, 19. Theaterruinen zu Syrakus,
Tauromenium, Catana, Himera, Egeſta. Catacomben von Syra-
kus. — — Von Sardinien §. 166, 3. Felſengräber.


4. Das Taufgefäß in Gaëta (jetzt in Neapel) von Salpion,
Welcker Zeitſchr. S. 500. Der ſchöne Sarkophag in der Kathe-
drale von Agrigent (Pigonati t. 47. Houel iv, pl. 238. Saint
Non iv p. 82. Gypsabguß im Britt. Muſeum). Die herrlichen
Schulterblätter einer Rüſtung mit Amazonenkämpfen von Locri (?)
[291]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
in Bröndſteds Beſitz (?). In Syrakus hat Landolina manches
treffliche Stück ausgegraben.


5. Jorio’s Metodo per invenire e frugare i sepolcri
degli antichi. Nap.
1824., im Auszuge Kunſtbl. 1826.
N. 46—53. Die Nekropolen der Griechiſchen Städte durchgängig
gegen Norden.


Vaſen-Fundorte: In Bruttii Locri (alterthümliche und
ſehr ſchöne Vaſen); in Lucanien Päſtum; in Apulien, die Diſtricte
Puglia (Bari) und Baſilicata, beſonders Caſtelluccio (bizarr geformte,
buntbemahlt, in Firniß und Farben ſchlecht, viel mythologiſche Ge-
genſtände); in Samnium, beſonders Agata de Goti im Beneven-
taniſchen (leicht aber oft nachläſſig bemahlte); in Campanien die reiche
Fundgrube Nola (ſchöne Vaſen aber meiſt nachläſſig bemahlte,
auch alterthümliche der Claſſe a im §. 177, 2.), Capua u. Avella
(alterthümliche, aber von roherer Art, auch im ſpäteren Styl).
In Sirilien beſonders Agrigent (meiſt alterthümliche der Claſſe b,
aber auch ſehr ſchön und correkt gezeichnete). S. Kunſtblatt 1825.
N. 39. 72 ff. 90. 1826 N. 4. und die Vorrede zu Gerhards u.
Panofka’s: Neapels Antiken.


[Martorelli Antichità Neapolitane]. Reiſen von Riedeſel,
Swinburne, u. a. De St. Non Voyage pittoresque de Naples
et de Sicile.
Münter Nachrichten von Neapel und Sicilien. 1790.
Bartels Briefe über Calabrien und Sicilien. 1791 — 93. — Fa-
zellus de rebus Siculis f. 1558. Andr. Pigonati Stato pre-
sente degli antichi monumenti Siciliani, anno 1767.
Viaggio per tutte le antichità della Sicilia descr. de Ign.
Paterno Princ. di Biscari.
1781. 4. Houel Voy. pitt. des
îles de Sicile, de Malthe et de Lipari. 4 T. f. Paris

1782. Bern. Olivieri Vedute degli Avanzi dei monum.
antichi delle due Sicilie. Roma
1795. Pancrazi, d’Or-
ville, Wilkins, Hittorf (ſ. §. 80, ii. 111, iv).


6. Ueber Etruriens Kunſtdenkmäler im Ganzen §.
168 ff. Volaterrä §. 168. 170. 171. 174. 176. Fäſulä
168. 170. Arretium 170. 171. 172. Vetulonium 168.
Ruſellä 168. Populonia 168. 176. Coſa 168. Telamon
176. Cortona 168. 170. Peruſia 168. 173. 174. Satur-
nia 168. Cluſium 170. 171. 173. 174. 176. 177. Falerii
168. Tarquinii 170. 172. 173. 174. 177. Axia 170. Or-
chia 170. Tarquinii’s Umgegend (Canino, Ponte Badia) 170.
177. Felſina 177. Adria am Po 170. 177. Veliträ 171,
Präneſte 173. Umbrien 176.


19*
[292]Syſtematiſcher Theil.

7. Etruskiſche Muſeen: Das Gnarnacci’ſche, hernach
Grundlage des öffentlichen, zu Volaterrä. Ebenda das der Fran-
ceſchini, der Cinci. Sammlungen Anſidi, Oddi u. a. zu Peruſia
(ſ. Lanzi’s Regiſter, vgl. Blume ii. S. 210.), Buccelli zu Mon-
tepulciano u. a. m. Die Kunſtſachen, welche zu Cortona in der
Accademia Etrusca, aber auch in andern Häuſern, aufbewahrt
wurden, giebt zum Theil das Museum Cortonense §. 178).


Außer den allgemeinen Reiſewerken für Etrurien Targ. Toz-
zetti’s ſchätzbares Werk: Relazioni d’alcuni viaggi fatti in
Toscana.


1258. Aber bei weitem am ausgedehnteſten und ergiebig-
ſten iſt 3. das Reich der den Roͤmern dienſtbar geword-
nen, zur Verſchoͤnerung Roͤmiſcher Anlagen gebrauchten
2Griechiſchen Kunſt. Rom iſt durch die Menge der
vorhandnen Bautruͤmmer, an welche ſich zum Theil
ſehr ergiebige Fundorte der Statuen anknuͤpfen, bei
weitem der Mittelpunkt dieſes Reichs, und ungeachtet es
im Alterthum ſo wenige Kuͤnſtler hervorgebracht, der
3wichtigſte Fleck Erde fuͤr den Archaͤologen; Roms Topo-
graphie bildet einen anſehnlichen Zweig des Studiums.
4Die noch vorhandnen Monumente und Truͤmmer draͤn-
gen ſich am meiſten um den aͤlteſten und politiſch wichtig-
ſten Theil des alten Roms, das Forum Romanum und
die Via Sacra; ohne Zweifel auch deswegen, weil die
Bevoͤlkerung ſich im Mittelalter zeitig aus dieſen Gegen-
den weggezogen und ſie der Vergangenheit uͤberlaſſen hat;
waͤhrend der Campus Martius, in der Kaiſerzeit eine
Stadt von Prachtbauten, deswegen weil das neue Leben
ſich hier beſonders angeſiedelt, wenige und meiſt nur
ſolche Denkmaͤler zeigt, welche den Beduͤrfniſſen und
Zwecken dieſer Zeit ſelbſt angepaßt werden konnten.


2. Ueber den Ertrag neuer Nachgrabungen unterrichtete
früher Guattani (§. 38, 2), neuerlich durch allerlei kleine Schriften
Fea, nebſt den Artikeln von Gerhard im Kunſtbl. 1823 — 26.
“Römiſche Ausgrabungen”. Memorie Romane di Antichità
e di belle Arti,
von 1824 an.


[293]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.

3. Topographie Roms. Fragmente alter Pläne in Pira-
neſi’s Antichità Romane T. i. vereinigt. Marliano Topogra-
phia Romae. Rom.
1544 u. 1588. Boiſſard Topogr. Urbis.
6 Vol. f. Rom.
1597. Donati Roma vetus et recens.
1648. Nardini Roma antica. 1666. (Thes. Ant. Rom. IV)
Adlers Beſchreibung der Stadt Rom. Guattani Roma antica.
1793., neu 1805. Venuti Descr. topogr. delle antichità
di R. 2. ed. R.
1803. neu herausg. von Stef. Piali. R. 1824.
Fea Nuova descrizione di R. antica e moderna. R. 1821.
3 Bde 8. C. Sachſe Geſch. u. Beſchreibung der alten Stadt
Rom. 2 Theile 1824 und (nach dem Tode des Vf.) 1828. Um-
faſſendes Werk von Bunſen, Gerhard, Platner, Röſtell unter der Preſſe.
Einleitung von Niebuhr, Kleine Schriften S. 417. Zur Topo-
graphie des älteſten Roms nach den iv regionibus Böttigers Ar-
chäol. u. Kunſt i. S. 69. Plan von Nolli 1748. Ein Auszug,
bei Monaldini 1818. Fea’s Prodromo di nuove osservaz.
e scoperte fatte nelle ant. di R.
1816. Vaſi’s Itinera-
rio,
neu von Nibby.


Kupferwerke, außer den §. 190. angeführten von Desgodetz,
Piraneſi, Roſini, noch: Les restes de l’anc. R. grav. par
Bonav. d’Overbeke. Amst. 1709. III f.
Barbault Les
plus beaux Monumens de R. ancienne. 1761 f. Vues
des plus beaux restes 1775. f. Vedute
von Piraneſi, von Cle-
riſſeau u. Cunego, von Roſini. Anſichten aller ſieben Hügel in
Caſſas u. Bence’s Grandes Vues.


4. Hier nur die Anordnung der §. 190 — 195. genannten
Monumente nach dem Local. 1. Mons Capitolinus. Aedis
Capitolina. 2. Forum Romanum.
(Ueber die Lage und
Ausdehnung Sachſe i. S. 698 und der Plan von Hirt, Geſch.
Tf. 23.) T. Iovis Tonantis. Sog. T. Concordiae (Späte
Reſtauration eines T. Divi Vespasiani nach Fea; daneben Reſte
des wahren T. Concordiae, das wahrſcheinlich Septim und ſeine
Söhne restituerunt). Arcus Septimii Severi. Columna
Phocae
(auch geraubt). Sog. T. Iovis Statoris (aus der Zeit
des ſpätern reichdecorirten Styls). Basilica Iulia. Carcer Ma-
mertinus (robur Tullianum,
Leon. Adami’s Ricerche. R.
1804. 4.). 3. Palatinus cum Via Sacra.
(Nibby del
foro Romano, della via sacra, dell’anfiteatro Flavio e de.
luoghi adiacenti. R.
1819. deutſch von Chr. Müller). Pa-
latium Caesarum, (Scavo Rancurelliano,
Guattani Mon.
ined. 1785. Genn. Ott.). T. Antonini et Faustinae
(S.
Lorenzo in Mirandá). T. Pacis (Nibby del tempio della
[294]Syſtematiſcher Theil.
Pace e della Bas. di Costant. 1819. La Basilica di Cost. sban-
dita della via sacra per lett. del Av. Fea 1819). T. Veneris
et Romae. Arcus Titi. Arcus Constantini (ad summam
sacram viam). Amphitheatrum Flavium. 4. Esquiliae.

Die Domus Aurea erſtreckte ſich herüber. (Davon die Camere
Esquiline). Thermae Titi. Palatium Titi (Sette Scale).
Arcus Gallieni.
5. Vor und hinter dem Cälius. Circus
Maximus. Basilica St. Clementis. St. Ioannis Lateran.
6. Velabrum et Aventinus.
Sog. T. der Fortuna Virilis
§. 192. Sog. T. der Veſta (S. Stefano, ein tholus peripte-
ros
). Hinter dem Aventin die Thermae Antoninianae s. Ca-
racallae. Cestii monumentum
(Falconieri Thes. Ant. Rom.
iv. p.
1461). 7. Gegend der Fora. Forum Augusti (nach
Hirt, Niebuhr u. Aa; Sachſe nennt dies fälſchlich wieder das Fo-
rum Nervae). T. Martis Ultoris
(nach Sachſe ii. S. 95 der
einzige von Auguſt unter dieſem Namen erbaute). Forum Ner-
vae, T. Palladis. — Forum Traiani. Columna Traiani.
8. Campus Martius.
(Piraneſi Campus Martius ant. Urbis.
R. 1762 f.
ein Phantaſiegemälde). Theatrum Marcelli. Da-
bei lag ehemals (Ant. Labacco Alcune notabili antiqu. di Roma.
Ven.
1584) ein Doriſcher T. peripteros. Pantheon. (Dahin-
ter Thermae Agrippae). Columna Antonini. Mausoleuin
Augusti. 9. Quirinalis, Viminalis, Hortulorum collis.
Thermae Constantini. Diocletiani (Le terme Diocleziane
misurate e dis. da Seb. Ossa. R. 1588 f.
Palladio Terme
de’ Rom. dis. con giunte di Ott. Barotti Scamozzi. Vic.
1783 f). Agger Tarquinii. Castra Praetoriana. 10. M.
Vaticanus. Mausoleum Hadriani. Basilica S. Petri.
— —
Außer Rom an der via Ostiensis Basil. S. Pauli. Via
Appia. Sepulcrum Scipionum. Mon. Caec. Metellae.
Grab
der Claudia Semne (Uhden in Wolfs und Buttmanns Muſeum
i. S. 534) und viele andre. Labruzzi Via Appia illustrata.
Werke von Bianchini, Gori, de Roſſi über das Columbarium
der Freigelaſſnen der Livia. Catacomben der Chriſten. Circus
Caracallae (Maxentii).
Wagner de fonte et specu Ege-
riae. 4. Via Labicana. Helenae sepulcrum. Via No-
mentana. Basilica S. Agn. Via Flaminia. Sepulcrum
Nasoniorum, §. 210. Via Aurelia;
ausgemahlte Grabmo-
numente der Villa Corſini (bei Bartoli).


259. In der Umgegend Roms, in Latium, ſind
beſonders die Orte, welche von Kaiſern zu laͤndlichem
Aufenthalt erkoren waren, wie das glaͤnzende Antium,
[295]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
Tibur, auch Lavinium (Alba Longa nicht ſo, wie man
es von Domitians Prachtliebe erwarten ſollte) ergiebige
Quellen fuͤr Kunſtwerke, ohne es ausſchließlich zu ſein.


Latium. Kirchers Latium f. 1671. Veteris La-
tii Antiqua Vestigia R.
1751., erweitert: Vet. Latii Anti-
quitatum Ampliss. Collectio. R.
1771., wenig brauchbar.
Sickler Plan topogr. de la Campagne de Rome, nebſt Text
in 8. Weimar 1811. R. 1818. Nibby Viaggio antiq. ne’
contorni di Roma. R. 1819. II.
8. Viel in Sicklers und
Reinhard’s Almanach aus Rom.


Im Einzelnen: Alba Longa (Piraneſi’s Antich. di Alb.
e di Cast. Gandolfo
). Emiſſar §. 168, 3. 180, 1. Grab-
mal §. 170, 3. Sonderbare Urnen (Tambroni u. Aleſſ. Viſconti
in den Atti dell’ Ac. Arch. Rom. II. p. 257. 317). Ga-
bii
, Forum §. 188. Statuen in Villa Borgheſe, §. 261, 1. Prä-
neſte
. Suaresii Praeneste antiqua. R. 1655. Vgl. über Auf-
findungen daſelbſt §. 257. Tibur. Sog. Veſtatempel. Sog.
T. della Tosse. Ant. del Rè Dell’antichità Tiburtina R.
1611. Stef. Cabral e Fausto del Rè Delle ville e monu-
menti ant. della città e del territorio di Tivoli. R. 1779.
Villa Hadriani §. 191. Pirro Ligorio pianta della villa
Tiburtina ed. di Fr. Conti R. 1751. Capmartin de
Chaupy, Decouverte de la maison de campagne d’Horace.

3 Bde 8. Tusculum. Catacomben. Grab der Fam. Furia. Be-
deutende neue Nachgrabungen. Vgl. Kunſtbl. 1826. N. 3. Cora.
Doriſcher T. G. A. Antolini Il tempio d’Ercole nella città di
Cori. R.
1785. Piraneſi Antichità di Cora. R. 1761 f.
Oſtia, ſ. Lucatelli Diss. Corton. VI. Hafen §. 190, 2. Fea
Relazione di un viaggio ad Ostia. Derſ. Alcune osserv.
sopra gli antichi porti d’Ostia.
Sicklers Almanach ii. S.
231. 244. Lavinium §. 191., Lucatelli ebd. vii.Antium,
Theater und andre Reſte. Unter Caligula und andern Cäſaren
aus Auguſtes Hauſe ſehr verſchönert; Fundort ſehr vorzüglicher Sta-
tuen, ſ. beſonders Winckelm. W. vi, 1. S. 259. Fea ebd. 2.
S. 320. Philippi a Turre monum. vet. Antii. R. 1700.
— — Kyklopiſche Mauern, oben §. 166. [Marianna Dionigi
Viaggi in alcune città del Lazio che diconsi fondate dal
Rè Saturno. R.
1809].


260. In Unteritalien geben die Gegenden um1
den Puteolaniſchen Meerbuſen nicht blos von der fruͤhern
[296]Syſtematiſcher Theil.
Helleniſchen Cultur, ſondern auch von der Pracht und
dem Luxus der Roͤmer Kunde. Wie die Roͤmer ſelbſt
in Neapolis den Genuß eines freien und behaglichen Hel-
leniſchen Lebens ſuchten, und die Reſte deſſelben gern
fortbeſtehen ließen: ſo beruͤhren ſich hier auch in den
2Truͤmmern und Graͤbern beide Kunſtwelten. Aber die
deutlichſte Anſchauung alter Kunſtcultur im erſten Jahr-
hundert n. Chr. geben die vom Veſuvius verſchuͤtteten
Staͤdte. Wenn hier auch manche Abweichung aus fruͤhe-
ren Helleniſchen Umgebungen und noch fortbeſtehender
Oskiſcher Nationalitaͤt abgeleitet werden kann: ſo finden
wir doch in der Hauptſache Alles dem Geſchmack der
Roͤmiſchen Hauptſtadt analog, und koͤnnen uns, wenn
wir die Zuͤge, welche Rom im Großen, aber verwiſchter,
darbietet, aus der Detailanſchauung Pompeji’s auszeichnen
und vervollſtaͤndigen, das Leben jener Zeit ſehr genau
3und lebendig erneuern. — Das noͤrdliche Italien
bietet eine Menge zerſtreuter Truͤmmer und Fundorte von
Statuen; am meiſten vereint ſich in Verona.


1. Rehfues Gemählde von Neapel u. ſeinen Umgebungen 3 Th.
1808. Mormile Descr. della città di Nap. e dell’ anti-
chità di Pozzuolo con le figure degli edificj e con gli
epitafj che vi sono. N.
1670. Pozzuoli (Dikäarchiä,
Puteoli) reich an Alterthümern. Franc. Villamena Ager Puteo-
lanus s. prospectus eiusdem insigniores R.
1620. 4. Paoli
(P. Ant.) Avanzi delle antichità esist. in Pozzuoli, Cuma
e Bajae. N. 1768. f. Le antichità di Pozz. Bajae e
Cuma inc. in rami da F. Morghen. N. 1769 f.
Jorio
Guida di Pozzuoli. Serapeion, ein Monopteros mit Heil-
quellen und vielen Cellen für Incubation, wahrſcheinlich dem Kano-
biſchen nachgebildet, nach Andr. de Jorio’s Schrift über den Serapis-
tempel. Alterer Plan von Erdmannsdorf. Amphitheater, Aquädukt,
Piſcina, Gräber. Sog. templum Veneris et Dianae (wahr-
ſcheinlich Badeſääle), piscina admirabilis u. Andres in Bajä.
Theater zu Miſenum. Circus oder Amphith. von Cumä.
Grab mit den angeblichen Skelets (Jorio, Sickler). Ueber die
Sibyllengrotte von Cumä beſonders Jorio Viaggio di Enea all’
Inferno.
Stollen im Poſilippo (von Coccejus um 717 ge-
brochen). Rob. Paolini Mem. sui monumenti di antichità
[297]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
e di belle arti ch’esist. in Miseno, in Baoli, in Baja,
in Cuma, in Capua ant., in Ercolano, in Pompeji ed in
Pesto. N.
1812. 4.


Ueber die Entdeckungen auf Capri Hadrava Ragguagli di
varj scavi e scoperte di antichità fatte nell’ isola di Ca-
pri. Nap.
1793. 8. Gori’s Symbolae litter. Decad.
Rom. Vol. iii. p.
1. Ruinen eines T. (?) auf Pandataria.


2. Die verſchütteten Städte. Oben §. 190, 4. Erſte Ent-
deckung, beim Theater von Herculanum, auf dem Gute des Pr.
Elbeuf Emanuel von Lothringen, g. 1711 (Herculaniſche Frauen-
ſtatuen in Dresden), dann 1736 bei dem Erbau eines Luſtſchloſſes
Carl XII. Das tief verſchüttete Herculanum, deſſen Markt
unter Reſina liegt, kann nur, wie ein Bergwerk, durch Stollen
genutzt werden; das leichtbedeckte Pompeji dagegen ganz offen gelegt
werden. Herculaniſche Akademie 1755 geſtiftet. Die franzöſiſche
Zeit hat den eingeſchlafnen Eifer neu belebt; die Aufgrabungen in
Pompeji gewähren faſt alle Jahre neue Ausbeute an intereſſanten
Gebäuden, Gemälden, Bronzegeräthen u. dgl.


Ueber Herculanum: Venuti Descr. delle prime sco-
perte dell’ antica città di Ercolano.
1748. Berichterſtattende
Werke von Cochin u. Bellicard, Cramer, Ant. Fr. Gori, de Cor-
revon. (Roſini) Dissertat. Isagog. ad Hercul. Volum. ex-
planationem. Bayardi Prodrcmo delle antichità d’Ercolano.
N. 1752. Le antichità di Ercolano. N. 1757 — 92. T. i —
iv. vii.
Pitture. v. vi. Bronzi. viii. Lucerne etc.

(Deutſcher Auszug von Murr mit Umriſſen von Kilian). Anti-
quités d’Herculanum, grav. par Th. Piroli et publiées par
F. et P. Piranesi. Par. 1804—6. 6 T.
4. — — Ueber
Pompeji die Hauptwerke §. 190, 4. Martini das gleichſam
wieder auflebende Pompeji. Lpz. 1779. 8. Gaetano Prospetto
dei scavi di Pompeji.
8. Millin Descr. des Tombeaux,
qui ont été decouv. à Pomp. l’a.
1812. Romanelli
Viaggio da Pompei a Pesto. Nap. 1817. 2. T. 8. Choulant
de locis Pompej. ad rem medicam facient. Lips. 1823.
Die neueſten Nachrichten in Nicolini’s Musée Bourbon, bei Jorio
sugli scavi di Ercolano, u. in den Berichten in Schorns
Kunſtblatt 1825. N. 36. 1827. N. 26. Guarini über einige Mo-
numente Pompeji’s.


Beneventum. Triumphbogen §. 191, 1. Vita The-
saurus Antiquitt. Beneventanarum R. 1754. T. i.
Römiſches.


[298]Syſtematiſcher Theil.

3. Umbrien. Ocriculum, ſehr bedeutende Ruinen; Thea-
ter, Amphitheater, mehrere Tempel. Nachgrabungen 1777. Guat-
tani Monum. ined. 1784. p. 1 sqq.Aſiſium, alter T.
Guatt. 1786. p. xx.Tuder, ſog. Marstempel. Allerlei
Streitſchriften. Giorn. Arcad. 1819. Luglio.Fulginium.
Pontano Disc. sopra l’antichità della città di Foligno. Per.
1618. 4.


Etrurien; wenig Bedeutendes aus Römiſcher Zeit. Am-
phitheater von Arezzo. Lor. Guazzeſi in den Diss. dell’ Ac. di
Cort. T. ii. p.
93. und an andern Orten. — Ancona
§. 191, 1. Peruzzi Diss. Anconitane. Bol. 1818. 4. Ari-
minum
§. 190. 1. i. Tom. Temanza Antichità di Rimini.
Ven. 1741. f.


Ober-Italien. Ravenna §. 195, 1. Verona,
das ungeheure Amphitheater. Maffei degli Amſiteatri. Des-
godetz Les édif. ch. 22. Ueber neue excavamenti Giulari
Relazione degli escavamenti etc. 1818. 8. Arcus Gavii
et Gaviae.
Viel andre Römiſche Gebäude. Breſcia; neue
Entdeckung eines Tempels und großer Bronzefiguren. [Dr. Labus
Antologia 1824. n. 43.] Le memorie Bresciane von Otta-
vio Roſſi. Breſcia 1693. 4. Velleja, Forum. Antolini
le rovine di Velleja misurate e disegn. Mil. 1819. f.
Amalthea i. S. 331. Die Denkmäler ſind meiſt nach Parma ge-
bracht. Aoſta §. 190, 1. ii.Suſa ebd. Millins Voyage en
Savoie, en Piemont, à Nice et à Gènes. Paris 1816.
Voy. dans le Milanois, Plaisance, Parme etc. Par.
1817.


Aquileja. Bartoli Le antichità d’ Aquileia profane
e sagre. Ven. 1739. f.
Forum Julii, Muſeum aus ein-
heimiſchen Sachen.


1261. Die muſeographiſchen Nachrichten, welche
wir auf die topographiſchen folgen laſſen, beginnen billig
mit Rom. Rom hat, bei dem ungeheuren Reichthum
ſeines Bodens, beſonders durch die weiſe Verfuͤgung,
nach der keine Kunſtwerke des Alterthums ohne Erlaub-
niß der Regierung aus Rom fortgebracht werden duͤrfen,
oͤffentliche Muſeen erhalten, mit denen noch lange keine
andere an Fuͤlle vorzuͤglicher und wohl erhaltner Gegenſtaͤnde
werden wetteifern koͤnnen, einer Fuͤlle, gegen die alle Be-
[299]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
kanntmachung unvollſtaͤndig zuruͤcktritt, und oft grade
das Intereſſanteſte zu uͤbergehen in Gefahr geraͤth. Die
ſchoͤne Zeit der Privatſammlungen dagegen iſt voruͤber,
die ausgezeichnetſten ſind eine Zierde theils Italiaͤniſcher,
theils fremder Reſidenzen geworden. Im noͤrdlicheren2
Italien iſt Florenz durch die Villa Medicis und Etru-
rien, Venedig beſonders aus Griechenland, aber auch
aus der Umgegend und aus Rom reich geworden; allen
andern Sammlungen hat es an ſolchen Quellen gefehlt.
Neapel aber hat uͤberſchwengliche einheimiſche Schaͤtze,3
welche ſich ganz von ſelbſt hier concentriren, und dieſer
Reſidenz neben Rom eine unabhaͤngige Wichtigkeit und
ein Intereſſe, das keine andre Sammlung erſetzen kann,
zuſichern.


1. Man hat von 60,000, ja Lanzi von 170,000 Statuen
oder Antiken in Rom geſprochen. Oberlin p. 127. Jacobs a. O.
S. 516.


Die allgemeinen Werke über Antiken in Rom von Cava-
leriis u. Aa. ſ. §. 37. Ant. statuarum urbis R. Icones.
R. ex typis Laur. Vaccarii 1584. T. ii. 1621. ex typis
Gott. de Scaichis.
Gio. Batt. Roſſi Antiq. statuarum ur-
bis Romae I et II. liber 1668. f. Admiranda Romae a
P. S. Bartolo delineata, notis Bellorii illustr. R.
1693.
Borioni Collectanea Antiq. Romanarum, mit Erklärungen
von Rod. Venuti. 1735. Meiſt Bronzen. Antiquitatis Mo-
numenta Rom. collecta et illustr. a Conyers Middleton.
Lond.
1745. Ramdohr Ueber Mahlerei und Bildhauerarbeit
in Rom. 1787. 3 Theile 8.


Statuen in Rom auf öffentlichen Plätzen: vor dem Capitol
M. Aurel, die beiden Baſaltlöwen, die Dioskuren; die Roſſebän-
diger auf M. Cavallo; Pasquino u. Marforio (ein Flußgott und
Aias mit Patroklos. Notizie di due famose statue di un
fiume e di Patroclo. R.
1789).


Sammlungen.


I.Oeffentliche.


a. Auf dem Capitol:


Museum Capitolinum; begründet von Clemens XII, ver-
[300]Syſtematiſcher Theil.
mehrt von Benedikt XIV u. andern Päbſten. Hauptwerk §. 38.
Reich an Hermen von Philoſophen u. dgl. — Museum Kir-
cherianum,
herausgegeben von Bonnani. Rom 1709 F. Mu-
sei Kirch. Aerea illustr. notis Contucci. R. 1763 — 65.
II. f.
— Pallaſt der Conſervatoren.


b. Auf dem Vatican:


Museum Pio-Clementinum. Eröffnet von Clemens XIV
durch ſeinen tesoriero Braschi, der es als Pius VI ſehr vergrö-
ßerte. Hauptwerk §. 38. Vgl. Zoëga’s Bemerkungen in Welckers
Zeitſchr. i. S. 303. f. Nuovo braccio. Vgl. Kunſtbl. 1825.
N. 32. Museo Chiaramonti, eine Erweiterung davon. §. 38.
Fea Nuova descr. de’ Monum. ant. ed oggetti d’arte nel
Vaticano e nel Campidoglio. R.
1819. 12.


II.Privatſammlungen (Vgl. Vaſi und das Re-
giſter zu Winck. Werken Bd. vii).


Albani, Palaſt und Villa suburbana, welche der Card.
Alex. Albani mit Kunſtſchätzen gefüllt. Von Winckelmann (Mon.
in.
) und Zoëga (Bass.) beſonders benutzt. Catalog vorhanden.
Schriften von Raffei; Marini’s Inscr. Villae Alban. Jetzt
Viel davon in Paris.


Borgheſe. Palaſt, Villa. Die Schätze der Villa ſind
von Napoleon durch Kauf erworben, und darum in Paris verblieben:
doch ſammeln ſich auch dort wieder neue. Sculture del pa-
lazzo della villa Borghese detta Pinciana. R. 1796 ii.

Bd. 8. Monumenti Gabini della villa Pinciana descr. da
Visconti. R.
1797.


Barberini, Palaſt. Viel nach England, das Meiſte nach
München. Tetii Aedes Barberinae R. 1647. f. Andres
jetzt im Palaſt Sciarri. Gerhard Prodrom. S. xv.


Mattei, Palaſt und Villa. Monumenta Mattheiana ill.
a Rud. Venuti cur. J. Cph. Amadutio. R. 1776 — 79.
III. f.
Das Beſte davon im Pio-Clement.


Giuſtiniani, Palaſt, die Antiken zerſtreut. Galeria
Giustiniana II. f. R.
1631.


Farneſe, Palaſt; Villa auf dem Palatin; Farneſina tras
Tevere.
Alle Antiken jetzt in Neapel.


[301]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.

Medicis, Villa. Das Vorzüglichſte iſt um 1770 nach
Florenz geführt worden.


Ludoviſi, die vorzüglichen Bildwerke dieſer Villa ſcheinen
noch vorhanden zu ſein.


Negroni, Villa; die Antiken aufgekauft von dem berühmten
Kunſthändler Jenkins; das beſte im PioCl.


Aldobrandini, Villa, j. Miollis. [Werk von A.
Viſconti].


Panfili, Villa; Statuen und Büſten. Villa Pam-
philia eiusque palatium. R. f.
Noch Manches vorhanden.
Caſino Panfili.


Villa Altieri, Caſali und viele andre. Thorwaldſens Sammlung.


In der Umgegend Roms: Villa Mondragone in Frascati
(ob jetzt noch Etwas?). Palaſt Colonna bei Paleſtrina. Des
Cardinal Borgia Muſeum zu Velletri (Heeren in der Amalthea i.
S. 311. Lettre von Et. Borſon. R. 1796. Borgiana auf
einzelnen Kupferblättern auf der Gött. Bibliothek), iſt nach Neapel
übergegangen.


2. Florenz. Großherzogliche Gallerie, reich an Sta-
tuen (aus Villa Medicis), Vaſen, Etruskiſchen Alterthümern.
Gori §. 37. Reale Galleria di Fir. incisa a contorni
sotto la dir. del S. Pietro Benvenuti, ed illustr. dai
SS. Zannoni, Montalvi, Bargigli e Ciampi. Fir.
1812.
8. Vgl. H. Meyer in der Amalthea i. S. 271. ii. S. 191.
iii. S. 200. Palaſt Pitti. Tableaux, statues etc. de
la Gal. de Flor. et du Palais Pitti dessinés par Wi-
car,
mit Erläuterungen von Mongez. Paris 1789. f. Garten Bo-
boli. Palaſt Riccardi.


Peſaro. Marmora Pisaurensia illustr. ab Ant. Oli-
verio Pis. 1738. Lucernae fictiles Musei Passerii cum
prolegg. et notis. Pis. 1739 — 51. 3. T. f.


Bologna. Antiquarium auf der Bibliothek (Malvaſia Mar-
mora Felsinea). Museum Cospianum.
Einiges im Palaſt Zam-
beccari.


Ferrara. Studio publico, einige Alterthümer. Reſte des
Museum Estense, bei deſſen Sammlung Pirro Ligorio thätig war.


[302]Syſtematiſcher Theil.

Schloß Catajo. Sammlung des March. Obizzi. Thierſch
Reiſe S. 302. [Descr. del Catajo fatta da Betussi Terr.
1669, 4]. Villa Alticchiero bei Padua. Alticchiero per
Mad. I. W. C. D. R(osenberg). Padua
1787. 4.


Venedig. Oeffentliche Sammlung im Vorſaal der Mar-
cusbibliothek. Werk §. 37. Muſeum Nani, oben §. 253, 2.
Monumenta Gr. ex Museo Iac. Nanii-ill. a Clem. Biagio
R.
1785. 4. Biagi Monum. Gr. et Lat. ex Mus. Nanii R.
1787. 4. Collezione di tutte le antichità — nel Mus. Na-
niano. V. 1815. f.
Muſ. Grimani, vom Cardinal Domen.
Grim. 1497 begründet, viel in Adria Gefundnes enthaltend, jetzt
größtentheils in das öffentliche Muſeum übergegangen (Millins Ore-
stéide
) Auch die Sammlung Contarini iſt öffentlich geworden.
Ueber die Sammlungen im Haus Tiepolo, Guiſtiniani alla Zecchere,
bei Weber Thierſch Reiſen in Italien i. S. 261 ff. Früher
Treviſani, Moroſini u. andre Häuſer. Fiorillo Geſch. der Mahlerei
in Ital. ii. S. 52 ff. Ueberall begegnet dem Suchenden in
Venedig Griechiſches. In St. Marcus 500 Säulen aus bunten
Steinarten, meiſt Griechiſcher Herkunft. Die vier Erzroſſe von
St. Marcus ſollen im J. 1204 aus dem Hippodrom von Cpel
weggebracht worden ſein. Muſtoxidi sui quattro cavalli della
basil. di S. Marco in Venezia.
1816. 8. Abhandlungen
von Cicognara, Dandolo und A. W. Schlegel. Peterſen Einl.
146. 325.


Verona. Oeffentliche Sammlung von Sc. Maffei veran-
ſtaltet, in welcher allerlei Alterthümer, Griechiſche von Venedig
her, auch Etruskiſche, zuſammenſtehn. Maffei Museum Vero-
nense s. antiq. inscript. et anagl. collectio, Veron.
1749.
Sammlung des March. Muſelli. Antiquit. reliquiae a March.
Zac. Musellio collectae. Veron. 1756 f.
Muſeum Bevi-
laqua, Bruſtbilder u. Reliefs. Sc. Maffei Verona illustrata.
V.
1731.


Mantua. Bottani Museo della R. Accad. di Mantova
M.
1790. 8.


Cremona. Iſidor Bianchi Marmi Cremonesi. Mil.
1792. 8.


Breſcia. Mazzuchellianum Museum a Com. Gaetano
ed. atque illustr. Ven. 1761—63. 2 T. f.


Parma, Palaſt Farneſe (Vellejatiſche Alterthümer).


[303]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.

Pavia. Reiterſtatue des M. Aurel (Regisole).


Turin. Museum Taurinense in Maffei’s (der die Stif-
tung veranlaßt) Mus. Veron. (Anton. Rivautellae et Io.
Paulli Ricolvi) Marmora Taurinensia 2 T.
4. 1743. 47.
Ueber den jetzigen Zuſtand der K. Sardiniſchen Sammlung ſ.
Schorn Amalthea iii. S. 457.


3. Neapel. Real Museo Borbonico negli Studj, die
Farneſiſchen Schätze vermehrt aus den verſchütteten Städten, Pu-
teoli und dem Großgriechiſchen Kunſtbezirk, auch durch das Muſeo
Borg a, Vivenzio u. a. Schöne Marmorwerke, aber beſonders
Gemälde, Vaſen, Bronzen, Glaswaaren, Prezioſen, geſchnittne
Steine. [Gio. Batt. Finati Il Regal Museo Borhonico. I.
Statue di Marmo. N.
1819. 8]. Nicolini’s ſehr umfaſſendes
Musée Royal Bourbon de Naples. Einige Hefte erſchienen.
Neapels Antike Bildwerke, beſchrieben von E. Gerhard und Th.
Panofka. Th. i. bei Cotta 1828. Jorio Galleria de’ vasi. N.
1825. 8. Muſeum zu Portici, das erſte Reſervoir, in welches
die Kunſtſchätze aus den verſchütteten Städten ihren Weg nehmen.
Sammlung des Pr. S. Giorgio-Spinelli zu Neapel (beſonders
Terracotta’s aus Gr. Gräbern, Gerh. Prodr. p. xiv). Vaſenſamm-
lungen von S. Angelo. Vaſenmagazine. Reliefs in Sorrent.


Sicilien. In Palermo Muſeum des Princ. Castello di
Torre-Muzza.
Ein andres im ehemaligen Jeſuiter-Collegium (?).
In Catania Muſ. des Princ. Biscari. Seſtini Descr. del Mu-
seo del Pr. di Biscari 8. Flor.
1776. u. 1787. Palazzolo
(Akrä) Muſ. des Baron Judica, §. 257, 2.


5. Der Weſten Europa’s.

262. Frankreich hat unter den uͤbrigen Laͤndern1
Europa’s noch am meiſten einheimiſche Kunſtwerke des
Alterthums. Denn abgeſehn von den Denkmaͤlern der
Kelten, welche auch einen gewiſſen Unternehmungsgeiſt
und ein Aufbieten großer Kraͤfte fuͤr hierarchiſche Zwecke
beweiſen, iſt beſonders der Suͤden Frankreichs reich an2
Reſten Roͤmiſcher Civiliſation und Kunſtliebe, wozu be-
[304]Syſtematiſcher Theil.
ſonders vorzuͤgliche Werke der Architektur, auch manche
gute Sculptur gehoͤren; rohere Arbeiten, Bronzen, Ter-
racotta’s, Moſaiken, Gefaͤße, wie ſie jeder Winkel des
Roͤmiſchen Reichs hervorbrachte, ſind natuͤrlich auch in
3ganz Frankreich zu finden. Waͤhrend die hier gefundnen
Alterthuͤmer in den Staͤdten der Provinz Muſeen bil-
den: hat allein die Hauptſtadt des Reiches ſich einer aus
den Hauptlaͤndern der Kunſt zuſammengebrachten Samm-
lung zu erfreun, die nach Wiedererſtattung des Geraub-
ten auch bei rechtlichem Beſitze immer noch ſehr glaͤnzend
4iſt. Von Spanien ſind weder die einheimiſchen
Ruinen und Reſte, noch auch die aus der Fremde er-
worbnen Kunſtſchaͤtze ſo vollſtaͤndig bekannt, als ſie es
zu verdienen ſcheinen.


1. Die Druidiſchen Grotten, Altäre (Dolmens), Tumuli,
Obelisken (Peulvans), Pierres branlantes, Steinſärge, Stein-
kreiſe (Chromlecks). Das größte Denkmal der Steinkreis und
die Alleen zu Carnac bei Quiberon in Brétagne. Brétagne und
die umliegenden Inſeln ſind als die letzten Sitze Keltiſcher Reli-
gionsübung am reichſten. S. beſonders Cambry Monumens Cel-
tiques ou recherches sur le culte des pierres,
Caylus im
Recueil, beſonders T. v., und das ſeltſame Buch: Antiquités
de Vésone cité Gauloise par M. le Cte Wlgrin de Tail-
lefer.
1821.


Dieſelben Monumente kehren in England, beſondes Wales,
wieder (Cairns, Menhirs, Rocking-stones u. Kist-vaens,
den deutſchen Hünenbetten ähnlich), wo Stonehenge einen wirklich
impoſanten Eindruck macht.


2. S. beſonders Millins Voyage dans les departemens
du Midi de la France, Paris 1807. 3 V.
8.; auch Montfau-
con Monum. de la monarchie Françoise. Paris 1729. v. T.
Maffei Galliae antiqu. quaedam selectae. Par. 1733. 4.
Derſ. De amphith. et theatris Galliae. Caylus. Pownall
Notices and descriptions of antiqu. of the Provincia Ro-
mana of Gaul. Lond.
1788. De la Sauvagère, Grivaud
de la Vincelle. Lenoir Musée des monum. Français. I Par-
tie.
Denkmäler der Römer im mittägl. Frankreich von C. L.
Ring. Carlsr. 1812. 4. Mémoires de la Soc. des Anti-
[305]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
quaires de Normandie, und ähnliche Sammlungen. Vorleſun-
gen von Haſe im Institut. Aelteren Nachrichten iſt nicht überall
zu trauen; die oktogonen T., von denen öfter die Rede, ſind meiſt
vorgothiſche Kirchen. —


Maſſilia. Grosson Recueil des antiqq. et monu-
mens Marseillois. Mars. 1773. Notice des tableaux et
monumens antiques qui composent la collection du mu-
sée de Marseille.
1825. Nemauſus (Nismes) oben §. 190,
1. ii. Maison carrée, Amphitheater, Fontäne, ſog. Dianen-
tempel, Muſivfußböden. Außer Cleriſſeau Ménard Hist. des An-
tiquités de la ville de Nismes et de ses environs. N.

1825. Toloſa, Mém. de l’Ac. de Toul. T. i.Arelas,
Tempelruinen, Amphitheater, Seguin Antiquités d’Arles 1687.
(Vénus d’Arles).
Arauſia (Orange) Triumphbogen. Vi-
enna
. Notice du Musée d’Antiquités de la ville de Vi-
enne par le Sieur Schneyder, fondateur et conservateur.

Lugdunum. Spon Recherches des antiquités de Lyon.
8. L.
1675. Verſchiedne Schriften von F. Artand, Directeur
du Musée et du Conservatoire des Arts, Antiquaire de
la Ville. A. Description des antiq. et des tableaux dans
le Musée de Lyon. Ara Augusti.
Bibrakte (Autun) Thomas
Bibracte s. Augustoduni monum. Lugd. 1650. Alter-
thümer von Saintes, Santones, herausg. von Chaudruc de Cra-
zannes. Antiqq. Divionenses v. Jo. Richard. Par. 1585.
Veſona(in Petrocoriis) Taillefer, oben. Paris, Römiſches
Bad, Catacomben. 1710 wurde hier das Relief mit den Keltiſchen
(Eſus und Cernunnos) und Griechiſchen Göttern entdeckt. Baudelot
Descr. des basr. trouvés dépuis peu dans l’Eglise cathedr.
de Paris. P.
1711., u. Hist. de l’Ac. des Inscr. iii. p. 242.
Montfaucon Mém. de l’Ac. xvii. p. 429. u. Aa. Julia
Bona
(Lillebonne) Amphith., Statuen gefunden. Kunſtbl. 1824.
N. 36.


Elſaß. Schöpflin Alsatia. illustrata. 2 V. f. 1751.
Oberlin Schoepflini Museum. 4. 1773. jetzt der Stadt ange-
hörend. Brocomagus (Brumpt, Röm. Bäder), Niederbronn,
Berſch (Heidenmauer), Ell, Ittenswiller, Fundorte von Altären,
Gefäßen u. dgl.


3. Drei Perioden. 1. Die Kunſtſchätze der Zeit vor der
Revolution, in Paris u. Verſailles zerſtreut. Claude Mellan u.
Etienne Baudet, Recueil des statues et des bustes du
Cabinet du Roi. Par. 2 T. f.
(auch Manches, was jetzt
nicht im Louvre). Cabinet de St. Dénis, de St. Gene-
20
[306]Syſtematiſcher Theil.
viève (Felibien Monum. antiques. Par. 1690. 4). —
2. Die Zeit der Vereinigung der ſchönſten Statuen aus ganz Italien,
im Louvre. Außer den §. 38. genannten Werken: Lenoir De-
scription histor. et chronol. des mon. anciens de sculp-
ture deposés au Musée de Paris. 4 Vol.
8. Legrand Gale-
ries des Antiques, P.
1803. 8. Landon Annales du Mu-
sée, 8. 17 T. 1800 — 1809. Seconde collection 4 T.

1810—21.; beſonders nützlich: Monumens antiques du Mu-
sée Napoleon dessinés par Piroli publ. par Piranesi
(mit
Erklärungen von Schweighäuſer d. j., dann von Petit-Radel).
Paris 1804. 4 T. 4. — 3. Die Periode ſeit der Rückgabe.
Der alte Beſitz; die Borgheſiſchen Sachen; viele Albaniſche; die
Choiſeul-Gouffierſchen; Venus von Milo. Neu eröffnetes Ae-
gyptiſches Muſeum, die zweite Drovettiſche Sammlung. Descrip-
tion des Antiques du Musée Royal, commencée par —
Visconti, continuée par M. le Cte Clarac. Paris 1820.
Musée de Sculpture antique et moderne — par Clarac.

Höchſt umfaſſend angelegt; mehrere Lieferungen ſind erſchienen.


Außer dem Louvre enthält das Cabinet des Médailles
neben dem herrlichen Münzenſchatze auch Gemmen, Kameen, Bron-
zen und andern Anticaglien. Zum Theil von Caylus u. Millin
beſchriebene Sachen. Notice des monumens exposés dans
le cabinet des Médailles et Antiques de la Bibliothèque
du Roi. Nouvelle Ed. accompagnée d’un Recueil de
planches. Paris
1822. 8.


Unter den Privatſammlungen war 1822 die jetzt der
Königl. einverleibte von Durand, aus Vaſen und Bronzen beſtehend,
die bedeutendſte. Die ſehr bunt zuſammengeſetzte Sammlung
von Denon iſt jetzt zerſtreut. Sammlung des Grafen Pourtalès.


4. Spanien. Reiſen von Pluer, Swinburne, Dillon.
Bourgoings Tableau de l’Espagne. Florez Esp. Sagra. La-
borde Voy. pittoresque et histor. de l’Espagne, 2 T. Par.
1806 u. 12. Vgl. die litter. Notizen in Weſtendorps und Reu-
vens Antiquiteiten ii, ii. S. 274.


Ruinen von Barcino (ſog. T. des Hercules), Tarraco (eine
Art kyklopiſcher Mauern, Amphith., Aquäduct, Palaſt), Calagurris
(Llorente Monum. Romano descubierto en Calahorra. Madr.
1789), Saguntum (Theater, Circus), Valentia (alte Statuen),
Segovia (Aquäd.), bei Auguſtobriga (Talavera la vieja), Capara
Triumphbogen), Norba Cäſarea (? Alcantara; Brücke, Tempel),
Emerita (mehrere Tempel, Theater, Amphith., Aquäducte, Ciſterne),
[307]Propaͤdeutiſcher Abſchuitt.
Italica (Laborde Descr. d’un pavé en mosaique dec. dans
l’anc. ville d’Italica. Paris
1802).


Antiken in Ildefonſo und den Gärten von Aranjuez. Samm-
lung Odescalchi durch die Königin Chriſtine nach Spanien gekom-
men. Museum Odescalcum Rom. f. 1747. 1751. geſt. von
P. S. Bartoli, Text von Nic. Galeotto. (enthält auch die früher
herausgekommenen Gemme d’Odescalchi f.) — Médailles
du Cabinet de la R. Christine. f. à la Haye
1742. Tych-
ſen, Bibliothek der alten Litt. u. Kunſt i. S. 30 ff.


263. England beſitzt, außer den zerſtreuten Reſten1
der Roͤmiſchen Bildung, welche hier ſehr bald, und ſehr
tief einwurzelte, in einem großen Nationalmuſeum die2
bedeutendſte Sammlung von aͤchtgriechiſchen Sculpturen,
welche exiſtirt, mit vielen Erwerbungen aus Rom und
Unteritalien vereinigt. Die zahlreichen Sammlungen,3
welche im Lande umher zerſtreut ſind, wenige genau,
manche faſt gar nicht bekannt, ſind zum groͤßten Theil
aus Roͤmiſchem Kunſthandel (Jenkins) und Reſtaurations-
werkſtaͤtten (Cavaceppi) hervorgegangen. Intereſſanter4
in geſchichtlichem Betracht ſind manche, wenn auch we-
niger ausgedehnte, welche in neuerer Zeit durch Reiſende
in Griechenland ſelbſt zuſammengebracht worden ſind.


1. Cambden Britannia. Lond. 1607. f. Horsley’s Bri-
tannia Romana. Lond. 1732. f.
Will. Roy The military
antiquities of the Romans in Britain. Lond. 1793. f.

W. Musgrave Antiqq. Britanno-Belgicae. Die Archaeo-
logia Britannica
in zahlreichen Aufſätzen, (ſ. Reuß Repert.
p.
39). Das fünfte Zimmer des Britt. Muſ. enthält Roman
sepulchral antiquities.


Spuren von Tempeln, Amphitheatern, Thermen, Caſtellen,
Straßen, Gräbern, Wohnhäuſern (Moſaikfußböden) an verſchiednen
Orten. Auch in London find unter der Bank, u. dem East-India
Company-House
Moſaiken gefunden worden. Rutupiä
(Richborough in Kent) Antiquitates Rutupinae von Jo. Battely
Oxf. 1745. Anderida in Suſſex. Aquä Calidä. Ly-
ſons Remains of two temples at Bath and other Rom.
Ant. discov. Lond. 1802. f.


20*
[308]Syſtematiſcher Theil.

2. British Museum, Hauptbeſtandtheile: 1. alte
Sammlung, von Hans Sloane begründet. 2. die eine Ha-
miltonſche Sammlung von Vaſen, nebſt Bronzen und Geräthen
aus Unteritalien. 3. Die Aegypt. Monumente, meiſt von Nel-
ſon gekapert. Engravings with a descriptive account of
Egyptian monuments in the British Museum collected by
the French Institute in Egypt and surrendered to the
British forces.
Die Zeichnungen von W. Alexander. 4. die
Townley’ſche Sammlung von Marmorwerken und Terracotta’s.
5. die Elginſche Sammlung §. 253, 2. nebſt andern neuen An-
käufen, namentlich den Phigaliſchen Sachen. 6. die Payne-
Knightſche Sammlung von Bronzen u. Gemmen. Dadurch iſt
auch der große Schatz von Münzen (Haym, Combe) durch ſehr
ſeltne und vorzügliche Stücke vermehrt worden. Das Hauptwerk
§. 38. Description of the collection of ancient terracot-
ta’s in the Br. Mus. Lond. 1818. Synopsis of the
Br. Mus.


3. Oxford. Die marmora Pomfretiana. Arundeliana
(meiſt Inſchriften). Ashmolean Museum (einheimiſche Alter-
thümer). Einiges in Ratcliffs Library und Christ-Church
College.
(Browne und Chandler) Marmora Oxoniensia Oxon.
1763. f.
Cambridge. Einiges in Trinity College; die Clar-
keſche Sammlung im Veſtibul der public. library (oben §. 253, 2.).


Lord Pembroke’s Sammlung zu Wilton bei Salisbury,
ſehr anſehnlich, reich an (meiſt falſch benannten) Büſten. Zwei
Schriften von Kennedy, Richardſon Aedes Pembrokianae Die
Sammlung von L. Egremont zu Petworth, Amalthea iii.
S. 249. Die Blundellſche zu Ince bei Liverpool, wovon
ein Kupferwerk, 2 T. f., exiſtirt; ebd. S. 48. Sammlung des
Herz. v. Bedford in Bedfordſhire, Outline, Engravings and
Descriptions of the Woburn Abbey Marbles
. GGA. 1827.
N. 185. Die Gemmenſammlung des Herz. von Marlborough zu
Blenheim bei Oxford. In London die Landsdownſche, wo
ſehr vorzügliche Sachen (Amalth. iii. S. 241), und die Hope’-
ſche
(außer Statuen die zweite Hamilton’ſche Vaſenſammlung).
Viel aus dieſen in (Payne Knight’s) Specimens § 38. Schrif-
ten über Sammlungen früherer Zeit: Museum Meadianum.
Lond.
1755. (Ainsworth) Monum. Kempiana. 8. Lond. 1720.
Middletonianae Antiquitates cum diss. Conyers Middl.
Cant.
1745. 4.


4. Die Worsleyſche Sammlung zu Appuldurcom-
be auf der Inſel Wight. Museum Worsleyanum (Text von
Viſconti) 2 T. f. London 1794. Das Haus von L. Guil-
[309]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
ford (Fr. North) enthielt (ob jetzt noch?) manches Wichtige aus
Griechenland. Die kleinen Privatſammlungen von Leake, Haw-
kins, Burgon, Fiott Lee (goldner Schmuck aus Gräbern von
Ithaka), Roger. Die ſchönen Münzen von L. Northwick §. 132.
Aegyptiſches bei L. Belmore, Bankes u. Aa.


J. Dallaway Anecdotes of the Arts in England. Lond.
1800., franzöſiſch mit Anm. von Millin, Paris 1807., enthält
Nichts als roh und unkritiſch angefertigte Cataloge. Göde Eng-
land, Wales, Irland und Schottland 1805. 5 Bde. 8. Spiker
Reiſe durch Engl. Wales u. Schottl. 2 B. 1818.


6. Deutſchland und der Norden.

264. In Deutſchland, wo die Muſeen leider bis1
jetzt nicht in dem Sinn oͤffentliche und offne Inſtitute
der Nationalbildung geweſen ſind, wie in Italien, Frank-
reich und England, erheben ſich jetzt eben, neben der
Dresdner, welche lange Zeit mit großem Ruhme der
Hauptmittelpunkt archaͤologiſcher Studien fuͤr unſer Va-
terland geweſen, zwei neue wichtige Sammlungen, welche,
vielleicht in der Zahl ſtattlicher Marmorbilder nachſtehend,
dagegen in der Ausdehnung uͤber die verſchiedenſten Claſ-
ſen antiker Kunſtproducte die Dresdner, die in Zeiten
einer entſchiednen Vorliebe fuͤr ſtatuariſche Arbeiten ge-
ſammelt wurde, weit uͤbertreffen. Die einheimiſchen Reſte2
Roͤmiſcher Cultur in den Provinzen jenſeits, und den
agri decumates dieſſeits der Donau und des Rheins
erregen, ſo hiſtoriſch wichtig ſie ſind, doch nur ſelten ein
Kunſtintereſſe.


1. Dresden. Die Hauptmaſſe der Antiken von den Prin-
zen Chigi 1725 angekauft; hernach Manches aus der Sammlung
Albani; die Herculanerinnen von Eugen von Savoyen §. 260, 2.
Kupferwerke §. 37. 38. Sonſt J. Caſanova Abh. über alte Denk-
mäler der Kunſt, beſ. zu Dresden. Lpz. 1771. 8. Beſchreibung
der Chf. Antiken-Gallerie in Dresden, von J. Fr. Wacker u. J.
G. Lipſius. Dresden 1798. 4. (Haſe) Verzeichniß der alten und neuen
[310]Syſtematiſcher Theil.
Bildwerke in den Sälen der Kgl. Antikenſammlung zu Dresden.
Dr. 1826. 8. (mit manchen richtigeren Beſtimmungen).


Berlin. Früher vorhanden: 1. die Kunſtkammer auf dem
Kgl. Schloſſe, mit Bronzen, Gemmen, Münzen, zum Theil aus
der Palatiniſchen Sammlung (Laur. Beger Thesaurus Palati-
nus. Heidelb. 1685. Thes. Brandenburgicus. Berol.

1696). Hier befindet ſich auch 2. die von Friedrich II ange-
kaufte Stoſchiſche Daktyliothek. Ueber dieſe Sammlung: Gem-
mae ant. artificum nominibus insignitae cum expos. Sto-
schii. f. Amst.
1724. Winckelmann Descr. des pierres gra-
vées du Bar. de Stosch. Flor. 4. 1760. Choix de pi-
erres gravées de la coll. du B. de Stosch. accompagné
de notes par Schlichtegroll. Nürnb.
1798. auch deutſch.
Viel Abdrücke daraus bei Lippert u. Taſſie. 3. Statuen in
den Schlöſſern von Berlin, Potsdam und Sansſouci. Hier die ſog.
Familie des Lykomedes, aus Cardinal Polignac’s Nachlaß (Recueil
de Sculpt. ant. Gr. et Rom.
1754. 4.) von Friedr. II ge-
kauft (Levezow über die Fam. des Lykomedes, Berl. 1804).
Oeſterreich Descr. des deux Palais à Sans-Souci. 8. 1774. Krü-
ger Antiquités du Roi de Prusse à Sans-Souci Berl. 1769. f.
Dazu ſind neuerlich gekommen: 4. eine bedeutende Maſſe Aegyp-
tiſcher Alterthümer durch Freih. v. Minutoli (Hirt Zur Würdigung
der von dem Gen. Freih. v. Minutoli eingebrachten Sammlung. Berl.
1823), Gr. v. Sack, Paſſalacqua (Catal. raisonné et histori-
que des Antiqu. decouv. en Egypte par M. Jph Pass.

1826. 8). 5. Die herrliche Kollerſche Vaſenſammlung. S.
Levezow in Tölkens Kunſtblatt 1828. December. 6. Das Mu-
seo Bartoldiano (descritto dal D. Teodoro Panofka. Berl.

1827. 8.) beſtehend aus Bronzen, Vaſen, Terra-Cotta’s, Glas-
ſachen und Paſten. Alles dies, mit Ausnahme von n. 4, iſt
beſtimmt, das neue große Muſeum zu bilden. Vgl. Levezow
Amalth. ii. S. 337. iii. S. 213.


München. Antiquarium, jetzt neu eingerichtet. Kunſtbl. 1826.
N. 12. Glyptothek. Meiſt neue Ankäufe. Barberiniſche Sta-
tuen. Mehrere Albaniſche. Der Aeginetiſche Fund. Vaſenſamm-
lung der Madame Murat. Vgl. Amalthea i. S. 321. Kunſt-
blatt 1827. N. 58 u. ſonſt. Ein Werk von Klenze angekündigt.


Caſſel. Museum Fridericianum, enthält mehrere vor-
zügliche Antiken Manche Anticaglien aus Attika um 1687 er-
[311]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
worben. Diet. Tiedemann Dissert. iii. Cass. 1778 sqq. 4.
Völkel in Welckers Zeitſchrift i, 1. S. 151.


Wien. Kaiſerliche königliche Sammlung, ſehr wenig be-
kannt. Ebda die Gräfl. Lambergſche Vaſenſammlung. Früher
das Museum Francianum, beſchrieben in 2 T. 8. l’raef. von
Wolfgang Reiz.


Braunſchweig, Muſeum (das Mantuaniſche Gefäß).


Hannover. Gräflich Wallmodenſche Sammlung. Kaiſer-
köpfe im Garten zu Herrnhauſen.


Arolſen. Reiche Sammlung von Bronzen und Münzen
auf dem Schloſſe des Fürſten von Waldeck. S. Gerhard im
Kunſtblatt 1827. N. 87 ff.


Die Gräflich Erbachſche Sammlung zu Erbach im Odenwalde.


Darmſtadt, einige Büſten u. Anticaglien auf dem Schloſſe.


2. Vgl. Oberlin Orb. ant. p. 62. Schweighäuſer im Kunſtbl.
1826. N. 86 ff. Von Triers Ruinen §. 193, 3. Porta
Nigra,
Amphith., Bäder, Moſelbrücke, Römiſche Mauern in der Dom-
kirche. Antikenſammlung. Quednow Trierer Alterthümer. Broweri
Antiquitates et Annales Trevirenses. Col.
1626. Aachen,
Römiſche Säulen in Anlagen Karls des Gr. Monument der
Secundini zu Igel. Cöln. Röm. Thürme in der Stadt-
mauer. Antiken-Cabinet von Wallraf u. im Jeſuiten Collegium.
Bonn. Sammlung der Univerſität; Manches aus der Römiſchen
Station beim Wichelshof. Dorow Denkmale Germaniſcher u.
Röm. Zeit in den Rheiniſch-Weſtphäl. Provinzen. 1823. 4. Röm.
Bäder zu Andernach. Sammlung in Neuwied. Cob-
lenz
. Sammlung von Bronzen u. andern Alterthümern des Gr.
Raineſſe. Röm. Thurm zu Rüdesheim. Wiesbaden.
Sammlung. Dorow Opferſtätten u. Grabhügel der Germ. u. Römer
am Rhein. 1819. 20.


Mainz. Eichelſtein auf der Citadelle; andere Baureſte (auf
dem Keſtrich). Röm. Waſſerleitung bei Zahlbach. Sammlung auf
der Bibliothek, worin auch ein Compoſites Capitäl von Ingelheim
(vgl. Aachen). Mithras-T. in Heddernheim bei Frankfurt,
Dorow im Kunſtbl. 1827. N. 65. Auffindungen in Aſchaf-
fenburg
(Hein). Knapp: Röm. Denkmäler des Odenwaldes.
[312]Syſtematiſcher Theil.
Mannheim, Alterthümer aus Mainz, von Godramſtein, Neu-
burg an der Donau u. ſonſt. Speyer, Sammlung. Karls-
ruhe
, Sammlung von Bronzefiguren u. dgl. Durlach. Arae
u. andre Steinbildwerke im Schloßgarten. Baden, Röm. Bad.
Badenweiler. Röm. Bäder, beinahe die am beſten erhaltne
und am meiſten unterrichtende Ruine der Art. S. unten: Archi-
tekt. Bäder.


Ueber den Bildungszuſtand der agri decumani beſonders gründ-
lich Leichtlen: Schwaben unter den Römern (Forſchungen im Ge-
biet der Geſch. Deutſchl. iv.). Sammlung Röm. Denkmäler in
Baiern. Heft 1. München 1808.


1265. Die weſtlichen Nachbarlaͤnder Deutſch-
lands theilen mit den Rheingegenden den Reichthum und
die Art Roͤmiſcher Kunſtreſte; in Holland mangelt es
auch nicht an Sammlungen von vorzuͤglicheren Kunſtwer-
2ken. Der Norden, welcher keine einheimiſchen Alterthuͤ-
mer als die des Germaniſchen Heidenthums beſitzt (denn
die Slaviſchen Voͤlker ſcheinen noch weniger als die Ger-
manen auf Errichtung dauernder Denkmaͤler bedacht ge-
weſen zu ſein), hat auch keine bedeutenden Sammlungen
von Alterthuͤmern, als die Koͤniglich Schwediſche (der
indeß mancher glaͤnzende Beſitz wieder entgangen iſt,
§. 262, 4.) und die immer mehr anwachſende Kaiſerlich
3Ruſſiſche. Das alte Dacien ſteht in Hinſicht auf
Roͤmiſche Reſte nicht ſehr hinter dem Weſten Europa’s
zuruͤck.


1. Schweiz. Aventicum. De Schmidt Antiquités
d’Avenches et de Culm. Berne
1760. 4. Ritter Mém. et
recueil de qqs. antiq. de la Suisse. B.
1788. 4. Au-
guſta Raurac
. Augſt. Schöpflin Alsatia p. 160. Werk von
Jacob.


Holland. Cabinet im Haag, welchem auch Fr. Hemſter-
huis bekannte Sammlung einverleibt iſt. (Göthe’s Kunſt u. Al-
terthum iv, 3 S. 112 ff). Notice sur le Cabinet des Mé-
dailles et des Pierres gravées de S. M. le Roi des Pays-
Bas par J. C. de Jonge Dir. à la Haye.
1823. Uni-
verſitäts-Muſeum zu Leyden, gebildet aus der Papenbroekſchen
[313]Propaͤdeutiſcher Abſchnitt.
Sammlung (Oudendorp Descr. legati Papenbroekiani. 4. L. B.
1746) und neu herbeigeſchafften Kunſtgegenſtänden, zum Theil aus
Griechenland durch Col. Rottiers und aus Africa durch Humbert.
S. Antiquiteiten, een oudheidkundig Tijdschrift bezorgd
door Nic. Westendorp en C. J. C. Reuvens ii,
1.
S. 171. 2. S. 259. Amalthea iii. S. 422 ff. In früherer
Zeit Museum Wildianum descr. a Sig. Havercamp. Amst.
1741.


Beträchtliche Alterthümer von Nimwegen(Neomagus). Al-
lerlei Schriften von Smetius, Antiquitates Neomagenses. No-
viom.
1678. 4. Briefe von Gisb. Cuper, Jo. Fr. Gronov u. Aa.
Antiquiteiten ii, 2. S. 206. Nic. Chevalier Recherche cu-
rieuse d’Antiquité. Utr. f.


2. Königl. Muſeum in Copenhagen. Jacobaei Museum
Danicum. Havn. 1696 f. auctum a Laurentzen H. 1710
f.
Von Ramdohr Studien 1. S. 139 ff. Das polit. Journ. 1817.
Sept. Oct. Einiges im Hauſe des Biſchofs Münter.


Kgl. Schwediſches Muſeum in Stockholm. E Museo
R. Sueciae antiqu. statuarum series acc. C. F. F. (Fre-
denheim) 1794 f.


Rußland. Sarſkoſelo bei Petersburg; einiges ſehr Aus-
gezeichnete an Bildhauerarbeit. Das Kaiſ. Ruſſiſche Cabinet von
geſchnittnen Steinen zu Petersburg, 1802 durch die Sammlung Strozzi
von Florenz vermehrt, enthält viel Schönes. Köhler, Bemer-
kungen über die R. Kaiſ. Sammlung von geſchn. Steinen 1794.
4. und in verſchiednen Monographieen über Gemmen dieſer Samm-
lung.. Univerſitätsſammlung zu Dorpat, durch Richters Reiſe
nach dem Orient, beſonders an Aegypt. Alterthümern, bereichert.
Von der Küſte des ſchwarzen Meers §. 254, 2.


3. Ungarn u. Siebenbürgen. Severini Pannonia
vetus monum. illustr. Lips.
1771. 8. V. Hohenhauſen Al-
terthümer Daciens. Wien 1775. 4. Ruinen von Sabaria.
Caryophilus de thermis Herculanis nuper in Dacia detec-
tis 4. Mantua
1739. Schönwisner de ruderibus Laconici
etc. in solo Budensi. Budae 1778 f.
Neue Ausgrabungen
in Hermanſtadt (Walſh Journey). — Ungariſches Nationalmuſeum
zu Peſth, 1807 geſtiftet. Nachricht bei Cattaneo, Equejade. Mi-
lano 1819. 4. Prefaz;
und in den Actis Musei Nat. Hun-
gar. T. i.
Sammlungen des Fürſten Eſterhaſy, Grafen Wi-
czay (Mus. Hedervarium, Münzen).


[314]

Erſter Hauptabſchnitt.
Tektonik
.


1266. Wir unterſcheiden (nach §. 22.) unter den im
Raum darſtellenden Kuͤnſten zuerſt die an ein zweckerfuͤl-
lendes Thun gebundnen, welche Geraͤthe, Gefaͤße, Ge-
baͤude einerſeits den Beduͤrfniſſen und Zwecken des aͤußern
Lebens gemaͤß, andrerſeits aber auch nach innern Forderun-
gen des menſchlichen Geiſtes erſchaffen und darſtellen.
2Das Letztre macht ſie zur Kunſt, und muß hier beſonders
ins Auge gefaßt werden.


I.Gebaͤude.
Architektonik
.

1267. Die unendliche Mannigfaltigkeit von Bauanla-
gen wird nur durch die Wahrnehmung zuſammengehalten,
daß eine Benutzung der lebloſen Natur zur Darſtellung
unorganiſcher Formen ſtattfindet, durch welche der Raum
der Erde auf eine unmittelbare Weiſe beſetzt, bezeichnet
2oder abgegraͤnzt wird. Ueberall wird man hier unter-
ſcheiden koͤnnen: 1. den Stoff der Natur und die Art
ſeiner Benutzung; 2. die Formen, welche die menſch-
liche Hand ihm einpraͤgt; und 3. die beſondern Zwecke und
Veranlaſſungen der Einrichtung, welche die beſondern
Arten von Gebaͤuden beſtimmen.


1. Giebt es eine andre Begriffsbeſtimmung, welche auch tu-
mulos,
Menhir’s, Chauſſeen, Aquädukten, Catacomben, endlich
[315]I. Tektonik. Gebaͤude.
Schiffe (Gebäude, welche die unfeſte Fläche, wie ſie es leidet, zu
occupiren beſtimmt ſind) nicht ausſchließt? Gewiß dürfen die Be-
griffe: Wohnung, Denkmal, Aufenthaltsort u. dgl. noch nicht her-
eingenommen werden.


2. Im Folgenden kann die compendiariſche Darſtellung faſt nur
Nomenclatur ſein, zu der der Vortrag die Anſchauungen zu geben
hat. Dabei ſind zu benutzen die zahlreichen Commentatoren Vitruvs,
beſonders Schneider, nebſt den Kupfern zu Vitr. Bauk. von A.
Rhode. Berl. 1801. Stieglitz Baukunſt der Alten. Lpz.
1796. 8. mit 11 Kupfert. Deſſ. Archäol. der Baukunſt der Grie-
chen und Römer. 2 Th. 1801. 8. nebſt Kupfern u. Vignetten;
beſonders A. Hirt Baukunſt nach den Grundſätzen der Alten.
Berl. 1809 f., auch Wiebeking bürgerl. Baukunſt. 1821. Dürand
Recueil et parallèles d’édifices de tout genre (Text von Le
Grand). Paris a.
8. Rondelet L’Art de batir 4 T. 1802 —
17. Le Brun Théorie de l’ architecture Grecque et Rom.
Par. 1807. f.


1. Baumaterialien.

268. Erſtens: Steine. In Griechenland wurde1
viel Marmor aus den Steinbruͤchen vom Hymettos, Pen-
thelikon, auf Paros, bei Epheſos, im Prokonneſos, aber
auch Tufſteine und Kalkſinter der verſchiednen Gegenden
zur Architektur gebraucht. In Rom urſpruͤnglich beſon-2
ders der vulcaniſche Tuf von ſchwaͤrzlicher Farbe, lapis
Albanus,
jetzt Peperino genannt; dann der haͤrtere Kalk-
tuf von Tibur, lapis Tiburtinus, jetzt Travertino; bis
die Liebe zum Marmor immer mehr zunahm, und au-3
ßer dem weißen, aus Griechenland oder Luna, die gruͤ-
nen, rothen und bunten Arten (marmor Taenarium,
Carystium, Synnadicum, Numidicum
u. ſ. w.) mit
Vorliebe angewandt wurden.


1. Λᾶς gewöhnlicher Feldſtein, λίϑος eine beſſre Steinart.
Marmor λίϑος λευκός, ſeltner μαρμάρινος. Πῶρος, πώρι-
νος λίϑος (Tufſtein) beim Delphiſchen, u. Olympiſchen T. Λί-
[316]Syſtematiſcher Theil.
ϑος κογχίτης, Muſchelkalk, war in Megara beſonders gewöhn-
lich, Pauſ. i, 44, 9.; Xenoph. Anab. iii, 4, 10 ſcheint ihn
κογχυλιάτης zu nennen.


2. Dem Albanus ähnlich iſt der lapis Gabinus, Fidenas
u. der härtere lapis Volsiniensis. Man unterſcheidet struc-
turae molles (lapis Albanus), temperatae (Tiburti-
nus), durae (silex,
wozu beſonders auch Baſalt).


3. Von Carara’s alten Steinbrüchen beſonders S. Quintino
Mem. d. Accad. di Torino T. xxvii. p. 211 sqq. Die
Steinbrüche Synnada’s hat Leake wiedergefunden, Asia minor
p.
36. 54. Von dem ſpätern Aufkommen des bunten Marmors
(Menander etiam diligentissimus luxuriae interpres pri-
mus et raro attigit
) Plin. xxxvi, 5. Nero baut einen T.
aus φεγγίτης. Marmor Luculleum, ſchwarz mit Flecken, von
einer Nilinſel.


1269. Die Behandlung dieſes Materials iſt im Gan-
zen dreifach. 1. Der gewachſne Felsboden wird be-
hauen, bei den Griechen und Roͤmern nur zu Catacom-
ben, und hie und da zu Paneen und Nymphaͤen.
22. Einzelne abgeloͤſte Steine werden, wie ſie ſich finden
oder wie ſie gebrochen worden ſind, zuſammengeſetzt und
verbunden (λίϑοι λογάδες, caementa, opus incertum).
33. Die Steine werden behauen, entweder in unregelmaͤ-
ßigen und polygonen Formen, wie bei den Mykenaͤiſchen
und andern Mauern und der Appiſchen Straße; oder
rechtwinklig und regelmaͤßig (σύννομοι λίϑοι, πλίνϑοι),
woraus das Isodomum, Pseudisodomum und Reticu-
latum
(δικτυόϑετον, mit durchlaufenden diagonalen Li-
4nien) hervorgehn. Die aͤltre Architektur verkehrt gern
mit großen Maſſen, und braucht auch ein edles Material,
wo es ihr zu Gebot ſteht, durchgaͤngig; die ſpaͤtre in-
cruſtirt haͤufig Werke aus Back- und Bruchſteinen mit
5Scheiben koſtbaren Marmors. Die aͤltre verbindet gar
nicht durch aͤußre Mittel, oder nur durch Klammern,
Doͤbel, Schwalbenſchwaͤnze; die ſpaͤtre wendet zur Ver-
bindung Moͤrtel in reichem Maaße an. Neben dem ge-
[317]I. Tektonik. Gebaͤude.
woͤhnlichen Behauen des Steins koͤmmt ſchon in fruͤhen Zei-6
ten das beſonders bei weicherem Material anwendbare Dre-
hen von Saͤulencylindern (turbines) auf der Drehbank
vor; auch ſaͤgte man Marmor mit Naxiſchem oder Aethio-
piſchem Sande.


2. Dieſe λίϑους λογάδας, wovon öfter bei Thukyd., ſam-
meln die λιϑολόγοι (Valcken. Opuscc. T. ii. p. 288. Ruhnk.
ad Tim. p. 175). Im weiteſten Sinn umfaßt das opus in-
certum
den Kyklopiſchen Urbau, §. 45. Vgl. Klenze, Amalth.
iii. S. 104 ff.


3. Ueber πλίνϑος beſonders die Inſchrift aus dem T. der
Polias, Böckh C. I. p. 273. Das Emplectum iſt eine Ver-
bindung des Isodomum, in den frontes und diatoni, mit dem
Incertum dazwiſchen. Δόμος, corium, eine Schicht.


4. S. oben §. 46. 49. 80. 153. Die Architravſteine am
T. der Kybebe in Sardis 17 F. 8½ Z. bis 23 u. 4½ breit, 4 F.
3¾ Z. hoch. Leake Asia min. p. 344. 345. An den Pro-
pyläen von Athen Steinbalken von 17 u. von 22 F. Länge. To-
pogr. of Ath. p.
180. 181. Ἁμαξιαῖοι λίϑοι §. 105.,
λᾶας ἁμαξοπλήϑης Eur. Phön. 1175. Auch in Römiſchen
Bauen, Brücken, Bogen erſcheinen oft die einzelnen Steine als
mächtige, bedeutungsvolle Glieder des Körpers. — Mauſolos
Palaſt war nach Plin. xxxvi, 6. das erſte Beiſpiel eines mit
Marmorſcheiben incruſtirten Backſteinbau’s.


5. S. oben §. 46. 105. Solche Klammern u. Schwalben-
ſchwänze heißen τόρμοι, ſ. die Intpp. ad Diod. ii, 7, oder
γόμφοι; und kommen auch noch in Rom öfter vor.


6. Von dem Drehen Klenze Amalth. iii. S. 72. Ueber
das Sägen Plin. xxxvi, 9. Es war bei der Verfertigung der
Dachziegel, §. 53, 2., von Nutzen; daher erfand dies ein Naxier.
Von der Naxia cos unten.


270. Zweitens: Holz. Das am leichteſten zu ge-1
winnende und zu bearbeitende Material, daher von ſol-
chem Einfluß auf die Geſtaltung der aͤlteſten Tempel-
[318]Syſtematiſcher Theil.
baukunſt, zieht ſich in der oͤffentlichen Baukunſt immer
mehr in die Decke (und an den Atheniſchen Gebaͤuden
war auch dieſe in der Regel von Stein) und uͤber dieſe
in das Sparrenwerk des Daches zuruͤck, bis es durch
das Vorherrſchen des Gewoͤlbes auch hieraus vertrieben
2wird. Dagegen blieb Fachwerk in Athen (nicht ſo in
Alexandreia §. 149) die gewoͤhnliche Conſtructionsweiſe der
minder anſehnlichen Privatgebaͤude.


1. S. §. 52. u. vgl. den Tuscaniſchen T. §. 169. Im T. von Ephe-
ſos war das Dach aus Cedernholz (Plin. xvi, 79), die lacu-
naria
aus Cypreſſen, Vitruv ii, 9. Daher der Brand.


Sparrenwerk: Tignum, Hauptbalken; columen s. cul-
men,
Giebelſäule; cantherii, Sparren; templa, Fetten; asse-
res,
Latten (deliciae Feſtus).


De materia Vitruv ii, 9. Pallad. xii, 15. Abies,
quercus, esculus, cupressus, larix, alnus etc.


1271. Drittens: Von weichen Maſſen, welche
man plaſtiſch behandelt, diente der Lehm, zu Back-
ſteinen geformt und entweder an der Luft getrocknet oder
am Feuer gebrannt, beſonders in Lydien wie in Ae-
gypten und Babylon, aber auch in Griechenland ſo wie
2hernach in Rom, zu oͤffentlichen Gebaͤuden. Der ge-
loͤſchte Kalk, mit Sand oder in Italien mit der vulca-
niſchen Puzzolan-Erde (pulvis Puteolanus) verbunden,
wurde als Moͤrtel zur Verbindung der Steine, zur Be-
3reitung eines Eſtrichs und aͤhnlichen Zwecken; Kalk,
Gyps, Marmorſtaub und dergleichen auch zum Anwurf
(tectorium), in deſſen Bereitung die Alten hoͤchſt kundig
und ſorgfaͤltig waren, zu Stuccaturarbeiten (albarium
opus)
u. dgl. gebraucht.


1. Aus Backſteinen die Mauern von Mantineia; die alte Südmauer
von Athen (ALZ. 1829. N. 126); viel in Olympia (Backſtein-Rui-
nen); allerlei kleine T. bei Pauſ.; Cröſus Pallaſt zu Sardes, Attaliſcher
[319]I. Tektonik. Gebaͤude.
zu Tralles, des Mauſolos zu Halikarnaſſ. Der häufige Gebrauch
in Lydien erklärt das Lydion der Römer (Ziegel 1½ Fuß lang,
1 F. breit) — Πλίνϑους ἐλαύνειν. Δόμοι πλίνϑων.


In Italien alte Backſteinmauern in Arretium, einer Metro-
polis der Plaſtik, und Mevania. Warum in Rom wenig Pri-
vatgebäude aus Backſteinen gebaut wurden, erklärt Vitruv ii, 8.
Die alten Ziegeln ſind im Ganzen niedriger und breiter als unſre.
Auch Pisé-Wände nahmen die Römer von Karthago an.


2. Die Puzzolanerde war auch bei Gründungen, beſonders am
Waſſer, u. bei Gußgewölben, wie in den Thermen, von großer
Wichtigkeit.


3. Leichte Mauern aus Bruchſteinen, mit höchſt ſorgfältigem
Anwurf, ſind in Pompeji das Gewöhnliche. Aehnliche in Grie-
chenland, z. B. ein T. des Poſeidon zu Antikyra, λογάσιν ᾠκο-
δομημένον λίϑοις, κεκονίαται δὲ τὰ ἐντός. Pauſ.
x, 36, 4.


272. Viertens: Metall, welches in altgriechiſchen1
Zeiten beſonders zur Ausſchmuͤckung und Bekleidung, aber
wie es ſcheint, auch zur innern Conſtruction von Gebaͤu-
den angewandt wurde, verſchwindet hernach aus den
weſentlichen Theilen der Architektur; bis es in Roͤmiſcher2
Zeit wieder mehr zu Dachwerken, beſonders zu Woͤlbun-
gen von großem Umfange, gebraucht wurde.


1. Oben §. 47. 49., von den χαλκέοις οὐδοῖς 48. Prisci
limina etiam ac valvas ex aere in templis factitavere

Plin. xxxiv, 7. Apollon. Rh. iii, 217. ϑριγκὸς ἐφύ-
περϑε δόμοιο λαΐνεος χαλκέῃσιν ἐπὶ γλυφίδεσσιν ἀρήρει.


Von Korinthiſchen Capitälen aus Gold u. Elfenbein §. 150,
2. vgl. 192, 4. Bronzene aus Syrakus im Pantheon, und
der Korinthiſchen Porticus des Cn. Octavius. Pl. a. O.


2. S. §. 190, 1. 191. vom Pantheon, dem T. Urbis,
dem forum Trajani.


[320]Syſtematiſcher Theil.
2. Die einfachen geometriſchen Grundformen.

1273. Hauptformen. Erſtens die ebne Flaͤche,
theils vertical, theils horizontal, theils geneigt. Die
letztre naͤhert ſich entweder der Horizontalflaͤche an, wie
im Dach, oder der Verticalflaͤche, wie in den Seiten-
pfoſten pyramidaliſcher Fenſter: die Mitte dazwiſchen
2verwirft die Architektur. Zweitens die krumme Flaͤche,
theils cylindriſch und konusartig, wie in den Saͤulen,
3theils kugelfoͤrmig, elliptiſch oder verwandter Art, wie
in den Gewoͤlben. Die Verhaͤltniſſe dieſer Flaͤchen ge-
geneinander, ſo wie die Dimenſionen einer jeden fuͤr ſich
ſind in ſtatiſchen und aͤſthetiſchen Geſetzen gegeben, welche
die Griechen praktiſch auf das feinſte beobachteten.


1. Solche Fenſter hat der T. auf Ocha, das Erechtheion, der
T. zu Cora.


2. Reine Cylinder kommen nur in Krypten oder Souterrains,
wie zu Eleuſis §. 109, 5. a. u. in Römiſchen Bädern, vor.
Die gewöhnliche Säule wäre ein abgeſchnittner Conus, ohne die
Entaſis.


3. Fornicationes (cuneorum divisionibus), concamera-
tiones (hypogeorum).
Vitruv vi, 11. Bei den Griechen
Ἁψὶς, ψαλὶς καμφϑεῖσα, (vgl. Weſſel. ad Diod. ii, 9.)
καμάρα, οἶκος κεκαμαρωμένος (C. I. n. 1104), στέγη κα-
μαρωτή. Hauptarten nach Feſtus: tectum pectinatum (in
duas partes devexum),
Tonnengewölbe; und testudinatum
(in quatuor),
Kreuz- oder Walmgewölbe. Eine Kuppel οὐρα-
νίσκος, Athen. v. p. 196. Ein Gewölb von geringer Curve
und weiter Spannung hieß wahrſcheinlich solea. Hirt, Muſ. der
AlterthumsW. i. S. 279.


1274. Untergeordnete, abbrechende, tren-
nende, vorbereitende Formen oder Glieder
.
Erſtens, Gradlinigte: 1. Fascia, Streifen. 2. Taenia,
2Band. 3. Quadra, Platte, auch Plaͤttlein, Riemlein.
[321]I. Tektonik. Gebaͤude.
4. Supercilium, Ueberſchlag. 5. Schraͤger Ab- und
Anlauf. Zweitens, Krummlinigte: 1. Torus, Pfuͤhl,2
Rundſtab, (Wulſt). 2. Echinus, Wulſt, Viertelſtab;
a. nach oben b. nach unten. 3. Astragalus, Rundſtab,
Staͤblein, Ring. 4. Striae, Striges, Hohlkehlen, Can-
neluͤren. 5. Cymatium Doricum, Hohlleiſten, Hohl-
kehle, Viertelkehle, a. nach oben, aufrechte. b. nach
unten, umgeſtuͤrzte. 6. Trochilus, Einz hung, Hohl-
kehle, aus zwei ungleichen Quadranten. 7. Apophy-
gis, Apothesis,
Anlauf oder Ablauf in einer geboge-
nen Linie. 8. Cymatium Lesbium, Welle, Karnies.
a. rechter Karnies, (der untre Quadrant auswaͤrts); 1. ſtei-
gend (sima), 2. fallend. b. verkehrter Karnies; 1. ſtei-
gend, 2. fallend. Mehrere dieſer Glieder geſtatten eine3
Unterhoͤhlung, die im Aufriſſe der Geſammtflaͤche nicht
ſichtbar iſt, aber fuͤr den Anblick von unten eine wohl-
thaͤtige Abſonderung und Schattirung hervorbringt.


2. Der Gegenſatz von Doricum und Lesbium hängt damit
zuſammen, daß die Dorier die einfachſten Glieder, hier den ein-
fachen Quadranten, anwandten; die Lesbier dagegen in der Kunſt
frühzeitig mehr luxuriirten, daher ihre οἰκοδομὴ nach Ariſtot.
Eth. Nik. v, 10, 7. u. Michael Epheſ. zur Stelle einen beweg-
lichen κανὼν erforderte.


Die Verzierungen die ſich an dieſe Glieder anſchließen, kom-
men meiſt früher gemahlt vor, ehe ſie in Marmor ausgeführt
wurden. Der torus erhält Cannelüren oder ein Geflecht von Bän-
dern, der astragalus die Perlen (astrag. Lesbius Perlenſtab,
Paternoſter), der echinus die Eier u. Schlangenzungen (ovi,
ovali),
das cymatium Lesbium Blätter oder lieber Muſcheln
(κάλχαι in der Inſchr. vom Erechtheion p. 282 im C. I.), die
taenia die Mäander-Verzierung à la Grecque. Der ſog. Ad-
lerſchnabel, d. h. ein liegender Wulſt mit einer Hohlkehle darunter,
erſcheint als Ueberſchlag von Schilfblättern, die darauf gemahlt ſind
und unter demſelben fortlaufen. Der echinus mit dem astra-
galus
heißt als ein beſonders eingefügter Stein γογγύλος λίϑος
in der Inſchr. p. 274.


3. Die Griechen liebten dieſe Unterhöhlungen ſehr; ſie finden
ſich unter Kranzleiſten, unter dem nach oben und unten gekehrten
21
[322]Syſtematiſcher Theil.
Wulſt, an Geſimſen der Gebälke und Pilaſter; wovon beſonders
die Uned. antiq. of Attica deutliche Anſchauungen gewähren.


3. Die Architekturſtuͤcke.

1275. Die Architekturſtuͤcke ſind nicht mehr allgemeine
geometriſche Formen, ſondern Zuſammenſetzungen derſel-
ben, welche ſchon die beſtimmte Richtung auf architekto-
niſche Zwecke in ſich tragen, aber ſie doch im Allgemei-
nen erſt in ihrer Vereinigung erfuͤllen. Sie zerfallen
2in tragende, getragne und in der Mitte ſtehende. Un-
ter den tragenden iſt die Saͤule die natuͤrlich ge-
gebne Form, wo einzelne Punkte auf moͤglichſt ſichre und
dauerhafte Weiſe zu unterſtuͤtzen ſind, welche alsdann
durch die Cohaͤrenz der Maſſe das Dazwiſchenliegende
halten und tragen. Die Saͤule iſt ein voͤllig in ſich ge-
ſchloſſener, eine verticale Achſe umſchließender, einerſeits
durch die coniſche Form, oder Verjuͤngung (contrac-
tura
), ſeine eigne Feſtigkeit ſichernder, andererſeits durch
die viereckige Platte der Form des Gebaͤlks ſich annaͤ-
3hernder Traͤger. Dieſe Beſtimmung und Bedeutung
druͤckt am klarſten und reinſten die Doriſche Saͤule
(§. 52.) aus, am kraftvollſten in den aͤlteſten Formen.
In der Joniſchen (§. 54.) tritt ein Beſtreben zu zie-
ren ein, welches indeß die geometriſchen und im Kreiſe
der Architektur gegebnen Formen noch nicht verlaͤßt. In
der Korinthiſchen (§. 108. 153.) greift dies Beſtre-
ben zu ſchmuͤcken in das Reich der Vegetation hinuͤber.
Jedes Capitaͤl nimmt aber das vorige in ſich auf, und
entwickelt ſich mit einer gewiſſen Geſetzmaͤßigkeit und dem
durchgaͤngigen Beſtreben, Nichts ohne Noth aufzuopfern,
aus demſelben.


3. Das Joniſche Capitäl iſt das Doriſche, über deſſen Echinus
ein Aufſatz gefügt wird, der wahrſcheinlich von Altären hergenom-
men iſt. Im Korinthiſchen überwachſen dies Joniſche Volutenca-
[323]I. Tektonik. Gebaͤude.
pitäl gleichſam Akanthusblätter von unten. Die ſehr natürliche
Verzierung des untern Schaftendes mit Akanthus, die in der
Natur ſich öfter darbieten mußte, läßt nur die orientaliſirende Kunſt
zu, z. B. am T. des Auguſt zu Mylaſa (welcher nicht mehr ſteht,
ſ. indeß Choiſ. Gouff. Voy. pitt. T. i. pl. 83.) und in
Antinoe, §. 191. Acanthos est topiaria et urbana herba,
elato longoque folio crepidines marginum assurgentium-
que pulvinorum toros vestiens.
Plin. xxii, 34.


276. Fuͤr jede Saͤulenordnung muß man verſchiedne1
Perioden der Entwickelung und Geſtaltung unterſcheiden.
Fuͤr die Doriſche, 1. die alte ſtaͤmmige Saͤule des
Peloponnes und Siciliens (§. 53. 80, II. a. b. 109,
IV.
). 2. die erhaben gracioͤſe des Perikleiſchen Athen
(§. 109, I). 3. die verlaͤngerte und geſchwaͤchte der
Makedoniſchen und Roͤmiſchen Zeit, (§. 109, 11. 153,
3. 190, 1. II). 4. die Verſuche ihr einen reicheren
Charakter zu geben, beſonders an Ehrenſaͤulen. Fuͤr2
die Joniſche, 1. die in Jonien ausgebildete einfache
Form, theils mit gradlinigem, theils mit ausgebogenem
Canal (§. 109, III). 2. die reichere und zuſammenge-
ſetztere am Tempel der Polias (§. 109, I, 4.), und
andre Nebenformen in verſchiednen Griechiſchen Staͤdten.
3. manche in Rom gemachte Verſuche, ihr abwechſelnde-
ren Schmuck von Sculptur zu geben. Fuͤr die Korin-3
thiſche 1. die noch ſchwankenden oder willkuͤhrlich ab-
weichenden, zum Theil dem Joniſchen Capitaͤl noch ſehr
nahe ſtehenden Formen in Phigalia, am Didymaͤon, am
Thurm des Kyrrheſtes, auch in Pompeji (§. 109, 9.
12. 153, 4. 190, 4). 2. die feſten Formen der
ausgebildeten Ordnung (153. 190 u. 191. an mehrern
Stellen). 3. die uͤberladne Nebenform des compoſiten
Capitaͤls (§. 189, 4). 4. Variationen durch Zufuͤgung
von Figuren, z. B. Victorien, Trophaͤen, Fluͤgelpferden,
Delphinen, Adlern: Vorſpiele mancher roh phantaſti-
ſchen vorgothiſchen Formen.


2. Der mit Blumenwerk geſchmückte Hals der Jon. Säulen
am Erechtheion (ἀνϑέμιον in der Inſchr.) findet ſich ähnlich in
21*
[324]Syſtematiſcher Theil.
Laodikeia am Theater wieder. Ion. Ant. ch. 7. pl. 50. — Eine
Nebenform bilden die Jon. Capitäle an Gräbern von Kyrene, mit
einem Blatt unter dem Canal, unter einem Deriſchen Geſimſe.
Pacho pl. 43.


3. Kyrenes Ruinen überzeugen wieder, wie zahlreiche Modifi-
cationen ſich die Griechiſchen Baumeiſter beim Korinthiſchen Capitäl
erlaubten. Pacho pl. 27.


1277. Jede Saͤule, mit Ausnahme der meiſten Do-
riſchen von der erſten und zweiten Art, welche ohne be-
ſondern Fuß aus der Grundflaͤche emporſteigen, hat drei
2Theile: I. Spira,Fuß oder Baſis. Hauptarten, ne-
ben denen theils Vereinfachungen, theils groͤßere Combi-
nationen ſtattfinden: A, Atticurges, 1. Plinthus, 2.
Torus, 3. Scotia s. trochilus,
4. Ein zweiter oberer
3torus. B. Ionica, 1. Plinthus, 2. Trochilus, 3. Ein
oberer trochilus, 4. Torus; wobei vorbereitende und
4trennende Leiſtchen nicht gerechnet ſind. II. Scapus,
Schaft. Seine Außenflaͤche zerfaͤllt, wenn er cannelirt
iſt (ῥαβδωτὸς), entweder in bloße Hohlkehlen oder Can-
neluͤren (striatura Dorici generis) oder Canneluͤren und
Stege (striae et striges). Bei dem Schaft beobachtet
man an den juͤngern Doriſchen und andern Saͤulen die
adiectio, ἔντασις oder Schwellung (§. 80. II, a. 109, 2).
III. Capitulum, κιόκρανον, ἐπίκρανον, κεφαλή,
5Capitaͤl. A. Doricum. 1. Hypotrachelium, Hals,
mit den Einſchnitten nach unten. 2. Echinus mit den
annulis. 3. Plinthus s. abacus (bei Vitruv und an Roͤ-
miſchen Gebaͤuden mit einem cymatium). B. Ionicum.
1. Hypotrachelium
(nur in der zweiten Gattung).
2. Echinus mit einem astragalus Lesbius darunter
(einem torus daruͤber nur in der zweiten Gattung).
3. Canalis, der Canal, und die volutae, Schnekken,
mit den oculi et axes, Augen und Saͤumen, an zwei
Seiten. Die pulvini, Polſter, mit den baltei, Gurten,
an den beiden andern, welche beim gewoͤhnlichen Capitaͤl
mit jenen Seiten abwechſeln, beim Eckcapitaͤl aber zu-
[325]I. Tektonik. Gebaͤude.
ſammenliegen. 4. Abacus et cymatium. C. Co-
rinthiurges.
Zwei Haupttheile: 1. Calathus, der Kelch
des Capitaͤls. Seine Ornamente in drei Reihen: a. acht
Akanthusblaͤtter. b. acht Akanthusblaͤtter mit Stengeln
(cauliculi) dazwiſchen. c. vier volutae, und vier he-
lices
oder Schnoͤrkel mit Akanthus-Knospen und Blaͤt-
tern. 2. Abacus, aus cymatium und sima oder auch
anders zuſammengeſetzt, mit vorſpringenden Ecken, an den
eingebognen Stellen mit Blumen verziert.


3. Dieſe Baſis herrſcht wirklich in Jonien durch; doch findet
ſich auch eine einfachere Form aus einer Kehle mit Pfühl zuſam-
mengeſetzt, wie in den Trümmern des Heräons auf Samos.


Halbſäulen, welche ſtrenggenommen gegen das Prinzip
der Säule ſtreiten, aber beſonders durch das Bedürfniß der Fenſter
gerechtfertigt werden können, finden ſich wenigſtens ſchon Ol. 90.
S. §. 109, 4. vgl. 12. 17. Die Phigaliſchen, §. 109, 9., ſind
mehr als Halbſäulen.


278. Von der Saͤule unterſcheidet ſich der Pfeiler,1
pila, durch die engere Beziehung, in der er zur Mauer
ſteht, um derentwillen er in der ſtrengeren Architektur
immer als ein Stuͤck Mauer behandelt wird. Indeß2
wird er auf der andern Seite doch auch zugleich von
der Saͤule, mit der er oft in gemeinſchaftlicher Reihe
zu ſtuͤtzen und zu tragen beſtimmt iſt, angezogen,
und entlehnt theils Verzierungen, beſonders des Capitaͤls,
theils auch die Verjuͤngung der Staͤrke, ſelbſt bisweilen
die Entaſis von ihr. Hauptarten der Pfeiler ſind:3
1. abgeſondert ſtehende Pfeiler oder Staͤnder, zum Bei-
ſpiel bei einer Wand aus Teppichen, pilae, σταϑμοὶ,
ὀρϑοστάται. 2. Pfeiler, welche eine Wand abſchließen,
Eckwandpfeiler, antae, παραστάδες, φλιαί. 3. Pfei-
ler, welche die Wand gegen die Thuͤre abſchließen, Thuͤr-
pfoſten, postes, σταϑμοὶ, παραστάδες. 4. Pfeiler,
welche aus einer Wand hervortreten, es ſei um eine ſich
anſchließende Saͤulenreihe vorzubereiten und ihr als Stuͤtze
[326]Syſtematiſcher Theil.
zu entſprechen, oder im Geiſt der ſpaͤtern Architektur aus
dem bloßen Streben nach Unterbrechung, Wandpfeiler,
Pilaſter, παραστάται, ὀρϑοστάται. 5. Strebepfei-
4ler, anterides. Endlich gehoͤren hierher auch kuͤrzere
und abgebrochne Pfeiler, ſie moͤgen als Poſtament fuͤr
Saͤulen (stylobates), oder fuͤr andre Zwecke dienen.
5Die wiederkehrenden Haupttheile des Pfeilers ſind: 1. der
Fuß, spira. 2. der Schaft oder Wuͤrfel, truncus. 3. das
Capitaͤl, ἐπίκρανον, μέτωωον, entweder geſimsartig aus
einfachen Gliedern, Wellen, Wuͤlſten, Kehlen, Platten,
zuſammengeſetzt, oder nach Analogie des Saͤulencapitaͤls
geſchmuͤckt.


3. Die Ausdrücke für Pfeiler und Pilaſter ſind ſehr ſchwankend.
Ὀρϑοστάται ſind abgeſonderte Pfoſten Eurip. Jon. 1148.,
Säulen Eur. Raſ. Herakl. 975., Strebepfeiler Vitruv ii, 8.;
Anten und Pilaſter in der hier oft berückſichtigten Inſchr. C. I.
n.
160. Παραστὰς iſt, abgeſehn von den Fällen, wo es,
ſo wie προστὰς, von einer ganzen Halle ſteht, ſ. v. a. anta
(Schneider ad Vitr. vi, 7, 1.), heißt aber auch die Thürwand,
der Thürpfeiler, Eurip. Phön. 426. Pollux i, 76. x, 25. vgl.
Eur. Androm. 1126. u. die Inſchr. p. 280. Bh.; bei Athen.
v, p. 196. ſcheint es ein freiſtehender Pfeiler, bei Heſych. eine
Halbſäule. Parastatae ſind bei Vitruv Pilaſter, auch frei-
ſtehende, wie bei ſeiner basilica Col. Iul. Fanestri. Die
φλιαὶ τῶν νεῶν, woran die προξενίαι angeſchrieben (Polyb.
xii, 12, 2.), werden beſonders durch die Vergleichung der Stelle,
wo an dem T. in Keos (Brönſted i. p. 19.) ähnliche Decrete ſtan-
den, deutlich; in demſelben Zuſammenhange kommt παραστὰς
bei Chandler i, 59, 1. vor. Bei Plinius heißt ein Pfeiler auch
columna Attica. xxxvi, 56.


5. Das ſimsartige Pfeilercapitäl accommodirt ſich an den Do-
riſchen Gebäuden Athens in ſeinen Theilen ſichtlich dem Doriſchen,
nur daß bei der geringeren Ausdehnung des Wulſts die annuli
an den Hals hinabtreten. Am T. der Polias nimmt es die Orna-
mente des Halſes (ἀνϑέμιον) vom Jon. Capitäl. Voluten und
Canal vorn, Polſter an den Seiten, Alles aber ſchmal und leicht,
zeigt das Antencapitäl am Didymäon u. den Propyläen von
Priene; hier treten auch Arabesken hinzu. Ein mit Akanthus
reich decorirtes Pilaſter-Capitäl findet ſich ſchon an den kleinern
Propyläen von Eleuſis.


[327]I. Tektonik. Gebaͤude.

279. Einzeln ſtehende Pfeiler oder Pilaſter vertre-
tende Bildſaͤulen, welche Atlanten, Telamonen,
Karyatiden
heißen, wendet die Griechiſche Architektur
ſehr maͤßig und nie ohne eine beſondre Beziehung auf
den Zweck und die Bedeutung des Gebaͤudes an: viel
haͤufiger waren ſolche Stuͤtzen bei Dreifuͤßen, Keſſeln,
Thronen, Fußſchemeln und andern Geraͤthen.


S. §. 109, 4. 17., wo die Giganten den T. ihres Ueberwin-
ders tragen. Athen. v, 208 b. von den ἄτλαντες an der Au-
ßenſeite des Schiffes des Hieron. Dafür ſagten die Römer nach
Vitr. vi, 10. Telamones. Ueber die Vitruviſchen Caryatides
(früher κόραι) Hirt, Muſ. der AlterthumsW. i. S. 271. Böt-
tiger Amalth. iii. S. 37. Vgl. Stuart’s Ant. in der neuen
Ausg., der Deutſchen Ueberſ. i. S. 488 ff. — Die Figuren an
den Pfeilern der Halle von Theſſalonike (§. 192, 4.), Incantada
genannt, ſind keine Atlanten, ſondern bloße Reliefs an den Pfei-
lern einer oberen Stoa. — In Delos finden ſich auch Vor-
dertheile von Rindern an Pfeilern unter einem Gebälk angebracht.


280. Die Mauer (murus, τεῖχος) oder Wand
(paries, τοῖχος) iſt die Fortſetzung des Pfeilers, welche
aber zugleich die Analogie der Saͤule vollſtaͤndiger ver-
laͤßt, indem bei dieſer das Stuͤtzen als alleiniger, bei je-
ner neben dem Stuͤtzen das Einſchließen als hauptſaͤchlicher
Zweck hervortritt. Sie erhaͤlt indeß oft nach Art der2
Pilaſter drei Theile, den Fuß, den Wuͤrfel, und eine
Art Capitaͤl oder Sims, welche Begriffe hier zuſammen-
fallen (ἑπίκρανον, ϑριγκός). Als Capitaͤl erſcheint
dieſer Theil mehr, wenn ein Gebaͤlk daruͤber fortlaͤuft;
als Sims, wenn die Mauer fuͤr ſich allein als eine Ein-
faſſung ihren Zweck erfuͤllt, in welchem Fall ſie von dem
ſchuͤtzenden Sims, ϑριγκὸς, ſelbſt den Namen erhaͤlt.
Niedrige Mauern kommen erſtens unabhaͤngig fuͤr ſich3
als Umzaͤunungen vor (maceria, αἱμασιά); dann als Un-
terſaͤtze der Hauptwaͤnde, um dieſe uͤber den gewoͤhnli-
chen Boden zu erheben und ſchon den Fuß derſelben ſicht-
bar zu machen. Gewoͤhnliche Grundmauern von einigem
Vorſprung, mit oder ohne Stufen, ſind κρηπῖδες, cre-4
[328]Syſtematiſcher Theil.
pidines, Sockel; beſondre, hoͤhere und zierlicher behan-
delte, fortlaufende Unterſaͤtze oder Poſtamente ſind stereo-
batae, stylobatae
(bei Vitruv), podia; ſie haben einen
Fuß (quadra, spira), Wuͤrfel (truncus) und Sims
5(corona). Zu den niedern Mauern gehoͤrt auch eine
zwiſchen Pfeilern oder Saͤulen eingefuͤgte ſteinerne oder
hoͤlzerne Bruſtlehne (pluteus oder pluteum), an deren
Stelle auch metallne Gitter (clathra, cancelli) treten
koͤnnen.


2. Dieſe ϑριγκοὶ bilden als Einfaſſungen von Tempeln und
Paläſten, mit αὐλείοις ϑύραις in der Mitte, einen Haupttheil
der tragiſchen Scene. Ueber ihnen erhebt ſich ſtattlich das Haupt-
gebäude.


4. Nichts iſt mehr beſprochen als die scamilli impares des
Vitruv am Stereobat und Gebälk (ſ. u. a. Meiſter N. Commtr.
Soc. Gott. T. vi. p.
171. Guattani Mem. encicl. 1817.
p.
109. Stieglitz Archäol. Unterh. i. S. 48). Am Ende kömmt
wohl heraus, daß ſie gar kein wahrnehmbares Glied der Architek-
tur, ſondern nur die beim Bau gebrauchte Vorrichtung bezeichnen,
um dem Stylobat und Gebälk die (nach Vitruv) optiſch nothwen-
dige Ausbauchung zu geben. Die zweimal über der corona eines
kurzen Pfeilers erwähnte lysis iſt wahrſcheinlich ein kleiner Wulſt.


5. Ueber die plutei marmorei sive ex intestino opere
facti
beſonders Vitruv iv, 4. vgl. v, 1. 7. 10. Oefter bilden
ſie, Anten und Säulen angefügt und eine Mauer vertretend, einen
Pronaos, der ohne ſie nicht ſtattfinden würde, wie im Parthenon.
Ueber den Aegyptiſchen Gebrauch §. 221. Hölzerne Planken,
δρύφακτοι, waren in Athen als Einzäunung von Vorhöfen ge-
wöhnlich (ſ. beſonders Schol. Ariſtoph. Weſp. 405); κιγκλίδες,
durchbrochne Einfaſſungen, auch bei kleinen T. C.I. n. 481. Gitter
zwiſchen den Säulen eines Tholus monopteros u. peripte-
ros
ſieht man auf dem Relief bei Winckelm. W. i. Tf. 15. 16.


1281. Die Wand wird in ihrer Beſtimmung einzu-
ſchließen modificirt durch das Beduͤrfniß des Einganges,
ſowohl von Menſchen, wie von Luft und Licht. Daraus
entſtehen Thuͤren und Fenſter. Die Formen der
Thuͤreinfaſſung ahmen die des Gebaͤlks in den
[329]I. Tektonik. Gebaͤude.
verſchiednen Ordnungen (§. 282) nach. Man unterſchei-2
det: A. Doriſche Thuͤren. Sie beſtehen aus 1. ante-
pagmentis,
Verkleidungen, welche mit dem 2. super-
cilium
oder Sturz (ζυγὰ) zuſammen die Thuͤroͤffnung
(lumen ostii) einſchließen, und mit Cymatien und Aſtra-
galen eingefaßt werden. Dazu tritt 3. das hyperthy-
rum
(Thuͤrgeſims) uͤber dem supercilium, beſtehend aus
Cymatien, Aſtragalen und dem ſchuͤtzend vortretenden
Kranzleiſten (corona). B. Joniſche Thuͤren. Auch3
hier 1. antepagmenta (προστομιαῖα?) und 2. super-
cilium,
welche beide nach Art des Joniſchen Architravs
in Streifen (corsae) mit Aſtragalen getheilt werden;
3. das hyperthyrum, an welchem rechts und links
4. die ancones oder parotides (ὦτα in Athen), die
Kragſteine oder Seitenrollen, haͤngen. C. Attiſche Thuͤr4
(Atticurges), der Doriſchen aͤhnlich, nur daß ſie von
der Joniſchen die Streifen entnimmt. Aehnliche, nur
einfachere Einfaſſungen hatten die Fenſter (ϑυρίδες). —
Bei beiden, beſonders den erſtern, trug die Fuͤllung5
ſehr viel zum Glanz der alten Tempel bei, und muß,
bei Reſtaurationsverſuchen, als ein fuͤr den Geſammtein-
druck ſehr weſentliches Stuͤck aufgenommen werden.


1. Vitruv ſpricht indeß hiebei nicht von einem dem Fries
entſprechenden Theile; ſein hyperthyrum iſt kein ſolcher; es be-
greift die corona in ſich. Doch finden ſich ſolche Frieſe theils
ganz umherlaufend wie an der Prachtthüre des T. der Polias, theils
nur unter dem hyperthyrum, wie an Römiſchen Gebäuden.
Die zahlreichen Thüren der Gräber von Kyrene haben immer nur
Architrav oder Sturz, und Geſims.


3. In ſehr einfacher und eigenthümlicher Form kommen dieſe
ancones überall an den Gräbern in Kyrenaika vor.


5. Die Thürflügel (mit scapi, Schenkeln, impages, Leiſten,
und tympana, Füllungen) waren oft vergoldet (ϑυρῶσαι χρυ-
σαῖσι ϑύραις Ariſtoph. Vögel 613), oft auch chryſelephantin,
wie die hochberühmten valvae im Pallas-T. zu Syrakus (Cic.
Verr. iv, 56.). Die Gorgonenköpfe, welche in Bezug auf Pal-
[330]Syſtematiſcher Theil.
las ſtehn, vertreten die ſonſt vorkommenden Löwenköpfe. Aehn-
liche Thüren Properz ii, 31, 11. Virgil G. iii, 26. Wegen
der Anſtalten zum Verſchließen ſ. beſonders Salmaſ. Exc. Plin.
p. 649 sq.
Böttiger Kunſtmythologie S. 258.


Die Fenſter-Verſchließung geſchah theils durch Laden
(vgl. die angustae rimae bei Perſ. iii, 2), theils durchſichtige
Stoffe, lapis specularis od. Marienglas, I. phengites (beſon-
ders ſeit Nero; man wandelte darin tanquam inclusa luce, non
transmissa
), Glas (vitrum, ὕαλος), entw. candidum (λευ-
κή), oder varium, auch versicolor, ἀλλάσσον, ſchillernd. Vgl.
Hirt Geſch. der Bauk. iii. S. 66. Unten: Moſaik.


1282. Das Gebaͤlk iſt der Theil des Gebaͤudes,
welcher die eigentlich ſtuͤtzenden mit den unmittelbar decken-
2den vermittelt. Es zerfaͤllt natuͤrlich in drei Theile:
1. in den die Stuͤtzen zu Reihen vereinigenden, das Ar-
chitrav. 2. in den die dadurch gebildeten Waͤnde zu-
ſammenſpannenden, den Fries, der wenigſtens urſpruͤng-
lich ſo gedacht worden iſt. 3. in den ſchon dem Dache
3angehoͤrigen vorliegenden und deckenden Theil. 1. Ar-
chitrav
, epistylium, Hauptbalken, Unterbalken. a.
Doriſch, glatt, mit der taenia daruͤber, an welcher un-
ter den Triglyphen die regula, das Riemlein, mit den
4guttis, Tropfen, ſitzt. b. Joniſch, beſtehend aus zwei,
gewoͤhnlich drei, fasciis und dem cymatium cum astra-
galo et quadra
daruͤber. Daſſelbe iſt auch das Korin-
5thiſche. 2. Fries, ζώνη, διάζωμα. a. Doriſcher,
1. triglyphi, Dreiſchlitze, woran die femora (μηροί
Stege), canaliculi (Schlitze), semicanaliculi und ein
capitulum. 2. metopae, Metopen. (Vgl. §. 52.).
6b. Joniſcher und Korinthiſcher, welcher von den an der
glatten Flaͤche deſſelben aus Metall oder Stein angebrachten
Reliefs (Figurenreihen, Bukranien mit Blumengewinden,
oder andern arabeskenartigen Verzierungen) zophorus heißt,
mit einem cymatium daruͤber. Dieſer Theil tritt in
der Joniſchen Architektur mehr als Ornament hinzu, und
hat nicht die weſentliche Bedeutung wie in der Doriſchen
7Gattung. 3. Geſims. a. Doriſches, 1. cymatium
[331]I. Tektonik. Gebaͤude.
Dor. 2. corona (γεῖσον), der Kranzleiſten, mit den
ſchraͤghaͤngenden Koͤpfen der Dielen (mutuli) darunter,
woran die Tropfen ſitzen. 3. ein zweites cymatium.
4. sima,
der Rinnleiſten, mit den Loͤwenkoͤpfen uͤber den
Saͤulen. b. Joniſches, 1. denticuli, Zahnſchnitte, nebſt8
der intersectio, μετοχὴ, auch metopa, den Ausſchnit-
ten. 2. ein cymatium. 3. corona. 4. cymatium.
5. sima. c.
Korinthiſches, aͤhnlich, nur daß unter dem
Kranzleiſten die Kragſteine, ancones s. mutuli, deren
Form aus Voluten und Acanthusblaͤttern zuſammengeſetzt
iſt, als Traͤger vortreten. Bei jeder Gattung iſt ver-9
haͤltnißmaͤßige Hoͤhe, Staͤrke und Einfachheit Zeichen
des fruͤhern Alterthums; Zuſammenziehung der glatten
Flaͤchen, ſchmaͤlere und duͤnnere Geſtalt, ſo wie reichere
Verzierung Kriterion des ſpaͤtern.


3. Tropfen in fortlaufender Reihe ohne Triglyphen ſind im
Alterthum nicht ganz ſelten, am Pronaos von Rhamnus, Thurm
des Kyrrheſtes, Kyrenäiſchen Gräbern (Pacho pl. 19. 40. 46).


6. Die älteſte Joniſche Architektur hatte gewiß gleich über dem
Architrav den Zahnſchnitt, indem über die dünneren Säulen auch
nur leichte Latten ſtatt der ſchweren Queerbalken des Doriſchen Dachs
gelegt wurden, welche nach außen die denticuli bilden. Dies fin-
det man nun auch erſtens in der orientaliſchen Form der Joniſchen
Baukunſt (vgl. §. 54. 244.), in Perſepolis, in Telmiſſos, in Phry-
gien (245, 5.), und dann in der Karyatidenhalle zu Athen.


7. Vitruv leitet die Dielenköpfe von der proiectura canthe-
riorum,
die denticuli von der proi. asserum her, wogegen
mit Recht öfter geſprochen worden iſt. Die mutuli bei der Ko-
rinthiſchen Gattung ſcheinen bei ihm ſchon eine Art Kragſteine zu
ſein.


283. Die einfachſte Decke, ein queeruͤbergelegter1
Stein, koͤmmt nur bei Monumenten der anſpruchsloſe-
ſten Art vor. Tempel und andre Prachtgebaͤude hatten
Felderdecken, lacunaria, φατνώματα, welche aus der
Holzarbeit in Stein uͤbertragen wurden. Die Alten un-2
terſcheiden: 1. die zunaͤchſt uͤber den Architraven liegen-
[332]Syſtematiſcher Theil.
den Balken (δοκοὶ, δουροδόκοι). 2. die uͤbergelegten
ſchmaͤleren und ineinandergreifenden Hoͤlzer (im Allgemei-
nen στρωτῆρες, einzeln wahrſcheinlich σφηκίσκοι und
ἱμάντες genannt). 3. die die Oeffnungen fuͤllenden Decken
oder Kappen, καλυμμάτια; welche Theile auch im
Steinbau nachgebildet, aber dann gewoͤhnlich mehr im
Ganzen gearbeitet wurden.


1. S. beſonders Pollux x, 173. und die Nachforſchungen bei
Böckh C. I. p. 281. vgl. p. 341. Damit iſt die genauere An-
ſchauung, welche die Uned. antiq. of Attica von den Lacunarien
Attiſcher T. geben, zuſammenzuhalten. Bei den Eleuſiniſchen Pro-
pyläen liegen die δοκοὶ über dem Joniſchen Architrav des Innern,
in dieſe greifen gleich die Steinplatten mit dem abwechſelnd runden
und eckigen Gliedern ein. In Rhamnus und Sunion ſind aber
dieſe Steinplatten über den δοκοῖς ſo ausgeſchnitten, daß ſie qua-
dratiſche Löcher laſſen, in welche die καλυμμάτια, welche die in-
nern Felder darſtellen, eingefugt ſind. — Beim großen T. von
Eleuſis lagen die Steinplatten wahrſcheinlich auf hölzernen δοκοῖς.


1284. Das Dach war bei Privatgebaͤuden entweder
flach, d. h. mit geringer Senkung, oder nach allen Sei-
ten geſenkt, abſeitig, angelegt; an oͤffentlichen dagegen,
beſonders an Tempeln, mit Giebeln nach den ſchmalen
2Seiten verſehen. Zu dem Giebel oder Fronton, fasti-
gium,
ἀέτωμα, gehoͤren: 1. tympanum, das innre
Giebelfeld. 2. corona et sima uͤber dem tympanum.
3. antefixa,
Zierden an den Ecken und uͤber der Spitze.
4. acroteria, angularia et medianum, Poſtamente fuͤr
3Bildſaͤulen, an den Ecken und in der Mitte. Die ſchraͤge
Dachſeite beſteht aus 1. tegulae, Plattziegel, und
2. imbrices, Hohlziegel — aus Marmor, Thon oder
Bronze — welche kunſtreich in einander gehakt ſind.
4Die Reihe der letztern ſchließt mit aufrechtſtehenden, zierlich
geſchmuͤckten Frontziegeln, frontati, imbrices extremi,
welche an Griechiſchen Tempeln nicht blos uͤber dem
Kranze, ſondern auch auf der Hoͤhe des Firſtes ſich als
ein ſchoͤner Putz hinziehen.


[333]I. Tektonik. Gebaͤude.

1. Bei ἡρῴοις (auf Vaſengemählden) verwandelt ſich der Gie-
bel gern in einen niedrigen Bogen, den aufgeſteckte Fleurons
ſchmücken. Vielleicht die Semifastigia Vitruvs.


2. Die sima erfüllt über dem fastigium natürlich ihren Zweck
nicht, aber wird gefordert, um dem Ganzen eine übereinſtimmende
Form zu geben. An dem kleinen T. der Artemis zu Eleuſis,
wo ſie ein ſehr ſchönes Profil hat, ſteht ſie über dem fastigium
mehr grade, und neigt ſich über den Seitenwänden mehr vor, was
eben ſo zweckmäßig wie wohlgefällig iſt.


Die antefixa (des Vf. Etrusker ii. S. 247) lernt man be-
ſonders durch Vaſengemählde kennen, wo T. und ἡρῷα ſelten ih-
rer entbehren. Z. B. Millingen Vases de div. coll. pl. 12.
19. Millin Vases ii. pl. 32. 33. Tombeaux de Canosa
pl.
3. 4. 7. 8. 11. 14.


4. Hier ergiebt ſich eine der Schwierigkeiten und innern Wi-
derſprüche, an denen auch die alte Architektur litt. Dahin gehört
die unangenehme Nothwendigkeit, die letzte Triglyphe der Reihe wei-
ter über die Säule hinausrücken zu müſſen als die andern, um
derentwillen Manche die ganze Ordnung verwarfen (und doch wird
dieſe durch die ſtatiſch und optiſch begründete Verringerung des letz-
tern intercolumnium zum großen Theil ſchon wieder aufgehoben);
dazu nun auch der Conflikt der Frontziegel mit der sima. Die
Attiſchen Baumeiſter löſten ihn meiſt ſo, daß ſie nur ein Stück
der sima, mit einem Löwenkopfe, an der Ecke neben dem acro-
terium
anbrachten; ſeltner ſo, daß die Frontziegel, wie bei der
Artemis in Eleuſis, weiter zurückgeſtellt, oder auch ganz wegge-
laſſen wurden.


285. Die Gewoͤlbe, deren Hauptformen oben1
(§. 273, 3.) angegeben wurden, wie die mehr untergeord-2
neten Architekturtheile der Stufen und Treppen, und
der Fußboͤden (ſ. unten: Moſaik), begnuͤgen wir uns
an dieſer Stelle blos zu nennen.


2. Doch iſt die raumerſparende und elegante Form der Sitz-
ſtufen der Theater auch ſehr der Aufmerkſamkeit werth. Die leiſe
Neigung der horizontalen Flächen nach hinten, die in Epidauros
(§. 106, 2.) ſtattfindet, ſichert Sitz und Schritt. Der Raum für
die Füße iſt, gegen den zum Sitzen beſtimmten, eingeſenkt; nur
[334]Syſtematiſcher Theil.
beim Theater von Tauromenium u. Odeum (?) von Catania ſind be-
ſondre Stufen für die Füße, andre für den Sitz beſtimmt (Hit-
torf). Von den Treppen Stieglitz Archäol. i. S. 121. Graecae
scalae — omni ex parte tabularum compagine clausae

Servius zur Aen. iv, 646.


4. Arten der Gebaͤude.

1286. Bei der Aufzaͤhlung der verſchiedenen Gattungen
der Gebaͤude koͤmmt es beſonders darauf an, auf die
einfache Zweckmaͤßigkeit und charakteriſtiſche Bedeutſamkeit
hinzudeuten, mit der die mannigfachen Zwecke und Sei-
ten des Lebens architektoniſch befriedigt und ausgeſprochen
2wurden. Die erſte Claſſe von Bauwerken bilden die,
welche blos von außen geſehn ſein wollen, und theils
entweder fuͤr ſich oder durch Schrift und Bild den Zweck
eines Denkmals erfuͤllen; theils etwas Andres zu halten,
3ihm zur Grundlage zu dienen beſtimmt ſind. Die ein-
fachſten Denkmaͤler der Art fuͤhren an den Punkt zuruͤck,
wo Architektur und Plaſtik in eine Wurzel zuſammen-
gehn, wie bei den Hermaͤen, dem Agyieus, dem Hades-
4Steine auf dem Grabe (§. 66, 1). Daran reihen ſich
koniſche aus Erde oder Steinen aufgeſchichtete Grabhuͤ-
gel (κολῶναι, tumuli), Grabpfeiler (στῆλαι, cippi,
columellae
) von architektoniſchen Formen mit Inſchrif-
ten, und die liegenden Grabſteine, die man τράπεζαι
5(mensae) nannte. Auf der andern Seite die einzelnen
Saͤulen, welche ſchon in den aͤlteſten Griechiſchen Tem-
peln, bei der Kleinheit der meiſten alten Schnitzbilder,
gebraucht wurden, die Goͤttergeſtalten uͤber die Schaar
ihrer Verehrer emporzuheben: aus denen die Ehrenſaͤulen
ſpaͤterer Roͤmiſcher Zeiten erwuchſen; nebſt den Pfeilern
oder auch Saͤulen, welche Keſſel, Dreifuͤße und andere
Anathemen, wie ſelbſt dies Wort andeutet, aufzunehmen
beſtimmt waren: wovon mehr in Reliefs und Gemaͤhlden
[335]I. Tektonik. Gebaͤude.
als in architektoniſchen Reſten vorliegt. Beſonders6
wichtig iſt der Heerd (ἑστία), der Mittelpunkt menſch-
licher Wohnung, an den ſich fuͤr die Griechen die Vor-
ſtellung des Feſtgegruͤndeten, Unverruͤckbaren und einem
bewegten Leben zum dauernden Halte dienenden anknuͤpft.
Der Heerd wird in gottesdienſtlicher Beziehung und An-7
wendung zum Altar, der, wenn er nicht eine bloße nie-
drige Feuerſtelle (ἐσχάρα) war, die natuͤrliche Form
eines abgekuͤrzten Pfeilers oder eines Saͤulenſtuͤcks mit
Fuß und Sims erhielt, aber auch nicht ſelten in Grie-8
chenland zu großen und weitlaͤuftigen Bauen ausgebil-
det wurde.


4. Eine Ueberſicht von Cippis, einfacheren Griechiſchen, und
mehr geſchmückten Römiſchen, in Bouill. Mus. iii. Blatt 84 ff.


Die τράπεξαι dienen zu Choen und andern Gaben, daher
Cicero de legg. ii, 26 neben der mensa das labellum auf den
Attiſchen Gräbern erwähnt. Inſchriften darauf, Plut. x. Or.
Isocr. p.
241 H. Ἴκρια als Zeichen des Kenotaphion, Mar-
cellin V. Thuc. 31.


7. Θριγκώματα der Altäre, Eur. Iph. Taur. 73. Auf Re-
liefs ſieht man bisweilen (Bouill. iii, 33, 1) einen zierlich
geformten runden Altar auf einem viereckten einfach geſtalteten ſtehn.


8. So der große Altar von Olympia, deſſen Unterbau, πρό-
ϑυσις, 125 Fuß im Umfang, das Ganze 22 F. Höhe hatte;
der Altar von Parion, ein Stadion im Quadrat (Hirt Geſch. ii.
S. 59); der gleich große in Syrakus (ii. S. 179); der 40 F.
hohe marmorne mit einer Gigantomachie in Sculptur zu Pergamon,
Ampel. l. memor. c. 8.


287. Den Gegenſatz gegen dieſe Claſſe bilden die1
Einſchließungen aller Art, wie die Mauern ganzer
Burgen und Staͤdte, welche oft auch architektoniſche For-
men und Zierden erhielten; die Einhegungen heiliger Be-2
zirke (περίβολοι) oder oͤffentlicher Verſammlungsorte
(septa), welche als nicht unbedeutende Bauunternehmun-
gen vorkommen.


[336]Syſtematiſcher Theil.

2. Tullus Hostilius sepsit de manubiis comitium, Cic.
de R. P. ii,
17. Die septa Iulia von Agrippa. In Athen
waren ſolche Umhegungen meiſt nur leicht aus Flechtwerk (die
γἑῤῥα der Ekkleſia), oder gezogenen Seilen (περισχοίνισμα des
Rathes). Statuen umgab man mit Rohr, κάνναις, gegen Be-
ſudelung. Ariſt. Weſp. 405.


1288. Indem zu dieſer Einſchließung das Dach hin-
zutritt, entſteht das Haus. Das einfachſte Haus iſt
der Tempel (ναὸς, aedis), zunaͤchſt nichts als ein
Ort, wo ein Cultusbild auf eine ſichre Weiſe aufgehoben
und geſchuͤtzt iſt, ſelbſt geheiligt durch feierliche Wahl
und Gruͤndung (ἵδρυσις in Griechenland, inauguratio,
2dedicatio und consecratio in Rom). Das Verſchloſſne,
Geheimnißvolle bleibt immer der Charakter des eigent-
lichen ναός, der darum niemals Fenſter erhaͤlt; indeß
vereinigt ſich damit ein einladendes, Schatten und Schutz
in der naͤchſten Umgebung bietendes Aeußere, indem der
Tempel Vorhallen und Umgaͤnge von Saͤulen erhaͤlt
3(laxamentum). Die innern Saͤulenſtellungen und die
ganze Hypaͤthraleinrichtung kamen ohne Zweifel zu-
gleich mit koſtbarern und glaͤnzenderen Goͤtterbildern auf;
ſonſt gewaͤhrt die ſehr große Thuͤr das einzige Tageslicht.
4Die Tempel zerfallen nun in folgende Arten: a. hin-
ſichtlich der Saͤulenſtellung umher, in: 1. templa in antis,
ναοὶ ἐν παραστάσιν. 2. prostyla. 3. amphipro-
styla. 4. periptera. 5. pseudoperiptera. 6. diptera.
7. pseudodiptera.
8. nach Tuscaniſchem Plan (§. 169),
9. nach einem gemiſchten Griechiſch-Tuscaniſchen Plan
angelegte. b. hinſichtlich der Saͤulenzahl in tetrastyla, he-
xastyla, oxtastyla, decastyla, dodecastyla
(nach der Vor-
derſeite). c. hinſichtlich der Weite der Intercolumnien in:
1. pycnostyla (3 moduli). 2. systyla (2 diametri).
3. eustyla (2¼). 4. diastyla (3). 5. araeostyla

(mehr als 3). Eine Nebenart, die Rundtempel, zer-
5faͤllt in: 1. monoptera (wo blos plutei oder Gitter die
intercolumnia verſchließen). 2. periptera. 3. pseu-
doperiptera.
4. Rundtempel mit einer Vorhalle, ei-
[337]I. Tektonik. Gebaͤude.
nem prostylum. Was aber die Theile des Tem-6
pels anlangt, ſo unterſcheidet man in groͤßeren Tempel-
gebaͤuden folgende: 1. den Grundbau mit den Stufen,
suggestus, κρηπὶς oder κρηπίδωμα. 2. das eigentliche
Tempelhaus, ναὸς, σηκὸς, cella, bisweilen in demſel-
ben Gebaͤude doppelt; dazu gehoͤren: a. τὸ ἕδος, der7
mit einer Bruſtwehr oder Gittern eingefaßte Platz der
Bildſaͤule, b. ὕπαιϑρον, locus sub divo, c. στοαὶ,
porticus, auch ὑπερῷοι, hoͤhere Gallerien (§. 109, 7.),
d. bisweilen ein ἄδυτον, oder ein ϑάλαμος (§. 239,
2). 3. das Vorhaus, πρόναος. 4. die Nachzelle, ὀπι-
σϑόδομος. 5. den Saͤulenumgang, πτέρωμα, alae, die
prostyla inbegreifend. 6. angebaute Saͤulenhallen, προ-
στάσεις, nur in beſondern Faͤllen. Wie ſehr die alte8
Architektonik ſich bei den Tempelgebaͤuden, ungeachtet der
allgemeinen Regelmaͤßigkeit, dem jedesmaligen Beduͤrfniß
des beſondern Cultus anzuſchließen wußte, wird man um
ſo mehr bewundern muͤſſen, je genauer man die vorhan-
denen Reſte ſtudirt.


2. Ueber die Beleuchtung der T. ſtellt Quatr. de Quincy (Mém.
de l’Inst. Roy. T. iii
) einige unhaltbare Behauptungen auf. —
Ueber die Lage der Tempelthür (die nach W. herrſcht vor) Viſconti
Mémoires p. 18. u. die in des Vf. Min. Pol. p. 27. emendirte
Stelle des Vitruv iv, 5, 1.


5. Rundtempel beſonders zuſammengeſtellt in Piraneſi’s Rac-
colta dei Tempi antichi.


6. Tempel mit doppelten Cellen (ναὸς διπλοῦς) hatten ge-
wöhnlich die Hauptthüren nach den entgegengeſetzten ſchmalen Sei-
ten; doch kömmt auch vor, daß man durch einen in den andern
geht. Pauſ. vi, 20, 2. Hirt Geſch. iii. S. 35. Der Länge
nach getheilte Doppeltempel kann man nicht mit Sicherheit nachwei-
ſen. Zwei Tempel in einem Gebäude übereinander Pauſ. iii, 15.
Den Hadrians-T. zu Kyzikos §. 191. theilt Ariſteides Paneg.
Cyzic.
in den καταγεῖον, μέσον und ὑπερῷον; überall liefen
Gallerieen, δρόμοι, durch denſelben. — Ueber baſilikenartige T.,
wie das T. Pacis, Hirt iii. S. 36.


22
[338]Syſtematiſcher Theil.

7. S. beſonders 109, 4. 5. 9. Ἴκρια περὶ τὸ ἕδος,
in der Inſchr. Aegin. p. 160. Ἐρύματα um den Thron in
Olympia, Pauſ. v, 11, 2. Aehuliche ſchloſſen wohl den eigent-
lichen Parthenon (§. 109, 2) in Athen ein.


1289. Eine ſehr ausgedehnte Claſſe von Gebaͤuden
bilden bei den Alten die zum Zuſchaun eines Kampfſpie-
les beſtimmten, fuͤr muſiſche, gymniſche und andre Ago-
2nen eingerichteten. Ein offner Raum, geebnet und nach
den Forderungen des Agon abgeſteckt und mit gewiſſen
Marken verſehen, bildet den erſten und weſentlichen Theil;
daruͤber muͤſſen ſich, um moͤglichſt Viele zuſchaun zu laſ-
ſen, terraſſenfoͤrmige Flaͤchen und Stufen erheben,
welche indeſſen oft, beſonders bei Stadien und Hippo-
dromen, auf eine natuͤrliche Weiſe durch Benutzung der
umliegenden Hoͤhen gewonnen wurden. Ueberall bietet
bei dieſen Bauten das ſchauende Publicum ſelbſt einen
impoſanten Anblick dar, und indem hinter den engern
Kreiſen der durch Rang oder Amt Ausgezeichneten die
Maſſe des Volks ſich ruͤckwaͤrts in immer weiteren aus-
dehnt, erſcheint das Volk ſich ſelbſt auf die vortheilhaf-
3teſte und ſchoͤnſte Weiſe. Beim Theater tritt zu
dem ebnen Chorplatz noch ein Geruͤſt mit ſeiner Ruͤck-
wand hinzu, welches einzelne Perſonen aus der Menge
zu ſondern und in einer fremden, dichteriſchen Welt zu
4zeigen beſtimmt war. Daraus ergeben ſich die Theile:
A. Orcheſtra mit der Thymele (dem Dionyſos-Altar) in der
Mitte und den offnen Fluͤgeln (δρόμος?) an der Seite. B.
5Scenengebaͤude, beſtehend aus 1. der Scenenwand (σκηνή),
mit ihrer feſten Decoration, die ſich in mehrern Stock-
werken (episcenia) erhebt, und aus pluteis, Saͤulen
und Gebaͤlk zuſammengeſetzt iſt; 2. den vortretenden Sei-
tenwaͤnden oder Fluͤgeln, (παρασκήνια, versurae pro-
currentes
); 3. dem Raum vor der Scenenwand zwiſchen
den Fluͤgeln (προσκήνιον), welcher durch ein hoͤlzernes
Geruͤſt (ὀκρίβας, λογεῖον) erhoͤht iſt; 4. der Fronte
dieſes Geruͤſtes gegen die Zuſchauer und dem dadurch be-
6deckten Raume (ὑποσκήνιον). C. Das eigentliche ϑέα-
[339]I. Tektonik. Gebaͤude.
τρον (κοῖλον, cavea), die im verlaͤngerten Halbkreis um-
herlaufenden Sitzſtufen, horizontal getheilt durch breite
Gaͤnge (διαζώματα, praecinctiones), keilfoͤrmig (in
κερκίδας, cuneos) durch herablaufende Treppen. Die
Sitzſtufen waren ehemals bloße Geruͤſte (ἴκρια), hernach
gern in den Felſen gehaun. D. Der Saͤulenumgang,7
περίπατος, uͤber den Sitzreihen, der dem Theatron zur
Erweiterung, dem Ganzen zum Abſchluß diente, und
auch durch Zwecke der Akuſtik (τὸ συνηχεῖν) wuͤnſchens-
werth gemacht wurde, welche nebſt der Perſpektive ein
Hauptſtudium der Theaterbauer war. Auch Saͤulenhal-
len hinter dem Scenengebaͤude waren eine dem Publicum
erwuͤnſchte Zugabe. Das Odeion geht aus dem8
Theater hervor, wie die Muſik einzelner Virtuoſen aus
den Feſtgeſaͤngen der Choͤre; hier wo kein Raum fuͤr
Bewegung noͤthig iſt, wo hauptſaͤchlich nur gehoͤrt zu
werden braucht, ruͤckt das Ganze zuſammen, und koͤmmt
unter Dach.


3. Man muß ſich indeß hüten, bei den zahlloſen Theatern in
allen Theilen der Griechiſchen Welt überall gleich die Beſtimmung
für Dramen vorauszuſetzen. Züge, mit Wagen und Pferden (Athen.
iv. p. 139.), κῶμοι, κηρύγματα, Muſterungen, wie die der
Waiſen der im Kriege Gebliebenen, wenn ſie der Atheniſche Staat in
voller Rüſtung entließ, fanden ebenfalls hier ſtatt; ja das Theater
wurde immer mehr der Ort der Volksverſammlungen, und die
Bühne vertrat dann gewiß das einfachere βῆμα auf der gleichfalls
theaterförmig angelegten Pnyr.


4. Die Menge der Ruinen, und die Vollſtändigkeit mancher, z. B.
in Side §. 255, 2., in Laodikeia, wo Viel von der Scene erhalten
iſt (Ion. ant. ii. pl. 50.), bei Rhiniaſſa in Epeiros (§. 253, 1),
läßt hoffen, daß wir nach den Arbeiten von Stieglitz, Groddeck,
Genelli, Kanngießer, Meineke, Hirt, noch eine auf vollſtändige ar-
chitektoniſche Benutzung des Materials gegründete Darſtellung des
alten Theaters erhalten werden. Merkwürdig iſt der Unterſchied des
Kleinaſiatiſchen Theater mit ſtumpfwinklich ſchließenden Sitzplätzen,
und der in Griechenland vorhandnen mit rechtwinklich abgeſchnittnen.


Das Römiſche Theater iſt nur eine modificirte Form des
Griechiſchen für Stücke ohne Chor, deren Einrichtung hernach wie-
der auf Recitationsſääle übertragen wurde.


22*
[340]Syſtematiſcher Theil.

7. Ueber dieſen Säulengang beſonders Appulej. Metam. iii.
p. 49. Bip.
Derſelbe ſpricht Florid. p. 141. von der pavimenti
marmoratio, proscenii contabulatio, scenae columnatio,

der culminum eminentia und lacunarium reful-
gentia.
Gegen die alte Meinung von der Verſtärkung des
Schalls durch die eingeſetzten Gefäße und die Form der Masken
Chladni in der Cäcilia Heft 22.


8. Ueber das Odeion vgl. §. 106, 3. Die genauere
Kenntniß der Einrichtung der alten Odeen iſt indeß noch ſehr zu-
rück. Wie unterſchied es ſich von dem theatrum tectum, wie
das von Valerius gebaute (Plin. xxxvi, 24) u. das kleinere zu
Pompeji nach einer Inſchr. war?


1290. Die Stadien erhalten ihre Form hauptſaͤch-
lich durch die Beſtimmung fuͤr den Lauf, worauf ſich
die Schranken (βαλβὶς und ὕσπληξ) und die Zielſaͤule
(τέρμα, meta) beziehn; doch wird dabei auch in der
Naͤhe der Zielſaͤule fuͤr den Raum des Ring- und Fauſt-
kampfs und andrer Uebungen geſorgt; auch waren hier
2wenigſtens die Sitze fuͤr die Athlotheten angebracht. Der
Hippodrom, zuerſt eine ſehr einfache Anlage, wird
bei den Griechen ein Gegenſtand feiner geometriſcher Be-
rechnung, bei den Roͤmern ein großes Prachtgebaͤude.
Man unterſcheidet das Oppidum mit den carceres
und der porta pompae Circensis (ἄφεσις mit dem
ἔμβολον); die Spina mit den beiden metis (νύσσαι,
καμπτῆρες); den Euripus umher; das podium, die
3sedilia, suggestus et cubicula (Prachtlogen). Die
Amphitheater, obgleich erſt in Italien aufgekommen,
ſind durchaus in dem einfachen und großartigen Sinne
der Helleniſchen Architekten gedacht; auch war die Auf-
gabe leichter als bei dem Theater. Die durchgaͤngig el-
liptiſche Form der Arena gab den Vortheil einer laͤnge-
ren Linie fuͤr andringende und verfolgende Bewegungen;
das Local verlor dadurch die Einfoͤrmigkeit der uͤberall
4gleiche Vortheile darbietenden Kreisflaͤche. Theile des
Amphitheaters ſind: 1. die arena mit den unterirdiſchen
[341]I. Tektonik. Gebaͤude.
Gaͤngen und den fuͤr das einzelne Spiel beſtimmten Aus-
ruͤſtungen; 2. das podium; 3. die verſchiedenen Stock-
werke (maeniana) der Sitzreihen (gradationes) mit ih-
ren Treppen; 4. die verſchiedenen Umgaͤnge zwiſchen
den Maͤnianen (praecinctiones) mit den Pforten unter
den Sitzen (vomitoria); 5. die hoͤheren und niedern Ge-
woͤlbe und Arkaden (fornices, concamerationes) uͤber
und nebeneinander, die den ganzen Raum unter den Sitzen
einnahmen; 6. die Stockwerke der Saͤulenarchitektur nach
außen; 7. die Porticus um das ganze Amphitheater uͤber
dem hoͤchſten maenianum; 8. der hoͤchſte Umgang mit
den Balken, von denen das velarium ausgeſpannt wird.
Wie Amphitheater bisweilen mit Waſſer gefuͤllt und die5
Arena in ein Baſſin verwandelt wurde: ſo entſtanden
in Rom durch die unerſaͤttliche Sucht nach oͤffentlichen
Volksergoͤtzungen auch als beſondre Art von Gebaͤuden
die Naumachieen, welche groͤßere Flaͤchen im Innern
fuͤr Seegefechte darboten.


1. Dies ſieht man am deutlichſten an dem Epheſiſchen Sta-
dion, wo der Platz für die andern Kämpfe durch einige vorſprin-
gende Sitze von der übrigen Rennbahn abgeſondert iſt. Das
Delphiſche Stadion neben dem Pythiſchen Heiligthum ſcheint zahl-
reiche Sitzbänke gehabt zu haben, welche Heliodor iv, 1. ein ϑέα-
τρον nennt; Cyriacus Inscr. p. xxvii. beſchreibt es ſo: in su-
blimi civitatis arce altissimis sub rupibus ornatissimum
gradibus marmoreis hippodromum Dc ped. longum.
Ge-
wöhnlich ſind die Stadien nur an der Seite der meta abgerundet,
in Kleinaſien aber (Magneſia, Tralles, Sardis, Pergamon) an
beiden Enden. Leake Asia min. p. 244.


2. Vgl. §. 106, 4. Der dort angegebne Zweck wird durch
die ſchräge Richtung der ἄφεσις und die etwas ſchiefe Lage der
spina erreicht. Die beſte Vorſtellung giebt Hirt, Geſch. iii. Tf.
20. Die Zierden der spina, u. a. pulvinar, Gerüſt mit Eiern,
Delphinen, koniſche Pyramiden auf einer Baſis, ſind aus dem Po-
ſeidonsdienſt, aber auch zum Theil von decursiones funebres
hergenommen. Der euripus und lacus der spina (am circus
Caracallae
und auf Moſaiken) dienten dazu den Sand zu feuch-
ten. — Roms Circus max. war 2100 Fuß lang, 400 breit,
[342]Syſtematiſcher Theil.
u. faßte in Trajans Zeit gegen 300,000 Zuſchauer. G. L. Bi-
anconi Descrizione dei Circhi, partic. di quello di Cara-
calla
(§. 192, 1.) herausg. v. C. Fea. R. 1789. Laborde
Mosaique d’Italica p. 27 sqq., beſ. pl. 18.


3. Die Griechen verwandelten bisweilen Stadien in Amphithea-
ter, Hirt Geſch. ii. S. 345. Lipſius de amphith. Thes.
Ant. Rom. ix. p.
1269. Maffei degli Amfiteatri. Carli
d. Anfiteatri (das Flavium, das von Italica u. von Pola) Mi-
lano
1788. Fontana Anfiteatro Flavio. Reue Schriften von
Bianchi, Lor. Re, C. Fea.


4. Vgl. §. 190, 3. Die Schau der amphitheatraliſchen Spiele
kann man ſich in ihren ſeltſamen Combinationen nicht wunderbar,
aufregend und überraſchend genug vorſtellen.


5. Bei Auguſtus Naumachie betrug die längere Achſe 1800
(Baſſin) u. 100 F. (Sitze), die kürzere 1200 u. 100.


1291. Eine andre Claſſe von Gebaͤuden machen die zu
oͤffentlich-geſelligem Verkehr, wie ihn die Alten ſo ſehr
liebten, Handel und Wandel und allerlei Verſammlungen
beſtimmten Hallen, bei denen ein auf Saͤulen ruhen-
des, Schutz gegen Sonne und Regen darbietendes Dach
eben ſo die Hauptſache iſt, wie es bei den Tempeln
2blos aͤußerlich hinzutritt. Hierher gehoͤren erſtens ganz
offne Hallen von zwei oder mehrern Saͤulenreihen (tetra-
stichoe, pentastichoe
), dergleichen bald ſtraßenartig die
Staͤdte durchſchnitten, wie die große Saͤulenallee von Pal-
myra (§. 192, 4.); bald viereckige Maͤrkte oder andre Plaͤtze
umgaben; auch bildeten ſie bisweilen eigne Gebaͤude fuͤr
3ſich. Dann treten aber auch zu den Saͤulenreihen Waͤnde
an einer oder an beiden Seiten hinzu, und es bilden ſich
die Hallen aus, die aus Griechenland nach Rom unter
dem Namen Baſiliken kamen (στοαὶ βασιλικαὶ
4§. 180, 4. 194, 1.). Man unterſcheidet hier: 1. drei
oder fuͤnf nebeneinander herlaufende Schiffe, nebſt den
Gallerieen uͤber den Seitenſchiffen, welche durch doppelte
Saͤulenſtellungen gebildet werden; 2. das Chalcidicum vorn,
[343]I. Tektonik. Gebaͤude.
und das Tribunal (ἡμικύκλιον) im Hintergrunde
des Gebaͤudes. — Andre oͤffentliche Gebaͤude begnuͤgen5
wir uns nur zu erwaͤhnen, da uͤber ihre Einrichtung
kaum etwas allgemeines geſagt werden kann, wie die
Buleuterien oder Curien; die Prytaneia der
Griechen mit den Tholen oder Rundgebaͤuden, welche
fuͤr Staatsopfer der Prytanen beſtimmt waren; die oft
ſehr feſten und Burgverließen aͤhnlichen Gefaͤngniſſe; die
Theſauren (aeraria), wobei unterirdiſche kellerartige
Gewoͤlbe (§. 48.) auch noch ſpaͤter als Hauptſache vorkom-
men. Die zahlreichen Gruppen von Theſauren, welche6
auf Platformen (κρηπῖδες) bei den Tempeln von Delphi
und Olympia ſtanden, waren wohl auch meiſt Rundge-
baͤude.


2. So liegen z. B. in Athen, Pauſ. i, 2, 4, mehrere T., ein
Gymnaſion u. Polytions Haus in einer Stoa d. h. in einem von
ihr eingeſchloſſnen Viereck. Vgl. die porticus Metelli §. 180, 2.
190, 1. i. Die Halle von Thorikos (§. 109, 6, c.) zeigt nach
den Uned. antiqq. keine Spur von Mauern, und war alſo wohl
ein bloßes Säulengebäude. Von Säulenhallen handelt, doch nur
beiläufig, Hirt Geſch. iii. S. 265.


3. Eine Halle mit einer Mauer zwiſchen zwei Säulenreihen
war die Korkyräiſche in Elis, Pauſ. vi, 24, 4. Eine crypto-
porticus
hat an beiden Seiten Wände mit Fenſtern, und wahr-
ſcheinlich nur Halbſäulen dazwiſchen. Eine ſchwebende, d. h. von
einer andern geſtützte Halle §. 149, 2. Aehnlich die Incantada
§. 279.


4. Die Baſiliken lernt man beſonders aus der des Vitru-
vius zu Fanum (deren Beſchreibung indeß noch manche Dunkelheit
hat), der Pompejaniſchen (Mazois T. iii. pl. 15 sqq.), der zu Ocri-
culum und den chriſtlichen kennen. Ueber den Vorſaal, welcher
Chalcidicum hieß (alſo aus Chalkis ſtammte) ſ. Hirc ii. S. 266.
Sachſe’s Stadt Rom ii. S. 7. Amalthea iii. S. 365.


5. Der Tholos von Athen hieß auch Skias (Suidas s. v.
Σκιάς, C. I. p. 326) und war alſo eine Art Gebäude mit der
Skias des Theodoros zu Sparta §. 55., nur daß dieſe groß genug
war Volksverſammlungen faſſen zu können. War der Tholus
[344]Syſtematiſcher Theil.
qui est Delphis. de eo scripsit Theodorus Phocaeus (Vi-
truv vii. Praef.) das Buleuterion daſelbſt, oder ein Theſauros?
Von Reſten eines Rundbaus ebenda ſprechen die Reiſenden öfter.


6. Dieſe Gebäude (über deren Stellung Pauſ. vi, 19, 1.)
heißen bei Polemon Athen xi. p. 479. ναοί, bei Euripides An-
drom. 1096. χρυσοῦ γέμοντα γύαλα. Ναοὶ werden auch die
kleinen Gebäude genannt, die zum Tragen von Preis-Tripoden be-
ſtimmt waren, wie das Monument des Lyſikrates §. 108, 4.
Plut. Nik. 3.


1292. Unter den oͤffentlichen Gebaͤuden, welche fuͤr
die Geſundheit und Behaglichkeit der Einzelnen ſorgen,
waren in Griechenland die Gymnaſien, in Rom die
Thermen die bedeutendſten. Beide ſtehn in engem Zu-
ſammenhang mit einander, indem eben ſo wie ſich in
Griechenland das warme Bad, als Mittel gegen die Er-
muͤdung, an die athletiſchen Uebungen anſchloß, in Rom
einige Leibesuͤbung mit dem Gebrauch der Baͤder verbunden
2zu werden pflegte. Die Griechiſchen Gymnaſien
enthalten in ihrer Vollſtaͤndigkeit folgende Raͤume und
Zimmer: A. als Stuͤcke des Haupttheils, der παλαί-
στρα: 1. στάδιον. 2. ἐφηβεῖον. 3. σφαιριστήριον.
4. ἁποδυτήριον. 5. ἐλαιοϑέσιον, ἀλειπτήριον. 6.
κονιστήριον. 7. κολυμβήϑρα (piscina), wozu auch
andre Badeanſtalten hinzukamen. 8. ξυστοὶ (in Rom
porticus stadiatae, stadia tecta). 9. περιδρομίδες
3(in Rom hypaethrae ambulationes oder xysti). B. als
umgebende Theile: allerlei Zimmer (oeci), offne Saͤaͤle
(exedrae), Saͤulenhallen (porticus, auch cryptoporti-
cus
), durch welche das Gymnaſion zugleich der Tum-
melplatz einer geiſtigen Gymnaſtik zu werden geeignet
war. Aehnlich unterſcheiden wir nun bei den Thermen:
4A. Das Hauptgebaͤude. Darin: 1. das ephebeum,
der große Ringſaal in der Mitte des Ganzen. 2. bal-
neum frigidarium. 3. tepidarium. 4. caldarium.
5. Laconicum s. sudatio concamerata,
darunter das
hypocaustum mit der suspensura. 6. unctuarium
hypocaustum. 7. sphaeristerium s. coryceum. 8.
apodyterium. 9. elaeothesium. 10. conisterium.

[345]I. Tektonik. Gebaͤude.
11. piscina. 12. xysti. 13. allerlei Zimmer fuͤr Auf-
waͤrter. 14. vestibulum. Alle dieſe Stuͤcke, das ve-
stibulum, ephebeum
und die piscina ausgenommen,
pflegen doppelt vorhanden zu ſein. B. Umgebende und5
einfaſſende Anlagen, wie porticus, exedrae, scholae,
bibliothecae,
ſelbſt theaterfoͤrmige Baue.


1. In ächtgriechiſchen Zeiten waren die Bäder, βαλανεῖα,
geringfügige Gebäude, und wahrſcheinlich in der Regel Privatun-
ternehmungen. (Oeffentliche λουτρῶνας erwähnt indeß Xenoph.
RP. Ath. 2, 10.) Dabei war die Form des ϑόλος ſchon in Athen
die gebräuchliche. Athen. xi. p. 501. Dieſe gewölbte Form blieb
immer für die Badeſääle; große Fenſter im Gewölbe fingen die
Sonne ein. Vgl. Lukians Hippias 5. Seneca Ep. 86. Plin. Ep.
ii,
17. Selbſt die Chriſtlichen Baptiſterien (§. 194.) haben die
Kuppelform aus dieſem Grunde.


4. Die Einrichtung der balnea und thermae kennen wir be-
ſonders durch das Bild aus den Thermen des Titus (Winckelm. W.
ii Tf. 4. Hirt Tf. 24, 2), die wohlerhaltnen Ruinen von Badenweiler
(§. 264, 2. vgl. Weinbrenner Entwürfe i, 3.), und Palladio’s
freilich nicht ganz zuverläſſige Riſſe der Thermen des Agrippa, der
Neroniſch-Alexandriniſchen, der des Titus (oder Trajan?), des Ca-
racalla, Philippus (?), Diocletian u. Conſtantin, (in Palladio’s
Werken von Scamozzi), welche die lavacra in modum provin-
ciarum exstrucla
(Ammian) im Allgemeinen ſehr deutlich machen. —
Ch. Cameron the baths of the Romans. Lond. 1772. f.


Den Bädern verwandt waren die Nymphäen, kunſtreiche
Nachahmungen von Quellgrotten (ſ. Valeſ. ad Ammian. xv, 7.);
ſo wie die Muſeen, in denen Tropfſteinhöhlen nachgeahmt wurden
(Plin. xxxvi, 42.) Aber das Alexandriniſche und die Römiſchen
Muſeen (Heyne Opuscc. Acad. i. p. 122) gingen mehr aus den
Nebenanlagen Griechiſcher Gymnaſien hervor.


293. Die Privathaͤuſer waren natuͤrlich zu jeder1
Zeit in ihrer Anlage von den mancherlei Beduͤrfniſſen ver-
ſchiedner Staͤnde und Gewerbe, wie von den Launen und
Neigungen der Eigenthuͤmer, abhaͤngig, und daher weni-
ger nach durchgehenden Normen geregelt als die oͤffentli-
chen Bauten. Indeß giebt es doch auch hier gewiſſe
leicht unterſcheidbare Hauptformen. I. Das altgriechi-2
[346]Syſtematiſcher Theil.
ſche Anaktenhaus (§. 47), dem die Haͤuſeranlagen bei
denjenigen Staͤmmen Griechenlands, welche die alten
Sitten treuer bewahrten, im Allgemeinen auch ſpaͤter
3entſprochen haben moͤgen. II. Die, wahrſcheinlich
von den Joniern ausgegangne und in den Alexan-
driniſchen Zeiten ausgebildete Haͤuſeranlage, welche Vi-
truvius beſchreibt. A. Θυρωρεῖον. B. Ἀνδρωνῖτις.
Ein περίστυλον (mit der στοὰ ῾Ροδιακὴ gegen Mit-
tag), von allerlei Zimmern, Speiſeſaͤaͤlen (triclinium
Aegyptium, Cyzicenum
), Saͤaͤlen fuͤr Maͤnner-Mahl-
zeiten (ἀνδρῶνες), Exedren, Bibliothekszimmern, Cellen
4fuͤr Sklaven, Pferdeſtaͤllen umgeben. C. Γυναικωνῖτις,
auch in Zuſammenhang mit dem Θυρωρεῖον, mit einem
eignen kleinen Proſtyl und einem daranſtoßenden Flur (προ-
στὰς oder παραστὰς), allerlei Zimmern, Schlafgemaͤ-
chern (dem ϑάλαμος und ἀμφιϑάλαμος), Zellen u.
ſ. w. D. Ξενῶνες (hospitalia) als abgeſonderte Woh-
nungen; μεσαῦλοι zwiſchen ihnen und dem Hauptge-
5baͤude. III. Das Roͤmiſche Haus, eine Vereinigung
des ſpaͤtern Griechiſchen mit dem altitaliſchen (§. 168, 5),
welches in den Wohnungen ſchlichter Buͤrger immer noch
ziemlich feſtgehalten wurde. 1. vestibulum. 2. atrium
s. cavaedium, a. Tuscanicum. b. tetrastylum. c.
Corinthium. d. testudinatum. 3. alae, tablina,
fauces. 4. peristylium. 5. triclinia, coenationes
(aestivae, hibernae). 6. oeci, tetrastyli, Corinthii,
Aegyptii, Cyziceni. 7. exedrae
(offne Converſations-
Saͤaͤle mit Sitzen umher). 8. pinacothecae, et biblio-
thecae. 9. balneum, palaestra. 10. conclavia, cu-
bicula, dormitoria. 11. cellae familiae. 12. coe-
nacula
(ὑπερῷα), der ganze Oberſtock. 13. hypogea con-
6camerata (Keller). 14. viridaria, ambulationes. Von
den Landhaͤuſern genuͤgt es anzumerken, daß ſie in
villae rusticae, wirklich zum Leben eines Landmanns
eingerichtete, und in urbanae, welche die luxurioͤſe Ein-
richtung der Stadt in laͤndliche Umgebungen uͤbertragen (von
ſolchen mangelt es nicht an genauen Beſchreibungen) zerfallen.


[347]Tektonik. Gebaͤude.

1. Ein Hauptumſtand bei der Erklärung dieſer Anlagen iſt
das geringere Bedürfniß der Abführung des Rauches; daher der
Mangel der Schornſteine. Ueber die Erſatzmittel vgl. Stieglitz
Arch. i. S. 124.


2. Vgl. des Vf. Dorier ii. S. 254. In Athen war eine
αὐλὴ vor dem Hauſe auch ſpäter noch gewöhnlich; Frauen wohn-
ten meiſt im Oberſtock, ὑπερῷον, διῆρες (Lyſias de Eratosth.
caede
9), Mägde in πύργοις (Demoſth. in Euerg. p. 1156).
Daher die διστεγία auf der Bühne, Pollux iv, 127, Antigone
erſcheint auf dem Söller über dem Parthenon in der διστεγία.
Die Vitruviſchen Angaben ſind hier offenbar im Ganzen nicht an-
wendbar. Vgl. Schneider Epim. ad Xen. M. S. iii, 8.


5. Wie gut Vitruvs Angaben im Ganzen mit den ſtattlicheren
Häuſern in Pompeji ſtimmen, lehrt ein Blick auf Gell, Mazois
u. andre Werke. Vgl. beſonders Mazois Essai sur les habita-
tions des anciens Romains, Ruines de Pompéi p. ii.
p. 3 sqq.


6. Plinii Laurentinum et Tuscum. Scamozzi’s Werke.
Felibien. The Villa’s of the Ancients illustr. by Rob.
Castell. Lond. 1728. f.
Die Pläne der Villa Hadriani
von Ligorio, Peyre, Piraneſi ſind ſehr Phantaſie.


294. In den Graͤberanlagen herrſcht von zwei1
Zwecken gemeiniglich der eine vor, entweder Der: eine
Kammer zur Beiſetzung des Leichnams oder der Aſche des
Todten zu haben, oder Der: ein Denkmal der Erinnerung
an ihn oͤffentlich hinzuſtellen. Jener Zweck iſt der ein-2
zige bei unterirdiſchen, in den Boden gegrabenen oder
in den Fels gehaunen Grabkammern, wenn nicht auch
hier ein Frontiſpiz an der Felſenwand die Lage einer
Grabkammer ankuͤndigt. In Griechiſchen Gegenden, wie3
bei den Unteritaliſchen Colonieen, herrſcht die an das
urſpruͤngliche Begraben der Leichname erinnernde Form
ſargaͤhnlicher Kammern oder Steinbehaͤlter. Auch waren4
Labyrinthiſche Kammern und Gaͤnge im Geſtein des Bo-
dens eine ſeit Urzeiten beliebte Form einer Nekropole.
Der andre Zweck dagegen miſcht ſich bei Monumenten,5
welche uͤber die Erde hervortreten, nothwendig ein, ob-
[348]Syſtematiſcher Theil.
gleich dieſe immer auch eine Kammer enthalten muͤſſen, in
welcher der unmittelbare Behaͤlter der Reſte des Todten
beigeſetzt iſt. Eine gewoͤlbte Kammer, mit Niſchen fuͤr die
verſchiednen Urnen, wenn das Grabmal (als columbarium)
fuͤr Mehrere dienen ſoll, befriedigt dies Beduͤrfniß am
einfachſten; dieſer entſpricht auf eine natuͤrliche Weiſe nach
außen die Form eines runden thurmartigen Gebaͤudes,
6welche bei Rom und Pompeji haͤufig vorkoͤmmt. Andre
Formen entſtehen, indem die alten tumuli (χώματα,
κολῶναι) architektoniſch geſtaltet werden, woraus eine
Pyramide hervorgeht; welche dann wieder auf einen cu-
biſchen Unterſatz geſtellt die weitverbreitete Form des
7Mauſoleion giebt. Die Terraſſenform der Grabmaͤler Roͤ-
miſcher Kaiſer dankt wohl der Analogie mit dem Rogus, wo
8ſie die natuͤrlichſte iſt, ihren Urſprung. Andre Geſtalten
bringt die Analogie mit Altaͤren hervor, auf welchen den
Todten geſpendet wird; ſo wie die mit Tempeln, wo-
mit die Grabmonumente um ſo naͤher zuſammenhaͤngen,
9da ſie ſelbſt als Heroa betrachtet wurden. — Hiermit
verwandt ſind die Ehrendenkmaͤler, welche in gar
keinem Bezuge auf Beherbergung des Todten ſtehn, wie
die kleinen Capellen oder Tabernakel uͤber Bildſaͤulen zu
Palmyra, und andre Monumente, die durch die Aufnahme
von Ehrenbildern in Niſchen (wie das Denkmal des
Philopappos) oder in einem innern Gemach ihre Be-
ſtimmung erfuͤllen. Die Triumphbogen vereinigen auf
eine geiſtreiche Weiſe die doppelte Beſtimmung, an einen
ſiegreichen Heimzug zu erinnern, und Curulſtatuen hoch
uͤber den Boden emporzuheben (§. 190, 3).


2. Von ſolchen Frontiſpizen in Etrurien §. 170, 2., in Klein-
aſien §. 245; 5. Auch in Patara.


3. In Attika findet man öfter Steinſärge in den Felſen ge-
hauen und mit einer Steinplatte bedeckt (Leake Topogr. p. 318);
ähnliche auf dem Wege nach Delphi. In Großgriechenland herr-
ſchen nach Jorio (§. 257, 5.) aus großen Steinblöcken zuſammen-
geſetzte, mit kleinen Steinen oder Erde bedeckte Gräber vor (ſ. das
[349]I. Tektonik. Gebaͤude.
Titelkupfer vor Tiſchbeins Vaſengemaͤhlden), daneben findet man
Gräber im Tuf ausgehöhlt oder auch in der bloßen Erde. Beſon-
ders die Tuf-Gräber ſind oft mit Mahlerei, Stuccatur, Reliefs reich
verziert. Ueber die Attiſchen Gräber Cic. de legg. ii, 26.,
wo zu bemerken, daß durch das Verbot: sepulcrum opere tec-
torio exornari,
das Ausmahlen der Gräber (oben §. 209, 2.)
verboten war. Freilich umſonſt.


4. S. darüber §. 50, 2. Catacomben in Rom, Alexandreia,
Paris. Ueber die beſonders ſchön angelegten Syrakuſiſchen Cata-
comben Wilkins M. Gr. p. 50. Hirt ii. S. 88.


5. Vgl. die Röm. Gräber bei Bartoli (§. 210, 4.), H. Moſes
Collection of ant. Vases pl. 110—118. u. Andern.


6. S. §. 151, 1. vgl. u. a. das Denkmal von Conſtantina,
wo eine Pyramide ſich über dem Gebälk eines von Säulen um-
gebnen Rundbaus erhebt, §. 256, 4., auch die Etruskiſchen For-
men §. 170, 3. und die orientaliſchen §. 226, 1. Die Form ei-
ner ſchlanken Pyramide auf einem Cubus findet ſich auch in Sy-
rien ſehr verbreitet.


7. S. von Hephäſtions Pyra §. 151, 2., die wohl ſelbſt wie-
der eine Nachbildung älterer Babyloniſcher, wie der Sardanapali-
ſchen, war. Die Pyra auf den Tarſiſchen Münzen, auf welcher
Herakles-Sandon verbrannt wird, hat die Form einer Pyramide
auf einem cubiſchen Unterbau.


8. Βωμοειδὴς τάφος Pauſan. βωμοί auf Gräbern, Welcker
Syll. Epigr. p. 45. Zu dieſer Claſſe gehören offenbar die
Pompejaniſchen Grabmonumente, welche über dem Sims des vier-
eckigen Pfeilers eine Platte mit zwei Polſtern, nach Art der Joni-
ſchen pulvini, an den Seiten haben. — Tempelartig waren die
Sikyoniſchen Grabmäler nach Pauſ. ii, 7, 3. Nichts gewöhnlicher
als Halbſäulen, Tempelfrontons und antefixa an Gräbern und
cippis. S. die Beiſpiele bei Hirt Tf. 30, 5. 6. 8. 9. und das
Mylaſeniſche Grabmal n. 24.


295. Von dieſen einzelnen Gebaͤuden dehnen wir1
nunmehr unſern Blick auf ſolche Anlagen aus, welche
mehrere fuͤr verſchiedne Zwecke beſtimmte Gebaͤude ent-
halten, aber doch wieder als Ganze gedacht und auf eine
[350]Syſtematiſcher Theil.
architektoniſche Wirkung berechnet ſind. Hierher gehoͤren
2ſchon die ἱερὰ der Griechen, welche mit Hochaltaͤren, Tem-
peln und Heroen, Prytaneen, Theatern, Stadien und Hip-
podromen, heiligen Hainen, Quellen und Grotten als hoͤchſt
mannigfaltige, auf eine bald mehr ernſte bald mehr anmuthige
3Wirkung berechnete Anlagen zu denken ſind. Ferner
die fora, deren regelmaͤßige Anlage von Jonien aus-
ging, und hernach in Rom ſehr ausgebildet wurde; von
offnen Saͤulenhallen, dahinter Tempeln, Baſiliken, Cu-
rien, Ehrenbogen und andern Ehrendenkmaͤlern, auch
Buden und Laͤden umgebne Plaͤtze, auf denen vor allen
der Geiſt des politiſchen Lebens vorwalten, und Erinne-
rungen patriotiſcher Art rege erhalten werden ſollten;
waͤhrend dagegen fora olitoria und macella fuͤr die
Nahrung und Nothdurft des Lebens zu ſorgen die Be-
4ſtimmung hatten. Endlich die ausgedehnteſte Aufgabe,
die Anlage ganzer Staͤdte, die ſeit Hippodamos (§. 111)
in Griechenland oͤfter ausgezeichneten Architekten geboten
wurde. Wie ſchon die aͤlteſten Staͤdte- und Colonieengruͤn-
der Griechenlands belobt werden, daß ſie den Platz der
Stadt mit Ruͤckſicht auf reizende Ausſicht waͤhlten, und
in der That Griechiſche Staͤdte oͤfter beſonders von den
Theatern aus hinreißend ſchoͤne Fernſichten bieten: ſo
wurden auch die ſpaͤtern Architekten von dem Streben
nach Regelmaͤßigkeit nicht ſo gefangen genommen, daß
ſie nicht uͤberall die Vortheile einer pittoresken Lage mit
feinem Sinne wahrgenommen und benutzt haͤtten. Be-
ſonders beliebt war die theaterfoͤrmige Anlage, die bei
dem felſenumſchloſſnen Delphi einen ſchaurigerhabnen,
bei Seeſtaͤdten, wie Rhodos, Halikarnaſſ (§. 111.
255.), einem heitern und glaͤnzenden Eindruck hervorbrin-
gen mußte. Dieſe Staͤdte beſonders, mit ihren großen
oͤffentlichen Gebaͤuden und wohlvertheilten Coloſſen, mußten
dem Reiſenden ſchon aus der Ferne wie herrlich ausge-
5ſchmuͤckte Theater entgegentreten. Oefter bot ſich dieſe
Aufgabe, eine neue Stadt zu gruͤnden, in gewiſſem Sinne
dem Caſtrametator; wenn indeß auch die Anlage
[351]I. Tektonik. Gebaͤude.
des Griechiſch-Roͤmiſchen Lagers im Ganzen eben ſo ge-
ſchmackvoll wie verſtaͤndig war: ſo war doch die einzelne
Abſteckung in der Regel nur die Erneuerung einer her-
koͤmmlichen und geſetzlichen Form.


3. Fora §. 188, 4. Ueber den Gegenſatz der altgriechiſchen
und Joniſchen Einrichtung Pauſ. vi, 24, 2. Hirt Geſch. iii.
S. 175.


4. Ueber die ſchöne Lage Griechiſcher Städte, Strabon v.
p.
235. Ein Hauptbeiſpiel iſt Aſſos in Kleinaſien, Choiſeul Gouff.
Voy. pitt. T. ii. pl. 10. — Dabei war aber ſeit alten Zei-
ten kluge Benutzung und Abhaltung von Wind und Sonne ein
Hauptaugenmerk der Städtegründer. Ariſt. Polit. vii, 10. Vi-
truv i, 4. 6. — Von den Griechiſchen Städten iſt uns, außer
Athen, wohl Syrakus ſeinem Plane nach am genaueſten be-
kannt; Cicero Verr. iv, 53. giebt viel anſchauliche Nachrichten;
auch hier waren die neuern Theile regelmäßiger als die alten. Plan
bei Wilkins — Göller — Letronne.


296. Da die Architektur eben ſo wenig eine Seite1
des menſchlichen Lebens als unkuͤnſtleriſcher Formen un-
faͤhig von ſich ſtoͤßt, wie ſie ſich Formen anders als aus
den Beduͤrfniſſen des Lebens zu erſchaffen vermag: ſo
darf hier auch die Erwaͤhnung der Land- und Waſſerbaue
nicht fehlen, durch welche das Volk ſeinen Wohnſitz auf
eine feſte und ſichre Weiſe mit andern in Verbindung ſetzt,
und ſein geſammtes Terrain ſich zum Heil und Nutzen
einrichtet. Wir deuten auf die Straßen, in deren Bau2
die Roͤmer ſo ausgezeichnet waren (§. 180, 1.), um de-
rentwillen Felſen durchbrochen und weite Niederungen
und Suͤmpfe durch lange Bogen uͤberbruͤckt wurden; auf3
die maͤchtigen Bruͤcken, Canaͤle, See-Emiſſarien,
Cloaken
deſſelben Volkes; auf das ganze großartige Sy-
ſtem der Waſſerverſorgung
Roms, welches Fron-
tinus nicht ohne Grund uͤber die Pyramiden Aegyptens
und andre Weltwunder [ſetzt, und] wozu außer Canaͤlen,
Aquaͤdukten und Roͤhrenleitungen, Waſſercaſtelle, Brunnen
und Springbrunnen gehoͤren, die mit Saͤulen, Bekken
[352]Syſtematiſcher Theil.
und Statuen verziert in Rom ſeit Agrippa ſehr zahlreich
5waren. Wenn auch freilich die hohen Arkaden der
Aquaͤdukte durch wohlfeilere Vorkehrungen erſpart werden
konnten: ſo ſcheinen grade aus architektoniſchem Sinn
die Alten dieſe maͤchtigen Bogenreihen, welche von den
Bergen her uͤber Thal und Ebne der wohlbevoͤlkerten
Stadt zueilen und ſie ſchon aus der Ferne ankuͤndigen,
jenen unſcheinbaren Vorrichtungen vorgezogen zu haben.
6Eben ſo waren zwar die Haͤfen der Alten bedeutend
kleiner als die unſern, aber boten dafuͤr mit ihren Mo-
lo’s, Pharus, aͤußeren Buchten und inneren Baſſins,
Schiffhaͤuſern, Werften und Docken, nebſt einfaſſenden
Kai’s und Saͤulenhallen, Tempeln und Bildſaͤulen, einen
ungleich uͤberſchaulicheren und bedeutungsvolleren Geſammt-
eindruck; und auch hier vermiſcht und durchdringt ſich
mit der Erfuͤllung des aͤußern Zwecks architektoniſcher
7Sinn. Selbſt das Schiff, das runde und ſchwerfaͤlligere
des Kaufmanns, wie das leichte und drohende der Kriegs-
flotten, welches ſelbſt vielmehr ein gewandter Krieger
als ein ſchwimmendes Bollwerk war, ſtellte ſich bedeut-
ſam und mit eigenthuͤmlicher Phyſionomie dar; und in Alexan-
driniſcher Zeit wurden auch Schiff und Wagen (§. 152.)
8coloſſale Prachtbauten. Nur wo die Mechanik ein
Gebaͤude ſo in Beſchlag nimmt, daß die complicirte
Zweckmaͤßigkeit deſſelben dem natuͤrlichen Blicke nicht mehr
erkennbar iſt, weicht die Architektur als Kunſt, welche
den unorganiſchen Formen Charakter und Ausdruck ver-
leiht, durchaus einer verwandten, blos berechnenden,
aber von keinem Gefuͤhl erwaͤrmten und belebten, Wiſ-
ſenſchaft.


2. Viae. 1. silice stratae (am trefflichſten bei der via
Appia
). 2. glarea. Der Fußpfad daneben lapide, mit weiche-
ren Steinen. Meilenzeiger. Bergier Hist. des grands che-
mins de l’emp. Romain (Thes. Ant. Rom. x.)
. Hirt ii.
S. 198. iii. S. 407. In Griechenland ſorgte man beſonders
für Straßen der Feſtzüge, beim Didymäon, bei Mylaſa. Ueber
die σκυρωτὰ ὁδὸς in Kyrene Böckh ad Pind. P. v. p. 191. Ue-
[353]I. Tektonik. Gebaͤude.
ber Wegemeſſung von Hauptaltären, in Athen dem Altar der Zwölf-
götter, aus durch Hermen oben §. 67. C. I. n. 525.


3. Karte der Römiſchen Aquäducte bei Piraneſi Antichita
Rom. t.
38. Fabretti im Thes. Ant. Rom. iv. p. 1677.


4. Die herrlichen, ſelbſt 20—30 Fuß im Durchmeſſer halten-
den, monolithen Schalen aus Porphyr, Granit, Marmor u. ſ. w.,
häufige Zierden von Muſeen, waren ſolche Brunnenbecken. Hirt
iii. S. 401. — Meta sudans.


6. Vom Hafen von Kenchreä §. 252, 3. Auch der Kartha-
giſche Hafen war mit Joniſchen Säulen eingefaßt, hinter denen die
νεώσοικοι lagen. Appian viii, 96.


23
[354]
II.Geraͤthe.

1297. So getrennt der bewegliche Hausrath von den
Gebaͤuden durch das Verhaͤltniß zum Boden der Erde
iſt: ſo verwandt iſt er hinſichtlich der Vereinigung von
Zweckmaͤßigkeit und Schoͤnheit, welche der Griechiſche
Sinn uͤberall auf gleiche Weiſe und auf dem kuͤrzeſten
Wege zu erreichen wußte, und der geometriſchen Formen,
2welche er dabei als die Hauptformen anwendet. Nur
laſſen Geraͤthe und Gefaͤße, eben weil ſie bewegliches Gut
ſind, in den Formen der Stuͤtzen, Fuͤße, Henkel und
decorirenden Theile nicht blos das vegetabiliſche ſondern
auch das animaliſche Leben in viel groͤßerem Umfange
zu, als es die ſtarre Architektur vertraͤgt: wie man gleich
3an Thronen und andern Arten von Seſſeln ſieht. Dieſe
viel erwaͤhnten Arten (§. 56, 2. 115, 2. 239, 5.)
von Geraͤthen, ſo wie die ebenfalls aus Holz gearbeiteten
Laden, (χηλοὶ, λάρνακες §. 56. 57), Kaſten und Kaͤſt-
chen (κιβωτοὶ, κιβώτια), Tiſche und Speiſeſofa’s der
Alten ſind wegen der Vergaͤnglichkeit ihres Materials
uns im Ganzen nur mittelbar bekannt.


1. Winck. W. ii. S. 93. Mit Recht wendet Weinbrenner,
Architekt. Lehrbuch Th. iii. S. 29., die antiken Gefäßformen zur
Uebung des architektoniſchen Sinns an. Eine große Verirrung iſt
der Verſuch, die Vaſenformen aus der Nachahmung von Lotoskel-
chen zu erklären, Chriſtie Disquisitions on painted Vases
p.
119.


3. Die κιβωτοὶ ſieht man als Kleiderbehälter (Pollux x,
137.) oft deutlich auf Vaſengemählden, Millingen Un. mon. 35.
V. de Cogh. 30. Div. coll.
18. Inghir. S. v, 41. Aehnliche
Kaſten kommen aber auch mit Oelfläſchchen gefüllt vor, Div. coll.
58., ſo wie bei Opfern, 51. Auf Vaſen ſieht man oft ſehr
zierliche Opfertiſche, τρὰπεζαι (Polyb. iv, 35., Oſann. Syll.
i, 74. C. I. p.
751.), z. B. Millingen Div. coll. 58. Τρά-
[355]I. Tektonik. Geraͤthe.
πεζαι für die Kampfpreiſe (chryſelephantin in Olympia, Q. de
Quincy p. 360.), viel auf Münzen. Die Tiſche von Rhenea
(Athen. xi, 486 e.) hängen mit den tricliniis aeratis von De-
los (Plin. xxxiv, 4. xxxiii, 51.) und den Schmauſereien
der bauchdieneriſchen Delier (Athen. iv, 172) zuſammen.


298. Genauer bekannt und fuͤr die Kenntniß der alten1
Kunſt wichtiger ſind die Gefaͤße fuͤr Fluͤßigkeiten. Als Ma-2
terial kommt Holz nur fuͤr laͤndlichen Gebrauch vor; die ge-3
woͤhnlichſten waren gebrannte Erde und Metall (Korinthi-
ſches Erz, caͤlirtes Silber), welche oft nach dem Maaße des
Vermoͤgens bei demſelben Gefaͤße ſtellvertretend abwechſel-
ten; die erhaltnen Marmorvaſen ſind wohl meiſt Nach-
ahmungen von metallnen. Die Formen werden durch den4
beſondern Zweck des Gefaͤßes gegeben; wir unterſcheiden
folgende Hauptbeſtimmungen. 1. Gefaͤße, welche fuͤr
kurze Zeit bedeutende Quantitaͤten aufnehmen ſollen, die
man daraus im Kleinen ſchoͤpfen will, eingerichtet im
Mittelpunkt eines Gaſtmals feſtzuſtehn; woraus ſich die
hohe, raͤumige, oben weit geoͤffnete Geſtalt des κρατὴρ
oder Miſchkeſſels ergiebt. 2. Kleine Gefaͤße zum Schoͤpfen5
aus dem Krater in den Becher, aus Schaͤlchen mit lan-
gen Griffen beſtehend, Schoͤpfkellen, genannt ἀρύστιχος,
ἀρύταινα, ἀρυστὴρ, κύαϑος, aͤhnlich dem altitaliſchen
simpulum. 3. Kaͤnnchen zum Eingießen, mit ſchma-6
lem Hals, weitem Henkel, ſpitzem Schnabel, πρόχους.
4. Lange, ſchmale, duͤnnhalſige, henkelloſe Gefaͤße, um Oel7
oder eine andre Fluͤſſigkeit heraustropfen zu laſſen, λή-
κυϑος, auch ἐπίχυσις, guttus, genannt. 5. Flache8
ſchildaͤhnliche Schalen, beſonders um daraus unmittelbar
zu libiren, φιάλη (ἀργυρὶς, χρυσίς), patera, pa-
tella
. 6. Tiefere Bekken zum Handwaſchen, χέρνιψ,9
χερόνιπτρον, polubrum, trulla, aquiminale. Aehn-
lich die Sprenggefaͤße περιῤῥαντήριον (auch der Spreng-
wedel hieß ſo), ἀρδάνιον, κύμβαλον, praefericulum.


23*
[256]Syſtematiſcher Theil.

2. Therikles (§. 112, 1.) drechſelt auch Becher aus Terpentin-
holz, Athen. xi, 470. Plin. xvi, 76. Theokr. i, 27. be-
ſchreibt ein κισσύβιον (vgl. Valcken.), einen Schnitzbecher, mit
zwei Henkeln, am Rande mit einem Kranz von Epheu u. Heli-
chryſos, am untern Theile mit Akanthos umgeben, dazwiſchen Re-
liefs von artiger Compoſition.


3. In alten Zeiten ſchätzte man die Krateren von Κωλιὰς γῆ
(§. 62. 63.), ſpäter nur ſilberne u. mit Edelſteinen beſetzte. Ath.
xi, 482. v, 199.


4. Krateren, Argoliſche Herod. iv, 152., Lesbiſche iv,
61., Lakoniſche u. Korinthiſche Athen. v, 199. Auf drei Füßen,
Athen. ii, 37., tragenden Giganten, Her. iv, 152., ὑποκρη-
τηριδίοις §. 61. C. I. p. 20. Mit λαβαὶ ἀμφίστομοι So-
phokl. Oed. Kol. 473. Meiſt ſitzen die Henkel am untern Rande
des Bauchs über dem Fuß, mehr zum Rücken als Tragen. Un-
zählige Krateren auf Reliefs. Sehr ſchöne aus Marmor bei Bouill.
iii,
77. 78. 80. Moſes Vases pl. 36. 40. 41. Beſonders
berühmt ſind die aus der Villa Hadriani, in Warwick Caſtle
(Moſes pl. 37.) u. in Woburn Abbey (Wob. Marbles). So-
pra il vaso app. Cratere, Diss. dal. Conte Floridi p.
565.


5. S. hierüber Athen. x, 423. Schol. Ariſt. Weſp. 887.
Feſtus s. v. simpulum. Varro L. L. v, 26 (cyathus con-
vivial, simpulum ſacrifical). Die Figur des simpulum mit
emporſtehendem Griffe ſieht man auf Röm. Münzen u. unter den
Opfergeräthen des Frieſes, Bouill. iii, 83.; den Kyathos vom
Finger eines Satyrs geſchwungen, auf dem Relief, Zoëga Bassir.
82. Aehnlich war vielleicht das σκάφιον, C. I. 1570, b. Cic.
Verr. iv, 17.


6. Aus dem πρόχους gießt Iris das Styxwaſſer zur Libation,
Heſiod. Th. 785., Antigone die Choen des Bruders, Soph. Ant.
426. Grade ſo, ἄρδην, halten ſie häufig zur Libation Ein-
ſchenkende. S. die Reliefs §. 96, 17. 18. Vgl. u. a. die Va-
ſengem. Millingen Un. M. i, 34. Cogh. 23. 28. Oft ſieht
man πρόχους und Phiale zuſammen, Cogh. 22. Schöne For-
men unter den Vaſen, Laborde ii, 41. — Daſſelbe Gefäß iſt
der προχύτης bei Heron Spirit. p. 163. (Vet. Mathem. Pa-
ris.);
ähnlich wohl das σπονδεῖον p. 175.


7. Guttus = ἐπίχυσις nach Varro, wofür auch προχοΐς, Bekk.
Anecd. p.
294. Oefter waren die gutti von Alabaſter, alaba-
stra,
über deren Form Plin. ix, 56. Bisweilen findet man in
[357]I. Tektonik. Geraͤthe.
Vaſen dieſer Form (balsamario, unguentario, lagrimale) noch
Balſamöl. Die alabaſternen haben mitunter nur eine kurze innre
Höhlung, zur Erſparung des Balſamöls. Beim Bade gebraucht,
Inghir. S. v, 24. 25.


8. Macrob v, 21. Athen. xi, 501. auch über die ὀμφαλοὶ
darin. Oft unter Vaſen, z. B. Moſes pl. 68. 69. (μεσόμφα-
λος) sqq. Patellae cum sigillis Cic. Verr. iv, 21.
Λυκιουργεῖς Ath. p. 486.


9. S. Nonius p. 544. polubrum quod Graeci χἐρνιβα etc.


299. Die mannigfaltigſten Formen haben 7. die un-1
mittelbar zum Trinken beſtimmten Gefaͤße. Von archaͤo-
logiſchem Intereſſe ſind beſonders folgende: a. καρχή-
σιον, ein hoher Becher in der Mitte zuſammengezogen
mit Henkeln vom obern bis zum untern Rande. b. κάν-
ϑαρος, ein ſehr großer weitgeoͤffneter Becher. c. κώϑων,2
mit engerem Halſe und einer Erhoͤhung auf dem Boden.
d. σκύφος, ein gewaltiger, runder, Kentauriſcher und
Herakleiſcher Becher, mit kleinen Henkeln oder Handha-
ben. e. κύλιξ, der Kelch, mit kurzen Handhaben (ὦτα).3
Dazu hoͤrt der Therikleiſche Becher. f. ἀρύβαλλος,
beutelfoͤrmige nach oben engere Becher. g. κοτύλη, ein4
kleines Becherchen, Spitzglas; aͤhnlich die kreiſelfoͤrmige
πλημοχόη. h. ῥυτὸν, rhytium, ein hornfoͤrmiges, nicht5
zum Hinſtellen beſtimmtes Gefaͤß, ausgenommen wenn ein
beſtimmtes Geſtell dafuͤr da iſt, mit einer (verſchließba-
ren) Oeffnung im untern ſpitzen Ende, durch welche der
oben hineingegoſſne Wein herausfließt; von ſehr mannig-
faltigen oft grotesken Formen. i. κέρας, das eigentliche
Horn. Eine andre Claſſe von Gefaͤßen ſind: 8. ſolche6
die zum Einſchoͤpfen in Maſſe und Forttragen (auch auf
dem Kopfe) beſtimmt ſind, κάλπη, ὑδρία, urna, ge-
raͤumig, bauchig, nach oben ſchmal, mit einem Fuße und
zwei Henkeln (δίωτος) verſehn. 9. Groͤßere Gefaͤße zum7
Forttragen und Aufbewahren, mit engem und verſchließ-
barem Halſe, κάδος, ἀμφορεὺς, amphora. 10. In
der Regel unbewegliche Gefaͤße, Faͤſſer, meiſt auch von
[358]Syſtematiſcher Theil.
8Thon, πίϑος, dolium. 11. Keſſel zum Kochen, λέβης,
pelvis, ahenum, natuͤrlich nur dann zierlicher gearbei-
tet, wenn ſie nicht ſelbſt zum Kochen gebraucht werden ſollen.
9Die beliebteſte Art des Lebes iſt in beiden Faͤllen, be-
ſonders im letztern, der Dreifuß (λέβης τρίπους,
ἐμπυριβήτης oder ἄπυρος), das vielgeprieſne Meiſter-
ſtuͤck alter Erzhaͤmmerer.


1. Καρχ. Athen xi, 474 e. Macrob Sat. v, 21. Diony-
ſos σπένδων ἐκ καρχησίου Ath. v, 198. c. Deutlich bei Mil-
lingen Cogh. 23. 26. 31. 44. 45. 51. Millin i, 9. 30.
Oft erſcheint es mit dem πρόχους verbunden, Millingen Un.
Mon. i,
34. Weniger beſtimmt iſt die Form auf den Reliefs,
Zoëga Bassir. 77. Bouill. iii. 70. Oefter unter Vaſen, Cogh.
32. Κανϑ. Ath. xi. p. 473. Macr. a. O. In den Hän-
den der Kentauren bei Ath. Des Dionyſos nach Plin. xxxiii,
53. Macr.


2. Κώϑων. Ath. p. 483. Plut. Lyk. 9. Pollux x, 66.
vi,
96. 97. u. Aa. Bei Ath. hält ein Satyr κώϑωνα μόνω-
τον ῥαβδωτόν. Ueber σκύφος ſ. Ath. p. 498 sq., beſonders
Steſichoros daſelbſt, Macr. v, 21. u. die bekannten Stellen Röm.
Dichter. Ueber den Herakleiſchen Skyphos Ath. 469. (Ἡρακλεῖος
δεσμός, vaso a manichi a nodi?). Man erkennt ihn in
dem weitem Gefäß, mit der Inſchr. νικα Ἡρακλης, Ingh. S.
v,
42., u. auf den Reliefs, Zoëga 67. 68. 70. 72. Ὠοσκύ-
φια, zwei halbeiförmige Becher mit den Spitzen aneinander. Ath.
p. 503.


3. Von der κύλιξ Θηρ. Ath. p. 470. §. 112, 1. Larcher
Mém. de l’Ac. d. I. xliii. p. 196. Den ἀρύβαλλος ver-
gleicht Ath. p. 783. blos des Namens wegen mit ἀρύστιχος.
Ob vaso a otre?


4. Κοτ. Ath. p. 478. Κοτυλίσκος δὲ καλεῖται ὁ ἱερὸς
τοῦ Διονύσου κρατηρίσκος καὶ οἷς χεόνται οἱ μύσται.
Πλημοχ. p. 496. Pollux x, 74.


5. Ῥυτὸν von der ῥύσις. Ath. xi, 497. Hydrauliſche ῥυτὰ
des Kteſibios, Ath. a. O., bei Heron p. 172. 203. 216. Sie
geben einen mahleriſchen Anblick, wenn daraus getrunken wird.
In der Hand einer Art Hebe, Ath. x. p. 425., von Satyrn, Mäna-
den (Ath. x, 445.), Zechern, auch Opferdienern. S. Ant. Erc.
i, 14. iii,
33. Gell Pompej. pl. 30. Moſes pl. 16. Als
[359]I. Tektonik. Geraͤthe.
ein Füllhorn Ath. xi. p. 497. Unter den Vaſen mit verſchied-
nen Thierköpfen, bicchiere a testa di mulo ‒ grifo ‒ caval-
lo ‒ pantera.
Tiſchb. ii, 3. Millin i, 32. ii, 1. Von Stein
Bouill. iii, 76. Κέρατα beſonders in älteren Zeiten, aber
auch ſpäter in Athen, mit Geſtellen (περισκελὲς, Böckh. Staatsh.
ii. S. 320.), oft in den Händen des alten Dionyſos, Laborde
ii, 19.


Ich übergehe die theils unbeſtimmteren theils an ſich deutli-
chen Namen ἄλεισον, δέπας, κύπελλον (ἀμφικύπελλον),
κυμβίον, οἰνοχόη, λάγηνον u. viele andre.


6. Dieſe Gefäße ſind es, welche beſonders zum Bewahren der Aſche
gebraucht wurden, wie von urna bekannt iſt, von ὑδρία u.
κάλπη ſ. Plut. Marcell 30. (Dahin ἀμφιφορεὺς Il. xxiv,
76). Solche Todtenurnen auf cippis, Bouill. iii, 84. 85.
auf Thonlampen, Paſſeri iii, 46. auf Vaſengem. Millg. Div.
14. Cogh.
45. Marmorne Vaſen der Art Moſes pl. 28 sq.
Bouill. iii, 78. 79. 80. Dieſelbe Art Vaſen ſind die Atti-
ſchen Preisgefäße, §. 99, 2, 1., κάλπιδες bei Kallim., ὑδρίαι
Schol. Pind. N. x, 64., (ἀμφορεῖς Παναϑηναικοὶ Ath. v,
199.) deren Form man auf Münzen (länglicher) und in den er-
haltenen Preisgefäßen (bauchiger) ſieht, beſonders bei Gerh. Ant.
Bildw. i, 7. Langella. Die Korinth. Hydrien hatten zwei Henkel
oben und zwei kleinre mitten am Bauche, Ath. xi, 488.


7. Die Amphoren ſind oft unten ſpitz, und konnten nur in
Löchern feſtſtehn, wie die Herculaniſchen (Winck. ii. S. 70.) u. die
von Leptis im Britt. Muſ., welche zum Theil noch den Namen
des Conſuls tragen. Eben ſo die κεράμια Χῖα auf den Münzen
von Chios. Aehnliche tragen Satyrn, Terrac. Br. Mus. 13.
Millin Vas. i, 53. Dergleichen finden ſich auch in Columbarien.
Vgl. Bött. Amalth. iii. S. 178 ff. Das Geſtell dafür war die
incitega (ἐγγυϑήκη, ἀγγοϑήκη), Feſtus s. v. Ath. v, 210 c.


8. Auch der λέβης dient als Aſchenkrug, Aeſch. Choeph. 675.
Soph. El. 1393.


9. Daß beim Dreifuß die Beſtimmung zerhacktes Fleiſch auf-
zunehmen zum Grunde liegt (des Vf. De Tripode Delph. diss.)
beweiſt auch der Gebrauch beim ὅρκος zum τέμνειν σφάγια
(Eurip. Ἱκ. 1202, darnach erklärt ſich Soph. Oed. Kol. 1593.).
Ueber die Geſtalt ſ. die Verhandlungen Amalth. i. S. 120 ff.
ii. S. x. iii. S. 21 ff. Bröndſted Voy. i. p. 115 sqq. GGA.
[360]Syſtematiſcher Theil.
1826. N. 178. Da die Scheibenform des ὅλμος völlig erwieſen
iſt, und die ſog. cortina als ὀμφαλὸς erkannt worden iſt (unten:
Apoll): ſo iſt das Weſentliche der Dreifußform nun wohl endlich
im Klaren. Der Ring, worin der Keſſel hängt, hieß στεφάνη,
die Querſtäbe der Füße ῥάβδοι. S. Euſeb. c. Marcell. i.
p. 16. ed. Colon.


1300. Unter den Gefaͤßen fuͤr andern Gebrauch ſind
beſonders die Opfergeraͤthe: κανοῦν (geflochten, aber
auch von Thon), worin Meſſer, Salzmehl und Kraͤnze
geborgen wurden, die Schwinge des Cerealiſchen Cultus
2(λίκνον, vannus), und die breite Schuͤſſel mit vielen
darauf befeſtigten Becherchen (κοτυλίσκοι) voll verſchied-
ner Fruͤchte, κέρνος genannt, nebſt den Rauchgefaͤßen
3(ϑυμιατήριον, λιβανωτρίς, acerra, turibulum) fuͤr
die Kunſt von Wichtigkeit.


1. Da das κανοῦν nicht leicht bei einem Opfer fehlt (ἐνῆρκται
τὰ κανᾶ oft): ſo erkennt man es ziemlich ſicher in den flachen
Körbchen mit allerlei ϑυλήμασιν auf den Vaſen z. B. Millin i,
8. 9. u. oft. Εἵλικτο κανοῦν, Eurip. Raſ. Her. 921. 944,
wird durch das Vaſengem. i, 51 a. erklärt. Das λίκνον u. a.
auf dem artigen Relief Bouill. iii, 58. Sacrifice rustique.


2. Ath. xi, 476. 478. u. Aa. Davon κερνᾶς in dem Epigr.
auf Alkman. Beſonders im Phrygiſchen Cultus. Vielleicht auf
Vaſengem. Laborde i, 12. Millin i, 64.


3. Acerrae, z. B. auf dem Relief Bouill. iii, 61., unter
den Opfergeräthen iii, 83. Vgl. §. 297, 3.


1301. Die reichen Zuſammenſtellungen dieſer Vaſen,
welche man von den mannigfaltigſten und zierlichſten
2Formen in Griechiſchen Graͤbern findet, muͤſſen
wohl zunaͤchſt als Gefaͤße des Todtencultus gefaßt wer-
den, welche als Symbole oder Pfaͤnder fortdauernder
3Waſchungen und Einſalbungen des Grabſteins, ſo wie
alljaͤhrlicher Spenden und Choen auf das Grab, mitgege-
ben werden; bei Schriftſtellern wird nur die Hydria als
Aſchenbehaͤlter und der, beſonders zu dieſem Behufe ge-
4mahlte, Lekythos erwaͤhnt. Dabei konnten aber ſehr
[361]I. Tektonik. Geraͤthe.
wohl Gefaͤße, welche an wichtige Momente des Lebens
(Siege in Agonen, Auszeichnung in den Gymnaſien,
Theilname am Bacchiſchen Thiaſos, Empfang des maͤnn-
lichen Himations) erinnerten, und dabei als Angebinde
gegeben worden waren (anders kann man wohl das haͤu-
fige καλὸς, ὁ παῖς καλὸς, καλὲ παῖ, καλὸς εἶ,
καλὴ δοκεῖς u. dgl. nicht erklaͤren) hinzugeſtellt werden:
da es unleugbar, daß ſolche Gefaͤße auch im Leben ge-
braucht und als eine Auszierung der Zimmer aufgeſtellt
wurden. — Waͤhrend bei den Hydrien der Gebrauch,5
die Aſche des Todten zu bergen, nur hinzutritt: ſtammt
der Sarkophag (σορὸς, ϑήκη, λάναξ, solium) aus
der, auch in Griechenland aͤlteren, Sitte des vollſtaͤndi-
gen Begrabens, erhaͤlt ſich indeß (in Etrurien zur Aſchen-
kiſte verkleinert, §. 174, 3.) durch alle Zeiten, und
wird im ſpaͤteren Rom, zugleich mit dem Begraben, wie-
der gewoͤhnlicher. Aus Holz, gebrannter Erde oder Stein6
(λίϑος σαρκοφάγος, sarcophagus) gearbeitet, ent-
lehnt er oft die verzierenden Formen vom Hauſe (mit
Thuͤren und Thuͤrgriffen), und ſchmuͤckt ſich mit Bild-
werken, die gern freundliche und troſtvolle Vorſtellungen
vom andern Leben anregen moͤgen.


1. Ueber die Vaſenformen Dubois Maiſonneuve Introduction
à l’étude des Vases ant., accompagnée d’une collection
des plus belles formes. 1817. 13 Livr.
[Gargiulo Collez.
delle diverse forme de’ vasi Italo-Greci. Nap.
1822.].
Die erſten Blätter bei Tiſchbein u. Millin, Millingen Div. A. B.
C. Cogh. 32 sq.,
Inghirami v. pl. 47 — 54., viele bei Han-
carville u. Laborde. Vgl. Gerhard Neapels Bildw. S. xxviii.
Berl. Kunſtbl. 1828 Dec. Beſonders mannigfaltig u. zierlich
geformt ſind die Henkel (vasi a volute, colonnette etc.) Böt-
tiger Amalth. iii. S. 273. Die Größe der Vaſen ſteigt, bei
den Kollerſchen in Berlin, bis 3 F. 6 Zoll Höhe.


2. Sehr wichtig iſt die Vorſtellung auf den Lampen, bei Bellori
t. 16. u. beſ. Paſſeri Luc. fict. iii, 51, wo ein Repoſitorium
mit der Urna, umher gutti, amphorae, Prochoen, auf dem
obern Fache simpulum, acerra, secespitae und ein ſog. asper-
[362]Syſtematiſcher Theil.
gillum, auch ein Weiſſagehuhn, darunter Symbole der suovelau-
rilia,
darüber ein lectisternium zu ſehen ſind.


3. Gewiß iſt es ſinnvoll, daß grade der Waſſerkrug (§. 297,
6.) die vom Feuer übriggelaſſne Aſche aufnimmt. Vom
Mahlen der Oehlfläſchchen für den Todten Ariſtoph. Ekkl. 996.
In Athen herrſchen auf den Vaſen ſepulcrale Gegenſtände, in Un-
teritalien, beſonders ſpäter, Bacchiſche vor. (vgl. Lanzi de’ Vasi
antichi dipinti diss.
3., über die Bacchanale ii., in den Opus-
coli raccolti da Acadd. Italiani V. i. Fir.
1806).


4. Böttiger Ideen zur Archäol. der Mahlerei S. 173 — 234.
Deſſ. Vaſengemählde, drei Hefte 1797 — 1800. an verſchiednen
Stellen. Beachtenswerth iſt Brocchi’s Nachricht (Bibliot. Ital. Mi-
lan. xvii. pl.
228) von gemahlten Gefäßen in einem Hochzeit-
zimmer, auf einem Vaſengemählde.


Von der Verfertigung und Bemahlung der Griech. Vaſen
§. 321. Vaſenwerke: Picturae Etr. in vasculis nunc pri-
mum in unum coll. illustr. a I. B. Passerio. 3 V. 1767.
1770. Antiquités Etrusques, Grecques et Romaines
tirées du Cab. de M. Hamilton à Naples 1766. 67. 4 T.

Text von Hancarville, auch engliſch. Collection of engra-
vings from anc. vases mostly of pure Greek workman-
ship discov. in sepulchres in the Kingd. of the two Sici-
lies — now in the poss. of S. W. Hamilton, publ. by W.
Tischbein. 4 T.
von 1791 an. Text von Italinsky, auch franzöſiſch.
vgl. §. 99, 2, 6. Manche einzelne Blätter oder kleinere Samm-
lungen von Tiſchbein (Reiners Vaſen). Peintures de Vases ant.
vulg. app. Etrusques tirées de diff. collections et grav. par
A. Clener, acc. d’expl. par A. L. Millin, publ. par Dubois
Maisonneuve. 2 T. Par. 1808. Descr. des tombeaux de
Canosa par Millin. Paris 1816. f.
Millingen Peintures
ant. et inéd. de Vases Grecs tirées de diverses collections.
Rome
1813. Deſſ. Peint. ant. de V. Gr. de la coll. de
Sir J. Coghill. R. 1817. Coll. des V. Gr. de Mr.
le Cte de Lamberg expl. et publ. par Alex. de la Borde.
2 T.
1813. 1825. Inghirami Mon. Etr. (§. 178). Ser.
V. [Vasi Greci nella copiosa raccolta di — Duca
di Blacas d’Aulps, descr. e brevamente illustr. dal Cav.
Giov. Gerh. Rossi. Rom
1823]. Werk von Stackelberg
über Attiſche Vaſen verheißen. Einzelnes herausgegeben von
Remondini, Arditi, Viſconti u. Aa.


[363]I. Tektonik. Geraͤthe.

5. Fictilia solia Pl. xxxv, 46. Cedernſärge, Eur. Troad.
1150. Steinerne bei Bouillon, Piraneſi, Moſes.


Werke über Gefäße, Geräthe: Lor. Fil. de Roſſi Raccolta
di Vasi diversi
1713. G. B. Piraneſi Vasi, candelabri,
cippi, sarcofagi, tripodi, lucerne ed ornamenti ant. 2 T.

1778. H. Moſes Collection of ant. Vases, Altars, Paterae,
Tripods, Candelabra, Sarcophagi from various Museums
engr. on 150 pl. L.
1814. Cauſeus, Caylus, Barbault u.
andre allgemeine Sammlungen. PCl. vii, 34 sqq. — — Vgl.
Laz. Baifius de vasculis, Thes. Ant. Gr. ix, 177. De la
Chauſſe de vasis etc. Thes. Rom. xii, 949. Caylus
Mém. de l’Ac. des Inscr. xxx. p. 344. Vermiglioli del
Vasellame degli antichi, Lezioni ii,
231.


302. Naͤchſt den Vaſen ſind es die zur Erleuchtung1
beſtimmten Geraͤthe, welche auch vorzuͤgliche Kuͤnſtler im
Alterthum am meiſten beſchaͤftigt haben; theils einfache2
Lampen (λύχνοι, λύχνια), welche, zum Theil aus
Bronze, meiſt aus Terracotta, mit ihrer anſpruchslos
zierlichen Form und ihren ſinnigen Ornamenten und Re-
liefs einen bedeutenden Zweig der alten Kunſtdenkmaͤler
bilden; theils Candelaber (λυχνεῖα, λυχνοῦχοι),3
welche in der Bluͤthezeit Griechenlands ſehr kunſtreich
aus Bronze, ſpaͤter oft aus edlen Metallen und Gem-
men, aber auch aus Marmor gefertigt wurden, wor-
aus ſich manches faſt allzu reich und phantaſtiſch ge-
ſchmuͤckte Werk erhalten hat.


2. Lampen. Loch für das Eingießen, ὀμφαλὸς bei Heron,
für den Docht, στόμα, ein kleines für die heraufſtochernde Nadel.
Heron p. 187. beſchreibt, unter andern Kunſtſtücken, eine den
Docht ſelbſt heraufſtoßende Lampe. Die Lampen liefern für ſich
eine beinahe vollſtändige Kunſtmytholog[i]e, und viele Vorſtellungen,
die ſich auf menſchliches Schickſal u. jenſeitiges Leben beziehn.
Licetus de Lucernis antiq. reconditis l. vi. 1652. Barto-
li’s u. Bellori’s Lucernae sepulcrales 1691. (in Deutſchl. von
Beger neu herausgegeben). Lucernae fictiles Musei Pas-
serii. Pisaur. 1739 3 T.
Montfaucon Ant. expl. T. v.
Antich. di Ercolano T. viii.
Moſes pl. 78 sq. Diſ-
[364]Syſtematiſcher Theil.
ſertationen von De la Chauſſe u. Ferrarius Thes. Ant. Rom.
T. xii.


3. Candelaber, Benennungen Ath. xv, 699. f. Tarenti-
niſche, Aeginetiſche, Tyrrheniſche Plin. xxxiv, 6. §. 173, 1. 3.
Λιϑοκόλλητοι §. 161, 1. Theile: βάσις, καυλὸς (scapus),
κάλαϑος Heron p. 222. Vielarmige im Tempel des Ismeniſchen
Apoll, hernach in Kyme, Pl. xxxiv, 8., im Prytaneion zu Tarent
(Ath. 700 d.), vgl. Kallim. Epigr. 59. Prachtvolle marmorne, PCl.
iv, 1. 5. vii, 37 sqq. Bouill. iii. pl.
72. 73. (die auf
pl. 74. haben zum Theil mehr von der hochſtämmigen, ſchlanken
und einfachen Geſtalt Griechiſcher); bronzene u. marmorne bei
Moses pl. 83—93.


Von Spiegeln aus Bronze §. 173, 4., Silber 196, 2.
Nero hatte ſmaragdne. Von Spiegel- u. Putzkäſtchen §. 173, 5.
Guattani Mon. In. 1787. p. xxv.


[365]

Zweiter Hauptabſchnitt.
Bildende Kunſt.
(Bildnerei und Mahlerei).


303. Wir verbinden in dieſem Abſchnitt diejenigen
Kuͤnſte, welche, unabhaͤngig von aͤußern Beduͤrfniſſen
und Zwecken, dagegen gebunden an Naturnachahmung
(§. 24. ff.), das Leben durch die damit natuͤrlich verbund-
nen Formen darſtellen. Indem wir den Gang, wel-
chen die Schoͤpfung der Kunſtwerke ſelbſt nehmen muß,
in der Betrachtung nothwendig umkehren muͤſſen: be-
ginnen wir mit der Behandlung des Stoffes, durch welche
demſelben gewiſſe Formen mitgetheilt und eingepraͤgt wer-
den (die Lehre von der Technik der alten Kunſt); ge-
hen dann zu dieſen Formen uͤber, inſofern dieſelben
getrennt von den Gegenſtaͤnden betrachtet werden koͤnnen
(Lehre von den Kunſtformen); und ſchließen mit der
Betrachtung der innern Anſchauungen und geiſtigen Vor-
ſtellungen, welche das eigentliche Dargeſtellte der Kunſt
ſind (die Lehre von den Gegenſtaͤnden).


Erſter Theil.
Von der Technik der alten Kunſt
.

304. Zur Technik rechnen wir zweierlei. Erſtens
das Verfahren, wodurch uͤberhaupt dem menſchlichen
Auge der Eindruck einer Form durch eine gewiſſe Geſtal-
tung des dem Kuͤnſtler gegebnen Stoffes verſchafft wird,
[366]Syſtematiſcher Theil.
abgeſehn von den Beſonderheiten und Eigenſchaften
des Stoffes, wodurch dies geſchieht: welches wir die
optiſche Technik nennen wollen. Zweitens das Ver-
fahren, wodurch die durch optiſche Technik beſtimmte
Form in einem beſondern Stoffe, mit Ruͤckſicht auf deſ-
ſen Eigenſchaften, durch Anfuͤgen oder Wegnehmen, durch
Auftragen oder Veraͤndern der Oberflaͤche hervorgebracht
wird: welches hier mechaniſche Technik genannt wird.
Dem allgemeinen Gange dieſer Betrachtung gemaͤß, welche
mit dem Greiflichſten und Concreteſten beginnt, wird der
zuletzt genannte Abſchnitt dem zuerſt angefuͤhrten voraus-
geſchickt.


I.Mechaniſche Technik.

1A. Der Plaſtik im weitern Sinne (§. 25, 1.)

a. Die Bildnerei in weichen oder erweichten Maſſen (πλαστική).

1. Arbeit in Thon und aͤhnlichen Stoffen.

2305. Aus der Hand des urſpruͤnglich dem Toͤpfer eng-
verwandten Thonbildners (§. 62. 63.) gingen Henkel und
Zierathen der Gefaͤße, wobei die Toͤpferſcheibe nicht ge-
braucht werden konnte, aber auch Reliefs (τύποι) und
3ganze Figuren (§. 72. 171.) hervor. Ueberall war da-
bei Arbeit aus freier Hand aͤlter als die Anwendung
4mechaniſcher und fabrikmaͤßiger Vorrichtungen. Außer
Thon wurde viel Gyps (γύψος, plàtre) und Stucco
gebraucht; auch Wachsbilder waren beſonders als Spiel-
ſachen haͤufig; allen ſolchen unedleren Stoffen gab man
gern durch Farben einen hoͤhern Reiz, und brachte es
in der Nachahmung niederer Naturgegenſtaͤnde bis zur Illu-
5ſion. Wichtiger ward indeß dieſe Kunſtgattung als die Vor-
bereiterin anderer (mater statuariae, sculpturae et cae-
laturae
nach Plinius), indem durch ſie die andern Zweige
[367]II. Bildende Kunſt. Technik.
der Kunſt Modelle und Formen erhielten. Auch das Ab-6
formen von Gliedern und Abgießen von Statuen war
dem Alterthum nicht unbekannt. Bei groͤßeren Figuren7
wurde der Thon uͤber einen ſkeletartigen Kern von Holz
gezogen; man arbeitete das Groͤbere mit dem Modellir-
ſtecken, das Feinere mit dem Finger und Nagel aus.
Das Brennen von Figuren ſowohl wie Gefaͤßen wurde8
mit großer Sorgfalt betrieben; ein ſchwacher Grad von
Hitze genuͤgte die oft ſehr duͤnnen Gefaͤße zu haͤrten;
in beiden Arten gab es auch ungebrannte Werke (cruda
opera
).


1. Im Allgem. Winck. W. v. S. 92 ff. Hirt über Material
u. Technik, Amalth. i. S. 207. ii. S. 1 ff. Clarac Musée de
Sculpture, Partie technique.


3. Die fastigia templorum von Thon mira caelatura
in Italien (Plin. xxxv, 46), die ὀστράκινα τορεύματα
alt-Korinthiſcher Gefäße (Strab. viii. p. 381.) waren nach den Be-
nennungen zu urtheilen aus freier Hand bearbeitet; die Terracotta’s
Röm. Fabriken aber (daher ſtammen die meiſten im Britt. Muſ.
§. 263, 2. u. bei Agincourt Recueil de fragmens de sculpture
antique en terre cuite. Par.
1814.), ſo wie die Reliefzierden
der rothen Römiſchen und Arretiniſchen Gefäße (§. 171, 2), ſind
deutlich in Formen gedruckt.


4. Argilla, marga, creta, ſ. Mém. de l’Inst. Roy. T. iii.
p. 26. Rubrica
§. 63. Ueber γυψοπλασία Welcker
Acad. Kunſtmuſeum S. 7. Gypsſtatuen Arnob. vi, 14 sqq.
Gypsköpfe Juven. ii, 4. Reliefs aus Stucco, (oder Kalktuf?)
die tabula Hiaca, die Apotheoſe des Herakles. Wachsbil-
der
§. 129, 5. 181, 3., als Kinderſpiel bei Lucian Somnium
2. u. ſonſt. Vgl. über die alten κηροπλάϑοι Böttigers Sabina
S. 260. 270. Bunte Puppen aus πηλὸς Lucian Lexiph. 22,
Statuen in Neapel. Von Poſis (§. 196, 2.) täuſchenden Frucht-
ſchüſſeln Pl. xxxv, 45. Götterbilder πήλινα, μιλτόχριστα
Sibyllin. iii. p. 449 Gall.


5. S. von Paſiteles u. Arkeſilaos §. 196.


6. Von Lyſiſtratos §. 129, 5. Die Athen. Künſtler bedienten
ſich beim Abformen des Hermes Agoräos (§ 92, 3) des Pechs
[368]Syſtematiſcher Theil.
vgl. Lucian Lexiph. 11. (Mouler à bon creux, à creux
perdu. Plâtre. Coutures des moules à bon creux. Parties
qui ne sont pas de depouille,
aus mastic.).


7. Dieſe gleichſam noch fleiſchloſe Holzfigur hieß κίνναβος,
κάναβος
(canevas), ähnliche dienten auch den Mahlern als
anatomiſches Studium. S. Ariſt. H. An. iii, 5. de Gen. An.
ii,
6. Pollux vii. 164. x, 189. Suid. u. Heſych. s. v.
cum Intpp.
Apoſtol. iii, 82. Darauf gehen die parvi admo-
dum surculi, quod primum operis instar fuit,
Plin. xxxiv,
18. — Der Modellirſtekken in Prometheus Hand, Ad-
mir. Rom.
80. Ficoroni Gem. ii. 4, 5. vgl. 5, 1 u. das Re-
lief bei Zoëga Bassir. 23. Die Arbeit wird aber nach Polyklet
am ſchwerſten ὄταν ἐν ὄνυχι ὁ πηλὸς γίγνηται. Winck.
v. S. 93. 387. Schneider Lex. ὄνυξ. Pollice ducere (ce-
ram
) Juv. vii, 232. Perſ. v, 40. vgl. Statius Achill. i, 332.


8. Ueber die Einrichtung der Oefen zum Brennen Röm. Ge-
fäße hat Schweighäuſer d. j. nach Ausgrabungen im Elſaß Unter-
ſuchungen angeſtellt. Modell auf dem Muſeum in Straßburg.
Vgl. unten: Mahlerei. Die große Dünnheit u. Leichtigkeit al-
ter Gefäße (Pl. xxxv, 46.) bezeichnet Lucian im Lexiph. 7. durch
ἀνεμοφόρητα u. ὑμενὁστρακα. Cruda opera §. 72, 2.
171, 2.


2. Metallguß (statuaria ars).

1306. Beim alten Erzguß koͤmmt zweierlei in Betracht.
Erſtens: die Miſchung der Bronze, deren Kunſt fruͤher be-
ſonders in Delos (§. 295, 3.) und Aegina (§. 82), dann lange
Zeit in Korinth bluͤhte, aber hernach unterging (§. 197, 3).
2Wie das Korinthiſche Erz ſelbſt bald heller und weißlicher,
bald dunkelbrauner von Farbe war, bald die Mitte hielt:
ſo gab es gar mancherlei Farben welche man dem Erze
3mittheilte; auch laͤßt ſich ſchwer laͤugnen, daß man ver-
ſchiednen Theilen einer Bildſaͤule verſchiedne Farben-Nuͤ-
4ancen zu geben wußte. Die Miſchung mit Zinn findet
ſich bei der alten Bronze faſt durchgaͤngig; ſie befoͤrdert
den Fluß beim Guſſe und die Haͤrte des erkalteten Metalls:
auch Zink und Blei findet man haͤufig beigemiſcht.
5Zweitens: das Verfahren des Guſſes in Formen. Wie
[369]II. Bildende Kunſt. Technik.
im Ganzen auch in neueren Zeiten, wurde die Statue,
uͤber einen feuerfeſten Kern, aus Wachs boſſirt, und
daruͤber eine thoͤnerne durchloͤcherte Form gemacht (λίγ-
δος, auch χῶνος genannt). Sowohl in der Duͤnnheit
des Erzes als in der Reinheit des Guſſes und der Leich-
tigkeit der ganzen Operation brachten es die Alten zu ei-
ner erſtaunenswuͤrdigen Vollkommenheit. Doch nahmen6
ſie ſich auch Zuſammenfuͤgung von Theilen, durch mecha-
niſche oder chemiſche Mittel, nicht uͤbel; das Einſetzen
der Augen ſcheint zu allen Zeiten gewoͤhnlich geweſen
zu ſein.


1. Signa Corinthia Martial xiv, 172. Amazone des Stron-
gylion (Ol. 103?). Alexander hatte deren. Delphi war voll da-
von, Plut. de Pyth. or. 2. vgl. §. 123, 2. Plinius irrt merk-
würdig, indem er nur vasa, nicht signa Corinthia zugeben will.
Aber auffallend iſt die imago Corinthea Traiani Caesaris in
der Inſchr. Gruter 175, 9. Fabretti Col. Trai. p. 251. Es
gab viele Mährchen über das Korinth. Erz., z. B. daß es die Ab-
löſchung in der Quelle Peirene ſo trefflich mache, Pauſ. ii, 3, 3.
vgl. Plut. a. O. Petron. 50.


2. Pl. xxxiv, 3. Graecanicus color aeris. Ἡπα-
τίζον. Athletenfarbe, Dio Chryſoſt. Or. 28. in. Meer-
blaue Seehelden in Delphi §. 123, 3. Vgl. Qu. de Quincy
Jup. Ol. p. 58. — Schöne Patina der alten Bronze, Fea
in Winck. W. v. S. 430.


3. Polychromes Erz. Kalliſtratos Angaben können fucus so-
phisticus
ſein (Welcker zu 5. p. 701); auch beziehn ſie ſich meiſt
auf pièces à rapport, wie die durch Miſchung von Blei mit
Kypriſchem Erz purpurfarbnen Prätexten. Plin. 20. Aber merk-
würdig ſind Silanions Jokaſte mit todtblaſſem Geſicht, durch Sil-
bermiſchung (Plut. de aud. poet. 3. Quaest. Symp. v, 1.
vgl. de Pyth or. 2.), u. Ariſtonidas ſchamrother Athamas, durch
Eiſenbeimiſchung (Plin. 40.), da doch Eiſen ſich ſonſt mit Kupfer
nicht miſchen läßt. Auch Apul. Flor. p. 128. beſchreibt an einer
Erzſtatue tunicam picturis variegatam.


4. Erz mit Zinn ſchon in den Nägeln vom Schatzhauſe des
Atreus §. 49. Die Miſchung ſchwankt zwiſchen ⅝ u. 24 auf 100.
24
[370]Syſtematiſcher Theil.
Mongez, sur le bronze des anciens, Mém. de l’Inst. Nat.
T. v. p. 187. 496. Inst. Roy. T. viii. p.
363., leitet die
Härte der Bronze ganz von dieſer Miſchung und der Abkühlung
in der Luft her, u. läugnet, nach neuern Erfahrungen, die trempe
durch Waſſer, auch gegen Prokl. zn Heſiod T. u. W. 142. Euſt.
zur Il. i, 236, deren Zeugniſſe Graulhié im Magas. encycl.
1809 Dec. 1810 Ianv. (sur les âges d’or et d’ argent,
d’airain et de fer)
hervorgezogen. — Χαλκὸς χυτὸς ſpröde,
ἐλατὸς, τυπίας (ductilis), weich. Pollux vii, 105.


5. Τὰ πλασϑέντα κήρινα. Λίγδος, τὸ πήλινον. Τρυ-
πήματα. Χῶνος, χωνεύειν. S. Pollux x, 189. Photios
λίγδος, Schneider u. λίγδος, χοάνη. Auch Münzen wurden
bisweilen im Ligdos gegoſſem, Ael. Dionyſ. bei Euſt. ad Od. xxii.
p.
785. Seiz sur l’art de fonte des anciens, Mag. en-
cycl. 1806. T. vi. p.
280. Ueber das neue Verfahren Göthe’s
Benvenuto Cellini, Clarac p. 100 sq. Ob man auch, wie jetzt,
die moule à bon creux über das Modell machte, und die Stücke
derſelben dann inwendig mit Wachs garnirte, und hierauf den
Kern, noyau, hineingoß, iſt zu zweifeln. Maſſiv eine Statue
des Onaſſimedes, Pauſ. ix, 12.; kleinere Bronzen ſind es ge-
wöhnlich.


6. Von theilweiſem Guſſe Philo vii mir. 4. Vom Löthen
§. 61. Glutina Pl. xxxiii, 30. Angelöthete Haarlocken.
Winck. W. v. S. 133. Eingeſetzte Stücke an den Pferden von
Venedig (welche allein aus Kupfer gegoſſen ſind). Von dem
Einſetzen der Augen Wiuck. W. v. S. 138. 435 f. Böttigers
Andeutungen S. 87. vgl. auch Gori M. E. ii. p. 208.


Erhaltne Bronzen §. 127, 6. 172, 5. 204, 4. 205,
2. 207, 7. 260, 3. 261, 2. Die meiſten andern aus Her-
culanum. S. unten Hermes. Athleten. Adorans. Spinarius.
Camillus
. Balbus. Coloſſal-Kopf nebſt Hand auf dem Capitol.


1307. Die vor der Samiſchen Schule herrſchende Weiſe
der Verfertigung von Statuen durch das Haͤmmern
(σφυρήλατα §. 59. 60. 71. vgl. 237, 2. 240, 2.)
blieb auch ſpaͤter bei Gold und Silber die gewoͤhn-
2liche; doch ſagten Statuen aus den edlen Metallen mehr
dem Aſiatiſchen als dem Griechiſchen Geſchmacke zu.
3Auch die Vergoldung wurde erſt dann beliebt, als man
[371]II. Bildende Kunſt. Technik.
dem Erz durch Miſchung eine ſchoͤne Farbe zu geben
verlernt hatte. Mit Eiſen machte man mehr Verſuche4
als daß man es mit Erfolg und dauernd zu Werken der
bildenden Kunſt angewandt haͤtte, da das fuͤr den Guß
geeignete Roheiſen im Alterthum ungewoͤhnlich war. Aus5
Blei kommen von Arbeiten, welche Kunſtwerke genannt
werden koͤnnen, Marken fuͤr oͤffentliche Spiele und Korn-
austheilungen, sigilla zum Anhaͤngen von Geraͤthen, ſie-
gelaͤhnliche Zeichen an Bauſteinen, Bullen, Amulete u.
dgl. vor, manches davon iſt deutlich in Formen gegoſſen.


1. Goldne Pallas von Ariſtodikos, ein σφυρήλατον. Bruncks
Anal. T. ii. p. 488. Vgl. §. 71, 2.


2. Silberne Statuen bei den Pontiſchen Königen, Pl. xxxiii,
54. Goldne beſonders bei Barbariſchen Göttern, Lukian Ζ. τραγ.
Angebliche goldne Statue des Gorgias; Pauſ. ſah nur eine ver-
goldete. Der ἀνδριὰς χρυσοῦς στερεὸς, solidus, ſteht übri-
gens nur dem plattirten, ἐπίχρυσος, oder leicht vergoldeten, κα-
τάχρυσος, entgegen. Aber das holosphyraton im T. der Anai-
tis wird von Plin. xxxiii, 24 wirklich dem hohlen entgegenge-
ſetzt. Χρυσὸς ἄπεφϑος=aurum obryzum.


3. Gold wurde auf Erz meiſt mit Queckſilber und in ſtarken
Blättern, auch mit Hülfe von Kerben, aufgeſetzt (Pl. xxxiii,
20. xxxiv,
19), auf Marmor mit Eiweiß. Winck. W. v.
S. 135. 432. — M’ Acilius Glabrio ſetzte in Rom die erſte
statua aurata Liv. xl, 34. Spuren von Vergoldung an den
Roſſen von Venedig, M. Aurel, einer Quadriga des Herculan.
Theaters. Schöne vergoldete Statue von Lillebonne (§. 262, 2)
Clarac p. 75.


4. Eiſerne Bildſäulen des Theodoros von Samos (§. 60) Pauſ.
iii, 12. Herakles Schlangenkampf von Tiſagoras, x, 18. Al-
kons eiſerner Herakles, Pl. xxxiv, 40. Die Gründe der
Seltenheit des Eiſenguſſes im Alterthum entwickelt Hausmann
Commentat. Gott. rec. iv. p. 51. — Die Stählung, στό-
μωσις, des Eiſens (durch Waſſer, Homer Od. ix, 393) für
ſchneidende Werkzeuge war am Pontos, in Lydien u. Lakonika zu
Hauſe. Euſt. zur Il. ii. p. 294, 6. Rom. Vgl. Hausmann
p. 45 sqq. Magnetgewölbe? §. 149, 2.


24*
[372]Syſtematiſcher Theil.

5. Ficoroni Piombi antichi. R. 1740. 4. Stieglitz Archäol.
Unterh. ii. S. 133.


b. Die Arbeit in harten Maſſen.

1. Holzſchnitzerei.

1308. Das Holzſchnitzen, durch ξέειν und γλύφειν be-
zeichnet, wovon jenes ein flacheres, dies ein tieferes Ar-
beiten mit ſcharfen und ſpitzigen Werkzeugen anzeigt, wurde
2in Griechenland beſonders im laͤndlichen Leben zu Gefaͤßen,
welche zierlich gedrechſelt, aber auch mit Schnitzwerk
verziert wurden (§. 296, 2.), ſo wie zu den Bildern
der Feld- und Garten-Goͤtter alle Zeit hindurch ange-
3wandt. Waͤhrend man dazu die geeigneten Holzarten
4des einheimiſchen Bodens, oft mit einiger Ruͤckſicht auf
die Bedeutung des Bildes, benutzte: wurden auslaͤndiſche
Hoͤlzer, beſonders das fuͤr unverwuͤſtlich gehaltne Cedern-
holz, noch in ſpaͤtern Zeiten auch von vorzuͤglichen Kuͤnſt-
lern zu Bildwerken gebraucht.


1. Beide Ausdrücke kommen von Holz u. Stein vor. Ξέειν
iſt scalpere, davon ξυήλη, ξοΐς (ποιμενική), scalprum, ein
Schnitzmeſſer. Γλύφειν, sculpere, ſteht dem caelare, το-
ρεύειν, näher. Inſtrumente γλύφανον, τόρος, caelum, Mei-
ßel, Grabſtichel. Zum ξέειν dient auch die σμίλη (§. 70, 3).
Vgl. §. 56, 2.


2. Voß zu Virgil Bd. ii. S. 84. 443. Auf Pſyttaleia
Πανὸς ὡς ἕκαστον ἔτυχε ξόανα πεποιημένα Pauſ. 1. 36,
2. Ein Pan aus Buchenholz mit der Rinde Anth. Pal. vi, 99.
Dionyſosbilder, Priape aus Feigenholz. Von den alten ξοά-
νοις §. 68. 83.


3. Buchsbaum (σμίλαξ), Eiche, Cypreſſe, Birnbaum, Ahorn,
Weinrebe, Olivenholz u. a. Aufgezählt von Qu. de Quincy lup.
Ol. p. 25 sq.
Clarac p. 41. Populus utraque et salix et
tilia in scalpturis necessariae,
Palladius de R. R. xii, 15.


[373]II. Bildende Kunſt. Technik.

4. Von ausländiſchen Hölzern Ebenholz (§. 84, 2. 147, 4.),
Citrus (ϑύον? Mongez Hist. de l’Inst. roy. T. iii. p. 31.),
Lotos, beſonders Cedernholz (vgl. 52, 5. 57, 2.). Thyon nebſt Cy-
preſſen an Phidias Olympiſchem Zeus (inwendig oder am Thron)
Dio Chryſ. xii. p. 399. R. Cedrinus est Romae in delubro
Apollo Sosianus, Seleucia advectus,
Pl. xiii, 11. Askle-
pios von Eetion Anth. Pal. vi, 337. Κέδρου ζώδια χρυ-
σῷ διηνϑιςμένα Pauſ. vi, 19, 9. als runde Figuren beſchrie-
ben. Mehr ſ. bei Siebelis zu Pauſ. v, 17, 2. Amalth. ii.
S. 259.


Vom Drechſeln in Holz, τορνεύειν, τορνοῦν, tornare
ſ. Schneider Lex. u. τορεύω. Tornus, τορνευτήριον, das
Dreheiſen, von Theodoros erfunden, §. 60.


2. Bildhauerei (sculptura).

309. Als das eigentliche Material fuͤr die Sculptur1
wurde fruͤhzeitig der feſte und politurfaͤhige Kalkſtein,
welchen man eben von dieſem Glanze Marmor (μάρμαρον
von μαρμαίρω) nannte, und zwar der weiße anerkannt,
und in ganz Griechenland vor allen andern der Pariſche,
wie hernach in Rom der von Luna geſucht. Indeß wur-2
den fuͤr Werke minder ſorgfaͤltiger Kunſt in Griechen-
land wie in Italien auch allerlei Tuffe angewandt: da-3
gegen bunte Marmors, ſo wie andre colorirte Steinarten,
erſt im Roͤmiſchen Kaiſerreiche, beſonders fuͤr die Dar-
ſtellung Aegyptiſcher Gottheiten und barbariſcher Koͤnige,
fuͤr angefuͤgte Harniſche und Bekleidungen u. dgl., be-
liebt wurden. Bewundernswuͤrdig, ja raͤthſelhaft, iſt4
die Vollendung der Arbeit an den ſproͤden und widerſtre-
benden Maſſen des Porphyrs und Granits, wo vorn
zugeſpitzte und immer neu geſchaͤrfte Pinkeiſen den Stein
bis zur erforderlichen Tiefe wegbohren, und hernach muͤh-
ſames Reiben und Schleifen die glatte Flaͤche ſehr allmaͤhlig
zu Wege bringen mußte.


[374]Syſtematiſcher Theil.

1. Caryophilus de marmoribus antiquis iſt wenig brauch-
bar. Ferber Lettres mineralogiques sur l’Italie. Mongez
im Dictionn. de l’antiquité de l’Encyclopédie. Hirt Amalth.
i. S. 225. Clarac p. 165. — Marmor von Paros (λίϑος
Πάριος, λύγδινος), meiſt in kleinen Blökken, zum Theil in
Höhlengängen (λυχνίτης) gebrochen, feinkörnig, von mildem Glanze,
milchfarben, ins Gelbliche ſpielend. Pentheliſcher, ſchiefriger Art,
mit grünlichen Streifen (Dolomien bei Millin Mon. inéd. ii.
p.
44.). Megariſcher (vgl. §. 268, 1.), woraus die signa Me-
garica,
Cic. ad Att. i, 8. Coralitiſcher, in Kleinaſien, von reiner
Weiße nach Plin. Onychit, Alabaſtrit. Lunense, Carari-
ſcher (§. 268, 3), feinem Zucker ähnlich, oft bläulich gefleckt. M.
salino,
grobkörnig, nach Art des Salzes glänzend. M. cipol-
lino
mit Venen und Undulationen von grünem Talk.


2. Ein Silen von Poros (§. 268, 1) in Athen. In Peperin
manche Municipal-Ehrenſtatuen; fünf statuae togatae der Art
in Dresden. In Kalkſtein Viel in den Provinzen, in Deutſchland,
gearbeitet. Etruskiſche Sarkophage aus Kalktuf.


3. Schwarzer Marmor, nero antico, zu Iſisbildern; der
African. Fiſcher, die beiden Centauren des Capitol. Rother, rosso
antico;
manches gute Bildwerk, namentlich Bacchusköpfe, Satyrn,
welche rothgefärbte Xoana (§. 69.) nachahmen; ſonſt Bekken, Ba-
dewannen. Gelber, giallo antico, wenig gebraucht. Porphyr-
ſtatuen ſeit Claudius in Rom, vgl. Viſconti PCl. T. vi. p. 73.
Granit von Ilva u. Igilium, von Philä, wo man um 200 n.
Chr. viel davon brach (Letronne Recherches p. 360.), zu Bild-
werken in Aegyptiſchem Styl. Breccia d’Egitto zu Schalen.
Basanites, ſchwarz oder grünlich, aus Aegypten, zu Serapisbü-
ſten u. dgl. Ueber ſein Verhältniß zum Baſalt Buttmann, Mu-
ſeum der Alterth.W. ii. S. 57 ff. Alabaſter (alabastrites) von
Volaterrä §. 174, 3., von Aegypten (albâtre calcaire oriental).


1310. Der Marmor vertraͤgt dagegen ungeachtet ſeiner
Haͤrte, welche ganz beſonders an ihm geſchaͤtzt wird, we-
gen der innigen Verſchmelzung ſeiner Theile, den An-
griff ſehr verſchiedner Inſtrumente, der Saͤgen, Bohrer,
Feilen, Raſpeln, welche mit dem vom Schlaͤgel getriebe-
nen Meißel zuſammen das Meiſte und Beſte thun muͤſſen.
2Wenn der Kuͤnſtler, was keineswegs immer geſchah,
nach einem genauen Modelle arbeitete: ſo bediente er ſich,
[375]II. Bildende Kunſt. Technik.
wie der neuere, der Punkte, welche die Dimenſionen nach3
allen Seiten und Richtungen darſtellen, und im Fort-
ſchritt der Arbeit beſtaͤndig erneuert werden muͤſſen. Zum4
Abreiben der Statuen wandte man den Staub vom
Naxiſchem Schleifſtein, den Bimsſtein und andre Mittel
an; doch koͤmmt das dem Eindrucke ſchaͤdliche Glaͤnzend-
ſchleifen erſt ſpaͤter vor; und an einigen vortrefflichen
Statuen ſieht man noch ganz die Zuͤge des Eiſens. Da-5
gegen erhoͤhte man das Weiche und Fettige, welches die
Oberflaͤche der Bildſaͤule an ſich hatte, durch eine enkau-
ſtiſche Behandlung (κονίασις, circumlitio). Faͤrbung6
des Marmors, wie Hinzufuͤgung metallner Theile, At-
tribute, erhielt ſich das ganze Alterthum hindurch inner-
halb gewiſſer Graͤnzen. Die Zuſammenfuͤgung verſchied-7
ner Bloͤkke geſchah ſo geſchickt, daß der Wunſch mono-
lither Coloſſalſtatuen oͤfter wenigſtens dem Scheine nach
befriedigt wurde.


1. Ein alter Steinarbeiter mit Meißel und Schlägel auf dem
Relief Winck. W. i. T. 11. Ficoroni Gemmae ii, 5, 6. Grab-
ſtein des Eutropos bei Fabretti Inscr. p. 587. Inſtrumente in
Pompeji gefunden. Die jetzt gebräuchlichen bei Clarac pl. 1. Von
der Säge §. 269, 6., dem Bohrer §. 123, 1.


2. Von Paſiteles iſt es etwas Beſonderes, daß er nihil unquam
fecit ante quam finxit;
und aus dem freien und kühnen Ver-
fahren der Alten erklären ſich manche Unregelmäßigkeiten.


3. S. darüber Clarac p. 144. Daher die warzenförmigen Er-
höhungen an manchen alten Statuen. S. Weber über die Coloſſe
von M. Cavallo im Kunſtbl. 1824. S. 374. In den Haaren
eines Diſkobols bei Guattani Mon. In. 1784. p. 9. ſehen ſie
aus, wie Anfänge von Hörnchen.


4. Naxiae cotes. S. Diſſen zu Pindar J. 5, 70. vgl. Hoeck
Kreta i. S. 417., wo Naxos auf Kreta mit Recht als eine
Erfindung dargeſtellt wird. Man nannte die Steine, woher ſie
auch kamen, von Kreta, Kypros und ſonſt, Naxiſche. Σμή-
χειν, στιλβοῦν ἀνδριάντας.


[376]Syſtematiſcher Theil.

5. Qu. de Quincy Iup. Ol p. 44. Hirt S. 236. Epi-
dermis der alten Statuen.


6. Von gemahlten Statuen §. 69. 90, 3. 118, 2. b. In
Virgil’s Catal., Aeneid. dedic., wird ein marmorner Amor
mit buntem Flügelpaar und Köcher beſchrieben. Ueber das γρά-
φειν ἀνδριάντας, τύπους, Welcker Syll. Epigr. p. 161.
(Doch ſind bei Platon Sympoſ. 193 die ἐν ταῖς στήλαις κατὰ
γραφὴν
ἐκτετυπωμένοι deutlich Reliefs, und nichts weiter).
Von Anfügungen aus Metall §. 84. 90, 2. 3. 117. 118, 2. b.
127, 3. 158, 2. Vergoldung der Haare (wie Anfügung goldner
Bärte) war im Alterthum ſehr gewöhnlich.


7. S. oben §. 156. 157. u. die Inſchr. C. I. 10. ταὐτοῦ
λίϑου εἴμ̕ ἀνδριὰς καὶ τὸ σφέλας. — Stehen gelaſſne Mar-
morſtücke als Stützen (puntelli) findet man am meiſten bei Nach-
bildungen von Erzſtatuen.


3. Arbeit in Metall und Elfenbein (τσρευτικὴ, caelatura).

1311. Die Bearbeitung des Metalls mit ſcharfen In-
ſtrumenten, die Sculptur in Metall, iſt es, was die
2Alten Toreutik nennen. Doch vereinigt ſich damit nach
Erforderniß der Aufgabe bald ein theilweiſes Gießen in
Formen, bald das Herausſchlagen oder Treiben mit Bun-
3zen. So arbeitete man Schilde und andre Waffenſtuͤcke,
Wagenzierden, Candelaber, Gefaͤße, deren Silber-Reliefs
(anaglypta) in ſpaͤtern Zeiten oft beweglich waren und
zum Schmuck verſchiedner, auch goldner, Becher angewandt
4werden konnten (emblemata, crustae). Der Ruhm der
Meiſter in dieſem Fache, die wuͤthende Begier der Roͤ-
mer nach ſolchem Beſitz wird uns durch einzelne Reſte
5begreiflich. Außer dem Silber, dem Lieblingsmaterial
der Toreutik wurde auch das Korinthiſche Erz auf dieſe
Weiſe behandelt, ſo wie ſich auch am Eiſen die Hand
der Caͤlatoren fruͤhzeitig verſuchte.


[377]II. Bildende Kunſt. Technik.

1. Τορευτικὴ entſpricht ganz der caelatura. Plin. xxxiii.
Salmaſ. Exerc. Plin. p. 737. Heyne Antiq. Aufſ. ii. S. 127.
Q. de Quincy Iup. Ol. p. 73. Eine Hauptſtelle Quintil. ii,
21.: Caelatura, quae auro, argento, aere, ferro opera
efficit; nam sculptura etiam lignum, ebur, marmor, vi-
trum, gemmas, praeter ea quae supra dixi (aurum,
arg. etc.) complectitur.


2. Τορεύειν — χωνεύειν — ἐλαύνειν (vgl. Creuzer Comm.
Herod. p.
302., ἐκκρούειν §. 59. 2., χαλκεύειν, excudere,
Quint. a. O.). Iſidor Origg. xx, 4. Caelata vasa signis
eminentibus intus extrave expressis a caelo, quod est ge-
nus ferramenti, quod vulgo cilionem vocant.


3. Loricae galeaeque aeneae caelatae opere Corinthio
Cic. Verr. iv, 44. Vgl. über künſtliche Waffenarbeit oben
§. 58. 59. 116, 5. 173, 3. 240, 4. Bl. Caryophilus de
Vet. Clypeis. Lugd. Bat.
1751. 4. Ueber Arbeit an Wa-
gen §. 173, 3. Carrucae ex argento caelatae, Pl. xxxiii,
49. An Bechern unterſcheidet, wie es ſcheint, Cic. Verr. iv,
23. die crustae aut emblemata. Der caelator anaglypta-
rius
in Inſchriften macht in ſpätern Zeiten blos die Reliefs, der
vascularius das Gefäß. (Der aurifex Schmuck; aurifices Li-
viae,
Gori Columbar. n. 114 sqq).


4. S. von Gefäßarbeitern §. 60. 122, 7. 160, 2. 196,
2. 3. Von Mys (112, 1. 116, 5) ſah man an einem Hera-
kleotiſchen Skyphos die Eroberung Ilions nach Parrhaſios Zeichnung.
Solche Hiſtorien (argumenta) arbeiteten auch die wenig bekannten
Kimon u. Athenokles, Athen. xi, 781.


5. An Korinthiſchen Erzvaſen, ſcheint es, waren wohl Thier-
köpfe, Masken, Kränze u. dgl., aber keine hiſtoriſchen Reliefs an-
gebracht. Die goldnen κρατῆρες Κορινϑιουργεῖς, bei Ath.
v. 199 e., hatten runde Figuren, ζῷα περιφανῆ τετορευ-
μένα
, auf dem Rande ſitzend (ähnliche an Tripoden, Amalth. iii.
S. 29.), und Reliefs an Hals u. Bauch. An Glaukos ὑπο-
κρητηρίδιον aus Eiſen (§. 61.) waren Figuren, Inſekten, Blät-
terwerk cälirt. Zu Kibyra in Kleinaſien cälirte man das Eiſen mit
Leichtigkeit. Strab. xiii, 631.


Erhaltne Werke der Toreutik, an Waffen, Candelabern,
Gefäßen (außer Nachbildungen in Marmor, welche den beſten Be-
griff geben) §. 173, 3. 196, 3. 257, 4. Herrliches Bronze-
[378]Syſtematiſcher Theil.
Relief bei Paramythia in Epeiros gefunden, ſtark herausgetriebne
Figuren mit ſilbernen Zierathen ausgelegt, Aphrodite u. Anchiſes
darſtellend, in Hawkins Beſitz, abgebildet in Tiſchbeins Homer H.
vii. Sog. Schild des Scipio (Rückgabe der Chryſeis), 1656
bei Avignon gefunden, von Silber, im Cabinet du Roi. Mont-
faucon iv, 23. Parma Woodwardiana, mit Brennus u.
Camillus, beſchrieben von H. Dodwell, unächt. Andres bei Hirt
i. S. 250.


1312. Zur Toreutik gehoͤrt in den Werkſtaͤtten der
Alten auch die Arbeit in Elfenbein, welches man
das ganze Alterthum hindurch in Statuen, ſo wie an
2allerlei Geraͤthen, mit Gold zu verbinden liebte. Die
Alten erhielten theils aus Indien theils Africa Elephan-
tenzaͤhne von bedeutender Groͤße, durch deren Spaltung
und Biegung (§. 113, 2.), eine verlorne aber im Alter-
thum ſicher vorhandne Kunſt, ſie Platten von 15 bis
20 Zoll Breite gewinnen konnten. Nachdem nun bei der
Arbeit einer Statue die Oberflaͤche des Modells ſo einge-
theilt war, wie ſie am beſten in dieſen Platten wiedergege-
ben werden konnte, wurden die einzelnen Theile durch
das Saͤgen, Schaben und Feilen des Elfenbeins (nur fuͤr die
Bearbeitung mit dem Meißel iſt dieſer Stoff zu elaſtiſch)
genau dargeſtellt, und hernach uͤber einen Kern von Holz
und Metallſtaͤben, beſonders mit Huͤlfe von Hauſenblaſe,
zuſammengefuͤgt. Doch bedurfte das Zuſammenhalten
der Elfenbeinſtuͤcke beſtaͤndiger Sorgfalt; das Anfeuchten
mit Oel (beſonders oleum pissinum) trug am meiſten
zur Conſervirung bei. Das Gold, welches Gewand und
Haar darſtellte, wurde getrieben und in duͤnnen Platten
3aufgeſetzt. Auf unſre Zeiten iſt von Elfenbein, außer
kleinen Geraͤthen, die Claſſe der Diptycha (Schreibta-
feln mit Reliefs an der aͤußern Seite), aus dem ſpaͤtern
Roͤmiſchen Reiche, gekommen; welche man in die Conſu-
lariſchen, von Magiſtraten beim Antritt des Amts ver-
ſchenkten, und Kirchlichen eintheilt.


1. S. oben §. 85, 1. 113, 2. 114. 115. 120, 2. 160,
1. 204, 5. vgl. 237. 240. Χρυσελεφαντήλεκτροι ἀσπίδες in
[379]II. Bildende Kunſt. Technik.
Syrakus, Plut. Timol. 31. Thüren des Athenentempels ebenda,
§. 281, 5; die argumenta oder Darſtellungen von Begebenheiten
waren aus Elfenbein, das Andre aus Gold. Oefter Lyren aus
Elfenbein und Gold. Von Kränzen aus Elfenbein, Gold und
Corallen Pindar N. vii, 78. Diſſen bei Böckh p. 435.


2. Die folgenden Sätze geben, beim Mangel der Zeugniſſe,
wenigſtens die wahrſcheinlichſte Vorſtellungsweiſe Q. de Quincy’s,
§. 113, 2. Von dem Elfenbein-Handel (beſonders ſpäter von
Adule, Plin. vi, 34) Schlegel Indiſche Biblioth. i. S. 134 ff.
Hauſenblaſe Aelian V. H. xvii, 32. Damophon verbindet die
Theile des Olymp. Zeus wieder, Pauſ. iv, 31, 5. Von dem
Oel unter Andern Methodios bei Photios C. 234. p. 293 Bekk.
Ueber den Kern dieſer Bilder Lucian Gall. 24. Arnob. vi, 16.
§. 214, 3. Die Dicke des Goldes an der Pallas (§. 113, 2.)
kann nach Ausdehnung und Gewicht wenig über eine Linie betra-
gen haben. Bredow zu Thukyd. ii, 13.


3. Diptycha. Die erſtern ſind mit Conſularbildern, der pompa
circensis
u. dgl., die zweiten mit bibliſchen Gegenſtänden ge-
ſchmückt. Außer den elfenbeinernen gab es auch hölzerne, auch
argentea caelata, wovon einige Reſte. Auch triptycha, pen-
taptycha etc.
Schriften von Salig, Leich, de diptychis, Do-
nati de’ dittici. Coſte sur l’origine des Diptyques consu-
laires, Mag. enc. 1802. iv. p. 444. 1803. v. p.
419. Haupt-
werk: Gori Thesaurus vett. Diptychorum consularium et
ecclesiasticorum, opus posth. cum add. I. B. Passeri.
Flor. 1759. 3 T. f.
Einzelne von Fil. Buonarotti, Chph. Saxe,
Hagenbuch, Mautour (Hist. de l’Ac. des Inscr. v. p. 300.)
u. Aa. beſchrieben. Das Paradies auf einer Elfenbeintafel, Gri-
vaud de la Vinc. Ant. Gaul. pl. 28. Eins der ſchönſten Diptycha
iſt das Wiczay’ſche, von R. Morghen geſtochne, mit den Figuren
von Asklepios u. Telesphoros, Hygieia u. Eros.


Anſtatt Elfenbeins dienten auch Hippopotamos-Zähne
Pauſ. viii, 46, 2. Schildpatt (chelyon) wurde beſonders
zu Leyern, Speiſeſofa’s u. andern Geräthen gebraucht; es kam auch
zum Theil von Adule. Pl. vi, 34. Perlemutter-Arbei-
ten Sueton Nero 31. In Bernſtein (§. 56, 2.) hatte man
Becher, Heliadum crustas (Juv. v, 40). Ἀϑηνᾶ ἠλεκ-
τρίνη in einer fibula, Heliodor iii, 3.


[380]Syſtematiſcher Theil.
4. Arbeit in Edelſteinen (scalptura).

1313. Die Arbeit in Edelſteinen iſt entweder vertieft
(intaglio), oder erhaben (ectypa scalptura bei Plin.,
gemma – huia, camayeu, cameo). Bei jener wiegt
der Zweck des Abdrucks (σφραγὶς) vor; hier herrſcht
2allein der zu ſchmuͤcken. Fuͤr jene nahm man einfarbige,
durchſichtige, aber auch fleckige, wolkige Steine, von ei-
gentlichen Edelſteinen faſt nur Amethyſt und Hyacinth,
dagegen viele halbedle Steine, beſonders die mannigfa-
chen Achate, den ſehr beliebten Carneol, den Chalcedon,
3auch das Plasma di Smeraldo. Fuͤr dieſe mehrfarbige
Steine, wie die aus braunen und weißen Lagen (zonae)
beſtehenden Onyxe, und den eine dritte roͤthliche Lage hin-
zufuͤgenden, haͤufig auch durch Betrug hervorgebrachten
Sardonyx, nebſt aͤhnlichen Steinarten, welche der Orien-
taliſche und Africaniſche Handel den Alten in jetzt unge-
kannter und wunderbarer Schoͤnheit und Groͤße zufuͤhrte.


1. Der Abdruck, ἐκμαγεῖον, ἀποσφράγισμα, ἐκτύπωμα,
auch σφραγὶς, in sigillaris creta, beſonders Lemniſcher, oder
Wachs.


2. Die ardentes gemmae (carbunculi) widerſtreben nach
Pl. xxxvii, 30. der Arbeit hartnäckig, und kleben am Wachs.
Dagegen eignen ſich dazu die rothe sarda (offenbar Carneol), welche
aus Kleinaſien kam, und in Athen zu Menanders Zeit ſehr ge-
wöhnlich war, das grüne topazium (eadem sola nobilium li-
mam sentit, ceterae Naxio et [ex?] cotibus poliuntur),

der amethystus, der achates, der nach Plinius ehemals ſehr ange-
ſehn war, aber damals ſeinen Ruhm verloren hatte (54); auch
waren die chalcedonii ausgegangen. Der Smaragd der Alten
iſt der lauchgrüne Heliotrop, plasma di smeraldo, der beſonders
von den neuerlich wieder bearbeiteten Gruben zwiſchen Koptos u.
Berenike kam. Pl. 17. Ritter Geogr. i. S. 675 ff. (1822).


3. Ψῆφος τῶν τριχρώμων, ἐρυϑρὰ ἐπιπολῆς. Luc. dial.
mer. ix,
2. Offenbar ein Sardonyx. Sardonyches ternis gluti-
nantur gemmis; — aliunde nigro, al. candido, al minio.
Pl.
75. vgl. 23. Brückmann über den Sarder, Ouyx u. Sardonyx. 1801.
[381]II. Bildende Kunſt. Technik.
Nachtrag 1804. V. Köhler über den Sard, Onyx u. Sardonyx
der Alten. Plinius nennnt 63. noch andre orientaliſche Steine
von mehreren Farben, quae ad ectypas scalpturas aptantur.
Ueber die Handelswege, auf denen jene wunderbar großen Onyxe
nach dem Abendland kamen, Gr. Veltheim, Sammlung der Auf-
ſätze ii. S. 236. Böttiger Ueber die Aechtheit und das Vaterland
der antiken Onyx-Kameen von außerordentlicher Größe. Lpz. 1796.
Heeren Ideen i, 2. S. 211. Lucian de Syr. dea 32. er-
wähnt an der Bildſäule der Göttin viele Edelſteine, weiße, waſſer-
farbne, feurige, Sardonyxe (ὄνυχες Σαρδῶοι), Hyacinthe, Sma-
ragde, welche Aegyptier, Inder, Aethiopen, Meder, Armenier u.
Babylonier dahin bringen.


312. Was nunmehr die Art der Arbeit anlangt:1
ſo wiſſen wir aus dem Alterthum nur ſo viel, daß, nach-
dem der Schleifer (politor) dem Stein eine ebne oder
convexe Form, die man zu Siegelringen beſonders liebte,
gegeben hatte, der Steinſchneider (scalptor, cavarius)
ihn theils mit eiſernen Inſtrumenten, welche mit Na-2
xiſchem Staub und Oel beſtrichen wurden, bald mit runden,
bald mit ſpitzen und bohrerartigen, theils aber auch mit der
in Eiſen gefaßten Diamantenſpitze angriff. Die Vorrich-3
tung des Rades, wodurch die Inſtrumente in Bewegung
geſetzt werden, waͤhrend der Stein an ſie angehalten wird,
war wahrſcheinlich im Alterthum aͤhnlich wie jetzt.


1. Λιϑοτριβικὴ u. Λιϑουργικὴ, Kunſt des politor u.
scalptor bei Lyſias Fragm. περὶ τοῦ τύπου. Ueber die la-
teiniſchen Namen Salmaſ. Exc. Plin. p. 736. vgl. Sillig Cat.
Art. p. viii.
oben §. 308, 1.


2. Pl. xxxvii, 76. Tanta differentia est, ut aliae ferro
scalpi non possint, aliae non nisi retuso, verum omnes
adamante: plurimum vero in his terebrarum proficit fer-
vor.
Das ferrum retusum iſt wohl der Knopf, bouterolle,
deſſen runde Höhlungen man ſo viel auf orientaliſchen wie altgrie-
chiſchen Gemmen ſieht §. 97, 3. 238. — Der Naxiſche Staub,
§. 310, 4. diente für das Schneiden und Schleifen nach Pl. xxxvi,
10. vgl. Theophr. de lap. §. 77. Von der σμύρις, Schmirgel,
zum Schleifen Dioſkorid. v, 165. Schneider ad Ecl. Phys.
p.
120. u. im Lex. Von den Splittern der Oſtracitis xxxvii,
[382]Syſtematiſcher Theil.
65. Pl. xxxvii, 15.: Adamantem cum feliciter rumpere
contigit, in tam parvas frangitur crustas, ut cerni vix
possint; expetuntur a scalptoribus, nullam non duri-
tiam ex facili cavantes,
kann ich auch nur von der Diamant-
ſpitze verſtehn. Ueber Stärkungsmittel der Augen bei ſolcher Ar-
beit Hirt Amalth. ii. S. 12.


Ueber die Technik der alten Steinſchneider: Mariette Traité
des pierres gravées. Paris 1750. f.
Natter Traité de la
méthode ant. de graver en pierres fines comparée avec la
méth. moderne. Lond.
1754. Leſſing in den Antiqu. Briefen
i. S. 103 ff. und in den Kollektaneen zur Literatur. Bd. i. ii.
Ramus von geſchnittnen Steinen u. der Kunſt ſelbige zu graviren.
Kopenh. 1800. Hirt a. O.


1315. Die zu Siegelringen beſtimmten Steine ka-
men hierauf in die Hand des Goldſchmieds (aurifex, com-
positor, annularius
), welcher ſie faßt, wobei die Form
2der Schleuder (σφενδόνη) beliebt war. Obgleich beim
Siegelringe das Bild durchaus die Hauptſache iſt: ſo
tritt doch bisweilen auch der Name hinzu: indem ſicher-
lich ein in die Augen fallender Name immer eher auf den
Eigenthuͤmer als auf den Kuͤnſtler der Gemme bezogen
3werden muß. Daß nicht blos Individuen, ſondern auch
Staaten ihre Petſchafte hatten, erklaͤrt vielleicht die
große Uebereinſtimmung mancher Gemmen mit Muͤnzty-
4pen. Die haͤufige Anwendung geſchnittner Steine zur
Zier von Bechern und andern Geraͤthen hat ſich in
das Mittelalter hinein fortgepflanzt; noch jetzt muͤſſen
antike Gemmen zum Theil an Kirchengefaͤßen aufgeſucht
5werden. Von den ganz aus Gemmen geſchnitt-
nen Gefaͤßen
, welche ſich der Reihe der großen Ka-
meen anſchließen, hat ſich manches durch Umfang und
Schwierigkeit der Arbeit bewundernswuͤrdige Werk erhal-
ten: wenn auch keins davon den Zeiten eines reinen
Geſchmacks, und einer aͤchthelleniſcher Kunſtuͤbung angehoͤrt.


1. U. a. Eurip. Hippol. 876 τύποι σφενδόνης χρυση-
λάτου. — Alle Ringe waren zuerſt Siegelringe (vgl. §. 97, 2.);
[383]II. Bildende Kunſt. Technik.
dann werden ſie Schmuck und Ehrenzeichen, man trägt auch gern
ungeſchnittne, und bringt die geſchnittnen überall ſonſt an. Kirch-
mann de annulis.


2. Ueber die Namen auf Gemmen v. Köhler in Bött. Arch.
u. Kunſt S. 22. Gewiß iſt wohl, daß wenn der Künſtler ſich
nannte, er es möglichſt wenig auffallend that. Die Cataloge der Gem-
menſchneider, wovon der Viſconti-Millinſche (Millin Introduction
à l’étude des pierres gr. Par.
1797. 8) der reichſte iſt, ge-
währen daher ſehr wenig für Kunſthiſtorie Brauchbares. Aus Plin.
kennen wir, außer den §. 131. 200. Genannten, noch Apolloni-
des u. Kronios; natürlich hat man dieſe auch auf Gemmen ge-
bracht. Auf dieſen kommen Aulos, Gnaios, Hyllos, Solon, Teu-
kros am öfterſten vor.


3. S. Facius Miſcellen S. 72.


4. S. §. 131, 1. 161, 1. 207, 9. auch 298, 3. In
Alexanders Perſiſcher Beute waren, nach Parmenios Briefen (Ath.
xi, 781.) ποτήρια λιϑοκόλλητα von 56 Babyl. Talenten, 34
Minen Gewicht. Wie dieſe Schätze ſich verbreiteten, zeigt Theo-
phraſts (Char. 23) bravazzo, der auch λιϑοκόλλητα ποτήρια
von Alexanders Zug heimgebracht, und darum die Künſtler in
Aſien für beſſer erklärt als die Europäiſchen. — Die Edelſteine
vom Kaſten der H. drei Könige herausg. Bonn 1781. — —
Gemmen in fibulis (Spartian Hadr. 10.), an Schwertgriffen,
Wehrgehenken.


5. §. 161, 3. Ob der ὄνυξ μέγας τραγελάφου πρια-
[πίζοντος] in der Athen. Inſchrift C. I. n. 150., vgl. Staats-
haush. ii. S. 304., auch als Gefäß (wo dieſe Figur in Hautre-
lief häufig war, Ath. p. 484.) zu denken iſt? Mithridat (das
Pontiſche Reich war der große Stapelplatz des Handels mit Edelſtei-
nen) hatte nach Appian Mithr. 115. 2000 Becher von Onyx mit
goldnen Einfaſſungen. — Berühmte Gefäße: Mantuaniſches
in Braunſchweig mit Bacchiſch-Cerealiſchen Scenen; Montfaucon
ii, 78. Eggeling Mysteria Cereris et Bacchi. 1682. Far-
neſiſche Schale aus Sardonyx, mit Darſtellungen der Aegyptiſchen
Landesnatur, Neapels Antiken S. 391. Coupe des Ptolemées
oder Vase de Mithridate, im Cabinet du Roi zu Paris, mit
ſehr erhobnem Bildwerk, Schenktiſche u. Bacchiſche Masken darſtel-
lend, geſchmückt. Montf. i, 167. (Köhler) Descr. d’un
Vase de Sardonyx antique gravé en relief. St. Petersb.

1800. (hochzeitliche Gegenſtände). — Große Kameen §. 161,
[384]Syſtematiſcher Theil.
4. 200, 2. — — Statue des Nero aus Jaspis, der Arſinoe
aus Smaragd. Plin.


Die Litteratur der Glyptographie geben Millin Introd.
(ſehr unvollſtändig) u. Murr Biblioth. Dactyliograph. Dresd.
1804. 8. Allgemeine Gemmenſammlungen von Domen. de
Rubeis (Aeneas Vicus inc.),
Pet. Stephanonius (1627),
Agoſtini (1657. 69.), de la Chauſſe (1700), P. A. Maffei u.
Domen. de Roſſi (4 V. 1707—9), Gravelle (1732. 37.), Ogle
(1741), Monaldini u. Caſſini (4T, f. 1781—97), Spilsbury
(1785), Raponi (1786), u. Aa. Beſondre Cabinette von Gor-
läus (zuerſt 1601), Wilde (1703), Ebermayer (1720—22),
Marlborough (1730), Odeſcalchi, §. 262, 4., Stoſch, §. 264, 1.,
Zanetti (herausg. von A. Fr. Gori 1750), Smith (Dactylio-
theca Smithiana
mit Commentar von Gori. Ven. 1767. 2
T. f.), des Herzogs von Orleans (von La Chau und Le Blond.
1780. 84). Aus dem Cabinet du Roi zu Paris Caylus Re-
cueil de 300 têtes
u. Mariette’s Recueil. 1750. Die Flo-
rentiniſchen in Gori’s Mus. Florentinum und Wicar. Choix
des pierres gravées du Cab. Imp. des Ant. representées
en 40 pl. decr. et expl. par Eckhel. 1788. f.
Cataloge
der Crozatſchen Sammlung von Mariette (1741), der Pariſer,
§. 262, 3., der K. Niederländiſchen, §. 265, 1. Ruſſiſche Samm-
lung §. 265, 2. Fr. Ficoroni Gemmae litteratae et aliae
a. N. Galeotti illustr. R.
1757. Werke von Stoſch §. 264, 1.
Bracci Commentaria de ant. scalptoribus, qui sua nomina
inciderunt. 2 T.
Text, 2 Kupfer. Flor. 1786. Vivenzio
Gemme antiche inedite. R. 1807. 4. Millin Pierres gra-
vées ined. Paris
1817. 8. Abdrücke von Lippert (zwei Samm-
lungen, zur erſten ein latein. Verzeichniß von Chriſt u. Lippert; zur
zweiten: Lipperts Daktyliothek, nebſt Supplement); von Dehn,
beſchr. von Fr. M. Dolce (E. Qu. Viſconti) 1772.; von Taſſie
(Catalogue des empreintes de Tassie von Raſpe 1792).
Viel Einzelnes bei Montfaucon, Caylus, Viſconti Iconographie
u. ſ. w.


Victorius Dissert. Glyptogr. R. 1739. 4. Gori’s Hist.
Glyptographica, T. ii.
der Dact. Smith. Caylus, Mém.
de l’Ac. des Inscr. xix. p.
239. Chriſt super signis, in
quibus manus agnosci antiquae in signis possint, Commtr.
Lips. Litter. T. i. p. 64 sq.
Chriſts Abhandl. von Zeune S.
263. Vorrede zur Daktyliothek des Richterſchen Cabinets. Klotz
Ueber den Nutzen u. Gebrauch der alten geſchnittnen Steine. Al-
tenb. 1768. G. A. Aldini Instituzioni Glittografiche.
[385]II. Bildende Kunſt. Technik.
Cesena 1785. Gurlitt Ueber die Gemmenkunde. Magdeb.
1798. 4.


5. Arbeit in Glas.

316. Das Glas wird an dieſer Stelle um ſo paſ-1
ſender erwaͤhnt, da es bei den Aermeren den Edelſtein
des Siegelringes vertrat, und ebendarum Nachahmung
der Gemmen und Kameen in Glaspaſten ſchon im Alter-
thum ſehr verbreitet war. Nach Plinius wurde es drei-2
fach bearbeitet, theils geblaſen, theils gedrechſelt, theils
caͤlirt; wovon das erſte und dritte Verfahren auch verei-
nigt vorkommen. Obgleich den Alten voͤllig helles und3
weißes Glas nichts weniger als unbekannt war: ſo zeigt
ſich doch uͤberall bei ihnen eine Vorliebe fuͤr bunte, ſchil-
lernde Farben. Man hatte auch ſchoͤne Becher und Scha-4
len aus farbigem Glaſe, die zum Theil aus verſchieden-
farbigen Glaͤſern, zum Theil aus Glas und Gold kunſt-
reich zuſammengefuͤgt waren.


1. Σφραγῖδες ὑάλιναι in Athen, um Ol. 95. C. I. n. 150.
Vitreae gemmae ex vulgi annulis
Pl. vgl. Salmaſ. Exc.
Plin. p.
769. Als Betrug bei Trebell. Gallien. 12. und bei Pl. oft.
Die größe Glaspaſte iſt der Kameo im PioCl., der Triumph des
Bacchus u. der Ceres, 16 × 10 Zoll. Vgl. Winck. W. iii.
S. 44 ff.


2. Pl. xxxvi, 66. Toreumata vitri, Martial xii, 74.
xiv,
94. Die Barberiniſche, jetzt Portlands-Vaſe, im Britt.
Muſeum ausgeſtellt, beſteht aus einem blauen, durchſichtigen, u.
einem weißen, opaken, Glasfluß, wovon der obere cälirt iſt. Gr.
Veltheim Aufſätze, Helmſt. 1800. Wedgwood Description du
Vase de Barberini. Lond. 1790. Archaeol. Brit. viii.
p.
307. 316. Millingen Un. mon. i, p. 27.


3. Schöne reine Glasſcheiben in Velleja u. Pompeji gefunden,
nach Hirt auch specularia genannt, Geſch. iii. S. 74. Von bun-
ten Fenſtern §. 320, 3. Bunte Glasſiegel ſchon in Athen. Schil-
25
[386]Syſtematiſcher Theil.
lerndes Glas ἀλλάσσον. Hadrian bei Vopiſcus Saturn. 8.
Ueber alte Glasfärberei Beckmann Beytr. zur Geſch. der Erfind. i.
S. 373 ff.


4. Lesbiſche Becher aus purpurnem Glaſe, Ath. xi, 486.
‘ϒάλινα διάχρυσα, v, 199. Vasa vitrea diatreta Mar-
tial. Salmaſ. ad Vop. l. l. Schöne Schale aus dem Nova-
reſiſchen, von ſchillernder Farbe, mit einem himmelblauen Netz um-
ſpannt, mit einer Inſchrift aus grünem Glaſe. Winck. W. iii.
S. 293. Ein ähnliches Trinkglas des K. Maximian, weiß
in einem Purpurnetz, in Straßburg gefunden. Kunſtbl. 1826.
S. 358. Ueber ein Gefäß von Populonia, worauf eine villa
maritima
vorgeſtellt, eine Schrift von Dom. Geſtini. Trüm-
mer in den Catacomben, Boſio i. p. 509. Buonarotti Osser-
vazioni sopra alc. frammenti di vasi ant. di vetro ornati
di figure, trovati ne cimiteri di Roma. Fir.
1716. —
Einen Krater aus Bergkryſtall mit Bildwerk beſchreibt Achill. Ta-
tius ii, 3.


Ueber die murrhina vasa (ſeit Pompejus in Rom):
Chriſt Disqu. de murrinis vet. L. 1743. 4. Von Velt-
heim über die vasa murrhina. Helmſt. 1791. 8. Le Blond
u. Larcher Mém. de l’Ac. des Inscr. xliii, 217 sq. 228 sq.
Mongez Mém. de l’Inst. nat. ii. Litt. p. 133. Schneider
Lex. s. v. μόῤῥινα. Roloff u. Buttmann Muſ. der Alterth. W.
ii. S. 509. Mag. encyclop. 1808 Jul. Ruperti’s far-
rago
zu Juv. vi, 156. u. Aa. Minutoli GGA. 1818. S.
969. Abel-Rémuſat Hist. de la ville de Khotan 1820.


6. Stempelſchneidekunſt.

1317. Von der fuͤr die Geſchichte des alten Handels
und Verkehrs ſo wichtigen Muͤnzkunde gehoͤren nur die,
zum Theil ſchon oben (§. 98. 132. 162. 176. 182. 196.
201. 204. 207.) gegebnen, Nachrichten uͤber das Tech-
2niſche der Arbeit hierher, welches die Griechen, ungeach-
tet des geringen Ruhms, deſſen dieſe Kuͤnſtler grade in
den Hauptorten der Kunſt genoſſen, zur hoͤchſten Vol-
lendung brachten, ſo daß den Roͤmern nur das Verfahren
[387]II. Bildende Kunſt. Technik.
des Praͤgens beſſer anzuordnen blieb. Obgleich nicht3
blos im alten Italien das Gießen der Muͤnzen erwaͤhnt
wird (§. 176. u. 306, 5.): ſo war doch das Praͤgen in
Griechenland und dem ſpaͤtern Rom das gewoͤhnliche;
doch ſo daß man die Schroͤtlinge, d. h. die zum Auspraͤgen
beſtimmten Metallſtuͤcke, in Formen goß: gewoͤhnlich
linſenfoͤrmig damit ſie das oft ſehr tief gravirte Gepraͤge
deſto beſſer tragen konnten. Die Stempel wurden wenig-
ſtens bisweilen aus gehaͤrtetem Erz verfertigt.


1. Eckhel D. N. Prolegg. i. Hirt Amalth. ii. S. 18. Stieg-
litz Einr. ant. Münzſamml. S. 13. 23. Archäol. Unterhalt. ii.
S. 47.


2. Münzmeiſter nennen ſich, wenn nicht in Monogrammen,
nur wenige: Neuantos auf M. von Kydonia, Kimon auf Syraku-
ſiſchen (§. 132, 1.), Eukleides u. Aa. ſ. Wiener Jahrb. 1818,
ii. S. 124. Daß Athens M. ſo kunſtlos, während die Make-
doniſchen Alexanders ſo elegant, iſt auch den Alten aufgefallen.
Diogen. vii, 1, 19. Die ſchönen M. Arkadiſcher Städte (von
Stymphalos, Pheneos u. a.) müſſen vor Ol. 103. geſetzt werden,
da wohl kein Muſeum eine M. von Megalopolis u. Meſſene hat
die an Geiſt und Leben in der Behandlung mit jenen verglichen
werden kann. So ſchnell war die Kunſt hier geſunken.


3. Tresviri A. A. A. flando feriundo. Den
Hauptapparat des Prägens ſieht man auf einem Denar des Cari-
ſius, Ambos, Hammer, Zange. Die Matrix war urſprünglich
am Hammer und Ambos (quadr. incusum). Λίγδοι von Thon
u. Stein haben ſich noch gefunden.


B. Zeichnung auf ebner Flaͤche.

a. Durch Auftrag von Farbenſtoffen weicher und flüſſiger Art.

1. Einfarbige Zeichnung und Mahlerei.

318. Die Alten waren im hoͤchſten Grade auf zarte1
und feinabgewogene Umrißzeichnung bedacht, und in ih-
ren Schulen (§. 139, 3) wurden lange Voruͤbungen mit
25*
[388]Syſtematiſcher Theil.
dem Griffel (graphis) auf Wachstafeln, und mit dem
Pinſel (penicillus) und einer Farbe auf Buchsbaumta-
feln, bald mit ſchwarzer Farbe auf weiße, bald mit wei-
ßer auf ſchwarzgefaͤrbte, fuͤr noͤthig gehalten, ehe der
Schuͤler den Pinſel in mehrere Farben tauchen durfte.


1. Böttiger Archäol. der Mahlerei S. 145 ff. Bloße Umriſſe
ſind μονόγραμμα (dergleichen hatte man von Parrhaſios);
einfarbige Bilder auf einem verſchiedenfarbigen Grund μονοχρώ-
ματα
. Λευκογραφεῖν εἰκόνα, Ariſt. Pock. 6. Z. pinxit
et monochromata ex albo
Pl. Apellis monochromon
(? Petron 84). Von Bildern en camayeu Bött. S. 170.
Vgl. §. 210, 6.


2. Mahlerei mit Waſſerfarben.

1319. Bei dem Vorwalten der Zeichnung herrſcht im
Alterthum lange Zeit eine große Beſcheidenheit im Far-
bengebrauch, und grade in um ſo hoͤherm Maaße, je
2ſchaͤrfer und genauer die Zeichnung war. Selbſt die ein
bluͤhendes Colorit liebende Joniſche Schule (§. 137. 141,
1.) hielt bis auf Apelles hinab die ſogenannten vier
Farben feſt; das heißt, vier Haupt-Farbenmateriale,
welche aber ohne Zweifel ſowohl ſelbſt natuͤrliche Varietaͤ-
ten hatten, als auch durch Miſchung ſolche hervorbrach-
ten; indem ein reiner Auftrag weniger Farben, wie er
freilich in Aegypten (§. 231.), in den Etruskiſchen Hypogeen
(§. 177, 4.), und auf Griechiſchen Vaſen durchaus ge-
funden wird, ſich mit den Angaben uͤber die Wirkungen
der Gemaͤhlde jener Griechiſchen Meiſter auf keinen Fall
3vereinigen laͤßt. Neben dieſen Hauptfarben, welche einem
ſpaͤteren Zeitalter als ſtreng und herb erſchienen (colores
austeri
), kamen allmaͤhlig immer mehr glaͤnzende und
4theuere Farbenmateriale (col. floridi) auf. Dieſe Far-
ben zerließ man in Waſſer, mit einem Zuſatz von Leim
oder Gummi (weder die Anwendung von Eiweiß noch
Oel iſt bei alten Gemaͤlden nachweisbar); um ſie mit
[389]II. Bildende Kunſt. Technik.
dem Pinſel, fruͤher faſt durchgaͤngig auf Tafeln (am
liebſten von Lerchenholz), hernach gewoͤhnlicher auf den
ſorgfaͤltig bereiteten Anwurf der Waͤnde (§. 209. 271.),
es ſei auf den noch naſſen, oder den ſchon getrockneten
Kalk (al fresco, a tempera), aufzutragen. Auch Lein-
wandgemaͤhlde kommen vor, wie Mahlerei auf Metall
(115, 2. 230, 4). Wie die Alten die harmoniſchen5
Verhaͤltniſſe der Farben (harmoge) herauszufinden und
zu beobachten ſehr beſtrebt waren: ſo hatten ſie fuͤr
das Maaß des Lichtes, welches das Bild im Ganzen
feſthalten ſollte, fuͤr die Einheit der geſammten Lichtwir-
kung, ein feines Auge; dies war der τόνος oder splen-
dor,
welchen Apelles durch einen zugleich ſchuͤtzenden und
den ſchaͤrferen Farbenreiz mildernden Ueberzug einer duͤnn
zerlaſſenen Schwaͤrze (tenue atramentum) befoͤrderte.
Im Ganzen wirkten Klima und Lebensanſichten gleich-
maͤßig dahin, den Alten ein heitres Colorit, mit ent-
ſchiednen Farbentoͤnen, die ſich in einem freundlichen Grund-
ton aufloͤſten, lieb zu machen.


1. Dies Wagſchalen-Verhältniß giebt Dionyſ. de Isaeo 4.
ganz beſtimmt an; die älteren Bilder ſind χρώμασι μὲν
εἰργαςμέναι ἁπλῶς καὶ οὐδεμίαν ἐν τοῖς μίγμασιν ἔχου-
σαι ποικιλίαν, ἀκριβεῖς δὲ ταῖς γραμμαῖς u. ſ. w.; die
ſpätern ſind εὔγραμμοι μὲν ἧττον, aber haben Mannigfal-
tigkeit in Licht u. Schatten, und ἐν τῷ πλήϑει τῶν μιγμά-
των τὴν ἰσχύν.


2. Die vier Farben (nach Plin xxxv, 32. Plut. de def.
orac.
47.): 1. Weiß, die Erde von Melos, Μηλιάς. Selt-
ner Bleiweiß, cerussa. In Wandgemählden beſonders das Pa-
raetonium.
2. Roth, die rubrica aus Cappadocien, Σινωπὶς
genannt. Μίλτος, minium hat mannigfache Bedeutungen. Μίλ-
τος aus verbrannter ὤχρα ſoll nach Theophr. de lap. 95. Kydias,
Ol. 104., zufällig entdeckt; nach Pl. 20. Rikias, Ol. 110, zu-
erſt gebraucht haben, indem Plinius usta offenbar daſſelbe iſt.
3. Gelb, sil, ὤχρα, aus Attiſchen Silberbergwerken (Böckh,
Schriften der Berl. Ak. 1815. S. 99), ſpäter beſonders zu Lichtern
gebraucht. Daneben das röthlich gelbe auripigmentum, σανδα-
[390]Syſtematiſcher Theil.
ράκη, arſenicaliſches Erz. 4. Schwarz (nebſt Blau), atramenta,
μέλαν, aus verbrannten Pflanzen, z. B. das τρύγινον aus
Weintrebern. Elephantinon aus verbranntem Elfenbein brauchte
Apelles.


3. Col. floridi (von den Beſtellern der Gemählde ge-
liefert, u. von den Mahlern oft geſtohlen, Pl. xxxv, 12.): Chry-
socolla,
Grün aus Kupferbergwerken; purpurissum, eine Kreide
mit dem Saft der Purpurſchnekke gemiſcht; Indicum, Indigo, ſeit
der Kaiſerzeit in Rom bekannt (Beckmann Beiträge zur Geſch. der
Erfind. iv. St. 4). Das caeruleum, die blaue Schmalte, aus
Sand, Salpeter u. Kupfer, wurde in Alexandreia erfunden. Cin-
nabari
bedeutet wirklichen, theils natürlichen theils künſtlichen,
Zinnober (Böckh a. O. S. 97), aber auch eine Indiſche Waare,
angeblich aus Drachenblut. Den künſtlichen bereitete zuerſt der
Athener Kallias um Ol. 93, 4.


Ueber die Farbenmateriale: Hirts (§. 74) Mém. iv. 1801.
p.
171. Göthe’s Farbenlehre, ii. S. 54. über die alten Farben-
Benennungen; S. 69 ff. hypothetiſche Geſchichte des Colorits von
H. M. Davy (chemiſche Unterſuchungen) Transactions of
the R. Society,
1815. Auszug in Gilberts Annalen der Phy-
ſik, 1816 St. i, 1. Stieglitz Archäol. Unterhaltungen St. 1. —


4. Ueber die Tafelgemählde, auch auf ganzen Reihen von Ta-
feln, Böttiger S. 280; vgl. aber auch §. 209, 2. Die Staffelei
ὀκρίβας, κιλλίβας. Pictura in tabula — in textili. Cic.
Verr. iv, 1. vgl. §. 209, 9. — Die Alten kannten die Vortheile
des al fresco wohl, Bitruv vii, 3. Pl. xxxv, 31. In Hercu-
lanum iſt gewöhnlich die Grundfarbe al fresco, die übrigen a
tempera.


5. Sehr wahrſcheinlich wird in Göthe’s Farbenl. ii. S. 87. ver-
muthet, daß dieſe Laſurfarbe des Apelles aus Asphalt bereitet wor-
den ſei. Den τόνος kann ich indeß nach Pl. xxxv, 11. Aus-
drücken — inter lumen et umbram — nur auf die Lichtwirkung,
nicht auf den durchherrſchenden Farbenton beziehn. Im Mahlen
des Lichts find den Alten weder kräftige Feuerſcenen (wie der
Brand des Skamandros, Philoſtr. i, 1.), noch mildere Effekte
abzuſtreiten (wie z. B. das Pompejaniſche Bild, bei R. Rochette Mon.
In. i,
9. ein angenehmes Dämmerlicht im Hintergrunde zeigt).
Doch iſt dergleichen auf alten Bildern ſelten.


Am genaueſten analyſirt iſt die ſog. Aldobrandiniſche Hochzeit
(vgl. Echions nova nupta verecundia notabilis Pl. xxxv,
[391]II. Bildende Kunſt. Technik.
36, 9.) — 1606 auf dem Esquilin ausgegraben, leicht und
dünn, aber mit ſehr feinem Sinne für Harmonie und Bedeutung
der Farben gemahlt, jetzt im Beſitz von Vincego Nelli von Ueber-
mahlung gereinigt. — Die Aldobrandiniſche Hochzeit, von Böttiger
(antiquariſch) u. H. Meyer (artiſtiſch). Dresden 1810. L. Biondi
in den Diss. d. Acc. Arch. i. — Zur Litteratur der alten Mah-
lerei: Jo. Scheffer Graphice. Norimb. 1669. H. Junius
de pictura veterum. Roterod. 1694. f. Die §. 74 genann-
ten Schriften.


3. Enkauſtiſche Mahlerei.

320. Ein ſehr ausgebreiteter und beſonders fuͤr Thier-1
und Blumenſtuͤcke, wo Illuſion mehr Hauptſache war
als bei Goͤtter- und Heroengemaͤhlden, angewandter
Zweig der alten Mahlerei (§. 139. 140.) war die En-
kauſtik oder eingebrannte Mahlerei. Man unterſchied drei2
Arten: 1. Das bloße Einbrennen von Umriſſen auf El-
fenbeintafeln mit dem Griffel. 2. Das Auftragen von3
Wachsfarben verſchiedner Art auf Tafeln oder auf Waͤnde
mit Griffeln, womit ein voͤlliges Einſchmelzen derſelben
durch Feuer verbunden war (ceris pingere et picturam
inurere
). 3. Das Bemahlen der Schiffe mit Pinfeln,4
die in fluͤſſiges, mit einer Art Pech vermiſchtes Wachs
getaucht wurden, welches der Außenflaͤche der Schiffe nicht
blos einen Schmuck ſondern zugleich einen Schutz gegen
das Meerwaſſer verſchaffen ſollte. Mit dieſem geringen5
Ergebniſſe aus den Stellen der Alten muͤſſen wir uns
begnuͤgen, da die Verſuche, die verlorne Kunſt der En-
kauſtik zu erneuern, bis jetzt noch kein erwuͤnſchtes Re-
ſultat gewaͤhrt zu haben ſcheinen.


2. Encausta pingendi duo fuisse genera antiquitus con-
stat, cera, et in ebore
(alſo ohne cera), cestro i. e. veru-
culo, donec classes pingi coepere.
Pl. xxxv, 41.


3. Pausias et ceteri pictores eius generis Ioculatas
magnas habent arculas, ubi discolores sunt cerae.
Varro
[392]Syſtematiſcher Theil.
de R. R. iii, 17. Das Einbrennen iſt aber die Hauptſache, wie
ſchon der Ausdruck: Νικίας ἐνέκαε, beweiſt.


4. Schiffsmahlerei. §. 73. Inceramenta navium Liv. xxviii,
45. Κηρὸς unter den Mitteln zum Schiffbau, Xenoph. RP.
Athen.
2, 11. Von dem Pech Pl. xvi, 23. Κηρογρα-
φία an dem Seeſchiff Ptolemäos des IV., Ath. v. p. 204. Na-
vis extrinsecus eleganter depicta,
Apulej. Flor. p. 149.
Wachsmahlerei wurde zeitig zum Schmuck der Architektur gebraucht;
die Triglyphen wurden nach Vitruv iv, 2. cera caerulea ge-
mahlt; auf dieſelbe Weiſe wohl die Lacunarien, deren Figuren
κουρὰς, ἐγκουρὰς hießen (Heſych.), ſchon vor Pauſias. §. 140.


5. Caylus Mém. de l’Ac. des Inscr. xxviii. p. 179.
Walter Die wiederhergeſtellte Mahlerkunſt der Alten. Die Far-
ben. Ein Verſuch über Technik alter u. neuer Mahlerei, von
Roux. 1824. 8.


4. Vaſenmahlerei.

1321. Bei der Vaſenmahlerei, dieſem im Alterthum
ſo wenig beachteten, und doch fuͤr uns ſo wichtigen Kunſt-
zweige — weil keiner ſo wie dieſer den lebendigen Kuͤnſt-
lergeiſt veranſchaulicht, der auch in den entlegnern Wohn-
ſitzen des Griechiſchen Volks das handwerksmaͤßige Trei-
2ben durchdrang und beſeelte — verfuhr man, wenn man
forgfaͤltiger verfuhr, ſo, daß man die ſchon einmal ge-
brannten Gefaͤße mit der gewoͤhnlich angewandten ſchwarz-
braunen Farbe uͤberfuhr, und dann noch einmal in eine
3gelinde Hitze brachte. Dieſe ſchwarzbraune, ſpiegelnde
Hauptfarbe ſcheint Asphalt in Naphtha aufgeloͤſt gewe-
ſen zu ſein; eine duͤnnere Aufloͤſung deſſelben Stoffs er-
gab wahrſcheinlich den mattglaͤnzenden, hellbraͤunlichen
Firniß, der an den nicht bemahlten Stellen allein die
Farbe des Thons uͤberzieht. Bunte Farben, an gegit-
terten Gewaͤndern, Blumenarabesken u. dgl., ſind erſt
ganz nach Vollendung des Brennens als Deckfarben auf-
4geſetzt worden. Doch muß bei den ſehr verſchiednen Ar-
ten der ſogenannten Etruskiſchen Vaſen auch die techni-
[393]II. Bildende Kunſt. Technik.
ſche Behandlung ſehr verſchieden geweſen ſein. Man5
findet auch, beſonders in Attica, Gefaͤße, welche, ganz
nach Art der Waͤnde, mit bunten Farben auf einer wei-
ßen Unterlage gemahlt ſind.


1. Natürlich war dieſer Künſtlergeiſt nicht ohne Streben der
Nachahmung, und auch in dieſem Fache wurde zeitig viel copirt.
Dabei muß man ſich über den Zuſammenhang ſehr entfernter Ge-
genden verwundern, wie z. B. die Tödtung des Minotaur auf einer
Attiſchen Vaſe, bei Burgon in London, grade ſo gezeichnet iſt, wie
auf der berühmten Siciliſchen des Taleides bei Hope; und jetzt die
Panathenaiſchen Preisgefäße genau imitirt in Maſſe in Südetrurien
zum Vorſchein kommen. Auch in dieſer Claſſe gab es Mahler
von einem gewiſſen Ruhm, die ſich auf ihren Werken nennen durf-
ten, wie: Taleides, Aſteas, Laſimos, Kalliphon, Euonymios, Cha-
riton, Nikoſthenes.


2. Daß die Gefäße, wenn man ſie mahlt, nicht mehr weich
waren, beweiſt beſonders die Art der öfter vorkommenden eingeritzten
Linien, wodurch der Mahler ſeine Hand bei einem ſorgfältigeren
Verfahren leitete (ſ. de Roſſi in Millingens Coghill. p. ix), ſo
wie das Körperliche der Farbe über der Oberfläche der Vaſe.


3. Nach Hausmann de confectione vasorum, Commen-
tatt. S. Gott. rec. V. cl.. phys. p.
113. Vgl. Jorio sul
metodo degli antichi nel dipingere i Vasi.
Brocchi sulle
vernici, Bibl. Ital. vi. p.
433. Der zuerſt genannte Gelehrte
ſpricht auch von dem techniſchen Zuſammenhange der ſog. Etruski-
ſchen mit den Germaniſch-Slaviſchen Todtenurnen, denen ähnliche
auch in Italien vorkommen, wie jetzt die Kollerſche Sammlung zeigt.


4. Der Thon iſt citronengelb bei den Vaſen mit monſtroſen Thie-
ren, ledergelb oder bräunlich bei den gewöhnlichen Vaſen des altgriechi-
ſchen und ſchönen Styls; hellfarbig aber röthlich überſtrichen bei den
Vaſen von Baſilicata. Vgl. §. 177, 2. 257, 5. Die aufge-
tragne Farbe iſt bei den im beſten Styl gearbeiteten ſchwarz u.
ſpiegelhell, bei ſchlechtern ohne Glanz. — Manche Gefäße Campa-
niens von vorzüglicher Arbeit ſind ganz ſchwarz überſtrichen.


5. Auf dieſen weißen Vaſen ſieht man gewöhnlich nur noch
leiſe Spuren, gleichſam die eben verſchwindenden Umriſſe der bun-
ten Bilder, die ſich darauf befanden. Ath. v, 200 b. ſpricht
von mit Wachsfarben gemahlten Gefäßen in Alexandreia.


[394]Syſtematiſcher Theil.
b. Zeichnung durch Zuſammenfuͤgung feſter Stoffe, Moſaik.

1322. Moſaik heißt im weiteſten Sinne des Worts
eine Arbeit, welche durch Aneinanderfuͤgung von harten
Koͤrpern eine Zeichnung oder Mahlerei auf einer Flaͤche
2hervorbringt. Dazu gehoͤren folgende Arten: 1. Fußboͤ-
den, welche aus geometriſch zugeſchnittnen und verkitteten
Scheiben verſchiedenfarbiger Steine gebildet werden, pa-
3vimenta sectilia. 2. Fenſter aus verſchiedenfarbigen
Glasſcheiben, welche wenigſtens dem ſpaͤtern Alterthum
4bekannt geweſen zu ſein ſcheinen. 3. Fußboͤden, welche
mit kleinen Wuͤrfeln aus Steinen, die eine farbige Zeich-
nung bilden, belegt ſind, dergleichen im Alterthum nicht
blos in Zimmern, auch in Hoͤfen und Terraſſen anſtatt
des Pflaſters gebraͤuchlich waren, pav. tesselata, litho-
strota,
δάπεδα ἐν ἀβακίσκοις. Dieſe Art kam ſchon
in Hierons Schiffe zur Darſtellung großer mythiſcher Sce-
5nen angewandt und ausgebildet vor. 4. Die feinere
Moſaik, welche eigentlichen Gemaͤhlden moͤglichſt nahe zu
kommen ſucht, und mehr gefaͤrbte Stifte aus Thon oder
lieber Glas anwendet, als das entweder auf wenige Far-
ben beſchraͤnkte oder ſehr theure Material wirklicher Steine,
crustae vermiculatae, auch lithostrota genannt. Solche
Arbeiten finden fich da, wo ſie zweckgemaͤß ſind, an
Fußboͤden, wenigſtens ſchon in Alexandriniſcher Zeit, welcher
Periode Soſos des Pergameners Kehrichtzimmer (οἶκος
ἀσάρωτος) aus Thonwuͤrfeln anzugehoͤren ſcheint; Anwen-
dung von Glaswuͤrfeln zur Zimmerverzierung koͤmmt erſt
in der Kaiſerzeit vor, in welcher dieſe Moſaik immer mehr ge-
ſucht (§. 212.), auch auf Waͤnde und Decken uͤbertragen, und
in allen Provinzen geuͤbt wurde (§. 262. 263.), daher
es auch jetzt an Denkmaͤlern dieſer Gattung, unter de-
nen einige vortrefflich zu nennen ſind, keineswegs man-
6gelt. 5. Zuſammengeſchmolzene Glasfaͤden, welche im
Durchſchnitt immer daſſelbe hoͤchſt zarte und glaͤnzende
7Bild geben. 6. In Metall oder einem andern harten
[395]II. Bildende Kunſt. Technik.
Stoffe werden Umriſſe und vertiefte Flaͤchen eingeſchnit-
ten und ein andres Metall oder Email hineingeſchmol-
zen, ſo daß Bilder daraus hervorgehn, das ſogenannte
Niello. Wie dieſe Art Arbeit zunaͤchſt auf den Kupferſtich8
fuͤhrt: ſo ſcheint auch eine gewiſſe Art deſſelben, ein leicht
vervielfaͤltigter Abdruck von Figuren, als eine voruͤber-
gehende Erſcheinung dem Alterthum nicht unbekannt ge-
blieben zu ſein.


1. Ueber das pictum de Musivo (der Name zuerſt bei Spar-
tian Peſcenn. 6. Trebell. xxx. 25.; offenbar von Muſeen) Ciam-
pini, Furietti de musivis, Paciaudi de sacris christian. bal-
neis,
[Cam. Spreti Compendio istorico dell’ arte di com-
porre i musaici. Rav.
1804. L. Boſſi Lett. sui cubi di
vetro opalizzanti degli antichi Musaici. Mil.
1809.]. Ver-
miglioli Lezioni i. p. 107. ii. p. 280. Gurlitt Ueber die
Moſaik. 1798. Hirt, Mém. de Berlin 1801. p. 151.


2. Dahin gehören auch die Lacedaemonii orbes, auf welche
der übermüthige Reiche den gekoſteten Wein ſprützt, Juv. xi, 172.,
die parietes pretiosis orbibus refulgentes, Seneca Ep. 86.
u. öfter, die gegen die Natur des Steins eingeſetzten maculae,
Pl. xxxv, 1. Die pav. sectilia waren oft der neuern Flo-
rentiniſchen Moſaik, lavoro di commesso, ähnlich.


3. Prudent. Peristeph. hymn. 12, 45. Doch iſt die Stelle
nicht ganz klar.


4. Ueber Hierons Schiff §. 152, 4.


5. Ueber Soſos Pl. xxxvi, 60. Andre asaroti oeci, Stat.
Silv. i, 3, 55. asarotici lapilli, Sidon. Apoll. Carm. xxiii,
57. Den ſchönen Kantharus des Soſos mit den trinkenden und
ſich ſonnenden Tauben ahmt, doch unvollkommen, die Moſaik aus V.
Hadriani, M. Cap. iv,
69., nach. Ein andrer Künſtler der
Art Dioskorides von Samos auf zwei Pompejaniſchen Moſaiken,
Winck. W. vi. S. 296. Die Moſaik aus Glaswürfeln bezeich-
net Pl. xxxvi, 64. durch vitreae camerae; darauf geht Sta-
tius Sylv. i, 5, 42: effulgent camerae vario fastigia vi-
tro.
Berühmte Moſaiken: 1. die Präneſtiniſche, eine
naturhiſtoriſche und ethnographiſche Darſtellung Aegyptens. Del.
Ios. Sincerus, sc. Hieron. Frezza.
1721. Bei Bartoli
Peintures ant. 34. vgl. Barthelemy Mém. de l’Ac. des Inscr.
[396]Syſtematiſcher Theil.
xxx p. 503. [L. Cecconi Del pavimento in Mus. rinvenuto
nel tempio della Fortuna l’renest. R.
1827, dagegen C.
Fea L’Egitto conquistato dall’ Imperatore Cesare Ott.
Aug. sopra Cleopatra e M. Ant. rappr. nel Musaico di
Palestrina
]. 2. Die Capitoliniſche Moſaik mit dem ſpinnenden
Herakles von Antium, M. Cap. iv, 19. 3. Die aus der
Tiburtiniſchen Billa Hadrians mit dem Panther- und Kentauren-
kampf, in aed. M. Marefusci. Savorelli del. Capellan sc.
4. Die Scenen der Tragödie und des Drama Satyr. im PCl.
Millin Description d’une Mosaique antique du Musée PCl.
1819. f.
5. Die Muſenköpfe und Circusſpiele von Italica,
von Laborde, §. 262, 4, genauer als irgend eine andre Moſaik be-
kannt gemacht. Andre PCl. vii, 46. 47. (alt?) sq. Chriſt-
liche bei Ciampini i. c. 10. p. 78 sqq.


6. Winck. W. ii. S. 40. Klaproth u. Minutoli über antike
Glasmoſaik. Berl. 1815.


7. Tb. Isiaca §. 230, 4. Fiorillo über Niello-Arbeiten,
Kunſtbl. 1825. N. 85 ff. Böttiger Archäol. der Mahl. S. 35.


8. Kaum erlaubt Plinius Stelle xxxv, 2. von Varro’s bildlich
vervielfältigter, überallhin verſandter Iconographie (munus etiam
diis invidiosum
) an etwas Anders zu denken als an abgedruckte
Fignren


[397]
II.Optiſche Technik.

323. Der Kuͤnſtler ſtrebt, durch Formung des gegeb-1
nen Stoffes oder durch Auftragung von Farben dem
Auge und dem Geiſte des Beſchauers den Schein und
die Vorſtellung von Koͤrpern zu gewaͤhren, wie ſie wirk-
lich und natuͤrlich vorhanden ſind. Am einfachſten erreicht2
er dies durch eine voͤllige Nachbildung des Koͤrpers in
runder Form (rondo bosso). Indeſſen macht auch
hiebei theils hohe Aufſtellung, theils Coloſſalitaͤt des Bil-
des Veraͤnderung der Form mit Ruͤckſicht auf den Stand-
punkt des Beſchauers, deſſen Auge den Eindruck einer
natuͤrlichen und wohlgeſtalten Form erhalten ſoll, noͤthig;
auch wird der Kuͤnſtler ſchon bei einzelnen Geſtalten, noch
mehr aber bei Gruppen, haͤufig veranlaßt ſein, ſeine
Compoſition fuͤr den Anblick von einer gewiſſen Stelle
aus einzurichten. Verwickelter wird die Aufgabe, wenn3
die Naturformen, gleichſam auf eine Flaͤche zuſammenge-
druͤckt (welches Verfahren immer in einer Unterordnung
der Plaſtik unter tektoniſche Zwecke ſeinen Grund hat),
ſich in einem ſchwaͤcheren Spiele von Licht und Schat-
ten zeigen ſollen als es die runde Arbeit gewaͤhrt; wie
ſolches in den verſchiednen Arten des Reliefs (§. 27)
der Fall iſt. Ein voͤllig optiſches Problem aber wird4
die Aufgabe, wenn durch Farbenauftrag auf einer ebnen
Flaͤche
eine Anſchauung des Gegenſtandes erreicht wer-
den ſoll, indem nur aus der Nachahmung der Lichter-
ſcheinungen an den runden Koͤrpern, wie ſie von einem
vorausgeſetzten Standpunkte in beſtimmten Lagen und
Verhaͤltniſſen der Koͤrper ſich darſtellen, d. h. nur durch
Beobachtung der perſpektiviſchen Geſetze, der Ein-
druck der Wirklichkeit hervorgebracht werden kann.


3. Die Alten ſcheinen in der Benennung der verſchiednen Ar-
ten Relief keine ganz feſte Terminologie gehabt zu haben. Ζῷα
[398]Syſtematiſcher Theil.
περιφανῆ bedeutet bei Ath. v, 199 e. deutlich runde Figuren
(ähnlich ξύλα περιφανῆ Klem. Protr. p. 29); dagegen bei
demſelben v, 205 c. Reliefs, offenbar Hautreliefs. Πρότυπα
(πρόςτυπα Ath. v, 199 e.) und ἔκτυπα ſtehen ſich bei
Plin. xxxv, 43. als Hautrelief u. Basrelief entgegen, doch iſt
ἔκτυπα bei Pl. xxxvii, 63. u. Seneca de benef. iii, 26.
im Allgemeinen Relief. Sonſt ſind τύπος, διατετυπωμένα
§. 237, 1., ἐκτετυπωμένα ἐπὶ στήλη Pauſ. viii, 48, 3.
u. ἐπειργασμένα übliche Ausdrücke für Relief. Vorſpringende Thier-
köpfe ſind πρόκροσσοι, προτομαί.


1324. Wenn nun auch die alte Kunſt nicht von der
Auffaſſung des optiſchen Bildes, vielmehr durchaus von
koͤrperlicher Nachbildung ausging, und dieſe immer ihr
Prinzip blieb (ſo daß das Relief ſtatuariſch, und die
Mahlerei zum großen Theile reliefartig behandelt wurde):
ſo mangelte doch der Periode ihrer Vollendung die Beob-
achtung der perſpektiviſchen Geſetze keineswegs; ebenſo-
wenig in der Plaſtik bei Coloſſalſtatuen (§. 115, 2), als
2in der Mahlerei, wo ſich ein eigner Zweig perſpektivi-
ſcher Mahlerei, die Skenographie oder Skiagraphie (§. 107,
3. 136, 2. 163. 184, 2. 210.) ausbildete, bei
welchem ſogar, gegen den Geiſt des Alterthums im
Ganzen, der Erreichung taͤuſchender Effekte fuͤr fernſte-
hende und wenig kunſtverſtaͤndige Betrachter die ſorgfaͤl-
3tigere und feinere Zeichnung aufgeopfert wurde. Im
Allgemeinen aber galt den Alten hoͤher, als die aus
perſpektiviſch genauer Verkuͤrzung und Verſchraͤnkung der
Figuren hervorgehende Illuſion, die voͤllige Darſtellung
der Formen in ihrer Schoͤnheit und Bedeutſamkeit; wo-
durch die Ausuͤbung und Entwickelung jener optiſchen
Kenntniſſe und Kunſtfertigkeiten zwar nach Kunſtzweigen
und Zeiten verſchieden, in Staffeleibildern weniger als
in Reliefs und Vaſen-Monochromen, in einem ſpaͤtern
luxuriirendem Zeitalter weniger als in fruͤhern Zeiten,
aber im Ganzen doch in einem weit hoͤhern Grade als
in der neuern, den umgekehrten Weg nehmenden Kunſt-
4entwickelung, bedingt und beſchraͤnkt wurde. Aus jenem
Formenſinne, welcher die Eurhythmie und abgewogne
[399]II. Bildende Kunſt. Technik.
Wohlgeſtalt mit Klarheit zu erkennen und in ihren Fein-
heiten zu genießen verlangt, folgt auch die (wenigſtens den
erhaltnen Wandmahlereien nach) geringe Ruͤckſicht der Alten
auf Luftperſpektive, d. h. auf die durch die groͤßre oder
geringre Schicht von Luft, welche das optiſche Bild des
Gegenſtandes durchmißt, hervorgebrachte Verwiſchung der
Umriſſe und Verſchmelzung der Farben, indem die alten
Mahler offenbar die Gegenſtaͤnde im Ganzen dem Auge nahe
zu halten oder einen klaren Aether als Medium zu den-
ken gewohnt waren.


2. Darüber Ariſtoteles Rhet. iii, 12. Im Allgemeinen über
Perſpektive der Alten außer dem §. 107, 3. Angeführten Böttiger
Archäol. der Mahl. S. 310. Calagrapha §. 90, 1. Von dem
ambire se §. 138, 2.; dem ἐξέχον §. 141, 4.


3. Das Basrelief der Griechen geht im Ganzen von einer
Durchſchneidung der Figuren in rechte und linke Seite aus; und
es beſtätigt ſich auch an den meiſten Figuren am Fries des Parthenon,
was Plato Sympoſ. p. 193 ſagt, daß die ἐν ταῖς στήλαις (auf
Grabſteinen) κατὰ γραφὴν (§. 310, 6) ἐκτετυπωμένοι durch
die Naſe mitten durchgeſägt erſchienen. In der Mahlerei dagegen,
welche ſtärkere Verkürzung ausdrücken kann, habet speciem tota
facies,
Quint. ii, 13. vgl. Pl. xxxv, 36, 14.


[400]
Zweiter Theil.
Von den Formen der alten Kunſt.

I.Vom menſchlichen Koͤrper.

A. Allgemeine Grundſaͤtze.

1325. Die Hauptform der alten Kunſt iſt der menſch-
liche Koͤrper. Der Menſchenkoͤrper erſchien den alten
Griechen als das nothwendige Correlat des Geiſtes, als
2der natuͤrliche und einzige Ausdruck dafuͤr. Wenn ur-
ſpruͤnglich die Auffaſſung der Naturereigniſſe und Localitaͤ-
ten, der menſchlichen Zuſtaͤnde und Eigenſchaften als goͤtt-
licher Perſonen zur Religion gehoͤrte, und aus dem tief-
ſten Grunde der religioͤſen Vorſtellungen des Alterthums
hervorging: ſo war ſpaͤter, als dieſe religioͤſe Vorſtel-
lungsweiſe ſchon lange verſchwunden war, die Darſtel-
lung aller dieſer Gegenſtaͤnde in menſchlichen Geſtalten rei-
nes Kunſtbeduͤrfniß geworden; und auch unabhaͤngig von
Cultus und Glauben erſchuf die Kunſt fuͤr ſich, ihren in-
nern Geſetzen folgend, eine unuͤberſehbare Zahl von Ge-
3ſtalten dieſer Art. Bis in die ſpaͤteſte Zeit, ſelbſt bis
in die, wo eine fremdartige Religion der fruͤhern Welt-
anſchauung voͤllig ein Ende gemacht hatte, blieb es Grund-
ſatz und Charakter der Griechiſchen Kunſt, den Ort einer
Handlung, die innern Antriebe, die befoͤrdernden und
hemmenden Verhaͤltniſſe, perſoͤnlich in menſchlicher Ge-
ſtalt hinzuſtellen, und dagegen die aͤußre Naturerſcheinung
moͤglichſt zuſammengezogen, faſt nur als Attribut dieſer
Geſtalten zu behandeln.


[401]II. Bildende Kunſt. Formen.

2. S. unten: Gegenſtände. Gottheiten des Orts, der Zeit,
ſittlicher Eigenſchaften.


3. S. oben §. 214, 2.


326. Wird dies, wie es die Natur des Factums for-1
dert, nicht als eine einzelne Aushuͤlfe des Kuͤnſtlers, ſon-
dern als ein allgemeiner und durchgaͤngiger Grundſatz
der antiken Kunſt gefaßt: ſo koͤnnen wir ſchon daraus
das Hauptprinzip der Griechiſchen Kunſt und eigentliche
Grundgeſetz der kuͤnſtleriſchen Thaͤtigkeit im Alterthum
kennen lernen. Gewiß war dies nicht ein Wiedergeben2
und unmittelbares Nachahmen des aͤußerlich Erfahrenen,
Geſchauten, des ſogenannten Realen; ſondern ein Schaf-
fen von innen heraus, ein Erfaſſen des geiſtigen Lebens,
und Abdruͤcken deſſelben in der damit natuͤrlich verbunde-
nen Form. Natuͤrlich kann auch dies nicht ſtattfinden3
ohne liebevolle Nachahmung des ſinnlich Erſchauten; ja
eben nur der innigſten und feurigſten Auffaſſung dieſer
Form, des menſchlichen Koͤrpers, erſcheint ſie als der all-
gemeine und erhabne Ausdruck eines Alles durchdringen-
den Lebens. Aber das Ziel dieſer Nachahmung war nicht
das Wiedergeben der einzelnen in die Erfahrung getrete-
nen Erſcheinung, ſondern der Ausdruck von innrer Le-
benskraft und geiſtigem Weſen. Eben deswegen tragen4
die Bildungen der Griechiſchen Kunſt von Anfang an den
Charakter einer gewiſſen Allgemeinheit, und das eigent-
liche Portraͤt tritt erſt verhaͤltnißmaͤßig ſpaͤt ein.


4. Hierin iſt der Orient ganz unter demſelben Geſetz begriffen,
wie das Griechiſche Alterthum, und die Kunſt ſteht hier von indi-
vidueller Nachahmung noch ferner, der Charakter der Formen iſt ein
noch allgemeinerer.


327. So wenig nun die Griechiſche Kunſt in ihren1
beſten und aͤchteſten Zeiten uͤber den gegebnen Naturkoͤr-
per hinaus Formen erſinnen zu koͤnnen glaubte: eben ſo
wenig glaubte ſie in ihrer Hauptrichtung, denn es gab
26
[402]Syſtematiſcher Theil.
zu allen Zeiten auch Nebenwege (ſ. z. B. §. 123.), das
von der Geſtalt aufnehmen zu muͤſſen, was uns im Ver-
haͤltniß zum innern Leben unweſentlich und als eine reine
Zufaͤlligkeit erſcheint; obgleich es wahr iſt, daß auch dies
in ſeinem dunkeln Zuſammenhange mit dem Geſammten
einen beſondern Reiz und eigenthuͤmlichen Werth (den der
2Individualiſirung) haben kann. Dagegen entwickelten ſich
in den Griechiſchen Kunſtſchulen Formen, welche dem
nationalen Sinn und Gefuͤhl als die des vollendeten und
ungeſtoͤrt entwickelten Organismus, als die wahrhaft ge-
ſunden erſchienen, und darum im Allgemeinen der Dar-
ſtellung eines hoͤhern Lebens zum Grunde gelegt wurden
3(die ſogenannten Idealformen). Einfachheit und Groß-
heit ſind die Haupteigenſchaft dieſer Formen, woraus
zwar keine Vernachlaͤfſigung der Details, aber eine Un-
terordnung der Nebenpartieen unter die Hauptformen her-
vorgeht, welche der ganzen Darſtellung eine hoͤhere Klar-
4heit verleiht. Theils als natuͤrliche Modificationen
dieſer Grundformen, theils auch als abſichtliche Verbil-
dungen erſcheinen die verſchiedenen Charaktere, welche
das Leben in ſeinen mannigfachen Richtungen und Sei-
5ten kuͤnſtleriſch darſtellen. Wenn es daher noͤthig iſt, auf
der einen Seite die Formen kennen zu lernen, welche dem
Griechiſchen Sinn als die allgemein richtigen erſchienen:
ſo koͤmmt eben ſo viel darauf an, ſich der Bedeutung
bewußt zu werden, welche der Grieche in der beſondern
Bildung eines jeden Theils wahrnahm.


3. Ueber dieſen Grundſatz Eméric David Recherches sur l’art
statuaire considérée chez les anciens et chez les moder-
nes.
Außer den Forderungen des Kunſtwerks im Allgemeinen,
welche auf Deutlichkeit und harmoniſches Zuſammenwirken gehn,
kommen hier auch die beſondern Forderungen des Stoffes in An-
ſchlag. Der todte Stoff verträgt weniger Mannigfaltigkeit von De-
tails, als der lebendige Körper zeigt; in eine ſtarre ſpröde Maſſe über-
tragen erſcheint Vieles ſtörend und widrig, was im Leben vortheil-
haft zum Ganzen wirkt. Vgl. §. 25, 1. Auch haben wohl ver-
ſchiedne Stoffe verſchiedne Geſetze; es ſcheint nach einigen Fragmen-
ten, daß in Bronze die Alten mehr von den Adern und andern
[403]Bildende Kunſt. Formen.
leiſen Hebungen und Senkungen der Oberfläche angaben als im
Marmor.


B. Charakter und Schoͤnheit der einzelnen Formen.

1. Studien der alten Kuͤnſtler.

328. Obgleich in Griechenland ſelbſt die Aerzte, wie1
viel mehr die Kuͤnſtler, von Leichenſectionen durch eine
unuͤberwindliche Scheu zuruͤckgehalten wurden: ſo eigne-2
ten ſich dagegen die Griechiſchen Kuͤnſtler durch die Ge-
legenheiten, welche das gewoͤhnliche Leben, beſonders durch
die gymnaſtiſchen Schulen und Spiele, darbot (und auch
eigentliche Modelle fehlten ihnen nicht), bei einem her-
vorſtechenden Talente der Auffaſſung, welches durch Ue-
bung zu einem wunderbaren Grade geſteigert wurde, die
lebendige, bewegte oder auf Bewegung hindeutende Men-
ſchengeſtalt unendlich genauer an, als es jemals durch
anatomiſche Studien geſchehen kann. Und wenn im Ein-3
zelnen einige Unregelmaͤßigkeiten in ihren Arbeiten wahr-
zunehmen ſind: ſo ſind doch im Ganzen die Werke der
Griechiſchen Kunſt in demſelben Grade genauer und treuer
in der Darſtellung der Natur, als ſie den beſten Zeiten
naͤher ſtehn. Die Statuen von Parthenon zeigen darin
die hoͤchſte Vollkommenheit; in manchen Werken Alexan-
driniſcher Zeit wird die Kunſt ſchon prunkend und ge-
wiſſermaßen zudringlich; bei Roͤmiſchen marmorariis er-
ſetzt eine gewiſſe Schule, die ſich nur an das Allgemeine
haͤlt, die Waͤrme und Unmittelbarkeit eigner Naturſtudien.4
Jene zu wuͤrdigen, vollkommen zu verſtehn, iſt auch das
genaueſte Studium der anatomiſchen Wiſſenſchaft zu ſchwach,
weil ihm die Anſchauung des in der Fuͤlle des Lebens
und dem Feuer der Bewegung ſeine Herrlichkeit entfal-
tenden Koͤrpers immer entgehn muß.


1. Kurt Sprengel Geſch. der Arzneikunde i. S. 456. vermu-
thet bei Ariſtoteles die erſten Zergliederungsverſuche, und nimmt
26*
[404]Syſtematiſcher Theil.
dergleichen unter den Ptolemäern als ſicher an, S. 524. (1821).
Nach Andern ſecirte ſelbſt Galen Affen und ſchloß daraus auf Men-
ſchen. Geſchichte des os maxillare in Göthe’s Morphologie. Vgl.
Blumenbachs Vorleſung de veterum artificum anatomicae pe-
ritiae laude limitanda, celebranda vero eorum in cha-
ractere gentilitio exprimendo accuratione,
GGA. 1823. S.
1241. Dagegen ſucht Hirt, Schriften der Berl. Akad. 1820.
Hiſt. Cl. S. 296., ein ſynchroniſtiſches Verhältniß der Ausbildung
der Zergliederungskunſt (ſeit Alkmäon Ol. 70. ?) und der plaſti-
ſchen darzuthun.


2. Von den Agrigentiniſchen Jungfrauen (Krotoniatiſchen ſetzen
Andre, weil das Bild ſich bei Kroton befand) als Modellen der
Helena des Zeuxis erzählen Viele. (Das Vereinigen getrennter
Schönheiten ſchien den alten Kunſtrichtern etwas keineswegs Unmög-
liches, ſ. Xenoph. Mem. Socr. iii, 10. Ariſt. Pol. iii, 6).
Von der Theodote, ἣ τὸ κάλλος ἑαυτῆς ἐπέδειξεν, Xen. Mem.
Socr. iii,
11. Der Buſen der Lais wurde von den Mahlern
copirt, Athen. xiii, 588 d. Auch die Stelle Plut. Perikl. 13.
deutet auf weibliche Modelle, die Phidias brauchte. Männ-
liche
kommen wohl nie vor; die Gymnaſtik gewährte natürlich viel
ſchönere Entwickelungen männlicher Kraft und Schönheit, als die
ſteifen Akte einer Akademie.


3. Ueber die Lebhaftigkeit und Begeiſterung, mit der die Grie-
chen körperliche Wohlgeſtalt auffaßten, und dieſem Genuſſe nach-
trachteten, hat Winckelmann iv S. 7 ff. die Hauptzüge aus
den Alten geſammelt; doch ſind noch einige Berichtigungen nöthig.


4. Das dem Archäologen Weſentlichſte aus der Oſteologie und
Myologie bequem mitzutheilen, iſt kein Buch geeigneter, als Jean-
Galbert Salvage’s Anatomie du Gladiateur combattant.
Par. 1812. f.
Am meiſten kommen bei der Charakteriſirung
und detaillirten Beſchreibung von Statuen in Betracht, am Rumpfe
die Formen des musculus magnus pectoralis, rectus ventris,
der m. serrati (dentelés), magni obliqui, magni dorsales,
rhomboidei, magni
u. medii glutei; am Halſe und den Schul-
tern der sterno-cleido-mastoides und trapezii, an den Armen
des deltoides, biceps, triceps, longus supinator; an den
Beinen des rectus anterior, internus et externus femo-
ralis, biceps,
der gemelli und des tendo Achillis.


[405]II. Bildende Kunſt. Formen.
2. Behandlung des Geſichts.

329. Der Grundſatz der alten Kunſt, die Umriß-1
Linien in einem moͤglichſt einfachen Schwunge fortzufuͤh-
ren, wodurch jene hohe Einfalt und Großheit entſteht,
welche der alten Kunſt beſonders angehoͤrt, zeigt ſich am
deutlichſten in dem Griechiſchen Profil der Goͤtter-2
und Heroengeſtalten, durch den ununterbrochenen Zug
der Stirn- und Naſenlinie und die dagegen ſtark zuruͤck-
weichende Flaͤche, welche ſich von dem Kinn uͤber die
Wangen in einfacher und ſanfter Ruͤndung fortzieht.
Wenn dieſes Profil ſicher der ſchoͤnen Natur entnommen,3
und keine willkuͤhrliche Erfindung oder Zuſammenfuͤgung
verſchiedenartiger Beſtandtheile iſt: ſo iſt doch auch nicht
zu laͤugnen, daß plaſtiſche Beduͤrfniſſe bei deſſen Aufnahme
und Ausbildung einwirkten; indem namentlich der ſcharfe
Superciliarbogen und das ſtarke Zuruͤcktreten der Augen
und Wangen, welches in der Alexandriniſchen Periode oft
uͤbertrieben wurde, dazu da iſt, eine das Leben des Au-
ges erſetzende Lichtwirkung hervorzubringen. Der Stirn,4
welche in einem ununterbrochnen Bogen von den Haaren
eingefaßt wird, mißt der Griechiſche Nationalgeſchmack
eine geringe Hoͤhe zu, daher ſie oft durch Binden ab-
ſichtlich verkuͤrzt wird; in der Regel in einer ſanften Woͤl-
bung vortretend, ſchwillt ſie nur bei Charakteren von
ausnehmender Kraftfuͤlle in maͤchtigen Protuberanzen uͤber
dem innern Augenwinkel empor. Der feinabgewogne
Schwung des Superciliarbogens druͤckt auch an den Sta-
tuen, bei denen keine Augenbraunen angegeben wurden,
die ſchoͤne Form derſelben aus (ὀφρύων τὸ εὔγραμμον
§. 127, 4). Die Normal-Naſe, welche jene5
grade Richtung und gewoͤhnlich einen ſcharf bezeichneten
flachen Ruͤcken hat, liegt in der Mitte zwiſchen der Ad-
lersnaſe, dem γρυπὸν, und der aufgeſtuͤlpten, gepletſch-
ten Naſe, dem σιμόν. Letztres galt zwar im Ganzen
als haͤßlich, und wurde zu einer barbariſchen Bildung
gerechnet; wie es indeſſen die Griechen auch als allge-
[406]Syſtematiſcher Theil.
meine Eigenſchaft der Kinder anerkannten, glaubten ſie
darin eine naive Grazie und eine muthwillige Schalkheit
wahrzunehmen; das Geſchlecht der Satyrn und Silenen
zeigt daher dieſe Naſe bald in caricirter bald auch in
6anmuthiger Ausbildung. Den Augen, dieſem Licht-
punkte des Geſichts, vermochten die alten Kuͤnſtler durch
ſtaͤrkere Oeffnung und Woͤlbung Großheit, durch mehr
aufgezogene und eigengeformte Augenlieder das Schmach-
tende und Zaͤrtliche, welches gewoͤhnlich ὑγρὸν heißt, zu
7geben. Wir bemerken noch die Kuͤrze der Oberlip-
pe
, die feine Bildung derſelben, die ſanfte Oeffnung
des Mundes, welche bei allen Goͤtterbildern der vol-
lendeten Kunſt durch einen kraͤftigen Schatten das Ge-
ſicht belebt, und oft ſehr ausdrucksvoll wird; vor allen
aber das weſentlichſte Merkmal aͤchtgriechiſcher Bildung,
das runde und großartig geformte Kinn, welchem ein
Gruͤbchen nur ſehr ſelten einem untergeordneten Reiz
8mittheilt. Die ſchoͤne und feine Bildung der Ohren
findet uͤberall ſtatt, wo ſie nicht, wie bei Athleten, von
haͤufigen Fauſtſchlaͤgen verſchwollen (ὦτα κατεαγὼς)
gebildet werden.


1. S. darüber Winckelmann iv S. 53.


2. Winck. ebd. S. 182.


3. Ueber das Verhältniß des Griech. Profils (beſonders des ſog.
angulus facialis) zur Natur Pet. Camper Ueber den natürl.
Unterſchied der Geſichtszüge des Menſchen S. 63., welcher die Rea-
lität jenes Profils läugnet. Dagegen Eméric David Recher-
ches sur l’art statuaire. Paris 1805. p.
469. Blumenbach
Specimen historiae nat. antiquae artis opp. illustratae,
Comtt. Soc. Gott. xvi. p.
179. Ch. Bell Essays on the
anatomy and philosophy of expression. 2 ed. (1824.)
Ess.
7. — Die Hauptſtelle über die Griech. Nationalbildung,
in welcher man auch das Griech. Profil erkennt, iſt Adamantios
Phyſiogn. c. 24. p. 412 Franz.: Εἰ δέ τισι τὸ ‘Ελληνικὸν
καὶ Ἰωνικὸν γένος ἐφυλάχϑη καϑαρῶς, οὗτοί εἰσιν αὐ-
τάρκως μεγάλοι ἄνδρες, εὐρύτεροι, ὄρϑιοι, εὐπαγεῖς, λευ-
κότεροι τὴν χρόαν, ξανϑοί σαρκὸς κρᾶσιν ἔχοντες με-
[407]II. Bildende Kunſt. Formen.
τρὶαν, εὐπαγεστέραν, σκέλη ὀρϑὰ, ἄκρα εὐφυῆ· κεφαλὴν
μέσην τὸ μέγεϑος, περιαγῆ· τράχηλον εὔρωστον· τρίχωμα
ὑπόξανϑον, ἁπαλώτερον, οὔλον πρᾴως· πρόσωπον
σετράγωνον, χείλη λεπτὰ, ῤῖνα ὀρϑήν·
ὀφϑαλ-
μοὺς ὑγροὺς, χαροποὺς, γοργοὺς, φως πολὺ ἔχοντας ἐν αὐ-
τοῖς· εὐοφϑαλμότατον γὰρ πάντων ἐϑνῶν τὸ ‘Ελλη-
νικόν (die ἑλίκωπες Ἀχαιοί Homers). Unter neuern Reiſenden,
welche die Schönheit der Griechen preiſen, zeigt ſich enthuſiaſtiſcher
als Andre Caſtellan Lettres sur la Morée T. iii. p. 266.


4. Frons tenuis, brevis, minima, Winckelm. ebd. S. 183 ff.


5. Ῥὶς εὐϑεῖα, ἔμμετρος, σύμμετρος, τετράγωνος
(Philoſtrat Her. 2, 2. 10, 9.) ſ. Siebelis zu Winck. viii. 185.
Ῥὶς παρεκβεβηκυῖα τὴν εὐϑύτητα τὴν καλλίστην, πρὸς τὸ
γρυπὸν ἢ τὸ σιμόν. Ariſt. Polit. v, 7. — Die ſog. Ariſto-
teliſche Phyſiogn. p. 120 Fr. vergleicht das γρυπὸν mit dem
Profil des Adlers, das ἐπίγρυπον mit dem des Raben. Eben
ſo verhalten ſich σιμὸς (repandus, supinus, resimus) und
ἐπίσιμος. — Die σιμότεραι, ἀνάσιμοι, ſtehen den
σεμναῖς entgegen, Ariſt. Ekkl. 617. 938. Der Neger sima
nare,
Martial. Die Kinder Ariſt. Problem. 34. Die Maske
des Landmanns Pollux iv, 147. Σιμὰ γελᾷν, ſchalkhaft Winck.
W. v. S. 581. Σιμὸς=σιλὸς, σιλλὸς, Σιληνός. Si-
mula
Σιληνὴ ac Σατύρα est, Lucrez iv, 1165. Der Lie-
bende nennt nach Platon (Plutarch, Ariſtänetos) den σιμὸς ἐπί-
χαρις, wie den γρυπὸς βασιλικός. Als Satyrn ähnlich ſind
die σιμοὶ auch λαγνοί, Ariſt. Phyſiogn. p. 123. Vgl. Winck.
W. v. S. 251. 579. vii. S. 93.


6. Ueber das ὑγρὸν Winck. iv. S. 114. vii. S. 120.
Aphrodite hat es, §. 127, 4.; aber auch Alexander. S. §. 129,
4, auch Plut. Pompej. 2. Die Römer ſetzen paetus, suppaetu-
lus
dafür, wovon strabus, ſchielend, der Exceſſ iſt. Von der
ſpätern Arbeit der Augen §. 204, 2. Winckelm. iv. S. 201.


7. Ueber die νύμφη im Kinn Winckelm. iv. S. 208. Varro
im Παπίας πάππος p. 297. Bip. u. Appulej. Flor. p. 128.
rühmen die modica mento lacuna als Schönheit. Auch der
gelasinus in den Wangen ziemt nur ſatyresken Schönheiten.


8. Darüber hat Winck. ii. S. 432. iv. S. 210. Mon.
ined. n.
62. zuerſt Licht verbreitet. Viſconti PioCl. T. vi.
t. 11 p.
20. Vgl. die Abbildung ſolcher Ohren von einer Herakles-
[408]Syſtematiſcher Theil.
Büſte im Musée Napoléon T. iv, 70., u. in den Kupfern zu
Winck. iv. T. 4., D. Ὠτοκάταξις, ὠτοϑλαδίας.


1330. Auch das Haar iſt in der Griechiſchen Kunſt
charakteriſtiſch und bedeutungsvoll. Denn wenn ein vol-
les langgelocktes Haar in Griechenland (ſeit den Zeiten
der „hauptumlockten Achaͤer“) das gewoͤhnliche war:
ſo herrſchte dagegen bei gymnaſtiſchen Epheben und Athle-
ten die Sitte es kurzabgeſchnitten zu tragen, und ein
anliegendes, wenig gekraustes Lockenhaar bezeichnet in
2der Kunſt Figuren dieſer Art. Bei ſehr maͤnnlichen und
kraftvollen Geſtalten nimmt dies kurze Lockenhaar eine
3ſtraffere und krauſere Geſtalt an; dagegen ein ſich
mehr ausdehnendes, in langen Bogenlinien an Wange
und Nacken herabringelndes Haar als Zeichen eines wei-
4cheren und zarteren Charakters galt. Ein erhabnes und
ſtolzes Selbſtgefuͤhl ſcheint bei den Griechen zum Merk-
mal einen Haarwuchs zu haben, der ſich von dem Mit-
tel der Stirn gleichſam emporbaͤumt, und in maͤchtigen
5Bogen und Wellen nach beiden Seiten herabfaͤllt. Die
beſondre Haartracht einzelner Goͤtter und Heroen, welche
im Ganzen ſehr einfach iſt, wird mitunter durch das
Coſtuͤm verſchiedener Voͤlkerſchaften, Alter und Staͤnde
beſtimmt; immer aber iſt in aͤchtgriechiſcher Zeit das
Haar, wenn auch mit Sorgfalt und Zierlichkeit, doch
6auf eine einfach gefaͤllige Weiſe geordnet. Das Ab-
ſcheeren des Bartes, das erſt zu Alexanders Zeit auf-
kam und auch da vielen Widerſpruch fand, unterſcheidet
7ſehr beſtimmt ſpaͤtere Bildniſſe von fruͤheren. Die
kuͤnſtleriſche Behandlung des Haars, welche in der Sculptur
immer etwas Conventionelles hat, geht fruͤher von dem
allgemeinen Bemuͤhen nach Regelmaͤßigkeit und Zierlich-
keit, ſpaͤter von dem Streben aus, durch ſcharfe Abſon-
derung der Maſſen aͤhnliche Lichtwirkungen, wie am wirk-
lichen Haare, hervorzubringen.


1. Vgl. unten über die Haare von Hermes und Herakles.
Das kurze Ephebenhaar hat darin ſeinen natürlichen Grund,
[409]II. Bildende Kunſt. Formen.
daß das im Knabenalter genährte Haar eben erſt abgeſchnitten iſt. Es
tritt dann an die Stelle der zierlichen Zöpfe (κόννος, σκόλλυς,
im Ganzen κῆπος) die einfache Haartracht σκαφίον (vgl. Lucian
Lexiph. 5. mit Thuk. ii, 62. Schol. Ariſt. Vögel 806. Athen.
xi, 494). Dazu kommen die gymnaſtiſchen Vortheile des kur-
zen Haars. Ἐν χρῷ ἀποκεκαρμένος ὥσπερ οἱ σφόδρα
ἀνδρώδεις τῶν ἀϑλητῶν, Lucian dial. mer. 5, 3. Die Pa-
läſtra bei Philoſtr. Imagg. ii, 32. hat kurzes Haar.


2. Unten: Ares. Οὖλος, βλοσυρὸς τὸ εἶδος, Poll. iv,
136.


3. Unten: Dionyſos. Beſonders Eurip. Bakch. 448: πλόκα-
μός τε γάρ σου ταναὸς οὐ πάλης ὕπο (nicht der Ringkampf
hat es ſo lang und ſchlaff gemacht), γένυν παρ̕ αὐτὴν κεχυμέ-
νος, πόϑου πλέως. Τριχωμάτιον μαλακὸν τῷ σώματι
συγκεκαϑικὸς οὐκ ἐπισπερχές, Ariſt. Phyſiogn. p. 38. Τε-
τανόϑριξ.


4. So bei Zeus. Solches Haar heißt ἀνάσιμον oder ἀνάσιλ-
λον τρίχωμα, Poll. iv, 138. Schneider Lex. s. v., und ge-
hört zum Anſehn des Löwen, Ariſt. Phyſiogn. 5. p. 81; bei dem
Menſchen bezeichnet es das ἐλευϑέριον, ebd. 6. p. 151. —
Von dem ἀναχαιτίζειν τὴν κόμην Pollux ii, 25 u. unten
Achill. Eben ſo iſt die ἀναστολὴ τῆς κόμης unter den Kenn-
zeichnen [Alexanders.] Plut. Pompej. 2. (relicina frons oben §. 129, 4.)
Das Gegentheil iſt ἐπίσειστος, wie der Thraſo nach Poll. iv, 147.


5. Ausnahmen, wie die κόραι das Erechtheion §. 109, 4.
erklären ſich durch ſich ſelbſt. An dieſen glaube ich auch die
Form des Κόρυμβος, κρωβύλος oder σκορπίος deutlich wahr-
zunehmen (vgl. Winck. vii. S. 129. Raeke Choeril. p. 74.
Thierſch Act. phil. Mon. iii, 2. p. 273. Göttling Arist. Pol.
p.
326.), einer Haarſchleife über der Stirn, die, bei den älteren
Athenern allgemein üblich, ſich ſpäter beſonders bei der Jugend er-
hielt, daher ſie bei Apollon, Artemis, Eros gefunden wird. Die
Lockenreihen über der Stirn in Statuen alten Styls ſcheinen die
προκόττα, Poll. ii, 29, zu ſein. Das Hektoriſche Haar war
vorn reichlich u. fiel in den Nacken (ebd.); das Theſeiſche oder
Abantiſche war vorn kurz abgeſchnitten, Plut. Theſ. 5. Schol.
Il. ii, 11. Ueber den Doriſchen Haarbuſch auf dem Scheitel
des Vf. Dorier ii. S. 270. Auf Siciliſchen Münzen erſcheinen
oft ſehr kunſtreiche Haargeflechte an Frauenköpfen. Von ſpäterer
Geſchmackloſigkeit §. 204, 3. 205, 2. Hadr. Junins de coma.


[410]Syſtematiſcher Theil.

7. S. beſonders Winck. W. iv. S. 219.


3. Behandlung des uͤbrigen Koͤrpers.

1331. Von dem Kopf abwaͤrts ſind Hals, Nacken
und Schultern beſonders geeignet, kraͤftige Bildungen
und gymnaſtiſch ausgearbeitete Geſtalten von weichlichern
2zu unterſcheiden; bei jenen ſind der sternocleidoma-
stoides, trapezius
und deltoides musculus von be-
deutendem Umfang und einer ſchwellenden Form, wie
ganz beſonders bei dem ſtiernackigen Herakles; bei den
letztern dagegen iſt der Hals laͤnger, ſchmaͤchtiger und
3von einer gewiſſen ſchlaffen Beweglichkeit. Die maͤnnliche
Bruſt iſt an den alten Statuen nicht beſonders breit;
in der Bildung der weiblichen unterſcheidet man, abge-
ſehn von den Formen verſchiedner Alter und Charaktere,
die mehr aus einer ebnen Flaͤche nach oben und einer
runden nach unten zuſammengeſetzte Form der fruͤhern
Kunſt von der runderen und mehr geblaͤhten, die ſpaͤter
4allgemein wurde. Die drei Einſchnitte des musculus
rectus
am Bauche ſind, ſo wie die Huͤftlinie, unter-
halb des rectus ventris und der magni obliqui, gern
5mit einer beſondern Schaͤrfe bezeichnet. Bei der aus-
nehmenden Groͤße der musculi glutei in altgriechiſchen Re-
liefs und Vaſengemaͤhlden wird man an Ariſtophanes
Darſtellung der Juͤnglinge von altem Schrot und Korn er-
6innert. Wie uͤberall die großen Hauptmuskeln beſonders
hervorgehoben und in ihrer Maͤchtigkeit dargeſtellt ſind:
ſo zeigt ſich dies auch an dem magnus internus (ἐπι-
γουνὶς) der Schenkel, deſſen hervortretende Form fuͤr
7maͤnnliche Bildungen charakteriſtiſch iſt. In den Knieen
zeiget ſich beſonders das Vermoͤgen, zwiſchen zu ſcharfer
Bezeichnung der einzelnen Knochen und Theile und einer
oberflaͤchlichen und unkundigen Behandlung derſelben die
rechte Mitte zu finden.


1. Vortreffliche Bemerkungen für die Diagnoſe der Kunſt,
welche den Charakter aus den einzelnen Muskeln herauslieſt, geben
[411]II. Bildende Kunſt. Formen.
die alten Phyſiognomiker, beſonders die Ariſtoteliſche, obgleich nicht
ganz Ariſtoteliſche, Schrift. Wie trefflich iſt im ἀνδρεῖος p. 35.
Herakles geſchildert: τρίχωμα σκληρόν (§. 330, 2,) — ω̕μοπλά-
ται πλατεῖαι καὶ διεστηκυῖαι, τράχηλος ἐῤῥωμένος, οὐ σφό-
δρα σορκώδης, τὸ στῆϑος σαρκῶδες τε καὶ πλατύ. ἰσχίον
προςεσταλμένον γαστροκνημίαι (musculi gemelli) κάτω
προςεσπασμέναι. ὄμμα χαροπὸν οὔτε λίαν ἐπτυγμένον,
οὔτε παντάπασι συμμύον. Auch die von Neuern nicht unwitzig
durchgeführte Vergleichung verſchiedner Charaktere mit Thieren (Zeus
Löwe, Herakles Stier u. ſ. w.) iſt hier ſchon mit feinem Sinne
durchgeführt.


2. Vom paläſtriſchen Nacken Philoſtr. Heroika 19, 9. Das
longum invalidi collum ſetzt den cervicibus Herculis entge-
gen Juven. iii, 88. Ein ſolcher Hals iſt gewöhnlich zu beweg-
lich, wodurch der Weichling bezeichnet wird; der τράχηλος ἐπι-
κεκλασμένος (Lukian), wovon κλασαυχενίζειν Plut. Alkib. 1.
Der höchſte Grad dieſer laxa cervix (Perſ. i, 98. vgl. Caſaub.)
iſt das capita iactare der Mänaden. Entgegen ſtehn die cer-
vices rigidae,
das caput obstipum (Suet. Tib. 68. Perſ. iii,
80.), welches einen düſtern und trotzigen Sinn mahlt.


5. Ariſtoph. Wolken 1011. ἕξεις ἀεὶ στῆϑος λιπαρὸν,
χροιὰν λαμπρὰν, ὤμους μεγάλους, πυγὴν μεγάλην.


6. Die ἐπιγουνὶς, welche Pollux ii, 189. und Apollo-
nius Lex. genau beſchreiben, iſt ſchon in der Odyſſee Kriterion einer
vollen Musculatur, weil ſie, wenn man ſich hoch ſchürzte, in ihrer
Rundung hervortrat, wie beſonders der von Schneider angeführte
Heliodor zeigt.


7. Von ſchönen Händen u. Füßen Winck. iv. S. 223. ff.


4. Proportionen.

332. Die Grundſaͤtze, welche die Alten in Betreff1
der Proportionen, symmetria, befolgten — und wir
wiſſen, daß dies ein Hauptgegenſtand des kuͤnſtleriſchen
Studiums war (§. 120. 129. 130.) — ſind natuͤrlich
bei den mannigfachen Modificationen, welche die Anwen-
dung auf die verſchiedenen Alter, Geſchlechter, Charaktere,
herbeifuͤhrte, ſchwer aufzufinden und zu beſtimmen. Auch2
[412]Syſtematiſcher Theil.
iſt es voͤllig unmoͤglich die alten Kanones wieder aufzu-
finden, wenn man nicht die kuͤrzeren, nach antikem Aus-
druck quadratiſchen, Proportionen der fruͤhern Kunſt,
welche mehr aus der Griechiſchen Nationalbildung (§. 329,
3.) geſchoͤpft waren, von den ſvelteren der ſpaͤteren Kunſt,
mehr aus kuͤnſtleriſchen Prinzipien und Abſichten hervor-
gegangenen, unterſcheidet, und die dazwiſchen ſtehenden
3Mittelſtufen (§. 130, 2.) nicht unberuͤckſichtigt laͤßt. Waͤh-
rend die Neueren die Kopfhoͤhe als Einheit zum Grunde
legen, war bei den Alten die Fußlaͤnge das uͤbliche Maaß;
deſſen Verhaͤltniß zur Geſammthoͤhe im Ganzen feſtgehal-
ten wurde.


2. Frühere Meſſungen nach Statuen von Audran. Neuere,
nach 42 Hauptſtatuen, von Clarac im Musée de Sculpt. p. 194
sqq.
mitgetheilt. Man nimmt dabei den Kopf als Einheit,
und theilt ihn in Biertel: 1. vom Scheitel bis zu den Haar-
wurzeln über der Stirn; 2. bis zu der Naſenwurzel; 3. bis zu
der Oberlippe; 4. bis zum Ende des Kinns. Aber 1 und beſon-
ders 2 ſind ſchwächer als 3 u. 4. Bitruv, iii, 1., erkennt 1,
2, 3, als gleich an, 4 iſt bei ihm etwas geringer. Vgl. Winckel-
mann iv S. 167., welcher Mengs Anſichten mittheilt. Jedes
Viertel theilt man hernach wieder in 12 Minuten. Ueber das
Verhältniß der Geſammthöhe zu dieſem modulus §. 130, 3.
Drei Diſtanzen pflegen ſich ungefähr gleich zu ſein: 1. die von
dem obern Anfang des Bruſtbeins bis zum Ende des abdomen,
2. die vom Nabel bis zum obern Anfang der Knieſcheibe; 3. die
von da bis auf die Sohlen. Doch bemerkt man darin folgenden
Unterſchied. Beim Borgheſiſchen Achill (nach ältern Proportionen
§. 130, 3.) ſind ſich 1. u. 2 gleich (2, 1, 7), 3 bedeutend klei-
ner (2, 0, 9.); beim Capitol. Faun dagegen und dem Coloſſ von
M. Cavallo iſt 2 bedeutend größer als 1, und 3 dagegen gleich 1.
(Beim Faun iſt 1 = 2, 1, 9. 2 = 2, 2, 9. 3 =
2, 1, 9; beim Coloſſ 1 = 2, 2, 5. 2 = 2, 2, 11.
3 = 2, 2, 5). Beim Farneſ. Hercules wird 3 gleich 2
(1 = 2, 2, 5. 2 = 2, 2, 9. 3 = 2, 2, 9.);
beim Belveder. Apoll ſteigt 3 über 2 (1 = 2, 1, 4. 2 =
2, 1, 5. 3 = 2, 1, 9.). Dies ſcheint alſo der Fortſchritt
der Kunſt geweſen zu ſein, daß von den angegebenen drei Diſtanzen
die zweite gegen die erſte, die dritte gegen die zweite her-
anwächſt; mit andern Worten: daß die Figuren immer hochbei-
niger
werden. Bei Kindern bleibt aber immer 1 bedeutend grö-
[413]II. Bildende Kunſt. Formen.
ßer als 2. Sehr bemerkenswerth iſt ferner, daß die ältern
Statuen die Länge des Sternon [1] größer halten als die Diſtanz
von Sternon bis zum Nabel [2] (der ſog. Theſeus vom Parth.
hat 1 = 0, 3, 3. 2 = 0, 3, 1; der Borgh. Achill 1 =
0, 3, 5. 2 = 0, 3, 3.); die ſpäteren dagegen das
umgekehrte Berhältniß halten, was nach Ariſt. Phyſiogn. p. 58.
ein Zeichen der ἀγαϑοὶ φαγεῖν, (beim Farn. Herc. 1 = 0, 3,
6. 2 = 0, 3, 6½; beim Pariſer Faun 1 = 0, 3, 2.
2 = 0, 3, 4.; Coloſſ von M. Cav. 1 = 0, 3, 1. 2 = 0,
3, 10; Apollo Belv. 1 = 0, 3, 0. 2 = 0, 3, 9.;
Apollino 1 = 0, 2, 8. 2 = 0, 3, 8). Man ſieht die
Figuren werden auch immer langleibiger. Die
größere Breite der Bruſt, von Sternum bis zum äußern Theil
der Schulter gemeſſen, charakteriſirt Helden, wie den Farn. Her-
cules (1, 1, 6.) u. den Coloſſ von M. Cav. (1, 1, 1.), gegen
ungymnaſtiſche Figuren, wie den Faun in Paris (0, 3, 8.) und
Frauen (Medic. Venus 1, 0, 0. Capitoliniſche 0, 3, 4.).


3. Winckelmanns Behauptung, daß der Fuß, bei ſchlankeren
eben ſo wie bei gedrungenern Geſtalten, immer im Ganzen ⅙
der Geſammthöhe bleibe (iv. S. 173 vgl. Vitruv iii, 1. iv, 1.),
beſtätigt ſich in den meiſten Fällen; wenigſtens wird der Fuß ge-
gen den Kopf größer,
wenn die Figur ſchlanker. Der
Fuß iſt daher bei Achill Borgh. 1, 0, 9.; bei den Niobiden
1, 1, 2.; dem Coloſſ von M. Cav. 1, 1, 3.; Hercules
1, 1, 6. (vgl. oben §. 130, 3.), — im Ganzen bleibt er zwiſchen
⅙ und ⅐. Die Proportionen bei Vitruviii, 1. ſcheinen
mir nicht mehr ganz die Polykletiſchen. Nach Vitruv iſt die Höhe
des Geſichts bis zu den Haarwurzeln ⅒ der Geſammthöhe (eben
ſo viel die palma); die Höhe des ganzen Kopfs von dem Kinn
oder Genick an ⅛ die Höhe vom obern Ende des Sternum bis
zu den Haarwurzeln ⅐, bis zum Scheitel ⅙ (wie Hirt ſchreibt).
Der Fuß iſt ⅙, die Bruſthöhe ⅙, der cubitus ¼. Der Nabel
kömmt in das Centrum eines Kreiſes, welcher die Spitzen der aus-
geſtreckten Füße und Hände umſchreibt.


5. Colorit.

333. Auch durch das Colorit unterſchieden die Alten1
ſehr beſtimmt athletiſche Geſtalten, welche mit Erzbild-
ſaͤulen in der Farbe große Aehnlichkeit hatten, und zartere
weibliche, oder auch jugendliche Bildungen des maͤnnli-
[414]Syſtematiſcher Theil.
2chen Geſchlechts. Weiße Haut und blondes Lockenhaar
3koͤmmt Jugendgoͤttern zu; die rothe Farbe bezeichnet Fuͤlle
von Saͤften, in welchem Sinne ſie auch ſymboliſch an-
gewandt wurde.


1. Ueber die Athletenfarbe §. 306, 2. Graeci colorati. Ma-
nil. iv, 720.


2. S. Pollux iv, 136. Die weißen ſind bei Plato Staat
v. p. 474. Götterſöhne, die μέλανες mannhaft. Von μελίχρως
Jacobs zu Philoſtr. i, 4. Ueber Haarfarbe Winckelm. v. S. 179.


3. Oben §. 69. Daher iſt die dem Hermes nachgebildete Maske
des σφηνοπώγων bei Pollux iv, 138. roth, von blühendem
Anſehn.


6. Vermiſchung menſchlicher Bildung mit andern Formen.

1334. Die Verbindung der menſchlichen Geſtalt mit
thieriſchen Theilen beruhte — die Gattung der Arabeske
ausgenommen, in denen eine feſſelloſe Phantaſie im Reiche
der Geſtalten frei umher ſpielt — bei den Griechen durch-
aus auf nationalen Vorſtellungen; indem der Kuͤnſtler
Nichts thut, als daß er das noch unbeſtimmte, ſchwan-
kende und uͤberall mehr die innre Bedeutung feſthaltende
als aͤußerlich zu einer feſten Form entwickelte Phantaſie-
bild des Volkes auf eine beſtimmte Weiſe auspraͤgte und
2fortbildete. Dabei finden wir natuͤrlich die der menſchli-
chen Form in ihrer Bedeutungsfuͤlle noch nicht maͤchtig
gewordne Kunſt der fruͤhern Zeiten am meiſten geneigt,
Fluͤgel anzufuͤgen, und ſonſt die Menſchengeſtalt ſymbo-
liſch zu verbilden (wie der Kaſten des Kypſelos und die
Etruskiſchen Kunſtwerke beweiſen), obgleich manche Com-
binationen auch erſt in ſpaͤtern Zeiten beliebt wurden.
3Immer erſcheint in einer combinirten Geſtalt der menſch-
liche Theil als der vornehmere; und wo die Sage oder
Fabel ganz thieriſche Geſtalten nennt, begnuͤgt ſich die
Kunſt oft durch geringe Anfuͤgungen auf die Thierge-
ſtalt hinzudeuten.


[415]II. Bildende Kunſt. Formen.

1. Man thut gewiß Unrecht, wenn man hier die Künſtler,
wie Voß in den mythol. Briefen durchaus, als Neuerer anſieht;
nur muß man überall darauf Rückſicht nehmen, daß, wo der Dich-
ter Handlung, Thätigkeit beſchreibt, der auf das Räumliche be-
ſchränkte Künſtler ein ſichtliches Mittel der Bezeichnung braucht,
und daß, wo die Volksvorſtellung unbeſtimmt und ſich ſelbſt dun-
kel iſt, die Kunſt durchaus eine feſte klarbezeichnete Geſtalt ver-
langt. Aber weder die Kentauren (φῆρες ὀρεσκῷοι) ſind
durch die Künſtler thieriſcher (eher menſchlicher) geworden; noch
ſind die Harpyien (die Raffenden, welche wie Windbraus er-
ſcheinen und verſchwinden) je ſchöne Jungfrauen geweſen. Am
ſeltſamſten iſt es, wenn die Iris (Voß, Brief 22) nur bildlich,
wegen der Eilfertigkeit ihres Ganges, goldgeflügelt heißen ſoll;
als erhöhte das Gold der Flügel ihre Schnelligkeit.


2. Ich erinnere an die grade in der älteſten Kunſt beliebten
ithyphalliſchen Götter, die Gorgoköpfe, den vierhändigen Apollon
Lakedämons u. dgl. Die geflügelte Athena-Nike auf der Burg
von Athen (Ulpian zu Demoſth. g. Timokr. p. 738. Corp. Inscr.
n.
150. Enrip. Jon 460. 1545. vgl. Cic. N. D. iii, 23.)
war auch wahrſcheinlich vorphidiaſſiſch; man findet ſie beſonders auf
Etruskiſchen Spiegeln wieder. Nach den Schol. Ariſt. Vög. 574.
beflügelte Archennos (Ol. 55.) zuerſt die Nike — frühere Nachrichten
konnte man nicht wohl haben. Bei den Giganten iſt indeß ſicher
die heroiſche Bildung die ältre, die durch die ſchlangenfüßige faſt
verdrängt worden iſt.


3. In Sage und Poeſie ſind die Satyrn (τίτυροι, τράγοι)
oft ganz Böcke, Dionyſos nnd die Ströme ganz Stier, Jo ganz
Kuh, Aktäon Hirſch u. ſ. w.; die Kunſt begnügt ſich mit Anfü-
gung von Hirſch- und Kuhhörnern. In gleichem Sinn werden
bei Philoſtratos die Aeſopiſchen Fabeln als Kinder mit Andeutun-
gen der darin handelnden Thiere dargeſtellt, Thierſch in Schorns
Kunſtbl. 1827. N. 19.


Ueber Flügelfiguren Döring Comment. de alatis imagi-
nibus
u. Voß Myth. Br. B. ii, welcher ſie eintheilt in ſolche,
die es durch körperliche Gewandheit, durch ſittliche Flüchtigkeit, und
durch Geiſteserhebung ſind, wozu noch die Reit- und Zugthiere
der Götter kommen. Je mehr allegoriſch die Figur, um deſto
leichter war die Anwendung der Beflügelung. Von den Wun-
dergeſtalten der Griech. Kunſt unten. Die Sphinx auf den Mün-
zen von Chios (wahrſcheinlich eine Andeutung der Sibylla) iſt die
Aegyptiſche, nur ſchlanker und beflügelt.


[416]Syſtematiſcher Theil.
7. Der Koͤrper und die Geſichtszuͤge in Bewegung.

1335. Eben ſo wichtig, wie die bleibenden Formen,
welche den Charakter beſtimmen, iſt es natuͤrlich, die
voruͤbergehenden Mienen und Geberden, welche den Aus-
druck
hervorbringen, in ihrer Bedeutung kennen zu ler-
nen. Wenn hierin Vieles allgemein menſchlich iſt und
uns nothwendig erſcheint: ſo iſt Andres dagegen aus den
beſondern Anſichten und Sitten der Nation abgeleitet,
poſitiver Art. Hier iſt unendlich Viel, wie fuͤr den Kuͤnſt-
ler am Leben, ſo nun wieder fuͤr die Wiſſenſchaft an
2den Kunſtwerken, zu lernen, zu errathen. Im Geſicht
ſchien den Alten, außer den Augen, die Superciliarwoͤl-
bung, durch welche gewaͤhrt aber auch verneint wird
(κατανεύεται, ἀνανεύεται, annuitur, renuitur), be-
ſonders fuͤr Ernſt und Stolz, die Naſe fuͤr Zorn und
3Hohn bezeichnend. Die Lage des Arms uͤber dem
Kopf bezeichnet Ruhe, noch tiefere wenn beide uͤber den
4Kopf geſchlagen ſind; eine gewiſſe Art den rechten Arm
auszuſtrecken und zu erheben bezeichnet im Allgemeinen
den Redner; auch der Adorirende, der Supplicirende, der
heftig Trauernde (κοπτόμενος, plangens) ſind durch Arm-
5und Handbewegung kenntlich. Das Ineinandergreifen
der Haͤnde uͤber dem Knie kann, nach Maßgabe der uͤbri-
gen Haltung des Koͤrpers, duͤſtre Niedergeſchlagenheit,
6aber auch ſich wiegende Behaglichkeit ausdruͤcken. Das
Ausſtrecken der Hand mit nach oben gerichteter innrer
Flaͤche (χεὶρ ὑπτία) iſt die Geberde des Empfangens;
7mit umgedrehter des Schuͤtzens (ὑπερχείριος). Das
Woͤlben der Hand uͤber den Augen bezeichnet den Hinaus-
ſchauenden oder eifrig Zuſchauenden, es war eine in der
8alten Tanzkunſt und Plaſtik ſehr beliebte Geberde. Das
Uebereinanderſchlagen der Fuͤße bei einer ſtehenden und
geſtuͤtzten Lage ſcheint im Ganzen Ruhe und Feſtigkeit
zu bezeichnen. Den Schutzflehenden und Demuͤthigen
bezeichnet nicht blos das Niederwerfen, ſondern auch ſchon
[417]II. Bildende Kunſt. Formen.
ein halbes Knieen. Selbſt die oft unanſtaͤndigen und9
obſcoͤnen Hohngeberden (sannae), an denen der Suͤden
im Alterthum eben ſo reich war wie in neuerer Zeit,
ſind oft fuͤr das Verſtaͤndniß von Kunſtwerken wichtig.


2. Von den Augenbraunen Quintil. xi, 3. Ira con-
tractis, tristitia deductis, hilaritas remissis ostenditur.

Auf mürriſchen Stolz deutet der Sprachgebrauch von supercilium
ſelbſt, ſo wie von ὀφρυοῦσϑαι. Stolz bezeichnet beſonders das
ἀνασπᾶν, ἀνάγειν; das συνάγειν den φροντιστής. Poll. ii,
49. Winck. W. iv. S. 404. Von der Naſe Ariſt. Phyſ.
p. 124.: οἶς οἱ μυκτῆρες ἁναπεπταμένοι (wie ein wenig bei
Apoll von Belvedere) ϑυμώδεις. Aehnlich Polemon p. 299.
Wird die Naſe emporgerichtet und gerümpft, ſo erſcheint ſie als
σιμὴ und bekommt dadurch den Ausdruck von Muthwillen (§. 329, 5);
daher das διασιμοῦν, σιλλαίνειν, der nasus aduncus, ex-
cussus, nares uneae
bei Horaz und Perſius (Heindorf ad Sat.
i,
6, 5.). Das Hindurchpreſſen des Athems durch die zuſam-
mengezogne Naſe, μυχϑίζειν, μυκτηρίζειν, bezeichnet den ärg-
ſten Hohn, mit Wuth verbunden; es iſt die sanna qua aer
sorbetur,
bei Juven. vi, 306 (vgl. Ruperti), die rugosa sanna
Perſ. v. 91. (vgl. Plum. Ich bemerke ſehr beiläufig, daß Per-
ſius als Nachahmer von Sophron reich an ſolchen Zügen iſt; er
will mit aretalogiſcher mimicry vorgetragen werden). Pans
Ziegennaſe iſt der Sitz des χόλος, ſ. beſonders Theokr. i, 18.
οἱ ἀεὶ δριμεῖα χολὰ ποτὶ ῥινὶ κάϑηται, und Philoſtr. ii,
11. Der nasus iſt überhaupt das kritiſche Glied.


3. Beiſpiele unter: Apollon, Dionyſos, Ariadne, Hypnos,
Herakles.


4. S. den ſog. Germanicus §. 158, 3. u. die Darſtellungen
der allocutio auf Münzen u. in Statuen §. 199, 3. Vgl. Po-
lyhymnia unter den Muſen. Manus leviter pandata voven-
tium
Quintil. a. O. Αιπαρεῖν γυναικομίμοις ὑπτιά-
σμασιν χερῶν Aeſchyl.


5. Raoul-Rochette Mon. inéd. i. p. 59. ſucht dieſe Geberde
überall als σχῆμα ἀνιωμένου (Pauſ. x, 31, 2.) zu erklären:
was aber ſchwerlich angeht.


6. Ariſtoph. Ekkleſ. 782. von der erſtern Geberde bei den Göt-
terbildern. Χεῖρα ὑπερέχειν Homer. Hera Hypercheiria Pauſ.
iii, 13, 6. Apollon erſcheint gegen Oreſt auf einer Vaſe ὑπερ-
χείριος.


27
[418]Syſtematiſcher Theil.

7. Ueber das ἀποσκοπεύειν, den visus umbralus (beſon-
ders bei Satyrn, Panen) Böttiger Archäol. der Mahl. S. 202.
Welcker Zeitſchr. i, 32. zu Zoëga’s Abh. S. 257. Nachtrag zur
Tril. S. 141.


Erſtaunenswürdiges von der Beredſamkeit der Hände im Al-
terthum erfahren wir durch Quintil. a. O. Auffallend iſt, daß
der habitus, qui esse in statuis pacificator solet, qui,
inclinato in humerum dextrum capite, brachio ab aure
protenso, manum infesto pollice
(d. h. nach unten ausge-
ſtreckt) extendit (Quintil.) noch nicht an Statuen nachgewieſen
worden iſt.


8. Dieſe Stellung daher bei der Providentia, Securitas,
Pax Augusta,
Herausg. Winck. iv. S. 368. — Ueber die
Stellung des ἱκέτης Thorlacius de vasculo ant. Programm von
Copenhagen, 28. Jan. 1826., p. 15.


9. Ein Troer, der ſeine Landsleute, welche das hölzerne Pferd
ziehn, durch den digitus infamis verhöhnt, Bartoli Ant. se-
polcri t.
16. Die sanna mit der herausgeſtreckten Zunge (Perſ.
i, 60) iſt ſchon beim Gorgoneion eine Hauptſache.


II. Bekleidung des Koͤrpers.

1. Allgemeine Grundſaͤtze.

1336. Daß der menſchliche Koͤrper, unmittelbar hin-
geſtellt, die Hauptform der bildenden Kunſt geworden iſt,
bedarf eigentlich keiner Erklaͤrung; der natuͤrliche Koͤrper
iſt es, und nicht irgend ein von menſchlichen Sitten und
Einrichtungen hinzugefuͤgtes Anhaͤngſel, welcher Geiſt
und Leben unſern Augen ſinnlich und anſchaulich darſtellt.
2Indeß gehoͤrte ein helleniſcher Sinn dazu, um bis zu dem
Punkt hindurchzudringen, wo die natuͤrlichen Glieder als
die edelſte Tracht des Mannes erſcheinen; die Gymnaſtik
war es, die dieſen Sinn beſonders naͤhrte, und deren
hoͤhern Zwecken fruͤhzeitig alle unbequeme Scham aufge-
3opfert wurde. An ſie ſchloß ſich die bildende Kunſt
an, waͤhrend das Coſtuͤm der Buͤhne, von Dionyſiſchen
Prachtaufzuͤgen ausgehend, grade den umgekehrten Weg
[419]II. Bildende Kunſt. Formen.
einſchlug; daher man ſich nie Buͤhnenſcenen unmittelbar
nach Kunſtvorſtellungen und umgekehrt vorſtellen darf.
So verbreitet jedoch das Gefuͤhl und der Enthuſiasmus4
fuͤr die Schoͤnheit des Koͤrpers an ſich war, und ſo ſehr
die Kuͤnſtler die Gelegenheit zu ſolcher Darſtellung ſuch-
ten: ſo ſelten wurde doch dieſe Gelegenheit willkuͤhrlich
herbeigefuͤhrt, ſo wenig riß ſich der Kuͤnſtler vom Leben
los, das auch in ſeiner geſchichtlichen poſitiven Ausbildung,
mit ſeinen Sitten und Einrichtungen, bei der Bildung
der Kunſtformen zum Grunde gelegt werden mußte. Die
Nacktheit bot ſich als natuͤrlich dar bei allen gymnaſti-
ſchen und athletiſchen Figuren; von hier wurde ſie mit
Leichtigkeit auf die maͤnnlichen Goͤttergeſtalten, die eine
altvaͤteriſche Froͤmmigkeit ſehr zierlich und weitlaͤuftig be-
kleidet hatte, und auf Heroen, welche die aͤltre Kunſt
in vollſtaͤndiger Ruͤſtung zeigte, uͤbertragen, indem hier
die edelſte Darſtellung als die natuͤrliche erſchien. Unter-5
kleider, welche die Geſtalt am meiſten verdecken, wurden
hier durchgaͤngig entfernt, was um ſo leichter anging,
da in Griechenland nach alter Sitte Maͤnner von geſun-
dem und kraͤftigem Koͤrper im bloßen Oberkleid ohne Chi-
ton auszugehn pflegten: Goͤtter und Heroen in Chitonen
ſind daher in der ausgebildeten Griechiſchen Kunſt hoͤchſt
ſelten zu finden. Das Obergewand aber wird in der6
Kunſt, wie im gewoͤhnlichen Leben, bei jeder lebendige-
ren Thaͤtigkeit und Arbeit hinweggethan; ſtehende Goͤt-
tergeſtalten, welche man ſich huͤlfreich herbeikommend,
kaͤmpfend oder ſonſt wirkſam dachte, konnten hiernach
ganz ohne Huͤlle erſcheinen. Dagegen wird bei ſitzenden
Statuen das Obergewand ſelten weggelaſſen, welches ſich
dann um die Huͤften zu legen pflegt; es bezeichnet Ruhe
und Unthaͤtigkeit. Auf dieſe Weiſe wird das Gewand
bei ideellen Figuren ſelbſt bedeutſam, und ein inhaltrei-
ches Attribut. Dabei liebt die alte Kunſt eine zuſam-7
mengezogne und andeutende Behandlung; der Helm be-
deutet die ganze Ruͤſtung, ein Stuͤck Chlamys die ganze
Bekleidung des Epheben. Kinder nackt darzuſtellen,8
27*
[420]Syſtematiſcher Theil.
war in allen Zeiten gewoͤhnlich: dagegen war die Ent-
kleidung des ausgebildeten weiblichen Koͤrpers in der Kunſt
lange unerhoͤrt, und bedurfte, als ſie aufkam (§. 125,
3. 127, 4.), doch zuerſt auch einer Anknuͤpfung an
das Leben; man dachte ſtets dabei an das Bad, bis
ſich die Augen gewoͤhnten die Vorſtellung auch ohne dieſe
9Rechtfertigung hinzunehmen. Die Portraͤtſtatue be-
haͤlt die Tracht des Lebens, wenn ſie nicht, durch He-
roiſirung oder Vergoͤttlichung der Geſtalt, auch hierin
uͤber das gemeine Beduͤrfniß hinausgehoben wird.


1. Dieſer Paragraph behandelt denſelben Gegenſtand, wie Hirts
Abhandlung „Ueber die Bildung des Nackten bei den Alten„ Schrif-
ten der Berl. Akad. 1820.; aber verſucht die Aufgabe anders zu löſen.


2. Die völlige Nacktheit kam zuerſt bei den gymniſchen Uebun-
gen in Kreta und Lakedämon auf. Olympias 15 verliert Orſip-
pos von Megara im Stadion zu Olympia die Binde durch Zufall
und wird dadurch Sieger; Akanthos von Lakedämon tritt nun im
Diaulos gleich von Anfang nackt auf, und für die Läufer ward es
nun Geſetz. Bei andern Athleten aber war die völlige Nacktheit
noch nicht lange vor Thukydides aufgekommen. So ſtellt die Sache
am richtigſten Böckh dar, C. I. p. 554. Bei den Barbaren, be-
ſonders Aſiens, blieb der Gürtel; hier war es auch für Männer
ſchimpflich nackt geſehen zu werden (Herod. i, 10.); wovon man
noch die Spur in den Götterbildern der Kleinaſiatiſchen Kaiſermün-
zen ſieht, welche meiſt ſtärker bekleidet ſind als die Griechiſchen.


3. Die Bühnentracht geht, wie Pollux und die PioClementini-
ſche Moſaik zeigt, von den bunten Röcken (ποικίλοις) der Diony-
ſiſchen Züge aus. Die Volksvorſtellung wird oft mehr von der
bildenden, bisweilen aber auch von der Bühne aus beſtimmt; Dio-
nyſos denkt ſich der Grieche nicht leicht ohne Safrangewand und
Purpurmantel.


5. S. über das Ausgehn im bloßen Himation bei den jün-
gern Männern in Sparta und Kreta des Bf. Dorier ii. S. 268.
Von Sokrates, Phokion iſt gleiche Einfachheit der Sitte bekannt.


6. Wie man im Leben den im bloßen Chiton γυμνὸς nennt:
ſo ſtellt die Kunſt, welche den Chiton mit Idealgeſtalten nicht ver-
einigen kann, einen ſolchen wirklich als γυμνὸς dar.


[421]II. Bildende Kunſt. Formen.

8. Die bekleideten Chariten des Sokrates ſind oft beſprochen
worden. Ob aber wohl dies ſehr vorzügliche Werk (unter den er-
ſten Werken der Sculptur, nach Plin. xxxvi, 4, 10.) wirklich
von Sophroniskos Sohn herrührte, der es doch ſchwerlich ſo weit
in der Kunſt gebracht? Dem Pauſanias ſagten es die Athener ſo;
Plinius weiß aber offenbar davon noch Nichts.


2. Maͤnnerkleider.

337. Das Griechiſche Volk charakteriſirt ſich (im1
Gegenſatz zu allen alten nnd neuen Barbaren) als das
eigentliche Kunſtvolk auch durch die große Einfachheit
und Simplicitaͤt der Gewaͤnder. Alles zerfaͤllt in
ἐνδύματα, d. h. uͤbergezogne, und ἐπιβλήματα, um-
gelegte. Der maͤnnliche Chiton iſt ein wollnes, ur-2
ſpruͤnglich aͤrmelloſes Hemde; nur der Joniſche, der vor
der Zeit des Peloponneſiſchen Krieges auch in Athen ge-
tragen wurde, war von Leinwand, faltenreich und lang;
er bildete den Uebergang zu den Lydiſchen Gewaͤndern, welche
zu dem Dionyſiſchen Feſtgepraͤnge gehoͤrten. Verſchiedne3
Staͤnde haben den Chiton von verſchiednem Zuſchnitt;
ſeinen Charakter erhaͤlt er aber noch mehr durch die Art
der Guͤrtung. Das Himation iſt ein viereckiges4
großes Tuch, welches regelmaͤßig von dem linken Arme
aus, der es feſthaͤlt, uͤber den Ruͤcken, und alsdann
uͤber den rechten Arm hinweg, oder auch unter demſelben
durch, nach dem linken Arme hin herumgezogen wird.
Noch mehr wie an der Guͤrtung des Chiton, erkannte5
man an der Art des Umlegens des Himations die gute
Erziehung des Freigebornen und die mannigfachen Cha-
raktere des Lebens. Weſentlich verſchieden von bei-6
den Kleidungsſtuͤcken iſt die Chlamys, auch die Theſ-
ſaliſchen Fittige genannt, die Nationaltracht des Illyri-
ſchen und benachbarten Nordens, welche in Griechenland
beſonders von Reutern und Epheben angenommen wurde;
ein Mantelkragen, der mit einer Schnalle oder Spange
[422]Syſtematiſcher Theil.
(περόνη, πόρπη) uͤber der rechten Schulter befeſtigt
wurde, und mit zwei verlaͤngerten Zipfeln laͤngs der
Schenkel herabfiel, haͤufig mit Purpur und Gold auf
eine reiche und glaͤnzende Weiſe ausgeſtattet.


1. Hauptquellen über das alte Coſtüm: Pollux iv u. vii.
Nonius de vestimentis. Die älteren Sammlungen von Oc-
tav. Ferrarius und Rubenius de re vestiaria (im Thes. Ant.
Rom. vi)
u. Riccius de veterum vestibus reliquoque corpo-
ris ornatu
ſind ohne viel Rückſicht auf die Kunſt angeſtellt.
Montfaucon Ant. expl. iii, 1. Winckelm. W. v, 1 ff.
Hauptverdienſte hat Böttiger (Vaſengemählde; Raub der Caſſandra;
Furienmaske; Archäologie der Mahlerei S. 210 ff.; Sabina). Mon-
gez sur les vêtemens des anciens, Mém. de l’Institut Ro-
yal T. iv sq.
Die Werke über das Coſtüm von Lens Le
costume des peuples de l’antiquité. Liège
1776., Rocheg-
giani Raccolta di costumi 2 B. queerfolio, Dandre Bardon Co-
stumes des anc. peuples,
Willemin, Malliot, Martin, Rob.
von Spalart, Dom. Pronti, ſind ſämmtlich ſehr unzuverläſſig, und
wenig für wiſſenſchaftliche Zwecke gearbeitet.


2. Das Geſchichtliche über den Joniſchen Chiton des Vf. Mi-
nerva Pol. p.
41. Der Lydiſche Chiton ποδήρης iſt die βασ-
σάρα nach Pollux. Ueber die Dionyſiſchen ποικίλα und ἀν-
ϑινὰ Welcker ad Theogn. p. lxxxix. Vgl. unten Dionyſos.
Die Pythiſche Stola hat mit der Dionyſiſchen Tracht viel ähnliches;
ohne Zweifel wirkten Aſiatiſche Muſiker, wie Olympos, auf die
Ausbildung dieſer Tracht ein. Dazu gehören u. a. die χειρίδες,
Aermel, mit dem Randſtreifen ὄχϑοιβος (Etym. M. ἐγκόμβωμα.
C. I. 150).


3. Ὀρϑοστάδιος Chiton der Prieſter, ungegürtet. Die Exo-
mis, bei Handwerkern, wo ſie zugleich das Himation vertritt
(Etym. M. Heſych), läßt die rechte Schulter nebſt Arm frei (He-
phäſtos). Daſſelbe iſt der Sklavenchiton ἑτερομάσχαλος. Das Ge-
gentheil iſt der ἀμφιμάσχαλος, welcher den Körper warm hält
(Ariſtoph. Ritter 882). Bei Gellius vii, 12. ſteht die Exomis
dem χιτὼν χειριδωτὸς entgegen. Der kurze militäriſche Chi-
ton, bis zum μέσος μηρὸς, von Linnen, iſt die κυπασσίς
(Pollux), man ſieht ihn oft auf Vaſengemählden, aber auch z. B.
an den Aeginetiſchen Statuen, Die διφϑέρα aus gegerbtem
Fell, die σισύρα aus Ziegenpelz, die ähnlich beſchaffne βαίτη,
die κατωνάκη mit dem Vorſtoß oder Anſatz aus Fellen, ſind
Bauern- und Hirtenkleider. — Die cinctura der tunica,
[423]II. Bildende Kunſt. Formen.
ohne latus clavus, beſtimmt Quintil. xi, 3. ſo, daß ſie vorn
etwas über die Kniee, hinten ad medios poplites reiche; nam
infra mulierum est, supra centurionum.
Grade
eben ſo dachten die Griechen.


4. Das ἱμάτιον, ἱμάτιον ‘Ελληνικὸν (Lucian de merc.
cond. 25.), pallium Graecanicum
(Sueton Dom. 4.), heißt
im Gegenſatz der Toga τετράγωνον, quadratum. S. beſ.
Athen. v. p. 213 b. vgl. die Herausg. Winckelm. v. S. 342.
Entgegenſtehen einander die kurzen rauhen τρίβωνες, τριβώνια,
βραχεῖαι ἀναβολαὶ der Spartiaten (Amalth. iii. S. 37.), der
ärmern Athener, Lakonizonten, Philoſophen (Jacobs zu Philoſtr.
Imagg. i, 16. p. 304); und die Chläna, welche eine Art des
Himation, auch viereckig (ſ. Dorier ii. S. 266. adde Schol. Il.
ii, 183), aber beſonders weich, wollig und wärmend war. Noch
delicater iſt die χλανίς. Eine Art der Chläna war nach Ari-
ſtoph. die καυνάκη.


5. Die Hellenen ἀμπισχνοῦνται ἐπὶ δεξιὰ, d. h. auf
die im Text beſchriebene Weiſe, die Thraker ἐπ̕ ἀριστερὰ, Ariſt.
Weſp. 1568. mit den Schol. Ἀναβάλλεσϑαι ἐπιδέξια
ἐλευϑερίως Plato Theätet p. 165 e. Athen. i. p. 21. Das
Gewand muß dabei wenigſtens von der Bruſt bis zum Knie rei-
chen; dies gehört zur εὐσχημοσύνη der ἀναβολή, worüber be-
ſonders Böttiger Arch. der Malerei S. 211. Vaſengemählde i,
2. S. 52 ff. Von der Doriſchen, auch altrömiſchen Sitte, des
cohibere brachia bei den jungen Männern (die Mantelfiguren
der Vaſengemählde) auch Dorier ii. S. 268. vgl. Suidas s. v.
ἔφηβος. Ueber die Redner §. 103, 4.


6. Ueber die Herkunft der Chlamys, ἄλληξ, allicula, Dorier
ii. S. 266. Eine Zubehör derſelben iſt die περόνη, fibula,
die in der Anth. Pal. vi, 282 δίβολος iſt, mit zwei Spitzen
oder Nadeln. Eigentlich iſt περόνη die Nadel ſelbſt, πόρπη
der Ring, mit dem jene zuſammen die Schnalle bildet. Wird
die περόνη gelöſt, ſo legt ſich die Chlamys natürlich ganz um
den linken Arm, wie ſo oft bei Hermes. Auch kann ſie die-
ſem als eine Art Schild dienen, wie Poſeidon auf numis incu-
sis
(§. 98.) von Poſeidonia chlamyde clupeat brachium (Pa-
cuvius. vgl. Cäſar B. G. i, 75). Auf dieſe Art trugen Jä-
ger auf der Bühne die ἐφαπτίς, nach Pollux.


338. Huͤte gehoͤrten im Alterthum nicht zu der1
gewoͤhnlichen Tracht des Lebens in den Staͤdten; ſie be-
[424]Syſtematiſcher Theil.
zeichnen laͤndliche, ritterliche, mitunter kriegeriſche Be-
ſchaͤftigungen; wie die κυνέη, die in Boͤotien eine tann-
zapfenfoͤrmige, in Theſſalien eine mehr ſchirmfoͤrmige
Geſtalt hatte, der Arkadiſche Hut mit ſehr großer fla-
cher Kraͤmpe, der beſonders von Reutern getragne Petaſos
von der Form einer umgekehrten Dolde, die Kauſia, welche
eine ſehr breite Kraͤmpe und einen ſehr niedrigen Kopf
hatte, und zur Makedoniſchen, Aetoliſchen, Illyriſchen, auch
2wohl Theſſaliſchen Tracht gehoͤrte. Noch bemerken wir
die halbeifoͤrmige, in Samothrake bedeutungsvoll gedeu-
tete, Schiffermuͤtze; auch koͤmmt die Phrygiſche Muͤtze in
einfacherer ſo wie in mehr zuſammengeſetzter Form nicht
3ſelten in der Griechiſchen Kunſt vor. Kopfbedeckungen
und Fußbekleidungen (die indeß in den Griechiſchen Kunſt-
werken meiſt als ſehr einfache κρηπῖδες erſcheinen,
4wenn ſie uͤberhaupt bezeichnet werden) beſtimmten in
Griechenland beſonders die verſchiedne Nationaltracht
(σχῆμα), deren Nuͤancen zu verfolgen auch fuͤr die ge-
nauere Beſtimmung der Heroenfiguren von Wichtigkeit
ſein muß.


1. Vgl. über die alten Hüte Winck. v. S. 40. Die
κυνῆ Βοιωτία beſchreibt Theophr. H. Pl. iii, 9.; auf Vaſen
hat ſie Kadmos (Millingen Uned. mon. i, 27. vgl. die Heroen-
verſammlung pl. 18). Ueber die Theſſaliſche beſonders So-
phokl. Oed. Kol. 305. Reiſig Enarr. p. 68., ſie ſtand der
Kauſia nahe. Die Ἀρκὰς κυνῆ, der πῖλος Ἀρκαδικὸς
war in Athen gewöhnlich Philoſtrat V. Soph. ii, 5, 3. Von
der Form Schol. Ariſt. Vögel 1203. Von der Form des
Petaſos Schneider Lex. Von der Kauſia des Vf. Schrift
Ueber die Makedoner S. 48. adde Plut. Pyrrh. 11. Suidas s. v.
καυσίη, Jacobs zu Antipaters Epigr. Anthol. viii. p. 294.
(über den Makedoniſchen Gebrauch). Polyb. iv, 4, 5. (wo ſie
mit der Chlamys als Aetoliſche Nationaltracht erwähnt wird). Auch
der Skythe Skiluros hat auf Münzen von Olbia die Kauſia. Die
Form der Krämpe und die Art, wie ſie an den Hinterkopf gebun-
den wird, macht ſie ſehr kennlich. S. beſonders die M. des Aero-
pos iii. Mionn. Suppl. iii. pl. 10, 4. Auf der Vaſe bei
Laborde pl. 23. u. Millingen Div. coll. 50. wird der Theſſaler
Jaſon durch eine Art Kauſia bezeichnet.


[425]II. Bildende Kunſt. Formen.

2. Die halbeiförmige Schiffermütze tragen die Dioskuren als
Schiffsgötter und Kabiren, Odyſſeus, auch Aeneas. Odyſſeus erhielt ſie
aber erſt durch Nikomachos (§. 139) um Ol. 110. Plin. xxxv,
36, 22. Sie gehört zum nauclericus ornatus, Sophokl. Phi-
lokt. 128. Plaut. Mil. iv, 4, 41., der dazu eine dunkelbraune
Cauſia (im weitern Sinne) und Exomis rechnet. Ueber die
Phrygiſche in Zuſammenhang mit dem Perſiſchen Penom Böttiger
Vaſengemählde iii, 8. Amalthea i. S. 169. Kunſtmythol. S. 47.


3. Die Griechiſche Barfüßigkeit (Voß Mythol. Br. i, 21) bil-
det in der Kunſt einen ſcharfen Gegenſatz gegen den Etruskiſchen
Reichthum an zierlichem Schuhwerk. S. ſonſt Winck. v. S. 41.


4. Τρόπος τῆς στολῆς Δώριος (vgl. §. 337, 4.)
wird mit αὐχμὸς τῇ κόμῃ, langherabhängendem ſtruppigen
Haar (Σπαρτιοχαῖται, Dorier ii. S. 270.) verbun-
den genannt, Philoſtrat Imagg. ii, 24. Zum σχῆμα
ἀττικῖζον wird ebd. i, 16. (bei Dädalos) ein φαιὸς τρί-
βων und die ἀνυποδησία gerechnet, vgl. ii, 31. Von der
Makedoniſchen und Theſſaliſchen Tracht §. 337, 6.
338, 1. Zur Aetoliſchen gehören nach den Münzen (ſ.
z. B. Combe Num. Brit. t. 5, 23 — 25) hohe Schuhe, den
Κρητικοῖς πεδίλοις ähnlich, die Kauſia, eine hochgeſchürzte Exo-
mis, und eine um den linken Arm gewickelte Chlamys. Nach der
Vaſe, Millingen Div. coll. 33, ſcheinen enge Chitonen aus Fel-
len hier gewöhnlich geweſen zu ſein.


3. Frauengewaͤnder.

339. Unter den Chitonen der Frauen unterſcheidet1
man beſtimmt den Doriſchen und Joniſchen. Der
erſtre, der alt Helleniſche, beſteht aus einem nicht ſehr
großen Stuͤck Wollentuch, welches ohne Aermel durch
Spangen auf den Schultern feſtgehalten wird, und an
der linken Seite gewoͤhnlich in der Mitte zuſammenge-
naͤht, nach unten aber nach aͤcht Doriſchem Brauche (als
σχιστὸς χιτών) offen gelaſſen iſt, ſo daß die beiden
Zipfel (πτέρυγες) entweder, durch Nadeln zuſammenge-
halten, ineinanderliegen, oder auch, zu freier Bewegung
aufgehackt, auseinanderſchlagen. Der andre dagegen,2
[426]Syſtematiſcher Theil.
welchen die Jonier von den Karern und von jenen wie-
der die Athener uͤberkamen, war von Linnen, ganz ge-
naͤht, mit Aermeln (κόραις) verſehen, ſehr lang und fal-
tenreich. Beide ſind in Kunſtwerken haͤufig und leicht
3zu erkennen. Bei beiden iſt fuͤr das gewoͤhnliche Co-
ſtuͤm der Guͤrtel (ζώνη) weſentlich, welcher um die
Huͤften liegt und durch das Heraufnehmen des Gewan-
des den Bauſch (κόλπος) bildet. Er iſt wohl zu un-
terſcheiden von der gewoͤhnlich unter dem Kleide, biswei-
len aber auch daruͤber liegenden Bruſtbinde, ſo wie von
dem breitern, beſonders bei kriegeriſchen Geſtalten vorkom-
4menden Gurte unter der Bruſt (ζωστήρ). Ein Dop-
pelchiton
entſteht am einfachſten, wenn der obere Theil
des Tuches, welches den Chiton bilden ſoll, uͤbergeſchla-
gen wird, ſo daß dieſer Ueberſchlag mit ſeinem Saum
bis uͤber den Buſen und gegen die Huͤften herabreicht,
wo er in den Werken der aͤltern Griechiſchen Kunſt mit
dem vorher erwaͤhnten Bauſche einen parallelen Bogen
5zu beſchreiben pflegt. Indem das Tuch auf der linken
Seite weiter reicht als an der rechten, entſteht hier ein
Ueberhang und Faltenſchlag (ἀπόπτυγμα), welcher als
die groͤßte Zier der Griechiſchen Frauenkleidung von der
alterthuͤmlichen Kunſt eben ſo zierlich und regelmaͤßig,
wie von der ausgebildeten anmuthig und gefaͤllig gebildet
worden iſt.


1. Ueber den Unterſchied der beiden Chitonen Böttiger Raub
der Kaſſandra S. 60. Des Vf. Aeginetica p. 72. Dorier ii. S.
262. Den Doriſchen findet man in der Kunſt bei der Artemis, der Iris
(des Parthenon), Hebe, Nike, den Mänaden. Die Spartaniſchen
Jungfrauen waren im Gegenſatz der Frauen gewöhnlich μονοχίτωνες
(ebd. S. 265, auch Plut. Pyrrh. 17), und dienten in dieſem leichten
Kleide als Mundſchenken (Pythänetos u. Aa. ebd.); darnach iſt die
Hebe gebildet. Darum waren auch die Bilder der Mundſchenkin
Kleino in Alexandreia (Athen. x. p. 425) μονοχίτωνες, ῥυτὸν
κρατοῦντες ἐν ταῖς χερσίν.


2. Die Joniſche Tracht ſieht man beſonders an den Muſen;
an den Attiſchen Jungfrauen vom Parthenon erſcheint ſie nicht ganz
[427]II. Bildende Kunſt. Technik.
rein; dieſe haben meiſt Halbärmel mit Spangen (vgl. Aelian V.
H. i,
18.). Der χιτὼν στολιδωτὸς hat einen zuſam-
mengefalteten Beſatz, Fälbeln; σύρμα, συρτὸς, iſt das tragiſche
Schleppkleid der Bühnen-Königinnen (mit dem παράπηχυ, vor-
tretenden Aermeln von andrer Farbe).


3. Ζώνη, auch περίζωμα, περιζώστρα Pollux. Ueber
ζώνην λῦσαι Schrader ad Musaeum v. 272. Der Bu-
ſengürtel heißt ἀπόδεσμος, μαστόδετα, μίτρα, μηλοῦχος,
στηϑόδεσμος, στρόφος, στρόβος, στρόφιον, ταινία, ται-
νίδιον, meiſt in der Anthologie, vgl. Aeſchylos Sieben 853. Ἱκετ.
460 mit Stanley u. Schütz. Auch der κεστὸς, der geſtickte,
iſt ein Buſenband, Anthol. Pal. vi, 88., unten: Aphrodite.


4. Dieſe Tracht ſieht man außer den Bildwerken des Parthe-
non am ſchönſten an dem Torſo von Keos. Bröndſted Voyages
i, pl.
9. Fünf Mädchen in dieſem Kleide unter den Herculan. Bron-
zen; eins legt eben das Gewand an. Ant. Erc. vi, 70 — 76. Dies
iſt offenbar das Attiſche διπλοΐδιον, ἡμιδιπλοΐδιον, κροκωτίδιον,
(κροκωτὸν διπλοῦν C. I. 155. p. 249.) ἔγκυκλον (ἔγκυ-
κλον ποικίλον C. I. a. O.), χιτώνιον, welche Ausdrücke als
ziemlich identiſch in Ariſtoph Ekkleſiaz. vorkommen. Vgl. Böttiger
Furienmaske S. 124. Möglich, daß auch die ἐπωμὶς, welche
gelöſt den Buſen blos läßt (Athen. xiii. p. 608), daſſelbe Klei-
dungsſtück iſt. Vgl. Böttiger Vaſengemählde i, 2. S. 89. Wie
das Gewand heißt, das bei den Muſen und den Karyatiden des
Erechtheion blos auf den Rücken herabhängt, bleibt dann unent-
ſchieden.


5. Dies iſt ganz deutlich das ἀπόπτυγμα, welches mit zwei
περόναις und dem ποδήρης χιτὼν als drittes Stück (ῥυμός)
einer goldnen Nike angegeben wird. C. I. n. 150. p. 235. —
Reich an Namen für Frauenkleider iſt die angeführte Inſchr. C. I.
155. Der Farbe nach, ſcheint es, ſind hier die Gewänder πυρ-
γωτοὶ (wohl geſtreift, vgl. Athen v. p. 196 c.), auch mit bun-
ten Säumen, πλατυαλουργεῖς, περιποικίλοι, was beides auf
Vaſengemählden ſehr häufig iſt. Ἐμ πλαισίῳ geht wohl auf
den scutulatus textus (Drell) bei Plinius.


340. Das Himation der Frauen (ἱμάτιον γυ-1
ναικεῖον) hat im Ganzen dieſelbe Form wie das maͤnn-
liche, daher auch ein gemeinſamer Gebrauch ſtattfinden
konnte; auch folgt die Art des Umwurfs meiſt derſelben
Grundregel; nur iſt die Umhuͤllung und der Faltenwurf
[428]Syſtematiſcher Theil.
2in den meiſten Fuͤllen vollſtaͤndiger und reichlicher. Der
in fruͤheren Zeiten ſehr gebraͤuchliche Peplos, welcher
im Leben in der bluͤhenden Zeit Athens abgekommen war
und nur auf der tragiſchen Buͤhne geſehen wurde, wird
mit Sicherheit an den Pallas-Statuen des aͤltern Styls
als ein regelmaͤßig gefaltetes ziemlich anliegendes Oberge-
3wand erkannt (§. 96, 8.); aus andern Werken der alt-
griechiſchen Kunſt, wo keine Aegis den obern Theil ver-
deckt, ſieht man, daß er mit dem Obertheile queer um
die Bruſt gewunden und hier zuſammengeſteckt wurde;
oft hat er auch einen Ueberſchlag nach Art des Diploidion.
4Frauen, fuͤr welche uͤberhaupt das Himation weſentlicher
iſt als fuͤr Jungfrauen, ziehen es haͤufig auch uͤber den
Kopf: obgleich es auch beſondre Schleiertuͤcher fuͤr
den Kopf giebt (φάριον, καλύπτρα, κρήδεμνον, rica),
ſo wie mannigfache Arten von Kopfbinden (μίτρα,
στρόφιον, ἀναδέσμη) und Haarnetzen (κεκρύφα-
λος, reticulum).


1. Ἱμάτιον iſt faſt weniger gewöhnlich als ἐπίβλημα, πε-
ρίβλημα, und beſonders ἀμπεχόνη, ἀμπεχόνιον, daher ἀναμ-
πέχονος ſ. v. a. μονοχίτων. Ein Muſter ſchöner ἀναβολὴ
iſt die Herculaniſche Matrone in Dresden.


3. Beſonders ſind die Figuren des Korinthiſchen Reliefs, §. 96,
15., namentlich die Pallas, die Artemis und die erſte Charis, mit
einander zu vergleichen, um die Umlegung des Peplos kennen zu
lernen. In dem Minervae Poliad. p. 25 sqq. Geſagten iſt
Manches genauer zu beſtimmen. Die Tragiker ſcheinen das Wort
ſchon ſehr unbeſtimmt zu nehmen; Sophokl. Trachin. 921 iſt der
Peplos ein Doriſcher Chiton, wie auch ſonſt.


4. Dabei ſind auch die Stirn- und Haarbinden zu er-
wähnen, über die kürzlich Gerhard, Prodromus S. 20 ff. gehan-
delt. Στεφάνη iſt die in der Mitte ſich hocherhebende Me-
tallplatte über der Stirn (unten: Hera). Die σφενδόνη
iſt ſchleuder-, die στλεγγὶς Strigilen ähnlich. Ἄμπυξ
ſcheint mehr ein Metallring, welcher die Haare, beſonders auf dem
Hinterhaupte, zuſammenhält, vgl. Böttiger Vaſengem. i, 2. S.
87. Διάδημα iſt ein Band, welches gleich breit um den
Kopf zwiſchen den Haaren liegt; es iſt beſonders auf den Münzen
Makedoniſcher Könige deutlich zu erkennen. Ταινία iſt ge-
[429]II. Bildende Kunſt. Formen.
wöhnlich ein breiteres Band mit zwei ſchmälern an jedem Ende,
aus gymnaſtiſchen und Todtengebräuche darſtellenden Vaſenbildern
ſehr genau bekannt. Μίτρα ein meiſt buntfarbiges, um den
Kopf gewundnes feines Tuch, bei Dionyſos und Frauen, beſonders
Hetären (ἑταίρα διάμιτρος Pollux, picta lupa barbara mitra
Juven.). Der πόλος ſcheint eine förmliche runde Scheibe, welche
den Kopf umgab, wie bei der Epheſiſchen Artemis (nach Andern
der modius, Amalth. iii, S. 157.); dagegen der μηνίσκος
mehr ein runder Deckel zum Schutze gegen Vögel war, woraus
Manche den nimbus (das Wort in dieſem Sinne erſt bei Iſidor;
vgl. Schläger dissert. ii. p. 191. Eckhel D. N. viii p. 503.
Auguſti) der ſpäteren Zeit abgeleitet haben. — Zu dieſen Kopf-
zierden kommen die περιδέραια des Halſes, die ψέλλια der Arme,
von der Geſtalt auch ὄφεις genannt, σφιγκτῆρες (spintheres),
χλιδῶνες, die περισκελίδες u. ἐπισφύρια (auch ſchlangenför-
mig Anth. Pal. vi, 206. 207.) die ἐνώτια. ἐλλόβια, elenchi
(Achill mit einem elenchus, wegen ſeiner Mädchenerziehung, dar-
geſtellt, Serv. zur Aen. i, 34) u. ſ. w.. Th. Bartholinus
de armillis, Caſp. Bartholinus de inauribus. Scheffer de
torquibus Thes. Ant. Rom. xii,
901.


4. Roͤmiſche Tracht.

341. Die Roͤmiſche Nationaltracht, welche nur in1
Portraͤtfiguren und einigen Weſen des Italiſchen Glau-
bens (wie bei den Laren und Genien) vorkoͤmmt, geht
von derſelben Grundlage aus wie die Griechiſche. Die2
Tunica iſt ſehr wenig vom Chiton verſchieden, und die
Toga (τήβεννος) eine Etruskiſche Form des Himation,
welche bei den Roͤmern immer weitlaͤuftiger, feierlicher,
aber auch ſchwerfaͤlliger ausgebildet wurde. Fuͤr die
Erſcheinung im oͤffentlichen Leben von Anfang an be-
ſtimmt, verlor ſie mit demſelben ihre Bedeutung,
und mußte allerlei bequemeren Griechiſchen Gewaͤn-
dern (laena, paenula) weichen, welche aber fuͤr die
Kunſt nur geringe Bedeutung haben. Die Toga unter-3
ſcheidet ſich vom Himation durch den halbrunden Zuſchnitt
und die groͤßre Laͤnge, welche bewirkt, daß die Enden
derſelben in bedeutenden Maſſen (tabulata) zu beiden
Seiten bis zur Erde fallen. Der Ueberhang der weit-
[430]Syſtematiſcher Theil.
laͤuftigeren Toga unter dem rechten Arme iſt der sinus;
an demſelben wird ein Bauſch, umbo, durch beſondre
4Kunſt (forcipibus) hervorgebracht. Zu dieſer Tracht
gehoͤrt der den Fuß vollſtaͤndig einſchließende Halbſtiefel,
5calceus. Dieſelbe Tracht war fruͤher auch Kriegs-
tracht, wobei die Toga durch die Gabiniſche Guͤrtung am
Koͤrper feſtgemacht wurde; dagegen hernach das der
Chlamys aͤhnliche sagum und paludamentum
6eintrat. Sie war auch Frauentracht, was ſie aber nur
beim niedern Volke blieb, waͤhrend bei den Vornehme-
ren eine der Joniſchen aͤhnliche Bekleidung ſich bildete, wozu
die stola, aus einer Tunica mit breitem Beſatz (instita)
beſtehend, die palla (welche meiſt eine Art Ober-Tu-
nica zu ſein ſcheint), und das oft ſehr reiche, auch mit
Frangen beſetzte amiculum gehoͤren, deſſen Stelle
mitunter das kleinere ricinium, welches beſonders um
den Kopf liegt, vertritt.


1. Zur Geſchichte der Römiſchen Tracht des Vf. Etrusker i.
S. 261.


2. Statuas paenulis indutas erwähnt Plin. xxxiv, 10
als ein novitium inventum; ſicher ſind ſie noch nirgends nach-
gewieſen.


3. Ueber die Toga beſonders Quintil. Inst. xi, 3. Tertul-
lian de pallio, ab in. Ἡμικύκλιον, Dionyſ. iii, 61.
rotunda
Quint. u. Aa. Bis trium ulnarum toga Horaz.
Veteribus nulli sinus Quint. Das breite aus mehrern La-
gen beſtehende Band über dem obern Theil der Toga an manchen
Perſonen aus der ſpätern Kaiſerzeit, erwartet noch ſeine Erklärung.
Amalth. iii. S. 256. Vgl. noch den Annius Verus PCl. vii,
20., den ältern Philippus, Guattani M. I. 1784. p. lx. u.
Andre.


6. Eine eigenthümlich Römiſche Art das amiculum zu tragen,
iſt die bei den ſogen. Pudicitien vorkommende, PCl. ii, 14. Cap.
iii, 44. August.
118.


5. Waffentracht.

1342. Die Waffentracht der Alten koͤmmt nur auf
altgriechiſchen Vaſengemaͤhlden und in Roͤmiſchen Por-
[431]II. Bildende Kunſt. Formen.
traͤtſtatuen (thoracatae §. 199, 3.) und hiſtoriſchen
Reliefs vollſtaͤndiger vor; die dazwiſchen liegenden Kunſt-
productionen begnuͤgen ſich mit Andeutungen. Der Helm2
iſt entweder eine bloße Fellhaube, die aber auch mit Blech
bekleidet ſein kann (κυνέη, καταῖτυξ, galea), oder der
ritterliche große Helm (κόρυς, κράνος, cassis). Hier3
unterſcheidet man wieder den im Peloponnes gebraͤuchlichen
Helm (das κράνος Κορινϑιουργὲς), mit einem Viſir
mit Augenloͤchern, welches nach Belieben uͤber das Geſicht
herabgeſchoben und zuruͤckgeſchoben werden konnte; und
den in Attika und anderwaͤrts uͤblichen Helm mit einem
kurzen Stirnſchilde (στεφάνη) und Seitenklappen. Der4
dem Ringpanzer (στρεπτὸς) entgegenſtehende feſte Pan-
zer
(στάδιος ϑώραξ), beſtehend aus zwei Metallplatten
(γύαλα), von denen die vordre oft uͤberaus zierlich mit
getriebner Arbeit geſchmuͤckt iſt, iſt in Griechenland ge-
woͤhnlich nach unten grade, in Roͤmiſchen Werken nach
der Form des Leibes rund zugeſchnitten (doch gilt die
Regel keineswegs durchgaͤngig); er wird von oben durch
Schulterblaͤtter gehalten, und nach unten durch mit Me-
tall beſetzte Lederſtreifen (πτέρυγες) zum Schutze der
Oberſchenkel zweckmaͤßig verlaͤngert. Auch die aus ela-5
ſtiſchem Zinn geſchlagnen Beinſchienen (κνημῖδες,
ocreae), welche unten durch den Knoͤchelring (ἐπισφύ-
ριον) gehalten werden, waren oft von zierlicher und
ſorgfaͤltiger Arbeit. Der große Erzſchild der Griechen6
(ἀσπὶς, clypeus), ſehr beſtimmt unterſchieden von dem
viereckten scutum (ϑυρεὸς) der Roͤmer, iſt entweder
ganz kreisfoͤrmig, wie der Argoliſche, oder mit Einſchnit-
ten zum Durchſtecken der Lanzen verſehen, wie der Boͤo-
tiſche. Die Homeriſchen gefittigten Tartſchen (λαισήια
πτερόεντα) machen Vaſengemaͤhlde anſchaulich, durch
welche auch die Einrichtung der Handhaben (ὀχάναι)
ſehr verſinnlicht wird.


1. Die Homeriſchen φάλοι (vgl. Buttmann Lexil. ii. S. 240.)
können wohl in den aufrechtſtehenden Schildchen erkannt werden,
die auf Vaſengem. auf den Helmen ſo viel vorkommen. Ueber
[432]Syſtematiſcher Theil.
die Theile des alten Helms Olenin Observations sur une note
de Millin. Petersb.
1808.


3. Das κρ. Κορινϑιουργὲς findet man gewöhnlich auf Va-
ſengem. des alten Styls, z. B. Millin i, 19. 33., an den Ae-
ginet. Statuen, auf den Korinthiſchen Münzen (unten: Athena).


4. Panzer von zierlicher Arbeit aus den Gräbern von Canoſa
(Millin). Helme, Beinſchienen und andre Waffenſtücke mit
Bildwerken, Neapels Ant. S. 213 ff. Ueber die πτέρυγες
Xenoph. de re equ. 12. Ueber Mitra u. Zoſter beſonders
Il. iv, 134. Die Einrichtung der ganzen Rüſtung machen
beſonders die Vaſengem. deutlich Tiſchb. i, 4. iv, 20. Mil-
lin i, 39.


6. Λαισ. πτερ. z. B. Tiſchb. iv, 51. Millingen Cogh. 10.


Die genauere Erklärung der Waffen und Bekleidungen der
Legionarien, socii u. ſ. w. an Römiſchen Siegesmonumenten ge-
hört natürlich nicht hierher.


6. Behandlung der Draperie.

1343. Noch wichtiger als die Kenntniß der einzelnen
Gewandſtuͤcke iſt eine richtige Vorſtellung von dem Geiſte,
in welchem die alte Kunſt die Gewaͤnder uͤberhaupt be-
2handelt. Erſtens durchaus bedeutungsvoll, ſo daß
die Wahl des Gewandes, die Art es zu tragen, ſtets
auf Charakter und Thaͤtigkeit der dargeſtellten Perſon
hinweiſt (wie beſonders die Analyſe der einzelnen Goͤtter-
3vorſtellungen zeigen kann). Zweitens in den aͤchten Zeiten
der Kunſt durchaus dem Koͤrper untergeordnet,
die Beſtimmung erfuͤllend, die Form und Bewegung deſ-
ſelben zu zeigen; was das Gewand ſelbſt in einem der
Zeit nach groͤßeren Umfange zu leiſten im Stande iſt als
die nackte Geſtalt, weil es durch Wurf und Faltenlage
bald die der dargeſtellten Handlung vorhergehenden Momente
errathen laͤßt, bald auch das Vorhaben der Perſon an-
4deutet. Grade die Gewaͤnder der Griechen, welche
bei ihrer einfachen und gleichſam noch unentſchiednen
[433]II. Bildende Kunſt. Formen.
Form erſt durch die Art des Umnehmens einen beſtimm-
ten Charakter erhalten, und zugleich einen großen Wechſel
glatter und faltiger Parthieen geſtatten, waren von An-
fang an fuͤr ſolche Zwecke geeignet; aber es wurde
auch zeitig Kuͤnſtlergrundſatz, durch enges Anziehn der
Gewaͤnder und Beſchwerung der Zipfel mit kleinen Ge-
wichten (ῥοΐσκοι?) die Koͤrperformen uͤberall moͤglichſt
vortreten zu laſſen. Das Streben nach Klarheit der Dar-5
ſtellung gebot den Kuͤnſtlern der beſten Zeit Anordnung
in großen Maſſen, Unterordnung des Details unter die
Hauptformen, grade ſo wie bei der Muskulatur des Koͤrpers.


4. Προςπτύσσεται πλευραῖσιν ἀρτἰκολλος ὥστε τέκτο-
νος χιτὼν ἅπαν κατ̕ ἄρϑρον Soph. Trachin. 765. — Auch
die vestes lucidae der alten Mahler (oben §. 134, 2.) gehören
hieher. Die kleinen Gewichte ſieht man ſelbſt auf Münzen, Mi-
onnet Descr. Planches 65, 7.


5. Vom älteren Draperie-Styl. §. 93.; vom ſpätern §. 204,
2. Jene ſtarren und tiefen Falten an den Gewändern der Giu-
ſtin. Veſta, des Barberiniſchen Apollon, der Muſen von Venedig
möchten, wie §. 93, 1. angedeutet, aus architektoniſchen Bedingun-
gen abzuleiten ſein.


III. Von den Attributen.

344. Zu den Kunſtformen gehoͤren auch die Attribute,1
worunter untergeordnete Weſen der Natur oder Produkte
menſchlicher Arbeit verſtanden werden, welche zur Bezeich-
nung des Charakters und der Thaͤtigkeit von Hauptfiguren
dienen. Da zwiſchen dieſen Weſen und Dingen und ei-2
nem geiſtigen Leben nicht der innige und natuͤrliche Zu-
ſammenhang beſteht, wie zwiſchen dem Menſchenkoͤrper
und Geiſte: ſo wird die Kunſt hier immer an ein Poſi-
tives gewieſen ſein. Perſonen der Wirklichkeit werden3
ihre wirklichen Umgebungen zugefuͤgt (wie den Senato-
28
[434]Syſtematiſcher Theil.
ren die scrinia); idealen, Goͤtterbildern, Bezeichnungen
welche theils aus ſolchen nach Analogie gebildet ſind
(wie der Beutel des Hermes, der Spiegel der Aphrodite),
theils und zwar groͤßtentheils auf der im Glauben und
Cultus gegebnen Symbolik beruhen (wie die Pfeile des
4Ferntreffer Apollon, die Fackeln der Lichtbringerin Arte-
mis). Da die Schoͤpfung der Symbole auf einer Leb-
haftigkeit der religioͤſen Phantaſie und einer kindlichen
Naivetaͤt des Denkens beruht, wie ſie nur die Urzeit
des Griechiſchen Volkes hatte: ſo war dieſe zweite Claſſe
von Attributen dem Kuͤnſtler ſtets gegeben; und ſeine Auf-
5gabe war nur, ſie mit der geſammten Darſtellung in
voͤlligen Einklang zu bringen. Was aber die Behand-
lung der Attribute betrifft: ſo zeigt die Griechiſche Kunſt
darin, dem §. 325. ausgeſprochnen Grundſatze gemaͤß,
die entſchiedne Richtung, ſie untergeordnet zu behandeln,
dem Maaß nach zu verkleinern, der Sorgfalt der Arbeit nach
6hintanzuſetzen: welches ſoweit geht, daß bei kaͤmpfenden
Goͤttern und Heroenfiguren die Gegner, nicht blos Un-
thiere, ſondern auch rohere Menſchenfiguren, haͤufig ge-
gen alle Forderung des modernen Kunſtſinnes, welcher
mehr reale Nachahmung und Illuſion verlangt, verkleinert
werden, weil die edle Geſtalt des Gottes oder Heros
ſchon fuͤr ſich durch ihre Stellung und Bewegung Alles zu
ſagen im Stande iſt.


6. Ein Hauptbeiſpiel iſt der Capitoliniſche Altar mit den Ar-
beiten des Herakles.


IV. Von der Compoſition.

1345. In der Compoſition mehrerer Figuren zu groͤ-
ßeren Ganzen zeigt ſich derſelbe Geiſt der Einfalt, Maͤ-
ßigung, Klarheit und Ruhe, der die ganze alte Kunſt
2druchdringt. Mit der Zahl der Figuren wird, wie
[435]II. Bildende Kunſt. Formen.
auf der alten Buͤhne, geſpart; die Figuren werden, ab-
geſehn von den Erzeugniſſen eines ſpaͤtern Geſchmacks
am Ueberladnen, in dem groͤßten Theil ihrer Umriſſe ge-
trennt gehalten (vgl. §. 133, 3.) Maſſen von Men-3
ſchen darzuſtellen, iſt ganz gegen den Geiſt der antiken
Kunſt, welche auch dafuͤr ideelle Figuren (Staͤdte, Voͤlker
als einzelne Perſonen) zu brauchen pflegt. Dagegen4
erlaubt die zuſammenziehende Darſtellungsweiſe der alten
Kunſt, verſchiedne Zeitmomente, welche aber in
der Einheit einer Haupthandlung zuſammenfließen muͤſſen,
in dem Bezirk eines Kunſtwerkes nebeneinanderzuſtellen,
oft ſo, daß es ſchwer iſt, die verſchiednen Momente
mit den dazu gehoͤrenden Figuren ſcharf von einander zu
trennen. — Je aͤlter das Kunſtwerk, um deſto mehr5
verlangt der Griechiſche Kunſtſinn eine augenfaͤllige Sym-
metrie
in der Zahl, Stellung und Geſtalt der combi-
nirten Figuren, welche die innern Beziehungen von Satz und
Gegenſatz, von Beginn, Mitte, und Schluß der Handlung
und Aehnliches auch ſichtlich darſtelle (vgl. §. 93. 134).
Erſt nach und nach wird die Compoſition freier, die
Symmetrie verſteckter; die Einheit geſtattet eine groͤ-
ßere Verſchiedenheit in den untergeordneten Theilen; die
Hauptgruppen zerfallen ſelbſt wieder in verſchiedenartige
kleinere Gruppen: aber eine abſichtliche Unruhe und Ver-
wirrung in der Gruppirung gehoͤrt erſt den Zeiten eines
ſpaͤten, geſunkenen Geſchmacks. Die aͤußeren Bedingun-6
gen, welche dem plaſtiſchen Kunſtwerk die Beſtimmung
fuͤr den Schmuck eines Gebaͤudes oder andere Lebenszwecke
ſetzen, erſcheinen nie als ein Zwang, als ein die Kunſt-
idee einſchraͤnkendes und ihre volle Entwicklung ſtoͤrendes
aͤußeres Geſetz; vielmehr werden dieſe aͤußern Be-
dingungen gleich in den Keim des Kunſtwerks mit auf-
genommen, und wachſen mit der innerſten und tiefſten
Idee deſſelben in ein untrennbares Ganze zuſammen.


1. Vgl. Winckelm. iv. S. 178.


28*
[436]Syſtematiſcher Theil.

4. S. hierüber, außer vielen archäologiſchen Bemerkungen zu
alten Sarcophagen, zu Philoſtratos Gemählden, Thierſch im Kunſt-
blatt 1827 N. 18. [Tölken über das Verhältniß der antiken
Mahlerei zur Poeſie].


6. Der ſinnvolle Ausſpruch: Tout véritable ouvrage de
l’art naît avec son cadre,
gilt von der antiken Kunſt durchaus.
Die Gruppen der Tempelgiebel ſind, muß man geſtehn, gleich im
erſten stamen der Idee giebelförmig gedacht.


[437]
Dritter Theil.
Von den Gegenſtaͤnden der alten Kunſt.

346. Wie die bildende Kunſt in ihren Formen auf1
Nachahmung der wirklichen Natur: ſo iſt ſie in ihren
Gegenſtaͤnden auf poſitiv vorhandne Vorſtellungen ange-
wieſen. Zwar iſt die Kunſtidee (§. 6.) weſentlich ein2
freies Erzeugniß des kuͤnſtleriſchen Geiſtes und Etwas,
was nur durch das Kunſtwerk fuͤr den Kuͤnſtler wie fuͤr
Andre lebendig wird; aber indem die Kunſtidee den Weg
nimmt, ſich nicht, wie in der Muſik, als ein in der Zeit
Erſcheinendes und Voruͤbergehendes darzuſtellen, ſondern
ein im Raume dauernd Vorhandnes zu ſchaffen: muß ſie
zugleich eine geiſtige Exiſtenz ſetzen, welche von der des
Kuͤnſtlers ſelbſt verſchieden iſt; welches die Kunſtthaͤtig-
keit in den Zeiten einer vollkommen geſunden und natuͤr-
lichen Entwickelung nicht vermag, ohne den Glauben an
eine ſolche Exiſtenz wenigſtens in der Schoͤpfung des
Kunſtwerks ſelbſt feſthalten zu koͤnnen. Die bildende
Kunſt bedarf daher aͤußerlich und poſitiv gegebner Ge-
genſtaͤnde. Dieſe ſind entweder in der ſinnlichen Erfah-3
rung oder in einer Welt geiſtiger Anſchauungen, in wel-
cher ſich die Nation bewegt, gegeben, das heißt, entwe-
der geſchichtliche Geſtalten, oder Weſen der Religion und
Mythologie, welche den Glauben an eine reale Exiſtenz
ihrer Gebilde, den die Poeſie an ſich nur momentan her-
vorbringt, allein auf eine dauernde Weiſe zu gewaͤhren
im Stande ſind. Die Gegenſtaͤnde der letztern Art wer-4
den bei einen kunſtbegabtem Volke immer die Hauptauf-
[438]Syſtematiſcher Theil.
gabe ſein, weil das Kunſtvermoͤgen ſich an ihnen freier
und vollſtaͤndiger in aller ſeiner ſchaffenden Kraft ent-
wickeln und bewaͤhren kann.


2. Man vergleiche wieder, wie §. 8, 2. eine Bacchiſche Muſik
mit einer plaſtiſchen Gruppe von Satyrn und Mänaden.


I. Mythologiſche Gegenſtaͤnde.

1347. Die Griechen waren in gewiſſer Art ſo
gluͤcklich, daß lange, ehe die Kunſt zur aͤußern
Erſcheinung gedieh, der Genius des Volks dem Kuͤnſtler
vorgearbeitet und die geſammte Kunſtwelt praͤformirt hatte.
2Das myſtiſche, der Religion ſo weſentliche Element,
in welchem wir das goͤttliche Daſein als ein Unendliches,
vom menſchlichem abſolut Verſchiednes, welches nie Dar-
ſtellung ſondern nur Andeutung vertraͤgt, ahnden und
fuͤhlen (§. 31), war, wenn auch nie voͤllig verdraͤngt
(was nicht moͤglich iſt), doch beſonders durch die Poeſie
3in den Hintergrund geſchoben worden. Die Sagen,
welche das geheime Walten von univerſellen Naturmaͤch-
ten in oft abſichtlich ſeltſamen und formloſen Bildern
mahlen, waren den Griechen ſchon in Homeriſcher Zeit
zum groͤßten Theile bedeutungslos geworden; die Feſt-
gebraͤuche, welche auf dieſem Grunde wurzelten, wurden
als alte Caͤremonien nach vaͤterlicher Weiſe fortgeuͤbt;
die Poeſie aber verfolgte den ihr nothwendigen Weg,
Alles immer mehr nach der Analogie des menſchlichen
Lebens durchzubilden: womit eine naive Froͤmmigkeit,
welche den Gott als menſchlichen Schuͤtzer und Berather,
als Vater und Freund in aller Noth faßt, ſich ſehr wohl
4vertrug. Die Saͤnger, welche ſelbſt nur Organe der
allgemeinen Stimmung waren, bildeten die Vorſtellungen
immer individueller und feſter aus, wenn auch freilich
Homer auf dieſem Wege noch nicht zu der ſinnlichen Be-
ſtimmtheit gelangt iſt, welche in den Zeiten der Bluͤthe
[439]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
der plaſtiſchen Kunſt ſtattfand. Als nun ihrerſeits die5
Plaſtik dahin gediehen war, die aͤußern Formen des Le-
bens in ihrer Wahrheit und Bedeutungsfuͤlle zu faſſen,
kam es nur darauf an, jene ſchon individualiſirten Vor-
ſtellungen in ihnen auszupraͤgen. Wenn auch dies nie
ohne eine ganz eigenthuͤmliche Auffaſſung, ohne Begeiſte-
rung und einen Akt des Genie’s von Seiten der Kuͤnſt-
ler geſchehen konnte: ſo war doch die allgemeine Vor-
ſtellung der Nation von dem Gotte da, um als Pruͤf-
ſtein der Richtigkeit der Darſtellung zu dienen. Fuͤhlte ſich6
nun die feſte und beſtimmte Vorſtellung von dem Gotte,
in Verbindung mit dem feinen Sinne der Griechen fuͤr
den Charakter der Formen, voͤllig befriedigt: ſo erwuch-
ſen Normalbilder, an welche ſich die darauf folgen-
den Kuͤnſtler, mit jenem Sinne der Helleniſchen Nation,
der von der orientaliſchen Starrheit wie von moderner
Eigenſucht gleich entfernt war, mit lebendiger Freiheit
anſchloſſen; es entſtanden Bildungen der Goͤtter und He-
roen, die nicht weniger innre Wahrheit und Feſtigkeit
hatten, als wenn die Goͤtter den Kuͤnſtlern ſelbſt geſeſſen
haͤtten. Alles dies iſt nur einmal ſo in der Welt gewe-7
ſen, weil nur in Griechenland die Kunſt in dem Maaße
Nationalthaͤtigkeit, nur die Griechiſche Nation im Gan-
zen eine große Kuͤnſtlerin war.


5. Wie die Götterideale ſich durch treues Feſthalten an der
Volksvorſtellung allmählig feſtgeſetzt, führt Dion Chryſoſt. xii
p.
210. nicht übel aus.


6. So ſind natürlich auch die Götterbilder, beſonders die, welche
durch häufige Nachahmung gleichſam canoniſch wurden, Denkmäler
der damals, als ſie entſtanden, herrſchenden Religioſität, und um-
gekehrt hilft die Kenntniß der letztern die Zeit der erſtern beſtim-
men. Heyne’s Abhandlung, de auctoribus formarum quibus
dii in priscae artis operibus efficti sunt, Commentat.
Gott. viii. p. xvi.,
führt einen ſehr guten Gedanken aus der
in erweitertem Umfange wieder aufgenommen zu werden verdiente.


348. Am vollkommenſten iſt im Ganzen dieſe Thaͤ-1
tigkeit bei denjenigen Goͤttern durchgebildet worden, welche
[440]Syſtematiſcher Theil.
am meiſten individualiſirt worden ſind, d. h. deren gan-
zes Weſen am wenigſten auf einen Grundbegriff redu-
2cirt werden kann. Man kann allerdings von ihnen ſa-
gen: ſie bedeuten nicht, ſie ſind; was aber nicht
darin ſeinen Grund hat, daß ſie jemals Gegenſtaͤnde ei-
ner aͤußern Erfahrung geweſen, ſondern nur darin, daß
dieſe ideellen Weſen gleichſam die ganze Geſchichte der
Griechiſchen Staͤmme, welche ſie verehrten, durchlebt ha-
ben, und tauſend Eindruͤcke davon tragen. Eben des-
wegen haben ſie in der Kunſt die hoͤchſte Leibhaftigkeit,
die am meiſten energiſche Perſoͤnlichkeit. Dies ſind die
3Olympiſchen Goͤtter, der hoͤchſte Zeus mit ſeinen
Kindern und Geſchwiſtern.


1. Für das Folgende ſind als allgemeine Hülfsmittel zu nen-
nen: Montfaucon Antiq. expl. T. i. (eine höchſt rohe aber
doch noch immer unentbehrliche Sammlung). A. Hirts Bilder-
buch für Mythologie, Archäologie und Kunſt. 2 Hefte Text, eben
ſo viel Kupfer 4. Berlin 1805 u. 1816. A. L. Millin Ga-
lerie mythologique.
2 Bde Text, 2 Kupfer (190 Blätter). Pa-
ris
1811. Deutſch in Berlin erſchienen. Spence’s Polymetis
(eine Vergleichung von Kunſtwerken mit Dichterſtellen). Lond.
1774. f.
Die rohen und unkritiſch gefertigten Sammlungen
von mythologiſchen Bildern, mit denen das Publicum immer aufs
neue getäuſcht wird, verdienen hier keine Erwähnung.


3. Gruppen der Zwölf-Götter des Olympos (nicht immer
derſelben) im alten Styl, ſind oben §. 96, 16. genannt worden;
das wichtigſte Denkmal iſt die Borgheſiſche Ara. Eine Borgheſ.
Vaſe, jetzt in Paris, n. 381., zeigt die Köpfe der Zwölf-Götter
und ihre Attribute als Monatszeichen mit Zodiacalgeſtirnen com-
binirt. Aphrodite April, Apollon Mai, Hermes Juni, Zeus Juli,
Demeter Auguſt, Hephäſtos Sept., Ares Oct., Artemis Nov., Heſtia
Dec., Hera Jan., Poſeidon Febr., Athena März. Mon. Gab.
16. 17. Elf Götter um Zeus verſammelt, Relief M. Cap.
iv,
8. Millin G. M. pl. 5, 19. Pompejaniſches Gemählde
der Zwölf-Götter, in einer Reihe, über zwei Geniis loci, Gell
pl. 76. Köpfe vieler Götter in Medaglions, Pitt. Erc. iii, 50.


[441]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
A. Die Olympiſchen Zwoͤlfgoͤtter.

1. Zeus.

349. Zeus war, wie alle Goͤtter des Griechiſchen1
Volks, von Anfang an auch Naturgott und vorzugs-
weis Naturgott. Im warmen Fruͤhlingsregen feiert
er in Argos die heilige Hochzeit mit der Hera; die
naͤhrende Eiche und die fruchtbare Taube bezeichneten
ihn in Dodona als Seegensgott; und in Kreta er-
zaͤhlte man ſeine Jugendgeſchichte ziemlich ſo wie an
andern Orten die des Bakchos. Alte ſymboliſche Vor-2
ſtellungen deuteten ihn als einen Gott dreier Reiche, des
himmliſchen, irdiſchen und unterirdiſchen, an. Seine
Kunſtform erhielt indeß Zeus nicht als Naturgott, ſon-
dern in ethiſcher Ausbildung als der eben ſo huld- wie
machtvolle Herrſcher der Welt und Vater der Goͤtter und
Menſchen. Dieſe Vereinigung der Eigenſchaften hatte,3
nach manchen weniger tiefgefaßten Vorſtellungen der aͤl-
tern Kunſt, ſchon Phidias zur innigſten Verſchmelzung4
erhoben, und gewiß war er es auch, der die aͤußeren
Zuͤge aufſtellte, welche alle nachfolgenden Kuͤnſtler, nach
dem Maaße ihres Kunſtvermoͤgens, wiederzugeben ſuchten.
Dazu gehoͤrte der ſich von dem Mittel der Stirn empor-5
baͤumende, dann maͤhnenartig zu beiden Seiten her-
abfallende Haarwurf (§. 330, 4), die oben klare und
helle, nach unten aber ſich maͤchtig vorwoͤlbende Stirn,
die zwar ſtark zuruͤckliegenden aber weit geoͤffneten und
gerundeten Augen, die feinen Zuͤge um Oberlippe und
Wangen, der reiche, volle, in maͤchtigen Locken grade
herabwallende Bart, die edel und breitgeformte offne
Bruſt, ſo wie eine kraͤftige aber nicht uͤbermaͤßig toroͤſe
Musculatur des ganzen Koͤrpers. Von dieſem Charakter,6
welcher den meiſten und beſten Zeus-Bildern eingepraͤgt
iſt, weicht auf der einen Seite eine mehr jugendliche
und milde Bildung ab, mit weniger Bart und maͤnnli-
[442]Syſtematiſcher Theil.
cher Kraft im Geſicht, welche man gemeiniglich, doch ohne
7ſichern Grund, Zeus Meilichios nennt; ſo wie auf der
andern Seite Zeuskoͤpfe vorkommen, die in dem heftige-
ren Lockenwallen und den bewegteren Zuͤgen einen gewiſ-
ſen, obgleich immer ſehr milden, Ausdruck von Zorn
und kriegeriſcher Heftigkeit tragen, und den kaͤmpfenden,
raͤchenden, ſtrafenden Gott darſtellen. Am furchtbarſten
erſchien, nach Pauſanias, in Olympia Zeus Horkios,
der Eidraͤcher, mit einem Blitz in jeder Hand.


1. S. im Allgemeinen Böttigers Kunſtmythologie von S. 290.
an, und die weitre Fortſetzung in dem nur als Manuſeript für Freunde
mitgetheilten Grundriſſe. Von dem ἱερὸς γάμος der Argiver
Welcker in dem Anhange zu Schwencks Etymol.-Mythol. Andeu-
tungen S. 267. Von dem Dodonäiſchen Cultus beſonders Völ-
cker Mythol. des Japet. Geſchlechts S. 83 ff., von dem Kretiſchen
Hoeck’s Kreta i. S. 234 ff.


2. Von dem alten Ζ. τριόφϑαλμος Pauſ. ii, 24, 5., der
ihn gewiß richtig erklärt. Der Triopas, der ſo bedeutungsvoll
im Cultus der Chthoniſchen Götter vorkömmt, iſt wahrſcheinlich eben
dieſer Zeus.


3. Von ältern Bildern des Ageladas u. Anderer können wir
nicht urtheilen; das Borgheſiſche Relief zeigt Zeus mit Scepter
u. Blitz, das zierlich gefältelte Himation in dem gewöhnlichen Um-
wurf, den Bart ſpitz, Flechten auf den Schultern.


4. Von Phidias Olympiſchem Zeus §. 115. u. Euphranors
Copie §. 140, 3.


5. Die bedeutendſte Statue, doch kein Werk erſten Ranges,
der Jupiter Veroſpi im PCl. i, 1. Coloſſ zu Ildefonſo unbe-
kannt. Koloſſale Büſte von Otricoli, durchaus auf Unteran-
ſicht berechnet. PCl. vi, 1. M. Franç. iii. pl. 1. Noch erhab-
ner die coloſſale aber ſehr erſtückte im Garten Boboli zu Florenz.
Winck. W. iv. Tf. 1 a. Eine andre in der Florentiniſchen
Galerie. W. iv. S. 316.


6. Eine ſchöne Büſte der Art aus der Townleyſchen Sammlung
im Brittiſchen Muſeum. Specimens 31. Auch der ſchöne
[443]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Dresdner Kopf, der auf einem neuen Rumpf ſitzt, Auguſteum ii,
39, zeigt ähnliche jugendliche Formen.


7. So der Torſo, der ſeit Ludwig XIV. in Paris iſt (vorher
Mediceiſch) M. Napol. i, 3. Bouill. i, 1. Der berühmte,
aber auch bezweifelte, Cameo in der Marcus-Bibl. mit dem Kopfe
des Z. Aegiochos (Schriften von Viſconti u. Bianconi, Millin
G. M. ii, 36.) zeigt eine ſchöne Miſchung von Kampfluſt, Sieg-
ſtolz und Milde. Einen ähnlichen kühnen Lockenwurf zeigt der
Kopf des Ζ. στρατηγὸς von Amaſtris, Combe Coins of the
Brit. Mus. pl. 9,
9. 10. Ueber Abweichungen in der Haar-
und Bartbildung des Z. Viſconti PioCl. vi. p. 1. 2.


350. Die ſitzende Stellung der Zeusbilder, bei wel-1
cher das bis auf die Huͤften herabgeſunkne Himation die
gewoͤhnliche Bekleidung iſt, haͤngt mit der Vorſtellung
von ruhiger Macht, ſiegreicher Ruhe zuſammen; die ſte-2
hende, (ἀγάλματα ὀρϑά), wobei das Himation oft ganz
entfernt iſt oder nur die Ruͤckſeite bedeckt, fuͤhrt den
Gedanken von Thaͤtigkeit mit ſich, Zeus wird dann als
Schuͤtzer, Vorſteher politiſcher Thaͤtigkeit, oder auch als der
blitzende Gott gedacht; bisweilen findet hier auch eine3
ganz jugendliche Bildung ſtatt, wobei man an den noch
nicht zur Herrſchaft der Welt gelangten Zeus denken
muß. Doch iſt auch in den ſtehenden Zeusfiguren immer
noch viel Ruhe; ein heftiges Ausſchreiten iſt der Bildung
dieſes Gottes nicht angemeſſen. Die Patere als Zei-4
chen des Cultus, der Scepter als Symbol der Herrſchaft,
die Siegsgoͤttin auf der Hand, der Adler, der Bote
des Zeus, und der Blitz, ſeine Waffe, ſind die Haupt-
attribute. Der Kranz des wilden Oelbaums (κότινος)5
unterſcheidet den Olympiſchen Jupiter von dem Dodonaͤi-
ſchen, der den Eichenkranz, und auch ſonſt viel eigen-
thuͤmliches im Haarwurf und der Bildung hat. Dar-6
ſtellungen, bei welchen die Naturbedeutung, eine myſti-
ſche Beziehung oder das Verhaͤltniß zum Weltſyſtem
hervorgehoben werden, ſind verhaͤltnißmaͤßig ſelten, meiſt
erſt aus den Zeiten der ſinkenden Kunſt. Weſentliche7
Abweichungen bieten die barbariſchen Gottheiten dar, die
nur als Zeus helleniſirt ſind.


[444]Syſtematiſcher Theil.

1. Sitzend der Olympiſche Z. zu Olympia u. Daphne
(§. 160, 1.), wie auch ſonſt der Z. als Νικηφόρος, Victor
(Combe N. M. Brit. pl. 6, 24. G. M. 10, 43. 177 b., 673);
ferner der Z. mit dem Adler auf der Hand, der nach den Münzen
einem Makedoniſchen Heiligthum (Dion?) angehört, u. a. Oefter
hat der Sitzende als beruhigter Donnerer den Blitz auf dem Schooß,
Taſſie Cat. i. p. 86. 87. n. 941. 942., auch einen Siegerkranz
G. M. 9, 44. Ein thronender Z., welcher auch durch das Stützen
der rechten Hand gegen den Kopf Ruhe ausdrückt, in einem Pom-
pej. Bilde, Zahn 26.


2. Stehend (Ζ. Νέμειος Pauſ. ii, 20, 3.) und vom
Himation umgeben z. B. der von Laodikeia, der das Skeptron in
der L., den Adler auf der R. hat, auf Eintrachts-M. Minder
eingehüllt die Jupiterſtatuen Mus. Cap. iii, 2. 3. Bouill.
iii. pl. i, 1.


Ganz unbekleidet der ſtehende Z. Homagyrios der Achäer, mit
einer Nike auf der R., dem Scepter in der L. Combe pl. 7, 15.
8,
6. Von vorn unbekleidet oft auf Römiſchen Münzen; als
Iup. stator; als conservator blitzwerfend, mit Scepter G. M.
9,
45. Auf der Gemme des Oneſimos mit Scepter, Patere,
einen Adler neben ſich, der einen Kranz im Schnabel trägt, Mil-
lin P. gr. 2. Schöne Bronze von Paramythia, ganz ohne
Draperie, mit Patere, Spec. 32. Solche Bronzefiguren ſind
häufig, der Blitz iſt gewöhnlicher als die Patere. Ant. Erc. vi,
1,
2. Athen. Münzen, wo Z., mit Blitz und Patere, ein
wenig vorſchreitet, Combe pl. 7, 1. Statue M. Cap. iii, 4.
Bouill. iii, 1,
3.


3. Ein unbärtiger ſtehender Z. mit Blitz und Aegis
um den linken Arm gewickelt, mit der Beiſchrift Νεισου, Gemme
G. M. 11, 38. vgl. Winck. W. v. S. 213. Taſſie p. 89. n.
962. Ein jugendlicher Z. mit dem Blitz auf dem Ficoroni-
ſchen Etruskiſchen Spiegel, Tinia, Etrusker ii. S. 44. Unbär-
tige Z.-Bilder bei Pauſ. vii, 24. v, 24 Z. Hellenios bart-
los auf Syrakuſ. Münzen; auf Römiſchen (Stieglitz Verſ. einer
Einr. S. 156); Gemmen der Art, Taſſie p. 84. n. 886.


4. Der Adler erhält oft auf Gemmen (Lippert ii, 4. 5.
Taſſie i. p. 87.), welche den Gegenſtand ſpielend behandeln, von
Zeus den Kranz, den er einem Begünſtigten bringen ſoll; man
ſieht ihn mit Kranz oder Palme im Schnabel den Blitz tragen.
Der Adler den Haſen, die Schlange erlegend, auf Gemmen und
[445]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Münzen, iſt ein altes Siegs-Augurium. Der Blitz iſt meiſt als
κεραυνὸς αἰχματὰς, oft geflügelt, gebildet.


5. Auf Eleiſchen Münzen Z. mit dem Kotinos-Kranz, auf
dem Revers der Adler mit der Schlange oder dem Haſen. Combe
pl. 7, 17 sqq. Stanhope Olympia. Der Olympiſche
Z. wird auch durch die Sphinxe der Thronlehne bezeichnet, in
dem Relief bei Zoëga Bass. i, 1. Hirt Bild. ii. S. 121. (Zeus,
Alpheios als Mann Aelian V. H. ii. 33, Olympias, Poſeidon,
Iſthmias). Vgl. den Fries des Parthenon.


Der Dodonäiſche auf Münzen des Pyrrhos (die thronende
Frau mit Polos (?) und Scepter, welche das Gewand nach Art der
Aphrodite über die Schulter zieht, iſt gewiß die Dodonäiſche Dione)
bei Mionnet Empr. 542. Descr. pl. 71, 8. Auf M. der
Epiroten ſieht man die Köpfe des Z. u. der Dione zuſammen;
hinten einen βοῦς ϑούριος λαρινός. Combe 5, 14. vgl. 15.
Mionn. Descr. Suppl. iii. pl. 13. Der Capitoliniſche Jup.
iſt auf den Denaren der G. Petilia ohne Kranz.


6. Ζ. Ὄμβριος aus einem Füllhorn die Erde beregnend auf
einer Epheſ. M., Eckhel D. N. ii. p. 514. Iup. Pluvius von
der Col. Anton. G. M. 9, 41. Z. mit Füllhorn oft auf
ſpätern Münzen. Ζ. Ἀπόμυιος (?) Winck. M. I. n. 13.
Taſſie p. 86. n. 918 pl. 19.


Zeus als Mittelpunkt des Weltalls, ſitzend mit dem
Blitz, von Sonne und Mond, Erde und Meer und dem Zodiacus
umgeben, ſchöne M. max. mod. von Nikäa, unter Antonin Pius,
Mionn. Descr. T. ii. p. 453. n. 225. Relief (?) bei Hirt Tf.
2, 3. Z. Serapis von Planeten und dem Zodiacus umgeben,
auf einer M. des Antonin Pius, Guigniaut Relig. pl. 51. Gemme
bei Lippert i, 5. Vgl. Winck. ii. S. 219. Von Jupiter als
Planet unten.


Jup. Exsuperantius reich bekleidet, mit Füllhorn und
Patere auf ſpäten Reliefs; auf einer Gemme des archaiſirenden
Styls Millin Pierr. grav. 3. Hier ſitzt auf der Patere ein Schmet-
terling. Vgl. Winck. W. v. S. 229. Verſchleiert (als
verborgner Gott?) in der Samiſchen Terracotta, Gerhard Ant.
Bildw. i, 1. PioCl. v. 2. Lippert Daktyl. i, 9.; zugleich
mit Eichenkranz und geflügelten Blitz Mus. Odesc. 33. — Ge-
flügelt
, Winck. iii. S. 180.


[446]Syſtematiſcher Theil.

Von Z. Hades unten. Der Z. Dionyſos, φίλιος,
Pauſ. viii, 31, iſt noch nicht aufgefunden; wenn nicht auf Cili-
ciſchen Münzen, ſ. Tölken im Berl. Kunſtblatt 1828. H. 6.


7. Der Syriſche Ζ. Κάσιος als roher Stein, doch gab es
hier auch einen dem Apollo ähnlichen Zeus, mit einem Granatapfel
in der Hand, Achill. Tat. iii, 6. Der Στράτιος, Λα-
βρανδεὺς, von Mylaſa und den Nachbarſtädten, ein alterthüm-
liches Idol mit Doppelbeil und Lanze, ganz bekleidet. Z. Am-
mon
auf M. von Kyrene, Alexandreia, Rom, auf Gemmen.
Jup. Axur oder Anxur von Terracina, unbärtig, ſtrahlenbekränzt,
thronend, auf M. G. M. pl. 9 — 11. Jup. Dolichenus
§. 241,
2.


1351. In groͤßern Compoſitionen erſcheint Zeus theils
als Kind dargeſtellt, nach dem Kretiſchen Mythus, den
ſchon Heſiod mit den gewoͤhnlichen Griechiſchen Vorſtel-
2lungen verſchmolzen und ausgeglichen hatte; theils als
der durch den Kampf mit den Giganten (der viel eher
und viel mehr beſungne Titanenkrieg war kein Gegen-
ſtand fuͤr die Plaſtik), die er gewoͤhnlich vom Streitwagen
herab niederblitzt, die Herrſchaft der Welt ſich Sichernde.
3Indem nun aber Zeus als der zur Herrſchaft gelangte
Gott ſelten unmittelbar in die Verwirrungen des Lebens
eingreift: ſo bleiben als groͤßere Darſtellungen hier nur
ſeine Buhlſchaften uͤbrig, Lieblingsgegenſtaͤnde der uͤppig-
gewordnen Kunſt in Makedoniſch-Roͤmiſcher Zeit, wo
groͤßtentheils Scenen alter Naturreligion in weltlich heitre,
4mitunter auch in poſſenſpielartige Bilder verwandelt wur-
5den. — Unter den aus dem Cultus genommenen Zu-
ſammenſtellungen des Zeus mit andern Gottheiten iſt die
Capitoliniſche Gruppe, Juno links und Minerva rechts
von Jupiter, beſonders zu merken.


1. Das Zeuskind unter der Ziege Amaltheia, Rhea dabei,
die Kureten lärmend, auf dem vierſeitigen Altar M. Cap. iv, 7.
G. M. 5,
17. Das Kind neben der Mutter in einer Grotte,
Kureten (Korybanten) umher, auf M. von Apameia, Mionnet
n. 270; das Kind von lärmenden Kureten umgeben auf Kaiſer-
M. von Magneſia. Vgl. unten Kybele. Jupiter Crescens auf
der Amaltheia G. M. 10, 18.


[447]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

2. Z. Gigantomachos zu Wagen, auf dem berühmten Ca-
meo des Athenion, in der K. Sammlung zu Neapel. Bracci
Mem. degli ant. Incisori i, 30. Taſſie Cat. pl. 19, 986.
Lipp. iii, 10. Hirt 2, 4. G. M. 33. Eine Nachbildung
in Wien, Eckhel Pierr. grav. 13. vgl. Lipp. i, 13. Schönes
Vaſengemählde Tiſchb. i, 31. Peplos der Dresdner Pallas.
Z. mit einem Giganten handgemein, Taſſie pl. 20, 991. Vgl.
PCl. iv, 10.


3. Z. Liebe zur Jo, der Argiviſchen Heraprieſterin (und ur-
ſprünglich Mondgöttin), intereſſant dargeſtellt in dem Baſenbilde
Millingen Coll. de Cogh. pl. 46; man ſieht das Holzbild der
Hera (§. 68, 2.), Jo als παρϑένος βούκερως, Z. noch bart-
los mit dem Adlerſcepter. Die Jo-Kuh von Argos bewacht,
Lippert ii, 18. Schlichtegroll 30. u. ſonſt.


Liebe zur Europa, einer Kretiſchen Nacht- und Mondgöttin
(Böttiger Kunſtmythol. S. 328. Hoeck Kreta i. S. 83. Welcker
Kret. Kolonie S. 1. ff.). Schon Pythagoras (§. 112.) ſtellte
Europa auf dem Stier dar (Varro de L. L. v. p. 13. Tatian
c. Graec. 53); das den Kopf bogenförmig umflatternde Gewand
war dabei wohl herkömmlich. Auf M. von Gortyna ſieht man
Eur. vom Stier getragen (Böttiger Tf. 4, 8. Combe 8, 12.),
dann auf der Platane am Lethäos, welche aus dürren Zweigen
ſich friſch zu belauben ſcheint, Z. als Adler neben ihr (Combe 8,
10. 11.); auch ſchmiegt ſich ihr der Adler, wie der Schwan der
Leda, an (Cab. du Roi). Auf dem Stier, mit flatterndem
Gewand, ſieht man ſie auch auf ſpätern M. von Sidon (Combe
12, 6), u. Denaren der G. Volateia. Vgl. das Gemählde
(Achill. Tatius i, 1.) im Grabmal der Naſonier, bei Bartoli 17.,
die Vaſengemählde Millingen Div. coll. 25. Millin Vas. ii,
6. Gemmen, Beger Thes. Brandeb. p. 195. Lipp. i, 14
(15?) Schlichtegroll 29.


Z. die Antiope umfangend, auf einem Etruskiſchem Spie-
gel, Inghir. S. ii, 1. t. 17.; der Satyr, in deſſen Geſtalt er
ſie beſchlich, ſteht dabei. Z. ſelbſt als Satyr dabei, Gemmen bei
Lipp. i, 11. 12. Z. als Adler die Aegina (?) raubend, Va-
ſeng. Tiſchb. i, 26. S. unten: Leda, Semele.


4. Nach einer unteritaliſchen Farçe auf einer Vaſe: Z. u.
Hermes bei der Alkmene einſteigend. Winck. M. I. n. 190.
Hancarville Antiq. iv. pl. 105. Vgl. des Vf. Dorier ii. S. 356.


[448]Syſtematiſcher Theil.

5. S. Bartoli Lucernae ii, 9. (wo die Capitol. Götter als
Beherrſcher des Univerſums gefaßt ſind). Paſſeri Luc. i, 29.
Gemmen bei Taſſie Cat. i. p. 83. Das Relief Bouill. iii, 62.
zeigt ein Opfer vor dem Capitoliniſchen Tempel, nach ſeiner ſpätern
Korinthiſchen Architektur.


Vgl. ſonſt: Pallas, Dionyſos, Ganymed.


2. Hera.

1353. Hera war in mehrern Heiligthuͤmern Griechen-
lands, welche indeß alle von Argos abzuſtammen ſchei-
nen, das dem Zeus entſprechende weibliche Weſen, die
2Frau des Himmelsgottes. Die Ehe mit ihm, welche
die Quelle des Naturſeegens iſt, macht ihr Weſen aus;
in Bezug auf dieſe wird Hera in den Sagen auf ver-
ſchiednen Stufen als Jungfrau, Braut, Eheweib, auch
vom Gemahl getrennt und ihm widerſtrebend gefaßt; die
3Goͤttin ſelbſt wird dadurch zur Ehegoͤttin. Als aͤchte
Ehefrau (κουριδίη ἄλοχος) im Gegenſatze der Concubi-
nen, zugleich als maͤchtige Goͤtterfuͤrſtin, erhielt ſie bei
den alten Dichtern einen ſtolzen und herben Charakter;
den indeß die bildende Kunſt, welche die ſchrofferen Zuͤge
der alterthuͤmlichen Poeſie nicht aufnehmen durfte, nur
in ſo weit feſthaͤlt, als es ſich mit der edelſten Vorſtel-
4lung der Zeusgemahlin vertrug. Seit alten Zeiten
war der Schleier, den die dem Manne verlobte Jung-
frau (νυμφευομένη) zum Zeichen ihrer Trennung von
dem uͤbrigen Leben umnimmt, das Hauptattribut der
Hera; in alten Holzbildern verhuͤllte er die ganze Ge-
ſtalt; auch Phidias charakteriſirt die Hera (am Fries des
Parthenon) durch das Zuruͤckſchlagen des Schleiers (die
5braͤutlichen ἀνακαλυπτήρια). Dazu koͤmmt die
in alten Idolen mehr kreisfoͤrmige, dann an den Seiten
tiefer abgeſchnittne Scheibe, jene nennt man Polos,
dieſe Stephane; die Coloſſalſtatue des Polykleitos
(§. 120, 2.) hatte dafuͤr eine Art von Krone, Ste-
[449]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
phanos genannt, mit den Relieffiguren der Horen und
Chariten. Dieſe Statue trug in der einen Hand als
Andeutung der großen Naturgottheit die Frucht des Gra-
natbaums, in der andern einen Scepter mit einem Kuk-
kuk auf der Spitze. Das Antlitz der Hera, wie es6
wahrſcheinlich von Polyklet feſtgeſtellt war, zeigt die
Formen einer unvergaͤnglichen Bluͤthe und Reife der Schoͤn-
heit, ſanftgerundet ohne Ueberfuͤlle, Ehrfurcht gebietend
ohne Schroffheit. Die Stirn, von ſchraͤg herabfließen-
den Haaren umgeben, bildet ein ſanftgewoͤlbtes Dreieck;
die gerundeten und offnen Augen (Ἥρη βοῶπις) ſchauen
grade vor ſich hin. Die Geſtalt iſt bluͤhend, voͤllig7
ausgebildet, durchaus mangellos, die einer Matrone, welche
ſtets von neuem im Brunnen der Jungfraͤulichkeit badet,
wie von Hera erzaͤhlt wurde. Das Coſtuͤm iſt ein
Chiton, der nur Hals und Arme bloß laͤßt, und ein
Himation, das um die Mitte der Geſtalt liegt; der
Schleier iſt in Statuen der vollendeten Kunſt meiſt nach
dem Hinterhaupt zuruͤckgeſchoben, oder auch ganz weg-
gelaſſen.


1. Böttiger in dem Grundriß der Kunſtmythol. Abſchn. 2.


4. Auch Homer, Il. xiv, 175, erwähnt außer den Haar-
flechten und dem ἑανον mit der ζώνη, das weiße ſonnenlichte
Kredemnon der H. Von der Samiſchen H. des Smilis §. 69,
auch G. M. 12, 49. Dieſelbe Figur auf Kaiſermünzen von Hy-
päpa in Lydien. Nach altgriechiſcher Bildung iſt H. eine wohlein-
gehüllte Figur, deren ἱμάτιον zugleich den Kopf bedeckt und mit
beiden Händen zierlich feſtgehalten wird, mit der στεφάνη. Im
hieratiſchen Styl auf dem Pariſer Relief, M. Franc. ii, 1. Mus.
Nap. i,
4. Von dem Schleier einer Hera-Statue ſpricht auch
Libanios Ἔκφρ. 22. (vgl. Peterſen de Libanio Comm. 2. p. 8.)
und bezieht ihn auf die Ehegöttin.


5. Die στεφάνη der H., Athen. v, 201 c. Εὐστέφα-
νος bei Tyrtäos. Ueber die Form vgl. oben §. 340, 4. Sie
hat immer Aehnlichkeit mit dem Stirnſchilde des Helms, welches
auch ſo hieß. Der Polos in dem Samiſchen Terracottabilde
bei Gerhard Ant. Bildw. Tſ. 1. Der Stephanos der Poly-
29
[450]Syſtematiſcher Theil.
kletiſchen H. muß wohl als ein gleichbreites und reich verziertes
Band von Metall gedacht werden. Dieſer iſt es, den die Argivi-
ſche H. auch auf M. führt, Pellerin Peuples et Vill. i, 20, 6.
Eckhel N. Anecd. ix, 2. Vgl. die Ἥρα Ἀργεία der Alexan-
driniſchen M. von Nero. Eckhel D. N. iv, p. 53. (velata, dia-
demata).
Dieſen breiten Stephanos, mit Blumen geſchmückt,
hat ſtets auch die Ἥρα Ὀλυμπία der Eleiſchen M. (wo bis-
weilen ΗΡΑ auf dem Stephanos) bei Stanhope Olympia letzte
Tafel, u. Combe 7, 18; eben ſo wie der ſchöne Kopf der H. auf
M. von Pandoſia (Combe pl. 3, 26., wo der Stephanos oben
ausgezackt iſt) und der oft ſehr reich geſchmückte auf M. von Pla-
tää, Landon 25.


6. Hiebei liegt beſonders die Koloſſalbüſte des Hauſes Ludoviſi
zum Grunde; ſ. Winck. W. iv. Tf. 7 b. Meyer Geſch. Tf. 20.
Hirt 2, 5. Aehnlich die Büſte von Verſailles Mus. Nap. T. i.
pl.
5. In ſtrengerer Weiſe (für eine ferne Anſicht wahrſchein-
lich) mit ſtarkvortretenden, ſcharfkantigen Augenliedern ein Coloſſal-
kopf in Florent Muſeum, Winck. W. iv. S. 336. Die Ste-
phane hat hier die runden Ausſchnitte und Knöpfe auf den Spitzen,
wie oft; ſie iſt mit Roſen geſchmückt. Herakopf von Präneſte
mit hoher Stephane, welche an den Polos erinnert, bei Guattani
M. I. 1787 p. xxxiii. Büſte in Sarsko-Selo.


7. Von Statuen keine der allervorzüglichſten. Die Barbe-
riniſche PCl. i, 2. G. M. 12, 47., ſtehend mit Skeptron u.
Patere. Aehnlich die von Otricoli PCl. ii, 20. Mit Ste-
phane u. Schleier PCl. i, 3. Die Capitoliniſche, nicht völlig
ſichere, aus dem Hauſe Ceſi, bei Maffei Racc. 129. M. Cap.
iii, 8., M. Franç. ii, 3. Bouill. i,
2. Die im Mus.
Flor. iii,
2. ſehr ergänzt. Bronzefigur mit dem Granat-
apfel und der ausgezackten Stephane. Ant. Erc. vi, 3. (n. 67.
iſt ſchwerlich Juno).


1353. Sehr ſelten iſt die Darſtellung einer Mutter-
pflichten uͤbenden Hera; die koͤnigliche Matrone hat die
2Mutter in der Vorſtellung der Goͤttin verdraͤngt. In
Italien geht die Vorſtellung der Juno in die des Genius
3weiblicher Perſonen uͤber, welcher auch Juno hieß. Ue-
berhaupt war die Juno eine Hauptperſon der Italiſchen
Theologie; eine ganz eigenthuͤmliche Darſtellungsweiſe
derſelben, die Lanuviniſche der Sospita, konnte auch bei
[451]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
den Roͤmern nicht durch Griechiſche Kunſt und Mytholo-
gie verdraͤngt werden.


1. Die ſäugende Hera (ſie wird an der Stephane erkannt) bei
Winck. M. I. 14. PCl. i, 4., kein ſonderliches Kunſtwerk. Der
Knabe kann wohl immer eher Ares als Herakles genannt werden.
Die Statue ſcheint durch eine beſondre geſchichtliche Aufgabe veran-
laßt zu ſein.


2. So erkläre ich z. B. die Bronze Ant. Erc. vi, 4. mit hoher
Stephane, Patere und Fruchthorn, von einem gewiſſen individuellen
Ausdruck.


3. Ihr Coſtüm iſt ein Ziegenfell um den Leib, eine doppelte
tunica, calceoli repandi, Lanze und Schild. Die Geſtalt
war den Römern ſehr bekannt und geläufig Cic. N. D. i, 29.
vgl. oben §. 196, 3. PCl. ii, 21. G. M. 12, 50. Juno
Moneta, mit den Inſtrumenten zum Münzprägen auf dem Re-
vers, auf Denaren der G. Carisia. H. als Himmelsköni-
gin
, von Sternen umgeben, thronend, Lipp. i, 25. Sogen.
Junoköpfe auf Gemmen ſind es ſelten wirklich.


Gruppirungen der H. Schönes Relief von Chios,
welches Z. u. Hera thronend, nebſt einer dritten Figur, darſtellt
Ant. of Ionia T. i. p. iv. Mit Z. u. Athena §. 351, 5.
Z. u. Aphrodite. M. Franç. ii, 1. Mythiſche Vorſtellungen, ſ.
Hephäſtos, Aphrodite.


Der Pfau iſt wohl erſt in ſpäterer Zeit häufig neben die
Hera geſtellt worden; auf Röm. Kaiſermünzen hebt er die Kaiſe-
rinnen (Juno Augustae) zum Himmel, wie der Adler die Kaiſer.


3. Poſeidon.

354. Poſeidon war urſpruͤnglich der Gott des Waſ-1
ſers im Allgemeinen, inſofern daſſelbe als ein maͤnnlich
wirkſames Prinzip gedacht werden konnte; er war auch
Fluß- und Quellengott, und eben deswegen das Roß,
welches ſeit uralter Zeit bei den Griechen in enger Be-
ziehung zu den Quellen ſtand, ſein Symbol. Dieſe2
29*
[452]Syſtematiſcher Theil.
Vorſtellung des Gottes iſt indeß, wenn ſie auch einzelne
Kunſtdarſtellungen veranlaßte, doch nicht die Grundlage
3der Kunſtform des Poſeidon im Ganzen geworden; indem
ſchon in der Homeriſchen Poeſie bei Poſeidon die Vor-
ſtellung des Meergottes, und eben darum die eines Got-
tes vorherrſcht, der, wenn auch erhaben und gewaltig,
doch ohne die ruhige Majeſtaͤt des Zeus iſt, vielmehr in
koͤrperlicher und Gemuͤthsbewegung etwas Heftiges und
Rauhes hat, und einen gewiſſen Trotz und Unmuth zu
zeigen gewohnt iſt, der in ſeinen Soͤhnen (Neptuni filii)
4zum Theil zu wilder Wuth ausartet. Obgleich nun
die Kunſt hier nothwendig auf den gemeinſamen Grund-
charakter aller Goͤtter zuruͤckgehn, und die dichteriſche
Vorſtellung mildern und maͤßigen mußte: ſo hat ſie doch
(durch welchen Kuͤnſtler vor andern, iſt unbekannt, wahr-
ſcheinlich beſonders durch Darſtellungen in Korinth ange-
5regt) dem Poſeidon eckigere Formen, weniger Klarheit
und Ruhe in den Geſichtszuͤgen, ein weniger fließendes
und geordnetes, mehr geſtraͤubtes und durcheinandergewor-
fenes Haupthaar, und bei einem etwas ſchlankeren Koͤr-
6perbau derbere Musculatur als dem Zeus gegeben. Die
dunkelblaue, ſchwaͤrzliche Farbe (das κυάνεον) wird ge-
woͤhnlich dem Haupthaar, oft auch der ganzen Geſtalt
des Poſeidon zugeſchrieben.


2. Ein Poſeidon γεωργὸς, mit einem Pfluge, Joch, und
Prora ſtehend, in einem Gemählde bei Philoſtr. ii, 17.


4. Aus Phidias Werkſtatt der großartige Torſo vom Parthenon.
mit ſchwellenden Adern, bei Nointel mit ausgeſpreizten Füßen,
§. 118, 2 c. Von zwei Korinthiſchen P. Bildern §. 355,
1. 4. Ein P. nebſt einer Hera zu Korinth gefunden Winck.
vi. S. 199., in Ildefonſo nach Heyne’s Vorleſ. S. 202.


5. Ein P. Kopf, der das durcheinandergeworfene Haar zeigt,
vielleicht von Oſtia, Chiaram. 24. Ausgezeichnet der am Ar-
cus Augusti
zu Ariminium (§. 190, 1. ii). Sehr geſträub-
tes und wild geworfenes Haar hat die Bronze eines ſtehenden
und ſich an einen Kontos lehnenden P. von beſonders rauhem An
[453]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ſehn Ant. Erc. vi, 9. Einen trotzigen Charakter auch der Kopf
einer Mediceiſchen Statue Winck. W. iv. S. 324. Tf. 8 a. Ei-
nen milderen dagegen (placidum caput in der ſinnvollen Stelle
Virgils) manche Köpfe auf M., z. B. auf der der Bruttier, Nöh-
den 1. P. hat hier ein Diadem, wie öfter, Taſſie Catal. p. 180.


355. Doch ſind grade bei Poſeidon die Modificatio-1
nen des Grundcharakters auch ſchon in Werken der alt-
griechiſchen Kunſt ſo bedeutend, daß man das Allgemeine
nicht immer leicht feſthalten kann. Sie haͤngen eng mit
den verſchiednen Stellungen des Poſeidonbildes zuſammen.
Hauptformen ſind, wenn wir die allgemeinen und ge-
woͤhnlichen Stellungen, die grade ſtehende und thronende,
bei Seite laſſen: 1) Der nackte, heftig ſchreitende,2
den Dreizack ſchwingende Poſeidon; der Erderſchuͤtterer,
ἐννοσίγαιος, σεισίχϑων. 2) Der bekleidete, und3
ſchnell aber ſanft uͤber die Meeresflaͤche hinſchreitende; ein
friedlicher Beherrſcher des Wellenreichs. 3) Der, nakt,4
das rechte Bein auf einen Fels, eine Prora, oder einen
Delphin ſetzende, ſich darauf lehnende und daruͤber hin-
ausſchauende; ein Sieger im Kampf und Beherrſcher des
Unterworfenen. 4) Der, halbbekleidet, mit geringerer5
Erhebung des Fußes, ein wenig zuruͤckgelehnt in ruhi-
ger Wuͤrde ſtehende; wohl ein Befeſtiger und Beruhiger,
ἀσφάλιος.


1. Ein P. ὀρϑὸς war der von Kenchreä (§. 252, 3.), wel-
cher den Delphin in der R., Dreizack in der L. hielt. Statue
PCl. i, 33. G. M. 91. nicht völlig ſicher reſtaurirt. P. ſitzend,
auf M. der Böoter, mit Delphin auf der R., Triäna in der
L., bekränzt. Mionn. pl. 72, 7. Meyer Tf. 30 D. Auch
auf M. des Demetrios, mit Apluſtre, Mionn. pl. 70, 9.


2. Ῥήξει γοῦν ὁ Π. τῇ τριαίνῃ τὰ ὄρη, Philoſtr. ii, 14.
„Die rechte Seite war dabei zugleich eingezogen und vorgeſchoben;
nicht blos die Hand, auch der ganze Körper drohte den Stoß.„
Die Sprengung der Berge war, nach dem Geiſte der alten Kunſt, auf
dieſem Gemählde anticipirt. Vgl. Claudian R. P. ii, 179.
Eben ſo erſcheint Poſeidon, alterthümlich, chlamyde clupeans
brachium
(§. 337, 6.) auf den numis incusis von Poſeidonia:
Paoli R. di Pesto t. 58 — 62. G. M. 62, 293.


[454]Syſtematiſcher Theil.

3. So, mit Dreizack u. Delphin in den Händen, an der Can-
delaberbaſis, in hieratiſchem Styl, PCl. iv, 32. G. M. 62,
297. (Aehnlich in andern hieratiſchen Werken Winck. M. I. n.
6.) Vielleicht der Π. Ἐπόπτης, den Pauſ. erwähnt.


4. Auf einen Fels ſtellt er das rechte Bein, in einer kleinen
Statue bei L. Guilford, August. 47., oft auf Gemmen (Taſſie
2540 sqq. Lipp. i, 119.), auf den M. des Demetrios, Mionn.
pl. 70, 10., auch in dem Relief, Zoëga 1. Auf eine Prora,
auf Römiſchen M. z. B. des Sextus Pompejus (§. 196, 4.),
wo er das Apluſtre in der R. hält; auch auf Gemmen. Auf
einer M. des Titus, G. M. 56, 296., hat P. als Weltherrſcher
den Globus zur Unterlage. Auch das Bild von Antikyra hatte
dieſe Stellung; hier ruhte der Fuß auf dem Delphin; die andre
Hand hielt die Triäna. Pauſ. x, 36, 4. Endlich hatte auch
das Iſthmiſche Hauptbild (Eckhel P. gr. 14.) dieſe Stellung; hier
hebt P. mit der L. ein Gewandſtück, welches auf den l. Schenkel fällt.


5. Eine ſolche Figur, mit einem Zeusähnlichen Charakter, zwar
ſpät aber nach einem guten Vorbilde gearbeitet, August. 40. —
Seltſamer Poſ. Satrapes, Pauſ. vi, 25, 5.


1356. Poſeidon hat ſeinen eignen Kreis von Weſen,
ſeinen Olymp, um ſich, in deſſen Mitte er ſich befindet,
wie Dionyſos in der der Satyrn und Maͤnaden, Zeus
2in der der geſammten hoͤhern Goͤtterwelt. Man ſah ihn
in Statuengruppen, und ſieht ihn jetzt beſonders auf klei-
nern Kunſtwerken, mit ſeiner Gemahlin fuͤr das Waſſer-
reich (denn ſeine eigentliche Ehe hat er nach altem Glau-
ben mit dem Erdreich geſchloſſen), und ſeinem ganzen
3kekk und phantaſtiſch gebildeten Chor. Die Geliebte
des Poſeidon, welche zu den ſchoͤnſten Kunſtvorſtellungen
Anlaß gegeben, iſt die Argiviſche Danaos-Tochter und
Quellnymphe Amymone, durch welche der Gott das
4vieldurſtige Argos zum waſſerreichen macht. Bei dem
Kampf mit dem Giganten Ephialtes zeigt er die erder-
ſchuͤtternde und umwaͤlzende Macht ſeiner Triaͤna, welche
5urſpruͤnglich Nichts als eine Thunfiſch-Harpune geweſen
zu ſein ſcheint.


[455]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

1. Davon unten: Waſſergottheiten.


2. Werk des Skopas zu Korinth §. 125, 5. Große Gruppe
im Iſthmiſchen T., von Herodes geweiht, Poſeidon u. Amphitrite
im Chor der Seedämonen, Pauſ. ii, 1. Q. de Quincy Jup.
Ol.
372. Amphitrite ſitzt am Giebel des Parthenon hinter
P.; ſonſt iſt ſie ſelten in der Kunſt. Doch ſtellt ſie der weib-
liche Kopf mit nackter Schulter und losgebundnen Haaren, auf
dem Revers Neptun mit Hippocampen fahrend, auf Denaren der
G. Crepereia (Patin p. 95) deutlich dar. P. auf einem Hip-
pokampen-Wagen, von Tritonen umgeben, oft auf Gemmen (viele
neu) Lipp. i, 120 — 122. Taſſie i. p. 182. Hirt Tf. 2. Ueber
die Hippokampen Voß Myth. Br. ii. S. 184. 221 ff. — Eine
ſehr ſchöne Bronze des Poſ. bei L. Egremont ſchien mir in der
L. den Trident, in der R. den Zügel gehalten zu haben. Amalth.
iii. S. 259.


3. P. mit Amymone, als Statuengruppe in Byzanz, Chriſtod.
65, wo Amym. ſaß und P. ihr als Brautgabe den Delphin, das
Waſſerſymbol, darreichte. Gemählde, Philoſtr. i, 8., wo P.
auf Hippokampen heranfahrend ſie überraſchte, ähnlich wie auf
Gemmen, Bracci t. 100. vgl. Welcker p. 251. Anders wieder
auf Vaſengemählden, Millin ii, 20. G. M. 62, 294. Böttiger
Amalth. ii. S. 286. Laborde 25.


4. P. im Kampf mit Ephialtes die Inſel Niſyros auf ihn
werfend, auf Vaſen verſchiednen Styls, ſ. §. 99, 2, 5. P. zu
Roſſe mit dem Giganten Polybotes kämpfend, Pauſ. i, 2, 4.


P. als Nebenfigur bei Europa (§. 351, 3.). Perſeus Gor-
gonen-Tödtung. Kampf mit Pallas. Beim Kampf des The-
ſeus mit Pityokamptes Millin Vas. i, 34.


5. Ueber die Triäna, fuscina, Böttiger Amalth. ii. S. 306.
λογχὰς in Sophrons Thynnotheras Etym. M. p. 572. P. als
Thunfiſchwächter auf einem Felſen ſitzend, auf Byzant. Münzen.
P., Herakles, Hermes als Vorſteher einer Thunfiſchwarte in dem
alterthümlichen Vaſenbilde bei Chriſtie Painted Gr. Vases pl.
12. p.
81. Den Thunfiſch, den Poſeidon hier in Händen hält,
reichte er in einem alten Gemählde im T. der Artemis Alpheioa
in Piſatis dem die Athena gebärenden Z. dar. Athen. viii. p. 346.
vgl. mit Strab. viii. p. 343. Thron des Poſeidon auf einem
Relief in S. Vitale zu Ravenna, Schrift von Belgrado, Ceſena
1766. Montf. Suppl. i, 26. G. M. 73, 295.


[456]Syſtematiſcher Theil.
4. Demeter.

1357. Demeter, welche in dem hier befolgten Zwoͤlf-
goͤtter-Syſtem, wie in mehrern myſtiſchen Culten, mit
dem Poſeidon verbunden iſt, iſt die naͤhrende Natur als
2Mutter gefaßt. Das iſt der weſentliche Grundzug ihres
Cultus und Mythus, daß ſie im Verhaͤltniß zu einem
Kinde gedacht wird, deſſen Verluſt und Wiedergewinnung
ganz geeignet iſt, alle Seiten des muͤtterlichen Gefuͤhls
3zu entfalten. Dieſen Charakter und dies Verhaͤltniß,
auf rein menſchliche Weiſe gefaßt, legt die ausgebildete
Kunſt ihren Darſtellungen zum Grunde, nachdem die
fruͤhere verſucht hatte, myſtiſche Vorſtellungen von Na-
turverhaͤltniſſen in zum Theil ſehr ſeltſamen Bildern aus-
4zudruͤcken. Obgleich auch in Sicilien beruͤhmte Bilder der
Goͤttin waren, gebuͤhrt doch die Ausbildung des Ideals
wohl groͤßtentheils der Attiſchen, zum Theil erſt der
5Praxiteliſchen Kunſtſchule. Im Weihetempel von Eleu-
ſis war wahrſcheinlich eine chryſelephantine Statue der
6Goͤttin. Demeter erſcheint matronaler und muͤtterlicher
als Hera; die Geſtalt iſt breiter und voller, wie es der
Allmutter (παμμήτωρ, παγγενέτειρα) ziemt, der Aus-
druck des Geſichts weicher und milder; die Bekleidung
vollſtaͤndig; oft iſt das Himation auch uͤber den Kopf
gezogen. Der Aehrenkranz, Mohn und Aehren in den
Haͤnden, die Fackeln, der Fruchtkorb neben ihr ſind die
7ſicherſten Kennzeichen. Nicht ſelten ſieht man die Gottheit
allein oder mit ihrer Tochter thronen; doch iſt man eben
ſo gewohnt, die fruchtſpendende Goͤttin ſchreiten zu ſehn.


1. Creuzer Symbolik Th. iv. „Von der Ceres u. Proſerpina
und ihren Myſterien.“


3. Von der Schwarzen Demeter zu Phigalia §. 83, 3.


4. Nach Cic. Verr. iv, 49. zu Enna mehrere Bilder der D.,
nebſt Kora und Triptolemos. Plin. xxxvi, 4, 5: Romae
Praxitelis opera sunt Flora (i. e. Hora), Triptolemus,

[457]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Ceres in hortis Servilii. D. mit Perſephone u. Jakchos zu
Athen von Prar. Pauſ. i, 2, 4. — In jenen archaiſirenden
Reliefs trägt D. über Chiton u. Peplos ein weites Himation und
einen Schleier; einen Aehrenkranz; Aehren u. Mohn in der R.,
Scepter in der L. Starke πέδιλα bezeichnen die wandernde Göttin.


5. Auf ein ſolches Bild deuten die Beſchreibungen der myſti-
ſchen φωταγωγία und ἐποπτεία, beſonders Themiſtios in obit.
patr. p. 235 Petav.:
ὁ προφήτης ἀναπετάσας τὰ προπύ-
λαια τοῦ νεὼ καὶ τοὺς χιτῶνας (παραπετάσματα) περι-
στείλας τοῦ ἀγάλματος, καλλύνας τε αὐτὸ καὶ ὑποσμήξας
πανταχόϑεν ἐπεδείκνυ τῷ μυουμένῳ μαρμάρυσσόν τε ἤδη
καὶ αὐγῇ καταλαμπόμενον ϑεσπεσία. Ein Fragment,
Kopf u. Bruſt, aber ſehr zerſtört, einer marmornen Statue iſt
von den innern Propyläen in Eleuſis (Un. Ant. of Att. ch.
3.),
wo ſie urſprünglich an einen Pfeiler gelehnt ſtand, nach Cam-
bridge gekommen. Mit Kalathos u. Gorgoneion (Od. xi,
632.;
nach Gerhard Prodr. S. 87. eine Demeter-Kora.), die
Haare hinten durch einen Ring geſchlungen. Manche halten es für
eine Karyatide. Früher bei Spon (Voy. ii. p. 216 sq.) u. in
Fourmonts Papieren abgebildet. Jetzt bei Clarke Greek Marbles
4. 5. (mit einem Brief von L. Aberdeen, der eine Dem. mit
Pferdekopf bei einem lectisternium erwähnt) und im Mus.
Worsley. i. p.
95.


6. Sichre Statuen ſind ſelten. Eine coloſſale PCl. ii,
27. (auch im M. Franç. iv. pl. 11. Bouill. i. pl. 3. M.
Nap. i,
69. Hirt 3, 6.) mit ergänzten Attributen. Sehr
ergänzt die M. Cap. iii, 9., ſo wie G. Giust. i, 29. 30.
Sicher, aber wohl Porträt Villa Borgh. St. 9. n. 10. Perrier
70. Bouill. i, 6. Zwei andre Borgheſ. Bouill. 4. 5. vgl.
iii, pl. 5, 5. Statue in Berlin, Cavac. Racc. i, 53.
Amalth. ii. S. 357. In Neapel, Gerhard N. Ant. S. 28.
Livia u. Julia als Ceres §. 199, 7.


Köpfe auf M., entweder mit auf den Nacken herabfließen-
dem oder hinten aufgebundenem Haar (wenn nicht das letztre die
Kora iſt) beſonders von Metapont, Mionn. Desce. pl. 64, 6.
Hirt 3, 5., von Syrakus, Mionn. Empr. 300 — 302, Segeſte,
Nöhden 8., Pheneos, Landon 44., den Amphiktyonen (als Δ.
Πυλαία) Mionn. pl. 72, 5. Meyer Tf. 30, 6., faſt am ſchön-
ſten auf M. von Opus (Empr. 572 u. a.) u. ſ. w. Eine
ſtehende D. von edler Form, auf M. von Sardis, Combe ii, 10.


[458]Syſtematiſcher Theil.

7. D. thronend, mit Schlange zu Füßen, Fackel und Aehren
in der Hand, auf einem Denar des Memmius Quirinus, der die
Graeca sacra Cereris in Rom einführte. M. des Deme-
trios Soter, G. M. 31, 221. Sehr ſchätzbar iſt die thronende
D. eines Pompej. Gemähldes, Zahn 25, welcher kein charakteri-
ſtiſches Zeichen fehlt. D. mit Aehren, Schlange, Ameiſe, Mond,
thronend, Gori Gemmae astrif. I. t. 109. ef. 107. Terra-
cottabilder der beiden Göttinnen (τὼ ϑεὼ), auch mit dem Jakchos
in der Mitte, bei Gerhard Ant. Bildw. 2 — 4.


D. ſchreitend, zwei Fackeln vor ſich hinhaltend, mit bewegtem
Gewande, auf Kaiſermünzen von Kyzikos. Eben ſo auf Denaren
der G. Vibia, mit der Sau neben ihr.


1358. Das fuͤhrt auf die beſonders an Todten-Denk-
maͤlern ſehr gewoͤhnliche Vorſtellung des Raubes der
Perſephone, wo Demeter als eine erzuͤrnte, ſchwer ge-
kraͤnkte Gottheit erſcheint, welche den Raͤuber ihrer Toch-
ter mit Fackeln in den Haͤnden, das Gewand fliegend, auf
einem ſeltner mit Roſſen, gewoͤhnlicher mit Drachen beſpann-
2ten Wagen verfolgt. Von dieſem gewaltſamen Raube
iſt die alljaͤhrlich ſich erneuernde Herabfuͤhrung der Per-
3ſephone durch Demeter zu unterſcheiden: welcher die Em-
porfuͤhrung derſelben in Begleitung der Fruͤhlings-Hora
entſpricht, die ebenfalls in Kunſtwerken angedeutet wird.
Mit dem Emporſteigen der Kora wird die Ertheilung der
Seegnungen der Demeter als gleichzeitig und engverbun-
4den gedacht. Demeter als die Saͤugerin des myſti-
ſchen Jakchos war eine ſeltne Vorſtellung in der alten
5Kunſt; dagegen die Ausſendung des in manchem Betracht
verwandten Triptolemos als des Verbreiters des Getrai-
des, ſo wie die Ausſtreuung dieſer Gaben durch Tripto-
6lemos, eine beliebte; auch ein Heros Buzyges er-
ſcheint oͤfter in Verbindung mit der Goͤttin. Wie
7Jakchos, und durch dieſen Triptolemos, mit Dionyſos
in Verbindung ſtehn: ſo hat auch Kora, obgleich auf der
einen Seite die ſtrenge Gemahlin des unterirdiſchen Got-
tes, doch auf der andern an Bacchiſchem Weſen Antheil
(Liber cum Libera), ſie erſcheint als eine ſehr anmu-
[459]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
thige, jugendlich zarte und ſchlanke Figur, in deren Aeh-
renkranz ſich mitunter der Epheu des Dionyſos ſchlingt.
Kora iſt ein Weſen, welches zwiſchen Demeter, Diony-
ſos und Hades in der Mitte ſteht, und bald mehr von
dem einen bald mehr von dem andern angezogen und er-
griffen wird.


1. Zahlreiche Sarkophagen (wo der Gegenſtand als eine Hoff-
nung der Unſterblichkeit genommen wird) zeigen, entweder in drei
Gruppen die ἀνϑολογία, den ἁρπαγμός oder κάϑοδος, und
die δίωξις, oder blos zwei davon. S. Welcker Zeitſchr. i, 1.
Ueber den Raub der Kora. Sarkophag in Barcelona. Laborde
Voy. pitt. T. i, 2. Welcker Tf. i, 1. 2. 3. In Maz-
zara ein ſchöner Sarkophag der Art, bei Houel i. pl. 14. (auch
Buzyges als Pflüger dabei). Im PioCl. v, 5. G. M. 86,
339. (viel ergänzt). M. Cap. iv, 55. Hirt 9, 5. Zoëga Bass.
97. bei Creuzer Tf. 12. G. Giust. ii, 79. 106. 118.
Bouill. iii,
35. (aus V. Borgh.). Amalth. iii, S. 247. Der
Homeriſche Hymnus, welcher die Eleuſiniſche Sage darſtellt, liegt
zum großen Theil zum Grunde; Nebenrollen ſpielen Pallas und
Artemis (aus V. 426.), Hekate, Helios; die Nymphe der καλλί-
χορος πηγή, des φρέαρ ἄνϑινον (Kyane aus Sicilien nach
Andern); Styx, Acheron und verſchiedne Eroten. Auf Münzen
von Enna (ΗΕΝΝΑΙΟΝ) ſieht man D. die Fackel zünden,
und dann auf einen Wagen mit Roſſen (wahrſcheinlich die ältere
Vorſtellung) den Hades verfolgen, Combe pl. 4, 5. Die ver-
folgende, fackeltragende D. auf dem Drachenwagen ſieht man auf
M. von Athen, Stuart Ant. ii, 2 vign., Kaiſerm. von Kyzikos,
Nikäa, Magneſia (wo D. in ſehr wilder Bewegung); auch auf
Denaren der G. Vibia u. Volteia. Der Hades u. die ſich
ſträubende Kora auf dem Viergeſpann, eine Schlange aus dem
Boden züngelnd, auf Kaiſerm. von Sardis u. andern aſiat. Städ-
ten. Gemälde der Hinabfahrt, Bartoli Nason. 12.


2. Prax. fecit — Proserpinae raptum, item Catagu-
sam
,
d. h. die die Perſeph. nach der Unterwelt geleitende, ent-
laſſende D. So offenbar in dem Vaſengemählde, bei Tiſchb.
iii, 1. vollſtändiger Millingen U. M. i, 16., wo der Abſchied
völlig ruhig und freundlich iſt.


3. Die Abrufung aus dem Hades dem Raube gegenüber als
Aufang der ἄνοδος; die Hora des Frühlings iſt dabei, es iſt Zeit
der Ἀνϑεστήρια. Relief bei Bartoli Adm. 59. Hirt Tf. 9,
[460]Syſtematiſcher Theil.
6. G. M. 87, 341. Perſephone in der ἄνοδος neben der
Hora, in dem Poniatowsky’ſchen Vaſengemählde. Reliefs, welche
die Rückführung der Kora vorſtellen (?), Gerh. Ant. Bildw. i,
1. Tf. 13. Neapels Bildw. S. 110. Wiedervereinigung der
beiden Gottheiten auf der Münze von Anton. Pius (Laetitia) G.
M.
49, 340.


4. Dem. mit einem Kinde an der Bruſt, Jakchos oder De-
mophon, Atheniſche Münze, Combe 7, 7. vgl. Gerh. Prodr. S.
80. Jakchos als Knabe neben ihr §. 357, 7.


5. Ausſendung des Triptolemos. Schönes Gemählde der
Poniatowskyſchen Vaſe. Le pitture di un antico vaso — da
E. Q. Visconti.
1794. Millin Vases ii, 31. G. M. 52, 219.
Creuzer Tf. 13. Böttiger Vaſengemählde, viii u. ix. Zeus,
dem Hermes die Vollendung der Begebenheit meldet, im höchſten
Streifen, dann Kora in der ἄνοδος, unten die ſeegensreiche D.,
Tript. Dionyſos-ähnlich, die Töchter des Keleos. — Claſſe von
Vaſengemählden, ſtreitig zwiſchen Apollons Fahrt von den Hyper-
boreern (Italinsky zu Tiſchbein i, 8, des Vf. Dorier i. S. 270.)
und Triptolemos Zug (Böttiger, Welcker Zeitſchr. i. S. 112. und
Andre.) S. Tiſchb. i, 8. 9. iv, 8. 9. Hancarv. iii, 128.
Laborde 31. 40. 63. Millingen U. M. i, 24. Panofka Mus.
Bartold. p.
131. Vielleicht in beiderlei Bedeutung genommen.
Für Tript. entſcheiden, wenn ſicher, die Namen Τριπτολεμος,
Δημητηρ, Εκατη auf dem vom Instituto di Corr. Arch. pub-
licirten Vaſengemählde, Mon. Ined. i, 4. Und doch fehlen grade
hier die ſo weſentlichen Aehren. Minder prächtig, aber ſehr ſinn-
reich, iſt die Ertheilung des Getraides an Tript. (der hier eine
Art Hermes iſt) unter Z. Obwalten gefaßt, an der runden Ara
aus Pall. Colonna, Wecker Zeitſchr. i, i. Tf. 2, 1. S. 96 ff.
Creuzer Tf. 37. nebſt der abweichenden Erklärung S. 16.


Tript., mit dem Petaſos des Hermes, auf Drachenwagen
fahrend, M. von Athen, Combe pl. 7, 3. vgl. Hayne Thes.
Br. i,
21. Triptol. auf dem Flügeldrachen-Wagen der D.,
Korn aus der Chlamys ſtreuend, auf Kaiſerm. von Nikäa (ſchön
Descr. n. 233.). Dieſelbe Figur, ſehr prächtig, wenn auch
ſchlecht gezeichnet, auf Kaiſermünzen von Sardis (Descr. n. 789.)
mit der Beiſchrift ΤϒΛΟϹ. Unter dem Wagen liegt eine weib-
liche Geſtalt ΓΗ. Man ſieht hieraus, daß der Lydiſche γηγενὴς
Tylos oder Tyllos (Dionyſ. i, 27., deſſen Lesart hierdurch
gerechtfertigt wird) eine dem Triptolemos verwandte Figur war.
D. als ϑεσμοφόρος (mit der Rolle) neben Tript. auf dem Wa-
[461]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
gen, auf einem ſchönen Pariſer Cameo, der als Verherrlichung
von Germanicus u. Agrippina erklärt wird. Mém. de l’Ac. des
Inscr. i. p. 276. G. M.
48, 220. Mongez Icon. Rom.
pl.
24. *) D. thronend, Tript. auf dem Drachenwagen abfahrend,
Lipp. i, 111. Der Atheniſche Sarkophag bei Montf. i, 45,
1. zeigt D. zwiſchen Dionyſos u. der zurückgekehrten Kora, und
die Abfahrt des Triptolemos als gleichzeitig.


6. D. u. Buzyges (oder auch Triptolemos) auf einer Paſte bei
Schlichtegroll Tf. 39. D. Kopf, auf der Rückſeite ein Geſpann
Ochſen, auf Denaren der G. Cassia.


7. Von Perſephone neben Hades unten: Unterwelt. Haupt-
werke ihrer Darſtellung ſind die großen Bronze-Medaillen von Ky-
zikos, mit dem ſchlankhalſigen, anmuthigen, mit Ohrringen und
Halsketten reichgeſchmücktem Kopfe der Κορη Σωτειρα. Um das
hinten über den Nacken zuſammengeknotete Haar zieht ſich ein
Aehren- und Epheukranz. Letztrer wird auch ſonſt wahrge-
genommen, Gerhard Neap. Ant. S. 403. Eine ſolche Homo-
nöen-Medaille mit Smyrna, n. 195. in Mionnets Descr., zeigt auf
dem Revers dieſelbe Kora, eine Fackel haltend, auf einem Ken-
taurenwagen, im Bakchiſchen Thiaſos. Kora mit Epheukranz,
zuſammen mit Dionyſos, auf dem Kentaurenwagen auf einen präch-
tigen Pariſer Cameo, G. M. 48, 275.


D. Symbole, Fackel u. Aehren, artig verbunden auf M.
von Theben, Combe pl. 6, 9. Schlangenumwundne Fackeln
auf M. von Kyzikos G. M. 106, 421. Cista mystica
auf den Kiſtophoren, vgl. Stieglitz Arch. Unterh. ii. Myſterienty-
pen S. 197. Throne der D. u. des Dionyſos Bouill. iii, 75.


5. Apollon.

359. Phoͤbos Apollon war, dem Grundgedanken ſei-1
nes Weſens nach, ein Gott des Heils und der Ordnung,
im Gegenſatz einer feindlichen Natur und Welt gefaßt.
Als Naturgott iſt er der den Winter mit ſeinen Schrecken
vertreibende Fruͤhlingsgott. Indeß erhielt ſein Dienſt
und Glauben fruͤher als bei einem andern Gotte, durch
das Naturel des Volkſtammes, der ihm beſonders hul-
[462]Syſtematiſcher Theil.
digte, eine ethiſchpolitiſche Tendenz; er ward ein Gott,
der den Uebermuͤthigen vernichtet, den Guten ſchuͤtzt,
er wurde durch Suͤhnopfer reinigend, durch Muſik das
Gemuͤth beruhigend, durch Weiſſagungen auf eine hoͤhere
2Ordnung der Dinge hinweiſend gedacht. In aͤlteſter
Zeit genuͤgte ein koniſcher Pfeiler, auf die Straße ge-
ſtellt und Apollon Agyieus genannt (§. 66, 1), an die
ſchuͤtzende und heilbringende Macht des Gottes zu erin-
3nern. Ruͤſtete man einen ſolchen Pfeiler mit Waffen
aus, wie es ungefaͤhr am Amyklaͤiſchen Apollon geſchehn
war (§. 67.): ſo uͤberwog die Vorſtellung des furchtbaren,
ſtrafenden, raͤchenden Gottes, und dies war in mehrern
4alten Idolen der Fall. Indeß wurde gewiß auch die
Kithar, als Sinnbild des beruhigten und beruhigenden
Gottes, zeitig an alte Holzbilder angehaͤngt; und aus
der Kretiſchen Schule, welche ſich beſonders durch Dar-
ſtellungen des Apollon beruͤhmt machte, ging der Deliſche
Apolloncoloſſ hervor, der die Chariten mit muſiſchen In-
ſtrumenten, Lyra, Floͤte und Syrinx, auf der Hand
5trug. Apollon war ein Lieblingsgegenſtand der gro-
ßen Kuͤnſtler, welche Phidias zunaͤchſt vorhergingen, un-
ter denen Onatas den Gott als einen zum Juͤngling rei-
fenden Knaben von großartiger Schoͤnheit darſtellte. Im
6Ganzen wurde indeß Apollon damals reifer, maͤnnlicher
gebildet, als ſpaͤter, die Glieder ſtaͤrker, breiter, das
Geſicht runder, kuͤrzer; der Ausdruck mehr ernſt und
ſtreng als lieblich und reizend. Ihn unbekleidet oder faſt
unbekleidet darzuſtellen war damals ſchon gewoͤhnlich.
7So zeigen ihn zahlreiche Statuen, die Reliefs des Drei-
fußraubes, viele Vaſengemaͤhlde, auch Muͤnzen, auf denen
man die aͤltre Form des Apollokopfes, oft ſehr anmuthig
ausgebildet aber im Ganzen als dieſelbe, bis auf Phi-
lipps Zeiten findet. Der Lorbeerkranz, und das geſchei-
telte, laͤngs der Stirn zur Seite geſtrichne, gewoͤhnlich
im Nacken herabwallende, bisweilen indeß auch aufgenom-
mene und zuſammengeſteckte Haar (ἀκερσεκόμης) bezeich-
nen den Gott.


[463]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

1. Die Grundanſicht der Ausführungen in des Vf. Doriern
Bd. ii. erſcheint hier, nach Unterſuchungen über den innern Zu-
ſammenhang der Griechiſchen Feſte, etwas modificirt, oder weiter
fortgeführt.


3. A. bei den Lakedämoniern vierarmig; in Tenedos mit dem
Doppelbeil (ſo häufig auf Kleinaſiat. Münzen); mit goldnen
Waffen, χρυσάωρ, bei Homer. Dorier i. S. 358.


4. Die von den Kretern Dipönos und Skyllis für Sikyon unter-
nommenen Werke beſchreibt Plin. Fuere simulacra ea Apollinis,
Dianae, Herculis, Minervae,
wahrſcheinlich in Bezug auf den
Raub des Dreifußes, oder die Verſöhnung hernach. Von Chei-
riſophos dem Kreter war ein goldnes Holzbild des A. zu Tegea.
Von Tektäos und Angelions Deliſchem A. Bilde mit den Chari-
ten, Plut. de mus. 14. Pauſ. ix, 35, 1. Wiedererkannt
in der Gemme G. M. 33, 474.; auch auf den M. von Athen,
Combe 7, 9. Pellerin pl. 23, 19. M. Hunter. 11, 14. —
Eben ſo nach Schol. Pind. O. 14, 16. ein Delphiſcher A. Im
Allgemeinen Macrob. Sat. i, 17.: Ap. simulacra manu dextra
Gratias gestant, arcum cum sagittis sinistra.


5. Von Kanachos Didymäiſchem A. §. 86. Daß er wenigſtens
ſpäter eigentliches Tempelbild war, beweiſen die Mileſiſchen Münzen,
auf denen er auch eine cor. radiata hat, z. B. die bei Mionn. Descr.
805. Daß er in der R. den Hirſch trug, iſt durch eben dieſe
Münzen erwieſen u. anerkannt; von dieſem iſt aber gewiß jener
automatiſche cervus (beſſer corvus) bei Plin. xxxiv, 19, 14.
zu unterſcheiden. — Von Kalamis ein A. Ἀλεξίκακος zu
Athen (Pauſ.), ein A. in hortis Servilianis (Plin.), ein A.
Coloſſ in Apollonia am Pontos, 30 Cubitus hoch, für 500 Tal.
gearbeitet, durch M. Lucull nach dem Capitol (Strabon vii. p.
319. Plin. iv, 27. xxxiv, 18.), oder Palatin (Appian
Illyr. 30. Ἀπολλωνία, ἐξ ἧς ἐς Ῥώμην Καλάμιδος
μετήνεγκε τὸν μέγαν Ἀπόλλωνα τὸν ἀνακείμενον ἐν
Παλατίῳ) verſetzt. — Ouatas Ἀ. Καλλίτεκνος für die Perga-
mener (welche ihn unter dieſem Namen verehrten, Ariſtid. bei
Mai N. Coll. i, 3. p. 41), ein coloſſaler (Pauſ. viii, 42, 4)
βούπαις, in dem Z. u. Leto’s Schönheit ſich verjüngt zeigte,
Anth. Pal. ix, 238. Von Phidias Apollons Comm. de
Phid. i. p. 16 sq.
Myrons A. Cit. Verr. iv, 43.


6. Alterthümliche A. Statuen (oft bonus Eventus genannt)
M. Cap. iii, 14 mit falſch ergänzten Armen; im Pall. Pitti, Winck.
[464]Syſtematiſcher Theil.
W. v. S. 548.; im Louvre n. 292. M. Nap. iv, 61. Hiezu
der §. 96, 10 genannte, und beſonders die Nachbildungen des
Mileſ. A. §. 86. Auch die Figur bei Raponi t. 24. n. 20. iſt
eine deutliche Copie der Mileſiſchen. Dieſer Claſſe ſchließt ſich auch
der Etruskiſche Aplu, §. 172, 5 e., an. Auf den Reliefs des
Apollon Kitharodos ſieht man öfter auf einer Säule einen alter-
thümlich ſteifen und graden A.


Büſte des Ap. von runden Formen, manchen Köpfen auf
Münzen ſehr ähnlich, im Louvre n. 133. Mehrere der Art bei
Bouill. T. iii, 23. Auch der Kopf Chiaram. 10 ſcheint ein
Apoll.


7. Sehr alterthümlich der Kopf auf M. der Leontiner (Mionn.
Empr. 248.) mit über den Nacken aufgebundnen Haarflechten.
Als ἀκερσεκόμης, mit Lorbeerkranz, überall ſehr ähnlich, auf
M. von Chalkis (welche des Chalkidiſchen Handels wegen meiſt in
Thrake gefunden werden), bei Mionnet Suppl. T. iii. pl. 5, 8.
Empr. 709 sq.
Landon i, 11., von Cales, Nola, Sueſſa,
Pella, Leucas (Combe 2, 7. 3, 4. 6. 5, 1. 22.), von Me-
gara, Mitylene, Kroton Land. 7. 35. 80, von Syrakus, Nöhden 16.
Aehnliche Gemmenköpfe Lipp. i, 49. Mit aufgebundenem Haar
auf M. von Katana Nöhden 9. Phokiſche M., Empr. 577.
Land. i, 14., wahrſcheinlich aus der letzten Zeit vor der Zerſtö-
rung, zeigen ſchon mehr die ſpäter gewöhnlichen Formen (wie auch
die meiſten Gemmen). Vgl. die Argiviſche Combe 8, 2. Der
Kopf auf den Münzen von Katana (Nöhden Tf. 10. Empr. 226.),
von vorn, mit reichen, wallenden Haaren, hat einen zürnenden
Ausdruck, noch mehr der auf M. von Amphipolis (Λαμπα-
δηδρομία) Mionn. Suppl. iii. pl. 5, 1. Land. i, 20.


1360. Das ſchlankere Gewaͤchs, das laͤnglichere Oval
des Kopfs und den belebteren Ausdruck erhielt Apollon
ohne Zweifel beſonders durch die juͤngere Attiſche Schule,
die ihn ſehr oft bildete, und zwar ſo, daß ſich Sko-
pas kitharſpielender und langbekleideter Apollon noch mehr
an die aͤltern Formen hielt, aber doch ſchon den Ueber-
gang zu der hernach herrſchenden Darſtellungsweiſe bil-
2dete. Der Gott wird jetzt durchaus juͤnger gefaßt,
ohne Zeichen maͤnnlicher Reife, als ein μειράκιον. Das
3laͤnglich ovale Geſicht, welches der Krobylos (§. 330, 5.)
uͤber der Stirn haͤufig noch verlaͤngert und der ganzen
[465]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
hochſtrebenden Geſtalt zum Gipfel dient, hat dabei eine
ſanfte Fuͤlle und gediegne Feſtigkeit; in allen Zuͤgen ver-
kuͤndet ſich ein erhabner, ſtolzer und klarer Sinn, wie
auch immer die Modificationen ſein moͤgen. Die For-
men des Koͤrpers ſind ſchlank und ſvelt; die Huͤften
hoch, die Schenkel laͤnglich; die Muskeln, ohne einzeln
hervorzutreten, vielmehr ineinandergegoſſen, ſind doch ſo
bezeichnet, daß das Raſche, Hurtige der Geſtalt, das
Kraͤftige der Bewegung einleuchtet. Jedoch ſchwankt4
die Bildung hierin bald mehr zu der gymnaſtiſchen Kraͤf-
tigkeit des Hermes, bald zu der weichen Fuͤlle des Dio-
nyſos hinuͤber.


1. Von Skopas A. §. 125, 4. u. weiter §. 361, 6. Von
Praxit. A. Bildern 127, 6. Ein A. Kitharöd von Timarchides
(Plin.). Ap. von Leochares (Pauſ.).


2. Schön beſchreibt ihn Max. Tyr. Diss. 14. p. 261. R. als
ein μειράκιον γυμνὸν ἐκ χλαμυδίου (d. h. ſo daß die Chla-
mys zurückſchlägt, wie beim Ap. von Belvedere) τοξότης, διαβε-
βηκὼς τοῖς ποσὶν ὥσπερ ϑέων. A. war als der hurtige
Gott auch Vorſtand der Läufer, δρομαῖος in Kreta und Sparta,
Plut. Qu. Symp. viii, 4.


3. S. Hirt Tf. 3. Die Moſaik, PCl. vii, 49., giebt bei
einer Apollons- und Dionyſos-Maske den Unterſchied der Haare
ſehr gut an. Vgl. Paſſeri Luc. i, 69 sqq. Chriſtodor 73.
erwähnt einen A., der das Haar εἰςοπίσω σφίγξας hat, wie
die Statue §. 361, 5. Das herabwallende Haar (εἶχε γὰρ
ἀμφοτέροισι κόμης μεμερισμένον ὤμοις βόστρυχον αὐ-
τοέλικτον, ebd. 268. u. 284), gehört mehr ältern Bildern.


361. Ganz dem urſpruͤnglichen Weſen des Apollon1
gemaͤß zerfallen auch die Kunſtdarſtellungen des Gottes,
welche eine eigenthuͤmliche Bedeutung in der Kunſt haben,
in Darſtellungen des kaͤmpfenden und in ſolche des be-
ſaͤnftigten und ruhenden Gottes. Wir unterſcheiden:2
1) einen Apollon, den wir Καλλίνικος nennen koͤnnen,
der mit noch nicht ganz beſaͤnftigtem Kampfzorn und ed-
lem Siegerſtolz von dem uͤberwundenem Gegner (Python,
Tityos oder ſonſt wem) hinwegſchreitet. 2. Den vom3
30
[466]Syſtematiſcher Theil.
Kampfe ausruhenden, welcher den rechten Arm uͤber das
Haupt ſchlaͤgt, und den Koͤcher mit zugemachtem Deckel
4neben ſich haͤngen hat. Indem dieſer die dem Bogen in
Griechiſcher Bilderſprache oft gegenuͤberſtehende Kithar
ſchon in die Linke genommen, waͤhrend die Rechte noch
vom Bogen uͤber dem Haupte ausruht: fuͤhrt dieſe Claſſe
5von Apollobildern von ſelbſt hinuͤber zu: 3) dem kithar-
ſpielenden Apollon, welcher mannigfach coſtuͤmirt erſcheint;
doch herrſcht hier eine vollſtaͤndigere Bekleidung mit der
6Chlamys vor. In dem (4) Pythiſchen Agoniſten wird
dieſe Bekleidung zu dem feierlich praͤchtigen Coſtuͤm der
Pythiſchen Stola vervollſtaͤndigt; zugleich war hier eine
beſonders weiche, rundliche, faſt weibliche Bildung uͤblich,
welche es moͤglich machte, ſolche Apollonbilder fuͤr einen
Bathyll, oder eine Muſe zu nehmen; ſeit Skopas vereinte
die Kunſt damit eine ſchwaͤrmeriſche Begeiſterung im Ge-
ſicht und eine tanzartige Bewegung der Geſtalt. Andre
7Stellungen des Apollon haben weniger Bedeutſames und
Charakteriſtiſches und uͤben eben darum weniger Einfluß
auf die Bildung der ganzen Figur aus.


2. A. von Belvedere, im Hof des Vatican. PCl. i. t. 14.
15. Mus. Fr. P. iv. Bouill. i,
17. Beim Hafen von An-
tium entdeckt (vgl. §. 259.). Ob aus marmor Lunense?
Nach Dolomieu im Mus. Nap. T. i. p. 44. iſt er’s; Viſconti
äußert ſich anders im PCl., anders bei Bouillon. Nach Hirt
zu den Niobiden gehörig; nach Viſconti Nachbildung des Ἀλε-
ξίκακος von Kalamis in Athen; nach Winck. der Erleger des Py-
thon. Wahrſcheinlich Nachbildung eines Gußwerks; die Chlamys
iſt entſchieden für ein Erzbild angelegt. Doch iſt auch das Origi-
nal ſchwerlich vorlyſippiſch. Winckelmanns Liebe zu der Statue
ſpricht ſich am lebhafteſten in ſ. Werken vi, 1. 259. aus. Von
den geblähten Naſenlöchern §. 343, 2. Neu der l. Arm bis
zum Ellenbogen, die Finger des r. Viel zuſammengeſetzt, daher
einige Stellen an den Beinen ungeſchickt erſcheinen. — Von
einer bei Argos gefundnen Bronze in der Stellung u. Bildung
des Belv. A. Pouqueville Voy. T. iv. p. 161. Köpfe derſel-
ben Art, zum Theil noch großartiger und geiſtreicher gebildet, in
Venedig (nach Viſc.); im Hauſe Giuſtiniani (Hirt 4, 1.); bei
Gr. Pourtalès (ſehr edel und geiſtreich gebildet). Vgl. M.
Nap. i. p.
45.


[467]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

3. So der im Lykeion bei Athen, der in der Linken den Bo-
gen niederhielt und ſich an eine Säule lehnte, Lukian Anach. 7.
Daher Ap. Lycien genannt. Aber derſelbe kömmt auf Mün-
zen von Theſſalonike als Pythios vor (Dorier i. S. 363.). Sta-
tuen der Art: der Apollino in Florenz ſchlank aber weich von For-
men, welches mit der Vorſtellung der Ruhe wohl zuſammenſtimmt.
Maffei Racc. 39. Piraneſi Statue 1. Die Statuen im
Louvre n. 188. (M. Nap. i, 16. Franç. iv, 13. Bouill. i, 18.
vgl. iii, 3, 1.) u. die härter gearbeitete n. 197. zeigen breite
kräftige Formen. Aehnlich eine Statue aus der Giuſtinianiſchen
Sammlung in Wiltonhouſe (Creed. 36). Statue d. libr. di S.
Marco ii,
22. Maffei Racc. 102.


4. Von einem Bilde des Eros von Pauſias ſagt Pauſ. ii,
27, 3.: βέλη μὲν καὶ τόξον ἐστὶν ἀφεικὼς, λύραν δὲ
ἀντ̕ αὐτοῦ ἀράμενος φέρει. Die Kithar hält, bei über-
geſchlagner R., in der L., der mächtig und gewaltig gebildete A.
M. Cap. iii, 13. M. Nap. i, 17. Bouill. iii, 3, 2., wel-
cher den Greif neben ſich hat. Auf Gemmen ſtützt er, die R.
über den Kopfſchlagend, die L., die eine Kithar hält, auf einen Pfeiler,
oder an deſſen Statt, auf eine kleine alterthümliche Bildſäule zwei-
felhafter Deutung (Νίκη, Μοῖρα, Ἀφροδίτη ἀρχαία?)
Caylus Rec. v, 52, 1. 56, 1. Lipp. i, 55. 57. Das
Aufſtützen der Kithar auf einen Pfeiler oder Baum bezeichnet wohl,
nach der Inſchr. des Reliefs bei Stuart Ant. i. p. 25. den Agui-
eus
u. Proſtaterios, den friedlichen Schützer.


5. Zart und anmuthig gebildet mit ſeelenvollen Zügen, die
Haare faſt auf weibliche Weiſe geordnet, iſt der kitharſpielende A.
mit dem Schwan neben ſich M. Cap. iii, 15. Hier iſt wohl
angenommen, daß die Chlamys, von der rechten Schulter gelöſt,
ſich über den linken Arm legend, hinabgefallen ſei, und einen Stamm
bedecke, auf den Ap. die Kithar ſtützt. Drei ähnliche Medic.
Statuen. Winck. W. iv. S. 307. In eine lange ſtattliche
Chlamys gehüllt (nicht γυμνὸς ἐκ χλαμυδίου) iſt der A. Kitha-
rodos der Delphiſchen M. z. Millingen Méd. ined. pl. 2, 10.
11., grade ſo in der trefflichen Statue bei L. Egremont, Spec.
62. Das Geſicht iſt hier ernſt und nachſinnend, nicht begeiſtert.


6. Apollon in der Pythiſchen Stola (Ima videbatur talis il-
ludere palla,
Tibull iii, 4, 35). 1. In der ältern ruhigen
Weiſe, der Φοῖβος Βάϑυλλος von Samos. S. §. 96, 17., u.
die ebenda genannten anathematiſchen Reliefs. Derſelben Gat-
tung gehört die ſog. Barberin. Muſe, jetzt als ein A. Kitharodos
(nicht grade Muſagetes) anerkannt, in München an, Bracci Mem.
30*
[468]Syſtematiſcher Theil.
d. a. incis. i, 24. Winck. W. vii, 5. A. 2. In der be-
wegteren, lebendigeren Weiſe, deren Muſter Skopas in dem A.
aufſtellte, der ſpäter als Palatinus verehrt wurde. S. von die-
ſem §. 125, 4. Dieſer Ap. stolatus mit der Kithar erſcheint
auf Röm. M. ſeit Auguſt mit beiderlei Beiſchrift: Ap. Actius
und Palatinus, eben weil Auguſtus durch den Palatin. T. ſeinem
Schutzgotte A. für den Sieg von Actium dankte, Eckhel D. N.
vi. p. 94. 107. vii. p.
124. Auf den Münzen des Com-
modus lehnt indeß der Ap. Palat. die Kithar auf einen Pfeiler
oder eine Victoria (?). Eine Copie des Ap. Palatinus iſt
wahrſcheinlich die Statue des Vaticans (§. 125, 4) aus der Villa
des Caſſius, wo er mit den Muſen (ſ. unten) gruppirt war. Aehn-
lich der A. der Stockholmer Muſengruppe, Guattani M. I. 1784
p. xlix.
Auch der als Dionyſos ergänzte, PCl. vii, 2. In
dem Berliner Muſaget (Levezow Fam. des Lykom. Tf. 1.) iſt das
Bewegte des Vaticaniſchen übertrieben.


7. A. beim Päan ſchreitend (wie im Hom. Hymn. auf den
Pythiſchen Ap.) möchte ich die Statue PioCl. vii, 1. nennen.
A. mit der Kithar ſitzend, ſchlecht ergänzt, im Hauſe Mattei.
A. die Kithar auf das l. Knie ſtützend, St. S. Marco ii, 12.
A. mit der Syrinx (?), ehemals in V. Medicis.


A. μάντις auf dem Dreifuß und mit den Füßen auf dem
Omphalos (vgl. Paſſow, §. 96, 14) ſitzend; über beide iſt eine
Opferhaut gebreitet, Dor. i. S. 363. ſchon vor der Erinnerung in
Böttigers Archäol. u. Kunſt i. S. xxiii. hervorgezogen. Raffei
Ricerche sopra un Apolline della villa Albani. 1772. f.
Ville de Rome i. pl.
49. Derſelbe, ſcheint es, Gerh. Neapels
Ant. S. 29. A. im Mittelpunkt der Erde auf dem Omphalos
ſitzend (Platon Rep. iv, 427), auf den M. der Seleukiden.
(Das Netz aus Infuln über dem Omphalos iſt vielleicht das man-
tiſche ἄγρηνον, ſ. Uhden im Muſ. der Alterth. W. i. S. 363.).
A. auf dem Omphalos, Kitharſpielend, M. von Cherſoneſos in
Kreta, Land. 65. A. neben dem Dreifuß ſtehend, die Hand auf
die Hüfte ſtützend, Lipp. i, 54. Millin P. gr. 4., wahrſcheinlich
nach einer Delphiſchen Statue, vgl. Tiſchb. Vaſen i, 33. A.
Smintheus, mit der Maus unter dem Fuße von Skopas, mit
der Maus auf der Hand auf M. von Alexandria Troas Choiſ.
Gouff. Voy. pitt. ii. pl. 67. Ebenda ein A. Smintheus im
Himation mit dem Pfeil auf dem Bogen. A. Sauroktonos §.
127, 6.


A. Nomios mit dem Pedum, in V. Ludoviſi, Hirt 4, 6.
G. M. 14. 97. Winck. iv. S. 82. A. εἰλημμένος τῆς
[469]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ἐλάφου (Pauſ. x, 13, 3.) Millin P. gr. 6. 7. — A. als
Schiffbeſchützer auf einer M. des Antigonos, Winck. vi. S. 127.
Mionn. Suppl. iii. pl. 11, 2. Ἐκβάσιος, Ἀκταῖος Do-
rier i. S. 225. — A. thronend, mit Bogen in der R., auf M.
der Akarnanen, Mionn. Suppl. iii. pl. 14, 4. Land. i, 33.
A. ſich mit der L., die einen Bogen hält, auf einen Pfeiler ſtützend,
Lipp. i, 58.


Altäre Apollons mit ſeinen Attributen, Bouill. iii, pl. 68.
Dreifüße pl. 67. §. 299, 9. Greife, auf M. (oft ſehr ſchön,
Mionn. Suppl. ii. pl. 5.) von Teos, Abdera, Pantikapäon; ſpä-
ter oft in Arabesken.


362. Die Darſtellungen des Gottes in groͤßerem Zu-1
ſammenhange kann man eintheilen in ſolche, welche ſeine
Erſcheinung oder Epiphanie an ſeinen Cultusorten feiern,
wie wenn er auf dem ſchwanenbeſchwingten Wagen von
den Hyperboreern nach Delphi, oder von einem Schwan
getragen nach Delos koͤmmt. Dann in die Kampfſce-2
nen mit dem Drachen Python, die indeß viel weniger
behandelt worden ſind, als der ſo fruͤh von den bilden-
den Kuͤnſtlern aufgeſuchte Gegenſtand des Streits um
den Dreifuß. An dieſe reihen ſich die Suͤhnungen,3
bei denen der Lorbeer, urſpruͤnglich durchaus Zeichen von
Suͤhne und Reinigung, nicht leicht fehlen darf; Apollon
erſcheint dabei in beſonders wuͤrdiger und feierlicher Hal-
tung, den Oberleib frei, den untern Theil des Koͤrpers
in ein Himation gehuͤllt. Die muſiſche Meiſterſchaft4
des Gottes verherrlicht ſein Kampf mit Marſyas, eigent-
lich nichts Anders als ein Wettkampf des Helleniſchen
Kithargeſanges mit dem Phrygiſchen Floͤtenſpiel. Beim
Kampfe ſelbſt ſieht man ihn auf Vaſengemaͤhlden im Co-
ſtuͤm des Pythiſchen Agoniſten oder auch unbekleidet; als
ſtrenger Sieger und Beſtrafer erſcheint er auf Gemmen
in ſtolzer Haltung, den ſchoͤnen Koͤrper aus dem Ge-
wande hervortreten laſſend, das Knie von dem es zu
umfaſſen bemuͤhten, demuͤthig fuͤrbittenden Olympos weg-
wendend. Aehnlich ſtellen ihn mehrere Basreliefs dar,
die ſelbſt wenig vorzuͤglich ſind, aber die Fragmente ei-
[470]Syſtematiſcher Theil.
ner ausgezeichneten, wenn auch erſt in Alexandriniſcher
Zeit hervorgebrachten Statuengruppe auffinden gelehrt
haben, in der die Vorbereitungen zu Marſyas Schin-
dung nach Apollons Anordnung dargeſtellt waren.


1. Apollons ἐπιδημίαι, ἐπιφάνειαι (über die Iſtros ſchrieb).
In Delphi, bei der Rückkehr von den Hyperboreern, im Mai
beim Beginn der Erndte, mit der Aehre (χρυσοῦν ϑέρος auf
Münzen von Metapont) in der Hand. Daß wenigſtens mitun-
ter jene Compoſition auf Vaſen, wovon §. 358, 5. ſo gefaßt wurde,
ſcheint der Dreifuß bei Tiſchb. iv, 8. zu beweiſen. Neben
den Hyperboreern wohnen die Arimaſpen, die, in Skytho-Phrygi-
ſchem Coſtüm, mit den Greifen um das Gold kämpfen (Tiſchb.
ii, 9. Millin Mon. ined. ii. p. 129. Combe Terrac. 4. 6.
d’Agincourt Fragm. en terre cuite pl. 11, 2. vgl. Böttiger N.
Teutſcher Merkur 1792 Th. ii N. 6. S. 143.), von denen einer
Ap. Daphnephoros geleitet, Millin Vas. i, 46. Epiphanie in
Delos, auf dem Schwan (ἐπένευσεν ὁ Δήλιος ἡδύ τι φοῖ-
νιξ Ἐξαπίνης, ὁ δὲ κύκνος ἐν ἠέρι καλὸν ἀείδει, Kallim.
auf Apoll 4.) Tiſchb. ii, 12. Ap. auf Schwan, auch auf Greif
ruhend und fliegend, auf Münzen von Chalkedon. Laborde
Vas. ii, 26.


2. A. kämpfend. Python. Leto mit den beiden Kindern vor
Python fliehend, der aus ſeiner Höhle (Klearch bei Athen. xv,
701. Schol. Eur. Phön. 239) in der Delphiſchen νάπη hervor-
bricht. Die Mutter mit den Kindern in einer Erzgruppe in Del-
phi (Klearch); auf Münzen Τριπολειτων n. 540. in Mionn.
Descr.; die ganze Scene Tiſchb. iii, 4. Die Tödtung des
Python beim Dreifuß auf einer Münze von Kroton, Eckhel N.
Anecd. i, 13. G. M.
16, 54. Das Relief bei Fredenheim
E Museo Sueciae (wenn ächt) ſtellt den Auguſt als einen Apollo
dar, der den Bruti Genius als Python beſiegt. A. als Greif
mit Giganten kämpfend, Gemme G. M. 20, 52. P. gr. 8.
Ap. die Niobiden niederſchießend §. 126, 4. Kampf mit
Herakles in alten Statuengruppen (§. 89, 3) und in erhalte-
nen Reliefs und Gemmen des archaiſirenden Styls, §. 96, 14.
vgl. 99, 3, 6. Die Verſöhnung auf dem Korinthiſchen Re-
lief §. 96, 15. (die Kithar und die drei Chariten bezeichnen ſie
ſehr klar), Millingen Cogh. 11.


3. A. καϑαρτής. Auf Münzen von Chalkedon, Perinth ei-
nen Lorbeer über einem Altar ſengend. Den Lorbeer pflanzend (?)
[471]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
auf intereſſanten M. von Metapont, Combe 3, 14. Auf M. von
Myrina mit einem Himation um die Hüften, einen Lorbeerzweig
mit Wollebinden in der Hand. Räthſelhaft der heftig bewegte
in beiden Händen Lorbeerzweige ſchwingende auf den alten M. von
Kaulonia Mionn. pl. 59, 2. Sühnung des Oreſtes.
Vaſengemählde bei Tiſchb. ii, 16; Millin Vases ii, 68., Mon.
inéd. i, 29. G. M.
171, 623.; ein drittes herausg. von Thor-
lacius, Programm von Kopenhagen, 28 Jan. 1826. vgl. Dor.
ii. S. 332, 4. Auf dem zweiten und dritten Vaſengemählde
iſt es jetzt faſt unmöglich, den ἄνδρα ϑεομυσῆ ἐπ̕ ὀμφαλῷ
ἕδραν ἔχοντα (Aeſch. Eum. 40) zu verkennen. Ἀπ. ὑπερχεί-
ριος dabei §. 335, 6.


4. A. κιϑαρωδός. Kampf mit Marſyas (Μάσσης,
Μάσνης), einem Phrygiſchen Dämon (Seilenos bei Herodot),
deſſen Symbol ein Schlauch (ἀσκὸς) war, den die Hellen. Sage
in eine Trophäe des Siegs der Kitharodik verwandelt. Vgl. Böt-
tiger im Att. Muſeum i. S. 285. u. Millin Vases i. zu pl. 6.
Der Agon auf Vaſengemählden, Tiſchb. i, 33. (in Delphi) iii,
5. (A. in der Pythiſchen Stola) 12. Millingen Cogh. 4. Ger-
hard Ant. Bildw. 27, 2. Tiſchb. i, 33. heißt der Flötenſpie-
ler Μολκος, wie bei Plut. Qu. Gr. 28. ein feindſeeliger Aulete
Molpos vorkömmt. Die Strafe ſchon von Zeuxis gemahlt —
Marsyas religatus — Plin. vgl. Philoſtr d. j. 2. Darnach
vielleicht das Gemählde Ant. di Ercol. ii, 19. Auch auf
Vaſengem. A. als tortor, Tiſchb. iv, 6. G. M. 26, 79.
Häufig auf Gemmen Lipp. i, 66. ii, 51 — 53. iii, 48.
Gemmae Flor. i. t.
66, 9. Ueberladne Sarkophag-Vor-
ſtellungen, in Villa Borgh. Winck. M. I. 42. Bouill. iii, 34.
G. M.
25, 78., aus S. Paolo fuora di mura (Heeren in
Welckers Zeitſchr. i. S. 137. Hiſtoriſche Werke iii. S. 185.).
Abweichend die Vorſtellung auf einer Candelaber-Baſis PCl. v, 4.
Große Compoſition auf dem neuentdeckten Sarkophag, Amalth iii.
S. 368. 375. Nach jenen Reliefs erkennt man die Stücke
einer großen Statuen-Gruppe, vielleicht derſelben, die das Römi-
ſche forum zierte (Marsyas causidicus, Ap. iuris peritus
bei Horaz, Martial, Juvenal; ob derſelbe tortor?). Da-
zu gehören der an die Fichte gehängte Marſyas, ein anato-
miſches Studium, zweimal in Florenz (Mus. Flor iii, 13.
Maffei 31. Galeria S. iv, 1, 35. 36. Wicar iv pl.
17.)
u. ſonſt (im Louvre aus V. Borgheſe, Gal. Giust. i, 60 (?)
vorhanden. Ferner der von Agoſtini erkannte Schleifer, Aro-
tino, Mus. Flor. iii, 95. 96. Maff. 41. Gal.
37., ein
Skythiſcher Polizeiknecht. Für Agoſtini’s Auslegung Winck. M. I.
a. O. Viſconti PCl. v, 3. 4.; dagegen (ohne hinlänglichen Grund)
[472]Syſtematiſcher Theil.
Fiorillo Kleine Schriften artiſt. Inhalts i. S. 252. Der Schädel
Koſackenähnlich nach Blumenbachs Bemerkung (Spec. histor.
natur. p.
12.); die Figur von gemeinem Gliederbau und Aus-
druck, den auch Philoſtr. d. j. 2. gut beſchreibt. Der ſieges-
ſtolze Ap. dieſer Gruppe bleibt noch nachzuweiſen, da die Gruppe
in Dresden (Le Plat 65. Auguſt. ii. S. 89.) ſehr zuſammen-
geſetzt iſt.


Von einem 1790 bei Tivoli gefundnen Ap. u. Hyakinth,
mit Diſcus, Effem. Rom. 1823 Mai. Schorns Kunſtbl. 1824.
N. 23. A. bei Admet u. Alkeſtis, unten: Heroenmythus.


6. Artemis.

1363. Das Weſen der Artemis hat, wie das ihres
Bruders Apollon, zwei Seiten, indem ſie bald mehr als
eine kaͤmpfende, erlegende Gottheit gedacht wird, welche
Thaͤtigkeit indeß in der gewoͤhnlichen Auffaſſung immer
mehr auf das Geſchaͤft der Jagd beſchraͤnkt wurde; bald
mehr als eine Leben gebende und Licht bringende Goͤt-
tin (Vorſtellungen, die in Griechiſcher Symbolik ſehr eng
zuſammenhaͤngen), als eine Spenderin von friſchem, bluͤ-
hendem Naturleben fuͤr Vieh und Menſchen erſcheint: auf
welche Grundvorſtellung ſchon der Name der Goͤttin hin-
2deutet. Die Kunſt legte ihren Bildungen die Vorſtel-
lung jugendlicher Kraͤftigkeit und Lebensfriſche zum Grunde.
3In dem aͤltern Style, wo Artemis durchgaͤngig lang und
zierlich bekleidet (in stola) erſcheint, geht das Streben
beſonders dahin, auch durch das Gewand die vollen, bluͤ-
henden und kraͤftigen Formen hindurchſcheinen zu laſſen.
4Spaͤter, als Skopas, Praxiteles, Timotheos und Andre
das Ideal ausgebildet hatten, wird Artemis, wie Apol-
lon, ſchlank und leichtfuͤßig gebildet, Huͤften und Bruſt
ohne weibliche Fuͤlle; die noch unentwickelten Formen
beider Geſchlechter vor der Pubeſcenz erſcheinen hier gleich-
ſam feſtgehalten und zu einer maͤchtigen Groͤße ausge-
5bildet. Das Geſicht iſt das des Apollon, nur von
[473]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
weniger hervortretenden Formen, zarter und rundlicher;
das Haar iſt haͤufig uͤber der Stirn zu einem Korym-
bos (Krobylos) aufgebunden, noch oͤfter aber am Hin-
terkopf oder auf dem Wirbel nach einer Weiſe, die be-
ſonders bei den Doriern gebraͤuchlich war, in einen Buſch
zuſammengefaßt; nicht ſelten findet ſich auch Beides zu-
ſammen. Die Kleidung iſt ein Doriſcher Chiton (§.6
339, 4.), entweder hoch geſchuͤrzt oder auf die Fuͤße
herabwallend, oft auch als Diploidion uͤbergeſchlagen; die
Schuhe der Jaͤgerin ſind die den Fuß ringsumher ſchuͤtzen-
den Kretiſchen.


1. Manches Nutzbare über die Artemis giebt Voß Mythol.
Br. iii, i.


3. Hier führt A. meiſt Fackeln in den Händen, mit dem Bo-
gen und Köcher auf dem Rücken. S. die anathematiſchen Reliefs
§. 96, 17. Oder ſie hält den Bogen und zieht den Hirſch
nach ſich, ebd. n. 15. vgl. 16. Bemahlte A. des hieratiſchen
Styls von Herculanum. Winck. W. v. S. 20. 44. 200. Real
M. Borbon.
5.


4. Eine A. als eine ἔργον Σκοπάδειον, Lucian Lex. 12.
Von Prax. §. 127, 6. Timotheos §. 125, 4.


5. Ueber das Haar vgl. §. 330, 5. 340, 4. κόμην πα-
ραμπυκίδδειν. Mit dem Haarbuſch auf M. von Athen u.
Aegion (Combe 7, 12, 14.), von Eretria (Landon 10), Stym-
phalos (ebd. 45. Mionn. Descr. pl. 73, 8.), Syrakus (Nöhden 18.),
Capua (Combe 2, 13). Auf M. von Stymphalos iſt der Kopf
belorbeert, wie auch auf Maſſiliſchen, mit hinten aufgeſteckten Haa-
ren, Mionn. pl. 63, 2.


6. Nuda genu vestem ritu succincta Dianae Ovid.
Nuda genu nodoque sinus collecta fluentis (wie bei der Ver-
ſailler-Statue) Aen. i, 320. Ἐς γόνυ μέχρι χιτῶνα ζών-
νυσϑαι λεγνωτὸν, Kall. Art. 11. Vgl. Chriſtodor 308. Die
Anth. Plan. iv, 253 App. Palat. erwähnt die Λυκα-
στείων ἐνδρομὶς ἀρβυλίδων (die Κρητικὰ πέδιλα) und den
πρὸς ἄκρην ἰγνύην φοῖνιξ πέπλος ἑλισσόμενος. Ἐνδρο-
μίδες der A. Pollux.


[474]Syſtematiſcher Theil.

1364. Artemis die Jaͤgerin (ἀγροτέρα), welche aber
oft mit gleichem Rechte als eine kaͤmpfende Gottheit ge-
dacht werden kann, wird in vortrefflichen Statuen theils
in dem Moment, den Pfeil aus dem Koͤcher zu nehmen,
um ihn abzuſenden, theils auf dem Punkte ihn abzu-
ſchießen, in beſonders lebhafter Bewegung, dargeſtellt.
2Wenn ſie im langen Gewande die Hand nach dem Koͤ-
cher bewegt, ohne Zeichen von heftiger Bewegung, ſanfte
Anmuth in den Mienen, liegt die Vorſtellung naͤher, daß
ſie ihn ſchließen, als daß ſie ihn oͤffnen wolle, und man
darf wahrſcheinlich den Namen Σώτειρα auf eine ſolche
3Artemis anwenden. Geſchloſſen ſieht man den Koͤcher
und den Bogen auf den Ruͤcken zuruͤckgeworfen in Re-
liefs, wo Artemis als lebenverleihende Lichtgoͤttin (als
φωσφόρος, σελασφόρος) mit Fackeln in beiden Haͤnden
einherſchreitet, welche auch vielen mangelhaft erhaltnen
Statuen durch Reſtauration wiederzugeben ſein moͤchten.
4In alten Tempelbildern trug nicht ſelten Artemis ſowohl
den Bogen als die Fackel in der Hand, Licht und Todgebend
5zugleich. Die Jaͤgerin Artemis iſt zugleich eine Hege-
rin und Pflegerin des Wildes, oft erſcheint ſie eine hei-
lige Hirſchkuh an ſich heranziehend; auch iſt in einem
intereſſanten Bilde ihre Krone aus Rehboͤkken gebildet.
6Nur in kleinen Kunſtwerken laſſen ſich nachweiſen die
Artemis Upis, eine Opfer und Suͤhnlieder fordernde
Gottheit, welche durch die Geberde der Nemeſis bezeich-
7net wird, und die Syrakuſiſche Potamia, die vom Al-
pheios heruͤbergebrachte Flußgoͤttin, welche durch das
Schilf in den Haaren und die Fiſche, die ſie um-
8geben, ihre Verbindung mit dem Waſſer anzeigt. Die
meerbeherrſchende Artemis iſt wenigſtens in der Geſtalt,
die ſie in Leukadien hatte, bekannt.


1. Der erſte Moment in der A. von Verſailles, n. 178 im
Louvre. Sehr ſchlank und zierlich, aber doch kräftig gebaut. Ne-
ben ihr die ἔλαφος κερόεσσα. Auf dem Kopf eine Stephane.
M. Franc. i, 2. Nap. i, 51. Bouill. i, 20. G. M. 34,
115. Eben ſo, Millin P. gr. 10. M. von Philadelphia,
[475]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Combe 11, 6. Wie die A. in Phelloe, βέλος ἐκ φαρέτρας
λαμβάνουσα. Pauſ. vii, 26, 4. So auch als Tödterin
der Niobe-Töchter PCl. iv, 17. Den zweiten zeigt die
PCl. i, 31. (Hirt 5, 2. 5.); ähnlich Bouill. iii, 5, 3.; auch
die Bronze, Ant. Erc. vi, 11. 12., die Gemme Lipp. i, 71.
u. Lampe bei Bartoli ii, 33. Als Jägerin mit einem Hunde
auf Syrakuſ. M. Mionn. Descr. pl. 67, 6.


2. So bei der lieblichen, oft wiederkehrenden, Figur, August.
45. Aehnliche in Caſſel, M. Cap. iii, 17. vgl. Maffei Racc.
145. Der geſchloſſene Köcher bezeichnet die Ἄ. Σώτειρα auf
Syrakuſ. M., Nöhden 16. Mionn. pl. 68. 4., wo auch noch eine
Kithar beigefügt iſt, wie bei Apollon auf der andern Seite. Of-
fenbar aus einer Zeit, wo die Syrakuſier von großer Landesnoth
befreit dem Apoll. u. der A. Päanen ſangen. Dagegen ſcheint die
A. M. Flor. iii, 19. wirklich den Pfeil herauszunehmen, ſo wie
die heftig bewegte Diana Sicula in langer Bekleidung auf M.
des Auguſt. Hier kömmt aber auch eine hochgeſchürzte A., ſte-
hend, mit Lanze u. Bogen, als Siciliſche vor. Morelli t. 11,
33 — 39. Eckhel vi. p. 93. 108. Eine Lanze hat auch die
Capuaniſche, Relief Winck. W. G. M. 38, 139. Als ausru-
hende Jägerin auf eine Säule geſtützt, Lipp. i, 63 u. ſonſt.


3. Fackeln trug auch die Pythiſche A., wie die §. 96. n. 17.
genannten Reliefs (vgl. Welcker in Böckhs Pindar Explic. p. 453.)
u. Heliodors iii, 3. ſchöne Beſchreibung der Delphiſchen Prieſterin
im Artemis-Coſtüm, welche in der R. eine Fackel, in der L. den
Bogen hielt, zeigen. Eine Hauptſtatue aus V. Panfili PCl.
i,
30. Hirt 5, 6. Aehnlich die Bouill. iii, 5, 1. Vgl. Cap.
iii, 16. Mon. Matth. i,
44. Eine A. der Art, mit ſchönem
Kopf, aus Pall. Colonna in Berlin. Hierher gehört auch die
Zingarella V. Borgh. St. 8, 5. Winck. W. iii, xlv.
Bouill. iii,
5, 4.


4. Mit Fackel u. Bogen die hochgeſchürzte A. Laphria auf
M. Combe 5, 23. Eben ſo die A. von Segeſta, cum stola
Cic. Verr. iv, 34. Das Cultusbild der A. Luſia glaube ich
auf dem berühmten Vaſenbilde (Hirt, die Brautſchau. Berl. 1825)
zu erblicken; Melampus heilt hier die Prötiden, unter denen ſeine
Geliebte Iphianaſſa zu ſehen iſt, die Kuhhörnchen erkläre ich aus
Virgil E. 6, 48. Proetides implerunt falsis mugitibus
auras.
A. hat hier auf dem Haupte einen Polos, in den Hän-
den Fackel u. Bogen. Vgl. das Vaſengem. Millingen Div. 52.


[476]Syſtematiſcher Theil.

5. So an der alterthümlichen Statue von Gabii in Rom bei
Card. Braschi, Sicklers u. Reinhards Almanach ii, 12. Oft
hält A. einen Hirſch bei den Hörnern oder Vorderfüßen, auf M.
u. Gemmen, z. B. der alterthümlichen Lipp. i, 70. Puteal
von Korinth §. 96. n. 15. Vaſe des Soſibios Bouill. iii, 79.
Mit Apoll auf einem Wagen mit Hirſchen §. 118, 3. Auf De-
naren der G. Aelia u. Axsia. Auf den Denaren der G.
Hostilia,
mit Strahlenhaupt, in der R. einen Hirſch, in der L.
einen Speer haltend. Diana Planciana, Eckhel D. N. v, 275.


6. So erkläre ich die Gemme Millin Pierr. gr. 11. Vgl.
Hirt Tf. 12, 10.


7. Für A. Potamia halte ich auf den Syr. Medaglioni (§. 132,
1.) den Kopf mit ſchilfdurchflochtenem, hinten aufgeſtecktem, ein-
fach geordnetem Haar, von Fiſchen umgeben (Nöhden Frontiſpiz,
vgl. Tf. 13. Mionn. Descr. pl. 67. 3. 5. Empr. 317. 318),
und unterſcheide davon den ebenfalls von Fiſchen umgebnen mit dem
Haarnetz und dem künſtlich geordneten Haar, von minder edlen
und göttlichen Geſichtsformen, den man bald von der Seite (Empr.
316), bald von vorn (302. 303) ſieht, wo die Aufſchrift Αρε-
ϑοσα (Descr. Pl. 67, 4.) keinen Zweifel über die Bedeutung
läßt. — Dieſe A. Potamia war, wie alle Waſſergottheiten, auch
Roſſegöttin, wie ſchon Pind. P. iii, 7. lehrt, darum ſieht man ſie
auch mit Köcher und Fackel verſehn, auf Syrakuſ. M. (Nöhden
Taf. 15.) ein Viergeſpann lenken. A. reitend mit Fackeln auf
M. von Pherä, Eckhel ii. p. 147. Voß a. O. S. 71. Auf
M. von Selinus, Empr. 295, dem ſchießenden Ap. die Roſſe
lenkend. Bei Col. Leake ein Relief aus Theſſalien, worauf
eine Fackel tragende Frau zwiſchen Roß und Windhund ſteht.


8. Ξόανον der Leukadiſchen A. auf einer Baſis mit Mond
auf dem Kopf, Apluſtre in der Hand, und Hirſch neben ſich, Combe
5, 21. Rev. Schiff. Etwa als Diktynna.


Noch erwähne ich die Diana von Gabii, welche ſich eine
Art von Peplos anlegt, im Louvre. Ob wirklich Diana? Mon.
Gab. 32. M. Roy. ii, 17. Bouill. i,
21.


Virbius von Aricia, eine männliche Diana ſ. Uhden in
den Schr. der Berl. Akad. 1818 S. 189. über eine bei Aricia ge-
fundne Statue der Art. Wahrſcheinlich iſt auch die bei Guat-
tani Mon. In. 1786. p. lxxvi. PCl. iii, 39. ein Virbius.
Mit jener Statue iſt ein Relief gefunden, welches die blutige
Wahl des rex Nemorensis darſtellt.


[477]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

365. Als Beſchuͤtzerin des Epheſiſchen Heiligthums,1
welches die Amazonen der Sage nach gegruͤndet, erſcheint
Artemis ſelbſt in einem Aſiatiſchen Amazonen-Coſtuͤm.
Ihr weitverbreitetes und in ſpaͤterer Kaiſerzeit in Statuen2
und auf Muͤnzen unzaͤhligemal wiederholtes Cultusbild
haͤngt mit den Helleniſchen Artemis-Vorſtellungen durch
kein ſichtliches Band zuſammen. Aehnlich wurde die3
Artemis Leukophryne Magneſia’s, unfoͤrmlicher und roher
die Pergaͤiſche in Pamphylien gebildet. Ueberhaupt war4
Kleinaſien voll von eigenthuͤmlichen und ſeltſamen Arte-
mis-Darſtellungen, welche der Anaitis des Orients naͤ-
her ſtanden als der Griechiſchen Artemis. Das kleine5
Bild der Tauriſchen oder Orthiſchen Artemis, daſſelbe
welches die Spartaniſche Prieſterin bei der Knabengeiße-
lung auf der Hand trug, erſcheint im Mythus der Iphi-
geneia als Mittelpunkt; es gleicht andern altgriechiſchen
Bildern. In groͤßerer Verbindung iſt man gewohnt6
Artemis mit Mutter und Bruder zu ſehn, auch im Gi-
gantenkampfe, und in der in ſpaͤterer Kunſt beliebten Vor-
ſtellung der von Aktaͤon im Bade belauſchten.


1. S. das Vaſengemählde Millin Vases ii, 25. G. M.
136, 499. A. als Amazone auch auf der M. des Nikomedes i. G.
M.
16, 122. Phrygiſch coſtümirt auf der Vaſe Tiſchb. iv, 6.


2. Oben §. 69. S. 47. PCl. i, 32. G. M. 30, 108. 109.
111. Lipp. ii, 62—68. Oft auf Homonöen-M. u. Lam-
pen. — Leukophryne G. M. 112.


4. Von der A. Priapine auf Kilikiſchen M. von Mallos Töl-
ken, Kunſtblatt 1828 H. vi.


5. S. die Reliefs Winck. M. I. 146. G. M. 171. u.
Zoëga 56. u. das Gemählde, Ant. Erc. i, 12. vgl. 11. —
Die Ταυροπόλος dagegen, auf M. von Ikaria und Amphipolis,
reitet ſtets den Stier, Böttiger Kunſtmyth. S. 330. Tf. 4. Dip-
tycha G. M. 34, 121. Vgl. Voß S. 56.


6. Ἀπόλλων σπένδων καὶ Ἅρτ. χρυσηλάκατος οῖνο-
χοοῦσα (vgl. §. 97. N. 17.) Gerh. Ant. Bildw. i, 9. A. als
Hirſch mit Giganten kämpfend, Lipp, ii, 111. G. M. 20,
[478]Syſtematiſcher Theil.
114. Als Bogenſchützin, Hekate zugleich mit Fackeln, Relief Chia-
ram. i, 17. M. Matth. iii, 19. G. M.
35, 113. — A. u. Aktäon,
Relief G. M. 100, 1. 405, 6. Bouill. iii, 49. Gem-
men bei Lipp. i, 72. u. ſonſt. Gemählde von Pompeji,
Goro T. 11. Statue des Aktäon Br. M. ii, 45.


Altar der A. des Lakoniſch-Tegeatiſchen Karyä, im Louvre
523. V. Borgh. St. 4. n. 21 sqq. Bouill. iii, 70. (vgl.
Zoëga Bass. i, 20.) mit den Figuren der Dymänen und Kary-
atiden (Pratinas), oder Thyiades et Caryatides, die Praxite-
les nach Plinius bildete. Vgl. Meineke zu Euphorion Fr. 42.
Dorier i. S. 374. ii. S. 341. mit Böttiger Amalth. iii. S. 144.
154. Dieſelben Spartaniſchen Mädchen findet man auch bei der
Pallas, unten. Wie auf jenem Altar, ſo miſcht ſich auch auf dem
archaiſirenden Relief des Soſibios Artemis- und Dionyſos-Dienſt.
Altar der A. Phosphoros mit einem ſchönen A. Kopfe, der auf
dem des Okeanos ruht; daneben die Köpfe des Phosphoros u. He-
ſperos Bouill. iii, 69. (A. Phosphoros, vor Eos, Vaſengem.
G. M. 30, 93). Wagen der A. mit ihren Inſignien, M.
Cap. iv, 30. G. M.
2, 32.


7. Hephaͤſtos.

1366. Der Feuergott, ein maͤchtig ſchoͤpferiſches We-
ſen im alten Glauben der Griechen, der Athena Ge-
noß im Attiſchen Cultus und darum auch in dieſem
Zwoͤlfgoͤtterſyſtem, hat das Geſchick gehabt, die hohe
Wuͤrde, die ihm hier zu Theil geworden war, weder in
der Poeſie, noch in der bildenden Kunſt der Griechen, be-
2haupten zu koͤnnen. Jene ſtellt ihn im Ganzen als tuͤch-
tigen und kunſtreichen Schmied dar, aber verwebt damit Zuͤge
einer ſeltſamen Symbolik, indem ſie ihn ungeheuerlich,
mißgeſtalt, hinkend und in ſeinem ganzen Weſen poſſier-
lich, als Hahnrei im Hauſe und Pikelhering im Olymp,
3ſchildert. Die bildende Kunſt ſcheint ihn in fruͤheren
Zeitaltern in Zwerggeſtalt dargeſtellt zu haben: nach der im
menſchlichen Gemuͤthe tiefbegruͤndeten Neigung, grade das
4Urgewaltige im Bilde zwergartig zu faſſen. Ausgebildet
[479]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
indeß begnuͤgte ſie ſich, einen kraͤftigen, tuͤchtigen, werk-
thaͤtigen Mann hinzuſtellen, der, umgekehrt wie andre
Goͤtter, in der fruͤheren Zeit jugendlicher, ſpaͤter erſt als
baͤrtiger und gereifter Mann gefaßt wurde. Doch vereint5
ſie damit bisweilen, wie in Alkamenes beruͤhmtem Bilde,
eine Andeutung der Lahmheit, welche die kraͤftige Figur
nicht entſtellte ſondern nur intereſſanter machte. Deut-6
licher erkennt man ihn in den wenigen Kunſtwerken, welche
von ihm uͤbrig ſind, an der Handwerker-Exomis (§. 337,
3.), der halbeifoͤrmigen Muͤtze, welche er wahrſcheinlich
in Lemnos erhalten (§. 338, 2.), und dem Schmiedegeraͤth.


1. Ueber den Attiſch-Lemniſchen Feuerdienſt Welcker Prometh.
S. 277 ff.


3. Dieſe Zwergbildung iſt wohl der Hauptgrund der Identifi-
cirung mit Phthas geweſen. §. 232, 3. A. i. Zur folgenden
Bemerkung Schelling Gottheiten von Samothrace S. 33. 93.


4. H. bartlos auf M. von Lemnos, Lipara, auf dem Capitolin.
Puteal, auf Etruskiſchen Pateren und einem Relief bei Athenas
Geburt, und Vaſengemählden. — Von der Gruppe des H. u.
Hermes unten.


5. Von Alk. H., in quo stante in utroque vestigio atque
vestito leviter apparet claudicatio non deformis
Cic. N.
D. i,
30. Val. Max. viii, 11. ext. 3. Auch am Fries
des Parthenon glaube ich Hephäſtos (vgl. §. 118, 2 b.) an dem
Halten und Stützen des Knies durch das Skeptron zu erkennen.
Euphranors H. ohne Lahmheit Dio Chryſ. Or. 37. p. 466 c. Mor.


6. Bronze bei Hirt 6, 1. 2. Borgheſiſche Statue. Gem-
me bei Millin P. gr. 48. Auch auf M. von Methana,
wegen Vulcanität der Halbinſel.


367. In groͤßerer Verbindung ſieht man ihn unter1
andern in ſeiner Schmiede auf Gemmen, wo ihn Aphrodite
beſucht, und mit den Kyklopen zuſammen auf Reliefs, wo
er Prometheus Feſſeln ſchmiedet. Als gekraͤnkten Ehe-2
mann ſieht man ihn bei dem Ehebruch der Aphrodite
[480]Syſtematiſcher Theil.
3und des Ares ſeine Schande ſelbſt aufdecken. Beſonders
artige Kunſtwerke, aber nur Vaſengemaͤhlde, hat der
Mythus hervorgebracht, wie Ares den Hephaͤſtos wegen
der liſtigen Feſſelung der Hera bekaͤmpft, und Dio-
nyſos den vom Olymp Geflohenen im Triumph wieder
zuruͤckholt. Zum Theil ſchließen ſich dieſe Darſtellungen
eng an Scenen der Siciliſchen Komoͤdie an.


1. Lipp. i, 73. 74. ii, 71. 72. Bei Lipp. i, 75. ver-
ſieht H. alle Götter mit ſeinen Arbeiten. — M. Cap. iv, 25.
Hirt 6, 3. G. M. 93, 383; V. Borgh. St. 1. n. 17. im
Louvre n. 433, vgl. Winck. W. ii. S. 506. 693. — H. der Schild
der Athena arbeitend, Millin P. gr. 49. H. die Pandora bil-
dend Relief im Louvre n. 217. Winck. M. I. 82.


2. Winck. M. I. 27. (aus V. Albani) G. M. 38, 168*.
Hirt 7, 5.


3. Ueber den Zuſammenhang des Epicharmiſchen Stücks Ἥφαι-
στος καὶ οἱ Κωμασταί Dorier ii. S. 354. Ueber Achäos He-
phäſtos Welcker Anhang S. 300. — Erſte Scene, Dädalos (für
H.) und Eneualios im Kampfe vor der an den Thron gefeſſelten
Hera, Vaſe von Bari im Britt. Muſ. Mazocchi Tb. Heracl. ad
p.
138. Hanc. iii. pl. 108. G. M. 13, 48. (Davon auch
Sappho Fr. 88 Neue: ὁ δ̛ Ἄρευς φαὶς ἦ κεν Ἅφαιστον
ἄγειν βίᾳ.) Zweite Scene, Dionyſos den Hephäſtos im
Thiaſos (wobei auch Marſyas und die Komodia) zurückführend. Ge-
mählde im Antheſterien-T. Pauſ. i, 20, 2. Tiſchb. iii, 9.
iv, 38. Millin Vases i, 9. G. M. 83, 336. Vas.
ii, 66. G. M.
85, 338. Millingen Vas. de Cogh. 6. —
Ἥφ. τὴν μητέρα ἀπολύων, im T. der Chalkiökos, Pauſ.
iii, 17, 3.


Vgl. Athena, Kadmos u. Peleus.


8. Pallas Athena.

1368. Das ſchwer zu ergruͤndende Weſen der Pallas
Athena ſcheint beſonders darin ſeinen Mittelpunkt zu ha-
ben, daß ſie als eine geliebte Tochter des Himmelsgottes,
[481]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
als eine Jungfrau aus aͤtheriſcher Hoͤhe gedacht wird,
welche in dieſer Welt bald Licht und Waͤrme und gedeih-
liches Leben ſpendend eintritt, bald aber auch feindliche
Weſen (namentlich die wunderbar mit ihr zuſammenhaͤn-
gende Gorgo) vernichtet. Wenn in der aͤlteſten Anſchau-2
ungsweiſe Phyſiſches und Geiſtiges eng verbunden, und
dieſe aͤtheriſche Jungfrau zugleich als Zeus Verſtand, als
die in Zeus aufgenommene und wiedergeborne Metis (nach
Heſiod), gedacht wurde: ſo uͤberwog, dem allgemeinen
Entwickelungsgeſetz des Griechiſchen Lebens gemaͤß, in
Homeriſcher Zeit ſchon lange die letztre Vorſtellung; und
Athena war die kraͤftig abwehrende, und freundlich ra-
thende, immer aber das Vorliegende mit klarem Ver-
ſtande und ruhigem Urtheil erwaͤgende und ausfuͤhrende
Goͤttin: eine Freundin jedes Standes und jedes Menſchen,
der Tuͤchtiges mit geſunden Sinnen angreift und voll-
bringt. Die Kunſt, welche in fruͤheren Zeiten die3
Pallas faſt vor allen andern Gottheiten ins Auge gefaßt
hatte, ſtellte in den alten Palladien (§. 68), welche mit
erhobenem Schilde und gezuͤcktem Speer gebildet wurden,
beſonders die vorkaͤmpfende Gottheit (ἀλαλκομένη) dar;
doch wurde ihr daneben in die Linke auch Rocken und4
Spindel zur Bezeichnung friedlicher Geſinnung gegeben,
dergleichen Symbole bei Sitzbildern, die nicht Palladien
genannt werden, vorherrſchend waren. In der vorge-5
ſchrittenen altgriechiſchen Kunſt erſcheint ſie im ſteifge-
falteten Peplos uͤber dem Chiton, mit großer Aegis, die
bisweilen auch als Schild dienend uͤber dem linken Arme
lag, oder außer der Bruſt auch den ganzen Ruͤcken be-
deckte: dagegen ſie ſpaͤter immer mehr zuſammengezogen
wird. Die Umriſſe des Koͤrpers haben in Huͤften und6
Bruſt wenig von weiblicher Fuͤlle, dagegen ſind die For-
men der Beine, Arme, des Ruͤckens ſchon mehr auf
maͤnnliche Weiſe ausgebildet als bei der Artemis. Das7
Geſicht hat bereits die eigenthuͤmliche Form, welche die
vervollkommnete Kunſt weiter entwickelte, aber die Zuͤge
ſind herb und anmuthlos.


31
[482]Syſtematiſcher Theil.

1. Creuzers Symbol. ii, 640. Des Vf. Minervae Poliad.
aed. p. 1 sqq.
Welckers Prometh. S. 277. Gerhards Pro-
drom. S. 121. 143.


3. In Athen heißt Palladion nie das Bild auf der Burg,
ſondern nur das angeblich von Troja ſtammende Bild im Süden
der Stadt, deſſen die Buzygen warteten, und bei dem der Ge-
richtshof ἐπὶ Παλλαδίῳ war, Plut. Theſ. 27. Polyän Stra-
teg. i, 5. C. I. n. 491. vgl. Creuzer S. 690 ff. Das Bild
auf der Burg dagegen heißt τὸ ἀρχαῖον ἄγαλμα τὸ ἐν πόλει,
τὸ τῆς Πολιάδος, τὸ παλαιὸν βρέτας, auch bei Gelegenheit
der Plynterien (§. 69.) τὸ ἕδος, τὸ ἀρχαῖον, τῆς Ἀϑηνᾶς.
Dies Bild legen die Amalth. iii. S. 48. behandelten Denkmäler
ganz klar dar (der οἰκουρὸς ὄφις neben dem Pallasbilde erlaubt
kaum zu zweifeln); es war eine ſtehende Figur im Peplos, die
Lanze in der Rechten ruhig haltend. Ob den Schild emporhaltend,
wie es nach Winck. M. I. 120 ſcheint? Vgl. dagegen die Gemme,
M. Odesc. 16. Das Römiſche Palladion beſchreibt nach einem
Relief im T. Fortunae ſehr genau Procop B. Goth. i, 13.;
im langen Chiton, die Lanze zückend, mit alterthümlicher, angeb-
lich Aegyptiſcher, Geſichtsbildung.


4. Sitzbilder der A. von Endöos, §. 70, 2., zu Athen u. Ery-
thrä, dies hat nach Pauſ. in beiden Händen den Rocken, auf dem Kopfe
den Polos. Beiderlei Attribute hatte das Troiſche Pallasbild nach
§. 68, 1. In dem Gemählde, Ant. Erc. iii, 40, hält es Schild
u. Lanze empor, wie bei Palladien ſonſt der Fall. Die Ἀϑ.
Ἰλιεία auf den Münzen von Neu-Ilion hat die Lanze auf der
Schulter und eine Lampe in der Hand. S. bei Choiſ. Gouff. Voy.
ii. pl.
38. Gewiß liegt eine ſolche Vorſtellung Od. xix, 34.
zum Grunde. Lunula auf den alten M. Athens.


5. Athenabilder des altgriechiſchen Styls §. 90, 3. 96, N. 3.
8. 9. In Reliefs §. 96. N. 15. 16. 18. Auf den Preisvaſen
§. 99, 2. N. 1. Beim Dreifußraub 99, 2. N. 6. Oft bei
Herakles in alten Vaſengem. An der Herculaniſchen Statue
kann man ſich die Haltung der Aegis bei Aeſchyl. Eum. 382
πτερῶν ἄτερ ῥοιβδοῖσα κόλπον αἰγίδος, völlig deutlich ma-
chen. Auch bei Homer dient die Aegis ſo über den Arm ge-
breitet halb als Schild, halb als Bruſtpanzer. Die Schlan-
gen ſtellen die ϑύσανοι der Aegis vor, Herod. iv, 189. Eine
hinten ſehr weitherabhängenden Aegis kömmt vor bei Millin P. gr.
13. Vgl. Facius Collektaneen S. 124. Buttmann Ueber die
Sternen-Namen S. 22.


[483]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

7. Florentiniſcher Minervenkopf. Winck. W. v. S. 527. Meyer
Geſch. Anm. S. 32.


369. Seit Phidias das Ideal der Athena vollendet:1
ſind ruhiger Ernſt, ſelbſtbewußte Kraft und Klarheit des
Geiſtes immer der Grundcharakter der Pallas geblieben.
Ihre Jungfraͤulichkeit iſt Nichts als die Erhebung uͤber
alle weibliche Schwaͤche, ſie iſt ſelbſt zu ſehr Mann, um
ſich dem Manne hingeben zu koͤnnen. Die reine Stirn,2
die lang und feingebildete Naſe, der etwas ſtrenge Zug
des Mundes und der Wangen (torva genis), das ſtarke
und faſt eckig geformte Kinn, die nicht weit geoͤffneten
und mehr nach unten gerichteten Augen, das kunſtlos
laͤngs der Stirn zuruͤckgeſtrichne und in den Nacken her-
abwallende Haar, alles Zuͤge, in denen die fruͤhere Herb-
heit zur Großheit umgebildet erſcheint, ſtimmen ganz mit
dem Charakter dieſer wunderbaren idealen Schoͤpfung
uͤberein. Spaͤtre Verſuche, dieſen Ernſt ganz in Milde3
und Anmuth aufzuloͤſen, fallen in das Charakterloſe.
Der Helm iſt Hauptkennzeichen fuͤr den Urſprung der4
Pallasſtatuen, indem man mit Huͤlfe der Muͤnzen leicht
den hohen Korinthiſchen und den anliegenden Attiſchen
Helm unterſcheidet.


2. Vgl. Winck. W. iv. S. 116. vii. S. 119 f. Der
Beſchreibung des Textes liegt beſonders zum Grunde die Al-
baniſche Büſte, Millin M. I. ii, 24. M. Nap. i, 8. Meyer
Tf. 20 A. Aehnlich in der trefflichen Gemme des Oneſimos
Millin P. gr. 58. Lipp. i, 34. Von etwas wildem Ausdruck
iſt die Büſte mit den Widderköpfen am Helm (die hier wohl auf
Poliorcetik gehn) aus der V. Hadrians, PCl. vi, 2. M. Nap.
i,
13. Hirt 6, 5. Die Büſte im Britt. Muſ. Spec. 22.
iſt wegen der hohlen Augen, und Erzlocken, welche angefügt wa-
ren, intereſſant. Erhabner Coloſſalkopf der P. unter den Meng-
ſiſchen Gypsabgüſſen; vgl. Winck. W. v. S. 562. Meyer Tf. 21 E.


3. So auf M. von Pyrrhos, Empr. 545., von Agathokles,
331. Gemmen des Aſpaſios, den ſpätern Atheniſchen M. ähn-
lich, nur noch reicher geſchmückt, Bracci i, 29. G. M. 37, 132.
Hirt 6, 6. vgl. Lipp. i, 29. 30. 31. ii, 27.


31*
[484]Syſtematiſcher Theil.

4. Den hohen Viſirhelm haben die M. Korinths mit dem
Pegaſos (Ἀϑ. Ἱππία) u. ſeiner Colonieen, z. B. Aktion, Anak-
torion, Argos Amphilochikon, auch Syrakus (mit wenigen Ausnah-
men), von Agathokles, Alexander, Pyrrhos. Dagegen haben
die M. Athens faſt in allen Formen (vgl. M. Hunter tb. 8—
10. Tychſen Comtt. rec. Gott. V. tb. 2.) ſo wie die von Ve-
lia, Thurii u. andern Orten, den niedrigen anſchließenden Helm,
mit einem bloßen Schirm. Offenbar iſt jenes das berühmte κρά-
νος Κορινϑιουργὲς, welches ſchwerlich irgend eine Atheniſche
Hauptſtatue haben durfte, daher die Albaniſche Büſte u. Velletri-
ſche Statue nicht zunächſt Copieen nach Phidias ſein können. Vgl.
§. 342, 3.


1370. Die Modificationen dieſer Geſtalt haͤngen eng mit
der Bekleidung zuſammen. Athena hat naͤmlich erſtens
in vielen Statuen des ausgebildeten Styls ein Himation
umgeworfen, entweder ſo daß es vorn uͤberfallend blos
um den untern Theil des Leibes liegt, oder ſo daß es
auch den linken Arm und einen Theil der Aegis verhuͤllt.
2Dieſe Athena hat ſtets den Schild am Boden ſtehend
oder ermangelt deſſen ganz; ſie wird demgemaͤß als eine
ſiegreiche (daher auch die Nike auf der Hand) und ruhig
3herrſchende Goͤttin gedacht. Dieſer entgegen ſtehen die
Pallasbilder im Doriſchen Chiton mit dem Ueberſchlag
(Diploidion), aber ohne Himation: eine Tracht, die un-
mittelbar fuͤr den Kampf geeignet iſt, zu deſſen Behuf
auch bei Homer das Obergewand, es ſei Chlaͤna oder
4Peplos, ſtets hinweg gethan wird. Mit ſolcher Be-
kleidung ſtimmt ſehr gut ein aufgehobner Schild, der die
Pallas Promachos des Phidias charakteriſirte, und wahr-
ſcheinlich mehrern nach einem erhabnen Muſter gefertig-
ten Pallasbildern zu reſtituiren iſt, welche in dem kuͤh-
nen Wurfe der Aegis und in der ganzen Haltung des
Koͤrpers etwas mehr Kampfbewegung zeigen als gewoͤhn-
lich, und ſich durch beſonders maͤchtige und athletiſche
5Gliederformen auszeichnen. Wo auf kleinern Kunſtwerken
Athena zum Kampf eilend oder ſchon am Kampfe Theil
nehmend, die Lanze erhebend oder auch den Blitz ſchleu-
6dernd, erſcheint, hat ſie immer dieſe Bekleidung. In-
[485]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
deß kommt Athena doch auch in derſelben Tracht als
eine politiſch thaͤtige, als eine redneriſche (ἀγοραία),
und eine friedenſtiftende Goͤttin vor; und auf Muͤnzen7
findet ſich auch dieſe leichter bekleidete Athena mit her-
abgeſetztem Schilde und einer Patere in der Hand, be-
ſonders in Bezug auf eben erfochtene Siege.


1. Zur erſten Art gehören die wahrſcheinlichen Nachbildungen
der Parthenos mit Attiſchem Helm, §. 114. Der Albaniſchen
ähneln die A. bei Hope u. zu Neapel, Neap. Ant. S. 41. Aehnlich
drapirt die M. Franç. iv, 5. Nap. i, 11. Bouill. iii, 3.
2. Die bei Velletri, 1797 gefundne, 9½ F. hohe, jetzt im
Louvre n. 310. befindliche; Millin M. I. pl. 23. p. 189. M.
Franc. ii, 2. Nap. i, 7. Bouill. i,
23. Meyer Tf. 21, c.
Auch die PCl. i, 9. August. 98. Vgl. Liban.
Ἔκφρ. 30.


Zur zweiten gehört die A. G. Giust. 3. vgl. Meyer in
den Horen St. ii. S. 42. Jetzt im Braccio nuovo des
Vaticaniſchen Muſeums; eine ganz ähnliche, von Velletri, gegen-
über. Die Büſte dieſer Figur auf Gemmen, Lipp. ii, 31. —
A. mit engeingewickeltem l. Arm, in mehrern Statuen, Bracci ii.
t. agg.
9. Gerh. Ant. Bildw. i, 8, (wo ſie Alea heißt). Mi-
nerva von Arezzo §. 172, 5.


2. Pallas victrix im Himation, Bartoli Lucern. ii, 37.
vgl. Gerhard S. 146. N. 11.


3. Hierher gehört die ſchöne Dresdner Statue, August. 14.,
nebſt der ſteifen Copie ebenda (vgl. Schorn in der Amalth ii. S.
206.), u. die genau entſprechende Caſſler. Bouill. i, 24. M.
Roy. ii,
2. vgl. Völkel in Welckers Zeitſchr. i. S. 156. Das
geſenkte l. Knie, die gehobne linke Schulter, welche deutlich zeigt,
daß der l. Arm ſtark gehoben war, Alles führt darauf, daß dieſe
Pallas eine zu unmittelbarer Abwehr gerüſtete war. Daran ſchließt
ſich die A. Aug. 48.; die Etruskiſche, wie es ſcheint, aus Mo-
dena Bouill. iii, 3, 6. M. Nap. i, 9.; die von Verſailles
M. Fr. iv, 2. Nap. i, 10.; die Minerve au collier im
Louvre, mit einem etwas alterthümlich behandelten Doriſchen Chi-
ton u. Diploidion, M. Roy. ii, 1. Bouill. i, 25; und die
bei Bouill. iii, 3. 1. 3. M. Cap. iii, 10. 11.


4. S. oben §. 116, 5. Die M., welche die Haltung des
Schildes beweiſen, ſind noch genauer bei Leakes Topogr. of
[486]Syſtematiſcher Theil.
Athens, Stuart ii, 4. vign. Mionnet Suppl. iii. pl. 18,
3., auch G. M. 32, 133., abgebildet. Aehnlich wohl die
Ath. Kranäa ἐσκευασμένη ὡς ἐς μάχην, Pauſ. x, 34, 4.


5. S. die mit der Schlange zum Kampfe eilende Millin P.
gr.
16. Lipp. ii, 34. M. des Antiochos Philopator Combe
12, 13. Von Athen Stuart ii, 1. vign. Combe 6, 14. —
Blitzſchleudernd auf M. von Athen, als Beſchützerin ihrer
Heiligthümer, Stuart T. i. vign. Combe 6, 13.; auf M. von
Domitian, G. M. 37, 136. Die M. von Antigonos Gonna-
tas weiſen auf ein altes Cultusbild zurück; A. den Schild aufhe-
bend, in der R. den Blitz ſchwingend, hat den Peplos an, deſſen
oberer Theil, wie ſonſt die Chlamys, über beide Arme fällt. Empr.
489. 490. Beſonders machen die zahlreichen Minerven auf Do-
mitians M. (Morelli Dom. t. 6 sqq.) den Gegenſatz der kämpfen-
den (auch vom Schiffe herab) im Chiton, und der ruhig ſtehenden
im Himation ſehr deutlich.


6. So die im Louvre n. 192. (1822), im Dor. ungegürteten
Chiton nebſt Ueberſchlag, mit geringer Aegis, die R. auf die Hüfte
ſtützend, die L. redneriſch ausſtreckend, den Kopf mit eignem Ausdruck
geneigt. Aehnlich war wohl die Geberde der coloſſalen A. in
Conſtantinopel, Niketas p. 359 P. A. als Rednerin, im Hi-
mation, den Schild zu den Füßen, Paſſeri Luc. i, 62. Die
Pacifica bezeichnet der Mangel des Helms, Chiaram. 14.
(eine ſolche von Phidias, Himer. Orat. xxi, 4), ſo wie der Ae-
gis, ebd. 12. 13., die umgedrehte Fackel M. Nanian. 18. G. M.
37, 137. vgl. 138. Die friedliche A. wird öfter auch durch
das Abnehmen des Helms bezeichnet, wie an dem Korinth. Puteal,
und andern Reliefs, Winck. W. v. S. 527., und auf dem §. 365, 1.
erwähnten Vaſengemählde, wo A. und Herakles mit Apollon u.
Artemis über das Epheſiſche Heiligthum einen Vertrag zu ſchließen
ſcheinen (Pauſ. vii, 2, 5.)


7. A. im Chiton mit herabgeſetztem Schilde u. Patere auf M.
von Kyme, Combe 9, 20, ebenſo mit Nike auf der Hand, 10,
21. 12, 12. Morelli Dom. 9, 22. 32. Lipp. ii, 33. Νι-
κηφόρος im Diploidion, mit geſenktem Schild, Schlange dane-
ben, M. von Athen Stuart ii, 1. vign. vgl. die victrix G.
M.
36, 135.


Α. Νίκη geflügelt §. 334, 2. auf M. Domitians, Morelli
t. 7, 37. Heliodor bei Photios Lex. giebt an, daß die Νίκη
ἄπτερος von Athen eine Athena war, und in der Rechten einen
Granatapfel, in der linken einen Helm (κράνος zu ſchr.) hielt.
[487]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
A. Archegetis, mit dem Käuzchen in der Hand, Schol. Ariſt.
Vögel 515, ſ. ad M. Chiaram. p. 38. Ant. Ercol. vi, 7. 8.
Α. ῾ϒγίεια (zweifelhaft) G. M. 36, 140. Paciaudi M. Pelop.
ii,
155. In dem Relief PCl. iv, 6. Hirt 6, 9. G. M.
36, 134. ſieht man beſſer die A., welche ihre heilige Schlange
füttert. A. Chalkiökos, den Speer zückend, von Spartaniſchen
Mädchen umtanzt, d’Agincourt Fragm. en terre cuite pl. 12,
9. Darüber eine Lettera von Papazzurri. Rom. 1794. 4.


Mediceiſcher Torſo Winck. W. v. S. 550. Tf. 4 C.


371. Mehrere Mythen der Pallas haben die ange-1
hende Kunſt mehr beſchaͤftigt, als ſich in den vorhand-
nen Werken der ſpaͤtern nachweiſen laͤßt. Das Her-2
vorgehn aus dem Haupte des Zeus ſcheute auch die
aͤltre Attiſche Kunſt nicht darzuſtellen; jetzt findet es ſich
mehr auf Etruskiſchen Kunſtwerken, doch auch auf Grie-
chiſchen von geringerem Umfange. Eine Anſchauung3
des am Panathenaiſchen Peplos dargeſtellten Giganten-
kampfs, wobei die Goͤttin auf dem von ihr erfundnen
Viergeſpann fuhr, ſo wie des Streits der Athena mit4
Poſeidon um die Schutzherrſchaft von Athen, geben jetzt
faſt nur Muͤnzen und Gemmen. Wie Athena durch5
Perſeus, einen engverbundnen Daͤmon, ihr grauenvolles
Gegenbild, die Gorgo, erlegt, war ein Lieblingsgegen-
ſtand der alten Kunſt, und ſelbſt fuͤr deren Urſpruͤnge
wichtig; auch jetzt giebt es intereſſante Darſtellungen der
Art, die ſich gern etwas zum alten Styl hinneigen.
Haͤufiger ſieht man Athena bei Handlungen, wo ſie6
perſoͤnlich weniger betheiligt iſt, als Ergane bei Schiffsbau
und anderen architektoniſchen Unternehmungen, ſo wie bei
weiblichen Arbeiten rathend und helfend; auch die Er-
findung, wie die Verſchmaͤhung der Floͤte iſt Gegen-
ſtand ſinniger Compoſitionen. Als die allgemeine Helferin7
der Heroen hat ſie in den Darſtellungen aus dieſen Mythen-
kreiſen ſehr haͤufig eine Stelle. Als Gegenſtand des Cul-8
tus koͤmmt außer der Attiſchen Athena beſonders die Athena
Chryſe, eine Lemniſch-Dardaniſche Goͤttin, vor, welche
[488]Syſtematiſcher Theil.
auch eine Schlange zur Bewahrung ihres Heiligthums
9hat, wie die Goͤttin von Athen. Wichtiger indeß,
als dieſe Schlangen, ſind fuͤr die Kunſtſymbolik Eule
und Hahn, wovon jene, abgeſehn von der urſpruͤngli-
chen Naturbeziehung, das ernſte Nachdenken, dieſer die
rege Thaͤtigkeit und Kampfruͤſtigkeit der Goͤttin bezeichnet.


2. Geburt der A. §. 118, 1 c. Gruppe auf der Akro-
polis von Athen Pauſ. i, 34, 2; wahrſcheinlich alterthümlich.
Cluſiniſches Gefäß §. 177, 2. Etrusk. Patere bei Schiaſſi de
patera Cospiana R.
1818. u. Inghir. ii, 10. mit Zeus
(Tina), Hephäſtos (Sethlans), Aphrodite (Thalna), und Eilei-
thyia. Thana ſcheint mir hier für Αϑανα zu ſtehn, doch erklä-
ren Andre anders. Gemme Millin P. gr. 56. Lampe Paſ-
ſeri i, 52. Rondaniniſches Relief Winckelm. M. I. ii. Fron-
tiſp. G. M. 36, 125. Gemählde des Kleanthes von Korinth,
Strab. viii, 343. Athen. viii, 346. Großes hiſtoriſches
Tableau, Philoſtr. ii, 27.


3. Vgl. Schol. Ariſtid. p. 115. Frommel. An der Dresd-
ner Statue §. 96, 8. Gemme, G. M. 36, 128. M. von
Seleucien in Cilicien 37, 129. Statuette mit dem überwund-
nen Giganten (oder Erichthonios?) am Fuß M. Fr. iv, 8.
Bouill. iii,
3, 7.


4. §. 118, 1 c. Statuengruppe in Athen Pauſ. i, 24,
3. Dieſe findet man wahrſcheinlich auf M. von Athen wieder,
Stuart ii, 2 vign. G. M. 37, 127. Combe 6, 11. Ca-
meo in Paris, Cabinet pl. 15. Der heilige Oelbaum (ἐλαία
πάγκυφος) Combe 6, 12. 13. 15.


5. S. §. 90, 2. vgl. des Vf. Prolegom. S. 315. Ueber die
Γοργονεῖα Böttiger Furienmaske S. 13. 107 ff. Auf alten
M. oft ſehr grauſig, Mionn. Suppl. iii. pl. 7, 5. Wie A.
dem Perſeus den ehernen Schild als Spiegel vorhält (Apollod. ii,
4, 2), Terracotta im hieratiſchen Styl, Combe Terrac. of the
Br. M.
13. (Auch N. 71. ſtellt den Perſeus u. den Spiegel-
ſchild dar.) Vgl. G. M. pl. 105. Unten: Perſeus. A. dem
Kepheus die Locke der Gorgo übergebend, auf M. von Tegea,
Empr. 666. Millingen Med. In. pl. 3, 9. Auch den Pe-
plos empfangend kommt A. auf einer M. von Tegea vor.


6. A. beim Bau der Argo, Winck. M. I. vign. G. M. 130,
417.; Terrac. of the Br. M. 16.; G. M.
105, 418.
[489]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Beim Theater von Capua, Winck. W. i, Tf. 11. Bei He-
phäſtos (G. M. 82, 338**), Dädalos. Als Wolleſpinnerin
Millin P. gr. 36. Relief vom Forum Nervae §. 190, 3. 198,
3. Admir. R. tb. 36. sqq.
Flötenerfindung, Gemählde, Winck.
M. I. 92. G. M. 83, 130. Myron fecit Satyrum ad-
mirantem tibias et Minervam.
Plin. vgl. Pauſ. i, 24, 1.
u. das Relief bei Stuart ii, 3. vign.


7. A. bei Herakles, Theſeus, Bellerophon (G. M. 92, 393), dem
Amazonenkampf, vor Paris, bei den Iliſchen Kämpfen, Odyſſeus,
Oreſtes; auch beim Raube der Kora, der Strafe des Marſyas,
Kadmos u. Peleus Hochzeit; bei Prometheus als den Menſchen
beſeelend.


8. A. Chryſe, durch ihren οἰκουρὸς ὄφις Philoktetes hindernd,
Troja vor der Zeit einzunehmen (ein Grundgedanke von Sophokl.
Philoktet) auf dem Vaſengem. Milling. Div. pl. 50. vgl. Philoſtr.
d. j. 17. Früheres Opfer der Argonauten ebd. pl. 51. Vgl.
Uhden in den Schr. der Berl. Ak. 1815 Phil. Cl. S. 63.
Welcker bei Diſſen Expl. Pind. p. 512. Scenen aus Atti-
ſchem Pallas-Cultus in den Metopen des Parthenon, nach Noin-
tels Zeichnungen. Kuhopfer der Pallas in Kunſtwerken, Ger-
hard Prodr. S. 137. Die τράπεζα mit den Preiſen der Pa-
nathenäen, M. bei Stuart ii, 1. vign. An dem Seſſel iii, 3.


9. Minervens Eule (Strix Passerina, Blumenbach Spe-
cim. i. p.
20. Böttiger Amalth. iii. S. 263), das alte Sinn-
bild der Γλαυκῶπις, auch von Phidias ihr nebſt der Schlange
beigegeben (worauf auch Demoſthenes Witzwort bei Plut. 26. ſich
bezieht, ſ. indeß Gerh. Prodr. S. 147.), bisweilen auf Minervens
Helm (auf Denaren des Cordius), ſo wie in ihrer Hand. Dieſe
Eule erſcheint als Mäuſetödterin (vgl. Batrachomyom. 185 ff.)
in einer von Böttiger Am. iii. S. 260. edirten Röm. Bronze.
Zu vergleichen war indeß die auf einer Maus ſtehende Eule, welche
A. Fr. Gori Archatis Bubonis Vatis Assoriorum statua
marmorea. f.
herausgegeben; dieſe trägt die Unterſchrift (ſo viel
ich ſie leſen und verſtehen kann): Ἀρχατης πετρι[ν]ος ὁ (?)
μαντις μαντευεται δ ασσαριων, d. h. dieſer ſteinerne Prophet
Archates prophezeit für 4 Pfennige. Oft ſieht man auf Gemmen
(M. Odesc. 30., Taſſie) die Eule ſelbſt mit Minervenkopf u.
Attributen, auch A. von Eulen gefahren. Der Hahn, als
Sinnbild ehrgeizigen Kampfes, findet ſich und zwar in der Dop-
pelzahl, faſt durchaus auf den Attiſchen Preisvaſen (§. 99, 1.), von
[490]Syſtematiſcher Theil.
denen jetzt ſo viele Nachahmungen in Süd-Etrurien zum Vorſchein kom-
men. Auch auf M. von Himera, Cales, Sueſſa. Vgl. Pauſ. vi, 26, 2.


Ueber eine Hermathene, und die Verbindung beider Gott-
heiten, Arditi Mem. d. Acc. Ercol. i. p. 1.


9. Ares.

1372. Ares, der Gott des Streites, welcher im
Zwoͤlfgoͤtterſyſtem auf bedeutungsvolle Weiſe mit Aphro-
dite zuſammengeſtellt wird, war doch ſeinem Weſen nach
zu ſehr bloßer Begriff, um ein Hauptgegenſtand der pla-
ſtiſchen Kunſt zu werden. Auch verehrte ihn kein Hel-
leniſcher Staat als einen Haupt- und Schutzgott, wie er
2es ſpaͤter von Rom wurde. Daher koͤmmt es, daß,
obgleich einige ausgezeichnete Statuen des Gottes, von
Alkamenes und Skopas, erwaͤhnt werden, doch der pla-
ſtiſche Charakter des Gottes ſchwer mit voͤlliger Be-
3ſtimmtheit anzugeben iſt. Jedoch ſcheinen durchgaͤn-
gig eine derbe und kraͤftige Musculatur, ein ſtarker flei-
ſchiger Nacken, und ein kurzgelocktes und geſtraͤubtes
Haar (§. 330, 2.) zur Vorſtellung des Gottes zu gehoͤ-
ren. Ares hat kleinere Augen, eine etwas mehr geblaͤhte
Naſe (§. 335, 2.), eine weniger klare Stirn, als andre
4Zeusſoͤhne. Dem Alter nach erſcheint er maͤnnlicher
als Apollon, der Mellepheb, und ſelbſt als Hermes, der
Epheb unter den Goͤttern, als ein jugendlicher Mann.
5Mit einem ſtaͤrkeren Bart ſcheint erſt der Roͤmiſche
Marspiter vorgeſtellt worden zu ſein, wenn nicht in Un-
teritalien dieſe Bildung ſchon fruͤher herkoͤmmlich war.
Die Bekleidung des Ares iſt, wo er nicht ganz unbeklei-
det erſcheint, eine Chlamys (ein Sagum). Auf Reliefs
des alten Styls erſcheint er geharniſcht, ſpaͤter b haͤlt er
6gewoͤhnlich nur den Helm. Gewoͤhnlich ſteht er; ein
lebhafter Schritt bezeichnet auf Roͤmiſchen Muͤnzen den
Gradivus; der Legionsadler und andre Signa den Stator
und Ultor (der ſie wiedergewonnen), Victorien, Trophaͤen,
7der Oelzweig den Victor und Pacifer. Einen ſitzenden
Ares bildete Skopas; ohne Zweifel wurde er als aus-
[491]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ruhend, in milder Stimmung gedacht, welches auch der
Sinn einer noch vorhandnen Hauptſtatue zu ſein ſcheint.


3. Schöner Kopf des A. auf der Gemme, Millin P. gr. 20.
Lipp. i, 32. Büſte aus Baſalt in V. Giuſtiniani, ſ. Hirt
S. 52.


4. Ein ſtehender Ares, als jugendlicher Mann, mit der Chla-
mys, in dem Relief PCl. iv, 7. Bärtig und geharniſcht un-
ter den Götterfiguren in Relief, M. Chiaram. 19. Ein bär-
tiger Mars-Hadrianus, Statue des M. Cap. iii, 21. Andre
Statuen, wie die im M. Cap. iii, 48, welche Manche A. nen-
nen, ſind mehr als zweifelhaft. Die Statue des Heraklides,
des Sohns von Agaſias, von Epheſos, und des Harmatios, Bouill.
i,
7., iſt nur durch Reſtauration ein A. Von dem Mars
Borgheſe unter Achill. Eine bei Oſtia 1800 gefundne Statue
mit der Unterſchrift Marti ſoll dem Borgheſiſchen Bilde ſehr ähn-
lich ſehen. Hirt S. 52.


5. Der behelmte, bärtige Kopf auf den M. von Metapont
(G. M. 40, 150. Magnani Miscell. Numism iii, 25—28.)
iſt nicht Ares, ſondern Leukippos, wie die Beiſchrift lehrt, ein
Achäiſcher Gründer von Metapont (Strabon). Eher iſt der ähn-
liche Kopf auf den M. der Mamertiner, Magnani iv, 31. 32.,
und der Bruttier, ebd. ii, 4—10., ein A., wenn nicht auch
Stamm-Heroen. Mit keimendem Barthaar auf den Denaren
des Fontejus Capito u. Albinus Bruti f., Patinus p. 114. 144.


6. S. die Zuſammenſtellung bei Millin G. M. 39. 40. Schö-
ner A. mit Nike u. Lorbeerzweig, P. gr. 21. Als Poliorket
G. M. 39, 152. Paſſeri Luc. ii, 29.


7. Ludoviſiſcher A., Perrier 38. Maffei Racc. 66. 67. Pi-
raneſi Stat. 10. R. Rochette M. I. p. 37. pl. 11. Nach
R. R. ein trauernder Achill; nach Hirt S. 51. ein Heros. Wenn
es ein A., iſt es ein friedlich ausruhender, worin die Stellung,
der Mangel des Helms, der Amor unter den Füßen übereinſtimmen.


373. In Gruppirungen erſcheint der Kriegsgott ſel-1
ten als Kaͤmpfer; eben weil er ſelbſt nichts als Krieg
und Streit iſt, gab er keine Gelegenheit einzelne Helden-
thaten von ihm zu preiſen. Nur als Gigantentoͤdter
koͤmmt er auf Gemmen vor. Dagegen ſieht man ihn2
[492]Syſtematiſcher Theil.
mit Aphrodite zuſammen in Statuengruppen, die in Stel-
lung der Koͤrper und Wurf der Bekleidung auf ein be-
ruͤhmtes Original zuruͤckweiſen. Indem dieſe Verbindung
des Kriegs und der Liebe nicht immer als frivoler Ehe-
bruch, ſondern auch im ernſteren Sinne genommen wurde,
konnte man durch ſolche Gruppen auch, in Statuen
und Muͤnzen, Roͤmiſche Herrſcherpaare verherrlichen.
3Die Roͤmer ſahen gern die Liebe des Ares zur Ilia oder
Rea Silvia vorgeſtellt; man legte bei der Behandlung
oft Griechiſche Darſtellungen, namentlich die Ueberra-
ſchung der Ariadne durch Dionyſos, zum Grunde.


1. Millin P. gr. 22. G. M. 36, 143.


2. Statuengruppe M. Flor. iii, 36. Clarac Venus de
Milo pl.
2. Bekleidet, mit den Köpfen von M. Aurel (?)
u. Fauſtina d. j. Bouill. i, 8. V. Borgh. St. 6, 3. Aehn-
liche Gruppe M. Cap. iii, 20. Reliefs, R. Roch. M. I. 7,
2. G. Giust. ii,
103. Gemmen, auch in altem Styl, Mil-
lin P. gr. 24 sqq. Lipp. i, 89. 91. ii, 79. Die Ueber-
raſchung der Liebenden durch Hephäſtos §. 367, 2. Ein A. im
Netz, das Schwerdt zückend, auf einer Gemme alten Styls Winck.
M. I. 166. Raponi 21, 15. 36, 1. A. als Vertheidiger
der Hera gegen Hephäſtos §. 367, 3.


3. Mars zur Rea Silvia niederſteigend (pendens wie bei
Juvenal) im Giebel des T. Urbis §. 191, 1. Relief bei R.
Roch. Mon. In. 7, 2. Rea als ſeine Braut führend, ganz
bekleidet, Relief PCl. v, 25. G. M. 180, 654. Auch
das Relief bei Gerhard Ant. Bildw. 40. ſcheint A. und Rea der
Selene mit Endymion gegenüberzuſtellen. Auf einer Römiſchen
Vaſe, vor der Rea ſtehend, G. M. 178, 653.


A. Thron, Ant. Erc. i, 29. G. M. 42, 147. A.
Waffen von Knaben getragen, auf einer dreiſeitigen Ara S. Marco
ii, 33. M. Nap. iv, 15. G. M.
40., einer ſehr ähnlichen Brit.
M. i,
6. und andern entſprechenden.


[493]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
10. Aphrodite.

374. Der Syriſche Cultus der Aſtarte ſcheint, in-1
dem er in Griechenland einheimiſchen Anfaͤngen begeg-
nete, den weit verbreiteten und angeſehnen Cultus der
Aphrodite hervorgebracht zu haben. Die Grundvorſtel-2
lung der großen Naturgoͤttin verlor ſich nie ganz; das
feuchte Element, im Orient das eigne Reich jener Gott-
heit (§. 241, 2.), blieb immer unter dem Obwalten
dieſer an Kuͤſten und Haͤfen verehrten Gottheit, deren
Natur beſonders das windſtille und im glatten Wogen-
ſpiegel den Himmel abbildende Meer auszudruͤcken ſchien.
Als die Kunſt im Kreiſe der Aphrodite uͤber die rohen3
Steine und formloſen Idole hinweg war, bewegte ſie die
Idee einer uͤberall waltenden, maͤchtig herrſchenden Goͤt-
tin; man ſtellte ſie gern thronend dar, mit Symbolen
bluͤhender Natur und uͤppiger Fruchtbarkeit in den Haͤn-
den; die Bekleidung vollſtaͤndig (nur daß etwa der4
Chiton die linke Bruſt zum Theil frei ließ) und zierlich,
indem grade bei der Aphrodite eine affektirte Grazie in
Draperie und Bewegung zum Charakter gehoͤrte. Auch5
die Kunſt der Phidiaſſiſchen Zeit ſtellt in Aphrodite das
Geſchlechtsverhaͤltniß in ſeiner Heiligkeit und Ehrwuͤrdig-
keit dar, und denkt dabei mehr an dauernde fuͤr die
Zwecke des allgemeinen Wohls, als an voruͤbergehende,
fuͤr ſinnlichen Genuß geſchloſſene Verbindungen. Erſt6
die neuere Attiſche Kunſt (§. 127.) behandelt die Vorſtel-
lung der Aphrodite mit einem rein ſinnlichen Enthuſias-
mus, und vergoͤttert in ihr nicht mehr eine weltbeherr-
ſchende Macht, ſondern die individuelle Erſcheinung der
reizendſten Weiblichkeit; ja ſie ſetzt dies von ethiſchen
Beziehungen geloͤſte Ideal auch ſelbſt in einen entſchied-
nen Gegenſatz damit.


1. Vgl. Larcher Mémoire sur Vénus. Paris 1775.
Manſo Verſuche über einige Gegenſtände der Mythol. Lpz. 1794.
De la Chau sur les Attributs de Venus. Par. 1776. —
Ueber den Paphiſchen Dienſt §. 66 am Ende, 239, 2., 240, 1.


[494]Syſtematiſcher Theil.

3. Xoanon einer A. Hera in Sparta, der die Mütter bei der
Verheirathung der Töchter opferten. A. aus Gold u. Elfenbein
in Sikyon von Kanachos, thronend, mit Polos, Mohnſtengel u. Apfel.
A. auf Eryx, thronend, mit Taube, Eros daneben, auf M.
G. M. 44, 181. vgl. 47, 182. Zoëga Bass. ii, 112. —
A. ſtehend, mit einer Taube auf der Hand auf der Borgh. Ara,
mit einer Blume M. Cap. iv, 22. PCl. iv, 8. Dieſe
alterthümliche A., eine Blume in der R., mit der L. das Ge-
wand aufnehmend, erſcheint auf Römiſchen M. ſeit Claudius als
Spes. Vgl. die alterthümliche A. unter den Mänaden Chia-
ram.
36. — Ed. Gerhard, Venere Proserpina
1826. 8. (vgl. Kunſtbl. 1825. N. 16 ff. 1827. N. 42 f.) nennt
mit dieſem Namen das öfter, beſonders als Stütze, vorkommende
alterthümliche Idol mit dem Modius, die eine Hand an der Bruſt,
mit der andern das Gewand aufnehmend. Maffei Racc. 121.
vgl. 134. Was die ſo gebildete Naenia Sardianorum der
Puteolaniſchen Baſis betrifft: ſo iſt dies nur eine kühne Conjectur
für THENIA .... EORONXX. Thes. Ant. Graecc.
vii. p.
446. 477.


4. Schon Apollon. Rh. i, 743 beſchreibt dies als Hauptzug
bei einer Aphrodite, und Viſconti, zum PCl. iii, 8., hat es
als ein wichtiges Kriterion von Venusbildern geltend gemacht. So
hat in dem ſchönen Relief, Tiſchbein Homer v. S. 11., A. einen
Schleier über dem Kopf und doch die eine Bruſt frei.


5. Von Alkamenes A. §. 117. Phidias A. Urania zu Elis,
mit dem Fuß auf der Schildkröte, als οἰκουρὸς nach Plutarch;
Aphr. Urania zu Athen.


6. Skopas Aphroditen, darunter die Pandemos auf dem Bocke
§. 125, 3. Praxiteles 127, 4. Andre von Praxiteles S.
Kephiſſodor, von Philiskos u. a. Von Apelles Anadyomene
§. 141, 3.


1375. Die Formen, welche die ausgebildete Kunſt
der Aphrodite gab, ſind am meiſten die natuͤrlichen des
Geſchlechts. Aphrodite iſt ganz Weib, in viel vollerem
Sinne des Worts, als Athena und Artemis. Die reife
Bluͤthe der Jungfrau iſt bei manchen Modificationen die
Epoche der Entwickelung, welche in den Formen des
2Koͤrpers feſtgehalten wird. Die Schultern ſind ſchmal,
[495]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
der Buſen jungfraͤulich ausgebildet, die Fuͤlle der Huͤften
laͤuft in zierlich geformten Fuͤßen aus, welche, wenig
zu feſtem Stand und Tritt gemacht, einen fluͤchtigen
und weichen Gang (ἁβρὸν βάδισμα) zu verrathen ſchei-
nen. Das Geſicht iſt zart und rundlich; das Schmach-3
tende der Augen (τὸ ὑγρὸν §. 329, 6.) und das Laͤ-
chelnde des Mundes vereint ſich zu dem allgemeinen
Ausdrucke von Anmuth und Wonne. Die Haare ſind4
mit Zierlichkeit geordnet, und bei den entkleideten Venus-
bildern der ſpaͤtern Kunſt zum Krobylos geſchlungen, bei
den aͤlteren Darſtellungen gewoͤhnlich durch ein Diadem
zuſammengehalten und in daſſelbe hineingeſteckt.


3. Den hier bezeichneten Charakter haben mehr die Köpfe der
Hauptſtatuen, als die einzeln vorkommenden Büſten, die einen ern-
ſtern und höhern Ausdruck, den der Urania, zeigen. So die εὐ-
στέφανος in Louvre, V. Borgh. St. 5, 17. Bouill. i, 69,
2. Der Kopf bei Egremont, Specim. 45. 46. Der Dresd-
ner Kopf (Wacker S. 163.; auch der S. 203 nach den Herausg.
Winck. iv. S. 332.). Ueber einen Mantuaniſchen u. Caſſler
Kopf Winck. W. iv. S. 331. 332. 439. — Auf M. iſt der
Kopf der A. oft ſchwer zu erkennen. Sicher iſt der weibliche Kopf
auf den M. von Knidos eine A., er hat ein Band um die Haare
geſchlungen, wie es ſich auch an den Nachbildungen es der Praxiteli-
ſchen Statue ſtets findet, §. 127, 4., wozu auch die Büſte,
Bouill. i, 68. gehört.


376. Auch hier haͤngen die weſentlichen Modificatio-1
nen der Bildung eng mit der Bekleidung zuſammen.
Die ganz bekleidete Aphrodite, welche indeß meiſt nur2
einen duͤnnen und den Koͤrper wenig verbergenden Chi-
ton traͤgt, und das hinten herabfallende Obergewand
nur ein wenig mit einer anmuthigen Bewegung des rech-
ten Arms vom Ruͤcken heruͤberzieht, ſtammt von der
Urania der aͤltern Kuͤnſtler her; ſie wurde in Roͤmiſchen
Zeiten als Mutter-Aphrodite, Venus genitrix,
verehrt, und in Zeiten, wo ſolche Mahnung Noth that,
als die Goͤttin einer ehelichen und geſetzlichen Liebe,
welche auf das Verlangen nach Nachkommenſchaft gegruͤn-
[496]Syſtematiſcher Theil.
3det iſt, durch zahlreiche Abbildungen gefeiert. Der Styl
der Kunſtperiode, aus welcher dieſe Darſtellungsweiſe
ſtammt, und die Aufgabe ſelbſt vereinen ſich, dieſer
Claſſe von Aphroditenbildern rundere und ſtaͤrkere For-
men, kuͤrzere Verhaͤltniſſe der Geſtalt, und einen mehr
frauenartigen Charakter zu geben, als ſonſt bei der Aphro-
4dite gewoͤhnlich iſt. Sehr beſtimmt unterſcheiden ſich von
dieſen die Venusbilder, welche ohne Chiton nur um den
untern Theil des Koͤrpers ein Obergewand geſchlagen ha-
ben, und ſich zugleich durch das Emporſtellen und Auf-
ſtuͤtzen des einen Fußes auf eine kleine Erhoͤhung aus-
5zeichnen. In dieſen ſteht die Goͤttin an Bildung einer
Heroine nah, die Koͤrperformen ſind beſonders feſt und
kraͤftig ſchlank, die Bruſt jugendlich eckiger als bei an-
dern; der Ausdruck des mit prominenteren Zuͤgen ausge-
ſtatteten Geſichts hat immer etwas von Stolz und Selbſt-
6bewußtſein in ſich. Wie ſchon alte Holzbilder in Sparta
die Aphrodite geharniſcht als eine uͤber alle Macht und
Staͤrke triumphirende Gottheit vorſtellten: ſo muß man
in dieſer Bilderclaſſe eine ſiegreiche Aphrodite
ſehn, es ſei nun daß ſie Ares Helm und Schild, oder
eine Palme, oder auch das Siegszeichen des Apfels in
den Haͤnden haͤlt.


1. Dieſe Bewegung des Arms wird wohl bei Ariſtänet i, 15.
durch τῆς ἀμπεχόνης ἄκροις δακτύλοις ἐφαπτομένη τῶν
κροσσῶν bezeichnet, und als Zeichen der Scham angegeben.


3. Arkeſilaos (§. 196, 2.) V. genitrix in foro Caesaris.
A. mit der angegebnen Gewandhaltung auf M. der Sabina. Auf
andern reich bekleidet, mit Scepter und Kugel, ein Kind vor ihr,
mit Umſchrift. G. M. 44, 185. V. felix gleich coſtümirt,
ein Kind auf dem Arme, 186. Die V. genitrix trägt oft
auch den Apfel, auch einen Speer, als Römer-Mutter, und eine
Victoria, wo ſie in die victrix übergeht. Dieſelben Attribute
hat aber auch die V. caelestis der M. S. die Beiſpiele aus
Geſſner u. Pedruſi bei Gerhard Neap. Ant. S. 5. ff. Sta-
tuen
: die Verſailler, Proportionen, Haar- und Gewand-Be-
handlung alterthümlich, mit durchborten Ohren. M. Fr. ii, 6.
Bouill. i, 12. M. Nap. i,
61. Im Louvre n. 185, im
[497]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
dünnen Chiton mit Zone, mit Amor neben ihr, ſonſt ſtand Praxi-
teles daran. M. Nap. i, 62. Bouill. iii, 7, 3. In Flo-
renz, Galeria iv, 1, 18. Bei L. Egremont, zweifelhaft,
Cavac. i, 5. Winck. W. iv. S. 115. v. S. 24. Die Dan-
satrice PCl. iii,
30. nach Hirt. Ganz ähnlich Gall. Fir.
18. Im Louvre n. 420, V. Borgh. St. 4, 1. M. Roy. ii, 1.
Bouill. iii,
8, 3. Deren Gegenſtück ihre Feindin, die lieder-
liche abortirende, L. 427. V. B. 4, 13. Bouill. iii, 8, 1.
Die statuetta zu Dresden, Auguſt. 66., neben dem Priap ſcheint
ein ex voto für Fruchtbarkeit der Ehe; immer bleibt bei ſolchen
Beziehungen das Gewand. Bei Lipp. ii, 94. lehnt ſich A. auf
eine Säule, worauf ein Priap, u. ſengt zugleich einen Schmetter-
ling mit der dem Amor genommenen Fackel, alſo eine Art V.
Libitina.
(Vgl. Gerhard Ueber Venus Libitina auf Gemmen u.
Glaspaſten, Kunſtbl. 1827. N. 69 f.) A. im Koiſchen Gewand.
Marm. Oxon. 5. Auguſt. 105.


Auf Vaſengemählden erſcheint A. gewöhnlich bekleidet, ſitzend,
mit dem Spiegel, das Gewand über die Schulter ziehend. Mil-
lingen U. M. i, 10. Auch auf M. oft, mit einem Häschen un-
ter dem Thron, auf M. von Ragidos, Combe 10, 16.


4. Eine ſolche A. von Erz, der marmornen von Arles ähnlich, das
φάρος um die Schenkel, χρυσείῃ πλοκαμῖδας ὑποσφίγξασα
καλύπτρῃ, beſchreibt Chriſtodor v. 78.; die Art der Bekleidung
auch Artemidor On. ii, 37.


6. Von der geharniſchten A. Pauſan. Plut. Nonnos u. Aa.
Eine ſiegreich und martialiſch blickende Aphr., ein Weihgeſchenk
des Sophiſten Herodes, beſchreibt Damaſkios bei Photios 242.
p. 342. Bekk. Eine ſich in Ares Schilde ſpiegelnde Apollon.
Rh. i, 745. Eine ſolche Figur findet man auf den M. der
Colonie Korinth. wahrſcheinlich aus Julius Cäſars Zeit, der die
V. victrix verehrte. Damit ſtimmt, nach Millingen (U. M. ii,
4. 5.), die Statue von Capua genau überein, welche den linken
Fuß auf einen Helm ſetzt. Vgl. Winck. W. iv. S. 114. Ger-
hard Ant. Bildw. i, 10. Dieſer ſteht in der Draperie ſehr
nah die Venus von Melos (§. 253, 2.) im Louvre, ein Werk
eines Künſtlers von Antiocheia am Mäander, wenn die Inſchr
dazu gehört. Schon im Alterthum zweimal (wenn die Hand mit
dem μῆλον auch ſpäter iſt) reſtituirt, das zweitemal barbariſch.
Von erhabner Schönheit, obgleich nicht fehlerfrei. Erklärungsver-
ſuche: Quatr. de Q. sur la statue antique de V. decouv.
dans l’île de Milos en
1820. 1821. Clarac sur la st. ant.
32
[498]Syſtematiſcher Theil.
de V. victrix etc. 1821. Millingen a. O. Dieſelbe, eben ſo
geſtellte und drapirte, Venus-Figur wird auch mit Ares (als deſ-
ſen Ueberwinderin) gruppirt §. 372., 2. A. auf einen Helm
niederſchauend, den ſie in der R. hält, mit dem l. aufgeſtützten
Arm eine Palme oder eine Waffe haltend, auf Gemmen, Millin
P. gr. 23. Hirt 11. Lipp. i, 93 — 95. ii, 80 — 84. M.
Flor. i,
72, 4 — 6. (ſtatt des Helms auch ein Apfel). Viel-
leicht das γλύμμα Ἀφρ. ἔνοπλον des Cäſar, Dio C. xliii,
43. In ähnlicher Stellung die Vénus d’Arles, im Louvre
282., von Girardon mit Spiegel u. Apfel reſtaurirt. Unreſtaurirt
abgebildet bei Terrin La V. et l’obélisque d’Arles. Arles
1680. 12. Sonſt M. Franc. i, 3. Bouill. i, 13. M. Nap.
i,
60. Meyer Tf. 7, 6. Eine Copie deſſelben Originals iſt
die von Hamilton bei Oſtia gefundne. Marbles of the Br. M.
i, 8. Specim.
41. Auch die Bouill. iii, 7, 1. Halb-
bekleidete A. Bilder von anderm Charakter u. andrer Thätigkeit,
als Porträtſtatuen, oben §. 205, 4. Florentiniſche ſog. Urania
M. Flor. iii, 30. Meyer Tf. 11 E. Vgl. die A. mit einem
ſehr ſchönen Kopf. Aug. 104. An der kleinen zierlichen Sta-
tue, Aug. 43, iſt die Draperie modern. Die Hope’ſche, Ca-
vaceppi i,
22., iſt ſehr zweifelhaft.


1377. Weniger kraͤftig, von mehr Fuͤlle und Run-
dung, ſind die Formen mehrerer Aphroditen-Statuen,
welche ſich nur mit einem Stuͤcke des hinten herumliegen-
den Gewandes bedecken; eine beruͤhmte der Art, im Al-
terthum oͤfter nachgebildete, war in Alexandreia Troas.
2Abſichtliche Ueberweichheit und Fluͤſſigkeit der Formen
wird bei dem Hetaͤrenbilde der Aphrodite Kallipygos
3wahrgenommen. Dagegen fand ſich die alte Kunſt zu
der reinſten Maaßhaltung, zu der tadelloſeſten Darſtel-
lung ſchoͤner Formen aufgefordert, wenn die Goͤttin voͤl-
lig enthuͤllt erſchien; die unberuͤhrte Bluͤthe der jungfraͤu-
lichen Formen haͤlt dann die vollkommne Mitte zwiſchen
den mehr frauenartigen und den etwas ſtrengeren und
kraͤftigern Umriſſen der Aphrodite-Siegerin; die Kunſt er-
reicht hier, alle Abwege vermeidend, nach der einen Seite
4hin das hoͤchſte und letzte Ziel. Wenn auch das Bad ur-
ſpruͤnglich als die Veranlaſſung dieſer Enthuͤllung gedacht
wird: ſo verſchwindet doch hier alle Ruͤckſicht auf Hand-
[499]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
lung; die Statue wird ganz Symbol des weiblichen Lieb-
reizes, der durch die Aeußerung natuͤrlicher Schamhaftig-
keit erhoͤht wird, und der Weiblichkeit uͤberhaupt. Andere5
Stellungen, welche mehr Bewegung und Handlung an-
zeigen, haben ungeachtet der beſondern Reize, die ſie ent-
falten, nicht dieſe durchgaͤngige und uͤberall gleiche Fuͤlle
der Schoͤnheit, wie die vorher bezeichneten Hauptbilder.
Hieher gehoͤren die im Bade kauernde, die ſich den Ke-
ſtos umbindende, ein Wehrgehenk anlegende, ſich beſchu-
hende. Die Anadyomene, in eigentlichem Sinn, iſt
kein Gegenſtand fuͤr Plaſtik.


1. Inſchr. einer ſolchen A., an der Augen, Stirn, der Anſatz der
Haare beſonders ſchön ſind: ἀπο της ἐν Τρωαδι Ἀφροδιτης
Μηνοφαντος ἐποιει. M. Cap. iv. p. 392. nebſt Kupfer. Winck.
W. iv. S. 329. Mit dieſer ſtimmt die im Louvre n. 190.
aus der Gal. de Versailles. Bouill. iii, 6. 4. M. Nap. i,
57. Vgl. Bouill. 7. Die Dresdner mit einem Badetuch,
Maffei Racc. 144, Le Plat 133. der Kopf August. 61. —
A. vorn ganz unbekleidet, hinten verhüllt. Gal. Fir. t. 39. Amalth.
i. S. 288.


2. Καλλίπυγος. Sage von den Mädchen in Syrakus, Athen.
xii, p. 554. Vgl. Alkiphron i, 39. nebſt Berglers Noten. Die
γελασῖνοι, ebd. p. 255. Wagn., entſprechen dem ἐν τοῖς ἰσχίοις
γέλως §. 127, 4. Farneſiſche Statue in Neapel, mit moder-
nem Kopfe (Finati Mus. Borb. ii, 255.) bei Piran. St. 7.
Maffei 55. Von einer andern zu Verſailles Winck. W. ii.
S. 404.


3. Hier ſind zu unterſcheiden: die eigentlichen Copieen der Kni-
diſchen, in denen der Ausdruck des Geſichts noch weniger Zärtlich-
keit, mehr Erhabenheit hat als bei ſpätern Werken, §. 127, 4.,
wozu auch die Gemme, Lipp. i, 81., gehört. Die Mediceiſche
A. des Kleomenes §. 158, 2. Dieſer ähnlich der Dresdner Torſo
nebſt Kopf, Aug. 27 — 30., ſo wie der Torſo, Woburn Marbl.
22. Die Capitoliniſche, mit derſelben Haltung der Hände, aber
minder zuſammengeſchmiegt, und frauenartiger gebildet, neben ihr
ein Salbgefäß (alabastron) mit Badetuch. Individuelle Geſicht-
züge, hoher Kopfputz. Wohlerhalten, bis auf die Finger. M. Cap.
iii, 19. M. Fr. iv, 14. Nap. i, 56. Bouill. iii, 7. G.
M.
44, 180. Göthe’s Propyläen iii, 1. S. 151. In der-
32*
[500]Syſtematiſcher Theil.
ſelben Stellung eine von G. Hamilton 1764 aus dem Gewölbe
des Barberiniſchen Pallaſtes gezogne, dann in Jenkins, Weddel’s,
L. Grantham’s Händen, Winck. W. ii. S. 205. Heyne Vorleſ.
S. 313. Eine andre M. Flor. iii, 34. Eine andre vor-
zügliche in Hope’s Sammlung. Eine Labicaniſche Winck. W.
ii. S. 299. Zahlreiche in allen Muſen, oft anmuthlos, und
durch die Prätenſion, die ſie machen, um ſo häßlicher. V. Borgh.
St. 5. n.
5. (im Louvre 171 oder 380, Bouill. iii, 6, 2. 4.)
der Capit. ähnlich; St. 5. n. 9. (im Louvre 174. Bouill. iii,
6, 3.) ebenfalls, nur daß ein Delphin als Tronk dient. August.
59. 86. Vortrefflicher Torſo zu Capo d’Anzo ausgegraben, durch
ſehr verſchiedne Hände gegangen, jetzt im Britt. M., von üppiger
Form. Nöhden Amalth. iii. S. 3. Tf. 2. Die Stellung war offenbar
eine ganz andre als bei der Mediceiſchen, und entſpricht mehr der
Knidiſchen.


5. Polycharmus (sculptor) f. V. lavantem se, nach Plin.
Darnach vielleicht die kauernde A. V. accroupie. Die ſchönſte
PCl. i, 10. M. Nap. i, 58. M. Roy. ii, 13. Βουπαλος
ἐποιει auf einer dabei gefundnen Baſis, vgl. Archäol. u. Kunſt
S. 169. Eine andre im Louvre 681., V. Borg. St. 2, 4.
M. Nap. i, 59. Roy. ii, 10., Bouill. iii,
7. 2. mit erhob-
nem rechten Arme, zur Artemis reſtaurirt. Eine andre ebd.
n. 698. Gal. Giust. i, 38. Mit Eros hinter ihr, Guattani
M. I. 1788. p. 57. — Aehnlich auf Gemmen das Gewand
überziehend, Lipp. i, 82 — 86., auf Vaſen, von hinten mit
Waſſer begoſſen.


Den Keſtos (den Winck. v. S. 24. mit der Zone verwechſelt;
es iſt ein Buſenband) legt bei Chriſtodor 99. eine nackte, u. 288
eine um den Schooß verhüllte Aphr. um die Bruſt (ἐπὶ στέρνων,
ἀμφὶ μαζοῖς). So die Bronze Ant. Erc. vi, 17., 3.
Gal. di Fir. Stat.
27. Vgl. §. 339, 3.


Sich beſchuhend auf Gemmen und in anmuthigen Bronzen:
Ant. Erc. vi, 14. mit ψέλλια und περισκελίδες. Eine ſehr
ſchöne der Art bei Payne Knight. Eine andre graziöſe Figur
bei Borioni t. 7. Mus. Odescalchi 35. In ähnlicher Hand-
lung ein ſehr anmuthiger kleiner Torſo im Britt. Muſ. R. X.
n.
5. Die ſitzend ſich beſchuhende, M. Flor. iii, 33. iſt ſtark
ergänzt.


A. nakt, ſich mit Ares Waffen rüſtend; Eros mit dem ſchwe-
ren Helme ſcherzend, neben ihr. Von ſtarken runden Gliedmaßen.
Im Louvre 180. V. Borgh. St. 5, 7. Bouill. i, 16.


[501]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

Ἀναδυομένη §. 141, 3. Ein Relief der Art in Wilton-
houſe. Statue des Hauſes Colonna, Winck. W. vi, 2. S. 216.
Bronze Gal. di Fir. Stat. 89. Lipp. i, 89. 90. Schwim-
mend, in Gemählden, Bartoli Peint. 25. wie Anakreont. 51.


Nakte A. mit einer Blume, im Ungariſchen Muſeum. Catta-
neo Osservazioni sopra un frammento ant. di bronzo
rappr. Venere.


A.-Hermen Pauſ. i, 19, 2. Ob die verſchleierten ſog.
Aſpaſiabilder, wie Payne-Knight meint? Vgl. Amalth. iii. S.
364. Die Verſchleierung der A. (Morpho) beweiſt Pauſ. iii,
15, 8. Aber die Architis (Atergatis?) Aſſyriens, Macr. i,
21., gehört nicht hieher.


378. In Gruppirungen erſcheint Aphrodite mit ih-1
rem Kinde Eros, haͤufig in taͤndelnden Darſtellungen, nach
Art der ſpaͤtern erotiſchen Poeſie. Bedeutungsvoller2
ſind die zahlreichen Darſtellungen der Aphrodite als See-
goͤttin, in denen die ſchoͤnſte Geburt der feuchten Tiefe
gern mit den grotesken Weſen verbunden und in Contraſt
geſtellt wird, die die wilde und wechſelvolle Natur des
Meers auszudruͤcken beſtimmt ſind. Unter den eigenen3
Liebesverbindungen der Aphrodite (die mit Ares iſt ſchon
erwaͤhnt) hat die Sage von Adonis, welche immer viel
von der fremdartigen Farbe ihres Urſprungs behielt, die
Griechiſche Kunſt wenig beſchaͤftigt. Mehr Kunſtwerke4
knuͤpfen ſich an den Troiſchen Mythus an; die Bewer-
bung um den Preis der Schoͤnheit hat die Kuͤnſtler der
verſchiedenſten Gattungen zu mannigfachen Darſtellungen,
ſelten indeß zu luͤſternen, veranlaßt. Ein ſehr vorzuͤgli-
ches Bildwerk, Aphrodite als Ehegoͤttin die Helena zur
Gewaͤhrung beredend, liegt mehreren erhaltenen Reliefs
zum Grunde. Liebenden beiſtehend, wie dem Peleus5
zur Erlangung der Thetis, erſcheint die Goͤttin beſonders
haͤufig auf Vaſengemaͤhlden, thronend oder ſtehend, im-
mer aber vollſtaͤndig bekleidet, da die huͤllenloſe Aphro-
dite der ſpaͤteren Kunſt dem Vaſenſtyl faſt fremd iſt.
[502]Syſtematiſcher Theil.
6Nur die Zierlichkeit der Bekleidung und Haltung des Ge-
wandes, ſo wie die Attribute (Taube, Iynx, Haſe, Spie-
gel) machen ſie hier kenntlich.


1. A. gruppirt mit Eros §. 370. 371. Von Eroten durch
die Lüfte getragen, auf Vaſen. Millingen U. M. i, 13. Amor
die Waffen nehmend oft auf Gemmen. Mit Eros und Pſyche,
in einer Gruppe August. 62. Mit Ares §. 372, 2.


2. Geburt aus der See. Θάλασσα ἀνέχουσα Ἀφροδίτην
παῖδα Pauſ. ii, 1, 7. Von Tritonen emporgehalten, auf
Gemmen Hirt 7, 10. Auf einem Seeſtier unter Eroten, Ka-
meo des Glykon G. M. 42, 177. Auf einem Seeroſſe, be-
kleidet, nebſt Eros, M. der Bruttier, Nöhden 1. Bewaffnet auf
einen Hippokampen ſich ſchwingend, Gemme des Dalion, Hemſter-
huis Lettre sur une P. gr. du Cab. de Smeth. (Damarete
nach Hemſterh.). Auf Tritonenwagen, M. der Agrippina G. M.
43, 178. Als Mittelpunkt eines Chors von Nereiden u. Tri-
tonen, V. Borgh. St. i, 12. G. M. 42, 174. Unter Nerei-
den in einer Muſchel (murex in Knidos heilig, Plin. ix, 41.)
von Tritonen gehalten Bouill. iii, 33, 1. vgl. 2.


Häufig findet ſich in der alten Kunſt eine von einem Schwan
durch die Lüſte, über Gewäſſer, getragne Frau. Auf Vaſenge-
mählden, Millin ii, 25. Coghill 21. Inghir. v, 38. La-
borde i, 27 (in Delphi, wie der Omphalos zeigt). Terracot-
ta’s, Combe 72. Spiegeln Inghir ii, 32. Gemmen,
Bracci ii, 84. Stoſch Gemmae 43. Taſſie pl. 21, 1187.
Nach Manchen Leda; nach Creuzer Abbild. S. 23 A.; eine Kora-
A. nach Gerhard Kunſtbl., 1825. S. 66. Prodrom. S. 93.; eine
der vielen Weiſen eine ſchöne Frau zu ehren nach Böttiger (Urania
1824).


3. Verhältniſſe zu Ares u. Heph. §. 367, 2., 372, 2. Ado-
nis in A. Armen ſterbend, Gemählde bei Mengs (§. 210, 4.)
G. M. 49. 170. Vgl. unten Hippolytos. Beſuch bei Anchi-
ſes, auf dem herrlichen Bronzerelief von Paramythia, in Hawkins
Beſitz. Tiſchb. Homer H. 7, 3. (Venus u. Paris). Auf M. von
Ilion Pellerin Rec. 3, 134, 7.


4. Der Wettkampf vor Paris, auf Vaſen §. 99, 4. Gerh.
Ant. Bildw. i, 25 (A. mit Iynx u. Taube), 32. 33. (mit
Schleier und Eros). Wandmahlereien G. M. 147, 537.
Münzen G. M. 151, 538. Lampen Paſſeri ii, 17. Gem-
men Gal. di Fir. Int. 22, 1. 2. (wo der Gegenſtand traveſtirend
[503]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
behandelt iſt). A. Paris u. Helena vereinigend (nebſt Peitho)
auf dem ſchönen Relief des Duca di Caraffa-Noja, jetzt im K.
Muſeum zu Neapel, Winck. M. I. 115. W. ii. S. 520. vii.
S. 417. G. M. 173, 540. Neap. Bildw. S. 69. Zum
Theil übereinſtimmend das §. 364, 4. erwähnte Relief. (Jenkins) Le
nozzi di Paride ed Elena. R.
1775. Noch näher ſteht
das ex hortis Asinii Poll. bei Guattani M. I. 1785. p. xli.


5. S. Welcker ad Philostr. p. 622, beſonders Millingen U.
M. i,
10. u. A, 1. (mit Peitho zuſammen).


6. Thron der A., mit ihren Attributen (auch der Spindel)
artig geſchmückt, Gemählde Ant. Erc. i, 29.


11. Hermes.

379. Hermes ſtand in der Religion der Urbewoh-1
ner Griechenlands in dem Kreiſe der Chthoniſchen Goͤtter,
der aus der Tiefe Fruͤchte und Seegen heraufſendenden
Gewalten; dieſen Heilsgott ſetzte das alte Griechenland als
den Geber alles Guten (δώτωρ ἐάων, ἐριούνιος, ἀκα-
κήτης) auf alle Straßen und Wege, auf Aecker und
Gaͤrten, in der Form eines mit einem baͤrtigen Kopfe
und einem Phallos verſehenen Pfahles. Allmaͤlig ward2
aber der telluriſche Seegensgott immer mehr zu einem
oͤkonomiſchen und merkantiliſchen Gotte des Gewinns und
Verkehrs (κερδῷος); vor Allen verehrten ihn nun die
den Verkehr der Vorwelt vermittelnden und in mannig-
fachen Lebensgeſchaͤften gewandten Herolde. Durch dieſe3
erhielt er die Geſtalt, in der man ihn ſich im Ganzen
auch in der aͤltern Poeſie denken muß: eines tuͤchtigen,
kraͤftigen Mannes mit ſtarkem ſpitzen Barte, langen Haar-
flechten, in einer zuruͤckgeſchlagenen Chlamys, dem fuͤr
raſche Bewegung geeignetſten Kleide, mit einem Reiſehut,
Fußfluͤgeln, in der Hand das Kerykeion (caduceus).
So zeigen ihn die aͤlteren Kunſtwerke durchgaͤngig.4


1. Oben §. 67. vgl. Plutarch an seni, extr. Heyne Com-
mentat. Soc. Gott. x. p.
83. Zoëga (de obel. p. 221)
[504]Syſtematiſcher Theil.
hat gewiß Recht, daß die dem alten Bacchus zugetheilten Hermen zum
großen Theil dem Hermes gehören. Sicherlich z. B. der Kopf
Mus. Nap. i, 6. wo weder große Haarfülle, noch eine Kopfbinde,
noch ein Epheukranz den Dionyſos charakteriſiren. Das Alter-
thum wandte dgl. Hermen überall an, ſelbſt als Spinnrocken,
γέρων genannt, Pollux vii, 16, 73., an Bettſtellen Etym. M.
p.
376. vgl. Ant. Erc. vi, 65. Man füllte ſie, wie die Si-
lenen, mit andern Bilderchen, Etym. M. p. 147. Die Stein-
bilder des Hermes ſind wahrſcheinlich ſo alt wie er ſelbſt, da
Hermes von ἕρμα abzuleiten ſehr viel für ſich hat.


3. Bei Homer iſt H. κρατὺς, σῶκος, aber πρῶτον ὑπη-
νήτης, τοῦ περ χαριεστάτη ἥβη nur in einer Verwandlung.
Doch hat dieſe Stelle auf die ſpätre Kunſt großen Einfluß gehabt.
S. Lucian de sacrif. 11. Den Keilbart hatten nach Pollux
auch die Boten der Bühne. Das Fliegen mit den πεδίλοις
wird wenigſtens Il. xxiv, 345. 347. dem Schreiten auf das
Beſtimmteſte entgegengeſetzt; und unterſcheidet man zwiſchen dem,
was in der Poeſie Eindruck macht, und den Hülfsmitteln, die der
plaſtiſche Künſtler brauchen muß, ſo verſchwindet der behauptete
Gegenſatz ziemlich. Vgl. Voß Mythol. Br. i. S. 81. ä. A. u.
§. 334, 1. Die Kopfflügel ſind jünger. Der caduceus iſt
urſprünglich der Olivenſtab mit den στέμμασιν, die hernach in
Schlangen ausgebildet werden. Böttiger Amalth. i. S. 104. Stel-
len über H. Schlangen bei Plum ad Pers. i, 113. p. 150.


4. So an der Ara Borgheſe, der runden Capitol. Ara (§. 96,
16., das Capitol. Puteal hat eine jüngere Figur des H. aufgenom-
men), an der Vaſe des Soſibios (§. 364., 5.) im Louvre, auf der
Gemme des Aetion G. M. 50., 205. u. andern, Lipp. ii, 117.,
auf Vaſen, §. 99, 2, 4. Millin Vas. i, 70. Tiſchb. iv, 3.


1380. Die hoͤhere Ausbildung der Hermes-Geſtalt
ging indeß von den Gymnaſien aus, denen der Gott,
als Spender leiblichen Wohlgedeihns, ſeit alten Zeiten
2in phalliſchen Pfeilerbuͤſten vorgeſtanden hatte. Jetzt
wurde er der gymnaſtiſch vollendete Ephebos (vgl. §. 373,
3.) mit breiter ausgearbeiteter Bruſt, ſchlanken aber kraͤf-
tigen Gliedmaßen; die Zuͤge des Geſichts geben einen
ruhigen und feinen Verſtand und ein freundliches Wohl-
wollen kund, welches ſich auch in der leiſen Neigung des
Hauptes ausſpricht. Die Formen des Geſichtes erſtreben
[505]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
nicht das Edle und Stolze des Apollon, ſie ſind breiter
und kuͤrzer, aber haben dabei etwas ungemein Feines
und Anmuthiges. Das Haar, welches nur ſelten der3
Petaſos deckt, iſt das kurzabgeſchnittne und ſanftgelockte,
welches dem Alter und dem eifrigen Betriebe gymnaſti-
ſcher Uebungen am angemeſſenſten war (§. 330, 1.);
die Chlamys wird gewoͤhnlich ſehr zuſammengezogen.
Unter den Statuen unterſcheidet man erſtens eine Claſſe,4
in welcher das Hermes-Ideal ſich offenbar am hoͤchſten
ſteigert; reife Juͤnglingsgeſtalten, voll gediegner Kraft,
deren Ausdruck im Geſicht mit einem ſanften Laͤcheln zu-
ſammenſchmilzt, in feſter ruhiger Stellung, die Chlamys
von dem Prachtbau der Glieder zuruͤckgeworfen und um
den linken Arm gewickelt; wo Hermes offenbar als Vor-
ſteher gymniſcher Uebungen und Ertheiler leiblicher Kraft
gefaßt ward, wie auch der Palmbaum daneben andeutet.
Daran ſchließen ſich aͤhnlich bekleidete Statuen, wo in-5
deß der Geſtus des erhobnen rechten Arms zeigt, daß
Hermes als Gott der Redegewandtheit zu faſſen ſei:
eine Vorſtellung, die ſich aus der des Gewinngottes und
des Goͤtterherolds ſehr leicht und natuͤrlich hervorbildete.
Als Ausrichter der Befehle des Zeus ſieht man ihn halb6
ſitzend und halb ſchon wieder aufſpringend um davon zu
eilen; bisweilen in Bronzen ſich kekk durch die Luͤfte
ſchwingend; auch von langer Reiſe ausruhend, wobei er
aber den Arm nur auf einen Pfeiler ſtuͤtzt, nicht uͤber
das Haupt ſchlaͤgt: eine Bewegung, die fuͤr Hermes zu
weich und nachlaͤſſig waͤre. Der Beutel war in der ſpaͤ-7
tern Zeit unlaͤugbar ein Hauptattribut des Hermes; wenn
auch bei Statuen meiſt ergaͤnzt, findet er ſich doch an
Bronzen, die beſonders aus den Lararien Roͤmiſcher Kauf-
leute ſtammen moͤgen, ſehr haͤufig.


1. Hermen in Paläſtren, PCl. v, 35. 36. u. oft. Gym-
naſtiſche Inſchriften daher häufig auf Hermen. Jugendliche Her-
men halten auch die reg[u]la, ὕσπληξ, im Hippodrom. Anth.
Pal. vi,
259. Caſſiod. Var. iii, 51. Schol. Juven. viii,
53. Suidas s. v. ὕσπλ. Moſaik bei Laborde Mos. d’Ital.
pl.
9. 15, 7.


[506]Syſtematiſcher Theil.

3. Vom Petaſos des H. Arnob. adv. gent. vi, 12. Schöne
Beſchreibungen des Hermes-Coſtüms bei Ovid. M. ii, 734 (chla-
mydemque ut pendeat apte, collocat, ut limbus totumque
appareat aurum)
und Appulej. de magia p. 68. Bip. (facies
palaestrici succi plena — in capite crispatus capillus sub
imo pilei umbraculo apparet — festive circa humeros
vestis constricta).
— H. mit herabhängender Chlamys auf
Gemmen, Lipp. i, 137. 138. 142. 143. ii, 127. G. M. 51,
206. — H. Kopf mit dem Petaſos (welcher eine gewölbte Form und
keine Krämpe hat) auf der M. (von Siris?) Combe 3, 18, u.
den von Aenos, ebd. 4, 15. Mionn. Suppl. ii. pl. 5, 4.
Schöner Kopf des H., von jugendlicher Weichheit, bei L. Lands-
down Spec. 51. Reifer, von beſonders geſcheutem Anſehn, Br.
Mus. ii,
21. Ueber einen andern Kopf in England, vgl.
Winck. W. iv, Tf. 7 a. Hirt 8, 1. Gemmenköpfe Lipp. i,
129 — 132.


4. So der ſog. Antinoos von Belvedere (Lantin), von Viſ-
conti als H. erkannt, nach der Farneſiſchen Statue und dem Gem-
menbilde, Lipp. i, 133. Hirt 8, 4. S. PCl. i, 7 nebſt der
tv. agg. M. Fr. iv, 15. Bouill. i, 27. M. Nap. i, 52.
Sehr ähnlich ein H. von Tor-Colombaro bei L. Landsdown; auch
der im Louvre 297 aus der Richelieu’ſchen Sammlung, M. Fr.
ii, 8. Bouill. i, 26. M. Nap. i,
53.; auch der Torſo Au-
gust.
54. Eben ſo auf M. von Adana, Combe 10, 14.
Vgl. auch PCl. i, 6. G. M. 88, 209.


5. So der Ludoviſche H., Maffei 58. 59., ähnlich dem ſog.
Germanicus, von dem §. 158, 3. ‘Ερμῆς λόγιος ein Bron-
ze-Coloſſ in Wien, über den die Herausg. Winck. v. S. 451.
Vgl. Lipp. i, 134.


6. Von der erſtern Art iſt die vortreffliche Bronzeſtatne, Ant.
Erc. vi, 29 — 32. G. M.
51, 207. Sehr langſchenklich, wie
wohl im Ganzen οἱ δρομικοὶ τῶν ‘Ερμῶν (Philoſtr. Her.
ii, 2.) gebildet wurden. Chriſtodor 297. beſchreibt einen H.
mit höher geſetztem r. Fuß, an dem er mit der R. den Schuh
heraufzieht, während die L. ſich auf das Knie ſtützt, den Blick
nach oben gerichtet, um die Befehle von Z. entgegenzunehmen.
Alſo ganz in der Stellung des ſog. Jaſon.


Ein ſich durch die Luft ſchwingender, ſehr ſchlanker H. von
ſeltſamer Art bei Dorow Denkm. der Rheiniſch-Weſtph. Pr. 7.
Ein ausruhender, mit übereinander geſchlagnen Beinen ſtehender u.
[507]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ſich aufſtützender H. von zarter Geſtalt, M. Flor. iii, 38. Ga-
ler.
130. Amalth. iii. S. 206.


7. S. Ant. Erc. vi, 33. 34. u. beſonders die wunderſchöne
(doch wohl ſicher ächte) Bronze, mit der an der L. herabhängenden
Chlamys, bei Payne Knight, Spec. 33. Statue V. Borgh.
St. i,
2. Louvre n. 263. Lipp. i, 135. ii, 123. 124.
H. auf einer Prora ſtehend, Lipp. ii, 125. 126., iſt wohl Gott
des Seehandels.


381. Hermes, den Opferanrichter (auch das gehoͤrt1
zu dem alten Amt der Keryken); den Beſchuͤtzer des2
Viehs, beſonders der Schaafheerden, welcher mit jenem
eng zuſammenhaͤngt; den Leier-Erfinder; den Seelenfuͤh-3
rer, ſieht man meiſt in Kunſtwerken von geringerem Um-4
fang; den kleinen Kinderdieb aber hat ein Bildhauer mit5
derſelben Schalkheit und ſchelmiſchen Freude an eigner
Schlauheit auszuſtatten gewußt, die der Homeriſche Hym-
nus ſo unuͤbertrefflich ſchildert. In groͤßeren Compo-6
ſitionen iſt Hermes, ſo ſelten er eine Hauptrolle ſpielt,
als Fuͤhrer, Geleitsmann, Ueberbringer, mitunter auch
als ſcherzhafter und poſſierlicher Geſell, eine ſehr gewoͤhn-
liche Erſcheinung.


1. H. als Opferanrichter, den Widder herbeiführend, mit Hin-
deutung auf den ‘Ε. κριοφόρος, zugleich eine Patere haltend
(wie bei Ariſtoph. Frieden 431 als σπένδων). Relief PCl. iv, 4.
Der Obertheil dieſer Figur in lapis lazuli mit der Umſchr. bo-
nus Eventus,
im Münzcabinet des Britt. Muſ. Schöner H.
einen Widderkopf auf einer Schale tragend, Lipp. ii, 122. Va-
ſengem. Millin Vas. i, 51 a. G. M. 50, 212. vgl. §. 300, 1.
Einen Widder führend auch in dem Relief der V. Albani Winck.
M. I. 5.


2. H. auf einem Widder ſitzend, ſchöne Statue Guattani M.
I. 1786. p. xlv.
Lipp. i, 140. Mit Widdern fahrend, i, 139.


3. Die Leier einrichtend auf einem Bronzeſpiegel, Mazois Pom-
pej. ii. p.
2. Mit der Schildkröte, als Leier-Erfinder, M.
Nap. i,
54. Die Schildkröte auf einer Patere tragend. P. M.
Paciaudi über eine statuetta im Cabinet des Marcheſe dell’ Ospi-
tal Neap. 1747.


[508]Syſtematiſcher Theil.

4. H. Pſychopompos auf dem Relief der Menſchenſchickſale (un-
ten Prometheus), oft auf Gemmen Millin P. gr. 30. G. M.
51, 211. Taſſie pl. 30, 2398 — 2402. Vgl. G. M. 343.
382. 561. Perſephone herauf u. hinabführend §. 358.


5. Dies bezieht ſich auf die Statue PCl. i, 5. Eine Wieder-
holung im Louvre 284. V. Borgh. Port. 7. Zur Erklärung
Philoſtr. i, 26.


6. H. gruppirt mit Hephäſtos (nach Viſconti) im Lonvre 488.
V. Borgh. St. 6, 6. Bouill. i, 22. G. M. 84, 338 *.
Sehr zweifelhaft. H. mit einer Charis (Aphrodite?) auf der
Hand, Winck. M. I. 39. H. Herſe verfolgend, Millin Vas.
i,
70. Mit dem Dionyſoskinde, unten. Eben ſo den kleinen
Herakles tragend, PCl. iv, 37. Bei Ares Ehebruch, als
Scherzredner. Bei Paris. Bei Alkmene. Als πομπαῖος, bei
Apollon, Herakles, Oreſt, Odyſſeus u. Aa. Bei der ψυχο-
στασία. In größern Göttervereinen.


H. Inſignien von Eroten gefahren und getragen, Relief in
Elfenbein. Buonaroti Medagl. ant. 1. G. M. 51, 214. (Der
Hahn bezeichnet den ἐναγώνιος, Lipp. i, 135. ii, 123. Bar-
toli Luc. ii, 18.). Vereinigt an dem Altar bei Griv. de la
Vinc. Antiq. Gaul. pl. 35., wo auch der Phallus nicht fehlt.
Hermes-Opfer Paſſeri Luc. i, 101.


12. Heſtia.

1382. Der Heerd, an welchen ſich Anſaͤßigkeit, haͤus-
liches Leben und geordneter Goͤtterdienſt anknuͤpfen, war
den Alten Symbol des ruhigen Mittelpunkts, um den
ein wechſelgeſtaltiges Leben ſich mannigfach hin und her
bewegt. Ihn ſtellt Heſtia vor, der nothwendige Schluß-
ſtein des Zwoͤlfgoͤtter-Syſtems und darin ſehr paſſend
2mit dem Hermes zuſammengeſtellt. Die Geſtalt dieſer
Goͤttin, welche auch vorzuͤgliche Kuͤnſtler bildeten, iſt die
einer Frau in matronalem Coſtuͤm, doch ohne den Charak-
ter der Muͤtterlichkeit, ruhig ſtehend oder thronend, von
breiten kraͤftigen Formen und einem ernſten Ausdrucke
in den klaren und einfachen Geſichtszuͤgen.


[509]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

1. Μέσῳ οἴκῳ κατ̕ ἄἔ ἕζετο, Hom. H. auf Aphrod. 30.
Mit Hermes verbunden, H. auf Heſt. 7.


2. Die Statue, Giustin. i, 17, mit dem pfeilerartig be-
handelten Gewande iſt von Hirt mit Recht Heſtia genannt worden.
Vgl. Herausg. Winck. vii. Tf. 4 b. Büſte des M. Capit. Hirt
8, 9. Auf Röm. M. mit Palladion u. simpulum 8, 11.
12. Kopf auf Denaren der G. Cassia. G. M. 334. Tem-
pel 335.


[510]Syſtematiſcher Theil.
B. Der Bakchiſche Kreis.

1. Dionyſos.

1383. Der Cultus des Dionyſos hat mehr als die
bisher genannten den Charakter eines Naturdienſtes und
zwar eines orgiaſtiſchen behalten. Es iſt die das menſch-
liche Gemuͤth uͤberwaͤltigende, und aus der Ruhe eines
klaren Selbſtbewußtſeins herausreißende Natur (deren voll-
kommenſtes Symbol der Wein iſt), welche allen Diony-
2ſiſchen Bildungen zum Grunde liegt. Der Kreis der
Dionyſiſchen Geſtalten, welche gleichſam einen eignen ab-
geſonderten Olymp bilden, ſtellt dies Naturleben mit ſei-
nen Wirkungen auf den menſchlichen Geiſt, auf verſchied-
nen Stufen gefaßt, bald in edleren bald unedleren For-
men vor; im Dionyſos ſelbſt entfaltet ſich die reinſte
Bluͤthe verbunden mit einem afflatus, der die innre
3Ruhe nicht zerſtoͤrt, ſondern nur ſeeliger macht. Die
aͤlteſte Griechenwelt begnuͤgte ſich auch bei der Darſtel-
4lung dieſes Naturgottes mit einer phalliſchen Herme; und
grade Dionyſoskoͤpfe und bloße Masken abgeſondert auf-
zuſtellen, blieb in der Griechiſchen Kunſt immer Sitte.
5Daraus entwickelt ſich die ſtattliche und majeſtaͤtiſche Geſtalt
des alten Dionyſos mit der praͤchtigen Fuͤlle der Haupt-
locken, welche durch die Mitra zuſammengehalten werden,
und des ſanftfließenden Baarthaars, den klaren und bluͤ-
henden Zuͤgen des Antlitzes, und dem orientaliſchen Reich-
6thum einer faſt weibiſchen Bekleidung. Erſt ſpaͤter
geht daraus der jugendliche, im Alter des Epheben oder
Mellepheben gefaßte Dionyſos hervor, bei dem auch die
Koͤrperformen, welche ohne ausgearbeitete Musculatur
weich ineinander fließen, die halbweibliche Natur des
Gottes ankuͤndigen, und die Zuͤge des Antlitzes ein ei-
genthuͤmliches Gemiſch einer ſeeligen Berauſchung und einer
unbeſtimmten und dunkeln Sehnſucht zeigen, in wel-
chem die Bacchiſche Gefuͤhlsſtimmung in ihrer reinſten
[511]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Hoͤhe erſcheint. Die Mitra um die Stirn, und der von7
oben hereinſchattende Weinlaub- oder Epheukranz wirken
fuͤr dieſen Ausdruck der Zuͤge vortheilhaft; das Haar
fließt weich und in langen Ringeln auf die Schultern
herab; der Koͤrper iſt, ein umgeworfnes Rehfellchen (νε-
βρὶς) ausgenommen, gewoͤhnlich ganz nackt; nur die
Fuͤße ſind oft mit hohen Prachtſchuhen, den Dionyſiſchen
Kothurnen, angethan. Doch iſt auch ein bis auf die
Lenden herabfallendes Himation dem Charakter des Dio-
nyſos angemeſſen; bisweilen iſt er auch noch in der ſpaͤtern
Kunſt vollſtaͤndig auf weibliche Weiſe bekleidet. Die8
Stellung der Dionyſosſtatuen iſt meiſt bequem angelehnt,
oder gelagert, ſelten thronend; auf Gemmen und in Ge-
maͤhlden ſieht man ihn mit trunknen Schritten wandelnd,
und auf ſeinen Lieblingsthieren reitend oder von ihnen ge-
zogen. Ein beguͤnſtigter Satyr iſt ihm gern zur Stuͤtze9
beigegeben; ſeinen Mundſchenk macht Methe. Der Stier-
Dionyſos hat die bildende Kunſt natuͤrlich weniger, als
die myſtiſchen Religionen beſchaͤftigt.


3. S. vom Dion. Φαλλὴν §. 67. Aus dieſen überall in
Gärten und auf Aeckern aufgeſtellten Holzbildern (ἀγροικικὸν
ἄγαλμα) geht der Phales (ξύγκωμος Βακχίου Ariſtoph.) als
eine beſondere Gottheit hervor, ſ. beſonders Sophron. Frgm. 112
Blomf. Columella x, 31. Zoëga de obel. p. 213. Böttiger
Arch. der Mahlerei S. 186. Abwaſchung eines ſolchen D. Pha-
les in dem Relief, M. Worsley. i, 15. D. Hermen u. a.
Bouill. i, 70. M. Nap. ii, 5. 7. Brit. M. ii, 13. Liber
et Libera Br. M. i, 17. Chiaram.
32. u. ſonſt.


4. Ein πρόσωπον des Dionyſiſchen Akratos in Athen Pauſ.
i, 2, 7. Für Peiſiſtratos gehalten, Athen. xii, 533 c. In
Raxos ein πρόσ. des D. Bakcheus von Reben-, des Meilichios
von Feigenholz, Ath. iii, 78 c. Zoëga Bass. 17. Eine
ſolche Maske als Bacchiſches Idol auf dem Sarkophag PCl. v, 18.


5. So beſchreibt ihn Pauſ. v, 19, 1. am Kaſten des Kypſe-
los: ἐν ἄντρῳ κατακείμενος γένεια ἔχων καὶ ἔκπωμα
χρυσοῦν ἐνδεδυκὼς ποδήρη χιτῶνα. In dieſer στολὴ (βασσάρα
§. 337, 2.) erſchien D. auf dem Theater, z. B. in Aeſchylos Ly-
kurgeia. Δ. πωγωνίτης, καταπώγων bei Diodor, Briſeus,
[512]Syſtematiſcher Theil.
Baſſareus, Hebon bei Macrob. Τέλειος Ath. xi, 484. Oft
auf M. Thronend, mit Scepter u. Becher, auf Atheniſchen, Combe
7, 8.; ſtehend auf M. von Galarina, 4, 6., Nagidos, 10, 16.
Auf einem Eſel ruhend, mit Trinkhorn, auf den alten M. von
Mende. Schöne Köpfe dieſes D. auf M. von Naros, Combe 4,
8., Theben, Mionn. Supp. iii. pl, 17, 3., auch wohl auf den
Thaſiſchen, Mionn. Descr. pl. 55, 5. Eine Hauptſtatue der
ſog. ϹΑΡΔΑΝΑΠΑΛΛΟϹ. PCl. ii, 41. M. Fr. P. iii, 8.
M. Nap. ii, 4. Bouill. i,
28. Auf Reliefs bei Ikarios, PCl. iv,
25. M. Nap. ii, 3. Bouill. iii, 38, 1, 2. Br. M.
ii,
4. Auf Vaſengemählden bei Hephäſtos Heimführung (§. 367,
3,), im κῶμος Millin i, 7. u. ſonſt. In Cultusbildern blieb
dieſer alte D. immer gewöhnlich, ſ. Pitt. Erc. iii, 36, 1. 38.,
und das ländliche Vocksopfer auf der artigen Gemme, M. Worsl.
ii, 22. PCl. v,
8.


6. Oben §. 125, 2. 127, 2. Γύννις. Membris cum
mollibus et liquoris foeminei dissolutissimus laxitate.

Arnob. vi, 12. Νεηνίῃ ἀνδρὶ ἐοικὼς πρωϑήβῃ Hom.
H. vii, 3. Διονυσίη νηδύς Anakreont. 29, 33. Winck.
iv. S. 91. D. Haar §. 330, 360, 3. Etwas von den
διάστροφοι κόραι der Mänaden, Eur. Bakch. 1114.


8. Hauptſtatuen in V. Ludoviſi; aus Schloß Richelieu im Louvre
154. M. Fr. i, 1. Bouill. i, 30. M. Nap. i, 78.; in der
Stellung des Ap. Lycien die Verſailler Statue L. 148. Bouill.
i, 29.; Woburn Marbles
17. 18. Dem Panther eine Traube
reichend, oft, Chiaram. 28. Lipp. i, 160. ii, 139. 140.
Mit einem Himation um den Unterleib August. 18. vgl. Lipp. i,
140. Ausnehmend ſchön iſt der ſehr weiblich geformte Sturz PCl.
ii,
28. In liegender Stellung (am Monument des Lyſikrates)
PCl. i, 43.; V. Borgh. St. 3, 1. Bouill. iii, 9, 2. L. 74.
Thronend (§. 358, 7.) auf dem Pompej. Gemählde Zahn 24; auf
dem Monum. des Thraſyll, in weiblicher Tracht, Stuart ii, 4,
6; in den Bädern des Titus. Wandelnd mit trunknem Schritt
(οἰνωμένος Athen. x. p. 428 e.) auf Gemmen, Lipp. i, 158.
2, 141. Suppl. 220. M. Worsl. ii, 10. 11. Auf Pan-
ther reitend, mit Panther u. Löwen fahrend, Lipp. i, 156. 157.
161. Millin i, 60. Tiſchb. ii, 43 u. oft. Auf einem Eſel
liegend, ebd. ii, 42. Mit Panther und Bock fahrend auf M.
von Tralles, Mionn. 1114.


9. D. auf einen Satyr geſtützt, ähnlich wie in der Gruppe der
Ariadne, §. 384. PCl. i, 42. Dieſelbe Gruppe ziemlich, bei
Megara ausgegraben, im Beſitz eines Privatmanns in Cambridge,
[513]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
hat eine liegende Ariadne in Relief am Sockel (vgl. Welcker ad
Philostr. p.
297). Aehnlich Stat. di S. Marco ii, 26.;
M. Flor. iii, 48. Gal. St.
41. — Auf den in einen Wein-
ſtock ſich verwandelnden Ampelos gelehnt, Brit. M. iii, 11.
Mit Eros gruppirt, bei Hope in London. In Neapel Gerhard
Ant. Bildw. 19. Mit einem Bachiſchen Eros, wie es ſcheint,
M. Worsl. I, iii, 1. Mit einem alterthümlich bekleideten
Idol einer Göttin neben ſich, im Chiton und in Kothurnen, Guat-
tani M. I. 1785. p. lxxi. Auf eine Kithariſtria (wenn zu-
ſammengehörend) gelehnt, Chiar. 29. Ein D., dem die Me-
the aus einem Rhyton in ſeinen Becher ſchenkt Bouill. iii, 70.
Aehnlich das Atheniſche Relief, Stuart Ant. ii, 2. Vign.


Κερατοφυής (Ath. xi, 476) mit einer Mitra um die Haare,
ein Kopf, von faſt Satyrartigen Zügen, PCl. vi, 6, 1. Hirt
10, 3. vgl. die Vign. 23, 2. u. die M. von Nikäa in Creuzers
Dion. 3, 2. Ταυρόμορφος (in Kyzikos nach Ath., häufig
Plut. de Is. 35), mit Epheu umwunden auf Gemmen Lipp. i,
231. G. M.
256. Lipp. Suppl. 285 iſt blos ein vom Oeſtros
gejagter Stier. Vgl. unten: Flußgötter, Geſtirne.


384. Das ganze wunderſame Leben des Dionyſos,1
ſoviel davon nicht durch entſchieden myſtiſche Richtung
ſich der Darſtellung ſelbſt entzog, laͤßt ſich in Kunſtwer-
ken verfolgen. Zuerſt die deutungsvolle Doppelgeburt,2
aus Semele’s entſeeltem Leibe und der Huͤfte des Zeus;
dann wie Hermes das Kindlein fein eingewickelt zu
ſeinen Naͤhrerinnen traͤgt, die große Geſtalt der Erde ſelbſt
es aufnimmt, die Nymphen und Satyrn es pflegen, und
in heitern Spielen ſich ſeine gottvolle und wunderbare
Natur entfaltet. Dann wie er vom Getuͤmmel ſeines3
Thiaſos umrauſcht die holde Braut Ariadne (eine Kora
oder Libera des Naxiſchen Cultus) findet, auch dabei ohne
thaͤtige Theilnahme und wie in einem ſuͤßen Traume be-
fangen, und alsdann auf hochzeitlichem Wagen ihr ent-
gegen oder mit ihr zuſammen faͤhrt (wobei auch an die
Hinauffuͤhrung der Ariadne zum Olymp gedacht werden
kann). Endlich ſieht man ihn im Kreiſe wuͤthender4
Maͤnaden die Frevler und Feinde ſeines Dienſtes Pentheus
und Lykurgos, und durch ſeine kekken Satyrn das Raͤu-
33
[514]Syſtematiſcher Theil.
bervolk der Tyrrhener erlegen und ſtrafen, und in rei-
chen Reliefdarſtellungen (in welchen ſpaͤtre Makedoniſche
Eroberungszuͤge mythiſch vorgebildet werden) den Triumph
der Beſiegung Indiens feiern.


2. Die myſtiſche Zeugung des D. Zagreus durch den Schlan-
gen-Zeus u. Perſephone glaubt man auf M. von Selinus zu ſehn.
Creuzer Dionysus 3, 4. Stieglitz Archäol. Unterh. ii, S. 191.
Zeus der Semele erſcheinend, auf Gemmen, geflügelt. Taſſie pl.
22, 1147. 1148. Winck. M. I. 1. 2. D. Geburt G. M.
222. 23. Die erſte Geburt wird auf merkwürdige Weiſe auf
einem Wandgemählde bei dem Princ. Greg. Gagarin zu Rom vor-
geſtellt, Mem. Rom. di Antich. iii. p. 327 t. 13. (vgl. Phi-
loſtr. i, 14.), die andre in einer berühmten Spiegelzeichnung.
Die Uebergabe an die Nymphen (Hyaden) oder Töchter des Kad-
mos G. M. 223 — 228; die letzte beſonders ſchön auf dem Ge-
fäß des Salpion §. 257, 4. Neap. Bildw. S. 76. Hermes
mit dem kleinen D. auf Gemmen, Millin P. gr. 31, auf M. von
Pheneos (doch ſcheint es hier nach einer Beiſchrift der kleine Arkas
zu ſein, Steinbüchel Alterthumskunde S. 105) vgl. §. 127, 2.
Die Gäa welche den kleinen D. aufnimmt. Chiaram. 44. Er-
ziehung und Jugendſpiele des D. G. M. 229 — 232, auch M.
Cap. iv,
60. Leukothea mit dem kleinen D. auf den Armen,
treffliche Albaniſche Statue, M. Fr. I. Bouill. ii, 5.


3. D. der verlaſſnen Ariadne nahend. Eine Hauptgruppe
auf M. von Perinth unter Severus Alexander, welcher die ſog.
Kleopatra des Vatican (PCl. ii, 44. Bouill. ii, 9. M. Nap.
ii, 8. M. Fr.
) angehörte, wie Jacobs, Münchner Denkſchr. v Phil.,
gezeigt hat. Reliefs PCl. v, 8. Bouill. iii, 38, 3. 39, 1.
Pitt. Erc. ii,
16. vgl. Philoſtr. i, 15. Gemmen, M. Flor.
i,
92, 1. 93, 3. Mantuaniſcher Cameo M. Worsl. ii, 1. —
D. mit Ariadne auf hochzeitlichem Wagen G. M. 244. Mit
Kentauren einander entgegenfahrend, Bouill. 39, 2. Mit
Kentauren unter Kitharmuſik über das ſommerlich heitre Meer
(Galene) dahinfahrend, G. M. 245. unvollſtändiger M. Flor.
i,
92, 2. Der ſchöne Caſaliſche Sarkophag, PCl. v. c.,
ſcheint D. mit Kora vereint vorzuſtellen, wegen Hermes Anweſen-
heit. (Dabei ein Σάτυρος ἀποσκοπεύων Pl. xxxv, 11, 40).
§. 358. 7.


4. Kämpfe des D. mit Pentheus, Philoſtr. i, 18. G. M.
235. G. Giust. ii,
104, Millingen Div. 5., auch R. Roch.
M. I. 4, 1. (Pentheus wird durch den Böotiſchen Hut bezeichnet).
[515]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Mit Lykurgos, Borgheſiſches Relief, Welcker zu Zoëga’s Abh. 1.
Corſiniſcher Krater, Zannoni Illustr. di un ant. vaso in marmo,
Fir.
1826. berichtigt durch Welcker in Schorns Kunſtbl. 1829.
R. 15. Vases de Canosa 13. Millingen Div. 1. Maiſſo-
neuve 53. Neapels Ant. S. 347. Moſaik, Neapels Ant. S. 143.
Mit Perſeus (Deriades) Hirt S. 83. Mit den Tyrrhenern
§. 128, 6. Philoſtr. i, 19. — Siegespompa, Thriambos, des
D. über den Orient, Zoëga 7. 8. 76. PCl. iv, 23. Cap.
iv, 63. Bouill.
38, 1. Zur Erklärung beſonders Lukians
Dionyſ. 1—4. vgl. §. 147, 4. D. gepanzert (?) Winck. M. I. 6.


2. Satyrn.

385. Das Naturleben, deſſen reinſte Bluͤthe wir in1
Dionyſos gewahren, erſcheint nun in niedern Kreiſen be-
ſonders in dem Geſchlechte der „nichtsnutzigen und leichtfer-
tigen Satyrn“ (Σάτυροι, Τίτυροι), wie ſie Heſiod
nannte. Kraͤftige aber durch keine Gymnaſtik veredelte2
Gliederformen, bald ſchwammiger, bald derber; ſtumpf-
naſige und ſonſt unedel gebildete Geſichter, mit geſpitzten
ziegenartigen Ohren; mitunter auch Knollen (φήρεα) am
Halſe und bei aͤlteren Figuren ein kahles Vorhaupt; das
Haar borſtiger Art und haͤufig emporgeſtraͤubt; dazu
Schwaͤnzchen, und bisweilen thieriſch geformte Abzei-
chen des Geſchlechts, bezeichnen, aber in ſehr mannigfa-
chen Stufenfolgen, die Figuren, welche die aͤchte Sprache
der Griechiſchen Poeſie und Kunſt, von der erſt Roͤmi-
ſche Dichter ſich Ausnahmen erlaubten, Satyrn nannte.
Bisweilen erheben ſich indeſſen die Satyrn zu ſehr ed-3
len ſchlanken Geſtalten, welche etwa nur die geſpitzten
Ohren als ſolche verrathen; man kann hier den Namen
Ampelos, Dionyſos Mundſchenk, paſſend finden. Die4
entſchiedneren Satyrgeſtalten kann man etwa ſo claſſifi-
ciren: a. Die anmuthig hingelehnten Floͤtenſpieler, Indo-
lenz, einen leiſen Zug von Muthwillen, aber ohne Ro-
heit, in den Mienen. b. Die derbe und luſtige Figur
des Kymbaliſten. c. Wild enthuſiaſtiſche Bakchos-Be-
geiſterte. d. Schlank und kraͤftig gebaute Jaͤger.
33*
[516]Syſtematiſcher Theil.
e. Bequem, auch roh und ungeberdig hingeſtreckte Schlaͤ-
fer, den Weindunſt ausathmend. f. Ueppige Satyrn,
Bachantinen, auch Hermaphroditen, die Gewaͤnder vom
Leibe ziehend, mit ihnen ringend. g. Mit den Arbei-
ten der Weinbereitung, nach der aͤlteſten und einfachſten
Manier, beſchaͤftigte, ihre rohe Anſtrengung mit einem
gewiſſen Stolz zur Schau ſtellende, wobei Geſtalten ſehr
mannigfacher Art zum Vorſchein kommen. h. Zechende.
i. Die wilden und trotzigen Bekaͤmpfer der Tyrrhener.
5k. Derbe runde trinkluſtige Satyrkinder. Das fruͤhere
Alterthum bildete die Satyrn mehr als Schreckgeſtalten
und Carricaturen des baͤrtigen Dionyſos, und ſtellte ſie
gern als Nymphenraͤuber dar; auch hielt die Kunſt in
ihrer Vollendung eine Zeitlang dieſe baͤrtigen und
reifen Satyrgeſtalten feſt, welche beſonders die Muͤn-
zen von Naxos in Sicilien mit großartiger Kekkheit dar-
ſtellen; die zarteren jugendlichen Geſtalten, in denen ſich
mit dem Satyrcharakter eine moͤglichſt anmuthige Bil-
dung und eine liebenswuͤrdige Schalkheit vereint, kom-
6men erſt ſpaͤter auf. Allerlei ſpecielle Benennungen,
welche auf Vaſengemaͤhlden bei einzelnen Satyrfiguren
vorkommen (Schwaͤrmer, Stumpfnas, Suͤßwein), in wei-
term Kreiſe anzuwenden, iſt bis jetzt noch ein mißliches
Unternehmen.


1. Geßner de Sileno et Silenis Com. Gott. iv. p. 35.
Heyne Antiq. Aufſ. ii. Voß Mythol. Br. ii, 30—32. Lanzi
§. 301, 3. Welcker Nachtrag zur Trilogie S. 211—219.
Gerhard [del Dio Fauno e de suoi seguaci. Nap. 1825]
Kunſtbl. 1825 N. 104.


2. Die Körperbildung beſchreibt ſehr gut Philoſtr. i, 22.
(κοιλοὶ τὸ ἰσχίον). Der ſchönſte Kopf iſt der aus V. Al-
bani, Faune à la tache, Bouill. i, 72. M. Nap. ii,
18.
Ganz ähnlich Lipp. i, 204. Ein recht deutlicher φριξοκόμης
oder ὀρϑόϑριξ (Etym. M. p. 764) bei Bouill. iii, 59, 11.
vgl. Winck. W. iv. S. 220.


3. Solcher Geſtalt die herrliche Statue August. 25. 26.
Dieſelbe Stellung des οἰνοχόος hat eine anmuthige Figur bei L.
Egremont, wo aber der Schwanz nicht fehlt. Ἀπολλωνιος ἐποιει.
[517]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
S. auch den Sat. des Coſſutius Brit. Mus. ii, 43. Ampe-
los intonsus
Ovid F. iii, 49.


4. a. Hierher der vermuthliche des Praxiteles §. 127, 2. und
der eben ſo oft vorkommende knabenhafte, V. Borgh. st. 5, 8.
M. Roy. ii, 2. Bouill. i, 53. M. Cap. iii,
31. Lipp.
i, 212. vgl. Anth. Palat. Plan. 244. b. M. Flor. 58.
(mit ergänztem Kopfe) Maffei Racc. 35. vgl. Winck. W. iv S.
281. Im L. 383 aus V. Borgh. st. 2, 8. Lipp. i, 211.
c. Ant. Erc. vi,
38. 39. Lipp. i, 185 ff. Suppl. 246.
d. Der das Häschen dem Panther hinhaltende und ihn neckende
Satyr, herrliches Relief des Louvre n. 477. Bouill. i, 79.
M. Fr. e. Satyrus somno gravatus
von Stratonikos, Pl.
vgl. Anthol. Pal. vi, 56. Plan. 248. Der herrliche Barberi-
niſche in München, Piraneſi Statue. Der bronzene, Ant. Erc.
vi,
40. Guattani M. I. 1787. p. lvi. f. Vgl. Pl.
xxxv, 36, 22. Nonn. xii, 82. Relief Br. Mus. ii, 1.,
oft in Gemmen, M. Flor. i, 89, 8. Satyrn mit Herma-
phroditen auf Gemmen. Statuengruppe in Dresden und ſonſt.
Bött. Archäol. u. Kunſt 1. S. 165. g. G. M. 269. 271.
Stat. di S. Marco ii,
31. Nichts ſchöner als das Relief in
Neapel, Welcker Zeitſchr. S. 523. Neapels Ant. S. 88. h.
Scyphum tenens
Pl. xxxv, 34, 23. Σάτυρος φαλακρὸς
ἐν τῇ δεξιᾷ κώϑωνα κρατῶν, bei Ath. xi, 484. ganz wie
auf Vaſengemählden. i. S. §. 128, 6. k. PCl. iv, 31.
Ant. Erc. vi,
47. Ein Satyrknabe, den D. auf Ariadne ge-
ſtützt, trinken läßt: Zahn Wandgem. 35. Hierher gehört das viel-
beſprochene Giuſtinianiſche Relief, Amalth. i, 1., da das Satyr-
ſchwänzchen des Knaben nicht mehr zweifelhaft iſt. Viſconti PCl.
iv. p. 61. n.
6. Auch der Kopf Lipp. i, 203.


5. S. die Gruppen auf den Thaſiſchen Münzen (vgl. den
Nachtrag zu S. 74.) u. vgl. die Vaſengem. Millingen Cogh. 1.
16. 18. Der Satyr wird Kentaurenartig auf den M. der ob-
ſcuren Thrakiſchen Orte Lete und Orrheskos. Ἵππουρις heißt
der Satyrnſchwanz nach Bekk. Anecd. p. 44. vgl. Welcker a. O.,
S. 217. Der Naxiſche Satyr, Combe 4, 8. Solche ältere
Satyrn ſind der γενειῶν und πόλιος bei Pollux iv, 142.


6. Κῶμος (Dor. Κᾶμος) Οἶνος, Ἡδύοινος, Σῖμος,
Διϑύραμβος als Satyrn Tiſchb. ii, 44. Maiſſon. 22. 33.
Millingen Cogh. 19. R. Rochette Journ. des Sav. 1826
Fevr.
Neapels Ant. S. 254. Welcker ad Phil. p. 214. An-
nali dell’ Inst. di Corresp. 1829. tv. E,
2. Vom Akratos
Zoëga Bassir. i. p. 32 sqq. Abhandl. S. 26 f.


[518]Syſtematiſcher Theil.
3. Silene.

1386. Jene aͤlteren und baͤrtigen Satyrn werden auch,
wenn von Kunſtwerken die Rede iſt, oͤfter Silene (Stumpf-
naſige genannt), ſo daß ein feſter und ſichrer Unterſchied
2Beider fuͤr die Kunſt kaum nachzuweiſen iſt. Doch haftet die-
ſer Name beſonders an einer aͤlteren Satyrgeſtalt, welche,
gern mit dem Weinſchlauch verbunden, ſelbſt etwas Schlauch-
artiges hat (daher ſie auch gern zur Decoration von
Waſſerkuͤnſten angewandt wurde), und in trunkner
Fuͤlle mehr als andre Begleiter des Gottes einer
3Lehne und Stuͤtze bedarf. Dieſe wird ihm bald durch
einen tragenden Eſel bald durch eifrig um ihn bemuͤhte
4Satyrknaben zu Theil. Doch iſt dieſer ſeelige Daͤmon
in einer tiefern Denkungsweiſe, die beſonders durch die
Orphiker ausgebildet murde, zugleich einer Weisheit voll,
der alles das raſtloſe Menſchentreiben als Thorheit er-
ſcheint; auch die bildende Kunſt ſtellt ihn in edleren und
großartigern Formen als den Pfleger und Lehrer des
5Dionyſoskindes dar. Pappoſilene nannte man unter den
Figuren des alten Satyrdrama’s die ganz behaarten und
baͤrtigen Satyrgeſtalten.


2. S. Heyne Comment. Soc. Gott. T. x. p. 88. Auch
Heron, Spirit. p. 190. 205., erwähnt Satyrisken mit Schläu-
chen bei Waſſerkünſten, ſo wie Panisken als ſcheuchende Figuren,
p. 183. Nur deswegen, denke ich, hießen in Rom (von dem
Doriſchen Sicilien her) Fontänen Silani.


3. Solche Schlauchſilenen, ſtehend August. 71.; liegend der
Ludoviſiſche, Perrier 99. Auf Schlauch reitend Ant. Erc. vi,
44. Auf dem Weinkruge, als Lampe, Amalth. iii, 168. Eine
Traube ausdrückend PCl. i, 46. Auf dem Eſel gelagert, auch
einem bockenden, oft auf Gemmen und Reliefs, Bouill. iii,
40, 1. Der trunkne von Satyrn geſtützt PCl. iv, 28.
Zoëga 4. Guattani 1786 p. xxxv. (wenn nicht Herakles); von
Eros Zoëga 79. Br. Mus. Terrac. 5. Eroten unterhalten
Silen auch mit Muſik, Bracci ii. t. 71. Als Kordaxtänzer
ſchildert den S. Lucian Ikaromenipp 27. vgl. Hirt 22, 7. Mil-
lin Vas. i, 5. Κῶμος von Silenen §. 127, 2.


[519]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

4. So in der vortrefflichen Borgh. Statue (Maffei Racc. 77.)
im L. 709. M. Roy. ii, 2. Wohl nicht der Satyrus qui
ploratum infantis cohibet,
Pl. Von zwei ähnlichen in
Rom ſprechen Maffei u. Winck. Eine Wiederholung (wovon in
Göttingen ein Gypsabguß) hat die Inſchrift: bella manu pa-
cemque gero; mox, praescius aevi Te duce venturi,
fatorum arcana recludam,
aus Orphiſcher Lehre, in der
Dionyſos das letzte glückliche Zeitalter herbeiführt, welches der
weiſe Seilenos verkündet. Kräftige Silensfiguren Chiaram.
40. 41.


5. Παπποσείληνος τὴν ἰδέαν ϑηριωδέστερος Pollux iv,
142. Dieſer behaarte u. a. bei Ficoroni Gemmae am Ende.
Auf Vaſen bei D. Laborde ii, 39. Hirt 22, 2. Hier trägt er
deutlich den χορταῖος χιτὼν δασὺς der Silenen, Pollux iv,
118. Ἀμφίμαλλοι χιτῶνες Aelian V. H. iii, 40.
Μαλλωτοὶ χιτῶνες der Bacchiſchen Züge, Böttiger Arch. der
Mahl. S. 200.


4. Pane.

387. Weiter in die Thierwelt hinab ſteigt das die1
geheime Luſt und das dunkle Grauen wilder Waldeinſam-
keit darſtellende Geſchlecht des Pan, der Pane, Panis-
ken. Zwar koͤmmt auch hier, und zwar grade im2
heimathlichen Arkadien, eine menſchliche Bildung vor,
welche nur durch die Hirtenpfeife (σύριγξ), den Hirten-
ſtab (λαγωβόλον, καλαῦροψ) und das geſtraͤubte
Haar als Pan bezeichnet wird. Indeſſen ward die zie-3
genfuͤßige, gehoͤrnte, krumnaſige Bildung hier die Regel.
In ihr erſcheint Pan als munterer Springer und Taͤnzer4
(σκιρτητὴς), als der poſſierliche Luſtigmacher im Kreiſe
des Dionyſos, als der ungeſtuͤme Liebhaber von Nym-
phen, und Lehrer des jungen Olympos auf der Syrinx —
Zuſammenſtellungen zarter Jugendſchoͤnheit mit dem rau-
hen und herben Waldweſen, fuͤr welche die Griechiſche
Kunſt eine beſondre Liebe hegt. Im hoͤchſten Grade5
naiv ſind die Gruppen gedacht, in welchen ein gutmuͤthi-
ger Panisk einem Satyrn (deren Geſchlecht als hoͤher
[520]Syſtematiſcher Theil.
geartet ſich mit den Panen allerlei Scherze erlaubt) den
6Dorn aus dem Fuße zieht. Pan iſt aber auch, als
Daͤmon eines dunkeln Grauns und paniſchen Schreckens,
ein tapfrer und ſiegreicher Feindebezwinger; in Athen gab
die Marathoniſche Schlacht beſonderen Anlaß ihn mit Tro-
7paͤen darzuſtellen. Als friedlicher Syrinxblaͤſer be-
wohnt er die ihm geheiligten Felsgrotten (Paneen), wo
nicht ſelten ſeine Figur unter anmuthigen Nymphen in
8das lebendige Geſtein eingehauen gefunden wird. Erſt
ſpaͤterer Mißverſtand, der indeß ſehr verbreitet war, ver-
wandelte den alten Weidegott (πάων, pastor) in einen All-
Daͤmon, und ſein anſpruchsloſes Syrinx-Floͤten in Sphaͤ-
ren-Harmonie.


2. S. die Arkadiſche M. bei Barthelemy’s Anach. pl. 27,
2. G. M.
286. ΟΛϒΜΠ. Aehnliche Figur auf M. von Pan-
doſia, Combe 3, 26. u. Meſſana, Eckhel Syll. i. t. 2, 10. —
Vaſengem. in Walpole’s Travels. Millingen U. M. i. pl. A.


3. Statuen L. 506 aus V. Borgh. Port. 1., Bouill. i,
53, 1; im Britt. Muſeum u. ſonſt.


4. Als Tänzer (χορευτὴς τελεώτατος ϑεῶν Pindar Fr.
67 Bh.) zeigt er ſich öfter in Bacchanalen, wo ſein Fuß die my-
ſtyſche Ciſta aufſchlägt, PCl. v, 7. Amalth. iii. S. 247 (dar-
nach ergänze ich das Fragment bei R. Rochette Mon. In. XA.)
Ein Satyr thut Daſſelbe Bouill. iii, 70. Einer Nymphe
(oder einem Hermaphroditen, wie in einer Gruppe der V. Aldo-
brandini) das Gewand abreißend PCl. i, 50. Mit Olympos
(Pl. xxxvi, 48.) Ludoviſiſche Gruppe, Maff. Racc. 64., Flo-
rentiniſche, Galleria di Fir. St. 12. vgl. 73., Albaniſche und andre.
Auch August. 81. iſt darnach zu reſtauriren. Ueber Olympos
Philoſtr. 1, 20. 21. (Olympos als Marſyas Schüler Pitt.
Erc. i,
18, vgl. §. 362, 4., aber iii, 19 iſt der menſchenbeinige
aber gehörnte Lehrer wohl beſſer Pan zu nennen). — Stoßkampf
mit einer Ziege, Pitt. Erc. ii, 42. Gemmen M. Flor. i,
89, 1—3. Begattung mit einer ſolchen in einer Marmor-
gruppe, Neapels Ant. S. 461.


5. V. Borgh. St. 4, 12. Millin P. gr. 37. Vgl. die
Gruppe PCl. i, 49. Theokrit iv, 54. u. das Epigramm auf den
[521]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
jammernden Satyr Br. Anal. iii. p. 106. Scherze der Sa-
tyrn mit den Panen, Guatt. Mon. In. 1786. p. xxxii.


6. Π. τροπαιοφόρος (Anthol. Palat. App. Plan. 259),
in einer kleinen zu Athen gefundnen Statue, in Bezug auf die
Marathon. Schlacht. Wilkins M. Graecia c. V. Vign. Als
D. ὑπασπιστὴς Zoëga 75. —


7. Pan mit Syrinx u. Rhyton über ſeiner Grotte ſitzend, vor
welcher Kekrops und ſeine Töchter einen Opferzug empfangen, auf
einem auch für Athens Topographie intereſſanten Relief, M.
Worsl. i,
9. Menſchenbeinig, mit der Syrinx, ſitzt er über
einer Grotte, in der die Große Mutter u. die Nymphen (vgl. Pind.
p. iii, 78) ebenfalls eine Pompa annehmen, auf dem Pariſchen
Relief, Stuart iv, 6, 5. — Panisken als Opferdiener Tiſchb. ii, 40.


8. Gemme bei Hirt 21, 5.


5. Weibliche Figuren.

388. Weniger mannigfaltig erſcheinen die weiblichen1
Geſtalten, deren Gipfel die anmuthvolle, bluͤhende, epheu-
bekraͤnzte, oft reichverhuͤllte Ariadne iſt, die uͤberall von
Kora zu unterſcheiden nicht leicht ſeyn moͤchte. Von2
den Nymphen, deren Weſen nichts Aufgeregtes zeigt, und
den ſelten vorkommenden Satyrinnen, unterſcheiden ſich3
durch ſchwaͤrmeriſche Begeiſterung, geloͤstes Haar, zuruͤckge-
worfnen Kopf die Maͤnaden, (Thyaden, Klodonen, Mi-
mallonen, Baſſariden, ſchwer zu ſcheidende Claſſen) mit
Thyrſen, Schwerdtern, Schlangen, zerriſſnen Rehkaͤlbern,
Tympanen, flatternden und geloͤsten Gewaͤndern. Auch
hier wiederholt die Kunſt gern einmal feſtgeſtellte und
beliebt gewordne Geſtalten. Bisweilen ſieht man4
auch Maͤnaden von der Bacchiſchen Wuth erſchoͤpft und
in ſorgloſen Schlummer geſunken. Sehr ſchwer iſt5
es, die eigentlichen Maͤnaden von den Perſonificationen
Bacchiſcher Feſtluſt, Heiterkeit, Muſik und Poeſie zu un-
terſcheiden, welche man auf Vaſengemaͤhlden durch beige-
ſchriebne Namen kennen lernt; und am Ende will auch
die Griechiſche Kunſt, in welcher die Erſcheinung ganz
[522]Syſtematiſcher Theil.
zur leiblichen Darſtellung einer daͤmoniſchen Welt wird,
gar nicht, daß wir hier durchweg reale und ideale Figu-
ren ſcheiden ſollen.


1. Oben §. 384, 3. Ob die Statue PCl. i, 45., u.
der ſchöne Kopf auf dem Capitol Winck. M. I. 55. (Leuko-
thea nach Winck., ein Bacchuskopf nach Viſconti u. den Herausg.
Winck. iv. S. 308.) der Ariadne gehört? — Verlaſſne Ariadne,
Dresdner Statue August. 17., eine ähnliche G. Giust. 142.
Vgl. unten: Theſeus.


2. Nymphen unten. Satyra et Silena (ein Stumpfnäs-
chen) Lucrez. Schöner Kopf einer Satyra (?) Stat. di S.
Marco ii,
30. Panin auf einer Gemme bei Lipp. Suppl.
291. Hirt 21, 3., deren obſcene Vorſtellung auf einem Bacchi-
ſchen Sarkophag, Neapels Ant. S. 459., wiederkehrt.


3. Schöner Bacchantinkopf Eckhel P. gr. 25., und oft auf
Gemmen. Oft wiederholte Figuren ſind z. B. die V. Borgh.
2, 14. im L. 283.; die auf der Vaſe des Soſibios (Bouill. iii,
79.) welche auf Reliefs des Britt. Muſ. u. bei Landsdown wieder-
kehren, Amalth. iii. S. 246. Vgl. M. Flor. iii, 56.
Chiaram.
36. (Mänaden um die ältere Aphrodite), die §. 365
ex. erwähnten Thyiades et Caryatides, die Gemmen Lipp. i,
183. 184. Sehr häufig kehrt die auf einem Altar in Ekſtaſe
knieende halbnakte, welche eine flötenſpielende Athena (?) empor-
hält, wieder, auf dem Relief des L. Bouill. i, 75. u. in Gem-
men Lipp. i, 194 ff. Suppl. 242. 277. M. Flor. i, 88, 7.
9. Auch ſieht man eine ruhige Bacchante, Lipp. ii, 152, mit
demſelben Idol in der Hand. Auf einem Bacchiſchen Stier über
das Meer ſchwimmende Mänaden, Gal. di Fir. Gemme 9, 2.
u. oft. Auf einen See-Panther gelehnt, Pitt. Erc. iii, 17.


4. Erſchöpft ausruhende M. (vgl. Plut. Mul. virt. Φωκίδες)
PCl. iii, 43. das Relief G. Giust. ii, 104. Auch die Figur
bei Raoul-Roch. M. I. 5. (Thetis nach R. R.) rechne ich hierher,
obgleich auch unter den Oreſt umgebenden und in Schlaf geſunke-
nen Erinnyen eine ganz ähnliche Figur vorkommt. Auf Gem-
men iſt eine liegende Figur beliebt, die man halb von hinten, bis
auf die Beine enthüllt, mit höchſt anmuthiger Wendung des bieg-
ſamen Rückens ſieht, z. B. Guatt. Mon. In. 1785. p. lxxiii.
Dieſe Figur kömmt auch einen Luchs ſäugend vor (Marlbor. 50.),
welches Süjet Eurip. Bacch. 692 genügend erklärt.


[523]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

5. Als Bacchiſche Frauen erſcheinen Θαλία, Γαλήνη, Εὐ-
δία (die μελιτόεσσα εὐδία Pindars, welche ich der Ευοῖα
Viſconti’s Hist. de l’Inst. T. iii. p. 41. vorziehen möchte),
Εἰρήνη, Ὀπώρα (mit Obſt); ſ. Tiſchb. ii; 44. (vgl. 50.) Mil-
lingen Cogh. 19. Maiſſon. 22. (vgl. Millin Vas. i, 5.) vgl.
Welcker ad Phil. p. 213. Χορείας Neapels Ant. S. 365.
Pauſ. ii, 20. Διώνη als Dionyſos-Prieſterin, Neap. Ant.
S. 363., neben einer Μαινάς. Die Κωμῳδία §. 367, 3.
Ueber die ΤΡΑΝΟΙΔΙΑ (doch wohl ΤΡΑΛΟΙΔΙΑ τραγῳ-
δία) auf einer Vaſe ſ. Gerhard Kunſtbl. 1826. N. 4. R. Rochette
Journ. des Sav. 1826 p. 89. Welcker Nachtr. S. 236. Auch
Telete (neben Orpheus, Pauſ. ix, 30, 3) darf man hier ver-
muthen, ſie kömmt auf einem Relief von Aſtron in Lakonika vor,
Annali dell’ Inst. di Corr. 1829. p. 132. tv. C, 1. Von
der Methe §. 383, 9. Welcker ad Philostr. p. 212. Myſtis,
Zeitſchr. i. S. 508.


6. Kentauren.

389. In die Reihe dieſer Weſen duͤrfen wir auch1
die Kentauren einfuͤgen, da ſie, außer ihrer Stelle in der
heroiſchen Mythologie, durch die ungebundne Roheit, in
welcher ſich ein ſinnliches Naturleben in ihnen aͤußert,
dem Dionyſiſchen Kreiſe ſich anzuſchließen ganz geeignet
waren. Fruͤher ſtellte man ſie vorn ganz als Maͤnner2
dar, denen nach hinten ein Roßleib anwaͤchſt; hernach
verſchmolz man die Geſtalten viel gluͤcklicher, indem man
auf den Bauch und die Bruſt des Roſſes einen menſchli-
chen Oberleib fuͤgte, deſſen Geſichtsformen, ſpitze Ohren
und borſtiges Haar die Verwandſchaft mit dem Satyr
verrathen; dagegen in weiblichen Geſtalten (Kentauriden)
der menſchliche Oberleib mehr dem Kreiſe der Nymphen-
bildungen entnommen wurde, und die reizendſten For-
men zeigte. So ſtellen ſich dieſe, urſpruͤnglich bizarren,3
hernach zur vollkommenſten Formeneinheit ausgebildeten
Geſtalten in einer Reihe vortrefflicher Kunſtwerke dar,
bald im Gegenſatze edler Heroenkraft, bald als bezwungne
Unterthanen der Macht des Bakchos, meiſt leidend und
[524]Syſtematiſcher Theil.
4mißhandelt, aber in dem Heldenlehrer Cheiron auch mit
einem ehrwuͤrdigen Anſehn begabt.


1. Die Kentauren ſind gewiß alte Büffel-Jäger der Pelas-
giſchen Vorzeit, die Theſſaliſchen Ταυροκαϑάψια geben die Deu-
tung des Mythus. Kentauren als Dionyſiſche Thiaſoten, Böt-
tiger Vaſengem. i, 3. S. 87. Ein Kent. trägt auf einer Vaſe
einen Baum mit Tänien u. Tafeln mit Menſchenbildern, eine Art
αἰώρα, oscilla, Tiſchb. i, 42. Oft bei Dionyſiſchen Pom-
pen, beſonders als Zugthiere, PCl. v, 11.


2. Die ältre Geſtalt auf dem Kaſten des Kypſelos (Pauſ. v,
19, 2), Cluſiniſchen Vaſen (Dorow tv. 9, 3.), u. Gemmae
Flor. ii,
39, 1. vgl. §. 255, 2. Die ſpätre ſeit Phidias
(§. 118, 2.) herrſchend, vgl. die Beſchreibung Kalliſtr. 12. Lu-
cian Zeuxis (§. 138, 1.) bemerkt die ὦτα σατυρώδη der
Kent. — Säugende Kentauriden, wie bei Zeuxis und in dem ar-
tigen Gemählde Philoſtr. ii, 3., auf Bacchiſchen Reliefs, Bouill.
iii,
39, 1. 43, 4. Gemmen M. Flor. i, 92, 5. Zwei
Kentauren und eine ſchlafende Kentauris, St. di S. Marco ii, 32.
Kentauriden von Satyrn überfallen, PCl. iv, 21. Kentau-
ren mit Mänaden, Kentauriden mit Bacchanten in reizenden Grup-
pen, unter den Herculaniſchen Gemählden, §. 210, 6.


3. Schöne Kentauren. Borgheſiſcher, überaus ſorgfältig vol-
lendet, mit einem Bacchiſchen Eros auf dem Rücken. V. Borgh.
st. 9, [...]1. M. Roy. ii. Bouill.
1, 64. Der Kopf Laokoon
ähnlich. Dieſer Kent. entſpricht dem ältern der beiden Kent. des
Ariſteas u. Papias, §. 203, 1.


Kent. bei der Hochzeit des Peirithoos (Gemählde von Hippys,
Athen. xi, 474) oben §. 118. Hancarv. iii, 81. Tiſchb. i, 11.
Millingen Cogh. 35. 40. Div. 8. (Käneus Erlegung, vgl. §. 118,
3.). Pitt. di Ercol. i, 2. Kämpfe mit Herakles, unten.


4. Cheiron als Rhizotom auf dem Berge Pelion G. M. 153,
554. Achill bei ihm, unten. — Pantherkampf §. 323, 5.


[525]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
7. Dionyſos Thiaſos im Ganzen.

390. Die Dionyſiſchen Zuͤge und Schwaͤrme auf al-1
ten Kunſtwerken muß man gewiß aus ſehr verſchiednen
Geſichtspunkten betrachten. Theils als reine Vor-2
gaͤnge der Phantaſie, etwa wie die Maͤnaden bei dem
Trieteriſchen Feſte auf dem Parnaß die Satyrn zu erbli-
cken und ihre Muſik zu vernehmen glaubten, als ideale
Darſtellungen Bacchiſcher Ekſtaſe in allen Abſtufungen.
Theils als Scenen aus Dionyſiſchen Feſten, welche uͤberall3
in Griechenland mit mannigfachen Mummereien, beſon-
ders Repraͤſentationen des Dionyſos und ſeiner Thiaſo-
ten, verbunden waren, die an den Makedoniſchen Hoͤfen,
wie in Alexandria, mit dem unmaͤßigſten Luxus ausge-
fuͤhrt wurden. Waͤhrend auf Reliefs die Darſtellung der4
Dionyſiſchen Pompa vorherrſcht, wobei der Gott auf dem
Wagen gefahren wird, auch wohl Komodia oder wenig-
ſtens ihre Masken auf einem Karren nachfahren: kann5
man aus den Vaſengemaͤhlden eine lange Reihe ſolcher
Repraͤſentationen von ſehr verſchiedner Art zuſammenſtel-
len, indem man Juͤnglinge bald in gewoͤhnlichem Coſtuͤm,
mit Kraͤnzen, Fackeln, Floͤtenſpielerinnen, halb wandelnd
halb tanzend, den trunknen Komos auffuͤhren, bald aber
auch das aus Masken und Leibbinde beſtehende Satyrco-
ſtuͤm annehmen, und in ſolcher Vermummung einen von
ihnen als Dionyſos begleiten und umtanzen ſieht, woran
ſich dann orcheſtiſche Darſtellungen der Liebe des Diony-
ſos zur Ariadne natuͤrlich anſchließen. Endlich ſehen wir6
die auch bei ſolchen Zuͤgen vorkommenden Skurren oder
Phlyaken, mit ihren bizarren Masken, ausgeſtopften, bun-
ten Jacken und Hoſen und phalliſchen Abzeichen, in re-
gelmaͤßiger Buͤhnendarſtellung mythologiſche Scenen tra-
veſtiren, wodurch uns die ganze Geſtalt der aͤlteſten Ko-
moͤdie deutlich vor Augen gebracht wird.


2. Macr. S. i, 18. Solche Darſtellungen in Reliefs, auf
mehrern Urnen, wie der herrlichen Borgheſiſchen V. Borgh. St.
[526]Syſtematiſcher Theil.
2, 10. Bouill. i, 76. PCl. iv, 19 sqq. Cap. iv, 58.
Zoëga 83. 84. Br. Mus. i, 7.


3. Οἱ ἄγοντες (τὸν Δ.) διὰ μέσης τῆς ἀγορᾶς οἰνωμέ-
νον ἐπὶ τῆς ἁμάξης, Ath. x, 428 e. Ὥσπερ Διονυ-
σίοισιν ὁὐπὶ τῶν ξύλων, Hermipp bei dem Schol. Ariſtoph.
Vögel 1563. Ein ſchöner Sklav ſtellt in Athen den D. dar,
Plut. Nik. 3. Bei der Pompa Ptolemäos des II. (§. 147, 4.)
ſah man Silenen, Satyrn in großer Menge, den Eniautos, die
Penteteris, Horen, Dionyſos unter einer Laube oder σκιὰς (wie
auch in Athen, Photios s. v.), Mimallonen, Baſſarä, Lydä,
Nyſa, Semele’s Brautgemach, Nymphen, Hermes, Dionyſos auf
Elephanten als Sieger Indiens mit einem Satyriskos als Lenker
des Thiers, Dionyſos Kriegszug, Inderinnen, Aethiopiſche Tribut-
bringer, dann D. von der Rhea gegen Hera geſchützt, Priap neben
ihm u. ſ. w. Vgl. Schwarz über eine Bacchiſche Pompa, Opus-
cula p.
95.


4. S. PCl. iv, 22. 24. v, 7. Cap. iv, 47. 63. Cava-
ceppi Racc. ii, 58 (bei Landsdown). Woburn M. 12. Ueber
die Glocken, mit denen Bacchanten oft ganz behangen ſind (PCl.
iv, 20. Cap. iv,
49.) ſ. u. a. Catull 64, 262. — Die grö-
ßeren Bacchanale auf Gemmen ſind meiſt neue Arbeit. Der
Schlauchtanz der Askolien auf Gemmen Raponi t. 11. 14. Köh-
ler Descr. d’un Camée du Cab. Farnese. Petersb. 1810.


5. Κωμάζοντες Tiſchb. i, 50. ii, 41. iii, 17. iv, 33.
Millin i, 17. 27. ii, 42. Laborde i, 32. Bacchiſche Con-
vivien, Millin i, 38. Böttiger Aehrenleſe 38. Bekränzung des
beſten Trinkers Tiſchb. ii, 33. Coſtümirung zu Satyrn Tiſchb.
i, 37. 39. 40. 41. Millin ii, 17. D. als Theilnehmer des
Zugs Tiſchb. i, 36; (auf Eſel) ii, 42. D. thronend, von Satyrn
u. Bacchen umtanzt, Tiſchb. ii, 46. Maiſſon. 22. (§. 388, 5.).
Dionyſiſches ἄντρον, Tiſchb. i, 32. Das Vaſengem. bei
Millingen U. M. 26. ſtellt der Unterſchrift nach den ἱερὸς γάμος
des D. nach Naxiſcher Feier (Ναξιων) dar. S. auch Creuzer
Symb. Tf. 8. (wo der Haſe als Aphrodiſiſches Thier zu deuten iſt).
Vgl. das Syrakuſiſche Ballet in Xenophons Sympoſion 9. Auch
auf der Gemme, Eckhel P. gr. 23., bezeichnet die Statue des al-
ten Dionyſos eine ſolche Scene wohl als eine Cultusfeierlichkeit.


6. Eine ſolche Figur als Bacchiſcher Kanephor, Tiſchb. i, 41.
Darſtellung des Zeus bei der Alkmene §. 351, 4., des Dädalos und
[527]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Ares §. 367, 3., des Prokruſtes Millingen Div. 46., des Taras
oder Arion, Tiſchb. iv, 57. vgl. Böttiger Ideen zur Archäol. S.
190 ff. Gryſar de Dor. comoedia p. 45 sqq. Man kann
dieſe Hiſtrionen auch gerrones nennen, welche wahrſcheinlich von
ihren Phallen, den γεῤῥοις Ναξίοις bei Epicharm (Schäfer
Appar. in Demosth. V. p. 579), den Namen haben.


[528]Syſtematiſcher Theil.
C. Neben- und Untergeordnete Gottheiten.

1. Kreis des Eros.

1391. Wenn Eros in Tempelbildern als ein Knabe
von entwickelter Schoͤnheit, und ſanfter Anmuth der Ge-
berde dargeſtellt wurde (§. 127, 3), und die einzelnen
2Statuen des Gottes auch jetzt dies Alter zeigen: ſo zog
eine juͤngere Kunſt, welche mit der taͤndelnden Poeſie
ſpaͤter Anakreontika und den epigrammatiſchen Scherzen
der Anthologie verwandt war, zu ſolchen Zwecken die
3Kindergeſtalt vor. Als ein unentwickelter ſchlanker Knabe,
voll Munterkeit und Beweglichkeit, zeigt er ſich in den
Nachahmungen eines ausgezeichneten Originals eifrig be-
4muͤht, die Sehne an den Bogen zu fuͤgen; in aͤhnlicher
Figur koͤmmt er auf Vaſengemaͤhlden uͤberall zur Be-
5zeichnung des Liebesverhaͤltniſſes vor. In bluͤhender
aber nie unangenehm weichgeformter Kindergeſtalt ſieht
man Eros, und haͤufiger Eroten, in zahlloſen Re-
liefs und Gemmen der Goͤtter Inſignien fortſchlep-
pen, zerbrechen, die wildeſten Thiere ſchmeichelnd be-
zwingen und zu Reit- und Zugthieren machen, unter
Seeungeheuern kekk und muthwillig umherſchwaͤrmen, und
alle moͤglichen Geſchaͤfte der Menſchen ſcherzend nachah-
men, wobei die Kunſt am Ende ganz in ein Spiel aus-
6artet und alle Bedeutung voͤllig aufgiebt: eine unuͤber-
ſehliche Zahl von Bildwerken, welche dadurch noch ver-
mehrt wird, daß auch wirkliche Kinder gern als Eroten
7dargeſtellt wurden. Zuſammengeſtellt ſieht man Eros er-
ſtens mit Anteros, einem Daͤmon, der Gegenliebe ge-
8bietet, verſchmaͤhte Liebe raͤcht; und dann in einer zahl-
reichern und wichtigern Claſſe von Bildwerken, welche
einer ihren erſten Anfaͤngen nach wahrſcheinlich aus Or-
phiſchen Myſterien hervorgegangenen allegoriſchen Fabel
angehoͤren, mit Pſyche, die als Jungfrau mit Schmet-
terlingsfluͤgeln oder gleichſam abbrevirt als Schmetterling
[529]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
erſcheint. Die Kunſtwerke ſcheinen dieſe Fabel in den
Hauptzuͤgen noch urſpruͤnglicher und ſinnvoller darzuſtellen,
als es die zum Mileſiſchen Maͤhrchen ausgeſponnene Er-
zaͤhlung des Appulejus thut.


1. Der Torſo von Centocelle (mit Krobylos) PCl. i, 12.
M. Nap. i, 64. Bouill. i,
15. Aehnlich, mit Flü-
gelanſätzen, in Neapel. Der ſog. Genius V. Borgh. 9, 11.
Bouill. iii,
10, 2. vgl. Winckelmann (der ihn zu hoch hielt)
W. iv, 81. 141. Vielleicht auch der ſog. Adonis (Apoll)
PCl. ii, 32. M. Franç. iii, 3. Bouill. ii, 12.


2. Eine reiche Ueberſicht ſolcher Tändeleien bietet Klotz über
den Nutzen u. ſ. w. S. 198. Nach Epigrammen der Anthologie
Heyne Comment. Soc. Gott. x. p. 92. Ein blitzſchleudernder
Er. auf Alkibiades Schilde, Athen. xii. p. 534.


3. M. Cap. iii, 24. M. Nap. i, 63. Bouill. i, 19.
Fr. ii,
7. Winck. W. vi, 6. — St. di S. Marco ii,
21. G. Giust. 27 — 28. M. Worsl. i, iii, 13.
Bouill. iii, 11,
1. 3. Nach Lyſippos?


4. Er. die Jo mit Huld beträufend (Χάριτες γλυκὺ χεῦαν
ἔλαιον Brunck Anal. i. p. 480.) Millingen Cogh. 46. vgl.
Div. 42.


5. Παίζοντες Ἔρωτες Xenoph. Eph. i, 10. Mit Götter-
Inſignien M. Cap. iv, 30. (Anth. Palat. Plan. 214 sq.),
unten Herakles. Den Löwen durch Kitharſpiel beſänftigend,
Gemme des Protarchos, Gall. di Fir. Gemme 2, 1. Arke-
ſilaos marmorea leaena aligerique ludentes cum ea Cupi-
dines
Pl. August. 73. Eros in der Purpurmuſchel, Millin
M. I. ii, 18. vgl. §. 378, 2.; auf Hippokampen, M. Kircher. ii, 13.
Bakchiſche Eroten PCl. v, 13. G. Giust. ii, 128 (ein ſehr
artig erfundnes Relief). Er. vom Gaſtmal kommend, ein andrer
als Fackel-, ein dritter als Lampenträger (ἀποκεκυφὼς ὥσπερ
λυχνοφορῶν Ariſtoph. Lyſ. 1003.) Gemme, Winck. M. I. 30.
vgl. Chriſtie Paint. Vas. 3. Eroten mit Bechern u. dgl.
tanzend, Ant. Erc. iii, 34. 35. Er. von der Παιδιὰ ge-
ſchaukelt, Vaſengem. Bullet. dell’ Inst. di Corr. 1829. p.
78. Er. mit Aphr. fiſchend, Zahn Wandgem. 18. Ein
Eros-Poſeidon, ſehr geiſtreich gefaßt ebd. 8. Er. als Ganyme-
des Ueberwinder im Knöchelſpiel, Apollon. Rh. iii, 111. Phi-
loſtr. d. j. 8. u. die Statue in Berlin, Hirt S. 219. Levezow
34
[530]Syſtematiſcher Theil.
Amalth. i. S. 175. Eroten als Handwerker Ant. Erc. i, 29.
Circuskämpfer Cap. iv, 48. G. Giust. ii, 109. G. M.
670* (vgl. Spartian Ael. Ver. 5.). Jagend Pitt. Erc. v, 59.
Als gymniſche und hippiſche Kämpfer aller Art (Ἀγῶνες?)
Bouill. iii, 45. 46. Gall. di Fir. St. 120. G. Giust. ii,
124. Gegen die Benennung Genien für ſolche Flügelknaben
ſpricht mit vollem Recht Zoëga Bass. ii. p. 184. Ein Eroten-
Neſt, Zahn Wandgem. 20. “Wer kauft Liebesgötter (Göthe)”
Ant. Erc. iii, 7. Neapels Ant. S. 425. Er. von der
Thüre des Geliebten ausgeſchloſſen, begoſſen, Mill. P. gr. 62.


6. Suet. Calig. 7. Hieher gehören wahrſcheinlich beſonders
die ſchlafenden Eroten, wie der auf der Löwenhaut, mit den abge-
legten Waffen, der Eidechſe, Bouill. iii, 11, 2. PCl. iii, 44.


7. Er. mit Anteros um die Palme kämpfend, Pauſ. vi, 23,
4. und auf dem Relief, Hirt 31, 3. Vgl. Böttiger vor der
ALZ. 1803. iv. u. Schneider im Lexikon. Er. neben Aphro-
dite §. 376, 377. mit Silen §. 386, 3. auch Caylus v, 71, mit
Pan kämpfend, Welcker Zeitſchr. S. 475.


8. Die Fabel läßt ſich ſchwerlich anders als aus der Orphi-
ſchen Idee erklären, daß der Körper ein Kerker der Seele, daß die
Pſyche hier auf Erden in der Erinnerung an ein glückſeeliges Zu-
ſammenſein mit Eros in frühern Aeonen, aber verſtoßen von ihm
und fruchtloſer Sehnſucht voll ihr Leben hinbringt, bis der Tod ſie
wieder vereinigt. Auf Myſterien deutet der Oknos mit dem lah-
men Eſel in der Unterwelt (Apulej. vi. p. 130), den Polygnotos
(§. 134, 3.) gewiß auch aus den Myſterien hatte, vgl. Kratinos
bei Suid. s. v. ὄνου πόκαι, Diodor i, 97. Viſconti PCl. iv,
36. Die Kunſtwerke zeigen Pſyche von Er. mißhandelt, als Schmet-
terling geſengt, zu mühſamer Arbeit verurtheilt, im Stygiſchen Schlafe
(bei Hirt 32, 6.), durch Muſik von Er. daraus erweckt, durch Her-
mes Pſychopompos und den gefeſſelten Eros beflügelt, mit Aphro-
dite verſöhnt, beim Hochzeitmal und bräutlichen Torus, von Eros
umarmt in der ſehr geiſtreich gedachten und vortrefflich angeordneten
Gruppe (M. Cap. iii, 22. Fr. i, 4. Bouill. i, 32. —
Flor. 43. 44. — August.
64. 65). S. Hirt Taf. 32 u. in
den Schriften der Berl. Akad. 1812. S. 1. Creuzer Abbild. zur
Symb. S. 24 ff. Dabei zwei ſich feindliche Eroten anzuneh-
men, ſcheint nicht rathſam; derſelbe Eros erſcheint ſchlagend und
heilend; die mildere Natur bezeichnete ſchon Pauſias durch die Lyra
für den Bogen Pauſ. ii, 27, 3. Pſ. neben Er. knieend,
Gruppe im Louvre 496. V. Borgh. 9, 9. Bouill. iii, 10, 5.
[531]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Knieende Pſ. im L. 387. V. Borgh. 3, 4. Bouill. iii, 11,
4. M. Roy. i,
15. u. in Florenz (§. 126, 4). Er. nach
dem Schmetterling ſchlagend (joueur de ballon) Bouill. iii,
10, 6. Der himmliſche Er. als Flötenſpieler auf dem Mo-
num. Marcellinae ed. C. Patin. Patav.
1688. 4.


392. Verwandter Art ſind die Daͤmonen Pothos,1
Himeros, Hymenaͤos, wovon dieſer neben Eros, groͤ-
ßer und ernſthafter, erſcheint; auch vielleicht Komos, der2
Fuͤhrer des luſtigen Feſtſchwarms. Bei den Chariten3
iſt Geſelligkeit Hauptbegriff, wechſelſeitiges Haͤndegeben
und Umarmen charakteriſirt ſie. Ein Lieblingsgegen-4
ſtand der ſpaͤtern verweichlichten und uͤppig gewordnen
Kunſt war der Hermaphrodit — der im Ganzen
hier nicht als Naturſymbol ſondern als Kuͤnſtlerphantaſie
zu faſſen iſt, obgleich es auch Cultusbilder von ihm
gab — in beruͤhmten Kunſtwerken bald ſich unruhig im
Schlafe dehnend, bald ſtehend und uͤber ſeine eigne raͤth-
ſelhafte Natur erſtaunt, bald von Eroten im Schlafe ge-
faͤchelt, oder von verwunderten Satyrn und Panen be-
lauſcht, auch im frechen Symplegma mit einem Satyr,
der ihn fuͤr eine Nymphe genommen und erhaſcht hat.
Hiebei ſchieben wir die Eileithyia, die bindende und5
loͤſende Goͤttin der Wehmuͤtter, ein.


1. Pothos u. Himeros §. 125, 3. Pothos als Flötenbläſer
Tiſchb. ii, 44. Himeros mit einer Stirnbinde, Maiſſoneuve
22. Hymenäos bei Ares Ehebruch.


2. Komos ein Nachtſtück bei Philoſtr. i, 2. (vgl. Perſ. v,
177.) auch i, 25. Nach Zoëga, Bassir. 92. vgl. Hirt S. 224.
Dagegen Welcker ad Ph. p. 202 — 15. Oben §. 385, 6.


3. Ueber ihre Bekleidung §. 336, 8. Aeltre Vorſtellungen
§. 96, 15. 16. vgl. §. 359, 4. Die ſpätre V. Borgh. 4,
14 (L. 470.). Bouill. i, 22. Guattani Mem. enc. T. v.
p. 113. Ant. Erc. iii,
11. Mit Mohn, Blumen, Aehren
als Jahresgöttinen auf einem Cameo in Rußland, Köhler Descr.
d’un Camée.
1810.


34*
[532]Syſtematiſcher Theil.

4. §. 128, 2. Heinrich Comm. de Hermaphroditis
Hamb.
1805. Böttiger Amalth. i. S. 352. Liegende Sta-
tuen, auf einer Löwenhaut M. Flor. iii, 40. (vgl. Bartoli Lu-
cernae i,
8. wo Andere die Nacht ſehn, auch Paſſeri Luc. i.
8.); auf Bernini’ſchen Polſtern V. Borgh. 6, 7. L. 527. Bouill,
i,
63.; auf antikem matelas L. 461. M. Fr. iv, 4. Bouill.
iii,
15. Stehender H. (Chriſtodor 102) mit einem Tuch
um den Kopf, Caylus iii, 28 — 30. Kunſtbl. 1824, 77.
Stehender H. aus Pompeji mit Satyrohren, Reap. Bildw. S. 118.
Oſann Amalth. i. S. 342. Auch einer bei Hope. Auf Gem-
men der im Schlafe überraſchten Ariadne ähnlich, Welcker ad
Philostr. p.
297., auch Zoëga Bass. 72. Ant. Erc. vii,
31—34. Der H. an einen Baum gebunden Guatt. Mon. In.
1785. p. lxix.
Symplegma §. 385., 4. f. Ein Hermaphrodit
von einem ſolchen in Venedig. H. Greif u. Panther lenkend,
Tiſchb. iii, 21.


5. Böttiger, Ilithyia oder die Hexe (nach einer Gemme bei
Maffei). Häufige Reliefdarſtellungen einer ϑεὰ κουροτρόφος, der
Kinder übergeben werden, wie das Albaniſche §. 96, 13., das
Sigeiſche Choiſ. Gouff. Voy. pitt. ii, 38.


Narkiſſos Beſpiegelung (Eros Fackel wird zur Todesfackel)
Pitt. Erc. v, 29. Lipp. I. ii, 63.


2. Muſen.

1393. Die Muſen hatten aͤltre Kuͤnſtler ſich be-
gnuͤgt, in der Dreizahl darzuſtellen, und unter ſie die
2Hauptinſtrumente der Muſik zu vertheilen; erſt als das
juͤngere Ideal des Apollon Muſagetes in dem Gewande
der Pythiſchen Muſiker ausgebildet war, wurde die Neun-
zahl dieſer ebenfalls meiſt in Buͤhnengewaͤnder gekleideten
Jungfraun, mit feinen ſinnvollen Geſichtern, durch Aus-
druck, Attribute, zum Theil auch durch die Stellung fein un-
terſchieden, von mehrern beruͤhmten Kuͤnſtlern aufgeſtellt.
3Beſonders ſcheint es zwei, von einander unabhaͤngige,
Hauptgruppen gegeben zu haben, da bei mehrern Figu-
ren, wie ſie in Statuen, Reliefs und Gemaͤhlden vor-
[533]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
kommen, zwei Hauptvorſtellungsarten ſich ſcheiden laſſen,
doch waren auch dieſe nicht ſo allgemein anerkannt, und
uͤberhaupt die Rollen der einzelnen Muſen nicht ſo feſt-
beſtimmt, daß nicht auch daneben zahlreiche Abweichun-
gen vorkommen koͤnnten. Die Federn den auf Haͤup-4
tern der Muſen werden aus dem Siege uͤber die Si-
renen
erklaͤrt.


1. Muſengruppe des Ageladas, Kanachos, Ariſtokles mit Flöte,
Leier, Barbiton, nach Antipatros (Anth. Pal. ii. p. 692) das
Diatonon, Chroma und Enharmonion darſtellend. Alterthüm-
liche Muſen aus Athen in Venedig, Thierſch Epochen S. 135.


2. Muſen des Lyſippos, des Strongylion nebſt Kephiſodotos
u. Olympioſthenes (Pauſ.), des Philiskos (?) Plin. Eine
Hauptgruppe war die von Ambrakia im T. des Hercules Muſagetes,
§. 180, 2. (vielleicht von Polykles Ol. 102), wovon man ſieben
aus den Münzen kennt. Stieglitz Einr. v. Münzſ. S. 206.


Erhaltne Statuen-Gruppen: 1. die aus der Villa des Caſ-
ſius zu Tivoli PCl. i, 17—27. M. Fr. i, 6—14. Bouill.
i,
34—42. Sie war mit dem Apollon, §. 361, 6., zuſammen,
aber ohne die, hinzugefügte, Euterpe und Urania gefunden worden.
2. die der K. Chriſtina in Ildefonſo. 3. die in Stockholm (ſeit
Guſtav iii) bei Fredenheim §. 265, 2. Guattani Mon. In.
1784. Aug. sqq.
4. die Töchter des Lykc edes §. 264, 1. —
Acht Figuren in Hercul. Gemählden (Euterpe fehlt) mit Unter-
ſchriften Ant. Erc. ii, 2—9. Unter den Reliefs beſonders
das berühmte, ehemals im Pall. Colonna, jetzt im Britt. Muſeum
(Cuper Apotheosis Homeri, 1683. Schott Explic. nouv.
de l’apoth. d’Hom. 1714. PCl. i. tv. B),
welches Homers
göttliche Verehrung unter Begünſtigung des Zeus, Apollon Pythios
u. aller Muſen darſtellt. Dann die Sarkophage PCl. iv, 14.;
Cap. iv,
26. (jetzt im L. 307. Bouill. i, 77); Cap. iv.
p. 127 vign.; M. Matth. iii, 16. 49, 1. 2.; G. Giust. ii,
90. 114. 140.; Montf. i, 60, 1. 2.; Bouill. iii,
40; Woburn M.
5. Einzelne Statuen bei Bouill.
iii,
11. 12.


3. Polymnia wickelt in der Ambrakiſchen Gruppe den r.
Arm in den Mantel, wie im PCl. i., Guatt.; aber ſtützt ſich
nicht mit dem Ellenbogen auf den Felſen, wie im L. 306 (V.
Borgh. 7, 12. Bouill. iii, 12, 5. M. Roy. i, 2),
in
[534]Syſtematiſcher Theil.
Sansſouci, Apoth. Homers, PCl. iv, Cap. iv. (Meyer Tf. 12.
B.) u. ſonſt. Melpomene ſtand in Ambrakia in breiter
Stellung mit Keule in der R., Maske in der L., ähnlich wie
PCl. ii, 26 u. in der Coloſſalſtatue im L. 348. Bouill. i, 43.
M. Fr. iv,
2; auch PCl. iv, Ant. Erc.; ohne den Fuß emporzu-
ſtellen, wie PCl. i, Guatt., Cap. iv. Den Aufſatz Onkos (Pol-
lux iv, 133 sqq.) ſieht man PCl. iv u. an den Büſten vi,
10. Geharniſcht iſt Melp. G. Giust., Montf. i, 61., Cap.
p.
127. Euterpe ſieht man mit Flöten ſitzend, ſtehend;
aber auch tanzend (bei Guatt. ſehr ähnlich wie in der Ap. Ho-
mers). Die Eut. Borgheſe Bouill. i, 44. M. Roy. i, 4.
iſt eine adorans; vgl. M. Roy. i, 10. 12. Thalia (Sta-
tue? Brit. Mus. iii, 5.) erſcheint ganz abweichend, als Bac-
chante, halbnackt, auf Gemmen, Agoſtini ii, 8. Montf. 61. Mil-
lin P. gr. 9. Die Mnemoſyne von Tivoli im PCl. i, 28.


4. Die Muſen mit Federn Cap. p. 127. Kampf der Mu-
ſen mit den Sirenen, G. M. 63. Winck. M. I. 46. Gori Inscr.
iii, t.
33. Millingen U. M. ii, 15. (von einem Sarkophag
in Florenz).


SirenenG. M. 312. 13. Bei Odyſſeus, Tiſchbeins Ho-
mer 2, 6. 8, 2. Vaſengem. i, 26 (mit Tympanum). Als
Halbvogel auch auf den Denaren der G. Petronia. Auf So-
phokles Grabe nach der Vita Soph., wo Andre eine χελιδὼν
(oder lieber κηληδών) ſahen. Auch ſonſt auf Grabmälern.
De Sirenibus in numis Spanheim de usu num. I. p. 251.
Ueber die Geſtalt gegen Schorn Voß Antiſymb. ii, doch iſt die
ſpätere Verwandlung der Jungfraun in Halbvögel noch unerklärt,
und es ſcheint, daß auch die Vogelgeſtalt ihren mythiſchen Grund
habe.


Die Keledonen der Lokriſchen Vaſe beruhen auf falſcher
Lesart; in Delphi waren es Vögel. Vgl. Amalth. i. S. 122
ii. S. 274.


3. Heilgoͤtter.

1394. Asklepios, im Cultus ein Gott, obgleich
in der Poeſie ein Heros, erhielt die in der Kunſt herr-
ſchende Form — eines reifen Mannes von Zeusaͤhnlichem,
nur weniger erhabnem Antlitz, mit mildem freundlichem
[535]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Ausdrucke, das volle Haar mit Lorbeer umkraͤnzt, in ſte-
hender zur Huͤlfe bereiter Stellung, das Himation um den
linken Arm unter der Bruſt umhergenommen und ſtraff
angezogen, den von einer Schlange umwundnen Stab
in der rechten Hand — beſonders in dem Pergameniſchen
Heiligthum durch Pyromachos (Ol. 130). Daneben2
erhielten ſich indeß auch andre Vorſtellungen, auch die
eines jugendlich unbaͤrtigen Asklepios, die fruͤher ſehr ge-
woͤhnlich geweſen war. Mit ihm wird Hygieia,3
eine Jungfrau von beſonders bluͤhenden Formen, welche
meiſtens eine Schlange aus einer Patere in ihrer Linken
trinken laͤßt, und der kleine vermummte Telesphoros gruppirt.


1. Vgl. Kalliſtratos 10. Retorto Paeonium in morem
succinctus amictu
Virg. Aen. xii, 400. Von Pyromachos §.
154. Sein Askl. ohne Zweifel auf zahlreichen M., beſonders Homo-
nöen M., von Pergamon. Choiſeul Gouff. Voy. pitt. ii, 5. Etwas ab-
weichend auf einer M. des Aurel. Verus, n. 591 bei Mionnet,
wo das Gewand weiter herabfällt, und die R. den Stab wie ei-
nen Scepter faßt, nicht abwärts ſondern aufwärts. Die Epi-
dauriſche Statue, Pauſ. ii, 27, 2., war ganz anders, doch fehlte
die Schlange nicht. Statuen (nach der Pergameniſchen) Au-
gust. i,
16.; in Berlin Cavac. i, 34.; in Florenz, Galleria
27. Mit Telesphoros zuſammen M. Fr. iii, 6. Bouill. iii,
12, 6. Abweichend Gall. Fir. 26. vgl. 22. Die Statue
im L. 233. M. Nap. i, 46. M. Fr. ii, 15. Bouill. i,
47. zeichnet ſich durch das herabhängende Gewand, den großen Dra-
chen zu Füßen und die turbanartige Kopfbinde (ϑερίστριον?)
aus, die auch die Büſten S. Marco ii, 3. M. Worsl. 9. ha-
ben. Schöne coloſſale Büſte im L. 15. M. Nap. i, 47. Bouill.
i,
71., auf M. von Nikäa, Bith. n. 226. Mionn. Vgl.
Sprengel Geſch. der Medicin i. S. 205.


2. So zu Sikyon von Kanachos, in Gortys von Skopas und in
Phlius, nach Pauſan. Schöne Statue der Art bei Guatt.
Mem. enc. T. vi. p. 137.


3. Schöne Statue bei Hope Spec. 26. H. zu Caſſel, von
Oſtia Bouill. i, 48. Welkers Zeitſchr. S. 172. M. Fr. i,
15. Bouill. iii,
13. 2. H. Domitia, nach Viſconti, aus Ber-
lin, M. Roy. ii, 2. Bouill. ii, 57. Gal. Flor. 28.
Bouill. iii, 13, 3. S. Marco ii,
15. 16.


[536]Syſtematiſcher Theil.

Dieſelbe Gruppe auf Kaiſer-M. von Samos (n. 267) mit,
u. Odeſſa (230) ohne Telesphoros. Askl. u. Hyg. in Relief
große Schlangen nährend, aus V. Borgh. Bouill. iii, 41.
Askl. ſitzend, H. ſtehend Cap. iv, 41. Beide als Mittelpunkt
des Weltſyſtems auf einer Gemme, Guatt. Mon. In. 1787.
p. lvii.
Askl. gelagert, in einem ſchönen Relief St. di S. Marco
ii,
17. Dank des Geneſenen an Askl., durch die Gratien cus-
gedrückt, PCl. iv, 12. Opfer an Hygiea Cap. iv, 42. Te-
lesphoros, Bouill. iii, 13, 1.


4. Urwelt.

1395. Die Griechiſche Kunſt konnte es ſich nicht zum
Ziele ſetzen, die Vorſtellungen aͤlterer dem dunkeln Ur-
ſprunge der Dinge naͤher ſtehender Gottheiten zu geſtalten;
Uranos, Gaͤa, Kronos, Rhea kommen nie fuͤr
ſich als bedeutende Kunſtwerke vor, wenn ſie auch in
2Gruppen und Reliefdarſtellungen ihre Stelle finden. Kro-
nos bezeichnet die Verdeckung des Haupts, oft auch dazu
das herabhaͤngende Haar. Rhea erhielt mehr Bedeutung
durch die Vermiſchung mit der Muttergoͤttin des
Phrygiſchen Dienſtes; ſchon Phidias bildete dieſe fuͤr ein
Atheniſches Metroon; die Thurmkrone, die Handpauke
als Zeichen ihres enthuſiaſtiſchen Dienſtes, das Loͤwenge-
3ſpann machen ſie kenntlich. Mehr orientaliſch iſt die
Geſtalt und das Coſtuͤm des weniger in Hellas eingebuͤr-
gerten Atys geblieben.


1. S. die Reliefs Cap. iv, 5. 6. Von Saturn G. M.
1—4., wo n. 3. Kronos-Suchos (§. 232, 3. A. V.) iſt. Auf
Römiſchen Denaren hat er conſtant die ἅρπη (Vgl. Paſſeri Luc.
i,
9.), welche auf Aegyptiſchen Münzen eine grade und krumme
Spitze hat. Böttiger Kunſtmythol. S. 230. Büſte PCl. vi, 2, 1.


2. Threnende Statue der Kybele PCl. i, 40. Stehende
S. Marco ii, 2. Kybele thronend, ein Korybant tanzend,
Relief bei Gerhard Ant. Bildw. 22. Kybele thronend, mit Lö-
wen neben ſich, ſchöne Figur auf M. von Laodikeia, n. 701 bei
[537]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Mionn. Vgl. Boiſſard. iii, 133. Auf Löwen reitend, in
einem Gemählde des Nikomachos, und auf der spina Circi.
Taurobolien- und Kriobolien-Altäre Zoëga Bassir. 13. 14.
Boiſſard iii, 47. v, 33. 34. Paſſeri Luc. i, 19. Andre
Monumente des Dienſtes G. M. 9—15. Kybele als Livia,
Cameo bei Eckhel P. Gr. 12. Abhandlung von Köhler. Die
Magna mater mit Pan, oben §. 387, 7.


3. Atys, Statue Guatt. M. I. 1785. Marzo. Atys
mit der Pinie Paſſeri Luc. i, 17. Atys ſich verſchneidend und
andre Darſtellungen des Dienſtes auf den contorniatis, die für
ludi (Megalesii) geſchlagen wurden. Vgl. Thes. Ant. Gr. i,
5. Archigallus (gemahlt von Parrhaſios nach Plin.), Re-
lief des M. Cap. iv, 16. Abhandlung darüber von Domen.
Georgius. Rom 1737. Herausg. Winck. iv. S. 269.


396. Der Titaniſche Himmelstraͤger Atlas wird1
auf Vaſengemaͤhlden faſt ſcherzhaft dargeſtellt, in ſpaͤ-
terer Zeit als Traͤger von aſtronomiſchen Globen ge-
braucht. Prometheus ſinnvolle Fabel reizte ſchon2
an ſich zur Darſtellung, beſonders des gefeſſelten und
angeſchmiedeten Gottes; in den ſpaͤtern Zeiten des Hei-3
denthums wurde ſie mit der Sage von Eros und Pſyche,
Alkeſtis, den Moͤren und andern zuſammen zu großen
allegoriſchen Darſtellungen des Menſchenlebens an Sar-
kophagen gebraucht.


1. Inghir. M. E. v, 17. Atlas mit Herakles, Philoſtr.
ii, 20. Der Farneſiſche Atlas, Gori Gem. astrif. T. iii.
p. 1. t.
1—6. Hirt 15 a. b. 16, 1.


2. Prometheus Befreiung durch Herakles von Euanthes ge-
mahlt, Achill. Tat. iii, 8. (ähnlich wie auf dem Capitol. Sar-
kophag). Seine Strafe, Liban. Ἐκφρ. p. 1116. Epigramme
von Julian in der Anthol. Als Feuerbringer Bartoli Luc. 2.
Menſchenbildend 1. Geſtraft 3.


3. G. M. 381 — 383. (der Sarkophag Admir. Rom.
67. faßt die Feſſelung und Befreiung des Prom. als Symbol der
menſchlichen Einkerkerung im Leibe, nach Orphiſcher Lehre, von
beiden Seiten durch die Darſtellung der Bildung des Menſchen und
[538]Syſtematiſcher Theil.
ſeines Todes ein). Verwandte Vorſtellungen V. Borgh. st. i,
17. M. Nap. i, 14. Bouill. iii,
41, 2.; Millin Voy.
dans le midi iii, p. 544. Bouill.
41, 1. (Wie das Chal-
däiſche in der Parze, die das thema genethliacum nachweist,
ſo ſcheint auch die altteſtamentaliſche Sage von Adam u. Eva und
der Schlange hier aufgenommen zu ſeyn). Neapels Ant. S. 52.
Pandora gebildet und beſchenkt, Winck. M. I. 82, bei Bouill.
iii,
42, 1.


Kabiren ſicher auf M. von Theſſalonike (Kybele auf der
andern Seite) mit Hammer, Schlüſſel, Rhyton (nicht dem Zodiacal-
Steinbock, Creuzer Abbildungen S. 17) bei Combe 5, 3. Welcker
Prometh. zu S. 261.


5. Unterwelt.

1397. Der ernſte Hades unterſcheidet ſich durch ſtaͤr-
kere Bekleidung, ausgenommen wenn er als Raͤuber der
Kora in raſcher Thaͤtigkeit erſcheint, durch das in die
Stirn hereinhaͤngende Haar und ſein duͤſtres Anſehn ge-
nug von ſeinen Bruͤdern; neben ihm thront mit entſpre-
2chendem Charakter Perſephone als Stygiſche Hera. Dar-
ſtellungen dieſer Gottheiten und der geſammten Unterwelt
ſind indeß auf Todtenurnen und Sarkophagen nicht ſo
haͤufig als man erwarten ſollte; das Alterthum liebt durch
Scenen aus ganz andern Mythenkreiſen heitere Vorſtel-
3lungen vom jenſeitigen Leben zu erwecken. Die freund-
liche Anſicht von Grab und Tod, welche ſich das Alter-
thum zu erhalten ſuchte, bewirkt, daß wir Schlaf und
Tod in ſeinen Kunſtwerken nicht zu unterſcheiden vermoͤ-
gen, wenn nicht uͤberhaupt der ſcheinbare Todesgenius immer
4blos ein Schlafgott iſt. Die zauberiſche und geſpenſtiſche
Hekate iſt hin und wieder fuͤr Cultusbedarf, und zwar
ſchon ſeit Alkamenes mit drei Koͤrpern, dargeſtellt wor-
den, aber jetzt faſt nur in kleineren Bronzen erhalten.


1. Viſconti hält für den einzigen ächten Kopf des H. eine
treffliche Büſte des Princ. Chigi PCl. ii, A. 9. Doch iſt wohl
[539]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
auch der Baſaltkopf vi, 14. mehr Hades als Serapis. Sta-
tue (Serapis?) PCl. ii, 1. H. thronend auf KaiſerM. von
Kyzikos, auf Lampen, Paſſeri iii, 73. Bartoli ii, 6. 8., kaum
von Serapis zu ſcheiden. Ein Zeus H. auf der Bentinckſchen
Gemme, Cannegieter de gemma Bent. Traj. ad Rh. 1764.
Schönes Relief (Eros u. Pſyche neben dem Doppelthron) PCl. ii, 1.
H., Kora, Hermes an einer Ara, G. Giust. ii, 126, 3.
Gemählde G. M. 343. Die vollſtändigſte Darſtellung der Un-
terwelt — H. als Zeus der Unterwelt, Kora mit Fackel, Tanta-
los, Siſyphos, die Todtenrichter, die ſeeligen Heroen, Orpheus,
Herakles als Beſucher des Schattenreichs, — Vases de Canosa 3.
Landung in der Unterwelt, die Mören, Lethe den Trank reichend
G. Giust. ii, 126, 2. PCl. iv, 35. Bezahlung des Obo-
lus an Charon, Bartoli Luc. i, 12. Charon die Urne mit
einer Klepſydra überfahrend, Gemme bei Chriſtie Paint. Vas. 5.
Wiedererkennung in Elyſion Bartoli Pitture del Sep. de’ Na-
sonii
7. Strafen der Unterwelt, PCl. iv, 36. (Danaiden
u. Oknos), v, 18. (Tantalos, Siſyphos, Ixion), Bartoli Sep.
56. (Ixion, Tantalos, Atlas). Der Stromgott Acheron
Bartoli Sep. 57.


2. Durch den Mythus des Endymion — ſüßer Schlaf —; den
Raub der Kora — κάϑοδος u. ἄνοδος —; das Schickſal der
Alkeſtis u. des Hippolytos — Rückkehr ins Leben und Palinge-
neſie —; Nereidenzüge — die Reiſe nach den ſeeligen Inſeln, wo-
hin Thetis den Achill geführt —; Herakles mit Kerberos — blo-
ßer Beſuch der Unterwelt. Der Mythus des Proteſilaos, welcher
Wiedervereinigung der Geliebten verheißt, iſt in dem Relief PCl.
v,
18. entſchieden Orphiſch behandelt worden; indem die von Pro-
teſilaos beſuchte Laodameia als eine Theilnehmerin Bakchiſcher Orgien
bezeichnet wird, vgl. §. 383, 4. Das Relief, Gall. di Fir.
St.
153, zeigt zugleich die Kora von Hermes, Alkeſtis von Herakles
emporgeführt, beide mit der Hora (vgl. §. 358, 3. u. die Orph.
Hymn. 43, 6 ff.); auch dem Todten wird ſeine ὥρα zu Theil
werden. Andre Lieblingsvorſtellungen ſind Reiſen zu Lande
oder zu Waſſer (Paſſeri de animarum transvectione im Thes.
Gemm. astrif. iii. p.
113., unten) oft höchſt ſinnreich ausgebil-
det, z. B. wenn auf einer Gemme ein Eros die Urne (§. 299, 6.)
als Seegelſchiff nach Elyſion braucht. Chriſtie Paint. Vas. 7.
Lipp. Suppl. 439. vgl. Amalth. iii. S. 182.


3. Leſſing: Wie die Alten den Tod gebildet haben (als Genius
mit der Fackel). Herder: Wie die A. d. T. g., in den zerſtreu-
ten Blättern (mittelbar durch den Schlaf). Ein Jüngling mit
geneigtem Heupte ſchlafend PCl. i, 29. Sonno. Die Arme
[540]Syſtematiſcher Theil.
über dem Kopfe, die ſchöne Figur im L. n. 22. M. Fr. i, 16.
Bouill. i,
19.; ebenſo PCl. vii, 13.; beim Raube der Kora,
Welcker Zeitſchr. S. 38. 461. Auf die Fackel geſtützt, die
Hände darüber gekreuzt Bouill. iii, 15, 4. Z. Bass. 15.
Hirt 27, 5. (Somnus) u. oft. Die ſchlafenden Eroten §. 391, 6.


Morpheus als Greis, geflügelt, aus einem Horn sopori-
ferum odorem
ausgießend, auf den Endymion-Reliefs. Aehn-
lich die Figur Z. Bass. 93. Morpheus-Kopf? G. M. 352.
PCl. vi,
11. Thanatos, als Opferprieſter, Eurip. Alk. 74.
Serv. ad Aen. iv, 689., auf Etrusk. Sarkoph. Als Kind mit
verdrehten Füßen am Kaſten des Kypſelos. Mantus mit dem
Hammer.


4. Hecate triformis §. 206, 4. St. di S. Marco ii, 8. Cau-
ſeus Rom. Mus. ii, 20 — 22. Paſſeri Luc. iii, 76 — 78.
Bei Paſſeri Luc. i, 97. als einzelne Figur neben Artemis u. Selene.


6. Schickſal und Weltordnung.

1398. Die Schickſalsgottheiten boten wenig Plaſti-
ſches dar. Bei den ernſten Moͤren begnuͤgte man
ſich fruͤher mit einer allgemeinen Andeutung der Herrſchaft;
hernach ſcheidet man ſie durch allegoriſche Bezeichnungen.
2Bei der Tyche wird durch Attribute entweder Fluͤchtig-
keit, oder lenkende Gewalt, oder Reichthum an Gaben
3hervorgehoben; die Roͤmer, bei denen der Dienſt der
Fortuna alt und ſehr ausgedehnt war, haͤufen alle At-
tribute auf eine Figur, doch ſo daß die wuͤrdigere Vor-
4ſtellung vorherrſcht. Bei der Nemeſis iſt die Aphro-
diten-aͤhnliche Darſtellung alter Zeit von der allegoriſchen
5Figur der ſpaͤtern Sinnbildnerei zu ſcheiden; bei den Erin-
nyen
die Gorgonen-aͤhnlichen Grauengeſtalten der Aeſchy-
liſchen Buͤhne von den edlen und oft ſanften Bildungen
der Kunſt, welche auch hier ein weiſes Anerkennen ihres
Maaßes und ihrer Beſtimmung zeigt. Gewoͤhnlich wird,
auf Etruskiſchen Sarkophagen, wie auf Vaſen, die Vor-
6ſtellung der raſchen Jaͤgerinnen hervorgehoben. Sehr aus-
gezeichnete Werke der Griechiſchen Kunſt, Reliefs und
Gemmen, ſtellen das Antlitz einer verſoͤhnten Erinnys
auf eine ſchauerlich-ſchoͤne, innig ergreifende Weiſe dar.


[541]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

1. Mören am Borgheſ. Altar, §. 96, 16., mit Sceptern.
Am Parthenon. Später wird die Klotho als ſpinnend, die La-
cheſis als das Geſchick am Globus bezeichnend, die Atropos ſchnei-
dend dargeſtellt. So in dem Humboldſchen Relief, Welckers Zeitſchr.
Tf. 3, 10. Aehnlich zum Theil auf Prometheus-Reliefs §. 396,
3. Lacheſis findet man auch ſchreibend oder eine Rolle haltend.
Atropos die Stunde an einer Sonnenuhr zeigend, oder die Wage
haltend. M. Cap. iv, 29. (Doch Cap. iv, 25 zeigt die
Leſende wohl das Todtengericht an). S. Welcker S. 197 ff.


2. Bei der Tyche unterſcheidet Artemidor ii, 37. die Vorſtel-
lung mit dem πηδάλιον (dann iſt ſie mehr providentia) und auf
dem κύλινδρος (als Zufall). Den Polos u. das Füllhorn erhielt
ſie in Smyrna von Bupalos Pauſ. iv, 30. Auch Praxiteles
ſtellte eine Ἀγαϑὴ Τύχη und einen Ἀγαϑὸς δαίμων dar (ſo
iſt wohl Bona Fortuna u. Bonus Eventus bei Pl. zu faſſen),
dieſen auch Euphranor. Ueber deſſen Vorſtellung (mit der
Patere in der R., Aehren und Mohn in der L., oft auf Gem-
men) §. 381, 1, vgl. 359, 6.


3. Ueber die Römiſchen Fortunen Gerhard Ant. Bildw. Tf.
iv. Statue PCl. ii, 12. Häufig in Bronzen (Cauſeus ii,
27 sqq. Ant. Erc. vi, 24 sqq.
), auch Iſis-artig, und in
Panthea übergehend. Mit Füllhorn u. Ruder thronend, Bar-
toli Luc. ii, 46. Drei Fortunen, mit Wagen, oft auf M.
Auch Paſſeri L. i, 41. Die zwei Antiatiſchen Fortunen haben
als Meerbeherrſcherinnen auch Delphine.


4. Von der Rhamnuſiſchen Nemeſis §. 117. Die auf M.
ſehr häufigen Smyrnäiſchen haben theils die ſpäter charakteriſtiſche
Gewandhaltung, wodurch der πῆχυς als Maaß (Μηδὲν ὑπὲρ
τὸ μέτρον) hervorgehoben wird, theils führen ſie Schwerdter. G.
M.
347 — 50. Auf Wagen mit Greifen fahrend, Creuzer
Abbild. zur Symb. Tf. 4, 5. Nem. mit Attributen der Tyche
Hirt S. 98. Nem. und Elpis einander gegenüber (wie in ei-
nem Epigramm Anal. iii. p. 173, n. 117.) auf der Ara im
Florent. Muſeum, welche Uhden, Muſ. der AlterthumsW. i. S.
552, beſchreibt, u. dem Krater-Relief, welches auf der einen Seite
ſinnliche Freuden, auf der andern die Prüfungen der Seele aus-
drückt. Zoëgas Abhandl. Tf. 3, 13.


5. S. Leſſings Laocoon, Werke ix. S. 30. 158. Böttigers
Furienmaske Weim. 1801. S. 67 ff. Millins Oresteide
pl.
1. 2. Unten Oreſtes. Das Vaſengem. Tiſchb. i, 48
[542]Syſtematiſcher Theil.
ſcheint die Erinnyen als die βροτοσκόποι Μαινάδες (Aeſchylos)
darzuſtellen.


6. S. die Rondaniniſche Maske bei Guattani 1788 p. 35. (Aber
tiefer lehrt ſie Göthe kennen, Werke in Duodez Bd. 27. S. 244.
29 S. 40. 328). Strozziſche Gemme, M. Flor. ii, 7, 1.
Ueber eine andre Ant. Zuccaro Capo di Medusa. Eckhel
P. gr. 31. Lipp. I. ii, 70 — 77. Titelvign. bei Böttiger.
Schwerlich nannte man ſolche Köpfe im Alterthum je Γοργονεῖα,
über welche §. 371, 5.


7. Zeit.

1399. Die Daͤmonen der Zeit ermangeln, je mehr der
nackte Begriff der Zeit erfaßt werden ſoll, um ſo mehr
der Darſtellbarkeit. Bei den Horen, welche in der
Kunſt meiſt ihre phyſiſche Bedeutung feſthalten, iſt die
2Folge von Bluͤhen und Reifen das Charakteriſtiſche. Au-
ßer ihnen bezeichnen auch maͤnnliche Figuren, bald Kna-
3ben bald Juͤnglinge, die Jahreszeiten. Aber auch Tage
und Jahre und Pentaeteriden und Jahrhun-
4derte wurden gebildet. Die ſpaͤtern Kuͤnſtler beſchaͤftig-
ten aſtrologiſche Gegenſtaͤnde ſehr; auf Gemmen und
Muͤnzen ſind Horoſkope, Darſtellungen der Planeten
und des Zodiacus ſehr gewoͤhnlich. Man benuͤgt ſich den
Goͤttern, wenn ſie Planeten darſtellen ſollen, einen Stern
zur Unterſcheidung beizugeben.


1. Auf Kunſtwerken laſſen ſich eben ſo die drei Horen, die
indeß nicht eigentlich Jahreszeiten ſind, denn der Winter war nie
eine Hora, nachweiſen (§. 96, 16. Zoëga Bass. 96.), als eine
Vierzahl, welche den gewöhnlichen Zahreszeiten entſpricht (Zoëga
94. Terrac. Br. M. 23. 51.; mit vier männlichen Figuren ver-
bunden im Grabmal der Naſonier, Hirt 14, 5). Vgl. Zoëga ii.
p.
218. Es gab balletartige Horen- wie Chariten-Nymphen-
und Bacchen-Tänze, welche auf Kunſtdarſtellungen eingewirkt zu
haben ſcheinen (Xenoph. Symp. 7, 5. Philoſtr. Apoll. iv, 21).
Allein kömmt die Frühlings-Hora, die ὥρα vorzugsweiſe, mit dem
Schurz voll Blumen, öfter vor, oben §. 358, 3. u. 397, 2. vgl.
Neapels Antiken S. 2. Statuen M. Flor. iii, 63. Guatt.
M. I. 1788. p. 46.


[543]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

2. Vgl. Ovid. M. ii, 27. Den Dionyſos umgebend, G.
M. 362. Auctumnus? Ant. Erc. vi,
37. Ein ſchö-
nes Gemmenbild iſt der Frühlingsſtier, welcher mit den Chariten
auf dem Haupte das Jahr eröffnet (Köhler Descript. d’un
Camée du Cab. de l’Emp. Russ.
1810. Hirt 16, 4). Er
ſcheint aus dem Dionyſos-Stier, den die Eleiſchen Frauen riefen
mit den Chariten herbeizukommen, Plut. Qu. Gr. 36, hervorge-
gangen zu ſein.


3. Hirt S. 119. Die Pompen des Ptolemäos u. Antiochos,
§. 147, 4., waren reich an ſolchen Figuren. Den Eniautos meint
Hirt in dem Alpheios, §. 350, 5., zu erkennen. Der Aeon
ſpäter Superſtition, PCl. ii, 19. Zoëga Bass. 41. Böttiger
Kunſtmyth. S. 267. Chronos auf der Apotheoſe Homers.


4. Vgl. §. 206, 6. Hirt Tf. 16. Auguſt hat den Capricor-
nus. Landſchaften oder Städte haben auf M. das Zeichen, un-
ter deſſen beſonderen Einfluß ſie liegen, wie Commagene den Scor-
pion. Ueber die Alexandriniſchen M., welche den Stand der
Planeten im Jahr der Weltſchöpfung angeben, Barthélemy Mém.
de l’Ac. des Inscr. T. xli. p.
501. Ein Borgheſ Altar
verbindet die Planeten Jupiter, Mars u. Venus mit verſchiednem
Zodiacalzeichen, Winck. M. I. 11. Bouill. iii, 67. Die ſchöne
Moſaik von Poligny, welche Bruand 1816. herausgegeben, iſt ein
Horoſcop. Eine aſtrologiſche Gemme des Cabinets Pontchartrain,
die Baudelot 1710 edirt u. ſchlecht erklärt, vereinigt vier Planeten
mit dem Sternbilde des Schützen (Centauren).


Atlas mit Globus §. 396, 1. Zeus im Zodiac auf
Atlas, Albaniſcher Marmor, Guatt. M. I. 1786. p. 53. vgl. §.
350, 6. Planisphär des Pariſer Muſeum nebſt den Planeten
und 36 Decanen, von Bianchini herausgegeben, nach Letronne aus
dem 2ten Jahrh. n. Chr. Thierkreis nebſt den Planeten, im
Pronaos des T. zu Palmyra, Wood pl. 19 A.


Vom Kairos Hirt S. 107. Daß ſchon Phidias Occasio
u. Metanoea gebildet (Auſon. Epigr. 12), ſcheint mir zweifel-
haft. Es iſt wohl nur eine Verwechſlung mit Lyſipp.


[544]Syſtematiſcher Theil.
8. Lichtweſen.

1400. Der Sonnengott war, abgeſehn von dem
Sol Phoebus der Roͤmiſchen Zeiten, nur in Rhodos ein
bedeutender Gegenſtand der Bildnerei, wo die Muͤnzen
ſeinen Kopf meiſt von vorn mit runden Formen und
ſtrahlenfoͤrmig fliegenden Haaren zeigen. In ganzer Fi-
gur erſcheint er meiſt bekleidet, auf ſeinem Wagen, die
2Roſſe mit der Peitſche regierend. Selene, von der
Artemis durch vollſtaͤndige Bekleidung und bogenfoͤrmiges
Schleiergewand uͤber dem Haupte unterſchieden, iſt be-
3ſonders durch die Endymion-Reliefs bekannt. Unter den
Geſtirnen hatte der Hund Sirius am meiſten Bedeu-
4tung im Griechiſchen Cultus und Mythus. Eos er-
ſcheint, wie Helios, auf einem Viergeſpann in praͤchtiger
5Geſtalt. Iris iſt aus einer Lichterſcheinung des Him-
mels ganz zur leichtbeſchwingten Goͤtterbotin geworden.


1. Auf den M. von Rhodos bei Mionn. Pl. 52, 1. 2.
ſieht man den Kopf von der Seite, mit der corona radiata.
Den großen Kopf im Muſ. Capit. (Bouill. i, 71.) ſprechen Vi-
ſconti u. Hirt dem Sol zu, die Herausg. Winck. vi S. 200 ab.
Deutlich Helios iſt das Bildwerk, wovon Cl. Biagi Sopra una
antica statua singolarissima. R.
1772; am Kopfe ſieht man
die Löcher für die Strahlenkrone. Statue V. Borgh. st. 2, 3.
Ein Sol-Apollo bogenſchießend, M. von Philadelphia, Combe 11, 7.


Phaethons Fall Philoſtr. i, 11. in Reliefs Bouill. iii.
49. Die Helaiden in Pappeln, auf einem Denar der G. Accoleja.


2. Einige dieſer Claſſe M. Cap. iv, 24. 29. PCl. iv, 16.
G. Giust. ii, 110. Bouill. iii, 34. 35. Woburn Mar-
bles
9. Gerhard Ant. Bildw. 36 — 40. Pitt. d’ Ercol.
T. iii,
3. Endymions-Statue? Guattani 1784. p. vi.
Luna auf- und untergehend am Triumphbogen Conſtantins. Am
Himmel ſchwebend, Gemme bei Hirt 16, 3. — Artemis Se-
lene im Ziegenfell, wie Juno-Lanuvina, Paſſeri Luc. i, 94.


[545]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

Deus Lunus oder Μὴν viel auf M. in Phrygiſcher
Tracht mit Halbmond hinter den Schultern. Hirt 11, 8. 9.
Der verwandte Pharnakes erſcheint wahrſcheinlich auf M. von
Pharnakes als ein Hermes-Bakchos mit Sonne, Mond und Blitz.


3. Sirius als Sternenhund auf M. von Keos (Bröndſted
Voy. i. pl. 27.), auf Gemmen, Bracci i. t. 45. Von den
übrigen Sternbildern, welche kaum in dieſen Kreis gehören,
Hirt S. 135. Die urſprüngliche Volksvorſtellung entwickelt oft
mit Glück Buttmann über die Entſtehung der Sternbilder, Berl.
Akad. 1826.


4. Etrusk. Sarkophag bei Inghir. i, 5. Millin Vases de
Canosa 5. Vas. i, 15. ii,
37. Unten: Kephalos. Memnon.


5. Iris (?) die Waffenüberbringerin Tiſchb. i, 4. Böttiger
Vaſengem. i, 2. S. 68.. Mit dem πρόχους, wie bei Heſiod.
Theog. 784., Hirt 12, 2.


Hemera u. Nyx ſind noch nirgends mit Sicherheit nach-
gewieſen, obgleich die letztre im Alterthum, beſonders grade im
früheren, öfter gebildet worden iſt. Hirt S. 196.


9. Winde.

401. In den Geſtalten der Winde, beſonders am1
Monumente des Andronikos Kyrrheſtes (§. 153, 4), zeigt
die alte Kunſt ihr Vermoͤgen, fein und ſicher zu charak-
teriſiren, auf eine vorzuͤgliche Weiſe. Von einzelnen laͤßt2
ſich ſonſt nur Boreas als Raͤuber der Orithyia mit Si-
cherheit nachweiſen. Die im Windsgebraus dahinraffen-3
den Harpyien (gefaͤhrliche Winde, welche von dem Ge-
ſchlecht des heilſamen Boreas uͤberwunden werden) er-
ſcheinen bald als gefluͤgelte Weiber, bald mehr Voͤgeln
aͤhnlich gebildet.


1. Boreas (rauh), Käkias (Hagel bringend), Apeliotes (warme
Luft), Euros (Gewitter), Notos (langen Regen), Lips (Hitze, die
Schiffe in den Hafen), Zephyros (ſchönes Frühlingswetter), Ski-
ron (Kälte). Typhoeus als geflügelter Gigant Hirt 18, 4.


2. Boreas dabei mit Schlangenfüßen am Kaſten des Kypſelos
Pauſ. v, 19, 1. Als doppelt geflügelter Mann Tiſchb. iii,
31. Chloris durch Zephyros geraubt? Hirt 48, 1.


35
[546]Syſtematiſcher Theil.

3. Das Vaſengem. Millingen Un. Mon. i, 15. ſtimmt ganz
mit Aeſchylos Eum. 50 überein. Ueber die Vogelgeſtalt
Böttigers Furienmaske S. 112. Voß Antiſymbol. i. Schorns
Kunſtblatt 1825 Jan. vgl. §. 334, 1.


10. Das Element des Waſſers.

1402. Die Daͤmonen des Meers gehen von der er-
habnen Gewalt des Poſeidon, der Schoͤnheit der Aphro-
dite und Thetis, durch mancherlei Mitteiſtufen in die
2phantaſtiſch geformten Ungeheuer der See uͤber. Den
fiſchgeſchwaͤnzten, oft mit Seepflanzen uͤberwachſnen,
Satyr- und Kentaurenartigen Tritonen (denen Aegaͤon,
3Glaukos, Nereus, Phorkys, Proteus aͤhnlich
ſind) ſtehen die meiſt menſchlich gebildeten Nereiden
gegenuͤber, unbekleidete, anmuthige Maͤdchengeſtalten, de-
ren geſchmeidiger Koͤrperbau ſich in mannigfachen Bie-
gungen reizend entfaltet; oft gleichſam Bacchantinnen
der See; wie uͤberhaupt der uͤppige und berauſchte Geiſt
des Bacchiſchen Naturlebens in dieſen Weſen auf eine
ſehr geiſtreiche Weiſe auf die See uͤbergetragen erſcheint.
4Unter den uͤbrigen zahlreichen Perſonen der See ſind
ohne Zweifel noch Entdeckungen zu machen, da die Fein-
heit der Bezeichnung der alten Kunſt von der Kunſter-
klaͤrung noch keineswegs erreicht iſt.


1. S. oben §. 125, 5. 356, 1. 2. Thetis καρκίνοις
τὴν κεφαλὴν διαστεφὴς, Schol. Ariſt. bei Mai Coll. i, 3.
p.
42. Solche Köpfe oft auf M. z. B. der Bruttier, Beyer
Thes. Brand. i. p. 340. Schöne Statue? im Louvre 120
Bouill. i, 47. Winckelm. W. vi. S. 312. (Aphr. Euplöa?).
Vgl. unten Peleus.


2. Die Tritonen erkennt man am ſicherſten, wo ſie cum
buccinis
ſind, wie im Giebel des Saturnustempels, Macrob S. i,
8. (vgl. Virg. Aen. x, 209. Ovid. M. ii, 8.), wobei ſie ſelt-
ner jugendlich (Tritun, Inghir. S. V. t. 55, 8.) als bärtig er-
[547]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ſcheinen, Bartoli Luc. i, 5. Ein Triton als ein See-Satyr
PCl. i, 35. Neben den fiſchſchwänzigen ſcheint es auch men-
ſchenbeinige zu geben (Voß Myth. Br. ii, 23); die mit Vorder-
beinen eines Pferdes kommen bei Dichtern und in Kunſtwerken
öfter vor. Bouill. ii, 42. (Krebsſcheeren im Haar) 43. Aegäon
auf M. von Cumä (Solin 16) Millingen Méd. in. i, 3.
Ein geharniſchter Triton auf M. von Herakleia (Combe 3, 13)
u. Etrusk. Gemmen (Lanzi Sagg. ii, 4, 3.) ſcheint Glaukos.
Von Gl. im Meere verkommner Geſtalt Philoſtr. ii, 15. Der
Fiſchſchwanz fehlte ſelbſt beim tanzenden Gl. nicht. Vgl. Voß ii,
24. Seine Liebe zur menſchlichen Skylla, Herculan. Gemählde
M. Worsl. i. p. 103. Nereus mit Herakles auf einem
alten Vaſengem. Millingen Div. 32. U. M. i, 11. Von
Phorkys Schol. Apoll. iv, 1610. Proteus als Hirt der
See, Ant. Erc. ii, 39.


3. Nereiden mit Waffen (für Achill) auf M. von Lampſa-
kos (Choiſ. G. Voy. pitt. ii, 67, 33.), Reliefs PCl. v, 20.
Präneſtiniſche Ciſte bei R. Rochette Mon. In. i. pl. 20. vgl.
Kunſtbl. 1827. N. 32. Eckhel P. gr. 15. Maiſſon. Vas.
36. Eine Nereide auf einem See-Panther, Pitt. Erc. iii, 17;
auf einem Hippokampen, Florentin. Marmorgruppe, Meyer Tf.
10, a. Bartoli Luc. i, 4. Gemmen M. Flor. ii, 48. Ein
Nereide von einem Triton geraubt, ſchöne Gruppe des PCl. i, 34.
Von ihm umarmt, in einem Lacunar von Palmyra, Caſſas i.
pl.
91., auf Gemmen Taſſie 81, 2633. Tritonen u. Nerei-
den-Züge, M. Cap. iv, 62. Bouill. i, 78. M. Fr. iv, 10.;
G. Giust. ii, 98. 102. 144 sqq. Bouill. iii,
42. 43.
Auch fiſchgeſchwänzte Nereiden ſind nach Schriftſtellern (von Plin.
ix, 4. an) u. Bildwerken (Relief G. Giust. ii, 142., Gemme
M. Flor. ii, 46.) nicht zu läugnen. Voß ii, 26.


4. Von Melikertes-Palämon §. 252, 3. G. M. 401.
402. 404. (Ein Iſthmiſcher Athlet dabei). Philoſtr. ii, 16.
Manche auf Delphinen ruhende Knaben gehören hierher. Palä-
mon-Kopf Bouill. i, 72., nach Viſconti. Ino-Leukothea
hat man an dem Kredemnon (dem feſten Kennzeichen, Klemens
Protr. p. 96.) noch nirgends erkannt. Ihr Sprung auf M. G.
M.
400. Morelli Domit. 16, 3. vgl. Thes. Ant. Gr. i, Aa.
Galene (nach Tölken, Kunſtbl. 1828. H. 1.) auf der Gemme,
G. M. 245., durch das zuſammengeſunkne Seegel und die Lage
auf ebner Fläche charakteriſirt. — Skylla auf M. von Agri-
gent, von Cumä (Millingen Méd. in. i, 4. abweichend), der
35*
[548]Syſtematiſcher Theil.
G. Pompeja. Tiſchb. Homer iv, 6. G. M. 638*. Gori M.
E. i,
148.


1 403. Die Flußgoͤtter werden, je nach der phyſiſchen
Groͤße und der poetiſchen Wuͤrde des Stroms, bald als
greiſe Maͤnner bald als Juͤnglinge, mit Urnen, Fuͤllhorn,
2Schilf, gebildet; und an die rein menſchliche Bildung
reiht ſich auf mannigfache Weiſe die Stiergeſtalt, theils
durch bloße Hoͤrner, theils durch einen Stierleib mit
Menſchenhaupt, theils durch voͤllige Stierbildung an.
3Die Natur des Landes, die Schickſale des Volkes, wel-
ches dem Fluſſe anwohnte, beſtimmt Bildung und Attri-
bute genauer, wie bei der herrlichen Statue des Seegens-
ſpender Neilos, welchen die Daͤmonen der Niluͤber-
ſchwemmung nach ihren verſchiednen Graden (Πήχεις)
umſpielen, und des machtvoll gebietenden Tiberis, den
4die Woͤlfin mit den Kindern bezeichnet. Den Nereiden
des Meeres entſprechen die Naiaden des Landes, die
als halbbekleidete Maͤdchen, mit Waſſerkruͤgen oder Mu-
ſcheln, haͤufig mit Pan zuſammen, und in Beziehung
auf warme Quellen mit dem Athleten Herakles verbunden
dargeſtellt werden.


1. Ueber Flußbildung Aelian V. H. ii, 33. Facius Colle-
ctan. S. 186. Voß ii, 34. Wie man in Delphi Akragas als
einen Knaben von Elfenbein ſah, wie Meles nach Philoſtr. ii,
8. als Epheb gemahlt war: ſo erſcheinen jugendlich Kydnos auf
M. von Tarſos (G. M. 307), Orontes von Antiochia (G. M.
369.), Hermos auf M. von Kadoë (Combe 11, 16), Meles auf
M. von Amaſtris (9, 8), Pyramos von Hierapolis (Millingen
Méd. in. 4, 4.), auch Iliſſos am Parthenon (§. 118, 2.), u.
Inopos (?) von Delos im Louvre, Bouill. iii, 24, 8. Hip-
paris auf M. von Kamarina (Nöhden 4.) iſt ein Jüngling mit
keimenden Hörnern, wie Aeſaros auf Krotoniatiſchen. Als Greis
ſieht man Ismenos, auf einer Vaſe, Millingen Un. Mon. i, 27.,
Alpheios §. 350, 5., Rhenus, Danubius auf M. (G. M. 309.
10. Col. Traiani),
Skamandros auf Iliſchen (Choiſ. Gouff. ii.
pl.
38, 7.), Rhodios auf Dardaniſchen (pl. 67, 27.), Keteios
u. Selinus auf Pergameniſchen (pl. 5, 19) u. ſ. w.


[549]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

2. Als gehörnter Greis mit Schilf und Patere erſcheint Ache-
loos
auf einer SilberM. des von Urſprung halbAetoliſchen Meta-
pont, die zu dem Preiſe eines ἀγὼν ταλαντιαῖος gehörte
(ΑΘΛΟΝ ΑΧΕΛΟΙΟ, Ἀχελῴου) Millingen in den Trans.
of the Roy. Soc. of Litterat. i. p.
142. Dagegen er-
ſcheint er auf den M. von Akarnania u. Oeniadä (z. B. Seſtini Med.
del Mus. Fontana
4, 9. 10, 12. Mionnet Suppl. iii.
pl.
14.) als Protome des ſog. Hebon, der auf den M. Campa-
niens und Siciliens als Flußgott kaum verkannt werden kann,
auf denen von Gela z. B. als Gelas. S. Millingens Auseinan-
derſetzung, Méd. Inéd. p. 6. Trans. R. Soc. a. O., wogegen
Avellino’s (Opuscoli div. i. p. 81.) Einwürfe wohl zu beſeiti-
tig ſind. Vgl. Millin P. gr. 46. Kephiſſos als Stier Enrip.
Jon 1276.


3. Von den Πήχεις Philoſtr. i, 5. vgl. Welcker p. 234.
Statue des Nil im T. Pacis, aus Baſanit. Entſprechende,
aus weißem Marmor, PCl. i, 38. Bouill. i, 61. St. Victor
im Comm. Aehnlich auch auf M. Zoëga N. Aeg. Imp. t.
16, 7. PCl. iii,
47. TiberPCl. i, 39. Im Louvre
249. Bouill. 62. M. Roy. i, 20. Marforio §. 261, 1.
Schöner Kopf eines Flußgottes mit kurzen Hörnern, Delphinen
im Bart, Trauben im Haar, PCl. vi, 5. Bouill. i, 65. vgl.
73. M. Fr. iii, 12.


4. Hirt 20. G. M. 326—329. 475. 476. Statue im
PCl. i, 36. (wohl auch ii, 2?) Bouill. i, 57. Die
Seenymphe Kamarina auf M. Nöhden 4. Die Aqua Virgo
auf einer Gemme, die Chifletius edirt hat. Relief Boiſſard. vi, 25.


11. Die Vegetation des Landes.

404. Unter den Goͤttern von Wald, Wieſe, Feld1
und Garten ſind der Baumpfleger Silvanus und der
den Herbſtſeegen verleihende Vertumnus erſt Roͤmiſcher
Herkunft; ihre Flora ſcheinen die Roͤmer nicht ſowohl2
aus der Chloris, welche in der Kunſt nicht nachweisbar
iſt, als aus der Fruͤhlingshora (§. 399.), Pomona viel-
leicht aus einer Herbſthora gebildet zu haben. Der Land-3
[550]Syſtematiſcher Theil.
und Gartenbeſchuͤtzer Priap iſt nur eine in Lampſakos
uͤblich gewordne Form des alten Dionyſos Phallen
(§. 67. 383, 3). Ueberhaupt erſetzt in Griechenland der
Kreis des Dionyſos und der Demeter dieſe Felddaͤmonen
voͤllig.


1. G. M. 289 — 291 **. Statue des Vertumnus
Bouill. iii, 15, 2. Ueber Vertumnus Dionyſiſche Bildung
des Vf. Etrusker ii. S. 52. Silvan als rohe Satyrfigur,
M. Kircher. ii, 6. Ara des Silvanus u. Hercules, der
Fortuna u. Spes, Diana u. Apoll, Mars u. Mercur, Chia-
ram.
20.


2. Blumenbekränzter Kopf auf Denaren der G. Servilia u.
Claudia. Die Farneſiſche Flora (?), ein coloſſaler ſchön dra-
pirter Sturz, Kopf, Extremitäten u. Attribute ergänzt, Neapels
Ant. S. 63. Rondaniniſche Statue Guatt. 1788. p. 46. —
Herme der Pomona (?) M. Kircher. Aenea ii, 9.


3. Gewöhnlich fängt aber die Herme erſt unter dem Phallus
an. Der Oberleib hat die Stellung der λόρδωσις, ſo daß
man auch den Namen Lordon brauchen kann. M. Flor. i,
95, 1—3. Oefter auch mit einem Mantel (wie auch Her-
men §. 67.) μελάγχλαινος bei Moſchos. Priapus-Opfer,
oft von nackten Frauen verrichtet, auf Gemmen, Caylus iii,
50, 5. Bracci i. t. agg. 22, 1. M. Flor. i, 95, 4—8.
Priaps Geburt und Erziehung, ſ. Hirt S. 173. Der Priap
PCl. i, 51 u ſonſt hat den Fruchtſchurz mit der Flora gemein.


Noch ſind unter dieſen öconomiſchen Göttern zu erwähnen:
der Hermen-ähnliche Terminus auf Denaren; die in den
Ställen gemahlte (Juven. 8, 157. Apulej. iii. p. 66. Bip.)
Epona (von epus, equus) bei Bianconi Circhi 16., Bron-
zebild im Ungariſchen Muſeum, Cattaneo Equejade; der
Mühlendämon Eunoſtos, auf einer Gemme bei Gori Soc. Co-
lumbar. V. ii. p.
205. Ariſtäos kommt nur in Antinoos
Ariſtäos (Bouill. ii, 48.) als Arkadiſcher Landmann vor.


[551]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
12. Land, Stadt und Haus.

405. Die Griechiſche Kunſt geſtaltet, weit uͤber das1
in Cultus und Poeſie Gegebne, nach einer ihr eigenthuͤm-
lichen Befugniß (§. 325.) bis in die ſpaͤtſte Zeit (§. 214,
2.) Laͤnder, Staͤdte, Voͤlker als menſchliche In-
dividuen. Wenn dabei auch die Vorſtellung einer
reichbekleideten Frau mit einer Thurmkrone, einem Fuͤll-
horn und dergleichen Attributen des Reichthums die ge-
woͤhnliche iſt: ſo findet doch auch bei mythiſcher Begruͤn-2
dung oder beſonders hervorſtechendem Charakter der dar-
geſtellten Collectivperſon eine eigenthuͤmlichere Darſtellung
ſtatt; wie die Pallas-aͤhnliche nur minder jungfraͤuliche
der Roma. Gruppen, worin eine Stadt die andre,3
eine Stadt einen Koͤnig, oder Arete und aͤhnliche allego-
riſche Figuren die Stadt kraͤnzen, waren im Alterthum
haͤufig. Auch Demen, natuͤrlich maͤnnlich, Se-4
nate und dergleichen Verſammlungen wurden bildlich
vorgeſtellt. Beſonders war viel Anlaß, die Gottheiten5
der Agonen-Orte, oder auch der Agonen-Verſammlun-
gen ſelbſt, als Frauen mit Palmen und Kraͤnzen darzu-
ſtellen; gewiß ſind auf dieſe Weiſe zahlloſe kraͤnzende
oder Taͤnien umlegende Figuren auf Vaſen zu erklaͤren.
Die Roͤmiſchen Genii locorum erſcheinen als Schlan-6
gen, welche hingelegte Fruͤchte verzehren, waͤhrend der
Genius ſonſt — eine rein Italiſche Vorſtellung, die
in der neuern Kunſtſprache mißbraͤuchlich auf Griechiſche
Kunſtaufgaben uͤbertragen worden iſt — meiſtentheils als Fi-
gur in der Toga mit verhuͤlltem Haupte, Fuͤllhorn und
Patere in den Haͤnden, gedacht und abgebildet wird.
Die Laren des Roͤmiſchen Cultus erſcheinen als Opfer-7
diener; die Penaten als ſitzende, den Dioskuren aͤhn-
liche Juͤnglinge, mit Helm und Speer, und dem haus-
bewachendem Hunde neben ſich. Selbſt Plaͤtze, wie8
der Campus Martius, Straßen, wie die via Appia,
werden in der Alles perſonificirenden Kunſt zu Menſchen-
figuren.


[552]Syſtematiſcher Theil.

1. S. Hirt Tf. 25. 26. S. 176 — 194. Viel ſolche Fi-
guren bei Triumphen, Leichenzügen der Römer. S. die Figu-
ren Europa’s u. Aſia’s, Phrygia’s, Armenia’s, Africa’s (mit ei-
nem Elephantenhelm, vgl. die Titelvign. von Mazzuchelli’s Corippus),
u. andrer Provinzen, meiſt von Röm. M., G. M. 364 — 380.
Berühmter Kopf der Hiſpania (?) auf dem Borgheſ. Relief im Louvre,
Bouill. i, 74. Italia, behelmte Frau mit einem Stiere,
auf den M. der Italiker Millingen Méd. In. i, 19. p. 31.
Aetolia, in der §. 338, 1. 4. beſchriebnen Tracht, auf Schilden
ſitzend, Millingen Méd. In. 2, 9. p. 39. Aehnlich die Ama-
zonenartige Bithynia auf M. Nikomedes i. Viſconti Iconogr. pl.
43, 1. (Artemis nach Fröhlich u. Viſc.). — Θήβη mit Mauer-
krone u. Schleier, auf Vaſengem. Millingen Méd. In. 27. An-
tiochia PCl. iii, 46. Das Relief von Puteoli (es gehört dem
Fußgeſtell der Statue des Tiber an, welche die urbes restitutae
in Rom aufſtellen ließen) zeigt 14 Kleinaſiatiſche Städte, zwölf
weiblich, zwei männlich gebildet, ſehr charakteriſtiſch. S. L. Th.
Gronov im Thes. Ant. Gr. vii. p. 432. Belley Mém. de
l’Ac. des Inscr. xxiv. p.
128 Eckhel D. N. vi. p. 193.
Schöne Figuren Orientaliſcher Städte, Relief des L. 179. Bouill.
i,
106. vgl. Combe N. Br. 9, 24. 25. 10, 3. 12. 19.


2. Roma (Tempel §. 190, 1. ii) exerta mamma (Coripp.
laud. Iustin. i, 287. vgl. Hirt 16, 2. 25, 16. PCl. ii, 15.)
In dem berühmten Barberiniſchen Gemählde (Sicklers u. Rein-
hards Almanach aus Rom 1810). Statue im Palaſt der Con-
ſervatoren. Mit Auguſt, Eckhel P. gr. 2. vgl. §. 200, 2.
Auf Spolien ſitzend, Zoëga Bass. 31. Münzen Combe 1, 24.
11, 11. G. M. 662. 63. Auf Denaren der G. Fabia
mit dem apex (?)


3. Hellas von Arete gekränzt, Gruppe von Euphranor. Der
Demos der Rhodier von dem Demos der Syrakuſier, Polyb. v,
88. Der D. der Athener von dem D. der Byzantiner u. Pe-
rinthier, Demoſth. de cor. p. 256.


4. Δῆμος Ἀϑηναίων §. 138, 2. Demen G. M. 363.
Combe N. Br. 10, 2. 24. 11, 6. 14. 16. Die ἱερὰ σύγ-
κλητος auf M. von Cumä, ebd. 9, 20. 23. Vom Senatus
Dio Caſſ. 68, 5.


5. Olympia erſcheint, mit dieſer Umſchrift, die nicht die Com-
müne welche die M. ſchlagen ließ, anzeigen kann, da es keine
Olympier gab, auf Eleiſchen M. im Profil. Stanhope Olympia
[553]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
extr. Auch in ganzer Figur auf dieſen M., als geflügelte
Jungfrau, ſitzend oder eilend, mit einem Stabe oder Kranze. S.
GGA. 1827. S. 167. Olympias, Iſthmias §. 350, 5. Aglao-
phon mahlte den Alkibiades auf dem Schooße der Nemea, und
von Olympias u. Pythias bekränzt, Athen. xii p. 534. Nemea,
Hirt 25, 14. Eine Aſiatiſche Agonengöttin, Gemmae Flor.
ii,
52.


6. Genii locorum. Pitt. Erc. iv, 13. Gell Pompej.
18. 76. Winck. W. i. Tf. 11. Auch auf Contorniaten, Eckhel viii.
p.
306. Vgl. Viſconti PCl. v. p. 56. Ueber die Darſtellung
des Genius publicus Ammian xxv, 2. So in Statuen, Bron-
zen, Münzen. Ant. Erc. vi, 53. 55. 56. Gori M. E.
i,
49. Der Genius Romae ſehr verſchieden, Stieglitz Archäol.
Unterh. ii. S. 156. Oft mit dem Kaiſer identificirt Eckhel
v. p. 87, Genius Augusti PCl. iii, 2. Galbae G. M. 670.


7. Die Lares (cinclu Gabino, Schol. zu Perſ. v, 31.)
in hochgeſchürzten Tuniken, mit ῥυτοῖς, §. 299, 5., und Scha-
len oder Kannen, um einen Altar, Bartoli Luc. i, 13. 14.
Ant. Erc. vi,
52. 54. 57. Gori M. E. i, 96. iii, 4, 1.
So die Lares Augusti, PCl. iv, 45. Gall. di Fir. Stat.
144. vgl. 145 — 149. Die Kinder mit der bulla gehen ſie
nichts an. Von den Penaten Dionyſ. i, 68. u. die Denare
der G. Caesia. Vgl. Gerhard Prodrom. S. 40 ff.


8. S. Hirt S. 186. Tf. 16, 2. 26, 5. 10. 26, 6. (Cir-
cus̅.)
Viſconti PCl. v. p. 56.


13. Menſchliche Thaͤtigkeiten und Zuſtaͤnde.

406. Unuͤberſehlich iſt die Claſſe der an die Allego-1
rie anſtreifenden Perſonificationen menſchlicher Eigenſchaf-
ten und Verhaͤltniſſe; auch die Erfinder Roͤmiſcher Muͤnz-
typen, welche die meiſten darbieten, bedienten ſich nur
der der Kunſt von jeher zuſtehenden Befugniß. Bei2
den Griechen iſt vor allen die der Athena verwandte
Nike, dann Hebe, Arete, Eirene (mit dem Plutos), Limos,
Oeſtros, Momos, Poͤne, Palaͤſtra, Agon, Polemos, Dei-
[554]Syſtematiſcher Theil.
mos und Phobos gebildet worden: doch mehr als Ne-
benfiguren in groͤßeren Darſtellungen, und weniger un-
abhaͤngig fuͤr ſich, als in der Roͤmiſchen Sinnbildnerei.
3Neben der allgemeinen Auffaſſung von Honor, Virtus, Spes,
Concordia, Salus, Libertas, Pax, Fides, Victoria,

ſchienen auch die beſondern Beziehungen Spes Augusta, Se-
curitas Augusta, Constantia
und Providentia Augusti,
Fides cohortium, Gloria exercitus, saeculi, Roma-

4norum u. dgl. darſtellbar. Die Attribute ſind hier meiſt
leicht zu deuten; das Fuͤllhorn wird den meiſten Figuren
der Art gegeben, indem alle gute Eigenſchaften dem
5Menſchen zum Seegen gereichen; beſtimmte Stellungen
charakteriſiren nur wenige; bisweilen werden auch alte
Darſtellungsweiſen Griechiſcher Goͤtter ſolchen allegoriſchen
Figuren zum Grunde gelegt. Von conſequenter Ge-
ſtaltung dieſer begriffsartigen Figuren zu feſten Kunſtfor-
men laͤßt ſich eben deswegen, weil der bloße Begriff den
Keim einer vollſtaͤndigen Anſchauung nicht enthaͤlt, wenig
nachweiſen.


1. Hirt Tf. 12. 13. S. 103 ff. G. M. 355 — 362. Eck-
hel D. N. v. p. 87. Stieglitz Einr. ant. Münzſ. S. 227 — 38.


2. Victorien mit Trophäen, Schilden, Candelabern, Krän-
zen, Palmen, viel auf Münzen, Lampen, in Pompej. Gemählden;
oft ſetzen ſie Inſchriften auf Helme oder Schilde (Mionn. Descr.
pl.
68, 3. auch Tiſchb. iv, 21). Nike als Tropäophor, PCl.
ii, 11. Ant. Erc. iv, 50. vi,
10. Oft auf Wagen,
Siegern die Zügel führend. Stieropfernd, Zoëga Bass. 60.
Bouillon iii, 47, 2. Combe Terrae. pl. 16. Hebe mit
Zeus Adler, ihn liebkoſend, auf Gemmen Taſſie p. 110.; bei
Herakles, ſ. unten. Die Heben bei Hirt S. 92. ſind wohl Niken.
Arete, ſ. §. 404, 3. u. bei Herakles. Pöne, Pauſ. i, 43,
7. vgl. x, 28, 2., vielleicht bei Lykurgos §. 384, 4. Oeſtros
Vas. de Canosa 7. Hoſia, die goldgeflügelte, Eurip. Bacch.
367., iſt auf Vaſengemählden zu ſuchen, wie Telete §. 388, 5.
Paläſtra Philoſtr. ii, 32. Ἀγῶνες ſcheinen die Jünglinge
mit Kampfpreiſen auf dem Relief bei Stuart Ant. ii. ch. 4.
vign.,
auch die Knaben, welche alle Kampfarten zeigen, Bouill.
iii,
45. Phobos als ein geflügelter Hoplit auf Vaſengem.
[555]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
(Troiſcher Krieg). Als Löwenkopf Pauſ. v, 19, 1. vgl. Heſiod
Schild 144. Deimos u. Phobos in Rom Pallor u.
Pavor, jener mit herabhängendem, dieſer mit geſträubtem Haar,
auf Denaren der G. Hostilia. G. M. 158. 159. Pole-
mos
mahlte ſchon Apelles mit auf den Rücken gebundnen Händen.
Enyo (Bellona) auf M. der Bruttier, Mamertiner, Magnani ii,
4 sqq. iv,
36.


4. Pax hat den Oelzweig (auch zündet ſie Waffen an), Li-
bertas
den Hut, Pudicitia den Schleier, Valetudo die Schlange,
Pietas den Storch, Aequitas u. Moneta, aus verſchiednen Grün-
den, die Wage. Am Himmel iſt die Wage blos als Attribut
der Jungfrau (Dike) und Zeichen des Aequinoctiums in den Thier-
kreis gekommen, da lange die Scheeren des Scorpions die Stelle
ausfüllten. Umgekehrt ſtellt ſich die Sache Hirt vor, S. 112.


5. Die Securitas ſtützt ſich auf eine Säule oder ſchlägt den
Arm über das Haupt (Zeichen der Sicherheit u. Ruhe). — Die
Spes mit der Blume in der Hand im alten Venus-Coſtüm findet
ſich auf den M. ſeit Claudius. Eckhel vi. p. 238. Chiaram. i,
20. Ganz anders bei Boiſſard iv. p. 130. Mitunter ſtehen
auch mehrere Perſonen für eine Figur, wie die temporum telicitas
durch vier Knaben mit den Früchten verſchiedner Jahreszeiten dar-
geſtellt wird.


14. Altitaliſche Goͤtter.

407. Die den Italiſchen Voͤlkern eigenthuͤmlichen Goͤt-1
terdienſte enthalten ſehr wenige Geſtalten, welche origi-
nal Italiſch ſind und ſich zugleich in plaſtiſcher Beſtimmt-
heit den Griechiſchen naͤhern. Wo dies den Schein hat,2
findet man doch meiſt eine Griechiſche Kunſtform zum
Grunde liegend, wie beim Janus und Vejovis.


1. S. an andern Stellen Jupiter Anxur, Juno Lanuvina,
Saturnus, Flora, Vertumnus, Silvanus, Genius, Lar,
Fortuna, Mantus.


2. Janus auf Münzen von Volaterrä (?) und Rom, auf
dieſen mit zwei bärtigen, erſt ſpät einem bärtigen und einem ju-
[556]Syſtematiſcher Theil.
gendlichen Geſicht, Griechiſchen Doppelhermen nachgebildet. Solche
Doppelköpfe auf vielen M. auch Helleniſcher Städte, Athen. xv,
692. S. Böttiger Kunſtmythol. S. 257., beſonders über den
Schlüſſel des Janus. Vejovis (Apollo nachgebildet) auf Dena-
ren, Stieglitz Einricht. ant. Münzſ. S. 159. Etrusker ii. S. 60.


Die angeblich Etruskiſchen Gottheiten bei Gori durchaus
unzuverläſſig. Dea Vacuna Sabinorum, bei Guatt. Mem.
enc. T. vi. p.
29.


15. Fremde, orientaliſche Goͤtter.

1408. Die Maſſe der in den Griechiſch-Roͤmiſchen
Cultus aufgenommenen fremden Goͤtter hat, je nach-
dem die Periode der Aufnahme fruͤher oder ſpaͤter war,
vorzuͤglichere oder ſchlechtere Kunſtwerke Griechiſchen Styls
2erzeugt. Die beſten wohl, nach dem Kyrenaͤiſchen Zeus
Ammon, der Alexandriniſche Serapis, ein Unterwelts-
gott, in deſſen Bildung und Attributen Milde und See-
3gen vorwalten. Die Iſisſtatuen in dem Coſtuͤm
Roͤmiſcher Iſisdienerinnen, mit der ſteifgefalteten Tu-
nica, dem auf der Bruſt geknoteten Obergewande und
4der Lotosblume, ſind ſelten vorzuͤgliche Werke; die Ho-
rus-
oder Harpokrates-Knaben, mit dem Zeigefinger
auf dem Mund, dem Fuͤllhorn in dem Arm, meiſt kleine
5Bronzen, Amulete. Die Syriſche Goͤttin, der
Phrygiſchen Großen Mutter aͤhnlich, erſcheint bisweilen
in Statuen aus der Zeit der Syriſchen Kaiſerinnen, haͤu-
6figer auf den Muͤnzen ihres Landes. Der Bilderkreis des
Mithras enthaͤlt außer der hundertfach wiederholten
Hauptvorſtellung manche, meiſt noch unaufgeklaͤrte, Dar-
ſtellungen aus dem Cultus.


1. Hirt S. 87 Tf. 11.


2. Schöne Serapisköpfe PCl. vi, 15. (Bouill. i, 66. mit
Strahlen). Bouill. i, 67. Serapis als ein Hades auf einem
Crocodil, Paſſeri Luc. fict. iii, 73. Schlangen-Serapis iii,
70. Häufig Köpfe. Guigniaut Le dieu Sérapis p. 9.


[557]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

3. Iſisſtatuen der Art, Montfaucon Suppl. ii, 40. Mus.
Nap. iv,
51. Büſte PCl. vi, 16. Porträtfiguren M.
Cap. iii,
81. Barberiniſche Gruppe von Iſis u. Horus, Hirt
11, 10. Iſiscult Ant. Erc. ii, 59. vgl. Böttiger Iſisveſper,
Minerva, Taſchenbuch für 1809. Zu den Münzbildern §. 206,
2. 232, 3. ſind beſonders die Vota publica aus Julians und
anderer Kaiſer Zeit (mit einem Julianus-Serapis, einer Iſis-He-
lena) zu fügen. Eckhel viii. p. 136. Iſis ſitzt hier häufig auf
dem Sirius, welcher Griechiſch als Hund (Aegyptiſch als Kuh) dar-
geſtellt wird; als Faria hält ſie öfter ein Seegel, der Pharus ſteht
dabei.


4. Harpokrates Montf. ii, 105. 123. M. Cap. iii, 74.
Cupers Harpocrates. Beſonders viel als Amulet Montf. ii,
105. 123. Mit Keule, Herakles ähnlich, als Semphukrates,
z. B. Zoëga Numi Aeg. Impp. t. 9, 4. Anubis, Boiſſard
vi, 78. CanopusM. Cap. i, 82.


5. Thronend mit zwei Löwen, Boiſſard iv, 95. Auf M.
von Askalon verſchleiert, mit der Thurmkrone, mit dem Halbmonde,
auf einer Prora ſtehend, die Haſta, eine Taube haltend. Vgl.
§. 241, 2. Malachbel von Palmyra M. Cap. iv, 18.


6. Mithrasbilder §. 206, 3. Bouill. iii, 47. 48. PCl. vii, 7.
Vollſtändige Symbole des Cultus Gemmae Flor. ii, 78.
Kaum findet man eine größere Mannigfaltigkeit Mithriſcher Scenen
als in den von dem Verein für Naſſauiſche Alterthumskunde publi-
cirten Bildwerken (von Heddernheim?), wovon blos die Kupfer
mir vorliegen. Die in den Fels verwachſne Figur findet ſich auch
G. Giust. ii, 62. oder bei Montf. i, 218.


Kappadokiſche Götter §. 399, 2.


Panthea §. 206, 4. Schon auf M. der G. Plaetoria
u. Junia. Minerva Pantheos Millin P. gr. 57.


[558]Syſtematiſcher Theil.
D.Heroen.

1409. Die Feſtigkeit und Beſtimmtheit individueller
Charakteriſtik, wie ſie an den Hauptgoͤttern der Griechi-
ſchen Kunſt wahrgenommen wird, erſtreckte ſich auch
uͤber die Hauptheroen. Wir wiſſen, daß man auch dieſe
in Griechiſchen Kunſtwerken nicht an Bekleidung und At-
tributen allein, ſondern an der Geſtalt und Bildung des
2Koͤrpers erkannte. Jetzt kennen wir indeß nur ſehr we-
nige Heroen, faſt keinen außer Herakles, auf eine ſolche
Weiſe, und koͤnnen auch kaum zu einer genaueren Kennt-
niß gelangen, da ſtatt der zahlreichen Bronzeſtatuen und
Gruppen, Werke der vorzuͤglichſten Kuͤnſtler, welche das
Alterthum beſaß, nur Reliefs, und meiſt von Sarkopha-
gen, wo der Mythus mit beſondrer Ruͤckſicht auf den
Anlaß des Bildwerks behandelt wird, und Vaſengemaͤhlde
uns vorliegen, deren leichte und freie Zeichnung wenig
3von jener Charakteriſtik zulaͤßt. Man pflegt daher in
der Regel nur nach dem Inhalt der Handlung, welche
vorgeſtellt wird, zu deuten, wobei oft die Wahl zwi-
4ſchen ſehr verſchiednen Heroenkreiſen bleibt. Auch in
der Heroenbildung traten Veraͤnderungen ein; die baͤrti-
gen Figuren der aͤlteren Bildner und Mahler wurden zum
Theil durch jugendliche Bildungen verdraͤngt.


1. Höchſt wichtig und belehrend iſt die Stelle in Plutarch
Arat 3. Vgl. von Parrhaſios 138, 2. Euphranor pri-
mus videtur expressisse dignitates heroum
Pl. Auch
bei Philoſtratos, Heroika, erſcheinen die Heroengeſtalten durchaus
bis in die feinſten Züge charakteriſtiſch. Vgl. unten Trojani-
ſcher Krieg, §. 415.


2. S. z. B. die vielen Heroenſtatuen aus Bronze, welche
Chriſtodor beſchreibt. Eine Anzahl davon ſcheinen eine große Gruppe
zu bilden.


3. Hyakinthos am Amykläiſchen Throne bärtig, bei Nikias ſehr
jugendlich. Pauſ. iii, 19, 4. Die Vaſengemählde ältern und
ſpätern Styls.


[559]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
1. Herakles.

410. In der hoͤchſten Potenz erſcheint das Heroen-Ideal1
ausgepraͤgt in Herakles, der vor allen Helleniſcher Na-
tionalheld war. Durch Anſtrengung geſtaͤhlte und be-
waͤhrte Kraft iſt der Hauptzug. Schon in den oft2
uͤberaus edlen und anmuthigen Bildungen des jugendli-
chen Herakles meldet ſich dieſe in der gewaltigen Staͤrke
der Nackenmuskeln (§. 331, 2), den dichten kurzen Locken
des kleinen Hauptes (§. 330, 2.), den verhaͤltnißmaͤßig
kleinen Augen, der vorgedraͤngten maͤchtigen Unterſtirn,
und der Form ſaͤmmtlicher Gliedmaßen. Deutlicher3
aber tritt der Charakter des Vollenders ungeheurer Kaͤmpfe,
des muͤhbeladnen (aerumnosus) Heros in der gereiften
Geſtalt hervor, wie ſie beſonders Lyſippos (§. 129.) ausbil-
dete, in den aufgehuͤgelten durch unendliche Arbeit hervorge-
triebnen Muskel-Lagen, den maͤchtigen Schenkeln, Schul-
tern, Armen, Bruſt und Ruͤcken, ſo wie in den ernſten
Zuͤgen des zuſammengedraͤngten Antlitzes, in denen der
Eindruck, welchen Muͤhe und Arbeit gemacht, auch durch
eine voruͤbergehende Ruhe nicht aufgehoben wird. Beide4
Geſtalten laſſen ſich nun in einem faſt unuͤberſehbaren
Cyklus von Abentheuern und Kaͤmpfen nachweiſen, und
die Entwickelung des Heros von dem ſchlangenbaͤndigenden
Kinde aus durch alle Ereigniſſe des Lebens hindurch ver-
folgen. Fuͤr die beſonders viel gebildeten Zwoͤlfkaͤmpfe,
deren Zahl ſich indeß erſt ſpaͤt und deren Beſtand ſich
nie voͤllig gleichmaͤßig feſtſtellte, bildeten ſich zeitig gewiſſe
beliebte Darſtellungsweiſen, doch fuͤr manche mehrere, nach
Gegenden und Zeiten verſchieden gebrauchte. Von der5
Unzahl anderer Thaten findet man die Giganten-Erle-
gung beſonders auf Vaſen alten Styls; von dem mehr-
fach wiederkehrenden Kentaurenkampf kommen hier auch we-
niger bekannte Sagengeſtalten vor. Die eigentlichen6
Kriegsthaten wurden weniger Gegenſtand der bildenden
Kunſt als der aͤltern Poeſie; daher auch von dem Heſio-
[560]Syſtematiſcher Theil.
diſchen Coſtuͤm des Helden nur geringe Spuren, dagegen
Loͤwenhaut, Keule, Bogen als die gewoͤhnliche Bewaff-
7nung des Helden vorkommen. Andre Seiten des Cha-
rakters enthuͤllt das Verhaͤltniß zur Omphale, der Held
im weiblichen, roͤthlich durchſcheinenden Gewande ſpin-
nend, die uͤppige Frau in heroiſcher Nacktheit mit Keule
und Loͤwenhaut; heitre Spiele von Eroten knuͤpfen ſich
8daran an. Dann das vaͤterliche Verhaͤltniß zu dem
von der Hindin geſaͤugten, wiederaufgefundenen Sohne
Telephos, wobei die Kunſt, die den Gegenſtand beſon-
ders in der Zeit der Antoninen behandelte, andern Quel-
len gefolgt ſein muß als der gewoͤhnlichen mythologiſchen
9Erzaͤhlung. Reinigungen und Suͤhnungen, deren der
leicht in Wuth geſetzte Heros viel bedurfte, konnten nur
angedeutet werden; es iſt aber wahrſcheinlich, daß der
kitharſpielende Herakles aus der Vorſtellung des geſuͤhn-
ten und beſaͤnftigten hervorging (vgl. §. 359. 361).


1. Begers Hercules ex antiquitatis reliq. delin. 1705.
iſt wenig zu brauchen. Göthe Kunſt u. Alterth. ii, 1. S.
107 — 143.


2. H. des Ageladas Pauſ. vii, 24, 2. Schöne Statue
bei Landsdown Spec. 40. Kopf Br. M. i, 46.; mit zer-
ſchlagnen Ohren, PCl. vi, 11. Mus. Nap. iv, 70.; pappel-
umkranzt, Chiaram. 43. Herrliche Köpfe auf Gemmen (H.
Strozzi) Bracci t. 49. Lipp. i, 240., auch auf M. Auf de-
nen von Kroton auch belorbeert (wie auf den Bruttiſchen, Combe
3, 23.) u. faſt nur durch das kurze Haar und den Stiernacken
von Apollon verſchieden. H. jugendlich beim Dreifußraub, §. 362,
2. PCl. ii, 5.; auf dem Relief Gall. di Fir. St. 104. beim
Löwen, der Hyder, dem Eber, der Hirſchkuh, dann bärtig; oft
auch bei den Heſperiden, wie ihn Chriſtodor 137 beſchreibt.


3. Ercole Farnese §. 129, 3. Neapels Bildw. i, 97.
Aehnliche Bouill. iii, 17, 2. u. oft. Auf M. G. M. 449.
Ein entſprechender ſehr edel gedachter Kopf Brit. M. i, 11. und
auf der Gemme Lipp. i, 247.


4. H. Jugend u. Erziehung G. M. 429 — 432. Der Schlan-
genkampf (Brunck iii. p. 209.) in Statuen, worunter eine Flo-
[561]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
rentiniſche ausgezeichnet, Herausg. Winck. iv. S. 303. vgl. Bouill.
iii,
16, 4.; auf M. von Theben, Tarent (Millingen Méd. In.
i,
13. 2, 15.) u. ſonſt; in Gemählden von Zeuxis, Plin. xxxv,
36. Philoſtr. d. j. 5. Ant. Erc. i, 7. H. ἆϑλοι im T. der
Athena Chalkiökos, am Olympiſchen T., zu Alyzia von Lyſipp,
auch in Pergamos Brunck iii. p. 209. Zuſammenſtellungen
G. M. 433 — 446. Zoëga Bassir. 61 — 63. Gall. di
Fir. St. 104. Bouill. iii, 50, 1. 2. G. Giust. ii,
135.
Statuen von Oſtia PCl. ii, 5 — 8. E. A. Hagen de Her-
culis laboribus. Regim.
1827. Ueber den Löwen herge-
worfen, auf alten Vaſen; ihn ſtehend erwürgend, alterthümlich
Gori M. E. i, 73., in ſchönem Styl auf M. von Herakleia u.
ſonſt. Die Hydra bekämpft er mit der Keule, Pfeilen (ſ. Ha-
gen), auch mit einer Harpe, in den Metopen des Delph. T. Eu-
rip. Jon 158. wie bei Millin Vas. ii, 75., während Jolaos
den Krebs tödtet. Vgl. das Theſeion §. 118, 1. Auf der Ar-
kadiſchen Hindin knieend, §. 96, 19. Den Eber auf den
Schultern tragend, theils ohne Euryſtheus (Liban. Ekphr. 12. Pe-
terſen de Lib. iii.), theils mit dem im Faſſe ſteckenden Eury-
ſtheus (§. 48, 4., auch auf der Vaſe von Viterbo §. 177, 2.
Maiſonn. 66). Die Stymphaliden (von deren Geſtalt Voß
Myth. Br. i, 32.) bald knieend, bald ſtehend, mit Bogen aber
auch Keule. Die Heſperiden-Aepfel von einer Jungfrau
empfangend oder ſelbſt abpflückend. (Vaſe des Aſteas von Päſtum,
Millin i, 3., die von Bern. Quaranta herausgegebene, Kunſtbl.
1824. N. 6. Vgl. auch Hancarv. i, 98). Mit Antäos, Brunck iii.
p.
210. Gruppe Maffei Racc. 43. Gemählde Nason 13. Gemmen.
Beſonders viel Kämpfe auf M. von Perinthos; auch der mit der
Echidna, n. 273 Mionn. vgl. Zoëga 65.


5. Gigantenkampf auf dem Kaſten des Kypſelos, Pauſ. iii,
18, 7. G. M.
458. 59. (im Coſtüm der Thaſiſchen Münzen
§. 90, 3.) Millingen Div. 31. KentaurenkämpfeG.
M.
437. 38. auch Hanc. ii, 124. Millin i, 68. Moſes 1.
Millingen Div. 33, wo Dexamenos gegen die gewöhnliche Fabel ein
feindlicher Kentaur iſt. Die Geſchichte mit Neſſos Philoſtr. d.
j. 16. G. M. 456. 57. Die Vaſe G. M. 439. ſtellt den Hera-
kles dar, wie er das Faß des Pholos öffnet. Kampf mit Ache-
loos Millin Vas. ii, 10., wohl auch R. Roch. Mon. In. i, 1.
Maisson.
70. vgl. Philoſtr. d. j. 4. Mit Kyknos §. 99, 7.
Mit Buſiris (im Geiſt des Drama Satyrikon) Millingen Div. 28.


6. §. 77, 1. Böotiſcher Schild des H. §. 99, 7. Am
Kaſten des Kypſelos hatte H. ſchon ſein gewöhnliches σχῆμα (Pauſ.
36
[562]Syſtematiſcher Theil.
v, 17, 4); welches gegen ihr höheres Alter ſpricht, §. 57, 2.
Der Bogen des H. iſt der doppelt ausgebogene, Skythiſche
(die παλίντονα τόξα Aeſchyl. Choeph. 159). Paſſow in Bötti-
gers Arch. u. Kunſt S. 150.


7. G. M. 453**. 454. 472***. Farneſiſche Gruppe, Nea-
pels Ant. i, S. 24. Gerhards Ant. Bildw. i, 29. Der
ſpinnende H. in der Moſaik §. 322, 5. Ueber die Caſſler Sta-
tue Bouill. ii, 8. Völkel in Welkers Zeitſchr. S. 177. Ju-
lia Domna als Omphale Guatt. Mem. enc. T. v. p. 120. Kopf
der Omphale? M. Fr. iii, 11. H. u. Jole (?) G. M. 455.
H. von Eros gebändigt, von Lyſipp. Auf Gemmen knieend u.
gebeugt. Lipp. i, 280 — 82. Eroten mit ſeinen Waffen ſpie-
lend, ebd. 26, 3 u. oft. Eros-HeraklesBouill. iii, 10,
1. 3. Millin G. M. 482**.


8. G. M. 450 — 452 (denn auch in der ſchönen Gruppe
PCl. ii, 9. Bouill. ii, 3. iſt der Knabe wohl Telephos).
Andre Gruppen im L. 450. Bouill. ii, 2. Guattani Mon.
In. 1788. p.
29. Gaetano d’Ancona Illustraz. del gruppo
di Ercole colla Cerva scoperta in Pompei nel
1805. An
einem Atheniſchen Denkmal, M. Nan. 190. Vgl. Paciaudi Mon.
Pelop. Epim.
§. 3. Eckhel P. gr. 26. 27. M. von Per-
gamos Choiſ. Gouff. Voy. pitt. ii, 5, 3., des Antonin Pius
§. 204, 3. Telephos mit der Hirſchkuh an der Halle von Theſ-
ſalonike.


9. Auf den M. von Kroton ſieht man ihn ſich expiirend, u.
beim Weine ausruhend Des Vf. Dorier ii. S. 449. In
Delphi geſühnt? Laborde Vas. i, 34. Auf der Vaſe Lab. ii,
7. hat ihm Athena die Keule genommen, und er ſteigt kitharſpie-
lend eine Stufe hinan. Als Kithariſt auch Paſſeri Luc. ii, 6.,
auf der Gemme M. Flor. ii, 44, 2. und unter den Muſen von
Ambrakia, §. 393, 2. G. M. 473.


1411. Eine neue Reihe von Herakles-Vorſtellungen
eroͤffnet die Apotheoſe. Man ſieht den Helden in ſchoͤ-
nen Vaſenbildern vom Scheiterhaufen empor nach dem
Olympos fahren, gewoͤhnlich jugendlich, indem die Ver-
juͤngung zugleich mit der Apotheoſe eintritt, von Athena
2oder Nike und Hermes gefuͤhrt. Eine andre Vor-
ſtellungsweiſe laͤßt Herakles zunaͤchſt in den Thiaſos der
[563]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Bacchiſchen Begleiter eintreten, und ſcherzt mit dem Ge-
genſatze des gewaltigen und ungefuͤgen Heros, und ſeiner
muthwilligen Geſellen. Einen ſolchen im behaglichem3
Zwiſchenzuſtande ausruhenden Herakles ſtellte auch das
beruͤhmte Meiſterwerk dar, der Torſo von Belvedere,
deſſen Stellung ganz mit der des unter Satyrn Ausru-
henden uͤbereinkommt. Herakles ruhte hier auf dem rech-
ten Arme, worin er wahrſcheinlich den Skyphos (§. 299,
2.) hielt, und hatte den linken uͤber das Haupt geſchla-
gen; ein ſeeliges Behagen hat ſich uͤber die Muskeln des
erhabnen Koͤrpers ergoſſen, ohne das Gepraͤge der hoͤch-
ſten Kraftfuͤlle zu verwiſchen. Den Spielen Dionyſi-4
ſcher Feſtluſt folgend, behandelte auch die Kunſt den
Herakles gern komiſch; ſeine Abentheuer mit Pygmaͤen und
Kerkopen gaben dazu die beſte Gelegenheit. Den Cul-5
tus des Herakles bezeichnen ſein Opferthier, der Eber,
der Herakleiſche Skyphos, in gewiſſer Beziehung koͤmmt
ihm auch das Fuͤllhorn zu. Gern wird er mit nie-6
dern Land- und Feldgoͤttern zuſammengeſtellt (§. 402. 403,
1.), denen er auch in einer niedern Form ſeiner Bil-
dung, wobei das Derbe und Rauhe ſeines Weſens her-
austritt, naheſteht. Die allegoriſche Fabel von Hera-
kles am Scheidewege liegt vielleicht einigen Vaſengemaͤhl-
den zum Grunde.


1. S. Böttiger Hercules in bivio p. 37. Gemählde Arte-
mons Pl. xxxv, 40. G. M. 462. Millingen Div. 36. Ger-
hards Ant. Bildw. 31. (Nike kutſchirt, Hermes leitet, Apollon
bewillkommnet, Pöas nimmt den Köcher hinweg, eine Nymphe löſcht
die Pyra, wie ſonſt dor Bach Dyras). Patere bei Moſes pl. 69.
H. jugendlich den Trank von Hebe empfangend, Relief bei Guatt.
M. I. 1787. p. 47.


2. So das Farneſiſche Relief (Zoëga 70. Corſini Herculis
quies et expiatio in Farnes. marmore expressa.
), deſſen
Sinn offenbar der iſt: Im 58. Jahre der Hera-Prieſterin Admete
wird H. apotheoſirt; er empfängt durch die Prieſterin aus Hebes
Hand den Trank der Unſterblichkeit, und gelangt nun als ἀνα-
παυόμενος zunächſt in die Kreiſe der Bachiſchen Dämonen.
36*
[564]Syſtematiſcher Theil.
Sonſt ſieht man H. im Bacchiſchen Thiaſos an der Tazza bei
Zoëga 71. 72. In Bacchiſcher Pompa PCl. iv, 26. Wo-
burn ‒ M.
6. Unter Satyrn flötenſpielend, Laborde ii, 11.
Beim Gaſtmal mit Dion. u. Ariadne, Millin Vas. i, 37. Trink-
kampf mit Dion. auf einer goldnen Schale des Cab. du Roi.
G. M.
469. Zechend, Zoëga 68. PCl. v, 14. M. Worsl.
i,
2. vgl. Brunk iv. p. 210. Trunken, Zoëga 67. Gerh.
Ant. Bildw. i, 30. Der trunken ſinkende Herakles an Sarko-
phagen Neapels Ant. S. 59. H. Kopf mit Epheu bekränzt, G.
M.
470. Als der gaſtliche Heros oft die Rechte hinhaltend,
δεξιούμενος, Gall. di Fir. St. 113. 114. Ant. Erc. vi, 20.


3. Torſo PCl. ii, 10. Bouill. ii, 4. vgl. Winckelm. i.
S. 267. Die Inſchr. §. 197, 2. Von dieſer ewigen Ruhe
unterſcheidet ſich ſehr die unmittelbar nach der Arbeit, Lipp. i, 285 —
87. Suppl. 344—46. Jene göttliche Klarheit charakteriſirt
auch manche Köpfe, beſonders die mit der gewundenen Haarbinde,
wie den Bouill. i, 71. (Herc. victor genannt). Lipp.
Suppl. 312.


4. Unter Pygmäen Philoſtr. ii, 22. Zoëga 69. Selbſt
Pygmäe (Sophrons Ἥρυλλος) und mit Kranichen kämpfend.
Tiſchb. ii, 18. vgl. 7. Millin i, 63. 72. Die Pygmäen wer-
den auf den Vaſen genau ſo wie bei Kteſias Ind. 11. dargeſtellt.
Kerkopen-Abentheuer §. 90, 2. Millingen Div. 35. Tiſchb.
iii, 37. Durch Phlyaken dargeſtellt Hanc. iii, 88. (Dorier ii.
S. 457.). Vgl. Böttiger, Amalth. iii, 318.


Mit Zeichen ſeines Dienſtes G. M. 480. 481. Chiaram.
i,
21. Unter Landgöttern Bouill. iii, 70, 1. H. als Auf-
ſeher von Rinderheerden, Winck. M. I. 67. Hercules Placi-
dus
mit dem Füllhorn, Pan neben ihm Boiſſard iv, 71. Mit
Füllhorn PCl. ii, 4., es Zeus reichend G. M. 467. Zeus
mit Füllhorn tragend 468. Ihn über das Waſſer tragend, von
Hermes geführt, Gori M. E. ii, 159. Chriſtie Paint. Vas. 15.
Millingen Div. 35. eine, auch nach den Erklärungen von Bötti-
ger archäol. Aehrenl. i, S. 4. Millin Vas. ii, 10. Millingen
Div. p. 56. Gerhard im Kunſtbl. 1823 S. 205. noch räthſel-
hafte Darſtellung. — Hermherakles Bouill. iii, 17, 3. 4.,
nebſt Hermathene Paſſeri Luc. ii, 8.


6. Dahin gehört ziemlich deutlich G. M. 460. Millins prê-
tresse de Cérès
iſt die Arete. Vgl. N. 1.


[565]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
2. Die uͤbrigen Heroenkreiſe.

412. Theſeus Heroengeſtalt erkennt man an der Aehn-1
lichkeit mit Herakles, aber bei minder gedrungenem Koͤr-
perbau, an dem kurzgelockten, aber weniger krauſen
Haare, und den beſonders auf Gewandtheit im Ringen
hindeutenden Formen der Glieder; ſein Coſtuͤm iſt ge-
woͤhnlich Loͤwenhaut und Keule; bisweilen auch Chlamys
und Petaſos nach Art Attiſcher Epheben. Die Boͤoti-2
ſchen Helden werden oͤfter durch die in ihrem Lande uͤb-
liche Kopftracht, die κυνῆ Βοιωτία (§. 338, 1.), be-
zeichnet. Jaſons Heldengeſtalt kann ſchwerlich in der3
ſonſt trefflichen aber Nichts von heroiſcher Groͤße darſtel-
lenden Statue des Sandalenbinders, deſſen Stellung ſonſt
bei Hermes vorkoͤmmt (§. 380, 6.), erkannt werden; nach
alten Schilderungen ſcheint ein Pardel- oder Loͤwenfell
zu ſeinem vollſtaͤndigen Coſtuͤm zu gehoͤren, doch bezeich-
net ihn auf Vaſengemaͤhlden auch die Theſſaliſche Tracht
des Petaſos und der Chlamys. Medeia erſcheint theils
in einfachem Griechiſchen Coſtuͤm, theils mit orientali-
ſchen Gewaͤndern, beſonders in dem uͤbergehaͤngten Aer-
melrocke Kandys (§. 246, 5.), in Bewegung und Miene
die tiefe Leidenſchaftlichkeit ihres Gemuͤthes ausſprechend.


1. Attiſcher Mythus. Kekrops und ſeine Töchter §. 387.
7. Herſe (?) mit Hermes, in einem Relief und einem Hercul.
Bilde, Guatt. Mem. enc. v. p. 65. vgl. §. 381, 6. Erich-
thonios § 118, 2 c.TheſeusG. M. 482 — 85. 90 —
95.: den Stein hebend (nach der Gruppe, Pauſ. i, 27, 8.,
auf Athen. M. Mus. Br. 6, 16. Zoëga Bass. 48.), den Pityo-
kamptes (Tiſchb. i, 5. Böttiger Vaſengem. ii, S. 134), den Ma-
rathoniſchen Stier u. den Minotaur (N. Mus. Br. 6, 18 — 20.
Eckhel P. gr. 32. Lanzi Di vasi ant. diss. 3. Hancarv. iii,
86. Gori M. E. i, 122.) bezwingend, Ariadne entführend und
verlaſſend (dieſen Cyklus giebt die Salzburger Moſaik, Creuzer Ab-
bild. zur Symb. Tf. 55, 1., die Verlaſſung die Pompej. Ge-
mählde bei Zahn 17. 21.), die Amazone Hippolyte bezwingend, in
der Unterwelt feſtſitzend. Der Kampf mit Prokruſtes, Millingen
[566]Syſtematiſcher Theil.
Div. 9. 10.; mit der Krommyoniſchen Sau. am Theſeion, auf
M. M. Br. 6, 23. Durch Aegeus von Medeens Gifttrank zu-
rückgehalten, Winck. M. I. 127. Br. M. Terrac. 20. Im
Kentaurenkampf, auf dem Phigal. Fries. Opfer an Th. wie
es ſcheint, St. di S. Marco i, 49. Th. Kopf auf M. Br. M.
6, 22. 23. Vgl. das Vaſengem. Millingen Un. M. i, 18.


Die Fabel von Phädra u. Hippolyt iſt völlig deutlich auf
dem Agrigentiniſchen Sarkophag §. 257.; vorn erhält Hipp. in der
Mitte ſeines Jagdzugs den Brief der Ph., hinten ſieht man ihn
bei der Eberjagd, rechts u. links die liebekranke Ph. u. den vom
Wagen herabgeſtürzten Hipp. Darnach erkennt man dieſelbe Fa-
bel bei Zoëga 49 (50 iſt zweifelhaft). Gall. di Fir. St. 91.
Gerhard Ant. Bildw. 26. Woburn Marbl. 13. auch Eckhel P.
gr. 33. Pitt. d’Erc. iii,
15. (die auf einigen Reliefs, welche
einen hiſtoriſchen Bezug zu haben ſcheinen, neben dem Reuter lau-
fende Kriegerin möchte eine allegoriſche Figur ſein; ſie kömmt auch
auf der Löwenjagd G. Giust. ii, 136. M. Matth. iii, 40.
vor). Dagegen der vom Eber zu Boden geworfene und in
den Schenkel verwundete Adonis deutlich G. Giust. ii, 116. u.
Bouill. iii, 51, 5. erkannt wird. (Vgl. über die Verwechſlung
beider Viſc. PCl. ii, p. 62). Hipp. tauro emisso ex-
pavescens,
von Antiphilos nach Pl., auf Etr. Urnen, Micali
32. 33. vgl. Philoſtr. ii, 5.


2. Thebaniſcher. KadmosG. M. 395 — 97.: Dra-
chenkampf (auch auf M. von Tyrus, Gemme bei Millin Vas.
p.
1., Vaſengem. Millingen U. M. i, 27. ganz wie bei Eurip. Phön.
673.; die Böotiſche κυνέη bezeichnet Kadmos wie Pentheus, Mil-
lingen Div. 5.); Hochzeit mit Harmonia (mit Beziehung auf
Myſterienlehren). — Kadmos vom Schiffe ſteigend auf einer The-
baniſchen M. Aktäon, §. 365, 6. auch Inghir. M. Etr. i,
65. 70. Aktäons angefeſſeltes Bild ſieht man auf M. von
Orchomenos (Seſtini Lett. ii, 1817. p. 27.) zur Erläuterung von
Pauſ. ix, 384.


Oedipus mit Sphinx G. M. 502‒5. Tiſchb. iii, 34. Paſſeri
Luc. ii, 104. Bartoli Nason. 19. (Bei Ingh. i, 67. erſcheint die
Sphinx wohl als geflügelte Kentaurin). Oed. den Laios tödtend Ingh.
i, 66. Oed. Blendung Ingh. i, 71. Giamb. Zannoni
Illustr. di due Urne Etrusche etc. Fir. 1812. Oed.
mit Antigone auswandernd? Millingen Div. 23. Zug der
Sieben
G. M. 507 — 12.: Fünf der ſieben Helden zuſam-
menſitzend, Tydeus verwundet, Kapaneus die Treppe herabſtürzend
(oft auf Gemmen Caſſini iv, 29. Caylus iii, 86.; Winck. M.
[567]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
I. 109. Zoëga Bass. 47.), Adraſt bei Archemoros Leiche, Bru-
derkampf (Liban. Ἐκφρ. p. 1119.), Adraſts u. Amphiaraos ἐξελα-
σία, Hauptthema der Thebais, auf der Vaſe §. 99, 2, 9. (auch
bei Millingen Div. 20. 21). Kampf vor Thebens Thoren.
Ingh. i, 87. 88. 90. Die Brüder an den Altären der
Erinnyen ſterbend, Oedipus Geſtalt ſteigt den Fluch wiederholend
aus dem Boden, Ingh. i, 93. Amphiaraos hinabgeriſſen,
Ingh. i, 85. — Zethos u. Amphion die Dirke ſtra-
fend §. 157, 1. 2., ebenſo auf einer Gemme G. M. 514., auf
Münzen von Thyateira, Contorniaten.


Orchomeniſcher. Athamas opfert eins ſeiner Kinder auf
einem großen niedrigen Altar (G. M. 610. Bisher anders erklärt).
Ino verfolgend, Kalliſtr. 14. oben §. 401, 4. Flucht von
Helle u. Phrixos G. M. 408. 409. Zahn Wandgem. 11.


3. Jolkiſcher. Neleus u. Pelias ihre mißhandelte Mutter
Tyro auffindend, Epigr. Cyzic. 9. Etr. Spiegel Ingh. ii, 76.
Jaſon, alte Schilderungen Pind. P. 4, 79. Philoſtr. d. j. 7.
Der ſog. Cincinnatus, nach Winckelm. ein Jaſon, Maffei Racc.
70. Bouill. ii, 6. M. Fr. iii,
15. Aehnlich die statuetta
PCl. iii,
48. u. M. Fr. iv, 20. Argofahrt Flangini
L’Argonautica di Apollonio Rodio T. 1. ii. Vignetten. G.
M.
417. — 422*: Bau der Argo (auch Zoëga Bass. 45.),
Fahrt, Kampf des Polydeukes u. Amykos (auch §. 173, 5). —
Opfer der Chryſe §. 361, 8. (Jaſon dabei im Theſſaliſchen Coſtüm,
vgl. Philoſtr. Her. ii, 2). J. erhält die Iynx durch Hermes,
Br. Mus. Terrac. 53. Medeia beſänftigt den Drachen, ebd.
52. J. beim Altar des Laphyſtiſchen Zeus, wo das Haupt u.
Fell des Widders, Flang. i, 434. J. die Stiere an den Pflug
ſchirrend (Flang. ii. p. 199.) u. ſich mit Medeia verlobend, Bouill.
iii,
51, 1. J. den Drachen tödtend, Millingen Div. 6.
J. das Vließ herabnehmend, Flang. ii, p. 430. J. bringt Pe-
lias das Vließ, Medeia neben ihm, der Dreifuß der Verjüngung
im Hintergrunde, Millg. Div. 7. Argo u. die Argonauten,
ebd. 52.


Medeens Schickſale. Böttiger Vaſengem. i, 2. S. 164.
Ueberredung der Peliaden, G. M. 425. Amalthea i, 161 ff.
Geſchenke von Kreuſa PCl. vii, 16. Die tragiſchen Scenen
aus Euripides Medeia in drei Reliefs nach demſelben Original G.
M. 426; Bouill. iii,
50, 3.; noch vollſtändiger Winck. M. I.
90. 91. Im prächtigen Vaſenſtyl behandelt, Vas. de Canosa 7.
Als Kindermörderin in der Gruppe von Arles, G. M. 427.;
[568]Syſtematiſcher Theil.
ähnliche ſcheinen Libanios Ekphr. p. 1090. u. Kalliſtr. 13. zu be-
ſchreiben. Medée tableau de Timomaque (§. 208, 2.),
Panofka Annali dell’ Inst. di Corresp. 1829. p. 243. nach
einem Pompej. Gemälde u. Paſten. M. von dem Orachen da-
von getragen, R. Roch. M. I. i, 6.


1413. Zum Achilleiſchen Charakter gehoͤren nach al-
ten Zeugniſſen, mit denen unter den Monumenten we-
nigſtens die ſichern und ſorgfaͤltiger behandelten einſtim-
mig ſind, die maͤhnenartig emporgebaͤumten Haare, auch
die von Muth und Stolz geblaͤhten Naſenfluͤgel (μυκτῆ-
ρες), ein ſchlanker ſteiler Nacken, und durchaus edle
und gewaltige Koͤrperformen; auch eine gewiſſe helden-
maͤßige Stellung, wobei das eine Bein lebhaft vorgeſetzt
wird, und das Himation nachlaͤſſig uͤber den Schenkel
dieſes Beins faͤllt, wird wenigſtens haͤufig bei Achilleus
angebracht; wenn er ſitzt, iſt das Himation aͤhnlich wie
2bei Zeus um die unteren Theile der Figur gezogen. Me-
leagros erſcheint in einer beruͤhmten Statue als ein
ſchlanker, kraͤftiger Juͤngling mit breiter Bruſt, hurtigen
Schenkeln, krauſem Haare und einer zuruͤckgeſchlagnen und
nach Aetoliſcher Art (§. 338, 4.) um den linken Arm
gewickelten Chlamys; er iſt der Jaͤger unter den Heroen;
der Eberkopf, auf den er ſich ſtuͤtzt, bezeichnet ihn unver-
kennbar. Mit ihm koͤmmt Atalante vor in Artemis-
aͤhnlichem Coſtuͤm, das Haar auf dem Scheitel einen Buſch
3bildend. Der Thrakiſche Orpheus erſcheint als be-
geiſterter Kitharoͤde von einer gewiſſen Weichheit der Bil-
dung, fruͤher in Helleniſchem Coſtuͤm, erſt in ſpaͤterm
Zeitalter erhaͤlt er Phrygiſche Tracht.


1. Pheräiſcher Mythus. Schickſale der Alkeſtis G. M.
428. Gerhard Ant. Bildw. 28. (Alk. iſt Porträt) Bartoli Na-
son.
10.


Itoniſcher Proteſilaos u. Laodameia. Auf Sarkophagen (§.
397, 2.) G. M. 561. Gerhard Ant. Bildw. 34? Eckhel P.
gr.
36. auf freche Weiſe dargeſtellt.


[569]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

Phthiotiſcher. R. Rochette Mon. In. i. Achilléide.
Peleus Raub der Thetis, auf dem Barberiniſchen Gefäß (§.
316, 2. vgl. Millingen in den Mémoirs of the Soc. of Lit-
ter. T. ii. p.
99), den Vaſengem. Walpole Travels p. 410.
Millingen U. M. i, 10 u. A., u. Div. 4. (Peleus mit Theſſaliſchem
Hut), auf einer Etr. Patere Dempſter E. R. ii, 81., und den
Reliefs M. Matth. iii, 32. 33. (bei Winck. M. I. 110), Bild-
werken, welche eine vornehme Hochzeit feiern ſollen, daher Hera
Zygia zu oberſt thront, und das Zeichen der Wage (vestra ae-
quali suspendit tempora Libra,
perſ. 5, 47) emporgehalten
wird. Hochzeitgeſchenke G. M. 551. Achilleus Leben G.
M.
552. Erziehung (Philoſtr. ii, 2.) bei Cheiron 553 (auf dem
Sarkophag von Jos, ſ. Fiorillo u. Heyne: Das vermeintliche Grab-
mal Homers, auch Pitt. Erc. i, 8). Ach. in Skyros 555.
(ebd.; dann auf dem ſog. Sarkophag des Severus Alex. herausg.
von Rid. Venuti, 1756. M. Cap. iv, 1. Bartoli Sepolcri
80.; bei Raoul Rochette M. I. 12.; Woburn M. 7. Ge-
mählde des Athenion Plinius xxxv, 40, 29. vgl. Philoſtr.
d. j. 1. Der ſog. Clodius der Villa Panfili ein verkleide-
ter Achill, Herausg. Winck. vi. S. 309). Ach. Auszug in den
Krieg, Millg. U. M. i, 21., die beiden Väter des Achill u. Pa-
troklos ebenſo M. Cap. iv, 1.? Die ferneren Thaten §. 415.
— Zu Achilleus Charakter gehört das κομᾷν, ἀναχαιτίζειν
τὴν κόμην nach Philoſtr. Im. ii, 7. d. j. 1. Libanios Εκφρ.
6. Heliodor Aethiop. ii, 35. (die Hauptſtelle). Ἀνίουλος in
einer Statue bei Chriſtodor 291, doch wohl nicht durchgängig. Vgl.
auch Philoſtr. Her. 19, 5. Ob der Achill Borgheſe (V. Borgh.
i, 9. Bouill. ii,
14., durch Polykletiſche Proportionen und eine
gewiſſe Härte der Behandlung kunſthiſtoriſch intereſſant) wirklich
Achill ſei, iſt noch zweifelhaft; Haltung und Alter entſpricht den
statuis Achilleis bei Plinius xxxv, 10. u. das ἐπισφύριον
iſt wohl Andeutung der Panzerung. Die Büſten August. 35.
M. Worsl. i,
7. Tiſchbein H. i, 5 u. p. 40. hängen auf
jeden Fall mit der Statue zuſammen und fordern gleiche Deu-
tung. Stellung und Lage der Draperie G. M. 555. findet ſich
auch M. Cap. iv, 1.; und eine Zeusähnliche Bekleidung in dem
Pompej. Bilde bei Zahn 7., ſo wie in der Ambroſianiſchen Ilias
durchweg, ſ. beſonders t. 47. Pharſaliſches Weihegeſchenk: Achil-
leus zu Roß, Patroklos nebenherſchreitend (Pauſ. x, 13, 3. Cod.
Mosc.
); darnach iſt der Reuter auf den M. der Stadt zu be-
nennen.


2. Aetoliſcher. Meleagros Statue PCl. ii, 34.
M. Nap. ii, 56. Bouill. ii,
7. Eberjagd (Philoſtr. d. j.
[570]Syſtematiſcher Theil.
15.) G. M. 411 — 13. M. Cap. iv, 50. Woburn M. 8.
10. (wo auch die zurückgeſchlagene Chlamys) u. oft. Spiegelzeich-
nungen, wo Meleagros der Atal. den Eberkopf übergiebt Gori M. E.
i,
126. Inghir. ii, 61. Streit mit den Mutterbrüdern und
Tod des M. G. M. 415 (M. Cap. iv, 35.) V. Borgh. st.
3, 12. (Bouill. iii,
51, 2.) Zoëga Bass. 46. (ähnlich Bouill.
51, 3.) Intereſſante Spiegelzeichnung Inghir. ii, 62., wo
Atropos (Athrpa) durch Einſchlagen des Nagels das Loos des Hel-
den unwiderruflich feſtſetzt. Verbrennung des Leichnams u. Selbſt-
mord der Althäa, Barberiniſches Relief bei Rubeis Admir. Rom.
70. 71., ein andres fragmentirtes M. Cap. iv, 40. Aehnlich
auch Winck. M. I. 88.


Lokriſcher. Iſt der angreifende Held auf den ſchönen M.
von Opus Aias Oileus Sohn oder Patroklos? Aias Oileus
S. wird ähnlich von Chriſtodor 209. beſchrieben. Ein ähnlicher
auf denen von Tricca M. Br. 5, 11.


Kephalleniſch-Attiſcher. Kephalos bei der getödteten
Prokris Millingen U. M. i, 14. (der Vogel mit dem Menſchen-
kopf iſt wohl Aura). Ebenſo erklärt Hirt die §. 126, 4. erwähnte
Vaticaniſche Gruppe. K. mit herabhängenden Haaren (αὐχμη-
ρὸς als Mordflüchtiger) auf M. von Pale, M. Br. 7, 22. 23.
K. von Eros geraubt. Tiſchb. ii, 61. iv, 12. Millin i, 48.
ii,
34. 35. Millingen Cogh. 14.


3. Thrakiſcher. Lykurgos §. 384, 4. Orpheus in Helleniſcher
Tracht, P. x, 30.; in der Pythiſchen Stola, Virgil Aen. vi, 645. V.
de Canosa
3, (wo nur eine Phrygiſch-Thrakiſche Tiare dazukömmt,
wie bei Kalliſtratos 7. vgl. den j. Philoſtr. 11.); in einer ſich
dieſer annähernden Tracht in der ſchönen ächtgriechiſchen Reliefgruppe
mit Eurydike u. Hermes, (in Neapel, mit Griechiſchen Beiſchriften,
Neap. Ant. S. 67; in V. Albani, Zoëga 42; in V. Borgheſe,
Winck. M. I. 85. in Latein. Beiſchrift irrig Amphion, Zethos u.
Antiope benannt). Aehnlich in der Moſaik G. M. 423. als Thierbe-
zähmer (worüber Welcker ad Philostr. p. 611). In Phrygi-
ſchem Coſtüm mit Anaxyriden ſpäter, im Vatican. Virgil u. Cata-
comben-Bildern; vgl. Caylus iii, 13, 1. iv, 48, 1. Nackt
als Cerberus-Beſänftiger, Gemme bei Agoſtini ii, 8. Von ei-
ner Mänas umgebracht, auf einer Vaſe M. I. dall’ Instituto 5, 2.


1414. Bellerophon kennt man nur durch den Zuſam-
2menhang mit Pegaſos und Chimaͤra. Perſeus er-
[571]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ſcheint in Koͤrperbildung und Coſtuͤm Hermes aͤhnlich;
eine ſpaͤtre aſiatiſche Kunſt ſuchte ihn durch eine mehr
orientaliſche Tracht ihrer Heimath zu vindiciren. Pe-3
lops erſcheint in Lydo-Phrygiſcher Tracht und mit den
weichen Formen, die damit verbunden zu ſein pflegen.
Leda hat, wie ſo haͤufig Mythen von einer dunkeln Na-4
turbedeutung, einer ſpaͤtern Zeit zu Darſtellungen trunk-
ner Wolluſt den Anlaß gegeben; ihren Soͤhnen, den Dios-
kuren, welche mehr Goͤtter als Heroen ſind, koͤmmt eine
voͤllig tadelloſe Jugendſchoͤnheit, ein eben ſo ſchlanker wie
kraͤftiger Wuchs, und als ein faſt nie fehlendes Attribut
die Halbeiform der Huͤte, oder wenigſtens ein auf dem
Hinterhaupt anliegendes um Stirn und Schlaͤfe mit ſtar-
ken Locken hervortretendes Haar zu, wie es an der Co-
loſſalgruppe auf Monte-Cavallo wahrgenommen wird.
Die Unterſcheidung des Fauſtkaͤmpfers Polydeukes und
des Kaſtor im ritterlichen Coſtuͤm findet ſich nur wo ſie
in heroiſcher Umgebung, nicht wo ſie als Gegenſtaͤnde des
Cultus, als Anakes, dargeſtellt werden.


1. Korinthiſcher Mythus. Medeia §. 411, 3. Auf
dem Vaſengem. Maiſſon 44. bringt Einer einen Brief mit dem
Namen Siſyphos, vielleicht dem des Prötos ähnlich. Bel-
lerophon
G. M. 390—394*: den Pegaſos bändigend (Tiſchb.
iii, 38); tränkend (Gemmen Stuart Ant. iii. p. 43.); Chi-
mära bezwingend (Meliſches Relief §. 96, 22.), abgeworfen, der
Pegaſos fliegt zu den Olympiſchen Höhen. Böttiger Vaſengem.
i. S. 101. Auf Korinthiſchen M. Millingen Méd. In. 2, 18. —
Peg. von den Nymphen gepflegt, auf Korinthiſchen M. u. Gem-
men, Thorlacius de Pegasi mytho. 1819. Bartoli Nason. 20.


2. Argiviſcher. Jo §. 351, 3. Wagenkampf um die
Danaiden? G. M. 385. Prötiden §. 364, 4. Perſeus,
von Pythagoras mit Flügeln gebildet, wie auf dem Heſiod. Schilde.
Auf Gemmen dem Lantin 380, 4. ſehr ähnlich, Lipp. i, 52—54.
Der Gorgonenkampf, immer als Köpfung, in alten u. hieratiſchen
Reliefs §. 90, 2. 96, 22. 371, 5. Auf Etruskiſchen Spie-
geln G. M. 386. 386*. 387. Etr. Bronze Gori M. E. i,
145. Aſiatiſche Darſtellungsweiſen auf M. Kabera’s (P. mit
[572]Syſtemtiaſcher Theil.
Phrygiſcher Mütze u. langer Chlamys) u. Tarſos (P. nackt).
Gruppe in Ikonium, Peterſen Einl. S. 129. P. der Pallas das
Gorgoneion übergebend, Ingh. M. E. i, 55. Maiſſoneuve 46.
Die ganze Fabel ſchön entfaltet, Millin Vas. ii, 34. vgl. Millg.
Div. 3. P. Andromeda vom Felſen herabführend, ſchönes Re-
lief des M. Cap. iv, 52. wie in dem Epigr. Br. Anal. ii, p. 172,
13. P. Dazwiſchenkunft Gori M. E. i, 123. Ingh. M. E. i,
55. 56. Gemählde von Euanthes, Achill Tat. iii, 6. Vgl.
Pitt. Erc. iv, 7. 61. Gells Pompej. 42. Philoſtr. i, 29.
P. Schwerdt, die Harpe, hat auf den M. von Tarſos u. ſonſt
eine grade und eine krumme Spitze.


3. Piſatiſcher. Pelops von Poſeidon mit dem Viergeſpanne
beſchenkt, Philoſtr. i, 30. Vielleicht auch auf dem Velletriſchen
Relief §. 171, 3. Vorbereitungen zum Wettkampf mit Oenomaos
am Olympiſchen T. Pauſ. v, 10. Oenomaos vor dem Wettkampf
der Artemis Alpheioa opfernd, intereſſantes Vaſengem. Neapels
Ant. S. 342. Maiſonn. 30. Inghir. v, 15. vgl. d. j. Philoſtr.
9. P. neben Hippodamia auf dem Wagen, Br. Mus. Ter-
rac.
34., ſo den Oenomaos beſiegend Philoſtr. i, 17. Anders
G. M. 521*, wenn dies hierher gehört.


Arkadiſcher. Telephos bei Herakles u. dem Troiſchen
Kriege. Atalanta u. Hippomenes? Gruppe Maffei Racc. 96.


4. Amykläiſcher. Leda, C. Fea Osservazione sulla Leda
1802, wo ſechs ähnliche Satuen abgebildet werden. M. Flor.
iii,
3. 4. Der Schwan iſt bei dieſen Statuen oft einer Gans
ähnlicher, vielleicht nicht ohne Hindeutung auf Priapiſche sacra
(Böttiger Herc. in bivio p. 48). Schöne Gruppe St. di S.
Marco ii,
5.; ein ganz ähnliches Relief, aus Argos, wird im
Britt. Muſeum aufbewahrt. Auf Gemmen in ſehr verſchiednen
Stellungen Taſſie pl. 21. Eckhel P. gr. 34. Pitt. Erc.
iii,
89.


Geburt der DioskurenG. M. 522. Raub der Leu-
kippiden G. M. 523. G. Giust. ii, 138. vgl. Böttiger Archäol.
der Mahl. S. 291 ff. Figuren der Diosk., ihre Köpfe, Ster-
nenhüte u. dgl. von M. G. M. 524 — 30. Auf Röm. De-
naren gern als Reuter, neben oder auseinander reitend (ihr Loos
führt ſie nach entgegengeſetzten Seiten). Die beiden Pferdebän-
diger von M. Cavallo (18 F. hoch, herrliche Figuren in Lyſippiſchen
Proportionen, in Rom, wahrſcheinlich nach Auguſtus, nach Griechi-
ſchen Originalen gearbeitet, die Inſchriften ohne Bedeutung, die
Roſſe als Parerga behandelt; über die Aufſtellung Lettere von
[573]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Canova u. P. Vivenzio; ſonſt Piraneſi Statue, Herausg. Winck.
v. S. 463. vi, 2. S. 73. Meyer Horen I, ii. S. 42. Wag-
ner Kunſtbl. 1824. N. 93 ff.; ſehr ähnliche Figuren auf Gem-
men Raponi P. gr. t. 5, 9.) ſind doch wohl wirkliche Dioskuren.
Die Diosk. mit Roſſen, Chiaram. 9., haben faſt Phrygiſche
Mützen. Die Atheniſchen Anakes als ſpeerbewaffnete Jüng-
linge um einen Altar ſtehend, Cayl. vi, 47. Catal. de Chois.
Gouff. p.
34. vgl. C. I. n. 489. Aehnlich Mus. Nan. 234.
wo Halbmond über ihrem Altar. In Chlamyden mit Parazonien,
auf einem Sardonyx als Amulet, Eckhel P. gr. 28. Als ge-
harniſchte Jünglinge oft auf Etr. Pateren; in der Heroengeſell-
ſchaft Ingh. ii, 48. unterſcheidet ſich Kaſtor durch ritterlichen
Schmuck von dem nackten Fauſtkämpfer Polydeukes (vgl. §. 411,
3. Statue des Fauſtkämpfenden Pol. Bouill. ii, 1?). Auf
Lampen neben Hades, Bartoli ii, 8. Ihre Symbole zwei
ſchlangenumwundne Urnen auf Lakedämoniſchen M. M. Br. 8, 1.
Dank eines der Seegefahr Entronnenen bei einem Anakeion, auf
einem Relief ausgedrückt, welches 1710 bei Eſte gefunden, jetzt
in Verona (aus dem Museum Silvestrium) iſt. Com. Cam.
Silvestrii Rhodigini in anaglyphum Gr. Interpretatio
posthuma. Rom.
1720. Vgl. Thierſch Reiſen S. 70. Die
Diosk. werden durch Jünglinge mit Eihüten und zwei Dioten be-
zeichnet. Die ſog. Kabiren, ſteife Figuren mit Eihüten, nennt
man auch beſſer Anakten, Ant. Erc. vi, 23.


415. Beſonders beliebt war in der alten Kunſt der1
Mythenkreis des Trojaniſchen Krieges, und groͤßere Zu-
ſammenfaſſungen kamen ſelbſt an Fußboͤden, an Pokalen,
an Waffen, wie ſpaͤter auf Relieftafeln, die mit ihren
kleinen Figuren und beigeſchriebnen Namen eine Art an-
tike Bilderfibel vorſtellten, vor. Die Kykliſchen Dichter,
welche die Ilias einleiteten und fortſetzten, wurden da-
bei eben ſo benutzt wie Homer ſelbſt. Die alte Kunſt2
charakteriſirte einen jeden Haupthelden, indem ſie die Zuͤge
der Epik mit der Freiheit und Sicherheit, die ihr eigen war,
in eine Geſtalt zuſammendraͤngte; jetzt erkennt man an
ſolchen charakteriſtiſchen Zuͤgen außer dem Achill beſon-
ders noch den Telamoniſchen Aias; und doch konnte
grade in einer ſchon im Alterthum oft wiederholten, hoͤchſt
bewundenswuͤrdigen Hauptgruppe der loͤwenartige, ge-
[574]Syſtematiſcher Theil.
waltig zuͤrnende Aias mit dem ſanften Menelaos ver-
wechſelt werden. Unter den Troern iſt Hektor weniger
leicht zu erkennen als Paris, zu deſſen weicher Bildung auch
die Phrygiſche Kleidung paſſend gefunden wurde, waͤhrend
ſonſt nur untergeordnete Figuren dieſe Aſiatiſche Tracht,
die Haupthelden dagegen durchaus das allgemeine He-
roen-Coſtuͤm tragen.


1. S. von der Moſaik in Hierons Schiffe Athen v, p. 207 c.
Scyphi Homerici
Sueton Nero 47.


Troiſcher Krieg. Tiſchbein’s Homer nach Antiken gezeich-
net. Sechs Hefte von Heyne, drei von Schorn commentirt. —
Antehomerica. ParisG. M. 535 — 42. Sein
Hirtenleben Milling. Div. 43. Paris u. Oenone, Terrac. bei
Millg. U. M. ii, 18. Die drei Göttinnen vor Paris §.
378, 4. Menelaos wirbt um Helena, Inghir. ii, 47.
Eros gewinnt Helena für Paris, Millg. Div. 42. Helena’s
Raub, Tiſchb. i.Iphigenias Opfer, Uhden, Schr. der Berl.
Akad. 1811. S. 74. An der Ara in Florenz, wo Kalchas ihr
die Haare abſchneidet, Agamemnon ſich verhüllt abwendet (Anders
erklärt: L’ara d’Alceste. P. Pisani incise 1780). Κλεο-
μενης εποιει. Mediceiſche Vaſe, Tiſchb. v. Gall. di Fir.
St.
156. 157. Etr. Sarkophage Micali 70. 71. Zahns
Wandgem. 19. vgl. §. 138, 3. Telephos Kampf mit Achill.
Millg. U. M. i, 22.? Mit Achills Lanzenroß geheilt, Gemme
bei Naponi 36, 3. Spiegel bei Biancani 1. Ingh. ii, 39.


Homerica. Iliſche Tafel im M. Cap. iv, 68.
Tiſchb. vii, 2.: die Begebenheiten der Ilias u. die folgenden
bis zur Auswanderung des Aeneas, in Bezug auf Rom als Neu-
Troja. Zur Erklärung Begers Bell. Trojanum. 1699.
Welcker Annali dell’ Inst. di Corr. 1829. p. 227. Ein
Stück einer ganz ähnlichen Tafel bei Choiſ. Gouff. Voy. pitt. ii,
p.
346. Miniaturen der Ambroſian. Hndſchr. §. 212, 3., wozu
Göthe Kunſt u. Alt. ii, 3. S. 99. Vignetten in Heyne’s
Ilias. Streit der Fürſten Bouill. iii, 53, 2. (aus V.
Borgheſe) wenn nicht auch der Abgang von Skyros. Abholung
der Briſeis, Zahns Wandgem. 7. Aphrodite verſöhnt Paris
u. Helena §. 378, 4. Geſandſchaft zu Achill, R. Rochette M.
I. i. pl.
13. Neapels Antiken S. 242. Der kitharſpielende
Achill G. M. 567. Dolons (im Wolfsfell) Erlegung, u. Er-
beutung der Roſſe des Rheſos G. M. 570 — 74. Tiſchb. iii.
auch wohl ix, 5. (vgl. C. I. 5.). Aias Thaten G. M. 575.
[575]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
76. Odyſſeus unter Aias Schilde, Tiſchb. v. Kampf um
Patroklos Leichnam §. 90, 3. G. M. 580 — 83., auf M. der
Ilier, n. 237. Mionnet. Antilochos Bothſchaft G. M. 584.
(derſelbe Cameo beſſer Tiſchb. ix, 4.) M. Matth. iii, 34. Der
trauernde Achill G. M. 566? Rückgabe der Briſeis 587.
Achills Bewaffnung durch Thetis 585. 86. §. 402, 3. Apol-
lon am Skäiſchen Thore die Troer rettend, auf Gemmen Cayl. v,
53. Natter Traité 34. Hektor’s Schleifung, auf der
Caſali’ſchen Ara, beſchrieben von Or. Orlandi (nebſt andern Troi-
ſchen Mythen), und auf alterthümlichen Vaſen, wo Hektor rieſen-
haft erſcheint, bei Maiſonn. 48. R. Roch. i, 17. 18. Neapels
Ant. S. 329. Bartoli Luc. iii, 9. Patroklos Lei-
chenopfer auf der Ciſte §. 173, 5. Hektors Löſung G. M. 589.
(Bouill. iii, 53, 3.) 590 (B.
54, 3). Der Phryger mit
dem Krater, PCl. vii, 8. vielleicht aus einer ſolchen Gruppe.


Posthomerica. Die Amazonen zu Priamos kom-
mend, G. M. 591 — 93. Pentheſileia’s Tod 595. Bouill.
iii,
52. R. Rochette 23. 24. (mit ſepulcraler Beziehung). Bel-
lori Luc. iii, 7. 8. Tiſchb. Vaſen ii, 5. auf Contorniaten mit
Beiſchrift. Memnon kommt nach Ilion, Millg. U. M. i,
40. Antilochos Tod G. M. 596. vgl. Philoſtr. ii, 7. Kampf
Memnons mit Achill §. 99, 10. G. M. 597 (die Pſychoſtaſie)
Zoëga Bass. 55. (wo Eos ſie trennen will). Millg. Div. 49.
Die Troaden dem Troilos Leichenopfer bringend, Millg. Div.
17. Achilleus Tod G. M. 601. 2. Aias unter den geſchlachte-
ten Thieren, wie in dem Ekkyklem bei Sophokles, von Timoma-
chos §. 208, 2. Tab. Iliaca. Paſte bei Tiſchb. vii, 6. vgl. Li-
banios p. 1091. PalladienraubG. 562 — 65. Leve-
zow über den Raub des Pall. 1801. Er findet ſich in allen
Momenten, auch des Streites mit Odyſſeus, auf Gemmen; noch
zu erklären iſt die Vorſtellung Gall. di Fir. Int. 23, 2. Auf
Vaſen Millin i, 14. (wo der Raub der Fahrt nach Leuke gleich-
zeitig geſetzt wird) u. Millg. U. M. i, 28. (wo Diomed u. Odyſſ
zwei Bilder, Pallas u. Chryſe, wie es ſcheint, rauben).


Ilions Untergang. G. M. 606 — 11. §. 134,
3. Gemählde beſchrieben Petron. 89. Hauptgruppen auf
einem Helm, Neapels Ant. S. 216. Sinnreich in der Figur
einer Trojanerin dargeſtellt, Libanios p. 1093. Einbrin-
gung des hölzernen Pferdes, Marm. Oxon. i, 147. §. 335, 9.
Laokoon §. 156. Der Frevel an Kaſſandra. Auf Vaſen
(Böttiger u. Meyer über den Raub der Kaſſandra 1794) beſonders
[576]Syſtematiſcher Theil.
Laborde ii, 24.; auf Spiegeln bei R. Roch. 20.; Gemmen M.
Worsl. iv,
23.; Reliefs M. Nap. ii, 63. Gerhard Ant.
Bildw. 27. (ähnlich der knieenden Mänade §. 388, 3). Po-
lyxena’s Opfer, öfter gemahlt, Pauſ. x, 25. Libanios p. 1088.
Menelaos mit der Helena verſöhnt, Tiſchb. v. u. Millg. U. M.
i,
32. Aias des Lokrers Untergang, ein Gewittergemählde,
vielleicht nach Apollodoros, Philoſtr. ii, 13.


2. Im Alterthum kannte man Odyſſeus ἀπὸ τοῦ στρυφνοῦ
καὶ ἐγρηγορότος, Menelaos τοῦ ἡμέρου, Agamemnon τοῦ
ἐνϑέου, Tydeus durch die ἐλευϑερία, Aias Tel. das βλοσυρὸν,
Aias Lokr. das ἕτοιμον Philoſtr. ii, 7. Jene Gruppe exi-
ſtirt als Pasquino in Rom (anonyme Abhandlung von Cancellieri
über Marforio u. Pasquino, Fiorillo im Kunſtbl. 1824 N. 47.),
zu Florenz im Pallaſt Pitti u. auf Ponte Vecchio (Maffei Racc.
42. Tiſchbein H. 5.), Fragmente aus Tivoli im Vatican PCl.
vi,
18. 19., nämlich Aias Kopf u. Patroklos Schulter mit der
Speerwunde. Aehnlicher Kopf bei Egremont Spec. 54., vgl. auch
Brit. Mus. 2, 23. Was bei Tiſchb. i. v. als Agamemnons-
und Menelaos-Kopf abgebildet iſt, ſcheint urſprünglich derſelbe.
Die Gruppe auf einer Gemme bei Mariette, Millin Vas. i, 72.
Der Held iſt wohl ſicher Aias, und die Handlung den Bedingun-
gen der plaſtiſchen Kunſt gemäß mehr concentrirt als bei Homer;
derſelbe Held ſchützt und trägt fort. Diomedes Kopf, Tiſchb.
iii, aus dem PCl., iſt zweifelhaft. Auf den Gemmen hat er
die Chlamys faſt immer auf Aetoliſche Art, §. 338, 4. 412.,
um den l. Arm gewickelt. Hektor auf Iliſchen M. z. B. M.
Br.
9, 18. 19. Choiſ. Gouff. Voy. pitt. ii. pl. 38. auf Vier-
geſpann, Nike auf der Hand. vgl. Philoſtr. Her. 2, 10. Πρια-
μος Maiſſon. Vas. 63. Gemmenköpfe, Lipp. i, ii, 1 — 3.
Paris mit dem Apfel in der Hand, ſitzend PCl. ii, 37.; ſte-
hend Guatt. M. I. 1787. p. 37. (aber PCl. iii, 21. als Mi-
thriſcher Diener erklärt). Kaßler Statue (Atys, Ganymed?)
Welckers Zeitſchr. S. 181. Schöne Paris-Büſten Guatt. 1784
p. 76. M. Nap. ii, 57. Walpole Travels, von Tyrus.


1416. Beſonders fein hat die alte Kunſt den Charak-
ter des Odyſſeus ausgebildet, jedoch in der Geſtalt,
in welcher wir ihn kennen, wahrſcheinlich erſt zu Alexan-
ders Zeiten; die koniſche Muͤtze, der hochgeſchuͤrzte Chi-
ton, welche zur Schiffertracht gehoͤrten, und der derbe
Gliederbau geben ihm eine große Aehnlichkeit mit dem werk-
[577]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
thaͤtigen Hephaͤſtos; Geſcheutheit und Entſchloſſenheit ſpre-
chen aus den Zuͤgen des Geſichts. Oreſtes, wel-2
cher ohne Zweifel in Hauptwerken der alten Kunſt durch
das verduͤſterte Anſehn des fluͤchtigen Moͤrders ſcharf
charakteriſirt wurde, wird in den Kunſtdarſtellungen,
welche wir beſitzen, nur an den aͤußern Attributen des
Blutbefleckten und Schutzflehenden erkannt.


1. Ueber Odyſſeus Tracht (das πιλίον, Cato beim Polyb.
xxxv, 6) §. 338, 2. Andere Nachrichten (Euſtath. u. Schol.
zu Il. x, 265) nennen Apollodor, Ol. 93, als den Erfinder
des Odyſſeus-Hutes; ſicher iſt, daß manche Vaſengemählde ihn
nicht kennen. Schöne Büſte bei Lord Briſtol, Tiſchb. ii, 1.
Auf einem Cameo, Millin M. I. T. i, 22. Die Scenen der
Odyſſee ziemlich vollſtändig G. M. 627 — 42. Tiſchb. ii. iv.
vi. viii.
Od. mit den Winden im Schlauch Paſſeri Luc.
ii,
100. Bei Polyphem, Mich. Arditi Ulisse che — si
studia d’imbriacar Polifemo. Illustr. di un bassor. in
marmo del M. Borbonico. Nap.
1817. Polyphem ſeine
Liebe ſingend, Zoëga 57. Pitt. Erc. i, 10. Philoſtr. ii, 18.
Pol. bietet der Galatea einen kleinen Bär zum Geſchenk (einen
Elephanten bei R. Rochette Mon. In. 7, 1. vgl. Hirt Berl.
Jahrb. 1829 Apr. S. 637.). — Od. (ohne Pilion) an Telema-
chos Grabe (καλος Τηλεμαχος) nach einem dunklen Mythus
bei Maiſonn. 72. — Statuen der bekümmerten Penelope
§. 96, 4.


2. Agamemnons Mord G. M. 614. 15. (nach Tölken’s Er-
klärung Merope, die den Aepytos morden will). Verbindung
Aegiſths mit Klytämneſtra Millingen Div. 15. Elektra mit
Oreſts Aſchenkruge, Millingen Div. 16. Laborde i, 8. Or.
u. El. an Ag. Grabe Millingen Div. 14. Tödtung der Kly-
tämneſtra u. des Aegiſth (auf Agamemnons Thron) G. M. 618.
Die Tödtung und Verfolgung durch die Erinnyen nach Delphi
619. Vaticaniſches Relief, Heeren Hiſt. Werke iii. S. 121. PCl.
v,
22., ganz ähnlich G. Giust. ii, 130. u. ſonſt, die Mittel-
gruppe Eckhel P. gr. 20. vgl. Welcker Zeitſchr. S. 433. Der-
ſelbe Gegenſtand Etruskiſch behandelt, Micali 47. Oreſt von
den Erinnyen verfolgt (§. 398, 5.) oft auf Etr. Urnen u. Va-
ſen, Tiſchb. iii, 32. Millg. Cogh. 29. Oreſt in Delphi
§. 362, 3., vor der Athena 622., von der Ath. Archegetis (§. 370,
7.) beſchirmt, Tiſchb. iii, 33. Calculus Minervae 624.
37
[578]Syſtematiſcher Theil.
G. Giust. ii, 132. Bellori Luc. ii, 40. Eckhel P. gr. 21.
§. 196, 3. Tauriſches Opfer §. 365, 5. Uhden Schr. der
Berl. Akad. 1812. 13. S. 85. wo das Accoramboniſche Relief ge-
nauer gegeben iſt. Zwei Grimaniſche Reliefs bei Millin l’
Orestéide pl.
3. 4. vgl. Schorns Kunſtbl. 1828 S. 169. Der
Raub des Bildes auch auf der Vaſe, Maiſonn. 59. Ermor-
dung des Pyrrhos in Delphi Micali 48.


1417. Aſien war auch in mythologiſcher Hinſicht die
Heimat weichlicher Figuren, wie der Lieblingsknaben des
2Zeus und Herakles; auch die Amazonen erſcheinen in
den Vaſengemaͤhlden dem Coſtuͤm und der Bewaffnung
nach als Aſiatinnen, und von einer gewiſſen Weichheit der
Formen, obgleich die Statuen und Reliefs zum groͤßten
Theil die einfache und leichte Tracht und die kraͤftig run-
den Formen der Glieder feſthalten, die ihnen die Poly-
kletiſche Periode gegeben.


1. Von Troja ſind noch die mythiſchen Scenen zu bemer-
ken: Laomedon von Poſeidon verfolgt, Etr. Bronzearbeit, Inghir.
iii, 17. Anchiſes u. Aphr. §. 378, 3. Telamon die He-
ſione rettend Winck. M. I. 66. — Ganymedes, Statuen
PCl. ii, 35. M. Flor. 5. (ſehr ergänzt). Raub G. M.
531 — 32. §. 128, 1. St. di S. Marco ii,
7. Caylus ii,
47, 3. Trefflich beſchrieben Lucian Dial. deor. 6. Auf
M. von Dardanos, Choiſ. Gouff. Voy. pitt. ii. pl. 67, 28.,
üppig behandelt, als eine umgekehrte Leda. Den Adler tränkend,
PCl. v, 16, oft auf Gemmen. Zeus den Ganymed küſſend,
auf einem Herculaniſchen (oder von Mengs untergeſchobnen) Mau-
ergemählde. Winck. W. v. Tf. 7. Gan. Unterweiſung durch
Aphrodite G. M. 533. Thesaur. Ant. Gr. i, v.


Hylas von den Nymphen geraubt G. M. 420*. 475. M.
Matth. iii,
31. Paciaudi Mon. Pelop. Ep. 2.


2. Amazonen. Sprungfertige des Phidias §. 121, 2. Ver-
wundete des Kteſilaos §. 121, 3. Zu Roß in Bronzen Ant.
Erc. vi,
63. 64. Kämpfe mit Herakles (Böttiger Vaſengem.
iii. S. 163.), Theſeus (§. 412, 1.), Bellerophon, G. M. 495 —
99. Um Troja §. 415, 1. Priamos zu Pferde gegen die Ama-
zonen ziehend auf einer alten Vaſe, ſ. Millin M. I. ii, p. 78.
Beim Epheſ. Tempel §. 365, 1. Amazonenſchlachten ſehr häu-
fig auf Vaſen, Hancarv. ii, 65. 126. Tiſchb. ii, 1. 8. 10.
[579]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Millin i, 10. 23. Tomb. de Canosa 9. Millg. Div. 37.
U. M. i,
38. Laborde i, 20. Unter den Reliefs iſt der Sar-
kophag in Wien Bouill, ii, pl. 93. Moſes pl. 133. bei weitem
das ſchönſte. Sarkophag von Mazara Houel i. pl. 15. M. Cap.
iv,
23. Pompejan. Wandgemählde von Zahn 12. 13. Vgl.
Böttiger Archäol. der Mahl. S. 256.


Niobe §. 126. G. M. 515 — 21. wo Manches abzu-
ſondern iſt. Sog. Ilioneus in München, Schorns Kunſtbl.
1828 N. 45. Familienbeſuch bei der Leto, die Töchter ſpie-
len mit Aſtragalen, G. M. 515.


418. Die Inſeln, das altberuͤhmte Kreta ausgenom-1
men, ſind wie alle diejenigen Gegenden, welche die Hel-
lenen nicht ſeit Urzeiten bewohnt haben, arm an Mythen
und darum an Gegenſtaͤnden fuͤr die Kunſt. Colonieen2
verherrlichten bisweilen in Statuen und auf Muͤnzen
ihre erſten Urheber, welche, wenn nicht ſelbſt my-
thologiſche Perſonen, doch ihnen zunaͤchſt ſtanden. Roms3
Macht verſchafft der Geſchichte des Aeneas manche bild-
liche Darſtellung, und erwirbt den Gruͤndungsſagen der
Stadt einen Platz neben Griechiſchen Mythen; doch kann
man nur der Gruppe der Zwillinge unter der Woͤlfin
ein wahrhaft plaſtiſches Leben nachruͤhmen.


1. Kretiſcher Mythus. Europa §. 351, 3. Ariadne
§. 384, 3. Dädalos u. Paſiphae. G. M. 486. 87. (daſſelbe
Relief Bouill. iii, 52.) häufiger Gegenſtand der Kunſt, Virg.
Aen. vi, 24. Petron. 52. Philoſtr. i, 16. Flug mit Ika-
ros G. M. 488. 89. Zoëga Bass. 44.


2. Taras u. Phalanth in einer Statuengruppe, Pauſ. x, 13.
Taras auf Delphin auf Tarentiniſchen, Byzas auf Byzantiniſchen
M. Millin P. gr. 47. Tios auf Tianiſchen Viſc. Iconogr.
pl.
43, 16. Adramyttos (?) ebd. pl. 43. 15. Von Leukip-
pos §. 372, 5. So noch hiſtoriſche Städtegründer, wie Dokimos
auf M. Dokimeia’s.


3. Aeneis, Cod. Virg. G. M. 645 — 52. Aeneas
Anchiſes tragend, auf Iliſchen u. Römiſchen Münzen, Contorniaten,
Lampen (Bellori iii, 10.), auf einem Herculaniſchen Gemählde
durch Affen dargeſtellt. Aeneas bei Dido PCl. vii, 17. ?
Barberiniſche u. Vaticaniſche Statue der ſich ermordenden Dido,
37*
[580]Syſtematiſcher Theil.
PCl. ii, 40. B. 10. Die Sau mit den dreißig Ferkeln, auf
Gemmen. Geſchichte der Rea Silvia G. M. 653. 54. §. 373,
3. Ficoroni Gemmae t. 3, 6. Romulus Jugend G. M.
655 — 58. Romulus u. Remus unter der Wölfin (lupa
tereti cervice reflexa,
Virg. Aen. viii, 633) auf M. von
Rom u. Ilion, Combe i, 19. 9, 18. §. 182. 1. Die M. von
Capua, Combe 2, 14., deuten auf eine ähnliche Localſage.
Gruppe §. 172, 5. Gemmen, M. Flor. ii, 54. Die
lauſchenden Hirten, Gall. di Fir. Intagl. 36, 1. Paſſeri
Luc. iii, 1. 2. Sabinerinnen-Raub G. M. 658*.


[581]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
II. Gegenſtaͤnde des wirklichen Lebens.

A. Individueller Art.

1. Hiſtoriſche Darſtellungen.

419. Die Griechiſche Kunſt iſt in ihrem Weſen ſo1
ſehr eine freie Produktion aus dem Innern heraus, und
haͤngt in ihrer geſchichtlichen Entwickelung ſo ſehr mit
Religion, Mythologie und Poeſie zuſammen, daß die
Darſtellung des aͤußern erfahrungsmaͤßigen Lebens im-
mer nur eine untergeordnete Stelle in ihr einnehmen
konnte. Und auch, wo das wirkliche Leben dem Kuͤnſt-
ler den Stoff giebt, ſind Darſtellungen allgemeiner Art
weit gewoͤhnlicher als die einzelner Fakta. In Griechen-2
land gab das Zuſammenfallen der Entwickelung der Mah-
lerei mit den Perſerkriegen, ſo wie der geringere Zuſammen-
hang derſelben mit dem Cultus (§. 73, 1.), dieſem Kunſt-
zweige mehr die Richtung auf Verherrlichung hiſtoriſcher Be-
gebenheiten, ſiegreicher Kaͤmpfe der Gegenwart (§. 135, 2.
140, 5.); auch das Leben der Weiſen und Poeten wurde
in dieſen Kreis gezogen. In plaſtiſchen Kunſtwerken3
ſind, wenn man von der Andeutung geſchichtlicher Ereig-
niſſe durch die Wahl der Mythen (§. 89, 3) abſieht, hi-
ſtoriſche Darſtellungen vor Alexander ſehr ſelten. Haͤu-4
figer wurden ſie bei den Roͤmern, wo an Triumphboͤgen
und Ehrenſaͤulen große Kriegszuͤge der Kaiſerzeit vollſtaͤn-
dig entwickelt, und auf den Muͤnzen, um der Eitelkeit
der Geſchlechter zu ſchmeicheln, auch Begebenheiten theils
der koͤniglichen theils der republikaniſchen Zeit in ziemli-
cher Anzahl dargeſtellt werden; doch finden ſich auch in5
Rom hiſtoriſche Gegenſtaͤnde außer dieſem Kreiſe von
Denkmaͤlern ſelten. Die Apotheoſen kann man kaum zu den6
hiſtoriſchen Begebenheiten rechnen, ſie bilden wenigſtens
[582]Syſtematiſcher Theil.
den Uebergang von der ſinnlichen Erſcheinungswelt zu ei-
7ner geglaubten goͤttlichen. — Wie bei den Kriegsdar-
ſtellungen jener Ehrenmonumente auch den Germanen,
Daciern, Sarmaten ihr nationaler Charakter gegeben
wird: ſo darf an dieſer Stelle erwaͤhnt werden, daß auch
in der Bezeichnung fremder Raçen die alte Kunſt viel
Sinn fuͤr genaue Auffaſſung eigenthuͤmlicher Bildung zeigt.


1. Dieſe Einſicht wird größtentheils Winckelmann verdankt,
welcher die Herakliden-Wanderung als den jüngſten Gegenſtand
der bildenden Kunſt betrachtete. Und auch hier kann man zwei-
feln, ob die drei Helden bei der Urne, auf Gemmen, die loſenden
Herakliden ſind. Winck. W. iii. S. xxvii.


2. Gegen Anſaldi de sacro apud ethnicos pictarum ta-
bularum cultu. Ven.
1753. ſ. Böttiger Arch. der Mahl. S.
119. — Bei Philoſtratos kommen Panthia, Rhodogune, Themi-
ſtokles in Perſien, Pindar als Knabe, Sophokles als Gegenſtände
von Gemählden vor. Nach Lucian de morte Peregr. 37.
wurde Sokrates Geſpräch mit ſeinen Freunden im Kerker oft ge-
mahlt. Hochzeit des Maſiniſſa u. der Sophonisbe, Herculan.
Gem. Viſc. Iconogr. pI. 56.


3. Geſchichtliche Gruppen und Reliefs §. 118, 2, a. (doch
ſind die Kämpfe auch hier nicht grade auf ein Factum zu be-
ziehn). 118, 3 ex. 129, 2. 154. Othryades auf Gemmen,
wenn er es iſt (vic) Lipp. i, ii, 66. 67. u. ſonſt. Die
Deutung der Etruskiſchen Reliefs, Ingh. i, 63. 64., auf den
Marathoniſchen Echetlos iſt ſehr zweifelhaft. Alexander und Dio-
genes, Zoëga Bass. 30. Demoſthenes am Altar von Kalau-
ria, auf einem Terracotta-Relief, Winckelmann von Fea ii. p. 256.
Die Geſchichte von Hero u. Leander findet ſich auf Münzen von
Seſtos (Mionn. Suppl. ii, pl. 8.), Gemmen (Lipp. i, ii, 62)
u. Contorniaten auf dieſelbe einfache Weiſe vorgeſtellt.


4. S. §. 198. 202. 204. 205. 207. Stieglitz Einr. ant.
Münzſamml. S. 241 ff. Auf Kaiſermünzen wird beſonders
das Gedächtniß der munera und opera publica gefeiert. —
Alimentariae Faustinianae, Zoëga Bass. 32. 33.


5. Der Curtius, V. Borgh. st. i, 18., iſt von Bernini;
nur das Pferd antik. Die Steine mit Kleopatra’s Tod ſind
[583]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
zweifelhaft, der mit Cäſars Ermordung, Lipp. i, ii, 279., gewiß
nicht antik. Die mitunter ſchönen Statuen Barbariſcher Kö-
nige als Gefangner (z. B. Maffei Racc. 56. vom Forum Traiani;
Montf. iv, 148.) waren wohl immer Nebenfiguren an Ehren-
monumenten. Die Gruppe von V. Ludoviſt, Maffei Racc. 60.
61., deutet Heyne Vorleſungen S. 240 u. (nach Heyne’ſchen Hef-
ten?) Beck Grundriß S. 221. als einen Barbaren, der ſich und
die Gattin durch Mord der Gefangenſchaft entzieht.


6. Ueber die Conſecrationen der Kaiſer ſtellt die G. M. 671 —
684. die Hauptdenkmäler zuſammen; die Kaiſer trägt ein Adler,
die Kaiſerinnen ein Pfau gen Himmel; Hadrianus erhält (wie He-
rakles) die Unſterblichkeit in einer Schale. Auf eine ſpätre Apo-
theoſe, nicht die des Romulus, bezieht ſich auch das Diptychon 659.
Auf der Ara Augustea zu Ravenna (Gori Gemmae astrif.
T. iii. p.
137.) ſcheint Claudius unter die Götter des Juliſchen
Geſchlechts aufgenommen zu werden. Claudius Apotheoſe wird
auch auf einem prächtigen Relief in Spanien, Admir. Rom.
t. 80. 2 ed.,
dargeſtellt, ein Adler trägt die Büſte des Kaiſers
von Trophäen des Land- und Seekrieges empor.


7. S. darüber Blumenbach Comment. Soc. Gott. XVI.
p.
175. Die Statue des trunknen Inders, Kalliſtr. 3., war
etwas mohrenartig. In einem Kyrenäiſchen Sepulcralgemählde
wird der Lebenslauf einer Negerſklavin dargeſtellt. Pacho pl. 54.


2. Porträtbildungen.

420. Die Portraͤtſtatuen (ἀνδριάντες), aus dem1
Beſtreben, Sieger in heiligen Spielen zu ehren, hervor-
gegangen, alſo urſpruͤnglich ebenſo wie andre Bilder aus
dem Cultus ſtammend, wurden durch den politiſchen Ehr-
geiz und die Schmeichelei ſpaͤterer Zeiten zu ungeheurer
Zahl vermehrt (ſ. §. 87. 88. 121. 159. 181. 199 ff.).
Urſpruͤnglich freie Darſtellungen des koͤrperlichen und2
geiſtigen Charakters der Individuen, wurden ſie erſt ſehr
allmaͤhlig zu eigentlichen Portraͤtſtatuen (§. 87. 123. 129).
Daneben wurden auch von Maͤnnern fruͤherer Zeiten,3
auf eine aͤhnliche Weiſe wie von Heroen, aus ih-
[584]Syſtematiſcher Theil.
rem bekannten Charakter, ihren Spruͤchen, Poeſieen her-
aus, Portraͤtbilder erſchaffen, wie der im hoͤchſten Sinn
gedachte Homeroskopf, die Statuen der Sieben Weiſen,
der aus dem Silen in Alkibiades Beſchreibung geſchaffne
4heitre Sokrateskopf. Hernach bildeten, neben den
Statuen der Herrſcher, die Bilder der Schriftſteller, be-
ſonders der Philoſophen, einen ſehr bedeutenden Zweig der
Kunſt, auf den manche Bildner ſich faſt ausſchließlich legten;
man ſuchte in Alexandria, Pergamon, der Palatiniſchen Bi-
bliothek und ſonſt moͤglichſt vollſtaͤndige Reihen davon zu
bilden; die Buͤſtenform, aus den alten Hermen hervor-
5gegangen, wurde dabei die gewoͤhnliche. Die Kuͤnſt-
ler zeigten dabei ein bewundernswuͤrdiges Talent, das
eigenthuͤmliche Studium und den litterariſchen Charakter
dieſer Maͤnner bis in die Fingerſpitzen hinein auszu-
druͤcken.


Zur Litteratur der Ikonographieen. Die älteſten waren
die Varroniſche, §. 322, 8. (ſie beſtand aus 100 Hebdomaden,
jedem Bilde ſcheint ein Epigramm beigegeben geweſen zu
ſein), und die ähnlich eingerichtete des Attikus. Pl. Nepos Att.
18. Illustrium imagines ex ant. marmoribus e biblio-
theca Fulvii Ursini. 1569. 70. Illustrium virorum ut
exstant in urbe expressi vultus caelo Angustini Veneti.
Rom. 1569. Illustr. imag. del. Th. Gallaeus
1598.
(Vermehrung des erſten Werks). Commentar von Jo. Faber dazu
1606. Iconografia — da G. A. Canini, ed. M. A. Ca-
nini. R.
1669. (ſehr unkritiſch). Illustr. vet. philoso-
phorum, poetarum etcc. imagines cum exp. I. P. Bel-
lori. R. 1685. Gronovii Thes. Ant. Gr. T. i. ii. iii.

(wenig brauchbar). E. Q. Viſconti Iconographie Grecque.
Paris 1811. 3. T. 4. Iconogr. Romaine. Par. 1817. T. i.

fortgeſetzt von Mongez T. ii. 1821. iii. 1826. Gurlitts Ver-
ſuch über die Büſtenkunde. 1800. Hirt über das Bildniß der
Alten, Schr. der Berl. Akad. 1814. 15. S. 1.


1. Merkwürdig iſt, daß auch nach Hygin f. 104 Leodamia, um
ein Bild des Proteſilaos bei ſich zu haben, einen Gottesdienſt ſimu-
lirt, vgl. Ovid Her. 13, 152. Bilder als Erſatz entfernter
Geliebten ſetzen die Tragiker in die heroiſche Zeit, Aeſch. Ag. 405.
Eur. Alk. 349. vgl. Viſconti i. p. 2. Lobeck Aglaoph. 1002.
[585]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
u. 1007, der die eigne Meinung aufſtellt, die ‘Ερμαφρόδιτοι,
Theophr. Char. 16., ſeien maiorum utriusque sexus effigies
cubiculares sub specie Hermarum biformium consecratae.


2. Die berühmte Vorſchrift, daß die Athletenſtatuen nicht grö-
ßer als im Leben ſein durften (ſ. u. a. Lucian pro imag. 11.),
ſollte einen durchgängigen Unterſchied gegen die gewöhnlich größer
gebildeten Heroen ſetzen. Die ἰσομέτρητοι ἀνδριάντες
im Schwur der Attiſchen Archonten hängen auch damit zuſammen.
Davon ſind aber die st. iconicae genau zu ſcheiden, genaue
Porträtſtatuen, die man nach Pl. xxxiv, 9 (natürlich erſt nach
Lyſiſtratos) dreimaligen Siegern ſetzte. Daß der Grundſatz:
ut athletae ceterique artifices his statibus in statuis po-
nendis uterentur, in quibus victoriam essent adepti,
von
Chabrias herrühre, iſt ein Irrthum des Nepos Chabr. 1. Im
Gegentheil war ohne Zweifel Darſtellung der Kampfart und der
damit zuſammenhängenden Körperbeſchaffenheit Hauptaugenmerk die-
ſer Bildner.


3. Pariunt desideria non traditi vultus, sicut
in Homero evenit.
Pl. xxxv, 2. Der herrliche Farneſi-
ſche Kopf (Tiſchb. Hom. i.) zeigt ganz das γλυκὺ γῆρας, Chri-
ſtodor 322.; der Capitoliniſche bei Viſc. i, iſt auf keinen Fall
des Heros Homer werth. Doch geben die M. von Amaſtris, Jos,
u. die Contorniaten verſchiedne Köpfe. Die Homeriſchen Denk-
mäler §. 393, 2. G. M. 543 — 549., das Silbergefäß in Nea-
pel auch Millg. U. M. ii, 13. Dann gehören zu den non
traditi vultus
ohne Zweifel Lyſippos Sieben Weiſen und Aeſop
(Anth. Pal. App. ii. p. 725), wonach die Hermen der Villa des
Caſſius mit Unterſchrift u. der Aeſop der V. Albani, ohne ſolche,
verfertigt ſein mögen. Auch Solous Bild in Salamis, wel-
ches Aeſchiues für ſehr alt ausgab, war noch nicht 50 Jahre vor
Demoſthenes geſetzt, de falsa leg. p. 420. Von Lyſippos So-
krates Diog. L. ii, 43. (Ueber die meiſt allegoriſchen oder grillen-
haften Sokrates-Gemmen Chifflets Socrates). Den Reich-
thum der Griechen auch an Statuen dieſer frühern Zeiten zeigt
beſonders Chriſtodor u. die Aufzählung von Frauenſtatuen Griechi-
ſcher Meiſter bei Tatian adv. Gr. 52. p. 168.


4. Plin. xxxv, 2. xxxiv, 19, 26 sqq. vgl. §. 121, 5.
305, 4. Büſten, προτομαί, thoraces? Aber auch die
clypei (§. 181, 3.) wurden ſelbſt auf Griechiſche Dichter über-
tragen. Bilder des Sophokles u. Menandros auf Schilden bei
Viſc. Vgl. lconogr. i. p. 13.


[586]Syſtematiſcher Theil.

5. Beſonders lehrreich iſt über dieſe Auffaſſung des Charakters
Sidon. Apollin. Epist. ix, 9. Der Geometer Euklid wurde
mit auseinander gebognen, der fingerrechnende Chryſipp mit zu-
ſammengekrümmten Fingern, Arat als Sänger der Geſtirne (ob-
zwar nur nach Büchern) mit übergebognem Nacken gebildet. Die
beiden letztrn ſieht man ſo auf M. von Soli (Viſc. pl. 57, 1.),
den Chryſipp erkennt Viſc. darnach in einer Büſte der V. Albani.


Von Philoſophen kennt man Pythagoras (§. 181, 1.),
Heraklit u. Anaxagoras (Viſc. pl. A, 2.) durch M., durch ſichre
Büſten
Sokrates, Platon, Karneades, Theon von Smyrna, Ari-
ſtoteles (Statue im Pall. Spada), Theophraſt, Antiſthenes, Dio-
genes (intereſſante Statue in V. Albani), Zenon den Stoiker (deſ-
ſen Büſte in Neapel Viſc. für den Eleaten nimmt, und dem Stoi-
ker eine andre unbegründete giebt; die treffliche Statue eines äl-
tern Mannes im Tribon M. Cap. i, 90. Bouill. ii, 26. ge-
hört keinem von beiden), Chryſipp, Poſeidonios, Epikur u. Me-
trodor, Hermarch.


Von Dichtern auf M. Alkäos, Sappho (die Büſten ſind
unſicher, und die von Steinbüchel herausgegebne Vaſe in Wien,
wenn die Inſchrift ächt, doch für kein Porträt zu achten, welches
dagegen die von Allier de Hauteroche, Notizie intorno a Saffo
di Ereso
1822., herausgegebne Bronzemünze ſicher liefert, vgl.
Plehn Lesbiaca p. 189 sqq. Gerhard im Kunſtbl. 1825 N. 4.
5.), Anakreon, Steſichoros (genau nach der Cic. Verr. ii, 35.
erwähnten Statue). In Maxmorwerken Sophokles (aus dem Pry-
taneion von Athen? M. Worsl. i, 2, 1.), Euripides (littera-
riſch wichtige statuetta in Paris), Menandros u. Poſeidippos
(Statuen voll Leben u. Wahrheit, aber einer gewiſſen Weichlich-
keit und Schlaffheit, PCl. iii, 15. 16. Bouill. ii, 24. 25.
Schlegel Dramat. Poeſie i. am Schluß), Moſchion.


Von Rednern Büſten von Iſokrates, Lyſias, Demoſthenes
und Aeſchines (auch bei Millg. U. M. ii, 9.; man erkennt in
ihm eben ſo τὸν καλὸν ἀνδριάντα, wie in Demoſthenes den
feurig bewegten Patrioten), Leodamas. Hiſtoriker: Herodot
u. Thukydides. Rhetoren: Epaphroditos, Aelius Ariſtides.
(Ueber die Vaticaniſche Statue des ΑΡΙΣΤΙΔΗΣ ΣΜϒΡ ΝΕΟΣ
ſ. Mai Script. vet. nova coll. i, p. li). Ein ſiegreicher Rhe-
tor von Alexandreia, Amalth. iii, Tf. 8. Aerzte: Hippokrates,
Asklepiades u. Andre (beſonders in Miniaturen).


[587]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

421. Waͤhrend von den ausgezeichneten Staatsmaͤn-1
nern Athens ſich eine Reihe Buͤſten mit Sicherheit nach-
weiſen laſſen: iſt von den im Alterthum ſo viel gebilde-2
ten und auf allen Stufen idealiſirter und gewoͤhnlicher
Menſchengeſtalt (§. 159. 199.) dargeſtellten Fuͤrſten, den
Makedoniſchen Alexander ausgenommen, ſehr wenig in
Marmor, Einiges in Kameen erhalten. Dagegen ge-3
ben die Muͤnzen, doch erſt von Alexander an, eine reiche
Ueberſicht der aus Griechiſchem Stamme hervorgegangenen
Dynaſtieen ſowohl, wie der orientaliſchen, welche ſich
jenen in ihren Sitten zu naͤhern ſuchten. Das Grie-4
chiſche Coſtuͤm fordert zur Bezeichnung des Fuͤrſten das
Diadem (§. 340, 4), wozu hin und wieder beſondre In-
ſignien, auch Strahlenkraͤnze, treten. In Rom hat5
man die Abbildungen der erſten vier Koͤnige auf Muͤn-
zen nur als Idealbilder, wenn ſie auch nach vorhandnen
Statuen (§. 181) entworfen waren, zu betrachten; dage-
gen die Maͤnner der fruͤhern Republik, welche ihre
Nachkommen aus Familienſtolz auf Muͤnzen ſetzten, nach
den Wachsbildern im Ahnenſaal entworfen ſein moͤgen.
Sichre Buͤſten von einem entſchiednen Portraͤtcharakter
ſcheint man zuerſt von Scipio Africanus dem aͤlteren zu
haben. Auf die Muͤnzen wurde bei Lebzeiten zuerſt
Caͤſars Bild geſetzt, beſonders in Provinzial-Muͤnzen;
dieſem Beiſpiel folgen Caͤſars Moͤrder und die Triumvirn.
Die Ikonographie der Roͤmiſchen Kaiſerzeit iſt als Haupt-6
quelle der Kunſtgeſchichte der Zeit oben (§. 199 ff.) be-
ruͤckſichtigt worden, ſie liegt in großer Vollſtaͤndigkeit vor;
waͤhrend Buͤſten von Gelehrten der Zeit nur wenige vor-7
handen ſind. Wie zahlreiche Ehrenſtatuen und wie vor-8
treffliche darunter auch Roͤmiſche Municipien enthielten,
lehren die Herculaniſchen Entdeckungen.


1. Sichre Porträte von Miltiades (vgl. Pauſ. x, 10), Themi-
ſtokles (doch iſt, was Viſconti beibringt, noch zweifelhaft; dagegen
auf Stateren von Lampſakos ein bärtiger Kopf mit Schiffermütze
und Lorbeerkranz, von individuellen Zügen, ohne Zweifel Themi-
ſtokles, der ehemalige Herr von Lampſakos), Perikles (nach Kteſi-
[588]Syſtematiſcher Theil.
laos §. 121., der Helm bedeckt den Spitzkopf), der in ſeiner Zeit
viel gebildete Alkibiades, deſſen Herme im PCl. dem Ruhm ſeiner
Schönheit wenig entſpricht, vgl. Welcker Zeitſchr. S. 457. Aſpaſia
iſt die erſte Frau, von der eine ſichre Abbildung in einer Büſte des
PCl. vorhanden. Die Deutung der ſchönen Statue PCl. ii,
43. Bouill. ii,
23. auf Phokion hat Viſc. ſelbſt aufgegeben,
vgl. vii. p. 100.


2. Alexander, §. 129, 4. 159, 5. 162, 2.; die Büſte des
Ritters Azara, jetzt im Louvre, iſt ein ſichres, nicht idealiſirtes
Porträt, Viſc. pl. 30. Musée Nap. iii, 2. Das Al. bald
mit Löwenhaut, bald mit Ammonshorn vorgeſtellt wurde, beweiſen
auch die contorniati, Eckhel viii, p. 289., welche auch ſeine
Zeugung durch den Drachen darſtellen. Alexander emporſteigend
dargeſtellt, Guatt. M. I. 1787. p. lxv. Büſten der Nachfol-
ger Alexanders ſind ſelten. S. §. 159, 4. 5. Ptolemäos iſt
ein Name, der vielen Büſten mit Unrecht gegeben wird, Viſc.
theilt nur zwei Herculaniſche Büſten Ptolem. i. u. ſeiner Frau
Berenike zu, pl. 52. Kameen §. 161, 4. Ein ſehr
ſchöner mit den Köpfen Demetrios I. von Syrien u. der Laodike,
Viſc. pl. 46. Der nach unten verſchleierte Kopf auf einer viel-
beſprochnen Gemme gilt jetzt nicht mehr für Ptol. Auletes.


3. Die M. von Gelon u. Hieron ſind entweder ſpäter zur Ehre der
alten Tyrannen geprägt worden (nach Viſc.), oder gehören ganz Hie-
ron II u. Gelon II, dem Sohne Hierons II; die dem Theron
zugeſchriebenen ſind theils verfälſcht, theils falſch erklärt. Avellino
Opuscoli I, iii. Die Bilder der Makedoniſchen Könige vor
Alexander läugnet Viſc. ii. p. 79. wohl mit Recht; er erklärt,
was man dafür hielt, für Heroenköpfe. — Für die Köpfe der Kö-
nige Makedoniens, Thrakiens (erſt aus der letzten Zeit der Unab-
hängigkeit, denn der angebliche Lyſimachos iſt Alexander), Epirus,
Illyriens, der Päoner, der Siciliſchen Tyrannen (Sparta laſſe ich
aus, da der Kopf des Kleomenes ſehr unſicher iſt), der Pergame-
niſchen, Bithyniſchen, Kappadokiſchen, Pontiſchen (von 268 vor
bis 40 u. Chr.), Boſporaniſchen (von 289 vor bis 320 u. Chr.)
und Armeniſchen Könige, ſo wie einiger kleinen Dynaſten in Ki-
likien, der Seleuciden, ſo wie der ſpätern Könige von Kommagene
und andern Syriſchen Landſchaften, von Oſroene, Meſopotamien
und Charakene, der Herodiaden, der Arſakiden, der Griechiſchen
Könige von Baktriana (dazu noch Todd Trans. of the Asiatic
Soc. I, ii, p.
313. und die M. des Indiſchen Königs Deme-
trios, Commentat. rec. Soc. Gott. vi. p. 3.), der Ptolemäer
[589]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
u. ſpätern Kyrenäiſchen und Mauretaniſchen Fürſten verweiſe ich
ganz auf Viſconti’s Hauptwerk.


4. Wie die Bockshörner bei den Fürſten Makedoniſchen Stamms,
Viſc. ii. p. 61. 69. 341. Die Strahlen kommen bei den
Ἐπιφανεῖς vor, ii. p. 337., doch nicht allein bei dieſen.


5. S. Romulus, Tatius, Numa (Büſte), Ancus nach M.
bei Viſc. Dann Junius Brutus, Poſtumius Regillenſis u. Aa.
Scipio’s Büſten kennt man an der kreuzförmigen Schramme auf
der Stirn. Hannibal Viſc. Icon. Gr. pl. 55, 6. 7. Quinc-
tius Flaminin Geſicht iſt durch einen wahrſcheinlich in Griechen-
land geſchlagnen Stater (Mionn. Suppl. iii. p. 260. pl. Viſc.
pl. 42. 2.) bekannt. Auch Sulla kommt nur auf nach ihm ge-
ſchlagenen M., Pompejus auf denen der Söhne vor. Pom-
pejus Statue im Pall. Spada, Maffei Racc. 127. (Streit von
C. Fea u. G. A. Guattani, gegen Fea auch Viſc. i. p. 118).
Von Cäſar beſonders eine Farneſiſche u. eine Capitoliniſche Büſte.


6. In den Suiten der Kaiſer ſtrebte man wahrſcheinlich ſchon im
Alterthum nach Vollſtändigkeit, ſo daß auch von Domitian, von
dem nur ein Bild der Zerſtörung entgangen ſein ſoll (Procop
hist. arc. 9. p. 296), doch bald wieder mehrere exiſtirten. Ueber
Domit. Statuen Fr. Schmieder in einem Programm 1820.


7. Sichre, aber wenig genaue, Bilder von Terenz, Accius,
Saluſt, Horaz, Apollonius von Tyana, Appulejus geben die Con-
torniaten; von Virgil die Miniaturen der Vatican. Handſchr.; Bü-
ſten nur von Terenz, Q. Hortenſius, Cicero (ſehr viel falſche, die
im Hauſe Mattei vertheidigt Viſc. gegen S. Clemente), Jun. Ru-
ſticus ii. Seneca iſt ſicher bekannt durch die in V. Mattei ge-
fundne Doppelherme. Lor. Re Seneca e Socrate 1816 und in
den Atti d. Acc. Arch. ii. p. 157.


8. Reuter-Statue des M. Nonius Balbus aus einer Baſilica
von Herculanum, nebſt einer ähnlichen ebenda gefundnen in Nea-
pel. Viſc. pl. 15. Statuen der Töchter des Balbus, Neapels
Ant. S. 17. 20. 22. Zu den beſten Porträtſtatuen gehören
die Dresdner Herculanerinnen (§. 264, 1.), wahrſcheinlich vorneh-
men Geſchlechts. Das Coſtüm der ältern kehrt genau ſo an der Julia
Domna, M. Franç. iii, 18., wieder. Die andre wird nach
altem Kunſtgebrauch (Pauſ. x, 25, 2) durch den unverhüllten
Kopf als Jungfrau bezeichnet.


[590]Syſtematiſcher Theil.
B. Darſtellungen allgemeiner Art.

1. Cultushandlungen.

1422. Unter den aus dem gewoͤhnlichen Leben ge-
nommenen, aber allgemein gehaltenen, Bildwerken be-
ziehen ſich aus Gruͤnden, welche in der Geſchichte der
Kunſt liegen, bei weitem die meiſten auf den Dienſt
der Goͤtter und auf die an dieſen Dienſt ſich anſchließen-
2den Handlungen und Spiele. — Cultusfeierlichkeiten
werden auf Griechiſchen Reliefs einfach und zuſammenge-
zogen, auf Roͤmiſchen Bildwerken ausfuͤhrlicher und mit
3mehr Bezeichnung des Details vorgeſtellt. Haͤufiger
ſind jedoch Scenen der Art auf Vaſengemaͤhlden, wo Dar-
bringungen, Spenden, Cultusgebraͤuche mit großer Aus-
fuͤhrlichkeit und genauer Obſervanz des wirklichen Rituals
4entwickelt werden. Beſonders oft finden ſich hier die meiſt
verkannten Todtenopfer; Cippen (§. 286), oft mit Na-
men beſchrieben, mit Helmen, Gefaͤßen beſetzt, auch
Saͤulen oder ganze tempelartige Heroa (§. 294, 8), in
denen Waffen haͤngen, Gefaͤße ſtehn, Zweige aufgeſteckt
ſind, und oft auch die Geſtalt des Hingeſchiednen leib-
haft zu ſehen iſt, werden durch Taͤnien-Umwindung,
Oel-Betraͤufung, Weinſpenden aus Phialen und Karche-
ſien (§. 298. 299.), und Darbringungen aus Koͤrbchen
(κανοῦν §. 300.) und Kaͤſtchen (κιβώτια §. 297.), be-
ſonders von den Frauen der Familie, ſorgfaͤltig geehrt.
5Intereſſant iſt auch, die Aufſtellung (ἳδρυσις) von Her-
men und Bildſaͤulen in alten Kunſtwerken, namentlich
6Gemmen, veranſchaulicht zu ſehen. Perſonen, welche
beim Opferdienſte thaͤtig waren, wurden, beſonders wenn
ihr Geſchaͤft eine bedeutſam gefaͤllige Stellung herbei-
fuͤhrte, auch in Statuen zeitig dargeſtellt, wie die Kane-
phoren, Karyatiden, allerlei Opferdiener u. dgl.


[591]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.

2. Beiſpiele bei Athena, Dionyſos, Pan, Priap. Sehr
naiv dargeſtellt ſind die ländlichen Opfer, Bouill. iii, 58, 4.
97, 1. Schönes Relief, Frauen einen Opferſtier führend (wie
in Hermione) PCl. v, 9. vgl. das Vaſengem. Gori M. E. i,
163. Häufig ſieht man auf Griechiſchen Reliefs Züge von Men-
ſchen, welche die Arme einwickeln u. an den Körper drücken, die
Gottheiten, welche ſie empfangen, erſcheinen rieſengroß. M. Worsl.
i, 1. 9. 10. 11. Bouill. iii,
57, 2. Viele Opfervorſtel-
lungen auf Gemmen, Lippert i. S. 313 — 344. Suppl. S.
100 — 108. M. Flor. ii, 72 — 77. Römiſche Souve-
taurilia
auf Col. Traiani, Statue di S. Marco i, 50.
Bouill. ii, 97. iii,
63, 2. Capitoliniſches Opfer, Bouill.
iii,
62, 1. Vollſtändiges Römiſches Opfer, Paſſeri Luc. i,
35. 36. Strues et ferctum
auf einem Tiſche vor Jupiter, ebd.
i, 31. Haruſpicin Winck. M. I. 183. Bouill. iii, 60, 3. Au-
ſpicien, Relief Gall. di Fir. St. 142. Boiſſard iv, 68. vgl.
des Vf. Etrusker ii. S. 125. Oefter auf Röm. Familien-M.


3. Wenn auf Vaſengem. eine weißgefärbte Figur von andern
gewöhnlicher Farbe umtanzt und geſchmückt wird (z. B. Laborde
i, 9): ſo iſt dies gewiß ein Elfenbeinbild, wie bei Philoſtr.
ii, 1. eine elfenbeinerne Aphrodite in Myrtenlauben von ihren
Hierodulen gefeiert wird. So ſehr ich Maiſonn. 23 eine elfen-
beinerne Aphrodite von Hierodulen umgeben; vor ihr ein Baſſin
mit einer Gans. Bei Millg. Div. 41. macht ſich eine Tempel-
ſtatue der Aphrodite durch den reichen Schmuck an Thron und Ge-
wand kenntlich.


4. S. z. B. Tiſchb. ii, 15. 30. iii, 40. Millingen Cogh.
26. 45. 49. Div. 14. 16. 17. 18. 19. 39. 48. 58. Un. M.

36. Millin i, 16. 21. Lab. i, 13. Auf der Vaſe bei Mil-
lin ii, 38, wo M. Myſterien des Jaſion (wie auch ii, 32) er-
blickt, ſteht ein ἥρως der Art im Tempelchen, welchem Fächer,
Spiegel, Kleiderkäſtchen gebracht werden, ohne Zweifel ſeine Freude
als er lebte. Tombeaux de Canosa pl. 4. ſitzt der ἥρως mit
einem Stabe in der Hand in ſeinem Tempelchen; ein Jüngling
tritt mit Phiale u. Prochus (§. 298, 6. 8.) hinein um zu libi-
ren; Andre bringen die κτερίσματα von außen herzu. Heroa
auf Lampen, Paſſeri iii, 44. Leichenopfer durch Knaben vor-
geſtellt, dabei Hahnenkämpfe, auf einem Sarkophage, Bouill. iii,
44, 4.


5. Solche consecrationes (vgl. §. 66, 2. 68, 1. 83, 2.)
Raponi P. gr. 5, 5. Bartoli Lucernae ii, 28. Die Frau,
[592]Syſtematiſcher Theil.
welche eine Blume mit Tänien umwindet, Tiſchb. Vaſ. iii, 49.,
iſt aus Theokr. 18, 48. zu erklären: ‘Ελένας φυτὸν εἰμί.
Von mantiſchen Gebräuchen war die Weiſſagung aus Thrien
(Lobeck de Thriis, jetzt Aglaoph. p. 814.) beſonders darſtellbar,
Millingen Div. 29.


6. Kanephoren des Polyklet, Amalth iii. S. 164. An
der V. Appia gefundene, von Kriton u. Nikolaos von Athen, in
Villa Albani Winck. W. vi, 1. S. 202. Von andern bei
Frascati gefundenen (Cavac. Racc. iii, 28) ebd. v. S. 21. 332
u. ſonſt. Im Britt. Muſeum Terrac. pl. 29. — Statue
eines die Eingeweide des Opfers bratenden Sklaven §. 121, 5.
Prieſterin der Ceres PCl. iii, 20. Opferdiener der Ceres, mit
einem Schweinchen über den Schultern, bei L. Egremont, Spec.
68. Camillus
im Pal. der Conſervatoren, eine anmuthige
Figur, Maffei Racc. 24. Veſtalinnen ſind an der vitta zu
erkennen, G. M. 332. 33. vgl. Viſc. PCl. iii. p. 26. Ar-
chigallus §. 395, 3. Prieſterin der M. Mater, mit Inſchr.
PCl. vii, 18. Iſis-Prieſter, wie bei Appulejus, PCl. vii,
19. M. Matth. iii,
24. Schöne Statue einer adorans
femina
(wie bei Plinius) mit eigenthümlichem Gewandwurf,
PCl. ii, 47. (Pietas), Bouill. ii, 29 u. oben §. 393, 3.
Bronze Ant. Erc. vi, 83. vgl. Böttiger Kunſtmyth. S. 51.


2. Agonen.

1423. Die Seite des Griechiſchen Lebens, welche we-
gen der natuͤrlichen Verwandſchaft, in welcher ſie zur
plaſtiſchen Kunſt ſteht, ſich am vollſtaͤndigſten in der
Kunſt abſpiegelt, iſt die Gymnaſtik. Zwar iſt die
vollkommenſte Uebertragung gymnaſtiſcher Geſtalten auf
die Stoffe der bildenden Kunſt, jener Wald von Erzbild-
ſaͤulen der Sieger in den Tempelhoͤfen Olympia’s und
Pytho’s, uns verloren gegangen, und nur einige treff-
liche Reſte der Art geblieben; indeß laͤßt ſich aus Mar-
mor-Copieen, Reliefs, Vaſengemaͤhlden und Gemmen
noch ein ſehr vollſtaͤndiger Cyklus von Vorſtellungen zu-
ſammenſetzen, und auch in die Kunde der σχήματα oder
[593]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Weiſen und Handgriffe der alten Leibesuͤbungen gewiß
noch tiefer eindringen als bisher geſchehn. Kurzgelock-2
tes Haar, tuͤchtige Glieder, eine ebenmaͤßige Ausbildung
der Geſtalt, charakteriſiren die ganze Gattung von Fi-
guren; die zerſchlagnen Ohren (§. 329, 8.) und die her-
vorgetriebnen Muskeln insbeſondere die Fauſtkaͤmpfer und
Pankratiaſten. Bisweilen in den beſondern Bewegungen3
ihrer Kampfart vorgeſtellt (§. 87, 3.), wurden ſie auch in4
Handlungen, welche allen Athleten gemein ſind, wie das
Einſalben des Koͤrpers, das Gebet um Sieg, die Um-
windung des Haupts mit der Siegsbinde, und ſehr
haͤufig in ganz einfacher, ruhig feſter Stellung gebildet;5
meiſt hielten wohl dieſe fruͤher oft falſch benannten Bil-
der (z. B. Genius praestes) Kraͤnze in den Haͤnden;
auch Palmſtaͤmme dienen, wie bei Hermes, als Hinwei-
ſung auf ihre Bedeutung.


1. Mercurialis de arte gymnastica giebt von alten Denk-
mälern wenig Zuverläſſiges.


3. Läufer §. 122, 4. Ant. Erc. vi, 59. Die Sta-
tue PCl. iii, 27. iſt wohl eher einer Wettrennerin aus Domi-
tians Zeit (Dio Caſſ. lxvii, 8.), als einer Spartanerin geſetzt
worden. Springer auf Vaſen Tiſchb. iv, 43. Gemmen
Taſſie pl. 46, 7978. Caylus iii, 21, 4. Ueber die ἁλτῆ-
ρες Welcker Zeitſchr. i. S. 239. Sprung mit der Lanze
§. 121, 2. Sprung durch das Seil Grivaud Ant. Gaul.
pl.
23. Diſkobolen, der werfende des Myron §. 122, 5.
vgl. Guatt. M. I. 1784. p. ix. Welcker Zeitſchr. i. S. 267.
zur Erklärung der Stellung beſonders Statius Theb. vi, 680.
Der ſich zum Kampf anſchickende, auch in mehrern Exemplaren,
PCl. iii, 26; Borgh. 7, 9. im L. 704., Bouill. iii, 17,
5.; bei Mr. Duncombe in Yorkſhire. Auf Vaſen, Tiſchb. i,
54. ii, 61. 62. iv, 44. Maiſonn. 25. Ringer ἀκρο-
χειριζόμενοι auf M. von Selge, Mionn. Descr. pl. 57, 3.
6., Vaſen Tiſchb. iv, 46., Basreliefs Guatt. 1785. p. liii.
Viſc. PCl. vi, 37. Bouill. iii, 46, 9. Die Statue ei-
nes Ringers im höhern Mannesalter von gewaltiger Musculatur
beſchreibt Chriſtodor 228. Pankratiaſten-Knaben in dem
berühmten Symplegma in Florenz (Gall. di Fir. St. 121.
122.) bei der Niobe-Gruppe, digitis corpori potius quam
38
[594]Syſtematiſcher Theil.
marmori impressis, wie Plinius von einer ähnlichen Gruppe
des Kephiſſodotos ſagt. Es ſind keine παλαισταὶ, bei denen das
Riederwerfen entſcheidet; die Pankratiaſten aber ringen hauptſäch-
lich am Boden. Fauſtkämpfer, Statuen Bouill. iii,
19, 2. 3. Relief PCl. v, 36., wo ſie das Haar im Schopf
gebunden haben, wie die Ἀγῶνες §. 405, 2. Vaſen Tiſchb.
i, 55. 56. Denkmal eines Cäſtuskämpfers, bei Montf. iii,
168. nach Fabretti. Lampadedromie, mit Tellern an den
Fackeln, wie auf M. von Amphipolis, Vaſengem. Tiſchb. ii, 25.
iii, 48. Denkmal eines Sieges bei Van Dale Marm. Antiqu.
vi. p. 504 sqq.
Caylus Recueil i, p. xvii. 117.


4. Sich ſalbender Athlet, treffliche Statue in Dresden,
August. 37. 38. Aehnlich auf Gemmen Raponi 49, 3.
Bracci i, 51, 52. vgl. die Statuen tv. agg. 26. Bouill. iii,
19, 4. Um Sieg flehender Athleten-Knabe (ähnlich wie
Diagoras Familie bei Pauſ.) aus Bronze in Berlin. Levezow de
iuvenis adorantis signo. Bouill. ii, 19. M. Fr. iv,
12. Tä-
nien empfangend
, oft auf Vaſen, Laborde 6. Die Frauen
welche ſie umwinden, ſind meiſt als die Orte des Spiels zu erklären,
vgl. oben §. 405, 5. Polyklets Diadumenos §. 120, 4.
Guattani Mem. enc. v. p. 81. Die Preisvaſen ſind oft deut-
lich zu ſehn, auf Vaſengem. Laborde i, 8, Gemmen, Raponi
59, 4., Lampen, Paſſeri ii, 98. 99., Münzen, wo ſie auf den
Tiſchen der Agonen ſtehn. Ἀποξυόμενοι §. 120, 4.
129, 1. 175, 2. Millg. Cogh. 15.


5. Ruhig ſtehende Athleten Gall. di Fir. St. 124 — 129.
Bouill. iii,
19, 5. Hierher gehören beſonders manche alter-
thümliche Statuen, wie der Capitoliniſche junge Athlet, Winck.
W. v. S. 550, der bronzene und marmorne des Florent. Muſeums,
Herausg. S. 446. 566 (beide über Lebensgröße), der ſog. Ge-
nius
von Peſaro, M. Flor. 45. 46. Winck. W. iii. S. 189.
393. u. a. m.


Jünglinge mit Kosmeten, Sophroniſten, Bidyern, oder wie
man ſie nennen mag, auf Vaſengem. Böttiger Hercules in bi-
vio p.
42.


1424. Mit den gymniſchen Agonen wurden die
Spiele mit Roſſen ſeit alter Zeit gleicher Ehre gewuͤr-
2digt. Die Roͤmer ſahen ihre Circusſpiele gern auch
[595]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
gebildet und gemahlt, beſonders in Moſaik; die beguͤnſtig-
ten Kutſcher der Factionen erhielten auch, ungeachtet des wi-
derſtrebenden Coſtuͤms, Ehrenſtatuen; und es giebt manche
Werke der Art aus dem ſpaͤteſten Alterthum und im al-
lerroheſten Styl. Die Kaͤmpfe der Gladiatoren, ob-3
gleich auch deren Coſtuͤm Griechiſchem Kunſtſinne wenig
zuſagen konnte, gaben doch wenigſtens untergeordneten Kuͤnſt-
lern, welche Waͤnde bemahlten und Grabmaͤler verzier-
ten, zu thun; man darf argwohnen, daß ſolche an Graͤ-
bern ausgehaunen oder auf Grablampen ausgedruͤckten
Gladiatorkaͤmpfe mitunter die wirklichen vertreten, und
anſtatt der vollen Todten-Ehre dem Geſtorbnen ein
Scheinbild derſelben gewaͤhren ſollten.


1. Κελητίζοντες M. von Kelenderis, Vaſen Tiſchb.
i, 52. ii, 26. Der Lauf der κάλπη, ſcheint es, i, 53.
Zweigeſpanne, Viergeſpanne auf Münzen (überaus herr-
lich) u. Vaſen, beſonders Preisvaſen. Auf beiden ſieht man be-
ſonders den wichtigen Moment, wo die Meta umbogen wird, wo-
bei der den weiteſten Kreis beſchreibende δεξιόσειρος, das wil-
deſte Roß, ſchön in die Augen fällt. Die Einrichtung des κέν-
τρον und der μάστιξ mit den Klapperblechen (vgl. Sophokl.
El. 727. Anth. Pal. vi, 246) ſieht man bei Millg. Un. M.
1, 2; das Zeug der Pferde beſonders deutlich ebd. 21. Das
Beſchlagen und Striegeln der Pferde iſt auf einem alten Attiſchen
Vaſengem. abgebildet, Walpole Mem. p. 321. pl. 3. Vgl. Classi-
cal Journ. p. 206. Ancient horsemanship.
Ταυρο-
καϑάψια
zu Pferde, Relief Marm. Oxon. ii, 58.; zu Fuß
auf M. von Lariſſa, Mionn. Suppl. iii, pl. 12, 2.


2. S. Montfaucon iii, 161 sqq. Die Contorniati
geben decursiones, venationes, pugilatus, scenica, mit
viel intereſſanten Details. Eckhel viii. p. 292 sqq. Ueber
die statuae aurigarum ſ. Anthol. Plan. v. Winck. vi, 1.
S. 321. 373. PCl. iii, 31. Ein ſiegreicher, triumphirender
Auriga in dem Relief Winck. M. I. 203. Aurigae auf Gem-
men der ſpäteſten Kunſt, Gall. di Fir. 24, 3. Die Mai’
ſchen Miniaturen der Ilias ſtellen die Wagenrenner bei Patroklos
Leichenſpielen in den gegitterten Gewändern, mit den engen Mützen
u. breiten Gurten der Circusfahrer dar, tb. 55. cf. p. 23. Cir-
cusrennen in Reliefs G. Giust. ii, 94. Gall. di Fir. Stat. 99.
38*
[596]Syſtematiſcher Theil.
mit beigeſchriebnen Namen. Gemmen, Flor. ii, 79. Lipp.
i, ii, 472. 73. Terracotta des Britt. Muſ. 60. Lampen
bei Bartoli t. 27. Paſſeri iii, 26. (ſehr genau). Zu den
§. 290, 2. angeführten Maſaiken iſt die beſonders wichtige von
Artaud herausgegebne zu fügen: Descr. d’une Mosaique re-
prés. des jeux du Cirque, découv. à Lyon. 1806. Amo-
res circenses
§. 391, 5. Das Mappam mittere ſieht man
deutlich bei D. A. Bracci Diss. sopra un clipeo votivo
spett. alla famiglia Ardaburia, trov. 1769. nelle vic.
d’Orbetello. Lucca
1771. Die Meta eines kleineren Cir-
cus, mit ihren Zierden, bei Zoëga, Bass. 34.


3. §. 211, 2. Pompejaniſches Gem., wo ein Kreis für
das Gefecht umſchrieben wird, Gell pl. 75. Kyrenäiſches
Pacho pl. 53. Aber beſonders genau iſt die Moſaik Winck. M.
I.
197. 198. vgl Fabretti Col. Trai. p. 256 sqq. Auch das Re-
lief an einem Pompej. Grabmal, Mazois i, 32 mit Namen u.
Zahlen. Gladiatoren (wie bestiarii, ludii, aurigae) häufig
auf Grablampen Paſſeri iii, 8. Gemmen Lipp. i, ii, 475.


1425. Die nahe Verbindung, in welcher Tanzkunſt
und Plaſtik ehemals ſtanden (§. 77, 2.), iſt im Einzel-
nen noch wenig mit Sicherheit nachgewieſen worden;
manche alte Tanzweiſen laſſen ſich indeß auf Vaſenge-
2maͤhlden ziemlich wiedererkennen. Muſiſche Wettſtreite
ſo wie theatraliſche Darſtellungen reizten in den guten
Zeiten der Kunſt nicht zur Nachahmung, da das Coſtuͤm
jener eben ſo prunkvoll und weitlaͤuftig war, wie die bil-
dende Kunſt es einfach und natuͤrlich fordert (§. 336).
Nur ſolche Zweige der Kunſt, welche von den ſtrenge-
ren Grundſaͤtzen nachlaſſend das Leben in groͤßerer Aus-
dehnung nachahmen, wie Vaſengemaͤhlde, Miniaturen,
Moſaiken, gewaͤhren Scenen der Buͤhne in bedeutender
Anzahl.


1. Man erkennt auf Vaſen ungefähr von den Tänzen bei
Athenäos die κερνοφόρος, ἄνϑεμα, καλαϑισμός, χεὶρ σιμή
(Lab. i, 78), σκὼψ oder σκοπὸς (darüber §. 384, 3. Welcker
Nachtrag zur Trilogie S. 140), κόρδαξ (Lab. i, 68. §. 386, 3).
Die Kernophoros auch auf Wandgemählden, nach den Herausg.
der Pitt. Erc. iii. p. 154. Κυβιστητῆρες in Bronzen,
[597]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
Micali Ital. t. 56, 2. 5; weibliche auf Vaſen, Tiſchb. I ex.
Die ſog. Horen V. Borgh. st. i, 14. Bouill. ii, 95. ſind
tanzende Dorierinnen, mit aufgehaktem Chiton, §. 339, 1.


2. Ein herrliches Vaſenbild einer Verſammlung von Flöten-,
Cither- und Trigonen-Spielerinnen nebſt Sängerinnen (vom Blatt)
bei Maiſonn. 43. Eine Flöten- und eine Kitharſpielerin vor
einem Athlotheten Laborde i, 11. Einen doppelten Agon von
Auleten u. Kitharoden im vollen Coſtüm zeigt das ſehr intereſſante
Gemählde aus der Nekropolis von Kyrene bei Pacho pl. 49. 50.
Die drei Figuren auf Baſen mit hoher Stephane (ὄγκος?) ſcheinen
Statuen im Bühnencoſtüm von Herakles, Hermes und einem Dritten.
Vgl. damit Pitt. Erc. iv, 42., beſonders den getreu dargeſtellten
Flötenſpieler. Das Panfiliſche Relief bei Winck. M. I. 189.
deutet die bei einer Leichenfeier gegebnen Bühnenſpiele u. a. durch
einen Herakles in Bühnencoſtüm an. Eine Scene des Attiſchen
Theaters ſtellt mit dem Theater ſelbſt die bei Aulis gefundne Vaſe,
Millin. ii, 55. 56, dar. Das tragiſche Coſtüm lernt man ſonſt
aus der §. 322, 5. erwähnten Moſaik des PCl. am beſten kennen.
Unteritaliſche Farçen §. 390, 6. Komiſche Hiſtrionen in Statuen,
PCl. iii, 28. 29., in Etruskiſchen Bronzen, Gori M. E. i, 186;
auf Grablampen, Bartoli 34 sq. Paſſeri iii, 21. Sce-
nen der Komödie Pitt. Erc. iv, 33. 34. Aus Terenz §. 212, 3.
Zahn Wandgem. 31, etwa Terenz Eunuch. iii, 2. Ficoroni
de larvis scenicis et figuris comicis. R. 1754. ed. 2.
Scenen des tragiſchen, komiſchen und ſatyriſchen Drama als Zim-
merverzierung §. 150, 2. 209, 6.


Ein mathematiſch-muſiſcher Unterricht, Tiſchb. iv, 69. Eine
Schule mathematiſcher Philoſophen, Moſaik bei Winck. M. I. 185.


3. Krieg.

426. Darſtellungen des Kriegs haͤngen natuͤrlich am1
meiſten mit hiſtoriſchen Begebenheiten zuſammen, bei de-
nen eine genauere Ausfuͤhrung erſt in Roͤmiſcher Zeit vom
Kuͤnſtler verlangt wurde. Kaum kann es fuͤr eine
anſchauliche Kenntniß der Roͤmiſchen Legionen, Praͤtori-
ſchen und Auxiliar-Cohorten nach Tracht, Bewaffnung
und Feldzeichen eine wichtigere Quelle geben als die
Triumphaldenkmaͤler. Selbſt Seeſchlachten ließen2
ſich bei dem Prinzip der Alten, die menſchlichen Fi-
[598]Syſtematiſcher Theil.
guren hervorzuheben, die lebloſen Maſſen als Neben-
werk unterzuordnen, plaſtiſch in geringem Raume auf an-
3ziehende Weiſe behandeln. Die ſogenannten Fechter,
der kaͤmpfende und der ſterbende, beruͤhmte und werth-
volle Statuen, ſind wahrſcheinlich beide nicht aus mytho-
4logiſchen, ſondern hiſtoriſchen Gruppen entlehnt. Auch
bei den zahlreichen Scenen auf Vaſengemaͤhlden, welche
dem Kampfe vorhergehn, ihn begleiten oder ihm folgen,
darf man ſchwerlich uͤberall an Begebenheiten der heroi-
ſchen Zeit denken.


1. Montfaucon iv, i. Oben §. 419, 4. Ein ſchönes Frag-
ment eines Kampfes von Römern mit Barbaren G. Giust. ii,
71. 72. Intereſſant iſt die Darſtellung der Schickſale der Leg.
xi. Cl. P. F.
auf einer Gemme, M. Flor. ii, 19. Lipp.
i, ii, 451.


2. Montf. iv, ii. Schönes Bruchſtück einer Seeſchlacht, S.
Marco ii,
50. Sorgfältig dargeſtellte Römiſche Kriegsſchiffe, auf M.
von Kyzikos; ſammt den Zeichen der Cohorten darauf, auf Gemmen,
M. Flor. ii, 49 sq. Die genaueſte Darſtellung eines Schiffs
giebt das Präneſtin. Relief mit einer Bireme, Winck. M. I. 207.
Dazu Le Roy Mém. de l’Inst. Nat. Litt. iii. p. 152. Das
vela contrahere kann beſonders das Pompejan. Relief, Mazois
i. pl. 22, 2., Goro 6, 2., uebſt Bartoli Luc. iii, 12., deut-
lich machen.


3. Borgheſiſcher Fechter, von Agaſias von Epheſos.
Maffei Racc. 75. V. Borgh. st. 7, 10. M. Roy. i, 8. Nach
einem Einfall Leſſings ein Chabrias, nach Mongez Mém. de
l’Inst. Nat. Litt. ii. p.
43. ein Athlet, nach Gibelin ebd. iv.
p.
492. ein σφαιριστὴς (auch nach Hirt), nach Qu. de Quincy
Mém. de l’Inst. Roy. T. iv. p. 165. ein Hoplitodrom. Am
wahrſcheinlichſten wohl ein Kämpfer mit einem Reuter, aus einer
größern in Lyſippos Weiſe componirten Gruppe.


Sterbender Fechter, M. Cap. iii, 67. Racc. 65.
M. Fr. ii ex.
Der Schnurrbart, die Halskette verräth den
Kelten. Die Figur konnte zu einem Tropäon, nach Nibby’s Idee
zur Eckfigur in der Gruppe eines Giebelfeldes, welche die Ver-
nichtung der Gallier bei Delphi vorſtellte, dienen. Rach Kteſilaos
[599]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
vulneratus deficiens? Plin. xxxiv, 19, 14. Ein ge-
bundner Gallier von einer Trophäe, eine treffliche Bronze, bei
Griv. de la Vincelle pl. 23. Ein ſtürzender Kämpfer, mit
Phrygiſcher Mütze, PCl. iii, 50. Bouill. iii, 17, 6.


4. Auf Vaſen: Rüſtung (Millin i, 39.), Abſchied und Liba-
tion dabei (Millin i, 13. 41. vgl. das ſchöne Griech. Relief,
St. di S. Marco i, 48.), Zug ins Feld zu Wagen und ſonſt,
Kämpfe von Kriegern, Krieger mit der Nike auf dem Viergeſpann
(Millin i, 24) u. dgl.


Fecialen, auf M. von Capua (M. Br. 2, 9.) u. ſonſt;
Trophäen-Erreichtung, Pitt. Erc. iii, 39. Triumphe, Gori
M. E. i, 178. 179. — Schleuderer im Akt des Schleuderns,
ſehr genau auf M. von Selge, Mionn. Descr. Pl. 57, 3. 6.


4. Jagd und Landleben.

427. Jagden ſind in alten Kunſtwerken ziemlich1
haͤufig vorgeſtellt worden, beſonders die dem Kriege an
Gefaͤhrlichkeit naheſtehenden Saujagden und der beſondre
Behendigkeit und Geſchicklichkeiten erfordernde Haſenfang.
Die Geſchaͤfte des laͤndlichen Lebens ſind ſelten durch un-2
mittelbare Nachahmung der Wirklichkeit dargeſtellt. wor-
den, da ein ſo mannigfaltiger mythiſcher Ausdruck dafuͤr
im Cyklus der Demeter und des Dionyſos gegeben war;
wenigſtens werden gern Satyrn, Eroten und andre my-
thiſche Figuren dabei als thaͤtige Perſonen dargeſtellt.
Laͤndliche Einfalt und Derbheit lag indeß doch nicht au-3
ßer dem Kreiſe der alten Kunſt; auch die kurze Statur,
das Vierſchroͤtige, das bisweilen Figuren der Art gege-
ben wird, iſt der Darſtellung eines ſchlichten baͤuriſchen
Weſens foͤrderlich. So war auch ein von langer Arbeit4
in der See abgemagerter, ſonnverbrannter, alter Fiſcher
ein Gegenſtand, welchen plaſtiſche Kuͤnſtler, wie Dichter,
des Alterthums mit großer Naturwahrheit ausfuͤhrten.


[600]Syſtematiſcher Theil.

1. Montfauc. iii, 165 sqq. Philoſtratos beſchreibt i, 28.
ein Bild, Συοϑῆραι, Ph. d. j. 3. ein andres, Κυνηγέται.
Schlummernder Jäger, ſehr ſchönes Relief des M. Cap. iv, 53.
Auf Vaſen alten Styls kommen öfter Saujagden vor, zum Theil
in Bezug auf dunkle mythiſche Geſchichten. §. 75, 2. 99, 2,
2. vgl. Pauſ. i, 27, 7. Welcker in Jahns Jahrb. 1829. i.
S. 254. Ein Wildſchwein zurückgebracht, Millin V. i, 18.
Haſenjagd, ſchön auf Vaſengem. Millingen U. M. 18. Die
Löwenjagd der Reliefs bei Caylus iv, 119. Guatt. Mem.
enc. vii, p. 12. Bouill. iii,
64, 4. miſcht, wie es ſcheint,
eine Enyo oder Roma unter hiſtoriſche Figuren. Vgl. §. 412, 1.
Löwenjagden, oft auf ſpätern KaiſerM. u. Gemmen, vgl. §. 207,
9. Ludi funebres, Tiger, Löwen mit beſtellten Kämpfern,
Mazois Pompej. 31. 32. Bartoli Nason. 27. Lucern. 31.,
Montfauc. iii, 165. Wild-markt G. Giust. ii, 112. Buden
der Wildverkäuferin, des Garkochs, Zoëga 27. 28.


2. Ein Pflüger mit dem alterthümlichen Hakenpfluge, Etr.
Bronze, Micali 50. Auf einer Gemme M. Flor. ii, 42, 3.
Arbeiten der Weinerndte, (Stampfen der Trauben mit den Füßen,
Gießen des Moſts in die Winterfäſſer) Zoëga 26. Paſſeri Luc.
ii,
48. 49. Ein alter Bauer, G. Giust. ii, 45. Ein
Hirt in einer Exomis von Fell, PCl. iii, 34. Vortrefflich
iſt der robuſte u. eifrige Ausweider eines Thiers, Bouill. iii, 19, 6.


3. Eine Darſtellung aus dem Landleben von wahrhaft rüh-
render Einfalt iſt auch der Dornausziehende Knabe, der ſog. Spi-
narius,
Maffei Racc. 23. M. Fr. iii, 21. Oft wiederholt.
Auch die mit Gänſen ringenden Knaben (z. B. Bouill. ii, 30,
1. M. Fr. 22.
) gehören wohl hierher.


4. Der ſog. Seneca im L. 595. aus ſchwarzen Marmor, ſehr
ergänzt, nach Viſconti ein (Africaniſcher?) Fiſcher, V. Borgh.
st. 3, 10. Bouill. ii,
65. Vgl. den γριπεὺς, ἁλίτρυτος
γέρων Theokr. i, 39. Aehnliche Figuren PCl. iii, 32.
Bouill. iii,
19, 7. Schlummernder Fiſcherknabe PCl. iii, 33.


5. Häusliches Leben.

1428. Haͤufiger ſind Darſtellungen von geſelligen Mah-
len
, da der feſtliche Charakter derſelben ſie beſonders
[601]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
fuͤr Kunſtdarſtellung eignete; es fehlt dabei nicht an mu-
ſikaliſchen und orcheſtiſchen Ergoͤtzlichkeiten (ἀκροάματα).
Wie aber die einfachen Familienmahle auf Griechiſchen2
Leichenſteinen deutlich als Mahle der Todten, die dabei
ſelbſt als Unterweltsgottheiten erſcheinen, gefaßt werden:
ſo ſollen auch jene Feſtgelage auf den Aſchenkiſten und
Vaſen Italiens wohl zum großen Theile das ſeelige Loos
der Geſtorbenen ausdruͤcken, welches Griechiſche Hymnen-
dichter durch ein unausgeſetztes Schmauſen an vollbe-
ſetzten Tafeln und eine ewige Trunkenheit bezeichneten.
Bei ſo ſinnlicher Ausmahlung des Looſes der Seeligen3
wuͤrden ſelbſt die Freiheiten, welche die Gaͤſte dieſer
Mahle ſich mit buhleriſchen Floͤtenſpielerinnen, (Griechi-
ſchen Huri’s) nehmen, nicht unziemlich erſcheinen duͤrfen.


1. Solche Gelage auf Etr. Urnen, Micali t. 38. Vaſen-
gem. Hancarv. iii, 62. Tiſchb. i. ex. (wo ein Hoplomach u. ein
weiblicher Kybiſteter dabei ſind) ii, 55 (mit einem Kymbaliſten
und einer Flötenſpielerin) iii, 10 (die halbnackten Frauen ſind
Hetären) Millg. Cogh. 8 (die Flötenſpielerin iſt, wie die Atti-
ſchen, zugleich Hetäre) Laborde i, 62 (die Flötenſpielerin erſcheint im
durchſichtigen Gewande) Maiſonn. 45. Ein ſchönes Vaſengem.
mit einem ſolchen Hetären-Mahl wird in Neapels Ant. S. 341.
ſehr lebendig beſchrieben.


2. Familienmahle der Art bei Winck. M. I. 19. 20. Hob-
houſe Travels pl. 1. M. Worsl. i, 12. Beſonders M. Oxon.
i. t.
51. Der Mann liegt, die Frau ſitzt auf der κλίνη u.
hat ein ὑποπόδιον unter den Füßen, ein miniſtrirender Knabe
ſteht häufig dabei. Durch ein Fenſter ſieht man einen Pferdekopf
(der Tod als Reiſe); eine Schlange trinkt hie und da aus der dar-
gehaltenen Schale (Oxon. I n. 135. ii, 67.); und wenn, wie öfter,
der Mann einen modius auf dem Kopfe hat, ſo ſieht man deut-
lich, daß das Mahl des Hades u. der Perſephone nachgebildet
wird. Auch nahet öfter ein Zug von Betenden, bisweilen mit
einem Opferſchwein. Bei Caylus ii. pl. 74., wo die Namen
darüber ſtehn, werden die Speiſenden bekränzt.


3. So iſt z. B. das Vaſengem. Tiſchb. ii, 52 wohl ein
Todtenmahl; die Eſſenden genießen die Eier der gewöhnlichen coe-
nae ferales;
u. doch iſt auch hier eine nackte Flötenſpielerin dabei.


[602]Syſtematiſcher Theil.

1429. Hieran ſchließen ſich die Hochzeitbilder, wo-
bei außer der die Neigung erweckenden Aphrodite und der
vermaͤhlenden Hera im ſpaͤtern Alterthum gern Amor
und Pſyche als Haupt- oder Nebenperſonen eingefuͤhrt
2werden. Eine auf Vaſengemaͤhlden ſehr haͤufige Vorſtel-
lung eines Epheben, der ein Maͤdchen verfolgt, moͤchte
auf die weitverbreitete Sitte des virginem rapere zu
deuten ſein.


1. Aldobrandiniſche Hochzeit §. 319, 5. Die Vergleichungen
Biondi’s mit Catulls Epithalamium geben kein Reſultat. Die
halbbekleideten Figuren neben der Braut ſind wohl Venus u. Pei-
tho. — Eine Reihe Reliefs, auf denen Hera die Gatten zuſam-
men führt oder hält, Adm. Rom. ed. 2. t. 56. 57. 65. (die
Uebergabe der Braut in ächtgriechiſchem Styl, Lipp. Suppl. 394.,
womit das Relief Guatt. 1785 p. 31. auf daſſelbe Original zu-
rückweist). Hochzeitliches Opfer mit glücklichen Zeichen, ebd. 58.
(vgl. das Hochzeitopfer Guatt. 1785 p. 61.) Bad der Braut, ebd.
59. Die Niederkunft 65. — Die Griechiſche Braut im Putz-
gemach, Böttigers Vaſengem. i. S. 139. Eros u. Pſyche auch
auf dem Sardonyx-Gefäß §. 315, 5. vgl. §. 391, 5. Kad-
mos u. Peleus Hochzeiten dienen als mythologiſche Repräſentanten
wirklicher hiſtoriſcher.


2. Mehrere der Art giebt Raoul Rochette Mon. In. i. als
Raub der Thetis. Bei Millingen Cogh. 1. entführen die Jüng-
linge die Mädchen auf Wagen.


Liebeszauber Tiſchb. iii, 44. — Anhangsweiſe muß hier
auch der großen Anzahl obſcöner Vorſtellungen (beſonders der Ve-
neris figurae
, auf Gemählden, Gemmen, Münzen, lasciva
numismata
Martial viii, 78.) gedacht werden, zu denen auch
die Mythologie viel Gelegenheit gab, wie außer dem §. 137, 3.
Angeführten beſonders das in Argos und in Samos erwähute ſcheuß-
liche Bild von Zeus u. Hera’s Liebe zeigt. Lobeck Aglaoph. p.
606. Von den Pornographen §. 139, 2 ex. 163, 4.


1430. Aber auch andre Scenen des haͤuslichen Le-
bens, wie das Bad, welches der uͤppigeren Kunſt der
Vaſen und Etruskiſchen Spiegel beſonders zuſagt, allerlei
Spiele und Ergoͤtzlichkeiten liegen, beſonders wenn ſie ei-
[603]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ner eigenthuͤmlichen Entwickelung menſchlicher Charaktere
Raum geſtatten, nicht außerhalb des Kreiſes der alten
Kunſt; welche dann freilich ganz aus ihrer Beſtimmung2
heraustritt, wenn ſie — wie in Pompejaniſchen Gemaͤhl-
den — die in der Wirklichkeit fehlenden Bibliotheken,
leckern Gerichte, den Haushund, an die Wand mahlt,
und ſo zu einem bloßen Surrogat der Realitaͤt herabſinkt.


1. Kuaben, welche ſich in einem öffentlichen Bade (ΔΗΜΟ-
ΣΙΑ) baden, Tiſchb. i, 58. Frauen iii, 35 u. oft, auch
mit dienenden Eroten. Die Leiter, welche hier und oft in den
Händen badender u. ſich ſchmückender Frauen vorkömmt, iſt wohl
ein Geräth Bänder aufzubewahren oder etwas Aehnliches. Das
Anpinſeln des Geſichts, Tiſchb. ii, 58. Das Vergnügen des
Schaukelns Millingen Un. M. i, 30. Das Mädchen beim Knö-
chelſpiel (§. 120, 4. 417, 2.), eine ἀστραγαλίζουσα, iſt in
mehrern Exemplaren, im Britt. Muſeum, Dresden, der Wallmo-
denſchen Sammlung, vorhanden. Bouill. ii, 30, 2. M. Fr.
iv,
9. Der kleine Bogen an der Plinthe (nach Andern eine Schlange)
ſoll wohl eine der jüngern Nymphen der Artemis bezeichnen. Vgl.
Bekker Auguſt. Th. iii. S. 21. Levezow, Amalth. i. S. 193.
Spiel mit dem Trochos, Winck. M. I. 193 — 195.


Zwerge als Römiſche Luxusartikel in Bronzen, Ant. Erc.
vi,
91. 92. Gori M. E. i, 56. Pitt. Erc. v, 66 sqq.
(als Pygmäen).


6. Tod.

431. Direkte Darſtellungen des Todes und der da-1
bei beobachteten Gebraͤuche ſind in der Griechiſchen Kunſt
ſelten; der todte Leib hoͤrt auf, Ausdruck des Geiſtes,
und eben dadurch, Gegenſtand der Kunſt zu ſein. Zu2
den andeutenden Vorſtellungen gehoͤrt, außer vielen ſchon
erwaͤhnten, theils aus der Mythologie (§. 397, 2.) theils
aus dem Leben (§. 428, 2.) genommenen, das einfache
Bild eines Abſchieds, einer Reiſe ohne weitre Bezeich-
nung des unbekannten Ortes, wohin ſie gerichtet iſt.


[604]Syſtematiſcher Theil.

1. Conclamatio Relief Caylus iii, 73. Bouill. iii, 60, 1.
Planctus, Bouill.
60, 2. Gori M. E. iii, 3. t. 20 — 23.


2. Auf Griechiſchen Steinurnen und Cippen iſt ein Abſchied,
mit beigeſchriebnen Namen, die gewöhnlichſte Vorſtellung. M.
Worsl. i,
6. 14. Caylus vi, 49 sqq. Oft iſt auch ein
Pferd dabei, Bouill. iii, 79. Marm. Oxon. ii, n. 63 (ein
Attiſcher Cippus, oben eine Sirene §. 393, 4). Darnach müſ-
ſen die Abſchiedsſcenen auf Vaſen wohl auch größtentheils gefaßt
werden. Auf Etr. Aſchenkiſten geht der Abſchied gewöhnlich vor
einer Thür vor, der Mantus oder Orcus haut zu. Vgl. §. 174, 3.


1432. Skelette (σκελετοί, larvae), worunter bei
den Alten im Ganzen nur fleiſchloſe, zu Haut und Kno-
chen zuſammengeſchrumpfte Geſtalten zu verſtehen ſind,
kommen, ſo wie Todtenkoͤpfe, erſt in ſpaͤtern Zeiten
und auf kuͤnſtleriſch unbedeutenden Denkmaͤlern als Be-
2zeichnung des Todes vor. Ein ſilbernes Geripp mahnt
bei Trimalchio’s Mahl an Lebensgenuß, und Appule-
jus wurde beſchuldigt, ein Larve (larvalis imago, scele-
tus
) als Amulet oder Zaubermittel bei ſich zu tragen.


1. Mehreres ſtellt Welcker Sylloge p. 98. zuſammen. Ein
Grabſtein mit der dort angeführten Inſchr. und einer larva dar-
unter war auch in den Souterrains des Britt. Muſeums zu ſehn.
Auf einem Grabmal in Pompeji ein Relief mit einem Skelett,
das eine Frau mit Bändern ſchmückt, Mazois Pomp. i, 29.
Cippus in Neapel, mit einem Skelett, deſſen Munde ein Schmet-
terling entſchwebt, Neapels Ant. S. 61. S. auch Gori Inscr.
i. p.
455. und die Gemmen bei Chriſtie Painted Vases 4. 6.
(Gerippe mit Laternen). Ueber die Skelette von Kuma §. 260,
1. u. Blumenbach GGA. 1823 S. 1243. Eine larva, aus
Haut u. Knochen beſtehend, ſollte Hippokrates nach Delphi geweiht
haben. Pauſ. x, 2, 4.


2. Die larva argentea bei Petronius 34., sic apta, ut ar-
ticuli eius vertebraeque laxatae in omnem partem flecte-
rentur,
war hiernach ein wirkliches Gerippe. Ein Skelett bei
einem Feſte auch auf dem Relief im L. 25. — Appulej. de
magia p. 68. Bip.


[605]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
7. Amulete, Symbole.

433. Dies fuͤhrt zu einer fluͤchtigen Erwaͤhnung der1
Amulete des Alterthums, welche ihrer Natur nach uͤberall
die Graͤnzen der Kunſt uͤberſchreiten, ja dem Kunſt-
ſinne gradezu widerſprechen. Die gefuͤrchtete invidia
wird nach dem Glauben des Alterthums um ſo ſichrer
abgewehrt, je widriger, ja ekelhafter der Anblick iſt,
welchen man ſich vorhaͤlt; und die zahlloſen phalliſchen
Bronzen hatten, wenn auch urſpruͤnglich Seegensſymbole,
ſpaͤter doch nur dieſen Sinn und Zweck. In ſymboli-2
ſcher und aberglaͤubiſcher Bedeutung kommen das Auge,
der Fuß, die Hand in verſchiedner Anwendung vor;
ohne beſondre Bedeutung bildete man alle Glieder des
menſchlichen Koͤrpers als Weihgeſchenke an Asklepios
fuͤr gluͤckliche Heilung. Lebensfuͤlle, Geſundheit und3
Bluͤthe deutet ſpaͤtern Zeiten am gewoͤhnlichſten das Fuͤll-
horn an, welches als fuͤr ſich beſtehendes Symbol auch
verdoppelt wird. Wo mathematiſchen Linien und Fi-4
guren ein geheimer Sinn, willkuͤhrlich oder aus philoſo-
phiſchen Grillen, beigelegt wird, verſchwindet mit der
natuͤrlichen Einheit des Aeußern und Innern alle Kunſt-
thaͤtigkeit voͤllig.


1. Bekannt iſt der Phallus an Pompejaniſchen Häuſern mit
der Beiſchrift: hic habitat felicitas. Wahrſcheinlich war er
auch das gewöhnliche βασκάνιον, fascinum, vor Werkſtätten,
Pollux vii, 108 (γελοῖά τινα, turpicula res); vgl. Böt-
tiger Amalth. iii. S. 340. [Arditi del fascino. Nap. 1825.
4.] Il Fico oft mit Phallen als Amulet verbunden. Ant. Erc. vi
99. Phalli alati.
Aber auch todtenähnliche Bilder
erreichen dieſen Zweck, und eine Art Heuſchrecke, die öfter als
larvalis imago vorkommt, ſoll von Peiſiſtratos als καταχήνη,
fascinum, vor der Akropolis aufgeſtellt worden ſein. Heſych.
Vgl. Lobeck Aglaoph. p. 970.


2. Der malus oculus wird am intereſſanteſten in dem
Relief Woburn-Marbles 14., vgl. Millingen Archaeol. Brit.
[606]Syſtematiſcher Theil.
xix., dargeſtellt, wo ihm alle mögliche Schmach und ordure wi-
derfährt. Aehnlich ſieht man ihn von vielerlei Thieren angegrif-
fen, Lipp. Suppl. ii, 466. Pedes votivi, von Schlangen
umwunden, mit dem Steinbock als glücklichem Zeichen darauf, u.
der Inſchr. faustos redire, Paſſeri Luc. fict. ii, 73. Amu-
leten-Hände bei Caylus iii, 63. Cauſſeus Mus. Rom. vi,
11 — 14 etc.
Concordien-Hände, dextrae, Caylus v,
55, 4. Montf. iii, 197. Verſchlungne oft auf M. u. Gem-
men. Ueber jene Weihgeſchenke für Heilung C. I. 497. sqq.
1570. Einige der Art im Britt. Muſ.


3. Füllhorn, mit Schlangen umwunden, auf M. der Byl-
lionen, vielleicht in Bezug auf Kadmos. Mus. Br. 5, 12. Das
Doppelhorn, was ſo oft auf M. mit Knabenköpfen vorkömmt (mit
den Köpfen von Epiphanes u. Kallinikos auf M. von Comma-
gene) hieß δίκερας, Ath. v p. 202. c. Lipp. Suppl. ii, 398.


4. Ueber das Pentalpha beſonders Lange in Bött. Archäol.
u. Kunſt i. S. 56. — Die Myſterientypen auf altgriech. Mün-
zen, wovon Stieglitz Archäol. Unterh. ii. S. 17, ſind es zum ge-
ringſten Theil wirklich. Das Bild der drei ſich umſchwingenden
Füße, welches ſonſt für Symbol der Trinakria Sicilien galt, wird
in viel ausgedehnterem Kreiſe, namentlich auch auf Kleinaſiatiſchen
M., geſunden, u. ſcheint noch unerklärt. Abraxas, oben §. 206, 7.


8. Thiere und Pflanzen.

1434. Die Meiſterhaftigkeit der Alten in der Darſtel-
lung der edleren Thierarten geht aus ihrem feinen
2Sinne fuͤr charakteriſtiſche Form hervor. Das Pferd
ſchloß ſich in Griechiſchen Siegerſtatuen und Roͤmiſchen
statuae equestres zunaͤchſt an die Menſchengeſtalt an;
obzwar ſelten ſchlank und hochgebaut, ſind die Roſſe
Griechiſcher Kunſtwerke doch ſehr feurig und lebensvoll,
die Roͤmiſchen ſchwerfaͤlliger und maſſiver; ihr Schritt iſt
haͤufig der kuͤnſtlich ihnen eingelernte, ſchaukelnde Zelt
3oder Paß (ambling, tolutim). Fuͤr einen ſeine Wunde
leckenden Hund auf dem Capitol cavirten die tutelarii nach
Plinius mit dem Leben, weil er unſchaͤtzbar, noch giebt es
[607]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
ausgezeichnet ſchoͤne Thiere der Art; ſo wie Woͤlfe, Stiere,
Widder, Eber, Loͤwen, Panther, in denen zum Theil
die Formen dieſer Thiere eben ſo großartig entwickelt
ſind, wie die menſchlichen in Goͤttern und Heroen.


1. Winckelmann W. iv. S. 236.


2. Ikoniſche Roſſe Aelian V. H. ix, 32. Kalamis R.
§. 112, 2. Noch erhalten: die Köpfe von Parthenon §. 118, 2,
c., die Venetianiſchen Pferde (mit jenen verglichen in Göthe’s Kunſt
und Alterth. ii, 2. S. 88.) St. di S. Marco i, 43 ff. §. 261,
2., die von M. Cavallo §. 414, 4., von M. Aurel §. 204, 4.,
den Noniern §. 421, 8., eins in Florenz, Gall. Stat. 80. (vgl.
81 — 86). Herculaniſche Quadriga, Ant. Erc. vi, 66.
Pferdekopf vom Pallaſt Colombrano in Neapel, Göthe W. xxviii.
S. 34. Sehr ſchöne auf Theſſaliſchen und Siciliſchen M. Die
Begriffe der Alten von Pferdeſchönheit lernt man aus Xenophon,
Virgil, Columella, Oppian. Erklärung der Muskeln u. der
Basreliefs an E. Matthäi’s Pferdemodelle von Seiler u. Böttiger
Dr. 1823. Vgl. oben §. 424, 1.


3. Trefflicher Hund bei Anchiſes §. 378, 3. Herrliche Mo-
loſſer, Cavac. i, 6. M. Gab. 43. Wolf von Belvedere,
ein rieſenmäßiges Thier. Myrons Kuh §. 122, 3. vgl. PCl.
vii, 31. Toro Farnese
§. 157., Bronze in Venedig, S.
Marco i,
47. Bronze in Dresden (nach Strongylion?) Meyer
Geſch. Tf. 9 c. Der Bock, der in der Makedoniſchen Urge-
ſchichte vorkommt, iſt auf M. prächtig dargeſtellt, Mionn. Suppl.
iii. pl.
9, 4 — 6. Giuſtinianiſcher. Eherne Widder zu
Palermo Göthe W. xxviii S. 121. Ueber den aries gutta-
ratus,
in Florenz u. Rom, eine Schrift von Ad. Fabroni. Ka-
lydoniſcher Eber, in Byzanz von Niketas p. 357. erwähnt;
Anth. Pal. xv, 51; ein ſehr ſchöner M. Flor. iii, 69. Ae-
toliſche M. M. Brit. 5, 25. Eine ſäugende SauPCl. vii,
32. vgl. §. 418, 3. Löwen zu Venedig vom Peiräeus
Athens S. Marco ii, 48. 49. Herrliche Figuren auf M. u.
Gemmen. Vgl. Jen. LZ. Erg. 1815. S. 290. Aus dem Fel-
ſen gehauener Löwe in Keos, Bröndſted Voy. i. pl. 11. Aehn-
liche hie u. da in Griechenland. Von dem Coloſſallöwen zu Chäro-
nea ſollen noch Trümmer daſein. Bacchiſche Panther auf M.
mit Thyrſen oder Lanzen im Rachen. Löwen- und Pantherkampf
kräftig gezeichnet Laborde Vas. ii, 21. Vgl. oben §. 427, 1.
Eine Sammlung von Thieren antiker Kunſt, auch Adlern, Pfauen,
Störchen, PCl. vii, 26 — 34. Bouill. iii, 95.


[608]Syſtematiſcher Theil.

1435. Niedere Arten, Seethiere, Polypen, werden
meiſt in einem freien Stylbehandelt, welcher mehr die kuͤhnen
und grotesken Formen ſolcher Naturgegenſtaͤnde uͤberhaupt,
als die genaue Beſchaffenheit der einzelnen Gattung darzuſtel-
2len ſtrebt. Eben ſo darf man wohl ſagen, daß in den
Pflanzengewinden der Vaſengemaͤhlde, wie in den
Kraͤnzen und Feſtons der zierenden Architektur und Ge-
faͤßarbeit, bei mannichfachen Abweichungen von den nach-
gebildeten Gegenſtaͤnden im Einzelnen, doch der Geiſt
3und Charakter der Vegetation oft tief ergriffen iſt. Be-
ſonders aber zeigt ſich in allen Compoſitionen verſchied-
ner Thiergeſtalten, welche zum Theil durch den Orient
angeregt, aber in aͤcht Helleniſchem Sinne ausgebildet
worden ſind, ein Geiſt, welcher das Naturleben in ſei-
ner ſchoͤpferiſchen Kraftfuͤlle mit eben ſo viel Wahrheit
wie Kuͤhnheit auffaßt; daher uns ſolche Geſtalten wie
4wahre und wirklich vorhandene entgegen treten. Ein
ganz andrer Geiſt, als dieſes naive Naturgefuͤhl, ſpricht
uns aus den ſpaͤtern Gryllen auf Gemmen an; Witz
im Zuſammenfuͤgen des Verſchiedenartigſten, oft auch eine
allegoriſch ausgedruͤckte Reflexion liegen hier zum Grunde.


1. S. die Seethiere auf Vaſen z. B. Millingen U. M. 10. Doch
gab es auch ſelbſt unter Phidias Namen die genaueſten Nachbil-
dungen von Bienen, Fliegen, Cicaden (vgl. §. 160, 3.), und auch
ſeltene Thierarten werden oft in Anticaglien getreu dargeſtellt, Blu-
menbach Comtt. Soc. Gott. xvi. p. 184. Gemahlte Spinn-
gewebe, Philoſtr. ii, 28.


2. S. von Griechiſchen Vaſen Millin i, 15. 22. ii, 32.
39.; Römiſche Arbeiten bei Cavaceppi, Piraneſi Vasi u. ſonſt.
Wie ſchwer verſchiedene Pflanzenarten auf alten Kunſtwerken zu
unterſcheiden ſind, bemerkt Sprengel Hist. rei herbariae i, p.
29. Nachbildungen von Früchten in Wachs, §. 305, 4., und
in der Rhyparographie §. 163, 5. 210, 6. 211, 1.
Ant. Erc. i, 9. 11. 45. 47. u. oft.


3. Greifen §. 361 ex. Tragelaphen und andre groteske
Thierfigureu auf den Vaſen §. 75, 2. 177, 2. vgl. 238, 4.
Aehnliche liebte man an Silbergefäßen ἐν προτομῆ. Die ge-
[609]II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
flügelte Sau der Volkſage von Klazomenä (Aelian H. A. xii,
38.) findet ſich ſchon auf ſehr alten Goldmünzen der Stadt, z.
B. M. Br. 13, 23. Ein ſchöner geflügelter u. gehörnter Pan-
ther, der einen Hirſch tödtet, Woburn-M. 11.


4. §. 163, 4. Lippert I, ii, 517 ff. Suppl. ii, 413 —
428. Raponi t. 52. Taſſie p. 709. Zum Theil entſtehen ſie
durch Zuſammenfügung Bacchiſcher Masken mit andern Geſichtern.


9. Arabeske, Landſchaft.

436. So ſehr ſich die lebendige und geniale Auf-1
faſſung der Natur, welche die alte Kunſt durchdringt,
fuͤr die Arabeske eignet, welche in einem freien Hinuͤber-
ſpielen mathematiſcher Grundlinien in die Formen der or-
ganiſchen und vegetabiliſchen Natur zum Behufe der Ver-
zierung von Gebaͤuden und Geraͤthen beſteht: ſo wenig
war die Landſchaft, im modernen Sinne, der antiken
Kunſtweiſe angemeſſen; wir finden ſie erſt in einer
ſpaͤtern Periode, und in geringer Ausdehnung. Die2
Griechiſche Kunſt verlangt von ihren Gegenſtaͤnden ein
nahes Verhaͤltniß, einen engen Zuſammenhang des Lebens
und der Form, des Geiſtes und der Erſcheinung; Alles
erhaͤlt eben dadurch in ihr einen entſchiednen Charakter, eine
deutliche Phyſionomie. Der ahndungsvolle Daͤmmerſchein
des Geiſtes, mit welchem die Landſchaft uns anſpricht, mußte
den Alten nach ihrer Geiſtesrichtung kuͤnſtleriſcher Aus-
bildung unfaͤhig ſcheinen; ihre Landſchaften waren da-
her meiſt mehr ſcherzhaft als mit Ernſt und Gefuͤhl
entworfen; das Ergoͤtzende mannigfaltiger Bauten und
Anlagen und zahlreicher Figuren wird in den Herculani-
ſchen Bildern dem Ergreifenden einſamer Naturſcenen
uͤberall vorgezogen. Oft beſchaͤftigten auch ihre Na-3
turbilder durch eine landkartenaͤhnliche Ueberſicht ausge-
dehnter Gegenden eine wiſſenſchaftliche Aufmerkſamkeit,
und gaben eine Chorographie und Ethnographie in Bil-
dern.


39
[610]Syſtematiſcher Theil.

1. Das Alter der Arabeske beweiſen die Vaſen; ihre ſpätre
reiche Ausbildung Römiſche Wandmahlereien, §. 210 ff., Cande-
laber, §. 302, 3., u. andre Gefäße.


2. S. §. 209. Landſchaftlicher Art iſt das: Vetus pictum
Nymphaeum exhibens ed. Lucas Holstenius (ex aed.
Barberinis). R.
1676. Das Gemählde, Winck. M. I. 208.,
iſt ein Beiſpiel, wie viel Menſchenwerk und Menſchenleben die
Alten für die Landſchaft fordern. Doch wiſſen bisweilen die Al-
ten auch in einem kleinen Relief durch ein paar nur angedeutete
Bäume u. Felſen, einige kletternde Ziegen einen recht ländlichen
und einſamen Eindruck hervorzubringen, z. B. Bouill. iii, 57,
9.; ſolche Bildchen erinnern an die alte Rhopographie §.
163, 5.


3. S. bei Philoſtratos die Gemählde der ἕλη i, 9., das
höchſt ſinnreich gedachte des Boſporos i, 12. 13., der Inſeln ii, 17.
Gewiß hatten dieſe große Aehnlichkeit mit der Moſaik von Paleſtrina
§. 322, 5. Eine andre mehr mythologiſche Darſtellung von
Aegyptenland, auf der Farneſiſchen Schale §. 315, 5. Mil-
lingen U. M. ii, 17. Eine dritte halbkomiſche, Br. Mus.
Terrac.
36.


[[611]]

Druckfehler und Nachbemerkungen.


S. 23. Z. 2. Hinzuzufügen: A. v. Steinbüchel’s Abriß der
Alterthumskunde. Wien 1829. (auch Mythologie und eine geo-
graphiſche Münzkunde).


— 39. Z. 13. Hinzuzuf.: Richtig faßt die σιδήρου κόλ-
λησις des Glaukos auch Ramshorn de statuar. in Graecia
multitud. p. 19 sqq.;
ſie iſt von der Kunſt das Eiſen zu här-
ten und zu erweichen, σιδήρου στόμωσις καὶ μάλαξις, wegen
der Glaukos auch bewundert wurde (Plut. de def. or. 47), genau
zu ſcheiden.


— 45. Z. 15. Die Lücke iſt auszufüllen: §. 415.


— 50. Z. 1. v. u. Die Lücke iſt auszufüllen: §. 301. 321.


— 63. Z. 2. v. u. ſchr. Onatas.


— 64. Z. 31. Das Werk von Harris u. Angell heißt:
Sculptured Metopes discovered amongst the ruins of Se-
linus. 1826. f.


— 72. Z. 30. ſchr. σμαράγδου λίϑου.


— 74. Z. 1. Der Verf. thut ſich hier Unrecht, indem er
die Einſicht, daß die vielbeſprochnen Münzen mit dem eine Nymphe
raubenden Satyr Thaſiſch ſeien, von Payne-Knight ableitet.
Vielmehr war es, wie er in den Wiener Jahrb. xxxvi. S. 177.
nach ſeinen Erinnerungsblättern ganz richtig angegeben, ſein Ge-
danke, der ihm einfiel, als er bei Payne-Knight eine ſolche Münze
mit einem A auf der einen Seite ſah. Der treffliche und in nu-
mismatiſchen Studien höchſt erfahrene P.K. dachte damals an Ar-
gilos, aber verwarf es auch nicht ganz, als der Vf. meinte, es
könne auf der andern Seite ein Θ abgebrochen ſein, und dieſe
[612] Münzen-Claſſe dem durch Wein- und Metallreichthum gleich aus-
gezeichneten Thaſos gehören. In demſelben Jahre (1822) ſah der
Vf. im Cabinet du Roi zu Paris eine Münze der Art, welche
die deutliche Inſchrift ΘΑ hatte. Die dadurch geſicherte Entdeckung
ſprach der Vf. möglichſt einfach an der angegebnen Stelle der Wie-
ner Jahrbücher aus, überzeugt, daß Jeder, welcher das numisma-
tiſche Räthſel, welches dieſe Münzen bisher aufgegeben hatten, kennt,
die Auflöſung annehmen oder doch in weitre Ueberlegung ziehen
würde. Daß dieſe Münzen nach manchen andern Benennungen
neuerlich der Stadt Lete in Thracien zugeſchrieben worden ſind, er-
wähnte der Vf. als eine in den neuern Münzbüchern überall an-
gegebne Sache gar nicht, geſchweige daß er eine Meinung zu wi-
derlegen ſich bemüht hätte, die eine lange Reihe herrlicher Silber-
münzen, in denen die Kunſt von den bizarreſten Verſuchen zu der
zierlichſten Ausbildung des alten Styls emporſteigt (Beweis genug,
daß ſie einem Sitze Helleniſcher Kunſtübung angehören), einem ob-
ſcuren Thrakiſchen oder Makedoniſchen Orte, den wir ohne einige
ſpätre Geographen gar nicht kennen würden, zueignet. Auch wußte
er, daß die Münzen mit der Inſchrift Λεταιον, wie die eben ſo
zahlreichen, worauf Ωρησκιων oder Ορρησκιων ſteht, einen pfer-
defüßigen kentaurenartigen Satyr darſtellen (während der auf je-
nen Münzen menſchlich gebildet iſt), und in der Zeichnung der
Figuren nicht ſowohl das Gepräge des Alterthums als einer halb-
barbariſchen Fabrik zeigen (was auch durch Mionnets Descr. Plan-
ches 50. n.
2. 3. anſchaulich wird). Wie befremdet muß ſich
nun der Vf. fühlen, wenn ihn Herr Thierſch (über die Epochen
der Kunſt, der neuen Ausg. S. 79.) umſtändlich belehrt, daß dieſe
Münzen nach Seſtini von Lete ſeien (warum nicht eben ſo gut
von dem noch unbekannteren Orrheskos, deſſen Name dem von
Drabeskos und zahlreichen andern Thrakiſchen Orten gemäß gebil-
det iſt), und ein Stillſchweigen deſſen Grund doch nicht ſo
ſchwer zu errathen war, in eine Unwiſſenheitsſünde umwandelt, die
dem Vf., wenn er ihrer wirklich ſchuldig wäre das Recht nehmen
[613] würde, über Griechiſche Münzen noch ein Wort zu ſagen. Frei-
lich ſind Herrn Thierſch dieſe Münzen unbequem, und vermöchten
ihn, unbefangen betrachtet, durch den ſichtlichen Fortſchritt, den ſie
darlegen, vielleicht allein ſchon in der Meinung eines ſeit uralten Zei-
ten beſtehenden unwandelbaren Kunſtſtyls irre zu machen. Indeß iſt
es jetzt nicht mehr möglich, dieſe Satyr-Münzen, die ſo lebhaft
an die Bacchanale der älteſten Vaſen erinnern, für ein barbari-
ſches Werk zu erklären. Denn, wie der Vf. zu ſeiner ungemei-
nen Freude neulich gewahr geworden iſt, hat auch Mionnet, in
dem ſchon 1822 herausgegebenen zweiten Supplementbande ſeiner
Description de Médailles p. i u. 455., den Thaſiſchen Ur-
ſprung dieſer Münzen eingeſehn, und theils durch die berührte Auf-
ſchrift ΘΑ, theils durch Zuſammenſtellung mit andern un-
zweifelhaft Thaſiſchen völlig erhärtet. Ihm gebührt der ganze Ruhm
der Entdeckung, u. der Vf. hat nur das Vergnügen (wie bei den
Schildkröten-Münzen von Aegina), das, was er mehr aus hiſtori-
ſchen Gründen für ſich als nothwendig gefunden hatte, von den
Numismatikern auf ihre Weiſe bewieſen zu ſehn. Nur bemerkt
der Vf., daß von den Münzen, wo der Satyr knieend die Nymphe
auf dem Schooße hat, diejenigen, wo er ſchreitend die fliehende feſt-
hält (Mionnet Descr. Planches 40. Suppl. iii. pl. 6), welche
Mionnet (Suppl. iii. p. 80.) ebenfalls Lete zueignet, ſchwerlich zu
trennen ſind, und wohl keinem andern Orte mit ſolcher Wahr-
ſcheinlichkeit wie Thaſos zugeeignet werden können, da auf keiner
von dieſen Lete mit Sicherheit geleſen worden iſt.


Bei dieſem Anlaß kann es aber nicht unerwähnt bleiben, daß
dieſelbe Raſchheit, mit welcher Herr Thierſch in dieſer Sache Andre
in handgreiflichen Irrthümern befangen vorausſetzt, wohl auch man-
chen andern Stellen der neuen Ausgabe ſeiner Schrift über die
Kunſtepochen zum Schaden gereicht hat. Der Vf. ehrt jene offen-
herzige und kein Ding mit einem zu milden Namen benennende
Polemik, wie ſie ſich in den Nachträgen zu den einzelnen Abhand-
lungen auf eine ſo heitre Weiſe ausbreitet; doch dürfte auch unter
[614] andern guten Eigenſchaften der Griechen jene zurückhaltende Scho-
nung der eignen Kräfte, wovon Jacobs kürzlich ein beachtenswer-
thes Wort geſprochen, jene Scheu bei eifriger Verfolgung der eig-
nen Anſicht die Rechte des Andern im geiſtigen Verkehr zu kränken,
unter uns Nachfolge verdienen. Dies iſt es aber grade, was
an dieſer Polemik oft vermißt wird, die allgemeine Vorausſetzung,
daß der Gegner etwas Vernünftiges und Ueberlegtes ſage, die ru-
hige Erwägung ſeiner Behauptungen und Gründe, und das Be-
mühen ſie in ihrem Zuſammenhange richtig aufzufaſſen. Ein ſolches
Verfahren, wie wir es wohl von einander im gewöhnlichen geſelligen
Verkehr, um wie viel mehr im litterariſchen erwarten, in welchem
ſonſt ſich Mißverſtand auf Mißverſtand häuft, würde Herrn Thierſch
gewiß vor manchen Fehlgriffen behütet haben. Der Vf. will einige
Beiſpiele anführen, welche nicht äſthetiſche, ſondern hiſtoriſche Punkte
betreffen, worüber es doch im Ganzen leichter iſt ſich zu verſtän-
digen. Wenn Herr Thierſch mit einer dem Intereſſe der Sache an-
gemeſſnen Sorgfalt beachtet hätte, was Hirt über die Samiſche
Künſtlerſchule und das Epheſiſche Heiligthum geſchrieben: ſo hätte
er die Erbauer dieſes Heiligthums, zu welchem nach dem von Hirt mit
Recht zum Grunde gelegten Herodotiſchen Zeugniß Kröſos die mei-
ſten Säulen ſchenkte, gewiß nicht um den Anfang der Olympiaden
ſetzen können (S. 137. 182), und ſeine Meinung von dem hohen
Alterthum der Samiſchen Schule aufgeben oder ſehr modificiren
müſſen, die ihn jetzt unter andern nöthigt, den Rheginer Learchos
lange vor den Anfang der Olympiaden zu ſetzen (S. 47.), d. h.
Jahrhunderte früher ehe die Chalkidier Rhegion gründeten. Hätte
H. Th. die ihm nicht unbekannt gebliebne Abhandlung des Vf. de
Phidiae vita
einer größern Aufmerkſamkeit und einer ruhigern Er-
wägung gewürdigt: ſo würde er, Anderes zu geſchweigen, dem Vf.
nicht die Meinung zuſchreiben (S. 115), Phidias Geburtszeit
treffe auf Ol. 70 (ſtatt 73), durch welche Veränderung freilich die
übrigen Rechnungen des Vf. ohne deſſen Schuld in große Confu-
ſion gerathen und leicht widerlegbar werden; er würde auch (S.
[615] 130) nicht fragen, wer denn den Alkamenes einen Inſulaner
nenne, da es dort (S. 40) genau angegeben iſt, und auch nicht
einen Lemnier in einen Limnier verwandeln, dergleichen es nie ge-
geben hat. In chronologiſchen Beſtimmungen möchte überhaupt
die vermißte Behutſamkeit am meiſten nöthig ſein, damit nicht,
wie S. 420, eine Begebenheit, “gegen Ol. 40, 4, vor Chr. 532.,
in das Zeitalter des Pythagoras„ geſetzt werde, von welchen Da-
ten das zweite und dritte um volle zwanzig Olympiaden vom er-
ſten abliegen.


Aber in dieſen und ähnlichen Stellen, denn die angeführten
ſtehen wirklich nur beiſpielsweiſe hier, hat das Verfahren von H.
Th., wenn es auch immer der Haltbarkeit ſeiner Unterſuchungen
ſchadet, doch einen durchaus gutartigen Charakter; und man kann
ihm nicht zürnen, wenn er mit einem im Laufe der Rede immer
ſteigenden Eifer und einer glänzenden Redefülle, ohne allen Arg-
wohn einer verborgnen Gefahr, ſeine Anſichten über eine Materie
auseinanderſetzt, bei der ihm nur grade ein Hauptpunkt entgangen
iſt. Dagegen giebt es eine Stelle (aber auch nur eine, ſo viel der
Vf. bemerkt hat), wo wenigſtens der Verdacht ſehr natürlich iſt,
daß H. Th. eine an ſich höchſt verwickelte Unterſuchung abſichtlich
zu verwirren ſuche. Auf jeden Fall iſt die Sache ſehr wunder-
lich. H. Th. hatte eine Lehrer- u. Schüler-Folge von dem Künſt-
ler Ariſtokles bis Pantias in fünf Gliedern aufgeſtellt; der Vf.
hatte ihn darauf aufmerkſam gemacht, daß unter dieſen das
dritte und vierte in keinem nachweisbaren Zuſammenhange ſtehen,
und hier eine Lücke in der Reihenfolge angenommen werden müſſe,
indem nach ſichrem Zeugniß Pantias der ſiebente vor Ariſtokles
war; H. Th. geſteht nun auch jetzt, daß wir hier nur zwei Bruch-
ſtücke einer Künſtler-Succeſſion haben, aber macht durch ein ei-
genthümliches Kunſtſtück aufs ſchnellſte ein Ganzes daraus, indem
er ſagt: “Knüpfen wir nun dieſe beiden Bruchſtücke von Kunſtge-
nealogieen zuſammen” Doch wer über dieſen Gegenſtand ordent-
lich richten will, muß durchaus das in der erſten Auflage der Epo-
[616] chen, Abh. ii. Anm. S. 82., dann die Recenſion in den Wie-
ner Jahrb. xxxix. S. 133, u. nun die neue Behandlung S. 278.
im Zuſammenhang nachleſen; er wird finden, daß ſich wirklich in
dieſer Manier eben ſo gut beweiſen läßt, daß Tarquinius Superbus
der fünfte König von Romulus war. Denn wir haben ja eine
Folge: Romulus, Numa, Tullus, und dann wieder: Servius,
Tarquinius Superbus; knüpfen wir nun dieſe beiden Bruchſtücke zu-
ſammen: ſo erhalten wir u. ſ. w.


— 92. Z. 9. Die Lücke iſt auszufüllen §. 311.


— 98. Z. 15. ſchr. mit Hirſchen heranfahrend.


— 140. Z. 7. ſchr. (Ῥοδιακός).


— — — 17. ſchr. κοινὸν Μακεδόνων).


— 155. Z. 7. Hinzuzuf.: dieſe Voyage archéologique
iſt 1829 mit 16 Steindrucktafeln erſchienen.


— 156. Z. 8. ſchr. T. iii. t. 7.


— 164. Z. 13. ſchr. Rom vor 606.


— 177. Z. 2. ſchr. Eherne Balken tragen das Dach der
Vorhalle,


— 191. Z. 3. v. u. ſchr. Oberleibe.


— 192. Z. 27. ſchr. currus.


— 196. Z. 14. ſchr. 203.


— 198. Z. 1. v. u. ſchr. das Lob andrer Werke.


— 199. Z. 2. ſchr. der Nennung werth.


— 221. Z. 10. Hinzuzuf.: An die Hieroglyphics ſchließt
ſich die Abhandlung in den Transactions of the R. Soc. of
Literat. I, i. p.
203 über Aegyptiſche Denkmäler von Yorke u.
Leake, mit 20 Tafeln.


— 223. Z. 8. ſchr. Thoytmos II,


— 225. Z. 25. Ibſambul hieß im Alterthum nach der In-
ſchrift von Pſammetichos Kerkis.


[617]

S. 235. Z. 13. Hinzuzuf.: S. Montfaucon Ant. expl.
iii. pl.
187.


— 249. Z. 37. ſchr. ſäugende Iſis.


— 264. Z. 7. Hinzuzuf.: Eichhorn de Gemmis scalptis
Hebr.
in den Commentatt. Soc. Gott. rec. ii. p. 18.


— 299. Z. 23. Bei der noch immer werthvollen Relief-
ſammlung, Admir. Romae, iſt die erſte Ausgabe von Jac. de
Rubeis, 81 Tafeln, u. die zweite von Domen. de Rubeis, 1693
erſchienen, 83 Tafeln, mit Auslaſſung der Bildwerke von den
Triumphbögen, wohl zu unterſcheiden.


— 302. Z. 1. v. u. Hinzuzuf.: Ueber die Gallerie von
Parma ein Bericht im Berliner Kunſtbl. 1820 Jan. S. 14.


— 311. Z. 4. Hinzuzuf.: Die Lambergſche Vaſenſammlung
iſt nun ſchon ſeit geraumer Zeit kaiſerlich. Laborde’s Werk dar-
über §. 301, 4.


— 311. Z. 2. v. u. Hinzuzuf.: Ueber die Römiſchen Rui-
nen bei Heddernheim ſ. Habel in den Annalen für Naſſauiſche Alter-
thumsk. H. i. S. 45.


— 312. Z. 11. Hinzuzuf.: Wielandt Beiträge zur älteſten
Geſch. des Landſtrichs am rechten Rheinufer von Baſel bis Bruch-
ſal. 1811.


— 321. Z. 8. ſchr. Einziehung.


— 337. Z. 26. Hinzuzuf.: Vgl. §. 280, 5.


— 357. Z. 20. ſchr. Dazu gehört.


— 359. Z. 13. ſchr. Dafür ἀμφιφ.


— 361. Z. 12. ſchr. λάρναξ.


— 376. Z. 11. Hinzuzuf.: Auch Wachsmahlerei an den
Haaren von Statuen muß nach Chäremon bei Athen. xiii. p. 608.
gewöhnlich geweſen ſein.


— 381. Z. 13. ſchr. 314.


— 425. Z. 1. v. u. ſchr. aufgehakt (oder aufgehäkelt)


[618]

S. 448. Z. 8. ſchr. 352.


— 460. Z. 32. ſchr. Haym Thes. Br.


— 476. Z. 28. Dies Relief findet ſich jetzt bei Millingen
U. M. ii, 16.


— 498. Z. 3. ſchr. §. 373, 2.


— 506. Z. 26. ſchr. der Ludoviſiſche H.


— 541. Z. 4. ſchr. Paſſeri Luc.


— 544. Z. 26. ſchr. Heliaden.


— 557. Z. 20. ſchr. Malachbel (wenn dies ein Gott iſt) u.
Aglibul von Palmyra.


— 563. Die Randzahl 6 iſt fünf Zeilen niedriger zu ſtellen.


— 564. Z. 26. ſchr. 5. Mit Zeichen.

[][][]

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Handbuch der Archäologie der Kunst. Handbuch der Archäologie der Kunst. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bp5b.0